132 67 7MB
German Pages 1724 Year 2012
Mössner u.a.
Steuerrecht international tätiger Unternehmen
Steuerrecht international tätiger Unternehmen Handbuch der Besteuerung von Auslandsaktivitäten inländischer Unternehmen und von Inlandsaktivitäten ausländischer Unternehmen von
Prof. Dr. Jörg Manfred Mössner em. Universitätsprofessor, Steuerberater, Wallenhorst
Prof. Dr. Hubertus Baumhoff Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Dipl.-Kaufmann, Bonn Honorarprofessor an der Universität Siegen
Dr. Jan Dyckmans Rechtsanwalt, Frankfurt
Benjamin Engel Dipl.-Wirtschaftsjurist, Siegen
Dr. Udo Henkel Rechtsanwalt und Steuerberater, München
Dr. David Hummel Akademischer Rat, Juristenfakultät, Universität Leipzig
Jan Christoph Kubicki Mag. jur. Rechtsanwalt, Frankfurt
Jürgen Kuhn Steuerberater, Dipl.-Kaufmann, Frankfurt
Dr. Daniel Liebchen Steuerberater, Dipl.-Kaufmann, Bonn
Thomas Menck Ministerialrat a.D., Bonn
Dr. Marcus Mick, LL.M. Rechtsanwalt und Steuerberater, Frankfurt
Dr. Thomas Schänzle Steuerberater, Dipl.-Kaufmann, Frankfurt
Prof. Dr. Günther Strunk Steuerberater, Dipl.-Kaufmann, Hamburg
4. völlig überarbeitete und erweiterte Auflage
2012
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dub.d-nb.de abrufbar.
Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-26039-2 ©2012 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln
Das Werk eiuschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetztmgen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Jan P. Lichtenford, Mettmann Satz: WMTP, Birkenau Druck und Verarbeitung: Kösel, Krugzell Printed in Gerrnany
Vorwort zur 4. Auflage In Zeiten gravierender Veränderungen im internationalen Steuerrecht legen Autoren und Verlag die 4. Auflage des in der Praxis bewährten Werkes „Steuerrecht international tätiger Unternehmen“ vor. Ein Rückblick auf die Entwicklung dieses Buches belegt, wie ausdifferenziert und kompliziert dieses Rechtsgebiet geworden ist. Die steuerliche Gestaltung grenzüberschreitender Geschäftsbeziehungen erlebte in den vergangenen Dezennien immer ausgefeiltere Strukturen. Dies rief und ruft die nationalen Steuergesetzgeber auf den Plan, mit immer komplexeren, steuergesetzlichen Regelungen zu reagieren. Da dies jeweils unabgestimmt in Ausübung der von den Staaten hochgehaltenen Steuersouveränität geschieht, eröffnen sich immer neue Spielräume für Gestaltungen, auf die noch komplexere gesetzliche Reaktionen erfolgen, die dann wieder neue Gestaltungen ermöglichen. Der Vorgänger unseres Handbuchs, in der 1. Auflage von Hohensee alleine verfasst, konnte 1961 das gesamte Gebiet thematisch abdecken und auf ca. 100 Seiten behandeln. Bereits die 1970 erschienene zweite Auflage bedurfte der Mitwirkung eines weiteren Autors, wuchs auf das Dreifache und erschien als Hohensee/Bellstedt. Bellstedt hat dann die 3. Auflage 1973 alleine mit ungefähr 500 Seiten verfasst. Bei der Planung der vierten Auflage erwies es sich, dass der Rechtsstoff so stark angewachsen war, dass Bellstedt der Unterstützung durch einen weiteren Autor bedurfte. Seine Erkrankung zwang ihn, die Bearbeitung der Neuauflage aufzugeben. Gemeinsam mit dem Verlag suchte ich dann neue Autoren. Mit der Fortführung im Jahre 1992 waren es dann neun Autoren, die den Stoff auf ca. 700 Seiten darstellten. Zwar wurde im Grundsatz das bewährte Konzept beibehalten, in den Details jedoch erfolgte eine völlige Neufassung, so dass das Werk unter einem neuen Namen in erster Auflage erschien. Wenn man so will, könnte die nunmehr vorgelegte vierte Auflage unter Einbeziehung der Vorauflagen auch als siebte Auflage bezeichnet werden. Im Verhältnis zur Vorauflage ist die aktuelle Auflage um mehr als ein Drittel, zur ersten Auflage 1992 um mehr als das Doppelte angewachsen. Auch dies ist ein deutlicher Beleg für die immer komplexer werdende Struktur dieses Rechtsgebietes. Bereits in der Vorauflage hat in Teilen Wechsel in der Autorenschaft stattgefunden. Dies hat sich nun fortgesetzt. Von den acht Autoren der 1992er Auflage sind noch vier „an Bord“ (Baumhoff, Henkel, Menck, Mössner). Die Autoren Piltz und Stadie, die von Anfang an dabei waren und das Werk bisher wesentlich mitgeprägt haben, sind ausgeschieden und nicht mehr an dieser Auflage beteiligt. Ihnen möchte ich herzlich danken. Auch Ihnen verdankt das Buch seinen guten Ruf in der Vergangenheit. Sieben neue Autoren sind hinzugekommen, die die Beiträge der ausgeschiedenen Autoren fortführen, aber auch neue Gedanken bzw. neue Beiträge beisteuern. Dies führt naturgemäß nicht nur zu einer Überarbeitung und Aktualisierung der Vorauflage. In weiten Teilen sind Gliederung, V
Vorwort zur 4. Auflage
Darstellung und thematische Schwerpunktsetzung grundlegend verändert worden. So ist beispielweise das bereits in den Vorauflagen angesprochene Europarecht deutlich vertieft worden. Die Aspekte der Finanzierung internationaler Unternehmen haben ein eigenes Kapitel erhalten. Und dennoch: das Werk ist seinem Charakter eines Grundlagenwerks treu geblieben. Immer wieder bestätigen seine Nutzer, dass es das Buch des ersten Zugriffs ist, da es einerseits Grundlagen ausführlich darstellt, aber andererseits auch so eingehend Einzelfragen behandelt, dass sich meist die in der Praxis auftretenden Probleme lösen lassen. In jedem Fall streben die Autoren an, dem Leser so viel an die Hand zu geben, dass er bei verbleibenden Fragen sachkundig die spezialisierte Literatur heranziehen kann. Hierzu dienen auch die intensiven Hinweise auf die weiterführende Literatur. So soll auch diese Auflage wie ihre Vorgängerinnen ein bewährtes Hilfsmittel für die tägliche Praxis werden. Ein Buch reflektiert den Rechtszustand im Augenblick des Redaktionsschlusses. Angesichts der geradezu hektischen Entwicklung des Gebietes des internationalen Steuerrechts gibt es keinen Augenblick des Verweilens, an dem eine Auflage mit Aussicht auf eine längere Aktualität in all ihren Teilen erscheinen kann. So erscheint sie notwendigerweise mitten im Fluss der Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltungsanordnungen mit dem Stand im Wesentlichen von Juni 2012. Welche Änderungen das JStG 2013 bringen wird, lässt sich noch nicht sicher absehen. Wo erforderlich, sind die denkbaren Veränderungen berücksichtigt. Da die Autoren sich nicht nur um Aktualität, sondern auch um die Darstellung der Grundlagen bemühen, dürfte dem geneigten Leser die Einordnung von Neuerungen nicht schwer fallen. Meinen Mitautoren möchte ich für die intensive und gute Zusammenarbeit danken. Es ist nicht einfach, alle Teile ungefähr auf dem Stand gleicher Aktualität zu halten. Dass dies gelungen ist, erforderte erheblichen Einsatz aller. Dem Verlag und hier besonders Herrn Kunze danke ich herzlich für die hervorragende verlegerische Betreuung. Herr van Lück (Institut für Steuerrecht Universität Osnabrück) hat das Stichwortverzeichnis gefertigt, wofür ich ihm danke. So begleitet auch diese Auflage mein Wunsch, dass es sich für seine Leser als wertvoller Lotse in den Untiefen des internationalen Steuerrechts, soweit es für Unternehmen bedeutsam ist, wie seine Vorauflagen bewähren möge. Osnabrück, im August 2012
VI
Prof. Dr. Jörg Manfred Mössner
Inhaltsübersicht Seite
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V
Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XI
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XLV Gesamtliteraturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
LIII
1. Teil: Grundlagen Rz.
Seite
1.1 1.16 1.30
1 20 26
1.53
40
1.84 1.95 1.171
61 66 105
Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht A. B. C. D.
Grenzüberschreitendes Wirtschaften (Menck) . . . . . . . Internationale Steuerkoordination (Menck) . . . . . . . . . Direkte Besteuerung im internationalen Raum (Menck) Direkte Besteuerung der international tätigen Unternehmen (Menck) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Die Gesamtentwicklung der Koordination im internationalen Steuerraum (Menck) . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Einfluss des Europarechts (Mössner) . . . . . . . . . . . . . . . G. Qualifikationskonflikte (Mössner) . . . . . . . . . . . . . . . .
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung (Mössner) A. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Persönliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Unilaterale Beseitigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Beseitigung der Doppelbesteuerung durch Staatsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
....
2.1
126
....
2.12
132
.... ....
2.84 2.244
169 268
....
2.418
333
2. Teil: Internationale Verrechnungspreise Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen (Baumhoff) A. Grundlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Methoden der Verrechnungspreisermittlung . . . . . . . . D. Verrechnungspreisermittlung bei ausgewählten Lieferungs- und Leistungsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . .
3.1
378
3.6 3.169
381 482
3.239
526
VII
Inhaltsübersicht
E. Vorteilsausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Dokumentationspflichten im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rz.
Seite
3.329
604
3.337
611
3.442
675
4.1
694
4.34
713
Kapitel 4 Betriebsstättengewinnabgrenzung (Strunk) A. Notwendigkeit und Bedeutung von Gewinnermittlung und -abgrenzung für die internationale Unternehmenstätigkeit von Betriebsstätten und Personengesellschaften . B. Verfahrens- und materiellrechtliche Grundlagen zur Buchführungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Teil: Auslandsaktivitäten inländischer Unternehmen (Outbound-Investitionen) Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften (Schänzle/Engel) A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Grundsätzliches zur Besteuerung ausländischer Personengesellschaften und ihrer inländischen Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Laufende Besteuerung inländischer Gesellschafter einer ausländischen Personengesellschaft . . . . . . . D. Gründung und Erwerb einer ausländischen Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Ermittlung der Einkünfte der ausländischen Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Beendigung und Strukturwechsel . . . . . . . . . . . . . .
...
5.1
782
...
5.8
785
...
5.23
793
...
5.173
854
... ...
5.185 5.251
858 881
Kapitel 6 Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften (Henkel) A. Subjektive Steuerpflicht ausländischer Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Erwerb von Anteilen an einer ausländischen Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Besteuerung im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Laufende Besteuerung im Inland . . . . . . . . . . . E. Veräußerung und Liquidation . . . . . . . . . . . . . .
......
6.1
891
. . . .
6.23 6.38 6.63 6.146
902 907 916 946
A. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Tatbestand und Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.1
958
7.41
970
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
Kapitel 7 Hinzurechnungsbesteuerung (Henkel)
VIII
Inhaltsübersicht
4. Teil: Inlandsaktivitäten ausländischer Unternehmen (Inbound-Investitionen) Rz.
Seite
Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften (Mick/Dyckmans)* A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Grundzüge der Besteuerung ausländischer Gesellschafter inländischer Personengesellschaften . . . . . . . C. Erwerb von Anteilen an einer inländischen Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Ermittlung der (inländischen) Einkünfte des ausländischen Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Thesaurierungsbesteuerung, § 34a EStG . . . . . . . . . . . F. Beendigung und Strukturwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . G. Verfahrensfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
.
8.1 1009
.
8.6 1012
.
8.118 1065
. . . .
8.122 8.176 8.188 8.203
1068 1094 1098 1105
9.1 9.7 9.9 9.66 9.70
1108 1110 1112 1134 1136
Kapitel 9 Beteiligung an inländischen Kapitalgesellschaften (Henkel) A. Subjektive Steuerpflicht der inländischen Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Erwerb einer inländischen Kapitalgesellschaft C. Besteuerung im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Besteuerung im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Veräußerung und Liquidation . . . . . . . . . . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
5. Teil: Internationale Umwandlungen und Finanzierungen Kapitel 10 Internationale Umwandlungen (Henkel) A. B. C. D. E.
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verschmelzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Formwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grenzüberschreitende Einbringungen in Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. 10.1 1145 . 10.58 1167 . 10.144 1196 . 10.161 1202
. . . . . 10.170 1205
Kapitel 11 Grenzüberschreitende Finanzierung international tätiger Unternehmen (Kuhn/Kubicki) A. Finanzierungsmöglichkeiten eines Unternehmens und Entscheidungsparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.1 1228
* Dieses Kapitel wurde von der 1. bis zur 3. Auflage von Herrn Prof. Dr. Piltz bearbeitet.
IX
Inhaltsübersicht Rz.
Seite
B. Ausgewählte Instrumente der grenzüberschreitenden Unternehmensfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.18 1235 C. Steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen der grenzüberschreitenden Unternehmensfinanzierung 11.115 1275
6. Teil: Internationales Steuerverfahrensrecht und Umsatzsteuerrecht bei Auslandsbeziehungen Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht A. Besteuerungsvollzug im internationalen Steuerrecht (Menck) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Kontrollmaßnahmen und Kooperation der Steuerverwaltungen (Menck) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Internationale Unternehmenstätigkeit im deutschen Verfahrensrecht (Menck) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Die Prüfung international tätiger Unternehmen durch die deutsche Steuerverwaltung (Menck) . . . . . . E. Internationale Ermittlungshilfe (Auskunftsaustausch auf Ersuchen) (Menck) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Austausch spontaner und automatischer Auskünfte (Menck) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Verständigungsverfahren und Konsultation (Menck) . H. Advance Pricing Agreements (APA) (Liebchen) . . . . . I. Schiedsverfahren (Liebchen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . J. Kooperation und Abstimmung bei Außenprüfungen (Menck) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . K. Internationale Rechtshilfe in Steuerstrafsachen (Menck) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . L. Amtshilfe durch Zustellung und Vollstreckung (Menck) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
.
12.1 1283
.
12.6 1287
.
12.11 1290
.
12.18 1295
.
12.21 1298
. 12.33 . 12.38 . 12.50 . 12.105
1307 1309 1318 1352
. 12.187 1403 . 12.191 1406 . 12.196 1409
Kapitel 13 Umsatzsteuerrecht bei Auslandsbeziehungen (Hummel) A. B. C. D.
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.1 1414 Lieferungen und sonstige Leistungen in das Ausland . . 13.35 1429 Vergütung von Vorsteuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.362 1570 Betriebsstätten und Tochtergesellschaften im Umsatzsteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.405 1589 E. Internationale Doppelbesteuerung auf dem Gebiet des Umsatzsteuerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.441 1607 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1613
X
Inhaltsverzeichnis Seite
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V
Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VII
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XLV
Gesamtliteraturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
LIII
1. Teil: Grundlagen Rz.
Seite
. . . .
1.1 1.1 1.9 1.11
1 1 6 8
B. Internationale Steuerkoordination . . . . . . . . . . . . . . .
1.16
20
I. Begriff und Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausgleichssysteme der wichtigsten Abgabearten . . . . III. Internationalisierung und Besteuerungssystematik . .
1.16 1.19 1.27
20 22 25
Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht A. I. II. III.
Grenzüberschreitendes Wirtschaften . . . . . . . . Unternehmen und internationaler Steuerraum . Grundlagen der Steuerkoordination . . . . . . . . . Stellung der Bundesrepublik Deutschland . . . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
C. Direkte Besteuerung im internationalen Raum . . . . .
1.30
26
I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Systemverbindung durch DBA . . . . . . . . . . . III. Systemintegrierende Funktionen der DBA . . 1. Extraterritoriale Besteuerung . . . . . . . . . . 2. Diskriminierung und Überbesteuerung . . 3. Abzugssteuern und Kostenprogression . . . 4. Wirtschaftliche Doppelbelastung . . . . . . . IV. Europäisches Recht und direkte Besteuerung
. . . . . . . .
1.30 1.33 1.41 1.42 1.45 1.46 1.47 1.48
26 28 34 34 35 36 37 37
D. Direkte Besteuerung der international tätigen Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.53
40
. . . .
1.53 1.54 1.55 1.60
40 41 41 44
..
1.61
45
..
1.64
47
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
I. Unternehmensstrukturen: Einheitsunternehmen, Konzern, Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einheitsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konzerne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Allgemeine Belastungsverhältnisse, Kapitalimportund Kapitalexportneutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Regelungsdefizite der DBA und internationale Funktionsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . .
XI
Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
.. .. ..
1.68 1.69 1.71
49 50 51
.. .. ..
1.73 1.75 1.80
52 53 56
E. Die Gesamtentwicklung der Koordination im internationalen Steuerraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.84
61
IV. Besteuerungsneutralität im internationalen Steuerraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eigen- und Fremdfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . 3. Über- und Minderbesteuerung durch Rechtsverwerfung und Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Steuerung der Unternehmensbelastung . . . . . . . . . VI. Planungsbegrenzendes Recht . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. „Wettbewerb der Steuerrechte“ und internationale Unternehmensbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Systemansätze und -entwicklungen der Steuerkoordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.84
61
1.87 1.92
63 65
F. Einfluss des Europarechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.95
66
I. Primäres und sekundäres Unionsrecht . . . . . . . . . . . . 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Binnenmarkt und Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rolle des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Überblick über die Grundfreiheiten . . . . . . . . . c) Diskriminierungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Beschränkungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Prüfung der Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verletzung des Schutzbereichs . . . . . . . . . . bb) Rechtfertigungsgründe für Schutzbereichsverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verhältnis Europäisches Recht – nationales Recht . II. Unbeschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Welteinkommen insbes. Ausländische Einkünfte . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausländische Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konzernbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Niederlassungsfreiheit oder Kapitalverkehrsfreiheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konzernbesteuerungssysteme . . . . . . . . . . . . . . c) Folgerungen für eine grenzüberschreitende Organschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grenzüberschreitende Dividenden . . . . . . . . . . . . . a) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Besteuerung der ausschüttenden Gesellschaft . .
1.95 1.95 1.97 1.98 1.99 1.99 1.101 1.102 1.105 1.107 1.107
67 67 68 69 69 69 71 71 72 74 74
1.111 1.112 1.113 1.115 1.115 1.115 1.116 1.125
75 77 78 79 79 79 79 84
1.125 1.127
84 85
1.130 1.134 1.134 1.135
87 89 89 90
XII
Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
c) Besteuerung der Dividende im Quellenstaat . . . d) Besteuerung der Dividende im Empfängerstaat . e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Wegzugsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Hinzurechnungsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Beschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einkünfteermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inländische Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verlust der Betriebsstätte . . . . . . . . . . . . . . bb) Verluste des Stammhauses . . . . . . . . . . . . . 2. Vergünstigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Steuersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.138 1.143 1.147 1.148 1.150 1.158 1.161 1.161 1.161
91 93 94 95 95 100 101 101 101
1.164 1.164 1.166 1.169 1.170
103 103 103 104 105
G. Qualifikationskonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.171
105
I. Auslegung und Anwendung von DBA (Grundzüge) . 1. Auslegung von DBA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendung von DBA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Person im Sinne des Abkommens . . . . . . . . . b) Ansässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nationales Steuerrecht und DBA . . . . . . . . . II. Formen der Qualifikationskonflikte . . . . . . . . . . . . 1. Grundfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Definition von Qualifikationskonflikt . . . . . . . . a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Situationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Behandlung der Qualifikationskonflikte . . . . . . a) Gesellschafter in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einkünfte aus dem Sitzstaat der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einkünfte aus Deutschland . . . . . . . . . . cc) Einkünfte aus einem Drittstaat . . . . . . . dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesellschafter im Ausland ansässig . . . . . . . aa) Im Staat der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . bb) In einem Drittstaat . . . . . . . . . . . . . . . . c) Folgeprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . .
1.171 1.171 1.176 1.177 1.179 1.182 1.183 1.183 1.184 1.184 1.188 1.190
105 105 108 109 110 111 112 112 113 113 115 117
..
1.190
117
. . . . . . . .
. . . . . . . .
1.190 1.192 1.193 1.194 1.195 1.195 1.196 1.197
117 119 121 121 122 122 122 123
A. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1
126
B. Persönliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.12
132
. . . . . . . . . . . .
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
XIII
Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
. . . . . . . . . . . . . . .
2.12 2.14 2.14 2.16 2.19 2.21 2.28 2.30 2.33 2.44 2.49 2.49 2.53 2.63 2.66
132 132 132 134 134 136 140 141 143 150 152 152 154 159 160
C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.84
169
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.84 2.92 2.95 2.95 2.97 2.100 2.103 2.106 2.110 2.116 2.117 2.136 2.150 2.151 2.156 2.174 2.174 2.175 2.189 2.201
169 173 175 175 176 178 180 181 185 190 191 201 207 214 216 227 227 228 238 243
... ...
2.204 2.215
245 250
... ... ...
2.228 2.235 2.237
257 261 263
I. Unbeschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . II. Einzelunternehmen und Personengesellschaften 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wohnsitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . b) Begründung des Wohnsitzes . . . . . . . . . . . c) Aufgabe des Wohnsitzes . . . . . . . . . . . . . . 4. Gewöhnlicher Aufenthalt . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ansässigkeit im DBA-Recht . . . . . . . . . . . . . III. Körperschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begriff der Körperschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . .
I. Beschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Steuersubjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einkünfte aus Gewerbebetrieb . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gewerbliche Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Betriebsstättenbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Objektive Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Subjektive Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Funktionale Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . d) Tochtergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Aufzählung von Betriebsstätten . . . . . . . . . f) Betriebsstätte im Abkommensrecht . . . . . . g) Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Betriebsstätte und elektronischer Handel . . 4. Ständiger Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Einkünfte aus Kapitalvermögen . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Dividenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stille Gesellschaft und partiarisches Darlehen 4. Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Einkünfte aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Lizenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Einkünfte aus dem Betrieb von Schiffen und Luftfahrzeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Geschäftsführertätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Isolierende Betrachtungsweise . . . . . . . . . . . . . . .
XIV
. . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
D. Unilaterale Beseitigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.244
268
I. Begriff und Ursachen der Doppelbesteuerung . . . . . . . 1. Internationale juristische Doppelbesteuerung . . . . 2. Wirtschaftliche Doppelbesteuerung . . . . . . . . . . . . 3. Internationale Doppel-Nichtbesteuerung . . . . . . . . II. Bedeutung des Doppelbesteuerungsbegriffs . . . . . . . . . III. Methoden zur Beseitigung der Doppelbesteuerung . . . 1. Freistellungsmethode (exemption) . . . . . . . . . . . . . 2. Anrechnungsmethode (tax credit) . . . . . . . . . . . . . 3. Abzug ausländischer Steuer von der Bemessungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Erlass, Teilerlass, Ermäßigung, Pauschalierung . . . IV. Beseitigung der Doppelbesteuerung bei der Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Regelungsinhalt des § 34c EStG . . . . . . . . . . . . . . . 3. Übersicht über § 34c EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verhältnis des § 34c EStG zu den DBA . . . . . . . . . . 5. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . 6. Sachlicher Anwendungsbereich, Vergleichbarkeit der Steuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Regelung des § 34c EStG im Einzelnen . . . . . . . . . a) Steueranrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abzug der ausländischen Steuer von der Bemessungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Pauschalierung und Erlass der deutschen Einkommensteuer auf ausländische Einkünfte . 8. Ausländische Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Vermeidung der Doppelbesteuerung bei beschränkt Steuerpflichtigen (§ 50 Abs. 3 EStG) . . . . . . . . . . . . a) Anrechnung und Abzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Pauschalierung und Erlass . . . . . . . . . . . . . . . . V. Beseitigung der Doppelbesteuerung bei der Körperschaftsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Übersicht über die Methoden des § 26 KStG . . . . . 3. Verhältnis des § 26 KStG zu den Doppelbesteuerungsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Direkte Steueranrechnung gemäß § 26 Abs. 1 KStG 5. Steuerabzug gemäß § 26 Abs. 6 KStG . . . . . . . . . . . VI. Beseitigung der Doppelbesteuerung bei der Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Übersicht über die unilateralen Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei der Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.244 2.245 2.249 2.251 2.253 2.255 2.257 2.260
268 268 270 270 272 272 273 275
2.264 2.265
276 277
2.266 2.266 2.268 2.269 2.270 2.278
277 277 277 278 278 282
2.285 2.289 2.289
285 287 287
2.318
302
2.333 2.357
307 312
2.373 2.373 2.377
319 319 321
2.378 2.378 2.380
321 321 322
2.382 2.388 2.405
323 325 328
2.411 2.411
330 330
2.414
331 XV
Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
2.418
333
.. ..
2.419 2.419
333 333
. . . .
. . . .
2.427 2.427 2.439 2.449
338 338 341 343
. . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . .
2.453 2.453 2.455 2.458 2.459 2.459 2.465 2.468 2.477 2.481 2.485 2.493 2.512
344 344 345 346 347 347 349 351 356 357 358 360 367
3.1 3.1
378 378
3.2
379
3.4
380
.. ..
3.6 3.6
381 381
.. .. ..
3.10 3.10 3.19
384 384 388
E. Beseitigung der Doppelbesteuerung durch Staatsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wesen und Geltungsbereich der Staatsverträge auf steuerlichem Gebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wesen der Doppelbesteuerungsabkommen . . . . 2. Geltungsbereich der Doppelbesteuerungsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . b) Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . c) Räumlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . II. Verhältnis der Doppelbesteuerungsabkommen zum nationalen Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kein Vorrang der DBA vor Bundesgesetzen . . . . 2. Treaty overriding . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Prüfungsreihenfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anwendung der Freistellungsmethode . . . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirkung im innerstaatlichen Recht . . . . . . . . . . 3. Bedingte Freistellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Folgen der Freistellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Steueranrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Auslandsverluste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Progressionsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Auswirkung der DBA auf die Gewerbesteuer . . . . .
2. Teil: Internationale Verrechnungspreise Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen A. Grundlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Begriff, Funktion und Bedeutung internationaler Verrechnungspreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Internationale Verrechnungspreise im Spannungsfeld zwischen internationalen Gewinnverlagerungen und internationaler Doppelbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kodifizierung des Fremdvergleichs im deutschen internationalen Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick der Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . 2. Verdeckte Gewinnausschüttung . . . . . . . . . . . .
XVI
Inhaltsverzeichnis
a) Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verdeckte Einlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlage zwischen Schwestergesellschaften . . . . . . 5. § 1 Außensteuergesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Konkurrenzverhältnis zur vGA und verdeckten Einlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verhältnis zum Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . 6. Gewinnberichtigungsvorschriften der Doppelbesteuerungsabkommen i.S. des Art. 9 OECD-MA . . III. Merkmale des Fremdvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unabhängigkeit der Geschäftspartner . . . . . . . . . . a) Tatsächliche Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . b) Fiktive Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vergleichbarkeit der Verhältnisse . . . . . . . . . . . . . . a) Vorüberlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grad der Vergleichbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Uneingeschränkte versus eingeschränkte Vergleichbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Direkte versus indirekte Vergleichbarkeit . c) Allgemeine Kriterien der Vergleichbarkeit . . . . d) Funktions- und Risikoanalyse . . . . . . . . . . . . . . aa) Begriff und Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . bb) Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Eingesetzte Produktionsmittel . . . . . . . . . . ee) Unternehmenscharakterisierung . . . . . . . . e) Weitere Aspekte der Vergleichbarkeitsprüfung . IV. Arten des Fremdvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Tatsächlicher Fremdvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . a) Innerbetrieblicher Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . b) Zwischenbetrieblicher Vergleich . . . . . . . . . . . . 3. Hypothetischer Fremdvergleich . . . . . . . . . . . . . . . a) Ordentlicher Geschäftsleiter als Kriterium des hypothetischen Fremdvergleichs . . . . . . . . . . . . b) „Doppelter“ ordentlicher Geschäftsleiter . . . . . c) Der hypothetische Fremdvergleich gem. § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Innerstaatliche „Konkretisierungen“ des Fremdvergleichsgrundsatzes . . . . . . . . . . .
Rz.
Seite
3.19 3.25 3.32 3.32 3.36
388 392 399 399 401
3.38 3.45 3.45 3.53
403 407 407 415
3.55 3.59
417 420
3.63 3.71 3.72 3.72 3.74 3.78 3.78 3.83
424 428 428 428 429 431 431 434
3.84 3.89 3.92 3.94 3.94 3.97 3.104 3.113 3.115 3.118 3.122 3.122 3.125 3.127 3.128 3.131
434 436 437 438 438 440 444 448 449 452 456 456 456 457 458 460
3.131 3.143
460 465
3.153
470
3.154
471
XVII
Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
bb) Ermittlung des Einigungsbereichs . . . . . . . cc) Aufteilung des Einigungsbereichs . . . . . . . dd) Nachträgliche Preisanpassungen . . . . . . . .
3.158 3.162 3.165
474 477 480
C. Methoden der Verrechnungspreisermittlung . . . . . . . .
3.169
482
I. Standardmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendungsrangfolge der Standardmethoden . . . . 2. Preisvergleichsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorgehensweise der Preisvergleichsmethode . . b) Innerer Preisvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Äußerer Preisvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Anwendungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wiederkaufspreismethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorgehensweise der Wiederverkaufspreismethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ermittlung der marktüblichen Handelsspanne c) Anwendungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kostenaufschlagsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorgehensweise der Kostenaufschlagsmethode b) Anwendungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anzuwendender Kostenbegriff . . . . . . . . . . . . . d) Relevante Kostenarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zeitbezug der Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Sachumfang der Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Gewinnaufschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Nachteile der Kostenaufschlagsmethode . . . . . 5. Kombination der Standardmethoden . . . . . . . . . . . II. Gewinnorientierte Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode (TNMM) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Globale Gewinnaufteilungsmethode . . . . . . . . . . .
. . . . . . . .
3.169 3.169 3.174 3.174 3.175 3.176 3.177 3.179
482 482 486 486 487 488 489 490
. . . . . . . . . . . . . . .
3.179 3.180 3.185 3.188 3.188 3.189 3.190 3.193 3.196 3.206 3.210 3.217 3.218 3.219 3.219
490 491 492 494 494 494 495 496 498 502 505 509 510 511 511
.
3.225
515
. .
3.229 3.233
518 520
D. Verrechnungspreisermittlung bei ausgewählten Lieferungs- und Leistungsbeziehungen . . . . . . . . . . . .
3.239
526
I. Lieferung von Gütern und Waren . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes . . . 2. Lieferungen von Produktionsgesellschaften . . . . a) Funktionsanalyse im Rahmen der Produktion b) Verrechnungspreisermittlung . . . . . . . . . . . . . 3. Lieferungen an Vertriebsgesellschaften . . . . . . . . a) Funktionsanalyse im Rahmen des Vertriebs . b) Verrechnungspreisermittlung . . . . . . . . . . . . . II. Finanzierungsleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.239 3.239 3.243 3.243 3.250 3.256 3.256 3.262 3.268
526 526 529 529 534 540 540 542 546
XVIII
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
3.268 3.274 3.285 3.288 3.288 3.288
546 553 561 563 563 563
3.291 3.293 3.293 3.295 3.298 3.300 3.300 3.303
566 568 568 570 572 574 574 576
3.303
576
3.306 3.310 3.310
579 583 583
3.313
587
3.319
592
3.321
594
E. Vorteilsausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriff und Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vorteilsausgleich und Palettenbetrachtung . . . . . . . . .
3.329 3.329 3.335
604 604 609
F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.337
611
. . . . . .
3.337 3.341 3.341 3.349 3.357 3.359
611 613 613 618 624 626
....... ....... .......
3.359 3.359 3.360
626 626 626
.......
3.360
626
1. Verrechnung dem Grunde nach . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verrechnung der Höhe nach . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Cash-Pooling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Nutzungsüberlassung immaterieller Wirtschaftsgüter 1. Verrechnung dem Grunde nach . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzung des betrieblichen Nutzens . . . . . b) Lizenzverrechnung bei firmennamensgleichen Marken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verrechnung der Höhe nach . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entgeltdeterminierende Faktoren . . . . . . . . . . . b) Anwendung der Standardmethoden . . . . . . . . . c) Anwendung gewinnorientierter Methoden . . . . IV. Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erscheinungsformen von Dienstleistungen . . . . . . 2. Verrechnung dem Grunde nach . . . . . . . . . . . . . . . a) Abgrenzungskriterium der betrieblichen Veranlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verrechenbare und nicht verrechenbare Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verrechnung der Höhe nach . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Formen der Leistungsverrechnung . . . . . . . . . . b) Einzelverrechnung mittels der Standardmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Konzernumlagen nach dem Leistungsaustauschkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Konzernumlagen nach dem Poolkonzept (Poolumlage) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Definitionen und Begriffsabgrenzung . . . . . . 1. Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. (Funktions-)Verlagerung . . . . . . . . . . . . . . 3. Transferpaket . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Bewertung der Funktionsverlagerung . . . 1. Einzel- versus Gesamtbewertung (Bewertungsobjekt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsatz: Transferpaket . . . . . . . . . . b) Ausnahme: Einzelbewertung . . . . . . . aa) Escape-Regelungen des § 1 Abs. 3 Satz 10 AStG . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . .
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. . . . . .
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XIX
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3.372
635
3.379
639
3.383
642
bb) Funktionsverlagerung auf Routineunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ansatz von Schadenersatz-, Entschädigungs- und Ausgleichsansprüchen . . . . . . . 2. Tatsächlicher versus hypothetischer Fremdvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ermittlung des Einigungsbereichs eines Transferpakets gem. § 1 Abs. 3 AStG . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ermittlung der zu diskontierenden Zahlungsströme a) Maßgebliche Überschussgröße . . . . . . . . . . . . . b) Direkte versus indirekte Wertermittlung . . . . . 5. Berücksichtigung von Steuern im Rahmen der Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Eliminierung des sog. Funktionsgewinns . . . . 7. Die Ermittlung des Diskontierungsfaktors . . . . . . 8. Die Ermittlung des Kapitalisierungszeitraums . . . . IV. Sofortbesteuerung versus Lizenzierung . . . . . . . . . . . . V. Preisanpassungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Dokumentationspflichten bei Funktionsverlagerungen
3.385 3.388 3.388 3.390
643 645 645 646
3.397 3.407 3.411 3.419 3.423 3.429 3.438
649 655 657 661 663 668 672
G. Dokumentationspflichten im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.442
675
3.442
675
3.444 3.444
678 678
3.449
681
3.455
687
I. Dokumentationsvorgaben der OECD . . . . . . . . . . . . . II. Dokumentationspflichten im Rahmen des nationalen Verfahrensrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungsinhalt des § 90 Abs. 3 AO . . . . . . . . . . . . 2. Aufbau und Inhalt einer Verrechnungspreisdokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sanktionen bei der Verletzung der Mitwirkungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 4 Betriebsstättengewinnabgrenzung A. Notwendigkeit und Bedeutung von Gewinnermittlung und -abgrenzung für die internationale Unternehmenstätigkeit von Betriebsstätten und Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bedeutung von Gewinnermittlung und -abgrenzung . . III. Rechtliche Stellung von Betriebsstätten als Grundlage weitergehender Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zuordnungsprinzipien und Rechtfertigung für Gewinnabgrenzung zwischen Betriebsstätten . . . . . . . V. Übertragung der Grundsätze bei Betriebsstätten auf Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Abgrenzung zu anderen Kapiteln . . . . . . . . . . . . . . . .
XX
4.1
694
4.1 4.3
694 695
4.17
705
4.25
709
4.32 4.33
712 713
Inhaltsverzeichnis
B. Verfahrens- und materiellrechtliche Grundlagen zur Buchführungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtliche Grundlagen der Buchführungspflicht . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Handelsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Währungsumrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Betriebsstättenbuchführung am Beispiel typisierter Anwendungsfälle (Inbound vs. Outbound-Betriebsstätten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausländische Betriebsstätte inländischer Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inländische Betriebsstätte ausländischer Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Grundsätzliche, zu beachtende Prinzipien bei der Gewinnermittlung und Gewinnabgrenzung . . . . . . . . 1. Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte und Dealing at Arm’s length Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . a) Nationale Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abkommensverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ermittlungsmethode des Gewinns . . . . . . . . . . . . . a) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Direkte Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Indirekte Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gemischte Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zuordnung des Vermögens und sogenannte Zentralfunktion des Stammhauses . . . . . . . . . . . . IV. Besondere Aspekte bei Gründung der Betriebsstätten . 1. Beginn der Aufzeichnungspflicht . . . . . . . . . . . . . . 2. Behandlung der Gründungskosten . . . . . . . . . . . . . a) Bei Betriebsstättengründung einer ausländischen Betriebsstätte durch einen Steuerinländer . . . . . b) Bei Betriebsstättengründung eines Steuerausländers im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kapitalausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff und Bedeutung des Dotationskapitals . . b) Prüfung der Angemessenheit des Dotationskapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Konsequenzen bei unangemessenem Dotationskapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zwangsentnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Umqualifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Begründung der Betriebsstätte durch Überführung von Wirtschaftsgütern aus dem Stammhaus in die Betriebsstätte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rz.
Seite
4.34
713
4.34 4.34 4.36 4.45 4.51
713 713 714 718 719
4.62
723
4.62
723
4.64
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4.67
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4.67 4.67 4.75 4.76 4.76 4.82 4.84 4.89
725 725 728 729 729 732 733 734
4.92 4.124 4.124 4.125
735 751 751 751
4.126
751
4.130 4.131 4.131
754 754 754
4.132
755
4.141 4.142 4.143
758 758 758
4.147
760
XXI
Inhaltsverzeichnis
V. Ausgewählte Transaktionen und Funktionen während des Bestehens einer Betriebsstätte . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliche Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausgewählte Bereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Forschungs- und Entwicklungskosten . . . . . . . . b) Marketing- und Werbekosten . . . . . . . . . . . . . . c) Geschäftsführungs- und shared services Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Nutzungsüberlassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Verkauf von Wirtschaftsgütern . . . . . . . . . . . . . g) Dokumentation der Einkunftsabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte . . . . . VI. Funktionsverlagerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Besondere Aspekte bei Auflösung oder Verkauf der Betriebsstätte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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4.151 4.151 4.156 4.156 4.159
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4.164 4.167 4.168 4.170
766 767 767 768
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768 770
4.187
776
3. Teil: Auslandsaktivitäten inländischer Unternehmen (Outbound-Investitionen) Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.1
782
B. Grundsätzliches zur Besteuerung ausländischer Personengesellschaften und ihrer inländischen Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.8
785
5.8
785
5.12
786
5.22
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5.23
793
5.23
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5.23
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5.30 5.30
795 795
5.33
796
I. Besteuerungsprinzipien im Ausland (Transparenz vs. Trennungsprinzip) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Qualifikation der ausländischen Gesellschaft nach deutschem Recht (Steuersubjektqualifikation) . . . . . . III. Qualifikationskonflikte bei ausländischen Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Laufende Besteuerung inländischer Gesellschafter einer ausländischen Personengesellschaft . . . . . . . . . . I. Besteuerung im Nicht-DBA-Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Besteuerung laufender Einkünfte bei einheitlicher Steuersubjektqualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besteuerung laufender Einkünfte bei abweichender Steuersubjektqualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . a) Intransparente Besteuerung im Sitzstaat . . . . . . b) Exkurs: Transparente Besteuerung im Sitzstaat bei deutscher Qualifikation als Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXII
Inhaltsverzeichnis
3. Besteuerung im Verlustfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Welteinkommensprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begrenzung nach § 15a EStG . . . . . . . . . . . . . . . c) Begrenzung nach § 2a EStG . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gewerbesteuerliche Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . 5. Drittstaateneinkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Besteuerung im DBA-Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Steuersubjektqualifikation und Abkommensberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besteuerung des Gewinnanteils bei einheitlicher Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abkommensrechtliche Einkünftequalifikation . aa) Unternehmensgewinne . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Abkommensrechtlicher Unternehmensbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Gewerblich tätige Personengesellschaft (3) Vermögensverwaltende Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Gewerbliche Prägung . . . . . . . . . . . . . . (5) Gewerbliche Infektion . . . . . . . . . . . . . (6) Betriebsaufspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . (7) Stille und atypisch stille Beteiligungen . bb) Dividenden, Lizenzgebühren, Zinsen und sonstige Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen . . b) Freistellung von Unternehmensgewinnen unter Progressionsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einschränkungen der abkommensrechtlichen Freistellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) DBA-Aktivitätsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischeneinkünfte (§ 20 Abs. 2 AStG) . . . . dd) Abkommensrechtliche Subject-to-TaxKlauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Abkommensrechtliche Switch-overKlauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Switch-over- und Subject-to-Tax-Klauseln nach nationalem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Überblick über die Vorschrift des § 50d Abs. 9 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Spezifische Tatbestandsmerkmale des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG . . . . . . . . (3) Spezifische Tatbestandsmerkmale des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG . . . . . . . . 3. Besteuerung des Gewinnanteils bei abweichender Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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5.34 5.34 5.35 5.37 5.38 5.40 5.49
797 797 797 798 799 800 802
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XXIII
Inhaltsverzeichnis
a) Intransparente Besteuerung im Sitzstaat . . . . . . aa) OECD-MA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) DBA-Belgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) DBA-Portugal und DBA-Spanien 1966 . . . . dd) DBA-USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Exkurs: Transparente Besteuerung im Sitzstaat bei deutscher Qualifikation als Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Besteuerung von Sondervergütungen . . . . . . . . . . . a) Dem OECD-MA entsprechende DBA . . . . . . . . b) DBA mit ausdrücklichen Regelungen für Sondervergütungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Besteuerung im Verlustfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anrechnungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Freistellungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Symmetriethese und Progressionsvorbehalt bb) „Finale“ Verluste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Drittstaateneinkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren aus Drittstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Betriebsstätte im Drittstaat . . . . . . . . . . . . . . . . D. Gründung und Erwerb einer ausländischen Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bargründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sachgründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Erwerb von Anteilen an ausländischen Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Ermittlung der Einkünfte der ausländischen Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Buchführungs- und Anmeldepflichten . . . . . . . . . . . . II. Währungsumrechnung/Steuerliche Berücksichtigung von Wechselkursgewinnen und -verlusten . . . . . . . . . III. Erfolgs- und Vermögensabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundlagen der Einkünfteabgrenzung . . . . . . . . . . a) Grundsätze des innerstaatlichen Rechts . . . . . . b) Grundsätze des Abkommensrechts . . . . . . . . . . 3. Übertragung und Überführung von Wirtschaftsgütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Behandlung nach nationalem Recht . . . . . . . . . b) Behandlung in den DBA . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassende Beispiele . . . . . . . . . . . . . . 4. Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern und Erbringung von Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . .
XXIV
Rz.
Seite
5.127 5.127 5.130 5.131 5.136
837 837 839 840 841
5.139 5.143 5.143
843 843 843
5.152 5.158 5.158 5.159 5.159 5.160 5.162
847 849 849 849 849 850 851
5.162 5.167
851 852
5.173
854
5.173 5.176
854 854
5.183
857
5.185
858
5.185
858
5.187 5.191 5.191 5.192 5.192 5.195
859 861 861 862 862 863
5.203 5.203 5.212 5.215
866 866 870 872
5.226
873
Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
. . . . . . .
5.226 5.231 5.233 5.243 5.244 5.244 5.249
873 874 875 877 877 877 880
F. Beendigung und Strukturwechsel . . . . . . . . . . . . . . . .
5.251
881
I. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Veräußerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Aufgabe/Liquidation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.251 5.252 5.267
881 881 886
a) Behandlung nach nationalem Recht . . . . . . b) Behandlung in den DBA . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassende Beispiele . . . . . . . . . . . IV. Zeitliche Zurechnung der Einkünfte . . . . . . . . . . . V. Verfahrensfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesonderte Feststellung in Gewinnsituationen 2. Gesonderte Feststellung in Verlustsituationen .
. . . . . . .
. . . . . . .
Kapitel 6 Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften A. Subjektive Steuerpflicht ausländischer Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.1
891
. . . .
6.1 6.5 6.5 6.6
891 893 893 894
. .
6.8 6.10
895 896
. . . . . .
6.12 6.13 6.16 6.17 6.17 6.20
897 897 898 899 899 900
B. Erwerb von Anteilen an einer ausländischen Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.23
902
I. Überblick . . . . . . . . . . . II. Anteilskauf . . . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . 2. Anschaffungskosten . 3. Erwerbszeitpunkt . . . 4. Erwerbsstrukturen . .
. . . . . .
6.23 6.25 6.25 6.26 6.31 6.34
902 902 902 903 905 906
C. Besteuerung im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.38
907
I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Besteuerung der Kapitalgesellschaft im Ausland . III. Besteuerung der Dividenden im Ausland . . . . . . 1. Körperschaftsteuersystem . . . . . . . . . . . . . . .
6.38 6.39 6.40 6.40
907 907 908 908
I. Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Subjektive Steuerpflicht im Inland . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtstypenvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausländische Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beginn und Ende der Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . 5. Unabhängigkeit von der Ansässigkeit der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Unbeschränkte und beschränkte Steuerpflicht . . . III. Subjektive Steuerpflicht im Ausland . . . . . . . . . . . . . IV. DBA-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abkommensberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ansässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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. . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
. . . .
XXV
Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
. . . . . .
6.41 6.44 6.45 6.48 6.51 6.52
909 909 910 911 912 913
.. .. ..
6.55 6.58 6.59
914 915 915
D. Laufende Besteuerung im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.63
916
I. Besteuerung der ausländischen Kapitalgesellschaft . . . 1. Beschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Isolierende Betrachtungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besteuerungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. DBA-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Besteuerung der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuererleichterungen nach innerstaatlichem Recht a) Steuerbefreiung gem. § 8b Abs. 1 KStG . . . . . . . b) Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 EStG . . . c) Steueranrechnung gem. § 34c Abs. 1 EStG . . . . . d) Steuerabzug gem. § 34c Abs. 2 EStG . . . . . . . . . e) Pauschalierungserlass gem. § 34c Abs. 5 EStG . . 3. Steuererleichterungen nach DBA-Recht . . . . . . . . . a) Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Dividendenbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schachtelbeteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Schachtelbeteiligung und Betriebsausgaben . . . . e) Schachtelbeteiligungen und Organschaft . . . . . . f) Fiktive Quellensteuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Verhältnis zu unilateralen Steuererleichterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Steuererfolgen bei Weiterausschüttung . . . . . . . . . . 5. Ergebniskorrekturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verdeckte Gewinnausschüttungen . . . . . . . . . . . aa) Einschränkungen der Steuerfreiheit bei vGA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Steueranrechnung bei vGA . . . . . . . . . . . . . cc) DBA-Recht und vGA . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verdeckte Einlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) § 1 AStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Hinzurechnungsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . e) Gewinnberichtigungsklauseln der DBA . . . . . . .
6.63 6.63 6.64 6.66 6.68 6.69 6.69 6.71 6.71 6.79 6.80 6.83 6.85 6.86
916 916 917 918 918 919 919 920 920 923 923 924 924 925
6.86 6.87 6.88 6.92 6.94 6.95
925 925 926 927 928 928
6.99 6.100 6.104 6.105
929 929 930 931
6.106 6.110 6.111 6.112 6.114 6.115 6.117
931 933 933 933 934 934 935
2. Quellenbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. DBA-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Dividendenbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nutzungsberechtigter . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Betriebsstättenvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . d) DBA-Quellensteuersätze für Streubesitz . . . . e) DBA-Quellensteuersätze für Schachtelbeteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Verfahren zur Reduzierung der Quellensteuer 4. Mutter-Tochter-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXVI
. . . . . .
Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
. . . . . . . . .
6.118 6.118 6.120 6.128 6.129 6.130 6.131 6.133 6.140
935 935 936 938 939 939 939 940 943
E. Veräußerung und Liquidation . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.146
946
I. Veräußerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Veräußerung durch Körperschaften . . . . . . . . . . b) Veräußerung durch natürliche Personen . . . . . . 2. DBA-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Liquidation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Besteuerung der ausländischen Kapitalgesellschaft . 2. Besteuerung der inländischen Gesellschafter . . . . . a) Kapitalgesellschaft als Gesellschafter . . . . . . . . b) Natürliche Person als Gesellschafter . . . . . . . . . 3. Anrechnung ausländischer Steuern . . . . . . . . . . . . . 4. DBA-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.146 6.146 6.149 6.158 6.161 6.168 6.168 6.169 6.170 6.171 6.173 6.174
946 946 947 949 950 952 952 952 952 953 954 954
6. Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Umfang der Gewerbesteuerpflicht . . . . . . . b) Gewerbesteuerliches Schachtelprivileg . . . c) Entgelte für Schulden . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Abgezogene Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Verluste der ausländischen Kapitalgesellschaft a) Finale Auslandsverluste . . . . . . . . . . . . . . . b) Teilwertabschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Organschaft über die Grenze . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
Kapitel 7 Hinzurechnungsbesteuerung A. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Allgemeine Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Scheingeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums/ Treuhandschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsmissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhältnis zur Hinzurechnungsbesteuerung c) Missbrauchskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ausländische Kapitalgesellschaft . . . . . bb) Unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter . . . . . . . . . . . . cc) Gesellschaftsrechtliche Verflechtung . . dd) Niedrige Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . ee) Eigene wirtschaftliche Tätigkeit . . . . . . ff) Wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe . . . . . . . . . . . . d) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.1
958
... ... ...
7.1 7.9 7.10
958 960 960
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
7.12 7.14 7.14 7.18 7.24 7.24
961 961 961 962 965 965
. . . .
. . . .
. . . .
7.26 7.27 7.29 7.30
965 966 966 966
... ...
7.33 7.35
967 968
XXVII
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aa) Einkunftserzielung durch den inländischen Steuerpflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anrechnung ausländischer Steuern . . . . . . . e) Verhältnis zum DBA-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . f) Verhältnis zum EU-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.35 7.36 7.39 7.40
968 969 970 970
B. Tatbestand und Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.41
970
7.41 7.45 7.45 7.49 7.51 7.52 7.53 7.56
970 972 972 973 974 975 975 976
7.56
976
7.60
977
7.62 7.63 7.66 7.68 7.72
978 979 980 981 983
7.76 7.76 7.78 7.79 7.82
984 984 985 985 986
7.84 7.85 7.86 7.87 7.88 7.89 7.90 7.91 7.94 7.95 7.96 7.102
987 988 988 988 989 989 989 990 991 992 992 994
I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verhältnis zu anderen Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verhältnis zum EU-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis zum DBA-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verhältnis zu den Gewinnkorrekturvorschriften . . III. Hinzurechnungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausländische Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beteiligung inländischer Gesellschafter . . . . . . . . . a) Grundtatbestand: Beherrschung gem. § 7 Abs. 1 AStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ergänzungstatbestand: Beteiligungsquote i.S.d. § 7 Abs. 6 AStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verhältnis des Grundtatbestandes zum Ergänzungstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Passive Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aktivitäten kraft Wirtschaftszweigs . . . . . . . . . b) Aktivitäten mit Funktionsnachweis . . . . . . . . . c) Konzernfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gewinnausschüttungen, Veräußerungsgewinne und Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gewinnausschüttungen . . . . . . . . . . . . . . . cc) Veräußerungsgewinne . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Verhältnis zu den sonstigen aktiven Einkünften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter aa) Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter . . . . bb) Ausnahmetatbestand: Aktivität . . . . . . . . . f) Gegenbeweis bei EU/EWR-Gesellschaften . . . . aa) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beteiligungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . cc) Tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit . . . . dd) Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Drittstaateneinkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Niedrige Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Freigrenze bei gemischter Tätigkeit . . . . . . . . . . . .
XXVIII
Inhaltsverzeichnis
IV. Hinzurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages . . . . . a) Gewinnermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verluste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abzug ausländischer Steuern . . . . . . . . . . . d) Anrechnung ausländischer Steuern . . . . . . . e) Keine Bagatellgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Hinzurechnungsquote des Inlandsbeteiligten . . 4. Ansatz des anteiligen Hinzurechnungsbetrages beim Inlandsbeteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Änderungen des Hinzurechnungsbetrages . . . . . . . 1. Kürzung um Veräußerungsgewinne . . . . . . . . . 2. Steueranrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Mehrstufige Beteiligungsverhältnisse . . . . . . . . . . 1. Übertragende Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beteiligungsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausschüttung und Weiterausschüttung . . . . . . VII. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rz.
Seite
. . . . . . . . .
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. . . . . . . . .
7.103 7.103 7.105 7.105 7.107 7.108 7.109 7.110 7.111
994 994 995 995 995 996 996 996 996
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
7.114 7.117 7.117 7.118 7.120 7.120 7.124 7.127 7.129
997 998 998 999 1000 1000 1001 1001 1002
4. Teil: Inlandsaktivitäten ausländischer Unternehmen (Inbound-Investitionen) Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.1 1009
B. Grundzüge der Besteuerung ausländischer Gesellschafter inländischer Personengesellschaften . . . . . . .
8.6 1012
I. Überblick über die Besteuerung von Personengesellschaften im deutschen Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz: Einkommensteuerliche Transparenz . 2. Steuerliche Grundformen der Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Beschränkte Steuerpflicht im Nicht-DBA-Fall (rein nationales Recht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besteuerung des Gewinnanteils und der Sondervergütungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gewerbliche Personengesellschaften . . . . . . . aa) Gewerbliche Einkünfte als Grundvoraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Betriebsstätte als inländisches Anknüpfungsmerkmal . . . . . . . . . . . . . . . cc) Umfang der beschränkt steuerpflichtigen gewerblichen Einkünfte . . . . . . . . . . . . . .
. .
8.6 1012 8.6 1012
.
8.7 1013
. .
8.11 1014 8.11 1014
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8.14 1015 8.14 1015
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8.15 1016
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8.21 1018
.
8.28 1021 XXIX
Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
b) Vermögensverwaltende Personengesellschaft . . c) Freiberufler-Personengesellschaft . . . . . . . . . . . d) Sonderfall: Immobilienpersonengesellschaften . aa) Gewerbliche oder vermögensverwaltende Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beschränkte Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besteuerung im Verlustfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Drittstaateneinkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verteilung des Besteuerungsrechts im DBA-Fall . . . . . 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besteuerung des Gewinnanteils . . . . . . . . . . . . . . . a) Gewerblich tätige Personengesellschaften . . . . b) Auch gewerblich tätige Personengesellschaften c) Gewerblich geprägte Personengesellschaften . . d) Vermögensverwaltende Personengesellschaften e) Freiberufler-Personengesellschaften . . . . . . . . . aa) Behandlung gemäß Art. 14 OECD-MA vor 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Behandlung gemäß Art 7 OECD-MA . . . . . f) Sonderfall: Immobilienpersonengesellschaften . 3. Besteuerung von Sondervergütungen . . . . . . . . . . . a) DBA mit Sonderregelungen zu Sondervergütungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Dem OECD-MA entsprechende DBA . . . . . . . . aa) Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sonderregelung des § 50d Abs. 10 EStG . . . (1) Zielrichtung und Regelungsbereich . . . (2) Reichweite der Vorschrift . . . . . . . . . . . 4. Besteuerung im Verlustfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Drittstaateneinkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Problemstellung und Lösung auf Grundlage des OECD-MA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abkommensspezifische Sonderregelungen . . . . 6. Qualifikationskonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.97 1057 8.105 1060 8.112 1063
C. Erwerb von Anteilen an einer inländischen Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.118 1065
D. Ermittlung der (inländischen) Einkünfte des ausländischen Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.122 1068
I. II. III. IV. V.
XXX
Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Buchführungspflicht . . . . . . . . . . . . Gesamthandsvermögen . . . . . . . . . . Sonderbetriebsvermögen . . . . . . . . . Übertragung von Wirtschaftsgütern 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . .
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. . . . . .
8.30 1021 8.35 1024 8.39 1026 8.40 1026 8.44 8.47 8.49 8.54 8.54 8.60 8.60 8.64 8.68 8.73 8.74
1028 1030 1031 1034 1034 1036 1036 1038 1040 1044 1044
8.75 8.77 8.78 8.79
1045 1046 1046 1046
8.79 8.80 8.81 8.88 8.88 8.91 8.96 8.97
1046 1047 1047 1051 1051 1053 1056 1057
8.122 8.123 8.125 8.129 8.137 8.137
1068 1068 1069 1070 1073 1073
Inhaltsverzeichnis
VI.
VII. VIII. IX.
X.
2. Zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern . . . . . 3. Zwischen Gesellschaftern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendung des § 1 AStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Geschäftsbeziehungen der Personengesellschaft zu nahe stehenden Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Geschäftsbeziehungen der Personengesellschaft zu ihren ausländischen Gesellschaftern . . . . . . . . Auslandsbetriebsstätten der Personengesellschaft . . . Beteiligung an Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . Besonderheiten im Zusammenhang mit der Zinsschranke (§ 4h EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Personengesellschaften als Betrieb im Sinne der Zinsschranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Betriebseigenschaft bei beschränkter Steuerpflicht 3. Zinsaufwendungen/Zinserträge . . . . . . . . . . . . . . Zeitliche Zurechnung der Einkünfte . . . . . . . . . . . . .
E. Thesaurierungsbesteuerung, § 34a EStG . . . . . . . . . . I. Begünstigte Besteuerung im Zeitpunkt der Entstehung des Gewinns . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Nachversteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nachversteuerung auslösende Ereignisse . . 2. Steuerbelastung im Zeitpunkt der Nachversteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rz.
Seite
8.139 8.149 8.150 8.150
1074 1079 1080 1080
8.152 1081 8.153 1082 8.158 1085 8.159 1085 8.164 1088 8.164 8.169 8.174 8.175
1088 1090 1093 1093
8.176 1094
..... ..... .....
8.179 1095 8.184 1096 8.184 1096
.....
8.186 1097
F. Beendigung und Strukturwechsel . . . . . . . . . . . . . . .
8.188 1098
I. II. III. IV. V.
Allgemeines . . . . . . Veräußerung . . . . . . Aufgabe . . . . . . . . . Realteilung . . . . . . Betriebsaufspaltung
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. . . . .
G. Verfahrensfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.188 8.189 8.194 8.198 8.200
1098 1099 1101 1102 1103
8.203 1105
Kapitel 9 Beteiligung an inländischen Kapitalgesellschaften A. Subjektive Steuerpflicht der inländischen Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Subjektive Steuerpflicht im Inland . . . . . . . . . . . . . . .
9.1 1108 9.2 1108 9.4 1109
B. Erwerb einer inländischen Kapitalgesellschaft . . . . . .
9.7 1110
C. Besteuerung im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9.9 1112
I. Besteuerung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Besteuerung der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . .
9.9 1112 9.12 1113
XXXI
Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
1. Körperschaftsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. DBA-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schachtelbeteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Streubesitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Betriebsstättenvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kapitalertragsteuerverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Missbrauchsausschluss (Treaty Shopping) . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Regelungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausländische Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . b) Persönliche Entlastungsberechtigung . . . . . . . . c) Sachliche Entlastungsberechtigung . . . . . . . . . . aa) Eigene Wirtschaftstätigkeit . . . . . . . . . . . . bb) Wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe und angemessener Geschäftsbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Konzernverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vereinbarkeit mit EU- bzw. DBA-Recht . . . . . . . . . IV. Verluste der inländischen Kapitalgesellschaft . . . . . . . 1. Verlustrücktrag und Verlustvortrag . . . . . . . . . . . . 2. Verlustausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Organschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Körperschaftsteuerliche Organschaft . . . . . . . . . . . 2. Gewerbesteuerliche Organschaft . . . . . . . . . . . . . .
9.12 9.19 9.20 9.21 9.22 9.23 9.24 9.26 9.26 9.30 9.32 9.33 9.36 9.37
1113 1116 1116 1116 1117 1117 1117 1118 1118 1121 1121 1122 1123 1123
9.41 9.48 9.49 9.52 9.54 9.54 9.55 9.56 9.58 9.64
1124 1126 1126 1127 1129 1129 1130 1130 1131 1133
D. Besteuerung im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9.66 1134
I. Nationales Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. DBA-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Mutter-Tochter-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9.66 1134 9.68 1134 9.69 1135
E. Veräußerung und Liquidation . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9.70 1136
I. Veräußerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Innerstaatliches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. DBA-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Liquidation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Innerstaatliches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ohne inländische Betriebsstätte . . . . . . . . . bb) Mit inländischer Betriebsstätte . . . . . . . . . 2. DBA-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verweisung auf das Recht des Quellenstaates . . b) Keine Verweisung auf das Recht des Quellenstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9.70 9.70 9.74 9.78 9.78 9.79 9.81 9.81 9.86 9.88 9.89
XXXII
1136 1136 1137 1138 1138 1138 1139 1139 1141 1141 1141
9.91 1142
Inhaltsverzeichnis
5. Teil: Internationale Umwandlungen und Finanzierungen Rz.
Seite
Kapitel 10 Internationale Umwandlungen A. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Umwandlungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Umwandlungen im Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz der Gewinnrealisierung . . . . . . . . . . . . a) Realisationsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Entstrickung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausnahmen von der Gewinnrealisierung . . . . . . . . 3. Steuerverstrickung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Regelungskonzept des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sachlicher Anwendungsbereich des 2. bis 5. Teils . a) Inländische Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . b) Vergleichbare ausländische Vorgänge . . . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zivilrechtliche Wirksamkeit nach ausländischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Prüfung der Vergleichbarkeit . . . . . . . . . . . (1) Umwandlungsfähigkeit der beteiligten Rechtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Strukturmerkmale des Umwandlungsvorgangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Sonstige Vergleichskriterien . . . . . . . . . 3. Persönlicher Anwendungsbereich des 2. bis 5. Teils 4. Sachlicher Anwendungsbereich des 6. bis 8. Teils . a) Inländische Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . b) Vergleichbare ausländische Vorgänge . . . . . . . . 5. Persönlicher Anwendungsbereich des 6. bis 8. Teils IV. EU-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Verschmelzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verschmelzung von Kapitalgesellschaft auf Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verschmelzung inländischer Kapitalgesellschaft auf inländische Personengesellschaft (Inlandsverschmelzung mit Auslandsbezug) . . . . . . . . . . . a) Ebene der übertragenden Kapitalgesellschaft . . aa) Sicherstellung der Besteuerung . . . . . . . . bb) Ausschluss oder Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts . . . . . . . . . (1) Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu einer ausländischen Betriebsstätte . . .
10.1 1145 10.1 10.6 10.6 10.8 10.11 10.12 10.20 10.22 10.23 10.23 10.27 10.28 10.31 10.32
1145 1147 1147 1148 1151 1151 1156 1156 1156 1156 1157 1157 1159 1159
10.35 1160 10.36 1161 10.37 1161 10.38 10.45 10.47 10.49 10.50 10.52 10.53 10.54
1162 1163 1163 1164 1164 1165 1165 1165
.
10.58 1167
.
10.58 1167
. . .
10.58 1167 10.60 1168 10.63 1169
.
10.64 1169
.
10.65 1170
XXXIII
Inhaltsverzeichnis Rz.
(2) Ausländische Anteilseigner . . . . . . . . . cc) Keine Gegenleistung außer Gesellschaftsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Besteuerung des Übertragungsgewinns . . . b) Ebene der übernehmenden Personengesellschaft aa) Wertverknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erweiterte Wertverknüpfung – Beteiligungskorrekturgewinn . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Eintritt in die steuerliche Rechtsstellung . . dd) Ermittlung des Übernahmeergebnisses . . . c) Ebene der Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anteilseigner werden Gesellschafter der Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anteilseigner werden nicht Gesellschafter der Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . 2. Verschmelzung ausländischer Kapitalgesellschaft auf ausländische Personengesellschaft (Auslandsverschmelzung mit Inlandsbezug) . . . . . . . . . . . . . . a) Inländische Betriebsstätte . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inländische Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grenzüberschreitende Verschmelzungen von Kapitalgesellschaften auf Personengesellschaften (Hinausverschmelzung und Hereinverschmelzung) II. Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verschmelzung inländischer Kapitalgesellschaft auf inländische Kapitalgesellschaft (Inlandsverschmelzung mit Auslandsbezug) . . . . . . . . . . . . . . . a) Ebene der übertragenden Kapitalgesellschaft . . . aa) Sicherstellung der Besteuerung . . . . . . . . . . bb) Ausschluss oder Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts . . . . . . . . . . (1) Zuordnung der Wirtschaftsgüter . . . . . . (2) Abwärtsverschmelzung mit ausländischem Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . . b) Ebene der übernehmenden Kapitalgesellschaft . . c) Ebene der Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Inländische Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . bb) Ausländische Anteilseigner . . . . . . . . . . . . 2. Verschmelzung ausländischer Kapitalgesellschaft auf ausländische Kapitalgesellschaft (Auslandsverschmelzung mit Inlandsbezug) . . . . . . . . . . . . . . a) Drittstaaten-Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . aa) Inländische Betriebsstätte . . . . . . . . . . . . . . bb) Inländische Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . b) EU/EWR-Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . .
XXXIV
Seite
10.68 1171 10.70 10.73 10.74 10.74
1172 1173 1173 1173
10.75 10.77 10.78 10.86
1174 1174 1174 1176
10.87 1177 10.89 1178
10.91 1178 10.93 1179 10.96 1180
10.99 1180 10.100 1181
10.100 1181 10.102 1181 10.103 1182 10.104 1182 10.105 1183 10.107 10.109 10.110 10.110 10.111
1183 1185 1185 1185 1185
10.112 10.113 10.114 10.115 10.117
1186 1186 1186 1187 1187
Inhaltsverzeichnis Rz.
aa) Ebene der übertragenden Kapitalgesellschaft bb) Ebene der übernehmenden Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ebene der Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . . (1) Inländische Anteilseigner . . . . . . . . . . . (2) Ausländische Anteilseigner . . . . . . . . . 3. Verschmelzung einer inländischen Kapitalgesellschaft auf eine ausländische Kapitalgesellschaft (Hinausverschmelzung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verschmelzung einer inländischen Kapitalgesellschaft auf eine Kapitalgesellschaft in einem Nicht-EU/EWR-Staat (Drittstaaten-Hinausverschmelzung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verschmelzung einer inländischen Kapitalgesellschaft auf eine Kapitalgesellschaft in einem EU/EWR-Staat (EU/EWR-Hinausverschmelzung) aa) Ebene der übertragenden Kapitalgesellschaft (1) Inländische Betriebsstätte . . . . . . . . . . . (2) Ausländische Betriebsstätte . . . . . . . . . (3) Zuordnungsänderung . . . . . . . . . . . . . . bb) Ebene der übernehmenden Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ebene der Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . . (1) Inländische Anteilseigner . . . . . . . . . . . (2) Ausländische Anteilseigner . . . . . . . . . 4. Verschmelzung einer ausländischen Kapitalgesellschaft auf eine inländische Kapitalgesellschaft (Hereinverschmelzung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verschmelzung einer ausländischen Kapitalgesellschaft aus einem Nicht-EU/EWR-Staat auf eine inländische Kapitalgesellschaft (Drittstaaten-Hereinverschmelzung . . . . . . . . . . . . . . b) Verschmelzung einer ausländischen EU/EWRKapitalgesellschaft auf eine inländische Kapitalgesellschaft (EU/EWR-Hereinverschmelzung) . . aa) Ebene der übertragenden Kapitalgesellschaft bb) Ebene der übernehmenden Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ebene der Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . .
Seite
10.118 1188 10.120 10.121 10.121 10.122
1188 1189 1189 1189
10.123 1189
10.123 1189
10.125 10.126 10.127 10.128 10.129
1190 1190 1190 1191 1191
10.130 10.131 10.131 10.132
1192 1193 1193 1193
10.133 1194
10.133 1194
10.135 1194 10.137 1194 10.139 1195 10.142 1196
C. Spaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.144 1196 I. Inlandsspaltung mit ausländischer Betriebsstätte bzw. ausländischen Anteilseignern (Inlandsspaltung mit Auslandsbezug) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.145 1197 1. Ebene der übertragenden Gesellschaft . . . . . . . . . . . 10.147 1197 2. Ebene der übernehmenden Gesellschaft . . . . . . . . . 10.154 1199
XXXV
Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
3. Ebene der Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.155 1199 II. Ausländische Spaltung mit inländischer Betriebsstätte und inländischen Anteilseignern (Auslandsspaltung mit Inlandsbezug) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.156 1200 III. Grenzüberschreitende Spaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . 10.160 1201 D. Formwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.161 1202 I. Formwechsel inländischer Kapitalgesellschaften . . . . 10.161 1202 II. Formwechsel ausländischer Kapitalgesellschaft . . . . . 10.167 1204 III. Grenzüberschreitender Formwechsel . . . . . . . . . . . . . 10.169 1204 E. Grenzüberschreitende Einbringungen in Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.170 1205 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einbringung in ausländische Kapitalgesellschaft (Outbound-Einbringung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besteuerung nach allgemeinen Regeln außerhalb des Anwendungsbereichs des UmwStG (Drittstaaten-Einbringungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einbringung von Unternehmensteilen gemäß § 20 UmwStG (EU-/EWR-Einbringungen) . . . . . . . a) Einbringung von inländischen Unternehmensteilen (Betrieb, Teilbetrieb, Mitunternehmeranteil) in eine ausländische Kapitalgesellschaft aa) Einbringende Person . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Übernehmende Gesellschaft . . . . . . . . . . . cc) Gegenstand der Einbringung . . . . . . . . . . . (1) Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Teilbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Mitunternehmeranteil . . . . . . . . . . . . . dd) Einbringung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Kein Ausschluss bzw. Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts . . . . . . . . . . ff) Folgen für die Bewertung beim Einbringenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einbringung von ausländischen Unternehmensteilen durch im Inland ansässige Person in ausländische Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . 4. Einbringung von Anteilen durch im Inland ansässige Person in ausländische Kapitalgesellschaft gemäß § 21 UmwStG (EU-/EWR-Einbringungen) . . a) Wertverknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXXVI
10.170 1205 10.172 1205 10.173 1205 10.179 1208 10.180 1208
10.181 1209 10.186 1210
10.186 10.187 10.189 10.190 10.191 10.195 10.197
1210 1210 1211 1211 1212 1213 1213
10.200 1214 10.202 1214 10.203 1215
10.204 1216
10.205 1216 10.205 1216
Inhaltsverzeichnis Rz.
aa) bb) cc) dd)
Einbringende Person . . . . . . . . . . . . . . . . Übernehmende Kapitalgesellschaft . . . . . Gegenstand der Einbringung . . . . . . . . . . Erwerb der unmittelbaren Stimmrechtsmehrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Einbringung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Kein Ausschluss bzw. Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts . . . . . . . . . b) Rückausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ermittlung des Veräußerungsgewinns . . . . . . . 5. Rückwirkende Besteuerung des Einbringungsgewinns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unternehmensteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einbringung in inländische Kapitalgesellschaft durch ausländische Kapitalgesellschaft (InboundEinbringung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gewinnrealisierung nach allgemeinen Regeln . . . 2. Einbringung nach dem UmwStG . . . . . . . . . . . . . a) Einbringung von Unternehmensteilen gemäß § 20 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anteilstausch gemäß § 21 UmwStG . . . . . . . .
Seite
. 10.208 1217 . 10.209 1218 . 10.210 1218 . 10.211 1218 . 10.215 1219 . 10.216 1219 . 10.217 1220 . 10.220 1220 . 10.221 1220 . 10.222 1221 . 10.224 1221
. 10.226 1222 . 10.226 1222 . 10.230 1223 . 10.231 1224 . 10.233 1225
Kapitel 11 Grenzüberschreitende Finanzierung international tätiger Unternehmen A. Finanzierungsmöglichkeiten eines Unternehmens und Entscheidungsparameter . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Eigenkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fremdkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Hybride Finanzierungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . V. Operative Finanzierungsformen . . . . . . . . . . . . . . VI. Steuerliche Rahmenbedingungen der grenzüberschreitenden Unternehmensfinanzierung . . . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
11.1 11.1 11.4 11.9 11.10 11.11
1228 1228 1229 1231 1231 1232
...
11.12 1232
B. Ausgewählte Instrumente der grenzüberschreitenden Unternehmensfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.18 1235
I. II. III. IV. V. VI. VII.
Beteiligungs- und Einlagenfinanzierung Darlehen/Kredite . . . . . . . . . . . . . . . . . Cash-Pooling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Factoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ABS-Finanzierungen . . . . . . . . . . . . . . . Hybride Finanzierungsformen . . . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
11.18 11.25 11.34 11.44 11.55 11.76 11.93
1235 1237 1242 1246 1250 1256 1265
XXXVII
Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
C. Steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen der grenzüberschreitenden Unternehmensfinanzierung . . 11.115 1275 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grenzüberschreitende Qualifikationskonflikte als Ausgangspunkt der internationalen Steuerplanung . III. Repo-Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Grenzüberschreitende Leasingmodelle . . . . . . . . . . V. Hybride Finanzierungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Hybride Gesellschaftsformen . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . 11.115 1275 . . . . .
. . . . .
11.116 11.119 11.120 11.124 11.125
1276 1277 1277 1279 1280
6. Teil: Internationales Steuerverfahrensrecht und Umsatzsteuerrecht bei Auslandsbeziehungen Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht A. Besteuerungsvollzug im internationalen Steuerrecht .
12.1 1283
B. Kontrollmaßnahmen und Kooperation der Steuerverwaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12.6 1287
C. Internationale Unternehmenstätigkeit im deutschen Verfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Die Prüfung international tätiger Unternehmen durch die deutsche Steuerverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12.11 1290 12.18 1295
E. Internationale Ermittlungshilfe (Auskunftsaustausch auf Ersuchen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12.21 1298
F. Austausch spontaner und automatischer Auskünfte . .
12.33 1307
G. Verständigungsverfahren und Konsultation . . . . . . . .
12.38 1309
H. Advance Pricing Agreements (APA) . . . . . . . . . . . . . .
12.50 1318
I. Begriff, Rechtsgrundlage, Zwecksetzung und Formen . II. Unilaterale APA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verfahrensablauf in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorgespräch (Prefiling-Phase) . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Phase der Antragstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Antragsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erforderliche Unterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gültigkeitsbedingungen („Critical Assumptions“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Laufzeit/Gültigkeitsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Entscheidung über den APA-Antrag . . . . . . . . . 4. Vorabverständigungsverfahren und Abschluss des APA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Durchführung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . .
12.50 12.55 12.58 12.58 12.60 12.62 12.62 12.64
XXXVIII
1319 1321 1323 1323 1323 1324 1324 1326
12.69 1328 12.73 1332 12.77 1333 12.79 1335 12.79 1335
Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
b) Rechtsstellung des Steuerpflichtigen . . . . . . . . 12.83 c) Abschluss der Vorabverständigungsvereinbarung 12.86 5. Umsetzung der Vorabverständigungsvereinbarung . 12.89 IV. Maßnahmen während der Laufzeit des APA . . . . . . . . 12.93 V. Gebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.96 VI. Bewertung von APA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.101
1338 1339 1341 1344 1345 1348
I. Schiedsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.105 1352 I. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schiedsverfahren nach EU-Schiedskonvention . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorverfahren (Art. 5 EU-Schiedskonvention) . . . . . 3. Verständigungsverfahren (Art. 6 EU-Schiedskonvention) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Antrag und Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . b) Ausschluss in strafbewährten Fällen . . . . . . . . . c) Durchführung des Verständigungsverfahrens . . 4. Schiedsverfahren (Art. 7 EU-Schiedskonvention) . . a) Einsetzung des Beratenden Ausschusses . . . . . . b) Zusammensetzung des Beratenden Ausschusses c) Verfahrensgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rechtsstellung des Steuerpflichtigen . . . . . . . . e) Stellungnahme des Beratenden Ausschusses . . . 5. Einigungsverfahren/Schlussverfahren (Art. 12 EU-Schiedskonvention) . . . . . . . . . . . . . . . 6. Umsetzung der Einigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Verfahrenskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schiedsverfahren nach Art. 25 Abs. 5 OECD-MA . . . . 1. Verlängerung des Verständigungsverfahrens . . . . . . 2. Einleitung des Schiedsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsanspruch des Steuerpflichtigen . . . . . . . . b) Einleitungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . c) Zulässigkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . 3. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anzuwendendes Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfahrens- und Beweisregeln . . . . . . . . . . . . . . c) Schiedsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Bestellung der Schiedsrichter . . . . . . . . . . . . . . e) Entscheidung der Schiedsstelle . . . . . . . . . . . . . f) Umsetzung des Schiedsspruchs . . . . . . . . . . . . . 4. Vereinfachtes Schiedsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verfahrenskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12.105 12.108 12.108 12.109
1353 1357 1357 1357
12.112 12.112 12.116 12.120 12.127 12.127 12.131 12.135 12.138 12.141
1358 1358 1362 1364 1369 1369 1371 1374 1375 1377
12.145 12.149 12.151 12.154 12.154 12.156 12.156 12.158 12.161 12.163 12.163 12.165 12.167 12.169 12.173 12.179 12.181 12.184
1379 1381 1381 1382 1382 1384 1384 1385 1386 1387 1387 1388 1390 1391 1394 1398 1399 1402
J. Kooperation und Abstimmung bei Außenprüfungen . . 12.187 1403 K. Internationale Rechtshilfe in Steuerstrafsachen . . . . . 12.191 1406 L. Amtshilfe durch Zustellung und Vollstreckung . . . . . 12.196 1409
XXXIX
Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
Kapitel 13 Umsatzsteuerrecht bei Auslandsbeziehungen A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wesen und Wirkungsweise der Umsatzsteuer . . . . . . 1. Verbrauchsteuercharakter der Umsatzsteuer . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Leistungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Relevanz eines Leistungswillens? . . . . . . . . . . 2. Grundmaximen des Umsatzsteuerrechts . . . . . . . 3. Die Gewährleistung der Überwälzung mithilfe der Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anfechtungsbefugnis des Steuerträgers (Leistungsempfängers) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Territoriale Anknüpfungspunkte der Umsatzbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bestimmungslandprinzip – Ursprungslandprinzip 3. Inlandsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . .
13.1 13.1 13.1 13.7 13.11 13.14
.
13.19 1422
.
13.21 1424
. . . .
13.23 13.23 13.24 13.33
B. Lieferungen und sonstige Leistungen in das Ausland . I. Lieferung und Lieferungsfiktionen . . . . . . . . . . . . . II. Ort der Lieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beförderungs- und Versendungslieferung . . . . . . a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Reihengeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beförderung oder Versendung durch den ersten Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Abholfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sogenannte Versandhändlerregelung . . . . . . . d) Sonstige Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Steuerbefreiungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausfuhrlieferungen in das Drittlandsgebiet . . . . a) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Steuerbefreiung und Ausfuhrverbot . . . . . . . c) Nachweisvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . aa) Charakter der Nachweise . . . . . . . . . . . . bb) Ausfuhr- und Buchnachweis . . . . . . . . . cc) Vertrauensschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Nachholung der Nachweise . . . . . . . . . . 3. Innergemeinschaftliche Lieferungen . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sinn und Zweck der Steuerbefreiung . . . . . . c) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XL
13.1 1414 1414 1414 1414 1416 1419 1420
1425 1425 1425 1428
13.35 1429
. . . . . . .
. . . . . . .
13.35 13.41 13.41 13.43 13.43 13.54 13.54
1429 1431 1431 1431 1431 1436 1436
. . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . .
13.58 13.62 13.69 13.78 13.84 13.84 13.87 13.87 13.99 13.101 13.101 13.105 13.109 13.111 13.116 13.116 13.118 13.121
1437 1439 1443 1447 1451 1451 1452 1452 1458 1459 1459 1461 1463 1465 1468 1468 1469 1470
Inhaltsverzeichnis Rz.
d) Reihengeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Verbringen eines Gegenstands in das übrige Gemeinschaftsgebiet als fiktive Lieferung . . . . f) Nachweis der Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . aa) Nachweise bis zum 31.12.2011 . . . . . . . . . (1) Belegnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Buchnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nachweisanforderungen seit dem 1.1.2012 cc) Identitätsnachweis? . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Nachholung der Nachweise . . . . . . . . . . . . g) Vertrauensschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Sonstige Leistungen (Dienstleistungen) mit Auslandsberührung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ort der sonstigen Leistungen (Dienstleistungen) . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Dienstleistungen an Unternehmer und juristische Personen mit USt-IdNr. . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Leistung an Unternehmer für dessen Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Leistung an juristische Personen, denen eine USt-IdNr. erteilt wurde . . . . . . . . . . . . dd) Unternehmenssitz und Betriebsstätte . . . . c) Sogenannte Dienstleistungskommission . . . . . d) Dienstleistungen an Nichtunternehmer . . . . . . e) Vom Leistungsempfängerstatus unabhängige Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Sonstige Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sonstige vom Status des Empfängers unabhängige Leistungen . . . . . . . . . . . . . . f) Sonderregelungen für „grenzüberschreitende“ Dienstleistungen in bzw. aus dem Drittland . . . g) Beförderungsleistungen und damit zusammenhängende Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beförderungsleistungen . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sonstige Leistungen, die mit der Beförderung eines Gegenstands im Zusammenhang stehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Steuerbefreiungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Lohnveredelungen an Gegenständen der Ausfuhr in das Drittlandsgebiet . . . . . . . . . . . . b) Weitere Befreiungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Seite
13.129 1472 13.132 13.137 13.138 13.139 13.141 13.144 13.147 13.152 13.155
1474 1475 1476 1477 1477 1479 1481 1484 1486
13.161 13.161 13.164 13.164
1490 1490 1491 1491
13.170 1492 13.170 1492 13.174 1494 13.186 13.195 13.199 13.203
1500 1504 1507 1509
13.214 1512 13.214 1512 13.224 1517 13.226 1518 13.231 1520 13.231 1520
13.237 1522 13.238 1522 13.238 1522 13.241 1523
XLI
Inhaltsverzeichnis Rz.
aa) Sonstige Leistungen im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Güterbeförderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Grenzüberschreitende und ähnliche Vermittlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Rechnungen über steuerfreie oder nicht steuerbare Umsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Funktion der Rechnung im Umsatzsteuerrecht 2. Zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer . . . . . . . . 3. Zusätzliche Angaben bei innergemeinschaftlichen Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Besteuerung des Leistungsempfängers bei im Ausland ansässigen Unternehmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unternehmer bzw. juristische Person als Leistungsempfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ansässigkeit des Leistenden . . . . . . . . . . . . . . . d) Ausnahmen von der Steuerschuldverlagerung . e) Besonderheiten bei Bau- und Reinigungsdienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Steuerberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Annex: Zivilrechtliche Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Innergemeinschaftlicher Erwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gelangen eines Gegenstands bei einer Lieferung von einem Mitgliedstaat in einen anderen . . . . . . . a) Bei einer Lieferung an den Abnehmer . . . . . . . . b) Gelangen aus einem Mitgliedstaat in einen anderen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erwerberkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Lieferer- und Lieferungskriterien . . . . . . . . . . . . . . 5. Reihengeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte . . . . c) Sonstige Reihengeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Erwerbsfiktion: Verbringen eines Gegenstands des Unternehmens in das Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zweck der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nicht nur vorübergehende Verwendung . . . . . . 7. Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs . . . . . . . 8. Steuerbefreiungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Bemessungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XLII
Seite
13.241 1523 13.242 1523 13.243 1524 13.243 1524 13.246 1525 13.249 1527 13.254 13.254 13.260 13.260
1528 1528 1531 1531
13.263 1532 13.273 1536 13.283 1540 13.284 13.287 13.291 13.295 13.295
1541 1542 1544 1546 1546
13.300 1548 13.300 1548 13.307 13.311 13.315 13.321 13.321 13.324 13.333
1550 1552 1553 1555 1555 1556 1559
13.337 13.337 13.338 13.345 13.349 13.355 13.359
1561 1561 1561 1564 1565 1567 1569
Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
C. Vergütung von Vorsteuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.362 1570 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vorsteuerabzug bei Bezügen aus dem Ausland . . . . . 1. In Rechnung gestellte Umsatzsteuer . . . . . . . . . . a) Funktion der Rechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhalt der Rechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vorsteuerabzug mit Kopie oder Original einer Rechnung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Unberechtigter Steuerausweis . . . . . . . . . . . . . e) Vertrauensschutz im Rahmen des Vorsteuerabzugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Rückwirkende Rechnungsberichtigung . . . . . . 2. Einfuhrumsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sonstige Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vorsteuerabzug bei steuerfreien Umsätzen in das Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausfuhrbezogene und ähnliche Umsätze . . . . . . . 2. Finanzierungs- und Versicherungsleistungen bei Gegenständen der Ausfuhr . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Vorsteuerabzug bei Umsätzen im Ausland . . . . . . . .
. . . . .
13.362 13.364 13.364 13.365 13.367
1570 1571 1571 1571 1572
. 13.371 1573 . 13.374 1575 . . . .
13.377 13.384 13.386 13.395
1576 1579 1581 1584
. 13.398 1585 . 13.398 1585 . 13.400 1586 . 13.402 1587
D. Betriebsstätten und Tochtergesellschaften im Umsatzsteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.405 1589 I. Vorspann: Der umsatzsteuerrechtliche Unternehmerbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Holding als Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsfähigkeit als Voraussetzung der Unternehmereigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Betriebsstätten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unternehmenseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verbringen von Gegenständen zwischen Betriebsstätten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Tochtergesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beschränkung der Organschaftswirkungen auf das Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines zur Organschaft . . . . . . . . . . . . b) Beschränkung auf juristische Personen als Organgesellschaften? . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beschränkung auf das Inland . . . . . . . . . . . . . d) Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unentgeltliche Leistungen zwischen Tochtergesellschaft und beherrschendem Gesellschafter . . a) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unentgeltliche Lieferungen . . . . . . . . . . . . . c) Unentgeltliche sonstige Leistungen . . . . . . .
. . 13.405 1589 . . 13.405 1589 . . 13.409 1590 . . 13.413 1593 . . 13.414 1594 . . 13.414 1594 . . 13.417 1595 . . 13.418 1596 . . 13.418 1596 . . 13.418 1596 . . 13.422 1598 . . 13.427 1600 . . 13.429 1602 . . . .
. . . .
13.432 13.432 13.434 13.438
1603 1603 1604 1606
XLIII
Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
E. Internationale Doppelbesteuerung auf dem Gebiet des Umsatzsteuerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.441 1607 I. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.441 1607 II. Kollisionsfälle und Möglichkeiten zu deren Beseitigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.445 1609 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1613
XLIV
Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. ABl. EG
Az.
andere(r) Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (bis Januar 2003) Amtsblatt der Europäischen Union (ab Februar 2003) Absatz Abschnitt Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) am Ende alte Fassung Anwendungserlass zur Abgabenordnung Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Absetzung für Abnutzung Aktiengesellschaft; auch „Die Aktiengesellschaft“ (Zeitschrift) Auslandsinvestitionsgesetz Aktiengesetz Alternative anderer Meinung amtlich Anhang Anmerkung Abgabenordnung Authorised OECD Approach Advance Pricing Agreement(s) Artikel Außensteuergesetz Auflage Auslandsinvestmentgesetz Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters (Zeitschrift) Aktenzeichen
BaFin BAO BB BBEV Bd. BDI Begr. Beschl. BeSt betr. BewG
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesabgabenordnung (Österreich) Betriebs-Berater (Zeitschrift) Beraterbrief Erben und Vermögen (Zeitschrift) Band Bundesverband der Deutschen Industrie Begründung Beschluss Beratersicht zur Steuerrechtsprechung (Zeitschrift) betreffend Bewertungsgesetz
ABl. EU Abs. Abschn. AcP a.E. a.F. AEAO AEUV AfA AG AIG AktG Alt. a.M. amtl. Anh. Anm. AO AOA APA Art. AStG Aufl. AuslInvG AWD
XLV
Abkürzungsverzeichnis
BFH BFHE BFH/NV BGB BGBl. BIFD BLIT BMF BPT BR-Drucks. BStBl. BT-Drucks. Buchst. BVerfG bzgl. BZSt bzw.
Bundesfinanzhof Entscheidungssammlung des BFH BFH/NV (Zeitschrift) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Teil I oder II Bulletin for International Fiscal Documentation Branch Level Interest Tax Bundesministerium der Finanzen Branch Profits Tax Drucksachen des Bundesrates Bundessteuerblatt Teil I, II oder III Drucksachen des Bundestages Buchstabe Bundesverfassungsgericht bezüglich Bundeszentralamt für Steuern beziehungsweise
CAPM C-Corp CDFI CGI Corp
Capital Asset Pricing Model Subchapter C Corporation Cahiers de Droit Fiscal International Général des impôts Corporation
DB DBA ders. d.h. dies. D/J/P/W DK D/P/P/M
D/W
Der Betrieb (Zeitschrift) Doppelbesteuerungsabkommen derselbe das heißt dieselbe(n) Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer Der Konzern (Zeitschrift) Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungsteuerrecht Disregarded Entity (US) Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e.V. (Tagungsbände) Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsches Steuerrecht-Kammerreport Deutsches Steuerrecht – Entscheidungsdienst (Zeitschrift) Deutsche Steuerzeitung (Zeitschrift) Datenverarbeitung in Steuer, Wirtschaft und Recht (Zeitschrift) Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung
t -E
Euro (Gesetzes-)Entwurf
DRE DStJG DStR DStR-KR DStRE DStZ DSWR
XLVI
Abkürzungsverzeichnis
EAS EC Tax Review EFG EG ErbStG EStB EStDV EStG EStR ET et al. EU EuGH EuGHE EuGH-URep EuZW EWR EWS
f. FA ff. FG FGO FinMin Fn. FR FRL FS FVerl FVerlV F/W/B/S F/W/K
GA GAufzV GbR gem. GewStG GewStR ggf.
Express-Antwort-Service des BMF (Österreich) European Communities Tax Review (Zeitschrift) Entscheidungssammlung der Finanzgerichte (Zeitschrift) Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der Fassung des Vertrages von Amsterdam Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz Einkommensteuerberater (Zeitschrift) Einkommensteuer-Durchführungsverordnung Einkommensteuergesetz Einkommensteuerrichtlinien European Taxation (Zeitschrift) et alii Europäische Union Europäischer Gerichtshof Entscheidungssammlung des EuGH EuGH-Umsatzsteuerreport Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift) folgende (eine Seite) Finanzamt fortfolgende (mehrere Seiten) Finanzgericht Finanzgerichtsordnung Finanzministerium Fußnote Finanz-Rundschau (Zeitschrift) Fusions-Richtlinie Festschrift Funktionsverlagerung Funktionsverlagerungsverordnung Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht Flick/Wassermeyer/Kempermann, DBA DeutschlandSchweiz Generalanwalt Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung Gesellschaft des bürgerlichen Rechts gemäß Gewerbesteuergesetz Gewerbesteuer-Richtlinien gegebenenfalls
XLVII
Abkürzungsverzeichnis
G/H/N G/K/G GKKB GmbH GmbHR GmbH-StB GP GrEStG GrS GS GStB GuV Halbs. HB II HGB H/H/R H/H/Sp h.M. Hrsg. IAS IBFD i.d.F. i.d.R. i.d.S. i.e.S. IFA IFRS i.H.v. IIFS Inc. INF Intertax InvFR InvG InvStG InvZulG IPO IPR
XLVIII
Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA Gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau (Zeitschrift) GmbH-Steuerberater (Zeitschrift) General Partnership Grunderwerbsteuergesetz Großer Senat Gedächtnisschrift Gestaltende Steuerberatung (Zeitschrift) Gewinn- und Verlustrechnung Halbsatz Handelsbilanz 2 Handelsgesetzbuch Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung herrschende Meinung Herausgeber International Accounting Standard International Bureau of Fiscal Documentation in der Fassung in der Regel in dem Sinne im engeren Sinne International Fiscal Association International Financial Reporting Standard in Höhe von Interdisziplinäres Zentrum für Internationales Finanzund Steuerwesen Incorporated Die Information für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer (Zeitschrift) International Tax Review (Zeitschrift) Investitionsfondsrichtlinie (Österreich) Investmentgesetz Investmentsteuergesetz Investitionszulagengesetz Initial Public Offering Internationales Privatrecht
Abkürzungsverzeichnis
IPrax IRS i.S. IStR IStR-LB ITPJ i.V.m. IWB
Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Zeitschrift) Internal Revenue Service im Sinne Internationales Steuerrecht (Zeitschrift) Internationales Steuerrecht, Länderbericht International Transfer Pricing Journal (Zeitschrift) in Verbindung mit Internationale Wirtschafts-Briefe
JbFStR JStG jurisPR JV
Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht Jahressteuergesetz juris Praxisreport Joint Venture
Kap. KESt KG KGaA KÖSDI K/S/M KStG KStR KWG
Kapitel Kapitalertragsteuer Kommanditgesellschaft Kommanditgeselschaft auf Aktien Kölner Steuerdialog (Zeitschrift) Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Körperschaftsteuergesetz Körperschaftsteuer-Richtlinien Gesetz über das Kreditwesen
LBO L/B/P lit. Ltd. LLC LLLP LLP LP
Leveraged Buy-Out Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht Litera Private Company Limited by Shares, Limited Limited Liability Company Limited Liability Limited Partnership Limited Liability Partnership Limited Partnership
MA MAP m.a.W. m. Anm. Mio. MTR MüKo m.w.N. MwStSystRL
Musterabkommen Mutual Agreement Procedure-APA mit anderen Worten mit Anmerkung(en) Million(en) Mutter-Tochter-Richtlinie Münchner Kommentar mit weiteren Nachweisen Mehrwertsteuersystemrichtlinie
n.F. NL Nr.
neue Fassung Niederlande Nummer
XLIX
Abkürzungsverzeichnis
NV NZG
Naamloze Vennootschap Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht
OECD
OECD-MK OFD OHG
Organization for Economic Cooperation and Development OECD-Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen OECD-Musterkommentar Oberfinanzdirektion offene Handelsgesellschaft
p.a. PartGG PIStB plc
per annum Partnerschaftsgesellschaftsgesetz Praxis Internationale Steuerberatung (Zeitschrift) Public Limited Company
RabelZ
Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (Zeitschrift) Rechnungsabgrenzungsposten Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz Real Estate Investment Trust Reichsfinanzhof Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, Umwandlungssteuergesetz Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Reiß/Kraeusel/Langer, Umsatzsteuergesetz rechtskräftig Richtlinie Rechtssache Rechtsprechung Reichssteuerblatt Randzahl
OECD-MA
RAP R/D REIT RFH R/H/vL RIW R/K/L rkr. RL Rs. Rspr. RStBl. Rz. S S. S-Corp Schr. SE SEStEG
S/H/S S/K/K Slg. s.o. sog.
L
Schweden Seite Subchapter S Corporation Schreiben Societas Europea Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften Schmitt/Hörtnagl/Stratz, Umwandlungsgesetz Strunk/Kaminski/Köhler, AStG und OECD-MA Amtliche Sammlung der EuGH Entscheidungen siehe oben so genannt
Abkürzungsverzeichnis
S/R StB Stbg StbJb StbKRep StBp StBW StEK StJ StuB StuW SWI T/K
Sölch/Ringleb, Umsatzsteuergesetz Der Steuerberater (Zeitschrift) Die Steuerberatung (Zeitschrift) Steuerberater-Jahrbuch Steuerberater-Kongress-Report (Zeitschrift) Die steuerliche Betriebsprüfung (Zeitschrift) Steuerberater Woche (Zeitschrift) Felix, Carlé, Steuererlasse in Karteiform, Loseblatt und CD-ROM Steuerjournal (Zeitschrift) Steuern und Bilanzen (Zeitschrift) Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) Steuer & Wirtschaft International (Zeitschrift)
TMTP TNI TNMM TPIR Tz.
Tipke/Kruse, Abgabenordnung – Finanzgerichtsordnung Tax Management Transfer Pricing (Zeitschrift) Tax Notes International (Zeitschrift) Transaktionsbezogene Nettomargen-Methode Tax Planning International Review (Zeitschrift) Textziffer
u.a. Ubg UmwG UmwStG Urt. UStG
unter anderem Die Unternehmensbesteuerung (Zeitschrift) Umwandlungsgesetz Umwandlungssteuergesetz Urteil Umsatzsteuergesetz
v. VAT V/B/E Vfg. vGA VGH vgl. V/L v.H. VWG vwt
vom, von Value added Tax Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise Verfügung verdeckte Gewinnausschüttung Volksgerichtshof (Österreich) vergleiche Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen vom Hundert Verwaltungsgrundsätze Der Wirtschaftstreuhänder (Zeitschrift)
W/A/D
Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstättenhandbuch Gesetz zur Förderung von Wagniskapitalbeteiligungen Wiener Vertragsrechtskonvention Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift)
WKBG WKV W/M Wpg
LI
Abkürzungsverzeichnis
W/R/S WÜRV z.B. ZEV ZHR ZVglRWiss
LII
Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge zum Beispiel Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft einschließlich des Rechts der Entwicklungsländer und der ethnologischen Rechtsforschung
Gesamtliteraturverzeichnis Bächle/Rupp/Ott/Knies, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Stuttgart 2010 Baranowski, Besteuerung von Auslandsbeziehungen, 2. Aufl., Herne/Berlin 1996 Beermann/Gosch, Steuerliches Verfahrensrecht, Kommentar, Loseblatt, Bonn Birk, Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, Herne/Berlin 1995 Birk, Steuerrecht, 14. Aufl., Heidelberg 2011 Birk/Ehlers, Rechtsfragen des europäischen Steuer-, Außenwirtschaftsund Zollrechts, Köln 1995 Birkenfeld, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, Loseblatt, Köln Blümich, EStG, KStG, GewStG und Nebengesetze, Kommentar, Loseblatt, München Bordewin/Brandt, EStG, Kommentar, Loseblatt, Heidelberg Brähler, Internationales Steuerrecht, 6. Aufl., Wiesbaden 2010 Bunjes, Umsatzsteuergesetz, 10. Aufl., München 2011 Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Losebelatt, München Debatin/Endres, Das neue Doppelbesteuerungsabkommen USA/Bundesrepublik Deutschland, München 1990 Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Kommentar zu allen deutschen Doppelbesteuerungsabkommen, Loseblatt, München Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, Kommentar, Loseblatt, Stuttgart Endres/Jacob/Gohr/Klein, DBA Deutschland-USA, München 2009 Erle/Sauter, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 3. Aufl., Heidelberg 2010 Ernst & Young, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, Bonn Fischer/Kleineidam/Warneke, Internationale Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, Berlin 2005 Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, Kommentar, Loseblatt, Köln Flick/Wassermeyer/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland – Schweiz, Kommentar, Loseblatt, Köln Frotscher, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl., München 2009 Frotscher, Praxiskommentar Einkommensteuergesetz, Loseblatt, Freiburg Frotscher/Maas, Praxiskommentar Körperschaftsteuergesetz, Umwandlungssteuergesetz, Loseblatt, Freiburg
LIII
Gesamtliteraturverzeichnis
Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, 5. Aufl., München 2010 Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 7. Aufl., München 2009 Gosch, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 2. Aufl., München 2009 Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA, Kommentar, Loseblatt, Herne/Berlin Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Loseblattsammlung, München von der Groeben/Schwarze, Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 6. Aufl., Baden-Baden 2003 Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung, 3. Aufl., Herne/ Berlin 2011 Grotherr/Herfort/Strunk, Internationales Steuerrecht, 3. Auflage, Achim 2010 Gürsching/Stenger, Bewertungsgesetz, Vermögensteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, Köln Haase, Außensteuergesetz/Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar, Heidelberg 2009 Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., München 2006 Haritz/Menner, Umwandlungssteuergesetz, Kommentar, 3. Aufl., München 2010 Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, Loseblatt, Berlin Helios/Wewel/Wiesbrock, REITG, München 2008 Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Loseblatt, Köln Herzig, Organschaft, Stuttgart 2003 Höhn, Handbuch des Internationalen Steuerrechts der Schweiz, 2. Aufl., Bern/Stuttgart 1993 Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Kommentar, Loseblatt, Köln Hüffer, Aktiengesetz, 9. Aufl., München 2010 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 7. Aufl., München 2011 Kallmeyer, Umwandlungsgesetz, 4. Aufl, Köln 2010 Ken Messére, Tax Policies in OECD Countries Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2. Aufl., München 2008 Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Loseblatt, Heidelberg Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 11. Aufl., Köln 2012 Klein, Kommentar zur Abgabenordnung, 11. Aufl., München 2012 Kluge, Das Internationale Steuerrecht, 4. Aufl., München 2000 Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl., Köln 1993 Korn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, Bonn Kraft, Außensteuergesetz, Kommentar, München 2009 Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Loseblatt, Köln
LIV
Gesamtliteraturverzeichnis
Kühn/von Wedelstädt, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 20. Aufl., Stuttgart 2011 Lademann, EStG, Kommentar, Loseblatt, Stuttgart Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, Stuttgart Lenz/Borchardt, EU-Verträge, 5. Aufl., Köln 2010 Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, Loseblatt, Stuttgart Locher, Einführung in das Internationale Steuerrecht der Schweiz, 3. Aufl., Bern 2005 Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung, 2. Aufl. 2011, München 2011 Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, Baden-Baden 2008 Lüdicke/Kempf/Brink, Verluste im Steuerrecht, Baden-Baden 2010 Lüdicke/Sistermann, Unternehmenssteuerrecht, München 2008 Lutter, Holding-Handbuch, 4. Aufl., Köln 2004 Lutter, Umwandlungsgesetz, Kommentar, 4. Aufl., Köln 2009 Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, Kommentar, 17. Aufl., Köln 2009 Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, Köln 2008 Maunz/Dürig, Grundgesetz, Kommentar, Loseblatt, München Mennel/Förster, Steuern in Europa, Amerika und Asien, Loseblatt, Herne Michalski, GmbHG, Kommentar, 2. Aufl., München 2010 Mössner/Fuhrmann, Außensteuergesetz, Kommentar, 2. Aufl., Herne 2011 Mössner/Seeger/von Brocke, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, Herne/Berlin Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., München 2011 Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Band 3, 3. Aufl., München 2012 Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 11: IPR – Internationales Wirtschaftsrecht, 5. Aufl., München 2010 Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2. Aufl., München 2009 Palandt, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 71. Aufl., München 2012 Piltz/Schaumburg, Unternehmensfinanzierung im internationalen Steuerrecht, Köln 1995 Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, Köln Reiß/Kraeusel/Langer, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, Bonn Reith, Internationales Steuerrecht – Handbuch zum Doppelbesteuerungsund Außensteuerrecht, München 2004 Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, Umwandlungsteuergesetz, Kommentar, Köln 2008 Runge/Ebling/Baranowski, Die Anwendung des Außensteuergesetzes, Heidelberg 1974
LV
Gesamtliteraturverzeichnis
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LVI
Gesamtliteraturverzeichnis
Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Köln 2010 Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, München 2005 Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Kommentar, Loseblatt, Bonn Wilke, Internationales Steuerrecht, 8. Aufl., Herne/Berlin 2005 Witte, Zollkodex, 5. Aufl., München 2009 Wöhrle/Schelle/Gross, AStG-Kommentar, Loseblatt, Stuttgart
LVII
1. Teil Grundlagen Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht Literatur Burmester, Zur Systematik internationaler Minderbesteuerung und ihrer Vermeidung, in Festschrift H. Debatin, München 1997, 55; Engelschalk, Die Besteuerung der Steuerausländer auf Bruttobasis, Heidelberg 1989; Esser, Pluralistisch-demokratische Steuerpolitik in der globalisierten Welt; Elicker, Die Zukunft des deutschen internationalen Steuerrechts; Frotscher (Hrsg.), Anforderungen an ein modernes Steuersystem angesichts der Globalisierung; Fulst, Ist Deutschland dem internationalen Steuerwettbewerb gewachsen? in Lüdicke, Wo steht das deutsche internationale Steuerrecht?, Köln 2009; Haas, Reformbedarf im deutschen internationalen Steuerrecht, IStR 2011, 353; Hardeck, Die Empfehlungen der OECDLeitsätze für multinationale Unternehmen im Bereich der Besteuerung, IStR 2011, 933; Kaminski/Strunk, Einfluss von Steuern auf unternehmerische Entscheidungen; Kötter/Schüppert, Normative Pluralitäten ordnen, Nomos; Lang, Auslegung von DBA und authentische Vertragssprache, IStR 2011, 403; Lang, Prinzipien und Systeme der Besteuerung von Einkommen, in Besteuerung von Einkommen, DStJG 24 (2001), S. 72; Lang, Unternehmensbesteuerung im internationalen Wettbewerb, StuW 2011, 144; Lüdicke (Hrsg.), Wo steht das deutsche internationale Steuerrecht?, Köln 2009; Lüdicke (Hrsg.), Internationales Steuerrecht – Aufbruch oder Konsolidierung?, Köln 2011; S. Michel, Besteuerung und Organisation; Müller/Fromm/Hansjürgens (Hrsg.), Regeln für den europäischen Steuerwettbewerb, Marburg 2001; Musgrave R. und P., Public Finance in Theory and Practice, 5th ed., New York 1989; Schön, Zur Zukunft des internationalen Steuerrechts, in Lüdicke (Hrsg.), Praxis und Zukunft des deutschen internationalen Steuerrechts, Köln 2012; Schüssel/Keller, Übergang zur Anrechnungsmethode? IStR 2011, 285; Sieber, Rechtliche Ordnung in einer globalen Welt, Rechtstheorie 2009, 151; Spengel/Lammersen, Methoden zur Messung und zum Vergleich von internationalen Steuerbelastungen, StuW 2001, 22; Vera, Das steuerliche Zielsystem einer international tätigen Großunternehmung, StuW 2001, 310; Zirfas de Morón, Transnationale Besteuerung im Kontext der Globalisierung, Bielefeld 1996.
A. Grenzüberschreitendes Wirtschaften I. Unternehmen und internationaler Steuerraum Internationale Tätigkeit gehört zum Normalbild unternehmerischen Wirtschaftens. Für sie gelten die allgemeinen Handlungsbedingungen von Unternehmen: während sie sich innerhalb ihres technisch-organisatorischen Bereichs weitgehend unabhängig von Rechts- und Wirtschaftssystemen bewegen können, gehen die eigentlichen Unternehmensentscheidungen Menck
1
1.1
Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht
darüber hinaus und sind in das Rechtssystem eingebunden,1 innerhalb dessen die Besteuerung ihren anerkannt hohen Rang einnimmt. Internationale Tätigkeit verlässt den Rahmen des heimischen Rechts mit seinen vergleichsweise übersehbaren und i.d.R. in sich kohärenten Vorgaben. Sie tritt in den internationalen Raum mit einer Vielzahl nationaler Rechtsordnungen und hat dort viel komplexere steuerliche Verhältnisse bei Unternehmensentscheidungen mit Außenwirkung zu berücksichtigen. Die allgemeinen Bedingungen sind neben den nationalen Steuerordnungen durch das internationale Recht geprägt. Dies gilt auch für den deutschen Standort, den v.a. nationales Recht, die Vorgaben von Recht der WTO, EU-Recht und die über 100 deutschen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) prägen, die die Übersicht 1 in Rz. 1.11 zusammenstellt.
1.2 Unter diesen Verhältnissen führt internationales Wirtschaften von Unternehmen steuerlich zu erhöhtem Anpassungs-, Koordinierungs- und Gestaltungsbedarf. Angesprochen ist damit, dass Unternehmen als Ganzes sich im laufenden Geschäft im Wege des operativen Steuermanagement von Tag zu Tag den Anforderungen einer Vielzahl von Fisci zu stellen haben, und dass strategische Zielentwicklung der Unternehmensführung zeitübergreifend zur Erreichung der Unternehmensziele im komplexen internationalen Umfeld entscheidungsorientierte Handlungsalternativen zu entwickeln hat. Zugleich können sich Möglichkeiten zum Senken der Steuerbelastung ergeben. Für den deutschen Standort hat Beides das für zwischenstaatliche Sachverhalte maßgebende deutsche internationale Steuerrecht zu beachten.2 Es ist auch Gegenstand der internationalen betrieblichen Steuerlehre, die sich meist als praxisorientierte Darstellung des allgemeinen Rechtsrahmens des deutschen internationalen Steuerrechts entwickelt hat, aber auch pragmatische und steuerpolitische Elemente aufnimmt.3 Weiter ausholend hat Wacker das Programm einer „transnational“ vernetzten Steuerlehre entwickelt,4 die die Gesamtwirkungen von Steuern im internationalen Raum untersuchen soll. Eine ähnlich breite Konzeption zeichnet sich ab, wenn als Ziel steuerlicher Koordination im internationalen Bereich die Schaffung eines „level playing field“ für die im internationalen Raum tätigen wirtschaftlichen Kräfte anvisiert wird. Diese Formel umfasst neben der internationalen Zusammenarbeit am DBA-Netz auch die Vermeidung schädlichen Steuerwettbewerbs zwischen den Staaten sowie die zwischenstaatliche Zusammenarbeit der Steuerverwaltungen (Rz. 12.6 ff.).5
1 Die vorstehende Formulierung lehnt sich an Kaminski/Strunk an, Einfluss von Steuern auf unternehmerische Entscheidungen, S. 1. 2 Zu Fragen der Abgrenzung und Methoden dieses Gebiets s. Kluge, Internationales Steuerrecht4, A 7, Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 1.1. m.w.N. sowie Bareis, StuW 2000, 81 m.w.N. 3 Grundlegend für die neuere Entwicklung Fischer/Kleineidam/Warneke, Internationale betriebswirtschaftliche Steuerlehre5, S. 251 ff., 561 ff. 4 Wacker, IStR 1993, 245. 5 OECD-Bericht „Tax Cooperation: Towards a Level Playing Field“, 2009.
2
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A. Grenzüberschreitendes Wirtschaften
Vom deutschen Standort her stellen sich die Probleme in zwei Richtungen, nämlich einmal bei Auslandstätigkeiten deutscher Unternehmen und bei inländischen Aktivitäten deutscher Unternehmen (outbound bzw. inbound activities). Eine erste Typisierung der aus grenzüberschreitender Unternehmenstätigkeit entstehenden internationalen Sachverhalte findet sich in folgender Einteilung:
1.3
– das Unterhalten von Direktgeschäften, z.B. regelmäßige Warenlieferungen bzw. Dienstleistungen über ausländische Stützpunkte oder Lizenzgewährungen; – die Begründung von Zweigunternehmen in Form von Betriebsstätten, von Vertretungen oder anderen Stützpunkten im Ausland; – Gründung von Zweigunternehmen in Form von abhängigen Gesellschaften, was v.a. konzernähnliche Verbindungen und sonstige Beteiligungs- oder Beherrschungsverhältnisse einschließt. Solche Aufzählungen erschöpfen den Reichtum der auftretenden Situationen und Handlungspotentiale nicht. V.a. können in den angesprochenen Situationen die Intensität des Engagements und dessen steuerliche Ausprägung äußerst unterschiedlich sein: Hoch exportorientierte Unternehmen sind u.U. international fest eingebunden; internationale Unternehmensbeteiligungen können zur Begründung eines Rings internationaler Repräsentanzen zu festgefügten internationalen Konzernen oder zu komplizierten mehrkernigen Gebilden ohne eindeutige Zugehörigkeit zu einem bestimmten Land führen. Schließlich kann eine Erscheinung wie der internationale Konzern in vielerlei organisatorischen Spielarten auftreten (funktionales oder divisionales Einheitsunternehmen, StammhausSparten-, Matrixkonzern).1 Dabei sind die Bedingungen im Unternehmen und in seinem Umfeld so unterschiedlich, dass Planungs- und Entscheidungsmodelle nicht realisierbar sind, die grundsätzlich für jede Unternehmensgruppe anwendbar und gültig wären.2 Von hoher Bedeutung sind auch die Optionen, die das Unternehmen bei der Außen- und Innenfinanzierung durch Verrechnungspreise (vgl. Rz. 3.1 ff.) und das Ausschüttungsverhalten seiner Gliedgesellschaften hat (vgl. Rz. 1.55 ff., 68). Bei seiner grenzüberschreitenden Tätigkeit trifft das Unternehmen auf die Steuersysteme als Standortfaktoren der von ihm berührten Länder. Es tritt gleichzeitig in einen Normenpluralismus ein, was sich auf ganz unterschiedliche Weise auswirkt. Werden etwa Güter im Ausland abgesetzt, so wirken Zölle des Absatzlandes als Zutrittsbarrieren zu dessen Markt, während Verbrauchssteuern meist die Gleichstellung des Absatzes innerhalb der beteiligten Absatzmärkte bewirken. Bei den direkten Steuern setzt sich das Unternehmen bei nicht sehr begrenzter Auslandstätigkeit den Steuern in Heimat- und Tätigkeitsstaat aus, doch ist eine eigentliche Doppelbelastung meist vermeidbar (DBA, nationale Maßnahmen der be1 Eine an der Forderung der steuerlichen Neutralität der Unternehmensstruktur orientierte Darstellung gibt S. Michel, Besteuerung und Organisation, S. 95 ff. 2 Zitiert nach Zirfas de Morón, Transnationale Besteuerung, S. 158.
Menck
3
1.4
Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht
teiligten Staaten). Im Ergebnis tragen dann die einzelnen Unternehmensteile zunächst die steuerlichen Lasten ihrer einzelnen Standorte. Damit schlagen die unterschiedlichen Belastungshöhen in den einzelnen Staaten auf das Unternehmen durch und wirken – wie andere Standortfaktoren – auf seine Wettbewerbsposition auf den globalen Märkten ein (zu zusätzlichen Belastungen durch Heimatländer mit sog. Anrechnungssystemen s. Rz. 1.61 ff.). Daneben können durch Überlagerungen und Außenwirkungen nationaler Steuern oder unternehmensseitige Gestaltung Rückwirkungen und internationale Verwerfungen entstehen. Schließlich ist das Verwaltungshandeln der beteiligten Fisci auf ihr eigenes Gebiet beschränkt und international nicht abgestimmt. All dies kann die internationale Tätigkeit behindern, sie aber auch gegenüber beteiligten Standorten entlasten (z.B. durch Verlagerungen von Steuersubstrat in besonders niedrig besteuernde Staaten).
1.5 Mit dem Ausgreifen über die Grenzen seines Heimatstaates trifft das Unternehmen auf steuerliche Ansprüche von Heimat- und Tätigkeitsstaaten und auf die Verfahrensanforderungen ihrer Fisci. Das Unternehmen soll in allen beteiligten Staaten deren steuerlichen Anforderungen nachkommen – dies gleichzeitig mit steuerlichen Pflichten ihres Heimatstaates. Die „OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen“ fordern unter dem Stichwort „Besteuerung“1 ausdrücklich: „Die Unternehmen sollen … auf Verlangen der Steuerbehörden der jeweiligen Gastländer und im Einklang mit den Schutzbestimmungen und diesbezüglichen Verfahrensregelungen der nationalen Gesetzgebung dieser Länder alle Informationen zur Verfügung stellen, die zur korrekten Veranlagung der im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit zu entrichtenden Steuern erforderlich sind, und zwar ausschließlich zweckdienlicher Informationen über ihre Aktivität in anderen Ländern.“
Gleichzeitig sollen die Unternehmen materiell an dem Ausgleich zwischen den beteiligten Finanzverwaltungen mitwirken, z.B. wenn sie sich bei der innerkonzernlichen Gewinnabgrenzung an den dafür international üblichen Grundsatz des Fremdvergleichs halten (vgl. hierzu Rz. 3.6 ff.).
1.6 Im Gegenzug nehmen am internationalen Wirtschaftsverkehr beteiligte Staaten meist in ihrer nationalen Gesetzgebung in gewissem Umfang Rücksicht auf die internationale Wirtschaftstätigkeit. Hierzu gehören z.B. ein Mindeststandard von Achtung und Schutzgewähr, wie er dem binnenstaatlich Tätigen gewährt wird, und die steuerliche Anerkennung der eigenen Rechtspersönlichkeit der einzelnen Gesellschaften international tätiger Konzerne. In vielen Staaten ist den ansässigen Unternehmen seit jeher durch Steueranrechnung der Schutz vor Doppelbesteuerung gewährt worden. Auf der anderen Seite werden Nachteile für die
1 So schon die Altfassung von 1976; s. Hardeck, IStR 2011, 933 (zur Neufassung von 2010). Die offizielle deutsche Übersetzung der Verrechnungspreis-Leitlinien 2010 ist abgedruckt in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise.
4
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A. Grenzüberschreitendes Wirtschaften
internationale Tätigkeit, die auf der territorial begrenzten Reichweite nationaler Besteuerung beruhen, international hingenommen – z.B. der Ausschluss des grenzüberschreitenden Ausgleichs von Verlusten, Sondertarife für den Steuerausländer oder die Besteuerung durch Steuerabzüge mit ihren unvermeidlichen Kostenprogressionen (s. Rz. 1.46). Hierher gehören auch die Maßnahmen von Staaten, die der Sicherung eigenen Steuersubstrats sowie der Sicherung anderer nationaler Interessen dienen, sowie die nationale Begrenztheit der Verwaltungstätigkeit die Staaten zu Gegenmaßnahmen und zur Kooperation zwingen. Der sog. Steuerwettbewerb der Staaten untereinander (s. Rz. 1.84 ff.) belastet ihre Zusammenarbeit durch Interessenkonflikte, treibt sie aber durch das Ausmaß und die Folgen an, die steuerliche Verwerfungen haben können. Die Zugehörigkeit zur EU setzt weitere Akzente (s. dazu Rz. 1.95 ff.). Grundlage bleiben bei all dem die auf einzelstaatlicher Souveränität ruhenden nationalen Steuerrechte und die daraus abzuleitenden Ansprüche der Fisci. Die einzelnen Staaten können sich dabei auf das persönliche wie auf das territoriale Element ihrer Staatshoheit stützen (s. eingehend Rz. 2.12 ff.). Allgemeines Völkerrecht überlässt es ihnen, wie sie ihre Besteuerung an diese beiden Elemente anknüpfen, verbietet sie als „exterritorial“ nur dort, wo keinerlei oder eine nur willkürlich angenommene wirtschaftliche Zugehörigkeit zu ihnen besteht (s. Rz. 2.3). Der internationale Sachverhalt löst regelmäßig einen Doppelbezug aus, z.B. wenn Waren aus einem Land in ein anderes exportiert werden oder Einkünfte international fließen. Darin ist bei den direkten Steuern die Doppelanknüpfung an Wohnsitz und Quelle, bei den indirekten an Herkunfts- und Bestimmungsland angelegt; sie wirkt in beiden Fällen auch internationaler Steuerverkürzung oder -umgehung entgegen. Dieser Rechtsansatz des allgemeinen Völkerrechts führt zwangsläufig zu internationalen Funktionsstörungen aus der Überlagerung der Steuersysteme, deren bekannteste Erscheinung die sog. „juristische Doppelbesteuerung“ (s. Rz. 2.245) ist. Zudem ist das Verbot extraterritorialer Besteuerung so ungenau abgegrenzt, dass es Überschneidungen von Steuerzuständigkeiten geradezu vorprogrammiert. Schließlich sind die Abgabesysteme auf ihren Geltungsbereich abgestellt; viele ihrer Institutionen sind national begrenzt (z.B. Verlustausgleich, Ausgleich von Körperschafts- und Einkommensbesteuerung ausgeschütteter Gewinne). Da die Staaten ihre Souveränität und Unabhängigkeit auch bei den Steuern betonen, gehören Überschneidungen und Verwerfungen zum Normalbild des internationalen Steuerraums.
1.7
Die nationalen Steuerrechte, die das internationale Wirtschaften vorfindet, bieten ein verwirrendes Bild. Sie weisen oft auffallende Strukturähnlichkeiten auf, die sich aus gemeinsamen Systemansätzen, aus gleichlaufenden wirtschaftlichen und historischen Entwicklungen sowie aus einem gegenseitigen Angleichungsdruck der Steuersysteme erklären; man spricht von einer „stillen Konvergenz“ der Steuerrechte. Auf der anderen Seite stehen im Detail des nationalen Rechts derart viele Unterschiede, dass
1.8
Menck
5
Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht
man die Systeme als inkommensurabel bezeichnen muss. Dies spiegelt einerseits Unterschiede der geschichtlichen, sozialen und rechtlichen Gegebenheiten, andererseits divergierende steuerpolitische Zielsetzungen der Systeme. Einen entscheidenden Anteil aber hat, dass sich auch bei gleichem Systemansatz bei der Ausdifferenzierung zweier Rechte immer wieder für gemeinsame Sachprobleme unterschiedliche systementwickelnde Lösungsmöglichkeiten ergeben; unterschiedliche Entscheidungen der nationalen Gesetzgeber lösen ein der Konvergenz entgegengesetztes Auseinanderdriften der Systeme aus.1 All dies wird noch erhöht durch Unterschiede der Gesetzesanwendung. Unternehmen müssen damit rechnen, dass ihre Geschäftsbeziehungen durch Finanzverwaltungen selbst nach gleichem Recht unterschiedlich beurteilt, Funktionen unterschiedlich gewogen oder Sachverhalte abweichend eingestuft werden. Die international tätigen Unternehmen sind damit regelmäßig in den verschiedenen Bereichen auf örtliche Beratung angewiesen, was die mittelbare Steuerbelastung erhöht. Neben dem Zwang zu Fehlallokationen und anderen belastenden Folgen können sich aus diesen Verhältnissen freilich auch Chancen zu steuerlicher Optimierung der Unternehmenstätigkeit ergeben, deren Nutzung vielfach zu den allgemeinen Unternehmenszielen gehört.
II. Grundlagen der Steuerkoordination 1.9 Allgemeine Grundlage der Steuerkoordination ist, dass die Staaten den in ihrem Gebiet im Eigentum oder unter Kontrolle von Ausländern stehenden Unternehmen im Rahmen ihrer allgemeinen Ordnung „im Bereich ihrer Gesetze, Durchführungsbestimmungen und Verwaltungspraktiken eine Behandlung zuteil werden lassen sollten, die im Einklang mit dem Völkerrecht steht und nicht weniger günstig ist, als sie inländischen Unternehmen unter gleichartigen Bedingungen zuteil wird“ („Inländerbehandlung“). Sehr differenziert vollzog sich die Koordination bei den direkten Steuern. Sie hat sich auf den internationalen Gesamtraum zu beziehen, in dem die Unternehmen tätig sind. Damit waren für das allgemeine DBA-Netz ins Einzelne gehende Leitlinien zu entwickeln. Sie wurden v.a. vom Steuerausschuss der OECD und durch die Zusammenarbeit mit den UN erarbeitet, was entscheidend von deutscher Seite mitgestaltet worden ist und weiter mitgestaltet wird. Sie enthalten die allgemeinen Grundsätze der Gleichbehandlung (Art. 27 OECD-MA) und regeln in erster Linie die Abgrenzung von Steuersubstrat in den Belegenheitsstaaten. Hierbei weichen die konkreten bilateralen Vereinbarungen von den „Musterabkommen“ vielfach ab, um bei Besonderheiten der nationalen Rechte und ihres Zusammenwirkens ausgeglichene Gesamtwirkungen zu sichern. Nicht selten weichen die Staaten auch vom allgemeinen Grundsatz der Gegenseitigkeit ab, um abweichende Vorstellungen zur Kohärenz ihres jeweili1 Einen Überblick über solche Prozesse während der letzten Jahrzehnte gibt Ken Messére, Tax Policies in OECD Countries.
6
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A. Grenzüberschreitendes Wirtschaften
gen Steuersystems zur Geltung zu bringen. DBA sollen ferner die Effizienz nationaler Besteuerung sichern und ihre Vermeidung abwehren. Sie sollen gleichzeitig einem sinnvollen Steuerwettbewerb dienen, indem sie das Steuersubstrat sachgerecht aufteilen (s. Rz. 1.84). Aus solchen Gründen halten z.B. deutsche DBA beim Ausgleich von Doppelbesteuerung im Wohnsitzstaat an dem in ihren nationalen Rechten vorgesehenen Anrechnungssystem fest und ersetzen sein Anrechnungs- durch das Freistellungssystem. Die Symmetrie der Steuerwirkungen wird bei der Auslegung und Anwendung der DBA zu beachten sein. Darüber hinaus hat Deutschland wiederholt die DBA-Regelungen zurücknehmende nationale Bestimmungen erlassen, wo die Abkommenswirkungen zu doppelten Entlastungen führen; die rechtliche Zulässigkeit solcher Bestimmungen ist heftig umstritten (Rz. 1.172 m.w.N.). Die Symmetrie auch in der konkreten Rechtsanwendung zu erreichen, ist auch Aufgabe der allgemeinen Zusammenarbeit der Verwaltungen und ihrer Abstimmungen in Verständigungsverfahren (s. Rz. 12.38 ff.). Bei all dem sucht die internationale Steuerkoordination i. Allg. nicht, nationale Niveauunterschiede zu beseitigen oder zu einer internationalen Standardbelastung zu gelangen. Ihre Grundlage sind die auf einzelstaatlicher Souveränität begründeten nationalen Steuerrechte und die davon abgeleiteten Steueransprüche der beteiligten Fisci. Bei den direkten Steuern konzentrierte sie sich ursprünglich auf die Verteilung von Steuersubstrat. Sie setzt es sich aber auch zum Ziel, im internationalen Steuerraum Symmetrie in dem Sinne zu erreichen, dass die im Einzelfall eintretenden Gesamtwirkungen den an ein rationales Steuersystem herrschenden Anforderungen genügen, wobei Letzteres aus den jeweils beteiligten nationalen Rechten bzw. aus internationalen Wertungskonvergenzen oder übergreifendem Recht (z.B. der EU) abzuleiten ist. Dies hat wegen der Vielfalt der in den beteiligten Staaten erhobenen Steuern unterschiedliche Ziele, Inhalte und Formen. Ein besonderes Problem bildet, dass die Anpassung meist bilateral zu realisieren ist, bei der Vielzahl der am internationalen Verkehr beteiligten Staaten aber möglichst gemeinsame Linien der Anpassung zu suchen sind. Die Entwicklung greift wieder auf alle Formen internationaler Zusammenarbeit zurück. So hat sich bei den direkten Steuern ein globales Netz von über 2000 völkerrechtlichen Verträgen gebildet. Für die Umsatzbesteuerung kam es zu gemeinsamer Rechtssetzung in der EU (s. hierzu eingehend Rz. 13.5 ff.). Für die Zusammenarbeit der Verwaltungen bestehen in unübersichtlicher Weise meist bruchstückhafte Regelungen steuerlicher Verwaltungszusammenarbeit (s. hierzu die Darstellung in Kapitel 12). Ferner bestimmt in der EU die Ausjudizierung der EU-Grundrechte in unterschiedlichster Weise die nationalen Steuerrechte. Die jüngere Entwicklung sucht gerade bei der Unternehmensbesteuerung die Entwicklung gemeinsamer Grundlagen, was von genaueren Regeln für die Gewinnabgrenzung über gemeinsame Strukturen der Unternehmensbesteuerung und deren allgemeiner Harmonisierung reichen kann. Ansätze hierzu gibt es u.a. in der EU; die Entwicklung in ihrem Raum ist in Rz. 1.95 ff. dargestellt. Menck
7
1.10
Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht
III. Stellung der Bundesrepublik Deutschland 1.11 Die Bundesrepublik Deutschland ist in besonderem Maße international offen. Als stark exportorientiertes Land arbeitet sie in WTO und EU an der Koordinierung von Zöllen, Verbrauch- und Umsatzsteuern mit (s. Rz. 1.16 ff., 13.5). Ertragsteuerlich ist besonders bedeutsam ihre Mittlerstellung, weil sie gleichzeitig – Tätigkeitsland zahlreicher ausländischer Unternehmen mit internationaler Tätigkeit ist; die deutschen Tochtergesellschaften ausländischer Unternehmen sind ein wichtiger, unentbehrlicher und hoch geachteter Teil der deutschen Wirtschaft; – Heimatland zahlreicher Unternehmen ist, die intensiv im Ausland tätig sind; ihre wachsende Bedeutung spiegelt sich darin wider, dass seit Mitte der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts die deutschen Direktinvestitionen im Ausland die ausländischen Direktinvestitionen im Inland übertreffen. Das deutsche Steuerrecht muss damit gleichmäßig den Belangen des „Steuerausländers mit Inlandsbeziehungen“ und des „Steuerinländers mit Auslandsbeziehungen“ gerecht werden. Im Blick auf die internationale Gegenseitigkeit sucht sie ausgeglichene und international abgestimmte Lösungen für beide Gruppen. Als international offenes Land ist Deutschland an günstigen Rahmenbedingungen für international tätige Unternehmen interessiert – und zwar sowohl für ins Ausland gerichtete wie für ins Inland fließende Investitionen. Dies ist Schwerpunkt der deutschen DBA-Praxis.1 Das heutige deutsche Abkommensnetz (Übersicht 1) ist eines der größten der Welt.
1 Vgl. zur aktuellen deutschen Abkommenspolitik auch Baumhoff/Schönfeld (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen – Nationale und internationale Entwicklungen, Köln 2012.
8
Menck
A. Grenzüberschreitendes Wirtschaften Übersicht 1: Stand der Doppelbesteuerungsabkommen und der Doppelbesteuerungsverhandlungen am 1. Januar 2012, BMF vom 17.1.2012, BStBl. I 2012, 108 I. Geltende Abkommen Abkommen
Fundstelle BGBl. II
mit
vom Jg.
Inkrafttreten
BStBl. I S. Jg.
BGBl. II BStBl. I S. Jg. S. Jg. S.
Anwendung grundsätzlich ab
1. Abkommen auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen Ägypten Algerien Albanien Argentinien
8.12.1987 12.11.2007 6. 4.2010 13. 7.1978/ 16. 9.1996 Armenien 24.11.1981 (DBA mit UdSSR gilt fort, BGBl. 93 II S. 169) Aserbaidschan 25. 8.2004 Australien 24.11.1972 29. 5.1990 Bangladesch1 Belarus 30. 9.2005 (Weißrussland) Belgien 11. 4.1967/ 5.11.2002 Bolivien 30. 9.1992 Bosnien und 26. 3.1987 Herzegowina (DBA mit SFR Jugoslawien gilt fort, BGBl. 92 II S. 1196) Bulgarien 25. 1.2010 China 10. 6.1985 (ohne Hongkong und Macau) Côte d’Ivoire 3. 7.1979 Dänemark 22.11.1995 Ecuador 7.12.1982 Estland 29.11.1996 Finnland 5. 7.1979 Frankreich 21. 7.1959/ 9. 6.1969/ 28. 9.1989/ 20.12.2001 Georgien 1. 6.2006 Ghana 12. 8.2004 Griechenland 18. 4.1966 Indien 19. 6.1995 Indonesien 30.10.1990 Iran, 20.12.1968 Islamische Republik Irland 17.10.1962/ 3. 6.2011 Island 18. 3.1971 Israel 9. 7.1962/ 20. 7.1977 Italien 18.10.1989 Jamaika 8.10.1974 Japan 22. 4.1966/ 17. 4.1979/ 17. 2.1983 Jersey 4. 7.2008 (begrenztes DBA) Kanada 19. 4.2001 Kasachstan 26.11.1997 Kenia 17. 5.1977
1990 2008 2011 1979 1998 1983
278 1188 1186 585 18 2
1990 2009
280 1991 382 2009
1042 1992 136 2009
7 396
1979 1998 1983
326 1979 187 2001 90 1983
1332 1980 694 2001 427 1983
2005 1974 1991 2006
1146 337 1410 1042
2006 1974 1992 2007
291 423 34 276
2006 1975 1993 2007
120 216 847 287
1969 2003 1994 1988
17 1615 1086 744
1969 2005 1994 1988
38 346 575 372
1969 2003 1995 1988
1465 1744 907 1179
2010 1986
1286 2011 446 1986
1982 1996 1984 1998 1981 1961 1970 1990 2002 2007 2006 1967 1996 1991 1969
153 2565 466 547 1164 397 717 770 2370 1034 1018 852 706 1086 2133
1982 1996 1984 1998 1982 1961 1970 1990 2002 2008 2008 1967 1996 1991 1970
1964 2011 1973 1966 1979 1990 1976 1967 1980 1984 2009
266 250 357 329 181 742 1194 871 1182 194 589
1964
2002 1998 1979
543 2011 329 1986 357 1219 339 543 201 342 900 413 891 482 467 50 599 1001 768
51 540 352
1. 1. 1. 1. 1. 1.
1.1992 1.2009 1.2012 1.1976 1.1996 1.1980
2006 1975 1993 2007
304:1 386 466 290
1. 1. 1. 1.
1.2006 1.1971 1.1990 1.2007
1969 2005 1995 1989
468 348 758 35
1. 1. 1. 1.
1.1966 1.2004 1.1991 1.1989
584 2011 731 1986
558 339
1. 1.2011 1. 1.1985
1982 1997 1986 1999 1982 1961 1970 1991 2003 2008 2008 1968 1997 1991 1969 1970
637 728 781 84 577 1659 1189 387 542 521 51 30 751 1401 2288 282
1982 1997 1986 1999 1982 1961 1970 1991 2003 2008 2008 1968 1997 1992 1970
628 624 358 269 587 712 1072 93 383 494 481 296 363 186 777
1. 1. 1. 1. 1. 1. 1. 1. 1. 1. 1. 1. 1. 1. 1.
1.1982 1.1997 1.1987 1.1994 1.1981 1.1957 1.1968 1.1990 1.2002 1.2008 1.2008 1.1964 1.1997 1.1992 1.1970
632 741 1567 767 1031 59 1703 2028 1426 567 38
1964
366
1973 1966 1979 1990 1976 1967 1980 1984 2010
320 1964 2011 504 1973 700 1966 124 1979 396 1993 407 1976 58 1967 649 1980 216 1984 174 2010
1973 1966 1979 1993 1976 1967 1980 1984 2010
730 946 603 172 632 336 772 388 178
1. 1. 1. 1. 1. 1. 1. 1. 1. 1. 1.
1.1959 1.2011 1.1968 1.1961 1.1970 1.1993 1.1973 1.1967 1.1977 1.1981 1.2010
671 2002 1592 1998 606 1979
505 2002 1029 1999 337 1980
962 2002 86 1999 1357 1980
521 269 792
1. 1.2001 1. 1.1996 1. 1.1980
1 Gilt nicht für die VSt.
Menck
9
Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht Abkommen
Fundstelle BGBl. II
mit
vom Jg.
Inkrafttreten
BStBl. I S. Jg.
BGBl. II BStBl. I S. Jg. S. Jg. S.
Anwendung grundsätzlich ab
(noch 1. Abkommen auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen) Kirgisistan Korea, Republik Kroatien Kuwait
1.12.2005 10. 3.2000
2006 2002
1066 2007 1630 2003
233 2007 24 2002
214 2007 2855 2003
246 36
1. 1.2007 1. 1.2003
6. 2.2006 4.12.1987
2006 1989
1112 2007 354 1989
246 2007 150 1989
213 2007 637 1989
259 268
18. 5.1999 21. 2.1997 25.11.1970 22. 7.1997 23. 8.1958/ 15. 6.1973/ 11.12.2009 8. 4.1977/ 23. 2.2010 8. 3.2001/ 17. 6.2010 7. 6.1972 15. 3.1978 13. 7.2006 23. 2.1993 9. 7.2008 24.11.1981
2000 1998 1973 1998 1959 1978 2010 1978 2010 2001 2011 1974 1980 2010 1993 2009 1983
390 330 1285 1571 1269 109 1150 925 1310 1297 275 21 1261 1153 1966 746 2
2000 1998 1973 1998 1959 1978 2011 1978 2011 2002 2011 1974 1980 2011 1993
1. 1.2007 1. 1.1984– 31.12.1997 1. 1.1998 1. 1.1996 1. 1.1970 1. 1.1995 1. 1.1957 1. 1.1971 1. 1.2010 1. 1.1971 1. 1.2011 1. 1.2002 1. 1.2012 1. 1.1974 1. 1.1979 1. 1.2011 1. 1.1994 1. 1.2010 1. 1.1980
1995 1994 1980 1960 1980 1991 2004 1993 2002 2011 1995 1984 2004 1982 2003 1996
818 1262 1222 1781 1150 1428 1653 970 734 1209 836 878 1304 129 1594 2710
1995 1994 1980 1960 1980 1992 2005 1993 2002
607 673 654 381 646 94 364 655 584
1995 1984 2005 1982 2004 1996
617 544 349 347 273 1490
2008
1398 2009
831 2009
1975 1994 1972 1980 1990 1993 2003
661 686 1021 751 766 1886 67
688 422 518 398 409 927 165
27.10.2010
2011
1090
Serbien 26. 3.1987 (Namensänderung; ehem. Bundesrepublik Jugoslawien); (DBA mit SFR Jugoslawien gilt fort, BGBl. 97 II S. 961) Simbabwe 22. 4.1988 Singapur 28. 6.2004
1988
744 1988
1989 2006
713 1989 930 2007
Lettland Liberia Litauen Luxemburg
Malaysia Malta Marokko Mauritius Mazedonien Mexiko
Moldau, Republik (DBA mit UdSSR gilt fort, BGBl. 96 II S. 768) Mongolei 22. 8.1994 Namibia 2.12.1993 Neuseeland 20.10.1978 Niederlande 16. 6.1959/ 13. 3.1980/ 21. 5.1991/ 4. 6.2004 Norwegen 4.10.1991 Österreich 24. 8.2000/ 29.12.2010 14. 7.1994 Pakistan2 Philippinen 22. 7.1983 Polen 14. 5.2003 Portugal 15. 7.1980 Rumänien 4. 7.2001 Russische 29. 5.1996 Föderation (Änderungs15.10.2007 protokoll) Sambia 30. 5.1973 Schweden 14. 7.1992 Schweiz 11. 8.1971/ 30.11.1978/ 17.10.1989/ 21.12.1992/ 12. 3.2002
2 Gilt nicht für die VSt.
10
Menck
1983
1975 1994 1972 1980 1990 1993 2003
439 531 615 1016 1022 72 837 324 329 76 742 59 667 313 964
2000 1998 1975 1998 1960 1978 2011 1979 2011 2002 2011 1974 1981 2011 1994 2010 90 1983
1156 2630 916 2962 1532 1396 713 288 464 320 640 1325 8 462 617 62 427
2000 1998 1975 1999 1960 1979 2011 1979 2011 2002 2011 1974 1981 2011 1994
1383 1219 943 121 398 83 837 196 344 240 745 1009 34 327 310
1983
352
1996 1995 1980 1960 1980 1992 2005 1993 2002
1220 770 1485 2216 1486 170 101 1895 2435
1996 1995 1980 1960 1980 1992 2005 1993 2002
1996 1984 2005 1982 2004 1997
467 1008 55 861 102 752
1996 1984 2005 1982 2004 1997
445 612 363 763 286 363
1. 1. 1. 1. 1. 1.
820 2009
834
1. 1.2010
1976 1995 1973 1980 1991 1994 2003
7 88 61 678 93 110 329
1. 1.1971 1. 1.1995 1. 1.1972
372 1988
1179 1989
35
310 1990 157 2007
244 1990 24 2007
178 171
1975 1995 1973 1980 1990 1994 2003
2204 29 74 1281 1698 21 436
1135 1. 1.1997 678 1. 1.1993 787 1. 1.1978 626 1. 1.1956 787 1. 1.1979 382 21. 2.1992 368 1. 1.2005 926 1. 1.1991 958 1. 1.2003
1. 1. 1. 1. 1. 1. 1.
1.1995 1.1985 1.2005 1.1983 1.2004 1.1997
1.1990 1.1994 1.2002/ 1.2004 1.2011/ 1.2012 1.1989
1. 1.1987 1. 1.2007
A. Grenzüberschreitendes Wirtschaften Abkommen
Fundstelle BGBl. II
mit
vom Jg.
Inkrafttreten
BStBl. I S. Jg.
BGBl. II BStBl. I S. Jg. S. Jg. S.
Anwendung grundsätzlich ab
(noch 1. Abkommen auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen) Slowakei 19.12.1980 (DBA mit Tschechoslowakei gilt fort, BGBl. 93 II S. 762)
1982
1022 1982
Slowenien 3. 5.2006 Spanien 5.12.1966 Sri Lanka 13. 9.1979 Südafrika 25. 1.1973 Syrien 17. 2.2010 Tadschikistan 27. 3.2003 Thailand 10. 7.1967 Trinidad und 4. 4.1973 Tobago Tschechien 19.12.1980 (DBA mit Tschechoslowakei gilt fort, BGBl. 93 II S. 762) Türkei 16. 4.1985 gekündigt am 21. Juli 2009 mit Wirkung ab 1. Januar 2011 Tunesien 23.12.1975 Turkmenistan 24.11.1981 (DBA mit UdSSR gilt fort, Bericht der Botschaft Aschgabat vom 11. August 1999 – Nr. 377/99) Ukraine 3. 7.1995 Ungarn 28. 2.2011 Uruguay 5. 5.1987/ 9. 3.2010 Usbekistan 7. 9.1999 Venezuela 8. 2.1995 Vereinigte 9. 4.1995 Arab. Emirate (verlängert bis 4. 7.2006 9.8.2008) 1. 7.2010 Vereinigtes 30. 3.2010 Königreich Vereinigte 29. 8.1989/ Staaten 1. 6.2006
2006 1968 1981 1974 2010 2004 1968 1975
1091 9 630 1185 1359 1034 589 679
486
1. 1.1984
2007 1968 1982 1975 2011 2005 1969 1977
183 544 373 640 358 27 18 192
1. 1. 1. 1. 1. 1. 1. 1.
1982
1022 1982
904 1983
692 1983
486
1. 1.1984
1989
866 1989
471 1989
1066 1989
482
1. 1.1990
1976 1983
1653 1976 2 1983
498 1976 90 1983
1927 1977 427 1983
4 352
1. 1.1976 1. 1.1980
1996 2011 1988 2011 2001 1996 1996
498 919 1060 954 978 727 518
1996
675 1996
2609 1996
1421
1988
531 1990
740 1990
365
2001 1996 1996
765 2002 611 1997 588 1996
269 2002 1809 1997 1221 1996
239 938 1135
2007
746 2007
724 2007
1467 2007
2011 2010
538 2011 1333 2011
942 2011 469 2011
873 2011 536 2011
955 485
1991 2006
354 1991 1184 2008
94 1992 766 2008
235 1992 117 2008
262 1. 1.1990 782 01.01.2007/ 01.01.2008
(Bekanntmachung der Neufassung 4.6.2008) Vietnam 16.11.1995 Zypern 18. 2.2011
2008
611/ 2008 851 2622 1996 1068
783 752 1997
364
1. 1.1997 1. 1.2012
728 1997 596 2009 525 1953
624 1266 377
1. 1.1997 3. 4.2009 1. 1.1953
1996 2011
2007 1968 1981 1974 2011 2005 1968 1975
904 1983
171 296 610 850 345 15 1046 697
2007 1968 1982 1975 2011 2004 1968 1977
1422 1997
692 1983
213 140 185 440 463 1565 1104 263
1. 1. 1. 1. 1. 1. 1.
1.2007 1.1968 1.1983 1.1965 1.2011 1.2005 1.1967 1.1972
1.1997 1.2012 1.1991 1.2012 1.2002 1.1997 1.1992
726 10. 8.2006 1. 1.2009 1. 1.2011
2. Abkommen auf dem Gebiet der Erbschaft- und Schenkungsteuern Dänemark3 Frankreich Griechenland Schweden3 Schweiz Vereinigte Staaten
22.11.1995 12.10.2006 18.11.1910/ 1.12.1910 14. 7.1992 30.11.1978 3.12.1980/ 14.12.1998
1996 2007 1912
2565 1996 1402 2009 1734 –
1994 1980 1982 2000
686 594 847 1170
1994 1980 1982 2001
1219 1997 1258 2009 – 1953 422 243 765 110
1995 1980 1986 2001
29 1341 860 62
1995 1980 1986 2001
88 1. 1.1995 786 28. 9.1980 478 1. 1.1979 114 15.12.2000
3 Die Erbschaftsteuer bzw. Vorschriften zur Rechts- und Amtshilfe sind in den unter I.1. bzw. II.1 aufgeführten Abkommen enthalten. 4 Angabe bezieht sich auf RGBl bzw. RStBl.
Menck
11
Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht Abkommen
Fundstelle BGBl. II
mit
vom Jg.
Inkrafttreten
BStBl. I S. Jg.
BGBl. II BStBl. I S. Jg. S. Jg. S.
Anwendung grundsätzlich ab
3. Sonderabkommen betreffend Einkünfte und Vermögen von Schifffahrt (S)- und Luftfahrt (L)-Unternehmen5 Brasilien (S) (Protokoll) Chile (S) (Handelsvertrag) China (S) (Seeverkehrsvertrag) Hongkong (L) Hongkong (S) Insel Man (S) Jemen (L) Jugoslawien (S) Kolumbien (S, L) Paraguay (L) Saudi-Arabien (L) Venezuela (S, L)
17. 8.1950
1951
11 –
– 1952
604 –
– 10. 5.1952
2. 2.1951
1952
325 –
– 1953
128 –
–
31.10.1975
1976
1521 1976
8. 5.1997 13. 1.2003 2. 3.2009 2. 3.2005 26. 6.1954 10. 9.1965 27. 1.1983 8.11.2007 23.11.1987
1998 2004 2010 2006 1959 1967 1984 2008 1989
2064 34 968 538 735 762 644 782 373
1998 2005 2006 – 1967 1984 2009 1989
496 1977
428 1977
1156 1999 610 2005
26 2000 332 2005
229 – 24 456 866 161
2007 1959 1971 1985 2009 1989
214 1259 855 623 1027 1065
2007 – 1971 1985 2009 1990
8. 1.1952
452 29. 3.1977 1554 613
1. 1.1998 1. 1.1998
231 1. 1.1982 – 23.10.1959 340 1. 1.1962 222 1. 1.1979 869 1. 1.1967 2 1. 1.1990
4. Abkommen auf dem Gebiet der Rechts- und Amtshilfe und des Auskunftsaustauschs Anquilla Bahamas Belgien3 Britische Jungferninseln Dänemark3 Finnland Frankreich3 Gibraltar Guernsey Insel Man Italien Jersey Liechtenstein Kaimaninseln Luxemburg3 Monaco Niederlande Norwegen3 Österreich San Marino Schweden3
19. 3.2010 9. 4.2010 11. 4.1967 5.10.2010
2010 2011 1969 2011
1381 642 17 1969 895
2011
22.11.1995 25. 9.1935 21. 7.1959 13. 8.2009 26. 3.2009 2. 3.2009 9. 6.1938 4. 7.2008 2. 9.2009 27. 5.2010 23. 8.1958 27. 7.2010 21. 5.1999 4.10.1991 4.10.1954 21. 6.2010 14. 7.1992
1996 1936 1961 2010 2010 2010 1939 2009 2010 2011 1959
2565 374 397 984 973 957 1244 578 950 664 1269
1996 1936 1961 2011 2011 2011 1939 2010 2011 2011 1959
2001 1993 1955 2011 1994
2 970 833 908 686
2001 1993 1955
66 2001 655 1993 434 1955
691 2001 1895 1993 926 1955
1994
422 1995
29 1995
38 1969
1219 944 342 521 514 503 3774 166 286 841 1022
1997 1954 1961 2011 2011 2011 1956 2010 2011 2011 1960
948
1. 1. 1. 1.
1.2012 1.2012 1.1966 1.2012
1465 1969
468
728 740 1659 535 535 534 2154 38 326 823 1532
624 1. 1.1997 404 1. 1.1936 712 1. 1.1957 527 1. 1.2011 520 1. 1.2011 509 1. 1.2011 142 23. 1.1939 177 1. 1.2010 292 1. 1.2010 848 1. 1.2012 398 1. 1.1957 1. 1.2012 539 23. 6.2001 926 1. 1.1991 743 26.11.1955 1. 1.2012 88 1. 1.1995
1997 1954 1961 2011 2011 2011 1957 2010 2011 2011 1960
5 Siehe auch Bekanntmachungen über die Steuerbefreiungen nach § 49 Abs. 4 EStG (und § 2 Abs. 3 VStG): Katar L (BStBl. 2006 I S. 3) – anzuwenÄthiopien L (BStBl. 1962 I S. 536), den ab 1. Januar 2001 –, Afghanistan L (BStBl. 1964 I S. 411), Libanon S, L (BStBl. 1959 I S. 198), Bangladesch L (BStBl. 1996 I S. 643), Litauen L (BStBl. 1995 I S. 416), Brasilien S, L (BStBl. 2006 I S. 216), Brunei Darussalam L (BStBl. 2011 I Papua-Neuguinea L (BStBl. 1989 I S. 115), S. 77), Seychellen L (BStBl. 1998 I S. 582), Chile L (BStBl. 1977 I S. 350), Sudan L (BStBl. 1983 I S. 370), China L (BStBl. 1980 I S. 284), Taiwan S (BStBl. 1988 I S. 423) und Ghana S, L (BStBl. 1985 I S. 222), Zaire S, L (BStBl. 1990 I S. 178). Irak S, L (BStBl. 1972 I S. 490), Jordanien L (BStBl. 1976 I S. 278),
12
Menck
A. Grenzüberschreitendes Wirtschaften Abkommen
Fundstelle BGBl. II
mit
vom Jg.
Inkrafttreten
BStBl. I S. Jg.
BGBl. II BStBl. I S. Jg. S. Jg. S.
Anwendung grundsätzlich ab
(noch 4. Abkommen auf dem Gebiet der Rechts- und Amtshilfe und des Auskunftsaustauschs) St. Vincent und Grenadinen Turks und Caicos Inseln
29. 3.2010
2011
253 2011
4. 6.2010
2011
882
777 2011
696 2011
784
1. 1.2012
5. Abkommen auf dem Gebiet der Kraftfahrzeugsteuer Armenien 21. 2.1980 (DBA mit UdSSR gilt fort, BGBl. 93 II S. 169) Aserbaidschan 21. 2.1980 (DBA mit UdSSR gilt fort, BGBl. 96 II S. 2471) Belarus 21. 2.1980 (Weißrussland) (DBA mit UdSSR gilt fort, BGBl. 94 II S. 2533) 17.12.1964 Belgien6 Bulgarien 12. 2.1980 19. 7.1931/ Dänemark6 25. 7.1931 6 31. 3.1978 Finnland Frankreich6 3.11.1969 Georgien 21. 2.1980 (DBA mit UdSSR gilt fort, BGBl. 92 II S. 1128) 21. 9.1977 Griechenland6 Iran, 17. 3.1992 Islamische Republik 10.12.1976 Irland6 Israel 2.12.1983 6 18. 2.1976 Italien Kasachstan 21. 2.1980 (DBA mit UdSSR gilt fort, BGBl. 92 II S. 1120) Kirgisistan 21. 2.1980 (DBA mit UdSSR gilt fort, BGBl. 92 II S. 1015) Kroatien 9.12.1996 21. 2.1997 Lettland9 Liechtenstein 29. 1.1934/ 27. 2.1934 31. 1.1930/ Luxemburg6 11. 3.1930 Moldau, 21. 2.1980 Republik (DBA mit UdSSR gilt fort, BGBl. 96 II S. 768)
1980
890 1980
467 1980
1484 1980
789 30.11.1980
1980
890 1980
467 1980
1484 1980
789 30.11.1980
1980
890 1980
467 1980
1484 1980
789 30.11.1980
1966 1980 –
1508 1966 888 1980 – 1931
954 1967 465 1980 5627 –
1748 – 1488 1980 – 19548
– 1. 4.1967 789 25.10.1980 1.11.1953
1979 1970 1980
1317 1980 1317 1971 890 1980
64 1980 82 1971 467 1980
212 1980 206 1971 1484 1980
788 1. 3.1980 305 1. 2.1971 789 30.11.1980
1979 1993
406 1979 914 1993
310 1979 640 1995
1049 1980 992 1995
63 1. 8.1979 820 12. 8.1995
344 615 341 467
1264 186 912 1484
1978 1987 1980 1980
460 1.10.1978 374 1. 2.1987 63 4. 1.1979 789 30.11.1980
1978 1984 1978 1980
1009 964 1005 890
1978 1984 1978 1980
1978 1987 1979 1980
1980
890 1980
467 1980
1484 1980
789 30.11.1980
1998 1998 –
182 1998 958 1998 – 1934
160 1998 624 1998 2887 –
2373 1998 2947 1999 – 1934
1426 25. 6.1998 164 22.10.1998 2887 1. 4.1934
– 1980
– 1930 890 1980
4547 – 467 1980
– 1930 1484 1980
4547
1. 4.1930
789 30.11.1980
6 Siehe auch Artikel 5 der Richtlinie 1999/62/EG vom 17.6.1999 (ABl. EG L 187 S. 42) i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 2 KraftStG (BGBl. I 2002 S. 3819) und Richtlinie 83/182/EWG vom 28.3.1983 (ABl. EG L 105 S. 59) i.V.m. § 3 Nr. 13 KraftStG. 7 Angabe bezieht sich auf RGBl. bzw. RStBl. 8 Bundesanzeiger Nr. 123 vom 1.7.1954 S. 2. 9 Siehe auch Interbus-Übereinkommen, welches bis 30. Juni 2001 zur Unterzeichnung auflag (ABl. EG 2002 L 321 S. 11, 44); gilt ab 1. Januar 2003 zugleich für Litauen und Slowenien.
Menck
13
Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht Abkommen
Fundstelle BGBl. II
mit
vom Jg.
Inkrafttreten
BStBl. I S. Jg.
BGBl. II BStBl. I S. Jg. S. Jg. S.
Anwendung grundsätzlich ab
(noch 5. AAbkommen auf dem Gebiet der Kraftfahrzeugsteuer) Niederlande6
31.01.1930/ 23.04.1930/ 19. 5.1930 11.11.1983 18.11.1969 19. 7.1976 24. 7.1979 31.10.1973 21. 2.1980
Norwegen Österreich6 Polen Portugal6 Rumänien9 Russische Föderation (DBA mit UdSSR gilt fort, BGBl. 92 II S. 1016) San Marino 6. 5.1986 15. 7.1977 Schweden6 10 Schweiz 20. 6.1928 Slowakei 8. 2.1990 (DBA mit Tschechoslowakei gilt fort, BGBl. 93 II S. 762) 8. 3.1979 Spanien6 Tadschikistan 21. 2.1980 (DBA mit UdSSR gilt fort, BGBl. 95 II S. 255) Türkei 30. 5.1983 Tunesien 30. 3.1984 Ukraine 21. 2.1980 (DBA mit UdSSR gilt fort, BGBl. 93 II S. 1189) 12. 2.1981 Ungarn9 Usbekistan 21. 2.1980 (DBA mit UdSSR gilt fort, BGBl. 95 II S. 205) 5.11.1971 Vereinigtes Königreich6 Zypern 22. 4.1980
–
– 1930
4547 –
– 1930
4547
1. 6.1930
1984 1970 1978 1980 1975 1980
674 1320 1012 886 453 890
1984 1971 1978 1980 1975 1980
486 85 346 463 621 467
1984 1971 1978 1982 1975 1980
1047 215 1328 1186 1137 1484
1985 1971 1978 1983 – 1980
125 1.11.1984 305 16. 4.1971 589 7.10.1978 17 1. 1.1983 – 1. 7.1975 789 30.11.1980
1987 1979 – 1991
339 409 – 662
1987 1979 1930 1991
465 308 5637 508
1990 1979 – 1992
14 1140 – 594
1990 1980 1930 1992
56 1.10.1987 63 1. 9.1979 7 563 15. 7.1928 454 27. 5.1992
1979 1980
1320 1980 890 1980
66 1980 467 1980
900 1980 1484 1980
788 1. 6.1980 789 30.11.1980
1984 1984 1980
594 1984 962 1984 890 1980
414 1985 613 1986 467 1980
55 1985 675 1986 1484 1980
12 1.11.1984 319 1. 5.1986 789 30.11.1980
1982 1980
291 1982 890 1980
393 1982 467 1980
640 1982 1484 1980
630 11. 6.1982 789 30.11.1980
1973
340 1973
495 1975
1437 –
1981
1018 1981
742 1982
176 1982
–
1. 9.1973
376
1. 2.1982
10 Siehe auch Verordnungen über die kraftfahrzeugsteuerliche Behandlung von schweizerischen Straßenfahrzeugen im grenzüberschreitenden Verkehr vom 27.3.1985 (BGBl. I S. 615) und vom 18.5.1994 (BGBl. I S. 1076).
14
Menck
A. Grenzüberschreitendes Wirtschaften II. Künftige Abkommen und laufende Verhandlungen Abkommen mit
Sachstand12
Art des Abkommens11
Geltung für Veranlagungssteuern13 ab
Bemerkungen
Abzugsteuern14 ab
1. Abkommen auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen Ägypten Argentinien Australien Belgien China Costa Rica Ecuador Finnland Frankreich Georgien Griechenland Indien Indonesien Iran Irland Island Israel Italien Japan Jordanien Katar Kolumbien Kroatien Libyen Liechtenstein Luxemburg Marokko Mauritius Mazedonien Niederlande Norwegen Oman Portugal Serbien Singapur Slowenien Spanien Sri Lanka Südafrika Türkei Tunesien Turkmenistan Ukraine Venezuela
R-A R-A R-A R-A R-P R-A A R-A R-A E-P R-P R-A R-P R-A R-A R-A R-A R-A R-P R-A A A A R-P A A R-A R-A R-A R-P R-A R-P A R-A A R-P R-P R-A R-A R-A R-A R-A A R-P R-P
P: V: V: P: U: P: P: V: P: P: V: P: V: V: V: U: P: P: V: V: V: V: V: V: V: U: P: V: U: V: P: P: P: V: V: V: U: U: V: U: U: P: V: V: V:
1. 8.2005
KR
KR
16.10.2009 21. 1.2010 12. 7.2011 16.10.2009
KR 1. 1.2010 KR
KR
31. 3.2011 15.10.2008
KR
KR
2.10.2009
KR
KR
30. 3.2011 12. 7.2011 8. 6.2009
KR KR
KR KR
17.11.2011 9. 9.2011
KR
KR
21. 4.2011 23. 6.2011 12. 4.2002
KR KR KR
KR KR KR
17. 5.2011 3. 2.2011
KR KR
KR KR
9. 9.2008 19. 9.2011 4. 6.2010
KR 1. 1.2011 KR
KR 1. 1.2011 KR
7.10.2011
11 A: R-A: R-P: E-P: 12 V: P: U:
Erstmaliges Abkommen. Revisionsabkommen als Ersatz eines bestehenden Abkommens. Revisionsprotokoll zu einem bestehenden Abkommen. Ergänzungsprotokoll zu einem bestehenden Abkommen. Verhandlung. Paraphierung. Unterzeichnung hat stattgefunden, Gesetzgebungs- oder Ratifikationsverfahren noch nicht abgeschlossen. 13 Einkommen-, Körperschaft-, Gewerbe- und Vermögensteuer KR: Keine Rückwirkung vorgesehen. 14 Abzugsteuern von Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren KR: Keine Rückwirkung vorgesehen.
Menck
15
Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht Abkommen mit
Sachstand12
Art des Abkommens11
Geltung für Veranlagungssteuern13 ab
Bemerkungen
Abzugsteuern14 ab
2. Abkommen auf dem Gebiet der Erbschaft- und Schenkungsteuern Finnland Italien
A A
V: V:
3. Sonderabkommen betreffend Einkünfte und Vermögen von Schifffahrt (S)- und Luftfahrt (L)-Unternehmen Bahrain
A (L)
P:
8. 7.2010
KR
KR
4. Abkommen auf dem Gebiet der Amtshilfe und des Auskunftsaustauschs Andorra Antigua & Barbuda Aruba Bahrain Barbados Bermuda Brunei Dominica Grenada Macau Monserat Niederländische Antillen St. Kitts und Nevis St. Lucia
A A A A A A A A A A A A
U: U: P: P: P: U: V: U: U: V: U: P:
25.11.2010 19.10.2010 14. 9.2009 8. 7.2010 30.11.2011 3. 7.2009
KR KR KR KR KR KR
KR KR KR KR KR KR
21. 9.2010 3. 2.2011
KR KR
KR KR
28.10.2011 15. 9.2009
KR KR
KR KR
A A
P: U:
11. 2.2010 7. 6.2010
KR KR
KR KR
– –
– –
5. Abkommen auf dem Gebiet der Kraftfahrzeugsteuer Belarus (Weißrussland) Marokko Slowenien
R-A A A
P: V: V:
10.10.2002
1.12 Unternehmen, die in Deutschland ihren Heimatstaat haben, unterliegen ertragsteuerlich einer Mischform von Territorialitäts- und Welteinkommensprinzip, das der Leser in den Kapiteln 5 und 6 dargestellt findet. Als Normalfall kann gesetzt werden, dass nach DBA freigestellt sind – bei Einheitsunternehmen und Personengesellschaften ausländischer Betriebsstättengewinn (bei natürlichen Personen unter Progressionsvorbehalt); – bei Muttergesellschaften von Konzernen der an sie ausgeschüttete Gewinn ausländischer Tochtergesellschaften (§ 8b KStG). Dem deutschen Investor bleiben insoweit im Ausland die dortigen steuerlichen Standortvorteile erhalten. Diese Verletzung der Kapitalexportneutralität ist nicht unumstritten, gilt aber in ihrem Kern als fester Bestandteil der deutschen Steuerpolitik;1 sie spiegelt das Interesse am Ausbau deutscher Außenwirtschaft, kommt aber auch dem Interesse von Entwicklungsländern u.Ä. entgegen, in ihrer außensteuerlichen Bewe-
1 Der Übergang zum Anrechnungssystem wurde 2003 nach parlamentarischer Erörterung im Blick auf die bestehenden völkerrechtlichen Regelungen nicht weiter verfolgt (s. Krause, Internationale Doppelbesteuerung, IFSt-Schrift Nr. 405, S. 55).
16
Menck
A. Grenzüberschreitendes Wirtschaften
gungsfreiheit nicht durch das sonst eingreifende Anrechnungssystem beschränkt zu werden (s. Rz. 1.62 ff.). Im Übrigen greift das Welteinkommensprinzip mit einer länderbezogenen Anrechnung ein. Als unbefriedigend wird von den Unternehmen empfunden, dass – der Freistellung u.U. Abzugsverbote von inländischem Aufwand gegenüberstehen, die zu im Konzern nirgends abziehbaren Kosten führen können (vgl. Teil Rz. 2.485 ff.; 6.92 ff.); – die Freistellung von Auslandseinkommen durch die Gesetzgebung gegen Verlagerungen in niedrig besteuernde Gebiete eingeschränkt wird und davon Einschränkungen auf Unternehmensgliederung und Ausschüttungspolitik ausgehen (s. Rz. 7.1 ff.); – Verluste in den international tätigen Unternehmen nicht in dem im Inland möglichen Umfang (Organschaft) ausgeglichen werden können (s. Rz. 6.140 ff.). Nicht übersehen werden sollte auch, dass das deutsche Mischsystem u.U. ungünstiger ist als Anrechnungssysteme auf weltweiter Basis. Bei den Satzverhältnissen der letzten Jahre hat sich dies allerdings kaum ausgewirkt. Als Tätigkeitsstaat ausländischer Unternehmen gewährt Deutschland weitgehend Inländerbehandlung. Die DBA reduzieren Ansprüche des deutschen Steuerrechts in international üblicher Weise. Die allgemeinen Grundsätze des internationalen Konzernsteuerrechts sind in nationalem Recht bzw. in den DBA verwirklicht. Es gibt aber Problembereiche; zu nennen ist, dass – das frühere deutsche Körperschaftsteuersystem vielfach als diskriminierend angesehen wurde; die Einführung des Systems der Halbeinkünftebesteuerung hat diese Frage gegenstandslos werden lassen; – die Heimatstaaten der in Deutschland tätigen Gesellschaften weitgehend Anrechnungssysteme einsetzen, die Kapitalimportneutralität der Investitionen in Deutschland also nicht gewährleistet ist; bei den bestehenden internationalen Satzverhältnissen konnte dieser Effekt z.Zt. nur in geförderten Randbereichen (früher Berlin, Zonenrandgebiet, sog. „neue Länder“) eintreten; nach Absenkung der deutschen KSt-Sätze kann er sich deutlich bemerkbar machen; – die Fremdfinanzierung von Tochtergesellschaften eingeengt wurde (vgl. § 8a KStG); die Regelung ist aber im internationalen Vergleich moderat. Schließlich bestehen die in Rz. 1.12 erwähnten Schwierigkeiten beim Verlustausgleich auch hier.
Menck
17
1.13
Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht
1.14 Die Außenstruktur des deutschen Steuerrechts, die in diesem Band eingehend dargestellt ist, hat sich international bewährt. Die neuere deutsche Entwicklung wird bestimmt durch Ausbau und Pflege des deutschen DBA-Netzes und durch die Anpassung an die Grundfreiheiten der EU, die in Rz. 1.95 ff. geschlossen dargestellt ist. Ferner wurden im Zuge der Gesamtentwicklung internationaler Steuerkoordination v.a. seit dem Jahr 2000 zahlreiche außensteuerliche Einzelbestimmungen erlassen. Genannt sei hier Folgendes: – Die Fremdverhaltensregel im nationalen Steuerrecht (§ 1 AStG) wurde weiterentwickelt, und zwar durch konzisere Bestimmungen zur Methodik, v.a. aber auch durch Bestimmungen zur Funktionsverlagerung (s. hierzu Rz. 3.337 ff.). Zur Finanzierungsproblematik wurde die sog. „Schuldenbremse“ eingeführt. – Mehrere Einzelbestimmungen sollen die durch DBA und Rechtsverwerfungen entstehende „Keinmalbesteuerung“ vermeiden. Ob derartige nationale Abweichungen vom Vertragsinhalt zulässig sind, ist heftig umstritten. c) Deutschland hat Abwehrbestrebungen der OECD gegen den „unlauteren Steuerwettbewerb“ (s. Rz. 1.84) mitvollzogen. Dem dient ein Ausbau des Rechtshilfeverkehrs mit Nischenländern, zahlreiche nationale Einschränkungen steuerlich günstiger Rechtsfolgen von Vorgängen mit Ländern, die nicht zur Rechtshilfe bereit sind. Hierzu wurde die von der OECD entwickelte Klassifizierung übernommen. – Bei alledem ist die bisherige Linie internationaler Offenheit beibehalten worden; dies zeigt sich nicht zuletzt darin, dass an der für Unternehmen wichtigen Freistellungsmethode in den deutschen DBA festgehalten wurde (s. die Fn. zu Rz. 1.12).
1.15 Das deutsche Steuerrecht des international tätigen Unternehmens hat sich nicht als selbständiges, in sich systematisch geordnetes Rechtsgebiet entwickelt. Es ist daher über die deutsche AO und die großen Einzelsteuergesetze unübersichtlich verstreut. Dazu treten eine Reihe von Spezialgesetzen sowie das Netz der über 100 deutschen DBA (s. die Übersicht 1 in Rz. 1.11). Deutschland steht außerdem in der Gemeinschaft von „Steuerstaaten“, die ihre Besteuerung sachgerecht koordinieren müssen (vgl. Rz. 1.87 ff.). Die folgende Übersicht 2 gibt einen Überblick über die Gesamtentwicklung und den deutschen Beitrag zur internationalen Zusammenarbeit.
18
Menck
A. Grenzüberschreitendes Wirtschaften Übersicht 2: Entwicklung der internationalen Steuerkoordination Deutsche Entwicklung
Internationale Entwicklung
1870
„Doppelbesteuerungsgesetz des Dt. Reiches“
1880– 1910
DBA deutscher Länder mit Anrainerstaaten
1918
Erzbergsche Steuerreform
1922– 1926
Muster-DBA des Völkerbundes
1922– 1936
DBA des Deutschen Reichs mit vielen kontinental-europ. Staaten
seit 1925
Beginn eines DBA-Netzes anderer kontinental-europ. Staaten
1943/ 1944
Muster-DBA von London u. Mexiko
1954
Erste DBA der BRD (USA, Großbritannien)
GATT/EG bzw. EU
1947
Gründung des GATT
um 1950
„Bestimmungslandprinzip“
ab 1955
Ausbau des dt. DBA-Netzes mit Industriestaaten
1963
OECD-Musterab- 1958 kommen (MA)
EG-Vertrag
ab 1960
Ausbau des dt. DBA-Netzes mit Entwicklungsländern
1975
UN-MA
1969
Mehrwertsteuer gemeinsames Umsatzsteuersystem
1972
Außensteuergesetz
1976
OECD-Bericht „Verrechnungspreise u. multinat. Unternehmungen“
ab 1979
Harmonisierung der Mehrwertsteuer
1977
Neufassung des OECD-MA
1988
Multilat. Abk. zur steuerl. Rechtshilfe des EU-Rats aufgelegt
1992
Überarbeitungen des OECD-MA
1994
Gründung der World-TradeOrganization (WTO)
1989– 1993
Außenst. Reformen (DBA-Revisionen, EU-RL u.a.)
Menck
19
Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht Deutsche Entwicklung
Internationale Entwicklung
ab 1980
Ausbau der dt. DBA m. Staaten des damal. Ostblocks
ab 2009
Amtshilfeabkom- 1998 men nach OECDStandard
2010
ca. 100 dt. DBA
GATT/EG bzw. EU ab 1995
EuGH-Rechtspr. zu den direkten Steuern
Seit 2002
„Internationaler Steuerdialog“ (UN, OECD, IMF u.A.)
2010
weltweit über 3000 DBA2
OECD-Bericht „Harmful Tax Competition“
ab 2000
OECD Forum zu Transparenz und Auskunftsaustausch
2005
OECD-Standard zur internationalen Zusammenarbeit
bis 20111
laufende Anpassungen von OECD-MA/ OECD-MK
B. Internationale Steuerkoordination I. Begriff und Ansätze 1.16 Die uneingeschränkten Steuerhoheiten der am internationalen Wirtschaftsverkehr beteiligten Staaten müssten grenzüberschreitendes Wirtschaften schwer belasten und oft unmöglich machen. Seit anderthalb Jahrhunderten sucht die Staatengemeinschaft dem durch internationale Koordination zu begegnen. Dies ist besonders früh an den Zöllen und an der Verbrauchsbesteuerung des internationalen Warenverkehrs sichtbar geworden. Verbrauchsabgaben können ausgehende Warenströme erfassen, und stellen dann eine Heranziehung des extraterritorialen Verbrauchers zu Abgaben des Exportlandes dar. Sie können andererseits in der Hand des importierenden Staates zu differenzierender Besteuerung in- und ausländischer Ware eingesetzt werden und stellen dann Abgaben mit zollgleicher Wirkung dar. Die Doppelerhebung im Staat des Exports und des Imports könnte den internationalen Handel zum Erliegen bringen. Diese Verhältnisse haben schon seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zu intensiven Auseinandersetzungen geführt, in 1 Zu Arbeitszielen und -stand der OECD s. OECD’s Current tax agenda 2012, www.oecd.org. 2 Zu Details s. www.itdweb.org.
20
Menck
B. Internationale Steuerkoordination
denen sich für die allgemeinen Verbrauchsabgaben der Grundsatz der Einmalbesteuerung und der Besteuerung im Bestimmungsland entwickelten.1 Ein Jahrhundert später hat die Entwicklung in GATT/WTO2 weltweit das Zollwesen und die Verbrauchsbesteuerung an die Erfordernisse von Freihandel und Wettbewerbsgleichheit i. Allg. angepasst (s. Rz. 1.20). Die Staaten sind heute angesichts ihrer zunehmenden Verflechtung (Interdependenz) auf „eine internationale Gemeinschaft der Staaten als abgestuftes Ordnungsgefüge“ angewiesen, in dem aber auch der einzelne Staat hinsichtlich des ob und des Grades seiner Eingliederung „nach dem heutigen Stand des Völkerrechts eindeutig frei ist“.3 Die Abhängigkeiten des „offenen Steuerstaats“ erforderten es, auch die direkten Steuern in die Koordination einzubeziehen, sollten Störungen von Freizügigkeit, Handel, Kapitalverkehr und Investitionen im internationalen Raum vermieden werden. Dem dienten bilaterale Verträge, die nach Form und Inhalt durch MA des Völkerbunds und später der OECD sowie der UN standardisiert wurden. Aus ersten Anfängen in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts4 hat sich das heutige engmaschige internationale Netz von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) entwickelt. Hintergrund ist, dass sich seit Anfang des 20. Jahrhunderts international Abgaben durchsetzten, die im Typus der deutschen Einkommen- und Körperschaftsteuer entsprechen und bei denen sich heute fast überall das Nebeneinander unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht findet, d.h. – einer auf das Welteinkommen erhobenen Besteuerung von Ansässigen (was im Ausland ansässige Staatsangehörige einschließen kann); – einer auf inländische Einkommensquellen beschränkten Quellenbesteuerung, die sich vielfach auf reine Abzugsbesteuerung beschränkt. Die in diesem System doppelten Zugriffs der einzelnen Staaten angelegte systemimmanente Doppelbesteuerung zu vermeiden, bildet Kern der internationalen Koordinierung durch ein Netzwerk aus nationalen Maßnahmen und DBA. Daneben kommt es aber bei internationaler Unternehmenstätigkeit durch die Systemgrenzen zu Folgen, die im nationalen Rahmen als Systembruch wirken, z.B. die Unmöglichkeit Verluste und Gewinne zwischen zwei Standorten auszugleichen oder Gewinne im Konzern ohne Zusatzbelastungen auszuschütten. Derartige Funktionsdefizite aus der Überlagerung der nationalen Rechte werden durch die DBA wegen deren beschränkter Zielsetzung i.d.R. nicht beseitigt (s. dazu Rz. 1.64 ff.).
1 Eine eindrucksvolle Darstellung aus zeitnaher Sicht findet sich in der ersten Aufl. von G. Lippert, Handbuch des Internationalen Finanzrechts. 2 Zu diesen und den im Folgenden genannten Organisationen vgl. allg. die Darstellungen in Gablers Wirtschaftslexikon und ähnl. Quellen. 3 Vogel, Der offene Steuerstaat, S. 22. 4 Zur Entwicklung s. Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 17 ff.; zu Anfängen aus dem innerdeutschen Doppelbesteuerungsgesetz von 1870 s. Menck, Ein Jahrhundert Vermeidung der Doppelbesteuerung, DStZ 1970, 263.
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1.17
Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht
1.18 Für die genannten Abgaben – Zölle, Verbrauchsabgaben und direkte Steuern – hat sich eine breite internationale Steuerkoordination entwickelt. Sie hat den internationalen Steuerraum so zu strukturieren, wie es die Entwicklung internationaler Zusammenarbeit und Interdependenz erfordern. Sie passen dadurch die Abgabensysteme an die Internationalisierung von Wirtschaft und Lebenswelt an. Nach P. und P. Musgrave1 werden als Subziele der Steuerkoordination unterschieden a) international Tätigen und der internationalen Wirtschaft belastungsgerechte Rahmenbedingungen zu gewährleisten (interpersonal equity); b) die Interessen der beteiligten Fisci auszugleichen und ihr konfliktloses Nebeneinander zu ermöglichen (interstate equity); c) für internationale Sachverhalte sachgerechte, den Vorstellungen rationaler Steuerordnungen entsprechende wirtschaftliche Gesamtwirkungen zu erreichen (efficiency).
II. Ausgleichssysteme der wichtigsten Abgabearten 1.19 Die hier darzustellenden internationalen Ausgleichssysteme haben sich aus früheren Ansätzen in den letzten fünf Jahrzehnten entfaltet. Sie stützen sich auf die Tätigkeit internationaler Organisationen (vor allem der WTO, der OECD und der UN), die für die nötige Standardisierung gesorgt haben – auch wo der Ausgleich die Form bilateraler Verträge hatte.
1.20 Die Zölle bilden eine geschlossene Gruppe von Sonderabgaben des internationalen Handels. Das internationale Leitsystem bildet das „General Agreement on Tarifs and Trade (GATT)“ (heute „World Trade Organization – WTO), zu dem fast alle Handelsnationen gehören, und der Brüsseler Weltzollrat.2 Beide haben eine generelle Senkung der Zölle, eine starke Annäherung der Abgabe- und Tarifstrukturen und einen hohen Grad internationaler Feinabstimmung erreicht und ein Instrument internationaler Streitschlichtung bereitgestellt. Ihrem Volumen nach unbedeutend (in der OECD weniger als 3 v.H. des gesamten Abgabenaufkommens) sind die Zölle noch als Instrument internationaler Handelspolitik wichtig. Innerhalb der EU sind sie im Binnenverhältnis verschwunden; die EU ist Zollunion mit eigenem Außenzoll und als solche Mitglied des WTO.
1.21 Die Umsatz- und Verbrauchssteuern (vgl. Rz. 13.1 ff.) sind einer der international wichtigsten Einnahmeblöcke (in der OECD machen sie 40 v.H. des Abgabeaufkommens aus). Das internationale Ausgleichssystem wird wiederum vom WTO gestellt, dessen Grundsätze wie folgt zu umschreiben sind: 1 Musgrave R. und P., Public Finance in Theory and Practice, 5th ed., New York 1989; hierzu krit. Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 12; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 2.1 ff.; Kluge, Internationales Steuerrecht4, R 92. 2 Vgl. Senti, GATT, Zürich 1986; Dorsch, Brüsseler Zollrat, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 1985, 294 (322).
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B. Internationale Steuerkoordination
– Es gilt das so genannte Bestimmungslandprinzip, nach dem die Umsatzsteuer als Verbrauchssteuer letztendlich in dem Land erhoben wird, in dem der Verbrauch stattfindet (s. Rz. 13.24 ff.). – Der Durchführung dient beim internationalen Handel ein System der Steuererhebung und des Steuerausgleichs an der Grenze: Die Ware wird im Bestimmungsland mit dem internen Belastungsniveau entsprechenden Ausgleichssteuern bei Grenzübertritt gleichsam nachbelastet, im Herkunftsland aber – ebenso bei Grenzübertritt – von der auf ihr ruhenden Gesamtsteuer entlastet, wobei Vorstufen mit berücksichtigt werden (s. Rz. 13.362 ff.). – Wirkung und Ziel dieses Systems ist es, dass auf einem bestimmten Markt alle dort angebotenen Waren – gleich woher sie stammen und auf welchem Wege sie dorthin gelangen – mit der gleichen Belastung im Wettbewerb steht, also die Umsatzsteuern für die Handelsströme wettbewerbsneutral sind. Zu diesem Zweck muss der Grenzausgleich den tatsächlichen Belastungsverhältnissen entsprechen. Dies kann das WTO – das kein besonderes Umsatzsteuersystem vorgibt – nur unvollkommen erreichen. – Das WTO kennt ferner ein Verbot wettbewerbsverzerrender Subsidien für die Ausfuhr und diskriminierender Sonderbelastungen für die Einfuhr, und zwar in jeder Form, also auch in Form von Steuervergünstigungen oder steuerlichen Zusatzbelastungen: Ein Grenzausgleich, der nicht den tatsächlichen Belastungsverhältnissen entspricht, kann hiergegen verstoßen. Das Mehrwertsteuersystem entspricht dem am besten, weil sich bei ihm die Vorbelastung stets genau angeben lässt. 1994 wurde dies System in der Schlussurkunde der Uruguay-Runde bestätigt und erweitert (u.a. durch einen Parallelvertrag für Dienstleistungen-GATS). Dies traf zusammen mit der Überführung des GATT auf eine besondere internationale Organisation, die World Trade Organization (WTO). In der EU wurde zunächst das GATT-System Grundlage des EG-Vertrags. Es hat konsequent zur Wahl der Mehrwertsteuer als Gemeinschaftssystem geführt; dies gewährleistet den exakten, wettbewerbsneutralen Grenzausgleich, den die Systemvielfalt des GATT nicht sichern konnte. Die EU harmonisierte – ursprünglich aus Gründen der Gemeinschaftsfinanzierung – die Besteuerungsgrundlage; sie ist in der Gemeinschaft stark vereinheitlicht. 1993 wurde der Grenzausgleich in seiner bisherigen Form aufgehoben; zwar gilt weiter das Bestimmungslandprinzip, der Grenzausgleich wird aber ohne Mitwirkung der Zollbehörden im Rahmen der allgemeinen Besteuerung durchgeführt (sog. „Übergangssystem“). Zur weiteren Entwicklung s. Rz. 13.5. Die Verbrauchsteuern bilden eine besonders inhomogene Abgabengruppe. 1.22 Ihre internationale Behandlung folgt dem der Umsatzsteuern; es gilt m.a.W. das Bestimmungslandsprinzip mit dem Grenzausgleich an der Grenze. Das Erhebungsverfahren folgt in der Bundesrepublik Deutsch-
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Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht
land und in anderen Ländern dem der Zölle. In der EU ist eine Beschränkung der Steuern auf gemeinsame Typen und eine allmähliche Harmonisierung vorgesehen.
1.23 Die direkten Steuern (Einkommen-, Körperschaft-, Vermögensteuern) bilden einen breiten Block, der in der OECD 48 v.H. des gesamten Abgabenaufkommens ausmacht, wovon in der Gesamt-OECD ein knappes Drittel auf die Körperschaftsteuer entfiel. Die direkten Steuern sind bei allen Unterschieden stark der stillen Konvergenz unterworfen gewesen und weisen deshalb international deutliche Strukturähnlichkeiten auf. Ihr internationales Ausgleichssystem ist eng mit den bilateralen DBA verbunden, die in Anlehnung an internationale Organisationen (Völkerbund, OECD, UN) entstanden sind. Es wird in dem folgenden Überblick über die direkte Besteuerung der Unternehmen dargestellt. In der EG übernahmen zunächst die bilateralen DBA die notwendige Koordinierung (Art. 220 EG-Vertrag a.F. = 293 n.F. im AEUV nicht mehr enthalten). In vielen Einzelheiten greift aber bestehendes oder projektiertes Richtlinienrecht der EU ein. Weitere Eingriffe in die nationalen Rechte ergeben sich aus der Rechtsprechung des EuGH zu den Grundfreiheiten des AEUV (s. Rz. 1.95 ff.).
1.24 Eine eigenartige Sondergruppe bilden objektartige Steuern, die von einem Land auf in ihm erzeugte und ins Ausland gelieferte Waren, Güter, Dienstleistungen u.Ä. erhoben werden. Der bekannteste Fall waren die hohen Abgaben, die das Rohöl in den Förderländern belasten. Sachlich Verbrauchsabgaben des Herkunftslandes, sind solche Abgaben finanzwissenschaftlich nur schwer fassbar, nehmen die unterschiedlichsten Formen an (z.B. Fördergebühren, Abschöpfungen von Export- oder Produktionsmonopolen oder deren Gewinnabführungen, akzisenartige Abgaben und andere Steuern). Ein besonderes Ausgleichssystem besteht für diese internationalen Verbrauchsabschöpfungen nicht. Eigenartig ist, dass sie teilweise in die Form direkter Steuern gekleidet und über die für diese bestehenden Ausgleichssysteme auf andere Fisci abgelastet wurden.
1.25 Ein Überblick über die zahlreichen Kleinsteuern würde den Rahmen dieser Übersicht sprengen. Sie richten sich nach ihren internationalen Auswirkungen und Ausgleichmechanismen weithin nach anderen Steuerarten; so folgen kleinere Verkehrssteuern weithin dem Regelungsmuster der Umsatzsteuern (Rz. 1.21), während die Erbschafts- und Schenkungssteuern ähnliche Ausgleichssysteme wie die Einkommen- und Vermögensteuern hervorgebracht haben (Rz. 1.23). Ausgedehnte Sondersysteme sind bei den vom Verkehr erhobenen Abgabearten entstanden (Kraftfahrzeugsteuern u.Ä.).
1.26 All dies sind Abgaben der einzelnen Staaten. Internationale Organisationen traten bisher nur sehr begrenzt als Träger eigener Steuerhoheit auf (vor allem durch Steuern von den durch sie gezahlten Gehältern). Eine echte internationale Abgabe ist erstmals mit der internationalen Meeres-
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B. Internationale Steuerkoordination
konvention eingeführt worden. Der Sache nach handelt es sich um eine internationale Verbrauchsabschöpfung von den auf dem Meeresboden geförderten Bodenschätzen; dem Vorbild vieler Abschöpfungen dieser Art für Mineralöl (vgl. Rz. 1.24) entsprechend ist sie als direkte Steuer vom Unternehmensgewinn ausgestaltet.
III. Internationalisierung und Besteuerungssystematik Die Steuersysteme müssen sich international anpassen. Bei diesem Vorgang sind jedoch die inneren Anforderungen der Systeme an Gleichmäßigkeit, Gerechtigkeit und Wettbewerbsneutralität zu wahren; aus deutscher Sicht muss gewährleistet sein, dass die Anpassung „den Vorstellungen eines prinzipienstrengen Rechtssystems am besten entspricht“ und „mit den strengen Vorgaben des deutschen Verfassungsrechts in Einklang gebracht werden kann“.1 Von hier aus lassen sich aus Sicht der Steuersysteme wie der international Tätigen grundsätzliche Forderungen an die internationale Koordination ableiten.
1.27
– Die Steuerrechte sollten in ihrem Zusammenwirken für die internationale Tätigkeit von Unternehmen ein steuerpolitisch sinnvolles Regelungsgefüge bilden, das dieser Tätigkeit ebenso angemessen ist, wie dies für die Besteuerung entsprechender Wirtschaftsvorgänge im nationalen Raum erwartet wird und üblich ist. – Diese Besteuerungsverhältnisse sollten Gleichmäßigkeit und Neutralität der Besteuerung sichern und den Wettbewerb der Steuerrechte untereinander nicht verfälschen. Es sollten einerseits hemmende Schranken für die internationale Wirtschaftstätigkeit ausgeschlossen sein; andererseits sollten durch sie keine ungerechtfertigten Steuervorteile entstehen und Tätigkeiten innerhalb nationaler Wirtschaften nicht gegenüber internationaler Tätigkeit benachteiligt werden. – Die steuerlichen Verhältnisse im internationalen Raum sollten zuverlässig und auf Dauer angelegt sein, Rechtsschutz genießen, langfristige Entscheidungen erlauben und unternehmerische Entscheidungen ähnlich achten, wie dies im nationalen Raum geschieht. Solche Forderungen zielen auf eine internationale Steuerordnung, in der die Steuerrechte in ihren Gesamtwirkungen den an ein rationales Steuersystem zu stellenden Forderungen genügen. Sie sind nur als steuerpolitische Maximen zu formulieren – rechtlich sehen sich die Staaten auch heute noch nicht einmal zur Vermeidung der systemimmanenten Doppelbesteuerung verpflichtet, die aus dem von ihnen allg. verwendeten „Doppelzugriff“ resultiert.2 Solche Maximen gehen auch über die Forde1 Lang, DStJG 24 (2001), S. 72. 2 Nachweise hierzu bei Vogel in V/L5, Einl. DBA, Rz. 7 ff., Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 14.1 ff.; diese Auffassung bildet auch Grundlage der neuesten Staatenpraxis, Krause, Internationale Doppelbesteuerung, IFSt-Schrift Nr. 405, S. 36 ff.
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rung nach Rücksichtnahme hinaus, nach der die Staaten bei der Ausübung ihrer Steuerhoheit die Auswirkungen auf die Steuerhoheit anderer Staaten im Auge behalten sollen (s. dazu Rz. 2.5 ff.). Wie diese stellen sie einen Maßstab für die Bewertung bestehender Rechtszustände dar, dessen Entwicklung zu einem Leitbild der Völkerrechtsentwicklung wünschenswert ist.
1.29 Solche Forderungen stehen in einem Spannungsverhältnis zur Autonomie der nationalen, binnenstaatlich ausgerichteten Steuersysteme. Tatsächlich weisen beim heutigen Grad von internationaler Konvergenz und Koordination die internationalen Regelungsgefüge in ihren Gesamtwirkungen immer noch Funktionsdefizite (s. hierzu Rz. 1.64 ff.)1 und Mängel an Kohärenz auf, wie sie im nationalen Raum nicht hingenommen werden. Sie werden verstärkt durch zusätzliche Konflikte von Steuerrechten, z.B. weil es das bislang bestehende völkerrechtliche Verständnis durchaus zuließ, dass einzelne Staaten unterhalb ihres normalen Besteuerungsniveaus Nischen niedriger Besteuerung anbieten und so dem Ausweichen vor fremden Fisci Vorschub leisten (zur neueren Entwicklung s. Rz. 1.83). Aber selbst bei weitgehender Erfüllung der obigen Forderungen bliebe der internationale Steuerraum ein schwieriges Gebiet – dies schon durch die Regelungsunterschiede, Sprachbarrieren, unterschiedlichen Rechts- und Verwaltungsgewohnheiten. Tatsächlich nimmt die Staatenpraxis Regelungsgefüge im internationalen Steuerraum hin, die durch Funktionsdefizite und Mängel steuerlicher Neutralität gekennzeichnet sind (s. Rz. 1.68, 1.75). Hier setzt die Steuerplanung der Unternehmen an. Sie sucht eine sachgerechte Besteuerung im internationalen Raum zu sichern (z.B. durch die Vermeidung von Doppelbesteuerungen und anderen Funktionsdefiziten). Außerdem sichert sie im Rahmen der legalen Steuerminimierung auch Vorteile, vor allem durch die Nutzung von Steuergefällen und Minderbesteuerungen. Viele Staaten haben in den letzten Jahrzehnten solche Gestaltungsfreiräume eingeengt, weil sie die entstehenden Steuervorteile als ungerechtfertigt ansahen.
C. Direkte Besteuerung im internationalen Raum I. Grundlagen 1.30 Das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, das heute einer in der ganzen Welt verbreiteten Überzeugung entspricht, findet im Ein-
1 Lausterer (IStR 2003, 218) spricht im Blick auf die EU von „Systemdefiziten“; dem ist im Blick darauf zuzustimmen, dass die auf Kohärenz der Union zielende Entwicklung es erfordert, dass die einzelnen Steuerrechte der Union in einem sie überwölbenden System zusammenwirken, das faktisch freilich fehlt.
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C. Direkte Besteuerung im internationalen Raum
kommen einen besonders geeigneten Indikator.1 Das erklärt, dass Einkommen- und Körperschaftsteuern heute in praktisch allen Staaten bestehen. Sie weisen untereinander deutliche Strukturähnlichkeiten auf, und zwar gerade auch bei der Unternehmensbesteuerung. International haben sich durchgesetzt: – Einheitssteuern mit einheitlichen und alle Einkunftsarten gleich erfassenden Tarifsystemen; das früher verbreitete Schedularsystem (unterschiedliche Belastungen der einzelnen Einkunftsarten) ist in den Hintergrund getreten, kehrt jedoch stellenweise in Vorzugssätzen für international mobile Einkünfte wieder zurück; – Erfassung der Unternehmensgewinne nach Methoden, die letztlich aus der kaufmännischen Buchführungs-Praxis hergeleitet sind; diese haben ihrerseits – nicht zuletzt durch eine internationalisierte Wirtschaftsprüfung – international konvergiert; – Kapitalgesellschaften sind als solche mit eigenen Steuern belegt, deren Verhältnis zur Besteuerung des ausgeschütteten Gewinns auf der Ebene des Aktionärs sehr unterschiedlich ausgestaltet sein kann (volle Doppelbelastung, Voll- oder Teilanrechnung, gespaltener Satz, Halbbzw. Teileinkünfteverfahren). Bei Personengesellschaften steht eine Besteuerung beim Gesellschafter in der im deutschen Recht üblichen Weise neben einer Erfassung nach Art der Kapitalgesellschaften. – Für Konzerne und ähnliche Unternehmensgruppen gibt es meist Sondersysteme, für die Schachtelprivilegen (bzw. Anrechnung von Vorbelastungen durch den gesamten Konzern) und der Verlustausgleich im Gesamtkonzern typisch sind. Die Unterschiede der Systeme bestehen einmal in den Tarifen, die nach Struktur und Belastungsdruck unterschiedlich sind. Daneben steht eine große Vielfalt von Abweichungen im Detail des Tarifansatzes und in der Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage. Trotz rechnerischer Vergleichbarkeit der Tarife ist ein befriedigender Belastungsvergleich von Steuerrechten für die Unternehmen mit ihren Unterschieden nicht möglich. Die zwischenstaatlichen Wirkungen der Einkommen- und Körperschaftsteuern sind fast überall durch ein internationales System des Doppelzugriffs gekennzeichnet: Praktisch alle Staaten knüpfen Steuerpflichten einerseits an die Person des Steuerpflichtigen, andererseits an ihr Gebiet als Erzeuger oder „Quelle“ von steuerpflichtigen Einkünften (s. i.E. die Darstellung in Rz. 2.84 ff.). Dementsprechend gibt es zwei Formen direkter Besteuerung. Ersterer unterliegen die Steuerinländer mit ihrem Welteinkommen (Wohnsitzstaatbesteuerung, „unbeschränkte Steuerpflicht“, „resident taxation“), letzterer die Steuerausländer mit ihren im Staatsgebiet erzielten Einkünften (Quellenbesteuerung, „beschränkte Steuerpflicht“, 1 Bei dieser vereinfachenden Darstellung werden Staaten außer Betracht gelassen, die nach dem „Quellenprinzip“ auch bei Steuerinländern nur Einkünfte aus inländischen Quellen besteuern.
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1.31
Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht
„source taxation“). Dies System der Doppelanknüpfung führt notwendig zur („juristischen“) Doppelbesteuerung von Einkommensflüssen über die Grenzen (für über die Grenzen gehaltenes Vermögen gilt entsprechendes).1
1.32 Diese systemimmanente Doppelbesteuerung wird durch die Staaten vermieden, und zwar in aller Regel schon durch nationales Recht im Rahmen der Wohnsitzstaatsbesteuerung. Der Wohnsitzstaat kann dabei die ausländische Steuer auf seine, von den Auslandseinkünften erhobene Steuer anrechnen („Anrechnung ausländischer Steuern“, „credit for foreign taxes“). Er kann auch die ausländischen Einkünfte steuerfrei stellen („Freistellungssystem“, „exemption method“), wobei meist die Progressionswirkung dieser Einkünfte aufrecht erhalten wird („Progressionsvorbehalt“). Die Wahl der Methode gehört zu den wichtigsten steuerpolitischen Entscheidungen, die ein Steuersystem für den internationalen Bereich zu treffen hat. Seine Grenze findet dieser Schutz des eigenen Steuerbürgers darin, dass er – sinnvollerweise beschränkt sein wird auf Einkünfte, die nach der eigenen Rechtswertung des betreffenden Staates ausländisches Steuergut sind; – auf die Besteuerung des eigenen Steuerbürgers im Ausland keinerlei Einfluss nehmen kann, mag diese auch noch so belastend sein; – ohne Einschränkung gewährt, geradezu Anreiz ist für ausländische Staaten, ihre Besteuerung auf Kosten anderer Staaten zu erweitern. Der Schutz des eigenen Steuerbürgers durch nationale Maßnahmen ist daher unvollständig und belässt u.U. unannehmbare Belastungsverhältnisse.
II. Systemverbindung durch DBA 1.33 Dem Ausgleich solcher Defizite dient das Netz der bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA). Nach ihrem Regelungsbild greifen die DBA in die beiden Seiten des üblichen „Doppelzugriffs“ von personal und territorial anknüpfender Besteuerung ein. Sie schützen diejenigen, die der personal ansetzenden Welteinkommensbesteuerung eines Staates unterliegen („Abkommensberechtigte“, Art. 4 UN/OECD-MA). Für sie – schränkt eine erste Regelungsgruppe die Besteuerung im Quellenstaat (beschränkte Steuerpflicht) ein, der dieser in anderen Staaten ansässige Steuerpflichtige unterwirft (Art. 6–21 UN/OECD-MA); – bestimmt eine zweite Regelungsgruppe, wie der Wohnsitzstaat im Rahmen seiner unbeschränkten Steuerpflicht seine eigene Besteuerung
1 Zum weiter gehenden Rechtsbegriff der „juristischen“ und „wirtschaftlichen“ Doppelbesteuerung s. Rz. 2.245 ff.
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C. Direkte Besteuerung im internationalen Raum
von Einkünften zurücknimmt, die im Quellenstaat vertraglich besteuert werden dürfen (Art. 23 A/B UN/OECD-MA).1 Die DBA bewirken damit eine Aufteilung des international verfügbaren Besteuerungssubstrats, legen einen Vorrang zwischen beiden Staaten fest und bestätigen bzw. modifizieren die schon auf Grund nationalen Rechts gewährten Maßnahmen zum Ausgleich der Doppelbesteuerung. Feste Grundlage der Vertragstechnik ist, dass die Steueransprüche als solche allein nach nationalem Recht begründet und bemessen werden können, die DBA aber als unmittelbar anwendbare („self executing“) Regelungssysteme sie begrenzen (meist als „Verteilungsnormen“ mit „Schrankenwirkung“ bezeichnet).2 Das Weltnetz der DBA umfasst über 3000 Verträge. Diese Normenmasse war nur mittels einer Standardisierung vertraglicher Grundstruktur und Inhalte durch die MA der UN und der OECD zu bewältigen. Beide DBAMuster (MA) liegen dem heutigen deutschen DBA-Netz zugrunde. Die Grundlagen der Aufteilung der primären Besteuerungszuständigkeit an Quellen- und Wohnsitzstaat nach dem OECD-MA sind in allgemeiner Form in Übersicht 3, Einzelheiten und die Behandlung im Wohnsitzstaat sind in Übersicht 4 zusammengefasst. Das OECD-MA und seine Kommentierung (2005, 2008, 2010 und 2011 in Einzelheiten neu gefasst) enthalten viele Einzelheiten. Die bilateralen DBA weichen davon vielfach ab. Übersicht 3: Besteuerungsrechte des Quellenstaats Einkunftsart
Besteuerung im Quellenstaat zulässig bei
Ausnahmen hiervon
Unbewegl. Vermögen Gewerbebetrieb
Grundstücksbelegenheit Betriebsstätte
– Hilfsbetriebsstätten Schiff- und Luftfahrt
Freiberufl. Tätigkeit Unselbst. Tätigkeit
Feste Einrichtung3 Arbeitsausübung
– sog. 183-Tage-Klausel öffentliche Zahlungen
Dividenden, Zinsen, Lizenzgebühren
Besteuerung im Quellenstaat grds. eingeschränkt oder beseitigt
1 Diese Begriffsbildungen und die hinter ihnen stehenden Fragen des Rechtsverhältnisses von DBA und nationalem Recht sind umstritten. Vgl. etwa Kluge, Internationales Steuerrecht4, B 11 ff.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.8 ff.; Wassermeyer, IStR 1992, 103 m.w.N. 2 Wenn der Verweis auf das Recht des Anwenderstaates nur gilt, wenn „der Zusammenhang es nicht anders erfordert“, so soll dies „den Zuständigen Behörden einen gewissen Bewegungsspielraum“ geben (Art. 3 Rz. 12 OECD-MK). Bei unmittelbarer Anwendung im nationalen Rechtsbereich ist letzteres verfassungsrechtlich nicht nachvollziehbar. Zu den daraus entstehenden Schwierigkeiten ist auf die Fachkommentare zu Art. 3 Abs. 2 OECD-MA zu verweisen. 3 Die Fassung des OECD-MA von 2001 stellt Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit den Unternehmensgewinnen gleich.
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1.34
Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht Übersicht 4: Steuerteilung zwischen Quellen- und Wohnsitzstaat bei Einkünften Die Besteuerung des Quel- aus lenstaates ist
in folgender Weise begrenzt
Besteuerung im Wohnsitzstaat
1
2
3
4
A. voll aufrechterhalten
Grundvermögen Landwirtschaft Gewerbe Selbständiger Arbeit Unselbständiger Arbeit
belegene Grundstücke Betriebsstätte1 falls die Einkünfte im QuSt feste Einrichentstanden tung2 sind durch dort(ige) Arbeitsausübung2
Steuerfreistellung mit Progressionsvorbehalt oder Steueranrechnung
B. begrenzt oder ermäßigt
Dividenden aus – wesentlichen Beteiligungen3 – anderen Beteiligungen – Zinsen (soweit nicht unter C6 fallend
Die Steuer darf nicht überstei- 5 v.H.4 gen (in v.H. der Bruttoerträge) 15 v.H.
Freistellung o. indirekte Anrechnung5
C. gänzlich ausgeschlossen
10 v.H.
}
Zinsen betrieblichen Charakters an Unternehmen sowie an Staatsbandie Quellenbesteuerung fällt ken6 ganz weg Lizenzgebühren7 sonstige Quellen
Steueranrechnung
voll
1 Nicht als Betriebsstätte gelten Montagen und Bauausführungen unter einem Jahr sowie bloße Stützpunkte für internationalen Handel und Ähnliches. 2 Sonderregelungen für Künstler und Sportler (Staat des Auftretens), kurzfristig entsandte Arbeitskräfte (WS-Staat); Empfänger von Staatsgehältern (Kassenstaat). 3 Beteiligung einer Kapitalgesellschaft an einer anderen Kapitalgesellschaft zu einem Viertel. Deutschland hat eine Mindestbeteiligung von 10 v.H., seit 2000 von 0 v.H. (§ 8b KStG). 4 Meist aufgrund nationalen Rechts gewährt; in Deutschland heute nach § 8b KStG. 5 EG-Mutter/Tochterrichtlinie: 0 v.H. 6 Viele DBA schließen das Besteuerungsrecht des Quellenstaates ganz aus, so dass alle Zinsen unter C fallen. 7 Viele DBA (vor allem mit Entwicklungsländern): 10–15 v.H.
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C. Direkte Besteuerung im internationalen Raum
Die Begrenzung der Besteuerung im Quellenstaat macht den Hauptteil der DBA aus. Diese „Verteilungsnormen“ lassen sich in ihren für die Unternehmen wichtigsten Bereichen wie folgt zusammenfassen. – Die territorial anknüpfende Besteuerung wird i. Allg. auf radizierte Steuerquellen (z.B. Betriebsstätten, dauernde selbständige Tätigkeit) beschränkt. Durch sie ist der Abkommensberechtigte in einer Weise dem Quellenstaat eingegliedert, die eine Erträge und Kosten ausgleichende Einkünfteermittlung möglich macht. Die Besteuerung im Quellenstaat wird damit auf Besteuerungssubstrat begrenzt, bei dem eine dem systematischen Ansatz der direkten Besteuerung entsprechende Einkünftebasis besteht. Damit ist auch eine Einkunftsaufteilung zwischen den im Quellenstaat und den im Wohnsitzstaat zu besteuernden Einkunftsbereichen nach gemeinsamen Aufteilungsmaßstäben möglich. – Für bestimmte nicht radizierte Einkunftsbestandteile wie Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren werden Abzugsteuern vom Bruttobetrag zugelassen, jedoch nach dem Abzugssatz begrenzt; diese Begrenzung soll Kostenprogressionen oder das Entstehen von Anrechnungsüberschüssen (s. Rz. 1.46) vermeiden und konzernbezogene Regelungen abstützen (Rz. 1.59). Industriestaaten verzichten untereinander bei Zinsen und Lizenzgebühren meist auf solche Abzüge. – Für konzernartige Beziehungen wird einerseits das auch in den nationalen Rechten übliche Trennungsprinzip den gemeinsamen Beziehungen zugrundegelegt (Art. 5 Abs. 6 OECD-MA), andererseits ein gemeinsamer Maßstab für Gewinnabgrenzungen vereinbart (Art. 9 OECD-MA). Diese Regelungen bestätigen und begrenzen den im Doppelzugriff angelegten „Vorrang des Quellenstaates“ in einer Verteilungsgerechtigkeit unter Staaten schaffenden Weise (zwischenstaatliche Gerechtigkeit i.S.v. Rz. 1.18). Gleichzeitig bewirken sie, dass die entstehenden Belastungsverhältnisse sich in den durch die Einkommensbesteuerung angelegten Ansatz einer Nettobesteuerung halten (Belastungsgerechtigkeit). Die Regelung folgt gleichzeitig Effizienzgesichtspunkten, v.a. wenn sie den Ausbau der direkten Steuern zu Marktzugangssteuern abbaut. Die in den MA getroffene Abgrenzung spiegelt auch rein steuertechnische Grenzen einer Besteuerung von Ausländern. Sie bildet eine Ausfüllung des Verbots extraterritorialer Besteuerung (s.a. Rz. 1.42).
1.35
Für den Ausgleich im Wohnsitzstaat stellt sich die Frage, ob auf völkerrechtlicher Ebene die Besteuerung im Quellenstaat eine ausschließliche sein soll (Folge: völlige Freistellung im Wohnsitzstaat) oder lediglich eine vorrangige (Folge: Steueranrechnung im Wohnsitzstaat). Zu der dahinter stehenden Problematik s. Rz. 2.245 ff., 2.459 ff. Die Vertragsentwicklung seit 1944 steht auf dem Boden des Vorrangs.1 Art. 23 OECD-MA lässt den
1.36
1 Umstritten geblieben ist, ob finanzwissenschaftlich und steuerpolitisch nicht ein den Wettbewerb der Steuerrechte förderndes Prinzip ausschließlicher Quellenbesteuerung zu fordern wäre, insbesondere auch für die EU. S. hierzu Müller/ Fromm/Hansjürgens (Hrsg.), Regeln für den europäischen Steuerwettbewerb, S. 21 ff.
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Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht
beiden Vertragsstaaten bei den radizierten Einkünften die freie Wahl zwischen Anrechnung und Freistellung mit Progressionsvorbehalt (für die nicht radizierten gilt im Grundsatz immer das Anrechnungssystem). Diese Auspägung des Wohnsitzprinzips wird noch dadurch unterstrichen, dass beide Staaten ihre Wahl unabhängig voneinander treffen können; der Grundsatz der Gegenseitigkeit ist insoweit ausgeschlossen. Demgemäß wählt vielfach jeder der beiden Staaten die Methode, die er in seinem nationalen Recht anwendet. Üblicherweise legt aber jeder Vertragsstaat darauf Wert, dass bei in seinem Gebiet vertraglich zu versteuerndem Steuersubstrat der Wohnsitzstaat keine ungünstigeren Ausgleichsregeln gewährt als gegenüber anderen vertraglich gebundenen Staaten (Grundsatz der Meistbegünstigung).
1.37 Deutschland geht in seinen DBA bei den radizierten Einkünften von der Freistellung mit Progressionsvorbehalt aus; hierzu ist auf die ausführliche Darstellung in Rz. 2.459 ff. zu verweisen. Dass das nationale Recht abw. hiervon von der Anrechnung ausgeht, hat einmal historische Gründe. Die Freistellung sollte zudem an ein Mindestmaß von internationaler Zusammenarbeit gebunden sein und verhandlungsstrategisch ein Angebot an Staaten bilden, die zu sachlich angemessener Begrenzung ihrer Quellenbesteuerung bereit waren. I.Ü. war und ist das deutsche nationale Recht seit je stets mit Elementen der Freistellung durchsetzt (v.a. § 34c Abs. 5 EStG, heute § 8b KStG). Das damit von den DBA gestützte System eingeschränkter Wohnsitzbesteuerung ist von hoher steuerpolitischer Bedeutung (vgl. hierzu Rz. 1.63).
1.38 Die DBA bilden eine über den nationalen Steuergesetzen stehende Rechtsebene, die in beiden Systemen unmittelbar anwendbare Abgrenzungs- und Zurechnungsmerkmale bereitstellt. Danach ist z.B. für Quellen- und Wohnsitzstaat derselbe Rechtsmaßstab bei der Beurteilung des Anknüpfungsmerkmals „Betriebsstätte“ oder der „Zurechnung“ von Gewinn maßgebend. Aufgabe der DBA wäre es damit, allg. gemeinsame Grundlagen für Quellenbesteuerung und für die Ausgleichsmaßnahmen des Wohnsitzstaates bereit zu stellen und damit auch etwa durch Unterschiede der beteiligten Rechten entstehende Verwerfungen lücken- und fugenlos zu beseitigen. Gerade diese Aufgaben sind aber mit dem Regelwerk der DBA nicht voll zu lösen, das i.d.R. ohne konkreten Bezug auf das Detail der nationalen Rechte bzw. auf die konkrete bilaterale Situation auszukommen sucht. Zudem ist die einheitliche Konkretisierung des Vertragsrahmens mit seinen vielfach als unbestimmte Rechtsbegriffe ausgebildeten Merkmalen (z.B. der „Zurechnung“ von Gewinnen) nicht gesichert. Schließlich entstehen bei Rechtsverwerfungen vielfältige Probleme. Kennzeichnend ist die in den MA nur generalklauselartig beantwortete Frage, wieweit die Staaten der DBA-Anwendung ihre jeweiligen (divergierenden) Rechte zugrunde legen können (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA,
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C. Direkte Besteuerung im internationalen Raum
s. Rz. 2.422 ff.).1 Durch all dies können neben Schutzlücken auch Keinmal-Besteuerungen durch die DBA-Entlastungen entstehen. Wenn die DBA gleichwohl einen i. Allg. verlässlichen Ausgleich von Quellen- und Wohnsitzbesteuerung gewährleisten, so ist dies einerseits einer starken Differenzierung der bilateralen Verträge zu verdanken, andererseits der Bereitschaft der beteiligten Länder zur Verständigung (s. Rz. 12.38 ff.). Die DBA erweitern ihre Funktion über die bloße Vermeidung der dem „Doppelzugriff“ immanenten Doppelbesteuerung (s. Rz. 1.31 f.). Zu nennen ist hier, dass sie
1.39
– die Doppelbesteuerung bei Fällen doppelter persönlicher (unbeschränkte) Steuerpflicht (z.B. Doppelwohnsitz) beseitigen; der hiermit gewährte Schutz ist für international tätige Unternehmen von steigender Bedeutung geworden; nicht beseitigt wird die doppelte territoriale (beschränkte) Steuerpflicht; sie ist jedoch in das Verständigungsverfahren einbezogen (Art. 25 Abs. 3 Satz 2 OECD-MA); – für die internationalen Konzernverbindungen Rechtssicherheit schaffen, wobei sie oft neben juristischer auch die sog. wirtschaftliche Doppelbesteuerung vermeiden (s. Rz. 1.47); – die Grundlage für die Zusammenarbeit der Steuerverwaltungen und für ihren Auskunftsaustausch legen (s. Rz. 12.38 ff.; 12.21 ff.); nach der neuesten Fassung des OECD-MA sollen die DBA auch Vollstreckungshilfe vorsehen. Das OECD-MA hat seinen Regelungsbereich bei den Diskriminierungsverboten, dem Auskunftsaustausch und der Vollstreckungshilfe auf Steuern aller Art erstreckt (Neufassung 2000). (Zu aktuellen Entwicklungen auf diesem Gebiet s. die Darstellung in Kapitel 12.) Darüber dürfen die Begrenzungen der DBA nicht übersehen werden. Dazu gehört, dass sie a) in vielen Bereichen Konflikte belassen, Rechtsverwerfung nicht befriedigend regeln und durch den Einsatz unbestimmter Rechtsbegriffe Anwendungsschwierigkeiten machen (Rz. 1.38, 1.44); b) durch ihre Masse und Unterschiedlichkeit im Detail eine nicht mehr zu übersehende Regelungsmasse darstellen (sie machen nach ihrem bloßen Textumfang über 25 v.H. der deutschen Steuergesetze aus) und durch ihre Unterschiedlichkeiten selbst Diskriminierungen erzeugen; c) einerseits zahlreiche Funktionsdefizite der internationalen Regelungsgefüge bestehen lassen (s. Rz. 1.64 ff.), andererseits neben außensteuerlichen Sondergesetzen stehen, die sich gegen ungerechtfertigte Steuervorteile im internationalen Raum richten. Sie können in ihrer heutigen Form die Probleme des internationalen Steuerraums nur bedingt regeln. Dies steht hinter dem Wort Tipkes, dass 1 Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht20, § 4 Rz. 81; krit. zur internationalen Akzeptanz und Umsetzung in den nationalen Rechten Lang, IStR 2011, 403.
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33
1.40
Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht
das DBA-Recht aus sich heraus „kein den Steuerrechtler befriedigendes übergeordnetes Prinzip erkennen“ lässt.1
III. Systemintegrierende Funktionen der DBA 1.41 Die DBA sollen – nach einem Wort Dorns2 – „der Aufstellung eines sachgemäßen, auf Gegenseitigkeit begründeten Systems von Steuerverzichten unter Berücksichtigung der Eigenarten der Steuersysteme“ dienen. Sie zielen damit auf ein „sachgerechtes“ internationales Regelungsgefüge, das über die bloße Aufteilung von Besteuerungssubstrat hinausgehend Ordnungsfunktionen hat. Dies wird im Folgenden an 4 für die Unternehmensbesteuerung wichtigen Beispielen verdeutlicht. 1. Extraterritoriale Besteuerung
1.42 Das Völkerrecht untersagt es den Staaten, ihre Besteuerung in nicht sachgerechter Weise an fern liegende und willkürliche Merkmale anzuknüpfen (s. Rz. 1.7, 2.5 ff.); kaum eine Grenze ist aber international weniger gesichert als diese. Die international tätigen Unternehmen würden ferner unerträglich belastet, wenn sie sich in unübersehbarer Weise Steueransprüchen ausländischer Fisci gegenüber sähen, deren Interessen ihre Existenz oder Tätigkeit berührt. In diesem Sinne lässt sich von extraterritorialer Besteuerung als eigenständiger Funktionsstörung sprechen – mag auch eine Doppelbesteuerung nicht vorliegen. Würden Unternehmen z.B. im Ausland nur deshalb steuerpflichtig, weil ihre Produkte dorthin gelangen oder weil sie zu den dortigen Unternehmen in Konkurrenz treten, so wäre dies eine die internationale Tätigkeit erstickende Ausdehnung der Steuerhoheit. Die DBA schließen derartiges aus; sie legen sogar für den Warenhandel eine relativ breite Schutzzone, indem sie z.B. Tätigkeit von Verkehrsbetrieben oder handelstypische Hilfsstellen steuerlich gleichsam als extraterritorial behandeln (Art. 5 Abs. 3 Buchst. a bis c, Art. 7 Abs. 5 und Art. 8 OECD-MA).
1.43 Die DBA belassen es bei dem System der internationalen Doppelanknüpfung (Rz. 1.31 f.). Sie sichern es in gewisser Weise ab, weil es ohne Vermeidung der ihr immanenten Doppelbesteuerung aus allgemeinen rechtlichen, steuerpolitischen und wirtschaftlichen Gründen für die Staatengemeinschaft nicht tragbar wäre. Sie belassen freilich gewisse Nachteile, such en sie aber zu mildern. Zu nennen ist hier v.a., dass – die Quellenbesteuerung regelmäßig als eine „realsteuerartige“ Teileinkommensteuer erhalten bleibt, die den persönlichen Verhältnissen nur ungenügend Rechnung trägt; gemildert wird dies durch die Beschränkung auf radizierte Quellen (s. Rz. 1.35) und die Begrenzung von Abzugssteuern (s. Rz. 1.46). 1 Tipke in Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rz. 81. 2 Dorn, StuW 1927, 265.
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C. Direkte Besteuerung im internationalen Raum
– die Doppelanknüpfung die international Tätigen durch besondere Verfahrenserschwernisse belastet, z.B. durch Nachweisnotwendigkeiten bei der Steueranrechnung. Die DBA sind Grundlage geworden, solche Schwierigkeiten im Verständigungswege zu mildern (Art. 25 OECDMA, s. Rz. 12.38 ff.). Zu sehen ist aber, dass die DBA in ihrer Zielsetzung begrenzt sind. Sie unternehmen nicht, die im internationalen Steuerraum bestehenden Funktionsmängel (s. Rz. 1.64 ff.) generell zu beseitigen. Sie erzeugen durch ihren bilateralen Charakter sogar Diskriminierungen, indem sie die Quellenbesteuerung gegenüber unterschiedlichen Ländern in unterschiedlichem Maße einschränken. Schließlich bilden sie eine übergroße, trotz ihrer Standardisierung durch MA kaum zu übersehende Normenmasse. Das bestehende DBA-Netz ist als System gegenüber der Gesamtentwicklung („Globalisierung“) zurückgeblieben und wirkt antiquiert. Nachdem die DBA-Praxis für die Steuerquellen eine internationale Standardaufteilung gefunden hat (s. Rz. 1.34), ist für die Praxis die Abgrenzung der Steuerquellen selbst in den Vordergrund getreten, z.B. die Aufteilung des Gewinns eines Unternehmens auf die Betriebsstätten. Die Staaten haben dazu eigenständige Methoden entwickelt, deren Divergenzen die juristische Doppelbesteuerung u.U. bestehen lässt. Zwar enthalten UN/ OECD-MA (Art. 7 Abs. 2 bis 4, Art. 9 OECD-MA) dazu eigene Teilregelungen, ihre Anwendung hat aber – nicht zuletzt wegen widersprüchlicher Regelungsansätze in den nationalen Rechten – ungewöhnlich breite Unsicherheiten. Es wird deshalb beklagt, dass die DBA-Praxis die hier drohenden Funktionsstörungen wohl formal regelt, praktisch aber nicht hinreichend sicher und kalkulierbar ist.
1.44
2. Diskriminierung und Überbesteuerung Wurde ein Unternehmen vor 90 Jahren international tätig, so operierte es in einem Raum, der steuerlich weit weniger betraubar war als der heimische: Fremdenfeindliche Tendenzen wirkten leicht in die Besteuerung hinein und die Furcht vor Willkür und Unfairness war groß. Die Effizienz des modernen DBA-Netzes liegt gerade darin, dass es derartigen Funktionsstörungen vorbaut. Instrumente sind die Diskriminierungsklauseln, vor allem aber das Gebot der Inländerbehandlung für die Betriebsstätten der Unternehmen und der von ihnen beherrschten Tochtergesellschaften, für das die UN/OECD-MA steuerliche Spezialklauseln entwickelt haben (Art. 24). Diese oft unterschätzten Klauseln realisieren einmal den Schutzanspruch des Unternehmens gegenüber seinem Heimatstaat, von ihm steuerlich im Ausland Schutz vor Unbill zu erhalten. Sie begrenzen die Besteuerung des Tätigkeitsstaates auf das, was dieser seinen heimischen Bürgern und Unternehmen zumutet – die ihm im Innern gesetzten steuerpolitischen und allgemeinpolitischen Schranken schützen so auch den ausländischen Investor und beugen fremdenfeindlichen Sondergesetzen
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1.45
Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht
vor. Damit wird schließlich im Tätigkeitsstaat die steuerliche Wettbewerbsgleichheit mit den dort heimischen Unternehmen gesichert. 3. Abzugssteuern und Kostenprogression
1.46 Bei einer Reihe international fließender Einkünfte hat die internationale Vertragspraxis die Steuerteilung in der Weise vorgenommen, dass der Quellenstaat Abzugssteuern erheben kann, die der Wohnsitzstaat auf seine Steuern anrechnet. Dies sind i.W. Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren (Art. 10 bis 12 UN/OECD-MA). Die so zugelassenen Abzugssteuern werden vom Bruttobetrag (Einnahmen) zu linearen Sätzen erhoben und werden im Wohnsitzstaat nicht erstattet, wenn sie die dortige Tarifsteuer überschreiten. Dies führt zu Wirkungen, die allgemeinen Grundsätzen direkter Besteuerung widersprechen: Die Steuerabzüge belasten den Nettoertrag – d.h. das eigentliche Besteuerungssubstrat – um so stärker, je höher die mit den betreffenden Einnahmen zusammenhängenden Ausgaben sind.1 Die folgende Zeichnung macht diese Wirkung für unterschiedliche Abzugssätze deutlich:
Diese sog. Kostenprogression erreicht schon bei mäßigen Abzugssätzen und Aufwandsquoten solche Dimensionen, dass sie durch die (am Nettoertrag orientierten) Maßnahmen des Wohnsitzstaates nicht mehr aufzufangen sind, sondern als objektsteuerartige Zusatzlast wirkt. Es war einer der wichtigsten Erfolge des internationalen DBA-Netzes, dass es z.B. bei Zinsen und Lizenzgebühren die Kostenprogression durch vertragliche Reduzierung auf Null-Sätze ganz abbaute (so meist in DBA unter Industrieländern) oder sie durch Vereinbarung von Satzsenkungen reduzierte (so meist zwischen Industrie- und Entwicklungsländern). Dabei hat nur ein Teil der Staaten einheitliche Sätze gegenüber allen Ver1 Engelschalk, Die Besteuerung der Steuerausländer auf Bruttobasis, S. 12 ff., aus dem die obige Zeichnung stammt.
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C. Direkte Besteuerung im internationalen Raum
tragspartnern angestrebt und durchgesetzt. Das hat zu im Einzelnen sehr differenzierten Sätzen geführt. Das deutsche DBA-Netz weist eine breite Satzfächerung von 0 bis 25 v.H. auf. Damit wird einerseits auf Gleichbehandlung oder Meistbegünstigung verzichtet. Andererseits ist das Ausweichen vor ungünstigen Sätzen durch Steuergestaltung kaum zu vermeiden. 4. Wirtschaftliche Doppelbelastung Der von der internationalen Praxis entwickelte Begriff der Doppelbesteuerung setzte die doppelte Erfassung desselben Steuerguts bei der gleichen Person (Subjektidentität) voraus. Funktionsstörungen können aber auch vorliegen, wenn dasselbe Steuergut bei zwei verschiedenen Steuerpflichtigen erfasst wird. Vor allem war es mit dieser Begrenzung nicht möglich, die Probleme der internationalen Konzernbesteuerung zu lösen. Es ist kennzeichnend für die tastende internationale Entwicklung, dass sie diese Probleme nur nach und nach in den Regelungsbereich der DBA (bzw. der nationalen Rechte) aufnahm. Motor der Entwicklung war die Notwendigkeit, dem international tätigen Konzern schon um der Rechtsformneutralität willen einen ähnlich entwickelten Schutz wie dem international tätigen Einzelunternehmen zu gewähren. Daraus hat sich innerhalb des ursprünglich auf das Einheitsunternehmen zugeschnittenen internationalen Steuerrechts ein internationales Konzernsteuerrecht entwickelt; das bisherige Merkmal „Personengleichheit“ musste in gewissem Umfang aufgegeben und der DBA-Schutz auf Fälle erweitert werden, in denen „derselbe Gewinn“ stufenartig bei mehreren Personen erfasst wird („wirtschaftliche“ Doppelbelastung). Das geschah in der Ausbildung einer internationalen Norm für die innerkonzernliche Gewinnabgrenzung (Art. 9 OECD-MA) und zur Vermeidung der Doppelbelastung für die im Konzern ausgeschütteten Gewinne mit Körperschaftsteuer (sog. „internationale Schachtelprivilegien“). Diese Entwicklung ist noch im Fluss (s. Rz. 1.84 ff.).
1.47
IV. Europäisches Recht und direkte Besteuerung Europäisches Recht beeinflusst zunehmend die deutsche Außenbesteuerung. Grundlagen und Auswirkungen auf das deutsche Steuerrecht sind in Rz. 1.95 ff. eingehend dargestellt. Allgemein hat dies im Wesentlichen drei Komponenten. – Untersagt sind durch Art. 87 EGV, Art. 107 AEUV steuerliche Beihilfen. Dieses Verbot wird von der EU-Kommission laufend überwacht. – Die deutsche Besteuerung muss die Grundfreiheiten der EU achten, sowie diskriminierungs- und beschränkungsfrei sein (s. Rz. 1.101 ff.). Die Rechtsprechung des EuGH, über die sich die Konkretisierung dieser Gebote vollzieht, ist in Rz. 1.115 ff. ins Einzelne gehend dargestellt.
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1.48
Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht
– Die direkte Besteuerung ist Gegenstand der Steuerharmonisierung, die allerdings außerordentlich zögernd fortschreitet (s. Rz. 1.97). Bei all dem sucht die EU bei der Entwicklung des internationalen Steuerrechts den Kontakt mit der internationalen Gesamtentwicklung zu halten, die hauptsächlich vom Fiskalausschuss der OECD gesteuert wird.
1.49 Die innergemeinschaftliche Beseitigung der Doppelbesteuerung ist Sache bilateraler DBA. Ein ins Auge gefasstes multilaterales EU-DBA ist nicht zustande gekommen. Die EU hat jedoch im Blick auf die Notwendigkeiten des Gemeinsamen Marktes auf einigen wichtigen Gebieten Richtlinienrecht erlassen, das in den DBA geregelte Fragen betrifft und die innergemeinschaftlichen DBA überlagert. Diese Regelungen sind der folgenden Aufstellung in Übersicht 5 zu entnehmen (i.E.s. Rz. 1.112). Die Kommission hat gelegentlich die Auffassung geäußert, dass die Doppelbesteuerung mit den Grundsätzen des Gemeinsamen Marktes nicht zu vereinbaren ist. Die DBA wären danach Konkretisierungen dieses Verbots und müssten sich an ihm messen lassen. Ferner wird ein Verbot der Keinmalbesteuerung angenommen. Übersicht 5: EU-Recht auf dem Gebiet der DBA Art. OECD-MA –
7 Abs. 2–5
Rechtsquelle
Bei Fusionen, Spaltungen, Einbringungen: Bei gewissen Vorgängen keine Gewinnrealisierung
FusionsRL, umgesetzt im UmwStG
Gewinnabgrenzung Eigenständige Abgrenzungsregelungen in der „Schiedsübereinkunft“
SchStK (s. Rz. 12.20)
10
Abzugsteuer von Schachteldividenden
0-Satz bei Zahlungen innerhalb der EU
Mutter/TochterRL umgesetzt in § 43b EStG
11, 12
Abzugsteuern von Zinsen/Lizenzgebühren
0-Satz bei Zahlungen innerhalb der EU zwischen verbundenen Unternehmen
EG-RL umgesetzt in §§ 50g, 50h EStG
Wohnsitzstaatbesteuerung
Schachteldividenden sind von Doppelbelastung durch Freistellung oder durch indirekte Anrechnung zu entlasten
Mutter/TochterRL umgesetzt durch DBA und § 26 Abs. 2a KStG
23
38
Gewinnermittlung
EU-Regelung
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C. Direkte Besteuerung im internationalen Raum Art. OECD-MA
EU-Regelung
Rechtsquelle
24
Diskriminierung
Überlagerung durch allg. Bestimmungen des AEUV
Unmittelbar anwendbare AEUVBestimmungen, insbesondere Art. 45, 49 AEUV
25
Verständigung
SchStK (Rz. 12.20) Bei Fragen der Gewinnabgrenzung besondere Verständigungsregelungen und Patt-vermeidende Steitschlichtung
26
Auskunftsaustausch
Umfassende Regelung über die Erteilung von Auskünften mit oder ohne Ersuchen
EG-AmtshilfeRL, umgesetzt im EG-AmtshG (Rz. 12.21)
Darüber hinaus greift das primäre Recht der die Gemeinschaft begründenden Verträge ganz allg. in die direkte Besteuerung (einschl. der innergemeinschaftlichen DBA) ein. Neben den Diskriminierungsverboten ist ein Bündel primärrechtlicher Grundfreiheiten AEUV (s. Rz. 1.109) zu beachten, nämlich die Freiheit des Warenverkehrs, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, Niederlassungs-, Dienstleistungsfreiheit und die Kapitalverkehrsfreiheit.1 Sie sprechen die direkten Steuern in ihrer ganzen Breite an. Sie schützen den EG-Bürger seit 1987 unmittelbar. Die Rechtsprechung des EuGH hat die Diskriminierungsverbote und die Grundfreiheiten als Verbote auch mittelbarer Behinderungen aufgefasst und damit in Richtung auf ein Gebot der Inländerbehandlung entwickelt. Das Gericht lässt „zwingende nationale Interessen“ und die „Wahrung der Kohärenz der Steuerrechte“ nur in engen Grenzen als Rechtfertigungsgrund zu (Rz. 1.111), wobei den Mitgliedstaaten nur schonende Eingriffe zugestanden werden, die im Ergebnis missbräuchliches Verhalten treffen. Die Rechtsprechungsgrundsätze zu den einzelnen Grundfreiheiten konvergieren dabei auf der Tatbestands- wie auf der Rechtfertigungsebene und haben in Deutschland zu wichtigen Neuregelungen der beschränkten EStPflicht geführt (§§ 1 Abs. 3 und 1a EStG), standen aber auch hinter dem deutschen Übergang vom körperschaftsteuerlichen Anrechnungssystem zum Halbeinkünfteverfahren. Hierzu ist i.E auf Rz. 1.115 zu verweisen.
1 Hierzu umfassend Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht; s. hierzu auch Englisch, StuW 2003, 88; Hahn, Vereinbarkeit von Normen des deutschen internationalen Steuerrechts mit EG-Recht, IFSt-Schrift Nr. 378, 1999, Bonn. Eine Liste von Einzelbestimmungen, deren EU-gemäßheit fraglich sei, geben Kessler/Spengel, Checkliste potenziell EU-rechtswidriger Normen des deutschen direkten Steuerrechts, zuletzt veröffentlicht 2012, DB 2012, Beilage Nr. 2.
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39
1.50
Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht
1.51 All dies greift tief in die Rechtsentwicklung ein und wird eine Weiterentwicklung der innergemeinschaftlichen Steuerkoordination erzwingen. So bemüht sich die EU-Kommission um eine Zusammenarbeit bei der Umsetzung von Urteilen des EuGH, die Entwicklung eines gemeinsamen DBA-MA und gemeinsamer Regelungen zur Gewinnabgrenzung für die EU auf der Basis der Arbeiten der OECD. Als Grundlage für eine gemeinsame Regelung zur Gewinnabgrenzung hat sie Gemeinschaftsregelungen für die Gewinnermittlung zwischen gemeinschaftlich tätigen Unternehmen vorgeschlagen.1
1.52 Ob dies zu einer Harmonisierung der direkten Steuern in Struktur und Teilbereichen führt, ist offen. Wenn aus primärem Unionsrecht (s. Rz. 1.50) ein Gebot zur Gleichbehandlung aller EU-Unternehmen und ein Gebot der Meistbegünstigung für Unionsbürger abgeleitet wird, so stellt dies in der Sache das Prinzip souveräner bilateraler Regelungen durch DBA in Frage, das die Kommission bislang nicht in Frage stellt. Daher ist auch die weitere Entwicklung der DBA nicht zu übersehen. Zu weiteren Perspektiven s. Rz. 1.86.
D. Direkte Besteuerung der international tätigen Unternehmen I. Unternehmensstrukturen: Einheitsunternehmen, Konzern, Personengesellschaft 1.53 Die international tätigen Unternehmen sind unterschiedlich verfasst – sie werden als Einheitsunternehmen, als Konzerne, unter Einsatz von Personengesellschaften oder in Mischformen u.s.w. über die Grenze des Heimatstaates hinaus tätig. Für die Besteuerung rein national tätiger Unternehmen sind in den innerstaatlichen Rechten sehr häufig drei Grundsätze verwirklicht: – jeder Teil des Gewinns wird bei einer Teileinheit des Unternehmens erfasst, insgesamt aber nur einmal besteuert; – Gewinnüberweisungen (Ausschüttungen) unterer Unternehmenseinheiten an übergeordnete Betriebsteile werden von Mehrfachbelastungen freigehalten; – der Fluss von Kapital, Waren, Know-how, Dienstleistungen innerhalb des Unternehmens kann grundsätzlich ohne besondere steuerliche Zusatzlasten, d.h. steuerneutral abgewickelt werden. Auch die zwischenstaatliche Besteuerung der international tätigen Unternehmen hat sich an diesen Grundsätzen orientiert und hat so für die Wahl zwischen nationaler und internationaler Tätigkeit ein angemes1 Siehe dazu Krauß, IStR 2011, 607.
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D. Direkte Besteuerung der international tätigen Unternehmen
senes Maß steuerlicher Neutralität erreicht (vgl. aber Rz. 1.64 ff.). Die genannten Grundsätze sind zwar nicht durchgängig verwirklicht; die Staaten haben sich ihnen aber durch Konvergenz und durch ihre DBA angenähert. 1. Einheitsunternehmen Die internationale Tätigkeit des Einheitsunternehmens unterliegt dem üb- 1.54 lichen Doppelzugriff der Steuer in Heimat- und Tätigkeitsstaat, die durch die DBA nach dem Betriebsstättenprinzip ausgeglichen wird (Art. 5, 7, 23 OECD-MA). Die Besteuerung des Unternehmens ist damit gleichsam im Heimat-(Wohnsitz-)Staat konzentriert (er nimmt z.B. das gesamte von anderen Staaten nicht beanspruchte Steuersubstrat für seine Vollbesteuerung in Anspruch). Der Tätigkeitsstaat hat freie Hand für Art und Weise der Besteuerung des ihm zukommenden Steuersubstrats, gewährt aber im Gegenzug in den DBA die Inländerbehandlung (Art. 24 Abs. 4 OECDMA), was z.B. Sondersteuersätze für Ausländer oder diskriminierende Gewinnermittlungsvorschriften ausschließt. Steuerneutralität wird durch DBA nach den drei in Rz. 1.53 angegebenen Richtungen in folgendem Rahmen gewährt: – Die Einmalbesteuerung wird gesichert durch die gemeinsame Abgrenzung von Anknüpfung und Umfang der Besteuerung im Tätigkeitsstaat und der diese respektierenden Ausgleichsmaßnahmen im Heimatstaat. Im Gegensatz zum rein national tätigen Unternehmen wird nicht nach einem Einheitstarif besteuert, sondern die Tarifautonomie von Tätigkeits- und Heimatstaat gewahrt. Als zentral zuständiges Land bestimmt der Heimatstaat, ob beim Ausgleich Kapitalexportneutralität (Anrechnung) oder Kapitalimportneutralität (Freistellung) hergestellt wird (vgl. Rz. 1.61 ff.). – Die Besteuerung erfolgt grundsätzlich in allen Ländern zeitgleich mit dem Gewinnanfall; eine Gewinnüberweisung löst keine zusätzliche Steuer aus, ohne dass es dafür sichernder Bestimmungen bedürfte (solche sind aber nötig gegenüber Staaten wie den USA, die Abzugsteuern von Gewinnüberweisungen eingeführt haben). – Der Resourcenaustausch innerhalb des Unternehmens wird im Rahmen der Gewinnabgrenzung abgerechnet; hierbei kann es allerdings beim Übergang von Wirtschaftsgütern aus einer in eine andere Betriebsstätte zum zeitlichen Vorziehen der Besteuerung kommen durch Auflösung stiller Reserven, was die DBA nicht generell ausschließen. Der Leser findet die deutschen Regelungen hierzu in Rz. 4.1 ff. dargestellt. 2. Konzerne Wird die ausländische Tätigkeit des Unternehmens von örtlichen Kapitalgesellschaften als eigenen, dem Zentralunternehmen nahestehenden juris-
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41
1.55
Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht
tischen Personen getragen, so entstehen konzernartige Gebilde. Grundlage des internationalen Konzernsteuerrechts ist, dass die gesonderte Rechtspersönlichkeit der einzelnen Gesellschaften nach dem Trennungsprinzip sowohl von den Heimat- wie von den Tätigkeitsstaaten steuerlich anerkannt wird. Ferner – unterliegen der Besteuerung nur die einzelnen Konzerngesellschaften; der Konzern wird nicht als ganzer zur Steuer herangezogen (Art. 5 Abs. 5 OCD-MA untersagt dies für einen Teilaspekt ausdrücklich); – ist den Konzerngesellschaften in ihren jeweiligen Tätigkeits-(Ansässigkeits-)Staaten Inländerbehandlung zu gewähren (Art. 24 Abs. 4 und 5 OECD-MA); dies scheidet z.B. belastende Sondersteuersätze oder besondere Gewinnermittlungsvorschriften für ausländisch beherrschte Kapitalgesellschaften aus; – achten die Heimatstaaten i.d.R. die Selbständigkeit der Tochtergesellschaften, indem sie deren Gewinne bei der Muttergesellschaft nicht mit deren Entstehen, sondern erst bei der Ausschüttung besteuern; dieser Abschirmeffekt (sog. „tax deferral“, d.h. eigentlich Steueraufschub) ist für Muttergesellschaften in Anrechnungsländern ein wesentlicher Vorteil des Einsatzes von Tochtergesellschaften gegenüber dem Einsatz von Betriebsstätten; Eingriffe in diesen Rechtsbestand sind als Abwehr gegen Gewinnverlagerungen in niedrig besteuernde Länder gegenüber niedrig besteuerten „passiven“ Gesellschaften international üblich; nach OECD-Grundsätzen sollten sie hierauf beschränkt bleiben (s. Art. 1 Rz. 24–26 OECD-MK). Diese Gemeinsamkeiten beruhen i.W. auf Konvergenzen in den nationalen Handels- und Steuerrechten.
1.56 Die DBA schützten in ihrer früheren Entwicklungsphase lediglich die einzelne Konzerngesellschaft. Sie ließen damit Funktionsstörungen der Besteuerung ungelöst, die sich aus dem Zusammenspiel der Konzerngesellschaften ergeben und besonders in der sog. wirtschaftlichen Doppelbelastung zutage treten (Erhebung von Körperschaftsteuer bei der Muttergesellschaft von Ausschüttungen von Gewinnen der Tochter, die bei dieser bereits der Körperschaftsteuer unterlegen haben). Die Entwicklung hat zunehmend auch derartige Funktionsstörungen beseitigt (s. Rz. 1.58 ff.) und damit ein internationales Konzernsteuerrecht entwickelt.
1.57 Die Einmalbesteuerung wird zunächst durch das internationale Trennungsprinzip (Rz. 1.55) gesichert. Doppelbelastungen drohen aber, wenn ein Staat nach seinem nationalen Recht den Gewinn einer Konzerngesellschaft wegen besonderer Beziehungen zu anderen Konzerngesellschaften berichtigt. Die ältere DBA-Praxis sah dies als Frage der inneren Besteuerung der Tochtergesellschaft (Ermittlung ihrer Steuerbemessungsgrundlage) an; sie fällt grundsätzlich nicht unter die DBA, die nur die äußere Besteuerung (insbes. die Besteuerung der Muttergesellschaft mit den ihr zufließenden Dividenden) regeln. Eine früh entwickelte Klausel mit dem 42
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D. Direkte Besteuerung der international tätigen Unternehmen
sog. „Arm’s-length-Grundsatz“ (Art. 9 OECD-MA) wurde zunächst als bloße Klarstellung ohne Bindungswirkung verstanden. Die Entwicklung der letzten Jahrzehnte führte zu einem Wandel dieser Auffassung (s. Rz. 3.6 ff.). Gestützt auf die Arm’s-length-Klausel des OECD-MA und ihre praktisch vollständige Übernahme in die bilateralen DBA wurden in der OECD – über den Inhalt des Arm’s-length-Grundsatzes Aussagen erarbeitet, ein Konsens über seine wesentlichen Anwendungsmethoden erzielt und damit eine Rechtsvereinheitlichung eingeleitet; erreicht wurde dies vor allem durch den bekannten OECD-Bericht „Transfer-Preise und Multinationale Unternehmungen“ von 1979; Neufassungen wurden 1995 und letztmalig im Jahre 2010 vorgelegt (s. Rz. 3.7 ff.); – Einverständnis darüber erzielt, dass der Arm’s-length-Grundsatz Grundlage einer gemeinsamen Abgrenzung und in einer Verständigung im Streitfall sein soll, wobei die Staaten einen hohen Grad von Verständigungsbereitschaft signalisierten (s. Rz. 12.38 ff.); – erreicht, dass die Staaten diesen Grundsatz nicht mehr als bloße Klarstellung, sondern als Grundlage bilateraler Verständigung, teilweise auch als inhaltlich bindende Norm behandeln und achten. Umstritten bleibt, ob Art. 9 OECD-MA als Ausnahmebestimmung auf dem von ihm geregelten Gebiet eine Schrankennorm für die innere Besteuerung ist und ähnliche Wirkung für Berichtigungen hat, wie sie die Zuteilungsnormen der DBA sonst auf die Quellenbesteuerung ausüben. Ausdrücklich ist dies der Schiedsstellenkonvention der EU (vgl. Rz. 12.20) zu entnehmen, die eine eigenständige Arm’s-length-Klausel enthält und ein verbindliches Verfahren für die Erledigung von Streitfällen zwischen den Fisci vorsieht. Der grenzüberschreitende Leistungsaustausch innerhalb von Konzernen setzt i.Ü. voraus, dass die zwischen den beteiligten Konzerngesellschaften zu verrechnenden und bei der Empfängergesellschaft zu versteuernden Entgelte im Quellenstaat von dem Gewinn der dortigen, zahlenden Gesellschaft abgezogen werden können. Die DBA beschränken sich auf die Gewährung von Gleichbehandlung mit Zahlungen im Inland (Art. 24 Abs. 5 OECD-MA); der Höhe nach sind ihrer Berichtigung im Herkunftsstaat durch die Arm’s-length-Klausel Grenzen gesetzt. – Solche Zahlungen werden vielfach im jeweiligen Quellenstaat mit Abzugsteuern belastet (z.B. von Zinsen und Lizenzgebühren). Ihre Kostenprogression (s. Rz. 1.46) macht sich oft störend bemerkbar und stellt eine Behinderung des innerkonzernlichen Leistungaustauschs dar. Zwischen Industrieländern hat die Beseitigung oder Herabsetzung solcher Quellensteuern dies Problem gelöst oder gemildert. In der EU beseitigt Richtlinienrecht die Abzugsteuern auf zwischen verbundenen Unternehmen gezahlte Zinsen und Lizenzgebühren i.d.R. ganz (§§ 50g, 50h EStG). Im Verhältnis zu Entwicklungsländern besteht es vielfach weiter.
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1.58
Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht
1.59 Bei der Ausschüttung von Gewinnen hat die frühe deutsche DBA-Praxis es bei einer doppelten Erhebung von Körperschaftsteuer auf der Ebene von Tochter- und Muttergesellschaft belassen. Die Entwicklung hat aber auch hier dazu geführt, die strenge Beschränkung auf die personengleiche („juristische“ Doppelbesteuerung) zu durchbrechen und die wirtschaftliche Doppelbesteuerung durch „Schachtelregelungen“ zu vermeiden. Dies geschieht in zwei Schritten: – Auf der Ebene der Muttergesellschaft wird eine Entlastung von deren Körperschaftsteuer gewährt; dies kann durch Freistellung oder durch Anrechnung der von der Tochtergesellschaft entrichteten Körperschaftsteuer (indirekte Anrechnung) geschehen. Diese Schachtelentlastung beruht meistens auf nationalem Recht (so heute in § 8b KStG) und wird in den Wohnsitzklauseln der DBA oft nicht erwähnt. Auch das OECD-MA sieht sie nicht vor, sieht aber in ihr einen wesentlichen Teil der internationalen Steuerordnung (Art. 23 Rz. 49 OECD-MK); sie wird denn auch praktisch von allen OECD-Ländern gewährt. Für die EU hat sie die Mutter-Tochter-RL europarechtlich normiert (s. hierzu Rz. 6.59 ff., 9.69). – Zur Doppelbelastung kommt es auch dadurch, dass der Tätigkeitsstaat die Gewinnausschüttungen der Tochter besteuert (normalerweise durch eine Abzugsteuer); diese Quellensteuer ist im Lande der Mutter oft nicht anrechenbar, sei es dass dieser Dividende freistellt, sei es dass seine Steuer bereits durch die indirekte Anrechnung aufgezehrt wird. Die Quellensteuer wirkt dann als Zusatzbelastung der Ausschüttung. Um die hierin liegende Doppelbelastung zu beseitigen, wird die Abzugsteuer von den Ausschüttungen besonders stark gesenkt. Das OECD-MA sieht einen begünstigten Satz von 5 v.H. vor (sonst beträgt die zulässige Abzugsteuer bei Dividenden 15 v.H.); die bilateralen Verträge sehen nicht selten einen 0-Satz vor. In der EU untersagt die Mutter-TochterRL grundsätzlich jede Quellensteuer von Schachteldividenden. Die Regelungen gelten zunächst für offene Gewinnausschüttungen. Die Vertragspraxis (so auch in Deutschland) wendet sie teilweise auch auf vGA an. – Zu ähnlicher Doppelbelastung kann es bei Berichtigungen in einem der beiden Staaten nach Art. 9 OECD-MA kommen; eine Rechtsgrundlage für eine verbindliche Gegenberichtigung fehlt in den DBA; Art. 9 Abs. 2 OECD-MA sieht lediglich ihre einverständliche Beseitigung vor. Wieder ist es EU-Recht, das in der Schiedsstellen-Übereinkunft verbindlich die Beseitigung vorsieht. 3. Personengesellschaften
1.60 Die Verfassung der Personengesellschaft stellt Handels- und Steuerrecht national und international vor die schwierigsten Rechtsfragen. In manchen Ländern als eigenes Steuersubjekt (d.h. als Körperschaft), in anderen in Analogie zur Unternehmer-Mehrheit behandelt, ist sie in beiden Kon-
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D. Direkte Besteuerung der international tätigen Unternehmen
zepten nicht ohne Schwierigkeiten in das Schema der UN/OECD-MA einzubauen; wo sich in den DBA-Ländern unterschiedliche Konzepte oder Mischkonzepte gegenüberstehen, sind sie ohne bilaterale Sondervereinbarungen oft nicht zu bewältigen. In vielen neueren deutschen DBA finden sich in den letzten Jahren solche Sonderregelungen. Die OECD hat einen umfassenden Bericht vorgelegt, der die Rechtslage nach Maßgabe des Standardtexts des OECD-MA klären soll,1 jedoch Gegenstand streitiger Auseinandersetzungen geworden ist. Die Ergebnisse sind aus der Sicht des deutschen Standorts mit seiner transparenten Behandlung der Personengesellschaft in den Rz. 1.187, Rz. 8.1 ff. dargestellt, auf die zu verweisen ist.
II. Allgemeine Belastungsverhältnisse, Kapitalimport- und Kapitalexportneutralität Im rein national tätigen Unternehmen wird der Gewinn nach einem ein- 1.61 heitlichen Tarifsystem, d.h. unter gemeinsamem Niveau besteuert, wo immer er im Unternehmen anfällt. Das international tätige Unternehmen ist unter Steuerrechten unterschiedlichen Niveaus tätig. Welche Belastungsverhältnisse im Gesamtunternehmen eintreten und welche Konsequenzen dies wettbewerbspolitisch hat, variiert von Fall zu Fall. Als Faustregel kann gelten, dass Einkunftsteile und Vermögen entweder dem Steuerniveau des Quellen- oder des Tätigkeitstaates unterliegen. Welches der beiden Niveaus zum Zug kommt, richtet sich zunächst nach den Zuteilungsbestimmungen der DBA, außerdem nach Organisationsform und Ausschüttungsverhalten des Konzerns. Entscheidend für die Endbelastung ist aber, ob der Heimatstaat des Unternehmens die Freistellungsoder die Anrechnungsmethode anwendet (vgl. hierzu Rz. 1.26): Bei ersterer verbleibt es bei einer niedrigeren Belastung im Tätigkeitsstaat; die Anrechnungsmethode hebt die Belastung dagegen stets auf das Niveau des Heimatstaates an (falls dies höher ist). Die Unternehmen können damit steuerlich im Wettbewerb unterschiedlich gestellt sein. Für Direktinvestitionen werden zwei Situationen unterschieden:2 – Kapitalexportneutralität besteht, wenn die Erträge der im Heimatstaat selbst und der international verwendeten (investierten) Ressourcen nach dem Steuerniveau des Heimatstaates, und damit gleich hoch besteuert werden; aus der Sicht des Tätigkeitsstaats ist die Besteuerung 1 The Application of the OECD-Model Tax Convention to Partnerships, OECD, 1999, Paris. 2 Zu dieser Unterscheidung grundlegend immer noch Gandenberger in Vogel, Grundfragen des internationalen Steuerrechts, Köln 1985, S. 33; Gandenberger in: Influence of tax differentials on international competitiveness, Deventer 1990. Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, S. 21 ff., 135, 630. Kluge, Internationales Steuerrecht4, A 5.
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Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht
nicht neutral, da die Tätigkeiten in seinem Gebiet ganz unterschiedlichen Belastungen unterliegen können. – Kapitalimportneutralität besteht, wenn die Erträge der in einem Tätigkeitsstaat eingesetzten Ressourcen der Belastung dieses Staates und nur ihr unterliegen, gleich ob es sich um in- oder ausländische Investoren handelt; nicht neutral ist in diesem Fall die Besteuerung aus der Sicht des Heimatstaates, weil aus seinem Gebiet im Ausland investiertes Kapital einer anderen, u.U. geringeren Besteuerung unterliegt als beim Binneneinsatz. In dieser Form setzt die Unterscheidung voraus, dass in den Heimatstaaten höhere Niveaus als in den Tätigkeitsstaaten bestehen (liegt es umgekehrt, so kommt es stets zur Kapitalimportneutralität). Die wettbewerbspolitischen Konsequenzen der verschiedenen Formen von Auslandstätigkeit lassen sich dann im Anschluss an Jacobs1 wie folgt darstellen. Handlungsalternative
Der Heimatstaat wendet allgemein an die Anrechnungsmethode Freistellungsmethode
Direktgeschäft
ExpN
ExpN
Betriebstätte (Personengesellschaft)
ExpN*
ImpN
ImpN ExpN+* ExpN
ImpN ImpN+* ExpN
Kapitalgesellschaft Thesaurierung Ausschüttung Schuldrechtliche Leistungsbeziehungen
ExpN = Steuerniveau d. Heimatstaats (H) ImpN = Steuerniveau d. Tätigkeitsstaats (T) * Ist T höher als H, so tritt ImpN ein + T wird um ev. Abzugsteuern von Ausschüttungen erhöht.
1.63 Dass die Heimatstaaten die Wahl zwischen Anrechnung oder Freistellung haben, ist damit eine für den Wettbewerb der Unternehmen und der Steuerrechte untereinander wichtige außensteuerliche Option (vgl. hierzu Rz. 2.255 ff.). Nach der heutigen Staatenpraxis sind die Staaten in ihr frei (s. Rz. 1.36 f.). International bestehen u.U. deutliche Unterschiede, für die im Folgenden nur Beispiele gegeben werden. – Im Kreis der Industrieländer sind die angelsächsischen Staaten herkömmlicherweise Anrechnungs-, die übrigen Länder Freistellungsstaaten. Seit den 80er Jahren vollzog sich allerdings auch bei letzteren ein deutlicher Trend zur Anrechnung, die z.B. von Finnland, Griechenland, Italien, Portugal und Schweden übernommen wurde. Die Entwicklungsländer haben überwiegend für die eigene Besteuerung Anrechnungssysteme übernommen. 1 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, S. 18 ff. Zu beachten ist der allgemeine, Sondereinflüsse außer Acht lassende Charakter dieser Darstellung.
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D. Direkte Besteuerung der international tätigen Unternehmen
– Die in den Industrieländern bestehenden Anrechnungssysteme nivellieren Standortvorteile wie niedrige Steuertarife oder „Steuerferien“. Vor allem die Entwicklungsländer sahen in den Anrechnungssystemen der Industrieländer (vor allem der USA) eine Einschränkung ihrer außensteuerlichen Beweglichkeit. Dies führte vor allem zwischen den lateinamerikanischen Ländern und den USA zu außensteuerlichen Spannungen. – Besondere Wirkungen gehen von Systemen aus, die die Steueranrechnung nicht länderweise (sog. „per country limitation“), sondern auf Basis der gesamten Auslandseinkünfte bemessen (sog. „overall-limitation“). Sie sind vor allem im Falle der USA hervorgetreten, solange deren Steuersätze an der Obergrenze des internationalen Rahmens lagen. Für die Auslandsinvestitionen US-amerikanischer Konzerne führte dies zu einem Ausgleich der Steuerbelastungen der Tätigkeitsstaaten, nivellierte also den Wettbewerb der Steuersysteme dieser Länder untereinander. Auswirkungen haben diese Gegebenheiten auf den Wettbewerb bei stärkeren Tarifunterschieden. Bis in die 80er Jahre waren diese zwischen den Industriestaaten nur schwach ausgeprägt. Die Situation änderte sich 1989 durch starke Tarifsenkungen in den USA und – dem folgend – in anderen Industriestaaten. Dies hat die o.e. außensteuerlichen Spannungen zwischen den USA und manchen Entwicklungsländern in den Hintergrund treten lassen. Andererseits wurde der Standort Deutschland mit seinen hohen Steuersätzen benachteiligt. Die Senkung des KSt-Satzes diente wesentlich der Beseitigung dieses Nachteils.
III. Regelungsdefizite der DBA und internationale Funktionsstörungen Die Unternehmen treffen international auf die Doppelerfassung, die sich aus der Doppelanknüpfung persönlicher und territorialer Besteuerung ergibt. Sie steht im Mittelpunkt der DBA; diese können aber nach ihrem Ansatz Störungen nicht vermeiden, durch die Doppel- oder Minderbesteuerung eintreten, weil sich die materiellen Steuerrechte unterscheiden. Die DBA gehen hierauf allenfalls in Einzelbereichen durch auf das bilaterale Verhältnis abgestimmte Sonderregelungen ein. Es treten damit Regelungsdefizite auf (s. Rz. 1.129). Die klassische Doppelerfassung ist ferner nur eine der steuerlichen Verwerfungen, die national tätigen Unternehmen nach allgemeinen Besteuerungsgrundsätzen bei der Binnenbesteuerung nicht zugemutet werden. Die internationale DBA-Praxis ist nur zögernd an die Aufgabe herangegangen, auch andere Verwerfungen als Funktionsstörungen zu erkennen und – ähnlich wie die klassische Doppelbesteuerung – abzubauen. Noch heute gibt es Funktionsstörungen, die die Staatenwelt zulässt oder als zumutbar ansieht. Beispiel ist, dass die DBA keinen Schutz gegen eine manchmal auftretende doppelte beschränkte Steuerpflicht gewähren oder dass Verluste innerhalb von UnMenck
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Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht
ternehmen international nicht in dem Umfang ausgeglichen werden können, wie für bloß im Heimatstaat tätige Unternehmensteile. Systembrüche kommen auch sonst vor. Ein Beispiel sind die bei der deutschen beschränkten Steuerpflicht für Lohn- und Gehaltseinkünfte eintretenden Belastungsverwerfungen bei über die Grenze weg beschäftigten Personen; für die davon besonders betroffene Grenzbevölkerung wurden sie im deutschen Vertragssystem teilweise durch die sog. „Grenzgängerregelungen“ abgebaut. EU-Recht verpflichtet die Mitgliedstaaten, diese Effekte auf ein unionsrechtlich tragbares Maß zurückzuführen. Weithin sind derartige Funktionsstörungen in den DBA nicht angesprochen und bilden ein Strukturproblem gerade auch der internationalen Unternehmensbesteuerung.
1.65 Allein im Heimatstaat tätige Unternehmen stehen in einem einheitlichen Rechtsraum, in dem die steuerlichen Tatbestände und Rechtsfolgen sorgfältig aufeinander abgestimmt und miteinander vernetzt sind. Internatinal tätige Unternehmen treffen immer wieder auf Unabgestimmtheiten materieller Einzelregelungen. Zur Veranschaulichung seien einige Beispiele genannt: – die Rechtsverhältnisse im internationalen Steuerraum diskriminieren trotz der DBA u.U. gewisse Unternehmensformen (z.B. gewisse Personengesellschaften); – Unterschiede der Gewinnermittlung beider Staaten können in ihrem Zusammenwirken eine rechtlich an sich vorgesehene Vermeidung der Doppelbesteuerung vereiteln (z.B. bei Zeitversetzungen); – Rechtsverhältnisse können in den beteiligten Staaten unterschiedlich qualifiziert sein, z.B. als eine Beteiligung in einem Staat, als Darlehensverhältnis im anderen (z.B. bei Fremdfinanzierungsregelungen); – die Zurechnungsregeln in zwei Staaten (z.B. für Wirtschaftsgüter beim Leasing) unterscheiden sich; – nationale Rechtsunterschiede werden gleichsam in die DBA-Ebene hineinprojiziert, wenn diese auf nationales Recht Bezug nehmen. Es handelt sich damit teils um Dissonanzen im Zusammenwirken hochtechnischer (für sich sinnvoller) Detailregelungen, teils um Strukturprobleme von weittragender internationaler Bedeutung. Was hier Funktionsstörung und was sachgerecht ist, ist vielfach umstritten. Dies um so mehr, als derartige Verwerfungen nationalen Rechts u.U. auch zu Minderbesteuerungen führen, die genutzt werden und zu ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteilen führen können. Die internationale Entwicklung ist gerade auf diesem Gebiete stark im Fluss. Es kommt aber auch nicht selten vor, dass bestimmte Institutionen eines Steuerrechts national begrenzt sind. Auch dies sei an zwei Beispielen belegt: – auf den jeweiligen Staat begrenzt ist meist die Vermeidung der Doppelbesteuerung des ausgeschütteten Gewinns bei Gesellschaft und Anteilsinhabern;
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D. Direkte Besteuerung der international tätigen Unternehmen
– die Organschaft und Regelungen für Vorgänge in besonderen Organisationsstrukturen (z.B. für Gesellschaftsverschmelzungen, den Verlustausgleich) sind in der Regel national begrenzt, ähnliche Wirkungen können sich aus der Freistellungsmethode der DBA ergeben (s. hierzu im Einzelnen Rz. 2.485). Die sich daraus ergebenden Fragen überschneiden sich mit denen der vorangehenden Gruppen. Da die Institutionen von Land zu Land verschieden sind, hat die internationale Rechtsentwicklung es hier besonders schwer, zu Aussagen über eine angemessene Regelung zu kommen. Wieder ist hier die internationale Entwicklung stark im Fluss (zur EU s. Rz. 1.127 ff.). Rein im Heimatstaat tätige Unternehmen werden in einem einheitlichen Rechtsraum tätig, der wettbewerbs- und investitionspolitisch homogen ist und in dem – zumindest konzeptionell – allgemeine steuerpolitische Harmonie herrscht. Im internationalen Steuerraum entstehen neben Überbesteuerungen auch Minderbesteuerungen (vgl. Rz. 1.80, 2.251 ff.). Die sich daraus ergebenden Probleme laufen weithin auf die Frage hinaus: Liegt eine Funktionsstörung vor oder eine sachgerechte Auswirkung des „Wettbewerbs der Steuerrechte“? Dabei müssen grundlegende Ordnungsgesichtspunkte erarbeitet und international abgestimmt werden (s. dazu auch Rz. 1.80). In der EU wird dieser Abstimmungsprozess durch die Rechtsprechung des EuGH beschleunigt (s. Rz. 1.111, 1.115 ff.). All dies würde den vorliegenden Überblick sprengen.
1.66
Die DBA sind freilich nicht beim Schutz gegen die klassische Doppelbesteuerung stehen geblieben, sondern haben auch konzernspezifische Funktionsdefizite beseitigt. Diese Entwicklung ist nicht abgeschlossen. So ist z.B. ein horizontaler und vertikaler Ausgleich von Gewinnen mit Verlusten im Konzern nicht möglich. Ferner kann es dazu kommen, dass Ausgaben im Tätigkeitsland nicht abgezogen werden können, aber auch im Heimatstaat wegen ihres Zusammenhangs mit abkommensbegünstigten Einkünften nicht absetzbar sind (sog. „vagabundierende Kosten“). Vor allem innerhalb der EU gibt es Bemühungen, die Besteuerung international tätiger Unternehmen auch in solchen anderen Bereichen den nationalen Verhältnissen weiter anzunähern.
1.67
IV. Besteuerungsneutralität im internationalen Steuerraum Werden Unternehmen im internationalen Raum tätig, so haben sie – wie im nationalen Raum – über organisatorische und finanzielle Strukturen dieser Tätigkeit zu befinden. Steuerliche Vor- und Nachteile der jeweiligen Maßnahmen beruhen dabei – wiederum wie im nationalen Bereich – darauf, dass das internationale Rechtsgefüge gegenüber den in Frage kommenden Strukturen oder Strukturelementen nicht neutral ist. Im nationalen Raum werden Neutralitätsverletzungen i.d.R. im Gesamtsystem aufgefangen bzw. akzeptiert. Im internationalen Raum entstehen weiter Menck
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reichende Verschiebungen. Dies zeigt sich besonders deutlich dann, wenn unterschiedliche Maßnahmen die Kompetenz von Besteuerungssubstrat (v.a. Unternehmensgewinnen) wechseln lässt; dies führt einerseits zum Wechsel von Steueraufkommen, andererseits zum Überwechseln aus einem in ein anderes Belastungsniveau.1 Die Folgen für die Unternehmensentscheidungen sind nicht mehr aus einem Steuersystem allein, sondern aus der Gesamtstruktur des internationalen Steuerraums zu verstehen. Im Folgenden wird dies an vier Bereichen gezeigt. 1. Rechtsform
1.69 Diese Verhältnisse zeigen sich deutlich bei der Rechtsform. Sie wirkt, wie drei Beispiele zeigen, in verschiedene Richtungen. a) Im Tätigkeitsstaat kann das Unternehmen i.d.R. durch Betriebsstätten oder durch örtliche Kapitalgesellschaften tätig werden, was auf die dortige außensteuerliche Behandlung durchschlägt (Behandlung als Steuerinländer bzw. -ausländer, Inländerbehandlung, Anfall bzw. Nichtanfall von Abzugsteuern, von Ausschüttungen bzw. Gewinnüberweisungen, Gewährung selbständigen DBA-Schutzes). b) Auch im Heimatstaat des Unternehmens beeinflusst die Rechtsform internationale Besteuerungsaspekte. So unterliegt in Staaten mit Anrechnungssystemen die Auslandsbetriebsstätte der Welteinkommensbesteuerung, während durch die Investition in Tochtergesellschaften der Abschirmeffekt („tax deferral“) zu sichern ist, solange Gewinne nicht offen ausgeschüttet werden (Übergang von Kapitalexportneutralität zur Kapitalimportneutralität, s. Rz. 1.61 ff.). Der umgekehrte Effekt tritt ein, wenn der deutsche Einzelunternehmer den Gewinn einer ausländischen Betriebsstätte DBA-frei vereinnahmen kann, die Ausschüttungen einer ausländischen der Tochtergesellschaft jedoch mit der halben Einkommensteuer belastet bleiben. c) Die Rechtsform wirkt sich u.U. auf die internationale Gewinnabgrenzung aus, da die Regeln für Betriebsstätten (Art. 7 OECD-MA) und Tochtergesellschaften (Art. 9 OECD-MA) zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können.
1.70 Der Mangel an internationaler Rechtsformneutralität entspricht dem, der schon den nationalen Rechten eigen ist. Die DBA und die nationalen Rechte haben vielfach extreme Unterschiede abgebaut. So stellen die deutschen DBA bei deutschen Muttergesellschaften in Deutschland ihre ausländischen Betriebsstätten und Tochtergesellschaften i.W. gleich durch das Zusammenspiel von DBA-Freistellung, Schachtelbefreiung über die Grenze und Beseitigung/Reduktion der Quellensteuer von Dividenden. Die Verhältnisse bleiben aber international unübersichtlich.
1 In der Praxis hat sich hierfür der Ausdruck „Steuerarbitrage“ gebildet.
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2. Eigen- und Fremdfinanzierung Sehr viel tiefer wirkt die Freiheit der Finanzierungsform (s. zu Internationalen Finanzierungsmöglichkeiten auch umfassend Rz. 11.1 ff.). Dem sei hier nur für international tätige Konzerne nachgegangen, die ihre Tochtergesellschaften durch Eigen- oder international aufgenommenes Fremdkapital finanzieren können. Dies verändert die Verteilung von Steuersubstrat, das bei Eigenfinanzierung im Tätigkeitsstaat voll zur Besteuerung ansteht, bei Fremdfinanzierung aber um den Zins geschmälert wird. Grundlage sind theoretisch umstrittene, aber in der Staatenpraxis fest verankerte Grundsätze zur Besteuerung international fließender Zinsen (Art. 11 OECD-MA) und deren Abzugsfähigkeit (Art. 9, 24 Abs. 4 OECDMA) sowie praktische Möglichkeiten zur Steuergestaltung im internationalen Raum. Die Verhältnisse können auch hier nur an Beispielen erörtert werden. Bekannt ist die Handlungsmaxime, dass „Mutterunternehmen“ als Eigenkapital verfügbare Mittel in niedrig besteuernden Staaten, fremd zu finanzierende in hoch besteuernden Staaten anwenden sollten. Diese Vorstellung von festen und verteilbaren Stöcken von Eigenund Fremdkapital vergröbert zwar die Verhältnisse, macht aber die Folgen von Finanzierungsvorgängen auf die Teilung von Steuersubstrat und Gesamtbelastung der Unternehmen nachvollziehbar.
1.71
a) So können international tätige Konzerne in den Tätigkeitsländern benötigte Fremdmittel dort durch die Tochtergesellschaft aufnehmen und den Zinsaufwand dort anfallen lassen; sie können aber auch die Mittel im Heimatland aufnehmen, als Eigenkapital in das Tätigkeitsland weiterleiten und den Refinanzierungsaufwand im Heimatstaat abziehen. Nach der eingangs erwähnten Handlungsmaxime fällt der anfallende Aufwand optimal dort an, wo das Steuerniveau am höchsten ist. b) Die Situation wird u.U. durch Gegenmaßnahmen der Heimat- oder Tätigkeitsländer verkompliziert (z.B. durch Vorschriften gegen die Unterkapitalisierung im Tätigkeitsstaat, im Heimatstaat durch Kürzung von Freistellung/Anrechnung im Blick auf den an der Spitze entstehenden Refinanzierungsaufwand). In diesem Fall ist die erwähnte Maxime dahin zu ergänzen, dass in jedem Fall im Konzern nirgends absetzbarer Aufwand zu vermeiden ist (z.B. durch einen sog. „debt-push-down“). c) Weitergehende Folgerungen ergeben sich daraus, dass Kapital eine hochmobile Ressource ist. Es lässt sich als Fremdfinanzierungsertrag innerhalb der Konzernstruktur an eine extrem niedrig besteuerte Stelle leiten, z.B. indem disponible Mittel in steuergünstigen Finanzierungsgesellschaften des Konzerns plaziert und als Darlehen weitergegeben werden. Die Verhältnisse sind i.E. unübersichtlich, so dass nur einzelfallbezogene Aussagen möglich sind. Schon im nationalen Raum ist Besteuerung gegenüber der Finanzierungsform i.d.R. nicht neutral; im internationalen Raum treten dazu die dargeMenck
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stellten Verschiebungen. Es entsteht auch die Gefahr, dass Refinanzierungsaufwand im Konzern überhaupt nicht mehr abgezogen werden kann (s.o. Buchst. b). Die Entwicklung der DBA erklärt sich aus dem Dilemma, dass die Besteuerung fremdfinanzierten Besteuerungssubstrats in den Tätigkeitsstaaten zwar fiskalisch deren Ansprüchen entsprochen, gleichzeitig aber das Entstehen von Tochtergesellschaften dort von der Refinanzierung auf den Kapitalmärkten abgeblockt hätte.1 Die internationale Praxis suchte dies Dilemma durch unterschiedliche Weise zu lösen. Zu nennen sind a) die Beibehaltung begrenzter Abzugssteuern bei Zinsen, die durch die damit verbundene Kostenprogression (s. Rz. 1.46) den Einsatz fremdfinanzierter Mittel in seinen Wirkungen begrenzt; b) der Einsatz von Regeln über die Mindestausstattung von Kapital (in Deutschland § 8a KStG); c) die Erfassung von niedrig besteuerten Finanzierungsgesellschaften i. Rahmen von gegen die Steueroasen gerichteten Durchgriffsgesetzgebungen (s. Rz. 7.2 ff.). Die OECD hat diese Bemühungen unterstützt;2 d) verschärfte Mitwirkungspflichten bei Nutzung schroffer Steuergefälle, der Ausbau der internationalen Zusammenarbeit der Steuerverwaltungen unter Einbeziehung niedrig besteuernder Länder (s. Rz. 12.15 ff.). Solche Maßnahmen können freilich das bestehende Dilemma nur ungenügend lösen; die Verhältnisse sind im Einzelnen unübersichtlich geblieben und haben die Nutzung der in Rz. 1.71 erwähnten Handlungsmaximen allenfalls begrenzt. Eine umfassende neutrale Regelung, die gleichzeitig den Anfall nicht abzugsfähigen Refinanzierungsaufwandes ausschließt, wäre vermutlich nur auf der Grundlage von Umlagemethoden (z.B. nach Maßgabe des Kapitalspiegels im Konzern) möglich, die international z.Zt. noch nicht konsensfähig sind. 3. Über- und Minderbesteuerung durch Rechtsverwerfung und Gestaltung
1.73 In einem weiteren Sinn ist von Neutralitätsverletzung auch dort zu sprechen, wo bei gegebener Realinvestition (z.B. die Produktion, Dienstleistungserbringung) durch rechtliche und organisatorische Besonderheiten die gesamte Steuerbelastung des Unternehmens grundlegend beeinflusst wird. Solche Wirkungen sind wiederum auf der nationalen Ebene nicht unbekannt. Auf der internationalen Ebene sind in den letzten 20 Jahren immer mehr Fälle dieser Art erkannt und genutzt worden. Solche Wirkungen können die Belastung sowohl erhöhen wie mindern. Das zeigt sich v.a. bei Sachverhalten, die zu einer „Steuerarbitrage“ führen, d.h. Einkunftsteile einer Realinvestition in einem Gebiet unter die Besteuerungszuständigkeit und damit das Belastungsniveau eines anderen Gebiets bringen. Je nach Arbitragerichtung ergibt sich eine Erhöhung oder 1 S. zur früheren Entwicklung Menck, IStR 1994, 569. 2 S. den der Vertragspraxis der Industrieländer keineswegs voll anerkannten Art. 10 Abs. 2 OECD-MA, die Zulassung der Mindestausstattungsregeln i.R.d. Art. 9 (Art. 9 Rz. 3 OECD-MK) sowie des Durchgriffs auf passive Einkünfte (Art. 1 Rz. 23 OECD-MK).
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Minderung der Belastung. Das internationale Steuermanagement der Unternehmen hat durch entsprechende Gestaltung nachteilige Arbitragen zu meiden, wird aber mit ähnlichen Methoden günstige realisieren. Der selektive Einsatz günstiger Alternativen führt international zu deutlichen planungsgenerierten Neutralitätsverschiebungen (s. Rz. 1.29). Wiederum ist es nur möglich, einzelne Beispiele anzudeuten. a) Den bekanntesten Fall bildet die Nutzung von Nischen gestaltungsgünstiger niedriger Besteuerung als Standort zwischengeschalteter Kapitalgesellschaften, die funktionsschwach sind oder mobile Teilfunktionen auffangen. Technisch handelt es sich hierbei um die Nutzung der Nische zur Steuerarbitrage; die Neutralitätsverletzung liegt darin, dass die Belastung immobiler Elemente bei sonst gleichbleibenden Gegebenheiten durch Bewegungen mobiler Teilelemente bestimmt wird.
1.74
b) Es sind Sachlagen bekannt, in denen ein grenzüberschreitendes, zivilrechtlich eindeutiges Rechtsverhältnis in den beiden beteiligten Staaten steuerlich untereinander inkohärente Folgen auslöst (z.B. unterschiedlichen Personen zugerechnet wird). I.d.R. ergibt sich daraus in der einen Geschäftsrichtung eine überlappende, unangemessen hohe, in der anderen Richtung eine Minderbesteuerung. Bei den sog. „Qualifikationskonflikten“ ergibt sich dies trotz oder wegen eines bestehenden DBA. In anderen, oft genutzten Situationen kann für bestimmte Wirtschaftsgüter oder für identischen Aufwand der Abzug in zwei Jurisdiktionen (d.h. doppelt) gewährt oder der Zeitpunkt seiner Geltendmachung mit Zinsvorteilen verschoben werden. c) Im weitesten Sinne gehören hierher auch Unterschiede, die durch Organisationsformen der Unternehmen bedingt sind. Das internationale Steuerrecht der Gegenwart hat sich i.W. entwickelt an den Fragen des Beherrschungskonzerns. Weniger eingesetzte Rechtsformen wie die Personengesellschaft wurden eher am Rande behandelt und sich auch nach Klärungen durch den Fiskalausschuss der OECD z.T. benachteiligt. Auch das Weiterbestehen der in Rz. 1.64 ff. behandelten Funktionsdefizite gehört hierher. Schließlich ist für Organisationsformen wie den Spartenkonzern, das mehrkernige Unternehmen oder für planungsorientierte („virtuelle“) Unternehmensformen die Neutralität des internationalen Regelungsgefüges nicht gesichert.
V. Steuerung der Unternehmensbelastung Die Unternehmen treten in den durch die DBA strukturierten internationalen Raum mit ihren allgemeinen steuerlichen Zielsetzungen ein;1 sie umfassen neben quantitativen Komponenten (langfristige Minimierung der Steuerbelastung) auch qualitative Komponenten wie Sicherheit, Unabhängigkeit, Reduzierung steuerlicher Risiken und die Erhaltung von 1 Vgl. zum Folgenden Vera, StuW 2001, 310.
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1.75
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Flexibilität, um auf veränderte ökonomische und rechtliche Veränderungen reagieren zu können. Dies führt zu Modifikationen, die das steuerliche Zielsystem Wackers wie folgt darstellt.1 Allgemeine steuerliche Ziele
Internationale steuerliche Subziele
relative Steuerminimierung unter den Vermeidung internationaler DoppelBedingungen des Niveaus der einzelnen besteuerung und Vermeidung von DisStandorte kriminierungen relative Zulagenmaximierung unter Inanspruchnahme von nichtsteuerlichen Vergünstigungen bei Wahrung ökonomischer Unabhängigkeit
Realisierung der steuerlichen Kapitalimportneutralität, d.h. dem Erhalten steuerlicher Vorteile eines Standorts gegen ausgleichende Steuermaßnahmen des Heimatfiskus u.Ä.
relative Risikominimierung unter BeInanspruchnahme steuerlicher Verachtung der Unsicherheiten im interna- günstigungen bei Auslandstätigkeit tionalen Rechtsraum, Konfliktrisiken insbesondere in Entwicklungsländern und erhöhte Nachweispflichten u.Ä.
1.76 Diese Zielkomplexe treten sowohl beim operativen Steuermanagement wie auch bei der strategischen Zielentwicklung auf. Beide setzen i.d.R. voraus, dass das Unternehmen einerseits in peripheren Unternehmensstandorten steuerlich informiert und handlungsfähig ist, andererseits aber auch die Verhältnisse zentral steuern kann. Die Bedeutung der spezifisch internationalen Zielsetzungen nimmt naturgemäß mit steigendem Internationalisierungsgrad zu.2 Sie sind im Rahmen der gesamten örtlichen Bedingungen der einzelnen Standorte zu sehen. Dies setzt international spezialisierte Information voraus (v.a. externe örtliche Beratung, was die mittelbaren Steuerbelastungen erhöhen kann). Die Steuerung vollzieht sich in einem Feld unterschiedlicher Steuerbelastungen,3 deren Folgen freilich – ähnlich wie im nationalen Raum – durch die unternehmerische Tätigkeit, deren Organisationsformen und durch besondere, steuerorientierte Maßnahmen beeinflusst wird. Die Instrumente der Steuerung reichen von der Einbeziehung des steuerlichen Faktors in die Wahl von Realstandorten bis zu komplexen Gestaltungen, z.B. vernetzten Basisgesellschaften.
1.77 Die Strategie der Unternehmen muss dementsprechend ihre Ziele ausdifferenzieren. Zu ihrer Erreichung hat sich ein umfangreiches Instrumentarium der Steuerplanung entwickelt, das dem internationalen Steuermanagement zur Verfügung steht. So ist das allgemeine Ziel, die gesamten vom Unternehmen geleisteten Steuerbeiträge im internationalen Steuerraum zu minimieren, unterschiedlicher Ausprägung zugänglich, wie es folgende Beispiele für die direkten Steuern belegen.
1 Wacker in FS Sieber, S. 314; Vera, StuW 2001, 310. 2 S. hierzu die empirischen Erhebungen bei Vera, StuW 2001, 310. 3 S. Spengel/Lammersen, StuW 2001, 22 m.w.N.
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D. Direkte Besteuerung der international tätigen Unternehmen
– Frühe Formen internationaler Steuerplanung hatten allein zum Ziel, spezifische Gefahren internationaler Tätigkeit wie Diskriminierung, ausländerfeindliche Regelungen oder Doppelbesteuerung zu vermeiden; ähnlich kann sie sich heute auf den Ausgleich der nach der Koordinierung durch die DBA verbliebenen Funktionsstörungen (s. Rz. 1.64 ff.) verstehen. – In weiterem Sinne sucht Steuerplanung, in die Gesamtrechnung von Standortkosten neben den allgemeinen Produktionsfaktoren (v.a. Lohnkosten), Arbeitseffizienz und Transaktionskosten auch die Steuern eingehen zu lassen, die damit ggf. zum Auslöser von Standortentscheidungen werden. – Steuerplanung wird die Unternehmensentscheidungen zu Rechtsform, Finanzierung und Marketing betriebswirtschaftlich angezeigten Engagements bestimmen. In diesem Zusammenhang entwickelte Maßnahmen (z.B. Einschaltung von Holdinggesellschaften) lassen sich erweitern, indem niedrigbesteuerte Nischen als Basen für zusätzlich zu erreichende Steuerminderungen eingesetzt werden. Ähnlich sind Planungsformen entstanden, die z.B. durch die Nutzung von Preisbändern bei den innerkonzernlichen Verrechnungspreissysteme die Vorteile der Steuerarbitrage nutzbar machen. – Neben den Gefahren belastender Funktionsdefizite ergeben sich im internationalen Steuerraum auch Möglichkeiten gestaltungsbedingter Minderbesteuerung; systematisch werden sie eingeteilt in die Gruppen doppelte Aufwandsverrechnungen, doppelte Steuerfreistellung, Betriebsausgabenabzüge ohne korrespondierende Versteuerung von Betriebseinnahmen, Vorteile durch unterschiedliche Qualifizierung, Periodisierung oder andere Rechtsverwerfungen.1 Im Übrigen gestalten sich die Ziele der Steuerplanung höchst unterschiedlich je nachdem, ob das Land der Unternehmensspitze für seine Unternehmen die Kapitalexportneutralität durchsetzt (Steueranrechnung) oder die Kapitalimportneutralität anderer Staaten bestehen lässt (Freistellungsländer) (s. hierzu Rz. 1.61 ff.). Im klassischen Steuermanagement wurden diese Strategien als einzelnen unternehmerischen Entscheidungen nachgeordnete optimierende Maßnahmen bei der Gestaltung des internationalen Engagements verstanden. Die neuere Entwicklung sieht in ihnen Teil der allgemeinen Lenkung und Senkung der Konzern- oder Unternehmenssteuerquote. Als unternehmensbezogene Kennzahl kann sie intern die Leistung des Steuermanagements durch die Steuerabteilungen der Unternehmen messen, extern das Benchmarking und Unternehmensvergleiche ermöglichen. Die internationalen Mittel ihrer Lenkung umfassen die Organisationsformen, die Lokalisierung mobiler betrieblicher Funktionen, die gesamten innerbetrieblichen Leistungs- und Finanzierungsnetze, Handlungspotenziale 1 Nach Jacobs, Unternehmensbesteuerung7, S. 1301. Zum Phänomen der Minderbesteuerung s. Burmester in FS Debatin, S. 58.
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Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht
zur Anpassung an das gesamte Regelungsgefüge des internationalen Steuerraums. Einzubeziehen sind damit besonders die Unternehmensstruktur selbst, z.B. Formen wie der Sparten- und Matrix-Konzerne oder mehrkerniger Unternehmen, oder der Einsatz von dem Konzernaufbau steuerorientiert umgliedernder „special purpose vehicles“.1 Das zeigt sich auch darin, dass die Personengesellschaft als internationale Handlungsalternative an Bedeutung gewonnen hat.
1.79 Die zahlreichen Handlungsalternativen können zu Belastungsverhältnissen führen, die den Normalmodellen nicht entsprechen, die bei der Untersuchung steuerlicher Standortbelastungen für das inbound und das outbound investment benutzt werden.2 Der nachhaltige Einsatz aller Formen der Steuerplanung macht sogar einen weitgehend standortunabhängigen Wettbewerb der Unternehmen um niedrige Konzernsteuerquoten möglich. Mit ihm löst der Wettbewerb der effizientesten Steuerstrategien den Wettbewerb der Steuerrechte ab. Dem stellen am Weltwirtschaftsverkehr teilnehmende Staaten den Anspruch entgegen, dass die Verteilung von Steuergut und die Belastungsverhältnisse denen entsprechen, die sich in einem steuerlich neutralen Regelungsgefüge im internationalen Raum einstellen würden. Sie suchen die tatsächlich bestehenden Neutralitätsstörungen bzw. deren Nutzung durch steuerliche Gegenmaßnahmen auszuschließen (s. Rz. 1.80). Damit ergibt sich für die Unternehmen ein Risikobereich, der aus intensiver Überprüfung ihrer Maßnahmen durch die Steuerbehörden, der verwaltungsseitigen Durchsetzung von gegenteiligen Rechtsvorstellungen und unerwarteter Fortentwicklung des Rechts besteht. Er wird durch die Unfähigkeit der Fisci beeinflusst, sich im komplexen internationalen Steuerraum zu bewegen. Das erklärt stärker typisierende Abwehrregelungen, erhöhte Verfahrensanforderungen und die Tendenz zur internationalen Zusammenarbeit der Steuerverwaltungen. Damit kann steuerorientierte Gestaltung durch unvorhergesehene Entwicklungen in Mehraufwand umschlagen. Wo der Konzernabschluss nach den internationalen Rechnungslegungsvorschriften latente Steuern auszuweisen hat, sind die mit diesen Strategien verbundenen Risiken zu bewerten.
VI. Planungsbegrenzendes Recht 1.80 Die Art und Weise, in der nationales Recht und internationale Koordination auf die dargestellten Verhältnisse reagiert, ist unübersichtlich und schwer klassifizierbar. Anlass sind i.d.R. Rückwirkungen des internationalen Regelungsgefüges auf das jeweilige nationale System mit seinen 1 Ein kennzeichnender Fall liegt dem Urteil des BFH v. 20.3.2002 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50 zugrunde; zur Auseinandersetzung hierüber s. Niedrig, IStR 2003, 474. 2 Die zu ihrer Darstellung meist benutzten Normalmodelle sind notwendigerweise unvollständig, weil sie vom Typ des Einheitsunternehmens bzw. des Beherrschungskonzerns ausgehen und von besonderen Gestaltungen absehen.
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D. Direkte Besteuerung der international tätigen Unternehmen
Gerechtigkeits- und Effizienzerwartungen. Dem tritt die nationale Forderung entgegen, dass auch im internationalen Kontext das „innere System des Steuerrechts gewahrt bleibt“; auch bei der gegenwärtigen Interdependenz der Systeme soll „die Anpassungsfähigkeit der nationalen Steuerordnung so geleistet werden, dass sie den Vorstellungen an ein prinzipientreues Recht am besten entspricht“.1 Dies lässt freilich offen, welche im internationalen Regelungsgefüge eintretenden Belastungseffekte zu korrigieren sind. Nach einem Definitionsversuch Burmesters ist es als „Minderbesteuerung“ anzusprechen, wenn eine „gleichheitswidrige Steuerentlastung bei … internationaler Tätigkeit und unter Geltung mehrerer Steuerordnungen auftritt“.2 Die eigentliche steuerpolitische Problematik ergibt sich aus der Weiterführung: „Internationale Besteuerungslücken verletzen aus rechtlicher Sicht sowohl die interpersonale Belastungsgerechtigkeit als auch die innerstaatliche Verteilungsgerechtigkeit, sie beeinträchtigen betriebswirtschaftlich den freien Wettbewerb und führen volkswirtschaftlich zur Umleitung von Wirtschafts- und Steuerpotential“. Wie die Erscheinungsformen der internationalen Minderbesteuerung, so sind auch die staatlichen Vermeidungsmaßnahmen weitgehend „von Einzelerscheinungen geprägt und international kaum abgestimmt“. Folge ist: – Es hat sich kein einheitliches staatliches Abwehrrecht gebildet, wohl aber einzelne Maßnahmenbündel und Konkretisierungen allgemeiner Abwehrklauseln des nationalen Rechts. In der OECD wurde erst in neuester Zeit ein Forum „Aggressive Steuerplanung“ tätig, das sich für frühzeitige Melde- und Offenbarungspflichten ausgesprochen hat. – Die Stellung von Sondermaßnahmen zu den DBA ist unklar. Zu einzelnen Fallgruppen haben sich DBA-Klauseln gebildet, die in ihrer Gesamtheit unübersichtlich sind und die DBA belasten. I.Ü. lässt sich die internationale Haltung dahin verallgemeinern, dass solche Maßnahmen „Teil der grundlegenden innerstaatlichen Regelungen sind, nach denen sich das Entstehen des Steueranspruchs richtet“ und die durch die DBA nicht berührt werden (vgl. Art. 1 Rz. 22 f. OECD-MK). Die Rechtsprechung des EuGH ist strenger und lässt Eingriffe in die Grundfreiheiten des AEUV nur zu, soweit sie „echte Missbräuche“ eindämmen (Rz. 1.158 f.). – Unklar sind die Grenzen, in denen allgemeine Grundsätze der Gesetzesauslegung eingreifen. Dies gilt v.a. für „allgemeine Missbrauchsverbote“, bei denen sich zwei Richtungen abzeichnen. Die Rechtsprechung des BFH scheint sich daraus zu erklären, dass aus dem Missbrauchsbegriff kein Ersatz für eine fehlende internationale Steuerordnung abzuleiten ist. Dagegen geht der EuGH offenbar davon aus, dass eine stabile innereuropäische Ordnung sich an generalklauselartigen Begriffen „echter Missbräuche“ orientieren kann (Rz. 1.111 f.).
1 Lang in DStJG 34 (2002). 2 Burmester in FS Debatin, S. 78.
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57
Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht
1.81 Die Abwehrmaßnahmen sind auch im deutschen Recht vom Einzelgebiet her bestimmt, stellen keine in sich verbundene Einheit dar. An deutschem planungsbegrenzendem Recht sind als gezielte Regelungen zu nennen a) spezielle, gegen die Nutzung von niedrig besteuernden Basisgesellschaften (Rz. 7.1 ff.) gerichtete Bestimmungen, die einem international weithin verbreiteten, auf die US-amerikanische Gesetzgebung zurückgehenden Regelungsmuster entsprechen; b) Einzelbestimmungen gegen Sondererscheinungen, z.B. gegen die DBANutzung durch an sich Nicht-Berechtigte (§ 50d EStG, Rz. 9.26 ff.), gegen die übermäßige Fremdfinanzierung und Abzugsverbote für ausländische Verluste (§ 2a EStG a.F.); c) Beschränkungen von Sonderbestimmungen auf nationale Sachverhalte (z.B. im Umwandlungsrecht). Im Wesentlichen stützt sich die Gestaltungsbegrenzung auf allgemeine Bestimmungen, etwa über die vGA und Einlage, die § 1 AStG als außensteuerliche Auffangnorm ergänzt (Rz. 3.55 ff.). Zu Letzterem hat die Entwicklung ständig neues Rechtsprechungs- und Regelungsmaterial gefördert, ohne jedoch die bestehenden Bandbreiten wesentlich einzuengen. Zu nennen ist weiter das allgemeine Missbrauchsverbot (§ 42 AO); es ist auf internationale Sachverhalte anzuwenden, hat aber bislang keine klare außensteuerliche Konturierung erhalten. Der Sache nach gehören hierher auch verfahrensrechtliche Bestimmungen wie die erweiterte Mitwirkungspflicht bei Auslandssachverhalten (§§ 92, 162 Abs. 3 und 4 AO, s. Rz. 3.444 ff.) und der internationale Auskunftsverkehr (Rz. 12.21 ff.). Sie können die materiellrechtlichen Gegebenheiten jedoch nicht ändern.
1.82 Allgemein haben sich die Probleme auf rein nationaler Ebene als nicht lösbar erwiesen. Es entspricht der bisherigen Entwicklung internationaler Steuerkoordination, dass ihre Lösung durch zwischenstaatliche Zusammenarbeit gesucht wird. Hier ist Folgendes zu nennen: – Für das Netz der bilateralen DBA hat sich zwischen der Mehrheit der Staaten ein Konsens dahin entwickelt, dass die nationalen Abwehrbestimmungen grundsätzlich auch bei der DBA-Anwendung zu beachten sind.1 Dies entspricht dem völkerrechtlichen Auslegungsmaßstab von Treu und Glauben,2 ist aber bei der Rechtsanwendung der DBA im nationalen Raum durchaus ungesichert, so dass manche Staaten zunehmend zu abkommensüberlagernden Maßnahmen („treaty overrides“) gegriffen haben (Rz. 2.455 ff.). Im Übrigen hat die internationale Vertragspraxis – gegen den Widerstand mancher Länder – missbrauchsabwehrende Bestimmungen in die bilateralen DBA und das OECD-MA eingeführt. Nachdem sie zunächst erst in DBA mit
1 OECD-Bericht „Controlled Foreign Company Legislation“, OECD Paris 1996. 2 Art. 31 Abs. 1 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge.
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D. Direkte Besteuerung der international tätigen Unternehmen
Niedrigsteuerzonen entwickelt worden waren, sind sie seit Anfang der 90er Jahre zunehmend Normalbestand der Staatenpraxis geworden. – Die internationalen Asymmetrien werden noch verschärft, wenn an sich „hoch besteuernde“ Staaten innerhalb ihres Steuersystems Nischen niedriger Besteuerung vorsehen, die von international Tätigen genutzt werden können. Daher soll ein „Unterbietungswettlauf“ ausgeschlossen werden, „bei dem die Regierungen mit immer attraktiveren steuerlichen Bedingungen für ausländische Investoren diese für ein Engagement im Inland gewinnen, also mobile Produktionsfaktoren attrahieren wollen“.1 Im Rahmen von OECD und EU besteht zwischen den wichtigsten Staaten ein Konsens, der dies als „unlauteren Steuerwettbewerb“ bannt. Beide Organisationen haben dazu Verhaltenscodizes2 für die ihnen angehörigen Staaten vorgelegt, die dies im gemeinsamen Interesse ihrer Fisci als steuerpolitisch unakzeptabel bezeichnen; gegenüber Ländern allg. niedriger Besteuerung („Steueroasen“) sollen keine vertraglichen oder nationalen Freistellungen zugelassen sein, die die Nutzung dieser Gebiete zum Schaden anderer Fisci zulassen. In der EU wurde dies durch Ratsbeschlüsse in von den Mitgliedstaaten zu beachtende Gebote umgesetzt, künftig keine Zonen niedriger Besteuerung zu schaffen und bestehende Sonderregelungen abzuschaffen.3 – Die Verwaltungen wichtiger Länder suchen stärkere Zusammenarbeit ihrer Verwaltungen (vgl. hierzu Rz. 12.21 ff., 12.38 ff.). In der EU haben die besonderen umsatzsteuerlichen Probleme bereits zu einer Vernetzung durch unmittelbar zusammenarbeitende Zentralstellen geführt; in ähnliche Richtung gehen Regelungen zur Sicherung der Erfassung grenzüberschreitender Zinsen (Rz. 1.112). In EU und OECD intensiviert sich der Austausch steuerlicher Auskünfte, die Zusammenarbeit bei Betriebsprüfungen und der allgemeine Erfahrungsaustausch (s. Rz. 12.21 ff., 12.53). Im Schwerpunkt gegen die Steuerverkürzung gerichtet, ist mit Auswirkungen auch bei der steuerlichen Anpassung international tätiger Unternehmen zu rechnen. Die Gesamtentwicklung verläuft jedoch langsam und stockend. Entscheidende Hindernisse sind Interessenspannungen in der Staatengemeinschaft, der hohe Grad von Intransparenz im internationalen Steuerraum und die Unfähigkeit der Steuerverwaltungen beim praktischen Rechtsvollzug. Die international tätigen Unternehmen werden innerhalb des bestehenden positiven Rechts tätig und optimieren ihre Steuerbelastung nach seiner Maßgabe. Die daraus entstehenden Planungsvorteile beruhen darauf, 1 Müller in Müller/Fromm/Hansjürgens, Regeln für den europäischen Steuerwettbewerb, S. 1. 2 Zum Verständnis dieser Initiativen ist immer noch grundlegend der OECD-Bericht „Harmful Tax Competition – an emergent global problem“. 3 Zur EG s. den Kommissionsbericht v. 23.10.2002 (COM [2001] 582 final).
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1.83
Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht
dass das internationale Steuergefüge nicht neutral ist. Sie entstehen durch Mängel des Rechtsgefüges. Diese beruhen aber hier auf den naturwüchsig entstandenen Verwerfungen und Überlagerungen der nationalen Systeme. Rechtsverwerfungen und Neutralitätsmängel treten auch in den nationalen Systemen auf; sie können aber hier meist in der Kohärenz des Gesamtsystems aufgefangen werden. Im internationalen Raum bilden sich Minderbesteuerungen in einem Gefüge, das als solches herkömmlicherweise keiner oder nur begrenzter Steuerung und Abwägung seiner Funktionsdefizite unterliegt. Auch allgemeine planungsbegrenzende nationale Regulative sind in ihrer Effizienz begrenzt1 oder beziehen sich allein auf das nationale Rechtssystem, nicht aber auf die international entstehenden Regelungsgefüge. Die Unternehmen haben gleichwohl mit besonderen Risiken zu rechnen. Ihr Steuermanagement muss sie belastende Funktionsdefizite des internationalen Steuerraums meiden. Es nutzt aber ebenso die Chancen, die im Vorstehenden als Ergebnis von Neutralitätsmängeln dargestellt wurden. Bei beidem ergeben sich die Risiken einmal aus künftigen Gesetzesmaßnahmen gegen bestimmte Formen der Steuerplanung, vor allem aber aus der Gefahr nicht zu übersehender Reaktionen der beteiligten Finanzverwaltungen. Ebenso belastend dürfte sein, dass bei unternehmerischen Entscheidungen u.U. der steuerliche Aspekt überschätzt wird oder Anlass von Fehlleitungen von Ressourcen ist. Die Unternehmen müssen prüfen, ob Empfehlungen ihres zentralen Steuermanagements betriebswirtschaftlich letztlich schädlich sind bzw. langfristige steuerliche Risiken erzeugen. Die u.U. komplexen Maßnahmen können in ihrer Durchführung und eventuellen Rückabwicklung unvorhergesehene Nebenfolgen auch nichtsteuerlicher Art haben. Sie sind kontraproduktiv auch dann, wenn sie randständig mit Vorgängen verknüpft sind, die die Unternehmen verletzbar machen. Allgemein stellt sich die Frage, ob „steueroptimierte Strukturen“ aus dem rein unternehmerischen Blickwinkel tragfähig sind. „Steuerplanerische Maßnahmen müssen (damit) neben der Risikoreduktion ebenso abwägen, ob die Realisierung einer hohen Steuerreduktionsquote vor dem Hintergrund der laufenden Beziehungen mit einer Finanzbehörde ökonomisch sinnvoll ist“.2 Zwischen Finanzverwaltungen und Unternehmen abgestimmte „Best practices“ fehlen freilich überall.
1 So sind §§ 7 bis 14 AStG nach Wassermeyer in FS Flick, S. 1075 ff. nach den Erfahrungen von 25 Jahren als „Dummensteuer“ einzustufen, mögen sie auch neuerdings dazu dienen, die Vorbelastung der nach § 8b KStG freizustellenden Auslandsdividenden zu sichern. 2 Zitiert nach Zirfas de Morón, Transnationale Besteuerung, S. 159.
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E. Die Gesamtentwicklung der Koordination im internationalen Steuerraum
E. Die Gesamtentwicklung der Koordination im internationalen Steuerraum1 I. „Wettbewerb der Steuerrechte“ und internationale Unternehmensbesteuerung Das international tätige Unternehmen ist in einem Feld lokal besteuernder Finanzhoheiten tätig. Es hat es mit zellular in sich abgeschlossenen Steuerrechten zu tun, die aber durch internationale Zusammenarbeit hinreichend koordiniert sind, um den Unternehmen eine Anpassung an den internationalen Steuerraum zu ermöglichen. Dies entspricht der gemeinsamen Forderung nach einem „level playing field“ für die Einzelperson, die Unternehmen und die Kapitalanleger. Mit der Erreichung dieses Zieles sollen die Steuerrechte als ein Standortfaktor unter anderen wirken.2 Folge ist ein „Wettbewerb der Steuerrechte“, der die Stellung von Besteuerung in einer marktbestimmten Weltwirtschaft zufriedenstellend bestimmen und langfristig zu weiterer Konvergenz der Steuerrechte beitragen soll.
1.84
Die am internationalen Wirtschaftsverkehr beteiligten Staaten erkennen dies als auf dem Unterschied der Steuerniveaus beruhenden, im Völkerrecht angelegten normalen „Wettbewerb der Steuerrechte“ an. Hiervon ausgehend hat v.a. die OECD das weitere Analogon entwickelt, dass dieser Wettbewerb Regeln der Rücksichtnahme voraussetzt und dass „schädlicher (harmful) unlauterer Steuerwettbewerb“ als internationales Zentralproblem der Steuerkoordination korrigierende Maßnahmen erfordert und nach geltendem Recht zulässt. Als „schädlich“ (i.S. von „unlauter“) werden v.a. die Gewährung besonderer, das allgemeine Niveau unterschreitender Steuerbefreiungen für dem Ausland zugehöriges Steuersubstrat angesehen („Nischen niedriger Besteuerung“). Dazu treten Gebiete allg. niedriger Besteuerung, die sich in besonderem Maß als Bereiche zu Gestaltungen anbieten und andere Staaten bei Durchführung ihres Rechts nicht angemessen zu unterstützen bereit sind. Die Maßnahmen hiergegen schränken sonst international beachtete Grundsätze ein, v.a. der Nichtdiskriminierung und der Gleichbehandlung. Als Stufen dieser Abwehr sind v.a. zu nennen:
1.85
– Der Einsatz allgemeiner Missbrauchsbestimmungen, v.a. aber auch gezielte Sondermaßnahmen, wie sie sich ausgehend von den USA in vielen Staaten „zur Bekämpfung der Steuerflucht“ gebildet haben (in Deutschland i.W. das AStG (vgl. Rz. 7.14 ff.); – die Forderung, dass die Zielländer den betroffenen Staaten bei der Rechtsdurchsetzung Beistand leisten, wobei die Bestimmungen des OECD-MA den Maßstab bilden; 1 Zum Einfluss des Europarechts s. Rz. 1.95 ff. 2 Zu Diskussionsstand und Literatur sei verwiesen auf Esser, Wettbewerb der Steuerrechte, IFStR-Schrift Nr. 422, Bonn, 2005; Lang, StuW 2011, 144.
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Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht
– Maßnahmen gegen Steuerpflichtige eines Staates, die Verbindungen zu einem nicht zur Amtshilfe bereiten Staat oder zu einer „Nische niedriger Besteuerung“ unterhalten, z.B. die erhöhten Mitwirkungspflichten und sonstigen Einschränkungen, die jüngst in das deutsche Steuerrecht aufgenommen wurden. Parallel hierzu sind die erhöhten Sicherungsmaßnahmen und Sonderregelungen zu nennen, die „normal besteuernde“ Staaten schon seit langem in ihre gegenseitigen Vereinbarungen (insbes. Die DBA) gegen Gestaltungen zwischen ihren Gebieten einbauen, die ähnliche Wirkungen wie die Nutzung unlauteren Steuerwettbewerbs haben können. Die weitere Entwicklung ist Gegenstand breiter internationaler Beratungen und wird von der OECD verfolgt.1 Als Ziel will Letzterer auch hier das „fair playing field“ für die Unternehmen, da Verzerrungen durch „schädlichen Steuerwettbewerb“ auf ihre Wettbewerbsstellung untereinander durchschlagen, und zwar sowohl im nationalen wie im internationalen Bereich. Im Bereich internationalen Unternehmenssteuerrechts geht dies Konzept davon aus, dass Gewinne primär dem jeweiligen Steuerniveau am Ort der Entstehung unterliegen. Damit erfordert es eine funktionsgesteuerte Aufteilung der Gewinne von international tätigen Unternehmen auf ihre Realstandorte. Dies ist Kern der DBA-Grundsätze zur Aufteilung von Betriebsstättengewinnen (Art. 7 OECD-MA, vgl. hierzu Rz. 4.1 ff.) und zum Grundsatz des Fremdverhaltens (Art. 9 OECD-MA, vgl. hierzu Rz. 3.6 ff.). Diese Forderung entspricht – am besten dem „staatswirtschaftlichen“ Prinzip;2 – dem Äquivalenzprinzip, nach dem Gewinn dort zu versteuern ist, wo die mit seiner Entstehung zusammenhängenden Lasten anfallen;3 – dem Gedanken, dass die direkten Steuern Standortfaktor sind und nach den Prinzipien der Leistungsgerechtigkeit und der Wettbewerbsneutralität standortbezogen erhoben werden sollen; – der Forderung, dass die einzelnen Steuerrechte als standortprägende Wettbewerbsfaktoren untereinander in einem unverfälschten „Wettbewerb der Steuersysteme“ stehen.
1.86 Die Annahme, dass sich aus den DBA eine „wettbewerbsgerechte Normalverteilung“ ableiten lässt, ist allerdings umstritten4 Sie ist zudem nicht eindeutig. Die Aufteilung des Steuersubstrats bei gegebenem Tätig1 S. OECD-Bericht „Harmful Tax Competition“, 2005. 2 So die heute noch brauchbare Formel Dorns in StuW 1927, 265, die eine die Entwicklung auch heute noch bestimmende Grundposition wiedergibt. 3 S. Höppner in Müller/Fromm/Hansjürgens, Regeln für den europäischen Steuerwettbewerb, S. 89 ff. 4 Grundlegend hierzu Schön, DStJG 23 (2000), 191 ff., der auf das Ungenügen grundlegender ertragssteuerlicher Prinzipien hinweist; empfohlen werden Lösungen, die schroffe steuerliche Unterschiede bei den Optionen vermeiden, welche sich bei Strukturierung von Unternehmen anbieten.
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E. Die Gesamtentwicklung der Koordination im internationalen Steuerraum
keitsbild enthält Spielräume, so etwa bei der Bemessung von Verrechnungspreisen zwischen den einzelnen Unternehmensstandorten. Dazu kommt die Gestaltbarkeit der Struktur. Hinzu kommt, dass die standortgerechte Besteuerung bei grenzüberschreitender Gewinnausschüttung von Tochter- an Muttergesellschaften nur bei der Freistellungsmethode stets gewährleistet ist, wie sie etwa Deutschland in seinen DBA anwendet. Bei der nach nationalen Rechten und DBA sonst weithin üblichen Anrechnungsmethode wird dagegen das Steuerniveau des Staates der Tochter ggf. durch ein höheres Niveau des Staates der Muttergesellschaft verdrängt; auch dieser Effekt lässt sich jedoch durch Gestaltung von Finanzierung und Ausschüttungsverhalten einschränken. Bei all dem bleiben aber für die Auswahl von Standorten die Steuersätze der in Frage stehenden Länder wesentliches Element, zumal sie sich „als letzte Faktoren“ auf das Unternehmensergebnis an den einzelnen Standorten auswirken und das internationale Steuermanagement der Unternehmen meist auf die Optimierung der „Konzernsteuerquote“ ausgerichtet wird. All dies ist ein spürbarer Faktor für die Staaten selbst; „sie sind gezwungen, ihr Steuerrecht attraktiver sowohl in materieller wie in formeller Hinsicht zu gestalten“.1
II. Systemansätze und -entwicklungen der Steuerkoordination Die internationale Steuerkoordination zeigt eine Vielfalt von Ansätzen. Dabei zeigen sich Verhältnisse, wie sie in der sich globalisierenden Welt auf vielen Rechtsgebieten aufgetreten sind. Die Besteuerung stellt ein Feld begrenzter Staatlichkeit dar, auf dem nicht nur Gebietsschranken, sondern auch breite Gestaltungsoptionen der Unternehmen den hoheitlichen Eingriff beschränken. Gleichzeitig hat die staatliche Seite Raum für Ausgleichs- und Überbesteuerung – bei den direkten Steuern v.a. die Quellenbesteuerung von Gebietsausländern und die daraus resultierende Doppelbesteuerung. Internationales Wirtschaften muss sich mit dem sich daraus ergebenden Normenpluralismus auseinandersetzen. Diese Situation führt – wie in anderen Rechtsgebieten auch – zu „Mischrecht, das auf allgemeinen Rechtsprinzipien und auf einzelstaatlichem Recht gründet“.2 Dabei müssen internationale Konfliktlösungen die systembestimmten Grundsätze der beteiligten Länder berücksichtigen. Die wichtigsten Entwicklungslinien lassen sich an der deutschen Rechtsentwicklung ablesen.
1.87
Das weltweite Netz der DBA hält sich inhaltlich an den durch die MA von OECD und UN standardisierten Rahmen. Ersteres wird in Wortlaut und Kommentar von den beteiligten Fisci laufend an deren Bedürfnisse angepasst. Auffällig ist, dass das Prinzip bilateraler Abgrenzung sich auch in der EU behauptet hat und dass bislang selbst ernsthafte Bemühungen
1.88
1 Lang, StuW 2011, 145. 2 Sieber, Rechtstheorie, 2009, 152.
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Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht
um multilaterale Abkommen fehlen. Die DBA wirken steuerlich wie Investitionsschutzabkommen, indem sie zentrale Gleichbehandlungsgrundsätze für die internationale Wirtschaftstätigkeit auch steuerlich festschreiben. Im Übrigen fangen sie den klassischen Gegensatz von Quellen- und Wohnsitzprinzip flexibel auf und konzentrieren ihn i.W. auf die Sätze der Abzugssteuern von Kapitaleinkünften. Die unübersehbaren Einzelabweichungen der einzelnen Verträge gehen weithin auf Besonderheiten der nationalen Steuerrechte oder der jeweiligen Vertragsgegebenheiten (z.B. extreme Steuergefälle) zurück. Hierbei wird es bleiben. Z.Zt. ist zentrales Problem der international tätigen Wirtschaft, dass der Grundsatz des Fremdverhaltens sowohl auf der Ebene der DBA wie im nationalen Recht breite Umsetzungsbänder hat. Auf beiden Rechtsebenen wird versucht, dieses Merkmal auszudifferenzieren oder durch gemeinschaftliche Grundlagen der Gewinnermittlung grenzüberschreitend tätiger Unternehmen zu ergänzen.1
1.89 Die klassischen DBA konzentrieren sich zunächst nur darauf, Steuersubstrat zwischen den Staaten abzugrenzen und damit Steueraufkommen der beteiligten Staaten auf der Basis der Gegenseitigkeit zu verteilen (interstate equity). Es sollten aber auch Gesamtwirkungen von Besteuerung bei grenzüberschreitenden Verhältnissen an Vorstellungen der beteiligten Rechte rationaler Besteuerung angepasst werden (efficiency, individual equity). Letzteres setzt gemeinsame Grundvorstellungen über systemisch zentrale Grundsätze voraus; sie lassen sich aus Konvergenzen der beteiligten Rechte ableiten und aus den Grundgedanken des DBA-Netzes her verstehen.
1.90 Die Steuerkoordination will zunehmend territoriale Grenzen der staatlichen Eingriffsmöglichkeiten beseitigen. Am deutlichsten ist das bei der Entwicklung der Zusammenarbeit der Steuerverwaltungen. Aus der relativ engen und selten genutzten vertraglichen Amtshilfe auf Ersuchungen scheint sich eine Vernetzung anzubahnen, die Eingriffsmöglichkeiten der Verwaltungen im internationalen denen im nationalen Raum annähert. Am deutlichsten ist dies in der EU. Für die Umsatzsteuer kam es hier im Gefolge der materiellen Angleichung zu engen gemeinsamen Verwaltungsstrukturen im Gesamtraum der Union. Bei den direkten Steuern kommt es für den besonders empfindlichen Bereich der Kapitaleinkünfte zu ähnlicher Vernetzung durch ein System von Kontrollauskünften der Quellen- an die Wohnsitzstaaten der Bezieher solcher Einkünfte. Einzelne Staaten, die dies ablehnten, mussten sich zum Ausgleich zur Erhebung von Steuern zu Gunsten des jeweiligen Wohnsitzstaates verpflichten (Rz. 1.49). Im Übrigen ist auf die in Kap. 12 darzustellende Ausdehnung der allgemeinen Auskunfts-, Rechts- und Vollstreckungshilfe sowie die Entwicklung besonderer Formen der Zusammenarbeit bei Betriebsprü1 Zu einem dahin gehenden Richtlinienvorschlag der EU-Kommission s. Kreuss, IStR 2011, 165; zur ablehnenden Haltung der Bundesregierung BT-Drucksache 17/5748.
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E. Die Gesamtentwicklung der Koordination im internationalen Steuerraum
fungen u.Ä. zu verweisen. Bilateral angelegt, können solche Maßnahmen weiter ausgreifende, sich über mehrere Staaten erstreckende ausnutzende Sachverhalte durch die bloß bilaterale Zusammenarbeit nicht erfassen; dies erklärt erste Ansätze zur der Zusammenarbeit von drei oder mehr Verwaltungen. Steuerkoordination kann eingesetzt werden, um den Druck des „internationalen Steuerwettbewerbs“ auf die nationalen Steuersysteme zu vermindern oder zu beseitigen. Tatsächlich ist es beim heutigen Stand der Globalisierung schon eine Schwäche des einzelnen Steuersystems, wenn es nicht hinreichend mit dem allgemeinen DBA-Netz verortet ist. Die starke Vereinheitlichung dieses Netzes in seinen Grundzügen schließt darüber hinaus „Wettbewerbsnachteile“ aus Besonderheiten seines Außensteuerrechts weitgehend aus. Extreme Belastungen wie das „Oasenproblem“ haben die in Rz. 7.2 ff. besprochenen Maßnahmen abgebaut. Sie konnten es bislang vermeiden, dass übermäßig starke Differenzen in der Steuerlast und deren Nutzung durch Gestaltung international zu einem „run to the bottom“ führen. Die internationale Koordinierung hat diese Maßnahmen gestützt, z.B. indem sie entgegenstehende Gesichtspunkte zurückstellte und ihnen vertraglich Vorrang vor allgemeinen DBA-Regelungen gab.
1.91
III. Zusammenfassung Der vorstehende Überblick ging von dem Postulat aus, international tätige Unternehmen sollten sich in einem Raum bewegen können, der steuerlich ebenso ähnlich sinnvoll geordnet ist, wie es für die Besteuerung im nationalen Raum erwartet wird. Diese Forderung wird durch die Normenvielfalt in einem Raum autonomer Staaten begrenzt, erhält durch sie aber auch ihre eigentümliche Dringlichkeit. Dabei spielen neben Unterschieden und Verwerfungen im steuerlichen Bereich auch die Unterschiede auf anderen Gebieten (z.B. Gesellschaftsrecht) herein, die Ansatz der Besteuerung sind. Die neuerdings tätige Sonderarbeitsgruppe der OECD hat dies mit der Forderung nach einem steuerlichen „fair playing field“ deutlich gemacht und unterstrichen. Eingeschlossen ist darin, dass der internationale Raum für Unternehmen gleiche Rechtssicherheit und für Fisci vergleichbare Durchsetzungsmöglichkeiten wie in den nationalen Räumen garantiert.
1.92
Längerfristig wird die Koordination weiter durch bilaterale Vereinbarungen und multilaterale Abstimmung über die Grundsätze bestimmt bleiben. Eine besondere Rolle wird der EU zukommen, wenn es darum geht, bestehende Regelungssysteme sinnvoll zu ordnen und zu einem überwölbenden System zusammenzufügen. Ob dabei allg. – wie schon bei der Verbrauchsbesteuerung – Steuerrecht materiell vereinheitlicht oder – wie bei der Besteuerung von Kapitalerträgen – einheitliches Erfassungsverfahren
1.93
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Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht
entwickelt werden, bleibt abzuwarten. Auf Dauer werden sich die Verhältnisse denen in föderal verbundenen Staatsgebilden annähern.
1.94 Die direkte Besteuerung von Unternehmen bildet einen Schwerpunkt der internationalen Koordination und wird sich nach den Ansätzen und Richtungen entwickeln, die in Rz. 1.87 angedeutet sind. Die Aufgabe, die Regelungsgeflechte, denen sich die Unternehmen gegenübersehen, stellt zunehmend höhere Ansprüche und führt zu steigender Ausdifferenzierung der Regelungsmaterie auf allen Stufen der Normierung (nationales Recht, Abkommen, Unionsrecht) und der Rechtsanwendung (Auslegung, Rechtsanwendung, Rechtsschutz). Darüber hinaus wachsen die Anforderungen an die Koordination. Sie hat sich auf Verwerfungen nationaler Rechte ebenso zu erstrecken wie auf die praktische Rechtsanwendung im Einzelfall. Dies alles führt zu stärkerer Ausdifferenzierung beteiligter Normen und ihrer Abstimmung. Die internationale Praxis sieht sich dabei Konflikten der Fisci, aber auch Widerständen von Unternehmen gegenüber, die lockeren Formen der Koordinierung den Vorzug geben vor einem durchnormierten internationalen Steuerraum.
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Menck/Mössner
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I. Primäres und sekundäres Unionsrecht 1. Einleitung Der Einfluss des europäischen Unionsrechts auf die internationale Unternehmensbesteuerung innerhalb der EU und zum Teil auch im Verhältnis zu Drittstaaten nimmt beständig zu. Die restriktive, auf Wahrung ihrer Steuersouveränität bedachte Haltung der Mitgliedstaaten hat bisher verhindert, dass die nationalen Steuersysteme sich durch gemeinsame Aktionen, von wenigen RL abgesehen, einander angenähert haben. Stattdessen ist ein Prozess „schleichender“ Anpassung zu beobachten, der durch den Steuerwettbewerb und die Rechtsprechung des EuGH angetrieben wird.
1.95
Dies betrifft auch die Unternehmensbesteuerung. Die Senkung der Körperschaftsteuersätze und die Maßnahmen gegen den unfairen Steuerwettbewerb1 sind Folgen des Steuerwettbewerbs. Im Mittelpunkt der Darstellung in diesem Abschnitt steht der Einfluss des EuGH auf die Unternehmensbesteuerung. Erstmals in der Entscheidung vom 28.1.19862
1.96
1 Grundlegend die Darstellung bei W. Schön (Hrsg.), Tax competition in Europe (EATLP Lausanne). 2 EuGH v. 28.1.1986 – C-270/83 – avoir fiscal, EuGHE 1986, I-273.
Mössner
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Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht
hat er die Schlechterstellung von Betriebsstätten ausländischer Unternehmen im französischen körperschaftsteuerlichen Anrechnungssystem als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit angesehen. In weiteren Entscheidungen1 hat das Gericht dann konsequent die unterschiedliche Behandlung ansässiger und nichtansässiger Unternehmen als unionsrechtswidrig herausgestellt. Als Beispiele seien nur genannt: – Das Erfordernis, die Unterlagen und die Buchführung im Lande der Betriebsstätte zu halten (vgl. § 50 Abs. 1 S. 3 EStG), um den Verlustvortrag geltend zu machen, wurde beanstandet (Futura Participation).2 – Unterschiedliche Regelungen bei Abzugsfähigkeit von Zinsen bei Gesellschafterdarlehen (§ 8a KStG a.F.) wurden nicht hingenommen (Lankhorst-Hohorst).3 – Unterschiedliche gewerbesteuerliche Vorschriften für grenzüberschreitendes Leasing fanden keine Gnade bei den Luxemburger Richtern (Eurowings).4 Inzwischen hat der EuGH über einhundert Urteile zu den direkten Steuern gefällt. Eine immer größere Zahl von Bestimmungen des nationalen Steuerrechts wird als Folge auf ihre Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht untersucht.5 2. Binnenmarkt und Steuern
1.97 Gem. Art. 26 AEUV erlässt die EU die erforderlichen Maßnahmen, um den Binnenmarkt6 zu verwirklichen. In ihrem Gebiet sollen Waren, Dienstleistungen und Menschen ohne Behinderungen rechtlicher oder technischer Art frei zirkulieren können. Eine Behinderung rechtlicher Art stellen Steuern dar.7 Im steuerlichen Kapitel (Art. 110–113 AEUV) sind Vorschriften über Abgaben und indirekte Steuern enthalten, die u.a. eine Harmonisierung der nationalen Steuern vorsehen. Entsprechende Normen für die direkten Steuern fehlen. Die Mitgliedsstaaten können ohne unionsrecht1 EuGH v. 13.7.1993 – C-330/91 – Commerzbank, EuGHE 1993, I-4017; v. 12.4.1994 – C-1/93 – Halliburton, EuGHE 1994, I-1137; v. 15.5.1997 – C-250/95 – Futura, EuGHE 1997, I-2471 u. I-2492; v. 16.7.1998 – C-264/96 – ICI, EuGHE 1998, I-4695; v. 29.4.1999 – C-311/97 – Royal Bank of Scotland, EuGHE 1999 I-2651; v. 21.9.1999 – C-307/97 – St. Gobain, EuGHE 1999, I-6161 und I-6198; v. 26.10.1999 – C-294/97 – Eurowings, EuGHE 1999, I-7447 und I-7476; v. 18.11.1999 – C-200/98 – X AB & Y AB, EuGHE 1999, I-8261; v. 8.3.2001 – C-397/98 u. 410/98 – Metallgesellschaft/Hoechst, EuGHE 2001, I-1727; (sog. aktive Einkünfte). 2 EuGH v. 15.5.1997 – C-250/95 – Futura, EuGHE 1997, I-2471 u. I-2492. 3 EuGH v. 12.12.2002 – C-324/00 – Lankhorst-Hohorst, EuGHE 2002, I-11779. 4 EuGH v. 26.10.1999 – C-294/97 – Eurowings, EuGHE 1999, I-7447 und I-7476. 5 Vgl. die jährliche Zusammenstellung Kessler/Spengel, Checkliste potenziell EUrechtswidriger Normen des deutschen direkten Steuerrechts, zuletzt veröffentlicht 2012, DB 2012, Beilage Nr. 2. 6 Nettesheim in G/H/N, Art. 4 AEUV Rz. 11; Bast in G/H/N, Art. 26 AEUV Rz. 12 ff.; Schroeder in Streinz2, Art. 26 AEUV Rz. 18 ff. 7 Cordewener, Grundfreiheiten S. 18 ff.; Kamann in Streinz2, Vor Art. 110 AEUV.
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liche Vorgaben ihre direkten Steuern – d.h. Art der Steuern, Steuersätze, Methoden der Gewinnermittlung, Verfahren usw. – festlegen und dadurch die Standortbedingungen und den Binnenmarkt beeinflussen. Art. 115 AEUV ermöglicht immerhin den Erl. von RL zur Harmonisierung, soweit nationale Vorschriften sich unmittelbar auf das Funktionieren des Binnenmarktes auswirken. Zum Schutz der nationalen Kompetenzen gilt hierbei Einstimmigkeit. 3. Rechtsakte Die „Gesetzgebung“1 erfolgt im Zusammenwirken von Kommission, 1.98 Parlament, Ausschüssen und Rat, wobei letzterer formal der „Gesetzgeber“ ist. Die hier interessierenden Rechtsakte sind die Verordnung (Art. 288 Abs. 2 AEUV) und die RL (Art. 288 Abs. 3 AEUV). Für die Gesetzgebung der EU gelten das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung2 und das Subsidiaritätsprinzip.3 Die Verordnung ist in all ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.4 Eine wichtige Verordnung auch für den steuerlichen Bereich ist die Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE-VO). Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat hinsichtlich des Ziels verbindlich, aber überlässt den Staaten Form und Mittel der Umsetzung.5 Sie begründet an sich keine Rechte oder Pflichten für Individuen und Unternehmen; gleichwohl können diese sich auf die Regelung einer RL berufen, wenn Tatbestand und Rechtsfolge in der RL hinreichend klar bestimmt sind, die Rechtsfolge den Bürger begünstigt und die Frist zur Umsetzung in nationales Recht abgelaufen ist.6 Hat ein Staat die RL nicht fristgerecht oder unzureichend umgesetzt, so kann er sich u.U.7 schadensersatzpflichtig machen. Im Bereich der direkten Steuern gibt es nur wenige RL (s. Rz. 1.112). 4. Grundfreiheiten a) Rolle des EuGH Angesichts der enttäuschenden Situation der nicht aufeinander abgestimmten nationalen Steuersysteme überrascht es nicht, dass die Steuerpflichtigen Schutz beim EuGH suchen und dieser die nationalen direkten Steuersysteme auf ihre Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht untersucht. Dabei sind einige Besonderheiten zu beachten. Als Gericht wird der 1 Überblick vgl. Nettesheim in G/H/N, Art. 1 AEUV Rz. 36 ff. 2 Nettesheim in G/H/N, Art. 1 AEUV Rz. 8 ff., Art. 2 AEUV Rz. 2; Pechstein in Streinz2, Art. 1 EUV Rz. 10; Streinz in Streinz2, Art. 5 EUV Rz. 8 ff. 3 Art. 5 EUV; vgl. Streinz in Streinz2, Art. 5 EUV Rz. 20 ff. 4 Näheres vgl. Schroeder in Streinz2, Art. 288 AEUV Rz. 52 ff. 5 Schroeder in Streinz2, Art. 288 AEUV Rz. 67 ff. 6 Letzteres kann entfallen vgl. EuGH v. 19.1.1982 – C 8/81 – Becker gegen FA Münster, EuGHE 1982, 53. 7 Im Detail s. Schroeder in Streinz2, Art. 288 AEUV Rz. 106 ff.
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EuGH nicht von sich aus tätig. In der Praxis bringen vor allem nationale Gerichte im Vorabentscheidungsverfahren gem. Art. 267 AEUV oder die Kommission im Vertragsverletzungverfahren gem. Art. 258 AEUV Fragen der Auslegung des Unionsrechts im Hinblick auf nationale Vorschriften des Steuerrechts vor den EuGH. Individuen und Unternehmen können den Gerichtshof insoweit nicht unmittelbar anrufen. Zugleich legt der Gerichtshof das Unionsrecht dann jeweils mit Blick auf eine besondere Gestaltung des nationalen Steuerrechts aus. Beides führt dazu, dass die Entscheidung des EuGH punktuell und zufällig zu Einzelfragen einer bestimmten Norm eines Rechts eines Mitgliedsstaates ergehen, so dass sich die Frage der Verallgemeinerung und Übertragbarkeit auf das Recht anderer Regelungen in anderen Staaten jeweils stellt. Diese Einzelfallrechtsprechung erfolgt auch keineswegs systematisch, was zur Folge hat, dass die Ergebnisse in Urteilen sich unterscheiden können (vgl. z.B. Rz. 1.153), was dem EuGH gelegentlich den Vorwurf der Änderung von Rechtsprechung einbringt.1 Da der EuGH sich nicht mit den in der wissenschaftlichen Literatur geäußerten Ansichten auseinander setzt, ist es oft schwer, seine eigene Position im Meinungsspektrum zu bestimmen. Schließlich sagt der Gerichtshof nur, ob eine Regelung mit dem Unionsrecht vereinbar ist oder nicht. Im Falle der Unvereinbarkeit überlässt er es den Staaten, eine vereinbare Lösung zu finden. Insofern betreibt er lediglich eine negative Integration.
1.100 Der EuGH ist kein Steuergericht. Die Wahrung und systematische Fortentwicklung der nationalen Steuersysteme ist nicht seine Aufgabe. Er wahrt das Unionsrecht und legt es aus. Hierzu prüft er punktuell die Auswirkungen einzelner steuerlicher Regelungen auf die Grundfreiheiten. Ausgangspunkt2 ist für ihn die Sicherung gleicher Wettbewerbschancen für die Teilnehmer am Binnenmarkt. Direkte Steuern eines Staates beeinflussen die Marktbedingungen, unter denen die Grundfreiheiten ausgeübt werden. Dabei ist nicht entscheidend, dass eine Beeinträchtigung im Einzelfall nachgewiesen ist. Nach der Dassonville-Formel3 reicht es aus, dass eine Beeinträchtigung „aktuell oder potentiell, unmittelbar oder mittelbar“ vorliegt. So akzeptiert der EuGH4 grundsätzlich die Unterscheidung in unbeschränkte und beschränkte Steuerpflicht im nationalen Steuerrecht, prüft dann im Einzelfall aber, ob diese Unterscheidung die Ausübung der Grundfreiheiten behindert. Da die Steuersysteme der direkten Steuern national ausgerichtet sind und die Staaten in DBA ihre gegenseitigen Steuerbeziehungen regeln, muss der Gerichtshof die territoriale Struktur, sowie die von den Staaten vorgenommene Aufteilung der Besteuerung berücksichtigen. 1 2 3 4
Vgl. M. Lang in FS Spindler, S. 297 ff. Vgl. Schön, IStR 2004, 289; Mössner, ASA 2004, 673. EuGH v. 11.7.1974 – C-8/74 – Dassonville, EuGHE 1974, 837 (852). EuGH v. 14.2.1995 – C-279/93 – Schumacker, EuGHE 1995, I-225; v. 19.9.1999 – C-391/97 – Gschwind, EuGHE 1999, I-5451; v. 16.5.2000 – C-87/99 – Zurstrassen, EuGHE 2000, I-3337; v. 12.12.2002 – C-385/00 – de Groot, EuGHE 2002, I-11819; v. 1.7.2004 – C-169/03 – Wallentin, EuGHE 2004 I-6458.
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b) Überblick über die Grundfreiheiten Von den unionsrechtlichen Grundfreiheiten – Warenverkehrsfreiheit (Art. 28, 34 ff. AEUV), Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 45 ff. AEUV), Niederlassungsfreiheit (Art. 49 ff. AEUV), Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 ff. AEUV), Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 Abs. 1 AEUV) und Zahlungsverkehrsfreiheit (Art. 63 Abs. 2 AEUV) – haben die erste und letzte weniger Bedeutung für den Bereich der direkten Steuern. Ob Grundfreiheiten überhaupt geeignet sind, nationale steuerliche Regelungen der direkten Steuern einzuschränken, war für die nationalen Gerichte zunächst zweifelhaft. So hat der BFH1 den EuGH ausdrücklich danach gefragt. Die Antwort des EuGH besteht in der beständigen Wiederholung2 der Feststellung, dass die Mitgliedstaaten die Kompetenz zur Ausgestaltung der direkten Steuern besitzen, dass sie diese Kompetenz jedoch unter Beachtung des Unionsrechts ausüben müssen. Die manchmal geäußerte Kritik, der EuGH würde durch seine Rechtsprechung zu den direkten Steuern seine Befugnisse überschreiten, offenbart nur eklatante Unkenntnis des europäischen Rechts; denn erstens existiert ein allgemeiner Harmonisierungsauftrag und zweitens ist der Bereich der direkten Steuern nicht von der Geltung der Grundfreiheiten ausgenommen.
1.101
c) Diskriminierungsverbot Grundfreiheiten der EU zielen darauf ab, auf den einzelnen Märkten Wettbewerbsgleichheit zwischen Inländern und Ausländern herzustellen, indem Ausländern eine Inländergleichbehandlung eingeräumt wird.3 Dies bedeutet, dass Nichtansässige nicht gegenüber Ansässigen diskriminiert werden dürfen, wenn sie sich in vergleichbaren Situationen befinden. Grundfreiheiten enthalten Diskriminierungsverbote. Steuerlich entscheidend ist, ob sich unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige Personen und Unternehmen in vergleichbaren Situationen befinden. Dies beurteilt der EuGH nach der Art der konkreten Besteuerung: werden beide Gruppen vergleichbar besteuert, so ist eine Vergleichbarkeit gegeben. Dies zeigt sich beispielsweise an den Entscheidungen zur Besteuerung von Grenzpendlern4 sehr anschaulich. Der EuGH anerkennt die Unterscheidung von unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht, da bei der beschränkten Steuerpflicht nur ein Ausschnitt aus der umfassenden Leistungsfähigkeit einer Person besteuert wird. Wenn im Ansässigkeitsstaat 1 BFH v. 14.4.1993 – I R 29/92, BStBl. II 1994, 27. 2 So wohl zuerst EuGH v. 14.2.1995 – C-278/93 – Schumacker, Rz. 21; EuGHE 1995 I 249; zuletzt 20.10.2011 – C-284/09 – Komm./Deutschland, Rz. 44, DStR 2011, 2038 mit Hinweis auf st. Rspr. 3 So EuGH v. 28.1.1986 – Rs. 270/83 – avoir fiscal, EuGHE 1986, 285; hierzu s. auch Cordewener S. 104 ff.; Forsthoff in G/H/N, Art. 45 AEUV Rz. 240 ff.; Magiera in Streinz2, Art. 21 AEUV Rz. 15 ff. 4 EuGH v. 14.2.1995 – C-279/93 – Schumacker, EuGHE 1995, I-225; v. 27.6.1996 – C-107/94 – Asscher, EuGHE 1996, I-3089; v. 12.5.1998 – C-336/96 – Gilly, EuGHE 1998, I-2793; v. 19.9.1999 – C-391/97 – Gschwind, EuGHE 1999, I-5451.
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des Pendlers kein ausreichendes Steuersubstrat vorhanden ist,1 um die persönliche Situation des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen, da das wesentliche Einkommen im Staat der beschränkten Steuerpflicht besteuert wird, dann befindet sich der beschränkt Steuerpflichtige in einer dem unbeschränkt Steuerpflichtigen vergleichbaren Situation.
1.103 Eine Ungleichbehandlung kann dadurch beseitigt werden, dass Ausländer wie Inländer oder dass Inländer wie Ausländer behandelt werden. Solange der nationale Gesetzgeber sich nicht für die eine oder andere Lösung entschieden hat, stellt sich für die nationalen Gerichte nach einer durch den EuGH festgestellten Europarechtswidrigkeit die Frage, ob sie die günstigere Regelung auf Ausländer erstrecken (norm- oder geltungserhaltende Interpretation)2 oder ob sie den Inländern die günstigere Regelung verweigern. Der EuGH hat im Verfahren Terhoeve3 bevorzugt, dass sich bis zu einer gesetzlichen Neuregelung Ausländer auf die günstigere Regelung unmittelbar berufen können. Auch der BFH folgt im Allgemeinen dieser Ansicht.4
1.104 Eine Erweiterung über die Inländergleichbehandlung hinaus ist dann erforderlich, wenn der Herkunftsstaat einer Person oder eines Unternehmens die Ausübung einer Grundfreiheit in anderen Mitgliedsstaaten steuerlich benachteiligt. So ist die Dienstleistungsfreiheit z.B. nicht nur betroffen, wenn ausländischen Freiberuflern die Tätigkeit im Inland untersagt wird, sondern auch, wenn ein Staat die Betätigung von Ansässigen in einem anderen Staat untersagt.5 d) Beschränkungsverbot
1.105 Nicht nur eine unterschiedliche Behandlung von Ansässigen und Nichtansässigen kann letztere von der Ausübung einer Grundfreiheit abhalten; auch die Gleichbehandlung kann den Nichtansässigen erheblich stärker belasten als den Ansässigen. Grundfreiheiten wirken daher nicht nur als Diskriminierungsverbote, sondern auch als allgemeine Beschränkungsverbote.6 Dies wurde zunächst für den Bereich der direkten Steuern dis-
1 Zur Kritik an dieser Einengung Mössner, Arbeitnehmerfreizügigkeit und DBARecht, in Gassner/Lang/Lechner, Arbeitnehmer im Recht der DBA, S. 29. 2 Hierzu vor allem Gosch, DStR 2007, 1553 (1555 ff.); Gosch, Ubg 2009, 73; Übersicht über die vertretenen Ansichten bei Zorn, IStR 2012, 86 (87 f.); krit. vgl. Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, Auseinandersetzung mit Gosch S. 50 ff. 3 EuGH v. 26.1.1999 – C-18/95 – Terhoeve, EuGHE 1999 I 345 Rz. 57. 4 BFH v. 27.7.2011 – I R 32/10, BFH/NV 2012, 118. 5 EuGH 30.11.1995 – C-55/94 – Gebhard, EuGHE 1995 I 4165. 6 Hierzu allg. Kellersmann/Treisch, Europäische Unternehmensbesteuerung, S. 144 ff.; auch Magiera in Streinz2, Art. 21 AEUV Rz. 16; Forsthoff in G/H/N, Art. 45 AEUV Rz. 264 ff.
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kutiert,1 ist nun aber unstreitig. In den einschlägigen Urteilen des EuGH fällt auf, dass er immer seltener zwischen Diskriminierung2 und Beschränkung3 unterscheidet. Es genügt ihm die Feststellung einer unterschiedlichen Behandlung.4 Diese stellt für ihn eine (potenzielle) Beschränkung dar.5 Neu ist dies nicht: Bereits in der Futura-Entscheidung6 hat der EuGH eine nichtdiskriminierende Behandlung, d.h. eine gleiche Behandlung, von Ansässigen und Nichtansässigen als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit behandelt: Luxemburg verlangte für einen Verlustvortrag bei einer Betriebsstätte eines Nichtansässigen, dass sich die Buchführung und deren Unterlagen in Luxemburg befinden. Dieses Erfordernis galt für inländische Unternehmen ebenso wie für Betriebsstätten ausländischer Unternehmen, belastete letztere aber mehr. Mit der Anerkennung, dass Grundfreiheiten im Bereich der direkten Steuern auch als Beschränkungsverbote wirken, wird der Erkenntnis Rechnung getragen, dass der Binnenmarkt mehr ist, als der ungehinderte Zugang zu nationalen Märkten durch Ausländer. Auch wirken die Grundfreiheiten dann nicht nur in Zuzugs-, sondern auch in Wegzugsfällen.7 Im Herkunftsstaat eines Unternehmens darf dann eine Auslandsinvestition nicht steuerlich nachteiliger als eine Inlandsinvestition behandelt werden, was sich im AMID-Fall8 bereits in Ansätzen einer Gesamtbetrachtung zeigt. Der Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Grundfreiheiten durch die Dassonville-Formel9 und der Anerkennung der Beschränkungsverbote entspricht eine erweiterte Anerkennung von Rechtfertigungsgründen für Beschränkungen der Grundfreiheiten aus Gründen des zwingenden öf-
1 Cordewener S. 183 f.; vgl. auch Knobbe-Keuk, DB 1990, 2573; s. auch Brörmann/ Iversen, Europäisches Gemeinschaftsrecht und Internationales Privatrecht, S. 123 Fn. 429 m.w.N. 2 So in EuGH v. 28.1.1986 – Rs. 270/83 – Avoir fiscal, EuGHE 1986, I-273; v. 13.7.1993 – C-330/91 – Commerzbank, EuGHE 1993, I-4017; v. 29.4.1999 – C-311/97 – Royal Bank of Scotland, EuGHE 1999, I-2651. 3 EuGH v. 28.4.1998 – C-118/96 – Safir, EuGHE 1998, I-1897. 4 EuGH v. 16.7.1998 – Rs. C-265/96 – ICI, EuGHE 1998, I-4695, v. 21.9.1999 – Rs. C-307/97 – St. Gobain, EuGHE 1999, I-6161 und I-6198, v. 14.12.2000 – Rs. C-141/99 – AMID, EuGHE 2000, I-6857; v. 8.3.2001 – Rs. C-397/98 und C-410/98 – Metallgesellschaft, EuGHE 2001, I-1727, v. 18.11.1999 – C-200/98 – X AB & Y AB, EuGHE 1999, I-8261; v. 28.10.1999 – C-55/98 – Vestergard, EuGHE 1999, I-7641. 5 EuGH v. 21.11.2002 – C-436/00 – XY, EuGHE 1995, I-450; v. 12.12.2002 – C-324/00 – Lankhorst-Hohorst, EuGHE 2002, I-11779; v. 18.9.2003 – C-168/01 – Bosal, EuGHE 2003, I-9430. 6 EuGH v. 15.5.1997 – C-250/95 – Futura Participation, EuGHE 1997, I-2492. 7 Anerkannt in EuGH v. 13.4.2000 – C-251/99 – Baars, EuGHE 2000, I-2787, restriktiver in EuGH v. 27.9.1988 – C-81/87 – Daily Mail, EuGHE 1988, I-5483. 8 EuGH v. 14.12.2000 – C-141/99 – AMID, EuGHE 2000, I-6857. 9 EuGH v. 11.7.1974 – Rs. 8/74, EuGHE 1974, 834.
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fentlichen Interesses, wobei allerdings die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben muss (sog. Cassis-de-Dijon-Formel1). e) Prüfung der Grundfreiheiten aa) Verletzung des Schutzbereichs
1.107 Der Anwendungsbereich der Grundrechte lässt sich wie folgt gliedern: – Persönlicher Anwendungsbereich – Wer kann sich auf die Grundfreiheit berufen? – Räumlicher Anwendungsbereich – Wo gilt die Grundfreiheit: EU-Staat, EWR-Staat, Drittstaat? – Sachlicher Anwendungsbereich – Was ist der Inhalt der Grundfreiheit? – Adressat: Richtet sich die Grundfreiheit gegen den Tätigkeitsstaat oder den Herkunftsstaat?
1.108 Grundfreiheiten verbieten Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit. Die direkten Steuern unterscheiden jedoch nach Ansässigkeit des Steuerpflichtigen in unbeschränkte und beschränkte Steuerpflicht und nach dem Tätigkeitsort in Inlands- oder Auslandssachverhalte. Da jedoch in der Regel Staatsanghörigkeit und Ansässigkeit übereinstimmen, stellt der EuGH im Bereich der direkten Steuern auf die Ansässigkeit ab.2 Daher kann sich auch ein Staatsangehöriger, der in einem anderen EU-Mitgliedsstaat ansässig ist, hinsichtlich der Besteuerung seiner Tätigkeit innerhalb des Staates seiner Staatsangehörigkeit auf die Grundfreiheiten berufen.3
1.109 Inhaltlich kommen im Bereich der direkten Steuern folgende Grundfreiheiten in Betracht: – Arbeitnehmerfreizügigkeit – Art. 45 AEUV Sie ordnet die Abschaffung aller unterschiedlichen Behandlungen von Arbeitnehmern in steuerlicher Hinsicht bei grenzüberschreitender Tätigkeit in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen an. Die Besteuerung wird als Teil der Entlohnung behandelt.4 – Niederlassungsfreiheit – Art. 49 AEUV Sie verbietet steuerliche Benachteiligungen dauernder unternehmerischer Betätigung von Unternehmen eines Mitgliedsstaates in einem anderen Mitgliedsstaat. Hierzu gehören auch Gründung und Führung von Niederlassungen und Tochtergesellschaften. Bei Beteiligungen an Kapitalgesellschaften ist eine Beteiligung Voraussetzung, die Einfluss auf unternehme1 EuGH v. 20.2.1979 – Rs. 120/78, EuGHE 1979, 649. 2 EuGH v. 8.5.1990 – Rs. 175/88 – Biehl, EuGHE 1990, I-1789 Rz. 14 wohl erstmals andeutend, dann explizite st. Rspr. seit EuGH v. 14.5.1995 – C-279/93 – Schumacker, EuGHE 1995, I-249 Rz. 27 ff. 3 Vgl. EuGH v. 26.1.1993 – C-112/91– Werner, EuGHE 1993, I-463. 4 EuGH v. 8.5.1990 – Rs. 175/88 – Biehl, EuGHE 1990, I-1789.
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rische Entscheidungen erlaubt, was im Allgemeinen bei mehr als einem Viertel angenommen wird.1 – Dienstleistungsfreiheit – Art. 56 AEUV Diese Grundfreiheit schützt die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen jeglicher Art ohne Begründung einer Niederlassung im anderen Mitgliedsstaat. Man unterscheidet die aktive Erbringung von Dienstleistungen von der Inanspruchnahme von Dienstleistungen eines Anbieters, sog. passive Dienstleistung. – Kapitalverkehrsfreiheit – Art. 63 AEUV Sie verbietet alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs innerhalb der EU und – dies unterscheidet sie von den anderen Grundfreiheiten – im Verhältnis zu Drittstaaten. Zur Definition des Kapitalverkehrs greift der EuGH auf den Anh. I zur Kapitalverkehrsrichtlinie2 zurück. Eine Verletzung des Schutzbereichs durch direkte Steuern eines Mitgliedsstaates liegt dann vor, wenn zwei Gruppen von Steuerpflichtigen, die sich in vergleichbarer steuerlicher Situation befinden, unterschiedlich behandelt werden und diese Behandlung auf der unterschiedlichen Ansässigkeit der Steuerpflichtigen beruht.
1.110
bb) Rechtfertigungsgründe für Schutzbereichsverletzungen Ist die Verletzung einer Grundfreiheit durch eine nationale Steuernorm festgestellt, so liegt gleichwohl keine Europarechtswidrigkeit vor, wenn diese Verletzung gerechtfertigt ist. Rechtfertigungsgründe sind entweder explizit im Vertrag aufgeführt oder sie ergeben sich aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls. In jedem Fall müssen sie verhältnismäßig sein, d.h. zur Erreichung des Ziel geeignet, erforderlich and angemessen sein. – Kodifizierte Gründe Kodifiziert sind Rechtfertigungen in Art. 51 und 65 AEUV, die Gründe der öffentlichen Sicherheit und Gesundheit betreffen. – Aufteilung der Besteuerung und nichtharmonisierter Bereich Soweit der Bereich der direkten Steuern nicht durch RL harmonisiert ist (s. Rz. 1.112), üben die Mitgliedsstaaten ihre Steuerhoheit in eigener Verantwortung aus. Dies betrifft nicht nur die Ausgestaltung der Steuern, sondern auch die Abgrenzung der nationalen Steuerhoheiten gegeneinander insbesondere durch DBA. Zwar enthält der AEUV seit dem Vertrag von Lissabon nicht mehr eine Art. 293 EGV entsprechende Bestimmung, 1 EuGH v. 13.4.2000 – C-251/98 – Baars, EuGHE 2000, I-2805; v. 12.6.2006 – C-196/01 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995; v. 14.9.2006 – C-386/04 – Stauffer, EuGHE 2006, I-8203; v. 29.3.2007 – C-347/04 – REWE Zentralfinanz, EuGHE 2007, I-2647; st. Rspr. 2 ABl. 1988 L 178 S. 5.
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dass die Staaten zur Beseitigung zur Beseitigung der Doppelbesteuerung verpflichtet sind.1 Die Unterschiedlichkeit der Steuersysteme einschl. eines unterschiedlichen Steuerniveaus nimmt der EuGH in ständiger Rechtsprechung2 hin. Auch die Aufteilung der Steuerhoheiten, vor allem nach den Grundsätzen des OECD-MA, kann zu unterschiedlicher Besteuerung führen, die eine Verletzung einer Grundfreiheit darstellt, die jedoch gerechtfertigt ist. – Kohärenz des Steuersystems In der Bachmann-Entscheidung3 hat der EuGH den Rechtfertigungsgrund der Kohärenz des nationalen Steuersystems anerkannt, der seitdem von den Mitgliedsstaaten in fast jedem Fall zur Rechtfertigung steuerlicher Differenzierungen vorgebracht wird. Der EuGH versteht unter der Kohärenz den Fall, dass zwischen einer begünstigenden und einer benachteiligenden Steuerregelung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, der gleiche Steuerpflichtige betroffen ist und zwischen dem Ziel der Steuerregelung und der Maßnahme Verhältnismäßigkeit besteht. Im Fall Bachmann erkannte der Gerichtshof eine Kohärenz bei der nachgelagerten Besteuerung von Renten an. Im übrigen war er sehr zurückhaltend, auch wenn der Rechtfertigungsgrund oft angesprochen wird.4 – Steuermindereinnahmen Das Vorbringen der Staaten, eine bestimmte Steuerregelung sei zur Sicherung der Staatseinnahmen erforderlich, wird vom EuGH mit Regelmäßigkeit zurückgewiesen.5 – Steuerkontrolle Der EuGH erkannt durchaus an, dass die Staaten vor allem bei Nichtansässigen andere Erhebungsformen, z.B. Quellensteuern, und andere Regeln vorsehen als bei Ansässigen, um eine wirksame Kontrolle zu sichern.6 Er schränkt dies aber regelmäßig dadurch ein, dass er auf die Amtshilfe- und Beitreibungsrichtlinie verweist und die Staaten zum 1 Vgl. grundlegend Lehner, Möglichkeiten zur Verbesserung des Verständigungsverfahrens auf der Grundlage des EWG-Vertrages. 2 EuGH v. 12.5.1998 – C336/96 – Gilly, EuGHE 1998, I-2823; v. 23.10.2008 – C-157/07 – Krankenheim-Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt, EuGHE 2008, I-8061. 3 EuGH v. 28.1.1992 – C-204/90, EuGHE 1992, I-249. 4 Vgl. z.B. EuGH v. 13.3.2007 – C-524/04 – Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, EuGHE 2007, I-2107; v. 7.9.2004 – C-319/02 – Manninen, EuGHE 2004, I-7477; hierzu Kofler, Überlegungen zur steuerlichen Kohärenz nach dem Urteil des EuGH in der Rs. Manninen, ÖStZ 2005, 26 ff.; Schnitger, FR 2004, 1357; jüngst EuGH v. 20.10.2011 – C-284/09 – Komm./Deutschland, Rz. 84 ff., DStR 2011, 2038. 5 Vor allem EuGH v. 18.9.2003 – C-168/01 – Bosal, EuGHE 2003, I-9430; v. 13.5.2005 – C-446/03 – Marks & Spencer, EuGHE 2005, I-10866. 6 Z.B. EuGH v. 29.3.2007 – C-347/04 – REWE Zentralfinanz, EuGHE 2007, I-2641.
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F. Einfluss des Europarechts
Nachweis verpflichtet, dass mit Hilfe der dort vorgesehenen Instrumente eine wirksame Steuerkontrolle nicht möglich sei.1 – Vermeidung von Missbrauch Regelungen, die eine Steuerumgehung durch missbräuchliche Gestaltungen seitens der Steuerpflichtigen bekämpfen, rechtfertigen nach der Rechtsprechung2 eine Beschränkung der durch die Grundfreiheiten garantierten Möglichkeiten. Als Missbrauch versteht er rein künstliche Gestaltungen ohne wirtschaftlichen Gehalt, wobei pauschale und typisierte Missbrauchsvermutungen im Einzelfall dem Steuerpflichtigen einen Gegenbeweis ermöglichen müssen.3 5. Richtlinien Durch RL sind die indirekten Steuern in großem Maße innerhalb Europas harmonisiert; dies gilt insbesondere für die Umsatzsteuer (s. Rz. 13.5). Demgegenüber sind RL für die direkten Steuern nur zu einzelnen Bereichen erlassen worden. Dies sind vor allem die RL des Jahres 1990: – Mutter-Tochter-Richtlinie 90/435/EWG vom 29.7.1990,4 die innerhalb internationaler Konzerne grenzüberschreitend die steuerfreie Gewinnausschüttung ermöglicht (s. hierzu Rz. 6.59). – Fusions-Richtlinie 90/434/EWG vom 3.7.1990,5 die grenzüberschreitende Unternehmensreorganisationen betrifft. 2003 sind hinzu gekommen: – Zins- und Lizenz-Richtlinie (3.6.2003 – 2003/49/EG)6 – Zinsertrags-Richtlinie (3.6.2003 – 2003/48/EG)7 Dem steht eine Reihe von Entwurf gebliebenen RL gegenüber: – Verlustrichtlinie8 – Gemeinsames Körperschaftsteuersystem9 – Gewinnermittlung10 1 Vgl. z.B. EuGH v. 14.9.2006 – C-386/04 – Stauffer, EuGHE 2006, I-8203, Rz. 47 ff. (50). 2 St. Rspr. z.B. EuGH v. 29.3.2007 – C-347/04 – REWE Zentralfinanz, EuGHE 2007, I-2641, Rz. 50 ff.; v. 29.11.2011 – C-371/10 – National Grid Indus BV, DStR 2011, 2334, Rz. 84. 3 Vor allem EuGH v. 12.9.2006 – C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995. 4 ABl. Nr. L 225, 6 mit Ergänzung durch RL 2003/123/EG v. 22.12.2003, ABl. L Nr. 7. 5 ABl. Nr. L 225, 1; Revision. 6 RL 2003/49/EG und 2003/48/EG v. 3.6.2003, ABl. L Nr. 157, 38. 7 ABl. 2003 L157, 38. 8 6.12.1990 – COM (90), 595 final, zurückgezogen 2001 durch COM (2001) 763 v. 11.12.2001. 9 BT-Drucks. 8/2059 v. 23.8.1978; 7/3981 v. 18.8.1975. 10 Vgl. Kellersmann/Treisch, Europäische Unternehmensbesteuerung, S. 263.
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Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht
Ob die Bestrebungen eine gemeinsame, konsolidierte Bemessungsgrundlage (CCCTB)1 einzuführen, Erfolg haben werden, lässt sich noch nicht abschätzen. 6. Verhältnis Europäisches Recht – nationales Recht2
1.113 Geltung bedeutet, dass eine Rechtsnorm „gilt“, d.h. wirksam zustande gekommen und aktuell existiert. Besitzt eine Norm vor einer anderen Geltungsvorrang, dann ist sie höherrangig. Die niederrangige Norm ist dann nichtig. Dies ist gem. Art. 31 GG – „Bundesrecht bricht Landesrecht“ – das Verhältnis zwischen Bundsrecht und Landesrecht oder zwischen einem Gesetz und einer Verordnung. Anwendung bedeutet, dass eine Rechtsnorm auf einen bestimmten Fall anzuwenden ist. Anwendungsvorrang genießt eine Norm, wenn sie im Einzelfall vor einer anderen Norm anzuwenden ist, ohne dass dies die Existenz dieser anderen Norm im übrigen beeinflusst. Dies ist beispielweise beim Verhältnis speziellerer Normen zur allgemeinen Norm der Fall. Es ist heute3 anerkannt, dass Europäisches Unionsrecht – primäres wie sekundäres – einen Anwendungsvorrang vor nationalem Recht besitzt. Dies bedeutet, dass im Konfliktfall zwischen einer europäischen und einer deutschen Rechtsnorm die europäische Norm anzuwenden ist, ohne dass dies die Geltung der deutschen Norm beeinträchtigt. Es bedarf folglich keiner Aufhebung oder Nichtigerklärung der nationalen Norm. Die Rechtsanwender – Gerichte, Behörden, Bürger – sind daher ohne weiteres verpflichtet, die europäische Norm anzuwenden.
1.114 Hat der EuGH dem europäischen Recht eine verbindliche Auslegung gegeben, so haben Gerichte und Behörden ohne weitere gesetzgeberische Maßnahme das europäische Recht anzuwenden. Vorausgesetzt ist dabei natürlich, dass dann noch ein anwendungsfähiger Normbestand im nationalen Recht verbleibt. Ggf. ist das deutsche Recht dann so auszulegen, dass es unter Beachtung des europäischen Rechts eine sinnvolle Anwendung ergibt (sog. normerhaltende Auslegung, s. Rz. 1.103). Ein EuGH-Urteil, das einer Grundfreiheit eine Auslegung gibt, mit der eine Norm des deutschen Steuerrechts unvereinbar ist, ist daher auch von der Finanzverwaltung unmittelbar zu beachten. Auffassungen wie die der OFD Hannover,4 dass eine Bindungswirkung für die Finanzverwaltung erst dann einträte, wenn ein entsprechendes BMF-Schreiben oder BFH-Urteil im BStBl. veröffentlicht worden sei, verkennen die Rechtslage grundlegend.
1 Vgl. Herzig/Kuhr, DB 2011, 2053. 2 Zum Ganzen vgl. auch Nettesheim in G/H/N, Art. 1 AEUV Rz. 71 ff. 3 Grundlegend Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich. 4 Vfg. v. 28.7.2006, aufgehoben 19.10.2006.
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II. Unbeschränkte Steuerpflicht 1. Welteinkommen insbes. Ausländische Einkünfte a) Grundlagen Die Unterscheidung von unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht (vgl. Rz. 2.8, 2.12) wird vom EuGH (noch) nicht in Frage gestellt.1 Auch, dass sie sich wegen der Reichweite der Besteuerung – Welteinkommensprinzip vs. Territorialitätsprinzip – grundlegend unterscheiden, erkennt das Gericht an. Der EuGH betont das Recht eines Staates, alle wirtschaftlichen Vorgänge innerhalb seines Staatsgebiets steuerlich zu erfassen;2 er schließt aber nicht aus, dass Staaten auch außerhalb ihres Staatsgebietes erzielte Einkünfte ihrer Ansässigen besteuern. Er verlangt jedoch, dass der Herkunftsstaat die Betätigung seiner Ansässigen im Ausland nicht durch steuerliche Maßnahmen behindert.
1.115
b) Ausländische Sachverhalte § 34d EStG legt fest, unter welchen Voraussetzungen Einkünfte ausländische sind. Dies bezieht sich ausdrücklich zwar nur auf § 34c EStG, hat aber auch darüber hinaus Bedeutung.3 Qualifikation der Einkünfte und deren Ermittlung erfolgt grundsätzlich denselben Grundsätzen wie bei inländischen Einkünfte. Sondervorschriften nur für ausländische Einkünfte können Grundfreiheiten beeinträchtigen. Die in § 2a EStG angeordnete nachteilige Behandlung gewisser Auslandsverluste wurde vom EuGH in der „Rewe Zentralfinanz“-Entscheidung4 als ungerechtfertigter Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit angesehen. Im Vergleich mit entsprechenden Inlandsverlusten führt die Maßnahme des Herkunftsstaates Deutschland (Rz. 26 des Urteils) dazu, dass die Auslandsniederlassung Liquiditätsnachteile (Rz. 29 des Urteils) erleidet. Der Gesetzgeber hat mit dem JStG 2009 dadurch reagiert, dass § 2a EStG nicht mehr innerhalb der EU anwendbar ist.5
1.116
Eine Begrenzung von Steuervergünstigungen auf inländische Sachverhalte verstößt gegen die Niederlassungsfreiheit.6 Wird Auslandsvermögen anders bewertet als Inlandsvermögen, beeinträchtigt dies Grundfreihei-
1.117
1 Seit EuGH v. 14.2.1995 – C-279/93 – Schumacker, EuGHE 1995, I-225, st. Rspr.; z.B. EuGH v. 9.11.2006 – C-520/04 – Turpeinen, EuGHE 2006, I-10685. 2 EuGH v. 18.7.2007 – C-231/05 – Oy AA, EuGHE 2007, I-6373. 3 Gosch in Kirchhof11, § 34d EStG Rz. 1 f. 4 EuGH v. 29.3.2007 – C-347/04, EuGHE 2007, I-2641; vgl. auch EuGH v. 21.2.2006 – C-152/03 – Ritter-Coulais, EuGHE 2006, I-1737. 5 Vgl. Mössner in Lüdicke/Kempf/Brink, Verluste im Steuerrecht, S. 62 ff. 6 EuGH v. 19.9.2000 – C-156/98 – Komm./Deutschland, EuGHE 2000, I-6857 – unerlaubte Beihilfe; v. 12.6.2003 – C-234/01 – Gerritse, EuGHE 2003, I-5945, Rz. 44.
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ten.1 Die Begrenzung des Spendenabzugs auf inländische gemeinnützige Einrichtungen verletzt Unionsrecht.2 Diese Rechtsprechung lässt sich dahingehend verallgemeinern, dass dann, wenn ein Staat Auslandssachverhalte besteuert, die Besteuerung nicht ungünstiger als bei einem Inlandssachverhalt sein darf. Unterschiede können wegen fehlender Kontrollmöglichkeiten bei Auslandssachverhalten gerechtfertigt sein, sofern sie verhältnismäßig sind.
1.118 Für international tätige Unternehmen ist die Rechtsprechung zu ausländischen Betriebsstätten von großer Bedeutung. Das wirtschaftliche Ergebnis einer Betriebsstätte als unselbständiger Teil eines inländischen Unternehmens ist Teil des Ergebnisses des Unternehmens. Innerhalb Deutschlands werden mehrere Betriebsstätten eines Unternehmens für die Einkommen- und Körperschaftsteuer zusammengefasst. Dies gilt grundsätzlich auch grenzüberschreitend: die Ergebnisse ausländischer Betriebsstätten werden im Inland als Teil des Gesamtergebnisses besteuert. Da eine Betriebsstätte auch im Ausland besteuert wird, kommt es zur Doppelbesteuerung. Je nach der Methode zu deren Vermeidung ergeben sich Probleme.
1.119 Besteht mit dem Betriebsstättenstaat kein DBA oder ist die Anrechnungsmethode (s. Rz. 2.289 ff.) vereinbart, so ist die Berücksichtigung eines Betriebsstättenverlustes (vgl. allg. Rz. 2.301) im Inland an sich gewährleistet. Aus Sicht des inländischen Unternehmens kommt es zur korrekten Besteuerung des über mehrere Jahre tatsächlich erzielten Gewinns, wobei sich die Verteilung auf die Staaten ändert – je nach Regelung im Betriebsstättenstaat.3 Dies trifft aber nicht zu, wenn das Stammhaus Verlust erleidet und die ausländische Betriebsstätte Gewinn erwirtschaftet. Im Vergleichsfall einer reinen Inlandssituation kommt es zum Ausgleich. Da der EuGH den Staat der Betriebsstätte nicht als verpflichtet ansieht, das Ergebnis des Stammhauses zu berücksichtigen,4 führt dies dazu, dass einerseits das positive Ergebnis den Verlust und damit einen etwaigen Verlustvortag im Inland verringert, andererseits aber die Steuer auf den Betriebsstättengewinn nicht oder nicht hinreichend angerechnet werden kann. Dies hat der EuGH beanstandet.5 Der deutsche Gesetzgeber hat noch nicht reagiert. Es bestehen zwei Möglichkeiten: keine Berücksichtigung des Betriebsstättengewinns bei der Feststellung des Verlustvortrages im Inland oder Gewährung eines Vortrages des Anrechnungsüberhangs. Da die zweite Möglichkeit eine Ergänzung des Gesetzes erfordert, die erste hingegen auch bei den gegebenen Gesetzen umzusetzen ist, ist sie anzuwenden. 1 EuGH v. 17.1.2008 – C-256/06 – Jäger, EuGHE 2008, I-123; v. 2.10.2008 – C-360/06 – Bauer, EuGHE 2008, I-7333. 2 EuGH v. 14.9.2006 – C-386/04 – Stauffer, EuGHE 2006, I-8203. 3 Unterschiede, die sich aus unterschiedlichen Steuersätzen und Gewinnermittlungsmethoden ergeben, bleiben vernachlässigt. 4 EuGH v. 15.5.1997 – C-250/95 – Futura Participation, EuGHE 1997, I-2492. 5 EuGH v. 14.12.2000 – C-141/99 – AMID, EuGHE 2000, I-11632.
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Nach der nicht unumstrittenen1 Rechtsprechung des BFH werden Betriebsstättenverluste bei der Freistellungsmethode im Inland nicht berücksichtigt. Sie wirken sich nur beim negativen Progressionsvorbehalt (vgl. Rz. 2.505) bei natürlichen Personen aus. Der EuGH hat dies im LidlVerfahren2 mit einer wichtigen Einschränkung als mit den Grundfreiheiten vereinbar angesehen. Die deutsche KG erlitt mit ihrer Betriebsstätte in Luxemburg Anlaufverluste, die aufgrund luxemburgischen Steuerrechts mit den späteren Gewinnen ausgeglichen wurden. Gegenstand des Verfahrens war daher nur die Frage, ob die Betriebsstättenverluste phasengleich im Inland zu berücksichtigen waren oder ob gemeinschaftsrechtlich Liquiditätsnachteile im Vergleich zu einer inländischen Situation hinzunehmen sind. Im Vorlagebeschluss bestätigt der BFH3 seine Symmetriethese, wonach dann, wenn Deutschland wegen der Freistellung nicht die ausländischen Gewinne besteuern kann, es auch nicht die Verluste berücksichtigen muss.
Die in der unterschiedlichen Behandlung von in- und ausländischen Betriebsstättenverlusten liegende Beschränkung der Niederlassungsfreiheit (Rz. 25 ff. des Urteils) rechtfertigt der EuGH mit der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse durch das DBA, welches eine Symmetrie bei der Berücksichtigung ausländischer Gewinne und Verluste herstelle (Rz. 31 ff. des Urteils). Auch vermeide dies die Gefahr einer doppelten Verlustberücksichtigung, obgleich der GA andere Wege hierfür aufgezeigt hatte. Diese beiden Rechtsfertigungsgründe taugen aber nicht zum Ausschluss finaler Verluste der Betriebsstätte. Einerseits schränkt dies die absolute Wirkung der Rechtfertigung durch die Symmetriethese des BFH ein, andererseits bleibt unklar, wann ein Verlust final ist.4 Nur einen geringen Hinweis darauf gibt das Urteil des EuGH vom 23.10.2008.5 Für Verluste einer „Freistellungsbetriebsstätte“ im Ausland (Österreich) hatte das deutsche Unternehmen die Möglichkeit der Verlustberücksichtigung des § 2 AIG (später § 2a Abs. 3 EStG) in Anspruch genommen. In späteren Gewinnjahren erfolgte in Deutschland die Hinzurechnung. In Österreich wurden wegen der zeitlichen Begrenzung des Verlustvortrags die Verluste im Ergebnis nicht berücksichtigt, so dass es sich im Grunde um endgültige Verluste handelte.
Gleichwohl hat der EuGH entschieden, dass die Finalität der Verluste einer Hinzurechnung in Deutschland nicht entgegensteht. Final i.S. der Lidl-Entscheidung ist danach ein Verlust dann nicht, wenn er im Entstehungsstaat deshalb nicht geltend gemacht werden kann, weil der Verlustvortrag zeitlich begrenzt ist und innerhalb des Vortragszeitraums keine entsprechenden Gewinne erzielt werden. Für das Gericht ist entschei1 Vgl. Mössner in K/S/M, § 2a EStG Rz. A13 ff. m.w.N.; Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 58 ff. 2 EuGH v. 15.5.2008 – C-414/06, EuGHE 2008, I-3601 mit anschließendem BFHUrt. v. 17.7.2008 – I R 84/04, BStBl. II 2009, 630. 3 BFH v. 28.7.2006 – I R 84/04, BStBl. II 2006, 861. 4 Aus der umfassendes Diskussion vgl. z.B. Schulz-Trieglaff; IStR 2011, 244; Schwenke, IStR 2011, 368, jeweils m.w.N. 5 EuGH v. 23.10.2008 – C-157/07 – Krankenheim-Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt, EuGHE 2008, I-8061.
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dend, dass das Unternehmen den im Betriebsstättenstaat geltenden Regelungen unterworfen ist. Es kann nicht erwarten, dass sein Herkunftsstaat nachteilige Regelungen des Betriebsstättenstaats ausgleicht. Deutschland sei nicht verpflichtet, „die eventuell ungünstigen Auswirkungen der Besonderheiten einer Regelung eines anderen Staates zu berücksichtigen“ (Rz. 49 des Urteils). Dies entspricht der Kapitalimportneutralität (vgl. Rz. 1.13; 1.54; 1.62; 2.257)1 und liegt auch anderen Entscheidung des EuGH zugrunde.2
1.121 Die Shell-Entscheidung vom 28.2.20083 bestätigt diese Linie der Rechtsprechung. Ein inländisches Unternehmen hatte Kapital seiner ausländischen Betriebsstätte zugeführt, das bei deren Beendigung rückgeführt wurde. Aufgrund des Wechselkursverfalls der Währung des Betriebsstättenstaats entstand ein Währungsverlust.
Nach deutscher Rechtsauffassung4 gehören Währungsverluste bei einer ausländischen Betriebsstätte zu den Ergebnissen der Betriebsstätte, so dass sie bei DBA-Freistellung nicht im Inland zu berücksichtigen sind. Wären die ausländischen Zahlungsmittel im Inland gehalten worden, so hätte sich der Verlust steuerlich ausgewirkt. Andererseits kann er sich im Ausland nicht auswirken. Da die Währungsverluste nur im Staat des Stammhauses auftreten könnten, sei dieser verpflichtet, für Abhilfe zu sorgen (Rz. 44 des Urteils). Die Verrechnung des Währungsverlustes mit Gewinnen der Betriebsstätte lehnt das Gericht ab (Rz. 46 ff. des Urteils).
1.122 Der BFH5 folgt der Rechtsprechung des EuGH zur Berücksichtigung finaler Betriebsstättenverluste, wohingegen das „Argumentations-Papier“ der Finanzverwaltung6 ihr widerspricht. Geklärt sind die Probleme im Detail aber noch nicht. Dies betrifft zum einen die Voraussetzungen der Finalität des Verlustes. Die vorliegenden EuGH-Entscheidung lassen nur die Aussage zu, dass der Ablauf einer Frist für den Verlustvortrag keine Finalität bedeutet und dass Verluste, die sich nur im Stammhaus auswirken können, in diesem Sinne final sind. Die endgültige Aufgabe einer Betriebsstätte ist dann final, wenn bei späterer Begründung einer Betriebsstätte in diesem Staat die Verluste der vorangegangenen Betriebsstätte nicht genutzt werden können. Soweit dies allerdings auf einen Fristablauf zurückzuführen ist, liegt keine Finalität vor. Ob dem gleichzustellen ist, 1 Vgl. Vogel, World-wide vs. source taxation of income – a review and reevaluation of arguments, in McLure/Sinn, Musgrave, Influence of tax differentials on international competitiveness, München 1990, S. 117 ff.; s. auch Lehner in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 267. 2 EuGH v. 12.5.1998 – C-336/96 – Gilly, EuGHE 1998, I-2823; v. 10.2.2011 – C-436/08, 437/08 – Haribo/Österreichische Salinen, IStR 2011, 299. 3 EuGH v. 28.2.2008 – C-293/06 – Deutsche Shell GmbH, EuGHE 2008, I-1129. 4 BFH v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; s. auch IFA, Wechselkursänderungen und internationale Doppelbesteuerung, CDFI LXXIB, Deventer 1986. 5 BFH v. 9.6.2010 – I R 107/09, BFHE 230, 35 = BFH/NV 2010, 1744; I R 48/11 anh.; Vorinstanz FG Nds. 16.6.2011 – 6 K 445/09. 6 Bayerisches Landesamt für Steuern, 19.2.2010, RIW 2010, 335.
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wenn das nationale Steuerrecht des Betriebsstättenstaates die Verlustübertragung von einer auf eine andere Betriebsstätte ausschließt, ist noch nicht entschieden und daher offen. Bedeutung hat dies vor allem für Bauausführungen (vgl. Rz. 2.126). Bei fehlender Attraktivkraft einer Betriebsstätte (vgl. Rz. 4.15 ff.), d.h. dass mehrere Betriebsstätten eines Unternehmens in einem Staat unabhängig voneinander existieren können, sofern sie funktional unterschiedliche Aufgaben erfüllen, spricht alles dafür, auch zeitlich hintereinander unterschiedliche Betriebsstätten begründen zu können, sofern sie funktional unterschiedlichen Aufgaben dienen. Beispiel: Das Unternehmen gründet zunächst eine Produktionsbetriebsstätte in einem ausländischen Staat. Da diese nur Verluste erwirtschaftet, wird diese geschlossen. Um jedoch den betreffenden Markt erschließen zu können, wird einige Jahre später eine Vertriebsbetriebsstätte begründet oder ein ständiger Vertreter eingesetzt. Der Verlust der ersten Betriebsstätte ist dann final.
Ähnlich verhält es sich bei Umwandlungen. Dabei handelt es sich sowohl um die Fälle, dass die Betriebsstätte selbst in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt oder in eine solche eingebracht wird, als um Fälle der Verschmelzung oder des Formwechsels des Stammhauses mit jeweiligem Untergang eines Verlustvortrages. Der BFH1 hat m.E. zu Recht für die Frage der Finalität auch § 2a Abs. 4 EStG berücksichtigt, so dass in den beschriebenen Fällen Finalität gegeben ist. Daraus ergeben sich Gestaltungsmöglichkeiten, um Finalität eintreten zu lassen, indem etwa vor Ablauf der Frist des Verlustvortrages die Betriebsstätte in eine Tochtergesellschaft umgewandelt wird. Dies erklärt zwar die Haltung der Finanzverwaltung, ohne gesetzliche Grundlage lassen sich derartige Gestaltungen nicht verhindern.
1.123
Zum Zeitpunkt der Berücksichtigung finaler Verluste hat der BFH entschieden,2 dass dies das „Finalitätsjahr“ sei. Damit ist das Jahr gemeint, indem feststeht, dass die Verluste final geworden sind. Dieser Ansicht ist zuzugestehen, dass sie einfach in der Praxis anzuwenden ist. Die Alternative wäre, im Finalitätsjahr den Eintritt der Finalität als Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung (§ 175 AO) zu behandeln und die Verluste jeweils in den Verlustentstehungsjahren zu berücksichtigen. Die Lösung des BFH ist jedoch nicht unproblematisch. Dies gilt bei progressiven Tarifen für Einzel- oder Mitunternehmer. Aber auch bei Kapitalgesellschaften führen Tariferhöhungen oder -senkungen zu unausgeglichenen Ergebnissen. Im Vergleich mit der Anrechnungsmethode ergeben sich ebenfalls deutliche Unterschiede.3 Vor allem kommt es auf die Verhältnisse des Stammhauses im Finalitätsjahr an. Offen ist auch – was aber eigentlich zu bejahen sein müsste – die Frage, ob dann, wenn die finalen Verluste
1.124
1 BFH v. 3.2.1010 – I R 23/09, BStBl. II 2010, 599. 2 BFH v. 9.11.2010 – I R 16/10, BFH/NV 2011, 524; v. 9.6.2010 – I R 100/09, I R 107/09 BStBl. II 2010, 1065. 3 EuGH sieht in Haribo Salinen allerdings keinen Unterschied in den Methoden.
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das Einkommen des Jahres übersteigen, es zu einem Verlustrück- und -vortrag kommt. 2. Konzernbesteuerung a) Niederlassungsfreiheit oder Kapitalverkehrsfreiheit?
1.125 Die Niederlassungsfreiheit nimmt ein Unternehmen eines Mitgliedsstaates in Anspruch, wenn es in einem anderen Mitgliedsstaat durch eine Tochtergesellschaft tätig wird.1 Zugleich stellt der Erwerb von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft eine Wahrnehmung der Kapitalverkehrsfreiheit dar.2 Der EuGH grenzt beide Grundfreiheiten danach ab, ob der Umfang der Beteiligung einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft erlaubt (s. Rz. 1.109). Ist dies der Fall verdrängt die Niederlassungsfreiheit die Kapitalverkehrsfreiheit. Die Niederlassungsfreiheit ist räumlich jedoch nur innerhalb der EU anwendbar, während die Kapitalsverkehrsfreiheit auch im Verhältnis zu Drittstaaten gilt. Innerhalb des konkurrierenden Anwendungsbereichs beider Grundfreiheiten, d.h. innerhalb der EU, schützt die Niederlassungsfreiheit danach die „unternehmerische Beteiligung“, d.h. in der Regel mehr als 25 Prozent, und die Kapitalverkehrsfreiheit hingegen die Portfolio-Beteiligung unterhalb dieser Schwelle. Da sich beide bei den möglichen Rechtfertigungsgründen unterscheiden, ist der höhere Schutzgrad der Niederlassungsfreiheit gerechtfertigt.
1.126 Im Verhältnis zu Drittstaaten ist das Konkurrenzverhältnis streitig.3 Eine Auffassung wendet das Konkurrenzverhältnis auch auf Beteiligungen aus Drittstaaten an, so dass entsprechende unternehmerische Beteiligungen nicht den Schutz der Kapitalverkehrsfreiheit beanspruchen können, hingegen Portfolio-Beteiligungen schon. Die gegenteilige Auffassung wendet auch im Fall unternehmerischer und von Mehrheitsbeteiligungen aus Drittstaaten die Kapitalverkehrsfreiheit an. Letztere Ansicht verdient den Vorzug. Da die Niederlassungsfreiheit im Verhältnis zu Drittstaaten nicht anwendbar ist, kommt es insoweit nicht zur Konkurrenzsituation. Art. 49 Abs. 2 AEUV nimmt ausdrücklich auf die Konkurrenzsituation Bezug. Aus Art. 49 ff. AEUV kann der Ausschluss der Inanspruchnahme einer anderen Grundfreiheit durch Angehörige von Drittstaaten abgeleitet werden. Die Norm verbietet nur Beschränkungen der Niederlassung innerhalb der EU durch Angehörige von EU-Staaten. Außerdem führt die erstgenannte Auffassung dazu, dass Portfolio-Beteiligungen einen höheren Schutz als unternehmerische Beteiligungen genössen, wenn sie durch Angehörige von Drittstaaten erfolgen. Dies würde der Schutzrichtung der Kapitalverkehrsfreiheit widersprechen und wäre auch nicht verständlich, 1 EuGH v. 21.9.1999 – C-307/97 – St. Gobain, EuGHE 1999, I-6181, st. Rspr. 2 EuGH v. 6.6.2000 – C-35/98 – Verkoijen, EuGHE 2000, I-4113. 3 Dölker/Ribbrock, BB 2007, 1928; Schnitger, IStR 2005, 493; Schön in FS Wassermeyer, S. 489; Schönfeld, DB 2007, 80; Rehm/Nagler, IStR 2011, 622; Völker, IStR 2009, 705; Zorn, IStR 2010, 190; Haslehner, IStR 2008, 565 (568 f.).
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zumal Art. 64 AEUV Sonderregelungen für den Kapitalverkehr mit Drittstaaten enthält. b) Konzernbesteuerungssysteme Bei einem Konzern als einer Gruppe von rechtlich eigenständigen Kapitalgesellschaften, die wirtschaftlich eine Einheit bilden,1 knüpft die Körperschaftsteuer an die Rechtsform an und jede Konzerngesellschaft stellt ein eigenes Steuersubjekt dar, dessen Gewinne oder Verluste separat der Besteuerung zugrunde gelegt werden. Um ein dem Ergebnis des gesamten Konzerns entsprechende Besteuerung zu ermöglichen, haben die Staaten unterschiedliche Systeme der Konzernbesteuerung entwickelt. Hier lassen sich unterscheiden: – Einheitssysteme Bei ihnen werden die Ergebnisse einzelner Konzernunternehmen zusammengefasst der Besteuerung unterworfen. Im Einzelnen bestehen erhebliche Unterschiede in der Ausgestaltung der Einheitssysteme in ihren Voraussetzungen, Ausgestaltungen und Folgen. Die deutsche Organschaft, niederländische Fiscale Eenheid2 oder die französische, integration fiscale3 können hierzu gerechnet werden, bei allen Unterschieden im Detail. – Verlustübertragungssysteme Im britischen Loss-Surrender-System4 kann innerhalb eines Konzerns ein Unternehmen, das einen Verlust erzielt, diesen auf ein anderes konzernangehöriges Unternehmen, das einen Gewinn erzielt, übertragen, wobei je nach Beteiligungsverhältnissen gewisse Restriktionen gelten. – Beitragssysteme In den skandinavischen Staaten5 kann ein konzernangehöriges Unternehmen seinen Gewinn ganz oder teilweise auf ein anderes Unternehmen übertragen, was bei ihm wie eine Betriebsausgabe und beim empfangenden Unternehmen wie eine Betriebseinnahme behandelt wird. In Ländern ohne explizite Systeme einer Konzernbesteuerung kann durch Gestaltungen – Übertragungen von Verlustquellen oder ertragreichen Teilbetrieben, Verschmelzungen, Finanzierungen, Teilwertabschreibungen auf Beteiligungen o.ä. – ein vergleichbares Ergebnis erzielt werden. 1 Vgl. eingehend Kerssenbrock in Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht2, S. 56 ff. 2 Vgl. EuGH v. 25.2.2010 – C-337/08 – X Holding BV, BFH/NV 2010, 1064; hierzu auch Koch, Die steuerliche Einheit im Rahmen von Gruppenbesteuerungsmodellen. 3 Scheunemann, Grenzüberschreitende konsolidierte Konzernbesteuerung (Vergleich Organschaft und intégration fiscale). 4 Vgl. die Darstellung in Marks & Spencer, EuGH v. 13.12.2005 – C-446/03, EuGHE 2005, I-10886. 5 Darstellung in OY AA, EuGH v. 18.7.2007 – C-231/05, EuGHE 2007, I-6373.
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1.127
Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht
1.128 Grenzüberschreitend angewandt werfen diese Systeme Probleme auf. Der EuGH hat bisher zu dem britischen Verlustzuweisungssystem (Marks & Spencer), dem skandinavischen System (Oy AA) und der niederländischen Regelung (X Holding) judiziert. Er geht von dem Grundsatz1 aus, dass jeder Staat die innerhalb seines Staatsgebietes erwirtschafteten Ergebnisse besteuern kann. Dies bezeichnet er überwiegend als Territorialitätsprinzip.2 Dies bedeutet für ihn, dass ein Gewinn, den ein Unternehmen, auch wenn es zu einem internationalen Konzern gehört, in einem Staat erwirtschaftet hat, dort auch besteuert werden kann. Den Unternehmen ist es nicht erlaubt, Gewinne über die Grenze zu verschieben und der Besteuerung zu entziehen. auch wenn dadurch In- und Auslandssachverhalte unterschiedlich behandelt werden.3 Mit diesem Grundsatz ist die Entscheidung im Fall Marks & Spencer4 nur schwer in Einklang zu bringen, denn es macht keinen Unterschied, ob ein Gewinn einer Muttergesellschaft deshalb nicht besteuert wird, weil er auf eine ausländische Tochtergesellschaft mit einem Verlust übertragen wird, oder ob der Gewinn der Muttergesellschaft durch den übertragenen Verlust der Tochtergesellschaft geschmälert wird. Dieser Widerspruch erweist sich als nur scheinbarer, wenn man die Argumentationskette des EuGH genau betrachtet: „die Gewährung eines Gruppenbesteuerungssystems nur für inländische Konzerne und nicht auch grenzüberschreitend stellt eine Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit dar. Diese Beeinträchtigung ist aber aus zwei Gründen gerechtfertigt: erstens um eine doppelten Verlustberücksichtigung zu verhindern und zweitens zur Sicherung des Rechts zur Besteuerung der im Staatsgebiet erwirtschafteten Ergebnisse. Beides steht aber unter dem Vorbehalt der Achtung der Verhältnismäßigkeit. Die Gefahr der doppelten Verlustberücksichtigung besteht nicht bei finalen Verlusten. Demgegenüber mindert auch ein finaler Verlust das Recht eines Staates zur Besteuerung nach dem Territorialitätsprinzip, was der EuGH in Marks & Spencer ausdrücklich darlegt (Rz. 36, 45 f. des Urteils).“
Diese Entscheidung ist jedoch von Oy AA und X-Holding abzugrenzen, in denen der EuGH in den Vordergrund stellt, dass ein Unternehmen nicht darüber frei entscheiden kann, in welchem Staat sich Verluste auswirken und demgemäß Gewinne nicht besteuert werden. In beiden Verfahren ging es um laufende Verluste. In Marks & Spencer bezog sich die Unverhältnismäßigkeit auf den Ausschluss der Übertragung finaler Verluste.5 Generalanwältin Kokott6 kommt daher zu dem Ergebnis, dass eine grenzüberschreitende steuerliche Einheit die Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse durch die Staaten missachtet. Dies gilt, so muss man 1 EuGH anerkannt seit EuGH v. 15.5.1997 – C-250/95 – Futura, EuGHE 1997, I-2471 u. I-2492. 2 Obwohl völkerrechtlich damit etwas anderes gemeint ist. Vgl. Meissner, Einführung in das Völkerrecht, S. 194 ff.; Dahm/Delbrück/Wolfram, Völkerrecht I/1, S. 316 ff. 3 EuGH v. 18.7.2007 – C-231/05 – Oy AA, EuGHE 2007, I-6373. 4 EuGH v. 13.12.2005 – C-446/03 – Marks & Spencer, EuGHE 2005, I-10886. 5 Wobei die Finalität in Rz. 1.120 umschrieben wird. 6 C-337/08 – X-Holding Rz. 63, 70.
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hinzufügen, unabhängig davon, ob die Verluste final sind oder nicht. Das Ergebnis des EuGH ist daher nicht eine logisch zwingende Ableitung aus der Norm, sondern eine Abwägung der miteinander konkurrierenden Rechte der Niederlassungsfreiheit und des Territorialitätsprinzips im Sinne des Versuchs, eine praktische Konkordanz herzustellen. Erlaubt ein Staat Teilwertabschreibungen1 auf Beteiligungen – sei es bereits bei laufenden Verlusten, sei es erst bei Liquidation der Tochtergesellschaft – nur bei inländischen Tochtergesellschaften, so verletzt diese Ungleichbehandlung die Niederlassungsfreiheit. In diesen Fällen wird der Verlust dessen berücksichtigt, was die Muttergesellschaft in die Tochtergesellschaft investiert hat, d.h. ein tatsächlicher Verlust im Vermögen der Mutter. Eine Nichtberücksichtigung dieses tatsächlichen Verlustes würde die Auslandsinvestition erheblich erschweren. Sind jedoch derartige Abschreibungen innerstaatlich nicht zugelassen – wie in Deutschland gem. § 8b KStG, so ist es kaum begründbar, dass sogar ein darüber hinaus gehender Verlust der Tochtergesellschaft berücksichtigt werden müsste, wenn er final ist. Eine Entscheidung des EuGH zu dieser Frage steht noch aus.
1.129
c) Folgerungen für eine grenzüberschreitende Organschaft Welche Schlüsse aus den Entscheidungen des EuGH für die deutsche Organschaft zu ziehen sind, ist umstritten.2 Die deutsche Organschaft unterscheidet sich von den den bisher entschiedenen Fällen zugrundeliegenden Gruppenbesteuerungssystemen. Diesen Entscheidungen kann aber immerhin zweierlei entnommen werden:
1.130
1. Es stellt eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit dar,3 dass die Organschaft nur dann möglich ist, wenn Organgesellschaft und Organträger im Inland ansässig sind, und 2. Deutschland kann als Rechtfertigung für diese Verletzung Maßnahmen ergreifen, um zu verhindern, dass von Gesellschaften in seinem Territorium erwirtschaftete Gewinne beliebig durch die Unternehmen ins Ausland transferiert und dadurch seiner Besteuerung entzogen werden, bzw. dass ein vergleichbarer Effekt durch Verlusttransfer ins Inland eintritt.
Daher sind die einzelnen Voraussetzungen und Rechtsfolgen er Organschaft daraufhin zu prüfen, ob sie in verhältnismäßiger Weise der Erreichung dieses Zieles dienen. Dies entspricht dem „Per-Element-Approach“4 der Generalanwältin Kokott im Fall X-Holding. Von den Voraussetzungen der Organschaft stehen vor allem die Inlandserfordernisse und der Ergebnisabführungsvertrag in der Kritik. Die übri1 Entsprechendes gilt beim Ausfall von der Tochter gewährten Krediten. 2 Vgl. Mössner, DWS Symposium 2011 m.w.N. 3 Möglichweise auch der Kapitalverkehrsfreiheit im Verhältnis zu Drittstaaten s. Rz. 1.109. 4 De Wilde, ECTR 2010, 179.
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1.131
Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht
gen Voraussetzungen wie z.B. die finanzielle Eingliederung enthalten keine Nichtansässige diskriminierende Elemente. Nachdem der BFH1 aus dem Diskriminierungsverbot des DBA-USA herleitete, dass eine in den USA gegründete Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland Organträger sein kann,2 hat die Europäische Kommission wegen des erforderlichen doppelten Inlandsbezugs des Organs ein Vertragsverletzungverfahren gegen Deutschland am 29.1.2009 eingeleitet.3 Mit Schreiben vom 28.3.20114 hat das BMF reagiert. Danach kann eine im EU/EWRAusland gegründete Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland ihr im Inland steuerpflichtiges Einkommen auf einen Organträger gem. § 14 Abs. 1 Nr. 2 KStG bzw. § 18 KStG übertragen. Das Erfordernis eines Ergebnisabführungsvertrages ist dann diskriminierend,5 wenn er so ausgestaltet ist, dass er grenzüberschreitend nicht abgeschlossen werden kann. Reduziert man ihn auf eine Verlustübernahmeverpflichtung6 des Organträgers oder sieht von den Formalien des AktG ab, so stellt er grenzüberschreitend kein unüberwindbares Hindernis dar.
1.132 Die Rechtsfolgen der Organschaft sind vielfältig. Gem. §§ 14 ff. KStG bleibt die steuerliche Selbständigkeit der Organgesellschaft unangetastet und lediglich ihr steuerliches Einkommen wird dem Organträger zugerechnet. Grenzüberschreitend würde die Zurechnung des Einkommens bewirken, dass einem im Inland ansässigen Organträger das Einkommen einer ausländischen Organgesellschaft zugerechnet und damit im Inland besteuert würde. Europarechtlich würde dies gegen die Grundsätze der OY AA-Entscheidung7 verstoßen, abgesehen davon, dass auch die DBA dem widersprechen dürften. Gleiches gilt für den umgekehrten Fall – im Inland ansässige Organgesellschaft mit ausländischem Organträger. Das Unterbinden der grenzüberschreitenden Zurechnung des Einkommens des Organs ist folglich zur Wahrung der Besteuerungsbefugnisse der Staaten gerechtfertigt.8 Im Hinblick darauf erweist sich das Erfordernis des Ergebnisabführungsvertrages als überflüssig und damit unverhältnismäßig. Dies gilt umso mehr, als finale Verluste auch ohne Ergebnisabführungsvertrag nach der Rechtsprechung des EuGH (s. Rz. 1.20) von der Muttergesellschaft zu übernehmen sind.
1.133 Anders zu beurteilen ist die Frage, ob einzelne Vorteile einer Organschaft in grenzüberschreitenden, vergleichbaren Situationen verweigert werden können. Der BFH hat für diese Fälle den Begriff der gedachten faktischen 1 2 3 4 5
BFH v. 29.1.2003 – I R 6/99, BStBl. II 2004, 1043 – Delaware. So auch § 14 Abs. 1 Nr. 2 i.d.F. des Gesetzes v. 20.12.2001, BGBl. I 2001, 3858. Nr. 2008/4909; vgl. Meilicke, DB 2009, 653. IV C 2 - S 2770/09/1001, DB 2011, 793. Vgl. Kleinert/Nagler/Rehm, DB 2005, 1869 ff.; Herzig, DStR, Beihefter zu Heft 30/2010, S. 61 ff. 6 FG Rh.-Pf. v. 12.3.2010 – 1 K 2406/07, EFG 2010, 1632; Nds. FG v. 11.2.2010 – 6 K 406/08, EFG 2010, 815. 7 EuGH v. 18.7.2007 – C-231/05 – Oy AA, EuGHE 2007, I-6373. 8 Ebenso Rehm/Nagler, IStR 2008, 129 (138).
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Organschaft eingeführt.1 Im Verfahren X-Holding ging es um die Verweigerung der Vorteile eines Verlustausgleichs, der vereinfachten Steuererklärungspflichten, der steuerfreien Umwandlungen und der Neutralisierung interner Geschäfte. Aus deutscher Sicht2 handelt es sich vor allem um die Schachtelstrafe (§ 8b Abs. 5 KStG), die Zinsschranke (§ 15 Nr. 3 KStG) und die gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen, die durch Bildung einer Organschaft vermieden werden können. Zu letzterer hat der BFH3 entschieden, dass die Hinzurechnung der Darlehenszinsen einen Verstoß gegen das DBA-Diskriminierungsverbot darstellt, was sich auf die Niederlassungsfreiheit übertragen lässt.4 Offen ist allerdings, was die genauen Voraussetzungen für die entsprechende Anwendung der Regeln über die Organschaft sind, denn die bloße finanzielle Eingliederung gem. § 14 Abs. 1 Nr. 1 KStG reicht sicher nicht aus. Entgegen dem Bericht5 der Arbeitsgruppe „Verluste und Gruppenbesteuerung“ der Finanzverwaltung besteht daher dringender gesetzgeberischer Handlungsbedarf. 3. Grenzüberschreitende Dividenden a) Einführung Ein europäisches Körperschaftsteuersystem gibt es nicht. Die Mitgliedstaaten haben sich für verschiedene Systeme entschieden. Bei jedem stellt sich das Problem der wirtschaftlichen Doppelbelastung des Gewinns der Kapitalgesellschaft mit Körperschaftsteuer und der Dividende beim Anteilseigner. Zur Vermeidung der Doppelbelastung wenden die Staaten verschiedene Methoden an, die im Ergebnis eine angemessene Besteuerung des Gewinns unter Berücksichtigung der Steuer bei der Gesellschaft und beim Gesellschafter erreichen wollen. In grenzüberschreitenden Situationen, in denen ein Staat entweder die Gesellschaft oder den Gesellschafter besteuert, funktionieren diese Methoden nicht, so dass die Staaten die Entlastungen zur Sicherung ihrer Besteuerung nicht anwenden. Im klassischen dualistischen System der Körperschaftsteuer werden Körperschaft und Gesellschafter unabhängig von einander besteuert. Zur Vermeidung der Doppelbelastung wird dann die Körperschaftsteuer auf ausgeschüttete Gewinne gemindert. Dies hat zur Folge, dass der Staat einen nichtansässigen Anteilseigner nicht uneingeschränkt besteuern kann. Daher versagt er die Minderung der Körperschaftssteuer, wenn die Dividende an Ausländer gezahlt wird.
Die Rechtsprechung des EuGH zu diesem Komplex ist umfangreich und versucht, die unterschiedlichen Aspekte zum Ausgleich zu bringen. An1 2 3 4 5
BFH v. 9.11.2010 – I R 16/10, BFH/NV 2011, 524. S. Heurung/Engel/Thiedemann, FR 2011, 212 (217 f.). BFH v. 9.2.2011 – I R 54, 55/10, BFH/NV 2011, 920. Mössner, Anm. zu Hess-FG v. 18.5.2010 – 8 K 3137/06, IStR 2010, 778 f. Bericht 10.11.2011: Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung; http:// www.bundesfinanzministerium.de/nn_306/DE/Wirtschaft__und__Verwaltung/ Steuern/Veroeffentlichungen__zu__Steuerarten/Koerperschaftssteuer__Umwand lungssteuerrecht/001__a,templateId=raw,property=publicationFile.pdf.
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Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht
gesichts der Vielzahl der nationalen und der in den DBA enthaltenen Regelungen sind die Entscheidungen oft sehr speziell. Im Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft geht es um die Besteuerung der Gesellschaft selbst (Rz. 1.135) und der Dividendenempfänger (Rz. 1.138) als Ansässige und Nichtansässige. Im Staat des Gesellschafters ist die steuerliche Behandlung von Inlandsdividenden mit der von Auslandsdividenden zu vergleichen (Rz. 1.143) b) Besteuerung der ausschüttenden Gesellschaft
1.135 Die auf Gewinne einer Kapitalgesellschaft erhobene Körperschaftsteuer bei nach dem jeweiligen Steuerrecht ansässigen Gesellschaften darf nicht danach unterschieden werden, ob die Gesellschafter im Ansässigkeitsstaat ansässig sind oder nicht.1
1.136 Das Unionsrecht überlässt es jedem Mitgliedsstaat, ein System zur Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbelastung einzuführen.2 Erfolgt dies durch Maßnahmen auf der Ebene der Besteuerung der Kapitalgesellschaft, so darf dann nicht nach der Ansässigkeit der Anteilseigener unterschieden werden. Dieses Prinzip der Gleichbehandlung hat der EuGH3 auch darauf angewandt, dass Deutschland eine Ausschüttungsbelastung beim früheren Anrechnungssystem selbst dann hergestellt hat, wenn die Ausschüttung an einen Ausländer erfolgte, der ein Körperschaftsteuerguthaben nicht geltend machen konnte.
1.137 Die Zinsschranke behandelt Zinszahlungen ins Ausland in gleicher Weise wie solche ins Inland, stellt demnach eine nicht diskriminierende Regel zur Gewinnermittlung inländischer Gesellschaften auf. Der BFH4 hielt hinsichtlich der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Zinsen gem. § 8 GewStG einen Verstoß gegen die Zins- und Lizenzrichtlinie5 für möglich. Dabei stützte er sich auf die Entscheidung Athinaiki Zythopoiia,6 die jedoch den nach der Mutter-Tochter-RL untersagten Abzug an der Quelle bei Ausschüttungen bei ausländischen Gesellschaften als Anteilseigner betraf. Griechenland umging dieses Verbot dadurch, dass die ausschüttende, in Griechenland ansässige Gesellschaft mit einer Dividendensteuer belegt wurde. Der EuGH sah darin einen verbotenen Abzug an der Quelle, weil die Steuer – durch die Zahlung der Dividende ausgelöst wurde – letztlich die ausländische Gesellschaft traf und – auf der Basis der Höhe der Dividende ermittelt wurde. 1 EuGH v. 29.4.1999 – C-311/97 – Royal Bank of Scotland; EuGHE 1999, I-2664. 2 EuGH v. 12.12.2006 – C-375/04 – Test Claimants in Class IV of the ACT Litigation, Rz. 50 ff., EuGHE 2006, I-11673. 3 EuGH v. 26.6.2008 – C-284/06 – Burda, EuGHE 2008, I-4571. 4 Vorlagebeschl. BFH v. 27.5.2009 – I R 30/08, BFH/NV 2009, 2059. 5 RL 2003/49/EG v. 3.6.2003. 6 EuGH v. 4.10.2001 – C-294/99, EuGHE 2001, I-6813.
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Der EuGH1 ist dem zu Recht nicht gefolgt. Der ausländische Darlehensgeber erhält denselben Zins unabhängig von der Abziehbarkeit des Zinses beim Darlehensnehmer: die Hinzurechnung führt „nicht zu einer Verringerung der Einkünfte des Gläubigers“ (Rz. 30 des Urteils) Dies lässt sich auf die Zinsschranke, die eine Regelung der Gewinnermittlung für die inländische Gesellschaft darstellt, übertragen. c) Besteuerung der Dividende im Quellenstaat Nimmt eine Kapitalgesellschaft eine Gewinnausschüttung – stellvertretend wird im Folgenden die offene Ausschüttung in Form der Dividende behandelt – vor, so erhebt der Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft auf die Dividende in der Regel eine Steuer, bei ansässigen Anteilseignern im Rahmen deren Besteuerung, bei Nichtansässigen im Wege einer Abzugssteuer auf die Dividende.2 Zur Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbelastung wenden die Staaten unterschiedliche Methoden an. Zusammenfassend kann man feststellen, dass der EuGH die Gleichbehandlung in- und ausländischer Anteilseigner fordert.
1.138
Zur Vermeidung eines Kaskadeneffekts der Besteuerung stellen viele Staaten eine Dividenden empfangende Kapitalgesellschaft von der Besteuerung frei. Deutschland sieht dies in § 8b Abs. 1 KStG vor, indem Gewinnausschüttungen außer Ansatz bleiben. Die auf die Dividende gem.§ 43 Abs. 1 Nr. 1 EStG erhobene Kapitalertragsteuer wird bei einer unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaft gem. § 31 Abs. 1 KStG i.V.m. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG auf die Körperschaftsteuer angerechnet bzw. erstattet und gem. § 43b EStG entsprechend der Mutter-Tochter-RL nicht erhoben, wenn die ausländische Gesellschaft zu mindestens 10 v.H. (§ 43b Abs. 3 EStG) an der ausschüttenden Gesellschaft beteiligt ist. Bei einer nicht diese Schwelle erreichenden Beteiligung einer ausländischen Gesellschaft (Portfolio-Beteiligung) wird die erhobene Kapitalertragsteuer gem. § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG endgültig. Dies stellt eine nicht zu rechtfertigende Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit dar.3 Die Rechtsprechung des EuGH hat dies in vergleichbaren Fällen4 ständig so entschieden.
1.139
Bereits in der Denkavit-Entscheidung geht er davon aus, dass die Steuerfreiheit der Dividenden bei einer inländischen Muttergesellschaft ein Teil der Maßnahme zur Vermeidung der mehrfachen Belastung darstellt (Rz. 37 des Urteils). Dies rechtfertigte es aber nicht, ansässige und nichtansässige Muttergesellschaften unterschiedlich zu behandeln (Rz. 26–29 des Urteils). Das Argument, durch den Ausschluss ausländischer Muttergesellschaften solle verhindert werden, dass diese jeglicher 1 EuGH v. 21.7.2011 – C-397/09 – Scheuten Solar Technology, IStR 2011, 590. 2 Wegen des Zusammenhangs wird dies hier und nicht bei der systematisch richtigeren beschränkten Steuerpflicht (s. Rz. 2.84) behandelt wird. 3 EuGH v. 20.10.2011 – C-284/09 – Kommission gg. Deutschland, IStR 2011, 840. 4 EuGH v. 12.12.2006 – C-374/04 – Test Claimants in Class IV of the ATC Group Litigation, EuGHE 2006, I-11673; v. 14.12.2006 – C-170/05 – Denkavit International, EuGHE 2006, I-11949; v. 8.11.2007 – C-379/05 – Amurta, EuGHE 2007, I-9569; v. 3.6.2010 – C-487/08 – Komm./Spanien, IStR 2010, 483.
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Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht Besteuerung entgingen (Rz. 32 des Urteils), weist er zurück, da der Kaskadeneffekt, der durch die Steuerfreiheit bei der Muttergesellschaft verhindert bzw. abgemildert werden soll, bei ausländischen wie bei inländischen Muttergesellschaften auftritt. Als zweites brachte Frankreich die Verteilung der Besteuerung durch das DBA vor. Der EuGH erkennt die entsprechende Zuständigkeit der Staaten durchaus an (Rz. 43 des Urteils), misst die Ausübung dieser Zuständigkeit aber an den Grundfreiheiten (Rz. 44 des Urteils). Das Argument, der Staat der Dividenden empfangenden Muttergesellschaft müsse für einen Ausgleich sorgen (Rz. 53 des Urteils), vermöge nicht zu rechtfertigen, dass ansässige und nichtansässige Muttergesellschaften unterschiedlich behandelt würden (Rz. 49 des Urteils).
1.140 Die Entscheidung des EuGH vom 20.10.20111 betrifft solche ausländische Gesellschaften, die die Mindestbeteiligung im Rahmen der Mutter-Tochter-RL nicht erreichen. Der BFH2 hatte in Verkennung der Rechtsprechung des EuGH in der Endgültigkeit der Kapitalertragsteuer in diesen Fällen keinen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit gesehen, da er fälschlicherweise den Ansässigkeitsstaat zur Beseitigung der wirtschaftlichen Doppelbelastung verpflichtet ansah. Der EuGH hingegen geht von einer nicht gerechtfertigten Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit aus. Die BFH-Entscheidung widerspricht der EuGH-Entscheidung.3 Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung4 ist den betroffenen Anteilseignern Befreiung von oder Erstattung der Kapitalertragsteuer zu gewähren.5 Damit stellt sich die Frage der Auswirkung auf Muttergesellschaften in Drittstaaten. Im Urteil vom 26.11.20086 geht der BFH davon aus, dass im Verhältnis zu Drittstaaten die Kapitalverkehrsfreiheit auch bei unternehmerischen Beteiligungen zur Anwendung kommt, da die Regelung des § 8b Abs. 1 KStG unabhängig von der Beteiligungshöhe gilt. Folgerichtig müsste dann auch einer Muttergesellschaft in einem Drittstaat die Kapitalertragsteuer erstattet werden.7
1.141 Soweit die Kapitalertragsteuer als Abgeltungssteuer gem. § 43 Abs. 5 EStG auch für Inländer endgültig ist, liegt keine unterschiedliche Behandlung von nichtansässigen Anteilseignern vor, wenn bei diesen die Kapitalertragsteuer gem. § 50 Abs. 2 S. 1 EStG abgeltende Wirkung besitzt. Ebenso bestehen keine unionsrechtlichen Bedenken, wenn die abgeltende Wirkung gem. § 50 Abs. 2 S. 2 EStG entfällt. Die Versagung des Teileinkünfteverfahrens bei beschränkter Steuerpflicht8 ist nach der EuGH-Ent-
1 2 3 4 5 6 7 8
EuGH v. 20.10.2011 – C-284/09 – Kommission gg. Deutschland, IStR 2011, 840. BFH v. 22.4.2009 – I R 53/07, BStBl. II 2009, 143. Unklar insoweit Gosch, BFH/PR 2011, 455. Etwa durch Herausnahme der Portfolio-Beteiligungen aus dem Anwendungsbereich von § 8b Abs. 1 KStG. Zu den Einzelheiten vgl. Schnitger, DB 2012, 305 (307 f.). BFH v. 26.11.2008 – I R 7/08, FR 2009, 761; BFHE 224, 50 – eine hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht angenommen. Vgl. Gosch, BFH/PR 2009, 224; sowie BFH v. 11.1.2012 – I R 29/10, DStR 2012, 836. Ebenso Schnitger DB 2012, 309. Gosch in Kirchhof11, § 50 EStG Rz. 16.
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scheidung vom 20.10.20111 nicht mehr aufrecht zu erhalten. Was dies bedeutet, ist jedoch unklar. Beispiel: Der im Ausland ansässige Einzelunternehmer E hält in seinem (ausländischen) Betriebsvermögen Anteile an der im Inland ansässigen X-GmbH. Wäre E im Inland unbeschränkt steuerpflichtig, wären bei ihm nur 60 v.H. der Gewinnausschüttungen der X in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Die Kapitalertragsteuer wird bei E mit 25 v.H. von der Dividende erhoben. Dies entspräche einem Steuersatz von 42 v.H. bei einem Inländer.
Somit lässt die Rechtsprechung des EuGH folgende Linie erkennen: Besteuert der Ansässigkeitsstaat der Kapitalgesellschaft die Gesellschaft und den Gesellschafter, so setzt er die Ursache für die Doppelbelastung. Sieht er Entlastungsmaßnahmen für Ansässige vor, so muss er diese auch Nichtansässigen gewähren. Erhebt er auf die Dividende eine Quellensteuer, so muss er ggf. in einem DBA sicherstellen, dass diese nicht zu einer endgültigen Belastung wird.
1.142
d) Besteuerung der Dividende im Empfängerstaat Der Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers sieht sich in einer vergleichbaren Lage wie der Staat der Gesellschaft, wenn er zur Vermeidung der Doppelbelastung beim Dividendenempfänger Entlastungsmaßnahmen vorsieht, weil er ja bereits die Gesellschaft mit Körperschaftssteuer belastet hat. Aufgrund dieser Erwägung versagen Staaten die günstigere Besteuerung von Inlandsdividenden auch für Auslandsdividenden. Bei der Besteuerung der Dividenden beim Empfänger wird die körperschaftsteuerliche Vorbelastung beim Voll- oder Teilanrechnungssystem berücksichtigt. Auch Teileinkünfteverfahren beruhen auf diesem Gedanken. Da bei Auslandsdividenden ein Staat die Körperschaftsteuer der ausschüttenden Gesellschaft nicht kassiert, verweigern Staaten oft die geminderte Besteuerung dieser Dividenden.
1.143
Der EuGH hat erstmals am 6.6.2000 in der Sache Verkoijen2 über einen derartigen Fall zu entscheiden gehabt.
1.144
Herr Verkoijen war in den Niederlanden ansässig und hielt Aktien der belgischen Petrofina NV. 1991 erhielt er eine Dividende, die in Belgien mit einer Quellensteuer von 25 % besteuert wurde. In den Niederlanden wurde die Dividende ebenfalls besteuert, wobei jedoch der Dividendenfreibetrag des niederländischen Steuerrechts verweigert wurde, da dieser nur für Dividenden niederländischer Gesellschaften gewährt wurde.
Der EuGH stellt fest, dass die Verweigerung des Freibetrages für Auslandsdividenden in den Niederlanden Ansässige davon abhalten kann, ausländische Aktien zu erwerben. Da die Folge eine geringere Rendite ist, lag ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit vor (Rz. 34 des Urteils). 1 EuGH v. 20.10.2011 – C-284/09 – Kommission gg. Deutschland, IStR 2011, 840. 2 EuGH v. 6.6.200 – C-35/98, EuGHE 2000, I-4113.
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Aber auch ausländische Kapitalgesellschaften werden in ihrer Möglichkeiten der Kapitalbeschaffung behindert (Rz. 35 des Urteils). Die Niederlande trugen als Rechtfertigung vor, durch die Versagung des Freibetrages solle die Investition von Niederländern in den Niederlanden gefördert werden (Rz. 47 des Urteils), was geradezu ein klassisches dem Binnenmarkt widersprechendes Motiv ist.
1.145 Nach dieser Entscheidung. war zu erwarten, dass die Verweigerung der Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer im Anrechnungsverfahren europarechtswidrig war. Dies entschied der EuGH entsprechend.1 Aus deutscher Sicht stellt sich ein Folgeproblem, da die Anrechnung der Körperschaftsteuer an die Vorlage einer Körperschaftssteuerbescheinigung der ausschüttenden Gesellschaft geknüpft war.2 Dass die ausländischen Gesellschaften keine ausländischen Steuerbescheinigungen augestellt hatten, führt zu der weiteren Frage,3 ob die ausländische Körperschaftsteuerbelastung auch anders nachgewiesen werden kann, was der EuGH bejahte. Der BFH4 sieht in der Vorlage einer Bescheinigung ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung, um gleichwohl die Anrechnung zu verhindern, wurde5 vorsorglich § 175 Abs. 2 AO um einen weiteren Satz ergänzt, der in allen bestandkräftig veranlagten Fällen eine Erstattung ausschließen soll. Auch dies hat der EuGH beanstandet.
1.146 Im Halb- bzw. ab 2008 Teileinkünfteverfahren wird kein Unterschied mehr gemacht, ob der Inländer die Dividenden von einer inländischen oder ausländischen Kapitalgesellschaft erhält. Insofern ist das Verfahren nun europarechtskonform.6 e) Ergebnis
1.147 Die Rechtsprechung zeigt deutlich das Verständnis des EuGH der Grundfreiheiten als Diskriminierungsverbote. Dies bedeutet für ihn, dass ein Staat das von ihm gewählte System der Beseitigung der wirtschaftlichen Doppelbelastung auf jeder Stufe – bei der Kapitalgesellschaft selbst und bei der Besteuerung des Anteilseigners – Inländern und Ausländern in gleicher Weise gewähren muss.7 Führt dies im Ergebnis gleichwohl zu Be1 EuGH v. 7.9.2004 – C-319/02 – Manninen, EuGHE 2004, I-7498; v. 6.3.2007 – C-292/04 – Meilicke, EuGHE 2007, I-1835. 2 §§ 36 Abs. 2 Nr. 3, 44 f. EStG a.F. 3 EuGH v. 30.6.2011 – C-262/02 – Meilicke II, IStR 2011, 551; vgl. Mössner, Rückgewähr europarechtswidrig erhobener Steuern, In: Europa im Wandel (FS Rengeling), Köln 2008, S. 339 ff. (352). 4 Vgl. BFH v. 6.3.2003 – XI R 13/02, BStBl. II 2003, 554; s. auch Loose in T/K, § 175 AO Rz. 46 ff. (49). 5 G 9.12.2004, BGBl. I 2004, 3323. 6 Zur Europarechtlichen Motivation die Einführung des (Halb-)Teileinkünfteverfahrens vgl. Intemann in H/H/R § 3 Nr. 40 EStG Rz. 4 m.w.N. 7 Vgl. auch EuGH v. 19.11.2009 – C-540/07 – Komm./Italien, EuGHE 2009, I-10983.
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Mössner
F. Einfluss des Europarechts
lastungen oder Vergünstigungen, da die Systeme nicht aufeinander abgestimmt sind, so ist dies angesichts der fehlenden Harmonisierung hinzunehmen. 4. Finanzierung Viele Staaten sehen unilateral in ihrem nationalen Recht – wie Deutschland – oder im Wege eines DBA Steuerfreiheit vor, wenn Kapitalgesellschaften Gewinnausschüttungen anderer Kapitalgesellschaften erhalten. Üblicherweise ist dies an eine Mindestbeteiligungsquote geknüpft (Schachtelprivileg), kann aber auch wie in Deutschland mit § 8b Abs. 1 KStG voraussetzungslos gewährt werden. Ist die Beteiligung selbst mit Kredit finanziert worden, so stellt sich die Frage der Abziehbarkeit der entsprechenden Finanzierungsaufwendungen, in der Regel der Bankzinsen (vgl. auch Kapitel 11 zu internationalen Finanzierungen).
1.148
Der vom EuGH entschiedene Musterfall ist die Rs. Bosal.1
1.149
Das niederländische Steuerrecht ließ Ausgaben im Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen nicht zum Abzug zu. Als solche wurden auch Kosten von Krediten definiert, die sechs Monate vor dem Erwerb einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft aufgenommen wurden. Die Dividenden, die Bosal von den neun Tochtergesellschaften erhielt, waren in den Niederlanden steuerfrei. Trotz Steuerfreiheit der Dividenden konnten die Zinsaufwendungen dann abgezogen werden, wenn sie zur Erzielung von in den Niederlanden zu versteuernden Einkünften führen. Dies ist bei niederländischen Tochtergesellschaften der Fall, aber auch, wenn eine ausländische Tochtergesellschaft in den Niederlanden eine Betriebsstätte unterhält, nicht aber bei ausländischen Tochtergesellschaften ohne Betriebsstätten in den Niederlanden.
Hierin sah der Gerichtshof eine nicht zurechtfertigende Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit. Bemerkenswert ist, dass die Mutter-TochterRL den Ausschluss von Finanzierungsaufwand bei steuerfreien Dividenden zulässt.2 Darin sieht der EuGH einen Verstoß der RL gegen höherrangiges Vertragsrecht (Rz. 22 ff., 41 des Urteils). 5. Wegzugsbesteuerung Die gesetzliche Regelung der sog. Entstrickungslehre in § 4 Abs. 1 EStG, § 6 AStG und § 12 KStG gerät offensichtlich in Konflikt mit der Niederlassungsfreiheit. Zur Entstrickung kommt es entweder durch den Wegzug einer natürlichen Person oder eines Körperschaftsteuersubjekts aus dem Inland ins Ausland, wenn dadurch stille Reserven in ihr gehörenden Wirtschaftsgüter nicht mehr der deutschen Besteuerung unterliegen, oder dadurch, dass einzelne Wirtschaftsgüter ins Ausland überführt und dadurch deren stille Reserven der deutschen Besteuerung entzogen werden. Die Fälle sind vielfältig: 1 EuGH v. 18.9.2003 – C-168/01, EuGHE 2003, I-9430. 2 RL v. 23.6.1990 – 90/435/EEC, Art. 4 Abs. 2.
Mössner
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1.150
Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht Beispiele: Der im Inland ansässige X ist an der inländischen GmbH D beteiligt. Er verzieht in die Niederlande. Bei einer Veräußerung der GmbH-Anteile schließt das DBA-Niederlande eine Versteuerung des Veräußerungsgewinns in Deutschland aus. Die deutsche Y-GmbH verlegt ihre tatsächliche Geschäftsleitung ins Ausland. „Mitziehende“ Wirtschaftsgüter können nicht mehr im Inland besteuert werden, wenn ein DBA dies ausschließt. Das deutsche Unternehmen verlagert Wirtschaftsgüter in seine ausländische Betriebsstätte oder verlagert den gesamten Betrieb ins Ausland. Das ausländische Unternehmen verlegt eine deutsche Betriebsstätte nach Spanien.
Gemeinsam ist diesen Fällen, dass in den Wirtschaftsgütern stille Reserven vorhanden sind, die sich gebildet haben, als diese der inländischen Besteuerung unterlagen.
1.151 In der beschriebenen Situation stellt sich eine Reihe von Fragen: 1. Kann ein Staat die in seinem Gebiet entstandenen stillen Reserven auch dann besteuern, wenn das betreffende Wirtschaftsgut sein Staatsgebiet und dadurch seinen steuerlichen Zugriff verlässt? 2. Ist der Wegzug ein hinreichendes Element, um eine sofortige Versteuerung der stillen Reserven zu rechtfertigen? 3. Falls nein: Wie kann der Staat sicherstellen, dass bei einer späteren Realisation der stillen Reserven er seinen Anteil versteuern kann? Sicherheitsleistung? 4. Welche Auswirkungen haben nach dem Wegzug eintretende Umstände, z.B. Senkung oder Erhöhung des Steuersatzes, Zerstörung des Gegenstandes, Veräußerung zu einem niedrigen Preis? 5. Kann der Staat verlangen, dass der Wegziehende Zinsen für die Zeit zwischen Wegzug und Realisation zahlt?
1.152 Der EuGH hat zu dieser Thematik inzwischen drei Entscheidungen gefällt: De Lasteyrie du Saillant:1 sie betraf die französische Regelung über den Wegzug einer natürlichen Person und die Auswirkung auf Anteile an Kapitalgesellschaften, wie sie ähnlich in § 6 AStG vorgesehen ist. Nach dieser Entscheidung wurde § 6 AStG geändert. Der BFH hat mit Beschluss vom 23.9.20082 ernstliche Zweifel an der Europarechtskonformität der Neuregelung verneint. N:3 auch dieser Fall betraf den Wegzug – diesmal eines Niederländers – mit Auswirkungen auf die Anteile an Kapitalgesellschaften. N. wurde auf seinen Antrag hin die beim Wegzug festgesetzte Steuer gegen Sicherheitsleistung gestundet.4 Außerdem wurden spätere Wertverluste von einer Berücksichtigung ausgeschlossen. 1 EuGH v. 11.3.2004 – C-9/02, EuGHE 2004, I-2411; die Entsch. v. 21.11.2002 – C-436/00 – X und Y, EuGHE 2002, I-10832, kann in gewisser Weise bereits als Vorläufer gewertet werden (grenzüberschreitende Einbringung von Anteilen). 2 BFH v. 23.9.2008 – I B 92/08, BStBl. II 2009, 524. 3 EuGH v. 7.9.2006 – C-470/04, EuGHE 2006, I-7409. 4 Die später durch eine Verwaltungsmaßnahme ausgesetzt wurde.
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Mössner
F. Einfluss des Europarechts
National Grid Indus:1 eine niederländische Kapitalgesellschaft verlegte 2000 ihren Verwaltungssitz nach Großbritannien und war nach dem DBA-Niederlande/Großbritannien dadurch ansässig geworden. In ihrem Vermögen hielt sie eine Forderung in britischen Pfund. Wegen der Kurssteigerung dieser Währung gegenüber dem niederländischen Gulden war ein (in den Niederlanden nicht realisierter) Kursgewinn von ca. 22 Mio. NLG entstanden, den die Niederlande besteuerten. Diese Urteile des EuGH haben einige grundsätzliche Fragen beantwortet, vor allem National Grid Indus wirft aber neue Fragen auf. Das Gericht anerkennt einerseits, das Recht eines Staates diejenigen stillen Reserven zu besteuern, die unrealisiert beim Wegzug vorhanden sind. In de Lasteyrie Rz. 1.152 bezeichnet der EuGH dies als Sicherstellung der Besteuerung derjenigen Wertsteigerungen, die während des Aufenthaltes im Staat eingetreten sind. Andererseits folgt für ihn aus der Niederlassungsfreiheit, dass der Wegzug als solcher keinen Realisationstatbestand darstellt, so dass eine sofortige Versteuerung der stillen Reserven eine Verletzung der Freiheit bedeutet. In De Lasteyrie wurde die französische Wegzugsbesteuerung deshalb beanstandet, weil sie als Steuerfluchtbekämpfungsmaßnahme ausgestaltet war, dieses Ziel aber inkonsequent verfolgte. In den Entscheidungen N und National Grid Indus hat das Gericht es als gerechtfertigt im Sinne der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse bezeichnet, dass die nicht realisierten Wertzuwächse in dem Staat besteuert werden, in dem sie erzielt werden. In beiden Verfahren wurde die sofortige Erhebung der Steuer jedoch dann als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit angesehen, wenn eine innerstaatliche Sitzverlegung keine Besteuerung stiller Reserven auslöst.
1.153
Nicht eindeutig wird beantwortet, ob beim Wegzug die stillen Reserven oder der auf diesen ruhende (fiktive) Steuerbetrag festgestellt werden dürfen.2 In alle drei Verfahren war die Steuer erhoben worden. Dies wurde vom EuGH als unverhältnismäßig zur Sicherung der Aufteilung der Besteuerungsrechte bezeichnet. Ein Aufschub der Besteuerung ist somit erforderlich. Da die Feststellung der beim Wegzug vorhandenen stillen Reserven das mildere Mittel ist, wird man davon ausgehen können, dass der EuGH dieses nicht bestanden wird, weil er auch die Festsetzung der Steuer hingenommen hat.
1.154
Im Urteil N (Rz. 37, 54 des Urteils) hatte der EuGH nur ein solches System als verhältnismäßig hingenommen, welches Wertminderungen, die nach der Wohnsitzverlegung eintreten, bei der Eintreibung der beim Wegzug festgesetzten Steuer vollständig berücksichtigt, „soweit sie nicht bereits im Aufnahmemitgliedsstaat berücksichtigt werden.“ Im Urteil National Grid Indus hingegen (Rz. 56 des Urteils) beanstandet er die Nichtberücksichtigung von Wertminderungen nach dem Wegzug nicht.
1.155
1 EuGH v. 29.11.2011 – C371/10, DStR 2011, 2334. 2 Zu den verschiedenen Möglichkeiten vgl. Mössner, JbStB 2004/2005, 109 ff.
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Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht
Begründet wird dies damit, dass im Fall N die „entstrickten“ Anteile Privatvermögen waren, bei dem das Zuflussprinzip gilt, wohingegen bei National Grid Indus Vermögenswerte betroffen sind, die „unmittelbar wirtschaftlichen Tätigkeiten zugewiesen (sind), die auf Gewinn ausgerichtet sind“, wobei der Gewinn durch Bewertung in der Bilanz ermittelt werde (Rz. 57 des Urteils). Man kann nur vermuten, was der EuGH damit sagen will. Da beim Zuflussprinzip ein Veräußerungsgewinn erst im Zeitpunkt der Veräußerung aus der Differenz von Veräußerungspreis und Anschaffungskosten entsteht, ist der dann entstehende tatsächliche Veräußerungsgewinn auf den Wegzugs- und den Aufnahmestaat zu verteilen. Letzterer kann nach dieser These folgerichtig dann nur den Teil besteuern, der seinem Staatsgebiet zugeordnet werden kann. Dies ist bei Wertsteigerungen nach dem Wegzug auf der Basis des Wertes im Wegzugszeitpunkt zu ermitteln. Beispiel: Im Zeitpunkt der Wohnsitzverlegung beträgt der Wert der Anteile 200 bei Anschaffungskosten von 100. Bei Veräußerung ist der Wert auf 250 gestiegen. 100 sind dem Wegzugsstaat zuzuordnen.
Wie dies nach Vorstellung des EuGH allerdings bei Wertminderungen erfolgen soll, ist unklar. Beispiel: Wie vorstehend, bei der Veräußerung ist der Wert aber auf 150 gesunken. Folgerichtig wäre, dass der Zuzugsstaat einen Verlust von 50 berücksichtigt, der Wegzugsstaat 100 besteuert. Dies setzt aber voraus, dass der Zuzugsstaat überhaupt Veräußerungsverluste bei im Privatvermögen gehaltenen Anteilen berücksichtigt. Ist dies nicht der Fall, so soll wohl nach Ansicht des EuGH der Wegzugsstaat nur einen Gewinn von 50 besteuern dürfen.
Beim bilanziellen Realisationsprinzip sei es aber so, dass die überführten Wirtschaftsgüter im Zuzugsstaat hinsichtlich der Gewinne und Verluste1 uneingeschränkt berücksichtigt würden, wobei auch (Rz. 57 des Urteils) Abschreibungen die Bemessungsgrundlage verringerten. Der EuGH sieht somit offenbar den Zuzugsstaat als verpflichtet an, die überführten Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert im Zeitpunkt der Verstrickung zu bewerten. Er sagt dies nicht ausdrücklich, da dies nicht Verfahrensgegenstand war, aber seine Ausführungen sind nur unter dieser Voraussetzung in sich schlüssig. Ein System der Bildung von Ausgleichsposten wie in § 4g EStG ist dem grundsätzlich unionskonform.2 Problematisch ist hin1 Rz. 58 des Urteils: „Zusammenhang zwischen den vermögenswerten der Gesellschaft und den steuerpflichtigen Gewinnen und folglich wegen der Symmetrie zwischen dem Recht zur Besteuerung der Gewinne und der Möglichkeit, Verluste in Abzug zu bringen“. 2 Zu Bedenken s. Crezelius in Kirchhof11, § 4g EStG Rz. 9; Holzhäuser in K/S/M, § 4g EStG Rz. A22 f., A45; Frotscher in Frotscher, § 4g EStG Rz. 3 ff.; a.A. Kolbe in H/H/R § 4g EStG Rz. 9; der Ausschluss beschränkt Steuerpflichtiger wird allg. als europarechtswidrig angesehen.
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Mössner
F. Einfluss des Europarechts
gegen die zwingende Auflösung des Postens innerhalb von fünf Jahren. Der EuGH verknüpft die Besteuerung im Herkunftsstaat mit der Berücksichtigung von Wertschwankungen im Zuzugsstaat. Die deutsche Pauschallösung nimmt darauf keine Rücksicht. Im Weiteren diskutiert der EuGH im Urteil National Grid Indus1 die Frage des erforderlichen Verwaltungsaufwands, um das Schicksal der einzelnen Wirtschaftsgüter zu verfolgen, vor allem wenn es sich um die Verlegung eines gesamten Betriebes mit einer Vielzahl von Gütern des Anlage- und Umlaufvermögen handelt. Er hält es für möglich, dass im Einzelfall für das Unternehmen die Kosten des Verwaltungsaufwandes der Nachverfolgung größer sind als die durch eine sofortige Zahlung der Steuern entstehenden Liquiditätsnachteile. In diesem Zusammenhang – und nur in diesem – wägt der EuGH eine Optionsmöglichkeit zwischen Sofortversteuerung und Aufschub der Versteuerung „gegebenenfalls zuzüglich Zinsen entsprechend der nationalen Regelung“ (Rz. 73 des Urteils) und einer Bankgarantie zur Absicherung des Risikos der Nichteinziehung der Steuer (Rz. 74 des Urteils). Aus diesem Grunde in der National Grid Indus Entscheidung eines Pyrrhus-Sieg für die Gegner der Sofortversteuerung2 zu sehen, ist nicht berechtigt, da der EuGH diese zusätzliche Erfordernisse daran knüpft, dass die Nachverfolgung wegen der Komplexität trotz der Amtshilfe innerhalb der EU „fast unmöglich“ (Rz. 70 des Urteils) sei. Eine generelle nationale Regelung „Besteuerungsaufschub nur gegen Zinsen und Bankgarantie“ würde nach dieser Entscheidung nicht den Segen des EuGHs erhalten.
1.156
Diese steuerlichen Erwägungen dürfen nicht mit den gesellschaftsrecht- 1.157 lichen Regelungen für eine grenzüberschreitende Sitzverlegung von Gesellschaften innerhalb der EU vermengt werden.3 Für den EuGH ist entscheidend, wie das Recht des Staates, unter dem eine Gesellschaft errichtet wurde, auf einen Wegzug – sei es durch Verlegung des Verwaltungssitzes oder des statuarischen Sitzes – reagiert. Den Systemen der Sitz- oder Gründungstheorie (s. Rz. 2.49 ff.; 6.2 ff.) entsprechend kann der Wegzug zur Liquidation der Gesellschaft führen oder nicht. Der EuGH hat das Recht des Wegzugsstaates anerkannt,4 über den Fortbestand einer unter seinem Recht gegründeten Gesellschaft im Wegzugsfall zu entscheiden. Daher kommt es zu den vorstehenden steuerlichen Fragen nur, wenn nach dem Recht des Wegzugsstaats die Verlegung nicht die Eigen1 EuGH v. 29.11.2011 – C371/10, DStR 2011, 2334. 2 So aber Mitschke, IStR 2012, 6 ff.; vgl Mössner/Seeger, KStG, § 12 Rn. 36 ff. m.w.Nw. 3 Hierzu vgl. die Urteile des EuGH v. 27.9.1988 – Rs. 81/87 – Daily Mail, EuGHE 1988, 5483; v. 30.1.2003 – C-167/01 – Inspire Art, EuGHE 2003, I-10155; v. 9.3.1999 – C-212/97 – Centros, EuGHE 1999, I-1459; v. 5.11.2002 – C-208/00 – Überseering, EuGHE 2002, I-9919; v. 16.12.2008 – C-210/06 – Cartesio, EuGHE 2008, I-9641. 4 Erneut bestätigt in EuGH v. 29.11.2011 – C371/10 – National Grid Indus, DStR 2011, 2334 Rz. 26 ff.
Mössner
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Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht
schaft, eine Gesellschaft nach diesem Recht zu sein, beeinträchtigt. Der Aufnahmestaat hat diese Entscheidung des Wegzugsstaats anzuerkennen. 6. Hinzurechnungsbesteuerung
1.158 Die Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 ff. AStG (vgl. hierzu ausführlich Rz. 7.1 ff.) durchbricht die Abschirm- und Aufschubwirkung1 der ausländischen Kapitalgesellschaft und besteuert den Gewinn dieser ohne Ausschüttung im Inland. Bei innerstaatlichen Beteiligungen wird die Eigenständigkeit einer Kapitalgesellschaft von Missbrauchsfällen abgesehen nicht angetastet. Der EuGH hat in der Rs. Cadbury Schweppes2 die britische Form der Hinzurechnungsbesteuerung verworfen, da die Besteuerung des Gewinns einen Steuerstandortnachteil (Rz. 45 des Urteils) bedeutet, der bei nicht beherrschten, nicht in einem Niedrigsteuer-Staat ansässigen Tochtergesellschaften nicht eintritt. Dies verletzt die Niederlassungsfreiheit (Rz. 46 des Urteils). Dass durch die Hinzurechnung die Verlagerung von Gewinnen in ein günstiger besteuerndes Ausland bekämpft werden soll, rechtfertigt die Besteuerung nicht (Rz. 49 des Urteils). Die Inanspruchnahme von niedrigeren Steuern in einem anderen Mitgliedstaat durch die Gründung einer Tochtergesellschaft ist Ausübung der Niederlassungsfreiheit. Die Konkurrenz der Steuersysteme innerhalb Europas ist von den Staaten hinzunehmen, solange sie nicht unfair erfolgt. Gegen „rein künstliche Gestaltungen“ zur Vermeidung der Besteuerung können Staaten aber Maßnahmen ergreifen (Rz. 51 des Urteils). Ob etwas rein künstlich ist, muss nach dem Ziel der Niederlassung im anderen Staat beurteilt werden (Rz. 53 des Urteils). Wird von der Tochtergesellschaft eine wirtschaftliche Aktivität entfaltet, so ist dies nicht rein künstlich (Rz. 61 des Urteils). Die Niederlassungsfreiheit schützt eine dauerhafte wirtschaftliche Betätigung in einem Mitgliedsstaat. Nur wenn es nicht um die Inanspruchnahme der Freiheit, sondern nur um Steuerersparnis geht, sind Gegenmaßnahmen gerechtfertigt (Rz. 64, 65 des Urteils). Ob dies der Fall ist, haben letztlich die nationalen Gerichte festzustellen. Damit wird die Hinzurechnungsbesteuerung auf eine reine Missbrauchsbekämpfungsmaßnahme reduziert.
1.159 Der deutsche Gesetzgeber hat mit der Einfügung des § 8 Abs. 2 AStG durch das JStG 20083 auf diese Rechtsprechung reagiert und lässt nunmehr einen Gegenbeweis zu. Ob § 8 Abs. 2 AStG n.F. die Hinzurechnungsbesteuerung „europatauglich“ macht, ist zweifelhaft. Die Cadburry-Schweppes-Entscheidung4 erlaubt dem Steuerpflichtigen den Gegenbeweis einer wirtschaftlichen Aktivität in Fällen, in denen der Verdacht einer rein künstlichen Gestaltung naheliegt. § 8 Abs. 1 AStG erfasst in seinen Nr. 4–6 jedoch auch Situationen, die kaum als denkbare Missbrauchssituationen 1 2 3 4
Vgl. hierzu Mössner/Post in Mössner/Fuhrmann, Vor § 7 AStG Rz. 2. EuGH v. 12.9.2006 – C-196/04, EuGHE 2006, I-7995. BGBl. I 2007, 3150. EuGH v. 12.6.2006 – C-196/01 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995.
100
Mössner
F. Einfluss des Europarechts
bezeichnet werden können. Auch der Ausschluss des Gegenbeweises bei Einkünften von Kapitalanlagegesellschaften i.S.v. § 7 Abs. 6a AStG, die nicht inlandsbeherrscht i.S. von § 7 Abs. 2 AStG sind, die aber bereits ab einer Beteiligung von 1 v.H. gem. § 7 Abs. 6 AStG hinzugerechnet werden,1 ist mit der Cadbury-Schweppes-Entscheidung nicht zu vereinbaren. Die Europakonformität der Neuregelung wird daher insoweit zu Recht in Frage gestellt.2 Zur allgemeinen Überraschung hat der EuGH in der sog. Switch-overKlausel von § 20 Abs. 2 AStG, nach der die Anrechnungs- an Stelle der Freistellungsmethode eines DBA anzuwenden ist, wenn die ausländische Betriebsstätte sog. Zwischeneinkünfte erzielt, keinen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit gesehen.3 Die Begr. des Gerichts beruht darauf, dass bei der Anrechnungsmethode eine ausländische wie eine inländische Betriebsstätte behandelt werde (Rz. 40 des Urteils) und daher keine Diskriminierung vorläge. Obwohl somit die Rechtsfolge des § 20 Abs. 2 AStG nicht gegen das Unionsrecht verstößt und der Gesetzgeber ausdrücklich angeordnet hat, dass der Switch-over „ungeachet des § 8 Abs. 2“ zu erfolgen habe,4 hat der BFH5 den Gegenbeweis i.S. des § 8 Abs. 2 AStG zugelassen und dadurch den Switch-Over auf reine Missbrauchsfälle beschränkt.
1.160
III. Beschränkte Steuerpflicht 1. Einkünfteermittlung a) Leistungsfähigkeit Unter dem Aspekt der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit besteht prinzipiell zwischen unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtigen kein Unterschied: ein unterschiedlicher Wohnort indiziert keinen Unterschied in der Leistungsfähigkeit bei gleichem Einkommen. Dennoch erkennt der EuGH in ständiger Rechtsprechung6 an, dass sich beide Arten von Steuerpflichtigen nicht in derselben Situation befinden. Dies trifft zu, wenn der Staat der Ansässigkeit nur bei der unbeschränkten Steuerpflicht dem Welteinkommensprinzip folgt. Dann wird beim beschränkt Steuerpflichtigen nur ein Teil seiner gesamten Leistungsfähigkeit berücksichtigt, bei unbeschränkt Steuerpflichtigen dessen in- und ausländische Einkünfte umfassende Leistungsfähigkeit. Hinzu kommt, dass die Finanzbehörden Inländer sehr viel einfacher überwachen können als Aus1 Vgl. Fuhrmann in Mössner/Fuhrmann, § 8 AStG Rz. 291 f. 2 Fuhrmann in Mössner/Fuhrmann, § 8 AStG Rz. 292; Scheipers/Linn, IStR 2011, 601 ff. 3 EuGH v. 6.12.2007 – C-298/05 – Columbus Container, EuGHE 2007, I-10451. 4 Hierzu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 20 AStG Rz. 152 ff. m.w.N.; Schütz in Mössner/Fuhrmann, § 20 AStG Rz. 38. 5 BFH v. 20.10.2009 – I R 114/08, BStBl. II 2010, 774. 6 EuGH v. 14.2.1995 – C-279/93 – Schumacker, EuGHE 1995, I-225, Rz. 31.
Mössner
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1.161
Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht
länder. Dies kann eine unterschiedliche Besteuerung des beschränkt Steuerpflichtigen rechtfertigen.
1.162 Die Unterschiede beziehen sich vor allem auf die subjektive Leistungsfähigkeit, d.h. die Berücksichtigung persönlicher Lasten und des Familienstandes, die üblicherweise dort erfolgt, wo die gesamte Leistungsfähigkeit einer Person ermittelt wird. Auch unter Bezugnahme auf das OECD-MA geht der EuGH davon aus, dass die Berücksichtigung der subjektiven Leistungsfähigkeit im Staate der unbeschränkten Steuerpflicht erfolgt.1 Im Verfahren Gerritse2 (Rz. 48 f. des Urteils) verlangt er daher nicht, dass einem beschränkt Steuerpflichtigen der Grundfreibetrag gewährt wird. Dies lässt sich auf die anderen Elemente der subjektiven Leistungsfähigkeit insgesamt übertragen. Im Urteil Schumacker3 sah sich das Gericht der Situation gegenüber, dass ein Steuerpflichtiger im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht die wesentlichen Teile seines Einkommens bezog. Unter dieser Voraussetzung sah es ihn in einer einem unbeschränkt Steuerpflichtigen vergleichbaren Lage und verpflichtete den Staat der beschränkten Steuerpflicht, die persönlichen und familiären Lasten bei der beschränkten Steuerpflicht zu berücksichtigen. Der deutsche Gesetzgeber hat durch Einfügung von § 1 Abs. 3 und § 1a EStG darauf reagiert. Diese sog. Schumacker-Formel überzeugt nicht. Auch bei deutlich unterhalb der Grenze von 90 v.H. der Gesamteinkünfte liegenden Quote der beschränkt besteuerten Einkünfte führt nur eine anteilige Berücksichtigung der persönlichen Lasten zu einer nichtdiskriminierenden Besteuerung.4 Dagegen sprechen auch nicht verwaltungsmäßige Schwierigkeiten, denn auch die Ermittlung, ob die Einkünfte der beschränkten Steuerpflicht 90 v.H. der Gesamteinkünfte betragen oder nicht, erfordert die Zusammenarbeit der Verwaltungen.
1.163 Soweit die objektive Leistungsfähigkeit betroffen ist, lassen sich Unterschiede der Besteuerung beschränkt Steuerpflichtiger im Verhältnis zu unbeschränkt Steuerpflichtigen nicht rechtfertigen, wobei der EuGH – noch – unterschiedliche Erhebungsformen der Steuern akzeptiert.5 Wird ein Ausländer mit seinen inländischen Einkünften in gleicher Weise wie ein Inländer erfasst, so müssen die Ermittlung der Einkünfte, gewährte Vergünstigungen und Steuersätze identisch sein.
1 2 3 4
EuGH v. 14.2.1995 – C-279/93 – Schumacker, EuGHE 1995, I-225, Rz. 32. EuGH v. 12.6.2003 – C-234/01, EuGHE 2003, I-5945. EuGH v. 14.2.1995 – C-279/93 – Schumacker, EuGHE 1995, I-225. Zur sog. fraktionierten Besteuerung vgl. van Raad in Anderson u.a. (Hrsg.) Liber amicorum Sven-Olof Lodin, S. 211; Mössner, BIT 2006, 501. 5 Vor allem pauschale Quellenbesteuerung vgl. Dauer/Simader in Eilmannsberger/Herzig, Jahrbuch des Europarechts 2010, S. 307 ff. (311 f.) m.w.N.
102
Mössner
F. Einfluss des Europarechts
b) Inländische Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens aa) Verlust der Betriebsstätte Ein Staat muss Verluste einer Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens in seinem Staatsgebiet berücksichtigen, wenn er dies den ansässigen Unternehmen ermöglicht. Verlustrücktrag und Verlustvortrag sind daher in gleicher Weise zu gewähren.1 Dass auch dies Probleme bereiten kann, zeigt die Entscheidung vom 15.5.1997 in der Rs. Futura.2
1.164
Die Betriebsstätte eines französischen Unternehmens in Luxemburg hatte mehrere Jahre Verluste erlitten, für die ein Verlustvortrag geltend gemacht wurde. Das Gericht sieht keine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darin, dass Luxemburg nur solche Verluste als vortragsfähig anerkennt, die aus einer wirtschaftlichen Tätigkeit des Ausländers in Luxemburg stammen, was letztlich durch das Unternehmen nachzuweisen ist.
Da dieser Nachweis aber voraussetzte, dass die Buchführungsunterlagen in Luxemburg geführt wurden, sah das Gericht eine Benachteiligung des ausländischen Unternehmens. Daraus lässt sich folgern, dass eine Gleichbehandlung von Betriebsstätten inländischer und ausländischer Unternehmen eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit bewirken kann, wenn die Verpflichtungen das ausländische Unternehmen unverhältnismäßig belasten. Die Gleichbehandlungsverpflichtung erstreckt sich auch auf Regeln der DBA. Im Fall St. Gobain3 ging es um die Frage, ob der deutschen Betriebsstätte einer französischen Kapitalgesellschaft das DBA-Schachtelprivileg zu gewähren sei, die diese Betriebsstätte von Tochtergesellschaften in anderen Staaten erhielt. Der EuGH hat dies bejaht. Auch die Regelung des § 50 Abs. 3 EStG, wonach Betriebsstätten beschränkt Steuerpflichtiger ausländische Steuern gem. § 34c EStG anrechnen können, wenn ihre ausländischen Einkünfte im Inland besteuert werden, entspricht diesem Grundsatz.
1.165
bb) Verluste des Stammhauses Erleidet das Stammhaus Verluste, während die Betriebsstätte einen Gewinn erwirtschaftet, und berücksichtigt der Betriebsstättenstaat den Verlust des ausländischen Stammhauses nicht, so macht dies eine Auslandsinvestition ungünstiger als eine Inlandsinvestition. Das Unternehmen zahlt im Betriebsstättenstaat Steuern, obwohl es insgesamt möglicherweise keinen Gewinn erzielt. In der Entscheidung Futura4 hat der EuGH dies hingenommen, da die Besteuerung der Betriebsstätte auf der be1 Indirekt folgt die Gleichbehandlungsverpflichtung der Betriebsstätte auch aus dem Urt. des EuGH v. 23.10.2008 – C-157/07 – Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt, EuGHE 2008, I-8061. 2 EuGH v. 15.5.1997 – C-250/95, EuGHE 1997, I-2492. 3 EuGH v. 21.9.1999 – C-307/97, EuGHE 1999, I-6181. 4 EuGH v. 15.5.1997 – C-250/95 – Futura, EuGHE 1997, I-2471 u. I-2492.
Mössner
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Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht
schränkten Steuerpflicht und damit auf dem Territorialitätsprinzip beruht. Dies bestätigt die vom EuGH anerkannte grundlegende Unterscheidung zwischen unbeschränkter Steuerpflicht mit der Besteuerung des Welteinkommens und der beschränkten Steuerpflicht mit der Erfassung nur des inländischen Einkommens (vgl. hierzu Rz. 1.161). Obwohl bei der unbeschränkten Steuerpflicht ein Auslandsverlust mindernd berücksichtigt werden kann, sieht er keine Diskriminierung in der Nichtberücksichtigung bei beschränkter Steuerpflicht. Erst die Entwicklung einer einheitlichen gemeinschaftlichen europäischen Bemessungsgrundlage der Steuer würde zu einer Berücksichtigung von Auslandsverlusten innerhalb der EU führen.
1.167 Ansätze in dieser Richtung kann man in der Entscheidung vom 18.7.20071 sehen. Der Fall betrifft jedoch keine Betriebsstätte, sondern eine Privatperson: A erleidet in seinem Wohnsitzstaat einen Verlust, im Arbeitsstaat, in dem A nahezu sein gesamtes Einkommen verdient, unterliegt er der beschränkten Steuerpflicht.
Der EuGH hat in konsequenter Fortentwicklung von Schumacker (s. Rz. 1.162) den Arbeitsstaat verpflichtet, die Verluste im Ansässigkeitsstaat bei der Festsetzung des Steuersatzes zu berücksichtigen. Dieser Forderung entspricht bereits § 32b Abs. 1 Nr. 5 EStG.
1.168 Was der EuGH nicht zu entscheiden hatte, worauf er auch nicht eingeht, sind die Folgen für das Stammhaus. Darum ging es dann im Verfahren AMID (s. Rz. 1.118). 2. Vergünstigungen
1.169 Staaten sehen oft Vergünstigungen im Wege von steuerlichen Freibeträgen, Abzugsmöglichkeiten, Rückstellungsmöglichkeiten, Zuschüssen oder günstigen Steuersätzen (kurz: Steuersubventionen) vor, um bestimmte Verhaltensweisen der Steuerpflichtigen anzureizen oder zu unterstützen. Diese Subventionen haben vielfältige Gründe und Gestaltungsformen. Oft sind sie jedoch auf Vorgänge begrenzt, die sich im Inland abspielen. So können Spenden nur abziehbar sein, wenn sie für inländische gemeinnützige Zwecke gegeben werden. Investitionsvergünstigungen, z.B. die Investitionsabzugsbeträge gem. § 7g Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG, werden nur für inländische Investitionen gewährt. In derartigen Fällen hat der EuGH die Begrenzung auf das Inland abgelehnt. (s. Rz. 1.117)
1 EuGH v. 18.7.2007 – C-182/06 – Lakebrink, EuGHE 2007, I-6705.
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G. Qualifikationskonflikte
3. Steuersatz In dem Urteil Gerritse1 kommt der EuGH zur Schlussfolgerung, dass sich im Hinblick auf die Progression Ansässige und Nichtansässige in einer vergleichbaren Situation befinden, wenn sie mit ihren Einkünften in vergleichbarer Weise besteuert werden. Um die Vergleichbarkeit herzustellen, muss, da den beschränkt Steuerpflichtigen kein Existenzminimum und keine Berücksichtigung persönlicher Lasten zusteht (s. Rz. 1.162), ein entsprechender Betrag den der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden inländischen Einkünften hinzugerechnet werden.2
1.170
G. Qualifikationskonflikte I. Auslegung und Anwendung von DBA (Grundzüge) 1. Auslegung von DBA Rechtlich handelt es sich bei einem DBA um einen Staatsvertrag zwischen souveränen Staaten, auf den die Regeln des Völkerrechts anwendbar sind.3 Die Regeln über die Auslegung völkerrechtlicher Verträge sind in den Art. 30 ff. der Wiener Vertragsrechts Konvention4 kodifiziert. Auch der BFH5 bekennt sich dazu, dass ein DBA nach diesen Regeln auszulegen ist.
1.171
Zugleich wirkt ein DBA auf das nationale Steuerrecht ein, indem nach nationalem Steuerrecht begründete Steueransprüche völlig oder partiell eingeschränkt werden. In welcher Weise dies erfolgt, ist eine Frage des nationalen Rechts, insbesondere des jeweiligen Verfassungsrechts.6 In Art. 59 GG sind die Einzelheiten des Verhältnisses völkerrechtlicher Verträge zum nationalen Recht nur rudimentär geregelt.7 Der BFH8 folgt der sog. Transformationstheorie, nach der neben den völkerrechtlichen Ver-
1.172
1 EuGH v. 12.6.2003 – C-234/01, EuGHE 2003, I-5945, Rz. 53. 2 Vgl. BFH v. 10.1.2007 – I R 87/03, BStBl. II 200, 22. 3 H.M. Vogel in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 45 ff.; Wassermeyer in D/W, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 9 ff.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 3.6 ff. 4 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (WÜRV), BGBl. II 1985, 925; hierzu vgl. Shabtai Rosenne, Stichwort: Vienna Convention on the Law of Treaties, in Bernhardt (Hrsg.), Encyclopedia of public international law, Amsterdam 2000. 5 Z.B. BFH v. 1.2.1989 – I R 74/86, BStBl. II 1990, 4; v. 11.11.2009 – I R 15/09, BStBl. II 2010, 602; v. 2.9.2009 – I R 90/08, BStBl. II 2010, 394; v. 2.9.2009 – I R 111/08; BStBl. II 2010, 387; s. auch Vogel in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 105 ff. 6 So gibt es Länder – z.B. Frankreich, in denen völkerrechtliche Verträge nationalen Gesetzen vorgehen, und andere Länder – z.B. Deutschland, in denen völkerrechtliche Verträge auf derselben Rangstufe wie Gesetze stehen. 7 Streinz in Sachs6, Art. 59 GG Rz. 60. 8 BFH v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156 (st. Rspr.).
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trag ein eigenständiges, aber wortgleiches nationales Gesetz tritt, wohingegen die h.M.1 der Adoptionstheorie folgt, wonach der völkerrechtliche Vertrag, soweit er self-executing2 ist, aufgrund eines Anwendungsbefehls im Zustimmungsgesetz nach Art. 59 Abs. 2 GG angewandt wird.3 In der praktischen Anwendung unterscheiden sich beide Theorien wenig.4 Ein völkerrechtlicher Vertrag kann überhaupt nur dann Wirkung entfalten, wenn und solange er völkerrechtlich gilt, innerstaatlich steht er auf gleiche Stufe mit einem Bundesgesetz und seine Auslegung folgt völkerrechtlichen Regeln.
1.173 Da sich die DBA auf das nationale Steuerrecht beziehen, verwenden sie steuerliche Begriffe, die überwiegend im nationalen Steuerrecht als steuerliche Fachtermini eine definierte Bedeutung haben. So haben beispielsweise die Begriffe Gewinn, Einkünfte, Einkommen, Betriebsausgaben, Dividende, stille Gesellschaft usw. im deutschen Steuerrecht als Fachtermini festgelegte Bedeutungen. Sondervergütung gehören beispielsweise nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu den gewerblichen Einkünften.
Selbst wenn ein Abkommen in nur einer Sprache – z.B. zwischen Deutschland und Österreich, USA und Großbritannien – abgeschlossen ist, können die identischen Begriffe im nationalen Recht unterschiedliche Bedeutungen haben. Dies gilt erst recht, wenn die DBA in den zwei Sprachen der Vertragspartner abgeschlossen sind. Dann verwenden die einzelnen sprachlichen Fassungen regelmäßig Begriffe des nationalen Steuerrechts, was anders auch nicht möglich wäre. Nach den völkerrechtlichen Grundsätzen der Auslegung mehrsprachiger Verträge5 ist jedoch als Regel davon auszugehen, dass die unterschiedlichen sprachlichen Fassungen ein und dieselbe Begriffsbedeutung umschreiben. Verwendet die englische Fassung z.B. „income“, die deutsche entsprechend „Einkünfte“,6 so ist aus dem Zusammenhang des Abkommens zu ermitteln, ob wirklich Einkünfte oder Einnahmen oder Einkommen gemeint sind. So hat der BFH7 dementsprechend zu Recht entschieden, dass je nach Zusammenhang Brutto- oder Netto“einkünfte“ gemeint sein können. Grundsätzlich ist somit vom Vertrag auszugehen (autonome Auslegung).
1.174 Die DBA enthalten eine eigenständige, an Art. 3 Abs. 2 OECD-MA angelehnte Auslegungsregel, nach der Begriffe des DBA, die nicht im Abkom1 Vogel in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 61. 2 Grundlegend Koller, Die unmittelbare Anwendbarkeit völkerrechtlicher Verträge, Bern 1971. 3 Zu diesen Theorie vgl. Rauschning Bonner Kommentar GG, Art. 59 GG Rz. 114 ff. 4 Vgl. Mössner/Blumenwitz (Hrsg.), DBA und nationales Recht, München 1995, passim. 5 Mössner, Die Auslegung mehrsprachiger Verträge, Archiv des Völkerrechts 15 (1972), 281 ff.; Hilf, Die Auslegung mehrsprachiger Verträge, 1973. 6 Zu diesem Streit vgl. Mössner – Wassermeyer in: Mössner/Blumenwitz, DBA und nationales Recht, S. 120 ff. 7 BFH v. 29.5.1996 – I R 21/95, BStBl. II 1997, 63, s. auch Rz. 2.464.
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G. Qualifikationskonflikte
men definiert sind, nach den nationalen Vorstellungen auszulegen seien, sofern der Zusammenhang nicht anderes erfordere. Die Auslegung dieser Vorschrift ist ihrerseits höchst umstritten. Es stehen sich die völkerrechtliche und die nationale Auslegung1 gegenüber, zudem vertritt Avery Jones eine ganz eigenständige Ansicht.2 Dieser Streit ist hier nicht zu entscheiden.3 Für die praktische Anwendung reicht es auf Folgendes hinzuweisen: Der manchmal anzutreffende schlichte Argumentationsgang, dass beim Fehlen einer eigenständigen Definition im Abkommen immer die nationale Bedeutung gelte, entspricht nicht Art. 3 Abs. 2 OECD-MA, da dieser immer verlangt, dass der Zusammenhang nichts anderes erfordert. Die Anwendung differierender nationaler Begriffsverständnisse führt zu einer divergierenden Auslegung des Abkommens, die zu Doppelbesteuerungen und Doppelnichtbesteuerungen führt. Der Grundsatz der internationalen Entscheidungsharmonie4 wird dann missachtet. Beispiel: Art. 7 OECD-MA spricht von Unternehmensgewinnen. Dies sind nach deutschem Verständnis gewerbliche Einkünfte. Bei Personengesellschaften rechnen auch Sondervergütungen zu den gewerblichen Einkünften. Zutreffend hat der BFH5 in seiner neueren Rechtsprechung dieses Verständnis nicht auf die DBA übertragen. § 50d Abs. 10 EStG ist ein misslungener6 Versuch der Verwaltung, diese Auslegungsgrundsätze zu unterlaufen. Ähnlich wendet der BFH die Geprägetheorie des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nicht auf Abkommensebene an.7
Eine spezifisch international-steuerrechtliche Problematik besteht in der Bedeutung des Kommentars der OECD zum MA für die Auslegung eines konkreten DBA.8 Dies ist eng verknüpft mit dem Streit um die statische oder dynamische Auslegung von DBA. Dabei handelt es sich zu einem erheblichen Teil um die Diskussion von Scheinproblemen. Jede Auslegung ist ein heuristischer Vorgang, in dem ein Text in seiner Bedeutung ver1 Zum Ganzen vgl. vertiefend Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.49 ff.; Wassermeyer in D/W, Art. 3 OECD-MA Rz. 71 ff.; Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 107 ff. 2 Die im Ergebnis darauf hinausläuft, dass die Bedeutung des „Anwenderstaates“ maßgebend sei. Dieses sei der Staat, dessen Besteuerung eingeschränkt werde, Avery Jones, The interpretation of tax treaties with particular reference to art. 3 (2) of the OECD-model, BTR 1984, 14 ff., 90 ff. 3 Vgl. hierzu Mössner, Zur Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, FS Seidl-Hohenveldern, S. 420 ff. 4 Vogel in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 113 ff. 5 BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356; v. 9.8.2006 – II R 59/05, BStBl. II 2009, 758; v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 31.5.1995 – I R 74/93, BStBl. II 1995, 683; v. 16.10.2002 – I R 17/01, BStBl. II 2003, 631. 6 BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138; v. 8.1.2010 – I R 106/09, BFH/NV 2011, 365. 7 BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, BFH/NV 2011, 1550; v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156; v. 9.12.2010 – I R 49/09, BStBl. II 2011, 428. 8 Aus der reichhaltigen Literatur s. Vogel in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 123; s. auch Arnold/Mössner, The interpretation of tax treaties: myth and reality, BIT 2010, 2 ff.
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1.175
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standen wird. Die Bedeutung hängt zuallererst von der konkreten Situation ab, in der er verfasst wurde. Dies ist bei einem DBA der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Da sich Gesetzestexte und damit auch völkerrechtliche Verträge an die Rechtsunterworfenen, im konkreten Fall Steuerpflichtige, Steuerbehörden und Gerichte, als Adressaten richten, kommt es darauf an, wie sie den Text verstehen konnten. In diesem Sinne ist die Auslegung statisch, da das DBA die Verteilung von Besteuerungen zwischen zwei Staaten im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und im Hinblick auf das dann existierende Steuerrecht der Vertragsstaaten vornimmt. Dass für dieses Verständnis der zu diesem Zeitpunkt existierende Kommentar der OECD hilfreich sein kann, wenn die Staaten eine von der OECD vorgeschlagene Lösung übernehmen, ist nicht ernstlich zweifelhaft.1 Doch dabei bleibt eine Auslegung nicht stehen: das nationale Steuerrecht verändert sich, neue Probleme entstehen, neue Einsichten werden gewonnen. Diese werden in Änderungen des Kommentars aufgenommen. Solche Änderungen können mit dem Text und dem Telos des früher abgeschlossenen Vertrages vereinbar sein, sie können aber auch davon abweichen. Um dies festzustellen, muss der ursprüngliche Sinn und Zweck des DBA herausgearbeitet werden. Die Interessentheorie hat uns gelehrt, dass Gesetze und damit auch Verträge Lösungen für Interessengegensätze enthalten. Eine Auslegung muss daher die Interessen feststellen und ermitteln, wie sie im Gesetz/Vertrag gewertet wurden. Diese Interessenbewertungen lassen sich auch auf neue, beim Vertragsabschluss unbekannte Situationen übertragen. Insofern ist die Auslegung immer auch dynamisch. Es wäre daher zu schlicht, einfach die zum Vertragsabschluss existierende Fassung des Kommentars als allein überhaupt in Betracht kommend anzusehen.2 2. Anwendung von DBA
1.176 Bei den DBA sind zwei Anwendungsbereiche zu unterscheiden: der eine betrifft die Steuern, auf die das Abkommen anwendbar ist, der andere die Personen, die sich auf die Regeln des Abkommen berufen können, die sog. Abkommenberechtigung. Letztere richtet sich nach zwei Voraussetzungen (Art. 1 OECD-MA): – es muss sich um eine Person im Sinne des Abkommens handeln – diese muss in einem Vertragsstaat ansässig sein. Die Abkommensberechtigung bedeutet, dass die Person sich auf die Bestimmungen des Abkommens berufen kann, wenn und soweit sie in einem der beteiligten Staaten entgegen den Bestimmungen des Abkommens besteuert wird. „Die Abkommensberechtigung folgt der persönlichen3 Steu1 Wieweit die Hilfe geht, ist jedoch streitig, vgl. Vogel in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 127; eine Bindung der Gerichte wird aber jedenfalls zu Recht verneint, vgl. Vogel ebenda Rz. 124b. 2 So aber BFH v. 9.2.2011 – I R 54, 55/10, BStBl. II 2012, 106. 3 Zu ergänzen: „und sachlichen“.
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G. Qualifikationskonflikte
erpflicht“.1 Oder genauer: die abkommensberechtigte Person kann sich nur auf das DBA hinsichtlich ihrer Besteuerung durch einen Vertragsstaat berufen. Die Vorstellung,2 von der Abkommensberechtigung könne auf die Einkunftsart – und deren Zurechnung – geschlossen werden, würde aus der Norm des DBAs eine zweiseitige Kollisionsnorm machen. a) Person im Sinne des Abkommens Gem. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA sind Personen „natürliche Personen, Gesellschaften und alle anderen Personenvereinigungen“, wobei Art. 3 Abs. 1 Buchst. b als Gesellschaften „juristische Personen oder Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden“ definiert. Soweit natürliche und juristische Personen betroffen sind, ist die Eigenschaft, Person zu sein, eindeutig. Eine juristische Person bleibt auch dann eine Person, wenn sie nach dem nationalen Steuerrecht für eine Besteuerung als Personengesellschaft optieren kann.3 Die Begriffe im englischen Text des Musters lauten „individual“, „company“ und „any other body of persons“, wobei „company“ als „body corporate or any other entity treated as body corporate for tax purposes“ definiert wird. Der französische Text spricht von „personnes physiques, sociétés, tous autres groupements des personnes“ und „toute personne morale or toute entité qui est considerée comme une personne morale“. Somit sind auch Gesellschaften i.S. des Abkommens Rechtsträger – entities, entités – vorausgesetzt, sie werden wie Körperschaften besteuert. Dies sind nach deutschem Recht die neben den Kapitalgesellschaften in § 1 Abs. 1 KStG aufgezählten Einheiten.4
1.177
Komplizierter ist die Situation bei Personengesellschaften.5 Personengesellschaften fallen unter den Begriff der „Personenvereinigung“ (body of persons, groupement des personnes) in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA. Zugleich könnten sie auch „Rechtsträger“ i.S.v. Art. 3 Abs. 1 lit. B) OECDMA sein, wenn sie wie eine Körperschaft nach dem nationalen Recht einer Vertragspartei besteuert werden. Eine Personengesellschaft würde dann zu einer Gesellschaft im Sinne des DBA. Andererseits führt Art. 3 Abs. 1 Buchst. g OECD-MA Personengesellschaften als Personenvereinigungen auf. Man kann daher nur feststellen, dass die entsprechenden Formulierungen im OECD-MA wenig gelungen sind. Die meisten deutschen DBA6 erwähnen die Personenvereinigungen nicht oder enthalten besondere For-
1.178
1 So pointiert Wassermeyer, Steuerpflicht, Einkünfteerzielung und Abkommensberechtigung, in FS Herzig, S. 897 ff. (900). 2 So Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 38. 3 Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 21. 4 Ähnlich Wassermeyer in D/W, Art. 3 OECD-MA Rz. 19; Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 15 f. mit Hinweis auf Trusts; Einzelfälle vgl. Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 51 ff. 5 Die wissenschaftliche Literatur zu diesen ist unübersehbar, s. Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 13. 6 Übersicht bei Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 23.
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mulierungen. Personengesellschaften genießen dann als solche keinen Abkommensschutz.1 Es entspricht der h.M.,2 dass dann, wenn eine Personengesellschaft als Körperschaft besteuert wird, sie eine Gesellschaft im Sinne des Abkommens ist. Letzteres gilt auch, wenn sie nach dem nationalen Recht für die Körperschaftsbesteuerung optieren kann. b) Ansässigkeit
1.179 Für die Abkommensberechtigung muss aber noch die Ansässigkeit in einem Vertragsstaat hinzukommen. Diese definiert Art. 4 Abs. 1 OECDMA dahingehend, dass die Person selbst in einem Vertragsstaat der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt und zwar bei Gesellschaften aufgrund des Ortes der Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals, worunter ein ortsbezogenes Merkmal zu verstehen ist, so dass auch der Sitz (§ 11 AO) darunter fällt.3
1.180 Personengesellschaften sind demnach nur dann ansässig, wenn sie selbst aufgrund eines Merkmals wie dem Ort der Geschäftsleitung besteuert werden. Dies ist in den Staaten der Fall, die Personengesellschaften einer sog. intransparenten Besteuerung unterwerfen.4 Dadurch werden sie auch zur Gesellschaft i.S. des DBA (vgl. Rz. 1.172) und zu einem eigenen Steuersubjekt nach dem Recht des Staates, der sie intransparent behandelt. Demzufolge wird ihr wirtschaftliches Ergebnis bei ihr selbst besteuert und die Weiterleitung an die Gesellschafter wird zur Dividende.5 Bei einer transparenten Besteuerung – mag auch das Ergebnis auf der Ebene der Gesellschaft ermittelt werden6 – sind die Gesellschafter die Steuersubjekte, so dass die Gesellschaft nicht ansässig im Abkommenssinn ist. Die sich aus diesen unterschiedlichen Besteuerungssystemen von Personengesellschaften ergebenden Probleme veranlassten die OECD, 1993 eine Arbeitsgruppe einzusetzen, die 1999 den Partnership-Report vorlegte.7
1.181 International im Hinblick auf die Abkommensberechtigung sind folgende drei Grundfälle8 möglich: die Personengesellschaft wird – in beiden Vertragsstaaten intransparent – in beiden transparent – in einem intransparent und im anderen transparent besteuert. Probleme treten dann auf, wenn die beteiligten Staaten eine Personengesellschaft unterschiedlich behandeln; dann kommt es zum Qualifikationskonflikt (s. nachstehend Rz. 1.184). Bei einer einheitlichen 1 2 3 4 5 6 7 8
Wassermeyer in D/W, Art. 3 OECD-MA Rz. 20. Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 17. Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 110. Vgl. näher Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 17 ff. So dass Art. 10 OECD-MA darauf anzuwenden ist. Wassermeyer in D/W, Art. 3 OECD-MA Rz. 20. The application of the OECD model tax convention to partnerships, Paris 1999. So auch Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 25 ff.
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G. Qualifikationskonflikte
intransparenten Besteuerung genießt sie Abkommensberechtigung, wenn die Gesellschaft in einem der beiden Staaten unbeschränkt steuerpflichtig ist, in der Regel, wenn sich ihre Geschäftsleitung in mindestens einem der beiden Staaten befindet. Bei einheitlich transparenter Besteuerung sind nur ihre Gesellschafter abkommensberechtigt. Sind diese in keinem der beiden Staaten ansässig, so sind sie nicht abkommensberechtigt. Beispiel: Der in Österreich ansässige O ist als Kommandit an der deutschen D-KG beteiligt. D bezieht von der belgischen B-SA Dividenden. O ist abkommensberechtigt nach dem DBA-A/D. Die D vermittelt ihm eine Betriebsstätte in Deutschland. Je nachdem, ob die Anteile an der B funktional zum Betriebsvermögen der D gehören,1 erzielt er Betriebsstätteneinkünfte gem. Art. 7 OECD-MA aus Deutschland oder Dividenden aus Belgien. Je nachdem ist das DBA Österreichs mit Deutschland oder Belgien anwendbar.
c) Nationales Steuerrecht und DBA Bevor auf die Qualifikationskonflikte eingegangen wird, ist es unerlässlich, die Funktion der DBA zu bestimmen. Rechtsnormen sind auf einen Sachverhalt unter zwei Bedingungen anzuwenden: Erstens muss die Norm als solche anwendbar sein und zweitens muss sie ihrem Inhalt nach auf den Sachverhalt anwendbar sein. Über das erste entscheidet eine Kollisionsnorm (oder: Rechtsanwendungsnorm), das zweite betrifft den Inhalt der Sachnorm. Kollisionsnormen können einseitig oder zweiseitig sein. Im Steuerrecht gibt es nur einseitige Kollisionsnormen.2 Dies bedeutet, dass das Recht jedes Staates abschließend und ausschließend darüber entscheidet, ob eine eigene Steuerrechtsnorm anwendbar ist oder nicht. Zu den Sachnormen gehören auch die Regeln über die Elemente des Steuertatbestandes, d.h. auch über Steuersubjekt, Steuerobjekt und – in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung – Zurechnung des Objekts zum Subjekt. Es gibt keine zweiseitigen Kollisionsnormen: kein Staat wendet für die Erhebung von Steuern die Sachnormen des Steuerrechts eines anderen Staates an. Dies ist vor allem beim sog. subjektiven Zurechnungskonflikt zu beachten. Beispiel: Staat A rechnet Einkünfte dem X, Staat B dieselben Einkünfte dem Y zu. Da jeder Staat einseitig durch Anwendung seines Steuerrechts bestimmt, wem die Einkünfte zuzurechnen sind, ist die Zurechnung durch den Staat B für den Staat A unerheblich. Anders wäre es nur, wenn im Staat A eine Norm bestünde, dass für die Zurechnung von Einkünften das Recht von Staat B maßgebend sei. Dies wäre dann eine zweiseitige Kollisionsnorm.
1 Vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510. 2 Vgl. hierzu im Einzelnen Mössner, Zum Begriff des Internationalen Steuerrechts in der neueren Literatur, Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht (ÖZöR) 1974, 255 ff.
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1.182
Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht
Ein DBA besteht ebenfalls aus Anwendungsnormen – Art. 1 OECD-MA – und Sachnormen. Die Anwendungsnormen des DBA beziehen sich aber immer und nur auf die Anwendung des Abkommens selbst. Sie sind keine zweiseitigen Kollisionsnormen1 und vor allem verändern sie nicht die Zurechnung von Einkünften nach nationalem Recht. Es gibt keine Norm in einem DBA, die etwa besagte, dass für die Zurechnung von Einkünften das Recht des Quellen- bzw. des Ansässigkeitsstaats maßgebend sei. Vielmehr schränken die DBA die nach den nationalen Steuerrechten begründeten Steueransprüche ein. Einen subjektiven Zurechnungskonflikt, der sich aus der Zurechnung von Einkünften zu unterschiedlichen Personen aufgrund der nationalen Steuerrechte der beteiligten Staaten ergibt, könnte ein DBA nur dann lösen, wenn es selbst, wie dargelegt, eine zweiseitige Kollisionsnorm hierfür enthielte. Da dies nicht der Fall ist, ist es auch verfehlt, einem DBA die Lösung eines subjektiven Zurechnungskonfliktes entnehmen zu wollen.2
II. Formen der Qualifikationskonflikte 1. Grundfall
1.183 Am besten sind die Probleme der Qualifikationskonflikte an einem Beispiel zu verdeutlichen. Beispiel: Der in Deutschland ansässige A ist an einer Personengesellschaft E in Spanien beteiligt. Deutschland behandelt die Personengesellschaft nach dem Typenvergleich als steuerlich transparent, Spanien als Körperschaft. Im Vermögen der E befindet sich eine Beteiligung an der spanischen (oder amerikanischen) Kapitalgesellschaft X, die Dividenden ausschüttet. Außerdem unterhält E in Deutschland eine Betriebsstätte.
Nach deutschem Verständnis vermittelt die E dem A eine Betriebsstätte in Spanien. Hinsichtlich der Dividenden ist Art. 10 DBA-Spanien anzuwenden, nach dessen Abs. 4 jedoch der Art. 7 über Unternehmensgewinne anzuwenden ist, wenn die Beteiligung funktional zum Vermögen der E gehört. Spanien behandelt die Dividenden als Bezug durch eine Kapitalgesellschaft. Hat Spanien eine Norm wie § 8b KStG, wird es den Divi1 Art. 6 Abs. 2, Art. 10 Abs. 3 OECD-MA verweisen zwar auf das nationale Recht des Quellenstaates, dies aber nur im Sinne einer Definition eines Abkommensbegriffs. Art. 23A Abs. 4 OECD-MA setzt wie § 50d Abs. 9 EStG den Qualifikationskonflikt voraus. 2 Dies verkennen Knobbe-Keuk, RIW 1991, 306; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 551 ff.; vgl. hierzu Lüdicke, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, in Dötsch u.a., Die Personengesellschaft im Steuerrecht, S. 117; OECD, Partnership Report Rz. 137 ff.; Debatin, Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, DB 1985, Beilage 23 (Heft 39), S. 6; ähnlich Seitz in W/R/S, Rz. 5.41 ff.; Weggenmann, ebenda Rz. 8.45 ff.; Schmidt, Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen auf Personengesellschaften, IStR 2010, 413 ff. (426).
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G. Qualifikationskonflikte
dendenbezug steuerfrei lassen und die Ausschüttung an A gem. Art. 10 DBA-Spanien behandeln und eine Quellensteuer erheben. Deutschland behandelt prinzipiell den Dividendenbezug als freizustellende Betriebsstätteneinkünfte, es sei denn, das DBA enthält eine Aktivitätsklausel.1 Dann würde Deutschland die Dividenden als passive Einkünfte behandeln und unter Anrechnung spanischer Quellensteuern besteuern, die aber noch gar nicht erhoben sind. Außerdem könnte § 50d Abs. 9 EStG in Betracht kommen, wenn Spanien die Dividenden unter Anwendung von DBA-Bestimmungen steuerfrei lässt. Gehören die Anteile nicht funktional zu der aus deutscher Sicht gegebenen spanischen Betriebsstätte, bezieht A unmittelbar Dividenden aus Spanien bzw. den USA. Hinsichtlich der Betriebsstätte in Deutschland beansprucht E die Anwendung des Körperschaftsteuersatzes, wohingegen das FA A seinem Anteil an E entsprechend den Betriebsstättengewinn zurechnet. 2. Definition von Qualifikationskonflikt a) Begriff Der Begriff stammt aus dem internationalen Privatrecht.2 Er bezeichnet 1.184 dort den Fall, dass Staaten eine bestimmte Regelung – z.B. Verjährung eines Anspruchs – derart in einem unterschiedlichen Zusammenhang regeln, dass unterschiedliche Zuweisungen Anwendung finden – z.B. Verjährung als Teil des Prozessrechts und damit zur Anwendung der Regeln des Gerichtsstandes oder Verjährung als Teil des materiellen Rechts des Anspruchs der nach den Regeln des Ortes einer unerlaubten Handlung beispielweise entschieden werden. Behandelt der Staat Y des Gerichts die Verjährung als Teil des materiellen Rechts, so dass das Recht des Staates X für die Verjährung maßgebend ist, dieser aber Verjährung dem Prozessrecht zuweist und insofern das Recht des Staates Y für anwendbar erklärt, so kommt es zu einem Qualifikationskonflikt. Dieser kann dazu führen, dass beide Staaten – sog. positiver Qualifikationskonflikt – oder keiner der beiden Staaten – sog. negativer Qualifikationskonflikt – sich für zuständig erklärt. In diesem Sinne kann man im internationalen Steuerrecht kaum von einem Qualifikationskonflikt sprechen,3 da es im internationalen Steuerrecht nur einseitige Kollisionsnormen gibt (s. Rz. 1.182), wohingegen der Qualifikationskonflikt eine Folge der zweiseitigen Kollisionsnormen des IPR ist. Gleichwohl hat sich der Begriff im Steuerrecht eingebürgert.4 Man kann den Begriff Qualifikationskonflikt in einem weiten und einem engen Sinne verstehen. Er kann positiv oder negativ sein. In einem weiten Sinne bedeutet er, dass die Vertragsstaaten Termini des Abkommens nach ihrem 1 Vgl. zu einem ähnlichen Fall Wassermeyer, FS Herzig, S. 907 f. 2 von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Bd. 1, 2. Aufl., S. 76 ff. 3 So Mössner, Zur Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, FS Seidl-Hohenveldern, S. 417; ebenso Vogel in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 151a. 4 Vogel in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 151.
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1.185
Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht
eigenen nationalen Steuerrecht auslegen und dabei zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Es handelt sich dann – vor allem bei Anwendung von Art. 3 Abs. 2 OECD-MA – um eine unterschiedliche Subsumtion aufgrund nicht autonomer Auslegung (s. Rz. 1.173) des Abkommens. Beispiel: Zinsen für ein Darlehen eines Gesellschafters an seine Personengesellschaft führen nach Ansicht der deutschen Finanzverwaltung zu unternehmerischen (gewerblichen) Einkünften. Die USA „qualifizieren“ die Zinsen als Zinsen.
Von einer Qualifikation im engeren Sinne kann man sprechen, wenn unterschiedliche nationale Steuerrechte ein und denselben Sachverhalt unterschiedlich mit weiteren Folgen für die Anwendung des Abkommens behandeln. Beispiel: Die Vertragsstaaten haben unterschiedliche Regeln zur Bestimmung der Ansässigkeit. Oder: Personengesellschaften werden transparent und intransparent besteuert.
Diese Unterschiede können dazu führen, dass beide Staaten sich zur uneingeschränkten Besteuerung befugt ansehen (positiver Konflikt) oder keiner von beiden (negativer Konflikt). Beispiel: Deutschland behandelt nach Ansicht der Finanzverwaltung Sondervergütungen (Beispiel Zins) als gewerbliche Einkünfte, die USA als Zinsen. Dies führt bei einer US-Personengesellschaft mit deutschem Gesellschafter dazu, dass weder Deutschland – da der US-Betriebsstätte zuzuordnen – noch die USA – da als Zins in Deutschland zu versteuern – eine Besteuerung vornehmen, während es im umgekehrten Fall zur Doppelbesteuerung kommt.
1.186 Zur Verhinderung negativer Qualifikationskonflikte hat der deutsche Gesetzgeber § 50d Abs. 9, 10 und 11 EStG geschaffen.1 Es handelt sich dabei nicht um eine allgemeine Maßnahme, sondern sie zielt, z.T. „mystisch verklausuliert“,2 auf bestimmte Situationen negativer Qualifikationskonflikte. § 50d Abs. 9 EStG3 versagt eine (nach deutschen Vorstellungen) zu gewährende Freistellung von Einkünften nach einem DBA, wenn der Staat, aus dem die Einkünfte stammen, seinerseits das DBA so anwendet,4 dass er die Einkünfte nicht oder nur zu einem reduzierten Steuersatz besteuern kann (Nr. 1), bzw. wenn die Einkünfte im Quellenstaat nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegen (Nr. 2), wobei es dann im S. 2 Rück- und Rück-Rück-Ausnahmen gibt. Nr. 2 betrifft keinen Qualifikationskonflikt nach der hier gegebenen Definition. § 50d Abs. 10 EStG ist eine Norm, die den vom BFH durch autonome Aus1 Zum Gemeindefinanzreformgesetz v. 8.5.2012, BGBl. I 2012, 1030; Abs. 11 s. Wittkowski, Editorial DB 2012, Heft 8; Drüen, DStR 2012, 541. 2 So zutreffend Gosch in Kirchhof11, § 50d EStG Rz. 41b. 3 Zu den Einzelheiten vgl. Gosch in Kirchhof11, § 50d EStG Rz. 41 ff. (41b). 4 Nur dann ist die Norm anzuwenden: BFH 24.8.2011 – I R 46/10, BFH/NV 2011, 1801.
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Mössner
G. Qualifikationskonflikte
legung vermiedenen Qualifikationskonflikt lösen will. Da sie aber technisch misslungen ist, geht sie ins Leere. (s.o. 4) Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf den sog. Qualifikationskonflikt bei Personengesellschaften, bei dem ein Staat die Personengesellschaft als intransparent und der andere sie als transparent behandelt. In diesen Fällen ordnet der eine Staat die Gesellschaft dem System der Körperschaftsteuer und der andere dem System der Einkommensteuer der Gesellschafter zu. Der Partnership Report der OECD (s. Rz. 1.80) hat die verschiedenen Möglichkeiten ausführlich analysiert. Daraufhin wurde der Kommentar zum OECD-MA in Art. 1 Rz. 5 bis 6.7 OECD-MK um die dort gefundenen Ergebnisse ergänzt. Das BMF hat am 16.4.2010 nach jahrelanger Vorarbeit das Schreiben zur Behandlung von Personengesellschaften im Abkommensrecht1 veröffentlicht, wobei es den Ansichten der OECD weitgehend folgt.2 Danach soll der Ansässigkeitsstaat der Qualifikation des Quellenstaates folgen. („Qualifikationsverkettung“)
1.187
Beispiel: I, ansässig in Deutschland, ist an der ungarischen H-KG beteiligt, die in Ungarn als Körperschaft besteuert wird. H erzielt u.a. erhebliche Zinseinkünfte aus allgemeinen Vermögensanlagen. Nach Art. 11 DBA-Ungarn dürfen Zinsen, die an eine in dem anderen Staat ansässige Person gezahlt werden, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, sie gehörten tatsächlich zu den Betriebsstätteneinkünften (was zu verneinen sein soll). Da nach dem Recht des Quellenstaates Ungarn die H eine dort ansässige Person ist, ist H auch Empfängerin der Zinsen nach ungarischem Steuerrecht. Im umgekehrten Fall – ein in Ungarn Ansässiger ist an einer deutschen KG beteiligt – würden die Zinsen nach deutschem Steuerrecht unmittelbar ihm zugerechnet und dürften in Deutschland aufgrund des DBA nicht besteuert werden. In einigen neueren DBA (Bulgarien, Mexiko, Niederlande, USA)3 hat Deutschland Sonderregelungen vereinbart oder die Ansässigkeit von Personengesellschaften fingiert (Spanien).
b) Situationen4 Aus deutscher Sicht wird eine Personengesellschaft transparent behandelt. Dies hat folgende Auswirkungen: – Die ausländische Gesellschaft ist Gewinnerzielungssubjekt, Steuersubjekte sind jedoch ihre Gesellschafter. Ihr Gewinn oder Verlust wird den Gesellschaftern anteilig als eigenes Einkommen zugerechnet.
1 BStBl. I 2010, 354. 2 Vgl. dazu Schmidt, Personengesellschaften und DBA – das BMF-Schr. v. 16.4.2010, in Lüdicke, Internationales Steuerrecht – Aufbruch oder Konsolidierung?, S. 185 ff. 3 Im Detail s. Brunsbach/Endres/Lüdicke/Schnitger, S. 53 ff. 4 Grundlegend mit Übersichten van Raad, Anerkennung der steuerlichen Rechtsfähigkeit ausländischer Unternehmungen, CDFI LXXIIIa, S. 113 ff.; s. auch Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 26 ff.
Mössner
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1.188
Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht
– Die Gesellschaft vermittelt den Gesellschaftern Betriebsstätten bzw. andere Einkünfte. – Die Gesellschafter erzielen diese Einkünfte als ausländische oder inländische. Zu einem Qualifikationskonflikt kommt es dann, wenn der andere Vertragsstaat eines DBAs Personengesellschaften intransparent behandelt. Damit ergeben sich folgende Konstellationen:1 (1) Gesellschafter an der im anderen Staat ansässigen Personengesellschaft ist eine in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Person oder Körperschaft. Die Gesellschaft erzielt Einkünfte im (a) Ausland (b) Inland (c) Drittstaat.
Deutschland
Intransparent besteuerndes Ausland
1b) 1a)
Gesellschafter
Drittstaat 1c) = Einkünfte Beteiligung
(2) Gesellschafter der ausländischen Personengesellschaft, die Einkünfte aus Deutschland bezieht, sind im (a) anderen Staat (b) Drittstaat ansässig.
Deutschland
Intransparent besteuerndes Ausland
Gesellschafter
2a)
2b) Drittstaat
1 Vgl. auch die Darstellung der denkbaren Konstellationen bei Seitz in W/R/S, Rz. 5.13 ff.
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Mössner
G. Qualifikationskonflikte
Handelt es sich um eine deutsche Personengesellschaft, so wird diese nicht intransparent, weil Gesellschafter aus einem Staat beteiligt sind, nach dessen Steuerecht Personengesellschaften intransparent besteuert werden.1 Etwas anderes wird auch nicht von der Theorie der Qualifikationsverkettung oder dem Partnership Report2 postuliert, die im Gegenteil auf die Qualifikation durch den Quellenstaat abstellen.
1.189
3. Behandlung der Qualifikationskonflikte a) Gesellschafter in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig aa) Einkünfte aus dem Sitzstaat der Gesellschaft Die Konstellation 1a) liegt der Entscheidung des BFH vom 25.5.20113 zugrunde. In Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtige waren an einer ungarischen KG (betéti társaság – BT) beteiligt, die in Ungarn Vermietungseinkünfte erzielte und dort als intransparent behandelt wurde.
In dieser – typischen – Situation ist die ungarische von der deutschen Sichtweise zu unterscheiden. In Ungarn wird die BT mit ihren Einkünften als ansässige Gesellschaft besteuert, d.h. die Vermietungseinkünfte werden ihr zugerechnet. Sie ist auch abkommensberechtigt. Im Sinne von Art. 7 Abs. 1 DBA-Ungarn unterhält sie ein ungarisches Unternehmen, da sie gem. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d i.V.m. Art. 4 Abs. 1 DBA-Ungarn in Ungarn ansässig ist. Ihr Gewinn wird nicht den deutschen Gesellschaftern zugerechnet. Wird der Gewinn verteilt, beziehen diese Dividenden i.S. von Art. 10 DBA-Ungarn, die in Deutschland besteuert werden können und in Ungarn den entsprechenden Quellensteuerreduktionen unterliegen. Für Deutschland stellt sich die Frage, ob die in Ungarn erzielten Einkünfte freizustellen sind. Dies ist nach Art. 23 Abs. 1 DBA-Ungarn der Fall, wenn in Deutschland Ansässige Einkünfte beziehen, die nach dem DBA in Ungarn besteuert werden dürfen.4 An der ersten Voraussetzung – Einkünfte eines in Deutschland Ansässigen – würde es fehlen, wenn die Einkünfte einer in Ungarn ansässigen Person zuzurechnen sind.
Bei einer abkommensorientierten Auffassung5 würde man argumentieren, dass die BT in Ungarn, weil sie dort wie eine Körperschaft besteuert wird, eine in Ungarn ansässige Person sei, die das Unternehmen betreibt. Ihr seien daher die Vermietungseinkünfte zuzurechnen – auch mit Wir-
1 Vgl. Seitz in W/R/S Rz. 5.23 ff. 2 The application of the OECD model tax convention to partnerships, Paris 1999, Rz. 71; s. auch Art. 1 Rz. 6.1 OECD-MK (nicht ganz eindeutig). 3 BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, DStR 2011, 1553; hierzu Prinz, FR 2012, 381 (384). 4 Von Ausnahmen wie dem Aktivitätsvorbehalt in Art. 23 Abs. 1 Buchst. c DBAUngarn abgesehen. 5 Vgl. Schmidt in Lüdicke S. 192 ff.; Lüdicke, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, in Dötsch u.a., Die Personengesellschaft im Steuerrecht (Gedächtnissymposium für Brigitte Knobbe-Keuk), S. 95 ff. (118 f.).
Mössner
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1.190
Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht
kung für Deutschland. Bei einer anwenderorientierten Auffassung1 würde die BT im Wege des Typenvergleichs (s. Rz. 2.55) als transparente Personengesellschaft „qualifiziert“, so dass die Vermietungseinkünfte den Gesellschaftern zuzurechnen sind. Daran ändert sich nichts dadurch, dass die BT im Sinne des Abkommens eine ansässige Person ist. Ihr werden aus deutscher Sicht keine Einkünfte zugerechnet.2 Die Abkommensberechtigung geht ins Leere, weil ihr keine Einkünfte zugerechnet werden.3 Dieser Auffassung hat sich der BFH angeschlossen, obwohl der systematische Zusammenhang und der Wortlaut dagegen sprechen. Die Gründe des BFH4 überzeugen nicht unbedingt. Dennoch ist ihm zuzustimmen. Seine „Hilfserwägung“5 ist jedoch zwingend: würde Deutschland der Qualifikation durch Ungarn folgen, könnten die Einkünfte nicht besteuert werden, solange sie nicht ausgeschüttet werden. Im Falle der Ausschüttung wäre in Deutschland auch keine Besteuerung möglich, da eine entsprechende Norm fehlt. Aus dieser Sicht sind es freizustellende ausländische Betriebsstätten- oder Vermietungseinkünfte.6 Sind die Einkünfte freizustellen, so spielen die unterschiedlichen Betrachtungsweisen keine entscheidende Rolle. Die Unterschiede zeigen sich bei Einkünften, die Deutschland nach dem DBA besteuern kann sowie bei Drittstaateneinkünften. Die BT war vermögensverwaltend tätig. Ihre Einkünfte aus der Vermietung unbeweglichen Vermögens (Art. 6 DBA-Ungarn) waren daher freizustellen, nicht aber die übrigen Vermietungseinkünfte (Art. 21 DBA-Ungarn).7
1.191 Diese Auffassung hat bei Nichtfreistellung eine Doppelbesteuerung zur Folge. Beispiel: Die ausländische KG hält Anteile an einer Kapitalgesellschaft im gleichen Staat, die nicht funktional der Betriebsstätte zuzuordnen sind. Der ausländische Staat besteuert die Dividende bei der KG gem. Art. 7 mit 20 % Körperschaftsteuer, Deutschland wendet Art. 10 an, der eine Quellensteuer z.B. auf 10 % begrenzt.
Deutschland erkennt nur 10 %-Quellensteuer an,8 hat darüber hinaus noch das Problem, dass die Anrechnung Subjektidentität (s. Rz. 2.281) 1 2 3 4
5 6 7 8
Lüdicke in Dötsch u.a., S. 120; Seitz in W/R/S, Rz. 5.10. S. auch Suchanek/Herbst, Ubg 2011, 779 (780). Ebenso Wassermeyer in FS Herzig, S. 902. Einkünftezurechnung nicht im Abkommen geregelt, Besteuern können i.S. von Art. 23 nach dem Recht des Anwenderstaates zu beurteilen, Anwendung von Art. 3 Abs. 2 DBA, keine Bedeutung des geänderten Kommentars wegen statischer Betrachtung. Bezugnahme auf Lüdicke IStR 2011, 96. Sie sind aber ggf. beim Progressionsvorbehalt, § 32b EStG, zu berücksichtigen, wobei der Zeitpunkt bei einer abkommensorientierten Betrachtung fraglich ist. Ebenso z.B. Seitz in W/R/S Rz. 5.45; a.A. Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 34. BFH v. 2.3.2010 – I R 75/08, BFH/NV 2010, 1820; v. 28.4.2010 – I R 81/09, BFH/ NV 2010, 1550.
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G. Qualifikationskonflikte
gem. § 34c Abs. 1, 6 S. 2 EStG voraussetzt. Gleichwohl ist es konsequent, die Quellensteuer als auf die Einkünfte des Inländers erhoben anzusehen (s. Rz. 2.283) bb) Einkünfte aus Deutschland Der Fall 1b) ist noch nicht entschieden und in gleicher Weise komplex. Beispiel: Die ungarische BT mit deutschem Gesellschafter bezieht von einer in Deutschland ansässigen GmbH, an der sie zu 70 % beteiligt ist, eine Gewinnausschüttung.
Nach deutschem Steuerrecht findet § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG auch auf die ausländische Personengesellschaft Anwendung.1 Diese vermittelt dem inländischen Gesellschafter eine anteilige Betriebsstätte.2 Zu diesen freizustellenden Betriebsstätteneinkünften gehören auch die aus Deutschland bezogenen Dividenden. Dies ergibt sich aus Art. 7 Abs. 2 OECD-MA, sowie dem sog. Betriebsstättenvorbehalt (Art. 7 Abs. 7 i.V.m. Art. 10 Abs. 4 OECD-MA).3 Gehören die Anteile an der GmbH allerdings nicht funktional zur Betriebsstätte, so bezieht der inländische Gesellschafter unmittelbar die Dividenden.4 Aus deutscher Sicht stellt sich allerdings die Frage, ob die BT gem. Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBA-Ungarn ggf. die Quellensteuerreduktion auf 5 v.H. verlangen kann. Erste Voraussetzung ist, dass die BT als eine in Ungarn ansässige Person i.S. von Art. 10 Abs. 1 DBA-Ungarn gilt und im Sinne des Abkommens als Empfänger der Dividenden (Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBA-Ungarn) eine Gesellschaft ist.5 Nach dem BMF-Schreiben6 ist dies zu bejahen. Dem ist jedenfalls insoweit zuzustimmen,7 als BT eine abkommensberechtigte Person ist, da sie in Ungarn ansässig ist, so dass die Besteuerung in Ungarn möglich ist. Voraussetzung ist weiterhin, dass die Dividenden an diese BT gezahlt werden. Da der Begriff der Zahlung in Art. 10 Abs. 1 DBA-Ungarn autonom auszulegen ist8 und nicht von der Zurechnung die Rede ist, kommt es nicht darauf an, dass möglicherweise nach deutscher 1 Unstreitig, s. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 18.75; Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 13. 2 St. Rspr. BFH v. 29.1.1964 – I 153/61 S, BStBl. III 1964, 165; v. 17.10.2007 – I R 56/06, BStBl. II 2009, 356; vgl. auch Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 37. 3 Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 65, 71; Vogel in V/L5, Vor Art. 10 OECD-MA Rz. 30 f. 4 BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510. 5 Nach Art. 10 Abs. 2 OECD-MA sind Personengesellschaften ausdrücklich ausgenommen. Dies fehlt im DBA-Ungarn. 6 BMF v. 16.4.2010, BStBl. I 2010, 354, Rz. 2.1.2 Abs. 2. 7 Ebenso Chr. Schmidt, Personengesellschaften und DBA – das BMF-Schr. v. 16.4.2010, in Lüdicke, Internationales Steuerrecht – Aufbruch oder Konsolidierung, S. 185 ff. (188 f.). 8 BFH v. 19.5.2010 – I R 62/09, BFH/NV 2010, 1919; Wassermeyer in D/W, Art. 10 OECD-MA Rz. 39; Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 22.
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1.192
Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht
Ansicht es sich nicht um einer ungarischen Betriebsstätte zuzurechnende Einkünfte handelt. Ungarn kann die Dividenden folglich besteuern. In einem weiteren Schritt ist für die Besteuerung in Deutschland gem. Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBA-Ungarn zu prüfen, ob die Quellensteuerbegrenzung anzuwenden ist, im Beispiel auf 5 %. Dies hängt von der Auslegung des Begriffs „Gesellschaft“ als Empfänger der Dividende ab. Nach dem DBA ist die BT eine Gesellschaft, da sie im Staate ihrer Ansässigkeit wie eine Körperschaft der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt.1 Somit ist entscheidend, ob die BT auch „Empfängerin“ der Dividenden ist. Im DBAUngarn2 ist der Begriff des Empfängers noch nicht (anders im neuen, noch nicht in Kraft getretenen DBA 2011) wie im OECD-MA mit demjenigen des Nutzungsberechtigten3 verbunden. Gleichwohl stellt sich beim DBAUngarn wie beim OECD-MA die Frage, nach dem Recht welchen Staates dies zu entscheiden ist. M.E. ist darauf abzustellen, wem die Dividenden zuzurechen sind: der ausländischen Personengesellschaft (sprich: anteiligen Betriebsstätte) oder den Gesellschaftern. Dies entscheidet sich nach deutschem Recht. Wenn die Beteiligung an der deutschen GmbH funktional zum Betriebsstättenvermögen gehört, so handelt es sich aus deutscher Sicht um freizustellende ausländische Betriebsstätteneinkünfte eines Inländers. Dies spricht dagegen, dass die Schachtelvergünstigung zu gewähren ist. Andererseits kann sich die BT nach dem Abkommen auf die Quellensteuerreduktion berufen. Dann ist jedoch § 50d Abs. 3 EStG in Betracht zu ziehen. In dieser Vorschrift kann unter „Gesellschaft“ auch eine Personengesellschaft verstanden sein.4 Kommt diese Vorschrift nicht zur Anwendung, so wird die BT als Gesellschaft und Empfängerin der Dividenden anerkannt. Die Schachtelvergünstigung im Quellenstaat wird aber deshalb gewährt, um die wirtschaftliche Doppelbelastung von Dividenden zu verhindern, wenn diese über eine weitere Gesellschaft bezogen werden. Damit kommt es darauf an, ob eine Ausschüttung der BT an den deutschen Gesellschafter in Deutschland besteuert werden kann. Da § 20 EStG jedoch nicht anwendbar ist, da die BT nach dem Typenvergleich (vgl. Rz. 2.55) keine Kapitalgesellschaft ist und die Dividenden freizustellende Betriebsstätteneinkünfte wären, würde eine Besteuerung in Deutschland nicht erfolgen können. Wie im Fall 1a) würde die Zweistufigkeit der Besteuerung von Gewinnen von Körperschaften nicht gewahrt sein. Deswegen kann die BT keine Quellensteuerreduktion verlangen (teleologische Reduktion von Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBA-Ungarn). Wassermeyer5 kommt über eine anwenderorientierte Auslegung zu einem vergleichbaren Ergebnis. Für ihn ist die BT keine Gesellschaft i.S. von Art. 10 Abs. 2 DBA-Ungarn. 1 Es sei denn, das DBA nimmt – wie Art. 10 Abs. 2 OECD-MA – Personengesellschaften ausdrücklich aus, s. Partnership Report der OECD, Rz. 71. 2 S. Reith in D/W, Art. 10 DBA-Ungarn Rz. 38. 3 Zur Auslegung dieses Begriffs vgl. Vogel in V/L5, Vor Art. 10 OECD-MA Rz. 16 ff. 4 Gosch in Kirchhof11, § 50d EStG Rz. 28a. 5 Wassermeyer in D/W, Art. 19 OECD-MA Rz. 71 f.
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Mössner
G. Qualifikationskonflikte
cc) Einkünfte aus einem Drittstaat Die wesentlichen Aspekte des Falles 1c) sind vorstehend bereits angesprochen.1
1.193
Beispiel: Die in Deutschland ansässige D-GmbH ist an der ungarischen BT mehrheitlich beteiligt. Die BT ist als Vertriebsgesellschaft der Produkte der D in Ungarn tätig. Zugleich hält sie eine Reihe von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften in Drittländern, die Dividenden ausschütten.
In einem vergleichbaren Fall der deutschen Beteiligung an einer allerdings im anderen Staat transparent behandelten Personengesellschaft hat der BFH2 darauf abgestellt, ob die Beteiligungen funktional zum Betriebsstättenvermögen gehören. Ist dies nicht der Fall, werden die Dividenden unmittelbar dem Inländer zugerechnet und auf sie ist das DBA mit den Ansässigkeitsstaaten der Kapitalgesellschaften anzuwenden. Ähnliches gilt, wenn die Beteiligungen zwar Betriebsstättenvermögen sind, das DBA jedoch eine Aktivitätsklausel enthält und die betreffenden Einkünfte danach nicht aktive sind.3 Der Theorie der Qualifikationsverkettung entsprechend müsste Deutschland die BT als Kapitalgesellschaft anerkennen. Die Dividenden wären dann Einkünfte der BT, obwohl das DBA nichts über die Zuordnung von Einkünften besagt.4 Letztlich würde auch hier eine Norm zur Besteuerung der Gewinnausschüttungen der BT in Deutschland fehlen. dd) Ergebnis Sind die Gesellschafter einer nach dem Typenvergleich als Personengesellschaft zu behandelnden ausländischen Gesellschaft im Inland ansässig und unbeschränkt steuerpflichtig, so ist die ausländische Gesellschaft immer als transparent steuerlich zu behandeln, soweit die Zurechnung von Einkünften betroffen ist, selbst wenn sie nach dem Steuerrecht des anderen Staates steuerlich intransparent ist. Die Einkünfte der Gesellschaft sind den inländischen Gesellschaftern anteilig zuzurechnen. Soweit das anzuwendende DBA die Freistellung der Einkünfte – z.B. Vermietungseinkünfte bei unbeweglichem Vermögen, Betriebsstätteneinkünfte – vorsieht, bleiben sie im Inland unbesteuert. Besteuert der ausländische Staat die Gesellschaft selbst und die ausgeschütteten Dividenden, so können diese Steuern im Inland nicht berücksichtigt werden. Die Gesellschaft mag abkommensberechtigt sein, da sie als solche nicht der deutschen Besteuerung unterliegt, geht die Abkommensberechtigung ins Leere. Im Ergebnis besteht der Unterschied zur Qualifikationsverkettung darin, dass die 1 S. auch M. Lang, Steuerlich transparente Rechtsträger und Abkommensberechtigung, IStR 2011, 1 ff. 2 BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510. 3 BFH v. 7.8.2002 – I R 10/01, BStBl. II 2002, 848. 4 So zutreffend BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10 (Rz. 16), DStR 2011, 1553.
Mössner
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1.194
Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht
„Ausschüttung“ der Gewinne ins Inland steuerfrei bleibt und Deutschland keine Schachtelvergünstigung als Quellenstaat zu gewähren hat. Handelt es sich um Einkünfte, die nicht freizustellen sind, die Deutschland nach dem DBA (auch) besteuern kann – z.B. Dividenden, Zinsen –, so kommt es darauf an, ob sie zu freizustellenden Einkünften einer ausländischen Betriebsstätte gehören. Ist dies nicht der Fall, so sind sie unmittelbar von den inländischen Gesellschaftern anteilig bezogen. b) Gesellschafter im Ausland ansässig aa) Im Staat der Gesellschaft
1.195 In der Konstellation 2a) ist die ausländische Personengesellschaft im Inland beschränkt steuerpflichtig, da sie entsprechende Einkünfte aus Deutschland bezieht und ihre Gesellschafter im anderen Staat ansässig sind. Beispiel: Die ungarische BT mit ungarischen Gesellschaftern vermietet in Deutschland Gebäude, sie unterhält eine Betriebsstätte und erzielt weitere Einkünfte, z.B. Dividenden einer im Inland ansässigen GmbH, an der sie mehrheitlich beteiligt ist.
Die BT ist eine Gesellschaft i.S. des DBA-Ungarn und dementsprechend abkommensberechtigt. Da auch die Gesellschafter in Ungarn ansässig sind, wären sie abkommensberechtigt, wenn die BT aus deutscher Sicht transparent behandelt würde. Somit geht es nur darum, ob Quellensteuerreduktionen, die nur ausländischen Kapitalgesellschaften gewährt werden, von Deutschland zu gewähren sind. Soweit die Anwendung der Körperschaftsteuer an Stelle der Einkommensteuer betroffen ist, handelt es sich um eine rein innerstaatliche Angelegenheit, auf die das DBA nicht einwirkt. Somit wird die BT insoweit transparent behandelt und es ist auf die Gesellschafter abzustellen, die jeweils beschränkt steuerpflichtig sind. Der BT als solche werden keine Einkünfte zugerechnet.1 Andererseits beruhen Schachtelvergünstigungen bei Dividenden auf dem DBA (Art. 10 Abs. 2 DBA-Ungarn). Sie sind zu gewähren,2 auch wenn § 8b KStG bei transparenter Betrachtung nicht anzuwenden ist. Da im Ansässigkeitsstaat der BT die Ausschüttungen der BT an ihre Gesellschafter als Dividenden behandelt werden, erfolgt auch keine Durchbrechung der Zweistufigkeit (s. Rz. 1.192). Immerhin ist aber § 50d Abs. 3 EStG zu beachten. bb) In einem Drittstaat
1.196 In der Konstellation 2b) geht es primär um die Anwendbarkeit des Abkommens selbst. Da die BT eine in einem Vertragsstaat ansässige Person 1 Darauf stellt M. Lang ab, IStR 2011, 2 m.w.N. 2 Ebenso BMF v. 16.4.2010, BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.1.2; a.A. Wassermeyer in FS Herzig S. 899 f.; s. auch Seitz in W/R/S, Rz. 5.26 ff.
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Mössner
G. Qualifikationskonflikte
ist, ist das DBA-Ungarn gem. seinem Art. 1 anzuwenden. Insoweit unterscheidet sich diese Situation nicht von der der Konstellation 2a). Da der Gesellschafter in einem Drittstaat ansässig ist, ist er nach dem DBA-Ungarn nicht abkommensberechtigt. Damit ist entscheidend, ob die Einkünfte aus Deutschland im Rahmen einer beschränkten Steuerpflicht ihm oder der BT zugerechnet werden. Trifft ersteres zu, so kommt es nur auf die steuerliche Beziehungen zwischen Deutschland und dem Drittstaat an. Nimmt man letzteres an, so tritt die Problematik des treatyshopping hinzu. Unter den Voraussetzungen von § 50d Abs. 3 EStG sind die Abkommensvorteile zu versagen. Dass es sich um eine intransparente Personengesellschaft handelt, ist dabei unerheblich.1 Was nicht über die Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft erreicht werden kann, kann auch nicht über die Beteiligung an einer Personengesellschaft erreicht werden.2 c) Folgeprobleme Bezieht eine im Inland ansässige Person Einkünfte aus dem Ausland über eine intransparent besteuerte Personengesellschaft und werden diese Einkünfte in Deutschland besteuert, so stellt sich die Frage der Berücksichtigung der von der Personengesellschaft im Ausland entrichteten Steuer im Inland. Beispiel: I ist in Deutschland ansässig und an der ungarischen BT beteiligt. Diese bezieht Dividenden, Lizenzeinnahmen und Zinsen, die nicht zu den Betriebsstätteneinkünften gehören. Nach ungarischem Steuerrecht werden sie jedoch der BT zugerechnet und dort mit einheitlich 18 v.H.3 besteuert. Kann der inländische Gesellschafter die Anrechnung der ungarischen Steuer verlangen und wenn ja: uneingeschränkt oder auf die in Art. 10 Abs. 2 vorgesehenen Steuersätze begrenzt?
Die Anrechnung ausländischer Steuern gem. § 34c EStG, § 26 KStG setzt Subjektidentität (Rz. 2.281 ff.) voraus, d.h. auf Rechnung des deutschen unbeschränkt Steuerpflichtigen muss die ausländische Steuer erhoben werden. Dies ist aber nicht der Fall, da die Personengesellschaft selbst im Ausland das Steuersubjekt ist. Es wäre aber inkonsequent, die Anrechnung daran scheitern zu lassen. Die transparente Behandlung muss auch hier angewandt werden, so dass die Subjektidentität gewahrt ist.4 Ob dies das Ergebnis einer wirtschaftlichen Auslegung oder eine Billigkeitsmaßnahme ist, bleibt dahingestellt. 1 2 3 4
Gosch in Kirchhof11, § 50d EStG Rz. 28a. S. auch Seitz in W/R/S, Rz. 5.28. Vgl. Reith in D/W, Anh. DBA-Ungarn Rz. 66. Ebenso Gosch in Kirchhof11, § 34c EStG Rz. 2; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 15.59; Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B26 ff.; so auch RFH v. 12.2.1930 – VI A 899/27, RStBl. 1930, 444; BFH v. 17.7.1968 – I 121/64, BStBl. II 1968, 695; BMF v. 1.10.1997, BStBl. I 1997, 863; v. 28.5.1998, BStBl. I 1998, 557; s. auch Lüdicke in Dötsch u.a. S. 124.
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1.197
Kapitel 1 Unternehmen im internationalen Steuerrecht
1.198 Bezieht die ausländische, intransparent besteuerte Personengesellschaft Einkünfte aus Deutschland und bejaht man eine Ermäßigung der deutschen Quellensteuer, z.B. bei Dividenden, so stellt sich die Frage, wer diese geltend machen kann bzw. muss. Da es sich aus deutscher Sicht nicht um der ausländischen Gesellschaft zuzurechnende Einkünfte handelt, kann sie auch nicht Erstattung z.B. gem. § 50d Abs. 1 EStG verlangen. Bei einem Gesellschafter in einem Drittstaat erscheint dies zwingend, da er ggf. einen eigenen Erstattungsanspruch geltend machen kann. Dass dies in der Praxis noch nicht vorgekommen sei,1 erledigt nicht das rechtliche Problem. Da man die Gesellschaft nicht als berechtigt ansehen kann, für die Gesellschafter zu handeln,2 kann es nur der einzelne Mitunternehmer sein, der die Erstattung an sich verlangen kann. Diese Lösung ist widersprüchlich und unbefriedigend, aber unvermeidlich, solange nicht der deutsche Gesetzgeber bzw. die Finanzverwaltung eine Regelung trifft.
1 So Schmidt in Lüdicke S. 190. 2 Wassermeyer in FS Herzig S. 899 spricht insofern von gewillkürter Prozessstandschaft.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung Literatur Alpers, Die Nicht-Betriebsstätte i.S.v. Art. 5 Abs. 4 OECD-MA – ein vernachlässigtes Steuerplanungsinstrument, IWB, Fach 3, Gruppe 2, 1097 (2004); Avery Jones/ Ward, Agents as permanent establishments, BTR 1993, 351; Becker/Loose, Zur Anrechnung ausländischer Quellensteuern auf die Gewerbesteuer, IStR 2012, 57; Bendlinger, Die Betriebsstätte – ein alternativer Betriebsstätentatbestand, IStR 2009, 521; Bodden, Die Thesaurierungsbegünstigung des § 34a EStG im Gesamtgefüge der Einkommensbesteuerung, FR 2012, 68; Borstell, Coordination Centres in Belgien, IWB Fach 5, Gruppe 2, 169; Breuninger/Prinz, Besteuerung von Personengesellschaften, DStR 1995, 927; Bron, Geänderte Besteuerung von gewerblichen Immobilieneinkünften beschränkt Steuerpflichtiger, DB 2009, 592; Buciek, Aktuelle Entwicklungen zur Betriebstättenbesteuerung, DStZ 2003, 139; Dautzenberg, Reformbedarf bei der beschränkten Steuerpflicht nach dem EuGH-Urteil in der Rechtssache Asscher, DB 1996, 2248; Djanani/Brähler/Hartmann, Die Finanzverwaltung und die autonome Abkommensauslegung, IStR 2004, 481; Ebenroth/ Bippus, Die staatliche Anerkennung ausländischer Gesellschaften, DB 1988, 842; Eckl, Die Definition der Betriebsstätte, IStR 2009, 510; Ellerbeck/Eggesiecker, Fünftelregelung und Progressionsvorbehalt, DStR 2007, 1281; Engert, Umstrukturierungen unter Beteiligung von EU-Auslandsgesellschaften im deutschen Steuerrecht, DStR 2004, 664; Faix/Wangler, Steuerliche Risiken anlässlich des Wechsels, IStR 2001, 65; Gosch, Altes und Neues. Bekanntes und weniger Bekanntes zur sog. Isolierenden Betrachtungsweise, in: Festschrift Wassermeyer, 2005, S. 263; Göttsche, Das Centros-Urteil des EuGH und seine Auswirkungen – Eine Bestandsaufnahme aus gesellschafts-, handels- und steuerrechtlicher Sicht, DStR 1999, 1406; Grotherr, International relevante Änderungen durch das Steuervergünstigungsabbaugesetz, IWB, Fach 3, Gruppe 1, 1935; Haase, Abschied vom Rechtstypenvergleich durch das FG Baden-Württemberg, IWB 2008, Fach 3, Gruppe 2, 1133 u. 1385; Hey/Friedrich, Stellung der US (Delaware) Limited Liability Company im internationalen Steuerrecht, in FS Debatin, 121; Höfer, Deutsche Doppelbesteuerungsabkommen, Grundlagen und aktuelle steuerpolitische Entwicklungen, in Festschrift Flick, S. 805; Homburg, Zinsschranke, FR 2007, 717; Jörißen, Die USamerikanische Limited Liability Company und ihre steuerrechtliche Einordnung für die Zwecke der deutschen Besteuerung, IWB 2004, Fach 3, Gruppe 2, 1109; Kessler/Dietrich, Den Worten sollten Taten folgen: die Umsetzung eines Doppelbesteuerungsabkommens, IStR 2011, 108; Kessler/Eicke, Die Limited – Fluch oder Segen für die Steuerberatung?, DStR 2005, 2101; Kessler/Müller, Der Ort der Geschäftsleitung einer Kapitalgesellschaft, IStR 2003, 361; Kessler/Peter, OECD klärt Zweifelsfragen zur Serverbetriebsstätte, IStR 2001, 238; Köhler, Erste Gedanken zur Zinsschranke nach der Unternehmenssteuerreform, DStR 2007, 597; Krawitz/ Hick, Betriebsstätteneigenschaft in- und ausländischer Bau- und Montagetätigkeit bei mehreren Projekten, RIW 2002, 523; Kroniger/Thies, Anwendung des checkthe-box-Systems auf die KGaA, IStR 2002, 397; Kroppen, Betriebsstätte – Quo vadis?, IWB, Fach 10, Gruppe 2 International, 1865; Kußmaul/Richter/Ruiner, Die Sitztheorie hat endgültig ausgedient!, DB 2008, 451; Lang, Michael, Einkünfteermittlung im internationalen Steuerrecht, in Hey (Hrsg.) Einkünfteermittlung (DStJG 34), Köln 2011, S. 353; Lemaitre/Schnittker/Siegel, Die steuerliche Einordnung der US-amerikanischen Limited Liability Company (LLC) auf der Grundlage des BMF-Schr. v. 19.3.2004, GmbHR 2004, 618; Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, Baden-Baden, 2008; Lühn, Gefahr der Begründung einer inlän-
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung dischen Betriebsstätte bei grenzüberschreitender Lohnveredelung, IWB 2008, Fach 3, Gruppe 2, 1139; Massoner/Stürzlinger, Anrechnungsmethode als geringster und gemeinschaftskonformer Eingriff in die Besteuerung von Portfoliodividenden, SWI 2007, 400; Menck, Offener Steuerstaat und internationale Koordination – Gedanken zur Entwicklung, in FS Debatin, 305; Mitsch, Die Änderung des § 8b KStG, INF 2004, 218; Mössner, Domicile und residence im englischen Steuerrecht, FS Ritter, 1997, 207; Mössner, Rechtsprechung zum internationalen Steuerrecht, IWB Fach 3a, Gruppe1, 535; Mössner, Die Methoden der Vermeidung der Doppelbesteuerung, in Vogel, Grundfragen des internationalen Steuerrechts (DStJG 8), Köln 1985, S. 135; Mössner, Diskriminierung beschränkt Steuerpflichtiger, in Haarmann, Beschränkte Steuerpflicht, 1993, S. 110; Mössner, Isolierende Betrachtungsweise, in Festschrift Flick S. 939; Mössner, Neuere Entwicklungen beim Betriebsstättenbegriff, in Festschrift Vogel, 2000, S. 945; Mössner, Welteinkommensprinzip, in: Tipke/Bozza, Besteuerung von Einkommen, Berlin 1995, S. 257; Müller-Dott, Zur Rechtsänderung des § 34c EStG zur Anrechnung ausländischer Steuern durch das StVergAbG, DB 2003, 1468; Portner, Betriebsstätte, IStR 1998, 553; Rautenstrauch/Binger, Dienstleistungsbetriebsstätten – Zukunft oder bereits Realität?, Ubg 2009, 619; Reimer, Die Zukunft der Dienstleistungsbetriebsstätte, IStR 2009, 378; Rosenberger/Vitali/Zier, Die Dienstleistungsbetriebsstätte: Internationale Entwicklungen und ihre Rezeption im Internationalen Steuerrechts Deutschlands, Österreichs und der Schweiz, IStR 2010, Beilage zu Heft 18; Schieber, Betriebsstättenbegründung durch Montageüberwachung, IStR 1994, 521; Siegel, Zur Konstruktion eines verfassungsgemäßen § 34 EStG, DStR 2007, 978; Siegel/Diller, Fünftelregelung und Progressionsvorbehalt, DStR 2008, 178; Small, Das neue Wahlrecht zur Klassifizierung von Kapital- und Personengesellschaften, IStR 1996, 280; Schnittker, Steuersubjektqualifikation ausländischer hybrider Rechtsgebilde, 2004, 39; Stewen, Europäisches Anerkennungsprinzip und deutscher Typenvergleich, FR 2007, 1047; Tappe, Steuerliche Betriebsstätten in der Cloud, IStR 2011, 870; Vogel, New Europe bids farewell to treaty override, BIFD 2004, 5; Vogel, Progressionsvorbehalt und Progressionsermäßigung, in Festschrift Selmer, 2003, S. 959; Vogel, Der Grundsatz der Rücksichtnahme im deutschen innerstaatlichen Recht und im Völkerrecht, in Festschrift Ritter, S. 771; Wagner, Die Anwendung des Methodenartikels eines DBA auf Dividenden-, Zins- und Lizenzeinkünfte einer ausländischen Betriebsstätte, IWB, Fach 3, Gruppe 2, 1067; Wassermeyer, Die Betriebsstätte – ein in vieler Hinsicht unbekanntes Wesen, FS Kruse, S. 589; Wassermeyer, Kann eine ausländische Kapitalgesellschaft im Inland unbeschränkt sstuerpflichtig sein?, DB 1990, 244; Wassermeyer, Internationale und grundsätzliche Aspekte, StBJb 2002/2003, 49; Wassermeyer, Die beschränke Steuerpflicht, in Vogel, Grundfragen, 1985, S. 81; Wolff, Auslegungsfragen zu DBA-Regelungen über Unternehmensgewinne, in Festschrift Wassermeyer, S. 659.
A. Grundlagen 2.1 International tätige Unternehmen entfalten ihre wirtschaftlichen Aktivitäten in mehreren Staaten (Rz. 1.1 ff.). Diese legen Voraussetzungen und Modalitäten dieser Aktivitäten in ihrem jeweiligen Niederlassungs-, Devisen- und Wirtschaftsrecht fest. Mittels ihres Steuerrechts nehmen sie am wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen teil und transferieren die zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben erforderlichen finanziellen Mittel so aus dem unternehmerischen Bereich in ihre öffentlichen Haushalte. Der Verteilung der öffentlichen Lasten auf die Steuerpflichtigen liegen
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A. Grundlagen
prinzipielle Gerechtigkeitsvorstellungen innerhalb jeden Staates zugrunde, die von den grundlegenden Prinzipien der jeweiligen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung geprägt werden. Die Steuerhoheit als das Recht, Steuern zu erheben und über die Art und Weise ihrer Erhebung zu verfügen, gehört zu den elementaren Bestandteilen staatlicher Souveränität, die mit dem Begriff des Staates verbunden ist und nicht der Bestätigung durch die Mitglieder der Völkerrechtsgemeinschaft bedarf. Sie umfasst auch das Recht, sich am Auslandserfolg der eigenen Unternehmen und am Inlandserfolg ausländischer Unternehmen zu beteiligen. Dies entspricht weltweit der überwiegenden Ansicht. Allerdings werden gegen die steuerliche Erfassung im Ausland gegebener Sachverhalte (Welteinkommensprinzip) Einwände vorgebracht,1 denn letztlich kann ein Staat die von ihm geforderten Steuern nur von solchem Vermögen erheben, welches seinem Zugriff unterliegt (unechtes Welteinkommensprinzip). Dennoch lässt sich kein völkerrechtliches Verbot feststellen, das es den Staaten verwehrte, der Bemessung ihrer Steuern Vorgänge außerhalb ihres Staatsgebietes zugrunde zu legen.2 Das international tätige Unternehmen ist der Steuerhoheit mindestens zweier Staaten unterworfen, die ihre Steuerhoheit gleichberechtigt, autonom und prinzipiell unkoordiniert ausüben. Jeder Staat begründet in seiner Steuerrechtsordnung Reichweite und Inhalt seiner Steueransprüche. Dies führt zu konkurrierenden Steueransprüchen mehrerer Staaten gegen das international tätige Unternehmen. Das Völkergewohnheitsrecht begrenzt diese Konkurrenz so gut wie nicht,3 jedenfalls nur so allgemein und unbestimmt, dass ihm in der Praxis keine große Bedeutung zukommt. Entscheidend sind die unilateralen, einzelstaatlichen (Rz. 2.266) und bilateralen, staatsvertraglichen (Rz. 2.418) Maßnahmen zur Beseitigung der Doppelbesteuerung. Diese beschränken aber nicht die Grundlagen der Steuerhoheit, sondern zielen lediglich auf eine Milderung nachteiliger Folgen konkurrierender Steuerhoheiten ab.4
2.2
Das allgemeine Völkerrecht setzt der Ausübung staatlicher Steuerhoheit anerkanntermaßen dadurch eine Grenze, dass der besteuerte Lebenssachverhalt – d.h. die besteuerte Person und der maßgebende wirtschaftliche Vorgang – eine hinreichende Inlandsbeziehung zum besteuernden Staat aufweisen muss.5 Solche hinreichenden Beziehungen werden allgemein auf die Gebietshoheit (ratione loci) eines Staates über sein Staatsgebiet und auf die Personalhoheit (ratione personae) über die in einem Staatsverband verbundenen Staatsangehörigen gestützt. Das internationale Steuer-
2.3
1 Vogel, World-wide vs. Source Taxation of income – A review and reevaluation of arguments, Kl. Vogel, Der offene Finanz- und Steuerstaat, 77 ff.; Strasser, SWI 2003, 512. 2 Restatement of the Law, Foreign Relations, 232 f., 258 f. 3 Vogel in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 7 ff. m.w.N. 4 Mössner in Vogel, Grundfragen, 135 (143). 5 Rudolf in FS Bärmann, 769 (777); Verdroß/Simma, Universelles Völkerrecht, § 1183.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
recht hat eine andere Entwicklung genommen. Für die völkerrechtliche Begründung der Steuerhoheit hat sich seit 1919 der Grundsatz der wirtschaftlichen Zugehörigkeit (economic allegiance) herausgebildet, der von der Vorstellung1 getragen ist, dass diejenigen zu den Kosten eines Staates beitragen sollen, die als Teilnehmer an seiner Wirtschaft die Vorteile staatlicher Organisation in Anspruch nehmen, die es ihnen erst ermöglicht, sich wirtschaftlich zu betätigen. Eine solche wirtschaftliche Zugehörigkeit wird durch die persönliche Einbindung des Steuerpflichtigen in die Wirtschaftsordnung des Staatsgebietes begründet (subjektive Anknüpfung).2 Als solche hinreichende persönliche Verbindungen sind international anerkannt:3 – Staatsangehörigkeit, z.B. sec. 911 IRC – USA, – Wohnsitz, z.B. § 1 Abs. 1 EStG i.V.m. § 8 AO, – Lebensmittelpunkt, z.B. art. 4 B CGI – Frankreich, – Zentrum der wirtschaftlichen Interessen, z.B. art. 4 B CGI, – gewöhnlicher Aufenthalt, residence.4
2.4 Eine wirtschaftliche Zugehörigkeit wird auch durch wirtschaftliche Aktivitäten innerhalb der jeweiligen Wirtschaftsordnung begründet, wenn diese Aktivitäten Steuergegenstand einer Norm und nach den Vorstellungen des Staates innerhalb seiner Wirtschaft verankert sind. Ausreichend ist hierfür, dass der Steuerpflichtige, ohne persönlich eingebunden zu sein, über eine Steuerquelle im betreffenden Staat verfügt bzw. verfügte (objektive Anknüpfung), über die er an den Vorteilen dieses Staates partizipiert.
2.5 Als zweite völkerrechtliche Begrenzung der Steuerhoheit wird das Gebot der Rücksichtnahme5 genannt. Danach haben die Staaten bei der Ausübung ihrer Steuerhoheit darauf Bedacht zu nehmen, welche Auswirkungen ihre Maßnahmen auf das Steueraufkommen anderer Staaten besitzen. Es ist jedoch kein Fall bekannt, dass sich ein international tätiges Unternehmen mit Erfolg auf das Gebot der Rücksichtnahme gegenüber einer Besteuerung berufen hätte. Dieses Gebot stellt eher ein allgemeines Völkerrechtsprinzip dar, das der künftigen Entwicklung von Völkerrecht als Leitbild dient. Eine konkrete Rechtsnorm dieses Inhaltes lässt sich nicht nachweisen.
1 Sog. Äquivalenztheorie, vgl. Vogel, Der Staat 1986, 481 (516); vgl. Lehner/Waldhof in K/S/M, § 1 EStG Rz. A 7. 2 Krit. vgl. Mössner in Tipke/Bozza, Besteuerung von Einkommen, 257 ff. m.w.N. 3 Restatement of the Law, Foreign Relations, 258. 4 Siehe Mössner in Tipke/Bozza, 261 ff. 5 Ritter, IFA, Resolution 1975, London, Thema Nr. 2, IFA-Resolution Book, Amsterdam 1988, 243; Ritter, BB 1984, 1109; vgl. Vogel in FS Ritter, 1997, 771.
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A. Grundlagen
Am Beginn der Prüfung, welche steuerlichen Folgen (in Deutschland) eine wirtschaftliche Aktivität eines international tätigen Unternehmens auslöst, steht somit die Frage nach den Anknüpfungskriterien des deutschen Steuerrechts. Die Antwort hierauf ergibt sich – für Einzelunternehmen und Personengesellschaften aus §§ 1, 49 EStG,
2.6
– für Körperschaften aus §§ 1, 2 KStG, § 49 EStG. Im Übrigen sind die Regelungen der Einzelsteuergesetze zu beachten.1 Ist deutsches Steuerrecht danach anwendbar, so schließt sich die Prüfung an, ob die Tätigkeit sachlich einen Steuertatbestand erfüllt, ob es sich also um eine Tätigkeit handelt, die generell der Besteuerung unterliegt und nicht steuerfrei ist. Auch wenn dies zutrifft, so kann eine Besteuerung dennoch aufgrund von Freibeträgen oder Steuerbefreiungen unterbleiben, ohne dass dadurch die Anwendbarkeit deutschen Steuerrechts tangiert würde. Erst wenn nach dieser Prüfung eine deutsche Steuer geschuldet wird, werden Maßnahmen gegen die Doppelbesteuerung bedeutsam. Soweit ein DBA den deutschen Steueranspruch ganz oder teilweise einschränkt, ist es unmittelbar innerstaatlich anwendbar und schränkt nationales Steuerrecht ein (§ 2 AO, vgl. 2.453 f.).2 Es wirkt nach h.M. wie eine sachliche Steuerbefreiung3 (Rz. 2.466), wenn es die Besteuerung ganz aufhebt (sog. Freistellung) (Rz. 2.459 ff.). Es kann sich auch darauf beschränken, z.B. durch einen reduzierten Steuersatz die deutsche Besteuerung zu modifizieren. Auch wenn im Ergebnis keine deutsche Steuer geschuldet wird, bleibt das Unternehmen dennoch Steuerpflichtiger i.S. des deutschen Steuerrechts, was sich u.a. in Erklärungspflichten oder darin zeigt, dass deutsche Steuern im Abzugswege erhoben und erst auf Antrag erstattet werden (§ 50d Abs. 1 EStG).
2.7
In diesem Kapitel werden die subjektiven und objektiven Anknüpfungskriterien für deutsches Steuerrecht dargestellt. Die sachlichen Besonderheiten folgen in den Kapiteln über die unilateralen und bilateralen Maßnahmen zur Beseitigung der Doppelbesteuerung (Rz. 2.244 ff.). Eine andere Frage ist diejenige, ob das überkommene System der Unterscheidung von unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht im Europäischen Binnenmarkt unverändert Bestand haben kann.4 Der EuGH hat zwar grundsätzliche Unterschiede zwischen diesen beiden Formen der
1 Z.B. § 2 ErbStG. 2 Dies ist im Sinne einer Auslegungs-, nicht einer Rangregel zu verstehen, vgl. Birk in H/H/Sp, § 2 AO Rz. 4, 163 ff. 3 Mössner in Vogel, Grundfragen, 148 m.w.N. 4 Einführender Überblick: Mössner, Einwirkung des Gemeinschaftsrechts auf die direkte Steuer, Rengeling, Europäisierung des Rechts, 1996, 113 ff.; eingehender Förster, Die direkten Steuern in den Europäischen Gemeinschaften in Birk, Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, 761.
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2.8
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
Steuerpflicht anerkannt.1 Gleichwohl sieht er die Gefahr von Ungleichbehandlungen, die er kritisch auf ihre Rechtfertigung hin überprüft. In der Tat besteht erst dann ein wirklicher, einheitlicher europäischer Markt als Binnenmarkt, wenn Freizügigkeit, Niederlassungsfreiheit, Dienstleistungsfreiheit und Freiheit des Kapitalverkehrs durch keine steuerlichen Hindernisse beeinträchtigt werden. Für eine eingehende Darstellung der europarechtlichen Aspekte der Unternehmensbesteuerung siehe Rz. 1.115.
2.9 Unter Berücksichtigung dieser Grundlagen lassen sich bei der grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Betätigung von Unternehmen typische Formen unterscheiden, die sich oft auch in der dargestellten Reihenfolge im Einzelfall entwickeln und jeweils spezifische Probleme bereiten. Am Anfang steht das sog. Direktgeschäft mit dem Ausland, sei es, dass Waren unmittelbar an Abnehmer im Ausland geliefert werden, sei es, dass Dienstleistungen für ausländische Kunden erbracht werden, oder sei es, dass im Rahmen von elektronischem Handel Waren, Dienstleistungen oder Rechtsübertragungen ausländischen Kunden gegenüber geliefert oder erbracht werden. Entscheidend ist, dass die hierbei erzielten Einkünfte keine ausländischen i.S.v. § 34d EStG (siehe Rz. 2.361) sind. Nach deutschen Vorstellungen sind die ausländischen Staaten in diesen Fällen nicht berechtigt, Steuern zu erheben, sodass eine Anrechnung von ausländischen Steuern, wenn die Staaten diese Einkünfte nach ihren Vorstellungen als inländische behandeln, ausscheidet (Rz. 2.285) und nur ein Abzug der ausländischen Steuer in Betracht kommt (Rz. 2.318). Dies ist etwa dann der Fall, wenn der ausländische Staat eine sog. Liefergewinnbesteuerung kennt.
2.10 Nehmen die Geschäftsbeziehungen zum Ausland einen gewissen Umfang und eine gewisse Dauer an, so empfiehlt es sich, mit einem Partner im Ausland zusammenzuarbeiten, damit die Kunden im Ausland einen ständigen Ansprechpartner vor Ort haben. Die Zusammenarbeitsformen mit dem ausländischen Partner können vielgestaltig sein. Diese reichen von der Mitwirkung bei der Vertragsanbahnung bis zur Vertragsdurchführung. Dementsprechend stellt § 13 AO (näher hierzu Rz. 2.162 ff.) auf die Tätigkeiten beim Vertragsschluss und der Warenauslieferung ab. In der ersten Phase der Anbahnung von Geschäftsbeziehungen mit ausländischen Kunden kommen insbesondere Handelsvertreter, Handelsmakler und Kommissionäre in Betracht.2 Steuerlich sind zwei Vertragsbeziehungen zu unterscheiden, zum einen diejenige zwischen dem inländischen Unternehmen und dem ausländischen Partner, zum anderen zwischen dem Unternehmen und dem ausländischen Kunden. Während § 13 Satz 2 Nr. 1 AO sehr weitgehend jegliche Mitwirkung des ausländischen Part1 EuGH v. 14.2.1995 – Rs. C-279/93 – Schumacker, EuGHE 1995, I-225 Rz. 31; v. 11.8.1995 – Rs. C-80/94 – Wielockx, EuGHE 1995, I-2493 Rz. 18; v. 27.6.1996 – Rs. C-107/94 – Asscher, DB 1996, 1604 Rz. 41. 2 Weitere Fälle vgl. Kruse in T/K, § 13 AO Rz. 3.
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A. Grundlagen
ners – „Verträge abschließt oder vermittelt oder Aufträge einholt“ – einbezieht, um aus dem Partner beim Vorliegen der weiteren Voraussetzungen einen ständigen Vertreter zu machen, ist Art. 5 Abs. 5 OECD-MA deutlich restriktiver und setzt eine gewöhnliche Ausübung einer Vertragsabschlussvollmacht voraus (siehe Rz. 2.168 ff.). Je nachdem, ob es sich um ein ausländisches Unternehmen mit einem inländischen Partner oder ein inländisches Unternehmen mit einem ausländischen Partner handelt, erweitert oder begrenzt der Unterschied zwischen den beiden Definitionen die Reichweite der deutschen Besteuerung. Der Unterschied wirkt sich vor allem bei Handelsvertretern und Maklern aus, die regelmäßig keine Vertragsabschlussvollmacht besitzen, sondern nur vermittelnd tätig werden. Nach § 13 AO sind sie ständiger Vertreter1 und begründen somit für ein ausländisches Unternehmen dessen beschränkte Steuerpflicht im Inland; zugleich führen sie für ein deutsches Unternehmen im Ausland zu ausländischen Einkünften (§ 34d Nr. 2a EStG). Besondere Probleme bereiten Kommissionäre. Nach kontinentaleuropäischen Rechtsvorstellungen schließen sie die Verträge im eigenen Namen ab und sind nur selbst daraus verpflichtet und berechtigt. Im englischen Recht jedoch kann es zur verdeckten Stellvertretung kommen, sodass unmittelbar der Vertrag mit dem Unternehmen zustande kommt. Entwickeln sich die Geschäftsbeziehungen über die Grenze positiv, so ergibt sich irgendwann die Notwendigkeit, dass das Unternehmen selbst im Ausland präsent ist, insbesondere über eigene Geschäftsräume verfügt. Dazu stehen im Wesentlichen drei Möglichkeiten zur Verfügung: Betriebsstätte (bzw. Zweigniederlassung handelsrechtlich) – siehe Rz. 2.100 ff., Personengesellschaft – siehe Rz. 2.99 – oder Tochtergesellschaft – siehe Rz. 2.175. Die Entscheidung für eine dieser Möglichkeiten hängt von mehreren Faktoren ab. Da die Betriebsstätte ein unselbständiger Unternehmensteil ist, führt sie zu einer unmittelbaren Haftung des Unternehmens selbst. Demgegenüber bietet eine Kapitalgesellschaft im Ausland den Vorteil einer Haftungsbegrenzung. Neben der Haftung spielen auch Aspekte der Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Entscheidungen, nationale Niederlassungsvorschriften usw. eine Rolle. Schließlich sind die unterschiedlichen steuerrechtlichen Folgen zu bedenken. Da nach der ständigen Rspr. des BFH2 die Beteiligung an einer Personengesellschaft dem Gesellschafter eine (anteilige) Betriebsstätte an einer Betriebsstätte der Personengesellschaft vermittelt, verläuft die steuerliche Trennungslinie zwischen der Betriebsstätte und der Tochtergesellschaft.
1 Musil in H/H/Sp, § 13 AO Rz. 7. 2 St. Rspr. BFH 16.10.2002 – I R 17/01, BStBl. II 2003, 631; 24.8.2011 – I R 46/10; BFH/NV 2011, 2165.
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2.11
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
B. Persönliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit I. Unbeschränkte Steuerpflicht 2.12 Das deutsche Steuerrecht unterscheidet nicht scharf zwischen – den Voraussetzungen seiner Anwendbarkeit (Kollisionsnorm) und – dem sachlichen Gehalt der Besteuerung (Sachnorm). Statt dessen spricht es bei direkten Steuern von unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht. Die Begriffe, insbesondere der der unbeschränkten Steuerpflicht, sind unglücklich gewählt. Sie beziehen sich auf den räumlichen Anwendungsbereich der staatlichen Sachnormen. „Unbeschränkt“ bedeutet i.S.d. Welteinkommensprinzips, dass der Sachverhalt – vorausgesetzt er verwirklicht den Tatbestand einer Steuernorm i.S.d. § 38 AO – deutscher Besteuerung unterliegt, auch wenn er sich außerhalb des Bundesgebietes abspielt. „Beschränkte Steuerpflicht“ reduziert die Besteuerung auf die im Inland verwirklichten Sachverhalte. Hierbei verbindet das deutsche Steuerrecht regelmäßig die subjektive Anknüpfung (Rz. 2.3) mit der Besteuerung des Welteinkommens und spricht dann von unbeschränkter Steuerpflicht. Dementsprechend verbindet es bei der beschränkten Steuerpflicht eine objektive Anknüpfung mit der Inlandsbesteuerung.
2.13 Das Außensteuergesetz führte 1972 eine Mischform aus Elementen der unbeschränkten und der beschränkten Steuerpflicht ein: Sie knüpft die Anwendbarkeit zwar auch an subjektive Elemente an (Staatsangehörigkeit, früherer Wohnsitz), beschränkt aber den Steueranspruch auf inländische Quellen. Da – anders als bei der „normalen“ beschränkten Steuerpflicht – jedoch alle inländischen Quellen des Steuerpflichtigen erfasst werden, hat sich die Bezeichnung „erweitert beschränkte Steuerpflicht“ eingebürgert. Aus welchen Gründen § 49 EStG nicht alle inländischen Einkünfte eines Ausländers erfasst, fragt sich auch im Hinblick auf den europäischen Binnenmarkt.1
II. Einzelunternehmen und Personengesellschaften 1. Überblick
2.14 Das deutsche Steuerrecht besteuert Unternehmensgewinne nicht unabhängig von der Rechtsform, wie dies bei einer Unternehmenssteuer der Fall wäre, sondern nimmt eine prinzipielle Trennung in Einzelunternehmen und von Körperschaften betriebene Unternehmen vor. Von Personengesellschaften betriebene Unternehmen werden wie Einzelunterneh-
1 Dautzenberg, DB 1996, 2248 f.
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B. Persönliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
men behandelt,1 da nicht das Unternehmen selbst besteuert, sondern sein Ertrag den Gesellschaftern der Personengesellschaften als „Mitunternehmer“ zugerechnet wird. Daraus folgt, dass ein im Ausland von einer Personengesellschaft betriebenes Unternehmen der deutschen unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt, wenn die Gesellschafter im Inland unbeschränkt steuerpflichtig sind. Dies gilt unabhängig davon, wie das ausländische Steuerrecht die Gesellschaft behandelt, etwa ob es die Personengesellschaft wie eine Körperschaft besteuert; zu den sich hieraus ergebenden sog. Qualifikationskonflikten siehe Rz. 1.171. Da ausländische Gesellschaften jedoch durch ausländisches Privatrecht konstituiert und in ihrer Struktur bestimmt werden, entsprechen sie meist nicht völlig den entsprechenden deutschen Gesellschaftsformen. Außerdem weichen ausländische Steuerrechte von der zivilrechtlichen Beurteilung ab oder überlassen dem Steuerpflichtigen die Wahl.2 Nach deutscher h.M. soll es auf einen Typenvergleich3 ankommen, d.h., über die Zuordnung entscheidet das Gesamtbild aus deutscher Perspektive und nicht das Vorliegen bestimmter Merkmale. In der Praxis lautet die Frage daher, ob die Voraussetzungen für die Annahme einer Körperschaft vorliegen (Rz. 2.53 ff.), da die eigene Steuerrechtsfähigkeit als Ausnahme zur unmittelbaren Zurechnung zu den Gesellschaftern anzusehen ist. Ist die Frage zu verneinen, wird das ausländische Rechtsgebilde im Zweifel als Personengesellschaft behandelt. Da das deutsche Körperschaftsrecht mit dem Trennungsprinzip4 die aus der Zivilrechtsfähigkeit der Kapitalgesellschaft folgende Separierung der Vermögen der Gesellschaft und der Gesellschafter nachvollzieht, ist die Wirkung des Europarechts auf den Typenvergleich des Steuerrechts noch nicht endgültig geklärt. Wenn nach der Rspr. des EuGH5 die Rechtsfähigkeit eines Gebildes, die dieses in seinem Gründungsstaat genießt, in den anderen EU-Staaten anzuerkennen ist, dann kann der Typenvergleich steuerlich zu einer Diskriminierung ausländischer Gesellschaften im Verhältnis zu inländischen führen, wenn ihnen trotz zivilrechtlicher Rechtsfähigkeit die Steuersubjektivität abgesprochen wird.
1 Einen internationalen Überblick gibt Piltz, Personengesellschaften, 52 f. 2 USA: „Check-the-Box“, Treas. Reg. § 301.7701-1 bis 3, vgl. Kroniger/Thies, IStR 2002, 397 (400 f.); Zschiegner, IWB, Fach 8, Gruppe 2, 885 ff.; Kroniger/Thies, IWB Fach 8, Gruppe 2, 997 ff. 3 Einzelheiten der Durchführung bei Piltz, Personengesellschaften, 68 ff.; Rz. B 50 f. 4 Vgl. Tipke/Lang, Steuerrecht20, § 11 Rz. 6, 38. 5 EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 – Centros, EuGHE 1999, I-1459 = BB 1999, 625 ff.; v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 – Überseering, EuGHE 2002, I-9919 = BB 2002, 2402 ff.; v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 – Inspire Art, EuGHE 2003, I-10155 = BB 2003, 2195 ff.
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2.15
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
2. Inland
2.16 Das Inland i.S. der Steuergesetze umfasst den räumlichen Geltungsbereich des Grundgesetzes. Somit sind die politischen Grenzen entscheidend. Zollausschlussgebiete gehören folglich zum Inland.1
2.17 Zum Inland gehört auch der der Bundesrepublik Deutschland zustehende Anteil am Festlandsockel, soweit dort Naturschätze erforscht und ausgewertet werden.2 Dies hat Bedeutung für die beschränkte Steuerpflicht.3 Im Zusammenhang mit der unbeschränkten Steuerpflicht ist nur relevant, ob auf einer Bohrinsel oder Forschungsplattform ein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt begründet werden kann. Diese Frage ist mit der h.M.4 zu verneinen. Die gegenteilige Ansicht5 verkennt, dass der Festlandsockel Teil der staatsfreien hohen See ist. Die Rechte der Bundesrepublik sind völkerrechtlich funktional auf die Ausbeutung der Meeresbodenschätze beschränkt. Mithin fehlt der innere rechtfertigende Grund der Gebietshoheit über das Staatsgebiet für die Begründung der Welteinkommensbesteuerung. Wer nur durch Aufenthalt auf einer Bohrinsel Deutschland verbunden ist, nimmt nicht im notwendigen, umfassenden Sinne an der innerstaatlichen Wirtschaftsordnung teil.
2.18 Schiffe unter deutscher Flagge zählen in deutschen Gewässern und auf hoher See zum Inland,6 aber nicht in den Gewässern fremder Staaten. Damit fehlt ihnen die Beständigkeit des Status, die für das Land kennzeichnend ist. Gleichwohl kann es sich bei ihnen um Inland handeln.7 Dies gilt aber nur für die Begründung der beschränkten Steuerpflicht (vgl. Rz. 2.84 ff.). Gleiches gilt im Prinzip für Flugzeuge. 3. Wohnsitz
2.19 Der Wohnsitz eines Einzelunternehmers oder des Gesellschafters einer Personengesellschaft im Inland (Rz. 2.16 ff.) begründet die unbeschränkte (Rz. 2.12) Steuerpflicht für die Einkommensteuer in Deutschland. Die gesetzliche Definition des Wohnsitzes enthält § 8 AO: „Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.“
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BFH v. 13.4.1989 – IV R 196/85, BStBl. II 1989, 614 (615). § 1 Abs. 1 Satz 2 EStG, § 1 Abs. 3 KStG, § 1 Abs. 4 VStG. Deshalb ist die Aufführung in § 1 Abs. 1 EStG systematisch falsch. Heinicke in Schmidt31, § 1 EStG Rz. 31; Hellwig in L/B/P, § 1 EStG Rz. 41; Stapperfend in H/H/R, § 1 EStG Rz. 96; Lehner/Waldhof in K/S/M, § 1 B 38; Wassermeyer, § 1 EStG Rz. 41; Gosch in Kirchhof11, § 1 EStG Rz. 11; a.A. Ebling in B1ümich, § 1 EStG Rz. 176. 5 Hillert, FR 1974, 445. 6 BFH v. 5.10.1977 – I R 250/75, BStBl. II 1978, 50 (51); v. 12.11.1986 – I R 37/83, BStBl. II 1987, 377; Fiedler, DB 1984, 2115. 7 Stapperfend in H/H/R, § 1 Rz. 15, 57; OFD Bremen v. 29.7.1996, AStR I, 1285.
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B. Persönliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
Diese Definition enthält – ein objektives Element: Innehabung einer Wohnung, – ein subjektives Element: Absicht, diese dauernd beizubehalten und zu benutzen. Das subjektive Element entzieht sich der Feststellung durch die Finanzbehörden. Deshalb stellt das Gesetz auch nicht auf die Absicht selbst ab, sondern verlangt das Vorliegen von Indizien („Umständen“), die einen sicheren Rückschluss auf die Absicht erlauben. Formulierungen der Gerichte,1 dass § 8 AO nur auf die tatsächliche Gestaltung abstelle und an äußere Merkmale anknüpfe, ohne für subjektive Momente oder Absichten Raum zu lassen, sind nicht ganz zutreffend, da in Zweifelsfällen bei § 8 AO durchaus (Rz. 2.21 ff.) subjektive Merkmale von Bedeutung sein können. Entscheidend ist, dass die Gesamtumstände einen sicheren Schluss darauf zulassen, dass der Steuerpflichtige gegenwärtig oder zukünftig die Wohnung zum Wohnen benutzt.2 Da eine Person mehrere Wohnungen nutzen kann, kann es auch mehrere Wohnsitze geben.3 Der steuerliche Wohnsitzbegriff unterscheidet sich von demjenigen des bürgerlichen Rechts4 und des Melderechts.5 Er ist objektiviert6 in dem Sinne, dass beim Vorhandensein beider Elemente ein entgegengesetzter Wille ebenso unbeachtlich ist wie die Tatsache der Meldung oder Nichtmeldung bei den Meldebehörden.7 Der steuerliche Wohnsitzbegriff ist aber nicht derart objektiviert, dass es auf das Vorliegen eindeutig und leicht feststellbarer Merkmale ankommt. Vielmehr verlangt er aufgrund seiner komplexen Struktur (Rz. 2.19) vielfältige Wertungen, die ein sicheres Urteil im Einzelfall schwierig machen können. Entscheidend kommt es auf das Gesamtbild an. Nicht in seine Erwägungen bezieht der BFH8 ein, dass der Wohnsitz in § 1 Abs. 1 EStG Ausdruck der hinreichenden Inlandsbeziehung (Rz. 2.3) ist und dass sich daher etwa unter Anwendung der Markteinkommenstheorie Einschränkungen ergeben könnten.9 Angesichts der Unwägbarkeiten im Einzelfall wäre eine klarere Regelung wünschenswert.
1 BFH v. 23.11.1988 – II R 139/87, BStBl. II 1989, 182 (183), hierzu auch Kruse in T/K, § 8 AO Rz. 9; Musil in H/H/Sp, § 8 AO Rz. 44 ff. 2 FG Köln v. 27.6.2002 – 10 K 6348/97, EFG 2002, 1198 (BFH I R 56/02). 3 BFH v. 24.1.2001 – I R 100/99, BFH/NV 2001, 1402. 4 §§ 7, 8 BGB; vgl. Heinrichs in Palandt71, § 7 BGB Rz. 5. 5 §§ 11, 12 MRRG; vgl. Heinrichs in Palandt71, § 7 BGB Rz. 5. 6 Musil in H/H/Sp, § 8 AO Rz. 11; Buciek in Beermann/Gosch, § 8 AO Rz. 8. 7 BFH v. 4.6.1964 – IV 29/64 U, BStBl. III 1964, 535; v. 14.11.1969 – III R 95/68, BStBl. II 1970, 153 (155); FG Bremen v. 27.7.1989 – II 246/85 K, EFG 1990, 93. 8 Vgl. z.B. BFH v. 4.6.1964 – IV 29/640, BStBl. III 1964, 535; v. 14.11.1969 – III R 95/68, BStBl. II 1970, 153. 9 Ebenso Wassermeyer, StbJB 2002/2003, 49 f.
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2.20
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
a) Allgemeine Merkmale
2.21 Der steuerliche Wohnsitz ist mit dem Begriff der Wohnung verbunden. Die Auslegung dieses Begriffs durch die Rspr. ist äußerst facettenreich. Im allgemeinen Sinne werden hierunter Räumlichkeiten verstanden, die zum Wohnen geeignet sind, wobei ein fester Raum ausreicht.1 So kommen Räume in Häusern, Baracken, Ferienhäusern, Jagdhäusern und sogar Campingwagen2 in Betracht. Wesentlich ist eine räumliche Fixierung, sodass ein fahrender Wohnwagen keine Wohnung ist.3 Es kommt darauf an, ob die Räume zum dauernden Bewohnen geeignet sind und es den Bewohnern ermöglichen, ihren regulären Wohnbedürfnissen nachzukommen. So ist eine Ausstattung mit Möbeln ebenso erforderlich wie das Vorhandensein von Kochgelegenheiten. In der Regel wird daher ein Hotelzimmer, auch bei längerfristiger Anmietung, keine Wohnung begründen.4 Ausnahmen sind aber denkbar, so wenn ein bestimmtes Hotelzimmer einer Person ständig oder bei Bedarf zur Verfügung steht und mit persönlichen Gegenständen ausgestaltet ist. Auch bloße Übernachtungsmöglichkeiten bei Verwandten oder Freunden5 oder in Geschäfts- und Werksräumen6 genügen dem Begriff der Wohnung nicht (Rz. 2.19). Ein den Wohnbedürfnissen genügender Raum, der bei Verwandten ständig zur Verfügung steht, reicht hingegen als Wohnung aus.7 In der Praxis geht es oft um Beweisfragen. Verfügt der Steuerpflichtige im Inland über ein volleingerichtetes Haus,8 so kann dessen Nutzung auch bei gegenteiliger Behauptung des Steuerpflichtigen unterstellt werden. Bei einer schlichten Schlafgelegenheit in den Geschäftsräumen liegt die Nichtnutzung nahe, wenn die Familienwohnstätte nicht weit entfernt ist.9 Die Art der Räume wird somit auch zu einem Indiz für das subjektive Element.10
2.22 Diese Beweisfrage erklärt auch die Haltung der Gerichte in der Streitfrage, ob die Wohnung insgesamt eine den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen angemessene Unterkunft
1 RFH v. 14.11.1940 – IV B 32/40, RStBl. 1940, 972 (973); Spanner in H/H/Sp, § 8 AO Rz. 14. 2 BFH v. 15.11.1974 – VI R 195/72, BStBl. II 1975, 278 (279); Kruse in T/K, § 8 AO Rz. 2 m.w.N. 3 FG Hamburg v. 13.4.1981 – II 101/80, EFG 1982, 18; Kruse in T/K, § 8 AO Rz. 2. 4 FG Münster v. 22.2.1984 – V 2216/83 U, EFG 1984, 636, im Ergebnis fraglich. 5 BFH v. 24.10.1969 – IV 290/64, BStBl. II 1970, 109 (110); FG Bremen v. 27.7.1989 – II 246/85 K, EFG 1990, 93. 6 BFH v. 6.2.1985 – I R 23/82, BStBl. II 1985, 331 (332); RFH v. 9.5.1940 – IV B 4/40, RStBl. 1940, 562; FG Nds. v. 18.4.1977 – IX L 2/76, EFG 1978, 111 (111 f.). 7 FG Nds. v. 23.7.1992 – XI 187/88, EFG 1993, 135, etwa, wenn im elterlichen Haus das Kinderzimmer dem im Ausland lebenden Sohn weiterhin zur Verfügung steht. 8 Wie in den BFH-Urteilen v. 24.10.1969 – IV 290/64, BStBl. II 1970, 109 und v. 23.11.1988 – II 138/87, BStBl. II 1989, 182 zugrunde liegenden Sachverhalten. 9 BFH v. 25.5.1988 – I R 225/82, BStBl. II 1988, 944. 10 Musil in H/H/Sp, § 8 AO Rz. 45.
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B. Persönliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
darstellen muss.1 Die Gerichte legen strengere Maßstäbe an das Vorhandensein einer Wohnung an, wenn die unbeschränkte Steuerpflicht für den Steuerpflichtigen günstig wäre, und weniger strenge, wenn sie ungünstig wäre. Dies entspricht der Feststellungslast. So haben sowohl das FG Berlin2 als auch das FG Köln3 das Vorliegen einer Wohnung im Inland verneint, weil die Räume nicht dem Lebensstil der Betroffenen im Ausland entsprächen. Andererseits hat die Rspr. dann nicht auf die Angemessenheit abgestellt, wenn der Steuerpflichtige zur Ausübung seines Berufes auf eine Wohnung im Inland angewiesen ist.4 Für derartige Unterscheidungen bietet § 8 AO aber keine Anhaltspunkte.5 Reichen die Räumlichkeiten generell zum Wohnen aus, so kommt es auf deren Größe und Ausstattung nicht mehr an. Insbesondere kann nicht verlangt werden, dass sie den repräsentativen Bedürfnissen und den Vermögensverhältnissen angemessen sein müssen. Allerdings kann die Art der Ausstattung ein Indiz für die Benutzung sein (Rz. 2.25). Befindet sich im Büro oder den Geschäftsräumen ein – notdürftig – ausgestatteter Raum, während wenige Kilometer jenseits der Grenze ein komfortables Haus des Steuerpflichtigen steht, in dem er mit seiner Familie lebt, so kann nicht angenommen werden, dass er den Raum im Büro tatsächlich als Wohnung nutzt.6 Der Steuerpflichtige muss die Wohnung innehaben. Darunter ist zu verstehen, dass er die Wohnung benutzen kann, wann er es will. Diese Verfügungsmacht kann rechtlich durch Eigentum oder durch ein Nutzungsrecht begründet sein, kann sich aber auch bloß aus den tatsächlichen Umständen ergeben,7 z.B. wenn der Mieter dem Steuerpflichtigen einen Schlüssel zur jederzeitigen Benutzung ausgehändigt hat. In jedem Fall muss der Gebrauch der Wohnung aber rechtmäßig sein. Bei zwangsweiser Unterbringung, z.B. in einem Heim, fehlt es an der Verfügungsmacht. Außerdem stellt die Rspr.8 auch auf die Lebensumstände innerhalb einer Familie ab: So hat ein Ehemann mit häufigem Wechsel seines Aufenthaltes,
1 So Kruse in T/K, § 8 AO Rz. 2; RFH v. 18.7.1924 – IVc 8 229 und 241/24, RFHE 14, 125 (126); BFH v. 14.11.1969 – III R 95/68, BStBl. II 1970, 153 (154); v. 23.10.1985 – I R 274/82, BStBl. II 1986, 133 (135); FG Köln v. 23.5.1982 – V (XII) 271/77 E, EFG 1982, 607; FG BW v. 3.5.1985 – II (III) 271/82, EFG 1985, 483; a.A. Schwarz, § 8 AO Rz. 5; RFH v. 8.1.1937 – III A 218/36, RStBl. 1937, 108; v. 28.1.1937 – III A 202/36, RStBl. 1937, 336; BFH v. 4.6.1964 – IV 29/64 U, BStBl. III 1964, 535; krit. Musil in H/H/Sp, § 8 AO Rz. 25 ff.; Buciek in Beermann/Gosch, § 8 AO Rz. 16. 2 FG BW v. 3.5.1985 – II (III) 271/82, EFG 1985, 483. 3 FG Köln v. 23.5.1982 – V (XII) 271/77 E, EFG 1982, 607. 4 RFH v. 5.9.1940 – IV B 26/40, RStBl. 1940, 858; v. 14.11.1940 – IV B 32/40, RStB1.1940, 972 (973). 5 Schwarz, § 8 AO Rz. 5. 6 BFH v. 6.2.1985 – I R 23/82, BStBl. II 1985, 331; FG Köln v. 23.5.1982 – I (XII) 271/77 (E), EFG 1982, 607. 7 FG Hamburg v. 15.4.1994 – V 61/92, EFG 1994, 730; Musil in H/H/Sp, § 8 AO Rz. 31. 8 BFH v. 6.2.1985 – I R 23/82, BStBl. II 1985, 331 (332).
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2.23
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
z.B. als Seemann, am Wohnort seiner Familie einen Wohnsitz.1 Möglich ist aber auch ein getrennter Familienwohnsitz.2 Nicht dauernd getrennt lebende Ehegatten vermitteln einander die objektive jederzeitige Nutzungsmöglichkeit. Dies begründet eine im Einzelfall widerlegbare Vermutung des Innehabens.3
2.24 Ein Innehaben liegt auch vor, wenn sich jemand für die Wahrnehmung eines befristeten Arbeitsverhältnisses ins Ausland begibt, seine inländische Wohnung jedoch eingerichtet und unvermietet zurücklässt4 (vgl. Rz. 2.30). Anders ist es, wenn der Betreffende die Wohnung für die Zeit seiner Abwesenheit vermietet. Er verliert dann seine Verfügungsmacht.5 Ausnahmsweise soll der Verlust der Verfügungsmacht unerheblich sein, wenn er nur vorübergehend ist, was aber wenig überzeugt, da im strengen Sinne jede zeitliche Begrenzung vorübergeht. Unklar wird dann, welcher Zeitraum „vorübergehend“ ist. Nach Ansicht des FG Schl.-Holst.6 ist ein Zeitraum von einem Jahr vorübergehend, wenn die Wohnung mit allen Einrichtungsgegenständen vermietet wird, um eine Beaufsichtigung für die Zeit der Abwesenheit sicherzustellen. Andererseits hat der BFH7 in anderem Zusammenhang die Sechs-Monats-Frist des § 9 AO zur Bestimmung von „vorübergehend“ herangezogen. Man wird deshalb m.E. bei einer Unterbrechung der Verfügungsmacht durch Vermietung von mehr als sechs Monaten nicht mehr von einer fortdauernden Innehabung ausgehen können (vgl. 2.28).
2.25 Schließlich müssen Umstände einen Schluss auf die Absicht des Wohnens zulassen, d.h., die nicht nur vorübergehende, regelmäßige Nutzung zu Wohnzwecken im umfassenden Sinn muss gewollt sein. Das Gesetz verwendet hierfür die Begriffe des Beibehaltens und des Benutzens, also Begriffe, die auf ein Element der Dauer hinweisen. Von zentraler Bedeutung ist, dass auch die künftige Nutzung zu Wohnzwecken ausreichend ist. Selbst eine nachgewiesene Nichtnutzung über Jahre steht einer zukünftigen Nutzung nicht entgegen (vgl. Rz. 2.28). Nicht zu Wohnzwecken wird eine Wohnung genutzt, wenn der Aufenthalt nur der Erholung 1 RFH v. 10.3.1937 – IV A 631/36, RStBl. 1937, 498 (499); v. 26.5.1937 – III A 109/37, RStBl. 1937, 733 (734); v. 17.11.1938 – III 365/37, RStBl. 1938, 1122 (1123); v. 29.10.1959 – IV 129/58 S, BStBl. III 1960, 61; FG Rh.-Pf. v. 23.7.1968 – II 292/67, EFG 1968, 524 (525); FG Nds. v. 23.7.1992 – XI 187/88, EFG 1993, 135; BFH v. 2.11.1994 – I B 110/94, BFH/NV 1995, 753; widerlegbare Vermutung: Musil in H/H/Sp, § 8 AO Rz. 38. 2 RFH v. 26.11.1930 – VI A 2044/30, RStBl. 1931, 380 – Familie im Inland, Ehemann im Ausland; BFH v. 3.3.1978 – VI R 195/75, BStBl. II 1978, 372 (373) – Ehemann im Inland, Familie im Ausland. 3 BFH v. 30.11.2010 – VI B 100/10, BFH/NV 2011, 574. 4 FG Hess. v. 15.12.1976 – I 179/75, EFG 1977, 267; FG München v. 26.5.1982 – IX 137/80 E, EFG 1982, 628; BFH v. 17.5.1995 – I R 8/94, BStBl. II 1996, 2; FG Schl.-Holst. v. 15.12.1995 – I 824/94, EFG 1996, 553. 5 FG Hamburg v. 28.10.1983 – VII 57/82, EFG 1984, 294. 6 FG Schl.-Holst. v. 12.5.1981 – III 388/78, EFG 1982, 5. 7 BFH v. 30.8.1989 – I R 215/85, BStBl. II 1989, 956 (957).
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B. Persönliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
dient. Die Gerichte begründen dies z.T. mit der nicht angemessenen Ausstattung der Ferienwohnung,1 z.T. mit der Unregelmäßigkeit der Nutzung.2 Zutreffenderweise muss man aus § 9 AO den Rechtsgedanken ableiten, dass ein ausschließlich zu „Besuchs-, Erholungs-, Kur- oder ähnlichen privaten Zwecken“ dienender Aufenthalt von kürzerer Dauer als einem Jahr nicht die für die unbeschränkte Steuerpflicht erforderliche enge Beziehung zum Inland schafft. Wer lediglich Erholung im Inland sucht, nimmt nicht umfassend die von der inländischen Wirtschaft gebotenen Möglichkeiten wahr, sondern trägt nur als Konsument der angebotenen Waren und Dienstleistungen zu derartigen Möglichkeiten des Wirtschaftens bei. Zwar kommt es bei der unbeschränkten Steuerpflicht nicht darauf an, dass im Inland Einkünfte erzielt werden sollen, ein bloßer Urlaub im Inland schafft aber nicht die enge persönliche Beziehung, die für die unbeschränkte Steuerpflicht erforderlich ist. Anders ist es jedoch, wenn im Inland ein ganzjährig zu nutzendes Ferienhaus im Eigentum steht oder mehrjährig gemietet ist. Dies kann ein Indiz für ein Wohnen im Inland sein. Es kommt darauf an, dass aus den objektiven Umständen auf das Vorliegen einer entsprechenden Absicht geschlossen werden kann, d.h. wenn die Möglichkeit jederzeitiger Nutzung besteht. Der Wohnsitzbegriff nähert sich damit einer Fiktion. Ergibt sich aus den tatsächlichen Umständen, dass der Steuerpflichtige die Wohnung in Zukunft jederzeit nutzen kann, z.B. die Wohnung bleibt bei einem mehrjährigen Auslandsaufenthalt vollmöbliert und unvermietet (siehe Rz. 2.24), so ist § 8 AO Genüge getan.3 Es kommt nicht darauf an, dass der Wohnungsinhaber sich dessen bewusst ist oder ob er eine entsprechende Absicht geäußert hat. Auch ist es unerheblich, dass rechtliche oder tatsächliche Hindernisse einem dauerhaften Verbleiben im Inland entgegenstehen.4
2.26
Die Rspr. misst auch dem Umstand, ob die Aufenthalte regelmäßig oder unregelmäßig sind, Bedeutung zu.5 Dies kann aber nicht bedeuten, dass jeweils der Aufenthalt in die gleiche Jahreszeit6 fallen muss. Vielmehr liegen nicht ausreichende Anhaltspunkte für die Absicht der Benutzung der Wohnung vor, wenn der Aufenthalt nur „von Zeit zu Zeit“ erfolgt.
2.27
1 BFH v. 24.4.1964 – VI 236/62 U, BStBl. III 1964, 462. 2 BFH v. 6.3.1968 – I 38/65, BStBl. II 1968, 439 (440); FG BW v. 26.2.1988 – IX K 146/87, EFG 1988, 418. 3 FG Hess. v. 2.4.1990 – 10 K 415/83, EFG 1991, 162. 4 FG BW v. 7.9.1990 – IX K 96/88, EFG 1991, 102. 5 BFH v. 23.11.1988 – II R 139/87, BStBl. II 1989, 182 (183); v. 26.2.1986 – II R 200/82, BFH/NV 1987, 301 (302); v. 4.6.1964 – IV 29/64 U, BStBl. III 1964, 535 mit unzutreffendem Hinweis auf RFH v. 24.9.1936 – III A 143/36, RStBl. 1936, 997 und RFH v. 10.3.1937 – VI A 631/36, RStBl. 1937, 498; BFH v. 6.3.1968 – 138/65, BStBl. II 1968, 439 (440); v. 26.7.1972 – I R 138/70, BStBl. II 1972, 949 (951); FG Rh.-Pf. v. 23.8.1979 – IV 402/78, EFG 1980, 35 (36); FG Hamburg v. 18.2.1988 – II 297/85, EFG 1988, 424 (425); v. 12.9.1991 – III 47/90, EFG 1992, 277. 6 BFH v. 23.11.1988 – II R 139/87, BStBl. II 1989, 182 (183) – Rehwildjagd.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
Die Räume müssen „als Wohnung“ dienen. Im Begriff des Wohnens steckt ein Element der Beständigkeit, das auf die üblichen, menschlichen Wohnweisen verweist. Die erforderliche Inlandsbeziehung (Rz. 2.3) ist daher nur dann gegeben, wenn die Umstände der Benutzung der Räumlichkeiten ein ausreichendes Indiz dafür sind, dass die Person wirtschaftlich in das Inland eingegliedert ist. Mit der Regelung des Kindergeldes im EStG und der Übertragung der Entscheidungskompetenz an die FG nimmt die Rspr. zum Wohnsitzbegriff z.T. kontroverse Züge an. Da Kindergeld gem. § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG i.d.R. nur für Kinder mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland gewährt wird, entfällt das Kindergeld, wenn die Eltern oder ein Elternteil im Inland und das Kind im Ausland leben.1 Da allerdings innerhalb einer Familie die Nutzung der Familienwohnung angenommen wird, käme man eigentlich zu einem anderen Ergebnis, zumal wenn das Kind sich mehrfach kurzfristig bei den Eltern im Inland aufhält. Gleichwohl hat der VI. Senat des BFH in derartigen Fällen einen Wohnsitz des Kindes im Inland verneint. So soll das Bereithalten eines Zimmers in der inländischen Wohnung der Eltern bei einem im Ausland studierenden Kind nicht genügen, selbst wenn das Kind sich während mehrerer Monate dort aufhält. Dies ist entgegen den Darlegungen des VI. Senats schwerlich mit der Rspr.2 in Einklang zu bringen. Nach dieser hat auch ein im Inland lebender Spitzensportler, der im Inland im Hause seiner Eltern noch ein Zimmer nutzen kann, einen inländischen Wohnsitz. Jedenfalls lässt sich § 8 AO nicht entnehmen, dass es auf den Mittelpunkt der Lebensinteressen ankommt.3 b) Begründung des Wohnsitzes
2.28 Bei Begründung des Wohnsitzes (Rz. 2.18) muss die Absicht bestanden haben, die Räume mindestens sechs Monate als Wohnung zu benutzen,4 weil die Absicht einer nur vorübergehenden Innehabung einer Wohnung keinen Wohnsitz i.S. einer ausreichenden Inlandsbeziehung begründet. Mietet daher ein ausländischer Unternehmer bspw. nur für fünf Monate eine Wohnung im Inland an, um eine inländische Betriebsstätte in der ersten Phase ihrer Begründung persönlich vor Ort zu leiten, so wird er nicht unbeschränkt steuerpflichtig.
2.29 Ein Wohnsitz wird in dem Zeitpunkt begründet, in dem alle genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Bei einer Abordnung ins Inland bzw. einem von vornherein begrenzten Aufenthalt von weniger als sechs Monaten begründet ein Arbeitnehmer oder Unternehmer keinen Wohnsitz, auch wenn er für diese Zeit eine Wohnung anmietet (Rz. 2.28). Erfordern betriebliche Abläufe die regelmäßige und ständig wiederkehrende Anwesen1 2 3 4
BFH v. 23.11.2000 – VI R 107/99, BStBl. II 2001, 294. LG München 4. Strafkammer, s. Focus 30.10.2002. FG Köln v. 15.5.2008 – 10 K 1610/06, EFG 2008, 1896. BFH v. 30.8.1989 – I R 215/85, BStBl. II 1989, 956 (957).
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B. Persönliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
heit im Inland und stehen während dieser Zeiten entsprechende Räumlichkeiten zur Verfügung, so begründet dies einen inländischen Wohnsitz, auch wenn die Gesamtdauer der Aufenthalte pro Jahr erheblich unter der Sechs-Monats-Frist liegt. Daran ändert es auch nichts, wenn die Wohnung als Betriebswohnung während der übrigen Zeiten anderen Personen zur Verfügung steht, solange die Verfügungsmacht während der Aufenthalte besteht (vgl. Rz. 2.26). c) Aufgabe des Wohnsitzes Der Wohnsitz wird aufgegeben, sobald eines der Merkmale – Wohnung (Rz. 2.21), Innehabung (Rz. 2.23), Wohnabsicht (Rz. 2.25) – fortfällt. Dies festzustellen, kann im Einzelfall schwierig sein, weil oft erst die Betrachtung mehrerer Jahre eine sichere Beurteilung erlaubt. Ein mit besonderen Unsicherheiten belastetes Problem stellen daher zeitweilige Versetzungen von Arbeitnehmern und zeitweise Aufenthalte der Unternehmer innerhalb internationaler Unternehmen dar. Bei der Auslandsabordnung eines inländischen Arbeitnehmers kommt es auf die voraussichtliche Dauer der Abordnung, das Schicksal seiner inländischen Wohnung und darauf an, ob die Familie den Arbeitnehmer ins Ausland begleitet. Unzweifelhaft wird der Wohnsitz im Inland bei einer Abordnung für vier Jahre bei Räumung der inländischen Wohnung, deren Fremdvermietung und der Begleitung durch die Familie aufgegeben.1 Andererseits bleibt der Wohnsitz erhalten, wenn der Aufenthalt kürzer als ein Jahr2 geplant und die inländische Wohnung volleingerichtet und ohne Untermietung zurückgelassen wird. Bleibt die Familie in der Wohnung zurück3 oder sucht der Arbeitnehmer, bzw. sein Ehepartner, die Wohnung regelmäßig auf oder verbringt er gar seinen Urlaub in der Wohnung,4 so wird die Wohnung beibehalten. Fraglich und noch nicht höchstrichterlich entschieden sind folgende Fälle: 1. Die Wohnung wird länger als sechs Monate vermietet. 2. Der Auslandsaufenthalt dauert länger als sechs Monate, die Familie zieht mit ins Ausland und die Wohnung bleibt beweisbar unbenutzt. Im Fall 1 liegt entgegen weitverbreiteter Ansicht der Praxis eine Aufgabe des Wohnsitzes vor (Rz. 2.20). Da der Mieter selbst einen Wohnsitz begründet, können die Räume nicht auch anderen Personen, die nicht mit ihm in einem Haushalt leben, als Wohnung dienen. Für den Fall 2 wäre nach dem Urt. des FG Schl.-Holst.5 keine Aufgabe des Wohnsitzes erfolgt 1 FG Hamburg v. 28.10.1983 – VII 57/82, EFG 1984, 294. 2 FG Hess. v. 15.12.1976 – I 179/75, EFG 1977, 267; FG München v. 26.5.1982 – IX 137/80 E, EFG 1982, 628 – für zwei Jahre. 3 BFH v. 30.11.2010 – VI B 100/10; BFH/NV 2011, 57, macht deutlich, dass die Entfernung der Abordnung – im Streitfall Asien – nicht ausreicht, die Vermutung (siehe 2.20) zu widerlegen. 4 FG München v. 26.5.1982 – IX 137/80 E, EFG 1982, 628. 5 FG Schl.-Holst. v. 12.5.1981 – III 388/78, EFG 1982, 5; in diesem Fall erfolgte sogar eine Vermietung!
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2.30
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
(Rz. 2.20), da der Betreffende die Wohnung „beibehält“, um sie nach seiner Rückkehr wiederum zu benutzen. Eine solche Auslegung würde das bloße Eigentum an Wohnraum als Anknüpfungskriterium für die unbeschränkte Steuerpflicht ausreichen lassen. Demgegenüber erscheint es geboten, § 8 AO enger zu verstehen, als es der Wortlaut zulässt; denn zumindest die Nichtbenutzung einer Wohnung für über ein Jahr muss m.E. der unregelmäßigen Nutzung (Rz. 2.21) gleichgestellt werden.1 Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass die Rspr. sich demgegenüber sehr an den Fakten orientiert, da nie auszuschließen ist, dass eine jederzeit nutzbare Wohnung auch tatsächlich benutzt wird und die Finanzbehörde nicht das Gegenteil beweisen kann. Daher ist eine sorgfältige „Wohnsitzplanung“ bei Expatriates unerlässlich. Soll der inländische Wohnsitz beendet werden, so muss entweder die „Innehabung“, d.h. Verfügungsmacht, etwa durch Vermietung, oder die Nutzbarkeit, etwa durch Entfernung der Möbel, aufgehoben sein. Aber selbst dann kann der Wohnsitz fortbestehen, wenn eben dieselbe Wohnung nach der Rückkehr wieder genutzt werden soll. Daher ist die Vermietung der sicherste Weg zur Wohnsitzaufgabe. Ein weiterer Aspekt ist dadurch gegeben, dass die Zahlung von Kindergeld an einen inländischen Wohnsitz geknüpft ist (§ 62 EStG). Hier neigen die Behörden dann eher zu einer Aufgabe des inländischen Wohnsitzes, wenn ein Arbeitnehmer ins Ausland versetzt wird und seine Familie mitzieht.2
2.31 Keine Aufgabe liegt vor, wenn die Verfügung über die inländische Wohnung fortbesteht. Auch bei ausländischem (Haupt-)Wohnsitz besteht danach die unbeschränkte inländische Steuerpflicht, wenn eine inländische Wohnung lediglich befristet vermietet und sie auch vom Eigentümer benutzt wird.3 Da Aufenthalte zu Besuchs- oder Erholungszwecken ausscheiden (Rz. 2.21), ist weiterhin erforderlich, dass der Inhaber zumindest zeitweise von der Wohnung aus seiner beruflichen Tätigkeit nachgeht.
2.32 Eine Person kann zwei, ja sogar mehrere Wohnsitze gleichzeitig haben.4 Liegen diese in mehreren Staaten und folgt der ausländische Staat § 8 AO vergleichbaren Aspekten, so wird eine mehrfache unbeschränkte Steuerpflicht begründet.
1 Auch auf eine regelmäßige Benutzung stellt der BFH v. 19.2.1993 – I B 112/92, BFH/NV 1994, 456, ab. 2 BFH v. 20.11.2008 – III R 53/05; BFH/NV 2009, 564 m.w.N.; v. 14.10.2011 – III B 202/10, BFH/NV 2012, 226. 3 FG Hamburg v. 12.9.1991 – III 47/90, EFG 1992, 277. 4 Vgl. BFH v. 24.10.1969 – IV 290/64, BStBl. II 1970, 109 (110); v. 10.8.1983 – I R 241/82, BStBl. II 1984, 11 (12); v. 26.2.1986 – II R 200/82, BFH/NV 1987, 301 (302); davon geht auch das Gesetz aus: § 19 Abs. 1 AO.
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B. Persönliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
4. Gewöhnlicher Aufenthalt Neben dem Wohnsitz begründet der gewöhnliche Aufenthalt im Inland (Rz. 2.16 f.) die unbeschränkte Steuerpflicht natürlicher Personen. § 9 AO definiert den gewöhnlichen Aufenthalt in sehr komplexer Weise.
2.33
§ 9 Satz 1 AO enthält gleichsam die Regeldefinition, wonach zwei Merkmale entscheiden: – tatsächlicher Aufenthalt im Inland – Ort oder Gebiet (objektives Merkmal), – Umstände, die erkennen lassen, dass das Verweilen nicht nur vorübergehend ist (subjektives Merkmal). Beide Merkmale sind aufgrund der äußeren Umstände zu entscheiden. Auf die innere Absicht kommt es nicht an.1 § 9 Satz 2 AO fingiert den gewöhnlichen Aufenthalt im Inland bei – einem zeitlich zusammenhängenden Aufenthalt, – von mehr als sechs Monaten, – auch bei kurzfristigen Unterbrechungen. § 9 Satz 3 AO sieht eine Ausnahme zu § 9 Satz 2 AO vor, wenn der Aufenthalt – Besuchs-, Erholungs-, Kur- oder ähnlich privaten Zwecken dient und – nicht länger als ein Jahr dauert. Damit ähnelt die Begriffsstruktur derjenigen des Wohnsitzbegriffes, indem äußere Tatsachen (Aufenthalt, Zeitraum) mit Indizien für eine Vermutung gekoppelt sind. Entscheidend ist das Vorliegen der äußeren, objektiven Merkmale,2 nicht der Wille der betreffenden Person. Grundlage ist der „Aufenthalt“, wobei das „Verweilen“ wohl synonym ist.3 Darunter ist die physische Anwesenheit im Inland zu verstehen. Das Gesetz sagt aber nicht, wie viele Stunden pro Tag aus der Anwesenheit einen Aufenthalt i.S.d. § 9 AO machen. Diese Frage spielt dann eine Rolle, wenn der Steuerpflichtige, vor allem in Grenzregionen, seine Arbeitsstätte im Inland hat und in unmittelbarer Nähe der Grenze im Ausland wohnt. Hier reicht der werktägliche Aufenthalt im Betrieb nicht aus, selbst wenn dies der überwiegende Teil der 24 Stunden ist. Diese Rspr.4 verdient Zustimmung. Würde die Anwesenheit nur zur Berufsausübung für die Begründung eines „Aufenthaltes“ i.S.v. § 9 AO ausreichen, so bliebe für die beschränkte Steuerpflicht nach dem Tätigkeitsprinzip (Rz. 2.87 nichts mehr übrig. Das Gesetz wertet die Berufsausübung im Inland von 1 Musil in H/H/Sp, § 9 AO Rz. 14; Buciek in Beermann/Gosch, § 9 AO Rz. 9. 2 RFH v. 25.11.1937 – III 120/37, RStBl. 1937, 1247 (1248); BFH v. 10.8.1983 – I R 241/82, BStBl. II 1984, 11 (12); v. 6.2.1985 – I R 23/82, BStBl. II 1985, 331 (332); v. 22.6.2011 – I R 26/10, BFH/NV 2011, 2001. 3 Ebenso Kruse in T/K, § 9 AO Rz. 2; Musil in H/H/Sp, § 9 AO Rz. 18. 4 Z.B. BFH v. 10.8.1983 – I R 241/82, HFR 1984, 4; v. 6.2.1985 – I R 23/82, BStBl. II 1985, 331 (332).
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
einer ausländischen Wohnung aus als einen Fall nach § 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG (sog. Grenzgänger). Folglich muss zur Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht durch einen gewöhnlichen Aufenthalt noch eine über die durch die Berufsausübung bedingte Anwesenheit hinzukommen. Der Betroffene muss somit auch seine Freizeit und seine Ruhezeiten im Inland verbringen. Dazu benötigt er Räume. Wegen der Abgrenzung von § 9 AO gegenüber § 8 AO darf es sich bei den Räumen nicht um eine Wohnung (Rz. 2.21) handeln. Somit kommen vor allem Hotelzimmer oder Schlafstellen im Büro in Betracht, aber auch der Fall, dass der Steuerpflichtige keine Verfügungsmacht über die Wohnung besitzt – z.B. Übernachtung bei Bekannten.1 Insoweit wird § 9 AO zu einem Auffangtatbestand zu § 8 AO. Hiergegen spricht nicht die Entscheidung des BFH v. 25.5.1988.2 Das Gericht hat darin zwar einer Schlafstelle im Büro die Anerkennung versagt; dies geschah aber deshalb, weil es nicht davon überzeugt war, dass die Schlafstelle auch tatsächlich benutzt und nicht bloß aus steuerlichen Gründen kurzfristig für die Außenprüfung eingerichtet worden war. Maßgebend war dabei, dass der Steuerpflichtige ein Einfamilienhaus in nicht großer Entfernung jenseits der Grenze besaß, er im vorgerückten Alter stand, im möblierten Raum kein Familienleben führen konnte und dass ungeklärt blieb, wie er sich mit Wäsche und Lebensmitteln versorgte. Meines Erachtens können die letztgenannten Kriterien (Führung des Familienlebens, Wäsche, Kochgelegenheit) nicht maßgebend sein. Eine solchermaßen „qualifizierte Schlafstelle“ wäre kaum noch von einer Wohnung zu unterscheiden. Vielmehr hat der BFH diese Kriterien als Indizien für eine fehlende tatsächliche Anwesenheit außerhalb der Arbeitszeit gewertet.
2.35 Es kommt grundsätzlich (Ausnahme Rz. 2.39) nur auf die physische Anwesenheit, nicht auf deren Motive an. Auch ein unfallbedingter3 Krankenhausaufenthalt oder ein Gefängnisaufenthalt4 reicht aus. Auch fehlende Geschäftsfähigkeit verhindert nicht den Aufenthalt.5 Dient der Aufenthalt nur einem einzigen Zweck und erstreckt sich dieser über einen langen Zeitraum, so sieht der BFH6 darin ein Element, das als objektives Element im Rahmen der Gesamtbetrachtung des Aufenthaltes zu würdigen sei und auch bei Unterbrechungen (Rz. 2.37) den Aufenthalt zu einem einheitlich Ganzen mache.
2.36 Aufgrund der in § 9 AO genannten Fristen lassen sich zwei Fallgruppen unterscheiden: Der Aufenthalt überschreitet sechs Monate oder er ist kürzer. 1 Beim Dauercampingplatz, wenn die heimatliche Wohnung genutzt wird, FG Rh.Pf. v. 16.3.1994 – I K 1714/93, EFG 1994, 784. 2 BFH v. 25.5.1988 – I R 225/82, BStBl. II 1988, 944. 3 BFH v. 23.7.1971 – III R 60/70, BStBl. II 1971, 758 (759). 4 RFH v. 19.10.1940 – GrS D 3/40, RFHE 49, 186 (189 f.); BFH v. 14.11.1986 – IV B 97/86, BFH/NV 1987, 262 (263). 5 RFH v. 19.10.1940 – GrS D 3/40, RFHE 49, 186 (190 f.). 6 BFH v. 22.6.2011 – I R 26/10, BFH/NV 2011, 2001.
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B. Persönliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
§ 9 AO spricht von einem Aufenthalt „von mehr als sechs Monaten Dauer.“ Erforderlich ist also eine zusammenhängende Zeit von wenigstens sechs Monaten + 1 Tag zwischen dem ersten und letzten Aufenthaltstag. Nicht geklärt ist, ob Anreise- und Abreisetag jeweils als ganze Tage zählen. Im englischen Steuerrecht werden die Stunden gezählt.1 Wer um 14 Uhr eingereist ist, muss bei Ablauf der Frist das Land bis 13.59 Uhr verlassen. Dieser Betrachtung wird auch § 9 AO gerecht, da auch dieser „mehr als sechs Monate“ verlangt, d.h. 183 × 24 Stunden. Wegen der Fristberechnung und der unterschiedlichen Länge der Monate gibt es aber Abweichungen. Die Frist berechnet sich gem. § 108 AO i.V.m. §§ 187, 188 BGB. Fällt z.B. der erste Tag auf den 1.3., so endet die Sechs-MonatsFrist am 1.9., sodass i.S.v. § 9 AO noch der 2.9. einbezogen sein muss (186 Tage einschl. erstem u. letztem Tag).2 Kernfrage ist dabei, wie lange und wie häufig Abwesenheit gegeben sein darf, um „kurzfristig“ zu sein und den zeitlichen Zusammenhang nicht zu unterbrechen. Es muss der Aufenthalt auch bei Unterbrechungen bei einer Gesamtwürdigung der Umstände als ein zusammenhängender angesehen werden können.3 Dabei soll es auf die objektiven Umstände ankommen,4 was aber sauch nicht wirklich in Zweifelsfragen weiterhilft. Unzweifelhaft hingegen ist es, dass es nur auf die Dauer der Unterbrechung, nicht auf deren Gründe ankommt.5 Familienheimfahrten zu Wochenenden und Feiertagen, sowie urlaubsbedingte Abwesenheiten sind als kurzfristige Unterbrechungen anerkannt,6 auch wenn sie regelmäßig erfolgen. Dies ist insofern widersprüchlich, als es auf das Motiv der Abwesenheit nicht ankommen soll. Streitig ist eine zwei Wochen überschreitende Abwesenheit, etwa zu Urlaubszwecken.7 Dabei wird man auch die Dauer des Gesamtaufenthaltes berücksichtigen müssen. Hält sich z.B. der Steuerpflichtige für sieben Monate im Inland auf und begibt er sich währenddessen für drei bis vier Wochen auf Heimaturlaub, so ist der zeitliche Zusammenhang unterbrochen, und die Fiktion nach § 9 Satz 2 AO tritt nicht ein. Anders wäre es, wenn sich der Gesamtaufenthalt auf fünf Jahre erstreckt und der Steuerpflichtige regelmäßig alle vier bis fünf Monate für zwei bis drei Wochen nicht im Inland anwesend ist. 1 Mössner in FS Ritter, 1997, 207. 2 Wenn der Februar mitzählt: z.B. 1.2.-1.8. = 182 Tage einschl. 1. und letztem Tag. 3 Auf feste Zeiten abstellend Schwarz, § 9 AO Rz. 9; Lehner/Waldhof in K/S/M, § 1 EStG Rz. B193. 4 So BFH v. 22.6.2011 – I R 26/10, BFH/NV 2011, 2001. 5 Kruse in T/K, § 9 AO Rz. 5; Schwarz, § 9 AO Rz. 9; Musil in H/H/Sp, § 9 AO Rz. 35. 6 BFH v. 4.6.1975 – I R 250/73, BStBl. II 1975, 708; v. 22.6.2011 – I R 26/10, BFH/ NV 2011, 2001; Buciek in Beermann/Gosch, § 9 AO Rz. 49; T/K, § 9 Rz. 11; Gosch in Kirchhof11, § 1 EStG Rz. 8; Musil in H/H/Sp, § 9 AO Rz. 25. 7 Grenze bei zwei Wochen: Kühn/Kutter/Hofmann17, § 9 AO Rz. 6; Schwarz, § 9 AO Rz. 9 (2–3 Wochen); dagegen bei 2 1/2 Monaten Urlaub FG BW v. 23.9.1975 – IV 253/73, EFG 1976, 13 (14); vgl. auch BFH v. 22.6.2011 – I R 26/10, BFH/NV 2011, 2001 m.w.N.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
Im Moderatorinnen-Fall1 hat der BFH einen gewöhnlichen Aufenthalt bejaht. Die in der Schweiz wohnende Person arbeitete wochentäglich bei Fernsehaufzeichnungen mit, verbrachte die Wochenenden in der Schweiz und der Aufenthalt war durch eine jeweils zweimonatige Sommerpause sowie eine Weihnachtspause unterbrochen. Keiner der einzelnen zusammenhängenden, nur von den Wochenenden unterbrochenen Aufenthalte erfüllte die 183-Tage-Voraussetzungen. Diese Entscheidung steht den in der Praxis anzutreffenden Gestaltungen entgegen, jeweils kurz vor Erreichen der 183 Tage eine längere Unterbrechung eintreten zu lassen, wenn sich dies regelmäßig über Jahre wiederholt. Dabei spielte für den BFH eine entscheidende Rolle, dass alle Aufenthalte durch einen einzigen Zweck bestimmt waren und somit „zusammengefasst“ wurden. Offen ist, ob das Gericht auch so weit gehen würde, von einem zusammenhängenden Aufenthalt auszugehen, wenn nach einem Aufenthalt von nahezu 183 Tagen eine ebenso lange Unterbrechung erfolgt und sich dies über Jahre wiederholt, wenn z.B. ein Angestellter jeweils ein halbes Jahr im Inland tätig wird, im Übrigen aber sich im Ausland befindet. Wo dann allerdings genau die Grenze zwischen den zwei Monaten und den sechs Monaten Abwesenheit festzulegen wäre, ist offen. Meines Erachtens kommt es darauf an, wie lange der jeweilige Aufenthalt ist. Er muss jeweils länger sein als die Zeit der Abwesenheit. Dann wird man argumentieren können, dass der Aufenthalt die Zeit der Abwesenheit überwiegt. Im umgekehrten Fall – längere Zeit der Abwesenheit als der Anwesenheit – wird man wohl schwerlich von einem zusammenhängenden, gewöhnlichen Aufenthalt im Inland sprechen können.
2.38 Die sechs Monate brauchen nicht in einem Kalenderjahr zu liegen.2 Der zeitliche Zusammenhang wird nicht durch den Jahreswechsel unterbrochen (z.B. 1.10.-15.4.). Bis VZ 1995 waren die Folgen dieser Regelung dadurch gemildert, dass Einkünftezeitraum nur die Dauer der unbeschränkten Steuerpflicht war. Es konnte daher in einem VZ zu einem Nebeneinander von unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht kommen. Durch Änderung von § 2 Abs. 7 und § 32b EStG JStG 19963 und JStG 1997,4 hat die unbeschränkte Steuerpflicht eine absorbierende Wirkung. Diese geht so weit, dass die ausländischen Einkünfte außerhalb der Zeit der unbeschränkten Steuerpflicht im Wege des Progressionsvorbehaltes berücksichtigt werden. Dabei werden die im Beispiel vom 1.1.-15.4. bezogenen (Welt-)Einkünfte unter Berücksichtigung der vom 16.4.-31.12. im Ausland erzielten Einkünfte bei der Ermittlung des Steuersatzes einbezogen.
1 BFH v. 22.6.2011 – I R 26/10, BFH/NV 2011, 2001. 2 BFH v. 19.8.1981 – I R 51/78, BStBl. II 1982, 452 (453); FG Nürnberg v. 19.3.1975 – V 154/73, EFG 1975, 455 (456); Deppe, StuW 1982, 332 (334); Buciek in Beermann/Gosch, § 9 AO Rz. 44. 3 BGBl. I 1995, 1250 ff., 1959 ff.; vgl. auch BStBl. I 1995, 438 ff. 4 BGBl. I 1996, 2049 (2063).
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B. Persönliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
Liegt danach (Rz. 2.36 f.) ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten vor, so ist zu unterscheiden:
2.39
1. Die Anwesenheit dauert länger als ein Jahr: Es wird immer ein gewöhnlicher Aufenthalt begründet, gleichgültig ob der Betreffende sich privat oder geschäftlich im Inland befindet. 2. Die Anwesenheit liegt unter einem Jahr. Für die Zeit zwischen sechs Monaten und einem Jahr kommt es ausnahmsweise (Rz. 2.35) auf das Motiv des Aufenthaltes an. Ein gewöhnlicher Aufenthalt liegt dann nicht vor, wenn die Anwesenheit privaten Zwecken dient. Diese 1939 durch Verwaltungserlass ursprünglich zur Förderung des Fremdenverkehrs eingeführte Ausnahme von der SechsMonats-Frist wurde 1977 in das Gesetz übernommen. Die Gesetzesbegründung spricht von „nicht geschäftlichen Zwecken“. Damit ist das BFH-Urt. v. 23.7.19711 nicht vereinbar,2 das einen unfallbedingten Krankenhausaufenthalt von knapp neun Monaten Dauer als gewöhnlichen Aufenthalt eingestuft hat. Es ist durch die gesetzliche Neufassung überholt. Auch Gefängnisaufenthalte sind nicht geschäftlich. Dies gilt auch, wenn sich der Unfall auf einer Geschäftsreise ereignet oder wenn die Verurteilung wegen eines mit geschäftlicher Tätigkeit verbundenen Deliktes erfolgt. Wird die Sechs-Monats-Frist nicht erreicht, weil entweder der Aufenthalt insgesamt kürzer oder die Unterbrechung eines längeren Aufenthaltes nicht kurzfristig (Rz. 2.37) ist, so kann es dennoch nach § 9 Satz 1 AO zu einem gewöhnlichen Aufenthalt kommen, wenn es sich nicht nur um ein vorübergehendes Verweilen handelt.3 Damit unterscheidet das Gesetz den gewöhnlichen Aufenthalt vom vorübergehenden. Es ist bedauerlich, dass der Gesetzgeber sich nicht für klarere Zeitgrenzen entschieden hat. So muss die Auslegung die Begriffe „gewöhnlich“ (= dauernd), „vorübergehend“ und „kurzfristig“ voneinander abgrenzen. Der BFH versteht dabei in semantisch problematischer Weise den „gewöhnlichen Aufenthalt“ nicht i.S. eines dauernd „ständigen“, sondern i.S. eines „nicht vorübergehenden“.4 Obgleich § 9 Satz 1 AO eine eigenständige Bedeutung neben § 9 Satz 2 AO besitzt,5 dürfte ein von vornherein kürzer als sechs Monate geplanter Aufenthalt ein vorübergehender sein. Es ist nicht erkennbar, was z.B. einen viermonatigen Inlandsaufenthalt zu einem gewöhnlichen machen könnte, wenn diese Zeit nicht zur Wohnsitzbegründung ausreicht (Rz. 2.28 f.). Somit kommt es nicht zu einem gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, wenn bei einem einmaligen Aufenthalt von vornherein ge-
1 2 3 4 5
BFH v. 23.7.1971 – III R 60/70, BStBl. II 1971, 758. So auch Schwarz, § 9 AO Rz. 13; Musil in H/H/Sp, § 9 AO Rz. 41. Buciek in Beermann/Gosch, § 9 AO Rz. 21: Frist nicht konstitutiv. BFH v. 30.8.1989 – I R 215/85, BStBl. II 1989, 956 (957). FG Rh.-Pf. v. 10.4.1975 – III 16/75, EFG 1975, 446.
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2.40
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plant war, dass zwischen dem ersten und letzten Tag weniger als sechs Monate liegen.1 § 9 Satz 1 AO kommt folglich in zwei Fällen zum Zuge: 1. Der Aufenthalt war für über sechs Monate geplant, er wurde aber z.B. nach fünf Monaten aufgrund nicht vorhergesehener Umstände abgebrochen.2 2. Der Aufenthalt erstreckte sich über sechs Monate, er wurde aber von nicht kurzfristigen Abwesenheiten unterbrochen. Entscheidend sind die Gesamtumstände. Hält sich die Person zunächst fünf Monate im Inland auf, kehrt für drei Monate in ihre Heimat zurück und bleibt anschließend für zwölf Monate im Inland, so beginnt der gewöhnliche Aufenthalt bereits mit dem ersten Aufenthalt.3 Voraussetzung ist aber, dass der spätere den ersten Aufenthalt fortsetzt, indem er etwa aus gleichen Motiven erfolgt. Allerdings reichen mehrere kurzfristige Aufenthalte, die durch längere Phasen unterbrochen werden, nicht aus.4 Die vom BFH5 aufgestellte Gesamtgrenze eines Jahres für mehrere unverbundene kurzfristige Aufenthalte findet keine Stütze im Gesetz. Die Anwendung kann im Einzelfall sehr problematisch sein. Wären z.B. folgende Fälle unterschiedlich zu beurteilen? Fall 1: 4 Monate im Inland, 3 Monate im Ausland, 4 Monate im Inland. Fall 2: 3 Monate im Inland, 1 Monat Ausland, 1 Monat Inland, 1 Monat Ausland, 2 Monate im Inland, 1 Monat Ausland, 2 Monate Inland. Spielt es dabei eine Rolle, ob die jeweilige Rückkehr ins Inland geplant war oder zufällig erfolgte? Wie man sieht, besteht Unsicherheit im Einzelfall, die der Unternehmer bzw. sein Arbeitnehmer durch entsprechende Gestaltung von vornherein vermeiden sollte. Meines Erachtens sind beide Fälle gleichzubehandeln: Es wird ein gewöhnlicher Aufenthalt i.S.v. § 9 Satz 1 AO begründet, wenn die Zwecke der Aufenthalte im Wesentlichen gleich waren.
2.41 Der Aufenthalt im Inland ist nicht an einen räumlichen Mittelpunkt gebunden. Der Geschäftsmann, der zur Anknüpfung geschäftlicher Kontakte für acht Monate durch das Inland reist, hat hier seinen gewöhnlichen Aufenthalt.6 Die Gegenansicht7 stützt sich darauf, dass nach § 9 Satz 1 AO das Verweilen an einem „Ort“ oder in einem „Gebiet“ erforderlich ist. Das gesamte Bundesgebiet könne nicht „Gebiet“ i.d.S. sein. Nur ein bestimmtes Gebiet innerhalb des Bundesgebietes komme in Betracht. Diese Auffassung trifft für die innerstaatliche Bedeutung von § 9 AO, etwa für § 19 AO, zu. Hier entscheidet das Gebiet eines Finanzamtsbe1 So auch BFH v. 30.8.1989 – I R 215/85, BStBl. II 1989, 956 (957). 2 FG Rh.-Pf. v. 10.4.1975 – III 16/75, EFG 1975, 446. 3 BFH v. 3.8.1977 – I R 210/75, BStBl. II 1978, 118 (119); FG BW v. 23.9.1975 – IV 253/73, EFG 1976, 13. 4 FG Nürnberg v. 27.4.1978 – III 164/77, EFG 1978, 548 (549). 5 BFH v. 19.8.1981 – I R 51/78, BStBl. II 1982, 452 (453). 6 Ebenso Schwarz, § 9 AO Rz. 4; Musil in H/H/Sp, § 9 AO Rz. 19; Kruse in T/K, § 9 AO Rz. 5. 7 So früher Kruse in T/K, § 9 AO Rz. 2.
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B. Persönliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
zirks.1 Für die unbeschränkte Steuerpflicht ist jedoch das Inland das entscheidende Gebiet (Rz. 2.16). Eine andere Auslegung würde zu dem widersinnigen Ergebnis gelangen, dass keine unbeschränkte Steuerpflicht besteht, wenn der Aufenthalt im einzelnen FA-Bezirk vorübergehend (Rz. 2.39), im ganzen Bundesgebiet aber dauernd ist. Begründet wird der gewöhnliche Aufenthalt mit dem ersten Tag der physischen Anwesenheit im Inland, sofern dann schon Umstände erkennbar sind, dass die Anwesenheit nicht nur vorübergehend sein wird, z. B, wenn ein Hotelzimmer für einen Zeitraum von sieben Monaten angemietet wird. War der Aufenthalt zunächst nur als vorübergehend geplant2 und treten erst während des Aufenthaltes Umstände ein, die ihn zu einem dauernden machen, so beginnt auch erst beim Hinzutreten dieser Umstände der gewöhnliche Aufenthalt i.S.v. § 9 Satz 1 AO und damit auch die unbeschränkte Steuerpflicht.
2.42
Vorher handelt es sich höchstens um eine beschränkte Steuerpflicht. Der Aufenthalt nach § 9 Satz 2 AO wird durch Ablauf von sechs Monaten begründet, wirkt dann aber kraft ausdrücklicher Regelung auf den ersten Tag zurück. Beendet wird der gewöhnliche Aufenthalt durch Wegfall seiner Voraussetzungen. Das ist nur denkbar, wenn die physische Anwesenheit aufgegeben wird. Der sich daran anschließende Auslandsaufenthalt darf nicht nur kurzfristig sein – im Falle des § 9 Satz 2 AO – oder es müsste – im Fall des § 9 Satz 1 AO – der Inlandsaufenthalt als abgeschlossen erscheinen. Der BFH3 hat die (widerlegbare) Vermutung aufgestellt, dass eine Aufgabe erfolgt, wenn sich der Steuerpflichtige länger als sechs Monate im Ausland aufhält. Anderes soll gelten, wenn die Absicht, ins Inland zurückzukehren, nicht aufgegeben wird. Die allgemeine4 These, ein Steuerpflichtiger könne nur einen gewöhnlichen Aufenthalt besitzen, ist angesichts der komplizierten Regelung von § 9 AO nur eingeschränkt richtig. Wie dargelegt (Rz. 2.40, 2.42) kann auch bei längerfristiger Unterbrechung im Inland der gewöhnliche Aufenthalt (§ 9 Satz 1 AO) fortbestehen. Während dieser Zeit kann es aber im Ausland zu einem nach dortigem Recht begründeten gewöhnlichen Aufenthalt kommen. Da die Regelungen in den einzelnen Staaten hinsichtlich des dem gewöhnlichen Aufenthalt entsprechenden Anknüpfungskriteriums unterschiedlich sind, ist es denkbar, das nach deutschem Recht der gewöhnliche Aufenthalt in Deutschland fortbesteht, das Ausland aber ebenfalls ein vergleichbares Kriterium als erfüllt ansieht. Zutreffend ist 1 Ebenso differenzierend Buciek in Beermann/Gosch, § 9 AO Rz. 27. 2 Deshalb könne die Absicht des Steuerpflichtigen nicht unberücksichtigt bleiben, BFH v. 3.8.1977 – I R 210/75, BStBl. II 1978, 118 (119). 3 BFH v. 27.7.1962 – VI 156/59 U, BStBl. III 1962, 429 (430). 4 So BFH v. 27.7.1962 – IV 156/59 U, BStBl. III 1962, 429 (430); v. 9.2.1966 – I 244/63, BStBl. 1966, 522 (523); v. 10.8.1983 – I R 241/82, BStBl. II 1984, 11 (12); v. 27.4.2005 – I R 112/04, BFH/NV 2005, 1756; v. 22.6.2011 – I R 26/10, BFH/NV 2011, 2001; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.25; Kruse in T/K, § 9 AO Rz. 1; Schwarz, § 9 AO Rz. 2.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
allerdings, dass es nach deutschem Steuerrecht nicht zwei gewöhnliche Aufenthalte geben kann. Letztlich kommt es darauf aber auch nicht an; denn bei Vorliegen der Voraussetzungen von § 9 AO ist es gleichgültig, ob die betreffende Person auch im Ausland aufgrund einer dem gewöhnlichen Aufenthalt vergleichbaren Regelung ansässig ist. Liegen die Voraussetzungen von § 8 AO und § 9 AO vor, so genießt § 8 AO Vorrang.1 5. Ansässigkeit im DBA-Recht
2.44 Die DBA enthalten im Allgemeinen auch Regelungen über die Ansässigkeit.2 Trotz des ähnlichen Begriffs bestehen Unterschiede in der Funktion, teilweise auch in den Kriterien im Verhältnis zu den nationalen Regeln. Seiner Funktion nach regelt der Begriff „Ansässigkeit“ im DBARecht zweierlei: 1. Er bestimmt, auf wen das Abkommen überhaupt anwendbar ist (sog. Abkommensberechtigung)3 – Art. 1 OECD-MA: „Dieses Abkommen gilt für Personen, die in einem Vertragsstaat oder in beiden Vertragsstaaten ansässig sind.“ 2. Es ergibt sich aus ihm, welcher Staat i.S.d. DBA als Ansässigkeitsstaat und welcher als Quellenstaat zu gelten hat, da die operativen Normen (Art. 6–21 OECD-MA) auf dieser Unterscheidung aufbauen. Er dient somit als Verteilungsregel.
2.45 Sachlich nimmt der Begriff der DBA-Ansässigkeit auf die persönlichen Anknüpfungsmerkmale (2.3) der nationalen Steuerrechte Bezug (Art. 4 Abs. 1 OECD-MA), sodass aus deutscher Sicht sowohl der Wohnsitz als auch der gewöhnliche Aufenthalt zur DBA-Ansässigkeit führen. Oder anders gewendet: Alle Personen, die nach deutschem Steuerrecht unbeschränkt steuerpflichtig sind, sind i.S. der Doppelbesteuerungsabkommen4 in Deutschland ansässig.
2.46 Wegen der unterschiedlichen, nicht aufeinander abgestimmten nationalen Kriterien für die unbeschränkte Steuerpflicht kann es zu einer doppelten unbeschränkten Steuerpflicht und damit i.S. des Abkommens zur „Doppelansässigkeit“ in jedem Vertragsstaat kommen. Ältere Abkommen ließen diesen Fall ungeregelt. Ein DBA wird seiner Aufgabe der Konfliktlösung nur gerecht, wenn es i.S. seiner Regelungen vorab die Zuordnung des Steuerpflichtigen zu einem Staat als Wohnsitzstaat vornimmt. Deshalb sehen die Abkommen heute ein stufenweises Vorgehen vor, bei dem die einzelnen Elemente jeweils einem Staat Vorrang gewähren (tiebreaker-rules). Danach entscheidet primär der Wohnsitz. Hat die betreffende Person nur in einem Staat einen Wohnsitz, so ist sie in diesem Staat ansässig. Verfügt sie in beiden Staaten über einen Wohnsitz, so gilt 1 2 3 4
Schwarz, § 9 AO Rz. 2. Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 8. Wilke in G/K/G, Art. 4 OECD-MA Rz. 3. Ausnahmen vgl. Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 24 ff.
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B. Persönliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
sie in dem Staat als ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen unterhält. Das OECD-MA spricht hier vom Mittelpunkt der Lebensinteressen. Kann schlüssig ein solcher Mittelpunkt nicht bestimmt werden und verfügt die Person über keinen Wohnsitz in einem der beiden Staaten, so entscheidet der gewöhnliche Aufenthalt. Führt auch dieses Kriterium nicht zur Entscheidung, weil der gewöhnliche Aufenthalt in beiden oder keinem Staat besteht, so kommt es auf die Staatsangehörigkeit an. Besitzt die Person die Staatsangehörigkeit beider Staaten oder keine von ihnen, so fehlen alle Kriterien, die die Waagschale sich zugunsten eines Staates neigen lassen könnten. Beide Staaten sind in diesem Falle objektiv völlig gleichrangig in ihrer Beziehung zur Person, sodass sie sich gemeinsam darüber einigen müssen, welcher von ihnen als Staat der Ansässigkeit zu gelten hat. Die Ansässigkeitsregelung in einem DBA ändert nichts an der unbeschränkten Steuerpflicht nach nationalem Steuerrecht; denn für jeden Staat bleiben seine Anknüpfungskriterien weiter maßgebend. Die Abgrenzung beschränkt sich auf das DBA selbst, indem der Ansässigkeitsstaat i.S.d. Abkommens als Wohnsitzstaat und der andere als Quellenstaat behandelt werden. Somit kann es dazu kommen, dass ein „Nicht-Ansässiger“ i.S.d. betreffenden DBA gleichwohl im Quellenstaat als unbeschränkt Steuerpflichtiger behandelt wird.
2.47
Beispiel: X mit Wohnsitz in den Staaten A und B ist Staatsangehöriger von B und bezieht Dividenden aus A und B. Beide Staaten besteuern X als unbeschränkt Steuerpflichtigen mit seinen Erträgen auch aus dem anderen Staat. Im Sinne des DBA ist X in B ansässig. Art. 10 OECD-MA findet Anwendung auf die aus A stammenden Dividenden bei der Besteuerung durch B.1 A ist hinsichtlich der aus B stammenden Dividenden nicht Ansässigkeitsstaat, weil X in B ansässig ist. Er ist nicht Quellenstaat, weil die Dividenden aus B stammen. Das Besteuerungsrecht von A aus der unbeschränkten Steuerpflicht wird aufgehoben.
Wird die Besteuerungskompetenz des Quellenstaates im DBA ganz aufgehoben, so ist die Lage problemlos. Schwierig wird es, wenn dem Quellenstaat ein eingeschränktes Besteuerungsrecht verbleibt. In diesen Fällen erfolgt die Besteuerung im Quellenstaat nach den Regeln der unbeschränkten Steuerpflicht.2 Im Ergebnis mag die Besteuerung des an sich unbeschränkt Steuerpflichtigen derjenigen der beschränkt Steuerpflichtigen gleichkommen, doch ist es eine unbeschränkte Steuerpflicht mit allen Folgen, z.B. bei der Berücksichtigung persönlicher Lasten wie Sonderausgaben oder beim Splitting.
1 Vgl. Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 9; Debatin, AWD 1966, 313 (315). 2 Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 10.
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2.48
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
III. Körperschaften 1. Allgemeines
2.49 Bei Körperschaften i.S. des § 1 Abs. 1 KStG wird in Deutschland die persönliche (Rz. 2.3), steuerliche Inlandsbeziehung durch den Sitz oder die Geschäftsleitung im Inland hergestellt. Generell kommen für die Zuordnung juristischer Personen zu einem Staat vier Kriterien in Betracht: – Gründungsstatut, d.h. Zuordnung zur Rechtsordnung, nach der die Gesellschaft errichtet ist; im Allgemeinen, wo sie in ein öffentliches Register eingetragen ist; – Verwaltungssitz, d.h. Zuordnung zum Mittelpunkt ihrer geschäftlichen Tätigkeit, zu dem Ort also, wo die wesentlichen Geschäftsentscheidungen fallen; – Satzungssitz, d.h. Zuordnung zu dem durch Satzung bestimmten Ort; – Kontrolltheorie, d.h. Zuordnung nach der Staatsangehörigkeit bzw. wirtschaftlichen Zugehörigkeit der Mehrheit der Gesellschafter.
2.50 International-privatrechtlich stehen sich bei der Anerkennung juristischer Personen die Gründungs- und die Sitztheorie gegenüber.1 Nach der Gründungstheorie, vor allem im anglo-amerikanischen Rechtskreis2 verbreitet, kommt es für die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft darauf an, dass sie nach dem Recht eines Staates wirksam gegründet wurde und nach dem Recht dieses Staates fortbesteht. Unerheblich ist dann, wo sich ihr Verwaltungssitz befindet: Die im Staate A gegründete Gesellschaft verliert ihre Rechtsfähigkeit nicht, wenn sie ihren Sitz in den Staat B verlegt. Hintergrund ist, dass ein Staat die Hoheitsakte eines anderen Staates, die dieser in ordnungsgemäßer Ausübung der Souveränität setzt, anerkennen soll (sog. international comity). Die im US-Staat Delaware gegründete Corporation bleibt dies nach amerikanischem Recht auch, wenn sie ihre Geschäftsleitung nach Deutschland verlegt.3 Die Folge dieser Theorie ist, dass strengere Vorschriften des Staates B dadurch umgangen werden können, dass die Gesellschaft unter dem großzügigeren Recht von A gegründet wird. Hier setzt die Sitztheorie an.4 Nach ihr muss die Gesellschaft im Staate ihres Verwaltungssitzes zugleich gegründet sein. Liegen Gründung und Verwaltungssitz in verschiedenen Staaten, so verliert sie ihre Rechtsfähigkeit. Sie ist dann aus Sicht des Sitzstaates eine Quasi-OHG bzw. im Fall einer Ein-Mann-Gesellschaft ein Einzelunter-
1 Großfeld in Staudinger, EGBGB, IntGesR, Rz. 18 ff.; Heldrich in Palandt71, Anh. zu Art. 12 EGBGB Rz. 1; Kindler in MünchKomm BGB IntGesR5, Rz. 1 ff. 2 Aber auch in den Niederlanden sowie in Rumänien, Bulgarien, Tschechien u.a.; vgl. Kindler in MünchKomm BGB IntGesR5, Rz. 508. 3 Vgl. BFH v. 29.1.2003 – I R 6/99, BStBl. II 2004, 1043. 4 Vgl. Wilke, IWB 2005, 787 (10 Gr. 2 S. 1891); Kindler in MünchKomm BGB IntGesR5, Rz. 510.
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B. Persönliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
nehmen.1 Etwas anderes gilt, wenn sich der Sitzstaat durch Staatsvertrag2 verpflichtet haben sollte, die Rechtsfähigkeit unter Abkehr von der Sitztheorie anzuerkennen.3 Der Nachteil der Sitztheorie besteht darin, dass die internationale Mobilität von Gesellschaften behindert wird, wenn die Verlagerung des Ortes der zentralen Entscheidungen zur Liquidation der Gesellschaft führt. Die deutschen Gerichte sind traditionell der Sitztheorie gefolgt.4 Die Folge war, dass eine ausländische Kapitalgesellschaft, die ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegte (Zuzugsfall), als Personengesellschaft galt und somit ihre Rechtsfähigkeit sowie die Haftungsbegrenzung verlor. Dadurch wird die Ausübung der Niederlassungsfreiheit im gemeinsamen Markt behindert. Der EuGH5 hat folglich in Zuzugsfällen, bei denen der Verwaltungssitz aus dem Gründungsstaat in einen anderen Mitgliedsstaat verlegt wird, die Sitztheorie beanstandet. Danach darf in einem EUMitgliedstaat einer in einem anderen Mitgliedstaat errichteten, mit Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Gesellschaft nicht die Geltendmachung der sich aus ihrer Rechtsfähigkeit ergebenden Rechte versagt werden. Der BGH6 hat dem folgend die Rechtsfähigkeit einer in einem anderen EU-Staat Kapitalgesellschaft im Inland „geachtet“, solange diese im Ausland besteht. Manche7 haben bereits das Ende der Sitztheorie gesehen, zumal 2008 ein Gesetzentwurf8 mit dieser Tendenz auf den Weg gebracht wurde. Dieser ist aber nicht Gesetz geworden. In der sog. Trabrennbahn-Entscheidung hat jedoch der BGH9 die Sitztheorie weiterhin im Verhältnis zur Schweiz angewandt und entschieden, dass eine in der Schweiz gegründete AG mit Verwaltungssitz in Deutschland in Deutschland als rechtsfähige Personengesellschaft zu behandeln sei (zur steuerlichen Behandlung in diesen Fällen siehe Rz. 2.57). Damit gilt die Sitztheorie weiterhin im Verhältnis zu Drittstaaten. Einen Durchgriff durch die Kapitalgesellschaft und insoweit eine Missachtung der Rechtspersönlichkeit lässt der EuGH10 dann zu, wenn die ausländische Kapitalgesellschaft eine rein künstliche Gestaltung ohne wirtschaftlichen Hintergrund darstellt. 1 Vgl. BGH v. 30.3.2000 – VII R 320/98, EuZW 2000, 412 m.w.N. 2 Z.B. mit den USA im Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsabkommen v. 29.10.1954, BGBl. II 1954, 487. 3 Ebenroth/Bippus, DB 1988, 842 (843). 4 BGH v. 30.1.1970 – V ZR 139/68, BGHZ 53, 183; v. 27.10.08 – II ZR 158/06, BGHZ 178, 192; vgl. Großfeld in Staudinger, EGBGB, IntGesR, Rz. 38. 5 EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 – Centros, EuGHE 1999, I-1459; v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 – Überseering, EuGHE 1999, I-9910; v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 – Inspire Art, EuGHE 2003, I-10155. 6 BGH v. 29.1.2003 – VII ZR 155/02, BGHZE 153, 353; v. 13.3.2003 – VII ZR 370/98, BGHZ 154, 185; v. 5.7.2004 – II ZR 389/02, DB 2004, 1984. 7 Z.B. Kußmaul/Richter/Ruiner, DB 2008, 451. 8 Referentenentwurf des BMJ v. 7.1.2008 zum Internationalen Gesellschaftsrecht, Dok. DB0269624. 9 BGH v. 27.10.2008 – II ZR 15/06, BGHZ 178, 192 = DB 2008, 2825. 10 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995.
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2.51
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
2.52 Aus der Sicht des Wegzugstaats sieht die Rechtslage anders aus. Wie der EuGH1 zu Recht entschieden hat, hängt der Fortbestand der Rechtspersönlichkeit einer wegziehenden Körperschaft vom Recht des Gründungsstaates ab. Folgt dieser der Sitztheorie oder macht er den Wegzug von der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen abhängig, so kann er der wegziehenden Gesellschaft die Rechtsfähigkeit entziehen. Dies führt dann zu ihrer Liquidation, sodass ein identitätswahrender Wegzug nicht möglich ist. Deutschland ermöglicht seit dem MoMiG2 durch § 5 AktG und § 4a GmbHG die Verlegung des Verwaltungssitzes, nicht des Satzungssitzes, einer deutschen Kapitalgesellschaft ins Ausland unter Wahrung ihrer gesellschaftsrechtlichen Identität. Für die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht reicht es aus, wenn sich der Sitz (§ 11 AO) im Inland befindet (Rz. 2.63). Bei Bestehen eines DBA kann allerdings die Verlegung der Geschäftsleitung dazu führen, dass die Ansässigkeit i.S.d. Abkommens grenzüberschreitend verlegt wird. Dies wiederum kann zu einer Einschränkung deutscher Besteuerungsrechte und somit zur Entstrickung führen.3 2. Begriff der Körperschaft
2.53 § 1 KStG4 enthält ebenso wie § 1 EStG eine dreifache Aussage. 1. Steuersubjekt der Körperschaftsteuer sind die aufgeführten Rechtsgebilde. 2. Kriterien der unbeschränkten Steuerpflicht sind der Sitz oder die Geschäftsleitung im Inland. 3. Für unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften gilt das Welteinkommensprinzip. Als Körperschaftsteuersubjekte kommen die in § 1 KStG für die unbeschränkte und gem. § 2 Nr. 1 KStG für die beschränkte Steuerpflicht aufgezählten Rechtsgebilde in Betracht. Die Umschreibung des Steuersubjekts für die unbeschränkte und beschränkte Steuerpflicht erfolgt unterschiedlich. § 1 Abs. 1 Nr. 1–6 KStG zählt abschließend5 („folgende“) die Körperschaftsteuersubjekte auf, die der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen. Früher verstand man6 die genannten Gesellschaftsformen als solche des deutschen Rechts. Der Gesetzgeber ging idealtypisch davon aus, dass Körperschaften mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland der Sitztheorie entsprechend nach deutschem Recht errichtet worden sind. 1 EuGH v. 27.9.1988 – Rs. C-81/87 – Daily Mail, EuGHE 1988, I-5505; v. 16.12.2008 – Rs. C-210/06 – Cartesio, EuGHE 2008, I-9641. 2 BGBl. I 2008, 2026. 3 Vgl. Mössner in Mössner/Seeger, § 12 KStG Rz. 186 f. 4 Ergänzt werden die Regelungen durch § 2 Nr. 1 KStG. 5 Rengers in Blümich, § 1 KStG Rz. 1; BFH v. 2.12.1970 – I R 122/68, BStBl. II 1971, 187 (188); v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751. 6 Wassermeyer, DB 1990, 244 mit Hinweis auf BFH v. 29.10.1986 – I R 202/82, BStBl. II 1987, 308 und v. 29.10.1986 – I R 318-319/83, BStBl. II 1987, 310.
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B. Persönliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
Er verwendet daher die Begriffe des deutschen Privatrechts, sodass allein die Rechtsform der unter deutschem Recht gegründeten Gesellschaften für die Bestimmung, Subjekt der Körperschaftsteuer zu sein, maßgebend sei.1 Dies führte zu Problemen bei der Einordnung ausländischer Kapitalgesellschaften. Mit der Gesetzesänderung2 wurde nicht nur die Europäische Gesellschaft eingefügt, sondern es wurden auch mit dem Wort „insbesondere“ im Klammerzusatz zur Erläuterung von „Kapitalgesellschaften“ auch andere, d.h. nach ausländischem Recht errichtete Kapitalgesellschaften aufgenommen. Damit entbehrt die unterschiedliche Art der Definition des Körperschaftsteuersubjekts in § 1 und § 2 KStG der Rechtfertigung. Auch unter dem früheren Recht entsprachen sich die Formen der Subjekte. Es war nicht denkbar, dass ein Gebilde ausländischen Rechts Subjekt der beschränkten Steuerpflicht, aber nicht der unbeschränkten Steuerpflicht hätte sein können. Bei nach ausländischem Recht errichteten Gesellschaften, kurz: ausländische Kapitalgesellschaften, ist durch die Gesetzesänderung 2006 geklärt, dass diese gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG der Körperschaftsteuer unterliegen.3 Mit der Einschränkung der Sitztheorie innerhalb der EU (Rz. 2.50) bleibt die Rechtsfähigkeit bestehen, wenn eine im EU-Ausland gegründete Kapitalgesellschaft ihren Verwaltungssitz ins Inland verlegt. Dadurch wird steuerlich i.d.R. der Ort der Geschäftsleitung ins Inland verlegt und die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht begründet.4
2.54
Die deutsche Rspr. hat seit jeher5 den sog. Typenvergleichs (Rz. 2.58) angewendet. Dieser hat zwei Aspekte:
2.55
1. Das deutsche Körperschaftsteuerrecht stellt auf die zivilrechtliche Form zur Bestimmung der Steuersubjekte ab. Verwendet § 1 KStG bspw. den Begriff „Aktiengesellschaft“, so ist damit bei einer nach deutschem Recht gegründeten AG eindeutig, dass es sich um eine AG handelt. Bei einer im Ausland gegründeten Gesellschaft ist jedoch angesichts vieler unterschiedlicher Formen keineswegs klar, ob es sich um eine AG handelt nur, weil der ausländische Begriff im Allgemeinen entsprechend übersetzt wird, ohne dass die ausländische Gesellschaft auch tatsächlich einer inländischen ähneln muss. Aufgabe des Typenvergleichs ist es zu bestimmen, ob das ausländische Rechtsgebilde eine AG i.S.v. § 1 KStG ist, was nur durch einen Vergleich der Struktur1 Graffe in D/J/P/W, § 1 KStG Rz. 18; Wilke in Mössner/Seeger, § 1 KStG Rz. 8, st. Rspr. 2 Gesetz v. 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782. 3 Gosch in Gosch2, § 1 KStG Rz. 86. 4 Anders noch BFH v. 23.6.1992 – IX R 182/87, BStBl. II 1992, 972: § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG. 5 Grundlegend RFH v. 12.2.1930 – VI A 899/27, RStBl. 1930, 444 = RFHE 27, 72 (78) – Venezuela; st. Rspr. z.B. BFH v. 23.6.1992 – IX R 182/87, BStBl. II 1992, 972; v. 4.4.2007 – I R 110/05, BStBl. II 2007, 521; v. 20.8.2009 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263; vgl. auch Sauter in Erle/Sauter3, § 1 KStG Rz. 69 ff.; Frotscher in Frotscher/Maas, § 1 KStG Rz. 55.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
merkmale der ausländischen Gesellschaft mit einer entsprechenden deutschen Gesellschaft erfolgen kann. 2. Ergibt der Typenvergleich eine Vergleichbarkeit mit einer deutschen Rechtsform, die zu den Körperschaftsteuersubjekten gehört, so kommt es nicht darauf an, wie das ausländische Steuerrecht das Gebilde qualifiziert. Eine nach deutschen Rechtsvorstellungen als Kapitalgesellschaft anzusehende Gesellschaft ist auch dann Körperschaftsteuersubjekt, wenn sie im Ausland als Personengesellschaft besteuert wird, wie umgekehrt eine nach deutschen Grundsätzen als Personengesellschaft zu behandelnde Gesellschaft dem Transparenzprinzip unterliegt, auch wenn sie im Ausland der Körperschaftsteuer unterworfen ist. Dies führt dann zu den sog. Qualifikationskonflikten (Rz. 1.171). Der Typenvergleich ist somit weder entbehrlich,1 noch verstößt er gegen europäisches Gemeinschaftsrecht.2 Gleichwohl bleibt die Tatsache, dass hybride Gesellschaftsformen unterschiedlich danach qualifiziert werden, ob es sich um inländische oder ausländische Gesellschaften handelt. Die inländischen Gesellschaften werden ausschließlich anhand ihrer Rechtsform beurteilt, auch wenn sie wesentliche Elemente einer anderen Form enthalten.3
2.56 Dementsprechend ist der Typenvergleich auch hinsichtlich der übrigen in § 1 Abs. 1 Nr. 2–6 KStG aufgeführten Rechtsformen anzuwenden, indem man eine ausländische Rechtsform mit den in § 1 Abs. 1 Nr. 2–6 KStG genannten Formen daraufhin prüft, ob sie deren wesentliche Strukturmerkmale aufweisen.4 Somit unterliegt ein Betrieb gewerblicher Art eines ausländischen, öffentlichen Rechtssubjekts der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht.
2.57 Ob eine ausländische Gesellschaft Körperschaftsteuersubjekt ist, entscheidet sich somit ausschließlich autonom nach Wertungen des deutschen Steuerrechts. Behandelt das deutsche Steuerrecht eine ausländische Gesellschaft als Körperschaft, so hat dies wichtige Rechtsfolgen: – Bei Körperschaften und somit auch bei Kapitalgesellschaften gilt das Trennungsprinzip, wonach strikt zwischen den Sphären der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter unterschieden wird. International folgt daraus, dass der Gewinn der Gesellschaft nur in ihrem Ansässigkeitsstaat besteuert wird. Beim Gesellschafter erfolgt eine Besteuerung als Dividende, wenn und soweit der Gewinn an ihn ausgeschüttet wird (Abschirm- und Aufschubwirkung). Anders bei einer Personengesellschaft: Der Gewinn wird unmittelbar beim Gesellschafter steuerlich 1 So aber Wachter, FR 2006, 361; Körner, IStR 2004, 215; Knapp, DNotZ 2003, 88; Deininger, IStR 2003, 215; Engert, DStR 2004, 664; Göttsche, DStR 1999, 1406; Dautzenberg, StuB 2003, 405. 2 So zutreffend Stewen, FR 2007, 1047; vgl. auch Haase, IWB 2008, Fach 3, Gruppe 2, 1133 u. 1385. 3 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1964, 751. 4 BFH v. 17.7.1968 – I 121/64, BStBl. II 1968, 695 (696).
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B. Persönliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
erfasst und die „Ausschüttung“ führt nicht zu einer weiteren Besteuerung (Transparenzprinzip). – Daraus folgt, dass unterschiedliche Regelungen der DBA zur Anwendung kommen. Bei Kapitalgesellschaften finden die Vorschriften über die Dividendenbesteuerung, bei Personengesellschaften jene über die Unternehmensbesteuerung Anwendung. – Inländische Einkünfte (§ 49 Abs. 1 EStG) der ausländischen Gesellschaft unterliegen der beschränkten Körperschaftsteuer. Bei einer Personengesellschaft wird die Besteuerung der Gesellschafter maßgebend. – Besitzt die ausländische Gesellschaft ihre Geschäftsleitung in Deutschland, so unterliegt sie der unbeschränkten Steuerpflicht (Rz. 2.53 f.). Bei Personengesellschaften begründet diese lediglich eine Betriebsstätte (§ 12 Satz 2 AO). Der Typenvergleich ist anhand derjenigen Strukturmerkmale der ausländischen Gesellschaft durchzuführen, die sich aus der Satzung und dem ausländischen Gesellschaftsrecht ergeben. Da jedoch deutsches Gesellschaftsrecht weitgehend disponibles Recht ist und es in der Praxis häufig zu Mischformen – z.B. GmbH & Co. KG – kommt, liegen die Merkmale auch im deutschen Recht nicht eindeutig fest.1 Folgende Kriterien kommen in Betracht.
2.58
1. Im Außenverhältnis zu Dritten: – Rechtsfähigkeit (vgl. Rz. 2.53), – Haftung für Schulden, – Übertragbarkeit der Anteile, – Abhängigkeit des Bestandes vom Mitgliederwechsel, – Kapitalaufbringung. 2. Im Verhältnis der Gesellschafter untereinander: – Geschäftsführung, – Vertretung, – Mitwirkung, – Gewinnverteilung, Gewinnzurechnung (Rz. 2.59), – Teilnahme am Verlust, – Beteiligung an stillen Reserven. In der Praxis begegnete man vor allem der englischen Limited, die als Gestaltungsmittel empfohlen wurde. Bei ihr war unstreitig,2 dass sie in ihrer 1 Krit. auch Wurster, Die ausländische Basisgesellschaft, 44 f. 2 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Anh. (geändert durch BMF v. 20.11.2000 – IV B 4 - S 1300 - 222/00, BStBl. I 2000, 1509 bzw. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 [2009/0716905]; BStBl. I 2010, 354); Sauter in Erle/Sauter3, § 1 KStG Rz. 78; zu ihrer Besteuerung siehe auch FG Nds. v. 30.4.2010 – 6 K 276/05, BeckRS 2011, 94939.
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2.59
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
Struktur einer deutschen GmbH entspricht.1 Probleme bereitet der Vergleich bei einer Mischung der einzelnen Merkmale bei hybriden Gesellschaftsformen. Als solche treten vor allem die in den 1990er Jahren2 in den USA entstandenen Limited Liability Partnership (LLP) und Limited Liability Company (LLC) in Erscheinung. Sie weisen wesentliche Strukturmerkmale einer Personengesellschaft auf, vor allem was das Verhältnis der Partner zueinander und die Vertretung angeht, nach außen allerdings ist die Haftung der Gesellschafter begrenzt. Dies reicht aber ebenso wenig aus, um aus ihr generell eine Kapitalgesellschaft3 zu machen, wie deren Option nach US-Steuerrecht (check the box)4 für eine Behandlung als Kapitalgesellschaft. Entscheidend kommt es auf eine Würdigung aller Umstände im Einzelfall an.5 Das Urt. des BFH v. 31.7.19916 zur früher existierenden Rechtsform der EPE (= griechische GmbH) ist nicht verallgemeinerungsfähig. Es ging um die Frage, ob die EPE eine in Griechenland ansässige Person i.S.v. Art. II Abs. 1 Nr. 4 Rz. 21a DBAGriechenland darstellt. Das DBA versteht darunter nur solche Gebilde, die im Staat ihrer Ansässigkeit persönlich steuerpflichtig sind. Die EPE wies aber die Besonderheit auf, dass nach griechischem Steuerrecht der von ihr erzielte Ertrag unmittelbar auf die Gesellschafter aufzuteilen und von diesen zu versteuern war. Somit war die persönliche Steuerpflicht nicht gegeben. Meines Erachtens kann diesem Urteil nur etwas für die Abkommensberechtigung entnommen werden. Ob für den Typenvergleich aus ihm folgt, dass immer dann eine Personengesellschaft gegeben ist, wenn die Zurechnung des wirtschaftlichen Ergebnisses unmittelbar zu den Gesellschaftern zivilrechtlich vorgenommen wird, obwohl im Übrigen die Struktur einer Kapitalgesellschaft vorliegt,7 erscheint fraglich.
2.60 Welche ausländischen Rechtsformen unter Anlegung dieser Maßstäbe als Kapitalgesellschaft anzusehen sind, stellt die Finanzverwaltung von Zeit zu Zeit in Listen zusammen.8 Diese können als Anhaltspunkte für die Praxis dienen, binden aber die Gerichte nicht. 1 Zu deren Steuerproblemen vgl. Kessler/Eicker, DStR 2005, 2102. 2 Zuerst in Texas, vgl. Schnittker/Lemaitre, FR 2003, 485 (486) m.w.N. 3 BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263; FG Münster v. 27.8.2009 – 8 K 4552/04F, DStRE 2011, 473 behandeln sie als Personengesellschaft. Ebenso BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA - 22/04, BStBl. I 2004, 411; vgl. hierzu Jörißen, IWB 2004, Fach 3, Gruppe 2, 1109; Lemaitre/Schnittker/Siegel, GmbHR 2004, 618; Djanani/Brähler/Hartmann, IStR 2004, 481; Schnittker, Steuersubjektqualifikation ausländischer hybrider Rechtsgebilde, 2004, 39; jeweils mit ausführlichen Nachweisen für Qualifizierung als Personengesellschaft, Hey/ Friedrich, in FS Debatin, 121; Schnittker/Lemaitre, FR 2003, 485 (497). 4 Hierzu vgl. z.B. Endres/Schreiber, DBA USA, 2008, 66 f.; Small, IStR 1996, 280. 5 Ebenso Sauter in Erle/Sauter3, § 1 KStG Rz. 79. 6 BFH v. 27.7.1991 – I R 60/90, BFHE 165, 507. 7 So aber BFH v. 22.1.1992 – I R 42/91, BFH/NV 1992, 600. 8 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Anh. (geändert durch BMF v. 20.11.2000 – IV B 4 - S 1300 - 222/00, BStBl. I 2000, 1509 bzw. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 [2009/0716905], BStBl. I 2010, 354); ergänzt bei Kalbfleisch in Ernst&Young, § 1 KStG Rz. 40.1; Rengers in Blümich
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B. Persönliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
Die Rechtsfähigkeit ist nicht notwendige Voraussetzung für die Körperschaftsteuersubjekteigenschaft, da auch nichtrechtsfähige Gebilde deutschen Rechts der Körperschaftsteuer unterliegen können (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 5 und § 3 KStG). Daher kann nicht verlangt werden, dass ausländische Rechtsgebilde nach ihrem Heimatrecht rechtsfähig sind, um im Inland steuerlich als Körperschaft behandelt zu werden.1
2.61
Von der vorstehend behandelten Problematik ist die ganz andere zu unterscheiden, für die der RFH den Typenvergleich ursprünglich entwickelt hatte,2 nämlich die Frage, ob ausländische Personengesellschaften körperschaftsteuerpflichtig sind, wenn sie ihrem Heimatrecht entsprechend die volle Rechtsfähigkeit einer juristischen Person verliehen erhalten. Dies hat der RFH mit der These vom Typenvergleich verneint. Trotz Rechtssubjektivität einer KG in Venezuela hat der RFH daher diese Gesellschaft wie eine deutsche KG als Personengesellschaft behandelt (vgl. zu den Qualifikationskonflikten Rz. 1.171).
2.62
3. Sitz
2.63
§ 11 AO definiert den Sitz wie folgt: „Den Sitz hat eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse an dem Ort, der durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag, Satzung, Stiftungsgeschäft oder dergleichen bestimmt ist.“
Gemeint ist folglich der statuarische Sitz (Rz. 2.49), der nicht durch faktische oder wirtschaftliche Gegebenheiten, sondern aufgrund rechtlicher Bestimmungen gegeben ist.3 Heißt es z.B. in der Satzung einer AG: „Die Gesellschaft hat ihren Sitz in Hamburg“, dann ist die AG allein deswegen schon unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig, auch wenn sie sonst keine Beziehung zum Inland aufweist.4 Inländischer Sitz und damit unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht wird ferner („oder dergleichen“) durch die Eintragung der Körperschaft in ein inländisches Handels- oder Vereinsregister begründet, sofern die Eintragung konstitutiv wirkt. Nicht dagegen wird eine ausländische Kapitalgesellschaft dadurch unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig, dass sie selbst bei Errichtung einer inländischen Zweigniederlassung gem. § 44 AktG, § 12 GewO, 53 KWG und § 13b HGB in ein inländisches Handels-
1 2 3 4
§ 1 KStG Rz. 146; Sauter in Erle/Sauter3, § 1 KStG Rz. 77; Abgrenzung zu Personengesellschaftsformen vgl. IWB 2011, Heft 17, Anlage: Besteuerung von Personengesellschaften in den wichtigsten mittel- und osteuropäischen Staaten. H.M. Wilke in Mösner/Seeger, KStG § 1 Rz. 26. RFH v. 12.2.1930 – VI A 899/27, RStBl. 1930, 444 = RFHE 27, 73, sog. VenezuelaEntscheidung. Kruse in T/K, § 11 AO Rz. 2; Musil in H/H/Sp, § 11 AO Rz. 16; Schwarz, § 11 AO Rz. 3; Szymczak in Koch/Scholtz, § 11 AO Rz. 3; Graffe in D/J/P/W, § 1 KStG Rz. 23. Zur gesellschaftsrechtlichen Zulässigkeit vgl. Großfeld in Staudinger, EGBGB, IntGesR, Rz. 78.
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2.64
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
register eingetragen wird; denn hier handelt es sich um bloße Ordnungsvorschriften, durch deren Befolgung weder die Kapitalgesellschaft entsteht noch ihr ausländischer Sitz in das Inland verlegt wird. Die ausländische Kapitalgesellschaft wird vielmehr durch diese inländische Betriebsstätte (Rz. 2.120) beschränkt steuerpflichtig.
2.65 Eine inländische Zweigniederlassung kann niemals eine steuerlich eigene Gesellschaft sein, die durch Eintragung im Inland einen Sitz begründen könnte und insoweit unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig würde.1 Daher kann gegenteiligen Urteilen des RFH v. 10.12.19362 und v. 16.11.19393 nicht gefolgt werden. Im ersten Urteil, das eine Gesellschaft mit Sitz in England und eingetragener Zweigniederlassung (Grubenbetrieb) im Inland betraf, heißt es, dass eine im Handelsregister eingetragene inländische Zweigniederlassung einer ausländischen Erwerbsgesellschaft „steuerlich rechtsfähig“ sein „kann“, also unbeschränkt steuerpflichtig. Das zweite Urteil betraf eine Immobiliengesellschaft mit Sitz in der Schweiz und Grundvermögen in Deutschland. In beiden Fällen nahm der RFH an, dass im Ausland nur ein formelles Domizil bestand. Daraus kann sich nur dann die unbeschränkte Steuerpflicht des Gesamtunternehmens ergeben, wenn es seine Geschäftsleitung im Inland gehabt hätte, nicht jedoch wird dadurch die Zweigniederlassung zur eigenen Gesellschaft. 4. Geschäftsleitung
2.66 § 10 AO definiert recht lakonisch als Geschäftsleitung den Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung. Diese drei auf den RFH4 zurückgehenden Merkmale (Mittelpunkt, kaufmännisch, Oberleitung) verweisen auf tatsächliche Umstände.5 Gesellschaftsrechtlich entspricht der Geschäftsleitung weitgehend der Verwaltungssitz.6 Die gesellschaftlichen Beurteilungen sind steuerrechtlich nicht verbindlich.7
2.67 Der Mittelpunkt, das Zentrum, liegt dort, wo überwiegend die Geschäftsleitung erfolgt (zu mehrfachem Mittelpunkt Rz. 2.76). In der Regel wird dies innerhalb entsprechender Geschäftsräume geschehen. Erfolgt die Geschäftsleitung dezentralisiert, so kommt es auf die wirtschaftlich und organisatorisch bedeutungsvollste Stelle an.8 Normalerweise werden die Beschlüsse der Oberleitung in den Geschäftsräumen der Gesellschaft ge-
1 2 3 4 5 6
Zustimmend Musil in H/H/Sp, § 11 AO Rz. 21. RFH v. 10.12.1936 – III A 157/36, RStBl. 1937, 452. RFH v. 16.11.1939 – III A 213/36, RStBl. 1940, 539. RFH v. 16.6.1931 – I A 463/30, RFHE 29, 78. H.M. Kruse in T/K, § 10 AO Rz. 1 m.w.N.; Birk in H/H/Sp, § 10 AO Rz. 14. Unterschiede können sich ergeben, wenn Hauptverwaltung und Geschäftsleitung sich an verschiedenen Orten befinden. 7 Vgl. Wassermeyer DB 1990, 244; Birk in H/H/Sp, § 10 AO Rz. 14. 8 FG Kassel v. 8.7.1959 – IV 1083/57, EFG 1959, 346.
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fasst. Bereits im grundlegenden Urt. v. 16.6.19311 hat der RFH die denkbare Vielgestaltigkeit der hierbei in Betracht kommenden Kriterien aufgezeigt: Einkaufsbüro, Lagerhaltung, Produktion, Buchführung, Verkauf und sonstige betriebliche Funktionen können in Geschäftsräumen in verschiedenen Staaten liegen. Nur eine sorgfältige Analyse der Entscheidungsgänge im Einzelfall kann dann bestimmen, wo die für das Unternehmen wesentlichen Entscheidungen getroffen werden. Der RFH kam aufgrund dessen zu dem Ergebnis, dass bei einer Schweizer Textil AG, deren Zweck es war, in Deutschland Textilien in Lohnarbeit weben zu lassen, der Mittelpunkt in der Schweiz lag. Befindet sich der maßgebende Geschäftsleiter ständig auf Reisen und leitet so das Unternehmen, so kommt es mangels Regelmäßigkeit nicht zu einem Mittelpunkt.2 Wenn das Gesetz von der geschäftlichen Leitung spricht, so ist die kaufmännische, nicht die technische Leitung entscheidend.3 Dies erklärt sich daraus, dass die Begründung der Besteuerung auf der wirtschaftlichen Zugehörigkeit (Rz. 2.3) beruht und diese in der wirtschaftlichen Tätigkeit, d.h. dem Kaufmännischen, zum Ausdruck kommt.
2.68
Oberleitung besagt, dass nicht alle Entscheidungen dort getroffen werden und dass es diejenigen sind, die für das Geschäft die wichtigsten sind. Es muss sich folglich um Maßnahmen von maßgebender Wichtigkeit handeln,4 ohne jedoch notwendig die Grundfragen der Existenz der Gesellschaft zu betreffen. Es handelt sich folglich um die laufende Geschäftsführung.5
2.69
Die laufende Geschäftsführung umfasst die Tagesgeschäfte.6 Welche dies sind, hängt von der Art des Geschäftes ab. Dies umfasst die Unternehmensorganisation, die Taktik, die Kontrolle des Unternehmensgeschehens, die Vertretung gegenüber Dritten und alles, was sonst die Erfüllung der satzungsmäßigen Aufgaben verlangt. Eine Abgrenzung muss einerseits vorgenommen werden zur Festlegung der grundlegenden Unternehmenspolitik und zu außergewöhnlichen Entscheidungen. Diese strategischen Entscheidungen werden nur von Zeit zu Zeit möglicherweise in
2.70
1 2 3 4
RFH v. 16.6.1931 – I A 462/30, RStBl. 1931, 848. BFH 15.10.1997 – I R 76/95, DStRE 1998, 233 (234), BFH/NV 1998, 434. RFH v. 2.7.1936 – III A 86/36, RStBl. 1936, 779 (780). RFH v. 25.7.1935 – III A 98/35, RStBl. 1935, 1366; BFH v. 26.5.1970 – II 29/65, BStBl. II 1970, 759 (760); Birk in H/H/Sp, § 10 AO Rz. 15: „gewöhnlicher Betrieb der Gesellschaft“. 5 BFH v. 7.12.1994 – I K 1/93, BStBl. II 1995, 175; Kessler/Müller, IStR 2003, 361 (363). 6 BFH v. 7.12.1994 – 1 R 1/93, BStBl. II 1995, 175; v. 15.10.1997 – I R 76/95, BFH/ NV 1998, 435; v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, 87; v. 15.7.1998 – I B 134/97, BFH/NV 1999, 372; v. 16.12.1998 – I R 138/97, BStBl. II 1999, 438; v. 25.8.1999 – VIII R 76/95, BFH/NV 2000, 301; v. 30.1.2002 – I R 12/01, BFH/NV 2002, 1129; FG München v. 16.3.2010 – 6 K 241/07, BeckRS 2011, 94357; FG BW v. 3.7.2006 – 3 V 13/05, BeckRS 2006, Dok. 26021659; Wassermeyer in D/W, Art. 4 OECD-MA Rz. 96.
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großen Abständen getroffen. Die Ansässigkeit einer Kapitalgesellschaft an diese auszurichten, scheitert in der Praxis häufig daran, dass Jahre zwischen solchen Entscheidungen liegen können und Rechtsunsicherheit in der Zwischenzeit die Folge wäre. Wenn die OECD gleichwohl bei der Bestimmung des effektiven Ortes der Geschäftsleitung auf die „strategic decisions“ abstellt,1 so muss dies im Kontext der übrigen von ihr genannten „Schüsselfaktoren“ gesehen werden, wenn zwischen mehreren Orten, die jeweils für sich Orte der laufenden Geschäftsführung sind, eine Entscheidung für einen von ihnen getroffen werden muss. Derartige Faktoren sind: – Ort des Sitzes des Top-Managements, – Ort der Geschäftstätigkeit, – rechtliche Faktoren (Registereintragung etc.), – Ort der Gesellschafterversammlung, – Wohnsitz der Direktoren.
2.71 Daraus folgt, dass es um die geschäftsleitenden Entscheidungen geht. Diese werden normalerweise von den geschäftsführenden Organen getroffen und von den Mitarbeitern umgesetzt. Nach der Rspr.2 und Literatur3 soll es darauf ankommen, wo sich die geschäftsführende Person aufhält, wo sie ihren Willen bildet, nicht jedoch auf den Ort, wo ihre Anordnungen wirksam und ausgeführt werden. Demnach ist eine ausländische Körperschaft in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig, wenn ihr Geschäftsführer vom Inland aus die Geschäfte führt und im Ausland seine Anweisungen lediglich ausgeführt werden (anders z.T. Gesellschaftsrecht vgl. Rz. 2.73). Vor allem sog. Briefkastenfirmen können somit dem vollen inländischen Steuerzugriff unterworfen werden.4 Als geschäftlicher Oberleiter kommen nicht nur der Vorstand bei der AG und der Geschäftsführer bei der GmbH infrage, sondern auch der beherrschende Gesellschafter, wenn er über seine gesellschaftsrechtlichen Einflussmöglichkeiten hinaus die tatsächliche Geschäftsleitung an sich zieht.5
1 OECD, The impact, Rz. 32. 2 RFH v. 23.6.1938 – III 40/38, RStBl. 1938, 949; FG Nds. v. 12.12.1969 – I 43/68, EFG 1970, 316; v. 9.6.1981 – V 12/79, EFG 1981, 639; FG Hamburg v. 24.10.1986 – I 170/83, EFG 1987, 413; RFH v. 25.7.1935 – III A 98/35, RStBl. 1935, 1366; BFH v. 17.7.1968 – I 121/64, BStBl. II 1968, 695 (697); v. 26.5.1970 – II 29/65, BStBl. II 1970, 758; v. 23.1.1991 – I R 22/90, BStBl. II 1991, 554; v. 16.12.1998 – I R 138/97, BStBl. II 1998, 437; FG BW v. 27.10.1970 – III 7-8/69, EFG 1971, 106; FG Hamburg v. 2.8.1977 – V 108/76, EFG 1978, 138; FG Düsseldorf v. 8.10.1980 – XV/X 16/75 K, EFG 1981, 148; RFH v. 3.7.1934 – I A 129/33, RFHE 36, 244 (248). 3 Kruse in T/K, § 10 AO Rz. 1 f.; Szymczak in Koch/Scholtz, § 10 AO Rz. 3; Birk in H/H/Sp, § 10 AO Rz. 15, 31. 4 BFH v. 17.7.1968 – I 121/64, BStBl. II 1968, 695 ff.; v. 16.1.1976 – III R 92/74, BStBl. II 1976, 401 (402). 5 So schon RFH v. 11.7.1940 – III 135/39, RStBl. 1940, 706.
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B. Persönliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
Befindet sich der Geschäftsführer bzw. der faktische geschäftsführende 2.72 Gesellschafter im Ausland und leitet von dort aus ein inländisches Unternehmen, dann sollte nach Ansicht einer Reihe von Urteilen1 sich der Ort der Geschäftsleitung gleichwohl im Inland befinden. Der GrS hat dies mit Beschl. v. 15.11.19712 für das DBA-Schweiz bestätigt. Die Geschäftsleitung als Erteilung von Weisungen sei ein zweistufiger Vorgang. Zunächst müsse sich der Geschäftsführer über die zu erteilende Weisung schlüssig werden. Dies geschehe am Ort, an dem er sich aufhalte. Dann müsse die Weisung dem Weisungsempfänger bekannt gemacht werden. Die Tätigkeit des Geschäftsführers sei erst mit dem Zugang der Weisung beendet. Daher übe der Geschäftsführer seine Tätigkeit am Sitz der Gesellschaft, d.h. im Inland, aus. Eine Ausnahme ist später3 anerkannt worden, wenn sich die Auslandstätigkeit eines im Ausland wohnenden Geschäftsführers abgegrenzt nur im Ausland auswirke. Dies ist für die Besteuerung von Leitungspersonen von Kapitalgesellschaften in Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971 ausdrücklich entsprechend geregelt worden.4 Im Urt. v. 5.10.19945 hat sich der I. Senat des BFH von dieser Rspr. gelöst. Seiner Ansicht nach wird die Tätigkeit eines Geschäftsführers dort ausgeübt, wo dieser sich physisch aufhält. Es ist demnach ohne Bedeutung, wo die geschäftsleitenden Anweisungen umgesetzt werden.6 Die wirtschaftliche Aktivität einer Kapitalgesellschaft spielt sich dort ab, wo sich ihre Geschäftsräume befinden und die Mitarbeiter arbeiten, nicht aber, wo sich – zufälligerweise – der Geschäftsführer aufhält. Deshalb spricht viel dafür, auf die maßgebenden Geschäftsräume abzustellen. Dies ist aber nicht mehr Ansicht des BFH. Anders ist es hingegen zu beurteilen, wenn der Geschäftsführer in einem Land wohnt und von seiner Wohnung aus oder in einem Büroraum die wesentlichen Entscheidungen trifft, die dann von Angestellten im anderen Staat umgesetzt werden. Die Gesellschaft wird dann am Ort der Entscheidung ansässig. Der Ort, an dem die unternehmerischen Entscheidungen umgesetzt werden, stellt kein entscheidendes Anknüpfungskriterium an die inländische oder ausländische Wirtschaft dar. Der Staat, in dem die entscheidenden Unternehmensakte umgesetzt werden, ist zwar durch die Tätigkeit der Gesellschaft auch getroffen,7 aber nur durch unselbständige Aktionen und nicht durch die Oberleitung (§ 10 AO). Bildlich gesprochen: Der Ort der Geschäftsleitung ist dort, wo sich der Kopf 1 RFH v. 17.6.1931 – VI A 868/31, RStBl. 1931, 814; BFH v. 15.11.1971 – GrS 1/71, BStBl. II 1972, 68; v. 12.8.1960 – VI 300/58 S, BStBl. III 1960, 441; RFH v. 1.2.1933 – VI A 828/32, RStBl. 1933, 417; v. 12.5.1938 – IV A 18/36, RStBl. 1938, 812. 2 BFH v. 15.11.1971 – GrS 1/71, BStBl. II 1972, 68. 3 BFH v. 21.5.1986 – I R 37/83, BStBl. II 1986, 739; v. 22.6.1983 – I R 67/83, BStBl. II 1983, 625; v. 16.7.1986 – I R 201/84, BFH/NV 1988, 235. 4 Vgl. Kempermann in F/W/K, Art. 15 DBA-Schweiz Rz. 80 ff. 5 BFH v. 5.10.1994 – I R 67/93, BStBl. II 1995, 95. 6 Ebenso Birk in H/H/Sp, § 10 AO Rz. 31; Buciek in Beermann, § 10 AO Rz. 23; Eilers/Wienands, IStR 1999, 292; Kessler/Müller, IStR 2003, 361 (363); Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.202. 7 Großfe1d in Staudinger, EGBGB, IntGesR, Rz. 14.
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befindet und nicht dort, wo die Hände aktiv sind. Bei Briefkastenfirmen stellen sich die Begründung eines ausländischen Firmensitzes und die Bestellung eines Geschäftsführers im Ausland als Scheinhandlung (§ 41 Abs. 2 AO) dar. In der Praxis dürfte die Problematik eher von geringer Bedeutung sein. Es sind sicher seltene Fälle, dass eine Gesellschaft ihre Geschäftsleitung ins Ausland verlegt, die maßgebenden leitenden Personen aber nicht ebenfalls ins Ausland mitgehen oder Steuerumgehung (§ 42 AO) in Betracht kommt.
2.73 Die Ansicht des I. Senats unterscheidet sich von der gesellschaftsrechtlichen Sichtweise. Der Verwaltungssitz liegt dort, wo „die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung“ effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden.1 Werden die Beschlüsse im Ausland gefasst und im Inland im Betrieb der Gesellschaft umgesetzt, so liegt gesellschaftsrechtlich ihr Verwaltungssitz im Inland, steuerrechtlich ihr Ort der Geschäftsleitung im Ausland. Es fragt sich daher auch i.S. der Einheitlichkeit der Rechtsordnung, ob der I. Senat gut beraten war. Positiv zu bemerken ist, dass es nunmehr keine Rolle mehr spielt, ob Deutschland Aufenthaltsort des Geschäftsführers oder Ort der Büroräume ist. Für beide Fälle gelten dieselben Regeln.
2.74 Nach § 12 Satz 2 Nr. 1 AO gilt der Ort der Geschäftsleitung als Betriebsstätte. Bei Einzelunternehmen oder Personengesellschaften führt die inländische Geschäftsleitung folglich nur zur beschränkten, bei Körperschaften jedoch zur unbeschränkten Steuerpflicht. Dieser erhebliche Unterschied in der Bewertung des Ortes der Geschäftsleitung erklärt sich daraus, dass bei Körperschaften nicht auf die dahinterstehenden Personen, sondern auf die Gesellschaft selbst und deren Tätigkeit abgestellt wird. Sie, als rechtlich verselbständigte Organisationsform unternehmerischen Engagements, entfaltet ihr „Leben“ in ihren wirtschaftlichen Aktivitäten, also dort, wo ihr eigentliches Zentrum liegt.
2.75 Bei international tätigen Unternehmen kann die Bestimmung des Ortes der Geschäftsleitung erhebliche Schwierigkeiten bereiten, wenn auf den Ort der Willensbildung abgestellt wird (Rz. 2.71), da der Wille einer Körperschaft durch natürliche Personen als deren Organe gebildet wird und sowohl die Bestimmung der entscheidenden Personen (wer ist der Oberleiter?), als auch die Bestimmung des Ortes (wo hat er seine Entscheidung getroffen?) schwierig sein kann. Normalerweise wird der Vorstand bei einer AG und der Geschäftsführer bei einer GmbH2 derjenige sein, der als Oberleiter anzusehen ist. Entsprechen sich im Einzelfall de-jure-Vertretung und de-facto-Oberleitung nicht, so kommt es auf die faktische geschäftliche Oberleitung an. Die Praxis zeigt, dass diese gerade bei inländischen Tochtergesellschaften ausländischer Gesellschafter oft bei frei bestimmten Geschäftsführern und nicht bei dem gesetzlichen Organ der 1 BGH v. 21.3.1986 – V ZR 10/85, BGHZ 97, 269 (272). 2 §§ 76 Abs. 1, 78 Abs. 1 AktG, § 35 Abs. 1 GmbHG.
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Gesellschaft liegt. Ist etwa der eingetragene Geschäftsführer einer GmbH oder Verwaltungsrat einer schweizerischen AG inaktiv und werden die Geschäfte der GmbH von einem Prokuristen oder die der schweizerischen AG von einem bevollmächtigten Direktor tatsächlich geführt, dann befindet sich nach dieser Ansicht die Geschäftsleitung i.S.v. § 10 AO dort, wo sich dieser Prokurist oder Direktor aufhält. Oder man denke an den Fall einer belgischen Societe anonyme mit zwei administrateurs, deren einer in Deutschland und deren zweiter in den Niederlanden wohnt, von denen jedoch keiner die Geschäfte der S.A. leitet, da die Gesellschaft einen bevollmächtigten Direktor mit Wohnsitz in Belgien hat. Hier wäre eine Vermutung für das Zusammenfallen von de-jure- und defacto-Vorstand ganz abwegig. In den nicht seltenen Fällen, in denen eine Gesellschaft mehrere eingetragene Geschäftsführer, Vorstands- oder Verwaltungsratsmitglieder hat, die in verschiedenen Ländern residieren, kann von der geschäftlichen Oberleitung im Inland nur gesprochen werden, wenn gerade der im Inland ansässige Geschäftsführer (Vorstand, Verwaltungsrat etc.) die Geschäfte der Gesellschaft dominierend leitet.1 Dass er die Geschäfte „auch“ mitleitet, genügt nicht, denn es kommt auf den Ort der „Oberleitung“ an. Lässt sich eine vorherrschende Stellung einer dieser Personen nicht feststellen, so hat diese Gesellschaft keinen Ort der Geschäftsleitung. Es kommt dann auf ihren Sitz an.2 Art. 4 OECD-MA unterscheidet in den Abs. 1 und 3 „place of management“ und „effective place of management“, wobei Art. 4 Abs. 1 OECD-MA davon ausgeht, dass Ersterer bereits die Ansässigkeit nach nationalem Recht begründet.3 Danach kann es dann offenbar mehrere Orte der Geschäftsleitung geben. Demgegenüber finden sich Urteile des BFH,4 nach denen es nur einen Ort der Geschäftsleitung geben kann. Dafür spricht, dass § 10 AO auf den Mittelpunkt abstellt und es nur einen solchen geben kann. § 10 AO würde dann dem „effective place of management“ entsprechen.5 Gibt es keinen Mittelpunkt, sondern mehrere zu gleichen Funktionen, so kann es dann keinen Ort der Geschäftsleitung geben. Ob demgegenüber mehrere Orte der Geschäftslei1 RFH v. 2.7.1936 – III A 86/36, RStBl. 1936, 779. 2 Ebenso Kruse in T/K, § 10 AO Rz. 2, Buciek in Beermann/Gosch, § 10 AO Rz. 29; a.A. Kessler/Müller, IStR 2003, wenn der BFH im Urt. v. 16.12.1998 – I R 138/97, BStBl. II 1999, 438 die These aufstellt, jedes Unternehmen müsse einen Ort der Geschäftsleitung haben, so folgt dies nicht aus dem hierfür zitierten Urt. v. 28.2.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148. 3 Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 112 versteht daher § 10 AO in diesem Sinne. 4 BFH v. 1.3.1966 – I 13, 14/65, BStBl. III 1966, 208; v. 16.3.1994 – I B 171/93, BFH/ NV 1994, 770; v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, 89; einschränkend v. 15.10.1997 – I R 76/95, BFH/NV 1998, 435; v. 25.8.1999 – VIII R 76/95, BFH/NV 2000, 301; v. 16.12.1998 – I R 138/97, BStBl. II 1999, 439; I R 12/01, BFH/NV 2002, 1129; hierzu Gosch, StBp 1998, 108 f. 5 Ebenso Vogel, Double taxation conventions, 262; vgl. Lehner in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 266; Birk in H/H/Sp, § 10 AO Rz. 37.
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tung i.S.v. § 10 AO möglich sind, ist umstritten.1 Die besseren Gründe sprechen dafür, die Frage zu bejahen, wenn die geschäftliche Oberleitung an mehrere Orte verteilt ist, etwa für verschiedene Geschäftsbereiche.
2.77 Besonders heikel werden die Dinge, wenn die Oberleitung nicht in Geschäftsräumen des Unternehmens angenommen werden kann, etwa weil die Gesellschaft über keine Büroräume verfügt. Dies kann dazu führen, dass es zwar eine Oberleitung gibt, diese nicht aber lokalisiert werden kann, z.B. weil der Unternehmer ständig unterwegs ist. Der BFH hat dann die Geschäftsleitung in eine Wohnung verlegen wollen.2 Dies überzeugt nicht in dieser allgemeinen Form. Meines Erachtens muss deutlich unterschieden werden, ob es keine Geschäftsleitung gibt, diese zu gleichem Recht an mehreren Orten ist (Rz. 2.76) oder sich nicht lokalisieren lässt. Welche Anforderungen an die örtliche Verankerung zu stellen sind, richtet sich nach der Art der Geschäfte. Vor allem bei sog. Holdinggesellschaften kann die Schwelle der Lokalisierung niedrig sein, da deren Geschäfte kein ständig unterhaltenes Büro voraussetzen. Für ihr Geschäftsvolumen ist es durchaus ausreichend, einen Geschäftsführer zu bestellen, auch wenn dieser daneben zugleich für weitere derartige Firmen tätig wird. Fälle sind bekannt, in denen ein Geschäftsführer mehrere Hundert solcher Firmen „betreut“.
2.78 Bei einer reinen Holdinggesellschaft3 werden ausschließlich nach ihrem statutarisch festgelegten Zweck Beteiligungen verwaltet.4 Daneben besteht keine weitere geschäftliche Tätigkeit. Ihr Einfluss auf die Beteiligungsgesellschaften überschreitet nicht den Rahmen, den sie als Gesellschafterin hat.5 Die Geschäftsführung der echten Holding beschränkt sich somit auf folgende Funktionen: Aufbewahrung des Aktienbesitzes der Beteiligungen, Entgegennahme der Erträgnisse und von Weisungen zu deren Verwendung, Führung der Buchhaltung und Korrespondenz. Falls diese Tätigkeiten von Personen, die im Ausland domizilieren, im Ausland ausgeübt werden, so befindet sich auch der Ort der Geschäftsleitung im Ausland. Werden diese Tätigkeiten von Personen im Inland wahrgenommen, so liegt der Ort der Geschäftsleitung im Inland.
2.79 Verfügt ein Unternehmen über eigene Geschäftsräume und befinden sich dort auch tatsächlich vertretungsberechtigte Personen, so kann es zu einer Verlagerung der Geschäftsleitung kommen, wenn gleichwohl die wesentlichen Entscheidungen außerhalb dieser Räume getroffen werden. Hierbei ist insbesondere an die Einflussnahme von Mehrheitsgesellschaf1 Dafür Kruse in T/K, § 10 AO Rz. 9; Kessler, StbJb 2001/2002, 437 (463); dagegen Götz, KFR 1999, 293; Buciek in Beermann, § 10 AO Rz. 29. 2 BFH v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148. 3 Vgl. Birk in H/H/Sp, § 10 AO Rz. 20. 4 Vgl. Lutter, Holding Handbuch4, § 1 Rz. 1 ff.; Kessler, Die Euro-Holding, 1996, 10; Bader, Steuergestaltung mit Holdinggesellschaften2, 7 f. 5 Daher begründet sie keine Geschäftsleitung, so früher BMF v. 24.8.1984 – IV C 5 - S 1300 - 244/84, BStBl. I 1984, 458.
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ten zu denken. Dann stellt sich das Problem, zwischen der kaufmännischen Oberleitung eines Unternehmens und der (gesellschaftsrechtlichen) Beherrschung durch die Gesellschafter abzugrenzen. In der Theorie lassen sich beide Sphären klar trennen. In der Wirklichkeit verlaufen die Grenzen jedoch fließend, wenn Gesellschafter weitgehend Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen. Allerdings kommt es jeweils auf die tatsächlichen Verhältnisse an. „Der Umstand, dass der Hauptgesellschafter aufgrund seiner Beteiligung die Möglichkeit hat, einen beherrschenden Einfluss auf das Unternehmen auszuüben, rechtfertigt es nicht, ihn ohne weiteres als Leiter des Unternehmens zu betrachten.“1 Gesellschafter „beherrschen“, „leiten“ aber nicht die Gesellschaft. Diese Unterschiede sind in der Praxis oft fein. Kein Wunder, dass sich die Rspr. wiederholt mit solchen Abgrenzungsfragen befasst hat: Eine holländische Handelsgesellschaft hatte ihre Oberleitung im Inland, obgleich die Bücher in Holland geführt wurden und dort ein Prokurist tätig war, weil sich ihre deutschen Gesellschafter, die gleichzeitig Direktoren waren, die Letztentscheidung vorbehalten hatten.2 Eine von Inländern gegründete holländische Patentverwertungsgesellschaft, deren Gesellschafter gleichzeitig Geschäftsführer der holländischen Gesellschaft waren, wurde durch den Wohnsitz des leitenden Geschäftsführers im Inland unbeschränkt steuerpflichtig; Büroräume waren nicht vorhanden.3 Bei einer ausländischen Reederei-GmbH lag die de-facto-Oberleitung beim inländischen Mehrheitsgesellschafter und bei einer Schweizer Tochtergesellschaft beim Vorstand der deutschen Muttergesellschaft.4 Lässt sich der inländische Mehrheitsgesellschafter einer US-Corporation nicht nur über den Gang der Geschäfte berichten, sondern gibt er auch Anweisungen an die ausländische Geschäftsführung über wichtige Geschäfte und behält er sich die Zustimmung zu bestimmten Handlungen der Geschäftsführung vor, führt dies noch nicht dazu, dass die geschäftliche Oberleitung im Inland liegt.5 Eine international tätige Gesellschaft mit formalem Sitz im Land X und tätiger Handelsniederlassung im Land Y hat den Ort der geschäftlichen Oberleitung in Deutschland, wenn die Beschlüsse der Geschäftsleitung im Ausland lediglich formal gefasst werden, diese jedoch auf bereits vorher gefassten Entschließungen der in Wirklichkeit oberleitenden Personen mit Wohnsitz in Deutschland beruhen. Der inländische Alleinaktionär wird dann zum „Oberleiter“, wenn er bei den wichtigen Entscheidungen das entscheidende Wort spricht, wenn er also „als Seele und Kopf der Geschäftsleitung“ anzusehen ist.6 Sind deutsche Aktionäre an einer Schweizer Patentverwertungs-AG be1 2 3 4
RFH v. 9.1.1934 – I A 344/32, RStBl. 1934, 382. RFH v. 20.12.1933 – I A 133/32, RStBl. 1934, 140. RFH v. 3.7.1934 – I A 129/33, RStBl. 1934, 1878. RFH v. 25.7.1935 – III A 98/35, RStBl. 1935, 1366; v. 19.6.1936 – II A 107/35, RStBl. 1936, 764. 5 RFH v. 11.7.1940 – III 135/39, RStBl. 1940, 706. 6 RFH v. 3.7.1936 – I A 150/36, RStBl. 1936, 804.
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teiligt, hat der Schweizer Verwaltungsrat seine Befugnisse satzungsgemäß auf deutsche Geschäftsführer (Aktionäre) übertragen, die die Lizenzverträge tatsächlich abschließen, so befindet sich der Ort der Geschäftsleitung, und damit auch die Betriebsstätte nach dem DBA DeutschlandSchweiz, in den Geschäftsräumen des inländischen Geschäftsführers.1 Eine ausländische Tabakeinkaufs-AG befand sich im Alleinbesitz der Gesellschafter einer OHG (Zigarrenfabrik).2 Die für die Auslandsgesellschafter als Tabakeinkäuferin sachverständigen und maßgebenden Leute befanden sich bei der OHG. Die OHG war der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung der Auslandsfirma.
2.81 Eine grenzüberschreitende Organschaft, sofern sie möglich sein sollte, führt nicht dazu, dass die Geschäftsleitung der Organgesellschaft beim Organträger liegt.3 Vielmehr wird die Organgesellschaft für sich betrachtet. Sie hat die Geschäftsleitung dort, wo sich die für sie maßgebenden Personen befinden. Nur in besonders gelagerten Fällen kann sich der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung einer Organgesellschaft an den Ort der Geschäftsleitung der Organträgerin verschieben, sodass die Organgesellschaft die Betriebsstätte ihres Trägers wird. Das ist der Fall, wenn die Organträgerin tatsächlich alle für die Geschäftsführung nötigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit bestimmt, wenn also die Organgesellschaft auch in der tatsächlichen Handhabung zu einer bloßen Betriebsabteilung der Organträgerin absinkt.
2.82 Nach der Rspr. ist die Bestimmung des Ortes der Geschäftsleitung jeweils Tatfrage im Einzelfall, wobei festzustellen ist, von wem und wo der für das Unternehmen maßgebliche Wille gebildet wird.4 Für die Annahme eines Ortes der Geschäftsleitung im Inland – und dies ist für die Begründung deutscher Steuerpflicht das Entscheidende – genügt es nach h.M. daher, wenn Unternehmensentscheidungen von einiger Wichtigkeit von Personen tatsächlich im Inland gefasst werden.
2.83 Wie bei natürlichen Personen bestimmt sich die Ansässigkeit nach DBARecht nach der unbeschränkten Steuerpflicht der Körperschaft. Somit ist eine Körperschaft mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland in Deutschland ansässig. Bei Ansässigkeit in mehreren Staaten, z.B. bei Sitz in Deutschland und Geschäftsleitung im Ausland, entscheidet sich die Ansässigkeit nach der effektiven Geschäftsleitung.5
1 RFH v. 3.12.1936 – III A 161/36, RStBl. 1937, 67. 2 RFH v. 23.6.1938 – III 40/38, RStBl. 1938, 949. 3 Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 164 ff. (zu Art. 5 Abs. 7 OECD-MA: Anti-Organ-Klausel); Birk in H/H/Sp, § 10 AO Rz. 19. 4 Kruse in T/K, § 10 AO Rz. 1 m.w.N. 5 S. hierzu Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 260 ff.
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit I. Beschränkte Steuerpflicht Bestehen zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Inland keine persönlichen Beziehungen (Rz. 2.3), so „beschränkt“ sich die Besteuerung der „Steuerausländer“ auf die inländischen Steuergegenstände. Während bei den unbeschränkten Steuerpflichtigen die Leistungsfähigkeit einer Person umfassend steuerlich erfasst wird, reduziert sich bei der beschränkten Steuerpflicht die Erfassung auf den Ausschnitt der inländischen Quellen. Deshalb werden nach weitverbreiteter Vorstellung die persönlichen Verhältnisse des Steuersubjektes außer Acht gelassen, sodass eine gewisse „Objektivierung“ der Steuerpflicht eintritt.1 Zutreffender ist es, von einer „ausschnittsweisen“ Besteuerung im Gegensatz zur Totalerfassung bei der unbeschränkten Steuerpflicht zu sprechen. Dies hat vor allem zur Folge, dass weitgehend nicht die persönlichen Umstände des Steuerpflichtigen, soweit sie steuerlich relevant sind – etwa Familienstand, Kinder, Krankheiten, außergewöhnliche Belastungen –, nicht berücksichtigt werden.2 Auch die Festlegung eines Steuersatzes für die inländischen Einkünfte ist auf die inländischen Einkünfte begrenzt, zudem kommen Pauschalsteuersätze zur Anwendung.3 Dies wird mit der Territorialität der beschränkten Steuerpflicht begründet. Mit dem JStG 20094 wurde der früher geltende Mindeststeuersatz von 25 v.H. aufgehoben. Gemäß § 50 Abs. 1 Satz 2 EStG wird nunmehr § 32a Abs. 1 EStG mit der Maßgabe angewendet, dass das zu versteuernde Einkommen um den Grundfreibetrag zu erhöhen ist (über die europarechtlichen Gründe siehe Rz. 1.170). Erzielt bspw. der im Inland der beschränkten Steuerpflicht unterliegende Ausländer Einkünfte5 von 10 000 Euro, so wurden früher 2500 Euro erhoben. Nunmehr würde die Anwendung der Grundtabelle zu einer Einkommensteuer von 315 Euro führen. Er wird aber nicht einem unbeschränkt Steuerpflichtigen mit einem gleichen zu versteuernden Einkommen gleichgestellt, vielmehr durch Hinzurechnung des Grundfreibetrages gem. § 50 Abs. 1 Satz 2 EStG einem solchen mit einem zu versteuernden Einkommen von 18 004 Euro, was zu einer Steuer von 2174 Euro führt. Damit wird der Freibetrag dem beschränkt Steuerpflichtigen nicht ge-
1 Ohne dass es sich um eine Objektsteuer handelt, wie früher angenommen wurde: Strutz, EStG 1925, § 3 Rz. 3 sowie Vorb. 2 zu „Persönliche Steuerpflicht“; vgl. auch Wassermeyer in Vogel, Grundfragen des Internationalen Steuerrechts, DStJG 1985, 49 (76). 2 Darstellung z.B. bei Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.106 ff. 3 Vgl. hierzu Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.117 ff. 4 JStG 2009 v. 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794. 5 Die Unterschiede, ob Bruttoertträge oder Nettoeinkünfte gemeint sind, bleiben außer Betracht.
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2.84
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
währt.1 Er wird so behandelt, als begönne der Steuertarif für ihn oberhalb des Grundfreibetrages. Da der Grundfreibetrag der Berücksichtigung des Existenzminimums dient2 und dieses im Staat der Ansässigkeit zu berücksichtigen3 ist, bestehen keine Bedenken gegen diese Regelung.4
2.85 Aus der Beschränkung auf das Inlandseinkommen folgt auch, dass beschränkt Steuerpflichtige Betriebsausgaben oder Werbungskosten nur insoweit abziehen dürfen, als sie mit den inländischen Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang5 stehen (§ 50 Abs. 1 Satz 1 EStG). Ein Verlustabzug nach § 10d EStG war früher6 nur dann zulässig, wenn die Verluste nicht nur in wirtschaftlichem Zusammenhang mit inländischen Einkünften stehen, sondern sie mussten sich aus Unterlagen ergeben, die im Inland aufbewahrt wurden (§ 50 Abs. 1 Satz 3 EStG a.F.). Eine Inlandszuordnung bei wirtschaftlichem Zusammenhang soll sogar für vorweggenommene Aufwendungen gelten.7 In der Praxis dürfte es allerdings erhebliche Probleme bereiten, einen inländischen Veranlassungszusammenhang nachzuweisen, wenn es nicht zu steuerbaren inländischen Einnahmen kommt. Es dürfte kaum einem Ausländer gelingen, in Deutschland die Kosten eines Deutschkurses abzusetzen mit der Behauptung, er habe vorgehabt, in Deutschland Einkünfte zu erzielen. § 1 Abs. 4 EStG knüpft die inländische Steuerpflicht an die beschränkte Steuerpflicht („wenn“) und § 2 Abs. 1 EStG erklärt nur diejenigen Einkünfte als der Einkommensteuer unterliegend, die der beschränkt Steuerpflichtige „während seiner beschränkten Steuerpflicht erzielt.“ § 49 Abs. 1 EStG begrenzt die beschränkte Steuerpflicht jedoch nur auf gegenwärtige oder vergangene Zeiträume des Vorliegens der Inlandskriterien, erweitert sie aber nicht auf zukünftige. Mangels Bestehens einer beschränkten Steuerpflicht können daher vorweggenommene Ausgaben nicht im Inland geltend gemacht werden.8
1 Kube in K/S/M, § 50 EStG Rz. D3. 2 Tipke/Lang20, S. 407. 3 So der EuGH in st. Rspr., vgl. z.B. EuGH v. 12.6.2003 – Rs. C-234/01 – Gerritse, EuGHE 2003, I-5933 = BStBl. II 2003, 859. 4 A.A. Grams/Schön IStR 2007, 659. 5 Vgl. Kube in K/S/M, § 50 EStG Rz. C8 ff. 6 Bis VZ 2008, zu den Einzelheiten siehe Kube in K/S/M, § 50 EStG Rz. C53 ff. 7 BFH v. 13.11.1973 – VIII R 157/70, BStBl. II 1974, 161; v. 28.4.1983 – IV R 122/79, BStBl. II 1983, 566. 8 A.A. Kube in K/S/M, § 50 EStG Rz. C14: „Dies kann der Berücksichtigung vorweggenommener Aufwendungen aber richtigerweise nicht entgegenstehen“; Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 127; abwägend Loschelder in Schmidt31, § 50 EStG Rz. 9: „Hier ist vieles offen“; Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 53: vorweggenommme Aufwendungen berücksichtigungsfähig, vergebliche nicht; differenzierend nach Art der Einkünfte Wassermeyer, Betriebsstätten, Rz. 5.3; ähnlich BFH v. 17.4.1996 – I R 78/95, BStBl. II 1996, 571, für den die Unterscheidung nach Gewinn- und Überschusseinkünften entscheidet.
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
Diese Unterschiede führen meist zu einer schlechteren steuerlichen Behandlung der Steuerausländer und ausländischen Gesellschaften gegenüber den unbeschränkt Steuerpflichtigen.1 Doch weder BFH noch BVerfG haben darin einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG) gesehen.2 Zum Einfluss des europäischen Gemeinschaftsrechts auf die beschränkte Steuerpflicht vgl. Rz. 1.161.
2.86
Bei den Steuergegenständen muss eine hinreichende Inlandsbeziehung bestehen, um eine inländische Steuer zu rechtfertigen. Dies ist dann der Fall, wenn sich die wesentlichen Elemente des objektiven Steuertatbestandes im Inland ereignen. Dadurch werden die Einkünfte zu inländischen. § 49 Abs. 1 EStG enthält diese Inlandskriterien für die einzelnen Einkunftsarten. Da der Erwerbstatbestand des Einkommens entweder in der Schaffung neuen Vermögens mittels einer Tätigkeit (aktive Einkünfte) oder in der Überlassung vorhandenen Vermögens zur Nutzung gegen Entgelt durch andere (passive Einkünfte) besteht, liegt eine hinreichende Inlandsbeziehung (Rz. 2.3) vor, wenn die Tätigkeit oder die Nutzung im Inland erfolgt. Dies gilt auch für Veräußerungsgewinne des für die Tätigkeit genutzten eigenen Vermögens und für das im Inland durch andere genutzte Vermögen. Grundsätzlich lassen sich daher zwei Haupttypen von Einkünften unterscheiden: 1. Tätigkeitseinkünfte, bei denen neues Vermögen mit oder ohne Nutzung bereits vorhandenen Vermögens erwirtschaftet wird – § 15 EStG – Gewerbe, § 13 EStG – Land- und Forstwirtschaft, § 18 EStG – selbständige Tätigkeit, § 19 EStG – nichtselbständige Tätigkeit.
2.87
2. Nutzungsüberlassungseinkünfte, bei denen die Nutzung bereits vorhandenen Vermögens im Vordergrund steht3 – § 20 EStG – Kapitalnutzung, § 21 EStG – Immobilien- u. Rechtsnutzung, – § 23 EStG – private Vermögensäußerung. Die sonstigen Einkünfte des § 22 EStG beruhen z.T. auf einer Tätigkeit (Nr. 3c) z.T. auf Rechten (Nr. 1, 1a, 2, 3), z.T. besonderer Systeme (Nr. 5). Daraus ergibt sich, dass das Steuerobjekt dann ein inländisches ist, wenn bei – Tätigkeitseinkünften die Tätigkeit, – Nutzungsüberlassungseinkünften die Nutzung des Vermögens im Inland erfolgt.
1 Vgl. auch Mössner in Haarmann, Die beschränkte Steuerpflicht, 110 ff. 2 Vgl. eingehend Wassermeyer in Vogel, Grundfragen, 49 (76); BVerfG v. 29.9.1965 – 1 BvR 228/65, BVerfGE 19, 119 (121) – Kuponsteuer; BFH v. 10.10.1973 – I R 162/71, BStBl. II 1974, 30; v. 14.2.1975 – VI R 210/72; BStBl. II 1975, 497; v. 25.3.1986 – IX R 4/83, BStBl. II 1986, 603; v. 20.4.1988 – I R 219/82, BStBl. II 1990, 701. 3 Dieses Merkmal nutzt der BFH auch, um gewerbliche Veräußerungen abzugrenzen; zuletzt BFH v. 5.5.2004 – XI R 25/03, BFH/NV 2004, 1399; siehe auch v. 9.12.1986 – VIII R 317/82, BStBl. II 1988, 244.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
Daraus lassen sich folgende Prinzipien entwickeln:
2.88 Bei Tätigkeitseinkünften – Tätigkeitsprinzip Soweit das Steuerobjekt in einer Betätigung besteht, stellt die Ausübung der Tätigkeit auf dem inländischen Territorium eine hinreichende Verbindung dar. Neben der selbständigen und nichtselbständigen Tätigkeit kommen hierfür vor allem auch solche gewerbliche oder andere Einkünfte in Betracht, die im Kern in einer Dienstleistung bestehen. – Betriebsstättenprinzip Die gewerbliche Tätigkeit ist durch die Kombination von Produktionsfaktoren charakterisiert: Kapital wird eingesetzt, Gebäude werden genutzt, selbständig und unselbständig gearbeitet usw. International ist es üblich, unternehmerische Tätigkeit in einem Staate nicht schon dann anzunehmen, wenn die Inlandskriterien eines Faktors erfüllt sind, z.B. das Unternehmen erwirbt und vermietet Grundbesitz und auch nicht bereits dann, wenn sich eine dauernde, nach außen manifestierende wirtschaftliche Tätigkeit in dem betreffenden Lande entfaltet (doing business), sondern erst dann, wenn sich die Faktorenkombination im Lande verwirklicht. Neben die Tätigkeit müssen daher dem Unternehmen dienende Vermögensgegenstände (Betriebsstätte Rz. 2.100 ff.) oder Unternehmensfunktionen wahrnehmende Personen (ständiger Vertreter, Rz. 2.156 ff.) im Inland treten. Durch diese strengeren Voraussetzungen soll die internationale Wirtschaftstätigkeit gefördert werden.1 Hierzu dient das Konzept der Betriebsstätte, deren Natur mit dem englischen Begriff „permanent establishment“ zutreffend umschrieben ist. Fehlt es an einer solchen festen und ständigen Einrichtung des Unternehmens im Inland, so können inländische Einkünfte nicht als unternehmerische erfasst werden. Sie können jedoch ihrer eigenen Natur gemäß, im Beispiel als solche aus Vermietung – andere Fälle sind Dividenden, Zinsen, Lizenzen –, behandelt werden – sog. isolierende Betrachtungsweise (Rz. 2.237). Das Betriebsstättenkonzept entspricht dann nicht den wirtschaftlichen Realitäten, wenn die unternehmerische Tätigkeit ohne Inanspruchnahme von Einrichtungen erfolgt (Dienstleistungen). Die OECD hat darauf mit einer Ausdehnung des Begriffes reagiert, die die Unterschiede zum Tätigkeitsprinzip verwischt (Rz. 2.100 f.). Durch Ergänzungen von § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG hat der Gesetzgeber allerdings in jüngerer Zeit das Betriebsstättenprinzip ausgehöhlt.
2.89 Bei passiven Einkünften Bei diesen erfolgt die Nutzung des Vermögens eines Ausländers im Inland. Überlässt dieser einem Inländer Kapital als Eigenkapital oder Fremdkapital, so wird die „Quelle der Einkünfte“ dort gesehen, wo der 1 Näher Mössner in FS Vogel, 945.
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
Schuldner der Entgeltforderung seinen Wohnsitz1 hat. Dies bedeutet, dass die Entgeltforderung als am Ort des Wohnsitzes als belegen gilt. Dies lässt sich damit rechtfertigen, dass der Schuldner das erhaltene Kapital dort nutzt. Dieser Gedanke findet sich auch bei den anderen passiven Einkünften. Ein Steuerobjekt ist ein inländisches, wenn es im Inland genutzt, d.h. belegen ist (lex rei sitae). Für Grundstücke und landwirtschaftliche Betriebe versteht sich dies von selbst. Aber auch Eintragungen in inländische Register begründen die Belegenheit im Inland (Registerprinzip). Rechte aus geistigem Eigentum (Patente, Urheberrechte, Know-how) werden dort genutzt, wo der, dem sie überlassen sind, sie einsetzt und der Inhaber der Rechte sie somit verwertet.2 Somit kommen als Kriterien für passive Einkünfte als Form der Nutzung in Betracht:
2.90
– Schuldnerwohnsitz (Kapitaleinkünfte), – Belegenheit (Einkünfte aus Grundbesitz und Landwirtschaft), – Verwertung (sonstige Rechte). Für die praktische Vorgehensweise bedeutet dies: Es muss zunächst geklärt werden, ob und welche Inlandskriterien vorliegen. Dies ergibt sich aus § 49 Abs. 1 EStG. Nur, wenn überhaupt, und nur für die Einkunftsarten, deren Inlandskriterien erfüllt sind, kommt die beschränkte Steuerpflicht in Betracht. Einkünfte, deren Inlandskriterien fehlen, sind gleichsam nicht existent. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob die sachlichen Voraussetzungen derjenigen Einkunftsart(en) erfüllt sind (§§ 13–24 EStG), deren Inlandskriterien vorliegen. Erfüllt der Sachverhalt die Tatbestandsvoraussetzungen mehrerer Steuerobjekte, z.B. Gewerbe und Vermietung, so sind die Normen über die Gesetzeskonkurrenz (z.B. § 21 Abs. 3 EStG) hinsichtlich der inländischen Steuerobjekte anzuwenden.
2.91
II. Steuersubjekt Bereits bei der unbeschränkten Steuerpflicht (Rz. 2.54 ff.) ist das Problem der steuerlichen Einordnung ausländischer Gesellschaften dargestellt worden. Auch für die beschränkte Steuerpflicht unterscheidet das deutsche Steuerrecht zwischen natürlichen Personen und Personengesellschaften einerseits und Körperschaften andererseits, mit der Folge, dass ausländische natürliche Personen der Einkommensteuer (§ 1 Abs. 3 EStG) und ausländische Körperschaften der Körperschaftsteuer (§ 2 Nr. 1 KStG) 1 Bei natürlichen Personen nur der Wohnsitz, nicht auch der ständige Aufenthalt, bei Kapitalgesellschaft Sitz und Geschäftsleitung (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG). 2 Zum Verwertungstatbestand siehe BFH v. 12.11.1986 – I R 268/83, BStBl. II 1987, 372; v. 12.11.1986 – I R 38/83, BStBl. II 1987, 377; v. 12.11.1986 – I R 69/83, BStBl. II 1987, 379; v. 12.11.1986 – I R 320/83, BStBl. II 1987, 381; v. 12.11.1986 – I R 192/85, BStBl. II 1987, 383.
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2.92
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
unterliegen. Kein Unterschied besteht jedoch darin, welche inländischen Quellen besteuert werden, da § 8 KStG insoweit auf § 49 EStG verweist. Soweit die inländische Steuer als Quellensteuer erhoben wird, etwa als Kapitalertragsteuer gem. § 43 EStG, gilt in gleicher Weise die Abgeltungswirkung (§ 50 Abs. 2 und 5 EStG, § 50 Abs. 2 Nr. 2 KStG). Dividendenbezug von inländischen Tochtergesellschaften durch Ausländer wird folglich unabhängig von der Rechtsform des Beziehers besteuert. Die Rechtsform des ausländischen Unternehmens wirkt sich somit vor allem bei der unterschiedlichen Besteuerung inländischer Betriebsstätten aus. Deren Einkünfte werden bei ausländischen Körperschaften einheitlich mit 25 v.H. (§ 23 Abs. 1 KStG) und bei ausländischen Einzelunternehmen bzw. Personengesellschaften mit mindestens 25 v.H., höchstens mit 451 v.H. (§ 50 Abs. 3 i.V.m. § 32a Abs. 1 EStG) besteuert.
2.93 Der Typenvergleich (Rz. 2.55) ist auch bei der beschränkten Steuerpflicht durchzuführen. Eine danach gegebene ausländische Körperschaft wird selbst zur Körperschaftsteuer herangezogen. Erfüllt das ausländische Gebilde nicht diese Voraussetzungen und sind mehrere Personen beteiligt, so liegt eine Mitunternehmerschaft vor, bei der die inländischen Einkünfte den einzelnen Mitunternehmern zuzurechnen und der Einkommensteuer unterworfen sind. Hierfür müssen die Gesellschafter und ihre Beteiligungsverhältnisse den inländischen Behörden bekannt sein. Da die Mitwirkungspflichten jedoch nicht über das Maß hinausgehen, das zur zutreffenden Besteuerung erforderlich ist, ist vorgeschlagen worden,2 die ausländische Gesellschaft selbst als einkommensteuerpflichtig zu behandeln. Kann ausgeschlossen werden, dass einer der Gesellschafter weitere inländische, nicht dem Quellenabzug unterliegende Einkünfte bezieht, so sind in der Tat die ausländischen Beteiligungsverhältnisse belanglos.
2.94 Inländische Einkünfte i.S. der beschränkten Einkommen- und Körperschaftsteuerpflicht sind nur die zehn in § 49 Abs. 1 EStG genannten Einkunftsarten.3 Von diesen werden die Einkünfte aus einer im Inland betriebenen Land- und Forstwirtschaft (§ 49 Abs. 1 Nr. 1 EStG), aus künstlerischen und sportlerischen Betätigungen (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG), aus Grundstücksveräußerungen (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG), aus selbständiger Arbeit (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG), aus unselbständiger Arbeit (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG), aus Vermietung und Verpachtung (§ 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG) und die sonstigen Einkünfte (§ 49 Abs. 1 Nr. 7, 8, 8 Buchst. a EStG) wegen des begrenzten Themas dieses Buches nicht behandelt. Die Darstellung konzentriert sich auf die Besteuerung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb, für den im Inland eine Betriebsstätte oder ein ständiger Vertreter unterhalten wird (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG), aus Beförderungsleistungen durch Seeschiffe und Luftfahrzeuge (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b, c EStG), aus Kapitalvermögen (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 1 Ab VZ 2004, 42 v.H. ab VZ 2005. 2 Heining, Besteuerung der Ausländer, 175. 3 Allg. Ansicht Loschelder in Schmidt31, § 49 EStG Rz. 3.
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Halbs. 1 EStG), aus der Veräußerung eines Anteils an einer inländischen Kapitalgesellschaft (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG) und der sonstigen Einkünfte (§ 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG).
III. Einkünfte aus Gewerbebetrieb 1. Überblick § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG legt diejenigen Kriterien fest, die gewerbliche Einkünfte zu inländischen machen (vgl. Rz. 2.238 ff.). Dies sind als wichtigste die in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG genannten zwei Inlandsmerkmale: das Unterhalten einer Betriebsstätte oder die Bestellung eines ständigen Vertreters. Gleichgültig ist, welche Rechtsform das ausländische Unternehmen hat. Daneben hat der Gesetzgeber in ständiger Erweiterung weitere Inlandskriterien geschaffen: – Beförderungen bei Schiffen und Flugzeugen im Inland (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b und c EStG) (vgl. 2.228 ff.), – Ausübung und Verwertung künstlerischer, sportlicher und ähnlicher Darbietungen (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG), – Beteiligungen i.S.v. § 17 EStG an inländischen Gesellschaften (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG) (vgl. 2.204 ff.), – gewerbliche Vermietung und Veräußerung inländischen unbeweglichen Vermögens (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f f. EStG),1 – Vermittlung von Berufssportlern ins Inland (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. g EStG). Der eingeschränkten Thematik dieses Buches entsprechend werden nicht alle Kriterien behandelt. Diese Erweiterungen des Kreises der Inlandskriterien führen zu einer Ausweitung der beschränkten Steuerpflicht bei unternehmerischer Tätigkeit und somit zu vermehrten Situationen er Doppelbesteuerung. Damit entfernt sich das internationale Steuerrecht immer mehr von dem ursprünglichen Bestreben, die beschränkte Steuerpflicht bei unternehmerischer Tätigkeit vom Überschreiten einer hohen Schwelle abhängig zu machen.2 Als Begrenzung der Quellenbesteuerung diente vor allem der Betriebsstättenbegriff. Unter dem Einfluss der OECD (Rz. 2.146) verliert der Begriff immer mehr seine Konturen. In der OECD dürfte dies vor allem auf US-amerikanische Vorstellungen3 zurückzuführen sein, nach denen „doing trade or business within the US“ bereits die beschränkte Steuerpflicht begründet. Während beim Betriebsstättenkonzept der Unternehmenstätigkeit dienende, ständige Einrichtungen vorausgesetzt 1 Siehe hierzu Bron, DB 2009, 592. 2 Zusammenstellung der Entwicklung bei Reimer, IStR 2009, 378 m.w.N. 3 Sec. 871, 882 IRC; siehe hierzu Gustafson/Peroni/Pugh, Taxation of international transactions, 3. Aufl., St. Paul 2010, chapter 3.
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2.95
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
werden, genügt danach alleine der zeitliche Faktor der Geschäftstätigkeit im Inland. Insbesondere wirkt sich dies in der zunehmenden Anerkennung einer bloßen Dienstleistungsbetriebsstätte (Rz. 2.147) aus.
2.96 Gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG wird die beschränkte Steuerpflicht dadurch begründet, dass im Inland eine „Betriebsstätte unterhalten wird“. Daraus könnte geschlossen werden, dass nur solche Einnahmen und Ausgaben berücksichtigt werden können, die während des Bestehens der Betriebsstätte zu- und abfließen (vgl. Rz. 2.85). Der BFH1 hat jedoch vorweggenommene und nachträgliche Betriebsstätteneinkünfte anerkannt, wobei es bei den vorweggenommenen um Ausgaben geht. Diese können jedoch nur dann und erst dann berücksichtigt werden, wenn es tatsächlich zur Gründung einer Betriebsstätte im Inland kommt. Vorzugswürdig ist jedoch die Ansicht Wassermeyers,2 dass Gründungsaufwand für eine Betriebsstätte unabhängig davon, ob sie zustande kommt oder nicht, dem Stammhaus zuzurechnen ist. Dies entspricht jedenfalls dem Wortlaut von § 1 Abs. 4 und § 2 Abs. 1 EStG (2.85). Anders als in § 49 Abs. 1 Nr. 3 und 4 EStG enthält Nr. 2 Buchst. a nicht die Formulierung „worden ist“. Gleichwohl entspricht die Ausweitung der Nr. 2 Buchst. a auf nachträgliche Betriebsstätteneinkünfte durch den BFH dem Sinn der Vorschrift. 2. Gewerbliche Einkünfte
2.97 Es müssen Einkünfte aus Gewerbebetrieb vorliegen. Dazu gehören nach § 15 Nr. 1 EStG Einkünfte „aus gewerblichen Unternehmen“. Ein Gewerbebetrieb wird gem. § 15 Abs. 2 EStG begründet durch „eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs, noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist.“ Darunter fallen also insbesondere die industrielle Produktion, der Handel, das Handwerk, das Bankgeschäft, das Versicherungsgeschäft, die Tätigkeit der Handelsvertreter, der Handelsmakler, Kommissionäre, Verkehrsunternehmen, Unternehmensberatung usw. Bei den Verkehrsunternehmen sind allerdings Besonderheiten zu beachten, soweit es sich um ausländische Schifffahrts- und Luftverkehrsunternehmen handelt (dazu Rz. 2.220 ff.). Die Gewinnung von Bodenschätzen ist Gewerbe.
1 BFH v. 28.4.1983 – IV R 122/79, BStBl. II 1983, 566, die Entscheidung betrifft Aufwendungen für eine gescheiterte Betriebsstättengründung im Ausland und ordnet diese der Betriebsstätte zu; BFH v. 28.10.2009 – I R 99/08, BFH/NV 2010, 346. 2 Wassermeyer in Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 5.3.
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
Der Begriff der gewerblichen Einkünfte ist in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a 2.98 EStG kein anderer als in § 15 EStG.1 Somit gelten die gleichen Kriterien für die Abgrenzung z.B. zu Einkünften aus selbständiger Tätigkeit. Entfaltet sich die Tätigkeit teils im Inland, teils im Ausland, so entscheidet das Gesamtbild der im In- und Ausland gegebenen Kriterien über die Zuordnung zur Einkunftsart „Gewerbebetrieb“. Dies ist von Bedeutung, wenn die Tätigkeiten so organisiert sind, dass im Inland die Merkmale eines Gewerbes vorliegen, im Ausland aber bspw. eine selbständige Tätigkeit vorliegt, z.B. ein französischer Rechtsanwalt wird im Inland als Baubetreuer tätig. Für die beschränkte Steuerpflicht kommt es dann darauf an, ob er eine Betriebsstätte im Inland unterhält. Dies haben die Gerichte an den Fällen der Künstler- und Sportleragenturen klargestellt.2 Interessanter ist die umgekehrte Situation: Gewerbe im Ausland, freiberufliche Tätigkeit im Inland. Hierbei handelt es sich einerseits um eine gewerbliche Tätigkeit, weil sie im Rahmen eines im Ausland unterhaltenen Gewerbebetriebs erfolgt, sodass insoweit eine inländische Betriebsstätte erforderlich wäre. Andererseits ist im Inland auch der Tatbestand des § 18 EStG verwirklicht, sodass nach § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG die Ausübung im Inland ausreicht. Das Fehlen einer Betriebsstätte ist nach § 49 Abs. 2 EStG unbeachtlich (Rz. 2.237). Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG liegen Einkünfte aus Gewerbebetrieb bei Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft vor. Da das deutsche Einkommensteuerrecht nicht die Personengesellschaft selbst, sondern deren Gesellschafter als Steuerpflichtige ansieht, kommt es zur beschränkten Steuerpflicht nur bei solchen Gesellschaftern, die in Deutschland weder einen Wohnsitz (Rz. 2.19 ff.) noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt (Rz. 2.33 ff.) haben. Nicht entscheidend ist es, ob die Gesellschaft unter deutschem oder ausländischem Recht errichtet wurde, solange sie steuerlich nicht als Körperschaft zu qualifizieren ist. Folgende Voraussetzungen müssen demnach gegeben sein: – Gesellschaftsverhältnis Die in Betracht kommenden Personen müssen durch ein gesellschaftsrechtliches Band nicht körperschaftlicher Art verbunden sein. Der im Ausland wohnende und von dort ein inländisches Unternehmen leitende, angestellte Geschäftsführer bezieht i.d.R. keine Einkünfte aus Gewerbe.3 Nicht entscheidend ist, ob sich die Rechtswirksamkeit des Gesellschaftsvertrages nach deutschem oder ausländischem Recht richtet.
1 Dies ergibt sich unmittelbar aus dem Klammerzusatz im Gesetz. 2 BFH v. 16.12.1970 – I R 137/68, BStBl. II 1971, 200; v. 20.2.1974 – I R 217/71, BStBl. II 1974, 511; v. 4.3.1970 – I R 140/66, BStBl. II 1970, 428; v. 20.6.1984 – I R 283/81, BStBl. II 1984, 828; FG Köln v. 6.8.1981 – IX (VI) 365/78 E, EFG 1982, 249. 3 Vgl. Schmidt in Schmidt31, § 15 EStG Rz. 280 ff.
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2.99
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
– Gewerbliche Betätigung Die Gesellschaft muss im Inland eine gewerbliche Tätigkeit entfalten. Sie ist insoweit Einkünfteerzielungssubjekt.1 Für inländische Personengesellschaften folgt dies aus der gesamthänderischen Verbundenheit der Gesellschafter. Im Übrigen bewirkt § 49 Abs. 2 EStG, dass die persönlichen Verhältnisse der Gesellschafter im Ausland außer Betracht bleiben. – Mitunternehmerschaft Diese zeigt sich an der Entfaltung von Unternehmerinitiative und dem Tragen unternehmerischen Risikos.2 Auch die atypisch stille Gesellschaft begründet eine Mitunternehmerstellung. Der BFH hat dies ausdrücklich für das DBA-Schweiz entschieden,3 da sein Art. 7 Abs. 7 eine Sonderregelung enthält.4 Aber auch für andere DBA gilt nichts anderes.5 – Betriebsstätte Die Beteiligung an einer inländischen Personengesellschaft begründet für den ausländischen Gesellschafter nicht ipse iure eine Betriebsstätte.6 Vielmehr muss klar zwischen der Beteiligung und der Betriebsstätte unterschieden werden.7 Die Personengesellschaft muss im Inland einer Betriebsstätte i.S. von § 12 AO unterhalten, wie umgekehrt die Beteiligung an einer (inländischen oder ausländischen) Personengesellschaft aufgrund der steuerlichen Transparenz dem im Inland Ansässigen ihre Betriebsstätte anteilig vermittelt. Dabei reicht eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte aus. 3. Betriebsstättenbegriff
2.100 Die Existenz einer Betriebsstätte ist die in der Praxis wichtigste Inlandsanknüpfung für gewerbliche Tätigkeiten. Die Definition der Betriebsstätte nimmt das deutsche Steuerrecht in § 12 AO vor. Danach ist Betriebsstätte „jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient“ Diese generalklauselartige Beschreibung, die in § 12 AO durch eine Reihe beispielhafter („insbesondere“) Aufzählungen erläutert wird, macht auf den ersten Blick deutlich, dass nicht die 1 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (752) – Personengesellschaft-Entscheidung. 2 Vgl. Schmidt in Schmidt31, § 15 EStG Rz. 263 f. 3 BFH v. 21.7.1999 – I R 110/98. 4 BFH v. 23.10.1996 – I R 10/96, BStBl. II 1997, 314. 5 Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 50 f.; Lieber in G/K/G, Art. 7 OECDMA Rz. 361; Breuninger/Prinz, DStR 1995, 927 (929); Schmidt, IStR 1996, 217 (221); Schnieder, IStR 1999, 392 (397), a.A. Wassermeyer, IStR 1995, 47 (51). 6 So aber Heining, Besteuerung der Ausländer, 50; ähnlich auch Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 62 (Stichwort Personengesellschaft). 7 BFH v. 29.1.1964 – I 153/61 S, BStBl. III 1964, 615; Piltz, Personengesellschaften, 208.
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
bloße gewerbliche Betätigung im Inland vom deutschen Steuerrecht als ausreichende Inlandsbeziehung angesehen wird, vielmehr muss hinzukommen, dass diese sich in einer örtlichen Einrichtung des Unternehmens im Inland vollziehen muss. Erst diese schafft die notwendige Beziehung zum Inland, um von einer inländischen Steuerquelle sprechen zu können (Rz. 2.87). Umgekehrt bedeutet dies, dass bereits das Vorhandensein einer Betriebsstätte im Inland dazu führt, dass derjenige Teil des Erfolges des Unternehmens, der in und durch die Betriebsstätte erwirtschaftet wird, als solcher einer inländischen Einkunftsquelle gewertet wird. Dies macht die Ausgrenzung aus dem Gesamterfolg notwendig (Einzelheiten Strunk Rz. 4.3 ff.). Der lange Jahrzehnte anerkannte Begriff der Betriebsstätte ist vor allem international (Rz. 2.147) in die Diskussion geraten. Die IFA hat sich in den vergangenen Jahren mehrfach mit der Betriebsstättenproblematik befasst.1 Eingehend hatte bereits Skaar2 dargestellt, dass die durch die Kriterien einer Betriebsstätte errichtete Schwelle für die beschränkte Steuerpflicht unternehmerischer Einkünfte immer weiter abgesenkt würde. Die OECD hat sich des Themas intensiv angenommen.3 Gleichwohl sind viele Fragen offen, sodass im Oktober 2011 eine neue Initiative gestartet wurde.4 Auch wenn dies die Auslegung des Begriffs im Abkommen (siehe Rz. 2.136 ff.) betrifft, sind Auswirkungen auch auf das innerstaatliche Steuerrecht zu erwarten. Daher ist vieles im Fluss.
2.101
Generell lassen sich beim Betriebsstättenbegriff folgende Merkmale unterscheiden:
2.102
– Objektive Merkmale Diese enthalten Aussagen darüber, welche Eigenschaften die Betriebsstätte selbst erfüllen muss. Nach § 12 AO handelt es sich dabei um – Geschäftseinrichtungen oder Anlagen (Rz. 2.103) als Betriebsstätteneinrichtung, – eine feste Beziehung zur Erdoberfläche (Rz. 2.105). – Subjektive Merkmale Sie betreffen die Beziehung zwischen der Betriebseinrichtung und dem Unternehmen: – Verfügungsrecht (Rz. 2.106), – Dauer (Rz. 2.108). 1 Umfassend 2009 Kongress in Vancouver, vgl. IFA, Is there a permanent establishment, CDFI Vol. 94a, Generalbericht durch Sasseville/Skaar, S. 21–62; siehe auch Eckl, IStR 2009, 510. 2 Vgl. Arvid Skaar, Permanent Establishment, 560 ff. 3 Niederschlag hat dies in der Kommentierung insbesondere in Rz. 42.11 ff. zu Art. 5 OECD-MA gefunden.; vgl. auch Kahle/Ziegler, DStZ 2009, 834. 4 OECD, Interpretation and application of article 5 (permanent establishment) of the OECD Model Tax Convention, Paris 2011.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
– Funktionale Merkmale Mit ihnen wird die Beziehung zur unternehmerischen Tätigkeit des Stammhauses festgelegt: – Wahrnehmung von Unternehmensfunktionen (Rz. 2.110); hier kann zwischen eigentlicher Kerntätigkeit und Nebentätigkeit unterschieden werden; – Art des Beitrages der Betriebseinrichtung (Rz. 2.114). Müssen die Unternehmensfunktionen in der Einrichtung stattfinden oder reicht ein (mittelbares) Dienen? Die Betriebsstättengrundsätze1 gehen in Rz. 2 nur kurz auf die allgemeinen Kriterien des Betriebsstättenbegriffs ein. Die Verwaltung beschäftigt sich dabei nur mit dem Merkmal der festen Geschäftseinrichtung. a) Objektive Merkmale
2.103 Die Betriebsstätteneinrichtung wird vom Gesetz als „Geschäftseinrichtung oder Anlage“2 umschrieben, wobei die Abgrenzung der beiden Begriffe weitgehend offen ist.3 Darunter ist jeder körperliche Gegenstand und jede Zusammenfassung körperlicher Gegenstände zu verstehen,4 die einer Unternehmenstätigkeit dienen können. Zweifelsfrei rechnen hierzu Gebäude, Räume, Grundstücke oder mit dem Grund und Boden fest verbundene Vorrichtungen. Selbst ein Laptop oder ein Orderblock eines Verkäufers im Außendienst kommt als „Geschäftseinrichtung“ in Betracht.5 Um eine feste örtliche Anlage des ausländischen Unternehmens braucht es sich seit der Gesetzesänderung 1977 aber nicht mehr zu handeln, sodass auch eine für eine gewisse Zeit aufgestellte, transportable Einrichtung, z.B. ein Marktstand oder eine Imbissbude, eine Betriebsstätte begründen kann. Nicht erforderlich ist, dass Personal vorhanden ist. Rein technische Anlagen – Pipeline,6 Server7 – kommen daher als Betriebseinrichtung in Betracht.
2.104 Die äußerliche Kennzeichnung als Betriebsstätte des ausländischen Unternehmens ist weder erforderlich noch genügend. Der Angestellte einer ausländischen Gesellschaft, der im Inland von seiner Privatwohnung aus 1 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2 (geändert durch BMF v. 20.11.2000 – IV B 4 - S 1300 - 222/00, BStBl. I 2000, 1509 bzw. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 [2009/0716905], BStBl. I 2010, 354). 2 Bis 1976: „feste örtliche Anlage oder Einrichtung“ (§ 16 StAnpG). 3 So Kruse in T/K, § 12 AO Rz. 1a: Geschäftseinrichtung eher klein und kaufmännisch, Anlage eher groß und technisch; a.A. Mittermüller, RIW 1982, 812. 4 Kruse in T/K, § 12 AO Rz. 1a; Buciek in Beermann, § 12 AO Rz. 7; Musil in H/H/Sp, § 12 AO Rz. 8 f.; BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12. 5 Skepsis wird bei Buciek, DStZ 2003, 139 erkennbar. 6 BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12. 7 Vgl. Rz. 42.2, 42.7 zu Art. 5 OECD-MK; Löwenstein in Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung2, Rz. 14.36 ff.; vgl. auch BFH v. 5.6.2002 – I R 86/01, BStBl. II 2002, 683.
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
unter Benutzung seines eigenen Telefons Geschäfte für die ausländische Gesellschaft tätigt, begründet also auch dann keine Betriebsstätte, wenn er im Telefonbuch neben seinem Namen einen Hinweis auf die ausländische Gesellschaft eindrucken lässt oder wenn er ein entsprechendes Firmenschild am Haus anbringt. Ein solches Firmenschild wäre eine bloße irreführende Übertreibung. Die Frage nach dem Vorhandensein einer Betriebstätte beurteilt sich nicht nach der äußerlichen Erscheinung oder Wirkung – schon gar nicht nach werbemäßigen Hinweisen –, sondern nach der vorhandenen Substanz. Die Betriebseinrichtung muss „fest“ sein. Fest bedeutet nach Ansicht des 2.105 BFH1 einen auf Dauer angelegten Bezug zur Erdoberfläche, ohne dass eine mechanische Verbindung erfolgen müsste. Bewegliche Einrichtungen und Fahrzeuge, erst recht ein Laptop, sind keine festen Anlagen, ihnen fehlt es an einer dauernden Beziehung zu einem Punkt der Erdoberfläche.2 Ein Wohnmobil, mit dem der Unternehmer herumfährt, um seine Kunden zu besuchen, begründet keine Betriebsstätte. Kehrt der Unternehmer wöchentlich zur selben Stelle zurück, z.B. Marktstand auf Wochenmarkt, so soll die Festigkeit der Verbindung mit einem Punkt der Erdoberfläche erfüllt sein. Offen ist allerdings, ob auch der Abverkauf von einem LKW ausreicht. Das Merkmal „fest“ ist nicht erfüllt bei nur kurzfristigen Marktständen, z.B. Stand auf dem Weihnachtsmarkt.3 Wo jedoch die exakten Grenzen verlaufen, ist der Rspr. nicht zu entnehmen. Ein Monat am Stück reicht danach nicht, während wöchentlich regelmäßig ein Tag reicht. Wie wäre es dann bei einem Eisstand während der Sommerzeit von zwei bis drei Monaten? Meines Erachtens ist das Merkmal der Dauer (Rz. 2.109) hierfür entscheidend. b) Subjektive Merkmale Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal verlangt die (noch) h.M.,4 dass der Unternehmer Verfügungsmacht über die Einrichtung besitzt und dass sie ihm nicht nur zur Verfügung gestellt wird, wenn er sie braucht. Dieses Merkmal, abgeleitet aus dem „Dienen“ der Betriebsstätte für die Unternehmenstätigkeit, lässt sich dadurch begründen, dass das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit durch die Betriebsstätte ausüben muss, was wiederum so verstanden wird, dass die Betriebsstätte eine solche des Unternehmens sein muss.5 Der Vermieter oder Verpächter einer Immobilie 1 BFH v. 9.10.1974 – I R 128/73, BStBl. II 1975, 203, BFH v. 13.9.2000 – X R 174/96, BStBl. II 2001, 734; so auch h.M.: Kruse in T/K, § 12 AO Rz. 4; siehe auch BFH v. 30.10.1973 – I R 50/71, BStBl. II 1974, 107 (108); Musil in H/H/Sp, § 12 AO Rz. 11. 2 Kruse in T/K, § 12 AO Rz. 3. 3 BFH v. 17.9.2003 – I R 12/02, BStBl. II BFH/NV 2003, 636. 4 Gersch in Klein, § 12 AO Rz. 4; Kühn/Kutter/Hofmann, § 12 AO Rz. 2; Musil in H/H/Sp, § 12 AO Rz. 16; Kruse in T/K, § 12 AO Rz. 5; BFH v. 17.3.1982 – I R 189/79, BStBl. II 1982, 624; v. 11.10.1989 – I R 77/88, BStBl. II 1990, 166. 5 So zu Recht Kroppen, IWB 2005, 727 (730 f.).
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2.106
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
nutzt diese nicht selbst und besitzt i.d.S. nicht die Verfügungsmacht über diese, die Immobilie ist daher nicht seine Betriebsstätte.1 Das ausländische Unternehmen besitzt dann die nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht, wenn die Geschäftseinrichtung entweder ihm gehört oder wenn es sie gemietet bzw. gepachtet hat.2 Es kommt darauf an, dass ihm die Verfügungsmacht nicht ohne seine Mitwirkung entzogen werden kann.3 Die Mitbenutzungsmöglichkeit reicht nicht aus. Deswegen begründen z.B. die von selbständigen Gewerbetreibenden gepachteten Tankstellen von Ölgesellschaften keine Betriebsstätten der Ölgesellschaften.4 Daher fallen z.B. auch regelmäßig aufgesuchte Hotelzimmer nicht darunter. Nach Ansicht des BFH5 reicht auch die unentgeltliche Überlassung aus, sofern die Verfügungsmacht des Unternehmens aufgrund einer Rechtsposition besteht, die ihm nicht ohne Weiteres entzogen werden kann.6 Verfügungsmacht besteht nicht, wenn das Gewerbe an einem zugewiesenen, nicht abgeschlossenen Platz in einem anderen Unternehmen gehörenden Gebäude ausgeübt wird (z.B. Schreibtisch im Großraumbüro; Arbeitsplatz im Schlachthof).7 Dies hat bei Baustellen und Montagen Bedeutung, wenn der Bauunternehmer keine Verfügungsmacht über die Baustelle besitzt.8 In gleicher Weise gilt dies bei ausländischen Beratungsunternehmen, die Betriebsanalysen im Inland durchführen und deren Mitarbeiter dabei Geschäftsräume der Auftraggeber benutzen. Die Vorstellung der Finanzverwaltung9 von „fliegenden Betriebsstätten“ widerspricht dem Gesetz.10 Der Server kann nur für Verfügungsberechtigte eine Betriebsstätte begründen, nicht aber für dessen Kunden, der lediglich die technischen Möglichkeiten nutzt.11
2.107 Die Rspr.12 hat sich wiederholt mit der Mitbenutzung von Räumen, insbesondere auch der Nutzung von Räumen in der Privatwohnung, befasst. Durchgehend wird auf das Verfügungsrecht des Unternehmens abgestellt. 1 BFH v. 13.6.2006 – I R 84/05; BStBl. II 2007, 94 (st. Rspr.). 2 RFH v. 30.4.1935 – IA 13/35, RStBl. 1935, 840; BFH v. 10.5.1961 – 155/60 U, BStBl. III 1961, 317 (319); v. 9.3.1962 – I B 156/58 S, BStBl. III 1962, 227; v. 5.10.1977 – I R 90/75, BStBl. II 1978, 205; v. 7.3.1979 – I R 145/76, BStBl. II 1979, 527; v. 17.3.1982 – I R 189/79, BStBl. II 1982, 624; v. 28.8.1986 – V R 20/79, BStBl. II 1987, 162; v. 29.4.1987 – I R 118/83, BFH/NV 1988, 122; v. 11.10.1989 – I R 77/88, BStBl. II 1990, 166; FG Berlin v. 3.12.1969 – VI 86/69, EFG 1970, 327. 3 Ebenso Maßbaum in H/H/R, § 49 EStG Rz. 214. 4 BFH v. 16.8.1962 – I B 223/61 S, BStBl. III 1962, 477. 5 BFH v. 30.1.1974 – I R 87/72, BStBl. II 1974, 327: ein leitender Angestellter mietete Räume unter seinem Namen an und stellte sie dem Unternehmen zur Verfügung. 6 BFH v. 17.3.1982 – I R 189/79, BStBl. II 1982, 624. 7 BFH v. 18.3.1976 – IV R 168/72, BStBl. II 1976, 365 – Ausbeiner-Fall. 8 BFH v. 7.3.1979 – I R 145/76, BStBl. II 1979, 527. 9 FinMin NW, Erl. v. 1.7.1982 – S 2711 - 3-B 5, BB 1982, 1902. 10 FG Nds. v. 4.7.1991 – VI 480/89, RIW 1991, 1055. 11 BFH v. 5.6.2002 – I R 86/01, BStBl. II 2002, 683. 12 Ausführlicher Nachweis bei Kruse in T/K, § 12 AO Rz. 14.
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
Der Unternehmer bzw. die vertretungsberechtigten Personen eines Unternehmens können in der Privatwohnung eine Betriebsstätte begründen (Rz. 2.119). Wird ein Angestellter in seiner Privatwohnung regelmäßig für sein Unternehmen tätig, so soll dies keine Betriebsstätte des Unternehmens begründen, selbst wenn der Arbeitgeber die Miete trägt.1 Erst recht gilt dies, wenn der Arbeitnehmer die Miete selbst zahlt.2 Ebenso begründet eine auf den Namen des Angestellten lautende und von diesem bezahlte Telefon- oder Fernschreibanlage keine Betriebsstätte. Die OECD greift das Thema einer Betriebsstätte in den Privaträumen eines Angestellten in ihrem Bericht auf.3 Hierbei will sie auf die Umstände jedes Einzelfalls abstellen und durchaus eine Betriebsstätte bejahen, wenn der Angestellte regelmäßig und dauernd für seinen Arbeitgeber in seiner Privatwohnung tätig wird. Sie hält dies jedoch eher für Ausnahmefälle und verweist darauf, dass es sich i.d.R. um Hilfstätigkeiten (Rz. 2.143) handelt. In der Rspr.4 des I. Senates5 des BFH ist eine Tendenz festzustellen, dem 2.108 Merkmal der Verfügungsmacht geringere Bedeutung beizulegen (siehe auch Rz. 2.106 ff.). Er bezeichnet seine neue Rspr. als gewisse Fortentwicklung.6 Letztlich entscheidend soll sein, „dass eine bestimmte unternehmerische Tätigkeit durch eine Geschäftseinrichtung mit einer festen örtlichen Bindung ausgeübt wird.“ Zur Kennzeichnung der örtlichen Bindung verwendet das Gericht auch die Bezeichnung „Verwurzelung“. Es fordert nicht mehr eine rechtliche Absicherung, wenn aus tatsächlichen Gründen ein bestimmter Raum zur Nutzung zur Verfügung steht. Mit diesem Urteil ergibt sich die Betriebsstätte bereits aus den Merkmalen der Einrichtung, deren Beziehung zur Erdoberfläche und der Nachhaltigkeit. Die Aufgabe des Merkmals der rechtlichen gesicherten Verfügungsmacht verwischt die Grenze zum Tätigkeitsprinzip. Erbringt der ausländische Unternehmer innerhalb einer inländischen Einrichtung seine Leistung, so wird er hier lediglich tätig. Erst wenn er seine Leistung mittels der Einrichtung erbringt, hat er eine inländische Betriebsstätte. Das Gesetz geht, wie auch die Beispiele verdeutlichen, von produzierenden und handelnden Unternehmen aus. Bei Dienstleistungsunternehmen (siehe Rz. 2.147) spielt die Verfügungsmacht über konkrete Räume eine untergeordnete Rolle, sodass bei diesen in der Tat das Tätigkeitsprinzip angemessen erschiene. Bezeichnenderweise betrifft das BFH-Urt. auch ein Dienstleistungsunternehmen. Solange jedoch keine Änderung7 des Gesetzes erfolgt, geht es nicht an, den Betriebsstättenbegriff je nach der 1 2 3 4 5
Kruse in T/K, § 12 AO Rz. 14 mit Hinweis auf BFH. Er kann dann allerdings ständiger Vertreter werden, vgl. Rz. 2.158 ff. OECD-Bericht (s. Rz. 2.149), Rz. 22 ff., 12 f. BFH v. 3.2.1993 – I R 80-81/91, BStBl. II 1993, 462. Vgl. zwei Richter dieses Senates: Wassermeyer in FS Kruse, 589 (594); Buciek, DStZ 2003, 139. 6 BFH v. 10.3.1993 – I R 70/91, BStBl. II 1993, 446 rechte Spalte. 7 Reimer, IStR 2009, 379 (380) hält die Ausweitung mit dem Gesetzeswortlaut für vereinbar.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
Art des betriebenen Unternehmens anders zu definieren. Der Begriff verliert sonst seine klaren Umrisse und Rechtsunsicherheit ist die Folge. Der von der OECD behandelte Anstreicher-Fall1 macht dies überdeutlich: Dieser erbringt seine Leistung – das Anstreichen des Hauses – an dem Haus, nicht mittels des Hauses. Die Unternehmenstätigkeit erfolgt am Gegenstand, nicht durch denselben.
2.109 Bereits der RFH2 hatte aus dem Wort „fest“ in § 16 StAnpG gefolgert, dass die Betriebsstätte eine gewisse Dauer und Nachhaltigkeit aufweisen muss.3 Dies wird heute ebenfalls als erforderlich angesehen,4 ja man kann durchaus davon sprechen, dass dem Zeitelement eine immer größere Rolle zugemessen wird. Immerhin führt dieses Element zum Ausschluss nur kurzer Tätigkeiten aus dem Betriebsstättenbegriff. Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: Ein ausländischer Boxveranstalter führt im Inland einen Boxkampf durch. Zu diesem Zweck errichtet er ein Zelt mit einem Boxring. Die Anlage ist eine feste und dient auch seinem Unternehmen, sie ist aber nur vorübergehend. Aus den Gesetzesmotiven zur AO 1977 ist nicht zu entnehmen, ob unter Ausweitung des Begriffes auch in derartigen Fällen eine Betriebsstätte gewollt war. Der Betriebsstättenbegriff würde auch dann jegliche Konturen verlieren, wenn selbst die kurzfristige Benutzung fester Anlagen eine Betriebsstätte begründen würde. Daher ist am Erfordernis einer gewissen Ständigkeit festzuhalten. Unklar ist allerdings, wann diesem Erfordernis im Einzelfall Genüge getan ist. § 12 AO gibt lediglich bei Bauausführungen und Montagen eine zeitliche Grenze. Dies erklärt sich daraus, dass Bauausführungen und Montagen von vorneherein zeitlich befristet sind. Daher ist die Festlegung einer Mindestfrist unerlässlich, ohne dass ein Rückschluss auf die anderen Fälle zwingend erfolgen könnte. Als „dauerhaft“ könnte daher angesehen werden, wenn bei Begründung der Betriebsstätte eine unbefristete Tätigkeit geplant ist und eine Frist nur bei ihrer Natur nach befristeten Tätigkeit angesetzt wird. Dies würde allerdings zu unterschiedlichen Wertungen für die einzelnen Arten führen, für die Rechtfertigungen nicht erkennbar sind. Es spricht daher vieles dafür, beim Überschreiten des 6-Monats-Zeitraums in jedem Fall die Nachhaltigkeit zu bejahen.5 Andere nehmen für den Regelfall längere Fristen (neun bis zwölf Monate) als für Bauausführungen an.6 Es lassen sich aber auch kürzere Fristen als aus-
1 OECD-MK, Rz. 4.5; krit. hierzu auch Kroppen, IWB 2005, 731. 2 RFH v. 8.10.1941 – VI B 11/41, RStBl. 1941, 814. 3 BFH v. 30.8.1960 – I B 148/59, BStBl. III 1960, 468; v. 28.8.1986 – V R 20/79, BStBl. II 1987, 162. 4 Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 65; Kruse in T/K, § 12 AO Rz. 2; Feuerbaum, Industrieanlagenbau, 44 ff.; Schieber, Auslandsbetriebsstätten, 7; Intemann in H/H/R, § 39 EStG Rz. 213 f.; Musil in H/H/Sp, § 12 AO Rz. 14 f.; Buciek in Beermann/Gosch, § 12 AO Rz. 10. 5 So Gersch in Koch, § 12 AO Rz. 5; Storck, RIW 1979, 767 (768); Kempermann, FR 1993, 340. 6 Feuerbaum, DB 1972, 887 (888); Kolck, Betriebsstättenbegriff, 47 ff.
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
reichend ansehen.1 Richtigerweise wird man auf die Umstände des Einzelfalls abstellen müssen,2 wobei die Sechs-Monats-Frist ein Anhaltspunkt ist. Hier gelten ähnliche Erwägungen wie beim gewöhnlichen Aufenthalt (Rz. 2.40), da die Rspr. eine nicht nur vorübergehende Tätigkeit verlangt.3 Abschließend ist die Dauer noch nicht geklärt.4 Die OECD hat diese Frage auch in ihren Draft Report 20115 aufgenommen. Dabei behandelt sie die Tätigkeiten, die ihrer Natur nach kurzfristig sind, aber jährlich regelmäßig wiederkehren. Beispiel: Der Italiener Luigi betreibt jedes Jahr auf Sylt während der Sommermonate von Anfang Juni bis Ende August einen Eissalon.
Einerseits bestätigt die OECD, dass die Betriebsstätte „a certain degree of permanency“ verlange; macht aber eine Ausnahme, wenn „the nature of the business is such that it will be carried on for that short period of time.“ Als Beispiel wird hierfür wird der Fall erwähnt, dass ein Unternehmen auf einer Messe 15 Jahre lang einen Stand für jeweils fünf Wochen mietet, um dort seine Produkte zu verkaufen. c) Funktionale Merkmale
2.110
– Unternehmenstätigkeit In der Betriebsstätteneinrichtung muss der Betrieb des Unternehmens ausgeübt werden. Dies folgt aus dem Merkmal des „Dienens“.6 Dies hat eine doppelte Bedeutung. In der Einrichtung spielt sich unternehmerische Aktivität ab, sie ist nicht selbst Gegenstand der Tätigkeit des Unternehmens. Dies kann der Unterscheidung in Anlage- und Umlaufvermögen entsprechen. So begründet ein ausländischer Grundstückshändler durch inländische Grundstücke keine Betriebsstätte.7 Auch „dient“ eine vermietete Immobilie nicht dem Unternehmen, da der Vermieter nicht in dieser eine unternehmerische Tätigkeit ausübt, sondern mit dieser vermögensverwaltend tätig wird und in der eigenen Nutzung der Immobilie durch die Rechte des Mieters eingeschränkt ist.8 Ob das Merkmal der Geschäftstätigkeit reine Vermögensverwal-
1 Schieber, Auslandsbetriebsstätten, 7; Schieber, IStR 1994, 521 (527). 2 BFH v. 30.10.1973 – I R 50/71, BStBl. II 1974, 107; FG München v. 11.12.1985 – I 47/50 C 1, EFG 1986, 259; T/K, § 12 AO Rz. 8; ebenso Intemann in H/H/R, § 39 EStG Rz. 214. 3 RFH v. 8.10.1942 – VI B 11/41, RStBl. 1941, 814; st. Rspr. BFH v. 30.10.1973 – I R 50/71, BStBl. II 1974, 107 (109). 4 So auch BFH v. 3.2.1993 – I R 80-81/91, BStBl. II 1993, 465. 5 OECD, Draft Report 2011, Rz. 32 ff. 6 Musil in H/H/Sp, § 12 AO Rz. 21 ff. 7 Ebenso Maßbaum in H/H/R, § 49 EStG Rz. 214, 400 (Grundvermögen). 8 BFH v. 6.7.1978 – IV R 24/73, BStBl. II 1979, 18; v. 25.5.2011 – I R 95/10, IStR 2011, 691.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
tungen ausschließt,1 sodass der bloße Besitz von Grund- oder Kapitalvermögen nicht Gegenstand einer „Geschäfts“tätigkeit sein kann, ist nicht abschließend geklärt. Auch wenn eine reine Holdingbetriebsstätte unter den Betriebsstättenbegriff des § 12 AO2 fallen sollte, so kommt es nicht zur beschränkten Steuerpflicht, weil es sich nicht um eine gewerbliche Tätigkeit handelt. Unterhält bspw. ein ausländisches Unternehmen mit großem, vermietetem inländischen Immobilienbesitz ein Büro im Inland zwecks Betreuung der Immobilien, so mag zwar eine Betriebsstätte vorliegen, aber die beschränkte Steuerpflicht beruht gleichwohl auf § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG. Anders ist es bei einer geschäftsleitenden Holdingbetriebsstätte. Dies gilt auch für die Betriebsstätte einer nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gewerblich geprägten Personengesellschaft. Die Prägung wirkt sich allerdings nur im nationalen Steuerrecht aus. Im Abkommensrecht führt eine vermögensverwaltende Tätigkeit einer Betriebsstätte nicht zu „Gewinnen eines Unternehmens“ i.S.v. Art. 7 OECD-MA.3 Das Halten von Beteiligungen durch eine im Übrigen aktive Betriebsstätte gehört nur bei funktionaler Zugehörigkeit zu der in der Betriebsstätte ausgeübten Geschäftstätigkeit zum Betriebsstättenvermögen.4
2.111 Anders als im DBA-Recht (Rz. 2.136) unterscheidet § 12 AO nicht nach der Art der Tätigkeit in der Betriebsstätte, sodass auch untergeordnete Tätigkeiten ausreichen. Dabei ist der Begriff der Tätigkeit weit zu verstehen und verlangt nicht die Anwesenheit von Personen,5 sodass auch Automaten eine Betriebsstätte begründen können.6
2.112 Im Zusammenhang mit Art. 5 Abs. 3 OECD-MA – Bauausführung als Betriebsstätte – wird in Rz. 19 auch der Fall behandelt, dass ein Generalunternehmer eines großen Projektes auch dann weiterhin eine Betriebsstätte unterhält, wenn er die Ausführung einem Subunternehmer überträgt.7 Die Baustelle soll dann weiterhin dem Generalunternehmer zur 1 So Bendlinger, IStR 2009, 521. 2 So Looks in Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung2, Rz. 576, 775, 782; für das Abkommensrecht bejahend Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 25. 3 Für eine autonome Auslegung des DBA mit der h.M. BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, BFH/NV 2010, 1550; v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156; v. 9.12.2010 – I R 49/09; BStBl. II 2011, 482; gegen BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 1.1.51 (geändert durch BMF v. 20.11.2000 – IV B 4 - S 1300 - 222/00, BStBl. I 2000, 1509 bzw. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 [2009/0716905]; BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.1). 4 BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510; siehe Rz. 4.4. 5 BFH v. 12.10.1977 – I R 226/75, BStBl. II 1978, 111; FG Düsseldorf v. 10.9.1999 – 9 K 524/86 BB, EFG 1992, 717; Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 24; Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 33; Wassermeyer, IStR 1997, 149; Portner, IStR 1998, 553; Günkel in G/K/G, Art. 5 OECD-MA Rz. 5. 6 Art. 5 Rz. 42.6 OECD-MK; BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12; v. 7.7.1997 – I B 26/97, BFH/NV 1998, 19; Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 28. 7 Vgl. Kruse in T/K, § 12 AO Rz. 20; Musil in H/H/Sp, § 12 AO Rz. 23.
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
Verfügung stehen (Rz. 2.106). Der Subunternehmer soll dann selbst eine Betriebsstätte begründen, wenn er die im jeweiligen DBA vorgesehene Zeitschwelle überschreitet, wobei unklar ist, was dann mit der Betriebsstätte des Generalunternehmers geschieht. Nunmehr1 greift die OECD dies wiederum auf und sie sieht sie nun eher als eine Frage der persönlichen Ausübung der Unternehmenstätigkeit.2 Diskutiert werden die Fragen am sog. Ölplattform-Fall: Beispiel: KCo ist ein in ansässiges Unternehmen, welches Dienstleistungen der Ölindustrie erbringt. So auch OCo gegenüber, einem in S ansässigen Ölunternehmen, das in S eine Ölplattform betreibt. Zu den Dienstleistungen gehört auch das Catering auf der Plattform. Hierzu bedient sich KCo des in S ansässigen Catering-Unternehmens FCo, wobei nur KCo OCo gegenüber verantwortlich ist. Auf der Plattform ist nur FCo tätig, die übrigen Ingenieurdienstleistungen für die Plattform erbringt KCo in seinen Büros in R.
In Ergänzung der Rz. 10 des OECD-MK soll eingefügt werden, dass es zur Begründung einer Betriebsstätte nicht ausreicht, wenn ein Subkontraktor die Tätigkeit eines Unternehmens ausübt. Vielmehr müssten auch die übrigen Voraussetzungen einer Betriebsstätte erfüllt sein, insbesondere die Verfügungsmacht des Unternehmens über die Einrichtungen muss gegeben sein. Dies könne sich aus der letztlichen Verantwortlichkeit („overall responsibility“) des Unternehmens ergeben. Sehr viel klarer werden dadurch die maßgebenden Kriterien nicht. Die Lösung kann sich nur aus den vertraglichen und faktischen Gestaltungen im Einzelfall ergeben. Ähnliche Fragen stellen sich dann, wenn sich mehrere unabhängige Unternehmen zur Erledigung eines größeren Projektes in einem JointVenture zusammenschließen und jeweils Teilarbeiten erbringen.3 Auch hierbei kommt es darauf an, ob die Tätigkeit des einen Unternehmens dem anderen zugerechnet werden kann und welche Einflussmöglichkeiten in concreto bestehen. In Abwandlung des Hotel-Falls4 kann man die Fragen folgendermaßen darstellen: Beispiel: Die ausländische Immobiliengesellschaft errichtet in Deutschland ein Hotelgebäude. Die Inneneinrichtung wird einer ausländischen Innenarchitektin übertragen. Das Hotel wird von einer ausländischen Hotelbetriebsgesellschaft durch einen abgeordneten Hoteldirektor betrieben.
Der BFH5 bejaht eine Betriebsstätte der Hotelbetriebsgesellschaft. Der Betrieb des Hotels ist an sich eine Aufgabe der Immobiliengesellschaft, zugleich aber auch eine Unternehmenstätigkeit der Hotelbetriebsgesell1 OECD, Interpretation and application of Art. 5, Paris 2011, 20. 2 Behandelt in Art. 5 Rz. 10 OECD-MK, wo neben dem Personal des Unternehmens vor allem Automaten erörtert werden. 3 Erörtert im OECD-Bericht 2011, 22 f. 4 Siehe hierzu Mössner in FS Vogel, 956 ff. 5 BFH v. 3.2.1993 – I R 80, 81/91; BStBl. II 1993, 462.
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schaft, die auch die Verfügungsmacht über das Hotel ausübt.1 Ob die Immobiliengesellschaft ebenfalls eine Betriebsstätte durch das Hotel begründet, hängt entscheidend davon ab, welche Einflussmöglichkeiten sie auf den Betrieb besitzt. Ähnliches schlägt die OECD in einer neuen Rz. 10.4 OECD-MA Kommentar Art. 5 für die Lösung für ein Joint Venture vor. Ebenfalls gehört die Behandlung von abgeordnetem Personal in internationalen Unternehmen hierhin.2 Bei diesem kommt es einerseits darauf an, wessen Aufgaben es wahrnimmt. Dies können solche des entsendenden Unternehmens sein, aber auch solche des aufnehmenden Unternehmens. Im ersteren Fall müssen sie dem entsendenden Unternehmen die übrigen Voraussetzungen einer Betriebsstätte, wie z.B. Verfügungsmacht, vermitteln, damit dieses eine Betriebsstätte durch das Personal begründet. Dabei spielen auch Weisungsrechte eine entscheidende Rolle. Dies entspricht der h.M.,3 wonach es darauf ankommt, dass der Subunternehmer auf Gefahr und Rechnung des Unternehmens tätig wird sowie von diesem laufend überwacht wird.
2.113 Während die OECD nunmehr, wie dargelegt, bei der Einschaltung von Subunternehmern entscheidend auf die tatsächlichen Verhältnisse bei der Verfügungsmacht über die Betriebsstätte abstellt, ist die Auffassung des BFH in neueren Entscheidungen nicht mehr eindeutig festzustellen. In den zuvor behandelten Fällen ging es darum, ob das Subunternehmen in fremden Räumen eine Betriebsstätte begründet. In der Entscheidung v. 24.8.20114 behandelt das Gericht den Fall einer Auslagerung von Geschäftsführungstätigkeiten auf eine Management-Gesellschaft und der Begründung einer Betriebsstätte des Auftragsgebers in den Räumen des „Subunternehmens“. Dem Sachverhalt nach hatte ein britischer Private Equity Fonds mit einer britischen Kapitalgesellschaft A einen Managementvertrag geschlossen, weil deren Geschäftsführer über die erforderlichen Genehmigungen für Finanztransaktionen verfügten. Der Fonds hatte seinerseits eine britische Kapitalgesellschaft B als Geschäftsführerin. Deren Geschäftsführer wiederum waren zugleich Mitarbeiter („directors und non-executive directors) der Gesellschaft A. Sie übten ihre Tätigkeit in den Räumen der Gesellschaft B aus. Dazu gehörten auch die Tätigkeiten, die die B für die A wahrnahm. Hatte er noch wenige Jahre5 zuvor keine Betriebsstättenbegründung bei einer Tätigkeit in den Räumen eines Vertragspartners angenommen, bejahte das Gericht, dass die A infolge des Managementvertrages auch ohne ein vertraglich eingeräumtes Nutzungsrecht die Räume der B nicht nur gelegentlich mitbenutzte. Aus1 Ebenfalls zur Tätigkeit in fremden Räumen siehe BFH v. 14.7.2004 – I R 106/03, BFH/NV 2005, 154; v. 4.6.2008 – I R 30/67, BStBl. II 2008, 922; bei durchaus vergleichbaren Sachverhalten kommt das Gericht zu unterschiedlichen Ergebnissen. 2 OECD-Bericht 2011, 18 f. 3 Z.B. Kruse in T/K, § 12 AO Rz. 20; Musil in H/H/Sp, § 12 AO Rz. 23; Buciek in Beermann/Gosch, § 12 AO Rz. 20. 4 BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, IStR 2011, 925 m. Anm. Wassermeyer. 5 BFH v. 22.4.2009 – I B 196/08, BFH/NV 2009, 1588.
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schlaggebend sei, dass die A „mittels der vertraglichen Überantwortung von Aufgaben und dadurch mittels eines entsprechenden sachlichen und personellen Apparats in der Lage war, ihrer unternehmerischen Tätigkeit operativ nachzugehen.“ Dies vermittle ihr Verfügungsmacht über die Räume der B. Diese Ausführungen sind sehr generell gehalten und stellen nicht auf die „Doppelfunktion“ der Mitarbeiter ab. Die Entscheidung liegt damit auf der Linie weiterer1 Urteile. – Art des Beitrages Die zweite Bedeutung besteht darin, dass eine eigene unternehmerische Tätigkeit in der Betriebsstätte ausgeübt werden muss. Dass letztlich die Tätigkeit dem Unternehmen zugutekommt, also ihm irgendwie „dient“, reicht nicht aus. Stillgelegte Betriebe sind keine Betriebsstätten. Es muss sich in ihr eine nachhaltige, mit Gewinnabsicht unternommene menschliche Tätigkeit vollziehen, wobei jedoch auch Nebentätigkeiten oder technische Hilfstätigkeiten genügen, sofern diese nur dem Gewerbebetrieb als solchem unmittelbar dienen.2 Dies ist dann der Fall, wenn die in der Einrichtung wahrgenommene Tätigkeit auf Rechnung und Gefahr des Unternehmers erfolgt.3 Sozialeinrichtungen, z.B. ein Erholungsheim, dienen nur mittelbar dem Unternehmen.4 Nicht erforderlich ist, dass sich Personen in der Betriebsstätte aufhalten5 bzw. aufhalten können. Vom Ausland betriebene automatische Anlagen – Pipelines,6 Sendeanlagen, Computerstationen – kommen als Einrichtungen, die dem Unternehmen dienen, in Betracht. Diese letztere Aussage ist nicht unproblematisch. Sie enthält eine nicht unwesentliche Ausweitung des Betriebsstättenbegriffs. Sie verzichtet auf das Merkmal des Ausübens von Unternehmenstätigkeit in der Anlage und modifiziert es zur Unternehmenstätigkeit durch die Anlage. Unproblematisch ist dies nicht.7
2.114
Das Merkmal, dass die Einrichtung der Unternehmenstätigkeit dienen muss, hängt eng mit dem Verfügungsrecht (Rz. 2.106) und der Tätigkeit gerade dieses Unternehmens zusammen. Trotz der unterschiedlichen For-
2.115
1 BFH v. 23.2.2011 – I R 52/10, BFH/NV 2011, 1354; v. 13.10.2011 – I R 61/09, BStBl. II 2011, 249. 2 RFH v. 14.3.1939 – I 101/39, RStBl. 1939, 755; BFH v. 10.5.1961 – IV 155/60 U, BStBl. III 1961, 317. 3 FG BW v. 11.5.1992 – 3 K 309/91, EFG 1992, 653. 4 H.M.: RFH v. 22.1.1941 – VI B 7/40, RStBl. 1941, 90; v. 17.9.1941 – VI B 15/41, RStBl. 1941, 764; BFH v. 16.6.1959 – I B 214/58 U, BStBl. III 1959, 349; v. 29.11.1960 – I B 222/59 U, BStBl. III 1961, 52; v. 7.3.1979 – I R 145/76, BStBl. II 1979, 527; FG Köln v. 14.7.1987 – 5 K 459/83, EFG 1987, 568; krit. T/K, § 12 AO Rz. 9; FG Hess. v. 26.3.1982 – VIII 326/78, EFG 1983, 35; abl. Buciek in Beermann/Gosch, § 12 AO Rz. 23; Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 52. 5 Dadurch unterscheidet sich die Betriebsstätte von der Geschäftseinrichtung in Art. 14 OECD-MA. 6 BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12. 7 Siehe Wassermeyer, IStR 1997, 147.
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mulierung in Art. 5 Abs. 1 OECD-MA (Rz. 2.136 f.) geht auch die OECD von einer engen Verknüpfung der Betriebsstätte mit der Unternehmenstätigkeit aus. Daher führt es nicht notwendigerweise zur Begründung einer Betriebsstätte, wenn sich Personal eines Unternehmens in den Räumen eines anderen Unternehmens aufhält.1 Als Beispiel wird genannt, dass sich Personal eines Unternehmens zur Hereinholung von Aufträgen regelmäßig in den Räumen der Kunden aufhält. Der Kommentar lässt es in diesem Fall am Verfügungsrecht scheitern. Der OECD-Bericht 20122 unterscheidet stärker als zuvor zwischen eigenen und fremden Unternehmenstätigkeiten. Dies wird vor allem bei Lohnveredelung3 und Auftragsfertigung bedeutsam. Als Beispiel diskutiert die OECD den Fall eines Automobilunternehmens in R, das in S die Autos aus den gelieferten Einzelteilen auf cost-plus-Basis zusammenbauen lässt. Bei der Verneinung einer Betriebsstätte des Automobilunternehmens in S soll dann ein entscheidender Gesichtspunkt sein, dass die Gebäude und Anlagen des Fertigers in S nicht „genutzt“ werden. d) Tochtergesellschaft
2.116 Außerhalb dieser Kriterien wird keine Betriebsstätte begründet. Insbesondere begründet die inländische Tochtergesellschaft i.d.R. keine Betriebsstätte ihrer ausländischen Muttergesellschaft. Eine inländische Kapitalgesellschaft ist aufgrund ihrer Rechtsform ein eigenes Subjekt der Körperschaftsteuer. Auch die hundertprozentige deutsche Tochterkapitalgesellschaft wird nicht zur Betriebsstätte ihrer ausländischen Konzernmutter. Ältere Urteile des RFH, in denen dieser die sog. Konzerntheorie und die Filialtheorie begründet hat, sind überholt.4 Art. 5 Abs. 7 OECDMA bestätigt diese sich aus der Selbständigkeit der Gesellschaft ergebende Auffassung. Diese sog. Anti-Organ-Klausel5 stellt klar, dass die steuerliche Selbständigkeit einer Kapitalgesellschaft nicht alleine durch die gesellschaftsrechtliche Beherrschung beeinträchtigt wird. Dadurch wird verhindert, dass Einkünfte der beherrschenden Gesellschaft im Staat der beherrschten Gesellschaft steuerlich erfasst werden. Das Urt. des BFH v. 9.2.20116 zur grenzüberschreitenden gewerbesteuerlichen Organschaft verkennt dies. Wenn § 2 GewStG die Organgesellschaft gewerbesteuerlich zur Betriebsstätte des Organträgers erklärt, so handelt es sich dabei weder um eine Betriebsstätte im Sinne von § 12 AO noch um eine solche des Abkommensrechts. Vielmehr soll dadurch als Rechtsfolge der Gewerbeertrag des Organkreises ermittelt werden. Da jedoch ein ausländischer 1 Art. 5 Rz. 4.2 OECD-MK. 2 OECD-Bericht 2012, 11 Rz. 17. 3 Hierzu eingehend Lühn, IWB 2008, Fach 3, Gruppe 2, 1139, 1391, der allerdings noch stark auf den Aspekt des Verfügungsrechts und dessen konkrete vertragliche Ausgestaltung abstellt. 4 Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 167. 5 Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 164 f. 6 BFH v. 9.2.2011 – I R 54, 55/10, BStBl. II 2012, 106.
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Organträger ohne eigene inländische Betriebsstätte nicht der deutschen Gewerbesteuer unterliegt, scheitert auch die Zusammenfassung. Allerdings: Auch die Tochtergesellschaft kann wie jede andere Kapitalgesellschaft ganz oder teilweise als ständiger Vertreter1 (Rz. 2.156 ff., 2.166, 2.170) der Muttergesellschaft handeln. Die Muttergesellschaft wird dann jedoch durch die besondere Art der Tätigkeit der Tochtergesellschaft beschränkt steuerpflichtig, ohne dass sich im Übrigen an der Behandlung der Tochtergesellschaft als einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft etwas ändert. Wenn der BFH (I R 54, 55/10) aus Art. 5 Abs. 7 OECD-MA ableitet, dass diese Norm es verbiete, aus einer inländischen Kapitalgesellschaft eine (gewerbesteuerliche) Betriebsstätte der ausländischen Muttergesellschaft zu machen, so verkennt er, dass Art. 5 Abs. 7 die Begründung einer Besteuerung der ausländischen Muttergesellschaft betrifft, nicht aber die Art und Weise der Besteuerung der inländischen Gesellschaft. e) Aufzählung von Betriebsstätten § 12 Satz 2 AO nennt, wie die Formulierung „insbesondere“ deutlich macht, Beispiele von Betriebsstätten. Diese sind
2.117
– die Stätte der Geschäftsleitung, – Zweigniederlassungen, – Geschäftsstellen, – Fabrikations- und Werkstätten, – Warenlager, – Ein- oder Verkaufsstellen, – Bergwerke oder sonstige Stätten der Gewinnung von Bodenschätzen, – Bauausführungen oder Montagen über sechs Monate Dauer. Obwohl der Wortlaut entscheidend dafür spricht, dass die nicht abschließend aufgeführten Beispiele nur bei Vorliegen des Grundtatbestandes (Rz. 2.102) Betriebsstätten sind, ist dies streitig (vgl. näher Rz. 2.118). § 12 AO führt in seinem Satz 2 acht Fälle an, die „insbesondere“ als Betriebsstätten anzusehen seien. Die Formulierung legt den Schluss nahe, es handle sich um Beispiele2 bzw. Klarstellungen zu Satz 1, sodass die Voraussetzungen der allgemeinen Definition auch in diesen Fällen erfüllt sein müssen. Unzweifelhaft ist die Aufzählung keine abschließende.3 Ein Blick auf die einzelnen Beispiele zeigt dann jedoch, dass nicht in allen 1 Vgl. hierzu ausführlich Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 168 ff.; s. auch BFH v. 9.2.2011 – I R 54, 55/10, BStBl. II 2012, 106. 2 So die Gesetzesbegründung, vgl. Mittelsteiner/Schaumburg, AO 77, 32; allerdings sind es nicht Regelbeispiele im technischen Sinn, wie Haase in Haase, Art. 5 OECD-MA Rz. 19 ff. ausführt. 3 Scholtz in Koch/Scholtz, § 12 AO Rz. 7; Kruse in T/K, § 12 AO Rz. 10; Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 61; Musil in H/H/Sp, § 12 AO Rz. 25.
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Fällen die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen können. So verlangt der Ort der Geschäftsleitung keine Geschäftseinrichtung (Rz. 2.66).1 Gleiches gilt für Nr. 7 und 8; Bergwerke und schwimmende Bauausführungen erfüllen ebenfalls nicht uneingeschränkt die Merkmale des Satzes 1. Daher enthalten die „Beispiele“ des Satzes 2 eine „Definitionserweiterung“.2 Für das praktische Vorgehen empfiehlt es sich daher, zunächst die Voraussetzungen der einzelnen Nummern des Satzes 2 zu prüfen – die allerdings nicht scharf gegeneinander abgegrenzt sind – und erst bei dessen Nichtvorliegen auf die allgemeine Definition des Satzes 1 zurückzugreifen.
2.119 – Stätte der Geschäftsleitung (Nr. 1) Der Begriff der Geschäftsleitung3 wird in § 12 AO i.S.d. Definition des § 10 AO verwendet (vgl. Rz. 2.66). Während in § 1 Abs. 1 KStG nur davon die Rede ist, dass die Körperschaft ihre Geschäftsleitung im Inland haben muss, setzt die Betriebsstätte eine „Stätte“ der Geschäftsleitung voraus. In Art. 5 OECD-MA ist vom „Ort“ der Geschäftsleitung die Rede. Die Stätte der Geschäftsleitung begründet eine Betriebsstätte4 und somit die beschränkte Steuerpflicht (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG) für ausländische Unternehmen, soweit sie Einzelunternehmen sind oder von einer aufgrund des Typenvergleichs (Rz. 2.59) als Personengesellschaft (anders bei Kapitalgesellschaft, Rz. 2.66) einzustufenden Vereinigung betrieben werden. Somit entscheidet der Ort, an dem die für das Tagesgeschäft5 maßgebenden Entscheidungen gefällt werden. Dies kann auch die Wohnung des Betriebsinhabers sein.6 Eine Stätte verlangt keine Einrichtung oder Anlage, sondern nur eine regelmäßige räumliche Fixierung.7 Es reicht demnach aus, wenn der Geschäftsführer regelmäßig – auch zu Hause – an einem Ort die entsprechenden Geschäftsführungsmaßnahmen wahrnimmt. In multinationalen Konzernen werden oft Geschäftsleitungsfunktionen – Buchführung, Rechtsabteilung, Personalwesen usw. – bei einer Gesellschaft konzentriert. Dieses „Outsourcing von Management“ führt zu eigener Tätigkeit des ausführenden Konzernunternehmens in eigenen Räumen und begründet keine eigene Betriebsstätte des anderen Unternehmens, für das die Leistungen erbracht werden.8 Dies möchte die OECD nun1 So auch BFH v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148. 2 BFH v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148; Musil in H/H/Sp, § 12 AO Rz. 25; a.A. Maßbaum in H/H/R, § 49 EStG Rz. 216; vgl. auch Schauhoff, IStR 1995, 108 (110); Lüdicke in Fischer (Hrsg.), Besteuerung, 40: nur für Ort der Geschäftsleitung. 3 Siehe auch Wassermeyer, Betriebsstätten-Handbuch, 419. 4 BFH v. 7.9.1993 – VII B 169/93, BFH/NV 1994, 193; v. 9.7.2003 – I R 4/02, BFH/ NV 2004, 83. 5 BFH v. 7.12.1994 – I R 1/93, BStBl. II 1995, 178. 6 BFH v. 18.12.1986 – I R 130/83; BFH/NV 1988, 119; v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148. 7 So auch Art. 5 Rz. 13 OECD-MK. 8 So auch Art. 5 Rz. 42 OECD-MK.
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mehr1 dadurch absichern, dass der Ort der Geschäftsleitung nur dann eine Betriebsstätte begründet, wenn die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 OECD-MA gegeben sind, d.h., eine Geschäftseinrichtung zur Verfügung steht. Sollte sich diese Ansicht durchsetzen, würde insoweit Art. 5 OECD-MA von § 12 AO abweichen (vgl. Rz. 2.143 ff.). Vor allem die Rspr. des BFH scheint in eine andere Richtung zu gehen. Im Urt. v. 14.10.20102 ging es darum, ob ein Unternehmen einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb i.S.v. § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG a.F. unterhält, wenn es die Geschäftstätigkeit mittels eines Managementvertrages auf ein anderes, geeignetes Unternehmen auslagert („outsourced“). Mit dem Argument, dass die Norm die Organisation des Betriebes nicht erfordere, aber, dass das Unternehmen „selbst und ausschließlich eine entsprechende Tätigkeit am Markt“ ausübe, rechnete der BFH die „outgesourcte“ Tätigkeit dem Unternehmen zu. Konnte man dies noch als einen Spezialfall im Rahmen des § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG a.F. ansehen, so nimmt der Senat darauf im Urt. v. 25.8.20113 Bezug, um zu begründen, dass ein Unternehmen bei Übertragung der Geschäftsführungstätigkeit auf ein anderes Unternehmen mittels eines Managementvertrages in den Räumen des beauftragten Unternehmens selbst eine Geschäftsführungsbetriebsstätte unterhalte. – Zweigniederlassung (Nr. 2) Der Begriff ist i.S. des Handelsrechts zu verstehen (§§ 13 ff. HGB). Sie muss im Handelsregister eingetragen sein.4 Die Eintragung begründet eine widerlegbare5 Vermutung, dass auch tatsächlich eine Betriebsstätte unterhalten wird. Eine Zweigniederlassung6 setzt eine räumliche Trennung von der Hauptniederlassung, die Ausführung nicht bloßer Hilfsgeschäfte, eine gewisse Dauer, einen eigenständigen Leiter und eine gewisse Selbständigkeit auch nach außen voraus. Da das Gericht bei der Eintragung diese Kriterien zu prüfen hat (§ 13 Abs. 3 HGB), muss das Nichtvorliegen zumindest eines Merkmals zur Widerlegung der Vermutung dargetan werden. Trotz der Selbständigkeit stellt eine Zweigniederlassung nur einen unselbständigen Unternehmensteil dar.7
1 2 3 4
OECD-Bericht 2011, 24 f. Rz. 58 ff. BFH v. 14.10.2010 – I R 61/09, BStBl. II 2011, 249. BFH v. 25.8.2011 – I R 46/10, IStR 2011, 925 m. Anm. Wassermeyer. RFH v. 6.10.1925 – II A 397/25, RFHE 17, 20; Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 72; vgl. auch Musil in H/H/Sp, § 12 AO Rz. 27; a.A. Buciek in Beermann/Gosch, § 12 AO Rz. 32. 5 Zur Wiederlegung Ebling, RIW 1982, 146. 6 Vgl. Baumbach/Hopt, § 13 HGB Rz. 3. 7 BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140 (142); FG Rh.-Pf. v. 4.10.1973 – III 96/71, EFG 1974, 127.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
2.121 – Geschäftsstelle (Nr. 3) Eine Geschäftsstelle stellt eine Einrichtung dar, in der einzelne Unternehmenstätigkeiten ausgeführt werden.1 Ihre Selbständigkeit ist deutlich geringer als die einer Zweigniederlassung. Als solche kommen in Betracht: Wechselstuben von Banken, Annahmestellen diverser Unternehmenszweige,2 Büros für einzelne Aufgaben,3 aber auch Kontrollund Koordinierungsstellen ausländischer Konzerne.4 Letztere können auch Stätten der Geschäftsleitung sein, wenn sie entsprechende Leitungsfunktionen ausüben, was aber i.d.R. nicht der Fall ist (Rz. 2.144).
2.122 – Fabrikations- oder Werkstätte (Nr. 4) Bereits die Bezeichnung Fabrikationsstätte macht deutlich, dass Stätten (vor allem Gebäude) industrieller oder handwerklicher Produktion gemeint sind. Was produziert wird, ist gleichgültig.5 Aus der Kennzeichnung als Werkstätte kann gefolgert werden, dass auch die Erbringung von Werkverträgen, aber auch Dienstleistungen erfolgen kann. So gehören etwa Kundendienststellen hierzu.6 Die Zurverfügungstellung ständiger Räume für Wartungsarbeiten an einer technischen Anlage stellt daher eine Werkstätte dar, aber nur, wenn der Unternehmer Verfügungsmacht (Rz. 2.106) über die Räume besitzt.7
2.123 – Warenlager (Nr. 5) In einem Warenlager werden Waren (bewegliche Wirtschaftsgüter des Handels) gelagert und aus diesem ausgeliefert.8 Dies trifft auch auf ein Zoll- oder Freilager zu.9 Einlagerung, Lagerung und Auslieferung erfordern Personal. Dieses kann in Diensten des ausländischen Unternehmens stehen.10 Dann ist das Vorhandensein einer Betriebsstätte des Unternehmens unproblematisch. Denkbar ist, dass das Lager bei einem anderen Unternehmer unterhalten wird, der gegen Provision die erforderlichen Leistungen erbringt. In diesem Falle wird man auf Satz 1 zurückgreifen müssen: Nur, wenn das ausländische Unternehmen Verfügungsmacht über die Lagerräume besitzt, wird für dieses eine Be1 BFH v. 26.7.1983 – VIII R 30/82, BStBl. II 1983, 755; v. 17.12.1998 – I B 181/98, BFH/NV 1999, 753. 2 Reinigung, Lotterie, Zeitung. 3 Redaktionsaußenstelle; BFH v. 23.1.1985 – I R 292/8 I, BStBl. II 1985, 417 (420); BFH v. 17.12.1998 a.a.O. (FN 354). 4 So auch BMF v. 24.8.1984 – IV C 5 - S 1300 - 244/84, BStBl. I 1984, 458; vgl. auch Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 70. 5 Allg. Meinung: Kruse in T/K, § 12 AO Rz. 14; Scholtz in Koch/Scholtz, § 12 AO Rz. 11. 6 Musil in H/H/Sp, § 12 AO Rz. 29. 7 BFH v. 17.3.1982 – I R 189/79, BStBl. II 1982, 624. 8 Allg. Meinung: vgl. Kruse in T/K, § 12 AO Rz. 28. 9 Scholtz in Koch/Scholtz, § 12 AO Rz. 12; vgl. FG Münster v. 25.3.1994 – 15 V 896/94 U, EFG 1994, 590. 10 Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen diese ständige Vertreter darstellen, vgl. Rz. 2.158.
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
triebsstätte begründet.1 Es ist allerdings schwer vorstellbar, dass dies der Fall ist, da das ausländische Unternehmen kein Personal im Inland hat. Somit begründen Kommissions- und Konsignationsläger keine Betriebsstätten.2 Zur Frage, wann sie ständige Vertreter sind, vgl. Rz. 2.157. – Ein- und Verkaufsstellen (Nr. 6) Welche eigenständige Bedeutung Nr. 6 gegenüber der Geschäftsstelle besitzt ist schwer auszumachen.3 Es handelt sich um Einrichtungen, in denen ein Unternehmen seinen Ein- oder Verkauf abwickelt. Entscheidend kommt es auch hierbei auf die Verfügungsmacht über die Einrichtung an (Rz. 2.106). Als Einrichtung muss die Verkaufsstelle auch dem Merkmal der Festigkeit genügen, also eine Verbindung mit einem Punkt der Erdoberfläche (Rz. 2.105) für einen gewissen Zeitraum (Rz. 2.106) aufweisen.4
2.124
– Stätten der Gewinnung von Bodenschätzen (Nr. 7)
2.125
Ausdrücklich nennt das Gesetz als derartige Stätten Bergwerke und Steinbrüche. Hierzu werden aber auch Ölförderstätten, seien sie an Land, seien sie als Bohrplattformen oder Bohrschiffe auf See, gezählt. Entscheidend ist, dass die gewonnenen Stoffe zwecks Verwertung entnommen werden.5 Die Stätte braucht nicht oberirdisch zu sein.6 – Bauausführungen und Montagen (Nr. 8)7 Praktisch von großer Bedeutung ist, dass Bauausführungen und Montagen von mehr als sechs Monaten Dauer zu Betriebsstätten erklärt werden. Durch die ausdrückliche Aufführung wird ein Streit darüber vermieden, ob sie die allgemeinen Voraussetzungen von § 12 Satz 1 AO (Rz. 2.100), vor allem Verfügungsrecht über eine Einrichtung und dauernd, erfüllen. Bei einer Baustelle oder Montage beschränkt sich die Tätigkeit des Unternehmens im Allgemeinen darauf, Dienstleistungen für eine gewisse Zeit zu erbringen. Die zeitliche Begrenzung ist typisch für Bauausführungen und Montagen. So z.B., wenn der Unternehmer
1 BFH v. 16.8.1962 – I B 223/61 S, BStBl. III 1962, 477; v. 18.3.1976 – IV R 168/72, BStBl. II 1976, 365; Kumpf, Betriebsstätte, 94. 2 Kumpf, Betriebsstätte, 72; vgl. auch RFH v. 24.4.1942 – I 445/40, RStBl. 1942, 714; RFHE 49, 271; RFHE 20, 310; BFH v. 16.8.1962 – I B 223/61 S, BStBl. III 1962, 477. 3 So auch Scholtz in Koch/Scholtz, § 12 AO Rz. 13; auch Zweigstellen können diesen Zwecken dienen, Kruse in T/K, § 12 AO Rz. 16; Musil in H/H/Sp, § 12 AO Rz. 31. 4 BFH v. 17.9.2003 – I R 12/02; Buciek in Beermann/Gosch, § 12 AO Rz. 36. 5 Kruse in T/K, § 12 AO Rz. 17. 6 Zutreffend T/K, § 12 AO Rz. 17; RFH v. 25.4.1924 – I B 1/24, RFHE 13, 317; generell ebenso BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, RIW 1997, 172. 7 Vgl. ausf. Krawitz/Hick, RIW 2002, 523; zum DBA-Recht Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 91–150.
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2.126
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
im Ausland Leitungen zum Aufbau eines Netzes verlegt.1 Das Gesetz regelt zwei Fälle: die Bauausführung und die Montage. Letztere ist nicht bloß ein Unterfall der Ersteren,2 obwohl es bei sog. Baumontagen3 zu Überschneidungen kommen kann. Sie gelten dann als Bauausführung.4 Dies leitet die Rspr. aus dem Wortlaut („oder“) ab. Somit gibt es auch Montagen, die keinen Zusammenhang mit Bauten aufweisen. Bauausführungen sind alle Hoch- und Tiefbauarbeiten, die zur Gebäudeerrichtung an Ort und Stelle führen.5 Dies sind unstreitig diese Arbeiten selbst mit allen dazugehörenden Arbeiten, z.B. Kanalbau bei Hausbau. Ob es sich um einen Neubau, Abriss oder Wiederaufbau handelt, spielt keine Rolle. Alle Arbeiten zur Errichtung des Baus werden erfasst; von der Fundamentierung über die Bauarbeiten bis hin zu den Sanitärarbeiten, Einbau von Fenstern und Türen6 und den Malerarbeiten.7 Werden im Zusammenhang mit dem Bau Gerüste aufgestellt, so stellen auch diese Teil einer Bauausführung dar.8 Keine Bauausführung stellen der h.M.9 zufolge bloße Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten dar. Dies wird mit dem Wortlaut begründet: Ein „Bau“ verlange eine Veränderung der baulichen Substanz. Dessen bloße Erhaltung reiche nicht aus. Offenbar hat hier die Abgrenzung von Herstellungs- vom Erhaltungsaufwand Pate gestanden. Wirtschaftlich macht es jedoch keinen Unterschied, ob in einem Neubau Fenster eingesetzt oder ob diese in einem Altbau ausgetauscht werden.
2.127 Nicht zur Bauausführung gehören nach der h.M.10 Bauplanung, Bauaufsicht und Bauleitung. Begründet wird dies damit, dass diese Tätigkeiten nur mittelbar mit der Errichtung eines Baus zusammenhängen. Richtigerweise wird man differenzieren müssen. Wird das planende Unternehmen als Generalunternehmen tätig, so sind ihm die Tätigkeiten der Subunter1 BFH v. 19.11.2003 – I R 3/02, IStR 2004, 201 – Telefonnetz in Luxemburg; FG Nds. v. 19.6.2001 – 15 K 794/98, EFG 2002, 281; Pflüger, PIStB 2002, 217. 2 BFH v. 16.5.1990 – I R 113/87, BStBl. II 1990, 983. 3 BFH v. 21.10.1981 – I R 21/78, BStBl. II 1982, 241; v. 16.5.1990 – I R 113/87, BStBl. II 1990, 983. 4 RFH v. 2.7.1940 – I 147/40, RStBl. 1940, 668; v. 21.1.1942 – VI B 21/41, RStBl. 1942, 66; v. 7.3.1979 – I R 145/76, BStBl. II 1979, 527. 5 RFH v. 21.1.1942 – VI B 21/41, RFHE 51, 177; BFH v. 22.9.1977 – IV R 51/72, BStBl. II 1978, 140; Kumpf, Betriebsstätte, 36 ff.; Schieber, Auslandsbetriebsstätten, 57 ff.; Feuerbaum, Industrieanlagenbau, 24 u. 61 ff. 6 BFH v. 21.10.1981 – I R 21/78, BStBl. II 1982, 241. 7 Feuerbaum, DB 1977, 2401 (2403). 8 BFH v. 22.9.1977 – IV R 51/72, BStBl. III 1978, 140; Musil, § 12 Rz. 36; Buciek in Beermann/Gosch, § 12 AO Rz. 39. 9 BFH v. 27.4.1954 – I B 136/534, BStBl. III 1954, 179; auch nicht Montage BFH v. 16.5.1990 – I R 113/87, BStBl. II 1990, 983; Kruse in T/K, § 12 AO Rz. 32; Scholtz in Koch/Scholtz, § 12 AO Rz. 16, a.A. Kumpf, 37 f.; Storck, 174. 10 Kruse in T/K, § 12 AO Rz. 33; Kumpf, 38; Krabbe in Blümich, § 49 EStG Rz. 59; Feuerbaum, 68 f.; FG München v. 18.3.1975 – II 161/70, EFG 1975, 489; Merkert, DB 1968, 1238; a.A. Scholtz in Koch/Scholtz, § 12 AO Rz. 16; siehe auch Förster/Kleine, JbFAStR 1994/95, 134; Münch, IStR 1994, 521.
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
nehmer zuzurechnen, da es sich dieser zur Erfüllung seiner Verpflichtungen gegenüber seinem Auftraggeber bedient. Der Unterschied besteht in einer anderen Risikoverteilung im Innenverhältnis. Dies verändert aber nicht seine Weisungsbefugnis über die Bauausführung. Etwas anderes ist es, wenn der Auftraggeber unmittelbar mit den ausführenden Firmen in Vertragsbeziehungen steht und die Tätigkeit sich für das Unternehmen auf die reine Bauplanung etc. erstreckt. Dann handelt es sich um die Erbringung einer Dienstleistung in Form der selbständigen Tätigkeit, für die es auf den Tätigkeitsort ankommt (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG).1 Eine Montage liegt vor, wenn Einzelteile zu einer neuen Sache zusammengefügt werden.2 Dies kann z.B. der Fall sein, wenn Schweiß- und Montagearbeiten an Waggons von einem ausländischen Unternehmen in einer inländischen Waggonfabrik vorgenommen werden, vorausgesetzt es handelt sich um die wesentlichen Arbeiten des Zusammenfügens. Auch das Verlegen von Kabeln führt nicht zur Montage eines Telefonnetzes.3 Auch bei der Montage stellen sich ähnliche (siehe vorstehend) Probleme der Überwachung.4 Eine Lieferung eines Gegenstandes ist nicht dessen Montage.5
2.128
Ausdrücklich regelt das Gesetz, dass die Ausführung oder Montage auch örtlich fortschreitend oder schwimmend sein kann. Damit sind Schwimmpontons beim Brückenbau ebenso erfasst wie Schiffe zur Kabelverlegung. Streitig ist, ob auch Bohrschiffe darunter fallen.6 Vorausgesetzt, sie werden zur Errichtung eines Baus oder einer Montage eingesetzt, ist die Frage zu bejahen.
2.129
Bauausführung und Montage begründen nur dann eine Betriebsstätte, wenn sie länger als sechs Monate tatsächlich bestehen. Gemäß § 12 Nr. 8 AO muss dabei – eine einzelne Betriebsstätte
2.130
Beginn l 6 Monate L Ende – eine von mehreren zeitlich nebeneinander bestehenden Betriebsstätten BS 1 Beginn l 6 Monate L Ende BS 2
2 Monate
BS 3
3 Monate
1 Nach DBA-Recht zunächst auf eine feste Einrichtung, Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 61. 2 BFH v. 16.5.1990 – I R 113/87, BStBl. II 1990, 983; v. 13.11.1990 – VIII R 152/86, BStBl. II 1991, 96; v. 20.1.1993 – I B 106/92, BFH/NV 1993, 404; v. 1.4.1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999, 694; vgl. Baranowski, KFR 2000, 27. 3 FG Nds. v. 19.6.2001 – 15 K 794/98, EFG 2002, 281; BFH v. 9.7.2003 – I R 4/02, BFH/NV 2004, 83. 4 Schieber, IStR 1994, 521. 5 Buciek, DStZ 2003, 139 (140). 6 Vgl. T/K, § 12 AO Rz. 18 m.w.N.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
– mehrere ohne Unterbrechung aufeinander folgende Betriebsstätten BS 1
BS 2
Beginn l 3 Monate L Ende/Beginn l 4 Monate L Ende die Sechs-Monats-Frist überschreiten. Die zweite Alternative führt zu einer Attraktivkraft einer Bauausführung oder Montage, die sechs Monate besteht, auf andere, die die zeitliche Mindestfrist nicht erfüllen.1 Die dritte Alternative fasst andere Bauausführungen/Montagen zu einer „fliegenden“ zusammen, wenn sie zeitlich einander unmittelbar nachfolgen. Die Ansicht des FG Köln,2 dies erfasse nicht Fälle zeitlich sich überschneidender Bauausführungen, ist nicht schlüssig. Aus dem Erfordernis, dass zeitlich einander nachfolgende Bauausführungen keine Unterbrechung aufweisen dürfen, folgt nicht, dass sie nicht eine gewisse Zeit nebeneinander bestehen dürfen, denn auch dann folgen sie einander ohne Unterbrechung.
2.131 Für die Fristberechnung ist zunächst der Beginn der Frist festzulegen. Obwohl der BFH im Urt. v. 21.4.19993 grundlegend zur Fristberechnung Stellung genommen hat, sind nicht alle Fragen geklärt. Das Urteil betrifft eine Montagebetriebsstätte und bezieht sich auf das DBA-Schweiz. Das Gericht legt den Beginn auf die Ankunft der ersten Person am Ort des Baus oder der Montage, die zwecks Durchführung der entsprechenden Arbeiten entsandt wurde.4 Die Materialanlieferung reicht nicht aus. Dies bedeutet, wie auch der OECD-Kommentar ausführt, dass diese Person mit ihrer Arbeit beginnt, selbst wenn es sich um vorbereitende Tätigkeiten handelt.5 Bleibt es jedoch bei der Vorbereitung, indem die Baustelle besichtigt wird und Maßnahmen ergriffen werden, damit die Arbeiten beginnen können, und geschieht danach über längere Zeit nichts, so dürfte noch kein Beginn vorliegen.6
2.132 Besondere Probleme bereitet die Fristberechnung bei mehreren Baustellen des Unternehmers für den gleichen Auftraggeber, wenn jede nicht die Mindestfrist erfüllt. § 12 AO lässt nur dann die Bildung einer Gesamtzeit zu, wenn die einzelnen Baustellen ohne Unterbrechung aufeinanderfolgen. Die erste Frage ist, ob verschiedene Baustellen wirklich voneinander getrennte darstellen oder diese als eine einheitliche Bauausführung angesehen werden müssen. Ein einheitliches Bauvorhaben (single unit)7 wird 1 Scholtz in Koch/Scholtz, § 12 AO Rz. 20; Kruse in T/K, § 12 AO Rz. 18; wenn sie in demselben Staat bestehen, siehe FG Düsseldorf v. 14.9.1990 – 10 K 580/85 G, EFG 1991, 290. 2 FG Köln v. 30.6.1983 – IX 104/80 G, EFG 1984, 187. 3 BFH v. 21.4.1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999, 694. 4 Dem folgt die Literatur, z.B. Krawitz/Hick, RIW 2002, 527. 5 Ebenso Schieber in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 131; Görl in V/L5, Art. 5 OECDMA Rz. 64; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.257. 6 Ebenso Buciek, IStR 1999, 629, der diesen Fall aber als noch nicht geklärt bezeichnet. 7 OECD-Kommentar Art. 5 Nr. 18; s.a. Krawitz/Hick, RIW 2002, 528 ff.
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
nicht dadurch zu mehreren, weil die einzelnen Bauabschnitte in separaten Verträgen vereinbart werden. Darin läge eine missbräuchliche Gestaltung.1 Andererseits verbindet ein einheitlicher (Rahmen-)Vertrag noch nicht einzelne Baustellen zu einer einzigen.2 Dem rechtlichen Zusammenhang kann allenfalls Indizwirkung3 zukommen. Auch die Identität der Vertragspartner ist nicht entscheidend. Baut ein Bauunternehmer eine Eigenheimsiedlung für verschiedene Bauherren in einem faktischen Zusammenhang, so handelt es sich um eine Bauausführung. Entscheidend ist somit der innere4 wirtschaftliche, sachliche und geografische Zusammenhang. Dieser ist gegeben, wenn ein technischer Zusammenhang besteht, wenn z.B. die gleichen Baumaschinen genutzt werden, das gleiche Team tätig wird, die einzelnen Projekte gleichartig sind. Liegen die einzelnen Baustellen zu weit auseinander, so kann nicht mehr eine Einheit angenommen werden. Ob die Grenze hierzu bei 50 km liegt,5 lässt sich nicht generell festlegen, da es darauf ankommt, dass die faktische Einheitlichkeit gewahrt ist. Lassen es die örtlichen Umstände – z.B. Verkehrsverhältnisse6 – nicht zu, dass die Baustellen gleichzeitig betrieben werden, so können mehrere Baustellen bestehen, wenn sie weniger als 50 km Luftlinie voneinander entfernt sind.7 Liegen danach unterschiedliche Baustellen vor, so können sie dennoch nach § 12 Nr. 8 AO zusammengerechnet werden, wenn sie einander nachfolgen. Dies ist unproblematisch, wenn sie sich – auch nur kurzfristig – überlappen,8 d.h., der Beginn (Rz. 2.131) vor dem Ende (Rz. 2.134) liegt. Dies ist bspw. der Fall, wenn die Arbeiten an einer Baustelle beendet sind und die Gerätschaften abgebaut werden, ohne dass die erforderliche Abnahme bereits erfolgt ist, und wenn die Geräte zu einer neuen Baustelle geschafft werden, auf der alsbald die Arbeiten beginnen. Tritt zwischen Ende der einen und Beginn der anderen eine Pause ein, so soll bei einem Zeitraum von bis zu zwei Wochen ein zeitlicher Zusammenhang gewahrt bleiben.9 Diese generelle Frist mag einen Anhaltspunkt i.S. einer Höchstgrenze geben, zwingend ist sie aber nicht, insbesondere be-
1 Schieber in D/W, Doppelbesteuerung, Art. 5 OECD-MA Rz. 127. 2 Anders möglicherweise Löwenstein in Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung2, Rz. 1365. 3 Weitergehend Krawitz/Hick, RIW 2002, 530. 4 BFH v. 30.10.1956 – I B 71/57 u. BStBl. III 1957, 8. 5 So Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze Rz. 4.3.5. 6 Testfrage: Kann der Bauleiter die Baustellen gleichzeitig beaufsichtigen? Wie schnell kommt er von einer zur anderen? 7 Differenzierend auch BFH v. 21.4.1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999, 694; v. 16.5.2001 – I R 47/00, BFH/NV 2001, 1317; krit. auch Krawitz/Hick, RIW 2002, 531. 8 BFH v. 10.12.1998 – I R 74/98, BStBl. II 1999, 365; Kruse in T/K, § 12 AO Rz. 18; Buciek in Beermann/Gosch, § 12 AO Rz. 44; s.a. Musil in H/H/Sp, § 12 AO Rz. 41. 9 So BFH v. 21.10.1981 – I R 21/78, BStBl. II 1982, 241.
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2.133
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
deutet sie nicht, dass innerhalb der Frist immer ein Aufeinanderfolgen i.S.v. § 12 Nr. 8 AO vorliege.1
2.134 Das Gesetz nennt nur die Frist von sechs Monaten. Es schweigt über die Bedeutung von Unterbrechungen.2 Immerhin verlangt es aber, dass die Bauausführung/Montage diesen Zeitraum „dauert“. Eine Bauausführung dauert aber nicht, wenn sie stillgelegt ist. Zwar mag bei Unterbrechungen die Errichtung des Werks länger als sechs Monate benötigt haben, dies gilt aber nicht für die „Ausführung“ der Arbeiten. Daher ist der Auffassung3 zuzustimmen, dass Unterbrechungen den Ablauf der Frist hemmen.4 Allerdings soll dies nicht für eine Unterbrechung von bis zu 14 Tagen gelten,5 weil dadurch nicht das Gesamtbild einer fortlaufenden Tätigkeit beeinträchtigt werde. Der BFH wendet nunmehr6 eine Sphärentheorie an: Dem Unternehmer zuzurechnende Unterbrechungsgründe hemmen nicht den Fristablauf, wohingegen nicht betriebsbedingte Gründe diese hemmende Wirkung haben. Technisch bedingte Unterbrechungen, z.B. Trocknungsfristen, Materialmangel, Streik, Witterungsverhältnis usw. fallen in die betriebsbedingte Sphäre, wohingegen Gründe aus der Bestellersphäre, z.B. Nichtmitwirkung bei der Abnahme, politischer Umsturz, Insolvenz, zur Hemmung führen, wenn dadurch die tatsächliche Beendigung eintritt, insbesondere also wenn das Personal abgezogen wird.
2.135 Das Ende der Bau-/Montagebetriebsstätte tritt mit dem Abschluss aller geschuldeten Arbeiten ein, was die ggf. vereinbarte Abnahme einschließt. Es kommt nicht auf die Fertigstellung des Werkes als solches an, wenn der Unternehmer zu weiteren Maßnahmen, z.B. Probelauf, Einweisung des Personals, Abnahme, verpflichtet ist. Alleine das weitere Verbleiben von Arbeitnehmern des Unternehmens zur Überwachung der Startphase kann ausreichen, auch wenn dann das Verfügungsrecht (Rz. 2.106) problematisch sein kann. Wirkt der Besteller abredewidrig nicht an der Abnahme mit und zieht der Unternehmer daraufhin sein Personal ab, so kommt es zur Beendigung, jedenfalls, wenn der Unternehmer dann alle seine Verpflichtungen erfüllt hat. Ansonsten ist an eine Unterbrechung zu denken.
1 So auch Buciek, DStZ 2003, 141. 2 Hierzu BFH v. 21.4.1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999, 694 unter 4 Buchst. c Doppelbuchst. cc; Krawitz/Hick, RIW 2003, 527 f. 3 BFH v. 22.9.1977 – IV R 51/72, BStBl. II 1978, 140; v. 8.2.1979 – IV R 56/76, BStBl. II 1979, 479; FG Nürnberg v. 15.9.1971 – V 143/70, EFG 1972, 198; FG Nürnberg v. 17.3.1976 – V 208/75, EFG 1976, 403; Scholtz in Koch/Scholtz, § 12 AO Rz. 18; a.A. Musil in H/H/Sp, § 12 AO Rz. 39; Kruse in T/K, § 12 AO Rz. 18. 4 D.h., die Tage der Unterbrechung werden nicht gezählt, so auch Buciek, IStR 1999, 629. 5 BFH v. 21.10.1981 – I R 21/78, BStBl. II 1982, 241. 6 Entgegen BFH v. 21.10.1981 – I R 21/78, BStBl. II 1982, 241; so auch Musil in H/H/Sp, § 12 AO Rz. 39.
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
f) Betriebsstätte im Abkommensrecht Ist nach nationalem Steuerrecht die beschränkte Steuerpflicht des ausländischen Unternehmens wegen einer inländischen Betriebsstätte gegeben, so ist zu prüfen, ob die nationale Anknüpfung durch ein DBA im Einzelfall aufgehoben, sozusagen „entknüpft“, wird. Prinzipiell erkennen die DBA die beschränkte Steuerpflicht mittels einer gewerblichen Betriebsstätte an. Dies wird überwiegend, Art. 7 OECD-MA entsprechend, so ausgedrückt, dass die Gewinne im Quellenstaat („im anderen Staat“) besteuert werden können, wenn das Unternehmen seine Tätigkeit durch eine dort gelegene Betriebsstätte ausübt. Zur Aufhebung der nationalen Anknüpfung kommt es daher nur dadurch, dass der Begriff der Betriebsstätte des Abkommens anders ist als derjenige des § 12 AO. Es war immer deutsche Vertragspraxis, den Begriff der Betriebsstätte im Abkommen zu definieren. Heute entspricht die Definition der meisten deutschen DBA im Ansatz derjenigen von Art. 5 OECD-MA.1 Trotz unverkennbarer Anlehnung an Art. 5 OECD-MA weicht § 12 AO in Einzelheiten von den Abkommensdefinitionen ab. Grundsätzlich bestehen drei Möglichkeiten:
2.136
1. Der Sachverhalt begründet nach § 12 AO und nach dem DBA eine Betriebsstätte = übereinstimmende Definition. 2. Der Sachverhalt begründet nach dem DBA eine Betriebsstätte, nicht aber nach § 12 AO = weitere Abkommensdefinition. 3. Nach nationalem Recht ist eine Betriebsstätte gegeben, nicht aber nach dem DBA = engere Abkommensdefinition. Eine weitere Abkommensdefinition ist z.B. dann gegeben, wenn bei Montagen oder Bauausführungen eine Betriebsstätte auch dann gegeben ist, wenn deren Dauer sechs Monate unterschreitet.2 Da es für die Herstellung der Inlandsbeziehung alleine auf das nationale Recht ankommt und § 12 AO in diesen Fällen keine Betriebsstätte annimmt, geht der Abkommensbegriff auf deutscher Seite ins Leere.
2.137
Ein engerer Abkommensbegriff, z.B. bei Montagen erst nach zwölf Monaten (so Art. 5 Abs. 3 OECD-MA), geht dem nationalen Recht vor (§ 2 AO), sodass eine beschränkte Steuerpflicht nicht eintreten darf. Rechtstechnisch wird dies nicht dadurch bewirkt, dass im Rahmen von § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG der Begriff „Betriebsstätte“ i.S.d. Abkommens zu verstehen wäre, vielmehr bewirkt das DBA eine Nichtbesteuerung der Einkünfte, da keine Betriebsstätte i.S.v. Art. 7 DBA vorliegt. Nach nationalem Recht handelt es sich gleichwohl um inländische Einkünfte i.S.d. § 49 EStG, nur sind sie steuerfrei. Für ausländische Unternehmen gewährt eine engere Abkommensdefinition folglich Schutz vor dem deutschen Steuerzugriff.
2.138
1 Übersicht bei Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 33. 2 Vgl. bei Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 74.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
2.139 Das Auseinanderfallen von nationaler und vertraglicher Definition der Betriebsstätte führt zu doppelten Nichtbesteuerungen, wenn der Quellenstaat in seinem nationalen Recht einen engeren Begriff anwendet. Beispiel: Im Abkommen des Staates X mit dem Staat Y wird das Erbringen von Dienstleistungen über einen gewissen Zeitraum als Betriebsstätte anerkannt (vgl. Rz. 2.147). Ein Unternehmen von X erbringt Beratungsleistungen in Y. Nach nationalem Steuerrecht von Y führt dies nicht zu einer Betriebsstätte. Y besteuert die entsprechenden Einkünfte nicht. X wird durch das Abkommen (Art. 7 DBA) an der Besteuerung gehindert. Dabei spielt es keine Rolle, ob X in seinem Steuerrecht eine Dienstleistungsbetriebsstätte kennt.
2.140 Wie § 12 AO enthält Art. 5 OECD-MA zunächst eine allgemeine Definition mit Elementen, die sich ebenfalls in objektive, subjektive und funktionale untergliedern lassen. Im Einzelnen bestehen folgende Unterschiede1 in der allgemeinen Definition: § 12 AO kennzeichnet die „Stätte“ als „Geschäftseinrichtung oder Anlage“, Art. 5 Abs. 1 OECD-MA spricht in der deutschen Übersetzung nur von einer Geschäftseinrichtung, im englischen Text lautet dies jedoch „place of business“, was zwar weiter ist als der Begriff der Einrichtung, aber im Zusammenhang mit „establishment“ gesehen werden muss.2 In der Regel bestehen daher keine Unterschiede insofern, als Sachen3 gemeint sind. Da der Begriff des § 12 AO jedoch nicht nur der internationalen Abgrenzung von Besteuerungshoheiten dient, sondern systemwidrig auch erheblich durch das Gewerbesteuerrecht4 geprägt wird, kann es Abweichungen geben. Der Unterschied zwischen „fest“ und „fixed“ ist vernachlässigungswert, nicht aber die Unterschiede der Formulierung in funktionaler Hinsicht. Bei § 12 AO „dient“ die Betriebsstätte der Unternehmenstätigkeit, Art. 5 Abs. 1 OECD-MA verlangt, dass durch die Betriebsstätte die Unternehmenstätigkeit ausgeübt wird. Dadurch kommt der instrumentale Charakter der Betriebsstätte bei beiden Definitionen zum Ausdruck. Ob dennoch Unterschiede bestehen, ist fraglich, da das Merkmal „durch die“ weit auszulegen ist. Der OECD-MK5 bejaht diese Voraussetzung für eine Straße, die von einem Unternehmen gepflastert wird. Das Unternehmen übe seine Tätigkeit durch den Ort aus, wo die Tätigkeit stattfinde.
2.141 Die Unterschiede setzen sich in Art. 5 Abs. 2 und 3 OECD-MA im Katalog betriebsstättenbegründender Einrichtungen fort:
1 Zu den unterschiedlichen Zielsetzungen siehe Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 8. 2 So zutreffend Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 13. 3 So Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 13, identisch Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 30. 4 Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 33. 5 Art. 5 Rz. 4.6 OECD-MK.
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit Art. 5 Abs. 2 OECD-MA
§ 12 Satz 2 AO
a) Ort der Leitung
1. Stätte der Geschäftsleitung
b) Zweigniederlassung
2. Zweigniederlassungen
c) Geschäftsstelle
3. Geschäftsstellen
d) Fabrikationsstätte
4. Fabrikationsstätte
e) Werkstätte
oder Werkstätte 5. Warenlager 6. Ein- oder Verkaufsstätte
f) Bergwerk, Öl- oder Gasvorkommen, Steinbruch oder andere Stätten der Ausbeutung von Bodenschätzen
7. Bergwerke, Steinbrüche oder andere Stätten der Gewinnung von Bodenschätzen
Abs. 3 Bauausführung oder Montage über 12 Monate
8. Bauausführung oder Montage über 6 Monate
Art. 5 Abs. 4 OECD-MA enthält einen Negativkatalog von Einrichtungen, die keine Betriebsstätte darstellen: a) Einrichtung zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung von Waren, b) Bestand von Waren zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung, c) Warenbestand zur Bearbeitung durch ein anderes Unternehmen, d) Einkaufs- und Informationsbeschaffungsstelle, e) Vorbereitungs- und Hilfstätigkeiten, f) mehrere Tätigkeiten nach Art. 5 Abs. 4 Buchst. a–e OECD-MA, die insgesamt aber Hilfscharakter haben.
2.142
Somit ergeben sich folgende Abweichungen: – Warenlager bilden nach § 12 AO eine Betriebsstätte. In Art. 5 Abs. 2 OECD-MA bleiben sie unerwähnt. In Art. 5 Abs. 4 Buchst. a OECD-MA werden sie ausdrücklich vom Betriebsstättenbegriff ausgenommen, wenn sie ausschließlich zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung von eigenen Waren genutzt werden.1 – Ein- und Verkaufsstellen (§ 12 Satz 2 Nr. 6 AO) werden ebenfalls von Art. 5 Abs. 2 OECD-MA nicht erwähnt. Die Einkaufsstelle, die ausschließlich Waren für das Unternehmen beschafft, wird in Art. 5 Abs. 4 Buchst. d OECD-MA ausdrücklich ausgenommen.2 Verkaufsstellen gelten, da der Absatz eigener Produkte zum Kernbereich eines Unternehmens gehört, immer als Betriebsstätte.3 – Bauausführungen und Montagen werden nach Art. 5 Abs. 3 OECD-MA erst bei einer Mindestdauer von 12 Monaten zur Betriebsstätte. Die 1 Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 87; vgl. Übersicht, ebenda, Rz. 101. 2 Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 91. 3 Storck, Ausländische Betriebsstätten, 165.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
deutsche Vertragspraxis schwankt zwischen 3 und 18 Monaten.1 Der wesentliche Unterschied zu § 12 Nr. 8 AO (Rz. 2.131 ff.) besteht darin, dass jede einzelne Baustelle die Mindestdauer einhalten muss. Mehrere faktische Baustellen bilden nur dann eine einheitliche im Rechtssinne, wenn sie zu einem einheitlichen Bauvorhaben (Rz. 2.131) gehören. Ein Zusammenrechnen von Baustellen, die einander nachfolgen, wie in § 12 Nr. 8 AO (Rz. 2.131), findet auf Abkommensebene nicht statt.2
2.143 Die bedeutsamste Abweichung der DBA, die weitgehend Art. 5 Abs. 4 OECD-MA folgen,3 von § 12 AO besteht in der Liste sog. Betriebsstättenausnahmen.4 Diesen ist gemeinsam, dass es sich um Tätigkeiten vorbereitender oder unterstützender Art handelt, die nicht die eigentliche erwerbswirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmens darstellen. Sie sind weit von der tatsächlichen Gewinnerzielung entfernt. Die Inlandsbeziehung ist daher mit dem eigentlichen Unternehmenszweck nur mittelbar verbunden. Die Herausnahme derartiger Hilfstätigkeiten aus dem Betriebsstättenbegriff vermeidet auch die schwierige Frage der richtigen Zuordnung des Teils des Unternehmensgewinns, der auf diese Tätigkeit entfällt, und erleichtert den internationalen Wirtschaftsverkehr.5 Andererseits darf nicht übersehen werden, dass die Abgrenzung zwischen Hilfs- und Haupttätigkeiten im Einzelfall schwierig sein kann. In allen Fällen muss die Einrichtung ausschließlich für diese Tätigkeit verwendet werden. Auch muss sich die Nutzung innerhalb des Unternehmens abspielen, sie darf nicht unmittelbar Dritten zugutekommen.
2.144 Die Betriebsstätteneigenschaft von Kontroll- und Koordinierungsstellen ausländischer Konzerne nach DBA-Recht ist Gegenstand eines Erlasses des BMF v. 24.3.1984.6 Der OECD-MK hat bereits die unternehmensleitende Tätigkeit nicht als vorbereitende bzw. unterstützende bezeichnet, da sie auf einem höheren Niveau stehe.7 Bei „polyzentristischen Unternehmen“ würden die regionalen Management-Büros sogar die Voraussetzungen von Orten der Geschäftsleitung erfüllen.8 Der Erlass sieht als Tätigkeiten derartiger Kontrollstellen folgende:
1 Übersicht zur deutschen Vertragspraxis bei Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 72. 2 BFH v. 16.5.2001 – I R 47/00, BStBl. II 2002, 846. 3 Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 101 (Übersicht). 4 Vgl. Alpers, IWB Fach 3, Gruppe 2, 1098. 5 Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 108. 6 So noch BMF v. 24.3.1984 – IV C 5 - S 1300 - 244/84, BStBl. I 1984, 458; frühere Erlasse von 1972: vgl. Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten, Anlage 8, 308. 7 Kommentar des Fiskalausschusses der OECD zu Art. 5 des OECD-MA 1977 (amtl. dt. Übersetzung), Rz. 24 abgedruckt bei Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 100. 8 Ähnlich Storck, Ausländische Betriebsstätten, 160; Korn in D/W, Doppelbesteuerung, Bd. IV, Schweiz, 491.
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
– Koordinierung von Programmen, Einkauf, Produktionsplänen, Arbeitsmethoden, Marketing und Forschung, – Anpassung der Leitlinien der Konzernspitze an die örtlichen Verhältnisse, einschl. der Umsetzung und Kontrolle sowie der Vorbereitung regional bedeutsamer Entscheidungen, – Wahrnehmung der Aufgaben der Konzernleitung in Organen anderer verwaltungsbezogener Leistungen. Ob in diesen Fällen ein Ort der Geschäftsleitung vorliegt, erscheint eher fraglich, da die beschriebenen Tätigkeiten nicht leitenden, sondern unterstützenden Charakter besitzen. Trotzdem handelt es sich um zentrale Unternehmensfunktionen, sodass die Annahme einer Betriebsstätte i.d.R. durchaus gerechtfertigt ist. Gemäß II. des Erlasses kann im Einzelfall dann eine Betriebsstättenausnahme gegeben sein, wenn sich die Kontrollstelle auf die Beschaffung von Informationen für die Konzernspitze beschränkt bzw. die Konzernleitung durch Übermittlung und Vorbereitung von Weisungen unterstützt. Zutreffend weist der Erlass darauf hin, dass derartige Kontrollstellen keine Betriebsstätten der kontrollierten und koordinierten Unternehmen begründen. Falls eine Betriebsstätte begründet wird, so muss ihr ein Gewinnanteil zugeordnet werden. Der Erlass folgt hier der cost-plus-Methode1 und hält 5–10 v.H. als Aufschlag auf die Kosten der Kontrollstelle für angemessen.
2.145
In seiner neuesten Fassung2 hat der OECD-MK eine grundlegende Neukommentierung vorgenommen, deren Auswirkungen noch nicht ganz zu übersehen sind.3 Während beim „klassischen“ Begriff der Betriebsstätte die unternehmerische Tätigkeit und die feste Einrichtung die beiden konstituierenden Merkmale darstellen, verändert der Kommentar dies auf die Elemente der Tätigkeit und der Dauer. Rechtstechnisch wird dies damit begründet,4 dass Art. 5 Abs. 3 OECD-MA für Bauausführungen eine Ausnahme zu Art. 5 Abs. 1 OECD-MA vorsieht, wenn eine gewisse Dauer nicht erreicht wird. Da die Bautätigkeit ohne feste Einrichtung erfolgen kann und sie in Art. 5 Abs. 1 OECD-MA umfasst wird, sonst bedürfte es keiner Ausnahme, sei zu folgern, dass es auch Betriebsstätten ohne feste Einrichtung geben könne. So soll ein Anstreicher, der zwei Jahre lang an drei Tagen pro Woche ein großes Gebäude anstreicht, dort eine Betriebsstätte begründen (Rz. 4.5 OECD-MK). Bei einem Unternehmer, der in den
2.146
1 Zur Gewinnermittlung siehe Strunk Rz. 4.92 ff.; über Steuervergünstigung in Belgien siehe Borstell, Coordination Centres in Belgien, IWB Fach 5, Gruppe 2, 169 ff. 2 OECD, Model Tax Convention on Income and on Capital, July 2010. 3 Vgl. Gassner, ÖStZ 2004, 247. 4 Während die Textfassung des OECD-MA 1963 die Bauausführung in Art. 5 Abs. 2 Buchst. g als Erweiterung der allgemeinen Definition aufführte, stellt Art. 5 Abs. 3 OECD-MA 1977 eine Einschränkung der allgemeinen Definition dar.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
Räumen eines anderen Unternehmers tätig wird, soll es auf die Länge der Zeit ankommen (Rz. 4.2 und 4.3 OECD-MK).
2.147 Dies zeigt sich insbesondere bei der Entwicklung zu einer Dienstleistungsbetriebsstätte.1 Während § 12 AO eine Einrichtung oder Anlage verlangt, reicht gem. Art. 5 OECD-MA ein fester Geschäftsplatz2 aus. Der OECD-MK3 legt dies dahin gehend aus, dass es ausreicht, wenn für die Durchführung der Tätigkeit keine Verfügung über ein Gebäude erforderlich ist, dem Unternehmen schlicht ein gewisser Platz zur Verfügung steht („it simply has a certain amount of space at its disposal“). In zwei Beispielen grenzt der Kommentar dieses Merkmal näher ab: Einerseits (Art. 5 Rz. 4.2 OECD-MK) führe es nicht zu einer Betriebsstätte, wenn ein Verkäufer regelmäßig seinen Kunden besuche und in dessen Büro die Aufträge abgeschlossen werden, andererseits sei es ausreichend (Art. 5 Rz. 4.3 OECD-MK), wenn ein Angestellter eines Unternehmens einen Raum im Gebäude eines anderen Unternehmens nutzen könne, um zu kontrollieren, dass letzteres Unternehmen seine vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Erstgenannten erfülle, vorausgesetzt er halte sich lange genug in diesem Raum auf. Dieses Ergebnis lässt sich nur erzielen, wenn man dem Merkmal der Verfügungsmacht geringe Bedeutung beimisst. Demgegenüber ist es vorzuziehen, wenn anstelle einer Aufweichung des allgemeinen Betriebsstättenbegriffs im DBA Sonderregelungen4 getroffen werden. So sieht das DBA-Türkei 20115 in Art. 5 Abs. 3 eine ausdrückliche Normierung der Dienstleistungsbetriebsstätte vor, wonach Dienstleistung, vor allem Beratungsleistungen, dann zur Betriebsstätte führen, wenn diese innerhalb von zwölf Monaten mindestens sechs Monate überschreiten. Damit ist jeglicher räumliche Bezug aufgegeben und durch einen reinen Zeitrahmen ersetzt worden.
2.148 Inwieweit sich die Veränderungen im Verständnis des Betriebsstättenbegriffs, wie sie in den neuen Kommentierungen der OECD zum Ausdruck kommen, auf die Auslegung bestehender Abkommen auswirken, ist umstritten. Dies ist einerseits auf die generelle Frage nach der Bedeutung des OECD-MK für die Auslegung der einzelnen DBA,6 sofern es dem OECD-MA folgt, zurückzuführen, andererseits geht es darum, wie spätere Änderungen des Kommentars auf vorher abgeschlossene Abkom-
1 Vgl. Reimer, IStR 2009, 378; Bendlinger, IStR 2009, 521, über das weitergehende UN-MA vgl. Bendlinger, IStR 2009, 522; Rosenberger/Vitali/Zier, IStR 2010, Beilage zu Heft 18; Rautenstrauch/Binger, Ubg 2009, 619. 2 In der englischen Fassung: „fixed place of business“, enger dagegen in der französischen: „installation fixe“. 3 Art. 5 Rz. 4 OECD-MK. 4 Vgl. Art. 5 Rz. 42.11 ff. OECD-MK mit Vorschlag eines neuen Absatzes (Rz. 42.23 ff.); hierzu Bendlinger IStR 2009, 523. 5 V. 19.9.2011, BT-Drs. 17/8841. 6 Aus der unübersehbaren Literatur vgl. Vogel, Einl. Rz. 123 ff.; jüngst Arnold/ Mössner, The interpretation of tax treaties: Myth and reality, BIT 2010, 115.
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
men wirken – statische vs. dynamische Interpretation. Während der BFH1 Änderungen des Kommentars, die nach Abschluss eines Abkommens erfolgen, nicht für die Interpretation heranzieht, sieht die Finanzverwaltung im Kommentar ein gemeinsames Verständnis der Vertragsparteien, das von den Gerichten zu respektieren sei. Beiden Standpunkten kann in ihrer Ausschließlichkeit nicht gefolgt werden. Übernimmt ein Abkommen den Text des OECD-MA, so kann man im dann gültigen Kommentar eine Auslegungshilfe für das Abkommen sehen. Ändert sich später der Kommentar, so muss man unterscheiden. Haben die nationalen Gerichte das Abkommen in einer Frage in einem bestimmten Sinn bereits ausgelegt – mit oder ohne Bezugnahme auf den „alten“ Kommentar, so kann die Verwaltung nicht einseitig durch ihre Mitwirkung an einer Änderung des Kommentars dessen Inhalt ändern. Gleiches gilt, wenn ein bestimmter Sachverhalt bei Abschluss des Abkommens bekannt war und seine Lösung sich aus dem Kommentar ergab. Dann ist der Inhalt des Kommentars bei der späteren Auslegung in der früheren Fassung heranzuziehen. Anders ist es jedoch, wenn es sich um die Lösung eines Problems handelt, das bei Vertragsschluss nicht bekannt war oder sich noch nicht stellte. Die Dienstleistungsbetriebsstätte war als Problem schon lange bekannt.2 Ohne entsprechende Änderung des Textes der Abkommen fällt sie daher nicht unter den Begriff der Betriebsstätte. Offen bleibt jedoch, ob dies für die Abkommen gilt, die nach der Änderung des Kommentars abgeschlossen wurden. Die OECD hat am 12.10.2011 durch eine neue Veröffentlichung3 die erneute Diskussion über eine Vielzahl von Detailfragen des Betriebsstättenbegriffs eröffnet. Insgesamt stellt sie 25 Themen zur Diskussion. Nach Auswertung der eingehenden Stellungnahmen ist mit einer Erneuerung der Kommentierung zu Art. 5 OECD-MA zu rechnen. Auf die angesprochenen Themen wird hier im Zusammenhang jeweils eingegangen. Folgende Aspekte werden außerdem angesprochen: Landwirtschaft, Laden an Bord eines Schiffs, Hilfsgeschäfte, digitale Produkte.
2.149
g) Beispiele
2.150
Die Rspr. hat folgende Fälle von Betriebsstätten behandelt: – Abstellplatz für LKW FG München v. 11.3.1992 – 1 K 1067/87, EFG 1992, 438 – Ambulantes Gewerbe RFH v. 15.4.1942 – VI B 4/42, RStBl. 1942, 469: Milchverteiler; FG Münster v. 27.1.1972, EFG 1972, 325: Kaltbäcker 1 Zuletzt BFH v. 9.2.2011 – I R 54,55/10, BFH/NV 2011, 920 m.w.N. für die frühere Rechtsprechung. 2 Vgl. z.B. FG Nds. v. 4.7.1991 – VI 480/89, RIW 1991, 1055. 3 OECD, Interpretation and application of article 5 (permanent establishment) of the OECD Model Tax Convention, Paris 2011.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
– Angestellter RFH v. 3.12.1936 – III A 161/36, RStBl. 1937, 67; BFH v. 30.1.1974 – I R 87/72, BStBl. II 1974, 327; v. 5.10.1977 – I R 90/75, BStBl. II 1978, 205; v. 28.3.1985 – IV R 80/82, BStBl. II 1985, 405; FG Hess. v. 28.10.1999, BK 3423/98, EFG 2000, 530. Räume des Angestellten als Betriebsstätte – Automat Spielautomaten in Gaststätten, Getränkeautomaten, Geldautomaten, Bräunungsanlagen BFH v. 5.10.1965 – I B 387/62 U, BStBl. III 1965, 668; FG Thür. v. 13.3.1996 – I 178/95, DB 1996, 1310; – Arbeitsgemeinschaft BFH v. 2.12.1992 – I R 165/90, BStBl. II 1993, 577 – Bankkonto BFH v. 7.6.1966 – I B 124/164, BStBl. III 1966, 548 – Bauaufsicht FG München v. 18.3.1975 – II 43/72, EFG 1975, 489; FG Hess. v. 22.4.1997 – 6 K 3417/94, EFG 1997, 1063 – Bauausführung BFH v. 27.4.1954 – I B 136/53 U, BStBl. III 1954, 179 (Montagebegriff); v. 30.10.1956 – I B 71/56 U; BStBl. III 1957, 8 (Frist); v. 13.11.1962 – I B 224/61 U, BStBl. III 1963, 71 (Subunternehmer); v. 22.9.1977 – IV R 51/72, BStBl. II 1978, 140 (Fristberechnung, Unterbrechungen); v. 8.2.1979 – IV R 56/76, BStBl. II 1979, 479 (Fristberechnung, Unterbrechungen); v. 7.3.1979 – I R 145/76, BStBl. II 1979, 527 (Hoch- u. Tiefbau); v. 21.10.1981 – I R 21/78, BStBl. II 1982, 241 (Fenstereinbau); FG Düsseldorf v. 7.8.1980 – X 11/80, EFG 1981, 182 (Erdaushub); FG Köln v. 30.6.1983 – IX 104/80 G, EFG 1984, 187 (zeitlich überschneidende); BFH v. 4.5.1998 – I B 5/98, BFH/NV 1998, 520; v. 16.12.1998 – I R 74/98, BStBl. II 1999, 365; v. 24.3.1999 – I B 113/98, BFH/NV 1999, 1314; v. 16.5.2001 – I R 47/00, BStBl. II 2002, 846; FG Nds. v. 19.6.2001 – 15 K 794/98, EFG 2002, 281; BFH v. 19.11.2003 – I R 3/02, BFH/NV 2004, 559 – Baubude RFH v. 17.9.1941 – B 15/41, RStBl. 1941, 764; BFH v. 27.4.1954 – I B 136/53 U, BStBl. III 1954, 179; v. 16.6.1959 – I B 214/58, BStBl. III 1959, 349 (Umkleidebaracke) – Bausparkasse BFH v. 10.12.1965 – I B 282 62, BStBl. III 1965, 690; v. 24.1.1968 – I B 125/64, BStBl. II 1968, 313 (Beratungsstelle)
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
– Berater im Rahmen von Planungs- und Überwachungsarbeiten in fremden Unternehmen FG Hess. v. 8.3.1973 – IV 784/68, EFG 1973, 496; vgl. Art. 5 Rz. 4.3 OECD-MK – Berater: Überlassung von Räumen FG Hess. v. 8.3.1973 – IV 784/68, EFG 1973, 496 – Beratungsunternehmen in fremden Räumen FG Nds. v. 4.7.1991 – VI 480/89, RIW 1991, 1055 – Bergbauunternehmen RFH v. 20.2.1935 – I A 218 34, RStBl. 1935, 572 – Büro (siehe auch Geschäftsräume) BFH v. 15.7.1986 – VIII R 134/83, BStBl. II 1986, 744 – Büroecke in Wohnung BFH v. 15.7.1986 – VIII R 134/83, BStBl. II 1986, 744 – Delegierung von Angestellten ins Ausland RFH v. 29.1.1935 – I A 244/32, RStBl. 1935, 759 – Einrichtungsgegenstände BFH v. 9.3.1962 – I B 156/58 S, BStBl. III 1962, 227: Betriebsstätte durch Einrichtungsgegenstände von erheblichem wirtschaftlichen Gewicht beim ständigen Vertreter – Filmstudio FG München v. 11.12.1985 – 147/80 L 1, EFG 1986, 259 – Flughafen FG Düsseldorf v. 11.4.1978 – 1139/70 G, EFG 1978, 503 (Lager und Räume) – Garage BFH v. 21.2.1963 – I B 98/61, HFR 1963, 260 – Geschäftseinrichtung als Betriebsstätte nach DBA-Regelungen RFG v. 30.4.1935 – I A 13/35, RStBl. 1935, 840; i.S. des DBA-Niederlande – FG Münster v. 28.2.1966 – IIa 417/65, EFG 1966, 501 – Geschäftsleitung RFH v. 3.12.1936 – III A 161/36, RStB1.1937, 67; BFH v. 26.5.1970 – II 29/65, BStBl. II 1970, 759 – Geschäftsräume BFH v. 26.11.1986 – I R 256/83, BFH/NV 1988, 82; v. 28.1.1987 – I B 113/86, n.v.; v. 10.5.1989 – I R 50/85, BStBl. II 1989, 755
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
– Grundvermögen RFH v. 27.5.1941 – I 112/41, RStBl. 1941, 393; BFH v. 6.7.1978 – IV R 24/78, BStBl. II 1979, 18 – Haltestelle RFH v. 15.2.1942 – VI B 4/42, RStBl. 1942, 469; BFH v. 18.10.1962 – IV 319/60 U, BStBl. III 1963, 38 – Hochspannungsleitung BFH v. 7.6.1966, BStBl. III 1966, 567 – Hotel Leitung durch Managementgesellschaft BFH v. 3.2.1993 – I R 80-81/91, BStBl. II 1993, 462 – Hygienische Einrichtungen BFH v. 16.6.1959 – I B 214/58 U, BStBl. III 1959, 349 – Import von Lebendvieh RFH v. 19.12.1934 – VI A 231 und 232/84, RStB1.1935, 491 – Kabelverlegung für Telefonnetz BFH v. 19.11.2003 – I R 3/02, BFH/NV 2004, 559 – Kiesgrube siehe Schutthalde – Kommissionslager RFH v. 24.3.1942 – I 445/40, RStBl. 1942, 714; v. 4.7.1940 – III 133/39, RStBl. 1940, 676 – Kopfschlächter Arbeitsplatz im Schlachthof, FG Düsseldorf v. 24.6.1992 – 13 K 560/88, EFG 1993, 42; FG Rh.-Pf. v. 25.4.1985 – 3 K 68/84, EFG 1985, 593 (Ausbeiner) – Korrespondenzreeder FG Hamburg v. 2.8.1977 – V 108/76, EFG 1978, 138 – Lagerraum BFH v. 17.3.1982 – I R 189/79, BStBl. II 1982, 624 – Landungsbrücke FG Düsseldorf v. 11.4.1978 – II 39/70 G, EFG 1978, 503 – Lizenzvergabe ins Inland BFH v. 23.5.1973 – I R 163/71, AWD 1974, 169
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
– Marktverkaufsstelle FG Münster v. 28.2.1966 – IIa 417/65, EFG 1966, 501; BFH v. 9.10.1974 – I R 128/73, BStBl. II 1975, 203; v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148 – Messestand FG München v. 15.10.1992 – 16 K 4179/91, EFG 1993, 707 – Milchverteilbezirk RFH v. 15.4.1942 – VI B 4/42, RStBl. 1942, 469 (gilt auch für Milchsammelbezirk) – Minigolfanlage FG Berlin v. 27.6.1969 – III 141/67, EFG 1970, 59 – Montagestelle gem. § 12 Satz 2 Nr. 8 AO 1977 BFH v. 7.3.1979 – I R 145/76, BStBl. II 1979, 527; v. 16.5.1990 – I R 113/87, BStBl. II 1990, 983 – Montagestelle gem. § 16 StAnpG BFH v. 7.3.1979 – I R 145/76, BStBl. II 1979, 527 – Mülltonnen-Stellplatz BFH v. 8.3.1988 – VIII R 270/81, BFH/NV 1988, 735 – Pipeline BFH v. 12.10.1977 – I R 226/75, BStBl. II 1978, 111; v. 7.6.1966 – I B 61/63, BStBl. III 1966, 567; v. 12.10.1977 – I R 227/75, BStBl. II 1978, 160 – Plakatsäule BFH v. 13.5.1958 – I B 49/58 U, BStBl. III 1958, 379 – Schiff RFH v. 6.3.1935 – IV A 210/34, RStBl. 1935, 605; BFH v. 13.2.1974 – I R 218/71, BFHE 111, 416; FG Hamburg v. 2.2.1977 – V 108/76, EFG 1978, 138 – Schiffsanleger BFH v. 26.8.1987 – I R 376/83, BStBl. II 1988, 201 – Schulungsraum FG BW v. 17.4.1991 – 2 K 373/87, EFG 1992, 117 – Schutthalde FG Düsseldorf v. 11.3.1970 – II 520-529/66 G, EFG 1970, 460 – Schweißarbeiten BFH v. 20.1.1993 – I B 106/92, BFH/NV 1993, 404
Mössner
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
– Server vgl. Rz. 2.154 – Sozialeinrichtungen BFH v. 16.6.1959 – I B 214/58, BStBl. III 1959, 349 (Umkleideräume); v. 29.1.1960 – I B 222/59 U, BStBl. III 1961, 52 (Erholungsheim) – Sportler BFH v. 16.3.1951 – IV 197/50 U, BStBl. III 1951, 97; v. 17.2.1955 – IV 77/53 S, BStBl. III 1955, 100; v. 8.1.1963 – 1317/61 U, BStBl. III 1963, 148 – Standplatz bei Taxi BFH v. 18.10.1962 – I V 319/60 U, BStBl. III 1963, 38 – Station i.S.d. § 16 Abs. 3 StAnpG RFH v. 14.2.1939 – I 101/39, RStBl. 1939, 755; v. 11.10.1939 – VI B 15/39, RStBl. 1939, 1095 – Stilllegung von Fabrikationsstätte BFH v. 30.8.1960 – I B 148/59 U, BStBl. III 1960, 468; v. 29.11.1960 – I B 222/59 U, BStBl. III 1961, 52 – Straßenbau FG Saarl. v. 21.1.1976 – 371/75, EFG 1976, 263 – Studio BFH v. 30.10.1973 – I R 50/71, BStBl. II 1974, 107; FG München v. 11.12.1985 – I 47/80 L1; EFG 1986, 259 – Tankstelle einer Mineralölfirma RFH v. 28.6.1935 – IV B 20/34, RStBl. 1935, 1023; v. 11.9.1935 – IV 11/35, RStBl. 1935, 1231; BFH v. 16.8.1962 – I B 223/61 S, BStBl. III 1962, 477; v. 9.3.1962 – I B 156/58 S, BStBl. II 1962, 227; v. 30.6.2005 – III R 76/03, BStBl. II 2006, 84; v. 30.6.2005 – III 47/03, BStBl. II 2006, 78 – Tonaufnahmestudio FG Hamburg v. 5.2.1982 – II 22/80, EFG 1982, 395 – Tongrube FG Düsseldorf v. 10.4.1957 – 131-33/56, EFG 1957, 415 – Umspannwerk BFH v. 28.10.1987 – I R 275/83, BStBl. II 1988, 292 – Verbindungsbüro ausländischer Unternehmen RFH v. 5.11.1929 – I A a 648/29, RStBl. 1930, 54 – Verpachtung von Betriebsvermögen BFH v. 30.8.1960 – I B 148/59 U, BStBl. III 1960, 468; v. 14.7.1971 – I R 127/68, BStBl. II 1971, 776; v. 12.4.1978 – I R 136/77, HFR 1978, 362; v. 212
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
6.7.1978 – IV R 24/73, BStBl. II 1979, 18; v. 16.8.1962 – I B 223/61 S, BStBl. III 1962, 477; v. 18.3.1965 – IV B 411/62 U, BStBl. III 1965, 324; v. 10.6.1966 – VI B 31/63, BStBl. III 1966, 598; FG Münster v. 18.11.1976 – VII 1641/74 F, EFG 1977, 399 – Verpachtung/Betriebsaufspaltung BFH v. 10.6.1966 – VI B 31/63, BStBl. III 1966, 598; FG Düsseldorf v. 22.5.1979 – IX 694/77 G, EFG 1980, 34; BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602 – Versicherungsunternehmen RFH v. 30.4.1935 – I A 13/35, RStB1.1935, 840 – Viehbuchten in einem Grenzbahnhof RFH v. 19.12.1934 – VI A 230/34, RStBl. 1935, 490 – Warenlager RFH v. 4.3.1927 – I B 1/27, RStBl. 1927, 112; v. 12.7.1929 – VfB 7/28, RStBl. 1929, 480; v. 30.10.1935 – III A 267/34, RStBl. 1940, 676; v. 24.3.1942 – I 445/40, RStBl. 1942, 714; BFH v. 16.8.1962 – I B 223/61 S, BStBl. III 1962, 477 – Weihnachtsmarkt BFH v. 17.9.2003 – I R 12/02, BStBl. II 2004, 396 – Windkraftanlage FG Sa.-Anh. v. 14.1.1999 – I 438/96, EFG 1999, 668 – Wohnung In den privaten Wohnbereich einbezogene Räume; BFH v. 21.2.1963 – I B 98/61, HFR 1963, 260; v. 19.8.1998 – XI R 90/96; BFH/NV 1999, 41; v. 10.11.1998 – I B 80/97, BFH/NV 1999, 665; v. 24.3.1999, BFH/NV 1999, 1314; v. 25.11.1999 – IV R 44/99, BFH/NV 2000, 699; v. 23.5.2002 – III R 8/00, BStBl. II 1002, 512 – Wohnung, vgl. Angestellter, Büroecke RFH v. 9.6.1939 – I R 254/38, RStBl. 1939, 788; BFH v. 10.5.1961 – I V 155/60 U, BStBl. III 1961, 317; FG Hamburg v. 10.10.1991 – V 298/88, EFG 1992, 332 – Wohnwagen auf Campingplatz, BFH v. 19.5.1993 – I R 80/92, BStBl. II 1993, 655 – Zweigniederlassung BFH v. 30.1.1981 – III R 116/79, BStBl. II 1981, 560
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
h) Betriebsstätte und elektronischer Handel1
2.151 Das Betriebsstättenkonzept als im 19. Jahrhundert entwickeltes Anknüpfungsmerkmal2 hat vor allem Produktions- und Handelsbetriebe vor Augen. Die Elemente Raum (= feste Geschäftseinrichtung) und Zeit (= Dauer) sind wesentliche Bausteine des Konzepts. Mit dem Aufkommen des Internets und den Möglichkeiten, dieses für die Geschäftstätigkeit zu nutzen, traten völlig neue Probleme auf, da die Elemente Raum und Zeit für das Internet keine oder eine geringe Rolle spielen. Beim elektronischen Handel, (E-Commerce), lassen sich zwei Formen unterscheiden: – Die Vertragsanbahnung erfolgt per Internet, die Lieferung im Wege des Versandhandels (Offline-Geschäft). – Die Lieferung erfolgt auf elektronischem Wege (Dateien, Programme, Bücher, Musik, Bilder) (Online-Geschäft).
2.152 Das Internet setzt beim Unternehmer, der die Produkte anbietet (Content-Provider [CP]), den Zugang zum Netz voraus, der ihm vom Internet-Service-Provider (ISP) ermöglicht wird. Der Kunde seinerseits muss Zugang zum Internet haben. Der ISP ermöglicht dem CP den „Internetauftritt“ mittels einer Website. Insgesamt lassen sich dabei physikalische Einheiten, die beteiligten Computer und das Leitungsnetz sowie die „virtuellen“ Inhalte unterscheiden. Beim internationalen E-Commerce ist die Ansässigkeit von Unternehmen und Kunde relativ einfach zu bestimmen, da sie den traditionellen Regeln folgt. Schwieriger ist es, die eigentlichen Internet-Faktoren zu lokalisieren. Dabei können i.d.R. die Leitungsnetze vernachlässigt werden, vor allem wenn die Inhalte per Funkwellen verbreitet werden (Internet per Mobiltelefon). Eine zentrale Funktion kommt jedoch der Computer-Anlage zu, auf der die Inhalte gespeichert sind und die Operationen ablaufen, wobei dies nicht auf einer einzigen Anlage (Server) erfolgen muss.
2.153 Steuerrechtlich stellte sich zuerst die Frage, ob auf das überkommene Betriebstättenkonzept zurückgegriffen oder ob neue Verstellungen für den E-Commerce entwickelt werden sollten.3 Vor allem die OECD4 befürwortete es, die Probleme unter Anwendung der bewährten Konzepte zu lösen. Somit dreht es sich um die Zentralfrage, welche Elemente des Internets eine Betriebsstätte begründen können. Dass die Website als solche hierzu nicht geeignet ist, entspricht einer weitverbreiteten5 Ansicht, obwohl technisch die Website meistens auch für einen gewissen Zeitraum auf einem Server fixiert ist. Sie selbst stellt aber selbst bei weitestem Verständnis keine Anlage oder Geschäftseinrichtung bzw. „place of business“ dar. 1 Vgl. auch Musil in H/H/Sp, § 12 AO Rz. 43 ff.; Löwenstein in Löwenstein/Looks/ Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung2, Rz. 1436 ff. 2 Vgl. Mössner in FS Vogel, 947 m.w.N. 3 Hierzu Doernberg/Hinnekens, Electronic commerce, 106 ff. 4 Vgl. OECD, Taxation and Electronic Commerce, Paris 2001, vgl. Kessler/Peter, IStR 2001, 238 m.w.N. 5 Art. 5 Rz. 42.3 OECD-MK, a.A. Spanien, Portugal, Art. 5 Rz. 45.6 OECD-MK.
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
Vielmehr handelt es sich nur um durch die Software bereitgestellte Information. Das Gleiche gilt für das Programm, mittels dessen die Operationen abgewickelt werden, wenn es dann überhaupt auf einem Server gespeichert ist und nicht von anderen zugespielt wird. Als feste Geschäftseinrichtung bzw. Anlage können nur die Server angesehen werden, sofern sie nicht mobil und von wechselnden Standorten aus ans Internet angeschlossen werden. Für den ISP dürfte der Server i.d.R. eine Betriebsstätte darstellen, da er sein Hauptgeschäft – Zugang zum Internet, Rechnerkapazität – mit dessen Hilfe seinen Kunden anbietet. Auch hat der ISP Verfügungsmacht über das Gerät, sein Personal wartet und betreibt diesen. Möglich ist jedoch auch, dass der Server in fremden Räumen steht und von Dritten gewartet wird, sobald dies erforderlich ist. Der ISP steuert den Computer fern, sodass beim Betrieb kein Personal des ISP zugegen ist und das Gerät selbsttätig arbeitet. Ob innerhalb der Geschäftseinrichtung eine dem Unternehmen zurechenbare menschliche Aktivität ausgeübt werden muss, ist noch nicht abschließend geklärt. Der BFH hatte im sog. Pipeline-Fall1 die Anwesenheit von Personen in der Betriebsstätte für entbehrlich gehalten. Diese Ansicht hat Widerspruch2 gefunden. Gleichwohl dürfte ein internationaler Konsens3 dahin gehend bestehen, dass die Anwesenheit von Personen nicht unbedingt erforderlich ist, wenn die Geschäfts-„Tätigkeit“ ohne eine solche erfolgt. Das Unternehmen (Content Provider) hat im Allgemeinen keine Verfügungsmacht über den Server des ISP:4 Er kann nicht bestimmen, auf welchem konkreten von mehreren Geräten das Programm abläuft und wie auf den jeweiligen Computer die Zuordnung erfolgt. Auch auf den Kunden-PC begründet das Unternehmen durch Download bzw. Upload ggf. von Cookies mangels Verfügungsmöglichkeit keine Betriebsstätte.5
2.154
Kennzeichen des Internets ist seine dynamische Entwicklung mit immer neuen technischen Erscheinungsformen, die das internationale Steuerrecht vor immer neue Probleme stellen, die kaum noch mit den überkommenen Konzepten zu lösen sind. Die neueste Entwicklung der sog. Cloud6 ändert nichts daran, dass letztlich der Ablauf der Programme und die Speicherung der Daten auf Servern auf festen Geräten erfolgen. Aller-
2.155
1 BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12; v. 7.7.1997 – I B 26/97, BFH/NV 1998, 19; hierzu vgl. Mössner in FS Vogel, 959, Buciek, DStZ 2003, 142 f. 2 Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 33a, dessen Merkmal der Sichtbarkeit zwar praktisch überzeugend, aber rechtlich irrelevant ist, siehe auch Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 24, 28 (differenzierend); a.A. Riemenschneider, IStR 2002, 561 (562). 3 Art. 5 Rz. 42.6 OECD-MK. 4 BFH v. 5.6.2002 – I R 86/01, BStBl. II 2002, 683 = IStR 2002, 638; FG Schl.-Holst. v. 6.9.2001 – II 1224/97, EFG 2001, 1535. 5 Ebenso Eckerle, in Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung2, Rz. 1451 ff. 6 Tappe, IStR 2011, 870.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
dings wird die Zuordnung von erbrachten Leistungen zu einzelnen Rechenzentren immer schwieriger. Die Provider verfügen oft in verschiedenen Ländern über entsprechende Zentren und können die Datenbestände je nach Auslastung hin- und herschieben. Dadurch wird es immer schwieriger, den Beitrag des einzelnen Zentrums zum Gesamtergebnis zu bestimmen. Man wird hier immerhin an die Kosten (Gebäude, Geräte, Wartung) anknüpfen. 4. Ständiger Vertreter
2.156 Inländische Einkünfte bezieht ein ausländisches Unternehmen auch, wenn für es im Inland ein ständiger Vertreter bestellt ist (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Damit tritt neben die sachliche Anknüpfung der Betriebsstätte eine weitere persönliche Anknüpfung. Bei ihrer Einführung im Jahre 1922 wurde sie damit begründet, dass beim ständigen Vertreter, trotz des Fehlens einer festen Anlage, die wirtschaftlichen Verhältnisse im Wesentlichen die gleichen seien wie bei der Betriebsstätte, d.h. wesentliche Unternehmensfunktionen wie der Vertragsabschluss im Inland ausgeführt werden.1 Was ein ständiger Vertreter ist, wurde vom Gesetz nicht definiert, sodass die Rspr.2 den Begriff ausgefüllt hat. Mit der AO 1977 wurde in § 13 AO eine Legaldefinition eingeführt: Danach ist Voraussetzung, dass eine Person „nachhaltig die Geschäfte eines Unternehmens besorgt und dabei dessen Sachweisungen unterliegt.“ Als Beispiele werden Vertragsabschlussagenten und Unterhaltung eines Warenlagers, von dem Auslieferungen vorgenommen werden, genannt.
2.157 Bedeutung gewinnt diese Anknüpfung durch Kommissionärsstrukturen3 und in internationalen Konzernen, etwa wenn ein Konzernunternehmen seine Produktpalette durch Angebote der Produkte anderer Konzernunternehmen abrundet. Auch im Bereich des Global Trading können bei Banken entsprechende Fragen auftreten, wenn eine rechtlich selbständige „Abteilung“ zentral aus Gründen des Risk-Managements bestimmte Funktionen ausübt, der Handel aber dezentral in den einzelnen ausländischen Gesellschaften erfolgt.4
2.158 Entstehungsgeschichte und systematischer Zusammenhang belegen, dass die Anknüpfung über den ständigen Vertreter subsidiär zur Betriebsstätte ist.5 Dies ist so zu verstehen, dass nach deutschem Steuerrecht der stän1 RT-Drucks. 1921, Nr. 2867, 5, abgedruckt im BStBl. II 1972, 788. 2 RFH v. 29.6.1934 – I A 56/33, RStBl. 1934, 1125; v. 13.9.1929 – I Aa 263/29, RFHE 25, 352. 3 Faix/Wangler, IStR 2001, 65; Prinz, FR 1996, 479; Timmermanns, IWB Fach 3, Gruppe 2, 805; Kroppen/Hüfmeier, IWB Fach 3, Gruppe 2, 637; Kroppen, IWB Fach 3, Gruppe 1, 1587. 4 Lüdicke in Fischer (Hrsg.), Besteuerung wirtschaftlicher Aktivitäten von Ausländern, 37. 5 So Reg.-Begr. § 12 AO, BT-Drucks. VI/1982, 104; Storck, Ausländische Betriebsstätten, 194 ff.; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten, 47; für das
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dige Vertreter unabhängig neben der Betriebsstätte steht,1 aber zurücktritt, wenn das ausländische Unternehmen insoweit über eine Betriebsstätte verfügt, sodass § 13 AO nur als Auffangtatbestand in Betracht kommt.2 Dies schließt aber nicht aus, dass Betriebsstätte und ständiger Vertreter nebeneinander mit unterschiedlichen Aufgaben in einem Staat gegeben sind. Nach heutigem Verständnis3 soll die Erfassung ausländischer Unternehmen via ständiger Vertreter gleiche Wettbewerbsverhältnisse zwischen solchen Unternehmen, die mit inländischen Niederlassungen arbeiten, und solchen, die inländische Kunden durch Vertreter betreuen, sichern. Aber es sollen nicht nur am inländischen Markt präsente Auslandsfirmen erfasst werden, sondern es soll verhindert werden, dass inländische Firmen Produktionen ins Ausland verlagern, um aber gleichwohl den inländischen Markt „ohne adäquate Steuerleistung“ zu beliefern. Das Konzept des ständigen Vertreters hat sich derart verfestigt, dass kritisch nicht mehr über seine Rechtfertigung nachgedacht wird. Der Kern des Problems liegt darin, welcher Gewinn des Unternehmens der inländischen Besteuerung bei Bejahung eines ständigen Vertreters unterworfen ist. Beispiel: Das Unternehmen A produziert elektronische Artikel. Produktionskosten pro Stück sind 100. Zu 150 gibt A die Produktion an den Handel ab. Dieser verkauft sie überwiegend zu 250. A hat eine eigene Verkaufsstätte, in der sie Artikel zu 240 verkauft, wobei noch eigene Kosten von 50 entstehen. Im ausländischen Staat Alpha unterhält A eine Verkaufsstätte. Dort werden die Waren zu 250 verkauft, wobei Kosten von 60 entstehen. Im Staat Beta vertreibt A die Produkte über einen Vertreter V für 250. Für seine Vermittlungstätigkeit erhält V eine Provision von 20 bei eigenen Kosten von 10. Die Lieferung erfolgt aus dem Stammhaus (weitere Versandkosten 40). Wie hoch wäre der in Beta zu versteuernde Gewinn, wenn V ständiger Vertreter wäre? Es kommen in Betracht: 1. 90 (250 ./. 40 ./. 100), 2. 40 (250 ./. 150 ./. 20 ./. 40), 3. 0 (20 ./. 20). Gegen 1. spricht entschieden, dass der gesamte Gewinn in Beta erfasst würde, obgleich sich kaum eine Funktion von A abspielt. Bei 2. würde auch der Liefergewinn Beta zugeordnet, obwohl die Lieferung vom Stammhaus aus erfolgte. 3. erfasst zutreffend die Funktion der Vertragsvermittlung, mündet aber in ein Nullsummen-
DBA-Recht ebenso Art. 5 Rz. 34 OECD-MK; Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 122. 1 Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 70. 2 Dies ist h.M. (vgl. Musil in H/H/Sp, § 13 AO Rz. 4), überzeugt aber nicht; es ist denkbar, dass neben einer Betriebsstätte auch ein ständiger Vertreter im Inland vorhanden ist; differenzierend zu Recht Buciek in Beerman/Gosch, § 13 AO Rz. 1; zutreffend auch Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 192. 3 So Loukota, SWI 1996, 101.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung spiel1 (siehe Rz. 2.163). Zu einem anderen Ergebnis kommt man nur, wenn man von einer reinen Zuordnung ohne Gewinnaufschlag ausgeht.
2.159 Ist der Vertreter selbst im betreffenden Land steuerpflichtig, so lässt sich an der Berechtigung einer Steuerpflicht des Prinzipals zweifeln, es sei denn, man würde dem ständigen Vertreter Gewinnanteile zuordnen, die nicht seiner Tätigkeit (Vertragsabschluss) entsprechen. Obwohl die bloße Lieferung ins Inland nicht zur Steuerpflicht des ausländischen Unternehmens führt, würde man eine solche dann doch auch diesbezüglich bejahen. Die Antwort hängt davon ab, welcher Natur der „Gewerbebetrieb“ (Vermittlungsbetrieb, Lieferbetrieb) ist, für den der Vertreter bestellt ist (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Nummer 34 OECD-MK stellt hierzu fest: „… so besteht eine Betriebsstätte des Unternehmens in dem Ausmaß, in dem die Person für das Unternehmen tätig wird, d.h. nicht nur insoweit, als die Person die Anschlussvollmacht im Namen des Unternehmens ausübt“ (im Discussion Draft v. 2.8.20042).
2.160 Das Konzept des ständigen Vertreters hat auch durch § 13 AO keine eindeutigen Konturen erhalten. Hierzu kommt die „Überlagerung“ durch die DBA-Regelungen, die z.T. abweichende Konzepte verfolgen. Schließlich hat die Verwaltung in R 49.1 Abs. 1 Satz 2 EStR 2008 für Kommissionäre und Makler Sonderbedingungen geschaffen. Nach deutschem Recht3 wird der ständige Vertreter durch folgende Merkmale bestimmt: – Person (Rz. 2.163), – Geschäftsbesorgung (Rz. 2.165), – Nachhaltigkeit (Rz. 2.164), – Weisungsgebundenheit (Rz. 2.166). In R 49.1 Abs. 1 Satz 2 EStR 2008 werden beispielhaft der Vertreter mit Abschlussvollmacht und der Vertreter mit Auslieferungslager genannt. R 49.1 Abs. 1 Satz 2 EStR 2008 verlangt für Kommissionäre und Makler, dass sie – außerhalb des Rahmens ihrer ordentlichen Geschäftstätigkeit – für das ausländische Unternehmen Geschäftsbeziehungen aufrechterhalten.
2.161 Damit ist eine Abgrenzung der beiden Anknüpfungen voneinander erforderlich. Es ist unzutreffend, wenn zu § 16 StAnpG der ständige Vertreter als fiktive Betriebsstätte bezeichnet wird.4 Vielmehr galt eine Geschäftseinrichtung des Unternehmens auch dann als dessen Betriebsstätte, wenn 1 Dagegen die OECD, Report 2008, Rz. 279; wie hier Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 731; Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 217. 2 Discussion Draft on the attribution of profits to permanent establishment – Part I (general considerations) unter www.OECD.org, 60 ff. 3 Zum russischen Konzept der Repräsentanzen vgl. Chebounov/Wassermeyer, IStR 2002, 372. 4 So Kruse in T/K, § 13 AO Rz. 1; Storck, Ausländische Betriebsstätten, 196.
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sie vom ständigen Vertreter genutzt wurde. In diesem Fall „dient“ die feste Einrichtung dem Betrieb des Unternehmens, sodass § 16 Abs. 2 Nr. 2 RAO nur klarstellende Bedeutung besaß. Da es entscheidend auf das Verfügungsrecht des Unternehmens ankommt (Rz. 2.106), liegt eine Betriebsstätte dann vor, wenn die Räume vom Unternehmen selbst oder von seinen Angestellten für die Zwecke des Unternehmens erworben oder angemietet werden. Sind zur Ausübung der Unternehmenstätigkeit keine festen Einrichtungen erforderlich, z.B. Wartungen technischer Anlagen, Reisende etc., so lehnt es die Rspr.1 ab, Privatwohnungen oder Hotelzimmer der Reisenden zu Geschäftseinrichtungen des Unternehmens umzudeuten; denn diese dienen nicht unmittelbar den Unternehmenszwecken. Bei rechtlich selbständigen Vertretern verfügt das ausländische Unternehmen überhaupt nicht über eine feste Einrichtung. Schon daran scheitert das Merkmal der Betriebsstätte. Verfügen Unternehmer und selbständiger Vertreter gemeinsam über Geschäftseinrichtungen, so stellt die Rspr. darauf ab, inwieweit das ausländische Unternehmen selbst in den gemeinsamen Räumen tätig werden kann.2 Im Einzelfall ist dies Tatfrage. Somit ist die Anknüpfung an den ständigen Vertreter möglich – bei Angestellten eines ausländischen Unternehmens, wenn keine Geschäftsräume im Inland vorhanden sind, – bei selbständigen Vertretern und – bei unklaren Verhältnissen hinsichtlich der Verfügungsmacht über inländische feste Einrichtungen. Nach § 13 AO machen drei Kriterien eine Person zum selbständigen Vertreter: – Nachhaltigkeit,
2.162
– Geschäftsbesorgung und sachliche Weisungsgebundenheit. Auch beim ständigen Vertreter sind die Sonderregelungen der DBA zu beachten. Als Vertreter (Rz. 2.156) kommen natürliche und juristische Personen in Betracht.3 So kann auch eine inländische GmbH oder AG, wenn sie mit einer ständig ausgeübten Abschlussvollmacht als Verkaufsagentin ihres ausländischen Gesellschafters tätig ist, dadurch die Betriebsstättenbesteuerung des ausländischen Prinzipals herbeiführen. Die ausländische Gesellschaft wird hier beschränkt steuerpflichtig in Bezug auf diejenigen Einkünfte, die aus der Tätigkeit des Vertreters resultieren. Das sind i.d.R. die Vertreterprovisionen, selten jedoch auch der Gewinn aus den Ver1 RFH v. 11.3.1942 – VI B 1/41, RStBl. 1942, 801 = RFHE 47, 259; BFH v. 21.2.1963 – I B 98/61, StRK StAnpG § 16 R. 24. 2 BFH v. 10.5.1961 – IV 155/60 U, BStBl. III 1961, 317 (318); v. 18.3.1976 – IV R 168/72, BStBl. II 1976, 365. 3 Kruse in T/K, § 13 AO Rz. 2.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
kaufsgeschäften selbst.1 Denn der Betriebsstätte sind nur diejenigen Gewinne zuzurechnen, die sie hätte erzielen können, wenn sie die gleiche Tätigkeit – also die Handelsvertretertätigkeit – als selbständiges Unternehmen ausgeübt hätte. Diese Vertreterprovisionen scheiden also als eigene Einkünfte der GmbH oder AG aus und sind bei der beschränkt steuerpflichtigen ausländischen Gesellschaft als deren Einkünfte zu erfassen (siehe Rz. 2.158). Die tatsächlich an den Vertreter gezahlten Beträge stellen allerdings keine Betriebsausgaben dar, allenfalls in der Höhe, in der ein Angestellter zu entlohnen wäre. Wegen der Eigenständigkeitsfiktion kommt es jeweils auf die Verhältnisse des Einzelfalls an (im Übrigen vgl. Rz. 2.167).
2.164 Nachhaltigkeit. Wie die Betriebsstätte eine gewisse Dauer haben muss, so führt auch nur der ständige Vertreter zur Anknüpfung. § 13 AO verwendet demgemäß zweimal das Wort „nachhaltig“. Nur die Verbindung durch eine dauernde Vertretung zum Inland begründet die beschränkte Steuerpflicht; die nur gelegentliche Entsendung von Reisenden reicht nicht aus.2 Wann allerdings dem Erfordernis der Nachhaltigkeit Genüge getan ist, sagt das Gesetz nicht. Da die Anknüpfung nicht an eine feste Einrichtung, sondern an das Verhalten eines Menschen erfolgt und da der Gesetzgeber wirtschaftliche Gleichheit beider Kriterien unterstellt, kann es weder auf die Absicht, wiederholt tätig zu werden, noch auf bloße Wiederholungen ankommen. Entscheidend ist die Planmäßigkeit des Handelns von Anfang an.3 Insbesondere drückt sich diese in den vertraglichen Abmachungen der Beteiligten aus. Das Moment der Dauer bezieht sich dabei sowohl auf die zwischen dem ausländischen Unternehmen und dem ständigen Vertreter getroffene Regelung über die Vertretungsmacht als auch auf den inländischen Aufenthalt des Vertreters, denn die Selbständigkeit bezieht sich auch auf das Inland. Ob sich die Kriterien des gewöhnlichen Aufenthaltes, insbesondere die Sechs-Monats-Frist, anbieten,4 erscheint fraglich, da es nicht darauf ankommt, dass der ständige Vertreter unbeschränkt steuerpflichtig ist, sondern dass die Vertretung ständig im Inland wahrgenommen wird. Insofern findet sich auch hier eine objektive, wenn auch durch Personen vermittelte, Anknüpfung. Aber sicher wird ein Vertreter ein ständiger sein, wenn er seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Im Übrigen kommt es auf die Regelmäßigkeit an, mit der sich der Vertreter im Inland aufhält. Auch dieser Aufenthalt muss nachhaltig sein, sodass man ihn als ständig bezeichnen kann.5 Andernfalls würde es über das Kriterium des Vertreters auch für gewerbliche 1 Vgl. Sieker, BB 1996, 985, siehe auch Rz. 2.114; a.A. Runge in Maßbaum u.a., Unternehmensbesteuerung, 1994, 972; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 730 f.; Endres, IStR 1996, 4. 2 BFH v. 3.6.1954 – V 262/53 U, BStBl. III 1954, 238; v. 27.11.1963 – 1335/60 U, BStBl. III 1964, 76; v. 28.6.1972 – I R 35/70, BStBl. II 1972, 785. 3 So auch Kruse in T/K, § 13 AO Rz. 6. 4 So Musil in H/H/Sp, § 13 AO Rz. 10. 5 Ebenso Lüdicke, IStR 2003, 164 (165); einschränkend Görl in V/L5, Art. 5 OECDMA Rz. 121.
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
Einkünfte zum Tätigkeitsprinzip (Rz. 2.87) kommen.1 Daher verdient das BMF v. 11.10.20022 keine Zustimmung. Geschäftsbesorgung. Der Vertreter muss Geschäfte für das Unternehmen 2.165 besorgen. Der Begriff der Geschäftsbesorgung ist hierbei nicht i.S. eines rechtlichen Fachterminus gemeint, vielmehr soll er umschreiben, dass der Vertreter im Rahmen des Unternehmens wirtschaftlich tätig wird. Der Vertreter wird gleichsam als Teil des Unternehmens im Inland tätig, indem er anstelle des Unternehmens Handlungen vornimmt, die in dessen Betrieb fallen.3 Dies ist nicht die Ausführung von Überweisungen durch eine Bank.4 Dass es sich um Hilfsgeschäfte handelt, ist jedoch unerheblich. Auch wenn das Gesetz vom Vertreter spricht, ist damit nicht das Vorliegen einer Vertretungsmacht i.S.d. §§ 164 ff. BGB erforderlich.5 Es entscheidet die faktische „Geschäftsbesorgung“, nicht die rechtliche Ausgestaltung. § 13 Satz 2 AO nennt als Beispiele: Vertragsabschluss, Vertragsvermittlung, Hereinholung von Aufträgen, Unterhaltung von Lägern und Auslieferung aus diesen.6 Neben rechtsgeschäftlichen Handlungen kommen auch tatsächliche in Betracht.7 Auch diese Beispiele machen deutlich, dass die Fremdnützigkeit wichtiger als die Form des Auftretens ist. Daher ist auch gleichgültig, in wessen Namen der Vertreter nach außen hin auftritt.8 Die Anknüpfung geschieht, weil sich Tätigkeit des Unternehmens im Inland verwirklicht. Nur dies rechtfertigt die Zurechnung. Damit entfällt auch die früher von der Rspr. erhobene Forderung, der Vertreter müsse außerhalb seines eigenen Gewerbes für das Unternehmen tätig sein.9 Dies hatte der BFH bereits mit Urt. v. 28.6.197210 aufgegeben. Ständiger Vertreter kann auch sein, wer ausschließlich die Geschäfte des Unternehmens besorgt. Dies leuchtet auch ein. Denn, wenn ein Vertreter nur für ein einziges Unternehmen tätig ist, so ist die Anknüpfung eher gerechtfertigt, als wenn der Vertreter noch eine umfangreiche eigene Tätigkeit entfaltet. Es geht ja immer darum, ob das ausländische Unternehmen selbst beschränkt steuerpflichtig ist. Somit kommen alle Geschäfte in Betracht, mit denen die Unternehmens-
1 Vgl. BFH v. 18.12.1990 – X R 82/89, RIW 1991, 356; FG Nds. v. 4.7.1991 – VI 480/89, RIW 1991, 1055. 2 BMF v. 11.10.2002 – IV B 6 - S 1301 Ndl-39/02, BStBl. I 2002, 957 = IStR 2002, 850. 3 BFH v. 14.7.1971 – I R 127/68, BStBl. II 1971, 776; v. 30.4.1975 – I R 152/73, BStBl. II 1975, 626 (628). 4 Scholtz in Koch/Scholtz, § 13 AO Rz. 4. 5 BFH v. 12.4.1978 – I R 136/77, BStBl. II 1978, 494 (496). 6 Anschauliche Tätigkeitsbeschreibung FG München v. 11.6.2002 – 13 K 3487/01, EFG 2002, 1426 = DStRE 2003, 23 (BFH Az. I R 62/02). 7 BFH v. 14.7.1971 – I R 127/68, BStBl. II 1971, 776. 8 BFH v. 28.6.1972 – I R 35/70, BStBl. II 1972, 785. 9 BFH v. 10.5.1961 – IV 155/60 U, BStBl. III 1961, 317; v. 24.1.1968 – I B 125/64, BStBl. II 1968, 313 (314 f.); v. 14.7.1971 – I R 127/68, BStBl. II 1971, 776 (778). 10 BFH v. 28.6.1972 – I R 35/70, BStBl. II 1972, 785.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
zwecke unmittelbar gefördert werden.1 Ausgeführt können sie werden durch Agenten, Handelsvertreter, Kommissionäre, Spediteure, Makler, Agenten und dergleichen.2
2.166 Sachliche Weisungsbefugnis. Nach § 13 AO ist ständiger Vertreter, wer den „Sachweisungen“ des ausländischen Unternehmens unterliegt. Damit grenzt das Gesetz sachliche von persönlichen Weisungen ab. Eine persönliche Abhängigkeit hatte der BFH bereits im Urt. von 19723 nicht mehr verlangt. Unproblematisch sind die Fälle, in denen die persönliche Abhängigkeit besteht, wie dies bei Arbeitnehmern des Unternehmens der Fall ist, z.B. Prokurist, Handlungsbevollmächtigter. Eine besondere Stellung nehmen Organe juristischer Personen, vor allem Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften und Geschäftsführer von GmbH ein.4 Deren Handlungen werden der juristischen Person als deren eigene zugerechnet.5 Nach der sog. Organtheorie können sie nicht zugleich ständiger Vertreter sein.6 Sie sind das Unternehmen gleichsam selbst. Bei anderen entscheidet, ob der Wille des ausländischen Unternehmens maßgebend das Handeln des Vertreters bestimmt: Dann ist die Anknüpfung hinsichtlich des Unternehmens gerechtfertigt. Daher kann auch ein selbständiger inländischer Unternehmer ständiger Vertreter sein. Die Fragen, ob hierbei eine allgemeine Weisungsgebundenheit ausreicht oder ob das ausländische Unternehmen aktiv und ständig in die Geschäftsführung des Vertreters eingreifen muss,7 werfen in der Praxis kaum Probleme auf. Die Befugnis, Einzelanweisungen zu erteilen, muss genügen, wenn der Vertreter zur Zufriedenheit des Vertretenen handelt. Dass der Vertretene sich letztlich durchsetzen kann, entscheidet, nicht wie beide miteinander faktisch auskommen.
2.167 Obwohl die Kriterien klar und eindeutig erscheinen, ist deren Anwendung im Einzelfall oft problematisch. Nur eine exakte Analyse der rechtlichen und faktischen Verhältnisse erlaubt ein Urteil. Dies zeigt sich
1 Kruse in T/K, § 13 AO Rz. 4. 2 BFH v. 12.4.1978 – I R 136/77, BStBl. II 1978, 494 (496); v. 28.7.1982 – I R 196/79, BStBl. II 1983, 77 (80); Kumpf, Besteuerung, 51. 3 BFH v. 28.6.1972 – I R 35/70, BStBl. II 1972, 785. 4 FG Nürnberg v. 27.11.1984 – I (VI) 27/80, n.v.; FG Nds. v. 4.7.1991 – VI 480/89, RIW 1991, 1055. FG Düsseldorf v. 16.2.2002 – 15 K 8624/99, DStRE 2003, 1059; Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 114; Musil in H/H/Sp, § 13 AO Rz. 5a; a.A. FG München v. 28.5.1998 – 7 V 1/98, DStRE 1998, 177; Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 201b. 5 Der Unternehmer kann aber nicht sein Vertreter sein. BFH v. 18.12.1990 – X R 82/89, BStBl. II 1991, 395; zumindest dies ist unstreitig, vgl. z.B. Wassermeyer in D/W, Art. 5 OECD-MA Rz. 201b. 6 Wie hier Kruse in T/K, § 13 AO Rz. 3; Schwarz/Frotscher, § 13 AO Rz. 5; Buciek in Beermann/Gosch, § 13 AO Rz. 7.1; a.A. Musil in H/H/Sp, § 13 AO Rz. 5a. 7 BFH v. 12.4.1978 – I R 136/77, BStBl. II 1978, 494 (497): durch den Willen des Unternehmers entscheidend bestimmt.
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
bspw. bei Künstleragenturen.1 Diese sind vertraglich verpflichtet, die Karriere des (ausländischen) Künstlers im Inland zu fördern und zu diesem Zweck Beschäftigungsmöglichkeiten für diesen im Inland zu suchen. Selbst wenn der Künstler sich den förmlichen Vertragsschluss vorbehält, wird doch faktisch die gesamte Vertragsabwicklung (Vertragsverhandlung, Organisation des Auftritts, Abrechnung) von der Agentur erbracht, sodass durchaus eine Geschäftsbesorgung vorliegt. Wie jedoch die Weisungsbefugnisse zwischen Künstler und Agentur verteilt sind, hängt faktisch vom Bekanntheitsgrad des Künstlers ab. Der internationale Star bestimmt, was die Agentur zu tun hat, der unbekannte Newcomer muss springen, wenn die Agentur ihn ruft. Da sich die Verhältnisse im Laufe der Zeit, ja vielleicht von Auftritt zu Auftritt ändern können, sollten nicht nur die Verträge eindeutig gefasst sein, sondern auch die Anwendung von § 13 AO möglichst restriktiv erfolgen, indem sie auf eindeutige Umstände gestützt wird. Ständiger Vertreter nach DBA. Obgleich alle deutschen DBA2 die persönliche Anknüpfung über einen ständigen Vertreter anerkennen, bestehen dennoch erhebliche Unterschiede zum nationalen Recht. Bereits rechtstechnisch schlagen die DBA einen anderen Weg ein. Da Art. 7 OECD-MA für die Unternehmensbesteuerung – anders als § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG – nur die Betriebsstätte als Anknüpfungskriterium kennt, fingiert Art. 5 Abs. 5 OECD-MA bei einem ständigen Vertreter eine Betriebsstätte des Unternehmens. Sachlich unterscheidet sich diese Vertreterbetriebsstätte von § 13 AO dadurch, dass gem. Art. 5 Abs. 5 und 6 OECD-MA der Begriff nach Abkommensrecht
2.168
– nur nichtselbständige Vertreter umfasst, nicht aber unabhängige (Rz. 2.170 f.), – Abschlussvollmacht und deren gewöhnliche Ausübung voraussetzt (Rz. 2.172) und – bei ausschließlicher Vorbereitungs- und Hilfstätigkeit (Rz. 2.143) entfällt. Somit ist der Abkommensbegriff enger als der des § 13 AO, sodass es zu einer entsprechenden Eingrenzung der beschränkten Steuerpflicht kommt (Rz. 2.138 f.). Eine „Vertreterbetriebsstätte“ ist nicht gegeben, wenn es sich um einen unabhängigen Vertreter3 handelt (Art. 5 Abs. 5 i.V.m. Abs. 6 OECD-MA (Rz. 2.170) und dieser sich mit seiner Tätigkeit für das Unternehmen im Rahmen seiner eigenen „ordentlichen“ (ordinary) Geschäfts-
1 Auch Model-Agenturen u.Ä. vgl. Grams, Besteuerung von beschränkt steuerpflichtigen Künstlern, 165 f.; Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, 160 f. 2 Übersicht Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 122. 3 Als Beispiele sind der Makler, der Kommissionär oder ein anderer unabhängiger Vertreter genannt.
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2.169
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
tätigkeit hält (Rz. 2.171). Nach OECD-MK1 „versteht es sich von selbst“, dass ein eigenständiges Unternehmen keine Betriebsstätte eines anderen darstellen könne, sodass Art. 5 Abs. 6 OECD-MA nur klarstellende Funktion besitze. Wird eine der beiden Voraussetzungen der Ausnahme nicht erfüllt, so kommt sie nicht zur Anwendung.
2.170 Die Ausnahme des Art. 5 Abs. 6 OECD-MA ist wie zuvor erörtert ganz von der Vorstellung bestimmt, dass ein eigenständiges Unternehmen nicht Betriebsstätte eines anderen Unternehmens sein könne. Der Begriff der Unabhängigkeit ist folglich unter diesem Aspekt auszulegen. Zunächst ist festzustellen, dass die Unabhängigkeit sowohl rechtlich als auch faktisch gegeben sein muss.2 Nr. 38 OECD-MK macht die Unabhängigkeit vom „Ausmaß der Verpflichtungen des Vertreters gegenüber dem Unternehmen“ abhängig. Als Kriterien für eine Abhängigkeit nennt er: eingehende Anweisungen, umfassende Aufsicht, Übernahme des Unternehmerrisikos. Der BFH3 hat die sachliche von der persönlichen Abhängigkeit unterschieden. Sachliche Abhängigkeit bedeute Weisungsbindung, persönliche die Eingliederung in den Betrieb des Unternehmens. Sachliche Abhängigkeit würde nicht ausreichen, um die Unabhängigkeit des Vertreters zu beseitigen, „denn sachlich abhängig, d.h. weisungsgebunden, ist jeder Makler, Kommissionär oder Vertreter, mit dem das ausländische Unternehmen im Inland Geschäftsbeziehungen unterhält.“ Sachliche Abhängigkeit ist notwendig, um überhaupt von einem Vertreter sprechen zu können.4 Daher müsse neben der sachlichen Weisungsgebundenheit auch die persönliche Abhängigkeit in einem dem arbeitsrechtlichen Direktionsrecht vergleichbarem Maße vorliegen.5 Diese Auslegung berücksichtigt m.E. die Hinweise im OECD-MK nicht ausreichend. Aus dem Zusammenspiel von Art. 5 Abs. 5 und 6 OECD-MA folgt, dass nicht die Abhängigkeit definiert wird – sie ist nach Abs. 5 die Regel –, sondern die Unabhängigkeit als Ausnahme nach Abs. 6. Die h.M. kehrt diese Beziehung um, indem sie Unabhängigkeit durch fehlende Abhängigkeit ersetzt. Wann liegt z.B. eine „dem Arbeitsverhältnis vergleichbare umfassende Arbeitspflicht“ vor, die nicht zu einem Arbeitsverhältnis führt? Das Abkommensrecht stellt auf das Ausmaß der Abhängigkeit ab und nicht darauf, ob sie inhaltlich einem Arbeitsrechtsverhältnis ähnlich ist. Allerdings: Detailliertes und umfassendes Direktionsrecht, sowie fehlendes persönliches, wirtschaftliches Risiko kennzeichnen auch die Stellung von Arbeitnehmern, die aber auch darüber hinaus noch organisatorisch in den Betrieb eingegliedert sind. Entscheidend kommt es für Art. 5 Abs. 6 OECD-MA auf die wirtschaftlichen und tatsächlichen Um1 Art. 5 Nr. 35 f. OECD-MK. 2 So Art. 5 Nr. 37 f. OECD-MK; verneinend: Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 145 ff. 3 BFH v. 30.4.1975 – I R 152/73, BStBl. II 1975, 626 zu Art. 5 DBA-Niederlande = OECD-MA. 4 So Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 145. 5 Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 145; ebenso Häck in F/W/K, Art. 5 DBA Deutschland-Schweiz Rz. 25; Kumpf, Besteuerung, 51 f.
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
stände an.1 Wer faktisch oder rechtlich umfassend weisungsgebunden ist, wird nicht bereit sein, das wirtschaftliche Risiko für Maßnahmen zu tragen, auf die er überhaupt keinen Einfluss hat.2 Die Unterscheidung zwischen sachlicher und persönlicher Abhängigkeit verliert ihre Bedeutung, wenn die sachliche Weisungsbefugnis umfassend ist. Ob ein Arbeitsverhältnis oder ein diesem vergleichbares Rechtsverhältnis besteht, ist demgegenüber unerheblich. Wegen der Gesetzgebungstechnik von Art. 5 Abs. 5 und 6 OECD-MA – Abhängigkeit als Regel, Unabhängigkeit als Ausnahme – ist im Einzelfall zu prüfen, ob der Vertreter einen gewissen eigenen Entscheidungsspielraum besitzt und ganz oder teilweise das wirtschaftliche Risiko trägt. Da somit der Begriff des unabhängigen Vertreters relativ weit gefasst ist, verlangt Art. 5 Abs. 6 OECD-MA als zweite Bedingung, dass dieser „im Rahmen seiner ordentlichen Geschäftstätigkeit“ handelt. Daraus ergibt sich zweierlei: 1. Der Vertreter muss einen eigenen Geschäftsbetrieb unterhalten. 2. Er darf den Bereich dieser Geschäfte nicht überschreiten. Fehlt es hieran, so begründet auch ein unabhängiger Vertreter eine (fiktive) Betriebsstätte. Der Rahmen der ordentlichen Geschäftstätigkeit soll sich nach einem Urt. des BFH von 1975 an der Verkehrsüblichkeit nach Lage des Einzelfalles ausrichten.3 Dies ist so zu verstehen, dass auf das allg. Übliche im Rahmen des betreffenden Berufes abzustellen ist, sodass im Zweifel durch ein Gutachten der zuständigen Kammer der Standpunkt der beteiligten Wirtschaft zu ermitteln wäre. Dafür spricht auch der englische Begriff des „ordinary course of business“. Ordentlich sind solche Geschäfte, die der Vertreter gewöhnlich im Rahmen seines Geschäftes abwickelt. So hatte das FG Hamburg4 auf das aktuelle Tätigkeitsfeld abgestellt. Dies hat der BFH bestätigt.5 Nicht kommt es darauf an, dass der Vertreter selbst üblicherweise entsprechende Geschäfte getätigt hat. Er bestimmt zwar sein Tätigkeitsfeld, aber nicht, was innerhalb dessen üblich ist.6 Auch wenn nur ein einziger Berufsangehöriger eine solche Tätigkeit ausübt,7 diese jedoch nach der Verkehrsanschauung innerhalb des Berufsbildes liegt und dem Aufgabenbereich des Geschäftszweiges entspricht, so liegt sie im Rahmen der ordentlichen Geschäftstätigkeit. Der Begriff ist somit weit auszulegen, sodass es zu einer nicht unerheblichen Begrenzung nationalen Rechts kommen kann. Dies hat der BFH 1994 bestätigt.8 Maßgebend ist für das Gericht, dass es nur dann 1 Ebenso Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 147. 2 Deshalb erklärt Nr. 38 OECD-MK als wichtiges Merkmal, wer das Unternehmerrisiko zu tragen habe. 3 So BFH v. 30.4.1975 – I R 152/73, BStBl. II 1975, 626 (628). 4 FG Hamburg v. 12.2.1981 – II 149/78, EFG 1981, 479. 5 BFH v. 23.9.1983 – III R 76/81, BStBl. III 1984, 94 (96). 6 Ähnlich Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 150. 7 Es handelte sich um sog. Container-Operating durch einen Schiffsmakler. 8 BFH v. 14.9.1994 – I R 116/93, BStBl. II 1995, 238.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
zur vom DBA angestrebten klaren Regelung kommt, wenn ein objektivierter abstrakter Vergleichsmaßstab zugrunde gelegt werde. Dies kann bei Berufen mit branchenüblichen, weiten Geschäftsbereichen zu einer entsprechenden Einschränkung des Betriebsstättenbegriffs führen.
2.172 Der Vertreter muss Abschlussvollmacht besitzen und diese nachhaltig („gewöhnlich“) ausüben. Dabei muss sich die Vollmacht auf Tätigkeiten erstrecken, die die eigentliche Unternehmenstätigkeit darstellen, und sie muss im anderen Staat ausgeübt werden.1 Vollmacht bedeutet das Recht, für einen anderen zu handeln, ihn also rechtlich zu binden.2 Daher fallen Makler und Kommissionäre heraus, da sie nicht mit Außenwirkung ihre Auftraggeber binden können.3 Auch bei der Anscheins- und Duldungsvollmacht besteht rechtliche Bindungsmacht. Fraglich ist, ob der Begriff noch darüber hinausgeht und auch solche Fälle erfasst, in denen der Vertreter die Verträge „abschlussreif“ macht, diese jedoch formaliter vom Unternehmen im anderen Staat unterschrieben werden. Einigkeit besteht im Ergebnis darin, dass ein derartiges Verhalten der Spaltung kaufmännischer und rechtlicher Befugnisse nicht eine ansonsten gegebene Vertreterbetriebsstätte aufhebt.4 Dies mit einer faktischen, wirtschaftlichen Abschlussvollmacht zu begründen5 überzeugt mehr, als eine Umgehung nach § 42 AO zu konstruieren. Entspricht es der ständigen Praxis, dass die unterschriftsreifen Verträge des Vertreters im Unternehmen nur abgezeichnet werden, so entsteht ein faktischer Zwang zur Unterschrift, um den Vertreter nicht zu desavouieren. Diese Auslegung wird dadurch bestärkt, dass das Verhalten nachhaltig sein muss, also einmaliger oder gelegentlicher Abschluss nicht ausreicht. Dabei muss nicht immer die gleiche Person handeln, es reicht eine Vertreterstelle6 aus, solange die Funktion der Stelle gleichbleibt.
2.173 Auch wenn die einzelnen deutschen DBA prinzipiell dem OECD-MA folgen,7 so können sie doch in Details Abweichungen8 enthalten. Diese betreffen Versicherungen, die in Nr. 38 OECD-MK angesprochen und in den Abkommen mit Ägypten, Argentinien, Belgien, Brasilien, Elfenbeinküste, Frankreich, Indonesien, Jamaika, Kenia, Luxemburg, Philippinen, Tunesien und den USA 1989 hervorzuheben sind. Kernpunkt ist, dass die 1 Art. 5 Nr. 32 OECD-MK. 2 FG Berlin v. 3.12.1969 – VI 86/89, EFG 1970, 327. 3 Zu anderen Vorstellungen im common law siehe Avery Jones/Ward, BTR 1993, 354. 4 Strobl/Kellmann, AWD 1969, 405 (406); Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 149. 5 So DBA-Malaysia, Prot. Nr. 3 zu Art. 5; Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 149; Strobl/Kellmann, AWD 1969, 405 (406). 6 Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 143. 7 Zu den älteren Abkommen, die insbesondere auch beim Vertreter die Kriterien einer Betriebsstätte, d.h. eine Geschäftseinrichtung des Unternehmens, voraussetzen, vgl. 3. Auflage dieses Buches: Bellstedt, Besteuerung, S. 36. 8 Zusammenstellung Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 156 ff.
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
Gelegenheit des versicherten Risikos eine Betriebsstätte begründet, bzw. wird es als ausreichendes Anknüpfungskriterium anerkannt.1 In den Abkommen mit Österreich und einer Reihe von Entwicklungsländern2 wird der „Bestellvertreter mit Auslieferungslager“ als Betriebsstätte behandelt, wobei einige Abkommen auch eine Vollmacht zur Auslieferung verlangen.3 Weitere Besonderheiten enthalten die DBA mit Indien, Pakistan, Sri Lanka, Thailand, Österreich und Kanada. Nach den DBA mit Indien und Thailand wird eine Person, die in einem der Gebiete für ein Unternehmen des anderen gewerblich tätig ist, u.a. auch dann als Betriebsstätte behandelt, wenn sie in dem Gebiet gewöhnlich Aufträge ausschließlich oder fast ausschließlich für das Unternehmen selbst oder für Konzernunternehmen einholt.4 Hier wird also nicht auf die Abschlussvollmacht abgestellt, sondern auf die besonders starke Bindung zum ausländischen Unternehmen.
IV. Einkünfte aus Kapitalvermögen 1. Überblick Die beschränkte Steuerpflicht bei Kapitaleinkünften ist unübersichtlich geregelt. Dies beruht zum einen darauf, dass bereits § 20 EStG die Kapitaleinkünfte nicht mit einer Generalklausel definiert, sondern einzeln aufzählt, und zum anderen darauf, dass § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG nicht alle in § 20 EStG genannten Arten aufnimmt und kein einheitliches Kriterium für die Inlandseigenschaft verwendet. Der eingeschränkten Themenstellung dieses Buches entsprechend konzentriert sich die folgende Darstellung auf die Besteuerung von Dividenden und stillen Gesellschaften. Dabei ergibt sich folgendes Bild: Art der Kapitaleinkünfte
Inlandskriterium
Gewinnanteile an Kapitalgesellschaften Geschäftsleitung oder Sitz der Kapital(§ 20 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, 2 EStG) gesellschaft im Inland (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG) Stille Gesellschaft (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG)
Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz des Unternehmens bzw. Unternehmers im Inland (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG)
Hypotheken und Grundschulden (§ 20 Abs. 1 Nr. 5 EStG)
Belegenheit des Grundstücks im Inland (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c EStG)
1 2 3 4
Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 155 f. mit weiteren Einzelheiten. Übersicht Kumpf, Besteuerung, 53; Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 155. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 147 ff. Art. II Abs. I ee iii DBA-Indien; Art. 5 Vc DBA-Thailand.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung Art der Kapitaleinkünfte
Inlandskriterium
Zinsen bei Lebensversicherungen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG)
Geschäftsleitung oder Sitz der Versicherung im Inland (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG)
Zinsen im Allgemeinen (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG)
Nur bei Sicherung durch Grundbesitz (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c EStG)
Die das deutsche Einkommensteuerrecht im Bereich der Kapitaleinkünfte prägende Unterscheidung1 zwischen dem Vermögensstamm und den Erträgen aus diesem ist durch die Einführung2 von § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG ab Veranlagungszeitraum 2009 für Anteile an Kapitalgesellschaften im Privatvermögen aufgegeben worden; gleichwohl werden für die entsprechenden Veräußerungsgewinne unterschiedliche Inlandskriterien vorgesehen (vgl. Rz. 2.204 ff.). 2. Dividenden
2.175 Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören Dividenden zu den Einkünften aus Kapitalvermögen. Um Dividenden handelt es sich nach dieser Bestimmung, wenn folgende Merkmale erfüllt sind: – Gewinnanteile, Ausbeuten oder sonstige Bezüge, – aus Aktien, – Genussscheinen, mit denen das Recht am Gewinn und Liquidationserlös einer Kapitalgesellschaft verbunden ist, – aus Anteilen an GmbH, an Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, Kolonialgesellschaften und an Bergbau betreibenden Vereinigungen, die die Rechte einer juristischen Person haben sowie – verdeckte Gewinnausschüttungen (vgl. Rz. 2.184).
2.176 Damit werden alle Ausschüttungen von Gewinnen erfasst, gleich in welcher Gestalt (vgl. Rz. 2.185), auf der Grundlage gesellschaftsrechtlicher Beteiligungen an den näher aufgeführten Gesellschaften. Rückzahlungen von Eigenkapital, soweit diese nicht aus Einlagen der Gesellschafter gebildet wurden (sonst vgl. Rz. 2.185), stellen keine Dividende dar. Es handelt sich vielmehr in ihrem Falle um Vorgänge in der Vermögenssphäre, die je nachdem, ob sie im Privatvermögen oder Betriebsvermögen realisiert werden, unterschiedlich behandelt werden. Kennzeichnend für die Eigenkapitalfinanzierung durch die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft sind in Abgrenzung zur Fremdkapitalfinanzierung:
1 Jochum/Wassermeyer in K/S/M, § 20 EStG Rz. A37 ff. 2 Durch das UntStRG 2008 v. 14.8.2007, BGBl. I 2207, 1912.
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit Merkmal
Eigenkapital
Fremdkapital
Ausweis bei KapGes
als Eigenkapital
als Fremdkapital
Mitwirkungsrechte
gegeben
nicht gegeben
Entgelt
gewinnabhängig (variabel)
fix
Rückzahlungsbetrag
abhängig vom Liquidationserlös (variabel)
fix
Dauer
Existenz der Gesellschaft feste Laufzeit
Durch unterschiedliche Kombination der einzelnen Merkmale lassen sich hybride Finanzinstrumente1 konstruieren. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG stellt im Zusammenhang mit Genussrechten2 auf die Variabilität der Vergütung und des Rückzahlungsbetrages ab, um sie Dividenden zuzuordnen. Grundlage dieser Regelung ist das sog. Trennungsprinzip, nach dem der Gewinn der Körperschaften, die eigene Steuerrechtsubjekte sind, diesen zugerechnet wird. Bei den Gesellschaftern wird er steuerlich erst zu dem Zeitpunkt erfasst, in dem er diesen zufließt. Die Unterscheidung der Gewinne in thesaurierte und ausgeschüttete bestimmt somit das System. In § 1 Abs. 1 KStG werden die Körperschaften, die eigene Steuersubjekte sind, bestimmt. Der Vergleich mit § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG ergibt, dass einige Körperschaften i.S.d. § 1 Abs. 1 KStG nicht als ausschüttende Gesellschaften in § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG aufgeführt sind.3 Ob es sich in § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG um eine abschließende oder beispielhafte Aufzählung handelt, ergibt sich nicht eindeutig aus dem Gesetz. Soweit jedoch Mitgliedschaftsrechte mit Einflussnahmemöglichkeiten bestehen und die Gesellschaft Gewinn erzielt, entspricht es dem Trennungsprinzip, Gewinntransfer von der Körperschaft auf ihre Mitglieder bei diesen als Kapitaleinkünfte zu behandeln.4
1 Hierzu Lang, Hybride Finanzierungen im internationalen Steuerrecht, Wien 1991; Briesemeister, Hybride Finanzierungsinstrumente im Ertragsteuerrecht, Düsseldorf 2006, 12 ff. 2 Vgl. hierzu FG Köln v. 11.12.2003 – 2 K 7273/00, EFG 2004, 659. 3 Dies sind Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, nichtrechtsfähige Vereine, Anstalten, Stiftungen und Zweckvermögen privaten Rechts, sowie sonstige juristische Personen des privaten Rechts. 4 BFH v. 23.9.1970 – I R 22/67, BStBl. III 1971, 47; v. 9.8.1983 – I R 4/84, BStBl. II 1990, 237; Schmidt, FR 1987, 289; Ahmann, DStR 1988, 58 (62); Wassermeyer, FR 1990, 1 (7); BMF v. 14.8.1987 – IV B 7 - S 2742 - 30/87, BStBl. I 1987, 631; RFH v. 26.2.1929 – I Aa 89/29, RStBl. 1929, 253; v. 23.5.1933 – I A 362/32, RStBl. 1933, 910 (913); BFH v. 14.7.1976 – I R 239/73, BStBl. II 1976, 731 (732); v. 19.6.1974 – I R 94/71, BStBl. II 1974, 586 (587); v. 14.3.1984 – I R 223/80, BStBl. II 1984, 496; a.A. BFH v. 11.2.1987 – I R 43/83, BStBl. II 1987, 643 (644); v. 9.8.1989 – I R 4/84, BStBl. II 1990, 237; v. 8.2.1995 – I R 73/94, BStBl. II 1995, 552; WeberGrellet in Schmidt31, § 20 EStG Rz. 32.
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2.177
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
Entscheidend ist, dass der ausländische Gesellschafter etwas „bezogen“ hat, dass ihm etwas zugeflossen ist. Auf welche Weise dies erfolgt ist, ist demgegenüber gleichgültig, sodass jede Form der Ausschüttung zur Steuerpflicht führt. Von praktischer Bedeutung wird dies vor allem für vGA, wenn die inländische Körperschaft – z.B. Verein – ihrem ausländischen Mitglied Güter oder Leistungen zu marktunüblichen Konditionen überlässt.
2.178 Dividenden sind dann inländische, wenn die ausschüttende Gesellschaft ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz1 im Inland (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG) hat, d.h., die unbeschränkte Steuerpflicht (Rz. 2.12, 2.49) der ausschüttenden Gesellschaft begründet die hinreichende Inlandsbeziehung. Durch die Möglichkeit, dass eine Kapitalgesellschaft im Inland ihren Sitz und im Ausland ihre Geschäftsleitung hat (vgl. Rz. 2.52 f.), bleibt sie zwar unbeschränkt steuerpflichtig, gilt aber i.S.d. Abkommens als im Ausland ansässig.2 Sie ist auch im Ausland i.d.R. unbeschränkt steuerpflichtig. Auf Dividenden dieser Gesellschaft, die an im Inland ansässige Gesellschafter ausgeschüttet werden, finden die Art. 10 OECDMA entsprechenden Vorschriften der DBA Anwendung.3 Dadurch wird geregelt, welche Quellensteuer der Staat, in dem sich die Geschäftsleitung befindet, vom im Inland ansässigen Gesellschafter erheben darf. Im Verhältnis zu Drittstaaten führt der inländische Sitz dazu, dass Gesellschafter in Drittstaaten Dividenden aus dem Inland beziehen.4 Nach Einführung5 des neuen Systems der Körperschaftsteuer einschl. der sog. Abgeltungssteuer gelten unterschiedliche Regeln je nachdem, ob der ausländische Dividendenbezieher eine Kapitalgesellschaft oder eine natürliche Person ist. Letztere unterliegt dem Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 EStG), wenn sie die Beteiligung in ihrem Betriebsvermögen (§ 3 Nr. 40 Satz 2 i.V.m. § 20 Abs. 8 EStG) hält oder an einer gewerblichen Personengesellschaft beteiligt ist.
1 Der in § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG erwähnte Wohnsitz kommt nur bei natürlichen Personen in Betracht (Rz. 2.19). 2 Art. 4 Abs. 3 OECD-MA; siehe auch Wassermeyer in D/W, Art. 4 OECD-MA Rz. 91. 3 Wassermeyer in D/W, Art. 10 OECD-MA Rz. 29. 4 Zugleich bezieht der im Drittstaat ansässige Gesellschafter auch die Dividenden aus dem Staat, in dem sich die Geschäftsleitung befindet. Besteht zwischen dem Drittstaat und Deutschland ein DBA, so kann eine Lösung darin liegen, den Sitz nicht als ortsbezogenes Merkmal i.S.d. DBA-Ansässigkeit gelten zu lassen, hierfür Wassermeyer in D/W, Art. 4 OECD-MA Rz. 41a; a.A. Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 110; Kroschewski in Haase, Art. 4 OECD-MA Rz. 70; die DBA regeln derartige Dreiecksverhältnisse unzureichend, Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 7 ff. m.w.N.; dem Drittstaat ist es vor allem verwehrt, Deutschland ein Besteuerungsrecht zu verweigern, weil es im DBA mit dem Staat der Geschäftsleitung dessen vorrangiges Besteuerungsrecht anerkannt habe. 5 StEntlG v. 1999/2000/2002, BGBl. I 1999, 402.
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
2.179
– Der ausländische Gesellschafter ist eine Kapitalgesellschaft: Gemäß § 8b Abs. 1 KStG bleiben Gewinnausschüttungen, die eine Kapitalgesellschaft von einer anderen erhält, „außer Ansatz“.1 Dies gilt auch für eine ausländische Kapitalgesellschaft, die an einer inländischen beteiligt ist, ohne dass es irgendwelche weiteren Voraussetzungen – wie Mindestbeteiligung, Haltefrist – gäbe. Allerdings wird gem. § 43 Abs. 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG eine Quellensteuer (Kapitalertragsteuer – KESt) i.H.v. 25 v.H. der Dividende erhoben. Damit ergibt sich folgendes Grundschema. Beispiel: D-GmbH (Gewinn) KSt Dividende2 KESt 25 %3 Dividende – netto
100,00 ./. 15,00 85,00 21,25 63,75
Gemäß § 8b Abs. 1 KStG bleibt die Dividende auch für die beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft außer Ansatz.4 Dies hat zur Folge, dass dann auch § 8b Abs. 5 KStG anzuwenden ist und daher 5 v.H. der Dividende als nicht abziehbare Betriebsausgaben gelten. Dies würde zu einer Steuerlast von 15 v.H. auf die 5 v.H. = 0,75 v.H. der Dividende – im Beispiel wäre noch eine deutsche Körperschaftsteuer von 0,64 zu berücksichtigen, sodass die Nettodividende 63,11 betrüge. Da die Dividende für die empfangende Kapitalgesellschaft steuerfrei ist, müsste die Quellensteuer erstattet werden. In systemwidriger Weise sieht jedoch § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG vor, dass die Quellensteuer bei beschränkt steuerpflichtigen Körperschaftsteuersubjekten abgeltende Wirkung besitzt, falls die Dividende nicht durch einen inländischen Betrieb vereinnahmt wird. Der BFH5 hat diese eindeutige gesetzliche Regelung akzeptiert (siehe aber Rz. 2.180). Für § 8b Abs. 5 KStG hat die Abgeltungswirkung die Folge, dass sie gleichsam auch die wegen der Nichtabziehbarkeit von Ausgaben anfallende Steuer abgilt, § 8b Abs. 5 KStG insofern also ins Leere läuft.6 Dies dürfte dann nicht gelten, wenn die KESt letztlich nicht erhoben wird. Die KESt mindert sich aufgrund der DBA im Verhältnis zum Vertragsstaat oder aufgrund der MTR7 (§ 43b EStG) innerhalb der EU bis auf 0. Dafür müssen jedoch die jeweiligen Voraussetzungen, im Allgemeinen eine Mindestbeteiligungsquote – bei der MTR 10 v.H. – erfüllt sein. Werden 1 Begr.: Vermeidung einer Kumulierung von KSt, Geißer in Mössner/Seeger, § 8b KStG Rz. 1. 2 Gewerbesteuer und Solidaritätszuschlag bleiben unberücksichtigt. 3 § 43 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG. 4 Geißer in Mössner/Seeger, § 8b KStG Rz. 2. 5 BFH v. 22.4.2009 – I R 53/07, BFH/NV 2009, 1543. 6 So Mitsch, INF 2004, 218. 7 V. 23.7.1990 – 90/435/EWG, ABl. Nr. L 225 (s. Rz. 1.112).
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2.180
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
die Grenzen für die sog. Schachtelvergünstigung nicht erreicht (PortfolioBeteiligung), so wird eine ausländische Kapitalgesellschaft als Anteilseigner gegenüber einer inländischen diskriminiert, sodass ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) vorliegt.1 Diese gilt nicht nur innerhalb der EU, sondern auch im Verhältnis zu Drittstaaten. Damit ist die endgültige Erhebung der KESt nur für beschränkt Steuerpflichtige gemeinschaftsrechtswidrig.2 Welche Rechtsfolge daraus folgt, ist aber nicht eindeutig. Da die KESt gem. § 43 Abs. 1 Satz 3 EStG ungeachtet der Steuerfreiheit gem. § 8b KStG erhoben und auf Antrag erstattet wird,3 kann die Lösung entweder darin bestehen, die Vorschriften über die Erstattung nicht anzuwenden und somit eine unterschiedliche Behandlung von inländischen und ausländischen Anteilseignern zu beseitigen oder in die entsprechenden Vorschriften über die Nichterhebung Ausländer miteinzubeziehen. Der BFH wendet in derartigen Situationen die „geltungserhaltende Reduktion“4 an, was für die erste Lösung spräche. Dann aber würde ein bestehendes Gesetz nicht auf die Inländer angewandt, wogegen diese sich wenden könnten. Sollte der Gesetzgeber nicht alsbald tätig werden, bliebe der Rspr. nur die erweiterte Anwendung der Erstattungsvorschriften – eine „geltungserhaltende Extension“. Ausländische Kapitalgesellschaften würden dann bis zu einer gesetzlichen Neuregelung ebenfalls eine Netto-Dividende von 85 (abzüglich der Schachtelstrafe) im obigen Beispiel beziehen. Völlig offen ist die Anwendung auf in Drittstaaten ansässige Kapitalgesellschaften, die an einer inländischen Kapitalgesellschaft unternehmerisch beteiligt sind.
2.181 – Der ausländische Gesellschafter ist eine natürliche Person.5 Für sie gilt im Prinzip die gleiche Berechnung, obgleich nach § 3 Nr. 40 EStG 40 v.H. der Dividende steuerfrei sind und dies nicht durch §§ 49 ff. EStG eingeschränkt wird. Eine Reduzierung ist nur aufgrund eines DBA möglich.6 Eine Erstattung der Abgeltungssteuer bei Dividenden ist nur bei unbeschränkt Steuerpflichtigen vorgesehen (§ 44b Abs. 1 EStG). Die Erhebung der KESt ist endgültig (§ 50 Abs. 2 EStG).7 Es ist offenkundig, dass auch dies (vgl. Rz. 2.180 gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt.
1 EuGH v. 20.10.2011 – Rs. C-284/09 – Komm./Deutschland, IStR 2011, 840. 2 Anders noch BFH v. 22.4.2009 – I R 53/07, BFH/NV 2009, 1543; Bedenken bei Gosch KStG § 8b Rz. 29. 3 Siehe im Detail Gröbl/Adrian in Erle/Sauter3, § 8b KStG Rz. 68 ff. 4 Gosch, DStR 2007, 1553 (1555); BFH v. 24.4.2007 – I R 39/04, BStBl. II 2008, 95; v. 27.7.2011 – I R 32/10, DB 2011, 2634; siehe auch Massonger/Stürzlinger, SWI 2007, 400. 5 Auch Gesellschafter einer in- oder ausländischen Personengesellschaft. 6 Übersicht Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 67: überwiegend 15 v.H. 7 von Beckerath in K/S/M, § 3 EStG Rz. B40/89; Loschelder in Schmidt31, § 49 EStG Rz. 61.
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
– Die Anteile gehören zum Betriebsvermögen einer inländischen Betriebsstätte.1
2.182
Durch die Betriebsstätte unterliegt der Ausländer (natürliche Person, Kapitalgesellschaft) der beschränkten Steuerpflicht gem. § 49 i.V.m. § 1 Abs. 4 EStG, § 2 Nr. 1 KStG. Zum Betriebsstättengewinn gehören – funktionale Zugehörigkeit der Beteiligung vorausgesetzt – dann auch die Dividenden, sodass die Kapitalertragsteuer auf die Einkommensteuer (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG) und die Körperschaftsteuer (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG) angerechnet wird, da die Abgeltungswirkung nicht gilt (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG).2 Zugleich findet § 3 Nr. 40 EStG bzw. § 8b Abs. 1 KStG Anwendung. Dies bedeutet: – Anteilseigner im Ausland ist eine natürliche Person: 40 v.H. der Dividende sind steuerfrei, sodass 60 bei einer Dividende von 100 mit einer ESt zwischen 0 % und 45 % besteuert werden. Die Einkommensteuer beträgt dementsprechend zwischen 0 und 27 was zur anteiligen Erstattung der Kapitalertragsteuer bzw. einer zu zahlenden Einkommensteuer von bis zu 2 führt. – Anteilseigner ist eine ausländische Kapitalgesellschaft: Wegen § 8b Abs. 1 KStG entsteht keine Körperschaftsteuer.3 Die Kapitalertragsteuer wird erstattet. Europarechtlich (Rz. 2.180) unterscheidet sich das Ergebnis nicht mehr vom Direktbezug der Dividende ohne inländische Betriebsstätte. Somit zeigt sich, dass sich durch Zwischenschaltung einer inländischen Betriebsstätten-Holding, etwa in Form einer Personengesellschaft, nur bei natürlichen Personen, auch mittels einer Personengesellschaft, deutliche Minderungen der deutschen Steuer erzielen lassen, vorausgesetzt die Beteiligung gehört zur Betriebsstätte. Dass die sachliche Anknüpfung auf einer persönlichen basiert, zeigt sich vor allem daran, dass es nicht darauf ankommt, wo die Körperschaft selbst ihren Gewinn erwirtschaftet hat. Ist die Körperschaft bspw. überwiegend oder sogar ausschließlich auf Auslandsmärkten, vielleicht sogar im Lande des Gesellschafters, tätig, so ändert dies nichts daran, dass es sich um Gewinne der Körperschaft handelt, die der inländischen Besteuerung unterliegen. Bezieht eine deutsche Kapitalgesellschaft Einkünfte aus einem ausländischen Staat, so unterliegen diese aufgrund des Welteinkommensprinzips (Rz. 2.49) der deutschen Körperschaftsteuer. Dividenden, die sie aus der Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft (Rz. 6.69 ff.) bezieht, sind gem. § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG „außer Ansatz“ zu lassen mit dem Ergebnis der Steuerfreiheit. Folglich kann eine auf die Dividenden erhobene Quellensteuer nicht angerechnet werden (Rz. 2.381). 1 Auch ständiger Vertreter, Loschelder in Schmidt31, § 50 EStG Rz. 28; Gosch in Kirchhof11, § 50 EStG Rz. 19; ohne eigene Entscheidung BFH v. 23.10.1991 – I R 86/89, BStBl. II 1992, 185. 2 Wied in Blümich, § 50 EStG Rz. 68. 3 Abgesehen von der 5 %-Schachtelstrafe gem. § 8b Abs. 5 KStG.
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2.183
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
Folgerichtig wäre es nun aber, auf die gem. § 8b Abs. 5 KStG entstehende Körperschaftsteuer die ausländische Quellensteuer anzurechnen.1 Eine gegenteilige Auffassung2 verneint die Anrechenbarkeit, da die Einkünfte, auf die die Anrechnung abstellt, steuerfrei seien. Sind vGA im Inland aufgrund des „Korrespondenzprinzips“ gem. § 8b Abs. 1 Satz 2 oder 3 KStG zu versteuern, wird die ausländische Quellensteuer anrechenbar. Beispiel: Die F.-S.A. (Paris) ist an der D-GmbH in Hamburg zu 100 v.H. beteiligt. Die D-GmbH ist überwiegend auf ausländischen Märkten tätig.
– Freigestellte Auslandseinkünfte Beispiel: Die D-GmbH erzielt in einem DBA-Staat X durch eine Betriebsstätte einen Gewinn von 100. X erhebt eine Körperschaftsteuer von 30 v.H. Es gilt die Freistellungsmethode. Die Dividende wird an F weitergeleitet. D-GmbH erzielt freigestellte BS-Einkünfte von 100 (BS-Gewinn) Ausländische Steuer Deutsche KSt3 Dividende an F KESt 25 % Nettodividende F
100,00 30,00 0,00 70,00 17,50 52,50
Die Abkommensvorteile, die D im Verhältnis zu X hat, werden nicht an den Gesellschafter F weitergeleitet. Erst durch die Erstattung der KESt tritt dieser Effekt dann ein. Da die MTR anwendbar ist, entfällt gem. § 43b EStG die KESt, sodass F letztlich 70 erhält. Ist F nur im Rahmen einer Portfolio-Investition an der D beteiligt, darf die KESt ebenfalls innerhalb der EU nicht endgültig sein (Rz. 2.180).
– Auslandseinkünfte mit Anrechnung Beispiel: Die D erzielt im Nicht-DBA-Staat Betriebsstätten-Einkünfte von 100, die dort mit einer Quellensteuer von 30 v.H. besteuert werden. Im Übrigen gleicher Fall. Auslandseinkünfte KSt – Ausland Ausländische Einkünfte 100 Deutsche KSt Anrechenbare Steuer Dividende an F KESt Nettodividende F
100,00 30,00 15,00 15,00 70,00 17,50 52,50
1 Schnitger, IStR 2003, 298; Roser in Gosch2, § 26 KStG Rz. 3; Müller-Dott in F/W/B/S, § 26 KStG Rz. 62.10; Siegers in D/J/P/W, § 26 KStG Rz. 169. 2 Vgl. Lieber in H/H/R, § 26 KStG Rz. 21; Wilke in Mössner/Seeger, § 26 KStG Rz. 22. 3 Dies ergibt sich sowohl aus § 8b Abs. 1 KStG als auch nach DBA: Gröbl/Adrian in Erle/Sauter3, § 8b KStG Rz. 45; eingehend Geißer in Mössner/Seeger, § 8b KStG Rz. 84 f.
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
Es zeigt sich, dass auch in dieser Situation die Erhebung der KESt entscheidend ist. Ebenfalls kann diese durch die MTR oder das DBA mit dem Staat der F gemindert werden. Systematisch richtig wäre es allerdings, die ausländische Steuer auf die KESt anzurechnen. Im Übrigen siehe Rz. 2.180. – „Durchgeschüttete“ Auslandsdividende Beispiel: Eine ausländische Kapitalgesellschaft A, an der D beteiligt ist, erzielt Gewinn von 100. Der ausländische Staat X erhebt eine Körperschaftsteuer von 25 v.H. auf den Gewinn von A. A schüttet den Gewinn voll aus. Auf die Dividende erhebt X eine Quellensteuer von 25 v.H. (10 v.H; o v.H.). Gewinn der A Ausländische KSt Dividende an D ./. Quellensteuer Deutsche Körperschaftsteuer § 8b Abs. 5 KStG1 Dividende D an F KESt2 Netto-Dividende
100,00 25,00 75,00 18,75 0,00 0,525 55,725 13,93 41,795
100,00 25,00 75,00 7,50 0,00 0,525 69,975 17,49 52,485
100,00 25,00 75,00 0,00 0,00 – da gem. § 8b Abs. 1 KStG außer Ansatz 0,525 74,475 18,62 55,855
Die endgültige Steuerbelastung aus der Sicht der F hängt einmal von der in X erhobenen Quellensteuer ab. Diese kann durch die MTR oder DBA zwischen Deutschland und X gemindert sein. Zum anderen kommt es auf die Besteuerung der von D an F ausgeschütteten Dividende an. Neben dem DBA zwischen Deutschland und dem Staat der F kommt innerhalb Europas die MTR in Betracht. Günstigstenfalls erhält F eine Dividende von 75 abzüglich der Schachtelstrafe des § 8b Abs. 5 KStG. Bei der Portfolio-Beteiligung der F an D ist die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der deutschen Regelung zu beachten (vgl. Rz. 2.180). Bei verdeckten Gewinnausschüttungen lassen sich zwei Grundsituationen unterscheiden: 1. Die Gesellschaft zahlt für eine oder keine Leistung ihres Gesellschafters ein überhöhtes Entgelt (z.B. überhöhtes Gehalt, Darlehen mit zu hohen Zinsen). 1 Anwendbar trotz DBA-Freistellung: Geißer in Mössner/Seeger, § 8b KStG Rz. 340; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG § 8b Rz. 85A; Gröbl/Adrian in Erle/ Sauter3, § 8b KStG Rz. 277; da gem. § 8b Abs. 5 KStG Voraussetzung ist, dass es sich um „Bezüge i.S.des Abs. 1“ handelt, was Schachteldividenden aus dem Ausland zweifelsohne sind, die „bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz bleiben“, was auf die Regelung des Abs. 1 verweist, kann man m.E. Abs. 5 als nicht auf Dividenden, die aufgrund eines DBA steuerfrei sind, anwendbar ansehen. Da aber das nationale Außer-Ansatz-Lassen bereits zur Steuerfreiheit führt, geht die DBA-Freistellung ins Leere. 2 Zugleich die Steuer nach § 8b Abs. 5 KStG abgeltend.
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2.184
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
2. Der Gesellschafter zahlt für eine Leistung der Gesellschaft ein zu geringes Entgelt (Darlehen mit zu niedrigen Zinsen, Waren mit zu niedrigem Preis). Die Fälle unterscheiden sich dadurch, dass im Fall 1 die Gesellschaft erhöhte Aufwendungen trägt, ihr im Fall 2 hingegen Ertrag entgeht. Demgemäß unterscheidet der BFH1 die Vermögensminderung und die entgangene Vermögensmehrung. Anders ist der Sachverhalt zu beurteilen, wenn die inländische Gesellschaft den Vermögensvorteil nicht den Gesellschaftern, sondern einer diesen nahe stehenden Person zuwendet. In diesem Fall hat der Gesellschafter nur dann einen Vorteil erhalten, wenn die Leistung sich bei ihm vermögenserhöhend auswirkt. Dies ist nur dann der Fall, wenn der nahe stehenden Person Waren unter Preis geliefert wurden, nicht aber wenn ihr lediglich eine unentgeltliche Nutzung, z.B. Darlehen, zugewandt wurde.2
2.185 Hat der Steuerausländer einen Anspruch auf eine Dividende, dann macht es für § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG eigentlich keinen Unterschied, ob er diesen Anspruch unmittelbar realisiert oder ob er ihn versilbert. Deshalb wurde bis VZ 2008 beschränkt steuerpflichtig auch derjenige, der einen Dividendenschein veräußert (§ 20 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a EStG). Dies ergab sich daraus, dass § 49 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 EStG den § 20 Abs. 2 EStG für entsprechend geltend erklärt.3 Steuerschuldner blieb auch in diesem Fall der Inhaber des Stammrechts, d.h. der Gesellschafter. Dadurch wurde verhindert, dass ein ausländischer Gesellschafter durch Veräußerung des Dividendenscheins an einen unbeschränkt Steuerpflichtigen seine Besteuerung vermeidet. Mit der Änderung 2009 ist Folgendes eingetreten: § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG verweist nunmehr auf § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4, 6 und 9. In § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b EStG werden Besonderheiten nach dem Investmentsteuergesetz behandelt. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c EStG betrifft § 20 Abs. 1 Nr. 5 und 7 EStG. Überraschenderweise verweist dann § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. d EStG auf § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. a, 9, 10 und Satz 2 EStG. Von diesen begründet nur § 43 Abs. 1 Nr. 10 EStG die beschränkte Steuerpflicht für § 20 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b EStG. § 20 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a EStG wird in § 43 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG genannt. Darauf verweist aber § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG nicht. Damit ergibt sich folgende Situation: Gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ist bei der Veräußerung eines Dividendenscheins KESt zu erheben. Gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG unterliegt ein entsprechender Veräußerungsgewinn aber nicht der Steuer. Somit erfolgt die Erhebung der KESt ohne Rechtsgrund und ein Erstattungsanspruch gem. § 37 Abs. 2 AO ist begründet. Dem steht aber 1 Grundlegend BFH v. 22.2.1989 – I R 9/85, BStBl. II 1989, 631; v. 22.2.1989 – I R 44/85, BStBl. II 1989, 475. 2 BFH v. 28.1.1981 – I R 10/77, BStBl. II 1981, 612 (613) m.w.N.; die gegenteilige Ansicht im Urt. v. 23.10.1985 – I R 248/81, BStBl. II 1986, 178 (180 f.) lässt sich nach BFH v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1877, 348 nicht mehr halten. 3 Siehe BFH v. 14.2.1973 – I R 77/71, BStBl. II 1973, 452 (453); § 49 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 EStG wurde durch das 2. StÄndG 1973 eingeführt.
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
§ 50 Abs. 2 EStG entgegen, der anordnet, dass die Abzugsteuer abgeltende Wirkung hat. Nur: Wie kann etwas abgegolten werden, für das keine Verpflichtung besteht? Durch die Verweisung des § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG auf § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG wurde jede Form dividendenähnlichen Ertrages erfasst, also auch Erträge aus Wandelanleihen und Genussrechten.1 Nach der Neuregelung 2009 ist dies nicht mehr eindeutig. Loschelder2 meint, dass dies nach einer zutreffenden h.M. eher nicht für Wandelanleihen zutrifft. Genussrechte i.S.v. § 20 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 EStG unterliegen gem. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. d EStG durch Verweis auf § 43 Abs. 1 Nr. 9 EStG der beschränkten Steuerpflicht, wenn sie verbrieft sind. Bei unverbrieften Genussrechten soll3 eine planwidrige Regelungslücke gegeben sein, die durch Analogie in § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c EStG zu schließen sei. Angesichts der klaren Gesetzesregelung, dass es auf die Verbriefung ankomme (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. d Doppelbuchst. bb EStG), ist kein Raum für eine steuerbegründende Analogie.
2.186
Bezüge aus einer Kapitalherabsetzung oder nach Liquidation zu den Einkünften (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG), soweit das Kapital nicht durch Einlagen der Gesellschafter gebildet wurde,4 sind nach nicht unumstrittener Auffassung5 Veräußerungsgewinne i.S.v. § 17 EStG und damit § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG zuzuordnen. Ein sonstiger Bezug ist es auch, wenn der Steuerausländer nicht eine Dividende in bar, sondern in Gestalt von unechten Gratisaktien (Gratisanteilen) erhält; denn diese beruhen auf einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, wobei in dem Gewinnverteilungsbeschluss festgesetzt wird, dass der ausgewiesene Gewinn der AG oder GmbH in Form von unechten Gratisaktien (Gratisanteilen) ausgeschüttet wird. Anders ist es, wenn die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln aus bereits versteuerten Rücklagen in Kapital umgewandelt und darauf Zusatzaktien (Zusatzanteile) ausgegeben werden.6 Nicht unter § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG fallen ferner Veräußerungserlöse, die ein Steuerausländer dadurch erzielt, dass er sein konkretes Bezugsrecht auf den Erwerb junger Aktien, wie es nach § 186 AktG aufgrund eines Kapitalerhöhungsbeschlusses besteht, veräußert. Denn das Bezugsrecht verkörpert keinen Anspruch auf Gewinn, sondern einen Anspruch auf Beteiligung am Kapital. Es wird nicht Vermögen der Gesellschaft gemindert (= Ausschüttung).7
2.187
1 Früher: Heinicke in Schmidt31, § 49 EStG Rz. 60; Krabbe in Blümich, § 49 EStG Rz. 129a ff. 2 Loschelder in Schmidt31, § 49 EStG Rz. 64. 3 Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 194. 4 Zu Einzelheiten, vgl. Weber-Grellet in Schmidt31, § 20 EStG Rz. 69 ff. 5 Vgl. Weber-Grellet in Schmidt31, § 17 EStG Rz. 44 ff. 6 Vgl. im Einzelnen Stuhrmann in Blümich, § 20 EStG Rz. 109 ff., 120 ff.; WeberGrellet in Schmidt31, § 20 EStG Rz. 72. 7 Stuhrmann in Blümich, § 20 EStG Rz. 108.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
2.188 Art. 10 OECD-MA reduziert die Besteuerung von Dividenden im Quellenstaat auf 5 v.H. bzw. 15 v.H. der Bruttoerträge. Der Begriff der Dividende richtet sich gem. Art. 10 Abs. 3 OECD-MA nach dem Recht des Quellenstaates, sodass der deutsche Begriff für die beschränkte Steuerpflicht nicht eingeschränkt wird. Die Begrenzung der Quellensteuer betrifft deren Höhe.1 Dennoch wird verfahrensmäßig die volle Quellensteuer erhoben (§ 50d EStG) und auf Antrag des Ausländers in Höhe der Differenz des nach dem jeweiligen DBA zulässigen Satzes erstattet.2 3. Stille Gesellschaft und partiarisches Darlehen
2.189 Einnahmen aus einer Beteiligung an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter und aus partiarischen Darlehen (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG) unterliegen der beschränkten Steuerpflicht, wenn der Inhaber des Handelsgewerbes bzw. der Darlehensnehmer (vgl. Rz. 2.193) Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hat (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG). Dies entspricht dem Grundsatz, die unbeschränkte Steuerpflicht des Schuldners der Kapitalerträge zum inländischen Anknüpfungskriterium zu machen. Einerseits ist die (typische) stille Gesellschaft gegen die atypische stille Gesellschaft abzugrenzen, die als Personengesellschaft i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu gewerblichen Einkünften führt (Rz. 2.97). Andererseits muss das partiarische Darlehen von dem üblichen Darlehen unterschieden werden, da Zinsen aus normalen Darlehen nicht zur beschränkten Steuerpflicht führen.
2.190 Eine stille Gesellschaft3 bedeutet wirtschaftlich die Beteiligung am Geschäftserfolg eines Unternehmens durch Kapitaleinlage in dasselbe. Sie ist in §§ 230 ff. HGB dadurch bestimmt, dass – zwischen dem „Stillen“ und dem Inhaber des Handelsgewerbes ein Gesellschaftsvertrag4 abgeschlossen wird; – der Stille eine Vermögenseinlage leistet, die in das Vermögen des Unternehmers übergeht; – es sich beim Unternehmen um ein Handelsgewerbe i.S.d. §§ 1–6 HGB handelt; – der Stille am Gewinn des Unternehmens beteiligt ist. Mangels anderweitiger Vereinbarung nimmt der stille Gesellschafter auch am Verlust teil (§ 231 Abs. 2 HGB), begrenzt bis zur Höhe der Einlage (§ 232 Abs. 2 HGB).
1 Übersicht über die Besonderheiten der einzelnen Abkommen bei Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 93 f. 2 Einzelheiten unten Henkel, Rz. 6.86. 3 Zu deren Besteuerung siehe Weber-Grellet in Schmidt31, § 20 EStG Rz. 76 ff. 4 Ein Arbeitsvertrag reicht nicht; vgl. im Einzelnen Stuhrmann in Blümich, § 20 EStG Rz. 202 ff.
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
Der stille Gesellschafter tritt nach außen nicht in Erscheinung. Er ist am Erfolg, nicht am Vermögen des Unternehmens beteiligt, d.h., beim Ausscheiden erhält er seine Einlage zurück; selbst wenn er Ausgleichszahlungen wegen Geldentwertungen erhält. Das Auseinandersetzungsguthaben gem. § 235 HGB zielt nicht darauf ab, den stillen Gesellschafter an den Wertänderungen des Unternehmensvermögens zu beteiligen, sondern es dient einer korrekten Abrechnung des bis zum Ausscheidungszeitpunkt erzielten Geschäftserfolges. Die Kontrollrechte sind gem. § 233 HGB beschränkt. Die Rechtsform, in der das Unternehmen betrieben wird, ist gleichgültig. Die stille Gesellschaft kann daher an einem Einzelunternehmen, einer Personengesellschaft1 oder einer Kapitalgesellschaft bestehen. Zur Vermögenseinlage eignen sich alle Vermögenswerte, d.h. Sachen, Rechte und sonstige wirtschaftliche Vorteile.2 Diese gehen in das Eigentum des Unternehmens über. An die Stelle des Eigentums tritt der Anspruch nach § 235 HGB. Daher kommen nur Fremde als stille Gesellschafter in Betracht. Gesellschafter einer Personengesellschaft können nicht zugleich deren stille Gesellschafter sein,3 wohl aber die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft.4
2.191
Das partiarische Darlehen ist gesetzlich nicht geregelt.5 Es handelt sich bei ihm um eine Kreditgewährung, bei der anstelle des oder neben den Zins ein Anteil am Gewinn tritt. Anders als bei der stillen Gesellschaft findet keine Verlustbeteiligung statt. Auch ist ein partiarisches Darlehen nicht auf Handelsgewerbe beschränkt, sondern kann für alles gewährt werden, was mit Gewinn verbunden ist.
2.192
Die beschränkte Steuerpflicht besteht bei einer stillen Gesellschaft mit einem partiarischen Darlehen an ein Einzelunternehmen, wenn der Betriebsinhaber seinen Wohnsitz (Rz. 2.19)6 im Inland (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG, auch § 43 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 3 EStG) hat. Bei einem Einzelunternehmer begründet somit nur der inländische Wohnsitz, nicht aber auch der ständige Aufenthalt das Inlandskriterium. Dies führt dann dazu, dass in dem Fall, dass der Inhaber eines inländischen Einzelunternehmens seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt, die beschränkte Steuerpflicht des stillen Gesellschafters endet, obwohl der Betriebsinhaber möglicherweise wegen eines fortbestehenden ständigen Aufenthalts im Inland unbeschränkt steuerpflichtig bleibt. Erst recht endet die beschränkte Steuerpflicht, wenn auch der gewöhnliche Aufenthalt im Inland beendet wird. Die Anknüpfung an die Geschäftsleitung, die mögli-
2.193
1 Korrekt: an dem von der Gesellschaft betriebenen Unternehmen. 2 BFH v. 27.2.1975 – I R 11/72, BStBl. II 1975, 611 (613) betr. Know-how. 3 RFH v. 17.7.1935 – VI A 304/34, RStBl. 1935, 1452; v. 20.1.1944 – III 38/43, RStBl. 1944, 435. 4 Weber-Grellet in Schmidt31, § 20 EStG Rz. 80; von Beckerath in Kirchhof11, § 20 EStG Rz. 80. 5 Vgl. Putzo inPalandt71, Einf. vor § 60 BGB Rz. 13, 22; siehe auch BFH v. 25.3.1992 – I R 41/91, BStBl. II 1992, 889. 6 Gewöhnlicher Aufenthalt (Rz. 2.33) reicht nicht!
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
cherweise im Inland verbleibt, hilft bei Einzelunternehmen nicht, da es auf den Schuldner ankommt und eine Betriebsstätte nicht Schuldner ist. Da die Einlage des Stillen in das Betriebsvermögen erfolgt, wäre es systematisch richtiger, auf das Vorliegen einer inländischen Betriebsstätte abzustellen. Dies würde aber zu erheblichen Abgrenzungsproblemen führen, wenn das Unternehmen auch ausländische Betriebsstätten besitzt.
2.194 Handelt es sich um eine Kapitalgesellschaft, so muss diese ihren Sitz (Rz. 2.63) oder ihre Geschäftsleitung (Rz. 2.66) im Inland haben. In beiden Fällen ist der „Schuldner“ unbeschränkt steuerpflichtig. Die Verlegung der Geschäftsleitung ins Ausland (Rz. 2.50 ff.) ändert daher nichts an der beschränkten Steuerpflicht des Stillen; dies selbst dann nicht, wenn auch die inländische Betriebsstätte aufgegeben wird.
2.195 Erfolgt die stille Beteiligung an einer Personengesellschaft, so kommt es darauf an, wer „Schuldner“ i.S.v. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG ist. Die Gesellschaft ist nicht selbst Steuersubjekt. Man könnte daher auf den Wohnsitz der Gesellschafter abstellen. Dies würde jedoch zu unüberwindbaren Schwierigkeiten bei Personengesellschaften führen, wenn deren Gesellschafter nicht sämtlich im Inland ihren Wohnsitz haben. Zivilrechtlich ist die Gesellschaft selbst „Schuldnerin“ (§ 124 HGB), auch wenn die Gesellschafter letztlich für die Schulden der Gesellschaft haften (§ 128 HGB). Folglich kommt es darauf an,1 wo die Personengesellschaft ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung2 hat, obgleich dadurch nur eine beschränkte Steuerpflicht begründet wird (Rz. 2.140). Es ist daher möglich, dass alle Gesellschafter im Ausland ansässig sind, dort die Geschäfte getätigt werden, sich im Inland nur die Geschäftsführung befindet und dennoch die beschränkte Steuerpflicht für einen stillen Gesellschafter begründet wird. Vergleichbar hat der BFH für § 50a Abs. 5 EStG entschieden.3
2.196 Im OECD-MA wird die stille Gesellschaft nicht ausdrücklich behandelt. Sie wird jedoch, da sie keinen Gesellschaftsanteil darstellt, wie in Art. 10 Abs. 3 OECD-MA für eine Dividende verlangt, als Forderung i.S.v. Art. 11 Abs. 3 OECD-MA anzusehen sein.4 Erst recht trifft dies für das partiarische Darlehen zu, da Art. 11 Abs. 3 OECD-MA bei der Definition von „Zins“ ausdrücklich auch die Beteiligung am Gewinn des Schuldners erwähnt.5 Entscheidend ist, ob der Kapitalgeber das Risiko eines Gläubigers oder Unternehmerrisiko trägt. Letzteres kann man beim stillen Gesell-
1 Ebenso Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 187; Ramackers in L/B/P, § 42 EStG Rz. 435. 2 Zum Sitz einer Personengesellschaft Baumbach/Hopt, § 106 HGB Rz. 8: immer am Ort der Geschäftsleitung. 3 BFH v. 20.7.1988 – I R 175/85, BStBl. II 1989, 87. 4 Ebenso Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 210; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.333. 5 Art. 11 Rz. 18 OECD-MK.
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
schafter nicht annehmen.1 Somit findet auf stille Gesellschaften und partiarisches Darlehen der Zinsartikel der DBA Anwendung. In diesem wird die Besteuerung im Quellenstaat zwar anerkannt, zugleich aber in ihrer Höhe auf 10 v.H. der Bruttobeträge beschränkt (Art. 11 Abs. 2 OECDMA).2 In den deutschen Abkommen mit den skandinavischen Staaten sowie in denjenigen mit Frankreich, Großbritannien, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, der Schweiz, USA und den osteuropäischen Staaten3 wird die Quellenbesteuerung aufgehoben, während in den Abkommen mit Entwicklungsländern überwiegend höhere Sätze zugelassen werden. Abweichend von der Regelung des OECD-MA unterwerfen jedoch die meisten4 DBA Deutschlands die Einkünfte aus stillen Gesellschaften und auch aus partiarischem Darlehen den Regeln über die Dividenden (Art. 10 OECD-MA). Dabei handelt es sich um eine Fiktion, die die Rechtsfolgen der Dividendenartikel zur Anwendung bringt, ohne dass deren Voraussetzungen vorliegen müssen. Somit sind nicht nur stille Gesellschaften an Kapitalgesellschaften erfasst,5 sondern auch solche an Einzelunternehmen oder Personengesellschaften.6 Dass es nur um die Anwendung der für Dividenden vorgesehenen Quellensteuerbegrenzungen (d.h. um die Rechtsfolgen), nicht aber um Definitionen als Rechtsvoraussetzungen geht, machen die Formulierungen der Abkommen nicht hinreichend deutlich. So definiert z.B. Art. 10 DBA-Schweiz 1971 in seinem Abs. 4 n.F. den Begriff der Dividenden und führt dabei dann Einnahmen aus sonstigen Gesellschaftsanteilen auf, die Einnahmen aus Aktien gleichgestellt sind, einschließlich der Einnahmen aus Beteiligungen an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter oder aus partiarischem Darlehen. Dieser Aufbau des Abkommens könnte in der Tat nahelegen, die Regelung auf stille Gesellschaften bei Kapitalgesellschaften zu beschränken. Der Sache nach ist jedoch gemeint,7 dass die Begrenzungen für Dividenden in gleicher Weise auch für Einnahmen aus stillen Gesellschaften gelten sollen, gleichgültig in welcher Rechtsform das Handelsgewerbe betrieben wird. Hinter der vorgeblichen Definition verbirgt sich eine Verweisung – gesetzgeberisch ist dies gewiss kein Meisterstück.
1 So Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 11 OECD-MA Rz. 63, bei Unternehmerrisiko würde er zum atypisch Stillen, hierzu BFH v. 21.7.1999 – I R 110/98, BStBl. II 1999, 812. 2 Siehe Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 11 OECD-MA Rz. 48 über die Regelungen in den einzelnen Abkommen. 3 Sonderregelung Rußland (UdSSR) vgl. Art. 8 Abs. 2 DBA-UdSSR, Prot. Nr. 4. 4 Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 165. 5 Dafür Horst Vogel, DB 1978, 1021 (1023 f.); dagegen zu Recht BFH v. 27.1.1982 – I R 5/78, BStBl. II 1982, 374 (377). 6 Im Übrigen vgl. Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 165 ff. 7 BFH v. 27.1.1982 – I R 5/78, BStBl. II 1982, 374.
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2.197
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
2.198 Die Gleichstellung der Einnahmen aus stiller Gesellschaft und partiarischem Darlehen mit Dividenden wirkt nur auf die Art. 10 OECD-MA entsprechenden Verteilungsregeln des Dividendenartikels der DBA, nicht aber auch auf den Methodenartikel (Art. 23 OECD-MA). Dort sind die entsprechenden Einnahmen Zinsen. Somit richtet sich die Gleichstellung mit den Dividenden an den Quellenstaat und verweist diesen darauf, auf Einnahmen aus stiller Gesellschaft oder partiarischem Darlehen die Quellensteuerregeln für Dividenden anzuwenden.1 Im Ansässigkeitsstaat des Zahlungsempfängers kommen dann die Regeln über die Zinsen zur Anwendung. Folglich kann dort auf diese Einnahmen nicht der Methodenartikel für Schachteldividenden angewendet werden.2 Dies bedeutet aber nicht, dass im Quellenstaat ohne Weiteres die Regelungen hinsichtlich der Schachteldividenden entsprechend Art. 10 Abs. 2 OECD-MA anwendbar wären. Diese setzen nämlich eine Beteiligung am Kapital in einem gewissen Mindestumfang der Gesellschaft voraus, was eine stille Beteiligung nicht vermittelt.3 Besteht neben der stillen Beteiligung auch eine Schachtelbeteiligung am Kapital der Dividenden zahlenden Gesellschaft,4 dann soll nach h.M.5 die Schachtelvergünstigung auch für die Einnahme aus der stillen Gesellschaft gelten. Hierfür sollen Wortlaut und systematischer Zusammenhang des Abkommen sprechen. Wenn der Dividendenartikel eine Absenkung des Quellensteuersatzes für Dividenden vorsieht, die an eine Gesellschaft gezahlt werden, der mindestens 25 v.H. der stimmberechtigten Anteile der ausschüttenden Gesellschaft gehören, und im gleichen Art. auch Einnahmen aus einer stillen Gesellschaft als Dividenden definiert werden, so kann man daraus schließen, dass auch für die Einnahmen aus der stillen Beteiligung der Quellensteuersatz für Schachteldividenden gilt. Damit sei der Wortlaut so eindeutig, dass eine andere Auslegung nicht möglich sei.6 Fragt man aber nach dem Sinn und Zweck der Schachtelvergünstigung im DBA,7 so kann man daran zweifeln. Aufseiten des zahlenden Unternehmens sind die Zahlungen an den Stillen Betriebsausgaben, mindern folglich den Gewinn des Unternehmens. Dies unterscheidet sie von Gewinnausschüttungen. Sollen die Schachtelvergünstigungen die wirtschaftliche Doppelbelastung bei Divi-
1 Aus deutscher Sicht, um die KESt gem. § 43 Abs. 1 Nr. 3 EStG erheben zu können, Wassermeyer in D/W, Art. 10 OECD-MA Rz. 115. 2 So jetzt auch BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793; v. 19.5.2010 – I R 75/09, BStBl. II 2011, 208; h.M. Siegers/Steichen in D/W, Art. 10 DBA-Luxemburg Rz. 125, 212; Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 108: „alternative, einander ergänzende Regelungen“; a.A. nur Fries, IStR 2005, 805. 3 H.M. Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 167. 4 Dies ist möglich BFH v. 28.10.1964 – I 198/62 U, BStBl. III 1965, 119 (120); v. 18.3.1966 – IV 218/65, BStBl. III 1966, 197. 5 Weber, InstFSt Brief 204, 35; Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 138, 168; a.A. Vosely/Kumpf, RIW 1977, 309 (313). 6 So auch BFH v. 27.1.1988 – I R 241/83, BStBl. II 1988, 574 (575) bzgl. des insoweit übereinstimmenden Art. VI Abs. 3 u. Abs. 8 DBA-USA. 7 Vgl. hierzu Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 87.
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
denden beseitigen, so führt deren Anwendung auf die stille Gesellschaft zu einer doppelten Vergünstigung im Quellenstaat.1 Die Zukunft sollte eigenen DBA-Regeln für stille Gesellschaften gehören. 2.199 Dies zeigt sich am DBA-Schweiz. Dort wird ein eigener Quellensteuersatz für stille Beteiligungen von 30 v.H. in Art. 10 Abs. 2b festgelegt, von dem die Behandlung der Schachteldividende (Abs. 3) völlig unabhängig ist. Auch im DBA-USA 1989 findet sich in Art. 10 Abs. 6 eine Regelung für stille Gesellschaften, die unabhängig von den Schachteldividenden ist.2 Hintergrund derartiger Regeln ist, dass die Zahlungen als Betriebsausgaben abziehbar sind und dass daher eine (höhere) Quellensteuer gerechtfertigt ist. Für partiarische Darlehen gilt die gleiche Regelung: Enthält das DBA keine besondere Regel, so finden die Artikel über Zinsen Anwendung. Werden Einnahmen aus partiarischen Darlehen den Dividenden gleichgestellt, so gelten dieselben Überlegungen wie bei stillen Gesellschaften. Der BFH3 hat daher unter Berücksichtigung der Sonderregelung im DBAUSA (Rz. 2.199) entschieden, dass Zinsen aus partiarischen Darlehen, die aus den USA gezahlt werden, nicht wie Dividenden, sondern wie Zinsen im Methodenartikel besteuert werden.
2.200
4. Zinsen Zinsen aus Kapitalforderungen begründen nur dann die beschränkte Steuerpflicht, wenn das Kapitalvermögen im Inland in besonderer Weise gesichert ist (§ 49 Abs. 5 Buchst. c EStG).4 „Normale“ Darlehen eines Ausländers an einen Steuerinländer, Sparbucheinlagen, Kredite an Unternehmen sind in ihren Erträgen von der deutschen Steuer freigestellt. Dies macht es für ausländische Gesellschafter deutscher Kapitalgesellschaften besonders verführerisch, diese Darlehen anstelle einer Kapitalbeteiligung zu gewähren (thin capitalization). Zinszahlungen stellen dann aufseiten der Gesellschaft gewinnmindernde Betriebsausgaben dar, beim ausländischen Darlehensgeber werden sie nicht als steuerpflichtige inländische Einkünfte erfasst. Im Ergebnis erfolgt dann keine Besteuerung in Deutschland. Dies hat ausländische Muttergesellschaften veranlasst, ihren deutschen Tochtergesellschaften anstelle von Eigenkapital ein z.T. Vielfaches an Darlehen zu gewähren. Diese sog. eigenkapitalersetzenden Darlehen
1 Was diesen veranlassen kann, wie in § 8a KStG, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Richtigerweise sollten daher die Schachtelvergünstigungen nicht angewendet werden. Der Widerspruch gegen den Wortlaut der Abkommen bliebe dann aber bestehen. 2 Wolff in D/W, Art. 10 USA Rz. 161. 3 BFH v. 19.5.2010 – I R 75/09, BStBl. II 2011, 208. 4 Vgl. BFH v. 6.2.1985 – I R 87/84, BFH/NV 1985, 104; v. 13.4.1994 – I R 97/93, BStBl. II 1994, 743.
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2.201
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
haben nach einer umfangreichen, jahrelangen Diskussion1 nunmehr in § 8a KStG eine Regelung gefunden.
2.202 Es spräche nichts dagegen, wenn der Gesetzgeber § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG durch einen uneingeschränkten Verweis auf § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG so änderte, dass alle inländischen Zinszahlungen die beschränkte Steuerpflicht auslösen.2 Dies wäre mit den Grundsätzen des internationalen Steuerrechts vereinbar, wonach ein Staat auf abfließende Zinsen eine Quellensteuer erheben kann.3 In diesem Fall wären die Zinszahlungen weiterhin Betriebsausgaben, die den Gewinn des inländischen Schuldners mindern; sie würden allerdings mit einer inländischen Quellensteuer belegt, deren Höhe ggf. durch entsprechende DBA-Normen begrenzt würde. Stattdessen wurde versucht,4 über Missbrauchsregeln „verdecktes Nennkapital“ anzunehmen, was der BFH5 nicht mitmachte. Nachdem auch der Versuch, das Problem über Umqualifizierung der Zinsen in Dividenden zu lösen, gescheitert war, hat man den Weg der Zinsschranke beschritten, anstatt eine Quellensteuer auf Zinsen einzuführen. Bedenken6 gegen eine Vereinbarkeit der Zinsschranke mit Art. 11 OECD-MA sind nicht gerechtfertigt. Der ausländische Darlehensgeber erhält den vereinbarten Zins ohne steuerliche Belastung in Deutschland, wie im Abkommen vorgesehen. Dass der Gewinn des inländischen Darlehensnehmers geschmälert wird, ist eine rein innerstaatliche Angelegenheit ohne Auswirkung auf das DBA.
2.203 Gewährt ein ausländischer Gesellschafter einer inländischen Personengesellschaft7 ein Darlehen, so bezieht er gem. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG durch die Zinsen gewerbliche Einkünfte in Gestalt sog. Sondervergütungen (vgl. Rz. 10.19).8 Die Anwendbarkeit von § 15 EStG setzt gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG als hinreichenden Inlandsbezug (Rz. 2.3, 2.237 ff.) das Vorhandensein einer Betriebsstätte im Inland und die Zuordnung der Darlehensforderung als Grundlage für die Sondervergütung zu dieser voraus. Die Beteiligung an der Personengesellschaft mit einer Betriebsstätte im Inland9 vermittelt dem ausländischen Gesellschafter einen Anteil an dieser
1 Vgl. zur Entwicklung Wienbergen in Mössner/Seeger, § 8a KStG Rz. 1 ff.; siehe auch Cahiers de Droit Fiscal International LXXXIb (1996), International aspects of thin capitalisation. 2 So in der Tat für den Zeitraum vom 1.1.-30.6.1989 geschehen. 3 Vgl. Höhn, Generalbericht, Cahiers de Droit Fiscal International LXVIIa, 15 (38). 4 BMF v. 16.3.1987 – IV B 7 JK 2742 - 3/87, BStBl. I 1987, 373 = FR 1987, 199. 5 BFH v. 14.8.1991 – I B 240/90, BStBl. II 1991, 935; v. 5.2.1992 – I R 79/89, BFH/ NV 1992, 629; v. 5.2.1992 – I R 127/90, BStBl. II 1992, 532. 6 Homburg, FR 2007, 725; Köhler, DStR 2007, 604. 7 Hierzu siehe eingehend Wied in Blümich § 49 EStG Rz. 63 m.w.N. 8 Vgl. Loschelder in Schmidt31, § 50d EStG Rz. 60 m.w.N. 9 St. Rspr. BFH v. 29.1.1964 – I 153/61 S, BStBl. III 1964, 165; v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937 (939); v. 23.8.2000 – I R 98/96, BStBl. II 2002, 207; v. 16.10.2002 – I R 17/01, BStBl. II 2003, 631.
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
Betriebsstätte. Nach deutschem Steuerrecht soll1 die Darlehensforderung als Sonderbetriebsvermögen zum Betriebsvermögen der Mitunternehmerschaft gehören. Der II. Senat des BFH hat jedoch entschieden, dass eine gegen eine Personengesellschaft gerichtete Forderung selbst dann nicht zum Vermögen der durch die Beteiligung vermittelten Betriebsstätte des Gesellschafters gehört, wenn sie auf eine Sondervergütung gerichtet ist.2 Dem ist zuzustimmen. Im Vermögen der durch die Beteiligung an der Mitunternehmerschaft vermittelten Betriebsstätte des Ausländers befindet sich die Darlehensschuld, nicht aber die Forderung. Überlegungen,3 das Sonderbetriebsvermögen einer Geschäftsleitungsbetriebsstätte des Gesellschafters zuzuordnen, führen nicht weiter, da diese im Ausland läge. Begründen lässt sich generell die Zugehörigkeit des Sonderbetriebsvermögens nur mit der Auffassung des BFH,4 dass § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG hinsichtlich der Sondervergütungen nicht eine Qualifikationsnorm, sondern primär eine Zuordnungsnorm darstelle, weil die Sondervergütungen in die Gewinnermittlung der Mitunternehmerschaft einbezogen würden. Diese bilanziell begründete Zuordnung ist deutlich von der tatsächlichen Zugehörigkeit, die in den DBA verlangt wird, zu unterscheiden. Daher ist dem BFH5 zuzustimmen, dass § 50d Abs. 10 EStG zwar die Sondervergütungen einseitig zu Unternehmenseinkünften umqualifiziert, nicht jedoch dem Betriebsstättenvermögen zuordnet.
V. Einkünfte aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften werden umfassend besteuert. Dabei wird danach unterschieden, ob die Anteile im inländischen Betriebsvermögen gehalten werden oder ob es sich bei ihnen um Privatvermögen handelt. Insgesamt ist die Regelung der beschränkten Steuerpflicht für die Einkünfte unübersichtlich und kompli-
1 In der Entscheidung BFH v. 17.10.2010 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356 wird dies für das deutsche Steuerrecht als unstreitig unterstellt; Wolff in FS Wassermeyer, 659 bezieht sich wie andere Angehörige der Finanzverwaltung auf die Betriebsstättengrundsätze (BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 1.2.3, geändert durch BMF v. 20.11.2000 – IV B 4 - S 1300 - 222/00, BStBl. I 2000, 1509 bzw. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 [2009/0716905]; BStBl. I 2010, 354), die allerdings darauf abstellen, ob die den Zinsen zugrundeliegenden Vermögenswerte tatsächlich zur Betriebsstätte gehören. Eine Rechtsgrundlage ist den Gundsätzen nicht zu entnehmen. 2 BFH v. 9.8.2006 – II R 59/05, BStBl. II 2009, 758. 3 Rosenberg/Farle in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerecht, Rz. 13.13; dort auch Erwägungen zur Zuordnung zu weiteren Betriebsstätten. 4 Grundlegend BFH v. 18.7.1979 – I R 199/75, BStBl. II 1979, 750 gegen die sog. Subsidiaritätsthese. 5 BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
ziert. Dies erklärt sich daraus, dass die Art und Weise der Ermittlung des Veräußerungsgewinns, vor allem die Möglichkeit, Ausgaben zu berücksichtigen, die Behandlung von Verlusten und die Art der Besteuerung unterschiedlich erfolgen. Ob diese Unterschiede gerechtfertigt sind, kann mit Fug und Recht bezweifelt werden. Gelegenheit zur Steuervereinfachung bietet sich reichlich.
2.205 Im Betriebsvermögen unterliegen sie gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG der beschränkten Steuerpflicht, wenn das Vermögen steuerlich verhaftet ist, d.h. wenn es sich um das Vermögen einer inländischen Betriebsstätte handelt und die Anteile funktional der inländischen Betriebsstätte dienen.1 Dies kann etwa der Fall sein, wenn ein ausländisches Unternehmen im Inland Waren produziert und diese über eine inländische Vertriebs-GmbH absetzt.
2.206 Werden die Anteile im Privatvermögen des Ausländers gehalten, so unterliegen sie der beschränkten Steuerpflicht, wenn es sich um nach dem 31.12.20082 erworbene Anteile an Kapitalgesellschaften handelt. Dies ergibt sich aus § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. d EStG, der auf § 43 Abs. 1 Nr. 9 EStG verweist, der wiederum § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG in Bezug nimmt. Allerdings schränkt § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. d EStG dies sogleich auf bestimmte Fälle3 ein. Dadurch sind vor allem Tafelgeschäfte betroffen. Ansonsten bleiben die Veräußerungsgewinne im Inland unbesteuert (siehe aber Rz. 2.207).
2.207 Beteiligungen i.S.v. § 17 EStG erklärt4 § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG zu Einkünften aus Gewerbebetrieb, wenn sie „unter den Voraussetzungen des § 17 erzielt werden, wenn es sich um Anteile an einer Kapitalgesellschaft handelt, die ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland hat.“5 Damit wird die Inlandsbeziehung von gewerblichen Einkünften über die Betriebsstätte oder den ständigen Vertreter hinaus erweitert, weil der Anteilsbesitz an inländischen Kapitalgesellschaften keine Betriebsstätte begründet. Daher wurde bereits 19346 eine entsprechende Sonderregelung in das Gesetz aufgenommen. Dabei muss unterschieden werden, ob die wesentliche Beteiligung zum
1 Ausführungen zur Zuordnung von Vermögen zur Betriebsstätte bei Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D916 ff., D1206; für Beteiligungen Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 272; auch BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510. 2 § 52a Abs. 10 EStG; für die frühere Rechtslage siehe Vorauflage. 3 Zu diesen vgl. Loschelder in Schmidt31, § 49 EStG Rz. 68. 4 Jetzige Fassung durch StBereinigungsG 1985, die durch eine Klarstellung zur früheren Textfassung bestehender Kritik (Bellstedt, DB 1971, 937) begegnen will, und Steuermissbrauchsbekämpfungs- u. Steuerbereinigungsgesetz v. 21.12.1993, das die Einbeziehung verdeckter Einlagen klarstellen will. 5 Zu den Umwandlungsfällen des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. bb EStG vgl. Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 126. 6 Vgl. Gesetzesbegr., RStBl. 1935, 59.
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
1. Betriebsvermögen einer inländischen Betriebsstätte (Rz. 2.205, 2.211), 2. ausländischen Betriebsvermögen (Rz. 2.210) oder 3. Privatvermögen des Ausländers (Rz. 2.209) gehört. Nach zutreffender h.M. betrifft § 17 EStG ausschließlich Anteile im Privatvermögen.1 Dies könnte bedeuten, dass Beteiligungen gem. § 17 EStG in einem ausländischen Betriebsvermögen nicht erfasst werden. Es wäre aber zu merkwürdig, wenn diese nicht erfasst werden. Es geht um die Auslegung der Formulierung „unter den Voraussetzungen des § 17“. Diese merkwürdige Formulierung ist ein Beispiel für die Unfähigkeit des Gesetzgebers, in klaren Worten zu sagen, was er will. Erst im Zusammenhang erklärt sich, was gemeint ist. Dass § 17 EStG nur Anteile im Privatvermögen erfasst, ergibt sich daraus, dass solche im Betriebsvermögen bereits über § 15 oder § 18 erfasst werden. In § 17 EStG selbst kommt eine Beschränkung auf das Privatvermögen nicht zum Ausdruck. Deshalb sind folgende Voraussetzungen von § 17 EStG gemeint: – Beteiligung von mindestens 1 v.H.,
2.208
– Beteiligung, unmittelbar oder mittelbar, – an einer Kapitalgesellschaft, – innerhalb der letzten fünf Jahre zu irgendeinem Zeitpunkt vor der Veräußerung. Der Veräußerungsgewinn ist ein inländischer und begründet somit die beschränkte Steuerpflicht, wenn die Kapitalgesellschaft Sitz (Rz. 2.63) oder Geschäftsleitung (Rz. 2.66) im Inland hat. Unproblematisch in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG ist daher der Fall der wesentlichen Beteiligung im Privatvermögen eines Ausländers (Alt. 3 Rz. 2.207).2
2.209
Folgt man der h.M. (vgl. Rz. 2.208) von der Geltung des § 17 EStG nur für Privatvermögen, so bereitet die Anwendung von § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG auf im ausländischen Betriebsvermögen gehaltene Anteile (Fall 2, Rz. 2.207) Schwierigkeiten, denn dann würde § 49 EStG Einkünfte der beschränkten Steuerpflicht unterwerfen, die bei unbeschränkter Steuerpflicht nicht dem § 17 EStG, sondern § 15 EStG unterliegen.3 Das Prinzip, dass die sachliche Steuerpflicht nicht durch § 49 EStG, sondern durch §§ 13–24 EStG festgelegt wird, und § 49 EStG nur die Inlandskriterien festlegt, würde verletzt. Ließe man hingegen einen solchen Veräußerungsgewinn steuerfrei, so wäre dies eine nicht zu rechtfertigende Ver-
2.210
1 BFH v. 6.2.1970 – VIR 186/87, BStBl. II 1970, 400, st. Rspr.; Weber-Grellet in Schmidt31, § 17 EStG Rz. 12; Ebeling in Blümich, § 17 EStG Rz. 2 f.; Frotscher, § 17 EStG Rz. 1. 2 Vgl. BFH v. 13.12.1989 – I R 39/87, BStBl. II 1990, 379; v. 13.12.1989 – I R 40/87, BStBl. II 1990, 381. 3 Mit der Folge, dass sie nur beim Vorliegen einer inländischen Betriebsstätte beschränkt steuerpflichtig wären.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
günstigung gegenüber Inländern generell und Ausländern, die die Anteile im Privatvermögen halten. Es widerspräche auch der eindeutig erklärten Absicht des Gesetzgebers. Da eine andere Norm fehlt, werden auch diese Anteile erfasst. Konstruktiv bieten sich zwei Wege an, die zum gleichen Ergebnis führen. Entweder wendet man § 49 Abs. 2 EStG (vgl. Rz. 2.237 ff.) an. Nach der hier vertretenen Auffassung führt das Fehlen einer inländischen Betriebsstätte dazu, dass die Norm des § 15 EStG nicht auf die beschränkte Steuerpflicht in diesem Fall anwendbar ist.1 Dann gibt es auch keine Unterscheidung in Betriebs- und Privatvermögen.2 Oder man ist der Ansicht, dass § 17 EStG entgegen der h.M. auch Veräußerungen von im Betriebsvermögen gehaltenen Anteilen erfasst, zugleich aber als subsidiäre Norm3 zurücktritt, wenn der Veräußerungsgewinn durch andere Normen (z.B. § 15 i.V.m. §§ 4, 5 EStG) erfasst wird. Mangels Zugehörigkeit zu einem inländischen Betriebsvermögen kommt es zur Anwendung der subsidiären Norm. § 17 EStG behält seine Geltung für diese Anteile. Unerheblich ist, an wen die Veräußerung erfolgt: Inländer oder Ausländer. Somit beansprucht der deutsche Fiskus auch dann deutsche Steuer, wenn z.B. ein ausländisches Unternehmen seine 30 %ige Beteiligung an einer inländischen GmbH mit Gewinn an ein anderes ausländisches Unternehmen verkauft.4 Ob es der Finanzverwaltung gelingt, in diesen Fällen immer den deutschen Steueranspruch durchzusetzen, erscheint durchaus fraglich, denn von solchen Veräußerungsgewinnen wird sie nur ausnahmsweise Kenntnis erlangen. Und wenn, so hat sie keine Möglichkeiten, gegen den Veräußerer vorzugehen. Damit ist aber noch nicht die Frage beantwortet, wie ein Veräußerungsgewinn besteuert wird, wenn die Anteile von einer ausländischen Kapitalgesellschaft (Körperschaft) gehalten werden. Insbesondere geht es dabei um die Anwendbarkeit von § 8b KStG einschl. der 5 %-Regelung des § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG.5 Da das KStG keine eigenständige Inlandskriterien für die beschränkte Steuerpflicht enthält, sondern in § 2 Nr. 1 KStG nur anordnet, dass die inländischen Einkünfte der beschränkten Steuerpflicht unterliegen, bezieht sich der damit gegebene Verweis auf das EStG nur auf die Inlandskriterien des § 49 Abs. 1 EStG. Die Besteuerung selbst wird aber den Bestimmungen des KStG gemäß durchgeführt. Es ist unbezeifelbar, dass ausländische Körperschaften mit ihren inländischen Einkünften der deutschen Körperschaftsteuer unterliegen: dies ordnet § 1 Nr. 1 KStG an. Wie die Besteuerung erfolgt, ergibt sich dann aus dem KStG und damit auch § 8b Abs. 1 KStG. Als Folge bleiben Gewinne ausländischer Körperschaften aus der 1 So die h.M., vgl. Kumpf in H/H/R, § 49 EStG Rz. 577; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 124; Loschelder in Schmidt31, § 49 EStG Rz. 37; Ramackers in L/B/P, § 49 EStG Rz. 240. 2 So BFH v. 20.1.1959 – I 112/57 S, BStBl. III 1959, 133; v. 13.12.1961 – I 203/60 U, BStBl. II 1962, 85. 3 Eilers/R. Schmidt in H/H/R, § 17 EStG Rz. 20; Jäschke in Lademann/Söffing/ Brockhoff, § 17 EStG Rz. 30. 4 Kumpf in H/H/R, § 49 EStG Rz. 575. 5 Kempf/Hohage, IStR 2010, 806; Nitzschke, IStR 2012, 125.
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
Veräußerung von § 17-Anteilen an inländischen Kapitalgesellschaften daher gem. § 8b Abs. 2 KStG außer Ansatz, unterliegen jedoch gem. § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG der „Wegelagererbesteuerung“ von 5 %. Gehören die Anteile zu dem Betriebsvermögen einer inländischen Betriebsstätte (Fall 3, Rz. 2.207), so gehören Gewinne aus ihrer Veräußerung zum regulären Gewinn, unabhängig davon, ob 1 % der Anteile gehalten werden oder nicht. Sie werden auch uneingeschränkt der normalen1 Steuer unterworfen. Verfügt das ausländische Unternehmen über eine inländische Betriebsstätte, so kann es daneben durchaus Anteile an einer inländischen Kapitalgesellschaft halten, da das deutsche Steuerrecht keine Attraktivkraft der Betriebsstätte kennt (Rz. 4.18, 4.112).
2.211
Hinsichtlich des Steuersatzes (allg. siehe Rz. 2.84) ist § 34 EStG anzuwenden.2 Dies setzt das Vorliegen außerordentlicher Einkünfte i.S.v. § 34 Abs. 2 EStG voraus. Für die Veräußerung von Aneilen an Kapitalgesellschaften kommen als solche gem. § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG „die das gesamte Nennkapital umfassende Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft“ in Betracht, wobei bei der Liquidation der Gesellschaft noch § 17 Abs. 4 Satz 3 EStG zu beachten ist, wodurch die Abgrenzung von laufenden Dividendenerträgen zu Veräußerungsgewinnen erfolgt. Da § 34 EStG als „Progressionsglätter“ nicht bei Kapitalgesellschaften als Anteilseignern gilt, findet die Vorschrift nur Anwendung, wenn der ausländische Anteilseigner als natürliche Person die Anteile unmittelbar bzw. über eine Personengesellschaft in seinem Privatvermögen oder in einem Betriebsvermögen hält. Für im Privatvermögen gehaltene Anteile tritt wegen § 20 Abs. 8 EStG die Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 1 EStG zugunsten von § 17 EStG zurück. Veräußerungsgewinne gem. § 17 EStG führen jedoch nicht zu außerordentlichen Einkünften i.S.v. § 34 Abs. 2 EStG, sondern unterliegen dem Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Bucht. c EStG). Somit kommen nur Anteile im Betriebsvermögen in Betracht; die durch deren Veräußerung erzielten Gewinne unterliegen dem Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 Buchst. b EStG, der sich auf den Veräußerungspreis gem. § 16 Abs. 2 EStG bezieht, der wiederum auf § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG verweist. Die dem Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 Buchst. b EStG unterliegenden außerordentlichen Einkünfte – hier Veräußerung einer 100 %igen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft3 – schließt § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG von der Vergünstigung des § 34 EStG aus. Im Ergebnis scheidet daher § 34 EStG aus. Dies ist auch sinnvoll, da in jedem Fall die Vergünstigung des Teileinkünfteverfahrens gilt.4
2.212
Die beschränkte Steuerpflicht für Veräußerungsgewinne im Quellenstaat wird durch Art. 13 Abs. 5 OECD-MA aufgehoben und das alleinige Be-
2.213
1 2 3 4
Ausnahme für eine 100 %ige Beteiligung vgl. § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Loschelder in Schmidt31, § 50 EStG Rz. 19; Kube in K/S/M, § 50 EStG Rz. D8. So auch Drenseck in Schmidt31, § 34 EStG Rz. 28. Wacker in Schmidt31, § 16 EStG Rz. 161 f. zur verbliebenen, eingeschränkten Bedeutung von § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
steuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat zugewiesen,1 ausgenommen allerdings die Fälle, in denen die Beteiligung zum Betriebsvermögen einer Betriebsstätte (Art. 13 Nr. 2 OECD-MA) gehört (Rz. 2.205).
2.214 Die einzelnen DBA der Bundesrepublik sehen jedoch unterschiedliche Regelungen vor und folgen nicht alle dem OECD-MA. Es gibt solche, die explizit die Besteuerung in dem Staat der Ansässigkeit der Gesellschaft, an der die Beteiligung besteht, aufrechterhalten.2 Das DBA-Brasilien ließ beiden Staaten die Besteuerungsbefugnis. Zwei Abkommen enthalten überhaupt keine Bestimmung.3 Dann ist gem. Art. 21 Abs. 1 OECD-MA die Besteuerung nur im Ansässigkeitsstaat des Veräußerers möglich.4
VI. Lizenzen 2.215 Unter einer Lizenz versteht man die Erlaubnis zur Nutzung eines einem anderen zustehenden Rechts (Patent, Urheberrecht, Warenzeichen, Marke, Konzernname und andere gewerbliche Schutzrechte). Nicht als Lizenz im engeren Sinn wird die Übertragung eines derartigen Rechts bezeichnet. Erweiternd wird unter diesem Begriff auch die Mitteilung gewerblicher, kaufmännischer oder wissenschaftlicher Erfahrungen (sog. Know-how) subsumiert.5 Eine eigenständige Kategorie „Lizenzeinkünfte“ kennt das deutsche Steuerrecht im Gegensatz zu Art. 21 OECD-MA nicht. Einnahmen aus der Lizenzüberlassung müssen folglich einer der sieben Einkunftsarten (§ 2 Abs. 2 EStG) zugeordnet werden. In Betracht kommen hierfür Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) und selbständiger Tätigkeit (§ 18 EStG), sofern die Lizenzen gewerbs- bzw. berufsmäßig vergeben werden, sowie im Übrigen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gem. § 21 Abs. 1 Nr. 3 EStG in der Form der zeitlichen Überlassung von Rechten. Je nachdem wird die beschränkte Steuerpflicht durch unterschiedliche Normen begründet.
2.216 Lizenzeinnahmen unterliegen der beschränkten Steuerpflicht als Einkünfte aus Gewerbebetrieb, wenn sie einer inländischen Betriebsstätte eines ausländischen gewerblichen (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) oder freiberuflichen (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 Halbs. 2 EStG) Unternehmens zuzurechnen sind. Dies setzt einen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen der Tätigkeit der Betriebsstätte und der Lizenz voraus. Die Unterscheidung zwischen der eigentlichen Lizenz als einer zeitlich begrenzten Nutzungsüberlassung und der Übertragung des Rechts selbst verliert dann an Bedeutung. In beiden Fällen handelt es sich um BetriebsstättenReimer in V/L5, Art. 19 OECD-MA Rz. 179 ff. Zu weiteren Einzelheiten Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 225. Australien, Trinidad und Tobago. Vgl. im Übrigen Vorauflage Rz. B193 zu älteren Auffassungen, die angesichts der weitgehenden Regelungen in den neueren Abkommen nur historisches Interesse besitzen. 5 Art. 12 Nr. 8 OECD-MK; zu Know-how siehe Art. 12 Nr. 11 OECD-MK.
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
einkünfte gem. § 49 Abs. 1 2 Buchst. a EStG. Eine Zuordnung des Rechtes zur Betriebsstätte ist im Allgemeinen gegeben, wenn das Recht oder die Kenntnisse in der inländischen Betriebsstätte entwickelt wurden, Entwicklungskosten also Betriebsausgaben der Betriebsstätte waren. Der Betriebsstättenstaat wird sich auf den Standpunkt stellen, dass er ein Recht habe, die Erträge zu besteuern, da er auch die Kosten getragen habe. Ist das gewerbliche Schutzrecht, z.B. ein Patent, im Stammhaus oder einer anderen Betriebsstätte des Unternehmens in einem anderen Staat entwickelt worden, so wird man einen wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer inländischen Betriebsstätte annehmen können, wenn die Art der Tätigkeit der Betriebsstätte eng mit der Lizenzvergabe zusammenhängt, etwa wenn es sich um gleiche Branchen handelt und enge wirtschaftliche Beziehungen zum Lizenznehmer bestehen. Dies setzt aber auch die Überführung des Rechts in das Vermögen der inländischen Betriebsstätte voraus, die gem. § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 8 EStG als sog. Verstrickung zum gemeinen Wert erfolgt. Die buchmäßige Behandlung kann in Zweifelsfällen auch als Anhaltspunkt dienen.1 Zur Klarstellung sei darauf hingewiesen, dass hier nur von dem Fall die Rede ist, dass ein ausländisches Unternehmen eine Lizenz an einen Dritten vergibt und die Lizenzeinnahmen wirtschaftlich der im Inland befindlichen Betriebsstätte zuzurechnen sind. Ganz andere Probleme stellen sich, wenn Schutzrechte und technisches Wissen des Stammhauses in der eigenen Betriebsstätte angewandt werden. Dies ist dann eine Frage der konkreten Gewinnabgrenzung (Rz. 4.67 ff.). Gewährt ein ausländischer, freier Erfinder Lizenzen an inländische Lizenznehmer, so kann er Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit (§ 18 EStG) beziehen, wenn seine erfinderische Tätigkeit wissenschaftlicher Natur ist.2 In diesem Fall wird die beschränkte Steuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG i.d.R. dadurch begründet, dass der ausländische Erfinder das Ergebnis seiner Erfindungstätigkeit im Inland verwertet. Die Vergabe einer Lizenz ist eine typische Form der Verwertung selbständiger Tätigkeit.3 Der ausländische, selbständige Erfinder unterliegt daher mit seinen Einnahmen gem. § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG der beschränkten Steuerpflicht, die er für die Nutzung seines Patents durch einen Inländer bezieht. Aber auch die Übertragung des Rechts stellt eine Verwertung dar. Ebenfalls fällt unter § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG die Überlassung von Urheberrechten durch Künstler bei Ton- und Bildaufnahmen.4 1 RFH v. 19.12.1935 – I A 236/35, RStBl. 1936, 590. 2 BFH v. 1.6.1978 – IV R 152/73, BStBl. II 1978, 545; v. 14.3.1985 – IV 8/84, BStBl. II 1985, 424 (426). 3 BFH v. 13.10.1976 – I R 261/70, BStBl. II 1977, 76 (78); v. 11.4.1990 – I R 82/86, BFH/NV 1991, 143; v. 12.11.1986 – I R 268/83, BStBl. II 1987, 372 (373); v. 12.11.1986 – I R 38/83, BStBl. II 1987, 377 (378); v. 12.11.1986 – I R 69/83, BStBl. II 1987, 379 (380); v. 12.11.1986 – I R 320/83, BStBl. II 1987, 381 (382); v. 12.11.1986 – I R 192/85, BStBl. II 1987, 383 (384). 4 BFH v. 16.12.1970 – I R 137/68, BStBl. II 1971, 200; Rabe, RIW 1991, 317; BFH v. 20.7.1988 – I R 174/85, BStBl. II 1989, 87.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
2.218 § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG kennt als weiteres Kriterium eines Inlandsbezuges noch die Ausübung der Erfindertätigkeit im Inland. Dies setzt die Anwesenheit des Ausländers im Inland voraus, ohne dass er dadurch zum unbeschränkt Steuerpflichtigen wird. Die Erfindertätigkeit muss während der Anwesenheit im Inland erfolgen. Dann können gem. § 50 Abs. 1 EStG auch die mit den Lizenzen wirtschaftlich zusammenhängenden Betriebsausgaben im Inland berücksichtigt werden. Das Gesetz sagt nicht, ob der beschränkten Steuerpflicht nur die Vergabe der Lizenz ins Inland unterliegt oder ob auch die Vergabe ins Ausland erfasst wird. Da der Ausübungs- und der Verwertungstatbestand unabhängig1 nebeneinanderstehen, wobei die Ausübung die Verwertung einschließt, ist vom Wortlaut her auch die Vergabe einer im Inland gemachten Erfindung ins Ausland erfasst. Der BFH2 hat entschieden, dass auch nachträgliche Einkünfte aus Erfindertätigkeit, die im Inland ausgeübt worden ist, beschränkt steuerpflichtig sind. Im entschiedenen Fall hatte ein zunächst unbeschränkt steuerpflichtiger Erfinder seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt. Da die Einnahmen aus den während der unbeschränkten Steuerpflicht gemachten Erfindungen weiterhin im Inland steuerpflichtig sind, hat der BFH eine Betriebsaufgabe durch den Wegzug verneint. Der betreffende Erfinder bezog für seine Erfindungen Lizenzeinnahmen auch aus der Schweiz. Auch insofern nahm der BFH keine Entstrickung an, was nur möglich ist, wenn auch die Lizenzvergabe ins Ausland von der beschränkten Steuerpflicht erfasst wird.
2.219 Können die Lizenzeinnahmen nicht einer inländischen Betriebsstätte zugerechnet werden oder stellen sie sich nicht als Verwertung der Tätigkeit eines Selbständigen dar, so kommt eine beschränkte Steuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG in Betracht. Dies ist dann der Fall, wenn 1. es sich um Einkünfte „aus zeitlich begrenzter Überlassung von Rechten3 insbesondere von schriftstellerischen, künstlerischen und gewerblichen Urheberrechten“ (§ 21 Abs. 1 Nr. 3 EStG) handelt (= Steuerobjekt) und 2. diese Rechte im Inland belegen oder in ein öffentliches Buch oder Register eingetragen sind oder in einer inländischen Betriebsstätte oder anderen Einrichtungen verwertet werden (§ 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG) (= Inlandskriterium). Entscheidend ist für die erste Voraussetzung das Kriterium der zeitlich begrenzten Überlassung.4 Diese wird sich aus dem Vertrag ergeben, wobei ausreicht, dass bei Vertragsabschluss durchaus ungewiss ist, wann genau die Überlassung endet.5 1 Vgl. Loschelder in Schmidt31, § 49 EStG Rz. 46 ff. u. 49. 2 BFH v. 28.10.2010 – I R 99/08, DStR 2010, 40. 3 Aber nicht auch hieraus abgeleitete Vertriebslizenzen wie FG München v. 6.3.1985 – I 2/82 E, EFG 1985, 351 meint; hierzu vgl. BFH v. 27.7.1988 – I R 130/84, BStBl. II 1989, 101 (102): nur eigene Anbringung eines Warenzeichens. 4 BFH v. 20.2.1974 – I R 217/71, BStBl. II 1974, 511 (512). 5 BFH v. 7.12.1977 – I R 54/75, BStBl. II 1978, 355 (356).
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
§ 21 Abs. 1 Nr. 3 EStG spricht von „Rechten“ und zählt „insbesondere“ 2.220 Urheberrechte auf. Diesen ist gemeinsam, dass sie das Ergebnis einer geistigen Leistung sind und gesetzlich (z.B. §§ 1, 2 UrhG) geschützt werden.1 Von diesen sind die Persönlichkeitsrechte,2 wie z.B. das Recht am eigenen Bild, zu unterscheiden. Diese können nicht im eigentlichen Sinne „überlassen“ werden. Der Rechtsinhaber hat ein Abwehrrecht gegen Dritte. Der BGH3 hat es daher zu Recht nicht als Rechtsüberlassung im eigentlichen Sinne angesehen, wenn der Veranstalter eines Sportfestes gegen Entgelt dessen Fernsehübertragung zulässt. Gleiches gilt, wenn sich ein Model ablichten lässt und dem Fotografen erlaubt, die Bilder während eines bestimmten Zeitraums etwa zu Werbezwecken im Inland zu benutzen.4 Das Model erzielt dann im Gegensatz zum Fotografen keine Einkünfte aus einer Rechtsüberlassung. Es fehlt somit am Steuerobjekt. Anders ist es, wenn die betreffende Person diese Rechte einem anderen überlassen hat und dieser sie im Inland verwertet.5 In „Abgrenzung“ hierzu hat der BFH dann mit Urteil vom 19.12.20076 entschieden, dass die Nutzungsüberlassung am Namen und am Bild eines Sportlers im Wege der Selbstvermarktung auch unter § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG fällt.7 Ob dies den Besonderheiten des entschiedenen Falls geschuldet war oder generell gelten soll, ist der Entscheidung nicht eindeutig zu entnehmen, da sie die frühere gegenteilige Entscheidung von 2007 nicht aufgibt, sondern sich nur von ihr abgrenzt. Die Frage ist noch umstritten.8 Bei Lizenzverträgen über eingetragene Patente und Warenzeichen ist eine zeitliche Begrenzung üblich und folgt auch schon aus der vom PatG und WZG vorgesehenen begrenzten Schutzdauer dieser Rechte.9 Fehlt es an einer Befristung im Vertrag, dann treten Probleme auf: Die Schutzdauer eines Warenzeichens kann vom Zeicheninhaber verlängert werden, die eines Patents oder Urheberrechts nicht. Folglich ist eine vertraglich unbefristete Warenzeichenlizenz nicht zeitlich begrenzt; die beschränkte Steuerpflicht entsteht nicht.10 Eine vertraglich unbefristete Patent- oder Urheberrechtslizenz dagegen ist kraft Gesetzes befristet auf die gesetzliche Schutzdauer; beschränkte Steuerpflicht besteht, es sei denn, die Umstände des Einzelfalles sprechen für einen Verkauf11 des Schutzrechtes, wenn 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. I61, I69 ff. Vgl. ausführlich Wied in Blümich § 49 EStG Rz. 204. BGH v. 14.3.1990 – KVR 4/88, BGHZ 110, 371 (384). Siehe hierzu Wild/Eigelshoven/Reinfeld, DB 2003, 1867; Schmidt-Heß, IStR 2006, 690. BFH v. 28.1.2004 – I R 73/02, BStBl. II 2005, 550. BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BStBl. II 2010, 398 gegen h.M. Ebenso BMF v. 2.8.2005 – IV C 8 - S 2411 - 8/05, BStBl. I 2005, 844. Siehe die gegenteiligen Ansichten jeweils m.w.N. Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. I201 – Namensrecht; Nieland in Lademann, § 50a EStG Rz. 224. Offengelassen durch BFH v. 7.12.1977 – I R 54/75, BStBl. II 1978, 355 (356). Loschelder in Schmidt31, § 49 EStG Rz. 77; ausführlich zu Warenzeichen Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. I201 – Warenzeichen. Siehe die Aufzählung bei Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. I71.
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2.221
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
z.B. der Lizenznehmer Unterlizenzen vergeben kann. Auch die „verbrauchende Nutzungsüberlassung“ führt zu einer endgültigen Überlassung. Sieht der Patentlizenzvertrag die Fortzahlung der Lizenzgebühr auch nach Ablauf der Schutzfrist vor, dann besteht möglicherweise die beschränkte Steuerpflicht nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist unter dem Gesichtspunkt fort, dass sich der Gegenstand des Lizenzvertrages in ein im Inland nicht registriertes Erfahrungswissen (Know-how) verwandelt. Siehe auch Rz. 2.225.
2.222 Diese Einkünfte sind inländische, wenn das gewerbliche Schutzrecht in ein inländisches Register eingetragen ist.1 Als öffentliche Register kommen in der Bundesrepublik in Betracht: Patent-, Markenschutz- und Gebrauchsmusterregister. Besteht dort eine Eintragung, so ist irrelevant, wo die unter Lizenz hergestellten Produkte hergestellt oder vertrieben werden. Dies kann auch im Ausland erfolgen. Nicht entscheidend ist, ob sich der Schutz auf das Inland erstreckt.2 Ausreichender Inlandsbezug besteht weiterhin auch, wenn die Rechte in einer inländischen Betriebsstätte des Lizenznehmers3 verwertet werden, d.h. wenn das Recht im Rahmen der eigenen Tätigkeit der Betriebsstätte genutzt wird. Lizenznehmer kann nicht der Rechtsinhaber selbst sein. Möglich ist aber, dass es sich um eine Tochtergesellschaft handelt. Demgemäß können auch Konzernumlagen wegen der Nutzung von Patenten und Warenzeichen zur beschränkten Steuerpflicht führen.4 Dementsprechend ist die beschränkte Steuerpflicht auch dann gegeben, wenn ein im Ausland registriertes Schutzrecht einem inländischen Betrieb eines anderen zur Nutzung überlassen wird und dieser die unter Verwendung der Lizenz hergestellten Produkte auf ausländischen Märkten vertreibt.5 Dieser Zusammenhang wird erst dann unterbrochen, wenn der inländische Lizenznehmer die Produkte über eine ausländische Betriebsstätte vertreibt und die Lizenzgebühr für die Nutzung im Ausland – etwa Verwendung des Warenzeichens – gezahlt wird. In Höhe dieses Anteils entsteht keine beschränkte Steuerpflicht für die Lizenzgebühren.6
2.223 Seit 1986 tritt neben die inländische Betriebsstätte (Rz. 2.100) die „andere Einrichtung“. Dieser – neue – Begriff ist gesetzlich nicht definiert. Der Gesetzesbegründung7 nach dient diese Erweiterung der Klarstellung. Offenbar sollen Einrichtungen erfasst werden, bei denen Merkmale des § 12 1 RFH v. 7.6.1932 – I A 274/31, RStBl. 1932, 739; v. 28.6.1932 – I A 56/3, RStBl. 1932, 759. 2 So zutreffend Lüdicke in Lademann/Söffing/Brockhoff, § 49 EStG Rz. 751. 3 RFH v. 13.7.1937 – I A 309/36, RStBl. 1937, 1020; wird sie in einer Betriebsstätte des ausländischen Lizenzgebers verwertet, so ist nicht § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG betroffen, sondern vielmehr das unter Rz. 2.216 Erörterte; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 208. 4 Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 210. 5 BFH v. 23.5.1973 – I R 163/71, BStBl. II 1974, 287 (289). 6 Vgl. Kraft in H/H/R, § 49 EStG Rz. 51. 7 BT-Drucks. 10/4513, 23.
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
AO nicht erfüllt werden. Andererseits verwendet das Gesetz den Begriff der „Einrichtung“, der auch in § 12 AO vorkommt. Damit kann es sich nicht lediglich um eine Klarstellung gehandelt haben.1 Da eine Betriebsstätte auch bei selbständiger Tätigkeit gegeben sein kann,2 handelt es sich um „andere Einrichtungen“, wenn sie nicht einem Unternehmen, gewerblich, land- und forstwirtschaftlich oder freiberuflich dienen.3 Als solche kommen etwa Einrichtungen öffentlich-rechtlicher Anstalten4 in Betracht. Im Übrigen müssen aber die Voraussetzungen von § 12 AO erfüllt sein, insbesondere muss es sich um eine feste (Rz. 2.105) und dauernde Einrichtung handeln. Die bisher dargestellten Varianten erfassen noch nicht alle möglichen Fälle von Lizenzgebühren, die aus dem Inland an Ausländer gezahlt werden:
2.224
1. Ein ausländisches Unternehmen vergibt die Lizenz, ohne dass sie einer inländischen Betriebsstätte oder Einrichtung (Rz. 2.216) zugeordnet wird. 2. Ein ausländisches gewerbliches Unternehmen oder eine Kapitalgesellschaft,5 die keine Einkünfte gem. § 18 EStG erzielen können, vergibt die Lizenz (vgl. Rz. 2.217). 3. Die Rechte sind nicht in einem inländischen Register eingetragen. 4. Die Überlassung erfolgt nicht zeitlich begrenzt, sondern endgültig. Offen ist vor allem Fall 4, da § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG bei der unbefristeten bzw. vollständigen Übertragung des Rechts entfällt. Erfahrungen (Knowhow)6 können ihrer Natur nach nicht befristet einem anderen zur Nutzung überlassen werden.7 Erhält dieser von den Erfahrungen Kenntnis, so kann er sie nutzen, ohne dass ihm dies untersagt werden könnte. Derartige Erfahrungen stellen keine schutzfähigen Rechte dar.8 Ebenfalls entfällt die beschränkte Steuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG, wenn Rechte endgültig übertragen werden.9 Um diese Lücke zu schließen, wurde mit dem 2. StÄndG 1973 v. 18.7.197410 § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG in das Gesetz 1 So auch Lüdicke in Lademann/Söffing/Brockhoff, § 49 EStG Rz. 754. 2 Kruse in T/K, § 12 AO Rz. 7. 3 H.M. Frotscher in Frotscher, § 49 EStG Rz. 40; Lüdicke in Lademann/Söffing/ Brockhoff, § 49 EStG Rz. 754; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 209. 4 Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. I118 f., I120 – nicht Einrichtungen Privater. 5 BFH v. 20.2.1974 – I R 217/71, BStBl. II 1974, 511 (512). 6 Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. I201 – Know-how. 7 So BFH v. 4.3.1970 – I R 140/66, BStBl. II 1970, 428; v. 4.3.1970 – I R 86/69, BStBl. II, 567; v. 20.2.1974 – I R 217/71, BStBl. II 1974, 511 (512); v. 27.7.1988 – I R 130/84, BStBl. II 1989, 101 (102), aber auch BFH v. 27.4.1977 – I R 211/74, BStBl. II 1977, 623 (624) (Know-how-Überlassung als Nebenpflicht zur Patentüberlassung), anders z.T. BFH v. 20.7.1988 – I R 61/85, BStBl. II 1989, 99; v. 5.11.1992 – I R 41/92, BStBl. II 1993, 407. 8 Putzo in Palandt71, Eint. 8 vor § 581 BGB. 9 Vgl. FG München v. 24.11.1982 – 1336/81, EFG 1982, 351. 10 2. StÄndG 1973 v. 18.7.1974, BGBl. I 1974, 1489.
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2.225
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
mit Wirkung ab 1974 eingefügt.1 Gelungen ist diese Bestimmung nicht. Zunächst spricht sie von „sonstigen Einkünften i.S. von § 22 Nr. 3“, ergänzt dies dann dadurch, dass es sich um die „Überlassung der Nutzungen oder des Rechtes auf Nutzung von gewerblichen, technischen, wissenschaftlichen und ähnlichen Erfahrungen, Kenntnissen und Fähigkeiten, z.B. Plänen, Mustern und Verfahren“ handeln muss. Damit scheint es so, als ob die Ergänzungen auch immer Fälle des § 22 Nr. 3 EStG darstellen würden.2 Dies ist aber nicht der Fall. Zwar fällt die zeitlich unbefristete Nutzungsüberlassung von Rechten unter den Begriff der Leistung in § 22 Nr. 3 EStG,3 nicht jedoch ein Veräußerungsvorgang, bei dem ein Entgelt dafür gezahlt wird, dass ein Vermögenswert in seiner Substanz endgültig aufgegeben wird.4 Eine Know-how-Überlassung und die Rechtsübertragung bewirken aber gerade die endgültige Aufgabe der Vermögenssubstanz. Sie ist unter § 22 Nr. 3 EStG nicht steuerpflichtig, sondern nur als Spekulationsgewinn (§ 23 EStG). Wenn § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG trotzdem die Know-how-Überlassung in die beschränkte Steuerpflicht einbezieht und dies als eine beschränkte Steuerpflicht der Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG bezeichnet, so wird damit das Prinzip verlassen, dass die beschränkte Steuerpflicht sachlich nicht über den Umfang der unbeschränkten hinausgeht: § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG würde folglich eine eigene Einkunftsart konstituieren.5 Dies ist allerdings nicht der Fall: § 22 Nr. 3 EStG kommt aufgrund des systematischen Zusammenhangs mit den anderen Einkunftsarten innerstaatlich nur bei privaten Rechtsüberlassungen in Betracht. Bei diesen bleibt die Veräußerung des Rechtes außerhalb der Spekulationsfrist steuerfrei, da sonst § 23 EStG überflüssig wäre. Das bedeutet aber nicht, dass § 22 Nr. 3 EStG nicht auch betriebliche und berufliche Vorgänge betrifft. Innerstaatlich tritt diese Norm i.d.R. wegen ihrer Subsidiarität gegenüber §§ 13, 15, 18 EStG zurück. Dies trifft jedoch nicht für die beschränkte Steuerpflicht zu, wenn keine der anderen Nummern von § 49 Abs. 1 EStG einschlägig ist. Da § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG somit nicht anwendbar ist, wenn Einkünfte bereits nach § 49 Abs. 1 Nr. 1–8 EStG steuerpflichtig sind, und da die endgültige Übertragung entscheidet, entfällt § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG, wenn der Übertragende endgültig auf die Nutzung des Know-hows verzichtet.6 Andere Rechte werden nicht von § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG erfasst.7 So ergänzt § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG letztlich § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG hinsichtlich der Nutzungsüberlassung von Erfahrungswissen, das nicht rechtlich geschützt ist. 1 Betrifft auch Leasing durch ausländische Leasinggeber. 2 Loschelder in Schmidt31, § 49 EStG Rz. 94 sieht darin eine „Auslegung des § 22 Nr. 3 EStG durch den Gesetzgeber“. 3 BFH v. 11.9.1969 – IV 304/65, BStBl. II 1970, 306; Weber-Grellet in Schmidt31, § 22 EStG Rz. 139; Stuhrmann in Blümich, § 22 EStG Rz. 150. 4 BFH v. 14.11.1978 – VIII R 72/76, BStBl. II 1979, 298 (st. Rspr.); v. 25.9.1979 – VIII R 34/78, BStBl. II 1980, 114 (115). 5 Unklar Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 226. 6 FG München v. 24.11.1982 – 1349/79 E, EFG 1983, 353. 7 BFH v. 20.7.1988 – I R 174/85, BStBl. II 1989, 87.
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
Die Inlandsbeziehung besteht darin, dass das Recht oder Know-how im 2.226 Inland „genutzt“ wird oder worden ist. Eine Nutzung im Inland bedeutet, dass die Tätigkeit, zu der das Recht berechtigt oder die Übermittlung des Know-hows befähigt, im Inland vorgenommen wird. Wird eine einheitliche Gebühr für die zeitliche Überlassung von Schutzrechten und dem damit verbundenen Know-how gezahlt, so ist eine Aufteilung auf die einzelnen Arten (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 9 EStG) gewerblicher und sonstiger Einkünfte, d.h. § 49 Abs. 1 Nr. 2 und 9 EStG, vorzunehmen. Die Verwaltung akzeptiert aber bei Aufteilungsschwierigkeiten die vollständige Zuordnung zu § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG.1 Sieht man – wie hier vertreten – in § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG einen Anwendungsfall von § 22 Nr. 3 EStG, so muss auch der Freibetrag des § 22 Nr. 3 EStG für die beschränkte Steuerpflicht gelten.2 Stellt hingegen § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG einen über § 22 EStG hinausgehenden eigenen Steuertatbestand dar, so gibt es keinen Freibetrag.3 Anders als das nationale Steuerrecht kennt das Recht der DBA eine eigene Kategorie der Lizenzgebühren, der „royalties“. Art. 12 OECD-MA sieht für diese das alleinige Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates vor; sodass der deutsche Steueranspruch entfällt. Art. 12 Abs. 2 OECD-MA gibt eine sehr weitgehende Definition, die neben der Nutzung von Urheberrechten, Patenten, Mustern etc. auch die Mitteilung von Know-how erfasst. Immer muss es sich jedoch um eine Nutzungsüberlassung handeln.4 Rechtsveräußerungen werden von Art. 13 OECD-MA geregelt, der ebenfalls die Quellensteuer aufhebt. Allerdings hat Deutschland in seinen DBA vielfach die Zulässigkeit von Quellensteuern i.H.v. 10 oder 15 v.H. vereinbart.5 Diese Quellensteuern dürften aber nicht im Interesse der Bundesrepublik vereinbart worden sein, sondern in demjenigen Staat der Partnerländer, bei denen es sich überwiegend um Staaten der Dritten Welt handelt, in denen kaum Lizenzgeber für deutsche Unternehmen sitzen dürften.
2.227
VII. Einkünfte aus dem Betrieb von Schiffen und Luftfahrzeugen Ausländische Schiff- oder Luftfahrtunternehmen, die im Inland eine Betriebsstätte unterhalten, werden nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG beschränkt steuerpflichtig (Rz. 2.95 ff.). Hier ist an eigene Buchungsbüros oder Abfertigungsstellen zu denken. Häufiger, vor allem bei der Schifffahrt, lassen sich die ausländischen Unternehmen im Inland durch 1 R 49.3 Abs. 3 EStR 2008. 2 So Loschelder in Schmidt31, § 49 EStG Rz. 95; Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 817; Scholtz, DStZ 1974, 241 (246). 3 So folgerichtig Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 170; Kühr in Klein/Flockermann, § 49 EStG Rz. 10d f. 4 Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 12 OECD-MA Rz. 49. 5 Zusammenstellung bei Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 12 OECD-MA Rz. 29.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
Schiffsmakler vertreten. Früher1 galten diese nicht als ständige Vertreter i.S.d. deutschen Steuerrechts, da sie nicht persönlich abhängig und nur im Rahmen ihres eigenen Geschäftsbetriebes tätig waren. Dies hat sich mit Urt. des BFH v. 28.6.1972 geändert und wurde durch § 13 AO 1977 bestätigt (Rz. 2.166).
2.229 Neben dieser Betriebsstättenbesteuerung ausländischer Luft- und Schifffahrtsunternehmen ist 19712 der „Ergänzungs- und Sondertatbestand“3 der Beförderungsbesteuerung (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG)4 und die Besteuerung der Pool-Einkünfte (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG) getreten. Außerdem sehen § 49 Abs. 3 und 4 EStG – ebenfalls 1971 eingefügt – weitere Besonderheiten für diese Geschäftszweige vor. Dabei stand für den deutschen Gesetzgeber die Praxis vieler Staaten Pate, Schiff- und Luftfahrtsunternehmen schon dann zu einer Ertragsteuer heranzuziehen, wenn Schiffe oder Flugzeuge Transportleistungen ins Inland erbringen, wenn also bspw. ein Schiff im Hafen Ladung aufnimmt oder löscht. Gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG werden Einkünfte aus Beförderungen mit eigenen oder gecharterten Schiffen der beschränkten Steuerpflicht unterworfen, wenn die Beförderung zwischen inländischen Häfen, sog. internationale Binnenschifffahrt oder Cabotage, oder von inländischen zu ausländischen Häfen erfolgt.5 § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG ergänzt diesen Tatbestand durch Einkünfte aus eben solchen Beförderungen, an denen ein Unternehmen erfolgsmäßig teilhat, die aber von einem anderen Unternehmen erbracht werden.6 Solche internationalen Betriebsgemeinschaften kommen vor allem im internationalen Luftverkehr vor, wenn mehrere Luftfahrtgesellschaften Strecken gemeinsam bedienen und unter ihnen ein Ausgleich stattfindet, soweit nur eine tatsächlich die Beförderungsleistung erbringt (code-sharing).
2.230 Die ergänzenden Anknüpfungsmerkmale stehen selbständig neben dem der Betriebsstätte oder des ständigen Vertreters. Damit bestehen vier Anknüpfungsmöglichkeiten für ausländische Schiff- und Luftfahrtunternehmen: 1. inländische Betriebsstätte, 2. ständiger Vertreter im Inland, 3. Verkehr zwischen inländischen Häfen oder vom Inland in das Ausland, 4. Pool-Einkünfte.
1 BFH v. 27.11.1963 – 1335/60 U, BStBl. III 1964, 76. 2 StÄndG 1971 v. 23.12.1970, BGBl. I 1970, 1856. 3 Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. E2, dort auch Kritik an der „hypotrophen“ Regelung. 4 Ab 20.12.1985; StBereinigsG 1986 v. 19.12.1985, BGBl. I 1985, 2436. 5 Zu Einzelheiten vgl. Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. E28 ff. 6 So Reg.-Begr. BT-Drucks. 10/1636, 64; vgl. Krabbe in Blümich, § 49 EStG Rz. 73b.
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
Zu berücksichtigen ist jedoch, dass der Umfang der Einkünfte unterschiedlich ist. Bei den beiden ersten unterliegen die der Betriebsstätte bzw. dem Vertreter zuzurechnenden Inlandseinkünfte der Besteuerung, bei den anderen nur die Beförderungsleistungen bzw. Pool-Anteile. Für die Beförderungen gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG ordnet Abs. 3 eine pauschale Besteuerung1 von 5 v.H. der vereinbarten Entgelte an, die auch dann gilt, wenn eine Betriebsstätte oder ein Vertreter vorhanden ist, nicht aber für die Pool-Einkünfte oder – ab 19942 – im Falle eines DBA mit uneingeschränktem Quellensteuerrecht. Somit bewirkt der Vorrang der Beförderungsleistungsbesteuerung, dass dann nur noch darüber hinausgehende Einkünfte der Betriebsstätte bzw. Vertreter der regulären beschränkten Steuerpflicht unterliegen. Hat eine Betriebsstätte keine anderen Einnahmen als aus den nach § 49 Abs. 1 Nr. 2b EStG steuerpflichtigen, so ist der gesamte Betriebsstättengewinn nur mit 5 v.H. zu besteuern. Werden über die Betriebsstätte aber sowohl Import- wie Exportbeförderungen abgewickelt, so werden die Exporte3 zu 5 v.H. der vereinbarten (Brutto-)Entgelte, die Importe hingegen zum regulären Steuersatz netto besteuert. Nach § 49 Abs. 4 EStG – einer Vorschrift, die eine Steuervergünstigung für die betroffenen Unternehmen aus verkehrspolitischen Gründen und zur Steuervereinfachung vorsieht – bleiben Einkünfte gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG, d.h. aus allen vier (Rz. 2.230) Arten, steuerfrei, wenn der beschränkt Steuerpflichtige seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem ausländischen Staat hat und die Einkünfte durch den Betrieb eigener oder gecharterter Schiffe oder Flugzeuge aus einem Unternehmen bezieht, dessen Geschäftsleitung sich in diesem Staate befindet. Aus den Merkmalen des Wohnsitzes und gewöhnlichen Aufenthaltes folgt, dass nach dem Gesetzestext die Steuerfreiheit nur natürlichen Personen bzw. Personengesellschaften zugutekommt. Ausländische Schifffahrts- oder Luftfahrtsunternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft scheiden nach dieser Formulierung aus. Die h.M.4 lässt gleichwohl die Vergünstigung auch ausländischen Kapitalgesellschaften zugutekommen, wenn diese im Inland weder Sitz noch Geschäftsleitung haben. Dies soll sich aus dem Zusammenspiel von § 8 KStG mit den Vorschriften des EStG ergeben. Es trifft zwar zu, dass sich daraus die Anwendbarkeit des § 49 EStG auf Körperschaften ergibt.5 Dies ändert aber nichts am Wortlaut des § 49 Abs. 4 EStG. § 8 Abs. 1 KStG ordnet nicht die analoge, sondern die direk1 Darin liegt ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot eines DBA, BFH v. 19.4.1994 – I 40/94, BFH/NV 1995, 376, Anm. Wassermeyer, IStR 1995, 79; Loschelder in Schmidt31, § 49 EStG Rz. 25. 2 Zur Begr. vgl. BR-Drucks. 612/93, 66. 3 Dies gilt auch, wenn eine Route gewählt wird, bei der ein deutscher Hafen nur als Zwischenhalt angelaufen wird (z.B. Skandinavien – Hamburg – Indien) BFH v. 2.3.1988 – I R 57/84, BStBl. II 1988, 596. 4 Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 195; Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 448; Lieber in H/H/R, § 49 EStG Rz. 1411; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. M10. 5 BFH v. 6.7.2000 – I B 34/00, BStBl. II 20002, 490; R 32 Abs. 1 Nr. 1 KStR 2004.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
te Anwendung der Gewinnermittlungsvorschriften des EStG an. Da § 49 Abs. 4 EStG als verkehrspolitisch motivierte Steuervergünstigung anzusehen ist, spricht vieles für die analoge Anwendung auf Körperschaften. Ob dies die Gerichte so sehen, ist jedoch noch offen. Weiterhin muss das Unternehmen im ausländischen Aufenthalts- oder Wohnsitzstaat seine Geschäftsleitung haben, was bei Einzelunternehmen Probleme bereiten kann, wenn sie als selbständige Schiffer, sog. Partikuliere, sich ständig auf dem Schiff aufhalten und von dort aus ihr Unternehmen betreiben. Dann würde die Steuerbefreiung nicht eingreifen, was sachlich jedoch kaum gerechtfertigt ist. Weitere Voraussetzungen sind, dass – der betreffende ausländische Staat deutschen Unternehmen eine entsprechende Steuerfreiheit gewährt (Gegenseitigkeit)1 und – der Bundesverkehrsminister die Steuerbefreiung für verkehrspolitisch unbedenklich erklärt. Letzteres richtet sich gegen die billigen Flaggen.2 Die Feststellung der Gegenseitigkeit kann durch Notenaustausch erfolgen. Erforderlich ist dies nicht.3
2.232 Diese einseitigen Befreiungen werden ergänzt durch die Regelungen der DBA, mögen es allgemeine oder solche speziell für die Schiff- und Luftfahrt4 sein. Diese folgen weitgehend der Linie des Art. 8 Abs. 1 OECDMA, wonach Gewinne aus dem Betrieb von Seeschiffen und Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr5 nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet. Die Anwendung des sonst bei unternehmerischer Tätigkeit geltenden Betriebsstättenprinzips würde wegen der Natur der Verkehrsunternehmen zu einer unübersehbaren Aufteilung des Gewinns im Zweifel auf jeden Hafen führen können, sofern dort eine Betriebsstätte oder ein Vertreter tätig ist bzw. Aufnahme und Löschen von Ladung erfolgt.6 Durch diese Regelung wird die beschränkte Steuerpflicht in Deutschland aufgehoben.
2.233 Auch wenn das OECD-MA den Staat der tatsächlichen Geschäftsleitung zum primär steuerberechtigten Staat erklärt, so macht der OECD-MK deutlich,7 dass dies nicht die einzig vernünftige Zuordnung ist. Man kann ebenso gut auf den Sitz- bzw. Wohnsitzstaat des Unternehmens bzw. des Unternehmers abstellen. Schließlich können beide Prinzipien nebeneinanderstehen mit einer Regelung für den Fall, dass Ort der Geschäfts1 Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. M23. 2 Wolter/Diedenhofen, DB 1971, 12 (14); BT-Drucks. VI/1313, Anl. I, I, III. 3 Eine Zusammenstellung der Länder enthält Anhang 12 EStH 2011; für diese ist auch die Unbedenklichkeitserklärung abgegeben; siehe auch Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 35, 52. 4 Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 35 mit einer entsprechenden Übersicht. 5 Zu diesem Begriff Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 20. 6 Vgl. Hund, BIFD 1982, 113; Übersicht: Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 35. 7 Art. 8 Rz. 2, 3 OECD-MK.
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
leitung und Wohnsitz auseinanderfallen. Auch für diese Fälle sieht der OECD-MK Mustervereinbarungen vor. Die deutschen DBA folgen überwiegend dem OECD-MA. Einige Abkommen sehen jedoch die Wohnsitzstaatsbesteuerung vor.1 Dies hebt in gleicher Weise die Quellenbesteuerung auf. Im Übrigen gibt es eine Reihe von Detailregeln.2 Für die beschränkte Steuerpflicht sind die Abkommen von Bedeutung, in denen die deutsche Quellensteuer zugelassen wird. Dies sind die Abkommen mit den Philippinen,3 Sri Lanka4 und Thailand.5 Im DBA-Philippinen ist ein Höchststeuersatz von 1,5 v.H. der Bruttoeinnahmen im Quellenstaat zugelassen, zugleich aber mit einer Meistbegünstigungsklausel verbunden. Die übrigen Abkommen begrenzen die Höhe der Quellensteuer auf 50 v.H. der innerstaatlichen Steuersätze. Da § 49 Abs. 3 EStG bereits einen günstigen Satz vorsieht, soweit Beförderungsleistungen betroffen sind, kann für die deutsche beschränkte Steuerpflicht diese Einschränkung nur darüber hinausgehende Einkünfte betreffen, d.h. solche einer Betriebsstätte oder eines Vertreters, die nicht mit den Beförderungsleistungen zusammenhängen.
2.234
VIII. Geschäftsführertätigkeit Das Steueränderungsgesetz 20036 hat § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG einen neuen Buchst. c eingeführt, wonach Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit als Geschäftsführer, Prokurist oder Vorstandsmitglied einer Gesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland unabhängig vom Tätigkeitsort (Rz. 2.119) zu inländischen Einkünften erklärt werden. Damit hat der deutsche Gesetzgeber die Grundprinzipien der Festlegung von Inlandskriterien (Rz. 2.87) verlassen: Kein Element des Tatbestandes der Einkünfteerzielung ereignet sich im Inland. Lediglich kommt eine Tätigkeit im Ausland einer inländischen Gesellschaft zugute, was jedoch keine Verwertung darstellt. Hintergrund dieser gesetzlichen Regelung ist die Entwicklung der Rspr. des BFH. Dieser hatte lange Zeit7 angenommen, dass der Ort der Tätigkeit von Leitungsorganen (Rz. 2.72 ff.) von Kapitalgesellschaften am Ort der Ansässigkeit der Gesellschaft liegt, weil dort die Leitungsentscheidungen umgesetzt werden.8 Dies hatte der I. Senat9 auf das Verhält-
Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 39 ff. Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 38 ff. Art. 8 Abs. 1, 2. Art. 8 Abs. 1, 2. Art. 8 Abs. 1. Steueränderungsgesetz 2003 v. 15.12.2003, BGBl. I 2003, 2645; zur Entstehungsgeschichte siehe Wied in Blümich § 49 EStG Rz. 163. 7 BFH v. 15.11.1971 – Grs 1/71, BStBl. II 1972, 68; hierzu siehe Mössner, Rechtsprechungsreport Internationales Steuerrecht, Rz. 624 ff. 8 BFH v.28.8.1991 – I R 3/89, BStBl. II 1992, 107. 9 Ungenau insoweit Strunk, IWB Fach 3, Gruppe 3, 1339 f. 1 2 3 4 5 6
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2.235
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
nis zur Schweiz beschränkt,1 sodass der Gesetzgeber eine Besteuerungslücke empfand. Die gesetzliche Regelung ist nicht gelungen und wirft vielfältige Fragen auf: – Die Begriffe „Geschäftsführer, Prokurist, Vorstandsmitglied“ sind i.S.d. deutschen Gesellschaftsrechts auszulegen.2 Auf faktische Geschäftsführer sind sie nicht anwendbar.3 – Nur soweit Vergütung für die Leitungstätigkeit gezahlt wird, unterliegt sie der beschränkten Steuerpflicht. Erhält der Leiter einer ausländischen Tochtergesellschaft auch Prokura für die inländische Muttergesellschaft,4 so unterliegen seine Bezüge für die Tätigkeit im Ausland nicht der deutschen Steuer. – Die Abstimmung mit § 34d Nr. 5 EStG ist nicht erfolgt.5 Der im Inland ansässige, die inländische Gesellschaft aber vom Ausland aus leitende Geschäftsführer bezieht ausländische Einkünfte im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht, wohingegen der im Ausland ansässige inländische Einkünfte bezieht. – § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c EStG kommt nur zur Anwendung, wenn die Gesellschaft den Ort ihrer Geschäftsleitung im Inland hat; wird sie aber ausschließlich vom Ausland geleitet, so unterbleibt die steuerliche Erfassung.
2.236 Die Regelung setzt folglich voraus, dass wenigstens teilweise die Geschäftsführung im Inland erfolgt. Sie greift nicht, wenn ein Einzelgeschäftsführer vom Ausland aus die Geschicke leitet. – Das Gesetz spricht von einer „Gesellschaft“. Ob damit auch Personengesellschaften gemeint sind, ist nicht eindeutig.6 Da Kapitalgesellschaften gem. § 1 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig sind, wenn ihr Ort der Geschäftsleitung sich im Inland befindet, lässt sich die steuerliche Einbeziehung der Geschäftsführergehälter unter dem Gesichtspunkt rechtfertigen, dass der deutsche Fiskus das gesamte Gehalt als Betriebsausgabe zum Abzug zulässt. Der Ort der Geschäftsleitung führt bei Personengesellschaften7 aber nur zur beschränkten Steuerpflicht, sodass auch nur der der Geschäftsleitung zuzuordnende Anteil am Gewinn im Inland besteuert wird. Soweit das Gehalt des 1 BFH v. 5.10.1994 – I R 67/93, BStBl. II 1995, 95; vgl. Mössner, IWB Fach 3a, Gruppe 1, 535 (536 Rz. 75). 2 Ebenso Strunk, IWB Fach 3, Gruppe 3, 1339 f. 3 Hidien in K/S/M, § 49 Rz. G 181; Wied in Blümich § 49 EStG Rz. 165; Gosch in Kirchhof11, § 49 EStG Rz. 110. 4 Neyer, IStR 2001, 587 (588). 5 Neyer, IStR 2001, 587 (588). 6 Bejahend Strunk, IWB Fach 3, Gruppe 3, 1339 f., verneinend Frotscher in Frotscher, § 49 EStG Rz. 52. 7 Beispiel: Eine in Belgien errichtete Personengesellschaft mit Gesellschaften aus Belgien, Niederlanden und Frankreich unterhält in Aachen ein Büro mit einigen Angestellten, die auf Weisung eines deutschen und belgischen Geschäftsführers tätig werden.
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
ausländischen Geschäftsleiters auch Tätigkeiten entgilt, die nicht der geschäftlichen Oberleitung (Rz. 2.66 ff.) zuzurechnen sind, dürfte es auch nicht im Inland steuerlich erfasst werden. Ist der Geschäftsführer zugleich Gesellschafter der Personengesellschaft, so stellt sein Gehalt eine Sondervergütung dar, die als gewerbliche Einkünfte nur gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG der beschränkten Steuerpflicht unterliegen.1 – Die meisten DBA2 enthalten keine Ausnahmen für Geschäftsführer, sodass der Tätigkeitsort für die Besteuerung im zwischenstaatlichen Verhältnis entscheidet, sodass § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c EStG eingeschränkt wird.
IX. Isolierende Betrachtungsweise Nach § 49 Abs. 2 EStG bleiben „im Ausland gegebene Besteuerungsmerkmale außer Betracht, soweit bei ihrer Berücksichtigung inländische Einkünfte im Sinne des Absatzes 1 nicht angenommen werden könnten.“ Diese 19743 in das EStG eingefügte Bestimmung wird als isolierende Betrachtungsweise bezeichnet.4 Die Bezeichnung ist unglücklich gewählt. In ihr spiegelt sich die zunächst gegebene Begründung für sie wider. Aus dem objektsteuerartigen Charakter der beschränkten Steuerpflicht (Rz. 2.84) wurde abgeleitet, dass nur die im Inland verwirklichten Tatbestandselemente beachtlich und die im Ausland gegebenen ohne Bedeutung wären. Von ihnen sei zu abstrahieren.5 Allerdings soll dies in einem „verfeinerten Sinne verstanden werden“, dass die Verhältnisse im Ausland insofern zu beachten seien, „als die für das Inland geforderten Besteuerungsmerkmale von den Verhältnissen im Ausland abhängen.“ Die Gesetzesformulierung erweckt den Eindruck, als sei sie dieser Ansicht gefolgt. Zum richtigen Verständnis6 von § 49 Abs. 2 EStG muss daran erinnert werden (Rz. 2.87), dass bei der Besteuerung von Ausländern hinsichtlich ihrer inländischen Einkünfte zwei Voraussetzungen zusammentreffen müssen: 1. Die Einkünfte müssen den Tatbestand einer der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG erfüllen, wobei grundsätzlich diese Arten denen der unbeschränkten Steuerpflicht entsprechen. 2. Es müssen die für die jeweilige Einkunftsart in § 49 Abs. 1 EStG aufgeführten Inlandsbeziehungen erfüllt sein. 1 Vgl. Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 147c. 2 Ausgenommen Belgien, Dänemark, Japan, Schweden, Schweiz, Türkei; zu Österreich siehe Schuch/Haslinger in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 39. 3 2. StÄndG 1973 v. 18.7.1974, BGBl. I 1974, 1489. 4 Zunächst als „isolierte“ oder „abstrahierende“ bezeichnet, Debatin, DB 1961, 785 (786 f.). 5 So Debatin, DB 1961, 785 (787). 6 Grundlegend Mössner in FS Flick, 939; wie hier auch Kluge, Das Internationales Steuerrecht der Bundesrepublik, 206 ff.; im Wesentlichen gleich Gosch in FS Wassermeyer, 263; ablehnend Claußen in H/H/R, § 49 Rz. 107.
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2.237
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
Rechtsdogmatisch (Rz. 2.12) setzt die Anwendung einer Norm auf einen Sachverhalt voraus, dass die Norm auf den Sachverhalt überhaupt anwendbar ist. § 49 Abs. 1 EStG enthält Anwendungsnormen (Rz. 2.87). Wie das Zusammenspiel von § 1 Abs. 4 EStG und § 49 Abs. 1 EStG mit § 2 Abs. 1 EStG zeigt, kommen im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht nur diejenigen Normen zur Anwendung, deren Inlandsvoraussetzungen erfüllt sind. Einnahmen aus der Vermietung von Grundbesitz bspw. können zu den Einkunftsarten „Vermietung und Verpachtung“ (§ 21 EStG), „Gewerbebetrieb“ (§ 15 EStG) oder „selbständige Tätigkeit“ (§ 18 EStG) gehören. Bei der unbeschränkten Steuerpflicht kommen gem. § 2 Abs. 1 EStG alle sieben Einkunftsarten in Betracht, bei der beschränkten Steuerpflicht jedoch nur diejenigen, die der beschränkt Steuerpflichtige „als inländische Einkünfte“ bezieht. Sind z.B. die Inlandsvoraussetzungen von § 49 Abs. 2 und 3 EStG nicht erfüllt, so gibt es bei Vermietung inländischen Grundbesitzes nur inländische Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG).
2.238 Fehlt eine der beiden Voraussetzungen, so besteht keine beschränkte Steuerpflicht für diese Einkünfte. Die einzelnen Einkunftsarten sind in §§ 13–23 EStG nicht so definiert, dass es für bestimmte Einnahmen nur eine einzige Zuordnungsart gibt. Vielmehr kann ein Vorgang unter mehrere Einkunftsarten fallen. Da jedoch für die Besteuerung die Zuordnung zu nur einer Art erfolgen muss, sieht das EStG1 Regeln für solche Konkurrenzen vor. So sind etwa Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung subsidiär gegenüber jenen aus Gewerbebetrieb (§ 21 Abs. 3 EStG). Diese Konkurrenzregeln betreffen im komplexen Tatbestand der beschränkten Steuerpflicht nur die Einkunftsarten, nicht aber die Inlandskriterien der Einkünfte. Ihre Anwendung setzt eine Konkurrenzsituation von Einkunftsarten voraus. Im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht bedeutet dies, dass die Konkurrenzregeln nur dann anwendbar sind, wenn mindestens zwei Inlandskriterien für einen Sachverhalt vorliegen – z.B. eine inländische Betriebsstätte vermietet ihr zuzurechnenden Grundbesitz (§§ 49 Abs. 1 Nr. 2 und 6 EStG) –, nicht aber, wenn nur ein Tatbestand erfüllt wird – z.B. eine ausländische Kapitalgesellschaft vermietet inländischen Grundbesitz (nur § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG).2
2.239 Derartige Konkurrenzsituationen treten im besonderen Maße bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb auf. Ein gewerbliches Unternehmen stellt eine Zusammenfassung verschiedener Produktionsfaktoren dar (vgl. Rz. 2.87). Grundbesitz, Kapital, Arbeitskraft, Erfindungen usw. tragen zum Unternehmenserfolg bei, ohne dass sich ihr jeweiliger Beitrag genau bestimmen ließe. Vielmehr tritt das Unternehmen in der Kombination dieser Produktionsfaktoren am Markt auf und erzielt dadurch seine Ein1 Land- und Forstwirtschaft, sowie selbständige Tätigkeit gehen Gewerbebetrieb vor – § 15 Abs. 2 EStG; im Übrigen §§ 20 Abs. 3, 21 Abs. 3, 22 Nr. 1, 3 EStG („soweit“). 2 Diese Zusammenhänge werden von Walter, Die sog. isolierende Betrachtungsweise, Diss., Heidelberg 1978, nicht gesehen.
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
künfte. § 49 Abs. 1 EStG ordnet für einzelne Produktionsfaktoren unterschiedliche Inlandskriterien an, für das Gewerbe als Zusammenfassung aller Faktoren gilt das Betriebsstättenprinzip (siehe Rz. 2.87). Existiert keine Betriebsstätte im Inland, so stehen die einzelnen Faktoren für sich. Es wird folglich nicht von ausländischen Besteuerungsmerkmalen abgesehen, vielmehr fehlt die für gewerbliche Einkünfte kennzeichnende, notwendige Zusammenfassung der einzelnen Produktionsfaktoren im Inland, da das Unternehmen nur mit einzelnen von diesen, nicht aber in unternehmerischer Zusammenfassung auf dem inländischen Markt auftritt. In diesem Sinne kann man davon sprechen, dass die Betrachtung im Inland „isoliert“ von den Verhältnissen im Ausland erfolgt. Die hier vertretene Sichtweise liegt auch der Rechtsprechung zugrunde, die ihre Grundlage im Urt. des RFH v. 7.2.1929 findet.1 Beispiel: Eine ausländische AG bezog aus dem Inland Hypothekenzinsen. Die AG verfügte im Inland weder über eine Betriebsstätte, noch war ein ständiger Vertreter bestellt. Der RFH nahm keine gewerblichen Einkünfte der AG an, was er damit begründete, dass bei einer solchen Annahme die ausländische AG (aber auch ein ausländischer Gewerbetreibender) gegenüber anderen ausländischen Beziehern gleichartiger Einnahmen bessergestellt würde. Eine solche Absicht des Gesetzgebers sei nicht anzunehmen, sondern, „dass für die deutsche steuerliche Beurteilung lediglich das Vorhandensein des ausländischen Gewerbebetriebes unbeachtet bleiben soll, dass aber die Einkünfte … so zu versteuern sind, wie es der Fall wäre, wenn sie außerhalb eines gewerblichen Betriebes angefallen wären.“2
Der BFH hat diese Rspr. übernommen und fortgeführt.3 Dabei gibt er die zusätzliche Begründung vom objektsteuerähnlichen Charakter4 der beschränkten Steuerpflicht und bemerkt, dass die Verwaltung im Ausland gegebene Besteuerungsmerkmale nicht überprüfen könne. Letzteres Argument kann wohl nicht ganz ernst genommen werden, denn dann müsste jegliche Besteuerung ausländischer Einkünfte und Vermögen entfallen. Dass der BFH dann doch über diese Begründung hinausgeht, zeigt sich in seiner Rspr. zu ausländischen Kapitalgesellschaften, die gem. § 8 Abs. 2 KStG immer gewerbliche Einkünfte erzielen. Würden wirklich alle im 1 RFH v. 7.2.1929 – I A 377/28, RStBl. 1929, 193. 2 Siehe auch RFH v. 12.5.1936 – I A 55/36, RStBl. 1936, 968; v. 5.8.1936 – VI A 208/36, RStBl. 1936, 1132; v. 28.6.1938 – I 419/37, RStBl. 1938, 852. 3 BFH v. 20.2.1959 – III 66/58 U, BStBl. III 1959, 133; v. 13.12.1961 – 1209/60, BStBl. III 1962, 85; v. 29.1.1964 – I 153/619, BStBl. III 1964, 165; v. 30.11.1966 – 1215/65, BStBl. III 1967, 400; v. 4.3.1970 – I R 140/66, BStBl. II 1970, 428 (430); v. 4.3.1970 – I R 86/69, BStBl. II 1970, 567; v. 29.4.1970 – I R 113/67, BStBl. II 1970, 762; v. 16.12.1970 – I R 137/68, BStBl. II 1971, 200; v. 7.7.1971 – I R 41/70, BStBl. II 1971, 771 (772); v. 23.5.1973 – I R 163/71, BStBl. II 1974, 287 (289); v. 20.2.1974 – I R 217/71, BStBl. II 1974, 511 (512); v. 18.12.1974 – I R 161/73, BStBl. II 1975, 464 (465); v. 21.1.1976 – I R 234/73, BStBl. II 1976, 513 (514); v. 29.10.1981 – I R 89/80, BStBl. II 1982, 150 (153); v. 1.12.1982 – I R 238/81, BStBl. II 1983, 213 (214). 4 Ebenso Crezelius, StVj 1992, 327.
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2.240
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
Ausland gegebenen Besteuerungsmerkmale außer Betracht bleiben, dann müsste auch die Tatsache, dass es sich um eine Kapitalgesellschaft handelt, unberücksichtigt bleiben. Soweit geht der BFH aber nicht. Dies begründet er damit, dass das Absehen von ausländischen Merkmalen „indes nur in den Fällen zu sinnvollen Ergebnissen führen [kann], in denen die Verhältnisse im Inland eine abschließende Beurteilung gestatten, ob die in Frage stehenden Einkünfte einer der in § 49 EStG genannten Einkunftsarten zuzuordnen sind.“1 Ist dagegen nur ein Teil des gesetzlichen Steuertatbestandes im Inland verwirklicht, der nicht erkennen lässt, ob der zu beurteilende Sachverhalt unter eine der sieben Einkunftsarten – und ggf. unter welche von ihnen – subsumiert werden kann, so müssen die im Ausland bestehenden Verhältnisse insoweit in die Betrachtung miteinbezogen werden, als dies erforderlich ist, um die Einkünfte ihrem objektiven Wesen nach zu bestimmen.2 Daher können ausländische Gewerbetreibende und Kapitalgesellschaften, aber auch Landwirte keine Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit erzielen.3 Dementsprechend verlangt das Merkmal „selbständige Tätigkeit“, dass das Steuersubjekt solche höchstpersönlichen Einkünfte überhaupt beziehen kann. Würde man in § 49 EStG den Begriff der selbständigen Tätigkeit anders verstehen als in § 18 EStG, so würde eine eigenständige Einkunftsart für Ausländer begründet. Ist aber die allg. anerkannte Grundthese, dass § 49 EStG nur besagt, unter welchen weiteren Bedingungen Einkünfte von Ausländern steuerpflichtig sind, so kann dies nur zu einer Einschränkung, nicht aber zu einer Erweiterung gegenüber der unbeschränkten Steuerpflicht führen.
2.241 Die „isolierende Betrachtungsweise“ ist kein von der Rspr. entwickeltes „Rechtsinstitut“, sondern eine die Struktur von Recht beachtende Rechtsanwendung. Hidien4 kritisiert das hier vertretene rechtsdogmatische Verständnis, weil die in der Tat zentrale Unterscheidung von Kollisions- und Sachnorm im internationalen Steuerrecht „nicht trägt“. Das Gegenteil ist richtig.5 Keine Sachnorm kann ohne Anwendungsnorm zur Anwendung kommen. Dies gilt auch für das Steuerrecht. Allerdings kennt das internationale Steuerrecht anders als das internationale Privatrecht keine zweiseitigen, sondern nur einseitige Kollisionsnormen.6 Die Verkennung dieser Grunderkenntnis kompliziert die Lage unnötig und 1 BFH v. 4.3.1970 – I R 140/66, BStBl. II 1970, 428 (430). 2 BFH v. 4.3.1970 – I R 140/66, BStBl. II 1970, 428 (430). 3 BFH v. 4.3.1970 – I R 140/66, BStBl. II 1970, 428 (430); v. 23.5.1973 – I R 163/71, BStBl. II 1974, 287 (289); v. 20.2.1974 – I R 217/71, BStBl. II 1974, 511 (512); v. 20.6.1984 – I R 283/81, BStBl. II 1984, 828; auch früher ähnlich BFH v. 29.11.1966 – I 216/64, BStBl. III 1967, 392; a.A. Krabbe in Blümich, § 49 EStG Rz. 31; Bilsdorfer, RIW 1983, 850 (854). 4 Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. K103 f. 5 Vgl. Mössner, ÖZöR 1974, 255 ff., wo die Erkenntnisse Klaus Vogels, Der Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm, 1964, für das Steuerrecht fruchtbar gemacht werden. 6 Was Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. K104 untechnisch als Regelung des grenzüberschreitenden Steuerzugriffs durch § 49 EStG umschreibt.
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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit
führt zu immer komplizierteren Thesen, wie die von Hidien von der „Metasubsidiaritätsklausel“. Hidien’s Ergebnis unterscheidet sich kaum1 von der hier vertretenen mit dem Unterschied, dass er die Klausel des § 49 Abs. 2 EStG zur Lösung eines Konkurrenzproblems heranzieht, ohne die Entstehung dieses Problems zu erklären. Mit der Einführung des § 49 Abs. 2 EStG wurde streitig, ob die Rspr. des BFH bestätigt werde oder ob eine Änderung eingetreten sei.2 Der BFH hat sich zu Recht dahin gehend geäußert, dass § 49 Abs. 2 EStG seine Rspr. bestätige.3 Insbesondere hat er es abgelehnt, selbständige Tätigkeiten gem. § 18 EStG bei ausländischen Kapitalgesellschaften anzunehmen. Schließlich nimmt er ausdrücklich auf die Subsidiaritätsregeln Bezug,4 was die theoretische Erklärung (Rz. 2.238) bestätigt.
2.242
Auf der Grundlage der hier vertretenen Auffassung, dass § 49 Abs. 1 EStG nur die Inlandskriterien i.S.v. Rechtsanwendungsnormen enthält, kommen nur diejenigen Einkunftsarten überhaupt in Betracht, deren Inlandskriterien vorliegen. § 49 Abs. 2 EStG wird hier semantisch wie folgt gelesen:
2.243
(2) Es unterliegen nur diejenigen Einkunftsarten der beschränkten Steuerpflicht, für die die Inlandskriterien gem. Abs. 1 erfüllt sind.
Für die praktische Rechtsanwendung empfiehlt es sich daher, zunächst zu prüfen, welche Inlandsmerkmale gem. § 49 Abs. 1 EStG erfüllt werden. Wird z.B. eine ausländische Kapitalgesellschaft freiberuflich beratend im Inland tätig, ohne über eine Betriebsstätte zu verfügen, so fehlt die Anwendungsvoraussetzung für § 15 EStG (Einkünfte aus Gewerbebetrieb), diejenige für § 18 EStG – Tätigkeit im Inland (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG) – wird jedoch erfüllt. Es ist dann zu prüfen, ob eine Gesellschaft den Tatbestand des § 18 EStG erfüllen kann.5 Schematisch ist somit wie folgt vorzugehen. 1. Welche Inlandskriterien i.S.v. § 49 Abs. 1 EStG liegen vor? 2. Liegen die Voraussetzungen der Einkunftsarten vor? Beispiel:6 Der im Ausland ansässige A betreibt in Liebhaberei die Zucht von Rennpferden mit insgesamt erheblichen Verlusten. Bei einem Rennen im Inland erzielt eines seiner Pferde eine Siegprämie. 1 Möglicherweise vertritt Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. K112 eine etwas abweichende Auffassung. 2 Keine Änderung: Clausen, DStZ 1974, 317 (320); Crezelius, StVj 1992, 325; zum Streitstand Loschelder in Schmidt31, § 49 EStG Rz. 11; Gosch in Kirchhof11, § 49 EStG Rz. 105; siehe auch Tullius, BB 1974, 314 (316); Bilsdorfer, RIW 1983, 850; Flies, DStZ 1995, 431; BFH v. 1.12.1982 – I B 11/82, BStBl. II 1983, 367; v. 28.3.1984 – I R 129/79, BStBl. II 1984, 620. 3 BFH v. 1.12.1982 – I R 238/8 1, BStBl. I 1983, 213 (214). 4 BFH v. 28.3.1984 – I R 129/79, BStBl. II 1984, 620 (621). 5 Dafür Clausen in H/H/R, § 49 EStG Rz. 1250 f. 6 Nach BFH v. 7.11.2001 – I R 14/01, BStBl. II 2002, 861.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung Die Inlandsbelegenheit wird durch § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG hergestellt, sodass § 15 EStG zur Bestimmung des Steuergegenstandes anzuwenden ist. Dieser verlangt eine Gewinnerzielungsabsicht, die bei A nicht vorhanden ist.
D. Unilaterale Beseitigung I. Begriff und Ursachen der Doppelbesteuerung 2.244 Die unabgestimmte Ausübung der Steuerhoheit durch die Staaten (Rz. 2.1) führt bei grenzüberschreitender Unternehmenstätigkeit zu vielfältigen Steuerfolgen. Von internationaler Doppelbesteuerung spricht man i.S.d. „juristischen internationalen Doppelbesteuerung“ (Doppelbesteuerung i.e.S.) und grenzt sie von der „wirtschaftlichen internationalen Doppelbesteuerung“ (oder auch „Doppelbelastung“)1 ab. 1. Internationale juristische Doppelbesteuerung
2.245 Nach Rz. 1 OECD-MK wird unter der internationalen juristischen Doppelbesteuerung „üblicherweise die Erhebung vergleichbarer Steuern in zwei (oder mehreren) Staaten von demselben Steuerpflichtigen, für denselben Steuergegenstand und für denselben Zeitraum verstanden.“2
2.246 Erforderlich sind also Identität – des Steuersubjekts, d.h. einer natürlichen oder juristischen Person oder sonstigen Einheit, die selbständig einer Steuer unterworfen werden kann, – des Steuergegenstandes, d.h. des wirtschaftlichen Vorgangs oder Zustandes, der zur Erhebung einer Steuer führen kann, – des Besteuerungszeitraums hinsichtlich des von zwei oder mehreren Staaten erhobenen Steueranspruchs sowie – Vergleichbarkeit der erhobenen Steuern.
2.247 Dieser herkömmliche Begriff der Doppelbesteuerung lässt sich sowohl in einzelnen seiner Elemente als auch in seiner Unzulänglichkeit insgesamt kritisieren.3 Doppelbesteuerung liegt dann vor, wenn eine die Neutralität der internationalen Besteuerung verletzende Steuererhebung erfolgt. Diese Neutralität ist sicherlich auch dann nicht gewahrt, wenn die internationale Besteuerung insgesamt zu einer niedrigeren Besteuerung führt 1 Einl. Rz. 1 OECD-MK; vgl. vertiefend Vogel in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 2–26; Krause, IFSt (2003), Nr. 405, 8. 2 Siehe auch Mössner in Vogel (Hrsg.), Grundfragen des Internationalen Steuerrechts, DStJG 8, Köln 1985, 135 ff. 3 Mössner in Vogel (Hrsg.), Grundfragen des Internationalen Steuerrechts, DStJG 8, Köln 1985, 139 f.
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D. Unilaterale Beseitigung
als diejenige in den betroffenen Staaten mit dem niedrigeren Steuersatz. Auch hier ist eine Wettbewerbsverzerrung Folge der internationalen Besteuerung. Ob diese jedoch per definitionem Doppelbesteuerung darstellt, die nach Beseitigung durch interne oder internationale Maßnahmen ebenso schreit wie der Fall, dass durch die internationale Besteuerung ein insgesamt höheres Steuerniveau erreicht wird als in jedem der betroffenen Staaten, mag hier dahingestellt bleiben. Ursache der internationalen juristischen Doppelbesteuerung sind in erster Linie die sich überlagernden Besteuerungsansprüche der beteiligten Fisken bzw. die jeweiligen gesetzlichen – oder sonstigen – Definitionen der unbeschränkten (Rz. 2.12 ff.) und beschränkten (Rz. 2.84 ff.) Steuerpflicht. Beispiel: Legt das Steuerrecht eines Staates A fest, dass seinem Steueranspruch das weltweite Einkommen oder Vermögen der in seinem Staatsgebiet ansässigen natürlichen oder juristischen Personen unterliegt (unbeschränkte Steuerpflicht), und werden Einkommensteile dieser Personen im Staat B deshalb besteuert, weil die Vermögensteile dort belegen sind (z.B. Grundbesitz) bzw. Teile der Einkünfte dort ihre Quelle haben (z.B. wiederum aus dort belegenem Grundbesitz), so ergibt sich hieraus eine „echte“, d.h. juristische internationale, Doppelbesteuerung.
Eine Variante hierzu bildet der Fall, dass ein Staat seine Staatsbürger auch dann noch der unbeschränkten Steuerpflicht unterwirft, wenn diese im Ausland ansässig sind und ihre Einkünfte aus dortiger Quelle erzielen bzw. dort belegenes Vermögen haben. Das bekannteste Beispiel hierfür sind die USA, die ihre Staatsbürger „lebenslang“ der US-Einkommensteuer unterwerfen, jedoch durch ein verfeinertes System der Anrechnung ausländischer Steuern die sich daraus ergebende juristische Doppelbesteuerung abmildern bzw. aufheben. Eine weitere Ursache der internationalen juristischen Doppelbesteuerung kann auch in den persönlichen Verhältnissen des Steuersubjekts liegen, z.B. in dem Doppel- oder Mehrfach-Wohnsitz einer natürlichen Person, die aufgrund dieser Tatsache der unbeschränkten Steuerpflicht mehrerer Staaten unterliegt. Die unbeschränkte Steuerpflicht ergibt sich aus den Kriterien des jeweiligen internen Rechts und ist von der „Ansässigkeit“ i.S.d. DBA, zu Zwecken dessen Ansässigkeit nur in einem der beiden Staaten bestehen kann, streng zu trennen. Letztlich ist die Besteuerung des Welteinkommens1 nach – in erster Linie – dem Ansässigkeitsprinzip und – in zweiter Linie – dem Staatsangehörigkeitsprinzip für die Entstehung der internationalen juristischen Doppelbesteuerung verantwortlich, die dann nicht auftreten könnte, wenn sich die Staaten in weiser Selbstbeschränkung damit begnügten, lediglich jeweils die auf ihrem Gebiet belegenen Vermögensgegenstände bzw. die aus in ihrem Gebiet belegenen Einkommensquellen stammenden Ein1 Krit. zu diesem Prinzip Mössner/Adonnino, Das Welteinkommensprinzip; Tipke/Bozza, Besteuerung von Einkommen, Berlin 2000, 253 ff.
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2.248
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
kommen der in ihrem Staatsgebiet ansässigen oder nichtansässigen Personen zu besteuern (territoriale Besteuerung). Aber selbst dann wird das Problem der Doppelbesteuerung nicht vollständig beseitigt, solange nicht die Staaten die Inlandseigenschaft von Steuergegenständen einheitlich und abgestimmt definieren. 2. Wirtschaftliche Doppelbesteuerung
2.249 Von einer internationalen wirtschaftlichen Doppelbesteuerung oder von Doppelbelastung spricht man, wenn ein und derselbe wirtschaftliche Vorgang innerhalb desselben oder eines anderen Besteuerungszeitraums zwei verschiedenen Steuersubjekten in zwei Staaten zugerechnet wird. Dies betrifft insbesondere international verbundene Unternehmen. Sie stellen wirtschaftlich eine Einheit dar, die in rechtlich selbständigen Gesellschaften in den einzelnen Staaten tätig werden. Als Folge wird der von einer Untergesellschaft erwirtschaftete Gewinn bei dieser, aber auch bei der Obergesellschaft im Falle seiner Ausschüttung grundsätzlich erfasst. Zur Vermeidung dieser Form der Doppelbelastung dienen z.B. die Schachtelvergünstigungen (Rz. 6.43). Eine andere Möglichkeit der Doppelbelastung besteht, wenn bei dem Unternehmen des einen Staates Verrechnungspreise oder Dienstleistungsentgelte korrigiert werden und der entsprechend um die höhere Gewinnspanne bzw. das vereinnahmte Dienstleistungsentgelt vermehrte Gewinn bereits in dem anderen Staat besteuert wurde und keine Gegenberichtigung (Rz. 3.29, 3.58, 3.64) erfolgt.
2.250 Auch wenn in einem Staat Aufwendungen, die in dem anderen Staat steuerpflichtig sind, nicht abgezogen werden können, kann es zu wirtschaftlicher Doppelbesteuerung kommen. Unterwirft ein Staat eine in seinem Gebiet ansässige Gesellschaft als solche der Steuer, während ein anderer Staat die auf seinem Gebiet ansässigen Gesellschafter dieser Gesellschaft – natürliche oder juristische Personen – der Steuer auf das Einkommen der Gesellschaft, weil er diese nicht als juristische Person anerkennt, unterwirft, kommt es zur Doppelbelastung. Die Ursache der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung folgt somit daraus, dass die Steuergüter unterschiedlichen Steuersubjekten zugerechnet werden. 3. Internationale Doppel-Nichtbesteuerung1
2.251 Zur internationalen juristischen Doppel-Nichtbesteuerung kommt es in Umkehrung der oben gegebenen Definition, wenn zwei oder mehrere Staaten jeweils für denselben Steuergegenstand und Steuerzeitraum keine vergleichbare Steuer erheben.
1 Lang, Cahiers de droit fiscal international, Vol. LXXVIIIa, 197.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 12.10; Jankowiak, Doppelte Nichtbesteuerung im Internationalen Steuerrecht, Baden-Baden 2009.
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D. Unilaterale Beseitigung
Die Ursachen sind mehrfach: – Der Steuerpflichtige ist in keinem Staat ansässig, da er nicht die Ansässigkeitsvoraussetzungen eines Staates erfüllt. Somit entfällt die Besteuerung ausländischer Einkünfte. Es bleibt aber die Besteuerung der inländischen Einkünfte im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht. Zur Nichtbesteuerung kommt es dann jedoch, wenn zusätzlich die Inlandskriterien der jeweiligen Staaten nicht erfüllt sind. Beispiel: A ist nicht im Staat X ansässig, da er weder einen Wohnsitz hat, noch sich 183 Tage dort aufhält. Im Staat Y hält er sich ebenfalls nicht 183 Tage auf. A bezieht Zinsen von einem Darlehensnehmer in X. X besteuert nicht Zinsen von Nicht-Ansässigen. In Y liegt nicht die Quelle der Zinsen.
– Der Staat, dessen Besteuerungsrecht ein DBA nicht einschränkt, erhebt keine entsprechende Steuer, wohingegen der andere Staat die entsprechenden Einkünfte nach dem DBA freistellt. Früher wurde darin kein Problem gesehen.1 Die Abkommen wurden so verstanden, dass sie nicht nur eine tatsächliche, sondern auch eine sog. virtuelle Doppelbesteuerung verhindern sollten. Dadurch wurde der Gedanke der Kapitalimportneutralität verwirklicht. Beispiel: Der Steuerpflichtige, der im Staat X Einkünfte aus einer künstlerischen Tätigkeit bezieht und im Staat Y ansässig ist, zahlt in beiden Staaten keine Einkommensteuer hierauf, weil der Ansässigkeitsstaat Y im DBA mit X auf das Besteuerungsrecht bzgl. derartiger Einkünfte bei Darbietungen im anderen Staat verzichtet hat, Staat X jedoch Einkommensteuer auf künstlerische Auftritte von Ausländern nicht erhebt.
Die juristische doppelte Nichtbesteuerung ergibt sich in derartigen Fällen aus dem Zusammenspiel zwischen nationalem Recht und DBA. Zunehmend wird in neuerer Zeit jedoch das Entstehen von „weißen“ Einkünften als nicht von den Abkommen intendiert gewürdigt. In der Abkommenspraxis sind inzwischen verschiedene Methoden (remittence-base-Prinzip, subject-to-tax-Klausel, Rückverweisung der Besteuerung an den Wohnsitzstaat) entwickelt worden, die doppelte Nichtbesteuerung zu vermeiden. Aber auch national, z.B. § 50d Abs. 8 und 9 EStG, versuchen die Staaten derartige Fälle der Nichtbesteuerung zu verhindern. – Eine juristische doppelte Nichtbesteuerung kann dadurch entstehen, dass die beteiligten Staaten die Einkunftsquelle oder das Vermögen ein und desselben Steuerpflichtigen jeweils unterschiedlich einordnen und dadurch zu der Auffassung gelangen, dass jeweils nur der andere Staat zur Besteuerung berechtigt sei – sog. Qualifikationskonflikt (siehe Rz. 1.171, 2.422). Die OECD hat inzwschen in Art. 23 A Abs. 4 OECD-
1 RFH v. 29.2.1940 – III 206/39, RStBl. 1940, 532; BFH v. 14.12.1988 – I R 148/87, BStBl. II 1989, 319.
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MA eine Regelung für diese Fälle vorgeschlagen, die aber noch in kein deutsches DBA aufgenommen wurde.1
2.252 Schließlich können aus denselben Gründen wie bei der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung – jedoch mit umgekehrten Vorzeichen – Fälle wirtschaftlicher internationaler Doppel-Nichtbesteuerung entstehen, bei denen z.B. beide beteiligten Steuersubjekte infolge unterschiedlicher Zurechnung des Steuergutes durch die beteiligten Staaten der Besteuerung entgehen oder auch die in einem Staat abzugsfähige Ausgabe bei dem dort ansässigen Steuerpflichtigen abzugsfähig ist, während sie bei dem im anderen Staat ansässigen Empfänger keine steuerpflichtige Einnahme darstellt.
II. Bedeutung des Doppelbesteuerungsbegriffs 2.253 Einigkeit herrscht darüber, dass weder der Begriff der internationalen juristischen Doppelbesteuerung noch der der internationalen wirtschaftlichen Doppelbesteuerung Rechtsbegriffe in dem Sinne sind, dass aus ihnen unmittelbar Rechtsfolgen abgeleitet werden können. Vor allem gibt es kein völkerrechtliches Verbot der Doppelbesteuerung.2 Auch die Abkommen enthalten nicht den Begriff der Doppelbesteuerung. Selbst in Art. 25 OECD-MA ist nur von einer nicht dem Abkommen entsprechenden Besteuerung die Rede.
2.254 Auch beschränkt sich die Beseitigung der Doppelbesteuerung durch Abkommen nicht auf die juristische Doppelbesteuerung, sondern erfasst durchaus auch Fälle wirtschaftlicher Doppelbesteuerung, z.B. vermittels der im Abkommen (Art. 9 OECD-MA) aufgestellten rechtlichen Grundsätze bzgl. der Gewinnabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen nach dem Prinzip des „dealing-at-arm’s-length“.
III. Methoden zur Beseitigung der Doppelbesteuerung 2.255 Zur Beseitigung der Doppelbesteuerung haben sich einige Methoden eingebürgert,3 die sowohl unilateral aufgrund nationalen Steuerrechts oder bilateral4 aufgrund von zwischenstaatlichen Abkommen zur Anwendung kommen: – Freistellung der ausländischen Einkünfte von der deutschen Steuer, meist bilateral vereinbart, 1 Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 243 ff. 2 Vogel in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 14. 3 Grundlegend noch immer Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem, 1938; Mössner, DStG 8, (1985) 142 ff.; siehe auch Vogel in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 46 ff., Vor 6–22 OECD-MA Rz. 4 f., 23, Rz. 15 ff., 37 ff., 119 ff., 149 ff.; ausführliche Darstellung Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 14.16 ff. 4 Zu multilateralen Abkommen siehe Vogel in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 39.
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D. Unilaterale Beseitigung
– Anrechnung der ausländischen Steuer auf die inländischen Steuer, die auf die ausländischen Einkünfte entfällt; – Abzug der ausländischen Steuer von der Bemessungsgrundlage der inländischen Steuer; – völliger oder teilweiser Erlass der auf ausländische Steuergüter entfallenden Steuer; – Ermäßigung oder Pauschalierung der Steuer. Mit wachsender Zahl der internationalen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, die sich vornehmlich der Freistellungs- und der Anrechnungsmethode bedienen, verlieren die Maßnahmen des internen, auch des deutschen Steuerrechts zunehmend an eigenständiger Bedeutung und ergänzen die Normen der DBA, die die Anrechnungsmethode nicht in ihren Einzelheiten festlegen. Welche Methode ein Staat bevorzugt, beruht auf Tradition, Gerechtigkeitsvorstellungen, Praktikabilitätserwägungen. Die verschiedenen Methoden kommen zu durchaus unterschiedlichen Ergebnissen. Tendenziell bevorzugen die Staaten des anglo-amerikanischen Rechtskreises die Anrechnungsmethode und die des kontinentaleuropäischen Rechtskreises die Freistellungsmethode, ohne dass dies ausschließlich zuträfe. Beide haben Vor- und Nachteile. In der deutschen Praxis bildet sich zunehmend eine Mischform aus. Zwar stellt Deutschland in seinen Abkommen ausländische Einkünfte i.d.R. steuerfrei, sieht aber die Anrechnungsmethode zur Vermeidung unerwünschter Effekte vor. Hierzu dienen Aktivitätsklauseln, switch-over-Klauseln u.Ä.
2.256
1. Freistellungsmethode (exemption) Der Freistellungsmethode, die auf die deutsche Vertragspraxis zurückgeht,1 liegt das wirtschaftlich wohlbegründete Prinzip zugrunde, dass die Höhe der Steuer die Wettbewerbsposition eines Unternehmens beeinflusst und folglich alle Unternehmen, die auf einem Markt operieren, den gleichen steuerlichen Bedingungen unterworfen sein sollen (Kapitalimportneutralität2). Folglich findet die Besteuerung nur im Quellenstaat der Einkünfte statt. Der Ansässigkeitsstaat verzichtet auf die Besteuerung. Die Umsetzung dieses Verzichtes erfolgte nach Auffassung des RFH derart, dass mit den freigestellten Einkünften im Inland in keiner „Weise mehr zu rechnen“ sei.3 Die Wissenschaft4 verstand diese „Zuweisung eines Steuergutes“ als eine der nationalen Besteuerung vorgelagerte Kollisi1 Weber-Fas, Staatsverträge im Internationalen Steuerrecht, 13 ff. 2 Mössner, DStG 8 (1985), 166; Vogel in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 25; Art. 23 OECD-MA Rz. 7; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 14.19, 14.24. 3 RFH v. 25.1.1933, RStBl. 1933, 478; so noch BVerfG v. 10.3.1971 – 2 BvL 3/68, BVerfGE 30, 272 (281 ff.). 4 Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, 72 ff.; Bühler, Internationales Steuerrecht und Privatrecht; Spitaler, Doppelbesteuerungsproblem, 328 ff.; Neumeyer, Internationales Verwaltungsrecht, Bd. IV, III; Dorn, Welche Grundsätze empfehlen sich für das internationale Vertragsrecht zur Vermeidung inter-
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2.257
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onsnorm: Nationales Steuerrecht kann nur in dem Maße zur Anwendung kommen, wie das DBA den Staat hierzu ermächtigt.
2.258 Dieses Verständnis ist nicht haltbar. Grundlage de Besteuerungsrechts eines Staates im internationalen Verhältnis ist seine Souveränität.1 Die Vertragsstaaten eines DBA könnten nicht gemeinsam „Besteuerungsrechte“ schaffen und zuweisen, wenn sie diese nicht bereits besäßen. Deshalb vereinbaren Staaten in DBA, wie sie ihre originären nationalen Steueransprüche (Rz. 2.1, 2.421) zurücknehmen (System gegenseitiger Steuerverzichte). Ob man dies als Verzicht, Verteilung oder Zuweisung bezeichnet, ist gleichgültig, solange man aus der Wortwahl keine Folgerungen zieht (siehe hierzu Rz. 2.465 f.). Das DBA verpflichtet die Staaten, gibt aber auch den Steuerpflichtigen das Recht, sich auf die für sie günstigen Bestimmungen des DBA zu berufen.2 Die h.M.3 sieht in der Freistellung ausländischer Einkünfte eine objektive Steuerbefreiung.
2.259 Die Freistellung ausländischer Einkünfte vermeidet nicht nur die Doppelbesteuerung, sondern sie bewirkt einen unberechtigten Steuervorteil dadurch, dass die einzelnen Einkommensteile auf mehrere Staaten aufgeteilt werden und somit bei progressiven Steuertarifen nicht der dem Welteinkommen entsprechende Steuersatz im Ansässigkeitsstaat angewandt wird.4 Dies hat man5 zunächst als wünschenswert betrachtet, nach 19456 enthalten die DBA jedoch zunehmend7 die Regelung, dass die Freistellung nicht der Anwendung des dem Welteinkommen entsprechenden Steuersatzes auf die verbliebenen Einkünfte entgegensteht (Progressionsoder Tarifvorbehalt). Nachdem die Rspr. zunächst die Rechtsgrundlage für die Anwendung des Steuersatzes nach dem Welteinkommen im DBA selbst gesehen hat,8 leitet sie dies richtigerweise9 aus nationalem Recht (§ 32b EStG) ab. Damit bewirkt die Freistellung die Nichterhebung der auf die freigestellten, ausländischen Einkünfte entfallenden deutschen Steuern (modifizierte Freistellungstheorie).10 Hierdurch wird die Kapital-
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
nationaler Doppelbesteuerung, Verhandlungen des 33. Deutschen Juristentages 1925, 495 ff. (543). Frotscher, Internationales Steuerrecht, § 5 Rz. 1; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 13.2; vgl. auch Grotherr in G/K/G, Grundlagen OECD-MA Rz. 33. K. D. Wolff, Die Individualberechtigungen aus Abkommen im internationalen Steuerrecht, 72 ff. Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 52. Vgl. bereits Spitaler, Doppelbesteuerungsproblem, 328 ff. Dorn, Welche Grundsätze empfehlen sich für das internationale Vertragsrecht zur Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung, Verhandlungen des 33. Deutschen Juristentages 1925, 495 ff. Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 59 ff. Nunmehr Art. 23A OECD-MA. BFH v. 9.11.1966 – I 29/65, BStBl. III 1967, 88; v. 4.10.1967 – I 422/62, BStBl. II 1968, 101; s. aber auch v. 19.12.2001 – I R 63/00, BStBl. II 2003, 302. BFH v. 6.12.1979 – VI R 18/76, BStBl. II 1980, 237. Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 42.
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D. Unilaterale Beseitigung
importneutralität1 weitgehend verwirklicht. Da aber im Quellenstaat keine Besteuerung auf der Basis des Welteinkommens erfolgt, ergeben sich gleichwohl noch Progressionsvorteile, die bei der Anrechnungsmethode vermieden werden. 2. Anrechnungsmethode (tax credit) Im Gegensatz zur Freistellungsmethode, die aus Wettbewerbsgründen (Rz. 2.257) auf die steuerlichen Verhältnisse im Quellenstaat der unternehmerischen Einkünfte abstellt, legt die Anrechnungsmethode die steuerlichen Verhältnisse im Ansässigkeitsstaat zugrunde. Sie verwirklicht das Welteinkommensprinzip2 in Form der Kapitalexportneutralität, indem sie es als Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ansieht, dass die ausländischen Einkünfte eines Steuerpflichtigen in gleicher Weise besteuert werden wie die inländischen Einkünfte. Diese Begründung trägt nur partiell,3 da das Leistungsfähigkeitsprinzip keine Kriterien für die Aufteilung der Besteuerung zwischen den Staaten liefert und die im Ausland gezahlte Steuer als die Leistungsfähigkeit mindernd zu berücksichtigen ist. Bei der Anrechnungsmethode bleibt die Besteuerung durch die beteiligten Steuerhoheiten unangetastet. Der Ansässigkeitsstaat des Steuerpflichtigen rechnet dann die im ausländischen Quellenstaat erhobene Steuer auf die ihm für diese Einkünfte geschuldete Steuer wie eine eigene Steuervorauszahlung an. Im Ergebnis stellt der Ansässigkeitsstaat somit die ausländischen Einkünfte in dem Maße frei, in dem der ausländische Staat diese besteuert, indem er seine entsprechende inländische Steuer nicht erhebt. Während bei der Freistellungsmethode die inländische entsprechende Steuer insgesamt nicht erhoben wird, gleichgültig wie der andere Staat seinerseits besteuert, bewirkt die Anrechnung eine anteilige Freistellung in Höhe der ausländischen Steuer.
2.260
Daraus folgt, dass die Anrechnung der ausländischen Steuer überhaupt nur so weit gehen kann, wie diese die inländische Steuer nicht übersteigt (ordinary tax credit). Eine Anrechnung auch der die inländische Steuer übersteigenden ausländischen Steuer mit der Folge, dass der anrechnende Fiskus ausländische Steuern vergütet, gibt es nicht.4 Dies führt dann im Ergebnis zu einer höheren Steuerlast, was der Rechtfertigungsthese von der Herstellung gleicher Leistungsfähigkeit widerspricht.5 Für die Vertreter der Freistellungsmethode ergibt sich dieser Widerspruch nicht, da sie nicht auf die Leistungsfähigkeit abstellen. Die Anrechnungsmethode geht daher im Grunde von niedrigeren ausländischen Steuern aus und
2.261
1 Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 7. 2 Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. A16. 3 Vgl. Mössner in Tipke/Bozza, Besteuerung von Einkommen, 258; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 14.9 ff. 4 Vgl. auch EuGH v. 12.5.1998 – Rs. C-336/96 – Gilly, EuGHE 1998, I-2793. 5 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 14.30 spricht zu Recht von einem „Systembruch“.
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egalisiert diese. Vor allem in der politischen Diskussion wird dies oft als Vorzug der Anrechnungsmethode gesehen. Damit wird die Kritik an der Freistellung verbunden, dass diese Steuerpflichtige dazu einlade, ihre Aktivitäten in ein niedrig besteuerndes Ausland zu verlagern.
2.262 Im Ergebnis bedeutet dies: – Ist die steuerliche Belastung im Quellenstaat niedriger als im Ansässigkeitsstaat, so erfolgt die Besteuerung auf dem Niveau des Letzteren (Heraufschleusung). – Besteuert der Quellenstaat höher als der Ansässigkeitsstaat, so bleibt es bei dessen höherem Steuerniveau (keine Herabschleusung). Im Ergebnis setzt sich somit die höhere der beiden Steuern durch.1 Man kann daher auch in der Anrechnungsmethode nicht die Verwirklichung der Kapitalexportneutralität sehen.2 Diese tritt nur bei der ersten Alternative ein, während die zweite der Kapitalimportneutralität entspricht. Aber auch Kapitalexportneutralität wird dann nicht voll gewahrt, wenn die sog. per-country-limitation zur Anwendung gelangt, d.h. wenn der Ansässigkeitsstaat nicht alle Auslandseinkünfte als Einheit ansieht (sog. overall-limitation), sondern die Begrenzung (Rz. 2.294) für jeden Quellenstaat gesondert vornimmt.
2.263 Eine besondere Spielart der Anrechnungsmethode stellt schließlich der tax sparing credit bzw. matching credit dar, der die Anrechnung einer fiktiven ausländischen Quellensteuer durch den Wohnsitzstaat des Steuerpflichtigen vorsieht, obwohl der Quellenstaat die Quellensteuer tatsächlich ermäßigt hat. Diese Art der Anrechnung ist ebenfalls dem deutschen internen Steuerrecht fremd und findet sich nur in einigen wenigen von Deutschland geschlossenen DBA.3 Sie dient vor allem entwicklungspolitischen Zielsetzungen. Im Ergebnis wirkt sie wie eine Freistellung. 3. Abzug ausländischer Steuer von der Bemessungsgrundlage
2.264 Bei dieser „Methode“ wird der inländischen Besteuerung nur der nach Abzug der ausländischen Steuer verbleibende Nettozufluss unterworfen und die ausländische Steuer wie ein Kostenfaktor behandelt.4 Da Steuern vom Einkommen zu den nicht abziehbaren Aufwendungen gehören,5 bedarf es für deren Berücksichtigung einer Ausnahmebestimmung, die sich in § 34c Abs. 3 EStG findet, wonach ein Abzug ausländischer Steuern möglich ist, wenn es an der fehlenden Vergleichbarkeit der erhobenen Steuern fehlt, die Besteuerung in einem anderen Staat als demjenigen, 1 Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 6 f.; Mössner in Tipke/Bozza, Besteuerung von Einkommen, 159 ff.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 14.29. 2 Tipke/Lang, Steuerrecht20, § 2 Rz. 46; Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 7. 3 Vgl. die Übersicht bei Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 191. 4 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 14.35. 5 Gemäß § 10 Nr. 3 KStG, hierzu BFH v. 16.5.1990 – I R 80/87, BStBl. II 1990, 920; § 12 Nr. 3 EStG, BFH v. 2.10.1963 – I 308/61 U, BStBl. III 1964, 5.
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aus dem die Einkünfte stammen, erfolgt sowie wenn das deutsche Steuerrecht das Vorliegen ausländischer Einkünfte verneint. In den DBA ist diese Methode nicht vorgesehen. 4. Erlass, Teilerlass, Ermäßigung, Pauschalierung Die Wirkung des Erlasses der deutschen Steuer auf ausländische Einkünfte kommt der Freistellung gleich (abgesehen von der dort fast ausschließlich vorbehaltenen Progression), die des teilweisen Erlasses einer teilweisen Freistellung. Auch Ermäßigung und Pauschalierung sind ähnlich einzuordnen, wobei Letztere vornehmlich der Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens dient.1
2.265
IV. Beseitigung der Doppelbesteuerung bei der Einkommensteuer 1. Rechtsgrundlagen Die Rechtsgrundlagen der unilateralen Beseitigung der Doppelbesteuerung bei der Einkommensteuer finden sich in §§ 34c und 34d EStG sowie §§ 68a und 68b EStDV für unbeschränkt Steuerpflichtige und in § 50 Abs. 6 EStG für beschränkt Steuerpflichtige.
2.266
Der Gesetzgeber sieht sich immer2 wieder zu Änderungen in den maßgebenden Vorschriften veranlasst. Seit der Vorauflage (2005) sind für die Anrechnung relevante Gesetzesänderungen erfolgt: – Jahressteuergesetz 2007:3 Diverse Änderungen betreffen Erstattungsansprüche, steuerfreie Einkünfte und einige Anpassungen.
2.267
– Unternehmensteuerreformgesetz 2008:4 Berücksichtigung des neuen § 34a EStG sowie Herausnahme des 2007 eingefügten § 32c EStG. – Jahressteuergesetz 2009:5 Anpassung an die Abgeltungsteuer. Außerdem wurde § 68a EStDV durch die Verordnung zur Änderung steuerlicher Vorschriften v. 17.11.20106 neu gefasst. 2. Regelungsinhalt des § 34c EStG § 34c EStG steht nach dem IV. Teil (Tarif) des EStG und ist somit nach h.M. eine Tarifvorschrift.7 Doch daran lässt sich zweifeln, da der V. Teil 1 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 14.36 ff. 2 Siehe die Zusammenstellungen der Gesetzesfassungen bei Lüdicke/Wassermeyer in F/W/B/S, § 34c EStG, 1–23. 3 JStG 2007 v. 13.2.2006, BGBl. I 2006, 2878. 4 UStRG v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912. 5 JStG 2009 v. 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794. 6 StRVÄndV v. 17.11.2010, BGBl. I 2010, 1544 = BStBl. I 2010, 1283. 7 Heinicke in Schmidt31, § 34c EStG Rz. 1; Frotscher in Frotscher, § 34c EStG Rz. 3.
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mit „Steuerermäßigungen“ überschrieben ist und § 2 Abs. 6 EStG von einer Minderung der tariflichen Einkommensteuer spricht. Die Norm regelt die Anrechnung bzw. den Abzug ausländischer Steuern, die der deutschen Einkommensteuer entsprechen (bzw. nicht entsprechen), auf die bzw. von der deutschen Einkommensteuer. Sie bewirkt folglich eine Steuerbetragsermäßigung.1 Außerdem regelt § 34c EStG die Methode der in einem DBA vorgesehenen Steueranrechnung für den Fall, dass diese nicht im Abkommen näher geregelt ist. 3. Übersicht über § 34c EStG
2.269 Absätze 1–2 enthalten die allgemeinen Regeln der Anrechnung ausländischer Steuern bzw. des Steuerabzugs auf Antrag in Anrechnungssituationen. Abs. 1 letzter Halbs. i.V.m. 6 Satz 2 2. Halbs. nimmt der Abgeltungssteuer nach § 32d EStG unterliegende Kapitaleinkünfte von der Anrechnung und dem Abzug nach § 34c aus. In § 43a Abs. 3 EStG ist ein eigenes Anrechnungsverfahren für diese Einkünfte geschaffen worden.2 Absatz 3 regelt das Abzugsverfahren für die Fälle der Nichtvergleichbarkeit der Steuern, der Erhebung der Steuer in einem anderen als dem Quellenstaat sowie des Fehlens ausländischer Einkünfte i.S.d. § 34d EStG. Absatz 5 enthält eine Ermächtigungsgrundlage für Verordnungen über Erlass, Teilerlass und Pauschalierung.3 Absatz 6 regelt das Verhältnis des § 34c EStG zu den DBA. Absatz 7 ist die Grundlage für den Erlass von Rechtsverordnungen bzgl. Einkünften aus mehreren ausländischen Staaten, den Nachweis der Zahlung der ausländischen Steuern sowie die Auswirkungen späterer Steuernacherhebungen oder Erstattungen im Ausland.4 4. Verhältnis des § 34c EStG zu den DBA
2.270 Die etwas umständlichen Verweisungen und Teilverweisungen des § 34c Abs. 6 EStG können wie folgt zusammengefasst werden:
1 Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. A131; nach BFH v. 27.3.1996 – I R 49/95, BStBl. II 1997, 91 sind Steuerermäßigungen tarifäre Minderungen der Steuerbelastung; siehe auch BFH v. 15.3.1995 – I R 98/94, BStBl. II 1995, 580.; v. 25.2.1976 – I R 150/73, BStBl. II 1976, 454. 2 Zu Details m.w.N. siehe Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. C26 f.; Wassermeyer/Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 178.1 ff.; mit Rechenbeispiel Wilhelm in H/H/R, Jahreskommentierung 2009, § 34c EStG, J 08-5. 3 Ergangen sind Montageerlass (bis 1983), abgelöst durch Auslandstätigkeitserlass (BMF v. 31.10.1983 – IV B 6 - S 2293 - 50/83, BStBl. I 1983, 470), Pauschalierungserlass (BMF v. 10.4.1984 – IV C 6 - S 2293 - 11/84, BStBl. I 1984, 252 u. BMF v. 30.12.1993 – S 1301, BStBl. I 1994, 97, wobei Letzteres [teilweise] aufgehoben durch BMF v. 29.3.2007 – IV C 6 - O 1000/07/0018, BStBl. I 2007, 369). 4 Hierzu siehe §§ 68a–68c EStDV, z.T. a.F.; § 68 ab VZ 1996 aufgehoben.
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Unter zwei Voraussetzungen kommt gem. § 34c Abs. 6 Satz 1 EStG die Anrechnungs- bzw. Abzugsmethode nach den Abs. 1–3 nicht zur Anwendung: – Es muss sich um Einkünfte handeln, die aus einem ausländischen Staat stammen1 und – mit diesem Staat besteht ein DBA und – das DBA muss sich auf eine Steuer vom Einkommen dieses Staates beziehen (§ 34c Abs. 6 Satz 4 EStG). Somit schließt nicht bereits das Bestehen eines DBA2 mit dem besteuernden Staat die Anwendbarkeit des § 34c EStG aus. Auch die Einkünfte müssen aus diesem Staat „stammen“. Ob sich das „Stammen“ nach deutschem Steuerrecht richtet3 oder aus den DBA4 abzuleiten ist, ist nicht geklärt. Der BFH lässt die Frage offen. Beispiel: Inländer I hat in X eine Kapitalgesellschaft gegründet, die Einkünfte aus dem Inland bezieht, die in X sowohl bei der Gesellschaft als auch bei Ausschüttung mit einer Quellensteuer besteuert werden. Zwischen Deutschland und X besteht ein DBA, das die Besteuerung seitens X nicht tangiert und keine Anrechnung der Quellensteuern vorsieht. Deutschland betrachtet jedoch die Gesellschaft als missbräuchliche Gestaltung und rechnet I die Einkünfte unmittelbar zu, sodass die Einkünfte somit aus Deutschland stammen. Da eine Voraussetzung von § 34c Abs. 6 Satz 1 EStG fehlt, ist eine Anrechnung zumindest der Quellensteuer möglich.5 Dies verhindert jetzt § 34c Abs. 6 Satz 6 EStG.6
Dies bedeutet vor allem, dass dann, wenn das DBA die Freistellung ausländischer Einkünfte von der deutschen Einkommensteuer vorsieht, eine Anrechnung nicht möglich ist.7 Dies gilt aber nur, wenn sich das Abkommen auf die Steuern vom Einkommen bezieht. Gibt es im ausländischen Staat Steuern vom Einkommen, auf die sich das DBA nicht bezieht – z.B. Einkommensteuern eines Gliedstaates, die nicht im Abkommen geregelt werden, dann kommt für diese die Anrechnung oder der Abzug zur Anwendung. Ist die Freistellung ungünstiger als die Anrechnung, so hat der Steuerpflichtige dies hinzunehmen.8 Auch ein Abzug der ausländischen Steuer ist dann nicht gestattet, wenn dies für den Steuerpflichtigen güns1 BFH v. 24.3.1998 – I R 38/97, BStBl. II 1998, 471; v. 19.4.1999 – I R 141/98, BFH/ NV 1999, 1317; v. 1.4.2003 – I R 39/02; Wassermeyer, IStR 1998, 476. 2 So der missglückte Wortlaut. Irgendein DBA kann aber nicht gemeint sein, sondern nur ein solches, das sich auf die Einkommensteuer bezieht, so auch Frotscher in Frotscher/Maas, § 26 KStG Rz. 49. 3 So FG BW v. 19.3.1997 – 3 K 171/92, EFG 1997, 984; ebenso Wagner in Blümich § 34c EStG Rz. 134. 4 Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. C5; Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 201; Frotscher in Frotscher, § 34c EStG Rz. 82. 5 Vgl. BFH v. 1.4.2003 – I R 39/02, BStBl. II 2003, 869. 6 Eingeführt durch Steuerbereinigungsgesetz v. 22.12.1999, BGBl. I 1999, 2601. 7 BFH v. 11.9.1987 – VI R 19/84, BStBl. II 1987, 856. 8 Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. C4.
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tiger wäre, wie z.B. in einem Verlustjahr.1 Die Zuordnungsregel für Ausgaben gem. § 34c Abs. 1 Satz 4 EStG (Rz. 2.299 f.) ist gem. § 34c Abs. 6 Satz 3 EStG auch dann „entsprechend“ anzuwenden, wenn diese Einkünfte nach dem DBA nicht in diesem (Quellen-)Staat besteuert werden können.
2.271 Die Anwendung des § 34c Abs. 5 EStG bei Bestehen eines DBA ist ausgeschlossen, soweit diese Norm auf Abs. 1 Bezug nimmt. Wenn § 34c Abs. 6 Satz 1 EStG die Anrechnung ausschließt, dann kann ihre Anwendung auch nicht besonders schwierig sein. Zwar schließt § 34c Abs. 6 EStG den Abs. 5 nicht ausdrücklich aus,2 aber § 34c Abs. 5 EStG erlaubt den genannten Behörden auch einen Steuererlass oder eine Pauschalierung, wenn dies aus volkswirtschaftlichen Gründen zweckmäßig ist. Die Frage ist, ob dies auch dann gilt, wenn ein DBA besteht.3 Der BFH4 hat entschieden, dass keine entsprechende Befugnis besteht, wenn das DBA für die betreffenden Einkünfte die Freistellung vorschreibt. Dies versteht sich eigentlich von selbst; denn, wenn im Inland keine Besteuerung erfolgt, so besteht auch kein Anlass für eine Billigkeitsmaßnahme. Die Frage bleibt, aus welchem Grunde die Verwaltung von der im DBA angeordneten Anrechnung sollte abweichen können. Auch wenn es einer in der Literatur vorherrschenden Auffassung entspricht, bestehen doch Bedenken gegen eine generelle Ermächtigung. Sieht ein DBA vor, dass die Reduzierung bzw. Vermeidung der Doppelbesteuerung durch Anrechnung der ausländischen Steuer erfolgt, so kann die Verwaltung nicht generell eine Freistellung im Erlasswege anordnen.
2.272 Sieht ein DBA die Anrechnung der ausländischen auf die deutsche Einkommensteuer vor, so ist § 34c EStG nicht Rechtsgrundlage der Anrechnung, diese hat sich aber nach der im § 34c Abs. 1 Sätze 2–5 EStG vorgesehenen Methode zu richten (entsprechende Anwendung). In vielen Abkommen wird ausdrücklich auf die Anrechnung nach den Methoden des internen Rechts verwiesen, d.h. auf die Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrages und der anrechenbaren ausländischen Steuern5 (Rechtsfolgenverweisung).
2.273 Auch wenn das DBA dies nicht ausdrücklich vorsieht, ist stets alternativ zur im DBA vorgesehenen Anrechnung der Abzug der an sich anzurechnenden ausländischen Steuer zugelassen (§ 34c Abs. 6 Satz 2 EStG: entsprechende Anwendung von § 34c Abs. 2 EStG6); da der Abzug nur auf 1 St. Rspr., BFH v. 25.2.1976 – I R 150/73, BStBl. II 1976, 454; v. 15.3.1995 – I R 98/94, BStBl. II 1995, 580; v. 19.4.1999 – I B 141/98, BFH/NV 1999, 1317. 2 So Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. E2. 3 Dafür wohl Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 421. 4 BFH v. 11.9.1987 – VI R 19/84, BStBl. II 1987, 856; v. 27.3.1991 – I R 180/87, BFH/ NV 1992, 248, dabei ging es vor allem um die Einbeziehung der nach dem Montageerlass steuerfrei gestellten Einkünfte in den Progressionsvorbehalt. 5 Vgl. die Übersicht bei Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 171. 6 Ausnahmen für Abgeltungssteuer.
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D. Unilaterale Beseitigung
Antrag erfolgt und das Wahlrecht im Übrigen nur dann ausgeübt werden wird, wenn dies für den Steuerpflichtigen günstiger ist als die Anrechnung, wird das Abkommen hierdurch nicht unterlaufen.1 Allerdings sieht eine mit Wirkung ab Veranlagungszeitraum 1996 eingefügte Änderung2 (§ 34c Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 EStG) vor, dass der Abzug – nach § 34c Abs. 2 EStG – bei lediglich nach dem Abkommen als gezahlt geltenden – also fiktiven – ausländischen Steuern nicht mehr zugelassen ist. Hier ist nur die Anrechnung möglich. Enthält das DBA eine günstigere Regelung als § 34c Abs. 1 EStG, z.B. die Anrechnung fiktiver ausländischer Steuern, so geht die günstigere DBARegel als lex specialis (§ 2 AO) vor. Die Begrenzung des § 34c Abs. 1 Satz 3 EStG greift nicht, wohl aber die Zuordnungsregel des § 34c Abs. 1 Satz 4 EStG. Ein Abzug der ausländischen Steuern ist nicht möglich.
2.274
Bis zum JStG 2007 (Rz. 2.267) enthielt § 34c Abs. 6 Satz 4 EStG eine Auffangklausel für alle Fälle der Nichtbeseitigung der Doppelbesteuerung bei aus dem DBA-Staat stammenden Einkünften, indem die Anrechnung vorgesehen war. Dies betraf auch Fälle, in denen die Vorschriften eines DBA die Doppelbesteuerung nicht beseitigten. Der Gesetzgeber3 hat diese Vorschrift als überflüssig angesehen. Geblieben ist die Anrechnung von Steuern vom Einkommen, auf die sich das DBA nicht bezieht.4 Dies kann z.B. der Fall sein, wenn nur ein Spezialabkommen, z.B. über Erbschaftsteuern, existiert oder bestimmte Einkommensteuern nicht einbezogen sind, z.B. Steuern von Gliedstaaten in einem Bundesstaat.
2.275
Bei Bestehen eines DBA gilt § 34c Abs. 3 EStG – Abzug in den Fällen nicht entsprechender ausländischer Steuern, der Besteuerung von Einkünften aus Drittstaaten sowie des Nichtvorliegens ausländischer Einkünfte – nicht. Entstehen hier infolge unterschiedlicher Auffassung Doppelbesteuerungen, so können sie nur im Wege des Verständigungsverfahrens beseitigt werden. Gemäß § 34c Abs. 6 Satz 6 EStG ist der Abzug – und nur dieser – gem. § 34c Abs. 3 EStG dann möglich, wenn der ausländische Staat Einkünfte besteuert, die nicht aus diesem Staat nach deutscher Ansicht stammen. Dies wird aber wiederum seit 2007 (Rz. 2.267) in Fällen missbräuchlicher Gestaltungen eingeschränkt.5
2.276
In § 50d Abs. 8 und Abs. 9 EStG wird unter den dort beschriebenen Voraussetzungen6 „die Freistellung ungeachtet des Abkommens nicht gewährt.“ Damit unterliegen die betroffenen ausländischen Einkünfte wie-
2.277
1 2 3 4
R 34c EStR 2008. EStG 1997 v. 16.4.1997, BGBl. I 1997, 823 (880). BT-Drucks. 16/2712, 97; Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. C13. Vgl. Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. C13; Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 219 Alt. 2. 5 Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. C15. 6 Hierzu siehe Schönfeld in FWB, § 50d Abs. 9 EStG Rz. 51 ff.; Loschelder in Schmidt31, § 50d EStG Rz. 52 ff.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
der uneingeschränkt der inländischen Steuer. Für die Fälle des § 50d Abs. 9 EStG ordnet § 34c Abs. 6 Satz 5 EStG die Anrechnung bzw. den Abzug nach § 34c Abs. 6 Satz 6 EStG an. Da hier von der Freistellungsmethode zur Anrechnugnsmethode übergegangen wird – sog. switch-over – ist es folgerichtig,1 auch § 34c EStG anzuwenden. Unter Berücksichtigung der Voraussetzungen von § 50d Abs. 9 EStG für diesen Übergang geht es vor allem um Fälle, in denen keine Steuer im Ausland erhoben wird (subject-to-tax-clause). Zur Anrechnung kommt es nur, wenn der andere Staat aufgrund einer abweichenden Auslegung des DBA nur einen begrenzten Steuersatz anwendet (§ 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 EStG). Eine entsprechende Anordnung der Anwendung von § 34c EStG ist für § 50d Abs. 8 EStG nicht erforderlich, da dessen Voraussetzung ist, dass im Ausland keine Steuer gezahlt wurde.2 Eine Anrechnung scheidet daher aus. 5. Persönlicher Anwendungsbereich
2.278 § 34c EStG sieht die Anrechnung ausländischer Steuern (Rz. 2.285) nur für unbeschränkt Steuerpflichtige i.S.d. § 1 Abs. 1 bis 2 EStG vor. Keine Rolle3 spielt es, ob ein im Inland unbeschränkt Steuerpflichtiger zugleich auch in weiteren Staaten unbeschränkt steuerpflichtig ist, da weder dies noch die Regelung der Ansässigkeit durch ein bestehendes DBA seine in Deutschland nach § 1 Abs. 1 oder 2 EStG bestehende unbeschränkte Steuerpflicht in irgendeiner Weise berührt.4 Da die Anrechnungsmethode eine Folge der Besteuerung ausländischer Einkünfte auf der Basis des Welteinkommensprinzips ist, setzt sie die Besteuerung ausländischer Einkünfte voraus, wie dies bei unbeschränkter Steuerpflicht der Fall ist.5
2.279 Beschränkt Steuerpflichtige kommen folgerichtig nicht in den Genuss des § 34c EStG, allerdings wird ihnen durch § 50 Abs. 3 EStG in gewissem Umfang6 Entlastung durch Anrechnung ausländischer Steuern oder deren Abzug gewährt, wenn in ihrem inländischen Betriebsstätteneinkünften ausländische Einkünfte enthalten sind und diese nicht aus ihrem Ansässigkeitsstaat stammen. Durch das Kriterium des Betriebes im Inland kommen nur Gewinneinkünfte in Betracht.7
1 So auch Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. C16. 2 M. Klein/Hagena in H/H/R, § 50d EStG Rz. 112; Hahn-Joecks in K/S/M, § 50d EStG Rz. J9. 3 Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B5; Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 50. 4 Wassermeyer/Lüdicke in H/H/R, § 34c EStG Rz. 121; Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 50. 5 Deshalb bezieht sie sich nicht auf § 1 Abs. 3 EStG, der nur inländische Einkünfte betrifft, ebenso Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B15; a.A. Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 50. 6 Datails Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B11 ff. 7 Europarechtlich problematisch: Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B13.
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D. Unilaterale Beseitigung
Kommt es während eines Jahres zum Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht, so sind die während der beschränkten Einkommenssteuerpflicht erzielten inländischen Einkünfte in die Veranlagung zur unbeschränkten Steuerpflicht einzubeziehen (§ 2 Abs. 7 Satz 2 EStG) und die ausländischen Einkünfte, die nicht der deutschen Steuer unterliegen, d.h. während der Zeit der beschränkten Steuerpflicht bezogen1 werden, bei der Festsetzung des Steuersatzes zu berücksichtigen. (§ 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG). Daraus ergeben sich folgende Probleme: 1. Bei den während der Zeit der unbeschränkten Steuerpflicht bezogenen ausländischen Einkünften erfolgt die Anrechnung gem. § 34c EStG unmittelbar.2 2. In den während der Zeit der beschränkten Steuerpflicht erzielten Einkünften sind ausländische, im Inland besteuerte Einkünfte enthalten. § 34c EStG ist dann über § 50 Abs. 3 EStG anwendbar.3 3. Was geschieht mit den auf den im Rahmen von § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG berücksichtigten ausländischen Einkünften ruhenden ausländischen Steuern? Beispiel: 2003 hat A folgende Einkünfte: Januar bis April = 30 000 Euro inländische Einkünfte, 10 000 Euro ausländische Einkünfte mit 2500 Euro ausländischen Steuern. Mai bis Dezember = 10 000 Euro inländische Einkünfte, 60 000 Euro ausländische Einkünfte, auf die A im Ausland 28 000 Euro Steuern zahlt. Auf die 10 000 Euro inländische Einkünfte erhebt der ausländische Staat 4600 Euro Steuern. Lösung: A unterliegt 2003 der unbeschränkten Steuerpflicht mit 30 000 Euro, in diese Veranlagung werden einbezogen 10 000 Euro. Diese 40 000 Euro werden zum Steuersatz von 100 000 Euro (= Gesamte Einkünfte) besteuert, d.h. zu 38 % (angenommen) anstelle von 25 %: Die im Ausland gezahlten 28 000 Euro bleiben unberücksichtigt. Eine andere Frage ist es, wie das ausländische Recht die inländischen Steuern berücksichtigt.4
Personengesellschaften sind als solche nicht unbeschränkt steuerpflichtig, sodass es bei der Steueranrechnung darauf ankommt, ob der jeweilige Gesellschafter in Deutschland nach § 1 Abs. 1 oder 2 EStG unbeschränkt steuerpflichtig ist – dann gilt § 34c EStG – oder beschränkt steuerpflichtig – dann gilt § 50 Abs. 3 EStG.5
1 Zufluss – BFH v. 29.11.2003 – I R 22/02, BStBl. II 2004, 560. 2 Ebenso Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B16; Wassermeyer/Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 124. 3 Ebenso Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 50; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 10; unklar Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B17. 4 Aus deutscher Sicht wären 3800 Euro auf 10 000 Euro (Einkünfte) zugrunde zu legen und auf die 4600 Euro anzurechnen. 5 Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 12.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
2.281 Die Beseitigung der Doppelbesteuerung durch Anrechnung oder Abzug ausländischer Steuern hat die Personenidentität zur Voraussetzung.1 Somit muss der inländische Steuerpflichtige selbst, für den es um die Anrechnung auf seine Steuer geht, derjenige sein, der im Ausland der Einkommensteuer unterliegt.2 Dies folgt aus dem Identitätserfordernis beim Begriff der Doppelbesteuerung (Rz. 2.246). Dabei geht es um die Steuerpflicht, nicht um die Zahllast. Auch wenn im Ausland der Zahlende die Steuer als Quellensteuer abführt, ist es doch die Steuer des Steuerpflichtigen. Ob die Steuer vom Steuerpflichtigen, der die Anrechnung anstrebt, erhoben wird, lässt sich nicht ohne Einbeziehung des ausländischen Steuerrechts entscheiden. Dies bedeutet aber nicht, dass die Bestimmungen des ausländischen Rechts für das Inland verbindlich wären. Vielmehr ist zunächst zu prüfen, wem die betreffenden Einkünfte im Ausland zugerechnet werden und wer dementsprechend der Steuerschuldner ist. Damit ist dann die Zurechnung der Einkünfte im Inland zu vergleichen. Kommen ausländisches und inländisches Steuerrecht zu den gleichen Ergebnissen, ist die Rechtslage unproblematisch. Kommen aber Ausland und Inland zur Zurechnung zu unterschiedlichen Personen, so muss sich die inländische Zurechnung durchsetzen. Dies betrifft insbesondere Fälle der Organschaft, Treuhand, Nießbrauch und Investmentfonds.3 Beispiel: Der unbeschränkt Steuerpflichtige A erzielt über einen Treuhänder Einkünfte aus dem Ausland. Dort werden die Einkünfte dem Treuhänder zugerechnet, der somit Steuerpflichtiger nach dem ausländischen Steuerrecht ist. In Deutschland werden die Einkünfte dem Treugeber A zugerechnet (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO).
2.282 Derartige Probleme entstehen insbesondere bei der Beteiligung von Steuerinländern an ausländischen Gesellschaften, die aus deutscher und ausländischer Sicht unterschiedlich als Personengesellschaften bzw. als Kapitalgesellschaften angesehen werden.4 Die steuerliche Einordnung ausländischer Rechtsgebilde als Personen- oder Kapitalgesellschaften sowie auch der Rechtsbeziehungen zwischen ihnen und ihren Gesellschaften erfolgt nach dem Typenvergleich (Rz. 2.55) unbeschadet der Frage, ob das ausländische Rechtsgebilde als rechtsfähige Person anzusehen ist oder nicht und das deutsche Zivilrecht diese ausländische Qualifikation in Anwendung der Grundsätze des internationalen Privatrechts nachvollzieht.
1 Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B19 ff.; Gosch in Kirchhof11, § 34c EStG Rz. 2; Wassermeyer/Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 129. 2 BFH v. 4.6.1991 – X R 35/88, BStBl. II 1992, 187. 3 Im Einzelnen vgl. Wassermeyer/Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 132; Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B35 f. 4 Siehe Gosch in Kirchhof11, § 34c EStG Rz. 2; Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B26 ff.; Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 61; Wassermeyer/Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 130.
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D. Unilaterale Beseitigung
Ausländische Steuern, die ein einer deutschen Personengesellschaften vergleichbares Rechtsgebilde unmittelbar zahlt, sowie eine darüber hinaus noch evtl. erhobene Quellensteuer auf Dividenden werden als eine direkt vom deutschen Gesellschafter erhobene Steuer behandelt.1 Wird die ausländische Gesellschaft – nach deutschen Kriterien – als Kapitalgesellschaft eingeordnet, so fehlt die für § 34c EStG erforderliche Identität des Steuerpflichtigen auch dann, wenn er selbst nach ausländischem Recht als Steuerpflichtiger behandelt wird und ihm die Einkünfte unmittelbar zugerechnet werden. Aus deutscher Sicht ist dies dann als Ausschüttung des Gewinns an den Gesellschafter zu werten, sodass er „Dividenden“ belastet mit ausländischer Steuer bezogen hat.2
2.283
Im Übrigen kann ausländische Körperschaftsteuer, die von einer Körper- 2.284 schaft nach in- und ausländischem Recht erhoben wird, mangels Identität der Steuerpflichtigen nicht angerechnet werden, und zwar nach der Rspr. auch nicht im Falle des Einkommens einer Basisgesellschaft in einer Steueroase, das nach § 39 AO oder § 42 AO dem inländischen Steuerpflichtigen zuzurechnen ist.3 6. Sachlicher Anwendungsbereich, Vergleichbarkeit der Steuer Gemäß § 34c EStG muss die ausländische Steuer, die auf die deutsche Einkommensteuer angerechnet werden soll, der deutschen Einkommensteuer entsprechen.4 Nicht entsprechende ausländische Steuern können nur bei der Ermittlung der Einkünfte (bis zum Veranlagungszeitraum 1991: Gesamtbetrag der Einkünfte) abgezogen werden (§ 34c Abs. 3 EStG). Es kommt also darauf an, dass es ausländische Einkünfte i.S.v. § 34d EStG5 sind und dass auf diese eine Steuer vom Einkommen erhoben wird. Ohne dass dies ausdrücklich gesagt wird, müssen diese ausländischen Einkünfte auch der inländischen Einkommensteuer im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen. Wenn sie im Inland nicht steuerbar sind, so kann es keinen identischen Steuergegenstand geben.6 Eine Identität des Steuergegenstandes ist gegeben, wenn im Ausland die Einkünfte wegen Überschreitens einer Freigrenze besteuert, im Inland aber 1 Erlass OFD Frankfurt v. 25.8.1994; StEK EStG § 34c Nr. 175 Rz. 3.5; BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663; Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B30. 2 Debatin, DB 1977, Beilage 13; Debatin, DB 1989, 1692 f.; Wassermeyer, IStR 1995, 49; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 35; Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B31; Frotscher in Frotscher, § 34c EStG Rz. 14; a.A. Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 61. 3 BFH v. 24.2.1976 – VIII R 155/71, BStBl. II 1977, 265; vgl. eingehend Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B37 ff. 4 Ausführlich Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B88 ff. 5 Vgl. für den Fall, dass Einkünfte, die im Ausland erzielt werden, zwar im Ausland als dort erzielt behandelt werden, jedoch nicht ausländische Einkünfte i.S.v. § 34d EStG sind Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B68. 6 BFH v. 4.6.1991 – X R 35/88, BStBl. II 1992, 187, zustimmend Gosch in Kirchhof11, § 34c EStG Rz. 3; Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B60.
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2.285
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wegen einer höheren Freigrenze nicht besteuert werden. Mangels inländischer Steuerschuld kommt es nicht zur Anrechnung. Zur Frage, ob dann, wenn der Steuerpflichtige weitere oder andere Einkünfte aus dem ausländischen Staat bezieht, die im Inland der Steuer unterliegen, die ausländische Steuer auf die im Inland unbesteuerten Einkünfte anrechnen kann, siehe Rz. 2.306.
2.286 Ohne Rücksicht auf die Höhe des Steuersatzes und die Art und Weise der Erhebung (Veranlagungssteuer oder Quellensteuer) wird eine ausländische Steuer dann als der deutschen Steuer entsprechend angesehen, wenn sie direkt vom Einkommen oder von Teilen des Einkommens einschließlich der Veräußerungsgewinne erhoben wird. Es muss sich hier nicht unbedingt um eine Steuer des ausländischen Staates selbst handeln, vielmehr sind auch auf das Einkommen erhobene Steuern von Gebietskörperschaften unterhalb der staatlichen Ebene, also Gemeinde-, Kantonal- oder Provinzsteuern, anrechnungsfähig, sofern sie nur das gesamte Einkommen oder Teile hiervon, auch Veräußerungsgewinne, betreffen. Unterscheidet das Ausland reguläre Einkünfte und Veräußerungsgewinne dergestalt, dass auf Letztere eine spezielle Veräußerungsgewinnsteuer – z.B. capital gains tax – erhoben wird, so ändert dies nichts daran, dass es sich um eine Einkommensteuer nach deutschen Vorstellungen handelt. Auch die weiteren Einzelheiten der ausländischen Steuer, abgesehen vom Steuergegenstand, müssen nicht der deutschen Einkommensteuer entsprechen. Dies gilt insbesondere für die Bestimmung der Bemessungsgrundlage,1 die durch eigene Quantifizierungsmethoden, Abschreibungsregeln, Freibeträge usw. von der deutschen Bemessungsgrundlage abweichen kann bzw. im Regelfall sogar abweicht.
2.287 Ausgeschlossen von der Anrechnung sind damit Steuern, die nicht vom Einkommen erhoben werden, wie Verbrauchsteuern, Verkehrsteuern, Realsteuern (z.B. eine der deutschen Gewerbesteuer vergleichbare Steuer), Vermögensteuern, sonstige Abgaben, Gebühren und Beiträge sowie wegen Verletzung der öffentlichen Pflichten erhobene Zuschläge (Säumnisund Verspätungszuschläge, Strafzuschläge – „penalties“). Aus eher technischen Gründen scheidet die Anrechnung nach § 34c EStG auch bei den der Abgeltungssteuer unterliegenden Einkünften aus (§ 34c Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EStG). Für diese enthält § 32d Abs. 5 EStG eine eigene Anrechnungsnorm.2
2.288 Die bekannten, der deutschen Einkommensteuer entsprechenden ausländischen Steuern von Nicht-DBA-Staaten sind in Anhang 12 II EStH 2011 aufgeführt. Diese Liste wird laufend, wenn auch oftmals mit erheblicher zeitlicher Verzögerung, auf den neuesten Stand gebracht. Hierbei ist es auch denkbar, dass eine ausländische Steuer, die auf Lieferungs- oder 1 Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B61; Wassermeyer/Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 134 ff.; Gosch in Kirchhof11, § 34c EStG Rz. 3. 2 Hierzu vgl. Lambrecht in Kirchhof11, § 32d EStG Rz. 19.
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Leistungsentgelte erhoben wird, nur als teilweise der deutschen Einkommensteuer entsprechend angesehen wird (wie es z.B. bei der algerischen – seit 1984 nicht mehr geltenden – taxe forfaitaire der Fall war), sodass nur ein Teil der ausländischen Steuer zur Anrechnung kommt. 7. Regelung des § 34c EStG im Einzelnen a) Steueranrechnung Bei der Anrechnungsmethode erfolgt die Berechnung der inländischen Einkommensteuer in einem ersten Schritt ohne Berücksichtigung der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat. Beispielsweise werden die von einer Betriebsstätte im Ausland erwirtschafteten Gewinne im Inland ebenso besteuert wie die Gewinne einer inländischen Betriebsstätte. Ein Interesse an der Einkünfteverlagerung ins Ausland besteht daher nicht: Bei einer niedrigeren Besteuerung im Ausland wird nur diese geringe Steuer angerechnet, die Steuerbelastung also auf das höhere Inlandsniveau heraufgeschleust (Rz. 2.262). Will man dies verhindern, so kann man etwa durch Gründung einer ausländischen Kapitalgesellschaft im ausländischen Staat die Zurechnung der Einkünfte zu einem inländischen Steuerpflichtigen vermeiden (Abschirmwirkung einer Kapitalgesellschaft).
2.289
Sodann wird in einem zweiten Schritt der Betrag der deutschen Einkommensteuer ermittelt, der auf die ausländischen Einkünfte entfällt. Wenn die Anrechnung wie ein anteiliger Verzicht auf die Besteuerung wirkt (Rz. 2.260), dann kann nicht auf mehr verzichtet werden als auf die entstandene deutsche Steuer auf diese Einkünfte (sog. ordinary-credit). Dies ist notwenige Folge, dass es keine Herabschleusung (Rz. 2.262) auf ein niedrigeres inländisches Steuerniveau gibt. Daher sieht § 34c Abs. 1 EStG einen Anrechnungshöchstbetrag vor. Dazu muss bestimmt werden, inwieweit die deutsche Steuer auf die ausländischen Einkünfte entfällt. Bei einem progressiven Steuertarif lässt sich jedoch nicht sagen, welcher Einkommensteil welche Progressionsstufe verursacht. Da die Steuer nach der gesamten Bemessungsgrundlage ermittelt wird, ist es systematisch richtig, von der auf dem Gesamteinkommen beruhenden Steuer auszugehen und diese auf die ausländischen und die anderen Einkünfte aufzuteilen. Der Höchstbetrag richtet sich daher nach dem Durchschnittssteuersatz. Das Gesetz schreibt folgende Formel vor:
2.290
Anrechnungshöchstbetrag deutsche ESt × ausländische Einkünfte1 = (AHB) Summe der Einkünfte Ein meist übersehenes Problem ergibt sich jedoch aus der Systematik von § 2 EStG.
1 Bis zum Veranlagungszeitraum 1991 stand im Nenner des Bruchs der Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG), was nur eine teilweise Verbesserung war.
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2.291
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung Beispiel: A erzielt Einkünfte von 50, davon 40 im Inland, 10 im Ausland mit einer Quellensteuer von 40 % (= 4). Abzüge hat A insgesamt von 10 (Sonderausgaben etc.). Durchschnittssteuersatz sei 40 %. Bemessungsgrundlage beträgt somit 40 und die deutsche Steuer 16. Anrechnungshöchstbetrag = 16 × 1/5 = 3,2
Dies bedeutet, dass – auch bei identischem Steuersatz im In- und Ausland – der Anrechnungshöchstbetrag anteilig um die Sonderausgaben und die weiteren persönlichen Abzüge gekürzt wird. Im Beispiel sind dies 20 v.H. der durch den Sonderausgabenabzug geminderten Steuer (= 4). Folgt man allerdings der allg. anerkannten These,1 dass es allein Aufgabe des Ansässigkeitsstaates sei, die persönlichen Abzüge zu berücksichtigen, so ist das Verhältnis der ausländischen zu den inländischen Einkünften nicht 1 : 5, wie in der Formel zugrunde gelegt, sondern 1 : 4, sodass wie folgt zu rechnen wäre: Anrechnungshöchstbetrag = 16 × 1/4 = 4 Die Formel von § 34c EStG bedeutet, dass das Anrechenbarkeitsvolumen durch die den ausländischen Einkünften pro rata entsprechenden Sonderausgaben etc. gekürzt wird. In der Rs. C-385/00 (de Groot) hat der EuGH entschieden,2 dass die Anwendung der Formel zur Berechnung des Anrechnungshöchstbetrages, die er als „proportionality factor“ kennzeichnet, eine Beschränkung der Freizügigkeit darstellt, wenn sie bewirkt, dass ein Teil der persönlichen Abzüge, die bei rein innerstaatlichen Fällen möglich sind, nicht berücksichtigt werden.3 Danach ist europarechtlich die Formel des § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG nicht haltbar.4 Der BFH hat nunmehr5 dem EuGH die Frage im Vorabentscheidungsverfahren zugelegt. Eine wirklich zufriedenstellende Lösung bringt nur die fraktionierte Besteuerung.6
2.292 Eine über den Anrechnungshöchstbetrag hinausgehende Berücksichtigung der ausländischen Steuer ist im Gesetz nicht vorgesehen, weder als Vor- oder Rücktrag eines Überhanges7 noch als Billigkeitsmaßnahme.
1 Anerkannt auch vom EuGH in st. Rspr., grundlegend EuGH v. 14.2.1995 – Rs. C-279/93 – Schumacker, EuGHE 1995, I-249. 2 EuGH v. 12.12.2002 – Rs. C-385/00 – de Groot, EuGHE 2002, I-4585 Rz. 50 ff. 3 EuGH v. 12.12.2002 – Rs. C-385/00 – de Groot, EuGHE 2002, I-4585 Rz. 99 ff. 4 Ebenso Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B110. 5 BFH v. 9.2.2011 – I R 71/10, DStRE 2011, 676; EuGH v. Rs. C-168/11 – Beker und Beker, Schlussanträge GA Mengozzi 12.7.2012, in dem hier vertretenem Sinn. 6 Siehe hierzu van Raad, Fractional taxation of multi-state income of EU resident individuals, Liber Amicorum Sven Olof Lodin, 2001, 211; Mössner, Source versus residence – an EU perspective, BIT 2006, 501. 7 Hierzu eingehend Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B156 ff.
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D. Unilaterale Beseitigung Beispiel: I hat inländische und ausländische Einkünfte von je 100. Die Steuer im Ausland beträgt 35, im Inland 60. AHB = 60 × 100/200 = 30. Der Anrechnungsüberhang von 5 wird im Inland nicht berücksichtigt.
Das Niveau der verbleibenden Belastung entspricht also der jeweils höheren Steuer eines der beiden Staaten während der gleichen Periode. Beruhen die Anrechnungsüberhänge darauf, dass die ausländischen Einkünfteermittlungsvorschriften Erträge und Aufwendungen anderen Perioden zurechnen als die inländischen Vorschriften, so gleichen sich die Einkünfte zwar über mehrere Perioden aus, nicht aber die Steuern. Beispiel: U unterhält die Betriebsstätte in X. Im Jahr 01 wird nach den Vorschriften von X ein Ertrag von 100 als realisiert behandelt, der nach deutschem Recht erst im Jahr 02 als realisiert gilt. In 01 erhebt X eine Steuer, die in Deutschland mangels entsprechender Einkünfte nicht zu einer Steuer führt, auf die die ausländische Steuer angerechnet werden könnte. In 02 erhebt Deutschland die Steuer, aber nicht X.
Da es sich aber um die gleichen Einkünfte handelt, die in den beteiligten Staaten nur zu anderen Zeitpunkten der Besteuerung unterliegen, ist die im Jahr 01 angefallene Steuer eine auf die Einkünfte erhobene ausländische Steuer i.S.d. § 34c Abs. 1 Satz 1 EStG. Auch § 34c Abs. 1 Satz 5 EStG stellt darauf ab, dass die ausländischen Steuern auf die im Veranlagungszeitraum bezogenen Einkünfte entfallen. Demgemäß ist keine zeitliche Identität der Steuererhebung erforderlich und die im Ausland auf die Einkünfte in 01 erhobene Steuer ist in 02 im Inland anzurechnen.1 Schwierig wird es jedoch, wenn die zeitliche Abfolge umgekehrt ist: wenn die Betriebsstätteneinkünfte in 01 in Deutschland, in 02 im Ausland besteuert werden. Man muss dann die früher erfolgte deutsche Veranlagung ggf. im Billigkeitswege gem. § 227 AO korrigieren, da die nachfolgende ausländische Besteuerung keine Tatsache ist, die erst nachträglich bekannt wird, sondern eine, die nachträglich eintritt, sodass § 172 AO als Korrekturnorm ausscheidet. Auch § 175 AO kommt nicht in Betracht, da die ausländische Besteuerung in 02 kein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung ist.2 Nach § 34c Abs. 1 EStG ist jedoch die ausländische Steuer abzurechnen, die im Ausland auf die im Inland besteuerten Einkünfte erhoben wird. Irgendeine zeitliche Restriktion enthält das Gesetz nicht.
1 Ebenso Wassermeyer/Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 138; Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B98 ff.; vgl. Rz. 2.307. 2 Anders, wenn eine ursprüngliche Steuerfestsetzung im Ausland nachträglich geändert wird, ebenso Heinicke in Schmidt31, § 34 EStG Rz. 31.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
2.293 Eine weitere Eingrenzung sieht ab VZ 2003 § 34c Abs. 1 Satz 3 EStG vor.1 Danach werden ausländische, im Quellenstaat unbesteuerte Einkünfte bei der Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrages nicht berücksichtigt (vgl. auch Rz. 2.306). Beispiel:2 A hat folgende Einkünfte aus der Schweiz: 120 000 Vermietung, 50 000 Dividenden, 10 000 Zinsen. Auf die Zinsen wurde keine schweizerische Steuer erhoben. Im Übrigen betrug die schweizerische Steuer 70 000. Die Summe der gesamten Einkünfte ist 2 Mio. und es entsteht eine deutsche Steuer von 1,1 Mio. Nach der alten Formel bestimmte sich der Anrechnungshöchstbetrag wie folgt: AHB = 1 100 000 × 180 000/2 000 000 = 99 000 In der neuen Formel werden die in der Schweiz unbesteuerten Zinsen nicht berücksichtigt. AHB = 1 100 000 × 170 000/2 000 000 = 93 500
Bei einer Mehrzahl von Steuerpflichtigen, z.B. bei Personengesellschaften erfolgt die Berechnung für jeden Gesellschafter einzeln.3
2.294 Bei Einkünften aus mehreren ausländischen Staaten erfolgt die Berechnung des Höchstbetrages gesondert für jeden einzelnen ausländischen Staat und dessen Steuer, jedoch unter Zusammenfassung der Einkünfte, die sich aus den einzelnen im ausländischen Staat bestehenden Einkunftsquellen ergeben („per-country-limitation“),4 § 34c Abs. 7 Nr. 1 EStG i.V.m. § 68a Satz 2 EStDV. Damit werden ausländische Steuern, die über dem Tarif der deutschen Einkommensteuer liegen, auch nicht durch Einkünfte aus einem Niedrigsteuerland, z.B. aus einer Steueroase, gemindert. Andererseits führen aber auch Verluste aus einem ausländischen Staat nicht zu einer Minderung der Anrechnung der Steuern auf positive Einkünfte aus einem anderen ausländischen Staat, wie es bei der z.B. in den USA möglichen „overall-limitation“ der Fall ist.
2.295 Die deutsche Einkommensteuer ist die sich nach den §§ 32a, 32b, 34, 34a und 34b EStG ergebende Einkommensteuer auf das zu versteuernde Einkommen inkl. der ausländischen Einkünfte. Es sind also vor Anrechnung der Progressionsvorbehalt sowie die Steuerermäßigungen nach § 34 und
1 Vgl. hierzu Müller-Dott, DB 2003, 1468 ff.; Grotherr, IWB Fach 3, Gruppe 1, 1935 ff.; Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B132 ff.; Heinicke in Schmidt31, § 34c EStG Rz. 16: Schließung einer Besteuerungslücke. 2 Nach BFH v. 20.12.1995 – I R 57/94, BStBl. II 1996, 261. 3 Siehe u.a. BFH v. 4.6.1991 – X R 35/88 – BStBl. II 1992, 187: Bei Personengesellschaften ist über die Ermäßigung nach § 34c Abs. 1 EStG auch dann im Festsetzungsverfahren zu entscheiden, wenn die ausländischen Einkünfte im Gewinnfeststellungsbescheid der Gesellschaft festzustellen sind. Eine Bindung an den Feststellungsbescheid besteht nur hinsichtlich des Entstehungsgrundes, der Höhe und der zeitlichen Zuordnung dieser Einkünfte. 4 Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B171 ff.; Wassermeyer/Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 176 ff. mit Berechnungsbeispielen.
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D. Unilaterale Beseitigung
§ 34b EStG zu berücksichtigen,1 da die Steuer auf der Basis der Bemessungsgrundlage ermittelt wird. Weitere Tarifvergünstigungen sind vor der Anrechnung nach § 34c EStG nicht zu berücksichtigen.2 Die Vorschrift des § 32c EStG bewirkte als Steuerermäßigung eine Minderung des Anrechnungsvolumens. Sie hat verschiedene Funktionen erfüllt und war gem. § 52 Abs. 44 EStG letztmals für den Veranlagungszeitraum 2007 anzuwenden.3
2.296
Ergibt sich infolge inländischer Verluste bzw. Verlustabzüge oder -vorträge keine deutsche Einkommensteuer, so bleibt für eine Anrechnung kein Raum. Ein Vor- oder Rücktrag der ausländischen Steuer auf andere Veranlagungszeiträume ist auch hier (vgl. Rz. 2.292) nicht vorgesehen. Da die inländischen Verluste das Welteinkommen im betreffenden Veranlagungszeitraum mindern, wird eine zu hohe Steuer erhoben, deren Ursache in der territorialen Besteuerung des Quellenstaates liegt. Ein Quellenstaat ist nicht verpflichtet, im Rahmen der Besteuerung eines beschränkt Steuerpflichtigen ausländische Verluste zu berücksichtigen. Dies hat der EuGH in der Rs. Futura Participations4 bestätigt.
2.297
Beispiel: (1) 01 Ausländische Einkünfte
(2) 02
(3)
02 mit 02 mit Vortrag des Verlustvortrag Anrechnungsübertrags
100
–
–
0
30
–
–
30
– 100
100
0
100
Inländische Steuer
–
30
–
–
Gesamteinkünfte
0
100
100
100
30
30
–
–
60
30
30
Ausländische Steuer Inländische Einkünfte
Steuer Gesamtsteuer
Die verschiedenen Fälle belegen, dass bei einer Gesamtbetrachtung der Jahre 01 und 02 ein uneingeschränkter Verlustvortrag im Ansässigkeitsstaat zu einer – wenn auch zeitversetzten – zutreffenden Besteuerung ebenso führt wie der Vortrag des Anrechnungsüberhangs ohne Verlustvortrag. Daher hat der EuGH in der Rs. AMID5 die Versagung des Verlustvor1 BFH v. 28.10.1987 – I R 85/84, BStBl. II 1988, 78; Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B143 ff.; Wassermeyer/Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 166. 2 BFH v. 28.10.1987 – I R 85/84, BStBl. II 1988, 78. 3 Von Wassermeyer/Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 183 nicht berücksichtigt. 4 EuGH v. 15.5.1997 – Rs. C-250/95 – Futura Participations, EuGHE 1997, I-2471 (I-2492). 5 EuGH v. 14.12.2000 – Rs. C-141/99 – AMID, EuGHE 2000, I-6857.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
trages im Hinblick auf die positiven ausländischen Einkünfte in 01 nicht zugelassen. Es gibt folglich zwei Möglichkeiten zur Vermeidung der Beschränkung der Grundfreiheiten des EGV. Nach deutschem Steuerrecht scheidet jedoch ein Verlustvortrag aus (siehe Fall 1), sodass eine Europarechtswidrigkeit besteht.1 Als Ausweichlösung wäre nur der Abzug der ausländischen Steuer möglich (siehe auch Rz. 2.255), der aber nicht die Nachteile voll ausgleicht, sondern sie nur in Höhe des Steuersatzes mindert.
2.298 Es muss sich bei den Auslandseinkünften um Einkünfte aus einer der sieben Einkunftskategorien des § 2 EStG handeln. Nicht hierunter fallende Einkünfte, d.h. nach deutscher Sichtweise nicht steuerbare oder steuerfreie Einkünfte, berechtigen nicht zur Anrechnung ausländischer Steuern und können infolgedessen auch nicht indirekt, durch Hereinnahme in den Zähler des oben bezeichneten Bruchs, zu einer Erhöhung des Anrechnungshöchstbetrages führen, da auf diese keine deutsche Steuer erhoben wird.2 Vgl. aber auch Rz. 2.310. Beispiel: I erhält bei Ausscheiden aus seinem Arbeitsverhältnis von seinem ausländischen Arbeitgeber eine Abfindung, die im Ausland besteuert wird. Im Inland ist die Abfindung steuerfrei (§ 3 Nr. 9 EStG).
2.299 Im Übrigen erfolgen die Definition, Ermittlung und Abgrenzung der ausländischen Einkünfte voll und ganz nach deutschem Steuerrecht: Welche Einkunftsarten als ausländische Einkünfte anzusehen sind, bestimmt § 34d EStG (siehe hierzu auch Rz. 2.357 ff.). Die Berechnung der ausländischen Einkünfte erfolgt nach deutschen Vorschriften, d.h. §§ 4 ff., §§ 8 ff. EStG. Den ausländischen Einnahmen sind die durch sie veranlassten Aufwendungen zuzuordnen. Aus dem Rechtsgedanken des § 3c Abs. 1 EStG ist abzuleiten, dass ein unmittelbarer Veranlassungszusammenhang zwischen den ausländischen Einnahmen und den zugehörigen Ausgaben bestehen muss (siehe Rz. 2.300). Dies zieht notwendig Probleme nach sich, wenn im Ausland die Steuer vom Bruttobetrag, im Inland hingegen vom Nettobetrag erhoben wird. Der Anrechnungshöchstbetrag (Rz. 2.290) wird dadurch gemindert.3
2.300 Das Steuervergünstigungsabbaugesetz (StVergAbG)4 hat mit § 34 Abs. 1 Satz 4 EStG eine weitere Beschränkung (Rz. 2.369) eingeführt, die als Reaktion auf das BFH-Urt. v. 29.3.20005 zu verstehen ist. In diesem Urteil hatte der BFH entschieden, dass Refinanzierungskosten ausländischen 1 So auch Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B161 ff. 2 Zu nach ausländischem Recht steuerfreien Einkünften siehe Rz. 2.293, 2.306. 3 Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B142 will in diesem Fall als ausländische Einkünfte in der Formel den Bruttobetrag ansetzen. 4 StVergAbG v. 16.5.2003, BGBl. I 2003, 660. 5 BFH v. 29.3.2000 – I R 15/99, BStBl. II 2000, 577; st. Rspr. BFH v. 16.3.1994 – I R 42/93, BStBl. II 1994, 799; v. 9.4.1997 – I R 178/94, BStBl. II 1997, 657.
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D. Unilaterale Beseitigung
Kapitaleinkünften nur dann zugeordnet werden können, wenn sie „in einem direkten wirtschaftlichen Zusammenhang zu der Einnahmeerzielung stehen.“ Dies setzt voraus, dass eine „konkret-objektbezogene“ Refinanzierung nachgewiesen wird. Eine allgemeine, etwa anteilige Umlage von derartigen Kosten auf ausländische Einkünfte wurde abgelehnt. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollen nunmehr alle, auch nur mittelbar mit den ausländischen Einnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Aufwendungen bei der Ermittlung der ausländischen Einkünfte berücksichtigt werden. Obgleich im Gesetzgebungsverfahren auf die Folgen hingewiesen wurde, hat das Parlament dies so beschlossen. Da die Quellensteuern meistens auf Bruttobasis erhoben werden, führt eine Zuordnung allgemeiner Kosten zu den ausländischen Einkünften dazu, dass in der Berechnung des Anrechnungshöchstbetrages ein niedriger Nettobetrag angesetzt wird und so die ausländische Steuer teilweise nicht angerechnet wird. Damit werden die sehr restriktiven deutschen Regelungen mit ordinary credit und per-country-limitation ohne Vortrag eines Anrechnungsüberhanges noch weiter zulasten des Steuerpflichtigen eingeschränkt1 und die Fälle effektiver Doppelbesteuerung vermehrt.2 Während der BFH lediglich zu ausländischen Kapitaleinkünften entschieden hatte, dehnt § 34c Abs. 1 Satz 4 EStG n.F. dies auf weitere Einkunftsarten3 (selbständige Tätigkeit, Veräußerungsgewinne, Vermietung und Verpachtung, sonstige Leistungen) aus, soweit diese Einkünfte zum Gewinn eines inländischen Betriebes gehören. Durch den Verzicht auf das Merkmal der Unmittelbarkeit4 werden nunmehr auch allgemeine, nicht speziell zuordenbare Kosten anrechnungsmindernd angesetzt.5 Ausländische Verluste verdienen im System der Anrechnung besondere Aufmerksamkeit. Im „Normalfall“, wenn die Einkünfteermittlung nach deutschem und ausländischem Steuerrecht, insbesondere bei Betriebsstätten, zu einem Verlust führt, ergibt sich Folgendes: Im Ausland wird keine Steuer erhoben, die im Inland angerechnet werden könnte; der Auslandsverlust verringert zugleich die inländische Bemessungsgrundlage; je nachdem, ob im Ausland ein Verlustvortrag erfolgt oder nicht, erfolgt in späteren Gewinnjahren ein Ausgleich.6 Weichen allerdings in- und ausländische Ermittlung voneinander ab, so ergeben sich Probleme. Das Ausland wird bei einem Gewinn nach seinem Steuerrecht Steuer erheben, die Heinicke in Schmidt31, § 34c EStG Rz. 16: Anrechnungskürzung. Krit. auch Müller-Dott, DB 2003, 1468 (1469 f.). Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 93; Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B122 ff. Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B129. Zweifelnd hinsichtlich der Vereinbarkeit mit Europarecht Gosch in Kirchhof11, § 34c EStG Rz. 28; Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B131. 6 Im Verlustentstehungsjahr wird die inländische Steuer gemindert; im nachfolgenden Gewinnjahr wird im Ausland bei einem Verlustvortrag die ausländische, im Inland anzurechende Steuer entsprechend gemindert, sodass die inländische Steuer auf den Gewinn gleichsam nacherhoben wird. Fehlt es an einem Verlustvortrag im Ausland, so wird im Gewinnjahr uneingeschränkt Steuer erhoben und die Verlustragung im Inland wird endgültig.
1 2 3 4 5
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2.301
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
in Deutschland nicht angerechnet wird, wenn das deutsche Steuerrecht von einem Verlust ausgeht. Selbst wenn dieser Unterschied auf Zuordnungsdifferenzen zu einzelnen Besteuerungsperioden beruht, findet in späteren Jahren kein Ausgleich statt, wenn z.B. aufgrund unterschiedlicher Abschreibungsregelungen später im Ausland ein Verlust und im Inland ein Gewinn entsteht. Auch im umgekehrten Fall – Verlust im Ausland und Gewinn im Inland – findet kein späterer Ausgleich statt. Noch schwieriger wird es, wenn das Ausland trotz des Verlustes einer Betriebsstätte Quellensteuern erhebt, z.B. als sog. „branch tax“.1 Diese Steuern sollen die Steuer einer Betriebsstätte an diejenige der Kapitalgesellschaften angleichen.
2.302 Auch inwieweit ausländische Verluste ausgleichs- oder vortragsfähig sind, richtet sich nach deutschem Steuerrecht. Sind Verluste nicht abziehbar (§§ 2a,2 15a EStG etc.), so erhöhen sie den Zähler des o.a. Bruchs im Jahre der ausländischen Einkünfte, wodurch sich der Höchstbetrag der anrechnungsfähigen ausländischen Steuer ebenfalls erhöht: Anrechnungs- = höchstbetrag
deutsche Steuer × ausländ. Einkünfte + ausländ. Verluste gem. § 2a und § 15a EStG Summe der Einkünfte3
Nachdem das JStG 2009 § 2a EStG „europäisiert“4 hat, schließt diese Norm nur noch gewisse Verluste aus „Drittstaaten“, d.h. nicht EU-Mitgliedsstaaten und EWR-Staaten mit Amtshilfeabkommen (§ 2a Abs. 2a EStG), aus. Damit ist die Bedeutung der Norm erheblich eingeschränkt worden.5
2.303 Hinsichtlich dieser Verluste besteht eine auf die entsprechenden ausländischen Einkünfte eingeschränkte Vortragsmöglichkeit.6 In den folgenden Jahren vermindert sich dadurch der Höchstbetrag der Anrechnung durch Verminderung des Zählers um den nur auf ausländische Einkünfte vortragsfähigen Verlust:7 Anrechnungs- = höchstbetrag
deutsche Steuer × ausländische Einkünfte ./. ausländische Verlustvorträge Summe der Einkünfte
1 Vgl. Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 17, Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 261; diese werden aber regelmäßig nur von Gewinnen erhoben; vgl. ebenda Rz. 270. 2 Vgl. Mössner, In K/S/M, § 2a EStG Rz. A 37; Wagner in Blümich, § 2a EStG Rz. 39; Probst in H/H/R, § 2a EStG Rz. 36. 3 Bis Veranlagungszeitraum 1991: Gesamtbetrag der Einkünfte. 4 Gosch in Kirchhof11, § 2a EStG Rz. 3. 5 Mössner in Lüdicke/Kempf/Brink, Verluste im Steuerrecht, 2010, 62 ff. 6 Mössner in K/S/M, § 2a EStG Rz. B 79 ff. 7 Vgl. hierzu Beckermann/Jarosch, FR 1984, 108.
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D. Unilaterale Beseitigung
Selbst entsprechende spätere ausländische Gewinne vorausgesetzt führen diese Begrenzungen nicht immer zu einer periodenversetzten Verlustberücksichtigung: Im Verlustentstehungsjahr könnte eine Anrechnung erfolgen, es wird aber keine ausländische Steuer erhoben.1 In den Folgejahren ist zu unterscheiden: 1. Gewährt das ausländische Recht keinen Vortrag des Verlustes, so werden die ausländischen Steuern wegen des verminderten Anrechnungsbetrages im Inland nicht berücksichtigt. 2. Bei einem Verlustvortrag mindert sich auch die ausländische Steuer. Eine Doppelbelastung tritt folglich nur bei entsprechender ausländischer Regelung ein. Ein generelles, aber kaum zu lösendes Problem der Anrechnungsmethode besteht darin, dass die ausländische Steuer auf die nach Vorstellungen des deutschen Steuerrechts ermittelten Einkünfte erhoben sein muss. Entspricht das ausländische Steuerrecht nicht der deutschen Umschreibung des Steuerbaren oder folgt es einer anderen Kategorisierung, so kann die Anrechnung ebenso scheitern wie bei unterschiedlichen Einkünfteermittlungsarten. Beispiele: 1. Im Ausland werden Veräußerungsgewinne privaten Vermögens immer besteuert (capital gains taxation). Die ausländische Steuer ist nicht anrechenbar, wenn gem. § 23 EStG die Haltefristen überschritten sind. Es gibt dann keine deutsche Steuer auf diese Einkünfte. 2. Das ausländische Recht nimmt die Abgrenzungen der Einkünfte anders vor als § 2 Abs. 1 EStG. So kennt es nur eine Einkunftsart selbständiger Einkünfte anstelle von Land- und Forstwirtschaft, Gewerbe und selbständiger Tätigkeit oder die Kriterien der Abgrenzungen sind andere als im deutschen Recht – nach ausländischem Recht nichtselbständig, nach deutschem Recht selbständig. Gleichwohl ist die ausländische Steuer anrechenbar, da die ausländischen Einkünfte nach deutschem Steuerrecht ermittelt werden.2 Die unterschiedliche Kategorisierung ist unerheblich; entscheidend kommt es darauf an, dass die ausländische Steuer auf die im Inland steuerbaren Einkünfte erhoben wird. 3. Im Ausland werden die Einkünfte besteuert, im Inland sind sie steuerbefreit. Die Steuer ist nicht anrechenbar. 4. Der ausländische Staat erhebt eine Steuer, weil er nach seinem Recht von positiven Einkünften ausgeht, nach deutschem Recht ergibt sich ein Verlust. Hier scheitert mangels deutscher Steuer die Anrechnung. Gibt es aber weitere Einkünfte aus diesem Land, die nach deutschem Recht positiv sind, so sind die Steuern anrechenbar, da es auf die Summe der Einkünfte ankommt: A erzielt in X Einkünfte aus Gewerbebetrieb von 100 und solche aus Vermietung von 50. Die ausländische Steuer beträgt insgesamt 50. Nach deutschem Steuerrecht (z.B. wegen anderer AfA-Regeln) betragen die gewerblichen Einkünfte 200, die aus der Vermietung 20. Deutsche Steuer entfällt hierauf i.H.v. 80. Die auslän-
1 Unter der Annahme, dass inländisches und ausländisches Steuerrecht zur gleichen Verlusthöhe gelangen. 2 Vgl. Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 91 m.w.N.
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2.304
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung dische Steuer ist voll anrechenbar.1 Anders ist es, wenn die ausländischen Einkünfte im Ausland steuerbefreit sind (Rz. 2.306).
2.305 Der vom BFH2 vorgenommenen Herabsetzung der ausländischen Steuer im Verhältnis der beiden Bemessungsgrundlagen ist das BMF am 18.2.19923 zu Recht4 nicht gefolgt. Das Prinzip lautet demnach: – Ausländische und inländische Steuer müssen von demselben Steuerobjekt erhoben werden. – Steuerobjekt ist das Einkommen i.S.d. Summe der Einkünfte des § 2 Abs. 2, 3 EStG.
2.306 Letzteres hat der Gesetzgeber im StVergAbG5 teilweise durchbrochen (vgl. Rz. 2.293). Nunmehr verlangt das Gesetz (§ 34c Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 EStG), dass die Anrechnung gleichsam einkunftsartbezogen – „peritem-limitation“ – durchgeführt wird. Einkünfte, die nach inländischem Recht besteuert werden, jedoch in dem Staat, aus dem sie stammen, d.h. im Ausland steuerfrei sind, werden bei der Anrechnung nicht berücksichtigt. Begründet wird dies damit, dass insoweit keine Doppelbesteuerung gegeben sei.6 Damit wollte die Verwaltung das Urt. des BFH v. 20.12.19957 aus der Welt schaffen.8 Doch enorme praktische Probleme sind die Folge. In einem ersten Schritt ist nunmehr festzustellen, was nach deutschem Recht die ausländischen Einkünfte sind und ob sie – nach deutschem Recht – steuerbar sind. Sodann muss erstens ermittelt werden, aus welchem Staat die Einkünfte stammen,9 und zweitens, ob diese Einkünfte in diesem Staat nicht besteuert werden.10 Für eine derartige Feststellung ist eine genaue Kenntnis des ausländischen Steuerrechts erforderlich, da die deutsche Kategorisierung der Einkunftsarten nicht der ausländischen entsprechen muss. Beispiel:11 Nach deutschem Recht bezieht A gewerbliche Einkünfte von 100 und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von 50 aus X. Nach dem Recht X hat A nur ge-
1 Vgl. Beckermann/Jarosch, FR 1984, 108. 2 BFH v. 4.6.1991 – X R 35/88, BStBl. II 1992, 187 ff.; anders Urt. v. 2.2.1994 – I R 66/92, BStBl. II 1994, 727. 3 BMF v. 18.2.1992 – IV C 6 - S 2293 - 17/91, BStBl. I 1992, 123. 4 Wassermeyer, FR 1991, 680; Kaufmann, IStR 1994, 419. 5 StVergAbG v. 16.5.2003, BStBl. I 2003, 660. 6 BR-Drucks. 866/02, 61. 7 BFH v. 20.12.1995 – I R 57/94, BStBl. II 1996, 261; ebenso FG BW v. 23.2.1994 – 5 K 410/89, EFG 1994, 793. 8 Krit. Gosch in Kirchhof11, § 34c EStG Rz. 26; Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B132 ff.; Wassermeyer/Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 193 ff. 9 Hierzu vgl. Wassermeyer/Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 145 ff. 10 Offen ist, ob es auf die tatsächliche Besteuerung oder die Steuerbarkeit ankommt, vgl. Wassermeyer/Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 195. 11 Weitere siehe Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B138.
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D. Unilaterale Beseitigung werbliche Einkünfte von 120. Es muss nun ermittelt werden, ob X die VuV-Einkünfte im Rahmen der gewerblichen Einkünfte miterfasst oder ob sie nicht steuerbar sind.
Vor allem bei Personengesellschaften lassen sich vielfältige Zuordnungsund Klassifikationsprobleme erwarten. Problematisch ist auch, dass nicht eine wirkliche „per-item-limitation“ vorgenommen wird, sondern nur nicht besteuerte Einkünfte ausgeschieden werden. Somit kommt es bei der geringsten Besteuerung nicht zur Begrenzung. Dies kann zu unverhältnismäßigen Folgen im Einzelfall führen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die Steuerfreiheit im Ausland auf einem DBA beruht, da gem. § 34c Abs. 6 Satz 3 EStG auch hierauf die Begrenzung anzuwenden ist. § 34c Abs. 6 Satz 2 EStG ordnet diese Formel auch dann an, wenn ein DBA die Anrechnung statt der Freistellung vorsieht. Dies dürfte ein Fall von treaty overriding (Rz. 2.455) sein.1 Schließlich ist problematisch, dass die Kürzung nur im Zähler, aber nicht auch im Nenner2 erfolgt. Die Neuregelung überzeugt wenig. In einem synthetischen Einkommensteuersystem setzt sich das – besteuerte – Einkommen aus mehreren Elementen zusammen. Dabei sehen die Staaten oft Sonderregelungen für einzelne Einkunftsarten vor sowie unterschiedliche Ermittlungsmethoden, Freibeträge, Rückstellungen, Steuervergünstigungen usw. Während bisher den nach deutschem Steuerrecht ermittelten gesamten Einkünften einfach die ausländische Steuer zugeordnet wurde, muss nun der Gesamtbetrag der ausländischen Einkünfte aufgeschlüsselt werden. Sind etwa Zinseinkünfte in der Schweiz nicht besteuert worden, weil sie unterhalb einer Freigrenze lagen, so werden sie nicht berücksichtigt. Wären sie jedoch besteuert, weil sie die Freigrenze auch nur minimal übersteigen, so würden sie insgesamt berücksichtigt. Beispiel: A hat inländische Einkünfte von 100, ausländische aus X von 150. In X werden 50 aufgrund eines DBA nicht besteuert. Steuer in X sei 50, deutsche Steuer auf 250 sei 80. Bisherige Formel: Neue Formel: Formel nach B.-Reg.:
Anrechnungshöchstbetrag = 80 × 150/250 = 48 Anrechnungshöchstbetrag = 80 × 100/250 = 32 Anrechnungshöchstbetrag = 80 × 100/200 = 40
Weitere Voraussetzung der Anrechnung ist, dass die ausländische Steuer „auf die Einkünfte aus diesem Staat entfällt“ (§ 34c Abs. 1 Satz 1 EStG), wobei § 34c Abs. 1 Satz 5 EStG eingrenzt, dass die ausländische Steuer „auf die im Veranlagungszeitraum bezogenen Einkünfte entfallen“ muss. Auf welchen Zeitraum die Steuer im Ausland entfällt und wann sie erhoben wird, ist demnach gleichgültig.3 Die ausländische Steuer muss demnach den in einem bestimmten Veranlagungszeitraum im Inland ver1 Müller-Dott, DB 2003, 1468 (1469). 2 Wie von der Regierung vorgeschlagen, vom Finanzausschuss aber in Verkennung der Situation abgelehnt, BT-Drucks. 15/481. 3 H.M., vgl. Gosch in Kirchhof11, § 34c EStG Rz. 20.
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2.307
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
anlagten ausländischen Einkünften so zuzurechnen sein, dass sie für die Einkünfte dieses VZ gezahlt werden.1 Nicht erforderlich ist, dass die ausländische Steuer auch in diesem Veranlagungszeitraum festgesetzt und gezahlt wurde, ebenso muss sie nicht für denselben Veranlagungszeitraum festgesetzt sein. Letzteres wäre z.B. in dem Fall, dass der ausländische Veranlagungszeitraum von dem deutschen – der dem Kj. entspricht – abweicht (wie z.B. in England, dessen Steuerjahr vom 6.4. bis zum 5.4. läuft) oder bei einer praenumerando-Besteuerung wie in der Schweiz2 auch praktisch nicht möglich. Da es nicht auf den Zeitpunkt der Zahlung, sondern auf die Zuordnung zum VZ ankommt, sind auch später erfolgende Zahlungen zu berücksichtigen, z.B. bei Zahlungen für mehrjährige Tätigkeiten. Dies hat entscheidende Bedeutung bei Stock-Optionsund ähnlichen Plänen, wenn der Zufluss im Ausland und im Inland zu unterschiedlichen Zeitpunkten angenommen wird.3 Beispiel: A ist im Rahmen eines internationalen Unternehmens beschäftigt und nimmt an dessen Stock-Option-Plan teil. Während seiner Tätigkeit in der Zweigniederlassung im Staat X erhält er 2009 Aktienoptionen, die in X als bei Einräumung der Option zugeflossen gelten und dementsprechend 2009 besteuert werden. 2011 übt er die Option aus, als er wieder im deutschen Stammhaus tätig ist. Die 2009 in X gezahlte Steuer wird in Deutschland 2011 angerechnet.
2.308 Angerechnet wird nur eine Steuer, die festgesetzt und gezahlt ist. Dies muss im Zeitpunkt der Veranlagung im Inland der Fall sein,4 da die Anrechnung dann erfolgt. Diese so einfach klingende Voraussetzung bringt in der Praxis jedoch erhebliche Probleme mit sich. Grundlegend stellt sich dabei das Zeitproblem, weil die Festsetzung und Zahlung im Ausland vor der inländischen Veranlagung erfolgen muss. Der Steuerpflichtige muss demnach vorrangig die Festsetzung im Ausland betreiben, zumindest aber warten, bis diese erfolgt, ehe er die Steuererklärung im Inland abgibt. Das deutsche Veranlagungsverfahren ist an den Abschluss des ausländischen Festsetzungsverfahrens gekoppelt. Außerdem wird auf die Festsetzung im Ausland abgestellt. Dass nicht eine Steuerfestsetzung deutschen Vorstellungen entsprechend verlangt werden kann, bedarf keiner Begründung.5 Es kommt auf das übliche Verfahren im Ausland an. Bei Ländern, die keine förmliche Festsetzung seitens der Steuerbehörden kennen, etwa wegen der Anwendung eines Selbstveranlagungsverfahrens, muss dies als „Festsetzung“ genügen. Beim Quellenabzugsverfahren6 soll 1 Ebenso Wassermeyer/Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 210; Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B98 ff. 2 Vgl. BMF zum DBA Deutschland-Schweiz v. 26.3.1975 – IV C 6 - S 1301 – Schweiz, BStBl. I 1975, 479; Wingert in F/W/K, Art. 24 DBA-Schweiz Rz. 243; Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 139 ff.; BFH v. 31.7.1991 – I R 51/89, BStBl. II 1991, 922. 3 Mössner, Cahiers de droit fiscal international, Vol. LXXXVb, 66. 4 Wassermeyer/Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. B72. 5 Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B73. 6 Wassermeyer/Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 157.
298
Mössner
D. Unilaterale Beseitigung
die Anmeldung wegen Anwendung des Rechtsgedankens von § 168 AO ausreichen.1 Kennt das ausländische Recht keine Anmeldung, so muss die Abführung ausreichen. Die kann der deutsche Steuerpflichtige aber nur schwer nachweisen, weil er zwar den Steuerabzug bei der Zahlung an ihn feststellt, aber nicht weiß, ob der Zahlungsverpflichtete die einbehaltene Steuer auch tatsächlich abgeführt hat. Weitere Voraussetzung ist die Zahlung der Steuer im Ausland. Eine Stundung oder ein Erlass der Steuern steht daher einer Anrechnung entgegen.2 Entscheidend ist, dass die Steuerschuld zum Erlöschen gekommen ist. Daher muss die Zahlung nicht durch den Steuerpflichtigen selbst erfolgen. Der Abzug an der Quelle im Ausland oder eine Nettolohnvereinbarung mit Zahlung durch den ausländischen Arbeitgeber führt daher zu einer gezahlten Steuer. Festsetzung und Zahlung sind durch Vorlage geeigneter Unterlagen auf Verlangen des FA in deutscher Übersetzung nachzuweisen (§ 68b EStDV). Dies wird dem Steuerpflichtigen nicht immer möglich sein.3 Bei Zahlung in fremder Währung ist der Kurs am Zahlungstag zugrunde zu legen.4 Daraus ergeben sich dann ungerechtfertigte Abweichungen, wenn der Kurs der Währung zum Zahlungszeitpunkt im Ausland mit dem zum Zurechnungszeitpunkt im Inland nicht übereinstimmt. Nachträgliche Änderungen der Festsetzung oder Zahlung führen gem. § 175 AO zur Änderung in Deutschland.5 Durch das JStG 20076 wurde eingeführt, dass die ausländische Steuer um einen Ermäßigungsanspruch zu kürzen ist.7 Dadurch soll dem entgegengewirkt werden, dass der Steuerpflichtige ihm im Ausland zustehende Erstattungsansprüche nicht wahrnimmt, weil über die Anrechnung es für ihn gleichgültig ist, ob er die Steuer im Ausland oder im Inland bezahlt. Zugunsten des deutschen Fiskus muss er sich somit im Ausland „ins Zeug“ legen. Es kommt nach der Neufassung des Gesetzeswortlauts nicht darauf an, ob er erfolgreich den Ermäßigungsanspruch geltend gemacht hat, sondern darauf, ob ein solcher8 besteht. Es kann bezweifelt werden, ob diese Norm in der jetzigen Fassung praktikabel ist. Ihre Anwendung setzt genaue Kenntnis des ausländischen Steuerrechts und der Fakten voraus. Hat z.B. der Steuerpflichtige Betriebsausgaben im Ausland nicht geltend gemacht, weil er sie – fälschlicherweise – für nicht abziehbar hielt, so müsste die deutsche Finanzverwaltung dies berücksichtigen. Doch wie erfährt sie davon? Wie beurteilt sie, ob sie doch abziehbar waren? Was gilt, wenn der Steuerpflichtige im Ausland zwar den Rechtsweg beschritten hat, letztlich aber einem Vergleich zustimmt? 1 2 3 4 5 6 7 8
BFH v. 5.2.1992 – I R 9/90, BStBl. II 1992, 607. So auch Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B75. Wassermeyer/Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 165: Grenze des Machbaren. Zu den Einzelheiten vgl. Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B77. Wassermeyer/Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 156. Zur Entstehung vgl. Wassermeyer/Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 161. Vgl. Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B78 ff. Wassermeyer/Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 164.
Mössner
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2.309
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
2.310 Nur teilweise der deutschen Steuer unterliegende ausländische Einkünfte1 – z.B. aufgrund von Steuerermäßigungen – gehen in die Höchstbetragsrechnung nur mit den entsprechenden Anteilen ein,2 ohne dass jedoch eine entsprechende Kürzung der ausländischen Steuer stattfände (Rz. 2.306). Dies kann dazu führen, dass die Steuerermäßigung ins Leere geht. In diesem Zusammenhang ist auch der Fall zu sehen, dass die Einkünfte im Ausland betseuert werden, aber im Inland steuerfrei sind. Dies ist praktisch die Umkehrung der per-item-Situation (Rz. 2.306). Aus der Voraussetzung des identischen Steuergegenstandes (Rz. 2.285) wird gefolgert, dass insofern keine Anrechnung der ausländischen Steuer erfolgen kann. Man muss hier differenzieren. Handelt es sich um die einzigen Einkünfte, die der inländische Steuerpflichtige in diesem Staat erzielt, so gibt es nach deutschen Vorstellungen keine Einkünfte, die aus diesem Staat stammen (Rz. 2.298), und dementsprechend keine deutsche Steuer, die auf diese Einkünfte entfällt. Streitig3 ist hingegen, wie der Anrechnungshöchstbetrag zu berechnen ist, wenn der inländische Steuerpflichtige mehrere Einkünfte aus dem Staat bezieht, von denen ein Teil im Inland steuerfrei ist. Beispiel: Inländer A bezieht aus dem Staat X folgende Einkünfte: Mieteinnahmen 100, eine Abfindung gem. § 3 Nr. 9 EStG von 30. Der Steuersatz auf beide Einkünfte im Ausland beträgt 30 (Steuer 39). Insgesamt unter Berücksichtigung weiterer Einkünfte von 1000 wird in Deutschland eine Steuer von 300 erhoben. Wie hoch ist der Anrechnungshöchstbetrag? 1. Alternative: AHB = 300 × 130/1100 = 34,45 2. Alternative: AHB = 300 × 100/1100 = 27,27
Prokisch leitet aus dem Wortlaut („dieser ausländischen Einkünfte“) aus § 34c Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 EStG (im Ausland unbesteuerte Einkünfte) und dem Telos ab, dass gem. Alt. 1 zu verfahren sei. Dem kann nicht zugestimmt werden, da in § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG „diese ausländischen Einkünfte“ identisch sind mit den ausländischen Einkünften, die im zu versteuernden Einkommen enthalten sind. Daher ist Alt. 2 zutreffend. Erhebt der ausländische Staat Steuern auf Einkünfte, die nach deutschem Steuerrecht nicht aus diesem Staat stammen, sondern als inländische Einkünfte oder als Einkünfte aus Drittstaaten gelten, so ist nur der Teil der von dem ausländischen Staat erhobenen Steuer anrechenbar, der auf aus diesem Staat stammenden Einkünften erhoben wird.
2.311 Schließlich sind noch die Fälle zu betrachten, in denen infolge Doppelwohnsitzes4 oder wegen der Besteuerung nach dem Staatsangehörigkeits-
1 2 3 4
Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B141. BFH v. 28.10.1987 – I R 85/84, BStBl. II 1988, 78. Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B142. Siehe auch Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B5 ff.
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Mössner
D. Unilaterale Beseitigung
prinzip, eine doppelte unbeschränkte Steuerpflicht besteht. Hier besteht evtl. die Möglichkeit einer doppelten Anrechnung: Deutschland rechnet die ausländische Steuer an, sodass die deutsche Steuer sinkt; das Ausland rechnet die deutsche Steuer an, sodass die ausländische ebenfalls sinkt. Beispiel: A hat Einkünfte von 100 aus X. X erhebt 40 an Steuern, ebenso Deutschland. Rechnet D 40 an, schuldet A keine deutsche Steuer, rechnet X 40 deutsche Steuer an, verbleibt keine ausländische Steuer.
Dazu kommt es aber nur, wenn die beiden Staaten jeweils die Einkünfte als aus dem anderen Staat stammend ansehen. Behandelt X die Einkünfte als aus X stammend, so wird nicht die deutsche Steuer in X angerechnet. Ist dies nicht der Fall, so setzt sich die Besteuerung in dem Staat durch, der zuerst besteuert. Die Anrechnung der ausländischen Steuer geschieht von Amts wegen ohne besonderen Antrag des Steuerpflichtigen1 – dieser ist dagegen erforderlich bei dem wahlweise zugelassenen Abzug nach § 34c Abs. 2 EStG. Selbstverständlich ist durch Vorlage geeigneter Urkunden, wie Steuerbescheiden oder Quittungen, der Nachweis über die Zahlung der ausländischen Steuer zu führen (§ 68b Satz 1 EStDV). Nach § 68b Satz 2 EStDV kann die Finanzverwaltung die beglaubigte Übersetzung fremdsprachlicher Urkunden verlangen.
2.312
Gestattet ein DBA2 aus entwicklungspolitischen Gesichtspunkten die volle Anrechnung von Steuern, die tatsächlich gemindert wurden, d.h. eine fiktive Anrechnung (matching tax credit), so ist der Zahlungsnachweis natürlich nicht möglich und infolgedessen auch nicht notwendig.
2.313
Die Umrechnung der Fremdwährung erfolgt gem. R 34c Abs. 1 EStR 2008 nach dem im (elektronischen) Bundesanzeiger veröffentlichten, amtl. festgesetzten Devisenkurs des Tages der Zahlung der ausländischen Steuer (vgl. Rz. 2.308).3
2.314
Früher4 enthielt § 68c EStDV eine Regelung für die Fälle, in denen nach Ergehen des deutschen Steuerbescheides für einen Veranlagungszeitraum erstmals eine ausländische Steuer festgesetzt wird, sowie für den Fall nachträglicher Erstattung oder Erhöhung. Es war dann eine Berichtigungsveranlagung durchzuführen, wenn sich die deutsche Steuer ermäßigte oder erhöhte. Grundlage der Änderung des deutschen Steuerbescheides ist dann § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO. Unklar ist, ob auch nach Ablauf der deutschen Festsetzungsfrist eine Änderung erfolgen kann. Die Bestandskraft hindert
2.315
1 2 3 4
Wassermeyer/Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 174. Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 190 ff. Im Detail siehe Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B77. Aufgehoben durch JStG 1996, da nur deklaratorischer Natur, BT-Drucks. 13/901, 142.
Mössner
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
keine Berichtigung. Erfolgt eine Berichtigung und ist der Steuerpflichtige der Ansicht, dass diese fehlerhaft erfolgt, so ist nach § 351 AO der Einspruch und das etwaige Gerichtsverfahren auf die Änderung beschränkt.
2.316 Wünschenswert wäre es, wenn der Gesetz- oder Verordnungsgeber ein klares Verfahren vorsehen würde. Wie in anderen Fragen auch zeigt sich die Komplexität der Anrechnungsmethode, der die gesetzliche Regelung nur unzureichend gerecht wird.
2.317 Kommt es im Ausland zu einer Erstattung der ausländischen Steuer, die im Inland angerechnet wurde, so hat der Steuerpflichtige gem. § 153 AO dem FA eine entsprechende Mitteilung zu machen. Ob die praktischen Probleme durch die Gesetzesänderung (Rz. 2.309) gelöst sind, erscheint nicht sicher. Gemäß § 34c Abs. 7 Nr. 2 EStG i.V.m. § 68b EStDV hat der Steuerpflichtige Nachweise über die Festsetzung und Zahlung der ausländischen Steuer zu erbringen.1 Ohne diese erfolgt keine Anrechnung. Doch damit sind die Probleme nachträglicher Änderungen nicht gelöst. Durch spätere Änderungen sowohl im Ausland als auch im Inland (vgl. Rz. 2.315 ff.) kann sich der Anrechnungshöchstbetrag erhöhen oder mindern. Erfolgt bspw. nach einer entsprechenden Prüfung seitens der Finanzverwaltung die Festsetzung einer höheren Steuer, die in Deutschland anrechenbar wäre, so fragt sich, ob die Vorlage entsprechender Nachweise über Festsetzung und Zahlung die nachträgliche Vorlage einer Bescheinigung i.S.v. § 175 Abs. 2 Satz 2 AO ist, sodass eine nachträgliche Änderung nicht erfolgen könnte. Prokisch2 sieht darin die Vorlage eines Beweismittels gem. § 173 AO. Da es dabei aber nicht um ein nachträglich bekannt werdendes Beweismittel, sondern um ein nachträglich entstandenes handelt, ist § 173 AO nicht anwendbar.3 b) Abzug der ausländischen Steuer von der Bemessungsgrundlage
2.318 Das EStG sieht zwei Möglichkeiten des Abzugs der ausländischen Steuern bei der Ermittlung der Einkünfte vor. Beispiel: I erzielt ausländische Einkünfte von 100, die mit 50 im Ausland besteuert sind. Im Inland erzielt I einen Verlust von 100. Die ausländische Steuer kann nicht angerechnet werden, da das Gesamteinkommen 0 beträgt und keine inländische Steuer entsteht. Es besteht auch keine Möglichkeit des Übertrags des Anrechnungsüberhangs. Beim Abzug werden die ausländischen Einkünfte mit nur 50 berücksichtigt, sodass das Gesamteinkommen zu einem Verlust von 50 wird, der rück- oder vorgetragen werden kann.
1 Im Detail vgl. Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B84 ff. 2 Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B86. 3 Loose in T/K, § 175 Rz. 26.
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D. Unilaterale Beseitigung
Der Abzug kommt in Betracht: – auf Antrag anstelle der Anrechnung (§§ 34c Abs. 2 EStG); – von Amts wegen, wenn Voraussetzungen der Anrechnung nicht vorliegen. Der Abzug erfolgt bei der Ermittlung der Einkünfte. Von VZ 1980–1991 wurde der Abzug bei der Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte (§ 2 Abs. 4 EStG) vorgenommen. Überschritten die abzuziehenden ausländischen Steuern den Gesamtbetrag, so konnten sie über den Verlustrücktrag und -vortrag nach § 10d EStG geltend gemacht werden. Dies hat sich nicht geändert. Seit 19921 ist auf die Ermittlung der Einkünfte abzustellen. Es heißt nicht: Summe der Einkünfte. Damit ist die ausländische Steuer bei der einzelnen Einkunftsart abzuziehen.2 Ob dies wie Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei der Ermittlung der Einnahmen oder bei der Bildung des Betrages der Einkunftsart erfolgt, ist nicht festgelegt, macht aber keinen Unterschied.
2.319
Beispiel: I bezieht aus dem Staat X aus der Beteiligung an einer ausländischen Personengesellschaft 100 und aus einer eigenen gewerblichen Betriebsstätte 100. In beiden Fällen wird im Ausland eine Steuer von 40 (= 80 insgesamt) erhoben. Im Inland erwirtschaftet sein Betrieb einen Verlust von 200. Seine gewerblichen Einkünfte betragen insgesamt 0. I beantragt den Abzug nach § 34c Abs. 2 EStG. Ob nun bei der Ermittlung der Einkünfte zweimal 60 oder einmal 120 berücksichtigt werden, ist gleichgültig. In beiden Fällen erzielt I einen gewerblichen Verlust von 80.
Da sich der Betrag der gewerblichen Einkünfte – nicht erst die Summe der Einkünfte – vermindert, wirkt sich dies nicht nur im Einkommensteuerrecht bei der Bildung der Bemessungsgrundlage aus, sondern auch über § 7 Abs. 1 GewStG auf die Gewerbesteuer, sofern die ausländischen Einkünfte der Gewerbesteuer unterliegen. Bei ausländischen Betriebsstätteneinkünften bleibt der Abzug unberücksichtigt (§ 9 Nr. 3 GewStG). Das JStG 20073 lässt den Abzug nur zu, soweit die deutsche Steuer auf aus- 2.320 ländische Einkünfte entfällt, die nicht steuerfrei sind. Damit wird sichergestellt, dass der Abzug nur bei gem. § 34c Abs. 1 EStG anrechenbaren Steuern gewährt wird. Auch wenn der „soweit“-Satz nicht ausdrücklich sagt, ob es sich um steuerfreie Einkünfte im Ausland (Rz. 2.306) oder Inland (Rz. 2.310) handelt, kann es sich nicht um die in § 34c Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 EStG erwähnten, im Ausland steuerfreien Einkünfte handeln. Sind die ausländischen Einkünfte im Ausland steuerfrei, so gibt es weder eine anrechenbare noch abziehbare ausländische Steuer auf diese Einkünfte. Verstünde man den „soweit“-Satz auf diese Einkünfte bezogen,
1 BGBl. I 1992, 297. 2 Ebenso Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 110; Wassermeyer in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 259. 3 JStG 2007 v. 13.12.2006, BGBl. I 2006, 2878.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
so handelte es sich in der Tat um einen „weißen Schimmel“.1 Sind die Einkünfte im Ausland hingegen versteuert worden und im Inland steuerfrei, dann verhindert der „soweit“-Satz die Anrechnung der darauf gezahlten ausländischen Steuer. Dies ergibt sich allerdings auch schon aus der Formulierung, dass der Abzug „statt der Anrechnung“ erfolgen kann.
2.321 Das Wahlrecht des Abzugs ausländischer anrechenbarer Steuern kann gem. R 34c Abs. 4 EStR 2008 für die Einkünfte aus jedem einzelnen ausländischen Staat nur einheitlich ausgeübt werden, d.h., alle anrechenbaren Steuern aus einem bestimmten ausländischen Staat werden entweder angerechnet oder abgezogen. Für eine derartige Einschränkung bietet der Wortlaut des Gesetzes keinen Anhaltspunkt. Im Gegenteil ist auf die einzelnen Einkünfte Bezug genommen. Ein Fall, in dem für die einen Einkünfte die Anrechnung und für andere Einkünfte aus dem gleichen Staat der Abzug in Betracht käme, ist kaum vorstellbar.2
2.322 Sind Einkünfte aus verschiedenen ausländischen Staaten vorhanden, kann das Wahlrecht dagegen für jeden einzelnen Staat ausgeübt werden. Hierbei ist die Auswirkung des Steuerabzugs auf den Anrechnungshöchstbetrag zu beachten sowie auf eventuelle Steuervergünstigungen (z.B. §§ 16, 34 EStG), die von der durch den Abzug beeinflussten tariflichen Einkommensteuer abhängen. In der Regel ist die Steueranrechnung günstiger.
2.323 Der Steuerabzug empfiehlt sich, wenn infolge Fehlens eines deutschen zu versteuernden Einkommens keine deutsche Einkommensteuer anfällt, sodass eine Anrechnung ins Leere ginge: Hier führt der Steuerabzug immerhin zu einem vor- oder rücktragsfähigen Verlust. Dies sind insbesondere die Fälle, in denen den positiven ausländischen Einkünften andere negative in- oder ausländische Einkünfte, soweit diese im Inland zu berücksichtigen sind, gegenüberstehen. Auch dann, wenn die ausländische Steuer infolge eines höheren Steuersatzes oder wegen Ansatz einer höheren Bemessungsgrundlage die deutsche Steuer erheblich übersteigt, kann der Steuerabzug nach § 34c Abs. 2 EStG vorteilhafter als die Anrechnung sein.3
2.324 Der Antrag auf Anrechnung kann bis zur Bestandskraft des Steuerbescheides gestellt werden, spätestens also bis zur mündlichen Verhandlung eines etwaigen finanzgerichtlichen Verfahrens. Bei Personengesellschaften
1 So Wassermeyer in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 262. 2 So auch Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. D9. 3 Ebenso jetzt auch Wassermeyer in F/W/B/S, § 34c Rz. 257; Berechnungsbeispiele bei Michels, DB 1981, 22; Scheffler, RIW 1985, 641; Scheffler in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 97; Richter, BB 1999, 613; Kussmaul/ Beckmann, StuB 2000, 1188; diese sind aber an die inzwischen erfolgten Änderungen des § 34c EStG anzupassen; vgl. allg. auch Roser, EStB 2007, 227.
304
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D. Unilaterale Beseitigung
muss das Antragsrecht nicht einheitlich durch alle Gesellschafter ausgeübt werden.1 Nach § 34c Abs. 3 EStG können auch nicht anrechenbare ausländische Steuern, d.h. solche, die nicht die Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllen, bei der Ermittlung der Einkünfte (vgl. Rz. 2.319) der Einkünfte abgezogen werden. Dies stellt eine wichtige Ergänzung der Anrechnungsmethode dar, um im Wege einer Auffangnorm2 einige Mängel der Anrechnungsmethode auszugleichen. Nicht mehr abgezogen werden können ab dem Veranlagungszeitraum 1996 lediglich fiktive ausländische Steuern, d.h. solche, die nach dem Abkommen als gezahlt gelten.3
2.325
§ 34c Abs. 3 EStG sieht die folgenden Fälle des Abzugs nicht anrechenbarer ausländischer Steuern vor:
2.326
– Die ausländische Steuer entspricht nicht der deutschen Einkommensteuer (Rz. 2.285). – Die ausländische Steuer wurde in einem anderen Staat erhoben als in dem, aus dem die Einkünfte nach deutscher Beurteilung stammen. – Es liegen keine ausländischen Einkünfte i.S.d. § 34d EStG vor. Die übrigen Voraussetzungen der Anrechnung – wie Steuerpflicht, Subjektidentität, der deutschen Besteuerung unterliegende Einkünfte, Identität des Steuergegenstandes – müssen vorliegen. § 34c Abs. 3 EStG nennt abschließend4 diejenigen Voraussetzungen, die nicht gegeben sein brauchen. Daher ist eine Erweiterung nicht möglich. So können etwa Steuern, die der Vertragsstaat entgegen den Bestimmungen eines DBA erhebt (abkommenswidrige Besteuerung), nicht im Inland abgezogen werden.5 Auch der Abzug nach § 34c Abs. 3 EStG setzt wie derjenige nach § 34c 2.327 Abs. 2 EStG (Rz. 2.318) entsprechend der Anrechnung nach § 34c Abs. 1 EStG voraus, dass die ausländische Steuer auf steuerpflichtige Einkünfte i.S.d. deutschen Steuerrechts entfällt,6 d.h., auch der Steuerabzug ist ausgeschlossen, wenn die ausländischen Einkünfte nicht steuerbar sind (nicht in eine der sieben Einkunftskategorien des EStG fallen) oder aufgrund einer Spezialvorschrift von der deutschen Steuer befreit sind. Dies ist mit dem JStG 2007 nun ausdrücklich in § 34c Abs. 2 letzter Halbs. EStG aufgenommen worden. Hintergrund7 dieser Gesetzesergänzung war, 1 Einzelheiten Lüdicke, Steuerermäßigung bei ausländischen Einkünften, 1985, 111 ff. 2 Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. D11. 3 Änderung durch das Steuerbereinigungsgesetz und Mißbrauchsbekämpfungsgesetz v. 21.12.1993, BGBl. I 1993, 2310. 4 Nach Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. D12 verfassungsrechtlich problematisch. 5 BFH v. 2.3.2010 – I R 75/08, BFH/NV 2010, 1820. 6 Ebenso Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 115; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 87; Kritik bei Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. D12. 7 BT-Drucks. 16/2712, 54.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
dass beim Bezug ausländischer Dividendeneinkünfte durch natürliche Personen, die gem. § 3 Nr. 40 EStG dem Halb- (bzw. Teil-)einkünfteverfahren unterliegen, der Abzug ausländischer Steuer in voller Höhe möglich war. Seit VZ 2008 ist nur noch der Abzug in Höhe des steuerbaren Anteils (zurzeit 60 v.H.) möglich.
2.328 Voraussetzung des Abzugs ist weiterhin dass die ausländische Steuer wie nach § 34c Abs. 1 EStG bei der Anrechnung festgesetzt und gezahlt sein muss, sowie keinem Ermäßigungsanspruch mehr unterliegt (Rz. 2.309 f.).1 Insbesondere kürzt auch hier das Bestehen eines Ermäßigungsanspruchs den Abzugsbetrag.
2.329 Nicht entsprechende Steuern: Seitdem auch ausländische Provinz-, Kanton- oder Gemeindesteuern als der deutschen Einkommensteuer entsprechend angesehen werden können (seit VZ 1978) und damit bereits nach Abs. 1 und 2 anrechnungsfähig bzw. abziehbar sind, bleibt für die Anwendung dieser Alternative praktisch kein Raum mehr.2 Handelt es sich nicht um eine Personensteuer, so fallen sie nicht unter § 12 Nr. 3 EStG und sind als Betriebsausgaben abziehbar.3 Die Regelung ist kryptisch. Sie kann nur eine Steuer treffen, die einerseits nicht der deutschen Einkommensteuer entspricht und andererseits eine Steuer vom Einkommen oder eine sonstige Personensteuer ist. Es ist schon logisch unmöglich, dass etwas eine Eigenschaft hat und zugleich nicht hat. Man kann in dieser überflüssigen Formel wiederum das Bestreben des Gesetzgebers erblicken, kein irgendwie denkbares Schlupfloch zu lassen.
2.330 Steuern aus Drittländern: In der Begründung zu § 34c Abs. 3 EStG findet sich das Beispiel, dass der Steuerpflichtige eine Betriebstätte in einem anderen Staat hat, die aus einem Drittstaat Einkünfte bezieht und dort besteuert wird, z.B. aufgrund von Liefergewinnen.4 Die Drittstaatsteuer kann in diesem Falle nur nach Abs. 3 abgezogen werden, da die Einkünfte in Anwendung der deutschen Abgrenzungskriterien aus dem Staat stammen, in dem die Betriebstätte belegen ist. Dessen Steuer ist nach Abs. 1 anzurechnen, bzw. nach Abs. 2 abzuziehen,5 und zwar, falls der Betriebsstättenstaat die Anrechnung oder den Abzug der Drittstaatsteuer gestattet, nur in dem nach dieser Milderung verbleibenden Umfang. Ein typischer Anwendungsfall ist folgende Konstellation:
1 Der von Wassermeyer in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 320 festgestellte Unterschied ist nicht nachvollziehbar, ebenso Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 115. 2 Ebenso Wied in Blümich, § 34c EStG Rz. 78; Gosch in Kirchhof11, § 34c EStG Rz. 32; Wassermeyer in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 307; Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. D15; die Kommentare überbieten sich darin, einen etwaigen Anwendungsfall zu konstruieren. 3 Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. D15. 4 Vgl. Gosch in Kirchhof11, § 34c EStG Rz. 33. 5 Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 118; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 79.
306
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D. Unilaterale Beseitigung Beispiel: Inländer I ist an einer Personengesellschaft in Spanien beteiligt. Diese ist an einer Kapitalgesellschaft in einem Drittstaat, mit dem Spanien ein DBA abgeschlossen hat (entspricht dem OECD-MA), mehrheitlich beteiligt. Da Spanien die Personengesellschaft intransparent besteuert, ist sie nach dem DBA abkommensberechtigt. Auf Dividenden der Kapitalgesellschaft erhebt Spanien keine Steuern, der Drittstaat jedoch. Nach deutschen Vorstellungen sind die Dividenden Einkünfte des I aus einer Betriebsstätte in Spanien.
Weitere Fälle der Drittstaatsteuer können durch doppelte unbeschränkte Steuerpflicht entstehen,1 sei es, dass der zweite Wohnsitzstaat Steuern auf Einkünfte aus Drittstaaten erhebt, sei es, dass er infolge der unbeschränkten Steuerpflicht auch inländische Einkünfte des Steuerpflichtigen besteuert. In letzterem Falle wäre aber zumindest eine etwa in dem zweiten Wohnsitzstaat bestehende Möglichkeit der Anrechnung inländischer Steuer auszuschöpfen (Rz. 2.311).
2.331
Nichtausländische Einkünfte: Seit dem Veranlagungszeitraum 1980 ist der Abzug bei der Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte auch dann möglich, wenn keine ausländischen Einkünfte i.S.d. § 34d EStG vorliegen. Der wichtigste Anwendungsfall ist die Besteuerung von Liefergewinnen bei ausländischen Bau- und Montagestellen: In Ermangelung einer ausländischen Betriebsstätte, der die Einkünfte in Anwendung der allgemeinen Prinzipien zugerechnet werden könnten, liegen hier inländische Einkünfte vor.2
2.332
c) Pauschalierung und Erlass der deutschen Einkommensteuer auf ausländische Einkünfte § 34c Abs. 5 EStG gestattet es den oberen Finanzbehörden der Länder mit Zustimmung des Bundesministers für Finanzen, die auf ausländische Einkünfte entfallende deutsche Steuer ganz oder teilweise zu erlassen oder in einem Pauschalbetrag festzusetzen, wenn es
2.333
– aus volkswirtschaftlichen Gründen zweckmäßig ist oder – die Anwendung der Anrechnungsvorschriften besonders schwierig ist. Diese Maßnahmen können als Einzelfallregelungen oder generell vorgesehen werden. In Anwendung des § 34c Abs. 5 EStG sind zwei Erlasse ergangen, und zwar – der Pauschalierungserlass3 und 1 So auch Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. D17. 2 Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. D18; Wassermeyer in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 314 mit weiteren Beispielen. 3 BMF v. 10.4.1984 – IV C 6 - S 2293 - 11/84, BStBl. I 1984, 252, hierzu Krabbe, RIW 1985, 51; Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. E16 ff.; Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 514 ff.; siehe auch BMF v. 24.11.2003 – IV B 4 - S 2293 - 46/03, BStBl. I 2003, 747 für die Geltung für die Körperschaftsteuer (Rz. 2.380).
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2.334
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
– der Auslandstätigkeitserlass,1 der ab 1984 den bis dahin geltenden Montageerlass abgelöst hat. Letzterer gilt für die Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit auf bestimmten Sektoren. Bei ihnen handelt es sich um Billigkeitsmaßnahmen, die nicht abschließend sind. Auch wenn die Voraussetzungen der Erlasse nicht erfüllt sind, können die Finanzbehörden im Einzelfall Steuern erlassen oder herabsetzen, wenn eine Unbilligkeit vorliegt. Die Vorschrift des § 34c Abs. 5 EStG ist verfassungsgemäß.2
2.335 Nach dem erstgenannten Erlass werden die folgenden vier Gruppen ausländischer Einkünfte mit einem Pauschalsteuersatz von 25 v.H. besteuert: – Einkünfte aus einer ausländischen gewerblichen Betriebsstätte, – Einkünfte aus der Beteiligung an einer ausländischen Personengesellschaft, – Einkünfte aus einer ausländischen freiberuflichen Betriebsstätte, soweit die dort ausgeübte Tätigkeit in der technischen Beratung, Planung und Überwachung von Anlageeinrichtungen besteht, – Einkünfte einer Muttergesellschaft aus der Beteiligung an einer ausländischen Tochtergesellschaft.
2.336 Sinn des Erlasses ist es, die deutschen Unternehmen vor allem in bestimmten Entwicklungsländern gewährten steuerlichen Vergünstigungen bei Investitionen nicht durch die volle Heraufschleusung der Steuerbelastung auf das deutsche Niveau wieder zunichtezumachen. Dieser Effekt tritt bei der Anwendung der Anrechnungsmethode ein.
2.337 Die Anwendung des Erlasses führt i.d.R. dennoch nicht zu dem gleich günstigen Ergebnis wie ein DBA, das Freistellung (unter Progressionsvorbehalt, der aber oft – infolge des bereits anwendbaren deutschen Höchstgrenzsteuersatzes – keine erhebliche Auswirkung hat) oder aber Anrechnung, im Falle mancher Entwicklungsländer sogar eine über die tatsächlich von dem ausländischen Staat erhobene Steuer hinausgehende Anrechnung, vorsieht: Hiermit bleibt ein Anreiz für den Abschluss von – die Gegenseitigkeit gewährleistenden – DBA mit den betreffenden Ländern erhalten.
2.338 Der Pauschalierungserlass ist ausschließlich auf unbeschränkt Steuerpflichtige anwendbar; bei der letzten der o.a. Einkunftsgruppen – Schachteldividenden – war (vgl. Rz. 2.384) darüber hinaus der Anwendungsbereich auf unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen (i.S.d. § 1 KStG) beschränkt. Bei Personenge1 BMF v. 31.10.1983 – IV B 6 - S 2293 - 50/83, BStBl. I 1983, 470, hierzu Reinhart, BB 1983, 2246; Sprenger, INF 1998, 583 (612); Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. E22 ff. 2 Zum Ganzen siehe auch Gosch in Kirchhof11, § 34c EStG Rz. 35; Lüdicke in FWB, § 34c EStG Rz. 472 ff.
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D. Unilaterale Beseitigung
sellschaften ist gegebenenfalls der Erlass auf den einzelnen Gesellschafter anwendbar; eine einheitliche Anwendung auf alle Gesellschafter einer Personengesellschaft ist nicht notwendig. Bei Bestehen eines DBA ist der Erlass nicht anwendbar. Dies entspricht der ausschließlichen Funktion des Erlasses als Lückenbüßer im Falle des Fehlens eines DBA. Zwingend1 ist dies nicht und von § 34c Abs. 5 EStG nicht gefordert. Ist nach dem DBA die Anrechnungsmethode anzuwenden, so kommt es zu einer vergleichbaren Situation. Die vom Erlass betroffenen Einkünfte werden üblicherweise in einem DBA von der deutschen Steuer freigestellt, gegebenenfalls unter Progressionsvorbehalt. Der Erlassgeber ging daher davon aus, dass in einem DBA die steuerlichen Beziehungen mit dem anderen Staat bereits abschließend so geregelt sind, dass die Doppelbesteuerung durch Freistellung gelöst wird.
2.339
Die Anwendung des Pauschalierungserlasses auf bestimmte Einkünfte 2.340 schließt die Steueranrechnung bzw. den Steuerabzug (§ 34c Abs. 1–3 EStG) bei anderen Einkünften nicht aus, wobei im Übrigen die pauschalbesteuerten Einkünfte bei den weiteren Berechnungen (Anrechnung, Abzug) außer Ansatz bleiben, was ja auch Sinn einer Pauschalierung ist. Die pauschal besteuerten Einkünfte vermindern also sowohl den Zähler als auch den Nenner des zur Berechnung des Anrechnungshöchstbetrages anwendbaren Bruchs.
2.341
Im Einzelnen begünstigt der Erlass: – Einkünfte aus einer ausländischen Betriebsstätte. Da hier kein DBA den Betriebsstättenbegriff modifiziert, gilt die Definition des § 12 AO. Die Anwendung ist auf die Betriebsstätte, d.h. den organisatorisch getrennten ausländischen Teilbetrieb eines inländischen Unternehmens, beschränkt; nicht begünstigt ist dagegen der komplette ausländische Betrieb eines inländischen Steuerpflichtigen. – Einkünfte aus der Beteiligung an einer ausländischen Personengesellschaft, die zu einem inländischen gewerblichen Betriebsvermögen gehört. Beteiligungen im Privatvermögen und Beteiligungen, die im Rahmen selbständiger Tätigkeit gehalten werden, sind dagegen nicht von der Pauschalierungsregel begünstigt. Auch die ausländische Personengesellschaft muss eine der in § 2a Abs. 2 EStG aufgeführten Tätigkeiten ausüben. – Einkünfte aus einer inländischen Betriebsstätte im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit, die in der technischen Beratung, Planung und Überwachung bei Anlageerrichtung besteht. Diese Begriffe sind im Erlass im Einzelnen geregelt.
1 Vgl. auch Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. E17.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
2.342 Der Antrag auf Pauschalierung kann nur einheitlich für alle (pauschalierungsfähigen) Einkünfte aus einem bestimmten ausländischen Staat gestellt werden.1
2.343 Wie beim Anrechnungs- und Abzugsverfahren erfolgt die Ermittlung der ausländischen Einkünfte unter Anwendung deutschen Steuerrechts. Positive und negative Einkünfte aus demselben Staat sind zunächst auszugleichen. Ein verbleibender Negativbetrag ist weder vor- noch rücktragsfähig.
2.344 Der Pauschalsteuersatz beträgt einheitlich 25 v.H. der pauschalierten Einkünfte. Die Wahl zwischen Pauschalierung und Anrechnung der ausländischen Steuer (§ 34c Abs. 1 EStG) hängt also davon ab, ob die ausländische Steuer höher oder niedriger als die Differenz zwischen dem deutschen Spitzensteuersatz und 25 v.H. ist. Die Pauschalierung regelt weiter endgültig die Besteuerung der betreffenden Einkünfte, sodass weder der Progressionsvorbehalt zur Anwendung kommt, noch ein Ansatz bei der Berechnung des Anrechnungshöchstbetrages erfolgt. Zur Pauschalierung der Körperschaftsteuer vgl. Rz. 2.380.
2.345 Der Erlass der deutschen Einkommensteuer auf ausländische Einkünfte ist generell-abstrakt nur im Auslandstätigkeitserlass v. 31.10.1983 geregelt, der die bisher geltenden Montageerlasse der Länder abgelöst hat.2 Er ermöglicht es, bei Arbeitnehmern eines im Inland ansässigen Arbeitgebers3 den auf die Auslandstätigkeit entfallenden Lohn von der deutschen Besteuerung auszunehmen. Sein Zweck ist vor allem volkswirtschaftlich motiviert und soll den Einsatz qualifizierter Arbeitskräfte im Ausland ermöglichen, um die deutsche Exportwirtschaft zu fördern. Dies betrifft insbesondere den Anlagenbau, der seine Arbeitnehmer ins Ausland „auf Montage“ schickt. Er hat auch vereinfachende Wirkung, da er die im Einzelfall oft schwierige Prüfung, ob der Arbeitnehmer einer ausländischen Betriebsstätte zugeordnet ist, entbehrlich macht.
2.346 Das Verfahren beginnt mit dem Antrag auf eine Freistellungsbescheinigung beim Betriebsstättenfinanzamt, der vom Arbeitgeber oder Arbeitnehmer gestellt werden kann. Vom Antrag wird das BZSt informiert, das ggf. einen Informationsaustausch mit dem ausländischen Staat unternimmt. Der Arbeitgeber lässt dann i.d.R. die Auslandseinkünfte beim Lohnsteuerabzugsverfahren steuerfrei, was auf dem Lohnkonto und den Bescheinigungen des Arbeitgebers ausgewiesen wird. Unabhängig4 davon
1 Einzelheiten Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. E21. 2 Ausführliche Kommentierung in F/W/B/S, Anh. zu § 34c Abs. 5 EStG; vgl. auch Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. E22 ff. 3 Zur Zwischenschaltung eines ausländischen Arbeitgebers und zur Europarechtswidrigkeit der Beschränkung auf inländische Arbeitgeber vgl. Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. E24. 4 FG Köln v. 22.3.2001 – 7 K 1709/99, EFG 2001, 974.
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D. Unilaterale Beseitigung
kann der Arbeitnehmer bei seiner Veranlagung (§ 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG) die Steuerfreiheit beantragen. Der Auslandstätigkeitserlass gilt, wie der Pauschalierungserlass, nur bei Fehlen eines DBA1 mit dem betreffenden Staat, das die Besteuerung der Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit regelt, und ist im Übrigen auf bestimmte (nichtselbständige) Tätigkeiten beschränkt. Dies sind Tätigkeiten für einen inländischen Lieferanten, Hersteller, Auftragnehmer oder Inhaber ausländischer Mineralaufsuchungs- oder -gewinnungsrechte im Zusammenhang mit
2.347
– der Planung, Errichtung, Einrichtung, Inbetriebnahme, Erweiterung, Instandsetzung, Modernisierung, Überwachung oder Wartung von Fabriken, Bauwerken, ortsgebundenen großen Maschinen oder ähnlichen Anlagen sowie dem Einbau, der Aufstellung oder Instandsetzung sonstiger Wirtschaftsgüter; außerdem ist das Betreiben der Anlagen bis zur Übergabe an den Auftraggeber begünstigt, – dem Aufsuchen oder der Gewinnung von Bodenschätzen, – der Beratung (Consulting) ausländischer Auftraggeber oder Organisationen im Hinblick auf Vorhaben i.S.d. Nr. 1 oder 2 oder – der deutschen öffentlichen Entwicklungshilfe im Rahmen der technischen oder finanziellen Zusammenarbeit. Nicht begünstigt sind die Tätigkeiten des Bordpersonals auf Seeschiffen und die Tätigkeit von Leiharbeitnehmern, für deren Arbeitgeber die Arbeitnehmerüberlassung Unternehmenszweck ist, sowie die finanzielle Beratung mit Ausnahme der Nr. 4. Nicht begünstigt ist ferner das Einholen von Aufträgen (Akquisition), ausgenommen die Beteiligung an Ausschreibungen.
2.348
Der Erlass gilt nicht nur für unbeschränkt, sondern auch für beschränkt Steuerpflichtige, die für einen inländischen Arbeitgeber im o.a. Rahmen tätig werden.
2.349
Zeitliche Voraussetzung des Steuererlasses (Freistellung unter Progressionsvorbehalt bei unbeschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern, die eine der o.a. Tätigkeiten ausüben) ist die Ausübung der Tätigkeit während mindestens dreier ununterbrochener Monate im Nicht-DBA-Land. Eine Begründung für diese Mindestfrist könnte darin liegen, dass man sich an das Tätigkeitsortprinzip des Art. 15 OECD-MA angelehnt hat, ohne dessen Unterscheidung von kurzfristigen und länger dauernden Tätigkeiten zu übernehmen.
2.350
Urlaubs- oder krankheitsbedingte Unterbrechungen des Aufenthalts sind unschädlich, allerdings bei der Berechnung der Drei-Monats-Frist nicht
2.351
1 Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. E28 mit Hinweisen auf den Fall eines rückwirkend in Kraft tretenden DBA.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
mitzurechnen. Weiter ist eine kürzere vorübergehende Rückkehr ins Inland oder ein kürzerer unterbrechender Aufenthalt in einem DBA-Land, die der weiteren Durchführung oder der Vorbereitung der begünstigten Auslandstätigkeit dienen, ebenfalls unschädlich, wenn die Unterbrechung insgesamt zehn Tage nicht überschreitet. Nach einer längeren als insgesamt zehntägigen Unterbrechung beginnt eine neue Frist.1
2.352 Die Drei-Monats-Frist beginnt mit dem Antritt der Reise ins Ausland und endet mit der endgültigen Rückkehr ins Inland. Die Frist kann sich auf zwei Kalenderjahre, z.B. Dezember 01 bis März 02, verteilen.
2.353 Der Umfang der freigestellten Tätigkeitsvergütungen ist im Erlass erschöpfend geregelt. Hierunter fallen sowohl der laufende Arbeitslohn als auch Sonder- und Einmalzuwendungen jeglicher Art (Zulagen, Prämien, Zuschüsse, Weihnachtsgelder, Erfolgsprämien, Tantiemen, Urlaubsgelder oder Urlaubsabgeltungen und krankheitsbedingte Lohnfortzahlungen). Werden solche Zuwendungen nicht gesondert für die begünstigte Tätigkeit geleistet, so sind sie im Verhältnis der Kalendertage (Auslandstage: Gesamtarbeitstage) aufzuteilen.
2.354 Bezüglich Werbungskosten, die nur zusammen mit den freigestellten Lohneinkünften anfallen, gilt § 3c EStG, d.h., die in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit den gezahlten Einnahmen stehenden Werbungskosten sind nicht abziehbar.
2.355 Die Steuerbefreiung wird unter Progressionsvorbehalt gewährt. Diese wird jedoch erst bei der Veranlagung und nicht bereits im Rahmen des Lohnsteuerabzugs berücksichtigt. Der Arbeitgeber darf weder die Lohnsteuer nach dem voraussichtlichen Arbeitslohn (permanenter Jahresausgleich) ermitteln, noch einen Lohnsteuerjahresausgleich durchführen, damit nicht der Fiskus zuvor erstattete Steuern zurückfordern muss.
2.356 Bei der Beantragung der Freistellungsbescheinigung (Rz. 2.346) ist kein Nachweis der Erhebung einer der deutschen Lohnsteuer entsprechenden Steuer im Tätigkeitsstaat erforderlich. Der freigestellte Arbeitslohn ist auf allen lohnsteuerlichen Unterlagen (Konto, Lohnsteuerkarte bzw. Bescheinigung, Lohnzettel) gesondert auszuweisen, die Bescheinigung ist als Beleg zum betreffenden Lohnkonto zu nehmen. Die Freistellungsbescheinigung ist kein Grundlagenbescheid für die Veranlagung. 8. Ausländische Einkünfte
2.357 § 34d EStG enthält die Kriterien, die Einkünfte zu „ausländischen“ i.S.v.§ 34c EStG machen. Steuern auf nicht-ausländische Einkünfte gem. § 34d EStG können nur gem. § 34c Abs. 3 EStG abgezogen werden (Rz. 2.332). § 34d EStG geht von den sieben Einkunftsarten (§ 2 Abs. 2
1 Schieber, DStR 1984, 59; siehe auch Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. E27.
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D. Unilaterale Beseitigung
EStG) und deren Definitionen in §§ 13–24 EStG aus und legt für die jeweilige Einkunftsart die Auslandskriterien fest. Sind die Kriterien erfüllt, so handelt es sich nach Ansicht des Gesetzes um einen Auslandssachverhalt. Dem Welteinkommensprinzip entsprechend werden in- und ausländische Sachverhalte prinzipiell steuerlich gleichbehandelt, aber aus der Natur der Sache heraus gibt es gewisse Unterschiede. § 34d EStG zieht in diesem Zusammenhang die Grenzlinie zwischen Inland und Ausland. § 34d EStG sagt, wann Steuerinländer ausländische Einkünfte haben.1 Er ist somit § 49 Abs. 1 EStG ähnlich, der besagt, wann Steuerausländer inländische Einkünfte haben. Doch verfolgen beide Normen unterschiedliche Ziele, sodass sie sich nicht abschließend ergänzen.2 Man vergleiche hierzu nur die jeweilige Nr. 2 von § 34d Abs. 1 EStG und § 49 Abs. 1 EStG. § 34d EStG legt die Auslandskriterien, nicht aber die Zuordnung der einzelnen Einkünfte bei der inländischen Besteuerung fest.
2.358
Beispiel: Die inländische A-GmbH, die im Inland einen Produktionsbetrieb unterhält, erwirbt ausländischen Grundbesitz, um eine Auslandsniederlassung zu eröffnen. Bevor es dazu kommt, wird der Besitz vermietet. Es handelt sich um ausländische Einkünfte aus Vermietung, die jedoch im Inland als Einkünfte aus Gewerbebetrieb besteuert werden.
Manche3 sprechen von umgekehrter isolierender Betrachtungsweise. Damit ist gemeint, dass die Verhältnisse im Ausland ohne Berücksichtigung der im Inland gegebenen Merkmale beurteilt werden sollen. Allerdings enthält § 34d EStG keine § 49 Abs. 2 EStG entsprechende Regelung. Der wesentliche Unterschied zu § 49 EStG besteht darin, dass § 34d EStG keine Rechtsanwendungsnorm wie § 49 EStG (Rz. 2.237 ff.) ist, sondern eine materielle Norm im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht darstellt. Daher beschränkt sich ihre Funktion darauf, die Auslandseigenschaft von Einkünften zu definieren, wo das materielle Ertragsteuerrecht von ausländischen Einkünften – wie z.B. in § 34c EStG – spricht. Zum Ausland gehören das ausländische Staatsgebiet, angeschlossene fremde Hoheitsgewässer, Lufträume, Freihäfen und Zollanschlüsse sowie die Festlandsockel ausländischer Hoheitsgebiete.4
1 Über die Bedeutung der Vorschrift über § 34d EStG hinaus vgl. Wagner in Blümich, § 34d EStG Rz. 4. 2 Wassermeyer/Lüdicke in F/W/B/S, § 34d EStG Rz. 10 f.; Wagner in Blümich, § 34d EStG Rz. 8; Peter/Spohn in H/H/R, § 34d EStG Rz. 4. 3 Handzik in L/B/P, § 34d EStG Rz. 12; Wassermeyer/Lüdicke in F/W/B/S, § 34d EStG Rz. 14; Wagner in Blümich, § 34d EStG Rz. 9, Gosch in Kirchhof11, § 34d EStG Rz. 2; Peter/Spohn in H/H/R, § 34d EStG Rz. 5. 4 Vgl. auch BFH v. 14.6.1991 – VI R 185/87, BStBl. II 1991, 926; siehe Wagner in Blümich, § 34d EStG Rz. 6; Peter/Spohn in H/H/R, § 34d EStG Rz. 14.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
2.360 Als ausländische werden folgende Einkünfte angesehen: – Land- und Forstwirtschaft (§ 13 EStG), wenn im Ausland ein entsprechender Betrieb unterhalten wird (§ 34d Nr. 1 EStG).1 Dies ist der Fall, wenn landwirtschaftlich genutzte Flächen im Ausland belegen sind.
2.361 – Gewerbebetrieb (§ 34d Nr. 2 EStG), wenn die Einkünfte durch eine in einem ausländischen Staat belegene Betriebsstätte oder durch einen in einem ausländischen Staat tätigen ständigen Vertreter erzielt werden (§ 34d Nr. 2 Buchst. a EStG).2 Die verwendeten Begriffe der Betriebsstätte und des ständigen Vertreters sind die der §§ 12, 13 AO, jedoch muss hier der ständige Vertreter im Ausland tätig sein. Unter die ausländischen Einkünfte aus Gewerbebetrieb fallen auch Gewinne aus der Veräußerung von ausländischen Betrieben, Teilbetrieben und von Anteilen an Personengesellschaften, ferner nach dem Gesetz Einkünfte, die aus Bürgschafts- und Avalprovisionen erzielt werden, wenn der Schuldner Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz in einem ausländischen Staat hat (§ 34d Nr. 2b EStG),3 und schließlich die durch den Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen aus internationalen Beförderungen und damit zusammenhängende, sich auf das Ausland erstreckende Beförderungsleistungen (§ 34d Nr. 2 Buchst. c EStG).4 Bei den letztgenannten Einkünften ist die Existenz einer ausländischen Betriebsstätte oder eines ständigen Vertreters nicht erforderlich. Zur Bestimmung der ausländischen Einkünfte, die im Rahmen einer ausländischen Betriebsstätte erzielt werden, wird eine Gewinnzuordnung (Abgrenzung) erforderlich, die nach der indirekten oder direkten Methode erfolgt (vgl. Rz. 4.81 ff.).5
2.362 – Ausländische Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 34d Nr. 3 EStG).6 Diese Einkünfte werden zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb (Nr. 2) gerechnet, wenn sie zu diesen gehören. Die Unterscheidung zwischen gewerblichen Einkünften und Einkünften aus selbständiger Tätigkeit hat dann im Rahmen des § 34c EStG keine Bedeutung mehr. Die selbständige Arbeit muss in einem ausländischen Staat ausgeübt oder verwertet werden oder worden sein. Dies kann dazu führen, dass Einkünfte gleichzeitig ausländische und inländische sind, z.B. wenn die Tätigkeit im Inland ausgeübt und im Ausland verwertet wird. Bei der Ausübung der Tätigkeit im Ausland kommt es auf die persönliche phy-
1 Wassermeyer/Lüdicke in F/W/B, § 34d EStG Rz. 34; Wagner in Blümich, § 34d EStG Rz. 23; Peter/Spohn in H/H/R, § 34d EStG Rz. 13 ff. 2 Peter/Spohn in H/H/R, § 34d EStG Rz. 21 ff.; Wagner in Blümich, § 34d EStG Rz. 25 ff. 3 Peter/Spohn in H/H/R, § 34d EStG Rz. 40 ff. 4 Peter/Spohn in H/H/R, § 34d EStG Rz. 47 ff. 5 Vgl. vertiefend Peter/Spohn in H/H/R, § 34d EStG Rz. 6 ff.; Gosch in Kirchhof11, § 34d EStG Rz. 5; Wagner in Blümich, § 34d EStG Rz. 30 ff. 6 Peter/Spohn in H/H/R, § 34d EStG Rz. 56 ff.; Wagner in Blümich, § 34d EStG Rz. 39.
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sische Anwesenheit im Ausland an.1 Wodurch die Leistung erbracht wird, hängt von der jeweiligen Eigenart der Tätigkeit ab. Verwertet wird die Tätigkeit im Ausland, wenn sie zu einem selbständig verwertbaren Ergebnis geführt hat.2 Der Steuerpflichtige muss zugleich der Verwertende sein.3 Überlässt er die Verwertung einem anderen, so kann darin eine Rechtsüberlassung liegen, wenn sie zeitlich begrenzt erfolgt. Eine Tätigkeit wird nicht dadurch verwertet, dass sie einer anderen Person zugutekommt. Mit dieser Rspr. hat der BFH in einer Serie von Entscheidungen v. 12.11.19864 der von der Finanzverwaltung vorgenommenen Ausdehnung des Begriffs Grenzen gesetzt. Die Ausübung steht an sich unabhängig neben der Verwertung. Verfasst z.B. ein Rechtsanwalt im Inland ein Rechtsgutachten für einen ausländischen Mandanten, dann wird die Tätigkeit im Inland ausgeübt und im Ausland verwertet. Da jedoch das bloße Anfertigen des Gutachtens nicht zu Einkünften führt, sondern erst dessen Weitergabe an den Mandanten, gehört insoweit die „Verwertung“ noch zur Ausübung. – Veräußerung von Wirtschaftsgütern (§ 34d Nr. 4 EStG).5 Als ausländische Einkünfte gelten die Einkünfte aus den Veräußerungen von
2.363
– Wirtschaftsgütern, die zum Anlagevermögen eines inländischen Betriebs gehören, wenn die Wirtschaftsgüter in einem ausländischen Staat belegen sind, – Anteilen an Kapitalgesellschaften, wenn die Gesellschaft Geschäftsleitung oder Sitz in einem ausländischen Staat hat. Diese Vorschrift berücksichtigt die Tatsache, dass in manchen Staaten Systeme der generellen Besteuerung von Veräußerungsgewinnen (aus Immobilien, Wertpapieren etc.) bestehen, die bei Nichtansässigen nicht das Vorhandensein einer Betriebsstätte voraussetzen, der die betreffenden Gewinne zuzurechnen wären. § 34d Nr. 4 EStG betrifft aber nur ein Betriebsvermögen, und zwar zum Anlagevermögen gehörende Wirtschaftsgüter sowie Anteile an ausländischen Kapitalgesellschaften. Eine bestimmte Höhe der Beteiligung ist im letzteren Falle nicht verlangt6 (ebenso wenig wie die Zugehörigkeit zu einem Betriebsvermögen). Besteht in dem ausländischen Staat eine Betriebsstätte, der das Wirtschaftsgut oder die Betei-
1 Peter/Spohn in H/H/R, § 34d EStG Rz. 58 mit Beispielen u.w.N. 2 BFH v. 13.10.1976 – I R 261/70, BStBl. II 1977, 76; zur Verwertung m.w.N. vgl. Loschelder in Schmidt31, § 49 EStG Rz. 48. 3 BFH v. 12.11.1986 – I R 38/83, BStBl. II 1987, 377. 4 Z.B. BFH v. 12.11.1986 – I R 268/83, BStBl. II 1987, 372; siehe auch BFH v. 12.11.1986 – I R 38/83, BStBl. II 1987, 377. 5 Gosch in Kirchhof11, § 34d EStG Rz. 12. 6 Wie hier Gosch in Kirchhof11, § 34d EStG Rz. 12; Peter/Spohn in H/H/R, § 34d EStG Rz. 69; Wagner in Blümich, § 34d EStG Rz. 42; a.A. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 15.93: nur Anteile i.S.v. §§ 17, 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG; angesichts der Ausweitung in § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG ist der Meinungsunterschied ab 2009 unerheblich.
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ligung zuzurechnen ist, fällt der Veräußerungsgewinn bereits unter eine der Vorschriften des § 34d Nr. 1–3 EStG.
2.365 – Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit (§ 34d Nr. 5 EStG).1 Als ausländische Einkünfte gelten vor allem Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, die in einem ausländischen Staat ausgeübt wird oder, ohne im Inland ausgeübt zu werden oder worden zu sein, in einem ausländischen Staat verwertet wird oder worden ist. Die Verwertung steht hier, anders als bei den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit, nicht gleichwertig neben der Ausübung, sodass trotz Verwertung im Ausland keine ausländische Einkünfte vorliegen, wenn die Tätigkeit im Inland ausgeübt wird.2 Bei der Ausübung kommt es auf die physische Anwesenheit des Arbeitnehmers im Ausland an.
2.366 Problematisch kann die Zuordnung sowohl der Einnahmen als auch der Werbungskosten sein, wenn die Tätigkeit teils im Inland und teils im Ausland ausgeübt wird. Hierbei können die im Auslandstätigkeitserlass (Rz. 2.347 ff.) enthaltenen Grundsätze herangezogen werden. Auf den Ort der Auszahlung des Arbeitslohns kommt es in keinem Fall an, ebenso wenig auf den Zeitpunkt der Auszahlung.3
2.367 – Sonstige ausländische Einkünfte gem. § 34d Nr. 6–8 EStG gelten weiter als ausländische Einkünfte: – Nr. 6: Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG),4 wenn der Schuldner Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz in einem ausländischen Staat hat oder das Kapitalvermögen durch ausländischen Grundbesitz gesichert ist; nach BFH-Urt. v. 16.3.19945 können bei der Ermittlung ausländischer Einkünfte aus Kapitalvermögen Wertverluste von Darlehensforderungen und Beteiligungen nicht berücksichtigt werden;6 – Nr. 7: Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG),7 soweit das unbewegliche Vermögen oder die Sachinbegriffe in einem ausländischen Staat belegen oder die Rechte zur Nutzung in einem ausländischen Staat überlassen worden sind; bei der Überlassung von Rechten kommt es auf die Nutzung im Ausland an. Know-how ist einer zeitlich begrenzten Überlassung und Nutzung nicht zu-
1 Gosch in Kirchhof11, § 34d EStG Rz. 13. 2 Kritisch hierzu Wagner in Blümich, § 34d EStG Rz. 45 mit Hinweis auf die Einengung des Verwertungsbegriffs durch die Rspr., Blümich § 49 Rz. 106. 3 BFH v. 2.2.1982 – VIII R 3/79, BStBl. II 1982, 459. 4 Gosch in Kirchhof11, § 34d EStG Rz. 14; Peter/Spohn in H/H/R, § 34d EStG Rz. 86 ff. 5 BFH v. 16.3.1994 – I R 42/93, BStBl. II 1994, 799. 6 Hierzu vgl. Gosch in Kirchhof11, § 34d EStG Rz. 14. 7 Gosch in Kirchhof11, § 34d EStG Rz. 15; Peter/Spohn in H/H/R, § 34d EStG Rz. 94 ff.
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D. Unilaterale Beseitigung
gänglich1 und fällt deshalb nicht unter Nr. 6, möglicherweise aber unter Nr. 8 Buchst. c. Überhaupt setzt die Überlassung eine zeitliche Begrenzung voraus, d.h., die endgültige Überlassung – die Veräußerung – fällt nicht unter Nr. 7;2 – Nr. 8: Sonstige Einkünfte i.S.d. § 22 EStG,3 – wenn der zur Leistung der wiederkehrenden Bezüge Verpflichtete Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz in einem ausländischen Staat hat; – bei Spekulationsgeschäften die veräußerten Wirtschaftsgüter in einem ausländischen belegen sind, d.h. sich dort befinden; bei Forderungen kommt es für die Belegenheit auf den Wohnsitz des Schuldners an; – bei Einkünften aus Leistungen einschließlich der Einkünfte aus Leistungen i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG, wenn der zur Vergütung der Leistung Verpflichtete Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz in einem ausländischen Staat hat. Für die Besteuerung im Rahmen der Gesamteinkünfte spielt die genaue Abgrenzung der ausländischen von den inländischen Einkünften keine entscheidende Rolle. Auch ist es nicht von Bedeutung, ob Kosten inländischen oder ausländischen Einkünften zugeordnet werden. Der Gesamtbetrag der Einkünfte wird dadurch nicht verändert. Im Rahmen der Berechnung des Anrechnungshöchstbetrages ist es jedoch entscheidend, ob die Kosten den in- oder ausländischen Einnahmen zuzuordnen sind. Beispiel: A hat ausländische Einnahmen von 100 und inländische von 140. Kosten hat er von 40. Die Gesamteinkünfte betragen 200. Bei Zuordnung der Kosten nur zu den inländischen Einnahmen entfällt die Hälfte der deutschen Steuer auf die ausländischen Einkünfte. Werden die Kosten dem Ausland zugeordnet, so entfallen nur 3/10 (60/200) der Steuer auf die ausländischen Einkünfte.
Die Zurechnung von Betriebsausgaben und Werbungskosten zur ausländischen Einkunftsquelle setzt einen wirtschaftlichen Veranlassungszusammenhang4 mit den Einnahmen voraus. Das lediglich steuerbefreite Einkünfte betreffende Abzugsverbot des § 3c EStG mit dem Erfordernis des unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs ist hier nicht anwendbar.5 1 BFH v. 4.3.1970 – I R 140/66, BStBl. II 1970, 428; v. 4.3.1970 – I R 86/69, BStBl. II 1970, 567. 2 BFH v. 20.2.1974 – I R 217/71, BStBl. II 1974, 511. 3 Peter/Spohn in H/H/R, § 34d EStG Rz. 86 ff. 4 BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; v. 16.3.1994 – I R 42/93, BStBl. III 1994, 799; v. 9.4.1997 – I R 178/94, BStBl. II 1997, 657; v. 29.3.2000 – I R 15/99, BStBl. II 2000, 577. 5 Vgl. BFH v. 28.4.1983 – IV R 122/79, BStBl. II 1983, 566; v. 29.1.1986 – I R 22/85, BStBl. II 1986, 479; v. 16.3.1994 – I R 42/93, BStBl. II 1994, 799; Gosch in Kirchhof11, § 34d EStG Rz. 5.
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2.368
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
2.369 Mit dem StVergAbG1 hat der Gesetzgeber für betriebliche Einkünfte die Zuordnung von Ausgaben zu ausländischen Einnahmen angeordnet, wenn lediglich ein „wirtschaftlicher Zusammenhang“ zwischen ihnen besteht (Rz. 2.299). Abgesehen von verfassungsrechtlichen Bedenken2 bereitet die praktische Anwendung erhebliche Probleme. Müller-Dott meint, der Gesetzgeber habe durch einen „kühnen Griff in die Begriffskiste ein Chaos“ angerichtet. Offenbar sollen nunmehr auch solche Ausgaben den ausländischen Einnahmen zugeordnet werden, die nur indirekt mit diesen zusammenhängen. Dies sind solche Kosten, die sich im Betrieb nicht eindeutig zuordnen lassen, da sie dem Betrieb insgesamt dienen. Um sie sachgerecht ausländischen Einnahmen zuordnen zu können, bedarf es jedoch klarer Aufteilungsmaßstäbe, die nicht erkennbar sind. Im Einzelnen kann vermutlich von der Zuordnung folgender Kosten ausgegangen werden (vgl. auch Rz. 4.25 ff.): – Verwaltungskosten, sofern eine Beziehung besteht, z.B. Finanzabteilung bei Zinsbezug, Patentabteilung bei Lizenzen, – Refinanzierungskosten bei Investition, sofern nicht bereits direkt zuordenbar, – Teilwertabschreibungen auf Auslandsbeteiligungen und Investitionen.
2.370 Sind ausländische Einkünfte anzunehmen, so ist die volle hierauf im Ausland erhobene Steuer anzurechnen, und zwar auch dann, wenn sich die ausländische Bemessungsgrundlage von der deutschen unterscheidet. Die Begrenzung erfolgt hier gegebenenfalls durch den Ansatz der niedrigeren, nach deutschem Steuerrecht ermittelten Bemessungsgrundlage in dem Zähler des Bruchs, mit dem der Anrechnungshöchstbetrag ermittelt wird.
2.371 Die Umrechnung der ausländischen Einkünfte erfolgt wie die der ausländischen Steuern nach dem Kurs, der für den Tag ihres steuerlichen Zuflusses als amtlich festgesetzter Devisenkurs im (elektronischen) Bundesanzeiger veröffentlicht worden ist.3
2.372 Das Ergebnis einer ausländischen Betriebstätte oder eines ausländischen Betriebes kann gem. § 146 Abs. 2 AO zunächst nach ausländischem Recht und in ausländischer Währung ermittelt werden. Die Anpassungen an das deutsche Steuerrecht und die Umrechnung in deutsche Währung erfolgen dann zum Bilanzstichtag zum Stichtagskurs. Währungsgewinne oder -verluste im wirtschaftlichen Zusammenhang mit ausländischen Einkünften sind diesen zuzuordnen.4
1 StVergAbG v. 16.3.2003, BGBl. I 2003, 660. 2 Müller-Dott, DB 2003, 1468 (1469). 3 Zum Umrechnungsverfahren siehe BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57. 4 Wied in Blümich, § 50 EStG Rz. 75; R 34c EStR 2008.
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D. Unilaterale Beseitigung
9. Vermeidung der Doppelbesteuerung bei beschränkt Steuerpflichtigen (§ 50 Abs. 3 EStG) a) Anrechnung und Abzug Gemäß § 50 Abs. 3 EStG sind § 34c Abs. 1–3 EStG bei Einkünften aus 2.373 Land- und Fortwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit, für die im Inland ein Betrieb unterhalten wird, entsprechend anzuwenden, soweit darin nicht Einkünfte aus einem ausländischen Staat enthalten sind, mit denen der beschränkt Steuerpflichtige dort in einem der unbeschränkten Steuerpflicht ähnlichen Umfang zu einer Steuer vom Einkommen herangezogen wird: In diesem Falle muss der ausländische Staat die Doppelbesteuerung vermeiden. Dies folgt aus der generellen Verantwortung des Ansässigkeitsstaats, die Besteuerung des Welteinkommens auf der Basis der individuellen Leistungsfähigkeit sicherzustellen. Der Quellenstat besteuert nur die in seinem Gebiet erwirtschafteten Erträge (Territorialprinzip). Dabei bestimmt er autonom, welche Einkünfte aus seinem Gebiet stammen. Vor allem bei Betriebsstätten ist es denkbar, dass zu den Einkünften der Betriebsstätte auch Einkünfte aus einem Staat gehören. Dabei handelt es sich vor allem um Einkünfte aus Kapitalvermögen: Beispiel: A unterhält im Staat X eine Betriebsstätte, zu deren Vermögen funktional die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft Y-Corp. im Staate Y gehört. Y schüttet eine Dividende aus, auf die Y einen Steuerabzug an der Quelle von 25 % vornimmt. X besteuert die Dividenden als Einnahmen der Betriebsstätte.
Dies ist die Situation, die § 50 Abs. 3 EStG im Auge hat, wobei Deutschland der Staat X und A nicht in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist. Gelöst wird die drohende Doppelbesteuerung dadurch, dass Deutschland die Quellensteuer, die Y erhebt, bei der Besteuerung der Betriebsstätte anrechnet. Dadurch allerdings verringert sich die deutsche Steuer, sodass bei Anwendung der Anrechnungsmethode im Ansässigkeitsstaat von A ein geringeres Anrechnungsvolumen besteht. Beispiel: A ist in einem Staat ansässig, mit dem Deutschland kein DBA abgeschlossen hat, unterhält in Deutschland eine Betriebsstätte, zu deren Vermögen eine Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft gehört. Deren Dividende von 100 wird in ihrem Staat mit einer Quellensteuer von 25 belastet. Deutschland besteuert die Dividende als Einkunft von 100 als Betriebsstätteneinkünfte – angenommen zur Vereinfachung und Verdeutlichung – mit einer Steuer von 25, rechnet aber die Quellensteuer an, sodass keine deutsche Steuer erhoben wird. A wird in seinem Heimatstaat ebenfalls bei Einkünften von 100 mit einer Steuer von 25 belegt, die aber mangels einer deutschen Steuer, die anrechenbar wäre, ungeschmälert erhoben wird.1 1 Auch aus deutscher Sicht würde das Problem nicht gelöst, wenn A im Inland ansässig wäre und die Betriebsstätte in einem Staat läge, mit dem kein DBA besteht. Nach § 34d Nr. 2 Buchst. a EStG würden die Dividenden zu den Betriebs-
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
Der Ausschluss der Anrechnung von Quellensteuern, wenn die inländische Betriebsstätte eines Ausländers aus seinem Ansässigkeitsstaat Einnahmen erzielt, die mit einer Quellensteuer belegt ist, scheint auf den ersten Blick unberechtigt. Das Gesetz1 geht aber zutreffend davon aus, das der Ansässigkeitsstaat die deutsche Steuer anrechnen wird.
2.374 Das Gesetz spricht wie in § 50 Abs. 2 Nr. 1 EStG von einem inländischen Betrieb. Dies ist ein eher ungewöhnlicher Begriff.2 Betriebsstätten i.S.d. § 12 AO wie auch Beteiligungen beschränkt Steuerpflichtiger an inländischen Personengesellschaften (15 Abs. 1 Nr. 2 EStG) fallen hierunter. Dies ist eindeutig. Sprachlich problematisch erscheint es, ob durch die Bestellung eines ständigen Vertreters ein Betrieb unterhalten wird. Der BFH hat sich der in der Literatur vertretenen, dies bejahenden Ansicht3 angeschlossen.4 Ein ständiger Vertreter kann, muss aber nicht eine Betriebsstätte im Inland unterhalten. Da das Gesetz von einem inländischen Betrieb spricht und nach allgemeiner Ansicht5 reine Darbietungen oder Ausführungen im Inland nicht darunterfallen, fällt es schwer, sich vorzustellen, wie ein ständiger Vertreter ohne irgendeine Art von Betriebsstätte, z.B. Geschäftsleitung, dem Geschäftsherrn einen „Betrieb“ im Inland vermitteln soll. Die allgemein vorgenommene Ausdehnung des Begriffs lässt damit rechtfertigen, dass ein inländischer Betrieb die Abgeltungswirkung (§ 50 Abs. 2 EStG) ausschließt. Werden dem ständigen Vertreter ausländische Einkünfte zugeordnet, die zu inländischen Einkünften des beschränkt Steuerpflichten werden, so ist es folgerichtig, die auf diesen Einkünften lastenden ausländischen Steuern anzurechnen. Eine solche Situation dürfte nur sehr ausnahmsweise der Fall sein. Denkbar ist, dass eine im Ausland ansässige Person für ein Unternehmen in einem ausländischen Staat im Inland als ständiger Vertreter tätig ist und gelegentlich das Unternehmen in einem Drittstaat vertritt, ohne dort zum ständigen Vertreter zu werden. Der Drittstaat allerdings müsste dann diese Einkünfte besteuern.
2.375 Eine Steueranrechnung wird bzgl. der ausländischen Einkünfte gewährt, die im Inland der Steuer unterliegen und die in dem ausländischen Staat tatsächlich besteuert werden, in dem der betreffende Steuerpflichtige nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist. Dies sind demnach die Fälle, in denen der ausländische Staat die auf seinem Gebiet erzielten Einkünfte
1 2 3 4 5
stätteneinkünften gehören, die aus dem Betriebsstättenstaat stammen. Dort wird aber keine Steuer erhoben. Allenfalls könnte man daran denken, in der Anrechnung der Steuer aus dem Drittstaat auch eine Zahlung der Steuer im Betriebsstättenstaat zu sehen. BT-Drucks. 8/3648. Herkenroth/Striegel in H/H/R, § 50 EStG Rz. 324: „betriebswirtschaftlich-materieller Begriff“. Herkenroth/Striegel in H/H/R, § 50 EStG Rz. 451; Loschelder in Schmidt31, § 50 EStG Rz. 28; so auch jetzt Kube in K/S/M, § 50 EStG Rz. F6. BFH v. 23.10.1991 – I R 86/89, BStBl. II 1992, 185. Siehe nur Loschelder in Schmidt31, § 50 EStG Rz. 28.
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besteuert. Sollte es sich dabei um eine Betriebsstätte handeln, die ihrerseits Auslandseinkünfte erzielt, die im Betriebsstättenstaat besteuert werden, so kann die darauf ruhende Steuer nur angerechnet werden, wenn nach deutschen Vorstellungen die Einkünfte aus dem Betriebsstättenstaat stammen. Im Übrigen ist § 50 Abs. 3 EStG auch bei Bestehen eines DBA anwendbar,1 es sei denn, dass bereits durch ein DBA zwischen dem Wohnsitzstaat des Steuerpflichtigen und dem (dritten) Quellenstaat, aus dem die betreffenden Einkünfte stammen, die Doppelbesteuerung gemildert wird oder dass die inländische Personengesellschaft als Person i.S.d. Abkommens gilt oder die Gesellschaft als im Sitzstaat der Personengesellschaft ansässig gilt, sodass der Abkommensschutz sich auf die Gesellschaft bzw. auf alle Gesellschafter erstreckt.
2.376
b) Pauschalierung und Erlass Nach § 50 Abs. 4 EStG kann die Einkommensteuer bei beschränkt Steuerpflichtigen auch ganz oder zum Teil erlassen oder in einem Pauschalbetrag festgesetzt werden, wenn dies aus volkswirtschaftlichen Gründen zweckmäßig ist oder eine gesonderte Berechnung der Einkünfte besonders schwierig ist.2 Ein Beispielsfall der Anwendung ist die Steuerfreiheit ausländischer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Inland.
2.377
V. Beseitigung der Doppelbesteuerung bei der Körperschaftsteuer 1. Rechtsgrundlagen Die speziellen Rechtsgrundlagen der unilateralen Beseitigung der Doppelbesteuerung bei der Körperschaftsteuer finden sich im § 26 KStG. Dessen Abs. 1 ordnet die Anrechnungsmethode in den gleichen Worten wie § 34c Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 EStG an. Entscheidend ist dann Abs. 6 Satz 1 der die entsprechend anwendbaren „Teile“ von § 34c EStG aufführt. Diese sind: § 34c Abs. 1 Satz 2–5 EStG (Anrechnungsverfahren) sowie § 34c Abs. 2–7 EStG und zudem § 50 Abs. 33 EStG. § 26 Abs. 6 Satz 2 und 3 KStG passen die anzuwendenden Vorschriften des § 34c EStG an Besonderheiten des Körperschaftsteuerrechts an. Über die Verweisung sind auch §§ 68a und 68b EStDV anwendbar. Mit der Einführung des Halbeinkünfteverfahrens4 wurde der Bezug von ausländischen Dividenden durch inländische Körperschaften außer Ansatz (§ 8b Abs. 1 KStG) gestellt, von der 5 %-Regelung in § 8b Abs. 5 KStG abgesehen. Dadurch wurden alle
1 H.M., vgl. Kube in K/S/M, § 50 EStG Rz. F3. 2 Früher Abs. 7, vgl. näher Herkenroth/Striegel in H/H/R, § 50 EStG Rz. 470 ff. 3 Im Gesetz noch § 50 Abs. 6 EStG, die Änderung im EStG 2009 ist noch nicht nachvollzogen, so auch Buciek in Blümich, § 26 KStG Rz. 18. 4 StEntlG 1999/2000/2002, BGBl. I 1999, 402.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
Normen überflüssig, die sich mit Schachtelbeteiligungen und mit der indirekten Anrechnung befassen (§ 26 Abs. 2–5 KStG a.F.).
2.379 Nachdem das StVergAbG1 § 26 KStG an die Änderungen in § 34c EStG (Rz. 2.269) angepasst hatte, hat der Gesetzgeber § 26 Abs. 6 KStG weiter ergänzt. Zunächst2 wurden die Sätze 4–8 angefügt, um die Vorschrift an die EU-RL zur Besteuerung von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen3 anzupassen. Satz 9 wurde 20064 angefügt, um die Anrechnung auf Art. 15 Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz abzustimmen. Mit dem JStG 20075 erfolgten erneuteÄnderungen und Ergänzungen. Diese betreffen die Anpassung an § 34c EStG, sodass es auch bei der Körperschaftsteuer auf entstandene Ermäßigungsansprüche ankommt (Rz. 2.309). Im Übrigen wurde Abs. 6 durch verschiedene Regelungen ergänzt.6 2. Übersicht über die Methoden des § 26 KStG
2.380 Absatz 1 enthält die dem § 34c Abs. 1 EStG entsprechende Regelung über die Anrechnung der Steuern, die im Ausland direkt auf eigene Gewinne der Körperschaft erhoben werden; die in der Bundesrepublik ebenfalls der Besteuerung unterliegen. Absätze 2–5 sind weggefallen (Rz. 2.378). Absatz 6 ist inzwischen unübersichtlich geworden. Zunächst enthält er die Verweisungen auf § 34c EStG und § 50 EStG. Insgesamt werden dadurch weitgehend die gleichen Normen angewendet wie bei der Einkommensteuer, einschließlich des Abzugs ausländischer Steuern sowie der Pauschalierung ausländischer Erträge (zum Pauschalierungserlass siehe Rz. 2.381). Auch die Anwendung der nationalen Regeln über die Anrechnungsmethode (§ 34c Abs. 1 EStG) im Rahmen bestehender DBA wird klargestellt. Außerdem regeln die Sätze 4–10 die Einzelheiten, die sich für die Anrechnung aus der Zins- und Lizenzrichtlinie der EU ergeben.7
2.381 Das Anrechnungsverfahren gem. § 26 KStG folgt somit den Regeln des § 34c EStG, sodass generell auf diese verwiesen wird. Gleichwohl ergeben sich eine Reihe von Sonderaspekten, die vor allem durch die Senkung des Körperschaftsteuersatzes auf 15 % durch das UntStRefG 20088 entstehen. Da ausländische Quellensteuern i.d.R. einen gleichen oder höheren Steuersatz haben, wirkt sich die Senkung der Körperschaftsteuer nicht bei ausländischen Einkünften aus. Bei höheren Steuersätzen im Ausland wirkt sich dies als Begünstigung von Inlandsinvestitionen aus und führt bei den ausländischen Einkünften zu Anrechnungsüberhängen. Umso größere 1 2 3 4 5 6 7 8
StVergAbG v. 16.5.2003, BGBl. I 2003, 660. EG-Amtshilfe-AnpassugnsG v. 2.12.2004, BGBl. I 2004, 3112. ABl. EU 2003 L 157, 49. StÄndG 2007 v. 19.7.2006, BGBl. I 2006, 1652. JStG 2007 v. 13.12.2006, BGBl. I 2006, 2878. Zusammenstellung bei Buciek in Blümich, § 26 KStG Rz. 12. Hierfür wird auf Buciek in Blümich, § 26 KStG Rz. 140 ff. verwiesen. UntStRefG 2008 v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912.
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Bedeutung kommt dann der Abzugsmöglichkeit zu.1 Bei ausländischen Dividenden und Veräußerungsgewinnen, soweit sie im Inland besteuert werden, sieht § 8b Abs. 1 und 2 KStG die Steuerfreiheit im Inland vor. Mangels inländischer Steuer kann es auch nicht zur Anrechnung kommen. Es wäre folgerichtig, dann wenigstens die ausländischen Quellensteuern insoweit zur Anrechnung heranzuziehen, als aufgrund der Schachtelstrafe gem. § 8 Abs. 2 und 5 KStG deutsche Körperschaftsteuer entsteht. Dies wird jedoch abgelehnt (vgl. Rz. 2.384). Da der Pauschalierungserlass (Rz. 2.335) einen Steuersatz von 25 v.H. vorsieht, war er mit der Senkung des Körperschaftssteuersatzes auf zunächst 25 v.H. und dann 15 v.H. überholt. Er ist daher nicht mehr auf die Körperschaftsteuer anwendbar.2 3. Verhältnis des § 26 KStG zu den Doppelbesteuerungsabkommen § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG verweist auf § 34c Abs. 6 Satz 1 EStG. Damit sind die Steueranrechnung und der Steuerabzug bei Bestehen eines DBA, das sich auf die Körperschaftsteuer bezieht, nicht anwendbar. Es versteht sich, dass dies auch dann gilt, wenn ein Abzug oder eine Anrechnung zu einem günstigeren Ergebnis für die steuerpflichtige Körperschaft führen würde.3
2.382
Sieht das DBA dagegen Anrechnung vor, so richtet sich diese gem. § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG nach den in § 34c Abs. 1 Satz 2–5 EStG enthaltenen Regeln, es sei denn, das DBA enthielte eigene Anrechnungsregeln. Sieht das DBA für verschiedene Einkunftsarten je nachdem Freistellung oder Anrechnung vor, so ist selbstverständlich, dass die Anrechnung auf diejenigen Einkunftsquellen begrenzt ist, für die die Anrechnung vorgeschrieben ist. Nur für diese, nicht für die anderen – durch DBA freigestellten – Einkünfte ist die Höchstbetragsberechnung durchzuführen.4 Handelt es sich dabei um mehrere Einkünfte, so werden sie zusammengefasst und der Höchstbetrag nicht einzeln für jede Einkunftsquelle ermittelt.5
2.383
Die meisten deutschen DBA enthalten das sog. Schachtelprivileg,6 wonach bei gewissen Mindestbeteiligungen – meist 25 v.H. – Dividenden, die von einer im Inland ansässigen Kapitalgesellschaften von einer ausländischen Kapitalgesellschaft bezogenen werden, im Inland von der Körperschaftsteuer befreit sind. Dies wirkt als objektive Steuerbefreiung (Rz. 2.466). Eine Anrechnung oder ein Abzug ausländischer Steuern auf die Dividende, sofern dies ausnahmsweise zulässig sein sollte, scheidet daher aus.7 Zugleich ordnet § 8b Abs. 1 KStG an, dass Dividenden und
2.384
1 Speziell für § 26 KStG Roser in Gosch2, § 26 KStG Rz. 136 ff.; Siegers in D/J/P/W, § 26 KStG Rz. 273. 2 BMF v. 24.11.2003 – IV B 4 - S 2293 - 46/03, BStBl. I 2003, 747. 3 Buciek in Blümich, § 26 KStG Rz. 120, 122. 4 Buciek in Blümich, § 26 KStG Rz. 121. 5 Vgl. BFH v. 20.12.1995 – I R 57/94, BStBl. II 1996, 261. 6 Vgl. Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 52 ff. 7 Buciek in Blümich, § 26 KStG Rz. 121.
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vergleichbare Gewinnausschüttungen, die eine Körperschaft bezieht, bei ihr „außer Ansatz“ bleiben. Dies betrifft zunächst die Gewinnausschüttungen, die etwa wegen Nichterreichens der Beteiligungsquote nicht vom DBA-Schachtelprivileg umfasst sind. Dann betrifft es auch die DBASchachteldividenden, die dadurch bereits nach nationalem Steuerrecht steuerfrei sind. Das DBA geht insofern ins Leere.1 § 8b Abs. 5 KStG führt jedoch über den „Trick“ des pauschalierten Betriebsausgabenabzugsverbots zu einer effektiven Belastung mit Körperschaftsteuer mit einem Satz von 0,75 v.H. Dass dies mit der MTR, die außerdem noch eingreift, vereinbar ist, ist nicht zweifelhaft.2 Bedenken3 bestehen jedoch, ob diese Besteuerung mit den DBA vereinbar ist, denn sie führt zu einer nicht hinwegzudiskutierenden, wenn auch geringen, Körperschaftsteuer. Dass die Steuer nicht unmittelbar auf das Einkommen, sondern auf einen fingierten Nichtabzug von Kosten erhoben wird, macht keinen Unterschied.4 § 8b Abs. 5 KStG erklärt nur, dass 5 v.H. der außer Ansatz bleibenden Bezüge als nichtabziehbare Betriebsausgaben gelten. Dadurch wird aber noch keine Basis für die Steuererhebung gelegt. Erst die Nichtabziehbarkeit begründet dann gem. § 8 KStG ein Einkommen, welches gem. § 7 KStG als Bemessungsgrundlage dient.
2.385 § 34c Abs. 2 und 3 EStG (Abzug statt Anrechnung und nicht der Körperschaftsteuer entsprechende Steuer bzw. nicht aus dem Staat stammende Einkünfte) gilt auch bei Bestehen eines DBA entsprechend für die Körperschaftsteuer.5
2.386 § 34c Abs. 5 EStG (Erlass, Teilerlass und Pauschalierung) sind gem. § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG in jedem Falle, auch bei Bestehen eines DBA, anwendbar. Der Auslandstätigkeitserlass (Rz. 2.335 ff.) betrifft aber nur Arbeitnehmer und ist daher auf Körperschaften nicht anwendbar. Zum Fortbestand des Pauschalierungserlasses siehe Rz. 2.381. Da neben dem Pauschalierungserlass die pauschale Festsetzung der Steuer möglich ist (Rz. 2.340), der Erlass für die Körperschaftssteuer nicht mehr gilt, ist für eine pauschale Steuerfestsetzung im Einzelfall bei der Körperschaftsteuer Raum.6
2.387 Weiter ist über § 26 Abs. 1 Satz 1 KStG auch die Vorschrift des § 34c Abs. 6 Satz 3 EStG anwendbar, der Anrechnung und Abzug auch bei Bestehen eines DBA erlaubt, wenn dies die Doppelbesteuerung nicht beseitigt oder sich nicht auf eine Einkommensteuer des betreffenden Staates (sondern einer Untereinheit wie z.B. eines Bundesstaates, eines Kantons oder einer Provinz) bezieht. 1 Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 88. 2 Rengers in Blümich, § 8b KStG Rz. 162, 167; Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 94. 3 Siehe auch Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 110. 4 A.A. Buciek in Blümich, § 26 KStG Rz. 92d. 5 Buciek in Blümich, § 26 KStG Rz. 133. 6 Ebenso Buciek in Blümich, § 26 KStG Rz. 139.
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4. Direkte Steueranrechnung gemäß § 26 Abs. 1 KStG Anrechnungsberechtigt sind gem. Abs. 1 unbeschränkt Steuerpflichtige, d.h. die in § 1 Abs. 1 Nr. 1–6 und § 3 Abs. 1 KStG aufgeführten Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland. Die doppelte unbeschränkte Steuerpflicht in zwei Staaten infolge Auseinanderfallens von Sitz und tatsächlichem Ort der Geschäftsleitung hat keine negative Auswirkung auf das Recht zur Steueranrechnung.1
2.388
Über § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG i.V.m. § 50 Abs. 3 EStG kommen seit dem Veranlagungszeitraum 1980 auch beschränkt steuerpflichtige Körperschaften im Rahmen der letztgenannten Vorschrift in den Genuss einer Steueranrechnung (siehe hierzu Rz. 2.373 ff. und R 74 Abs. 4 KStR 2004: Die betreffenden ausländischen Einkünfte müssen einem inländischen „Betrieb“ zuzurechnen sein, d.h., es muss eine Betriebstätte zumindest in der Form eines „ständigen Vertreters“ vorhanden sein.
2.389
Die ausländischen Einkünfte dürfen jedoch nicht aus einem Staat stammen, in dem sie „in einem der unbeschränkten Steuerpflicht ähnlichen Umfang zu einer Steuer vom Einkommen herangezogen werden“, was der Fall ist, wenn der ausländische Staat das Welteinkommensprinzip anwendet und hierbei an die Geschäftsleitung oder den Sitz oder ein entsprechendes Merkmal anknüpft.2 Zu einer solchen Situation kommt es bei doppelt ansässigen Gesellschaften, die in zwei Staaten unbeschränkt steuerpflichtig sind.
2.390
Bei Körperschaften, die Gesellschafter von Personengesellschaften mit ausländischen Einkünften sind, erfolgt wie bei natürlichen Personen die Anrechnung auf der Ebene des Gesellschafters.3
2.391
Bei Organschaftsverhältnissen mit Ergebnisabführungsvertrag gilt Folgendes: Da das Einkommen der Organgesellschaft dem Organträger zuzurechnen ist, erfolgt auch die Steueranrechnung auf der Ebene des Organträgers (§ 19 Abs. 1 KStG).4 Ist dies eine beschränkt steuerpflichtige Körperschaft, die die Organgesellschaft in einer inländischen Betriebsstätte hält, so erfolgt die Anrechnung gem. § 19 Abs. 4 KStG auf der Ebene der Betriebsstätte.5 Die gegenteilige Ansicht6 leitet daraus, dass § 26 Abs. 1 KStG nur für unbeschränkt Steuerpflichtige gilt, ab, dass Regeln, die nur für unbeschränkt Steuerpflichtige gelten, auch nur an unbeschränkt steuerpflichtige Organträger weitergegeben werden können. Da
2.392
1 2 3 4
Ebenso Buciek in Blümich, § 26 KStG Rz. 17. Vgl. Krabbe, BB 1980, 1146. Ebenso Buciek in Blümich, § 26 KStG Rz. 20. BFH v. 31.5.2005 – I R 83/02, BFH/NV 2005, 1462; Wilke in Mössner/Seeger, § 26 KStG Rz. 28. 5 Voß in H/H/R, § 19 KStG Rz. 53. 6 Müller in Mössner/Seeger, § 19 KStG Rz. 40; Erle/Heurung in Erle/Sauter3, § 19 KStG Rz. 20; Neumann in Gosch2, § 19 KStG Rz. 22.
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§ 26 Abs. 1 KStG jedoch auch auf § 50 Abs. 3 EStG verweist, ist der beschränkt Steuerpflichtige unter den weiteren Voraussetzungen der Norm zur Anrechnung berechtigt. Dies muss auch für das Einkommen gelten, das der Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens zugerechnet wird.
2.393 Ist Organträger eine Personengesellschaft, so ist das Anrechnungsverfahren auf der Ebene der Gesellschafter durchzuführen, wobei – wie auch sonst bei Personengesellschaften – die ausländische Steuer zwischen den Gesellschaftern aufzuteilen ist (§ 19 Abs. 3 Satz 1 f. KStG).
2.394 Auch hier setzt die Anwendung der Maßnahme zur Beseitigung oder Milderung der Doppelbesteuerung die sich aus dem Begriff derselben ergebende Identität des Steuerpflichtigen voraus. Diese Identität ist zwischen einer ausländischen, Dividenden ausschüttenden und der inländischen, Dividenden empfangenen Körperschaft nur insoweit gegeben, als im Rahmen der direkten Anrechnung die auf die Dividende erhobene Kapitalertrag-(Quellen-)Steuer berücksichtigt wird, nicht aber bzgl. der auf den Gewinn der ausländischen ausschüttenden Gesellschaft erhobenen Steuern.
2.395 Die Hinzurechnung von Einkünften einer ausländischen Basisgesellschaft zu den Einkünften des inländischen Gesellschafters führt nicht zur Subjektidentität, sodass die von der Basisgesellschaft im Sitzstaat erhobenen Steuern nicht anrechenbar sind.1
2.396 Bei unterschiedlicher Qualifikation ausländischer Rechtsgebilde treten Probleme auf, deren Lösung auch hier auf der einheitlichen Qualifikation nach deutschen Kriterien beruht, in den Einzelheiten aber umstritten ist.2
2.397 Die ausländische Steuer muss der deutschen Körperschaftsteuer entsprechen und auf ausländische Einkünfte i.S.d. abschließenden Aufzählung des § 34d EStG (siehe hierzu Rz. 2.357 ff.) erhoben worden sein, die zugleich im Inland besteuert wurden: „Identität“ des Abgabegegenstandes. Bei Fehlen dieser Identität, weil z.B. die ausländischen Einkünfte in einem der beiden Staaten nicht steuerbar oder steuerbefreit sind, erfolgt keine Anrechnung, da keine doppelte Besteuerung vorliegt.
2.398 Anders ist es dagegen, wenn das deutsche und das ausländische Steuerrecht infolge unterschiedlicher Gewinnermittlungsvorschriften zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Erzielt z.B. eine deutsche Körperschaft aus zwei verschiedenen ausländischen Quellen Einkünfte, die nach ausländischem Recht positiv sind, von denen aber nach deutschem 1 BFH v. 24.2.1976 – VIII R 155/71, BStBl. II 1977, 265; vgl. Wilke in Mössner/Seeger, § 26 KStG Rz. 29. 2 Siehe hierzu Rz. 1.171 ff.; Krabbe, RIW 1976, 135; Debatin, DB 1977, Beilage 13, 2; Buciek in Blümich, § 26 KStG Rz. 25.
326
Mössner
D. Unilaterale Beseitigung
Recht eine ein negatives Ergebnis aufweist, so ist auf die deutsche Körperschaftsteuer die ausländische Körperschaftsteuer anrechenbar, die auf beide ausländischen Einkunftsquellen entfällt. Dies folgt daraus, dass alle Einkünfte aus einem ausländischen Staat, auch aus verschiedenen Quellen, zusammenzurechnen sind.1 Zur Vergleichbarkeit der Steuern sowie zum Katalog der ausländischen Einkünfte gelten die unter Rz. 2.285 zur Einkommensteuer gemachten Ausführungen. Obwohl Körperschaften nach § 8 Abs. 2 KStG stets nur gewerbliche Einkünfte haben, ist wegen der Notwendigkeit der Feststellung der Identität des Abgabengegenstandes eine Aufteilung der ausländischen Einkünfte auf die in § 34d EStG aufgeführten Einkunftskategorien vorzunehmen. Dies erfolgt unter Anwendung der isolierenden Betrachtungsweise, die allein auf den (hier) im Ausland gegebenen Sachverhalt abstellt und nicht auf die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen, die im Inland gegeben sind (z.B. Existenz eines Gewerbebetriebs und daraus folgende Zurechnung zu den gewerblichen Einkünften).2
2.399
Das Verzeichnis in Anhang 12 II EStH 2011 enthält auch – nicht abschließend – die der deutschen Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer entsprechenden ausländischen Steuern von Nicht-DBA-Staaten. Im Übrigen gelten die zur Einkommensteuer gemachten Anmerkungen (Rz. 2.285 ff.) bzgl. der Festsetzung, Zahlung, späteren Ermäßigung und Umrechnung der ausländischen Steuer entsprechend.
2.400
Die Anrechnung, die wie bei der Einkommensteuer im Abzug der ausländischen Steuer von der deutschen Steuer besteht, erfolgt gem. § 68a EStDV pro ausländischen Staat („per country limitation“).
2.401
Beispiel: Die unbeschränkt steuerpflichtige A-GmbH erzielt im WJ 01 – inländische Einkünfte i.H.v. 100 000 Euro, – ausländische Einkünfte – Land A – i.H.v. 40 000 Euro, – ausländische Einkünfte – Land B – i.H.v. 30 000 Euro. Die deutsche Körperschaftsteuer beträgt 15 % von 170 000 Euro = 25 500 Euro. Die Steuer im Land A beträgt 4000 Euro, die im Land B 10 000 Euro. Bei der Anrechnung sind die Einkünfte und die Steuern der Länder A und B gesondert zu behandeln, d.h., es dürfen nicht jeweils ausländische Einkünfte und ausländische Steuern zusammengerechnet werden: Bezüglich des Landes B entsteht deshalb ein Überschuss an ausländischer Steuer von 10 000 Euro – (30 000 Euro × 15 %) 4500 Euro = 5500 Euro, der nicht in die Anrechnung auf die Körperschaftsteuer auf die Einkünfte aus dem Land A angerechnet werden darf. Anrechnung für A = (40 000 × 15 %) 6000 Euro – 4000 Euro = 2000 Euro „Guthaben“. Auf die deutsche Steuer von 25 500 sind daher nur 8500 anzurechnen. 1 Vgl. Beckermann/Jarosch, FR 1984, 113; Wassermeyer/Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 79; Buciek in Blümich, § 26 KStG Rz. 58. 2 Vgl. Wassermeyer/Lüdicke in F/W/B/S, § 34d EStG Rz. 14.
Mössner
327
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
2.402 Die Anrechnung ist im Übrigen wie bei § 34c EStG einerseits auf den festgesetzten, gezahlten und keinem Ermäßigungsanspruch1 mehr unterliegenden ausländischen Steuerbetrag beschränkt und andererseits auf den Betrag der deutschen Körperschaftsteuer, der auf die Einkünfte aus dem ausländischen Staat entfällt, die, wie bei der Einkommensteuer, nach deutschem Steuerrecht ermittelt werden.2 Es gilt also wie bei der Einkommensteuer die Formel: Anrechnungshöchstbetrag = (AHB)
deutsche ESt × ausländische Einkünfte Gesamtbetrag der Einkünfte
2.403 Die deutsche Körperschaftsteuer, die hierbei in Betracht zu ziehen ist, entspricht der Tarifbelastung des § 23 KStG von derzeit 15 v.H., des Betrages vor Anwendung von §§ 37, 38 KStG, d.h. Körperschaftsteuerminderungen oder -erhöhungen sind erst nach Anrechnung ausländischer Steuern zu berücksichtigen, solange noch die Übergangsvorschriften zum Halbeinkünfteverfahren anwendbar sind. Ungelöst ist noch die Frage, wie bei Gewinnausschüttungen zu verfahren ist, die eine unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft von einer ausländischen Kapitalgesellschaft erhält (siehe Rz. 2.183). Diese bleiben gem. § 8b Abs. 1 KStG außer Ansatz (Rz. 2.384). Soweit das Schachtelprivileg greift, scheidet eine Anrechnung aus. Für Portfolio-Dividenden, auf die im Ausland eine Quellensteuer erhoben wird, stellt sich jedoch die Frage der Anrechnung auf die durch § 8b Abs. 5 KStG hervorgerufene Körperschaftsteuer. Dabei ist entscheidend, was das Gesetz damit meint, dass die Körperschaftsteuer „auf Einkünfte aus diesem Staat entfällt.“ Während der Abzug gem. § 34c Abs. 2 EStG bei „steuerfreien“ Einkünften, was sich für § 8b Abs. 1 KStG gut vertreten lässt,3 ausgeschlossen ist, kann man durchaus die Schachtelstrafe des § 8b Abs. 5 KStG als eine auf die Dividenden entfallende Steuer ansehen. Dies spricht dafür, die Anrechnung zuzulassen.
2.404 Wie bei der Einkommensteuer erfolgt die Anrechnung nur der ausländischen Steuer, die den in einem bestimmten Veranlagungszeitraum veranlagten Einkünften zuzurechnen ist (siehe Rz. 2.307). 5. Steuerabzug gemäß § 26 Abs. 6 KStG
2.405 Gemäß § 26 Abs. 6 KStG sind entsprechend anwendbar – § 34c Abs. 1 Satz 2–5 EStG: Hierdurch werden die Einzelheiten der Anrechnung geregelt (vgl. Rz. 2.289 ff.).
1 Siehe im Detail Gosch in Kirchhof11, § 34c EStG Rz. 22. 2 FinVerw 1961, StEK EStG § 34c Nr. 3; Müller-Dott in F/W/B, § 26 KStG Rz. 82; Streck, BB 1972, 1363, Streck, BB 1973, 32; BFH v. 1.10.1992 – I B 42-43/92, BFH/ NV 1993, 156. 3 H.M. Buciek in Blümich, § 26 KStG Rz. 102.
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Mössner
D. Unilaterale Beseitigung
– § 34c Abs. 2 EStG: Dies eröffnet ein Wahlrecht, Abzug statt Anrechnung zu wählen (vgl. Rz. 2.318, 2.409). – § 34c Abs. 3 EStG: Mit diesem Verweis wird auch Körperschaften die Möglichkeit gegeben, ausländische Steuern abzuziehen, bei denen nicht die Voraussetzungen der Anrechnung erfüllt sind (Rz. 2.320, 2.409). – § 34 Abs. 5 EStG: Auch die Ermächtigung für Pauschalierungen und die Erlassmöglichkeiten (Rz. 2.333 ff.) stehen Körperschaften offen. Statt der Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer kann die deutsche Körperschaft seit 1980 den Abzug der ausländischen Körperschaftsteuer bei der Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte wählen (§ 26 Abs. 6 KStG i.V.m. § 34c Abs. 2 EStG). Die Ausübung dieses Wahlrechts empfiehlt sich z.B. dann, wenn infolge eines negativen inländischen Gesamteinkommens oder weil die ausländischen Einkünfte nach deutschen Gewinnermittlungsvorschriften negativ sind, keine deutsche Körperschaftsteuer anfällt, auf die die ausländische Steuer anrechenbar wäre.1 Da nicht die Höchstbetragsbegrenzung der Anrechnung gilt, kann die ausländische Steuer in voller Höhe abgezogen werden.2
2.406
Der Abzug der ausländischen Steuer mindert die Bemessungsgrundlage, was gegebenenfalls zu einem Verlustvor- oder -rücktrag führt.3
2.407
Voraussetzung des Abzugs ist, dass die Steuer an sich anrechenbar ist (siehe hierzu Rz. 2.320). Der Abzug erfolgt auf Antrag, der bis zur Rechtskraft der Veranlagung und nur einheitlich für jeden ausländischen Staat gestellt werden kann. Im Rahmen einer Organschaft ist der Antrag von der die ausländischen Einkünfte erzielenden Organgesellschaft zu stellen, bei einer Personengesellschaft von den einzelnen Gesellschaftern.
2.408
Der Abzug bei der Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte erfolgt – ohne Wahlrecht – wenn eine Anrechnung nicht möglich ist (§ 26 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 34c Abs. 3 EStG), und zwar in den folgenden Fällen:
2.409
– die ausländische Steuer entspricht nicht der deutschen Körperschaftsteuer (Rz. 2.285, 2.329);
1 Zu den Auswirkungen des Abzugs auf die Gewerbesteuer vgl. Müller-Dott, IWB Fach 3, Gruppe 1, 621; Müller-Dott in F/W/B/S, § 26 KStG Rz. 251 ff.; Krabbe, BB 1980, 1148; BFH v. 3.4.1962 – I 196/59 U, BStBl. III 1962, 254; v. 14.11.1968 – I R 11/66, BStBl. II 1969, 140; v. 16.5.1990 – I R 80/87, BStBl. II 1990, 920. 2 Buciek in Blümich, § 26 KStG Rz. 103; Müller-Dott in F/W/B/S, KStG § 26 Rz. 245. 3 Umstritten, vgl. BFH v. 21.10.1981 – I R 149/77, BStBl. II 1982, 177; Müller-Dott in F/W/B/S, § 26 KStG Rz. 245.
Mössner
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
– es handelt sich nicht um eine Steuer des Ursprungsstaates, sondern um eine Drittstaatensteuer (z.B. Liefergewinnsteuer, die im Drittstaat aufgrund der von der im Zweitstaat belegenen Betriebsstätte getätigten Lieferungen erhoben wird; Rz. 2.330); – die Einkünfte sind nicht als ausländische anzusehen (z.B. Liefergewinnbesteuerung, siehe hierzu Rz. 2.332).
2.410 Die Rechtsfolgen sind dieselben wie bei § 34c Abs. 2 EStG, d.h., beim Abzug wird kein Unterschied zwischen den der deutschen Körperschaftsteuer entsprechenden und den der deutschen Körperschaftsteuer nicht entsprechenden Steuern gemacht. Die Höchstbetragsbegrenzung des § 34c EStG ist auch hier (siehe Rz. 2.406) im Übrigen nicht anwendbar, abzugsfähig ist die ausländische Steuer in der Höhe, in der sie ohne Begrenzung anrechenbar wäre.
VI. Beseitigung der Doppelbesteuerung bei der Gewerbesteuer 1. Allgemeines
2.411 Nach § 2 Abs. 1 GewStG unterliegen nur inländische Gewerbebetriebe mit ihren Ergebnissen der Gewerbesteuer. Die Gefahr einer gewerbesteuerlichen Doppelbelastung ist deshalb aus der Natur der Gewerbesteuer als Objektsteuer heraus geringer als die der einkommen- oder körperschaftsteuerlichen Doppelbelastung. Diese Gefahr besteht auch deshalb nicht, weil überwiegend im Ausland eine der Gewerbesteuer entsprechende Steuer nicht erhoben wird. Der Grundsatz der Territorialität der Gewerbesteuer besagt allerdings nicht, dass ausländische Einkünfte eines inländischen Gewerbebetriebes nicht erfasst werden. Soweit nicht die Kürzungen gem. § 9 Nr. 3, 7 und 8 GewStG eingreifen, werden auch Einkünfte aus dem Ausland besteuert (Rz. 2.417). Das GewStG enthält jedoch keine Vorschrift über die Anrechnung ausländischer Steuern.1 Letztere scheidet damit aus.2 Anders ist es jedoch mit dem Abzug ausländischer Steuern (Rz. 2.318). Diese ermäßigen die Bemessungsgrundlage der Einkommen- und Körperschaftsteuer, sodass sie über §§ 7 GewStG auch diejenige der Gewerbesteuer mindern. Hier sieht dann § 8 Nr. 12 GewStG die Hinzurechnung der abgezogenen Steuern vor, allerdings nur dann, wenn die Gewinne nicht der Gewerbesteuer unterliegen, da es sonst zu einer Doppelbegünstigung käme. Dies betrifft die Fälle, dass die Gewinne nicht bei der Ermittlung des Gewerbeertrages erfasst werden – z.B. ausländische Betriebsstättengewinne – oder gem. § 9 Nr. 7 und 8 GewStG gekürzt werden.3
2.412 Wegen des Objektsteuercharakters der Gewerbesteuer enthält das GewStG Regelungen, die im Ergebnis eine Doppelbesteuerung vermei1 Gosch in Blümich, § 7 GewStG Rz. 55. 2 Ebenso Becker/Loose, IStR 2012, 58. 3 Zu Einzelheiten vgl. Gosch in Blümich, § 9 GewStG Rz. 210.
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Mössner
D. Unilaterale Beseitigung
den. Zum einen unterliegt der deutschen Gewerbesteuer, die den Gewerbebetrieb als solchen betrifft, ohnehin nur das stehende Gewerbe, soweit es im Inland betrieben wird, d.h. soweit im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird. Folgerichtig wird der Gewerbeertrag um den Gewerbeertrag ausländischer Betriebsstätten gekürzt (§ 9 Nr. 3 GewStG, siehe Rz. 2.414). Man könnte daher durchaus von einer unilateralen Freistellung ausländischer Betriebsstättengewinne sprechen. Der Kürzung entspricht eine Hinzurechnung der Gewerbeverluste ausländischer Betriebsstätten.1 Die anderen Kürzungsvorschriften betreffen Erträge aus ausländischen Beteiligungen.
2.413
2. Übersicht über die unilateralen Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei der Gewerbesteuer Gemäß § 9 Nr. 3 GewStG wird die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen gekürzt um den Teil des Gewerbeertrages eines inländischen Unternehmens, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfällt. Dies ergibt sich eigentlich schon aus § 2 Abs. 1 GewStG und wird bei den Kürzungsnormen zwecks Klarstellung wiederholt.2 Die Kürzung setzt voraus, dass das Ergebnis der ausländischen Betriebsstätte Teil des Gewerbeertrages ist. Hierunter sind Betriebsstätten i.S.d. § 12 AO zu verstehen. Die Probleme liegen jedoch in der Ermittlung des ausländischen Betriebsstättenergebnisses. Hierzu sind grundsätzlich die Methoden der Betriebsstättengewinnermittlung (Rz. 4.67 ff.) geeignet.3 Die GewStR R. 2.8 f. wollen die Zerlegung gem. §§ 29 ff. GewStG sinngemäß anwenden, was als Schätzungsmethode in der Praxis durchaus geeignet sein kann, solange keine eindeutigeren Kriterien gegeben sind. Im Übrigen ist nicht der ausländische Ertrag schlechthin von der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer auszunehmen, sondern nur der der ausländischen Betriebsstätte zuzurechnende Anteil.4 Infolge der Kürzung sind auch die auf die Auslandsbetriebsstätte entfallenden sonstigen Hinzurechnungen und Kürzungen zu neutralisieren.
2.414
§ 9 Nr. 2 GewStG sieht die Kürzung auch um die Anteile am Gewinn einer ausländischen Personengesellschaft vor, bei der die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind. Den Kürzungen entspricht die Verpflichtung, einen negativen Ertrag aus einer solchen Beteiligung, soweit er bei der Ermittlung des Gewerbeertrages abgezogen wurde, wieder hinzuzurechnen (§ 8 Nr. 8 GewStG). Diese Norm dient der Abgrenzung der
2.415
1 BFH v. 9.6.2010 – I R 107/09, BFH/NV 2010, 1744. 2 Gosch in Blümich, § 9 GewStG Rz. 212, dort auch Erläuterung der Besonderheiten bei Seeschifffahrtsunternehmen. 3 BFH v. 28.3.1985 – IV R 80/82, BStBl. II 1985, 405; v. 21.4.1971 – I R 200/67, BStBl. II 1971, 743. 4 BFH v. 21.4.1971 – I R 200/67, BStBl. II 1971, 743; v. 28.3.1985 – IV R 80/82, BStBl. II 1985, 405.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
Gewerbesteuersubjekte, da Personengesellschaften selbst der Gewerbesteuer unterliegen. Da ausländische Personengesellschaften als solche nicht gewerbesteuerpflichtig sind, wurden die Gewinnanteile an ihnen als gewerbesteuerpflichtig behandelt.1 Für die Ausdehnung der Kürzung auf diese waren vornehmlich wirtschaftspolitische Gründe ausschlaggebend.2 Beteiligungen an ausländischen Personengesellschaften können sowohl direkte als auch mittelbare Beteiligungen sein. Nach BFH3 gilt die Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 2 GewStG nicht für rein vermögensverwaltende Gesellschaften. Voraussetzung der Kürzung ist, dass eine ausländische Personengesellschaft in dem ausländischen Staat einer der Gewerbesteuer entsprechenden Steuer unterliegt und deshalb eine Maßnahme zur Vermeidung der doppelten Besteuerung notwendig ist.4 Nicht zu dem Kürzungsbetrag gehört der sich aus der Veräußerung des Mitunternehmeranteils ergebende Veräußerungsgewinn.
2.416 Schließlich stellt die Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 7 GewStG unter den Voraussetzungen der Schachtelbeteiligung und der aktiven Tätigkeit auch die Erträge bzw. die Anteile an ausländischen Tochter- und Enkelgesellschaften von der deutschen Gewerbesteuer frei.5 Hierbei handelt es sich um eine einseitige nationale Maßnahme, um Dividenden, die ein inländisches Unternehmen von aktiv tätigen ausländischen Tochter- und Enkelgesellschaften bezieht, von der Gewerbesteuer auszunehmen. Da das Gesetz mit § 9 Nr. 2a GewStG inländische Schachtelbeteiligungen begünstigt, sah sich der Gesetzgeber veranlasst, im Sinne einer Gleichbehandlung6 auch ausländische Schachtelbeteiligungen auszunehmen. Man hätte gegen die Notwendigkeit der Gleichbehandlung einwenden können, dass das inländische Schachtelprivileg der Vermeidung der Doppelbelastung mit Körperschaftsteuer bei der ausschüttenden Kapitalgesellschaft und dem die Dividenden empfangenden Unternehmen dient7 und dass ausländische Kapitalgesellschaften nicht mit ihrem Gewinn der deutschen Gewerbesteuer unterliegen, es folglich nicht zur Doppelbelastung kommt. Dieser Einwand überzeugt jedoch nicht. Der Gewerbesteuer in ihrer heutigen Form als reine Ertragsteuer entspricht durchaus die Körperschaftsteuer, die die ausländische Kapitalgesellschaft in ihrem Ansässigkeitsstaat entrichtet. Insbesondere nach der Absenkung des Körperschaftsteuersatzes auf 15 v.H. erhält die Gewerbesteuer den Charakter einer überwiegenden Unternehmensteuer für Kapitalgesellschaften. Das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg wird ab dem Veranlagungszeitraum 2008 ab einer Mindestbeteiligung von 15 v.H. (bis 2007: 10 v.H.) gewährt. 1 BFH v. 7.12.1971 – VIII 16/65, BStBl. II 1972, 388; anders Lempenau, DB 1972, 743. 2 Gosch in Blümich, § 9 GewStG Rz. 132. 3 BFH v. 7.4.1967 – VI 294/65, BStBl. II 1967, 559; v. 7.2.1985 – IV R 31/83, BStBl. II 1985, 372. 4 BFH v. 7.12.1971 – VIII 16/65, BStBl. II 1972, 388. 5 Zu Details vgl. Gosch in Blümich, § 9 GewStG Rz. 286 ff. 6 Vgl. Gosch in Blümich, § 9 GewStG Rz. 288. 7 Gosch in Blümich, § 9 GewStG Rz. 161.
332
Mössner
E. Beseitigung der Doppelbesteuerung
Neben der Mindestbeteiligung seit Beginn des Erhebungszeitraumes wird vorausgesetzt, dass die Bruttoerträge der ausländischen Gesellschaft ausschließlich oder „fast ausschließlich“ aus aktiven Tätigkeiten nach § 8 Abs. 1 Nr. 1–6 AStG stammen.1 Wie in Rz. 2.411 bereits dargelegt unterliegen die ausländischen Einkünfte, die nicht Betriebsstätteneinkünfte sind, der Gewerbesteuer. Dies gilt insbesondere für Dividenden, bei denen die Mindestbeteiligung (Rz. 2.416) nicht erreicht wird (sog. Portfolio-Dividenden). Aber auch Zins- und Lizenzeinnahmen, die zu den gewerblichen Einkünften gehören (§ 7 GewStG), ebenso andere gewerbliche Einkünfte wie z.B. aus Immobilieninvestitionen im Ausland sind gewerbesteuerpflichtig. Zur Anrechnung ausländischer Quellensteuern auf diese Einkünfte vgl. Rz. 2.516.
2.417
E. Beseitigung der Doppelbesteuerung durch Staatsverträge Deutschland hat mit seinen wichtigen Handelspartnern2 Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung geschlossen, die weitgehend3 dem Abkommensmuster der OECD (OECD-MA)4 folgen. Kern dieser DBA ist die gemeinsame, abgestimmte Beseitigung der Doppelbesteuerung. Als bilaterale Methoden kommen überwiegend die Freistellungsmethode – oder Befreiungsmethode (exemption) – und die Anrechnungsmethode (credit) zur Anwendung. Bei Letzterer wird weitgehend auf die unilaterale Anrechnung verwiesen.
2.418
I. Wesen und Geltungsbereich der Staatsverträge auf steuerlichem Gebiet 1. Wesen der Doppelbesteuerungsabkommen Doppelbesteuerungsabkommen werden als Staatsverträge Deutschlands mit anderen Staaten gem. Art. 59 GG abgeschlossen. Sie begründen, wenn sie in einem ordnungsgemäßen Verfahren5 zustande gekommen sind, Rechte und Pflichten zwischen ihren Vertragspartnern, d.h. den Staaten als Völkerrechtssubjekten. Ihrem Inhalt nach beeinflussen sie 1 Vgl. hierzu wie im Übrigen die detaillierte Darstellung von Gosch in Blümich, § 9 GewStG Rz. 304 ff. 2 Zusammenstellung der deutschen Abkommen regelmäßig im BStBl. I. 3 Zur deutschen Vertragspolitik vgl. Ritter, BB 1991, 353; siehe auch Menck in FS Debatin, 305; Höfer in FS Flick, 805 ff.; Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, 2008. 4 Letzte Ausgabe; OECD, Model Tax Convention on Income and on Capital, Paris, 2010. 5 Vgl. Streinz in Sachs, Art. 59 GG Rz. 47 ff.
Mössner
333
2.419
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
aber auch das innerstaatliche Steuerrecht der beteiligten Staaten bei der Besteuerung, sie entfalten somit auch Wirkung im deutschen Steuerrecht. Mit Art. 59 Abs. 2 GG sind1 sowohl die – vorzugswürdige – Adoptionstheorie2 als auch die – veraltete – modifizierte Transformationstheorie3 vereinbar. Die Haltung der FG ist unklar, obwohl der BFH letzterer Theorie zuzuneigen scheint.4 Damit der Steuerpflichtige eine Individualberechtigung5 aus den DBA ableiten kann, ist Voraussetzung, dass – eine Norm des DBA ihm eine günstige Rechtsposition verleiht und – diese Norm self-executing ist, d.h. so klar und eindeutig ist, dass sie keines Umsetzungsaktes in deutsches Recht bedarf. Die DBA haben innerstaatlich den Rang von Bundesgesetzen, da sie gem. Art. 59 Abs. 2 GG – mittels Zustimmungsgesetz – von den gesetzgebenden Körperschaften beschlossen werden.
2.420 Der Aufbau der DBA folgt einem gleichbleibenden Schema: Nach einleitenden, den Anwendungsbereich festlegenden und allgemeine Definitionen enthaltenden Bestimmungen (Art. 1–5 OECD-MA) folgen die „Verteilungsnormen“6 in den Art. 6–22 OECD-MA, die durch den sog. Methodenartikel (Art. 23 A/B OECD-MA) komplettiert werden.7 Aus dem Zusammenspiel dieser Normgruppen ergibt sich – eine eigenständige Aufteilung in Kategorien von Einkünften, die teils mit den nationalen Einkunftsarten korrespondieren, teils ganz eigenen Einteilungen folgen, z.B. 14 „Einkunftsarten“ im OECD-MA und 7 Einkunftsarten in § 2 Abs. 1 EStG; – eine Gliederung in drei Fallgruppen8 bei den Einkunftsarten: 1. Der Quellenstaat darf keine Steuern erheben, sodass ausschließlich der Ansässigkeitsstaat besteuert. Die „Verteilungsnorm“ ist dann self-executing, der Steuerpflichtige kann sich unmittelbar auf den Ausschluss der Quellenbesteuerung berufen. 1 Vgl. die grundlegende Analyse DGVR – Berichte Bd. 6 (1964), 156 ff. 2 Auch Vollzugs- oder Adaptionstheorie; vgl. Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, § 32 II; Schweitzer, Staatsrecht III, Rz. 418 ff.; Pernice in Dreier, Art. 59 GG Rz. 48. 3 Vgl. Rudolf, Völkerrecht und deutsches Recht, Tübingen 1967. 4 BFH v. 20.3.2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819; v. 13.7.1994 – I R 120/93, BStBl. II 1995, 129; v. 21.5.1997 – I R 79/96, BFH/NV 1997, 760, siehe auch Wassermeyer in D/W, Doppelbesteuerung, Art. 1 OECD-MA Rz. 7a mit differenzierter Stellungnahme; zur Haltung der anderen Gerichte Schweitzer, Staatsrecht III, Rz. 443; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, § 32 II; vgl. VerfG v. 13.12.1977 – 2 BvM 1/76, BVerfGE 46, 342 (363); v. 18.12.1984 – 2 BvE 13/83, BVerfGE 68, 1 (85); v. 12.7.1994 – 2 BvE 3/92 u.a., BVerfGE 90, 286 (358). 5 Allgemein vgl. Streinz in Sachs, Art. 59 GG Rz. 67. 6 Hierzu Vogel in V/L5, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 1 ff.; anders Wassermeyer in D/W, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 1: Steuerermäßigungsnormen. 7 Die weiteren Art. betreffen Fragen der Diskriminierung und der Verwaltung. 8 Vgl. Introduction Rz. 20 OECD-MK.
334
Mössner
E. Beseitigung der Doppelbesteuerung
2. Die Besteuerung im Quellenstaat wird vom DBA nicht eingeschränkt. Die Abkommen unterscheiden zwei Gruppen: a) Es besteht ein ausschließendes Besteuerungsrecht im Quellenstaat. Das Abkommen spricht dann davon, dass „nur“ der Quellenstaat besteuern darf. b) Das DBA sagt lediglich, dass der Quellenstaat besteuern „darf“. 3. Im Quellenstaat findet zwar eine Besteuerung statt, diese wird allerdings auf einen bestimmten Steuersatz begrenzt. In den Fällen 2 und 3 überträgt der Methodenartikel dem Ansässigkeitsstaat die Aufgabe, die Doppelbesteuerung zu beseitigen, wobei unklar ist, ob im Fall 2a sich die Wirkung im Ansässigkeitsstaat bereits aus der Verteilungsnorm selbst ergibt.1 Grundlage dieses Ansatzes ist die von Schanz2 und Garelli3 entwickelte Vorstellung der wirtschaftlichen Zugehörigkeit von Einkunftsarten zum Quellen- oder Ansässigkeitsstaat oder beiden, je nach dem Beitrag, den diese zur Erzielung der Einkünfte leisten.4 Somit wirken DBA einschränkend auf die nach nationalem Steuerrecht kraft der Souveränität der Staaten autonom erhobenen Steuern ein. Die Besteuerung erfolgt immer auf der Grundlage nationalen Rechts. Dieses legt fest, wer, was und wie mit welcher Steuer belegt wird. Das DBA verpflichtet die Staaten, ihren nationalen Steueranspruch zurückzunehmen (sog. Schrankenwirkung5). Die französische Steuerwissenschaft verwendet hierfür den anschaulichen Begriff der Subsidiarität des DBA. Grund und Umfang des Steueranspruchs ergeben sich aus dem nationalen Steuerrecht.6 Theoretisch könnten allerdings Staaten in einem Staatsvertrag die Grundlagen der Besteuerung regeln, doch dies ist nicht die Aufgabe der bestehenden DBA, die traditionsgemäß ein System gegenseitiger Steuerverzichte7 darstellen. Dem Gedanken der wirtschaftlichen Zugehörigkeit (Rz. 2.420) einzelner Steuergüter treten die Prinzipien der Kapitalexportneutralität und -importneutralität zur Seite.8 Erstere stellt auf die 1 Vgl. Wassermeyer in D/W, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 12, Art. 23 A OECDMA Rz. 10. 2 FA N.F. 13, 1 ff. (1896). 3 Garelli, Il diritto internazionale tributario, Turin 1899, 35 ff. 4 Eine der Markteinkommenstheorie verwandte Vorstellung; vgl. Lehner/Waldhoff in K/S/M, § 1 EStG Rz. A211. 5 Der Begriff stammt von Debatin, RIW 1989, 551; Debatin, DStR 1992 Beihefter 23, 1; ablehnend Wassermeyer in D/W, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 1, Art. 1 OECD-MA Rz. 9, Kluge, Das Internationale Steuerrecht, Rz. 22. 6 Vogel in FS Klein, 361; Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, 130 ff. 7 Erstmals Dorn, StuW 1926, 98; Debatin in Korn/Dietz/Debatin, Doppelbesteuerung, Systematik I, 36. 8 Unterscheidung durch Musgrave nach Vogel, World-wide vs. Source Taxation of Income. A Review and Reevaluation of Arguments, abgedruckt bei Vogel, Der offene Finanz- und Steuerstaat, 77.
Mössner
335
2.421
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
Gleichheit der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat ab, indem in- und ausländische Einkünfte unter dem Aspekt der Leistungsfähigkeit gleichgesehen werden,1 während Letztere auf die Wettbewerbsgleichheit im Staate der Erzielung der Einkünfte abstellt. Den Prinzipien entsprechen das Wohnsitzprinzip mit dem Welteinkommensprinzip einerseits und das Territorialitätsprinzip oder Quellenprinzip andererseits. Verwirklicht werden sie durch die Freistellung entweder im Quellen- oder im Wohnsitzstaat. Die Anrechnungsmethode nimmt eine Zwitterstellung ein. Je nachdem, in welchem Staat die Steuer höher ist, wird das eine oder das andere Prinzip verwirklicht (Rz. 2.257, 2.262).
2.422 Somit zielen DBA nicht auf eine Harmonisierung oder Angleichung der Steuersysteme ab, sondern beschränken lediglich die Auswirkungen der nationalen Steuersysteme in dem Falle, dass eine Doppelbesteuerung vorliegt.2 Dies hat zur Folge, dass jeweils drei unterschiedliche Rechtskreise mit ihren eigenen Begriffen zu beachten sind: die Steuerrechte der beiden beteiligten Staaten und die Begriffe des Abkommens selbst. So ist es bspw. denkbar, dass ein Bezug von Zinsen in einem Vertragsstaat als gewerbliche Einkünfte, im anderen als freiberufliche Einkünfte und im DBA als Zinseinkünfte charakterisiert wird. Da die DBA naturgemäß Begriffe verwenden, die auch in den nationalen Steuerrechten der Vertragsstaaten vorkommen, ist es eine Frage der Abkommensauslegung, ob die Begriffe i.S.d. nationalen Steuerrechts (sog. nationale Theorie) zu verstehen sind. Die umstrittene3 Regel des Art. 3 Abs. 2 OECD-MA löst letztlich wegen ihrer Unklarheiten die Probleme nicht. Die nationale Theorie birgt die Gefahr, dass die Vertragsstaaten je nach ihrem nationalen Recht auf dieselben Einkünfte unterschiedliche DBA-Artikel anwenden (sog. Qualifikationskonflikt)4. Die Folgen können doppelte Besteuerung oder Nichtbesteuerung sein, sodass das DBA seine Aufgabe verfehlt und die Situation schlechter als ohne DBA ist. Beispiel:5 Der deutsche Gesellschafter G einer US-Partnership gewährt dieser ein Darlehen. Nach US-Recht erzielt G Zinseinkünfte, die nach dem DBA nicht in den USA besteuert werden. Nach deutschem Recht gehören die Zinsen als Sondervergütungen zu den gewerblichen Einkünften einer US-Betriebsstätte, die nicht in Deutschland besteuert werden.
1 Schaumburg in FS Tipke, 125; krit. Mössner in Tipke/Bozza, Besteuerung von Einkommen, 253 (258 f.). 2 Zur Verhinderung einer doppelten Nichtbesteuerung vgl. Lang, (Hrsg.), Avoidance of double non-taxation, Wien 2003. 3 Vgl. Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 96 ff. m.w.N. 4 Hierzu Vogel in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 150 ff.; krit. Mössner in FS Seidl-Hohenveldern, 418 ff. 5 Überholt seit BFH v. 27.2.1991 – I R 96/89, BFH/NV 1992, 385; siehe auch v. 21.7.1999 – I R 71/98; BStBl. II 2000, 336.
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E. Beseitigung der Doppelbesteuerung
Es ist die Tendenz zu beobachten,1 dass der Ansässigkeitsstaat der Qualifikation der Einkünfte seitens des Quellenstaates folgt.2 Dies lässt sich so begründen: Gemäß Art. 23A Abs. 1 OECD-MA hat der Ansässigkeitsstaat diejenigen Einkünfte freizustellen, die der Quellenstaat „nach dem Abkommen besteuern kann.“ Lässt das DBA die Besteuerung im Quellenstaat zu, z.B. als Betriebsstätteneinkünfte, so hat der Ansässigkeitsstaat entsprechend Freistellung zu gewähren, selbst wenn es sich nach seinem Verständnis um Zinseinkünfte handelt, die nur er nach dem DBA besteuert. Diese Auffassung verdient Zustimmung. Entscheidend ist, ob die Besteuerung im Quellenstaat in Übereinstimmung mit den Regeln des Abkommens erfolgt: Kommt er in seiner Auslegung des DBA – ggf. – unter Anwendung seines nationalen Steuerrechts gem. Art. 3 Abs. 2 OECD-MA zu dem Ergebnis, dass das Abkommen sein Besteuerungsrecht nicht tangiert, so besteuert er in Übereinstimmung mit dem Abkommen, woran Art. 23 OECD-MA die Verpflichtung des Ansässigkeitsstaates knüpft, per Anrechnung oder per Freistellung, um die Doppelbesteuerung zu vermeiden.
2.423
Die sich aus der Anwendung der DBA ergebenden Einschränkungen des nationalen Steuerrechts erfolgen traditionsgemäß ohne Rücksicht darauf, ob der andere Staat jeweils von seinem Doppelbesteuerungsrecht Gebrauch macht oder nicht: Sieht z.B. ein DBA die Freistellung von Einkünften eines unbeschränkt Steuerpflichtigen eines Staates vor, die dieser in dem anderen Staat erzielt, so erfolgt die Freistellung unabhängig davon, ob der andere Staat diese Einkünfte tatsächlich besteuert. Die DBA vermeiden also nicht nur die tatsächliche, sondern auch die virtuelle Doppelbesteuerung.3
2.424
Dieser Grundsatz unterliegt einem allmählichen Wandel4 der Rechtsvorstellungen, in dem zunehmend DBA die Zuweisung des Besteuerungsrechts bestimmter Einkünfte an einen anderen Staat von der Bedingung abhängig machen, dass dieser Staat auch tatsächlich von seinem Besteuerungsrecht Gebrauch macht, sog. „subject-to-tax-clause“5 (Rz. 2.468 ff.). Das OECD-MA sieht seit 2000 in Art. 23 A Abs. 4 das Absehen von der Freistellung vor, wenn der Quellenstaat gem. seiner Auslegung des Ab-
2.425
1 Grundlegend Dery/Ward, Interpretation of double tax conventions, CDFI LXXVIIIa, Canada, 259 (281 ff.); Art. 23 Rz. 32.1 ff. OECD-MK; Vogel in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 176 ff. 2 So schon Debatin in Korn/Dietz/Debatin, Doppelbesteuerung, Systematik IV, 139 („Qualifikationsverkettung“); Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 18.74. 3 St. Rspr., vgl. BFH v. 8.3.1989 – X R 181/87, BStBl. II 1989, 541 und v. 19.5.1993 – I R 64/92, BFH/NV 1994, 11 – krit. beleuchtet wird dieser allg. als selbstverständlich hingenommene Grundsatz von Mössner, Rechtsprechungsreport IStR 1980–1989, Herne 1991, Rz. 489; siehe auch Vogel in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 74 f. 4 Lang, IStR 2002, 609. 5 Siehe Vogel in V/L5, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 19.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
kommens dazu kommt, dass sein eigenes Besteuerungsrecht aufgehoben ist.
2.426 Andere Abkommen wiederum machen die Abkommenserleichterung im Quellenstaat davon abhängig, dass die betreffenden Einkünfte in den Wohnsitzstaat überwiesen („remitted“) werden1 (Rz. 2.475). 2. Geltungsbereich der Doppelbesteuerungsabkommen a) Persönlicher Anwendungsbereich
2.427 Gemäß Art. 1 OECD-MA ist ein DBA auf Personen anwendbar (Abkommensberechtigung), die in einem oder beiden Vertragsstaaten ansässig sind. Die Begriffe „Person“ und „ansässig“ werden in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und Art. 4 OECD-MA definiert.2 Beide Begriffe – Person, Ansässigkeit – bedürfen der Auslegung.
2.428 „Personen“ sind demnach natürliche Personen, Gesellschaften und alle anderen Personenvereinigungen; als Gesellschaften werden (Art. 3 Abs. 1 Buchst. b OECD-MA) juristische Personen oder Rechtsträger angesehen, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden.3 Die Anwendung dieser Bestimmung bereitet vor allem bei Personengesellschaften4 erhebliche Probleme, wenn die beteiligten Staaten Personengesellschaften steuerlich einerseits transparent, andererseits intransparent behandeln. Bei diesem Qualifikationskonflikt (Rz. 1.171 ff.) ist eigentlich nur geklärt,5 dass eine Personengesellschaft, die in ihrem Sitzstaat intransparent besteuert wird, d.h. wie eine Kapitalgesellschaft steuerlich behandelt wird, für diesen Staat abkommensberechtigt ist, weil sie in diesem Staat aufgrund ihres Sitzes der unbeschränkten Steuerpflicht als Gesellschaft unterliegt. Sie kann daher ihrem Sitzstaat gegenüber sich auf alle Abkommenbestimmungen berufen, die für Kapitalgesellschaften gelten. Bezieht sie aus dem anderen Vertragsstaat bspw. Dividenden, so ist schon strittig, ob der andere Staat sie als Kapitalgesellschaft behandeln muss, ihr also z.B. die Schachtelvergünstigung bei Quellensteuern auf den Dividendenbezug gewähren muss. Ebenso ist strittig, wie die in dem anderen Vertragsstaat ansässigen Gesellschafter zu behandeln sind. Beispiel: Der in Deutschland ansässige I ist an einer spanischen Personengesellschaft beteiligt, die in Spanien intransparent besteuert wird. Die Gesellschaft ist an einer deutschen GmbH beteiligt und erhält von dieser eine Dividende. 1 Siehe Vogel in V/L5, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 18; siehe auch BFH v. 29.11.2000 – I R 102/99, BStBl. II 2001, 195. 2 Vgl. Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 4 ff.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.169 ff. 3 Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 13 f.; Wassermeyer in D/W, Art. 3 OECDMA Rz. 18 f. 4 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.177 ff. 5 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.179 m.w.N.
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E. Beseitigung der Doppelbesteuerung Nach deutschen Vorstellungen vermittelt die Gesellschaft dem I eine Betriebsstätte in Spanien. Deren Einkünfte sind im Inland unter Progressionsvorbehalt freigestellt. Es kommt darauf an, ob die Beteiligung an der GmbH funktional zur Betriebsstätte gehört. Ist dies nicht der Fall, bezieht I die Dividende unmittelbar. Nach spanischem Recht bezieht die Gesellschaft die Dividende. Würde Deutschland die Behandlung in Spanien für sich übernehmen, dann könnte es die an die Gesellschaft ausgeschüttete Dividende nicht besteuern (Schachtelvergünstigung). Erfolgt dann später von der spanischen Gesellschaft eine Ausschüttung an I, so müsste Deutschland dies nicht als Repatriierung steuerfreier Betriebsstätteneinkünfte, sondern als Dividende besteuern. Hierfür fehlt aber die Rechtsgrundlage.
Als „ansässig“ in einem Vertragsstaat gilt nach Art. 4 Nr. 1 OECD-MA eine Person, die dort aufgrund ihres Wohnsitzes, ihres persönlichen Aufenthaltes, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen Merkmals steuerpflichtig ist, unter Ausschluss von Personen, die in dem betreffenden Staat nur mit Einkünften aus Quellen in diesem Staat oder mit in diesem Staat belegenen Vermögensteilen steuerpflichtig sind. Diese Definition steht ausschließlich im Zusammenhang mit den „operativen“ Art. 6–22 OECD-MA, bei denen jeweils zwischen dem Ansässigkeitsstaat und dem Quellenstaat unterschieden wird. Sie verändert nicht die nach nationalem Steuerrecht gegebene unbeschränkte Steuerpflicht Rz. 2.434).
2.429
Steuerpflichtige, die in beiden Vertragsstaaten nur aufgrund dort belege- 2.430 ner Vermögensteile oder aufgrund von Einkünften aus dortigen Quellen steuerpflichtig sind, sind nicht abkommensberechtigt: In mindestens einem der Staaten muss die unbeschränkte Steuerpflicht bestehen. Betriebsstätten sind keine „Personen“ und demgemäß als solche nicht abkommensberechtigt.1 Abkommensberechtigt ist nur der Inhaber der Betriebsstätte, wenn er eine in einem der beiden Vertragsstaaten ansässige Person ist. Besteht in keinem Staat die unbeschränkte Steuerpflicht mit Welteinkommensbesteuerung, so kommt es nach Vorstellung des DBA nicht zur Doppelbesteuerung, da das Abkommen idealtypisch die Konkurrenz von beschränkter Steuerpflicht in einem Staat und unbeschränkte Steuerpflicht in einem anderen Staat vor Augen hat. Den Konflikt, der daraus entsteht, dass zwei Staaten dieselben Einkünfte nur im Rahmen beschränkter Steuerpflicht besteuern, löst ein DBA nicht, da es aufgrund der dann territorialen Besteuerung nicht zur Doppelbesteuerung kommt. Selbstverständlich besteht die Abkommensberechtigung auch dann, wenn der betreffende Steuerpflichtige in beiden Staaten unbeschränkt steuerpflichtig ist. Das OECD-MA stellt also für die Abkommensberechtigung auf die unbeschränkte Steuerpflicht nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht eines oder beider Vertragsstaaten ab.2
1 Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 8, zur europarechtlichen Problematik siehe ebenda Rz. 12. 2 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.164.
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2.431
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
2.432 Die Staatsangehörigkeit ist damit, anders als in älteren Abkommen, nicht mehr ausschlaggebend für die Abkommensberechtigung.1 Nach deutschem Steuerrecht ergibt sich die Ansässigkeit i.S.d. Abkommen aus den einzelgesetzlichen Vorschriften über die unbeschränkte Steuerpflicht, d.h. § 1 EStG und § 1 KStG.
2.433 Erst wenn die Frage der Abkommensberechtigung geklärt ist, wird nach den Kriterien des Abkommens selbst (Art. 4 Nr. 2 und 3 OECD-MA – sog. tie-breaker-rule) bestimmt, in welchem der beiden Vertragsstaaten die Person für die Zwecke der Abkommensanwendung als ansässig gilt. Die deutschen DBA entsprechen in diesem Punkte überwiegend dem OECDMA.2 Dabei wird anhand gestuft anzuwendender Kriterien die Ansässigkeit i.S.d. Abkommens für einen Staat festgelegt. Dies ist zum Funktionieren der Verteilungsnormen erforderlich.
2.434 Die Feststellung der Ansässigkeit für Zwecke der Anwendung der DBA hat jedoch, entgegen einer in der Praxis weitverbreiteten Annahme, keine Auswirkung3 auf die unbeschränkte Steuerpflicht, die zuvor bei der Prüfung der Abkommensberechtigung festgestellt wurde: Ist ein aufgrund seines Wohnsitzes in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtiger zugleich in einem anderen Vertragsstaat unbeschränkt steuerpflichtig und gilt er für die Anwendung des Abkommens, d.h. für die Zuordnung des „Besteuerungsrechts“ bzgl. bestimmter Einkunfts- oder Vermögensteile, als in dem anderen Staat „ansässig“, so werden seine durch das Abkommen der Bundesrepublik Deutschland zur Besteuerung zugewiesenen Einkünfte hier nach den Regeln der unbeschränkten Steuerpflicht besteuert.4 Er wird etwa nicht zum beschränkt Steuerpflichtigen. Dies zeigt sich u.a. daran, dass im Verhältnis zu einem Drittstaat die Dinge anders liegen können. Beispiel: A hat in Deutschland einen Wohnsitz, in Frankreich ebenfalls. Seine Familie lebt in Paris. Einkünfte erzielt er aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz. Im Verhältnis D-F ist A in F ansässig. Im Verhältnis D-CH in D.
Damit kann sich A auf die beiden DBA unabhängig voneinander berufen; er ist nicht etwa i.S.d. Abkommen D-CH in Frankreich ansässig und somit nicht nach diesem Abkommen abkommensberechtigt. Finanzbehörden versuchen immer wieder, mit Berufung auf die Regelungen eines Ab-
1 Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 6. 2 Übersicht bei Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 36 f. zur Anknüpfung an die Ansässigkeit, Art. 3 Rz. 23 OECD-MA zum Begriff „Person“ und Art. 4 Rz. 52 OECD-MA zur Anknüpfung an die unbeschränkte Steuerpflicht. 3 Zur Unabhängigkeit der Ebenen voneinander vgl. BFH v. 5.6.1986 – IV R 268/82, BStBl. II 1986, 659. 4 Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 9 ff.; Wassermeyer in D/W, Art. 4 OECDMA Rz. 2.
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E. Beseitigung der Doppelbesteuerung
kommens Steuerpflichtigen die Rechte aus anderen Abkommen streitig zu machen. Außer für die Abkommensberechtigung ist die Ansässigkeit auch Anknüpfungspunkt für die Besteuerung im Wohnsitz-(Ansässigkeits-)Staat gegenüber der Besteuerung im Quellenstaat, d.h. für die Entscheidung darüber, auf welcher Seite welche Methode der Vermeidung der Doppelbesteuerung anzuwenden ist.1
2.435
Besondere Probleme entstehen, wie dargelegt, bei Personengesellschaften und sonstigen Personenzusammenschlüssen, die in einem Vertragsstaat als Steuersubjekt behandelt werden, während im anderen Vertragsstaat ihre Einkünfte und Vermögen auf der Ebene der Gesellschafter besteuert werden. Während das Merkmal „Person“ in Art. 1 OECD-MA gem. Art. 3 Abs. 1 OECD-MA auch Personenvereinigungen umfasst, scheitert die Abkommensberechtigung der Personengesellschaft am Merkmal der Ansässigkeit i.S.d. Art. 4 OECD-MA, wenn die Gesellschaft steuerlich transparent ist. 1999 hat die OECD die sich daraus ergebenden Probleme analysiert2 und die Ergebnisse der Studie als Rz. 2–6, 7 in Art. 1 OECDMK übernommen.3 Die Staaten folgen diesen Empfehlungen nur zögernd. Der BFH lehnt sie ab.4
2.436
Die von der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen DBA regeln die Problematik der Abkommensberechtigung bei Personengesellschaften bzw. ihren Gesellschaftern so unterschiedlich, dass keine allgemeine Auslegung der DBA aus diesen Regeln herausgearbeitet werden kann.5
2.437
Auch bei Kapitalanlagegesellschaften ergeben sich ähnliche Probleme bzgl. der Abkommensberechtigung, die ebenfalls noch nicht abschließend geklärt sind und je nach DBA-Vertragspartner auch unterschiedlich gelöst werden.6
2.438
b) Sachlicher Anwendungsbereich Während Art. 1 OECD-MA den persönlichen Anwendungsbereich der DBA i.S.d. Abkommensberechtigung des Steuerpflichtigen regelt, bestimmt Art. 2 OECD-MA sowohl, für welche Steuerarten das DBA gilt 1 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.174. 2 Bericht „The application of the OECD-Model Tax Convention of partnerships“, Paris 1999. 3 Zu Einzelheiten siehe Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.168 ff.; Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 13–50; Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 27f-33. 4 BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602. 5 Vgl. Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 61. 6 Vgl. Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 72; siehe im Detail Kronat, Die Internationale Besteuerung von Wertpapier-Investmentfonds, 95 ff.; weiter zur Abkommensberechtigung von Investmentfonds OECD, The granting of treaty benefits with respect to income of collective investment vehicles, Paris 2010.
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2.439
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
(„sachlicher Anwendungsbereich“),1 als auch, für welche Steuergläubiger das Abkommen gilt („persönlicher Anwendungsbereich“).
2.440 Nach Art. 2 Abs. 1 OECD-MA gelten die DBA – für die Steuern vom Einkommen sowie – für die Steuern vom Vermögen, – die für Rechnung eines Vertragsstaates oder seiner Gebietskörperschaften erhoben werden, und zwar – „ohne Rücksicht auf die Art der Erhebung“.
2.441 Die „Erläuterung“ des Art. 2 Abs. 2 OECD-MA, die als Steuer vom Einkommen und Steuer vom Vermögen alle Steuern bezeichnet, die vom Gesamteinkommen, von Teilen des Einkommens oder des Vermögens erhoben werden, ist eine Tautologie, da die Begriffe „Einkommen“ sowie „Vermögen“ durch sich selbst definiert werden. Was als Einkommen und Vermögen unter das DBA fallen kann, muss deshalb aus dem Zusammenhang mit den Art. 6–22 OECD-MA herausgearbeitet werden.
2.442 Für den Begriff der „Steuern“, der in Art. 2 OECD-MA ebenfalls nicht definiert wird, ist auf das innerstaatliche Recht des anwendenden Staates zurückzugreifen, auf deutscher Seite also auf die Definition der Steuer in § 3 Abs. 1 AO.2
2.443 Art. 2 Abs. 3 OECD-MA sieht eine Aufzählung der im Zeitpunkt des Abkommens in den vertragschließenden Staaten geltenden und unter das Abkommen fallenden Steuern vor, das nach Nr. 5 des OECD-MK grundsätzlich ein vollständiges Verzeichnis dieser Steuern enthalten soll.
2.444 Alle von der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen DBA enthalten ein solches Verzeichnis,3 das nicht abschließend ist. Nach Art. 2 Abs. 4 OECD-MA gilt das Abkommen auch für Steuern „gleicher oder im wesentlichen ähnlicher Art“, die nach der Unterzeichnung des Abkommens neben den bestehenden Steuern oder an deren Stelle erhoben werden.4
2.445 Aus deutscher Sicht gehören zu den von den DBA abgedeckten Ertragsteuern die Einkommensteuer, Körperschaftsteuer sowie auch die Gewerbesteuer.5
2.446 Als Steuergläubiger bezeichnet Art. 2 Abs. 1 OECD-MA die Vertragsstaaten und ihre Gebietskörperschaften, für deren Rechnung die Steuern erhoben werden. Auch diese Begriffe werden wiederum durch das OECD1 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.189: „sachlicher Geltungsbereich“. 2 Vogel in V/L5, Art. 2 OECD-MA Rz. 19. 3 Vogel in V/L5, Art. 2 OECD-MA Rz. 28. 4 Zusammenstellung bei Vogel in V/L5, Art. 2 OECD-MA Rz. 39. 5 Wassermeyer in D/W, Art. 2 OECD-MA Rz. 30, 31.
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E. Beseitigung der Doppelbesteuerung
MA und im Übrigen auch in den einzelnen Abkommen nicht definiert, sodass auch hier wieder auf das innerstaatliche Recht des Anwenderstaates zurückgegriffen werden muss. Die weite Definition des OECD-MA umfasst sämtliche staatlichen Untergliederungen wie Einzelstaaten, Provinzen, Departements, autonome Gemeinden und Gemeindeverbände. Die deutsche Kirchensteuer ist, da sie nicht für Rechnung des Staates 2.447 oder einer Gebietskörperschaft erhoben wird, keine Steuer i.S.d. DBA. Die Ermäßigung der Einkommensteuer durch ein DBA wirkt sich aber, da sie Bemessungsgrundlage für die Kirchensteuer ist, mittelbar auf Letztere aus.1 Die deutschen DBA erfassen als Steuergläubiger auf deutscher Seite den Bundesstaat, die Länder sowie Gemeindeverbände und Gemeinden. Auf der Gegenseite sind die oben aufgezählten Untergliederungen in den Fällen der DBA mit Brasilien, USA und Kanada sowie den Staatshandelsländern nicht einbezogen. Eine sich z.B. aus der Besteuerung in den Einzelstaaten der USA (state income tax) ergebende doppelte Besteuerung kann deshalb nur durch die dargestellten Maßnahmen des innerstaatlichen Rechts (siehe Rz. 2.244 ff.) vermieden oder beseitigt werden.
2.448
c) Räumlicher Anwendungsbereich Der räumliche Anwendungsbereich der DBA ist auf deutscher Seite durch den Geltungsbereich des Grundgesetzes (Art. 23 GG) bestimmt.2
2.449
Obwohl der Festlandssockel (Schelfmeer), anders als das Küstenmeer, 2.450 nicht zum Hoheitsgebiet gehört, gelten die Abkommen auch für die im Bereich des deutschen Festlandssockels aus der Erforschung und Ausbeutung der Naturschätze des Meeresbodens und Untergrundes stammenden Einkünfte. Teils ergibt sich dies ausdrücklich aus den DBA, teils daraus, dass sich der Begriff des Inlands nach innerstaatlichem Recht richtet und die Bundesrepublik Deutschland ihr Hoheitsrecht über den Festlandssockel durch Proklamation v. 20.1.19643 und Gesetz v. 24.7.19644 geregelt hat. Die vertragschließenden Staaten haben teilweise im Abkommen den geografischen Anwendungsbereich konkretisiert, z.B. Frankreich, indem die überseeischen Departements (D.O.M.) ausdrücklich mit einbezogen werden.
1 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.182; Vogel in V/L5, Art. 2 OECD-MA Rz. 8; Wassermeyer in D/W, Art. 2 OECD-MA Rz. 20 mit dem zutreffenden Hinweis, dass die Kirchensteuer an die Einkommensteuer als Bemessungsgrundlage anknüpft, sodass die DBA mittelbar wirken. 2 Z.B. Zuleeg, Art. 59 GG Rz. 37. 3 Gesetz v. 20.1.1964, BGBl. I 1964, 104. 4 Gesetz v. 24.7.1964, BGBl. I 1964, 479 und s. auch BGBl. I 1974, 2149.
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2.451
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
2.452 Zum räumlichen Anwendungsbereich der DBA gehört auch der Luftraum über den vertragschließenden Staaten. Dies hat zu der konsequenten, aber im Ergebnis bizarr anmutenden Rspr. geführt, wonach Personen, die den vertragschließenden Staat überfliegen, als dort anwesend angesehen werden, was z.B. nach dem alten DBA-Italien dazu führte, dass bei einem unselbständig Tätigen (Pilot) der auf den „Auslandsaufenthalt“ entfallende Gehaltsanteil von der deutschen Einkommensteuer zu befreien war.1
II. Verhältnis der Doppelbesteuerungsabkommen zum nationalen Steuerrecht 1. Kein Vorrang der DBA vor Bundesgesetzen
2.453 Gemäß Art. 59 Abs. 2 GG bedürfen DBA der Zustimmung durch die zuständigen gesetzgebenden Körperschaften (Bundestag und Bundesrat), wodurch sie nach allgemeiner Ansicht2 den Rang von (einfachen) Bundesgesetzen erhalten (Rz. 2.419). Im Sinne der Normenpyramide nehmen sie folglich den gleichen Rang unterhalb der Verfassung und allgemeinen Normen des Völkerrechts (Art. 25 GG) wie Bundesgesetze ein. Im Falle unterschiedlicher Regelungen gelten daher die gleichen Konkurrenzregeln wie zwischen anderen gleichrangigen Normen. – lex posterior derogat priori: Das spätere Gesetz geht dem früheren vor. – lex specialis derogat generali: Das speziellere Gesetz geht dem allgemeinen vor. Nach der ersteren Regel kann man Konflikte zwischen jüngeren DBA und älteren Steuergesetzen lösen. Angesichts der permanenten Steuerrechtsänderungen in Deutschland kommt dieser Regel keine praktische Bedeutung zu. Ein Gesetz ist dann spezieller,3 wenn sein Tatbestand alle Elemente des allgemeinen Gesetzes und zusätzlich weitere Elemente enthält. In diesem Sinne sind Normen eines DBA nicht lex specialis.4 Aus ihrer Funktion (Rz. 2.421) folgt, dass sie Ausnahmeregeln enthalten und insoweit überhaupt keine Kollisionsregeln darstellen.5 Je ihrem Inhalt nach sind es Steuerbefreiungs- oder Steuerermäßigungsnormen,6 d.h. Normen, die andere Normen für bestimmte Situationen ergänzen, abwandeln oder einschränken. Sie sind nur in einem untechnischen Sinn besondere speziellere Normen.
2.454 Etwas anderes scheint sich aus § 2 AO zu ergeben. Gemäß dieser Vorschrift gehen „Verträge mit anderen Staaten i.S.d. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG über die Besteuerung …, soweit sie unmittelbar anwendbares inner1 2 3 4 5 6
BFH v. 14.12.1988 – I R 148/87, BStBl. II 1989, 319. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.37. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, II. Kap. 3e. So auch Birk in H/H/Sp, § 2 AO Rz. 165. Ebenso Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 9. Wassermeyer in D/W, Art. 23 A OECD-MA Rz. 1a.
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E. Beseitigung der Doppelbesteuerung
staatliches Recht geworden sind, den Steuergesetzen vor.“ Dieses scheint den DBA einen Vorrang einzuräumen. § 2 AO verleiht ihnen aber nicht den Charakter „höherrangigen“ Rechts wie z.B. im Verhältnis von Verfassungsrecht und einfachem Recht: Weder beinhaltet Art. 59 Abs. 2 GG eine solche Höherrangigkeit, noch verleiht sie ihnen, als ebenfalls nur „einfaches Gesetz“, die AO. In der Literatur1 wird dies überwiegend im Sinne – einer dann überflüssigen – lex-specialis-Regel verstanden. Richtigerweise handelt es sich um eine Auslegungsregel2 dahin gehend, dass die Normen eines DBA trotz anderslautenden nationalen Steuerrechts angewendet werden sollten, es sei denn, der Gesetzgeber bringe klar einen gegenteiligen Willen zum Ausdruck (treaty overriding).3 2. Treaty overriding Zum treaty overriding4 kommt es, wenn der Gesetzgeber bewusst und gewollt eine gesetzliche Regelung in Kraft setzt, die derjenigen in einem DBA widerspricht. Dadurch verletzt Deutschland seine völkerrechtlichen Pflichten. Dies berechtigt den Inhaber der betroffenen Rechtsposition, d.h. den anderen Vertragsstaat, zu Reaktionen. Solche sind in der Praxis aber noch nicht bekannt. Der betroffene Steuerpflichtige kann nicht die Rechte des fremden Staates vornehmen.5 Aus seiner Sicht ist mit den treaty overriding die mit dem Zustimmungsgesetz angeordnete innerstaatliche Anwendbarkeit des DBA aufgehoben.
2.455
Vogel hat mehrfach6 diese h.M. kritisiert. Seine Argumente sind überzeu- 2.456 gend. Meines Erachtens wird von der h.M. nicht hinreichend gewürdigt, dass ein Staatsvertrag nicht das Produkt einer einseitigen hoheitlichen Normsetzung ist, sondern die Rechtsregel durch das Zusammenwirken zweier Rechtserzeugungssubjekte (hier: Staaten) auf den Konsens gegründet wird. Dies zeigt sich in aller Deutlichkeit bei der Entstehung eines DBA. Auch wenn die gesetzgebenden Körperschaften dem Vertrag zugestimmt haben und der Vertrag nebst Zustimmungsgesetz ordnungsgemäß verkündet ist, existiert die Norm noch nicht, solange nicht völkerrechtlich durch Austausch der Ratifikationsurkunden der Vertrag zustande gekommen ist. Dies beweist, dass das nationale Gesetz durch den völkerrechtlichen Vertrag bedingt ist. Es wäre nun zumindest schwer erklärbar, dass ein nationales Gesetz, welches für sich die Norm in ihrer Verbind1 2 3 4
Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 38; Scholtz in Koch/Scholtz, § 2 AO Rz. 5. Kluge, Internationales Steuerrecht, 650; Seer, IStR 1997, 484. BFH v. 17.5.1995 – I B 183/94, BStBl. II 1995, 781. Vgl. grundlegend Langbein, RIW 1988, 875; Mössner in Fischer, Besteuerung internationaler Konzerne, 113 f.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 3.26, 16.39; aus der Vielzahl der Aufsätze vgl. Gosch, IStR 2008, 412; ausführlich Musil, Deutsches Teaty Overriding und seine Vereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht, Berlin 2000. 5 BFH v. 13.7.1994 – I R 120/93, BStBl. II 1995, 129; Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 12. 6 Vogel, BIFD 2004, 5; Vogel, JZ 1997, 161; Vogel, in FS Lerche, 95 ff.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
lichkeit nicht konstituiert, in der Lage wäre, der Norm ihre Verbindlichkeit zu nehmen. Dies ginge nur vom Standpunkt der Transformationstheorie aus, die Vertrag und Gesetz völlig unabhängig voneinander sieht. Wenn Bundestag und Bundesrat mit dem Zustimmungsgesetz nur insgesamt dem DBA zustimmen oder es ablehnen können,1 dann gilt dies auch für das Zustimmungsgesetz, welches wegen des „Alles-oder-Nichts“-Prinzips2 nicht partiell vom Gesetzgeber modifiziert werden kann. Deshalb verdienen diejenigen Zustimmung, die ein treaty overriding ablehnen.3 Auch wenn man dem nicht folgt, muss man anerkennen, dass treaty overriding völkerrechtlich rechtswidrig ist und Schadensersatzansprüche des ausländischen Vertragsstaats begründet. Daher muss der Gesetzgeber nur zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter als ultima ratio zu einem treaty override greifen können, worunter nicht die Mehrung nationaler Steuereinnahmen zählt.
2.457 Nach der Rspr. des BFH4 bezieht sich das DBA auf das jeweils geltende nationale Recht. Dieses dynamische Verhältnis von nationalem Recht und DBA macht es immer wieder erforderlich, die nationalen Rechtsentwicklungen am Recht der DBA zu messen.5 3. Prüfungsreihenfolge
2.458 Die Frage, in welcher Reihenfolge – zuerst Abkommensrecht oder zuerst innerstaatliches Recht – man in der Praxis eine Untersuchung vornehmen soll,6 beantwortete sich nach Zweckmäßigkeitsaspekten.7 Lässt sich „auf den ersten Blick“ aus dem innerstaatlichen Recht das Nichtbestehen einer deutschen Steuerpflicht ablesen, so kommt es auf ein DBA nicht mehr an. Eine Prüfung des Inhalts des Abkommens, das ja keine, nach innerstaatlichem Recht nicht bestehende, deutsche Steuerpflicht herbeiführt, ist dann nicht mehr erforderlich. Ergibt sich eine Steuerfreistellung unzweifelhaft aus dem DBA, so kann die Prüfung der Steuerpflicht nach internem Recht unterbleiben, denn selbst wenn sie bestünde, wäre sie durch das DBA aufgehoben.
1 Lehner, Die Rolle des Parlaments beim Zustandekommen von DBA, Steuern im Verfassungsstaat (Symposion zu Ehren von Klaus Vogel), 95 ff. (102); unzutreffend insoweit BFH v. 13.7.1994 – I R 120/93, BStBl. II 1995, 129. 2 Vgl. Achterberg, Parlamentsrecht, 385. 3 Becker, ET 1988, 383; Becker/Würm, intertax 1988, 257; Eckert, RIW 1992, 386; Lüdicke, DB 1995, 748; Ritter, JbFSt 1975/76, 339 (343); Schollmeier, EWS 1992, 137; Wohlschlegel, FR 1993, 48; ebenso jetzt BFH v. 10.1.2012 – I R 66/09, IStR 2012, 426 (Vorlagebeschluss an das BVerfG: Az. 2 BvL 1/12). 4 BFH v. 13.12.1989 – I R 39/87, BStBl. II 1990, 379. 5 BFH v. 2.2.1994 – I R 66/92, BStBl. II 1994, 727 = IStR 1994, 237. 6 Vogel, DB 1986, 507. 7 Anders wohl Grotherr in G/K/G, Art. 23 A, 23 B OECD-MA Rz. 48–57.
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E. Beseitigung der Doppelbesteuerung
III. Anwendung der Freistellungsmethode 1. Grundlagen Anders als bei der Anrechnungsmethode existieren für die Freistellungsmethode keinerlei innerstaatlichen Normen außer für die Regelung des Teilproblems der Berechnung des Progressionsvorbehaltes in § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG. Somit muss aus allgemeinen rechtstheoretischen Prinzipien abgeleitet werden, wie sich das Zusammenspiel zwischen Vertragsrecht (DBA) und nationalem Steuerrecht vollzieht. Angesichts der Komplexität der sich stellenden Fragen ist im Detail manches unklar und umstritten.
2.459
Auszugehen ist davon, dass die Freistellung ausländischer Einkünfte in den DBA derart erfolgt, dass der Methodenartikel vorschreibt, dass Einkünfte, die nach den „Zuteilungsnormen“ (= Art. 6–22 OECD-MA entsprechend) dem Quellenstaat zur Besteuerung überlassen werden, im Ansässigkeitsstaat „von der Besteuerung auszunehmen“ (so Art. 23 A OECD-MA) sind. Der englische Wortlaut des OECD-MA in Art. 23 A Abs. 1 ist, dass der Staat diese Einkünfte „exempt such income from tax.“. Dies bedeutet dem Wortsinn nach, dass die Steuer, die auf diese Einkünfte entfällt, nicht erhoben wird. Dies lässt sich theoretisch auf verschiedenen Wegen erreichen:
2.460
1. Die Einkünfte werden als steuerfrei behandelt, also beim Steuerobjekt (§ 2 Abs. 1 EStG) ausgeschieden (objektive Steuerbefreiung). 2. Die Einkünfte werden nach Bildung der Summe der Einkünfte, aber vor Bildung des zu versteuernden Einkommens (§ 2 Abs. 3–5 EStG) irgendwo berücksichtigt (Abzugsbetrag). 3. Bei der Festsetzung der tariflichen Steuer (§ 2 Abs. 6 EStG) wird die auf die freigestellten Einkünfte entfallende deutsche Steuer ausgenommen (Steuerausnahme). Die meisten1 deutschen DBA weichen jedoch vom Wortlaut des OECD- 2.461 MA ab und verwenden die Formulierung, dass die Einkünfte von der „Bemessungsgrundlage auszunehmen“ seien. Dies wird heute in allen deutschen DBA damit verbunden, dass bei der Bestimmung des Steuersatzes für die übrigen, nicht freigestellten Einkünfte Deutschland die freigestellten Einkünfte berücksichtigen darf (sog. Progressions- oder Tarifvorbehalt). Das damit angestrebte Ziel der Vermeidung der Doppelbesteuerung und somit die Erfüllung der völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands ist erreicht, wenn Deutschland nicht seine auf die ausländischen freigestellten Einkünfte entfallende Steuer erhebt (Rz. 2.460 Fall 3). In dieser Sichtweise wird bei der Freistellungsmethode der Anrechnungshöchstbetrag nicht erhoben, wohingegen bei der Anrechnungsmethode die deut-
1 Wassermeyer in D/W, Art. 23 A OECD-MA Rz. 51.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
sche Steuer im Rahmen dieses Höchstbetrages nur insoweit nicht erhoben wird, wie im Ausland Steuer gezahlt wurde. Diese als modifizierte Freistellung1 bezeichnete Vorgehensweise wird von einigen Staaten ausdrücklich in ihren DBA (so Niederlande) vereinbart. Sie bereitet die geringsten Probleme, entspricht der völkerrechtlichen Verpflichtung und ist daher vorzugswürdig. Im Ergebnis entspricht sie der Freistellung unter Progressionsvorbehalt.
2.463 Die deutsche Praxis folgt jedoch nicht der modifizierten Freistellung. Dies dürfte im Wesentlichen historisch bedingt sein. Das EStG 19202 behandelte die Freistellung als eine Frage der persönlichen Steuerpflicht. Dies führte zur Ansicht,3 die DBA enthielten Kollisionsnormen und begründeten durch die „Zuweisung“ erst die nationalen Besteuerungsrechte, sodass in der „Umkehrung“, d.h. der Freistellung, das Besteuerungsrecht sich nicht mehr auf diese Einkünfte erstreckt. Der RFH4 formulierte dies so, dass wegen der Freistellung die betreffenden Einkünfte in keiner Weise mehr innerstaatlich vorhanden seien.5 Spätestens mit der Aufnahme des Progressionsvorbehaltes in die DBA6 traf diese Sichtweise aber nicht mehr zu. Von 19587–19748 sah § 3 Nr. 41 EStG a.F. eine Steuerfreiheit für die freigestellten Einkünfte vor, was als eine objektive Steuerbefreiung bei der Einkünfteermittlung gem. § 2 Abs. 1 EStG verstanden wurde.9 Die Norm wurde, da sich bereits aus der unmittelbaren Anwendung des DBA ergebend, als überflüssig aufgehoben.10 Dies war auf die ständige Rspr. des BFH11 zurückzuführen. Dieser gründete in der Nachfolge des RFH seine Rspr. auf folgende Thesen. – Rechtsgrundlage der Freistellung ist das DBA selbst. Sie bewirkt eine objektive Steuerbefreiung der Einkünfte.
1 Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 42. 2 § 2 EStG 1920. 3 Dorn, VSchrStFinR 1927, 189 (207); Herzfeld, Problem des internationalen Steuerrechts, Heidelberg 1932, abgedruckt in VSchrStFinR 1932, 423 (457); siehe auch Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, 72 ff. 4 RFH v. 26.6.1935 – VI A 414/35, RStBl. 1935, 1358; unter Bezugnahme auf Dorn, VSchrStFinR 1927, 189 (207). 5 Ebenso noch BVerfG v. 10.3.1971 – 2 BvL 3/68, BVerfGE 30, 272 (281); BStBl. II 1973, 431 (434): „gelten als nicht vorhanden“. 6 Vgl. Vogel, in FS Selmer, 959 ff. 7 BGBl. I 1958, 479. 8 BGBl. I 1974, 1769. 9 BFH v. 11.3.1970 – I B 50/68, BStBl. II 1970, 569; v. 28.3.1973 – I R 59/71, BStBl. II 1973, 531. 10 Wassermeyer in D/W, Art. 23 A OECD-MA Rz. 52. 11 BFH v. 9.11.1966 – I 29/65, BStBl. III 1967, 88; v. 4.10.1967 – I 422/62, BStBl. II 1968, 101; v. 11.10.1967 – I R 86/67, BStBl. III 1967, 729; v. 28.3.1973 – I R 59/71, BStBl. II 1973, 531; v. 4.8.1976 – I R 152-153/74, BStBl. II 1976, 622; v. 11.7.1979 – I R 149/76, BFHE 128, 248; v. 12.3.1980 – I R 186/76, BStBl. II 1980, 531; anders ab 1.8.1986 – VI R 181/83, BStBl. II 1986, 902.
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E. Beseitigung der Doppelbesteuerung
– Rechtsgrundlage des Progressionsvorbehaltes ist ebenfalls die Regelung im Abkommen selbst.1 – Der Begriff „Einkünfte“ im Methodenartikel i.S.d. terminus technicus des § 2 Abs. 2 EStG zu verstehen sei und umfasst folglich positive wie negative Einkünfte, Gewinne und Verluste.2 Gegen diese Thesen gibt es überzeugende Einwände.3 Inzwischen hat der BFH auch entschieden:
2.464
– Der Begriff „Einkünfte“ im Methodenartikel ist nicht notwenig als terminus technicus des deutschen Rechts, d.h. als Saldo, i.S.v. § 2 Abs. 7 EStG auszulegen.4 Er kann je nach Art der betroffenen Einkünfte einen Bruttobetrag oder einen Nettobetrag meinen. Damit entfällt zwar die These, in Art. 23 A OECD-MA bzw. den entsprechenden DBA-Artikeln seien „Einkünfte“ i.S.d. terminus technicus zu verstehen; das Problem taucht aber erneut bei den einzelnen Verteilungsartikeln auf. So stellt sich z.B. bei Art. 7 OECD-MA die Frage, ob „Gewinn“ (profit) auch „Verlust“ (loss) meint.5 – Die Rechtsgrundlage des Progressionsvorbehaltes ist alleine das nationale Steuerrecht.6 Vor allem nachdem durch § 2a Abs. 1 EStG auch der negative Progressionsvorbehalt ausgeschlossen wurde,7 konnte die These von seiner Grundlage in Abkommen nicht aufrechterhalten werden, wollte der BFH nicht einen Widerspruch zum Abkommen annehmen. Auch die neue8 Vorschrift des § 32b Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 2 Abs. 7 EStG erzwang die Aufgabe9 der alten Rspr. 2. Wirkung im innerstaatlichen Recht Daran allerdings, dass Grundlage der Freistellung das DBA selbst sei, hält er allerdings fest.10 Möglicherweise liegt dies darin begründet, dass es keine innerstaatliche Vorschrift gibt, die die Wirkung und das Verfahren der Freistellung regelt.11 Eine solche Norm ist aber erforderlich, um die DBA1 BFH v. 9.11.1966 – I 29/65, BStBl. III 1967, 88; v. 11.10.1967 – I R 86/67, BStBl. III 1967, 729. 2 Siehe auch Wassermeyer in D/W, Art. 23 A OECD-MA Rz. 21. 3 Vgl. Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 56 ff. m.w.N. 4 Vgl. insbesondere BFH v. 16.3.1994 – I R 42/93, BStBl. II 1994, 799; v. 29.5.1996 – I R 167/94, BStBl. II 1997, 60; wie hier M. Lang, DStJG 34 (2011) S. 353 f. 5 Wassermeyer in D/W, Art. 23 A OECD-MA Rz. 21. 6 BFH v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136; v. 12.12.1990 – I R 127/88, BFH/NV 1992, 104; v. 13.5.1993 – IV R 69/92, BFH/NV 1994, 100. 7 Vgl. Mössner in K/S/M, § 2a EStG Rz. A 27 ff. m.w.N. 8 Eingeführt durch JStG 1996; vgl. Mössner, IStR 1997, 225. 9 BFH v. 19.12.2001 – I R 63/00, BStBl. II 2003, 302; v. 15.5.2002 – I R 40/01, BStBl. II 2002, 660; v. 19.11.2003 – I R 19/03, BStBl. II 2004, 549; siehe auch Wassermeyer, IStR 2002, 289; Sabatschus, IStR 2002, 623. 10 BFH v. 29.5.1996 – I R 15/94, BStBl. II 1997, 57; v. 29.5.1996 – I R 167/94, BStBl. II 1997, 60; v. 13.11.2002 – I 13/02, BStBl. II 2003, 795. 11 Kritisch auch Wolff in D/W, Art. 23 DB-USA Rz. 150.
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Verpflichtung im deutschen Recht wirksam werden zu lassen. Dies würde auch erklären, warum der BFH die Freistellung bereits vor Bildung der Summe der Einkünfte (§ 2 Abs. 2 EStG) eingreifen lässt, obgleich der überwiegende Abkommenstext vom Ausnehmen bei der Bildung des Gesamtbetrages der Einkünfte spricht; denn angesichts der vielen Abzugsbeträge zwischen Bildung der Summe der Einkünfte und der des Gesamtbetrages der Einkünfte müsste festgelegt werden, an welcher Stelle die freigestellten ausländischen Einkünfte abzuziehen wären, wofür aber jeder Anhaltspunkt im DBA fehlt. Einzig die – mögliche – Interpretation i.S.d. modifizierten Freistellungstheorie (Rz. 2.462) würde diese Probleme vermeiden.
2.466 Nach h.M.1 wirkt die Freistellung im Sinne einer objektiven Steuerbefreiung.2 Die betreffenden Einkünfte werden somit vor Bildung der Summe jeder Einkunftsart i.S.v. § 2 Abs. 1 EStG, d.h. bei der Ermittlung des Ergebnisses der Einkunftsarten, ausgeschieden. Beispiel: Inländer A erzielt inländische gewerbliche Einkünfte von 1 Mio. und solche aus einer ausländischen Betriebsstätte von 500 000. In die Bildung der Summe der Einkünfte gehen nur die Einkünfte von 1 Mio. ein.
Dies bedeutet, dass im Steuerbescheid bei der Aufführung der Besteuerungsgrundlagen die freigestellten Auslandseinkünfte betragsmäßig nicht mehr erscheinen. Behandelte man die Freistellung nicht als objektive Steuerbefreiung, so wären die freigestellten Auslandseinkünfte in den Beträgen der einzelnen Einkunftsarten enthalten, sie würden dann irgendwo neben den in § 2 Abs. 3–5 EStG aufgeführten Beträgen abgezogen. Im Gesamtbetrag der Einkünfte sind sie jedenfalls nach h.M. nicht mehr enthalten.3 Dies hat u.a. Auswirkungen für die Berechnung der außergewöhnlichen Belastungen. Beispiel:4 Inländer I bezieht seine Einkünfte im Wesentlichen aus einem österreichischen Betrieb. In 2004 erzielt er so 5 Mio. Euro im Inland gem. DBA an freigestellten Einkünften. Seine inländischen Einkünfte betragen nur 5000 Euro an Zinsen. In 2004 hat er wegen einer komplizierten Heilbehandlung 6000 Euro an Krankheitskosten zu tragen. Seine zumutbare Eigenbelastung beträgt gem. § 33 Abs. 3 EStG 5 v.H. des „Gesamtbetrages der Einkünfte“, d.h. 250 Euro, sodass er im Inland kein zu versteuerndes Einkommen erzielt.
1 BFH v. 14.3.1989 – I R 20/87, BStBl. II 1989, 649; Wassermeyer in D/W, Art. 23 A OECD-MA Rz. 52. 2 Ebenso Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 52. 3 Wie sie dann „bei der Beurteilung inländischer Besteuerungsmerkmale gedanklich einbezogen werden“ können, so Wassermeyer in D/W, Art. 23 A OECD-MA Rz. 5., bleibt jedoch systematisch unklar. 4 Nach BFH v. 12.9.1977 – VI R 105/75, BStBl. II 1978, 9.
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E. Beseitigung der Doppelbesteuerung
Sind an den freigestellten Auslandeinkünften mehrere Personen beteiligt, so werden diese gem. § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO gesondert durch Bescheid freigestellt, soweit sie für die inländische Besteuerung von Bedeutung sind. Dies trifft insbesondere für den Progressionsvorbehalt zu. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO ist deshalb nicht unmittelbar anwendbar, weil die freigestellten Einkünfte nach h.M. nicht steuerpflichtig sind. Nicht in diese Feststellung einbezogen werden Auslandseinkünfte, die keine Bedeutung im Inland haben, wie z.B. Auslandeinkünfte einer inländischen Personengesellschaft, die auf einen ausländischen Gesellschafter entfallen.1
2.467
3. Bedingte Freistellung Die Freistellung verwirklicht die Kapitalimportneutralität. Wird im Quellenstaat auf die freizustellenden Einkünfte keine Steuer erhoben, so besteht dort Wettbewerbsgleichheit des Steuerausländers mit Steuerinländern, sodass prinzipiell nichts zu beanstanden ist. Aber zunehmend wird die Freistellung im Ansässigkeitsstaat ohne Doppelbesteuerung, d.h. die Vermeidung der sog. virtuellen Doppelbesteuerung, als ungerechtfertigt empfunden. Daher wird die Freistellung im Ansässigkeitsstaat daran gebunden, dass der Quellenstaat die Einkünfte besteuert. Deutschland hat mit einer Reihe von Staaten solche „subject-to-tax“-Klauseln2 abgeschlossen.3
2.468
Die Anwendung dieser Klauseln muss ihre verschiedenen Fassungen beachten, sodass jedes Abkommen getrennt für sich zu sehen ist. Hinzu kommt, dass der BFH noch zu keiner abschließenden Auslegung gefunden hat. Streitig ist, ob ein Umkehrschluss möglich ist, wenn wie etwa in Art. 23 Abs. 2 letzter Satz DBA-USA bestimmt wird, dass für die Anwendung der Methoden „Gewinne oder Einkünfte … als aus Quellen in den Vereinigten Staaten stammend [gelten], wenn sie in Übereinstimmung mit diesem Abkommen in den Vereinigten Staaten besteuert werden.“ Ob Einkünfte aus dem Inland oder Ausland stammen, ergibt sich zunächst aus nationalem Recht.4 Jeder der Vertragsparteien eines DBA bestimmt aufgrund seines Steuerrechts, ob es sich bei Einkünften um aus seiner Sicht inländische oder ausländische handelt. Je nach dieser territorialen Zuordnung sieht er sich als Quellenstaat der Einkünfte. Im Zusammenspiel mit den Regeln über die Ansässigkeit (Rz. 2.429, 2.434) ergeben sich dann folgende Situationen:
2.469
1 Grützner, IStR 1994, 65. 2 Über deren Ursprung in der Anrechnungsmethode siehe Vogel, IStR 1997, Beihefter zu Heft 24; vgl. Mössner in Esser/de Bont/Kemmeren, The compatibility of anti-abuse provisions in tax treaties with EC Law, Deventer 1998, 99. 3 Vgl. Vogel in V/L5, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 31 ff. 4 Ganz h.M.: BFH v. 2.5.1969 – I R 176/66, BStBl. II 1969, 579; v. 20.10.1986 – I R 52/83, BStBl. II 1988, 521.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
1. Staat wertet die Einkünfte als inländische, den Steuerpflichtigen als nicht ansässig. Folge: Er ist Quellenstaat i.S.d. DBA. 2. Staat wertet sie als ausländische, den Steuerpflichtigen als ansässig. Folge: Er ist Ansässigkeitsstaat. 3. Staat wertet Einkünfte als ausländische, Steuerpflichtigen als nicht ansässig. Folge: Er besteuert nicht, für ihn keine Situation eines DBA. 4. Staat wertet Einkünfte als inländische, Steuerpflichtigen als ansässig. Da es keine abgestimmten Regeln gibt, können verschiedene Kombinationen bei zwei Staaten auftreten: 1. und 2.: Regelfall der Anwendung eines DBA; 1. und 3.: mangels Ansässigkeit kein Anwendungsfall eines DBA; 1. und 4.: positive Allokationsdivergenz; 2. und 3.: negative Allokationsdivergenz; 2. und 4.: wird über tie-breaker-rule (Art. 4 Abs. 2 OECD-MA) gelöst; 3. und 4.: kein Konflikt. Lösungsbedürftig sind die Fälle der Allokationsdivergenz.
2.470 Bei der positiven Allokationsdivergenz betrachten beide Staaten die Einkünfte als inländische. Zur Lösung dieses Konflikts bestehen zwei Möglichkeiten: 1. Das DBA bestimmt, aus welchem Staat die Einkünfte stammen. 2. Der Ansässigkeitsstaat hat die Beurteilung des Quellenstaates zu respektieren, sodass er zur Beseitigung der Doppelbesteuerung verpflichtet ist. Das OECD-MA verwendet zur Kennzeichnung der Herkunft der Einkünfte folgende Formulierungen: – Eine Person bezieht (engl. „derives“) Einkünfte (Art. 6, 13, 15, 17, 23 OECD-MA); – Gewinne werden zugeordnet (engl. „attributes“) = Art. 7 OECD-MA; – Zahlungen (engl. „paid“) erfolgen = Art. 10, 11, 18, 19, 20 OECD-MA; – Einkünfte entstehen (engl. „arise“)1 = Art. 11, 12, 21 OECD-MA.
2.471 Die deutschen Abkommen folgen weitgehend dem Sprachgebrauch, verwenden aber im Methodenartikel den Ausdruck, dass die Einkünfte aus dem anderen Staat „stammen“. Wassermeyer2 versteht den Begriff des „Stammens“ als abkommensrechtlichen Ausdruck, sodass für ihn die Lösung ad 1 maßgebend ist. 1 In der deutschen Fassung ist dies mit „stammen“ übersetzt. 2 Wassermeyer in D/W, Art. 23 A OECD-MA Rz. 43.
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E. Beseitigung der Doppelbesteuerung
Wenn er jedoch darauf abstellt, ob das Abkommen das Besteuerungsrecht von Abkommen anerkannt wird, so besteht die Gefahr eines Zirkelschlusses, es sei denn, das DBA enthält Kriterien der Zuordnung, so, wenn es auf einen Zahlungsvorgang abstellt (Art. 10, 11, 18, 19, 20 OECD-MA) oder eine Zuordnung vornimmt, wie in Art. 15 OECD-MA zum Tätigkeitsort. Dies löst in der Tat eine Reihe von Fällen. Die Lösungsmöglichkeit ad 2 stellt einfach auf die Tatsache der Besteuerung durch den Quellenstaat ab. Vor diesem Hintergrund kommt der subject-to-tax-Klausel die Aufgabe zu, im Wege einer Fiktion Einkünfte zu ausländischen zu erklären, die nach nationalem Recht inländische sind, damit die Doppelbesteuerung durch Anrechnung oder Freistellung im Inland vermieden wird. Dies ist unstreitig. Der BFH1 hatte2 jedoch in dieser DBA-Norm eine allgemeine Regel des Abkommensrechts gesehen, die abschließend das „Stammen“ von Einkünften auch gegenüber nationalem Recht bestimmt, sodass mit ihr auch der negative Allokationskonflikt gelöst wird, d.h., Einkünfte eines im Inland ansässigen, die nach deutschen Vorstellungen ausländische sind, dann zu inländischen werden, wenn sie im Ausland nicht besteuert werden. Aus der hinreichenden Bedingung – „ausländisch, falls im Ausland besteuert“ – wird in logisch unzulässiger Weise eine notwendige Bedingung – „ausländische, nur wenn im Ausland besteuert“. Ein Umkehrschluss ist folglich nicht möglich.3 In der praktischen Anwendung stößt die Gegenansicht auf viele Schwierigkeiten,4 insbesondere wenn sie über die Lösung der negativen Allokationsdivergenz hinaus als allgemeine Regel zur Vermeidung der doppelten Nichtbesteuerung ausgeweitet wird. Einige sind: Voraussetzung der Anwendung der Klausel ist die Feststellung der Steuerfreiheit der Einkünfte im anderen Staat. Während in der Textfassung des Abkommens der Nachweis, dass die Einkünfte im Ausland besteuert wurden, dem Steuerpflichtigen obliegt, müsste beim Umkehrschluss die Finanzverwaltung die Nichtbesteuerung nachweisen. Dabei ist dann unklar, was darunter zu verstehen ist. Kommt es darauf an, dass die Einkünfte nicht der Besteuerung unterliegen, weil sie nicht steuerbar sind oder unterhalb von Freibeträgen bzw. Freigrenzen liegen? Wie ist der Fall zu behandeln, dass der Steuerpflichtige keine oder eine fehlerhafte Erklärung abgibt und deshalb eine Besteuerung unterbleibt? Was, wenn dies nach Jahren entdeckt und die Steuer nachverlangt wird? Genügt eine noch so geringe Steuer, z.B. 1 BFH v. 11.6.1996 – I R 8/96, BStBl. II 1997, 117; v. 5.2.1992 – I R 158/90 BStBl. II 1992, 660. 2 Aufgegeben mit BFH v. 17.12.2003 – I R 14/02, BStBl. II 2004, 260; hierzu vgl. Grotherr, IWB Fach 3, Gruppe 2, 1145 ff. 3 Ebenso Wolff in D/W, Art. 23 DBA-USA Rz. 285; a.A. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 1.2.6 (geändert durch BMF v. 20.11.2000 – IV B 4 - S 1300 - 222/00, BStBl. I 2000, 1509 bzw. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 [2009/0716905]; BStBl. I 2010, 354); Arthur Andersen, Art. 23 DBA-USA Rz. 47; Grotherr in G/K/G, Art. 23 OECD-MA Rz. 40, 42. 4 Vgl. Wolff in D/W, Art. 23 DBA-USA Rz. 286.
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2.472
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
beim Überschreiten von Freibeträgen bzw. Freigrenzen oder wird dann der Betrag in einen besteuerten und einen nichtbesteuerten Teil aufgespalten? Offen ist, ob die Klausel auch dann zur Anwendung kommt, wenn im Ausland aufgrund der dort geltenden Ermittlungsbestimmungen ein Verlust, im Inland jedoch ein Gewinn vorliegt.1 Da sich in den Folgejahren die Verhältnisse umdrehen können – z.B. bei degressiver AfA im Ausland, linearer im Inland – würde in den Verlustjahren (im Ausland) ein Gewinn im Inland besteuert, wohingegen bei inländischen Verlusten und gleichzeitigen ausländischen Gewinnen die Freistellung erfolgte. Kommt es nicht zur DBA-Freistellung, so gelten die allgemeinen Regeln über die Anrechnung ausländischer Steuern (§ 34c EStG).
2.473 Daher wird die subject-to-tax-Klausel auch als Rückfallklausel bezeichnet.2 Da aber das Fehlen einer ausländischen Steuer Voraussetzung des Rückfalls ist, gibt es nichts anzurechnen, sodass im Ergebnis einfach die objektive Steuerbefreiung entfällt, sodass man besser von einer „Besteuerungsklausel“ spricht. Neben den subject-to-tax-Klauseln hat die Vertragspraxis weitere Klauseln entwickelt, die dazu führen, dass an die Stelle der Freistellungsmethode die Anrechnung tritt. Diese sind:
2.474 – Switch-over-Klausel Mit dieser Klausel3 sollen Doppel- und Nichtbesteuerungen vermieden werden, die durch eine unterschiedliche Anwendung des Abkommens durch die Vertragsparteien, sog. Qualifikationskonflikt, entstehen und nicht durch Konsultation beseitigt werden können. Ihr Zweck liegt somit darin, dass ein Nichtfunktionieren der Freistellungsmethode als ultima ratio4 durch Anwendung der Anrechnungsmethode aufgefangen werden soll.
2.475 – Remittance-basis5 Manche Staaten, z.B. Großbritannien, Zypern, besteuern Personen, die zwar unbeschränkt steuerpflichtig, aber nur „resident“ und nicht „domiciled“6 sind, mit ihren ausländischen Einkünften nur, soweit diese ins Inland überwiesen werden.7 Beispiel: Der deutsche Manager M verlegt seinen Wohnsitz nach seiner Pensionierung nach London. Er erhält eine Betriebspension des deutschen Unternehmens. Aufgrund Art. XV DBA-Großbritannien steht das Besteuerungsrecht nur Großbritannien zu. 1 Ähnlich Wolff in D/W, Art. 23 OECD-MA Rz. 286. 2 Grotherr in G/K/G, Art. 23 OECD-MA Rz. 69; Lampe, IStR 1999, 249; Sorgenfrei, IStR 1999, 201; Valova/Bodenloher/Koch, IStR 2002, 405. 3 Siehe Protokoll Nr. 21 DBA-USA; Art. 23 Abs. 1 DBA-Schweden. 4 Siehe Wassermeyer in D/W, Art. 23 A Rz. 162. 5 Vogel in V/L5, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 18. 6 Hierzu Mössner in FS Ritter, 195 ff. 7 Vgl. IBFD (Kesti ed.), European Tax Handbook 2004, 273.
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E. Beseitigung der Doppelbesteuerung Deutschland kann die Pension nicht besteuern, Großbritannien legt seiner Steuer nur die nach England überwiesenen Beträge zugrunde.
Um die sich hieraus ergebenden Gestaltungsmöglichkeiten zu unterbinden, enthalten einige DBA1 eine Klausel, dass die Nichtbesteuerung im Ansässigkeitsstaat dem Quellenstaat sein Recht zur Besteuerung belässt.2 Somit wirkt diese Klausel anders als die beiden anderen zugunsten des Quellenstaates. In einer Reihe von Abkommen3 wird die Freistellung ausländischer Betriebsstätteneinkünfte und Schachtelbeteiligungen davon abhängig gemacht, dass im Ausland die Betriebsstätte oder Kapitalgesellschaft eine aktive Tätigkeit ausübt (Aktivitätsklausel). Teils folgen diese Klauseln dem Aktivitätskatalog von § 8 Abs. 1 AStG. Der BFH4 wendet diese Aktivitätsklauseln einkünftebezogen an. Beispiel: Zum Betriebsvermögen der schweizerischen Betriebsstätte der deutschen X-GmbH gehört die Beteiligung an der schweizerischen Y-AG. Die Y schüttet Dividenden aus, die Einnahmen der Betriebsstätte darstellen. Betriebsstätteneinkünfte aus der Schweiz werden in Deutschland freigestellt (Art. 24 Abs. 1 i.V.m. Art. 7 DBASchweiz). Da der Bezug von Dividenden nach der Aktivitätsklausel des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 DBA-Schweiz zu passiven Einkünften führt, sind sie nicht freizustellen.5
Unklar ist,6 ob diese Dividenden dann dem Dividendenartikel gem. mit eingeschränkter Quellenbesteuerung oder dem Betriebsstättenartikel entsprechend mit uneingeschränkter Quellenbesteuerung belegt werden, da der BFH sich nur mit der Freistellung in Deutschland beschäftigt hat. Da nach seiner Ansicht die Anrechnungsmethode anzuwenden ist, sind die in der Schweiz gezahlten Steuern anzurechnen.
1 Art. II Abs. 2 DBA-Großbritannien; Schlussprot. Nr. 3 DBA-Indonesien; Art. II Abs. 2, DBA-Irland; Art. 2 Abs. 2 DBA-Israel; Art. 3 Abs. 3 DBA-Jamaika; Schlussprot. Nr. 2, DBA-Malaysia; Art. 2 Abs. 6 DBA-Malta; Schlussprot. Nr. 1 DBA-Trinidad und Tobago; Schlussprot. Nr. 2 DBA-Zypern. 2 Siehe hierzu BFH v. 29.11.2000 – I R 102/99, BStBl. 2001, 195. 3 Fast alle neueren Abkommen, vgl. Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 75; Übersicht bei Wassermeyer in D/W, Art. 23 A, 23 B OECD-MA Anl. 1; siehe auch Wassermeyer, IStR 2000, 65. 4 BFH v. 7.8.2002 – I R 10/01, BStBl. II 2002, 848; a.A. Grotherr in G/K/G, Art. 24 DBA-Schweiz Rz. 4. 5 Vgl. Mössner, RIW 2003, 294 (296); st. Rspr. RFH v. 26.6.1935 – VI A 414/35, RStBl. 1935, 1358; BFH v. 11.3.1970 – I B 50/68, BStBl. II 1970, 569; v. 23.3.1972 – I R 128/70, BStBl. II 1972, 958; v. 28.3.1973 – I R 59/71, BStBl. II 1973, 531, v.17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136; v. 13.11.2003 – I R 13/02, BStBl. II 2003, 795. 6 Siehe hierzu Wagner, IWB Fach 3, Gruppe 2, 1067.
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2.476
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
4. Folgen der Freistellung
2.477 Sieht das DBA Freistellung vor, so ist dies für den Steuerpflichtigen zwingend. Er hat – anders als nach § 34c Abs. 2 EStG – kein Wahlrecht auf Abzug der ausländischen Steuer oder Anrechnung derselben.
2.478 Nach Ansicht der h.M.1 bedeutet Freistellung, dass alle Einnahmen und Ausgaben, die der ausländischen Einkunftsquelle zuzuordnen sind, aus der inländischen Besteuerung ausscheiden. Zunächst ist zu prüfen, ob Einnahmen inländische oder ausländische sind. Hierzu kann § 34d EStG, obgleich diese Norm nur die unilaterale Anrechnung betrifft, zur Bestimmung der Auslandseigenschaft von Einnahmen herangezogen werden. In einem zweiten Schritt sind diesen Einnahmen die zugehörigen Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten zuzuordnen. Dies bestimmt sich alles nach den deutschen Einkünfteermittlungsnormen, sodass es auf die Veranlassung der Ausgaben durch die Einnahmeerzielung ankommt. Dies bedeutet nach der h.M., dass sich die Freistellung (= Steuerfreiheit) der Einnahmen auch auf die durch sie veranlassten Ausgaben erstreckt, was zu deren Freistellung = Nicht-Abziehbarkeit führt. Dies gilt auch für vorweggenommene Ausgaben, selbst dann, wenn es nicht zu – freizustellenden – ausländischen Einnahmen kommt (vergebliche Aufwendungen).2
2.479 Die Argumentation des BFH basiert entscheidend darauf, dass nach seiner Ansicht der Begriff „Einkünfte“ im Methodenartikel eines DBA i.S.d. deutschen Steuerrechts zu verstehen sei, sodass zur Bildung des Saldos Einnahmen und Ausgaben vorrangig der ausländischen Einkunftsquelle zuzuordnen sind. Bei vorweggenommenen Aufwendungen seien für die Beurteilung die nach Aufnahme der Erwerbstätigkeit gegebenen steuerlichen Verhältnisse maßgebend.3 Diese Auslegung ist jedenfalls folgerichtig, da es keinen Unterschied machen kann, ob die Kosten höher als die Einnahmen sind oder ob Ersteren überhaupt keine Einnahmen gegenüberstehen. In beiden Fällen ergibt sich ein Verlust.
2.480 Im Urt. v. 28.4.19834 hatte der IV. Senat dieses Ergebnis unrichtigerweise auch auf § 3c EStG gestützt, weil diese Vorschrift den Betriebsausgabenabzug auch dann verbiete, „wenn steuerfreie Einnahmen gegenwärtig noch nicht vorliegen, sondern erst zukünftig erwartet werden.“ Demgegenüber hatte der I. Senat bereits am 21.4.19715 entschieden, dass der unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang der Ausgaben mit steuerfreien Einnahmen voraussetze, dass im jeweiligen Veranlagungszeitraum steuerfreie Einnahmen bezogen werden. Den offensichtlichen Wider1 Wassermeyer in D/W, Art. 23 A OECD-MA Rz. 56 ff. 2 BFH v. 28.4.1983 – IV R 122/79, BStBl. II 1983, 566; v. 20.7.1973 – VI R 198/69, BStBl. II 1973, 732. 3 So BFH v. 20.7.1973 – VI R 198/69, BStBl. II 1973, 732. 4 BFH v. 28.4.1983 – IV R 122/79, BStBl. II 1983, 566; a.A. Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 295c „fehlerhaft“. 5 BFH v. 21.4.1979 – I R 97/68, BStBl. II 1971, 694.
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E. Beseitigung der Doppelbesteuerung
spruch zu den Entscheidungen zu den vergeblichen Aufwendungen löste erst das Urt. v. 29.5.19961 in einer ausführlichen Begründung dadurch auf, dass er nunmehr mit dem Begriff „Einkünfte“ im Methodenartikel (Art. 6–22 OECD-MA) einen Brutto- oder Nettobetrag meine. Soweit es sich um einen Bruttobetrag handle, wie bei Dividenden (Art. 10 OECDMA), Zinsen (Art. 11 OECD-MA) oder Lizenzen (Art. 12 OECD-MA), komme § 3c Abs. 1 EStG zur Anwendung, in den übrigen Fällen gelte das zuvor beschriebene Veranlassungsprinzip. Nur bei einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit tatsächlichen bezogenen steuerfreien Einkünften werden die Ausgaben dem Ausland zugeordnet und dadurch im Inland nicht abzugsfähig. Beispiel: D-GmbH hat mit Kredit die Anteile an der ausländischen F-SA erworben. Die Kreditzinsen sind nur dann im Inland nicht abzugsfähig, wenn die F steuerfreie Dividenden ausschüttet. Werden keine Dividenden ausgeschüttet, kann D die Kreditzinsen abziehen (sog. Ballooning).
5. Steueranrechnung Die DBA sehen auch die Anrechnungsmethode vor. Dabei wird regelmäßig die gewöhnliche Anrechnung vorgesehen, bei der der zur Anrechnung verpflichtete Staat die ausländische Steuer nur bis zur Höhe der von ihm selbst auf dasselbe Steuergut erhobenen eigenen Steuer anrechnet, wodurch die Gesamtsteuerbelastung der höheren der beiden Steuern entspricht (vgl. Art. 23 B Abs. 1 Satz 2 OECD-MA). Die in Art. 23 A Abs. 2 Satz 2 OECD-MA bzgl. Zinsen und Dividenden ebenfalls ausgesprochene gewöhnliche Begrenzung der Anrechnung geht, da in den allermeisten Fällen die Steuer des Quellensatzes niedriger ist als die des Wohnsitzstaates, praktisch ins Leere.
2.481
Anders als die Freistellung ist die Durchführung der Anrechnung im OECD-MA zumindest teilweise näher geregelt: Der in Art. 23 A Abs. 2 Satz 2 und Art. 23 B Abs. 1 Satz 2 OECD-MA definierte Anrechnungshöchstbetrag entspricht dem des § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG und den entsprechenden Vorschriften zur Körperschaftsteuer. Die Einschränkungen durch das StVergAbG (Rz. 2.369) verstoßen jedoch gegen diese Regelung in den DBA.2
2.482
Darüber hinaus enthalten die DBA keine weiteren Regelungen der Anrechnungstechnik,3 sodass insoweit die Regeln des innerstaatlichen Rechts gelten (siehe Rz. 2.289, 2.401).
2.483
1 BFH v. 29.5.1996 – I R 21/95, BStBl. II 1997, 63. 2 Müller-Dott, DB 2003, 1468 (1469). 3 Übersicht über die Regelung der Anrechnung in den deutschen DBA bei Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 171.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
2.484 Nicht im internen Recht, aber in einigen Abkommen,1 insbesondere den mit Entwicklungsländern abgeschlossenen, ist die Anrechnung fiktiver Steuern vorgesehen, d.h. die Anrechnung einer ausländischen (Quellen-)Steuer in der Höhe, wie sie an sich durch das DBA zugelassen ist, obwohl sie tatsächlich zu einem ermäßigten Steuersatz erhoben wurde (tax sparing credit). Sinn des tax sparing credit ist es, den Steueranreiz für Investitionen, den der Quellenstaat mit der Senkung seiner Quellensteuer schafft, nicht durch die Heraufschleusung der Steuerbelastung auf das deutsche Steuerniveau wieder zunichtezumachen. 6. Auslandsverluste
2.485 Unabhängig von der anzuwendenden Methode der Vermeidung der Doppelbesteuerung werden die ausländischen Einkünfte für die Bestimmung der darauf entfallenden deutschen Steuer bei der Anrechnung oder für die Freistellung nach deutschen Vorschriften ermittelt. Ein Auslandsverlust liegt folglich dann vor, wenn nach den deutschen steuerlichen Vorschriften diese ausländischen Einkünfte negativ sind. Davon unabhängig erfolgt die Ermittlung derselben Einkünfte durch den ausländischen (Quellen-)Staat. Neben dem – eher unwahrscheinlichen – Fall, dass inländische und ausländische Ermittlungsmethoden zum identischen Ergebnis gelangen, sind die Situationen denkbar, dass beide Staaten zwar zu Verlusten, aber in unterschiedlicher Höhe gelangen oder sogar in dem einen ein Gewinn, in dem anderen ein Verlust ermittelt wird.
2.486 Bei der Anrechnungsmethode geht ein Auslandsverlust (Rz. 2.488) in die inländische Einkünfteermittlung ein und mindert die Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer. Dies ist Folge des Welteinkommensprinzips. Ermittelt das Ausland hingegen einen Gewinn und erhebt Steuern hierauf – z.B. weil eine Quellensteuer auf die Bruttoeinnahme ohne Berücksichtigung der Kosten erhoben wird –, so kann diese Steuer mangels einer entsprechenden deutschen Steuer nicht angerechnet werden. Beispiel: Inländer I hat die Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft K z.T. mit Kredit von 2000 zu 6 % (= Zins p.a. 120) finanziert. K schüttet eine Dividende an I von 100 aus, worauf eine Quellensteuer von 25 erhoben wird. I muss nach dem Teileinkünfteverfahren 60 versteuern und hat Finanzierungskosten, die gem. § 3c Abs. 2 EStG mit 60 abgezogen werden.
2.487 Innerhalb der EU ist jedoch aufgrund der Gerritse-Entsch.2 die Erhebung von Quellensteuern ohne Rücksicht auf zugehörige Kosten (Bruttoerträge) eingeschränkt. Ein verbleibender Anrechnungsüberhang kann nicht auf zukünftige Veranlagungszeiträume vorgetragen werden. Dies dürfte
1 Übersicht bei Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 191. 2 EuGH v. 12.6.2003 – Rs. C-234/01 – Gerritse, EuGHE 2003, I-5933 = IStR 2003, 458 = DB 2003, 1360 = FR 2003, 779.
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E. Beseitigung der Doppelbesteuerung
mit den Prinzipien der AMID-Entsch. des EuGH1 nicht zu vereinbaren sein (vgl. Rz. 2.297). Die Behandlung von Auslandsverlusten bei der Freistellungsmethode ist höchst strittig.2 Der BFH verweigert bei Einkünften, die im Inland gem. DBA freizustellen sind, die Berücksichtigung der Verluste. Seit dem Urt. v. 29.5.1996 (vgl. Rz. 2.480) lässt sich diese Auffassung nicht mehr in den Fällen halten, in denen das DBA Bruttoerträge freistellt. Gemäß dem dann geltenden § 3c Abs. 1 EStG3 werden die die Einnahmen übersteigenden Kosten nicht vom Abzug ausgeschlossen.
2.488
Beispiel: D-GmbH hat ihrer ausländischen Tochterkapitalgesellschaft T ein Darlehen gegeben, das sie refinanziert. In 2003 zahlt die T 100 000 an Zinsen an D aus, die nach dem DBA in Deutschland freizustellen sind. D hat Refinanzierungskosten von 120 000, 20 000 sind abzugsfähig. Allerdings dürfte eine derartige Situation selten sein, da diese Einkünfte nach den DBA nicht freigestellt werden.
Der österreichische VGH4 hat in Abkehr seiner langjährigen Praxis, dem 2.489 BFH zu folgen, in einem viel beachteten Entscheid die innerstaatliche Berücksichtigung von Auslandsverlusten auch bei der Freistellungsmethode zugelassen. Der BFH ist dem bisher nicht gefolgt.5 Stattdessen stellt er in jüngerer Zeit auf die sog. Symmetriethese ab, wonach aus der Freistellung der positiven Einkünfte folge, dass die negativen Einkünfte im Inland unberücksichtigt bleiben müssten. Diese These überzeugt wenig, da – wie der österreichische VGH zutreffend erkannt hat – die Freistellung eine Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung darstellt. Eine Doppelbesteuerung droht aber nur bei positiven Einkünften, die in zwei Staaten besteuert werden. Bei Verlusten geht es nicht um die Vermeidung einer Doppelbesteuerung, sondern um die richtige Zuordnung von wirtschaftlichen Ergebnissen zu einem Staat. Schlüssig wäre die Argumentation des BFH nur dann, wenn er in der Freistellung eine derartige Zuordnung sähe. Rechtfertigen ließe sie sich damit, dass der Staat, in dessen Staatsgebiet ein wirtschaftlicher Erfolg erzielt wird, das alleinige Besteuerungsrecht dafür besitzen würde. Dies widerspricht aber dem Welteinkommensprinzip, dem Progressionsvorbehalt und den diversen Rückfallklauseln. Richtigerweise ist daher von einer vorrangigen Besteuerungshoheit des Quellenstaates auszugehen, was nicht ausschließt, die Verluste trotz Frei1 EuGH v. 14.12.2000 – Rs. C-141/99 – AMID, EuGHE 2000, I-6857 = FR 2001, 157 = IStR 2001, 86. 2 Vgl. Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 45, 58; Wassermeyer in D/W, Art. 23 A OECD-MA Rz. 57. 3 Hierzu Heinicke in Schmidt31, § 3c EStG Rz. 19. 4 VGH v. 25.9.2001 – 99/14/0217, IStR 2001, 754 m. Anm. Wassermeyer; vgl. zu dieser Entsch. Jirousek, ÖStZ 2001, 569; Lang, SWI 2002, 86 (92); Loukota, SWI 2001, 466; Trenkwalder/Firlinger, SWI 2001, 514; Vogel, IStR 2002, 91; Zorn, SWI 2001, 456; auch Wassermeyer in D/W, Art. 23 A OECD-MA Rz. 57a. 5 BFH v. 13.11.2002 – I R 13/02, BStBl. II 2003, 795; zuletzt bestätigt durch BFH v. 9.6.2010 – I R 100/09, BStBl. II 2010, 1065.
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stellung im Ansässigkeitsstaat zu berücksichtigen, wenn sie im Quellenstaat nicht mehr berücksichtigt werden können. Die Rspr. des EuGH (Rz. 1.120) von den „finalen“ Verlusten dürfte generell der Vorzug gebühren.
2.490 Soweit Auslandsverluste im Inland abzugsfähig sind, sieht § 2a Abs. 1 und 2 EStG eine Reihe von Einschränkungen vor, um volkswirtschaftlich unerwünschte Auslandsinvestitionen zu unterbinden.1 Über die Auswirkungen auf den Progressionsvorbehalt siehe Rz. 2.505.
2.491 Über die Behandlung von Auslandsverlusten (Rz. 2.488 f.) im Hinblick auf unmittelbar anwendbare Grundfreiheiten des europäischen Gemeinschaftsrechts siehe Rz. 1.120.
2.492 Von 1969 bis 1998 hat der Gesetzgeber2 in europarechtskonformer3 Weise den Abzug freigestellter Auslandsverluste aus gewerblichen Betriebsstätten mit Hinzurechnung in folgenden Gewinnjahren zugelassen.4 Die Aufhebung durch das StEntlG5 war gemeinschaftsrechtswidrig.6 7. Progressionsvorbehalt
2.493 Um bei progressiven Tarifen den durch die Aufteilung des Gesamteinkommens auf verschiedene Staaten entstehenden Vorteil einer jeweiligen Minderung des Steuersatzes zu vermeiden, sieht das OECD-MA den sog. Progressionsvorbehalt in Art. 23A Abs. 3 OECD-MA vor. Danach können – Einkünfte oder Vermögen – einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person, – die in diesem Staat nach dem Abkommen von der Besteuerung ausgenommen wird, – gleichwohl bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen und Vermögen der Person einbezogen werden.
2.494 Mit dem JStG 20097 hat der Gesetzgeber als Reaktion auf die EuGH-Entscheidung in der Rs. REWE-Zentralfinanz,8 die nur die Europarechtswidrigkeit des Ausschlusses gewisser Auslandsverluste gem. § 2a EStG betrifft, auch § 32b EStG erheblich verändert und dessen Anwendungsbe1 Siehe hierzu die ausführlichen Erläuterungen von Probst in H/H/R, § 2a EStG und Mössner in K/S/M, § 2a EStG. 2 Zunächst in § 3 AIG, später ab 1990 in § 2a Abs. 3 EStG. 3 Vgl. Entwurf Verlustrichtlinie, vorgelegt als Kommissionsdokument COM/90/595 v. 6.12.1990. 4 Vgl. im Detail Mössner in K/S/M, § 2a EStG Rz. D 1 ff. 5 StEntlG 1999/2000/2002 v. 24.3.1999, BGBl. I 1999, 402. 6 Kessler/Schmidt/Janson, IStR 2001, 729 (735 f.); hierzu auch diesselben, IStR 2003, 307; Kessler, Inländische Berücksichtigung ausländischer Betriebsstättenverluste (IFStNr. 241), Institut Finanzen und Steuern, Bonn, 2004. 7 JStG 2009 v. 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794. 8 EuGH v. 29.3.2007 – C-347/04 – REWE-Zentralfinanz, EuGHE 2007, I-2647.
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E. Beseitigung der Doppelbesteuerung
reich deutlich eingeschränkt. Der EuGH hatte nur die Nichtberücksichtigung innerhalb der EU bestimmter, in § 2a EStG aufgeführter Verluste im Inland bei der Anrechnungsmethode und den Ausschluss des negativen Progressionsvorbehalts (vgl. u. Rz. 2.505) in diesen Fällen beanstandet. Der Gesetzgeber hat daraufhin die Verlustabzugsbeschränkung des § 2a Abs. 1 und 2 EStG auf Verluste aus Drittstaaten beschränkt. Somit sind diese Verluste innerhalb der EU abziehbar. Unmittelbar kommt dies aber nur zu Anwendung, wenn ein DBA keine Freistellung für die betroffenen Einkünfte vorsieht.1 Im Falle der Freistellung werden die – positiven wie negativen – freigestellten Einkünfte beim Steuersatz berücksichtigt. Nunmehr schließt § 32b Abs. 1 Satz 2 EStG Einkünfte aus „anderen als aus einem Drittstaat“ stammend vom Progressionsvorbehalt aus, soweit diese im Kern zu den in § 2a Abs. 1 EStG inkriminierten Einkünften gehören. Dies bedeutet,2 dass innerhalb der EU diese (schlechten) Einkünfte beim Progressionsvorbehalt unberücksichtigt bleiben. Beispiel: Der im Inland ansässige Hotelier S betriebt im europäischen Ausland ein Hotel.3 Sowohl die mit dem Hotel erzielten Gewinne als auch die erlittenen Verluste werden im Inland nicht über den Progressionsvorbehalt berücksichtigt. Würde S dagegen eine Produktionsstätte für Kleider im EU-Ausland betreiben, so würden deren Gewinne und Verluste im Rahmen des Progressionsvorbehalts berücksichtigt.
2.495
Dies gilt für folgende Einkünfte aus EU-Staaten: – Land- und forstwirtschaftliche Betriebsstätten, – nach § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG „schlechte“ gewerbliche Betriebsstätten, – Einkünfte auf Vermietung und Verpachtung von Immobilien und Sachgesamtheiten, – bestimmte entgeltliche Überlassung von Schiffen, – Teilwertabschreibungen und Veräußerungsverluste bei Immobilien, Sachgesamtheiten und Schiffen. Die Neuregelung erscheint konsequent insofern, als innerhalb der EU der Gesetzgeber beim Progressionsvorbehalt mit diesen „schlechten“, volkswirtschaftlich unerwünschten Einkünften nichts tun haben will. Die Verluste daraus sollen nicht berücksichtigt werden, aber auch mit den Gewinnen will der Gesetzgeber nichts zu tun haben. Allerdings geht dadurch die Parallelität der Behandlung der Verluste in § 2a EStG verloren. Dies ist jedoch eher eine theoretische Bemerkung, da § 2a EStG innerhalb der EU beim Bestehen eines dichten Abkommensnetz kaum noch einen direkten Anwendungsbereich besitzt.
1 Gosch in Kirchhof11, § 2a EStG Rz. 7. 2 Siehe Mössner in Lüdicke/Kempf/Brink (Hrsg.), Verluste im Steuerrecht, 2010, 126 f. 3 Nach § 2a Abs. 2 EStG führen Fremdenverkehrsanlagen zu „schlechten“ Verlusten.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
2.496 Die Neuregelung besagt im Ergebnis Folgendes: – Gewinne und Verluste aus Drittstaaten werden bei Progressionsvorbehalt uneingeschränkt berücksichtigt. – Innerhalb der EU (= Nicht-Drittstaat i.S.v. § 2a Abs. 2a EStG) ist zu unterscheiden: – Nicht gem. § 32b Abs. 1 Satz 2 EStG „inkriminierte“ Einkünfte werden beim positiven wie negativen Progressionsvorbehalt berücksichtigt. – Die in § 32b Abs. 1 Satz 2 EStG genannten Einkünfte bleiben beim Progressionsvorbehalt unberücksichtigt, gleichgültig ob es sich um Gewinne oder Verluste handelt. Es ist zuzugeben, dass dieses Ergebnis nicht einfach dem Gesetz zu entnehmen ist, da § 32b Abs. 1 Satz 2 EStG in seltener Weise sprachlich verunglückt ist.1 Einkünfte aus einer ausländischen gewerblichen Betriebsstätte werden in § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG behandelt. Dies bedeutet: Gemäß Art. 7 DBA (i.S.d. OECD-MA) sind ausländische Betriebsstättenergebnisse im Inland freigestellt, werden aber gem. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG beim Progressionsvorbehalt berücksichtigt. § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG schließt die Anwendung des Progressionsvorbehaltes für Einkünfte aus einer anderen als in einem Drittstaat belegenen, gewerblichen Betriebsstätte aus. Dies sind Betriebsstätten in EU-Staaten, da diese andere als Drittstaaten sind. Der 2. Halbs. schränkt dann jedoch diese Regelung dahin gehend ein, dass diese Betriebsstätten nicht die Voraussetzungen des § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG erfüllen dürfen. Wenn sie demnach die dort aufgeführten Einkünfte erzielen, findet die Nichtanwendung des Progressionsvorbehaltes auf sie keine Anwendung. Der 2. Halbs. ist keine Rückausnahme zum 1. Halbs., sondern dessen Anwendungsvoraussetzung. Hinsichtlich der übrigen in § 32b Abs. 1 Satz 2 EStG genannten Einkünfte wird der Progressionsvorbehalt innerhalb der EU klar ausgeschlossen, da es sich um „passive“ Einkünfte i.S.d. § 2a EStG handelt.
2.497 Diese Vorschrift steht im Zusammenhang mit der Beseitigung der Doppelbesteuerung im Ansässigkeitsstaat in den Fällen, in denen das Besteuerungsrecht des Quellenstaates unangetastet (Rz. 2.420) bleibt, und begrenzt die Wirkung der Freistellung auf das Herausnehmen der betroffenen Einkünfte auf die Bemessungsgrundlage der Steuern. Nicht betroffen ist von dieser Regelung die Besteuerung im Quellenstaat, der nur einen Ausschnitt aus der Gesamtleistungsfähigkeit erfasst. Beispiel: Staaten X und Y besteuern Einkünfte von 100 mit 30 v.H. und von 200 mit 40 v.H. A, ansässig in X, erzielt Einkünfte aus X und Y von jeweils 100. Y erhebt demge1 Wagner in Blümich, § 32b EStG Rz. 67 leitet aus dem Gesetz ein falsches Ergebnis ab.
362
Mössner
E. Beseitigung der Doppelbesteuerung mäß 30, X besteuert nach Freistellung der 100 aus Y selbst 100, aber mit dem Satz von 40 %. Im Ergebnis entrichtet A nur 70 an Steuern, obgleich nach dem Recht beider Staaten insgesamt 80 zutreffend wäre.
Diese verbleibenden Progressionsvorteile werden nur dann beseitigt, wenn auch der Quellenstaat den Steuersatz des Welteinkommens anwendet.1 Art. 23 A Abs. 3 OECD-MA steht einer derartigen Besteuerung im Quellenstaat nicht entgegen: Er begrenzt nur den Umfang der Freistellung, der Quellenstaat stellt nicht frei. Wie der Quellenstaat kraft seines Steuerrechts die Einkünfte besteuert, ist ihm überlassen.2 Dass dieses Verständnis zutreffend ist, sieht man in dem Fall der doppelten Ansässigkeit einer Person. Sie bleibt in dem Staat, in dem sie nach der tie-breakerrule des Abkommens nicht ansässig ist, unbeschränkt steuerpflichtig (Rz. 2.434, 2.499). Der Steuergegenstand und die Quantifizierung der Einkünfte werden von nationalem Recht bestimmt.
2.498
Die Ansässigkeit ergibt sich aus Art. 4 OECD-MA (Rz. 2.429). Der Progressionsvorbehalt knüpft an die Ansässigkeit nach dem DBA und damit indirekt an die unbeschränkte Steuerpflicht an: Ist ein Steuerpflichtiger in beiden vertragschließenden Staaten nach deren Steuerrecht unbeschränkt steuerpflichtig, aber aufgrund der in Art. 4 OECD-MA enthaltenen Kriterien nur in einem der beiden Staaten ansässig, so gilt dies nur für das Abkommen selbst. Nach den Regeln des Quellenstaates bleibt er unbeschränkt, d.h. mit seinem Welteinkommen, steuerpflichtig, es werden nicht die Regeln über die beschränkte Steuerpflicht angewandt.3
2.499
Nimmt man an, dass es „keiner Anwendung des Methodenartikels durch den Ansässigkeitsstaat“ bedürfe,4 wenn die operativen Artikel (Art. 6–22 OECD-MA) dem Quellenstaat ausschließlich das Besteuerungsrecht zuweisen (Rz. 2.420: „darf nur“), so müsste dann der Ansässigkeitsstaat uneingeschränkt, d.h. ohne Progressionsvorbehalt, freistellen.5 Dagegen spricht jedoch, dass Art. 23 A Abs. 3 OECD-MA den Progressionsvorbehalt für die Besteuerung im Ansässigkeitsstaat immer zulässt, wenn die Einkünfte aus dem Quellenstaat „in Übereinstimmung mit irgendeiner Bestimmung des Abkommens“ (with any provision) im Ansässig-
2.500
1 So in der Schweiz: Art. 7 I Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, vgl. Höhn/Waldburger, Steuerrecht, Bd. I, § 13 Rz. 38. 2 Ebenso BFH v. 19.12.2001 – I R 63/00, BStBl. II 2003, 302; v. 15.5.2002 – I R 40/01, BStBl. II 2002, 660; siehe auch Djanani/Hartmann, IStR 2000, 321, Wassermeyer, IStR 2002, 289; Mössner, RIW 2003, (294) 295; dies verkennen Grotherr in G/K/G, Art. 23 A, 23 B OECD-MA Rz. 136; Probst in H/H/R, § 32b EStG Rz. 27; Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 232; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.541, 16.544; vgl. auch Vogel in FS Selmer, 959 (965 ff.) mit Hinweis auf die unklare Haltung der OECD. 3 Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 10. 4 Wassermeyer in D/W, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 12. 5 So in der Tat die schweizerische Auffassung, Höhn, Handbuch des internationalen Steuerrechts der Schweiz, Rz. 11.1 und 21.22; ebenso Grotherr in G/K/G, Art. 23 A, 23 B OECD-MA Rz. 142; Art. 23 Rz. 14 DBA-Kanada.
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
keitsstaat freizustellen sind. Damit bezieht sich Art. 23 A Abs. 3 OECDMA nicht nur auf die Fälle des Art. 23 Abs. 1 OECD-MA.1
2.501 Wie die Einbeziehung der freigestellten ausländischen Einkünfte zur Bemessung des auf die steuerpflichtigen Einkünfte anzuwendenden Steuersatzes erfolgt, bestimmt sich allein aus den Regeln des innerstaatlichen Rechts. Während der BFH früher2 systematisch zutreffend für die Bestimmung des dem Welteinkommen entsprechenden Steuersatzes eine Schattenveranlagung unter Einbeziehung der freigestellten Einkünfte vornahm, ordnet seit dem JStG 1996 § 32b EStG nicht mehr an, dass die freizustellenden Einkünfte „bei der Berechnung … einzubeziehen sind“, sondern nunmehr ist vorgesehen, dass zur Berechnung „das nach § 32a Abs. 1 EStG zu versteuernde Einkommen“ um die freizustellenden Beträge „vermehrt oder vermindert“ wird. Dadurch entfällt sowohl eine Neuberechnung der einkommensabhängigen Größen als auch ein Einfluss auf den Verlustrücktrag.3 Grundlage ist danach nur das „nach § 32a EStG zu versteuernde Einkommen“. Was nicht in dieser Bemessungsgrundlage enthalten ist, ist auch nicht zu berücksichtigen. Dies gilt vor allem auch für die Steuervergünstigung des § 34a EStG.4
2.502 Enthält das DBA keinen Progressionsvorbehalt, so dürfen die freigestellten Einkünfte bei der Bemessung des Steuersatzes gleichwohl berücksichtigt werden.5 Rechtsgrundlage des Progressionsvorbehaltes ist § 32b EStG und nicht das DBA. Die gegenteilige h.M.6 verkannte das Zusammenspiel von DBA und nationalem Steuerrecht (vgl. Rz. 2.453 ff.). Selbst nach der Rspr. des BFH beschränkt sich die Wirkung der Freistellung auf die objektive Steuerbefreiung. Wie die übrigen, nicht freigestellten Einkünfte besteuert werden, ist ebenso wenig eine Angelegenheit des Abkommens, wie dieses auch nicht die Ermittlung der Einkünfte oder den Steuertarif vorschreibt. Somit hat die Vereinbarung eines Progressionsvorbehaltes im DBA nur deklaratorische Wirkung.
2.503 Höchst umstritten war die Berechnungsweise, wenn Progressionsvorbehalt und Fünftelregelung gem. § 34 EStG zusammentreffen.7 1 Im Ergebnis ebenso Wassermeyer in D/W, Art. 23 A OECD-MA Rz. 122. 2 BFH v. 30.5.1990 – I R 179/86, BStBl. II 1990, 906; v. 29.4.1992 – I R 102/91, BStBl. II 1993, 149. 3 Vgl. BFH v. 13.11.1991 – I R 3/91, BStBl. II 1992, 345; hierzu Wassermeyer in D/W, Art. 23 A OECD-MA Rz. 132. 4 Bodden, FR 2012, 68 (72). 5 Vgl. Wassermeyer in D/W, Art. 23 A OECD-MA Rz. 123. 6 Aus der Rspr. z.B. BFH v. 4.10.1967 – I 422/62, BStBl. II 1968, 101; v. 12.1.1993 – I R 90/79, BStBl. II 1983, 382; v. 23.10.1985 – I R 274/82, BStBl. II 1986, 133; kritisch hierzu Mössner, RIW/AWD 1968, 258 ff.; Mössner, RIW/AWD 1970, 569; aus der Literatur Frenz in K/S/M, § 32b EStG Rz. A 57; Probst in H/H/R, § 32b EStG Rz. 27. 7 Siegel, BB 2004, 914; Siegel, DStR 2007, 978; Siegel, FR 2008, 666; Siegel/Diller, DStR 2008, 178; Sieker in K/S/M, § 34 Rz. D29 ff.; Eggesieker/Ellerbeck, DStR 2007, 1281.
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E. Beseitigung der Doppelbesteuerung Beispiel: Inländer hat inländische – regulär – besteuerte Einkünfte von 100 000 und außerordentliche Einkünfte von 240 000. Zugleich hat er im Ausland 50 000 durch DBA freigestellte Einkünfte bezogen.
Zur Lösung werden die integrative1 und die additive2 Vorgehensweise vorgeschlagen. Der BFH3 hat sich für die integrative Methode entschieden.4 Neben dem Wortlaut stützt sich das Gericht vor allem auf den systematischen Zusammenhang von § 34 EStG und § 32b EStG. Danach sind die dem Progressionsvorbehalt unterliegenden, im Inland steuerfreien Einkünfte bei der Steuerberechnung nach § 34 EStG erst bei der Ermittlung der Einkommensteuer zu berücksichtigen, die sich an die Fünftelung anschließt. Dabei gilt dies nur für positive, außerordentliche Einkünfte, nicht aber für Verluste, z.B. aus Veräußerungen, die somit uneingeschränkt zu berücksichtigen sind.5
2.504
Der besondere Steuersatz wird somit ab VZ 1996 wie folgt berechnet: 1. Zu versteuerndes Einkommen (§ 2 Abs. 5 EStG) +/– freigestellte ausländische Einkünfte = Steuersatzeinkommen 2. Ermittlung des durchschnittlichen Steuersatzes gem. § 32a EStG vom Steuersatzeinkommen 3. Anwendung dieses Satzes auf das zu versteuernde Einkommen. Beispiel: I hat Einkünfte von 50 000; darin sind 5000 ausländische Arbeitseinkünfte, die gem. DBA im Inland freizustellen sind. Sonderausgaben kann I 3000 geltend machen. Daraus folgt: Summe der Einkünfte = 45 000, Einkommen = 42 000; Bemessungsgrundlage = 42 000. Gemäß § 32b Abs. 2 EStG wird der „besondere Steuersatz“ so ermittelt, dass die Bemessungsgrundlage um die freigestellten Einkünfte erhöht wird (= 47 000), was einen Durchschnittssteuersatz6 von 26,34 v.H. entspricht, sodass für eine Einkommenssteuerschuld von 12 379 (statt 10 332 – ohne Tarifvorbehalt) entsteht.
Handelt es sich bei den freigestellten Einkünften um einen Auslandsverlust, so führt dies zu einer Minderung des Steuersatzeinkommens im Verhältnis zum zu versteuernden Einkommen (sog. negativer Progressionsvorbehalt).7
1 So R34.2 EStR 2008, H 34.2 EStH 2011. 2 Vor allem von Siegel, BB 2004, 914 (920). 3 BFH v. 15.11.2007 – VI R 66/03, BStBl. II 2008, 375; v. 17.1.2008 – VI R 44/07, BStBl. II 2011, 21; v. 1.4.2009 – IX R 87/07, BFH/NV 2009, 1787. 4 Berechnungsbeispiel bei Sieker in K/S/M, § 34 EStG Rz. D34. 5 BFH v. 1.2.2012 – I R 34/11, BFH/NV 2012, 850. 6 Angenommene Steuersätze. 7 Vgl. Wassermeyer in D/W, Art. 23A OECD-MA Rz. 123a.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.537 f.
Mössner
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2.505
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung Beispiel: I hat ein Welteinkommen von 50 000, darin sind enthalten 20 000 ausländische Verluste. Die „Freistellung“ führt nach h.M. zu einer Summe der Einkünfte von 70 000. Abzüglich der Sonderausgaben etc. von 10 000 führt dies zu einem zu versteuernden Einkommen (Bemessungsgrundlage) von 60 000. Hierauf ist der dann um die „freigestellten“ Verluste verminderte Steuersatz anzuwenden: Steuersatzeinkommen = 40 000 Steuersatz = 23,9 v.H. angewandt auf 60 000 = 14 340 (statt 18 158 ohne Tarifvorbehalt). Bei Berücksichtigung des Verlustes wären es aber nur 9558, was der tatsächlichen Leistungsfähigkeit von 40 000 entspräche.
2.506 Gegebenenfalls kann dies zu einem durchschnittlichen Steuersatz von 0 v.H. führen, wenn die ausländischen Verluste die Höhe der übrigen Einkünfte erreichen, sodass keine Steuer entsteht. Erwirtschaftet der Steuerpflichtige im Folgejahr einen Gewinn mittels der Einkunftsquelle im Ausland und gewährt der ausländische Staat einen Verlustvortrag, so greift gleichwohl die Freistellung im Folgejahr. Dies führt zu einer doppelten Verlustberücksichtigung, gemildert nur durch den Progressionsvorbehalt. Beispiel (wie vorstehend): Im folgenden Jahr erzielt I einen ausländischen Gewinn von 20 000. Wegen eines Verlustvortrags entsteht im Ausland keine Steuerschuld. Im Inland wird I nur nach den Verhältnissen des folgenden Jahres besteuert, wobei der Gewinn „freigestellt“ bleibt.
2.507 Die Nichtberücksichtigung von Auslandsverlusten gem. § 2a Abs. 1 EStG schließt nach h.M.1 auch den negativen Progressionsvorbehalt aus. § 2a Abs. 1 EStG wirkt bei der Ermittlung der Einkünfte,2 sodass die ausgeschlossenen Verluste nicht im Welteinkommen enthalten sind. Werden die nicht berücksichtigten Verluste entsprechend der Ausgleichsregelung von § 2a Abs. 1 EStG3 in den Folgejahren berücksichtigt, so werden das Welteinkommen und somit der besondere Steuersatz gem. § 32b EStG gemindert.
2.508 Nach h.M.4 ist der Progressionsvorbehalt nicht auf die Körperschaftsteuer anwendbar, sodass auch ausländische Verluste unberücksichtigt bleiben: kein negativer Progressionsvorbehalt für Körperschaften. Dafür spricht, dass es eine der Tarifvorschrift des § 32b EStG entsprechende Norm im KStG nicht gibt. Die Begründung, der Vorbehalt setze einen progressiven Tarif voraus, woran es bei der Körperschaftsteuer fehle, ist dann wenig überzeugend, wenn die ausländischen Verluste das Gesamteinkommen auf null oder in den Bereich der Freibeträge bringen. Auch bei der Ein1 BFH v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136 (st. Rspr.); Mössner in K/S/M, § 2a EStG Rz. A 27 ff. 2 Mössner in K/S/M, § 2a EStG Rz. A 11. 3 Vgl. Mössner in K/S/M, § 2a EStG Rz. B 79 ff. 4 Herzig, RIW 1979, 545; Probst in H/H/R, § 32b EStG Rz. 18; Frenz in K/S/M, § 32b EStG Rz. A 72 f.
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E. Beseitigung der Doppelbesteuerung
kommensteuer wird der Progressionsvorbehalt angewendet, wenn der individuelle Grenzsteuersatz im proportionalen Bereich liegt. Der Progressionsvorbehalt kann dazu führen, dass auch ein wegen seiner Geringfügigkeit ansonsten nicht zu versteuerndes Einkommen, d.h. ein unter dem Grundfreibetrag liegendes Einkommen, versteuert wird.1
2.509
Bei Ehegatten ist die Anwendung des Progressionsvorbehaltes im Rahmen der Zusammenveranlagung auch zulässig, wenn nur einer der Ehegatten steuerpflichtige Einkünfte, der andere dagegen nur ausländische, durch ein DBA steuerbefreite Einkünfte hat.2 Bei ausländischen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit kommt es darauf an, ob eine Veranlagung nach § 46 EStG durchzuführen ist.
2.510
Bei der erweiterten beschränkten Steuerpflicht gem. § 2 AStG sind auch nach § 2 Abs. 5 AStG die ausländischen Einkünfte in die Bemessungsgrundlage der deutschen Einkommensteuer einzubeziehen.3 Dies gilt auch bei Bestehen eines DBA mit dem neuen Wohnsitzstaat des Steuerpflichtigen. Deutschland ist dann Quellenstaat und kann (vgl. Rz. 2.493) den Steuersatz des Welteinkommens auf die seiner beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Einkünfte anwenden.4 Die gegenteilige Ansicht von Vogel5 beruht auf seinem anderen Verständnis des Progressionsvorbehalts, das nicht geteilt wird.
2.511
IV. Auswirkung der DBA auf die Gewerbesteuer An erster Stelle ist zu klären, ob ein DBA Deutschlands mit einem ausländischen Staat auch auf die Gewerbesteuer anwendbar ist. Art. 2 OECD-MA sieht vor, dass das Abkommen auf Steuern vom Einkommen, die vom Staat oder seinen Gebietskörperschaften erhoben werden, was im Absatz 2 noch näher definiert wird, anwendbar ist. Dass die Gewerbesteuer, vor allem in ihrer heutigen Ausgestaltung, eine „Steuer vom Einkommen“ i.S.d. Abkommensrechts ist, wird nicht ernsthaft bestritten.6 Darüber hinaus ist sie in den deutschen DBA7 ausdrücklich aufgeführt. Ein DBA entfaltet verschiedene Wirkungen. Dabei geht es für die Gewerbesteuer um die folgenden Aspekte: 1 BFH v. 9.8.2001 – III 50/00, BStBl. II 2001, 778. 2 BFH v. 25.5.1970 – I R 77/69, BStBl. II 1970, 640; v. 6.10.1982 – I R 121/79, BStBl. II 1983, 34. 3 Steierberg in Mössner/Fuhrmann, § 2 AStG Rz. 156 ff. 4 Ebenso Steierberg in Mössner/Furhmann, § 2 AStG Rz. 159; Wassermeyer/Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 117g; BMF (Grundsätze der Anwendung des AStG) v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, 3, Sondernummer 1/2004, Rz. 2.0.2.1. 5 Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 234. 6 Vogel in V/L5, Art. 2 OECD-MA Rz. 56; Wassermeyer in D/W, Art. 2 OECD-MA Rz. 12 erwähnt die Gewerbeertragssteuer zu Recht ohne weitere Begründung. 7 Vogel in V/L5, Art. 2 OECD-MA Rz. 39 (Übersicht), 58.
Mössner
367
2.512
Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
– Wirkung eines DBA auf die Gewerbesteuer bei beschränkter Steuerpflicht eines Ausländers (Rz. 2.513), – Behandlung der – falls erhoben – Gewerbesteuer im Ansässigkeitsstaat des Ausländers (Rz. 2.514), – Wirkung des DBA auf die Erhebung der Gewerbesteuer auf ausländische Einkünfte eines inländischen Betriebes (nachstehend Rz. 2.515), – Anrechnung ausländischer Quellensteuern auf die Gewerbesteuer nach DBA (nachstehend Rz. 2.516). Abkommensberechtigt ist, obwohl die Gewerbesteuer als Objektsteuer den Gewerbebetrieb als solchen zum Gegenstand hat, der Unternehmer, d.h. die „Person“, die den Gewerbebetrieb unterhält.1
2.513 Ein ausländischer Unternehmer, der im Inland eine gewerbliche Betriebsstätte unterhält und in seinem Wohnsitzstaat mit seinem Welteinkommen der Besteuerung unterliegt, wird mit seiner inländischen Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO gem. § 2 GewStG in gleicher Weise wie ein inländischer Unternehmer gewerbesteuerpflichtig.2 Eine beschränkte Gewerbesteuerpflicht gibt es im eigentlichen Sinne daher nicht.3 Es kommt daher i.d.R. zu einer doppelten Besteuerung der Betriebsstättengewinne im Inland wie im Ausland. Daher ist die Anwendung eines DBA angebracht. Für inländische Betriebsstättengewinne bedeutet dies, dass Art. 7 OECD-MA entsprechend die Besteuerung im Quellenstaat – d.h. Deutschland – nicht eingeschränkt wird, was auch für die Gewerbesteuer gilt. Zu beachten ist das Verhältnis des Betriebsstättenbegriffs des § 12 AO zu demjenigen des DBA (siehe Rz. 2.136 ff.). Ist der Begriff im DBA weiter als im nationalen Recht, d.h., erfasst er mehr Fälle, so kommt es nur auf den nationalen Begriff des § 12 AO an. Die weitere Erlaubnis des Abkommens wird dann vom nationalen Recht nicht ausgenutzt. Im anderen Fall – DBA-Begriff ist enger als § 12 AO – schränkt das Abkommen die nationale Besteuerung ein, sodass auch die Erhebung der Gewerbesteuer ausgeschlossen wird. Da andere als gewerbliche Betriebsstätteneinkünfte nicht der Gewerbesteuer unterliegen, werden andere Einkünfte aus dem Inland – z.B. Zinsen, Dividenden, Lizenzen, Immobilieneinkünfte – nicht erfasst, es sei denn, sie gehören zu den Betriebsstätteneinkünften.
2.514 Im Ansässigkeitsstaat des Unternehmers kommen die vereinbarten Regeln zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nach Art. 23 OECD-MA entsprechend zur Anwendung. Bei vereinbarter Freistellung von Betriebsstättengewinnen bleibt es bei der deutschen Besteuerung. Ist die Anrechnungsmethode vereinbart, so wird die deutsche Gewerbesteuer mit angerechnet.4 1 2 3 4
Siehe auch Vogel in V/L5, Art. 2 OECD-MA Rz. 55. Drüen in Blümich, § 2 GewStG Rz. 301. Gosch in Blümich, § 5 GewStG Rz. 13. Ebenso Vogel in V/L5, Art. 2 OECD-MA Rz. 65.
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E. Beseitigung der Doppelbesteuerung
Auf ausländische Einkünfte eines Unternehmens, die der Gewerbesteuer unterliegen (siehe Rz. 2.411), wirken die DBA indirekt ein. Da der Gewerbeertrag gem. § 7 GewStG auf dem einkommensteuerlichen und körperschaftssteuerlichen Gewinn aus Gewerbebetrieb beruht, führen abkommensrechtliche Freistellungen auch dazu, dass die entsprechenden Einkünfte nicht im Gewerbeertrag enthalten sind. Wenn § 9 Nr. 8 GewStG bei Schachtelprivilegien eines DBA die Beteiligungsquote herabsetzt, so setzt dies voraus, dass die Bestimmungen des DBA auch auf die Gewerbesteuer einwirken. Im Unterschied zum eigenständigen, nationalen gewerbesteuerlichen Schachtelprivileg des § 9 Nr. 7 GewStG (Rz. 2.416) erstreckt sich dieses nicht auf Enkelgesellschaften.
2.515
Sieht ein DBA nicht die Freistellung ausländischer Einkünfte, sondern die Anrechnung der Quellensteuern im Ansässigkeitsstaat des empfangenden Unternehmens vor, so ist strittig, ob die ausländischen Steuern auch auf die Gewerbesteuer angerechnet werden können.1 Das GewStG enthält keine Vorschrift zur Anrechnung (vgl. Rz. 2.411). § 34c EStG und § 26 KStG sind nicht auf die Gewerbesteuer anwendbar. Bei ihnen handelt es sich nicht um Normen für die Bestimmung der Bemessungsgrundlage, die über § 7 GewStG wirksam werden könnten, sondern um Normen im Rahmen der Ermittlung der zu zahlenden Steuer. Dadurch, dass mit der Unternehmenssteuerreform 2008 die Steuersätze, insbesondere bei der Körperschaftsteuer, gesenkt wurden, kommt es in vielen Fällen zur Situation, dass die nach dem DBA zulässige Quellensteuer, die auf Bruttoeinkünfte erhoben wird, höher ist als die inländische Einkommenoder Körperschaftsteuer auf die Nettoeinkünfte. Da im nationalen Recht es an einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage fehlt, käme nur in Betracht, auf das Abkommen selbst die Anrechnung zu stützen. Dabei sind drei Fälle zu unterscheiden:
2.516
1. Das DBA enthält eine ausdrückliche Regelung. Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz schließt die Anrechnung schweizerischer Quellensteuern explizit aus. Soweit ersichtlich sieht kein Abkommen die Anrechnung auf die Gewerbesteuer vor. Randziffer 10e des Protokolls zum DBA-Australien sieht immerhin den Abzug des Anrechnungsüberhangs bei der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer vor. 2. Das DBA beschränkt die Anrechnung auf die „zu erhebende deutsche Einkommen- und Körperschaftsteuer … unter Beachtung der Vorschriften des deutschen Steuerrechts über die Anrechnung ausländischer Steuern.“2 Bei einem derartigen Abkommenstext ist kein Raum für eine Anrechnung ausländischer Steuern auf die Gewerbesteuer auf die ausländischen
1 Hierzu eingehend Becker/Loose, IStR 2012, 57 ff. 2 So in der Mehrzahl der deutschen Abkommen, z.B. Art. 23 Abs. 1 Buchst. b DBA-Schweden.
Mössner
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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung
Einkünfte.1 Vor allem der Hinweis auf die deutschen Vorschriften über die Anrechnung führt nicht zu einer Erweiterung des nationalen Rechts.2 Bereits dem Wortlauf des Abkommens kann kein Hinweis auf die Gewerbesteuer entnommen werden. Eine Ausdehnung des nationalen Rechts lässt sich nicht begründen. Dies ist auch nicht ernsthaft bestritten. 3. Das DBA ordnet eine Anrechnung auf die deutschen Steuern vom Einkommen an. Verbunden mit der generellen Anwendbarkeit des DBA auf die Gewerbesteuer wird vertreten, dass bei einem derartigen Abkommenstext auch eine Anrechnung auf die Gewerbesteuer zu erfolgen habe.3 Da es an einer entsprechenden nationalen Vorschrift für die Gewerbesteuer fehlt, könnte Rechtsgrundlage das DBA selbst sein. Voraussetzung ist dann, dass die DBA-Norm self-executing ist. Dies ist sie nicht, wenn sie ausdrücklich nur eine Verpflichtung des Staates zur Umsetzung enthält – was zu verneinen ist – oder so allgemein und wenig konkret ist, dass sie im innerstaatlichen Recht nicht angewandt werden kann. Oder anders gewendet: Sie muss so konkret sein, dass sie innerstaatlich anwendbar ist. Dies ist jedoch nicht der Fall. Einerseits würde dies die Anrechnung auf mehrere deutsche Steuern mit unterschiedlichen Steuergläubigern bedeuten: Einkommensteuer und Körperschaftsteuer auf der einen Seite und Gewerbesteuer auf der anderen Seite. Es wäre völlig unklar, wie die Anrechnung erfolgen sollte: verhältnismäßig bei ESt/KSt und GewSt? Oder: vorrangig ESt/KSt und nur der Überschuss bei der GewSt? Oder umgekehrt?4 Andererseits ist völlig ungewiss, wie die Anrechnung bei Erhebung der Körperschaftsteuer durch mehrere Gemeinden mit unterschiedlichen Hebesätzen vorgenommen werden sollte. Mangels hinreichender Bestimmtheit muss der self-executing-Charakter verneint werden. Dies bedeutet nicht, dass eine Erweiterung der Anrechnung auf die Gewerbesteuer nicht systematisch richtiger wäre. Man kann so weit gehen und aus dem Abkommen eine (völkerrechtliche) Verpflichtung Deutschlands zur entsprechenden Regelung im GewStG ableiten. Dies begründet aber keine subjektiven Rechte der Steuerpflichtigen, sondern kann nur vom Vertragspartner Deutschlands gefordert werden.
2.517 Die gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen bleiben nach h.M.5 von den DBA unberührt. Begründet wird dies mit dem Fehlen der Subjektidentität, die dazu führt, dass es lediglich zu einer wirtschaftlichen Doppelbelastung führt, wenn z.B. die Zinsen beim Empfänger besteuert und beim Zahlenden hinzugerechnet werden. Da der ausländische Darlehensgeber 1 So auch Becker/Loose, IStR 2012, 59 f.; Grotherr in G/K/G, Art. 23 OECD-MA Rz. 325; Wassermeyer in D/W, Art. 23 OECD-MA Rz. 104; Wassermeyer. in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 172. 2 Ebenso Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, 2008, 108. 3 Vor allem mit Nachdruck Kessler/Dietrich, IStR 2011, 108 mit Klarstellung in IStR 2011, 953. 4 Erwägungen de lege ferenda bei Lüdicke, Überlegungen, 109. 5 Vogel in V/L5, Art. 2 OECD-MA Rz. 62 m.w.N.
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E. Beseitigung der Doppelbesteuerung
trotz der Hinzurechnung im Inland beim Darlehensnehmer die Zinsen ungekürzt erhält, liegt auch kein Verstoß gegen Europarecht vor.1 Die Hinzurechnungen gem. § 8 GewStG betreffen allein die inländische Besteuerung der im Inland belegenden Betriebsstätte eines Unternehmens. Aus dem gleichen Grunde scheitert auch eine Anrechnung der durch die Hinzurechnung ausgelösten deutschen Gewerbesteuer beim ausländischen Darlehensgeber bzw. Entgeltempfänger.
1 EuGH v. 21.7.2011 – Rs. C-397/09 – Scheuten Solar Technology, BFH/NV 2011, 1643 = IStR 2011, 590.
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2. Teil Internationale Verrechnungspreise Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen Literatur Ahmadov, The „Most Appropriate Method“ as the New OECD Transfer Pricing Standard: Has the Hierarchy of Methods Been Completely Eliminated?, ITPC 2011, 184; Andresen, Grundsätzliche Grundfreiheitskompatibilität des § 1 AStG definiert gleichzeitig Freiräume des BFH, dessen Grundfreiheitswidrigkeit über § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG hinaus festzustellen, IStR 2010, 289; Bauer, Neuausrichtung der internationalen Einkunftsabgrenzung im Steuerrecht, Berlin 2004; Bauer, Zusammenfassung von Geschäftsvorfällen bei der Verrechnungspreisplanung und -dokumentation, DB 2008, 152; Baumhoff, Verrechnungspreise für Dienstleistungen, Köln 1986; Baumhoff, Neue Kriterien zur Bestimmung angemessener Verrechnungspreise im internationalen Konzern, DStR 1987, 497; Baumhoff, Steuerliche Aspekte der Verrechnungspreispolitik gegenüber ausländischen Vertriebsunternehmen, IStR 1993, 520; Baumhoff, Die Behandlung der Kostenaufschlagsmethode im neuen OECD-Bericht zu den Verrechnungspreisen, IStR 1996, 53; Baumhoff, Plädoyer für einen einheitlichen Fremdvergleichsmaßstab im deutschen Außensteuerrecht zur Beurteilung internationaler Verrechnungspreise, in Klein/Stihl (Hrsg.), Unternehmen Steuern, FS für Flick, Köln 1997, 640; Baumhoff, Verrechnungspreispolitik gegenüber ausländischen Lohnfertigern, in Kleineidam (Hrsg.), Unternehmenspolitik und internationale Besteuerung, FS für Fischer, Berlin 1999, 487; Baumhoff, Die Verrechnung von Leistungen zwischen verbundenen Unternehmen mit Hilfe von Konzernumlagen, IStR 2000, 696; Baumhoff, Eigenproduzent versus Lohnfertiger – Qualifikation ausländischer Produktionsstätten für Zwecke der steuerlichen Verrechnungspreisplanung, in Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Steuerfolgen von Produktion und Vertrieb im Ausland, Köln 2000, 53; Baumhoff, Beweislastverteilung, Mitwirkungspflicht und Schätzung im Zusammenhang mit internationalen Verrechnungspreisen, IStR 2001, 751; Baumhoff, Aktuelle Entwicklungen bei den internationalen Verrechnungspreisen, IStR 2003, 4; Baumhoff, Die Bestimmung angemessener Verrechnungspreise bei der Existenz von Preisbandbreiten, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005, 347; Baumhoff, Die steuerliche Bewertung von Transferpaketen bei grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 541; Baumhoff, Der Einfluss der Finanzmarktkrise auf die Festlegung und Prüfung von internationalen Verrechnungspreisen, in Baumhoff/ Dücker/Köhler (Hrsg.), Besteuerung, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, FS für Krawitz, Wiesbaden 2010, 21; Baumhoff, Verrechnungspreispolitik bei Verlustgesellschaften, in Baumhoff/Schönfeld (Hrsg.), Grenzüberschreitende Verlustverrechnung, Köln 2011, 133; Baumhoff, Praxisprobleme bei der Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen, WPg 2012, 396; Baumhoff/Bodenmüller, Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen, in Grotherr (Hrsg.), Handbuch der Internationalen Steuerplanung, 3. Aufl., Herne/Berlin 2011, 541; Baumhoff/Ditz/Greinert, Grundsätze der Dokumentation internatio-
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen naler Verrechnungspreise nach der Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung, DStR 2004, 157; Baumhoff/Ditz/Greinert, Die Dokumentation internationaler Verrechnungspreise nach den „Verwaltungsgrundsätze-Verfahren“, DStR 2005, 1549; Baumhoff/Ditz/Greinert, Auswirkungen des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 auf die Ermittlung internationaler Verrechnungspreise, DStR 2007, 1461; Baumhoff/Ditz/Greinert, Auswirkungen des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 auf die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen, DStR 2007, 1649; Baumhoff/Ditz/Greinert, Die Besteuerung von Funktionsverlagerungen nach der Funktionsverlagerungsverordnung vom 12.8.2008, IStR 2008, 1945; Baumhoff/Ditz/Greinert, Klärung des Begriffs „Geschäftsbeziehung“ i.S. des § 1 AStG durch das BMF-Schreiben vom 12.1.2010, DStR 2010, 476; Baumhoff/ Ditz/Greinert, Die Besteuerung von Funktionsverlagerungen nach den Änderungen des § 1 Abs. 3 AStG durch das EU-Umsetzungsgesetz, DStR 2010, 1309; Baumhoff/Ditz/Greinert, Verrechnungspreis-Dokumentationspflichten in Deutschland, Österreich und in ausgewählten osteuropäischen Staaten, IStR 2010, Beihefter Heft 20; Baumhoff/Ditz/Greinert, Die Besteuerung von Funktionsverlagerung nach den Verwaltungsgrundsätzen Funktionsverlagerung vom 13.10.2010, Ubg 2011, 161; Baumhoff/Greinert, Aufteilung von Standortvorteilen bei der VerrechnungspreisErmittlung gegenüber Lohnfertigern – Anmerkungen zum Urteil des FG Münster vom 16.3.2006, IStR 2006, 789; Baumhoff/Greinert, Steuerliche Anerkennung internationaler Verrechnungspreise bei Nichteinhaltung formaler Anforderungen – Anmerkungen zum Urteil des FG Köln vom 22.8.2007, IStR 2008, 353; Baumhoff/ Greinert, Angemessene Lizenzsätze bei grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen, Ubg 2009, 544; Baumhoff/Puls, Der OECD-Diskussionsentwurf zu Verrechnungspreisaspekten von „Business Restructurings“ – Analyse und erster Vergleich mit den deutschen Funktionsverlagerungsregeln nach § 1 Abs. 3 AStG, IStR 2009, 73; Baumhoff/Sieker, Ausgewählte Verrechnungspreisprobleme im Lichte des neuen OECD-Berichts, IStR 1995, 521; Becker, Der ordentliche Geschäftsleiter im deutschen und ausländischen Steuerrecht, in Knobbe-Keuk (Hrsg.), Handelsrecht und Steuerrecht, FS für Döllerer, Düsseldorf 1988, 17; Bellstedt, Die Besteuerung international verflochtener Gesellschaften, Köln 1973; Bernhardt/van der Ham/Kluge, Die Expansion deutscher Unternehmen ins Ausland: Steuerliche Implikationen der Gründung von Vertriebsgesellschaften – Die Besteuerung von Funktionsverlagerungen im Fall von „Vertriebsabspaltungen“, IStR 2008, 1; Bodenmüller, Steuerplanung bei Funktionsverlagerungen ins Ausland, Düsseldorf 2004; Bogenschütz, Gemeinschaftsrechtliche Unbedenklichkeit der unterschiedlichen Behandlung von verbundenen Unternehmen nach DBA bei der Vereinbarung von Verrechnungspreisen, DB 2006, 759; Bohr, Die Transferpaket(be)rechnung – die Quadratur des Kreises, IWB 2008, Fach 3, Deutschland, Gruppe 1, 2285; Borstell, Verrechnungspreispolitik bei konzerninternen Lieferungsbeziehungen, in Grotherr (Hrsg.), Handbuch der internationalen Steuerplanung, 3. Aufl., Herne/Berlin 2011, 519; Borstell/Schäperclaus, Was ist eigentlich eine Funktion?, IStR 2008, 275; Brändel, Verrechnungspreise bei grenzüberschreitender Lizenzierung von Marken im Konzern, Berlin 2010; Brandenberg, Aktuelle Entwicklungen im internationalen Steuerrecht, BB 2008, 864; Brüninghaus/Bodenmüller, Tatbestandsvoraussetzungen der Funktionsverlagerung, DStR 2009, 1285; Cordes, Steuerliche Aufzeichnungspflichten bei internationalen Verrechnungspreisen, Düsseldorf 2009; Crüger/Wintzer, Funktionsverlagerungen ins Ausland – Aktuelle Neuerungen durch die Unternehmenssteuerreform 2008 und Gestaltungshinweise, GmbHR 2008, 306; Dempfle, Charakterisierung, Analyse und Beeinflussung der Konzernsteuerquote, Wiesbaden 2006; Ditz, Fremdvergleichskonforme Ermittlung eines Umlageschlüssels bei Konzernumlagen, DB 2004, 1952; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten: Ableitung einer rechtsformneutralen Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes im internationalen Steuerrecht, Berlin 2004; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten und nationale
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen Gewinnermittlungsvorschriften im Lichte aktueller Entwicklungen bei der OECD, IStR 2005, 43; Ditz, Übertragung von Geschäftschancen bei Funktionsverlagerungen ins Ausland, DStR 2006, 1625; Ditz, Praxisfall einer Verrechnungspreisprüfung und Funktionsverlagerung, IStR 2009, 421; Ditz, Praxisfall einer Funktionsverlagerung unter besonderer Berücksichtigung der VWG-Funktionsverlagerung vom 13.10.2010, IStR 2011, 125; Ditz, § 1 AStG bei Teilwertabschreibungen auf Darlehen an ausländische Tochtergesellschaften?, in Baumhoff/Schönfeld (Hrsg.), Grenzüberschreitende Verlustverrechnung, Köln 2011, 65; Ditz/Just, Besteuerung einer Produktionsverlagerung nach der Funktionsverlagerungsverordnung – Praxisfall, DB 2009, 141; Ditz/Liebchen, Teilwertabschreibungen und Forderungsverzicht auf Gesellschafterdarlehen – Praxisfall zum BMF-Schreiben vom 29.3.2011, IStR 2012, 97; Ditz/Liebchen, Bewertung von Transferpaketen im Rahmen von Funktionsverlagerungen – Gedanken zum Beitrag von Schilling/Kandels (DB 2012 S. 1065) aus Beratersicht, DB 2012, 1469; Ditz/Schneider, Internationale Rspr. zu Verrechnungspreisen, DB 2011, 779; Ditz/Tcherveniachki, Abzugsfähigkeit von Teilwertabschreibungen auf eigenkapitalersetzende Darlehen – Eine Analyse des BFH-Urteils vom 14.1.2009 unter besonderer Berücksichtigung des § 1 AStG, IStR 2009, 709; Eigelshoven/Nientimp, Funktionsverlagerungen und kein Ende – Die Änderungen bei der Besteuerung von Funktionsverlagerungen nach dem EU-Umsetzungsgesetz, Ubg 2010, 233; Eisele, Grenzüberschreitende Funktionsverlagerung, Herne/Berlin 2003; Endres, Reiches Ausland – Armes Inland: Steuerliche Effekte bei einer Funktionsverlagerung ins Ausland, RIW 2003, 729; Fischer/ Looks/im Schlaa, Dokumentationspflichten für Verrechnungspreise – Aktuelle Erfahrungen mit der Betriebsprüfung und zukünftige Entwicklungen, BB 2010, 157; Förster, Die allgemeinen Verrechnungspreisgrundsätze des § 1 Abs. 3 AStG – Vergleich mit den aktualisierten Verrechnungspreisrichtlinien der OECD, IStR 2011, 20; Freudenberg/Ludwig, Chancen für Gestaltungen aufgrund der geänderten Vorschriften zur Funktionsverlagerung, BB 2010, 1268; Freudenberg/Peters, Steuerliche Allokation von Restrukturierungsaufwendungen im Kontext von Funktionsverlagerungen, BB 2008, 1424; Frischmuth, Die Konzeption der Funktionsverlagerungsbesteuerung nach dem UntStRefG 2008, StuB 2007, 386; Frischmuth, Funktionsverdoppelungen im Visier des deutschen Fiskus – Quo vadis?, IWB 2007, Fach 3, Deutschland, Gruppe 1, 2253; Frischmuth, Schuldrechtliche und bilanzielle Aspekte sowie Preisanpassungen bei Funktionsverlagerungen nach dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008, StuB 2007, 459; Frischmuth, UntStRefG 2008 und Verrechnungspreise nach § 1 AStG n.F., IStR 2007, 485; Frischmuth, Wann genau liegt eine Funktionsverlagerung nach der FVerlV vor?, StuB 2008, 864; Frischmuth, Austausch von Funktionen im Konzern und Bewertung von Transferpaketen, in Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, Köln 2010, 73; Frotscher, Verfassungsrechtliche Fragen zu den Dokumentationspflichten bei Verrechnungspreisen und den Rechtsfolgen ihrer Verletzung, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005; 391; Frotscher, Grundfragen der Funktionsverlagerung, FR 2008, 49; Fuhrmann, Die Funktionsverlagerungsverordnung, KÖSDI 2008, 16188; Glahe, Vereinbarkeit von § 1 AStG mit europäischen Grundfreiheiten, IStR 2010, 870; Gosch, Über Streu- und Schachtelbesitz, in Kessler (Hrsg.), Unternehmensbesteuerung, FS für Herzig, München 2010, 63; Greinert, Besonderheiten bei der Dokumentation internationaler Verrechnungspreise im Fall der Übertragung und Nutzungsüberlassung immaterieller Wirtschaftsgüter, RIW 2006, 449; Greinert, Verrechnungspreise und Funktionsverlagerungen, in Schaumburg/Rödder (Hrsg.), Unternehmensteuerreform 2008, Köln 2007, 541; Greinert, Maßgebende Überschussgröße zur Bewertung eines Transferpakets bei grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen, DB 2009, 755; Greinert, Steuerliche Besonderheiten bei der Bewertung immaterieller Wirtschaftsgüter im Rahmen von grenzüberschreitenden Transaktionen im Konzern,
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen Ubg 2010, 101; Greinert/Reichl, Einfluss von Besteuerungseffekten auf die Verrechnungspreisermittlung bei Funktionsverlagerungen, DB 2011, 1182; Greinert/ Thiele, Steuerliche Behandlung von Funktionsverlagerungen vor 2008, DStR 2011, 1197; Gundel, Verrechnungspreise bei grenzüberschreitenden Lieferbeziehungen mit konzerngebundenen Vertriebsgesellschaften, in Klein/Stihl (Hrsg.), Unternehmen Steuern, FS für Flick, Köln 1997, 781; Haas, Funktionsverlagerungen nach dem Erlass der Funktionsverlagerungsverordnung, Ubg 2008, 517; Haas, Funktionsverlagerung: Verhältnis zu DBAs, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 715; Hornig, Die Funktionsverlagerung ab 2008 aus internationaler Sicht, PIStB 2008, 45; Jahndorf, Besteuerung der Funktionsverlagerungen, FR 2008, 101; Jenzen, Internationale Funktionsverlagerungen – Die Besteuerung von Gewinnpotenzialen bei grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen im Konzern, NWB 2007, Fach 2, 9419; Kahle, Die Ertragbesteuerungen von Funktionsverlagerungen nach der Unternehmensteuerreform 2008, Der Konzern 2007, 647; Kaminski, Verrechnungspreisbestimmung bei fehlendem Fremdvergleichspreis, Neuwied 2001; Kaminski, Änderungen im Bereich der internationalen Einkunftsabgrenzung durch die Unternehmensteuerreform 2008, RIW 2007, 594; Kaminski, Funktionsverlagerungen in das Inland, in Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, Köln 2010, 23; Kaminski, Umlagen bei konzerninternen Dienstleistungen, in Grotherr (Hrsg.), Handbuch der internationalen Steuerplanung, 3. Aufl., Herne/Berlin 2011, 693; Kaminski/Strunk, Funktionsverlagerungen in und von ausländischen Betriebsstätten und Personengesellschaften: Überlegungen zur (Nicht-)Anwendbarkeit der Grundsätze zum sog. Transferpaket, DB 2008, 2501; Kaminski/Strunk, Stellungnahme zum Entwurf der „Verwaltungsgrundsätze – Funktionsverlagerungen“ des BMF vom 17.7.2009, RIW 2009, 711; Kasperzak/ Nestler, Zur Berücksichtigung des Tax Amortization Benefit bei der Fair Value-Ermittlung immaterieller Vermögenswerte nach IFRS 3, DB 2007, 473; Klapdor, Grundsätze der Verrechnungspreisermittlung nach dem UStRefG, StuW 2008, 83; Kleineidam, Verrechnungspreise für immaterielle Wirtschaftsgüter, in Schaumburg/Baumhoff (Hrsg.), Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, Köln 1994, 103; Knoll, Der Risikozuschlag in der Unternehmensbewertung: Was erscheint plausibel?, DStR 2007, 1053; Kroppen/Nientimp, Absonderlichkeiten bei der Funktionsverlagerung, IWB 2008, Fach 3, Deutschland, Gruppe 1, 2355; Kroppen/Rasch, Die Funktionsverlagerungsverordnung, IWB 2008, Fach 3 Deutschland, Gruppe 1, 2339; Kroppen/Rasch, Funktionsverlagerung – der nächste Akt, IWB 2010, 316; Kroppen/Rasch, Anmerkungen zu den Verwaltungsgrundsätzen Funktionsverlagerung vom 13.10.2010, IWB 2010, 824; Kroppen/ Rasch/Eigelshoven, Die Behandlung der Funktionsverlagerungen im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 und der zu erwartenden VerwaltungsgrundsätzeFunktionsverlagerung, IWB 2007, Fach 3, Deutschland, Gruppe 1, 2201; Kuebart, Verrechnungspreise im internationalen Lizenzgeschäft, Bielefeld 1995; Kumpf, Steuerliche Verrechnungspreise in internationalen Konzernen, Frankfurt a.M. 1976; Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, Hamburg 2009; Kurzewitz, Aufgabe des strikten Anwendungsvorrangs der Standardmethoden zur Verrechnungspreisbestimmung?, IWB 2010, 95; Kurzewitz, Die Bestimmung von Verrechnungspreisbandbreiten als Problem der internationalen Doppelbesteuerung, in Grotherr (Hrsg.), Handbuch der internationalen Steuerplanung, 3. Aufl., Herne/Berlin 2011, 635; Lahodny-Karner, Konzernverrechnungspreise im nationalen und internationalen Steuerrecht unter besonderer Berücksichtigung der Kostenaufschlagsmethode, Wien 1988; Liebchen, Beteiligungen an ausländischen Personengesellschaften: Steuerliche Gewinnermittlung und Einkunftsabgrenzung, Berlin 2008; Looks/Freudenberg, Zukünftige Konfliktfelder zwischen Finanzverwaltung und Steuerpflichtigen als Ergebnis des Entwurfs der Verwaltungsgrundsätze-Funktionsverlagerung,
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen BB 2009, 2514; Looks/Scholz, Funktionsverlagerungen nach der Neufassung des § 1 Abs. 3 AStG, BB 2007, 2541; Looks/Steinert/Müller, Der Fremdvergleichsgrundsatz – Zur Frage der Maßgeblichkeit des § 1 Abs. 3 AStG für andere Berichtigungsvorschriften, BB 2009, 2348; Luckhaupt, Bestimmung von Verrechnungspreisen gemäß den OECD-TPG 2010 und § 1 Abs. 3 AStG, Ubg 2010, 646; Menninger/Wellens, Valuation Standards and the German Restructuring Regulation, TMTR vom 30.6.2011; Morgenthaler, Die „isolierende Betrachtungsweise“ im internationalen Einkommensteuerrecht, in Baumhoff/Dücker/Köhler (Hrsg.), Besteuerung, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, FS für Krawitz, Wiesbaden 2010, 275; Naumann, Im Gespräch: Besteuerung von Funktionsverlagerungen, Status: Recht 2007, 203; Naumann, Funktionsverlagerungsverordnung, in Lüdicke (Hrsg.), Besteuerung von Unternehmen im Wandel, Köln 2007, 167; Nestler, Ermittlung von Lizenzentgelten, BB 2008, 2002; Nientimp, Steuerliche Gewinnabgrenzung im internationalen Konzern, Lohmar 2003; Oestreicher, Konzern-Gewinnabgrenzung, München 2000; Oestreicher, Die (reformbedürftigen) Regelungen zur Ermittlung der Verrechnungspreise in Fällen der Funktionsverlagerung, Ubg 2009, 80; Oestreicher/Hundeshagen, Bewertung von Transferpaketen bei Funktionsverlagerungen, DB 2008, 1637 (Teil I) und 1693 (Teil II); Oestreicher/Hundeshagen, Weder Wirtschaftsgut noch Unternehmen – die Bewertung von Transferpaketen anlässlich der grenzüberschreitenden Verlagerung von Unternehmensfunktionen, IStR 2009, 146; Oestreicher/Wilke, Die Einzelbewertung des Firmenwerts – Verrechnungspreise in Fällen einer Funktionsverlagerung nach dem Gesetz zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften, Ubg 2010, 225; Pohl, Ergänzung der Funktionsverlagerungsregelung durch das Gesetz zur Umsetzung steuerrechtlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften, IStR 2010, 357; Puls, Funktionsverlagerungsbesteuerung: Schadenersatz-, Entschädigungs- und Ausgleichsansprüche als „Transferpaket“-Ersatz nach § 8 FVerlV, IStR 2010, 89; Puls, Finanzierungsunterstützung im Konzern aus Verrechnungspreissicht, IStR 2012, 209; Rasch/Schmidtke, Routinefunktionen, Gewinnverlagerungen und das Versagen des hypothetischen Fremdvergleichs, IStR 2009, 92; Raupach/Pohl/Ditz (Hrsg.), Praxis des Internationalen Steuerrechts 2010, Herne/Berlin 2010; Roeder, Ökonomische Aspekte des hypothetischen Fremdvergleichs, Ubg 2008, 202; Schaumburg, Normative Defizite und internationale Verrechnungspreise, Der Konzern 2006, 495; Schaumburg, Anpassungsklausel, IStR 2009, 877; Scheipers/Linn, Einkünfteberichtigung nach § 1 Abs. 1 AStG bei Nutzungsüberlassungen im Konzern – Auswirkungen des EuGH-Urteils SGI, IStR 2010, 469; Schneider, Wider Marktpreise als Verrechnungspreise in der Besteuerung internationaler Konzerne, DB 2003, 53; Schönfeld, Neues zum DBA-Schachtelprivileg oder: was bleibt von § 8 Nr. 5 GewStG und § 8b Abs. 5 KStG bei grenzüberschreitenden Dividenden?, IStR 2010, 658; Schönfeld, Aktuelle Entwicklungen im Verhältnis von § 1 AStG und EU-Recht anhand von Fallbeispielen, IStR 2011, 219; Schreiber, Funktionsverlagerungen im Konzern – Neue Rechtsgrundlagen durch die Unternehmensteuerreform 2008, Ubg 2008, 433; Schwenke, Funktionsverlagerung: neue Gesetzeslage, in Lüdicke (Hrsg.), Unternehmensteuerreform 2008 im internationalen Umfeld, Köln 2008, 115; Schwenke, Funktionsverlagerung über die Grenze – Verrechnungspreise und Funktionsausgliederung, in Piltz/Günkel, Steuerberater-Jahrbuch 2007/2008, Köln 2008, 137; Stangl/Hageböke, Neues zur Anwendung des DBA-Schachtelprivilegs – Anmerkungen zum BFH-Urteil vom 23.6.2010 – I R 71/09, in Ubg 2010, 651; Staudacher/Groß, OECD veröffentlicht überarbeitete Verrechnungspreisgrundsätze 2010, SIW 2010, 461; Strahl, Verrechnungspreise und Funktionsverlagerung nach der Unternehmensteuerreform 2008, KÖSDI 2008, 15861; Vögele, Bewertung von Transferpaketen bei der Funktionsverlagerung, DStR 2010, 418; Wassermeyer, Sind Verrechnungspreise justitiabel?, in Schaumburg (Hrsg.), Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, Köln 1994, 123; Wassermeyer, Streitfragen bei der Bilanzierung verdeck-
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen ter Gewinnausschüttungen, in Schön (Hrsg.), GS für Knobbe-Keuk, Köln 1997, 541; Wassermeyer, Veranlassung und Fremdvergleich, in Kirchhof/Jakob/Beermann (Hrsg.), Steuerrechtsprechung, Steuergesetz, Steuerreform, FS für Offerhaus, Köln 1999, 405; Wassermeyer, Das System der zweistufigen Gewinnermittlung in der Rechtsprechung des BFH, in Kirchhof (Hrsg.), Steuer- und Gesellschaftsrecht zwischen Unternehmerfreiheit und Gemeinwohl, FS für Raupach, Köln 2006, 565; Wassermeyer, Modernes Gesetzgebungsniveau am Beispiel des Entwurfs zu § 1 AStG, DB 2007, 535; Wassermeyer, Funktionsverlagerung – Statement, FR 2008, 67; Wassermeyer, Der Ansatz verdeckter Gewinnausschüttungen innerhalb und außerhalb der Steuerbilanz, DB 2010, 1959; Weber-Grellet, Entwicklungen im Bereich der verdeckten Gewinnausschüttung, DStZ 1998, 357; Wellens, Fremdvergleichsgrundsatz nach OECD und nach deutschem Recht – Gleichzeitig Vorstellung des Diskussionsentwurfs der OECD hinsichtlich der Überarbeitung der Kapitel I und III der OECD-Verrechnungspreisrichtlinie, IStR 2010, 153; Werra, Verrechnungspreise bei der Restrukturierung internationaler Unternehmensgruppen, IStR 2009, 81; Zech, Verrechnungspreise und Funktionsverlagerungen 2009: Die steuerliche Behandlung von Verrechnungspreisen, insbesondere bei Funktionsverlagerungen, nach der Unternehmensteuerreform 2008, Baden-Baden 2009; Zech, Funktionsverlagerung auf einen Eigenproduzenten und auf ein Routineunternehmen, IStR 2011, 131.
A. Grundlegung I. Einleitung 3.1 Nach Einschätzung der OECD werden ca. 70 % des Welthandels zwischen international verbundenen Unternehmen abgewickelt.1 Tendenziell wird dieser Anteil aufgrund der zunehmenden Globalisierung und Internationalisierung der Wirtschaft sowie fortschreitender internationaler Unternehmenszusammenschlüsse, nicht zuletzt als Folge marktlicher Konsolidierung und Konzentration, weiter steigen. International verbundene Unternehmen können im Hinblick auf Bindungsart und -intensität unterschiedlich definiert werden. Regelmäßig erfährt dieser Begriff eine rechtskreis- und rechtsnormspezifische Abgrenzung. Für die nachfolgenden Überlegungen wird er mit einem möglichst weiten Begriffsverständnis ausgestattet und deshalb als eine ökonomische Einheit mehrerer rechtlich selbständiger, in verschiedenen Staaten domizilierender Unternehmen gefasst.2 Aufgrund des sog. Trennungsprinzips ist nicht die wirtschaftliche Einheit selbst, sondern jede Ver1 Vgl. Boos/Rehkugel/Tucha, DB 2000, 2389; Schaumburg, Der Konzern 2006, 495; Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, Einheitliche Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer in der Europäischen Union, 2007; Peracin, Intertax 2008, 82 Fn. 2; Spengel/Oestreicher, DStR 2009, 780. 2 Begrifflich kann auch von einem internationalen Konzern gesprochen werden. Aus ökonomischer Sicht stellt die Konzernierung eine besondere Form eines Unternehmenszusammenschlusses dar, bei der sich mindestens zwei Unternehmen zusammenschließen, um ein gemeinsames wirtschaftliches Ziel zu verfolgen. Nach der gesetzlichen Definition in § 18 AktG ist ein Konzern die Zusammenfassung rechtlich selbstständiger Unternehmen unter einheitlicher Leitung.
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A. Grundlegung
bundteileinheit eigenständiges Steuersubjekt, das in seinem jeweiligen Domizilstaat der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt. Insofern unterscheiden sich international verbundene Unternehmen von (rechtlich unselbständigen) Organisationseinheiten (Stammhaus und Betriebsstätten) der gleichsam wirtschaftlichen, aber eben auch rechtlichen Einheit eines sog. Einheitsunternehmens (Rz. 4.1 ff.). Jedes international verbundene Unternehmen hat als eigenständiges Steuersubjekt seines Ansässigkeitsstaates seine steuerliche Bemessungsgrundlage nach den dortigen Gewinnermittlungsvorschriften zu ermitteln. Neben den mit nicht verbundzugehörigen Wirtschaftseinheiten realisierten Ertrags- und Aufwandskategorien wird diese maßgeblich durch die Abrechnung der mit verbundenen Unternehmen ausgetauschten Lieferungen und Leistungen determiniert. Vor diesem Hintergrund kann es nicht überraschen, dass die beteiligten nationalen Fisken von den international tätigen Unternehmen eine Verrechnungspreisgestaltung fordern, die eine sachgerechte zwischenstaatliche Abgrenzung der Steuerbemessungsgrundlagen und damit eine zutreffende Gewinnermittlung gewährleistet.
II. Begriff, Funktion und Bedeutung internationaler Verrechnungspreise Unter Verrechnungspreisen versteht man Wertansätze für Güter und Dienstleistungen, die innerhalb einer Unternehmung oder eines Unternehmensverbundes ausgetauscht werden. Im Gegensatz zum Marktpreis, der sich im freien Wettbewerb durch die Wirkung von Angebot und Nachfrage bildet, ist der Verrechnungspreis das Ergebnis zweckorientierter Leistungsbewertung innerhalb eines vom externen Markt isolierten Betriebs- oder Unternehmensverbundes. Ein Verrechnungspreis kann verschiedene, voneinander unabhängige Funktionen erfüllen, wobei sich in Abhängigkeit von der zu erfüllenden Funktion durchaus unterschiedliche Verrechnungspreise ergeben können. Bei diesen Funktionen handelt es sich um die:1 – Vereinfachung der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung (Vereinfachungsfunktion), – Wirtschaftlichkeitskontrolle von Kostenstellen (Kontrollfunktion), – organisatorische Lenkung zur Koordination dezentraler Entscheidungen in Teilbereichen der Unternehmung (organisatorische Lenkungsfunktion), – getrennte Erfolgsermittlung für die autonomen Teilbereiche einer Unternehmung (Erfolgsermittlungsfunktion). 1 Zu den betriebswirtschaftlichen Funktionen von Verrechnungspreisen vgl. z.B. Kurzewitz, Die Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 135 ff. m.w.N.
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3.2
Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
3.3 Die teilbereichsbezogene Erfolgsermittlungsfunktion tritt in besonderem Maße in den Vordergrund, wenn sich die einzelnen Teilbereiche einer Unternehmung als rechtlich selbständige Gesellschaften eines internationalen Konzerns darstellen. Hierbei dient der Verrechnungspreis der Bewertung des Güter- und Leistungsaustausches zwischen gesonderten Rechtsträgern und stellt einen effektiv geschuldeten Preis dar, dem durch seine erfolgsrechnerische Wirkung besondere steuerliche Relevanz zukommt. Über die handels- und steuerrechtliche Gewinnermittlung gehen Verrechnungspreise in die steuerliche Bemessungsgrundlage des jeweiligen Konzernunternehmens ein und würden damit – ohne entgegenstehende steuerliche Regelungen – (unmittelbar) die Steuerbelastung beeinflussen. Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf einen so verwendeten Verrechnungspreis, auch Konzernverrechnungspreis genannt.
III. Internationale Verrechnungspreise im Spannungsfeld zwischen internationalen Gewinnverlagerungen und internationaler Doppelbesteuerung 3.4 Die Forderung nationaler Steuergesetzgeber, den zwischengesellschaftlichen Leistungsaustausch angemessen zu verrechnen, beruht auf der Tatsache, dass nicht der Konzern als Ganzes, sondern die in verschiedenen Staaten domizilierenden Einzelgesellschaften als selbständige Steuersubjekte die Anknüpfungspunkte der Besteuerung darstellen (Rz. 3.1). Damit ergibt sich im Spannungsfeld konkurrierender Steueransprüche und der sich überschneidenden Steuerzugriffe der einzelnen Fisken für die international verbundenen Unternehmen ein nicht zu unterschätzendes Steuerrisiko.1 Ein Grund für dieses Steuerrisiko besteht darin, dass die Festlegung von Konzernverrechnungspreisen mannigfaltigen Einflussgrößen unterliegt, die vielfach statt der Fixierung exakter Preise nur die Bestimmung gewisser Preisbandbreiten2 zulassen oder das Fällen von Ermessensentscheidungen notwendig machen. Die hierdurch zwangsläufig entstehenden steuertaktischen Gestaltungsspielräume können aufgrund fehlender Interessengegensätze der einzelnen Konzerngesellschaften die Konzernleitungen dazu veranlassen, durch die Manipulation von Verrechnungspreisen ein etwaiges internationales Steuergefälle zum Zwecke der Ergebnisverlagerung zu nutzen.3 1 Vgl. hierzu auch Ernst & Young, 2010 Global Transfer Pricing Survey, 5 ff. u. 11. 2 So expressis verbis Tz. 3.55 OECD-Leitlinien 2010; BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.12.5 u. nunmehr § 1 Abs. 3 Satz 3 AStG. Siehe hierzu ausführlich Baumhoff in FS Wassermeyer, 347 ff. 3 Zur Ergebnisverlagerung im Hinblick auf die Senkung der Konzernsteuerquote vgl. Herzig/Dempfle, DB 2002, 6 f.; Baumhoff, IStR 2003, 4 f.; Dempfle, Charakterisierung, Analyse und Beeinflussung der Konzernsteuerquote, 290 ff.
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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs
Einer Realisierung steuerlich motivierter Ergebnisverlagerungen stehen die fiskalischen Interessen der Ansässigkeitsstaaten der Einzelgesellschaften gegenüber, die einerseits zueinander in einem massiven Interessengegensatz um die Ausschöpfung der Steuerressourcen stehen. Andererseits müssen sie zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit der Steuersubjekte bestrebt sein, dass jeder Teil des „Gewinnkuchens“ international tätiger Unternehmen nur von einem Fiskus besteuert wird, um so der Gefahr internationaler wirtschaftlicher Doppelbesteuerung zu begegnen.
3.5
Für die nationalen Finanzverwaltungen der Domizilstaaten der einzelnen Konzernunternehmen ergibt sich daraus die Notwendigkeit, zur Sicherung des jeweiligen staatlichen Steueranspruchs die Verrechnungspreise für den Leistungsaustausch zwischen den einzelnen, in verschiedenen Ländern ansässigen Konzernunternehmen auf ihre steuerliche Angemessenheit hin zu überprüfen. Liegt nach Ansicht der prüfenden Steuerbehörden ein unangemessenes Leistungsentgelt und damit eine steuerlich inakzeptable Minderung der Steuerbemessungsgrundlage vor, so erfolgt i.d.R. eine Gewinnkorrektur, um damit einer Gewinnverlagerung entgegenzutreten.
B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs I. Vorbemerkung Zur Beurteilung der Angemessenheit von Verrechnungspreisen haben mittlerweile viele Staaten Einkünftekorrekturnormen aufgestellt, die auf dem Grundsatz des „dealing at arm’s length“, d.h. dem Grundsatz des Fremdvergleichs, beruhen. Dieser Grundsatz hat sich als Generalklausel zur Einkunftsabgrenzung bei international verbundenen Unternehmen im internationalen Steuerrecht etabliert.1 Trotz der breiten internationalen Anerkennung des „dealing at arm’s length“-Prinzips, das die Preisfestsetzung unabhängiger Dritter zum Maßstab der Verrechnungspreisfestsetzung zwischen verbundenen Unternehmen macht, bestehen häufig sowohl über dessen Inhalt als auch über dessen Anwendung im Einzelfall Meinungsverschiedenheiten zwischen den involvierten Staaten. Die OECD hatte sich deshalb zunächst mit ihren Verrechnungspreisberichten aus den Jahren 1974 und 1984 das Ziel gesetzt, über die inhaltliche Konkretisierung des Grundsatzes des Fremdvergleichs internationalen Konsens zu erzielen. Ferner wurde der Grundsatz des Fremdvergleichs – ausgehend von den USA – in den 80er Jahren heftig kritisiert und zunehmend infrage ge1 Vgl. insbesondere Art. 9 Abs. 1 OECD-MA.
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3.6
Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
stellt.1 So hatte die US-amerikanische Finanzverwaltung mit Entwürfen über neue nationale Verrechnungspreis-Richtlinien zu Sec. 482 IRC Anfang 1992 heftige internationale Reaktionen hervorgerufen,2 die sich insbesondere an der Frage der Zulässigkeit gewinnorientierter Methoden und globaler Gewinnaufteilungsmethoden entzündeten. Der im OECDBericht 1979 gefundene Konsens drohte sich insoweit aufzulösen und der Grundsatz des Fremdvergleichs wurde je nach Fiskalinteresse sehr unterschiedlich interpretiert.
3.7 Vor diesem Hintergrund sah sich die OECD aufgerufen, sowohl den nationalen Steuerverwaltungen als auch den multinationalen Unternehmen wieder eine international konsensfähige Richtlinie mit dem Ziel an die Hand zu geben, Zweifelsfragen und Risiken, die durch die rasche Entwicklung des Welthandels und den damit einhergehenden zunehmenden innerkonzernlichen Leistungsaustausch entstanden sind, effizient begegnen zu können. Darüber hinaus war die OECD gezwungen, auf die von den USA favorisierten Gewinnmethoden, die eine Verrechnungspreisbestimmung nach dem Prinzip des „dealing at arm’s length“ obsolet machen würden, in einer weiteren Stellungnahme zu reagieren. Mitte 1995 konnte der Steuerausschuss der OECD – nach umfangreichen Vorarbeiten und intensiven Diskussionen mit nationalen Finanzverwaltungen und Unternehmensverbänden – Teil I seiner „VerrechnungspreisRichtlinien für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen“3 (OECD-Leitlinien 1995/96) vorlegen und insofern den Verrechnungspreisbericht der OECD aus 1979 ersetzen.4 Teil II der Richtlinien, der sich mit immateriellen Wirtschaftsgütern und Dienstleistungen beschäftigt, wurde im März 1996 endgültig verabschiedet, die Richtlinien zu den Kostenumlagen kamen im Juni 1997 hinzu. Im Jahr 2010 erfolgte eine umfangreiche Überarbeitung der Kap. I bis III. Zudem wurden in einem neuen Kap. Regelungen zu sog. „Business Restructurings“ aufgenommen.5 Im Ergebnis umfassen die OECD-Leitlinien 2010 nunmehr neun Kap., die sich neben der Methodik der Verrechnungspreisermittlung mit der Vermeidung und Bewältigung von Verrechnungspreisstreitigkeiten sowie den Dokumentations- und Nachweispflichten im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung auseinandersetzen.
3.8 Die OECD-Leitlinien 2010 legen sich ausdrücklich auf den Fremdvergleichsgrundsatz als grundlegende Maxime der Verrechnungspreisermitt1 Vgl. Runge, IStR 1995, 505. 2 Vgl. Eimermann, IStR 1993, 57 ff.; Eimermann, IStR 1994, 537 ff.; Menck, IStR 1995, 26. 3 Organization for Economic Co-operation and Development (OECD), Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations, Cosebeau, Paris 1995. 4 Vgl. hierzu Werra, IStR 1995, 457 u. 511; Becker, IWB Fach 10 International Gruppe 2, 1067; Baumhoff/Sieker, IStR 1995, 517. 5 Vgl. hierzu Baumhoff/Puls, IStR 2009, 73.
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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs
lung fest. Als normative Grundlage wird dabei auf Art. 9 Abs. 1 OECD-MA verwiesen.1 Infolgedessen gilt der Grundsatz des Fremdvergleichs als tragender Maßstab für die internationale Verrechnungspreisermittlung und sollte nach Übereinkunft der OECD-Mitgliedstaaten für steuerliche Zwecke sowohl von den multinationalen Unternehmen als auch von den Steuerverwaltungen einheitlich angewendet werden.2 Vom OECD-Steuerausschuss wird das Prinzip des „dealing at arm’s length“ aufgrund seines theoretischen Ansatzes für richtig erachtet, da es beim konzerninternen Liefer- und Leistungsaustausch der Funktionsweise des freien Marktes am nächsten komme. Darüber hinaus entspreche es den besonderen wirtschaftlichen Gegebenheiten und Umständen, in denen sich ein verbundenes Unternehmen befindet. Ferner stelle es auf die gewöhnliche Wirkungsweise des Marktes ab. Eine Abkehr von diesem Grundsatz würde zur Aufgabe bewährter theoretischer Grundlagen führen, damit den internationalen Konsens gefährden und gleichzeitig das Risiko der Doppelbesteuerung wesentlich erhöhen.3 Ausgangspunkt der internationalen Einkünfteabgrenzung ist der Umstand, dass für jede einzelne (nationale) Konzerngesellschaft als rechtlich selbständiges Steuersubjekt die Einkünfte gesondert zu ermitteln sind; ungeachtet der Tatsache, dass die rechtlich selbständigen Konzerngesellschaften Bestandteile der wirtschaftlichen Einheit „internationaler Konzern“ sind. Steuersubjekt ist eben nicht der Konzern als solcher, sondern das einzelne nationale Unternehmen als Konzernmitglied. Für Zwecke der Einkommens- und Gewinnermittlung der einzelnen Konzernmitglieder ist die Verbundzugehörigkeit somit zu ignorieren und die Preisfestsetzung ausschließlich aus der Sicht der nationalen Steuerrechtssubjekte zu beurteilen. Eine Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs impliziert eine Bewertung des Leistungsaustausches, die sich an den Regeln des freien marktwirtschaftlichen Tausches orientiert. Insoweit wird für die Ermittlung konzerninterner Verrechnungspreise ein natürlicher Interessengegensatz, wie er zwischen autonomen Marktpartnern regelmäßig vorliegt, fingiert. Dieser soll im Ergebnis zu einer Äquivalenz zwischen Leistung der einen und Gegenleistung der anderen verbundenen Unternehmen führen.4 Eine angemessene Bewertung des verbundwirtschaftlichen Leistungsaustausches hat somit zur Konsequenz, dass eine verbundene Unternehmung wirtschaftlich nicht besser- oder schlechtergestellt sein darf als eine vergleichbare unabhängige Unternehmung. Dagegen liegt ein Leistungsungleichgewicht vor, wenn der Wert der Leistung nicht mit dem Wert der Gegenleistung korrespondiert.
1 2 3 4
Vgl. Tz. 1.6 OECD-Leitlinien 2010. Vgl. Tz. 1.1 OECD-Leitlinien 2010. Vgl. Tz. 1.14 u. 1.15 OECD-Leitlinien 2010. Im Einzelnen vgl. Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 146.
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3.9
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II. Kodifizierung des Fremdvergleichs im deutschen internationalen Steuerrecht 1. Überblick der Rechtsgrundlagen
3.10 Die Zielsetzung des Fremdvergleichs besteht darin festzustellen, ob die Bewertung von Lieferungen und Leistungen zwischen rechtlich selbständigen Konzerneinheiten einer internationalen Unternehmung dem Angemessenheitspostulat genügt, d.h., ob die Preise so festgelegt worden sind, wie dies Fremde unter gleichen oder ähnlichen Verhältnissen tun oder tun würden. Werden mithilfe des Fremdvergleichs Leistungsungleichgewichte z.B. in Form von Preisvor- oder Preisnachteilen festgestellt, deren Ursache in den gesellschaftsrechtlichen Beziehungen zwischen den verbundenen Unternehmen (Konzerngesellschaften) zu suchen ist, so ergeben sich daraus besondere steuerliche Konsequenzen, die entscheidend davon abhängen, – in welche Richtung innerhalb des Konzernverbundes und in welches Steuerhoheitsgebiet sich der Leistungsfluss bewegt, – um welche Art von ausgetauschter Leistung es sich im Einzelfall handelt und – ob durch das Leistungsungleichgewicht im Inland eine Einkunftsminderung oder Einkunftserhöhung bewirkt worden ist.
3.11 Der Fremdvergleich als Mittel zur Abgrenzung der Einkünfte international verbundener Unternehmen findet im deutschen internationalen Steuerrecht1 seinen Niederschlag in den Regelungen über – die vGA, – die verdeckte Einlage, – die Vorschrift des § 1 AStG sowie – die abkommensrechtlichen (bilateralen) Gewinnkorrekturvorschriften, die inhaltlich im Wesentlichen Art. 9 OECD-MA entsprechen. Vorstehende Rechtsgrundlagen verweisen bei einer steuerlichen Prüfung von Verrechnungspreisen auf den Maßstab des Fremdvergleichs und dienen dem Ziel, eine nicht sachgerechte Preisfestsetzung zu korrigieren und eine etwaige gesellschaftsrechtliche Einflussnahme auf die betrieblichen Beziehungen zwischen Kapitalgesellschaft und Gesellschafter nach den Regelungen des geltenden Rechts zu eliminieren. Allerdings liegt diesen Einkünftekorrekturvorschriften kein einheitlicher Fremdvergleichsgrundsatz zugrunde.
3.12 Die einzige der vorstehend genannten Rechtsgrundlagen (Einkünftekorrekturnormen), die den Grundsatz des Fremdvergleichs explizit erwähnt und konkretisiert, ist § 1 AStG. Bis einschließlich 2007 war dieser Grund1 Zur Definitionsabgrenzung vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 1.1 ff.
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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs
satz als zentraler Maßstab in den „Grundsätzen für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung bei international verbundenen Unternehmen“ (VWG 1983) verankert,1 denn die deutsche Finanzverwaltung hatte bereits im Jahre 1983 den (erfolgreichen) Versuch unternommen, die oben genannten Einkünftekorrekturvorschriften einerseits und den Grundsatz des Fremdvergleichs als Referenzmaßstab der Verrechnungspreisermittlung andererseits aus Sicht des deutschen Fiskus zu konkretisieren. Damit hat die deutsche Finanzverwaltung seinerzeit der Empfehlung der OECD entsprochen, die deutsche Rechtsanwendung an die Vorgaben des OECD-Berichts 1979 heranzuführen. Durch das Unternehmensteuerreformgesetz 20082 hat dann der Fremdvergleichsgrundsatz mit Wirkung zum 1.1.2008 in § 1 Abs. 1 AStG explizit Eingang in den Gesetzestext gefunden. Danach sind im Geschäftsverkehr zwischen international verbundenen Unternehmen solche Verrechnungspreise zugrunde zu legen, wie „sie voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbart hätten (Fremdvergleichsgrundsatz)“.3 Geschieht dies nicht, sind die Einkünfte der inländischen Konzerneinheit „so anzusetzen, wie sie unter den zwischen voneinander unabhängigen Dritten vereinbarten Bedingungen angefallen wären“.4 Für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes geht der Gesetzgeber in § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG davon aus, „dass die voneinander unabhängigen Dritten alle wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehung kennen“ (sog. Transparenzklausel, Rz. 3.155 ff.) und dass diese „nach den Grundsätzen ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter handeln“ (Rz. 3.131 ff.). Nach dem vorliegenden Regierungsentwurf eines Jahressteuergesetzes 2013 vom 23.5.20125 beabsichtigt der Gesetzgeber neuerlich, umfangreiche Änderungen in § 1 AStG vorzunehmen. Zum einen sollen die als „Authorised OECD Approach“ bezeichneten umfangreichen Änderungen des Wortlauts und des Musterkommentars zu Art. 7 OECD-MA durch die am 22.7.2010 vom Rat der OECD verabschiedete Revision des Musterabkommens der OECD in § 1 AStG mit der Folge verankert werden, dass dessen Anwendungsbereich auch auf Betriebsstättensachverhalte ausgeweitet wird.6 Ferner beabsichtigt der Gesetzgeber, die Verrechnungspreisthematik bei internationalen Personengesellschaften in dem Sinne „klarzustellen“, jedenfalls insofern es das Verhältnis zwischen Personengesellschaft und Gesellschafter anbelangt, dass diese für Zwecke 1 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.1. 2 Unternehmensteuerreformgesetz 2008 (UntStRefG 2008) v. 14.8.2007, BStBl. I 2007, 1912; hierzu z.B. Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008. 3 § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG. 4 § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG. 5 Vgl. BR-Drucks. 302/12. 6 Vgl. hierzu Wassermeyer, IStR 2012, 277.
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3.13
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des § 1 AStG Kapitalgesellschaften gleichstehen. Erklärte Zielsetzung des Gesetzgebers ist es, „die Besteuerung grenzüberschreitender Vorgänge in Hinblick auf die Gewinnabgrenzung bzw. Gewinnverteilung klar und für alle Investitionsalternativen (Kapitalgesellschaften, Personengesellschaften, Betriebsstätten) einheitlich zu regeln“.1 Offenkundig entspricht es der Regelungstechnik des Gesetzgebers, den Charakter des § 1 AStG als „Allzweckwaffe“ weiter zu stärken.
3.14 Gegenstand einer Angemessenheitsbeurteilung mithilfe des Fremdvergleichs ist allerdings nicht die Geschäftsbeziehung im internationalen Unternehmensverbund selbst. Das hat zur Folge, dass eine vom Unternehmen eingegangene Geschäftsbeziehung nicht durch eine (z.B. von der steuerlichen Betriebsprüfung entwickelte) fiktive Geschäftsbeziehung ersetzt oder umgedeutet werden kann. Zu beurteilen sind vielmehr allein die Preise und sonstigen Konditionen innerhalb der vom Unternehmen tatsächlich eingegangenen Geschäftsbeziehung. Einzige Ausnahme hierzu sind Missbrauchsfälle, also Konstellationen, die wirtschaftlich keinen Sinn machen und allein der Umgehung der Steuergesetze (Minderung der Steuerpflicht) dienen (Rz. 3.100 ff.). Dies ergibt sich im Übrigen auch zwingend aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG, wo zutreffend auf eine verrechnungspreisbedingte Einkünfteminderung „aus einer Geschäftsbeziehung“ zum Ausland Bezug genommen wird.
3.15 Die OECD-Leitlinien 2010 halten in Tz. 1.64 ff. an ihrer Auffassung fest, dass bei der steuerlichen Beurteilung eines Geschäftsvorfalls von dem tatsächlich abgewickelten Geschäft auszugehen ist, wie es zwischen den verbundenen Geschäftspartnern gestaltet wurde. Umqualifizierungen der tatsächlich getätigten Geschäfte „durch andere Geschäfte“ sind danach grundsätzlich unzulässig.2
3.16 Dies ergibt sich bereits aus den verfassungsrechtlichen Grundfreiheiten einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung sowie den Grundfreiheiten des EG-Vertrages, die dem Steuerpflichtigen einen weiten Gestaltungs- und Dispositionsrahmen bei der Ausgestaltung und Organisation seines unternehmerischen Engagements gewähren.3 Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Finanzverwaltung die tatsächlichen Gegebenheiten respektieren muss, d.h., dass sie z.B. weder die Verrechnungspreise festlegen noch die konzerninterne Funktions- und Risikoverteilung ignorieren kann (Rz. 3.99 ff. und 3.105 ff.). Statthaft ist demgegenüber, die Angemessenheit der Verrechnungspreise anhand des Fremdvergleichsmaßstabs zu prüfen und dabei z.B. auf hypothetische Geschäftsvorfälle als Vergleichstransaktionen
1 Regierungsentwurf v. 23.5.2012, BR-Drucks. 302/12, Gesetzesbegründung zu Artikel 5 Nr. 1. 2 Vgl. Baumhoff/Sieker, IStR 1995, 517 ff.; Becker in G/K/G, Art. 9 OECD-MA Rz. 104 ff.; Eigelshoven/Ebering in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Tz. 1.36 Anm. 164. 3 Ebenso Jenzen, NWB Fach 2, 9420.
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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs
zur Prüfung der vereinbarten Bedingungen im tatsächlich verwirklichten Geschäft zurückzugreifen (Rz. 3.131 ff.), sofern die Voraussetzungen zur Durchführung eines tatsächlichen Fremdvergleichs (Rz. 3.125 ff.) nicht vorliegen. Dazu gehört auch die Feststellung der OECD-Leitlinien 2010 in Tz. 1.11, wonach allein die Tatsache, dass eine bestimmte Transaktion nicht zwischen fremden Dritten vorkommt, nicht bedeutet, dass sie nicht fremdvergleichskonform ist. Vielmehr handelt es sich um konzernspezifische Verhaltensweisen, die die Ableitung von Fremdvergleichsgesichtspunkten zugänglichen Referenztransaktionen vor besondere Herausforderungen stellen.1 Der Grundsatz der Anerkennung der tatsächlich verwirklichten Geschäfte ist insofern von großer Bedeutung, als damit gleichzeitig die Konzernzugehörigkeit des verbundenen Unternehmens anerkannt wird. Dabei sollen nicht die auf die Konzernzugehörigkeit zurückzuführenden Einflüsse der Gewinnentstehung eliminiert werden, sondern nur solche Eingriffe, die den Gewinnausweis verfälschen. Gewinnminderungen, die allein auf den Umstand der Konzernzugehörigkeit zurückzuführen sind, erlauben somit keine Ergebniskorrektur. Eine Ergebniskorrektur lässt sich nicht allein damit begründen, dass das verbundene Unternehmen als fiktiv unabhängiges Unternehmen eine profitablere Tätigkeit bzw. ein gewinnträchtigeres Geschäft hätte durchführen können, aber aufgrund der Konzernzugehörigkeit tatsächlich nicht durchgeführt hat.2
3.17
Vorstehende Feststellung hat weitreichende Konsequenzen. So ist z.B. 3.18 steuerlich anzuerkennen, wenn eine Muttergesellschaft ihrer Tochtergesellschaft im Rahmen des Unternehmensgegenstandes nur einen engen Aufgabenkreis zuweist.3 Ebenso hat das Steuerrecht keine Handhabe, die Ausstattung der Tochtergesellschaft mit personellen, sachlichen oder finanziellen Mitteln zu korrigieren.4 Der Fremdvergleich muss auf der Basis der tatsächlich zur Verfügung stehenden Gesamtausstattung vorgenommen werden. Es muss z.B. geprüft werden, ob ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter (Rz. 3.131 ff.) einen der Gesellschaft erteilten Auftrag mithilfe der zur Verfügung stehenden Gesamtausstattung selbst durchgeführt oder ob er einen Subunternehmer mit der Durchführung beauftragt hätte. Steuerrechtlich muss akzeptiert werden, dass der Steuerpflichtige einen bestimmten Geschäftspartner ausgewählt hat. Andererseits besteht keine Rechtsgrundlage dafür, der Tochtergesellschaft mithilfe eines Fremdvergleichs Geschäftschancen aufzudrängen, die sie aus vernünftigen übergeordneten Erwägungen in keinem Fall wahrneh-
1 Vgl. hierzu Eigelshoven/Ebering in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Tz. 1.10 Anm. 42 ff. 2 Vgl. Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 140. 3 Vgl. BFH v. 18.12.1996 – I R 26/95, BFHE 182, 90. 4 Vgl. BFH v. 12.10.1995 – I R 127/94, BFHE 179, 258; v. 13.11.1996 – I R 149/94, BFHE 181, 494.
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men wollte,1 oder – umgekehrt – ihr Geschäftschancen zu entziehen, die sie ursprünglich besaß.2 2. Verdeckte Gewinnausschüttung a) Tatbestandsvoraussetzungen
3.19 Der vGA kommt im Rahmen der internationalen Einkunftsabgrenzung eine gegenüber den anderen Korrekturvorschriften dominante Bedeutung zu. So basieren nach Einschätzung Wassermeyers etwa 90 % aller Verrechnungspreiskorrekturen auf der Rechtsgrundlage der vGA, während sie in nur 7 % der Fälle auf eine verdeckte Einlage und in nur 3 % der Fälle auf § 1 AStG zurückgehen.3
3.20 Obgleich sowohl § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG als auch § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG den Begriff der „vGA“ verwenden, wird er in beiden Vorschriften nicht definiert. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG beschränkt sich auf deren Rechtsfolge. Hiernach mindern vGA das Einkommen der Körperschaft nicht.4 Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist eine vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG auswirkt und nicht auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluss beruht.5 Die Unterschiedsbetragsminderung muss ferner die Eignung haben, beim Gesellschafter einen sonstigen Bezug i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen.6 Zu den Tatbestandsvoraussetzungen im Einzelnen:
3.21 Bei der Kapitalgesellschaft muss zunächst eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung vorliegen, die sich auf den (bilanziellen) Unterschiedsbetrag i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG auswirkt. Angesichts der in ihrer Wirkung auf den Unterschiedsbetrag erforderlichen Vermögensänderungen bestehen begrifflich keine Unterschiede zur Un-
1 Vgl. BFH v. 12.6.1997 – I R 14/96, BFHE 183, 459. 2 Zur Geschäftschancenlehre des BFH vgl. Baumhoff/Bodenmüller in Grotherr, Handbuch der Internationalen Steuerplanung3, 580 ff. 3 Vgl. Wassermeyer, IStR 2001, 633; Wassermeyer, GmbHR 1998, 162. 4 Gleiches gilt für § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG, der sich darin erschöpft, dass vGA zu den sonstigen Bezügen gehören. 5 Diese Definition der vGA wurde erstmals durch BFH v. 1.2.1989 – I R 73/85, BStBl. II 1989, 522 verwendet und entspricht nunmehr der ständigen Rspr., vgl. für viele BFH v. 2.2.1994 – I R 78/92, BStBl. II 1994, 479; v. 6.12.1995 – I R 88/94, BStBl. II 1996, 383; v. 9.8.2000 – I R 12/99, BStBl. II 2001, 140; v. 19.1.2000 – I R 24/99, BStBl. II 2000, 545. Zur Entwicklung der Definition der vGA im Einzelnen siehe Wassermeyer, GmbHR 1989, 300; Döllerer, Gewinnausschüttungen, 30; Wassermeyer, DB 1994, 1105; Wassermeyer, GmbHR 1998, 158. 6 Vgl. BFH v. 7.8.2002 – I R 2/02, BStBl. II 2004, 131; v. 25.1.2005 – I R 8/04, BStBl. II 2006, 190.
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terschiedsbetragsminderung1 bzw. verhinderten Unterschiedsbetragsmehrung. Gegenstand der Unterschiedsbetragsminderung bzw. der verhinderten Unterschiedsbetragsmehrung kann jeder vermögenswerte Vorteil sein. Dazu zählen neben der Übertragung von einlagefähigen materiellen Wirtschaftsgütern auch Vorteilszuwendungen durch immaterielle Anlagewerte, Nutzungsüberlassungen und Dienstleistungen, seien sie unentgeltlich oder zu billig überlassen, oder der Verzicht auf Gewinnchancen.2 Letztlich muss das steuerliche Ergebnis der vorteilsgewährenden Gesellschaft durch einen Aufwand oder Minderertrag belastet worden sein. Ferner muss die Unterschiedsbetragsminderung oder verhinderte Unterschiedsbetragsmehrung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sein. Konkretisierungsmaßstab einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung ist dabei der Grundsatz des Fremdvergleichs,3 der neben materiellen Gesichtspunkten im Falle eines beherrschenden Gesellschafters auch auf formale Aspekte abstellt. Im Rahmen seiner materiellen Dimension erfährt der Fremdvergleich seine Präzisierung mittels der Denkfigur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (Rz. 3.131 ff.). Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis ist infolgedessen gegeben, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte.4 Aufgabe des Fremdvergleichs ist damit eine Angemessenheitsprüfung der Liefer- und Leistungsbeziehungen, um ein mögliches Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung feststellen zu können. Dabei ist nach gefestigter Rechtsprechung des BFH nicht nur die Sicht des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters der Kapitalgesellschaft, sondern auch dessen Vertragspartners einzubeziehen. Die Referenzfigur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters sowohl aufseiten des Leistenden wie aufseiten des Leistungsempfängers (doppelter ordentlicher und gewissenhaf1 So ausdrücklich der BFH in seiner jüngeren Rechtsprechung, vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; v. 7.8.2002 – I R 2/02, BStBl. II 2004, 131; v. 27.7.2003 – I R 80/02, BStBl. II 2003, 926; v. 28.1.2004 – I R 21/03, BStBl. II 2005, 841; v. 31.3.2004 – I R 65/03, BStBl. II 2005, 664; v. 31.3.2004 – I R 70/03, BStBl. II 2004, 937; v. 11.8.2004 – I R 108/03, BFH/NV 2005, 385; v. 15.9.2004 – I R 62/03, BStBl. II 2005, 176, v. 9.11.2005 – I R 89/04, BStBl. II 2008, 523; v. 3.5.2006 – I R 124/04, BStBl. II 2004, 4; v. 23.1.2008 – I R 8/06, BFH/NV 2008, 1057; v. 18.3.2009 – I R 63/08, BF/NV 2009, 1841; v. 3.3.2010 – I B 102/09, BFH/ NV 2010, 1131. 2 Zur sog. Geschäftschancenlehre vgl. Baumhoff/Bodenmüller in Grotherr, Handbuch der Internationalen Steuerplanung3, 580 ff. 3 Zur Ableitung des Fremdvergleichs aus dem Veranlassungsprinzip des § 4 Abs. 4 EStG vgl. Wassermeyer, StbJb 1998/99, 161 f.; Wassermeyer in FS Offerhaus, 405; Wassermeyer, DB 2001, 2466 f. 4 Vgl. H 36 KStH 2008 „Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis“, „Allgemeines“ m.w.N.
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ter Geschäftsleiter, Rz. 3.143 ff.) konkretisiert mit dem ihm eigenen Sorgfalts- und Handlungsmaßstab den Fremdvergleich. Während diese Konkretisierung im Rahmen der vGA auf die Rechtsprechung des BFH zurückgeht,1 normiert § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG, dass für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes – im Anwendungsbereich von § 1 AStG – davon auszugehen ist, „dass die voneinander unabhängigen Dritten alle wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehungen kennen und nach den Grundsätzen ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter handeln“. Jedenfalls im Hinblick auf letztere Auslegung des Fremdvergleichs kann sich diese Rechtssetzung auf eine gefestigte Rechtsprechung des BFH abstützen. Auf Inhalt und Bedeutung der Transparenzklausel wird an anderer Stelle zurückzukommen sein (Rz. 3.155 ff.). Die formale Dimension des Fremdvergleichs kommt lediglich bei einem beherrschenden Gesellschafter zum Tragen. In diesem Zusammenhang wird nach ständiger Rechtsprechung des BFH eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis indiziert, wenn es an einer klaren und von vornherein abgeschlossenen Vereinbarung darüber fehlt, ob und in welcher Höhe ein Entgelt von der Kapitalgesellschaft bezahlt werden soll.2 Das hat zur Folge, dass selbst bei Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung eine vGA dann angenommen wird, wenn Leistungsinhalt und -umfang nicht von vornherein klar und eindeutig vereinbart worden sind. Die zusätzliche Berücksichtigung solcher formalen Anforderungen beruht darauf, dass bei einem beherrschenden Gesellschafter strengere Anforderungen zu stellen sind, weil er eher „Möglichkeiten zur Gewinnmanipulation“3 im Rahmen der Geschäftsbeziehung mit seiner Kapitalgesellschaft hat. Allerdings kommt dem Fehlen einer klaren, von vornherein abgeschlossenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung nach dem Beschluss des BVerfG vom 7.11.19954 keine absolute, sondern lediglich indizielle Wirkung zu. Sie ist mithin ein Beweisanzeichen. Formale Mängel bewirken eine Beweismaßreduzierung zulasten des Steuerpflichtigen, indem die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis widerlegbar vermutet wird. Es ist dann an dem Steuerpflichtigen darzulegen, dass sein abweichendes Verhalten durch „good business reasons“ bedingt war. Insofern mögen auch Fremdvergleichsgesichtspunkte angeführt werden können, die auf vergleichbare und ebenso nicht hinreichend klare Vereinbarungen zwischen fremden Dritten abzielen.5 1 Vgl. BFH v. 17.5.1995 – I R 147/93, BStBl. II 1996, 204; v. 6.12.1995 – I R 88/94, BStBl. II 1996, 383; v. 19.5.1998 – I R 36/97, BStBl. II 1998, 689; v. 27.3.2001 – I R 27/99, BStBl. II 2002, 111; v. 24.4.2002 – I R 18/01, BStBl. II 2002, 670; zuletzt BFH v. 28.4.2010 – I R 78/08, BFHE 229, 234. 2 Vgl. BFH v. 11.2.1997 – I R 43/96, BFH/NV 1997, 806; v. 17.12.1997 – I R 70/97, BStBl. II 1998, 545; v. 28.6.2002 – IX R 68/99, BStBl. II 2002, 699; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit jüngst BFH v. 27.7.2009 – I B 45/09, BFH/NV 2009, 2005. 3 BFH v. 17.12.1997 – I R 70/97, BStBl. II 1998, 545. 4 BVerfG v. 7.11.1995 – 2 BvR 802/90, BStBl. II 1996, 34. 5 Vgl. Bogenschütz, BB 2006, 759; Eigelshoven/Nietimp, DB 2003, 2308 f.; Baumhoff/Greinert, IStR 2008, 354.
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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs
Im Hinblick auf die abkommensrechtliche Gewinnkorrekturvorschrift des Art. 9 OECD-MA ist schließlich festzustellen, dass die ihr entsprechenden Vorschriften des jeweiligen DBA nicht auf diesen formalen Aspekt abstellen. Gegenüber rein formalen Beanstandungen entfalten diese insofern eine Sperrwirkung (Rz. 3.68 f.). Die Vermögensminderung darf nicht im Zusammenhang mit einer offenen Gewinnausschüttung stehen. Im Gegensatz zur vGA erfolgt eine offene Gewinnausschüttung auf der Grundlage eines Gewinnverteilungsbeschlusses i.S. des § 174 AktG bzw. § 46 Nr. 1 GmbHG. Für diese hat sich insbesondere handelsbilanziell die Auffassung durchgesetzt, dass der Ausschüttungs- den potenziellen Betriebsausgabencharakter verdrängt. Dies ist insoweit zutreffend, als offene Ausschüttungen i.d.R. erst nach dem Bilanzstichtag beschlossen werden. Am Bilanzstichtag ist noch keine Ausschüttung gegeben. „Offene Ausschüttungen“ sind deshalb keine Betriebsausgaben. Charakteristisch für eine vGA ist demgegenüber, dass sie „verdeckt“ vorgenommen wird, d.h., sie erfolgt der Form nach nicht als Gewinnausschüttung, sondern wird in ein Leistungsaustauschverhältnis gekleidet und dementsprechend buchhalterisch erfasst (Betriebsausgabe bzw. [verminderter] Ertrag). Dieses Tatbestandsmerkmal hat in der Praxis vergleichbar geringe Bedeutung.1
3.23
Schließlich muss die Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung2 die Eignung aufweisen, beim Gesellschafter einen sonstigen Bezug i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen (sog. Vorteilsgeneigtheit).3 Dieses Tatbestandsmerkmal der vGA hatte der BFH erstmals mit seinem Urteil vom 7.8.2002 zu Prämien für eine Rückdeckungsversicherung, die eine GmbH abgeschlossen hatte, um eine – als vGA behandelte – Pensionszusage an ihren Gesellschafter-Geschäftsführer abzudecken, entwickelt und seither in ständiger Rechtsprechung bestätigt.4 Die Vorteilsgeneigtheit der Unterschiedsbetragsminderung heißt nicht, dass ein Zufluss des Vorteils i.S. des § 11 Abs. 1 EStG beim Gesellschafter Voraussetzung ist, um die Rechtsfolge des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG auslösen zu können.5 Es reicht aus, dass die Unterschiedsbetragsminderung dem betroffenen Gesellschafter künftig zufließen könnte. Mithin ist eine objektive bzw. abstrakte Eignung erforderlich, auf eine konkrete Eignung
3.24
1 Vgl. Lang/Klingebiel in D/J/P/W, § 8 Abs. 3 KStG Rz. 150 ff. 2 Klarstellend auch für die verhinderte Vermögensmehrung BFH v. 3.3.2010 – I B 102/09, BFH/NV 2010, 1131. 3 Vgl. BFH v. 7.8.2002 – I R 2/02, BStBl. II 2004, 131. 4 BFH v. 28.1.2004 – I R 87/02, BFH/NV 2004, 736; v. 14.7.2004 – I R 16/03, BStBl. II 2004, 1010; v. 14.7.2004 – I R 57/03, BFH/NV 2004, 1603; v. 17.11.2004 – I R 56/03, BFH/NV 2005, 793; v. 25.1.2005 – I R 8/04, BStBl. II 2006, 190; v. 9.11.2005 – I R 89/04, BFH/NV 2006, 456; v. 3.5.2006 – I R 124/04, BFH/NV 2006, 1729; zuletzt BFH v. 16.12.2009 – I B 76/09, BFH/NV 2010, 1135; v. 3.3.2010 – I B 102/09, BFH/NV 2010, 1131. 5 Vgl. Wassermeyer, DB 2002, 2668 f.; Buciek, DStZ 2003, 87; Herlinghaus, GmbHR 2003, 381.
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zur Auslösung eines Beteiligungsertrags i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG kommt es hingegen nicht an.1 In der Berücksichtigung der Perspektive auch des Anteilseigners für den Tatbestand der vGA2 kommt letztlich das eingeschränkte Korrespondenzprinzip umfassender zum Ausdruck, das zwischen einer vGA i.S.v. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG (Gesellschaftsebene) und einer solchen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG besteht. Diese knüpfen zwar an denselben Sachverhalt an, sie sind jedoch nicht von identischen Tatbestandsmerkmalen geprägt. Insofern gilt grundsätzlich, dass sie jeweils eigenständig zu prüfen sind. Mit der Berücksichtigung der Gesellschafterperspektive werden jedenfalls solche Sachverhalte aus dem Anwendungsbereich der vGA ausgeschlossen, die einen Beteiligungsertrag auf Gesellschafterebene objektiv nicht auszulösen vermögen. Dies hat der BFH u.a. für den Fall entschieden, dass eine irische Kapitalgesellschaft freiwillig in Irland eine höhere Körperschaftsteuer zahlt, um eine Hinzurechnungsbesteuerung bei ihrem im Inland unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter zu vermeiden.3 b) Rechtsfolgen
3.25 Auf Ebene der vorteilsgewährenden Gesellschaft besteht die Rechtsfolge der vGA – entsprechend dem Wortlaut des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG – darin, dass diese das Einkommen nicht mindert. Dem bilanziellen Unterschiedsbetrag i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG, der infolge der vGA vermindert ist, ist die vGA wieder hinzuzurechnen. Diese Hinzurechnung erfolgt nach ständiger Rechtsprechung des BFH außerhalb der Steuerbilanz4 auf der zweiten Gewinnermittlungsstufe.5 § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist eine Gewinnermittlungsvorschrift, die bereits im Rahmen der Gewinnermittlung und nicht erst im Rahmen der Einkommensermittlung zum Tragen kommt.6 Die Höhe der Hinzurechnung, die sich aus dem Fremdvergleich ergibt, entspricht dem realisierbaren Vorteil oder der Gewinnchance, worauf die Gesellschaft mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis ver-
1 Vgl. Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 246; Lang/Klingebiel in D/J/P/W, § 8 Abs. 3 KStG Rz. 150; a.A. Rose, DB 2005, 2596. 2 Nach Gosch soll dieses Tatbestandsmerkmal die Brücke zwischen Gesellschaft und Anteilseigner schlagen, vgl. Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 170. 3 Vgl. BFH v. 3.5.2006 – I R 124/04, BFH/NV 2006, 1729. 4 Vgl. BFH v. 29.6.1994 – I R 137/93, BStBl. II 2002, 366; v. 12.10.1995 – I R 27/95, BStBl. II 2002, 367; v. 28.1.2004 – I R 21/03, BStBl. II 2005, 841. Dem folgt auch die Finanzverwaltung; vgl. BMF v. 28.5.2002 – IV A 2 - S 2742 - 32/02, BStBl. I 2002, 603 Tz. 3; v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 5.3.1. 5 Zur zweistufigen Gewinnermittlung vgl. Wassermeyer, IStR 2001, 633; Wassermeyer in Oestreicher, Internationale Verrechnungspreise, 73; Wassermeyer in FS Raupach, 565; Wassermeyer, DB 2010, 1959; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 18.3. 6 Vgl. zuletzt nur Wassermeyer, DB 2010, 1959.
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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs
zichtet hat. Die Höhe der vGA ist also unmittelbar aus dem Fremdvergleich abzuleiten.1 Eine vGA muss sich nicht ausschließlich auf Sachverhalte beziehen, die sich im Inland ereignet haben. Es können ebenfalls grenzüberschreitende vGA vom Inland ins Ausland sowie in umgekehrter Richtung geleistet werden, wobei die sich daraus in Deutschland ergebenden Rechtsfolgen nach deutschem Steuerrecht zu beurteilen sind.2 Während im ersteren Fall die Einkünftekorrektur der vorteilsgewährenden inländischen Kapitalgesellschaft nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG im Vordergrund steht, erfordert im letzteren Fall die Einkünftequalifikation des vorteilsempfangenden inländischen Gesellschafters diese in Ansehung von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG vorzunehmen.3 Letzteres Erfordernis verdeutlicht, dass die ausschließliche Auslandsbelegenheit des Sachverhalts – etwa der Lieferungsund Leistungsaustausch zwischen auslandsdomizilierenden Schwestergesellschaften – die Beurteilung nach deutschem Steuerrecht erforderlich machen kann, wenn für die inländische Muttergesellschaft die Erzielung eines Beteiligungsertrags i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG in Rede steht. Das Rechtsinstitut der vGA gestaltet sich im Falle einer international verbundenen Unternehmung nicht anders als zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihren Gesellschaftern. Hierbei sind die Muttergesellschaft als Gesellschafterin und die Tochtergesellschaft als Gesellschaft anzusehen, sodass von einer vGA immer dann auszugehen ist, wenn ein Leistungsungleichgewicht zum Vorteil der Muttergesellschaft vorliegt. Folgende vier Grundfälle grenzüberschreitender Sachverhalte, in denen von einer vGA auszugehen ist, lassen sich unterscheiden:
3.26
1. Eine inländische Muttergesellschaft liefert/leistet an ihre ausländische Tochtergesellschaft zu einem unangemessen hohen Preis. 2. Eine ausländische Muttergesellschaft liefert/leistet an ihre inländische Tochtergesellschaft zu einem unangemessen hohen Preis. 3. Eine inländische Tochtergesellschaft liefert/leistet an ihre ausländische Muttergesellschaft zu einem unangemessen niedrigen Preis. 4. Eine ausländische Tochtergesellschaft liefert/leistet an ihre inländische Muttergesellschaft zu einem unangemessen niedrigen Preis. In den Fallgruppen 2 und 3 ist eine vGA einer inländischen Tochtergesellschaft an ihre ausländische Muttergesellschaft gegeben. Auf Ebene der inländischen Tochtergesellschaft ist dem infolge der Vermögensminderung (Fall 2) bzw. verhinderten Vermögensmehrung (Fall 3) zu gering ausgewie1 Ähnlich Wassermeyer, IStR 2001, 636. 2 Vgl. Fischer/Kleineidam/Warneke, Internationale Betriebswirtschaftliche Steuerlehre5, 519 f. u. 523 f.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 18.88. 3 Zur abkommensrechtlichen Behandlung verdeckter Gewinnausschüttungen vgl. Fischer/Kleineidam/Warneke, Internationale Betriebswirtschaftliche Steuerlehre5, 525 ff. m.w.N.
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3.27
Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
senen Unterschiedsbetrag außerbilanziell – auf der zweiten Stufe der Gewinnermittlung – die vGA hinzuzurechnen (Rz. 3.25). Für die Einordnung als vGA auf Ebene der vorteilsgewährenden inländischen Tochtergesellschaft gänzlich unbeachtlich ist, ob der ausländische Domizilstaat der Muttergesellschaft bei dieser den empfangenen, gesellschaftsrechtlich veranlassten Vorteil einer Beteiligungsertragsbesteuerung zuführt oder aber die Besteuerung entsprechend des Lieferungs- oder Leistungscharakters vornimmt (bzw. beibehält).1 Auf Ebene der inländischen Tochtergesellschaft löst die vGA hiernach eine Belastung mit Körperschaftsteuer i.H.v. 15 % zuzüglich Solidaritätszuschlag sowie Gewerbesteuer aus. Keine Rechtsfolge der vGA, sondern die rechtlich zutreffende, nämlich von gesellschaftsrechtlichen Beeinflussungen entkleidete Beurteilung eines Anschaffungsvorgangs, stellt die nachträgliche Korrektur etwaiger Anschaffungskosten dar, in die die Überpreis-Lieferungen oder -Leistungen eingegangen sind. Die betreffenden Wirtschaftsgüter sind mit ihren fremdüblichen Anschaffungskosten zu aktivieren und auf dieser Basis abzuschreiben, d.h. mit dem Betrag, der ausschließlich für die Erlangung des Wirtschaftsguts aufgewendet wurde.2 Da vorliegend die Vermögensminderung (Fall 2) bzw. verhinderte Vermögensmehrung (Fall 3) durch Minderung des Eigenkapitals zu einem tatsächlichen Abfluss von Mitteln aus dem Vermögen der inländischen Tochtergesellschaft führt, hat diese Kapitalertragsteuer i.H.v. 25 % (§§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) zuzüglich Solidaritätszuschlag einzubehalten und abzuführen. Die inländische Tochtergesellschaft ist Haftungsschuldnerin (§ 44 Abs. 5 Satz 1 EStG). Eine Reduktion der einzubehaltenden und abzuführenden Kapitalertragsteuer erfolgt ungeachtet etwaiger hierfür vorliegender Voraussetzungen nicht von Amts wegen. Vielmehr ist die inländische Tochtergesellschaft ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Absenkung der Kapitalertragsteuer oder eine Freistellung verpflichtet, die reguläre Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen (§ 50d Abs. 1 Satz 1 EStG). Die Vornahme des Kapitalertragsteuerabzugs nach einem – abkommensrechtlich vorgegebenen – niedrigeren Steuersatz oder das Unterlassen des Kapitalertragsteuerabzugs ist nur dann und insoweit zulässig, wie auf Antrag der inländischen Tochterkapitalgesellschaft hin vom Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) eine Freistellungsbescheinigung erteilt wurde (§ 50d 1 Gegebenenfalls erfolgt bei Bestehen eines DBA eine Gegenberichtigung, wenn die abkommensrechtliche Ermächtigungsgrundlage (Art. 9 Abs. 2 OECD-MA) durch dortiges innerstaatliches Recht ausgefüllt wird oder aber – entsprechend dortigen verfassungsrechtlichen Vorgaben – „self-executing“-Wirkung entfaltet. Einen Überblick über die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen bieten die Länderberichte in Maisto (Ed.), Tax Treaties and Domestic Law, Amsterdam 2006. 2 Vgl. hierzu BFH v. 13.3.1985 – I R 9/81, BFH/NV 1986, 116; BMF v. 28.5.2002 – IV A 2 - S 2742 - 32/02, BStBl. I 2002, 603 Tz. 42; Wassermeyer in GS KnobbeKeuk, 541; Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 460; Neumann, vGA und verdeckte Einlagen, 5; Klingebiel in D/J/P/W, § 8 Abs. 3 KStG Anh. ABC der vGA (Anschaffungskosten).
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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs
Abs. 2 Satz 1 EStG). Ferner ist die vGA Leistung i.S.v. § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG. Für die ausländische Muttergesellschaft stellt die vGA einen Beteiligungsertrag i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG dar. Für die Einordnung unter den Katalog inländischer Einkünfte (§ 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 49 Abs. 1 EStG) greift die isolierende Betrachtungsweise Platz, da wegen der Zugehörigkeit der Beteiligung an der inländischen Tochtergesellschaft zum Betriebsvermögen des ausländischen Gewerbebetriebs1 der ausländischen Muttergesellschaft und der dementsprechenden Qualifikation der Beteiligungserträge als gewerbliche Einkünfte (§ 20 Abs. 8 EStG) anderenfalls inländische Einkünfte nicht vorlägen.2 Die ausländische Muttergesellschaft erzielt infolgedessen inländische Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG), mit denen sie beschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist (§ 2 Nr. 1 KStG). Grundsätzlich gilt die Körperschaftsteuer im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht der ausländischen Muttergesellschaft durch den Kapitalertragsteuerabzug als abgegolten (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG). Gemäß § 32 Abs. 3 Satz 3 KStG i.V.m. § 44a Abs. 9 EStG erwächst der ausländischen Muttergesellschaft jedoch ein selbständiger Erstattungsanspruch. Hiernach werden zwei Drittel der einbehaltenen und abgeführten (regulären) Kapitalertragsteuer erstattet. Faktisch wird hierdurch die Belastung der Beteiligungserträge auf das inländische Körperschaftsteuerniveau (15 %) abgesenkt.3 Bei dieser Absenkung bleibt es für Muttergesellschaften, die in Nicht-DBA-Staaten domizilieren. Für Muttergesellschaften mit Domizil in einem DBA-Staat beschränkt das jeweilige DBA das deutsche Quellenbesteuerungsrecht auf einen Quellensteuersatz von 5 v.H., 10 v.H. oder 15 v.H. vom Bruttobetrag der Dividenden.4 Im Falle schachtelprivilegierter Dividenden und eines Quellensteuerhöchstsatzes von 5 v.H. oder 10 v.H. wird die Kapitalertragsteuer auf Antrag der ausländischen Muttergesellschaft teilweise erstattet (§ 50d Abs. 1 EStG). Entsprechendes gilt für eine Muttergesellschaft mit EU-Domizil, die in den persönlichen und sachlichen Schutzbereich der EU-MTR fällt, weil sie im Zeitpunkt der Entstehung der Kapitalertragsteuer seit mindestens zwölf Monaten ununterbrochen zu mindestens 10 % unmittelbar am Nennkapital der inländischen Tochtergesellschaft beteiligt ist (§§ 43b und 50d Abs. 1 EStG). An1 Dies unterstellt, die ausländische Muttergesellschaft sei auch nach den Vorgaben von § 15 Abs. 2 EStG originär gewerblich tätig. Anderenfalls bedürfte es wegen der Beschränkung der Gewerblichkeitsfiktion des § 8 Abs. 2 KStG auf unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften der isolierenden Betrachtungsweise nicht. 2 Soweit hier relevant, erfordern inländische gewerbliche Einkünfte die Unterhaltung einer Betriebsstätte im Inland (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Zur isolierenden Betrachtungsweise siehe Morgenthaler in FS Krawitz, 275. 3 Vgl. hierzu im Einzelnen Schönfeld in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 668; Schönfeld, IStR 2007, 850. 4 Siehe zu den Art. 10 Abs. 2 OECD-MA entsprechenden Bestimmungen der deutschen DBA-Übersicht bei Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 67.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
stelle des Erstattungsverfahrens kommt – wie bereits ausgeführt – das Freistellungsverfahren zum Tragen, wenn die inländische Tochtergesellschaft eine Freistellungsbescheinigung beantragt und erhalten hat. Für die Privilegierung nach der EU-MTR, bei der der Mindestbeteiligungszeitraum erst nach Entstehung der Kapitalertragsteuer vollendet wird, bleibt das Anrechnungsverfahren erhalten, nicht jedoch das Freistellungsverfahren (§ 43b Abs. 1 Satz 5 EStG).
3.29 Gewährt demgegenüber eine ausländische Tochtergesellschaft ihrer inländischen Muttergesellschaft im Rahmen des Lieferungs- und Leistungsverkehrs Vorteile in Form von Überpreiszahlungen für erhaltene oder Unterpreisforderungen für erbrachte Lieferungen und Leistungen (Fallgruppen 1 und 4), ist die Frage der Korrektur der Einkünfte der ausländischen Tochtergesellschaft ausschließlich nach den steuerlichen Vorschriften ihres Ansässigkeitsstaates zu beantworten. Regelmäßig führt hier – eine entsprechende nationale Einkünftekorrekturvorschrift vergleichbar derjenigen des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG vorausgesetzt – die Vorteilszuwendung an die inländische Muttergesellschaft zu einer Gewinnkorrektur durch die dortige Finanzverwaltung in Höhe des die Angemessenheit übersteigenden Betrages. Für die Besteuerung der deutschen Muttergesellschaft ist nach deutschem Steuerrecht zu beurteilen, ob die Vorteilgewährung die Tatbestandsvoraussetzungen einer vGA i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG erfüllt und infolgedessen eine – ggf. partielle – Umqualifizierung erfolgt. Eine Bindung an die steuerliche Behandlung im Domizilstaat der ausländischen Tochtergesellschaft besteht nicht. Insbesondere knüpft die Tatbestandsverwirklichung nicht an eine entsprechende Einkünftekorrektur bei der ausländischen Tochtergesellschaft an. Ferner verpflichten auch im Falle einer etwaigen Einkünftekorrektur bei der ausländischer Tochtergesellschaft die Art. 9 Abs. 2 OECD-MA entsprechenden abkommensrechtlichen Bestimmungen über eine Gegenberichtigung nicht zu einer Umqualifizierung in eine vGA auf Ebene der inländischen Muttergesellschaft, da diese außerhalb punktueller verwaltungsseitiger Billigkeitsmaßnahmen einer innerstaatlichen Rechtsgrundlage entbehren.
3.30 Erfüllt die Vorteilsgewährung die Tatbestandsmerkmale des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG, ist die vGA buchhalterisch durch (partielle) Umqualifizierung in einen Beteiligungsertrag (Fall 1) bzw. erstmalige Erfassung eines Beteiligungsertrags (Fall 4) abzubilden. Auf vGA kommen die Grundsätze über die Beteiligungsertragsbesteuerung zum Tragen. Nach dem körperschaftsteuerlichen Beteiligungsprivileg des § 8b Abs. 1 KStG bleibt die vGA im Grundsatz außer Ansatz. Diese Steuerbefreiung kommt ungeachtet einer Mindestbeteiligungsquote, Vorbesitzzeit oder Aktivität der ausländischen Tochtergesellschaft zum Tragen. Nach § 8b Abs. 5 Satz 1 EStG gelten allerdings 5 % der vGA als nichtabzugsfähige Betriebsausgaben. Systematisch knüpft § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG nicht daran an, ob und ggf. in welcher Höhe tatsächlich zuordenbare Aufwendungen angefallen sind, vielmehr dient als Bemessungsgrundlage ausschließlich die bezoge396
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ne Bruttogewinnausschüttung. Folglich wird eine Betriebsausgabe fingiert. Fallen keine oder geringere als die mit 5 % fingierten beteiligungsbezogenen Aufwendungen an, stand infrage, ob diese Pauschalbesteuerung mit den Geboten der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit vereinbar ist.1 Das BVerfG hat hierzu mit Beschluss vom 12.10.2010 entschieden, dass die Pauschalierung eines Betriebsausgabenabzugsverbots durch die Hinzurechnung von 5 % des Veräußerungsgewinns und der Bezüge aus Unternehmensbeteiligungen zu den Einkünften einer Körperschaft nach § 8b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 KStG mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist.2 Ferner steht die Vereinbarkeit mit dem in den meisten deutschen DBA verankerten internationalen Schachtelprivileg zur Diskussion.3 Im Ergebnis bewirkt dieser Fiktion einer 5 %igen Kostenpauschale eine effektive Steuerfreistellung (nur) i.H.v. 95 %. Ungeachtet einer effektiven Besteuerung von 5 % der vGA kommt eine Anrechnung etwaiger ausländischer Quellensteuern nicht in Betracht. Dies deshalb, weil der Anrechnungshöchstbetrag gem. § 26 Abs. 1 KStG oder § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG i.V.m. § 34c Abs. 6 Satz 2 EStG angesichts der Freistellung der Beteiligungserträge stets null ist.4 Folglich wird eine Quellensteuerbelastung definitiv. Die vorbezeichneten Grundsätze über die Beteiligungsertragsbesteuerung gelten für vGA nur unter Hinzutreten einer weiteren Voraussetzung. Gemäß § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG greift die Steuerbefreiung nur insoweit, wie auf Ebene der leistenden ausländischen Tochtergesellschaft eine Einkommenserhöhung stattgefunden hat, d.h. eine vGA ebenfalls aufgedeckt wurde (sog. materielle Korrespondenz).5 Diese Einschränkung geht letztlich auf die fehlende (konkrete) tatbestandsmäßige Korrespondenz zwischen einer vGA auf Gesellschaftsebene (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) und einer solchen auf Gesellschafterebene (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG) zurück, die angesichts unilateraler und bilateraler Privilegierung von Betei1 Vgl. Vorlagebeschluss des FG Hamburg v. 7.11.2007 – 5 K 153/06, EFG 2008, 236 (Az. BVerfG: 1 BvL 12/07). Siehe hierzu auch Dötsch/Pung in D/J/P/W, § 8b KStG Rz. 231 m.w.N. 2 Vgl. BVerfG v. 12.10.2010 – 1 BvL 12/07, DStR 2010, 2393. Zur europarechtlichen Zulässigkeit einer 5 %igen Besteuerung vgl. EuGH v. 4.6.2009 – Rs. C-439/07 (Rs. KBC Bank NV) u. C-499/07 (Rs. Beleggen), DStRE 2009, 1181; siehe ferner BMF v. 30.9.2008 – IV C 7 - S 2750-a/07/10001, BStBl. I 2008, 940. 3 Vgl. hierzu nur Schönfeld, IStR 2010, 660 f.; Stangl/Hageböke, Ubg 2010, 652 ff., die aus der Entscheidung des BFH v. 23.6.2010 – I R 71/09, BFH/NV 2010, 1938 zur Suspendierung von § 8 Nr. 5 GewStG durch das internationale Schachtelprivileg u.E. überzeugende Argumente fruchtbar gemacht haben, dass das internationale Schachtelprivileg der Fiktion von Betriebsausgaben durch § 8b Abs. 5 KStG entgegensteht. Siehe hierzu aber auch Gosch in FS Herzig, 86 f.; Gosch, BFH-PR 2010, 438 f. 4 Vgl. hierzu auch Gosch in FS Herzig,86 f. 5 Vgl. hierzu Schnitger/Rometzki, BB 2008, 1648.
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ligungserträgen fiskalisch unbefriedigende Minder- bzw. Nichtbesteuerungen auszulösen geeignet ist. Sie stellt dasselbe Ergebnis auf der Rechtsfolgenebene dadurch her, dass einseitige vGA aus den Systemen der Beteiligungsertragsbesteuerung ausgenommen werden.1 Die Suspendierung der (partiellen) Steuerbefreiung greift – dementsprechend folgerichtig – auch dann ein, wenn die vGA abkommensrechtlich nach den Bestimmungen des internationalen Schachtelprivilegs freizustellen ist (§ 8b Abs. 1 Satz 3 KStG).2 Dagegen wird das System der Beteiligungsertragsbesteuerung restituiert, wenn die vGA zwar nicht das Einkommen der leistenden Tochtergesellschaft, aber dasjenige einer dem Gesellschafter nahe stehenden Person erhöht hat und § 32a KStG auf die Veranlagung der nahe stehenden Person keine Anwendung findet (§ 8b Abs. 1 Satz 4 KStG), wie dies bei im Ausland ansässigen Nahestehenden der Fall ist. Gewerbesteuerlich gehen die vorbezeichneten körperschaftsteuerlichen Regelungen zwar in die Ausgangsgröße für die Gewerbeertragsermittlung ein (§ 7 Satz 1 GewStG). Eine Freistellung erfolgt aber nur – und abschließend – unter den Voraussetzungen des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs (§ 9 Nr. 7 GewStG), die eine Mindestbeteiligungsquote von 15 % (bzw. im persönlichen und sachlichen Schutzbereich der EU-MTR richtlinienkonform i.H.v. 10 %) und eine ununterbrochene Mindestbesitzzeit seit Beginn des Erhebungszeitraums erfordern. Ferner muss die ausländische Tochtergesellschaft entweder ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus aktiven Tätigkeiten i.S.v. § 8 Abs. 1 Nr. 1–6 AStG beziehen oder als Landes- oder Funktionsholding qualifizieren oder aber unter den persönlichen und sachlichen Schutzbereich der EU-MTR fallen. Während das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg den vGA, für die die Einschränkung des körperschaftsteuerlichen Beteiligungsprivilegs durch die sog. materielle Korrespondenz (§ 8 Abs. 1 Sätze 2 und 3 KStG) greift, erst die gewerbesteuerliche Freistellung durch Kürzung des Gewerbeertrags vermittelt, lässt es im Übrigen eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG nicht zum Tragen kommen. Der BFH hat allerdings zur Regelung des § 8 Nr. 5 GewStG entschieden, dass diese durch ein DBASchachtelprivileg verdrängt wird, wenn im konkreten Fall durch eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG das DBA-Schachtelprivileg unterlaufen würde.3
1 § 3 Nr. 40 Buchst. d Satz 2 f. EStG formuliert eine identische Suspendierung des Teileinkünfteverfahrens. Eine vergleichbare Ausnahme aus der Schedulenbesteuerung für diejenigen vGA, die Einkünfte aus Kapitalvermögen auslösen, normiert § 32d EStG allerdings nicht. 2 Die Formulierungsschärfe („ungeachtet des Wortlauts des Abkommens“) deutet darauf hin, dass die Verletzung der völkerrechtlichen Rechtspflicht zur Freistellung in Ansehung der für die Wirksamkeit eines solchen treaty override vom BFH formulierten Anforderungen bewusst in Kauf genommen wurde. Zu den Wirksamkeitsvoraussetzungen völkervertragsbrechender Gesetzgebung vgl. etwa Liebchen, Beteiligungen an ausländischen Personengesellschaften, 359 ff. Vgl. zum treaty override grundlegend Gosch, IStR 2008, 413. 3 Vgl. BFH v. 23.6.2010 – I R 71/09, BFH/NV 2010, 1938.
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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs Beispiel: Eine deutsche Muttergesellschaft hält eine 100 %ige Beteiligung an einer in einem EU-Staat ansässigen Tochtergesellschaft. Für Verwaltungsdienstleistungen verrechnet die Muttergesellschaft 100 000 Euro an die Tochtergesellschaft, obwohl nach übereinstimmender Ansicht der involvierten Finanzbehörden nur 50 000 Euro als angemessen anzusehen sind. Mithin liegt damit eine vGA der Tochter- an ihre Muttergesellschaft i.H.v. 50 000 Euro vor. Bislang wurden allerdings jeweils 100 000 Euro als Aufwand (bei der Tochtergesellschaft) bzw. als Ertrag (bei der Muttergesellschaft) gebucht. Im Ansässigkeitsstaat der Tochtergesellschaft kommt es – eine entsprechende Einkünftekorrekturvorschrift vorausgesetzt – zu einer Gewinnerhöhung von 50 000 Euro. Quellensteuer fällt aufgrund der MTR nicht an. In Deutschland kommt es bei der Muttergesellschaft zu einer gem. § 8b Abs. 1 KStG steuerfreien Ausschüttung i.H.v. 50 000 Euro. Da bislang 100 000 Euro als steuerpflichtiger Ertrag gebucht wurden, ist somit die steuerfreie vGA bei der Muttergesellschaft außerbilanziell zu kürzen. Gemäß § 8b Abs. 5 KStG gelten bei der Muttergesellschaft 5 v.H. der vGA (2500 Euro) als nichtabzugsfähige Betriebsausgabe. Erfolgt hingegen im Ansässigkeitsstaat der Tochtergesellschaft keine Einkünftekorrektur, scheidet wegen der sog. materiellen Korrespondenz nach § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG eine Freistellung bei der Muttergesellschaft aus.
3. Verdeckte Einlage a) Tatbestandsvoraussetzungen Von der verdeckten Einlage werden die Zuwendungen des Gesellschafters an seine Kapitalgesellschaft erfasst, ohne dass hierfür Gesellschaftsrechte gewährt werden. Dies betrifft im internationalen Konzern insbesondere Vermögensverschiebungen von der Mutter- zur Tochtergesellschaft. Gemäß § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG erhöhen verdeckte Einlagen das Einkommen der Körperschaft grundsätzlich nicht. Ebenso wie für den Begriff der vGA fehlt es auch für das Rechtsinstitut der verdeckten Einlage an einer gesetzlichen Definition. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung liegt eine verdeckte Einlage vor, wenn ein Gesellschafter oder eine ihm nahe stehende Person seiner Kapitalgesellschaft außerhalb gesellschaftsrechtlicher Einlagen Vermögensvorteile in Form bilanzierungsfähiger Wirtschaftsgüter zuwendet und diese Zuwendung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist.1 Eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung ist gegeben, wenn ein Nichtgesellschafter bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns (§ 347 HGB) den Vermögensvorteil der Gesellschaft nicht eingeräumt hätte.2 Als Beurteilungskriterium für das Vorliegen einer verdeckten Einlage dient somit wiederum der Fremdvergleich, wobei sich keine 1 Vgl. BFH v. 19.2.1970 – I R 24/76, BStBl. II 1970, 442; v. 9.3.1983 – I R 182/78, BStBl. II 1983, 744; v. 16.4.1991 – VIII R 100/87, BStBl. II 1992, 234; im Einzelnen siehe Watermeyer in H/H/R, § 8 KStG Rz. 332 ff.; Wochinger in D/J/P/W, § 8 Abs. 3 KStG Teil B Rz. 2 ff.; Roser in Gosch2, § 8 KStG Rz. 105. 2 Vgl. BFH v. 21.1.1989 – IV R 115/88, BStBl. II 1990, 86; v. 16.4.1991 – VIII R 100/87, BStBl. II 1992, 234; v. 15.10.1997 – I R 80/96, BFH/NV 1998, 624, WeberGrellet, DB 1998, 1532 ff.
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3.32
Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
Unterschiede zu dessen Konkretisierung im Rahmen der vGA (Rz. 3.22) ergeben.1
3.33 Eine verdeckte Einlage, die freilich auch im internationalen Kontext möglich ist, kommt bei einer international verbundenen Unternehmung immer dann in Betracht, wenn ein bilanzierungsfähiges Wirtschaftsgut von der Muttergesellschaft an eine Tochter- bzw. Enkelgesellschaft übertragen wird. Insoweit sind die folgenden Fälle einer verdeckten Einlage denkbar: 1. Eine inländische Muttergesellschaft liefert an ihre ausländische Tochtergesellschaft zu einem unangemessen niedrigen Preis. 2. Eine ausländische Muttergesellschaft liefert an ihre inländische Tochtergesellschaft zu einem unangemessen niedrigen Preis. 3. Eine inländische Tochtergesellschaft liefert oder leistet (Rz. 3.35) an ihre ausländische Muttergesellschaft zu einem unangemessen hohen Preis. 4. Eine ausländische Tochtergesellschaft liefert oder leistet (Rz. 3.35) an ihre inländische Muttergesellschaft zu einem unangemessen hohen Preis.
3.34 Vergleicht man die verdeckte Einlage mit der vGA im Hinblick auf die Art der Vorteilszuwendung, lässt sich eine Deckungsgleichheit zwischen beiden Rechtsinstituten nicht feststellen. Während die vGA jeden Vorteil erfasst, den eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter gewährt, trifft dies für die verdeckte Einlage nicht gleichermaßen zu. Damit ist nicht jeder Tatbestand, der Gegenstand einer vGA sein kann, eine verdeckte Einlage auszulösen geeignet. Im Einzelnen: Die steuerliche Behandlung der verdeckten Einlage zwischen Kapitalgesellschaften geht auf die Bestimmungen über die offene Einlage i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 8 EStG zurück. Der Große Senat des BFH hat in diesem Zusammenhang mit Beschluss vom 26.10.1987 entschieden, dass Gegenstand einer Einlage grundsätzlich nur sein kann, „was auch Bestandteil des Vermögensvergleichs nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG sein kann. Hierzu zählen nur Wirtschaftsgüter, die in eine Bilanz aufgenommen werden können“.2 Damit ist klargestellt, dass sog. „Erfolgsbeiträge“ eines Gesellschafters gegenüber seiner Gesellschaft nicht einlagefähig sind, weil ihr Gegenstand typischerweise keine bilanzierungsfähigen Wirtschaftsgüter sind.3 Der hingegebene Vorteil muss somit in der Zuführung eines bilanzierungsfähigen Wirtschaftsgutes liegen. 1 Der BFH bezieht sich in diesem Zusammenhang expressis verbis auf die Rspr. zur vGA, vgl. BFH v. 19.2.1970 – I R 24/67, BStBl. II 1970, 442; siehe ferner R 40 Abs. 3 KStR 2004; Weber-Grellet, DB 1998, 1537. 2 BFH v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348. Vgl. hierzu Wochinger in D/J/P/W, § 8 Abs. 3 KStG Teil B Rz. 47 ff. 3 Vgl. Wassermeyer, DStR 1990, 163; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 18.96.
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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs
Dies ist dann der Fall, wenn ein Aktivposten anzusetzen ist oder sich erhöht bzw. ein Passivposten wegfällt oder sich vermindert. Diese Voraussetzungen liegen etwa bei der Lieferung bzw. Übertragung von materiellen oder immateriellen Wirtschaftsgütern1 oder bei Forderungsverzichten vor, nicht jedoch bei einer unentgeltlichen oder unangemessen niedrig bemessenen Gebrauchs- oder Nutzungsüberlassung. Hierdurch verbessert sich zwar die Ertragslage der vorteilsempfangenen Gesellschaft, Vermögen wird dieser dadurch jedoch nicht zugeführt. Die Nutzungsüberlassung ist somit kein einlagefähiges Wirtschaftsgut und kann daher auch nicht Gegenstand der verdeckten Einlage sein.2 Gleiches gilt für unentgeltliche oder teilentgeltliche Dienstleistungen des Gesellschafters gegenüber seiner Kapitalgesellschaft, die sich ebenfalls nicht als verdeckte Einlage einordnen lassen.3 Im Ergebnis ist somit festzustellen, dass die Einkünftekorrekturvorschrift des § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG dann nicht anwendbar ist, wenn eine Muttergesellschaft ihrer Tochtergesellschaft Nutzungen oder Dienstleistungen unentgeltlich oder gegen ein unangemessen niedriges Entgelt überlässt (Fallgruppen 1 und 2). Gewährt jedoch im umgekehrten Fall eine Muttergesellschaft ihrer Tochtergesellschaft für überlassene Nutzungen oder erbrachte Dienstleistungen ein unangemessenes hohes Entgelt (Fallgruppen 3 und 4), so liegt eine verdeckte Einlage vor, und zwar in Höhe des die Angemessenheit übersteigenden Betrages, der sich wiederum durch den Fremdvergleich ergibt. Der der Tochtergesellschaft zugeführte Vorteil besteht hierbei nicht in einer Dienstleistungserbringung bzw. Nutzungsüberlassung, sondern in einer einlagefähigen Vermögenszuführung in Form einer Bareinzahlung i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 8 EStG, die zu einer Vermehrung des Bilanzvermögens der Tochtergesellschaft führt.
3.35
b) Rechtsfolgen Als Rechtsfolge einer verdeckten Einlage auf Gesellschaftsebene formuliert § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG, dass diese das Einkommen der Körperschaft nicht erhöht. Die durch den Ansatz oder die Erhöhung eines Aktivpostens oder den Wegfall oder die Verminderung eines Passivpostens eingetretene und sich im bilanziellen Unterschiedsbetrag i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG niederschlagende Vermögensmehrung ist im Rahmen der Ge1 Das Aktivierungsverbot für immaterielle Wirtschaftsgüter nach § 5 Abs. 1 u. 2 EStG bzw. – abgemildert durch das BilMoG – § 248 Abs. 2 HGB greift hier nicht ein; vgl. BFH v. 20.8.1986 – I R 150/82, BStBl. II 1987, 455; v. 10.3.1993 – I R 116/91, BFH/NV 1993, 593. Auch der Geschäftswert kann Gegenstand einer verdeckten Einlage sein; vgl. BFH v. 2.9.2008 – X R 32/05, BStBl. II 2009, 634; ferner BFH v. 26.11.2009 – III R 40/07, BStBl. II 2010, 609. 2 Ständige Rspr. des BFH; vgl. etwa BFH v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348; v. 20.9.1990 – IV R 300/84, BStBl. II 1991, 82; v. 25.10.1994 – VIII R 65/91, BStBl. II 1995, 312, v. 17.10.2001 – I R 97/00, BFH/NV 2002, 240. 3 Vgl. BFH v. 14.3.1989 – I R 8/85, BStBl. II 1989, 633; v. 19.5.2005 – IV R 3/04, BFH/NV 2005, 1784.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
winnermittlung außerbilanziell auf der zweiten Gewinnermittlungsstufe1 wieder zu kürzen. Bewertungsmaßstab ist der Teilwert gem. § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG. Ebenso wie nicht in das Nennkapital geleistete, offene Einlagen sind verdeckte Einlagen bei Zufluss als Zugang auf dem steuerlichen Einlagekonto (§ 27 KStG) zu erfassen.2 Hierdurch ist gewährleistet, dass eine etwaige Einlagenrückgewähr nicht der Beteiligungsertragsbesteuerung unterworfen wird (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Infolge der außerbilanziellen Kürzung wird die verdeckte Einlage in ihrer gewinnmäßigen Auswirkung neutralisiert und löst deshalb bei der empfangenden Tochtergesellschaft (Fallgruppen 2 und 3) keine Ertragsteuerbelastung aus. Allerdings gilt dies nach dem durch § 8 Abs. 3 Satz 4 KStG verankerten punktuellen materiellen Korrespondenzprinzip insoweit nicht, als die verdeckte Einlage bei der leistenden ausländischen Muttergesellschaft zu einer Minderung ihres Einkommens geführt hat. Dies ist insbesondere dann gegeben, wenn die verdeckte Einlage bei der leistenden ausländischen Muttergesellschaft nach dem originär innerstaatlichen Recht ihres Domizilstaates zum Betriebsausgabenabzug berechtigt hat (Fallgruppe 3) oder die Erfassung eines Ertrags unterblieben ist (Fallgruppe 2).3 Ist hiervon auszugehen, greift die Rechtsfolge des § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG insoweit nicht. Die Eigenschaft als verdeckte Einlage bleibt jedoch von § 8 Abs. 3 Satz 4 KStG unberührt, sodass sie dessen ungeachtet als Zugang auf dem steuerlichen Einlagekonto zu erfassen ist.4 Es bedarf keiner näheren Erläuterung, dass das Korrespondenzprinzip im grenzüberschreitenden Anwendungsbereich kompensatorische Effekte und Doppelbesteuerungen auslösen kann, weil es nämlich deutsche Rechtswertungen auch für das Ausland unterstellt.5 Für die Fallgruppen 1 und 4 bestimmt sich die Behandlung der verdeckten Einlage auf Ebene der empfangenden ausländischen Tochtergesellschaft nach dem originär innerstaatlichen Recht ihres Domizilstaates.
3.37 Während sich in den Fallgruppen 2 und 3 die Rechtsfolgen der verdeckten Einlage auf Ebene des einlegenden Gesellschafters (ausländische Muttergesellschaft) nach dem originär innerstaatlichen Recht ihres Domizilstaates beurteilen und für das deutsche Steuerrecht nur insofern beachtlich sind, als sie die Steuerneutralität auf Ebene der inländischen Tochterge1 Zur zweistufigen Gewinnermittlung vgl. Wassermeyer, IStR 2001, 633; Wassermeyer in Oestreicher, Internationale Verrechnungspreise, 73; Wassermeyer in FS Raupach, 565; Wassermeyer, DB 2010, 1959; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 18.3. 2 Siehe hierzu Dötsch in D/J/P/W, § 27 KStG Rz. 35. 3 Vgl. hierzu Dötsch/Pung, DB 2007, 14; Dörfler/Heurung/Adrian, DStR 2007, 518; Roser in Gosch2, § 8 KStG Rz. 123; Lang in D/J/P/W, § 8 Abs. 3 KStG Teil B Rz. 153. 4 Vgl. Dötsch/Pung, DB 2007, 14; Lang in D/J/P/W, § 8 Abs. 3 KStG Teil B Rz. 158. 5 Vgl. Schnitger/Rometzki, BB 2008, 1649; Dörfler/Adrian, Ubg 2008, 377 ff.; Kempf, StbJb 2008/2009, 150 ff.; Becker/Kempf/Schwarz, DB 2008, 377; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 18.99 f.
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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs
sellschaft zu suspendieren geeignet sind, beurteilen sich in den Fallgruppen 1 und 4 die Rechtsfolgen auf Ebene der einlegenden deutschen Muttergesellschaft nach deutschem Steuerrecht. Als steuerliche Rechtsfolge der verdeckten Einlage sind bei der inländischen Muttergesellschaft die Anschaffungskosten der Beteiligung an der ausländischen Tochtergesellschaft um den Teilwert der verdeckten Einlage zu erhöhen.1 Insoweit kommt es zu einer Gewinnrealisierung in Höhe der Differenz zwischen dem Teilwert der verdeckt eingelegten Wirtschaftsgüter, d.h. dem Betrag, um den sich die Anschaffungskosten der Beteiligung erhöhen, und dem bisherigen Buchwert des aus dem Betriebsvermögen der inländischen Muttergesellschaft im Rahmen der verdeckten Einlage ausgeschiedenen Wirtschaftsguts.2 Dieser Grundsatz der Gewinnrealisierung wird gem. § 6 Abs. 6 Satz 3 EStG durchbrochen, wenn das verdeckt eingelegte Wirtschaftsgut innerhalb von drei Jahren vor seiner Übertragung auf die Tochtergesellschaft von der Muttergesellschaft angeschafft oder hergestellt wurde.3 4. Verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlage zwischen Schwestergesellschaften Aufgrund der im deutschen Steuerrecht bei gesellschaftsrechtlich bedingten Vorteilszuwendungen zwischen Schwestergesellschaften4 geltenden sog. Dreieckstheorie ergeben sich im Hinblick auf die steuerlichen Konsequenzen zwei gedanklich zu trennende Vorgänge. Insofern ist davon auszugehen, dass zunächst eine Tochtergesellschaft den Vorteil im Rahmen einer vGA der Muttergesellschaft gewährt und daran anschließend die Muttergesellschaft den Vorteil durch eine verdeckte Einlage an die zweite Tochtergesellschaft weitergibt.5 Diese Betrachtungsweise gilt auch dann, wenn eine oder auch zwei der beteiligten Gesellschaften im Ausland domizilieren.6 Die steuerrechtliche Behandlung von Vorteilszuwendungen zwischen Schwestergesellschaften richtet sich somit primär nach den gesellschaftsrechtlichen Beziehungen, indem der Sachverhalt dahin gehend interpre1 Vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 6 Abs. 6 Satz 2 EStG; Glanegger in Schmidt31, § 6 EStG Rz. 550. 2 Vgl. Korn, KÖSDI 2000, 12352; Glanegger in Schmidt31, § 6 EStG Rz. 440; Frotscher in Frotscher/Maas, § 8 KStG Rz. 106; Wochinger in D/J/P/W, § 8 Abs. 3 KStG Teil B Rz. 25. 3 Vgl. insoweit § 6 Abs. 6 Satz 3 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG. Dazu ausführlich siehe Füger/Rieger, DStR 2003, 628 ff.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 745; Korn, KÖSDI 2000, 12353. 4 Als Schwestergesellschaften werden nachfolgend Kapitalgesellschaften bezeichnet, an denen dieselbe Muttergesellschaft beteiligt ist. 5 Vgl. BFH v. 19.5.1982 – I R 102/79, BStBl. II 1982, 632; v.26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348; v. 28.1.1992 – VIII R 207/85, BStBl. II 1992, 605; v. 12.12.2000, VIII R 62/93, BStBl. II 2001, 234. 6 Vgl. BFH v. 6.12.1995 – I R 40/96, BStBl. II 1997, 118; Döllerer, BB 1988, 1794; Engelke/Clemens, DStR 2002, 290.
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tiert wird, dass der Vorteil der Schwestergesellschaft zwar im abgekürzten Zahlungsweg gewährt wird, wirtschaftlich jedoch der gemeinsamen Muttergesellschaft zugeführt (vGA) und von dieser an die begünstigte Tochtergesellschaft weitergeleitet wird (verdeckte Einlage).1
3.39 Unabhängig davon, ob es sich bei den durch die Tochtergesellschaft an ihre Schwestergesellschaft gewährten Vorteilen um einlagefähige Wirtschaftsgüter oder nicht einlagefähige unentgeltliche Dienstleistungen oder Nutzungen (Rz. 3.35) handelt, ist dieser Vorgang als vGA der Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft zu werten. Denn die Muttergesellschaft muss insoweit keine eigenen Mittel aufwenden, um ihrerseits die entsprechende Leistung als zusätzlichen Gesellschafterbeitrag gegenüber ihrer Tochtergesellschaft zu erbringen.2 Handelt es sich bei der Tochtergesellschaft um eine inländische Kapitalgesellschaft,3 darf die vGA gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG deren Einkommen nicht mindern und ist daher außerbilanziell auf der zweiten Gewinnermittlungsstufe hinzuzurechnen (Rz. 3.27). Im Ergebnis stellt sich hiernach bei der Tochtergesellschaft eine zusätzliche Steuerbelastung mit Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer ein. Die vGA führt auf Ebene der Muttergesellschaft zu einem Beteiligungsertrag, der nach deutschem Körperschaftsteuerrecht von der Besteuerung ausgenommen ist (Rz. 3.30). Dies gilt allerdings im Falle einer vorteilsgewährenden ausländischen Tochtergesellschaft gem. § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG nur insoweit, als die vGA ihr Einkommen – nach den hierfür maßgeblichen Rechtsvorschriften ihres Domizilstaates – nicht gemindert hat (Rz. 3.31). Domiziliert die Muttergesellschaft im Ausland, unterliegt sie – eine Tochtergesellschaft im Inland unterstellt – der beschränkten Steuerpflicht. Die Tochtergesellschaft hat in diesem Fall Kapitalertragsteuer auf die vGA einzubehalten (Rz. 3.27).
3.40 Im Hinblick auf die weiteren Rechtsfolgen bei der Muttergesellschaft im Rahmen der Vorteilszuwendung der Tochtergesellschaft an ihre Schwestergesellschaft ist nach der Art des gewährten Vorteils (einlagefähiges Wirtschaftsgut versus bloßer Nutzungsvorteil) zu differenzieren. Die unentgeltliche bzw. vergünstigte Übertragung eines einlagefähigen Wirtschaftsgutes von der Tochtergesellschaft an ihre Schwestergesellschaft ist – neben ihrer Behandlung als vGA – als verdeckte Einlage der Muttergesellschaft in ihre Tochtergesellschaft zu qualifizieren. Insoweit sind die bereits dargestellten Rechtsfolgen der verdeckten Einlage 1 Vgl. BFH v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348; v. 12.12.2000, VIII R 62/93, BStBl. II 2001, 234; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 18.89 m.w.N. 2 So die Argumentation des Großen Senats im Beschluss v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348. 3 Domiziliert die Tochtergesellschaft im Ausland, bestimmen sich die Rechtsfolgen nach dem innerstaatlichen Recht des Domizilstaates, das ggf. eine zu § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG vergleichbare Einkünftekorrekturvorschrift enthält.
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(Rz. 3.36 f.) zu beachten: Eine Ansässigkeit im Inland unterstellt, ist bei der Muttergesellschaft der Teilwert der verdeckten Einlage als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung an der Tochtergesellschaft zu aktivieren. Die Tochtergesellschaft hat das erhaltene Wirtschaftsgut mit dem Teilwert zu aktivieren und die daraus resultierende Vermögensmehrung außerbilanziell als verdeckte Einlage zu korrigieren und auf dem steuerlichen Einlagekonto (§ 27 KStG) zu erfassen. Allerdings gilt nach dem materiellen Korrespondenzprinzip die Steuerneutralität der verdeckten Einlage bei der empfangenden Tochtergesellschaft nur insoweit, wie die vGA bei der abgebenden Tochtergesellschaft das Einkommen nicht gemindert hat (§ 8 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. Satz 3 KStG). Erhöht aufgrund der Einkommensminderung bei der empfangenden Schwestergesellschaft demgegenüber die verdeckte Einlage das Einkommen der leistenden Schwestergesellschaft, erfolgt gem. § 8 Abs. 3 Satz 6 KStG ferner bei der gemeinsamen Muttergesellschaft keine Erhöhung der Anschaffungskosten auf die Beteiligung an der leistenden Tochtergesellschaft. Letztlich führen die dargestellten steuerlichen Rechtsfolgen dazu, dass bei der Zuwendung einlagefähiger Vermögensteile einer Tochter- an ihre Schwestergesellschaft eine Gewinnverlagerung auf die vorteilsempfangende Schwestergesellschaft nicht möglich ist. Aus steuerplanerischer Sicht ist die unentgeltliche bzw. vergünstigte Übertragung von Wirtschaftsgütern daher nur sinnvoll, wenn bei der Tochtergesellschaft und der Muttergesellschaft jeweils eine Verlustsituation besteht, während bei der Tochtergesellschaft Gewinne erwirtschaftet werden.1 Nur in diesem Fall führt die vGA bei der Tochtergesellschaft bzw. die gewinnrealisierende Aktivierung der verdeckten Einlage als nachträgliche Anschaffungskosten bei der Muttergesellschaft aufgrund von Verlusten bzw. Verlustvorträgen2 nicht zu einer steuerlichen Mehrbelastung. Bei der Tochtergesellschaft ergeben sich hingegen aus der Abschreibung des erhaltenen Wirtschaftsgutes Steuerminderungseffekte. Ganz andere steuerliche Konsequenzen ergeben sich – insbesondere im Lichte des Beschlusses des Großen Senats des BFH vom 26.10.19873 – für den Fall, dass die Tochtergesellschaft ihrer Schwestergesellschaft unentgeltlich oder gegen unangemessen niedriges Entgelt Nutzungen oder Dienstleistungen gewährt (Unterpreisleistungen). Wenngleich auch in diesem Fall eine vGA der vorteilsgewährenden Tochtergesellschaft an die gemeinsame Muttergesellschaft vorliegt (Rz. 3.39), kommt eine verdeckte Einlage der Muttergesellschaft an die vorteilsempfangende Tochtergesellschaft mangels Einlagefähigkeit der Unterpreisleistung nicht in Betracht (Rz. 3.35). Vielmehr führt die Durchleitung der vGA als „fiktive“ Einnah1 Vgl. Engelke/Clemens, DStR 2002, 288. 2 Bei Verlustvorträgen ist die Mindestbesteuerung gem. § 10d Abs. 2 EStG zu beachten. Gegen die Mindestbesteuerung bestehen bei finalem Ausschluss der Verlustverrechnung verfassungsrechtliche Bedenken; vgl. BFH v. 26.8.2010 – I B 49/10, DStR 2010, 2179. 3 Vgl. BFH v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348.
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me der inländischen Muttergesellschaft1 an die vorteilsempfangende Tochtergesellschaft bei der Muttergesellschaft zu einem korrespondierenden Aufwand (sog. Vorteilsverbrauch).2 Dieser Aufwand ergibt sich nach der sog. Fiktionstheorie3 durch die Verwendung der erhaltenen vGA zugunsten der vorteilsempfangenen Tochtergesellschaft. Eine Korrektur dieses Aufwands als verdeckte Einlage an die vorteilsempfangende Tochtergesellschaft unterbleibt, weil es an einem einlagefähigen Wirtschaftsgut fehlt. Dies bedeutet im Ergebnis, dass bei Unterpreisleistungen der Tochtergesellschaft an ihre Schwestergesellschaft eine Gewinnverlagerung (in Form ersparter Aufwendungen) auf die Schwestergesellschaft möglich ist.
3.42 Dieser durch die Beteiligung an der vorteilsempfangenden Tochtergesellschaft veranlasste Aufwand ist in vollem Umfang abzugsfähig. Das Abzugsverbot des § 3c Abs. 1 EStG kommt nicht zum Tragen (§ 8b Abs. 5 Satz 2 KStG). Dies gilt angesichts der Rechtsprechung des BFH zum Verhältnis zwischen unilateralem körperschaftsteuerlichem Beteiligungsprivileg (§ 8b Abs. 1 KStG) und internationalem Schachtelprivileg auch, wenn die Beteiligungserträge aus dieser Beteiligung unter das internationale Schachtelprivileg fallen. Denn beide Befreiungsvorschriften stehen unabhängig nebeneinander und schließen sich gegenseitig nicht aus.4 Infolgedessen greift stets § 8b Abs. 5 Satz 2 KStG. Eine andere Auffassung ließe sich auch mit dem Schrankenrechtscharakter des Abkommensrechts5 nicht vereinbaren, denn der nach innerstaatlichem Recht begründete und einer abkommensrechtlichen Beschränkung zugängliche Besteuerungsanspruch beinhaltet auch die Anwendung von § 8b KStG; eine andere Frage ist die nach einer weitergehenden Freistellungsverpflichtung aufgrund des internationalen Schachtelprivilegs.6
3.43 Die dargestellte BFH-Rechtsprechung zu Nutzungsüberlassungen zwischen Schwestergesellschaften wird auch dann auf die inländische(n) Gesellschaft(en) angewendet, wenn einzelne der beteiligten Gesellschaften im Ausland ansässig sind.7 Gegenüber dem reinen Inlandssachverhalt ist allerdings zu beachten, dass bei der Vorteilsgewährung8 einer im Ausland
1 Bei einer ausländischen Muttergesellschaft bestimmen sich etwaige Besteuerungsfolgen nach Domizilstaatsrecht. 2 Dieser ergibt sich nach Auffassung des BFH aus dem „Verbrauch“ des Vorteils, welcher der Tochtergesellschaft über die Muttergesellschaft mittelbar zugewendet wird; vgl. BFH v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348. 3 Vgl. Neumann, Verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlagen2, 334 f. 4 Vgl. BFH v. 14.1.2009 – I R 47/08, BFH/NV 2009, 854. 5 Vgl. hierzu Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.38 f., 16.211 ff. 6 Vor diesem Hintergrund lässt sich ein Wahlrecht zwischen beiden Befreiungsvorschriften nicht rechtfertigen, a.A. Hageböke, IStR 2009, 477 ff.; Lorenz, IStR 2009, 441. 7 Vgl. BFH v. 6.4.1977 – I R 184/75, BStBl. II 1977, 574; v. 28.1.1981 – I R 10/77, BStBl. II 1981, 613; v. 19.5.1982 – I R 102/79, BStBl. II 1982, 631; Koenen, BB 1989, 1457; Engelke/Clemens, DStR 2002, 290. 8 Eine Unterpreisleistung (Nutzungsüberlassung oder Dienstleistung) unterstellt.
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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs
domizilierenden Tochtergesellschaft an ihre Schwestergesellschaft1 für die vGA an die Muttergesellschaft das materielle Korrespondenzprinzip des § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG zum Tragen kommt. Hiernach entfällt die Freistellung insoweit, wie das Einkommen der leistenden Tochtergesellschaft nicht erhöht wurde, d.h. eine Einkünftekorrektur in ihrem Domizilstaat erfolgt ist. Die Freistellung kommt gemäß § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG allerdings dann zum Tragen, wenn die verdeckte Gewinnausschüttung das Einkommen der Schwestergesellschaft erhöht hat und § 32a KStG konkret keine Anwendung findet. Letzteres ist jedenfalls bei einer im Ausland ansässigen Schwestergesellschaft gegeben. Ferner bewirkt im Falle der Freistellung die Hinzurechnung der 5 %igen Kostenpauschale nach § 8b Abs. 5 KStG eine partielle Doppelbesteuerung der vGA auf Ebene der Tochtergesellschaft einerseits und der Muttergesellschaft andererseits. Sollten die vorteilsgewährende Tochtergesellschaft im Inland und die Muttergesellschaft im Ausland domizilieren, ist ferner die beschränkte Steuerpflicht der ausländischen Muttergesellschaft im Inland mit der als inländische Einkünfte aus Kapitalvermögen qualifizierenden vGA zu beachten (Rz. 3.28). Die umstrittene Frage, ob im Verhältnis zwischen der Muttergesellschaft und ihrer Tochtergesellschaft aufgrund der Gewinnminderung bei der Muttergesellschaft § 1 AStG zur Anwendung kommt, ist zu verneinen. § 1 AStG (Rz. 3.45 ff.) setzt voraus, dass die Einkünfte eines Steuerpflichtigen „aus Geschäftsbeziehungen“ gemindert werden. Die Muttergesellschaft unterhält jedoch zur Tochtergesellschaft keine Geschäftsbeziehung i.S. des § 1 Abs. 5 AStG, sondern es liegt in diesem Zusammenhang ein reines Beteiligungsverhältnis vor. Insofern konnte die Muttergesellschaft auch keine unangemessenen Bedingungen vereinbaren, sondern vielmehr nur die Tochtergesellschaft mit ihrer Schwestergesellschaft (T2). Damit sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 AStG bei der Muttergesellschaft nicht erfüllt.2
3.44
5. § 1 Außensteuergesetz a) Tatbestandsvoraussetzungen Als weitere Einkünftekorrekturvorschrift des innerstaatlichen Rechts ist schließlich § 1 AStG zu beachten.3 Diese Vorschrift bildet im deutschen internationalen Steuerrecht die einzige Einkünftekorrekturnorm, die den Grundsatz des Fremdvergleichs explizit erwähnt und konkretisiert. Durch das Unternehmensteuerreformgesetz 20084 wurde § 1 AStG in wesentlichen Bereichen modifiziert und ergänzt. Hierbei nimmt der neu ein1 Diese kann im Inland oder im Ausland belegen sein. 2 Vgl. Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 815 Beispiel 2; Engelke/Clemens, DStR 2002, 290. 3 Zum System der Einkünftekorrekturvorschriften grundlegend Wassermeyer, IStR 2001, 635. 4 Unternehmensteuerreformgesetz 2008 v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912.
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3.45
Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
gefügte § 1 Abs. 3 AStG die wesentlichen Änderungen in sich auf. Daneben hat der Fremdvergleichsgrundsatz über seine inhaltliche Beschreibung hinaus nunmehr auch begrifflich Eingang gefunden (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AStG). Ferner wurden Konkretisierungen vorgenommen, die – nach Auffassung des Gesetzgebers – die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Kern prägen. Schließlich ist mit dem Jaherssteuergesetz 2013 beabsichtigt, § 1 AStG auch auf Betriebsstättensachverhalte auszuweiten und für Verrechnungspreiszwecke internationale Personengesellschaften, jedenfalls insofern es das Verhältnis zwischen Personengesellschaft und Gesellschafter anbelangt, Kapitalgesellschaften gleichzustellen (Rz. 3.13). Maßstab der Einkünfteberichtigung nach § 1 AStG ist der Fremdvergleichsgrundsatz. Hiernach sind Einkünfte aus Geschäftsbeziehungen zwischen nahe stehenden Personen zu berichtigen, sofern die Einkünfte dadurch gemindert werden, dass Bedingungen, insbesondere Preise (Verrechnungspreise) zugrunde gelegt worden sind, die von denen abweichen, die voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbart hätten. Ist dies der Fall, so sind die „Einkünfte unbeschadet anderer Vorschriften so anzusetzen, wie sie unter den zwischen voneinander unabhängigen Dritten vereinbarten Bedingungen angefallen wären“.1 Damit orientiert sich der deutsche Gesetzgeber an der in Art. 9 OECD-MA und Art. 4 EU-Schiedskonvention enthaltenen Definition des Fremdvergleichsgrundsatzes, dem sog. „dealing at arm’s length“-Prinzip.
3.46 Für die Durchführung einer Gewinnkorrektur nach § 1 AStG müssen die drei folgenden Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sein: 1. Es muss sich um „Geschäftsbeziehungen zum Ausland“ handeln (§ 1 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 AStG). 2. Die Geschäftsbeziehungen müssen zwischen einem inländischen Steuerpflichtigen und einer ihm „nahe stehenden Person“ bestehen (§ 1 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 AStG). 3. Die vereinbarten Geschäftsbeziehungen müssen bei dem inländischen Steuerpflichtigen zu einer Einkunftsminderung geführt haben (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AStG).
3.47 Die Tatbestandsvoraussetzung der „Geschäftsbeziehung“ wird unmittelbar in § 1 Abs. 5 AStG2 definiert. Danach ist eine Geschäftsbeziehung jede den Einkünften zugrunde liegende schuldrechtliche Beziehung, die keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung ist und entweder beim Steuerpflichtigen oder bei der nahe stehenden Person Teil einer Tätigkeit ist, auf die §§ 13, 15, 18 oder 21 des Einkommensteuergesetzes anzuwenden sind oder im Fall eines ausländischen Nahestehenden anzuwenden wären, wenn die Tätigkeit im Inland vorgenommen würde. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG. 2 In der Fassung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912.
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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs
Diese gesetzliche Definition geht – als Reaktion des Gesetzgebers – auf das sog. „Patronatsurteil“ des BFH vom 29.11.20001 zurück. In seinem Urteil hatte der BFH entschieden, dass eine Geschäftsbeziehung i.S. des § 1 Abs. 1 AStG a.F. nicht vorliege und infolgedessen eine entsprechende Gewinnberichtigung nicht in Betracht komme, wenn eine inländische Muttergesellschaft ihre ausländische Tochtergesellschaft unzureichend mit Eigenkapital ausstattet und zum Ausgleich für ein funktionsgerechtes Eigenkapital zugunsten der Tochtergesellschaft unentgeltliche Stützungsmaßnahmen – im Urteilsfall durch Abgabe einer sog. harten Patronatserklärung – getroffen werden.2 Denn § 1 Abs. 1 AStG erfasse nur solche Vorgänge, die als Leistungsaustausch zu qualifizieren sind und demnach nicht dem privaten Bereich zuzuordnen oder im Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind. Ein Leistungsaustausch sei dabei auch nicht insoweit anzunehmen, als der Gesellschafter die Gewährung von Eigenkapital durch die Übernahme von Verpflichtungen zugunsten der Tochtergesellschaft ersetzt. Ferner konstatiert der BFH, dass die Herstellung der Kreditwürdigkeit einer Tochtergesellschaft sich „schon ihrer Natur nach“ einem Fremdvergleich entziehe, da „derartige Leistungen immer nur im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter erbracht“ werden. Aus der fehlenden Fremdvergleichbarkeit zog der BFH deshalb den Schluss, dass keine Geschäftsbeziehung vorliege und demnach eine Einkünftekorrektur nach Maßgabe des Fremdvergleichs gem. § 1 AStG nicht möglich sei.3 Der BFH hat mit Urteil vom 27.8.20084 diese Rechtsprechungssgrundsätze auch für § 1 Abs. 4 AStG a.F. bestätigt. Daraufhin hat die Finanzverwaltung ihren ursprünglichen Nichtanwendungserlass5 aufgegeben und sich diesen Rechtsprechungsgrundsätzen angeschlossen.6 Dies allerdings nicht in vollem Umfang. Zum einen beschränkt die Finanzverwaltung den Anwendungsbereich auf Tochtergesellschaften, obgleich der BFH mit Urteil vom 29.4.20097 seine Rechtsprechung auch auf Enkelgesellschaften ausgedehnt hat. Zum anderen sollen vergleichbare eigenkapitalersetzende Stützungsmaßnahmen (z.B. zinslose Darlehen) nur 1 Vgl. BFH v. 29.11.2000 – I R 85/99, BStBl. II 2002, 720. Der hierzu ergangene Nichtanwendungserlass (BMF v. 17.10.2002 – IV B 4 - S 1341 - 14/02, BStBl. I 2002, 1025) wurde mittlerweile aufgegeben; vgl. BMF v. 12.1.2010 – IV B 5 - S 1341/07/10009, BStBl. I 2010, 34. 2 Im Streitfall konnte die Frage des Vorliegens einer „Geschäftsbeziehung“ nicht auf Basis des § 1 Abs. 5 AStG (bzw. § 1 Abs. 4 AStG a.F.) beurteilt werden, da diese Norm erst mit Wirkung zum 1.1.1992 in Kraft getreten ist. Der BFH hat jedoch mit Urteil v. 27.8.2008 – I R 28/07, BFH/NV 2008, 123, diese Rechtsprechungsgrundsätze für die ab dem 1.1.1992 geltende Fassung (§ 1 Abs. 4 AStG a.F.) bestätigt. 3 BFH v. 29.11.2000 – I R 85/99, BStBl. II 2002, 720; ähnlich FG BW v. 4.12.2001 – 1 K 250/99, EFG 2002, 381. 4 Vgl. BFH v. 27.8.2008 – I R 28/07, BFH/NV 2008, 123. 5 Vgl. BMF v. 17.10.2002 – IV B 4 - S 1341 - 14/02, BStBl. I 2002, 1025. 6 Vgl. BMF v. 12.1.2010 – IV B 5 - S 1341/07/10009, BStBl. I 2010, 34. 7 BFH v. 29.4.2009 – I R 88/08, n.v.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
dann nicht als Geschäftsbeziehung qualifizieren, wenn das Darlehen zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung führt.1 Mit Urteil vom 23.6.20102 hat der BFH schließlich diese Rechtsprechungsgrundsätze weitergehend konkretisiert. Hiernach schließen nicht jedwede unverzinslichen Gesellschafterdarlehen eine Geschäftsbeziehung i.S.v. § 1 Abs. 4 AStG a.F. aus. Sie sind vielmehr nur dann nicht Gegenstand einer Geschäftsbeziehung, wenn sie – nach dem maßgeblichen Gesellschaftsstatut der darlehensnehmenden Gesellschaft als Zuführung von Eigenkapital anzusehen sind;3 – der Zuführung von Eigenkapital in einer Weise nahestehen, die eine steuerrechtliche Gleichbehandlung mit jener gebietet4 oder – wenn das Darlehen aus anderen Gründen auch im Verhältnis zwischen fremden Dritten unverzinslich gewährt worden wäre5 (Rz. 3.268 ff.).
3.48 Diese Rechtsprechung betrifft die Rechtslage bis 2002. Mit der Neufassung der Begriffsdefinition in § 1 Abs. 4 AStG a.F. – nunmehr § 1 Abs. 5 AStG – ist diese Rechtsprechung legislativ überholt. Hiernach ist eine Geschäftsbeziehung stets dann anzunehmen, wenn sie auf einer schuldrechtlichen Vereinbarung beruht. Dies unabhängig davon, ob diese durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollen insbesondere verbindliche Kreditgarantien, zinslose und zinsgünstige Darlehen sowie die unentgeltliche und teilentgeltliche Gewährung anderer Leistungen einer inländischen Mutter- an ihre ausländische Tochtergesellschaft als Geschäftsbeziehungen zu qualifizieren sein.6 Unbeachtlich ist dagegen, ob diese Stützungsmaßnahmen fehlendes Eigenkapital der Tochtergesellschaft ersetzen oder die wirtschaftliche Betätigung dieser Gesellschaft stärken sollen. Zu einer Geschäftsbeziehung kann es nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 5 AStG allerdings nur dann kommen, wenn eine schuldrechtliche Beziehung, d.h. keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung, vorliegt. Unzweifelhaft kann daher die Zuführung von Nominalkapital an eine ausländische Tochtergesellschaft in Form einer gesellschaftsrechtlichen Einlage keine Geschäftsbeziehung i.S. des § 1 Abs. 5 AStG begründen. Indessen bleibt unklar, ob unter die Neudefinition der Geschäftsbeziehung auch Poolumlagen (Rz. 3.321 ff.)7 und die Arbeitnehmerentsendung8 fal1 Siehe hierzu mit umfangreichen Nachweisen zur Rspr. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2010, 477. 2 Vgl. BFH v. 23.6.2010 – I R 37/09, BStBl. II 2010, 895. 3 Vgl. auch BFH v. 30.5.1990 – I R 97/88, BStBl. II 1990, 875. 4 Vgl. hierzu BFH v. 27.8.2008 – I R 28/07, BFH/NV 2008, 123. 5 Vgl. hierzu BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 4.3.2; FG Nds. v. 23.3.1999, VI 357/95, DStRE 2000, 409. 6 Vgl. BT-Drucks. 15/119 v. 2.12.2002, 53; Rödder/Schumacher, DStR 2003, 817. 7 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122. 8 Vgl. BMF v. 9.11.2001 – IV B 4 - S 1341 - 20/01 – VWG-Arbeitnehmerentsendung, BStBl. I 2001, 769.
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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs
len.1 Darüber hinaus ist denkbar, dass bestimmte Finanzierungsinstrumente im Konzern auch weiterhin nicht als Geschäftsbeziehung qualifiziert werden können, wenn insoweit keine schuldrechtliche Beziehung begründet wird. Dies gilt beispielsweise für sog. weiche Patronatserklärungen,2 also solche Erklärungen, die nicht auf Zahlung, sondern auf sonstige Handlungen des Gesellschafters gerichtet sind, z.B. das Gesellschaftsverhältnis zur Tochtergesellschaft beizubehalten, Unternehmensverträge fortzuführen oder die Tochtergesellschaft zu beeinflussen, ihren Verbindlichkeiten gegenüber den Gläubigern nachzukommen.3 Nach dem Regierungsentwurf eines Jahressteuergesetzes 2013 vom 23.5.20124 soll die gesetzliche Definition der Geschäftsbeziehung neuerlich geändert werden. Nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 AStG-E sind Geschäftsbeziehungen „einzelne oder mehrere zusammenhängende wirtschaftliche Vorgänge (Geschäftsvorfälle) zwischen einem Steuerpflichtigen und einer nahestehenden Person (…) denen keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung zugrunde liegt“. Im Hinblick auf die beabsichtigte Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 1 AStG auf Betriebsstättensachverhalte sind Geschäfsbeziehungen für Zwecke des § 1 AStG auch „Geschäftsvorfälle zwischen einem Unternehmen eines Steuerpflichtigen und seiner in einem anderen Staat gelegenen Betriebsstätte (anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen)“ (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG-E). Ferner regelt § 1 Abs. 4 Satz 2 AStG-E eine widerlegbare gesetzliche Vermutung für Fälle, in denen der Geschäftsbeziehung keine schuldrechtlichen Vereinbarungen zugrunde liegen. Hiernach sei davon auszugehen, „dass voneinander unabhängige ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter schuldrechtliche Vereinbarungen getroffen hätten oder bestehende Rechtspositionen geltend machen würden“. Nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 AStG muss die Geschäftsbeziehung „zum Ausland“ bestehen. Der Begriff „Ausland“ ist dabei weniger unter geografischen Gesichtspunkten als vielmehr unter dem Aspekt der Zuordnung der Einkünfte zu den involvierten Staaten (Fisken) zu verstehen.5 Maßgeblich ist daher, dass die Geschäftsbeziehung einerseits im Inland zu einer Einkünfteminderung führt und es andererseits im Ausland6 zu einer korrespondierenden Einkünfteerhöhung kommt. Tritt die Einkünfteminderung hingegen im Ausland ein, findet § 1 AStG keine
1 Dies verneinend Schnorberger, DB 2003, 1242. 2 Vgl. Schnitger, IStR 2003, 76; Korn, KÖSDI 2003, 13729; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2010, 478. 3 Vgl. IDW, RH HFA 1 013, Tz. 8 ff. 4 Vgl. BR-Drucks. 302/12. 5 Vgl. Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 231; Vögele/Raab in V/B/E, Verrechnungspreise3, A Rz. 202 f. 6 Zur Abgrenzung des Begriffs „Ausland“ vgl. Vögele/Raab in V/B/E, Verrechnungspreise3, A Rz. 201 ff.
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3.49
Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
Anwendung.1 Ferner kommt § 1 Abs. 1 AStG nicht zum Tragen, wenn die Geschäftsbeziehung „im Inland“ besteht. An einer i.d.S. „grenzüberschreitenden“ Geschäftsbeziehung fehlt es etwa, wenn beide Vertragspartner der Geschäftsbeziehung im Inland ansässig sind und der Leistungsempfänger die Leistung im Ausland – etwa im Rahmen seiner dortigen Betriebsstätte – nutzt. Denn diese Verwendung selbst ist nicht Gegenstand der Geschäftsbeziehung.2
3.50 Der Tatbestand der „nahe stehenden Person“3 i.S. des § 1 Abs. 2 AStG ist unter folgenden Voraussetzungen erfüllt:4 (a) Die Verflechtung beruht auf einer unmittelbaren oder mittelbaren wesentlichen Beteiligung ($ 25 v.H. des Nennkapitals) oder ist durch beherrschenden Einfluss gegeben (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG). Darüber hinaus umfasst der Begriff der nahe stehenden Person auch Drittpersonen, die aufgrund einer wesentlichen Beteiligung oder einer unmittelbaren oder mittelbaren Beherrschungsmöglichkeit auf die beiden vertragsschließenden Partner Einfluss nehmen können (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 AStG). Dies ist bei Schwestergesellschaften der Fall, bei denen die gemeinsame Muttergesellschaft Einfluss auf die Geschäftsbeziehungen zwischen den Schwestergesellschaften nehmen kann. Eine Verflechtung aufgrund rechtlicher oder faktischer Beherrschung liegt insbesondere vor bei:5 – beteiligungsähnlichen Rechten, – Unternehmensverträgen i.S. der §§ 291 und 292 AktG, der Eingliederung i.S. des § 319 AktG, der Zusammenfassung mehrerer Unternehmen unter einheitlicher Leitung i.S. des § 18 AktG (Konzern), wechselseitigen Beteiligungen i.S. des § 19 AktG, – unmittelbarer oder mittelbarer Beteiligung derselben Personen an der Geschäftsleitung oder der Kontrolle zweier Unternehmen oder – der Unterstellung zweier Unternehmen unter den beherrschenden Einfluss eines dritten Unternehmens.
1 Insoweit würde nämlich eine Geschäftsbeziehung „zum Inland“ bestehen. Vgl. auch BFH v. 28.4.2004 – I R 5, 6/02, BFH/NV 2004, 1442 und dazu Andresen, IStR 2005, 123. 2 Vgl. hierzu BFH v. 28.4.2004, I R 5, 6/02, BStBl. II 2005, 516 sowie den Nichtanwendungserlass des BMF v. 22.7.2005 – IV B 4 - S 1341 - 4/05, BStBl. I 2005, 818. 3 Als Person wird jede natürliche oder juristische Person verstanden, die Vereinbarungen treffen kann, die zu einer Gewinnverlagerung führen können; vgl. Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 249. 4 Der Begriff der nahe stehenden Person ist abschließend in § 1 Abs. 2 AStG normiert. Der Begriff der nahe stehenden Person gem. § 1 Abs. 2 AStG entspricht nicht deren Definition im Rahmen der vGA; vgl. BFH v. 19.1.1994 – I R 93/93, BStBl. I 1994, 725. 5 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 1.3.2.5.
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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs
(b) Die Verflechtung beruht auf besonderen Einflussmöglichkeiten bzw. auf einer Interessenidentität (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG). Angesprochen sind hierbei insbesondere außergeschäftliche Abhängigkeitsverhältnisse, die ihren Grund „in gesellschaftsrechtlichen, geschäftlichen, persönlichen oder verwandtschaftlichen Verbindungen“1 haben. Im Einzelfall wird es jedoch außerordentlich schwierig sein, derartige Verbindungen festzustellen und zu belegen. Durch die Einbeziehung jedweder Einflussmöglichkeiten bzw. einer Interessenidentität bezieht sich die Einkünftekorrekturnorm des § 1 AStG nicht nur auf gesellschaftsrechtliche Verflechtungen und geht damit in seinem Anwendungsbereich über die vGA bzw. verdeckte Einlage hinaus. In beiden Fällen – (a) und (b) – genügt bereits das Bestehen einer solchen Beziehung oder Einflussmöglichkeit, sodass es unerheblich ist, ob sie den betreffenden Geschäftsabschluss tatsächlich beeinflusst hat oder nicht. Die Anwendung von § 1 AStG setzt schließlich voraus, dass die vereinbarten Geschäftsbedingungen zu einer Einkunftsminderung beim inländischen Steuerpflichtigen führen. § 1 AStG lässt somit eine Gewinnkorrektur nur zuungunsten des Steuerinländers zu, nicht aber eine zu seinen Gunsten. Insofern lässt sich die Auffassung der Finanzverwaltung, dass die Grundsätze über die Funktionsverlagerung auch für Funktionsverlagerungen in das Inland gelten,2 jedenfalls nicht auf § 1 AStG stützen, da es regelmäßig an einer Einkunftsminderung im Inland fehlt.3 Die Bedingungen können die Einkünfte unmittelbar (z.B. durch verringerte Betriebseinnahmen/erhöhte Betriebsausgaben) oder mittelbar (z.B. durch Verzicht auf Einnahmenerzielung) mindern.4 Ferner müssen die dem Fremdvergleichsmaßstab nicht standhaltenden Bedingungen gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG kausal für die eingetretene Einkunftsminderung sein („dadurch, dass“).
3.51
Diese Kausalität ist freilich – vordergründig betrachtet – auch für die Ein- 3.52 kunftsminderungen gegeben, die infolge einer Teilwertabschreibung auf ein eigenkapitalersetzendes Darlehen für Veranlagungszeiträume vor 2008 (für spätere Veranlagungszeiträume gilt das Abzugsverbot gem. § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG i.d.F. des JStG 20085) eintritt und die die Finanzverwaltung neuerdings nach § 1 AStG korrigieren möchte.6 Hiermit setzt die Finanzverwaltung auf eine Argumentation auf, die erstmals vom FG
1 Siehe Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 827. 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 1.1 Rz. 3. 3 Siehe zu Funktionsverlagerungen in das Inland ausführlich Kaminski in Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, 23 ff. 4 Vgl. Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 252. 5 JStG 2008 v. 20.12.2007, BGBl. I 2007, 3150. 6 Vgl. BMF v. 29.3.2011 – IV B 5 - S 1341/09/10004, BStBl. I 2011, 277. Siehe hierzu Ditz/Liebchen, IStR 2012, 97.
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Münster vertreten wurde.1 Nach der zur vGA ergangenen Rechtsprechung des BFH ist es mit dem Fremdvergleichsgrundsatz vereinbar, dass bei einer Darlehensgewährung im Konzern keine Sicherheiten vereinbart werden, weil die Konzernbeziehung („Rückhalt im Konzern“), für sich genommen, eine ausreichende Sicherheit darstellt.2 Insofern ist nach der Rechtsprechung des BFH bei Fehlen einer tatsächlichen Sicherheit der Zinssatz nicht anzupassen, sondern der Rückhalt im Konzern als fremdübliche Sicherheit anzuerkennen. Ferner hatte der BFH mit Urteil vom 14.1.20093 entschieden, dass – vor Einführung von § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG, d.h. für Veranlagungszeiträume bis 2008 – Teilwertabschreibungen auf eigenkapitalersetzende Darlehen keinem Abzugsverbot unterliegen, weil sie nicht als (beteiligungsbezogene) Gewinnminderungen i.S.v. § 8b Abs. 3 KStG a.F. qualifizieren. Die für Zwecke des § 1 AStG festzustellende Kausalität einer fehlenden Besicherung für die Einkunftsminderung infolge der Teilwertabschreibung gilt allerdings nur dem Grunde nach. Zwar erstreckt sich der Fremdvergleich auf (alle) „Bedingungen“ und versteht die sich im Verrechnungspreis verkörpernden Entgeltbestandteile lediglich als eine Bedingung („insbesondere“). Überdies wirkt die fehlende Besicherung eines Darlehens grundsätzlich Entgelt erhöhend.4 § 1 AStG lässt gleichwohl eine Korrektur der Bedingungen jedenfalls insofern nicht zu, als sie im Ergebnis zur Negierung der Geschäftsbeziehung führt. Es dürfte dem Grundbestand der Verrechnungspreisdiskussion zugehören, dass bei der steuerlichen Beurteilung eines Geschäftsvorfalls von dem tatsächlich abgewickelten Geschäft auszugehen ist, wie es zwischen den verbundenen Geschäftspartnern gestaltet wurde.5 Will man insofern auch rein gesellschaftsrechtlich veranlasste Vorgänge – oder wie der BFH ausführt: Maßnahmen, die sich „schon ihrer Natur nach einem solchen Fremdvergleich“6 entziehen – nur deshalb einem Fremdvergleich unterziehen, weil ihnen keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung zugrunde liegt und sie deshalb als Geschäftsbeziehung qualifizieren, dann muss diese Vorgehensweise im Anwendungsbereich von § 1 AStG auch konsequent zu Ende gedacht werden. Nach der in § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG formulierte Rechtsfolge „sind seine Einkünfte (…) so anzusetzen, wie sie unter den zwischen voneinander unabhängigen Dritten vereinbarten Bedingungen angefallen wären.“ Der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter des Darlehensgebers allerdings hätte die fehlende Besicherung des Darlehens mit der Forderung 1 Vgl. FG Münster v. 22.2.2008, 9 K 509/07 K, F, EFG 2008, 923. 2 Vgl. BFH v. 21.12.1994 – I R 65/94, BFHE 176, 571; v. 29.10.1997 – I R 24/97, BStBl. II 1998, 573. 3 Vgl. BFH v. 14.1.2009 – I R 52/08, BStBl. II 2009, 674. 4 Demgegenüber genügen andere, nicht entgeltdeterminierende Bedingungen regelmäßig dem Fremdvergleichsmaßstab des § 1 AStG. Eine Entgeltpflicht scheidet deshalb schon dem Grunde nach aus. 5 Vgl. Tz. 1.64 OECD-Leitlinien 2010. 6 BFH v. 29.11.2000 – I R 85/99, BStBl. II 2002, 720.
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eines dementsprechenden Risikozuschlags zur Herstellung eines äquivalenten Sicherheitszustandes verbunden. Keinesfalls hätte er dem Darlehensgeber Sicherheiten abgenötigt bzw. abnötigen können. Eine konsequente Anwendung des § 1 AStG bedeutet dann aber, dass die unternehmerische Disposition über die Risikoverteilung anzuerkennen ist und eine dementsprechende Bemessung eines fremdvergleichskonformen Zinssatzes zur Folge hat.1 Eine Korrektur der Bedingungen lässt § 1 AStG demgegenüber nicht zu.2 Insofern erfolgt die Einkünftekorrektur der Höhe nach stets unter Zugrundelegung eines konkreten Fremdvergleichspreises. Die Einkünftekorrektur um die Teilwertabschreibung entbehrt mithin einer Rechtsgrundlage.3 b) Rechtsfolgen Die Rechtsfolge des § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG besteht in einer Einkünftekorrektur nach Maßgabe des Fremdvergleichs. Demgemäß ist der Berichtigungsbetrag, der ggf. nach § 1 Abs. 4 AStG zu schätzen ist,4 nach h.M. und Auffassung der Finanzverwaltung außerhalb der Steuerbilanz auf der zweiten Gewinnermittlungsstufe vorzunehmen.5 Eine weitergehende Rechtsfolge regelt § 1 AStG nicht. Bei der Muttergesellschaft erfolgt deshalb weder der – nachträgliche – Ansatz eines Wirtschaftsgutes, z.B. einer fiktiven Zinsforderung bei unentgeltlicher Darlehensüberlassung oder einer Forderung auf fiktive Avalprovisionen im Falle einer unentgeltlichen Bürgschaft, noch – wie bei der verdeckten Einlage (Rz. 3.37) – die Aktivierung des Korrekturbetrages auf die Anschaffungskosten der Beteiligung an der Tochtergesellschaft.6 Infolgedessen käme es im Falle einer späteren Veräußerung der Beteiligung bzw. im Rahmen der Liquidation der Tochtergesellschaft zu einer weiteren Besteuerung bei der inländischen Muttergesellschaft, da das Vermögen der ausländischen Tochtergesellschaft durch die ersparten Aufwendungen gestiegen ist. Um diese Doppelbesteuerung der Einkunftskorrektur zu vermeiden, lässt die Finanzverwaltung im Rahmen einer sachlichen Billigkeitsmaßnahme eine 1 Zur Anerkennung der unternehmerischen Dispositionsfreiheit jüngst auch die deutsche Finanzverwaltung, vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774 Tz. 145 ff. 2 Vgl. auch Baumhoff in Baumhoff/Schönfeld, Grenzüberschreitende Verlustverrechnung, Podiumsdiskussion, 162 f. 3 Vgl. auch Ditz/Liebchen, IStR 2012, 102 f. 4 Mit dem Jahressteuergesetz 2013 ist die Streichung von § 1 Abs. 4 AStG beabsichtigt, da er in Fällen der Verletzung der Aufzeichnungspflichten nach § 90 Abs. 3 AO und der GAufzV keine praktische Bedeutung mehr hat. Vgl. hierzu BR-Drucks. 302/12. 5 Vgl. BFH v. 30.5.1990 – I R 97/88, BStBl. II 1990, 875; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 5.3.3; v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernr. 1/2004, Tz. 1.1.1; Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 811; Wassermeyer, IStR 2001, 634; Menck in Blümich, § 1 AStG Rz. 44 u. 47; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 18.122. 6 Vgl. BFH v. 30.5.1990 – I R 97/88, BStBl. II 1990, 875; Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 812; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 18.123.
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Kürzung des Veräußerungs- bzw. Liquidationsgewinns um den Korrekturbetrag nach § 1 AStG zu, wobei infolge der Kürzung auch ein Negativbetrag entstehen kann.1 Allerdings teilt dieser Kürzungsbetrag steuerlich das Schicksal des Veräußerungs- oder Liquidationsgewinns. Infolge dessen kommt für ihn das körperschaftsteuerliche Beteiligungsprivileg des § 8b Abs. 2 KStG zum Tragen, sodass wegen der Freistellung des gekürzten Veräußerungs- oder Liquidationsgewinns bzw. der Nichtberücksichtigung eines etwaigen Veräußerungs- oder Liquidationsverlusts (§ 8b Abs. 3 Satz 3 KStG) keine steuerlich vorteilhaften Auswirkungen eintreten. Dies gilt umso mehr, als die Finanzverwaltung die Billigkeitsmaßnahme nicht auf die Hinzurechnung der Kostenpauschale i.H.v. 5 % des Veräußerungsgewinns gem. § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG ausdehnt; diese bezieht sich auf den ungekürzten Veräußerungsgewinn.2
3.54 Die Rückgängigmachung einer eingetretenen Einkünfteminderung dadurch, dass die Inlandsgesellschaft mit der ausländischen verbundenen Gesellschaft die ursprünglich vereinbarten Bedingungen an jene anpassen, die fremde Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen abgeschlossen hätten, berührt die Rechtsfolge des § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG grundsätzlich nicht,3 sondern ist gesondert zu beurteilen.4 Die Finanzverwaltung adressiert in Tz. 5.5.1. Buchst. d VWG-Verfahren5 jedoch eine sachliche Billigkeitsmaßnahme,6 die im Ergebnis die Möglichkeit einräumt, eine Einkünftekorrektur nach § 1 AStG rückgängig zu machen. Hiernach sollen Vorgänge, die zu einer (ausschließlich) auf § 1 AStG zu stützenden Berichtigung geführt haben und die durch Ausgleichszahlungen ausgeglichen werden, außerhalb der Bilanz mit dem zu Zwecken der Berichtigung vorgenommenen Zuschlag zu verrechnen sein. Dies soll allerdings nur dann gelten, wenn die Ausgleichszahlungen innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe des berichtigten Steuerbescheids tatsächlich geleistet worden sind. Mit letzterer Einschränkung reagiert die Finanzverwaltung auf die im Schrifttum7 vorgetragene Auffassung zu Tz. 8.3.1. VWG 1983,8 wonach es in der Logik dieser Billigkeitsmaßnahme angelegt 1 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 5.5.2 Abs. 1; ähnlich BFH v. 30.5.1990 – I R 97/88, BStBl. II 1990, 875, mit der Forderung, die zeitverzögerte Doppelbesteuerung durch Billigkeitsmaßnahmen (§§ 163, 227 AO) zu vermeiden. Vgl. hierzu auch Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 819; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 18.124. 2 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 5.5.2 Abs. 2. 3 Vgl. BFH v. 5.6.2003 – I B 168/02, IStR 2003, 738. 4 Vgl. Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 818. 5 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 5.5.1 Buchst. d. 6 Vgl. BFH v. 30.5.1990 – I R 97/88, BStBl. II 1990, 875; v. 5.6.2003, I B 168/02, BFH/NV 2003, 1412. 7 Vgl. Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 818. 8 BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 8.3.1 Buchst. c, aufgehoben durch BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWGVerfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 7.
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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs
sei, dass die zivilrechtlich wirksame Vereinbarung einer Ausgleichsforderung hinreicht und es eines tatsächlichen Zahlungsausgleichs nicht bedarf. Der BFH1 hatte allerdings diese Frage im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde unentschieden gelassen und die Übernahme von Kosten einer ausländischen Tochtergesellschaft durch ihre inländische Muttergesellschaft als Einlage i.S. des § 4 Abs. l Satz 8 EStG beurteilt und nicht unter § l Abs. l AStG subsumiert. Angesichts des Charakters als Billigkeitsmaßnahme ist u.E. jedoch zweifelhaft, ob die Finanzverwaltung von den – nunmehr gesetzten – Anforderungen abweichen wird. Sie kann im Übrigen nur im Wege einer Verpflichtungsklage und nicht durch teleologisch reduzierte Auslegung von § l AStG durchgesetzt werden. c) Konkurrenzverhältnis zur vGA und verdeckten Einlage Während sich die vGA und die verdeckte Einlage gegenseitig ausschließen, kann es zwischen diesen beiden Rechtsinstituten und § 1 AStG zu einer Überschneidung der jeweiligen Regelungsbereiche kommen. So kann bspw. § 1 AStG mit der verdeckten Einlage kollidieren, wenn eine inländische Muttergesellschaft ihrer ausländischen Tochtergesellschaft einen unentgeltlichen bzw. teilentgeltlichen Vorteil gewährt. Ferner kann es bei Vermögensverlagerungen von einer inländischen Tochtergesellschaft auf ihre ausländische Muttergesellschaft zu einer Konkurrenz zwischen § 1 AStG und der vGA kommen.
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Die Frage nach dem Konkurrenzverhältnis des § 1 AStG einerseits und der verdeckten Einlage bzw. der vGA andererseits bliebe rein akademischer Natur, wären Anwendungsvoraussetzungen, Ausgestaltung des sog. Vorteilsausgleichs (Rz. 3.335) und Rechtsfolgen identisch.2 Dies ist jedoch nach überwiegender Ansicht von Rechtsprechung, Finanzverwaltung und Schrifttum nicht der Fall.3 Ferner ist nach der umfassenden Revision des § 1 AStG im Zuge der Unternehmensteuerreform 2008 mehr als fraglich, ob die Einkünftekorrekturnormen auf demselben Fremdvergleichsmaßstab – sowohl auf Tatbestands- wie auf Rechtsfolgenebene – aufbauen.4 Im Einzelnen erstreckt sich das Konkurrenzproblem auf folgende Bereiche: – Während § 1 AStG das Vorliegen einer Geschäftsbeziehung voraussetzt und diese eigenständig in § 1 Abs. 5 AStG definiert, knüpfen die vGA und die verdeckte Einlage an die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis an. Diese Unterscheidung ist deshalb von erheblicher prak1 Vgl. BFH v. 5.6.2003 – I B 168/02, IStR 2003, 738. 2 Vgl. Flick, StbKRep 1976, 200. 3 Vgl. etwa Wassermeyer, IStR 2001, 634 ff.; Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 76 ff.; Borstell/Brüninghaus/Dworaczek, IStR 2001, 759; Gocksch, IStR 2002, 181. 4 Vgl. hierzu etwa Looks/Steinert/Müller, BB 2009, 2348 ff.; siehe auch Kaminski in Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, 37 f.
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tischer Bedeutung, weil die gesellschaftsrechtliche Veranlassung eine Geschäftsbeziehung tatbestandlich nicht ausschließt (Rz. 3.47 f.). Insofern sind etwa eigenkapitalersetzende Stützungsmaßnahmen (z.B. eine harte Patronatserklärung) als eine Geschäftsbeziehung zu qualifizieren, obgleich sie sich „schon ihrer Natur nach einem (…) Fremdvergleich“1 entziehen (Rz. 3.47 f., Rz. 3.51, Rz. 3.268 ff.). – Während § 1 AStG nur an Geschäftsbeziehungen zum Ausland anknüpft, gelten die vGA und die verdeckte Einlage für Inlands- wie für Auslandssachverhalte gleichermaßen. – Während vGA und verdeckte Einlagen nur im Verhältnis zwischen Kapitalgesellschaft und Gesellschafter anwendbar sind, gilt § 1 AStG zudem auch für „nahe stehende“, d.h. nicht gesellschaftsrechtlich verbundene Personen i.S. des § 1 Abs. 2 AStG. – Während die vGA und die verdeckte Einlage ohne Rücksicht auf die Höhe der Beteiligung des Gesellschafters an der Kapitalgesellschaft eingreifen, beschränkt sich § 1 AStG auf Fälle, in denen der Gesellschafter an der Kapitalgesellschaft mindestens zu einem Viertel mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist.2 – Während § 1 AStG nur eine Korrektur der Einkünfte zuungunsten des Steuerinländers zulässt („werden Einkünfte … gemindert“), erlauben die vGA und die verdeckte Einlage unter bestimmten Voraussetzungen (Rz. 3.19 ff. und Rz. 3.32 ff.) auch eine Korrektur zugunsten des Steuerinländers. – Während der Fremdvergleich als Tatbestandsvoraussetzung einer Einkünftekorrektur bei der verdeckten Einlage bzw. vGA aus dem ertragsteuerlichen Veranlassungsprinzip abgeleitet wird,3 ist er in § 1 Abs. 1 AStG unmittelbar kodifiziert und konkretisiert. Aufgrund dieser unterschiedlichen Rechtsgrundlage des Fremdvergleichsgrundsatzes stellt sich zwangsläufig die Frage, ob der Fremdvergleich i.S. des § 1 Abs. 1 AStG mit dem durch das Verhalten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers konkretisierten Fremdvergleich der vGA/verdeckten Einlage übereinstimmt. Nach Auffassung Wassermeyers4 war diese Frage „nicht abschließend geklärt“. Jedenfalls für die vGA machte die Rechtsprechung des BFH die gesellschaftsrechtliche Veranlassung als Tatbestandsvoraussetzung an der Referenzfigur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters aufseiten beider Vertragspartner (sog. „Prinzip des doppelten ordentlichen Geschäftsleiters“, Rz. 3.143 ff.) fest,5 sodass von einem einheitlichen Referenzmaß1 BFH v. 29.11.2000 – I R 85/99, BStBl. II 2002, 720. 2 Vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG. 3 Vgl. Wassermeyer, StbJb 1998/99, 161 ff.; Wassermeyer in FS Offerhaus, 407 ff.; Wassermeyer, DB 2001, 2466; Rasch, Konzernverrechnungspreise im nationalen, bilateralen und europäischen Steuerrecht, 35. 4 Vgl. Wassermeyer, IStR 2001, 636. 5 Vgl. BFH v. 17.5.1995 – I R 147/93, BStBl. II 1996, 204; siehe ferner BFH v. 6.12.1995 – I R 88/94, BStBl. II 1996, 383; v. 19.5.1998 – I R 36/97, BStBl. II 1998,
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stab für die vGA dem Grunde nach auszugehen war. Angesichts der umfänglichen „Konkretisierungen“ dessen, was den Fremdvergleich im Anwendungsbereich des § 1 AStG ausmacht, bestehen auf Tatbestandsebene jedoch Zweifel, die insbesondere auf die Fiktion der vollständigen Information und Marktransparenz gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG (Rz. 3.155 ff.) sowie die exklusiv in § 1 Abs. 3 Satz 9 ff. AStG enthaltenen Regelungen über Funktionsverlagerungen (Rz. 3.337 ff.) zurückgehen. – Während nach § 1 Abs. 1 AStG jedes Abweichen vom Fremdvergleichsmaßstab eine Einkünftekorrektur auslöst, spricht das Abweichen vom Fremdvergleichsmaßstab im Rahmen der vGA/verdeckten Einlage nur indiziell (widerlegbare Vermutung) für eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis. Ein Gegenbeweis ist demnach innerhalb des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG möglich, im Rahmen des § 1 AStG hingegen nicht.1 – Hinsichtlich der Rechtsfolge der Einkünftekorrektur führen sowohl § 1 AStG als auch die vGA gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG zu einer Bewertung mit dem Fremdvergleichspreis (gemeiner Wert). Allerdings gibt § 1 Abs. 3 AStG ein Stufenverhältnis zwischen tatsächlichem und hypothetischem Fremdvergleich vor (Rz. 3.169 f.). Ferner bestimmt § 1 Abs. 3 Satz 3 AStG für lediglich eingeschränkt vergleichbare Werte, dass die Bandbreite einzuengen ist, und § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG, dass im Falle des außerhalb dieser eingeengten Bandbreite liegenden Verrechnungspreises der Median anzusetzen ist. § 1 Abs. 3 Sätze 5 ff. AStG enthalten schließlich exklusive Regelungen zur Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs, insbesondere zur Ermittlung und zur Aufteilung des Einigungsbereichs. Überdies ist die Bewertung von Transferpaketen im Rahmen der Besteuerung von Funktionsverlagerungen als eigenständiges steuerliches Bewertungsverfahren in § 1 AStG geregelt, dessen Bewertungsparameter und -prämissen sich aus § 1 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 AStG sowie der FVerlV (§§ 3 bis 8) ergeben. Nicht deckungsgleich sind schließlich die Bewertungsmaßstäbe des § 1 AStG (Fremdvergleichspreis) und der verdeckten Einlage (Teilwert, Rz. 3.36). Der Teilwert enthält keine Gewinnkomponenten, sodass letztlich – in Abhängigkeit von der Rechtsgrundlage der Einkünftekorrektur – unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe Anwendung finden. Zum Konkurrenzverhältnis der unterschiedlichen steuerlichen Einkünftekorrekturvorschriften zueinander regelt § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG – wie auch schon bisher –, dass die Einkünfte eines Steuerpflichtigen „unbe689; v. 27.3.2001 – I R 27/99, BStBl. II 2002, 111; v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; v. 24.4.2002 – I R 18/01, BStBl. II 2002, 670; v. 28.1.2004 – I R 87/02, BFH/NV 2004, 736; v. 6.4.2005 – I R 15/04, BStBl. II 2006, 196; v. 6.4.2005 – I R 22/04, BStBl. II 2007, 658; v. 21.8.2007 – I R 27/07, HFR 2008, 367; v. 22.8.2007 – I R 32/06, BStBl. II 2007, 961; v. 5.3.2008 – I R 45/07, BFH/NV 2008, 1534; v. 17.2.2010 – I R 97/08, BFH/NV 2010, 1307. 1 Vgl. Wassermeyer, StbJb 1998/99, 164; Wassermeyer, IStR 2001, 636.
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schadet anderer Vorschriften“ nach dem Fremdvergleichsgrundsatz anzusetzen sind. Mit § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG ist jedoch eine weitere Regelung mit demselben Regelungsgegenstand verankert worden. Hiernach sind weitergehende Berichtigungen neben den Rechtsfolgen der anderen Einkünftekorrekturnormen durchzuführen, wenn die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes zu weitergehenden Berichtigungen als die anderen Vorschriften führt. Dies bedeutet, dass die Rechtsfolgen des § 1 AStG neben die Rechtsfolgenden anderer Korrekturnormen treten (sog. „Wertauffüller“). Mit § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG wird somit eine Meistbegünstigung zugunsten der Finanzverwaltung normiert. Dieser schon bisher in Tz. 5.3.3 VWG-Verfahren1 vertretenen Auffassung der Finanzverwaltung wird mit § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG nunmehr eine Rechtsgrundlage zur Seite gestellt.2 Angesichts der partiellen Redundanz („unbeschadet anderer Vorschriften“ [§ 1 Abs. 1 Satz 1 AStG]; „neben den Rechtsfolgen der anderen Vorschriften“ [§ 1 Abs. 1 Satz 3 AStG]) ist die Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG entbehrlich.3
3.58 Eine Einkünftekorrektur nach § 1 AStG ist im Übrigen auch vorzunehmen, wenn der Korrektur Geschäftsbeziehungen zu einer Zwischengesellschaft gem. §§ 7 ff. AStG zugrunde liegen und die Einkünfte der ausländischen Konzerngesellschaft der inländischen Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen.4 Die Anwendung des § 1 AStG wird demnach nicht durch die Vorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung ausgeschlossen. Eine Doppelbesteuerung ist in diesem Zusammenhang dadurch zu vermeiden, dass bei der Ermittlung der Zwischeneinkünfte der Muttergesellschaft eine Gegenberichtigung vorzunehmen ist.5 d) Verhältnis zum Europarecht
3.59 Gegen die Vereinbarkeit von § 1 AStG mit den gemeinschaftsrechtlich verbürgten Grundfreiheiten, konkret mit der Niederlassungs- und der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 49 ff. und 63 ff. AEUV), bestehen seit jeher Bedenken.6 Diese beziehen sich insbesondere darauf, dass der Anwendungsbereich auf Geschäftsbeziehungen zum Ausland beschränkt ist, 1 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 5.3.3. 2 Kritisch zur nachträglichen Legitimation Wassermeyer/Baumhoff/Greinert in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. V 3. 3 Vgl. Wassermeyer/Baumhoff/Greinert in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. V 12. 4 Vgl. BFH v. 19.3.2002 – I R 4/01, BStBl. II 2002, 644; dazu im Einzelnen Schnitger, BB 2003, 241 f. 5 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 1.5.2. 6 Vgl. etwa Menck in Blümich, § 1 AStG Rz. 27; Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 816.1; Eigelshoven, IWB Fach 3 Gruppe 1, 1761 ff.; Köplin/Sedemund, IStR 2002, 120 ff.; Scheuerle, IStR 2002, 798 ff.; Dölker/Ribbrock, IStR 2005, 533; Rasch/Nakhai, DB 2005, 1984; Schaumburg, DB 2005, 1129; Schönfeld, IStR 2007, 260 f.; Ditz, IStR 2009, 120 f.
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dass der Bewertungsmaßstab des Fremdvergleichspreises von dem bei inländischen Einkünftekorrekturen nach den Grundsätzen über die verdeckte Einlage oder die Entnahme zum Tragen kommenden Bewertungsmaßstab abweicht und dass verbilligte oder unentgeltliche Nutzungs- und Kapitalüberlassungen unterschiedlich behandelt werden. Gleiches gilt, wenn der grundfreiheitliche Schutz – insbesondere der Niederlassungsfreiheit – aufgrund von Assoziationsabkommen vermittelt wird.1 Zwar haben sowohl der BFH2 als auch die Finanzgerichte Düsseldorf3 und Münster4 diese Bedenken geteilt, sie haben aber die Regelung des § 1 AStG nicht zum Gegenstand eines Vorlagebeschlusses an den EuGH gemacht. Gleichwohl hatte der EuGH in der Rechtssache SGI5 die Gelegenheit, zu 3.60 einer vergleichbaren Regelung des belgischen Steuerrechts (Art. 26 CIR) Stellung zu nehmen, die ebenso wie § 1 AStG auf grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen beschränkt ist. In dem zugrunde liegenden Sachverhalt ging es um eine zinslose Kapitalüberlassung einer belgischen Mutter- an ihre ausländische Tochterkapitalgesellschaft, für die nach belgischem Recht eine Einkünftekorrektur i.H. des gewährten Zinsvorteils, vorliegend i.H. des angemessenen Zinses erfolgte. Der EuGH sah – im Einklang mit der h.M. im deutschen Schrifttum6 – in der nur im grenzüberschreitenden Kontext praktizierten Verrechnungspreiskorrektur zulasten der inlandsansässigen Gesellschaft einen Eingriff in die gemeinschaftsrechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit des Art. 49 AEUV (ex Art. 43 EG).7 Allerdings kann diese potenziell beschränkende Wirkung gerechtfertigt sein, wenn der nationalen Regelung Rechtfertigungsgründe zur Seite stehen und die nationalstaatliche Umsetzung dem gemeinschaftsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebot genügt. Der EuGH prüft die Rechtfertigung der grundfreiheitlichen Beschränkung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses anhand zweier Rechtsfertigungsgründe, nämlich der Notwendigkeit der Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten8 und der Notwendigkeit der Verhinderung von Steuerumgehungen.9
1 Vgl. zu dem vermittelten Schutzbereich etwa BFH v. 23.6.2010 – I R 37/08, BStBl. II 2010, 895 m.w.N. 2 Vgl. BFH v. 21.6.2001 – I B 141/00, BFH/NV 2001, Beilage 9, 1169. 3 Vgl. FG Düsseldorf v. 19.2.2008 – 17 K 894/05 E, EFG 2008, 1006. 4 Vgl. FG Münster v. 22.2.2008 – 9 K 509/07 K, F, EFG 2008, 923. 5 Vgl. EuGH v. 21.1.2010 – C-311/08, Rs. Société de Gestion Industrielle SA („SGI“), IStR 2010, 144. 6 Vgl. die Nachweise in Fn. 6 auf S. 420. 7 Zum Verhältnis zwischen der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) und der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) vgl. zuletzt Englisch, IStR 2011, 139; Schönfeld, IStR 2011, 222 f. jeweils m.w.N. 8 Vgl. EuGH v. 21.1.2010 – C-311/08, Rs. Société de Gestion Industrielle SA („SGI“), IStR 2010, 144 Rz. 60 ff. 9 Vgl. EuGH v. 21.1.2010 – C-311/08, Rs. Société de Gestion Industrielle SA („SGI“), IStR 2010, 144 Rz. 65 ff.
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Was die Wahrung des gemeinschaftsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebots anbelangt, müssen die nationalstaatlichen Verrechnungspreisvorschriften nach den Vorgaben des EuGH folgenden Anforderungen genügen:1 1. Objektive und nachprüfbare Umstände müssen den Verdacht einer nicht dem Fremdvergleichsmaßstab entsprechenden Vereinbarung zwischen den verbundenen Unternehmen begründen. 2. Dem Steuerpflichtigen muss die Möglichkeit eines Gegenbeweises eingeräumt werden, dass für den Abschluss des vereinbarten Geschäfts zu den vom Fremdvergleichsgrundsatz abweichenden Konditionen wirtschaftliche Gründe bestehen. 3. Die Einkünftekorrektur darf nicht über das hinausgehen, was ohne die gegenseitige Verflechtung der Gesellschaften vereinbart worden wäre.
3.61 Die gemeinschaftsrechtliche Diskussion um § 1 AStG ist im Lichte dieser Rechtsprechung neu zu justieren. Weder die Ausrichtung nur auf ausländische Geschäftsbeziehungen noch eine Ungleichbehandlung zu entsprechenden inlandsbezogenen Sachverhalten für sich genommen führen zur gemeinschaftsrechtlichen Unvereinbarkeit. Fraglich ist allerdings, ob jedweder, unter § 1 AStG fallender Sachverhalt, zum einen den benannten Rechtfertigungsgründen standhält und zum anderen den im gemeinschaftsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebot angelegten Anforderungen genügt. Im Hinblick auf eigenkapitalersetzende Maßnahmen, wie z.B. harte Patronatserklärungen und unverzinsliche Darlehen, bestehen trotz ihrer Eignung, diese als Geschäftsbeziehung i.S.v. § 1 Abs. 5 AStG zu qualifizieren, erhebliche Bedenken, dass die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten und die Verhinderung von Steuerumgehungen die grundfreiheitliche Beschränkung zu rechtfertigen geeignet sind.2 Was jedenfalls den zweiten Rechtfertigungsgrund anbelangt, bedient sich der EuGH des Fremdvergleichsgrundsatzes als Referenz für die auf Steuerumgehungen des legitimen Steueranspruchs gerichteten Gestaltungen.3 Nach der Rechtsprechung des BFH entziehen sich jedoch eigenkapitalersetzende Stützungsmaßnahmen „schon ihrer Natur nach“ einem Fremdvergleich, da „derartige Leistungen immer nur im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter erbracht“ werden.4 Vergleichbar problematisch dürfte es sein, für die Besteuerung von Funktionsverlagerungen nach § 1 Abs. 3 Sätze 9 ff. AStG eine Rechtfertigung mittels dieser Rechtfertigungsgründe zu erlangen.5
1 Vgl. EuGH v. 21.1.2010 – C-311/08, Rs. Société de Gestion Industrielle SA („SGI“), IStR 2010, 144 u. hierzu ausführlich Englisch, IStR 2011, 139; Scheipers/ Linn, IStR 2010, 472 ff.; Schönfeld, IStR 2011, 222 f. 2 So auch Andresen, IStR 2010, 290. 3 Vgl. hierzu Englisch, IStR 2011, 141. 4 BFH v. 29.11.2000 – I R 85/99, BStBl. II 2002, 720. 5 Vgl. hierzu auch Englisch, IStR 2011, 140.
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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs
Blickt man auf die Erfordernisse, denen § 1 AStG nach dem gemeinschaftsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebot zu genügen hat, fehlt es im Ausgangspunkt an der Möglichkeit eines Gegenbeweises, dass für die vom Fremdvergleich abweichenden Bedingungen wirtschaftliche Gründe bestehen. Fraglich ist allerdings, ob dieser Anforderung auch eine Billigkeitsregelung genügt, ob die Existenz wirtschaftlicher Gründe im Fremdvergleichsgrundsatz selbst angelegt ist1 und schließlich, welche qualitativen Anforderungen an diese Gründe zu stellen sind (etwa außersteuerliche Motive von nicht untergeordneter Bedeutung).2 Mit der Forderung nach einer hinreichenden Plausibilität der Umstände, an denen die jeweilige innerstaatliche Regelung den Verdacht knüpft, dass die vereinbarten Bedingungen nicht dem Fremdvergleich entsprechen, ist jedenfalls die Fiktion der vollständigen Information und Markttransparenz gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG nicht zu vereinbaren, da sie auf realitätsfernen Annahmen basiert.3 Desgleichen gilt für die widerlegbare Vermutung der Preisanpassungsklausel des § 1 Abs. 3 Satz 11 AStG, „dass zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses Unsicherheiten im Hinblick auf die Preisvereinbarung bestanden und unabhängige Dritte eine sachgerechte Anpassungsregelung vereinbart hätten“. Die Finanzverwaltung führt die Vereinbarung einer Preisanpassungsklausel ausdrücklich auf den Fremdvergleichsgrundsatz zurück,4 während die OECD-Leitlinien 2010 diese Frage selbst einem Fremdvergleich unterstellen.5 Die innerstaatlich mittels der widerlegbaren, realitätsfernen Vermutung bewirkte Beweislastumkehr zulasten des Steuerpflichtigen dürfte dem Plausibilitätserfordernis nicht genügen (Rz. 3.165 ff.). Ferner dürften die Regelungen dem gemeinschaftsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebot nicht genügen, die über das nach dem Fremdvergleich gebotene Korrekturmaß hinausgehen. Im Rahmen des tatsächlichen Fremdvergleichs ist dies die Regelung des § 1 Abs. 3 Sätze 3 und 4 AStG, die bei eingeschränkt vergleichbaren Fremdpreisen bzw. -werten die Einengung der Preis- bzw. Wertbandbreite vorgeben und bei Ansatz eines außerhalb dieser eingeengten Bandbreite liegenden Wertes den Ansatz des Medians vorgeben. Denn nach dem gemeinschaftsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebot ist – im Einklang mit der legislativ überholten Rechtsprechung des BFH6 – im Falle von Preis- bzw. Wertbandbreiten lediglich eine Korrektur auf Grundlage des für den Steuerpflichtigen günstigsten 1 Vgl. hierzu Schönfeld, IStR 2011, 221. 2 Vgl. hierzu Schön, IStR 2009, 888; Englisch, IStR 2011, 141; Scheipers/Linn, IStR 2010, 473. 3 Vgl. Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 545 f.; Baumhoff/Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. V 8; Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 276; Wassermeyer, DB 2007, 536; Frischmuth in FS Schaumburg, 656 ff.; Englisch, IStR 2011, 141. 4 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.9 Rz. 135. 5 Vgl. Tz. 3.73, 9.88 sowie 6.28 ff. OECD-Leitlinien 2010. 6 Vgl. BFH v. 17.1.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171.
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3.62
Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
Preises bzw. Wertes zulässig.1 Im Rahmen des hypothetischen Fremdvergleiches ist dieselbe Feststellung für die Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG zu treffen, die angesichts des praktisch nicht durchführbaren Nachweises eines dem Fremdvergleich mit der größten Wahrscheinlichkeit entsprechenden Wertes zum Ansatz des Mittelwertes des Einigungsbereiches zwingt (Rz. 3.162 ff.). Dies obgleich jeder Preis innerhalb des Einigungsbereichs zwischen fremden Dritten hypothetisch vereinbart werden könnte und damit dem Fremdvergleich genügt. Insofern dürfte sich auch das nach § 1 Abs. 3 Satz 8 AStG zugebilligte Ermessen im Falle eines zugrunde gelegten unzutreffenden Einigungsbereichs und eines zum Ansatz gebrachten Preises, der innerhalb des zutreffenden Einigungsbereichs liegt, auf null reduzieren.2 6. Gewinnberichtigungsvorschriften der Doppelbesteuerungsabkommen i.S. des Art. 9 OECD-MA
3.63 Der Fremdvergleich findet sich nicht nur in den dargestellten innerstaatlichen Vorschriften der Einkunftsabgrenzung, sondern daneben auch in bilateralen Verträgen in Form von DBA. Zudem ist der allgemeine Grundsatz des Fremdvergleichs auch gem. Art. 4 EU-Schiedskonvention3 maßgebend. Die meisten DBA der Bundesrepublik Deutschland enthalten eine Gewinnberichtigungsklausel auf der Basis des Fremdvergleichs,4 die im Wesentlichen der des Art. 9 Abs. 1 des OECD-MA bzw. des UN-MA entspricht.5 Danach sind Gewinnkorrekturen zulässig, wenn international verbundene Unternehmen (Mutter-, Tochter-, Schwestergesellschaften)6 im Rahmen ihrer kaufmännischen oder finanziellen Beziehungen Bedingungen vereinbaren, die ein unabhängiges Unternehmen nicht akzeptieren würde.
3.64 Entsprechend der Zielsetzung der DBA, die internationale Doppelbesteuerung zu vermeiden,7 sieht Art. 9 Abs. 2 OECD-MA für den Fall ei1 Gl. A. Englisch, IStR 2011, 142; Thömmes, JbFStR 2010/2011, 89; Glahe, IStR 2010, 876; Schönfeld, IStR 2011, 221. 2 Gl. A. Englisch, IStR 2011, 142. 3 Vgl. Übereinkommen Nr. 90/436/EWG über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen [Schiedskonvention] v. 23.7.1990, ABl. EG Nr. L 225/1990, 10 – nachfolgend „EU-Schiedskonvention“. 4 Vgl. die Abkommensübersicht zu Art. 9 Abs. 1 u. 2 der DBA der Bundesrepublik Deutschland bei Eigelshoven in V/L5, Art. 9 Rz. 145. 5 Vgl. Rasch, Konzernverrechnungspreise, 174. 6 Art. 9 Abs. 1 OECD-MA unterscheidet zwei Fallgruppen verbundener Unternehmen: zum einen die Beteiligung an einem Unternehmen des anderen Vertragsstaates und zum anderen die unter gemeinsamer Kontrolle derselben Person(en) stehenden Unternehmen zweier Vertragsstaaten; vgl. dazu im Einzelnen Wassermeyer in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 41 ff.; Rotondaro, IStR 2001, 761. 7 Ob die Zielsetzung der DBA – außerhalb ihrer konkreten Formulierung in dem jeweiligen DBA – generell auch die Vermeidung der doppelten Nichtbesteuerung oder einer Minderbesteuerung umfasst, ist umstritten. Vgl. hierzu Liebchen, Be-
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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs
ner Gewinnkorrektur in einem Vertragsstaat eine korrespondierende Gewinnberichtigung im anderen Vertragsstaat vor. Insofern soll die wirtschaftliche Doppelbesteuerung im Verhältnis zwischen zwei miteinander verbundenen, rechtlich selbständigen Unternehmen vermieden werden. Eine solche Gegenberichtigung, deren Anknüpfungspunkt nur eine Gewinnberichtigung i.S. des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA sein kann,1 setzt die Einigkeit beider Vertragsstaaten sowohl über die Qualifikation des Leistungsentgeltes als auch über dessen angemessene Höhe voraus, welche ausschließlich nach dem Grundsatz des Fremdvergleichs festzulegen ist. Allerdings hat die Bundesrepublik Deutschland in ihren DBA eine Gegenberichtigungsklausel i.S. des Art. 9 Abs. 2 OECD-MA nur in Ausnahmefällen festgelegt.2 Dies liegt darin begründet, dass die Bundesrepublik Deutschland ursprünglich einen Vorbehalt geäußert hatte, Abs. 2 des Art. 9 OECD-MA nicht in die deutschen DBA aufzunehmen, um einerseits dem jeweiligen Vertragspartner keinen Anreiz zu Erstkorrekturen zu geben und andererseits nicht die Unternehmen durch Beseitigung des Risikos einer Doppelbesteuerung zu Gewinnverschiebungen zu veranlassen. Dieser Vorbehalt wurde allerdings aufgegeben.3
3.65
Die früher vertretene Auffassung, die DBA-Gewinnberichtigungsklauseln seien eigenständige, unmittelbar anwendbare Rechtsgrundlagen für eine Einkünftekorrektur,4 kann mittlerweile als überholt angesehen werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Art. 9 OECD-MA entsprechenden Abkommensvorschriften kein innerstaatliches Recht begründen. Vielmehr entspricht es dem heute vorherrschenden Verständnis vom Ineinandergreifen von Abkommensrecht und innerstaatlichem Recht, dass das Abkommensrecht die nach innerstaatlichem Recht bestehenden Besteuerungsansprüche zu beschränken, nicht jedoch zu erhöhen oder gar erst zu begründen vermag.5 Infolgedessen können die Art. 9 OECD-MA nachgebildeten Vorschriften der deutschen DBA für sich allein keine selbständigen Rechtsgrundlagen für eine Ergebniskorrektur darstellen. Eine Gewinnberichtigung setzt eine dementsprechende Rechtsgrundlage im innerstaatlichen Recht voraus. Anderenfalls würden Steueransprüche begründet oder erweitert, was mit dem Schrankenrechtscharakter der DBA unvereinbar wäre.
3.66
1 2 3 4 5
teiligungen an ausländischen Personengesellschaften, 345 ff. m.w.N. zum Diskussionsstand. Vgl. Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 161; Wassermeyer in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 373; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.317. Vgl. Abkommensübersicht bei Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 145. Vgl. Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 181. So u.a. noch Menck, DStZ/A 1972, 68; Bellstedt, Die Besteuerung international verflochtener Gesellschaften, 431. Vgl. Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 9 u. Art. 23A OECD-MA Rz. 57; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.291 ff.; Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 188; Liebchen, Beteiligungen an ausländischen Personengesellschaften, 107 ff. m.w.N.; vgl. hierzu auch BFH v. 24.3.1999 – I R 114/97, BStBl. II 2000, 402. So auch österreichischer VwGH, Erk. v. 25.9.2001, IStR 2001, 755.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
3.67 Somit kommen als Rechtsgrundlagen für eine Gewinnberechtigung zwischen verbundenen Unternehmen nur die relevanten Regelungen des innerstaatlichen Rechts in Betracht. Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass es keine Möglichkeit zu einer Gewinnberechtigung gibt, wenn innerstaatliche Berichtigungsvorschriften fehlen.1 DBA-Gewinnberichtigungsklauseln i.S. des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA entfalten daher keine sog. „self-executing“-Wirkung, sondern räumen dem Sitzstaat des betreffenden Unternehmens lediglich die Möglichkeit zur Korrektur des verkürzten Gewinns ein.2
3.68 Sind hingegen nationale Berichtigungsvorschriften vorhanden, ist zu prüfen, welche Schrankenwirkung die betreffenden DBA-Normen gegenüber den nationalen Regelungen entfalten. Mithin stellt sich die Frage, welche Reichweite Art. 9 Abs. 1 OECD-MA – präziser: die Art. 9 Abs. 1 OECDMA entsprechende Norm des jeweiligen DBA – gegenüber den dargestellten nationalen Einkünftekorrekturvorschriften zukommt. Dazu bestehen divergierende Ansichten: Die Finanzverwaltung3 sowie Teile des Schrifttums4 vertreten in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass den Art. 9 Abs. 1 OECD-MA nachgebildeten DBA-Vorschriften eine rein deklaratorische Bedeutung zukommt. Infolgedessen seien Einkünftekorrekturen auf der Rechtsgrundlage nationaler Gesetzesnormen zulässig, auch wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA nicht erfüllt sind. Dieser Ansicht steht die wohl h.M. der Literatur entgegen, die von einer Sperrwirkung der Art. 9 Abs. 1 OECD-MA folgenden DBA-Klauseln ausgeht.5 Insoweit beschränke die entsprechende abkommensrechtliche Norm die Anwendung der innerstaatlichen Einkünftekorrekturvorschriften.
3.69 Dieser Sperrwirkung des Art. 9 OECD-MA kommt insbesondere im Zusammenhang mit beherrschenden Gesellschaftern Bedeutung zu, wenn eine Einkünftekorrektur mittels der vGA auf rein formalen Beanstandungen beruht (Rz. 3.22). Nach der bisher einzigen – und rechtskräftigen –
1 Vgl. Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 18. 2 Vgl. hierzu BFH v. 12.3.1980 – I R 186/76, BStBl. II 1980, 531; Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 99; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.291u. Rz. 18.67; Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 188. 3 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 1.2.1 letzter Satz; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 6.1.1. 4 Vgl. Höppner, StBp 1981, 58; Weber in Institut für Finanzen und Steuern, Bonn 1981, Brief 204, 14; Flockermann, DStR 1982, 341; Menck, FR 1994, 72. 5 Vgl. Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 20 f.; Wassermeyer in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 76 f.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.292; Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 188; Becker in G/K/G, Art. 9 OECDMA Rz. 85 ff.; Haas in FS Schaumburg, 730 f.
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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs
Entscheidung des FG Köln vom 22.8.20071 zur Auslegung von Art. 4 DBA-Großbritannien, der Art. 9 OECD-MA inhaltlich entspricht, entfalten Art. 9 OECD-MA entsprechende Bestimmungen eine Sperrwirkung gegenüber rein formalen Beanstandungen. Insofern kann eine Einkünftekorrektur nicht durchgeführt werden. Mit Urteil vom 31.10.2011 hat auch das FG Hamburg2 entschieden, dass es aufgrund der Sperrwirkung der Art. 9 OECD-MA entsprechenden Regelung des Art. 6 DBA-Niederlande nicht auf die formalen Anforderungen des Fremdvergleichs ankommt. Im Urteilssachverhalt war streitig, ob für die konzerninterne Erbringung von Dienstleistungen gegen Kostenumlage eine wirksame vorherige Vereinbarung bestand. Das FG Hamburg folgt ausdrücklich der Auffassung des FG Köln,3 dass eine Gewinnkorrektur nur insoweit zulässig ist, als sie die materielle Angemessenheit betrifft. Da gegen das Urteil Revision eingelegt worden ist, wird der BFH erstmals Gelegenheit haben, zur Sperrwirkung der Art. 9 OECD-MA entsprechenden Regelungen gegen rein formale Beanstandungen Stellung zu nehmen. Trotz dieser Sperrwirkung ist es allerdings erforderlich, die zwischen den Vertragsparteien vereinbarten Regelungen hinreichend zu konkretisieren, um eine Angemessenheitsprüfung überhaupt durchführen zu können. Die Bedeutung der DBA-Berichtigungsklauseln liegt primär in einer international übereinstimmenden Anwendung des Fremdvergleichs. Ein international anerkannter Korrekturmaßstab soll einerseits gewährleisten, dass Unternehmensgewinne nur in dem Staat besteuert werden, in dem sie erwirtschaftet wurden, andererseits hat man bei Verständigungsverfahren den Vorteil, mit dem Grundsatz des Fremdvergleichs über ein gemeinsames Abgrenzungskriterium zu verfügen, auf dessen Basis eine Einigung möglich ist. Die Kodifizierung des Fremdvergleichs auf supranationaler Ebene erwächst aus der Erkenntnis, dass eine Einigung über die Besteuerungskompetenzen für Gewinne international verbundener Unternehmen nur dann möglich ist, wenn die Vertragsstaaten über einen anerkannten und verbindlichen Berichtigungsmaßstab verfügen.4 Zur Konkretisierung und international einheitlichen Interpretation des Fremdvergleichsmaßstabs dienen der OECD-Musterkommentar zu Art. 9 OECD-MA, die diversen OECD-Verrechnungspreis-Berichte5 sowie seither vor allem die OECDLeitlinien. Damit ist eine internationale Basis für die Einkunftsabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen geschaffen worden. 1 Vgl. FG Köln v. 22.8.2007 – 13 K 647/03, rkr., EFG 2008, 161; Schaumburg, Internationales Steuerecht3, Rz. 18.87 m.w.N., Baumhoff/Greinert, IStR 2008, 353; Rasch, IWB Fach 3a Gruppe 1, 1103; Strunk/Kaminski, Stbg 2008, 211; Kaminski in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 704 f. 2 Vgl. FG Hamburg v. 31.10.2011 – 6 K 179/10, Rev. eingelegt (Az. des BFH: I R 75/11), IStR 2012, 190. Siehe hierzu auch Rasch, IWB 2012, 198 ff. 3 Vgl. FG Köln v. 22.8.2007 – 13 K 647/03, EFG 2008, 161. 4 Vgl. Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 20. 5 1979, 1984 u. 1995/96.
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3.70
Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
III. Merkmale des Fremdvergleichs 3.71 Der Fremdvergleich als Instrument zur Ermittlung eines quantitativen Vergleichsmaßstabes (sog. Fremdpreis oder Fremdvergleichspreis) fordert eine Verrechnung konzerninterner Lieferungen und Leistungen zu Preisen, die voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbart haben oder vereinbart hätten.1 Als die zwei dominanten Merkmale des Fremdvergleichs sind dabei die Unabhängigkeit der Geschäftspartner (Unternehmen) und die Vergleichbarkeit der Verhältnisse anzusehen. Das erste Merkmal steht für den Wortbestandteile „Fremd-“, das zweite Merkmal für den Wortbestandteil „-vergleich“. Die Wahl des Verfahrens zur Ermittlung von Vergleichstatbeständen bei der Beurteilung der Angemessenheit von Verrechnungspreisen ist allein davon abhängig, wie sich im konkreten Einzelfall die beiden charakteristischen Merkmale des Fremdvergleichs – Unabhängigkeit der Geschäftspartner einerseits, Vergleichbarkeit der Verhältnisse andererseits – darstellen. 1. Unabhängigkeit der Geschäftspartner a) Tatsächliche Unabhängigkeit
3.72 Im Rahmen des Merkmals der Unabhängigkeit der Geschäftspartner ist zwischen tatsächlicher und fiktiver Unabhängigkeit zu unterscheiden. Diese Unterscheidung ist im Hinblick auf die Technik eines vorzunehmenden Fremdvergleichs, insbesondere bei Anwendung der sog. Standardmethoden (Rz. 3.174 ff.), erforderlich. Sind zwei Geschäftspartner nach der nachfolgend dargestellten Definition als tatsächlich unabhängig anzusehen, so erübrigt sich die Zugrundelegung einer fiktiven Unabhängigkeit. Die fiktive Unabhängigkeit ist daher nur im Fall des Nicht-Vorhandenseins von Geschäften zwischen tatsächlich Unabhängigen von Bedeutung.
3.73 Die Rechtsnormen des deutschen Steuerrechts zur Einkunftsabgrenzung, die einen Fremdvergleich fordern (Rz. 3.19 ff.), enthalten keine Anhaltspunkte zur Bestimmung des Begriffs des unabhängigen Dritten. Auch die VWG 1983 erläutern in Tz. 1.3.2. in Anlehnung an § 1 Abs. 2 AStG lediglich den Begriff der „nahe stehenden“ Person als Tatbestandsvoraussetzung einer Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG. Es stellt sich daher die Frage, ob Geschäftsbeziehungen zwischen Personen bzw. Unternehmen, die nicht als „nahe stehende“ Personen qualifiziert werden können, als solche zwischen unabhängigen Dritten anzusehen sind. Gegen die Annahme einer komplementären Beziehung zwischen dem Begriff der „nahe stehenden Person“ und dem des „unabhängigen Dritten“ sprechen die unterschiedlichen Zwecksetzungen dieser beiden Begriffs1 So auch die deutsche Finanzverwaltung, vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.1.4.
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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs
kategorien.1 Daher sollte von einer tatsächlichen Unabhängigkeit der Unternehmen immer nur dann ausgegangen werden, wenn weder der leistungserbringenden Unternehmung noch der leistungsempfangenden Unternehmung Mittel zur Verfügung stehen, die geeignet sind, „in allen wesentlichen Punkten von unternehmenspolitischer Bedeutung auf die Geschäftsführung eines anderen Unternehmens – auch gegen dessen Widerstand – einzuwirken“.2 Von einer Unabhängigkeit der Unternehmen ist somit immer dann auszugehen, wenn eine Einflussnahme auf das Entscheidungsverhalten der einzelnen Geschäftspartner, die über den aus der Geschäftsbeziehung selbst entstehenden Einfluss hinausgeht, ausgeschlossen ist.3 b) Fiktive Unabhängigkeit Durch die Verwendung des Konjunktivs in der Formulierung „die voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbart hätten“ gibt der Gesetzgeber in § 1 Abs. 1 AStG einen Hinweis darauf, dass bei einem Fremdvergleich nicht nur die unter vergleichbaren Verhältnissen zustande gekommenen Preise zwischen tatsächlich unabhängigen Unternehmen als Vergleichsmaßstäbe verwendet werden dürfen, sondern dass im Fall des Nicht-Vorhandenseins von vergleichbaren Geschäften zwischen tatsächlich Unabhängigen dafür ersatzweise auch eine fiktive Unabhängigkeit zugrunde gelegt werden kann. Das setzt jedoch voraus, dass Klarheit darüber besteht, auf welche Unternehmensbereiche und in welchem Ausmaß der Hilfsmaßstab der „fiktiven Unabhängigkeit“ anzuwenden ist.
3.74
Eine Möglichkeit besteht darin, unter einer fiktiv unabhängigen Unternehmung eine völlig aus der Konzernstruktur herausgelöste Unternehmung zu verstehen. Um den „effektiven“ Gewinn dieser fiktiv selbständigen Unternehmung ermitteln zu können, müssen alle gewinnrelevanten Einflüsse, die auf die Konzernzugehörigkeit bzw. Zugehörigkeit zum Unternehmensverbund zurückzuführen sind, als nicht erwünschte Gewinnmanipulationen eliminiert werden.4 Dazu gehören sowohl passive als auch aktive Konzerneffekte. Zu den passiven Konzerneffekten zählt man solche Vorteile, die allein aus der Konzernzugehörigkeit bzw. Zugehörigkeit zum Unternehmensverbund resultieren und sich beispielsweise in erhöhter Kreditwürdigkeit, verbilligter Einkaufsmöglichkeit, Risikostreuung und verbesserten Absatzmöglichkeiten niederschlagen. Als aktive Konzerneffekte bezeichnet man alle Eingriffe der Spitzeneinheit in den
3.75
1 Vgl. Kumpf, Steuerliche Verrechnungspreise in internationalen Konzernen, 144. 2 Uecker, Der Vorteils-Nachteils-Ausgleich beim Abhängigkeitsbericht, 26. 3 Siehe auch Becker in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, V Anm. zu Tz. 1.3.2.6. 4 Vgl. Moxter, ZfbF 1961, 643; Kußmaul, RIW 1987, 681; siehe ferner Oestreicher, Konzern-Gewinnabgrenzung, 33.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
Betriebsablauf der Einzelgesellschaften, wie Entscheidungen über die künftige Absatz-, Beschaffungs-, Produktions-, Investitions-, Finanz-, Forschungs- und Entwicklungs-, Personal- und Sozialpolitik oder gar über Betriebsstilllegungen. Die Durchführung einer so verstandenen Einkünfteabgrenzung erfordert die völlige gedankliche Ausgliederung des einzelnen Unternehmens aus der wirtschaftlichen Einheit „Gesamtunternehmung“. Der Besteuerung wird damit – abweichend von der wirtschaftlichen Realität – ein fiktiver Erfolg zugrunde gelegt, den einzelne Unternehmungen zwar bei Verfolgung der eigenen Zielvorstellung erzielt hätten, aber aufgrund der Konzernzugehörigkeit bzw. Zugehörigkeit zum Unternehmensverbund und der dispositiven Eingriffe der Muttergesellschaft nicht erzielt haben.1 Diese Betrachtungsweise widerspricht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Gestalt des Prinzips der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit, da als Steuerbemessungsgrundlage hierbei kein tatsächlich erzieltes Ergebnis dient, sondern eine vom tatsächlichen Einkommen regelmäßig abweichende fiktive Größe.2
3.76 Eine andere Möglichkeit der Konkretisierung der Unabhängigkeitsfiktion des Fremdvergleichs geht von der Erkenntnis aus, dass der Gesamtgewinn des Unternehmensverbundes auf das Zusammenwirken aller Einzelgesellschaften zurückzuführen ist, zu dem diese – entsprechend ihrem Anteil an Leistungserstellung und -verwertung – ihren Beitrag, den sog. Gliedgewinn, leisten. Dabei sollen nicht die auf die Konzernverbundenheit zurückzuführenden Einflüsse der Gewinnentstehung eliminiert werden, sondern nur solche Eingriffe, die den Gewinnausweis manipulieren, m.a.W. durch die „Verschiebungen zwischen den Gewinnen der Gliedunternehmen bewirkt werden“.3 Solche buchtechnischen Gewinnverschiebungen, die zwar den jeweiligen Gewinn des einzelnen Gliedunternehmens verfälschen, sich jedoch nicht auf den Gewinn der Gesamtunternehmung auswirken, werden insbesondere hervorgerufen durch den Ansatz unangemessener Verrechnungspreise für den konzerninternen Liefer- und 1 Vgl. Bergsteiner, Gewinnverlagerungen, 34. 2 Letztlich führt die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes zwar immer zu einer Sollgewinnbesteuerung, indem der tatsächlich ermittelte Gewinn mit einem Sollgewinn verglichen wird, den der Steuerpflichtige erzielt hätte, wenn die von ihm mit nahe stehenden Personen getroffenen Vereinbarungen dem Fremdvergleich entsprechen würden. Der Fremdvergleichsgrundsatz soll allerdings lediglich Gewinnverlagerungen vermeiden und nicht etwa dazu führen, dass fiktive Tatbestände zur Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage herangezogen werden. Der BFH (v. 2.2.1994 – I R 78/91, BStBl. II 1994, 479) spricht konsequenterweise auch nur von einem „partiellen“ Sollgewinn, der durch den Fremdvergleich besteuert wird: „Der partielle Sollgewinn ist derjenige, den sie erzielt hätten, wenn keine Gewinnverlagerung zugunsten des Gesellschafters stattgefunden hätte.“ Vgl. in diesem Zusammenhang auch Wassermeyer, DB 2001, 2466; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 216. 3 Moxter, ZfbF 1961, 643.
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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs
Leistungsaustausch. Die Folge einer solchen Verrechnungspreispolitik besteht darin, dass ein Gewinn nicht bei derjenigen Unternehmenseinheit ausgewiesen wird, die ihn tatsächlich erwirtschaftet hat. Geht man davon aus, dass entsprechend einer solchen Betrachtungsweise der Gewinn nicht unter der Annahme einer völligen Herauslösung der Unternehmenseinheit aus der Konzernstruktur errechnet werden soll, sondern danach, welchen effektiven Beitrag die Einzelgesellschaft zum Gesamtgewinn leistete, so kommt dem Unabhängigkeitsbegriff nur die Bedeutung eines die Abrechnung konzerninterner Leistungen objektivierenden Elements zu.1 Eine solche Betrachtungsweise richtet ihr Augenmerk ausschließlich auf „verlagerungsneutrale“ Verrechnungspreise, die alle übrigen Maßnahmen innerhalb der Gesamtunternehmung, wie z.B. den organisatorischen Aufbau oder die funktionale Gliederung einer Unternehmensgruppe, trotz ihres Einflusses auf die Gewinnentstehung unberücksichtigt lässt.2 Unter einer fiktiv unabhängigen Unternehmung ist eine nicht aufgrund von Beteiligungsrechten anderer beeinflusste fiktive Vergleichsunternehmung zu verstehen, die ihre unternehmenspolitischen und betrieblichen Entscheidungen nur nach Maßgabe ihrer originären Zielfunktion trifft. Dabei wird unterstellt, dass deren unternehmerisches Entscheidungsfeld mit dem der zu betrachtenden abhängigen Unternehmung identisch ist. Es wird somit davon ausgegangen, dass die abhängige Einzelunternehmung zum Zeitpunkt der Festlegung angemessener Verrechnungspreise aus dem Konzern ausscheidet und unter Unabhängigkeit entscheidet.
3.77
Diese fiktive, ex-nunc-unabhängige Vergleichsunternehmung hat damit zwar das gleiche Entscheidungsfeld wie die abhängige Unternehmung. Die Einzelentscheidungen über Art, Umfang und Bewertung des Leistungsaustausches werden aber nicht determiniert durch die Zielfunktion der Gesamtunternehmung, sondern allein durch die Vorteilhaftigkeitsüberlegungen nunmehr autonomer Entscheidungsträger.3 2. Vergleichbarkeit der Verhältnisse a) Vorüberlegung Neben der Unabhängigkeit der Geschäftspartner besteht das zweite Merkmal des Fremdvergleichs in der Notwendigkeit einer Vergleichbarkeit der Verhältnisse. Dazu gehört sowohl die Betrachtung der einzelnen 1 Vgl. Klein, ZfB 1982, 157. 2 Zum Konzept der „verlagerungsneutralen“ Verrechnungspreise vgl. auch BFH v. 29.10.1997 – I R 24/97, BStBl. II 1998, 573; Baumhoff, DStR 1987, 497; Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 139; Kleineidam in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 110; Klein, BB 1995, 226 f.; Rödder, StbJb 1997/98, 117; Schnorberger/Waldens, IStR 2001, 39; a.A. Wassermeyer, in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 127. 3 Dazu – aufgrund der fehlenden Berücksichtigung der „strategischen Rente“ – kritisch Kleineidam, IStR 2001, 726 ff. Siehe ferner Schneider, DB 2003, 54 ff.
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3.78
Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
Leistung bzw. des einzelnen Geschäfts als auch die Berücksichtigung aller Umstände, die auf das einzelne Geschäft einwirken können. Letztlich hat damit die Durchführung eines Fremdvergleichs ihren Ausgangspunkt in einem Vergleich der konzerninternen Leistungsbeziehung mit potenziellen Referenztransaktionen unabhängiger Unternehmer im Hinblick darauf, ob diese unter gleichen oder zumindest vergleichbaren Verhältnissen zustande gekommen sind.
3.79 Die Formulierung des Fremdvergleichsgrundsatzes in § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG könnte angesichts der Verwendung des Konjunktivs („vereinbart hätten“) eine Beschränkung nur auf den hypothetischen Fremdvergleich implizieren.1 Hiergegen spricht allerdings der systematische Zusammenhang, der zwischen § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG und § 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 AStG besteht. Zwar wird dort nur auf eine „Geschäftsbeziehung i.S. des Absatzes 1 Satz 1“ Bezug genommen, die Ausdrücke „Fremdvergleichswerte“, „uneingeschränkt vergleichbar“ und „eingeschränkt vergleichbare Werte“ stehen jedoch im Kontext des tatsächlichen Fremdvergleichs. Insofern ist es u.E. zweifelsfrei, dass der Fremdvergleichsgrundsatz für den hypothetischen wie für den tatsächlichen Fremdvergleich gleichermaßen gilt. Diese Feststellung erstreckt sich allerdings nicht auf die durch den Gesetzgeber vorgenommene Konkretisierung in Gestalt der Informationstransparenz, die § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes vorgibt (Rz. 3.155 ff.), sie hat – wenn überhaupt – allenfalls Berechtigung im Rahmen des hypothetischen Fremdvergleichs.2 Gleiches gilt für die Rechtsfigur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters in ihrer verdoppelten Ausprägung, die im Rahmen des tatsächlichen Fremdvergleichs verfehlt ist. Anderenfalls stellt sich die Frage, ob etwa im Rahmen eines äußeren Preisvergleichs abgeleitete Vergleichspreise für Referenztransaktionen nur deshalb auszuscheiden sind, weil das Handeln der Transaktionspartner dem Sorgfaltsmaßstab offenkundig nicht genügt. Die Vergleichbarkeit der Verhältnisse ist nach alledem auch und gerade bei Anwendung des tatsächlichen Fremdvergleichs von entscheidender Bedeutung.
3.80 Ausgangspunkt aller Überlegungen zur Ermittlung geeigneter Vergleichsobjekte muss die Erkenntnis sein, dass zwei voneinander unabhängige Geschäftsvorfälle nur unter der Prämisse des vollkommenen Marktes als absolut deckungsgleich zu qualifizieren sind und nur dann zwingend zu einem gleichen Ergebnis (Preis) führen, das außerdem als mathematisch exakt und ökonomisch als objektiv richtig zu werten ist. Aufgrund der Unvollkommenheit der Märkte, der unendlichen Vielgestaltigkeit autonomer unternehmerischer Verhaltensweisen und verschiedenster ökonomischer Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren ist jedoch ein exaktes Ergeb1 Vgl. Kaminski, RIW 2007, 594; Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 81; Wellens, IStR 2010, 155. 2 Vgl. hierzu Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 546; Wassermeyer, DB 2007, 536.
432
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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs
nis i.S. einer mathematisch genau fixierbaren Größe in aller Regel nicht denkbar.1 So betont Tz. 1.13 OECD-Leitlinien 20102 zu Recht, dass die Verrechnungspreisgestaltung keine exakte Wissenschaft sein kann, sondern zwangsläufig mit gewissen Unsicherheitsfaktoren behaftet sein muss. Im Übrigen kann es auch nach Einschätzung des BFH den einen, „richtigen“ Verrechnungspreis nicht geben, sondern lediglich eine „Bandbreite“ von Preisen ermittelt werden.3 Die Möglichkeit der Existenz von Preis- oder Wertbandbreiten sowohl bei Vornahme eines tatsächlichen Fremdvergleichs als auch bei Anwendung der Standardmethoden wird in § 1 Abs. 3 Satz 2 AStG ausdrücklich erwähnt („mehrere solcher Werte bilden eine Bandbreite“). Wenngleich es letztlich hierbei um den Fall der Anwendung der Preisvergleichsmethode geht, wo die beiden zentralen Anwendungsvoraussetzungen des tatsächlichen Fremdvergleichs (Unabhängigkeit der Geschäftspartner und Vergleichbarkeit der Verhältnisse) erfüllt sind, erfasst der Wortlaut dieser Regelung auch die Fälle, in denen mehrere Vergleichswerte durch die Anwendung der Wiederverkaufspreis- bzw. der Kostenaufschlagsmethode vorliegen und sich deshalb eine „Wertbandbreite“ ergibt. Dies beruht auf dem Umstand, dass der Gesetzgeber – in unzutreffender Weise – den tatsächlichen Fremdvergleich mit den Standardmethoden gleichsetzt (Rz. 3.173). Eigentlich passt der Wortlaut des § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG nur zur Preisvergleichsmethode. Tatsächlich wurde in einem ersten Entwurf zu § 1 Abs. 3 AStG auch nur sie in Satz 1 erwähnt.4 Später glaubte der Gesetzgeber, die Wiederverkaufspreis- und die Kostenaufschlagsmethode gleichrangig neben die Preisvergleichsmethode stellen zu können. Dadurch entstand die konzeptionelle wie methodische „Schieflage“.
3.81
Nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG können Preis- oder Wertbandbreiten somit unter den folgenden zwei Voraussetzungen entstehen:
3.82
– Durch Durchführung eines tatsächlichen Fremdvergleichs in Gestalt der Preisvergleichsmethode können mehrere Werte ermittelt werden, selbst wenn hierbei sachgerechte Anpassungen „im Hinblick auf die ausgeübten Funktionen, die eingesetzten Wirtschaftsgüter und die übernommenen Chancen und Risiken“ vorzunehmen sind, aber dennoch eine „uneingeschränkte Vergleichbarkeit“ gewährleistet ist. – Durch Anwendung der Wiederverkaufspreis- oder Kostenaufschlagsmethode können einer oder mehrere Werte ermittelt werden, selbst wenn hierbei sachgerechte Anpassungen „im Hinblick auf die aus1 Vgl. hierzu Baumhoff in FS Wassermeyer, 347 ff. 2 Vgl. Tz. 1.13 OECD-Leitlinien 2010, ferner Tz. 3.55 OECD-Leitlinien 2010 sowie hierzu Eigelshoven/Ebering in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Tz. 1.45 Anm. 209. 3 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; Baumhoff, IStR 2001, 752; Wassermeyer, WPg 2005, 15. 4 Vgl. hierzu Wassermeyer, DB 2007, 536 f.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
geübten Funktionen, die eingesetzten Wirtschaftsgüter und die übernommenen Chancen und Risiken“ vorzunehmen sind, aber dennoch eine „uneingeschränkte Vergleichbarkeit“ gewährleistet ist. – Durch Kombination aller drei Methoden (Preisvergleichs-, Wiederverkaufs- und Kostenaufschlagsmethode) können mehrere Werte ermittelt werden, für die eine „uneingeschränkte Vergleichbarkeit“ gegeben ist und die in einer Bandbreite zusammengefasst werden können. Liegt in diesen Fällen mehr als ein so ermittelter Wert vor, entsteht eine Bandbreite. Innerhalb dieser Preis- oder Wertbandbreite kann der Steuerpflichtige jeden Wert wählen1 und sich – im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH2 – an dem für ihn günstigsten Rand orientieren. b) Grad der Vergleichbarkeit
3.83 Vergleichbarkeit setzt im Unterschied zur Identität nicht voraus, dass die zu vergleichenden Verhältnisse absolut deckungsgleich sind; dennoch ist eine annähernde Gleichheit durch Übereinstimmung der Vergleichsobjekte in ihren wesentlichen Merkmalen erforderlich. Allerdings hat die Verrechnungspreispraxis – insbesondere im Rahmen der Datenbankanalyse3 – gezeigt, dass an das Kriterium der Vergleichbarkeit mangels Vergleichsmerkmalen keine überzogenen Anforderungen gestellt werden dürfen. So ist es in praxi i.d.R. nicht unproblematisch, geeignete Vergleichsunternehmen und Vergleichstransaktionen ausfindig zu machen. Vor diesem Hintergrund hat es sich als sinnvoll erwiesen, die Vergleichsfaktoren auf die wesentlichen preis- und gewinndeterminierenden Faktoren zu reduzieren.4 Dazu gehören insbesondere neben den von den Konzerneinheiten ausgeübten Funktionen die von ihnen getragenen Risiken sowie die von ihnen eingesetzten Produktionsmittel. aa) Uneingeschränkte versus eingeschränkte Vergleichbarkeit
3.84 § 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 AStG unterscheiden zwischen „uneingeschränkter“ und „eingeschränkter“ Vergleichbarkeit. Die Fremdvergleichswerte müssen mit dem Verrechnungspreis (ggf. nach Vornahme sachgerechter Anpassungen) „uneingeschränkt vergleichbar“ sein (Satz 1). Bei der Anwendung des tatsächlichen Fremdvergleichs muss der Steuerpflichtige dann einschätzen, ob noch uneingeschränkte Vergleichbarkeit gegeben 1 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.12.5 Buchst. a. 2 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171 sowie hierzu Baumhoff/ Ditz/Greinert, DStR 2005, 1554; Baumhoff in FS Wassermeyer, 352 ff.; Kaminski, RIW 2007, 596. 3 Vgl. zum Einsatz von Datenbanken auch Baumhoff, IStR 2003, 3 f.; Oestreicher/ Duensing, IStR 2005, 134; Scholz/Crüger, RIW 2005, 34; Tucha, IStR 2002, 175; Rehkugler/Vögele, BB 2002, 1937; kritisch Kolb, IWB Fach 3 Gruppe 1, 2391 ff.; Fischer/Looks/Schlaa, BB 2010, 160. 4 Vgl. Rehkugler/Vögele, BB 2002, 1939; Oestreicher/Duensing, IStR 2005, 136.
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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs
ist oder ob nur noch eingeschränkte Vergleichbarkeit (Satz 2) oder gar Unvergleichbarkeit vorliegt. Was unter „uneingeschränkter“ und „eingeschränkter“ Vergleichbarkeit zu verstehen sein soll, wird gesetzlich nicht konkretisiert. Dies ist umso beachtlicher, als die Auswahl des Verrechnungspreises bei Vorliegen einer Preisbandbreite von dieser Unterscheidung beherrscht wird. Während bei uneingeschränkt vergleichbaren Werten jeder Wert innerhalb der durch die Vergleichswerte gebildeten Preisbandbreite gewählt werden und sich der Steuerpflichtige – im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH1 – an dem für ihn günstigen Rand orientieren kann (§ 1 Abs. 3 Satz 1 AStG),2 ist bei eingeschränkt vergleichbaren Werten die Preisbandbreite einzuengen (§ 1 Abs. 3 Satz 3 AStG).
3.85
Die Kategorien „uneingeschränkt vergleichbar“ und „eingeschränkt vergleichbar“ sind neu und international keineswegs anerkannt. Zwar beschreibt Tz. 3.4.12.7 VWG-Verfahren, was nach der Auffassung der Finanzverwaltung unter „uneingeschränkter Vergleichbarkeit“ zu verstehen ist. Es ist allerdings mehr als fraglich, ob dieses Verständnis einer sachlich vernünftigen Gesetzesauslegung entspricht. So soll nach Tz. 3.4.12.7 Buchst. a VWG-Verfahren eine uneingeschränkte Vergleichbarkeit bestehen, „wenn
3.86
– die Geschäftsbedingungen identisch sind oder – Unterschiede in den Geschäftsbedingungen keine wesentliche Auswirkung auf die Preisgestaltung haben oder – Unterschiede in den Geschäftsbedingungen (z.B. unterschiedliche Zahlungsziele) durch hinreichend genaue Anpassungen beseitigt worden sind.“ Angesichts des weit gefassten Begriffs der Geschäftsbedingungen werden diese Voraussetzungen selten erfüllt sein, weshalb es über die „uneingeschränkte Vergleichbarkeit“3 häufig Streit geben wird. Eine Ausnahme mag für die Lieferung und Leistung homogener Güter und Waren, z.B. Rohstoffe einer bestimmten Kategorie und Güte, gelten. Anders ausgedrückt ist die bisherige Verwaltungsauffassung kaum praxistauglich. Noch schwieriger dürfte es sein, den Begriff der „eingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerte“ sachgerecht auszulegen. Tz. 3.4.12.7 Buchst. c VWG-Verfahren4 geht davon aus, dass sich die Abgrenzung ge1 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171 sowie hierzu Baumhoff/ Ditz/Greinert, DStR 2005, 1554; Baumhoff in FS Wassermeyer, 352 ff.; Kaminski, RIW 2007, 596. 2 Vgl. auch BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.12.5 Buchst. a. 3 BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.12.7 Buchst. a. 4 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.12.7 Buchst. c.
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3.87
Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
genüber der Unvergleichbarkeit „nicht allgemein entscheiden lasse“. Die eingeschränkte Vergleichbarkeit soll von Aufzeichnungen zur Vergleichbarkeitsprüfung abhängen. „Eingeschränkte Vergleichbarkeit“ soll gegeben sein, wenn die wesentlichen preisdeterminierenden Faktoren zwar zutreffend identifiziert wurden, wegen bestehender Informationsdefizite oder anderweitiger Unsicherheiten eine uneingeschränkte Vergleichbarkeit jedoch nicht gegeben ist bzw. sich auch mittels erforderlicher, bereits durchgeführter Anpassungsrechnungen nicht verlässlich herstellen lässt.1
3.88 Demgegenüber liegt „Unvergleichbarkeit“ vor, wenn sich eine oder mehrere wesentliche preisdeterminierende Faktoren erheblich von denjenigen der Referenztransaktionen unterscheiden und auch durch Anpassungsrechnungen nicht eliminiert werden können.2 Dies soll nach Tz. 3.4.12.7 Buchst. b VWG-Verfahren3 insbesondere der Fall sein, wenn spezielle, besonders wertvolle immaterielle Wirtschaftsgüter eingesetzt werden und sich die preisbestimmenden Funktionen und Risiken erheblich unterscheiden. Ferner geht die Finanzverwaltung davon aus, dass Dauerverluste bei Konzernvertriebs- oder Konzerndienstleistungsgesellschaften die Unvergleichbarkeit mit den Referenztransaktionen indizieren. bb) Direkte versus indirekte Vergleichbarkeit
3.89 Die VWG 1983 unterscheiden in Tz. 2.2.2. zwischen direkter und indirekter Vergleichbarkeit.4 Eine direkte Vergleichbarkeit ist gegeben, wenn die Verhältnisse entweder deckungsgleich sind bzw. mögliche Unterschiede zwischen Vergleichstatbeständen unwesentlich sind und deshalb keine beeinträchtigende Wirkung auf einen Vergleich haben oder innerhalb eines noch vertretbaren Ermessensspielraums liegen. Dies entspricht der Auffassung der OECD, die ausdrücklich darauf hinweist, dass die wirtschaftlich relevanten Gegebenheiten der verglichenen Situation lediglich „ausreichend vergleichbar sein“ sollen.5
3.90 Ist eine direkte Vergleichbarkeit aufgrund eines oder mehrerer Unterschiede zwischen den die Vergleichbarkeit beeinflussenden Faktoren nicht möglich, so ist zu prüfen, ob der Einfluss der abweichenden Faktoren eliminiert werden kann, um zumindest eine indirekte Vergleichbarkeit herzustellen. Von indirekter Vergleichbarkeit wird gesprochen, wenn offensichtliche Unterschiede zwischen den Vergleichstatbeständen 1 Vgl. Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Verf. Tz. 3.4.12.7 Anm. 235. 2 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.12.7 Buchst. b. 3 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.12.7 Buchst. b. 4 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.2.2. 5 Vgl. Tz. 1.33 OECD-Leitlinien 2010.
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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs
quantifiziert und durch Korrekturen bereinigt werden können, ohne dass die Vergleichbarkeit dadurch wesentlich beeinträchtigt wird. Die indirekte Vergleichbarkeit kommt damit zum Tragen, wenn identische oder nur unwesentlich abweichende Vergleichsobjekte nicht gefunden werden können. Sie setzt allerdings voraus, dass die Abweichungen der Vergleichsobjekte identifiziert und bewertet werden können. Insoweit sind Anpassungsrechnungen notwendig, mit deren Hilfe die unzureichende Vergleichbarkeit der zu bewertenden innerkonzernlichen Transaktion mit dem identifizierten Referenzobjekt ausgeglichen wird.1 Allerdings sind die Begriffe „direkte/indirekte Vergleichbarkeit“ einerseits und „uneingeschränkte/eingeschränkte Vergleichbarkeit“ andererseits nicht synonym zu betrachten. Bei der „indirekten“ Vergleichbarkeit können gem. Tz. 2.2.2. VWG 19832 „ungleichartige“ Geschäfte herangezogen werden, wenn der Einfluss der abweichenden Faktoren „eliminiert“ und die Preisabweichung „umgerechnet“ werden kann. Diese „Anpassungsrechnung“ wird in § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG, der an die uneingeschränkte Vergleichbarkeit anknüpft, dahin gehend konkretisiert, dass die sachgerechten Anpassungen „im Hinblick auf die ausgeübten Funktionen, die eingesetzten Wirtschaftsgüter und die übernommenen Chancen und Risiken“ vorzunehmen sind. Insoweit deckt der Begriff der uneingeschränkten Vergleichbarkeit i.S. des § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG sowohl die direkte als auch die indirekte Vergleichbarkeit mit ab.
3.91
c) Allgemeine Kriterien der Vergleichbarkeit Die Vergleichbarkeitsprüfung setzt die Existenz eines Kriterienkatalogs voraus, anhand dessen zu beurteilen ist, ob und inwieweit die gesetzliche Forderung nach gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen erfüllt ist. Aus der Rechtsprechung,3 den OECD-Leitlinien 20104 und den Verlautbarungen der Finanzverwaltung5 lassen sich brauchbare Hinweise für die Ausgestaltung eines Kriterienkataloges für die Vergleichbarkeit der Verhältnisse bei der Ermittlung von Fremdpreisen ableiten.
3.92
Danach ist eine Vergleichbarkeit immer dann gegeben, wenn sich die Vergleichstatbestände nach ihrer Art, ihren Merkmalen, ihrem Umfang und den maßgeblichen Markt- bzw. Branchenverhältnissen entsprechen. Kon-
3.93
1 Zur Notwendigkeit und Durchführung entsprechender Anpassungsrechnungen vgl. Scholz/Ackermann/Schmitt, IWB Fach 3 Gruppe 1, 1779 ff.; Dawid/Dorner, IWB Fach 10 Gruppe 2, 1549 ff.; Rehkugler/Vögele, BB 2002, 1944. 2 BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.2.2. 3 Vgl. BFH v. 1.2.1967 – I 220/64, BStBl. III 1967, 497; siehe ferner BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. 4 Vgl. Tz. 1.38–1.63 OECD-Leitlinien 2010. 5 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 3.1.2; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.12.7.
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kretisiert man diese eher allgemeine Feststellung, so lässt sich in Anlehnung an Tz. 3.1.2. VWG 1983 und Tz. 1.38 ff. OECD-Leitlinien 2010 ein direkter Vergleich dann vornehmen, wenn zwischen den Vergleichsobjekten insbesondere folgende Merkmale übereinstimmen: – Die Art, Ausgestaltung, Qualität und der Umfang der Lieferungen und Leistungen. – Die allgemeinen Marktverhältnisse, in denen die Lieferungen und Leistungen erstellt, genutzt, verbraucht oder veräußert werden. – Die Funktionen, die von den Unternehmenseinheiten tatsächlich wahrgenommen werden, sowie die übernommenen Risiken und eingesetzten Mittel. – Die Marktstufe, auf der die Lieferungen und Leistungen ausgetauscht werden. – Die vereinbarten Vertrags- und Lieferbedingungen. – Die Fristigkeit der Liefer- und Leistungsbeziehungen. – Die unternehmerischen Zielvorstellungen sowie die betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen von Produzent und Abnehmer bzw. Leistungserbringer und -empfänger. d) Funktions- und Risikoanalyse aa) Begriff und Gegenstand
3.94 Eine Prüfung der Vergleichbarkeit der Verhältnisse setzt insbesondere eine Analyse der ausgeübten Funktion voraus, die ein Unternehmen innerhalb des Verbundes tatsächlich wahrnimmt. Von dieser Funktionsanalyse sprechen sowohl Tz. 1.42 OECD-Leitlinien 2010 als auch § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG. Während sich die innerstaatliche Rechtssetzung in einem annexierten Klammerausdruck an die Formulierung „ausgeübten Funktionen, eingesetzten Wirtschaftsgüter und übernommenen Chancen und Risiken“ erschöpft, bestimmen die OECD-Leitlinien 2010 jedenfalls deren Zwecksetzung. Hiernach ist die Funktionsanalyse darauf gerichtet, die von den Transaktionspartnern ausgeübten wirtschaftlich erheblichen Tätigkeiten und übernommenen Verantwortlichkeiten, die eingesetzten Wirtschaftsgüter sowie die übernommenen Risiken festzustellen und zu vergleichen.1 Dies verdeutlicht bereits hinreichend, dass die so bezeichnete „Funktionsanalyse“ letztlich integraler Bestandteil einer „Funktions- und Risikoanalyse“ ist,2 wie sie in § 4 Nr. 3 GAufzV jedenfalls begrifflich zutreffend verwandt wird. Die VWG 1983 erwähnen sie begrifflich gar nicht, behandeln sie aber inhaltlich.3 Die VWG-Verfahren
1 Vgl. Tz. 1.42 Satz 3 OECD-Leitlinien 2010. 2 Vgl. auch Tz. 9.10 OECD-Leitlinien 2010. 3 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.1.3.
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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs
schließlich gehen von einer Verpflichtung zur Durchführung einer Funktions- und Risikoanalyse aus.1 Von einer solchen generellen Verpflichtung geht offenkundig auch § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG aus, wenn er die zutreffende, nämlich mit dem Fremdvergleich vereinbare Ermittlung von Verrechnungspreisen zu regeln beabsichtigt. Ein solcher Regelungsgegenstand kann aber angesichts von § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG keinen Bestand haben. Denn dieser sanktioniert nicht die Ermittlung eines Verrechnungspreises, sondern dessen Abweichen vom Fremdvergleichspreis und dies insbesondere nur dann, wenn sich hierdurch eine Minderung der Einkünfte eingestellt hat. Vor diesem Hintergrund unterliegen unangemessen hohe Verrechnungspreise jedenfalls keiner Einkünftekorrektur nach § 1 AStG, obgleich sie mit dem Fremdvergleich unvereinbar sind. Hier ist die Unterscheidung zwischen Verrechnungspreis und Fremdvergleichspreis grundlegend.2 Eine rechtliche Verpflichtung zur Durchführung einer Funktions- und Risikoanalyse kann nach alledem nicht aus § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG erwachsen. Sie kann sich allenfalls aus § 90 Abs. 3 Satz 2 AO i.V.m. § 1 Abs. 1 und 3 sowie § 4 Nr. 3 GAufzV3 ergeben (Rz. 3.453).4 Wenngleich man auch hier wird feststellen müssen, dass lediglich die Dokumentation, nicht aber die Vornahme einer Funktions- und Risikoanalyse geregelt ist.
3.95
Dessen unbenommen spielt die Funktionsanalyse für die praktische Beurteilung internationaler Verrechnungspreise sowohl national wie auch international eine zentrale Rolle. Sie ist tragender Bestandteil jeder Vergleichbarkeitsanalyse und hat in der Praxis eine herausragende Bedeutung, um dokumentieren zu können, welche Konzerngesellschaften welche Funktionen, welche Risiken und welche Chancen übernehmen. Auch die OECD-Leitlinien 2010 bekennen sich ausdrücklich zur Funktionsanalyse.5 Grundlage dieser Betrachtungsweise ist die Erkenntnis, dass der von einem Geschäftspartner geforderte Preis umso höher ist, je mehr Funktionen und Risiken von diesem übernommen werden bzw. je höher seine eingesetzten Mittel im Rahmen der zu beurteilenden Geschäftsbeziehung sind6. Durch die VWG 19837 wie auch die VWG-Verfahren8 zieht sie sich wie ein „roter Faden“. Bei der Funktionsanalyse handelt es sich allerdings um keine eigenständige Preismethode, sondern um
3.96
1 BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.11.4. 2 Vgl. Wassermeyer, DB 2007, 536. 3 GAufzV v. 13.11.2003, BGBl. I 2003, 2296. 4 Vgl. hierzu auch Cordes, Steuerliche Aufzeichnungspflichten bei internationalen Verrechnungspreisen, 88 ff. 5 Vgl. Tz. 1.42–1.51 OECD-Leitlinien 2010. 6 Vgl. Tz. 1.47 OECD-Leitlinien 2010; Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 216. 7 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.1.3, 2.2.3, 2.4.4 Buchst. a, 2.2.4, 3.1.2.1 Nr. 3 u. 3.1.3. 8 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.11.4.
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ein Instrument zur Sachverhaltsermittlung, -würdigung und -dokumentation. bb) Funktionen
3.97 Ebenso wenig wie der Begriff der Funktionsanalyse hatte bisher der Begriff der „Funktion“ eine gesetzliche Definition erfahren. Erst durch das Unternehmensteuerreformgesetz 20081 wurde diese Lücke mit § 1 Abs. 1 FVerlV geschlossen. Hiernach ist eine Funktion „eine Geschäftstätigkeit, die aus einer Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben besteht, die von bestimmten Stellen oder Abteilungen eines Unternehmens erledigt werden. Sie ist ein organischer Teil eines Unternehmens, ohne dass ein Teilbetrieb im steuerlichen Sinn vorliegen muss.“ Die Verwendung der Begriffsdefinition in der FVerlV, deren Regelungsgegenstand „die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes nach § 1 Abs. 1 des Außensteuergesetzes in Fällen grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen“ ist, lässt Zweifel daran aufkommen, ob diese Begriffsdefinition auch für Zwecke der Funktions- und Risikoanalyse maßgeblich ist. § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG verwendet jedenfalls für Zwecke der Funktionsanalyse denselben Begriff wie § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG für den Tatbestand der Funktionsverlagerung. Dies spricht für identische Begriffsmerkmale, wenngleich beide Regelungen von unterschiedlichen Zwecksetzungen getragen sind. Während die Funktionsanalyse, u.a. auf Grundlage der ausgeübten Funktionen, letztlich darauf gerichtet ist, den Anteil des jeweiligen Verbundunternehmens an der Gesamtwertschöpfung (Wertschöpfungsbeitrag) und die wertreibenden Aktivitäten zu identifizieren und dementsprechend zu vergüten,2 beabsichtigt der Gesetzgeber mittels der Besteuerung von Funktionsverlagerungen die „Sicherung des deutschen Steueraufkommens“ sowie „die Besteuerung in Deutschland geschaffener Werte“3 nicht zuletzt durch Erfassung geschäftswertbildender Faktoren (Rz. 3.358). Beiden Zwecksetzungen ist gemein, dass sie sich an der Wertschöpfung ausrichten. Allerdings ist die Besteuerung von Funktionsverlagerungen nicht auf den Beitrag an einer tatsächlich realisierten Wertschöpfung gerichtet, sondern auf die Erfassung eines Wertschöpfungspotenzials.
3.98 An dieser Stelle soll darauf verzichtet werden, den Funktionsbegriff in dem speziell auf Funktionsverlagerungen zugeschnittenen Begriffsverständnis zu diskutieren (Rz. 3.341 ff.). Für Zwecke der Funktionsanalyse reicht es aus, die beispielhafte Begriffsbildung der VWG 1983,4 der Be-
1 Unternehmensteuerreformgesetz 2008 (UntStRefG 2008) v. 14.8.2007, BStBl. I 2007, 1912; hierzu z.B. Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, passim. 2 Vgl. Vögele/Fügemann in V/B/E, Verrechnungspreise3, E Rz. 87. 3 BR-Drucks. 220/07 v. 30.3.2007, 144. 4 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.1.3.
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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs
triebsstätten-VWG1 sowie der VWG-Verfahren2 („Herstellung, Montage, Forschung und Entwicklung, verwaltungsbezogene Leistungen, Absatz, Dienstleistungen“) bzw. der OECD-Leitlinien 2010 („Design, Herstellung, Montage, Forschung und Entwicklung, Service, Einkauf, Vertrieb, Marketing, Werbung, Transport, Finanzierung und Management“)3 zugrunde zu legen. Auf eine vergleichbare Begriffsbildung gehen die sog. betriebswirtschaftlichen Hauptfunktionen – Produktion (ausgeübt Rz. 3.243 ff.),
als
Eigenproduzent
oder
Lohnfertiger,
– Vertrieb (ausgeübt als Eigenhändler, Kommissionär oder Handelsvertreter, Rz. 3.256 ff.), – Dienstleistung, – Finanzierung sowie – Forschung und Entwicklung zurück, die einschließlich ihrer Kombinationen, z.B. in Form von sog. Profitcenter, im Folgenden erfasst werden sollen. Eine Funktionsanalyse ist auf der Grundlage derjenigen Funktionsverteilung vorzunehmen, wie sie sich im Konzern tatsächlich darstellt. Das bedeutet, dass die Funktionen der einzelnen nahe stehenden Unternehmen so zu beachten sind, wie sie zwischen den verbundenen Unternehmen wahrgenommen werden.4 Letztlich ist die Konzernleitung frei, den organisatorischen Aufbau und die funktionale Untergliederung jeder Unternehmensgruppe nach ihrem Ermessen zu gestalten.5 Entscheidet sie sich z.B. für einen Produzenten in Irland und eine Vertriebsgesellschaft in Deutschland oder einen Kommissionär in Frankreich, so muss die Finanzverwaltung diese Entscheidung hinnehmen. Sie kann nicht die tatsächliche Aufgabenverteilung im Konzern – von Missbrauchsfällen i.S. des § 42 AO abgesehen – durch eine fiktiv neue Organisationsstruktur bzw. Aufgabenverteilung ersetzen. Vielmehr ist jede Unternehmensgruppe im organisatorischen Aufbau und in der funktionalen Gliederung ihrer Tätigkeitsbereiche frei. Die Finanzverwaltung kann hierbei lediglich überprüfen, ob die Preise für den Liefer- und Leistungsaustausch innerhalb dieser vorgefundenen Aufgaben- bzw. Funktionsverteilung sachgerecht festgesetzt wurden.
3.99
Dies folgt nicht zuletzt aus der Forderung in Tz. 1.64 OECD-Leitlinien 2010, dass bei der steuerlichen Beurteilung eines Geschäftsvorfalls von
3.100
1 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076 Tz. 2.3.1 Abs. 3. 2 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.11.4. 3 Vgl. Tz. 1.43 OECD-Leitlinien 2010. 4 Vgl. Eigelshoven/Ebering in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Tz. 1.21 Anm. 97. 5 Vgl. Tz. 9.163 OECD-Leitlinien 2010.
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dem tatsächlich abgewickelten Geschäft auszugehen ist, wie es zwischen den verbundenen Geschäftspartnern gestaltet wurde.1 Denn es impliziert freilich die Anerkennung der zugrunde liegende Funktions- und Risikoverteilung zwischen den verbundenen Geschäftspartnern. Diese ausdrückliche Anerkennung der Dispositionsfreiheit im Unternehmensverbund gehört zu den tragenden Grundsätzen der OECD-Leitlinien 2010.2 Hiernach soll sich die Finanzverwaltung nicht als der „bessere Kaufmann“ gerieren können. Vielmehr beschränkt sich die Umdeutung der Verbunddisposition auf außergewöhnliche Fälle.3 Die OECD-Leitlinien 2010 verdeutlichen und unterstreichen den Ausnahmecharakter in Tz. 9.168.4 Als diese benennen die OECD-Leitlinien 2010 zwei Fallgruppen, nämlich – dass sich der wirtschaftliche Gehalt eines Geschäfts von seiner äußeren Form unterscheidet oder – dass die „kaufmännische Sinnhaftigkeit“ („commercially rational manner“) der Verbundorganisation insgesamt nicht gegeben ist, d.h., dass sie von dem abweicht, was ordentlich und gewissenhaft handelnde Geschäftsleiter jemals vereinbart hätten, und hierdurch die Finanzverwaltung an der Überprüfung der Verrechnungspreise gehindert ist.5 Hierbei ist die ökonomische Sinnhaftigkeit einer verbundinternen Funktions- und Aufgabenverteilung nicht vor dem Hintergrund zu hinterfragen, dass sie zwischen unverbundenen Unternehmen so nicht vorstellbar wäre.6 Denn die Tatsache, dass ein verbundinterner Lieferungs- und Leistungsaustausch zwischen unverbundenen Marktteilnehmern nicht identifizierbar ist, impliziert nicht dessen Unvereinbarkeit mit dem Arm’s-Length-Grundsatz“.7
3.101 Eine inhaltliche Präzisierung dessen, was „kaufmännische Sinnhaftigkeit“ bzw. „kaufmännische Vernunft“ („commercial rationality“) konkret ausmacht, erfolgt nicht. Lediglich im Zusammenhang mit der Anerkennung von Restrukturierungstransaktionen erfolgen diesbezügliche Konkretisierungen. Nach Auffassung der OECD soll sie von den realistischerweise vorhandenen Handlungsalternativen („eindeutig günstigere
1 Vgl. 1.64 OECD-Leitlinien 2010. 2 Vgl. auch Eigelshoven/Ebering in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Tz. 1.36 Anm. 161; Baumhoff/Puls, IStR 2009, 76 f.; Werra, IStR 2009, 82. 3 Vgl. auch Tz. 9.169 OECD-Leitlinien 2010. 4 „The word ‚exceptional‘ in this context is similar in meaning to ‚rare‘ or ‚unusual‘.“ 5 Vgl. Tz. 1.65 OECD-Leitlinien 2010 sowie zur Konkretisierung Tz. 1.66 ff. OECD-Leitlinien 2010. 6 Siehe hierzu auch Tz. 9.173 OECD-Leitlinien 2010. 7 Vgl. Tz. 1.11, 9.19 u. 9.52 OECD-Leitlinien 2010. So zutreffend auch Tz. 147 der VWG-Funktionsverlagerung; vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 3.1 Rz. 147.
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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs
Handlungsalternative“) abhängig gemacht werden können.1 Im Schrifttum wird der den beteiligten Finanzverwaltungen eingeräumte Beurteilungsspielraum kritisch gesehen. Letztlich birgt er die Gefahr, dass die Finanzverwaltung die „kaufmännische Vernunft“ vor dem Hintergrund ex post gewonnener Erkenntnisse reflektiert und ebendiese dem Steuerpflichtigen in Gestalt eines „perfect foresight“ entgegenhält. Diese widerspräche dem Grundsatz der Ex-ante-Betrachtung und wäre deshalb grundsätzlich abzulehnen. Die Ausführungen in Tz. 1.47 und 1.49 OECD-Leitlinien 2010, wonach die ausgeübten Funktionen bis zu einem gewissen Grade die Risikoaufteilung und deren Auswirkungen wie bei einem Fremdgeschäft bestimmen, dürfen nicht dahin gehend verstanden werden, dass eine Funktionsverteilung innerhalb eines Konzerns von den Finanzbehörden „umfingiert“ werden kann. Die Funktionsverteilung innerhalb eines Konzerns ist nicht Gegenstand einer Verrechnungspreisprüfung. Maßgebend ist die Aufgabenverteilung, die aufgrund der autonomen Entscheidung der Konzernleitung über die Arbeitsteilung und Aufgabenverteilung im Konzern vorgenommen wurde.2 Letztlich ist nur zu analysieren, welche Eigenschaft das Unternehmen und die ihm von der Konzernleitung zugewiesene Funktion erfüllt, etwa als ein „Entrepreneur“ (Rz. 3.116) mit der Übernahme aller aus der Tätigkeit stammenden Risiken und Gewinnchancen, als Teilnehmer bzw. Handlungsbeauftragter eines (weniger risikobehaftenden) Interessenpools oder als „verlängerte Werkbank“ bzw. Lohnhersteller des Auftraggebers i.S. eines „Routineunternehmens“ (Rz. 3.116).
3.102
Die deutsche Finanzverwaltung hat jüngst in den VWG Funktionsverlagerung3 erstmals ihre Auffassung zur unternehmerischen Dispositionsfreiheit geäußert. Im Einklang mit den OECD-Leitlinien 20104 anerkennt sie die unternehmerische Freiheit darüber zu entscheiden, ob und in welchem Umfang Funktionen ausgeübt, Risiken und Gewinnchancen übernommen und welche Ressourcen eingesetzt werden. Ausdrücklich formulieren die VWG Funktionsverlagerung ihr Regelungsziel unter „Respektierung der unternehmerischen Dispositionsfreiheit“.5 Die unternehmerische Dispositionsfreiheit erstreckt sich auf Entscheidungen darüber, ob Funktionen selbst wahrgenommen, bei einem anderen verbundenen Unternehmen konzentriert, auf mehre Unternehmen aufgeteilt oder mit ihrer Ausübung Subunternehmer beauftragt werden. Die konkrete Disposition des Unternehmens ist grundsätzlich aus den abge-
3.103
1 Vgl. Baumhoff/Puls, IStR 2009, 77. Zur Kritik an den angeführten Beispielen vgl. Werra, IStR 2009, 83. 2 Vgl. Werra, IStR 2009, 82. 3 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 3.1 Rz. 145 ff. 4 Vgl. Tz. 1.64 u. 9.163 OECD-Leitlinien 2010. 5 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 3.1 Rz. 145 ff.
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schlossenen Verträgen abzuleiten. Zutreffend werden in Tz. 97 der VWG Funktionsverlagerung1 formale Anforderungen („in Form von im Voraus abgeschlossenen, klaren und eindeutigen [möglichst schriftlichen] Verträgen“) der Nachweis- bzw. Beweisvorsorge zugeordnet. Ihr Fehlen erhöht die Darlegungslast des Steuerpflichtigen im Rahmen der erweiterten Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten nach § 90 Abs. 2 AO über den abgeschlossenen Vertrag als solchen und dessen Inhalt.2 Im Übrigen folgt die deutsche Finanzverwaltung uneingeschränkt den OECD-Leitlinien 2010, indem sie die Anerkennung der unternehmerischen Disposition als Regelfall setzt und eine Abweichung hiervon an die in Rz. 3.100 benannten Ausnahmefälle knüpft.3 cc) Risiken
3.104 Eine Prüfung der Vergleichbarkeit der Verhältnisse setzt im Rahmen der Funktions- und Risikoanalyse außerdem eine Analyse der von den verbundenen Unternehmen übernommenen Risiken voraus (Risikoanalyse). Zu unterscheiden sind in diesem Zusammenhang insbesondere:4 – Marktrisiken, wie z.B. Produktions-, Beschaffungs- und Absatzschwankungen, – Verlustrisiken, die durch Eigentum und Gebrauch von Wirtschaftsgütern (z.B. Maschinen) entstehen können, – Vorratsrisiken, verstanden als das Risiko der fehlenden Vermarktung oder Verderblichkeit von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen sowie unfertigen und fertigen Erzeugnissen, – Gewährleistungsrisiken, resultierend aus Produkthaftpflichtrisiken und Qualitäts- bzw. Garantiezusagen, – Forschungs- und Entwicklungsrisiken aufgrund vergeblicher bzw. ergebnisloser F&E-Aktivitäten, – Wechselkursrisiken aufgrund von Kursschwankungen zwischen dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und dem der Vertragserfüllung, – Kreditrisiken, bedingt durch mögliche Forderungsausfälle, – Zinsrisiken aufgrund sich veränderbarer Zinssätze,
1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.4 Rz. 97. 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 3.1 Rz. 145 ff. 3 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 3.1. Rz. 145 u. 148. 4 Vgl. u.a. Tz. 1.46 OECD-Leitlinien 2010; BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 3.1.2.1; v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774 Tz. 4.1.2 Rz. 204; Ditz, IStR 2002, 214; Vögele/Borck, IStR 2002, 176; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 302 f.
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– Auslastungsrisiken i.S. eines Leerkostenrisikos aufgrund nicht ausgelasteter sachlicher und personeller Kapazitäten. Die Risikoverteilung zwischen verbundenen Unternehmen ist ein wesentlicher Bestandteil der Funktions- und Risikoanalyse (zur Begriffsbestimmung vgl. Rz. 3.94 ff.). Grundsätzlich implizieren die ausgeübten Funktionen eine dementsprechende Risikoverteilung zwischen den verbundenen Vertragspartnern.1 Ebenso wie auf die Funktionsverteilung im Unternehmensverbund (Rz. 3.99 ff.) erstreckt sich die Dispositionsfreiheit der Konzernleitung aber auch auf die Allokation von Risiken. Hierbei entspringt es unmittelbar dem Fremdvergleichsgrundsatz, dass die Übernahme wirtschaftlicher Risiken nicht unentgeltlich erfolgt, sondern gewöhnlicherweise mit erhöhten Renditeerwartungen einhergeht.2 Hierbei ist entscheidend, dass nach dem Ex-ante-Grundsatz nur die erwartete Mehrrendite maßgeblich ist. Ob sich diese ex post auch tatsächlich einstellt, ist demgegenüber unbeachtlich.3
3.105
Angesichts der rechtlichen Selbständigkeit der Transaktionspartner wer- 3.106 den Risiken regelmäßig vertraglich geregelt4. Ausgangspunkt einer jeden Risikoanalyse müssen deshalb die vertraglichen Bestimmungen sein, die den vorgenommenen Transaktionen zugrunde liegen. Wenn die OECDLeitlinien 2010 hierzu feststellen, dass es einer „good practice“ verbundener Unternehmen entspräche, ihre Entscheidung über die Allokation bedeutsamer Risiken schriftlich und im Vorhinein zu dokumentieren,5 kann hierin keine Hinwendung zu formalen Fremdvergleichsgesichtspunkten – wie sie im Rahmen der vGA bei beherrschenden Gesellschaftern nach innerstaatlichem deutschen Steuerrecht zum Tragen kommen (Rz. 3.22) – erblickt werden. Vielmehr stellen die vertraglichen Vereinbarungen über die Verteilung der Risiken nur eine Erkenntnisquelle dar. Daneben kann sich diese aus anderen schriftlichen Verträgen, aus schriftlicher Korrespondenz und anderweitiger (nicht-schriftlicher) Kommunikation, dem allgemeinen Handelsbrauch sowie dem speziellen Unternehmensbrauch zwischen den verbundenen Unternehmen ergeben.6 Ferner gehen die OECD-Leitlinien 2010 in Tz. 9.11 ausdrücklich auf das Fehlen derartiger – allerdings schriftlicher – Vereinbarungen ein. In diesem Fall soll die Risikoverteilung aus der tatsächlichen Durchführung der vertrag1 Vgl. auch Tz. 1.47 OECD-Leitlinien 2010. 2 Vgl. Tz. 1.47 u. 9.10 OECD-Leitlinien 2010. Siehe hierzu auch BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 1.3 Rz. 13. 3 So wohl auch Tz. 9.10 OECD-Leitlinien 2010. 4 Insofern unterscheidet sich die Risikoallokation im Unternehmensverbund von derjenigen zwischen den rechtlich unselbstständigen Organisationseinheiten eines Einheitsunternehmens, zwischen denen angesichts ihrer rechtlichen Unselbstständigkeit Rechte und Pflichten vertraglich nicht begründet werden können; vgl. hierzu nur Ditz in W/A/D, Betriebsstätten Handbuch, Rz. 4.42. 5 Vgl. Tz. 9.11 OECD-Leitlinien 2010. 6 Vgl. hierzu auch Eigelshoven/Ebering in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Tz. 1.28 Anm. 128.
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lichen Beziehungen und ökonomischen Prinzipien – zu diesen rechnen auch Handelsbräuche1 – abgeleitet werden.2 Was die deutsche Verwaltungsauffassung anbelangt, rechnet die Erfüllung formaler Anforderungen zur Nachweis- und Beweisvorsorge (Rz. 3.99).3
3.107 Ungeachtet etwaiger vertraglicher Vereinbarungen muss eine – wie auch immer vorgenommene – Risikoverteilung mit den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen übereinstimmen, so wie sie sich angesichts der tatsächlichen Durchführung der Geschäftsbeziehung darstellen.4 Insofern ist keine rein rechtliche (nämlich vertragsgemäße), sondern eine wirtschaftliche Betrachtungsweise für die Feststellung der „wahren“ Risikoallokation zwischen den verbundenen Parteien maßgeblich. Ebenso wie die VWG 19835 stellen die OECD-Leitlinien 20106 in diesem Zusammenhang auf den „wirtschaftlichen Gehalt“ der Geschäftsbeziehung ab.7 Dem steht auch die Dispositionsfreiheit der Konzernleitung über die Verteilung der Risiken im Unternehmensverbund nicht entgegen, denn diese kommt gerade in der Ausgestaltung der tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse zum Ausdruck und nicht etwa in hiervon abweichenden vertraglichen Bestimmungen.
3.108 Von dieser Feststellung der Risikoverteilung – dem eigentlichen Kern der Risikoanalyse – zu trennen ist die Frage, ob aus dieser Disposition auch die konkreten verrechnungspreisbezogenen Schlussfolgerungen zu ziehen sind. Fraglich ist, ob sie als „kaufmännische und finanzielle Beziehungen“ i.S.v. Art. 9 Abs. 1 Buchst. b OECD-MA zu akzeptieren und der Bestimmung eines mit dem Fremdvergleich vereinbaren Verrechnungspreises zugrunde zu legen sind. Die OECD-Leitlinien 1995/96 haben hier noch in Tz. 1.27 – ebenso wie Tz. 1.49 OECD-Leitlinien 2010 – lediglich angedeutet, dass Fremdvergleichserwägungen eine bestimmte Risikoallokation tragen. Die OECD-Leitlinien 2010 führen nunmehr mit Abschn. 1 des Kap. 9 besondere Überlegungen zur Risikoverteilung an. Sie sollen Grundsätze für die Verteilung von Risiken zwischen verbundenen Unternehmen im Anwendungsbereich von Art. 9 OECD-MA und insbesondere für die Interpretation und Anwendung der Tz. 1.47–1.53 OECD-Leitlinien 2010 darstellen. Andererseits beschränken sich die OECD-Leitlinien 2010 auf diejenigen Bezüge, die das Kap. 9 selbst setzt. Fraglich ist deshalb, 1 Vgl. Eigelshoven/Ebering in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Tz. 1.28 Anm. 126. 2 Tz. 9.11 OECD-Leitlinien 2010. 3 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.4 Rz. 97. 4 Vgl. Tz. 9.13 ff. OECD-Leitlinien 2010. 5 BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.1.2. 6 Tz. 9.12 f. OECD-Leitlinien 2010; zu Beispielen vgl. ferner Tz. 9.14 ff. OECDLeitlinien 2010. 7 Dergleichen regeln Sec. 1.482-1 (d) (3) (ii) (B) (1) f. US-Regs., vgl. hierzu Eigelshoven/Ebering in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Tz. 1.28 Anm. 134.
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welche Bedeutung diese Grundsätze außerhalb von Funktionsverlagerungen („business restructurings“) haben. Konkret kommt es darauf an, ob die unternehmensseitige Risikoverteilung an einem Fremdvergleich zu messen ist, im Falle ihrer Unvereinbarkeit abgelehnt werden kann und stattdessen eine fremdvergleichskonforme Risikoverteilung der Verrechnungspreisbestimmung zugrunde zu legen ist. Hierzu ist zunächst festzustellen, dass weder die allgemeinen Auslegungsgrundsätze zum Arm’s-Length-Grundsatz in Kap. 1 der OECDLeitlinien 2010 auf diese Überlegungen verweisen, noch für Funktionsverlagerungen ein „Sonderrecht“ verankert werden soll. Vielmehr gehen die Grundsätze zu Funktionsverlagerungen auf die Prämisse zurück, dass der Fremdvergleichsgrundsatz in der gleichen Art und Weise auf die Restrukturierungstransaktionen selbst und die Transaktionen nach Abschluss der Restrukturierung anzuwenden ist, wie er auf Transaktionen bei ebendieser Strukturierung von Anfang an zum Tragen gekommen wäre.1 Aus diesen Ausführungen lässt sich diese Frage nicht abschließend beantworten. Die OECD hat ihre „Überlegungen“ offenkundig nicht mit den allgemeinen Grundsätzen abgestimmt und hierdurch in einem grundlegenden Bereich Unsicherheit geschaffen. Von besonderer Bedeutung ist diese letztlich offene Frage deshalb, weil die Beurteilung der Risikoallokation in einem sich an ihre Feststellung nach den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen anschließenden zweiten Schritt einem Fremdvergleich zugänglich gemacht wird.2 Hiernach soll die vertragliche Risikoverteilung zunächst mittels eines internen oder externen Betriebsvergleichs auf die Vereinbarkeit mit den Fremdvergleichsgrundsatz hin überprüft werden, und dies nicht isoliert, sondern im Rahmen der allgemeinen Vergleichbarkeitsanalyse bezogen auf die Transaktion, mit der das Risiko verbunden ist.3 Lassen sich solche Fremdvergleichsdaten nicht ableiten – u.E. der Regelfall –, identifizieren die OECD-Leitlinien 2010 zwei relevante, aber nicht bestimmende Faktoren für die Risikoverteilung bei Transaktionen zwischen unverbundenen Partnern, nämlich
3.109
– die Kontrolle über das Risiko und – die für die Risikotragung hinreichende Kapitalausstattung. Was die Risikokontrolle anbelangt, bedienen sich die OECD-Leitlinien 2010 des Erfahrungssatzes, dass unverbundene Transaktionspartner nur solche Risiken tragen, die sie kontrollieren können. Hierbei soll „Kontrolle“ als die Fähigkeit zur Entscheidung darüber verstanden werden, die infrage stehenden Risiken zu übernehmen und das ob und wie ihrer Kontrolle zu bestimmen.4 Entscheidend ist demgegenüber nicht, welche Par1 2 3 4
Vgl. Tz. 9.9 OECD-Leitlinien 2010. Vgl. Tz. 9.12 u. 9.18 ff. OECD-Leitlinien 2010. Vgl. Tz. 9.18 OECD-Leitlinien 2010. Vgl. Tz. 9.23 OECD-Leitlinien 2010.
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3.110
Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
tei die Risikoüberwachung im Tagesgeschäft vornimmt,1 sondern wer deren Ergebnisse bewertet und aus diesen Entscheidungs- bzw. Handlungsbedarfe abzuleiten und umzusetzen berufen ist. Demgemäß würde das Fehlen ebendieser Entscheidungsmacht die Fremdunüblichkeit indizieren.
3.111 Bereits dieses Kriterium verdeutlicht hinreichend, dass sich die OECDLeitlinien 2010 für eine Überprüfung der vereinbarten Risikoverteilung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz an einer „Stand-alone-Basis“ ausrichten. Die Unternehmenswirklichkeit der Verteilung von Entscheidungskompetenzen innerhalb internationaler Verbundorganisationen zeigt hier jedoch, dass gerade die Kontrolle erfolgskritischer Risiken nicht den einzelnen Konzerngesellschaften anheimgestellt, sondern meistens zentralisiert ist. So sind etwa in der Versicherungs- oder in der Bankenbranche integrierte Risikomanagementsysteme für geschäftsfeldübergreifende operative und Vermögensrisiken implementiert worden, die ein zentrales Risikomanagement auf Konzernebene zum Gegenstand haben.
3.112 Ein weiterer Aspekt der Nichtanerkennung einer Verbunddisposition über die Risikoverteilung wäre im Falle ihrer verwaltungsseitigen Umdeutung darin zu sehen, dass die Realisierung der infrage stehenden Risiken den Betriebsausgabenabzug auf den Prüfstand stellen würde. Was im Inland ansässige Verbundunternehmen anbelangt, fehlt dem deutschen Steuerrecht eine Rechtsgrundlage dafür, den Betriebsausgabenabzug aufgrund einer nicht fremdvergleichskonformen Risikozuordnung zu versagen. Die Einkünftekorrekturvorschrift des § 1 AStG vermittelt ebendiese nicht (vgl. aber auch Rz. 3.51). Insofern ist es zu begrüßen, dass sich die deutsche Finanzverwaltung uneingeschränkt zur unternehmerischen Dispositionsfreiheit bekennt (Rz. 3.103) und sich die vagen und im Ansatz verfehlten Überlegungen der OECD nicht zu eigen macht. dd) Eingesetzte Produktionsmittel
3.113 Neben den ausgeübten Funktionen und den getragenen Risiken der Konzerneinheiten sind im Rahmen der Funktionsanalyse die eingesetzten Produktionsmittel zu identifizieren. Dazu gehören die folgenden Wirtschaftsgüter:2 – Sachmittel, wie z.B. Grund und Boden, Gebäude, technische Anlagen und Maschinen, Betriebs- und Geschäftsausstattung, – Finanzielle Mittel, wie z.B. die Liquiditätsausstattung, Ausleihungen, Wertpapiere, kurzfristige Forderungen,
1 Vgl. Tz. 9.24 OECD-Leitlinien 2010 sowie die Beispiele in Tz. 9.25–9.27 OECDLeitlinien 2010. Siehe hierzu auch Werra, IStR 2009, 83 f. 2 Vgl. Tz. 1.44 OECD-Leitlinien 2010.
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– Immaterielle Vermögenswerte, wie z.B. Patente, Know-how, Markenrechte, Urheberrechte, Kundenstamm, Herstellungsverfahren, Stellung und Image des Unternehmens am Markt, – Humane Vermögenswerte, wie z.B. Ausbildungsstand, Alter und Struktur des Mitarbeiterstammes, Unternehmenszugehörigkeit, Berufserfahrung. Sieker1 weist zutreffend darauf hin, dass sich eine Funktionsanalyse nicht in der Erfassung der ausgeübten Funktionen, übernommenen Risiken und eingesetzten Mitteln erschöpfen darf. Vielmehr ist der relative Einfluss dieser Faktoren auf das Ergebnis der einzelnen Geschäftsbeziehungen zu würdigen. Auf dieses Ergebnis können die einzelnen Faktoren also mehr oder minder, ggf. sogar gar keinen Einfluss haben. Dieser relative Einfluss der einzelnen Chancen, Risiken und eingesetzten Wirtschaftsgüter auf die verbundinternen Transaktionen wird in der Verrechnungspreispraxis – vornehmlich im Rahmen der Sachverhaltsdokumentation – mittels eines sog. „Star Charts“ oder alternativ mittels einer Funktionsanalysematrix, die auf kardinalen Ausprägungsgraden (0–5 oder 0–10) beruht, analysiert und dargestellt.2 Die VWG-Verfahren nehmen in Tz. 3.4.11.43 explizit auf diese Darstellungsweise Bezug. Allerdings beschränkt sich diese wertende Gegenüberstellung regelmäßig auf überschaubare Verhältnisse, mit zunehmendem Komplexitätsgrad nimmt ihre Eignung hingegen ab.4 Ferner ist zu berücksichtigen, dass die relative Bedeutung der einzelnen Faktoren naturgemäß auf subjektive Einschätzungen zurückgehen muss, die insofern den Mangel fehlender Objektivierbarkeit zwangsläufig in sich tragen.
3.114
ee) Unternehmenscharakterisierung Die Funktions- und Risikoanalyse ist zwingender Bestandteil der Vergleichbarkeitsanalyse. Sie schafft die Voraussetzung dafür, ein potenzielles Referenzunternehmen bzw. eine geeignete Referenztransaktion zwischen unabhängigen Dritten zu ermitteln, bei dem bzw. bei der eine vergleichbare Verteilung von Funktionen und Risiken vorzufinden ist. Die Abrechnungsformen der potenziellen Referenzunternehmen bzw. die identifizierten Referenztransaktionen selbst werden dann zur Ableitung eines fremdvergleichskonformen Verrechnungspreises für die zu bewer-
1 Vgl. Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 194. 2 Vgl. hierzu Ernst & Young, Verrechnungspreise – Dokumentationsmanagement nach den neuen Mitwirkungspflichten, Teil C Tz. 161; Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Verf. Anm. 173 ff.; Cordes, Steuerliche Aufzeichnungspflichten bei internationalen Verrechnungspreisen, 105 ff. 3 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.11.4. 4 Vgl. hierzu auch Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Verf. Anm. 173.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
tende konzerninterne Leistungsbeziehung herangezogen (Rz. 3.243 ff. und Rz. 3.256 ff.).
3.116 Darüber hinaus verlangt Tz. 3.4.10.2 der VWG-Verfahren („regelmäßig unverzichtbar“) – anders als die OECD-Leitlinien 2010 – bezogen auf die zu prüfenden Geschäftsbeziehung die Vornahme einer Unternehmenscharakterisierung, „um zu klären, ob und welches der beteiligten Unternehmen Routinefunktionen ausübt, welches das wesentliche Unternehmensrisiko trägt und welches mehr als nur Routinefunktionen ausübt, ohne die wesentlichen Risiken zu tragen.“1 Hierfür werden die folgenden drei „Unternehmensformen“ unterschieden: – Ein Unternehmen, das lediglich Routinefunktionen ausübt, geringe Risiken trägt und nur in geringem Umfang Wirtschaftsgüter einsetzt2 („Routineunternehmen“). Als Routinefunktionen werden beispielhaft die Erbringung konzerninterner, marktgängiger Dienstleistungen und einfache Vertriebsfunktionen benannt. Routineunternehmen erzielen im gewöhnlichen Geschäftsverlauf keine Verluste, sondern regelmäßig geringe, aber relativ stabile Gewinne. Routineunternehmen i.d.S. sind etwa der Lohnfertiger (Rz. 3.244 ff.) oder der sog. Low-Risk-Distributor (Rz. 3.258 und 3.265). – Ein Unternehmen, das über die zur Durchführung von Geschäften wesentlichen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter verfügt, die erfolgskritischen Funktionen ausübt und die wesentlichen unternehmerischen Risiken trägt („Entrepreneur“ oder „Strategieträger“).3 Dem Strategieträger gebührt – ggf. zusammen mit anderen, als Strategieträger qualifizierenden Verbundunternehmen – der Residualgewinn oder -verlust. – Ein Unternehmen, das unter Berücksichtigung der von ihm ausgeübten Funktionen, eingesetzten Wirtschaftsgüter und übernommenen Risiken weder als Unternehmen mit Routinefunktionen noch als „Entrepreneur“ anzusehen ist4 („Mittelunternehmen“ oder „Hybridunternehmen“).
3.117 Die Kategorie des „Mittelunternehmens“ findet ihr Pendant weder in den OECD-Leitlinien 2010 noch in den Verrechnungspreisgrundsätzen anderer Staaten; sie erweist sich als deutsches Spezifikum.5 Als Residual1 BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.10.2. 2 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.10.2 Buchst. a. 3 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.10.2 Buchst. b. 4 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.10.2 Buchst. c. 5 Vgl. hierzu und zur (Un-)Vereinbarkeit mit dem vom EU-Verrechnungspreisforum erarbeiteten Konzept der „EU Transfer Pricing Documentation“ (EU TPD) Rasch in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Tz. 5.3 Anm. 32; Rasch/Rettinger, BB 2007, 354.
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ansatz konzipiert, fehlen ihr Abgrenzungskriterien im Hinblick auf das maßgebliche Funktions- und Risikoprofil, das eine Einordnung unter diesen Unternehmenstyp zur Folge hat.1 Dies ist insofern beachtlich, als auch die Betriebswirtschaftslehre einen derartigen Unternehmenstyp – im Gegensatz zum Strategieträger (erfolgskritische Funktionen) und Routinefunktionen (nicht erfolgskritische Funktionen)2 – nicht kennt. Für dessen Ausdifferenzierung lassen sich deshalb keine betriebswirtschaftlichen Erkenntnisse fruchtbar machen. Die Finanzverwaltung möchte diese Einordnung „anhand der Umstände des jeweiligen Falles“3 vornehmen, was freilich mit erheblicher Rechtsunsicherheit verbunden ist.4 Dies ist vor dem Hintergrund der erheblichen praktischen Bedeutung dieser Fälle nicht zu rechtfertigen. Denn auf die meisten verbundenen Unternehmen lässt sich die Schablone „Entrepreneur“ oder „Routineunternehmen“ nicht legen. Bedeutung erlangt die Kategorisierung der deutschen Finanzverwaltung insbesondere vor dem Hintergrund, dass die TNMM auf sog. Mittelunternehmen nicht anwendbar sein soll.5 Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind bei Mittelunternehmen – soweit die Preisvergleichsmethode keine Anwendung finden kann – die Verrechnungspreise aufgrund von „Planrechnungen“ zu ermitteln.6 Dies soll dergestalt erfolgen, dass die Gewinnkomponente von Verrechnungspreisen u.a. auf Basis von „Renditeziffern funktional (zumindest eingeschränkt) vergleichbarer Unternehmen in dem betreffenden Geschäftsbereich“7 bestimmt wird. Dies läuft de facto jedoch auf die geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode hinaus,8 deren Anwendung für Mittelunternehmen gerade ausgeschlossen werden soll. Dieser Widerspruch und damit die Anwendbarkeit der geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode auf Mittelunternehmen bleiben letztlich offen.
1 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2005, 1553; Wehnert u.a., IStR 2005, 717; Rasch/Rettinger, BB 2007, 354. 2 Vgl. Klein, IStR 1995, 547. 3 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.10.2. 4 Zu systematisierenden Ansätzen vgl. etwa Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Verf. Anm. 158; Brem/Tucha, IStR 2006, 500 ff. 5 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.10.2 Buchst. c. 6 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.10.2 Buchst. c. 7 BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.12.6 Buchst. b Abs. 4 1. Spiegelstrich. 8 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2005, 1553; Eigelshoven/Nientimp, DB 2005, 1185 f.; Rasch/Rettinger, BB 2007, 357.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
e) Weitere Aspekte der Vergleichbarkeitsprüfung
3.118 Weitere, die Vergleichbarkeit der Verhältnisse möglicherweise beeinträchtigende Einflussfaktoren sind die konkrete unternehmerische Zielvorstellung, die speziellen betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie die Geschäftsstrategien der am Leistungsaustausch beteiligten Unternehmen. Unterstellt man den Entscheidungsträgern unabhängiger Unternehmen langfristig die Absicht der Gewinnerzielung bzw. Gewinnmaximierung, so kann diese Zielvorstellung in einer kurzfristigen Betrachtung vorübergehend anderen Zielsetzungen weichen. Die Ursachen für das temporäre Abweichen von einer rein gewinnorientierten Unternehmenspolitik können z.B. in Beschäftigungsgradschwankungen oder Maßnahmen der Markterschließung, der Marktsicherung und der Markterweiterung liegen und kurzfristig zu einem vollständigen oder begrenzten Verzicht auf Gewinn oder volle Kostendeckung führen.1 Die VWG 1983 erfassen in Tz. 3.1.2.1. Nr. 6 solche Maßnahmen unter dem Oberbegriff der „besonderen Wettbewerbssituation“, die OECD-Leitlinien 2010 sprechen in diesem Zusammenhang von besonderen „Geschäftsstrategien“.2 Treten z.B. bei einer Produktionsgesellschaft infolge konjunktureller oder saisonaler Schwankungen zeitweise Überkapazitäten auf, kann diese zur Auslastung der Kapazitäten bzw. Aufrechterhaltung der Beschäftigung gezwungen sein, vorübergehend Bedingungen zu akzeptieren, die lediglich die Einzel- bzw. variablen Kosten decken, um wenigstens einen gewissen Deckungsbeitrag zu erzielen.3 Umgekehrt kann bei Überbeschäftigung durch Nutzung günstiger Marktsituationen zeitweilig ein vergleichsweise höherer Preis gefordert und durchgesetzt werden, um den Deckungsbeitrag zu maximieren. Zum anderen kann die Absicht zur Schaffung oder Erweiterung des Abnehmerkreises die Notwendigkeit mit sich bringen, neben diversen anderen Maßnahmen des Marketing-Mix auch die Preispolitik gezielt einzusetzen. Dieser Aspekt ist insofern von besonderer Relevanz, als die Gewinnung neuer Abnehmer vielfach mit der Errichtung dauerhafter Geschäftsbeziehungen gleichzusetzen ist. In der Erwartung, neu geschaffene Geschäftsbeziehungen auf Dauer gewinnbringend zu nutzen, könnte eine Unternehmung bereit sein, zeitlich begrenzte Preiskonzessionen hinzunehmen. Solche Geschäftsstrategien sind in erster Linie für die Beurteilung von Verrechnungspreisen gegenüber Vertriebsgesellschaften relevant. Insbesondere in der Gründungs- und Anlaufphase, aber auch während der Einführung neuer Produkte und Produktlinien erwirtschaften Vertriebsgesellschaften oft beachtliche Verluste bzw. Mindererlöse. Diese resultieren zum einen aus den Kosten für den Aufbau einer Innen- und Vertriebsorganisation, zum anderen aus temporär günstigen Endabgabe1 Vgl. in diesem Zusammenhang auch Gundel in FS Flick, 791 ff. 2 Vgl. Tz. 1.60 OECD-Leitlinien 2010. 3 Vgl. hierzu im Einzelnen Baumhoff, IStR 1996, 55 sowie Tz. 2.51 OECD-Leitlinien 2010.
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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs
preisen (sog. „Kampfpreisen“).1 Darüber hinaus führen zeitweise überdurchschnittlich hohe Marketingaufwendungen und sonstige Verkaufsförderungsmaßnahmen zu Renditen, die vorübergehend unter denen des Branchendurchschnitts liegen können. Für die Beantwortung der Frage, welches Konzernunternehmen die Werbe- und Markterschließungsaufwendungen zu tragen hat, führen die OECD-Leitlinien 2010 aus, dass die Markterschließungsstrategie entweder durch den Produzenten selbst oder aber durch den Vertreiber, der getrennt vom Produzenten agiert, umgesetzt und die daraus entstehenden Kosten von beiden getragen werden könnten.2 Ferner ist als weiterer Gesichtspunkt zu berücksichtigen, ob die Beziehung zwischen den Vertragspartnern der Geschäftsbeziehung konsistent zu der Allokation der Markterschließungskosten ist. Diese, für die Praxis wenig hilfreiche Feststellung wird allerdings durch den Hinweis präzisiert, dass z.B. bei Fremdgeschäften eine konzernunabhängige Gesellschaft, die lediglich als „Sales Agent“ mit keinem oder nur geringem Vermarktungsrisiko handle, üblicherweise nicht die Kosten einer Markteroberungsstrategie zu tragen habe.3 Preisrelevant sei darüber hinaus, ob eine Konzerngesellschaft Markterschließungsmaßnahmen auf ihr eigenes Risiko hin entfalte und den Wert eines Produkts durch eine Marke oder einen Firmennamen steigere oder den Firmenwert in Verbindung mit dem Produkt steigere. Damit stellt auch die OECD hinsichtlich der Frage der Aufteilung von Markterschließungskosten letztlich darauf ab, welche Funktionen, welches Risiko und welches Interesse die an der Umsetzung der Markterschließungsmaßnahmen beteiligten Konzerngesellschaften übernommen haben und welche Konzerngesellschaft hierdurch einen wirtschaftlichen Vorteil erlangt (sog. „benefit test“). Diese Auffassung deckt sich im Wesentlichen mit der Auffassung der deutschen Finanzverwaltung, die feststellt, dass für die Frage der steuerlichen Einkunftsabgrenzung insbesondere auf die Funktionen der beteiligten verbundenen Unternehmen abzustellen ist. Erhöht sich durch Werbemaßnahmen der Vertriebsgesellschaft nicht nur der Absatz der Vertriebsgesellschaft selbst, sondern auch das Absatzvolumen der inländischen Produktionsgesellschaft, erfolgen die Werbemaßnahmen der ausländischen Vertriebsgesellschaft somit nicht nur in deren Interesse, sondern auch zum Vorteil der inländischen Konzerneinheit. Infolgedessen sind die Werbekosten der ausländischen Vertriebsgesellschaft auch durch die inländische Produktionsgesellschaft betrieblich veranlasst4 und somit anteilig dieser zuzuordnen. Vor diesem Hintergrund sieht Tz. 3.3.2. VWG 1983 zutreffend vor, die Kosten der Werbung „angemessen aufzuteilen“. Demgegenüber sind Kosten der Markterschließung, 1 2 3 4
Vgl. hierzu auch Baumhoff, IStR 1993, 520 ff. Vgl. Tz. 1.62 OECD-Leitlinien 2010. Vgl. Tz. 1.62 OECD-Leitlinien 2010. Vgl. § 4 Abs. 4 EStG.
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3.119
Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
die (erhöhten) Kosten für die Einführung neuer Produkte (z.B. aufgrund einer aggressiven Niedrigpreispolitik oder einer besonderen Werbekampagne) betreffen,1 nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung nur insoweit vom Vertriebsunternehmen zu tragen, als ihm aus der Geschäftsbeziehung „ein angemessener Betriebsgewinn“ verbleibt.2 Infolgedessen sind die Kosten – zumindest anteilig – durch das Produktionsunternehmen zu tragen.3 Lediglich bei Routine-Vertriebsunternehmen vertritt die OECD die Auffassung, dass Markterschließungskosten durch die Produktionsgesellschaft zu tragen sind.4
3.120 Sowohl die Finanzverwaltung als auch die OECD-Leitlinien 2010 teilen damit die Auffassung des BFH in seinem Urteil vom 17.2.1993 (sog. „Aquavit-Urteil“),5 wonach ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer eines Vertriebsunternehmens nur dann ein neues Produkt am Markt einführen und vertreiben werde, wenn er daraus bei vorsichtiger und vorheriger kaufmännischer Prognose innerhalb eines überschaubaren Zeitraums und unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Marktentwicklung einen angemessenen Gesamtgewinn erwarten könne. Allerdings soll nach der nach den Urteilen des BFH vom 17.2.19936 und 17.10.20017 eine mögliche Verlustphase der Vertriebsgesellschaft – abgesehen von besonderen Umständen des Einzelfalls – bei neu eingeführten Produkten drei Jahre nicht überschreiten, „erst recht“ nicht beim Weitervertrieb von bereits vorher auf dem Markt eingeführten Produkten. Die in der Literatur8 kritisierte starre Dreijahresfrist ist allerdings als widerlegbare Vermutung zu verstehen, sodass es dem Steuerpflichtigen frei1 Von den Kosten der Markterschließung zu unterscheiden sind nach BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 3.4.3 die Kosten und Erlösminderungen, die dadurch entstehen, dass ein Vertriebsunternehmen durch Kampfpreise oder ähnliche Mittel seinen Marktanteil wesentlich erhöhen oder verteidigen will. Diese Kosten seien grundsätzlich vom Hersteller zu tragen. Diese Auffassung ist insofern kritisch zu sehen, als sie sich von der allgemeinen Regel einer veranlassungsorientierten Kostenzuordnung löst und statt dessen eine pauschale Allokation der Kosten zum Produktionsunternehmen vorsieht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass eine Kampfpreispolitik sowohl im Interesse der Produktions- als auch im Interesse der Vertriebsgesellschaft erfolgt und damit eine Kostenaufteilung vorzunehmen ist (so auch Tz. 1.59 ff. OECDLeitlinien 2010). 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 3.4.1. 3 Ähnlich Tz. 1.62 OECD-Leitlinien 2010. 4 Vgl. Borstell/Hülster in V/B/E, Verrechnungspreise3, L Rz. 353. 5 Vgl. BFH v. 17.2.1993 – I R 3/92, BStBl. II 1993, 457; dazu kritisch Becker, IWB Fach 3 Gruppe 1, 1339; Sieker, BB 1993, 2424; Baumhoff, IStR 1993, 520; Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 606. 6 BFH v. 17.2.1993 – I R 3/92, BStBl. II 1993, 457. 7 BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. 8 Vgl. Baumhoff/Sieker, IStR 1995, 521; Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 294; Kroppen in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Rz. W 77; Borstell/Hülster in V/B/E, Verrechnungspreise3, L Rz. 365 ff.
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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs
steht darzulegen, dass die Verlustursachen nicht in unangemessenen Verrechnungspreisen, sondern vielmehr in sonstigen betrieblichen Gründen (z.B. Fehlmaßnahmen, nicht vorhersehbaren Ereignissen) zu suchen sind und rechtzeitig Anpassungsmaßnahmen ergriffen wurden. Insofern ist hier eine Analyse der Verlustursachen erforderlich. Dies gilt auch und insbesondere beim Ausweis von Dauerverlusten. Die Anerkennung von Anlaufverlusten wird zudem von der Erzielung eines „angemessenen“ Totalgewinns innerhalb eines – vom BFH nicht näher quantifizierten – überschaubaren Kalkulationszeitraums abhängig gemacht. Das heißt, die nach der Anlaufphase entstehenden Gewinne müssen die Anlaufverluste mehr als kompensieren. Die Höhe dieser „Überkompensation“ soll mindestens der angemessenen Verzinsung des zugeführten Eigenkapitals (einschließlich Zinseszins und Risikozuschlags) entsprechen. Dementsprechend ist für den Fall, dass beim Vertreiber die Kosten einschließlich Markterschließungskosten die Erlöse übersteigen, davon auszugehen, dass der Produzent bzw. der Lieferant durch reduzierte Lieferverrechnungspreise oder Zuschüsse (Markterschließungs- bzw. Werbekostenzuschüsse) die Verlustsituation beseitigt bzw. überkompensiert. Außerdem und unabhängig davon hat nach Auffassung des BFH die Vertriebsgesellschaft die Markterschließungskosten dann nicht zu übernehmen, wenn die Kosten branchenüblich vom Hersteller oder Lieferanten getragen werden.1 Dies ist z.B. dann der Fall, wenn die Markterschließungsmaßnahmen im alleinigen oder ganz überwiegend im betrieblichen Interesse des Produzenten liegen bzw. ein Markeninhaber ein Interesse am Aufbau seiner Marke in einem bestimmten Markt hat. Allerdings ist diese Rechtsprechung nur vor dem Hintergrund der klassischen Verrechnungspreislehre zu verstehen und zutreffend. Sie ist nur sachgerecht für den Fall, dass der Vertreiber nicht als „Entrepreneur“ fungiert, d.h. allenfalls als „Mischunternehmen“ oder gar nur als „Routineunternehmen“, also Kommissionär oder einfacher Low-Risk-Distributor.2 Agiert das Vertriebsunternehmen hingegen als „Entrepreneur“ bzw. „Strategieträger“, gebührt ihm – ggf. zusammen mit anderen, als Strategieträger qualifizierenden Verbundunternehmen – der Residualgewinn oder -verlust, der nach Abgeltung der Funktionsvergütung für das Produktionsunternehmen verbleibt.3 Nach den Grundsätzen der zitierten Rechtsprechung muss in diesem Fall die Verlustfreistellung und die Forderung nach einer Überkompensation auf das Produktionsunternehmen „durchschlagen“. Wird dieses als Unternehmen mit Routinefunktionen (z.B. Lohnfertiger oder Auftragsfertiger) qualifiziert, weist es bei gewöhnlichem Geschäftsverlauf in Ansehung seiner reduzierten Chancen und Ri1 Vgl. BFH v. 17.2.1993 – I R 3/92, BStBl. II 1993, 457. 2 Vgl. Baumhoff in FS Krawitz, 35 ff., Baumhoff in Baumhoff/Schönfeld, Grenzüberschreitende Verlustverrechnung, 2011, 145. 3 BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.10.2 Buchst. b.
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3.121
Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
siken regelmäßig moderate bzw. geringe, aber relativ stabile Gewinne aus. Wird dieser Forderung mittels eines kostenorientierten (Dienstleistungs-)Entgelts Rechnung getragen, scheidet die Zuordnung von Markterschließungs- und Werbekosten schon aus diesem Grund aus.
IV. Arten des Fremdvergleichs 1. Überblick
3.122 Die Beantwortung der Frage, ob im zu beurteilenden Einzelfall von einer tatsächlichen oder fiktiven Unabhängigkeit der Geschäftspartner und von einer direkten oder indirekten bzw. uneingeschränkten oder eingeschränkten Vergleichbarkeit der Verhältnisse ausgegangen werden muss, bestimmt die Wahl des Verfahrens zur Ermittlung geeigneter Vergleichstatbestände. Für die sachgerechte Bemessung oder Beurteilung von Verrechnungspreisen ist daher zwischen zwei unterschiedlichen methodischen Ansätzen zu differenzieren, nämlich dem tatsächlichen und dem hypothetischen Fremdvergleich.
3.123 Voraussetzung für den tatsächlichen Fremdvergleich (Fremdvergleich i.e.S.), bei dem es sich um einen „Ist-Ist“-Vergleich unter Verwendung tatsächlich feststellbarer Marktdaten handelt, ist sowohl eine tatsächliche Unabhängigkeit der Geschäftspartner als auch eine (direkte oder indirekte) Vergleichbarkeit der Verhältnisse.
3.124 Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so ist die Durchführung eines Fremdvergleichs dennoch nicht ausgeschlossen. In einem solchen Fall lässt sich auf den hypothetischen Fremdvergleich (Fremdvergleich i.w.S.) ausweichen, wobei es sich um einen „Ist-Soll“-Vergleich auf der Basis betriebsinterner Werte über Kosten und Leistungen handelt.1 2. Tatsächlicher Fremdvergleich
3.125 Der tatsächliche Fremdvergleich,2 der allgemein als der „klassische“ Fall des Fremdvergleichs betrachtet wird, ist nach Ansicht der OECD „die direkteste und verlässlichste Methode für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes“3 und daher idealerweise für die Beurteilung sämtlicher konzerninterner Liefer- und Leistungsentgelte geeignet. Zur Ermittlung eines quantitativen Vergleichsmaßstabes orientiert sich der tatsächliche Fremdvergleich an tatsächlich feststellbaren Vereinbarungen, die zwischen gesellschaftsrechtlich nicht verbundenen Unterneh-
1 Vgl. Scheffler, Die Berichtigung von Einkünften nach § 1 AStG durch Schätzung, 85. 2 Mithin wird auch von einem „konkreten Fremdvergleich“ gesprochen, vgl. Wassermeyer, IStR 2001, 636; Borstell in V/B/E, Verrechnungspreise3, C Rz. 5. 3 Tz. 2.14 OECD-Leitlinien 2010.
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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs
men unter vergleichbaren Verhältnissen zur maßgeblichen Zeit getroffen worden sind. Im Idealfall besteht der einzige Unterschied zwischen Ausgangstatbestand und Vergleichstatbestand im Merkmal gesellschaftsrechtlicher Unabhängigkeit der Geschäftspartner, während alle übrigen, den Leistungstransfer beeinflussenden Faktoren, absolut identisch sind. Grundsätzlich sollte die Ermittlung des Vergleichstatbestandes zeitgleich mit dem festgestellten Ausgangstatbestand erfolgen. Außerdem ist bei einem tatsächlichen Fremdvergleich zu beachten, dass die verwendbaren Vergleichstatbestände repräsentativ sein müssen und daher nur dann zu Vergleichszwecken herangezogen werden dürfen, wenn sie über ein bestimmtes „Mindestvolumen“ verfügen.1 Der tatsächliche Fremdvergleich lässt sich in der Form eines innerbetrieblichen oder eines zwischenbetrieblichen Vergleichs durchführen.
3.126
a) Innerbetrieblicher Vergleich Ein innerbetrieblicher Vergleich2 ist immer dann möglich, wenn eine bestimmte Konzernunternehmung die gleiche Lieferung bzw. Leistung sowohl mit verbundenen als auch mit unverbundenen Geschäftspartnern austauscht. Als Vergleichstatbestand dient dabei das unbeeinflusste Geschäft eines Mitglieds des Unternehmensverbundes mit einem gesellschaftsrechtlich unabhängigen Leistungserbringer bzw. -empfänger. Sind die Voraussetzungen für einen innerbetrieblichen Vergleich gegeben, weil die betrachtete verbundene Unternehmung die gleiche Leistung unter vergleichbaren Bedingungen sowohl für eine verbundene als auch für eine nicht verbundene Unternehmung erbringt, bzw. sowohl von einer verbundenen als auch von einer unverbundenen Unternehmung erhält, so stellt diese Art des tatsächlichen Fremdvergleichs die theoretisch exaktere und in der Durchführung zweckmäßigste Verfahrensweise dar. Die besondere Eignung des innerbetrieblichen Vergleichs ergibt sich dabei aus der Einbeziehung der verbundenen Unternehmung in den Vergleichstatbestand. Dies ist insofern vorteilhaft, als sowohl die Möglichkeit einer Beachtung der Konzernzugehörigkeit durch Berücksichtigung innerbetrieblicher Einflussfaktoren als auch die einer relativ problemlosen Ermittlung der relevanten Vergleichsdaten aus den Unterlagen der betreffenden Konzernunternehmung besteht.
1 Vgl. BMF v. 26.2.2004 – IV B 4 - S 1300 - 12/04, BStBl. I 2004, 270 Tz. zu 3 (aufgeh. durch BMF v. 23.4.2010 – IV A 6 - O 1000/09/10095, BStBl. I 2010, 391 für ab dem 1.1.2009 verwirklichte Tatbestände); BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. 2 Im Schrifttum wird auch von einem „betriebsinternen Fremdvergleich“ gesprochen, vgl. Kuckhoff/Schreiber, Verrechnungspreise in der Betriebsprüfung, Rz. 24.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
b) Zwischenbetrieblicher Vergleich
3.128 Fehlen die Voraussetzungen für einen innerbetrieblichen Vergleich, so ist zu prüfen, ob ein tatsächlicher Fremdvergleich in Form eines zwischenbetrieblichen Vergleichs1 möglich ist. Als Vergleichstatbestände dienen dabei Vereinbarungen, die zwischen zwei unabhängigen Geschäftspartnern, wovon keiner dem betrachteten Unternehmensverbund angehört, für vergleichbare Leistungen unter vergleichbaren Bedingungen festgelegt wurden. Der Unterschied zum innerbetrieblichen Vergleich liegt somit darin, dass der Ursprung der zugrunde zu legenden Vereinbarungen außerhalb des Einflussbereichs des Unternehmensverbundes liegt. Vergleichstatbestände, die durch einen zwischenbetrieblichen Vergleich ermittelt werden, unterliegen insofern am wenigsten der Vermutung der Unangemessenheit, als sie durch das Zusammenwirken der Marktkräfte zustande gekommen sind, daher frei von innerbetrieblichen Einflüssen sind und somit als besonders objektiv angesehen werden müssen.
3.129 Allerdings sind sowohl dem innerbetrieblichen wie dem zwischenbetrieblichen Vergleich in der praktischen Durchführung sehr enge Grenzen gesetzt. Das Hauptproblem besteht darin, geeignete „unabhängige“ Vergleichsobjekte zu finden, deren Abweichungen zum Ausgangstatbestand so gering sind, dass eine Vergleichbarkeit der Vergleichsobjekte gewährleistet ist. Dies ist jedoch in einer Vielzahl von Fällen nicht möglich, da einerseits nicht alle die Vergleichbarkeit bestimmenden Einflussfaktoren übereinstimmen und andererseits vergleichbare Transaktionen entweder nur in dem betrachteten oder nur innerhalb anderer Konzerne aber nicht zwischen fremden Dritten ausgetauscht werden. Im ersten Fall scheitert somit ein tatsächlicher Fremdvergleich aufgrund mangelnder Vergleichbarkeit der Verhältnisse, im zweiten Fall aufgrund fehlender gesellschaftsrechtlicher Unabhängigkeit der Geschäftspartner.
3.130 Die dargestellten Probleme des tatsächlichen Fremdvergleichs zeigen sich insbesondere im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung über eine Datenbankanalyse. Bei dieser werden verrechnungspreisdeterminierende Faktoren (z.B. Gewinnmargen, Renditekennziffern, Profitabilitätskennziffern etc.) aus einer Datenbank2 mit wirtschaftlichen Kennziffern von privaten und börsennotierten Unternehmen abgeleitet. Zu Problemen führt in diesem Zusammenhang vor allem die Sicherstellung einer hinreichenden Vergleichbarkeit zwischen dem zu beurteilenden Konzernunternehmen und dem unabhängigen Vergleichsunternehmen. So kann es sich 1 Mithin auch als „betriebsexterner Fremdvergleich“ bezeichnet, vgl. Kuckhoff/ Schreiber, Verrechnungspreise in der Betriebsprüfung, Rz. 24. 2 Siehe zu den hauptsächlich in Deutschland zum Einsatz kommenden Datenbanken und deren Merkmalen ausführlich Vögele/Crüger in V/B/E, Verrechnungspreise3, H Rz. 28 ff. Zur Eignung von Datenbanken für die Verrechnungspreisanalyse vgl. auch Rehkugler/Vögele, BB 2002, 1937 ff.; Oestreicher, StuW 2006, 243 ff.; Oestreicher, IStR 2005, 134 ff.; Oestreicher/Vormoor, IStR 2004, 95 ff.; Scholz/Crüger, RIW 2005, 34 ff.; Wahl/Preisser, IStR 2008, 51 ff.
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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs
als außerordentlich schwierig erweisen, eine angemessene Anzahl von Vergleichsunternehmen zu identifizieren. Nur wenn sichergestellt ist, dass die mittels der Datenbank identifizierten Vergleichsunternehmen hinsichtlich ihrer ausgeübten Funktionen und ihrer getragenen Risiken sowie der diesen Funktionen und Risiken immanenten Geschäftsbeziehungen mit dem zu beurteilenden Konzernunternehmen vergleichbar sind, kann eine solche Ermittlung der Verrechnungspreise überzeugen. Angesichts der Probleme bei der Identifikation geeigneter Vergleichsunternehmen und Vergleichstransaktionen hat es sich als sinnvoll erwiesen, die Vergleichsfaktoren auf die wesentlichen preis- und gewinndeterminierenden Faktoren zu reduzieren.1 Dazu gehören insbesondere neben den von den Konzerneinheiten ausgeübten Funktionen die von ihnen getragenen Risiken sowie die von ihnen eingesetzten Produktionsmittel. Der BFH hat grundsätzlich keine Bedenken gegen die Verwendung solcher mittels Datenbanken ermittelter Vergleichsdaten („comparables“).2 Dies gilt unabhängig davon, ob die Daten allgemein zugänglich sind oder nicht. Vor diesem Hintergrund darf sowohl die Finanzverwaltung als auch der Steuerpflichtige Datenbanken aufbauen und verwenden, selbst wenn die entsprechenden Daten nicht allgemein zugänglich sind. Der Beweiswert der aus anonymisierten Datenbanken ermittelten Vergleichsdaten ist allerdings nach Ansicht des BFH davon abhängig, ob die verwendete Datenbank Mindestanforderungen an die Qualität der Datenerfassung genügt.3 Ferner knüpft die Finanzverwaltung an einen datenbankgestützten Fremdvergleich erhebliche Anforderungen.4 Ein weiteres Problem bei der Verwendung von Datenbankanalysen im Hinblick auf die Vergleichbarkeit der Referenztransaktionen resultiert aus der Realität gesamtwirtschaftlicher oder branchenspezifischer Instabilität, die den Beweiswert der Informationen aus Datenbanken erheblich beeinträchtigt. Üblicherweise wird einer Datenbankanalyse ein Beobachtungszeitraum von drei bis fünf Jahren zugrunde gelegt. Sind die in diesem Zeitraum vorherrschenden Markt- und Wettbewerbsverhältnisse nicht mit denen vergleichbar, die der zu bepreisenden verbundinternen Transaktion zugrunde liegen (z.B. in Zeiten der Finanzmarktkrise und der ihr nachfolgenden Wirtschaftskrise der Jahre 2008 und 2009), sind die gewonnen Daten nicht verwend- bzw. verwertbar. Dies deshalb, weil die ermittelten Vergleichsdaten nicht auf vergleichbare Verhältnisse zurückgehen.5 Insofern bedarf es der Identifikation von Vergleichsdaten, die ebendiese Vergleichbarkeit aufweisen. Hier dürfte allerdings die Daten1 Vgl. Rehkugler/Vögele, BB 2002, 1939; Oestreicher/Duensing, IStR 2005, 136. 2 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. 3 Allerdings ist diese Forderung des BFH weitestgehend unbestimmt; vgl. hierzu Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Verf. Anm. 217. 4 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.12.4; Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Verf. Anm. 214 ff.; Kolb, IWB Fach 3 Gruppe 1, 2391 ff. 5 Vgl. hierzu Baumhoff in FS Krawitz, 38; siehe ferner Engler, IStR 2009, 685 ff.
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basis (noch) als unzureichend zu bezeichnen sein. Dieser Umstand wird die Datenbankanalyse zukünftig vor die Herausforderung stellen, auch die Volatilität der ermittelten Vergleichsdaten zu dokumentieren.1 Dies wird zwangsläufig die Ausdehnung des Beobachtungszeitraums erfordern, um Rezessions- wie Wachstumsphase in dem Datensatz zu berücksichtigen.2 3. Hypothetischer Fremdvergleich a) Ordentlicher Geschäftsleiter als Kriterium des hypothetischen Fremdvergleichs
3.131 Unumstritten ist, dass einem tatsächlichen Fremdvergleich grundsätzlich Vorrang vor anderen Vergleichsverfahren einzuräumen ist3. Ein tatsächlicher Fremdvergleich erweist sich allerdings immer dann als nicht durchführbar, wenn es an einer effektiven Vergleichsmöglichkeit zwischen unabhängigen Vergleichspartnern fehlt. In diesem Fall besteht die Möglichkeit und Notwendigkeit, auf Hilfs- und Simulationsverfahren zurückzugreifen. Dabei handelt es sich um einen hypothetischen Fremdvergleich, der, basierend auf der Fiktion gesellschaftsrechtlicher Unabhängigkeit der Vertragspartner, eine Simulation des Preisbildungsprozesses4 vornimmt.
3.132 Die Ermittlung fiktiver Vergleichstatbestände durch Simulation des Preisbildungsprozesses muss auf der Grundlage der Daten des realen Ausgangstatbestandes erfolgen, wobei durch die Unabhängigkeitsfiktion lediglich solche Einflüsse auf die Preisfestlegung zu eliminieren sind, die auf die Verflechtung der Unternehmen zurückzuführen sind. Dies hat für die praktische Ausgestaltung des hypothetischen Fremdvergleichs zur Folge, dass das Ergebnis der Preissimulation entscheidend geprägt sein muss von den konkreten Marktverhältnissen, den Handelsgebräuchen und Marktgepflogenheiten, der Unternehmensstruktur, der Funktion und den Risiken der Einzelunternehmung innerhalb des Gesamtverbundes sowie der Kostensituation der jeweiligen Vertragspartner.5
1 Vgl. Baumhoff in FS Krawitz, 38. 2 Vgl. Fischer/Looks/Schlaa, BB 2010, 160. 3 Vgl. Tz. 2.14 OECD-Leitlinien 2010; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.304; Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 353; Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 60; differenzierend Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 190 ff. Dagegen macht nach Auffassung des BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171, die nachhaltige Erwirtschaftung von Verlusten bei einer inländischen Tochter-Vertriebsgesellschaft die Durchführung eines tatsächlichen Fremdvergleichs „obsolet“. 4 Vgl. dazu auch Kleineidam in Schaumburg, Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 105 ff. 5 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 1.1.4.
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Erweist sich ein hypothetischer Fremdvergleich als notwendig, so bedarf es zu dessen Durchführung eines objektiven Bezugspunktes. Die ständige Rechtsprechung des BFH1 zur vGA und verdeckten Einlage hat hierfür auf die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters bzw. eines ordentlichen Kaufmanns (im Folgenden kurz: ordentlicher Geschäftsleiter) verwiesen, um beurteilen zu können, ob ein Verrechnungspreis als sachgerecht anzusehen ist, also mit dem Preis übereinstimmt, den unabhängige Dritte in einer vergleichbaren Situation vereinbart hätten (vgl. auch Rz. 3.22 und 3.32).
3.133
Die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters einer unabhängigen Gesellschaft ist als der Maßstab des hypothetischen Fremdvergleichs anzusehen und daher immer dann anwendbar, wenn ein objektiver Wert i.S. eines Marktpreises als Vergleichsmaßstab nicht zur Verfügung steht.
3.134
Bei diesem Sorgfaltsmaßstab handelt es sich um ein Kriterium des deutschen Handelsrechts, das die BFH-Rechtsprechung in das Steuerrecht übernommen hat und das in § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG nunmehr seine gesetzliche Grundlage hat. Hiernach ist bei der Anwendung des Fremdvergleichs davon auszugehen, „dass die voneinander unabhängigen Dritten (…) nach den Grundsätzen ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter handeln.“ Es dient den VWG 1983,2 den VWG-Umlageverträge 19993 und den VWG-Arbeitnehmerentsendung,4 den VWG-Verfahren5 und den VWG Funktionsverlagerung6 als zentrales Angemessenheitskriterium.
3.135
Wassermeyer betont, dass es sich bei dem Maßstab des ordentlichen Geschäftsführers um eine „Erfindung Döllerers“ handele, der den Maßstab aus den §§ 93 Abs. 1 Satz 1 AktG, 43 Abs. 1 GmbHG abgeleitet habe, obwohl beide Vorschriften mit einer vGA im steuerlichen Sinne nichts zu tun hätten. Genau genommen sei dieser Maßstab ohne jede Rechtsgrundlage.7 Dennoch erwächst die besondere Relevanz dieser Rechtsfigur als Objektivitätskriterium des deutschen Steuerrechts aus ihrer zentralen Stellung innerhalb der beiden dominanten Abgrenzungsregelungen, der
1 Vgl. erstmals BFH v. 16.3.1967 – I 261/63, BStBl. III 1967, 626. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.1.1, 2.1.8, 2.1.9, 2.3.2, 2.4.1 u. 6.4. 3 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 3.1. 4 Vgl. BMF v. 9.11.2001 – IV B 4 - S 1341 - 20/01 – VWG-Arbeitnehmerentsendung, BStBl. I 2001, 769 Tz. 3.1, 3.1.1 u. 3.1.2. 5 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.10.1. 6 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.1.4 Rz. 30, Tz. 2.3.2.5 Rz. 96, Tz. 3.10.4 Rz. 193. 7 Vgl. Vgl. Wassermeyer in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 126; Wassermeyer, DB 1994, 1107; Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 104 ff. Siehe hierzu auch Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 300 ff.; Borstell in V/B/E, Verrechnungspreise3, C Rz. 66 ff.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
vGA und der verdeckten Einlage, und nunmehr auch in § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG.
3.136 Bei der Rechtsfigur des ordentlichen Geschäftsleiters handelt es sich keineswegs um einen deutsche Besonderheit. Vielmehr ist sie auch in anderen ausländischen Rechtskreisen bekannt, wie etwa die „Theorie der ordnungsgemäßen Geschäftsleitungsmaßnahme“ in Frankreich zur Konkretisierung des Fremdvergleichsgrundsatzes zeigt.1 Geht man davon aus, dass man mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters nicht über einen punktmäßig vorgegebenen Maßstab verfügt, sondern dass dem Geschäftsleiter unter Berücksichtigung seiner unternehmerischen Zielfunktion ein gewisser Spielraum kaufmännischen Ermessens eingeräumt werden muss, der sich im Einzelfall aus Art, Funktion, Marktsituation und Größe der betreffenden Unternehmen ergibt,2 so muss man konzedieren, dass dieser Maßstab für viele Situationen der internationalen Einkünfteabgrenzung ein geeignetes Abgrenzungskriterium darstellt. Auch die OECD-Leitlinien 2010 haben die besondere Eignung des Maßstabs erkannt, indem sie in Kap. V zur Nachweisführung bei Verrechnungspreisprüfungen von „den Grundsätzen einer gewissenhaften Geschäftsleitung“ bzw. „des gewissenhaften Geschäftsleiters“ sprechen.3
3.137 Eine „Internationalisierung“ der Rechtsfigur des ordentlichen Geschäftsleiters wird allgemein begrüßt und als „Retter“ des Arm’s-Length-Tests in solchen konzernspezifischen Situationen angesehen, „bei denen mangels vergleichbarer unbeeinflusster Transaktionen nur noch ein hypothetischer Fremdvergleich möglich ist.“4 Die erweiterte Verwendungsmöglichkeit des ordentlichen Geschäftsleiters zur Konkretisierung des Fremdvergleichs resultiert aus der Flexibilität seines Angemessenheitskriteriums, welches allerdings für die praktische Anwendung einer zusätzlichen Präzisierung bedarf. Hierbei ergibt sich das zentrale Problem der Entwicklung sachgerechter Kriterien zur Bestimmung der Interventionspunkte bzw. Toleranzgrenzen von Entscheidungsspielräumen, innerhalb derer die Entscheidungen als – aus steuerlicher Sicht – akzeptabel anzusehen sind.
3.138 Geht man von der Überlegung aus, dass es grundsätzlich dem rationalen Verhalten eines ordentlichen Geschäftsleiters widerspricht, Entgelte zu akzeptieren, die entweder zu einem völlig oder teilweise unentgeltlichen Liefer- oder Leistungstransfer führen oder über den Aufwand hinaus1 Vgl. Sinz, IStR 2002, 195 und ferner Becker in FS Döllerer, 19 ff.; Becker, IWB Fach 3 Gruppe 1, 1631 ff. 2 Vgl. BFH v. 10.1.1973 – I R 119/70, BStBl. II 1973, 322; v. 16.4.1980 – I R 75/78, BStBl. II 1981, 492 sowie BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.1.8. 3 Vgl. Tz. 5.4, 5.6, 5.11 u. 8.41 OECD-Leitlinien 2010. 4 Lahodny-Karner, Konzernverrechnungspreise im nationalen und internationalen Steuerrecht, 60; jedoch kritisch Kleineidam, IStR 2001, 726 f.
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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs
gehen, der entstünde, wenn bestimmte Leistungen durch den eigenen Betrieb oder fremde Dritte erbracht werden würden,1 so erhält das Problem der Begrenzung von Entscheidungsspielräumen eher eine ökonomische als eine rechtliche Dimension. Dieser Umstand macht die einem betriebswirtschaftlichen Kalkül unterziehbare Entscheidungssituation deutlich, die durch Entscheidungen über absatz- und beschaffungswirtschaftliche Preisgrenzen gekennzeichnet ist. Diese Preisgrenzen determinieren das Ausmaß von Ermessensspielräumen. Der Gesetzgeber hat diese Überlegung mit der Neufassung des § 1 Abs. 3 AStG (i.R. des UntStRefG 2008) konsequent mit der Einigungsbereichsbetrachtung in Satz 6 umgesetzt, wobei er vom „Mindestpreis des Leistenden“ und vom „Höchstpreis des Leistungsempfängers“ spricht. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist der ordentliche Geschäftsleiter als Träger betriebswirtschaftlicher Entscheidungen anzusehen, der das erwerbswirtschaftliche Prinzip in Form der „Gewinnmaximierung“ als oberste Maxime seines unternehmerischen Handelns zu respektieren hat. So verlangen die VWG 1983 von der Rechtsfigur des ordentlichen Geschäftsleiters die strikte Beachtung des erwerbswirtschaftlichen Prinzips.2 Im Übrigen ist auch nach Auffassung der Rechtsprechung das Verhalten des ordentlichen Geschäftsleiters an der betriebswirtschaftlichen Zielsetzung der Gewinnerzielung bzw. Gewinnmaximierung auszurichten.3
3.139
Betrachtet man die Eliminierung der Einflussnahme des Gesellschafters bzw. einer ihm nahe stehenden Person auf die unternehmerischen Zielsetzungen der Kapitalgesellschaft als die Hauptabsicht des Fremdvergleichs, so lassen andere, dem Gewinnstreben entgegengesetzte Zielsysteme grundsätzlich eine nicht erwünschte gesellschaftsrechtlich bedingte Einflussnahme vermuten, die bei der Ermittlung hypothetischer Vergleichstatbestände nicht berücksichtigt werden darf.4 Lediglich in begründeten Ausnahmefällen sind andere, vom Gewinnstreben abweichende Zielsetzungen bei der Konstruktion hypothetischer Lösungsansätze möglich.
3.140
Wenngleich das Gewinnstreben als oberste, langfristige und während der gesamten Lebensdauer einer Unternehmung gültige Maxime zu betrachten ist, so kann dennoch ein vorübergehendes Abweichen hiervon zugunsten einer anderen Zielsetzung im Rahmen einer kurzfristigen Betrachtung betriebswirtschaftlich durchaus sinnvoll sein. Dies gilt bspw.
3.141
1 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 6.4.1. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.1.8 u. 6.4.1. 3 Vgl. BFH v. 16.4.1980 – I R 75/78, BStBl. II 1981, 492; v. 28.6.1989 – I R 9/85, BStBl. II 1989, 854; v. 17.2.1993 – I R 3/92, BStBl. II 1993, 457; v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; v. 15.5.2002 – I R 92/00, BFH/NV 2002, 1538; v. 6.4.2005 – I R 22/04, BStBl. II 2007, 658. 4 Vgl. etwa BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
bei der Neueinführung von Produkten oder der Markterschließung bzw. der Marktverteidigung/-sicherung, wo entsprechende Maßnahmen häufig zu erhöhten Kosten bzw. zu Mindererlösen führen. Dabei bestimmt sich die Dauer solcher Maßnahmen ausschließlich nach Vorteilhaftigkeitserwägungen eines rational handelnden Entscheidungsträgers in Gestalt des ordentlichen Geschäftsleiters, der diese nur dann realisiert, wenn er aufgrund unternehmerischer Planungsergebnisse davon ausgehen kann, dass sich die Kosten bzw. Mindererlöse solcher Maßnahmen im Planungszeitraum durch daraus entstehende zusätzliche Erlöse mindestens kompensieren. In diesem Zusammenhang geht die Rechtsprechung davon aus, dass eine Verlustphase – abgesehen von besonderen Umständen des Einzelfalls – sowohl bei neu eingeführten als auch bei bereits auf dem Markt etablierten Produkten drei Jahre nicht überschreiten sollte.1 Die Dreijahresfrist ist allerdings als widerlegbare Vermutung zu verstehen (Rz. 3.120), sodass es dem Steuerpflichtigen freisteht, darzulegen, dass die Verlustursachen nicht in unangemessenen Verrechnungspreisen, sondern vielmehr in sonstigen betrieblichen Gründen (z.B. Fehlmaßnahmen, nicht vorhersehbaren Ereignissen) zu suchen sind und rechtzeitig Anpassungsmaßnahmen ergriffen wurden. Die Anerkennung von Anlaufverlusten wird zudem von der Erzielung eines „angemessenen Totalgewinns“ innerhalb eines – vom BFH nicht näher quantifizierten – überschaubaren Kalkulationszeitraumes abhängig gemacht. Die Höhe dieser „Überkompensation“ soll mindestens der angemessenen Verzinsung des zugeführten Eigenkapitals (einschl. Zinseszins und Risikozuschlag) entsprechen.2
3.142 Bei beschaffungswirtschaftlichen Entscheidungsprozessen sieht sich ein ordentlicher Geschäftsleiter als Entscheidungsträger grundsätzlich den Handlungsalternativen Eigenfertigung oder Fremdbezug gegenüber.3 Im Rahmen absatzwirtschaftlicher Entscheidungen ist die Wahl zwischen alternativen Abnehmern erforderlich. Die Anzahl der Handlungsalternativen orientiert sich dabei an der Menge potenzieller Leistungserbringer bzw. -empfänger. Ein ordentlicher Geschäftsleiter wird aus den zum Entscheidungszeitpunkt verfügbaren Handlungsalternativen diejenige auswählen, die nach seiner Einschätzung für die von ihm vertretene Unternehmung langfristig den größten Nutzen bringt. Abzustellen ist damit auf die Vorteilhaftigkeitserwägungen eines autonomen Entscheidungsträgers. Da für die Bestimmung von Ermessensspielräumen, innerhalb derer die Entscheidungen eines Geschäftsleiters als akzeptabel anzusehen sind, 1 Vgl. BFH v. 17.2.1993 – I R 3/92, BStBl. II 1993, 457; v. 17.10.2001 – I R 103/00, IStR 2001, 745. 2 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, IStR 2001, 745; BMF v. 26.2.2004 – IV B 4 S 1300 - 12/04, BStBl. I 2004, 270. 3 Vgl. insoweit BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 6.4.1 Satz 4; BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 3.1; Baumhoff, IStR 2000, 696.
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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs
operationale und allgemein verbindliche Normen fehlen, muss auf die Grundregeln ordnungsmäßiger Unternehmensführung als Verhaltensmaßstab zurückgegriffen werden. Mithin sind die Entscheidungen eines ordentlichen Geschäftsleiters steuerlich anzuerkennen, solange er sich im Rahmen des ihm einzuräumenden Ermessensspielraumes bewegt und dadurch seiner Sorgfaltspflicht genügt. Dies gilt auch dann, wenn sich in zwei vergleichbaren Fällen ein ordentlicher Geschäftsleiter anders entscheidet als ein anderer.1 Ein ordentlicher Geschäftsleiter hat sein Entscheidungsverhalten ausschließlich am Ziel des von ihm geleiteten Unternehmens zu orientieren. Das hat zur Folge, dass er auch dann keine nachteiligen Geschäfte für „seine“ Unternehmung abschließen darf, wenn seine Handlungsweise für andere verbundene Unternehmen möglicherweise vorteilhaft sein sollte.2 b) „Doppelter“ ordentlicher Geschäftsleiter Will man das Kriterium des ordentlichen Geschäftsleiters im Interesse eines einheitlichen Fremdvergleichs im deutschen internationalen Steuerrecht sachgerecht anwenden, so kommt man nicht umhin, auch den Vertragspartner in das Kriterium miteinzubeziehen.3 Der BFH hat diese Notwendigkeit erkannt und unter Änderung seiner ständigen Rechtsprechung zur vGA im Urteil vom 17.5.19954 die Einbeziehung des Vertragspartners in den Fremdvergleich vorgenommen. Der BFH führt hierzu aus: „Der Maßstab der Sorgfalt des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters ist jedoch nicht für alle Fälle als Beurteilungsmaßstab geeignet. Er ist dadurch gekennzeichnet, dass der gebotene Fremdvergleich nur aus der Sicht der Kapitalgesellschaft gesehen wird. Der ordentliche und gewissenhafte Gesellschafter wird grundsätzlich jeder Vereinbarung zustimmen, die für die Kapitalgesellschaft vorteilhaft ist. Dabei kann der Vorteil auch darin liegen, dass eine Verbindlichkeit der Gesellschaft nicht sofort erfüllt werden muss und damit der Gesellschaft Liquidität erhält. Der Fremdvergleich erfordert auch die Einbeziehung des Vertragspartners. Auch wenn ein Dritter einer für die Gesellschaft vorteilhaften Vereinbarung nicht zugestimmt hätte, kann deren Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis liegen. So gesehen ist der Maßstab des Handelns eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nur ein Teilaspekt des Fremdvergleichs.“ 1 Siehe zum Ermessenspielraum auch Borstell in V/B/E, Verrechnungspreise3, C Rz. 79 ff. 2 So ausdrücklich BFH v. 1.8.1984 – I R 99/80, BStBl. II 1985, 18. 3 Vgl. Wassermeyer, DB 1994, 1109; Wassermeyer, IStR 2001, 636; siehe auch Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 360 ff. 4 Vgl. BFH v. 17.5.1995 – I R 147/93, BStBl. II 1996, 204. Siehe ferner BFH v. 6.12.1995 – I R 88/94, BStBl. II 1996, 383; v. 19.5.1998 – I R 36/97, BStBl. II 1998, 689; v. 27.3.2001 – I R 27/99, BStBl. II 2002, 111; v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; v. 24.4.2002 – I R 18/01, BStBl. II 2002, 670; v. 28.1.2004 – I R 87/02, BFH/NV 2004, 736; v. 6.4.2005 – I R 15/04, BStBl. II 2006, 196; v. 6.4.2005 – I R 22/04, BStBl. II 2007, 658; v. 21.8.2007 – I R 27/07, HFR 2008, 367; v. 22.8.2007 – I R 32/06, BStBl. II 2007, BStBl. II 2007, 961; v. 5.3.2008, I R 45/07, 17.2.2010 – I R 97/08, BFH/NV 2010, 1307.
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3.143
Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
Damit hat der BFH den von der Betriebswirtschaftslehre nahezu zehn Jahre zuvor entwickelten Vorschlag1 zur Verdopplung der Rechtsfigur der ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters aufgenommen und seiner nunmehr ständigen Rechtsprechung zugrunde gelegt.
3.144 Es kann also nicht auf die Sorgfalt des ordentlichen Geschäftsleiters nur des einen Unternehmens ankommen, erforderlich ist auch die Einbeziehung des ordentlichen Geschäftsleiters des im anderen Staat ansässigen Unternehmens. Der ordentliche Geschäftsleiter ist damit gewissermaßen zu „verdoppeln“, wenn man der im Wirtschaftsleben an sich selbstverständlichen Tatsache Rechnung tragen will, dass Verträge notwendigerweise von mindestens zwei Rechtssubjekten ausgehandelt und abgeschlossen werden. Denn es darf nicht übersehen werden, dass beim Liefer- und Leistungsverkehr zwischen international verbundenen Unternehmen auch aufseiten der ausländischen Gesellschaft ein Geschäftsleiter beteiligt ist, der mit der gebotenen Sorgfalt die Interessen seines Unternehmens zu vertreten hat und den Erwartungen „seines“ Fiskus gerecht werden muss (Rz. 3.152).
3.145 Der Gesetzgeber hat die Sinnhaftigkeit des „doppelten ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ erkannt und diese Rechtsfigur beinahe 25 Jahre nach ihrer „Geburt“ als Leitgedanken des Fremdvergleichsgrundsatzes in § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG verankert.2 Hiernach ist bei der Anwendung des Fremdvergleichs davon auszugehen, „dass die voneinander unabhängigen Dritten (…) nach den Grundsätzen ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter handeln.“ Zu der Zwecksetzung heißt es in der Regierungsbegründung ausdrücklich: „da anderenfalls das Zustandekommen marktkonformer Verrechnungspreise nicht erreicht werden kann“.3 Dies verdeutlicht bereits hinreichend, dass die Rechtsfigur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters in ihrer verdoppelten Ausprägung auf den hypothetischen Fremdvergleich zugeschnitten ist und besser in § 1 Abs. 3 AStG hätte verankert werden sollen. Im Rahmen des tatsächlichen Fremdvergleichs ist sie hingegen verfehlt (Rz. 3.79). Für den hypothetischen Fremdvergleich erkennt der Gesetzgeber allerdings zutreffend, dass – bezogen auf die Ermittlung angemessener Verrechnungspreise – erst die Kombination zweier Fremdvergleichswerte (Preisunter-/Preisobergrenze) zwei kontrahierende ordentlicher Geschäftsleiter (Käufer/Verkäufer) zu einem Fremdvergleichspreis führt. Nach welchem Maßstab ihr Handeln zu beurteilen ist, bringt die Gesetzesbegründung zweifelsfrei zum Ausdruck: „nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen“.4
1 Vgl. Baumhoff, Verrechnungspreise für Dienstleistungen, 139 ff. 2 Siehe hierzu grundlegend Baumhoff, Verrechnungspreise für Dienstleistungen, 139 ff. 3 BR-Drucks. 220/07 v. 30.3.2007, 142. 4 BR-Drucks. 220/07 v. 30.3.2007, 144.
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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs
In diesem Zusammenhang kann das Verhalten „unabhängiger Dritter“, soweit ein tatsächlicher Fremdvergleich (Rz. 3.125 ff.) mangels Existenz uneingeschränkt oder eingeschränkt vergleichbare Vergleichsdaten scheitert, durch das Normverhalten der ordentlichen Geschäftsleiter im Rahmen eines hypothetischen Fremdvergleichs konkretisiert werden. Die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters erfährt dadurch als objektivierender Bezugspunkt eine eigenständige Bedeutung, was „letzten Endes auf eine Angemessenheitsprüfung nach betriebswirtschaftlichen Kriterien“ hinausläuft.1 Dieser Maßstab erweist sich jedoch nicht allein als Ergänzungskriterium eines hypothetischen, sondern auch als neutraler Bezugspunkt bei einem tatsächlichen Fremdvergleich und somit auch für die Auslegung des § 1 AStG insgesamt als geeignet (Rz. 3.125 ff. und 3.154).2 Denn ein ordentlicher Geschäftsleiter würde mit einem gesellschaftsrechtlich verbundenen Geschäftspartner dasselbe Geschäft zu genau den gleichen Bedingungen abschließen, wie er dies mit einem fremden Dritten tun würde bzw. wie dies fremde Dritte untereinander tun würden. Wenn also ein Geschäftsleiter mit einer verbundenen Unternehmung ein Geschäft „at arm’s length“ abschließt und durchführt, so verhält er sich damit ordentlich und gewissenhaft.
3.146
Gegenüber dem tatsächlichen Fremdvergleich bietet das Kriterium des ordentlichen Geschäftsleiters die Möglichkeit einer zusätzlichen inhaltlichen Präzisierung, indem hiermit der individuellen Entscheidungssituation des Entscheidungsträgers in der Unternehmung und damit auch in größerem Umfang der Funktion der einzelnen Unternehmung im gesamten Unternehmungsverbund Rechnung getragen werden kann. Darüber hinaus ist es dem tatsächlichen Fremdvergleich in den Bereichen überlegen, in denen aufgrund konzernspezifischer Besonderheiten ein vergleichbares Fremdverhalten nicht mehr denkbar ist.3 Eine „Verdopplung“ der Rechtsfigur des ordentlichen Geschäftsleiters eröffnet im Übrigen die Möglichkeit einer international einheitlichen Anwendung des Fremdvergleichs und der „Internationalisierung“ dieser Rechtsfigur.4 Es stehen sich damit zwei ordentliche Geschäftsleiter sowohl aufseiten der anbietenden als auch der nachfragenden Unternehmung gegenüber, die aufgrund ihrer unternehmerischen Zielsetzung und
3.147
1 Vgl. Kleineidam in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 107 ff.; Borstell in V/B/E, Verrechnungspreise3, C Rz. 93 f.; Roeder, Ubg 2008, 204 f.; BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWGFunktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 3.2 Rz. 149. 2 Vgl. etwa bereits BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.1.1., wonach dem Fremdvergleich „die verkehrsübliche Sorgfalt ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter gegenüber Fremden“ zugrunde zu legen ist. 3 Dagegen kritisch Kleineidam, IStR 2001, 726 f.; Bauer, IStR 2006, 320 ff. 4 Vgl. Lahodny-Karner, Konzernverrechnungspreise im nationalen und internationalen Steuerrecht, 61; Wassermeyer, IStR 2001, 636; Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 110; Borstell in V/B/E, Verrechnungspreise3, C Rz. 94 f.; siehe hierzu auch Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.305.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
Ergebnisverantwortung bestrebt sind, die für die von ihnen vertretenen Gesellschaften jeweils günstigsten Bedingungen zu vereinbaren. Durch die „Theorie des doppelten ordentlichen Geschäftsleiters“ wird der in der Literatur vermisste natürliche Interessengegensatz der Geschäftspartner, der wie bei voneinander unabhängigen Unternehmen für marktkonforme, ausgewogene Preise sorgt, geschaffen. Darüber hinaus lässt die Etablierung eines zweiten Entscheidungsträgers das Kriterium des ordentlichen Geschäftsleiters insofern realitätsnaher und praktikabler erscheinen, als durch das Vorhandensein voneinander unabhängiger Anbieter und Nachfrager einer Grundbedingung von Preisbildungsprozessen Rechnung getragen und damit erst die Akzeptanz eines Preises durch beide Seiten ermöglicht wird.
3.148 Aus betriebswirtschaftlicher Sicht stehen sich nach dieser Betrachtungsweise zwei voneinander unabhängige Entscheidungsträger mit individuellen Zielfunktionen gegenüber, die nur dann zu einem Ergebnis gelangen können, wenn ihre Interessen in angemessener Weise gewahrt werden. Damit gilt für die Herstellung eines Interessenausgleichs als Grundvoraussetzung, dass beide Seiten den Bedingungen eines Transfers nur dann zustimmen können, wenn sich diese – zumindest langfristig – nicht negativ auf das Betriebsergebnis der von ihnen vertretenen Unternehmen auswirken. Um dies beurteilen zu können, ist eine vorherige Festlegung der individuellen Entscheidungssituationen der Geschäftspartner durch Ermittlung der individuellen Preisgrenzen sowie der Handlungsalternativen erforderlich, die sowohl dem Anbieter als auch dem Nachfrager neben dem zu beurteilenden Liefer- bzw. Leistungstransfer offenstehen.1
3.149 Dabei kann es bei rationalem Verhalten unabhängiger Entscheidungsträger nur dann zu einer Einigung kommen, wenn die Preisobergrenze des Nachfragers über der Preisuntergrenze des Anbieters liegt, m.a.W. wenn ein Einigungsbereich besteht. Mithin bildet dieser Einigungsbereich das Preisband (sog. „Bandbreitenbetrachtung“2), innerhalb dessen der angemessene Verrechnungspreis liegen muss. Dieses Preisband wird determiniert durch die Preisuntergrenze aus Sicht des leistungserbringenden Unternehmens und der Preisobergrenze aus Sicht des leistungsempfangenden Unternehmens (Rz. 3.158 ff.).
1 Zum betriebswirtschaftlichen Entscheidungsprozess bei der Ermittlung von Verrechnungspreisen im Rahmen der sog. „Bandbreitenbetrachtung“ vgl. auch Kleineidam/Baumhoff/Seutter, DB 1986, 238 ff.; Baumhoff, Verrechnungspreise für Dienstleistungen, 139 u. 236 ff.; Kleineidam in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 103 ff.; Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 157 ff.; Roeder, Ubg 2008, 205 f.; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1464 f.; Baumhoff in FS Krawitz, 24 ff. 2 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.1.9.; Tz. 3.55 ff. OECD-Leitlinien 2010; Baumhoff in FS Wassermeyer, 347 ff.
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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs
Die Preisuntergrenze ist dabei definiert als dasjenige Entgelt, das das leistungserbringende Unternehmen von einem fremden Dritten mindestens für die Leistung fordern würde. Ist der Leistungsempfänger nicht bereit, dieses Entgelt zu vergüten, wird der ordentliche Geschäftsleiter des Unternehmens nicht bereit sein, die Leistung zu erbringen. Betriebswirtschaftlich ist zwischen der lang- und der kurzfristigen Preisuntergrenze zu unterscheiden.1 Langfristige Preisuntergrenzen stellen Preis-Mindesthöhen dar, die selbst dann die Existenz des Unternehmens nicht gefährden, wenn diese auf Dauer beibehalten werden (müssen). Da langfristig marktwirtschaftlich geführte Unternehmen nur funktionsfähig sein können, wenn mindestens die gesamten Kosten (Vollkosten) und ein Mindestgewinn für die Verzinsung des eingesetzten Kapitals durch die Erlöse gedeckt werden, bilden die gesamten Durchschnittskosten pro Leistungseinheit (Einzelkosten zuzüglich anteiliger Gemeinkosten) die langfristige Preisuntergrenze, wobei die Normalverzinsung des Kapitals als Kostenbestandteil anzusehen ist (sog. kalkulatorische Eigenkapitalzinsen). Ein zu Vollkosten kalkulierter Selbstkostenpreis wird zuweilen auch als „natürliche“ Preisuntergrenze bezeichnet.
3.150
Der langfristigen Preisuntergrenze steht die kurzfristige Preisuntergrenze gegenüber, die nur für begrenzte Zeit und nur in Ausnahmefällen, z.B. bei einer konjunkturell bedingten (vorübergehenden) Unterbeschäftigung bzw. betrieblichen Sondersituationen (etwa Rezession), realisierbar ist. Demnach kann es für ein leistungserbringendes Unternehmen betriebswirtschaftlich sinnvoll sein, vorübergehend (z.B. in Krisensituationen) eine Preiskalkulation auf Teilkostenbasis zu realisieren, also auf die Deckung der gesamten Selbstkosten zu verzichten. Dabei müssen jedoch die variablen Kosten einer Lieferung oder Leistung die absolute Preisuntergrenze darstellen, deren Unterschreiten im Normalfall betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll ist. Anderenfalls wäre infolge des Ressourcenverzehrs das Überleben des jeweiligen Unternehmens nicht gewährleistet. Demgegenüber wird als Preisobergrenze der Preis verstanden, den der ordentliche Geschäftsleiter des leistungsempfangenden Unternehmens maximal zu zahlen bereit ist. Übersteigt der Preis diese Grenze, wird er auf die Inanspruchnahme der Leistung verzichten. Die Höhe der Preisobergrenze kann nur unter konkreter Bezugnahme auf die einem unabhängigen Entscheidungsträger alternativ zur Verfügung stehenden Beschaffungsmöglichkeiten bestimmt werden. Dabei lässt sich grundsätzlich unterscheiden zwischen – dem (internen) Bezug der Lieferung/Leistung bei einem verbunden Unternehmen, – der Eigenerstellung des Produkts/der Leistung sowie
1 Vgl. hierzu Baumhoff in FS Krawitz, 25 ff. m.w.N.
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3.151
Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
– dem (externen) Bezug des Produkts/der Leistung bei einem unabhängigen Unternehmen. Welche der drei Alternativen im Einzelfall realisierbar ist, hängt von der Art der betreffenden Lieferung/Leistung sowie den damit einhergehenden Eigenerstellungs- und Fremdbezugsmöglichkeiten des Empfängers ab. Sind mehrere Alternativen realisierbar, so ergeben sich daraus verschiedene Ansatzpunkte der Preisobergrenzen-Bestimmung, wobei ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter die Festsetzung seiner Preisobergrenze an der Alternative orientieren wird, die seiner Zielsetzung am ehesten entspricht.
3.152 Liegt ein Einigungsbereich vor, d.h., die Preisobergrenze des Leistungsempfängers liegt über der Preisuntergrenze des Leistungserbringers, sind grundsätzlich sämtliche Preise innerhalb dieser Bandbreite als fremdvergleichskonform anzusehen. Liegt dagegen kein Einigungsbereich vor, weil es einem oder beiden Vertragspartnern nicht möglich ist, den individuellen Grenzpreis, bei dem Entscheidungsindifferenz vorliegt, zu erzielen, wird zwischen unabhängigen Unternehmen keine Transaktion zustande kommen. Denn mindestens einer der Beteiligten müsste einen – unter Fremden nicht akzeptablen – Gewinnentgang in Kauf nehmen, was mit dem Handeln eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nicht zu vereinbaren wäre. In diesem Fall ist ein Fremdvergleich weder in seiner tatsächlichen noch in seiner hypothetischen Form durchführbar, obwohl aufgrund des faktischen Kontrahierungszwangs zwischen den Konzernunternehmen die Notwendigkeit der Festsetzung eines Verrechnungspreises besteht. Die VWG 1983 versuchen diese Problematik dadurch zu lösen, dass sie in Fällen, in denen „Geschäftsbeziehungen (…) zwischen Fremden (…) nicht oder nur mit einem wesentlich anderen wirtschaftlichen Gehalt zustande gekommen wären (…), eine angemessene Aufteilung der Einkünfte aus den Geschäftsbeziehungen“ vorsehen, und zwar so, „wie sie ordentliche Geschäftsleiter vereinbart hätten“.1 Da der Einkünftebegriff sowohl positive wie auch negative Einkünfte umfasst, wird mit dieser Regelung auch die Möglichkeit einer Aufteilung von Verlusten aus einzelnen Geschäftsbeziehungen abgedeckt.2 c) Der hypothetische Fremdvergleich gem. § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG
3.153 Mit der Neufassung des Außensteuergesetzes durch das Unternehmensteuerreformgesetz 20083 wurde der hypothetische Fremdvergleich gesetzlich verankert. Entsprechend dem § 1 Abs. 3 AStG zugrunde liegenden Stufenverhältnis kommt er nachrangig dann zum Tragen, wenn mittels eines tatsächlichen Fremdvergleichs weder uneingeschränkt noch einge1 BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.4.6. 2 Ebenso Becker in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Anm. zu Tz. 2.4.6. VWG 1983. 3 UntStRefG 2008 v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912.
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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs
schränkt vergleichbare Werte identifiziert werden können (Rz. 3.172 ff.). In diesem Fall hat „der Steuerpflichtige für seine Einkünfteermittlung einen hypothetischen Fremdvergleich (…) durchzuführen.“1 aa) Innerstaatliche „Konkretisierungen“ des Fremdvergleichsgrundsatzes Für die Durchführung des hypothetischen Fremdvergleichs sind die Konkretisierungen des § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG zu beachten, die der Gesetzgeber für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes vorgibt. Zum einen soll davon auszugehen sein, „dass die voneinander unabhängigen Dritten alle wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehung kennen“, zum anderen davon, dass sie „nach den Grundsätzen ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter handeln“. Während die Ausrichtung an der Referenzfigur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters in seiner verdoppelten Ausprägung im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH zur vGA steht (Rz. 3.143 ff.) und sich als unabdingbar für die Simulation von Preisbildungsprozessen erweist, ist die Fiktion vollständiger Transparenz zwischen den beteiligten Transaktionspartnern national wie international eine Novität und eben nicht mit dem Fremdvergleichsgrundsatz vereinbar, da miteinander kontrahierende fremde Dritte eben nicht die volle Transparenz über die Entscheidungssituation ihres Gegenübers haben.
3.154
Die Fiktion der vollständigen Information und Markttransparenz legt der Verrechnungspreisermittlung volkswirtschaftliche Modellannahmen zugrunde, die die vereinfachte Abbildung und Erklärung komplexer Marktmechanismen bezwecken, ohne dass sie mit der Realität irgendetwas gemein hätten.2 Zwischen unabhängigen Dritten jedenfalls herrschen regelmäßig unvollkommene Informationen vor. Nur unter dieser asymmetrischen Informationsverteilung lassen sich empirisch beobachtbare betriebswirtschaftliche Entscheidungen – und damit auch Preisentscheidungen – überhaupt erklären.3 Anderenfalls gäbe es auch nur einen Preis, nämlich den sog. „Gleichgewichtspreis“.4
3.155
Ausweislich der Gesetzesbegründung zielt die Annahme vollständiger Information auf die „Vermeidung willkürlicher Ergebnisse im Verhältnis der nahe stehenden Personen“,5 um sicherzustellen „dass nicht jeder beliebige Fremdvergleich, der auch unter irregulären Umständen (z.B. wegen mangelhafter Information oder Qualifikation) zustande gekommen 1 § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG. 2 Vgl. Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 545 f.; Wassermeyer/Baumhoff/Greinert in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. V 8. Zu der Abwesenheit der Bedingungen eines vollkommenen Marktes und den deshalb erklärbaren Ursachen für die Entstehung von Preisbandbreiten vgl. Baumhoff in FS Wassermeyer, 348 f. 3 Vgl. Selchert/Greinert, Einführung in die Betriebswirtschaftslehre8, 15 ff.; Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 546. 4 Siehe hierzu Stiglitz/Walsh, Mikroökonomie4, 83 ff. 5 BR-Drucks. 220/07 v. 30.3.2007, 142 f.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
sein kann, zu berücksichtigen ist.“ Sie soll „insbesondere für den hypothetischen Fremdvergleich wichtig“ sein. Einerseits impliziert die Verwendung „insbesondere“, dass die Transparenzklausel auch auf den tatsächlichen Fremdvergleich zur Anwendung kommen könnte, womit der international anerkannte Grundsatz des Fremdvergleichs verlassen wird.1 Andererseits verkennt der Gesetzgeber die Zielsetzung des § 1 AStG, mittels des Fremdvergleichsgrundsatzes den fehlenden Interessengegensatz aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit der Transaktionspartner zu überwinden, und konterkariert diese, indem er Informationen fordert, die nur unter Nutzung der gesellschaftsrechtlichen Stellung der Muttergesellschaft zu erlangen sind.2
3.156 Die Finanzverwaltung geht offenkundig von einer Vereinbarkeit der Transparenzfiktion mit dem internationalen Fremdvergleichsgrundsatz des Art. 9 OECD-MA und der ihm nachgebildeten Bestimmungen der deutschen DBA aus. So belegen die VWG Funktionsverlagerung ihre Aussage in Tz. 149, dass insbesondere „zur Durchführung des hypothetischen Fremdvergleichs (…) Informationstransparenz unterstellt werden“ müsse, mit Verweis auf die Tz. 9.81 und 9.85 OECD-Leitlinien 2010.3 Einer näheren Überprüfung hält diese vermeintliche Legitimation allerdings nicht stand. Denn dort wird – wie bereits in Tz. 6.14 OECD-Leitlinien 2010 – „lediglich“ explizit darauf hingewiesen, dass bei der Bestimmung von Fremdvergleichspreisen für Rechte an immateriellen Wirtschaftsgütern die Sichtweisen sowohl des Käufers wie des Verkäufers zu berücksichtigen sind.4 In diesem Gebot der Berücksichtigung der Interessen beider Transaktionspartner mag man eine Entsprechung mit der Referenzfigur des doppelten ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters erblicken.5 Dass diese mit dem Fremdvergleich vereinbar ist, wird hier nicht bestritten (Rz. 3.143 ff.). Diese Referenzfigur würde jedoch lediglich seine eigenen alternativen Handlungsmöglichen kalkülisieren und nur ausnahmsweise – im Falle besonderer und unter marktlichen Gegebenheiten gewonnener Informationen über die erwarteten Vorteile des Kontrahenten – anstreben, diese in die Preisfindung einzubeziehen.6 Allerdings ist den Ausführungen der OECD nicht ansatzweise zu entnehmen, dass international von einer vollständigen Kenntnis über die Handlungsalternativen der konzernverbundenen Transaktionspartner auszugehen sei. 1 Insofern wird schon aus diesem Grunde einer restriktiven Auslegung i.S. einer Anwendbarkeit allenfalls auf den hypothetischen Fremdvergleich das Wort geredet, vgl. Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 546 f.; Wassermeyer/Baumhoff/Greinert in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. V 10; wohl auch Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 273. 2 Vgl. Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 276. 3 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 3.2 Rz. 149. 4 Vgl. Tz. 9.81, 9.85 sowie 6.14 OECD-Leitlinien 2010. 5 Vgl. Roeder in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Tz. 6.14 Anm. 1. 6 Vgl. Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 269.
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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs
Ebenso wenig vermag der Begründungsansatz der VWG Funktionsverlagerung zu überzeugen, dass erst mittels vollständiger Information der Verhandlungsspielraum der Parteien festgestellt werden könne und die Bestimmung betriebswirtschaftlich sachgerechter Verrechnungspreise entsprechend dem hypothetischen Fremdvergleich ermöglicht würde und deshalb insgesamt eine Vereinbarkeit mit dem Fremdvergleichsgrundsatz gegeben sei.1 Diese vermeintlichen Ermittlungsdefizite vermögen diese realitätsferne Annahme freilich nicht zu rechtfertigen. Vielmehr bedürfte auch die Informationstransparenz selbst einer aus dem Fremdvergleichsgrundsatz abzuleitenden Rechtfertigung.2 Gänzlich außerhalb jedweder Rechtsgrundlage ist schließlich die Vorstellung, dass – i.S. einer Konzerninformationstransparenz – auch sämtliche Umstände heranzuziehen sind, die bei der Konzernzentrale bekannt sind oder hätten bekannt sein müssen.3 Man mag das fiskalische Interesse nachvollziehen können, gewissermaßen als übergeordnete Instanz die zu Entscheidungswerten verdichteten Handlungsalternativen und deren jeweilige Bewertungen beider an der Transaktion beteiligter Parteien zu erhalten, um einen idealtypischen hypothetischen Fremdvergleich durchführen zu können. Allerdings fehlt es auch in der wirtschaftlichen Realität an einer „übergeordneten Transparenzinstanz“.4 Wollte man diese in der Konzernleitung erblicken,5 wäre (auch) der hypothetische Fremdvergleich in Gestalt der Simulation eines Preisbildungsprozesses ad absurdum geführt und durch ein Preisdiktat zu ersetzen, mithin einer auferlegten Bedingung, die sich weder mit § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG noch mit Art. 9 OECD-MA und Art. 4 EU-Schiedskonvention vereinbaren ließe. Insofern ist den realen Marktverhältnissen Rechnung zu tragen, die auch und gerade infolge asymmetrischer Informationsverteilung eine marktliche Preisentstehung ermöglichen. Insbesondere bietet die fehlende Informationstransparenz den Erklärungsansatz für die Entstehung von Preisbandbreiten.6 Da von dieser Realität im Übrigen auch § 1 Abs. 3 Satz 3 AStG ausgeht, ist schon innerhalb der Regelungen des § 1 AStG die Vereinbarkeit mit der Transparenzklausel fraglich. Mit dem international anerkannten Fremdvergleichsgrundsatz, wie er in 1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 3.2 Rz. 149; siehe zur Notwendigkeit für eine „sinnvolle Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes“ auch Hruschka in Schaumburg/ Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, 17. 2 Vgl. zur „Lebenswirklichkeit“ in internationalen Konzernen auch Roeder, Ubg 2008, 205. 3 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 3.2 Rz. 149; zu Recht kritisch Kroppen/Rasch, IWB 2010, 840. 4 Vgl. hierzu ausführlich Frischmuth in FS Schaumburg, 657 ff. 5 Offenkundig geht die Auslegung der Finanzverwaltung zu § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG i.S. einer Konzerninformationstransparenz in diese Richtung, vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 3.2 Rz. 149. 6 Vgl. Baumhoff in FS Wassermeyer, 348 f.
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3.157
Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
Art. 9 OECD-MA und Art. 4 EU-Schiedskonvention verankert ist, ist diese Fiktion der vollständigen Information und Marktransparenz jedenfalls unvereinbar.1 bb) Ermittlung des Einigungsbereichs
3.158 Im Hinblick auf die Simulation des Preisbildungsprozesses gibt § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG vor, dass der Steuerpflichtige „aufgrund einer Funktionsanalyse und innerbetrieblicher Planrechnungen den Mindestpreis des Leistenden und den Höchstpreis des Leistungsempfängers zu bestimmen [hat; d. Verf.] (Einigungsbereich); der Einigungsbereich wird von den jeweiligen Gewinnerwartungen (Gewinnpotenzialen) bestimmt.“ Offenkundig geht der Gesetzgeber – wie selbstverständlich – davon aus, dass die individuellen Preisgrenzen der Kontrahenten stets einen Einigungsbereich markieren. Dies ist allerdings nicht zwingend, denn ein Einigungsbereich setzt denklogisch voraus, dass die Preisobergrenze die Preisuntergrenze übersteigt (Rz. 3.152). Mithin entsteht ein Einigungsbereich dann nicht, wenn die individuellen Preisgrenzen der Kontrahenten identisch sind oder die Preisobergrenze des Leistungsempfängers unter der Preisuntergrenze des Leistenden liegt.2 Im letzteren Fall käme zwischen unabhängigen Verhandlungspartnern kein Geschäft zustande, weil mindestens einer der Beteiligten einen – unter Fremden nicht akzeptablen – Gewinnentgang oder gar Verlust in Kauf nehmen müsste (Rz. 3.152).3 Wenngleich dies mit dem Handeln der Referenzfigur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters unvereinbar ist und demzufolge weder der tatsächliche noch der hypothetische Fremdvergleich anwendbar sind, sind unter diesen Bedingungen gleichwohl Transaktionen zwischen verbundenen Unternehmen vorstellbar.4 Die steuerliche Behandlung dieses Falls ist gesetzlich nicht geregelt. Nach Auffassung von Roeder5 sei in diesen Fällen davon auszugehen, dass – neben den Vertragspartnern – mindestens ein Konzernunternehmen identifizierbar ist, das von dieser Transaktionen i.S. einer Gewinnsteigerung profitiere, und dass – rationales Verhalten unterstellt – dessen Gewinnerwartung den kumulierten Gewinnentgang 1 Gl. A. Wassermeyer, DB 2007, 536; Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 546; Wassermeyer/Baumhoff/Greinert in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. V 8; Kaminski, RIW 2007, 595; Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 275; Kroppen/Nientimp, IWB Fach 3 Gruppe 1, 2359; Kroppen in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 107; Kroppen in FS Schaumburg, 868 f.; Frischmuth, IStR 2007, 488; Frischmuth in FS Schaumburg, 656 ff.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 18.108; Borstell/Wehnert in V/B/E, Verrechnungspreise3, Q Rz. 221 f. 2 Siehe auch Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 554; Wassermeyer/Baumhoff/Greinert in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. V 57. 3 Zur Pareto-effizienten Gewinnverteilung siehe auch Roeder, Ubg 2008, 206. 4 Siehe auch Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 554; Wassermeyer/Baumhoff/Greinert in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. V 57; Kroppen in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 108. 5 Vgl. Roeder, Ubg 2008, 206.
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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs
der Vertragspartner überkompensiert. Deshalb ließe die Ausweitung des hypothetischen Fremdvergleichs auch auf das dritte Konzernunternehmen die Ermittlung eines sinnvollen Einigungsbereichs zu. Ungeachtet dessen, ob diese Annahmen in der Realität belastbar sind oder nicht, ist u.E. die Ausdehnung auch auf nicht an der Transaktion beteiligte Verbundunternehmen mit der Simulation eines Preisbildungsprozesses unvereinbar. Was die Ermittlung der individuellen Preisgrenzen des Leistenden und 3.159 des Leistungsempfängers anbelangt, ist angesichts der verwendeten Begriffe „Planrechnungen“ und „Gewinnpotenziale“ letztlich die Ermittlung eines Ertragswerts erforderlich.1 Die durch das Jahressteuergesetz 20132 beabsichtigte Klarstellung, dass für den hypothetischen Fremdvergleich generell der Mindestpreis des Leistenden und der Höchstpreis des Leistungsempfängers „unter Berücksichtigung funktions- und risikoadäquater Kapitalisierungszinssätze“ zu ermitteln sind (§ 1 Abs. 3 Satz 6 AStG-E), verdeutlicht dies. Die Ermittlung des Ertragswerts hat aus zweierlei Perspektiven zu erfolgen, nämlich aus Sicht des Leistenden wie auch aus derjenigen des Leistungsempfängers. Hierbei treten dieselben Aspekte in den Vordergrund, die die Bewertung immaterieller Wirtschaftsgüter und die Unternehmensbewertung prägen:3 – Isolierung und Prognose der künftigen, zurechenbaren Gewinne, – Ermittlung der Nutzungsdauer und – Ableitung eines angemessenen Kapitalisierungszinssatzes. Fraglich ist, ob diese durchaus aufwendige Vorgehensweise für jedwede Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs – auch im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit – gerechtfertigt ist. Unseres Erachtens ist dies nur dann der Fall, wenn zu erwarten ist, dass die Preisobergrenze des Empfängers und die Preisuntergrenze des Leistenden wesentlich voneinander abweichen. Solche Abweichungen können insbesondere auf Synergieeffekte, Standortvorteile und strategische Überlegungen zurückgehen und sind wohl am ehesten bei Funktionsverlagerungen i.S. von § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG relevant. Offenkundig ist der Anwendungsbereich des hypothetischen Fremdvergleichs exklusiv auf diese zugeschnitten, obgleich er stets dann zur Anwendung kommt, wenn für einzelne Transaktionsgegenstände mittels eines tatsächlichen Fremdvergleichs weder uneingeschränkt noch eingeschränkt vergleichbare Werte festgestellt werden können. Mit der Ausrichtung auf Ertragswerte hat der Gesetzgeber den hypothetischen Fremdvergleich in Gestalt der Einigungsbereichsbetrachtung u.E. unzulässig eingeschränkt. Denn konzeptionell erfordert dieser lediglich, 1 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1651. 2 S. Regierungsentwurf v. 23.5.2012, BR-Drucks. 302/12. 3 Vgl. IDW S 5 i.d.F. 2010, WPg Supplement 3/2010, 109 Tz. 24 ff. sowie hierzu Greinert, DB 2004, 2116 f.; Greinert, Ubg 2010, 102 ff.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
dass sowohl für den Leistenden wie für den Leistungsempfänger deren jeweilige alternative Handlungsmöglichkeiten zu kalkülisieren, d.h. zu identifizieren und zu bewerten, und die jeweils günstigste alternative Handlungsmöglichkeit zu einem Entscheidungswert zu verdichten sind. Offenkundig hat die Finanzrechtsprechung in den Entscheidungen, die konzeptionell auf einen hypothetischen Fremdvergleich zurückgehen, keinen Anlass gesehen, zur Bestimmung der Preisgrenzen auf aufwendige Ertragswertverfahren zurückzugreifen. So hat der BFH in seinen sog. „Zinsurteilen“ entschieden, dass die banküblichen Habenzinsen als Untergrenze und die banküblichen Sollzinsen als Obergrenze für angemessene Zinsen zu beachten sind, wobei sich „im Zweifel“ Darlehensgläubiger und Darlehensschuldner die Spanne zwischen bankenüblichen Habenund Schuldzinsen teilen sollen.1 Dem steht auch das BFH-Urteil vom 17.10.2001 nicht entgegen, mit dem grundsätzlich der Mittelwertmethode die Rechtfertigung abgesprochen wurde. Denn der BFH konzedierte den Ansatz des Mittelwertes zutreffenderweise nur dann, „wenn er aus Fremdvergleichswerten abgeleitet werden kann“.2 Auf einen solchen, wenngleich pauschalen Fremdvergleich geht der Erfahrungssatz zurück, dass sich – im Zweifel – Darlehensgläubiger und -schuldner die Spanne zwischen banküblichen Haben- und Schuldzinsen teilen.3 Da diese Rechtsprechung zum Zinsband nicht auf eine Zusammenstellung marktentstandener, d.h. direkt am Markt beobachtbarer Preise für uneingeschränkt, jedenfalls aber eingeschränkt vergleichbare Referenztransaktionen zurückgeht, ist sie konzeptionell nicht dem tatsächlichen, sondern dem hypothetischen Fremdvergleich zuzuordnen (Rz. 3.276 ff.). Ebenso wenig hat das FG Münster in seinem Urteil vom 16.3.2006, in dem es zu der Auslagerung der Produktionsfunktion auf einen Lohnfertiger entschieden hat, dass durch Kostenvorteile entstandene Standortvorteile nicht vollständig vom inländischen Auftraggeber absorbiert werden, sondern auch dem Lohnfertiger zugutekommen, auf Ertragswerte zurückgegriffen.4 Diese im Hinblick auf die Aufteilung von Standortvorteilen auf einem hypothetischen Fremdvergleich basierende Entscheidung5 hat vielmehr auf Stückkosten abgestellt. Man wird hier wohl erkennen müssen, dass der hypothetische Fremdvergleich in Gestalt der Einigungsbereichsbetrachtung dazu geeignet ist, auch kostenbezogene Vorteile (z.B. niedrige Produktionskosten oder Einkaufsvorteile) bei der Preisfindung zu berücksichtigen.
3.161 Neben der einschränkenden gesetzlichen Ausgestaltung der Einigungsbereichsbetrachtung ist festzustellen, dass der hypothetische Fremdvergleich nicht umfassend geregelt wurde. Denn § 1 Abs. 3 Sätze 5 und 6 1 Vgl. BFH v. 28.2.1990 – I R 83/87, BStBl. II 1990, 649; v. 19.1.1994 – I R 93/03, BStBl. II 1994, 725; v. 22.10.2003 – I R 36/03, DStRE 2004, 304. 2 BFH v. 17.1.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. 3 Vgl. hierzu Baumhoff in FS Wassermeyer, 353 f.; Buciek, JbFStR 2008/2009, 795 f. 4 Vgl. FG Münster v. 16.3.2006 – 8 K 2348/02 E, EFG 2006, 1562; ausführlich hierzu Baumhoff/Greinert, IStR 2006, 789. 5 Siehe hierzu ausführlich Baumhoff/Greinert, IStR 2006, 791 ff.
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AStG beschränken sich auf den hypothetischen Fremdvergleich in Gestalt der Simulation eines Preisbildungsprozesses. Denn die letztlich den Fremdvergleichsgrundsatz umsetzenden Verrechnungspreismethoden gehen zum Teil auch konzeptionell auf einen hypothetischen Fremdvergleich zurück. So basieren die Wiederverkaufspreismethode, insoweit sie mittels Rückgriffs auf fiktive Daten Soll-Vergleichstatbestände zugrunde legt, die Kostenaufschlagsmethode sowie die transaktionsbezogenen Gewinnmethoden („profit split“/“TNMM“) methodisch auf einem hypothetischen Fremdvergleich (Rz. 3.169 und 3.173).1 Offenkundig geht der Gesetzgeber in § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG für die Standardmethoden allerdings unzutreffend davon aus, dass diese mit dem tatsächlichen Fremdvergleich gleichzusetzen wären (Rz. 3.172 f.). Angesichts dieser Vermengung bleibt fraglich, ob die Regelungen zum hypothetischen Fremdvergleich auch bei Anwendung dieser Verrechnungspreismethoden zur Anwendung kommen. Hier zeigt sich, dass sich der Gesetzgeber nicht über die Methodik des hypothetischen Fremdvergleichs im Klaren ist. cc) Aufteilung des Einigungsbereichs Zu der Frage, wie ein ermittelter Einigungsbereich zwischen den Verhandlungspartnern aufzuteilen ist, gab es bisher keine klare Handlungsempfehlung. In den VWG 1983 wird lediglich ausgeführt, dass eine schematische Orientierung des Verrechnungspreises an der Ober- oder Untergrenze eines solchen Einigungsbereichs ohne wirtschaftlich beachtliche Gründe nicht statthaft sei, weil ein ordentlicher Geschäftsleiter „im Interesse seines Unternehmens auf eine ausgewogene Preisgestaltung bedacht“2 wäre. Auch die VWG-Verfahren gehen nur auf die Auswahl eines Wertes aus einer Preisbandbreite ein,3 die allerdings durch einen tatsächlichen, nicht dagegen durch einen hypothetischen Fremdvergleich abgeleitet wurde. Mit § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG wurde nunmehr eine gesetzliche Regelung zur Aufteilung eines Einigungsbereichs verankert. Hiernach „ist der Preis im Einigungsbereich der Einkünfteermittlung zugrunde zu legen, der dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der höchsten Wahrscheinlichkeit entspricht; wird kein anderer Wert glaubhaft gemacht, ist der Mittelwert des Einigungsbereichs zugrunde zu legen.“ Wenn also nichts anderes glaubhaft gemacht wird, ist zunächst auf den Mittelwert abzustellen. Eine solche hälftige Teilung des Einigungsbereichs ist zunächst nicht abwegig, zumal sie betriebswirtschaftlich der sog. Arbitriumwertlösung entspricht.4 Auch die sog. Zinsurteile des BFH5 machen einen entsprechenden Lösungsvor1 So bereits Baumhoff, Verrechnungspreise für Dienstleistungen, 197. 2 BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.1.9 Bsp. 1. 3 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.12.5. 4 Vgl. hierzu Baumhoff in FS Wassermeyer, 351 m.W.N. 5 Vgl. BFH v. 28.2.1990 – I R 83/87, BStBl. II 1990, 649; v. 19.1.1994 – I R 93/03, BStBl. II 1994, 725; v. 22.10.2003 – I R 36/03, DStRE 2004, 304.
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schlag. In gleicher Weise geht die Rechtsprechung zur Aufteilung von Standortvorteilen bei einem Lohnfertiger1 davon aus, dass Auftraggeber und Lohnfertiger den sich durch die Standortvorteile ergebenden Einigungsbereich hälftig teilen. Es ist zu begrüßen, dass diese Rechtsprechung nun auch in das Gesetz eingeht.
3.163 Allerdings handelt es sich bei der hälftigen Teilung des Einigungsbereichs um eine widerlegbare Vermutung. Der Steuerpflichtige muss hierzu glaubhaft machen, dass ein anderer Wert als der Mittelwert dem Fremdvergleichsgrundsatz mit „der höchsten Wahrscheinlichkeit“ entspricht. Hierbei erfordert die Glaubhaftmachung ein herabgesetztes Beweismaß. Der Steuerpflichtige muss darlegen, dass für die behauptete Tatsache – der behauptete Wert entspricht dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der höchsten Wahrscheinlichkeit – „eine überwiegende Wahrscheinlichkeit gegeben ist“; d.h., das Bestehen der behaupteten Tatsache „wahrscheinlicher ist als ihr Nichtbestehen“.2 Fraglich ist, wie diese tautologische Glaubhaftmachung mittels Wahrscheinlichkeiten in praxi bewerkstelligt werden kann. Denn innerhalb des Einigungsbereichs entspricht jeder Wert dem Fremdvergleichsgrundsatz, weil jeder dieser Werte – und zwar mit der gleichen Wahrscheinlichkeit – auch zwischen fremden Dritten (hypothetisch) vereinbart werden könnte. Insofern muss die Glaubhaftmachung mittels Wahrscheinlichkeiten – verstanden als Häufung einer (beobachtbaren) Ausprägung – im Rahmen des hypothetischen Fremdvergleichs scheitern, weil eine größere Häufung einer Ausprägung ebenso wie der hypothetische Fremdvergleich einem Denkprozess entspringen muss.3 Nach Auffassung der Finanzverwaltung in den VWG Funktionsverlagerung4 bleibt für die Glaubhaftmachung eines anderen Wertes als des Mittelwertes die gesellschaftsrechtliche Verbundenheit der Transaktionspartner unberücksichtigt. Demgegenüber können als Kriterien für einen dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der größten Wahrscheinlichkeit entsprechenden Wert die jeweiligen Marktpositionen, das jeweilige mit der Transaktion verbundene Interesse, die Kapitalausstattung und Ertragslage der Kontrahenten, die Entstehung von Synergieeffekten und Standortvorteilen herangezogen werden. Ferner sind – unter Verweis auf die Auffassung der OECD5 – die Handlungsalternativen der Parteien zu beachten. Wichtig wird hier sein, dass die unternehmensseitig angelegten Kriterien
1 Vgl. FG Münster v. 16.3.2006 – 8 K 2348/02 E, EFG 2006, 1562; ausführlich hierzu Baumhoff/Greinert, IStR 2006, 789. 2 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.1.5.2 Rz. 40. 3 Vgl. hierzu ausführlich Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 556; Greinert, Ubg 2010, 106; Kroppen in FS Schaumburg, 872. 4 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.7.6 Rz. 128. 5 Vgl. Tz. 1.34 u. 8.59 ff. OECD-Leitlinien 2010.
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bereits bei der Erfüllung der Dokumentationspflichten hinreichend dargelegt werden.1 Vor dem Hintergrund der Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 7 Hs. 2 AStG ist fraglich, ob der Steuerpflichtige verpflichtet ist, einen Wert innerhalb des Einigungsbereichs „glaubhaft“ zu machen. Geht man – wie hier vertreten – von einer widerlegbaren Vermutung der hälftigen Teilung aus, wird – rationales Verhalten unterstellt – die Glaubhaftmachung eines anderen Werts innerhalb des Einigungsbereichs nur dann anzustreben sein, wenn hierdurch eine für den Steuerpflichtigen günstigere Aufteilung des Einigungsbereichs erreicht werden kann. Der Normwortlaut impliziert eine widerlegbare Vermutung bzw. ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen („kann“). Ebenso wenig lässt sich der Auffassung der Finanzverwaltung in den VWG Funktionsverlagerung ein Hinweis darauf entnehmen, dass verwaltungsseitig von einer diesbezüglichen Verpflichtung ausgegangen wird. Gegen eine solche Verpflichtung spricht das Beispiel in Tz. 128 der VWG Funktionsverlagerung, wenn von einer „insoweit (…) abweichenden Aufteilung des Einigungsbereichs“ im Zusammenhang mit der Glaubhaftmachung eines anderen Wertansatzes die Rede ist.2 Dies impliziert grundsätzlich eine gesetzliche – allerdings widerlegbare – Aufteilung von Einigungsbereichen. Überdies nimmt die Finanzverwaltung für die Ausübung des ihr nach § 1 Abs. 3 Satz 8 AStG in Fällen der unzutreffenden Ermittlung des Einigungsbereichs für eine Einkünftekorrektur eingeräumten Ermessens ausdrücklich darauf Bezug, „ob die Abweichung vom Mittelwert im zutreffenden Einigungsbereich erheblich ist“.3 Demgegenüber vertritt Zech die Auffassung, dass es Sache des Steuerpflichtigen sei, im Rahmen der Dokumentation glaubhaft zu machen, dass kein anderer Wert angesetzt werden kann.4 Eine Verpflichtung des Steuerpflichtigen soll sich aus dem „Zusammenspiel der §§ 90 Abs. 3 AO und § 1 Abs. 3 Satz 7 2. HS AStG“5 ergeben. Hiernach soll der Steuerpflichtige gehalten sein, bei ihm vorliegenden Erkenntnissen, nach denen ein höherer Wert als der Mittelwert zum Ansatz kommt, ebendiesen Wert zugrunde zu legen. Ferner geht Zech von einer Verpflichtung des Steuerpflichtigen aus, die Unmöglichkeit einer anderweitigen Wertfindung wiederum glaubhaft zu machen.6 Insofern käme es hierfür auf eine überwiegende Wahrscheinlichkeit an. Was letztere Verpflichtung anbelangt, entbehrt sie einer rechtlichen Grundlage. Gegenstand der Glaubhaftmachung i.S.v. § 1 Abs. 3 Satz 7 Halbs. 2 AStG ist der Wert selbst, 1 Zur Dokumentation von Funktionsverlagerungen siehe auch Borstell/Wehnert in V/B/E, Verrechnungspreise3, Q Rz. 258 u. 779 ff. 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.7.6 Rz. 128. 3 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.7.6.2 Rz. 130. 4 Vgl. Zech, IStR 2011, 136. 5 Vgl. Zech, IStR 2011, 136. 6 Vgl. Zech, IStR 2011, 136.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
nicht hingegen die Möglichkeiten dessen Ermittlung. Es würde schier Unmögliches verlangt, sollte dem Steuerpflichtigen – basierend auf einem Denkmodell – eine Darlegungspflicht erwachsen (Rz. 3.163). Insofern bleibt festzustellen, dass der Steuerpflichtige nicht verpflichtet ist, einen Wert innerhalb des Einigungsbereichs glaubhaft zu machen. Er kann vielmehr den gesetzlichen Wertansatz „in Kauf nehmen“. dd) Nachträgliche Preisanpassungen
3.165 Zivilrechtlich sind die Parteien grundsätzlich an den von ihnen geschlossenen Vertrag gebunden, es sei denn, es wurden vertragliche Vorbehalte vereinbart oder ein Festhalten an dem Vertrag ist nach dem Grundsatz von Treu und Glauben, insbesondere bei Wegfall der Geschäftsgrundlage, nicht mehr zumutbar.1 Mit § 1 Abs. 3 Satz 11 AStG verankert der Gesetzgeber für Fälle, in denen der hypothetische Fremdvergleich zur Anwendung kommt, und für Funktionsverlagerungen (Rz. 3.429 ff.), wenn „wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter (…) Gegenstand einer Geschäftsbeziehung sind“, die widerlegbare Vermutung, „dass zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses Unsicherheiten im Hinblick auf die Preisvereinbarung bestanden und unabhängige Dritte eine sachgerechte Anpassungsregelung vereinbart hätten.“ Immaterielle Wirtschaftsgüter sind sowohl dann Gegenstand einer Geschäftsbeziehung, wenn sie übertragen werden, als auch dann, wenn an ihnen ein Nutzungsrecht (Lizenz) eingeräumt wurde. Für letzteren Fall regelt § 9 FVerlV, dass „Lizenzvereinbarungen, die die zu zahlende Lizenz vom Umsatz oder Gewinn des Lizenznehmers abhängig machen oder für die Höhe der Lizenz Umsatz und Gewinn berücksichtigen“, einer Anpassungsregelung gleichstehen, m.a.W. eine nachträgliche Preisanpassung infolge des Fehlens einer ausdrücklich vereinbarten Anpassungsregel (§ 1 Abs. 3 Satz 12 AStG) ausscheidet.2 Diese Einschränkung ist auch sachgerecht, weil der Lizenzgeber bei einer umsatz- bzw. gewinnabhängigen Lizenzgebühr an jedweder Änderung – bzw. im Falle gestaffelter Lizenzsätze bei Über-/Unterschreiten der jeweiligen Grenzwerte – der Bezugsgröße partizipiert. Dies bei umsatzabhängigen Lizenzgebühren allerdings ohne Berücksichtigung einer günstigeren Kostenentwicklung.3
3.166 Vorliegend verengt sich der Anwendungsbereich – außerhalb von Funktionsverlagerungen (Rz. 3.429 ff.) – vornehmlich auf die Übertragung wesentlicher immaterieller Wirtschaftsgüter. Im Hinblick auf das Wesentlichkeitskriterium gibt das Gesetz allerdings keine inhaltlichen Anforderungen vor. Für Fälle der Funktionsverlagerung sind nach § 1 Abs. 5 FVerlV – allerdings bezogen auf die verlagerte Funktion respektive das 1 Zu den zivilrechtlichen Möglichkeiten nachträglicher Preisanpassungen siehe Engler, IStR 2009, 686 f.; Engler in V/B/E, Verrechnungspreise3, N Rz. 558 ff. 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.9 Rz. 136. 3 Vgl. Schaumburg, IStR 2009, 878.
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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs
übergehende Transferpaket – funktionsverlagerungsbedingte immaterielle Wirtschaftsgüter und Vorteile „wesentlich“, wenn sie für die verlagerte Funktion erforderlich sind (qualitativer Maßstab) und ihr Fremdvergleichspreis insgesamt mehr als 25 % der Summe der Einzelpreise aller Wirtschaftsgüter und Vorteile des Transferpakets beträgt (quantitativer Maßstab) (Rz. 3.363 ff.). Fraglich ist, ob diese Definition auch für die Einzelübertragung immaterieller Wirtschaftsgüter beachtlich ist, zumal sich § 1 Abs. 5 AStG auf „§ 1 Abs. 3 Satz 10 erste Alternative des Außensteuergesetzes“ beschränkt und die FVerlV im Übrigen nur Funktionsverlagerungen i.S.v. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG betrifft. Die Finanzverwaltung scheint jedenfalls hiervon auszugehen, wenn sie für die insofern vergleichbare Escape-Klausel des § 10 Abs. 3 Satz 10 Alt. 3 AStG bezogen auf ein einzelnes immaterielles Wirtschaftsgut von einer sinngemäßen Anwendung dieses Wesentlichkeitskriteriums spricht.1 Die gesetzliche Vermutung stützt sich ausdrücklich darauf ab, dass „zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses Unsicherheiten im Hinblick auf die Preisvereinbarungen bestanden.“ Üblicherweise tragen fremde Dritte diesem Risiko jedoch nicht durch eine Anpassungsklausel, sondern durch die explizite Berücksichtigung des Risikos im Bewertungskalkül Rechnung.2 Nach dem IDW S 5 erfolgt dies konkret durch Berücksichtigung des Risikos entweder im Kapitalisierungszinssatz (Risikozuschlagsmethode) oder durch Anpassung der erwarteten Erträge (Sicherheitsäquivalent).3 Diesem Bewertungsstandard folgt auch die Finanzverwaltung, wenn von der Funktionsverlagerung vor allem immaterielle Wirtschaftsgüter betroffen sind.4 Angesichts der in § 5 FVerlV geforderten Anwendung der Risikozuschlagsmethode wird mithin die zum Übertragungs-/ Bewertungsstichtag vorhandene Unsicherheit doppelt berücksichtigt, was nicht sachgerecht sein kann.5
3.167
Die VWG Funktionsverlagerung führen in Tz. 135 die (zwingende) Vereinbarung einer Preisanpassungsklausel ausdrücklich auf den Fremdvergleichsgrundsatz zurück. Hiernach „vereinbaren ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter Preisanpassungsklauseln, wenn die Wertbestimmung (…) zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit erheblichen Unsicherheiten behaftet ist.“6 Hieran verwundert zum einen, dass das Gesetz das Bestehen von „Unsicherheiten“ unterstellt, während die Finanzverwaltung die zwingende Vereinbarung einer Preisanpassungsklausel bei „erheblichen Unsicherheiten“ sieht. Zum anderen beruft sich die
3.168
1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.2.3.3 Rz. 75. 2 Vgl. Greinert, Ubg 2010, 107. 3 Vgl. IDW S 5 i.d.F. 2010, WPg Supplement 3/2010, 109 Tz. 27. 4 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.3.2.1 Rz. 89. 5 Vgl. Greinert, Ubg 2010, 107. 6 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.9 Rz. 135.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
Finanzverwaltung auf die OECD-Leitlinien 2010 (Tz. 3.72 f., 9.88 OECDLeitlinien 2010). Die dortigen Ausführungen tragen die Auffassung der Finanzverwaltung jedoch nicht. Denn Tz. 3.73 OECD-Leitlinien 2010 führt – im Wesentlichen identisch mit Tz. 9.88 OECD-Leitlinien 2010 – hierzu aus: „The main question is to determine whether the valuation was sufficiently uncertain at the outset that the parties at arm’s length would have required a price adjustment mechanism, or whether the change in value was so fundamental a development that it would have led to a renegotiation of the transaction.“1 Mithin wird gerade die Vereinbarung einer Preisanpassungsklausel selbst einem Fremdvergleich anheimgestellt, ohne für dessen Durchführung konkrete Vorgaben zu machen oder gar das Ergebnis vorwegzunehmen. Dies entspricht im Übrigen den Auslegungsgrundsätzen der OECD-Leitlinien 2010 in Tz. 6.28 ff., die Anpassungsklauseln als eine – von zahlreichen anderen – Möglichkeiten zur Erfassung der Unsicherheit darstellen, ohne allerdings eine Verpflichtung zu ihrem Abschluss vorzusehen.2 Der entscheidende Unterschied zwischen der Auffassung der OECD und § 1 Abs. 3 Satz 11 AStG besteht in der Beweislastverteilung. Während die OECD von einer Beweislast der Finanzverwaltung ausgeht,3 ist innerstaatlich mittels einer widerlegbaren Vermutung eine Beweislastumkehr zulasten des Steuerpflichtigen geregelt.4
C. Methoden der Verrechnungspreisermittlung I. Standardmethoden 1. Anwendungsrangfolge der Standardmethoden
3.169 Zur Bestimmung angemessener Verrechnungspreise kommen grundsätzlich drei national wie international anerkannte und gebräuchliche Standardmethoden in Betracht, nämlich – die Preisvergleichsmethode, – die Wiederverkaufspreismethode und – die Kostenaufschlagsmethode. Diese drei Standardmethoden werden sowohl von § 1 Abs. 3 Satz AStG, den VWG 19835 und den VWG-Verfahren6 als auch von den OECD-Leit-
1 Tz. 3.73 OECD-Leitlinien 2010. 2 Vgl. Tz. 6.28 ff. OECD-Leitlinien 2010. 3 Vgl. hierzu auch Kurzewitz, Die Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 278 f. 4 Vgl. auch BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.10 Rz. 141. 5 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.2. 6 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.10.3 Buchst. a.
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C. Methoden der Verrechnungspreisermittlung
linien 20101 und den US-amerikanischen Verrechnungspreis-Richtlinien zu Sec. 482 IRS2 als die gängigen Ermittlungsmethoden zur Bestimmung angemessener Verrechnungspreise angesehen. Sie sind grundsätzlich für sämtliche Kategorien des Lieferungs- und Leistungsaustausches zwischen verbundenen Unternehmen anwendbar und finden ihre theoretische Fundierung im Grundsatz des Fremdvergleichs, wenngleich sie unterschiedlichen Formen des Fremdvergleichs zuzuordnen sind. Wie im Folgenden noch zu zeigen sein wird, nimmt die Preisvergleichsmethode aufgrund der Verwendung tatsächlich feststellbarer, zwischen unabhängigen Dritten zustande gekommene Marktpreise einen Ist-IstVergleich vor und entspricht deshalb einem tatsächlichen Fremdvergleich (Rz. 3.125 ff.). Demgegenüber stellt die Wiederverkaufspreismethode aufgrund der Verwendung tatsächlich feststellbarer wie – wenn auch nur in begrenztem Umfang – fiktiv zu ermittelnder Daten eine Kombination von tatsächlichem und hypothetischem Fremdvergleich dar, während die Kostenaufschlagsmethode aufgrund der Festlegung ausschließlich fiktiv zu ermittelnder Soll-Vergleichstatbestände mit dem hypothetischen Fremdvergleich (Rz. 3.131 ff.) gleichzusetzen ist, es sei denn, der Gewinnaufschlag wird mithilfe eines tatsächlichen Fremdvergleichs bestimmt. Nach den OECD-Leitlinien 1995/96 waren die traditionellen transaktions- 3.170 bezogenen sog. Standardmethoden – Preisvergleichsmethode (Rz. 3.174 ff.), Wiederverkaufspreismethode (Rz. 3.179 ff.) und Kostenaufschlagsmethode (Rz. 3.188 ff.) – vorrangig anwendbar. Hierbei dominierte die Preisvergleichsmethode über die anderen Standardmethoden,3 während zwischen der Wiederverkaufspreis- und der Kostenaufschlagsmethode kein hierarchisches Über-/Unterordnungsverhältnis gesehen wurde.4 Als (nachrangig anwendbare) Hilfsmethoden wurden grundsätzlich nur die transaktionsbezogene Gewinnmethode („profit split“, Rz. 3.225 ff.) und die transaktionsbezogene Nettomargenmethode („TNMM“, Rz. 3.229 ff.) anerkannt. Gerade diese Hilfsmethoden haben in der Praxis der Festlegung und Prüfung internationaler Verrechnungspreise in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Insofern ist es zu begrüßen, dass mit den revidierten OECD-Leitlinien 2010 das strenge Hierarchieverhältnis in der Methodenrangfolge aufgegeben wurde.5 Hierdurch wird den transaktionsbezogenen Gewinnmethoden („profit split“/“TNMM“) anstelle ihres Ausnahmecharakters als „method of last resort“ ein ihrer zunehmenden 1 2 3 4
Vgl. Tz. 2.12 ff. OECD-Leitlinien 2010. Vgl. US-Reg. § 1.482-3 (b), (c) u. (d). Tz. 2.5 u. 2.7 OECD-Leitlinien 1995/96. Nach Tz. 2.7, 2.16 u. 2.34 f. OECD-Leitlinien 1995/96 war die Methodenrangfolge vielmehr am Referenzmaßstab des Fremdvergleichs zu messen und die Methode zur Anwendung zu bringen, die diesem am ehesten entspricht. 5 Zu der Revision der OECD-Leitlinien vgl. Förster, IStR 2009, 720; Förster, IStR 2011, 20 ff.; Rasch/Feistle, IWB 2009, 982; Kurzewitz, IWB 2010, 95; Dawid/ Dworacek in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Tz. 3.1 Anm. 1 ff.; Staudacher/Groß, SWI 2010, 461; Luckhaupt, Ubg 2010, 646.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
praktischen Relevanz entsprechender Status zugebilligt. Statt einer strengen Methodenhierarchie kommt bezogen auf die einzelne Transaktion die „geeignetste Methode“ („most appropriate method“) zum Tragen.1 Konzeptionell geht dieser Ansatz erkennbar auf die sog. „best method rule“ der US-amerikanischen Verrechnungspreis-Richtlinien zurück.2 Er erfordert eine Abwägung der Stärken und Schwächen der einzelnen Verrechnungspreismethoden, die insbesondere an folgenden Kriterien auszurichten ist:3 – die Eignung der Methode im Hinblick auf den wirtschaftlichen Gehalt der innerkonzernlichen Transaktion, wie er sich insbesondere nach der Funktionsanalyse darstellt, – die Verfügbarkeit hinreichend verlässlicher Daten (insbesondere Fremdvergleichsdaten), – der Grad der Vergleichbarkeit von innerkonzernlicher Transaktion und Vergleichstransaktionen (nach etwaigen Anpassungsrechnungen). Die Prüfung dieser Kriterien setzt auf einer umfangreichen Vergleichbarkeitsanalyse auf, die ihren Ausgangspunkt in der Funktions- und Risikoanalyse (Rz. 3.94 ff.) nimmt. Tz. 3.1 ff. OECD-Leitlinien 2010 formulieren hierfür umfassende Vorgaben. Sind nach dieser Vergleichbarkeitsprüfung und nach der Informationsverfügbarkeit Standard- und transaktionsbezogene Gewinnmethode nebeneinander gleich zuverlässig anwendbar, gebührt nach Auffassung der OECD der Standardmethode der Vorrang.4 Allerdings überzeugt die angeführte Begründung nicht, denn der Marktbezug – i.S. eines Vergleichs mit marktentstandenen Preisen – der Standardmethoden kann jedenfalls für die Kostenaufschlagsmethode nicht und für die Wiederverkaufspreismethode nur mit Einschränkungen festgestellt werden (Rz. 3.169, 3.179 ff. und 3.188 ff.). Dass die OECD hingegen die Dominanz der Preisvergleichsmethode gegenüber einer anderen Standardmethode mit gleicher Zuverlässigkeit herausstreicht,5 ist international konsensfähig. Sie verkörpert letztlich das Urbild des Fremdvergleichs, indem sie marktentstandene Preise als Referenzpreis für innerkonzernliche Lieferungen und Leistungen nimmt.
3.172 Ein Rangfolgeverhältnis der Verrechnungspreismethoden ist im innerstaatlichen Recht gesetzlich nicht (abschließend) geregelt. Der Wortlaut des § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG könnte zwar implizieren, der Gesetzgeber hätte zum einen den Vorrang der Standardmethoden grundsätzlich geregelt und diese zum anderen gleichberechtigt nebeneinandergestellt. Einer näheren Überprüfung hält diese Vermutung allerdings nicht stand. Denn § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG stellt kein gesetzliches Stufenverhältnis zwischen 1 2 3 4 5
Tz. 2.3 OECD-Leitlinien 2010. Vgl. ausführlich Kurzewitz, IWB 2010, 104 f.; Ahmadov, ITPJ 2011, 184 ff. Vgl. Tz. 2.3 OECD-Leitlinien 2010. Vgl. Tz. 2.4 OECD-Leitlinien 2010. Vgl. Tz. 2.4 OECD-Leitlinien 2010.
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C. Methoden der Verrechnungspreisermittlung
den Standardmethoden auf, sondern regelt den uneingeschränkten Vorrang des tatsächlichen Fremdvergleichs vor dem hypothetischen Fremdvergleich. Hierzu bedient sich der Gesetzgeber eines Stufenverhältnisses:1 Auf der 1. Stufe soll stets ein tatsächlicher Fremdvergleich durchgeführt werden. Die Anwendung der 1. Stufe setzt allerdings uneingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte voraus. Scheitert die Anwendung der 1. Stufe an dieser Voraussetzung, so soll auf der 2. Stufe ein tatsächlicher Fremdvergleich auf der Basis eingeschränkt vergleichbarer Fremdvergleichswerte durchgeführt werden. Scheitert die Anwendung der 2. Stufe an dem Fehlen eingeschränkt vergleichbarer Fremdvergleichswerte, so soll auf der 3. Stufe ein hypothetischer Fremdvergleich durchgeführt werden, für den ein hypothetischer Einigungsbereich zu ermitteln ist. So sehr dieses Stufenverhältnis in seinem Ausgangspunkt einleuchten mag, so problematisch ist es in seiner Durchführung. § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG erwähnt die Standardmethoden, ohne selbst eine Aussage darüber zu treffen, welche der Methoden dem tatsächlichen und welche dem hypothetischen Fremdvergleich zuzuordnen sind. Diese Abgrenzung ist aber durchaus von Bedeutung, weil § 1 Abs. 3 Sätze 5 ff. AStG nur noch für den hypothetischen Fremdvergleich gelten. Die „Einbettung“ der Standardmethoden in den tatsächlichen Fremdvergleich kann dazu führen, dass der tatsächliche Fremdvergleich mit den Standardmethoden gleichgesetzt wird.2 Dies wäre gedanklich wie methodisch verfehlt: Die drei Standardmethoden sind nicht mit dem tatsächlichen Fremdvergleich gleichzusetzen. Dies obgleich der Gesetzgeber offenbar in § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG hiervon auszugehen scheint, ohne die Frage – auch nicht in der Gesetzesbegründung – zu problematisieren. Richtigerweise ist in der praktischen Anwendung ein tatsächlicher Fremdvergleich nur in Gestalt der Preisvergleichsmethode (Rz. 3.174 ff.) möglich, da sich diese Methode an Preisen orientiert, die bei vergleichbaren Geschäften zwischen Fremden am Markt vereinbart werden (Marktpreise). Diese Methode nimmt aufgrund der Verwendung tatsächlich feststellbarer, zwischen Unabhängigen zustande gekommener Marktpreise einen Ist-Ist-Vergleich vor. Deshalb entspricht sie einem tatsächlichen Fremdvergleich3. Demgegenüber stellt die Wiederverkaufspreismethode (Rz. 3.179 ff.) aufgrund der Verwendung tatsächlich feststellbarer wie – wenn auch nur in begrenztem Umfang – fiktiv zu ermittelnder Daten eine Kombination von tatsächlichem und hypothetischem Fremdvergleich dar, während die Kostenaufschlagsmethode (Rz. 3.188 ff.) aufgrund der 1 Vgl. hierzu Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1462. 2 So offenbar Jenzen, NWB F. 2, 9421 f.; Luckhaupt, Ubg 2010, 466. 3 Vgl. Baumhoff, Verrechnungspreise für Dienstleistungen, 197; Wassermeyer, DB 2007, 536; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1462; Borstell in V/B/E, Verrechnungspreise3, C Rz. 5. Ebenso im Ergebnis Kurzewitz, Die Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 32; Brähler, Internationales Steuerrecht5, 386.
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3.173
Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
Festlegung ausschließlich fiktiv zu ermittelnder Soll-Vergleichstatbestände mit dem hypothetischen Fremdvergleich (Rz. 3.131 ff.)1 gleichzusetzen ist,2 es sei denn, der Gewinnaufschlag wird mithilfe eines tatsächlichen Fremdvergleichs bestimmt. 2. Preisvergleichsmethode a) Vorgehensweise der Preisvergleichsmethode
3.174 Die Preisvergleichsmethode3 orientiert sich zur Bestimmung von Verrechnungspreisen an Entgelten, die bei vergleichbaren Geschäften zwischen unabhängigen Dritten am Markt vereinbart werden (sog. Marktpreise). Damit ist sie die einzige Methode, die zur Ermittlung von Vergleichstatbeständen einem tatsächlichen Fremdvergleich (Rz. 3.125 ff.) standhält. Entsprechend der Unterteilung des tatsächlichen Fremdvergleichs in einen innerbetrieblichen und einen zwischenbetrieblichen Vergleich lässt sich bei Anwendung der Preisvergleichsmethode zwischen einem – inneren Preisvergleich (betriebsindividuelle Preise) und einem – äußeren Preisvergleich (markt- oder branchenübliche Preise) unterscheiden. Wichtigste Voraussetzung für die Anwendung der Preisvergleichsmethode ist eine direkte Vergleichbarkeit (direkter Preisvergleich) oder zumindest indirekte Vergleichbarkeit (indirekter Preisvergleich) der Verhältnisse, wovon immer dann auszugehen ist, wenn sowohl die Art und Ausgestaltung der Vergleichsobjekte als auch die Nebenbedingungen des Vergleichsgeschäftes mit dem zu beurteilenden Geschäft in allen wesentlichen Einzelheiten übereinstimmen oder abweichende Merkmale durch Korrekturen eliminiert werden können (Rz. 3.83 ff.). Demgegenüber verlangt der BFH in seinem Urteil vom 6.4.2005,4 dass die Preise „auf zumindest im Wesentlichen identischen Leistungsbeziehungen beruhen“. Mit der Forderung nach einer Identität der Leistungsbeziehungen werden zu hohe Anforderungen an die Vergleichbarkeit der Verhältnisse gestellt. Vergleichbarkeit bedeutet nämlich keine Identität, also Deckungsgleichheit der Verhältnisse. Vielmehr ist Vergleichbarkeit bereits dann gegeben, wenn die Vergleichsobjekte ähnlich mit Bezug auf ihre wesentlichen Merkmale sind. Auch § 1 Abs. 3 Sätze 1 u. 2 AStG sowie die Finanzverwaltung fordern keine uneingeschränkte Vergleichbarkeit, vielmehr reicht unter bestimmten Umständen auch eine eingeschränkte Vergleichbarkeit.5 1 Dies gilt zumindest für den Fall, dass die Festlegung des Gewinnaufschlags bei Anwendung der Kostenaufschlagsmethode nicht anhand tatsächlich feststellbarer Gewinnaufschläge erfolgt. 2 Gl. A. Wassermeyer, DB 2007, 536; Klapdor, StuW 2008, 86. 3 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.2.2; Tz. 2.13 ff. OECD-Leitlinien 2010. 4 Vgl. BFH v. 6.4.2005 – I R 22/04, BStBl. II 2007, 658. 5 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.12.7; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2005, 1555 f.
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C. Methoden der Verrechnungspreisermittlung
b) Innerer Preisvergleich Ein innerer Preisvergleich setzt voraus, dass eine Konzernunternehmung die gleiche Lieferung oder Leistung unter vergleichbaren Verhältnissen sowohl gegenüber verbundenen wie auch unverbundenen Unternehmen erbringt bzw. sowohl von verbundenen wie auch unverbundenen Unternehmen erhält. Damit erweist sich der innere Preisvergleich immer dann als besonders geeignet, wenn ein internationaler Unternehmensverbund über organisatorisch und rechtlich selbständige Unternehmen verfügt, die sowohl zu verbundenen wie unverbundenen Unternehmen Geschäftsbeziehungen mit einem vergleichbaren Liefer- oder Leistungsprogramm unterhalten. Trotz der Tatsache, dass eine verbundene Unternehmung an der als Vergleichsobjekt fungierenden Transaktion als Vertragspartner beteiligt ist, besitzen die über einen inneren Preisvergleich ermittelten Verrechnungspreise den Charakter marktentstandener Preise, da die Entscheidungsträger beider beteiligten Unternehmen jeweils ihre eigenen erwerbswirtschaftlichen Ziele verfolgen und somit zwischen diesen ein „natürlicher“ Interessengegensatz besteht. Diese Feststellung gilt jedenfalls solange, als es sich um ein unbeeinflusstes, marktentstandenes Geschäft (Bona-FideGeschäft) handelt. Das setzt allerdings voraus, dass eine verbundene Unternehmung bewusst keine ungewöhnlichen, wirtschaftlich nicht plausiblen Bedingungen akzeptiert. Wäre dies der Fall, so liegt die Vermutung nahe, dass die unüblichen Bedingungen im Hinblick auf die Schaffung einer geeigneten Vergleichsbasis für konzerninterne Leistungsbeziehungen eingegangen wurden. Dies würde letztlich zu einer missbräuchlichen Anwendung der Preisvergleichsmethode führen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang allerdings das BFH-Urteil vom 28.6.2002,1 nach dem Mängel eines Vertrages unter Angehörigen nicht ohne Weiteres auf eine private Veranlassung hindeuten, wenn die durch den Steuerpflichtigen mit fremden Dritten abgeschlossenen Verträge ebenfalls derartige Mängel aufweisen. Überträgt man diese Aussage auf die Anwendung des Fremdvergleichs im Rahmen der internationalen Gewinnabgrenzung, könnten auch von einem ordentlichen Geschäftsleiter nicht akzeptierte Vereinbarungen, soweit sie tatsächlich gegenüber fremden Dritten getroffen werden, als Vergleichsmaßstab im Rahmen der Preisvergleichsmethode fungieren. Ein tatsächlicher Preisvergleich wäre somit selbst in den Fällen maßgeblich, in denen der daraus abgeleitete Verrechnungspreis einem hypothetischen Fremdvergleich (Rz. 3.131 ff.) nicht standhält. Damit die mittels inneren Preisvergleichs abgeleiteten Preise ihre objektivierende Wirkung i.S. marktentstandener Preise entfalten können, ist ferner ein Mindestvolumen verbundexterner Referenztransaktionen erforderlich. Anderenfalls muss man sich ggf. des Verdachts erwehren, die
1 Vgl. BFH v. 28.6.2002 – IX R 68/99, BStBl. II 2002, 699; dazu kritisch Hoffmann, GmbH-StB 2003, 110 f.
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3.175
Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
verbundexternen Geschäfte allein zum Zwecke der Verrechnungspreisrechtfertigung abgeschlossen zu haben.1 c) Äußerer Preisvergleich
3.176 Der äußere Preisvergleich stellt im Rahmen eines zwischenbetrieblichen Vergleichs auf den Liefer- und Leistungsverkehr zwischen unverbundenen Unternehmen, z.B. der gleichen Branche, ab. Der Unterschied zum inneren Preisvergleich besteht darin, dass am Zustandekommen des Vergleichsgeschäfts kein verbundenes Unternehmen beteiligt war. Der äußere Preisvergleich kommt insbesondere für homogene Liefergegenstände, standardisierte, marktgängige Dienstleistungen sowie für normierte oder an Warenbörsen gehandelte Waren in Betracht, also für marktgängige, branchenübliche Lieferungen und Leistungen, die gleichartig und gleichwertig sind. Entsprechende Vergleichspreise lassen sich ableiten aus Börsen- oder Marktnotierungen, branchenüblichen Abschlüssen, Preisübersichten von Verbänden und amtlichen Stellen sowie aus Honorar- und Gebührentabellen.2 Zur Durchführung eines äußeren Preisvergleichs ist auch die Heranziehung von Datenbanken, wie etwa die Lizenzkartei des Bundeszentralamts für Steuern,3 denkbar. So ist nach Auffassung des BFH vom 17.10.2001 die Verwertung von anonymisierten Vergleichsdaten (sog. „secret comparables“) zur Durchführung eines äußeren Preisvergleichs grundsätzlich zulässig.4 Dies gilt unabhängig davon, ob die Daten allgemein zugänglich sind oder nicht. Vor diesem Hintergrund darf sowohl die Finanzverwaltung als auch der Steuerpflichtige Datenbanken aufbauen und verwenden, selbst wenn die entsprechenden Daten nicht allgemein zugänglich sind. Der Beweiswert der aus anonymisierten Datenbanken ermittelten Vergleichsdaten ist allerdings nach Ansicht des BFH davon abhängig, ob die verwendete Datenbank qualitativen Mindestanforderungen genügt. Deshalb steht es den Finanzgerichten offen, Rückfragen über die Zusammenstellung und Ableitung der anonymisierten Vergleichsdaten zu stellen. Sollten diese aus Gründen des Steuergeheimnisses oder aus anderen Gründen nicht beantwortet werden können, geht dies zulasten des Beweiswertes der angeführten Vergleichsdaten.5 Ferner knüpft die Finanz-
1 Vgl. Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 402. 2 Zur Heranziehung von Gebührenordnungen für konzerninterne Dienstleistungen vgl. BFH v. 23.6.1993 – I R 72/92, BStBl. II 1993, 801; Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 654. 3 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 5.2.2. 4 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; Kuckhoff/Schreiber, IWB Fach 3 Deutschland Gruppe 1, 1871 ff. 5 Vgl. ebenda sowie BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 2.6.
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C. Methoden der Verrechnungspreisermittlung
verwaltung an einen datenbankgestützten Fremdvergleich erhebliche Anforderungen.1 d) Anwendungsbereiche Die Anwendung der Preisvergleichsmethode, die in der Literatur all- 3.177 gemein als das ideale Verfahren zur Ermittlung und Beurteilung der Angemessenheit von Verrechnungspreisen angesehen wird, stößt in der Praxis häufig auf schwerwiegende Probleme. Trotz der Existenz von markt- oder branchenüblichen Preisen für bestimmte Lieferungen und Leistungen scheitert ein Preisvergleich häufig aufgrund der Tatsache, dass die zuvor diskutierten umfangreichen Anwendungsvoraussetzungen, die sich aus dem Postulat der Vergleichbarkeit der Verhältnisse ergeben, infolge der Unvollkommenheit der Märkte im konkreten Einzelfall meistens entweder nicht erfüllt sind oder sich die Einflüsse abweichender Transaktionsbedingungen bei potenziellen Vergleichstatbeständen nicht eliminieren lassen.2 Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass bei vergleichbaren Geschäftsbeziehungen zwischen fremden Dritten entsprechende Vergleichspreise vielfach nicht zur Verfügung stehen bzw. nicht feststellbar sind, ganz abgesehen von dem großen Bereich nicht marktüblicher und marktfähiger konzernspezifischer Lieferungen und Leistungen, für die externe Märkte und somit verwertbare Vergleichstransaktionen völlig fehlen. Daher kann die Preisvergleichsmethode für die Ermittlung und Beurteilung von Verrechnungspreisen allenfalls als begrenzt verwendbar angesehen werden, da sie nur in speziellen Fällen, in denen sämtliche Anwendungsvoraussetzungen erfüllt sind, konkrete Anhaltspunkte für die Entgeltsbemessung liefern kann. In einer Vielzahl von Fällen lassen sich die Vergleichspreise entweder gar nicht oder nur innerhalb gewisser Bandbreiten feststellen. Wassermeyer stellt in diesem Zusammenhang fest, dass die Preisvergleichsmethode allenfalls in 5 % der einschlägigen Fälle herangezogen werden kann.3 Die Existenz derartiger „Preisbänder“ erwähnt § 1 Abs. 3 Satz 2 AStG ausdrücklich („mehrere solcher Werte bilden eine Bandbreite“, Rz. 3.80 ff.). Sie ist ferner sowohl von der deutschen Finanzverwaltung4 und der Rechtsprechung5 als auch von der OECD6 anerkannt. Zu der sich daraus zwangs1 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.12.4; Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Verf. Anm. 214 ff.; Kolb, IWB Fach 3 Gruppe 1, 2391 ff. 2 Zur Notwendigkeit und Durchführung entsprechender Anpassungsrechnungen vgl. Scholz/Ackermann/Schmitt, IWB Fach 3 Gruppe 1, 1779 ff.; Dawid/Dorner, IWB Fach 10 Gruppe 2, 1549 ff.; Rehkugler/Vögele, BB 2002, 1944. 3 Vgl. Wassermeyer, DB 2007, 536 f. 4 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.1.9; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.12.5. 5 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. 6 Vgl. Tz. 3.55 ff. OECD-Leitlinien 2010.
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3.178
Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
läufig ergebenden Frage, welcher Wert innerhalb dieser Bandbreite im Einzelfall in concreto anzusetzen ist, hat der BFH festgestellt, dass sich die Finanzverwaltung im Regelfall an der für den Steuerpflichtigen günstigeren Ober- oder Untergrenze der Bandbreite von möglichen Fremdvergleichspreisen zu orientieren habe.1 Dieser Vorgehensweise liegt die zutreffende Überlegung zugrunde, dass innerhalb der maßgeblichen Bandbreite von Fremdvergleichspreisen letztlich jeder Wert dem Fremdvergleich entspricht und insoweit eine Rechtsgrundlage für eine Einkünftekorrektur fehlt. Allerdings ist diese Rechtsprechung legislativ eingeschränkt. Sie hat nur noch insofern Bestand, als die Preisbandbreite auf uneingeschränkt vergleichbare Referenztransaktionen zurückgeht. In diesem Fall kann der Steuerpflichtige jeden beliebigen Wert aus der Bandbreite wählen.2 Sind demgegenüber die Vergleichsdaten allenfalls eingeschränkt vergleichbar, ist die Bandbreite gem. § 1 Abs. 3 Satz 3 AStG einzuengen. Aus dieser mittels der Methode der Interquartile-Range oder – besser geeigneter – mathematischer Verfahren eingeengten Bandbreite kann der Steuerpflichtige zwar jeden Preis ansetzen. Es kommt allerdings gem. § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG der Median zum Tragen, sofern der vom Steuerpflichtigen angesetzte Verrechnungspreis außerhalb der (eingeengten) Bandbreite liegt. 3. Wiederkaufspreismethode a) Vorgehensweise der Wiederverkaufspreismethode
3.179 Die Wiederverkaufspreismethode,3 auch Absatzpreismethode oder Marktpreis-Minus-Methode genannt, ist grundsätzlich anwendbar, wenn ein verbundenes Unternehmen einem anderen verbundenen Unternehmen Lieferungen oder Leistungen erbringt bzw. von diesem empfängt und diese Lieferungen oder Leistungen danach an fremde Dritte weiterveräußert werden. Dabei wird der Marktpreis aus dem Wiederverkauf (Wiederverkaufspreis) retrograd im Wege einer Spannenrückrechnung, deren Höhe sich an der Funktion und dem Risiko des Wiederverkäufers orientiert, gekürzt, um so zu dem Einkaufspreis des wiederverkaufenden Unternehmens (der gleichzeitig der Verkaufspreis des Verkäufers an den Wiederverkäufer ist) zu gelangen. Der Marktpreis bei Wiederverkauf der Lieferung oder Leistung an fremde Dritte bildet damit die Ausgangsbasis der Wiederverkaufspreismethode. Der angemessene Verrechnungspreis wird also auf retrogradem Weg durch Subtraktion bestimmt: Marktpreis bei Wiederverkauf an Dritte ./. marktübliche Handelsspanne des Wiederverkäufers = angemessener Verrechnungspreis 1 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; ausführlich hierzu Baumhoff in FS Wassermeyer, 355 ff. m.w.N. 2 § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG. 3 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.2.3; Tz. 2.20 ff. OECD-Leitlinien 2010.
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b) Ermittlung der marktüblichen Handelsspanne Während der mit dem unabhängigen Käufer tatsächlich vereinbarte Preis einen objektivierten Wert und somit ein „Datum“ darstellt, besteht die Schwierigkeit der Wiederverkaufspreismethode in der Bestimmung der „marktüblichen“ Handelsspanne.1 Zur Bestimmung der Handelsspanne kann zunächst auf einen tatsächlichen Fremdvergleich zurückgegriffen werden. Dies setzt eine uneingeschränkte, jedenfalls aber eine eingeschränkte Vergleichbarkeit der Referenztransaktionen voraus (Rz. 3.83 ff.). Während bei der Preisvergleichsmethode vergleichbare Preise heranzuziehen sind, kommt es bei der Wiederverkaufspreismethode auf vergleichbare Handelsspannen an. Dazu ist es erforderlich, branchenzugehörige, unabhängige Vergleichsunternehmen der gleichen Handelsstufe als Vergleichsobjekte zu identifizieren. Dies kann z.B. mittels einer Datenbankanalyse (Rz. 3.83, 3.130 und 3.176) im Rahmen eines äußeren Betriebsvergleichs geschehen.
3.180
Analog zum sog. „inneren Preisvergleich“ ist daneben auch eine Ermittlung der marktüblichen Handelsspanne über den inneren Betriebsvergleich denkbar. Dies betrifft bspw. Fälle, in denen ein konzernzugehöriger Wiederverkäufer bestimmte Lieferungen oder Leistungen gleichermaßen sowohl an fremde Dritte als auch an verbundene Unternehmen verkauft. Allerdings muss es sich beim Vergleichsgeschäft auch hier um ein sog. Bona-Fide-Geschäft handeln (Rz. 3.175).2 Sofern die Bestimmung der marktüblichen Handelsspanne sowohl über einen inneren als auch über einen äußeren Betriebsvergleich möglich ist, sollte dem inneren Betriebsvergleich der Vorzug gegeben werden. Dies deshalb, weil hierbei die verbundene Unternehmung in den Vergleichstatbestand einbezogen wird, innerbetriebliche Einflussfaktoren Berücksichtigung finden und die relevanten Vergleichsdaten aus dem Rechnungswesen der betreffenden Konzernunternehmung i.d.R. unmittelbar entnommen werden können.
3.181
Bei der Auswahl geeigneter Vergleichsobjekte ist im Interesse der Vergleichbarkeit der Verhältnisse darauf zu achten, dass die Vergleichsunternehmen die gleiche Stellung wie die verbundenen Unternehmen zueinander haben, über vergleichbare Geschäftsbeziehungen verfügen, dabei ein vergleichbares unternehmerisches Risiko tragen und dass sowohl der Zeitpunkt oder Zeitraum der zu vergleichenden Geschäfte als auch die Konditionen zumindest annähernd gleich sind. Insoweit ist auch im Rahmen der Wiederverkaufspreismethode eine Funktions- und Risikoanalyse durchzuführen (Rz. 3.94 ff.). Die Handelsspanne ist dabei vom Umfang der durch den Vertreiber übernommenen Funktionen und Risiken und der eingesetzten Mittel (z.B. Lagergebäude, Verkaufsräume etc.) abhängig.
3.182
1 Vgl. Tz. 2.28 ff. OECD-Leitlinien 2010. 2 Vgl. dazu auch BMF v. 26.2.2004 – IV B 4 - S 1300 - 12/04, BStBl. I 2004, 270 (aufgeh. durch BMF v. 23.4.2010 – IV A 6 - O 1000/09/10095, BStBl. I 2010, 391 für ab dem 1.1.2009 verwirklichte Tatbestände).
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Insoweit geht ein höherer Funktionsumfang (z.B. bei einem Eigenhändler) gegenüber einem geringeren (z.B. bei einem Kommissionär bzw. Handelsvertreter) regelmäßig mit einer höheren Handelsspanne einher (Rz. 3.250 ff.).
3.183 Ist die Ermittlung der „marktüblichen Handelsspanne“ nicht im Wege eines tatsächlichen Fremdvergleichs möglich, ist sie subsidiär nach Maßgabe eines hypothetischen Fremdvergleichs zu ermitteln. Dazu ist es erforderlich, die Kosten – insbesondere in Form der Vertriebs- und allgemeinen Verwaltungskosten – der Vertriebsgesellschaft im Vorhinein als Plankosten (Rz. 3.201 ff.) zu bestimmen und diese um einen angemessenen Gewinnaufschlag zu erhöhen. Dies setzt freilich voraus, dass die Kosten – unter Berücksichtigung der erwarteten Umsätze – budgetiert werden. Die Reichweite der Budgetphase sollte dabei an den im betrachteten Konzernverbund üblichen Zeithorizont der Planungsrechnung angepasst werden. Erfahrungsgemäß ist hier eine jährliche Festlegung bzw. Prüfung der Handelsspanne und somit eine einjährige Budgetphase sinnvoll.
3.184 Im Ergebnis bedeutet die Ermittlung der Handelsspanne der Vertriebsgesellschaft mittels eines hypothetischen Fremdvergleichs die Kombination von Wiederverkaufspreis- und Kostenaufschlagsmethode. Eine solche Vorgehensweise wird sowohl von der deutschen Finanzverwaltung1 und Rechtsprechung2 als auch von den OECD-Leitlinien 20103 ausdrücklich für zulässig erachtet. Im Übrigen trägt sie der Forderung Rechnung, dass eine Vertriebsgesellschaft im Grundsatz – ggf. nach möglichen temporären Anlaufverlusten – einen angemessenen Gewinn erwirtschaften soll (Rz. 3.120). Denn letztlich wird durch die Anwendung der Kostenaufschlagsmethode der spezifischen Kostensituation der Vertriebsgesellschaft Rechnung getragen, sodass nur bei Abweichung der Soll- von den Istkosten eine temporäre Verlustsituation entstehen kann. c) Anwendungsbereiche
3.185 Hauptanwendungsbereich der Wiederverkaufspreismethode ist die Verrechnungspreisermittlung im Zusammenhang mit Vertriebsgesellschaften. Entsprechend dem in § 1 Abs. 3 AStG verankerten Stufenverhältnis ist zwar vorrangig der tatsächliche Fremdvergleich anzuwenden und erst dann auf den hypothetischen Fremdvergleich überzugehen, wenn keine jedenfalls eingeschränkt vergleichbaren Vergleichswerte identifiziert werden können. Die einzige mit ihren Vergleichstatbeständen methodisch auf den tatsächlichen Fremdvergleich zurückgehende (Rz. 3.174) und nach der Rechtsprechung des BFH4 zu präferierende Preisvergleichs1 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.4.2. 2 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. 3 Vgl. Tz. 2.31 OECD-Leitlinien 2010. 4 Vgl. BFH v. 6.4.2005 – I R 22/04, BStBl. II 2007, 658.
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methode ist jedoch mangels Vorliegens der Anwendungsvoraussetzungen regelmäßig nicht anwendbar (Rz. 3.262 f.). Dementsprechend sieht der BFH bei Lieferungen an eine Vertriebsgesellschaft, die als Eigenhändler zu qualifizieren ist, „regelmäßig“ die Anwendung der Wiederverkaufspreismethode vor.1 Dies entspricht der Auffassung sowohl der deutschen Finanzverwaltung2 als auch der OECD.3 Die „marktübliche Handelsspanne“ kann dabei mittels eines tatsächlichen oder – mangels Vergleichsobjekten – subsidiär über einen hypothetischen Fremdvergleich, d.h. anhand der Kostenaufschlagsmethode, ermittelt werden. Wird die Lieferung oder Leistung vor dem Weiterverkauf bearbeitet, weiterentwickelt oder in anderer Weise verändert, muss diese verändernde Tätigkeit im Rahmen der Handelsspanne erfasst und bewertet werden. Solche Veränderungen, die häufig unter dem Begriff „Veredelungstätigkeiten“ zusammengefasst werden, dürfen allerdings nicht so weit reichen, dass dadurch eine Lieferung oder Leistung in eine andere übergeht und infolgedessen die ursprüngliche Identität verliert. Wäre dies der Fall, so würden die Anwendungsvoraussetzungen für die Wiederverkaufspreismethode nicht mehr erfüllt sein.
3.186
Übt das unabhängige, für die Ermittlung der Handelsspanne als Vergleichsobjekt dienende Unternehmen keine vergleichbare verändernde Tätigkeit aus, sodass nicht auf eine einheitliche Gesamtspanne zurückgegriffen werden kann, muss diese verändernde Tätigkeit mithilfe der Kostenaufschlagsmethode (Rz. 3.188 ff.) bewertet werden. Die „marktübliche Handelsspanne“ ist insoweit um die Kosten der Veränderungsoder Veredelungstätigkeiten zu korrigieren. Je aufwendiger und komplizierter diese Veränderungs- oder Veredelungstätigkeiten des Absatzmittlers sind, desto umfangreicher sind die entsprechenden (kosten-)rechnerischen Anpassungen. Liegt zwischen An- und Verkauf der Lieferung oder Leistung durch den Wiederverkäufer ein längerer Zeitraum, so sind im Rahmen einer möglichen Korrekturrechnung insbesondere die Veränderungen der Märkte und der Wechselkurse rechnerisch zu berücksichtigen.4 Darüber hinaus kann sich der Wert einer Lieferung oder Leistung durch den Gebrauch einer Marke erheblich verändern. Dieser Umstand muss in der Korrekturrechnung ebenso Berücksichtigung finden wie mögliche geografische Beschränkungen bei der Erteilung von Wiederverkaufsrechten.5
1 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 3.1.3 Bsp. 1. 3 Vgl. Tz. 2.20 ff. OECD-Leitlinien 2010. 4 Ebenso Tz. 2.30 OECD-Leitlinien 2010. 5 Vgl. Tz. 2.34 OECD-Leitlinien 2010.
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4. Kostenaufschlagsmethode a) Vorgehensweise der Kostenaufschlagsmethode
3.188 Bei der Kostenaufschlagsmethode1 wird der Verrechnungspreis dadurch bestimmt, dass zunächst die Selbstkosten des liefernden/leistenden Unternehmens ermittelt und anschließend um einen angemessenen Gewinnaufschlag erhöht werden. Die Ermittlung der Kosten soll dabei anhand von Kalkulationsmethoden erfolgen, die der Liefernde oder Leistende auch bei seiner Preispolitik gegenüber Fremden zugrunde legt bzw. die betriebswirtschaftlichen Grundsätzen entsprechen.2 Anwendung findet die Kostenaufschlagsmethode insbesondere in den Fällen, in denen für die ausgetauschten Lieferungen oder Leistungen keine Marktpreise als Vergleichsmaßstäbe zur Verfügung stehen, etwa weil – es sich um nicht marktfähige, konzernspezifische Güter oder Dienstleistungen handelt, – vorliegende Marktpreise nicht repräsentativ bzw. aufgrund einer fehlenden Vergleichbarkeit der Verhältnisse nicht brauchbar sind, – tatsächlich vereinbarte Marktpreise nicht feststellbar bzw. nachweisbar sind, – gewisse Lieferungen oder Leistungen – wie auch unter fremden Dritten – nach der Kostenaufschlagsmethode abgerechnet werden müssen, wie z.B. Spezialaufträge. b) Anwendungsbereiche
3.189 Sind die Anwendungsvoraussetzungen sowohl für die Preisvergleichs- als auch für die Wiederverkaufspreismethode nicht erfüllt, was bei der Fülle und Verschiedenartigkeit der in einem internationalen Unternehmensverbund ausgetauschten Güter und Dienstleistungen oft der Fall ist, kommt der Kostenaufschlagsmethode in der Praxis letztlich die Rolle der Ultima Ratio zu. Vor diesem Hintergrund gilt sie insbesondere im Bereich der konzerninternen Dienstleistungen (z.B. in Form von Verwaltungsleistungen oder der Lohnfertigung und Auftragsforschung) sowie bei der konzerninternen Lieferung von Halbfertigfabrikaten als Regelmethode. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist die Kostenaufschlagsmethode insbesondere anzuwenden, wenn das betreffende Unternehmen „Routinefunktionen“ ausübt und nur geringe Risiken trägt.3 Da die Kostenaufschlagsmethode die Ermittlung eines hypothetischen Vergleichspreises zum Ziel hat, stellt sie die praktische Ausgestaltung 1 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.2.4; Tz. 2.39 ff. OECD-Leitlinien 2010. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.2.4. 3 Vgl. BR-Drucks. 352/08 v. 23.5.2008, 16; BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.2.2.1 Rz. 66.
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des hypothetischen Fremdvergleichs dar, als dessen Maßstab und neutraler Bezugspunkt die Sorgfalt des ordentlichen Geschäftsleiters fungiert (Rz. 3.131 ff.). Dieser entscheidet im Einzelfall über die Ordnungsmäßigkeit und Sinnhaftigkeit der zugrunde zu legenden Kalkulationsmethoden. Wenn der Gewinnaufschlag mittels des tatsächlichen Fremdvergleichs ermittelt wird, stellt dies eine Kombination aus tatsächlichem und hypothetischem Fremdvergleich dar. Die besonderen Schwierigkeiten der Kostenaufschlagsmethode liegen dabei in der Ermittlung der Selbstkosten, die u.a. als Bezugsbasis für den Gewinnaufschlag dienen, sowie in der Bestimmung des Gewinnaufschlags selbst. c) Anzuwendender Kostenbegriff Die Forderung der VWG 1983,1 die Kostenermittlung bei der Anwendung der Kostenaufschlagsmethode generell an betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zu orientieren, erlaubt die Zugrundelegung des betriebswirtschaftlichen Kostenbegriffs. Dieser definiert Kosten als den in Geld bewerteten leistungsbedingten Güterverzehr eines Betriebs. Dabei richtet sich die inhaltliche Konkretisierung des Kostenbegriffs an der Zwecksetzung des Rechnungswesens aus. Vor diesem Hintergrund lässt sich die in der betriebswirtschaftlichen Kostentheorie umfänglich diskutierte Frage, ob zur Entstehung von Kosten eine Ausgabe erforderlich ist (pagatorischer Kostenbegriff) oder ob zu den Kosten auch kalkulatorische Kostenarten, wie z.B. kalkulatorische Eigenkapitalzinsen oder kalkulatorische Abschreibungen (also Kosten, die nicht zu Ausgaben geführt haben oder führen) zählen, zugunsten des wertmäßigen Kostenbegriffs beantworten. Denn nur dieser Kostenbegriff erfasst den Produktionsfaktorverbrauch streng produkt- bzw. leistungsbezogen und erweist sich daher für die Ermittlung eines Kosten-Preises als besonders geeignet. Dies beruht auf der Erkenntnis, dass bei langfristiger Betrachtung mindestens die gesamten Durchschnittskosten pro Leistungseinheit gedeckt sein müssen und somit die langfristige Preisuntergrenze bilden. Dabei sind die Normalverzinsung des gesamten zur Leistungserstellung eingesetzten Kapitals (kalkulatorische Zinsen) sowie der Unternehmerlohn (kalkulatorischer Unternehmerlohn) als Kostenbestandteile einzubeziehen.
3.190
Erscheint somit die Verwendung des wertmäßigen Kostenbegriffs im Rahmen der Kostenaufschlagsmethode als besonders geeignet, lassen die VWG 19832 auch die Verwendung anderer Kostenbegriffe (z.B. des pagato-
3.191
1 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.1.6. Buchst. c u. Tz. 2.2.4. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.1.6 Buchst. c u. Tz. 2.2.4, wonach die Kosten nach den Kalkulationsmethoden ermittelt werden sollen, „die der Liefernde oder Leistende auch bei seiner Preispolitik gegenüber Fremden zugrunde legt oder – wenn keine Lieferungen oder Leistungen gegenüber Fremden erbracht werden – die betriebswirtschaftlichen Grundsätzen entsprechen.“
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rischen Kostenbegriffs) zu.1 Insoweit wird dem allgemeinen Ermessensspielraum des ordentlichen Geschäftsleiters Rechnung getragen, der ggf. auch gegenüber fremden Dritten keine kalkulatorischen Kosten in die Ermittlung seiner Absatzpreise einbezieht. Allerdings sollte dabei berücksichtigt werden, dass in der ganz überwiegenden Zahl der heute praktizierten Kostenrechnungssysteme der wertmäßige Kostenbegriff Anwendung findet.2 Darüber hinaus weisen die OECD-Leitlinien 20103 zutreffend auf die Schwierigkeiten hin, die dadurch entstehen können, dass in den einzelnen Ansässigkeitsstaaten der Konzerngesellschaften bei Anwendung der Kostenaufschlagsmethode unterschiedliche Kostenbegriffe verwendet werden können. Dies könne zu unterschiedlichen Kostenbasen führen, die als Bemessungsgrundlage für den angemessenen Gewinnaufschlag dienen. Vor diesem Hintergrund wäre eine einheitliche Anwendung des wertmäßigen Kostenbegriffs zweckmäßig. Alternativ dazu ist denkbar, soweit kalkulatorische Kosten in die Kostenbasis eingegangen sind, eine Korrektur über die Bemessung des Gewinnaufschlags vorzunehmen.4
3.192 Die zur Ermittlung der Kostenbasis erforderlichen Daten liefert das Kostenrechnungssystem des Unternehmens. Grundsätzlich ist die Wahl der Kalkulationsmethode eine freie unternehmerische Entscheidung. Es muss jedoch gesichert sein, dass das angewandte Kalkulationsverfahren betriebswirtschaftlichen Erfordernissen entspricht. Werden bestimmte Kalkulationsmethoden konsequent sowohl gegenüber verbundenen als auch fremden Unternehmen angewendet und entsprechen sie betriebswirtschaftlichen Grundsätzen, können sie grundsätzlich als zweckmäßig und angemessen angesehen werden. d) Relevante Kostenarten
3.193 Grundvoraussetzung für die Anerkennung eines betrieblichen Kostenrechnungssystems ist die Existenz einer Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung.
3.194 Unter der Kostenartenrechnung5 versteht man den Teilbereich der Kostenrechnung, der zur mengenmäßigen Erfassung, Abgrenzung und Bewertung anfallender Kosten dient und gleichzeitig die Grundlage für die Verrechnung der Kosten auf Kostenstellen und Kostenträger bildet. Daher 1 Gl. A. Vögele/Raab in V/B/E, Verrechnungspreise3, D Rz. 179 ff.; Hülshorst/ Mank in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Tz. 2.39 Anm. 4; Tucha, IStR 2002, 749. 2 So auch Lahodny-Karner in Schuch, Die neuen Verrechnungspreisrichtlinien der OECD, 51. 3 Vgl. Tz. 2.44 u. 2.46 OECD-Leitlinien 2010. 4 Zum Verhältnis der Kostenbasis zum Gewinnaufschlag vgl. auch Kaminski, Verrechnungspreisbestimmung bei fehlendem Fremdvergleichspreis, 495 mit einem Bsp. 5 Dazu im Einzelnen vgl. auch Freidank, Kostenrechnung8, 95 ff.
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muss die Kostenartenrechnung auf die Kostenrechnungsziele, die zusammen mit der Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung angestrebt werden, ausgerichtet sein. In der Kostenartenrechnung erfolgt die auf dem Verursachungsprinzip beruhende Unterscheidung zwischen Einzel- und Gemeinkosten. Diese auf ein Produkt oder eine Dienstleistung bezogene Betrachtungsweise qualifiziert diejenigen Kosten als Einzelkosten, die sich direkt einem Kostenträger bzw. einer Kostenstelle zurechnen lassen (direkte Kosten). Diese Einzelkosten werden unmittelbar aus der Kostenartenrechnung ohne Verrechnung über die Kostenstellen dem Kostenträger zugeordnet. Die Gemeinkosten sind dagegen nicht dem einzelnen, als Kalkulationsobjekt fungierenden Produkt oder der einzelnen Dienstleistung direkt, sondern nur indirekt zuzurechnen (indirekte Kosten). Bei Anwendung der Vollkostenrechnung werden diese indirekten Kosten über einzelne Kostenstellen geleitet und mithilfe von Schlüsselgrößen auf einzelne Kostenträger verteilt.1 Die OECD-Leitlinien 2010 unterscheiden im Rahmen der Ermittlung der relevanten Kostenbasis zwischen drei verschiedenen Kostenarten, nämlich den direkten Kosten, den indirekten Kosten und den allgemeinen Verwaltungskosten („operating expenses“).2 Im Ergebnis stellen damit auch die OECD-Leitlinien 2010 auf eine Unterscheidung zwischen Einzel- und Gemeinkosten ab. Allerdings sei der Gewinnaufschlag nur auf der Basis der direkten und indirekten Kosten vorzunehmen. Die „operating expenses“, zu denen diejenigen Kosten zählen, die das Unternehmen als Ganzes betreffen, wie z.B. Überwachungs-, Geschäftsführungs- und allgemeine Verwaltungskosten, sollen nach Auffassung der OECD indessen nicht in die Kostenbasis einbezogen werden, wenngleich diese Kosten nach betriebswirtschaftlichem Kostenrechnungsverständnis den indirekten Kosten zuzurechnen sind. Zwar verkennen die OECDLeitlinien 2010 nicht die Schwierigkeiten einer Abgrenzung zwischen den einzelnen Kostenarten. Sie gehen aber davon aus, dass Teile dieser Kosten bereits Gewinnelemente enthalten können und sich in der Höhe der „operating expenses“ bereits die Effizienz eines Unternehmens widerspiegelt. Unabhängig davon, dass sich Effizienzunterschiede zwischen einzelnen Unternehmen auch bei den übrigen (direkten und indirekten) Kosten zeigen können,3 ist die Frage, welche Kostenkategorie im Einzelnen vorliegt, abhängig von der Art des innerkonzernlichen Liefer- und Leistungsaustausches. So können bei Warenlieferungen Verwaltungskosten zu den „operating expenses“ zählen, während diese im Rahmen einer Dienstleistungserbringung den indirekten oder gar den direkten Kosten zuzuordnen sind. Die Dreiteilung zwischen direkten, indirekten und „operating expenses“ ist also liefer- und leistungsabhängig und im Ergebnis willkür1 Zum Verfahren siehe Freidank, Kostenrechnung8, 139 ff. 2 Vgl. Tz. 2.47 OECD-Leitlinien 2010. 3 Vgl. Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 480.
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lich. Vor diesem Hintergrund ist sie für die praktische Verrechnungspreisermittlung ungeeignet, da bestimmte Kostenkategorien nicht oder nur wahlweise einbezogen werden.1 Vielmehr erinnert die Eliminierung von „operating expenses“ aus der Kostenbasis an die Definition der steuerlichen Herstellungskosten,2 die bestimmte Kostenkategorien nicht oder nur wahlweise berücksichtigen. Der steuerliche Herstellungsbegriff darf jedoch bei der Ermittlung von Verrechnungspreisen keine Rolle spielen, da nur die Selbstkosten Grundlage für die Kalkulation von Absatzpreisen gegenüber fremden Dritten sein können (Rz. 3.206 ff.). e) Zeitbezug der Kosten
3.196 Von der Frage der Ermittlung der Kostenarten zu unterscheiden ist die Frage des Zeitbezugs der zu verrechnenden Kosten. In diesem Zusammenhang wird allgemein zwischen Ist-, Normal- und Plankosten unterschieden. Für welche Kalkulationsmethodik sich der Steuerpflichtige entscheidet, steht dabei in seinem freien Ermessen, objektiviert durch das Verhalten eines ordentlichen Geschäftsleiters. Auch die OECD-Leitlinien 2010 bestimmen ausdrücklich, dass der Zeitbezug der Kosten auf der Basis von Ist-, Normal- oder Plankosten erfolgen kann.3
3.197 Bei der Istkostenrechnung, die auf einer Vergangenheitsrechnung beruht, werden alle tatsächlich angefallenen Kosten in die Kostenbasis der Kostenaufschlagsmethode einbezogen. Die Istkosten sind definiert als die mit Istpreisen bewerteten Istverbrauchsmengen der Produktionsfaktoren. Hauptzielsetzung der Istkostenrechnung ist die Nachkalkulation der betrieblichen Aufträge und Leistungen.4 Den Vorteilen der Istkostenrechnung, die vergleichsweise einfache Kostenermittlung und Nachprüfbarkeit der ermittelten Ergebnisse sowie die daraus resultierende Einengung des Manipulationsspielraums, stehen allerdings schwerwiegende Mängel gegenüber. Der entscheidende Nachteil ist die Auswirkung aller zufallsbedingten Kostenschwankungen auf die Höhe der Selbstkosten.5 Solche Schwankungen können beispielsweise durch Preis- und Beschäftigungsgradänderungen oder bei unterschiedlichem Mengenverbrauch einzelner Inputfaktoren eintreten. Als praktischer Nachteil der Istkostenrechnung wird ferner die Tatsache angesehen, dass die so ermittelten Selbstkosten erst eine gewisse Zeit nach einer Transaktion festgestellt werden können.6 Die OECD-Leitlinien 1 Vgl. Baumhoff, IStR 1996, 54; Werra, IStR 1995, 461; Kaminski, Verrechnungspreisbestimmung bei fehlendem Fremdvergleichspreis, 93. 2 Vgl. R 6.3 EStR 2008. 3 Vgl. Tz. 2.49 OECD-Leitlinien 2010. 4 Vgl. Kilger/Pampel/Vikas, Flexible Plankostenrechnung und Deckungsbeitragsrechnung12, 44. 5 Vgl. auch Kaminski, Verrechnungspreisbestimmung bei fehlendem Fremdvergleichspreis, 96. 6 Vgl. Hülshorst/Mank in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Tz. 2.45 Anm. 2.
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2010 schlagen insoweit vor, diesen Nachteil durch Korrekturzuschläge oder -abschläge im Rahmen der Festlegung des Gewinnaufschlags zu eliminieren, ohne allerdings zu erläutern, wie diese Berichtigungen quantitativ ermittelt werden sollen.1 Überdies findet man den begrüßungswerten Vorschlag, die angeführten Nachteile durch Verwendung der Normalkostenrechnung zu vermeiden.2 Darüber hinaus erfolgt im Rahmen der Verrechnung von Istkosten keine Eliminierung von Einflussfaktoren, die auf Unwirtschaftlichkeiten beim Leistungserstellungsprozess zurückzuführen sind.3 Während solche Unwirtschaftlichkeiten bei Zugrundelegung von Marktpreisen regelmäßig vom Produzenten bzw. Leistungserbringer zu tragen sind, werden sie bei der Verwendung der Kostenaufschlagsmethode auf der Basis von Istkosten über den Verrechnungspreis auf den Abnehmer abgewälzt. Prinzipiell das Gleiche gilt für den umgekehrten Fall einer besonders günstigen Kostensituation beim Produzenten oder Leistungserbringer, wobei die Vorteile nicht diesem, sondern dem Abnehmer zugutekommen. Somit würde bei Anwendung der Istkostenrechnung der Preis umso höher (niedriger) ausfallen, je unwirtschaftlicher (wirtschaftlicher) produziert wird. Dies steht im Widerspruch zum Grundsatz des Fremdvergleichs, da unter fremden Dritten derjenige wirtschaftliche Vor- und Nachteile in Anspruch nehmen kann bzw. zu vertreten hat, der sie verursacht.4 Mit anderen Worten wird eine ineffiziente Leistungserstellung vom Markt regelmäßig nicht honoriert.
3.198
Die Normalkostenrechnung verwendet keine effektiv angefallenen, sondern „normale“, d.h. durchschnittliche Istkosten vergangener Perioden. Die Aufgabe der Normalkostenrechnung besteht somit darin, die periodischen Schwankungen der Kostenarten zu nivellieren und auszugleichen (d.h. zu „normalisieren“). Es existieren verschiedene Varianten der Normalkostenrechnung, die daraus resultieren, dass die Durchschnittsbildung (Normalisierung der Kosten) für die Preise und/oder die Verbrauchsmengen der Produktionsfaktoren erfolgen kann.5 Die „normalisierten“ Kosten können durch sog. aktualisierte Mittelwerte, die die veränderten gegenwärtigen und zukünftigen Kosteneinflussgrößen erfassen, korrigiert werden. Insofern kann die Normalkostenrechnung auch zu erwartende Kostenentwicklungen berücksichtigen.
3.199
1 Vgl. Tz. 2.42 u. 2.52 OECD-Leitlinien 2010 sowie hierzu Hülshorst/Mank in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Tz. 2.35 Anm. 3 f.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 583. 2 Vgl. Tz. 2.52 OECD-Leitlinien 2010. 3 So auch Tz. 2.42 OECD-Leitlinien 2010. 4 Vgl. Tz. 2.52 OECD-Leitlinien 2010; Schreiber in Oestreicher, Internationale Verrechnungspreise, 316; Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 489. 5 Vgl. insofern die Unterscheidung zwischen starren und flexiblen Verfahren der Normalkostenrechnung bei Kilger/Pampel/Vikas, Flexible Plankostenrechnung und Deckungsbeitragsrechnung12, 47 ff.
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3.200 Eine Variante der Normalkostenrechnung, bei der eine Durchschnittsbildung korrigiert durch aktualisierte Mittelwerte nur für die Preise, nicht aber für die Verbrauchsmengen erfolgt, wird auch als Sollkostenrechnung bezeichnet.1 Diese Kosten sind definiert als die mit Plan-(Normal)preisen bewerteten Istverbrauchsmengen der Produktionsfaktoren. Damit wird ex ante nur die Wertkomponente festgelegt, während die Mengenkomponente offenbleibt und erst durch den tatsächlichen Mengenverbrauch der eingesetzten Produktionsfaktoren bestimmt wird.
3.201 Im Gegensatz zur Ist- und Normalkostenrechnung basiert die Plankostenrechnung ausschließlich auf zukunftsorientierten Größen (Prognosekosten, erwartete Kosten). Bei den Plankosten handelt es sich somit um Kostenvorgaben mit Soll-Charakter, die unter vorheriger Festlegung eines bestimmten Beschäftigungsgrades und Produktionsverfahrens, einer bestimmten Auftragszusammensetzung sowie weiterer Plandaten auf der Grundlage technischer und ökonomischer Verbrauchsstudien bzw. Beobachtungen unter der Prämisse rationalen Wirtschaftens festgelegt werden.2 Obwohl die Plankostenrechnung ein entsprechend entwickeltes Rechnungswesen und die Verwendung – mitunter aufwendiger – Prognosemethoden voraussetzt, erweist sie sich zur Bestimmung von Verrechnungspreisen auf der Basis der Kostenaufschlagsmethode aus zwei Gründen als besonders geeignet.3
3.202 Zum einen erlaubt die Verwendung von Plankosten die Unterstellung einer gewissen Wirtschaftlichkeit bei der betrieblichen Leistungserstellung, was dazu führt, dass – wie beim Leistungsaustausch zwischen unabhängigen Geschäftspartnern üblich – sowohl Unwirtschaftlichkeiten als auch Kostenvorteile zulasten wie zugunsten des Unternehmens gehen, in dessen Verantwortungsbereich die Abweichung fällt. Aufgrund der teilweisen Glättung von Zufallsschwankungen der Kosten gilt dies in eingeschränktem Maße auch für die Normalkostenrechnung. Dennoch lässt sich nicht völlig verhindern, dass unrentabel arbeitende Unternehmen mitunter auch überhöhte Plan- oder Normalkostenwerte ansetzen.
3.203 Zum anderen berücksichtigt alleine das System der Plankostenrechnung den Grundsatz der Ex-ante-Betrachtung,4 wonach einem Fremdvergleich nur die Verhältnisse und Informationen zugrunde zu legen sind, die zum
1 Vgl. Kilger/Pampel/Vikas, Flexible Plankostenrechnung und Deckungsbeitragsrechnung12, 594 f.; Rickards, Kostensteuerung kompakt, 180 f. 2 Zu den Entwicklungsformen der Plankostenrechnung im Einzelnen vgl. Kilger/ Pampel/Vikas, Flexible Plankostenrechnung und Deckungsbeitragsrechnung12, 51 ff. 3 Gl. A. Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 493 ff.; Klein/Nohl/Zschiegner/Klein, Konzernrechnungslegung und Konzernverrechnungspreise, 111; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 583; Weber, Technologietransfer im internationalen Konzern, 159. 4 Vgl. dazu Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 171.
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Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bekannt waren bzw. sich abzeichneten. Da ein Unternehmer bzw. ein ordentlicher Geschäftsleiter zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die tatsächlich für die Leistungserstellung anfallenden Istkosten nicht kennen kann, muss insoweit von den erwarteten Kosten, also den Plankosten ausgegangen werden. Die Verwendung von Istkosten würde hingegen als Verstoß gegen das allgemein anerkannte Verbot der Retrospektive bei der Festlegung und Überprüfung von Verrechnungspreisen anzusehen sein. Ferner ist die Verwendung von Normal- und Plankosten dem Verdacht ausgesetzt, objektiv schwer kontrollierbare Manipulationen bei der Kostenfestsetzung zu bewirken.1 Dem ist entgegenzuhalten, dass diese Möglichkeit, wenn auch nicht in gleichem Umfang, grundsätzlich auch bei Anwendung der Istkostenrechnung besteht. Außerdem stellt die Kostenkontrolle einen wesentlichen Bestandteil der Plankostenrechnung dar. Diese erfolgt durch eine Gegenüberstellung der geplanten mit den tatsächlichen Kosten und eine anschließenden Ermittlung und Analyse der Abweichungen zwischen Planund Istkosten. Da die Plankostenrechnung eine Vor- und eine Nachrechnung enthält, lässt sich mithilfe der Abweichungsanalyse die Manipulationsgefahr in hinreichendem Umfang begrenzen.2 Becker schlägt in diesem Zusammenhang vor, im Rahmen der Abweichungsanalyse angemessene Toleranzgrenzen festzulegen, wobei eine Schwankungsbreite von plus/minus 5 v.H. angemessen sei.3 Dieser Auffassung ist aus Kontroll- und Praktikabilitätsgesichtspunkten grundsätzlich zuzustimmen. Überschreiten die Ist-Kosten die vorgeschlagene Toleranzgrenze, so ist eine Soll-Ist-Analyse durchzuführen. Stellt sich dabei heraus, dass die Plankosten im Rahmen der Ex-ante-Betrachtung unter Verwendung aller verfügbarer Daten korrekt berechnet wurden und dass Manipulationen im Rahmen dieser Kostenbestimmung ausgeschlossen werden können, sind die Plankosten den Istkosten nach wie vor vorzuziehen. Dies entspricht dem Verbot der Retrospektive bei der Festlegung und Überprüfung von Verrechnungspreisen. In der praktischen Handhabung wird die für die Anwendung der Plankostenrechnung unabdingbare Prognoserechnung und Budgetierung nicht unproblematisch sein. Dies gilt – neben der Schätzung der Kosten selbst – insbesondere für die Ermittlung der voraussichtlichen Produktionsmengen, die maßgeblich die Aufteilung der Fixkosten auf die Kostenträger und somit die Quantifizierung der Stückkosten determinieren.4 Insoweit 1 Vgl. etwa Hülshorst/Mank in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Tz. 2.45 Anm. 2 f. 2 Im Übrigen wird auch im Rahmen der Plankostenrechnung i.d.R. Dokumentationserfordernissen Rechnung getragen (z.B. mittels einer Abstimmung mit der Finanzbuchhaltung), vgl. Lorson/Schweitzer in Küting, Saarbrücker Handbuch der Betriebswirtschaftlichen Beratung4, Rz. 1249 ff. 3 Vgl. Becker, IWB Fach 3 Gruppe 1, 593. 4 In der Verrechnungspreispraxis werden insoweit die Plandaten häufig aus Erfahrungswerten der Vergangenheit abgeleitet. Zur Abschätzung von Risiken vgl. etwa Vögele/Borck, IStR 2002, 176 ff.
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können einer Anwendung der Plankostenrechnung durchaus praktische Schwierigkeiten entgegenstehen. Da jedoch die Heranziehung der Istkostenrechnung aufgrund des Verbots der Retrospektive aus grundsätzlichen Erwägungen abzulehnen ist, wird mitunter das Herbeiführen einer Kompromisslösung erforderlich sein.
3.205 Als eine solche Kompromisslösung kann die Normalkostenrechnung fungieren, die es erlaubt, ex ante lediglich die Wertkomponente der Kosten festzulegen, während sich die Mengenkomponente ex post am tatsächlich eingetretenen Mengenverbrauch orientiert. In der Literatur1 wird für den Fall, dass die anfallenden Kosten wegen der Individualität der entsprechenden Lieferungen und Leistungen weder normiert noch hinreichend sicher geplant werden können (z.B. bei Einzelund Spezialanfertigungen, konzernspezifischen Dienstleistungen und Forschungsleistungen), als einzig zielführendes System die Istkostenrechnung angesehen. f) Sachumfang der Kosten
3.206 Im Rahmen der Bestimmung des Sachumfangs der verrechenbaren Kosten wird allgemein zwischen Voll- und Teilkosten unterschieden. Die VWG 19832 gehen im Zusammenhang mit der Kostenaufschlagsmethode grundsätzlich von Vollkosten aus. Die Vollkostenrechnung beruht auf der Erkenntnis, dass eine Unternehmung auf Dauer nur dann bestehen kann, wenn die erzielten Preise sämtliche Kosten decken. Ausgangspunkt einer auf Vollkosten basierenden Verrechnungspreisgestaltung sind somit die durch die Kostenträgerstückrechnung zu ermittelnden Selbstkosten. Da das Problem der verursachungsgerechten Zuordnung der echten Gemeinkosten nach wie vor als unlösbar gilt,3 wird hierbei bewusst in Kauf genommen, dass zur Ermittlung der Selbstkosten einer Leistungseinheit eine im Grunde willkürliche Zurechnung der echten Gemeinkosten notwendig ist. Hieraus resultiert die Forderung, möglichst alle Kosten weitgehend als Einzelkosten zu erfassen, soweit diese den einzelnen Leistungen zugerechnet werden können, während dies für die Gemeinkosten nur indirekt über die Kostenstellenrechnung möglich ist.4 Bei der Einteilung einer Unternehmung in Kostenstellen ist u.a. zu beachten, dass sich für alle Kostenstellen geeignete Bezugsgrößen (Maßgrößen der Kostenverursachung) finden lassen. Dabei sollte die Bezugsgröße möglichst eine di-
1 Vgl. Lahodny-Karner, Konzernverrechnungspreise im nationalen und internationalen Steuerrecht, 116; Weber, Technologietransfer im internationalen Konzern, 159 jeweils m.w.N. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.2.4. 3 Dies anerkennt auch die OECD in Bezug auf den Umlageschlüssel im Rahmen der Konzernumlage, vgl. Tz. 8.19 OECD-Leitlinien 2010. 4 Vgl. auch Vögele/Scholz/Hoffmann, IStR 2001, 94 ff.
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rekte Beziehung zum Kostenträger aufweisen.1 Die Verteilung der Gemeinkosten in der Kostenstellenrechnung erfolgt mithilfe des tabellarisch aufgebauten Betriebsabrechnungsbogens (BAB). Dabei werden die Gemeinkosten im Rahmen der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung anhand von Bezugs- oder Schlüsselgrößen auf sog. Haupt- bzw. Endkostenstellen verteilt. Danach erfolgt die Festlegung der Gemeinkosten einer jeden Endkostenstelle mit den dort angefallenen Einzelkosten.2 Daran anschließend werden in der Kostenträgerrechnung die Gemeinkosten mithilfe der zuvor ermittelten Gemeinkostenzuschlagssätze den der einzelnen betrieblichen Leistung (Kostenträger) bereits zugeordneten Einzelkosten hinzugerechnet. Der jeder Vollkostenrechnung immanente Mangel, trotz Anwendung noch so verfeinerter Erfassungsmethoden und Verrechnungsmodi keine absolut willkürfreie und verursachungsgerechte Gemeinkostenschlüsselung vornehmen zu können, wird bei der Ermittlung von Verrechnungspreisen auf Vollkostenbasis besonders deutlich. Die Existenz nicht eindeutiger Kriterien der Kostenstellen- und Bezugsgrößenbildung, unterschiedlicher Möglichkeiten der Aufschlüsselung der Gemeinkosten sowie alternativer Kalkulationsverfahren eröffnen dem Kalkulierenden Möglichkeiten der Verrechnungspreisgestaltung durch zielorientierte Kostenverrechnung. Dieser elementare Mangel ist auch nicht durch eine generelle Festlegung bestimmter Verteilungsschlüssel, Zuschlagsbasen und Kalkulationsverfahren zu beseitigen, da hierbei die Gefahr besteht, dass ihre Verwendung in bestimmten Fällen aufgrund mangelnder Flexibilität zu unangemessenen Verrechnungspreisen führt. Vielmehr muss die Bestimmung dieser Kosteneinflussgrößen einzelfallbezogen unter Berücksichtigung der Art des zu bewertenden Gutes bzw. der zu bewertenden Leistung, der Lieferbzw. Leistungshäufigkeit, der Zusammensetzung des Lieferungs- und Leistungsprogramms, der Organisation des Rechnungswesens sowie der Organisationsstruktur des Unternehmens bzw. der Unternehmensbereiche erfolgen. Da letztlich zwingende Zuordnungskriterien fehlen, verbleibt nur die Möglichkeit, die Kosten nach Ersatzkriterien zu schlüsseln, mit denen sie mehr oder weniger stark korrelieren. Um mögliche Manipulationsspielräume einzuschränken, sind bei der Kalkulation von Leistungen an verbundene wie unverbundene Unternehmen prinzipiell einheitliche Verteilungsmodi anzuwenden. Wird ausschließlich an verbundene Unternehmen geleistet, sind die für den Einzelfall geeignetsten Verfahren heranzuziehen, wobei deren konkrete Eignung anhand betriebswirt-
1 Dies wird insbesondere durch die Prozesskostenrechnung gewährleistet. Vgl. dazu Ditz, DB 2004, 1952 ff.; Ditz, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 335 ff. 2 Insoweit werden sog. Zuschlagsätze ermittelt; zur Vorgehensweise vgl. Lorson/ Schweitzer in Küting, Saarbrücker Handbuch der Betriebswirtschaftlichen Beratung4, Rz. 1197 ff.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
schaftlicher Grundsätze zu beurteilen ist.1 Als Prüfungs- und Beurteilungsmaßstab ist dabei das Verhalten eines ordentlichen Geschäftsleiters heranzuziehen (Rz. 3.131 ff.).2
3.208 Die deutsche Finanzverwaltung fordert in Tz. 2.2.4 VWG 1983 ausdrücklich, die der Kostenermittlung zugrunde zu legenden Kalkulationsmethoden an der Preispolitik gegenüber Fremden bzw. an betriebswirtschaftlichen Grundsätzen auszurichten.3 Damit wird grundsätzlich auch die Teilkostenrechnung für all jene Fälle zugelassen, in denen es für einen ordentlichen Geschäftsleiter unter Berücksichtigung seines Zielsystems sinnvoll ist, auf die Deckung der vollen Selbstkosten einer Lieferung/ Leistung zu verzichten und sich stattdessen mit einem „cost less“-Preis zu begnügen.4 Die Teilkostenrechnung ist ein betriebswirtschaftlich anerkanntes Instrument zur Fundierung preispolitischer Entscheidungen, deren Anwendung immer dann mit dem Grundsatz des Fremdvergleichs in Einklang steht, wenn dies in vergleichbaren Situationen auch zwischen oder gegenüber unabhängigen Geschäftspartnern praktiziert wird. Daher würde es den Grundsätzen ordnungsmäßiger Geschäftsführung nicht widersprechen, wenn beispielsweise zur Erschließung neuer bzw. Erweiterung bestehender Absatzmöglichkeiten oder bei vorübergehender Unterbeschäftigung zur Ausnutzung freier Kapazitäten kurzfristig jeder Preis akzeptiert wird, der über den Einzelkosten liegt. Ebenso ist es mit dem Fremdvergleich vereinbar, zur Schaffung eines vollumfänglichen Sortiments auch solche Produkte in eine Produktpalette aufzunehmen, mit denen sich nicht die Vollkosten, jedoch zumindest die variablen Kosten decken lassen.5 Denn ein solcher kalkulatorischer Ausgleich im Rahmen einer Palettenbetrachtung ist jedenfalls zwischen unverbundenen Marktteilnehmern nicht unüblich.6 Allerdings kann eine Verrechnungspreisbestimmung auf Teilkostenbasis (z.B. auf Grundlage einer Deckungsbeitragsrechnung) nur dann zur Anwendung kommen, wenn eine 1 So ausdrücklich BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.2.4. 2 Zur Problematik eines fremdvergleichskonformen Umlageschlüssels bei Umlageverträgen siehe Ditz, DB 2004, 1951 ff. 3 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.2.4. 4 Ähnlich Becker in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Anm. zu Tz. 2.1.6 u. 2.2.4 VWG 1983; Hülshorst/Mank in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Tz. 2.44 Anm. 2 f. u. Tz. 2.45 Rz. 6; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 582; Vögele/Raab, Verrechnungspreise3, Rz. D 206; Nientimp, Gewinnabgrenzung in internationalen Konzernen, 165; Scholz, BNA, 04/a, 8; Baumhoff in FS Krawitz, 29 f.; Baumhoff in Baumhoff/ Schönfeld, Grenzüberschreitende Verlustverrechnung, 139 ff. 5 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, IStR 2005, 593. 6 Vgl. Dahnke in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 141 f.; Baumhoff, IStR 1994, 593; Baumhoff/Sieker, IStR 1995, 521 f.; Kaminski/Strunk, IWB Fach 3 Gruppe 1, 1837; Kroppen/Rasch, IWB Fach 5 Gruppe 2, 354; Bauer, DB 2008, 156 f.; Baumhoff in Baumhoff/Schönfeld, Grenzüberschreitende Verlustverrechnung, 147 f.
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Vollkostendeckung nicht möglich1 oder vorübergehend betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll ist.2 Letztlich müssen demnach betriebswirtschaftliche Gründe für die Preisfestsetzung auf der Grundlage einer Teilkostenrechnung vorliegen. Fehlen diese, kommt steuerlich ausschließlich eine Preisermittlung auf Vollkostenbasis in Betracht. Die OECD-Leitlinien 2010 eröffnen explizit die Möglichkeit, in bestimmten Marktsituationen auf eine Teilkostenrechnung überzugehen.3 Zwar erwähnen die OECD-Leitlinien 2010 in diesem Zusammenhang lediglich die Teilkostenrechnung bei der Markterschließung, doch dürfte unbestritten sein, dass auch Preiskonzessionen zur Ausnutzung freier Kapazitäten einen nicht die Vollkosten deckenden Preis rechtfertigen, um die Leerkosten eines Unternehmens möglichst niedrig zu halten.4 Weitere Gründe für Preiskonzessionen können in Liquiditätsengpässen oder hohen Lagerbeständen liegen.
3.209
g) Gewinnaufschlag Neben der Ermittlung der Kostenbasis liegt das zentrale Problem der Kostenaufschlagsmethode in der Bestimmung eines angemessenen Gewinnaufschlags. Es besteht jedoch weder dem Grunde noch der Höhe nach Einigkeit darüber, nach welchen Grundsätzen die Angemessenheit des Gewinnaufschlags zu beurteilen ist. Während die VWG 1983 im Rahmen der Kostenaufschlagsmethode generell von betriebs- oder branchenüblichen Gewinnaufschlägen ausgehen,5 sehen die OECD-Leitlinien 2010 einen Gewinnaufschlag vor, „den derselbe Lieferant bei vergleichbaren Fremdgeschäften erzielt.“6 Abgestellt wird somit auf einen innerbetrieblichen Vergleich (Rz. 3.127), also auf betriebsübliche Gewinnaufschläge. Daneben lässt die OECD eine Ermittlung des Gewinnaufschlags nach Maßgabe eines zwischenbetrieblichen Vergleichs (Rz. 3.128 ff.) zu, wonach die Gewinnmarge zugrunde zu legen ist, die ein unabhängiges Unternehmen bei vergleichbaren Geschäften erzielt.7 Dabei ist jedoch zu beachten, dass auch die Kostenbasis vergleichbar sein muss.8 Insoweit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass ggf. bereits in der Kostenba-
1 Z.B. aufgrund zu geringer Absatzpreise. 2 Z.B. bei Markteintritt, Marktverteidigung, Marktanteilsausweitung, aber auch in Phasen gesamtwirtschaftlicher oder branchenbezogener Krisen. Vgl. hierzu etwa Baumhoff in FS Krawitz, 21 ff. 3 Vgl. Tz. 2.51 OECD-Leitlinien 2010. 4 Vgl. auch Nientimp, Gewinnabgrenzung in internationalen Konzernen, 165 m.w.N. 5 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.2.4. Ähnlich auch die US-Reg. in § 1.482-2 (e) (4). 6 Tz. 2.40 OECD-Leitlinien 2010. 7 Vgl. Tz. 2.40 ff. OECD-Leitlinien 2010. 8 Vgl. Tz. 2.44 OECD-Leitlinien 2010.
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sis gewinnwirksame Bestandteile1 enthalten sind, deren Verrechnung sich auf die Höhe des Gewinnaufschlags auswirkt.2
3.211 Hinsichtlich der Verrechnung eines Gewinnaufschlags dem Grunde nach wurde im Schrifttum vereinzelt die Ansicht vertreten, es bestehe für Dienstleistungen, die nicht zum eigentlichen Geschäftsgegenstand eines Unternehmens zählen, kein steuerlicher Gewinnerzielungszwang, sondern nur die Verpflichtung zur Weiterbelastung der Selbstkosten.3 Begründet wird diese Ansicht damit, solche Leistungen „dienender Art“ würden aus Kosten- und Qualitätsgründen zentral zum Nutzen aller Gruppenmitglieder erbracht. Hiermit sei keine unmittelbare Gewinnerzielungsabsicht verbunden, sondern vielmehr eine Steigerung der Leistungsfähigkeit der Unternehmensgruppe zu möglichst niedrigen Kosten, womit ein Selbstkostenpreis zu rechtfertigen sei. Die Forderung nach Verzicht auf die Einbeziehung eines Gewinnelements bei der Einzelverrechnung bestimmter Dienstleistungen ist jedoch – außerhalb der Poolumlage (Rz. 3.321 ff.) – mit dem Grundsatz des Fremdvergleichs unvereinbar, da ein gewinnzielorientierter Unternehmer bzw. ordentlicher Geschäftsleiter i.d.R. keine Leistung – auch keine Nebenleistung – erbringen würde, ohne damit eine Gewinnerwartung zu verbinden (Rz. 3.139). Abgesehen davon, dass die Feststellung, ob eine Dienstleistung für das leistungserbringende bzw. -empfangende Unternehmen einen wesentlichen Bestandteil seiner Geschäftstätigkeit darstellt, oft sehr schwierig ist, ist nicht einsichtig, warum bestimmte Dienstleistungen, die wie alle übrigen Lieferungen und Leistungen zur Erzielung des Gesamtgewinns eines Unternehmens beitragen, nur zu Selbstkosten abgerechnet werden sollen. Tritt ein Unternehmen gegenüber einem anderen – mit welcher Art verrechenbarer Dienstleistungen auch immer – als Dienstleistungsunternehmen auf, so ist die Verrechnung von Selbstkosten ohne Gewinnaufschlag zwischen Fremden unter normalen Umständen nicht vorstellbar. Durch den Verzicht auf das Gewinnelement würde der Gewinn einseitig dem leistungsempfangenden Unternehmen zugeschlagen, was eine ungerechtfertigte Gewinnverlagerung bedeuten würde, die durch den Grundsatz des Fremdvergleichs eben gerade vermieden werden soll. Infolgedessen ist die Berücksichtigung eines Gewinnaufschlages im Rahmen der Einzelabrechnung von Dienstleistungen, d.h. außerhalb der Poolumlage (Rz. 3.321 ff.), zwingend.
3.212 Für die deutsche Verrechnungspreispraxis kommt in Übereinstimmung mit den OECD-Vorgaben eine reine Kostenverrechnung selbst dann nicht in Betracht, wenn die Leistungsgegenstände keine Kern- bzw. Hauptfunktion(en) des leistungserbringenden Unternehmens darstellen. In der Frage 1 Z.B. durch die Verrechnung kalkulatorischer Kosten, vgl. Oestreicher, IStR 2000, 764 ff.; Baumhoff/Greinert, IStR 2006, 791. 2 Vgl. Kaminski, Verrechnungspreisbestimmung bei fehlendem Fremdvergleich, 101. 3 Vgl. hierzu Nachweise bei Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 523.
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einer reinen Kostenverrechnung besteht jedoch international keinesfalls Konsens. So ist etwa in den USA, Japan und in den Niederlanden bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen eine reine Kostenverrechnung ohne Gewinnaufschlag zulässig.1 Von der letztlich auf dem Fremdvergleich basierenden Forderung nach einen Gewinnaufschlag dem Grunde nach zu unterscheiden sind Rahmenbedingungen, die einen temporären Verzicht auf einen Gewinnaufschlag rechtfertigen können. Hierbei handelt es sich um Frage des Gewinnaufschlags der Höhe nach, die im Folgenden behandelt wird.
3.213
Zur Festlegung der angemessenen Gewinnkomponente der Höhe nach existieren in der Literatur und seitens der Rechtsprechung mehrere Vorschläge.2 Diese reichen vom inneren oder äußeren Betriebsvergleich über die Eigenkapitalrendite des betroffenen Unternehmens, die Preisbildungsvorschriften für öffentliche Aufträge bis hin zu festen, in Prozentsätzen anzugebenden Aufschlägen. Betriebsübliche Gewinnaufschläge, die sich durch einen inneren Betriebsvergleich ermitteln lassen, orientieren sich an Gewinnspannen, die von dem betreffenden Konzernunternehmen mit fremden Dritten erzielt werden. Als Vergleichsmaßstab sollen dabei möglichst Transaktionen herangezogen werden, die unter vergleichbaren Umständen vorgenommen wurden. Stehen vergleichbare Gewinnspannen nicht zur Verfügung, weil das liefernde/leistende Unternehmen keine oder keine vergleichbaren Geschäftsbeziehungen zu Fremden unterhält, so ist auf branchenübliche Gewinnaufschläge abzustellen, die sich durch einen äußeren Betriebsvergleich bestimmen lassen. Dabei wird auf Gewinnspannen Bezug genommen, die zwischen Unternehmen der gleichen Branche bei vergleichbaren Geschäften (Rz. 3.78 ff.) erzielt werden. Zu deren Ermittlung kann insbesondere auf Datenbanken zurückgegriffen werden.3 Allerdings zeigt die Verrechnungspreispraxis, dass der Einsatz von Datenbanken nicht unproblematisch ist.4 Lassen sich indessen auch mit dieser Methodik keine Vergleichswerte identifizieren, besteht ferner die Möglichkeit, einen „normalisierten“ Gewinnaufschlag anhand der durchschnittlichen Branchenrendite heranzuziehen.5 Ein anderer Vorschlag geht dahin, den Gewinnaufschlag so zu bemessen, dass zusammen mit den kalkulatorischen Eigenkapitalzinsen mindestens 1 Vgl. hierzu Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 212 ff. m.w.N. 2 Vgl. zu einem Überblick Hülshorst/Mank in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Tz. 2.33 Anm. 5 f. 3 Vgl. Vögele/Juchens, IStR 2000, 713 ff.; Tucha, IStR 2002, 745 ff.; Baumhoff, IStR 2003, 3 f. Zum Einsatz von Datenbanken allgemein vgl. auch Oestreicher/Duensing, IStR 2005, 134; Scholz/Crüger, RIW 2005, 34.; Rehkugler/Vögele, BB 2002, 1937 ff. 4 Siehe auch Kolb, IWB Fach 3 Gruppe 1, 2391 ff.; Fischer/Looks/Schlaa, BB 2010, 160; Baumhoff in FS Krawitz, 37 ff. 5 Vgl. Klein/Nohl/Zschiegner/Klein, Konzernrechnungslegung und Konzernverrechnungspreise, 113.
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eine Eigenkapitalrendite in Höhe der Kapitalmarktrendite erwirtschaftet wird.1 Dies beruht auf der Überlegung, dass fremde Dritte eine unternehmerische Funktion nur dann ausüben würden, wenn die erzielbaren Erlöse langfristig eine angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals gewährleisten.2 Somit dürfte die Kapitalmarktrendite nur als Untergrenze der Eigenkapitalrendite infrage kommen, da eine Kapitalmarktanlage, verglichen mit der Geldanlage in einem Unternehmen, ein wesentlich geringeres Kapitalausfallrisiko bedeutet. Folgerichtig wird deshalb auf eine Eigenkapitalrendite abgehoben, die eine Risikozuschlagskomponente beinhaltet.3
3.215 Die deutsche Finanzrechtsprechung hat sich in mehreren Entscheidungen zur Angemessenheit von Gewinnaufschlägen geäußert. So beurteilte der BFH4 einen Gewinnaufschlag von 10 bis 15 v.H. „nicht als unangemessen“, ohne allerdings näher zu begründen, worauf er diese Feststellung stützt. Das FG Saarl. hat in seinem rechtskräftigen Urteil vom 18.12.1996 – allerdings wiederum unbegründet – entschieden, dass ein Reingewinnzuschlag in Höhe von 5 v.H. auf keine Bedenken stoße.5 Diese Quantifizierung des Gewinnaufschlags steht im Einklang mit dem BFH-Urteil vom 12.3.1980, nach dem ein Reingewinn von 3 bis 5 v.H. des wirtschaftlichen Umsatzes die Annahme einer vGA nicht rechtfertige.6 Das FG BW führt in seinem Urteil vom 2.5.20037 aus, dass neben der Deckung der Kosten noch ein „bescheidener Rohgewinn“ verbleiben müsse, ohne diesen allerdings zu quantifizieren.8 Das FG Münster hat schließlich in seinem rechtskräftigen Urteil vom 16.3.2006 judiziert, dass ein Kostenaufschlag von 30 % bis 70 % auf die reinen Lohnkosten sich in einem Bereich bewegt, der „betriebswirtschaftlichen Grundsätzen entspricht“ und „jedenfalls nicht zu hoch angesetzt sein dürfte.“9
3.216 In der Verrechnungspreispraxis hat sich indessen ein Gewinnaufschlag in Höhe von 5 bis 10 v.H. auf die Selbstkosten (d.h. die nach den Grundsätzen der betriebswirtschaftlichen Kostenrechnung ermittelten Vollkosten) als i.d.R. zweckmäßig erwiesen. Dieser wird – von außergewöhnlichen 1 Vgl. Scholz, IStR 2004, 209 ff.; Taetzner, IStR 2004, 726 ff. 2 Vgl. in diesem Zusammenhang auch BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171, wonach eine Vertriebsgesellschaft innerhalb eines überschaubaren Kalkulationszeitraums einen angemessenen Totalgewinn erwirtschaften soll. Dessen Höhe kann sich nach Ansicht des BFH „als Untergrenze an einer angemessenen Verzinsung des zugeführten Eigenkapitals (…) orientieren.“ 3 Vgl. Engler in V/B/E, Verrechnungspreise3, M Rz. 237 f.; Fiehler, IStR 2007, 469 f. 4 Vgl. BFH v. 2.2.1960 – I 194/59, BB 1960, 731. 5 Vgl. FG Saarl. v. 18.12.1996 – 1 K 257/94, EFG 1997, 485. 6 Vgl. BFH v. 12.3.1980 – I R 186/76, BStBl. II 1980, 531. 7 FG BW v. 22.5.2003 – 3 K 143/98, DStRE 2004, 965. 8 Zur methodisch vertretbaren Vorgehensweise der Ableitung der Handelsspanne mittels der Kostenaufschlagsmethode vgl. auch Baumhoff/Ditz/Greinert, IStR 2005, 593. 9 FG Münster v. 16.3.2006 – 8 K 2248/02, EFG 2006, 1562.
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Umständen abgesehen – auch von der deutschen Finanzverwaltung akzeptiert1 und ist durchaus als international üblich anzusehen.2 Gleichwohl darf nicht darüber hinweggesehen werden, dass es sich bei dieser Richtgröße um einen rein pragmatischen Ansatz handelt, der sich einer betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung entzieht. Insofern ist bei der Festlegung des Gewinnaufschlags immer den Umständen des Einzelfalls Rechnung zu tragen, d.h., es sind insbesondere die von der verbundenen Unternehmung ausgeübte Funktionen, wahrgenommenen Risiken und eingesetzten Produktionsmittel zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund ist es durchaus denkbar, dass kein bzw. nur ein geringer Gewinnaufschlag verrechnet werden darf, wenn es sich um sog. „durchlaufende Kosten“ handelt, also eine Unternehmung für eine andere in Vorlage tritt. Dies entspricht der Auffassung der Finanzverwaltung, dass in Fällen der Lohn- und Auftragsfertigung Materialbeistellungen nicht in die Kostenbasis mit einzubeziehen sind.3 Ferner ist die Zuordnung eines sicheren Gewinns mittels eines Standardgewinnaufschlages etwa in Krisenzeiten fraglich. Können in Krisenzeiten unternehmens- und branchenübliche Gewinnspannen konzernweit nicht dargestellt, sondern nur Verluste in Grenzen gehalten werden, steht auch für Routineunternehmen die Erzielbarkeit eines sicheren Gewinns zur Diskussion. Es ist durchaus denkbar, dass bei konjunkturellen Nachfrage- und Preisrückgängen kein bzw. allenfalls ein nur sehr geringer Gewinnaufschlag verrechnet wird. Dies ist auch mit den VWG-Verfahren vereinbar, die Routineunternehmen „regelmäßig geringe, aber relativ stabile Gewinne“4 zugestehen, weil kein Regelfall, sondern ein Ausnahmefall gegeben ist.5 h) Nachteile der Kostenaufschlagsmethode Ein wesentlicher Nachteil der Kostenaufschlagsmethode besteht darin, dass dem leistungserbringenden Unternehmen aufgrund der Verwendung „normalisierter“ Gewinnaufschläge ein garantierter Gewinn zugeordnet wird. Insoweit wird verkannt, dass der einer Lieferung respektive Leistung zuzuordnende Gewinn nicht nur durch unternehmensinterne Faktoren, wie die Kosten der leistungserbringenden Unternehmung, sondern auch durch den am Markt erzielbaren Preis determiniert wird. Es fehlt so1 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 3.1.2; BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 1.7; Kuckhoff/Schreiber, IStR 1999, 327; Dahnke in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 150; Zech, IStR 2011, 135. 2 Vgl. Casley, The Basic Framework of the Cost-Plus Method, ITPJ March/April 1999, 38. 3 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 4.1.3 Rz. 207; Zech, IStR 2011, 135. 4 BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.10.2. Buchst. a. 5 Vgl. Baumhoff in FS Krawitz, 32 f.
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mit die Einbeziehung der Nachfrageverhältnisse, d.h. die Entscheidungssituation des Abnehmers. Dieser Nachteil der Kostenaufschlagsmethode kann durch die Berücksichtigung des Vertragspartners im Rahmen der Theorie des doppelten ordentlichen Geschäftsleiters kompensiert werden.1 Dabei wird neben der Kostensituation des leistungserbringenden Unternehmens die spezifische Entscheidungssituation des leistungsempfangenden Unternehmens berücksichtigt und insoweit der natürliche Interessengegensatz zweier – unabhängiger – Vertragspartner für Zwecke der Verrechnungspreisermittlung nachgebildet (Rz. 3.131). 5. Kombination der Standardmethoden
3.218 Weder die VWG 1983 noch die OECD-Leitlinien 2010 betrachten die drei Standardmethoden als die einzigen Instrumente einer Verrechnungspreisbestimmung. Vielmehr wird in beiden Verlautbarungen zutreffend festgestellt, dass es aufgrund der Komplexität des Geschäftslebens oder des Bemühens, den gegebenen Marktverhältnissen hinreichend Rechnung zu tragen, zu praktischen Schwierigkeiten bei der Anwendung der Standardmethoden kommen kann.2 Deshalb wird ausdrücklich gestattet, die Standardmethoden erforderlichenfalls zu kombinieren bzw. durch zusätzliche Elemente und Berechnungen zu ergänzen.3 So kann bspw. nach Auffassung des BFH im Rahmen der Ermittlung von Verrechnungspreisen bei einer Vertriebsgesellschaft die Wiederverkaufspreismethode – insbesondere zur Vermeidung einer nachhaltigen Verlustsituation der Vertriebsgesellschaft – um die Kostenaufschlagsmethode ergänzt werden, um die Handelsmarge der Vertriebsgesellschaft zu ermitteln (Rz. 3.183 f.).4 Diese Vorgehensweise hat sich auch in der Verrechnungspreispraxis durchgesetzt, da in diesem Zusammenhang häufig ein tatsächlicher Fremdvergleich an den fehlenden Vergleichsdaten scheitert. Darüber hinaus besteht nach Ansicht der deutschen Finanzverwaltung die Möglichkeit, „Kalkulationsverfahren oder sonstige betriebliche Grundlagen, die im freien Markt die Preisbildung beeinflussen (betriebswirtschaftliche Daten)“ als Anhaltspunkte für eine Verrechnungspreisbestimmung zu verwenden.5 Diese Freiheitsgrade in der Methodengestaltung werden allerdings nur unter der Bedingung gewährt, dass solche unternehmenseigenen Berechnungssysteme „mit angemessener Genauigkeit“ 1 Vgl. Baumhoff, DStR 1987, 499. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.4.2; Tz. 2.18 OECD-Leitlinien 2010. 3 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.4.2 f. 4 Vgl. BFH v. 17.10.2001, – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; wohl auch BFH v. 6.4.2005, – I R 22/04, BStBl. II 2007, 658 u. hierzu Baumhoff/Ditz/Greinert, IStR 2005, 593. 5 Vgl. Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.1.6 Buchst. c.
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zu marktkonformen Ergebnissen führen und dabei die tatsächlichen Verhältnisse in ausreichendem Umfang berücksichtigen sowie vollständig und richtig erfassen.1 Prüfungstechnisch ist dabei zu beachten, dass die Schlüssigkeit des Berechnungssystems erwiesen und dessen sachgerechte Anwendung gewährleistet ist.2 Ändern sich die in den Berechnungssystemen enthaltenen Vorgaben und Daten im Zeitablauf, sind die Berechnungssysteme entsprechend anzupassen.3
II. Gewinnorientierte Methoden 1. Anwendungsbereiche Die Umsetzung der vorstehend dargestellten Standardmethoden der Verrechnungspreisermittlung ist davon abhängig, dass eine einzelne innerkonzernliche Leistungsbeziehung identifiziert und als solche bewertet werden kann. Als Bewertungsmaßstab dient dabei nach dem Grundsatz des Fremdvergleichs das Verhalten unabhängiger Unternehmen in vergleichbaren Marktsituationen (Rz. 3.71 ff.). Allerdings hat die Verrechnungspreispraxis gezeigt, dass sich für bestimmte innerkonzernliche Leistungsbeziehungen keine Referenztransaktionen des freien Marktes finden lassen bzw. notwendige Anpassungsrechnungen nicht durchgeführt werden können.4 Dies gilt insbesondere für stark integrierte und verflochtene Leistungsbeziehungen, z.B. im Rahmen des „Global Trading“5 und des „Global Development“,6 aber auch für die Ermittlung angemessener Leistungsentgelte bei netzwerkartigen Dienstleistungen7 und im Rahmen der Nutzungsüberlassung immaterieller Wirtschaftsgüter (Lizenzgebühren).8
1 Vgl. Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.4.3. 2 Vgl. Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.4.3. 3 Vgl. Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.4.3 Buchst. c. 4 Vgl. etwa Kleineidam in FS Flick, 859; Herzig, WPg 1998, 281; Kleineidam in FS Fischer, 707; Bauer, Neuausrichtung der internationalen Einkunftsabgrenzung im Steuerrecht, 167 f., 170 ff. 5 Vgl. dazu Sieker, IStR 1994, 432 f.; Portner, IStR 1995, 358 ff.; Selling, IStR 1998, 417 ff.; Vögele/Borck, IStR 2002, 179 f.; Häuselmann, IStR 2003, 139 ff.; Nientimp/Roeder, ITPJ 2005, 308; Verdoner, ITPJ 2005, 286; Bakker, ITPJ 2006, 99; Hülshorst/Rettinger, DB 2006, 2032 ff.; Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 346 ff. Siehe ferner OECD, Discussion Draft on Global Trading, 2003. 6 Vgl. dazu Kaminski, IStR 2001, 540 f.; Fischer/Looks/Reese, IStR 2008, 254 ff.; Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 340 ff. 7 Vgl. Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 241 ff. 8 Vgl. hierzu Greinert, RIW 2006, 449 ff.; Greinert, Ubg 2010, 101 ff.
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3.219
Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
3.220 Aufgrund dieser Schwächen der Standardmethoden bei der Verrechnungspreisermittlung wurde nach neuen Verrechnungspreismethoden gesucht, die im Hinblick auf das Vergleichbarkeitskriterium des Fremdvergleichs geringere Anforderungen stellen. Im Ergebnis führte dies zur Entwicklung der sog. Gewinnmethoden, die den Gewinn aus einer Transaktion bzw. den Unternehmensgesamtgewinn in das Zentrum der Einkünfteabgrenzung stellen. Die OECD-Leitlinien 20101 unterscheiden in diesem Zusammenhang zwischen – der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode, – der geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode und – der globalen Gewinnaufteilungsmethode. Hierbei wird die globale Gewinnaufteilungsmethode von den OECD-Leitlinien 2010 nach wie vor als mit dem Grundsatz des „dealing at arm’s length“ unvereinbar angesehen2 und somit abgelehnt.3 Bisher wurden die geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode und die geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode subsidiär in solchen Fällen für anwendbar betrachtet, in denen die Standardmethoden keine Anwendung finden können. Sie waren damit im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung als Methoden „des letzten Auswegs“ anzusehen. Mit den OECD-Leitlinien 2010 wurde das strenge Hierarchieverhältnis der Verrechnungspreismethoden zueinander aufgegeben. Dies bewirkt insbesondere, dass den transaktionsbezogenen Gewinnmethoden („profit split“/“TNMM“) anstelle ihres Ausnahmecharakters als „method of last resort“ ein ihrer zunehmenden praktischen Relevanz entsprechender Status zugebilligt wird. Statt einer strengen Methodenhierarchie kommt bezogen auf die einzelne Transaktion die „geeignetste Methode“ („most appropriate method“) zum Tragen (Rz. 3.171).4
3.221 Im innerstaatlichen deutschen Steuerrecht nennt § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG ausdrücklich nur die geschäftsvorfallbezogenen Standardmethoden und setzt sie – u.E. unzutreffend – mit dem tatsächlichen Fremdvergleich gleich. Nach dem in § 1 Abs. 3 AStG verankerten Stufenverhältnis gebührt dem tatsächlichen Fremdvergleich der Vorrang. Ein Übergang zum hypothetischen Fremdvergleich ist erst zulässig, wenn weder uneingeschränkt noch eingeschränkt vergleichbare Werte identifiziert werden können (§ 1 Abs. 3 Satz 5 AStG). Richtigerweise ist in der praktischen Anwendung ein tatsächlicher Fremdvergleich jedoch nur in Gestalt der Preisvergleichsmethode möglich, da sich diese Methode an Preisen orientiert, die bei vergleichbaren Geschäften zwischen Fremden am Markt vereinbart werden (Marktpreise). Diese Methode nimmt aufgrund der Verwendung tatsächlich feststellbarer, zwischen Unabhängigen zustande gekommener Marktpreise einen Ist-Ist-Vergleich vor. Deshalb entspricht 1 2 3 4
Vgl. Tz. 2.56 ff. OECD-Leitlinien 2010. Vgl. Tz. 1.19 ff. OECD-Leitlinien 2010. Vgl. Tz. 1.32 OECD-Leitlinien 2010. Vgl. Tz. 2.2 OECD-Leitlinien 2010.
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C. Methoden der Verrechnungspreisermittlung
sie einem tatsächlichen Fremdvergleich (Rz. 3.125 ff.). Demgegenüber stellt die Wiederverkaufspreismethode (Rz. 3.179 ff.) aufgrund der Verwendung tatsächlich feststellbarer wie – wenn auch nur in begrenztem Umfang – fiktiv zu ermittelnder Daten eine Kombination von tatsächlichem und hypothetischem Fremdvergleich dar, während die Kostenaufschlagsmethode (Rz. 3.188 ff. HB) aufgrund der Festlegung ausschließlich fiktiv zu ermittelnder Soll-Vergleichstatbestände mit dem hypothetischen Fremdvergleich (Rz. 3.131 ff.)1 gleichzusetzen ist.2 Auf der zweiten Stufe des zuvor erwähnten Stufenverhältnisses kommt – wiederum – der tatsächliche Fremdvergleich zum Tragen, allerdings auf Basis eingeschränkt vergleichbarer Fremdwerte. Diese sind gem. § 1 Abs. 3 Satz 2 AStG nach Vornahme sachgerechter Anpassungen „einer geeigneten Verrechnungspreismethode“ zugrunde zu legen. Welche Verrechnungspreismethoden in diesem Sinne geeignet sind, lässt das Gesetz offen. Auf dieser Stufe kommen jedenfalls auch die geschäftsvorfallbezogenen Standardmethoden zur Anwendung.3 Angesichts der legislativen Vermengung von tatsächlichem Fremdvergleich mit diesen operationalisierenden Verrechnungspreismethoden erhebt sich die Frage nach weiteren anerkannten Verrechnungspreismethoden. Bereits die VWG 1983 weisen auf die Möglichkeit hin, die Einkünfte des Steuerpflichtigen mithilfe des Gewinnvergleichs oder der Gewinnaufteilung zu korrigieren, „wenn die Anwendung der Standardmethoden wegen besonderer Umstände (…) nicht zu sachgerechten Ergebnissen führen würde“.4 Vergleicht man diese Formulierung der VWG 1983 mit den entsprechenden Ausführungen in den OECD-Leitlinien i.d.F. 1995/96 zur Zulässigkeit gewinnorientierter Methoden, so lassen sich keine signifikanten Unterschiede feststellen.5 Insofern haben sich bereits VWG 1983 für die Zulässigkeit gewinnorientierter Methoden ausgesprochen, falls die Standardmethoden nicht „sachgerecht“6 bzw. nicht „zuverlässig“ angewendet werden können.
3.222
Die VWG-Verfahren7 regeln konkrete Vorgaben bzgl. der Anerkennung und der Anwendbarkeit der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnmethoden. Hiernach werden die geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode wie die geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode zwar grundsätz-
3.223
1 Dies gilt zumindest für den Fall, dass die Festlegung des Gewinnaufschlags bei Anwendung der Kostenaufschlagsmethode nicht anhand tatsächlich feststellbarer Gewinnaufschläge erfolgt. 2 Gl. A. Wassermeyer, DB 2007, 536; Klapdor, StuW 2008, 86. 3 A.A. offenbar Dawid/Dworaczek in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Tz. 3.1 Anm. 8. 4 BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.4.5. 5 Vgl. Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 259. 6 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.4.5. 7 BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.10.3.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
lich anerkannt,1 sie kommen allerdings nur subsidiär zu den geschäftsvorfallbezogenen Standardmethoden zur Anwendung.2 Der Anwendungsbereich der geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode wird ferner auf Unternehmen mit Routinefunktionen beschränkt. Zusätzlich wird er davon abhängig gemacht, dass der Nachweis über die Vergleichbarkeit der Vergleichsunternehmen geführt wird und dass besondere, tatsächlich entstandene Gewinne oder Verluste des betreffenden Unternehmens, die sich trotz Vergleichbarkeit nicht in den Renditekennziffern der Vergleichsunternehmen niederschlagen, Berücksichtigung finden.3 Dass die geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode nicht auf Unternehmen zur Anwendung kommt, die als Entrepreneur bzw. Strategieträger qualifizieren, ist keine Einschränkung des Anwendungsbereichs. Diese Unternehmen charakterisieren sich gerade dadurch, dass sie die wesentlichen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter einsetzen, die erfolgskritischen Funktionen ausüben und die wesentlichen unternehmerischen Risiken tragen und ihnen aufgrund dessen der Residualgewinn oder -verlust gebührt.4 Zum einen ermangelt es regelmäßig Vergleichsunternehmen, auf deren Renditekennziffern abgestellt werden könnte. Zum anderen reflektiert eine kostenorientierte Entgeltermittlung nicht das Funktions- und Risikoprofil eines Strategieträgers, denn mittels kostenorientierter Methoden würde diesem ein sicherer Gewinn zugeordnet, nicht hingegen das Residualergebnis.5 Dies gilt allerdings nicht für die Kategorie der sog. Mittelunternehmen, für die zum einen weitestgehend unklar ist, auf welches Funktions- und Risikoprofil sich diese konkret erstreckt. Weder verwenden die OECD-Leitlinien 2010 einen solchen Unternehmenstyp, noch ist er – im Gegensatz zum Strategieträger (erfolgskritische Funktionen) und Routineunternehmen (nicht erfolgskritische Funktionen)6 – in der Betriebswirtschaftslehre überhaupt bekannt. Für dessen Ausdifferenzierung lassen sich deshalb keine betriebswirtschaftlichen Erkenntnisse fruchtbar machen. Zum anderen sind nach Auffassung der Finanzverwaltung bei Mittelunternehmen – soweit die Preisvergleichsmethode keine Anwendung finden kann – die Verrechnungspreise aufgrund von „Planrechnungen“ zu ermitteln.7 Dies soll dergestalt erfolgen, dass die Gewinnkomponente 1 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.10.3 Buchst. b u. c. 2 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.10.3 Buchst. b u. c. 3 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.10.3 Buchst. b. 4 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.10.2 Buchst. b. 5 Vgl. auch Baumhoff in FS Krawitz, 35; Baumhoff in Baumhoff/Schönfeld, Grenzüberschreitende Verlustverrechnung, 144. 6 Vgl. Klein, IStR 1995, 547. 7 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.10.2 Buchst. c.
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von Verrechnungspreisen u.a. auf Basis von „Renditeziffern funktional (zumindest eingeschränkt) vergleichbarer Unternehmen in dem betreffenden Geschäftsbereich“1 bestimmt wird. Dies läuft de facto jedoch auf die geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode hinaus, deren Anwendung für Mittelunternehmen gerade ausgeschlossen werden soll. Dieser Widerspruch und damit die Anwendbarkeit der geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode auf Mittelunternehmen bleiben letztlich offen.2 Die geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode kann nur herangezogen werden, wenn „sich die Standardmethoden nicht oder nicht verlässlich anwenden lassen.“3 Dies sieht die Finanzverwaltung etwa dann als gegeben an, wenn die beteiligten Transaktionspartner als Entrepreneur bzw. Strategieträger qualifiziert werden. Dies ist insofern folgerichtig, als ihnen (ggf. zusammen mit anderen Unternehmen, die ebenfalls eine Entrepreneurfunktion ausüben) das betreffende Konzernergebnis zusteht, das nach Abgeltung der Funktionen der anderen Verbundgesellschaften und nach Abrechnung des mittels der Standardmethoden abrechenbaren Lieferungs- und Leistungsaustausches zwischen ihnen verbleibt. Da sich die Finanzverwaltung auf die Vorgaben der OECD-Leitlinien4 bezieht, ist davon auszugehen, dass die deutsche Finanzverwaltung sowohl die Beitrags- als auch die Restgewinnmethode als maßgebliche Ausprägungen der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode akzeptiert.5
3.224
2. Geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode Als Hauptanwendungsgebiet der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode sieht die OECD innerkonzernliche Leistungsbeziehungen mit sehr engen wechselseitigen Beziehungen.6 Dies gilt insbesondere – auch nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung7 – für die Bereiche des „Global Trading“8 und des „Global Develop1 BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.12.6 Buchst. b Abs. 4 1. Spiegelstrich. 2 Siehe hierzu auch Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2005, 1553. 3 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.10.3 Buchst. c. 4 Vgl. nunmehr Tz. 2.108 ff. OECD-Leitlinien 2010. 5 Gl. A. Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 52 ff. 6 Vgl. Tz. 2.109 OECD-Leitlinien 2010. 7 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.10.3 Buchst. c. 8 Vgl. dazu Sieker, IStR 1994, 432 f.; Portner, IStR 1995, 358 ff.; Selling, IStR 1998, 417 ff.; Vögele/Borck, IStR 2002, 179 f.; Häuselmann, IStR 2003, 139 ff.; Nientimp/Roeder, ITPJ 2005, 308; Verdoner, ITPJ 2005, 286; Bakker, ITPJ 2006, 99; Hülshorst/Rettinger, DB 2006, 2032 ff.; Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 346 ff. Siehe ferner OECD, Discussion Draft on Global Trading, 2003.
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3.225
Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
ment“1 sowie für die Nutzungsüberlassung immaterieller Wirtschaftsgüter. Insoweit kommt der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode durchaus praktische Bedeutung zu, zumal sie in zahlreichen Staaten steuerlich anerkannt ist.2 Im Rahmen der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode wird der aus einem Geschäftsvorfall für den Konzern erzielte Gesamtgewinn auf die an der Transaktion beteiligten Konzernunternehmen aufgeteilt.3 Dabei ist im Rahmen einer Ex-ante-Betrachtung auf den aus dem einzelnen Geschäft erwarteten Gewinn abzustellen; auf den später tatsächlich realisierten Gewinn kommt es hingegen nicht an.4 Als Aufteilungsmaßstab der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode fungieren die von den Konzernunternehmen ausgeübten Funktionen, getragenen Risiken und eingesetzten Produktionsmittel, die mittels einer Funktionsanalyse (Rz. 3.94 ff.) zu erfassen sind. Insoweit soll eine transaktionsbezogene Gewinnaufteilung erreicht werden, wie sie zwischen unabhängigen Unternehmen bei vergleichbaren Funktionen und Risiken entstanden wäre.
3.226 Für die Gewinnaufteilung stehen im Rahmen der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode vier unterschiedliche Ansätze zur Verfügung:5 – Nach der Beitragsmethode wird der erwartete Gesamtgewinn aus einem Geschäftsvorfall ermittelt und zwischen den Geschäftspartnern im Verhältnis ihrer Leistungsbeiträge aufgeteilt. Der Umfang der Leistungsbeiträge wird mithilfe der Funktionsanalyse festgelegt, wobei der Wert einer Leistung möglichst anhand von tatsächlichen Marktwerten bestimmt werden soll.6 – Demgegenüber sieht die Restgewinnmethode eine zweistufige Vorgehensweise vor. Auf der ersten Stufe wird jedem involvierten Konzernunternehmen eine „Grundrendite“ zugestanden, die sich an Fremdrenditen für entsprechende Leistungsbeiträge orientiert. Der verbleibende Gewinn (oder Verlust) wird daran anschließend auf einer zweiten Stufe unter Berücksichtigung der individuellen Beiträge der Konzernunternehmen, z.B. durch Einsatz bedeutender Patente oder Know-how, ver-
1 Vgl. dazu Kaminski, IStR 2001, 540 f.; Fischer/Looks/Reese, IStR 2008, 254 ff.; Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 340 ff. 2 Vgl. Maisto, CDFI 1992, Vol. LXXVIIa, 180; Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 48 ff. 3 Vgl. Tz. 2.108 u. 2.116 OECD-Leitlinien 2010. 4 Vgl. Tz. 2.128 OECD-Leitlinien 2010. 5 Vgl. Tz. 2.118 ff. OECD-Leitlinien 2010; US-Reg. § 1.482-6. 6 Vgl. Tz. 2.119 f. OECD-Leitlinien 2010; hierzu Dawid/Dworaczek in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Tz. 3.16 Anm. 67 ff.
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teilt.1 Die Restgewinnmethode soll offenkundig zum Tragen kommen, wenn es über einen Basisgewinn hinaus „Zusatzgewinnbestandteile“ aufzuteilen gilt. Letztere können aus der Einbindung einzigartiger immaterieller Wirtschaftsgüter,2 vornehmlich aber aus der Ausübung spezieller, einer Bewertung nicht zugänglicher und verbundeffektstiftender Funktionen herrühren.3 – Als drittes Verfahren der Gewinnaufteilung nennt die OECD die Methode des eingesetzten Kapitals.4 Dabei wird der Gewinn in der Weise aufgeteilt, dass jedes in die Transaktion einbezogene Konzernunternehmen dieselbe Rendite aus dem im Rahmen der Transaktion eingesetzten Kapitals erzielt. Insoweit wird unterstellt, dass jedes involvierte Konzernunternehmen einem ähnlichen Risiko unterliegt und infolgedessen eine gleiche Rendite gerechtfertigt ist. – Im Rahmen der Methode der vergleichbaren Gewinnaufteilung werden die Gewinnanteile der einzelnen Konzernunternehmen aus den Gewinnen abgeleitet, die unabhängige Unternehmen mit vergleichbaren Funktionen, Risiken und Vertragsbedingungen erwirtschaften. Der insoweit aus den relativen Anteilen am Gesamtgewinn ermittelte Aufteilungsschlüssel wird sodann auf die Gewinnaufteilung zwischen den Konzernunternehmen übertragen.5 Diese methodische Aufzählung der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnteilung ist jedoch nicht abschließend.6 Daneben sind auch andere Gewinnteilungsansätze zulässig, die dem übergeordneten Ziel einer weitestgehenden Annäherung an den Fremdvergleich genügen.7 Der Vorteil der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode liegt darin, dass trotz fehlender Vergleichsmaßstäbe des Marktes eine Verrechnungspreissimulation auf der Grundlage eines Fremdvergleichs möglich ist, die i.d.R. zu akzeptablen Ergebnissen führt.8 Außerdem kann mit 1 Vgl. Tz. 2.121 ff. OECD-Leitlinien 2010; hierzu Dawid/Dworaczek in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Tz. 3.19 Anm. 85 ff. 2 Vgl. Dawid/Dworaczek in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Tz. 3.19 Anm. 86 m.w.N. 3 Vgl. Kleineidam in FS Flick, 870; Kleineidam, IStR 2001, 727 f. Zur Unterscheidung zwischen Basis- und Zusatzgewinnbestandteilen im Rahmen einer globalen abgeschichteten Gewinnaufteilung vgl. Kleineidam, IStR 2001, 727 f. Zur Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärgewinnbestandteilen – wiederum im Rahmen eines globalen „profit split“ – siehe Bauer, Neuausrichtung der internationalen Einkunftsabgrenzung im Steuerrecht, 180 ff.; Bauer, IStR 2006, 320 ff. 4 Vgl. Tz. 2.145 OECD-Leitlinien 2010. 5 Vgl. US-Reg. § 1.482-6 (c) (2). 6 Vgl. Tz. 2.118 OECD-Leitlinien 2010. 7 Vgl. hierzu Dawid/Dworaczek in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Tz. 3.15 Anm. 62 ff. 8 Dies gilt insbesondere für die Bereiche des „Global Trading“ und des „E-Commerce“; vgl. dazu Sieker, IStR 1994, 432 f.; Portner, IStR 1995, 358 ff.; Selling, IStR 1998, 417 ff.; Kaminski/Strunk, IStR 1999, 221 f.; Vögele/Borck, IStR 2002,
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dieser Methodik vermieden werden, dass einem an der Transaktion beteiligten Konzernunternehmen ein unangemessen hoher Gewinnanteil zugeordnet wird, weil die geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode die Entscheidungssituation der „doppelten“ ordentlichen Geschäftsleiter zu berücksichtigen in der Lage ist.1 Ferner ist die geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode i.d.R. geeignet, eine internationale Doppelbesteuerung zu vermeiden, da der aus einem Geschäftsvorfall resultierende Gewinn im Ergebnis nur einmal durch die internationalen Fisken besteuert wird. Dies setzt jedoch voraus, dass die involvierten Staaten einerseits die geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode anerkennen und andererseits den vom Steuerpflichtigen gewählten Aufteilungsschlüssel akzeptieren.2 Ferner stellen die OECD-Leitlinien 2010 die Flexibilität dieser Methode heraus, spezifische, ggf. einzigartige Fakten und Umstände der verbundenen Unternehmen zu berücksichtigen, die unverbundene Unternehmen nicht aufweisen.3
3.228 Der Nachteil der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode wird im Wesentlichen in einer mangelnden Verfügbarkeit objektiver Daten für den Gewinnaufteilungsmaßstab gesehen.4 Darüber hinaus liegt das zentrale Problem der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode in der Isolierung des aus einer bestimmten Transaktion resultierenden Gewinns.5 Insbesondere ist aufgrund international unterschiedlicher Gewinnermittlungsvorschriften nicht sichergestellt, dass die jeweiligen Ansässigkeitsstaaten der Konzerngesellschaften von einem identischen Gesamtgewinn, der auf die beteiligten Konzernunternehmen aufzuteilen ist, ausgehen.6 3. Geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode (TNMM)
3.229 Die geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode7 vergleicht Nettomargen (Nettogewinn im Verhältnis zu einer Bezugsbasis, wie z.B. Kos-
1 2 3 4 5 6 7
179 f.; Häuselmann, IStR 2003, 139 ff.; Nientimp/Roeder, ITPJ 2005, 308; Verdoner, ITPJ 2005, 286; Bakker, ITPJ 2006, 99; Hülshorst/Rettinger, DB 2006, 2032 ff.; Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 346 ff. Siehe ferner OECD, Discussion Draft on Global Trading, 2003. Vgl. Tz. 2.113 OECD-Leitlinien 2010 sowie hierzu Dawid/Dworaczek in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Tz. 3.7 Anm. 36 f. m.w.N. Vgl. hierzu ausführlich Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 345 f.; 358 ff. Vgl. Tz. 2.112 OECD-Leitlinien 2010. Vgl. Tz. 2.110 u. 2.114 OECD-Leitlinien 2010. Vgl. Tz. 2.114 OECD-Leitlinien 2010; siehe auch Portner, IStR 1998, 550. Vgl. Kaminski, Verrechnungspreise bei fehlendem Fremdvergleichspreis, 193; Dawid/Dworaczek in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Tz. 3.9 Anm. 45. Vgl. Tz. 2.58 ff. OECD-Leitlinien 2010; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.10.3 Buchst. b.
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ten, Umsatz, Vermögen), die ein Konzernunternehmen aus einem Geschäft mit einem verbundenen Unternehmen erwirtschaftet hat mit solchen Margen, die das Konzernunternehmen mit fremden Dritten erzielt, bzw. die von unabhängigen Unternehmen bei vergleichbaren Geschäften erzielt werden. Infolgedessen kommt es zur Zuordnung von „Sollgewinnen“, die an den angemessenen Gewinnaufschlag bei der Kostenaufschlagsmethode oder die angemessene Handelsspanne bei der Wiederverkaufspreismethode erinnern.1 Dabei ist von besonderer Bedeutung, dass nur auf die Nettomarge aus einem Geschäftsvorfall bzw. verwandten und wirtschaftlich eng zusammenhängenden Geschäftsvorfällen („basket“-Ansatz)2 abgestellt werden darf und nicht etwa auf die Summe verschiedener Geschäftsvorfälle oder gar auf sämtliche Geschäftsvorfälle einer Periode. Ausdrücklich unzulässig ist es daher, eine Zusammenfassung von Geschäftsvorfällen nur deswegen vorzunehmen, weil über einzelne Transaktionen keine Daten vorliegen. Mithin würde dies zur Zuordnung von Pauschalgewinnen i.S. einer branchenüblichen Rendite führen. Die geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode ist nur anwendbar, 3.230 wenn vergleichbare Referenztransaktionen zwischen unabhängigen Unternehmen identifiziert werden können. Insoweit kann ein innerer Betriebsvergleich (Rz. 3.127) durchgeführt werden, d.h., die Nettomarge wird aus vergleichbaren Geschäften, die das Unternehmen mit fremden Dritten ausführt, abgeleitet. Ferner ist ein äußerer Betriebsvergleich (Rz. 3.128 ff.) denkbar, bei dem sich die Nettomarge aus vergleichbaren Geschäften zwischen unabhängigen Dritten ermittelt. Die Vorteile der geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode sind nach Auffassung der OECD insbesondere darin zu sehen, dass im Gegensatz zu den Standardmethoden (Rz. 3.174 ff.) Funktionsunterschiede und die Andersartigkeit der Leistung die Vergleichbarkeit der Nettomargen weniger beeinträchtigt.3 Ferner sei die Nettomargenmethode im Vergleich zur Gewinnaufteilungsmethode weniger arbeitsaufwendig. Denn zum einen sei eine Funktionsanalyse nur für eines der involvierten Konzernunternehmen vorzunehmen, zum anderen würde sich die Ermittlung eines aufzuteilenden Gesamtgewinns erübrigen.4
3.231
Diesen Vorteilen der geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode stehen allerdings schwerwiegende Nachteile gegenüber. Die OECD sieht dabei den größten Nachteil darin, dass die Nettogewinnspanne eines Steuerpflichtigen von einigen Faktoren beeinflusst werden kann, die sich auf die Preise oder Bruttogewinnspannen entweder nicht, weniger stark
3.232
1 Vgl. Tz. 2.58 OECD-Leitlinien 2010. Siehe auch Kuckhoff/Schreiber, Verrechnungspreise in der Betriebsprüfung, Rz. 152; Dawid/Dworaczek in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Tz. 3.26 Anm. 111. 2 Vgl. hierzu Werra, IStR 1995, 463. 3 Vgl. Tz. 2.62 OECD-Leitlinien 2010. 4 Vgl. Tz. 2.63 OECD-Leitlinien 2010.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
oder nur mittelbar auswirken.1 Insoweit wird die Ermittlung von fremdvergleichskonformen Nettogewinnspannen erschwert. Denn neben den durch das Konzernunternehmen wahrgenommenen Funktionen und Risiken wird die Nettomarge auch von – nur schwer greif- und bewertbaren – Faktoren wie z.B. den Fähigkeiten des Managements, der Wettbewerbsposition, den Kostenstrukturen etc. beeinflusst.2 Als kostenorientierte Methode führt die TNMM zur Allokation eines sicheren Gewinns und trägt hierdurch der Risikoverteilung zwischen den Transaktionspartnern nur dann hinreichend Rechnung, wenn – wie bei Unternehmen mit Routinefunktionen – nur geringe Risiken getragen werden. Ferner ist sie aufgrund dieses Ansatzes nicht geeignet, unwirtschaftliches Verhalten verursachungsgerecht zu berücksichtigen.3 4. Globale Gewinnaufteilungsmethode
3.233 Angesichts der Neuordnung des Verhältnisses der Standardmethoden zu den transaktionsbezogenen Gewinnmethoden durch die OECD-Leitlinien 2010, mit der dem praktischen Stellenwert letzterer Methoden Rechnung getragen wurde, ist die nach wie vor beständige Ablehnung der globalen formelhaften Gewinnaufteilungsmethode beachtlich. Die globale Gewinnaufteilungsmethode ignoriert für Zwecke der internationalen Gewinnabgrenzung die rechtliche Selbständigkeit der einzelnen Konzerngesellschaften und setzt sich insoweit über das gesellschaftsrechtliche und steuerliche Trennungsprinzip hinweg. Ausgangspunkt der globalen Gewinnaufteilungsmethode ist die Ermittlung des konsolidierten Gewinns sämtlicher im Konzern verbundener Unternehmen (sog. Konzerngewinn). Dieser wird in einem weiteren Schritt anhand bestimmter Schlüsselgrößen (z.B. das eingesetzte Vermögen, die Lohnsumme oder der Umsatz) auf die nationalen Konzerngesellschaften verteilt. Vor diesem Hintergrund erfolgt die Gewinnabgrenzung nicht auf der Basis der konkreten Gewinnermittlung jeder einzelnen Konzerngesellschaft, sondern vielmehr auf der Grundlage des Gewinns der wirtschaftlichen Einheit „Konzern“. Dies hat zur Konsequenz, dass nur solche Gewinne in die internationale Gewinnabgrenzung eingehen, die aus der Sicht des Gesamtkonzerns mit fremden Dritten realisiert wurden.
3.234 Die Kernprobleme der globalen Gewinnaufteilungsmethode liegen in der Frage, welche Gesellschaften des Konzerns als zu diesem zugehörig angesehen werden sollen und infolgedessen in den Konsolidierungskreis einzubeziehen sind. Außerdem gestaltet sich die Bestimmung eines angemessenen Gewinnverteilungsschlüssels, der den von den Konzernunternehmen wahrgenommenen Funktionen, Risiken und erwirtschafteten Wertschöpfungsbeiträgen Rechnung trägt, als äußerst problematisch. Die Anwendung eines pauschalen Aufteilungsschlüssels bedeutet eine pro1 Vgl. Tz. 2.64 OECD-Leitlinien 2010. 2 Vgl. auch Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 270; Werra, IStR 1995, 463. 3 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 593.
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C. Methoden der Verrechnungspreisermittlung
portionale Aufteilung des Konzerngewinns (oder -verlusts) nach Maßgabe der verwendeten Schlüsselgröße. Insofern finden – je nach gewähltem Aufteilungsschlüssel – spezifische Gegebenheiten der einzelnen Konzerngesellschaften (wie z.B. Markt- und Wettbewerbsbedingungen, spezielle Unternehmensstrategien, spezifische Einzelrisiken) keine Berücksichtigung. Letztlich wird damit den einzelnen Konzerngesellschaften ein Teil des Gesamtgewinns zugeordnet, der i.d.R. nicht demjenigen Gewinn entspricht, der durch die Konzerngesellschaften im Rahmen der unternehmerischen Wertschöpfungskette durch die ihnen zugeordneten Funktionen und Risiken tatsächlich erwirtschaftet wurde. Vor diesem Hintergrund steht die globale Gewinnaufteilungsmethode nicht im Einklang mit dem international anerkannten Grundsatz des Fremdvergleichs. So wird einerseits über die rechtliche Selbständigkeit der Konzerngesellschaften hinweggegangen und andererseits eine Gewinnaufteilung vorgenommen, die den spezifischen Funktionen und Risiken der Einzelgesellschaften nur unzureichend Rechnung trägt.1 Aufgrund dieser Unzulänglichkeiten wird die globale Gewinnaufteilungsmethode im Rahmen der internationalen Gewinnabgrenzung2 überwiegend abgelehnt. Dies gilt indessen auch für die OECD-Leitlinien 2010, die die globale Gewinnaufteilungsmethode als „nicht realistische Alternative zum Fremdvergleichsgrundsatz“3 bezeichnen. Dies wird mit den folgenden Argumenten begründet: – Die aus der Anwendung einer pauschalen Gewinnaufteilungsformel resultierende Einkünfteabgrenzung ist letztlich willkürlich, weil sie den wirtschaftlichen Gegebenheiten des einzelnen Konzernunternehmens nicht Rechnung trägt.4 – Sofern sich die Ansässigkeitsstaaten der Konzerngesellschaften nicht auf eine universelle Gewinnzerlegungsformel einigen, kommt es zwangsläufig zu Doppel- und Minderbesteuerungen.5 – Die Erwartung, dass sich zahlreiche Staaten auf eine gemeinsame Gewinnzerlegungsformel einigen könnten, ist in hohem Maße unrealistisch.6 Würden nur einige Staaten eine formelhafte Gewinnzerlegung praktizieren, müssen international tätige Unternehmen die Einkünfte1 Vgl. die ausführliche Würdigung bei Oestreicher, Konzern-Gewinnabgrenzung, 158 ff.; Kaminski, Verrechnungspreisbestimmung bei fehlendem Fremdvergleichspreis, 270 ff. 2 Demgegenüber kommt ihr in föderal strukturierten Staaten im Rahmen der nationalen Gewinnabgrenzung durchaus Bedeutung zu; vgl. etwa die GewSt-Zerlegung in Deutschland gem. § 28 ff. GewStG oder die „Unitary Taxation“ in den USA; zu Letzterer Luttermann, IStR 1994, 489 ff.; Oestreicher, Konzern-Gewinnabgrenzung, 128 ff. u. 148 ff.; Kaminski, Verrechnungspreisbestimmung bei fehlendem Fremdvergleichspreis, 256 ff. 3 Tz. 1.21 OECD-Leitlinien 2010. 4 Vgl. Tz. 1.25 OECD-Leitlinien 2010. 5 Vgl. Tz. 1.22 u. 1.24 OECD-Leitlinien 2010. 6 Vgl. Tz. 1.24 OECD-Leitlinien 2010.
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3.235
Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
abgrenzung sowohl nach Maßgabe des Fremdvergleichs als auch nach einer Gewinnzerlegungsformel vornehmen.1 – Eine formelhafte Gewinnzerlegung schafft ein Sonderrecht für verbundene Unternehmen, was den Wettbewerb zwischen Konzernunternehmen und konzernfreien Unternehmen verzerrt. So kann eine Gewinnzerlegungsformel zur Zurechnung von Gewinnen zu einem Konzernunternehmen führen, wenngleich dieses als unabhängiges Unternehmen einen Verlust ausweisen würde.2
3.236 Die strikte Ablehnung der globalen formelhaften Gewinnaufteilungsmethode durch die OECD ist insbesondere auch im Hinblick auf die Bemühungen der EU zur Schaffung einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage (GKKB; Common Consolidated Corporate Tax Base = CCCTB) als ausgesprochen bemerkenswert anzusehen.
3.237 Mit Datum vom 23.10.2001 hatte nämlich die EU-Kommission eine umfassende Studie zur Unternehmensbesteuerung im Binnenmarkt vorgelegt. Hierin spricht sie sich langfristig für die Schaffung einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage für die EU-weiten Aktivitäten international verbundener Unternehmen bzw. Konzerne aus.3 Zur Erarbeitung der konkreten Ausgestaltung dieses Besteuerungskonzepts und zur Diskussion der vielen Fragestellungen und Detailprobleme im Zusammenhang mit einer praktikablen Umsetzung der GKKB wurde im November 2004 eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die wiederum sechs weitere Untergruppen gebildet hat. Nach langjährigen Arbeiten hat die Europäische Kommission am 16.3.2011 einen Richtlinienentwurf zur GKKB veröffentlicht, der auf eine Option zur GKKB abstellt. Die EU-Kommission hält das Konzept für geeignet, den Abbau von Investitionshemmnissen bei der Besteuerung europäischer Unternehmen voranzutreiben.4 Dabei wird das aktuelle Konzept internationaler Einkünfteabgrenzung, basierend auf dem Fremdvergleichsgrundsatz, von der Kommission als das zentrale Investitionshindernis im Binnenmarkt eingestuft. Daneben werden die fehlenden Möglichkeiten eines Verlustausgleichs zwischen den verschiedenen Teilen des europaweit agierenden 1 Vgl. Tz. 1.27 u. 1.31 OECD-Leitlinien 2010. 2 Vgl. Tz. 1.25 u. 1.29 OECD-Leitlinien 2010. 3 Vgl. European Commission, Company Taxation in the Internal Market, Commission Staff Working Paper, 2001; vgl. dazu im Einzelnen Haunold/Tumpel/ Widhalm, SWI 2001, 560 ff.; Mueller, IWB Fach 11 Gruppe 2, 476 f.; Menck, FR 2002, 269 ff.; Schön, ET 2002, 283 f.; Oestreicher, StuW 2002, 347 ff.; Schneider, DB 2003, 57 f.; Schreiber, StuW 2004, 212 ff.; Oestreicher in Symposium Jacobs, 81 ff.; Spengel/Wendt, StuW 2007, 297; Spengel in Schön/Schreiber/Spengel, A Common Consolidated Corporate Tax Base for Europe, 1 ff.; Spengel, IStR 2008, 556 ff.; Spengel/Oestreicher, DStR 2009, 773 ff.; Oestreicher/Reister/Spengel, WTJ 2009, 46 ff. 4 Vgl. hierzu im Einzelnen Oestreicher, StuW 2002, 342 ff.
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C. Methoden der Verrechnungspreisermittlung
Unternehmens, die Besteuerungsfolgen bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungen durch Entstrickung von Besteuerungsgrundlagen sowie die hohen steuerlichen Befolgungskosten, die sich aus dem Nebeneinander von 27 verschiedenen Steuersystemen im Binnenmarkt ergeben, beklagt. Das Konzept einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage (GKKB) ist durch die drei folgenden, tragenden Wesensmerkmale gekennzeichnet: – Ermittlung einer einheitlichen körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage nach EU-weit einheitlichen Regelungen, – Konsolidierungsgrundsätze zur Bestimmung des Einkommens des international tätigen Unternehmensverbundes, – Aufteilung des Einkommens nach einem sachgerechten Aufteilungsschlüssel auf die beteiligten nationalen Konzerngesellschaften. Als Ausgangspunkt für eine einheitliche körperschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage wurden ursprünglich die – für handelsrechtliche EU-Konzernabschlüsse kapitalmarktorientierter Unternehmen ohnehin ab 2005 zwingend anwendbaren – internationalen Rechnungslegungsgrundsätzen IAS, heute IFRS (International Financial Reporting Standards), angesehen.1 Der nunmehr vorlegte Richtlinienentwurf baut demgegenüber auf einem eigenständigen Gewinnermittlungsrecht in Gestalt einer Art Einnahmenüberschussrechnung auf. Mangels steuerbilanzieller Gewinnermittlung und infolgedessen einer Maßgeblichkeit handelsrechtlicher Regelungen oder der IFRS formuliert der Richtlinienvorschlag eigenständige Regelungen zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage.2 Diese beinhalten auch einen zeitlich und der Höhe nach unbegrenzten Verlustvortrag, nicht dagegen einen Verlustrücktrag (Art. 43 des Richtlinienentwurfs). Idealerweise würde auf die konsolidierte körperschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage – im Rahmen eines einheitlichen EU-Körperschaftsteuergesetzes – ein gemeinsamer EU-Körperschaftsteuertarif angewendet. Allerdings ist derzeit innerhalb der EU der politische Wille für die Bestimmung eines einheitlichen Körperschaftsteuersatzes oder zumindest für die Festlegung eines Steuersatzkorridors leider nicht erkennbar.3 Es wäre jedoch schon viel gewonnen, wenn man sich mittelfristig zumindest auf ein System der konsolidierten Steuerbemessungsgrundlage in Europa einigen könnte. Obgleich der Richtlinienentwurf zur GKKB nur die Vereinheitlichung der körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage, nicht dagegen der Körperschaftsteuertarife anstrebt, lässt sich 1 Vgl. hierzu im Einzelnen Oestreicher/Spengel, RIW 2001, 889; Spengel, IStR 2003, 29 ff.; Wehrheim/Marquardt, IStR 2003, 14; Spengel, DB 2006, 681 ff.; Oestreicher/Spengel, ET 2007, 437 ff.; Spengel in Schön/Schreiber/Spengel, A Common Consolidated Corporate Tax Base for Europe, 30 ff.; Spengel/Oestreicher, DStR 2009, 777 ff. 2 Siehe hierzu im Einzelnen Lenz/Rautenstrauch, DB 2011, 728 f. 3 Vgl. auch Spengel in Schön/Schreiber/Spengel, A Common Consolidated Corporate Tax Base for Europe, 25 f.; Spengel/Oestreicher, DStR 2009, 775 f.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
aus den Regelungen des Entwurfs letztlich ein Mindeststeuersatz ableiten, dessen Anwendung zu einer aus Sicht der Europäischen Kommission angemessenen körperschaftsteuerlichen Vorbelastung führt. Dieser wird mit 40 % des durchschnittlichen gesetzlichen Körperschaftsteuersatzes in den Mitgliedstaaten umschrieben.1 Kernstück einer GKKB ist die Formulierung eines sachgerechten Aufteilungsmechanismus, der geeignet ist, von allen 27 EU-Mitgliedstaaten akzeptiert zu werden. Der vorliegende Richtlinienentwurf sieht hierfür eine Formel mit den Faktoren Vermögenswerte, Arbeit und Umsatz vor, die gleichmäßig gewichtet werden.2 Für die Aufteilung des konsolidierten Konzerngewinns anhand von Schlüsselgrößen lassen sich auch Beispiele im Rahmen der Besteuerung nationaler Konzerngesellschaften durch mehrere US-Bundesstaaten (ähnlich auch die Besteuerung kanadischer Unternehmen in mehreren Provinzen Kanadas) sowie bei der deutschen Gewerbesteuer-Zerlegung finden. Als bevorzugte Schlüsselgrößen dienen dabei ebenfalls unternehmensbezogene Kennzahlen wie Vermögen, Lohnsumme und Umsatz (manchmal mit gleicher, manchmal mit unterschiedlicher Gewichtung), daneben können die individuelle Wertschöpfung sowie makroökonomische Daten (aggregierte Umsatzsteuerbemessungsgrundlage oder Bruttosozialprodukt) als Aufteilungsschlüssel dienen.3 Diese Aufteilungsschlüssel mögen den Vorteil besitzen, praktikabel und leicht überprüfbar zu sein. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es derzeit keine verursachungsgerechte und ökonomisch zwingende Lösung zur Bestimmung des Aufteilungsschlüssels gibt. Die oben beispielhaft dargestellten Schlüssel führen jedenfalls – zu einer nicht verursachungsgerechten Zuordnung des Einkommens in den Fällen, in denen standortspezifische Renditen erwirtschaftet werden, – zu einer Diskriminierung von Investitionen und Arbeitsplätzen in Hochsteuerländern, – zu Anreizen bei den Unternehmen, die Aufteilungsbasis in Länder mit niedrigen Steuersätzen zu verlagern.4 Da jedoch der gewählte Aufteilungsschlüssel das zentrale Instrument für die Gewinnverteilung auf die einzelnen Staaten darstellt und je nachdem, welche Formel verwendet wird, sich das Steueraufkommen zwischen den Mitgliedstaaten ggf. erheblich verändern kann, werden sich die daraus resultierenden politischen Interessengegensätze nicht oder nur schwer überbrücken lassen. Diese Schwierigkeiten werden umso deutlicher, als 1 Siehe hierzu im Einzelnen Lenz/Rautenstrauch, DB 2011, 730. 2 Vgl. Lenz/Rautenstrauch, DB 2011, 727. Siehe hierzu auch Spengel in Schön/ Schreiber/Spengel, A Common Consolidated Corporate Tax Base for Europe, 41 ff.; Spengel/Oestreicher, DStR 2009, 780 f. 3 Vgl. Oestreicher, StuW 2002, 349. 4 Vgl. Spengel in Schön/Schreiber/Spengel, A Common Consolidated Corporate Tax Base for Europe, 45 f.; Spengel/Oestreicher, DStR 2009, 780.
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C. Methoden der Verrechnungspreisermittlung
sich – insbesondere durch die weiteren EU-Beitritte in den letzten Jahren – der Steuersatz-Wettbewerb in der EU eher verschärfen als beruhigen wird, zumal die Steuersatzautonomie der beteiligten Staaten erhalten bleiben soll.1 Das Konzept der Aufteilung eines konsolidierten Konzernerfolgs anhand von Schlüsselgrößen macht die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes und damit die Bestimmung von Verrechnungspreisen für innerkonzernliche Lieferungen und Leistungen überflüssig; denn mit diesem Konzept wird vermieden, dass Zwischengewinne aus konzerninternen Lieferungen und Leistungen zu ermitteln und zu versteuern sind, bevor der Konzernerfolg durch Transaktionen mit konzernexternen Geschäftspartnern realisiert wird. Daher wird dieses Konzept – trotz aller praktischen Anwendungsprobleme – in den Wirtschaftswissenschaften als das einzig theoretisch Richtige angesehen. Dem stehen jedoch gravierende praktische Nachteile gegenüber. Zum einen ist in absehbarer Zeit nicht erkennbar, dass man sich auf OECD-Ebene oder zumindest EU-weit auf ein System harmonisierter steuerlicher Gewinnermittlung und der Anwendung (nahezu) einheitlicher Steuersätze verständigen wird. Selbst wenn dies mittelfristig europaweit gelingen sollte, wären dennoch die zuvor erwähnten Probleme bei der Bestimmung eines international akzeptablen Verteilungsschlüssels zu lösen, für die derzeit keine ökonomisch und finanzwissenschaftlich überzeugende Lösung existiert. Außerdem würde das Einkünfteabgrenzungsproblem für die Fälle bestehen bleiben, bei denen sich nicht alle Staaten am Konzept der Aufteilung eines konsolidierten Konzernerfolgs beteiligen.2 Hier müsste nach wie vor auf den Grundsatz des Fremdvergleichs zurückgegriffen werden. Zumindest im Verhältnis zu Drittstaaten wäre also weiterhin am Grundsatz einer getrennten Gewinnermittlung anhand transaktionsbezogener Verrechnungspreise auf der Grundlage des Fremdvergleichs festzuhalten.3 Es bleibt abzuwarten, ob der vorgelegte Richtlinienentwurf in absehbarer Zeit konsensfähig ist. Insbesondere im Hinblick auf die Konsolidierung und die formelhafte Aufteilung der GKKB dürften erhebliche Widerstände bestehen. Dies belegen auch die ersten Reaktionen der Bundesregierung auf den Richtlinienvorschlag, der – insbesondere wegen der Konsolidierung und des Aufteilungsmaßstabs – abgelehnt wird.4
1 Vgl. Spengel in Schön/Schreiber/Spengel, A Common Consolidated Corporate Tax Base for Europe, 25 f.; Spengel/Oestreicher, DStR 2009, 775 f. 2 Zu Drittstaaten-Fragen im Zusammenhang mit der gemeinsamen körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage siehe etwa Spengel, IStR 2008, 556 ff. 3 Vgl. Spengel/Wendt, StuW 2007, 297. 4 Vgl. Handelsblatt v. 11.5.2011, 18.
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3.238
Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
D. Verrechnungspreisermittlung bei ausgewählten Lieferungs- und Leistungsbeziehungen I. Lieferung von Gütern und Waren 1. Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes
3.239 Trotz des Umstandes, dass mit der zunehmenden Internationalisierung und Globalisierung der Wirtschaft eine „wachsende Entmaterialisierung“ konzerninterner Transaktionen zu konstatieren ist,1 hat der Bereich der Lieferung von Gütern und Waren innerhalb des konzerninternen Lieferungs- und Leistungsaustausches weiterhin eine vergleichsweise große Bedeutung. Vor diesem Hintergrund widmen die VWG 1983 diesem Bereich einen eigenen Abschnitt,2 in welchem die Funktionsanalyse und die Anwendung der Standardmethoden der Verrechnungspreisermittlung (Rz. 3.169 ff.) bei konzerninternen Lieferungen konkretisiert werden. Darüber hinaus sind die Regelungen der VWG-Verfahren zu beachten, die in Tz. 3.4.10.2 und 3.4.10.3 allgemeine Regelungen zur Unternehmenscharakterisierung (Rz. 3.115 ff.) und Verrechnungspreisbestimmung enthalten,3 die insbesondere auch für die Ermittlung von Verrechnungspreisen für konzerninterne Lieferbeziehungen von Bedeutung sind. Ferner adressieren die VWG Funktionsverlagerung4 mit besonderen Aspekten bestimmter Funktionsverlagerungen insbesondere solche im verbundinternen Produktions- und Lieferbereich. Demgegenüber enthalten die OECD-Leitlinien 2010 keine gesonderten Ausführungen zu konzerninternen Lieferverhältnissen. Allerdings wird hier vereinzelt auf diesen Bereich im Rahmen von Darstellungen zum Fremdvergleichsgrundsatz (Kap. I), zu den Standardmethoden der Verrechnungspreisermittlung (Kap. II) und zu den „Business Restructurings“ (Kap. IX) eingegangen.
3.240 Dem Grundsatz des Fremdvergleichs folgend ist nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung für konzerninterne Lieferungen derjenige Preis anzusetzen, „den Fremde für Lieferungen – gleichartiger Güter oder Waren – in vergleichbaren Mengen – in den belieferten Absatzmarkt – auf vergleichbarer Handelsstufe und – zu vergleichbaren Lieferungs- und Zahlungsbedingungen 1 Vgl. etwa Herzig, WPg 1998, 285; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 370 ff. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 3.1. 3 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.10.2 u. 3.4.10.3. 4 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 4.1, 4.2 Rz. 201–215.
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D. Ausgewählte Lieferungs- und Leistungsbeziehungen
unter den Verhältnissen wirtschaftlich vergleichbarer Märkte vereinbart hätten.“1 Dabei können grundsätzlich die Standardmethoden der Verrechnungspreisermittlung sowie die transaktionsbezogenen Gewinnmethoden Anwendung finden,2 wobei die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind.3 Von zentraler Bedeutung ist insofern, dass eine uneingeschränkte oder zumindest eingeschränkte Vergleichbarkeit der Verhältnisse zwischen der zu bewertenden konzerninternen Lieferbeziehung und der Referenztransaktion zwischen unabhängigen Dritten vorliegt.4 Preisdeterminierend sind nach dem umfangreichen, jedoch nicht abschließenden Kriterienkatalog der Tz. 3.1.2.1 VWG 1983 insbesondere: – die besondere Art, Beschaffenheit und Qualität sowie der Innovationsgehalt der gelieferten Güter und Waren, – die Verhältnisse des Marktes, in dem die Güter oder Waren benutzt, verbraucht, bearbeitet oder an Fremde veräußert werden, – die Funktionen und die Handelsstufen, die von den beteiligten Unternehmen tatsächlich wahrgenommen werden, – die Liefervereinbarungen, insbesondere über Haftungsverhältnisse, Zahlungsfristen, Rabatte, Skonti, Gefahrentragung, Gewährleistungen etc., – bei langfristigen Lieferbeziehungen die damit verbundenen Vorteile und Risiken, – besondere Wettbewerbsbedingungen. Ferner sind im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung bei Lieferbeziehungen die von den Vertragsparteien wahrgenommenen Neben-, Zusatzund Serviceleistungen sowie mögliche Materialbeistellungen, Leistungsbeistellungen und Beistellungen von Personal zu berücksichtigen. Zu denken ist in diesem Zusammenhang etwa an Finanzierungsleistungen (Rz. 3.268 ff.) oder an administrative und technische Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit der Warenlieferung erbracht werden. Im Einzelnen kann es sich um folgende Leistungen handeln:5 – technische Beratung, – Projektausarbeitung, – Kaufberatung, – Musterversand bzw. Lieferung zur Probe, – Bestelldienst und Zustellung, 1 BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 3.1.1. 2 Zu den Voraussetzungen vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWGVerfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.10.3 Buchst. b, c u. d. 3 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 3.1.2.1. 4 Vgl. BFH v. 6.4.2005 – I R 22/04, BStBl. II 2007, 658; Baumhoff/Ditz/Greinert, IStR 2005, 592. 5 Vgl. Borstell/Hülster in V/B/E, Verrechnungspreise3, L Rz. 63.
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3.241
Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
– Installation und Montage, – Kundenschulung in Form von Dokumentationen, Betriebsanleitungen und Ausbildungsgesprächen, – Instandsetzung und Instandhaltung (inkl. Ersatzteilversorgung), – Sonderverpackungen, – Umtauschrechte, Garantieleistungen und Gewährleistungen, – Bereitstellen eines Recyclingsystems sowie Rücknahmegarantien und – sonstige Dienstleistungen. Derartige Nebenleistungen, die im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Warenlieferung stehen, werden häufig auch zwischen unabhängigen Dritten im Rahmen eines Gesamtentgelts vergütet.1 Vor diesem Hintergrund verstößt es nicht gegen den Grundsatz der Einzelverrechnung, wenn sie zusammen mit der innerkonzernlichen Warenlieferung verrechnet werden. In diesen Fällen kann die Preisvergleichsmethode unter Berücksichtigung ihrer spezifischen Anwendungsvoraussetzungen herangezogen werden. Ist die Preisvergleichsmethode (z.B. mangels vergleichbarer Markttransaktionen) nicht anwendbar, kann der Verrechnungspreis für die zusammen zu bewertenden Haupt- und Nebenleistungen entweder mit der Wiederverkaufspreis- oder der Kostenaufschlagsmethode ermittelt werden. Nicht ausgeschlossen ist außerdem, dass die einzelnen Leistungen anhand unterschiedlicher Verrechnungspreismethoden bewertet werden (z.B. die Hauptleistung mithilfe der Preisvergleichs- und die Nebenleistung mithilfe der Kostenaufschlagsmethode) und die einzelnen Preisbestandteile dann zu einem (Gesamt-)Verrechnungspreis zusammengefasst werden. Zur Herstellung der Vergleichbarkeit der Verhältnisse kann es allerdings notwendig sein, funktionale Unterschiede der Vergleichsobjekte durch Anpassungsrechnungen zu eliminieren (Rz. 3.90).
3.242 Auch im Zusammenhang mit konzerninternen Lieferbeziehungen steht die Funktionsanalyse im Zentrum der Verrechnungspreisermittlung (Rz. 3.94 ff.). Zur Durchführung einer Funktionsanalyse sind in einem ersten Schritt die von den beteiligten Unternehmen wahrgenommenen Funktionen und getragenen Risiken zu ermitteln und in ihrer Bedeutung zu gewichten. Auf dieser Grundlage kann eine geeignete Referenztransaktion gesucht werden, bei der eine vergleichbare Verteilung von Funktionen und Risiken vorliegt. Die Konditionen der Referenztransaktion werden dann zur Ableitung der Verrechnungspreise herangezogen. Dabei ist im Folgenden zwischen der Lieferung von Waren von verbundenen Produktionsgesellschaften (Rz. 3.243 ff.) einerseits und der Lieferung von Waren an verbundene Vertriebsgesellschaften (Rz. 3.256 ff.) andererseits zu differenzieren.
1 Vgl. Baumhoff, Verrechnungspreise für Dienstleistungen, 278 ff.
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D. Ausgewählte Lieferungs- und Leistungsbeziehungen
2. Lieferungen von Produktionsgesellschaften a) Funktionsanalyse im Rahmen der Produktion Die Produktionsfunktion kann durch ein verbundenes Unternehmen prinzipiell in den folgenden Grundformen ausgeübt werden:
3.243
– Produktion durch einen Eigenproduzenten, – Produktion durch einen Lohnfertiger, – Produktion durch eine Produktionseinheit, deren Funktion zwischen diesen beiden Polen liegt. Der Einordnung eines produzierenden verbundenen Unternehmens in die Kategorien Eigenproduzent oder Lohnfertiger kommt im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung eine große Bedeutung zu. Während die Eigenproduktion die Übernahme eigener Marktchancen und Marktrisiken impliziert, ist die Lohnfertigung als nur eingeschränkte Funktionsausübung in Form einer Dienstleistung anzusehen.1 Hierbei ist zu berücksichtigen, dass fremde Lohnfertiger neben der Ausführung eines vorgegebenen Fertigungsschritts häufig eine Reihe weiterer Funktionen übernehmen. Das einem Lohnfertiger zugestandene Entgelt (Rz. 3.250 ff.) wird dementsprechend zwischen fremden Dritten vom Umfang der ausgeübten Funktionen, der getragenen Risiken und der eingesetzten (immateriellen) Wirtschaftsgüter abhängen. Übernimmt ein Lohnfertiger immer mehr Funktionen und Risiken, wird irgendwann ein Punkt erreicht sein, ab dem er zum Eigenproduzenten wird, also nicht mehr nur ein Entgelt für eine übernommene Dienstleistung erhält, sondern die vollen Chancen und Risiken der Produktion innehat. Zur Abgrenzung zwischen Eigenproduktion und Lohnfertigung sind dabei die gesamten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Da sich die VWG 19832 und die OECD-Leitlinien 20103 in einer beispielhaften Darstellung von Lohnfertigungsverhältnissen erschöpfen und die VWG-Verfahren lediglich eine Qualifikation als „Routinefunktion“ vornehmen,4 fehlten bisher eine Begriffsdefinition des Lohnfertigers bzw. Abgrenzungskriterien, nach denen die Einordnung als Lohnfertiger zwingend ist. Diesem Mangel begegnen nunmehr die VWG Funktionsverlagerung, die sowohl für den Lohnfertiger als auch für den Eigenhändler verwaltungsseitig abgestimmte Begriffscharakteristika enthalten.
1 So ausdrücklich Tz. 7.40 OECD-Leitlinien 2010. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 3.1.3 Bsp. 3. 3 Vgl. Tz. 2.54 u. 7.40 OECD-Leitlinien 2010. 4 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.10.2 Buchst. a. Zur Definition des Routineunternehmens vgl. auch Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2005, 1551 ff.; Brem/Tucha, IStR 2006, 500; Rasch/Rettinger, BB 2007, 354 f.; Rasch/Schmidtke, IStR 2009, 93; siehe auch Baumhoff/Bodenmüller in Grotherr, Handbuch der Internationalen Steuerplanung3, 551 ff.
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3.244
Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
Nach Tz. 204 der VWG Funktionsverlagerung sind typische Merkmale eines Lohnfertigers, „dass er auf vertraglicher Grundlage oder tatsächlicher Übung – keine Produktionsrisiken (z.B. Qualitätsrisiko, Auslastungsrisiko, Absatzrisiko, Lagerrisiko usw.) trägt, – die Produkte nicht selbst entwickelt und kein Eigentum an den für die Produktion erforderlichen immateriellen Wirtschaftsgütern besitzt oder erwirbt, – keine Vermarktungsfunktionen wahrnimmt und keine Marktrisiken trägt, – über keine entsprechenden Entscheidungskompetenzen verfügt und – die notwendigen Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, aber auch ganz oder teilweise die Produktionsanlagen vom Auftraggeber erhält (Beistellung).“1 Mit dieser Begriffsbildung entspricht die Finanzverwaltung der im Schrifttum2 vorgenommenen. Hiernach ist die idealtypische Ausprägung eines Lohnfertigers gekennzeichnet durch – Beschränkung der Produktion auf einzelne Teile, einzelne Bearbeitungsschritte oder Großserienprodukte; – keine oder geringe unternehmerische Dispositionsfreiheiten; vielmehr bestimmt der Auftraggeber über die Produktpolitik und die Fertigungsschritte des Lohnfertigers; – keine eigene Forschung und Entwicklung und kein Eigentum an den maßgeblichen immateriellen Vermögenswerten; vielmehr wird die Technologie vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt; – nur eingeschränkte eigene Beschaffungsfunktion; Rohstoffe werden – zumindest teilweise – durch den Auftraggeber beigestellt; – geringe Lagerhaltung, da häufig „Just-in-time“-Konzeption; – kein eigener Vertrieb.
3.245 Die durch einen Lohnfertiger getragenen Risiken sind – insbesondere aufgrund seines geringen Funktionsumfangs (z.B. untergeordnete Bedeutung der Beschaffungs- und Lagerhaltungsfunktion) – gegenüber einem Eigenproduzenten gering. Insbesondere trägt der Lohnfertiger kein bzw. ein nur geringes Absatz- und Preisrisiko, da der Auftraggeber langfristig den Großteil seiner Produktion abnimmt. Fraglich ist allerdings, ob auch die 1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 4.1.2 Rz. 204. 2 Vgl. Sieker in D/W, Art. 9 OECD-MA Rz. 249; Baumhoff in Schaumburg/Piltz, Steuerfolgen von Produktion und Vertrieb im Ausland, 69 f.; Baumhoff in Schaumburg/Piltz, Internationale Einkünfteabgrenzung, 93; Baumhoff in FS Krawitz, 30 f.; Baumhoff/Bodenmüller in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 556 ff.; Schreiber in Oestreicher, Internationale Verrechnungspreise, 318.
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D. Ausgewählte Lieferungs- und Leistungsbeziehungen
Begrenzung der Abnahmeverpflichtung oder die faktische Abnahme für die Qualifikation als Lohnfertiger ausreicht. Unseres Erachtens sollte die Begrenzung einer Abnahmeverpflichtung für die Annahme eines Lohnfertigungsverhältnisses unproblematisch sein, wenn die vertraglich oder faktisch garantierte Abnahmemenge ausreicht, die Kosten des Lohnfertigers (Fixkosten sowie variable Kosten) zu decken. Denn unter diesen Umständen sind die mit der Herstellung verbundenen Risiken des Lohnfertigers begrenzt und mit einer vollständigen Abnahmeverpflichtung vergleichbar.1 Infolgedessen werden die Preise bei einer weitreichenden Abnahmeverpflichtung geringer sein als bei einer eingeschränkten oder nur faktischen Abnahmeverpflichtung.2 Demgegenüber forderte die Finanzverwaltung noch in der Entwurfsfassung der VWG Funktionsverlagerung für die Einordnung als Lohnfertiger, dass der Auftraggeber „die in Auftrag gegebene Produktion vollständig abnimmt“.3 Allerdings hat sich die vollständige Abnahmeverpflichtung nicht als typisches Begriffsmerkmal des Lohnfertigers in der finalen Fassung der VWG Funktionsverlagerung durchgesetzt (Rz. 3.244). Dies lässt darauf schließen, dass auch verwaltungsseitig eine solche Forderung nicht besteht. Nicht hinreichend für die Einordnung einer Produktionsgesellschaft als Lohnfertiger ist hingegen die bloße Erwartung bzw. der bloße Plan des Auftraggebers, das Absatzvolumen des Produzenten abzunehmen, da das Fertigungsunternehmen in diesem Fall ein Absatz- und Marktrisiko trägt.4 Die gegenüber dem Eigenproduzenten geringeren Risiken des Lohnfertigers resultieren ferner aus der Tatsache, dass er idealtypischerweise in nur geringem Umfang eigene Produktionsmittel einsetzt. So beschafft der Lohnfertiger häufig keine eigenen Produktionsanlagen, sondern bekommt diese vom Auftraggeber – i.d.R. kostenlos – beigestellt. Die Produktionsanlagen stehen damit weiterhin im Eigentum des Auftraggebers. Darüber hinaus ist der Auftraggeber im Rahmen eines Lohnfertigungsverhältnisses regelmäßig auch Eigentümer der für die Herstellung bzw. den Vertrieb der entsprechenden Produkte notwendigen immateriellen Vermögenswerte.5 Soweit sie zur Funktionsausübung des Lohnfertigers notwendig sind, werden sie ihm durch den Auftraggeber – i.d.R. unentgeltlich – überlassen.
3.246
Im Gegensatz zum Lohnfertiger verfügt der Eigenproduzent über die volle Dispositionsbefugnis der Produktion. In der Regel ist er daher auch als „Entrepreneur“ respektive „Strategieträger“ in Bezug auf das entsprechende Produkt bzw. die entsprechende Produktgruppe anzusehen.6 Denn
3.247
1 So auch Engler in V/B/E, Verrechungspreise3, M Rz. 454. 2 Vgl. auch BFH v. 16.4.1980 – I R 75/78, BStBl. II 1981, 492. 3 Vgl. BMF v. 17.7.2009, Entwurf VWG-Funktionsverlagerung, Tz. 4.1.3, abgedruckt in Schreiber, Verrechnungspreise2, 755 ff. 4 Siehe auch Engler in V/B/E, Verrechungspreise3, M Rz. 447. 5 Zu denken ist etwa an Patente, Know-how, Marken etc. 6 Vgl. insoweit auch BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.10.2 Buchst. b.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
der Eigenproduzent trifft die wesentlichen strategischen und betriebswirtschaftlichen Entscheidungen1 und trägt infolgedessen alle Marktchancen und Marktrisiken der betrachteten Produktgruppe.2 Nach Tz. 201 der VWG Funktionsverlagerung sind wesentliche Merkmale eines Eigenproduzenten, dass das Unternehmen – die Produktionsfunktionen (z.B. Fertigung, Produktentwicklung, Produktauswahl, Einkauf, Lagerhaltung, Forschung und Entwicklung usw.) sowie die Vermarktungsfunktionen (z.B. Werbung, Vertrieb usw.) ausübt, – über die entsprechenden Entscheidungskompetenzen verfügt, – regelmäßig im Besitz der wesentlichen Betriebsgrundlagen (materielle und insbesondere immaterielle Wirtschaftsgüter) ist und – die mit der Ausübung der Funktionen verbundenen Chancen und Risiken (z.B. Marktrisiko, Qualitätsrisiko, Absatzrisiko usw.) trägt.
3.248 Nachfolgende Übersicht verdeutlicht die idealtypischen Ausprägungen von Eigenproduzent und Lohnfertiger:3 Lohnfertiger
Eigenproduzent
Forschung, Forschungsrisiko
-
+
Produktionsmanagement
-
+
Entwicklungskompetenz
-
+
Produktanpassungen
-
+
Eigentumserwerb an Vorprodukten, Rohstoffen
+/-
+
Rohstoff- und Vorproduktlager
+/-
+
-
+
Eigentum an Produktionsanlagen
+/-
+
Eigentum an Patenten, Know-how
-
+
Disposition über Fertigungsverfahren
-
+
Qualitätskontrolle
+
+
Fertigungsvorbereitende Funktionen
Fertigungsfunktionen Produktionsplanung, Mengendisposition
1 Wie z.B. die Produkt- und Distributionspolitik sowie übergeordnete Aspekte der Preis- und Kommunikationspolitik. 2 Vgl. dazu ausführlich Borstell in Grotherr, Handbuch der Internationalen Steuerplanung3, 524 ff.; Baumhoff, IStR 2003, 5 f.; Baumhoff in FS Krawitz, 28 f. 3 Vgl. Eisele, Grenzüberschreitende Funktionsverlagerung, 47 m.w.N.; Baumhoff/ Bodenmüller in Grotherr, Handbuch der Internationalen Steuerplanung3, 557 f.; Engler in V/B/E, Verrechnungspreise3, M Rz. 450.
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D. Ausgewählte Lieferungs- und Leistungsbeziehungen
(Halb-)Fertigproduktlager, Lagerrisiko Produkthaftung
Lohnfertiger
Eigenproduzent
-
+
+/-
+
-
+
+/-
+
-
+
+/-
+
Nachgelagerte Funktionen Absatzmengenrisiko, Absatzpreisrisiko Garantieleistungen Administrative Funktionen Eigentum an Warenzeichen, Marken Verwaltungsaktivitäten
Regelmäßig ist ein verbundenes Produktionsunternehmen nur bei nahezu vollständiger Erfüllung der oben dargestellten Merkmale als ein Lohnfertiger zu qualifizieren. In Abhängigkeit von der konkreten Ausgestaltung der einzelnen Merkmale kann dabei auch eine Mischform aus Lohnfertiger und Eigenproduzent vorliegen, die keiner der beiden Grundformen vollständig entspricht.1 Solche Mischformen kommen in der Verrechnungspreispraxis sogar sehr häufig vor. Eine dieser Mischformen stellt der Auftragsfertiger dar, der sich vom Lohnfertiger dadurch unterscheidet, dass er die Rohstoffe und das Material im eigenen Namen und auf eigene Rechnung beschafft, ohne dass dadurch im Regelfall die vom Auftragsfertiger übernommenen Risiken wesentlich größer wären als beim Lohnfertiger.2 Zu berücksichtigen ist hierbei jedoch, dass das dem Lohnfertiger zugestandene Entgelt vom Umfang der von ihm wahrgenommenen Funktionen, getragenen Risiken sowie eingesetzten Wirtschaftsgüter abhängt. Es entspringt unmittelbar dem Fremdvergleichsgrundsatz, dass die Übernahme wirtschaftlicher Risiken und die Ausübung (weiterer Funktionen) nicht unentgeltlich erfolgen, sondern mit erhöhten Renditeerwartungen einhergehen.3 Infolgedessen wird die einem Lohnfertiger zuzuordnende Gewinnmarge umso höher sein, je mehr Funktionen und Risiken von ihm übernommen werden. Übernimmt ein Lohnfertiger immer mehr Funktionen und Risiken und setzt er immer mehr Mittel ein, so wird irgendwann ein Punkt erreicht sein, ab dem er zum eigenständigen Produktionsunternehmen wird und mithin als Eigenproduzent zu qualifizieren sein wird. In diesen Fällen liegt die besondere praktische Schwierigkeit darin, den Zeitpunkt auszumachen, ab dem ein Lohnfertiger zum Eigen1 Vgl. Tz. 1.49 OECD-Leitlinien 2010; Borstell/Hülster in V/B/E, Verrechnungspreise3, L Rz. 174; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 665 f. 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 4.1.2 Rz. 205. 3 Vgl. Tz. 1.47 u. 9.10 OECD-Leitlinien 2010. Siehe hierzu auch BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 1.3 Rz. 13.
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3.249
Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
produzenten wird. Denn ab diesem Zeitpunkt sind insbesondere die im Rahmen der Auftragsfertigung unentgeltlichen Beistellungen von materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern (Know-how, Produktionsverfahren, Maschinen etc.) sowie etwaige Leistungs- und Materialbeistellungen durch den Auftraggeber mit einem dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechenden Entgelt abzurechnen.1 Ferner könnten Funktionseinschränkungen des Auftraggebers zugunsten des nunmehrigen Eigenproduzenten als Funktionsverlagerung qualifiziert werden und dementsprechende verrechnungspreisbezogene Konsequenzen auslösen (Rz. 3.337 ff.). Diese Überlegungen kommen auch in Rz. 208 f. der VWG Funktionsverlagerung zum Ausdruck.2 Dort vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass in Fällen der Lohnfertigung stets zu prüfen sei, ob und ab wann ggf. weitergehende Funktionen ausgeübt werden, z.B. der eigenständige Vertrieb an Kunden des Auftraggebers zu Marktpreisen, um aus der Umstellung vom Lohnfertiger zum Eigenproduzenten die – aus Verrechnungspreissicht – notwendigen steuerlichen Konsequenzen zu ziehen. Praktische Probleme entstehen damit insbesondere dann, wenn sich ein verbundenes Produktionsunternehmen aufgrund der ihm zugewiesenen Funktionen nicht eindeutig den „Polen“ Eigenproduzent oder Lohnfertiger zuordnen lässt, sondern zwischen diesen beiden Extrempunkten liegt. b) Verrechnungspreisermittlung
3.250 Ist die ausländische Produktionsgesellschaft als Lohnfertiger zu qualifizieren, ist der Verrechnungspreis nach der Kostenaufschlagsmethode (Rz. 3.188 ff.) zu ermitteln. Dies ist insofern sachgerecht, als bei „make or buy“-Entscheidungen im Rahmen des Outsourcings zwischen unabhängigen Dritten üblicherweise auch auf Kostenvergleichsrechnungen abgestellt wird. Außerdem ist die Lohnfertigung als (Produktions-)Dienstleistung anzusehen, für die in der Verrechnungspreispraxis i.d.R. ein kostenorientiertes Entgelt vergütet wird3 (Rz. 3.251).
3.251 Nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung „kann“ die Kostenaufschlagsmethode angewendet werden.4 Der Verordnungsgeber der FVerlV ging in der Verordnungsbegründung zu § 2 Abs. 2 Satz 1 FVerlV unter Hinweis auf Tz. 3.4.10.2 Buchst. a der VWG-Verfahren sogar offenkundig („ist vor allem anzuwenden“) von einer zwingenden Anwendung der Kostenaufschlagsmethode hinsichtlich der Abgeltung der Ausübung von Routinefunktionen aus.5 Diese „zwingende“ Anwendung ist allerdings 1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 4.1.4 Rz. 208. 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 4.1.4 Rz. 208 f. (insbesondere das angeführte Beispiel). 3 Vgl. Tz. 7.40 OECD-Leitlinien 2010. 4 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 3.1.3 Bsp. 3; siehe ferner Tz. 7.40 OECD-Leitlinien 2010. 5 Vgl. BR-Drucks. 352/08 v. 23.5.2008, 16.
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D. Ausgewählte Lieferungs- und Leistungsbeziehungen
mit dem in § 1 Abs. 3 AStG verankerten Stufenverhältnis zwischen tatsächlichem und hypothetischem Fremdvergleich nicht zu vereinbaren. Hiernach hat der tatsächliche Fremdvergleich mittels uneingeschränkt vergleichbarer Referenzwerte Vorrang vor dem tatsächlichen Fremdvergleich mittels eingeschränkt vergleichbarer Referenzwerte sowie schließlich dem hypothetischen Fremdvergleich (Rz. 3.172). Da richtigerweise in der praktischen Anwendung ein tatsächlicher Fremdvergleich nur in Gestalt der Preisvergleichsmethode (Rz. 3.174 ff.) möglich ist, weil sich nur diese Methode an marktentstandenen Preisen orientiert (Rz. 3.173), gebührt ihr grundsätzlich der Vorrang. Nach der Rechtsprechung des BFH war – vor Verankerung des Rangfolgenverhältnisses in § 1 Abs. 3 AStG – die Methode heranzuziehen, „mit der der Fremdvergleichspreis im konkreten Einzelfall mit der größtmöglichen Wahrscheinlichkeit seiner Richtigkeit ermittelt werden kann“, d.h., die Standardmethoden standen gleichberechtigt nebeneinander. Können mittels eines inneren (Rz. 3.175) oder äußeren Preisvergleichs (Rz. 3.176) uneingeschränkt oder eingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte identifiziert werden, sind diese Werte zugrunde zu legen. Fehlt es indessen an jedenfalls eingeschränkt vergleichbaren Referenztransaktionen – was den Regelfall darstellen dürfte –, stellt die Kostenaufschlagsmethode für die Lohnfertigungsverhältnisse die Regelmethode dar. Im Rahmen der Kostenaufschlagsmethode ist der Gewinnaufschlag des 3.252 Lohnfertigers umso höher zu bemessen, je mehr Funktionen und Risiken durch ihn übernommen werden (Rz. 3.249). Die Kostenbasis sollte dabei auf Plan- bzw. Sollkosten beruhen, damit effizientes Arbeiten des Lohnfertigers belohnt und ineffizientes Arbeiten bestraft und nicht durch eine Kostenerstattung auf Istkostenbasis egalisiert wird (Rz. 3.200 ff.).1 Was den Sachumfang der Kosten anbelangt, so kommt bei Lohnfertigungsverhältnissen nur die Verrechnung von Vollkosten in Betracht. Ferner vertritt die Finanzverwaltung in den VWG Funktionsverlagerung die Auffassung, dass die Kosten für vom Auftraggeber beigestellte Rohstoffe und Materialien nicht in die Kostenbasis des Lohnfertigers einfließen.2 Entstehen dem Lohnfertiger sog. Anlaufverluste (z.B. im Zusammenhang mit dem Aufbau oder der Erweiterung der Produktion), sind diese vom Auftraggeber zu tragen. Ansonsten würde der Lohnfertiger aufgrund seiner – gegenüber dem Eigenproduzent geringen – Gewinnmarge auf Dauer Verluste erwirtschaften, die ein unabhängiger Lohnfertiger zu tragen nicht bereit wäre.3 Die Übernahme der Anlaufkosten bzw. -verluste durch den Auftraggeber entspricht in Fällen der Lohnfertigung auch der Verteilung von Chancen und Risiken. Risiken übernimmt nur, wer sich entsprechende Chancen erhofft. Ein Lohnfertiger erwirbt jedoch keine ei1 Dagegen auch die Istkosten zulassend Burkert, IStR 2003, 357. 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 4.1.3 Rz. 207. 3 Vgl. Baumhoff in FS Krawitz, 31 f.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
gene Geschäftschance, sondern ihm werden im Regelfall lediglich seine Vollkosten zuzüglich eines (geringen aber relativ stabilen) Gewinns vergütet.1
3.253 Die Anwendung der Kostenaufschlagsmethode wirft die Frage auf, wie der durch die Einschaltung eines Lohnfertigers anfallende Standortvorteil zwischen dem Auftraggeber und dem Lohnfertiger zu verteilen ist. Standortvorteile werden meist durch niedrigere Produktionskosten aufgrund eines niedrigeren Lohnniveaus, geringerer Umweltauflagen, geringerer Sozialabgaben, niedrigerer Energiekosten usw. im Ausland realisiert. Die niedrigeren Kosten führen ceteris paribus zu einem Mehrgewinn im Vergleich zur reinen Inlandsproduktion ohne Einschaltung des jeweiligen Lohnfertigers. Der aus den Standortvorteilen resultierende Mehrgewinn wird allerdings bei der undifferenzierten Anwendung der Kostenaufschlagsmethode nicht zutreffend berücksichtigt, es sei denn, der Gewinnaufschlag wird bereits entsprechend angepasst.2 Wenn jedoch lediglich ein Standardgewinnaufschlag (z.B. 5–10 %) auf die durch die Standortvorteile niedrigere Kostenbasis angesetzt wird, kommt der aus den Standortvorteilen resultierende Mehrgewinn größtenteils dem Auftraggeber zugute. Letztlich würden dadurch die Standortvorteile vollständig ins Inland übertragen und dort der Besteuerung zugeführt. Eine solche Zuordnung der Standortvorteile ist allerdings nicht sachgerecht und entspricht auch nicht dem Grundsatz des Fremdvergleichs. Denn Standortvorteile entstehen aufgrund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des jeweiligen Staates. Somit sollte das grundsätzliche Besteuerungsrecht der daraus resultierenden Gewinne auch dem betreffenden Staat zustehen. Besonders deutlich wird dies bei Gewährung von Steuervergünstigungen, Investitionszuschüssen oder vergleichbaren staatlichen Subventionen. In diesen Fällen schränkt die ausländische Steuerhoheit ihr Besteuerungsrecht zur Förderung der heimischen Wirtschaft gezielt ein. Vor diesem Hintergrund kann es dann nicht gerechtfertigt sein, wenn das Inland durch eine undifferenzierte Anwendung der Kostenaufschlagsmethode mit einem Standardgewinnaufschlag die im Ausland erhöhten Gewinne aufgrund von Standortvorteilen abschöpft und der deutschen Besteuerung unterwirft.3 Aus diesen Überlegungen rechtfertigt sich im Übrigen auch die sog. fiktive Steueranrechnung, die bei Zugeständnissen solcher Art an inländische Steuerpflichtige zum Tragen kommt und in einer Reihe deutscher DBA verankert ist.4 Aufgrund dieser Sachlage sind nach h.M. in der Literatur die durch die niedrigeren Kosten im Ausland resultierenden Standortvor1 So BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.10.2 Buchst. a. 2 So z.B. auch Dreßler in Schaumburg/Piltz, Steuerfolgen von Produktion und Vertrieb im Ausland, Podiumsdiskussion, 98. 3 Vgl. auch Kroppen in Kroppen, Handbuch internationale Verrechnungspreise, Rz. D 59. 4 Vgl. hierzu Übersicht bei Vogel in V/L5, Art. 23B OECD-MA Rz. 191.
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teile zwischen Auftraggeber und Lohnfertiger aufzuteilen.1 Selbst Vertreter der Finanzverwaltung sehen eine Aufteilung als erforderlich an. So formulieren Kuckhoff/Schreiber, dass durch eine undifferenzierte Anwendung der Kostenaufschlagsmethode „die Standortvorteile über den Verrechnungspreis seitens der inländischen Muttergesellschaft oder des inländischen Abnehmers nahezu völlig abgeschöpft [würden; d. Verf.], was betriebswirtschaftlich und damit auch steuerlich nicht zu rechtfertigen ist.“2 Nach der Literaturauffassung ist es daher unstreitig, dass Standortvorteile zwischen Auftraggeber und Lohnfertiger grundsätzlich aufzuteilen sind. Fraglich ist allerdings, nach welchen Grundsätzen diese Aufteilung zu erfolgen hat. Die Aufteilung von Standortvorteilen zwischen Auftraggeber und Lohnfertiger geht nicht auf einen tatsächlichen Fremdvergleich, sondern auf einen hypothetischen Fremdvergleich zurück. Mittels der Referenzfigur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters sowohl aufseiten des Lohnfertigers als auch aufseiten des Auftraggebers („doppelter ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter“, Rz. 3.143 ff.) ist eine am Fremdvergleich orientierte Aufteilung abzuleiten. Methodisch sind hierzu – entsprechend § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG – der Mindestpreis des Lohnfertigers (Preisuntergrenze) und der Höchstpreis des Auftraggebers (Preisobergrenze) zu bestimmen.3 Hierbei bezieht sich die Preisobergrenze des Auftraggebers auf die Handlungsalternative Eigenfertigung und umfasst die dementsprechenden Kosten. Die Preisuntergrenze des Lohnfertigers markieren die Kosten des jeweiligen Auftrags zuzüglich eines Standardgewinnaufschlags. Da bei den hier zur Diskussion stehenden Auslagerungen von Produktionsaufgaben die Preisobergrenze üblicherweise die Preisuntergrenze überschreitet, liegt ein Einigungsbereich vor. Grundsätzlich dürften alle Preise innerhalb dieses Einigungsbereiches als angemessen anzusehen sein, da jeder dieser Preise auch zwischen fremden Dritten vereinbart werden könnte. Gleichwohl regelt § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG für die Aufteilung des Einigungsbereichs, dass „der Preis im Einigungsbereich der Einkünfteermittlung zugrunde zu legen [ist; d. Verf.], der dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der höchsten Wahrscheinlichkeit entspricht; wird kein anderer Wert glaubhaft gemacht, ist der Mittelwert des Einigungsbereichs zugrunde zu legen.“ Insofern verbleibt angesichts der Unmöglichkeit, die Aufteilung von Standortfaktoren mittels Wahr-
1 Vgl. Baumhoff/Greinert, IStR 2006, 791; Schreiber in Oestreicher, Internationale Verrechnungspreise, 319; Wassermeyer, StbJb 1997/98, 163; Rödder, StbJb 1997/98, 122; Kroppen in Kroppen, Handbuch internationale Verrechnungspreise, Rz. W 59; Bodenmüller, Steuerplanung bei Funktionsverlagerungen ins Ausland, 363; Eisele, Grenzüberschreitende Funktionsverlagerung, 363; Dreßler in Schaumburg/Piltz, Steuerfolgen von Produktion und Vertrieb im Ausland, Podiumsdiskussion, 98. 2 Kuckhoff/Schreiber, Verrechnungspreise in der Betriebsprüfung, Rz. 217; vgl. auch Schreiber in Oestreicher, Internationale Verrechnungspreise, 319. 3 Vgl. hierzu Baumhoff/Greinert, IStR 2006, 791.
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scheinlichkeiten – verstanden als Häufung einer (beobachtbaren) Ausprägung – zu bewerkstelligen, praktisch nur die gesetzliche Vermutung der hälftigen Aufteilung des Einigungsbereichs (Rz. 3.162 ff.). Betriebswirtschaftlich entspricht dieser rein pragmatische Ansatz der Arbitriumwertlösung1. Dieses Ergebnis wird durch das rechtskräftige Urteil des FG Münster bestätigt, das bei einer hälftigen Teilung des Kostenvorteils keinen Verstoß gegen den Fremdvergleichsgrundsatz gesehen hat.2 Allerdings wendet die Finanzverwaltung dieses Urteil nicht allgemein an.3 Nach Zech entspricht es vielmehr der Auffassung der Finanzverwaltung, dass der Standortvorteil vollständig im Inland vereinnahmt wird.4 Diese Auffassung dürfte allerdings angesichts der Qualifikation der Funktionsabspaltung auf einen Lohnfertiger als Funktionsverlagerung nicht mehr begründbar sein (Rz. 3.372 ff.).5 Die VWG Funktionsverlagerung äußern sich zwar wiederholt zu Standortvorteilen,6 bleiben allerdings im Hinblick auf ihre Aufteilung letztlich unbestimmt. Nach Tz. 93 der VWG Funktionsverlagerung soll es für die Zurechnung von Standortvorteilen darauf ankommen, „welches Unternehmen diese Vorteile/Nachteile in den fiktiven Preisverhandlungen in Anspruch nehmen könnte bzw. tragen müsste“, was letztlich von den – sich aus objektiven Umständen – ergebenden „konkreten Handlungsalternativen“ und der „jeweiligen Verhandlungsstärke“ abhängen soll.7 Diese Überlegungen erinnern an die sog. Schiedsrichterlösung, die allerdings wegen ihrer Abhängigkeit von Einflussfaktoren, die zwischen nahe stehenden Unternehmen beliebig dem einen oder dem anderen Verhandlungspartner zugeordnet werden können, für die Aufteilung von Einigungsbereichen ungeeignet ist.8 Außerdem stehen diese Überlegungen im Widerspruch zur Fiktion der vollständigen Information und Markttransparenz nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG, die letztlich zu gleichen Verhandlungsstärken führen muss.
3.254 Im Gegensatz zum Lohnfertiger verfügt der Eigenproduzent über die volle Dispositionsbefugnis der Produktion und ist im Regelfall als „Entrepreneur“ respektive „Strategieträger“ in Bezug auf das entsprechende Produkt bzw. die entsprechende Produktgruppe anzusehen. Folglich gebührt
1 Vgl. Baumhoff in FS Wassermeyer, 351; Baumhoff/Greinert, IStR 2006, 792. 2 Vgl. FG Münster v. 16.3.2006 – 8 K 2348/02 E, EFG 2006, 1562; siehe hierzu ausführlich Baumhoff/Greinert, IStR 2006, 792 f. 3 Vgl. Rupp in Haufe Steueroffice Kanzlei-Edition, Haufe-Index 2061149, Tz. 2.4; Zech, IStR 2011, 134. 4 Vgl. Zech, IStR 2011, 133. 5 So zutreffend Zech, IStR 2011, 133 f. 6 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.2.3.3 Rz. 76, Tz. 2.3.2 Rz. 85, Tz. 2.3.2.2 Rz. 93, Tz. 2.7.3 Rz. 123, Tz. 2.7.6 Rz. 128, Tz. 3.3.1 Rz. 155, Tz. 3.4.3.2 Rz. 168. 7 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.3.2.2 Rz. 93, Tz. 2.7.3 Rz. 121 ff. 8 Vgl. Baumhoff in FS Wassermeyer, 351; Baumhoff/Greinert, IStR 2006, 792.
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ihm der konzerninterne Residualgewinn bzw. -verlust.1 Die „Befriedigung“ mit einem geringen, aber stabilen Standardgewinn – wie beim Lohnfertiger – scheidet deshalb aus. Vor diesem Hintergrund wird der Eigenproduzent bei voller Übernahme des Produzentenrisikos seine Produkte ggf. auch an fremde Dritte liefern, sodass hier der Vergleichsmaßstab mithilfe der Preisvergleichsmethode (Rz. 3.174 ff.) ermittelt werden kann (innerer Preisvergleich). Ferner ist auch ein äußerer Preisvergleich denkbar, wenn für die produzierten Güter Marktpreise existieren. Sind die Anwendungsvoraussetzungen der Preisvergleichsmethode nicht erfüllt, ist die Allokation des Residualgewinns bzw. -verlusts beim Eigenproduzenten retrograd über die angemessene Abgeltung der nicht als Strategieträger agierenden Konzerneinheiten sicherzustellen und in den Lieferpreisen abzubilden. Bei mehreren Strategieträgern kommt regelmäßig der hypothetische Fremdvergleich zum Tragen, der letztlich eine Aufteilung des Residualgewinns („profit split“) darstellt. Liefert das ausländische Produktionsunternehmen dagegen an verbunde- 3.255 ne Vertriebsgesellschaften, welche die Produkte am externen Markt vertreiben, bietet sich zur Ermittlung des Verrechnungspreises die Wiederverkaufspreismethode2 (Rz. 3.179 ff.) oder die TNMM (Rz. 3.229 ff.) an. Agiert der Eigenproduzent als „Entrepreneur“ bzw. „Strategieträger“, hat die Bruttomarge des Vertreibers die Vertriebskosten zuzüglich eines das Funktions- und Risikoprofil des Vertreibers reflektierenden Gewinnaufschlags (Nettomarge) abzudecken.3 Werden dem Eigenproduzenten für dessen Produktion von einem anderen verbundenen Unternehmen materielle oder immaterielle Wirtschaftsgüter zur Nutzung überlassen, ist hierfür nach Maßgabe des Fremdvergleichs ein Kaufpreis (bei Kauf bzw. Übertragung) bzw. eine Lizenzgebühr oder Miete (bei Nutzungsüberlassung) zu verrechnen. Werden dem ausländischen Eigenproduzenten für dessen Produktion vom inländischen Abnehmer (z.B. der Muttergesellschaft) materielle oder immaterielle Wirtschaftsgüter zur Verfügung gestellt, ist hierfür nach Maßgabe des Fremdvergleichs ein Kaufpreis (bei Übertragung) bzw. eine Lizenzgebühr oder Miete (bei Nutzungsüberlassung) an das inländische Unternehmen zu vergüten (Rz. 3.249).4
1 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.10.2 Buchst. b. 2 Nach der Rspr. ist bei Vertriebsgesellschaften „regelmäßig“ die Wiederverkaufspreismethode anzuwenden, vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, IStR 2001, 745. 3 Vgl. Baumhoff in Baumhoff/Schönfeld, Grenzüberschreitende Verlustverrechnung, 138 f. 4 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 4.2 Rz. 210 ff.
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3. Lieferungen an Vertriebsgesellschaften a) Funktionsanalyse im Rahmen des Vertriebs
3.256 Für die Wahrnehmung von Vertriebsfunktionen kommen grundsätzlich die folgenden Vertriebsformen in Betracht1: – Eigenhändler (Vertrieb im eigenen Namen und auf eigene Rechnung), – Kommissionär (Vertrieb im eigenen Namen und auf fremde Rechnung), – Handelsvertreter (Tätigkeit im fremden Namen und auf fremde Rechnung).
3.257 Der Eigenhändler übt die volle Vertriebsfunktion aus (sog. Fully-FledgedDistributor). Er erwirbt von der konzerninternen Produktionsgesellschaft bzw. von externen Lieferanten das Eigentum an der Ware und verkauft diese im eigenen Namen und auf eigene Rechnung an seine Kunden. Damit trägt er sowohl die Lager- als auch die Absatzrisiken des Vertriebs. Er verfügt ferner über weitgehende Dispositionsbefugnisse hinsichtlich der Ausgestaltung seiner Vertriebspolitik. Diese betreffen bspw. die Bestimmung der Preispolitik, die Auswahl von lokalen Vertriebspartnern sowie die Durchführung eigener Werbekampagnen bzw. eigener Marktforschung. Die durch den Eigenhändler übernommenen Risiken korrespondieren i.d.R. mit den durch ihn ausgeübten Funktionen.2 So ist davon auszugehen, dass er neben den Vorrats-, Gewährleistungs- und Auslastungsrisiken des Vertriebs auch das Inkassorisiko sowie das Risiko fehlgeschlagener Geschäftsstrategien zu verantworten hat. Dagegen kann das Währungsrisiko – je nach Ausgestaltung des konzerninternen Vertriebsvertrages – sowohl durch die Vertriebs- als auch Produktionsgesellschaft getragen werden. Ein wesentliches Risiko des Eigenhändlers ist dabei das Risiko zurückgehender Umsätze, die bei gleichbleibenden Fixkosten zu Verlusten führen können.
3.258 Neben dem vorstehend dargestellten Fully-Fledged-Distributor existiert mit dem Low-Risk-Distributor ein weiteres Eigenhändlermodell. Diese Variante des Eigenhändlermodells unterscheidet sich hinsichtlich des Umfangs der vom Eigenhändler übernommen Funktionen und Risiken, wobei der Funktions- und Risikoumfang des Low-Risk-Distributors wesentlich geringer ist, als der des Fully-Fledged-Distributors3. Der LowRisk-Distributor ist dadurch gekennzeichnet, dass er nur geringe vertriebstypische Funktionen ausübt (neben der Akquisition und Auftragsbearbeitung erfolgt z.B. keine Lagerhaltung, keine Warenverteilung, kein 1 Vgl. Prinz, FR 1997, 519; Baumhoff/Bodenmüller in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 560 f.; Eisele, Grenzüberschreitende Funktionsverlagerung, 49 ff.; Ditz in Beck’sches Handbuch der AG2, 1407. 2 Siehe zu dieser Implikation auch Tz. 1.47 OECD-Leitlinien 2010. 3 Vgl. US Transfer Pricing Guidelines, Rz. 2530.20; Baumhoff/Bodenmüller in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 560; Fiehler, IStR 2007, 465 f.
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Kundendienst, keine Marktforschung und kein Marketing; ferner fehlt die Entscheidungskompetenz hinsichtlich der Preispolitik) und folglich auch über keine wesentlichen unternehmerischen Risiken verfügt. Darüber hinaus ist er in aller Regel nicht Eigentümer des Kundenstamms und folglich als sog. Routineunternehmen einzustufen1. Im Gegensatz zum Eigenhändler wird der Kommissionär2 nach dem ge- 3.259 setzlichen Grundmodell des § 383 HGB kein Eigentümer der Kommissionsgüter.3 Vom Eigenhändler unterscheidet sich der Kommissionär infolgedessen in seinem reduzierten Funktionsumfang. Dieser resultiert insbesondere daraus, dass der Kommissionär zwar nach außen im eigenen Namen auftritt, im Innenverhältnis jedoch auf Rechnung des Prinzipals tätig wird. Vor diesem Hintergrund beschränkt sich der Funktionsumfang des Kommissionärs auf die Akquisition der Kunden, die Auftragsbearbeitung sowie ggf. auf die Durchführung des Kundendienstes, der regionalen Werbung und des Inkassos. Letztlich trägt er damit im Vergleich zum Eigenhändler in der Ausprägung des Fully-Fledged-Distributors ein geringeres Vertriebsrisiko, sodass ihm ein entsprechend geringerer Vertriebsgewinn zusteht. Als Handelsvertreter ist nach seiner handelsrechtlichen Definition derjenige anzusehen, der als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen.4 Er agiert somit sowohl im fremden Namen als auch auf fremde Rechnung. Im Ergebnis erbringt der Handelsvertreter demnach lediglich eine Vermittlungsleistung und wird nicht Vertragspartei des zwischen seinem Prinzipal und dem Endkunden zustande kommenden Vertrags. Im Rahmen der Ausübung der Vertriebsfunktion ist somit der Handelsvertreter die funktionsschwächste und risikoärmste Alternative, da er neben der Akquisition von Kunden und der Auftragsbearbeitung i.d.R. keine zusätzlichen Funktionen ausübt.
3.260
Das jeweilige Funktions- und Risikoprofil des Vertriebsunternehmens nach dem jeweiligen Vertriebsmodell lässt sich wie folgt tabellarisch zusammenfassen:5
3.261
1 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.10.2 Buchst. a; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2005, 1552 f.; Baumhoff/Bodenmüller in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 562. 2 Zur Funktionsabschmelzung von seinem Eigenhändler auf einen Kommissionär vgl. Kroppen, IWB Fach 3 Gruppe 2, 745 ff.; Faix/Wangler, IStR 2001, 65; Borstell, StbJb 2001/2002, 227 ff.; Baumhoff in Piltz/Schaumburg, Internationale Einkünfteabgrenzung, 101 f.; Ditz in Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, 163 ff. 3 Vgl. Wassermeyer in FS Schaumburg, 973. 4 Vgl. § 84 Abs. 1 HGB. 5 Vgl. Baumhoff/Bodenmüller in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 560 f.; siehe auch Übersicht bei Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Verf. Anm. 174.
Baumhoff
541
Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen FullyFledgedDistributor
Low-RiskDistributor
Kommissionär
Handelsvertreter
Akquisition
+
+
+
+
Auftragsbearbeitung
+
+
+
+
Lagerhaltung
+
+/-
-
-
Warenverteilung
+
+/-
-
-
Preispolitik
+
+/-
-
-
Kundendienst
+
+/-
+/-
+/-
Inkasso
+
+
+/-
-
Marktforschung
+
-
-
-
Marketing
+
-
-
-
Werbung
+
+/-
+
+
Auswahl von lokalen Vertriebspartnern
+
-
-
-
Vorratsrisiko
+
-
-
-
Gewährleistungsrisiko
+
-
-
-
Kreditrisiko
+
+/-
+/-
-
Wechselkursrisiko
+/-
+/-
-
-
Auslastungsrisiko
+
+/-
+
+
Risiko fehlgeschlagener Geschäftsstrategien (z.B. Markteroberung)
+
-
-
-
b) Verrechnungspreisermittlung
3.262 Der Eigenhändler erwirbt Eigentum an den von ihm vertriebenen Produkten. Sein (Roh-)Gewinn ermittelt sich somit als Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis der vertriebenen Produkte. Der Verrechnungspreis wird im Falle des Eigenhändlermodells nach der Preisvergleichsmethode unter Berücksichtigung der Handelsstufe, nach der Wiederverkaufspreismethode oder nach der TNMM ermittelt. Die Höhe der angemessenen EBIT-Marge des Eigenhändlers ist dabei vom Umfang der von ihm übernommenen Funktionen und Risiken sowie von weiteren Faktoren (z.B. Existenz von Hersteller- oder Handelsmarken, Marktverhältnisse im lokalen Markt, Kostensituation der Vertriebsgesellschaft, Vertriebsbedingungen) abhängig. Das jeweilige Funktions- und Risikoprofil (Fully-Fledged-Distributor versus Low-Risk-Distributor) determiniert die Gewinnteilhabe. Dementsprechend gebührt dem Low-Risk-Distribu-
542
Baumhoff
D. Ausgewählte Lieferungs- und Leistungsbeziehungen
tor eine an seinem eingeschränkten Funktions- und Risikoprofil ausgerichtete, geringere Nettomarge. Nach dem in § 1 Abs. 3 AStG verankerten Stufenverhältnis kommt der tatsächliche Fremdvergleich vorrangig zum Tragen. Folglich hat die Preisvergleichsmethode Vorrang vor jeder anderen Methode, da sie als einzige Methode auf marktentstandene, d.h. direkt am Markt beobachtbare Preise für uneingeschränkt, jedenfalls aber eingeschränkt vergleichbare Referenztransaktionen abstellt und damit auf dem tatsächlichen Fremdvergleich basiert. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH. Die Begründung des BFH-Urteils vom 6.4.20051 verdeutlicht, dass der BFH im Rahmen der Ermittlung von Verrechnungspreisen für Lieferungen an Vertriebsgesellschaften der Preisvergleichsmethode einen gewissen Vorrang einräumen möchte. Allerdings fordert er, dass die Preise „auf zumindest im Wesentlichen identischen Leistungsbeziehungen beruhen“2 und erhebt die Ertragssituation der Vertriebsgesellschaft zum Vergleichskriterium. Angesichts regelmäßig fehlender Kenntnis über die Ertrags- und Renditesituationen zu vergleichender Vertriebsgesellschaften ist die Anwendbarkeit der Preisvergleichsmethode im vorliegenden Fall nur sehr eingeschränkt gegeben.3 Fehlt es im Regelfall deshalb an jedenfalls eingeschränkt vergleichbaren Werten, sind nach der Rechtsprechung des BFH4 Verrechnungspreise gegenüber Vertriebsgesellschaften regelmäßig nach der Wiederverkaufspreismethode zu ermitteln. Dabei ist die Handelsspanne idealerweise durch einen tatsächlichen Fremdvergleich zu bestimmen, wobei man sich auf einen externen Fremdvergleich oder eine Datenbankanalyse stützen könnte. Zu berücksichtigen ist, dass die Handelsspanne zwei Komponenten enthält. Einerseits hat der Vertreiber durch die ihm eingeräumte Handelsspanne seine Aufwendungen für den Vertrieb des Produktes (einschließlich der Verwaltungskosten) zu decken. Andererseits enthält sie ein Gewinnelement, welches es dem Vertriebsunternehmen ermöglicht, einen seinem Funktions- und Risikoprofil entsprechenden Gewinn zu erwirtschaften („Nettomarge“). Qualifiziert der Eigenhändler in Gestalt des Fully-Fledged-Distributors als „Entrepreneur“ bzw. „Strategieträger“, weil er über die wesentlichen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter (Kundenstamm, Marken, Vertriebsnetz, Außendienst etc.) verfügt, die erfolgskritischen Funktionen ausübt und die wesentli-
1 Vgl. BFH v. 6.4.2005 – I R 22/04, BStBl. II 2007, 658; Baumhoff/Ditz/Greinert, IStR 2005, 592. 2 BFH v. 6.4.2005 – I R 22/04, BStBl. II 2007, 658. 3 Vgl. hierzu ausführlich Baumhoff/Ditz/Greinert, IStR 2005, 592. 4 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171.Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171, dazu Baumhoff, IStR 2001, 751 ff.; Kuckhoff/ Schreiber, IWB Fach 3 Gruppe 1, 863 ff.; Kaminski/Strunk, IWB Fach 3 Gruppe 1, 1831 ff.; Kroppen/Rasch/Roeder, IWB Fach 3 Gruppe 1, 1787; Wassermeyer, DB 2001, 2465 ff.; Wassermeyer, WPg 2001, 13 ff.; Wehnert/Stalberg, IStR 2002, 141 ff.
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3.263
Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
chen Risiken trägt, gebührt ihm der Residualgewinn oder -verlust.1 Er hat deshalb keinen Anspruch auf eine sichere Vertreibermarge. Vielmehr hat er die übrigen konzernverbundenen Unternehmen, die ihm gegenüber Lieferungen und Leistungen erbringen und als sog. Routine- oder Mischunternehmen agieren, mittels der Kostenaufschlagsmethode jedenfalls „verlustfrei“ zu halten.2 Da die Kostenaufschlagsmethode wie die TNMM gleichermaßen bewirken, dass dem Vertriebsunternehmen ein geringer, aber stabiler Gewinn zugeordnet wird, kommt sie auf als FullyFledged-Distributor ausgestaltete Vertriebsunternehmen, die als Strategieträger qualifizieren, nicht zum Tragen.
3.264 Ist der Fully-Fledged-Distributor hingegen als Mittelunterunternehmen zu klassifizieren, ist die Anwendung der Kostenaufschlagsmethode denkbar, wenn die Wiederverkaufspreismethode aus praktischen Gründen nicht anwendbar ist. Dies ist etwa dann gegeben, wenn – wie in den Branchen der Medizintechnik und der Pharmaindustrie üblich – identische Produkte über verschiedene Vertriebskanäle zu deutlich auseinanderliegenden Preisen verkauft werden.3 Demgegenüber ist nach Auffassung der Finanzverwaltung die TNMM auf Mittelunternehmen nicht anwendbar.4 Allerdings sind nach Auffassung der Finanzverwaltung bei Mittelunternehmen – soweit die Preisvergleichsmethode keine Anwendung finden kann – die Verrechnungspreise aufgrund von „Planrechnungen“ zu ermitteln.5 Dies soll dergestalt erfolgen, dass die Gewinnkomponente von Verrechnungspreisen u.a. auf Basis von „Renditeziffern funktional (zumindest eingeschränkt) vergleichbarer Unternehmen in dem betreffenden Geschäftsbereich“6 bestimmt werden. Dies läuft de facto jedoch auf die geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode hinaus.7
3.265 Für ein als Low-Risk-Distributor ausgestaltetes Vertriebsunternehmen kommen zwar – entsprechend dem Stufenverhältnis in § 1 Abs. 3 Sätze 3 bis 4 AStG – grundsätzlich der tatsächliche Fremdvergleich und damit die Preisvergleichsmethode vorrangig zur Anwendung. Allerdings fehlt es i.d.R. an den Anwendungsvoraussetzungen (Rz. 3.262). Der Low-RiskDistributor trägt keine bzw. allenfalls geringe unternehmerische Risiken (z.B. hinsichtlich der Marktentwicklung, Bestandsrisiken und Forderungsausfälle) und übt einfache, kommissionärsähnliche Vertriebsfunktionen aus. Angesichts dieses beschränkten Funktions- und Risikoprofils 1 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.10.2 Buchst. b. 2 Vgl. Baumhoff in FS Krawitz, 35. 3 Vgl. hierzu etwa das Beispiel bei Bauer, DB 2008, 157. 4 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.10.3 Buchst. b. 5 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.10.2 Buchst. c. 6 BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.12.6 Buchst. b Abs. 4 1. Spiegelstrich. 7 Siehe hierzu auch Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2005, 1553.
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D. Ausgewählte Lieferungs- und Leistungsbeziehungen
sind derart organisierte Vertriebsunternehmen als Routineunternehmen zu klassifizieren. Für diese lässt die Finanzverwaltung die Anwendung der TNMM ausdrücklich zu.1 Sie fordert allerdings den Nachweis der zumindest eingeschränkten Vergleichbarkeit der Vergleichsunternehmen und Anpassungsrechnungen im Falle besonderer, tatsächlich entstandener Gewinne oder Verluste des Vertriebsunternehmens, die in den Renditekennziffern der Vergleichsunternehmen keine Entsprechung finden. Durch Anwendung der TNMM wird dem Vertriebsunternehmen eine geringe, aber relativ stabile Nettomarge zugeordnet. Allerdings gilt dies nur im Normalfall. In Zeiten eines konjunkturellen Abschwungs kann die Nettomarge herabgesetzt oder auf sie gänzlich verzichtet werden, wenn dem gesamten Unternehmen oder der gesamten Branche keine Gewinnerzielung mehr möglich ist; ein Verlustausweis sollte allerdings vermieden werden.2 In der Verrechnungspreispraxis stellt die TNMM bei Lieferungen an Vertriebsgesellschaften, die als Low-Risk-Distributor agieren, die Regelmethode dar. Der Kommissionär erwirbt im Gegensatz zum Eigenhändler kein Eigentum an den von ihm vertriebenen Produkten. Er erbringt an den Kommittenten eine Vermittlungsdienstleistung. Im Hinblick auf die Vergütung dieser Dienstleistung ist sowohl eine kosten- als auch eine umsatzabhängige Kommission denkbar.3 Die vorrangige Ermittlung einer umsatzabhängigen Kommission geht auf die Anwendung der Preisvergleichsmethode zurück und steht somit im Einklang mit dem in § 1 Abs. 3 AStG verankerten Stufenverhältnis der anzuwendenden Verrechnungspreismethoden, nach dem bei der Ermittlung von Fremdvergleichspreisen zunächst auf den tatsächlichen Fremdvergleich abzustellen und erst dann auf den hypothetischen Fremdvergleich überzugehen ist, wenn keine uneingeschränkt oder eingeschränkt vergleichbaren Werte festgestellt werden können. Hierbei sind branchenabhängig die zwischen fremden Dritten vereinbarten – und somit marktentstandenen – Kommissionärsprovisionen als Vergleichsmaßstab heranzuziehen. Zwar existieren keine allgemeingültigen Provisionssätze. In vielen Fällen erhält der Kommissionär allerdings eine Provision zwischen 3 % und 7 % vom Umsatz, wenn daneben kein Kostenersatz vereinbart wird. Bei einem zusätzlichen Kostenersatz kommt häufig eine Provisionsbandbreite zwischen 0,5 % und 5 % zur Anwendung. Da die Ermittlung angemessener Kommissionärsprovisionen in der Verrechnungspreispraxis – mangels Vergleichstransaktionen – auf Basis der Preisvergleichsmethode oftmals nicht möglich ist, kommt zur Ermittlung der Kommissionärsprovision häufig die Kostenaufschlagsmethode zur Anwendung. Dies ist insofern sachgerecht, als 1 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.10.3 Buchst. b. 2 Vgl. Baumhoff in FS Krawitz, 35; Baumhoff in Baumhoff/Schönfeld, Grenzüberschreitende Verlustverrechnung, 144. 3 Vgl. Kuckhoff/Schreiber, Verrechnungspreise in der Betriebsprüfung, 87 f.; Isensee, IStR 2001, 695 f.
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3.266
Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
es sich bei der Kostenaufschlagsmethode um die Regelmethode zur Ermittlung von Verrechnungspreisen für Dienstleistungen handelt und der Kommissionär eine vertriebsbezogene Dienstleistung erbringt. Ferner legitimiert das Fehlen jedenfalls eingeschränkt vergleichbarer Vergleichswerte den Übergang zum hypothetischen Fremdvergleich, innerhalb dessen die Kostenaufschlagsmethode anzusiedeln ist (Rz. 3.173). Die Anwendung der Kostenaufschlagsmethode steht in Einklang mit der Auffassung der Finanzverwaltung.1 Da der Kommissionär lediglich eine Routinefunktion ausübt, wird in der Verrechnungspreispraxis in Kommissionärsfällen i.d.R. ein Gewinnaufschlag i.H.v. 5 % bis 10 % angewandt.
3.267 Ebenso wie der Kommissionär erwirbt der Handelsvertreter kein Eigentum an den durch ihn vertriebenen Produkten. Vielmehr erbringt er eine Vermittlungsdienstleistung, indem er die Produkte des Prinzipals in dessen Namen und auf dessen Rechnung vertreibt. Das beschränkte Funktions- und Risikoprofil des Handelsvertreters qualifiziert ihn als Routineunternehmen. Mangels am Markt ermittelbarer branchenspezifischer Handelsvertreterprovisionen scheidet die Ermittlung umsatzabhängiger Handelsvertreterprovisionen mittels der Preisvergleichsmethode in der Verrechnungspreispraxis regelmäßig aus. Da es an Vergleichswerten fehlt, die jedenfalls eingeschränkt vergleichbar sind, wird i.d.R. – und im Einklang mit § 1 Abs. 3 AStG – auf den hypothetischen Fremdvergleich überzugehen sein. Dieser wird vorliegend durch die Kostenaufschlagsmethode ausgefüllt, über die dem Handelsvertreter ein weitgehend risikoloser Gewinn zugeordnet wird. Dieser ist aufgrund des geringen Umfangs der vom Handelsvertreter übernommenen Funktionen und Risiken im Vergleich zur Handelsspanne des Eigenhändlers und zur Kommission des Kommissionärs am geringsten.
II. Finanzierungsleistungen 1. Verrechnung dem Grunde nach
3.268 Bevor die Angemessenheit des Verrechnungspreises einer Finanzierungsleistung der Höhe nach geprüft wird, ist zunächst zu untersuchen, ob überhaupt eine dem Grunde nach verrechenbare, schuldrechtliche Leistungsbeziehung zwischen den international verbundenen Unternehmen vorliegt oder ob die Finanzierungsleistung vielmehr der gesellschaftsrechtlichen Ebene zuzuordnen und somit zwischen den Konzerngesellschaften nicht verrechenbar ist. In diesem Zusammenhang hat der BFH in seinem sog. „Patronatsurteil“ vom 29.11.2000 entschieden, dass zu einer gesellschaftsrechtlich veranlassten Finanzierung nicht nur die Ausstattung der Tochtergesellschaft 1 Vgl. BR-Drucks. 352/08 v. 23.5.2008, 16; BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.2.2.1 Rz. 66.
546
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D. Ausgewählte Lieferungs- und Leistungsbeziehungen
mit Eigenkapital, sondern auch die Übernahme von Verpflichtungen zugunsten der Tochtergesellschaft gehört, die die Gewährung von Eigenkapital ersetzen.1 Hierzu zählen nach Auffassung des BFH insbesondere Maßnahmen einer Muttergesellschaft, die ihre Tochtergesellschaft erst kreditwürdig machen (z.B. Übernahme von Garantien zugunsten der Tochtergesellschaft) und damit erst ermöglichen, dass diese die ihr zugedachten wirtschaftlichen Funktionen ausüben und erfüllen kann. Derartigen Leistungen der Muttergesellschaft seien der gesellschaftsrechtlichen Ebene zuzuordnen und daher – im Gegensatz zur Gewährung von Krediten an eine bereits kreditwürdige Konzerngesellschaft – zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft dem Grunde nach nicht verrechenbar.2 Im Anwendungsbereich von § 1 AStG macht es keinen Unterschied, ob die Tochtergesellschaft eine für ihr Funktions- und Risikoprofil hinreichende Kapitalausstattung erhält oder ob der Gesellschafter sie mit einem nur unzureichenden Eigenkapital ausstattet und zum Ausgleich dafür die Geschäftstätigkeit der Tochterkapitalgesellschaft mit unentgeltlichen Stützungsmaßnahmen ermöglicht.3 Der BFH hat mit Urteil vom 27.8.20084 diese Rechtsprechungsgrundsätze auch für § 1 Abs. 4 AStG a.F. bestätigt. Mit Urteil vom 23.6.20105 hat der BFH schließlich diese Rechtsprechungsgrundsätze weitergehend konkretisiert. Hiernach schließen nicht jedwede unverzinslichen Gesellschafterdarlehen eine Geschäftsbeziehung i.S.v. § 1 Abs. 4 AStG a.F. aus. Sie sind vielmehr nur dann nicht Gegenstand einer Geschäftsbeziehung, wenn sie – nach dem maßgeblichen Gesellschaftsstatut der darlehensnehmenden Gesellschaft als Zuführung von Eigenkapital anzusehen sind6 oder – der Zuführung von Eigenkapital in einer Weise nahestehen, die eine steuerrechtliche Gleichbehandlung mit jener gebietet7 oder – aus anderen Gründen auch im Verhältnis zwischen fremden Dritten unverzinslich gewährt worden wären. Entscheidend sind hier insbesondere die Voraussetzungen dafür, dass die Darlehensgewährung wirtschaftlich einer Eigenkapitalzuführung entspricht und deshalb steuerlich gleich zu behandeln ist. Der BFH verlangt hier insbesondere, dass die Darlehensgewährung eine unzureichende Kapitalausstattung der darlehensnehmenden Kapitalgesellschaft ausgleicht und eine notwendige Bedingung dafür ist, dass diese Gesellschaft die ihr zugewiesene wirtschaftliche Funktion überhaupt erfüllen kann.8 Dies er1 2 3 4 5 6 7 8
Vgl. BFH v. 29.11.2000 – I R 85/99, BStBl. II 2002, 720. Vgl. auch Wassermeyer, IStR 2001, 636. Vgl. hierzu auch Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 763. Vgl. BFH v. 27.8.2008 – I R 28/07, BFH/NV 2008, 123. Vgl. BFH v. 23.6.2010 – I R 37/09, DStR 2010, 1883. Vgl. auch BFH v. 30.5.1990 – I R 97/88, BStBl. II 1990, 875. Vgl. hierzu BFH v. 27.8.2008 – I R 28/07, BFH/NV 2008, 123. Vgl. hierzu BFH v. 29.11.2000 – I R 85/99, BStBl. II 2002, 720; v. 29.4.2009, – I R 26/08, BFH/NV 2009, 1648.
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3.269
Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
fordere unter dem Gesichtspunkt der „funktionsgerechten Kapitalausstattung“, dass die darlehensnehmende Gesellschaft so offensichtlich unterkapitalisiert ist, dass sich die Darlehensgewährung von vornherein einem Fremdvergleich entzieht. Fraglich ist, nach welchen Kriterien die „Funktionsgerechtigkeit“ der Kapitalausstattung zu beurteilen ist. Der einschlägigen Rechtsprechung des BFH1 zur „funktionsgerechten Kapitalausstattung“ lagen vornehmlich Fälle zugrunde, in denen die Tochtergesellschaft bzw. Enkelgesellschaft bereits mit ihrer Errichtung nicht mit einer Dotation versehen wurde, die zur Erfüllung der ihr zugewiesenen Funktion ausgereicht hätte. Aus ihr lassen sich folgende Schlussfolgerungen ableiten: – Ob die ausländische Tochtergesellschaft offensichtlich unterkapitalisiert bzw. ihre Kapitalausstattung unzureichend ist, bestimmt sich nach dem Kapitalbedarf, der zur Erfüllung der ihr zugewiesenen Funktion erforderlich ist. – Es kommt nicht darauf an, ob die Eigenkapitalausstattung bereits bei Errichtung unzureichend war oder erst im Laufe des Bestehens für die Erfüllung der zugewiesenen Funktion nicht mehr ausreicht.2 – Die Stützungsmaßnahme muss darauf gerichtet und geeignet sein, eine „funktionsgerechte Kapitalausstattung“ zu ersetzen oder herbeizuführen. – Ohne die kapitalersetzende Stützungsmaßnahme hätte die Funktion der Tochtergesellschaft nicht erfüllt werden können. Vor diesem Hintergrund können allgemeingültige Relationen etwa zwischen der Eigenkapitalausstattung der Tochtergesellschaft und dem zugeführten Fremdkapital nicht bestehen. Es ist jeweils für den konkreten Einzelfall zu bestimmen, ob ein auf die Funktionsausübung zurückgehender Kapitalbedarf in einem so offenkundigen Missverhältnis zu ihrer Eigenkapitalausstattung der Tochtergesellschaft steht, dass erst mittels der Stützungsmaßnahme durch die Muttergesellschaft die zur Erfüllung der ihr zugewiesenen Funktion erforderliche Kapitalausstattung herbeigeführt werden kann.
3.270 Den ursprünglichen Nichtanwendungserlass3 gegen das „Patronatsurteil“ hat die Finanzverwaltung mit BMF-Schreiben vom 12.1.20104 aufgehoben. Ferner hat sie ihre Auffassung zu den Anforderungen an eine Geschäftsbeziehung i.S.v. § 1 Abs. 4 AStG a.F. konkretisiert. Hiernach sind die Rechtsprechungsgrundsätze „auf alle offenen Fälle anzuwenden, 1 Vgl. BFH v. 29.11.2000 – I R 85/99, BStBl. II 2002, 720; v. 27.8.2008 – I R 28/07, BFH/NV 2008, 123; v. 29.4.2009, – I R 26/08, BFH/NV 2009, 1648. Siehe ferner BFH v. 29.4.2009 – I R 26/08, n.v., BeckRS 2009, 25015330; FG Münster v. 24.8.2006 – 6-K-2655/03-E, rkr., EFG 2007, 92; FG München v. 17.7.2009 – 2-K-2798/06, rkr., EFG 2010, 22. 2 Vgl. FG Münster v. 24.8.2006, 6-K-2655/03-E, rkr., EFG 2007, 92. 3 Vgl. BMF v. 17.10.2002 – IV B 4 - S 1341 - 14/02, BStBl. I 2002, 1025. 4 Vgl. BMF v. 12.1.2010 – IV B 5 - S 1341/07/100009, BStBl. I 2010, 34.
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D. Ausgewählte Lieferungs- und Leistungsbeziehungen
in denen eine inländische Konzernobergesellschaft ihrer ausländischen Tochtergesellschaft eigenkapitalersetzende Stützungsmaßnahmen gewährt, z.B. eine sog. harte Patronatserklärung.“ Zwar ist die generelle Anwendung auf diese Stützungsmaßnahmen gegenüber ausländischen Tochtergesellschaften – statt der Beschränkung auf ausländische Finanzierungsgesellschaften – folgerichtig. Angesichts der vom BFH1 vorgenommenen analogen Anwendung auch auf Enkelgesellschaften ist die unterbliebene Einbeziehung sämtlicher nachgeordneter Gesellschaften jedoch kritisch zu sehen.2 Für die gleich gelagerte Frage der Qualifikation zinsloser oder verbilligter Darlehensausreichung an die ausländische Tochtergesellschaft als Geschäftsbeziehung i.S.v. § 1 Abs. 4 AStG a.F. formuliert das BMF überdies zu enge und systematisch nicht überzeugende Anforderungen. Hiernach soll in diesen Fällen nur dann keine Geschäftsbeziehung anzunehmen sein, wenn „die Gewährung solcher Darlehen zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung führt, weil eine (verdeckte) Zuführung von Eigenkapital vorliegt.“ Einerseits implizieren diese Einschränkungen, dass die hier relevante Grenzziehung zwischen einer Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis und einer „Geschäftsbeziehung“ genau dort vorgenommen werden soll, wo eine (echte) – nach dem ausländischen Gesellschaftsstatut zu beurteilende – Zuführung von Eigenkapital gegeben ist, um letztlich – jedenfalls bei Auslandssachverhalten – lückenlos entweder die Rechtsfolgen des § 1 AStG oder aber diejenigen des § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG zum Tragen kommen zu lassen. Diese Intention mögen Erwägungen tragen, die die Finanzverwaltung – vor Etablierung von § 8b Abs. 3 Sätze 4 ff. KStG – im Hinblick auf Wertminderungen auf eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen nicht hat durchsetzen können. Denn die feinsinnige Unterscheidung zwischen einer Gleichsetzung mit Eigenkapital und einer steuerlichen Behandlung als Eigenkapital führt u.E. unter dem Tatbestand des § 1 Abs. 4 AStG a.F. zum Nichtvorliegen einer Geschäftsbeziehung,3 weil es sich vom wirtschaftlichen Gehalt her um einen Gesellschafterbeitrag handelt. Allerdings ist hier mit Wassermeyer zu konzedieren, dass der Fremdvergleich in diesen Fragen an Grenzen stößt.4 Zum Anwendungsbereich von § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG hatte der BFH entschieden, dass die Behandlung wie Eigenkapital steuerwirksamen Abschreibungen auf zinslose Darlehen nicht entgegensteht.5 Andererseits ist diese Einschränkung vor dem Hintergrund des BFH-Urteils vom 23.6.20106 (Rz. 3.269) nicht zu rechtfertigen. Denn als weitere 1 Vgl. BFH v. 29.4.2009 – I R 88/08, n.v. 2 Vgl. hierzu Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2010, 477. 3 Vgl. hierzu BFH v. 27.8.2008 – I R 28/07, BFH/NV 2009, 123; v. 29.4.2009 – I R 88/08, n.v.; v. 29.4.2009 – I R 26/08, BFH/NV 2009, 1648. 4 Vgl. Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 108. 5 Vgl. BFH v. 14.1.2009 – I R 52/08, BStBl. II 2009, 674; hierzu ausführlich Ditz/ Tcherveniachki, IStR 2009, 709 ff. m.w.N. 6 Vgl. BFH v. 23.6.2010 – I R 37/09, DStR 2010, 1883.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
Fallgruppe hat der BFH solche Fremdkapitalzuführungen identifiziert, die Eigenkapitalzuführungen in der Weise nahestehen, dass dies eine steuerliche Gleichbehandlung mit diesen gebietet. Insofern ist eine Darlehensgewährung, die eine unzureichende Kapitalausstattung der darlehensnehmenden Kapitalgesellschaft ausgleicht und eine notwendige Bedingung dafür ist, dass diese Gesellschaft die ihr zugewiesene wirtschaftliche Funktion überhaupt erfüllen kann, ebenfalls keine Geschäftsbeziehung. Nach der Rechtsprechung des BFH ist die Darlehensgewährung dann von vornherein einem Fremdvergleich entzogen, wenn die darlehensnehmende Gesellschaft unter dem Gesichtspunkt der „funktionsgerechten Kapitalausstattung“ offensichtlich unterkapitalisiert ist. Fraglich ist, ob die Finanzverwaltung diese Einschränkung mittlerweile aufgegeben hat. Im BMF-Schreiben vom 29.3.20111 heißt es in Tz. 33: „Für Veranlagungszeiträume vor 2003 (…) gilt, dass die Gewährung eigenkapitalersetzender zinsloser oder zinsgünstiger Darlehen durch eine inländische Konzernobergesellschaft an ihre ausländische Tochtergesellschaft keine Geschäftsbeziehung i.S. des § 1 Abs. 1 AStG darstellt.“
3.271 Nach der Neufassung des § 1 Abs. 4 AStG im Rahmen des Steuervergünstigungsabbaugesetzes 20032 (nunmehr § 1 Abs. 5 AStG) sind diese Grundsätze des „Patronatsurteils“ legislativ überholt. Eine Geschäftsbeziehung ist hiernach „jede den Einkünften zugrunde liegende schuldrechtliche Beziehung, die keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung ist.“ Ausweislich der Gesetzesbegründung qualifizieren verbindliche Kreditgarantien, zinslose und zinsgünstige Darlehen sowie die unentgeltliche oder teilentgeltliche Gewährung anderer Leistungen einer inländischen Mutter- an ihre ausländische Tochtergesellschaft als „Geschäftsbeziehungen“, und zwar unabhängig davon, ob sie fehlendes Eigenkapital der Tochtergesellschaft ersetzen oder die wirtschaftliche Betätigung dieser Gesellschaft stärken sollen.3 Eine Zinsverrechnung scheidet infolgedessen im Rahmen der Überlassung von Eigenkapital unzweifelhaft aus. Dagegen ist im Rahmen der schuldrechtlichen Überlassung von Kapital an eine ausländische Tochtergesellschaft nach § 1 Abs. 5 AStG die Verrechnung von Zinsen zwingend. Ferner sind eine Bürgschaft oder eine harte Patronatserklärung zugunsten einer ausländischen Tochtergesellschaft Geschäftsbeziehungen i.S.v. § 1 Abs. 5 AStG. Bei Letzterer verpflichtet sich die Muttergesellschaft gegenüber den Gläubigern der Tochtergesellschaft entweder, die Tochtergesellschaft finanziell so auszustatten, dass diese ihren Zahlungsverpflichtungen aus dem Kreditvertrag nachkommen kann, oder eine genau bestimmte Kapitalausstattung bei der Tochtergesellschaft aufrechtzuerhalten.4 Dem Grunde nach wäre die Verrechnung von Avalprovisionen 1 Vgl. BMF v. 29.3.2011 – IV B 5 - S 1341/09/10004, BStBl. I 2011, 277. 2 BGBl. I 2003, 660. 3 Vgl. BT-Drucks. 15/119 v. 2.12.2002, 53; vgl. hierzu auch Rödder/Schumacher, DStR 2003, 817. 4 Vgl. hierzu Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 766.1.
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deshalb zwingend. Allerdings ist die Verrechnungspflicht dem Grunde nach bei harten Patronatserklärungen und weiteren Stützungsmaßnahmen (z.B. Garantien) nicht zweifelsfrei. So wird mit Hinweis auf die beherrschende Gesellschafterstellung vorgebracht, die Muttergesellschaft verfüge über die rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten, das Ausfallrisiko dadurch zu minimieren, dass sie ihre Tochtergesellschaft zur Erfüllung ihrer Zahlungsverpflichtungen anhält.1 Insofern wird auf die Rechtsprechung des BFH zur vGA im Falle der fehlenden Darlehensbesicherung Bezug genommen.2 Hier hatte der BFH entschieden, dass der Fremdvergleich im Rahmen der vGA lediglich das „Wegdenken“ der Nahestehensbeziehung erfordere, den Fortbestand der übrigen Bedingungen hingegen nicht berühre,3 m.a.W. den tatsächlich verwirklichten Leistungsaustausch umzudeuten nicht geeignet ist. Was die generelle Verrechnung von Avalprovisionen anbelangt, ist jedoch zu berücksichtigen, dass sie sich nicht auf Stützungsmaßnahmen bezieht, die die Muttergesellschaft im eigenbetrieblichen Interesse gewährt.4 Dies ist etwa der Fall, wenn ein inländischer Produzent zugunsten seiner ausländischen Vertriebstochtergesellschaft Garantien gibt, um die Erschließung des ausländischen Absatzmarktes als (neuen) Vertriebskanal zu befördern. So geht auch die Finanzverwaltung zutreffend davon aus, dass bei einer Bürgschaftsvergabe im eigenbetrieblichen Interesse die Verrechnung einer Avalprovision ausscheidet.5 Ferner ist eine Entgeltpflicht für bestimmte Sicherungsinstrumente nicht gegeben, die ungeachtet ihres schuldrechtlichen Charakters nicht als Geschäftsbeziehung i.S.v. § 1 Abs. 5 AStG qualifizieren. Hierzu rechnen etwa weiche Patronatserklärungen,6 also Erklärungen, die nicht auf Zahlungen, sondern auf sonstige Handlungen des Gesellschafters gerichtet sind, etwa die Beibehaltung des Gesellschaftsverhältnisses, die Fortführung von Unternehmensverträgen oder die Beeinflussung der Tochtergesellschaft, ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen.7 Da sie letztlich keine Eventualverbindlichkeit des Sicherungsgebers begründen, scheidet eine Verrechenbarkeit dem Grunde nach aus.
3.272
Vor diesem Hintergrund ist auch die neuerdings von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung zu beurteilen, dass Teilwertabschreibungen auf eigenkapitalersetzende Darlehen für Veranlagungszeiträume vor 2008
3.273
1 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2010, 478 f. 2 Vgl. hierzu ausführlich Ditz/Tcherveniachki, IStR 2009, 712 f.; Ditz in Baumhoff/Schönfeld, Grenzüberschreitenden Verlustverrechnung, 83 ff. 3 Vgl. BFH v. 21.12.1994 – I R 65/94, BFHE 176, 571; v. 29.10.1997 – I R 24/97, BStBl. II 1998, 573. 4 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2010, 479; Ditz, IStR 2009, 421. 5 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 4.4.2. Nr. 2. 6 Vgl. Schnitger, IStR 2003, 76; Korn, KÖSDI 2003, 13729. 7 Vgl. IDW, RH HFA 1 013, Tz. 8 ff.; hierzu auch Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 766.1 f.
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(für spätere Veranlagungszeiträume gilt das Abzugsverbot gem. § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG i.d.F. des JStG 20081) nach § 1 AStG korrekturfähig seien.2 Hiermit setzt die Finanzverwaltung auf eine Argumentation auf, die erstmals vom FG Münster vertreten wurde.3 Nach der zur vGA ergangenen Rechtsprechung des BFH ist es mit dem Fremdvergleichsgrundsatz vereinbar, dass bei einer Darlehensgewährung im Konzern keine Sicherheiten vereinbart werden, weil die Konzernbeziehung („Rückhalt im Konzern“), für sich genommen, eine ausreichende Sicherheit darstellt.4 Insofern ist nach der Rechtsprechung des BFH bei Fehlen einer tatsächlichen Sicherheit der Zinssatz nicht anzupassen, sondern der Rückhalt im Konzern als fremdübliche Sicherheit anzuerkennen. Ferner hatte der BFH mit Urteil vom 14.1.20095 entschieden, dass – vor Einführung von § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG, d.h. für Veranlagungszeiträume bis 2008 – Teilwertabschreibungen auf eigenkapitalersetzende Darlehen keinem Abzugsverbot unterliegen, weil sie nicht als (beteiligungsbezogene) Gewinnminderungen i.S.v. § 8b Abs. 3 KStG a.F. qualifizieren. Zwar erstreckt sich die Referenz des Fremdvergleichs auf (alle) „Bedingungen“ und versteht die sich im Verrechnungspreis verkörpernden Entgeltbestandteile lediglich als eine Bedingung („insbesondere“). Überdies wirkt die fehlende Besicherung eines Darlehens grundsätzlich entgelterhöhend.6 § 1 AStG lässt gleichwohl eine Korrektur der Bedingungen jedenfalls insofern nicht zu, als sie im Ergebnis zur Negierung der Geschäftsbeziehung führt. Es dürfte dem Grundbestand der Verrechnungspreisdiskussion zugehören, dass bei der steuerlichen Beurteilung eines Geschäftsvorfalls von dem tatsächlich abgewickelten Geschäft auszugehen ist, wie es zwischen den verbundenen Geschäftspartnern gestaltet wurde.7 Will man insofern auch genuin gesellschaftsrechtlich veranlasste Vorgänge – oder wie der BFH ausführt: Maßnahmen, die sich „schon ihrer Natur nach einem solchen Fremdvergleich“8 entziehen – nur deshalb einem Fremdvergleich unterstellen, weil ihnen keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung zugrunde liegt und sie deshalb als Geschäftsbeziehung qualifizieren, dann muss diese Vorgehensweise im Anwendungsbereich von § 1 AStG auch konsequent zu Ende gedacht werden. Die Rechtsfolge des § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG lautet wie folgt: „sind seine Einkünfte (…) so anzusetzen, wie sie unter den zwischen voneinander unabhängigen Dritten vereinbarten Bedingungen angefallen wären“. Dem 1 2 3 4 5 6 7 8
JStG 2008 v. 20.12.2007, BGBl. I 2007, 3150. Vgl. BMF v. 29.3.2011 – IV B 5 - S 1341/09/10004, BStBl. I 2011, 277. Vgl. FG Münster v. 22.2.2008, – 9 K 509/07 K, F, EFG 2008, 923. Vgl. BFH v. 21.12.1994 – I R 65/94, BFHE 176, 571; v. 29.10.1997 – I R 24/97, BStBl. II 1998, 573. Vgl. BFH v. 14.1.2009, I R 52/08, BStBl. II 2009, 674. Demgegenüber genügen andere, nicht entgeltdeterminierende Bedingungen regelmäßig dem Fremdvergleichsmaßstab des § 1 AStG. Eine Entgeltpflicht scheidet deshalb schon dem Grunde nach aus. Vgl. Tz. 1.64 OECD-Leitlinien 2010. BFH v. 29.11.2000 – I R 85/99, BStBl. II 2002, 720.
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kann man nicht entnehmen, dass die Bedingungen selbst korrekturfähig seien und dementsprechend die Einkünfte auf Grundlage der korrigierten Bedingungen anzusetzen wären. Grundsätzlich gilt nach Auffassung der OECD1 wie der deutschen Finanzverwaltung,2 dass die tatsächlich verwirklichte Geschäftsbeziehung anzuerkennen ist, d.h. vorliegend die Darlehensgewährung ohne Gestellung tatsächlicher Sicherheiten. Allerdings sind aus der verwirklichten Geschäftsbeziehung die verrechnungspreisbezogenen Konsequenzen zu ziehen, d.h. es ist ein Zinssatz zugrunde zu legen, wie ihn fremde Dritte für unbesicherte Darlehen zugrunde gelegt hätten. Die Übernahme dieses Kreditrisikos widerspricht auch nicht den Grundsätzen der Funktions- und Risikoverteilung, die sich im Kern aus der unternehmerischen Disposition ergibt und von der deutschen Finanzverwaltung anerkannt wird.3 Auch unter fremden Dritten werden unbesicherte Darlehen vergeben. Allerdings fordern ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter für die Übernahme des (erhöhten) Ausfallrisikos eine Risikoprämie. Dass Einkünftekorrekturen nach § 1 AStG der Höhe nach stets Ergebnis eines Preisvergleichs, nämlich des Vergleichs des Fremdvergleichspreises mit dem tatsächlich vereinbarten Verrechnungspreis sind, bestätigt auch § 1 Abs. 3 AStG, denn die Vorschrift regelt ausschließlich die Ermittlung des Fremdvergleichspreises („Verrechnungspreis“). Dagegen fehlen Rechtsgrundlagen für die Ermittlung „anderer“ fremdvergleichskonformer Bedingungen, anhand derer die Einkünfte ermittelt werden können, die „unter den zwischen voneinander unabhängigen Dritten vereinbarten Bedingungen angefallen wären“. Deshalb deckt § 1 AStG andere als preisbezogene Einkünftekorrekturen nicht ab.4 Eine Einkünftekorrektur durch außerbilanzielle Hinzurechnung von Teilwertabschreibungen und tatsächlichen Gewinnminderungen aufgrund von Forderungsverzichten entbehrt einer Rechtsgrundlage, weil sie sich nicht aus einem Fremdvergleich (der Höhe nach!) rechtfertigen lässt.5 2. Verrechnung der Höhe nach Hat die Verrechnung von Finanzierungsleistungen dem Grunde nach zu erfolgen, d.h., erfolgt die Gewährung von Krediten auf schuldrechtlicher und nicht auf gesellschaftsrechtlicher Ebene, ist in einem nächsten Schritt die Angemessenheit entsprechender Vergütungen der Höhe nach
1 Vgl. Tz. 1.64 OECD-Leitlinien 2010. 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 146. 3 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 146 ff. 4 Zu Einzelheiten vgl. auch Ditz/Tcherveniachki, IStR 2009, 711 ff.; Prinz/Scholz, FR 2011, 925 ff. 5 Vgl. hierzu Ditz/Liebchen, IStR 2012, 103.
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zu prüfen. Als Prüfungsmaßstab ist in diesem Zusammenhang der Grundsatz des Fremdvergleichs heranzuziehen.1 Folgt man in diesem Zusammenhang der Auffassung der deutschen Finanzverwaltung, ist „Fremdpreis der Zins, zu dem Fremde unter vergleichbaren Bedingungen den Kredit am Geld- oder Kapitalmarkt gewährt hätten.“ Dabei sei „von den Zinssätzen auszugehen, zu denen Banken unter vergleichbaren Verhältnissen Kredite gewähren (Sollzins)“.2 Diese Regelung verkennt, dass die Bankfinanzierung einerseits und die Konzernfinanzierung andererseits unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen. Verbundene Unternehmen handeln nicht als Banken und sind daher auch nicht gehalten, den bankspezifischen Geschäftserfolg anzustreben.3 Während Banken das Ziel verfolgen, aus der gewerblichen Geldanlage einen Gewinn zu erwirtschaften, hat die Konzernfinanzierung die Absicht, Liquidität im Konzern aufzunehmen und weiterzuleiten, damit die einzelnen Konzerngesellschaften ihre eigene unternehmerische Zielsetzung im Interesse der gesamten Gruppe verfolgen können.4 Bei Darlehensgewährungen im internationalen Unternehmensverbund steht somit nicht der Geldanlagecharakter, sondern die Investitionsentscheidung im Vordergrund.5 Die Zinskonditionen von Banken können daher nicht allein als Angemessenheitskriterien für Finanzierungskonditionen im internationalen Unternehmensverbund herangezogen, sondern allenfalls als Anhaltspunkt für die Angemessenheit des Zinses betrachtet werden.6
3.275 Indessen relativieren auch die VWG 1983 ihre in Tz. 4.2.1 getroffene Grundaussage der Verwendung von sog. Sollzinssätzen der Banken, indem für die Festsetzung von konzerninternen Zinssätzen alle „Umstände des Einzelfalls“ zu berücksichtigen seien.7 Dazu gehören neben der Kredithöhe, der Laufzeit und der Art des Kredits die Sicherheiten8 und die 1 An dieser Stelle soll nur auf die fremdvergleichskonforme Ermittlung von konzerninternen Zinssätzen und Avalen eingegangen werden. Zur Verrechnungspreisermittlung bei weiteren Finanzierungsleistungen, wie z.B. Factoring, vgl. Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 759 ff. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 4.2.1. 3 Vgl. OECD-Bericht 1979, Tz. 181; Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 742 m.w.N. 4 Vgl. Becker in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Anm. zu Tz. 4.2.1 VWG 1983. 5 Vgl. Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 742 m.w.N. Siehe auch Morlock, JbFStR 2008/2009, 792, der zutreffend aus den unterschiedlichen Zielsetzungen der Kreditvergabe die Notwendigkeit ableitet, die unter Rückgriff auf bankübliche Zinssätze gewonnenen Werte sachgerecht anzupassen. 6 Vgl. Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 742 m.w.N. 7 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 4.2.2. 8 Allerdings vertritt der BFH zu Recht die Auffassung, dass sich im Anwendungsbereich der vGA die Forderung der Darlehensbesicherung im Verhältnis zu einem beherrschenden Gesellschafter nicht auf Fremdvergleichsgesichtspunkte gründen lässt, vgl. BFH v. 21.12.1994 – I R 65/94, IStR 1995, 330; v. 29.10.1997
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Kreditwürdigkeit des Schuldners, die Wechselkursrisiken und die sonstigen Umstände der Kreditgewährung, wie z.B. die Verhältnisse auf den Kapitalmärkten. Dabei gehen die VWG 1983 davon aus, dass sich der konzerninterne Zinssatz ggf. nur im Rahmen einer Zinsbandbreite ermitteln lässt.1 Insofern ist – entsprechend der Theorie des doppelten ordentlichen Geschäftsleiters – zu berücksichtigen, dass neben der darlehensgebenden Konzerngesellschaft der ordentliche Geschäftsleiter der darlehensnehmenden Konzerngesellschaft Berücksichtigung finden muss.2 Vor diesem Hintergrund kann sich der konzerninterne Zinssatz keinesfalls nur einseitig am Sollzinssatz orientieren. Vielmehr ermittelt er sich innerhalb eines Zinsbandes, d.h. der Bandbreite zwischen Sollund Habenzinssatz. Diese Zinsbandbetrachtung entspricht der Rechtsprechung des BFH. So sind nach Auffassung des BFH in seinen sog. „Zinsurteilen“ die banküblichen Habenzinsen als Untergrenze und die banküblichen Sollzinsen als Obergrenze für angemessene Zinsen zu beachten, wobei sich „im Zweifel“ Darlehensgläubiger und Darlehensschuldner die Spanne zwischen bankenüblichen Haben- und Schuldzinsen teilen sollen.3 Dem steht auch das BFH-Urteil vom 17.10.2001 nicht entgegen, mit dem grundsätzlich der Mittelwertmethode die Rechtfertigung abgesprochen wurde. Denn der BFH konzedierte den Ansatz des Mittelwertes dann, „wenn er aus Fremdvergleichswerten abgeleitet werden kann.“4 Auf einen solchen, wenngleich pauschalen Fremdvergleich geht der Erfahrungssatz zurück, dass sich – im Zweifel – Darlehensgläubiger und -schuldner die Spanne zwischen banküblichen Haben- und Schuldzinsen teilen.5 Allerdings sei dann der Sollzinssatz der Banken als Obergrenze des Zinsbandes anzusetzen, wenn sich die darlehensgewährende Konzerngesellschaft selbst, d.h. zum Sollzinssatz der Banken, refinanzieren muss. Verfügt demgegenüber die darlehensgewährende Konzerngesellschaft über eigene Liquidität, die ohne Kreditaufnahme zur Verfügung steht, ist nach Ansicht des BFH der Habenzinssatz als Untergrenze des Zinsbandes maßgeblich. Letztlich kann damit auch der Habenzinssatz als Vergleichsmaßstab zur Ermittlung angemessener konzerninterner Zinssätze fungieren. Eine eindeutige Vorgehensweise zur Ermittlung konzerninterner Zinssät-
1 2 3 4 5
– I R 24/97, BStBl. II 1997, 573. Zur fehlenden Besicherung verbundinterner Darlehen siehe Ditz/Tcherveniachki, IStR 2009, 711 ff.; Ditz in Baumhoff/Schönfeld, Grenzüberschreitende Verlustverrechnung, 82 ff.; zur Anerkennung eines tatsächlich bestehenden Rückhalts im Konzern als Sicherheitsäquivalent jüngst BMF v. 29.3.2011 – IV B 5 - S 1341/09/10004, BStBl. I 2011, 277 Tz. 11. Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 4.2.2 Satz 3. Ähnlich Nieß in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 53. Vgl. BFH v. 28.2.1990 – I R 83/87, BStBl. II 1990, 649; v. 19.1.1994 – I R 93/03, BStBl. II 1994, 725; v. 22.10.2003 – I R 36/03, DStRE 2004, 304. BFH v. 17.1.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. Vgl. hierzu Baumhoff in FS Wassermeyer, 353 f.; Buciek, JbFStR 2008/2009, 795 f.
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ze gibt der BFH jedoch nicht vor, sodass letztlich i.S. der Theorie des doppelten ordentlichen Geschäftsleiters (Rz. 3.143 ff.) ein Zinssatz zu ermitteln ist, der den Entscheidungssituationen von Gläubiger einerseits und Schuldner andererseits Rechnung trägt. Dabei ist grundsätzlich auf den sog. Währungszins abzustellen, d.h., der Zinssatz richtet sich nach der Währung, in der die Darlehen gewährt werden.1
3.276 Die vorstehenden und heute gemeinhin üblichen2 Überlegungen zur fremdvergleichskonformen Ermittlung von Zinsentgelten bedürfen nicht zuletzt wegen der in § 1 Abs. 3 AStG verankerten Grundsätze zur Ableitung von Fremdvergleichspreisen einer begrifflichen wie inhaltlichen Neuordnung. Eine Zinsbandbreite entsteht durch die Zusammenstellung marktentstandener, d.h. direkt am Markt beobachtbarer Preise für uneingeschränkt, jedenfalls aber eingeschränkt vergleichbare Referenztransaktionen. Sie geht folglich auf einen tatsächlichen Fremdvergleich zurück (Rz. 3.173). Entsprechend dem in § 1 Abs. 3 AStG verankerten Stufenverhältnis ist bei der Ermittlung von Fremdvergleichspreisen zunächst auf den tatsächlichen Fremdvergleich abzustellen und erst dann auf den hypothetischen Fremdvergleich überzugehen, wenn keine uneingeschränkt oder eingeschränkt vergleichbaren Werte festgestellt werden können. Was den tatsächlichen Fremdvergleich anbelangt, ist die Preisvergleichsmethode die einzige Verrechnungspreismethode, die auf Marktpreisen aufsetzt. Für den unwahrscheinlichen Fall uneingeschränkt vergleichbarer Referenztransaktionen (Rz. 3.84 f.) – insofern im Einklang mit dem BFH-Urteil vom 17.1.20013 – kann der Steuerpflichtige jeden beliebigen Wert aus der Bandbreite wählen.4 Sind demgegenüber die Vergleichsdaten allenfalls eingeschränkt vergleichbar, ist die Bandbreite gem. § 1 Abs. 3 Satz 3 AStG einzuengen. Aus dieser mittels der Methode der Interquartile-Range oder – besser geeigneter – mathematischer Verfahren eingeengten Bandbreite kann der Steuerpflichtige zwar jeden Zinssatz ansetzen. Allerdings kommt gem. § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG der Median zum Tragen, sofern der vom Steuerpflichtigen angesetzte Zinssatz außerhalb der (eingeengten) Bandbreite liegt. Mit der Rechtsprechung des BFH zum Zinsband zwischen (banküblichem) Soll- und Habenzins und dessen Aufteilung haben diese Grundsätze nichts gemein. Diese beiden Werte entspringen keinem tatsächlichen Fremdvergleich mit realen Markttransaktionen. Vielmehr ist diese Beurteilung konzeptionell im hypothetischen Fremdvergleich zu suchen. Diesem rechnen unter den Standardmethoden die Wiederverkaufspreis- und die Kostenaufschlagsmethode zu, weil sie nicht auf marktentstandene Preise zurückgehen, sondern letztlich auf die hypothetische Ermittlung von Soll-Vergleichstatbeständen gerichtet sind (Rz. 3.173). Allerdings sind 1 Vgl. BFH v. 19.1.1994 – I R 93/93, BStBl. II 1994, 725; BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 4.2.3. 2 Vgl. hierzu Morlock, JbFStR 2008/2009, 792 f.; Buciek, JbFStR 2008/2009, 795 f. 3 Vgl. BFH v. 17.1.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. 4 § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG.
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die Wiederverkaufspreismethode nicht und die Kostenaufschlagsmethode nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen für die Ableitung angemessener Vergütungen für die konzerninterne Darlehensvergabe geeignet. Im Rahmen des hypothetischen Fremdvergleichs markieren die Preisobergrenze der kapitalnehmenden Tochtergesellschaft und die Preisuntergrenze der kapitalgebenden Muttergesellschaft einen Einigungsbereich. Diese Grenzpreise können zwar durch den banküblichen Habenzinssatz (Darlehensgeber) und den banküblichen Sollzinssatz (Darlehensnehmer) theoretisch verkörpert werden. Dies aber nur dann, wenn sie mit der günstigsten alternativen Kapitalanlagemöglichkeit des Darlehensgebers und der günstigsten alternativen Kapitalaufnahmemöglichkeit des Darlehensnehmers korrespondieren.1 Es kommt letztlich auf die zu Entscheidungswerten verdichteten Handlungsalternativen beider Kontrahenten an, die jeweils an der Referenzfigur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zu verproben sind (Rz. 3.143 ff.). Die Forderung des BFH, im Falle der Refinanzierung der darlehensgebenden Muttergesellschaft mindestens den Refinanzierungszinssatz als Preisuntergrenze anzusetzen, gründet genau auf diesen Überlegungen. Denn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter würde mindestens den Zinssatz verlangen, zu dem er sich selbst refinanziert. In diesem Fall entsteht nur dann ein Einigungsbereich, wenn der historische Refinanzierungszinssatz hinter dem aktuellen Sollzinssatz zurückbleibt; anderenfalls markiert der Refinanzierungszinssatz u.E. den angemessenen Zinssatz. Wenn Buciek diesen Refinanzierungszinssatz noch um einen Gewinnaufschlag erhöhen will,2 gründet diese Überlegung zum einen methodisch auf der Kostenaufschlagsmethode, deren Eignung für die Ermittlung fremdvergleichskonformer Zinssätze mehr als fraglich ist. Zum anderen trägt sie nicht der Perspektive der darlehensnehmenden Tochtergesellschaft Rechnung. Denn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter würde einen höheren als den aktuellen bankenüblichen Sollzinssatz nicht akzeptieren.
3.277
Als günstigste alternative Kapitalanlagemöglichkeit des Darlehensgebers kommt grundsätzlich die Verzinsung einer risikolosen Investition am Kapitalmarkt in Betracht, ferner die Kapitalanlage zum banküblichen Habenzinssatz. Als alternative Handlungsmöglichkeit kommt aber auch die Tilgung von Altverbindlichkeiten in Betracht. Insofern verkörpert sich die Preisuntergrenze im historischen Sollzinssatz. Dies allerdings nicht
3.278
1 Der Rückgriff auf Marktdaten stellt den hypothetischen Fremdvergleich gerade nicht infrage, sondern verschafft die Referenz für das ökonomisch adäquate Handeln eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters auf der jeweiligen Vertragsseite. Der neuerdings eingeleitete Abgesang auf den hypothetischen Fremdvergleich gründet letztlich auf einem falschen Verständnis dessen, was den tatsächlichen Fremdvergleich inhaltlich ausmacht; infrage gestellt etwa von Wellens, IStR 2010, 155. 2 Vgl. Buciek, JbFStR 2008/2009, 796.
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unter der Erwägung, eine zulasten der Muttergesellschaft verlustbehaftete Darlehensvergabe zu verhindern, wie dies im Falle der Refinanzierung richtigerweise erfolgt. Vielmehr verkörpert die Erkenntnis, dass der Grenzpreis nach der letztlich günstigsten alternativen Handlungsmöglichkeit zu ermitteln ist, den methodischen Kern des hypothetischen Fremdvergleichs in Gestalt der Einigungsbereichsbetrachtung. Dies hat die Finanzverwaltung jedenfalls für den Bereich der Bewertung von Funktionsverlagerungen im Grundsatz erkannt.1
3.279 Bilden hiernach die ermittelte Preisuntergrenze des Darlehensgebers und die Preisobergrenze des Darlehensnehmers einen Einigungsbereich, entspricht jeder Wert innerhalb dieses Einigungsbereichs grundsätzlich dem Fremdvergleich. Gleichwohl ist gem. § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG der Mittelwert anzusetzen, wenn der Steuerpflichtige keinen anderen Wert glaubhaft macht. Da dieser die Eignung aufweisen muss, „dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der größten Wahrscheinlichkeit“ zu entsprechen, gerät die Plausibilisierung eines anderen Wertes als des Mittelwertes zu einem letztlich unmöglichen Unterfangen (Rz. 3.162 ff.).
3.280 Grundsätzlich entspricht nur eine verzinsliche Überlassung von Fremdkapital – eine schuldrechtliche Kapitalüberlassung unterstellt – dem Grundsatz des Fremdvergleichs. Allerdings sind auch Fälle denkbar, in denen eine zinslose bzw. eine zinsbegünstigte Überlassung von Fremdkapital bei der darlehensgewährenden Konzerngesellschaft betrieblich veranlasst ist: – In Entwicklungsländern bestehen oftmals Devisentransferbeschränkungen bzw. -verbote, die für Zinszahlungen einer ausländischen Tochtergesellschaft eine Versagung des Betriebsausgabenabzugs zur Folge haben. Vor diesem Hintergrund kann es geboten sein, dass die deutsche Muttergesellschaft der ausländischen Tochtergesellschaft zinsbegünstigt oder zinslos Fremdkapital zur Verfügung stellt. Tz. 4.2.6 VWG 1983 sieht für diesen Fall keine Einkünftekorrektur bei der Muttergesellschaft vor.2 – Soweit „nach Handelsbrauch“ fremde Dritte keine Zinsen verrechnen würden, können auch im Konzern zinslose bzw. zinsbegünstigte Kredite gewährt werden.3 Dies betrifft insbesondere Lieferantenkredite für Waren und Dienstleistungen innerhalb üblicher Zahlungsziele.
1 Vgl. § 7 FVerlV sowie BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWGFunktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.3.2.5 Rz. 96, Tz. 2.7.1 Rz. 117, Tz. 2.7.4 Rz. 126, Tz. 2.7.6 Rz. 128, Tz. 2.8 Rz. 133. Siehe ferner Tz. 9.59 u. 9.64 OECD-Leitlinien 2010. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 4.2.6. 3 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 4.3.1.
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– Zur eigenen Absatzförderung und somit im eigenen betrieblichen Interesse gewährt die Muttergesellschaft einer Tochter-Vertriebsgesellschaft einen zinslosen Warenkredit.1 – Die Einfuhrbestimmungen einiger Staaten sehen vor, dass Einfuhrgenehmigungen nur erteilt werden, wenn sog. Einfuhrdepots mit bestimmten Mindestlagermengen oder im Rahmen der Hinterlegung von Liquidität eingerichtet werden. Zinslose Kredite, die zur Finanzierung solcher Einfuhrdepots von der Mutter- an die ausländische Tochtergesellschaft gewährt werden, sind nicht zu beanstanden.2 Sind Bürgschaften, Garantien und ähnliche Verpflichtungen, die geeignet sind, eine Eventualverbindlichkeit für den Sicherungsgeber zu begründen (z.B. harte Patronatserklärung), dem Grunde nach entgeltpflichtig, ist sodann die angemessene Provision (Aval) zu bestimmen. Weder die OECDLeitlinien 2010 noch die VWG 1983 enthalten Anhaltspunkte für die Bestimmung angemessener Avale. Ebenso wenig pflegen konzerninterne Avalprovisionen in Datenbanken gesammelt und bereitgestellt zu werden. Fraglich ist, ob auf die von Banken erhobenen Bürgschaftsprovisionen von 1 % bis 3 % i.S. einer Obergrenze als Vergleichsmaßstab zurückgegriffen werden kann. Auf diese Datenbasis stellt die Finanzverwaltung ab.3 Entsprechendes gilt für die – soweit ersichtlich – einzige finanzgerichtliche Entscheidung in Deutschland zu dieser Frage.4 Dass Bürgschaftsübernahmen durch Kreditinstitute als adäquate Vergleichstransaktionen qualifizieren, ist mehr als zweifelhaft. Banken unterliegen besonderen aufsichtsrechtlichen und Solvabilitätsvorschriften, die sich in ihren Kalkulations- und Ausgestaltungsgrundsätzen für Avalkredite widerspiegeln.5 Avalkredite sind mit Eigenkapital zu unterlegen und verursachen deshalb hohe Opportunitätskosten, die eingepreist werden.6 Ferner ist die Übernahme von Bürgschaften für Banken i.d.R. ein besonderer Geschäftszweig, wobei sich eine große Anzahl von Kunden gegen Zahlung von Risikoprämien (Avalen) gewissermaßen versichert; dieser Geschäftszweig stützt nicht selten das eigene Kreditgeschäft der Banken.7 Ebendiesen Geschäftsbedingungen unterliegen konzerninterne Avalkredite nicht. Nach den in den VWG-Verfahren ausdifferenzierten Vergleichbarkeitsgraden sind die Transaktionen unvergleichbar, weil sich
1 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 4.3.2 Buchst. a. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 4.3.2 Buchst. b. 3 Vgl. Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 767; Zech, IStR 2009, 418, allerdings mit (Gesamt-)Provisionen von 1 bis 2,5 %. 4 Vgl. FG Nds. v. 23.3.1999 – VI 357/95, DStRE 2000, 411. 5 Vgl. Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 767 m.w.N.; Crüger/Köhler, RIW 2008, 379; Schaus/Köhler/John, RIW 2009, 534. 6 Vgl. Scholz/Crüger, RIW 2008, 379. 7 Vgl. Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 767 m.w.N.
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3.281
Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
„die maßgeblichen Funktionen oder [und; d. Verf.] Risiken erheblich unterscheiden.“1
3.282 Vor diesem Hintergrund haben sich im steuerlichen Schrifttum und in der Betriebsprüfungspraxis Provisionsspannen von 1/8 bis 1/4 % des tatsächlich in Anspruch genommenen Kredits herausgebildet.2 Allerdings handelt es sich allenfalls um pragmatische Ansätze. Wenngleich die benannte Spanne als angemessen angesehener Avale auf eine breite und langjährige Betriebsprüfungs- und Beraterpraxis zurückgeht, fehlt diesen Werten jedoch die ökonomische Fundierung.3 Insbesondere verfestigen sie sich nicht zu Vergleichswerten, mittels derer den Anforderungen an einen tatsächlichen Fremdvergleich genügt wäre.
3.283 Neuerdings wird ein finanzmathematischer Ansatz zur Ermittlung angemessener Avale mittels Credit Default Swaps (CDS) vorgeschlagen, der eine ökonomisch belastbare Ableitung leisten können soll.4 Durch ein CDS wird das Kreditrisiko von der zugrunde liegenden Kreditbeziehung entkoppelt und das Ausfallrisiko aus einer bestimmten Kreditposition für eine festgesetzte Frist auf einen Vertragspartner (Sicherungsgeber) gegen periodische Zahlung einer Risikoprämie für die Risikoübernahme transferiert. Insofern erfüllen CDS eine vergleichbare wirtschaftliche Funktion wie innerkonzernliche Garantien oder harte Patronatserklärungen und sie weisen ferner eine vergleichbare Zahlungsstruktur auf.5 Überdies wird die Vergleichbarkeit von Garantiegebühr bzw. Avalprovision und CDSSpread darauf gestützt, dass sich die Bundesregierung, eine Reihe weiterer europäischer Staaten, die EU-Kommission sowie die Europäische Zentralbank bei der Bewertung ihrer im Zuge der Finanzkrise eingeräumten Staatsgarantien an CDS ausrichten.6
3.284 Der Tax Court of Canada hat demgegenüber in seinem Urteil vom 6.12.2009 in Sachen GE Capital Canada die angemessene Avalprovision aus dem Zinsvorteil abgeleitet, den die Tochtergesellschaft infolge der Garantie ihrer Muttergesellschaft realisieren konnte.7 Ein solcher vorteils- bzw. nutzenbezogener Ansatz wäre nach deutschem Steuerrecht im hypothetischen Fremdvergleich gem. § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG anzusiedeln, wobei der gesamte Zinsvorteil letztlich den Einigungsbereich ausmacht, innerhalb dessen die zu zahlende Avalprovision liegt. Kann innerhalb die1 BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.12.7 Buchst. b Satz 2 Alt. 2. 2 Vgl. Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 767 m.w.N.; Ditz, IStR 2009, 422; Ditz/ Schneider, DB 2011, 781. 3 Zur insofern berechtigten Kritik Crüger/Köhler, RIW 2008, 379; Schaus/Köhler/ John, RIW 2009, 533. 4 Vgl. hierzu Crüger/Köhler, RIW 2008, 378 ff.; Schaus/Köhler/John, RIW 2009, 533 ff. 5 Vgl. Crüger/Köhler, RIW 2008, 380; Schaus/Köhler/John, RIW 2009, 535. 6 Vgl. hierzu Schaus/Köhler/John, RIW 2009, 534 f. m.w.N. 7 Vgl. hierzu ausführlich Ditz/Schneider, DB 2011, 780 f.
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ses Einigungsbereichs kein Wert glaubhaft gemacht werden, der dem Fremdvergleich mit der größten Wahrscheinlichkeit entspricht, käme gem. § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG der Mittelwert des Einigungsbereichs zum Tragen, d.h., der Zinsvorteil wäre hälftig zwischen Garantiegeber und Garantienehmer aufzuteilen und dementsprechend als Avalprovision darzustellen (Rz. 3.162 ff.). 3. Cash-Pooling Aufgrund der zunehmenden Globalisierung, Deregulierung und Institutionalisierung der internationalen Finanzmärkte umfassen Finanzierungsleistungen zwischen international verbundenen Unternehmen mittlerweile weitaus mehr als die konzerninterne Darlehensgewährung oder die Einräumung von Lieferantenkrediten. Vielmehr übernehmen konzerninterne Finanzierungsstellen bzw. konzerneigene Finanzierungsgesellschaften1 bisher den Banken vorbehaltene Finanzgeschäfte selbst, um damit zum einen die konzerninternen Finanzfunktionen zu optimieren und zum anderen neue Ertragsquellen bzw. neue Kostensenkungspotenziale zu erschließen. Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang sog. Cash-Management-Systeme, die i.d.R. in einem sog. „Corporate Treasury“2 organisiert sind. Durch ein solches Corporate Treasury werden die Finanzierung und die Liquidität eines Konzerns zentral gesteuert.3 Dabei werden im Rahmen der konzerninternen Aufrechnung von Forderungen und Verbindlichkeiten (sog. Netting) bzw. durch die Konsolidierung der Zahlungskonten der einzelnen Konzerngesellschaften mit einem Verrechnungskonto (sog. Pooling) Finanzierungs- und Transaktionskosten eingespart und durch die Bündelung der Nachfrage nach Fremdkapital bzw. der Erhöhung des Anlagevolumens günstigere Zinskonditionen auf dem Kapitalmarkt ermöglicht. Ferner führt das sog. Devisen-Management im Rahmen einer innerkonzernlichen Verrechnung von Forderungen und Verbindlichkeiten in der gleichen Währung zu einer Verringerung der Währungsrisiken bzw. zu einer Einsparung von Kurssicherungskosten. Durch die Tätigkeit des Corporate Treasury als zentrale Finanzierungseinheit des Konzerns entstehen somit synergetische Vorteile, deren betriebswirtschaftlicher Nutzen für die beteiligten Konzerngesellschaften innerhalb der Gewinnabgrenzung nach dem Grundsatz des Fremdvergleichs zu berücksichtigen
1 Zu den steuerlichen und außersteuerlichen Vorteilen einer Finanzierungsgesellschaft vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 1131 ff. 2 Das Corporate Treasury wird i.d.R. als zivilrechtlich unselbstständige Betriebsabteilung geführt, kann aber auch in Form einer selbstständigen Konzernfinanzierungsgesellschaft organisiert sein. 3 Zur Begriffsabgrenzung des Cash-Managements vgl. Werdenich, Modernes CashManagement2, 11 ff.; Ammelung/Kaeser, DStR 2003, 655 ff.; Waldens, PiStb 2003, 49 ff.
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3.285
Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
ist.1 Dies soll an folgendem – stark vereinfachten – Beispiel illustriert werden:
3.286 Beispiel 1: Die drei unabhängigen Unternehmen A, B und C vereinbaren, künftig die Anlage freier liquider Mittel gemeinsam durchzuführen, um aufgrund des höheren Anlagevolumens bessere Konditionen am Kapitalmarkt zu erzielen, als dies bei einer jeweiligen Einzelanlage möglich wäre. Um die gemeinsame Geldanlage umzusetzen, beauftragen sie einen Finanzfonds, der das Gesamtkapital der Unternehmen am Kapitalmarkt renditeoptimal anlegt, die Geldanlage verwaltet und nach Fälligkeit wieder – proportional zu den Einlagen – an A, B und C ausbezahlt. Das Gesamtkapital der drei Unternehmen wird durch den Finanzfonds am Kapitalmarkt angelegt. Aufgrund des erhöhten Anlagevolumens erzielt der Finanzfonds eine um 10 % höhere Rendite, als sie sich bei einer Einzelanlage durch das jeweilige Unternehmen ergeben hätte. Nunmehr stellt sich die Frage, wie die drei Unternehmen und der Finanzfonds als – i.S. des Fremdvergleichs – voneinander unabhängige Personen abrechnen würden. Dabei kommen prinzipiell die drei folgenden Alternativen in Betracht: 1) Der Finanzfonds könnte die volle Mehrrendite i.H.v. 10 % an A, B und C weitergeben. In diesem Fall würde der Finanzfonds allerdings keine Vergütung für seine Leistungen erhalten und hätte somit selbst keinen Vorteil, sondern vielmehr lediglich Kosten aus seiner Tätigkeit. 2) Dem Finanzfonds könnte die Mehrrendite i.H.v. 10 % als Entgelt für seine Tätigkeit gewährt werden. Die drei Unternehmen würden in diesem Fall die Rendite erzielen, die sie bei einer jeweiligen Einzelanlage realisiert hätten. Diese Regelung würde allerdings von den kapitalanlegenden Unternehmen nicht akzeptiert werden, da sie aus ihrer Kooperation letztlich keinen Vorteil erzielen würden. 3) Der Finanzfonds könnte die Mehrrendite i.H.v. 10 % nur partiell an die Unternehmen weitergeben, wobei er den nicht ausgegebenen Anteil so bemessen würde, dass ein angemessenes Entgelt für seine Tätigkeit verbleibt. Damit würde zum einen der Finanzfonds für seine Tätigkeit angemessen vergütet und zum anderen würden A, B und C von ihrer Kooperation in Form einer gegenüber der jeweiligen Einzelanlage höheren Rendite profitieren.
Unzweifelhaft führt nur die dritte Alternative zu einem ökonomisch angemessenen Ergebnis. Während der Grundsatz des Fremdvergleichs einerseits eine Verteilung der Synergieeffekte in Form der höheren Rendite auf die Unternehmen A, B und C impliziert, ist andererseits dem Finanzfonds – wie unter fremden Dritten üblich – ein Entgelt für seine Geldanlagetätigkeit zu gewähren. Bezogen auf das Cash- und Devisenmanagement des Corporate Treasury eines Konzerns folgt aus dem dargestellten Beispiel, dass die erzielten Synergieeffekte dieser Abteilung an die beteiligten Konzerngesellschaften weiterzugeben sind. Jede Konzerngesellschaft trägt durch Liquidität zur Erhöhung der Nachfragemacht am Kapitalmarkt bzw. durch die Übertragung ihrer Forderungen und Verbindlichkeiten zur Senkung der Transaktions-, Finanzierungs- und Kurssicherungskosten bei, sodass diese an den daraus resultierenden Synergieeffekten zu 1 Vgl. dazu Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 774 f.; Nieß in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 60 f.
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beteiligen sind. Derartige Vorteile werden schließlich nicht durch die eigene Aktivität des Corporate Treasury geschaffen, sondern entstehen erst durch das Zusammenwirken aller beteiligten Konzerngesellschaften. Insofern sind sie – wie bei einem Pool (Rz. 3.321 ff.) – im Rahmen einer Umlage nach Abzug der dem Corporate Treasury in diesem Zusammenhang entstandenen Kosten (einschließlich eines Gewinnaufschlags) auf die betroffenen Konzerngesellschaften zu verteilen. Im Weiteren besteht die Möglichkeit, die erzielten Synergieeffekte durch den Ansatz vergünstigter Verrechnungspreise an die Konzerngesellschaften weiterzugeben (z.B. geringere Sollzinsen bei Darlehensgewährung, erhöhte Habenzinsen bei Kapitalanlage oder günstigere konzerninterne Devisenkurse). Ferner hat die Gewinnabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen 3.287 nach Maßgabe des Fremdvergleichsgrundsatzes zur Folge, dass dem Corporate Treasury für seine erbrachten Dienstleistungen eine angemessene Vergütung zusteht (analog der Vergütung der Tätigkeit des Finanzfonds im obigen Beispiel). Da insoweit – aufgrund der konzernspezifischen Ausrichtung des Corporate Treasury – vergleichbare Marktpreise i.d.R. nicht existieren und damit die Anwendung der Preisvergleichsmethode auszuschließen ist, kommt i.d.R. die Kostenaufschlagsmethode (Rz. 3.188 ff.) zur Quantifizierung entsprechender Verrechnungspreise in Betracht. Da das Corporate Treasury lediglich Routinefunktionen ausübt, also solche Funktionen, die ohne Weiteres auch marktbeziehbar sind, nur in geringem Umfang Wirtschaftsgüter einsetzt und nur geringe, nämlich auf die Funktionsausübung beschränkte Risiken trägt, kann nach Auffassung der Finanzverwaltung zur Methodenwahl bei solchen Routineunternehmen auch die transaktionsbezogene Nettomargenmethode (TNMM) herangezogen werden.1
III. Nutzungsüberlassung immaterieller Wirtschaftsgüter 1. Verrechnung dem Grunde nach a) Voraussetzung des betrieblichen Nutzens Neben innerkonzernlichen Warenlieferungen, Dienst- und Finanzierungsdienstleistungen kommt der Übertragung respektive der Nutzungsüberlassung von immateriellen Wirtschaftsgütern zwischen international verbundenen Unternehmen eine immer größere Bedeutung zu.2 Betroffen sind insbesondere die Veräußerung bzw. die Gewährung von Nutzungsrechten an Marken, Patenten, Know-how, Mustern, Modellen, Formen, Firmen- und Handelsnamen sowie von literarischen oder künstlerischen
1 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.10.3 Buchst. b. 2 Herzig, WPg 1998, 285 spricht insofern von einer zunehmenden „Entmaterialisierung“ der innerkonzernlichen Leistungsflüsse.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
Urheberrechten.1 Werden derartige immaterielle Wirtschaftsgüter einem verbundenen Unternehmen zur Nutzung überlassen, ist hierfür nach dem Grundsatz des „dealing at arm’s length“ ein angemessenes Entgelt in Form einer Lizenz zu verrechnen. Bevor allerdings eine Lizenz der Höhe nach ermittelt werden kann, stellt sich die – logisch vorgelagerte – Frage, ob überhaupt eine Lizenzgebühr dem Grunde nach zwischen den Konzerngesellschaften zu verrechnen ist. Überlässt ein Unternehmen einem international verbundenen Unternehmen ein immaterielles Wirtschaftsgut zur Nutzung, ist hierfür grundsätzlich nur dann ein Entgelt zu verrechnen, wenn auch fremde Dritte, d.h. unabhängige Unternehmen, ein solches vereinbart hätten. Dabei ist nach Auffassung der OECD insbesondere auf die Sichtweise des leistungsempfangenden Konzernunternehmens, d.h. des Lizenznehmers, abzustellen. Eine Lizenzverrechnung ist dem Grunde nach nur gerechtfertigt, wenn der Lizenznehmer aus der Verwertung der zur Nutzung überlassenen immateriellen Wirtschaftsgüter einen Vorteil erwarten kann und demnach auch ein unabhängiges Unternehmen bereit wäre, die geforderte Lizenzgebühr zu zahlen.2 Vor diesem Hintergrund findet der – bei der Dienstleistungsverrechnung im internationalen Konzern ebenfalls angewandte3 – „benefit test“ auch bei der Prüfung der Verrechnungsfähigkeit von Lizenzgebühren Anwendung. Nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung ist eine Lizenzgebühr verrechenbar, wenn sie für den Lizenznehmer einen betrieblichen Nutzen erwarten lässt.4 Insoweit muss – korrespondierend mit der Auffassung der OECD – der Lizenznehmer im Rahmen einer Ex-ante-Betrachtung aus der Nutzungsüberlassung des immateriellen Wirtschaftsgutes für seine Unternehmung einen wirtschaftlichen Vorteil erwarten (zur Ex-anteBetrachtung vgl. Rz. 3.203) bzw. das immaterielle Wirtschaftsgut muss geeignet sein, seine Geschäftstätigkeit zu fördern. Darüber hinaus hat die Nutzungsüberlassung beim Lizenznehmer zu erhöhten Erlösen bzw. zu Kostenersparnissen zu führen und sie muss dort objektiv erforderlich sein.
3.289 Einen betrieblichen Nutzen erkennt die deutsche Finanzverwaltung ausdrücklich auch in den Fällen an, in denen „das empfangende Unternehmen das immaterielle Wirtschaftsgut nicht nutzt, aber einen wirtschaftlichen Nutzen daraus erzielt oder voraussichtlich erzielen wird 1 Zur nicht unproblematischen Begriffsabgrenzung und Klassifizierung der immateriellen Wirtschaftsgüter vgl. Tz. 6.2 OECD-Leitlinien 2010, für die allerdings im Rahmen der Überarbeitung des Kap. VI der OECD-Leitlinien eine Präzisierung ansteht; Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 693 ff.; Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 254 ff. 2 Vgl. Tz. 6.14 OECD-Leitlinien 2010. 3 Vgl. Tz. 7.6 ff. OECD-Leitlinien 2010. 4 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 5.1.1.
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(z.B. Sperrwirkung bei Vorrats- oder Sperrpatenten).“1 Diese Aussage verdeutlicht, dass es für die Frage der Verrechenbarkeit dem Grunde nach nicht nur auf die unmittelbare tatsächliche Nutzung des immateriellen Wirtschaftsgutes ankommen kann. Vielmehr kann auch bei einer fehlenden tatsächlichen Nutzung des überlassenen immateriellen Wirtschaftsgutes ein wirtschaftlicher Vorteil aus der Lizenzierung gezogen werden. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn der Abschluss eines Lizenzvertrages nur erfolgt, um an einem vereinbarten regelmäßigen Erfahrungsaustausch teilzunehmen, ohne dass die lizenzierten Rechte unmittelbar genutzt werden. Dagegen ist nach Ansicht sowohl der OECD2 als auch der deutschen Fi- 3.290 nanzverwaltung3 die Verrechnung von gesonderten Lizenzentgelten dem Grunde nach nicht möglich, wenn die Nutzungsüberlassung der immateriellen Wirtschaftsgüter im Zusammenhang mit Lieferungen und Leistungen steht und fremde Dritte ein Gesamtentgelt vereinbart hätten. Zweck dieser Vorgehensweise ist der Ausschluss einer doppelten Verrechnung, indem z.B. die in den Liefer- und Leistungspreisen einbezogenen Kalkulationsbestandteile für die Nutzungsüberlassung von immateriellen Wirtschaftsgütern im Wege einer gesonderten Lizenzvereinbarung nochmals verrechnet werden. Die jüngste Betriebsprüfungspraxis zeigt hier jedoch, dass inländische Produktionsgesellschaften, die als Entrepreneure (Rz. 3.116) agieren, zunehmend mit der Forderung nach einer gesonderten Verrechnung einer Produktmarkenlizenz gegenüber Konzernvertriebsgesellschaften konfrontiert werden. Dies selbst dann, wenn die Lieferverrechnungspreise gegenüber der Vertriebsgesellschaft nach der „regelmäßig“ anzuwendenden Wiederverkaufspreismethode bestimmt werden.4 Nach der Methodik der Wiederverkaufspreismethode ist die Verwendung immaterieller Wirtschaftsgüter (z.B. Patente, Marken) durch den Produzenten bzw. Strategieträger mit dem Lieferverrechnungspreis vergütet. Die Forderung nach einer gesonderten Verrechnung einer Produktmarkenlizenz lässt sich deshalb nicht mit dem sog. „Verbot einer Doppelverrechnung“ vereinbaren. Sie verträgt sich überdies nicht mit der Charakterisierung der Produktionsgesellschaft als „Strategieträger“ bzw. „Entrepreneur“, die insbesondere auch darauf zurückgeht, dass die Produktionsgesellschaft die für die Lieferbeziehung wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter einsetzt.5 Aufgrund dieser Eigenschaft gebührt der Produktionsgesellschaft 1 BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 5.1.1. 2 Vgl. Tz. 6.17 OECD-Leitlinien 2010. 3 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 5.1.2. 4 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; v. 6.4.2005 – I R 22/04, BStBl. II 2007, 658; BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 3.1.3 Bsp. 1; Tz. 2.48 ff. OECD-Leitlinien 2010. 5 BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.10.2 Buchst. b.
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der konzerninterne Residualgewinn bzw. -verlust. Mit diesem Residualanspruch sind die bezogen auf die konkrete Lieferbeziehung ausgeübten Funktionen, getragenen Risiken und eingesetzten Wirtschaftsgüter abgegolten. Dies folgt schließlich auch aus Tz. 3.4.10.2 der VWG-Verfahren, wonach die Unternehmenscharakterisierung bezogen auf die Lieferbeziehung „regelmäßig unverzichtbar“ ist1 und dementsprechende verrechnungspreisbezogene Konsequenzen auslöst. b) Lizenzverrechnung bei firmennamensgleichen Marken
3.291 Grundsätzlich ist die Einräumung eines Rechts auf Führung des Firmennamens steuerlich nicht verrechenbar.2 Die Verleihung eines Firmennamens ist die Aufgabe bzw. Pflicht des Gründers (Gesellschafters) und gehört damit zur „Grundausstattung“ der neu gegründeten Gesellschaft. Sie ist durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und kann deshalb nicht Gegenstand von zusätzlichen schuldrechtlichen Verträgen sein. Etwas anderes kann sich allerdings ergeben, wenn der Firmenname auch als Marke für die Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen genutzt wird, mithin also firmennamensgleiche Marken zur Nutzung überlassen werden. In diesem Fall sind nach dem BFH-Urteil vom 9.8.2000 Marken und Markenrechte als produkt- und dienstleistungsidentifizierte Kennzeichnungen einerseits und Firmen- bzw. Unternehmensbezeichnungen als besondere Bezeichnungen des Geschäftsbetriebs andererseits strikt voneinander zu trennen.3 Die Firma ist der Name des Kaufmanns, unter dem er seine Geschäfte betreibt und die Unterschrift abgibt.4 Dagegen wird die vom Firmenträger gewählte Schreibweise oder sonstige grafische Gestaltung der Firma nicht Firmenbestandteil, auf deren Eintragung er einen Anspruch hätte.5 Die Firma ist mit dem Handelsgeschäft derart verknüpft, dass sie nur zusammen mit dem Handelsgeschäft veräußert werden kann, für welches sie geführt wird.6 Ferner genießt die Firma sowohl öffentlich-rechtlichen als auch privatrechtlichen Schutz.7 Im Gegensatz dazu können als Marke alle Zeichen geschützt werden, die geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Eine Marke kann neben Wörtern auch grafische Gestal1 BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.10.2. 2 Die Finanzverwaltung lehnt die Zahlung eines Entgelts für das Recht, einen Firmennamen zu führen, unter Hinweis auf den nicht verrechenbaren sog. „Rückhalt im Konzern“ gem. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 6.3.2 ab. 3 Vgl. BFH v. 9.8.2000 – I R 12/99, BStBl. II 2001, 140. 4 Vgl. § 17 Abs. 1 HGB. Die Anforderungen an eine ordnungsmäßige Firma sind insbesondere in §§ 18, 19 u. 30 HGB geregelt. 5 Vgl. KG Berlin v. 23.5.2000 – 1 W 247/99, BB 2000, 1957. 6 Vgl. § 23 HGB. 7 Vgl. § 37 Abs. 1 u. Abs. 2 HGB, §§ 12, 823 u. 826 BGB, § 1 UWG sowie § 15 MarkenG.
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tungen, Farben etc. beinhalten.1 Markenschutz entsteht insbesondere durch die „Eintragung eines Zeichens als Marke in das vom Patentamt geführte Register.“2 Der Markenschutz gewährt dem Inhaber der Marke das Recht, jeden Dritten von der Nutzung der Marke auszuschließen.3 Firma und Marke haben damit zwar gemeinsam, dass beide in ein Register einzutragen sind und dem Inhaber ermöglichen, andere von der Nutzung auszuschließen. Sie unterscheiden sich aber hinsichtlich ihrer Funktion und ihrer Inhalte. Daher sind sie unabhängig voneinander verwertbar und aufgrund dessen sowohl rechtlich als auch hinsichtlich ihrer steuerlichen Verrechenbarkeit unterschiedlich zu behandeln.4 Möchte demnach eine Muttergesellschaft ihrer Tochtergesellschaft ermöglichen, sowohl den Konzernnamen zu führen als auch die gleichlautende Konzernmarke zu nutzen, handelt es sich um zwei rechtlich zu trennende Vorgänge. Die Zuweisung der Firma ist auf der Ebene des gesellschaftsrechtlichen Gründungsaktes anzusiedeln. Eine Vergütung für die Zuweisung der Firma kommt nicht in Betracht. Da es sich um einen Akt der „Dotation“ handelt, kann für Bestandteile eines bekannten Konzernnamens nichts anderes gelten als für jede andere Firma. Die Gewährung von Nutzungsrechten an der Marke erfolgt demgegenüber auf schuldrechtlicher Ebene. Die Überlassung von (werthaltigen) immateriellen Wirtschaftsgütern zur Nutzung ist zwischen verbundenen Kapitalgesellschaften grundsätzlich als entgeltfähiger Vorgang anzusehen, der mittels einer Fremdvergleichslizenz zu verrechnen ist. Dies gilt auch dann, wenn die Firma des Lizenznehmers der Markenbezeichnung entspricht, da der Inhaber einer Firma nicht ohne weiteres zur Nutzung einer gleichlautenden Marke berechtigt ist. Soweit eine überlassene Marke werthaltig ist, kann sie einem verbundenen Unternehmen unter den gleichen Umständen wie einem fremden Dritten überlassen werden. Eine Werthaltigkeit ist grundsätzlich dann gegeben, wenn die Konzernmarke entsprechend den Voraussetzungen des § 4 Nr. 1–3 MarkenG entweder rechtlich wirksam eingetragen oder in den beteiligten Verkehrskreisen bzw. „notorisch“ bekannt ist.5 Sind Firmenname und Markenname identisch, so hat das Namensrecht gegenüber dem Markenrecht zumindest teilweise zurückzutreten.6 Daher ist der in der Literatur und dem – durch das BFH-Urteil vom 9.8.2000 revidierten – Urteil des FG Rh.-Pf. vom 14.12.19987 vertretenen Auffassung, wonach die Frage der Entgeltfähigkeit davon abhängig sei, ob das Schwer1 2 3 4
Vgl. § 3 Abs. 1 MarkenG. § 4 Nr. 1 MarkenG. Vgl. § 14 Abs. 1 MarkenG. Vgl. BFH v. 9.8.2000 – I R 12/99, BStBl. II 2001, 140; zu diesem Urteil vgl. auch Lahodny-Karner/Furherr, SWI 2001, 301; Borstell/Wehnert, IStR 2001, 127; Engler in V/B/E, Verrechnungspreise3, N Rz. 403 ff. 5 Siehe zur Werthaltigkeit einer Marke auch Brändel, Verrechnungspreise bei grenzüberschreitender Lizenzierung von Marken im Konzern, 55 ff. 6 Vgl. § 23 MarkenG. 7 Vgl. FG Rh.-Pf. v. 14.12.1998 – 5 K 2821/96, EFG 1999, 499.
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gewicht auf der Firmenbezeichnung oder der Markenrechtsüberlassung liege, keine Bedeutung beizumessen.1 Vielmehr ist dieser Umstand allenfalls für die Bestimmung der Höhe des Lizenzentgelts relevant.2 Hinsichtlich der Frage, ob ein Lizenzentgelt für eine Markenüberlassung – auch bei gleichzeitiger Identität mit dem Firmennamen – dem Grunde nach zu verrechnen ist, ist letztlich darauf abzustellen, ob die mit der Einräumung des Nutzungsrechts „verbundenen besonderen und marktfähigen Schutzrechte geeignet sind, zur Absatzförderung beizutragen“.3 Es reicht somit bereits die Möglichkeit aus, mit der Benutzung einer Marke absatzwirtschaftliche Vorteile zu erzielen, unabhängig davon, ob die Benutzung der Marke „tatsächlich zu einer Absatzsteigerung und/oder zu einer Erhöhung des einschlägigen Marktanteils geführt hat.“4 Entscheidend ist somit die sog. Ex-ante-Betrachtung, wonach zum Zeitpunkt des Abschlusses eines Lizenzvertrages mit markenbedingten absatzwirtschaftlichen Vorteilen gerechnet werden konnte. 2. Verrechnung der Höhe nach a) Entgeltdeterminierende Faktoren
3.293 Sowohl nach Auffassung der OECD5 als auch nach Ansicht der deutschen Finanzverwaltung6 ist die Höhe einer Lizenzgebühr am Fremdpreis auszurichten.7 Dabei sind insbesondere die folgenden Gesichtspunkte als entgeltdeterminierende Faktoren der Lizenzgebühr zu berücksichtigen.8 – die geografische Reichweite der Nutzungsrechte, – Art des Lizenzvertrages (einfache, alleinige oder ausschließliche Lizenz), – die für die Nutzung der überlassenen immateriellen Wirtschaftsgüter erforderlichen Investitionen des Lizenznehmers,
1 So ausdrücklich BFH v. 9.8.2000 – I R 12/99, BStBl. II 2001, 140; Baumhoff, IStR 1999, 534. 2 Hinsichtlich der wertdeterminierenden Faktoren einer Markenlizenz stellt der BFH v. 9.8.2000 – I R 12/99, BStBl. II 2001, 140 insbesondere darauf ab, wer den Wert der Marke geschaffen und wer die Aufwendungen für deren Begründung und Erhalt (z.B. Marketingaufwendungen) getragen hat. Zur Markenwertmessung im Allgemeinen vgl. Rohnke, DB 1992, 1941 f.; Stein/Ortmann, BB 1996, 788 f.; Havenstein/Heiden, BB 2003, 1275 f.; Brändel, Verrechnungspreise bei grenzüberschreitender Lizenzierung von Marken im Konzern, 76 ff. m.w.N. 3 BFH v. 9.8.2000 – I R 12/99, BStBl. II 2001, 140. 4 BFH v. 9.8.2000 – I R 12/99, BStBl. II 2001, 140. 5 Vgl. Tz. 6.13 OECD-Leitlinien 2010. 6 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 5.1.1. 7 Zu einem Vergleich der OECD-Leitlinien mit den VWG 1983 vgl. Boos/Rehkugler, IStR 2002, 535 ff. 8 Vgl. dazu Tz. 6.20 f. OECD-Leitlinien 2010, Stumpf/Groß, Der Lizenzvertrag, Rz. C 99; Baumhoff/Greinert, Ubg 2009, 545.
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– die mit der Nutzung des immateriellen Wirtschaftsgutes entstehenden Anlauf- und Markterschließungskosten, – das Recht zur Vergabe von Unterlizenzen, – das Recht des Lizenznehmers auf Nutzung der vom Lizenzgeber betriebenen Weiterentwicklungen, – die Art der Lizenz (z.B. Produktions- oder Vertriebslizenz), – das Ausmaß und die Dauer des Patentschutzes, – Übernahme der Aufgaben und Kosten im Zusammenhang mit der Erhaltung des rechtlichen Schutzes des überlassenen immateriellen Wirtschaftsgutes, – das Risiko der Substitution des Schutzrechtes durch neue Erfindungen, – die durch die Nutzung des immateriellen Wirtschaftsgutes entstehenden Risiken (wie z.B. Produkthaftungsrisiko), – ordentliche und außerordentliche Kündigungsrechte des Lizenzgebers, – Kaufoptionsrechte des Lizenznehmers und Andienungsrechte des Lizenzgebers.1 Ferner sind nach dem Grundsatz des Fremdvergleichs als entgeltbestimmende Faktoren die Entscheidungssituation von Lizenzgeber und Lizenznehmer zu berücksichtigen.2 Der Lizenzgeber wird mindestens in der Höhe eine Vergütung verlangen, die er bei einer alternativen Vergabe der immateriellen Wirtschaftsgüter erzielen würde.3 Darüber hinaus wird er i.d.R. durch die gesamte Lizenzgebühr (unter Barwertgesichtspunkten) seine Kosten, wie z.B. Forschungs- und Entwicklungskosten sowie die laufenden Kosten der Lizenzvergabe, abgedeckt haben wollen. Insoweit ergibt sich eine Preisuntergrenze des Lizenzgebers. In der Praxis wird allerdings im Rahmen der Festsetzung von Lizenzgebühren weniger auf die Kostensituation des Lizenzgebers als vielmehr auf den erwarteten Nutzen des potenziellen Lizenznehmers abgestellt. Für diesen stellt der in Zukunft erwartete Nutzen in Form ersparter Kosten bzw. zusätzlicher Erlöse das maßgebliche Entscheidungskriterium dar.4 Seine Preisobergrenze liegt bei einer Lizenzgebühr, die ihm mindestens einen ebenso hohen Nutzen wie bei Abschluss einer Lizenzvereinbarung mit einem alternativen Anbieter oder einer Eigenentwicklung des immateriellen Wirtschaftsgutes belässt. Liegt die Preisobergrenze des Lizenznehmers über der Preisuntergrenze des Lizenzgebers, so existiert ein Einigungsbereich, innerhalb dessen die angemessene Lizenzgebühr liegen muss (sog. Band1 Zu weiteren Bewertungs- und Einflussfaktoren vgl. Engler in V/B/E, Verrechnungspreise3, N Rz. 432. 2 Hierzu ausführlich Kleineidam in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 111 ff.; Kuebart, Verrechnungspreise im internationalen Lizenzgeschäft, 208 ff. 3 So auch Tz. 6.14 OECD-Leitlinien 2010. 4 Vgl. Kleineidam in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 112.
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breitenbetrachtung). Dieser Einigungsbereich berücksichtigt die Interessen sowohl des ordentlichen Geschäftsleiters des Lizenznehmers als auch des Lizenzgebers und ist Ausdruck des Spielraums kaufmännischen Ermessens, der sich im konkreten Einzelfall aus der Art, der Funktion, der Marktsituation und der Verhandlungsposition der beteiligten Unternehmen ergibt. Auf diesen Überlegungen basiert der hypothetische Fremdvergleich in Gestalt der Einigungsbereichsbetrachtung, so wie er in § 1 Abs. 3 Sätze 5 und 6 AStG verankert ist. Nach der dort verankerten Simulation eines Preisbildungsprozesses unter Bezugnahme auf die Referenzfigur des doppelten ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (Rz. 3.143 ff.) hat der Steuerpflichtige „aufgrund einer Funktionsanalyse und innerbetrieblicher Planrechnungen den Mindestpreis des Leistenden und den Höchstpreis des Leistungsempfängers zu ermitteln (Einigungsbereich).“ Im Einzelnen wird hierzu auf die Darstellungen zum hypothetischen Fremdvergleich (Rz. 3.131 ff.) und die Bewertung von Transferpaketen im Rahmen von Funktionsverlagerungen (Rz. 3.385 ff.) verwiesen. b) Anwendung der Standardmethoden
3.295 Die Ermittlung der angemessenen Lizenzentgelte ist zunächst dem allgemeinen Stufenverhältnis zwischen tatsächlichem und hypothetischem Fremdvergleich unterworfen, so wie es in § 1 Abs. 3 Sätze 1 bis 5 AStG geregelt ist (Rz. 3.172 f.). Demnach sind die Lizenzsätze vorrangig mittels des tatsächlichen Fremdvergleichs auf Grundlage uneingeschränkt vergleichbarer oder eingeschränkt vergleichbarer Referenzwerte abzuleiten. Der tatsächliche Fremdvergleich wird durch die Preisvergleichsmethode (Rz. 3.174 ff.) ausgefüllt. Ihrer Anwendung sind jedoch im Rahmen der Ermittlung angemessener Lizenzgebühren enge Grenzen gesetzt. Aufgrund der Individualität und Einzigartigkeit der immateriellen Wirtschaftsgüter ist es i.d.R. äußerst schwierig, Vergleichspreise zu finden, die unter vergleichbaren Verhältnissen am Markt zustande kamen.1 Sofern ein immaterielles Wirtschaftsgut sowohl verbundenen als auch fremden Unternehmen zur Nutzung überlassen wird, lässt sich die angemessene Lizenzgebühr i.d.R. mithilfe eines inneren Preisvergleichs festlegen.2 Dies ist die einfachste und zuverlässigste Art der Ermittlung einer angemessenen Lizenzgebühr. Ein äußerer Preisvergleich orientiert sich demgegenüber an Preisen oder Vereinbarungen, die zwischen voneinander unabhängigen Dritten festgelegt werden. Um einen äußeren Preisvergleich im Zusammenhang mit der Ermittlung angemessener Lizenzen im Einzelfall durchführen zu können, führt das deutsche Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) die sog. Lizenzkartei. Diese Lizenzkartei, die in 1 Zu einer Übersicht über branchenspezifische Lizenzsätze vgl. Böcker, StBp 1991, 79; Gross, BB 1998, 1321; Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 711.1; Engler in V/B/E, Verrechnungspreise3, N Rz. 472, 480, 482, 489 u. 492. 2 Vgl. auch Tz. 6.23 OECD-Leitlinien 2010.
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Tz. 5.2.2 VWG 19831 und Tz. 2.6 VWG-Verfahren2 ausdrücklich erwähnt wird, ist eine Datenbank, in der die von der Finanzverwaltung geprüften Lizenzvereinbarungen registriert sind. Einzellizenzsätze werden dem Betriebsprüfer auf Anfrage für bestimmte Branchen mitgeteilt. Die Verwendung von Daten aus der Lizenzkartei des BZSt für die Prüfung von Verrechnungspreisen durch die steuerliche Betriebsprüfung ist umstritten.3 Der BFH hat allerdings mit Urteil vom 17.10.20014 die Verwertung von anonymisierten Vergleichsdaten (sog. „secret comparables“) zur Durchführung eines äußeren Preisvergleichs grundsätzlich für zulässig erachtet (Rz. 3.140). Damit bestätigt der BFH implizit die Zulässigkeit der Führung und Verwendung der für den Steuerpflichtigen nicht einsehbaren Lizenzkartei des BZSt. Allerdings können die Daten der Lizenzkartei allenfalls grobe Anhaltspunkte für eine angemessene Lizenzgebühr bieten. Einerseits wird man die Daten der Lizenzkartei nicht als eine „safe harbour“-Regelung betrachten können, andererseits muss der Steuerpflichtige in begründeten Fällen die Möglichkeit haben, den Lizenzgebührenrahmen der Lizenzkartei zu verlassen. Für eine effiziente Lizenzgebührenplanung erforderlich wäre letztlich ein Zugriff auf die Lizenzkartei durch die Steuerpflichtigen. Ein solcher Zugriff ist heute leider (noch) nicht möglich, wird jedoch auch von Vertretern der deutschen Finanzverwaltung gefordert.5 Die Wiederverkaufspreismethode (Rz. 3.179 ff.) kann für die Bestimmung angemessener Lizenzgebühren dann herangezogen werden, wenn immaterielle Wirtschaftsgüter an ein verbundenes Unternehmen lizenziert werden und der Konzernlizenznehmer seinerseits das immaterielle Wirtschaftsgut im Wege der Unterlizenz einem unabhängigen Dritten zur Nutzung überlässt. Solche Rahmenbedingungen sind typisch für Konzerne mit Lizenz- bzw. Patentverwertungsgesellschaften. Bei diesen Gesellschaften werden die Patente und das Know-how aller Unternehmen der Gruppe für Zwecke der Verwertung bzw. der zentralen Verwaltung zusammengefasst. Entsprechend den allgemeinen Grundsätzen der Wiederverkaufspreismethode ist von der Unterlizenz, die die Lizenzverwertungsgesellschaft an einen unabhängigen Dritten vergibt, eine angemessene Spanne abzuziehen, woraus sich die angemessene Lizenzgebühr für die Nutzungsüberlassung im Konzern ergibt. Insofern berechnet sich die angemessene Lizenzgebühr nach folgendem Schema:
1 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 5.2.2. 2 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 2.6. 3 Vgl. etwa Böcker, StBp 1991, 79. 4 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. 5 Vgl. Kuckhoff/Schreiber, IWB Fach 3 Gruppe 1, 1881; siehe hierzu auch Engler in V/B/E, Verrechnungspreise3, N Rz. 455.
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Lizenzgebühren an unabhängige Dritte ./. vergleichbare Gewinnmarge ./. vergleichbare Selbstkosten1 = Angemessene Lizenzgebühr
3.297 Die Kostenaufschlagsmethode (Rz. 3.188 ff.) kann bei der Bestimmung angemessener Lizenzgebühren nur in Ausnahmefällen sachgerechte Ergebnisse liefern. Dies liegt daran, dass die entstandenen Kosten bei der Bestimmung von Lizenzgebühren normalerweise nicht preisdeterminierend sind, es sei denn, es kann zwischen den Kosten für die Forschung und Entwicklung der Technologie und dem Wert der Technologie am freien Markt ein direkter Zusammenhang hergestellt werden. Ein solcher Zusammenhang wird allerdings sowohl von den OECD-Leitlinien 2010 als auch der Literatur verneint.2 Insofern stellt Tz. 5.2.4 VWG 1983 zutreffend fest, dass die Kostenaufschlagsmethode nur in Ausnahmefällen zur Bestimmung angemessener Lizenzgebühren in Betracht kommt und allenfalls als Verprobungs- und Schätzungsinstrument dienen kann.3 c) Anwendung gewinnorientierter Methoden
3.298 Da sich die Standardmethoden zur Bestimmung angemessener Lizenzgebühren als wenig praktikabel erwiesen haben, ist es i.d.R. erforderlich, zur Ableitung angemessener Lizenzsätze auf den hypothetischen Fremdvergleich abzustellen. Konkret kommen dabei zumeist gewinnorientierte Methoden (Rz. 3.219 ff.) zur Anwendung. Die VWG 1983 empfehlen für den Fall, dass die Preisvergleichsmethode nicht zu sachgerechten Ergebnissen führt, bei der Ermittlung der angemessenen Lizenzgebühr auf den Betriebsgewinn des Lizenznehmers abzustellen. So sei davon auszugehen, „dass eine Lizenzgebühr von dem ordentlichen Geschäftsleiter eines Lizenzunternehmens nur bis zu der Höhe gezahlt wird, bei der für ihn ein angemessener Betriebsgewinn aus dem lizenzierten Produkt verbleibt.“4 Bei dieser gewinnorientierten Betrachtung stehen somit die Renditeerwartungen des Lizenznehmers im Vordergrund. Die Kosten für die Entwicklung des immateriellen Wirtschaftsguts aufseiten des Lizenzgebers sind ohne Einfluss auf die Höhe der angemessenen Lizenzgebühr. Ausgangspunkt für die Bestimmung der angemessenen Lizenzgebühr sind so1 Wird unterstellt, dass die Lizenzverwertungsgesellschaft das Nutzungsrecht an den immateriellen Wirtschaftsgütern unverändert weiter überträgt, setzen sich die Selbstkosten im Wesentlichen aus den anteiligen Verwaltungs- und Vertriebskosten zusammen. 2 Vgl. Tz. 6.27 OECD-Leitlinien 2010; Portner in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 95; Kurzewitz, Die Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 295 ff.; Greinert, Ubg 2010, 104. 3 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 5.2.4. 4 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 5.2.3.
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mit die Gewinnerwartungen aus der Überlassung der immateriellen Wirtschaftsgüter. Letztlich basiert dieses Verfahren der Verrechnungspreisbestimmung nicht mehr auf den Standardmethoden zur Verrechnungspreisbestimmung, sondern vielmehr auf den gewinnorientierten Methoden, und zwar in Form der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode (Rz. 3.225 ff.). Zur Konkretisierung und praktischen Umsetzung der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode bedient sich die Betriebsprüfungspraxis sehr häufig der sog. „Knoppe-Formel“.1 Danach steht dem Lizenzgeber für die zur Nutzung überlassenen immateriellen Wirtschaftsgüter ein Anteil i.H.v. 25 bis 331/3 v.H. des vorkalkulierten Gewinns des Lizenznehmers aus den Lizenzprodukten ohne Berücksichtigung der Lizenzgebühr zu.2 Diese pauschale Ermittlung der Lizenzgebühr nimmt indessen keine Rücksicht auf die konzernspezifische Funktions- und Risikoverteilung des Einzelfalls. Auch Renditezahlen von Unternehmen mit ähnlichen Produkten bleiben i.d.R. unberücksichtigt. Vor diesem Hintergrund ist die Formel letztlich willkürlich und daher wirtschaftlich nicht zu rechtfertigen.3 Geht man im Übrigen auf die Ursprünge dieser Formel zurück, stellt man fest, dass Knoppe selbst keine uneingeschränkte Anwendung dieser Formel befürwortet. Vielmehr betont er, dass diese Formel einen völlig unverbindlichen und vagen Anhaltspunkt für die Angemessenheit der Lizenzgebühr im konkreten Fall biete; je nach Wert der Lizenz könne der als angemessen anzusehende Prozentsatz nicht unerheblich nach oben oder unten abweichen.4 Geht man ferner davon aus, dass die von Knoppe zugrunde gelegten Erfahrungswerte vor nahezu 40 Jahren gesammelt wurden, liegt es nahe, dass seine Feststellungen nicht mehr als zeitgemäß angesehen werden können. Ungeachtet dieser konzeptionellen Angreifbarkeit wird die Knoppe-Formel – nicht zuletzt wegen ihrer Akzeptanz bei Finanzverwaltung – in der Verrechnungspreispraxis oft zur Verprobung von Lizenzsätzen für immaterielle Wirtschaftsgüter herangezogen.5 Mittlerweile bestätigen und präzisieren umfangreiche Studien den Gehalt dieser Vorgehensweise.6 Hierbei sind besonders die Arbeiten von Goldscheider hervorzuheben, der bereits vor Jahrzehnten die sog. „25 %-Rule“ zur Ermittlung angemessener Lizenzsätze auf Grundlage eigener empiri1 Vgl. etwa Böcker, StBp 1991, 80; Böcker in Piltz/Schaumburg, Internationale Einkünfteabgrenzung, 169 ff. 2 Zurückgehend auf die Veröffentlichungen von Knoppe, Die Besteuerung der Lizenz- und Know-how-Verträge, 102; Knoppe, BB 1967, 1117. 3 Ebenfalls kritisch Menck, JbFStR 1983/84, 138; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 1001. 4 Vgl. Knoppe, Die Besteuerung der Lizenz- und Know-how-Verträge, 102. 5 Zur Eignung der Knoppe-Formel in der Praxis vgl. Zech, IStR 2009, 419; Ditz, IStR 2009, 423. 6 Vgl. hierzu Baumhoff/Greinert, Ubg 2009, 547; Baumhoff in Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, 158 f.; Ditz, IStR 2011, 130.
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scher Untersuchungen sowie Vorarbeiten anderer Experten abgeleitet hatte.1 Nach dieser Regel ist ein angemessener Lizenzsatz so zu bemessen, dass der Lizenzgeber 25 % des mit dem lizenzierten immateriellen Wirtschaftsgut generierten (erwarteten) Gewinns erhält. Basierend auf einem Datensatz von 1500 Lizenzverträgen aus 15 verschiedenen Branchen haben Goldscheider/Jarosz/Mulhern2 diese Regel vor wenigen Jahren bestätigt.3 Insofern ist im Normalfall eine Orientierung bei 25 % des Gewinns sachgerecht. Die durch die Knoppe-Formel vorgegebene Bandbreite von 25 % bis 33 1/3 % ist – jedenfalls für den Durchschnittsfall – zu hoch. Eine Ausrichtung an den 25 % liefert die wohl zutreffenderen Werte,4 sofern man generell die Knoppe-Formel für anwendbar hält.
IV. Dienstleistungen 1. Erscheinungsformen von Dienstleistungen
3.300 Konzerninterne Dienstleistungen stehen im Fokus der nationalen Fisken. Mit Abstand stellen sie den Prüfungsschwerpunkt der jeweiligen Betriebsprüfungen dar. Nach einer Studie aus dem Jahr 2010 wurde in 66 % aller Prüfungsfälle die Verrechnung der konzerninterner Dienstleistungen untersucht, wobei der Anteil gegenüber dem Jahr 2007 um 20 % angestiegen ist.5 Aus Sicht der international agierenden Konzerne werden mit administrativen und kaufmännischen Dienstleitungen sowie technischen Dienstleistungen zwei Dienstleistungskategorien als besonders anfällig für eine Überprüfung durch die jeweilige Finanzverwaltung eingeschätzt.
3.301 Dienstleistungen zwischen international verbundenen Unternehmen besitzen eine beachtliche Fülle von Erscheinungsformen. Art und Umfang ihrer Erbringung sind sowohl vom Geschäftszweig als auch der organisatorischen Struktur der international verbundenen Unternehmen abhängig. Bei dezentraler Organisationsstruktur erbringen die einzelnen Unternehmen die benötigten Dienstleistungen entweder selbst oder sie bedienen sich verbundexterner Leistungserbringer. Die Aufgaben der Muttergesellschaft beschränken sich insoweit auf die Überwachung ihrer Tochtergesellschaft in ihrer Eigenschaft als Anteilseignerin.6 Demgegen-
1 Vgl. Goldscheider/Jarosz/Mulhern in Parr, Royalty Rates for Licensing Intellectual Property, 31; Granstrand, Les Nouvelles 2006, 179. 2 Goldscheider/Jarosz/Mulhern, Les Nouvelles 2002, 133. 3 Im Einzelnen hierzu Baumhoff/Greinert, Ubg 2010, 547 f. 4 Kritisch Zech, IStR 2011, 137, der als Vertreter der Finanzverwaltung davon ausgeht, dass der Rahmen der Knoppe-Formel bis zu 331/3 % des Gewinns reicht und insofern dieser Rahmen – wohl zulasten des Steuerpflichtigen – jedenfalls zunächst ausgeschöpft werden müsse. 5 Vgl. Ernst & Young, 2010 Global Transfer Pricing Survey 2010, 14. 6 Vgl. Tz. 7.4 OECD-Leitlinien 2010.
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über werden in zentralisierten oder integrierten Konzernen1 von der Muttergesellschaft oder von einer speziellen Dienstleistungsgesellschaft Dienstleistungen von zentraler Stelle aus an die einzelnen Konzerngesellschaften erbracht. Diese umfassen insbesondere den Bereich der Administration, der EDV sowie der Forschung und Entwicklung (im Rahmen der Auftragsforschung). Hauptziel einer solchen Konzernorganisation ist die Realisierung von Synergieeffekten.2 Kategorisiert man konzerninterne Dienstleistungen3 nach ihrem Leistungsobjekt, sind administrative bzw. kaufmännische Dienstleistungen und Finanzdienstleistungen4 (Rz. 3.268 ff.) einerseits sowie technische Dienstleistungen und Dienstleistungen im Bereich der Forschung und Entwicklung andererseits zu unterscheiden. Insbesondere den administrativen und kaufmännischen Dienstleistungen kommt dabei im internationalen Konzern ein hoher Stellenwert zu. Sie betreffen u.a.: – allgemeine Rechts-, Steuer- und Unternehmensberatung, – Buchführungs- und Revisionsaufgaben, – Überwachungs- und Kontrollaufgaben (z.B. Qualitätskontrollen), – Marketing- und Marktforschungsleistungen, – Beschaffungs- und Absatzleistungen, – Dienstleistungen im Organisations- und Finanzbereich, – Dienstleistungen im Personalbereich (z.B. Personalbedarfsplanung, Einstellung und Ausbildung), – EDV-Dienstleistungen, – Koordination und Kontrolle der Konzerngesellschaften. Demgegenüber betreffen technische Dienstleistungen Inputfaktoren zur Produktion von materiellen Gütern.5 Sie umfassen insbesondere die Lohnfertigung (Rz. 3.243 ff.), Ingenieurleistungen, Instandhaltungen sowie Reparatur- und Montageleistungen. Dienstleistungen im Bereich der Forschung und Entwicklung beziehen sich insbesondere auf die sog. Auftragsforschung. Diese liegt vor, wenn ein Konzernunternehmen einem verbundenen Unternehmen einen Einzelforschungsauftrag erteilt, nach welchem spezielle Aufgabenstellungen des Auftraggebers zu lösen sind, die diesem später ausschließlich und uneingeschränkt zur Verfügung ste-
1 Vgl. dazu Kleineidam, IStR 2001, 724 f. m.w.N. 2 Vgl. Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 285 f. 3 Zum allg. Begriff der Dienstleistung vgl. Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 622 ff. 4 Kritisch zur Qualifikation von Darlehensgewährungen als Finanzdienstleistungen Kurzewitz, Die Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 195. 5 Zur Begriffsabgrenzung im Einzelnen vgl. Joos in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 860 f.
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hen. Der Forschungsauftrag kann sich dabei auf die Grundlagenforschung wie auch auf die angewandte Forschung und Entwicklung beziehen.1 2. Verrechnung dem Grunde nach a) Abgrenzungskriterium der betrieblichen Veranlassung
3.303 Erbringt eine Muttergesellschaft gegenüber ihren Tochtergesellschaften Dienstleistungen, ist zunächst zu prüfen, ob die Leistungen auf gesellschaftsrechtlicher oder schuldrechtlicher Basis erbracht werden. Eine Verrechnung von Dienstleistungen dem Grunde nach ist insoweit erforderlich, als ein echter Dienstleistungsaustausch auf schuldrechtlicher Basis vorliegt, der zumindest mittelbar geeignet ist, die betrieblichen Interessen des dienstleistungsempfangenden Konzernunternehmens zu fördern. Demgegenüber scheidet die Verrechnung eines Entgelts aus, wenn die Leistung ihre Rechtsgrundlage in den gesellschaftsrechtlichen Beziehungen der beteiligten Unternehmen findet und somit die Interessen des leistenden Konzernunternehmens (Muttergesellschaft) im Vordergrund der Leistungserbringung stehen.2 Mit der Frage der Verrechenbarkeit von Dienstleistungen einher geht die Frage nach der steuerlichen Abzugsfähigkeit der durch die Dienstleistung verursachten Aufwendungen bei der leistungsempfangenden Konzernunternehmung. Der Prüfung der Verrechenbarkeit der Dienstleistung aus Sicht der leistenden Konzerngesellschaft und der Abzugsfähigkeit der entsprechenden Aufwendungen als Betriebsausgaben aus Sicht der leistungsempfangenden Konzerngesellschaft sind dabei einheitliche Kriterien zugrunde zu legen. Mithin ist diese Fragestellung unter Fremdvergleichsgesichtspunkten („dealing at arm’s length“) danach zu beurteilen, ob die Dienstleistung unter vergleichbaren Verhältnissen auch unter fremden Dritten vereinbart und vergütet worden wäre3 bzw. ob ein ordentlicher Geschäftsleiter die Leistungserbringung als Eigenleistung veranlasst oder die Leistung gegen Entgelt angenommen hätte.
3.304 Der Grundsatz des Fremdvergleichs konkretisiert sich in diesem Zusammenhang – nach deutschem Steuerrecht – in der Frage, ob eine betriebliche Veranlassung i.S. des § 4 Abs. 4 EStG gegeben ist.4 Liegt eine solche vor, sind die beim Leistungsempfänger für die Inanspruchnahme der 1 Zur Auftragsforschung vgl. auch BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 5.3; Tz. 7.41 OECD-Leitlinien 2010; Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 718 ff.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 811 f.; Engler in V/B/E, Verrechnungspreise3, N 111 ff. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 6.1. 3 Vgl. Tz. 7.6, 7.14 u. 7.29 OECD-Leitlinien 2010; BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 6.2.1; Kroppen in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Tz. 7.6 Anm. 4; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 18.158. 4 Vgl. auch BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 1.4.1.
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Dienstleistung entstehenden Aufwendungen als Betriebsausgaben steuerlich abzugsfähig.1 Angesichts des systematisch – jedenfalls innerhalb einer Rechtsordnung – zwingenden Gleichlaufs2 der Abgrenzungskriterien beim leistungsempfangenden wie beim leistungserbringenden Unternehmen ist die betriebliche Veranlassung als das maßgebliche Abgrenzungskriterium für die Dienstleistungsverrechnung dem Grunde nach anzusehen.3 Infolgedessen ist die zu beurteilende Dienstleistung aus Sicht des leistenden Konzernunternehmens zu verrechnen und hier als Einnahme/ Ertrag zu erfassen. Denn wenn eine Leistung beim Leistungsempfänger betrieblich veranlasst ist, ist sie aus der Sicht des Leistenden verrechnungsfähig und nach dem Grundsatz des Fremdvergleichs auch verrechnungspflichtig. Ist die Leistung hingegen beim Leistungsempfänger nicht betrieblich veranlasst, muss deren betriebliche Veranlassung entweder beim Leistenden selbst oder bei seinem Auftraggeber gegeben sein, sodass der entsprechende Aufwand bei diesen abzugsfähig ist. Aufwendungen gelten bei einem verbundenen Unternehmen als betrieblich veranlasst, wenn sie in einem objektiven Zusammenhang mit dessen Betrieb stehen.4 Bei einer Vielzahl von Leistungen ist allerdings ein direkter, objektiver Zusammenhang mit dem Betrieb des Leistungsempfängers nicht erkennbar, sodass es an einer unmittelbaren betrieblichen Veranlassung fehlt. Folglich ist eine zweifelsfreie Zuordnung von Aufwendungen bestimmter Leistungen zur gesellschafts- oder schuldrechtlichen Sphäre nicht immer möglich. Die betriebliche Veranlassung kann jedoch nicht nur i.S. einer kausalen Notwendigkeit verstanden werden. Daher gelten nicht nur solche Aufwendungen als betrieblich veranlasst, die unmittelbar, d.h. objektiv für jeden erkennbar, durch den Betrieb verursacht wurden, sondern auch solche, die nur mittelbar mit dem Betrieb zusammenhängen. In solchen Fällen kommt es entscheidend auf die subjektiven Erwägungen des Steuerpflichtigen an,5 d.h., der Steuerpflichtige muss mit den entsprechenden Aufwendungen den Betrieb subjektiv fördern wollen. Im Ergebnis wird damit die Qualifizierung von Aufwendungen als Betriebsausgabe bei nur mittelbarer betrieblicher Veranlassung allein durch die subjektive Zweckbestimmung des ordentlichen Geschäftsleiters (Rz. 3.131 ff.) bestimmt. Er beurteilt letztlich im Rahmen seines Ent1 Zum Verhältnis des Betriebsausgabenbegriffs i.S. des § 4 Abs. 4 EStG zu den Einkünftekorrekturnormen der vGA, der verdeckten Einlage und des § 1 AStG vgl. Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 179. 2 Vgl. etwa auch § 160 Abs. 1 AO. 3 Vgl. Becker in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, V Anm. zu Tz. 1.4.1, 6.1 u. 6.3 VWG 1983; Becker/Kroppen in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Tz. 7.5 Anm. 3; Engler in V/B/E, Verrechnungspreise3, M Rz. 57; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 18.158; Kurzewitz, Die Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 204 f. 4 Vgl. BFH v. 21.11.1983 – GrS 2/82, BStBl. II 1984, 160; Stapperfend in H/H/R, § 4 EStG Rz. 792. 5 Vgl. Stapperfend in H/H/R, § 4 EStG Rz. 806 ff.
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scheidungsspielraums die betriebliche Veranlassung bestimmter Aufwendungen, wobei diese Aufwendungen nicht unmittelbar der betrieblichen Nutzenerzielung dienen müssen. Vielmehr reicht bereits die Möglichkeit aus, dass die Aufwendungen zukünftig, wenn auch nur mittelbar, dem Unternehmen einen diesen Aufwendungen entsprechenden wirtschaftlichen Vorteil bringen können bzw. dazu geeignet sind, die Geschäftstätigkeit der Unternehmung zu fördern.
3.305 Angesichts der offensichtlich bestehenden Unschärfen in Verständnis und Anwendung des Veranlassungszusammenhangs1 stellt die Finanzverwaltung indizielle Hilfskriterien zur Konkretisierung der betrieblichen Veranlassung als Kriterium der Verrechenbarkeit von Dienstleistungen im Konzern zur Verfügung.2 Hiernach ist eine Dienstleistung verrechenbar (und entgeltpflichtig), wenn sie – eindeutig abgrenzbar und messbar ist, – im Interesse der leistungsempfangenden Unternehmung erbracht wird, wovon auszugehen ist, wenn sie einen Vorteil erwarten lässt und eigene Kosten erspart, und – auch von einem unabhängigen Unternehmen unter vergleichbaren Verhältnissen in Anspruch genommen würde. Eine ähnliche Konkretisierung der betrieblichen Veranlassung als Maßstab der Dienstleistungsverrechnung dem Grunde nach nimmt die OECD im Rahmen des sog. „benefit test“ vor. Nach diesem sind Dienstleistungen grundsätzlich verrechenbar, wenn beim leistungsempfangenden Unternehmen ein Nutzen oder Vorteil entstanden ist bzw. wenn dieser zum Zeitpunkt der Dienstleistungserbringung zu erwarten war.3 Darüber hinaus wird darauf abgestellt, ob ein unabhängiges Unternehmen für die betreffenden Dienstleistungen ein Entgelt entrichtet oder die Dienstleistung selbst durchgeführt hätte.4 Die Abgrenzungskriterien des Nutzens, Vorteils bzw. Interesses5 sind schließlich nur dann als solche geeignet, wenn entsprechend dem allgemein anerkannten Grundsatz der Ex-anteBetrachtung6 auf den erwarteten Vorteil und nicht auf den tatsächlich realisierten Vorteil abgestellt wird.7 Hiervon ist auszugehen, wenn im Zeitpunkt der Erbringung der Dienstleistungen eine Förderung der Geschäftstätigkeit der leistungsempfangenden Konzernunternehmung ver1 Vgl. hierzu etwa Bauer, Neuausrichtung der internationalen Einkunftsabgrenzung im Steuerrecht, 61 ff. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 6.2.2. 3 Vgl. Tz. 7.6 OECD-Leitlinien 2010. 4 Vgl. Tz. 7.2 u. 7.8 OECD-Leitlinien 2010; siehe auch BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 6.3.1. 5 Diese werden zum Teil als Synonyme angesehen, vgl. Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 635.3; Engler in V/B/E, Verrechnungspreise3, M Rz. 68. 6 Vgl. dazu im Allgemeinen Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 171 u. 264. 7 Vgl. auch BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 3.1.
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nünftigerweise erwartet werden kann. Die Dienstleistung ist in diesem Fall auch dann verrechenbar, wenn sich der mögliche und erwartete Vorteil später nicht einstellt bzw. sich aus der Dienstleistung sogar ein Nachteil ergibt. b) Verrechenbare und nicht verrechenbare Dienstleistungen Verwendet man die betriebliche Veranlassung als das Hauptkriterium für die Verrechenbarkeit von Leistungen, sind letztlich alle Maßnahmen, die eine Muttergesellschaft trifft, um ihre Rechte als Gesellschafterin gegenüber ihrer Tochtergesellschaft wahrzunehmen bzw. um deren Tätigkeit zu überwachen, unzweifelhaft bei der Muttergesellschaft betrieblich veranlasst. Infolgedessen sind die daraus resultierenden Aufwendungen nur bei der Muttergesellschaft als Betriebsausgaben abzugsfähig. Die OECD spricht in diesem Fall zutreffend von einem „Gesellschafteraufwand“.1 Dieser ist im Rahmen der Gesellschaftereigenschaft der Muttergesellschaft regelmäßig nicht verrechenbar, da er bei einer gesellschaftsrechtlichen Unabhängigkeit der Tochtergesellschaft nicht erforderlich wäre und ihm daher kein echter Leistungsaustausch zugrunde liegt.2 Vielmehr verfolgt die Muttergesellschaft in diesem Zusammenhang ihre eigenen Interessen, um die zielkonforme Führung ihrer Tochtergesellschaft einschließlich ihrer Verwaltung und Kontrolle zu gewährleisten. Zu den gesellschaftsrechtlich veranlassten und somit nicht verrechenbaren Dienstleistungskategorien gehören insbesondere:3 – Die Leitung und Organisation des Konzerns, die Festlegung der Konzernpolitik sowie die Finanzplanung für den Gesamtkonzern: Hierzu zählen Aufwendungen im Rahmen der dispositiven Tätigkeit des Konzern-Vorstandes, des Konzern-Aufsichtsrates sowie der Gesellschafterversammlung der Konzernspitze. Ferner betreffen sie Leistungen im Zusammenhang mit der Festlegung von Unternehmenszielen und der Unternehmenspolitik einschließlich der Erarbeitung zielorientierter Konzeptionen und Strategien, wie z.B. die rechtliche Organisation des Konzerns, die Unternehmens- und Bereichsdiversifizierung, Maßnahmen zur Risikostreuung, die Gründung neuer Gesellschaften oder eine Kapitalbedarfsplanung für den Gesamtkonzern. – Die Planung von Investitions-, Produktions-, Forschungs- und Absatzmaßnahmen im Gesamtkonzernbereich sowie deren zentrale Koor1 Vgl. Tz. 7.9 OECD-Leitlinien 2010; siehe ferner BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 6.1 u. 6.2.1; BFH v. 19.3.1969 – I R 31/67, BStBl. II 1969, 497. 2 Vgl. Tz. 7.10 OECD-Leitlinien 2010; BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 6.3.2. 3 Vgl. Tz. 7.10 OECD-Leitlinien 2010; BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 6.3.2; Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 636 ff.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 781 f.; Engler in V/B/E, Verrechnungspreise3, M Rz. 110; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 18.159.
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dination: Solche Aufgaben können aufgrund ihres Charakters nur von der Konzernspitze bearbeitet werden und erfolgen ausschließlich im Interesse der Gesamtunternehmung. Eine umfassende Unternehmensplanung und vollständige Integration aller Leistungs- und Unternehmensbereiche sind Bestandteil einer effektiven Unternehmensführung und unabdingbar zur Nutzung möglicher Synergieeffekte im Konzern. – Die Dokumentation der Konzernergebnisse sowie alle Kontrollmaßnahmen zur Überwachung der Aktivitäten der Untergesellschaften: Bei diesen typischen Aufgaben der Konzernspitze geht es im Einzelnen um die Einführung und Überwachung eines einheitlichen Rechnungsund Berichtswesens, die Konsolidierung des Konzernergebnisses, die Aufstellung einer Weltbilanz und deren Prüfung durch einen Wirtschaftsprüfer. Zu den Kontrollmaßnahmen zählt man die Überwachung der Geschäftsführung der Tochtergesellschaften einschließlich der Analyse und Kontrolle ihres Rechnungswesens, die Innenrevision durch konzerneigene oder fremde Prüfer sowie Informationsbesuche von Vertretern der Konzernspitze bei den Untergesellschaften. – Der sog. Rückhalt im Konzern: Für die Vorteile, die einer Tochtergesellschaft aus der reinen Konzernzugehörigkeit in Form der rechtlichen, finanziellen und organisatorischen Eingliederung in den Unternehmensverbund bei völliger Passivität der Konzern-Spitzeneinheit erwachsen, darf kein Dienstleistungsentgelt verrechnet werden. Hierzu zählen bspw. die erhöhte Kreditwürdigkeit, verbilligte Einkaufsmöglichkeiten, die Risikostreuung, das Recht auf Führung des Konzernnamens (Rz. 3.291) sowie günstigere Absatzmöglichkeiten, die einer Konzerngesellschaft im Rahmen ihrer bloßen Zugehörigkeit zum Konzern zur Verfügung stehen.1 Mangels schuldrechtlichen Leistungsaustausches sind Aufwendungen, die in diesem Zusammenhang stehen, nicht verrechenbar. Davon zu unterscheiden sind allerdings Vorteile einer Tochtergesellschaft, die aus unmittelbaren aktiven Handlungen der Muttergesellschaft bzw. Konzernspitze resultieren (z.B. MarketingKampagnen, zentralisierter Einkauf, Cash-Pooling [Rz. 3.285 ff.] etc.).2 Hierbei handelt es sich um abgrenzbare Einzelleistungen, die nach dem Grundsatz des Fremdvergleichs zu verrechnen sind.3
3.307 Allerdings gehen die deutsche Finanzverwaltung und die OECD in ihrem Verständnis vom Umfang des Gesellschafteraufwands auseinander. Die OECD – und mit ihr eine Reihe wesentlicher Industriestaaten, z.B. Japan, Großbritannien und Frankreich4 – reduziert den nicht verrechnungsfähigen Gesellschafteraufwand auf diejenigen Aktivitäten, die mit dem Er1 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 6.3.2 Bsp. 1. 2 Vgl. auch Tz. 7.13 OECD-Leitlinien 2010 mit einer Unterscheidung zwischen aktiven (verrechenbaren) und passiven (nicht verrechenbaren) Konzerneffekten. 3 Vgl. im Einzelnen Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 641. 4 Vgl. Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 201 m.w.N.
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werb und der Verwaltung der Beteiligungen im Zusammenhang stehen, d.h. die im ausschließlichen Beteiligungsinteresse der Muttergesellschaft ausgeführt werden, und den Rückhalt im Konzern.1 Demgegenüber rechnet die deutsche Finanzverwaltung explizit zum nicht verrechenbaren Gesellschafteraufwand bestimmte zentrale Management- und Kontrolltätigkeiten, weil sie aufgrund ihres Charakters nur von der Konzernleitung vorgenommen werden können und deshalb bei dieser betrieblich veranlasst sind.2 Nach Tz. 7.10 der OECD-Leitlinien 2010 zählen etwa die hierunter fallende Tätigkeit des Vorstands, die Produktions- und Investitionssteuerung, die Revision sowie die Planung und Koordinierung zu den Leistungskategorien, die einer Verrechnung grundsätzlich zugänglich sind.3 Den nicht verrechenbaren Dienstleistungen steht die Gruppe der eindeutig beim Leistungsempfänger betrieblich veranlassten und damit verrechenbaren Leistungen gegenüber. Hierzu zählen insbesondere die folgenden Dienstleistungen:4 – Gewerbliche Dienstleistungen: Hierunter fallen marktgängige Leistungen, z.B. Leistungen im Bereich des Transportwesens, der Informations- und Nachrichtenübermittlung, der Instandhaltung, der Reinigung und der Bewachung. – Unterstützungs- und Beratungsleistungen in wirtschaftlichen, rechtlichen und technischen Angelegenheiten: Dazu gehören etwa Beratungsleistungen im Bereich der EDV, des Rechnungswesens, des Marketing sowie die zeitlich begrenzte Überlassung von Arbeitskräften im Rahmen einer Dienst- oder Werkleistungsverpflichtung.5 – Geschäftsführungs- und Managementleistungen: Hierbei handelt es sich um Aufgaben, die von der Tochtergesellschaft selbst – z.B. im Rahmen ihrer Geschäftsführungsorgane – erfüllt werden müssten, jedoch von der Obergesellschaft mit dem Ziel erbracht werden, die Tochtergesellschaft zu entlasten oder deren Organe zu ergänzen oder zu ersetzen. Dazu gehören z.B. die konkrete Investitions- und Finanzplanung, die Festlegung des Produktionsprogramms, die Personal- und Beschaffungspolitik, die Erstellung von Marketingkonzepten etc. – Aus- und Fortbildungsleistungen: Hierunter fallen Leistungen der Betreuung, Aus- und Fortbildung von Personal. 1 Vgl. Tz. 7.9 OECD-Leitlinien 2010. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 6.3.2. 3 Siehe hierzu etwa Becker/Kroppen in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Tz. 7.9 Anm. 6 f. sowie Tz. 7.10 Anm. 1 ff.; Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 205 f. m.w.N. 4 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 6.3.1; Tz. 7.2, 7.8, 7.14 u. 7.16 OECD-Leitlinien 2010. 5 Vgl. BMF v. 9.11.2001 – IV B 4 - S 1341 - 20/01 – VWG-Arbeitnehmerentsendung, BStBl. I 2001, 769 Tz. 2.1 Abs. 2.
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– Überwachungs- und Kontrollleistungen: Solche Leistungen sind nur dann verrechenbar, wenn sie in den Aufgaben- und Zuständigkeitsbereich der Tochtergesellschaft fallen und insoweit eigene Kosten vermieden werden. Dies betrifft bspw. die Kontrolle der Produktqualität, der Arbeitsproduktivität, die Erstellung von Rentabilitätsrechnungen, die Einrichtung und Überwachung eines unternehmensspezifischen internen Kontrollsystems etc., sofern diese im Auftrag und im Interesse der Tochtergesellschaft durchgeführt werden. – Spezielle Forschungsleistungen: Dazu gehört insbesondere die Auftragsforschung (Rz. 3.302) sowie die Durchführung von Markt- und Verbraucheranalysen. – Leistungsbereitschaft auf Abruf: Grundsätzlich ist eine innerkonzernliche Dienstleistung nur verrechenbar, wenn sie tatsächlich erbracht wird. Dies schließt indessen nicht aus, dass die Verfügbarkeit einer Dienstleistung i.S. einer Bereitschaftsleistung – zusätzlich zur tatsächlichen Leistungserbringung – verrechnet wird. Voraussetzung einer Verrechnung ist allerdings, dass die Leistungsbereitschaft in angemessenem Umfang innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes tatsächlich abgerufen wird und auch ein unabhängiges Unternehmen ein Entgelt für die „auf Abruf“ zur Verfügung stehende Dienstleistung entrichten würde.1
3.309 Den beiden Gruppen der nicht verrechenbaren bzw. verrechenbaren Dienstleistungen stehen die sog. Mischleistungen gegenüber. Bei diesen handelt es sich um Dienstleistungen, die sowohl im Interesse der Muttergesellschaft bzw. des Gesamtkonzerns als auch im Interesse einer oder mehrerer Konzerngesellschaften erbracht werden.2 Aufgrund der Notwendigkeit der Zuordnung solcher Dienstleistungen entweder zur gesellschaftsrechtlichen oder schuldrechtlichen Sphäre entsteht die Schwierigkeit, darüber zu entscheiden, welchem Unternehmen die Dienstleistungen Vorteile gebracht haben bzw. in welchem Verhältnis der Vorteil auf die beteiligten Unternehmen entfällt.3 Infolgedessen ist eine Aufteilung in einen verrechenbaren und einen nicht verrechenbaren Teil vorzunehmen. Angesichts der Individualität und Vielfalt der in einer international verbundenen Unternehmung ausgetauschten Dienstleistungen erweist sich die betriebliche Veranlassung (Rz. 3.303) im Rahmen von Mischleistungen häufig als zu undifferenziert, um eine zweifelsfreie Trennung zwischen verrechenbaren und nicht verrechenbaren Dienstleistungen zu ermöglichen. Daher ist es sinnvoll und zulässig, die bereits erwähnten 1 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 6.3.1 Bsp. 5; Tz. 7.16 OECD-Leitlinien 2010; Stock/Kaminski, DB 1997, 1054; Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 640; Becker/Kroppen in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Tz. 7.16 Anm. 1 ff. 2 Vgl. Becker/Kroppen in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Tz. 7.6 Anm. 6 m.w.N. 3 Vgl. Becker/Kroppen in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Tz. 7.6 Anm. 6.
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Hilfskriterien der VWG 19831 (Rz. 3.304) (Forderung nach einer Abgrenzbarkeit und Messbarkeit der Leistung sowie das Interesse des Leistungsempfängers in Form eines erwarteten Vorteils) in den Mittelpunkt der Betrachtung zu stellen. Diese ergänzenden Hilfskriterien erleichtern die Entscheidung über die Frage, bei welchem Unternehmen die Dienstleistung betrieblich veranlasst ist. Im Übrigen betonen auch die OECDLeitlinien 2010, dass die Erzielung eines mittelbaren, indirekten, kaum greifbaren oder „nebenbei entstehenden“ Vorteils die Verrechnung einer Dienstleistung nicht rechtfertige.2 Diese Feststellung erscheint allerdings insofern zu pauschal, als bereits festgestellt wurde, dass bei nur mittelbarer betrieblicher Veranlassung die subjektive Zweckbestimmung eines ordentlichen Geschäftsleiters im Rahmen seines Ermessensspielraums darüber entscheidet, ob er eine Leistung durch seinen Betrieb veranlasst und für diesen geeignet ansieht oder nicht (Rz. 3.303). Daher sollte eine Verrechnung bei mittelbarer oder unbedeutender Vorteilszuwendung nur für den Fall ausgeschlossen bleiben, in dem auch ein ordentlicher Geschäftsleiter solche Vorteile als nicht entgeltfähig betrachten würde.3 In der Praxis der steuerlichen Betriebsprüfung stellen diese Mischleistungen, die letztlich eine Aufteilung in verrechenbaren und nicht verrechenbaren Aufwand erfordern, die typischen Kompromissfälle dar. 3. Verrechnung der Höhe nach a) Formen der Leistungsverrechnung Wird nach Würdigung aller Umstände eine Dienstleistung nach dem Prinzip der betrieblichen Veranlassung als dem Grunde nach verrechenbar angesehen, stellt sich in einem nächsten Schritt die Frage der Verrechnung der Höhe nach. In diesem Zusammenhang sind die folgenden Verrechnungsformen zu unterscheiden (vgl. aber auch Rz. 3.241): – Einzelabrechnung der Dienstleistung im Rahmen eines schuldrechtlichen Leistungsaustausches zwischen den Konzerngesellschaften, – Konzernumlage in Form der – Leistungsumlage im Rahmen eines schuldrechtlichen Leistungsaustausches zwischen den Konzerngesellschaften (Leistungsaustauschkonzept), – Kosten- bzw. Poolumlage im Rahmen der Begründung eines Pools zum Leistungsempfang im gemeinsamen Interesse und auf gemeinsames Risiko der involvierten Konzerngesellschaften (Poolkonzept). Während bei der Einzelabrechnung für jede einzelne, im Rahmen einer schuldrechtlichen Vereinbarung zwischen den Konzerngesellschaften er1 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 6.2.2. 2 Vgl. Tz. 7.12 OECD-Leitlinien 2010. 3 Gl. A. Becker/Kroppen in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Tz. 7.6 Anm. 6.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
brachte Dienstleistung ein separates Entgelt verrechnet wird, ist im Zusammenhang mit der Konzernumlage zu differenzieren, ob zwischen den involvierten Konzerngesellschaften ein schuldrechtlicher Leistungsaustausch stattfindet oder nicht.1 Ist dies der Fall, werden nach dem Leistungsaustauschkonzept von einem (zentralen) Leistungserbringer als Auftragnehmer gegenüber mehreren verbundenen Unternehmen als Auftraggeber Leistungen erbracht, z.B. indem eine spezialisierte Dienstleistungsgesellschaft im Bereich des Rechnungswesens gleichartige Leistungen an mehrere Konzerngesellschaften erbringt. Dabei wird der Verrechnungspreis der Dienstleistung an die einzelnen Auftragnehmer pauschal durch Umlage der beim Leistungserbringer entstandenen Kosten zuzüglich eines Gewinnaufschlages mithilfe einer sachgerechten Schlüsselung bestimmt (sog. Leistungsumlage). Insofern handelt es sich bei der Leistungsumlage im Ergebnis um eine besondere Form der Verrechnungspreisermittlung auf der Grundlage einer modifizierten Kostenaufschlagsmethode mit einer einhergehenden pauschalen Kostenermittlung und -verteilung zuzüglich Gewinnaufschlag (Rz. 3.319 f.). Die Leistungsumlage ist eine der Einzelabrechnung gleichwertige Abrechnungsform, die insbesondere in solchen Fällen Anwendung findet, in denen die Einzelabrechnung der Dienstleistungen nicht oder – aufgrund eines hohen Verwaltungsaufwandes – zumindest nicht wirtschaftlich sinnvoll möglich ist (sog. Vereinfachungsfunktion der Leistungsumlage).2 Vor diesem Hintergrund findet nach Auffassung der OECD die Leistungsumlage insbesondere dann Anwendung, wenn „der anteilsmäßige Wert der an die verschiedenen maßgeblichen Unternehmen erbrachten Dienstleistungen nur auf der Grundlage eines Näherungs- oder Schätzwertes berechnet werden“3 kann. Dies sei bspw. bei der zentralen Verkaufsförderung, z.B. mithilfe internationaler Messen oder bei der Werbung in der internationalen Presse, der Fall.4 Demgegenüber schließen sich nach dem sog. Poolkonzept – international auch „cost sharing“ bzw. „cost contribution“ genannt – mehrere verbundene Unternehmen zusammen, um im gemeinsamen Interesse und auf gemeinsames Risiko über einen längeren Zeitraum Leistungen zu erhalten bzw. zu erbringen.5 Die beteiligten Konzernunternehmen bilden insoweit eine Innengesellschaft (Pool), auf die sie eigene Leistungen, Leis1 Vgl. Kuckhoff/Schreiber, IStR 2000, 348; Baumhoff, IStR 2000, 693 f.; Oestreicher, IStR 2000, 760 f.; Kaminski, IWB Fach 3 Gruppe 2, 892 ff.; Kaminski in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 693 ff.; Becker in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Anm. K 7; Ditz, DB 2004, 1949 f.; rechtsvergleichend siehe etwa Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 209 ff. m.w.N. 2 Vgl. Kuckhoff/Schreiber, IStR 2000, 348. 3 Tz. 7.24 OECD-Leitlinien 2010. 4 Vgl. dazu im Einzelnen Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 649 f. 5 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 1.1.
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tungskomponenten oder unternehmensinterne Funktionsbereiche auslagern und gemeinsam nutzen. Die in diesem Zusammenhang entstehenden Kosten werden ohne Gewinnaufschlag nach einem nutzenorientierten Umlageschlüssel auf die Poolmitglieder verteilt (Rz. 3.321 ff.). Im Gegenzug können die Poolmitglieder entsprechend der Umlagevereinbarung auf die im Pool erzielten Ergebnisse zurückgreifen. Ein schuldrechtlicher Leistungsaustausch zwischen den Poolmitgliedern findet dabei grundsätzlich nicht statt. Die innerhalb des Pools erbrachten Leistungen haben vielmehr den Charakter von innerbetrieblichen Leistungen.1 Die damit verbundenen Aufwendungen sind demnach als eigene originäre Aufwendungen der Poolmitglieder zu behandeln und bei diesen als Betriebsausgaben abzugsfähig.2 Ferner qualifiziert der Eintritt in einen Pool nicht als Funktionsverlagerung (Rz. 3.337 ff.).3 Die OECD bezeichnet die Einzelabrechnung von Dienstleistungen als direkte Methode,4 die Konzernumlage nach dem Leistungsaustauschkonzept als indirekte Methode.5 Daneben werden in Kap. VIII der OECDLeitlinien 2010 die Kostenumlagen nach dem Poolkonzept erörtert. Insofern lassen die OECD-Leitlinien 2010 eine klare Trennung der drei dargestellten Abrechnungskategorien erkennen. Demgegenüber war aufgrund der missverständlichen Formulierung der Tz. 1 VWG-Umlageverträge 1999,6 wonach die Einzelverrechnung sowohl nach der direkten als auch der indirekten Methode erfolgen kann,7 zunächst unklar, ob auch nach Einführung der VWG-Umlageverträge 19998 die Leistungsumlage mit ihrer Vereinfachungsfunktion Anwendung finden kann. Dies wird sowohl von der h.M. im Schrifttum9 als auch von Vertretern der deutschen Finanzverwaltung10 bejaht. 1 Vgl. IDW, WPg 1999, 714. 2 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 1.4 Abs. 1. 3 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.1.7 Rz. 50. 4 Vgl. Tz. 7.20 OECD-Leitlinien 2010. 5 Vgl. Tz. 7.23 f. OECD-Leitlinien 2010. 6 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 1. 7 Der Wortlaut der Tz. 1 VWG-Umlageverträge 1999 ist insofern missglückt, als entsprechend der Handhabung der OECD-Leitlinien 2010 die Einzelverrechnung von Leistungen mit der direkten Methode und die Konzernumlage nach dem Leistungsaustauschkonzept mit der indirekten Methode gleichgesetzt wurden. 8 BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122. 9 Vgl. Oestreicher, IStR 2000, 762; Baumhoff, IStR 2000, 694; Kaminski, IWB Fach 3 Gruppe 2, 894 f.; Becker, IWB Fach 3 Gruppe 2, 880 f.; Waldens, ITPJ 2001 No. 2, 50 f.; Freytag/Vögele, IWB Fach 10 Gruppe 2, 1498; Ditz, DB 2004, 1949; Kaminski in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 693 ff.; Arbeitskreis Außensteuerrecht beim Institut der Wirtschaftsprüfer in GS Krüger, 25; a.A. Vögele/Freytag, IStR 2000, 249; Vögele, DB 2000, 297. 10 Vgl. Kuckhoff/Schreiber, IStR 2000, 347.
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Allerdings wurden von Vertretern der Finanzverwaltung1 Zweifel an diesem Verständnis geweckt. Hiernach soll mit den VWG-Umlageverträge 1999 eine abschließende Regelung erfolgt sein, die ab dem Jahr 2001 ausschließlich Poolumlagen zulässt. Begründet wird diese Auffassung damit, dass Tz. 7 der VWG 1983 durch die VWG-Umlageverträge 1999 aufgehoben wurde2 und dass bestehende Umlageverträge gem. Tz. 8 der VWGUmlageverträge 19993 bis zum 31.12.2000 anzupassen waren. Geschieht dies nicht, wird durch Tz. 8 auf Tz. 6 verwiesen, die bei gravierenden Mängeln von Umlageverträgen eine Versagung des Betriebsausgabenabzugs vorsieht. Diese Auffassung vermag nicht zu überzeugen. Sie ist schon deshalb abzulehnen, weil Tz. 8 der VWG-Umlageverträge 19994 sich nur auf erforderliche Anpassungen bestehender Umlageverträge bezieht, nicht jedoch auf die Kündigung bestehender Verträge über Leistungsumlagen.5
3.312 Grundsätzlich ist jede Konzernleitung bzw. jeder Gesellschafter frei, den organisatorischen Aufbau und die funktionale Untergliederung seiner Unternehmensgruppe nach freiem Ermessen zu gestalten.6 Gegenstand dieser unternehmerischen Dispositionsfreiheit ist auch die Entscheidung, ob konzerninterne Dienstleistungen in der Organisationsform des Kostenpools oder auf der Basis eines gesonderten Dienstleistungsvertrages (Leistungsumlage oder Einzelabrechnung) erbracht werden sollen. Sie ist daher als unternehmerische Entscheidung hinsichtlich der Funktionsund Risikoverteilung im Konzern von der Finanzverwaltung generell zu akzeptieren.7 Allerdings sind aus der gewählten Organisationsstruktur der zentralen Dienstleistungserbringung die entsprechenden Rückschlüsse im Hinblick auf die Verrechnung der daraus resultierenden innerkonzernlichen Leistungsflüsse zu ziehen. Entscheidet man sich demnach für eine Leistungserbringung im gemeinsamen Interesse und im gemeinsamen Risiko 1 Vgl. Böcker, StBp 2008, 8 ff. 2 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 7. 3 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 8. 4 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 8. 5 Vgl. ausführlich Kaminski, SAM 2009, 175 ff.; Kaminski in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 703. 6 Vgl. Kuckhoff/Schreiber, IStR 1999, 324; Borstell, StbJb 2001/2002, 221; Eigelshoven/Ebering in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Tz. 1.36 Anm. 161; Baumhoff/Puls, IStR 2009, 76 f.; Werra, IStR 2009, 82. Siehe hierzu auch die erstmalige Äußerung der Finanzverwaltung zur unternehmerischen Dispositionsfreiheit in den VWG-Funktionsverlagerung, vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 3 Rz. 145 ff. 7 Vgl. Akzeptanz der unternehmerischen Dispositionsfreiheit auch BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 3 Rz. 145 ff.
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der betroffenen Konzerneinheiten (Pool), kann die Leistungsverrechnung nur über eine Kostenumlage ohne Gewinnaufschlag erfolgen. Wird demgegenüber ein Leistungsaustausch zwischen der leistungsbringenden und der leistungsempfangenden Konzerngesellschaft vereinbart, ist die Leistung nach dem Grundsatz des „dealing at arm’s length“ zwingend unter Einbeziehung eines Gewinnaufschlages zu verrechnen. Dabei ist nach Auffassung der OECD der Einzelverrechnung der Dienstleistungen mittels der Standardmethoden der Vorrang gegenüber der Leistungsumlage einzuräumen, soweit die entsprechenden Leistungen zur Haupttätigkeit der leistungserbringenden Konzerngesellschaft gehören und sowohl gegenüber verbundenen wie auch unverbundenen Unternehmen erbracht werden.1 Denn für diesen Fall wird vermutet, dass eine gesonderte, d.h. auf die einzelne Leistung bezogene Preisermittlung möglich ist. b) Einzelverrechnung mittels der Standardmethoden Im Rahmen der Einzelabrechnung wird für jede einzelne innerkonzernliche Dienstleistung ein Entgelt verrechnet. Insofern wird dem Grundsatz der Tz. 2.1.4 VWG 1983 entsprochen, nach welchem im Rahmen des Prinzips des „dealing at arm’s length“ jede einzelne Leistung gesondert zu vereinbaren und abzurechnen ist.2 Dies setzt voraus, dass die Dienstleistung klar definiert ist und von anderen innerkonzernlichen Lieferungs- und Leistungsbeziehungen abgegrenzt werden kann. Insbesondere in Fällen, in denen Dienstleistungen in Form von Neben-, Zusatz- und Serviceleistungen erbracht (Rz. 3.241) bzw. zusammengefasste Entgelte für Haupt- und Nebenleistungen vereinbart werden,3 kann eine solche Abgrenzung zu praktischen Schwierigkeiten führen.
3.313
Zur Bestimmung von Verrechnungspreisen für konzerninterne Dienstleistungen im Wege der Einzelabrechnung kommen grundsätzlich die drei Standardmethoden der Verrechnungspreisermittlung in Betracht. Dabei kann im Rahmen der Preisvergleichsmethode (Rz. 3.174 ff.) ein innerer oder ein äußerer Preisvergleich durchgeführt werden. Der innere Preisvergleich (Rz. 3.175) erweist sich immer dann als besonders geeignet, wenn ein internationaler Unternehmensverbund über organisatorisch und rechtlich selbständige Dienstleistungsgesellschaften verfügt, die sowohl zu verbundenen wie auch zu unverbundenen Unternehmen Geschäftsbeziehungen mit einem vergleichbaren Leistungsprogramm unterhalten. Zu denken ist hierbei insbesondere an konzerneigene Marketing-, F&E-, Verwaltungs-, Unternehmensberatungs- und Engineering-
3.314
1 Vgl. Tz. 7.21 u. 7.23 OECD-Leitlinien 2010. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.1.4. 3 BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 3.2.3.3 nennt in diesem Zusammenhang „z.B. Garantie-, Wartungs- oder branchenübliche Kulanzleistungen“.
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Gesellschaften.1 Daneben ist ein innerer Preisvergleich auch im umgekehrten Fall denkbar, indem Konzerngesellschaften bestimmte Dienstleistungen sowohl von verbundenen wie auch von unverbundenen Unternehmen empfangen. Der äußere Preisvergleich (Rz. 3.176), bei dem auf den Leistungsverkehr zwischen unabhängigen Unternehmen abgestellt wird, eignet sich indessen nur für den Bereich der marktgängigen und marktfähigen Dienstleistungen,2 da nur für diese Leistungen eine vergleichbare Referenztransaktion zwischen unabhängigen Dritten identifiziert werden kann. Dazu gehören in erster Linie die sog. gewerblichen Dienstleistungen, wie z.B. Transport-, Versicherungs-, Überwachungs-, Reinigungs-, Wartungs-, Montage-, Reparatur- und Marketingleistungen sowie Dienstleistungen im Bereich der EDV. Für den ebenfalls zu den Dienstleistungen zählenden Bereich der Auftragsforschung (Rz. 3.302) ist ebenfalls eine Marktpreisorientierung möglich. So können bspw. Vergleichsangebote von unabhängigen Forschungseinrichtungen (wie z.B. Universitätsinstitute oder F&E-Abteilungen unabhängiger Unternehmen) eingeholt werden.3 Darüber hinaus kann ein Preisvergleich häufig im Bereich der freiberuflichen Dienstleistungen, wie z.B. der Rechts-, Steuer-, Unternehmens- und Ingenieurberatung durchgeführt werden. Als Vergleichsmaßstab fungieren dabei die am Markt realisierten Honorar- bzw. Stundensätze bzw. die einschlägigen Gebührenverordnungen der Steuerberater, Rechtsanwälte etc. Die Verwendung von Gebührenordnungen – konkret die Anwendung der Steuerberatergebührenverordnung bei einer konzerneigenen Steuerberatungsgesellschaft – und damit die Anwendung der Preisvergleichsmethode für konzerninterne Dienstleistungen hat der BFH in seinem Judikat vom 23.6.1993 expressis verbis bestätigt.4 Danach würde auch ein ordentlicher Geschäftsleiter für geleistete Steuerberatungsdienstleistungen ein an der entsprechenden Gebührenverordnung orientiertes Entgelt fordern, weil dies „standesrechtlich geboten“ ist. Der BFH betont in seinem Urteil allerdings ausdrücklich, dass eine konzerneigene Steuerabteilung nicht in vergleichbarer Weise an den Gebührenrahmen der Steuerberater gebunden sei. Insofern könne es in diesem Fall ggf. zu anderen Lösungsansätzen kommen. 1 Vgl. in diesem Zusammenhang auch Stock/Kaminski, IStR 1997, 451 ff. 2 Vgl. Tz. 7.2 OECD-Leitlinien 2010. 3 Dagegen sieht BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 5.3 im Rahmen der Auftragsforschung „regelmäßig“ die Kostenaufschlagsmethode vor. Dies entspricht der grundsätzlichen Auffassung der Finanzverwaltung zur Abgeltung von Unternehmen mit Routinefunktionen, vgl. BRDrucks. 352/08 v. 23.5.2008, 16; BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.2.2.1 Rz. 67. Dieser pauschalen Aussage kann indessen nicht gefolgt werden, sodass auch hier die Preisvergleichsmethode Anwendung finden kann, soweit deren Voraussetzungen erfüllt sind. Im Übrigen entspricht sie nicht dem in § 1 Abs. 3 AStG verankerten Stufenverhältnis zwischen tatsächlichem und hypothetischem Fremdvergleich. 4 Vgl. BFH v. 23.6.1993 – I R 72/92, BStBl. II 1993, 801.
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D. Ausgewählte Lieferungs- und Leistungsbeziehungen
Die Preisvergleichsmethode stößt im Zusammenhang mit konzerninternen Dienstleistungen i.d.R. auf erhebliche Anwendungsprobleme. Trotz der Existenz von markt- oder branchenüblichen Preisen für bestimmte Dienstleistungsarten scheitert ein Preisvergleich häufig an einer fehlenden Übereinstimmung der maßgeblichen Vergleichstatbestände der konzerninternen Dienstleistung einerseits und der identifizierten Referenztransaktion zwischen unabhängigen Dritten andererseits. Im Übrigen sind Anpassungsrechnungen zur Herstellung einer indirekten Vergleichbarkeit (Rz. 3.90) bzw. eingeschränkten Vergleichbarkeit (Rz. 3.87) oftmals problematisch. Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass sich für den großen Bereich der konzernspezifischen Dienstleistungen (z.B. der Übernahme von Managementfunktionen, die Arbeitnehmerentsendung,1 das Cash-Pooling [Rz. 3.285 ff.] etc.) aufgrund ihrer fehlenden Marktgängigkeit i.d.R. keine Vergleichsobjekte finden lassen. Letztlich kommt daher der Preisvergleichsmethode zur Ermittlung von konzerninternen Dienstleistungsentgelten eine untergeordnete Bedeutung zu.
3.315
Umstritten im Rahmen der Ermittlung angemessener Dienstleistungsentgelte ist die Wiederverkaufspreismethode (Rz. 3.179 ff.). Während nach Auffassung der Finanzverwaltung deren Anwendung im Zusammenhang mit Dienstleistungen prinzipiell ausscheidet, weil Dienstleistungen i.d.R. immaterieller Natur sind und nicht weiterveräußert werden,2 wird in Teilen des Schrifttums die Ansicht vertreten, dass ein genereller Ausschluss der Wiederverkaufspreismethode für den Bereich der innerkonzernlichen Dienstleistungen nicht gerechtfertigt sei.3 Als Beispiele werden dabei Unterlizenzverträge für die Nutzung immaterieller Wirtschaftsgüter, die Weitervermietung von Wirtschaftsgütern (sog. „Sub-Leasing“), die Weiterveräußerung von Software sowie die Existenz von Handelsstufen im Versicherungs- und Transportgewerbe genannt (Rz. 3.295 f.).
3.316
Zwangsläufig beschränkt sich die Anwendung der Wiederverkaufspreismethode zur Bestimmung von konzerninternen Dienstleistungsentgelten auf den Bereich der marktgängigen Dienstleistungen, weil sie ex definitione ihren Ausgangspunkt in dem Preis findet, den die verbundene Unternehmung von einem unabhängigen Käufer für die Dienstleistungs1 Zum Problem der Umsetzung des Fremdvergleichs im Rahmen der innerkonzernlichen Arbeitnehmerentsendung vgl. Schnorberger/Waldens, IStR 2001, 24 f. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 3.2.3.2. Die OECD-Leitlinien 2010 äußern sich nicht zur Eignung der Wiederverkaufspreismethode bei der Festsetzung konzerninterner Dienstleistungsentgelte. Insofern misst auch die OECD der Wiederverkaufspreismethode in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zu. 3 Vgl. Becker in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, V Anm. zu Tz. 3.2.1 u. 3.2.3 VWG 1983; Kroppen in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Tz. 7.31 Anm. 14; Klein/Nohl/Zschiegner/Klein, Konzernrechnungslegung und Konzernverrechnungspreise, 176. Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreise zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 230.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
erbringung am Markt realisiert. Infolgedessen erweist sich die Wiederverkaufspreismethode für Dienstleistungen, die aufgrund ihrer Beschaffenheit ausschließlich im Unternehmensverbund und nicht zwischen unabhängigen Dritten ausgetauscht werden (sog. konzernspezifische Dienstleistungen), grundsätzlich als ungeeignet. Die Anwendung der Wiederverkaufspreismethode setzt ferner voraus, dass die wiederverkaufende Konzernunternehmung gegenüber der leistungserbringenden Konzernunternehmung als „Käufer“ der Leistung auftritt; mithin somit zwischen der leistungserbringenden und der leistungswiederverkaufenden Konzernunternehmung eine unmittelbare Rechtsbeziehung i.S. eines Dienstleistungsverkaufs respektive Dienstleistungseinkaufs besteht. Erst im Anschluss daran kann die wiederverkaufende Unternehmung die betreffende Leistung an fremde Dritte weiterverkaufen. Von der Wiederverkaufspreismethode ausgeschossen bleiben demnach alle Vermittlungsleistungen, bei der die „zwischengeschaltete“ Konzernunternehmung nur als Makler, Treuhänder oder Vermittler und nicht als Käufer bzw. Wiederverkäufer der Dienstleistung fungiert. In diesen Fällen wird nämlich keine Dienstleistung „weiterverkauft“. Vielmehr erbringt die „zwischengeschaltete“ Konzernunternehmung eine – von der vermittelten Dienstleistung zu unterscheidende – Vermittlungsleistung, die ihrerseits mit einem fremdvergleichskonformen Leistungsentgelt (ermittelt i.d.R. nach der Kostenaufschlagsmethode) zu vergüten ist (Rz. 3.259 f.). Im Ergebnis ist die Anwendung der Wiederverkaufspreismethode im Dienstleistungsbereich auf Ausnahmefälle beschränkt, in denen die entsprechende Dienstleistung auf einem geeigneten Trägermedium gespeichert und somit durch den Wiederverkäufer am Markt veräußert werden kann. Dies ist allerdings nur in seltenen Einzelfällen, wie z.B. bei bestimmten EDV-Dienstleistungen (Programmierung von Software) oder der Erstellung von Gutachten, möglich.1 Abgesehen von solchen Sonderfällen scheidet die Wiederverkaufspreismethode für die Verrechnungspreisermittlung von Dienstleistungen aus, weil Dienstleistungen i.d.R. nicht speicherbar sind.
3.317 Aufgrund der Tatsache, dass die Preisvergleichsmethode für die Bestimmung von Dienstleistungsentgelten nur begrenzt einsetzbar ist und darüber hinaus die Wiederverkaufspreismethode nur in wenigen Ausnahmefällen Anwendung finden kann, kommt der Kostenaufschlagsmethode (Rz. 3.188 ff.) im Rahmen der Verrechnung konzerninterner Dienstleistungen die größte Bedeutung zu.2 Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen für eine konzerninterne Dienstleistung keine Marktpreise als Vergleichsmaßstab zur Verfügung stehen, etwa weil 1 Hier ist grundsätzlich auch eine Veränderung oder Ergänzung der Dienstleistung vor dem Weiterverkauf denkbar, was bei der Bestimmung der Handelsspanne zu berücksichtigen ist. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 3.2.3.2.
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– es sich um nicht marktfähige, konzernspezifische Dienstleistungen handelt, – vorliegende Marktpreise aufgrund einer fehlenden Vergleichbarkeit der Verhältnisse nicht brauchbar sind, – tatsächlich vereinbarte Marktpreise nicht identifizierbar sind, – schon der Grundsatz des Fremdvergleichs bei gewissen Dienstleistungen eine Verrechnung mit der Kostenaufschlagsmethode verlangt (Rz. 3.189 u. 3.250 ff.). Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Kostenaufschlagsmethode im Rahmen der Ermittlung von Dienstleistungsentgelten kann auf die allgemeinen Ausführungen zur Kostenaufschlagsmethode verwiesen werden (Rz. 3.188 ff.). Von besonderer Bedeutung ist allerdings, dass im Rahmen der Einzelabrechnung von Dienstleistungen nach der Kostenaufschlagsmethode zwingend ein Gewinnaufschlag zu verrechnen ist. Denn der ordentliche Geschäftsleiter der leistungserbringenden Konzernunternehmung wird i.d.R.1 keine Leistung erbringen, aus welcher er sich keinen Gewinn verspricht. Allerdings ist bei der Bemessung des Dienstleistungsentgelts auch der Entscheidungssituation des Leistungsempfängers Rechnung zu tragen. Dies gilt insbesondere für dessen wirtschaftliche Handlungsalternativen im Rahmen der Eigenerstellung der Dienstleistung (sog. „make or buy“-Kalkül). Diese determinieren die Preisobergrenze des Leistungsempfängers2 (z.B. in Form der Kosten der Eigenerstellung einer Dienstleistung) ohne Rücksicht darauf, ob und wenn ja, in welcher Höhe der Leistende einen Gewinnaufschlag realisieren kann.3 Die TNMM (Rz. 3.223 u. 3.229 ff.) ist als eine i.S.v. § 1 Abs. 3 Satz 2 AStG „geeignete Verrechnungspreismethode“ eine zulässige Verrechnungspreismethode für die Bestimmung von Dienstleistungsentgelten, die auf der zweiten Stufe des in § 1 Abs. 3 AStG verankerten Stufenverhältnisses (Rz. 3.172 f.) zum Tragen kommen kann (Rz. 3.222). Auf diese Stufe sind eingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte nach Vornahme sachgerechter Anpassungen „einer geeigneten Verrechnungspreismethode“ zugrunde zu legen. Zwar regelt § 1 Abs. 3 Satz 2 AStG zwischen den „geeigneten Verrechnungspreismethoden“ kein Rangfolgeverhältnis. Nach Tz. 3.4.10.3 Buchst. b der VWG-Verfahren4 kommt die TNMM jedoch nur subsidiär zu den Standardmethoden zur Anwendung. Ferner ist nach Auffassung der Finanzverwaltung die TNMM nur für Routineunternehmen zulässig, die sich dadurch als solche qualifizieren, dass sie marktgän-
1 Ausnahmen bestehen für das Poolkonzept und besondere Umstände, in denen die Teilkostenrechnung Anwendung findet. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 6.4.1. 3 Vgl. Tz. 7.35 OECD-Leitlinien 2010. 4 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.10.3 Buchst. b.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
gige Dienstleistungen erbringen, keine unternehmerischen Risiken tragen und nur in geringem Umfang Wirtschaftsgüter einsetzen.1 c) Konzernumlagen nach dem Leistungsaustauschkonzept
3.319 In der Verrechnungspraxis hat sich die Einzelabrechnung konzerninterner Dienstleistungen häufig als unpraktikabel und unzweckmäßig erwiesen. Dies insbesondere in den Fällen, in denen der Vorteil und Nutzen einzelner Dienstleistungen für eine bestimmte Konzernunternehmung nur sehr vage oder nur aufgrund von Schätzungen quantifiziert werden kann (z.B. im Zusammenhang mit Management- und Marketingleistungen). Außerdem bestehen konzerninterne Dienstleistungen häufig aus einem gesamten Leistungsbündel, in dem die einzelnen Leistungskomponenten überhaupt nicht oder nur mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand erfasst und bewertet werden können (z.B. im Bereich des IT und des Marketing). Aufgrund dieser praktischen Schwierigkeiten der Einzelabrechnung wird in der Verrechnungspreispraxis im Rahmen konzerninterner Dienstleistungen – insbesondere bei einer zentralisierten Leistungserbringung einer Konzernobergesellschaft an mehrere Konzernuntergesellschaften – häufig die Abrechnungsform der Konzernumlage bevorzugt. Mit Veröffentlichung der VWG-Umlageverträge 1999 ist im Rahmen der Konzernumlagen zwischen dem Leistungsaustauschkonzept („Leistungsumlage“) und dem Poolkonzept („Poolumlage“) zu differenzieren (Rz. 3.310). Während Tz. 7 VWG 1983 diese beiden Konzepte noch gleichermaßen regelte,2 betreffen die VWG-Umlageverträge 1999 nur noch die Konzernumlage auf der Grundlage des Poolkonzepts, während das Leistungsaustauschkonzept hier keine unmittelbare Berücksichtigung mehr findet. Die Leistungsumlage unter Berücksichtigung der Vereinfachungsfunktion findet ihre Legitimation vielmehr in den – weiterhin gültigen – Tz. 2.4.3 und 6.4.1 VWG 1983.3 Im Übrigen wird in Tz. 1 VWG-Umlageverträge 1999 expressis verbis zum Ausdruck gebracht, dass die VWG-Umlageverträge 1999 die Leistungsverrechnung (verstanden als Einzelabrechnung) auf Basis der „indirekten Methode“ unberührt lassen. Daher ist davon auszugehen, dass auch nach Einführung der VWG-Umlageverträge 1999 die Leistungsumlage auf der Basis eines schuldrechtlichen Leistungsaustausches von der deutschen Finanzverwaltung als Abrechnungsform akzeptiert wird (Rz. 3.311). Bei der Leistungsumlage wird von einer leistungserbringenden Konzerngesellschaft gegenüber einem oder mehreren verbundenen Unternehmen eine Leistung bzw. ein Leistungsbündel erbracht (schuldrechtlicher Leis1 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.10.2 Buchst. a. 2 BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 7 wurde durch die VWG-Umlageverträge 1999 aufgehoben, vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 7. 3 BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.4.3 u. 6.4.1. Vgl. Kuckhoff/Schreiber, IStR 2000, 347.
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tungsaustausch), wobei der Verrechnungspreis pauschal durch Umlage der beim Leistungserbringer entstandenen Kosten zuzüglich eines Gewinnaufschlags mithilfe eines sachgerechten Schlüssels bestimmt wird. Im Ergebnis findet somit eine modifizierte Kostenaufschlagsmethode Anwendung, im Rahmen derer – aus Gründen der Vereinfachung – die durch die Dienstleistung veranlassten Kosten gesammelt, um einen Gewinnaufschlag erhöht und sachgerecht auf die leistungsempfangenden Konzerngesellschaften verteilt werden. Hinsichtlich der Ermittlung der „Umlagemasse“, d.h. der Ermittlung der Kostenbasis und des Gewinnaufschlages, sind dabei die allgemeinen Grundsätze der Kostenaufschlagsmethode anzuwenden1 (Rz. 3.188 ff.). Die Verteilung dieser „Umlagemasse“ auf die leistungsempfangenden Konzernunternehmen hat einem Fremdvergleich zu genügen, d.h., es ist die Frage zu stellen, ob der ordentliche Geschäftsleiter der leistungsempfangenden Konzerngesellschaft in Erwartung der zukünftigen Vorteile bzw. des zu erwartenden Nutzens aus den Leistungen bereit gewesen wäre, die vereinbarten Beiträge zu zahlen. Insofern hat sich der Umlageschlüssel am Verhältnis des erwarteten Nutzens der leistungsempfangenden Konzerngesellschaften auszurichten2 (Rz. 3.326). Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung der Leistungsumlage ist 3.320 der Abschluss eines entsprechenden Umlage- bzw. Dienstleistungsvertrages zwischen der leistungserbringenden Konzerneinheit einerseits und den leistungsempfangenden Konzerngesellschaften andererseits. Freilich gilt – rein formal betrachtet – die Verpflichtung des Steuerpflichtigen zum Abschluss eines schriftlichen Vertrages aufgrund des Wegfalls der Tz. 7 VWG 1983 nur noch für Poolumlagen.3 Tz. 2.4.3 VWG 1983,4 in deren Anwendungsbereich die Leistungsumlage nunmehr fällt, sieht die Pflicht zur Erstellung eines schriftlichen Vertrages insoweit nicht vor. Allerdings sollte auch die Verrechnung von Leistungsumlagen auf der Grundlage eines schriftlichen Umlagevertrages erfolgen, da die Finanzverwaltung Verträge zwischen nahe stehenden Personen nur dann anerkennt, wenn hierüber im Voraus getroffene, klare und eindeutige Vereinbarungen bestehen (Rz. 3.22). Im Hinblick auf die abkommensrechtliche Gewinnkorrekturvorschrift des Art. 9 OECD-MA ist jedoch festzustellen, dass die ihr entsprechenden Vorschriften des jeweiligen DBA nicht auf diesen formalen Aspekt abstellen. Gegenüber rein formalen Beanstandungen entfalten diese insofern eine Sperrwirkung.5 1 Vgl. Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 666. 2 Vgl. Tz. 8.8 OECD-Leitlinien 2010; Ditz, DB 2004, 1949 f. 3 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 5.1.1. 4 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.4.3. 5 Vgl. FG Köln v. 22.8.2007 – 13 K 647/03, rkr., EFG 2008, 161; Schaumburg, Internationales Steuerecht3, Rz. 18.87 m.w.N., Baumhoff/Greinert, IStR 2008, 353; Rasch, IWB Fach 3a Gruppe 1, 1103; Strunk/Kaminski, Stbg 2008, 211; Kaminski in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 704 f. Vgl. ferner
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Darüber hinaus ist ein schriftlicher Umlagevertrag wesentlicher Bestandteil einer nach § 90 Abs. 3 AO und nach der GAufzV gesetzlich vorgeschriebenen Verrechnungspreisdokumentation, die den Steuerpflichtigen vor einer Schätzung gem. § 162 Abs. 3 AO und vor Strafzuschlägen gem. § 162 Abs. 4 AO schützt (Rz. 3.442 ff.). Der Umlagevertrag sollte dabei mindestens die folgenden Tatbestände regeln:1 – Konkretisierung der zu erbringenden Dienstleistungen (Art und Umfang); – Bestimmung der leistungserbringenden und leistungsempfangenden Konzerngesellschaften (Vertragsparteien); – Ermittlung und Umfang der umlagerelevanten Kosten; – Bestimmung des Gewinnaufschlages; – Bestimmung des Umlageschlüssels; – Angaben über die Abrechnungsmodalitäten (ggf. Vorauszahlungen, Endabrechnung); – Zahlungsbedingungen (z.B. Verzinsung bei Zahlungsverzug); – Dokumentationspflichten der Vertragsparteien; – Öffnungsklausel für Vertragsanpassungen (insbesondere bei langfristigen Verträgen); – Laufzeit und Kündigung des Vertrages; – anwendbares Recht; – salvatorische Klausel. d) Konzernumlagen nach dem Poolkonzept (Poolumlage)
3.321 Im Rahmen des Poolkonzepts werden von einem, von mehreren oder von allen beteiligten Konzerngesellschaften Dienstleistungen bzw. ganze Dienstleistungsbündel2 im gemeinsamen Interesse und für gemeinschaftliches Risiko der Poolmitglieder erbracht. Die dabei anfallenden Kosten werden ohne einen Gewinnaufschlag auf die Mitglieder des InteressenPools mithilfe eines sachgerechten Aufteilungsschlüssels verteilt.3 Von FG Hamburg v. 31.10.2011 – 6 K 179/10, Rev. eingelegt (Az. des BFH: I R 75/11), IStR 2012, 190 und hierzu auch Rasch, IWB 2012, 198 ff. 1 Vgl. hierzu auch Hahn in Formularbuch Recht und Steuern6, 591 ff.; Engler in V/B/E, Verrechnungspreise3, M 285 ff.; Becker in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Uml. Anh. Anm. 1–2. Da die VWG-Umlageverträge 1999 nur für den Bereich der Poolumlagen gelten, können ihre umfangreichen Dokumentationsvorgaben in Tz. 5 für einen Umlagevertrag im Rahmen der Leistungsumlage keine Wirkung entfalten. 2 Im Rahmen des Poolkonzepts sind grundsätzlich alle Leistungskategorien denkbar, vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 1.1 Abs. 2; Tz. 8.3 OECD-Leitlinien 2010; Baumhoff, IStR 2000, 700; Oestreicher, IStR 2000, 762 f. 3 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 1.1; Tz. 8.3 f. OECD-Leitlinien 2010.
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diesem Poolgedanken begrifflich und inhaltlich zu unterscheiden ist das sog. „Kostenfinanzierungsverfahren“ bzw. „cost funding“. Hierbei handelt es sich um eine pauschalierte Bezuschussung einer dienstleistungserbringenden Konzerneinheit durch die an den Dienstleistungen interessierten Konzernmitglieder. Der Zuschuss bzw. Beitrag wird dabei auf der Basis einer vorher festgesetzten betriebswirtschaftlichen Bezugsgröße (i.d.R. der Umsatz) bestimmt, wobei die beim Leistungserbringer entstandenen Kosten unberücksichtigt bleiben. Diese kostenunabhängige Bezuschussung wird von den VWG-Umlageverträge 1999 zutreffend abgelehnt,1 weil sie nicht dem Grundsatz des Fremdvergleichs entspricht.2 An einer Poolumlage können als Poolmitglieder nur solche Konzernunternehmen teilnehmen, die gleichgerichtete Interessen verfolgen, d.h., sie müssen die Leistungen in wirtschaftlich gleicher Weise nutzen.3 Da im Rahmen des Poolkonzepts zwischen den Poolmitgliedern kein schuldrechtlicher Leistungsaustausch erfolgt, sondern vielmehr die Poolmitglieder mit der Zusammenlegung von Aktivitäten, Ressourcen oder Fähigkeiten gegenseitigen Nutzen ziehen, ist der Teilnehmerkreis zwangsläufig auf Unternehmen beschränkt, die aus den Leistungen für sich selbst Vorteile ziehen.4 Infolgedessen kommt es nicht zu Leistungsflüssen zwischen den Poolmitgliedern; vielmehr bildet der Pool als Innengesellschaft eine Interessengemeinschaft wirtschaftlich gleichberechtigter Partner. Diese Innengesellschaft (BGB-Gesellschaft) verfolgt keine Gewinnerzielungsabsicht und begründet – zumindest nach Ansicht der deutschen Finanzverwaltung – keine Betriebsstätte5. Unabhängig von der Negierung eines schuldrechtlichen Leistungsaustausches zwischen den Poolmitgliedern für ertragsteuerliche Zwecke6 ist das Poolkonzept einer umsatzsteuerlichen Würdigung zu unterziehen. In diesem Zusammenhang ist der Pool selbst (in Form der Innengesellschaft) nicht als umsatzsteuerlicher Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 UStG zu qualifizieren. Unternehmer sind vielmehr die einzelnen Poolmitglieder.7 Diese erbringen sich gegenseitig Leistungen i.S. des Umsatzsteuerrechts, 1 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 3.1 Abs. 2; Kuckhoff/Schreiber, IStR 2000, 378. 2 Vgl. dazu im Einzelnen Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 657.2. 3 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 1.2 Abs. 1. 4 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 1.2 Abs. 2. 5 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 1.1 Abs. 2. Indessen ist nicht sichergestellt, dass auch der ausländische Fiskus eine Betriebsstätte im Rahmen eines Pools, d.h. eine Betriebsstätte der jeweiligen Poolmitglieder, negiert. Vgl. hierzu Kuckhoff/Schreiber, IStR 2000, 350; Kaminski in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 711 f. 6 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 1.4 Abs. 1. 7 So auch die h.M. im Schrifttum, vgl. etwa Forster/Mühlbauer, DStR 2002, 1475.
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die gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG prinzipiell umsatzsteuerbar sind, soweit der Ort der Leistung1 im Inland liegt. Werden demnach Poolfunktionen im Rahmen eines Kostenpools nicht zentral durch eine Konzerngesellschaft, sondern dezentral durch alle am Pool teilnehmenden Konzerngesellschaften ausgeübt, erbringen sich die Poolmitglieder gegenseitig Leistungen im umsatzsteuerlichen Sinne. Dabei stehen den Leistungen des jeweiligen Poolmitglieds als Gegenleistung nicht nur die über die Umlage gezahlten Geldbeträge, sondern auch die Leistungen der anderen Poolmitglieder gegenüber. Infolgedessen liegen bei den Poolleistungen tauschähnliche Umsätze mit Baraufgabe i.S. des § 3 Abs. 12 UStG vor, deren Entgelt sich nach der Vorschrift des § 10 Abs. 2 Satz 2 UStG bemisst.2 Danach gilt der Wert eines jeden Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz. Der Wert des anderen Umsatzes wird durch den subjektiven Wert für die tatsächlich erhaltene oder in Geld ausdrückbare Gegenleistung bestimmt. Hierbei ist der subjektive Wert derjenige Wert, den der Leistungsempfänger der Leistung beimisst, die er sich verschaffen will und deren Wert dem Betrag entspricht, den er zu diesem Zweck aufzuwenden bereit ist.3 Im Übrigen ist im Rahmen von in Deutschland steuerbaren und steuerpflichtigen Leistungen eines im Ausland ansässigen Poolmitglieds die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers gem. § 13b UStG zu beachten.4
3.323 Da der Teilnehmerkreis bei Poolumlagen auf Unternehmen beschränkt ist, die aus den Leistungen für sich selbst Vorteile ziehen, stehen reine Auftragnehmer, die lediglich Leistungen im Interesse der Poolmitglieder erbringen, ohne die Ergebnisse selbst zu nutzen oder zu verwerten, außerhalb des Pools.5 Ihre Leistungen an den Pool, der in diesem Fall als sog. Nachfragepool auftritt,6 sind zu Fremdpreisen im Wege der Einzelabrechnung (z.B. mithilfe der Preisvergleichs- oder Kostenaufschlagsmethode) zu verrechnen.7 Gleiches gilt für Poolmitglieder, die Leistungen im Interesse des Pools bzw. anderer Poolmitglieder erbringen, ohne die Ergebnisse selbst zu nutzen oder zu verwerten.8
3.324 Voraussetzung für die Verrechnung konzerninterner Dienstleistungen nach dem Poolkonzept ist die Ermittlung der Kostenbasis, welche mittels
1 2 3 4 5
Vgl. § 3a UStG. Vgl. Eggers, IStR 2001, 311; Forster/Mühlbauer, DStR 2002, 1476. Vgl. Abschn. 10.5 Abs. 1 Sätze 2 und 3 UStAE. Vgl. Abschn. 13b.1 UStAE. Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 1.2 Abs. 4. 6 Zu denken ist etwa an die Auftragsforschung, die eine zentrale F&E-Gesellschaft an mehrere, als Pool organisierte Konzerngesellschaften erbringt. 7 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 1.7. Darüber hinaus ist auch eine Leistungsumlage denkbar. 8 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 1.2 Abs. 4; Tz. 8.12 OECD-Leitlinien 2010.
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eines sachgerechten Umlageschlüssels auf die Poolmitglieder zu verteilen ist (sog. umlegbare Kostenmasse). Diese erstreckt sich nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung auf „die tatsächlichen direkten und indirekten Aufwendungen, die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der erbrachten oder zu erbringenden Leistung stehen.“1 Insoweit sind der Kostenumlage die Vollkosten auf Istkostenbasis zugrunde zu legen, wobei auch kalkulatorische Kostenelemente, wie eine Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals lt. Steuerbilanz nach dem Habenzinssatz, Berücksichtigung finden können.2 Durch den Ansatz der Vollkosten auf Istkostenbasis wird sichergestellt, dass auch außerordentliche Aufwendungen bzw. ungeplant angefallene Kosten in die zu verteilende Kostenbasis mit einfließen. Dies gilt selbst für den Fall, dass aufgrund unvorhersehbarer Umstände die tatsächlichen Kosten die geplanten Kosten um ein Mehrfaches übersteigen. Ein Pool stellt eine Risikogemeinschaft dar, sodass dessen Mitglieder gemeinsam über die Kostenumlage sämtliche Risiken der Pooltätigkeit tragen. Dazu gehören insbesondere das Kostenrisiko sowie das Preisabweichungsrisiko.3 Von der Kostenbasis zu kürzen sind Erträge, „die mit den Aufwendungen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.“4 Die sog. Dritteinnahmen fallen insbesondere im Bereich der Forschung und Entwicklung sowie der Erbringung von Dienstleistungen an, sofern die Poolleistungen außerhalb der Gruppe der Poolmitglieder verwertet werden (z.B. aus der Lizenzierung der F&E-Ergebnisse eines Forschungspools an externe Dritte oder an Konzerngesellschaften, die nicht dem Pool angehören). Die Minderung der umlegbaren Kostenmasse durch Dritteinnahmen ist insofern sachgerecht, als die aus der „Drittverwertung“ der Pooltätigkeit resultierenden Gewinne nach dem Poolkonzept allen Poolmitgliedern anteilig zustehen. Dies gilt im Übrigen auch für Standortvorteile, Zuschüsse und Zulagen sowie die Effekte aus steuerlichen Sondervergünstigungen, wie z.B. Sonderabschreibungen5. Über die Frage, ob auf die umlegbare Kostenmasse ein Gewinnaufschlag zu erheben ist, konnte bisher international noch kein Konsens erzielt
1 BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 2.1 Abs. 1. Vgl. zum Terminus „Aufwendungen“ kritisch Kaminski, IWB Fach 3 Gruppe 2, 901; Kaminski in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 712 f.; Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 664.1 f.; Baumhoff, IStR 2000, 700. 2 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 2.1 Abs. 4. 3 Das Risiko liegt also nicht beim Pool, sondern (anteilig) bei dessen Mitgliedern; gl. A. Vögele/Freytag, IStR 2000, 249; Kuckhoff/Schreiber, IStR 2000, 348. 4 BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 2.1 Abs. 2. 5 Im Ergebnis ähnlich Kuckhoff/Schreiber, Verrechnungspreise in der Betriebsprüfung, 101 f.; Kuckhoff/Schreiber, IStR 2000, 376; Baumhoff, IStR 2000, 704; Kaminski in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 712.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
werden.1 Während die OECD-Leitlinien 2010 diese Frage offenlassen, lehnen die VWG-Umlageverträge 1999 einen Gewinnaufschlag mit Hinweis auf den gemeinsamen Zweck des Pools und das fehlende unternehmerische Risiko für den Pool grundsätzlich ab.2 Jedoch ist auch die Vorgehensweise der deutschen Finanzverwaltung im Ergebnis nicht konsequent, da andererseits die Verrechnung kalkulatorischer Kosten, welche de facto Gewinncharakter haben, zugelassen wird.3 Die Ursache für die unterschiedlichen Ansätze in der Frage der Verrechnung eines Gewinnaufschlages sind in den divergierenden Zwecksetzungen der Leistungsumlage einerseits und der Poolumlage andererseits zu suchen (Rz. 3.310 f.). Sieht man in der Leistungsumlage eine gegenüber der Einzelverrechnung zwar vereinfachte, aber dennoch gleichberechtigte Form der Entgeltbestimmung, tritt die leistungserbringende Konzernunternehmung als Dienstleistungsunternehmen auf. Infolgedessen ist ihre Tätigkeit darauf gerichtet, Gewinne zu erzielen, sodass ihr nach Maßgabe des Fremdvergleichs auch ein Gewinnzuschlag zusteht4. Demgegenüber entspricht es dem Grundsatz des Fremdvergleichs im Rahmen des Poolkonzepts, nach welchem mehrere verbundene Unternehmen als gleichberechtigte Partner bei gemeinschaftlichem Risiko einen gemeinsamen Zweck verfolgen, ausschließlich die Kosten ohne Gewinnaufschlag auf die Poolmitglieder zu verteilen. Denn der Pool übt lediglich eine Hilfsfunktion seiner Mitglieder aus und stellt insoweit eine „NonProfit-Innengesellschaft“ dar.5 Mithin lässt sich der Verzicht auf einen Gewinnaufschlag damit rechtfertigen, dass der Pool selbst kein unternehmerisches Risiko trägt, das eine Risikoprämie in Gestalt eines Gewinnzuschlages erfordern bzw. rechtfertigen würde6. Entscheidend für die Frage eines Gewinnaufschlages dem Grunde nach ist letztlich die Risikosituation, in der sich die leistungserbringende, umlageerhebende Konzerneinheit befindet. Werden die Dienstleistungen mit einer rechtlich selbständigen Konzern-Servicegesellschaft im Wege der 1 Zu einem internationalen Vergleich siehe Narraina/Neubauer/Viegener, IWB Fach 10 Gruppe 2, 802 ff. 2 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 2.2. 3 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 2.1 Abs. 4. 4 So auch Piltz in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 66 ff.; Stock/Kaminski, IStR 1998, 9; Kaminski, IWB Fach 3 Gruppe 2, 906; Kaminski/Strunk, IWB Fach 3 Gruppe 1, 1846; Ditz, DB 2004, 1949; Kaminski in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 720 f. 5 Vgl. Raupach, StuW 1990, 400; Scheffler, ZfbF 1991, 483. 6 Ebenso BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 2.2; IdW, Beilage zu den IDW-FN 1-2/1999, Anm. zu Tz. 7.1.6 VWG 1983; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 18.164; Engler in V/B/E, Verrechnungspreise3, M Rz. 427; a.A. Kaminski, IWB Fach 3 Gruppe 2, 906; wohl auch Kaminski in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 721 f.
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D. Ausgewählte Lieferungs- und Leistungsbeziehungen
Umlage abgerechnet, wobei diese Servicegesellschaft ein wirtschaftliches Risiko trägt, ist ein Gewinnaufschlag nach dem Prinzip des „dealing at arm’s length“ zwingend. Liegt eine bloße Kooperation international ansässiger Konzerngesellschaften in Form eines Pools, der als Interessengemeinschaft kein eigenes wirtschaftliches Risiko trägt, vor, kann dagegen ein Gewinnaufschlag nicht gefordert werden. Steht die Höhe der umzulegenden Kosten fest, sind sie in einem nächsten Schritt auf die Poolmitglieder zu verteilen. Dazu ist die Bestimmung eines dem Grundsatz des Fremdvergleichs genügenden Umlageschlüssels notwendig. Dieser ist zur Sicherstellung einer verursachungsgerechten Kostenverteilung in regelmäßigen Zeitabständen zu prüfen und ggf. anzupassen.1 Die Rechtsprechung räumt dem Steuerpflichtigen bei der Auswahl des Umlageschlüssels einen erheblichen Ermessensspielraum ein und will einen Umlageschlüssel nur dann beanstanden, wenn für seine Anwendung keine sachlichen Gründe angeführt werden können.2 Grundsätzlich müsse die Wahl des angemessenen Verteilungsschlüssels „den Vereinbarungen der Beteiligten überlassen bleiben“; es sei dabei „nicht vom Standpunkt jedes einzelnen angeschlossenen Unternehmens für jedes Jahr getrennt“ auszugehen, sondern vielmehr seien „die Auswirkung des Maßstabes auf längere Sicht und unter Beachtung der Interessen aller betreuten Unternehmen“ zu analysieren. Von einer gewissen Flexibilität im Rahmen der Festlegung des Umlageschlüssels gehen auch die VWGUmlageverträge 1999 sowie die OECD-Leitlinien 2010 aus. So ist nach Tz. 3.2 Abs. 1 VWG-Umlageverträge 1999 „der Schlüssel auszuwählen, der im Einzelfall der sachgerechteste ist.“3 Erweisen sich mehrere Umlageschlüssel als „gleichwertig“, liegt es im Ermessen des Steuerpflichtigen, welchen Schlüssel er wählt. Die OECD-Leitlinien 2010 gehen sogar davon aus, dass es für die Bestimmung eines sachgerechten Umlageschlüssels „keine generell anwendbare Regel“4 gibt. Sowohl nach Auffassung der OECD5 als auch der deutschen Finanzverwaltung6 ist die umlegbare Kostenmasse auf der Basis des Nutzens, den jedes Poolmitglied aus der Pooltätigkeit für sich erwartet, aufzuteilen. Dies impliziert letztlich einen Umlageschlüssel nach dem Verhältnis des erwarteten Nutzens eines jeden Poolmitglieds zum erwarteten Gesamtnutzen aus dem Pool.7 Der erwartete Nutzen ist im Rahmen einer sog. 1 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 3.3; Tz. 8.22 OECD-Leitlinien 2010. 2 Vgl. BFH v. 2.2.1960 – I 194/59, BB 1960, 731; Ditz, DB 2004, 1950 f. 3 BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 3.2 Abs. 1. 4 Tz. 8.19 OECD-Leitlinien 2010. 5 Vgl. Tz. 8.19 OECD-Leitlinien 2010. 6 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 3.2 Abs. 1. 7 Dazu kritisch Ditz, DB 2004, 1952.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
Nutzenanalyse anhand betriebswirtschaftlicher Grundsätze und unter Berücksichtigung aller Umstände, die bei Abschluss des Umlagevertrages abzusehen sind, zu ermitteln. Er konkretisiert sich i.d.R. in Form zukünftiger Kosteneinsparungen oder zukünftiger Umsatzsteigerungen aus der Poolteilnahme.1 Dabei muss ein sachlicher Zusammenhang zwischen dem ermittelten Aufteilungsschlüssel und dem voraussichtlichen Nutzen der Poolmitglieder bestehen. In diesem Zusammenhang kommt als Aufteilungsschlüssel häufig das Verhältnis der Umsätze der Poolmitglieder zur Anwendung. Dies insbesondere aus pragmatischen Gründen.2 Neben dem Umsatz kommen darüber hinaus die Wertschöpfung, der Betriebsgewinn, die Lohnsumme, das investierte Kapital, das Vermögen, der Materialaufwand, die Maschinenstunden, die Anzahl der Arbeitnehmer, die Anzahl der voraussichtlich eingesetzten, hergestellten oder verkauften Einheiten einer Produktlinie oder sonstige betriebliche Kennziffern in Betracht.3 Diese Schlüsselgrößen können auch als sog. „Mischschlüssel“ – ggf. mit unterschiedlicher Gewichtung – kombiniert werden.4
3.327 Verbundene Unternehmen, die sich nach Abschluss eines Kostenumlagevertrages erst zu einem späteren Zeitpunkt einem Kostenpool anschließen, haben gem. Tz. 4.1 Abs. 1 VWG-Umlageverträge 19995 eine Eintrittszahlung (sog. „buy in payment“) zu leisten, soweit sie von den in der Vergangenheit durch den Pool entwickelten Ergebnissen ad hoc profitieren. Dies kann bspw. im Rahmen eines F&E-Pools der Fall sein, der bereits vor Eintritt des neuen Poolmitglieds materielle oder immaterielle Vermögenswerte bzw. Know-how entwickeln konnte, deren Zugang sich das neue Poolmitglied im Rahmen der Eintrittszahlung erkauft.6 Im Dienstleistungssektor haben Eintrittszahlungen hingegen eine nur untergeordnete Bedeutung7; die VWG-Umlageverträge 1999 sowie die OECD lehnen eine Eintrittszahlung bei verwaltungsbezogenen Leistungen sogar 1 Vgl. dazu Vögele/Scholz, IStR 2000, 557 ff.; Ditz, DB 2004, 1951 f. 2 Dazu kritisch Vögele/Scholz/Hoffmann, IStR 2001, 94. 3 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 3.2 Abs. 2; Tz. 8.19 OECD-Leitlinien 2010. Die Aufzählung in den VWG-Umlageverträge 1999 und den OECD-Leitlinien 2010 ist indessen nicht abschließend. Insofern können auch weitere Umlageschlüsse Anwendung finden, soweit sie zu einem angemessenen Ergebnis führen, vgl. Runge in FS Haas, 303; Becker in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Tz. 8.19 Anm. 6 f. sowie Uml. Tz. 3.2 Anm. 2 ff. 4 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 3.2 Abs. 2. 5 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 4.1 Abs. 1. 6 Zur Aktivierungspflicht der Eintrittszahlung vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 4.1 Abs. 1. 7 Gl. A. Runge in Raupach, Verrechnungspreissysteme multinationaler Unternehmen in betriebswirtschaftlicher, gesellschafts- und steuerrechtlicher Sicht, 173; Becker in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Uml. Tz. 4.1 Anm. 6 ff.; wohl a.A. Kaminski in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 726.
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gänzlich ab.1 Die OECD begründet dies damit, dass Dienstleistungen nicht zur Schaffung eines Vermögenswerts oder Rechts führen, sondern vielmehr durch die Poolmitglieder „laufend“ in Anspruch genommen werden können und der Dienstleistungsempfang infolgedessen durch die – auf einen bestimmten Zeitraum bezogene – Kostenumlage vollumfänglich vergütet wird.2 Dieser Auffassung kann indessen nicht uneingeschränkt zugestimmt werden. Zum einen hat sich die dem Pool beitretende Konzerngesellschaft bis zum Zeitpunkt ihres Eintritts nicht an den Aufwendungen des Pools zur Schaffung der Voraussetzungen zur Erbringung der entsprechenden Dienstleistungen beteiligt. Zum anderen können auch im Dienstleistungsbereich verwertbare und „speicherbare“ Vorleistungen erbracht werden, die eine Eintrittszahlung unter Fremdvergleichsgesichtspunkten rechtfertigen.3 Zu denken ist etwa an Gutachten im Rahmen von Projektanalysen sowie die Erstellung von Vertragsentwürfen und Studien, wie z.B. Standort-, Markt- oder Produktanalysen. Als besonders schwierig erweist sich die Frage der Bewertung der Eintrittszahlung. Die Eintrittszahlung hat sich nach dem Grundsatz des Fremdvergleichs am Wert der vorhandenen Projektergebnisse im Zeitpunkt des Beitritts des neuen Poolmitglieds auszurichten. Darüber hinaus hat sie den erwarteten Nutzen der beitretenden Konzerngesellschaft aus der Verwertung der vorhandenen Ergebnisse des Pools zu berücksichtigen. Dieser zukünftige Nutzen ist allerdings nur schwer quantifizierbar. In der Verrechnungspreispraxis wird daher auf die Kostenaufschlagsmethode zurückgegriffen, wobei nur solche Kosten berücksichtigungsfähig sind, die ein ordentlicher Geschäftsleiter in einer vergleichbaren Situation als erforderlich ansehen würde. Bringt das beitretende Mitglied eigene Projektergebnisse in den Pool ein, die im Interesse, zum Nutzen und zum Vorteil der bisherigen Poolmitglieder sind, können die ggf. daraus resultierenden Ausgleichszahlungen an das leistende Mitglied und die von ihm ggf. zu entrichtende Eintrittszahlung miteinander verrechnet werden. Dies führt letztlich zur Verrechnung eines Spitzenausgleichs.4 Bringt der Eintretende einen annähernd gleichen Wissensstand wie die bisherigen Poolmitglieder in den Pool mit ein, scheidet dagegen ein Ausgleich vollkommen aus.5 Neben Eintrittszahlungen sehen die VWG-Umlageverträge 1999 in bestimmten Fällen Austrittszahlungen (sog. „buy out payment“) bei vorzei-
1 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 4.1 Abs. 3. 2 Vgl. Tz. 8.36 OECD-Leitlinien 2010. 3 Vgl. Baumhoff, IStR 2000, 731. 4 Vgl. Tz. 8.32 OECD-Leitlinien 2010; BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 4.1 Abs. 1; zu den möglichen Eintrittszahlungen bei F&E-Pools vgl. Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 727; Weber, Technologietransfer im internationalen Konzern, 395 ff. 5 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 4.1 Abs. 1.
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tigem Ausscheiden eines Poolmitglieds vor.1 Austrittszahlungen an die verbleibenden Poolmitglieder sind zu leisten, wenn der Austritt des Poolmitglieds zu einer identifizierbaren und quantifizierbaren Verminderung des Werts des fortgeführten Umlagevertrages führt. Dies ist bspw. der Fall, wenn die verbleibenden Poolmitglieder vom Pool entwickelte Rechte an immateriellen Vermögenswerten bzw. halbfertigen Arbeiten oder Kenntnisse, die im Rahmen der bisherigen Poolaktivitäten geschaffen wurden, dem austretenden Poolmitglied überlassen oder abtreten.2 Umgekehrt erhält das ausscheidende Poolmitglied eine Austrittszahlung von den verbleibenden Poolmitgliedern, wenn die bisher vom Pool entwickelten Erkenntnisse und Ergebnisse zukünftig nur oder überwiegend den verbleibenden Poolmitgliedern zugutekommen. Dies ist der Fall, wenn der Ausscheidende seine Vermögensrechte aus dem Umlagevertrag an die verbleibenden Poolmitglieder überträgt.3 Insoweit entsteht bei diesem ein einmaliger Veräußerungsgewinn, es sei denn, die entsprechenden Rechte werden an die verbleibenden Poolmitglieder lizenziert (Rz. 3.288 ff.).4 Wird die Poolaktivität als Ganzes beendet bzw. aufgelöst, stehen den Poolmitgliedern die Ergebnisse der Pooltätigkeit jeweils anteilig zu. Dieser Anteil bemisst sich an den während der Laufzeit des Umlagevertrages gezahlten Kostenumlagen sowie eventuell geleisteter Eintritts- oder Ausgleichszahlungen an den Pool.5
3.328 Um eine ausreichende Dokumentation des jeweiligen Poolkonzepts sicherzustellen6 – insbesondere im Hinblick auf die Vorschriften der §§ 90 Abs. 3 AO und 5 Abs. 2 Nr. 2 GAufzV – kann in der Verrechnungspreispraxis auf den Abschluss eines schriftlichen Kostenumlagevertrages (sog. „cost allocation agreement“) nicht verzichtet werden.7 Ein Umlagevertrag sollte dabei insbesondere folgende Regelungen enthalten:8 1 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 4.2; siehe auch Tz. 8.38 OECD-Leitlinien 2010. 2 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 4.2 Abs. 1. 3 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 4.2 Abs. 3; Vögele/Freytag, IStR 2000, 252. 4 Vgl. IdW, WPg 1999, 716. 5 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 4.2 Abs. 4. 6 Vgl. insbesondere auch die Dokumentationsanforderungen nach BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 5. Siehe dazu im Einzelnen Kuckhoff/Schreiber, IStR 2000, 381 ff.; Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 677 ff.; Cordes, Steuerliche Aufzeichnungspflichten bei internationalen Verrechnungspreisen, 122 f. 7 Siehe auch BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 1.3. 8 Vgl. hierzu BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 5.1.1; Tz. 8.40 ff. OECD-Leitlinien 2010; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 627 ff.; Hahn in Formularbuch Recht und Steuern6, 591 ff.; Engler in V/B/E, Verrechnungspreise3, M Rz. 435 f.; Be-
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D. Ausgewählte Lieferungs- und Leistungsbeziehungen
– Benennung der Poolmitglieder sowie ggf. weiterer Nutznießer aus dem Umlagevertrag; – Beschreibung von Art und Umfang der zu erbringenden Leistung(en); – Ermittlungsart und Umfang der umlagerelevanten Kosten; – Ermittlung des voraussichtlichen Nutzens für die jeweiligen Poolmitglieder; – Bestimmung des Umlageschlüssels; – Beschreibung, wie der Wert der anfänglichen und der späteren Leistungsbeiträge der Poolmitglieder ermittelt und einheitlich auf alle Poolmitglieder verrechnet wird; – Art und Umfang der Rechnungskontrolle (z.B. bei Vorauszahlungen, Zeitpunkt der Zahlungen); – Bestimmungen über die Anpassung an veränderte Verhältnisse (vertragliche Anpassungsklausel); – Vertragsdauer; – Bestimmungen über die Vertragsauflösung sowie ggf. die Voraussetzungen und Folgen des Eintritts neuer und des vorzeitigen Austritts bisheriger Poolmitglieder (Ein- und Austrittszahlungen); – Zugriff auf Unterlagen, welche die Ermittlung der umzulegenden Kostenmasse und des Umlageschlüssels sowie die Leistungen des Pools bzw. des leistungserbringenden Unternehmens dokumentieren; – Zuordnung der Nutzungsrechte an immateriellen Vermögenswerten im Falle eines Forschungs- und Entwicklungspools; – Berücksichtigung von Dritteinnahmen und anrechenbaren Leistungen; – Festlegung von Informations- und Prüfungsrechten bzw. -pflichten; – Sicherstellung der Dokumentationserfordernisse nach den nationalen Steuergesetzen der Ansässigkeitsstaaten der Poolmitglieder; – Steuern (Umsatz- [Rz. 3.322] und ggf. Quellensteuer1); – anwendbares Recht; – Schiedsgerichtsregelung; – salvatorische Klausel.
cker in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Uml. Anh. Anm. 1 u. 2. 1 Nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung unterliegen die Umlagezahlungen nicht der Quellensteuer, vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 4.4 Abs. 1VWG-Umlageverträge.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
E. Vorteilsausgleich I. Begriff und Voraussetzungen 3.329 Grundsätzlich sind innerkonzernliche Liefer- und Leistungsbeziehungen einzeln nach dem Prinzip des „dealing at arm’s length“ zu erfassen und mit einem angemessenen Verrechnungspreis zu bewerten (Grundsatz der Einzelbewertung). Allerdings ist es auch zwischen unabhängigen Dritten bei dauerhaften und umfangreichen Geschäftsbeziehungen durchaus üblich, Vorteile aus einem Einzelgeschäft mit Nachteilen aus einem anderen zu kompensieren. Hierbei wird von einem Vorteilsausgleich gesprochen. Unter einem Vorteilsausgleich versteht man den kalkulatorischen Ausgleich von Vorteilen des einen Geschäfts mit Nachteilen eines anderen, wobei begrifflich zwischen den Geschäften kein personeller, sachlicher oder zeitlicher Zusammenhang bestehen muss. Insoweit knüpft der Vorteilsausgleich an den wechselseitigen Leistungsbeziehungen zwischen zwei Vertragspartnern (hier: zwei Konzernunternehmen) an. Dabei erbringen die beiden Vertragspartner ihre jeweiligen Leistungen gegenüber dem anderen entweder zu einem – isoliert gesehen – unangemessen hohen oder niedrigen Entgelt, wobei sich die unangemessenen Beträge der Höhe nach entweder voll oder teilweise decken. Außerdem ist der Fall denkbar, dass der eine Vertragspartner dem anderen mehrere Leistungen erbringt, von denen er für die eine ein unangemessen hohes und für die andere ein unangemessen niedriges Entgelt fordert. Auch in diesem Fall können sich Vor- und Nachteile aus den Leistungsbeziehungen ganz oder teilweise ausgleichen.
3.330 Wirtschaftlich betrachtet erfolgt beim Vorteilsausgleich eine Saldierung vorteilhafter mit nachteiligen Geschäften. Es werden bei bestimmten Einzeltransaktionen bewusst Gewinneinbußen in Kauf genommen, um, wie z.B. im Wege eines absatzwirtschaftlichen Verbundes, diese mit besonders gewinnträchtigen Geschäften zu kompensieren (sog. kalkulatorischer Ausgleich). Derartige Konstellationen treten innerhalb einer internationalen Unternehmung insbesondere im Zusammenhang mit wechselseitigen Leistungsbeziehungen zwischen den verbundenen Unternehmen auf. So kann z.B. die Zahlung einer überhöhten Beratungsgebühr an die Muttergesellschaft durch eine zu niedrige Lizenzgebühr zugunsten der Tochtergesellschaft ausgeglichen werden, ohne dass daraus einem der Geschäftspartner wirtschaftliche Nachteile entstehen. Daher kann es nicht als Verstoß gegen den Grundsatz der Einzelerfassung internationaler Liefer- und Leistungstransfers angesehen werden, einen solchen Ausgleich vor- und nachteiliger Geschäfte auch zwischen international verbundenen Unternehmen zuzulassen und unter bestimmten Voraussetzungen steuerlich anzuerkennen. Die besondere steuerliche Relevanz einer solchen Saldierung von Einzelgeschäften wird daraus ersicht-
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E. Vorteilsausgleich
lich, dass sowohl die OECD-Leitlinien 20101 als auch die VWG 19832 den Vorteilsausgleich in einem gesonderten Abschnitt diskutieren. Ein Vorteilsausgleich ist in zwei Schritten zu prüfen. Zunächst wird für die im Wege des Vorteilsausgleichs zu verrechnende Leistung und Gegenleistung isoliert festgestellt, ob und inwieweit die vereinbarten Entgelte angemessen bzw. unangemessen sind. Ist die Angemessenheit oder Unangemessenheit eines Leistungsentgelts festgestellt, so schließt sich in einem zweiten Schritt die Prüfung an, ob und inwieweit sich für den einzelnen Vertragspartner die aus einem unangemessenen Entgelt ergebenden Vor- oder Nachteile durch andere Nach- oder Vorteile ausgleichen bzw. ob ein an sich angemessenes Entgelt mit Rücksicht auf weitere Leistungsbeziehungen als unangemessen zu behandeln ist. Aufgrund eines Vorteilsausgleichs kann sich deshalb sowohl die Angemessenheit eines (isoliert gesehen) unangemessenen Verrechnungspreises als auch die Unangemessenheit eines (isoliert gesehen) angemessenen Verrechnungspreises ergeben. Er beinhaltet stets die Kompensation wirtschaftlich selbständiger Geschäfte. Er ist deshalb von Teilleistungen innerhalb eines wirtschaftlich einheitlichen Geschäftes abzugrenzen. Bei dem wirtschaftlich einheitlichen Geschäft besteht stets ein personeller, sachlicher und zeitlicher Zusammenhang, der zu einer Gesamtschau von Leistungen und Gegenleistungen zwingt. Ferner sind im Vorfeld der Vorteilsausgleichsproblematik zivilrechtliche Ansprüche aus der Vorteilszuwendung zu prüfen. Diese Prüfung sollte vor Durchführung des zweiten Schritts vorgenommen werden. Allerdings kann kein Vorteilsausgleich angenommen werden, soweit eine verbundene Unternehmung ihrem innerkonzernlichen Vertragspartner mit Rücksicht auf langjährige Geschäftsbeziehungen einen Vorzugspreis einräumt, der einem fremden Dritten nicht gewährt worden wäre. Rechtsprechung3 wie Finanzverwaltung erkennen den Vorteilsausgleich grundsätzlich an. Nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung4 setzt die steuerliche Anerkennung eines Vorteilsausgleichs jedoch voraus, dass 1. derselbe auch zwischen untereinander unabhängigen Unternehmen (unabhängigen Dritten) denkbar ist, 2. die Geschäfte in einem inneren Zusammenhang zueinanderstehen, 3. die Vor- und Nachteile quantifizierbar sind und
1 2 3 4
Vgl. Tz. 3.13 ff. OECD-Leitlinien 2010. Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.3. Vgl. etwa FG Münster v. 16.3.2006 – 8 K 2248/02 rkr., EFG 2006, 1562. Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.3.1 u. 2.3.2. Siehe dazu auch Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 18.118 ff. mit einer Abgrenzung des Vorteilsaugleichs im Rahmen der vGA vom Vorteilsausgleich im Rahmen von § 1 AStG; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 632; Gundel in FS Flick, 790 f.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
4. die Vor- und Nachteilsverrechnung vereinbart war oder zur Geschäftsgrundlage des nachteiligen Geschäftes gehört. Die erste Forderung, dass der Vorteilsausgleich auch zwischen untereinander unabhängigen Unternehmen (unabhängigen Dritten) denkbar ist, hat in der Verrechnungspreispraxis wenig Bedeutung. Mithilfe dieser Voraussetzung soll ein Vorteilsausgleich steuerlich dann nicht anerkannt werden, wenn besondere Umstände des konkreten Einzelfalles die Annahme nahelegen, dass der Vorteilsausgleich zwischen fremden Dritten nicht bzw. so nicht vereinbart worden wäre. Ob die zweite Forderung nach einem „inneren Zusammenhang“ zwischen Geschäft und Gegengeschäft wirklich gerechtfertigt ist, ist fraglich. Die Rechtsgrundlage des Vorteilsausgleichs legitimiert eine solche Forderung nicht. Der Ausdruck „innerer Zusammenhang“ ist im Übrigen unklar. Er wird in Tz. 2.3.1 VWG 19831 i.S.v. wirtschaftlich einheitlichen Geschäften ausgelegt. Danach müssen Leistung und Gegenleistung so miteinander verknüpft sein, dass sie wirtschaftlich als ein einheitliches Geschäft anzusehen sind. Eine solche Forderung widerspricht jedoch geradezu dem Grundgedanken des Vorteilsausgleichs, der sich gerade nicht auf wirtschaftlich einheitliche, sondern auf wirtschaftlich verschiedene Geschäfte bezieht (Rz. 3.330) und steht im Gegensatz zur betriebswirtschaftlichen Realität, in der voneinander unabhängige Dritte einen Vorteilsausgleich nicht nur innerhalb wirtschaftlich einheitlicher Geschäfte akzeptieren. Voneinander unabhängige Dritte akzeptieren einen Vorteilsausgleich nicht nur innerhalb wirtschaftlich einheitlicher Geschäfte. Anzuerkennen sind dagegen die beiden weiteren Voraussetzungen nach der Quantifizierbarkeit der Vor- und Nachteile und der Kompensationsabsicht der Vertragspartner. Beide Forderungen lassen sich unmittelbar aus dem Fremdvergleich ableiten. Ein fremder Dritter wird einen Nachteil nur in Kauf nehmen, wenn er von vornherein mit seinem Ausgleich durch einen anderweitigen Vorteil hinreichend sicher rechnen kann. Eine solche Prognose setzt die Quantifizierbarkeit der Vor- und Nachteile von vornherein voraus. Außerdem muss zwischen Vor- und Nachteil eine „do ut des“-Absicht bestehen. Verbundene Unternehmen müssen deshalb das Vorhandensein ihrer Kompensationsabsicht im Zeitpunkt des Abschlusses des nachteiligen Geschäfts nachweisen. Zweckmäßigerweise wird die Kompensationsabsicht in eine schriftliche Vereinbarung aufgenommen. Dies ist allerdings keine Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung des Vorteilsausgleichs. Die Existenz einer Kompensationsabsicht kann auch in anderer Weise nachgewiesen werden. Der Fremdvergleich rechtfertigt schließlich auch die Forderung nach einem zeitlichen Zusammenhang zwischen dem vorteilhaften und dem nachteilhaften Geschäft. Ein fremder Dritter würde einem nachteiligen Geschäft nur zustimmen, wenn er mit dem Abschluss des vorteilhaften Geschäftes sicher rechnen kann. Dies ist nur der Fall, wenn er einigermaßen konkret damit rechnen 1 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.3.1.
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E. Vorteilsausgleich
kann. Dies setzt einen gewissen zeitlichen Zusammenhang zwischen den beiden Geschäften voraus. Deshalb kann aber nicht ein Ausgleich innerhalb desselben Wirtschaftsjahres gefordert werden.1 Der OECD-Steuerausschuss betont, dass eine innerkonzernliche Vereinbarung über einen Vorteilsausgleich keinesfalls die Forderung nach der Fremdvergleichbarkeit der Verrechnungspreise aufheben kann.2 In diesem Zusammenhang wird dem Steuerpflichtigen empfohlen, eine Dokumentations- und Nachweisvorsorge derart zu treffen, dass dieser Vorteils-/ Nachteilsausgleich im Zeitpunkt der Vereinbarung mit dem Fremdvergleichsgrundsatz in Einklang stand. Vorausgesetzt wird also auch hier eine Kompensationsabsicht zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses, wobei lediglich gefordert wird, dass sich die einander gewährten Vorteile „bis zu einem bestimmten Grad“ ausgleichen. Das setzt jedoch voraus, dass man sich über die Höhe der wechselseitig gewährten Vorteile bewusst ist und diese auch im Einzelnen quantifizieren kann. Vergleicht man den Forderungskatalog der OECD-Leitlinien 2010 zum Vorteilsausgleich mit demjenigen der VWG 1983, so zeigt sich, dass die OECD-Leitlinien 2010 lediglich voraussetzen, dass – ein Ausgleich auch zwischen Fremden denkbar sein muss und – die Vor- und Nachteile quantifizierbar sind. Demgegenüber fordern die VWG 19833 zusätzlich, dass – die Geschäfte in einem inneren Zusammenhang stehen und – die Vorteilsverrechnung vereinbart gewesen ist oder zur Geschäftsgrundlage des nachteiligen Geschäfts gehört hat. Dieser Versuch der VWG 1983, den Vorteilsausgleich unter enge zeitliche und sachliche Grenzen zu stellen, wird somit von den OECD-Leitlinien 2010 nicht gedeckt. Allerdings steht die Forderung nach einer im Voraus getroffenen Vereinbarung über einen Vorteilsausgleich im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH.4 Im Hinblick auf die abkommensrechtliche Gewinnkorrekturvorschrift des Art. 9 OECD-MA ist jedoch zu beachten, dass die ihr entsprechenden Vorschriften des jeweiligen DBA nicht auf diesen formalen Aspekt abstellen. Gegenüber rein formalen Beanstandungen entfalten diese insofern eine Sperrwirkung.5 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang der Umstand, dass die OECD-Leitlinien 2010
1 So jedoch BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.3.3. 2 Vgl. Tz. 3.15 OECD-Leitlinien 2010. 3 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.3.2. 4 Vgl. BFH v. 28.2.1990 – I R 83/87, BStBl. II 1990, 649; H 36 KStH 2008 „Vorteilsausgleich“. 5 Vgl. FG Köln v. 22.8.2007 – 13 K 647/03, rkr., EFG 2008, 161; Schaumburg, Internationales Steuerecht3, Rz. 18.87 m.w.N.; Baumhoff/Greinert, IStR 2008, 353; Rasch, IWB Fach 3a Gruppe 1, 1103; Strunk/Kaminski, Stbg 2008, 211.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
den nationalen Finanzverwaltungen zumindest die Möglichkeit eröffnen,1 auch einen unbeabsichtigten, d.h. nachträglichen, Vorteilsausgleich zu gewähren.2 Eine solche Möglichkeit wird von der deutschen Finanzverwaltung in den VWG 1983 aber ausdrücklich nicht zugelassen.3
3.333 Umstritten ist die Frage, ob neben einem „bilateralen“ Vorteilsausgleich zwischen zwei verbundenen Unternehmen auch ein Vorteilsausgleich zwischen mehreren Gesellschaften des Unternehmensverbundes steuerlich anzuerkennen ist (sog. Vorteilsausgleich im Konzern). Während die VWG 1983 in diesem Zusammenhang keine eindeutige Stellung beziehen,4 gehen die OECD-Leitlinien 2010 nur von einem bilateralen Vorteilsausgleich aus.5 Dies entspricht im Übrigen der Rechtsprechung des BFH, nach welcher ein Vorteilsausgleich nur innerhalb eines zweiseitigen Verhältnisses möglich sein soll.6 Ferner deutet der Wortlaut des § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG in diese Richtung.7 Sieht man jedoch die theoretische Rechtfertigung des Vorteilsausgleichs im Grundsatz des Fremdvergleichs, bleibt für eine Ablehnung des Vorteilsausgleichs im Konzern kein Raum. Dies zeigt bereits die Rechtsprechung zu Gewinnverlagerungen zwischen Schwestergesellschaften (Rz. 3.38 ff.). Wenn Gewinnverlagerungen zwischen Schwestergesellschaften steuerlich unter Einbeziehung des gemeinsamen Gesellschafters abzuwickeln sind, ist auch ein Vorteilsausgleich unter Einbeziehung des Gesellschafters anzuerkennen. Darüber hinaus wäre auch ein ordentlicher Geschäftsleiter bereit, einen Nachteil von einem verbundenen Unternehmen hinzunehmen, wenn er im Verhältnis zu einem anderen verbundenen Unternehmen mit einem entsprechenden Vorteil rechnen kann. Allerdings ist es schwieriger, die Vor- und Nachteile zu quantifizieren, wenn mehrere Personen an dem zu verrechnenden Leistungsaustausch beteiligt sind. Ferner lässt sich die Kompensationsabsicht umso schwieriger feststellen, je mehr Personen Vor- und Nachteile untereinander verrechnen wollen. Darüber hinaus muss sich für alle beteiligten Konzernunternehmen ein Ausgleich ihrer Vor- und Nachteile ergeben. Deshalb ist der Vorteilsausgleich innerhalb einer Gruppe von verbundenen Unternehmen nur schwer durchführbar. An seinen Nachweis sind – insbesondere vor dem Hintergrund der Dokumentationspflichten des § 90 Abs. 3 AO (Rz. 3.444 ff.) – hohe Anforderungen zu stellen.
1 Vgl. Tz. 3.17 OECD-Leitlinien 2010. 2 Vgl. hierzu auch Eigelshoven/Ebering in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Tz. 1.60 Anm. 316 ff. sowie Tz. 1.64 Anm. 343 ff. m.w.N. 3 Siehe auch H 36 KStH 2008 „Vorteilsausgleich“. 4 Siehe aber auch BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 2.1 Abs. 7 und dazu kritisch Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 802. 5 Vgl. Tz. 3.13 OECD-Leitlinien 2010. 6 Vgl. BFH v. 1.8.1984 – I R 99/80, BStBl. II 1985, 18; gl. A. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 18.121. 7 So auch Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 18.121.
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E. Vorteilsausgleich
Die deutsche Finanzverwaltung will bei der Erbringung von „technologischen Dienstleistungen“ deutscher Muttergesellschaften gegenüber Tochtergesellschaften in Entwicklungsländern in bestimmten Fällen einen sog. „fiktiven Vorteilsausgleich“ zulassen.1 Sofern der Abschluss von Lizenz- und Dienstleistungsverträgen im Ansässigkeitsstaat der Tochtergesellschaft verboten ist, devisenrechtliche Transferverbote einer Entgeltzahlung entgegenstehen oder in diesem Zusammenhang eine „exzessive Besteuerung“ bzw. eine Versagung des Betriebsausgabenabzugs droht, soll sich die Außenprüfung auf eine globale Prüfung des Waren- und Leistungsverkehrs beschränken.
3.334
Faktisch wird damit, sofern die o.g. Voraussetzungen vorliegen, im Interesse einer Sicherung der Wettbewerbsposition deutscher Unternehmen in Entwicklungsländern auf die Zahlung von Vergütungen für technische und administrative Beratungsleistungen und für die Überlassung von immateriellen Wirtschaftsgütern (z.B. Patenten, Marken, Know-how) verzichtet. Allerdings sind Löhne und sonstige Kosten von entsandtem oder durch die ausländische Tochtergesellschaft unmittelbar eingestelltem Personal von dieser Regelung ausgenommen.2
II. Vorteilsausgleich und Palettenbetrachtung Vom „echten“ Vorteilsausgleich zu unterscheiden ist die Saldierung von Vor- und Nachteilen aus Lieferungs- und Leistungspaketen bzw. einzelnen Teilleistungen. Hierbei wird im Rahmen einer Angemessenheitsbeurteilung nicht isoliert auf den einzelnen Produktpreis oder die einzelne Dienstleistung abgestellt, vielmehr wird eine gesamte Produktpalette bzw. eine Gruppe gleichartiger oder verwandter Produkte bzw. Leistungen analysiert. Die Angemessenheitsprüfung bezieht sich damit auf eine Gesamtanalyse i.S. einer Saldobetrachtung; auf die Angemessenheit des Produkteinzelpreises bzw. der einzelnen Leistungsgebühr kommt es insoweit nicht an. In der Praxis der steuerlichen Verrechnungspreisprüfung hat sich für eine derartige Saldierung unangemessen niedriger mit unangemessen hohen Produkteinzelpreisen bzw. Leistungsgebühren der Begriff der „Palettenbetrachtung“3 herausgebildet, wofür die Finanzverwaltung die strengen 1 Vgl. OFD Koblenz, Vfg. v. 10.8.1995, WPg 1995, 674. Siehe hierzu auch Böcker in Piltz/Schaumburg, Internationale Einkünfteabgrenzung, 179; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 570 f. 2 Vgl. OFD Koblenz, Vfg. v. 10.8.1995, WPg 1995, 674. 3 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.13; Dahnke in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 141 f.; Baumhoff, IStR 1994, 593; Baumhoff/Sieker, IStR 1995, 521 f.; Kroppen/Tausch, IWB Fach Gruppe 2, 354 ff.; kritisch Kleineidam, IStR 2001, 728. Zur Zusammenfassung von Geschäftsvorfällen instruktiv auch Bauer, DB 2008, 152 ff.; Baumhoff in Baumhoff/Schönfeld, Grenzüberschreitende Verlustverrechnung, 147 f.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
Regeln der VWG 1983 (Rz. 3.331) zum Vorteilsausgleich nicht anwendet. Somit muss zunächst nicht jeder einzelne Produktpreis oder jede einzelne Gebühr beim konzerninternen Lieferungs- und Leistungsaustausch einem Fremdvergleich standhalten. Vielmehr muss sichergestellt sein, dass hinsichtlich der zu analysierenden Produktpalette bzw. des Leistungsbündels ein angemessener Gesamtpreis vereinbart wurde. Hierdurch wird dem Umstand Rechnung getragen, dass auch unter fremden Dritten aus marktspezifischen Erwägungen vielfach Mischkalkulationen i.S. eines kalkulatorischen Ausgleichs vorgenommen werden, um Preisnachteile bei Einzelprodukten und -leistungen mit anderen Preisvorteilen zu verrechnen.
3.336 Die OECD diskutiert die Zusammenfassung von Vor- und Nachteilen mehrerer Teilleistungen unter dem Stichwort „Paketgeschäfte“. In Tz. 3.9 OECD-Leitlinien 2010 wird zutreffend darauf hingewiesen, dass es häufig Geschäfte gibt, die so eng miteinander verbunden sind, dass bei separater Betrachtung eine Angemessenheitsbeurteilung unmöglich ist.1 Als Beispiele werden Langzeitverträge über Warenlieferungen oder Dienstleistungen, Rechte zur Benutzung immaterieller Wirtschaftsgüter und die Bewertung einer Gruppe verwandter Produkte (i.S. einer Produktlinie oder -palette), sofern es unpraktisch wäre, für jedes einzelne Produkt oder jeden einzelnen Geschäftsvorfall einen gesonderten Preis festzulegen, genannt. Derartige Geschäfte, die in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen, können nach Auffassung der OECD zusammen bewertet werden, wenn es sich bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise hierbei um die Verrechnung von Vor- und Nachteilen mehrerer Teilleistungen handelt.2 Solche Teilleistungskombinationen sind auch zwischen Fremden denkbar und in vielen Geschäftszweigen üblich. So können die Lizenzierung von Herstellungs-Know-how und die Überlassung wesentlicher Komponenten jeweils als Teilleistung bzw. -lieferung betrachtet werden, die erst zusammengefasst als einheitliches Geschäft anzusehen sind und daher nur über einen Gesamtpreis verrechnet werden können. Die OECD-Leitlinien 2010 weisen in Tz. 3.12 zu Recht auf die praktischen Schwierigkeiten hin, die dadurch entstehen können, dass die Besteuerung der verschiedenen Teilelemente eines Gesamtgeschäfts nach nationalem Recht oder auf Basis der DBA differiert.3 Als Beispiel werden Lizenzgebühren angeführt, die Gegenstand einer Quellenbesteuerung sind, während Leasinggebühren i.d.R. ohne Quellensteuer vereinnahmt werden. Insofern kann unter diesem Aspekt ggf. dennoch eine Aufteilung der Gesamtgeschäfte in mehrere Teilgeschäfte geboten sein.4
1 Vgl. Tz. 3.9 OECD-Leitlinien 2010. 2 Zu einem Beispiel aus der Pharmaindustrie vgl. Kroppen/Rasch, IWB Fach 5 Gruppe 2, 355. Siehe auch Bauer, DB 2008, 157. 3 Vgl. Tz. 3.12 OECD-Leitlinien 2010. 4 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 631. Siehe hierzu auch Bauer, DB 2008, 157.
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F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen
F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen I. Einführung Durch das Unternehmensteuerreformgesetz 20081 wurden erstmals der Tatbestand der Funktionsverlagerung sowie deren Besteuerung in § 1 Abs. 3 Sätze 9 ff. AStG gesetzlich verankert. Gemäß diesen Vorschriften soll bei der Verlagerung betrieblicher Funktionen ins Ausland eine Gesamtbetrachtung anhand eines sog. „Transferpakets“ erfolgen, wobei das damit verbundene sog. „Gewinnpotenzial“ ermittelt und der Besteuerung in Deutschland zugrunde gelegt werden soll. Hierdurch wird der Grundsatz der Einzelbewertung aufgegeben. Der Gesetzgeber geht vielmehr davon aus, dass mit einem durch das „Transferpaket“ verkörperten Konglomerat aus übertragenen oder überlassenen Wirtschaftsgütern und sonstigen Vorteilen auch geschäftswertbildende Faktoren übergehen und der Besteuerung zu unterwerfen sind. Gemäß der Begründung des Regierungsentwurfs soll diese Gesamtbewertung notwendig sein, „weil der Preis für die einzelnen übertragenen Wirtschaftsgüter den Wert der Funktion regelmäßig nicht angemessen widerspiegelt.“2 Dem Gesetzgeber geht es folglich um die Erfassung eines funktionsbezogenen Geschäftsoder Firmenwerts (Rz. 3.358).
3.337
Gemäß § 21 Abs. 16 AStG sind die Regelungen zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen erstmals für den Veranlagungszeitraum 2008 anzuwenden.3 Auf Grundlage der in § 1 Abs. 3 Satz 13 AStG verankerten Ermächtigung des BMF, die Einzelheiten zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes i.S. des § 1 Abs. 1 u. Abs. 3 AStG im Rahmen einer Rechtsverordnung zu konkretisieren, ist die Funktionsverlagerungsverordnung vom 12.8.20084 ergangen. Mit Datum vom 13.10.2010 hat die Finanzverwaltung die VWG Funktionsverlagerung veröffentlicht, die die gesetzlichen Regelungen über Funktionsverlagerungen aus Sicht der Finanzverwaltung konkretisieren und ergänzen.5
1 Unternehmensteuerreformgesetz 2008 (UntStRefG 2008) v. 14.8.2007, BStBl. I 2007, 1912. 2 BR-Drucks. 220/07 v. 30.3.2007, 144. 3 Zur steuerlichen Behandlung von Funktionsverlagerungen vor 2008 siehe Greinert/Thiele, DStR 2011, 1197. 4 Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes nach § 1 Abs. 1 des Außensteuergesetzes in Fällen grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen (Funktionsverlagerungsverordnung – FVerlV) v. 12.8.2008, BGBl. I 2008, 1680. 5 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
3.339 Die Motivation zur Reorganisation und -allokation betrieblicher Funktionen im Unternehmensverbund ist mannigfaltig. Sie ist regelmäßig nicht (allein) steuerlich induziert, sondern geht auf betriebswirtschaftliche Entscheidungen vornehmlich über den Standort und die Organisationsstruktur zurück, die letztlich vom Lieferungs- und Leistungsprogramm des Unternehmensverbundes bestimmt werden. Vielfach tritt sie als postintegrative Maßnahme im Gefolge von Unternehmenserwerben und -zusammenschlüssen auf. Im Schrifttum werden folgende Hauptbeweggründe für die „Verlagerung“ von Funktionen benannt:1 – Verbesserung der Wettbewerbsposition (etwa durch Vermeidung tarifärer und non-tarifärer Handelshemmnisse oder zur Sicherung [wesentlicher] Vertriebskanäle); – Optimierung der Wertschöpfungsprozesse (etwa Realisierung von Kostendegressionseffekten, Senkung von Logistikkosten, Verbesserung des Informationsflusses und neue Steuerungsmöglichkeiten); – Kostenreduzierung (insbesondere Lohn- und Lohnnebenkosten); – Optimierung von Managementfunktionen; – günstigere Standortfaktoren (etwa rechtliche Rahmenbedingungen, politische Stabilität, staatliche Regulierung, Besteuerung).2
3.340 Im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung einer Funktionsverlagerung werden im Schrifttum vier Erscheinungsformen unterschieden:3 – Funktionsausgliederung: vollständige Übertragung einer Funktion mit den dazugehörigen Chancen und Risiken einschließlich Wirtschaftsgütern; – Funktionsabschmelzung: Übertragung eines Teils einer Funktion mit den dazugehörigen Chancen und Risiken einschließlich Wirtschaftsgütern; – Funktionsabspaltung: Übertragung (eines Teils) einer Funktion unter Beibehaltung der Chancen und Risiken; – Funktionsverdopplung bzw. Funktionsvervielfältigung: Verdopplung bzw. Vervielfachung einer im Inland weiterhin ausgeübten Funktion mit den dazugehörigen Chancen und Risiken.
1 Vgl. Borstell/Wehnert in V/B/E, Verrechnungspreise3, Q Rz. 2 ff. 2 Zu Einflussfaktoren von Standortentscheidungen siehe Fischer/Kleineidam/ Warneke, Internationale Betriebswirtschaftliche Steuerlehre5, 572 ff. 3 Vgl. Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB, Fach 3 Gruppe 1, 2208; Frischmuth, StuB 2007, 387; Kaminski, RIW 2007, 599; Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 758 ff.; Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 760 ff.; Wassermeyer/Baumhoff/Greinert in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. V 72 ff.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 18.145; Borstell/Wehnert in V/B/E, Verrechnungspreise3, Q Rz. 73 ff.
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F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen
II. Definitionen und Begriffsabgrenzung 1. Funktion Der Tatbestand der „Funktionsverlagerung“ wird in § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG abschließend behandelt. Hiernach liegt eine Funktionsverlagerung vor, wenn „eine Funktion einschließlich der dazugehörigen Chancen und Risiken und der mit übertragenen oder überlassenen Wirtschaftsgüter und sonstigen Vorteile verlagert“ wird. Diese vermeintliche Begriffsdefinition erschöpft sich allerdings in einer tautologischen Aussage, da der Begriff „Funktionsverlagerung“ als „Verlagerung einer Funktion“ umschrieben wird.1 Diese Unschärfen gehen letztlich auf eine Vermengung des Funktionsbegriffs mit demjenigen Konglomerat aus Funktion, zugehörenden Chancen und Risiken, übertragenen oder überlassenen Wirtschaftsgütern und sonstigen Vorteilen zurück, die der Gesetzgeber als „Transferpaket“2 (Rz. 3.357 f.) bezeichnet. Im Schrifttum wird angesichts dieser Gesetzesformulierung vorgeschlagen, zwischen einer Funktion i.e.S. und einer solchen i.w.S. zu unterscheiden.3 Unseres Erachtens besteht jedoch zwischen einer Funktion i.w.S. und dem Transaktionsobjekt „Transferpaket“ nahezu Deckungsgleichheit, sodass der Mangel eines gesetzlich letztlich nicht definierten Tatbestands verbleibt.4
3.341
Mithin bedürfen beide Begriffsbestandteile – „Funktion“ einerseits und „Verlagerung“ andererseits – begriffliche Definitionen, die § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG allerdings nicht bereitstellt. Im Ausgangspunkt ist der Funktionsbegriff inhaltlich aufzuklären. In der Betriebswirtschaftslehre fehlt es an einer definitorischen und systematisierenden Bestimmung des Funktionsbegriffs. Vielmehr sieht man sich mit Katalogen konfrontiert, die sämtliche wesentlichen Aufgabenkomplexe der Unternehmung mehr oder weniger umfänglich als deren Funktionen wiedergeben.5 Hierbei wird die Gesamtheit aller betrieblichen Funktionen mit der unternehmerischen Gesamtaufgabe gleichgesetzt.6 Eine systematisierende Begriffsbildung bietet Eisele, der zwischen dem Funktionsbegriff i.w.S. und dem Funktionsbegriff i.e.S. unterschei-
1 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1650; Wassermeyer/Baumhoff/Greinert in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. V 69. 2 Letztlich geht dieser Begriff zurück auf Kleineidam in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 105 f., der hierbei noch vom „Transfergegenstand“ spricht. 3 Vgl. Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 731. 4 Siehe auch Oestreicher/Wilcke, Ubg 2010, 227; Kroppen/Rasch, IWB 2010, 319 f. 5 Siehe etwa Hasenack in Seischab/Schwantag, Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Band 23, Sp. 2097; Heinen, Einführung in die Betriebswirtschaftslehre9, 126 f.; Schneider, Betriebswirtschaftslehre, Band 1: Grundlagen2, 86 ff.; Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre21, 20 f.; Schreyögg, Organisation4, 129. 6 Vgl. Schneider, Betriebswirtschaftslehre, Band 1: Grundlagen2, 89.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
det.1 Ersterer fußt auf der betriebswirtschaftlichen Erkenntnis, dass sich Produktivitätssteigerungen in erster Linie durch Arbeitsteilung und Spezialisierung auf die Kernkompetenzen erreichen lassen. Diese Begriffsbildung bietet den Ansatz für das betriebswirtschaftliche Funktionsverständnis. Zur organisatorischen Umsetzung ist die unternehmerische Gesamtaufgabe nach bestimmten Kriterien (Verrichtung, Objekt, Rang, Phase und Zweckbeziehung2) in diverse Teilaufgaben zu zerlegen (Aufgabenanalyse), um in einem zweiten Schritt gleichartige Teilaufgaben wieder zusammenzufassen und den einzelnen Aufgabenträgern zuzuordnen (Aufgabensynthese). Nach der Kosiol’schen Gestaltungslehre3 stellt die Aufgabensynthese den eigentlichen Organisationsakt dar. Er verbindet die Zusammenfassung der Teilaufgaben nach bestimmten Zentralisierungskriterien mit der Bündelung auf die Funktionsträger. Die Zentralisierungskriterien für die Zusammenfassung gleichartiger Teilaufgaben entsprechen den der Aufgabenanalyse zugrunde gelegten, sodass zwischen Verrichtungszentralisation (gleiche Verrichtungen), Objektzentralisation (gleiche Objekte), Entscheidungs- bzw. Rangzentralisation (gleicher Rang), Phasenzentralisation (gleiche Phase) und Verwaltungs- bzw. Zweckzentralisation (gleiche Zweckbeziehung) unterschieden wird.4 Der Funktionsbegriff i.w.S. umfasst jedwede Zentralisierung, ohne dass ein Bezug zu konkreten Einzeltätigkeiten besteht.5 Hiernach lässt sich eine Funktion definieren als unselbständiges Bündel gleichartiger Aufgaben, das als Teilbereich der unternehmerischen Gesamtaufgabe zum einen vom Unternehmensgegenstand abhängig und zum anderen durch eingeschränkte Entscheidungs-, Weisungs- und Ausführungsbefugnisse gekennzeichnet ist.6 Demgegenüber leitet sich der Funktionsbegriff i.e.S. aus der funktional geprägten Organisationsform ab, wonach eine Funktion ausschließlich aus der Zusammenfassung von Aufgaben gleicher Verrichtung entsteht.7 Dementsprechend hat die frühe Betriebswirtschaftslehre den Funktionsbegriff wie folgt gefasst: „Eine betriebswirtschaftliche Funktion ist die 1 Vgl. Eisele, Grenzüberschreitende Funktionsverlagerung, 12 ff. 2 Vgl. Kosiol, Organisation der Unternehmung, 49 ff.; Picot/Dietl/Franck, Organisation4, 229; Schreyögg, Organisation4, 114 ff.; um das Analysekriterium „Ort“ erweiternd Eisele, Grenzüberschreitende Funktionsverlagerung, 13 ff. 3 Vgl. Kosiol, Die Unternehmung als wirtschaftliches Aktionszentrum, 64 ff.; Kosiol, Aufgabensynthese, abgedruckt in Kosiol, Bausteine der Betriebswirtschaftslehre, 1. Band, 534 ff. 4 Vgl. Kosiol, Organisation der Unternehmung, 82; Eisele, Grenzüberschreitende Funktionsverlagerung, 16. 5 Vgl. Eisele, Grenzüberschreitende Funktionsverlagerung, 18. 6 Vgl. Eisele, Grenzüberschreitende Funktionsverlagerung, 22 ff.; ähnlich Autzen, Die ausländische Holding-Personengesellschaft, 174; Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 4.2; Borstell in StbJb 2001/2002, 203; Bodenmüller, Steuerplanung bei Funktionsverlagerungen ins Ausland, 7; Liebchen, Beteiligungen an ausländischen Personengesellschaften, 203; Borstell/Wehnert in V/B/E, Verrechnungspreise3, Q Rz. 14. 7 Vgl. Eisele, Grenzüberschreitende Funktionsverlagerung, 19.
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F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen
zweckbetonte Zusammenfassung wirtschaftlicher Obliegenheiten gleichen Verrichtungsgepräges.“1 Zwar findet der Funktionsbegriff in vielen Bereichen des Steuerrechts Verwendung.2 Ein allgemeingültiges Begriffsverständnis fehlt gleichwohl. Vielmehr ist der Funktionsbegriff von jeweils unterschiedlichen Begriffsinhalten geprägt.3 Mangels einer Legaldefinition boten bisher die Verlautbarungen der Finanzverwaltung einen Anhaltspunkt für die inhaltliche Konkretisierung des Funktionsbegriffs. Allerdings gehen die VWG 19834 ebenso wie die Betriebsstätten-VWG5 über eine beispielhafte Begriffsbildung („Herstellung, Montage, Forschung und Entwicklung, verwaltungsbezogene Leistungen, Absatz, Dienstleistungen“) nicht hinaus. Gleiches gilt für die VWG-Verfahren.6 Ebenso beschränkt sich die OECD auf eine beispielhafte Konkretisierung („Design, Herstellung, Montage, Forschung und Entwicklung, Service, Einkauf, Vertrieb, Marketing, Werbung, Transport, Finanzierung und Management“).7
3.343
Eine Legaldefinition des Funktionsbegriffs findet sich in § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG nicht, dafür findet sich eine Begriffsbestimmung in § 1 FVerlV. Gemäß § 1 Abs. 1 FVerlV ist eine Funktion „eine Geschäftstätigkeit, die aus einer Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben besteht, die von bestimmten Stellen oder Abteilungen eines Unternehmens erledigt werden.“ Diese Begriffsdefinition steht – vordergründig betrachtet – mit dem betriebswirtschaftlichen Begriffsverständnis (Funktion i.w.S.) im Einklang (Rz. 3.342). Ferner wird der Funktionsbegriff durch § 1 Abs. 1 Satz 2 FVerlV weitergehend dahin definiert, dass eine Funktion „ein organischer Teil eines Unternehmens [ist; d. Verf.], ohne dass ein Teilbetrieb im steuerlichen Sinne vorliegen muss.“
3.344
Im Ausgangspunkt setzt die Begriffsdefinition „Funktion“ und „Geschäftstätigkeit“ gleich und versucht Letztere unter Rückgriff auf die
3.345
1 Hasenack in Seischab/Schwantag, Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Band 23, Sp. 2096. 2 So etwa die „funktionslose Gesellschaft“ im Zusammenhang mit der Missbrauchsvorschrift des § 42 AO (vgl. hierzu ausführlich BFH v. 17.11.2004 – I R 55/03, BFH/NV 2005, 1016 ff. m.w.N.); die „funktionslose Holdinggesellschaft“ in Fällen des „Treaty Shopping“ und der Missbrauchsabwehr gem. § 50d Abs. 3 EStG; die „Funktionsholding“ gem. § 8 Abs. 2 Nr. 2 AStG a.F.; die „funktionale Betrachtungsweise“ des § 8 Abs. 1 AStG; die „Risiko- und Funktionsanalyse“ als Gegenstand allgemein erforderlicher Dokumentationen gem. § 90 Abs. 3 AO i.V.m. § 4 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a GAufzV. 3 Vgl. Liebchen, Beteiligungen an ausländischen Personengesellschaften, 200. 4 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.1.3. 5 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076 Tz. 2.3.1 Abs. 3. 6 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.11.4. 7 Vgl. Tz. 1.43 OECD-Leitlinien 2010.
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Aufgabenverteilung im Unternehmen zu konkretisieren. Was jedoch konkret eine Geschäftstätigkeit ausmacht, lässt die Definition offen. Auffällig ist zunächst, dass jedweder Bezug zum Sachziel des Unternehmens fehlt. Nach dieser Begriffsbildung erfüllt etwa die Zusammenfassung einfachster Tätigkeiten diese Anforderungen, wenn sie nur von demselben Funktionsträger erfüllt werden. Ein solcherart weitgehendes Begriffsverständnis impliziert auch § 2 Abs. 2 FVerlV, wonach die Auslagerung einer Tätigkeit, die sodann vom übernehmenden Unternehmen ausschließlich gegenüber dem verlagernden Unternehmen ausgeübt wird und deren Entgelt nach der Kostenaufschlagsmethode zu bemessen ist, als Funktionsverlagerung qualifiziert.1 Vom Sachziel des Unternehmens („unternehmerische Gesamtaufgabe) grenzt sich eine Funktion dadurch ab, dass sie nur einen Bestandteil dieser ausmacht, deshalb nicht sämtliche zur Erwirtschaftung der Gesamtwertschöpfung notwendigen Elemente umfasst und durch dementsprechend eingeschränkte Entscheidungs-, Weisungsund Ausführungsbefugnisse gekennzeichnet ist (Rz. 3.342).2 Von der einzelnen Tätigkeit – gewissermaßen die Abgrenzung der Funktion „nach unten“ – fehlt demgegenüber jedwede Abgrenzung, sodass eine tätigkeitsbezogene Atomisierung des Funktionsbegriffs festzustellen ist.3 Die VWG Funktionsverlagerung führen zur Konkretisierung der Geschäftstätigkeit lediglich aus, dass diese auch dann vorliegt, wenn sie nur konzernintern ausgeübt wird, es mithin – insofern – keiner Marktteilnahme gegenüber unverbundenen Unternehmen bedarf.4 Ferner wird die Notwendigkeit der Abgrenzung gegenüber der übrigen Geschäftstätigkeit herausgestrichen,5 ohne dass eine inhaltliche Konkretisierung gegenüber einzelnen Tätigkeiten vorgenommen wird.
3.346 Die VWG Funktionsverlagerung gehen neben einem tätigkeitsbezogenen kumulativ auch von einem produktbezogenen Begriffsverständnis aus. So heißt es in Tz. 16: „Zur eindeutigen Abgrenzung einer Funktion von der übrigen Geschäftstätigkeit ist es in Verlagerungsfällen notwendig, die betreffende Funktion anhand der verwendeten Wirtschaftsgüter (insbesondere der immateriellen Wirtschaftsgüter) und Vorteile sowie der mit der bestimmten Geschäftstätigkeit konkret verbundenen Chancen und Risi-
1 Vgl. hierzu auch Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 44. 2 Vgl. hierzu auch BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.1.1 Rz. 14. 3 Vgl. Kroppen/Rasch, IWB Fach 3 Gruppe 1, 2444; Kroppen/Rasch, IWB 2010, 825 f.; Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 44; Frischmuth in Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, 86 f.; Frischmuth, StuB 2010, 94 ff.; Blumers, DStR 2010, 20. 4 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.1.1.1 Rz. 17. 5 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.1.1 Rz. 16.
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ken tätigkeitsbezogen und objektbezogen zu definieren.“1 Beispielhaft werden „die Produktion eines bestimmten Produkts oder einer bestimmten Produktgruppe, der Vertrieb eines bestimmten Produkts, einer bestimmten Produktgruppe oder eine bestimmte Geschäftstätigkeit für eine bestimmte Region“ angeführt. Frischmuth spricht in diesem Zusammenhang von einer horizontalen und vertikalen Atomisierung des Funktionsbegriffs.2 Fraglich ist, ob sich dieses Begriffsverständnis noch mit § 1 Abs. 1 FVerlV vereinbaren lässt. Ausweislich der Verordnungsbegründung sollte eine „ausufernde Anwendung“ der Regelungen zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen gem. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG vermieden werden.3 Überdies lässt sich der Entstehungsgeschichte der FVerlV zum einen entnehmen, dass dem Verordnungsgeber die Unterscheidung zwischen einer kompletten Funktionsverlagerung und einer teilweisen Funktionsverlagerung bewusst war,4 und dass zum anderen produkt- und marktbezogen abgegrenzte Teilverlagerungen für die endgültige Fassung nicht durchgesetzt werden konnten.5 Die Auffassung der Finanzverwaltung geht insofern über die Rechtsverordnung hinaus und entbehrt deshalb einer Rechtsgrundlage. Eine Funktion ist überdies gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 FVerlV ein organischer Teil eines Unternehmens. Begrifflich rückt die FVerlV die Auslegung dieses Begriffsmerkmals in die Nähe des Teilbetriebsbegriffs, indem sie negativ abgrenzt, dass ein Teilbetrieb im steuerlichen Sinne nicht vorliegen muss. Offen bleibt jedoch, was konkret den Funktions- vom Teilbetriebsbegriff unterscheidet.6 Die VWG Funktionsverlagerung führen hierzu aus, dass diese Voraussetzung vorliege, „wenn sie [die Funktion; d. Verf.] sich entweder beim verlagernden oder beim übernehmenden Unternehmen als eine zweckgerichtete, abgrenzbare Tätigkeit unter Nutzung von bestimmten Wirtschaftsgütern, insbesondere immateriellen Wirtschaftsgütern, und Vorteilen zur Erwirtschaftung von Ergebnisbeiträgen darstellt.“7 Die organische Geschlossenheit erfordert einen inneren betriebswirtschaftlichen und organisatorischen Zusammenhang der betreffenden Teilaufgaben, wobei für diesen betriebswirtschaftliche Anforderungen maß1 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.1.1 Rz. 16 Satz 1. 2 Vgl. Frischmuth in Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, 87. 3 Vgl. BR-Drucks. 352/08 v. 22.5.2008, 10. 4 § 1 Abs. 2 Satz 2 FVerlV-E v. 17.12.2007. 5 Vgl. hierzu Kroppen in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 162; Kroppen/Rasch, IWB Fach 3 Gruppe 1, 2444 f.; Baumhoff/Ditz/ Greinert, Ubg 2011, 162. Kritisch hierzu auch Borstell/Wehnert in V/B/E, Verrechnungspreise3, Q Rz. 67 f. 6 Im Einzelnen zur Abgrenzung Borstell/Schäperclaus, IStR 2008, 279 ff.; Borstell/ Wehnert in V/B/E, Verrechnungspreise3, Q Rz. 26 ff. 7 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.1.1.2 Rz. 18 Satz 1.
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3.347
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geblich sind. Neben diesem aufgabenbezogenen Zusammenhang fordert die Finanzverwaltung einen produkt- und marktbezogenen Zusammenhang (Rz. 3.345).1 Ferner kommt diese organische Geschlossenheit in der Zuordnung der zur Aufgabenerfüllung notwendigen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter zum Ausdruck.2 Sie sind es letztlich, die Gegenstand der Verlagerung sind und nach außen hin die Funktion erkennbar gegenüber den anderen Funktionen des Unternehmens abgrenzen. Zudem muss die sich letztlich tätigkeitsbezogen darstellende Aufgabenerfüllung in gewissen Zeitabständen wiederholt werden (können) und darf nicht auf eine einmalige Erledigung ohne Wiederholungsabsicht angelegt sein.3
3.348 Eine entscheidende begriffliche Konkretisierung der organischen Geschlossenheit ist das Erfordernis einer gewissen betriebswirtschaftlichen Eigenständigkeit der Funktion, die es ermöglicht, ihr bestimmte Aufwendungen und Erträge sowie Chancen und Risiken zuzuordnen.4 Diese Einschränkung des Funktionsbegriffs ist sachgerecht, denn unter Fremdvergleichsgesichtspunkten ist eine Vergütung der Übertragung einer Funktion nur dann vorstellbar, wenn diese eindeutig abgrenzbar, insbesondere aber bewertbar ist.5 Im Schrifttum wird aus dem Erfordernis der funktionsspezifischen Zuordnung von Aufwendungen und Erträgen gefolgert, dass sich der Funktionsbegriff mittels des Konzepts der Cash generating Unit (CGU) nach IAS 36 präzisieren ließe.6 2. (Funktions-)Verlagerung
3.349 Der Begriff der „Verlagerung“ wird ebenso wenig wie derjenige der „Funktion“ durch § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG definiert (Rz. 3.341). Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV liegt eine Funktionsverlagerung vor, „wenn ein Unternehmen (verlagerndes Unternehmen) einem anderen, nahe stehenden Unternehmen (übernehmendes Unternehmen) Wirtschaftsgüter und sonstige Vorteile sowie die damit verbundenen Chancen und Risiken überträgt oder zur Nutzung überlässt, damit das übernehmende Unternehmen eine
1 Vgl. hierzu auch Brüninghaus/Bodenmüller, DStR 2009, 1286 f. 2 Vgl. auch Borstell/Schäperclaus, IStR 2008, 280; Borstell/Wehnert in V/B/E, Verrechnungspreise3, Q Rz. 33. 3 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008, 1946; Borstell/Schäperclaus, IStR 2008, 280; Borstell/Wehnert in V/B/E, Verrechnungspreise3, Q Rz. 33. 4 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.1.1.2 Rz. 18. 5 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008, 1946; Brüninghaus/Bodenmüller, DStR 2009, 1286. 6 Siehe hierzu Borstell/Schäperclaus, IStR 2008, 284; Borstell/Wehnert in V/B/E, Verrechnungspreise3, Q Rz. 42 ff.; Blumers, BB 2007, 1762; Looks/Freudenberg, BB 2009, 2515. Zur CGU siehe Klingels, Die Cash generating Unit nach IAS 36 im IFRS-Jahresabschluss – Bildung, Gestaltungsmöglichkeiten und Auswirkungen, passim.
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F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen
Funktion ausüben kann, die bisher von dem verlagernden Unternehmen ausgeübt worden ist, und dadurch die Ausübung der betreffenden Funktion durch das verlagernde Unternehmen eingeschränkt wird.“ Eine Funktionsverlagerung setzt zunächst voraus, dass mit der Funktion Wirtschaftsgüter und sonstige Vorteile auf den neuen Funktionsträger übergehen. Hierbei handelt es sich um ein konstitutives Tatbestandsmerkmal, d.h., ohne Übertragung und/oder Überlassung von Wirtschaftsgütern und sonstigen Vorteilen fehlt es an einer Funktionsverlagerung.1 Allein die Übertragung einer Funktion, verstanden als betriebliche Aufgabenstellung des Funktionsträgers, ist ein steuerlich irrelevanter Vorgang. Dies zumindest dann, wenn die Erfassung eines Wertschöpfungsbzw. Gewinnpotenzials beabsichtigt ist. Entscheidend ist allenfalls, ob das übernehmende Unternehmen mittels des übergehenden Konglomerats aus Wirtschaftsgütern, sonstigen Vorteilen und zugehörenden Chancen und Risiken in die Lage versetzt wird, die betreffende Funktion auszuüben. Ebenso wenig stellt die isolierte Übertragung von Chancen oder Risiken eine Funktionsverlagerung dar. § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV spricht insofern zutreffend von „damit verbundenen Chancen und Risiken“, ohne allerdings zu konkretisieren, ob es auf die Verbundenheit mit der Funktion selbst oder aber mit den übergehenden Wirtschaftsgütern und sonstigen Vorteilen ankommt. Richtigerweise ist von Letzterem auszugehen.2
3.350
Entscheidendes Merkmal des Verlagerungsbegriffs ist die Einstellung, jedenfalls aber die Einschränkung der nämlichen Funktion durch das verlagernde Unternehmen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll es hierfür qualitativ nicht darauf ankommen, ob das übernehmende Unternehmen mit den übertragenen oder zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgütern die Funktion in gleicher Weise wie das verlagernde Unternehmen ausübt.3 Diese Einschränkung ist insofern nicht sachgerecht, als dann ggf. im Ausland neu entstehende Funktionen bzw. eine Neukonfiguration der Funktion in den Bewertungsbereich des Transferpakets eingehen können, welche im Inland vor der Funktionsverlagerung nicht bestanden.4 Als Indikatoren werden etwa Personalabbau oder der Wegfall von Debitoren angesehen. Was den quantitativen Maßstab für die Einstellung oder Einschränkung anbelangt, geht die Finanzverwaltung von dem
3.351
1 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008, 1946; Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 48; Brüninghaus/Bodenmüller, DStR 2009, 1288. 2 So auch Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 48. 3 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.1.2.2 Rz. 24; so bereits BR-Drucks. 352/08 v. 23.5.2008, 11. 4 Kritisch hierzu auch Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008, 1946; Kroppen/Rasch, IWB Fach 1 Gruppe 3, 2342.
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mit der konkreten Funktion erzielten Umsatz aus.1 Hiernach ist eine Funktionseinschränkung erst bei Umsatzeinbußen von mehr als 1 000 000 Euro (Bagatellgrenze) gegeben.2 Fraglich ist, ob ein erfolgsabhängiger Maßstab wie der Umsatz geeignet ist, hieran das tatbestandliche Vorliegen einer Funktionsverlagerung festzumachen. Für sich genommen markiert er jedenfalls keinen kausalen Zusammenhang zum Umfang der Funktionsausübung,3 d.h., Umsatzrückgänge können, müssen aber nicht auf eine Funktionseinstellung oder -einschränkung zurückgehen. Vergleichbare Schwächen weisen aber auch andere, in Betracht zu ziehende Kriterien (z.B. Stückzahlen/Volumen, Mitarbeiteranzahl, Kapitalbindung oder Materialeinsatz) auf, sodass vor dem Hintergrund der Zwecksetzung der Funktionsverlagerungsbesteuerung ein umsatzorientierter Indikator vertretbar erscheint.4 Allerdings ist dem Steuerpflichtigen der Gegenbeweis einzuräumen, dass ein Umsatzrückgang nicht aus der Einschränkung der betreffenden Funktion herrührt. § 1 Abs. 7 Satz 2 Alt. 2 FVerlV bietet hierfür eine hinreichende rechtliche Grundlage. Dass die Finanzverwaltung eine Einschränkung der nämlichen Funktion auch in Substitutionsfällen annimmt,5 geht auf die u.E. unzutreffende produktbezogene Auslegung des Funktionsbegriffs (Rz. 3.345) zurück.6 In diesen Fällen wird allerdings unter bestimmten Voraussetzungen eine Transferpaketbewertung zu einem Mindestpreis beim verlagernden – und wohl auch beim übernehmenden – Unternehmen von null konzediert.7
3.352 Insbesondere in Fällen der Funktionsverdopplung kommt dem Vorliegen bzw. Nichtvorliegen des Tatbestandsmerkmals der Einschränkung der betreffenden Funktion entscheidende Bedeutung zu. Unter einer Funktionsverdopplung bzw. -vervielfältigung versteht man gemeinhin die Verdopplung bzw. Vervielfältigung einer durch den bisherigen (alleinigen) Funktionsträger weiterhin ausgeübten Funktion.8 Begrifflich qualifiziert die Funktionsverdopplung nicht als Funktionsverlagerung i.S.v. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG und § 2 Abs. 1 Satz 1 FVerlV, da es an der Einstellung oder Einschränkung der Funktionsausübung durch den bisherigen Funktions1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.1.2.2 Rz. 23. 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.1.2.2 Rz. 22 mit Verweis auf Rz. 48 f. u. 58. 3 Vgl. Brüninghaus/Bodenmüller, DStR 2009, 1289. 4 Vgl. auch Frischmuth in FS Schaumburg, 679 ff. 5 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.1.2.2 Rz. 23. 6 So zu Recht Frischmuth in Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, 77 ff. 7 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.7 Rz. 119. Siehe hierzu auch Frischmuth in Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, 98 f. 8 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1650; Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 560.
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F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen
träger fehlt. Gleichwohl geht § 1 Abs. 6 Satz 1 FVerlV offenkundig von einem Unterfall der Funktionsverlagerung aus.1 Hiernach soll eine Funktionsverlagerung erst dann nicht gegeben sein, „wenn es trotz Vorliegens der übrigen Voraussetzungen (…) innerhalb von fünf Jahren nach Aufnahme der Funktion (…) zu keiner Einschränkung der Ausübung der betreffenden Funktion (…) kommt (Funktionsverdopplung).“ Begrifflich soll eine Funktionsverdopplung final mithin erst dann vorliegen, wenn eine Funktionseinschränkung beim „verlagernden“ Unternehmen innerhalb einer Fünfjahresfrist nicht zu verzeichnen ist. Diese Regelung ist offenkundig als Missbrauchsvermeidungsnorm zur Vermeidung sukzessiver Verlagerungen konzipiert.2 Die Finanzverwaltung will etwa Fälle nicht als Funktionsverdopplung, sondern als Funktionsverlagerung behandeln, in denen im Ausland eine Vertriebstochtergesellschaft neu errichtet wird und ebendieser Vertriebskanal zuvor vom Inland aus bedient wurde.3 Demgegenüber dürfte die Erschließung eines neuen Vertriebskanals bzw. Absatzmarktes stets als Neuaufnahme einer Geschäftstätigkeit qualifizieren.4 Dies entspricht im Übrigen der auch regionalen Auslegung des Funktionsbegriffs durch die Finanzverwaltung (Rz. 3.345). Unter welchen Voraussetzungen eine Einschränkung der Funktionsausübung vorliegt, regelt § 1 Abs. 6 FVerlV nicht. Würde die Auslegung des Einschränkungstatbestands gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV zugrunde gelegt (Rz. 3.248), führte jedweder Umsatzrückgang zum Wandel einer Funktionsverdopplung in eine -verlagerung. Bereits die Begründung zu § 1 Abs. 6 FVerlV führt jedoch aus, dass eine lediglich geringfügige oder zeitlich begrenzte Einschränkung der betreffenden Funktion unschädlich sein soll.5 Dies dann, wenn der Vorgang auch unter fremden Dritten nicht als Veräußerung oder Verlagerung einer Funktion angesehen würde (§ 1 Abs. 7 Satz 2 Alt. 2 FVerlV). Die konkrete Ausgestaltung dieser Bagatellregelung stellt der Verordnungsgeber den VWG Funktionsverlagerung anheim. Gemäß Tz. 49 der VWG Funktionsverlagerung ist eine Funktionseinschränkung nicht mehr nur geringfügig, sondern erheblich, „wenn der Umsatz aus der Funktion, den das ursprünglich tätige Unternehmen i.S. des § 1 Absatz 2 FVerlV im letzten vollen Wirtschaftsjahr vor der Funktionsänderung erzielt hat, innerhalb des Fünfjahreszeitraums i.S. des § 1 Absatz 6 FVerlV in einem Wirtschaftsjahr um mehr als 1 000 000 Euro ab-
1 So auch Borstell in FS Herzig, 1005 f.; Borstell/Wehnert in V/B/E, Verrechnungspreise3, Q Rz. 327. 2 Vgl. Kroppen/Rasch, IWB Fach 3 Gruppe 1, 2450; Kroppen/Rasch, IWB 2010, 828; Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 83. 3 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.1.6.1 Rz. 42 f. 4 Zur Neuaufnahme einer Geschäftstätigkeit siehe BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.1.7.3 Rz. 57. 5 Vgl. BR-Drucks. 352/08 v. 23.5.2008, 13.
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3.353
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sinkt.“1 Ein Überschreiten dieser Bagatellgrenze in einem Wirtschaftsjahr führt ungeachtet der Umsatzentwicklung in vorangehenden oder nachfolgenden Wirtschaftsjahren zwingend zur Annahme einer Funktionsverlagerung. Liegen die Voraussetzungen einer Funktionsverlagerung aufgrund einer Funktionseinschränkung innerhalb des fünfjährigen Beobachtungszeitraums vor, verbleibt nur noch der durch § 1 Abs. 6 Satz 2 letzter Halbsatz FVerlV konzedierte „Gegenbeweis“ für das Vorliegen einer Funktionsverdopplung. Hiernach kann der Steuerpflichtige glaubhaft machen, dass die Funktionseinschränkung nicht in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Funktionsverdopplung steht, sondern auf andere Ursachen zurückgeht. Die Glaubhaftmachung des Nichtbestehens dieser ereignis- und umsatzbezogenen Kausalität mit der ursprünglichen Funktionsverdopplung2 verlangt vom Steuerpflichtigen die plausible Darlegung aller tatsächlichen und objektiven Umstände, die den Rückschluss zulassen, dass kein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Einschränkung der betreffenden Funktion beim inländischen Unternehmen und der Aufnahme dieser Funktion durch das ausländische Unternehmen gegeben ist.3 Insofern sind die kausalen Ereignisse zu benennen, auf die die Funktionseinschränkung zurückgeht. Diese können etwa in veränderten Wettbewerbsbedingungen, in gewandeltem Verbraucherverhalten, geänderten rechtlichen Rahmenbedingungen etc. bestehen. Entsprechend dem abgeschwächten Beweismaß der Glaubhaftmachung muss für die Ursächlichkeit des oder der behaupteten Ereignisse eine überwiegende Wahrscheinlichkeit gegeben sein.4
3.354 Von Fällen der Funktionsverlagerung sind neben der Funktionsverdopplung auch Einzeltransaktionen abzugrenzen, die begrifflich nicht als Funktionsverlagerung zu qualifizieren sind. § 1 Abs. 7 Satz 1 FVerlV stellt hierzu klar, dass insbesondere die isolierte Veräußerung oder Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern oder die Erbringung von Dienstleistungen für sich genommen nicht als Funktionsverlagerung zu qualifizieren sind.5 Allerdings gilt dies nur insoweit, als diese Geschäftsvorfälle nicht einer Funktionsverlagerung zugehören. Unter welchen Voraussetzungen diese Transaktionen Bestandteile einer Funktionsverlagerung sind, regelt § 1 Abs. 7 Satz 1 FVerlV nicht. Vielmehr bestimmt sich nach den allgemeinen Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 FVerlV, ob von einer Funktionsverlagerung auszugehen ist. Hierfür ist es wiederum erforder1 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.1.6.2.4 Rz. 49. 2 Vgl. hierzu BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.1.6.2.3 Rz. 47. 3 Vgl. BR-Drucks. 352/08 v. 23.5.2008, 14. 4 Vgl. hierzu BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.1.5.2 Rz. 40. 5 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.1.7.1 Rz. 51 ff.
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lich, dass eine Funktion eindeutig sowohl beim verlagernden als auch beim aufnehmenden Unternehmen identifiziert und dergestalt abgegrenzt werden kann, dass dieser Funktion entsprechende Wirtschaftsgüter, sonstige Vorteile und Dienstleistungen zugeordnet werden können.1 Der Verweis in Tz. 51 der VWG Funktionsverlagerung2 deutet darauf hin, dass vornehmlich Geschäftsvorfälle im Rahmen einer sukzessiven Funktionsverlagerung von der Einschränkung betroffen sein sollen, die gem. § 1 Abs. 2 Satz 3 FVerlV innerhalb eines Fünfjahreszeitraums zusammenzufassen sind. Ferner stellen Personalentsendungen im Konzern, ohne dass eine Funktion mit übergeht, keine Funktionsverlagerung dar.3 Vielmehr sind – bei Vorliegen der Voraussetzungen der VWG-Arbeitnehmerentsendung4 – lediglich die für die entsandten Arbeitnehmer angefallenen Kosten zu verrechnen. Liegen die Voraussetzungen der VWG-Arbeitnehmerentsendung hingegen nicht vor, weil die Arbeitnehmer in Erfüllung einer Dienstleistungsverpflichtung des entsendenden Unternehmens tätig werden,5 ist diese Dienstleistung regelmäßig nach der Kostenaufschlagsmethode zu verrechnen. Allerdings will die Finanzverwaltung eine Funktionsverlagerung in Personalentsendungsfällen dann annehmen, „wenn das entsandte Personal seinen bisherigen Zuständigkeitsbereich aus dem entsendenden Unternehmen mitnimmt und nach der Entsendung im übernehmenden Unternehmen die gleiche Tätigkeit ausübt.“6 Die Finanzverwaltung geht hier vom Vorliegen der Voraussetzungen der Funktionsverlagerung aus. Dies muss jedenfalls für normale Personalentsendungen im Konzern bezweifelt werden, da es am Übergang einer Funktion i.S. eines organischen Teils des Unternehmens fehlt. Ferner ist die Rückausnahme des § 1 Abs. 7 Satz 1 Alt. 2 AStG dann zu beachten, wenn die Voraussetzungen der VWG-Arbeitnehmerentsendung nicht erfüllt sind und die Dienstleistungen des entsendenden Unternehmens Teil einer Funktionsverlagerung sind. Sie rechnen dann zum Transferpaket.7
3.355
Eine Funktionsverlagerung soll schließlich gem. § 1 Abs. 7 Satz 2 Alt. 2 FVerlV auch dann nicht vorliegen, „wenn der Vorgang zwischen voneinander unabhängigen Dritten nicht als Veräußerung oder Erwerb einer
3.356
1 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008, 1946; Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 48. 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.1.7.1 Rz. 51. 3 § 1 Abs. 7 Satz 2 FVerlV. 4 BMF v. 9.11.2001 – IV B 4 - S 1341 - 20/01 – VWG-Arbeitnehmerentsendung, BStBl. I 2001, 769. 5 Vgl. BMF v. 9.11.2001 – IV B 4 - S 1341 - 20/01 – VWG-Arbeitnehmerentsendung, BStBl. I 2001, 769 Tz. 2.1 Abs. 2. 6 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.1.7.2 Rz. 56; so bereits die Begründung zu § 1 Abs. 7 Satz 2 FVerlV, vgl. BR-Drucks. 352/08 v. 23.5.2008, 14. 7 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.1.7.1 Rz. 51. Siehe hierzu auch Zech, IStR 2011, 135.
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Funktion angesehen würde.“ Der Verordnungsgeber hat hier als erste Fallgruppe zeitlich befristete und geringfügige Verlagerungen (Bagatellfälle) im Blick, die mangels relevanter Gewinnauswirkung aus der Funktionsverlagerungsbesteuerung ausgenommen werden sollen, obgleich der Tatbestand der Funktionsverlagerung erfüllt ist.1 Im Hinblick auf die konkrete Abgrenzung der Geringfügigkeits- bzw. Wesentlichkeitsschwelle verweisen die VWG Funktionsverlagerung auf die Bagatellregelung, die in Fällen der Funktionsverdopplung für die Feststellung einer nicht nur geringfügigen Funktionseinschränkung zum Tragen kommt.2 Demnach führen Umsatzrückgänge von weniger als 1 000 000 Euro nicht zu einer Funktionsverlagerungsbesteuerung. Überdies führen die VWG Funktionsverlagerung exemplarisch die Verlagerung eines einzelnen Auftrages an. Allerdings dürfte bei der Verlagerung einzelner Aufträge fraglich sein, ob die Auftragsverlagerung überhaupt als Funktionsverlagerung zu qualifizieren ist. Eine zweite Fallgruppe erfasst Vorgänge, die formal als Funktionsverlagerung zu qualifizieren sind, aber entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz tatsächlich anders abgewickelt werden. Dies gilt z.B. für die fristgerechte Kündigung von Verträgen (z.B. von Lizenz-, Vertriebs-, Kommissionärs- oder Handelsvertreterverträgen) oder das Auslaufen von Vertragsbeziehungen.3 Die VWG Funktionsverlagerung führen überdies exemplarisch die zentrale, optimierte Steuerung der Produktion durch die Muttergesellschaft und die damit verbundene Zuteilung eingehender Aufträge an die Produktionsgesellschaften des Verbundes an.4 In all diesen Fällen ist allerdings schon fraglich, ob überhaupt eine Geschäftsbeziehung i.S.v. § 1 Abs. 5 AStG vorliegt.5 3. Transferpaket
3.357 Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG ist der Einigungsbereich auf der Grundlage des „Transferpaketes“ unter Berücksichtigung funktions- und risikoadäquater Kapitalisierungszinssätze zu bestimmen, wenn der hypothetische Fremdvergleich zum Tragen kommt.6 Dies ist immer dann der Fall, wenn für das „Transferpaket als Ganzes“ keine zumindest eingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerte vorliegen. Gegenüber der Vorgänger1 Vgl. BR-Drucks. 352/08 v. 23.5.2008, 15. 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.1.7.4 Rz. 58. 3 Vgl. BR-Drucks. 352/08 v. 23.5.2008, 15. 4 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.1.7.4 Rz. 59. 5 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008, 1947. 6 Durch das Jahressteuergesetz 2013 soll die ertragswertbezogene Ermittlung der Preisgrenzen unter Berücksichtigung funktions- und risikoadäquater Kapitalisierungszinssätze generell für den hypothetischen Fremdvergleich klarstellend geregelt werden und dementsprechend in § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG-E aufgehen, vgl. BR-Drucks. 302/12.
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F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen
fassung des UntStRefG 20081 stellt § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG in der durch das EU-Umsetzungsgesetz2 geänderten Fassung zwar trennschärfer heraus, dass nicht die „Funktion als Ganzes“ Bewertungsobjekt ist, sondern das „Transferpaket als Ganzes“. Allerdings verliert sich die Trennschärfe in der Begriffsdefinition des Transferpaketes in § 1 Abs. 3 FVerlV. Hiernach besteht das Transferpaket „aus einer Funktion und den mit dieser Funktion zusammenhängenden Chancen und Risiken sowie den Wirtschaftsgütern und Vorteilen, die das verlagernde Unternehmen dem übernehmenden Unternehmen zusammen mit der Funktion überträgt oder zur Nutzung überlässt, und den in diesem Zusammenhang erbrachten Dienstleistungen.“ Zutreffend wird im Schrifttum darauf hingewiesen, dass die Begriffsdefinition „Transferpaket“ angesichts einer Vermengung mit den Tatbestandsvoraussetzungen der Funktionsverlagerung das Bewertungsobjekt nicht eindeutig abgrenzt.3 Bestandteile des Transferpakets sind Wirtschaftsgüter, sonstige Vorteile sowie ferner die Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit der Funktionsverlagerung von dem verlagernden an das übernehmende Unternehmen erbracht werden. Diese einzelnen Komponenten sind nicht zu isolieren, sondern in ihrer Gesamtheit, nämlich als Transferpaket, zu bewerten. Unklar ist hierbei, was unter dem Begriff „sonstige Vorteile“ zu verstehen 3.358 ist.4 Die Begründung zur FVerlV erwähnt im Zusammenhang mit § 2 Abs. 2 Satz 2 FVerlV als Vorteile exemplarisch „Patente“ und „Knowhow“.5 Diese sind jedoch bereits als immaterielle Wirtschaftsgüter zu qualifizieren. Im Wirtschaftsgutbegriff gehen wirtschaftliche Vorteile, tatsächliche Zustände und konkrete Möglichkeiten auf, deren Erlangung sich der Kaufmann etwas kosten lässt (Erwerb durch Aufwendungen), die selbständig bewertungsfähig (als Einzelheit greifbar, gegenüber dem Geschäftswert abgrenzbar), einzeln oder zusammen mit dem Betrieb übertragbar („Teilwertfähigkeit“) sind und einen Nutzen für mehrere Wirtschaftsjahre erbringen.6 Hiernach verbleiben als Vorteile, die keine Wirtschaftsgüter sind, die Bestandteile des Geschäfts- und Firmenwerts (geschäftswertbildende Faktoren).7 Allerdings gehen geschäftswertbildende Faktoren, wie etwa eine eingespielte Betriebsorganisation, gute Verkehrsanbindungen, gute Beziehungen zu Genehmigungsbehörden, bestehende Konzessionen oder Zertifizierungen, im Rahmen einer Funktionsverlagerung nicht auf das übernehmende Unternehmen über, sofern 1 Unternehmensteuerreformgesetz 2008 (UntStRefG 2008) v. 14.8.2007, BStBl. I 2007, 1912. 2 Gesetz zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (EU-Umsetzungsgesetz), BGBl. I 2010, 386. 3 Vgl. Oestreicher/Wilcke, Ubg 2010, 227; siehe auch Kroppen/Rasch, IWB 2010, 319 f. 4 Vgl. IDW, FN-IDW 2007, 498. 5 Vgl. BR-Drucks. 352/08 v. 23.5.2008, 16. 6 Vgl. Weber-Grellet in Schmidt31, § 5 EStG Rz. 94; Federmann, Bilanzierung nach Handels- und Steuerrecht12, 287. 7 Vgl. hierzu Pohl, IStR 2010, 360; Oestreicher/Wilcke, Ubg 2010, 229 f.
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sich die Funktionsverlagerung nicht auf die Übertragung eines Betriebs oder Teilbetriebs erstreckt.1 Vielmehr verbleiben sie beim verlagernden Unternehmen oder gehen im Zuge der Funktionsverlagerung unter. Bezogen auf die übergehende Funktion müssen geschäftswertbildende Faktoren beim übernehmenden Unternehmen erst geschaffen werden. Allenfalls sog. singuläre oder unternehmerische Geschäftschancen, d.h., die Möglichkeit, aus einem Geschäft oder einer betrieblichen Funktion zukünftig einen weitgehend konkretisierten Gewinn zu erzielen, kämen als übergehende „sonstige Vorteile“ in Betracht,2 sollten diese nicht bereits die Voraussetzungen eines immateriellen Wirtschaftsguts erfüllen.3 Die VWG Funktionsverlagerung gehen demgegenüber von der Einbeziehung geschäftswertbildender Faktoren in das Transferpaket aus.4
III. Die Bewertung der Funktionsverlagerung 1. Einzel- versus Gesamtbewertung (Bewertungsobjekt) a) Grundsatz: Transferpaket
3.359 Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG ist der Einigungsbereich auf der Grundlage des „Transferpaketes“ zu bestimmen, wenn der hypothetische Fremdvergleich zum Tragen kommt. Dies ist immer dann der Fall, wenn für das „Transferpaket als Ganzes“ keine zumindest eingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerte vorliegen. Die Gesamtbewertung des übergehenden Transferpakets ist mithin als gesetzlicher Regelfall konzipiert. b) Ausnahme: Einzelbewertung aa) Escape-Regelungen des § 1 Abs. 3 Satz 10 AStG
3.360 § 1 Abs. 3 Satz 10 AStG lässt von der Gesamtbewertung Ausnahmen zu und gestattet alternativ eine Einzelbewertung. Hiernach sind eine Abweichung von der Gesamtbewertung und stattdessen eine Einzelbewertung der betroffenen Wirtschaftsgüter und Dienstleistungen zulässig, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass – keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile Gegenstand der Funktionsverlagerung waren (1. Alternative), 1 Zur Abgrenzung der Funktionsverlagerung von einer Betriebs- oder Teilbetriebsübertragung siehe Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2010, 1313. Siehe hierzu auch Kroppen in FS Schaumburg, 869 ff. 2 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008, 1946. 3 Weder in der Rspr. noch in der Literatur hat sich bislang eine allgemeine Definition der Geschäftschance herausgebildet. Vgl. dazu im Einzelnen Ditz, DStR 2006, 1625 ff.; Baumhoff/Bodenmüller in Grotherr, Handbuch der Internationalen Steuerplanung3, 584; Wassermeyer, GmbHR 1993, 332; Kuckhoff/Schreiber, IStR 1999, 325 m.w.N. zur BFH-Rspr. (sog. Geschäftschancenlehre). 4 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.1.3 Rz. 29, Tz. 2.1.5.1 Rz. 39, Tz. 2.2.3.3 Rz. 79.
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F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen
– die Summe der angesetzten Einzelverrechnungspreise, gemessen an der Bewertung des Transferpaketes als Ganzes, dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht (2. Alternative), – zumindest ein wesentliches immaterielles Wirtschaftsgut Gegenstand der Funktionsverlagerung ist, und er es genau bezeichnet (3. Alternative). Was die Glaubhaftmachung anbelangt, fordert sie ein deutlich herabgesetztes Beweismaß. Eine Tatsache ist hiernach schon dann glaubhaft gemacht, wenn für sie eine überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht; eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen der Tatsche ist nicht erforderlich.1 Dem folgt auch die Finanzverwaltung in den VWG Funktionsverlagerung.2 Hiernach ist eine vom darlegungspflichtigen Steuerpflichtigen behauptete Tatsache dann zugrunde zu legen, wenn ihr Bestehen wahrscheinlicher ist als das Gegenteil. Alle drei Escape-Regelungen knüpfen ihren Anwendungsbereich an das Wesentlichkeitserfordernis der übergehenden immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile. § 1 Abs. 5 FVerlV definiert dieses Tatbestandsmerkmal zwar exklusiv für Zwecke des § 1 Abs. 3 Satz 10 Alt. 1 AStG, die Finanzverwaltung will diese Legaldefinition gleichwohl für alle drei Alternativen zur Anwendung bringen.3 Hiernach sind funktionsverlagerungsbedingte immaterielle Wirtschaftsgüter und Vorteile „wesentlich“, wenn sie für die verlagerte Funktion erforderlich sind (qualitativer Maßstab) und ihr Fremdvergleichspreis insgesamt mehr als 25 % der Summe der Einzelpreise aller Wirtschaftsgüter und Vorteile des Transferpaketes beträgt (quantitativer Maßstab).
3.361
Weder der FVerlV noch deren Begründung lässt sich entnehmen, was unter dem qualitativen Maßstab der Erforderlichkeit für die verlagerte Funktion konkret zu verstehen sein soll. Die Entwurfsfassung der VWG Funktionsverlagerung führte hierzu noch aus, dass die immateriellen Wirtschaftsgüter und sonstigen Vorteile „aus betriebswirtschaftlicher Sicht für die Ausübung der Funktion notwendig“ sein müssen,4 und sorgte hiermit allenfalls insofern für eine Konkretisierung, als sich die Erforderlichkeit bzw. Notwendigkeit nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen richtet. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht käme es auf eine kausalrechtlich beachtliche Mittel-Zweck-Beziehung (Input-Output-Zusammenhang) an, die zwischen dem jeweiligen immateriellen Wirtschaftsgut bzw. Vorteil
3.362
1 Vgl. Wassermeyer/Baumhoff/Greinert in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. V 90; so auch VWG-FVerl-E, Tz. 2.1.6.2.2. 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.1.5.2 Rz. 40; kritisch hierzu Eigelshoven/Nientimp, Ubg 2010, 234 f. 3 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.1.5.1 Rz. 38, Tz. 2.2.3.3 Rz. 75. 4 Vgl. Entwurf VWG-Funktionsverlagerung v. 17.7.2009, abgedruckt in Schreiber, Verrechnungspreise2, 755 ff., Tz. 2.1.5 Abs. 2.
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und der Erfüllung des mit der Funktion verbundenen Aufgabenumfanges nachzuweisen wäre. Diese Produktivitätsbeziehung findet ihren Ausdruck in Produktions- und Faktoreinsatzfunktionen.1 Angesichts durchaus erheblicher Schwierigkeiten bei der Formulierung konkreter Produktionsund Faktoreinsatzfunktionen können Fremdvergleichsgesichtspunkte bei vorgegebenem Aufgabenumfang eine objektivierende Konkretisierung herbeiführen. Entscheidend wäre hiernach, ob ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen zur Erzielung der aus der Funktion erwarteten Gewinne das betreffende immaterielle Wirtschaftsgut eingesetzt bzw. sich des betreffenden Vorteiles bedient hätte oder nicht.2 Überdies ließen sich die Anforderungen an den qualitativen Maßstab unter Rückgriff auf das Begriffsverständnis von wesentlichen Betriebsgrundlagen konkretisieren, allerdings beschränkt auf die funktionale Betrachtungsweise.3 Da die Endfassung der VWG Funktionsverlagerung einen vergleichbaren Hinweis nicht mehr enthält, lässt sich allenfalls mutmaßen, dass der Anwendungsbereich der Escape-Regelungen vornehmlich vom quantitativen Maßstab beherrscht wird.
3.363 Für die Prüfung des quantitativen Maßstabs ist der Anteil der Fremdvergleichspreise der betroffenen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile insgesamt (mithin die Summe der Einzelpreise) an der Summe der Einzelverrechnungspreise aller Wirtschaftsgüter und Vorteile des Transferpakets zu ermitteln. Dies erfordert, dass – alle immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile einzeln zu bewerten sind (hierbei kommen methodisch sowohl der tatsächliche Fremdvergleich als auch der hypothetische Fremdvergleich zum Tragen), – zudem – für Zwecke der Summe der Einzelverrechnungspreise – alle materiellen Wirtschaftsgüter einzeln zu bewerten sind und – schließlich im Rahmen der Gesamtbewertung des Transferpakets die einzelnen geschäftswertbildenden Faktoren bzw. Bestandteile des Geschäftswerts als Residualgröße zu ermitteln sind.4 1 Vgl. hierzu Kleineidam, Rechnungslegung bei Auslandsbeziehungen nach Handels- und Steuerrecht, Freiburg i.Br. 1992, 155 ff.; Kleineidam in FS Fischer, 703 ff.; Bauer, Neuausrichtung der Internationalen Einkunftsabgrenzung, 65 ff.; Liebchen, Beteiligungen an ausländischen Personengesellschaften, 211 ff. 2 Vgl. hierzu Liebchen, Beteiligungen an ausländischen Personengesellschaften, 213 f. u. 225 ff. 3 Vgl. Cordes, Steuerliche Aufzeichnungspflichten bei internationalen Verrechnungspreisen, 82 ff. für Zwecke des § 4 Nr. 2 Buchst. b GAufzV; wohl auch Greinert, Ubg 2010, 107 für Zwecke der Preisanpassungsklausel des § 1 Abs. 3 Satz 11 AStG. 4 Vgl. hierzu Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 81; Pohl, IStR 2010, 359; siehe auch BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.1.5.1 Rz. 39.
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Mithin kommen auch die Escape-Klauseln nicht ohne Gesamtbewertung des Transferpakets aus, was den Vereinfachungscharakter freilich konterkarieren würde. Abschließend ist das Verhältnis zwischen der Summe der Einzelverrechnungspreise der immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile an der Summe der Einzelverrechnungspreise aller materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter sowie sonstigen Vorteile zu bilden und auf das Überschreiten der Wesentlichkeitsschwelle von 25 % zu prüfen. Sind hiernach der qualitative und/oder der quantitative Maßstab der Wesentlichkeit nicht erfüllt, sind keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile Gegenstand der Funktionsverlagerung. Alternativ zur Gesamtbewertung kann der Steuerpflichtige die Einzelverrechnungspreise für die betroffenen Wirtschaftsgüter und Dienstleistungen ansetzen. Der entscheidende Unterschied besteht mithin darin, dass etwaige im Transferpaket enthaltene sonstige Vorteile, die angesichts der quantitativen Wesentlichkeitsgrenze bis zu 25 % des Werts des Transferpakets ausmachen können, keiner Besteuerung unterliegen.1
3.364
Nach Auffassung der Finanzverwaltung in den VWG Funktionsverlagerung ist für die Alternativen 1 und 3 eine „präzise Wertberechnung für das Transferpaket (…) nicht erforderlich.“2 Insofern würde der Vereinfachungscharakter nicht dadurch konterkariert, dass bereits tatbestandlich eine Gesamtbewertung erforderlich wäre, um sodann die Vereinfachung der Einzelbewertung in Anspruch nehmen zu können.
3.365
Die Finanzverwaltung lässt allerdings offen, welche Anforderungen konkret an die Glaubhaftmachung der (Nicht-)Wesentlichkeit immaterieller Wirtschaftsgüter gestellt werden. Im Rahmen der Dokumentationspflichten im Zusammenhang mit Funktionsverlagerungen (Rz. 3.438 ff.) fordert sie, dass aus den auf Anforderung vorzulegenden Unterlagen die für die Unternehmensentscheidung maßgeblichen Gründe für die Durchführung der Funktionsverlagerung hervorgehen müssen. Neben Angaben über die im Rahmen der Funktionsverlagerung übertragenen bzw. zur Nutzung überlassenen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile hat der Steuerpflichtige „deren relativen Wert im Verhältnis zum Wert der Summe der Bestandteile des Transferpakets glaubhaft zu machen.“3 Mithin muss in Fällen des § 1 Abs. 3 Satz 10 Alt. 1 AStG eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür gegeben sein, dass die 25 %-Grenze (wohl deutlich) unterschritten wird. Da die Finanzverwaltung grundsätzlich vom Übergang eines funktionsbezogenen Geschäftswertes ausgeht (Rz. 3.358), dürften sich die Anforderungen in praxi auf die Nichtexistenz ebendieses funk1 So zutreffend Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 81. 2 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.2.3.1 Rz. 71, inhaltsgleich Tz. 2.2.3.3 Rz. 75. 3 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.1.5.2 Rz. 41.
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tionsbezogenen Geschäftswertes respektive funktionsbezogener schäftswertbildender Faktoren konzentrieren.1
ge-
3.366 Sind demgegenüber wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter und Vorteile Gegenstand der Funktionsverlagerung, verbleiben zumindest die zweite und dritte Alternative. Nach der zweiten Alternative ist glaubhaft zu machen, dass die Summe der angesetzten Einzelverrechnungspreise, gemessen an der Bewertung des Transferpakets als Ganzes, dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht. Hiermit wird zumindest eine Möglichkeit geschaffen, von dem Wert des Transferpakets insgesamt abzuweichen. Diese Alternative geht mit dem bereits für die Prüfung der Wesentlichkeitsgrenze übergehender immaterieller Wirtschaftsgüter und sonstiger Vorteile verbundenen Nachteil einher, dass sie einen erheblichen Aufwand verursacht. So ist es dabei erforderlich, sowohl den Einigungsbereich als auch den Wert des Transferpaketes als Ganzes zu bestimmen. Darüber hinaus ist es zum anderen erforderlich, die Werte der einzelnen übertragenen Wirtschaftsgüter jeweils getrennt zu ermitteln. Wie bereits ausgeführt, kommen für die Ermittlung der Einzelverrechnungspreise – entsprechend dem Stufenverhältnis in § 1 Abs. 3 AStG – sowohl der tatsächliche als auch der hypothetische Fremdvergleich zur Anwendung (Rz. 3.172 f.). Praktische Schwierigkeiten ergeben sich bei der Einzelbewertung bereits im Rahmen der Identifizierung einzelner immaterieller Wirtschaftsgüter, z.B. in den Fällen, in denen selbst erstellte immaterielle Wirtschaftsgüter (z.B. ungeschütztes Know-how) verlagert werden. Eine Doppelarbeit ist insofern unvermeidlich.
3.367 Gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 FVerlV darf, wenn diese beiden Werte vorliegen, die Summe der Einzelverrechnungspreise für die Wirtschaftsgüter und Vorteile nur dann angesetzt werden, „wenn sie im Einigungsbereich liegt und der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass sie dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht.“ Eine Einzelbewertung ist faktisch damit nur unter zwei Voraussetzungen möglich: 1. Die Summe der Einzelwirtschaftsgüter (Gesamtergebnis) muss im Einigungsbereich liegen. 2. Der Steuerpflichtige muss glaubhaft machen, dass die Summe der Einzelverrechnungspreise dem Fremdvergleich am besten entspricht.2 Was die letztere Anforderung anbelangt, findet sie keine Grundlage im Gesetz.3 Die Forderung nach einer bestmöglichen Entsprechung mit dem Fremdvergleich korrespondiert mit derjenigen, von der § 1 Abs. 3 Satz 7 1 Siehe zur Berücksichtigung eines funktionsbezogenen Geschäftswerts aus Sicht der Finanzverwaltung auch Zech, IStR 2011, 132. 2 So die Begründung zu § 2 Abs. 3 Satz 2 FVerlV, vgl. BR-Drucks. 352/08 v. 23.5.2008, 17. 3 Hierzu ausführlich Kroppen in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 121.
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AStG für „normale“ Transaktionen eine andere als die hälftige Teilung des Einigungsbereichs abhängig macht (Rz. 3.162 ff.). Dort hat der Steuerpflichtige glaubhaft zu machen, dass ein anderer Wert als der Mittelwert dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der höchsten Wahrscheinlichkeit entspricht. Während für Zwecke des § 1 Abs. 3 Satz 7 Halbs. 2 AStG u.E. keine Verpflichtung des Steuerpflichtigen zur Glaubhaftmachung eines anderen Wertes als des Mittelwertes besteht (Rz. 3.164),1 verlangt § 2 Abs. 3 Satz 2 FVerlV dies ausdrücklich. Die Glaubhaftmachung mittels Wahrscheinlichkeiten – verstanden als Häufung einer (beobachtbaren) Ausprägung – muss im Rahmen des hypothetischen Fremdvergleichs scheitern, weil eine größere Häufung einer Ausprägung ebenso wie der hypothetische Fremdvergleich einem Denkprozess entspringen muss.2 Die Anforderung lässt deshalb die zweite Alternative der Einzelbewertung de facto leerlaufen, da mit ihr nur dasselbe Ergebnis zu erlangen ist, das sich bei der Gesamtbewertung einstellt. Hierauf deutet nicht zuletzt auch die in Tz. 73 der VWG Funktionsverlagerung vertretene Auffassung der Finanzverwaltung hin. Hiernach wird dem Steuerpflichtigen abverlangt, auch „die Differenz zwischen der Summe der Einzelverrechnungspreise und dem Wert für das Transferpaket“ aufzuklären und zu begründen, „warum die Summe der Einzelverrechnungspreise dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht.“3 An dieser Unmöglichkeit4 wird der Ansatz des Mittelwerts festgemacht. Durch das EU-Umsetzungsgesetz5 wurde die Escape-Klausel in § 1 Abs. 3 3.368 Satz 10 AStG um eine dritte Alternative erweitert. Hiernach kommt die Einzelbewertung der Bestandteile des Transferpakets auch dann zur Anwendung, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass zumindest ein wesentliches immaterielles Wirtschaftsgut Gegenstand der Funktionsverlagerung ist, und er es genau bezeichnet. Diese Alternative kommt grundsätzlich zum Tragen, wenn die Anwendungsvoraussetzungen der zweiten Alternative erfüllt sind, denn die Bildung der Summe der Einzelverrechnungspreise für die Bestandteile des Transferpakets setzt denklogisch voraus, dass alle übertragenen Wirtschaftsgüter identifiziert und eindeutig bezeichnet sind.6 Allerdings reicht ausweislich des insoweit eindeutigen Gesetzeswortlauts tatbestandlich die Identifizierung und klare Bezeichnung (genau) eines wesentlichen immateriellen Wirtschaftsguts aus, um die Einzelbewertung zu erlangen.7 Was in diesem Zusammenhang das Wesentlichkeitserfordernis anbelangt, fehlt es an einer gesetzlichen Rege1 A.A. Zech, IStR 2011, 136. 2 Vgl. hierzu ausführlich Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 556; Greinert, Ubg 2010, 106; Kroppen in FS Schaumburg, 872. 3 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.2.3.2 Rz. 73. 4 Vgl. Kaminski/Strunk, RIW 2009, 711. 5 Gesetz zur Umsetzung steuerrechtlicher EU-Vorgaben sowie weiterer steuerrechtlicher Regelungen v. 8.4.2010, BGBl. I 2010, 386. 6 Vgl. Oestreicher/Wilcke, Ubg 2010, 229. 7 Vgl. Oestreicher/Wilcke, Ubg 2010, 229; Kroppen/Rasch, IWB 2010, 322.
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lung. Die vor der Gesetzesänderung verfasste und unverändert belassene Definition in § 1 Abs. 5 FVerlV regelt ausdrücklich die Wesentlichkeitsanforderungen nur für Zwecke des § 1 Abs. 3 Satz 10 Alt. 1 AStG.1 Ferner beziehen sie sich – jedenfalls in Bezug auf den quantitativen Maßstab – auf (alle) immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile zusammen. Folglich sind durchaus Zweifel angebracht, ob für das zu identifizierende und genau zu bezeichnende immaterielle Wirtschaftsgut dieselbe Wesentlichkeitsschwelle – und zwar nur für dieses einzelne Wirtschaftsgut2 – überschritten werden muss. Dies jedoch weniger deshalb, weil die Glaubhaftmachung dem Steuerpflichtigen letztlich neben der Einzelbewertung des Wirtschaftsguts auch die Gesamtbewertung des Transferpakets abverlangt,3 sondern vielmehr deshalb, weil eine dementsprechende Rechtsgrundlage fehlt. Zwar spricht die einheitliche Verwendung des Wesentlichkeitsbegriffs in § 1 Abs. 3 AStG gegen ein unterschiedliches Begriffsverständnis. So dürfte weitestgehend unbestritten sein, dass für Zwecke der Anwendung der Preisanpassungsklausel des § 1 Abs. 3 Sätze 11–12 AStG auf Funktionsverlagerungen die Wesentlichkeitsanforderungen durch § 1 Abs. 5 FVerlV vorgegeben werden.4 Auch für diese Fälle ist ein entsprechendes Begriffsverständnis in den §§ 9–11 FVerlV nicht geregelt. Es stellt sich hier jedoch die (letztlich nicht geklärte) Frage, ob für Zwecke der dritten Escape-Klausel in § 1 Abs. 3 Satz 10 AStG ein abweichendes Begriffsverständnis zum Tragen kommt.5 Hier muss man letztlich sehen, dass der Gesetzgeber diese Regelung erst nach Veröffentlichung der FVerlV in das Gesetz aufgenommen hat, ohne dass in diesem Zusammenhang eine Anpassung der FVerlV erfolgt ist.6 Ferner steht diese Escape-Klausel unter der bereits im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP vom 26.10.2009 verankerten Zielsetzung, „die negativen Auswirkungen der Neuregelung zur Funktionsverlagerung auf den Forschungs- und Entwicklungsstandort Deutschland [zu] beseitigen.“7 Insofern gehen wir davon aus, dass die Frage der Wesentlichkeit eines immateriellen Wirtschaftsguts für Zwecke der dritten Escape-Klausel rein qualitativ i.S. einer funktionalen Wesentlichkeit zu beantworten ist.8 1 Zur Änderungsnotwendigkeit der FVerlV vgl. auch Stellungnahme des IDW v. 5.7.2011, Ubg 2011, 579 unter 2. 2 Vgl. hierzu Pohl, IStR 2010, 358. 3 Vgl. Eigelshoven/Nientimp, Ubg 2010, 235; Freudenberg/Ludwig, BB 2010, 1270; Pohl, IStR 2010, 359. 4 Vgl. hierzu Schaumburg, IStR 2009, 878; Kahle, StuB 2009, 384. Demgegenüber wird für die Anwendung der Preisanpassungsklausel auf die Übertragung oder Überlassung einzelner immaterieller Wirtschaftsgüter – denklogisch zutreffend – nur der qualitative Wesentlichkeitsmaßstab angewendet, so wohl Greinert, Ubg 2010, 107; Schaumburg, IStR 2009, 887. 5 Vgl. hierzu Eigelshoven/Nientimp, Ubg 2010, 235; Kroppen/Rasch, IWB 2010, 322 f.; Freudenberg, BB 2010, 1270. 6 Zur Änderungsnotwendigkeit der FVerlV vgl. auch Stellungnahme des IDW v. 5.7.2011, Ubg 2011, 579. 7 Vgl. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU u. FDP v. 26.10.2009, 17. Legislaturperiode, 11. 8 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2010, 1311.
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F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen
Die Finanzverwaltung legt demgegenüber in den VWG Funktionsverlagerung ebenso die Legaldefinition des § 1 Abs. 5 FVerlV einheitlich zugrunde (Rz. 3.361), ohne dass hierfür eine Rechtsgrundlage besteht.1 Wie bereits ausgeführt, erfordert die Glaubhaftmachung des Vorliegens eines wesentlichen immateriellen Wirtschaftsguts nach Auffassung der Finanzverwaltung „keine präzise Wertberechnung für das Transferpaket“.2 Im Hinblick auf die Auffassung der Finanzverwaltung hat der Steuerpflichtige demnach glaubhaft zu machen, dass der relative Wert des übertragenen oder zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsguts im Verhältnis zum Wert der Summe der Bestandteile des Transferpakets die Wesentlichkeitsgrenze überschreitet.3 Entsprechend dem Wortlaut des § 1 Abs. 3 Satz 10 Alt. 3 AStG („zumindest“) findet diese Öffnungsklausel auch dann Anwendung, wenn mehrere immaterielle Wirtschaftsgüter Gegenstand der Funktionsverlagerung sind. Die Finanzverwaltung fordert in den VWG Funktionsverlagerung, dass die Wesentlichkeitsvoraussetzung für jedes einzelne Wirtschaftsgut erfüllt ist. Demgegenüber soll der Anwendungsbereich nicht eröffnet sein, wenn ein immaterielles Wirtschaftsgut erst zusammen mit anderen übertragenen oder zur Nutzung überlassenen immateriellen Wirtschaftsgütern die relative Wertgrenze von 25 % überschreitet.4 Eine Rechtsgrundlage hierfür ist nicht ersichtlich.5 Die Finanzverwaltung konzediert in Tz. 81 der VWG Funktionsverlagerung allerdings die Zusammenfassung mehrere immaterieller Wirtschaftsgüter und die Behandlung wie ein einheitliches immaterielles Wirtschaftsgut, wenn deren Bewertung in Anwendung anerkannter betriebswirtschaftlicher Methoden sachgerecht ist.6 Beispielhaft soll dies etwa für ein Patent und Produktions-Know-how gelten, die der Herstellung derselben Wirtschaftsgüter dienen, wobei die Finanzverwaltung weitergehend auf die Grundsätze zur Zusammenfassung von Geschäftsvorfällen nach Tz. 3.9 ff. OECD-Leitlinien 2010 verweist (Rz. 3.335 f.).
3.369
Das immaterielle Wirtschaftsgut ist ferner genau zu bezeichnen. Fraglich ist, welche Anforderungen an die „genaue Bezeichnung“ zu stellen sind. So erfordern bereits die bestehenden Dokumentationspflichten eine Zusammenstellung der wesentlichen immaterieller Wirtschaftsgüter.7 Ent-
3.370
1 Vgl. auch Stellungnahme des IDW v. 5.7.2011, Ubg 2011, 579 unter 2. 2 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.2.3.3 Rz. 75. 3 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.1.5.2 Rz. 41. 4 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.2.3.3 Rz. 80; siehe auch Pohl, IStR 2010, 358. 5 Vgl. auch Stellungnahme des IDW v. 5.7.2011, Ubg 2011, 579 unter 2. 6 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.2.3.3 Rz. 81. 7 Vgl. § 90 Abs. 3 AO i.V.m. § 4 Nr. 2 Buchst. b GAufzV; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.11.3 Abs. 3.
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sprechend den Systematisierungen immaterieller Wirtschaftsgüter im Schrifttum sind z.B. zu unterscheiden: – marketingbezogene (z.B. Marken, Geschmacksmuster, Internet-Domains), – technologiebezogene (z.B. Patente, Gebrauchsmuster, Erfindungen, Rezepturen, Software), – kundenbezogene (z.B. Kundenstamm, Auftragsbestand), – vertragsbezogene (z.B. Lizenzen, Belieferungsrechte, Konzessionen) oder – kunstbezogene (z.B. Zeitschriften, Bilder, Schauspiele) immaterielle Wirtschaftsgüter.1 Eine Orientierung an diesen Begriffen müsste der Forderung des genauen Bezeichnens eigentlich genügen.2 Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll hingegen ein immaterielles Wirtschaftsgut erst dann genau bezeichnet sein, „wenn es aufgrund der Angaben des Steuerpflichtigen so eindeutig identifiziert werden kann, dass entweder ausreichende Vergleichswerte ermittelt werden können (…) oder eine sachgerechte Preisbestimmung nach dem hypothetischen Fremdvergleich (…) möglich ist.“3 Bereits die Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 3 Satz 10 Alt. 3 AStG hatte die Identifizierung immaterieller Wirtschaftsgüter als „zwingende Voraussetzung für eine sachgerechte, betriebswirtschaftlich fundierte Bewertung“ herausgestellt.4 Fraglich bleibt jedoch, ob die genaue Bezeichnung die Beibringung von Vergleichswerten respektive der Grundlagen für die Durchführung des hypothetischen Fremdvergleichs durch den Steuerpflichtigen umfasst. Weder das Gesetz noch die Gesetzesbegründung lassen diese Voraussetzung zu.
3.371 Ist der Anwendungsbereich der Escape-Klausel eröffnet, können anstelle der Gesamtbewertung „Einzelverrechnungspreise für die Bestandteile des Transferpakets“ angesetzt werden. Der Wortlaut des Bewertungswahlrechts ist insoweit eindeutig, als sich die Einzelbewertung auf alle Bestandteile des Transferpakets erstreckt. Neben den übertragenen oder zur Nutzung überlassenen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern und den Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit der Funktionsverlagerung von dem verlagernden an das übernehmende Unternehmen er1 Vgl. IFRS 3, Illustrative Examples. Eine weitere Systematisierung hat der Arbeitskreis „Immaterielle Werte im Rechnungswesen“ der Schmalenbach-Gesellschaft erstellt. Vgl. hierzu und zu der Erläuterung der einzelnen Kategorien AK Immaterielle Werte im Rechnungswesen der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V., DB 2001, 990 f. Siehe ferner IDW S 5 i.d.F. 2010, WPg Supplement 3/2010, 109 Tz. 13. 2 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2010, 1312; wohl auch Pohl, IStR 2010, 359. 3 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.2.3.3 Rz. 78. 4 BT-Drucks. 17/939 v. 4.3.2010, 16; siehe ferner Stellungnahme des IDW v. 8.2.2010, Ubg 2010, 151 f.
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F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen
bracht werden, rechnen ferner die sonstigen Vorteile zu den Bestandteilen des Transferpakets. Zu Letzteren wurde bereits ausgeführt, dass sich diese vornehmlich auf geschäftswertbildende Faktoren beziehen, die nicht mit der Funktion übergehen, sondern beim alten Funktionsträger verbleiben oder untergehen (Rz. 3.358). Insofern stellt sich die Frage ihrer Bewertung u.E. nicht.1 Sie käme auch einem Zirkelschluss gleich, da sie einer Einzelbewertung nicht zugänglich sind, sondern als Residualgröße verbleiben und insofern eine Gesamtbewertung erforderlich machen. Es bedarf keiner näheren Erläuterung, dass die Summe der so ermittelten Einzelverrechnungspreise zwangsläufig identisch mit dem durch Gesamtbewertung ermittelten Wert des Transferpakets ist. bb) Funktionsverlagerung auf Routineunternehmen § 2 Abs. 2 FVerlV enthält eine speziell auf Routineunternehmen zugeschnittene Regelung, die unter bestimmten Voraussetzungen zu der gesetzlichen Vermutung führt, dass mit dem übergehenden Transferpaket keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile übertragen werden und deshalb der Anwendungsbereich der Einzelbewertung nach § 1 Abs. 3 Satz 10 Alt. 1 AStG eröffnet ist.
3.372
Als Routineunternehmen qualifiziert nach Tz. 3.4.10.2 Buchst. a der VWG-Verfahren ein Unternehmen, das lediglich Routinefunktionen ausübt, geringe Risiken trägt und nur in geringem Umfang Wirtschaftsgüter einsetzt.2 Als Routinefunktionen werden beispielhaft die Erbringung konzerninterner, marktgängiger Dienstleistungen und einfache Vertriebsfunktionen benannt. Routineunternehmen i.d.S. sind etwa der Auftragsfertiger, der Lohnfertiger (Rz. 3.244 ff.), der Kommissionär oder der sog. Low-Risk-Distributor (Rz. 3.258 u. 3.265). Das Funktionsprofil eines Routineunternehmens beschränkt sich regelmäßig auf die (konkrete) Funktions- bzw. Tätigkeitsausübung. Eigene Marktchancen und -risiken nimmt es nicht wahr. Die für die Geschäftsbeziehung wesentlichen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter werden nicht durch das Routineunternehmen eingesetzt, sondern durch den Auftraggeber – i.d.R. kostenlos – beigestellt. Insofern kennzeichnen das Risikoprofil eines Routineunternehmens lediglich die mit der Funktionsausübung verbundenen Risiken (vgl. etwa Rz. 3.244 ff. u. 3.258 ff.). Die eingeschränkte Funktionsausübung des Routineunternehmens ist grundsätzlich – ausgenommen der als Eigenhändler qualifizierende Low-Risk-Distributor – als Dienstleistung an den Auftraggeber anzusehen. Für diese wird in der Verrechnungspreispraxis i.d.R. ein – nach der Kostenaufschlagsmethode oder TNMM ermitteltes – kostenorientiertes Entgelt vergütet. Angesichts dessen vertritt die Finanzverwaltung die u.E. zutreffende Auffassung, dass
3.373
1 Zur Einbeziehung der geschäftswertbildenden Faktoren ausführlich Oestreicher/ Wilcke, Ubg 2010, 230 f. 2 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.10.2 Buchst. a.
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Routineunternehmen „bei üblichem Geschäftsablauf keine Verluste, sondern regelmäßig geringe, aber relativ stabile Gewinne“ erzielen.1 Von Verlusten werden Routineunternehmen – bei gewöhnlichem Geschäftsverlauf – durch den Auftraggeber freigehalten, was durch die kostenorientierte Entgeltsbemessung gewährleistet ist.2
3.374 Wird lediglich die Funktionsausübung im Wege der Funktionsabspaltung oder -abschmelzung auf ein Routineunternehmen übertragen, ist der Tatbestand der Funktionsverlagerung regelmäßig nicht erfüllt.3 Sowohl die Funktion selbst als auch die mit ihr verbundenen (wesentlichen) Chancen und Risiken verbleiben beim verlagernden Unternehmen und gehen nicht auf das aufnehmende Unternehmen über. Was die mit der Funktions- bzw. Tätigkeitsausübung einhergehenden Chancen und Risiken anbelangt, sind diese jedweder Tätigkeitsausübung eigen.4 Sie erwachsen aus der Funktionsausübung selbst. Ebenso wenig gehen auf das Routineunternehmen ein Gewinnpotenzial ausmachende immaterielle Wirtschaftsgüter oder Vorteile über. Vielmehr wird es (lediglich) in die Lage versetzt, eine nur die Tätigkeitsausübung betreffende fremdvergleichskonforme Vergütung zu erzielen. Insofern rechtfertigen sich unter Fremdvergleichsgesichtspunkten keine Kompensationszahlungen.5 Wollte man dies anders sehen, wären solche Zahlungen zulasten späterer laufender, fremdvergleichskonformer Vergütungen zu berücksichtigen, was – im Saldo – zu Vergütungen führt, die mit dem Fremdvergleichsgrundsatz nicht zu vereinbaren sind.
3.375 Von ebensolchen Überlegungen geht auch die Verordnungsbegründung zu § 2 Abs. 2 FVerlV aus. Dort heißt es: „Auf ein solches Unternehmen [mit Routinefunktionen; d. Verf.] gehen aufgrund der Funktionsverlagerung keine Chancen und Risiken über, die die Zahlung eines besonderen Entgelts an das verlagernde Unternehmen für die Übertragung oder Nutzungsüberlassung immaterieller Wirtschaftsgüter und Vorteile rechtfertigen.“6 Allerdings hat der Verordnungsgeber dieses zutreffende Verständnis nicht zum Gegenstand einer Abgrenzung vom Tatbestand der 1 BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.10.2 Buchst. a. 2 Siehe zu einem infrage kommenden temporären Gewinnverzicht in Phasen gesamtwirtschaftlicher oder branchenbezogener Krisen aber auch Baumhoff in FS Krawitz, 32 f. 3 Zu der h.M. vgl. etwa Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1650; Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 560; Wassermeyer/ Baumhoff/Greinert in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. V 72; Baumhoff/Bodenmüller in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 552 f.; Ditz, IStR 2011, 126; Ditz/Just, DB 2009, 142, Brüninghaus/Bodenmüller, DStR 2009, 1287; Rasch/Schmidtke, IStR 2009, 93 f., Looks/Freudenberg, BB 2009, 2516; Zech, Verrechnungspreise und Funktionsverlagerungen, 268 ff.; Zech, IStR 2011, 133. 4 Vgl. Brüninghaus/Bodenmüller, DStR 2009, 1287; Zech, IStR 2011, 133. 5 Vgl. hierzu auch Rasch/Schmidtke, IStR 2009, 93 f.; Brüninghaus/Bodenmüller, DStR 2009, 1287. 6 BR-Drucks. 352/08 v. 23.5.2008, 16.
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F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen
Funktionsverlagerung gemacht, sondern „kuriert“ die Bewertungsfolge. Während der Verordnungsgeber im Hinblick auf das Vorliegen einer Funktionsverlagerung letztlich unbestimmt bleibt,1 geht die Finanzverwaltung davon aus, dass eine Funktionsverlagerung gegeben ist.2 Allerdings lässt die Finanzverwaltung offen, woran sie ihre Auffassung festmacht. Dies insbesondere vor dem Hintergrund des u.E. einschlägigen § 1 Abs. 7 Satz 1 FVerlV. Hiernach liegt keine Funktionsverlagerung vor, wenn ausschließlich Wirtschaftsgüter veräußert oder zur Nutzung überlassen oder Dienstleistungen erbracht werden. Ginge man entgegen der hier vertretenen Auffassung vom Vorliegen einer Funktionsverlagerung aus, kommt dem Anwendungsbereich von § 2 Abs. 2 Satz 1 FVerlV entscheidende Bedeutung zu. Mit dieser Vorschrift hat der Verordnungsgeber seine zutreffende Auffassung, dass die Zahlung eines besonderen Entgelts an das verlagernde Unternehmen mangels Übertragung und Nutzungsüberlassung immaterieller Wirtschaftsgüter und Vorteile nicht zu rechtfertigen sei, jedenfalls partiell auf Ebene der Bewertungsfolge, umgesetzt. § 2 Abs. 2 Satz 1 FVerlV regelt die den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3 Satz 10 Alt. 1 AStG eröffnende gesetzliche Vermutung, dass keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile übertragen werden, wenn
3.376
– das übernehmende Unternehmen die übergehende Funktion ausschließlich gegenüber dem verlagernden Unternehmen ausübt und – das Entgelt, das für die Ausübung der Funktion und die Erbringung der entsprechenden Leistungen anzusetzen ist, nach der Kostenaufschlagsmethode zu ermitteln ist. Liegen diese Voraussetzungen vor, kommt gem. § 1 Abs. 3 Satz 10 Alt. 1 AStG anstelle der Transferpaketbewertung und -besteuerung die Einzelbewertung zum Tragen (Rz. 3.360 ff.). Eine lediglich partielle Umsetzung könnte zunächst deshalb festzustellen sein, weil § 2 Abs. 2 Satz 1 FVerlV auf Fälle beschränkt ist, in denen das Routineunternehmen die übergehende Funktion ausschließlich gegenüber dem verlagernden Unternehmen ausübt. Agiert das aufnehmende Unternehmen etwa als Lohnfertiger auch für andere Konzernunternehmen, ist grundsätzlich fraglich, ob die tatbestandlich geforderte Exklusivität noch gegeben ist. Hier wird man angesichts der Bezugnahme auf die Ausübung nämlicher übergehender Funktion feststellen müssen, dass dem daneben bestehende weitere Lohnfertigungsverhältnisse des aufnehmenden Unternehmens nicht entgegenstehen. Dies gilt selbst dann, wenn diese marktgängige Leistung der Lohnfertigung gegenüber unverbundenen Marktteilnehmern erbracht wird. Entscheidend ist, dass bezogen auf das jeweilige Lohnfertigungsverhältnis die erforderlichen mate1 So auch Zech, IStR 2011, 133. 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.1.2.1 Rz. 21, Tz. 4.1.3 Rz. 206 f.
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riellen und immateriellen Wirtschaftsgüter durch den jeweiligen Auftraggeber beigestellt werden und eigene Marktchancen und -risiken nicht daraus entspringen, dass die vom verlagernden Unternehmen beigestellten Produktionsmittel dazu eingesetzt werden, höhere als die Tätigkeitsausübung abgeltende Renditen aus anderweitigen Lohnfertigungsverhältnissen zu realisieren. Diese Überlegungen kommen auch in Tz. 208 f. der VWG Funktionsverlagerung zum Ausdruck.1 Dort vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass in Fällen der Lohnfertigung stets zu prüfen sei, ob und ab wann ggf. weitergehende Funktionen ausgeübt werden, z.B. der eigenständige Vertrieb an Kunden des Auftraggebers zu Marktpreisen, um aus der Umstellung vom Lohnfertiger zum Eigenproduzenten die – aus Verrechnungspreissicht – notwendigen steuerlichen Konsequenzen zu ziehen ([weitere] Funktionsverlagerung einerseits und Entgeltpflicht für die Nutzungsüberlassung bisher kostenlos beigestellter Produktionsmittel andererseits). Allerdings betrifft dieser Fall eine nachfolgende, weitere Funktionsverlagerung, die mit der ursprünglichen Funktionsabspaltung auf den Lohnfertiger nicht zu vermengen ist. Ferner ist zu berücksichtigen, dass sich die Unternehmenscharakterisierung auf die jeweilige Geschäftsbeziehung bezieht, für die transaktionsbezogen Verrechnungspreise zu ermitteln sind. Insofern beschränkt sich das Funktions- und Risikoprofil des jeweiligen Transaktionspartners auf die konkrete Geschäftsbeziehung. Der Klassifizierung als Routineunternehmen – bezogen auf das Lohnfertigungsverhältnis – steht es deshalb nicht entgegen, wenn das aufnehmende Unternehmen für anderweitige verbundinterne Transaktionen als Mittelunternehmen oder gar als Entrepreneur einzuordnen ist.
3.378 Daneben ist der Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2 Satz 1 FVerlV darauf beschränkt, dass für die Verrechnungspreisermittlung die Kostenaufschlagsmethode zur Anwendung kommt. Die VWG Funktionsverlagerung dehnen den Anwendungsbereich auf die zulässigerweise zur Anwendung kommende kostenbasierte, transaktionsbezogene TNMM und die Vergütung mittels einer das niedrigere Risiko berücksichtigenden Provision aus.2 Voraussetzung ist neben der exklusiven Funktionsausübung, dass diese Verrechnungspreisermittlung zu vergleichbaren Ergebnissen führt. Die Festlegung auf bestimmte Verrechnungspreismethoden wirft die Frage nach der Vereinbarkeit mit dem in § 1 Abs. 3 AStG verankerten Stufenverhältnis auf. Hiernach hat der tatsächliche Fremdvergleich mittels uneingeschränkt vergleichbarer Referenzwerte Vorrang vor dem tatsächlichen Fremdvergleich mittels eingeschränkt vergleichbarer Referenzwerte sowie schließlich dem hypothetischen Fremdvergleich (Rz. 3.172). Da richtigerweise in der praktischen Anwendung ein tatsächlicher Fremdver1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 4.1.4 Rz. 208 f. (insbesondere das angeführte Beispiel). 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.2.2.1 Tz. 67.
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F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen
gleich nur in Gestalt der Preisvergleichsmethode (Rz. 3.174 ff.) möglich ist, weil sich nur diese Methode an marktentstandenen Preisen orientiert (Rz. 3.173), gebührt ihr grundsätzlich der Vorrang. Der Verordnungsgeber ging in der Verordnungsbegründung zu § 2 Abs. 2 Satz 1 FVerlV unter Hinweis auf Tz. 3.4.10.2 Buchst. a der VWG-Verfahren demgegenüber offenkundig („ist vor allem anzuwenden“) von einer zwingenden Anwendung der Kostenaufschlagsmethode auf die Abgeltung der Ausübung von Routinefunktionen aus.1 Dies entspricht jedoch weder der Rechtslage vor Einführung des benannten Rangfolgeverhältnisses in § 1 Abs. 3 AStG, denn nach der BFH-Rechtsprechung2 war die Methode heranzuziehen, „mit der der Fremdvergleichspreis im konkreten Einzelfall mit der größtmöglichen Wahrscheinlichkeit seiner Richtigkeit ermittelt werden kann“, d.h., die Standardmethoden standen gleichberechtigt nebeneinander. Noch viel weniger lässt sich ein solcher Vorrang § 1 Abs. 3 AStG entnehmen. Insofern ist jedenfalls und vor allem die Preisvergleichsmethode in Betracht zu ziehen, wenn mittels eines inneren (Rz. 3.175) oder äußeren Preisvergleichs (Rz. 3.176) uneingeschränkt oder eingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte identifiziert werden können. Sie ist u.E. zwingend vom Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2 Satz 1 FVerlV erfasst.3 cc) Ansatz von Schadenersatz-, Entschädigungs- und Ausgleichsansprüchen Eine Funktionsverlagerung liegt nach § 1 Abs. 7 Satz 2 Alt. 2 FVerlV dann 3.379 nicht vor, „wenn der Vorgang zwischen voneinander unabhängigen Dritten nicht als Veräußerung oder Erwerb einer Funktion angesehen würde.“ Der Verordnungsgeber hatte als eine wesentliche Fallgruppe Vorgänge im Blick, die formal als Funktionsverlagerung qualifizieren, aber entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz tatsächlich anders abgewickelt werden. Dies gilt z.B. für die fristgerechte Kündigung von Verträgen (z.B. von Lizenz-, Vertriebs-, Kommissionärs- oder Handelsvertreterverträgen) oder das Auslaufen von Vertragsbeziehungen.4 Die VWG Funktionsverlagerung stellen in diesem Zusammenhang wiederholt fest, dass eine „dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechende, vertragskonforme Funktionsänderung (z.B. Ablauf des Vertriebsvertrags, fristgerechte Kündigung) und die damit einhergehende Verminderung von Chancen und Risiken (…) als solche für sich allein nicht als Funktionsverlagerung behandelt“ wird.5 Dementsprechend kommt keine Transferpaketbewertung und -be1 2 3 4 5
Vgl. BR-Drucks. 352/08 v. 23.5.2008, 16. Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. Gl. A. im Ergebnis Ditz/Just, DB 2009, 142. Vgl. BR-Drucks. 352/08 v. 23.5.2008, 15. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 4.2.2 Tz. 214, siehe auch Tz. 2.1.7.4 Rz. 60. Vgl. hierzu ausführlich Ditz in Raupach/Pohl/Ditz, Praxis des internationalen Steuerrechts 2010, 9 ff.; Ditz in Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, 165 f.
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steuerung, sondern allenfalls eine Einzelverrechnung etwaiger Transaktionen in Betracht. Es entspricht dem Handeln des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, dass gesetzliche oder vertragliche Schadenersatz-, Ausgleichs- oder Entschädigungsansprüche eingefordert werden; ebenso wird der verpflichtete Vertragspartner durch die jeweilige Rechtsordnung zur Leistung dieser Kompensationszahlungen angehalten.1
3.380 Gemäß § 8 Satz 1 FVerlV können gesetzliche „oder vertragliche Schadenersatz-, Entschädigungs- oder Ausgleichsansprüche, die voneinander unabhängigen Dritten zustünden, wenn ihre Handlungsmöglichkeiten vertraglich oder tatsächlich ausgeschlossen würden, (…) der Besteuerung einer Funktionsverlagerung zugrunde gelegt werden, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass solche Dritte unter ähnlichen Umständen in vergleichbarer Art und Weise verfahren wären.“ § 8 Satz 2 FVerlV verlangt ferner die Glaubhaftmachung, „dass keine wesentlichen Wirtschaftsgüter und Vorteile übertragen oder zur Nutzung überlassen worden sind“, ausgenommen die Übertragung oder Überlassung, die zwingend auf die bezeichneten Ansprüche zurückgeht. Während nach § 1 Abs. 7 Satz 2 Alt. 2 FVerlV für das Nichtvorliegen einer Funktionsverlagerung mithilfe des Fremdvergleichsgrundsatzes zu bestimmen ist, ob auch unter fremden Dritten keine Veräußerung und kein Erwerb einer Funktion angenommen würde, ist gem. § 8 Satz 1 FVerlV nach dem Fremdvergleichsgrundsatz zu beurteilen, ob die Erfüllung mit zivilrechtlichen Ersatzansprüchen ein Verfahren „in vergleichbarer Art und Weise“ darstellt. Augenscheinlich macht die durch § 8 Satz 1 FVerlV gestellte Anforderung jedenfalls eine Teilmenge dessen aus, was bereits § 1 Abs. 7 Satz 2 Alt. 2 FVerlV verlangt. Denn die „andere Abwicklung“ als diejenige der Übertragung oder Überlassung einer Funktion setzt denklogisch deren Konkretisierung voraus. Eine solche Konkretisierung ist die im Geschäftsverkehr übliche Beschränkung auf solche Ansprüche. Fraglich ist vor dem Hintergrund der Rechtsfolge des § 1 Abs. 7 Satz 2 Alt. 2 AStG, nämlich dem Nichtvorliegen einer Funktionsverlagerung, welche Bedeutung der Anforderung des § 8 Satz 2 AStG im Hinblick auf eine Transferpaketbewertung und -besteuerung zukommt. Die Finanzverwaltung vertritt hierzu die Auffassung, dass bei Involvierung wesentlicher immaterieller Wirtschaftsgüter und Vorteile, deren Übertragung oder Überlassung nicht zwingende Folge fremdüblichen, vertragsgemäßen Verhaltens ist, „das Entgelt für die Funktionsverlagerung nach den allgemeinen Regeln zu bestimmen [ist; d. Verf.], d.h. grundsätzlich Transferpaketbetrachtung mit Ermittlung des Einigungsbereichs auf Grundlage der jeweiligen Gewinnpotenziale und ggf. Ansatz des Mittelwerts.“2 Unseres Erachtens 1 Vgl. hierzu Tz. 9.69 u. 9.100 ff. OECD-Leitlinien 2010; Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 203 f.; Puls, IStR 2010, 89. 2 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.8 Tz. 134.
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hat das Konzept der Funktionsverlagerungsbesteuerung mittels Transferpaketansatzes jedenfalls im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 7 Satz 2 Alt. 2 FVerlV mangels Vorliegens einer Funktionsverlagerung keine Rechtsgrundlage. Vielmehr folgt aus § 8 Satz 2 FVerlV „lediglich“, dass die Besteuerung nicht auf den Ansatz der zivilrechtlichen Ansprüche beschränkt ist, sondern sich auch auf etwaige übertragene oder überlassene wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter und Vorteile erstreckt. Dies allerdings auf Grundlage einer Einzelbewertung dieser Transaktionen. Dies schließt insbesondere den Ansatz eines funktionsbezogenen Geschäftswerts aus. Es wurde bereits an anderer Stelle hinreichend deutlich gemacht, dass geschäftswertbildende Faktoren nicht auf das übernehmende Unternehmen übergehen und deshalb einer einzeltransaktionsbezogenen Bewertung und Besteuerung nicht zugrunde zu legen sind (Rz. 3.358 u. 3.371). Die Finanzverwaltung will ferner im Zusammenhang mit dem Ansatz 3.381 zivilrechtlicher Schadenersatz-, Entschädigungs- oder Ausgleichsansprüche regelmäßig prüfen, „ob (schriftliche) Verträge bestehen (…), ob diese dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen und ob die beteiligten Unternehmen sich tatsächlich entsprechend den vertraglichen Bestimmungen verhalten haben.“1 Im Hinblick auf diese formalen Anforderungen ist zunächst festzustellen, dass diese nach Tz. 151 der VWG Funktionsverlagerung der Nachweis- bzw. Beweisvorsorge zugeordnet werden. Ihr Fehlen erhöht die Darlegungslast des Steuerpflichtigen im Rahmen der erweiterten Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten nach § 90 Abs. 2 AO über den abgeschlossenen Vertrag als solchen und dessen Inhalt.2 Insbesondere für die Einräumung und Geltendmachung vertraglicher Schadenersatz-, Entschädigungs- und Ausgleichsansprüche empfiehlt es sich, diesen schriftliche Verträge zugrunde zu legen. Anderenfalls dürfte ihr Bestehen nur schwerlich darzulegen sein. Im Hinblick auf die Forderung der Fremdvergleichskonformität der vertraglichen Vereinbarungen über Schadenersatz-, Entschädigungs- und Ausgleichsansprüche kann sich die Finanzverwaltung auf Tz. 9.106 OECD-Leitlinien 2010 stützen. Demgegenüber bedürfen gesetzliche Ansprüche dieser Art keiner vertraglichen Vereinbarung, sollte nicht die jeweils maßgebliche Rechtsordnung ihre zivilrechtliche Existenz an die Beachtung von Formvorschriften knüpfen. Was die tatsächliche Durchführung des vertraglich Vereinbarten anbelangt, wird auf die Ausführungen zu Funktions- und Risikoverteilung verwiesen (Rz. 3.99 ff. u. 3.105 ff.). Die VWG Funktionsverlagerung benennen in Tz. 132 beispielhaft als in Betracht kommende Schadenersatz-, Entschädigungs- und Ausgleichsansprüche 1 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.8 Tz. 131. 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, Tz. 3.1 Rz. 145 ff.
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– gesetzliche Ausgleichsansprüche des Handelsvertreters, Kommissionärs, Agenten oder Vertragshändlers aus § 89b HGB bzw. aus dessen analoger Anwendung, – vertraglich vereinbarter Schadenersatz, z.B. für nicht amortisierte Investitionen eines Vertragshändlers, die auf Veranlassung des Herstellers vorgenommen wurden, – vertraglich vereinbarter Schadenersatz, z.B. für entgangene Gewinne und für entstandene Schließungskosten (z.B. weiterlaufende Miete) bei vorzeitiger Vertragsauflösung, – Ansprüche aufgrund eines Verstoßes gegen ein Wettbewerbsverbot.1 2. Tatsächlicher versus hypothetischer Fremdvergleich
3.383 Methodisch ist die Bewertung des Transferpakets an dasselbe Stufenverhältnis zwischen tatsächlichem und hypothetischem Fremdvergleich verwiesen, das § 1 Abs. 3 Sätze 1–5 AStG für „normale“ Transaktionsgegenstände vorgibt (Rz. 3.172). Hiernach ist bei der Ermittlung von Fremdvergleichspreisen zunächst auf den tatsächlichen Fremdvergleich abzustellen und erst dann auf den hypothetischen Fremdvergleich überzugehen, wenn keine uneingeschränkt oder eingeschränkt vergleichbaren Werte festgestellt werden können. Gegenüber der ursprünglichen Fassung der Regelungen zum Transferpaket in § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG, die wegen der isolierten Bezugnahme auf § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG die Anwendung nur des hypothetischen Fremdvergleichs implizierten, ist nunmehr gesetzlich klargestellt, dass der tatsächliche Fremdvergleich vorrangig zum Tragen kommt. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG n.F. setzt tatbestandlich den eröffneten Anwendungsbereich des hypothetischen Fremdvergleichs voraus, „weil für das Transferpaket als Ganzes keine zumindest eingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerte vorliegen.“ Diese Tatsache wurde bereits durch § 2 Abs. 1 Satz 1 FVerlV ausdrücklich bestätigt.
3.384 Es ist deshalb auch im Falle einer Funktionsverlagerung zunächst zu prüfen, ob die Bewertung im Rahmen eines tatsächlichen Fremdvergleichs erfolgen kann. Dies gilt insbesondere für Hilfs- oder Routinefunktionen, wie z.B. EDV, Transport und Logistik, Buchhaltung und Cash Management, die auch zwischen fremden Dritten verlagert werden. Routinefunktionen liegen vor, wenn die Funktionsausübung begrenzt ist, nur in geringem Umfang (immaterielle) Wirtschaftsgüter eingesetzt werden und die Aufgabenerfüllung nur geringen Risiken ausgesetzt ist (Rz. 3.115). Für diese Funktionsverlagerungen lassen sich Marktpreise innerhalb gewisser Bandbreiten feststellen, die bei uneingeschränkter, zumindest aber einge1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, Tz. 2.8 Tz. 132. Siehe hierzu auch Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 206 ff.; Puls, IStR 2010, 90 ff.; rechtsvergleichend zum Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters Eigelshoven/ Mank, IWB Fach 10 Gruppe 2, 2021 ff.
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schränkter Vergleichbarkeit vorrangig heranzuziehen sind.1 Vor diesem Hintergrund kann der pauschalen Auffassung der Finanzverwaltung nicht zugestimmt werden, dass es „regelmäßig nicht möglich“ sei, die Bewertung eines Transferpakets anhand des tatsächlichen Fremdvergleichs durchzuführen. Allerdings ist zu konzedieren, dass der Nachrangigkeit des hypothetischen Fremdvergleichs eine besondere praktische Relevanz nicht zukommen wird, da es in der Praxis regelmäßig mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein wird, die Anforderungen an die uneingeschränkte bzw. eingeschränkte Vergleichbarkeit im Rahmen des tatsächlichen Fremdvergleichs für die Bewertung eines konkreten Transferpakets zu erfüllen.2 Ferner fallen die infrage kommenden (Routine-) Funktionen gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 FVerlV jedenfalls dann in den Anwendungsbereich der Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 10 Alt. 1 AStG, die statt der Gesamt- die Einzelbewertung konzediert, wenn das übernehmende Unternehmen die übergehende Funktion nur gegenüber dem verlagernden Unternehmen ausübt und die Verrechnungspreise für die entsprechenden Lieferungen oder Leistungen auf Grundlage der Kostenaufschlagsmethode ermittelt werden (Rz. 3.372 ff.). Daneben wird im Schrifttum neuerdings die Auffassung vertreten, dass in Fällen von Unternehmenskäufen mit nachfolgender Funktionsabschmelzung auf den Erwerber der Kaufpreis als Referenz im Rahmen eines tatsächlichen Fremdvergleichs mittels der Preisvergleichsmethode herangezogen werden könnte bzw. müsste und hierzu mittels Anpassungsrechnungen eine uneigeschränkte Vergleichbarkeit hergestellt werden könnte.3 Regelmäßig sollten u.E. die Anwendungsvoraussetzungen der Preisvergleichsmethode allerdings mangels Vergleichbarkeit der Verhältnisse, insbesondere der Produkteigenschaften des Unternehmens einerseits und des Transferpakets andererseits, nicht vorliegen.4 3. Ermittlung des Einigungsbereichs eines Transferpakets gem. § 1 Abs. 3 AStG Für die Bewertung von Transferpaketen im Rahmen von Funktionsverlagerungen gibt § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG ein eigenständiges steuerliches Bewertungsverfahren vor, wenn der Wert des Transferpakets nicht aus jedenfalls eingeschränkt vergleichbaren Referenzwerten abgeleitet werden kann. Dieses Bewertungsverfahren basiert auf der Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs und erfordert die Ermittlung eines Einigungsbereichs. Nach der für diese Einigungsbereichsermittlung generell geltenden Bewertungsvorschrift des § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG kommt ein zweiseitiges Bewertungskonzept zum Tragen: Für das verlagernde Unter1 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, IStR 2008, 1948; Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 563; Baumhoff/Ditz/Greinert, Ubg 2011, 166. 2 Vgl. Baumhoff in FS Schaumburg, 546; Günter, WPg 2007, 1084; Jenzen, NWB Fach 2, 9422; Kaminski, RIW 2007, 599; Wulf, DB 2007, 2283. 3 Vgl. Schilling/Kandels, DStR 2012, 1099; Schilling/Kandels, DB 2012, 1065. 4 Vgl. hierzu Ditz/Liebchen, DB 2012, 1469 ff.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
nehmen ist der Mindestpreis und für das übernehmende Unternehmen der Höchstpreis für das Transferpaket zu ermitteln. Ein dadurch entstehender Einigungsbereich (Mindestpreis = Preisuntergrenze des Verkäufers und Höchstpreis = Preisobergrenze des Käufers) wird von den Gewinnerwartungen (Gewinnpotenzialen) bestimmt. Die Preisuntergrenze des Einigungsbereichs ergibt sich nach § 7 Abs. 1 Satz 1 FVerlV „aus dem Ausgleich für den Wegfall oder die Minderung des Gewinnpotenzials zuzüglich der ggf. anfallenden Schließungskosten.“ Die Preisobergrenze des Einigungsbereichs bestimmt sich nach § 7 Abs. 4 FVerlV als „Gewinnpotenzial des übernehmenden Unternehmens aus der übernommenen Funktion.“ Nach § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG hat der Steuerpflichtige den „Preis im Einigungsbereich der Einkünfteermittlung zugrunde zu legen, der dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der höchsten Wahrscheinlichkeit entspricht.“ Wird kein anderer Wert glaubhaft gemacht, kommt der Mittelwert zum Ansatz.
3.386 Das eigenständige steuerliche Bewertungsverfahren für Transferpakete ist folglich durch drei Bewertungsschritte gekennzeichnet: – Ermittlung der Preisuntergrenze des Verkäufers, – Ermittlung der Preisobergrenze des Käufers/Übernehmers und – Aufteilung des Einigungsbereichs. Kein betriebswirtschaftliches Bewertungsverfahren bildet dieses spezifische, steuerliche Bewertungsverfahren konkret ab. Soweit nach IDW S 1 und IDW S 5 Bewertungsverfahren für Einigungswerte angesprochen werden, sind die Modalitäten zwischen den Parteien frei verhandelbar.1 Insofern können allgemein anerkannte Bewertungsverfahren und -grundsätze nur insofern herangezogen werden, als sie den gesetzlichen Vorgaben des § 1 Abs. 3 AStG und der Funktionsverlagerungsverordnung entsprechen. Im Einzelnen ergeben sich die Bewertungsparameter und -prämissen aus § 1 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 AStG sowie der Funktionsverlagerungsverordnung, konkret aus den §§ 3–8 FVerlV.
3.387 Die in § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG, § 3 und § 7 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 FVerlV verwendeten Begriffe „innerbetriebliche Planrechnungen“, „Gewinnerwartungen“ und „Gewinnpotenziale“ verdeutlichen, dass für einzelne Bewertungsschritte (Ermittlung der Preisgrenzen des Einigungsbereichs) kapitalwertorientierte Verfahren zu verwenden sind. Dies hat aus zweierlei Perspektiven zu erfolgen, nämlich aus Sicht des verlagernden wie auch aus derjenigen des übernehmenden Unternehmens. Hierbei treten dieselben Aspekte in den Vordergrund, die die Bewertung immaterieller Wirtschaftsgüter und die Unternehmensbewertung prägen:2 1 Vgl. IDW S 5 i.d.F. 2010, Tz. 53. 2 Vgl. IDW S 5 i.d.F. 2010, WPg Supplement 3/2010, 109, Tz. 24 ff.; BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 3.3.2 Rz. 84; Greinert, DB 2004, 2116 f.; Greinert, Ubg 2010, 102 ff.
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– Isolierung und Prognose der künftigen, dem Transferpaket zurechenbaren Gewinne, – Ermittlung der Nutzungsdauer des Transferpakets und – Ableitung eines angemessenen Kapitalisierungszinssatzes. 4. Ermittlung der zu diskontierenden Zahlungsströme a) Maßgebliche Überschussgröße Die Bewertung von Transferpaketen setzt in einem ersten Schritt die Isolierung und Prognose der auf das Transferpaket zukünftig entfallenden Gewinne voraus. Dies folgt unmittelbar aus der Formulierung in § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG, wonach die Einigungsbereichsgrenzen von den jeweiligen Gewinnerwartungen der miteinander kontrahierenden ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter abhängen. § 3 Abs. 2 FVerlV stellt hierzu klar, dass die erwarteten Gewinnpotenziale „vor und nach der Funktionsverlagerung unter Berücksichtigung bestehender Handlungsmöglichkeiten“ zu ermitteln sind.
3.388
Im Hinblick auf die maßgebliche Überschussgröße konkretisiert § 1 FVerlV die „Gewinnpotenziale“ gem. § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG als „Reingewinne nach Steuern“. Nach Tz. 31 der VWG Funktionsverlagerungen sind nur die „finanziellen Überschüsse nach Fremdkapitalkosten und Steuern wertrelevant, die als Nettoeinnahmen (…) in den Verfügungsbereich des jeweiligen ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gelangen.“1 Diese Begriffsvielfalt schafft zunächst Verwirrung. Einerseits werden die dem pagatorischen Rechnungswesen entstammenden Begriffe „Gewinne“, „Gewinnerwartungen“ und „Reingewinne“ verwendet,2 die als Unterschiedsbetrag zwischen Erträgen und Aufwendungen zu verstehen sind und über diese Größen auf Periodisierungen beruhen. Andererseits wird mit den Begriffen „finanzielle Überschüsse“ und „Nettoeinnahmen“ auf Zahlungsgrößen (Einzahlungen, Auszahlungen) und damit nicht auf Periodisierungen abgehoben. Die letztlich rein betriebswirtschaftliche Fragestellung nach der zutreffenden Überschussgröße ist im Einklang mit den Grundsätzen der Unternehmensbewertung und der Bewertung immaterieller Wirtschaftsgüter zwar zugunsten von Einzahlungsüberschüssen zu beantworten.3 Allerdings erweist sich der Rückgriff auf Zahlungsgrößen insofern in der praktischen Anwendung als problematisch, als Rechnungswesen und Planungsrechnungen auf periodisierten Größen (Erträge und Aufwendungen) beruhen.4 Insofern ist der in den VWG Funktionsverlagerung gewählte Ansatz unter pragmatischen Gesichtspunktionen zu begrüßen. Nach Tz. 31 kann die „zugrunde geleg-
3.389
1 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.1.4.1 Rz. 31. 2 §§ 1 Abs. 4, 3 Abs. 1 u. Abs. 2, 7 Abs. 1 FVerlV. 3 Vgl. hierzu ausführlich Greinert, DB 2009, 755 ff. 4 Vgl. auch Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008, 1949.
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te Planungsrechnung (…) – je nach Üblichkeit im betreffenden Unternehmen – nach handelsrechtlichen, steuerrechtlichen oder anderen Vorschriften (z.B. IFRS, US-GAAP) aufgestellt sein.“1 Mithin können auch aus periodisierten Größen abgeleitete Werte zugrunde gelegt werden.2 Allerdings sind in diesem Fall nicht zahlungswirksame Ergebnisbeiträge sachgerecht zu korrigieren.3 b) Direkte versus indirekte Wertermittlung
3.390 Bei der indirekten Wertermittlung wird nicht das Transferpaket selbst bewertet, sondern der Wert des Transferpakets ergibt sich als Residualgröße. Konkret wird hierbei der Unternehmenswert „vor und nach der Funktionsverlagerung“ ermittelt; die Differenz dieser beiden Werte stellt den Wert des Transferpakets dar4. Zudem ist die Unternehmensbewertung sowohl aus der Perspektive des abgebenden als auch aus derjenigen des aufnehmenden Unternehmens durchzuführen. Mithin ist deshalb im Grundsatz eine vierfache Unternehmensbewertung erforderlich.5 Eine solche Vorgehensweise erweist sich in vielen Fällen, insbesondere bei Groß- und Konzernunternehmen, angesichts des verursachten Verwaltungsaufwands als nicht praxistauglich und unverhältnismäßig. Bei dieser Bewertungsmethodik ist allenfalls das Abstellen auf die jeweils kleinste Unternehmenseinheit (Bewertungsobjekt), z.B. auf einen Geschäftsbereich, ein Profitcenter oder einen originären Teilbetrieb i.S. eines organisatorisch selbständigen, für sich alleine lebensfähigen Betriebsteils mit eigenständiger Gewinnermittlung, vorstellbar, weil für diese ein „Unternehmenswert“ bestimmbar ist.6 Die Finanzverwaltung konzediert die Anwendung der indirekten Methode, wenn die Berechnungen betriebswirtschaftlich nachvollziehbar sind.7 Dies impliziert allerdings, dass dergleichen der direkten Wertermittlung nicht „abverlangt“ wird.
3.391 Die Alternative hierzu stellt die direkte Wertermittlung dar. Hierbei werden unmittelbar die Gewinnpotenziale des zu bewertenden Transferpakets ermittelt, und zwar aus Sicht des verlagernden wie des übernehmenden Unternehmens. Eine Differenzbetrachtung aus dem Wert vor und
1 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.1.4.1 Rz. 31. 2 Vgl. hierzu auch Baumhoff in FS Schaumburg, 549. 3 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.1.4.1 Rz. 31. 4 Zur indirekten Wertermittlung vgl. Oestreicher/Hundeshagen, DB 2008, 1638 f.; Baumhoff/Bodenmüller in Grotherr, Handbuch der Internationalen Steuerplanung3, 565 f.; Baumhoff in FS Schaumburg, 547 f. 5 Vgl. hierzu Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 565. 6 Vgl. Baumhoff in FS Schaumburg, 548. 7 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.1.4.1 Rz. 31.
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nach der Funktionsverlagerung erfolgt dagegen nicht; eine zweifache Bewertung wäre hierbei also ausreichend. Eine solche direkte Bewertung kommt in Betracht, wenn z.B. eine Unternehmenssparte verlagert wird. Hierbei kann anhand der Spartenergebnisrechnung des Unternehmens das zugehörige Gewinnpotenzial ermittelt werden. Schwieriger gestaltet es sich jedoch, wenn Gegenstand eines Transferpakets nicht eine Sparte, sondern eine funktional engere Unternehmenseinheit ist. Hier hängt dann insbesondere von der Qualität und Ausgestaltung des Rechnungswesens des Unternehmens ab, ob Ergebniszahlen für diese Einheit zur Verfügung stehen oder nicht. Die betriebswirtschaftliche Bewertungspraxis in Deutschland stellt zur Ermittlung der (funktionsbezogenen) Gewinnpotenziale alternativ sowohl indirekte als auch direkte Bewertungsverfahren zur Verfügung.1 Die indirekten Bewertungsverfahren beruhen letztlich auf einer Differenzanalyse der (Gesamt-)Unternehmenswerte, wie sie sich für das übernehmende und das verlagernde Unternehmen vor und nach der Funktionsverlagerung ergeben. Es liegt deshalb nahe, auf den IDW-Standard „Grundsätze für die Durchführung von Unternehmensbewertungen“ (nachfolgend „IDW S 1“)2 zurückzugreifen. Zu berücksichtigen ist hier allerdings, dass für die Bewertung von Transferpaketen ein eigenständiges steuerliches Bewertungsverfahren geregelt ist. Betriebswirtschaftliche Bewertungsverfahren und -grundsätze können deshalb nur insoweit angewendet werden, wie sie den gesetzlichen Vorgaben des § 1 Abs. 3 AStG und der FVerlV entsprechen.3 Nach IDW S 1 stehen sowohl das Ertragswertverfahren als auch das Discounted-Cashflow-Verfahren (DCF-Verfahren) zur Verfügung. Während das Ertragswertverfahren vorrangig auf die zu erwartenden Gewinne eines Unternehmens abstellt, die für Ausschüttungen an oder Entnahmen durch die Anteilseigner zur Verfügung stehen, orientiert sich das DCF-Verfahren demgegenüber an den erwarteten Zahlungsströmen (Cashflows), die auf den Bewertungszeitpunkt zu diskontieren sind. Bei der direkten Wertermittlung steht die Bewertung materieller und immaterieller Vermögenswerte (einschließlich eines Geschäftswerts) im Vordergrund, bei der die zu verlagernde Funktion als Bewertungseinheit zu verstehen ist. In der Literatur4 wird vorgeschlagen, hierfür kapitalwertorientierte Verfahren heranzuziehen, wie sie sich im IDW-Standard „Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögensgegenstände“ (nachfolgend: „IDW S 5“5) darstellen. Grundlage einer direkten Bewertung wären die funktionsbezogenen Einnahmeüberschüsse. 1 Vgl. hierzu im Einzelnen Oestreicher/Hundeshagen, DB 2008, 1638. 2 IDW S 1 i.d.F. 2008, IDW-FN 2008, 271 ff. 3 Vgl. hierzu auch Stellungnahme des IDW zur Bewertung von Transferpaketen im Rahmen der Besteuerung von Funktionsverlagerungen, FN-IDW 2011, 592 ff. 4 Vgl. Oestreicher/Hundeshagen, DB 2008, 1639. 5 IDW S 5 i.d.F. 2010, WPg Supplement 3/2010, 109.
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3.393 Entscheidet man sich bei der Ermittlung der Reingewinne für die direkte Methode, so ist die Aussage in § 3 Abs. 1 FVerlV bedeutsam, nur diejenigen Gewinne zu betrachten, die „der Funktion zuzuordnen sind.“ Bereits diese Zuordnung, die letztlich eine Isolierung eines Teilgewinns aus dem Gesamtgewinn darstellt, kann in Abhängigkeit von der Art des Transferpakets erhebliche praktische Schwierigkeiten hervorrufen. Im Hinblick auf die Identifikation und Zurechnung spezifischer Einnahmen und Ausgaben verweisen die VWG Funktionsverlagerung1 auf die Unterlagen des Unternehmens, auf deren Grundlage über die Funktionsverlagerung entschieden wurde. Aus diesen soll abgeleitet werden, welche Einnahmen und Ausgaben beim verlagernden Unternehmen voraussichtlich wegfallen und welche Einnahmen und Ausgaben beim aufnehmenden Unternehmen voraussichtlich entstehen. Entsprechend betriebswirtschaftlichen Grundsätzen wird für die ersten Jahre eine detaillierte Prognoserechnung gefordert, die für die weiteren Jahre pauschal fortzuschreiben ist.
3.394 Tendenziell kann man davon ausgehen, dass betriebswirtschaftliche Bewertungsgrundsätze und -verfahren nach dem Bewertungsstandard „IDW S 5“ am ehesten geeignet sind, das steuerliche Bewertungsverfahren für die Bewertung von Transferpaketen in den Grenzen der gesetzlichen Vorgaben auszufüllen. Diese Aussage gilt insbesondere für „kleine“ Transferpakete, die nicht die Teilbetriebskriterien erfüllen. Auch kommt bei der Anwendung des „IDW S 5“ eher die direkte Cashflow-Bewertung zum Tragen, was international auf größere Akzeptanz stoßen dürfte. Zudem ist dieser Standard flexibler bei der Bestimmung der Nutzungsdauer eines immateriellen Wirtschaftsguts. Für die Übertragung komplexerer Funktionen, ggf. mit Teilbetriebscharakter, erscheint dagegen der Rückgriff auf „IDW S 1“ geeigneter; denkbar ist auch, beide Standards nebeneinander anzuwenden.
3.395 Die Finanzverwaltung gibt kein konkretes Bewertungsverfahren vor. Nach Tz. 89 der VWG Funktionsverlagerung ist die Anwendung eines dem IDW S 1 oder IDW S 5 entsprechenden oder eines anderen betriebswirtschaftlich anerkannten Bewertungsverfahrens zulässig. Die Geeignetheit und steuerliche Anerkennung im konkreten Einzelfall ist von „dem Charakter und der Bedeutung der Funktionsverlagerung“2 abhängig. Konkret wird die Anwendung eines IDW S 5 entsprechenden Bewertungsverfahrens als nahe liegend erachtet, wenn vornehmlich immaterielle Wirtschaftsgüter betroffen sind, und ein Bewertungsverfahren nach IDW S 1, wenn sich die Funktionsverlagerung als Verlagerung eines Unternehmens oder eines Betriebsteils, der über eine eigene Lebensfähigkeit verfügt, darstellt.
1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.3.2.1 Rz. 90. 2 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.3.2.1 Rz. 89.
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Den Regelungen in den VWG Funktionsverlagerung lässt sich nicht hinreichend konkret entnehmen, ob die Finanzverwaltung von einer direkten Bewertung des Transferpakets nach diesen Bewertungsstandards ausgeht oder nicht. Hierzu ist anzumerken, dass für die Bewertung von Transferpaketen ein eigenständiges steuerliches Bewertungsverfahren geregelt und deshalb ein Rückgriff auf betriebswirtschaftliche Bewertungsgrundsätze und -verfahren ausschließlich in den Grenzen der gesetzlichen Vorgaben zulässig ist (Rz. 3.386). Die Eignung beider Bewertungsstandards ist insbesondere dadurch eingeschränkt, dass die Bewertungsobjekte nicht identisch sind. Im Hinblick auf die Anwendbarkeit von IDW S 1 betrifft dies etwa die zum Transferpaket gehörenden Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit der Funktionsverlagerung erbracht werden (Rz. 3.357). Der grundlegende Vorbehalt gegen die Anwendbarkeit von IDW S 5 besteht darin, dass das Bewertungsobjekt nach IDW S 5 grundsätzlich der einzelne Vermögenswert ist. Eine Gesamtbewertung kommt ausschließlich für zusammenhängende immaterielle Vermögenswerte in Betracht, die eine Bewertungseinheit bilden, oder – bezogen auf den konkreten Einzelfall – dann, wenn die Einzelbewertung aus anderen Gründen wirtschaftlich nicht sinnvoll erscheint.1 Die Auffassung der Finanzverwaltung ist deshalb nur insoweit zutreffend und folglich ein Bewertungsverfahren nach IDW S 5 nur insoweit sachgerecht, als jedes einzelne immaterielle Wirtschaftsgut als Bewertungsobjekt fungiert.2 Dies allerdings wäre mit dem Transferpaketansatz nicht zu vereinbaren.
3.396
5. Berücksichtigung von Steuern im Rahmen der Bewertung Gemäß § 1 Abs. 4 FVerlV ist bei der Ermittlung des funktionsbezogenen 3.397 Gewinnpotenzials auf die „jeweils zu erwartenden Reingewinne nach Steuern (Barwert)“ abzustellen. Im Hinblick auf die Eliminierung der Steuerbelastung ist fraglich, ob nur die Steuern des Unternehmens oder auch zusätzlich die der Anteilseigner zu berücksichtigen sind. Bezieht man sich auf die entsprechende Regelung des IDW S 1, so sind die Nettozuflüsse „unter Berücksichtigung der (…) Ertragsteuern des Unternehmens und grundsätzlich der aufgrund des Eigentums am Unternehmen entstehenden persönlichen Ertragsteuern der Unternehmenseigner zu ermitteln.“3 Diese Vorgehensweise überzeugt insofern, als letztlich die beim Gesellschafter ankommenden Zuflüsse die Größe „Wert“ bestimmen. Für die Bewertung ist es dabei allerdings entscheidend, dass nicht nur bei den erwarteten Nettogewinnen, sondern auch bei der durch den Kalkulationszinssatz verkörperten alternativen Anlage des Investors die Steuern in der gleichen Weise zu berücksichtigen sind. Vor diesem Hin1 Vgl. IDW S 5 i.d.F. 2010, WPg Supplement 3/2010, 109 Tz. 12. 2 Vgl. hierzu auch Stellungnahme des IDW zur Bewertung von Transferpaketen im Rahmen der Besteuerung von Funktionsverlagerungen, FN-IDW 2011, 592 ff., Tz. 8. 3 IDW S 1, FN-IDW 2008, 271 Tz. 28.
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tergrund konzediert IDW S 1 eine Typisierung. Er geht davon aus, dass „die persönliche Ertragsteuerbelastung der Nettozuflüsse aus dem zu bewertenden Unternehmen der persönlichen Ertragsteuerbelastung der Alternativinvestition in ein Aktienportfolio entspricht.“1
3.398 Die VWG Funktionsverlagerung nehmen typisierend nur auf die Steuern des Unternehmens, nicht dagegen auf die Steuern der Gesellschafter Bezug.2 Es wird jedoch dem Steuerpflichtigen auch die Möglichkeit eingeräumt, die persönliche Steuerbelastung der Gesellschafter zu berücksichtigen und damit ein finanzmathematisch exaktes Ergebnis zu berechnen. In diesem Fall ist bei der Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes bzgl. der Steuerbelastung entsprechend zu verfahren.3 Aus Vereinfachungsgründen wird bei Personengesellschaften das Wahlrecht zugestanden, typisierend die Ertragsteuern anzusetzen, „die entstanden wären, wenn statt Personenunternehmen Kapitalgesellschaften an der Funktionsverlagerung beteiligt gewesen wären.“4 Anstelle dieser Typisierung kann die Steuerbelastung nach den individuellen Steuersätzen ermittelt werden.
3.399 Fraglich ist, ob das alternativ bei Kapitalgesellschaften eingeräumte Wahlrecht, die persönlichen Ertragsteuern der Anteilseigner zu berücksichtigen, mit den gesetzlichen Anforderungen an die Verrechnungspreisermittlung für Transferpakte im Rahmen eines hypothetischen Fremdvergleichs vereinbar ist. Zweifelsohne ist die explizite Berücksichtigung der persönlichen Ertragsteuern und damit der wertrelevanten steuerlichen Verhältnisse der Anteilseigner in den Bewertungskalkül bei der Ermittlung des objektivierten Unternehmenswerts stets sachgerecht.5 Die Bewertung von Transferpaketen im Rahmen von Funktionsverlagerungen ist jedoch nach § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG durch hypothetischen Fremdvergleich unter Beachtung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG durchzuführen. Hiernach ist für die Anwendung des Fremdvergleichs insbesondere davon auszugehen, dass die voneinander unabhängigen Dritten nach den Grundsätzen ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter handeln. Mit der Bezugnahme auf die Rechtsfigur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters sowohl aufseiten des verlagernden wie aufseiten des übernehmenden Unternehmens (sog. doppelter ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter; Rz. 3.143 ff.) ist die Grenzpreisermittlung (Mindestpreis des verlagernden Unternehmens, Höchstpreis des übernehmenden Unternehmens) auf die Gesellschaftsebene eingeengt und festgelegt. Die maßgeblichen Entscheidungswerte sind deshalb diejenigen
1 IDW S 1 i.d.F. 2008, FN-IDW 2008, 271 Tz. 45. 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.1.4.2 Rz. 34. 3 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.1.4.2 Rz. 36. 4 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.1.4.2 Rz. 35. 5 Vgl. IDW S 1 i.d.F. 2008, FN-IDW 2008, 271 Tz. 43 f. u. 46 f.
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auf Gesellschaftsebene und nicht diejenigen auf Gesellschafterebene.1 Der zwingende Verzicht auf die persönlichen Ertragsteuern der Anteilseigner von Kapitalgesellschaften folgt unmittelbar auch aus § 1 Abs. 4 FVerlV, nach dem bei der Bewertung die Perspektiven des verlagernden und des übernehmenden Unternehmens maßgebend sind. Vor diesem Hintergrund ist für das in Tz. 34 der VWG Funktionsverlagerung eingeräumte Wahlrecht eine Rechtsgrundlage nicht ersichtlich. Die vorstehende Einbeziehung von Besteuerungseffekten bezieht sich ausschließlich auf die laufende Besteuerung der Gewinnpotenziale. Sie findet ihre Rechtfertigung in § 1 Abs. 4 FVerlV.2 Ferner spricht für eine Beschränkung auf die laufende Besteuerung zukünftiger Gewinne der Gesetzeswortlaut des § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG, wonach beim hypothetischen Fremdvergleich der Einigungsbereich „von den jeweiligen Gewinnerwartungen (Gewinnpotenzialen) bestimmt“ wird. Nach § 3 Abs. 1 FVerlV schließlich muss der Wert des Transferpakets „in Übereinstimmung mit den Gewinnen stehen, die zum Zeitpunkt der Verlagerung aus der Ausübung der Funktion erwartet werden können.“ Diesen Formulierungen im Gesetz und in der FVerlV kann nicht entnommen werden, dass aperiodische Besteuerungseffekte, die sich erst infolge der Funktionsverlagerungsbesteuerung einstellen, sowie periodische Besteuerungseffekte, die nicht auch beim verlagernden Unternehmen Berücksichtigung fänden, in die Ermittlung der Grenzpreise des Einigungsbereichs einzubeziehen wären.3
3.400
In die endgültige Fassung der VWG Funktionsverlagerung hat gleichwohl eine vereinzelt im Schrifttum vertretene Auffassung Einzug gehalten,4 die von der Finanzverwaltung weder begründet noch aus den gesetzlichen Vorgaben abgeleitet wurde. So heißt es in Tz. 118 der VWG Funktionsverlagerung denkbar knapp: „Für die Berechnung des Mindestpreises des verlagernden Unternehmens ist auch dessen Steuerbelastung auf den Ertrag aus der Veräußerung von Bestandteilen des Transferpakets der verlagerten Funktion zu berücksichtigen.“5 Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll mithin die erst durch die Funktionsverlagerungsbesteuerung ausgelöste Steuerbelastung auf den Veräußerungsgewinn (sog. Exit-Tax) der Ermittlung seiner Preisgrenze zugrunde gelegt werden. Zu der Ermittlung der Preisgrenze des übernehmenden Unternehmens (Höchstpreis) führen die VWG Funktionsverlagerung in Tz. 125 aus, „dass auch die steuerlichen Auswirkungen der Aufwendungen für den Erwerb von Bestandteilen
3.401
1 Vgl. auch Greinert/Reichl, DB 2011, 1183; für die Bewertung immaterieller Wirtschaftsgüter Kasperzak/Nestler, Bewertung von immateriellem Vermögen, 136. 2 Vgl. Rasch/Schmidtke, IStR 2009, 95; Baumhoff/Ditz/Greinert, Ubg 2011, 168; Greinert/Reichl, DB 2011, 1184. 3 Gl. A. Greinert/Reichl, DB 2011, 1184. 4 Vgl. Oestreicher/Hundeshagen, DB 2008, 1698 f.; Heining, Funktionsverlagerungen ins Ausland, 127 ff.; Oestreicher/Wilcke, DB 2010, 1714 f. 5 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774 Tz. 118.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
des Transferpakets der verlagerten Funktion (Abschreibungen auf erworbene Wirtschaftsgüter) zu berücksichtigen“1 seien. Die Finanzverwaltung will also die Besteuerungseffekte des durch die Funktionsverlagerungsbesteuerung erst entstehenden Abschreibungspotenzials (sog. Tax Amortization Benefit [TAB]) in die Ermittlung des Höchstpreises einbeziehen. Die Berücksichtigung einer Exit-Tax und eines TAB ist weder Gegenstand des Gesetzgebungsverfahrens zum Unternehmensteuerreformgesetz gewesen, noch kann sie der Begründung des Verordnungsgebers zur FVerlV2 entnommen werden.3 Das BMF hat diese Beurteilung der Finanzverwaltung auch erst seiner endgültigen Fassung der VWG Funktionsverlagerung zugrunde gelegt. Hierbei mutet es schon befremdlich an, dass die Finanzverwaltung ihre Auffassung im Wesentlichen anhand eines Beispiels darbringt.4 Beide Vorgaben der Finanzverwaltung bewirken, dass sich die Preisgrenzen deutlich erhöhen und es durch diese Art einer wertmäßigen „Parallelverschiebung nach oben“ zu einer Steigerung des Werts des Transferpakets kommt.5 Überdies führt die Barwertermittlung zu einer Einengung des Einigungsbereichs, weil die zeitlich später anfallenden abschreibungsbedingten Entlastungseffekte regelmäßig hinter der Exit-Tax zurückbleiben.6
3.402 Wie bereits dargestellt kann aus den gesetzlichen Vorgaben lediglich die Berücksichtigung laufender Besteuerungseffekte der Gewinnpotenziale entnommen werden (Rz. 3.400). Ebenso wenig sieht IDW S 1, auf den die VWG Funktionsverlagerung ansonsten für Zwecke der Bewertung von Transferpaketen verweisen,7 die Berücksichtigung einer Exit-Tax oder eines TAB vor. Auch können die VWG Funktionsverlagerung zur Rechtfertigung nicht auf die international konsensfähige Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes für die Verrechnungspreisermittlung nach den OECDLeitlinien 2010 zurückgreifen. Zwar können nach den OECD-Leitlinien 2010 immaterielle Wirtschaftsgüter auch anhand eines Grenzpreiskonzeptes bewertet werden, ohne dass jedoch die Berücksichtigung einer Exit-Tax oder eines TAB vorgesehen wäre.8 Entsprechendes gilt für die Bewertung der Übertragung einer Unternehmenstätigkeit im Rahmen von Unternehmensrestrukturierungen. Hier kann sich die Bewertungsmethodik an derjenigen orientieren, die für Unternehmenskäufe verwendet
1 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.7.4 Rz. 125. 2 V. 12.8.2008, BGBl. I 2008, 1680. 3 Abgedruckt in Schreiber, Verrechnungspreise2, 359 ff. 4 Vgl. hierzu BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Anlage Beispiel 1, Abwandlung C. 5 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, Ubg 2011, 168; Greinert/Reichl, DB 2011, 1183. 6 Vgl. hierzu auch Greinert/Reichl, DB 2011, 1185. 7 Vgl. z.B. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 30, 31, 34, 35, 63, 87 ff., 104, 108. 8 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, Ubg 2011, 168.
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F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen
wird.1 Praxisberichte aus der Transaktionspraxis belegen allerdings, dass insbesondere bei Unternehmensbewertungen im Rahmen von Unternehmenskäufen die Exit-Tax und der TAB keine oder eine nur untergeordnete Rolle spielen.2 In der Realität von Unternehmenstransaktionen werden solche Steuerwirkungen regelmäßig nicht vergütet.3 Insofern lässt sich aus dem abstrakten Fremdvergleich die Berücksichtigung der Exit-Tax und des TAB nicht als fremdüblich ableiten. Aus dem Fremdvergleich lässt sich stattdessen ableiten, dass die Berücksichtigung dieser Besteuerungseffekte fremdunüblich ist. Da der hypothetische Fremdvergleich darauf gerichtet ist, einen (Verrechnungs-)Preis zu ermitteln, der zwischen voneinander unabhängigen Dritten vereinbart werden könnte, muss er auch an marktkonformen und realistischen Bedingungen ansetzen. Im Übrigen lässt das Verrechnungspreiskonzept der OECD-Leitlinien 2010 Steuern unberücksichtigt.4 Aus der gesetzlichen Ausrichtung des hypothetischen Fremdvergleichs am Handeln zweier ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AStG) ergibt sich nicht, dass die von § 1 Abs. 3 Sätze 5–6 AStG gesetzlich verankerte Simulation eines Preisbildungsprozesses die Ermittlung eines nur hypothetischen und theoretisch richtigen Verrechnungspreises zum Ziel hat. Vielmehr muss dieser Verrechnungspreis auch praktisch darstellbar sein. Dies ergibt sich unmittelbar aus dem Fremdvergleichsgrundsatz (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AStG). Im Rahmen des hypothetischen Fremdvergleichs bedeutet dies, dass möglichst umfassend Fremdvergleichswerte und Fremdvergleichsverhalten zu erfassen sind, wie die VWG Funktionsverlagerung in Tz. 65 zutreffend feststellen. Die Berücksichtigung einer Exit-Tax oder eines TAB ist gesetzlich auch nicht als besondere Bedingung geregelt, die der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes nach § 1 AStG zwingend zugrunde zu legen ist, wie dies etwa für die gesetzliche Fiktion einer vollständigen Information und Markttransparenz der Fall ist (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AStG). Nur speziell für diese gesetzlichen Konkretisierungen ist nicht auszuschließen, dass sie der Anwendung des Fremdvergleichs nach § 1 AStG zugrunde zu legen sind, obgleich sie mit dem Fremdvergleichsgrundsatz unvereinbar sind. Mangels einer konkreten gesetzlichen Regelung bedarf die Einbeziehung der Exit-Tax und des TAB in den Bewertungskalkül daher dann zumindest einer Rechtfertigung aus dem Fremdvergleich. Die Berücksichtigung dieser Besteuerungseffekte bei der Bewertung von Transferpaketen lässt sich aus marktüblichen Transaktionsbedingungen jedoch nicht ableiten. Sie steht vielmehr im Widerspruch zu Fremdüblichem.
1 Vgl. Tz. 9.94 OECD-Leitlinien 2010; Baumhoff/Puls, IStR 2009, 79. 2 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, Ubg 2011, 168 f.; Kaperzak/Nestler, DB 2007, 474; Menninger/Wellens, TMTR v. 30.6.2011, 4. 3 Vgl. Menninger/Wellens, TMTR v. 30.6.2011, 4. 4 Vgl. hierzu im Einzelnen Greinert/Reichl, DB 2011, 1185.
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3.403
Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
3.404 Die Berücksichtigung einer Exit-Tax und eines TAB lässt sich mit der Einigungsbereichsbetrachtung, wie sie § 1 Abs. 3 Sätze 5 ff. AStG gesetzlich verankert, nicht vereinbaren. Nach § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG hat der Steuerpflichtige „aufgrund einer Funktionsanalyse und innerbetrieblicher Planrechnungen den Mindestpreis des Leistenden und den Höchstpreis des Leistungsempfängers zu bestimmen (Einigungsbereich).“ Der Gesetzgeber nimmt hier einen gesetzlichen Regelfall an, nämlich dass der Höchstpreis des Leistungsempfängers (Preisobergrenze) den Mindestpreis des Leistenden (Preisuntergrenze) überschreitet und sich deshalb „regelmäßig“ ein Einigungsbereich ergibt.1 Aus der Begründung zu § 3 Abs. 2 Satz 1 FVerlV lässt sich zudem ableiten, dass der Verordnungsgeber davon ausgeht, dass der Einigungsbereich vornehmlich durch Standortvorteile bzw. -nachteile sowie zu erwartende Synergieeffekte bestimmt wird.2 Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass es dem Willen des Gesetzgebers entsprochen hat, die benannten Besteuerungseffekte bei der Wertermittlung zu berücksichtigen. Denn hierdurch wird der Mindestpreis des verlagernden Unternehmens häufig den Höchstpreis des übernehmenden Unternehmens überschreiten, sodass kein Einigungsbereich zustande kommt. Letztlich ist der gesetzliche Regelfall, d.h. die Entstehung eines Einigungsbereichs, vom Belastungsniveau und den Abschreibungsmöglichkeiten im Sitzstaat des übernehmenden Unternehmens abhängig. Dies gilt insbesondere dann, wenn von realistischer Weise realisierbaren Standortvorteilen ausgegangen wird.3 Auch ist dann nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber so wesentliche Bestimmungsfaktoren des Einigungsbereichs, wie die Exit-Tax und den TAB, schlichtweg übersehen hat.
3.405 Die Berücksichtigung einer Exit-Tax und eines TAB widerspricht auch der § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG verankerten Fiktion einer vollständigen Information und Markttransparenz (Rz. 3.155 ff.). Legt man diese volkswirtschaftliche Modellannahme isoliert zugrunde, würde ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter des übernehmenden Unternehmens in Kenntnis aller für die Transaktion entscheidungsrelevanten Informationen wahrscheinlich auf die Nichtberücksichtigung beider zu seinen Ungunsten einfließenden Steuerwirkungen drängen.4 Jedenfalls aber würde er seine zukünftigen abschreibungsbedingten Entlastungswirkungen nicht mit einpreisen, da sich seine Zahlungsbereitschaft bei vollständiger Information nicht erhöhen dürfte. Bei Transparenz über die Transaktionsbedingungen wäre überdies nicht begründbar, wieso abschreibungsbedingte Steuerentlastungseffekte wider besserer Kenntnis zu hoch kalkuliert werden. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter des übernehmenden Unternehmens würde allenfalls Entlastungseffekte auf Grundlage des für das Transferpaket anzusetzenden Verrechnungspreises 1 2 3 4
Vgl. BR-Drucks. 220/07 v. 30.3.2007, 144. Vgl. BR-Drucks. 352/08 v. 23.5.2008, 18. Vgl. hierzu ausführlich Greinert/Reichl, DB 2011, 1185 f. Vgl. Greinert/Reichl, DB 2011, 1186.
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F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen
berücksichtigen, nicht jedoch auf Grundlage des Grenzpreises seiner Konzessionsbereitschaft. Insgesamt werden nach der Vorstellung der Finanzverwaltung die Steuerbelastung infolge der Funktionsverlagerungsbesteuerung und das Steuerniveau des Sitzstaates des übernehmenden Unternehmens für die abschreibungsbedingten Entlastungseffekte zu werterhöhenden Faktoren des Transferpakets. Vorstehende Ausführungen belegen, dass es hierfür keine gesetzliche Grundlage gibt. Schließlich verträgt sich die Auffassung der Finanzverwaltung nicht mit der ursprünglichen Absicht des Gesetzgebers, einen funktionsbezogenen Mehrwert zu erfassen (Rz. 3.337 f.) – und nicht erst zu kreieren.
3.406
6. Die Eliminierung des sog. Funktionsgewinns Wie bereits dargestellt, geht § 3 Abs. 2 FVerlV bei der Anwendung der in- 3.407 direkten Methode im Grundsatz von einer vierfachen Bewertung aus. Hiernach sind für das abgebende wie für das aufnehmende Unternehmen die zukünftig erwarteten Gewinne zu prognostizieren, und zwar jeweils „auf Grundlage einer Funktionsanalyse vor und nach der Funktionsverlagerung.“ Ohne Korrekturen impliziert diese Vorgehensweise, dass dem aufnehmenden Unternehmen – abgesehen von Standortvorteilen und etwaigen gehobenen Synergieeffekten – das Gewinnpotenzial ursächlich bedingt und ohne eigenes Zutun nur durch die Funktionsverlagerung – gewissermaßen als „windfall profit“ – anwächst. Für das abgebende Unternehmen würde hiermit korrespondierend der Rückgang zukünftig erwarteter Gewinne exklusiv auf die Funktionsverlagerung zurückgeführt. Diese Sichtweise lässt unberücksichtigt, dass dem abgebenden Unternehmen angesichts des durch Abgabe der Funktion (und Risiken) veränderten Funktions- und Risikoprofils auch ein geringerer Gewinn gebührt.1 Demgegenüber rechtfertigt der veränderte Funktions- und Risikoumfang des aufnehmenden Unternehmens eine höhere Gewinnteilhabe. Grundsätzlich kann im Rahmen der Bewertung eines Transferpakets nur der Gewinn angesetzt werden, der den sog. Funktionsgewinn übersteigt. Der Funktionsgewinn spiegelt i.d.R. nur eine Normalverzinsung des für die jeweilige Funktion investierten Kapitals wider. Methodisch findet sich diese Normalverzinsung in der Kostenaufschlagsmethode wieder, sofern nur ein Gewinnaufschlag auf die Vollkosten i.H. einer Normalverzinsung erhoben wird. Daher dürften folglich Gewinnpotenziale, die nur eine Normalverzinsung beinhalten, nicht Gegenstand einer Transferpaketbesteuerung sein, selbst wenn der dahinterstehende Geschäftsvorfall als Funktionsverlagerung anzusehen sein sollte. 1 Vgl. Freytag, IWB Fach 3 Gruppe 1, 2197; so weisen Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB Fach 3 Gruppe 1, 2208 zu Recht darauf hin, dass ein Unternehmen bei der Abgabe von Risiken, z.B. an Versicherungen, ein Entgelt entrichten muss, nicht dagegen ein Entgelt von der das Risiko übernehmenden Gesellschaft erhält.
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3.408
Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
Folgerichtig regelt § 2 Abs. 2 FVerlV auch, dass z.B. in Fällen einer Funktionsabspaltung, in denen anschließend die Kostenaufschlagsmethode für die Funktionsausübung zur Anwendung kommt, davon auszugehen ist, dass mit dem übergehenden Transferpaket keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter übergehen, sodass es zu keinen transferpaketbedingten Besteuerungsfolgen aufgrund der Funktionsverlagerung kommt (Rz. 3.372 ff.). Nach der Begründung zu § 2 Abs. 2 Satz 1 der FVerlV werden diese Sachverhalte generell von der Transferpaketbetrachtung ausgenommen, „um eine zu weitgehende Behandlung von Geschäftsvorfällen als Funktionsverlagerungen zu vermeiden“, selbst wenn diese Vorgänge qua definitione als Funktionsverlagerungen anzusehen sind. Praktische Bedeutung hat diese Regelung bei der Übertragung von Routinefunktionen (wie z.B. Lohnfertiger oder Kommissionäre), mit denen keine bzw. geringe Chancen und Risiken übergehen, sodass der Verrechnungspreis i.d.R. keine die Normalverzinsung übersteigenden Gewinnelemente enthält. So hat auch die Rechtsprechung bei der Übertragung von Funktionen auf einen Lohnfertiger (Funktionsabspaltung) bislang keinen Grund gesehen, eine Gewinnrealisierung bei dem verlagernden Unternehmen vorzunehmen.1
3.409 Wenn diese Überlegung im Rahmen der Verlagerung von Routinefunktionen richtig ist, so ist es konsequent, dementsprechend auch bei den anderen Formen der Funktionsverlagerung zu verfahren. Demnach kann nur derjenige Gewinn im Rahmen einer Funktionsverlagerung bzw. eines Transferpakets erfasst werden, der den Funktionsgewinn der übertragenen Funktion übersteigt.2 Es wäre mithin nicht gerechtfertigt, die gesamte Veränderung des Gewinns vor und nach der Funktionsverlagerung zu betrachten. Korrigierend müsste vielmehr berücksichtigt werden, dass mit der Funktionsverlagerung auch eine Funktion im Inland nicht mehr ausgeübt wird und insofern der Funktionsgewinn wegfällt.3 Dies ist auch insoweit nachvollziehbar, als der Funktionsgewinn idealerweise nur eine Normalverzinsung des für die jeweilige Funktion investierten Kapitals4 wiedergibt. Wenn nun das entsprechende Kapital im Inland nicht mehr verwendet wird, folgt daraus zwangsläufig, dass auch der jeweilige Gewinn – also der Funktionsgewinn – wegfällt. Auch aus der Perspektive des übernehmenden Unternehmens ist diese Überlegung zwingend. Der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter des übernehmenden Unternehmens wäre nicht bereit, ein Entgelt für die1 Vgl. FG Münster v. 16.3.2006 – 8 K 2348/02 E, rkr., IStR 2006, 794; vgl. zu diesem Urteil Baumhoff/Greinert, IStR 2006, 789 ff.; vgl. auch Kaminski, RIW 2007, 594, 599. 2 Vgl. Baumhoff in Piltz/Schaumburg, Internationale Einkunftsabgrenzung, 86 f.; Ditz, DStR 2006, 1627; Kroppen in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 140. 3 Vgl. Greinert, DB 2009, 757. 4 Vgl. zur Verzinsung des Kapitals als Möglichkeit der Schätzung von Verrechnungspreisen § 1 Abs. 4 AStG.
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F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen
jenigen Gewinne an den Verlagernden zu entrichten, die auf seine Funktionsausübung entfallen. Diese Gewinne sind ein Äquivalent für die von dem Übernehmenden ausgeübten Funktionen und getragenen Risiken. Würde er dafür ein Entgelt an den Verlagernden entrichten, so müsste der Übernehmende letztlich gewinnlos wirtschaften. Dies würde ein fremder Dritter allerdings nicht akzeptieren.1 Damit kann nur der über den Funktionsgewinn hinausgehende Gewinn Gegenstand der Besteuerung i.S.v. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG sein. Dies steht auch im Einklang mit der Intention des Gesetzes, soll doch mit der Besteuerung von Funktionsverlagerungen der Gewinn erfasst werden, der mit den jeweiligen Chancen und Risiken verbunden ist. Chancen und Risiken sind jedoch nur das, was über die eigentliche Funktionsausübung hinausgeht bzw. nur diejenige Verzinsung, welche die Normalverzinsung übersteigt.2 Insofern ist dieser Umstand bei der Festlegung des Kapitalisierungszinssatzes zu berücksichtigen mit der Folge, dass eine „Normalverzinsung“ immer zu einem Barwert in Höhe des Werts des eingesetzten Kapitals führt. Demgegenüber wird im Schrifttum3 die Auffassung vertreten, die Eliminierung bzw. Separierung des Funktionsgewinns erfolge automatisch mit der Diskontierung der zukünftigen Gewinne oder Cashflows zum Kapitalisierungszinssatz, sodass es zu keiner doppelten Besteuerung dieser Zukunftsgewinne komme. Die mit der Diskontierung verbundene Zuweisung dieser Gewinne bewirke gerade, dass der Wert des Transferpakets insoweit vermindert würde.
3.410
Dem kann jedenfalls für die indirekte Methode nicht gefolgt werden, denn sie führt über ihre vierfache Bewertung nicht zu einer dementsprechenden Separierung des auf die zukünftige Funktionsausübung entfallenden Gewinnanteils. Ebenso ist im Rahmen der direkten Wertermittlung zu beachten, dass mittels der – aus der Perspektive des verlagernden wie aus derjenigen des übernehmenden Unternehmens vorzunehmenden – Diskontierung die jeweiligen Preisgrenzen determiniert werden, die den Einigungsbereich abstecken. Der zum Ansatz kommende Wert des Transferpakets geht auf die Aufteilung dieses Einigungsbereichs zwischen dem verlagernden und dem übernehmenden Unternehmen zurück. 7. Die Ermittlung des Diskontierungsfaktors Für die Ermittlung des Ertragswerts ist es erforderlich, die für die einzelnen Jahre isolierten und prognostizierten Gewinne auf den Übertragungsstichtag zu diskontieren. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG sieht hierfür die Anwendung „funktions- und risikoadäquater Kapitalisierungszinssätze“ vor. Diese Formulierung verdeutlicht, dass die Ermittlung des Diskontie1 So auch Schreiber in Oestreicher, Internationale Verrechnungspreise, 307. 2 Vgl. Brüninghaus/Bodenmüller, DStR 2009, 1287. 3 Vgl. Oestreicher, Ubg 2009, 85 Fn. 25; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 834 Fn. 352.
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3.411
Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
rungsfaktors den Methoden unterliegt, die von der Finanzwirtschaftslehre im Allgemeinen und der Unternehmensbewertungslehre im Besonderen abgeleitet wurden.1 Hiernach bestimmt die günstigste alternative Kapitalanlage den Kapitalisierungszinssatz. Dieser repräsentiert folglich die Renditeerwartung einer zum Transferpaket adäquaten Alternativanlage.2 Im Rahmen der indirekten Wertermittlung erfordert dies denklogisch die Ermittlung von vier Kapitalisierungszinssätzen, nämlich für das abgebende wie für das aufnehmende Unternehmen jeweils vor und nach der Funktionsverlagerung. Im Rahmen der direkten Wertermittlung ist diese Bewertungsgrundlage demgegenüber lediglich zweimal zu ermitteln.
3.412 Die Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes setzt zunächst an der Verzinsung einer risikolosen Investition am Kapitalmarkt (Basiszinssatz) an, deren Laufzeit der voraussichtlichen Ausübung der Funktion entspricht. Dieser Basiszinssatz ist gesondert für das abgebende und das aufnehmende Unternehmen für den jeweils relevanten Markt zu ermitteln.3 Die aktuelle Fassung des Bewertungsstandards IDW S 1 sieht die Ableitung des Basiszinssatzes unter Verwendung fristadäquater Zerobondsätze vor.4 Hierzu empfehlen sowohl das IDW als auch das Schrifttum,5 bei Unternehmen mit Sitz in Deutschland auf die von der Deutschen Bundesbank geschätzte Zinsstrukturkurve zurückzugreifen, um so unterschiedliche Zinssätze während des Zeitraums der Funktionsausübung zu berücksichtigen. Daneben wird es für Funktionsverlagerungen innerhalb Europas als sachgerecht erachtet, die entsprechenden Daten der Europäischen Zentralbank zu verwenden, die die Daten nach derselben Methode bereitstellt.6 Ferner ist – vergleichbar mit dem Konzept der funktionalen Währungsumrechnung nach IAS 21.87 – der Rückgriff auf die Zinsstrukturkurve eines anderen Staates als des Sitzstaates des Unternehmens gerechtfertigt, wenn sich dort sein primäres wirtschaftliches Umfeld befindet.8 Ungeachtet des relevanten Marktes konzediert die Finanzverwaltung schließlich die Verwendung des risikolosen Zinssatzes für die Bundesrepublik
1 Vgl. Naumann, Status: Recht 2007, 204. 2 Vgl. Mandl/Rabel in Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung3, Rz. 407 u. 428. 3 Vgl. zutreffend BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.5.1 Rz. 105; hierzu auch Baumhoff in FS Schaumburg, 554. 4 IDW S 1, FN-IDW 2008, 271 Tz. 117. 5 Vgl. Günter, WPg 2007, 1087 m.w.N. 6 Vgl. Baumhoff in FS Schaumburg, 554. 7 Zur funktionalen Wahrungsumrechnung siehe Küting/Weber, Der Konzernabschluss10, 201 ff.; Lüdenbach in Lüdenbach/Hoffmann, IFRS Kommentar6, § 27 Rz. 24 ff. 8 U.E. zutreffend hebt das BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWGFunktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.5.1 Rz. 104 auf den „betreffenden Markt“ ab.
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F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen
Deutschland, wenn sich die länderspezifischen Risiken im Risikozuschlag angemessen niederschlagen.1 Der nach diesen Grundsätzen als Ausgangsgröße für die Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes ermittelte Basiszinssatz ist um funktions- und risikoadäquate Zuschläge zu erhöhen. Der funktions- und risikoadäquate Zuschlag ist gem. § 5 Satz 3 FVerlV so zu bemessen, „dass er sowohl für das übernehmende als auch für das verlagernde Unternehmen die in vergleichbaren Fällen jeweils unternehmensübliche Risikobeurteilung berücksichtigt.“ Hierzu sollen die Risikozuschläge aus „marktüblichen Renditen“ abgeleitet werden, „die für die Ausübung vergleichbarer Funktionen erzielt werden, wenn ausreichend vergleichbare Renditeerwartungen ermittelt werden können.“2 Mithin sollen mittels eines tatsächlichen Fremdvergleichs Vergleichsrenditen ermittelt werden. Berücksichtigt man jedoch, dass für die begrifflich als Funktionsverlagerung qualifizierende Verlagerung von Routinefunktionen (Rz. 3.116) regelmäßig keine Gesamt-, sondern eine Einzelbewertung zum Tragen kommt (§ 1 Abs. 3 Satz 10 Alt. 1 AStG i.V.m. § 2 Abs. 2 FVerlV), verengt sich die Vergleichsanalyse auf hybride Funktionen und Entrepreneurfunktionen (Rz. 3.116). Dessen unbenommen, lassen sich für Funktionen keine marktüblichen Renditen ermitteln.3 Marktorientiert lassen sich nur Renditen und damit Risikozuschläge für börsennotierte Unternehmen berechnen (Rz. 3.415). Letztlich bleibt damit völlig unklar, wie insbesondere die Risikozuschläge respektive -prämien im Einzelfall konkret zu ermitteln sind.
3.413
Diese Unklarheit erhellt auch die von der Finanzverwaltung für den Fall, dass ausreichend vergleichbare Renditeerwartungen nicht zu ermitteln sind, angewiesene indirekte Ermittlung nicht. Hiernach ist „der funktions- und risikoadäquate Zuschlag aus den Gewinnerwartungen des Gesamtunternehmens abzuleiten und der verlagerten Funktion ein angemessener Anteil am zu erwartenden Gesamtgewinn zuzuordnen (Wertschöpfungsanalyse).“4 Dies ist nicht zuletzt deshalb verfehlt, weil sich dieser Ansatz methodisch auf die Übernahme der Eigenkapitalkosten und hieraus abgeleitet des Kapitalisierungszinssatzes des Gesamtunternehmens beschränkt.5 Wenn ferner für das verlagernde und für das übernehmende Unternehmen die Risikobeurteilung zu unterstellen sein soll, „die sich aus der übrigen Geschäftstätigkeit des jeweiligen Unterneh-
3.414
1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.5.1 Rz. 104. 2 BR-Drucks. 352/08 v. 23.5.2008, 19; BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.5.3 Rz. 106. 3 Vgl. Oestreicher, Ubg 2009, 93 f. 4 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.5.3 Rz. 106, so bereits schon die Verordnungsbegründung, vgl. BR-Drucks. 352/08 v. 23.5.2008, 19. 5 Vgl. hierzu auch Oestreicher/Hundeshagen, DB 2008, 1694.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
mens oder der Unternehmensgruppe (des Konzerns) ergibt“,1 bezieht sich die Risikoprämie auf die „übrige Geschäftstätigkeit“. Sachgerecht kann jedoch nur sein, dass die Risikoprämie aus den mit der übernommenen Funktion verbundenen Risiken abgeleitet wird. Angesichts des Tatbestandes, dass – im Rahmen der direkten Wertermittlung – mit der verlagerten Funktion spezifische funktionsbezogene Risiken verbunden sind und dass – im Rahmen der indirekten Wertermittlung – die Risikoprofile von verlagerndem und übernehmendem Unternehmen infolge der Funktionsverlagerung naturgemäß Veränderungen erfahren, überzeugt diese „Vereinfachung“ nicht.2
3.415 In der Unternehmensbewertung wird zur Ermittlung des Risikozuschlags typischerweise auf Modelle der Preisbildung an Kapitalmärkten zurückgegriffen. Hierdurch können aus den am Kapitalmarkt empirisch ermittelten Aktienrenditen mithilfe von Kapitalmarktpreisbildungsmodellen (CAPM, Tax-CAPM) Risikoprämien abgeleitet werden.3 Allerdings ist das Capital Asset Pricing Model (CAPM) als das in der Praxis der Unternehmensbewertung gebräuchlichste und anerkannteste Verfahren4 primär auf die Bewertung ganzer Unternehmen ausgerichtet, weil der maßgebende Beta-Faktor unter Berücksichtigung der Kursschwankungen der Wertpapiere von börsennotierten Unternehmen ermittelt wird. Für einzelne Funktionen existieren hingegen keine an Börsen festgestellten Marktpreise. Der Bewertung immaterieller Vermögenswerte liegt ein vergleichbarer Ansatz zugrunde.5 Nach der „Risikozuschlagsmethode“ sind die Erwartungswerte der Cashflows mit einem risikoadjustierten Kapitalisierungszinssatz zu diskontieren. Ausgangsgröße sind hier die „gewogenen durchschnittlichen Kapitalkosten des Unternehmens (Weighted Average Cost of Capital, WACC)“.6 Hierbei können sowohl die Gegebenheiten am Kapitalmarkt als „auch unternehmensintern vorgegebene oder anderweitig abgeleitete Renditeerwartungen zur Diskontierung der Cashflows herangezogen werden.“ Die vermögenswertspezifischen Eigenkapitalkosten sollen ebenfalls analog zum CAPM ermittelt werden.
3.416 Da für einzelne Funktionen keine an Börsen festgestellten Marktpreise existieren, scheidet zumindest eine unmittelbare Ableitung des Risikozuschlags für Transferpakete aus Kapitalmarktdaten aus.7 Auf sie ist jedoch mittelbar Bezug zu nehmen. Dass diese Daten einem tatsächlichen Fremdvergleich entspringen, stellt den methodischen Ansatz des hypo1 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.5.3 Rz. 106. 2 Kritisch auch Kaminski/Strunk, RIW 2009, 713. 3 Vgl. IDW S 1, FN-IDW 2008, 271 Tz. 118. 4 Vgl. Paulsen, WPg Sonderheft 2008, S109 ff.; Wüstermann, BB 2009, 1521. 5 Zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte vgl. Greinert, Ubg 2010, 101 ff. 6 Vgl. IDW S 5 i.d.F. 2010, WPg Supplement 3/2010, 109 Tz. 41. 7 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008, 1952; Baumhoff in FS Schaumburg, 555; Kaminski/Strunk, RIW 2009, 713; Vögele, DStR 2010, 422.
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F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen
thetischen Fremdvergleichs bei der Bewertung von Transferpaketen nicht infrage.1 Bei der Verwendung von Kapitalmarktdaten ist zu berücksichtigen, dass diese letztlich auf erwartete Preisschwankungen von Wertpapieren zurückgehen, wobei neben unternehmensbezogenen Daten auch Ausstattungsmerkmale ebendieser Wertpapiere kursbestimmend sind. Anpassungen werden etwa erforderlich aufgrund des mit der Ausübung unternehmerischer Funktionen verbundenen Haftungsrisikos (über den Totalverlust der Anfangsinvestition hinaus), das unter Fremdvergleichsgesichtspunkten eine Risikoprämie rechtfertigt, die über die am Kapitalmarkt für Aktienanlagen beobachtbare hinausgeht.2 Während sich der Basiszinssatz an den periodenspezifischen Zerobondrenditen der aktuellen Zinsstrukturkurve orientieren sollte, ist die vermögenswertbezogene Risikoprämie für den Fall, dass keine unternehmensbezogenen Kapitalmarktdaten vorliegen, auf Basis einer Gruppe von Vergleichsunternehmen (Peer-Group) abzuleiten. Bei der Auswahl der adäquaten Peer-Group sollte eine weitestgehende Übereinstimmung der operativen Geschäftstätigkeit sowie der Unternehmensgruppe angestrebt werden.3 Die mittelbare Bezugnahme auf Kapitalmarktdaten erfordert Anpassungen an den jeweiligen Funktions- und Risikoumfang des Transferpakets (Zu- und Abschläge) durch – mehr oder weniger subjektive – Schätzungen. Die hierbei bestehende Schätzungsunsicherheit darf nicht zulasten des Steuerpflichtigen gehen.
3.417
Im Einklang mit der Eliminierung der Steuerbelastung aus den prognostizierten Zahlungsströmen (§ 1 Abs. 4 FVerlV) verlangt § 5 FVerlV, dass der Steuerbelastung auch beim Kapitalisierungszinssatz Rechnung zu tragen ist. Diesbezüglich ist das Äquivalenzprinzip zu beachten. Hiernach ist entscheidend, dass nicht nur bei den erwarteten Nettogewinnen, sondern auch bei der durch den Kalkulationszinssatz verkörperten alternativen Anlage des Investors die Steuern in der gleichen Weise zu berücksichtigen sind. Wenn die erwarteten Gewinne aus dem Transferpaket nur um die Steuern des Unternehmens gekürzt werden, ist der Kapitalisierungszinssatz auch nur um die Steuern des Unternehmens zu reduzieren. Dementsprechend schlägt sich eine Berücksichtigung auch der Steuerbelastung der Gesellschafter bei den Gewinnen des Transferpakets gleichsam im Kapitalisierungszinssatz nieder (Rz. 3.397 f.).
3.418
8. Die Ermittlung des Kapitalisierungszeitraums Der Isolierung der auf das Transferpaket entfallenden Gewinne und der Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes schließt sich die Bestimmung des Zeitraums an, über den die Gewinne zu kapitalisieren sind (Kapitali1 Kritisch Oestreicher, Ubg 2009, 93 f. 2 Vgl. Roeder in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 154. 3 Vgl. IDW S 5 i.d.F. 2010, WPg Supplement 3/2010, 109 Tz. 43.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
sierungszeitraum). Gemäß § 6 FVerlV ist grundsätzlich „ein unbegrenzter Kapitalisierungszeitraum zugrunde zu legen“, sofern „keine Gründe für einen bestimmten, von den Umständen der Funktionsausübung abhängigen Kapitalisierungszeitraum glaubhaft gemacht [werden; d. Verf.] oder (…) solche Gründe nicht ersichtlich“ sind. Mithin kommt die Formel der „ewigen Rente“ zum Tragen, sofern für den Steuerpflichtigen keine kürzeren Kapitalisierungszeiträume ersichtlich sind. Die Verordnungsbegründung verweist zur Begründung dieses Ansatzes darauf, dass Funktionsverlagerungen Betriebs- oder Teilbetriebsveräußerungen ähnlich seien und für diese „betriebswirtschaftlich“ auch ein unbegrenzter Kapitalisierungszeitraum angewendet werde.1 Ob diese Begründung im Allgemeinen trägt oder schon im Ansatz – angesichts der fehlenden Deckungsgleichheit der Bewertungsobjekte – verfehlt ist, kann hier dahinstehen.
3.420 Betriebswirtschaftlich rechtfertigt sich ein unbegrenzter Kapitalisierungszeitraum jedenfalls nur dann, wenn die Rückflüsse aus der übertragenen Funktion ohne Zusammenwirken mit nicht in dieser Funktion angelegten Einflussfaktoren (z.B. Synergieeffekten oder Standortfaktoren des aufnehmenden Unternehmens) ihre Erhaltung sichern. Dies umfasst insbesondere auch die Realisierung von Ersatzinvestitionen aus den dieser Funktion zuzuordnenden Zahlungsüberschüssen.2 Diesen Charakter einer dauerhaften Einkunftsquelle, d.h. eines zeitlich unbegrenzten „ewigen“ Gewinnpotenzials,3 werden die meisten Funktionen nicht aufweisen. Regelmäßig wird ihre Nutzungsdauer begrenzt sein. Bei der Verlagerung von Vertriebsfunktionen müssten etwa die Laufzeit des Vertriebsvertrages oder aber, falls ein solcher nicht existiert, die gesetzlichen Kündigungsfristen Berücksichtigung finden. Ferner sind zeitliche Aspekte wie Produktlebenszyklen, technische Entwicklungen, Absatzmarktänderungen, Bedarfswandlungen am Markt etc. von besonderer Bedeutung für die Bestimmung des Kapitalisierungszeitraums. Vor diesem Hintergrund ist es bei der Bewertung typischerweise geboten, nur einen begrenzten Zeitraum zugrunde zu legen. Die auf die Praxis der Unternehmensbewertung zurückgehenden Vorschläge in der Literatur, von Prognosezeiträumen von ca. drei bis fünf Jahren auszugehen,4 sind daher eher vertretbar und wohl auch fremdvergleichskonform.
3.421 Zutreffend ist es deshalb, dass § 6 FVerlV die Möglichkeit einräumt, durch die Funktionsausübung bestimmte kürzere Kapitalisierungszeiträume zugrunde zu legen. Dies erfordert, dass die von der Funktionsausübung abhängigen Umstände „glaubhaft gemacht werden oder ersichtlich sind.“ Die Formulierungen „ersichtlich“ und „glaubhaft gemacht“ ver-
1 2 3 4
Vgl. BR-Drucks. 352/08 v. 23.5.2008, 21. Vgl. hierzu Oestreicher, Ubg 2009, 94. Vgl. Frotscher, FR 2008, 56, Fn. 24; Baumhoff in FS Schaumburg, 553. Vgl. Ditz, DStR 2006, 1628; Finsterwalder, IStR 2004, 767; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008, 1951; Vögele, DStR 2010, 422.
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F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen
deutlichen, dass keine zu hohen Anforderungen an den Nachweis gerichtet sind. Die VWG Funktionsverlagerung gehen „regelmäßig“ dann von einem unbegrenzten Kapitalisierungszeitraum aus, wenn sich die Funktionsverlagerung auf einen Betrieb, Teilbetrieb oder eine unternehmerische Einheit bezieht, die für sich allein lebensfähig ist.1 Lediglich unterhalb der Schwelle eines Teilbetriebs wird ein begrenzter Kapitalisierungszeitraum als sachgerecht erachtet. Als in der Funktionsausübung angelegte Umstände für einen zeitlich begrenzten Kapitalisierungszeitraum wird auf die zeitlich begrenzte Überlassung der Funktion und die begrenzte Laufzeit eines Patents verwiesen, wobei die Nachweispflicht – außerhalb der Offenkundigkeit – beim Steuerpflichtigen liegen soll.2 Als Anhaltspunkte für die Bestimmung des Kapitalisierungszeitraums benennt Tz. 110 der VWG Funktionsverlagerung beispielhaft den Technologiezyklus, den Produktlebenszyklus, die Dauer eines Patentschutzes, die Dauer eines Vertriebsrechts oder die garantierte Dauer der Funktionsausübung. Hierbei verlangt die Finanzverwaltung im Falle unterschiedlicher Nutzungsdauern der Bestandteile eines Transferpakets die Orientierung an der längsten Nutzungsdauer unter Berücksichtigung einer etwaigen Gewichtung.3 Ferner indiziert nach Auffassung der Finanzverwaltung die Einbeziehung eigener Aufwendungen des übernehmenden Unternehmens für die Erhaltung oder den Ersatz immaterieller Wirtschaftsgüter in dessen Gewinnerwartungen einen längeren Kapitalisierungszeitraum, während deren Nichtberücksichtigung keine Indizienwirkung zukommen soll.4 Aus Vereinfachungsgründen soll typisierend für das verlagernde und für das übernehmende Unternehmen ein einheitlicher Kapitalisierungszeitraum zum Tragen kommen.5 Allerdings ist diese Typisierung unter Nachweis der entsprechenden Voraussetzungen widerlegbar.
3.422
IV. Sofortbesteuerung versus Lizenzierung Im Rahmen einer Funktionsverlagerung ist zu klären, ob ein Transferpaket übertragen oder zur Nutzung überlassen wird. Sofern diese Frage nicht eindeutig zwischen dem verlagernden und dem übernehmenden Unternehmen geklärt ist, wird auf Antrag des Steuerpflichtigen von einer Nutzungsüberlassung ausgegangen (§ 4 Abs. 2 FVerlV). Der Verordnungs1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.6 Rz. 109. 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.6 Rz. 110. 3 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.6 Rz. 110. 4 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.6 Rz. 111. 5 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.6 Rz. 112.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
geber will durch dieses faktische Wahlrecht zugunsten des Steuerpflichtigen eine Sofortversteuerung („ggf. erheblicher“)1 stiller Reserven (Differenz zwischen dem Fremdvergleichspreis und dem Buchwert) vermeiden, um besteuerungsbedingte unerwünschte Liquiditätsprobleme, die bei einer Sofortbesteuerung auftreten könnten, nicht aufkommen zu lassen.
3.424 Dieses – begrüßenswerte – Wahlrecht basiert aber wirtschaftlich und rechtlich auf zwei unterschiedlichen Sachverhalten. Bei einer Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an den Wirtschaftsgütern und sonstigen Vorteilen auf das übernehmende Unternehmen kommt es bei dem verlagernden Unternehmen zu einer vollständigen Aufdeckung und Sofortbesteuerung der in den übertragenden Wirtschaftsgütern und Vorteilen ruhenden stillen Reserven. Hier ist dann eine Lizenzierung nicht mehr möglich. Die Abwicklung der Kaufpreiszahlung (z.B. Kaufpreisraten) verhindert die Sofortbesteuerung verbunden mit dem entsprechenden Liquiditätsabfluss nicht.2 Verbleibt demgegenüber das wirtschaftliche Eigentum bei dem verlagernden Unternehmen und wird dem übernehmenden Unternehmen lediglich ein Nutzungsrecht an dem Transferpaket eingeräumt, ist dies als eine Lizenzierung zu qualifizieren. Diese Situation wäre dann einer Teilbetriebsverpachtung ähnlich,3 man könnte auch von einer Funktions- bzw. Transferpaketverpachtung sprechen. Steuerliche Folge wäre, dass das verlagernde Unternehmen die Lizenzerträge versteuern müsste, und zwar im Zeitablauf mit ihrer Realisierung. Es kommt dann jedoch nicht zu einer Übertragung von Wirtschaftsgütern und Vorteilen, sodass sich die in ihnen enthaltenen stillen Reserven erst im Zeitablauf über die Lizenzerträge auflösen4.
3.425 In diesem Zusammenhang soll noch ein für die Besteuerung weiterer wesentlicher Unterschied zwischen Übertragung und Überlassung erwähnt werden. Bei der Überlassung immaterieller Wirtschaftsgüter (als Bestandteile einer Funktionsverlagerung) im Wege der Lizenzierung behalten sich die meisten Fisken die Einbehaltung von Quellensteuer vor,5 wobei die Höhe dieser Quellensteuer häufig durch DBA6 oder andere Vorschriften (insbesondere EU-Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie7) reduziert wird. 1 BR-Drucks. 352/08 v. 23.5.2008, 20. 2 Vgl. Baumhoff/Greinert, Ubg 2009, 546; Baumhoff in Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, 154. 3 So zutreffend Kroppen in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 147. 4 Vgl. Baumhoff/Greinert, Ubg 2009, 546; Baumhoff in Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, 154; Baumhoff in Grotherr, Handbuch der Internationalen Steuerplanung3, 575 f. 5 Vgl. etwa aus deutscher Perspektive § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG u. § 50a Abs. 4 Nr. 3 EStG. 6 Sofern der Lizenzartikel des konkreten DBA Art. 12 OECD-MA nachgebildet ist. 7 Vgl. Richtlinie 2003/49/EG des Rates v. 3.6.2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlung von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten, Abl. EG Nr. L 157, 49.
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F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen
Bei Erhebung von Quellensteuer besteht zwar grundsätzlich die Möglichkeit, die so entstehende Doppelbesteuerung durch Anrechnung oder Abzug zu reduzieren.1 Bei der Abzugsmethode lässt sich die Doppelbesteuerung jedoch lediglich mildern, sodass eine Definitivbelastung eintritt. Selbst wenn die Anrechnungsmethode zur Anwendung kommt, können Anrechnungsüberhänge entstehen. Dann führt die ausländische Quellensteuer auch bei Anwendbarkeit der Anrechnungsmethode zu einer Definitivbelastung und einer Erhöhung der Steuerquote. Vor diesem Hintergrund ist es bei einer Funktionsverlagerung von Bedeutung festzustellen, ob eine Übertragung oder Überlassung vorliegt. Es ergeben sich jedoch nicht nur die dargestellten Auswirkungen im Hinblick auf den Zeitpunkt der Gewinnrealisierung und den Anfall von Quellensteuer. Vielmehr hat die Frage der Übertragung und Überlassung auch selbst Auswirkungen auf die Höhe des maßgebenden Verrechnungspreises für die Funktionsverlagerung. Ausweislich der VWG Funktionsverlagerung prüft die Finanzverwaltung das Vorliegen einer Übertragung der einzelnen Wirtschaftsgüter oder deren zeitlich befristete Nutzungsüberlassung anhand der „Gesamtumstände des Einzelfalls“.2 Hierbei soll es auf den „erkennbaren Willen“ der Beteiligten ankommen, wie er sich im Ausgangspunkt aus den schriftlichen Unterlagen über die Funktionsverlagerung ergibt oder – mangels schriftlicher Unterlagen – aus dem tatsächlichen Ablauf und der Handhabung durch die Beteiligten festgestellt werden kann.3 Die Finanzverwaltung geht hier davon aus, dass der tatsächliche Ablauf „regelmäßig erkennen lassen“ wird, ob die betreffenden Wirtschaftsgüter vor der Funktionsverlagerung im wirtschaftlichen Eigentum des verlagernden Unternehmens standen und nach der Funktionsverlagerung durch das übernehmende Unternehmen genutzt werden.4 Hierzu wird man feststellen müssen, dass die Nutzung der betreffenden Wirtschaftsgüter und Vorteile durch das übernehmende Unternehmen für den fraglichen und letztlich beachtlichen Wechsel in der steuerlichen Zurechnung nichts hergibt. Ob eine Übertragung oder Überlassung der Wirtschaftsgüter und Vorteile gegeben ist, entscheidet sich danach, ob das wirtschaftliche Eigentum übergegangen ist oder nicht. In der Praxis dürfte diese Feststellung mit erheblichen Problemen verbunden sein.5 Insofern werden jedenfalls Zweifel bestehen bleiben. Das durch § 4 Abs. 2 FVerlV zugestandene und durch die VWG Funktionsverlagerung nicht mit zusätzlichen Anforderungen verbundene 1 Vgl. § 34c EStG. 2 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.4.2 Rz. 100. 3 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.4.2 Rz. 100 f. 4 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.4.2 Rz. 101. 5 Siehe hierzu ausführlich Baumhoff/Greinert, Ubg 2009, 545; Baumhoff in Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, 152 f.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
Wahlrecht, „hinsichtlich des Transferpakets oder einzelner Teile (…) von einer Nutzungsüberlassung“ auszugehen, wird regelmäßig eröffnet sein.
3.427 Was die Höhe der angemessenen Lizenzgebühr für die Nutzungsüberlassung des Transferpakets anbelangt, ist zunächst das in § 1 Abs. 3 Sätze 1 bis 5 AStG geregelte Stufenverhältnis zwischen tatsächlichem und hypothetischem Fremdvergleich einschlägig. Hiernach sind die Lizenzsätze primär auf Grundlage des tatsächlichen Fremdvergleichs zu ermitteln, und zwar mittels uneingeschränkt vergleichbarer Referenzwerte oder – nachrangig – mittels eingeschränkt vergleichbarer Referenzwerte. Allerdings dürfte ein tatsächlicher Fremdvergleich nur in Ausnahmefällen zum Tragen kommen, weil es keinen Markt für die Nutzungsüberlassung von Transferpaketen gibt bzw. solche Nutzungsüberlassungen zwischen fremden Dritten nur schwer denkbar sind.1 Zudem gelten die bei der Lizenzierung immaterieller Wirtschaftsgüter bestehenden Vorbehalte gegenüber der Anwendung der Preisvergleichsmethode für den Fall der Überlassung eines Transferpakets respektive dessen Bestandteile entsprechend (Rz. 3.295). Im Übrigen kann die Höhe der Lizenzgebühr nicht unmittelbar aus dem Wert des Transferpakets abgeleitet werden, weil es wirtschaftlich einen Unterschied macht, ob das „Stammrecht“ beim verlagernden Unternehmen verbleibt (Überlassung) oder auf das übernehmende Unternehmen übergeht (Übertragung). Verbleibt das Stammrecht beim verlagernden Unternehmen, darf das übernehmende Unternehmen das Stammrecht nicht vollumfänglich, sondern nur in der Weise nutzen, wie es im zugrunde liegenden Vertrag vereinbart wurde, etwa beschränkt auf einzelne Produktgruppen oder Regionen. Die Nutzung wird auch häufig in der Weise beschränkt, dass eine anderweitige Verwertung, etwa durch Sublizenzierung, untersagt ist. Möglicherweise wird sogar anderen Unternehmen gestattet, ebenfalls das Stammrecht zu nutzen (einfache Lizenz). Zudem muss das übernehmende Unternehmen die überlassene Funktion bei Beendigung der Nutzungsüberlassung wieder zurückgeben. Diese Rückübertragung stellt dann allerdings keine weitere entgeltpflichtige Funktionsverlagerung dar.2 Das Ursprungsunternehmen hat vielmehr nach Rückgabe des Transferpakets sogar die Möglichkeit, es selbst zu nutzen, es auf ein weiteres Konzernunternehmen zu übertragen oder anderweitig zu verwerten und hierfür erneut ein Entgelt zu verlangen. Bei einem Übergang des Stammrechts auf das übernehmende Unternehmen wäre diese Möglichkeit hingegen ausgeschlossen.
3.428 Die Wahl zwischen Übertragung oder Überlassung einer Funktion führt zu gravierenden Unterschieden im Hinblick auf den zu erwartenden Nutzen aus der Funktion. Solche betriebswirtschaftlichen Abweichungen müssen 1 Vgl. Kleineidam/Baumhoff/Seutter, DB 1986, 233 für die Bestimmung angemessener Pachtzinsen bei (Teil-)Betriebsverpachtungen sowie Kroppen in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 147. 2 Vgl. Brüninghaus/Bodenmüller, DStR 2009, 1288.
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F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen
auch entsprechende steuerliche Unterschiede hinsichtlich der Höhe der Entgelte zur Folge haben.1 Die OECD-Leitlinien 2010 weisen ausdrücklich darauf hin, dass diese Unterschiede die Vergleichbarkeit und damit die Höhe des angemessenen Entgelts beeinflussen.2 Bei der Lizenzalternative ist im Rahmen der Kalkulation des Lizenzentgelts vor allem von Bedeutung, ob der Lizenznehmer (übernehmendes Unternehmen) zur Substanzerhaltung der Funktion verpflichtet ist.3 Wäre dies der Fall, so müsste die Funktion bei Beendigung der Nutzungsüberlassung in dem bei Beginn der Nutzungsüberlassung gegebenen Zustand unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung zurückgegeben werden. Letztlich ist daher i.d.R. erforderlich, zur Ableitung der angemessenen Lizenzsätze für die Überlassung einer Funktion auf den hypothetischen Fremdvergleich abzustellen. Konkret kommen dabei meist gewinnorientierte Verrechnungspreismethoden zur Anwendung, bei denen auf den aus der Funktion resultierenden Gewinn abgestellt wird. Hierbei kann auch unmittelbar auf die Vorschläge Bezug genommen werden, die die Literatur4 bereits vor langer Zeit zur mathematisch exakten Ermittlung von Pachtzinsen bei konzerninternen Pachtverhältnissen auf Basis der Einigungsbereichsbetrachtung gemacht hat. Die Grundüberlegungen bei der Verpachtung eines Betriebs oder Betriebsteils sind jedenfalls vergleichbar mit denen bei der Überlassung einer Funktion. Diese Vorschläge enthalten sogar schon die Einigungsbereichsbetrachtung, wie sie nahezu 25 Jahre später § 1 Abs. 3 Sätze 5 ff. AStG vorsieht. Allerdings erfordern diese Kalkulationen einen erheblichen mathematischen Aufwand.5 Sie sind deshalb – in der mathematisch exakten Anwendung – nur begrenzt praktikabel. Daher ist auf die bereits für die Lizenzierung immaterieller Wirtschaftsgüter diskutierten vereinfachten Verrechnungspreismethoden, die die erforderliche Gewinnorientierung aufweisen, zurückzugreifen, nämlich die sog. „Knoppe-Formel“ oder die sog. „Goldscheider-Rule“ (Rz. 3.298 f.).
1 A.A. Kroppen in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Rz. 147. 2 Vgl. Tz. 6.20 OECD-Leitlinien 2010. 3 Vgl. Kleineidam/Baumhoff/Seutter, DB 1986, 233 sowie Kroppen in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 147. 4 Vgl. Kleineidam/Baumhoff/Seutter, DB 1986, 233 sowie Kroppen in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 147. 5 Siehe hierzu insbesondere Kleineidam in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 103 ff.; Kuebart, Verrechnungspreise im internationalen Lizenzgeschäft, 208 ff.; Brändel, Verrechnungspreise bei grenzüberschreitender Lizenzierung von Marken im Konzern, 71 ff.
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V. Preisanpassungsklauseln 3.429 Wie bereits dargestellt (Rz. 3.165 ff.), regelt § 1 Abs. 3 Satz 11 AStG für Fälle, in denen der hypothetische Fremdvergleich zur Anwendung kommt, und für Funktionsverlagerungen (Rz. 3.429 ff.), wenn „wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter (…) Gegenstand einer Geschäftsbeziehung sind“, die widerlegbare Vermutung, „dass zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses Unsicherheiten im Hinblick auf die Preisvereinbarung bestanden und unabhängige Dritte eine sachgerechte Anpassungsregelung vereinbart hätten.“ Sofern eine (fremdübliche) Preisanpassungsklausel nicht vereinbart wurde und innerhalb der ersten zehn Jahre nach Geschäftsabschluss eine erhebliche Abweichung der Gewinnentwicklung eintritt, ist gem. § 1 Abs. 3 Satz 12 AStG eine einmalige Berichtigung des Verrechnungspreises für das Transferpaket vorzunehmen. Die Bezugnahme auf § 1 Abs. 3 Sätze 5 und 9 AStG einerseits und die Anknüpfung an die „tatsächliche Gewinnentwicklung“ in § 10 Abs. 1 Satz 1 FVerlV andererseits implizieren, dass die Preisanpassungsklausel nur im Fall der Verrechnungspreisermittlung für das Transferpaket durch den hypothetischen Fremdvergleich zur Anwendung kommen kann. Dies dürfte auch der Auffassung der Finanzverwaltung entsprechen, die davon ausgeht, dass ein wesentliches immaterielles Wirtschaftsgut häufig hochwertig und einzigartig sein wird und deshalb insoweit der hypothetische Fremdvergleich zum Tragen kommt.1 Sofern Verrechnungspreise für das Transferpaket unter Verwendung des tatsächlichen Fremdvergleichs abgeleitet werden, ist eine nachträgliche Preisanpassung i.S.v. § 1 Abs. 3 Satz 12 AStG hingegen nicht möglich.2
3.430 Eine nachträgliche Preisanpassung erfolgt auch bei Lizenzierung des Transferpakets dann nicht, wenn eine umsatz- und/oder gewinnabhängige Lizenzgebühr vereinbart ist. In diesem Fall kommt § 9 FVerlV zum Tragen. Hiernach stehen „Lizenzvereinbarungen, die die zu zahlende Lizenz vom Umsatz oder Gewinn des Lizenznehmers abhängig machen oder für die Höhe der Lizenz Umsatz und Gewinn berücksichtigen“, einer Anpassungsregelung gleich. Eine nachträgliche Preisanpassung infolge des Fehlens einer ausdrücklich vereinbarten Anpassungsregel (§ 1 Abs. 3 Satz 12 AStG) scheidet mithin aus.3 Diese Einschränkung ist auch sachgerecht, weil der Lizenzgeber bei einer umsatz- bzw. gewinnabhängigen Lizenzgebühr an jedweder Änderung – bzw. im Falle gestaffelter Lizenzsätze bei Über-/Unterschreiten der jeweiligen Grenzwerte – der Be-
1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.2.3.3 Rz. 76. 2 So auch Peter/Spohn/Hoff, IStR 2008, 864; Borstell/Wehnert in V/B/E, Verrechnungspreise3, Q Rz. 274. 3 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.9 Rz. 136.
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zugsgröße partizipiert. Dies bei umsatzabhängigen Lizenzgebühren allerdings ohne Berücksichtigung einer günstigeren Kostenentwicklung.1 Eine „erhebliche“ Abweichung der Gewinnermittlung liegt gem. § 10 FVerlV zum einen vor, wenn der unter Zugrundelegung der tatsächlichen Geschäftsentwicklung angemessene Verrechnungspreis außerhalb des ursprünglichen Einigungsbereichs liegt. Dabei wird der neue Einigungsbereich durch den ursprünglichen Mindestpreis und den neu zu ermittelnden Höchstpreis begrenzt. Der ursprüngliche Mindestpreis bleibt hierbei somit unverändert, während der Höchstpreis des übernehmenden Unternehmens anhand der tatsächlich erzielten Gewinne neu zu berechnen ist. Die Finanzverwaltung verweist in Tz. 138 der VWG Funktionsverlagerung beispielhaft darauf, dass der tatsächliche Nutzungszeitraum vom angenommenen Nutzungszeitraum abweicht.2 Insofern ist davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung endliche Kapitalisierungszeiträume (Rz. 3.419 ff.) innerhalb des Zehnjahreszeitraums sehr genau daraufhin überprüft, ob das Transferpaket bzw. dessen Bestandteile tatsächlich länger genutzt werden, als dies nach den Umständen der Funktionsausübung ursprünglich glaubhaft gemacht wurde.
3.431
Der zweite Fall des Vorliegens einer „erheblichen Abweichung“ ist dann gegeben, wenn die tatsächliche Gewinnentwicklung des übernehmenden Unternehmens – entgegen den geplanten Erwartungen – so ungünstig verläuft, dass kein Einigungsbereich mehr vorhanden ist. Dies ist dann der Fall, wenn der ursprüngliche Mindestpreis des verlagernden Unternehmens höher ist als der „neue“ Höchstpreis des übernehmenden Unternehmens.3 Diese durch die FVerlV erfolgte Auslegung des Begriffs „erhebliche Abweichung“ ist nicht fremdvergleichskonform. So ist es nicht einzusehen, warum selbst bei einer geringfügigen Überschreitung des ex ante ermittelten Einigungsbereichs eine „erhebliche“ Abweichung vorliegen soll. Dies ist insbesondere dann nicht vertretbar, wenn der Steuerpflichtige seinen Verrechnungspreis am Rand des Einigungsbereichs festgelegt hat. In diesem Fall würde schon eine geringfügige Abweichung zwischen Plan- und Ist-Werten ausreichen, um zu einer Überschreitung zu kommen. Eine solche Abweichung ist dann aber nicht erheblich. Bei der Auslegung des Begriffs „erhebliche Abweichung“ ist ferner zu berücksichtigen, dass Abweichungen zwischen Plan- und Ist-Werten nicht nur auf Unsicherheiten zum Zeitpunkt der Transaktion beruhen. Vielmehr ist es auch möglich, dass der Erwerber der immateriellen Wirtschaftsgüter besondere Anstrengungen unternimmt und Finanzmittel investiert, auf1 Vgl. Schaumburg, IStR 2009, 878. 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.9 Rz. 138. 3 Vgl. BR-Drucks. 352/08 v. 23.5.2008, 26; BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.9 Rz. 140.
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grund derer sich ein über die ursprünglich erwarteten Gewinne hinausgehender Erfolg durch die Verwendung immaterieller Wirtschaftsgüter erst einstellt. Der sich später herausstellende höhere Wert wäre also das Ergebnis der Maßnahmen des Erwerbers.
3.433 In einem solchen Fall ist es allerdings nicht vertretbar, den ursprünglichen Verkaufspreis anzupassen. Ein fremder Dritter wäre nicht bereit, nachträglich einen höheren Preis für die immateriellen Wirtschaftsgüter an den Verkäufer zu entrichten, wenn der höhere Wert auf den selbst eingeleiteten Maßnahmen beruhen würde. Ansonsten würde er letztlich doppelt zahlen: Einerseits müsste er – auf eigene Kosten – Maßnahmen zur Stärkung der immateriellen Wirtschaftsgüter durchführen, und andererseits würde er zusätzlich einen höheren Kaufpreis für die immateriellen Wirtschaftsgüter entrichten, nur weil er entsprechende Investitionen in die immateriellen Wirtschaftsgüter getätigt hat. Dass eine auf den eigenen Maßnahmen beruhende Wertsteigerung nicht zu einer nachträglichen Anpassung des Verkaufspreises der übertragenen immateriellen Wirtschaftsgüter führen kann, dürfte auch unmittelbar aus der BFH-Rechtsprechung ableitbar sein. In dem BFH-Urteil vom 9.8.2000 zur Nutzungsüberlassung von Marken innerhalb eines Konzerns1 wurde ausgeführt, dass es für die Höhe des Lizenzentgelts „insbesondere [darauf ankommt], wer den Wert der Marke geschaffen und wer die Aufwendungen für deren Begründung und dessen Erhalt (bspw. durch Weiterentwicklung, Werbung, Marketingmaßnahmen) getragen hat.“ Je höher der vom Lizenznehmer geleistete Anteil der Maßnahmen und Aufwendungen ist, desto niedriger fällt demnach das Lizenzentgelt aus. Diese Überlegung kann auch analog auf die Veräußerung immaterieller Wirtschaftsgüter übertragen werden. Je mehr die Abweichung ihres Werts auf Maßnahmen und Aufwendungen des Erwerbers beruht, desto weniger ist es gerechtfertigt, eine Anpassung im Nachhinein vorzunehmen.
3.434 Wenn – selbst unter Beachtung der vorstehenden Einschränkungen – eine erhebliche Abweichung der Gewinnentwicklung vorliegt, fingiert der Gesetzgeber eine widerlegbare Vermutung, dass unabhängige Dritte eine Anpassungsregelung vereinbart hätten. Hier ist die Frage zu stellen, aus welchen Erkenntnissen diese Vermutung abgeleitet wird. Zwar finden sich in der Unternehmenspraxis durchaus Anpassungsklauseln, insbesondere bei Unternehmensverkäufen.2 Sie stellen allerdings nicht den Normal-, sondern den Ausnahmefall dar. Es wird sogar wegen der erheblichen Schwierigkeiten bei der Ausgestaltung und Handhabung späterer Kaufpreiskorrekturen von derartigen Anpassungsklauseln abgeraten.3 Insofern findet sich keine befriedigende Begründung für die Fiktion des Gesetz1 Vgl. BFH v. 9.8.2000 – I R 12/99, BStBl. II 2001, 140. 2 Vgl. Lacher/Poppe, DB 1988, 1761; Baums, DB 1993, 1273. 3 Vgl. Mueller-Thuns in Rödder/Hötzel/Mueller-Thuns, Unternehmenskauf/Unternehmensverkauf, 178.
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gebers. Dies insbesondere auch nicht vor dem Hintergrund eines vermeintlichen Einklangs mit Fremdvergleichsgrundsatz und dessen Auslegung durch die OECD-Leitlinien 2010. Deutlich wird dies etwa in Tz. 135 der VWG Funktionsverlagerung. Dort führt die Finanzverwaltung die (zwingende) Vereinbarung einer Preisanpassungsklausel ausdrücklich auf den Fremdvergleichsgrundsatz zurück. Hiernach „vereinbaren ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter Preisanpassungsklauseln, wenn die Wertbestimmung (…) zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit erheblichen Unsicherheiten behaftet ist.“1 Hieran verwundert zum einen, dass das Gesetz das Bestehen von „Unsicherheiten“ unterstellt, während die Finanzverwaltung die zwingende Vereinbarung einer Preisanpassungsklausel bei „erheblichen Unsicherheiten“ sieht. Zum anderen beruft sich die Finanzverwaltung auf die OECD-Leitlinien 2010 (Tz. 3.72 f., 9.88 OECD-Leitlinien 20102). Wie bereits an anderer Stelle dargestellt, stützen diese Belegstellen in den OECD-Leitlinien 2010 die Auffassung der Finanzverwaltung nicht (Rz. 3.168). Vielmehr geht die OECD davon aus, dass für den konkreten Sachverhalt erst mittels eines Fremdvergleichs zu bestimmen ist, ob fremde Dritte eine Preisanpassungsklausel vereinbart hätten oder nicht.3
3.435
Der beachtliche Unterschied liegt in der Beweislastverteilung. Während die OECD von einer Beweislast der Finanzverwaltung ausgeht,4 regelt § 1 Abs. 3 Satz 11 AStG mittels einer widerlegbaren Vermutung eine Beweislastumkehr zulasten des Steuerpflichtigen.5 Insofern verbleibt dem Steuerpflichtigen lediglich darzulegen, dass zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses keine wesentlichen Unsicherheiten bestanden haben. Dies kann nach Auffassung der Finanzverwaltung etwa dadurch geschehen, dass wegen langjährig erzielter, stabiler Ergebnisse des verlagernden Unternehmens aus der Funktion zum Zeitpunkt der Verlagerung tatsächlich keine wesentlichen Unsicherheiten bestanden oder dass die tatsächliche Gewinnentwicklung durch unvorhergesehene Ereignisse beeinflusst worden ist, die voneinander unabhängige Dritte nicht hätten vorhersehen können.6
3.436
Die Preisanpassungsregel des § 1 Abs. 3 Sätze 11–12 AStG greift nur ein, wenn die betreffenden Unternehmen keine (fremdübliche) vertragliche
3.437
1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.9 Rz. 135. 2 Vgl. Tz. 3.73 f. u. 9.88 OECD-Leitlinien 2010. 3 Vgl. Tz. 3.73 OECD-Leitlinien 2010. Siehe ferner Tz. 6.28 ff. u. 9.93 f. OECDLeitlinien 2010. 4 Vgl. hierzu auch Kurzewitz, Die Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 278 f. 5 Vgl. auch BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.10 Rz. 141. 6 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.10 Rz. 141.
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Anpassungsklausel vereinbart haben. Im Hinblick auf die Entsprechung mit dem Fremdvergleichsgrundsatz stellt die Finanzverwaltung – außerhalb konkreter Vergleichsfälle – darauf ab, ob die vereinbarte Anpassungsklausel einen betriebswirtschaftlich ausgewogenen Interessenausgleich bewerkstelligt.1 Grundsätzlich sind die betreffenden Unternehmen frei, ihrer Preisanpassungsklausel auch kürzere Fristen als zehn Jahre zugrunde zu legen. Jedenfalls dürften erhebliche Freiräume bei der Gestaltung einer Anpassungsklausel bestehen.2 Die Steuerpflichtigen können insbesondere eine Vereinbarung erwägen, die Anpassungen nur unter ganz engen Voraussetzungen zulässt. Eine Anpassungsklausel sollte erst dann verworfen werden können, wenn zweifelsfrei gegen fremdübliche oder betriebswirtschaftlich begründbare Vorgehensweisen verstoßen wird. So ist aus empirischen Auswertungen von Preisanpassungsklauseln ableitbar, dass typischerweise eine Anpassungsdauer zwischen einem und drei Jahren zugrunde gelegt wird.3 Diese Fristen halten u.E. einem Fremdvergleich stand, an dem die Finanzverwaltung die Anerkennung der tatsächlich vereinbarten, kürzeren Frist festmacht.4
VI. Dokumentationspflichten bei Funktionsverlagerungen 3.438 Funktionsverlagerungen stellen regelmäßig außergewöhnliche Geschäftsvorfälle i.S.v. § 90 Abs. 3 Satz 3 AO i.V.m. § 3 Abs. 2 GAufzV dar, da sie mit einer Änderung von Geschäftsstrategien, d.h. mit wesentlichen Funktions- und Risikoänderungen, verbunden sind.5 Aufzeichnungen sind deshalb zeitnah, d.h. innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Wirtschaftsjahres, in dem sich Funktionsverlagerung ereignete,6 zu erstellen.7 Im Hinblick auf den für die Zeitnähe der Aufzeichnungen beachtlichen Zeitpunkt, in dem sich die Funktionsverlagerung ereignet hat, stellen die VWG Funktionsverlagerung auf das Wirtschaftsjahr ab, in dem der Tatbestand der Funktionsverlagerung nach § 1 Abs. 2 FVerlV vollständig verwirklicht wurde; dies ungeachtet später folgender, wirtschaftlich zur Funktionsverlagerung gehörender und deshalb in die Transferpaketbetrachtung einzubeziehender Geschäftsvorfälle.8 Insofern ist entgegen
1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.9 Rz. 137. 2 Vgl. Naumann, Status: Recht 2007, 203 f. 3 Vgl. Scholz, IStR 2007, 524. 4 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.9 Rz. 137. 5 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 3.3.1 Rz. 155. 6 Vgl. § 3 Abs. 1 GAufzV. 7 Vgl. auch BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.8.2. 8 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 3.3.1 Rz. 156.
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F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen
der VWG-Verfahren1 nicht auf das Wirtschaftsjahr abzustellen, in dem das Verpflichtungsgeschäft, d.h. die Entscheidung über die Funktionsverlagerung, erfolgte.2 Sukzessive Funktionsverlagerungen, deren Geschäftsvorfälle nach § 1 Abs. 2 Satz 3 FVerlV innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren zusammenfassend zu betrachten sind, unterliegen nicht bezogen auf die einzelnen Geschäftsvorfälle, sondern erst mit tatsächlicher Verwirklichung der Funktionsverlagerung den Dokumentationsanforderungen für außergewöhnliche Geschäftsvorfälle.3 Nach Auffassung der Finanzverwaltung rechnen zu den notwendigen Aufzeichnungen insbesondere auch alle die Funktionsverlagerung betreffenden schriftlichen Verträge, weil sie – jedenfalls im Ausgangspunkt – für die konkrete Disposition des Steuerpflichtigen und damit letztlich auch für die Bestimmung von Verrechnungspreisen von erheblicher praktischer Bedeutung sind.4 Allerdings ordnet Tz. 97 der VWG Funktionsverlagerung5 formale Anforderungen („in Form von im Voraus abgeschlossenen, klaren und eindeutigen [möglichst schriftlichen] Verträgen“) zutreffend der Nachweis- bzw. Beweisvorsorge zu. Ihr Fehlen erhöht die Darlegungslast des Steuerpflichtigen im Rahmen der erweiterten Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten nach § 90 Abs. 2 AO über den abgeschlossenen Vertrag als solchen und dessen Inhalt.6 Im Zweifel unterstellt die Finanzverwaltung – unter Hinweis auf Tz. 9.11 OECDLeitlinien – Verträge, die dem konkreten Verhalten der betreffenden Unternehmen entsprechen.7 Die Nichtvorlage von Verträgen über die Funktionsverlagerung für sich genommen löst insofern nicht die Rechtsfolgen des § 162 Abs. 3 Satz 3 AO wegen Nichtvorlage der nach § 90 Abs. 3 Satz 3 AO geforderten Aufzeichnungen oder wegen im Wesentlichen unverwertbarer Aufzeichnungen aus.
3.439
Im Rahmen der Erstellung der Dokumentation über die Funktionsverlagerung ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Steuerpflichtige die Besteuerungsfolgen einer Funktionsverlagerung in nicht unwesentlichem Ausmaß dahin gehend beeinflussen kann, dass er die von ihm behaupteten Umstände „glaubhaft“ macht. So hat der Steuerpflichtige etwa das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen der Wesentlichkeit immaterieller Wirtschaftsgüter mit der Folge glaubhaft zu machen, dass der Anwendungsbe-
3.440
1 Vgl. auch BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.8.2. 2 So auch Borstell/Wehnert in V/B/E, Verrechnungspreise3, Q Rz. 747. 3 Vgl. BR-Drucks. 352/08 v. 23.4.2008, 11. 4 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 3.3.1.2 Rz. 157. 5 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.4 Rz. 97. 6 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 3.1 Rz. 145 ff. 7 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 3.3 Rz. 151.
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reich einer Öffnungsklausel zur Einzelbewertung nach § 1 Abs. 3 Satz 10 AStG eröffnet ist (Rz. 3.360 ff.). Hierzu hat der Steuerpflichtige auf Anforderung Unterlagen vorzulegen, aus denen sich die für die Unternehmensentscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte für die Funktionsverlagerung die im Rahmen der Funktionsverlagerung übertragenen bzw. zur Nutzung überlassenen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile sowie die relativen Wertverhältnisse ergeben.1 Im Rahmen von Funktionsverdopplungen mit nachfolgender Funktionseinschränkung beim verlagernden Unternehmen wird eine Funktionsverlagerungsbesteuerung nach § 1 Abs. 6 Satz 2 FVerlV dann nicht ausgelöst, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die Einschränkung nicht in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Funktionsverdoppelung steht.2 Nach § 6 FVerlV müssen Gründe für einen bestimmten, von der Funktionsausübung abhängigen Kapitalisierungszeitraum glaubhaft gemacht werden, um den anderenfalls zugrunde zu legenden unbegrenzten Kapitalisierungszeitraum zu suspendieren. Nach § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG erfordert eine andere als die hälftige Teilung des Einigungsbereichs die Glaubhaftmachung eines anderen als des Mittelwertes, der dem Fremdvergleich mit der größten Wahrscheinlichkeit entspricht. Nach Auffassung der Finanzverwaltung können als Kriterien hierfür die jeweiligen Marktpositionen, das jeweilige mit der Transaktion verbundene Interesse, die Kapitalausstattung und Ertragslage der Kontrahenten, die Entstehung von Synergieeffekten, jeweiligen Standortvorteile sowie die Höhe ersparter Anlaufkosten des übernehmenden Unternehmens herangezogen werden.3 Diese nicht abschließenden Beispiele mögen hinreichend verdeutlichen, dass Darlegungen darüber, dass für eine behauptete Tatsache eine überwiegende Wahrscheinlichkeit gegeben ist, eine dementsprechende Erstellung oder Aufbereitung der Aufzeichnungen bereits bei der Erfüllung der Dokumentationspflichten erforderlich macht.
3.441 Die VWG Funktionsverlagerung verlangen die Erstellung und Vorlage insbesondere folgender Aufzeichnungen:4 – im Rahmen der Sachverhaltsdokumentation – Veränderungen der operativen Konzernstruktur, der Personalstruktur und der Verträge, die den Geschäftsbeziehungen mit den Nahestehenden zugrunde liegen (§ 4 Nr. 1 Buchst. c u. Nr. 2 GAufzV);
1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.1.5.2 Rz. 41. 2 Siehe hierzu auch BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.1.6.2.2 Rz. 46 f. 3 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 2.7.6 Rz. 128. 4 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 3.3.1.2 Rz. 157. Siehe zu Dokumentationsbestandteilen auch Borstell, IStR 2009, 334 f.; Borstell/Wehnert in V/B/E, Verrechnungspreise3, Q Rz. 759 ff.
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G. Dokumentationspflichten im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung
– Informationen über die Änderung von Geschäftsstrategien (§ 5 Satz 2 Nr. 1 GAufzV); – Aufzeichnungen über die betriebswirtschaftlichen Bewertungsgrundlagen und -methoden sowie die eintretenden Vorteile bzw. Nachteile der Funktionsverlagerung sowohl aus Sicht der Unternehmensgruppe als auch aus Sicht der betroffenen Unternehmen, die Grundlage für die Entscheidung waren, die Funktionsverlagerung durchzuführen; – eine Verrechnungspreisanalyse (§ 4 Nr. 4 GAufzV), aus der sich die Angemessenheit des Verrechnungspreises für das Transferpaket bzw. für die betroffenen Wirtschaftsgüter und Vorteile aus Sicht der beteiligten Unternehmen, ausgehend von deren Gewinnprognosen ergibt; – Aufzeichnungen über die angewandten Verrechnungspreismethoden für den laufenden Liefer- und Leistungsverkehr vor und nach der Funktionsverlagerung, die die geänderte Funktionsaufteilung berücksichtigen; – Aufzeichnungen über Forschungsvorhaben und Forschungstätigkeiten (§ 5 Satz 2 Nr. 6 GAufzV), weil diese Hinweise dafür enthalten können, dass immaterielle Wirtschaftsgüter von einer Funktionsverlagerung betroffen sind.
G. Dokumentationspflichten im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung I. Dokumentationsvorgaben der OECD Wenngleich die OECD-Leitlinien 2010 in einem eigenständigen Abschnitt (Kap. V) ausführlich auf die Problematik der Dokumentation der Verrechnungspreisermittlung eingehen, konnten sich bislang keine international harmonisierten Dokumentationsgrundsätze etablieren. Dies insbesondere deswegen, weil die Dokumentationspflichten in einem unmittelbaren Zusammenhang zu den allgemeinen Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen im Besteuerungsverfahren stehen und somit maßgeblich von nationalen Vorschriften des steuerlichen Verfahrensrechts bestimmt werden.1 Insoweit sind die Dokumentationsvorschriften der OECD-Leitlinien 2010 allenfalls als Empfehlung zu verstehen, an der sich die jeweiligen nationalen verfahrensrechtlichen Regelungen auszurichten haben. Vor diesem Hintergrund hat sich aufgrund der national sehr unterschiedlich ausgestalteten Besteuerungsverfahren ein Nebeneinander von international unterschiedlichsten Dokumentationserfordernissen entwickelt, 1 Vgl. z.B. für das deutsche Steuerrecht §§ 90 ff. u. 140 ff. AO sowie die GAufzV v. 13.11.2003, BGBl. I 2003, 2296.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
wobei nicht in allen Steuerrechtskreisen Klarheit darüber besteht, welche Tatbestände in welchem Umfang im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung in concreto zu dokumentieren sind.1 Begrüßenswert sind in diesem Zusammenhang Bestrebungen der EU, die Dokumentationspflichten zumindest in der EU in Anlehnung an die Vorgaben der OECD-Leitlinien zu harmonisieren. Der Rat der EU hat am 27.6.2006 hierzu einen Vorschlag der EU-Kommission und des von dieser eingesetzten Joint Transfer-Pricing Forums zur Vereinheitlichung der Verrechnungspreisdokumentation in der EU angenommen.2 Allerdings ist der einheitliche Dokumentationsansatz für die Mitgliedstaaten nicht verbindlich, sodass weitergehende nationale Anforderungen hinzutreten können.3 Einen vergleichbaren Ansatz harmonisierter Mindeststandards für die Verrechnungspreisdokumentation (sog. „PATA Documentation Package“) hat die „Pacific Association of Tax Administrators (PATA)“, einem internationalen Zusammenschluss der Finanzbehörden von Australien, Kanada, Japan und den USA, am 12.3.2003 unternommen.4 Auch hier ist es dem Steuerpflichtigen freigestellt, die Mindeststandards als Gesamtheit anzuwenden oder die jeweiligen nationalen Regelungen zu befolgen.
3.443 Nach Auffassung der OECD sollte der Steuerpflichtige solche Unterlagen erstellen bzw. bereithalten, die dokumentieren, dass der durch den Steuerpflichtigen ermittelte Verrechnungspreis dem Grundsatz des Fremdvergleichs entspricht.5 Dabei sind – im Einklang mit dem Ex-ante-Grundsatz – diejenigen Erkenntnisse zugrunde zu legen, die im Zeitpunkt der Preisfestsetzung vernünftigerweise zugänglich sind.6 In diesem Zusammenhang ist auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu genügen, d.h., die Erstellung und Beschaffung von Unterlagen muss in einem ausgewogenen Verhältnis zu dem damit verbundenen Kosten- und dem Arbeitsaufwand stehen.7 Hinsichtlich der konkret seitens des Steuerpflichtigen zu erstellenden Unterlagen geben die OECD-Leitlinien 2010 keinen verpflichtenden Mindestkatalog vor, sondern beschreiben vielmehr diejenigen Dokumentationsangaben, die sich als „nützlich“, „vorteilhaft“ oder „hilfreich“ erweisen können.8 Insoweit wird es weitgehend in das Ermessen des Steuerpflich1 So etwa in Deutschland vor Einführung des § 90 Abs. 3 AO u. der GAufzV v. 13.11.2003, BGBl. I 2003, 2296. 2 ABl. EU 2006/C 176, 1 ff. 3 Vgl. hierzu und zu der EU Transfer Pricing Documentation (TPD) Cordes, Steuerliche Aufzeichnungspflichten bei internationalen Verrechnungspreisen, 244 ff. m.w.N. 4 Siehe hierzu ausführlich Ackermann/Heimer/Wood u.a., TNI July/2002, 556 f.; Kroppen/Reis, IWB Fach 10 Gruppe 2, 1623 ff.; Hobster/Thibeault/Tomar/ Wright, ITPJ May/June 2003, 83 ff.; Cordes, Steuerliche Aufzeichnungspflichten bei internationalen Verrechnungspreisen, 254 ff. m.w.N. 5 Vgl. Tz. 5.2 OECD-Leitlinien 2010. 6 Vgl. Tz. 5.3 OECD-Leitlinien 2010. 7 Vgl. Tz. 5.6 f. OECD-Leitlinien 2010. 8 Vgl. Tz. 5.16 ff. OECD-Leitlinien 2010.
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G. Dokumentationspflichten im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung
tigen gestellt bzw. der Präzisierung durch nationale gesetzliche Vorschriften oder durch Verlautbarungen der nationalen Steuerbehörden überlassen, in welcher Art und in welcher Form der Steuerpflichtige seine Verrechnungspreisermittlung dokumentiert. Hinsichtlich der „nützlichen“ und „hilfreichen“ Informationen einer Verrechnungspreisdokumentation erwähnen die OECD-Leitlinien 2010 – systematisiert und somit abweichend von der Vorgehensweise der Tz. 5.16 ff. OECD-Leitlinien 2010 – die folgenden Tatbestände: – Informationen über die an der Leistungsbeziehung beteiligten Konzernunternehmen: – Beteiligungsverhältnisse im Konzern (Organigramm); – Geschäftstätigkeit und Organisationsaufbau; – Art und Umfang der Leistungsbeziehungen zwischen den Konzernunternehmen; – Informationen hinsichtlich der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage (z.B. im Rahmen von Jahresabschlussdaten); – Informationen hinsichtlich besonderer Geschäftsstrategien (z.B. Markteroberung, Einführung neuer Produkte, Verteidigung des Marktanteils etc.); – Informationen über das Umfeld der betroffenen Konzernunternehmen: – branchenmäßige Besonderheiten; – allgemeine Wirtschaftsentwicklung; – besondere Wettbewerbsbedingungen (z.B. staatliche Regulierungen); – technischer Fortschritt; – Informationen im Hinblick auf die zu bewertenden Leistungsbeziehungen: – Art, Umfang und Konditionen der Leistungsbeziehung; – jeweils ausgeübte Funktionen, getragene Risiken und eingesetzte Produktionsmittel; – Lieferweg; – Verhandlungsverlauf zwischen den Konzerngesellschaften; – Informationen über die angewandte Verrechnungspreismethode: – Beschreibung der konkreten Verrechnungspreisermittlung; – Angaben über die im Rahmen der Funktionsanalyse identifizierten Referenzunternehmen und Referenztransaktionen; – Ermittlung von Vergleichsdaten; – Durchführung eines Vorteilsausgleichs. Im Übrigen sehen die OECD-Leitlinien 2010 außerhalb des Kap. V in Kap. VIII weitere Dokumentationsvorschriften im Zusammenhang mit Kostenumlageverträgen (Rz. 3.321 ff.) vor. Diese betreffen insbesondere die in einem Umlagevertrag zu regelnden Abreden sowie darüber hinausgehen-
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
de Informationen, z.B. im Zusammenhang mit der Ermittlung des Umlageschlüssels.1
II. Dokumentationspflichten im Rahmen des nationalen Verfahrensrechts 1. Regelungsinhalt des § 90 Abs. 3 AO
3.444 Der BFH hat in seinem Grundsatzurteil vom 17.10.20012 sowie dem dazu ergangenen Beschluss vom 10.5.20013 ausführlich zu Dokumentationsund Mitwirkungspflichten bei der Prüfung internationaler Verrechnungspreise Stellung bezogen.4 Danach kommt der BFH zum Ergebnis, dass nach damals gültigem Recht außerhalb der Buchführungspflicht gem. §§ 238 ff. HGB und §§ 140 ff. AO keine verrechnungspreisspezifischen Dokumentationspflichten existierten.
3.445 Auf diese beiden Entscheidungen des BFH hat der Gesetzgeber reagiert und mit dem Steuervergünstigungsabbaugesetz5 Regelungen zu Dokumentationspflichten im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung in § 90 Abs. 3 AO aufgenommen. Hiernach ist der Steuerpflichtige verpflichtet, bei Sachverhalten, die Vorgänge mit Auslandsbezug betreffen, über die Art und den Inhalt seiner Geschäftsbeziehungen mit nahe stehenden Personen i.S. des § 1 Abs. 2 AStG Aufzeichnungen zu erstellen.6 Diese Aufzeichnungspflicht, die erstmals für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2002 beginnen, anzuwenden ist,7 umfasst auch die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen für eine den Grundsatz des Fremdvergleichs beachtende Vereinbarung von Preisen und anderen Geschäftsbedingungen mit der nahe stehenden Person. Zur weiteren Konkretisierung der Dokumentationspflichten hat der Gesetzgeber die sog. Gewinnabgrenzungsaufzeichnungs1 2 3 4
Vgl. Tz. 8.40 ff. OECD-Leitlinien 1995/96. Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. Vgl. BFH v. 10.5.2001 – I S 3/01, IStR 2001, 474. Die Entscheidungen haben im Schrifttum eine heftige Diskussion über die Notwendigkeit einer Verrechnungspreisdokumentation ausgelöst. Vgl. Baumhoff, IStR 2001, 751 ff.; Gosch, StBp 2001, 360; Kuckhoff/Schreiber, IWB Fach 3 Deutschland Gruppe 1, 863 ff.; Grützner, StuB 2002, 22 ff.; Hoffmann, GmbHR 2001, 1169 ff.; Kaminski/Strunk, IWB Fach 3 Deutschland Gruppe 1, 1831 ff.; Kroppen/Rasch/Roeder, IWB Fach 3 Deutschland Gruppe 1, 1787 ff.; Pezzer, FR 2002, 279; Wassermeyer, DB 2001, 2465 ff.; Wassermeyer, WPg 2002, 13 ff.; Andresen, RIW 2002, 134 ff.; Lahodny-Karner/Furherr, SWI 2002, 14 ff.; Wehner/Stalberg, IStR 2002, 141 ff.; Seer, FR 2002, 382; Baumhoff, IStR 2003, 2; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 107 ff. u. 351 ff. 5 StVergAbG v. 16.5.2003, BGBl. I 2003, 660 sowie die Gesetzesbegründung in BRDrucks. 866/02 v. 28.11.2002, 83. 6 Zur möglichen Europarechtswidrigkeit dieser Regelung vgl. Hahn/SuhrbierHahn, IStR 2003, 84 ff.; Schnitger, IStR 2003, 75 f.; Joecks/Kaminski, IStR 2004, 65. 7 Vgl. § 22 EGAO (Einführungsgesetz zur AO).
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G. Dokumentationspflichten im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung
verordnung vom 13.11.2003 (GAufzV)1 erlassen und die Finanzverwaltung das BMF-Schreiben vom 12.4.2005 (sog. VWG-Verfahren)2 veröffentlicht. Die Aufzeichnungen bzw. die Verrechnungspreisdokumentationen sind nach § 90 Abs. 3 Satz 6 AO im Regelfall nur im Rahmen einer Außenprüfung vorzulegen.3 Das FA soll für die Anforderung der Aufzeichnungen die Geschäftsbereiche und die Geschäftsbeziehungen des Steuerpflichtigen bezeichnen, die Gegenstand ihrer Prüfung sein sollen, und dabei Art und Umfang der angeforderten Aufzeichnungen angeben.4 Insoweit sind nicht die gesamten Dokumentationen des Steuerpflichtigen, sondern nur die von der Außenprüfung angeforderten Teilbereiche vorzulegen. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass die Betriebsprüfungspraxis zunächst versuchen wird, möglichst viele Informationen vom Steuerpflichtigen zu erhalten und damit sämtliche Aufzeichnungen, d.h. die gesamte Verrechnungspreisdokumentation, anzufordern.5 Einer entsprechenden Anforderung durch die Finanzverwaltung hat der Steuerpflichtige innerhalb von 60 Tagen nachzukommen.6 Für außergewöhnliche Geschäftsvorfälle, zu denen nach § 3 Abs. 2 GAufzV z.B. Funktionsverlagerungen, Umstrukturierungsmaßnahmen oder der Abschluss langfristiger Verträge mit besonderem Gewicht rechnen, beträgt die Frist zur Vorlage erforderlicher Aufzeichnungen 30 Tage.7
3.446
Da in § 90 Abs. 3 AO bzw. der GAufzV außer einer Regelung für außergewöhnliche Geschäftsvorfälle keine Vorschriften über den Zeitpunkt der Dokumentationserstellung existieren, reicht der Zeitrahmen für die Dokumentationserstellung bei „normalen“ Geschäftsvorfällen prinzipiell bis zum Vorlagezeitpunkt bei der Finanzverwaltung.8 Allerdings scheint es nicht zweckmäßig, diesen Zeitrahmen für die Dokumentationserstellung voll auszunutzen. So zeigt die Verrechnungspreispraxis, dass sich
3.447
1 BGBl. I 2003, 2296. Zur GAufzV im Einzelnen vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2004, 157 ff.; Hambitzer, StBp 2003, 295 ff.; Eigelshoven/Kratzer, IStR 2004, 30 ff.; Kaminski/Strunk, StBp 2004, 1 ff.; zu verfassungsrechtlichen Fragen der GAufzV vgl. Frotscher in FS Wassermeyer, 391 ff. 2 BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570. 3 Dabei ist auch der digitale Datenzugriff der Finanzverwaltung gem. § 147 Abs. 6 AO zu beachten. Vgl. dazu Schaumburg, DStR 2002, 833; Ditz, DStR 2004, 2038 ff.; Kroppen/Schnell, IWB Fach 3 Gruppe 1, 1771 f. 4 Vgl. § 2 Abs. 6 GAufzV. 5 In der Betriebsprüfungspraxis hat sich mittlerweile eine zweistufige Anforderung herausgebildet, vgl. hierzu Fischer/Looks/Schlaa, BB 2010, 158. 6 § 90 Abs. 3 Satz 8 AO. 7 § 90 Abs. 3 Satz 9 AO. Kritisch zur gesonderten Vorlage der außergewöhnlichen Geschäftsvorfälle angesichts der Vorlagepflicht der gesamten Verrechnungspreisdokumentation nach 60 Tagen, die auch die Funktions- und Risikoanalyse sowie die Verrechnungspreisanalyse enthält, IDW, IDW-FN 2007, 207; Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 577; Strunk/Kaminski, BB 2007, 602 f. 8 Vgl. IDW, Beiheft zu FN-IDW 4/2006, B6; BT-Drucks. 15/481 v. 20.2.2003, 18.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
Dokumentationsunterlagen im Nachhinein, d.h. mehrere Jahre nach Verwirklichung eines Geschäftsvorfalls, nur mit einem erheblichen Arbeitsund Zeitaufwand oder überhaupt nicht mehr erstellen lassen.1 Vor diesem Hintergrund ist zu empfehlen, auf der Basis einer konzerninternen Dokumentationsrichtlinie einen Geschäftsvorfall unmittelbar nach dessen Abwicklung zu dokumentieren und entsprechende Unterlagen anzulegen.2 Bei außergewöhnlichen Geschäftsvorfällen, zu denen nach § 3 Abs. 2 GAufzV z.B. Funktionsverlagerungen, Umstrukturierungsmaßnahmen oder der Abschluss langfristiger Verträge mit besonderem Gewicht zählen, sind die erforderlichen Aufzeichnungen nach § 90 Abs. 3 Satz 3 AO zeitnah, d.h. innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Wirtschaftsjahres, in dem sich der Geschäftsvorfall ereignete,3 zu erstellen.4
3.448 Die Vorschrift des § 90 Abs. 3 AO sieht eine Dokumentationsverpflichtung nur für Geschäftsbeziehungen mit nahe stehenden Personen vor. Hinsichtlich der Definition der „nahe stehenden Person“ wird in § 90 Abs. 3 Satz 1 AO unmittelbar auf § 1 Abs. 2 AStG Bezug genommen. Insofern kann eine Verrechnungspreisdokumentation für Leistungsbeziehungen mit Personen, welche die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 AStG (Rz. 3.50) nicht erfüllen, nicht verlangt werden. Liefert eine Unternehmung beispielsweise an eine im Ausland ansässige verbundene Unternehmung, an der sie nur zu 20 % beteiligt ist und bei der im Übrigen auch die weiteren Kriterien des § 1 Abs. 2 AStG nicht erfüllt sind, so muss sie hierzu keine, über das Maß einer normalen Inlandslieferung hinausgehenden Unterlagen (Aufbewahrung von Lieferschein und Rechnung)5 führen. Was indessen unter einer Geschäftsbeziehung i.S. des § 90 Abs. 3 Satz 1 AO zu verstehen ist, bleibt nach dem Wortlaut der Vorschrift unklar. Es wäre nahe liegend, die gesetzliche Definition der Geschäftsbeziehung gem. § 1 Abs. 5 AStG auch für Zwecke des § 90 Abs. 3 AO heranzuziehen. Eine Geschäftsbeziehung gem. § 1 Abs. 5 AStG setzt einen schuldrechtlichen Leistungsaustausch zwischen den international verbundenen Unternehmen voraus (Rz. 3.47). Daraus wird im Schrifttum6 die Auffassung abgeleitet, dass Kostenumlagen nach dem Poolkonzept (Rz. 3.321 ff.)
1 Z.B. weil die verantwortlichen Mitarbeiter aus dem Unternehmen mittlerweile ausgeschieden sind. Vgl. zum Zeitpunkt der Erstellung von Aufzeichnungen auch Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Verf. Anm. 142. 2 Dies sollte für bestimmte Geschäftsbeziehungen in regelmäßigen Zeitabständen (z.B. viertel- oder halbjährlich) passieren. 3 Vgl. § 3 Abs. 1 GAufzV. 4 Vgl. auch BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.8.2. 5 Vgl. §§ 144 u. 146 AO. 6 Vgl. Schnorberger, DB 2003, 1242; Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 911.
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G. Dokumentationspflichten im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung
von der Dokumentationsverpflichtung des § 90 Abs. 3 AO ausgeschlossen seien, weil sie keine – auf einem schuldrechtlichen Leistungsaustausch beruhende – Geschäftsbeziehung i.S. des § 1 Abs. 5 AStG begründen würden. Nichts anderes gilt nach der beabsichtigten Neufassung des Begriffs der Geschäftsbeziehung nach dem Regierungsentwurf eines Jahressteuergesetzes 2013 vom 23.5.2012.1 Nach § 1 Abs. 4 Satz 1 AStG-E sollen Geschäftsbeziehungen nicht mehr wie gegenwärtig gemäß § 1 Abs. 5 AStG als „jede schuldrechtliche Beziehung“, sondern als „einzelne oder mehrere zusammenhängende wirtschaftliche Vorgänge (Geschäftsvorfälle)“ definiert werden. Ausgenommen sind jedoch weiterhin „gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen“, wie sie der Umlagevertrag als gesellschaftsvertragliche Grundlage des Pools als Innengesellschaft darstellt (vgl. Rz. 3.310 und 3.321). Dementsprechend ist auch die in § 1 Abs. 4 Satz 2 AStG-E geregelte gesetzliche Fiktion, dass „voneinander unabhängige ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter (…) bestehende Rechtspositionen geltend machen würden“ nicht anwendbar, da sie eine Geschäftsbeziehung voraussetzt. Ob eine derartige Auslegung des § 90 Abs. 3 AO i.V.m. § 1 Abs. 5 AStG jedoch vom Steuergesetzgeber beabsichtigt ist und im Rahmen eines finanzgerichtlichen Verfahrens durchgesetzt werden könnte, ist äußerst fraglich. Denn Poolumlagen stellen in der Verrechnungspreispraxis eine wichtige und häufig angewandte innerkonzernliche Verrechnungsform dar, deren Ausnahme von der Dokumentationspflicht – insbesondere gegenüber dem schuldrechtlichen Leistungsbereich – nicht zu rechtfertigen ist. Insoweit stellt § 1 Abs. 1 Satz 3 GAufzV ausdrücklich klar, dass die Dokumentationspflichten des § 90 Abs. 3 AO auch bei Geschäftsbeziehungen gelten sollen, die keinen Leistungsaustausch zum Gegenstand haben (z.B. Kostenumlageverträge und die Arbeitnehmerentsendung).2 2. Aufbau und Inhalt einer Verrechnungspreisdokumentation Der Begriff der Verrechnungspreisdokumentation wird weder im Gesetz noch in der GAufzV oder den VWG-Verfahren verwendet oder definiert. Vielmehr wird hier von „Aufzeichnungen“ gesprochen, welche der Steuerpflichtige im Zusammenhang mit seiner Verrechnungspreisermittlung zu erstellen, aufzubewahren und ggf. den Finanzbehörden vorzulegen hat.3 Eine Verrechnungspreisdokumentation ist an keine äußere Form gebunden und somit als (lose) Sammlung verschiedener Unterlagen zu Geschäftsbeziehungen mit nahe stehenden Personen anzusehen. Die ent-
1 Vgl. hierzu BR-Drucks. 302/12. 2 Vgl. auch BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.5. Kritisch zur Konkretisierung gesetzlich verwandter Begriffe und Tatbestandsmerkmale außerhalb von § 90 Abs. 3 AO Frotscher in FS Wassermeyer, 395. 3 Vgl. etwa § 90 Abs. 3 Satz 1 AO; § 1 Abs. 1 u. § 4 GAufzV; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.12.1.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
sprechenden Unterlagen sind in schriftlicher oder elektronischer Form zu erstellen, in sachgerechter Ordnung zu führen und – mindestens zehn Jahre1 – aufzubewahren. Darüber hinaus schreibt § 2 Abs. 1 GAufzV vor, dass die Aufzeichnungen es einem sachverständigen Dritten innerhalb einer angemessenen Frist ermöglichen müssen festzustellen, welche Sachverhalte der Steuerpflichtige im Zusammenhang mit seinen Geschäftsbeziehungen zu nahe stehenden Personen verwirklicht hat und ob und inwieweit er dabei den Grundsatz des Fremdvergleichs beachtet hat. Dabei muss sich der Steuerpflichtige „ernsthaft bemühen“, seine Geschäftsbeziehungen zu nahe stehenden Personen unter Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes abzurechnen.2 Prinzipiell bietet es sich an, die spezifische Verrechnungspreisdokumentation einer international verbundenen Unternehmung an den Vorgaben der §§ 4 und 5 GAufzV auszurichten. In diesem Zusammenhang sind – immer bezogen auf die Umstände des Einzelfalls3 – die folgenden Tatbestände zu dokumentieren:4
3.450 1. Allgemeine Informationen über Beteiligungsverhältnisse, Geschäftsbetrieb und Organisationsaufbau der Unternehmensgruppe:5 – Darstellung der Beteiligungsverhältnisse zwischen dem Steuerpflichtigen und nahe stehenden Personen i.S. des § 1 Abs. 2 AStG, mit denen er Geschäftsbeziehungen unterhält (einschließlich deren Veränderungen) (Rz. 3.50 und 3.448); – Darstellung sonstiger Umstände, die das „Nahestehen“ i.S. des § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG begründen können; – Darstellung der organisatorischen und operativen Konzernstruktur sowie deren Veränderungen (einschließlich Betriebsstätten und Beteiligungen an Personengesellschaften); – Beschreibung der Tätigkeitsbereiche des Steuerpflichtigen (z.B. ausgeübte Funktionen in Form von Dienstleistungen, Produktion, Forschung und Entwicklung etc.). Die vorstehenden Dokumentationsunterlagen dienen in erster Linie dazu, dem Betriebsprüfer zu Beginn der Prüfung einen Überblick über die Unternehmensgruppe zu verschaffen und ihm die Möglichkeit zu geben, frühzeitig Prüfungsschwerpunkte zu setzen. Die dargestellten Unterneh-
1 Vgl. § 147 Abs. 3 u. 4 AO; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.2.3. 2 Vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 GAufzV. 3 Vgl. § 2 Abs. 2 GAufzV. 4 Für kleinere Unternehmen, bei denen die Entgelte aus der Lieferung von Gütern oder Waren an nahe stehende Unternehmen 5 Mio. Euro und die Entgelte aus anderen Leistungen an nahe stehende Unternehmen 500 000 Euro nicht übersteigen, gelten die Erleichterungen des § 6 GAufzV. 5 Vgl. § 4 Nr. 1 GAufzV; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.11.2.
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mensinformationen beziehen sich i.d.R. auf allgemeine, im Zeitablauf gleichbleibende bzw. sich wenig ändernde Tatbestände der Verrechnungspreisermittlung und brauchen daher nicht jedes Jahr neu erstellt zu werden. Insoweit ist es zweckmäßig, diese Stammdaten der Verrechnungspreisermittlung1 – ggf. EDV-gestützt – abzulegen und sie in regelmäßigen Abständen (z.B. halbjährlich) auf ihre Aktualität zu prüfen und – falls erforderlich – zu ergänzen bzw. zu aktualisieren.2 2. Geschäftsbeziehungen zu nahe stehenden Personen:3 – Darstellung der Geschäftsbeziehungen (Rz. 3.448) mit nahe stehenden Personen, insbesondere im Rahmen einer Übersicht über Art und Umfang dieser Geschäftsbeziehungen und deren vertragliche Grundlagen (z.B. für Wareneinkauf, Dienstleistungen, Darlehensverhältnisse, Nutzungsüberlassungen und Kostenumlagen);4 – Zusammenstellung – in Form einer Liste – der wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter, die dem Steuerpflichtigen gehören und die er im Rahmen seiner Geschäftsbeziehungen zu nahe stehenden Personen nutzt oder zur Nutzung überlässt (Rz. 3.288 ff.). Auch die Aufzeichnungen zu innerkonzernlichen Geschäftsbeziehungen betreffen zu einem Großteil Tatbestände, die im Zeitablauf einer gewissen Beständigkeit unterliegen. Insoweit bietet es sich auch hier an, diese Informationen als Stammdaten der Verrechnungspreisermittlung nicht jedes Jahr neu zu erstellen, sondern vielmehr in regelmäßigen Abständen zu aktualisieren. Dies gilt indessen nicht für außergewöhnliche Geschäftsvorfälle,5 die gem. § 90 Abs. 3 Satz 3 AO „zeitnah“ zu erfassen sind und i.d.R. ein bestimmtes Wirtschaftsjahr betreffen.
1 Zur Unterscheidung zwischen Stamm- und Transaktionsdaten im Rahmen der Verrechnungspreisdokumentation vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2004, 159 f.; Arbeitshilfe zur Verrechnungspreisdokumentation des IDW, Beiheft zu FN-IDW 6/2004, B 5 f. 2 Eine Aktualisierung ist insbesondere bei wesentlichen Änderungen der Konzernstruktur, z.B. im Rahmen außergewöhnlicher Geschäftsvorfälle i.S. des § 3 Abs. 2 GAufzV, notwendig. 3 Vgl. § 4 Nr. 2 GAufzV; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.11.3. 4 Weder § 90 Abs. 3 AO noch die GAufzV beschränken die Dokumentationspflicht auf wesentliche, d.h. einen bestimmten Mindestumfang oder -betrag überschreitende, Geschäftsbeziehungen. 5 Dies sind gem. § 3 Abs. 2 GAufzV insbesondere Vermögensübertragungen im Zuge von Umstrukturierungsmaßnahmen, wesentliche Funktions- und Risikoänderungen, Geschäftsvorfälle im Anschluss an eine erhebliche Veränderung der Geschäftsstrategie sowie der Abschluss und die Änderung langfristiger Verträge (Dauerschuldverhältnisse) von besonderem Gewicht, die sich erheblich auf die Höhe der Einkünfte aus den Geschäftsbeziehungen zu Nahestehenden auswirken. Vgl. auch BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.8.2.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
3.452 Da der Dokumentation eine transaktions- bzw. geschäftsvorfallbezogene Betrachtungsweise zugrunde liegt,1 bietet es sich an, die konzerninternen Geschäftsbeziehungen differenziert nach Lieferungs- und Leistungsgruppen zu dokumentieren. Die Dokumentation sollte dabei die Art und den Umfang (der Menge und der Höhe nach) des Leistungsaustausches beschreiben. In diesem Zusammenhang konzediert § 2 Abs. 3 Sätze 2 ff. GAufzV eine Transaktionsbündelung für die Verrechnungspreisdokumentation, wenn – die Geschäftsvorfälle gemessen an Funktionen und Risiken wirtschaftlich vergleichbar sind sowie die Gruppenbildung nach vorher festgelegten und nachvollziehbaren Regeln vorgenommen wurde und die Geschäftsvorfälle gleichartig oder gleichwertig sind oder – die Zusammenfassung auch bei Geschäften zwischen fremden Dritten üblich ist oder – die Geschäftsvorfälle ursächlich zusammenhängen oder Teilleistungen eines Gesamtgeschäfts sind und es für die Angemessenheitsprüfung weniger auf die Beurteilung des einzelnen Geschäftsvorfalls, sondern mehr auf das Gesamtgeschäft ankommt. Diese Berücksichtigung der sog. Palettenbetrachtung (Rz. 3.335 f.) im Rahmen der Verrechnungspreisdokumentation ist grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings führt die Forderung nach einer Zusammenfassung von innerkonzernlichen Leistungsbeziehungen nach „vorher festgelegten und nachvollziehbaren Regeln“ dazu, dass der Steuerpflichtige die von ihm zugrunde gelegten Kriterien im Rahmen einer konzerninternen Richtlinie (z.B. einer Dokumentationsrichtlinie)2 darstellen und nachweisen muss. Dies kann, je nach Umfang der innerkonzernlichen Leistungsbeziehungen, zu einer zusätzlichen administrativen Belastung des Steuerpflichtigen führen. Zu berücksichtigen ist auch hier, dass abkommensrechtlich Art. 9 Abs. 1 OECD-MA Einkünftekorrekturen aufgrund rein formaler Beanstandungen entgegensteht.3 Ferner geht die Forderung nach einer „Üblichkeit“ der Zusammenfassung von Geschäftsvorfällen zwischen fremden Dritten über die Anforderungen von Tz. 3.9 der OECD-Leitlinien 2010 für „Leistungspakete“ hinaus.4 Schließlich muss als (begrifflich) weitest-
1 Vgl. § 2 Abs. 3 Satz 1 GAufzV; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWGVerfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.13 Abs. 2 Satz 1 sowie ferner BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 2.1.2. 2 Zur Verwendung innerbetrieblicher Verrechnungspreisrichtlinien vgl. etwa Cordes, Steuerliche Aufzeichnungspflichten bei internationalen Verrechnungspreisen, 262 ff. m.w.N. 3 Vgl. FG Köln v. 22.8.2007 – 13 K 647/03, rkr., EFG 2008, 161; Schaumburg, Internationales Steuerecht3, Rz. 18.87 m.w.N., Baumhoff/Greinert, IStR 2008, 353; Rasch, IWB Fach 3a Gruppe 1, 1103; Strunk/Kaminski, Stbg 2008, 211; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 18.87; speziell zur Transaktionsbündelung im Rahmen der Verrechnungspreisdokumentation Bauer, DB 2008, 154. 4 Kritisch hierzu auch Bauer, DB 2008, 154.
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gehend ungeklärt bezeichnet werden, was unter „ursächlich zusammenhängenden“ Geschäftsvorfällen zu verstehen ist und nach welchen Kriterien zu bestimmen ist, dass das Gesamtgeschäft die einzelnen Geschäftsvorfälle dominiert.1 3. Funktions- und Risikoanalyse:2
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– Informationen über die jeweils vom Steuerpflichtigen und den nahe stehenden Personen ausgeübten Funktionen, übernommenen Risiken und eingesetzten wesentlichen Wirtschaftsgüter (einschließlich deren Veränderungen); – Informationen über die vereinbarten Vertragsbedingungen und über die bedeutsamen Markt- und Wettbewerbsverhältnisse (Rz. 3.118); – Beschreibung der Wertschöpfungskette und Darstellung des Wertschöpfungsbeitrags des Steuerpflichtigen im Verhältnis zu den nahe stehenden Personen, mit denen grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen bestehen. Die vorstehenden Angaben werden durch eine hinreichende Dokumentation der Funktionsanalyse der einzelnen in die Geschäftsbeziehungen einbezogenen verbundenen Unternehmen erfüllt (Rz. 3.94 ff., 3.243 ff. u. 3.256 ff.). Dabei sind insbesondere die verrechnungspreisdeterminierenden Faktoren (ausgeübte Funktionen, getragene Risiken und eingesetzte Produktionsmittel) aufzuzeichnen. Auch insoweit liegen Stammdaten der Verrechnungspreisermittlung vor, welche nicht jedes Wirtschaftsjahr von Neuem erstellt werden müssen, sondern bei wesentlichen Veränderungen der Verhältnisse zu aktualisieren sind (Rz. 3.450). Von besonderem Interesse sind in diesem Zusammenhang Funktionsverlagerungen in der Unternehmensgruppe. Sie sind regelmäßig mit der Änderung von Geschäftsstrategien, d.h. mit wesentlichen Funktions- und Risikoänderungen, verbunden und qualifizieren deshalb als außergewöhnliche Geschäftsvorfälle i.S. des § 90 Abs. 3 Satz 3 AO und § 3 Abs. 2 GAufzV,3 für die zeitnah Aufzeichnungen zu erstellen sind (Rz. 3.446). Sowohl für den Geschäftsvorfall der Funktionsverlagerung selbst, der Gegenstand einer Funktionsverlagerungsbesteuerung ist (Rz. 3.337 ff.), als auch für den innerkonzernlichen Lieferungs- und Leistungsaustausch in der „Post-Verlagerungsphase“4 ergeben sich umfangreiche Dokumentationsanforderungen. Sie wurden bereits an anderer Stelle ausführlich dargestellt, sodass auf diese Ausführungen verwiesen werden kann (Rz. 3.438 ff.).
1 Vgl. hierzu ausführlich Bauer, DB 2008, 154 f. 2 Vgl. § 4 Nr. 3 GAufzV; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005 570, Tz. 3.4.11.4. 3 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Tz. 3.3.1 Rz. 155. 4 Kaminski in Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, 64.
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4. Verrechnungspreisanalyse:1 – Darstellung der angewandten Verrechnungspreismethode und ihrer Anwendung; – Begründung der Geeignetheit der angewandten Methode; – Unterlagen über die Berechnungen bei der Anwendung der gewählten Verrechnungspreismethode; – Aufbereitung der zum Vergleich herangezogenen Preise bzw. Finanzdaten unabhängiger Unternehmen sowie Unterlagen über vorgenommene Anpassungsrechnungen. Im Rahmen der Verrechnungspreisanalyse sind neben allgemeinen Informationen zu den vom Steuerpflichtigen angewandten Verrechnungspreismethoden die Verrechnungspreisermittlung in Bezug auf eine konkrete Geschäftsbeziehung bzw. eine konkrete Gruppe von Geschäftsbeziehungen zu dokumentieren. Insoweit knüpft die Verrechnungspreisanalyse an die Dokumentation der konzerninternen Geschäftsbeziehungen an. Während die Aufzeichnungen zur allgemeinen Anwendung der Verrechnungspreismethoden in die dauerhaft geführten Stammdaten (Rz. 3.450) der Verrechnungspreisdokumentation aufgenommen werden können (insbesondere durch eine Verrechnungspreis-Richtlinie),2 ist die auf eine bestimmte Geschäftsbeziehung bezogene, konkrete Verrechnungspreiskalkulation im Rahmen einer „laufenden“ Verrechnungspreisdokumentation (des entsprechenden Wirtschaftsjahres) zu erfassen. In diesem Zusammenhang können bspw. – ggf. bezogen auf eine Produktpalette – Berechnungsschemata, aus denen sich die angewandte Verrechnungspreismethode, die Margen bzw. Aufschlagsätze und die als Bemessungsgrundlagen für die Margen bzw. den Aufschlag verwendeten Größe ergeben, den Finanzbehörden vorgelegt werden. Daneben sollten Unterlagen geführt werden, aus denen die Umsetzung der Berechnungsschemata bei der auf den Einzelfall bezogenen Verrechnungspreisermittlung deutlich wird. Darin können bspw. die konkrete Identifikation von Vergleichspreisen im Zusammenhang mit der Preisvergleichsmethode oder die Ermittlung der auf ein bestimmtes Wirtschaftsjahr bezogenen Plankosten und deren Zuordnung zu den einzelnen Kostenträgern mittels der Kostenrechnung sowie die Ermittlung des Gewinnaufschlags (z.B. mittels einer Datenbankanalyse) im Zusammenhang mit der Kostenaufschlagsmethode dargestellt werden. Neben der Dokumentation der konkreten Verrechnungspreisermittlung müssen die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen erkennen lassen, dass er „ernsthaft bemüht“ ist, seine Verrechnungspreise am Grundsatz des Fremdvergleichs auszurichten.3 Ferner hat er darzulegen, warum er – be1 Vgl. § 4 Nr. 4 GAufzV; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.12. 2 Z.B. Beschreibung der Anwendung der Kostenaufschlagsmethode: Ermittlung der Kostenkomponente und des Gewinnaufschlags. 3 Vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 GAufzV.
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G. Dokumentationspflichten im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung
zogen auf eine bestimmte Geschäftsbeziehung – die entsprechende Verrechnungspreismethodik für geeignet hält.1 Dabei ist er allerdings nicht verpflichtet – i.S. der „best method rule“ nach US-amerikanischem Vorbild2 bzw. dem Konzept der „most appropriate method“ nach Tz. 2.2 der OECD-Leitlinien 20103 (Rz. 3.171) – Aufzeichnungen für mehr als eine Methode zu erstellen, um den Nachweis zu führen, dass die von ihm gewählte Methodik die „richtige“ ist.4 5. Ergänzende Angaben im Rahmen der Verrechnungspreisdokumentation in besonderen Fällen:5
3.454
– Informationen über Geschäftsstrategien (z.B. Vertriebsstrategien, Marktanteilsausweitung etc.) (Rz. 3.118); – Informationen (Rz. 3.329 ff.);
über
einen
durchgeführten
Vorteilsausgleich
– bei Kostenumlagen Angaben zu den Poolmitgliedern, dem Aufteilungsschlüssel und dem erwarteten Nutzen aus der Beteiligung am Umlageverfahren;6 – Informationen über Verrechnungspreiszusagen oder -vereinbarungen ausländischer Steuerbehörden sowie über Verständigungs- und Schiedsstellenverfahren; – Aufzeichnungen über Preisanpassungen beim Steuerpflichtigen, insbesondere wenn diese eine Folge von Verrechnungspreiskorrekturen oder Vorwegauskünften durch ausländische Finanzbehörden bei nahe stehenden Personen sind; – Aufzeichnungen über die Ursachen von Verlusten und über Vorkehrungen zur Beseitigung der Verlustsituation, wenn der Steuerpflichtige in mehr als drei aufeinanderfolgenden Wirtschaftsjahren aus Geschäftsbeziehungen mit nahe stehenden Personen ein negatives Ergebnis in der Steuerbilanz ausweist7 (Rz. 3.119 ff.). 3. Sanktionen bei der Verletzung der Mitwirkungspflichten Kommt der Steuerpflichtige seinen Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 3 AO nicht nach, indem
1 2 3 4
Vgl. § 4 Nr. 4 Buchst. b GAufzV. Vgl. US-Reg. § 1.6662-6 (d) (2) (ii). Vgl. Tz. 2.2 OECD-Leitlinien 2010. Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.10.1. Dies steht im Einklang mit Tz. 2.11 OECD-Leitlinien 2010. 5 Vgl. § 5 GAufzV; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.15. 6 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 5. 7 Vgl. auch BFH v. 17.2.1993 – I R 3/92, BStBl. II 1993, 457; v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171.
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– er die in § 90 Abs. 3 AO bzw. der GAufzV vorgeschriebenen Aufzeichnungen (Rz. 3.449) nicht vorlegt, – die von ihm vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar sind oder – Aufzeichnungen zu außergewöhnlichen Geschäftsvorfällen i.S. des § 90 Abs. 3 Satz 3 AO nicht zeitnah erstellt wurden, wird gem. § 162 Abs. 3 Satz 1 AO widerlegbar vermutet, dass die inländischen Einkünfte aus den entsprechenden Geschäftsbeziehungen zum Ausland höher sind als die bislang erklärten.1 Letztlich wird damit unterstellt, dass die vom Steuerpflichtigen erklärten Einkünfte nicht auf der Grundlage eines Fremdvergleichs ermittelt wurden. Mithin liegt es dann – aufgrund der „Widerlegbarkeit“ dieser Vermutung – beim Steuerpflichtigen, die Angemessenheit der von ihm festgesetzten Verrechnungspreise nachzuweisen. Dies wird ihm jedoch nur dann mit Erfolg gelingen, wenn er dem FA die zugrunde liegenden Geschäftsbeziehungen und die entsprechende Verrechnungspreisermittlung in dem Umfang glaubhaft vortragen kann, wie er sie in einer ordnungsgemäßen Dokumentation i.S. des § 90 Abs. 3 AO hätte erläutern müssen. Im Ergebnis führt die Vorschrift des § 162 Abs. 3 AO zu einer Beweislastumkehr zulasten des Steuerpflichtigen, welche im Widerspruch zu den allgemeinen verfahrensrechtlichen Beweislastregeln einerseits und dem Amtsermittlungsgrundsatz andererseits steht.2 Nach § 88 Abs. 1 AO ist prinzipiell die Finanzbehörde verpflichtet, „von Amts wegen“ den Sachverhalt zu ermitteln. Daneben hat der Steuerpflichtige bestimmte Mitwirkungspflichten – insbesondere gem. § 90 Abs. 1 und 2 AO – zu erfüllen. Kommt er diesen nicht nach und ist der Sachverhalt nicht anderweitig aufklärbar, kann prinzipiell – zum Nachteil des Steuerpflichtigen – von einem Sachverhalt ausgegangen werden, für den die größte Wahrscheinlichkeit spricht.3 Im Gegensatz zu diesen allgemeinen Grundsätzen des Verfahrensrechts kommt es nach § 162 Abs. 3 i.V.m. § 90 Abs. 3 AO nicht mehr darauf an, ob der Sachverhalt ggf. anderweitig aufklärbar ist bzw. ob eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass die Verrechnungspreise dem Prinzip des „dealing at arm’s length“ entsprechen. Vielmehr wird gesetzlich – wenngleich durch den Steuerpflichtigen widerlegbar – ein Verstoß gegen den Grundsatz des Fremdvergleichs vermutet.4 Diese 1 Zu den Sanktionen des § 162 Abs. 3 u. 4 AO vgl. auch BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 4. 2 Vgl. Moebus, BB 2003, 1414; Baumhoff/Ditz/Greinert, IStR 2010, Beihefter zu Heft 20/2010, 39. 3 Sog. Beweismaßreduktion auf die größtmögliche Wahrscheinlichkeit, vgl. grundlegend BFH v. 15.12.1989 – X R 16/86, BStBl. II 1989, 462; Seer in T/K, § 162 AO Rz. 2, 4 u. 7; Seer, BB 1999, 79. 4 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 4.6.1; a.A. Urt. des BFH v. 10.5.2001 – I S 3/01, DStR 2001, 985, nach dem aus einer fehlenden Verrechnungspreisdokumentation nicht die Schlussfolgerung gezogen werden kann, dass die festgesetzten Verrechnungspreise einem Fremdvergleich nicht genügen.
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Vorgehensweise kann im Einzelfall zu einem Verstoß gegen die Art. 9 Abs. 1 OECD-MA nachgebildete DBA-Norm führen, da abkommensrechtlich nur bei tatsächlich unangemessenen Verrechnungspreisen eine Einkünftekorrektur möglich ist (Rz. 3.63 ff.). Kann der Steuerpflichtige aufgrund einer fehlenden oder im Wesentlichen unverwertbaren Verrechnungspreisdokumentation die Vermutung der Unangemessenheit seiner Verrechnungspreise nicht entkräften, ist das FA berechtigt, die Einkünfte aus den entsprechenden Geschäftsvorfällen zu schätzen. Können im Rahmen dieser Schätzung die Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, z.B. in Form einer Bandbreite von Verrechnungspreisen (Rz. 3.62, 3.81 f. u. 3.178), ermittelt werden, kann das FA diesen Rahmen – entgegen der bisherigen Rechtsauffassung1 – zulasten des Steuerpflichtigen ausschöpfen.2 Dazu ist es allerdings nicht verpflichtet, vielmehr liegt es in seinem Schätzungsermessen, welchen Wert es im Rahmen der Bandbreite wählt. Fraglich ist hier jedoch, ob das Schätzungsermessen angesichts von § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG reduziert wird.3 Hiernach kommt der Median zum Tragen, sofern der vom Steuerpflichtigen angesetzte Verrechnungspreis bei lediglich eingeschränkt vergleichbaren Referenzwerten außerhalb der (eingeengten) Bandbreite liegt. Ferner ist bei fehlenden bzw. im Wesentlichen nicht verwertbaren Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen gem. § 162 Abs. 4 AO ein Zuschlag („penalty“4) festzusetzen. Dieser ist als steuerliche Nebenleistung i.S. des § 3 Abs. 4 AO zu qualifizieren und stellt eine nichtabzugsfähige Betriebsausgabe dar.5 Der Zuschlag beträgt 5–10 v.H. des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich aufgrund einer Verrechnungspreiskorrektur nach § 162 Abs. 3 AO wegen nicht erfüllter Aufzeichnungspflichten ergibt, mindestens jedoch 5000 Euro. Ferner sieht § 162 Abs. 4 Satz 3 AO einen Zuschlag bei verspäteter Vorlage (Rz. 3.446) von verwertbaren Aufzeichnungen i.H.v. bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung, vor.
1 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171, wonach sich die Finanzverwaltung im Regelfall an der für den Steuerpflichtigen günstigeren Ober- oder Untergrenze einer Bandbreite von Verrechnungspreisen zu orientieren hat. Siehe ferner Wassermeyer, WPg 2002, 15. 2 Vgl. § 162 Abs. 3 Satz 2 AO. Auch insoweit ist fraglich, ob diese Vorgehensweise abkommensrechtlich gedeckt ist. Ebenfalls kritisch Moebus, BB 2003, 1414; Baumhoff/Ditz/Greinert, IStR 2010, Beihefter zu Heft 20/2010, 39. 3 Vgl. auch Engler/Ebert in V/B/E, Verrechnungspreise3, F Rz. 43. Zur Orientierung am Mittelwert der Bandbreite vgl. auch Seer in T/K, § 162 AO Rz. 70. 4 Vgl. etwa für die USA US-Reg. § 1.6038 A-4 (a) (1). 5 Vgl. § 10 Nr. 2 KStG; § 12 Nr. 3 EStG; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 4.6.3; Rödder/Schumacher, DStR 2003, 818; Schnorberger, DB 2003, 1246; Korn/Stahl, KÖSDI 2003, 13728; Andresen, RIW 2003, 493.
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Kapitel 3 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen
Grundsätzlich steht die Festsetzung von Zuschlägen i.S. des § 162 Abs. 4 AO dem Grunde nach nicht im Ermessen der Finanzbehörden („ist … festzusetzen“). Allerdings ist von einer Zuschlagsfestsetzung abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten i.S. des § 90 Abs. 3 AO „entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist.“1 Insoweit darf dem Steuerpflichtigen weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen sein,2 wobei das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen dem eigenen Verschulden des Steuerpflichtigen gleichsteht. Hinsichtlich der Festsetzung des Zuschlags der Höhe nach hat die Finanzbehörde im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung neben dem Zweck des § 162 Abs. 4 AO den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage einer Verrechnungspreisdokumentation anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage der Aufzeichnungen auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen.3 Werden im Einzelfall die Mindestbeträge von 5000 Euro bzw. 100 Euro/Tag angesetzt, besteht indessen kein Ermessensspielraum seitens der Finanzverwaltung. Im Rahmen der Sanktionen des § 162 Abs. 3 und 4 AO kommt der Frage, in welchen Fällen Aufzeichnungen als „verwertbar“ bzw. als „im Wesentlichen unverwertbar“ anzusehen sind, zentrale Bedeutung zu. Denn letztlich definieren sie die Grenzen, ab denen der Steuerpflichtige mit den dargestellten Sanktionen rechnen muss. Als verwertbar gelten dabei Aufzeichnungen, die es einem sachverständigen Dritten innerhalb einer angemessenen Frist ermöglichen, die Geschäftsbeziehungen des Steuerpflichtigen zu nahe stehenden Personen zu identifizieren und auf die Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes zu prüfen.4 Ob Aufzeichnungen als „im Wesentlichen unverwertbar“5 zu qualifizieren sind, kann nur bezogen auf den Einzelfall festgestellt werden. Dabei führt nach Tz. 3.4.19 Buchst. b VWG-Verfahren6 die Unvollständigkeit oder Fehlerhaftigkeit von Aufzeichnungen in einzelnen Punkten nicht dazu, dass die gesamte Verrechnungspreisdokumentation als im Wesentlichen unverwertbar zu qualifizieren ist. Von „im Wesentlichen unverwertbaren“ Aufzeichnungen geht die Finanzverwaltung insbesondere in den folgenden Fällen aus:7
1 § 162 Abs. 4 Satz 5 AO. 2 Vgl. Baum, NWB Fach 2, 8179 mit Verweis auf die Rspr. zur Definition des „groben Verschuldens“ gem. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO. 3 Vgl. § 162 Abs. 4 Satz 4 AO. 4 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.19 Buchst. a. 5 Vgl. § 162 Abs. 3 AO. 6 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.19 Buchst. c. 7 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.19 Buchst. c.
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G. Dokumentationspflichten im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung
– Vorlage von Aufzeichnungen zur Angemessenheitsdokumentation1 in fremder Sprache,2 wenn die Aufzeichnungen trotz Aufforderung nicht übersetzt werden; – Vorlage von Aufzeichnungen zur Angemessenheitsdokumentation, aus denen sich lediglich ergibt, dass die Verrechnungspreise von einer nahe stehenden Person vorgegeben wurden oder wenn zur Begründung der Verrechnungspreise nur die Verrechnungspreismethode und ihre Eignung für einen konkreten Fall ohne den Abgleich mit Fremdvergleichsdaten oder ohne ausreichende Planrechnungen dargelegt wird; – Vorlage von Aufzeichnungen zur Angemessenheit der Verrechnungspreise, die sich ausschließlich auf Daten stützen, die keinen Fremdvergleich erlauben.
1 Zur Angemessenheitsdokumentation – insbesondere im Rahmen der Verrechnungspreisanalyse – vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.12; Cordes, Steuerliche Aufzeichnungspflichten bei internationalen Verrechnungspreisen, 131 ff. 2 Vgl. dazu § 2 Abs. 5 GAufzV; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWGVerfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.16.
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Kapitel 4 Betriebsstättengewinnabgrenzung Literatur Baldamus, Neues zur Betriebsstättengewinnermittlung, IStR 2012, 317; v. Brocke/ Jakob, Praxisrelevante Probleme im Zusammenhang mit dem Abzug finaler ausländischer Betriebsstättenverluste, DStR 2011, 57; BStBK, Referentenentwurf zum Jahressteuergesetz 2013, DStR-KR 2012, 19; Dawid/Ebering, Eckpunkte des Scoping Document der OECD vom 25.1.2011, IWB 2011, 490; Ditz/Schneider, Änderungen des Betriebsstättenerlasses durch das BMF-Schreiben vom 25.8.2009, DStR 2010, 81; Ehlermann/Petersen, Abkommensrechtliche versus nationale Zuordnung von Beteiligungen – Besonderheiten bei ertragsteuerlicher Organschaft?, IStR 2011, 747; Freier/Persch, Auswirkungen der Änderung des Art. 7 OECD-MA auf die Gewinnabgrenzung bei Bankbetriebsstätten, BB 2012, 1318; Frotscher, Gedanken zur Zentralfunktion der geschäftsleitenden Betriebsstätte, in: Wassermeyer/Strunk/Kaminski, Unternehmenssteuerrecht und Internationales Steuerrecht, Gedächtnisschrift für Dirk Krüger, Bonn 2006, S. 111 f.; Gebhardt/Quilitzsch, Berücksichtigung finaler Betriebsstättenverluste im Rahmen der Gewerbesteuer, FR 2011, 359; Geberth/ Burlein, E-Bilanz – Das Einführungsschreiben, die Taxonomie und der FAQ sind veröffentlicht, DStR 2011, 2013; Haase/Dorn, „Betriebsstättenlose“ Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens – Erwiderung zu Kramer, DB 2011, S. 1882; DB 2011, 2115; Heinsen/Adrian, Anmerkungen zum aktualisierten BMF-Entwurfschreiben zur E-Bilanz, DStR 2011, 1438; Herzig, Perspektiven der Ermittlung, Abgrenzung und Übermittlung des steuerlichen Gewinns, DB 2012, 1; Kahle/Mödinger, Erfolgs- und Vermögensabgrenzung bei ausländischen Betriebsstätten, DB 2011, 2338; Kahle/Mödinger, Die Neufassung des Art. 7 OECD-MA im Rahmen der Aktualisierung des OECD-MA 2010, IStR 2010, 757; Kaminski/Strunk, Aufgabe des Grundsatzes der funktionalen Zuordnung von Wirtschaftsgütern in Betriebsstätten? – Irrungen und Wirrungen bei Internet-Geschäften, IStR 2001, 161; Kramer, „Betriebsstättenlose“ Einkünfte aus Gewerbebetrieb – „betriebsstättenlose“ Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens, DB 2011, 1882; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, Köln 1982; Kumpf/Roth, Grundsätze der Ergebniszuordnung nach neuen Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätzen, DB 2000, 741; Lüdicke, DBA-Politik der Bundesregierung, FR 2011, 1077; Rouenhoff, Zurechnung der durch immaterielle Wirtschaftsgüter erzielten Wertschöpfungsbeiträge unter rechtlichen, wirtschaftlichen und funktionalen Gesichtspunkten, IStR 2012, 22; Strunk/Kaminski, Aktuelle Entwicklungen bei der Besteuerung von ausländischen Betriebsstätten und Personengesellschaften in Abkommensfällen, IStR 2003, 181; Spierts/Sparidis, Niederlande: Erlasse hinsichtlich Betriebsstättengewinnermittlung, IStR-LB 2011, 35; Wassermeyer, Die abkommensrechtliche Aufteilung von Unternehmensgewinnen zwischen den beteiligten Vertragsstaaten, IStR 2012, 277; Wilke, Die geplanten Änderungen in § 1 AStG, IWB 2012, 271.
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Kapitel 4 Betriebsstättengewinnabgrenzung
A. Notwendigkeit und Bedeutung von Gewinnermittlung und -abgrenzung für die internationale Unternehmenstätigkeit von Betriebsstätten und Personengesellschaften I. Einführung 4.1 Die Frage der Gewinnermittlung und -abgrenzung bei grenzüberschreitenden Betriebsstätten ist aus vielerlei Gründen von besonderer Bedeutung für die Praxis der internationalen Besteuerung. Die einer Betriebsstätte zuzurechnenden Einkünfte bestimmen regelmäßig den Umfang der Besteuerungsrechte der betroffenen Staaten, weisen aber auch die Höhe der ggf. anzurechnenden ausländischen Steuern nach und qualifizieren Einkünfte als solche, die den Unternehmensgewinnen mittels einer Betriebsstätte zuzurechnen sind. Im Anschluss an die materiellrechtlich möglicherweise bedeutendere Frage, ob überhaupt eine Betriebsstätte vorliegt, ist nach positiver Beantwortung dieser Frage zu klären, welche Einkünfte welcher Betriebsstätte zuzurechnen sind und ob zwischen den Vertragsstaaten überhaupt darüber Einvernehmen erzielt werden kann, dass die Höhe der Einkünfte insgesamt eine bestimmte Höhe besitzt. Auf Fragen der konkreten Besteuerung der so ermittelten und zugerechneten Einkünfte soll im Rahmen dieses Kapitels ebenso wenig eingegangen werden, wie zum Beispiel auf die Frage nach der Behandlung von Verlusten aus ausländischen Betriebsstätten in Abhängigkeit davon, ob DBA bestehen oder nicht oder ob sich der Sachverhalt innerhalb der EU abspielt oder mit Drittstaaten.
4.2 Die nachfolgenden Ausführungen sollen verdeutlichen, warum die Ermittlung des Gewinns oder Verlustes einer Betriebsstätte sowie die Abgrenzung der Gewinne und Verluste zwischen bestehenden Betriebsstätten eines einzelnen Unternehmens in unterschiedlichen Staaten von besonderer Bedeutung für die Ermittlung und Bestimmung des steuerlichen Einkommens in den entsprechenden Staaten sind. Aufgrund der im deutschen Steuerrecht innewohnenden transparenten Betrachtung der Personengesellschaft für steuerliche Zwecke sind die Einkunftsermittlungsvorschriften sowie die Vorgaben zur Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten weitgehend auf die Gewinnabgrenzung bei Personengesellschaften entsprechend anzuwenden.1 Für die nachfolgenden Ausführungen soll 1 Auf die besonderen Schwierigkeiten in der Anwendung des Abkommensrechts, die durch Qualifikationskonflikte hinsichtlich der Transparenz der Personengesellschaft und hinsichtlich der Anerkennung von Sondervergütungen als Bestandteil der Unternehmensgewinne im Sinne des Art. 7 OECD-MA wird auf die umfangreiche Diskussion bei Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 36 ff. mit weiteren Hinweisen verwiesen. Siehe hierzu auch Rosenberg/Farle in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht, Rz. 13.1 ff.
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A. Notwendigkeit und Bedeutung
daher im Grundfall davon ausgegangen werden, dass die beiden Vertragsstaaten zumindest hinsichtlich der Frage der Transparenz der Personengesellschaft keinen Wertungsunterschied haben.1 Sofern von dieser Grundannahme in diesem Kapitel abgewichen wird, ist dies gesondert gekennzeichnet. Auf die verbleibenden wenigen Abweichungen und Besonderheiten bei der Gewinnermittlung und -abgrenzung bei Personengesellschaften im Gegensatz zu Betriebsstätten wird insoweit unter Rz. 4.32 genauer eingegangen. Eine Erläuterung darüber, wann eine Betriebsstätte vorliegt und welche steuerlichen Konsequenzen dies dem Grunde nach zur Folge hat, wurde bereits in Rz. 2.100 ff. erläutert. Nachfolgend erfolgt eine Beschränkung auf die Frage des Umfangs eines materiell begründeten Besteuerungsanspruchs eines Vertragsstaates bzw. in Nicht-DBA-Staaten eines Quellenstaates.
II. Bedeutung von Gewinnermittlung und -abgrenzung Die Gewinnermittlung sowie nachfolgend die Gewinnabgrenzung sind entscheidende Faktoren für die Besteuerung international tätiger Unternehmen. Erst im Anschluss an die Bestimmung einer steuerbaren und steuerpflichtigen Präsenz im anderen Staat, zumeist über die Begründung einer Betriebsstätte, kann es zum zweiten Schritt, der Zurechnung der Einkünfte auf unterschiedliche Betriebsstätten in demselben Staat oder in anderen Quellenstaaten sowie dem Ansässigkeitsstaat des Unternehmens kommen. Besondere Bedeutung der Frage der Gewinnabgrenzung und -zurechnung bei Betriebsstätten ist deshalb gegeben, weil ein nicht aufeinander abgestimmtes und vereinheitlichtes Vorgehen bei der Ermittlung sowie der Zurechnung der Einkünfte trotz vorhandener DBA zu einer doppelten oder gar mehrfachen Besteuerung führen kann. Die Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten zeigt damit auch die größte Unzulänglichkeit von DBA’s auf: die fehlende Abstimmung über Verfahren zur Bestimmung des durch das DBA gewährten Besteuerungsanspruchs. DBA weisen, wie z.B. in Art. 7 Abs. 1 S. 2 OECD-MA dem Betriebsstättenstaat unter bestimmten Voraussetzungen ein oftmals in der Höhe unbeschränktes Besteuerungsrecht zu. Worauf die Steuer des Staates jedoch erhoben wird, insbesondere welche Einkunftsermittlungsvorschriften zu beachten sind und wie eine Gewinnabgrenzung im Detail und anhand welcher Methode zu den Einkünften anderer im Ausland belegener Betriebsstätten zu erfolgen hat, ist regelmäßig nicht Gegenstand der DBA, sondern bestimmt sich ausschließlich nach dem nationalen Recht des Anwenderstaates, wobei lediglich einige allgemeine Formulierungen im DBA enthalten sind, die in gewisser Weises eine „Leitplankenfunktion“
1 Zur Regelung in den jeweiligen DBA zur transparenten oder intransparenten Besteuerung von Personengesellschaften siehe BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354.
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4.3
Kapitel 4 Betriebsstättengewinnabgrenzung
haben und den Fremdvergleichsgrundsatz postulieren.1 Während in Kapitel 3 die Schwierigkeiten bei der Ermittlung des fremdüblichen Preises im Rahmen von Liefer- und Leistungsbeziehungen und Funktionsverlagerungen zwischen rechtlich selbständigen Unternehmen einer gemeinsamen Unternehmensgruppe ausführlich diskutiert wurden, sollen auf Basis der dort aufgezeigten Erkenntnisse die Grundsätze und Besonderheiten der Gewinnermittlung und -abgrenzung bei Betriebsstätten aufgezeigt werden.
4.4 Grundlegende Frage ist hierbei, ob die Gewinnzurechnung zwischen rechtlich selbständigen Gesellschaften/Unternehmen nach anderen Regelungen zu erfolgen hat, wie die Gewinnzurechnung zwischen unselbständigen Teilen eines einheitlichen Unternehmens, weil es hierfür entsprechende Gründe gibt oder ob die Methoden in beiden Fällen vollständig oder weitgehend identisch sein müssen. Erschwert wird diese Frage in der internationalen Abkommenspraxis auch dadurch, dass einige Staaten, wie z.B. Deutschland, die Transparenz der Personengesellschaft für steuerliche Zwecke unterstellen und damit jedem Gesellschafter einer Personengesellschaft eine anteilige Betriebsstätte im anderen Staat zurechnen, soweit die Personengesellschaft als Ganze eine Betriebsstätte in dem in Rede stehenden Staat unterhält. Die OECD hatte sich im Grundsatz bereits in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung dafür ausgesprochen, die Gewinnzurechnung zwischen Betriebsstätten in wesentlichen Teilen an Art. 9 OECD-MA, der Gewinnzurechnung zwischen verbundenen Gesellschaften, zu orientieren. Wie weit die Ähnlichkeit jedoch gehen sollte, war lange Zeit Ausgangspunkt kontroverser Diskussionen. Ihren vorläufigen Abschluss haben diese in dem Authorised OECD Approach gefunden, der auch im Referentenentwurf des Jahressteuergesetzes 20132 zur Änderung des § 1 AStG enthalten ist. Bisher gilt aber Art. 7 Abs. 2 Satz 1 OECD-MA in seiner Fassung vom 1.7.2008: „Übt ein Unternehmen eines Vertragsstaates seine Geschäftstätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebsstätte aus, so werden vorbehaltlich des Absatzes 3 in jedem Vertragsstaat dieser Betriebsstätte die Gewinne zugerechnet, die sie hätte erzielen können, wenn sie eine gleiche oder ähnliche Geschäftstätigkeit unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen als selbständiges Unternehmen ausgeübt hätte und im Verkehr mit dem Unternehmen, dessen Betriebsstätte sie ist, völlig unabhängig gewesen wäre.“ Art. 7 Rz. 25 OECD-MK führt hierzu aus, dass eine Betriebsstätte regelmäßig bei innerunternehmerischen Güter- und Leistungsaustausch zwischen Betriebsstätten keinen Gewinn aus der Transaktion ausweisen darf. Aber auch bei der Frage der freien Zuordnung von Vermögenswerten zu einzelnen Betriebsstätten ergeben sich in der Fassung des OECD-MA und des OECD-MK erhebliche Abweichun1 Zu den Änderungen im Rahmen der Aufnahme des Authorized OECD Approach in Art. 7 OECD-MA durch den OECD-MA 2010 siehe Rz. 4.4. sowie Kahle/Mödinger, IStR 2010, 757. 2 Regierungsentwurf v. 23.5.2012, BR-Drucks. 302/12.
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A. Notwendigkeit und Bedeutung
gen zur Behandlung der Einkunftszurechnung bei nahestehenden Kapitalgesellschaften. Mit Datum vom 22.7.2010 wurde das OECD-MA 2010 veröffentlicht, das erhebliche Änderung des Art. 7 OECD-MA vorgenommen hat und nach dem der Art. 7 zukünftig nur noch 4 Absätze hat. Hierbei ist Abs. 1 inhaltlich weitgehend unverändert geblieben und lediglich durch einen Verweis auf die nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA ermittelten Einkünfte, die der Besteuerung im Betriebsstättenstaat unterliegen sollen, präzisiert worden. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA nimmt eine sehr wichtige Änderung vor, indem er eine Verknüpfung des Einkunftsartikels mit dem Methodenartikel des Art. 23A/23B OECD-MA festschreibt, die zwar für die Frage der effektiven Steuerbelastung entscheidend ist, aber hinsichtlich des hier zu untersuchenden Bereichs ohne Belang ist. Demgegenüber relevant ist der Einschub, dass die Selbständigkeitsfiktion insbesondere auch „im Verkehr mit anderen Teilen des Unternehmens, dessen Betriebsstätte sie ist“ uneingeschränkt zur Anwendung gelangt. Eine weitere Ergänzung findet sich im letzten Teilsatz in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA, wenn es dort wörtlich heißt: „dabei sind die vom Unternehmen durch die Betriebsstätte und durch andere Unternehmensteile ausgeübten Funktionen, eingesetzten Wirtschaftsgüter und übernommenen Risiken zu berücksichtigen“. Die Normierung der Funktionsanalyse als dem tragenden Gedanken einer Einkunftszurechnung verdeutlicht auch die uneingeschränkte Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätten und damit die Übereinstimmung der Gewinnabgrenzung zwischen selbständigen, nahestehenden Kapitalgesellschaften und zwischen Betriebsstätten. Art. 9 OECD-MA ist die Formulierung des Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2010 entnommen: „Ändert ein Vertragsstaat die einer Betriebsstätte eines Unternehmens eines Vertragsstaates zuzurechnenden Gewinne in Übereinstimmung mit Absatz 2 und besteuert er dementsprechend Gewinne des Unternehmens, die bereits im anderen Staat besteuert worden sind, so nimmt der andere Staat eine entsprechende Änderung der von diesen Gewinnen erhobenen Steuer vor, soweit dies zur Beseitigung einer Doppelbesteuerung erforderlich ist. Bei dieser Änderung werden die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten einander erforderlichenfalls konsultieren“.1 Wenngleich die Einkunftskorrektur festgeschrieben ist, bleibt doch festzuhalten, dass eine Abweichung der jeweiligen Verständnisse der Vertragsstaaten nur dann einvernehmlich gelöst wird, wenn sich beide Staaten über die Befolgung der in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 festgelegten Zuordnungskriterien und deren Umsetzung einig sind. Dies wird immer dann der Fall sein, wenn der Steuerpflichtige anhand seiner Dokumentation die Einhaltung des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 darlegen kann.2 Ungeachtet der Änderung des OECD-MA hat die Bundesrepublik 1 So auch Art. 7 Abs. 3 DBA-NL vom 12.4.2012 (noch nicht in Kraft getreten); s. zum Wortlaut weiter unten in dieser Rz. 2 Die ebenfalls vorgenommenen Änderungen in Art. 7 Abs. 4 OECD-MA 2010 und die Streichung der restlichen Absätze sind für die nachfolgenden Überlegungen nicht von Bedeutung.
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4.5
Kapitel 4 Betriebsstättengewinnabgrenzung
Deutschland noch kein einziges DBA in der oben beschriebenen Weise geändert, welches bereits in Kraft getreten ist. Von den in den Jahren seit 2010 durch Deutschland abgeschlossenen DBA1 sieht nur Art. 7 Abs. 2 und 3 des DBA mit Luxemburg2 und das am 12.4.2012 abgeschlossene DBA mit den Niederlanden eine dem OECD-MA 2010 entsprechende Formulierung vor, wenn es dort wörtlich heißt: „Im Sinne dieses Artikels und des Artikels 22, handelt es sich bei den Gewinnen, die in jedem Vertragsstaat einer in Absatz 1 genannten Betriebsstätte zugerechnet werden können, um die Gewinne, die die Betriebsstätte, insbesondere in ihren wirtschaftlichen Beziehungen mit anderen Teilen des Unternehmens, voraussichtlich erzielen würde, wenn sie ein eigenständiges und unabhängiges Unternehmen wäre und die gleichen oder ähnlichen Tätigkeiten unter den gleichen oder ähnlichen Bedingungen ausübt, unter Berücksichtigung der durch die Betriebsstätte und durch die anderen Teile des Unternehmens ausgeübten Funktionen, der genutzten Wirtschaftsgüter und der übernommenen Risiken des Unternehmens.“ Art. 7 Abs. 3 beinhaltet in beiden Fällen folgende Formulierung: „Wenn ein Vertragsstaat nach Absatz 2 die einer Betriebsstätte eines Unternehmens eines der Vertragsstaaten zuzurechnenden Gewinne berichtigt und bereits im anderen Staat besteuerte Gewinne des Unternehmens entsprechend besteuert, nimmt der andere Vertragsstaat in dem zur Beseitigung der Doppelbesteuerung dieser Gewinne erforderlichen Umfang eine entsprechende Berichtigung vor, wenn er mit der vom erstgenannten Staat vorgenommenen Berichtigung einverstanden ist; ist der andere Vertragsstaat nicht damit einverstanden, beseitigen die Vertragsstaaten die daraus entstehende Doppelbesteuerung in gegenseitigem Einvernehmen.“ Gleichwohl überrascht es, dass obwohl die deutsche Finanzverwaltung dem AOA grundsätzlich positiv gegenübersteht und der Gesetzgeber im Regierungsentwurf zum JStG 20133 die Transformation des Authorized OECD Approach (AOA) in das nationale Steuerrecht vorsieht, eine Umsetzung dieses Ansatzes in den aktuell abgeschlossenen DBA nicht in stärkerem Maße umgesetzt wurde.
4.6 Es ist aber festzustellen, dass die deutsche Finanzverwaltung im Anschluss an die geplante gesetzliche Änderung des § 1 AStG durch das JStG 20134 ein den Änderungen des Art. 7 OECD-MA folgendes Verständnis bei der Besteuerung von Betriebsstätten anlegen wird. Es überrascht doch, dass der Gesetzgeber die Methode zur Zurechnung der Einkünfte zwischen Betriebsstätten in § 1 AStG festschreiben will, gleichzeitig es aber versäumt, in den DBA eine entsprechende Methode verbindlich für beide Vertragsstaaten und den Zwang zur Vermeidung der Doppelbesteuerung durch korrespondierende Gegenberichtigungen aufzunehmen. Es 1 Zum Beispiel mit: Albanien, Bulgarien, Irland, Luxemburg, Malta, Spanien, Ungarn, Uruguay und Zypern. 2 DBA-Luxemburg v. 23.4.2012, derzeit noch nicht ratifiziert. 3 Regierungsentwurf v. 23.5.2012, BR-Drucks. 302/12. 4 Regierungsentwurf v. 23.5.2012, BR-Drucks. 302/12.
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A. Notwendigkeit und Bedeutung
kann nur abgewartet werden, ob es zu Streitigkeiten mit den Staaten kommt, mit denen Deutschland trotz Kenntnis des AOA die entsprechenden Abkommen nicht geändert hat. Die Situation für die Steuerpflichtigen ist gleichwohl unbefriedigend, denn selbst wenn durch die geplante Umsetzung der Änderung durch das JStG 2013 eine verbindliche gesetzliche Regelung geschaffen wird, gilt diese nur für das Inland, nicht jedoch für die Einkunftszurechnung im Ausland. Der hiermit verbundene administrative Aufwand, ggf. mehrere Einkunftszuordnungsmethoden anzuwenden und das Risiko eine ebenfalls mögliche Doppelbesteuerung im Rahmen eines gewöhnlichen Verständigungsverfahrens beseitigen zu müssen, stellen besondere Belastungen für die Steuerpflichtigen dar. Aufgrund der jetzigen Situation in den Abkommen der Bundesrepublik Deutschland und dem nur als Referentenentwurf vorliegenden JStG 2013 ist die Umsetzung in nationales und anwendbares Recht zu berücksichtigen. Daher sollen nachfolgend zunächst die aktuell geltenden Regelungen, inklusive einer eingeschränkten Selbständigkeitsfiktion erläutert werden, um dann in einem nächsten Schritt auf die Neuerungen und die sich hieraus ergebenden steuerlichen Konsequenzen einzugehen.
4.7
Die Besteuerung von rechtlich unselbständigen Unternehmensteilen im internationalen Steuerrecht, aber auch bei einer Betrachtung von Personengesellschaften als transparente Besteuerungsobjekte mit Steuerpflichten der dahinterstehenden Gesellschafter, beginnt stets mit der Feststellung, dass Unternehmensgewinne vorliegen und dass für die Ausübung der Tätigkeit Betriebsstätten im In- oder Ausland unterhalten werden. Hierbei dient dasBetriebsstättenmerkmal in zwischenstaatlichen Doppelbesteuerungsabkommen allgemein der Feststellung, ob bestimmte Einkünfte in dem Staat, in dem sie entstanden sind, besteuert werden dürfen; doch bietet dieser Begriff für sich allein noch keine vollständige Lösung des Problems der Vermeidung der Doppelbesteuerung gewerblicher Gewinne. Um eine solche Doppelbesteuerung zu vermeiden, ist es erforderlich, neben der Definition der Betriebsstätte eine Reihe von Regeln aufzustellen, nach denen die Gewinne, die der Betriebsstätte zuzurechnen sind, zu ermitteln sind und wie diese auf Betriebsstätten innerhalb eines Unternehmens zugeordnet werden. Im zu beurteilenden Einzelfall stellt sich die Situation wie folgt dar: Sofern ein Unternehmen eines Vertragsstaates im anderen Vertragsstaat eine gewerbliche – oder im abkommensrechtlichen Sinne – eine unternehmerische Tätigkeit ausübt und hierbei Einkünfte erzielt, müssen die Behörden des zweiten Staates zwei Fragen stellen, bevor sie die Gewinne des Unternehmens besteuern. Zunächst müssen sie prüfen, ob das Unternehmen eine Betriebsstätte in ihrem Staat hat. Ist dies der Fall, dann müssen sie sich außerdem fragen, welche der gegebenenfalls erzielten Gewinne der Betriebsstätte in ihrem Staat zuzurechnen sind und insoweit zu einer beschränkten Steuerpflicht des ausländischen Rechtsträgers nach nationalem innerstaatlichen Recht sowie nach dem jeweiligen Abkommensrecht führen. Die für die Beantwortung der zweiten Frage erforderlichen Regeln sind in Artikel 7 OECD-
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Kapitel 4 Betriebsstättengewinnabgrenzung
MA bzw. der entsprechenden Artikel in den jeweiligen Länder-DBA enthalten. Regeln für die Ermittlung der Gewinne eines Unternehmens eines Vertragsstaates, das mit einem verbundenen Unternehmen des anderen Vertragsstaates Geschäftsbeziehungen unterhält, werden in Art. 9 OECD-MA behandelt (s. hierzu Rz. 3.63 ff.). Art. 9 OECD-MA ist jedoch explizit nur auf das Verhältnis von Kapitalgesellschaften innerhalb eines Konzerns untereinander anzuwenden, nicht jedoch auf das Verhältnis von Betriebsstätten zueinander innerhalb eines Einheitsunternehmens. Jedoch ist durch die Änderung des Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2010 eine inhaltsgleiche Vorschrift auch für Betriebsstättenfälle geschaffen worden. Die Schwierigkeit besteht derzeit darin, dass auf der einen Seite ein geändertes OECD-MA sowie ein angepasster OECD-MK (beide vom Juli 2010) vorliegen, aber die deutschen Abkommen bisher noch keine umfassende dahingehende Änderung erfahren haben.
4.9 Der Regierungsentwurf des JStG 20131 zählt im neuen § 1 Abs. 4 AStG zu den Geschäftsbeziehungen auch solche Geschäftsvorfälle zwischen einem Unternehmen eines Steuerpflichtigen und seiner in einem anderen Staat gelegenen Betriebsstätte (anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen). Des Weiteren unterstellt der Gesetzgeber, dass in den Fällen, in denen eine schuldrechtliche Vereinbarung fehlt, davon auszugehen ist, dass unabhängige ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter eine solche abgeschlossen hätten und hiernach gehandelt hätten. Die Einkunftskorrektur soll in Betriebsstättenfällen auch dann eintreten, wenn die Aufteilung der Einkünfte zwischen einem inländischen Unternehmen und seiner ausländischen Betriebsstätte oder der Ermittlung der Einkünfte der inländischen Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens steuerlich zugrunde gelegt werden, nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen und dadurch die inländischen Einkünfte eines beschränkt Steuerpflichtigen gemindert oder die ausländischen Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen erhöht werden. Nach § 1 Abs. 5 Satz 2 des Gesetzentwurfs bestimmt, dass zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes eine Betriebsstätte wie ein eigenständiges und unabhängiges Unternehmen zu behandeln ist, es sei denn, die Zugehörigkeit der Betriebsstätte zum Unternehmen erfordert eine andere Behandlung. Dieser Grundsatz stellt noch nicht eine wesentliche Änderung dar; diese liegt vielmehr in der vorgenommenen Konkretisierung dieses Gedankens, die sich im Rahmen einer Funktionsanalyse vornehmen lässt. Wörtlich heißt es im Regierungsentwurf zu § 1 Abs. 5 Satz 3 AStG: „Um die Betriebsstätte wie ein eigenständiges und unabhängiges Unternehmen zu behandeln, sind ihr in einem ersten Schritt zuzuordnen: 1. die Funktionen des Unternehmens, die durch ihr Personal ausgeübt werden (Personalfunktionen), 2. die Vermögenswerte des Unternehmens, die sie zur Ausübung der ihr zugeordneten Funktionen benötigt, 1 Regierungsentwurf v. 23.5.2012, BR-Drucks. 302/12.
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A. Notwendigkeit und Bedeutung
3. die Chancen und Risiken des Unternehmens, die sie auf Grund der ausgeübten Funktionen und zugeordneten Vermögenswerte übernimmt, sowie 4. ein angemessenes Eigenkapital (Dotationskapital). In diesem ersten Schritt der Funktionsanalyse wird zunächst das Geschäftsmodell der Betriebsstätten genauer untersucht und im Anschluss an dessen Beschreibung die Funktionen, die vorliegend den Aktivitäten gleichgesetzt werden, und deren Aufteilung auf die Betriebsstätten analysiert werden. In einem nächsten Schritt wird untersucht, durch welche Personen innerhalb des Unternehmens die in Rede stehende Funktion/ Aktivität erbracht wird. Es wird somit unterstellt, dass Personal die wirtschaftliche Ursache für Funktionen ist und damit der „menschliche Faktor“, die in dem Personal innewohnende Kreativität und Leistungsfähigkeit, den Erfolg des Unternehmens bestimmt. In der Regel der Fälle ist die Identifizierung des Personals ein tauglicher Maßstab zur Bestimmung des Leistungsbeitrages einer Betriebsstätte, doch wird dies regelmäßig dann schwieriger, wenn die Leistungen nicht durch die Betriebsstätte selbst, sondern durch von Dritten erworbene Wirtschaftsgüter, die unstreitig aus der Kreativität von natürlichen Personen stammen, erzielt werden. Wenn dann die Leistung in der Betriebsstätte nur noch die Geschäftsleitungsentscheidung des Niederlassungsleiters der Betriebsstätte ist, da dieser alle Aktivitäten auf fremde Dritte outgesourct hat, kann es zu erheblichen Problemen bei der anzuerkennenden Einkunftszurechnung kommen.
4.10
Nachdem das Personal identifiziert und den Betriebsstätten zugeordnet ist, erfolgt im nächsten Schritt die Zuordnung der Vermögenswerte, die für die Erbringung der Funktionen erforderlich sind. Es handelt sich hierbei um konkrete materielle wie immaterielle Wirtschaftsgüter, die in Abhängigkeit von der personellen Ausstattung und der hierdurch erbrachten Leistung sehr unterschiedlich ausfallen kann. Die hierbei, wie bereits zuvor zu entscheidende Frage ist, wie mit Wirtschaftsgütern zu verfahren ist, die von mehreren Betriebsstätten genutzt werden und zu welcher Betriebsstätte und nach welchen Kriterien eine Zuordnung zu erfolgen hat. Ebenfalls problematisch erscheint die Zurechnung anhand des wirtschaftlichen Eigentums, die sich insbesondere bei immateriellen Wirtschaftsgütern als sehr problematisch erweist.1
4.11
Konsequenterweise folgen die Chancen und Risiken den Funktionen, die in der Betriebsstätte wahrgenommen werden,2 wobei sich die Zuordnung von Chancen und Risiken danach richtet, für welche das der Betriebsstätte zugeordnete Personal die letztendliche Entscheidung im Sinne eines „active-decision making“ die Verantwortung übernehmen kann.
4.12
1 Siehe hierzu Kahle/Mödinger, IStR 2010, 760 sowie Baldamus, IStR 2012, 317 mit weiteren Hinweisen. 2 Tz. 224 des OECD-Betriebstättenbericht 2010.
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Kapitel 4 Betriebsstättengewinnabgrenzung
Diese betriebswirtschaftlich nachvollziehbare Vorgehensweise, wonach Chancen und Risiken nur dann einer Betriebsstätte zugerechnet werden können, wenn deren Management auch tatsächlich in der Lage ist, die den Erfolg der Betriebsstätte beeinflussenden Entscheidungen zu treffen.
4.13 Die Kapitalausstattung der Betriebsstätte bestimmt sich dann als Ergebnis aus der Funktionsanalyse, der Risikoübernahme sowie der benötigten Vermögenswerte im Anschluss an eine Analyse der Aktivitäten der Betriebsstätte. Um die Höhe des Dotationskapitals jedoch ermitteln zu können, bedarf es einer Bewertung der Wirtschaftsgüter und der Messung der jeweils übernommenen Risiken. Gerade in dieser Bewertung liegt die große Herausforderung, aber auch die Unsicherheit für die Steuerpflichtigen und die Finanzverwaltung. Es ist bedauerlich, dass sich die OECD im Rahmen ihres Konsultationsprozesses zum OECD-Betriebsstättenbericht 2010 nicht auf ein einheitlich anzuwendendes Muster verständigt hat. Neben der Kapitalaufteilungsmethode1 kann auch die Kapitalzuordnungsmethode2 wie auch die Fremdvergleichsmethode zur Bestimmung des Dotationskapitals herangezogen werden.
4.14 Auf der Grundlage dieser Zuordnung sind in einem zweiten Schritt die Art der Geschäftsbeziehungen zwischen dem Unternehmen und seiner Betriebsstätte und die Verrechnungspreise für diese Geschäftsbeziehungen nach dem Fremdvergleichsmaßstab zu bestimmen. Hierbei erfolgt auch eine Bezugnahme auf die in den OECD-Verrechnungspreis-Leitlinien3 verankerten und genannten fünf Faktoren für eine Vergleichbarkeit der Aktivitäten mit Transaktionen zwischen unverbundenen Unternehmen: Art der Aktivität, Funktionsanalyse, Vertragsbedingungen, wirtschaftliche Umstände und zugrundeliegende Geschäftsstrategie.
4.15 Unsystematisch oder zumindest dem deutschen System der Beurteilung von Sondervergütungen aufgrund von Aktivitäten des Gesellschafters für die Personengesellschaft widersprechend, sieht § 1 AStG in der Fassung des Regierungsentwurfs zum JStG 20134 ebenfalls vor, dass die oben genannten Grundsätze auf Geschäftsbeziehungen zwischen einem Gesellschafter und seiner Personengesellschaft oder zwischen einem Mitunternehmer und seiner Mitunternehmerschaft nicht anzuwenden sind. In
1 Hierbei erfolgt die Zuordnung des Dotationskapitals im Verhältnis der Vermögens- und Risikostruktur des Einheitsunternehmens. Vgl. Tz. 121–127 OECD-Betriebsstättenbericht 2010. 2 Hierbei erfolgt die Zuordnung des Dotationskapitals nach theoretisch untermauerten betriebswirtschaftlichen Risikomodellen. Vgl. Tz. 128 OECD-Betriebsstättenbericht 2010. 3 Tz. 190 OECD-Betriebsstättenbericht verweist explizit auf eine analoge Anwendung der Tz. 1.52–1.54 der OECD-Verrechnungspreis-Leitlinien – zumindest in Bezug auf die Analyse der Vertragsbedingungen; die offizielle deutsche Übersetzung ist abgedruckt in Kroppen, Handbuch der Internationalen Verrechnungspreise. 4 BR-Drucks. 302/12.
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A. Notwendigkeit und Bedeutung
diesen Fällen soll nur der allgemeine Grundsatz des § 1 Abs. 1 AStG gelten.1 Durch den Regierungsentwurf des JStG 2013 vom 23.5.20122 soll die Sichtweise der OECD, der Authorized OECD Approach, in nationales Recht umgesetzt werden. Hierbei soll, wie bereits in Rz. 4.4. ausgeführt, von der eingeschränkten Selbständigkeitsfiktion auf die uneingeschränkte Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte umgeschwenkt werden. Dieser sogenannte Functionally Separate Entity Approach bedeutet, dass die Gewinnermittlung und -zurechnung so zu erfolgen habe, als wenn die Betriebsstätte ein eigenständiges und unabhängiges Unternehmen wäre.3 Die Festschreibung erfolgt nicht in den jeweiligen deutschen DBA, sondern in § 1 AStG, wenn es dort in Abs. 1 heißen soll, dass Steuerpflichtiger im Sinne dieser Vorschrift auch eine Personengesellschaft oder eine Mitunternehmerschaft ist. Auch kann eine Personengesellschaft oder eine Mitunternehmerschaft zukünftig nahestehende Person im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG sein. Weitere Formulierungen zur Sicherstellung der Umsetzung des OECD Approaches in Deutsches Steuerrecht sind die geplanten Formulierungen in § 1 Abs. 4 AStG: „Liegen einer Geschäftsbeziehung keine schuldrechtlichen Vereinbarungen zugrunde, ist davon auszugehen, dass voneinander unabhängige ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter im Sinne des Absatzes 1 S. 3 schuldrechtliche Vereinbarungen getroffen hätten oder bestehende Rechtspositionen geltend machen würden, es sei denn, der Steuerpflichtige macht im Einzelfall etwas anderes glaubhaft. Geschäftsbeziehungen im Sinne dieser Vorschrift sind auch Geschäftsvorfälle zwischen einem Unternehmen eines Steuerpflichtigen und seiner in einem anderen Staat gelegenen Betriebsstätte (anzunehmende schuldrechtliche Beziehung).“ Die Frage der Zuordnung der Einkünfte zur Betriebsstätte soll in einem zweistufigen Verfahren vorgenommen werden, der dem bei rechtlich selbständigen Kapitalgesellschaften und deren Geschäftsbeziehungen untereinander entspricht. In einem ersten Schritt sollen die Funktionen des Unternehmens, die durch ihr Personal ausgeübt werden, die sogenannte Personalfunktion der Betriebsstätte zugeordnet werden.4 Danach werden die Vermögenswerte des 1 Vgl. Wassermeyer, IStR 2012, 280 mit weiteren Beispielen hierzu. 2 BR-Drucks. 302/12. 3 Laut Gesetzesbegründung hat die Selbständigkeitsfiktion doch wieder Grenzen, denn eine Betriebsstätte soll stets das gleiche Kreditrating besitzen wie das Unternehmen, dessen Betriebsstätte sie ist. Dies erscheint jedoch erstens praktisch nicht anders möglich zu sein, da einzelne Betriebsstätten durch fremde Dritte, die Banken, kein eigenständiges Rating bekommen und im Vergleich zur Situation bei Konzernkapitalgesellschaften würde man für die Inanspruchnahme des Verbundvorteils der Unternehmensgruppe auch keine abweichende Gewinnzuordnungen vornehmen. 4 Die hierbei erfolgte ausschließliche Fokussierung auf die Funktion, die von dem eigenen Personal erbracht wird, verkennt den Umstand, dass unternehmerische Entscheidungen, die einen erheblichen Gewinn der Betriebsstätte begründen können, gerade nicht durch den Einsatz eigenen Personals begründet werden, sondern durch Outsourcing. Es bleibt zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch
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Kapitel 4 Betriebsstättengewinnabgrenzung
Unternehmens den Betriebsstätten zugeordnet, die diese benötigen, um die ihnen zugeordneten Funktionen ausüben zu können. Dann werden die Chancen und Risiken aufgrund der übernommenen Funktionen und der hierfür erforderlichen Vermögenswerte identifiziert und zugeordnet. Letztlich wird das für diese Tätigkeit benötigte Dotationskapital bestimmt. Auf dieser Grundlage wird dann in einem weiteren Schritt die Art der Geschäftsbeziehungen zwischen dem Unternehmen und seiner Betriebsstätte bestimmt und die Verrechnungspreise hierfür bestimmt.1 Sofern eine solche Gesetzesänderung tatsächlich eintritt, ergeben sich gravierende Änderungen im Betriebsstättenerlass,2 da insbesondere die Auffassung der Finanzverwaltung zur sogenannten „Zentralfunktion des Stammhauses“ dann überhaupt nicht mehr haltbar ist. Aber auch zahlreiche andere Fragestellungen, wie z.B. die Doppelbesteuerung in DBA-Fällen vermieden wird, sind dann neu zu stellen. Während wir bisher einer Betriebsstätte nur dann Beteiligungen an Kapitalgesellschaften steuerlich zuordnen konnten, wenn diese im Sinne eines notwendigen Betriebsvermögens der eigenen operativen Tätigkeit der Betriebsstätte dienten, muss es zukünftig möglich sein, eine Holding-Betriebsstätte zu errichten, die eine geschäftsleitende Funktion für unterschiedliche Kapitalgesellschaftsbeteiligungen übernimmt. Fraglich wäre in einem solchen Fall, ob die empfangenden Dividenden und Veräußerungsgewinne als der gewerblichen Tätigkeit „geschäftsleitende Holdingfunktion“ zuzurechnen und ebenfalls von der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat freizustellen wären. Es muss abgewartet werden, wie die Frage der Vermeidung der Doppelbesteuerung in der Zukunft gehandhabt wird.
4.16 Ohne die Ermittlung und Abgrenzung der Gewinne zwischen den Betriebsstätten ist die Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht denkbar, da die Abkommen als solche nur die Besteuerungsrechte dem Grunde nach zuweisen, im Falle unternehmerischer Einkünfte im Sinne des Art. 7 OECD-MA, streng genommen jedoch nicht der Höhe nach. Diese Frage bestimmt sich nach dem nationalen Steuerrecht des jeweiligen Anwenderstaates. Die Zuordnung von Einkünften und die des diesen Einkünften zugrunde liegenden Vermögens ist aus vielerlei Gründen erforim Verborgenen, wie Fälle zu behandeln sind, bei denen weite Teile der Aktivitäten mit Ausnahme der Geschäftsleitung der jeweiligen Betriebsstätte nicht mit eigenem Personal sondern mit fremdem Personal außerhalb der Betriebsstätte ausgeübt werden. 1 Offensichtlich ist bei dieser Art der Formulierung jedoch bereits, dass die Genauigkeit der Begrifflichkeiten für die Rechtsanwendung entscheidend ist. Denn streng genommen kann es nicht um die Geschäftsbeziehung des Unternehmens zur Betriebsstätte gehen, sondern nur um Geschäftsbeziehungen zwischen Betriebsstätten eines Unternehmens. Die gewählte Formulierung lässt bereits wieder vermuten, dass es doch ein Rangverhältnis der Betriebsstätte zueinander gibt, welches klar zu verneinen wäre. 2 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076.
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A. Notwendigkeit und Bedeutung
derlich, wobei neben der Bestimmung der Besteuerungsrechte der involvierten Staaten bei grenzüberschreitenden Geschäftsaktivitäten zahlreiche andere Besteuerungsanlässe zur Einkunftszurechnung zwingen, wie z.B. die Höhe der anzurechnenden ausländischen Steuern, die hier jedoch nicht näher untersucht werden sollen.1 Die Einkunftszurechnung zwischen Betriebsstätte und Stammhaus erfolgt bisher im Prinzip nach den gleichen Grundsätzen wie bei rechtlich selbständigen Unternehmen. Allerdings sind bisher Besonderheiten infolge der eingeschränkten Selbständigkeitsfiktion zu berücksichtigen. Eine Einkunftszurechnung kann sinnvoller Weise jedoch erst dann zutreffend erfolgen, nachdem zunächst festgestellt wurde, welche Vermögensgegenstände vorliegen und wie die Einkünfte zu ermitteln sind. Bei der Bestimmung der vorliegenden Vermögensgegenstände kann es jedoch nicht darauf ankommen, ob nach deutschen Gewinnermittlungsgrundsätzen eine Bilanzierung vorzunehmen ist oder nicht.
III. Rechtliche Stellung von Betriebsstätten als Grundlage weitergehender Überlegungen Gem. Art. 7 Abs. 1 OECD-MA darf grundsätzlich nur der Ansässigkeitsstaat des Unternehmens Gewinne aus einer unternehmerischen Tätigkeit besteuern, es sei denn im anderen Vertragsstaat verfügt das Unternehmen über eine Betriebsstätte im Sinne des Art. 5 OECD-MA. Die Vorzüge dieses Grundsatzes, dass der unbeschränkte Besteuerungsanspruch des Ansässigkeitsstaates nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen durchbrochen werden soll, brauchen nicht hervorgehoben zu werden. Im zwischenstaatlichen Steuerrecht hat sich die Auffassung durchgesetzt – und diese Feststellung mag genügen –, dass ein Unternehmen eines Staates erst dann so sehr am Wirtschaftsleben des anderen Staates teilnimmt, um dessen Steuerhoheit unterstellt zu werden, wenn es dort eine Betriebsstätte errichtet.
4.17
Indem der Betriebsstättenstaat nur die Teile der Unternehmensgewinne besteuern darf, die der Betriebsstätte zugerechnet werden können, gibt es im Abkommensrecht grundsätzlich kein Attraktionsprinzip (vgl. hierzu Art. 7 Rz. 10 OECD-MK 2008). Dieses Prinzip ist durch die Änderungen des OECD-MA 2010 nicht in Frage gestellt worden. Durch die Beschränkung auf die vorzunehmende Funktionsanalyse kommt es zu einer begrenzten und konkreten Zuordnung von Einkünften zur Betriebsstätte, die zwingend der fehlenden Attraktivkraft der Betriebsstätte entspricht. Dieses besagt, dass nicht allein aufgrund des Umstandes, dass in dem anderen Staat eine Betriebsstätte belegen ist, alle Einkünfte dieser Betriebsstätte funktional und wirtschaftlich zugerechnet werden und daher unter dem Betriebsstättenartikel des Art. 7 OECD-MA besteuert werden. Viel-
4.18
1 Vgl. hierzu ausführlich Grotherr/Herfort/Strunk, Internationales Steuerrecht3, S. 112 ff. sowie Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstättenhandbuch, Rz. 9.1 ff.
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Kapitel 4 Betriebsstättengewinnabgrenzung
mehr ist Voraussetzung für die Besteuerung, wie unter Rz. 4.22 ausgeführt wird, dass eine wirtschaftliche, nach Darstellung und Verständnis des BFH aufgrund der funktionalen Zuordnung eine Berücksichtigung bzw. Zugehörigkeit zur Betriebsstätte gegeben ist.1 Muss die Zugehörigkeit verneint werden, ist nach anderen Einkunftsartikeln, inbesondere nach Art. 10, 11 oder 12 OECD-MA zu prüfen, ob der Quellenstaat neben dem Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates oder anstelle dieses ein Besteuerungsrecht besitzt.
4.19 Wenn auch einige zweiseitige Abkommen eine Missbrauchsklausel enthalten, die auf einem eingeschränkten Konzept der Anziehungskraft der Betriebsstätte fußen und sich nur auf Gewinne erstreckt, die aus Tätigkeiten bezogen werden, die den Tätigkeiten der Betriebsstätte ähnlich sind, wird der zuvor beschriebene allgemeine Grundsatz der Anziehungskraft der Betriebsstätte mehrheitlich verworfen.2 Der Grundsatz, der jetzt allgemein in den DBA anerkannt wird, beruht darauf, dass die Steuerbehörden eines Staates bei der Besteuerung der Gewinne, die ein ausländisches Unternehmen in diesem Staat erzielt, die verschiedenen Quellen der Gewinne jeweils für sich betrachten und, vorbehaltlich der Anwendung anderer Abkommensartikel, dem Betriebsstättentest unterwerfen sollten. Indem Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA sich auf den Teil der Gewinne des Unternehmens bezieht, der der Betriebsstätte zuzurechnen ist, verweist er unmittelbar auf Art. 7 Abs. 2 OECD-MA, der die Leitlinie für die Ermittlung der Gewinne, die der Betriebsstätte zuzurechnen sind, enthält. Da Art. 7 Abs. 2 OECD-MA Teil des Zusammenhangs ist, in dem Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA zu lesen ist, sollte dieser Satz nicht in einer dem Art. 7 Abs. 2 OECD-MA widersprechenden Weise ausgelegt werden. D.h. er sollte nicht so ausgelegt werden, als beschränke er den Betrag der Gewinne, der der Betriebsstätte zugerechnet werden kann, auf den Betrag der Gewinne des Unternehmens als Ganzes.
4.20 Während Art. 7 Abs. 1 OECD-MA vorsieht, dass ein Vertragsstaat die Gewinne eines Unternehmens des anderen Vertragsstaats nur insoweit besteuern darf, als sie einer im Gebiet des ersten Staats gelegenen Betriebsstätte zugerechnet werden können, bestimmt Art. 7 Abs. 2 OECD-MA also die Bedeutung der Worte „Gewinne, die der Betriebsstätte zugerechnet werden können“. Mit anderen Worten: Die Regelung des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA kann dazu führen, dass der Betriebsstätte Gewinne zugerechnet werden, obwohl das Unternehmen als Ganzes niemals Gewinne erwirtschaftet hat. Umgekehrt kann die Regelung dazu führen, dass der Be1 BFH v. 1.4.1987 – II R 186/80, BStBl. II 1987, 550; v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63; v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; s. hierzu auch Kaminski/Strunk, IStR 2001, 161 ff.; Strunk/Kaminski, IStR 2003, 181 ff. 2 Vgl. z.B. Andresen in W/A/D, Betriebsstättenhandbuch, Rz. 2.170 mit weiteren Nachweisen sowie BFH v. 1.4.1987 – II R 186/80, BStBl. II 1987, 550; v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; v. 16.10.2002 – I R 17/01, BStBl. II 2003, 631. Vgl. auch Hemmelrath in in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 65.
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A. Notwendigkeit und Bedeutung
triebsstätte keine Gewinne zugerechnet würden, obwohl das Unternehmen als Ganzes Gewinne erzielt hat. Der Vertragsstaat, in dem das Unternehmen ansässig ist, hat jedoch eindeutig ein Interesse daran, dass die Regelung von dem Staat, in dem die Betriebsstätte liegt, korrekt angewendet wird. Da die Regelung für beide Staaten gilt, muss der Staat des Unternehmens gemäß Artikel 23A oder B OECD-MA eine doppelte Besteuerung der Gewinne, die der Betriebsstätte zuzurechnen sind, vermeiden. Mit anderen Worten: Wenn der Staat, in dem die Betriebsstätte liegt, versucht, Gewinne zu besteuern, die nach Art. 7 OECD-MA nicht der Betriebsstätte zuzurechnen sind, kann dies zu einer doppelten Besteuerung von Gewinnen führen, die richtigerweise nur im Staat des Unternehmens besteuert werden sollten. Der Zweck des Art. 7 Abs. 1 OECD-MA besteht darin, das Recht eines Vertragsstaats zu beschränken, Gewinne von Unternehmen des anderen Vertragsstaats zu besteuern.
4.21
Art. 7 Abs. 2 OECD-MA enthält die Grundregel für die Gewinnzurech- 4.22 nung bei Betriebsstätten. In ihm kommt die Auffassung zum Ausdruck, dass einer Betriebsstätte diejenigen Gewinne zuzurechnen sind, die diese Betriebsstätte erzielt hätte, wenn sie statt mit anderen Unternehmensteilen mit einem völlig fremden Unternehmen zu den Bedingungen und Preisen des freien Marktes in Geschäftsbeziehungen gestanden hätte. Das entspricht dem Grundsatz des Fremdvergleichs („arm“s length principle“, vgl. hierzu auch Rz. 3.6 ff.). Die so ermittelten Gewinne wären in der Regel die gleichen Gewinne, die bei Anwendung der Grundsätze einer ordnungsmäßigen kaufmännischen Buchführung zu erwarten sind. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA verlangt, dass dieser Grundsatz in beiden Vertragsstaaten angewendet wird. Dies besagt aber eindeutig nicht, dass der Betrag, mit dem das Unternehmen im Quellenstaat für einen bestimmten Zeitraum besteuert wird, genau dem Einkommensbetrag entsprechen muss, für den der andere Staat nach den Artikeln 23A oder 23B eine Entlastung zu gewähren hat. Unterschiede im innerstaatlichen Recht der beiden Staaten in Fragen wie z.B. den Abschreibungssätzen, dem Zeitpunkt der Realisierung von Einkünften und den Beschränkungen der Abziehbarkeit bestimmter Ausgaben, die mit Art. 7 Abs. 3 OECD-MA im Einklang stehen, werden regelmäßig zu einem unterschiedlichen Betrag des steuerbaren Einkommens in den beiden Staaten führen. Dieses Problem soll nun durch die Formulierung des Art. 7 Abs. 2 und 3 OECD-MA 2010 gelöst werden. Durch die Festlegung einer einheitlichen Methode bei der Ermittlung der zuzurechnenden Einkünfte zu einzelnen Betriebsstätten, wie unter Rz. 4.2 erläutert, besteht sicherlich eine größere Chance, dass die Konfliktfälle zwischen den Staaten geringer werden. Gleichwohl ist aber auch festzuhalten, dass die Ermittlung der Einkünfte, die nach nationalem Recht vorzunehmenden Abschreibungen nicht durch die Änderungen des Art. 7 Abs. 2 und 3 OECD-MA 2010 betroffen sind. Insofern bleibt es bei den Bedenken hinsichtlich der Ermittlung des zu verteilen-
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Kapitel 4 Betriebsstättengewinnabgrenzung
den Einkommens des Einheitsunternehmens und der sich daraus ergebenden unterschiedlichen Ermittlung der Einkünfte der Betriebsstätten.
4.23 In den meisten Fällen werden die Geschäftsbücher der Betriebsstätte – die in der Regel schon deshalb vorliegen, weil ein gut geführtes Unternehmen im Allgemeinen über die Rentabilität seiner verschiedenen Zweigniederlassungen unterrichtet sein möchte – zur Ermittlung des dieser Betriebsstätte richtigerweise zuzurechnenden Gewinns herangezogen. Liegen also solche Bücher vor, so werden diese selbstverständlich den Ausgangspunkt für Berichtigungen bilden, die erforderlich sind, um die Höhe der der Betriebsstätte richtigerweise nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA zuzurechnenden Gewinne zu ermitteln. Hervorgehoben sei, dass diese Regel es nicht rechtfertigt, ohne ausreichende Grundlage mutmaßliche Gewinne festzusetzen; man muss vielmehr stets von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehen, die sich aus den Geschäftsbüchern der Betriebsstätte ergeben, und dann die auf Grund dieser Gegebenheiten ermittelten Gewinne erforderlichenfalls berichtigen. Um zu entscheiden, ob eine solche Berichtigung nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA erforderlich ist, wird es nötig sein, die Gewinne zu ermitteln, die erzielt worden wären, wenn die Betriebsstätte eine gleiche oder ähnliche Tätigkeit unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen als selbständiges Unternehmen ausgeübt hätte und im Verkehr mit dem Unternehmen, dessen Betriebsstätte sie ist, völlig unabhängig gewesen wäre.
4.24 Der erste Schritt erfordert die Identifizierung der durch die Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeiten. Dies sollte mittels einer funktionalen und tatsächlichen Analyse geschehen, wobei ein Rückgriff auf die OECD-Verrechnungspreisleitlinien1 erfolgt. Bei diesem Schritt werden die wirtschaftlich bedeutsamen Tätigkeiten und Verantwortlichkeiten der Betriebsstätte ermittelt. Die Analyse sollte, soweit dies erheblich ist, die Tätigkeiten und Verantwortlichkeiten der Betriebsstätte im Zusammenhang mit den Tätigkeiten und Verantwortlichkeiten des Unternehmens als Ganzen betrachten, insbesondere der Teile des Unternehmens, die Transaktionen mit der Betriebsstätte durchführen. Es ist davon auszugehen, dass diese bereits in der Vergangenheit von Steuerpflichtigen und Finanzverwaltungen angewandten Prinzipien durch die nun erfolgte schriftliche Festlegung des Erfordernisses einer Funktionsanalyse in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 zu keiner grundsätzlichen Änderung führen wird. Durch die Erhöhung der Verbindlichkeit bei entsprechender Vereinbarung in den zu beachtenden DBA wird das Konfliktpotential vermutlich abnehmen.
1 OECD (Hrsg.): OECD-Transfer Pricing Guidelines for multinational enterprises and tax administration, Paris 2010; die offizielle deutsche Übersetzung ist abgedruckt in Kroppen, Handbuch der Internationalen Verrechnungspreise.
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A. Notwendigkeit und Bedeutung
IV. Zuordnungsprinzipien und Rechtfertigung für Gewinnabgrenzung zwischen Betriebsstätten Die Frage der Zuordnung von Wirtschaftsgütern und Schulden, Betriebseinnahmen und – ausgaben sowie von Vermögensmehrungen und -minderungen stellt die Grundlage der Gewinnabgrenzung dar. Art. 7 Abs. 1 S. 2 OECD-MA legt fest, dass der Betriebsstätte die Gewinne zuzurechnen sind, die sie hätte erzielen können, wenn es sich bei ihr um ein selbständiges Unternehmen gehandelt hätte. Betrachtungsebene ist hierbei sowohl die Ebene der Außentransaktionen als auch die Ebene der Innentransaktionen. Bei den Außentransaktionen1 geht es darum, dass die rechtlich unselbständige Einheit „Betriebsstätte“, die zivilrechtlich in keinerlei Verpflichtungen eintreten, begründen oder empfangen kann,2 für steuerliche Zwecke aber mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattet ist, so behandelt wird, als würde sie auch zivilrechtlich den aus den Außentransaktionen erzielten Ertrag oder Aufwand erzielen. Bei Außentransaktionen, also in den Fällen, in denen das Unternehmen gegenüber Dritten oder nahestehenden anderen Rechtspersonen tätig wird, ergibt sich aufgrund eines zivilrechtlichen, zumeist schuldrechtlichen Vorgangs eine Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an Waren und Gütern oder eine entsprechende Leistungserbingung aufgrund eines Dienst- oder Werkvertrages oder einer anderen geeigneten schuldrechtlichen Verpflichtung. Bei Außentransaktionen gegenüber Dritten ist der vereinbarte Preis für die Lieferung oder Leistung als fremdüblich und damit als steuerlich anzuerkennen anzusehen. Bei Außentransaktionen durch eine Betriebsstätte einer Konzerngesellschaft gegenüber einer anderen nahestehenden Kapitalgesellschaft liegt hinsichtlich der Angemessenheit des vereinbarten Preises für die Lieferung oder Leistung ein gewöhnliches Verrechnungspreisproblem vor, wie es bereits in Kapitel 3 ausführlich dargestellt und analysiert wurde.
4.25
Neben der Frage, ob der vereinbarte Preis bei Außentransaktionen zutreffend ist, muss auch geprüft werden, welcher Unternehmenseinheit der Erfolg, also sowohl die Einnahmen als auch die Betriebsausgaben zuzurechnen sind. Gem. Art. 7 Abs. 1 S. 2 OECD-MA kann dies nur derjenige Unternehmensteil sein, der das Geschäft wirtschaftlich verursacht hat.
4.26
1 Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstättenhandbuch, Rz. 3.1 definiert Außentransaktionen als: „Leistungsbeziehungen eines Betriebes mit selbständigen Rechtssubjekten. Außentransaktionen können von Teilen eines Betriebes allein oder im Zusammenwirken mit anderen Betriebsteilen erbracht werden und sind dann den leistungserbringenden Betriebsteilen – ggf. anteilig – zuzuordnen.“ Es sind zwei Arten von Außentransaktionen zu unterscheiden: zum einen mit fremden Dritten und Leistungsbeziehungen mit verbundenen Unternehmen/nahestehenden Personen, wobei nach deutschem Verständnis hierzu nicht Personengesellschaften zählen, da diese zu Innentransaktionen führen. 2 Die Zweigniederlassung im Sinne des § 13b HGB soll hierbei außer Acht gelassen werden.
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Kapitel 4 Betriebsstättengewinnabgrenzung
Hierbei ist genau zu untersuchen, welche Funktionen eine in Rede stehende Betriebsstätte übernommen hat, ob sie die hierfür erforderlichen Vermögenswerte in ihrem „fiktiven Betriebsstättenvermögen“ besitzt und welches Risiko bei der Vornahme der Transaktion durch sie getragen wird. Insoweit ist auf die Ausführungen zur notwendigen Funktionsanalyse bei Verrechnungspreisfragen zwischen nahestehenden Kapitalgesellschaften in Rz. 3.94 ff. zu verweisen. In der weiter unten dargelegten Vorgehensweise zur Ermittlung der angemessenen Gewinnabgrenzung hat für jede Betriebsstätte im ersten Schritt eine entsprechende Funktionsanalyse zu erfolgen, um in einem weiteren Schritt die Gewinne oder Verluste verursachungsgerecht auf die einzelnen Betriebsstätten des Einheitsunternehmens zu verteilen. Im Ergebnis ist der leistenden Betriebsstätte ein Gewinn aus der Außentransaktion zuzuweisen, wenn sie diese Leistung selbständig erwirtschaftet hat und sich nicht der Mitwirkung anderer Betriebsstätten bedient hat.
4.27 Bei Innentransaktionen1 fehlt es regelmäßig an einer zivilrechtlichen Übertragung des Eigentums an Waren und Gütern sowie an einer schuldrechtlich wirksamen Vereinbarung über die Erbringung von Leistungen zwischen den Betriebsstätten desselben Unternehmens. Gleichwohl ist die Innentransaktion nicht ohne steuerliche Bedeutung. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die die Leistung empfangende Betriebsstätte eine Außentransaktion durchführt und hierbei einen Gewinn oder Verlust realisiert. Ein durch die Leistungserbringung einer Betriebsstätte verursachter Erfolg gegenüber einem Dritten kann somit ähnlich wie bei der Wiederverkaufspreismethode nur retrograd vom Preis gegenüber dem Dritten abgeleitet werden. Aber auch die Anwendung dieser Überlegung ist nur möglich, wenn die Funktionsanalyse ergeben hat, dass es sich bei der Leistung der veräußernden Betriebsstätte tatsächlich um eine Vertriebsbetriebsstätte handelt. Ist somit ähnlich einer gewinnwirksamen Buchung bei Leistungen aus einem Konzernkonsolidierungskreises die Höhe des Gewinns durch Umsatz mit einem fremden Dritten ermittelt, stellt sich die nächste Frage, wie viel des erwirtschafteten Gewinns einer speziellen Betriebsstätte zuzurechnen ist. Im Vorgriff auf die noch dazustellenden Methoden der Ermittlung des Betriebsstättengewinns (vgl. hierzu Rz. 4.76) wird man in jedem Fall auf die Funktionsanalyse und die separate Aufzeichnung von Einnahmen und Betriebsausgaben sowie eine eindeutige Zuordnung der Vermögenswerte und Schulden zur „fiktiven“ Betriebsstättenbilanz als Regelfall abstellen. Von den Fällen der Innentransaktion sind die Fälle zu unterscheiden, bei denen es zu einer Realisierung, z.B. durch Veräußerung, kommt oder zu einer Ersatzrealisierung, 1 Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstättenhandbuch Rz. 3.4, der Innentransaktionen wie folgt definiert: „Unter Innentransaktionen versteht man Lieferungen und sonstige Leistungen zwischen den unselbständigen Teilen ein und desselben Unternehmens. Sie sind sowohl zwischen dem Stammhaus und einer Betriebsstätte als auch zwischen mehreren Betriebsstätten desselben Unternehmens möglich.“
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A. Notwendigkeit und Bedeutung
zum Beispiel durch Gleichstellung der Überführung eines Wirtschaftsgutes von der inländischen Betriebsstätte in eine ausländische Betriebsstätte gem. § 4 Abs. 1 S. 3 EStG (siehe hierzu Rz. 4.147). Zu problematisieren sind die Fälle, bei denen eine Innentransaktion ohne Außenumsatz geschieht, wie dies typischerweise dann der Fall ist, wenn einzelne Betriebsstätten administrative Dienstleistungen, wie z.B. die Buchhaltung, für andere Betriebsstätten übernehmen. In diesen Fällen kann nach der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung1 kein Gewinnaufschlag bei der Weiterbelastung des erlittenen Aufwandes der abgebenden Betriebsstätte berechnet werden. Nach der nun geltenden Fassung des AOA muss dies möglich sein, da gegenüber einem fremden Dritten beispielsweise eine Buchhaltungsleistung nur unter Berücksichtigung eines angemessenen Gewinns beim Leistenden angeboten würde und dies somit auch zukünftig Grundsatz der Gewinnzurechnung sein soll. Ebenfalls von besonderem Interesse sind Innentransaktionen, bei denen ebenfalls kein Außenumsatz folgt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein Wirtschaftsgut untergeht. In diesen Fällen stellt sich die Frage, welchem Unternehmensteil nach heutiger nationaler Rechtslage die außerordentliche Abschreibung zuzurechnen ist. Interessanterweise hat man bis zur geplanten Umsetzung des AOA in § 1 AStG durch das JStG 20132 ein Auseinanderfallen der abkommensrechtlichen Regelungen zu denen des nationalen Rechts, denn nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2008 musste die Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte berücksichtigt werden; eine entsprechende Vorschrift im nationalen Recht vermögen demgegenüber Stimmen in der Literatur nicht zu sehen.3 Insbesondere der Streit über die Reichweite des Veranlassungsprinzips im Rahmen der nationalen Gewinnermittlungsvorschriften ist an dieser Stelle zu nennen. Die in der Vorauflage geäußerte Auffassung, dass nach der Überführung der Wirtschaftsgüter aus einer inländischen in eine ausländische Betriebsstätte alle Risiken aus dem Wirtschaftsgut der ausländischen Betriebsstätte zuzurechnen sind, war m.E. bis zur Einführung des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und der gesetzlichen Kodifizierung der Gleichsetzung mit einer Entnahme die konsequente Folge der Argumentation der Finanzverwaltung.
4.28
Dies folgt dem Grundsatz der eingeschränkten Selbständigkeitsfiktion, wie er bisher in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2008 festgeschrieben ist. In Art. 7 Abs. 2 OECD wird dies durch folgende Formulierung näher beschrieben: „Übt ein Unternehmen eines Vertragsstaats seine Geschäftstätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebstätte aus, so werden vorbehaltlich des Absatzes 3 in jedem Vertragsstaat dieser Betriebstätte die Gewinne zugerechnet, die sie hätte erzielen können,
4.29
1 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 sowie die nachfolgenden Änderungen, zuletzt BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004, BStBl. I 2009, 888. 2 Regierungsentwurf v. 23.5.2012, BR-Drucks. 302/12. 3 Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstättenhandbuch, Rz. 3.9 mit Hinweis darauf, dass das Veranlassungsprinzip im nationalen Recht nicht so weit reicht.
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Kapitel 4 Betriebsstättengewinnabgrenzung
wenn sie eine gleiche oder ähnliche Geschäftstätigkeit unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen als selbständiges Unternehmen ausgeübt hätte und im Verkehr mit dem Unternehmen, dessen Betriebstätte sie ist, völlig unabhängig gewesen wäre.“ Aus dieser Selbständigkeitsfiktion in Verbindung mit dem Veranlassungsprinzip, wie es das dt. Steuerrecht auch in § 4 Abs. 4 EStG kennt, ergibt sich der Besteuerungsanspruch des anderen Staates.
4.30 Die Veranlassung setzt einen objektiv möglichen und subjektiv gewollten und gegebenen Zusammenhang zwischen den Einkünften und der Tätigkeit der Betriebsstätte voraus. Der BFH hat in seinem Beschluss vom 4.7.19901 sehr grundsätzlich dargestellt, dass es auf den wirtschaftlichen Zusammenhang der Aufwendungen mit den Einkünften ankommt, ob erstens überhaupt steuerbare Einkünfte vorliegen und zweitens, bei welcher Einkunftsart die Aufwendungen abzuziehen sind. Neben das Veranlassungsprinzip tritt auch der Fremdvergleichsgrundsatz, nach dem die Höhe der Einkünfte bei innerkonzernlichen oder innerbetrieblichen Transaktionen bestimmt wird.
4.31 Ungeachtet der in der Literatur geführten Diskussion2 in welchem Verhältnis Gewinnermittlung und Gewinnabgrenzung stehen, soll im Rahmen dieser Ausarbeitungen dem Verständnis gefolgt werden, dass in einem ersten Schritt die Gewinnermittlung zu erfolgen hat und in einem nachgelagerten Schritt die Gewinnabgrenzung. Zwar ist grundsätzlich zuzugeben, dass der ausländische Staat nur im Umfang der tatsächlich abgegrenzten Gewinne ein Besteuerungsrecht hat, doch kann diese Frage erst beantwortet werden, wenn überhaupt klar ist, wie groß der zu verteilende Gewinn des Einheitsunternehmens ist.
V. Übertragung der Grundsätze bei Betriebsstätten auf Personengesellschaften 4.32 Wenngleich Personengesellschaftskonzerne sich aus zivilrechtlicher Sicht als Zusammenschluss rechtlich selbständiger Unternehmen darstellen, folgt deren steuerliche Beurteilung nach deutschem Steuerrecht stets der Behandlung, als wenn es sich um unselbständige Betriebsstätten handelt. Dies ist zwingend, wenn man den Personengesellschaften für einkommen- oder körperschaftsteuerliche Zwecke keine Steuersubjekteigenschaft zubilligt und nur die Eigenschaft als Einkunftsermittlungsobjekt gewährt. Im Ergebnis hat jeder Mitunternehmer einer Personengesellschaft steuerlich betrachtet eine anteilige Betriebsstätte, die ihn selbst zu einer Person im Sinne des jeweiligen DBA macht. Zwar ist zuzugestehen, dass Personengesellschaften untereinander in der Lage sind, 1 BFH v. 4.7.1990 – GrS 2-3/88, BStBl. II 1990, 817. 2 Siehe hierzu Andresen in W/A/D, Betriebsstättenhandbuch, Rz. 2.7 mit Verweis auf den Meinungsstand im Schrifttum.
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B. Verfahrens- und materiellrechtliche Grundlagen zur Buchführungspflicht
zivilrechtliche, insbesondere schuldrechtliche, Verträge abzuschließen, die die rechtliche Grundlage der Transaktionen darstellt, doch führt die genannte Transparenz der Personengesellschaft dazu, dass steuerlich eine Betrachtung auf der Ebene der jeweiligen Mitunternehmer erfolgt, mit denen nun gerade keine schuldrechtlichen Verträge abgeschlossen wurden. Probleme können sich bei Transaktionen zwischen Personengesellschaften immer dann ergeben, wenn keine Gesellschafteridentität zwischen den Gesellschaften besteht, denn anders als bei einem reinen Betriebsstättenfall, bei dem stets nur ein Steuerpflichtiger betroffen ist, ist dies bei Personengesellschaften regelmäßig anders. Die sich hieraus ergebenden Besonderheiten bei der Bildung von Ausgleichsposten bei der Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische EU-Betriebsstätte und der Nichtgewährung in Fällen der Überführung in eine ausländische Personengesellschaft wird unter Rz. 4.147 weiter erläutert.
VI. Abgrenzung zu anderen Kapiteln Die Definition der Betriebsstätte, deren Stellung im Abkommensrecht und die Grundsätze der allgemeinen Besteuerung von Betriebsstättengewinnen ist bereits unter Rz. 2.100 ff. näher untersucht worden. In Ergänzung zu diesen Ausführungen wird in diesem Kapitel aufgezeigt, wie die der Betriebsstätte zuzurechnenden Einkünfte ermittelt werden und welche Abgrenzungsfragen und Zuordnungsregeln zu beachten sind. Auf die besondere Stellung von Personengesellschaften, die Behandlung von Sondervergütungen und Sondervermögen im Abkommensrecht sowie das nationale deutsche Steuerrecht soll hier nicht eingegangen werden. Insoweit wird auf die Darstellung in Kapitel 5 und 8 verwiesen.
4.33
B. Verfahrens- und materiellrechtliche Grundlagen zur Buchführungspflicht I. Rechtliche Grundlagen der Buchführungspflicht 1. Überblick Die Rechtsgrundlagen der Betriebsstättengewinnermittlung sind von dem innerstaatlichen Recht des Staates abhängig, in dem dem Steuerpflichtigen eine Aufzeichnungspflicht zugewiesen wird. Die letztendliche Frage, ob bestimmte Vermögensmehrungen, aber auch Aufwendungen tatsächlich steuerwirksam zu erfassen sind, hängt in einem weiteren Schritt von der Anwendung der nationalen, materiellrechtlichen Vorschriften des Steuerrechts ab. Doch bevor die Frage gestellt wird, ob bestimmte Zuführungen für Drohverlustrückstellungen das steuerliche Ergebnis mindern dürfen, muss entschieden werden, nach welcher Vorschrift eine Verpflichtung
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4.34
Kapitel 4 Betriebsstättengewinnabgrenzung
zur Führung von Büchern und zur Erstellung eines Jahresabschlusses besteht.
4.35 Der Verweis im Abkommensrecht auf die Gewinnermittlungsvorschriften der Vertragsstaaten hat zur Konsequenz, dass grundsätzlich die nationalen Einkunftsermittlungsvorschriften zur Anwendung kommen. Bis zur Einführung des § 1 Abs. 4 AStG in der Fassung des JStG 20131 gab es somit keinen Unterschied zwischen rein nationalen Besteuerungsfällen und solchen mit grenzüberschreitendem Bezug. Der Verweis auf das nationale Recht der Anwenderstaaten ist umfassend. Hieraus folgt, dass sich sowohl die Form der Gewinnermittlung (z.B. Einnahme-ÜberschussRechnung oder Betriebsvermögensvergleich) als auch deren Details (z.B. die Abzugsfähigkeit von Betriebsausgaben) nach diesen Vorschriften richten. Die Gewinnermittlungsvorschriften variieren in Abhängigkeit von der Art der Steuerpflicht in den jeweiligen Ländern.2 Die Gewinnermittlungsvorschriften eines Staates haben keine Bindungswirkung für die Ermittlung im jeweils anderen Staat. Um eine Einkunftsermittlung der Betriebsstätte durchführen zu können, ist zunächst zu prüfen, ob diese nach nationalem Recht buchführungspflichtig ist. Dies bildet die Grundlage, auf der spezielle Regelungen zur Anwendung kommen können (z.B. Einschränkungen beim Abzug von bestimmten Aufwendungen als Betriebsausgaben). Dabei ist zu beachten, dass diese Regelungen für jeden Staat gesondert zu prüfen sind. Daher kann es bei unterschiedlichen nationalen Regelungen zu Abweichungen kommen. 2. Handelsrecht
4.36 Grundlage der Gewinnermittlung ist für Kaufleute i.S. des Handelsrechts der gem. § 244 HGB in deutscher Sprache und in EURO aufzustellende Jahresabschluss. Diese Verpflichtung gilt gleichermaßen für Einzelkaufleute, Personengesellschaften sowie Kapitalgesellschaften. Inländische Unternehmen unbeschränkt Steuerpflichtiger haben ihn für das Gesamtunternehmen aufzustellen (§ 242 HGB). Bei ausländischen Unternehmen erstreckt sich die Verpflichtung zur Aufstellung des Jahresabschlusses nur auf eine als Hauptniederlassung zu behandelnde inländische Zweigniederlassung. Eine sich insoweit ergebende handelsrechtlich Buchführungspflicht kann sich nur auf die im Inland durchgeführte bzw. der inländischen Zweigniederlassung zuzurechnende Wirtschaftsaktivitäten erstrecken.3 Im Ergebnis bedeutet dies, dass eine Buchführungspflicht nur für die Zweigniederlassung im Inland gegeben ist. Liegt eine inländi1 Regierungsentwurf v. 23.5.2012, BR-Drucks. 302/12. 2 Vgl. Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 1.8. 3 Vgl. Grotherr/Herfort/Strunk, Internationales Steuerrecht3, 598 f. Beim Vorliegen einer inländischen Betriebsstätte besteht nach §§ 238 ff. HGB die Verpflichtung, Bücher zu führen, wenn diese eine Zweigniederlassung nach § 13d HGB ist. Gleichzeitig wird die ausländische Gesellschaft auch nach dem jweiligen Recht im Ausland zur Führung von Büchern verpflichtet sein (vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, S. 671.
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B. Verfahrens- und materiellrechtliche Grundlagen zur Buchführungspflicht
sche Zweigniederlassung im Sinne des § 13 HGB nicht vor, besteht regelmäßig keine Verpflichtung zur Führung von Büchern nach deutschem Handelsrecht, so dass die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz insoweit nicht zum Tragen kommt. Handelt es sich demgegenüber um die inländische Betriebsstätte eines im Inland errichteten und ansässigen Unternehmens, z.B. die Geschäftsführungsbetriebsstätte einer dt. GmbH in Deutschland, unterliegt das Gesamtunternehmen, inklusive der im Inland befindlichen Betriebsstätte der Buchführung und Jahresabschlusserstellung. Von dieser Pflicht ist jedoch auch die ausländische Betriebsstätte erfasst, so dass unabhängig von der Art und Ausgestaltung einer etwaigen Buchführungspflicht im Staat der Betriebsstätte über die Zugehörigkeit zum inländischen Unternehmen in jedem Fall auch eine Erfassung nach deutschem Handelsrecht erfolgt.
4.37
Neben den Buchführungspflichten gibt es nach dem deutschen Handels- 4.38 recht keine weiteren Aufzeichnungspflichten, die geringere Aktivitäten erfordern als die Buchführung und die Erstellung des Jahresabschlusses selbst. Bei der Einkunftsermittlung sind zwar grundsätzlich zwei Arten von Kaufleuten zu unterscheiden; diejenige, die nach § 5 Abs. 1 EStG oder nach § 4 Abs. 1 EStG ihren Gewinn ermitteln und diejenigen, die nach § 4 Abs. 3 EStG ihren Gewinn ermitteln; nachfolgend soll auf die nach Handelsrecht buchführungs- und bilanzierungspflichtigen Kaufleute eingegangen werden. Ausgangspunkt der steuerlichen Gewinnermittlung bildet nach deutschem Verständnis die Anknüpfung an die Handelsbilanz.
4.39
Gemäß § 140 AO müssen diejenigen, die bereits nach anderen Vorschriften buchführungspflichtig sind, diese Verpflichtung auch für steuerliche Zwecke erfüllen. Die Rechtsprechung1 stellt regelmäßig fest, dass eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG auch dann zulässig sei, wenn im Ausland auf Grund dort geltender Vorschriften Bücher geführt werden. Insbesondere sei § 140 AO nicht in dem Sinne zu verstehen, dass unter den Begriff der „anderen Gesetze“ auch ausländische Gesetze gemeint seien. Im Ergebnis bedeutete dies, wie unter Rz. 4.37 erläutert, regelmäßig keine Buchführungspflicht für ausländische Gesellschaften in Deutschland, soweit nicht ein im dt. HGB enthaltene Verpflichtung hinsichtlich der im Inland gegebenen Anknüpfungsmerkmale gegeben ist. Die Finanzverwaltung hat nun in ihrem BMF-Schreiben vom 16.5.20112 die Vorschrift des § 140 AO anders und in folgender Weise ausgelegt: „Die Ver-
4.40
1 FG Hessen v. 29.10.2010 – 11 V 252/10, IStR 2011, 116 mit Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57 und v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128. 2 BMF v. 16.5.2011 – IV C 3 - S 2300/08/10014, BStBl. I 2011, 530: „Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe f Doppelbuchstabe aa und § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG“.
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pflichtung zur Führung von Büchern richtet sich nach §§ 140, 141 AO. Nach § 140 AO sind für die Besteuerung Bücher zu führen, wenn diese bereits nach „anderen Gesetzen als den Steuergesetzen“ zu führen sind, wobei auch ausländische Rechtsnormen eine Buchführungspflicht nach § 140 AO begründen können.“ Es erscheint wenig wahrscheinlich, dass die Auffassung der Finanzverwaltung vor den Finanzgerichten Bestand haben wird, doch zunächst ist die Festlegung getroffen. Man mag nicht erkennen, dass diese grundsätzliche Beurteilung des § 140 AO beschränkt sein sollte auf Immobilienunternehmen, vielmehr ist davon auszugehen, dass alle ausländischen Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften mit einer inländischen Betriebsstätte verpflichtet sind, Bücher zu führen. Besonders belastend wird dies durch den Umstand, dass die für die inländische Betriebsstätte erstellte Buchführung und der insoweit begrenzte Jahresabschluss den Vorschriften des § 5b EStG zur Erstellung und Abgabe einer E-Bilanz unterliegen.1 Die vom BFH in ständiger Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze zur Abgabe der Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung bei ausländischen und inländischen Betriebsstätten gelten entsprechend für die Übermittlung der E-Bilanz. So hat ein bilanzierendes inländisches Unternehmen mit mind. einer ausländischen Betriebsstätte für das Unternehmen als Ganzes eine Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung für Besteuerungszwecke einzureichen2 bzw. einen Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln. Im Ergebnis ist somit die E-Bilanz nach § 5b EStG auch für die ausländische Betriebsstätte zu erstellen. Die hierfür erforderliche Überleitungsrechnung muss mit ausreichender Expertise zumeist aus Deutschland vorgenommen werden. Insbesondere bei von im Inland freigestellten Betriebsstätteneinkünften von inländischen Kapitalgesellschaften stellt sich berechtigter Weise die Frage, wem der mögliche Erkenntnisgewinn einer Taxonomie der E-Bilanz tatsächlich zu Gute kommt und ob der unbestrittene Aufwand für den inländischen Steuerpflichtigen auch verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Im Falle eines ausländischen Unternehmens erstreckt sich die Pflicht zur Aufstellung und Übermittlung der E-Bilanz auf die inländische Betriebsstätte als unselbständiger Unternehmensteil.
4.41 Es steht darüber hinaus zu befürchten, dass selbst nur für Zwecke des Progressionsvorbehaltes im Ausland erwirtschaftete Einkünfte aus einer ausländischen Betriebsstätte den Grundlagen der Taxonomie und der E-Bilanz folgen müssen. Es wird regelmäßig kaum darstellbar sein, eine mit den Besonderheiten der dt. E-Bilanz vertrauten Buchhalter im Ausland zu finden. Es kann nur gehofft werden, dass insoweit noch Erleichterungen im Zusammenhang mit der E-Bilanz eingeführt werden.3 1 Vgl. Kolbe/Schumann, SteuK 2011, 522; Geberth/Burlein, DStR 2011, 2013; Heinsen/Adrian, DStR 2011, 1438. 2 BFH v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 286. 3 BMF v. 28.9.2011 – IV C 6 - S 2133-b/11/10009, BStBl. I 2011, 855 (Schreiben betr. elektronische Übermittlung von Bilanzen sowie Gewinn- und Verlustrechnungen; Anwendungsschreiben zur Veröffentlichung der Taxonomie) sieht eine Härtefallklausel bei ausländischen Betriebsstätten vor: „Zur Vermeidung unbilliger
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B. Verfahrens- und materiellrechtliche Grundlagen zur Buchführungspflicht
Zivilrechtlich ist danach zu unterscheiden, ob es sich bei der Betriebsstätte um eine Zweigniederlassung i.S.d. § 13d HGB handelt. Aus dieser Differenzierung ergeben sich Folgewirkungen für die Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten. Nur wenn diese Eigenschaft gegeben ist, besteht nach Handelsrecht eine Buchführungs- und Bilanzierungspflicht. Da das HGB den Begriff „Zweigniederlassung“ nicht definiert, muss eine Abgrenzung aufgrund objektiver äußerer Merkmale erfolgen. Nach h.M. ist eine Zweigniederlassung ein von der Hauptniederlassung räumlich getrennter, weitgehend selbständiger Teil des Unternehmens, der auf Dauer als zusätzlicher Mittelpunkt für die Geschäfte der Hauptniederlassung geschaffen ist und von dem aus für das Unternehmen wesentliche Geschäfte selbständig erledigt werden.
4.42
Im Einzelnen werden die folgenden Merkmale verlangt:1
4.43
– zivilrechtliche Unselbständigkeit, – Ausführung von wesentlichen Geschäften des ausländischen Unternehmens, – selbständige Teilnahme am Geschäftsverkehr, – „eigenes“ Geschäftsvermögen und – Dauerhaftigkeit. Sofern die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Zweigniederlassung erfüllt sind, besteht nach Handelsrecht Buchführungspflicht. Gemäß § 13d Abs. 3 HGB werden inländische Zweigniederlassungen von beschränkt Steuerpflichtigen wie Hauptniederlassungen behandelt. Folglich besteht gemäß § 238 HGB Buchführungspflicht, die infolge von § 140 AO auch für steuerliche Zwecke gilt. Dabei ist das Maßgeblichkeitsprinzip (§ 5 Abs. 1 EStG) zu beachten. Besondere Probleme in der Praxis ergeben sich immer dann, wenn die ausländische Betriebsstätte nach den handelsrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Staates eine Gewinnermittlung nach IFRS oder US-GAAP vornimmt. In diesen Fällen greift selbstverständlich nicht die Maßgeblichkeit der handelsrechtlich ermittelten Gewinne für den steuerlichen Gewinn nach deutschen Vorschriften, vielmehr bedarf es einer Überleitungsrechnung, die auch von der deutschen Finanzverwaltung nachvollziehbar ist und regelmäßig auch im Rahmen eines Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6 AO maschinell eingesehen und geprüft werden kann. Härten wird es in den Fällen der Rn. 2 bis 6 für eine Übergangszeit nicht beanstandet, wenn die Inhalte der Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung erstmals für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2014 beginnen, durch Datenfernübertragung übermittelt werden; in den Fällen der Rn. 3 jedoch nur, soweit sie auf die Ergebnisse der ausländischen Betriebsstätte entfallen. In dieser Übergangszeit kann die Bilanz sowie die Gewinn- und Verlustrechnung in Papierform abgegeben werden; eine Gliederung gemäß der Taxonomie ist dabei nicht erforderlich.“ 1 Vgl. Kleissler in Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung3, Rz. A, 23 f.
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4.44
Kapitel 4 Betriebsstättengewinnabgrenzung
3. Steuerrecht
4.45 Die Buchführungspflicht nach § 141 AO umfasst zwar nicht das Maßgeblichkeitsprinzip des § 5 EStG, aber dennoch resultieren aus ihr in der Praxis die gleichen Ergebnisse. Ausschlaggebend hierfür ist die Tendenz der Rechtsprechung, den vollständigen und den unvollständigen Betriebsvermögensvergleich einander immer stärker anzunähern.1 Sowohl in den Fällen der derivativen als auch der originären Buchführungspflicht sind die allgemeinen Anforderungen an die Buchführung zu beachten. Hieraus folgt u.a., dass die Buchführung in einer lebenden Sprache zu erstellen ist.2 Sie muss einem sachverständigen Dritten in angemessener Frist einen Überblick über die Lage des Unternehmens vermitteln. Außerdem müssen die allgemeinen Ordnungsmäßigkeitsmerkmale (Vollständigkeit, Vollzähligkeit, Belegprinzip usw.) beachtet werden.
4.46 Bei der Einkunftsermittlung sind auch alle außerbilanziellen Korrekturen zu berücksichtigen. Ausnahmen bestehen lediglich insoweit, wie die allgemeinen Regelungen infolge der nicht gegebenen Vergleichbarkeit des unterstellten Besteuerungstatbestandes und der vergleichbaren Situation im Verhältnis zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nicht möglich ist.
4.47 Um eine Einkunftsermittlung der Betriebsstätte durchführen zu können, ist zunächst zu prüfen, ob diese nach nationalem Recht buchführungspflichtig ist. Dies bildet die Grundlage, auf der spezielle Regelungen zur Anwendung kommen können (z.B. Einschränkungen beim Abzug von bestimmten Aufwendungen als Betriebsausgaben). Dabei ist zu beachten, dass diese Regelungen für jeden Staat gesondert zu prüfen sind. Daher kann es bei unterschiedlichen nationalen Regelungen zu Abweichungen kommen. Im Folgenden sollen die nach deutschem Recht bestehenden Vorschriften dargestellt werden. Diese sind von besonderer Bedeutung, wenn ein Steuerausländer in Deutschland tätig wird.
4.48 Neben diesen Buchführungspflichten stehen die sonstigen Aufzeichnungs- und Vorlagepflichten. So hat der Stpfl. die Warenein- und -ausgänge gesondert aufzuzeichnen (§§ 143, 144 AO). Hierbei kommt es nicht darauf an, ob sich dieser Warenverkehr auf Geschäfte mit fremden Dritten erstreckt oder zwischen Stammhaus und Betriebsstätte oder zwischen Betriebsstätten desselben Stammhauses erfolgt. Außerdem bestehen die allgemeinen Mitwirkungspflichten im Rahmen des Besteuerungsverfahrens (z.B. Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen, erweiterte Mitwirkungspflichten gem. § 90 Abs. 2 AO, Dokumentationspflicht nach § 90 Abs. 3 AO).
1 Vgl. zum Beispiel BFH v. 2.10.2003 – IV R 13/03, BFH/NV 2004, 132 = BFHE 203, 373 zum Ausweis von gewillkürtem Betriebsvermögen bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG. 2 Auf das Recht der FinVerw. ggf. eine Übersetzung zu verlangen (§ 87 Abs. 2 AO) wird verwiesen.
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B. Verfahrens- und materiellrechtliche Grundlagen zur Buchführungspflicht
Ausgangspunkt der steuerlichen Gewinnermittlung bildet nach deutschem Verständnis die Anknüpfung an die Handelsbilanz. Gemäß § 140 AO müssen diejenigen, die bereits nach anderen Vorschriften buchführungspflichtig sind, diese Verpflichtung auch für steuerliche Zwecke erfüllen, wie dies bereits in Rz. 4.37 ausgeführt wurde. Aus § 146 Abs. 2 AO ergibt sich die Verpflichtung zur Führung und Aufbewahrung der Bücher im Inland. Dies gilt auch für Buchführungen ausländischer Betriebsstätten inländischer Unternehmen. Nur wenn eine Auslandsbetriebsstätte nach dem Recht ihres Belegenheitsstaates verpflichtet ist, Bücher und Aufzeichnungen zu führen und dieser Verpflichtung tatsächlich nachkommt, können die Bücher am Ort der Betriebsstätte im Ausland geführt und aufbewahrt werden. Weitere Voraussetzung ist, dass die Ergebnisse der Betriebsstättenbuchführung, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind, in die Buchführung des inländischen Unternehmens übernommen werden. Hiervon abweichend kann die Finanzbehörde auf Antrag des Steuerpflichtigen bewilligen, dass elektronische Bücher und sonstige erforderliche Aufzeichnungen in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union geführt und aufbewahrt werden, sofern die in § 146 Abs. 2a AO enthaltenen Voraussetzungen erfüllt sind.
4.49
Sofern eine Buchführungsführungspflicht weder aus dem Handelsrecht hergeleitet werden kann, noch sich auf Grund originärer steuerlicher Vorschriften ergibt, kann der Stpfl. seinen Gewinn durch Einnahme-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln. Hierbei gelten die gleichen Regelungen wie im nationalen Bereich. Bei der Einkunftsermittlung sind auch alle außerbilanziellen Korrekturen zu berücksichtigen. Ausnahmen bestehen lediglich insoweit, wie die allgemeinen Regelungen infolge der nicht gegebenen Vergleichbarkeit des unterstellten Besteuerungstatbestandes und der vergleichbaren Situation im Verhältnis zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nicht möglich ist.
4.50
4. Währungsumrechnung Das Problem der Währungsumrechnung entsteht dadurch, dass ausländische Betriebsstätten (und PersGes.) nach dem jeweiligen Recht ihres Tätigkeitsstaates verpflichtet sind, ihre Einkünfte in nationaler Währung (und nach Maßgabe der nationalen Ermittlungsvorschriften) zu ermitteln. Hingegen ergibt sich aus den Vorschriften für das Stammhaus regelmäßig, dass der Gewinn des Gesamtunternehmens zu bestimmen ist. Dies hat in der geltenden Währung des Stammhausstaates zu geschehen. Es lassen sich zunächst die zwei folgenden Fälle unterscheiden:
4.51
– Inländisches Unternehmen mit ausländischer Betriebsstätte – Ausländisches Unternehmen mit inländischer Betriebsstätte Bei einem inländischen Unternehmen mit einer ausländischen Betriebsstätte sind zwei Gewinnermittlungen nebeneinander für die ausländische Betriebsstätte zu berücksichtigen. Die Verpflichtung, den deutschen Jah-
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4.52
Kapitel 4 Betriebsstättengewinnabgrenzung
resabschluss des inländischen Unternehmens in Euro aufzustellen, erfolgt aus § 244 HGB. Die Finanzverwaltung hat in ihrem Betriebsstättenerlass1 festgelegt, dass grundsätzlich jeder einzelne Geschäftsvorfall, der in ausländischer Währung durchgeführt wurde, mit dem maßgebenden Tageskurs (amtlich festgesetzter Devisenkurs, z.B. veröffentlicht im Bundesanzeiger) umgerechnet wird. Diese, auch als Zeitbezugsmethode bezeichnete Vorgehensweise ist von der Rechtsprechung anerkannt.2 Eine geschäftsvorfallbezogene Ermittlung der Wechselkurse erscheint jedoch in einer Vielzahl von Fällen kaum administrierbar zu sein. Daher besteht der Bedarf an Vereinfachung ohne zu nicht in Einklang mit den Gewinnermittlungsvorschriften stehenden Ergebnissen zu gelangen. Daher sieht es die deutsche Finanzverwaltung als zulässig an, auch für die Umrechnung der Geschäftsvorfälle auf das Stichtagskursverfahren bei nicht wesentlichen Kursschwankungen zwischen den Stichtagen zurückzugreifen. Insbesondere die Umrechnung mit den monatlichen oder sogar den Jahresdurchschnittskursen soll hiernach zulässig sein.3
4.53 Für die Ermittlung des steuerlichen Betriebsstättenergebnisses ergibt sich nach Auffassung der Finanzverwaltung Folgendes: Bei Wirtschaftsgütern des Anlage- und Umlaufvermögen hat die Umrechnung mit dem Briefkurs im Zeitpunkt des Zugangs, bei der Herstellung von Wirtschaftsgütern fortschreitend entsprechend dem Fertigstellungsprozess zu erfolgen. Die so ermittelten Werte sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten dieser Wirtschaftsgüter. Ein Verlust, der sich nach Umrechnung der Buchwerte zu verschiedenen Stichtagen ergibt, rechtfertigt für sich allein keine Teilwertabschreibung, weil dem scheinbaren Wertverlust regelmäßig ein entsprechend gestiegener Teilwert im Betriebsstättenstaat gegenübersteht. Bei Forderungen, Geldbeständen u.ä. ist zu prüfen, ob eine voraussichtlich dauernde Wertminderung eingetreten ist.
4.54 Verbindlichkeiten sind bei voraussichtlich dauerhaft gestiegenem Wechselkurs mit dem höheren Briefkurs anzusetzen. Rückstellungen sind zu dem jeweiligen Briefkurs umzurechnen. Erhaltene Anzahlungen, die wirtschaftlich ebenfalls Verbindlichkeitscharakter besitzen, sind mit dem Geldkurs zum Zahlungseingang zu erfassen und für Wertminderungen gelten die Aussagen über Verbindlichkeiten entsprechend. Demgegenüber sind geleistete Anzahlungen mit dem Briefkurs bei Zahlungsabfluss zu erfassen.
4.55 Es überrascht, dass sich die Rechtsprechung bisher vergleichsweise selten mit dieser Frage zu beschäftigen hatte. Zentraler Grundsatz ist dabei, dass 1 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076. 2 BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; v. 9.8.1989 – I B 118/88, BStBl. II 1990, 175. 3 Eine Bezugnahme auf die amtlich herausgegebenen USt-Umrechnungskurse ist hierbei möglich. Siehe auch BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; v. 9.8.1989 – I B 118/88, BStBl. II 1990, 175.
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B. Verfahrens- und materiellrechtliche Grundlagen zur Buchführungspflicht
nur solche Umrechnungsverfahren anerkannt werden, die zu keinem Verstoß gegen die deutschen GoB führen.1 Namentlich nennt der BFH den Grundsatz der Einzelbewertung, den Realisationsgrundsatz, das Anschaffungskostenprinzip, das Imparitäts- und Niederstwertprinzip sowie das Stichtagsprinzip. Der BFH hat den Stpfl. in diesem Rahmen grundsätzlich eine Reihe von Verfahren für zulässig gehalten. Beispielhaft werden genannt:2 Neben den bereits zuvor dargestellten und auch durch die Finanzverwaltung akzeptierten und für zulässig erachteten Verfahren, wie das Zeitbezugsverfahen oder das Stichtagskursverfahren sowie das Nominal-Sachwertverfahren3 ist nach Rechtsprechung des BFH auch das Fristigkeitsverfahren4 zulässig.
4.56
Währungsverluste führen zwar zu einer Minderung des Vermögens des 4.57 inländischen Steuerpflichtigen, dies führt jedoch nicht dazu, dass es sich um inländische Verluste handelt, die vollumfänglich mit positiven inländischen Einkünften verrechnet werden können. Auch der BFH5 führt aus, dass sich in den Fällen, in denen bei der Umrechnung aus Sicht der umrechnenden Gesellschafterin (z.B. einer ausländischen KG) Währungsgewinne oder -verluste ergeben, diese ausschließlich im wirtschaftlichen Zusammenhang mit den ausländischen Einkünften stehen. Ohne die Existenz und Tätigkeit der ausländischen Besteuerungsquelle wäre es nicht zum Eintritt der Währungsgewinne oder -verluste gekommen. Ein eher spezielles, aber in der Praxis wichtiges Problem bildet die Behandlung von Währungsverlusten bei Dotationskapital ausländischer Betriebsstätten. Viele Staaten, so auch Deutschland, verlangen, dass dieses eine bezogen auf die übernommene Funktion sowie die übernommenen Risiken angemessene Höhe erreicht. Eine zu geringe Höhe des Dotationskapitals führt zur Umqualifizierung von Darlehen in Eigenkapital und zur entsprechenden Reduzierung eines Zinsabzuges. Mit dieser Notwendigkeit einer angemessenen Eigenkapitalausstattung ist die Frage verbunden, was passiert, wenn bei Beendigung der Betriebsstätte der für das Eigenkapital erhaltene Euro-Betrag geringer ist, als das ursprünglich hingegebene Kapital. Dieses Problem kann sich infolge von Wechselkursänderungen ergeben.
1 Vgl. BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57. 2 Vgl. BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57. 3 Alle Geldwerte (Forderungen, Verbindlichkeiten, liquide Mittel) werden zum Stichtagskurs und alle Sachwerte einschließlich Eigenkapital werden mit ihren historischen Werten umgerechnet. 4 Bei langfristigen Bilanzposten (einschließlich Eigenkapital) sind die jeweiligen historischen Werte zu verwenden, während die Umrechnung von kurzfristigen Posten mit Stichtagskursen erfolgt. Aufwand und Erträge werden nach monatlichen Durchschnittswerten umgerechnet. 5 BFH v. 18.9.1996 – I R 69/95, BFH/NV 1997, 408.
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4.58
Kapitel 4 Betriebsstättengewinnabgrenzung
4.59 Es handelt sich um Einkunftsminderungen, die aus der Sicht des ausländischen Staates nicht entstehen, weil in seiner Landeswährung keine Minderung des Wertes eingetreten ist. Folglich liegt nach seinem Recht kein Verlust vor, der steuerlich berücksichtigt werden könnte. Lange Zeit vertrat auch der BFH1 die Auffassung, dass etwaige Veräußerungsgewinne oder -verluste, die ausschließlich aus Wechselkursänderungen entstanden waren, in Deutschland als dem Stammhausstaat nicht berücksichtigt werden durften. Fraglich war, ob der Verlust im Stammhausstaat zu berücksichtigen ist und bildete den Gegenstand des Urteils des EuGH vom 28.2.2008.2 Die Deutsche Shell GmbH gründete 1974 eine Betriebsstätte in Italien und versorgte diese bis 1991 mit Finanzmitteln. Im Februar 1992 wurde die Betriebsstätte unter Aufdeckung der stillen Reserven in eine Kapitalgesellschaft eingebracht, die noch am selben Tag verkauft wurde. Nach der Überweisung des Kaufpreises entstand ein Währungsverlust aus dem Dotationskapital in Höhe von 122 698 502 DM. Diesen wollte die GmbH im Inland steuerlich geltend machen.
4.60 Das FG Hamburg hatte in seinem Vorlagebeschluss vom 8.6.20063 dem EuGH im Vorabentscheidungsverfahren die Frage vorgelegt, ob die Nichtberücksichtigung dieser Verluste mit der Niederlassungsfreiheit gem. Art. 52, 58 EG (jetzt Art. 43 und 48 AEUV) vereinbar sei. Aus deutscher Sicht sei eine Berücksichtigung infolge von § 3c EStG i.V.m. der Freistellung nach Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 11 Nr. 1c DBA-Italien 1925 nicht möglich, sofern dem nicht höherrangiges Recht entgegenstehe. Die deutsche Finanzverwaltung ordnet in Tz. 2.8.1d) Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze4 an, dass diese Verluste im Inland nur im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen sind, was im vorliegenden Fall einer Nichtberücksichtigung gleichgekommen wäre. Eine Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit sieht der EuGH darin, dass ein zusätzliches Steuerrisiko zu tragen sei, das sich weder in Deutschland noch in Italien auswirke. Anschließend prüft der EuGH eine mögliche Rechtfertigung. Die deutsche Regierung hatte vorgetragen, dass die Nichtberücksichtigung von Verlusten aus Gründen der Kohärenz geboten sei, weil entsprechende Gewinne ebenfalls nicht besteuert würden. Dieses Argument wird in gleicher Weise für eine Rechtfertigung der Symmetriethese verwendet. Der EuGH weist dieses Vorbringen zurück, weil es keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Vor- und Nachteil gibt. Als zweites Argument wurde vorgebracht, dass die Staaten mit dem DBA eine Aufteilung des Besteuerungsrechts vorgenommen hätten, die für die Betriebsstätteneinkünfte grundsätzlich gelte, auch wenn diese negativ seien. Hierzu stellt das Gericht fest, dass die Staaten das Recht haben, die Besteuerungsrechte aufzuteilen. Sie seien auch nicht verpflichtet, Verluste einer im anderen Staat belegenen Betriebsstätte nur deshalb zu berücksichtigen, weil sie im 1 2 3 4
BFH v. 18.9.1996 – I R 69/95, BFH/NV 1997, 408. EuGH v. 28.2.2008 – Rs. C-293/06 – Deutsche Shell, EuGHE 2008, I-1129. FG Hamburg v. 8.6.2006 – 6 K 274/03, EFG 2007, 43. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076.
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Betriebsstättenstaat nicht berücksichtigt werden könnten. Dies könne jedoch nicht dazu führen, Verluste, die sich im anderen Staat nie auswirken können, von der Berücksichtigung auszuschließen. Die zweite Vorlagefrage bezog sich darauf, ob die Berücksichtigung der Währungsverluste im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts ausreichend sei. Der EuGH verneint dies, weil er hierin einerseits eine Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit sieht und andererseits keine Rechtfertigung vorliegt. Hierzu führten das Finanzamt und die deutsche Regierung aus, dass die Regelung dazu diene, einen doppelten Vorteil (die Steuerfreiheit im Gewinnfall nach DBA und die Nutzung der Verluste in Deutschland) zu verhindern. Dieser Argumentation folgt der Gerichtshof nicht und führt aus, dass dies nicht für Verluste gelten könne, die „kraft ihrer Natur“ im Betriebsstättenstaat nicht berücksichtigt werden können. Der EuGH entschied in dem Urteil „Deutsche Shell“,1 dass Währungsverluste auf das Dotationskapital einer EU-Auslandsbetriebsstätte im Inland trotz DBA-Freistellung der Betriebsstätte im Ausland zu berücksichtigen sind. Rechtsprechung und Finanzverwaltung vertraten dazu bislang die Ansicht, dass auf das Dotationskapital etwa anfallende Währungsverluste der ausländischen DBA-Betriebsstätte zuzuordnen und damit im Inland nicht zu berücksichtigen seien.2 Weil im Ausland in der dortigen Währung zu bilanzieren ist, kann ein Verlust bei Nichtberücksichtigung im Sitzstaat des Unternehmens (hier: Deutschland) in einen nichtsteuerrelevanten Bereich fallen. Dies obwohl tatsächlich eine Vermögensminderung aus der Sicht des dt. Unternehmens eingetreten ist. Da ein Währungsverlust nach Auffassung des EuGH in seinem Urteil nie im Betriebsstättenstaat entstehen kann, da die Bilanzierung in diesem Land in der Landeswährung erfolgt.
4.61
II. Betriebsstättenbuchführung am Beispiel typisierter Anwendungsfälle (Inbound vs. Outbound-Betriebsstätten) 1. Ausländische Betriebsstätte inländischer Unternehmen Die Vorlagepflichten sind bei einem unbeschränkt Steuerpflichtigen nicht auf seine inländischen Unternehmensteile beschränkt. Sie erstrecken sich auf das Unternehmen als Ganzes und schließen ausländische Betriebsstätten ein. Die Freistellung der Betriebsstättenergebnisse nach DBA steht dem nicht entgegen. Das Abkommensrecht sowie es für die Unternehmensbesteuerung inhaltsgleich mit dem Art. 7 OECD-MA in den DBA ausgestaltet ist, überlässt es den Anwenderstaaten, die Betriebsstättenergebnisse nach ihren Rechtsvorschriften zu bestimmen. Für einen unbeschränkt Steuerpflichtigen ist die Ermittlung des aus seinem Unternehmensgewinn auszuscheidenden und nach DBA freizustellenden 1 EuGH v. 28.2.2008 – Rs. C-293/06 – Deutsche Shell, EuGHE 2008, I-1129. 2 BFH v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128.
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Ergebnisses einer ausländischen Betriebsstätte von erheblicher steuerlicher Bedeutung. Überdies wird es bei natürlichen Personen wegen des Progressionsvorbehalts für die Ermittlung des Steuersatzes, mit dem die übrigen Einkünfte zu versteuern sind, benötigt. Auf die möglichen Anforderungen nach § 5b EStG wurde bereits in Rz. 4.40 hingewiesen.
4.63 Mithin ist der unbeschränkt Steuerpflichtige auf Verlangen der Finanzbehörde verpflichtet, auch die Bücher und Aufzeichnungen sowie die dazugehörigen Belege, Urkunden und sonstigen Geschäftspapiere einer ausländischen Betriebsstätte im Inland zur Einsicht vorzulegen. Dies hat insbesondere Bedeutung bei Außenprüfungen, bei denen die zuständige Finanzbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen die Vorlage weiterer Unterlagen verlangen kann (s. Rz. 4.44). 2. Inländische Betriebsstätte ausländischer Unternehmen
4.64 Inländische Zweigniederlassungen beschränkt Steuerpflichtiger sind gem. § 13d HGB wie Hauptniederlassungen zu behandeln. Sie sind zur Buchführung nach § 238 HGB verpflichtet und haben gem. § 140 AO diese Verpflichtung auch für die Besteuerung in Deutschland zu erfüllen. Inländische Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen unterliegen mit ihrer Buchführung in Deutschland sowohl den handelsrechtlichen, als auch den steuerrechtlichen Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften.
4.65 Die Buchführungspflicht beschränkt Steuerpflichtiger für inländische Betriebsstätten, die keine Zweigniederlassungen sind, leitet sich aus § 141 AO ab, wenn die Betriebsstätte die Tatbestandsmerkmale dafür erfüllt, d.h. nach den Feststellungen des zuständigen Finanzamtes – Umsätze einschließlich der steuerfreien Umsätze, ausgenommen der Umsätze nach § 4 Nr. 8–10 UStG, von mehr als 500 000,– Euro im Kalenderjahr oder – einen Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft von mehr als 50 000,– Euro im Kalenderjahr gehabt haben. Die Größenmerkmale beziehen sich auf die Betriebsstätte und nicht auf das ausländische Unternehmen als Ganzes.
4.66 Die Pflicht zur Aufzeichnung des Wareneingangs und des Warenausgangs erstreckt sich auch auf den Warenaustausch mit dem ausländischen Unternehmensstammhaus und mit anderen Betriebsstätten des Unternehmens. Darüber hinaus ist ein beschränkt Steuerpflichtiger zur Vorlage von Büchern, Aufzeichnungen, Urkunden und sonstigen Geschäftspapieren sowie zur Mitwirkung nach den § 90 Abs. 3, § 97 und § 200 AO nur insoweit verpflichtet, als es um die Ermittlung seiner inländischen Einkünfte i.S.d. § 49 EStG geht. Betroffen ist davon bei Gewerbetreibenden aber nicht nur die Buchführung und das dazugehörende Belegmaterial inländischer Betriebsstätten. Es fallen darunter ebenso Bücher und Buchungsbelege ausländischer Unternehmensteile, soweit dies im Rahmen der GAufzV und § 90 Abs. 3 AO verpflichtend ist. 724
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B. Verfahrens- und materiellrechtliche Grundlagen zur Buchführungspflicht
III. Grundsätzliche, zu beachtende Prinzipien bei der Gewinnermittlung und Gewinnabgrenzung 1. Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte und Dealing at Arm’s length Prinzip a) Nationale Rechtslage Ein weiterer Unterschied gegenüber der Einkunftsabgrenzung zwischen international verbundenen Unternehmen besteht in der Vorgehensweise: Bei verbundenen Unternehmen gilt der Fremdvergleichgrundsatz als beherrschendes Prinzip, der auf Grundlage des vom Steuerpflichtigen verwirklichten Sachverhalts umzusetzen ist (vgl. hierzu ausführlich Rz. 3.8 ff.). Hingegen gibt es bei der Betriebsstättenbesteuerung nur hinsichtlich des Aufteilungsmaßstabes eine Vorgabe, den Fremdvergleichsgrundsatz. Allerdings fehlt eine Vorgabe hinsichtlich dessen, was nach diesem Maßstab aufzuteilen ist, also für die Bestimmung des Unternehmensgewinns. Folglich muss insoweit ein Rückgriff auf die nationalen Einkunftsermittlungsvorschriften erfolgen. Im Rahmen dieses Kapitels sollen zunächst nur die bisher geltenden Vorschriften des nationalen Rechts sowie die Formulierungen in der überragenden Zahl von deutschen DBA berücksichtigt werden. Auf die Abweichungen und Änderungen aufgrund der Umsetzung des AOA wurde bereits unter Rz. 4.5 hingewiesen.
4.67
Für die Zuordnung der im Betriebsstättenstaat zu versteuernden und im Wohnsitzstaat zu entlastenden Einkünfte enthalten die DBA regelmäßig eine besondere Regelung. Danach sind der Betriebsstätte die Gewinne zuzurechnen, „die sie hätte erzielen können, wenn sie eine gleiche oder ähnliche Tätigkeit unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen als selbständiges Unternehmen ausgeübt hätte und im Verkehr mit dem Unternehmen, dessen Betriebsstätte sie ist, völlig unabhängig gewesen wäre“ (vgl. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 1992: Grundsatz des Fremdvergleichs, dealing at arm’s length-Prinzip).
4.68
Ziel der Aufteilung ist es, der Betriebsstätte den Teil des Gewinnes des Gesamtunternehmens zuzuordnen, den sie nach den Grundsätzen des Fremdvergleichs erwirtschaftet hat. Zu diesem Zweck sind der Betriebsstätte die Wirtschaftsgüter nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Zugehörigkeit und die mit den Wirtschaftsgütern im Zusammenhang stehenden Betriebseinnahmen und -ausgaben nach dem Veranlassungsprinzip zuzuordnen. Da das Stammhaus und seine Betriebsstätte eine rechtliche und tatsächliche Einheit bilden, sind schuldrechtliche Vereinbarungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte, wie z.B. Darlehens-, Miet- und Lizenzverträge, rechtlich nicht möglich.1
4.69
1 Siehe hierzu auch Tz. 16 ff. des Kommentars zu Art. 7 OECD-MA 1992 sowie BFH v. 27.7.1965 – I 110/63 S, BStBl. III 1966, 24; v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140).
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Kapitel 4 Betriebsstättengewinnabgrenzung
4.70 Die Finanzverwaltung hat in ihrem Betriebsstättenerlass aus dem Jahr 19991 von dem Verbot der Verrechnung von Leistungen mit einem Gewinnaufschlag eine für die Praxis wichtige Ausnahme vorgesehen. Danach kann die Aufteilung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach dem Grundsatz des Fremdvergleichs vorgenommen werden, wenn die Aufteilung Leistungen betrifft, die Gegenstand der ordentlichen Geschäftstätigkeit der leistenden Unternehmenseinheit (die Leistung muss regelmäßig die Haupttätigkeit der leistenden Betriebsstätte darstellen) sind und wenn die Aufteilung auf der Grundlage der Funktionsteilung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte zu einer sachgerechten Einkommensabgrenzung führt. Die vorstehenden Ausführungen gelten auch, wenn kein DBA mit dem Staat der ausländischen Betriebsstätte oder des ausländischen Stammhauses besteht.
4.71 Als entscheidender Unterschied bei der Gewinnermittlung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte einerseits und international verbundenen Unternehmen andererseits ist festzustellen, dass im zuerst genannten Fall eine Gewinnrealisierung erst zum Zeitpunkt eines Umsatzvorganges mit einem fremden Dritten eintritt. Bis dahin werden evtl. Gewinne oder stille Reserven zwar aufgezeichnet, jedoch noch nicht besteuert. Hingegen führt der zweite Fall auch bei solchen konzerninternen Transaktionen zu einer sofortigen Gewinnrealisierung und einer sich hieran anschließenden Besteuerung. Diesen unterschiedlichen Besteuerungszeitpunkten kommt insbesondere aus Liquiditätsgesichtspunkten besondere Bedeutung zu.
4.72 Leistungsverrechnungen zwischen dem so genannten Stammhaus und Zweigniederlassungen im handelsrechtlichen Sinne haben keine zivilrechtliche Wirkung. Sie begründen keine gegenseitigen Forderungen und Verbindlichkeiten und dienen nur der internen leistungsgerechten Ergebnisabgrenzung als Mittel dispositiver Unternehmenspolitik. Insoweit kann das Steuerrecht anders als bei der Verrechnungspreisbestimmung zwischen rechtlich selbständigen Kapitalgesellschaften die Beurteilung der Leistungsbeziehungen nicht anhand von schriftlich vereinbarten, zivilrechtlich bindenden Verträgen vornehmen. Das für die Besteuerung durch den Betriebsstättenstaat und zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung aus dem Unternehmensgewinn auszusondernde Betriebsstättenergebnis ist nach Abkommensrecht unter dem Gesichtspunkt einer angenommenen Selbständigkeit der Betriebsstätte zu ermitteln. Inhaltlich mit Art. 7 Abs. 2 OECD-MA übereinstimmende Regelungen finden sich in allen deutschen DBA.
4.73 Danach sind der Betriebsstätte die Gewinnanteile zuzurechnen, „die sie hätte erzielen können, wenn sie eine gleiche oder ähnliche Tätigkeit unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen ausgeübt hätte und im Verkehr mit dem Unternehmen, dessen Betriebsstätte sie ist, völlig unabhängig 1 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076.
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B. Verfahrens- und materiellrechtliche Grundlagen zur Buchführungspflicht
gewesen wäre“. Diese Fiktion ist auf die rechtliche Stellung der Betriebsstätte als unselbständiges Glied des Unternehmens, zu dem sie gehört, ohne Einfluss. Eine der zentralen Fragen bei der Besteuerung von Betriebsstätten ist diejenige nach der Reichweite der Selbständigkeitsfiktion. Unter Rz. 4.2 wurde ausgeführt, dass die Besonderheit bei der Gewinnzurechnung von Einkünften zu Betriebsstätten die fehlende zivilrechtliche Selbständigkeit dieser Unternehmenseinheiten ist, so dass das Steuerrecht mit einer Fiktion arbeiten muss, um die geforderte und zutreffende Gleichbehandlung hinsichtlich der Methode der Gewinnzurechnung zwischen selbständigen Gesellschaften und zwischen Betriebsstätten sicherzustellen. Streitig war, ob es sich hierbei um einen absoluten Grundsatz handelt oder um einen, der nur in bestimmten Bereichen gilt. Teilweise wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, dass dieser Grundsatz prinzipiell und umfassend gelten soll. Dies hätte z.B. zur Konsequenz, dass bei Geschäften zwischen Stammhaus und Betriebsstätte eine Gewinnrealisierung eintreten würde.1 Diese Auffassung stand lange Zeit jedoch im Widerspruch zur zur Rechtsprechung des BFH,2 zur Meinung der Finanzverwaltung3 und der h.M. im Schrifttum.4 Vielmehr wurde dort von einer eingeschränkten Selbständigkeit der Betriebsstätte im Verhältnis zum Stammhaus ausgegangen. Danach führen reine Innentransaktionen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nicht zu einer Gewinnrealisierung. Dies wird mit der rechtlichen Einheit der beiden Unternehmensteile begründet. Folglich kann von einer Realisierung eines Gewinns erst dann ausgegangen werden, wenn diese außerhalb des Unternehmens („am Markt“) erfolgt. In den letzten Jahren konnte man jedoch beobachten, dass diese ursprüngliche Auffassung immer weiter zurückgedrängt wurde und insbesondere die Arbeiten des Steuerausschusses der OECD5 sowie auch die vorherrschende Meinung im Schrifttum6 sich für eine vollständige Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte ausgesprochen haben. Der OECD-Steuerausschuss verabschiedete am 22.7.2010 die Aktualisierung des Abkommensmusters der Mitgliedstaaten der OECD, deren bedeutender Teil die Neufassung des Art. 7 OECD-MA sowie deren Kommentierung war. Gleichzeitig erfolgte eine Veröffentlichung einer überarbeiteten 1 Vgl. z.B. Becker, DB 1989, 10, Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 98 (März 2002). 2 Vgl. BFH v. 27.7.1965 – I 110/63, BStBl. III 1966, 24; v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140. 3 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.2. 4 Vgl. z.B. Hemmelrath in V/L in der 4. Aufl. aus dem Jahr 2003, Art. 7 OECD-MA Rz. 78 ff. m.w.N. Aber in der aktuellen 5. Aufl. aus dem Jahr 2008 unter Rz. 78 ff. zu Art. 7 OECD-MA deutlich differenzierter, aber weiterhin bestätigend für die eingeschränkte Selbständigkeitsfiktion. 5 Abrufbar unter www.oecd.org/dataoecdd/23/43/45689328.pdf. 6 Schreiber, Besteuerung der Unternehmen2, S. 437 ff.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, S. 625 ff. Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstättenhandbuch, Rz. 1.24 sowie Hemmrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 77 ff.
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4.74
Kapitel 4 Betriebsstättengewinnabgrenzung
Fassung des Betriebsstättenberichtes aus 2008 mit dem Titel „2010 Report on the attribution of profits to permanenet establishments.1 b) Abkommensverständnis
4.75 Das für die Besteuerung durch den Betriebsstättenstaat und zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung aus dem Unternehmensgewinn auszuscheidende Betriebsstättenergebnis ist nach Abkommensrecht unter dem Gesichtspunkt einer angenommenen Selbständigkeit der Betriebsstätte zu ermitteln. Inhaltlich mit Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2008 übereinstimmende Regelungen finden sich in allen von Deutschland abgeschlossenen DBA.2 Danach sind der Betriebsstätte die Gewinnanteile zuzurechnen, „die sie hätte erzielen können, wenn sie eine gleiche oder ähnliche Tätigkeit unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen ausgeübt hätte und im Verkehr mit dem Unternehmen, dessen Betriebsstätte sie ist, völlig unabhängig gewesen wäre“. Diese Auffassung ist auch weiterhin nach dem OECD-MA 2010 gültig, nur wurde der Gedanke über die Funktionsanalyse konkretisiert. Diese auch als Arm’s length Prinzip bezeichnete Fiktion ist auf die rechtliche Stellung der Betriebsstätte als unselbständiges Glied des Unternehmens, zu dem sie gehört, ohne Einfluss. Sie tastet diese nicht an.3 Lediglich zur Bestimmung der Abgrenzungskriterien ist abkommensrechtlich bei der Aufteilung des Unternehmensgewinns auf Unternehmensstammhaus und Betriebsstätte fiktiv von der Existenz zweier voneinander unabhängiger Unternehmen auszugehen. Es handelt sich um eine gedankliche Hilfskonstruktion, die sicherstellen soll, dass zur Verwirklichung des Abkommenszwecks aus dem Unternehmensgewinn die Teile ausgesondert und der Betriebsstätte zugeordnet werden, die sie nach ihrer Funktion und ihrem Leistungsbeitrag erwirtschaftet hat. Während man in der Zeit vor der Änderung des OECD-MA 2010 darauf hoffen musste, dass die soeben vertretene Konkretisierung der Selbständigkeitsfiktion von den Vertragsstaaten einvernehmlich so gesehen wurde, ist die Konkretisierung unter Bezugnahme auf die Funktionsanalyse heute, in den Fällen einer verbindlichen Festlegung in den DBA ein hoher Grad an Rechtssicherheit. Damit ist der Fremdvergleich auch für die Ergebnisabgrenzung zwischen Betriebsstätten maßgeblich, allerdings unter Berücksichtigung des AOA nicht mehr mit der Einschränkung der rechtlichen Unselbständigkeit der Betriebsstätte und der damit abgeleiteten 1 Abrufbar unter www.oecd.org/dataoecd/23/41/45689524.pdf. 2 Die konkrete Umsetzung der Neuformulierung des Art. 7 OECD-MA 2010 erfolgte bisher jedoch nur in den DBA-Niederlande und Luxemburg, die bereits geschlossen, aber noch nicht in Kraft getreten sind. 3 BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444 und zur Frage der tatsächlichen Zugehörigkeit von Wirtschaftsgütern und Erträgen zum Betriebsstättenvermögen vom 13.5.1995 – I R 74/93, BStBl. II 1995, 683; v. 16.5.1990 – I R 16/88, BStBl. II 1990, 1049; v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563 sowie v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414. Zur Zuordnung von Vermögen zu einer niederländischen geschlossenen C.V. vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510.
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B. Verfahrens- und materiellrechtliche Grundlagen zur Buchführungspflicht
Abweichungen zur vollständigen Selbständigkeitsfiktion, sondern der vollständig identischen Einkunftszurechnung gem. Art. 9 OECD-MA und Art. 7 OECD-MA 2010. 2. Ermittlungsmethode des Gewinns a) Einführung Zentrale Bedeutung für die Ermittlung des Einkommens der Betriebsstätte hat die Zuordnung des Vermögens. Ausschlaggebend hierfür ist, dass Einkünfte aus einem Wirtschaftsgut von dem Staat besteuert werden können sollen, „zu dem“ auch das Wirtschaftsgut zugeordnet wurde. Auch die OECD hat in ihrem Betriebsstättenbericht 20101 festgelegt, dass im Anschluss an die Identifizierung der Aktivitäten einer Betriebsstätte, der Festlegung der vorhandenen Personalressourcen eine Zuordnung der benötigten Assets für die Erbringung der Aktivitäten erfolgt, wobei auch die übernommenen Risiken und Chancen der Betriebsstätte berücksichtigt werden. Hieraus folgt, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Zuordnung und Besteuerungsrecht besteht. Der BFH geht davon aus, dass einer Betriebsstätte die Wirtschaftsgüter zuzuordnen sind, die der Erfüllung ihrer Funktion als Betriebsstätte dienen.2
4.76
Hierbei ist zu beachten, dass die Frage der Zuordnung eines Wirtschaftsgutes nach dem Kriterium des „wirtschaftlichen Eigentums“, wie es nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Ländern anhand der internationalen Rechnungslegungsstandards festgelegt ist, in den Ländern unterschiedlich ausgelegt werden kann und hierdurch ebenfalls Probleme bei der Zuweisung der Besteuerungsrechte entstehen können. Die OECD hat sich dieses Problems durch Schaffung einer eigenen Definition ebenfalls angenommen und sieht wirtschaftliches Eigentum als „the equivalent of ownership for income tax purposes by a separate enterprise, with the attendant benefits and burdens“.3 Der zugrundeliegende Gedanke bei der Zuordnung der Wirtschaftsgüter zu einer Betriebsstätte ist hierbei, dass demjenigen Unternehmensteil, der die Chancen, aber auch die Risiken aus dem Vermögensgegenstand trägt, das Wirtschaftsgut zuzurechnen ist. Anders als im deutschen Steuerrecht ist es jedoch nach Auffassung der OECD nicht entscheidend, dass die Betriebsstätte der alleinige Nutzer des Wirtschaftsgutes ist, da vielmehr auch eine gemeinschaftliche Eigentümerstellung oder die Nutzung als Lizenznehmer oder im Rahmen eines Umlagevertrages möglich ist. Wie zukünftig mit der Frage umzugehen sein wird, ob das Wirtschaftsgut nur entweder dem Stammhaus oder der Betriebsstätte zugeordnet werden kann, ist noch unklar. Die bisherige Auffassung sah vor, dass selbst in den Fällen, in denen das Wirtschaftsgut teilweise von beiden Unternehmensteilen
4.77
1 Abrufbar unter www.oecd.org/dataoecd/23/41/45689524.pdf. 2 Vgl. z.B. BFH v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63. 3 Tz. 72 des Betriebsstättenberichts 2010.
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Kapitel 4 Betriebsstättengewinnabgrenzung
genutzt wurde, eine Zuordnung entweder zum Stammhaus oder zur Betriebsstätte zu erfolgen hatte. Eine quotale Zuordnung etwa nach Maßgabe der Nutzungsanteile scheidet meines Erachtens aus. Ebenso wenig ist eine anteilige Zuordnung eines Wirtschaftsguts zu mehreren Betriebsstätten möglich. Ausschlaggebend hierfür ist, dass ein Wirtschaftsgut eine wirtschaftliche Einheit darstellt, die nicht anteilig mehreren Betriebsstätten zugeordnet werden kann.
4.78 Bei der Vermögensabgrenzung ist der Grundsatz der fehlenden Attraktivkraft der Betriebsstätte zu beachten. Nach diesem würde eine Zuordnung aller Wirtschaftsgüter zur Betriebsstätte erfolgen, die im Betriebsstättenstaat belegen sind. Dieser Grundsatz würde die Zuordnungsfrage nachhaltig erleichtern, zugleich aber dem Steuerpflichtigen erhebliche Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen. Deshalb geht die Rechtsprechung davon aus, dass nur insoweit eine Zuordnung zur Betriebsstätte erfolgen kann, wie ein funktionaler Zusammenhang zwischen dem Wirtschaftsgut und der Betriebsstätte besteht.1 Durch den AOA ist der willkürlichen Zuordnung von Wirtschaftsgütern bereits grundsätzlich ein Riegel vorgeschoben, da eine Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu einem Unternehmensteil das Ergebnis der vorzunehmenden Funktionsanalyse ist und sich daher sachfremder Überlegungen entzieht.
4.79 Die Rechtsprechung geht bei der Vermögensabgrenzung nicht von einheitlichen Kriterien aus, sondern lässt unterschiedliche Abgrenzungsmaßstäbe zu. Dabei lassen sich grundsätzlich Hauptkriterien unterscheiden und solche, die eine Indizfunktion haben, aber für sich alleine nicht ausreichend sind, um eine Zuordnung von Wirtschaftsgütern zur Betriebsstätte begründen zu können. Dabei können die Indizkriterien verwendet werden, um die Hauptkriterien zu unterstützen oder zu entkräften. Letztlich kommt es auf das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse an. Hauptkriterium für eine Zuordnung – Wirtschaftsgut „gehört tatsächlich“ der Betriebsstätte – Wirtschaftsgut „dient“ der Betriebsstätte
Indiz für eine Zuordnung – mit dem Wirtschaftsgut verfolgter Zweck – bilanzieller Ausweis – Widmung durch die Geschäftsführung – Belegenheit – funktionaler Zusammenhang zwischen Wirtschaftsgut und Betriebsstätte
4.80 Es erscheint nahe liegend für die Abgrenzung des Vermögens auf den so genannten Betriebsstättenvorbehalt des Art. 7 Abs. 7 OECD-MA (Art. 7 1 Vgl. BFH v. 1.4.1987 – II R 186/80, BStBl. II 1987, 550; v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12; implizit bestätigt durch BFH v. 7.7.1997 – I B 26/97, BFH/NV 1998, 19.
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B. Verfahrens- und materiellrechtliche Grundlagen zur Buchführungspflicht
Abs. 4 OECD-MA 2010 abzustellen. Dieser gewährt grundsätzlich den anderen Artikeln des OECD-MA Vorrang, wird aber durch entsprechende Regelungen in den Einkunftsartikeln wieder durchbrochen. In diesen Regelungen (Art. 10 Abs. 4 und 3, Art. 11 Abs. 4, Art. 12 Abs. 3 und Art. 21 Abs. 3 OECD-MA) wird auf das „tatsächliche gehören“ abgestellt, wobei in Art. 22 Abs. 1 OECD-MA lediglich von einem „gehören“ gesprochen wird. Im Ergebnis bedeutet dies, dass Einkünfte nach Abkommensrecht nicht mehr dann der speziellen Einkunftsart zuzuordnen sind, wenn die zugrunde liegenden Vermögensgegenstände einer im selben Staat befindlichen Betriebsstätte zuzurechnen sind. Während man bis zum Betriebsstättenbericht der OECD im Jahr 2010 und dem geänderten Art. 7 des OECD-MA 2010 noch zu Recht davon sprechen konnte, dass weder OECD-MA noch OECD-MK konkrete Vorgaben dazu enthielten, welche Methode zur Einkunftszurechnung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte anzuwenden sind, gilt dies nun nicht mehr. Zu beachten sind nun die konkreten Beschreibungen der Methoden zur Einkunftszurechnung nach der Funktionsanalyse in Art. 7 Abs. 2 und 3 OECD-MA 2010. Die bis 2010 geltenden Überlegungen zur Zurechnung von Aufwendungen zur Betriebsstätte entsprachen dem allgemeinen Verursachungsprinzip und stellten nur einen Teil der Einkunftszurechnung dar. Danach hatte die Erfassung von Aufwendungen zur Betriebsstätte zu erfolgen, wenn dies unter fremden Dritten geschehen wäre, unabhängig davon, ob diese Aufwendungen beim Stammhaus oder bei der Betriebsstätte angefallen sind. Gemäß Art. 7 Abs. 4 OECDMA hat eine Aufteilung des Gesamtgewinns des Unternehmens auf seine einzelnen Teile zu erfolgen, sofern die hieraus entstehenden Ergebnisse dem Fremdvergleich entsprechen. Gem. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA erfolgt die Einkunftszuordnung zu Betriebsstätten innerhalb eines grenzüberschreitenden Einheitsunternehmens nach der Funktionsanalyse. Sowohl bisher als auch zukünftig bedarf es aber einer bestimmten Methode der Zurechnung der Einkünfte. Gleichwohl haben sich in der internationalen Besteuerungspraxis bestimmte Methoden herausgebildet, die im Folgenden dargestellt werden. Diese haben ihren Niederschlag sowohl in Art. 7 Rz. 12, 25 OECD-MK als auch in der Rechtsprechung1 gefunden. International üblich sind – vielleicht muss man bereits heute sagen waren – die sog. direkte und die indirekte Methode der Gewinnermittlung. Ferner gibt es noch die sog. gemischte Methode. Hierbei handelt es sich um die Verbindung von Elementen der direkten und indirekten Methode. Durch die Änderung des Art. 7 Abs. 2 OECD MA 2010 ist für die indirekte Methode keine Begründung mehr gegeben, da sie zu offensichtlich nicht sachgerechten Ergebnissen führt, weil einer Betriebsstätte auch bereits dann kein Gewinn zugerechnet wird, wenn das Gesamtunternehmen keinen Gewinn erwirtschaftet. Dies widerspricht aber der Selbständigkeitsfiktion des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010. 1 Vgl. BFH v. 28.3.1985 – IV R 80/82, BStBl. II 1985, 405 und v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63.
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4.81
Kapitel 4 Betriebsstättengewinnabgrenzung
b) Direkte Zurechnung
4.82 Bei der direkten Methode wird eine eigenständige Betriebsstättenbuchführung verwendet, um den Gewinn der Betriebsstätte zu ermitteln. Die Betriebsstättenbuchführung wird im Regelfall auch schon aus anderen Gründen nötig sein, insbesondere dann, wenn die Betriebsstätte den Status einer Zweigniederlassung hat. Vielfach sprechen bereits unternehmensinterne Gesichtspunkte für die Einrichtung einer Betriebsstättenbuchführung. Aus praktischen Erwägungen ist es in diesen Fällen angebracht, für Unternehmensstammhaus und die Betriebsstätte getrennte, durch Verrechnungskonten verbundene Buchführungskreise einzurichten. Am Ende eines jeden Jahres sind die Teilabschlüsse der Buchführungskreise in einem „konsolidierten“ Jahresabschluss für das Gesamtunternehmen zusammenzufassen. Allgemein anerkannte Rechnungslegungsgrundsätze, die in vielen Ländern bekannt sind, scheinen von Vorteil zu sein, erfordern aber regelmäßig noch eine zusätzliche Einkunftsermittlung, die von der Finanzbehörde anerkannt werden muss. Diese Bilanzierung wird in der Regel auch dann vorgenommen, wenn es für sie keine gesetzliche Verpflichtung gibt. Dabei werden in der Buchführung der Betriebsstätte nur solche Wirtschaftsgüter ausgewiesen, die auch in der Bilanz des Stammhauses enthalten sind. Damit lässt sich eine Aufgliederung der Bilanz des Gesamtunternehmens in solche Wirtschaftsgüter vornehmen, die in der Bilanz des Stammhauses enthalten sind und solche, die in den Betriebsstättenbilanzen ausgewiesen werden. Die deutsche Finanzverwaltung vertritt in ihrem Betriebsstättenerlass1 die Auffassung, dass die direkte Methode insbesondere dann anzuwenden ist, wenn Stammhaus und Betriebsstätte unterschiedliche Funktionen ausüben. Dabei sollen insbesondere berücksichtigt werden: – die Strukturorganisation und Aufgabenverteilung im Unternehmen sowie der Einsatz von Wirtschaftsgütern, – die einzelnen Funktionen der Betriebsstätte und – in welcher Eigenschaft die Betriebsstätte als selbständiges Unternehmen diese Funktion ausgefüllt hätte.
4.83 Außerdem sieht die Finanzverwaltung vor, dass hier noch „Korrekturen“ erfolgen sollen, wenn die Betriebsstätte Hilfsfunktionen übernimmt. Im Schrifttum ist – zu Recht – darauf hingewiesen worden, dass der Begriff der Korrekturen nicht definiert und zu unbestimmt ist.2 Die Rechtsprechung folgt dem grundsätzlichen Vorrang der direkten Methode vor der indirekten Methode. Festzustellen ist aber auch, dass die direkte Methode nicht ohne ergänzende Schätzungen auskommt. Nicht alle Aufwendungen und Erträge lassen sich funktions- und leistungsgerecht direkt zuordnen. So entziehen sich beispielsweise Erträge aus gemeinsamen Geschäften des Unternehmensstammhauses und der Betriebsstätte, Ge1 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.3.1. 2 Vgl. auch Kumpf/Roth, DB 2000, 745.
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B. Verfahrens- und materiellrechtliche Grundlagen zur Buchführungspflicht
schäftsführungskosten, zentrale Werbeaufwendungen, die Kosten einer zentralen Forschungs- und Entwicklungsabteilung sowie Zinsen für Betriebsmittelkredite, die zur Finanzierung des Gesamtunternehmens vom Stammhaus aufgenommen worden sind, einer direkten Zuordnung. c) Indirekte Methode Die indirekte Methode entspricht Art. 7 Abs. 4 OECD-MA, der durch die 4.84 Revision des Art. 7 OECD-MA 2010 ersatzlos gestrichen wurde, da er nicht mehr in das Konzept der in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 geforderten und beschriebenen vollständigen Selbständigkeitsfiktion passt. Ungeachtet dessen, soll kurz auf das Leitbild eingegangen werden, da es durchaus in den noch nicht geänderten DBAs Deutschlands (die überwiegende Zahl der gültigen DBA) dem alten Art. 7 Abs. 4 OECD-MA nachempfundene Vorschriften gibt, die es den Steuerpflichtigen auch weiterhin ermöglicht, ihre Einkünfte nach dieser Methode zuzuordnen. Sollte es zur Änderung des § 1 Abs. 4 AStG durch das JStG 20131 kommen, wäre damit zumindest nach deutschen Recht der Anwendung der indirekten Methode ebenfalls der Boden entzogen. Leitidee dieser Methode ist dabei, vom Gesamtgewinn des Unternehmens auszugehen und diesen nach sachgerechten Aufteilungsschlüsseln auf das Stammhaus und die Betriebsstätte zu verteilen. Diese Aufteilungsschlüssel müssen so gewählt werden, dass sie zu einer dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechenden Verteilung des Unternehmensgewinns führen. Die OECD hatte in Art. 7 Rz. 27 OECD-MK drei Hauptgruppen von Verteilungsschlüsseln vorgeschlagen: – Umsatz- oder provisionsbezogene Schlüssel, – Lohn- bzw. andere kostenbezogene Schlüssel und – Betriebsvermögensbezogene Schlüssel. Die deutsche Finanzverwaltung hat die von der OECD genannten Bei- 4.85 spiele weit gehend in Tz. 2.3.2 der Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze2 übernommen. Besondere Probleme bereitet die Festlegung von geeigneten Schlüsselgrößen, die zu einer dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechenden Gewinnaufteilung führen. Insbesondere bei Betriebsstätten, die – wie im Regelfall – mehrere Funktionen ausüben, ist ein Rückgriff auf eine größere Anzahl von Schlüsseln häufig unausweichlich. In der internationalen Unternehmenspraxis wird diese Methode immer seltener angewendet. Grund hierfür ist sicherlich auch, dass die indirekte Methode nur dann sinnvoll einsetzbar ist, wenn Funktionsgleichheit und gleiche innere Struktur von Unternehmensstammhaus und Betriebsstätte gegeben ist. Als typische Branchen, bei denen die Methode daher grundsätzlich anwendbar erscheint, sind zu nennen:
1 Regierungsentwurf v. 23.5.2012, BR-Drucks. 302/12. 2 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.3.2.
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Kapitel 4 Betriebsstättengewinnabgrenzung
– Handelsunternehmen, – Dienstleistungsunternehmen, – Bankenunternehmen und – Versicherungsunternehmen.
4.86 Sind die Funktionen unterschiedlich oder weichen die innerbetrieblichen Strukturen des Stammhauses und der Betriebsstätten voneinander ab, so lassen sich geeignete Bezugs- und Schlüsselgrößen nur schwer finden. Handelt es sich beispielsweise um ein Produktionsstammhaus und Vertriebsbetriebsstätten ist eine Einkunftszurechnung nach der indirekten Methode nicht möglich, da z.B. die Schlüsselgröße Umsatz bei einem Produktionsunternehmen nicht mit dem Umsatz bei einem Handelsunternehmen zu vergleichen ist.
4.87 Ein weiteres wesentliches Problem bei der indirekten Methode ist, dass bei einem positiven oder negativen Gesamtergebnis zwangsweise auch allen Betriebsstätten sowie dem Stammhaus ein Gewinn oder Verlust zugewiesen werden muss. Dies ungeachtet davon, wie hoch der Leistungsbeitrag jeder einzelnen Unternehmenseinheit tatsächlich gewesen ist. Ein solcher Garantiegewinn ist mit der vollständigen Selbständigkeitsfiktion des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 nicht vereinbar und wurde daher konsequenterweise im OECD-MA nicht mehr ermöglicht, in dem der bisherige Art. 7 Abs. 4 OECD-MA ersatzlos gestrichen wurde.
4.88 Der BFH1 hatte früher entschieden, dass bei ständigen Vertretern, bei denen die direkte Methode mangels einer gesonderten Buchführung nicht zur Anwendung kommen kann, im Wege der indirekten Methode derjenige Teil des Gesamtgewinns zuzurechnen ist, der der Bedeutung der Tätigkeit des ständigen Vertreters im Rahmen des Gesamterfolges entspricht. Diese Auffassung soll insbesondere dazu führen, dass der Anteil des Vertreters am Gesamterfolg regelmäßig höher sein wird als die an ihn gezahlte Courtage. d) Gemischte Methode
4.89 Die so genannte gemischte Methode stellt zwar grundsätzlich eine Verbindung von direkter und indirekter Methode dar, doch beruht sie vorwiegend auf der direkten Methode. Sie geht davon aus, dass zunächst das direkt zurechenbare Vermögen und die entsprechenden Erträge aufzuteilen sind. Lediglich die Teile, die nicht unmittelbar und eindeutig zugerechnet werden können, sollen mit Hilfe der indirekten Methode verrechnet werden.
4.90 Die deutsche FinVerw. vertritt in Tz. 2.3 Satz 6 Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze2 die Auffassung, dass ein willkürlicher Methodenwech1 BFH v. 28.6.1972 – I R 35/70, BStBl. II, 1972, 785. 2 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076.
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B. Verfahrens- und materiellrechtliche Grundlagen zur Buchführungspflicht
sel nicht zulässig ist. Eine solche Auffassung kann sich zwar auf Art. 7 Abs. 6 OECD-MA stützen, wonach die Einkünfte einer Betriebsstätte jedes Jahr nach der gleichen Methode zu bestimmen sind, doch erstaunt hier die Formulierung der FinVerw. Nicht nur die Verwendung des Wortes „willkürlich“ irritiert, sondern es überrascht auch, dass der grundsätzlich bestehende Stetigkeitsgrundsatz hier noch einmal in einer besonderen Form betont wird. Schließlich darf nicht übersehen werden, dass es durchaus sachgerechte Gründe für einen Wechsel der Methoden gibt und insoweit wohl kaum die deutsche FinVerw. von einem „willkürlichen“ Methodenwechsel ausgehen wird. Sofern die Änderung des Art. 7 OECD-MA 2010 in die deutsche Abkommenspraxis übernommen wird, erscheint es kaum denkbar zu sein, dass für die indirekte Methode oder die gemischte Methode noch ein weiter Anwendungsbereich verbleibt.
4.91
3. Zuordnung des Vermögens und sogenannte Zentralfunktion des Stammhauses Die Notwendigkeit der Vermögenszuordnung ist deshalb so wichtig, da regelmäßig nicht das Vermögen besteuert wird, sondern die Erträge, die sich aus dem zuzurechnenden Vermögen ergeben. Im Ergebnis führt dies in der Systematik des Abkommensrechts dazu, dass Dividenden, Zinsen oder Lizenzen, soweit die ihnen zugrundeliegenden Vermögenswerte dem Betriebsstättenvermögen zuzurechnen sind, als Unternehmensgewinne zu behandeln sind und bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen nur im Betriebsstättenstaat zu besteuern sind und im Ansässigkeitsstaat Deutschland von der Besteuerung freizustellen sind.1 Bei der direkten Methode ergibt sich diese Zuordnung unmittelbar daraus, dass die Einkunftszurechnung der Vermögenszurechnung folgt. Da die gemischte Methode im Wesentlichen auf der direkten Methode basiert, hat auch bei ihr die Vermögenszuordnung große Bedeutung. Bei der indirekten Methode ist die Vermögenszuordnung relevant, wenn ein Aufteilungsschlüssel verwendet wird, der auf der Vermögensabgrenzung basiert.
4.92
Grundsätzlich gilt auch im internationalen Steuerrecht dasselbe wie bei rein nationalen Sachverhalten: die Entscheidung über die Zuordnung von Vermögensgegenständen zu unterschiedlichen Vermögensmassen trifft der Steuerpflichtige selbständig. Grundsätzlich ist die von ihm getroffene Entscheidung auch von der Finanzverwaltung zu akzeptieren. In diesem Sinne sind nach den Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätzen2 die Zuord-
4.93
1 Wie bereits unter Rz. 4.9. erwähnt, hat der AOA und seine nun kurzfristig geplante gesetzliche Umsetzung in den § 1 AStG zahlreiche Konsequenzen auf die Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. Es ist derzeit wenig wahrscheinlich, dass der deutsche Gesetzgeber auch dann die Freistellung gewähren wird, wenn die Betriebsstätte beispielsweise nur immaterielle Vermögensgegenstände hält und dieses an fremde Dritte zur Nutzung überlässt. 2 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.4.
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nungsentscheidungen des Steuerpflichtigen von der Finanzverwaltung zu übernehmen, wenn sie nicht im Widerspruch zu kaufmännischen und wirtschaftlichen Erfordernissen stehen.1 Gleichwohl hat die Finanzverwaltung und in der Zwischenzeit auch die Rechtsprechung die Anforderungen an die Zurechnung von Vermögensgegenständen zu einer Betriebsstätten von der Ebene der subjektiven Entscheidung des Steuerpflichtigen auf die Ebene der objektiven funktionalen Zurechnung gehoben, die nachfolgend geprüft werden soll. Trotz dieser Konkretisierung bleibt es, auch unter Berücksichtigung der von der OECD im Partnership Report2 ausgeführten Idee des „functionally seperate entity approach“ beim Grundsatz, dass die gewählte Vorgehensweise des Steuerpflichtigen die Grundlage jeder Zuordnung bildet und als Indiz für die zutreffende Zuordnung anzusehen ist. Der Spielraum für den Steuerpflichtigen wird jedoch durch die konkrete Festlegung in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 sowie dem hierzu ergangenen neuen Kommentar deutlich eingeschränkt.
4.94 Deshalb geht die Rechtsprechung davon aus, dass nur insoweit eine Zuordnung zur Betriebsstätte erfolgen kann, wie ein funktionaler Zusammenhang zwischen dem Wirtschaftsgut und der Betriebsstätte besteht.3 Die Rechtsprechung geht bei der Vermögensabgrenzung nicht von einheitlichen Kriterien aus, sondern lässt unterschiedliche Abgrenzungsmaßstäbe zu. Dabei lassen sich grundsätzlich Hauptkriterien unterscheiden und solche, die eine Indizfunktion haben, aber für sich alleine nicht ausreichend sind, um eine Zuordnung von Wirtschaftsgütern zur Betriebsstätte begründen zu können. Dabei können die Indizkriterien verwendet werden, um die Hauptkriterien zu unterstützen oder zu entkräften. Letztlich kommt es auf das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse an. Ein „tatsächliches Gehören“ wird nicht schon allein durch eine gewerbliche Prägung nach Maßgabe der Vorschriften des nationalen Rechts erreicht.4 Vielmehr bedarf es hierfür zusätzlicher Kriterien. Die Rechtsprechung5 hat diese bisher nicht abschließend bestimmt, sondern nur einen Rückgriff auf die Hilfskriterien vorgenommen. Hierbei sind insbes. die Zweckbezogenheit des Wirtschaftsguts, der bilanzielle Ausweis und die funktionale Zugehörigkeit von Bedeutung.
1 Vgl. hierzu BFH v. 1.4.1987 – II R 186/80, BStBl. II 1987, 550. 2 Tz. 59 ff. des Betriebsstättenberichts der OECD. 3 Vgl. BFH v. 1.4.1987 – II R 186/80, BStBl. II 1987, 550; v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12; implizit bestätigt durch BFH v. 7.7.1997 – I B 26/97, BFH/NV 1998, 19. 4 In diesem Sinne auch BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 zur abkommensrechtlichen Behandlung von Personengesellschaften. 5 BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444 und zur Frage der tatsächlichen Zugehörigkeit von Wirtschaftsgütern und Erträgen zum Betriebsstättenvermögen v. 13.5.1995 – I R 74/93, BStBl. II 1995, 683; v. 16.5.1990 – I R 16/88, BStBl. II 1990, 1049; v. 30.8.1995 – BStBl. II 1996, 563 sowie v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414. Zur Zuordnung von Vermögen zu einer niederländischen geschlossenen C.V. s. BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510.
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Der BFH hat auch darauf abgestellt, ob ein Wirtschaftsgut der Betriebsstätte „dient“.1 Auch wenn diese Entscheidungen zum Bewertungsrecht ergangen sind und insoweit schon nach nationalem Recht eine andere Rechtsgrundlage besteht, kann diesen Entscheidungen dennoch die Intention des BFH entnommen werden. Hierbei geht es um einen Funktionszusammenhang zwischen Wirtschaftsgut und Betriebsstätte. Entscheidend ist letztlich, ob ein Wirtschaftsgut von seiner Zwecksetzung her der Erreichung des mit der Betriebsstätte verfolgten Zwecks dient. Dieses Kriterium ermöglicht zumindest bei den Wirtschaftsgütern eine eindeutige Zuordnung, die wesentliche Beiträge zur Erfüllung der Aufgaben der Betriebsstätte leisten.
4.95
Ein wesentliches Indiz ist der Zweck, der mit dem Wirtschaftsgut verfolgt wird. Besteht zwischen diesem und dem Zweck der Betriebsstätte ein Zusammenhang, spricht dies für eine Zuordnung zur Betriebsstätte. Allerdings kann mit diesem Merkmal nur für solche Wirtschaftsgüter eine sachgerechte Abgrenzung herbeigeführt werden, bei denen es einen eindeutig feststellbaren Zweck gibt. Dies ist jedoch nicht zwangsläufig der Fall.
4.96
Beispiel: Einer Betriebsstätte soll eine Beteiligung an einer anderen KapGes. zugeordnet werden. Sofern aus dem Gegenstand der KapGes. nicht geschlossen werden kann, ob hier ein Bezug zur Tätigkeit der Betriebsstätte besteht, ist dieses Kriterium nicht geeignet.
Der bilanzielle Ausweis in der Bilanz der Betriebsstätte alleine vermag keine Zuordnung von Wirtschaftsgütern zur Betriebsstätte zu begründen.2 Gleichwohl kann hierin ein Indiz gesehen werden, dass eine Zurechnung zur Betriebsstätte gegeben ist. Zumindest bringt der Stpfl. damit seinen Willen nach außen erkennbar zum Ausdruck, dieses Wirtschaftsgut der Betriebsstätte zuzuordnen.
4.97
Der Wille der Geschäftsleitung wird als Hilfskriterium für die Abgrenzung des Betriebstättenvermögens verwendet.3 Hierbei kommt es darauf an, dass der Stpfl. diesen Willen eindeutig zum Ausdruck bringt. Dies gilt insbes., wenn eine zweifelsfreie wirtschaftliche Zuordnung nicht gegeben ist. Denkbar und ein sinnvoller Ansatz ist es, eine Abgrenzung unter Rückgriff auf die von der FinVerw. in R 4.2 EStR 2008 zu § 4 EStG niedergelegten Grundsätze zum sog. gewillkürten Betriebsvermögen vorzunehmen. Danach hat eine Zuordnung zum Betriebsvermögen zu erfolgen, wenn der betriebliche Nutzungsanteil größer als 50 % ist. Liegt dieser zwischen 10 % und 50 % hat der Stpfl. ein Wahlrecht, und bei einem Nutzungsanteil von weniger als 10 % scheidet eine Zuordnung zum Betriebsvermögen aus. M.E. ist eine solche Vorgehensweise möglich und
4.98
1 BFH v. 19.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63. 2 Vgl. BFH v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63. 3 Vgl. z.B. BFH v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63.
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praktikabel. Da der Stpfl. bei der Zuordnung ohnehin einen Gestaltungsspielraum hat, kann er diesen durch einen Rückgriff auf R 4.2 EStR 2008 ausüben.1 Gleichwohl gilt auch hier seit der Änderung des Art 7 OECDMA 2010 sowie der beabsichtigten Änderung des § 1 Abs. 4 AStG im Rahmen des JStG 2013,2 dass mit einer Änderung, zumindest mit einer Anpassung der Auffassung der Finanzverwaltung insoweit zu rechnen sein wird.
4.99 Ein Indiz für die Zuordnung kann bei physischen Wirtschaftsgütern auch deren Belegenheit sein. Im Zweifelsfall wird dort der Schwerpunkt der Nutzungen gegeben sein. Dies schließt jedoch nicht aus, dass im Einzelfall eine abweichende Beurteilung zu erfolgen hat. Ein solcher Fall wäre gegeben, wenn sich das Wirtschaftsgut zwar im Staat der Betriebsstätte befindet, aber dessen Nutzung keinen Bezug zur Tätigkeit der Betriebsstätte aufweist.
4.100 Nach übereinstimmender Auffassung zwischen Schrifttum3 und Finanzverwaltung4 wie auch Rechtsprechung5 können Wirtschaftsgüter nur entweder dem Stammhaus oder der Betriebsstätte zugeordnet werden, es gibt also kein sog. „floating income“. Einer Betriebsstätte sind die positiven und negativen Wirtschaftsgüter zuzuordnen, die der Erfüllung der Betriebsstättenfunktion dienen.6 Dazu zählen vor allem die Wirtschaftsgüter, die zur ausschließlichen Verwertung und Nutzung durch die Betriebsstätte bestimmt sind. Der Betriebsstätte sind auch solche Wirtschaftsgüter zuzuordnen, aus denen Einkünfte erzielt werden, zu deren Erzielung die Tätigkeit der Betriebsstätte überwiegend beigetragen hat. Maßgeblich sind immer die tatsächlichen Verhältnisse und insbesondere Struktur, Organisation und Aufgabenstellung der Betriebsstätte im Unternehmen. Dies erscheint für eine Vielzahl von Sachverhalten und Wirtschaftsgütern eine zutreffende Abgrenzung zu sein, doch stellt insbesondere bei neutralen Wirtschaftsgütern, die sowohl dem Stammhaus als auch der Betriebsstätte zuzurechnen sind, die Finanzverwaltung auf die „Zentralfunktion“ des Stammhauses ab. Wörtlich führt die Finanzverwaltung in ihrem Schreiben vom 25.8.20097 aus: „Wenn die Wirtschaftsgüter die ihnen im Rahmen des Gesamtunternehmens zugewiesene Funktion sowohl als Bestandteil des Betriebsvermögens des Stammhauses als auch einer Be1 Zur Zuordnung von Sonderbetriebseinnahmen zur Betriebsstätte einer Personengesellschaft siehe BFH v. 10.7.2002 – I R 71/01, BStBl. II 2003, 191 sowie Pflüger, PIStB 2003, 88. 2 Regierungsentwurf v. 23.5.2012, BR-Drucks. 302/12. 3 Beispielhaft für viele Stimmen Haase/Dorn, DB 2011, 2115 sowie a.A., jedoch als Mindermeinung, Kramer, DB 2011, 1882. 4 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, zuletzt geändert durch BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354. 5 BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BStBl. II 2010, 398 sowie v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356. 6 BFH v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63. 7 BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004, 2009/0421117, BStBl. I 2009, 888.
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triebsstätte erfüllen, hängt es entscheidend vom erkennbaren Willen der Geschäftsleitung ab, welchem Betriebsvermögen sie zuzuordnen sind;1 der buchmäßige Ausweis kann nur Indiz, nicht Voraussetzung der Zuordnung sein.2 Bei der Zuordnung ist die Zentralfunktion des Stammhauses zu beachten. Dem Stammhaus sind deshalb in der Regel zuzurechnen a) das Halten der dem Gesamtunternehmen dienenden Finanzmittel und b) Beteiligungen, wenn sie nicht einer in der Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeit dienen.3 Die von einer Betriebsstätte erwirtschafteten Finanzierungsmittel gehören grundsätzlich zu deren Betriebsvermögen soweit sie zur Absicherung der Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte erforderlich sind oder bei ihr zur Finanzierung von beschlossenen oder in absehbarer Zeit vorgesehenen Investitionen dienen sollen. Die darüber hinausgehenden, überschüssigen Mittel sind dem Stammhaus zuzurechnen. Eine Zuordnung von Wirtschaftsgütern bei der nutzenden Betriebsstätte kann unterbleiben, wenn a) die Wirtschaftsgüter der Betriebsstätte nur vorübergehend überlassen werden und die Überlassung unter Fremden aufgrund eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Rechtsverhältnisses erfolgt wäre oder b) es sich um Wirtschaftsgüter handelt, die von mehreren Betriebsstätten gleichzeitig oder nacheinander genutzt werden.“ Fraglich ist, ob es durch die sog. Zentralfunktion des Stammhauses eine Einschränkung der vorstehenden Grundsätze gibt. Die deutsche FinVerw. vertritt, wie soeben dargelegt die Auffassung, dass dem Stammhaus i.d.R. die dem Gesamtunternehmen dienenden Finanzmittel und Beteiligungen, die nicht der in der Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeit dienen, zuzuordnen sind. Hingegen sollen die Finanzmittel der Betriebsstätte zugeordnet werden, die von der Betriebsstätte selbst erwirtschaftet wurden, soweit sie zur Absicherung der Geschäftstätigkeit oder der Finanzierung von beschlossenen oder in absehbarer Zeit erfolgenden Investitionen dienen sollen.4
4.101
Diese Vorgaben der FinVerw. sind sehr unpräzise und lassen den Stpfl. kaum erkennen, wann eine der Ausnahmen greift. Außerdem fehlt es an einer Rechtsgrundlage für die Auffassung der FinVerw. die dort vertretene Auffassung setzt eine Vorschrift voraus, die eine „Entnahme“ von Gewinnen vorsieht, die die Betriebsstätte erzielt hat. Da es eine solche Regelung nicht gibt, hat die Auffassung der FinVerw. folglich keine Rechtsgrundlage. Auch das Abkommensrecht enthält für diese Interpretation keine Grundlage. Dort wird die Fiktion der Selbständigkeit als tragendes Prinzip verankert. Dieser Grundsatz verlangt aber nicht, dass ein Stpfl. stets und zum frühest möglichen Zeitpunkt einem Unternehmensteil
4.102
1 2 3 4
BFH v. 1.4.1987 – II R 186/80, BStBl. II 1987, 550. BFH v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63. BFH v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.4.
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Gewinne entzieht. Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass damit Zinsen und Dividenden in Betriebsstätten erzielt werden, um damit die Freistellung von Gewinnen der Betriebsstätte zu erlangen. Dieses Problem kann jedoch nicht im Zusammenhang mit der Zurechnung gelöst werden, sondern innerhalb des Systems des Abkommensrechts. Dies kann z.B. über die Vereinbarung von Aktivitätsvorbehalten geschehen. Wenn aber im Abkommensrecht auf den Fremdvergleichsgrundsatz verwiesen wird, kann dieser nicht einseitig durch einen Erlass der deutschen FinVerw. suspendiert werden.1
4.103 Außerdem spricht sich der Betriebsstättenerlass2 im Rahmen der Zuordnung von Wirtschaftsgütern dafür aus, dass zu einer Betriebsstätte alle Wirtschaftsgüter zu allokieren sind, die für die Erfüllung ihrer Funktion erforderlich sind. Eine Zuordnung von Aufwendungen für Dienstleistungen auf der Grundlage des Fremdvergleichspreises (d.h. unter Einschluss einer Gewinnrealisierung des innerhalb des Einheitsunternehmens erfolgenden Leistungsaustausches) soll nur für den Fall zulässig sein, in dem die Erbringung von diesen Dienstleistungen die Haupttätigkeit der Betriebsstätte ist.3 Hierbei differenziert der Betriebsstättenerlass4 nicht danach, ob es sich um unterschiedliche Formen von Dienstleistungen handelt. Auch der BFH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass aus dem Sinn und Zweck des Betriebsstättenvorbehalts folge, dass Erträge aus Wirtschaftsgütern, die von der Betriebsstätte genutzt werden und zu ihrem Ergebnis beigetragen haben, nur im Betriebsstättenstaat zu besteuern sind.5 Hieraus ist m.E. zwingend die Schlussfolgerung zu ziehen, dass eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zu erfolgen hat.
4.104 Ferner wäre Voraussetzung für die Nicht-Zuordnung zur Betriebsstätte, dass eine Zentralfunktion des Stammhauses vorläge, die diese Grundsätze verdrängt. Eine solche Zentralfunktion ist jedoch – wie bereits unter Rz. 4.100 ausgeführt – nicht gegeben. Auch aus dem Betriebsstättenerlass6 ergibt sich, gestützt auf das BFH-Urteil vom 29.7.1992,7 dass der Betriebsstätte die positiven und negativen Wirtschaftsgüter zuzuordnen sind, die der Erfüllung der Betriebsstättenfunktion dienen. Schließlich darf nicht übersehen werden, dass, wie der Betriebsstättenerlass8 in Tz. 2.4 ausführt, unter bestimmten Voraussetzungen, der Stpfl. ein Wahlrecht haben soll, auf die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zur Betriebsstätte zu verzich1 Vgl. zur Kritik Strunk/Kaminski, IStR 2000, 36; Kumpf/Roth, DB 2000, 745 (746). 2 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076. 3 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 3.1.2. 4 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076. 5 Vgl. BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444 ff.; v. 27.2.1991 – I R 96/89, BFH/NV 1992, 285 ff.; v. 31.5.1995 – I R 74/93, BStBl. II 1995, 683 ff. und v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563, 565. 6 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076. 7 BFH v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63. 8 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.4.
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ten.1 Hieraus folgt eindeutig, dass die FinVerw. dem Stpfl. ein Wahlrecht einräumt, das dieser auch dahin gehend ausüben kann, sich für eine Zuordnung zur Betriebsstätte zu entscheiden. Es überrascht jedoch, dass die Finanzverwaltung auch noch in den Änderungen zum Betriebsstättenerlass vom 25.8.20092 von der Zentralfunktion des Stammhauses ausgeht, obwohl doch bereits der OECD Betriebsstättenbericht 2008 vorlag, der die Funktionsanalyse und die vollständige Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte festgestellt hatte. Nach Einführung des geänderten § 1 Abs. 4 AStG im Rahmen des JStG 20133 ist wohl für die Auffassung der Finanzverwaltung kein Raum mehr. Nach bisheriger Praxis wurden Rationalisierungserfolge zum Beispiel durch Einsatz verbesserter technischer Möglichkeiten, die im Rahmen eines Leistungserstellungsprozesses, an dem sowohl das Stammhaus als auch die Betriebsstätte beteiligt waren, jeweils dem Unternehmensteil zugeordnet, der diese Erfolge erzielt. Eine solche Vorgehensweise steht auch in Übereinstimmung mit der Forderung nach einer Funktionsanalyse als Grundlage für die Einkunftszurechnung zu Stammhaus und Betriebsstätte. Da Rationalisierungserfolge keine Änderung der Funktionen bewirken, kann sich folglich die Gewinnaufteilung nicht ändern. Vielmehr erfolgt die Zuweisung von Rationalisierungserfolgen, z.B. im Bereich des Vertriebes, stets ausschließlich zu der Betriebsstätte, wenn diese von ihr allein erzielt worden sind.
4.105
Die nachfolgende Aufzählung stellt verschiedene Wirtschaftsgüter in ihrer Zuordnung zur Betriebsstätte dar:
4.106
Unbewegliches Vermögen: Der Vorrang von Art. 6 OECD-MA gegenüber Art. 7 OECD-MA führt dazu, dass bei unbeweglichem Vermögen auf die Belegenheit des Grundstücks abzustellen ist. Folglich steht hierfür nach Abkommensrecht dem Belegenheitsstaat ein Besteuerungsrecht zu. Auf die Frage der Zuordnung des Grundstücks kommt es in diesen Fällen nicht an. Die Zuordnung zum Betriebsstättenvermögen ist aber auch in den Fällen ohne Bedeutung, in denen nach dem jeweiligen Abkommensrecht sowohl der Belegenheitsstaat der Immobilie als auch der Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht für die sich hieraus ergebenden Einkünfte besitzt. Für unbewegliches Vermögen gilt jedoch auch, dass eine Zuordnung zu einer Betriebsstätte nur dann sachgerecht ist, wenn eine wirtschaftliche Verbindung im Sinne einer Funktionsanalyse der Immobilie zur Betriebsstätte gegeben ist. Dient eine Betriebsstätte regelmäßig nur der Kapitalverstärkung, zum Beispiel, weil sie nicht betriebsnotwendiges Vermögen darstellt und an einen fremden Dritten vermietet ist, kann eine Zuordnung nur zu der Betriebsstätte erfolgen, die üblicherwei-
4.107
1 Zum genauen Wortlaut vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.4. 2 BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004, 2009/0421117, BStBl. I 2009, 888. 3 Regierungsentwurf v. 23.5.2012, BR-Drucks. 302/12.
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se das Vermögen des Unternehmens verwaltet und überwacht. Ob dies regelmäßig stets das Stammhaus ist, muss im Einzelfall geprüft werden.
4.108 Selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter: Diese sind regelmäßig dem Unternehmensteil zuzuordnen, der dieses Wirtschaftsgut geschaffen hat. Eine Mitbenutzung durch andere Unternehmensteile ist unproblematisch. Allerdings kann eine Überführung vorgenommen werden, die jedoch eindeutig nachzuweisen und wirtschaftlich begründbar sein muss. Auf die fehlende inländische Bilanzierung kann es hierbei nicht ankommen. Streitig kann jedoch sein, ob eine Überführung des Wirtschaftsgutes „Immaterielles Wirtschaftsgut“ überhaupt vorliegt, oder ob nur eine Nutzungsüberlassung gegeben ist. In diesem Zusammenhang ist die Reichweite des § 4 Abs. 1 S. 3 EStG von besonderer Bedeutung, denn, sofern es sich nicht um eine Überführung eines Wirtschaftsgutes, also die Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums hieran handelt,1 werden die enthaltenen stillen Reserven nach meiner Auffassung im Zeitpunkt der rechtlichen Vereinbarung nicht zu versteuern sein. Hierbei kann es dahingestellt sein, ob es zu einer Besteuerung nach der bis zum BFH-Urteil vom 17.7.20082 geltenden finalen Entnahmetheorie und ausreichender Rechtsgrundlage des § 4 Abs. 1 EStG bei der Überführung von Wirtschaftsgütern in eine DBA-Betriebsstätte kommt, oder die Neuregelung des § 4 Abs. 1 S. 3 erster Halbsatz EStG in der Fassung des SEStEG3 zur Anwendung gelangt. Solange kein Wirtschaftsgut überführt wird, kann es auch nicht zur Aufdeckung stiller Reserven kommen. Dem entgegen steht jedoch die Regierungsbegründung4 zur Formulierung des § 4 Abs. 1 S. 3 EStG, wenn es dort heißt: „Einer Entnahme für betriebsfremde Zwecke steht der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsgutes gleich“. Ausgehend von der Regierungsbegründung zum SEStEG5 führt eine Überlassung nicht zur Zuordnung der Wirtschaftsgüter bei der ausländischen Betriebsstätte. Danach unterbleibt eine solche Zuordnung, wenn diese nur vorübergehend überlassen werden und die Überlassung wie unter Fremden auf Grund eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Rechtsverhältnisses erfolgt wäre. Gleichzeitig führt die Regierungsbegründung6 jedoch aus: „Die Nutzung eines einer inländischen Betriebsstätte zugeordneten Wirtschaftsguts in einer ausländischen Betriebsstätte stellt eine Entnahme für 1 BFH v. 9.10.2008 – IX R 73/06, BStBl. II 2009, 140 m.w.N.; v. 11.5.2010 – IX R 19/09, BStBl. II 2010, 823, v. 22.7.2008 – IX R 61/05, BFH/NV 2008, 2004 zur Übertragung von Anteilen im Sinne des § 17 EStG als beispielhafte Beurteilung, wann eine Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums vorliegt. 2 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/08, BStBl. II 2009, 464. 3 Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG) vom 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782. 4 Vgl. BT-Drucks. 16/2710. 5 BR-Drucks. 542/06. 6 Vgl. BT-Drucks. 16/2710.
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betriebsfremde Zwecke dar, die nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 1 zweiter Halbsatz zukünftig mit dem gemeinen Wert zu bewerten ist“. Dies erscheint widersprüchlich, denn bei einer Überlassung eines immateriellen Wirtschaftsgutes, zum Beispiel einer Marke, soll es nicht zur einer Übertragung auf die ausländische Betriebsstätte kommen, gleichzeitig aber soll die Nutzung der Marke, die wesentlicher Bestandteil eines Miet- oder Lizenzvertrages wäre, zur Aufdeckung der stillen Reserven, aber weiterhin Zugehörigkeit bei der inländischen Betriebsstätte führen. Der Begriff der Nutzung scheint hierbei wesentlich zu sein. Offensichtlich und auch in Teilen nachvollziehbar ist der Fall, bei der ein Wirtschaftsgut „Marke“ nicht übertragen wird, sondern der ausländischen Betriebsstätte nur zur Nutzung überlassen wird und von dieser im unmittelbar nächsten Schritt an Kunden ohne eigene weitere Maßnahmen unverändert gegen Entgelt weitergereicht wird. Ein sich hierbei ergebender Gewinn würde der ausländischen Betriebsstätte zuzurechnen sein und nicht mehr der inländischen Betriebsstätte, so dass eine Entstrickung und Versteuerung der stillen Reserven in Deutschland dauerhaft verhindert werden könnte. Fraglich ist jedoch, wie ein Fall zu beurteilen wäre, bei dem eine ausländische Betriebsstätte selbst Güter produziert und diese auf dem ausländischen Markt unter der Marke des Unternehmens verkauft und sich hierbei einer „Lizenzvereinbarung“ hinsichtlich der Nutzung der Marke mit der inländischen Betriebsstätte bedient. Die Einkünfte für die Nutzung würden weiterhin im Inland zu besteuern sein und daher würde das Besteuerungsrecht Deutschlands insoweit auch nicht eingeschränkt. Der sich durch das selbsterstellte Produkt und den Vertrieb ergebende Gewinn wird jedoch der ausländischen Betriebsstätte zugerechnet und dort besteuert. Daher wird in den meisten Fällen tatsächlich eine Aufdeckung und Versteuerung der stillen Reserven in der deutschen, inländischen Betriebsstätte unterbleiben können. Entgeltlich erworbene immaterielle Wirtschaftsgüter: Diese sind grundsätzlich dem Unternehmensteil zuzuordnen, der diese Wirtschaftsgüter erworben hat. Ausschlaggebend hierfür ist, dass dem Willen der Geschäftsleitung bei der Zuordnung von Wirtschaftsgütern besondere Bedeutung zukommt.1 Dieser kommt durch die Auswahl des Teils, der den Erwerb vornimmt, eindeutig zum Ausdruck. Ausnahmen können sich lediglich ergeben, wenn das erworbene immaterielle Wirtschaftsgut keinen Bezug zur Tätigkeit des erwerbenden Unternehmensteils aufweist. Ferner gelten Sonderregelungen, wenn der erwerbende Teil des Unternehmens nur unterstützende Funktionen im Zusammenhang mit dem Erwerb leistet (z.B. die im Stammhaus angesiedelte Rechtsabteilung die Verhandlungen führt und auch den Vertrag abschließt), die Beteiligten aber nachweisen können, dass eine Nutzung durch einen anderen Unternehmensteil (z.B. eine Produktionsbetriebsstätte) erfolgen soll. 1 Dies soll jedoch nur dann gelten, wenn die Wirtschaftsgüter, die ihnen im Rahmen des Gesamtunternehmens zugewiesene Funktion sowohl als Bestandteil des Betriebsvermögens des Stammhauses als auch einer Betriebsstätte erfüllen. Siehe hierzu auch BFH v. 1.4.1987 – II R 186/80, BStBl. II 1987, 550.
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4.110 Lizenzen: Hier kann nicht auf die rechtliche Inhaberschaft abgestellt werden, weil diese stets beim Gesamtunternehmen liegt. Vielmehr ist entscheidend, in welchem Unternehmensteil das zu Grunde liegende Knowhow entwickelt wurde. Hierbei ist auf die funktionale Zugehörigkeit und auf das „tatsächliche Gehören“ abzustellen. Werden hingegen von dem Unternehmen Lizenzzahlungen geleistet, ist danach zu fragen, durch welchen Unternehmensteil die Nutzung erfolgt. Sofern es mehrere Nutzer gibt, hat eine anteilige Aufteilung zu erfolgen, wobei der Aufteilungsschlüssel je nach Lizenzgegenstand zu bestimmen ist. Insoweit ist nicht die Zuordnungsfrage von Lizenzen zu einem Betriebsstättenvermögen von besonderer Bedeutung, sondern die Frage, welcher Unternehmensteil entsprechende Aufwendungen zu tragen hat.
4.111 Know-how:1 Die Zuordnung hat zu dem Unternehmensteil zu erfolgen, der dieses Wissen gesammelt hat. Hierbei ist auf die Tätigkeit des jeweiligen Teils und den Schwerpunkt der Beiträge zur Gewinnung dieses Wissens abzustellen. Besondere Probleme entstehen hier bei der Entwicklung bzw. Sammlung von Know-how bei auf E-Business basierenden Lösungen.
4.112 Beteiligungen: Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass ein Vermögensgegenstand sowie Beteiligungen stets einer von mehreren Betriebsstätten zugerechnet werden müssen. In Rechtsprechung und Kommentierung besteht Einigkeit darüber, dass es prinzipiell keine „betriebsstättenlosen“ gewerblichen Einkünfte bzw. Unternehmensgewinne geben kann.2 Sofern ein gewerbliches Unternehmen neben der Stätte der Geschäftsleitung keine weitere Betriebsstätte hat, ist dieser Betriebsstätte der gesamte Unternehmensgewinn zuzurechnen. Weder der Betriebsstätte noch dem Stammhaus kommt eine Attraktivkraft zu. Die insoweit von der Finanzverwaltung in Tz. 2.4 des BMF-Schreibens vom 24.12.19993 postulierte Zentralfunktion des Stammhauses ist somit weder aus dem Abkommensrecht noch dem internationalen Steuerrecht zu entnehmen und findet im Schrifttum weite Ablehnung.4 Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist 1 Hierbei handelt es sich um rechtlich nicht geschütztes Spezialwissen, dass auf Grund praktischer Erfahrungen und Anwendung gesammelt wurde. Eine Verrechnung von Entgelten kommt hierfür nur in Betracht, wenn es sich um ein Wirtschaftsgut handelt. 2 Siehe auch z.B. Wassermeyer in Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten Handbuch, Rz. 10.1; Wassermeyer, IStR 2004, 676; Wassermeyer, IStR 1994, 28; Schauhoff, IStR 1995, 108, 110 f.; Enneking/Denk, DStR 1997, 1911, 1916; s. auch Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D 1365 ff., insbes. D 1367; BFH v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148 sowie erneut bestätigend BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BStBl. II 2010, 398. 3 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, geändert durch BMF v. 29.9.2004, BStBl. I 2004, 917 sowie zuletzt geändert durch BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004, 2009/0421117, BStBl. I 2009, 888. 4 So statt vieler Frotscher inGS Krüger, S. 111 f., der wörtlich ausführt: „Weder aus dem nationalen Recht (§ 12 AO) noch aus Art. 5, 7 OECD-MA lässt sich eine Zentralfunktion der Geschäftsleitungs-Betriebsstätte (des Stammhauses) begrün-
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hiernach eine Zuordnung zum Stammhaus in der Regel nur dann vorzunehmen, wenn die Beteiligung nicht einer in der Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeit dient, wobei auch hier die Finanzverwaltung direkt auf das BFH Urteil vom 30.8.19951 verweist. Nach der geplanten Neufassung des § 1 Abs. 4 AStG im Rahmen des JStG 20132 sowie der bereits erfolgten Neufassung des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 muss offensichtlich möglich sein, eine Betriebsstätte mit der Funktion „Halten und Verwalten von Kapitalgesellschaftsbeteiligungen“ zu unterhalten, der dann aufgrund dieser Aktivität, der dort vorhandenen Personen die Beteiligungen als Vermögen zugerechnet werden. Problematisch wird es dann nur sein, ob eine solche Betriebsstätte, die selbst wenn sie als geschäftsleitende Holding tätig wäre, gewerblich im Sinne des Artikel 7 OECD-MA 2010 wäre und damit nach deutschem Abkommensrecht eine Freistellung ausländischer Betriebsstätteneinkünfte beim inländischen Unternehmen zu gewähren wären. Dieses Problem ergibt sich zwingend aus dem neuen Ansatz der funktionalen Zuordnung von Wirtschaftsgütern zur Betriebsstätte und ist bisher noch nicht im Ansatz diskutiert oder gar gelöst. Zu der Frage, wann ein Vermögenswert tatsächlich zu einer Betriebsstätte im Sinne der DBA gehört, ist hiernach bereits in einer Vielzahl von Urteilen Stellung bezogen worden.3 Hierbei hat der BFH stets ausgeführt, dass es der Sinn und Zweck des Betriebsstättenvorbehalts ist, Erträge aus Wirtschaftsgütern, die von der Betriebsstätte genutzt werden und zu ihrem Ergebnis beigetragen haben, nur im Betriebsstättenstaat zu besteuern. Entsprechend verlangt die tatsächliche Zugehörigkeit eines Vermögenswertes zur Betriebsstätte, dass er in einem funktionalen Zusammenhang zu der in ihr ausgeübten Unternehmenstätigkeit steht. Insoweit können die zu § 8 AStG entwickelten Grundsätze der funktionalen Betrachtungsweise sinngemäß angewendet werden. Deshalb ist auf die Tätigkeit abzustellen, der nach der allgemeinen Verkehrsauffassung das Schwergewicht innerhalb der Betriebsstätte zukommt.4 Indiz gegen die tatsächliche Zugehörigkeit eines Vermögenswertes zu einer Betriebsstätte kann es daher aus Sicht des BFH im zitierten Urteil sein, wenn die aus seiner Nutzung erzielten Einkünfte in gleicher Weise hätten vom Inland aus erzielt werden können bzw. wenn die aus seiner Nutzung erzielten Einkünfte ohne Einfluss auf die Höhe der Einkünfte sind, die aus der unternehmerischen Tätigkeit im engeren Sinne erzielt werden. Für eine solche Sichtweise kann es nach der Änderung in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 keine Grundlage mehr geben, da nicht auf die Nützlichkeit be-
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den. Für die Geschäftsleitungs-Betriebsstätte gelten keine besonderen Regelungen; ihr sind Wirtschaftsgüter und Einkünfte nur dann zuzuordnen, wenn sich dies nach der von ihr tatsächlich ausgeübten wirtschaftlichen Funktion rechtfertigen lässt“. BFH v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563. Regierungsentwurf v. 23.5.2012, BR-Drucks. 302/12. BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 27.2.1991 – I R 96/89, BFH/ NV 1992, 385 und v. 31.5.1995 – I R 74/93, BStBl. II 1995, 683. BFH v. 16.5.1990 – I R 16/88, BStBl. II 1990, 1049.
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stimmter Aktivitäten und deren Zuordnung abgestellt wird, sondern auf die Absicht des Unternehmens sowie die von diesem geschaffenen personellen wie vermögensmäßigen Zuordnungen zu einzelnen Unternehmensteilen.
4.114 Beteiligungen sind dem Unternehmensteil zuzuordnen, zu dem sie in einem tatsächlichen Funktionszusammenhang stehen. Hierbei kommt dem Willen der Geschäftsleitung Indizcharakter zu, sofern dieser nicht im Widerspruch zu den wirtschaftlichen Verhältnissen steht. In seinem Beschluss vom 19.12.20071 hatte der BFH im Falle einer geschlossenen C.V., also einer Gesellschaft, die sowohl nach niederländischem als auch deutschem Steuerrecht als Personengesellschaft anzusehen ist, darüber zu entscheiden, ob Anteile an Kapitalgesellschaften zum Vermögen der Personengesellschaft und damit zum freizustellenden Betriebsstättenvermögen gehörten oder nicht. Grundsätzlich bejaht der erkennende Senat die Frage, ob Anteile an Kapitalgesellschaften funktional einer Betriebsstätte zugeordnet werden können, verneint dies aber in dem zu entscheidenden Urteilsfall, weil die erforderliche Nähe der niederländischen C.V. zu ausländischen Kapitalgesellschaften nicht ausreichend dargelegt werden konnte. Wörtlich führt der Senat aus: „Insbesondere seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das Halten der Beteiligungen in der Weise positive Auswirkungen auf die von der C.V. in den Niederlanden ausgeübte Vertriebstätigkeit gehabt haben könnte, das die Beteiligungserträge als Nebenerträge zu dem Gewinn aus der Vertriebstätigkeit anzusehen wären.“ Das BMF verweist in seinem Schreiben vom 16.4.20102 auf die BFH-Urteile vom 30.8.19953 und vom 13.2.2008.4
4.115 Man könnte auch einwenden, der BFH-Beschluss vom 19.12.20075 wäre hinsichtlich eines weiteren Aspektes zu berücksichtigen und würde zu einem abweichenden Ergebnis führen. Letzterer besagt, dass eine bestehende funktionale Zuordnung einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft nicht allein durch eine anderweitige Zuordnung durch den Steuerpflichtigen geändert werden kann, auch wenn diese zivilrechtlich auf eine Personengesellschaft übertragen wurde. Neben diesem konkreten Urteil zur Zugehörigkeit von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften zum Betriebsstättenvermögen sind einige weitere Urteile zu beachten, die die hier vertretene Auffassung der funktionalen Zurechnung der Beteiligung unterstützen. Zunächst ist auf die Entscheidung des BFH vom 18.5.19836 hinzuweisen, die den umgekehrten Fall berücksichtigt, dass eine ausländische Person an einer inländischen deutschen Personengesellschaft beteiligt ist und die Frage beantwortet wird, ob Sondervermögen der inländischen Betriebsstätte zuzurechnen ist und wenn ja, wie dieses bestimmt 1 2 3 4 5 6
BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354. BFH v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563. BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414. BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510. BFH v. 18.5.1983 – I R 5/82, BStBl. II 1983, 771.
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werden kann. Der BFH führt hierzu wörtlich aus: „Bezieht eine Person mit Wohnsitz (vgl. für juristische Personen: Ort ihrer Leitung oder ihres Sitzes, Art. 3 Abs. 5 DBA-NL) in einem der Vertragsstaaten Einkünfte aus der Veräußerung einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, so hat, wenn sie ihren Wohnsitz in dem anderen Staat hat, der erstgenannte Staat das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte.“ Eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft gehört zum Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters einer Personengesellschaft, wenn sie in erster Linie im geschäftlichen Interesse der Personengesellschaft gehalten wird. Der hiernach maßgebliche Veranlassungszusammenhang ist nach den gesamten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Der erkennende Senat führt meines Erachtens zutreffend aus, dass die Frage, wem und was einer Betriebsstätte zuzurechnen ist, sich nicht aus dem Abkommen selbst heraus ergibt, sondern nach dem innerstaatlichen Recht der Staaten abzuleiten ist. Wörtlich heißt es unter Tz. 27 des Urteils:1 „Danach ist entscheidend, ob die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft als Sonderbetriebsvermögen bei einer inländischen Personengesellschaft zu erfassen und für diesen Vorgang die inländische Betriebsstätte der entscheidende Anknüpfungspunkt ist.“ Das Urteil des BFH vom 13.2.2008,2 in dem wörtlich zur Frage der Qualifikation als Sonderbetriebsvermögen und damit auch zur Frage der funktionalen Zugehörigkeit Stellung genommen wird, ist in diesen Zusammenhang von besonderer Bedeutung. Nach deutschem Steuerrecht gehört zum Vermögen einer ausländischen Personengesellschaft auch das Sonderbetriebsvermögen I und II, wobei die Qualifikation als Sonderbetriebsvermögen eine funktionale Zuordnung zum Betriebsvermögen voraussetzt. Es heißt wörtlich: „Eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft kann nicht nur dann geeignet und dazu bestimmt sein, die Stellung ihres Inhabers im Rahmen einer Personengesellschaft zu stärken, wenn sie dessen Einflussmöglichkeiten als Mitunternehmer der Personengesellschaft erhöht. Es genügt vielmehr, dass sie für das Unternehmen der Personengesellschaft vorteilhaft ist und der Gesellschafter der Personengesellschaft sie aus diesem Grund hält. Dabei reicht ein ganz überwiegender Veranlassungszusammenhang mit der Beteiligung an der Personengesellschaft aus.“ Sofern dies bereits für die Zugehörigkeit zum Sonderbetriebsvermögen gilt, kann meines Erachtens für eine Beteiligung, die zum Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft gehört, nichts anderes gelten. Für einen Inlandsfall, also einen im Ausland ansässigen Steuerpflichtigen, dem das Vermögen und die Einkünfte einer deutschen inländischen Betriebsstätte zuzurechnen sind, hat der BFH3 wörtlich ausgeführt, dass Wirtschaftsgüter dann dem Gewerbe der inländischen Betriebsstätte dienen, „wenn sie nach ihrer Zweckbestimmung der Errei-
1 BFH v. 18.5.1983 – I R 5/82, BStBl. II 1983, 771. 2 BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414. 3 BFH v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63.
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chung des Betriebszwecks dienen“.1 Das ist insbesondere bei solchen Vermögensgegenständen der Fall, die das wirtschaftliche Ergebnis der Betriebsstätte „zwangsläufig und maßgeblich beeinflussen und ihre Erträge zu gewährleisten oder zu steigern imstande sind“.2 Der erkennende Senat des FG Köln hat in seiner Entscheidung unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BFH3 darauf hingewiesen, dass eine Beteiligung tatsächlich zu der Betriebsstätte gehört, wenn die Beteiligung in einem funktionalen Zusammenhang zu einer in der Betriebsstätte ausgeübten aktiven Tätigkeit steht und sich deshalb die Beteiligungserträge bei funktionaler Betrachtungsweise als Nebenerträge der aktiven Betriebsstättentätigkeit darstellen. Durch den Betriebsstättenvorbehalt sollen Erträge aus Wirtschaftsgütern, die von der Betriebsstätte genutzt werden und zu ihrem Betriebsergebnis beigetragen haben, dem Betriebsstättenstaat zur Besteuerung zugewiesen werden. Der erkennende Senat4 führt weiter wörtlich aus: „Zählt z.B. die Beteiligung an einer Vertriebsgesellschaft anders als im zu entscheidenden Fall zum Betriebsstättenvermögen, dann ist nach Wassermeyer5 die tatsächliche Zugehörigkeit der Beteiligung zur Betriebsstätte anzunehmen, wenn die Vertriebsgesellschaft Produkte verkauft, die in der Betriebsstätte hergestellt wurden. Bei funktionaler Betrachtungsweise kann es nach Auffassung des erkennenden Senats des FG Köln keinem Zweifel unterliegen, dass die Beteiligung des Vertriebsunternehmens an dem Produktionsunternehmen dem Vertriebsunternehmen tatsächlich dient.“
4.117 Diese sind dem Unternehmensteil zuzuordnen, zu dem sie in einem tatsächlichen Funktionszusammenhang stehen. Hierbei kommt dem Willen der Geschäftsleitung Indizcharakter zu, sofern dieser nicht im Widerspruch zu den wirtschaftlichen Verhältnissen steht. Hieraus folgt, dass einer Betriebsstätte die Beteiligungen zuzuordnen sind, die einen funktionalen Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit haben (z.B. einer Produktionsbetriebsstätte Beteiligungen an Zulieferunternehmen). Ein besonderes Problem bilden sog. Holding-Betriebsstätten. Hierunter fallen Betriebsstätten, die sich auf das Halten und Verwalten von Beteiligungen beschränken. Zu beachten ist, dass eine Betriebsstätte nach Abkommensrecht dann nicht vorliegt, wenn eine reine Vermögensverwaltung erfolgt. Daher stellt sich diese Frage nur, wenn es sich um eine sog. geschäftsleitende Holding handelt.6 Sofern eine entsprechende Einflussnahme auf die Geschäftsleitung durch die Betriebsstätte erfolgt und damit ein funktionaler Zusammenhang zu dieser besteht, ist eine Zuordnung zur Betriebs1 Fundstelle aus dem zitierten Urteil: (Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, § 121 BewG Rz. 19). 2 Fundstelle aus dem zitierten Urteil: Urteil des Reichsfinanzhofs – RFH – vom 10. September 1936 III A 213/35, RStBl 1936, 1161. 3 BFH v. 26.2.1982 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937, 939. 4 FG Köln v. 29.3.2007 – 10 K 4671/04, DStRE 2007, 1320. 5 Wassermeyer in D/W, Art. 10 OECD-MA Rz. 133 (Juni 2001). 6 Dabei stellt die einheitliche Leitung im Konzern eine eigenständige unternehmerische Tätigkeit dar, vgl. BFH v. 17.12.1969 – I 252/61, BStBl. II 1970, 257.
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B. Verfahrens- und materiellrechtliche Grundlagen zur Buchführungspflicht
stätte möglich. Dabei sprechen eine nicht erfolgte Berücksichtigung in der Buchführung der Betriebsstätte und die nicht gegebene Möglichkeit der Finanzierung des Beteiligungserwerbs durch die Betriebsstätte indiziell gegen die Zugehörigkeit zum Betriebsstättenvermögen. In der Praxis führt die Zuordnung von Beteiligungen zu ausländischen Betriebsstätten – insbes. infolge der Auffassung zur sog. Zentralfunktion des Stammhauses – regelmäßig zu Problemen. Der Stpfl. sollte sich deshalb hierauf rechtzeitig einstellen und dafür sorgen, dass er die erforderlichen Nachweise erbringen kann. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Änderung des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 sowie die geplante Änderung des § 1 Abs. 4 AStG im Rahmen des JStG 20131 die Auffassung der Finanzverwaltung insoweit ändern werden. Sofern eine Zuordnung der Kapitalgesellschaftsbeteiligungen zum Betriebsstättenvermögen erfolgt, sind alle Dividenden und Veräußerungsgewinne (-verluste) nur im Betriebsstättenstaat zu besteuern, nicht jedoch im Ansässigkeitsstaat, da hier, in Deutschland, die Freistellung gem. dem Art. 23A OECD-MA nachempfundenen Vorschriften in den jeweiligen DBA vorgesehen ist.
4.118
Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe: Diese sind dem Unternehmensteil zuzuordnen, in dem sie genutzt werden sollen. Etwas anderes gilt lediglich, wenn eine zentrale Beschaffung und Zwischenlagerung erfolgt. Hier ist eine Zuordnung zu dem Unternehmensteil vorzunehmen, der die Beschaffung durchführt, bis eine Widmung zu einem anderen Unternehmensteil erfolgt. Der physischen Präsenz kommt große Indizkraft für die Zuordnung zu. Der buchmäßige Ausweis ist ebenfalls Indiz, aber keineswegs Voraussetzung der Zuordnung.2
4.119
Fertigerzeugnisse: Sie sind dem Unternehmensteil zuzuordnen, von dem 4.120 sie produziert wurden. Etwas anderes gilt nur, wenn eine Überführung (z.B. für Verkaufszwecke) erfolgt ist. Hier ergibt sich aus der Zwecksetzung der Überführung und der physischen Präsenz der Wirtschaftsgüter, dass eine Zuordnung zu dem Unternehmensteil zu erfolgen hat, an den die Überführung stattgefunden hat. Finanzmittel: Entscheidend ist die Herkunft dieser Mittel. Sofern es sich um selbst erwirtschaftete Mittel handelt, müssen diese – trotz der teilweise abweichenden Auffassung der FinVerw.3 – der Betriebsstätte zugeordnet werden. Anderenfalls würde eine zwangsweise Verringerung der Dotation erfolgen, für die es weder im deutschen Recht eine Rechtsgrundlage ergibt, noch ließe sich diese aus dem Fremdvergleichsgrundsatz herleiten. Probleme können entstehen, wenn es um die angemessene Ausstattung mit Eigenkapital geht. Der Betriebsstättenerlass4 führt – un1 2 3 4
Regierungsentwurf v. 23.5.2012, BR-Drucks. 302/12. BFH v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63. Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.4. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076.
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Kapitel 4 Betriebsstättengewinnabgrenzung
ter Hinweis auf die „Zentralfunktion des Stammhauses“ – aus, dass das Halten von Finanzmitteln durch das Stammhaus zu erfolgen habe, wenn diese dem Gesamtunternehmen dienen.1 Allerdings soll eine Zuordnung zur Betriebsstätte erfolgen, wenn die Finanzierungsmittel zur Absicherung ihrer Geschäftstätigkeit erforderlich sind oder „bei ihr zur Finanzierung von beschlossenen oder in absehbarer Zeit vorgesehenen Investitionen dienen“ sollen. Es stellt sich die Frage, wie eine solche Abgrenzung in der Praxis funktionieren soll. Es ist unrealistisch zu glauben, man könne klar trennen, ob Finanzmittel der Betriebsstätte oder dem Stammhaus dienen. Auch die Prognoserechnung erweist sich als problematisch. Fraglich ist, wie dies praktisch umgesetzt werden soll. Sollte z.B. die Betriebsprüfungspraxis verlangen, dass auf dieser Grundlage Finanzierungspläne für die Betriebsstätte vorzulegen sind, so ist dies abzulehnen, weil es für diese Forderung keine Rechtsgrundlage gibt.
4.122 Forderungen: Sie sind dem Teil des Unternehmens zuzuordnen, in dem sie entstanden sind. Hieraus folgt, dass z.B. Forderungen aus Lieferungen und Leistungen dem verkaufenden Unternehmensteil zuzuordnen sind. Ausnahmen können sich im Rahmen einer sog. Pool-Finanzierung ergeben. Eine solche liegt vor, wenn alle Unternehmensteile ihre finanziellen Ressourcen bündeln, um so insgesamt den Finanzbedarf zu verringern. In einem solchen Fall hat eine Übertragung auf den Pool-Betreiber zu erfolgen, sofern auch das wirtschaftliche Risiko auf den Pool übertragen wird. Besonderheiten gelten hier bei PersGes, insbes. bei solchen Forderungen, die im Zusammenhang mit als Sonderbetriebsvermögen zu qualifizierenden Wirtschaftsgütern entstanden sind.
4.123 Verbindlichkeiten: Sie sind auf Grundlage des wirtschaftlichen Zusammenhangs zuzuordnen.2 Hieraus folgt, dass grundsätzlich auf den Entstehungsgrund der Verbindlichkeit abzustellen ist. Dem Unternehmensteil, dem diese Wirtschaftsgüter zugeordnet werden, ist auch die Verbindlichkeit zuzuordnen. Probleme können sich regelmäßig nur dann ergeben, wenn die Verbindlichkeiten zu unterschiedlichen Zeitpunkten mit unterschiedlichen Zinskonditionen aufgenommen werden und die Verbindlichkeiten mehrerer Tranchen der Betriebsstätte zuzuordnen sind, da dann nicht das Problem in der Zuordnung der Verbindlichkeit als solcher besteht, sondern in der Zuordnung der nämlichen Verbindlichkeit und damit der Berücksichtigung der Zinsausgaben bei der Ermittlung des Betriebsstättenergebnisses.
1 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.4. 2 Vgl. BFH v. 20.3.2002 – II R 84/99, BFH/NV 2002, 1017.
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IV. Besondere Aspekte bei Gründung der Betriebsstätten 1. Beginn der Aufzeichnungspflicht Die Aufzeichnungspflichten bzw. deren Beginn bestimmt sich nach den objektiven, tatsächlich bestimmbaren Zeitpunkten nach in- oder ausländischem Handelsrecht sowie nach Erfüllung der von § 141 AO geforderten Größenkriterien oder dem Zeitpunkt, zu dem die Finanzverwaltung eine Verpflichtung zur Aufzeichnung ausspricht. Regelmäßig sind jedoch Aktivitäten zu beachten, die vor einer Betriebsstättenbegründung liegen und in Ermangelung einer bereits buchführungspflichten Betriebsstätte nur in der Buchführung und Gewinnermittlung des Stammhauses erfasst werden können. Fraglich ist, ob und wenn ja, zu welchem Zeitpunkt die Aufwendungen aus dem Gewinn des Stammhauses herauszurechnen sind.
4.124
2. Behandlung der Gründungskosten Bevor es zur Gründung einer Betriebsstätte kommt, fallen im Unternehmensstammhaus in aller Regel Aufwendungen an, die mit vorbereitenden Maßnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Fällt die Errichtung der Betriebsstätte in einen späteren Besteuerungsabschnitt, besteht bei der Veranlagung noch keine Betriebsstätte, der die Aufwendungen zugerechnet werden können. Es stellt sich daher die Frage, wie diese Aufwendungen bei grenzüberschreitenden Gründungsmaßnahmen steuerrechtlich zu behandeln sind.
4.125
a) Bei Betriebsstättengründung einer ausländischen Betriebsstätte durch einen Steuerinländer Im Zusammenhang mit der Errichtung einer Betriebsstätte fallen häufig hohe Aufwendungen an. Hier stellt sich regelmäßig die Frage, inwieweit diese in welchem Staat zu berücksichtigen sind. Aus Sicht des Stpfl. besteht die Gefahr, dass sie im Betriebsstättenstaat nicht zum Abzug zugelassen werden, weil es noch nicht zu einer Errichtung der Betriebsstätte gekommen ist und im Stammhausstaat der Abzug versagt wird, weil diese Aufwendungen als im Zusammenhang mit einer Betriebsstätte stehend angesehen werden, deren Einkünfte möglicherweise zukünftig von der Besteuerung freizustellen sind.
4.126
Stehen die Aufwendungen mit der Anschaffung oder Herstellung aktivierungsfähiger Wirtschaftsgüter in Verbindung, handelt es sich also um Anschaffungs- und Herstellungskosten, so sind sie in der Unternehmensbilanz unter Beachtung der Bewertungsvorschriften des Einkommensteuergesetzes zu aktivieren. In die auf den Gründungstag der Betriebsstätte aufzustellende Eröffnungsbilanz sind die Wirtschaftsgüter und die Abgrenzungsposten mit ihren jeweiligen Buchwerten aus der Buchführung des Stammhauses zu übernehmen. Da durch die reine Änderung des Ver-
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Kapitel 4 Betriebsstättengewinnabgrenzung
mögensausweises kein Aufwand oder Ertrag entsteht, stellt sich die Frage der Behandlung von Gründungsaufwand nicht. Eine andere Frage ist, was mit den schon vor der Gründung als Aufwand zu verrechnenden AfA-Beträgen und den sofort als Betriebsausgaben abzugsfähigen Aufwendungen im DBA-Falle zu geschehen hat. Da die ausländische Betriebsstätte noch nicht existiert und es ohnehin noch ungewiss ist, ob es überhaupt zu der beabsichtigten Gründung kommt, mindern die Aufwendungen als Betriebsausgaben den steuerlichen Unternehmensgewinn. § 3c EStG, der den Abzug von Aufwendungen verbietet, die in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen, greift hier nicht. Die Finanzverwaltung sieht dies jedoch anders. Gemäß Tz. 2.9.1 der Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze sollen diese Aufwendungen im Inland nicht geltend gemacht werden können.1 Nach Abschaffung des § 2a Abs. 3 und 4 EStG durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/20022 kommt diesem Fragenkreis große Bedeutung zu. Eine Entlastung könnte durch die Diskussion über die Frage der Abzugsfähigkeit „finaler Betriebsstättenverluste“ gegeben sein, s. hierzu Rz. 4.128.
4.128 Zwar beruft sich die FinVerw. bei ihrer Auffassung zu Recht auf das BFHUrteil vom 28.4.1983,3 doch ändert dies m.E. nichts daran, dass dieses Ergebnis unzutreffend ist. Voraussetzung für die Freistellung nach Art. 7 OECD-MA ist das Vorliegen einer Betriebsstätte. Wenn es niemals zu ihrer Begründung kommt, ist für die Anwendung von Art. 7 OECD-MA kein Raum. Insoweit handelt es sich zwingend um Aufwendungen, die im Inland zu berücksichtigen sind. In diesem Sinne auch Wassermeyer,4 der vorbereitende Aufwendungen auf eine künftige ausländische Betriebsstätte als stets durch das Stammhaus veranlasst ansieht und insoweit auch eine Abzugsfähigkeit der Betriebsausgaben im Inland annimmt. Im Ergebnis bedeutet eine solche steuerliche Beurteilung das Vorliegen „vagabundierender“ Betriebsausgaben, also Ausgaben, die keiner der beiden möglicherweise betroffenen Staaten zum Abzug zulassen will. Beim einen Staat kommt es nicht zur Begründung einer Betriebsstätte und in Ermangelung sonstiger steuerbarer und steuerpflichtiger Einkünfte auch nicht zur Möglichkeit des steuermindernden Abzugs der Betriebsausgaben und beim anderen Staat wird die Absicht und die Finalität der Aufwendungen auf das Ziel „Errichtung der Betriebsstätte“ so gewertet, dass diese Aufwendungen nur der zu errichtenden ausländischen Betriebsstätte zuzurechnen sind, so dass bei DBA-Betriebsstätten mit Freistellung eine Nichtberücksichtigung der Betriebsausgaben im Inland verbleibt. Wenngleich man aus fiskalischer Sicht Verständnis für die Sichtweise der Finanzverwaltung haben kann, da man sonst fürchtet, dass etwaige Verluste aus der gescheiterten Begründung einer Betriebsstätte beim deutschen Stammhaus in Abzug gebracht werden und etwaige Gewinne durch 1 2 3 4
BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 - 111/99, BStB.l I 1999, 1076, Tz. 2.9.1. StEntlG 1999/2000/2002 v. 24.3.1999, BGBl. I 1999, 402 = BStBl. I 1999, 304. BFH v. 28.4.1983 – IV R 122/79, BStBl. II 1983, 566. Wassermeyer, IStR 1997, 395.
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erfolgreiche Begründung einer Betriebsstätte im Ausland unter die Freistellung im Inland fallen. Doch spätestens seit der Entscheidung des EuGH vom 15. Mai 2008 in der Rechtssache „Lidl/Belgium „1 sind an dieser Auffassung erhebliche Zweifel angebracht. Ein Verlustabzug bei einer nach DBA freigestellten Betriebsstätte kommt abweichend von der Abkommensregelung davon aus Gründen des Unionsrechts ausnahmsweise in Betracht, sofern und soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass die Verluste im Quellenstaat steuerlich unter keinen Umständen anderweitig verwertbar sind. Während sich die Rechtsprechung2 und die Literatur3 zu Recht mit der Frage der Bestimmung der Finalität der Verluste beschäftigt, scheint diese Frage im vorliegenden Fall vergleichsweise einfach zu beantworten sein. Da es nie eine Betriebsstättengründung im Ausland gegeben hat, ist Deutschland zumindest innerhalb der EU verpflichtet, die sich aus der gescheiterten Betriebsstättenbegründung ergebenden Betriebsausgaben steuerlich anzuerkennen, da für Betriebsausgaben insoweit grundsätzlich nichts anderes gelten kann als für Verluste. Wie bereits in Rz. 4.128 erwähnt, hat die Rechtsprechung die Versagung der Abzugsfähigkeit der vorbereitenden Aufwendungen im Zusammenhang mit einer nach einem DBA von der deutschen Steuer freigestellten Einkunftsquelle aus § 3c Abs. 1 EStG abgeleitet. Der BFH4 hat deutlich gemacht, dass § 3c Abs. 1 EStG dann nicht anzuwenden sei, wenn die Ausgaben in keinem Zusammenhang mit Einnahmen stehen. Dies bedeutet auch, dass vorweggenommene Ausgaben im Zusammenhang mit der – gescheiterten – Begründung einer nach der Freistellungsmethode von der deutschen Besteuerung ausgenommenen ausländischen Einkunftsquelle dann nicht vom Abzug ausgeschlossen sind, wenn es zu keinen Einnahmen gekommen ist. Es kommt also nicht auf die Absicht an, Einnahmen mittels der noch zu gründenden Betriebsstätte zu erzielen, sondern auf die tatsächliche Erzielung der Einnahmen, die eine hinreichende Konkretisierung erfahren haben. Diese Folgerung ist auch in der Literatur gezogen worden. So wird für den Fall der gescheiterten Errichtung einer (nach einem DBA freigestellten) ausländischen Betriebsstätte ausgeführt, § 3c Abs. 1 EStG sei nicht anwendbar, weil steuerfreie Einnahmen mangels Betriebsstättenbegründung nicht erzielt worden seien.5 Dem widerspricht auch nicht das BFH-Urteil vom 6.10.1993,6 denn dort sind vorbereitende Aufwendungen im Zusammenhang mit nach einem 1 EuGH v. 15.5.2008 – C-414/06 – Lidl/Belgium, BStBl. I 2009, 692. 2 EuGH v. 23.10.2008 – C-157/07 – Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt, Slg. 2008, I-8061 zur Frage der Finalität von Verlusten bei zeitlich begrenztem Vortrag von Verlusten. 3 Siehe beispielhaft v. Brocke/Jakob, DStR 2011, 57 sowie Gebhardt/Quilitzsch, FR 2011, 359. 4 BFH v. 29.5.1996 – I R 167/94, BStBl. II 1997, 60. 5 Bader/Klose, IStR 1996, 318, 320; Das FG München hat in seinem Beschluss v. 19.3.1998 – 7 V 288/98, EFG 1998, 993 eindeutig festgestellt, dass es das BFH-Urteil v. 28.4.1983 – IV R 122/79, BStBl. II 1983, 566 ausdrücklich ablehnt. 6 BFH v. 6.10.1993 – I R 32/93, BStBl. II 1994, 113.
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4.129
Kapitel 4 Betriebsstättengewinnabgrenzung
DBA steuerbefreiten ausländischen Einkünften nicht zum Abzug zugelassen worden. Im Urteilsfall ist es aber zur Begründung der ausländischen Einkunftsquelle tatsächlich gekommen und es sind steuerfreie Einnahmen bezogen worden. b) Bei Betriebsstättengründung eines Steuerausländers im Inland
4.130 Die vorbereitenden Aufwendungen eines beschränkt Steuerpflichtigen für die Gründung einer inländischen Betriebsstätte sind spiegelbildlich genauso zu behandeln wie die vorbereitenden Aufwendungen eines unbeschränkt Steuerpflichtigen für die Gründung einer ausländischen Betriebsstätte. Die beschränkte Steuerpflicht wird jedoch erst mit der Aufnahme der Betriebsstätte begründet, da die Betriebsstätte das entscheidende Kriterium für die Verbindung zum dt. Hoheitsgebiet ist, an die das deutsche Einkommensteuerrecht die Steuerpflicht knüpft. Gleichwohl können Aufwendungen, die der beschränkten Einkommensteuerpflicht vorangehen, als Betriebsausgaben abgezogen werden. Insoweit wird in der Literatur1 unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung zur Abzugsfähigkeit vorweggenommener Betriebsausgaben2 ein Abzug auch der vor der Gründung der Betriebsstätten entstandenen Betriebsausgaben zugelassen. Bestätigt wird diese Auffassung auch durch die Vorschrift des § 50 Abs. 1 Satz 1 EStG, nach der beschränkt Steuerpflichtige Betriebsausgaben oder Werbungskosten nur insoweit abziehen können, als sie mit inländischen Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Die Feststellungen des BFH für den unbeschränkt Steuerpflichtigen können sachlich sich nicht von den Feststellungen für den beschränkt Steuerpflichtigen insoweit unterscheiden. Und auch in den Fällen, in den die Betriebsausgaben zu einem Verlustvortrag im Sinne des § 10d EStG führen, kann keine andere Beurteilung tragen, denn auch nach § 50 Abs. 1 EStG ist § 10d EStG auf beschränkt Steuerpflichtigen anzuwenden. 3. Kapitalausstattung a) Begriff und Bedeutung des Dotationskapitals
4.131 Unstreitig ist, dass jede Betriebsstätte für die Erfüllung ihrer Aufgaben eine bestimmte Kapitalausstattung benötigt. Dieses Kapital kann entweder durch eigene Darlehensaufnahme der Betriebstätte oder durch die Zuweisung von Eigenkapital („Dotationskapital“) vom Stammhaus an die Betriebsstätte erfolgen. Unklar ist dabei, wie eine „angemessene“ Kapitalausstattung zu erfolgen hat.3 1 Kumpf/Roth, DB 2000, 741 sowie Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, S. 205 f. 2 BFH v. 13.11.1973 – VIII R 157/70, BStBl. II 1974, 161; v. 9.9.1980 – VIII R 44/78, BStBl. II 1981, 418. 3 Die sich in diesem Bereich ergebenden Besonderheiten für Banken und Versicherungen sind nicht Gegenstand dieser Ausführungen. Siehe hierzu das BMFSchreiben v. 29.9.2004 – IV B 4 - S 1300 - 296/04, BStBl. I 2004, 917: „Grundsätze
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B. Verfahrens- und materiellrechtliche Grundlagen zur Buchführungspflicht
b) Prüfung der Angemessenheit des Dotationskapitals Das OECD-MA enthält keine Vorgaben über die Höhe des der Betriebsstätte zuzuordnenden Eigenkapitals (sog. Dotation). Daher verwundert es nicht, dass es international eine Reihe unterschiedlicher Ansätze gibt, um dieses Problem zu lösen. Auch die Rechtsprechung hat in der Vergangenheit unterschiedliche Methoden als zulässig angesehen. Zusätzlich wird dieses Problem dadurch erschwert, dass es keine betriebswirtschaftlich gesicherten Obergrenzen für die Kapitalausstattung gibt. Infolge des Charakters als Eigenkapital kann für das im Rahmen der Dotation überlassene Kapital keine Verrechnung von Zinsaufwand vorgenommen werden.1
4.132
Die sich ergebenden Abgrenzungsprobleme haben in der bisherigen Besteuerungspraxis zu folgenden Ansätzen geführt:
4.133
Rückgriff auf die Branchenüblichkeit: Dies erweist sich jedoch in vielen Fällen als problematisch, weil – zumindest innerhalb bestimmter Branchen – große Streubreiten bestehen, so dass die Aussagefähigkeit dieser Größe zweifelhaft ist.
4.134
Anwendung der Kapitalspiegelmethode: Dieser Ansatz sieht vor, dass das Verhältnis von Eigen- zu Fremdkapital, wie es beim Stammhaus besteht, auch für die Betriebsstätte gelten muss.2 Zwar hat dieser Ansatz erhebliche praktische Vorteile, allerdings impliziert er, dass Betriebsstätte und Stammhaus gleiche Funktionen und Risiken wahrnehmen. Dies wird in aller Regel nicht der Fall sein. Insoweit wird die generelle Anwendung dieses Ansatzes von der Rechtsprechung – m.E. zu Recht – abgelehnt.3
4.135
Entscheidungsfreiheit des Stammhauses: Nach diesem Ansatz soll das Stammhaus frei entscheiden können, wie die Dotation ausgestaltet wird. Vorbehaltlich evtl. missbräuchlicher Gestaltungen ist die gewählte Kapitalausstattung steuerlich anzuerkennen. Ein Missbrauch soll vorliegen, wenn die Kapitalausstattung kaufmännischen, wirtschaftlichen oder gesetzlichen Vorschriften zuwiderläuft.4 Das Problem dieses Ansatzes liegt in seiner fehlenden Nachprüfbarkeit, weil es keine allgemeinen, betriebswirtschaftlichen Regelungen zur Bestimmung der Angemessenheit der Ka-
4.136
1
2 3 4
der Verwaltung zur Bestimmung des Dotationskapitals bei Betriebsstätten international tätiger Kreditinstitute (Verwaltungsgrundsätze Dotationskapital)“. Vgl. FG Freiburg v. 30.5.1962 – II 310/57, EFG 1963, 28, das bereits ausgeführt hatte, dass Kreditzinsen für die Überlassung von Fremdkapital an die Betriebsstätte nur dann steuermindernd geltend gemacht werden können, wenn die Anwendung der Kapitalspiegelmethode die Ausstattung mit fiktivem Eigenkapital, dem Dotationskapital, für ausreichend angesehen hat. Vgl. BFH v. 27.7.1965 – I 110/63 S, BStBl. III 1966, 24, für die Kapitalausstattung zum Zeitpunkt der Errichtung einer Betriebsstätte, wobei offen gelassen wurde, ob dies auch zu späteren Zeitpunkten zu sachgerechten Ergebnissen führt. Vgl. BFH v. 1.4.1987 – II R 186/80, BStBl. II 1987, 550. Vgl. BFH v. 25.6.1986 – II R 213/83, BStBl. II 1986, 785.
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Kapitel 4 Betriebsstättengewinnabgrenzung
pitalausstattung gibt. Der BFH hat in seiner Entscheidung vom 23.8.20001 jedoch deutlich gemacht, dass einer inländischen Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens derjenige Betrag als Eigenkapital/Dotationskapital zugerechnet werden kann, der dem Gesamtunternehmen als Eigenkapital zur Verfügung steht. Gleichzeitig hat die Rechtsprechung2 jedoch auch entschieden, dass die Bestimmung des Dotationskapitals nicht nach den tatsächlich vom Stammhaus überlassenen Mitteln bestimmt wird, sondern sich nach der Eigenart des Geschäfts richtet, wie dies beispielsweise bei einem Versicherungsunternehmen der Fall ist.
4.137 Der Betriebsstättenerlass3 sieht vor, dass eine Dotation der Betriebsstätte entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz zu erfolgen habe. Geschieht dies nicht, wird Fremdkapital in Eigenkapital umqualifiziert, bis das Dotationskapital dem Fremdvergleichsmaßstab entspricht. Für die Frage, was als fremdvergleichentsprechendes Eigenkapital gilt, ist im Rahmen der direkten Methode (s. hierzu Rz. 4.82) ein äußerer Fremdvergleich mit Funktions- und Risikoanalyse durchzuführen.4 Ist dies nicht möglich (z.B. weil ein vergleichbares Unternehmen nicht vorhanden ist), kann eine funktionsgerechte Aufteilung im Schätzungswege erfolgen. Schließlich wird für den Fall der Funktionsgleichheit von Stammhaus und Betriebsstätte die Eigenkapitalquote des Stammhauses entsprechend der sog. Kapitalspiegelmethode als geeigneter Maßstab angegeben. Dies ist umso bemerkenswerter als der BFH die generelle Anwendung dieser Methode ausdrücklich abgelehnt hat.5 Gleichwohl hat der BFH im Urteil vom 28.8.20006 entschieden, dass das maximale Dotationskapital einer inländischen Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens durch denjenigen Betrag begrenzt wird, „der dem Gesamtunternehmen als Eigenkapital zur Verfügung steht“. Hier kann m.E. jedoch keine allgemeine Bestätigung der Kapitalspiegeltheorie gesehen werden.7 Vielmehr ging es um einen Sonderfall, bei dem Zweck des ausländischen Unternehmens im Wesentlichen die Vollhafterstellung an einer inländischen Personengesellschaft (= Betriebsstätte) war und deshalb keine wesentlichen eigenen Aktivitäten seitens des „Stammhauses“ vorlagen.8
1 2 3 4 5 6 7 8
BFH v. 23.8.2000 – I R 98/96, BStBl. II 2002, 207. BFH v. 18.9.1996 – I R 59/95, BFHE 181, 415. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076. Vgl. Tz. 2.5.1 des Betriebsstättenerlass, unter Hinweis auf BFH v. 21.1.1972 – III R 57/71, BStBl. II 1972, 374 und v. 25.6.1986 – II R 213/83, BStBl. II 1986, 785. Vgl. BFH v. 27.7.1965 – I 110/63 S, BStBl. III 1966, 24 und v. 25.6.1986 – II R 213/83, BStBl. II 1986, 785. BFH v. 23.8.2000 – I R 98/96, BStBl. II 2002, 207. A.A. F.W., IStR 2001, 157, der von einer möglichen Renaissance dieser Theorie spricht. Hinsichtlich der Besonderheiten bei der Bestimmung des Dotationskapitals bei Betriebsstätten international tätiger Kreditinstitute siehe BMF v. 29.9.2004 – IV B 4 - S 1300 - 296/04, BStBl. I 2004, 917.
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B. Verfahrens- und materiellrechtliche Grundlagen zur Buchführungspflicht
Sofern eine Betriebsstätte ein Darlehen für eigene Zwecke aufnimmt, werden ihr diese Mittel und die hierfür zu entrichtenden Zinsen nach dem Grundsatz der wirtschaftlichen Zugehörigkeit zugerechnet.1 Eine Kreditaufnahme ist grundsätzlich auch bei verbundenen Unternehmen möglich, wobei deren steuerliche Anerkennung u.a. die Angemessenheit der Zinsen voraussetzt. Sofern die Darlehensaufnahme nicht durch die Betriebsstätte erfolgt, sondern von der Muttergesellschaft vorgenommen und anschließend an die Betriebsstätte „weitergereicht“ wird, können die Zinszahlungen, die die Muttergesellschaft leisten muss, an die Betriebsstätte weiterbelastet werden. Dabei darf jedoch kein Gewinnaufschlag berücksichtigt werden; allerdings ist eine Weiterbelastung der allgemeinen Verwaltungskosten zulässig. Insoweit wird der Grundsatz durchbrochen, dass Zinsen, die von der Betriebsstätte an die Muttergesellschaft für die Überlassung von Kapital gezahlt werden, das Ergebnis der Betriebsstätte nicht verringern dürfen.
4.138
Der zweite Problemkreis ergibt sich, wenn davon ausgegangen wird, dass die Betriebsstätte dauerhaft Gewinne erwirtschaftet. Hier stellt sich die Frage, ob diese „entnommen“ werden müssen, oder ob sie von der Betriebsstätte ihrerseits für Investitionen genutzt werden können und ob die hieraus resultierenden neuen Erträge dann ebenfalls als zur Betriebsstätte gehörend anzusehen sind, mit der Folge, dass es nach deutschem Recht bei einer Belastung mit dem regelmäßig deutlich niedrigeren ausländischen Steuerniveau verbleibt. Eine offizielle Stellungnahme der deutschen FinVerw. zu dieser Frage liegt – soweit ersichtlich – bisher nicht vor.
4.139
Der OECD ist es weder in dem Betriebsstättenbericht 20102 noch in der Kommentierung zu Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 gelungen, eine einheitliche Methode zur Bestimmung des Dotationskapitals vorzuschreiben. Der Betriebsstättenbericht 2010 enthält eine Vielzahl von Vor- und Nachteilen der einzelnen denkbaren Methoden,3 lässt aber eine Anordnung der anzuwendenden Methode auf den Einzelfall offen. Die folgenden Methoden werden als mögliche Anwendungsfälle genannt:
4.140
– Kapitalaufteilungsmethode, bei der die Zuordnung des Dotationskapitals zu einer Betriebsstätte gem. der Vermögens- und Risikostruktur des Einheitsunternehmens erfolgt; – Kapitalzuordnungsmethode, bei der die Kapitalausstattung auf der Basis unternehmensinterner Risikomodelle ermittelt wird; – die Fremdvergleichsmethode bestimmt das Dotationskapital nach einem fiktiven unabhängigen Dritten, welcher die gleichen Tätigkeiten unter vergleichbaren Bedingungen ausübt;
1 Vgl. BFH v. 25.6.1986 – II R 213/83, BStBl. II 1986, 785; v. 20.7.1988 – I R 49/89, BStBl. II 1989, 140. 2 Tz. 107 des OECD-Betriebsstättenberichts 2010. 3 Tz. 110 des OECD-Betriebsstättenberichts 2010.
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– weitere Methoden, die entsprechende Anpassungen und Ergänzungen zu den oben genannten sind, sind zulässig, solange sie dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen. c) Konsequenzen bei unangemessenem Dotationskapital
4.141 Grundsätzlich sind zwei rechtliche Konsequenzen einer unangemessenen Dotation der Betriebsstätte denkbar: die fingierte Zwangsentnahme und die Umqualifizierung von Fremdkapital in fiktives Eigenkapital. Der OECD-Betriebsstättenbericht 2010 erlaubt dem Quellenstaat eine Aufwärtsanpassung des zuzurechnenden Dotationskapitals. Da jedoch in diesem Bereich verbindlichen Methoden zur Ermittlung der angemessenen Höhe des Dotationskapitals sowie der Bestimmung der Zinskosten für Darlehen bestehen, ist hier die Gefahr der Doppelbesteuerung besonders hoch.1 aa) Zwangsentnahme
4.142 Die Frage, ob Geldmittel noch dem Betriebsstättenvermögen zuzurechnen sind, hat der BFH 19922 für Fälle der Auskehrung eines Jahresüberschusses einer inländischen Zweigniederlassung dahingehend entschieden, dass Geldmittel, die dem wirtschaftlichen Verfügungsbereich der unselbständigen inländischen Zweigniederlassung entzogen und durch Überweisung an das ausländische Stammhaus dem unmittelbaren Zugriff entzogen wurden, nicht zum Vermögen der inländischen Betriebsstätte gehören. Insoweit ist in diesen Fällen eindeutig, dass eine tatsächliche Überführung von Geldmitteln das Dotationskapital der Betriebsstätte mindert. Demgegenüber sind unverzinsliche Finanzmittel, die einer inländischen Zweigniederlassung als Dotationskapital zugewiesen werden nach früherer Auffassung des BFH3 für vermögensteuerliche Zwecke als Eigenkapital der ausländischen Gesellschaft im Inland anzusehen. Meines Erachtens muss jedoch bezweifelt werden, dass diese Auffassung heute noch seine Zustimmung durch die Rechtsprechung des BFH finden würde. bb) Umqualifizierung
4.143 Sofern eine übermäßige Dotation erfolgt ist, soll in der zeitlichen Reihenfolge des aufgenommenen Kapitals eine Umqualifizierung erfolgen. Allerdings ist die Regelung insoweit unklar, als dass lediglich auf „die zeitliche Reihenfolge der Aufnahme“ abzustellen ist. Damit wird aber nicht gesagt, ob das zuletzt oder das zuerst aufgenommene Kapital umzuwidmen ist. Da durch die Formulierung des Erlasses beide Vorgehensweisen gedeckt sind, ist wohl davon auszugehen, dass dem Stpfl. ein Wahlrecht 1 So auch Kahle/Mödinger, IStR 2010, 757. 2 BFH v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63. 3 BFH v. 25.6.1986 – II R 213/83, BStBl. II 1986, 785.
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zugebilligt wird, entweder mit dem zuletzt oder aber mit dem zuerst aufgenommenen Fremdkapital bei der Umqualifizierung zu beginnen. Sofern eine Betriebsstätte ein Darlehen für eigene Zwecke aufnimmt, werden ihr diese Mittel und die hierfür zu entrichtenden Zinsen nach dem Grundsatz der wirtschaftlichen Zugehörigkeit zugerechnet.1 Eine Kreditaufnahme ist grundsätzlich auch bei verbundenen Unternehmen möglich, wobei deren steuerliche Anerkennung u.a. die Angemessenheit der Zinsen voraussetzt. Sofern die Darlehensaufnahme nicht durch die Betriebsstätte erfolgt, sondern von der Muttergesellschaft vorgenommen und anschließend an die Betriebsstätte „weitergereicht“ wird, können die Zinszahlungen, die die Muttergesellschaft leisten muss, an die Betriebsstätte weitergeleitet werden. Der OECD-Betriebsstättenbericht 2010 sieht hinsichtlich des Finanzierungsaufwandes zwischen Stammhaus und Betriebsstätte verschiedene Methoden als möglich und denkbar an. Nach dem „tracing approach“ werden die tatsächlichen Kosten des Unternehmens gegenüber dem Darlehensgeber ermittelt und der verursachenden Betriebsstätte als Aufwand zugerechnet. Aber auch andere Methoden zur Aufteilung der Finanzierungskosten des Gesamtunternehmens auf einzelne Betriebsstätte werden genannt und als zulässig erachtet, solange sie dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen.
4.144
Die Frage, ob Geldmittel noch zum Betriebsstättenvermögen zuzurechnen sind, hat der BFH 19922 für Fälle der Auskehrung eines Jahresüberschusses einer inländischen Zweigniederlassung entschieden. Er führt aus, dass Geldmittel, die dem wirtschaftlichen Verfügungsbereich der unselbständigen inländischen Zweigniederlassung entzogen und durch Überweisung an das ausländische Stammhaus nicht zum Vermögen der inländischen Betriebsstätte gehören. Insoweit ist in diesen Fällen eindeutig, dass eine tatsächliche Überführung von Geldmitteln das Dotationskapital der Betriebsstätte mindert. Demgegenüber sind unverzinsliche Finanzmittel, die einer inländischen Zweigniederlassung als Dotationskapital zugewiesen werden, nach früherer Auffassung des BFH3 für vermögensteuerliche Zwecke als Eigenkapital der ausländischen Gesellschaft im Inland anzusehen. M.E. muss jedoch bezweifelt werden, dass diese Auffassung heute noch seine Zustimmung durch die Rechtsprechung des BFH finden würde.
4.145
Sofern eine übermäßige Dotation erfolgt ist, soll in der zeitlichen Reihen- 4.146 folge des aufgenommenen Kapitals eine Umqualifizierung erfolgen. Dies ist jedoch unklar, als dass lediglich auf „die zeitliche Reihenfolge der Aufnahme“ abzustellen ist. Damit wird aber nicht gesagt, ob das zuletzt oder das zuerst aufgenommene Kapital umzuwidmen ist. Da durch die Formulierung des Erlasses beide Vorgehensweisen gedeckt sind, ist wohl davon 1 Vgl. BFH v. 25.6.1986 – II R 213/83, BStBl. II 1986, 785; v. 20.7.1988 – I R 49/89, BStBl. II 1989, 140. 2 BFH v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II, 1993, 63. 3 BFH v. 25.6.1986 – II R 213/83, BStBl. II 1986, 785.
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auszugehen, dass dem Stpfl. ein Wahlrecht zugebilligt wird, entweder mit dem zuletzt oder aber mit dem zuerst aufgenommenen Fremdkapital bei der Umqualifizierung zu beginnen. 4. Begründung der Betriebsstätte durch Überführung von Wirtschaftsgütern aus dem Stammhaus in die Betriebsstätte
4.147 Bei der Überführung von Wirtschaftsgütern war bis 2006 dahingehend zu unterscheiden, ob die Überführung eines Wirtschaftsgutes in eine Betriebsstätte in einem Staat erfolgte, mit dem Deutschland ein DBA abgeschlossen hat und bei dem die Freistellung für die Betriebsstätteneinkünfte im Inland vorgesehen war. Diese Unterscheidung ist seit dem SEStEG1 nicht mehr erforderlich, vielmehr ist hinsichtlich der Ausgleichspostenmethode des § 4g EStG zwischen EU-Staaten und Drittstaaten zu unterscheiden. Während in der Zeit vor Inkrafttreten des SEStEG die Möglichkeit bestand, Wirtschaftsgüter aus einer inländischen Betriebsstätte in das ausländische Betriebsstättenvermögen ohne Aufdeckung von stillen Reserven zu überführen, ist dies nach dessen Einführung nicht mehr der Fall. Zwar bestand diese Möglichkeit nur dann, wenn mit dem ausländischen Staat kein DBA vereinbart war, dass die Freistellung in Deutschland für Unternehmensgewinne vorsah, doch konnten in diesen Fällen zumindest Gewerbesteuervorteile erzielt werden. Für Wirtschaftsjahre, die nach 31.12.2005 enden, ist diese Gestaltung und steuerneutrale Überführung auch in diesen Fällen nicht mehr möglich. § 4 Abs. 1 S. 3 EStG knüpft an den Verlust oder die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts für die Annahme einer fingierten Entnahme an. Die folgenden Fälle eines Ausschlusses oder einer Beschränkung des Besteuerungsrechts sind denkbar: – Überführung eines Wirtschaftsgutes in ein ausländisches Betriebsvermögen mit Freistellung der Betriebsstätteneinkünfte – Erstmaliges Inkrafttreten eines DBA mit Freistellung – Überführung eines Wirtschaftsgutes von einer „Anrechnungs- in eine Freistellungsbetriebsstätte“ – Wechsel von „passiver“ zur aktiven Tätigkeit im Sinne eines DBA-Aktivitätsvorbehaltes oder des § 20 Abs. 1 AStG – Überführung von Wirtschaftsgütern mit Qualifikationskonflikten – Eine Beschränkung liegt demgegenüber vor, wenn – Überführung von Wirtschaftsgütern in ausländische Betriebsstätte mit Anrechnung – Nicht-DBA-Staat wird zum DBA-Staat mit Anrechnung und
1 Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften v. 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2783.
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– Überführung von ausländischer Betriebsstätte in eine andere Betriebsstätte, wenn jetzt ausländische Steuer angerechnet werden muss. Da Deutschland in Nicht-DBA-Fällen sowie in Fällen, in denen das DBA statt der Freistellung die Anrechnung vorgesehen hat, in seinem Besteuerungsrecht wirtschaftlich begrenzt wird, als es die im Ausland gezahlten Steuern auf die deutsche Steuerschuld anrechnen muss, liegt also in der Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte der Fall einer Entnahme im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG vor. Die durch das JStG 2010 erfolgte Einfügung des § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG bestätigt den Anwendungsbereich auf Überführungen von Wirtschaftsgütern zwischen Betriebsstätten. Wörtlich heißt es dort: „Ein Ausschluss oder eine Beschränkung des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts liegt insbesondere vor, wenn ein bisher einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen zuzuordnendes Wirtschaftsgut einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist.“
4.148
Die sich durch die Aufdeckung stiller Reserven ergebende Steuerbelastung ohne liquiditätswirksamen Zufluss aufgrund eines Realisationstatbestandes ist innerhalb der EU sicherlich nicht unkritisch.1 Daher hat der Gesetzgeber mit § 4g EStG bei der Überführung eines Wirtschaftsgutes des Anlagevermögen in eine Betriebsstätte eines anderen EU Staates die Möglichkeit vorgesehen, auf unwiderruflichen Antrag des Steuerpflichtigen für jedes Wirtschaftsjahr einheitlich für alle überführten Wirtschaftsgüter einen Ausgleichsposten in Höhe der vorhandenen stillen Reserven in den überführten Wirtschaftsgütern zu bilden. Dieser Ausgleichsposten ist im Jahr der Bildung und in den folgenden vier Jahren zu jeweils einem Fünftel gewinnerhöhend aufzulösen. Eine sofortige Auflösung hat zu erfolgen, wenn das Wirtschaftsgut aus der ausländischen Betriebsstätte ausscheidet oder das Wirtschaftsgut aus der Besteuerungshoheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Union ausscheidet oder wenn im ausländischen Staat die Aufdeckung der stillen Reserven erfolgt ist. Für selbsterstellte immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens gilt die Ausgleichspostenmöglichkeit nicht. Der Steuerpflichtige hat darüber hinaus zahlreiche Anzeige- und Aufzeichnungspflichtengem. § 4g Abs. 4 und 5 EStG sowie die allgemeinen Mitwirkungspflichten des § 90 Abs. 1 und 2 AO zu beachten. Ein Verstoß gegen die Aufzeichnungsund Anzeigepflichten führt zur sofortigen gewinnerhöhenden Auflösung des Ausgleichspostens. Fraglich erscheint weiterhin, wie die in § 4 Abs. 1 S. 3 EStG genannte Nutzungsentnahme zu behandeln ist und ob hier die
4.149
1 Nach der Entscheidung des EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10 – National Grid Indus, IStR 2012, 27 erscheint es geboten zu sein, die nationalen deutschen Entstrickungsnormen zu überarbeiten. Der EuGH hat einen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit nur dann als verhältnismäßig und damit gerechtfertigt angesehen, wenn der Steuerpflichtige die Besteuerung bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Realisation aufschieben kann.
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Bildung eines Ausgleichsposten geboten ist und wie dieser dann bei materiellen Wirtschaftsgütern als Gegenstand der Nutzung abgeschrieben wird. Der persönliche Anwendungsbereich ist auf unbeschränkt steuerpflichtige ESt- oder KSt-Pflichtige beschränkt. Die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit und Entlastungswirkung erscheint eher gering zu sein. Außerdem ist zu beachten, dass die aufgeschobene Besteuerung aus finanzmathematischen Überlegungen bei internen Zinsfüssen von 6–7 % eine eher geringe Entlastung darstellt. Darüber hinaus sehen viele Autoren1 zu Recht, dass die bisherigen Regelungen in § 4g EStG unionsrechtswidrig sind. Neben der Nichtberücksichtigung von Überführungen des Umlaufvermögens ist auch die persönliche Beschränkung auf unbeschränkt Steuerpflichtige sowie die pauschalierte und begrenzte Stundung zu nennen.
4.150 Die soeben aufgezeigten Überlegungen zur Entstrickung gelten natürlich auch im umgekehrten Weg der Verstrickung von stillen Reserven gem. § 4 Abs. 1 S. 5 2. HS EStG also in den Fällen, in denen Wirtschaftsgüter aus einer ausländischen Betriebsstätte in eine inländische Betriebsstätte überführt werden oder den Fällen, in denen aus einer Freistellung- ein Anrechnungsfall wird. In diesen Fällen kommt es zur Bewertung mit dem Teilwert Wert der Wirtschaftsgüter und zur fiktiven Einlage entsprechend des § 4 Abs. 1 S. 5 2. HS EStG. Steuerpflichtige sind gut beraten, dann eine exakte Ermittlung und Dokumentation der festgestellten stillen Reserven vorzunehmen, um eine spätere doppelte Besteuerung zu verhindern.
V. Ausgewählte Transaktionen und Funktionen während des Bestehens einer Betriebsstätte 1. Grundsätzliche Anmerkungen
4.151 Bei der Aufwands- und Ertragsabgrenzung gilt der Fremdvergleichsgrundsatz als tragendes Prinzip. Daher werden im Folgenden nur die Aufwendungen und Erträge dargestellt, bei denen entweder dieser Grundsatz durchbrochen wird oder einzelne Aufwendungen und Erträge besondere Praxisrelevanz haben. Diese Abweichungen gegenüber der Gewinnaufteilung bei verbundenen Unternehmen ergeben sich daraus, dass es sich bei Stammhaus und Betriebsstätte nicht um rechtlich selbständige Unternehmen handelt, sondern um unselbständige Teile eines Unternehmens. Die bisherige Praxis der OECD und der deutschen Besteuerungspraxis und damit auch Inhalt der von Deutschland abgeschlossenen DBA ist die Fiktion der Selbständigkeit der Betriebsstätte. Seit dem 22.7.2010 liegt die Überarbeitung des OECD-MK und die Umsetzung des sogenannten
1 Hruschka, DStR 2011, 2334 ff., Thömmes, IWB 2011, 896 sowie Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 18.28 f.
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Authorized Approach der OCED vor, der bereits unter Rz. 4.15 ausgiebig erläutert wurde. Die deutsche FinVerw. vertritt in ihrem Betriebsstättenerlass1 die Auffassung, dass bei der Verrechnung von Dienstleistungen danach zu differenzieren sei, ob es sich um gewerbliche oder andere Dienstleistungen handelt und ob diese die Haupt- oder die Nebentätigkeit der Betriebsstätte darstellen. Sofern eine gewerbliche Dienstleistung gegeben ist, die die Haupttätigkeit der Betriebsstätte darstellt, soll eine Verrechnung auf Grundlage der Kosten zzgl. eines Gewinnaufschlages erfolgen. Andernfalls sind lediglich die Kosten weiter zu belasten. Aufgrund der Neufassung des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 sowie der geplanten Neuregelung des § 1 Abs. 4 AStG im Rahmen des JStG 20132 ist wohl nicht mehr davon auszugehen, dass eine solche Beschränkung der Zulässigkeit der Verrechnung mit Gewinnaufschlag weiterhin Bestand haben wird.
4.152
Bei diesen Kosten ist zu differenzieren zwischen den Kosten der Geschäftsführung des jeweiligen Unternehmensteils und des Unternehmens als Ganzes. Erstere sind z.B. Kosten für das Controlling der Betriebsstätte, für die interne Überwachung usw. Diese Kosten sind – entsprechend dem Verursachungsprinzip – von der Betriebsstätte zu tragen, denn es handelt sich im Ergebnis um Kosten im Zusammenhang mit der originären Tätigkeit der Betriebsstätte. Hiervon zu unterscheiden sind solche Kosten der Geschäftsführung, die regelmäßig im Stammhaus oder bei einer sog. Kontroll- und Koordinierungsbetriebsstätte entstehen. Sie betreffen das Unternehmen als Ganzes.
4.153
Diese zweite Gruppe von Kosten ist auf alle Unternehmensteile nach einem sachgerechten Schlüssel aufzuteilen. Diese Auffassung wird auch von Rechtsprechung3 und FinVerw.4 vertreten. Besondere Bedeutung hat hierbei die Bestimmung des Schlüssels. Dieser kann nicht allgemein festgelegt werden, sondern muss ein Äquivalent für den Nutzen darstellen.
4.154
Beispiel: Ein Unternehmen unterhält eine Betriebsstätte die einen technischen Service für alle Produktionsgesellschaften anbietet. Diese können per Hotline oder durch das Herbeirufen eines Experten ihre technischen Probleme lösen lassen. Hierfür enthält die Betriebsstätte entsprechende Ressourcen vor (insbes. Arbeitskräfte). Als Maßstab kann hier die Anzahl der von der einzelnen Betriebsstätte genutzten Stunden im Verhältnis zur Gesamtnutzung gewählt werden.
Bisher nicht abschließend geklärt ist, ob lediglich eine Verrechnung der Kosten zu erfolgen hat oder ob auch Fremdvergleichspreise weiterbelastet werden dürfen oder müssen. Der BFH hat dies ausdrücklich offen gelas1 2 3 4
BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 3.1.1 ff. Regierungsentwurf v. 23.5.2012, BR-Drucks. 302/12. Vgl. BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140. Unter Änderung der früheren Auffassung der FinVerw. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 3.4.1.
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4.155
Kapitel 4 Betriebsstättengewinnabgrenzung
sen.1 Die h.M.2 geht – wie auch die deutsche FinVerw.3 – davon aus, dass lediglich die Weiterbelastung der Kosten zulässig ist. Dies entsprach auch den Vorgaben in Art. 7 Rz. 17.7 OECD-MK 2008. Der neue OECD-MK 2010, der auf der Basis des „Separate entity approach“ fußt, sieht eine Zuordnung eines fremdüblichen Gewinns zur leistenden Betriebsstätte als zulässig und notwendig an. Der deutsche Gesetzgeber ist dieser Idee durch die Änderung des § 1 Abs. 4 AStG im Entwurf des JStG 20134 beigetreten und geht auch von einer Verrechnung inklusive Gewinnaufschlag zukünftig aus. 2. Ausgewählte Bereiche a) Forschungs- und Entwicklungskosten
4.156 Für die Forschungs- und Entwicklungskosten gilt der Grundsatz der funktionalen Zuordnung. Hieraus folgt, dass diese Kosten von dem Unternehmensteil zu tragen sind, in dessen Interesse sie erfolgen. Dies wird bei produktbezogenen Forschungsaufwendungen keine Probleme bereiten, sofern dieses Produkt lediglich von einer Betriebsstätte hergestellt wird bzw. neue Produktionsverfahren entwickelt werden, bei denen die Nutzung nur durch eine Betriebsstätte erfolgt.
4.157 Schwierigkeiten bereiten hingegen die Forschungsaktivitäten, die nicht unmittelbar einem Unternehmensteil zugeordnet werden können. Hier hat eine angemessene Aufteilung der entstehenden Kosten zu erfolgen. Die Bestimmung des Schlüssels sollte in Abhängigkeit vom Gegenstand der Forschungsaufwendungen erfolgen. Hierbei muss ein Zusammenhang zwischen dem Vorteil aus der Forschungstätigkeit und der Höhe der Zahlungen hergestellt werden.
4.158 Nach Auffassung der deutschen FinVerw. gelten Sonderregelungen für den Fall, in dem die erbrachte Tätigkeit Hauptleistung der Betriebsstätte ist. Dieser Grundsatz gilt auch im Bereich Forschung und Entwicklung, etwa bei einer Betriebsstätte, die ausschließlich Forschungsaktivitäten nachgeht. Hier soll ein Gewinnaufschlag zulässig sein.5 Aber auch hier ist der beschränkenden Auslegung auf Betriebstätten, die ihre Haupttätigkeit erbringen nach Inkrafttreten des JStG 20136 und den Änderungen des § 1 AStG der Boden entzogen.
1 Vgl. BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140. 2 Vgl. Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 91 f. sowie z.T. a.A. Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 272 zu Art. 7 OECD-MA (Mai 2000). 3 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 3.1.2. 4 Regierungsentwurf v. 23.5.2012, BR-Drucks. 302/12. 5 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 3.1.2. 6 Regierungsentwurf v. 23.5.2012, BR-Drucks. 302/12.
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B. Verfahrens- und materiellrechtliche Grundlagen zur Buchführungspflicht
b) Marketing- und Werbekosten Der Betriebsstättenerlass1 sieht in Tz. 3.2.1 eine verursachungsgerechte Aufteilung der Werbeaufwendungen vor. Hierbei sind lediglich die Kosten zu verteilen, die Verrechnung eines Gewinnaufschlages scheidet aus. Etwas anderes soll lediglich dann gelten, wenn es sich bei den Werbeleistungen um die Haupttätigkeit der Betriebsstätte handelt. Hier soll ein Gewinnaufschlag zulässig sein. Aber auch hier ist der beschränkenden Auslegung auf Betriebstätten, die ihre Haupttätigkeit erbringen nach Inkrafttreten des JStG 2013 und den Änderungen des § 1 AStG der Boden entzogen.
4.159
Von Raab/Looks2 wird zur Aufteilung der Werbeaufwendungen ein Rückgriff auf die Umlagen-Verwaltungsgrundsätze empfohlen. Danach soll das Poolkonzept mit entsprechenden Kostenumlagen implementiert werden. Besondere Regelungen sieht Tz. 3.2.2 des Betriebsstättenerlasses3 für Kosten der Markterschließung vor, worunter insbes. Mindererlöse in der Einführungsphase eines Produkts zu verstehen sind. Diese sollen nach Auffassung der FinVerw. i.d.R. vom Hersteller zu tragen sein, so dass eine Belastung der verkaufenden Betriebsstätte hiermit ausscheidet. Hierbei sollen innerhalb eines Zeitraumes von drei Jahren entweder direkte Zahlungen an die Betriebsstätte geleistet werden oder aber ihr niedrigere Einkaufspreise gewährt werden.
4.160
Die FinVerw. beruft sich auf das BFH-Urteil vom 17.2.1983.4 Dieser Hinweis ist zweifelhaft, denn im entschiedenen Fall ging es um eine rechtlich selbständige Vertriebsgesellschaft, so dass diese Grundsätze nicht so ohne weiteres übertragen werden können. Unseres Erachtens kann die – allerdings recht pauschale – Zuweisung der Markterschließungskosten zum Produzenten nicht gefolgt werden. Aus dem Fremdvergleichsgrundsatz ergibt sich, dass diese unter bestimmten Voraussetzungen auch von der Vertriebsgesellschaft getragen werden. Dies setzt jedoch voraus, dass die Betriebsstätte eine entsprechend abgesicherte Position hat, d.h., ihr das Recht zum Vertrieb des Produktes nach erfolgreicher Marktentwicklung nicht kurzfristig entzogen werden kann, so dass eine Amortisation dieser Investition möglich ist. Ferner muss die Kapitalausstattung der Betriebsstätte so ausgestaltet werden, dass die Betriebsstätte wirtschaftlich überhaupt in der Lage ist, eine entsprechende Investition zu tätigen.
4.161
Besondere Regelungen sieht Tz. 3.2.2 des Betriebsstättenerlasses für Kosten der Markterschließung vor, worunter insbesondere Mindererlöse in der Einführungsphase eines Produkts zu verstehen sind. Diese sollen nach Auffassung der FinVerw. i.d.R. vom Hersteller zu tragen sein, sodass
4.162
1 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 3.2.1. 2 Raab/Looks in Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung3, Rz. 749 ff. 3 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStB.l I 1999, 1076, Tz. 3.2.2. 4 BFH v. 17.2.1983 – I R 3/92, BStBl. II 1993, 457.
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eine Belastung der verkaufenden Betriebsstätte hiermit ausscheidet. Hierbei sollen innerhalb eines Zeitraumes von drei Jahren entweder direkte Zahlungen an die Betriebsstätte geleistet werden oder aber ihr niedrigere Einkaufspreise gewährt werden. Die FinVerw. beruft sich auf das BFH-Urteil vom 17.2.1983.1 Dieser Hinweis ist zweifelhaft, denn im entschiedenen Fall ging es um eine rechtlich selbständige Vertriebsgesellschaft, sodass diese Grundsätze nicht ohne weiteres übertragen werden können. Meines Erachtens kann die – allerdings recht pauschale – Zuweisung der Markterschließungskosten zum Produzenten nicht gefolgt werden. Aus dem Fremdvergleichsgrundsatz ergibt sich, dass diese unter bestimmten Voraussetzungen auch von der Vertriebsgesellschaft getragen werden. Dies setzt jedoch voraus, dass die Betriebsstätte eine entsprechend abgesicherte Position hat, d.h., ihr das Recht zum Vertrieb des Produktes nach erfolgreicher Marktentwicklung nicht kurzfristig entzogen werden kann, sodass eine Amortisation dieser Investition möglich ist. Ferner muss die Kapitalausstattung der Betriebsstätte so ausgestaltet werden, dass die Betriebsstätte wirtschaftlich überhaupt in der Lage ist, eine entsprechende Investition zu tätigen.
4.163 In jedem Fall sollte der Teil des Unternehmens, das sich den Markterschließungskosten beteiligt, den Nachweis erbringen können, dass es sich hiervon einen Vorteil verspricht und insgesamt aus der Einführung dieses Produktes innerhalb eines angemessenen Zeitraums ein Totalüberschuss erzielt werden kann. c) Geschäftsführungs- und shared services Leistungen
4.164 Bei diesen Kosten ist zu differenzieren zwischen den Kosten der Geschäftsführung des jeweiligen Unternehmensteils und des Unternehmens als Ganzes. Erstere sind z.B. Kosten für das Controlling der Betriebsstätte, für die interne Überwachung usw. Diese Kosten sind – entsprechend dem Verursachungsprinzip – von der Betriebsstätte zu tragen, denn es handelt sich im Ergebnis um Kosten im Zusammenhang mit der originären Tätigkeit der Betriebsstätte.2 Die Verwaltungskosten des Stammhauses sind bei der Betriebsstätte nur dann und nur insoweit abzugsfähig, als sie mit der Betriebsstätte in einem notwendigen Zusammenhang stehen und nach Grund und Höhe nachgewiesen werden können. Hiervon zu unterscheiden sind solche Kosten der Geschäftsführung, die regelmäßig im Stammhaus oder bei einer so genannten Kontroll- und Koordinierungsbetriebsstätte entstehen. Sie betreffen das Unternehmen als Ganzes. Anders als im Verhältnis zwischen rechtlich selbständigen Unternehmen gibt es zwischen Stammhaus und Betriebsstätte keine so genannte Shareholder Costs, die nicht verrechenbar sind. Vielmehr führt die rechtliche Einheit von Stammhaus und Betriebsstätte dazu, dass die Aufwendungen 1 BFH v. 17.2.1983 – I R 3/92, BStBl. II 1993, 457. 2 In diesem Sinne auch das FG Hessen v. 8.12.1983 – 5 K 248/81, EFG 1984, 367, aber Aufhebung durch BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140.
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B. Verfahrens- und materiellrechtliche Grundlagen zur Buchführungspflicht
für das Gesamtunternehmen anfallen. Dies steht jedoch in einem gewissen Widerspruch zur Annahme eines Stammhauses, dem quasi die Funktion einer Muttergesellschaft zukommen soll. Diese zweite Gruppe von Kosten ist auf alle Unternehmensteile nach einem sachgerechten Schlüssel aufzuteilen. Diese Auffassung wird auch von Rechtsprechung1 und FinVerw.2 vertreten. Besondere Bedeutung hat hierbei die Bestimmung des Schlüssels. Dieser kann nicht allgemein festgelegt werden, sondern muss ein Äquivalent für den Nutzen darstellen.
4.165
Bisher nicht abschließend geklärt ist, ob lediglich eine Verrechnung der Kosten zu erfolgen hat oder ob auch Fremdvergleichspreise weiterbelastet werden dürfen oder müssen. Der BFH hat dies ausdrücklich offen gelassen.3 Die h.M.4 ging bisher – wie auch die deutsche FinVerw. – davon aus, dass lediglich die Weiterbelastung der Kosten zulässig ist. Dies entsprach auch den Vorgaben in OECD-MK 2008 zu Art. 7 Tz. 17.7. Durch die zwischenzeitlich eingetretene Änderung des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA und des Kommentars zu diesem Artikel im OECD-MK 2010 ist diese Auffassung wohl nicht mehr zutreffend.
4.166
d) Nutzungsüberlassungen Der OECD-MK zu Art. 7 Tz. 17.5 sieht für den Fall der Nutzungsüberlassung ausdrücklich vor, dass keine Mieten, Pachten, Lizenzgebühren usw. verrechnet werden dürfen, sondern lediglich eine Erstattung der Kosten zu erfolgen hat. Als Ausnahme hiervon soll eine Verrechnung zu Fremdvergleichspreisen erfolgen, wenn ein Unternehmensteil speziell dafür eingerichtet wurde, um entsprechende Leistungen zu erbringen, weil anderenfalls dieser Teil nie einen Gewinn erzielen würde, obwohl er zum Erfolg des Gesamtunternehmens beiträgt (OECD-MK zu Art. 7 Tz. 17.6).
4.167
e) Dienstleistungen Die Differenzierung zwischen gewerblichen und anderen Dienstleistungen führt zu Abgrenzungsproblemen. Ebenso ist die Unterscheidung in Haupt- und Nebentätigkeiten kaum nachvollziehbar, weil die FinVerw. keine Hinweise gibt, wie diese Kriterien zu interpretieren sind.5
4.168
Durch eine gezielte Ausgliederung bzw. Zusammenfassung von Dienstleistungen auf mehrere Betriebsstätten bzw. in einer Betriebsstätte kann der Steuerpflichtige das Vorliegen einer Haupt- bzw. Nebentätigkeit ge-
4.169
1 Vgl. BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140. 2 Unter Änderung der früheren Auffassung der FinVerw. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 3.4.1. 3 Vgl. BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140. 4 Vgl. Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 91 f. sowie z.T. a.A. Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 272 zu Art. 7 OECD-MA (Mai 2000). 5 Vgl. eingehend Strunk/Kaminski, IStR 2000, 36, 39.
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Kapitel 4 Betriebsstättengewinnabgrenzung
stalten. Hierbei sollte für eine betriebswirtschaftlich motivierte Abgrenzung der einzelnen Tätigkeiten gesorgt werden (z.B. durch differenzierte Verantwortlichkeiten für unterschiedliche Leistungen), sodass deutlich wird, dass die Aufgliederung bzw. Zusammenfassung nicht ausschließlich aus steuerlichen Gründen erfolgt und so den Vorwurf des Gestaltungsmissbrauchs auslösen könnte. Diese Gestaltungsmöglichkeiten zur bewussten Möglichkeit der Verrechnung mit Gewinnaufschlag sind nicht mehr möglich und notwendig, da der Ansatz der funktionalen Betrachtungsweise und der uneingeschränkten Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte eine Verrechnung zu fremdüblichen Preisen, also auch inklusive Gewinnaufschlag, bei Innentransaktionen erfordert. f) Verkauf von Wirtschaftsgütern
4.170 Sofern Wirtschaftsgüter, die der Betriebsstätte zugeordnet worden sind, veräußert werden, ist ein etwaiger Veräußerungsgewinn oder -verlust der Betriebsstätte selbst dann in voller Höhe zuzurechnen, wenn das Wirtschaftsgut sowohl von der Betriebsstätte als auch dem Stammhaus genutzt wurde. Entgegen der eindeutigen Formulierung in Art. 13 OECD-MA sieht die deutsche Finanzverwaltung in Tz. 2.4 eine Aufteilung der erwirtschafteten Erträge entsprechend der tatsächlichen Nutzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte aufzuteilen. Ungeachtet der abschließenden rechtlichen Würdigung, ob die Auffassung der Finanzverwaltung durch das Abkommen gedeckt ist, kann in jedem Fall festgestellt werden, dass die Gefahr der Doppelbesteuerung in diesen Situationen sehr groß ist, da die ausländische Finanzverwaltung entsprechend dem ihr zugewiesenen Besteuerungsrecht den sich nach ihrem Recht ergebenden Gewinn aus der Veräußerung der Wirtschaftsgüter vollumfänglich besteuern wird. Dies ungeachtet davon, ob auch der Staat des Stammhauses eine Besteuerung vornimmt und in welcher Höhe diese erfolgt. g) Dokumentation der Einkunftsabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte
4.171 Die Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung stellt erkennbar auf die Verhältnisse zwischen rechtlich selbständigen Unternehmensteilen zueinander ab. Alle Regelungen beziehen sich auf dieses Verhältnis. Wörtlich heißt es in § 7 GAufzV: „Die §§ 1 bis 6 gelten entsprechend für Steuerpflichtige, die für die inländische Besteuerung Gewinne zwischen ihrem inländischen Unternehmen und dessen ausländischer Betriebsstätte aufzuteilen oder den Gewinn der inländischen Betriebsstätte ihres ausländischen Unternehmens zu ermitteln haben, soweit aufgrund der Überführung von Wirtschaftsgütern oder der Erbringung von Dienstleistungen steuerlich ein Gewinn anzusetzen ist oder soweit Aufwendungen mit steuerlicher Wirkung aufzuteilen sind. Satz 1 gilt entsprechend für die Gewinnermittlung von Personengesellschaften, an denen der Steuerpflichtige beteiligt ist, soweit dabei Geschäftsbeziehungen im Sinne des § 1 des
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B. Verfahrens- und materiellrechtliche Grundlagen zur Buchführungspflicht
Außensteuergesetzes zu prüfen sind.“ Im Ergebnis ist Inhalt der Rechtsverordnung die Heranziehung von Vergleichsdaten, soweit wie vorhanden oder mit zumutbarem Aufwand aus frei zugänglichen Quellen beschaffbar. Daten aus vergleichbaren Geschäften zwischen fremden Dritten sowie aus vergleichbaren Geschäften mit fremden Dritten (z.B. Preise und Geschäftsbedingungen, Kostenaufteilungen, Gewinnaufschläge, Bruttospannen, Nettospannen, Gewinnaufteilungen) sind vorzulegen. Außerdem hat eine Vorlage von innerbetrieblichen Daten zu erfolgen, die eine Plausibilitätskontrolle der vom Steuerpflichtigen vereinbarten Verrechnungspreise ermöglichen, wie zum Beispiel Prognoserechnungen und Daten zur Absatz-, Gewinn- und Kostenplanung. In jedem Fall ist der Beurteilungsmaßstab der sachverständige Dritte. Art, Inhalt und Umfang der zu erstellenden Aufzeichnungen bestimmen sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der vom Steuerpflichtigen angewandten Verrechnungspreismethode. Dies setzt regelmäßig voraus, dass der Steuerpflichtige begründet, warum die gewählte Methode angemessen ist. Die Aufzeichnung hat grundsätzlich geschäftsvorfallbezogen zu erfolgen, aber eine Zusammenfassung einzelner Geschäfte ist möglich, wenn dies vorher festgelegt wurde und eine solche Zusammenfassung fremdüblich ist. Bei Dauersachverhalten kommt ergänzend hinzu, dass eine Dokumentation auch nach Abschluss des Geschäfts vorzunehmen ist, insbesondere „wenn in einem Geschäftsbereich steuerliche Verluste erkennbar werden“. Neben den konkreten geschäftsvorfallbezogenen Informationen sind weitere Informationen zu erbringen, wie z.B.: Allgemeine Informationen über Beteiligungsverhältnisse, Geschäftsbetrieb und Organisationsaufbau, insbesondere eine Darstellung der Beteiligungsverhältnisse zwischen dem Steuerpflichtigen und nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AStG, mit denen er unmittelbar oder über Zwischenpersonen Geschäftsbeziehungen unterhält. Auch die Darstellung der organisatorischen und operativen Konzernstruktur sowie deren Veränderungen, einschließlich Betriebsstätten und Beteiligungen an Personengesellschaften sowie die Beschreibung der Tätigkeitsbereiche des Steuerpflichtigen, zum Beispiel Dienstleistungen, Herstellung oder Vertrieb von Wirtschaftsgütern, Forschung und Entwicklung. Die Durchführung der Funktionsund Risikoanalyse ist ebenfalls gesetzlich vorgeschrieben und beinhaltet Informationen über die jeweils vom Steuerpflichtigen und den nahestehenden Personen im Rahmen der Geschäftsbeziehungen ausgeübten Funktionen und übernommenen Risiken sowie deren Veränderungen, über die eingesetzten wesentlichen Wirtschaftsgüter, über die vereinbarten Vertragsbedingungen, über gewählte Geschäftsstrategien sowie über die bedeutsamen Markt- und Wettbewerbsverhältnisse. Auch die Beschreibung der Wertschöpfungskette und Darstellung des Wertschöpfungsbeitrags des Steuerpflichtigen im Verhältnis zu den nahestehenden Personen, mit denen Geschäftsbeziehungen bestehen, soll erfolgen.
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Kapitel 4 Betriebsstättengewinnabgrenzung
VI. Funktionsverlagerungen 4.173 Funktionsverlagerungen sind aus betriebswirtschaftlichen Überlegungen im Rahmen einer internationalen Arbeitsteilung in den Jahren immer bedeutender geworden. Wenngleich die grundlegenden Überlegungen für die Funktionsverlagerung solche betriebswirtschaftlichen Gründe, wie beispielsweise Vorteile von Skalen- und Synergieeffekten, Vorteile durch größere Nähe zum Absatz- und/oder Beschaffungsmarkt oder die Nutzung von standortbedingten Kostenvorteilen sind, kommt der steuerlichen Würdigung auch eine große Bedeutung zu. Die Finanzverwaltung hat mit Schreiben vom 13.10.20101 die steuerlichen Grundlagen hierfür nach ihrer Auffassung widergegeben. Nachfolgend sollen einige Aspekte näher betrachtet werden, die auch bei Funktionsverlagerungen zwischen Betriebsstätten zu beachten sind. Gegenstand der Überlegungen der Finanzverwaltung ist hierbei, dass auch die Überführung von Funktionen von einem inländischen Stammhaus auf eine ausländische Betriebsstätte regelmäßig eine Verlagerung eines Gewinnpotentials bedeutet, welches gesondert zu vergüten wäre und beim inländischen Stammhaus zu einer fiktiven Erhöhung des steuerpflichtigen Gewinns führt. Die weitere Entwicklung, insbesondere Art und Ausmaß der Anwendung dieser Vorschriften in der Unternehmenspraxis muss abgewartet werden. In jedem Fall ist bei der Übertragung von Funktionen ein besonderes steuerliches Risiko zu beachten.
4.174 Der deutsche Gesetzgeber hat sowohl für die Besteuerung von Betriebsstätten als auch bei der Einkunftsabgrenzung zwischen rechtlich selbständigen Unternehmen sehr weitgehende Änderungen in den vergangenen Jahren vorgenommen. Zu nennen sind insbesondere die durch das SEStEG2 geschaffenen Vorschriften, die den „Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts“ mit einer Entnahme gleichstellen (§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG).3 Hinzu kommen hiermit im Zusammenhang stehende Regelungen zur Bewertung des Wirtschaftsguts4 sowie Vorschriften zur Begrenzung der
1 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774. 2 Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (SEStEG) vom 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782. 3 Vgl. zu einer Analyse dieser Regelungen z.B. Wassermeyer, DB 2006, 1176; Wassermeyer, DB 2006, 2420; Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1481; Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1525; Schwenke, DStZ 2007, 235; Benecke/Schnitger, IStR 2006, 765; Benecke/Schnitger, IStR 2006, 22; Werra/Teiche, DB 2006, 1455; Strunk, Stbg 2006, 266. 4 Vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 letzter Hs. EStG, wonach die Bewertung – anders als bei einer Entnahme i.S. von § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG – nicht mit dem Teilwert zu erfolgen hat, sondern mit dem gemeinen Wert.
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B. Verfahrens- und materiellrechtliche Grundlagen zur Buchführungspflicht
hieraus entstehenden Liquiditätsbelastung.1 Ergänzend gelten Besonderheiten für ausländische Betriebsstätten inländischer KapGes. (vgl. § 12 Abs. 1 KStG). Ferner wurden im Rahmen des Unternehmensteuerreformgesetzes 20082 umfangreiche Änderungen in § 1 AStG vorgenommen.3 § 1 Abs. 3 Sätze 9 ff. AStG sehen vor, dass bei Funktionsverlagerungen der Ansatz eines sog. Transferpaketes zu erfolgen hat. Fraglich ist, inwieweit diese Regelungen auch bei der Verlagerung von Funktionen auf Betriebsstätten zur Anwendung kommen und inwieweit eine der anderen genannten Korrekturvorschriften einschlägig ist. Anders als für die Dokumentationspflicht in § 90 Abs. 3 Satz 4 AO hat der Gesetzgeber im § 1 AStG keine entsprechende Anwendung für „die inländische Besteuerung (von) Gewinne(n) zwischen inländischen Unternehmen und dessen ausländischer Betriebsstätte (…) oder den Gewinn(en) der inländischen Betriebsstätte ihres ausländischen Unternehmens“ normiert. Vor diesem Hintergrund wird im Folgenden die Frage behandelt, inwieweit die Grundsätze zum sog. Transferpaket auch im Verhältnis zwischen Stammhaus und Betriebsstätte anzuwenden sind.
4.175
Betrachtet werden soll ein Sachverhalt, bei dem eine gewinnträchtige Funktion (z.B. die Produktion) in das Ausland verlagert wird. Unstreitig ist, dass für die übergehenden Wirtschaftsgüter4 eine „Entstrickung“ erfolgt, die zu einer Aufdeckung der darin enthaltenen stillen Reserven führt.5 Die Anwendung der Regelungen zum Transferpaket soll zu einem höheren Wert führen als die Vergütung für diese einzelnen Wirtschaftsgüter. Diese Annahme ist realistisch, weil – anders als nach bisher geltendem Recht – nicht nur eine Vergütung für überführte Wirtschaftsgüter erfolgt, sondern für das „Gewinnpotenzial“. Im Ergebnis geht es darum, ob dieses „Mehr“ auch bei Betriebsstätten zu versteuern ist, denn für die
4.176
1 Vgl. § 4g EStG und zu einer Analyse z.B. Kessler/Winterhalter/Huck, DStR 2007, 133; Benecke/Schnitger, IStR 2007, 22; Hofmann, DB 2007, 652; Kramer, DB 2007, 2338; Kahle, IStR 2007, 762; Förster, DB 2007, 72; Dötsch/Pung, DB 2006, 2648. 2 Unternehmensteuerreformgesetz 2008 v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912 = BStBl. I 2007, 630. 3 Vgl. hierzu z.B. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1461; Korn/Strahl, KÖSDI 2007, 15783; Wulf, DB 2007, 2280; Rödder, DStR 2007, Beihefter zu Heft 40; Kaminski, RiW 2007, 594; Frischmuth, IStR 2007, 485. 4 Ggf. auch für solche Dinge, die nach Maßgabe der Rspr. des BFH im Rahmen der sog. Geschäftschancenlehre als entschädigungspflichtig anzusehen sind, was im Folgenden nicht diskutiert wird. 5 Hierbei wird – „zugunsten“ des Gesetzgebers – unterstellt, dass die gesetzliche Regelung tatsächlich geeignet ist, die mit ihr verfolgte Zielsetzung zu erreichen und nicht bereits das gewählte Tatbestandsmerkmal „Ausschluss oder … Beschränkung des Besteuerungsrechts“ dazu führt, dass Deutschland dieses Besteuerungsrecht bereits verloren hat. Vgl. zu dieser Auffassung z.B. Wassermeyer, DB 2006, 1176; Wassermeyer, DB 2006, 2420; Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1483. Vgl. hierzu auch – allerdings zu § 6 AStG ergangen – den BFH-Beschluss v. 23.9.2008 – I B 92/08, BStBl. II 2009, 524.
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Kapitel 4 Betriebsstättengewinnabgrenzung
Übertragung der Wirtschaftsgüter und die Realisierung der stillen Reserven gibt es bereits in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG entsprechende Regelungen.1
4.177 In § 1 Abs. 3 AStG wird auf § 1 Abs. 1 AStG verwiesen. Damit wird deutlich, dass die Regelungen des § 1 Abs. 3 AStG nur zur Anwendung kommen, wenn die allgemeinen Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 AStG erfüllt sind.2 Hieraus folgt, dass es sich bei den Beteiligten um nahe stehende Personen handeln muss. Bei Betriebsstättenfällen kann die wörtliche Anwendung nicht zum Tragen kommen, da es bereits an dem Erfordernis von zwei Personen fehlt, unabhängig ob diese nahestehend sind oder nicht. Durch die geplante Änderung des § 1 Abs. 4 AStG durch das JStG 20133 würde dieser Mangel jedoch behoben, so dass die weitere Diskussion insoweit nicht näher dargestellt werden soll.
4.178 In der „Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes nach § 1 Abs. 1 des AStG in Fällen grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen“ vom 12.8.20084 wird eine Definition der Funktionsverlagerungen vorgenommen. Danach liegt – vorbehaltlich der Abs. 6 und 7 – eine Funktionsverlagerung vor, „wenn ein Unternehmen (verlagerndes Unternehmen) einem anderen, nahe stehenden Unternehmen (übernehmendes Unternehmen) Wirtschaftsgüter und sonstige Vorteile sowie die damit verbundenen Chancen und Risiken überträgt oder zur Nutzung überlässt, damit das übernehmende Unternehmen eine Funktion ausüben kann, die bisher von dem verlagernden Unternehmen ausgeübt worden ist und dadurch die Ausübung der betreffenden Funktion durch das verlagernde Unternehmen eingeschränkt wird“ (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 FVerlV). Der Verordnungsgeber geht davon aus, dass zwei Unternehmen vorliegen: das verlagernde und das übernehmende Unternehmen. Erneut ohne gesetzliche Ergänzung in § 1 AStG kann man nicht zu dem Ergebnis gelangen, die Grundsätze der Funktionsverlagerung finden auch auf Betriebsstättenfälle Anwendung. Gegen diese Auffassung spricht auch nicht die Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte, wie sie in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA – und den deutschen Abkommen – enthalten ist. Vielmehr gehen sowohl der Gesetzgeber als auch die Finanzverwaltung davon aus, dass es sich hierbei um eine Fiktion handelt, die im Verhältnis zwischen Stammhaus und Betriebsstätte eine Einschränkung erfährt. Andernfalls hätte es weder der bisher von der Finanzverwaltung5 geschaffenen Er1 Vgl. zur Rechtslage vor Inkrafttreten dieser Regelung insbesondere BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BFH/NV 2008, 1941 zur Aufgabe der sog. finalen Entnahmetheorie. 2 Vgl. hierzu insbesondere § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG „… für eine Geschäftsbeziehung i.S. des Abs. 1 Satz 1 …“. 3 Regierungsentwurf v. 23.5.2012, BR-Drucks. 302/12. 4 BGBl. I 2008, 1680. 5 Vgl. BMF v. 12.2.1990 – S 2135/S 1300, BStBl. I 1990, 72, zwischenzeitlich aufgegeben, aber inhaltlich fortgeführt unter Tz. 2.6 der Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze, BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076.
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B. Verfahrens- und materiellrechtliche Grundlagen zur Buchführungspflicht
leichterungen noch der gesetzlich verankerten Verteilungsregelungen bei der Überführung von Wirtschaftsgütern1 aus dem inländischen Stammhaus in eine ausländische Betriebsstätte bedurft. Das Vorliegen eines Wirtschaftsguts kann nicht per se unter Hinweis auf § 5 Abs. 2 EStG verneint werden. Dieser widmet sich „nur“ der Frage des Ansatzes in der Bilanz, nicht aber der Eigenschaft als Wirtschaftsgut. Ferner ist zu beachten, dass die Grundsätze über die Entnahme dem Aktivierungsverbot nach Auffassung des BFH vorgehen.2 Es ist nicht ersichtlich, warum dies bei einem der Entnahme gleichgestellten Fall i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG anders zu beurteilen sein sollte. Daher steht § 5 Abs. 2 EStG dem Ansatz des Transferpaketes nicht grds. entgegen. Fraglich ist jedoch, ob das Transferpaket als Wirtschaftsgut anzusehen ist.
4.179
In § 1 Abs. 3 der FVerlV3 wird ein Transferpaket wie folgt definiert: „Ein 4.180 Transferpaket i.S. des § 1 Abs. 3 Satz 9 des AStG besteht aus einer Funktion und den mit dieser Funktion zusammenhängenden Chancen und Risiken sowie den Wirtschaftsgütern und Vorteilen, die das verlagernde Unternehmen dem übernehmenden Unternehmen zusammen mit der Funktion überträgt oder zur Nutzung überlässt und den in diesem Zusammenhang erbrachten Dienstleistungen.“. Bereits diese Definition lässt erkennen, dass der Verordnungsgeber nicht nur Wirtschaftsgüter erfasst wissen wollte, sondern auch darüber hinaus gehende Vorteile. Anderenfalls hätte die vorgenommene Differenzierung zwischen Chancen und Risiken, Wirtschaftsgütern und Vorteilen keinen Sinn. Vielmehr zeigt sich aus der expliziten Nennung von 1. und 3., dass das Transferpaket über die Wirtschaftsgüter hinausgeht. Damit wird deutlich, dass das Transferpaket als solches nicht originär die Eigenschaften eines Wirtschaftsguts erfüllt. Dieser Befund wird durch die Kriterien für das Vorliegen eines Wirtschaftsguts bestätigt. Bekanntlich sind diese nicht gesetzlich definiert. Nach der st. Rechtsprechung des BFH gehören dazu Sachen, Rechte oder tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten oder Vorteile für den Betrieb, deren Erlangung der Kaufmann sich etwas kosten lässt, die einer besonderen Bewertung zugänglich sind, i.d.R. einen Nutzen für mehrere Wirtschaftsjahre erbringen und zumindest mit dem Betrieb übertragen werden können.4 Insoweit geht der BFH von einem weiten Begriffsverständnis aus. Allerdings verlangt die Rechtsprechung eine hinreichende Konkretisierung. So muss sich das Entgelt für das erlangte Wirtschaftsgut auf den Erwerb beziehen und nach den Vorstellungen beider Vertragsteile 1 2 3 4
Vgl. § 4g EStG. Vgl. BFH v. 23.3.1995 – IV R 94/93, BStBl. II 1995, 637. BGBl. I 2008, 1680. Vgl. aus der umfangreichen Rspr. z.B. die BFH v. 28.5.1979 – I R 1/76, BStBl. II 1979, 734 (736); v. 6.12.1990 – IV R 3/89, BStBl. II 1991, 346; v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348 (352); v. 26.8.1992 – I R 24/91, BStBl. II 1992, 977; v. 3.8.1993 – VIII R 37/92, BStBl. II 1994, 444; v. 19.6.1997 – IV R 16/95, BStBl. II 1997, 808 und v. 20.3.2003 – IV R 27/01, BStBl. II 2003, 878.
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4.181
Kapitel 4 Betriebsstättengewinnabgrenzung
eine Gegenleistung für die erlangten Vorteile darstellen.1 Ein aus einem Mietverhältnis folgendes Nutzungsrecht ist nur dann entgeltlich erworben und damit zu aktivieren, wenn als Entgelt ein laufend zu entrichtender Mietzins bezahlt wird.2 Auch könnte daran gedacht werden, in den Zahlungen für das Transferpaket Vorleistungen zu sehen.3 Hingegen kann ein auf die laufende Nutzung entfallendes Entgelt nicht als Wirtschaftsgut „Nutzungsrecht“ aktiviert werden.4
4.182 Gleichwohl verlangt der BFH eine hinreichende Trennung bzw. Selbständigkeit von anderen Wirtschaftsgütern. Ein immaterieller Wert kann sich nur dann zu einem immateriellen Wirtschaftsgut konkretisieren, wenn er als werthaltige greifbare Einzelheit gegenüber dem Geschäftswert abgegrenzt werden kann.5 Einzelheit in diesem Sinne bedeutet nicht selbständige Verkehrsfähigkeit. Ausreichend soll sein, dass der immaterielle Wert (z.B. wie das Warenzeichen) mit dem Betrieb übertragen werden kann. Dies folgt daraus, dass auch der erworbene Geschäftswert als immaterielles Wirtschaftsgut behandelt wird, obwohl er losgelöst vom Betrieb nicht übertragbar ist. Voraussetzung ist auch nicht, dass der immaterielle Wert mit einem Recht verbunden ist; denn auch wirtschaftliche Positionen, die nicht durch ein ihnen zugeordnetes (dingliches) Recht geschützt werden, können hinreichend gegenüber dem Geschäftswert abgegrenzt sein. Ein als greifbare Einzelheit abgrenzbarer immaterieller Wert verdichtet sich zum immateriellen Wirtschaftsgut, wenn die Verkehrsanschauung ihn als selbständig bewertbaren immateriellen Wert anerkennt oder wenn er erworben wurde oder wenn er durch Aufwendungen als geldwerte Realität in Erscheinung tritt.6
4.183 Diese Voraussetzungen sind beim Transferpaket nicht erfüllt. Eine Anerkennung als selbständiger Wert scheidet aus, weil das Transferpaket nach seiner Definition nicht nur konkrete Wirtschaftsgüter erfasst, sondern darüber hinausgeht. Andernfalls würden diese Wirtschaftsgüter angesetzt und nicht das Transferpaket. Der vorliegend betrachtete Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass für die identifizierbaren Wirtschaftsgüter eine Vergütung bezahlt wird, so dass dieses Kriterium gerade nicht erfüllt ist. Auch ein Erwerb liegt nicht vor. Vielmehr handelt es sich um Komponenten, die im Inlandsfall Bestandteile eines originären Geschäftswerts wären und damit nicht bilanziert werden dürften. Folglich liegt gerade kein Erwerb vor. 1 Vgl. BFH v. 3.8.1993 – VIII R 37/92, BStBl. II 1994, 444, zu Belieferungsrechten aus Abonnentenverträgen. 2 Vgl. BFH v. 12.8.1982 – IV R 184/79, BStBl. II 1982, 696 und v. 20.1.1983 – IV R 158/80, BStBl. II 1983, 413 (416). 3 Vgl. etwa BFH v. 12.8.1982 IV R 184/79, BStBl. II 1982, 696, zu degressiven Leasingraten beim Leasingnehmer und vom 20.1.1983 – IV R 158/80, BStBl. II 1983, 413 zur Bilanzierung eines Erbbaurechtsverhältnisses beim Erbbauberechtigten. 4 Vgl. BFH v. 25.10.1994 – VIII R 65/91, BStBl. II 1995, 312, m.w.N. 5 Vgl. BFH v. 18.6.1975 – I R 24/73, BStBl. II 1975, 809. 6 Vgl. BFH v. 28.10.1987 – II R 224/82, BStBl. II 1988, 50 und v. 11.11.1983 – III R 25/77, BStBl. II 1984, 187.
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B. Verfahrens- und materiellrechtliche Grundlagen zur Buchführungspflicht
Zwar geht der BFH davon aus, dass Teile eines originären Geschäftswerts durch eine entgeltliche Übertragung zu einem immateriellen Wirtschaftsgut konkretisiert werden,1 doch fehlt es beim Transferpaket an einer Entgeltlichkeit. Vielmehr entsteht diese erst durch die Fiktion des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, so dass diese zeitlich nachgelagert ist. Nach Auffassung der Finanzverwaltung stellt im Inbound-Fall das Entgelt für das Transferpaket einen Firmenwert dar.2 Ferner hat der BFH entschieden, dass schwebende Geschäfte grds. dem Geschäftswert als dessen Komponente zuzuordnen sind.3 Ein solcher der nur aufgrund einer Verkehrsanschauung vorhanden ist, darf jedoch nicht als Wirtschaftsgut qualifiziert werden.4 Bei der Übertragung bzw. Überlassung wesentlicher immaterieller Wirtschaftsgüter und Vorteile geht § 1 Abs. 3 Satz 11 AStG davon aus, dass die widerlegbare Vermutung besteht, dass zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses Unsicherheiten im Hinblick auf die Preisvereinbarung dazu führen, dass unabhängige Dritte sachgerechte Anpassungsregelungen vereinbart hätten. Auch hierin liegt ein Verstoß gegen den Fremdvergleichsgrundsatz, denn unter fremden Dritten ist es keineswegs üblich, entsprechende Klauseln zu vereinbaren. Zwar handelt es sich „nur“ um eine widerlegbare Vermutung, doch ist bisher nicht absehbar, wie diese in der Praxis ausgestaltet wird. Es ist allerdings wenig wahrscheinlich, dass die Finanzverwaltung zugunsten des Stpfl. vom Gesetzeswortlaut abweicht und ihm nicht die Beweislast für die Vereinbarung keiner entsprechenden Anpassungsklausel auferlegt. Eine solche Vorgehensweise ist jedoch unter fremden Dritten keineswegs üblich und stellt einen Verstoß gegen den Fremdvergleichsgrundsatz dar. Dies gilt auch für die in Abs. 3 Satz 12 vorgesehene Anpassung beim Auftreten von Abweichungen. Hier wird der Vertragsinhalt, wie er von fremden Dritten abgeschlossen wird, gerade negiert und durch einen fiktiven Sachverhalt ersetzt.
4.184
Bei den vorliegenden Innentransaktionen würden fremde Dritte zu diesem Zeitpunkt keinen Gewinn realisieren, sondern es würde erst zum Zeitpunkt des späteren Eintretens des Gewinns eine Aufteilung vorgenommen. Insofern ist eine Innentransaktion gegeben, die nicht zur sofortigen Besteuerung führen darf. Dies erkennt auch der Gesetzgeber an, indem er im § 4g EStG für die Fälle der Überführung des Anlagevermögens – aus europarechtlichen Gründen – eine „Ausgleichspostenmethode“ zugelassen hat. Insoweit zeigt sich, dass die entsprechende Anwendung dieser Regelung nicht als Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes angesehen werden kann. Folglich kann auch keine Berufung auf das nationale Zustimmungsgesetz zur Umsetzung dieses Grundsatzes erfolgen.
4.185
Die Grundsätze des Transferpaketes bei Funktionsverlagerungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nicht sind nach derzeitigem Gesetzesstand
4.186
1 2 3 4
Vgl. BFH v. 28.10.1987 – II R 224/82, BStBl. II 1988, 50. Vgl. z.B. Schwenke, StBJB 2007/8, S. 147. Vgl. BFH v. 28.10.1987 – II R 224/82, BStBl. II 1988, 50. Vgl. BFH v. 17.1.1975 – III R 69/73, BStBl. II 1975, 324.
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Kapitel 4 Betriebsstättengewinnabgrenzung
nicht anwendbar. Entscheidend hierfür ist, dass sowohl die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 AStG im Verhältnis zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nicht erfüllt sind, als auch die Regelungen des § 4 Abs. 1 Sätze 3 ff. EStG nicht einschlägig sind. Ausschlaggebend hierfür ist die nicht vorhandene Eigenschaft als Wirtschaftsgut und der Umstand, dass in Folge des Überführungsvorgangs, diese auch nicht herbeigeführt wird. Insofern ist ein Vergleich mit einem bisher vorhandenen originären Geschäftswert, der im Rahmen eines Unternehmenskaufs zu einem derivativen Geschäftswert wird, nicht durchschlagend, weil insoweit eine ausschließliche Fiktion angeordnet wird. Diese kann jedoch die Wirtschaftsguteigenschaft nicht herbeiführen, so dass insoweit der Transferpaketansatz nicht anwendbar ist. Durch die Änderung des § 1 Abs. 4 AStG im Rahmen des JStG 20131 wird es jedoch zu einer unmittelbaren Anwendung kommen, zumal dies auch die sachgerechte und konsequente Fortsetzung der vollständigen Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte ist.
VII. Besondere Aspekte bei Auflösung oder Verkauf der Betriebsstätte 4.187 Sowohl die innerstaatlichen Maßnahmen des § 34c EStG zur Vermeidung bzw. Milderung der Doppelbesteuerung bei gewerblichen Einkünften als auch das Abkommensrecht knüpfen an die Existenz einer ausländischen Betriebsstätte an. Für die Begründung der beschränkten Steuerpflicht in Deutschland ist gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG u.a. das Vorhandensein einer inländischen Betriebsstätte Voraussetzung. Nach Auflösung einer Betriebsstätte fallen häufig noch Aufwendungen und Erträge an, die auf die Tätigkeit der nicht mehr bestehenden Betriebsstätte zurückgehen. Ihre steuerrechtliche Behandlung scheint durch die Rechtsprechung2 und den Betriebsstättenerlass3 entschieden zu sein. Gestützt auf § 24 Nr. 2 EStG haben die Gerichte für Recht erkannt, dass nachträgliche gewerbliche Einkünfte eines Steuerausländers aus der Tätigkeit einer inzwischen aufgelösten inländischen Betriebsstätte inländische Einkünfte im Sinne des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG sind und der beschränkten Einkommensteuerpflicht unterliegen. Das BMF hat sich diese Rechtsprechung zu eigen gemacht und ihre Grundsätze darüber hinaus auch auf nachträgliche Aufwendungen und Erträge einer aufgelösten ausländischen Betriebsstätte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen ausgedehnt. § 24 Nr. 2 EStG beruht auf dem Verursachungsprinzip. Die Vorschrift soll verhindern, dass Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG, für die – vereinfacht ausgedrückt – die Einkunftsquelle weggefallen ist, nicht mehr besteuert werden können. Hinsichtlich des historischen Meinungsstreites wird insoweit auf die vorherige Auflage verwiesen.4 Meines 1 2 3 4
Regierungsentwurf v. 23.5.2012, BR-Drucks. 302/12. BFH v. 12.10.1978 – I R 69/75, BStBl. II 1979, 64. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076. Schröder/Strunk, Tz. C 185 in der Vorauflage dieses Handbuchs.
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B. Verfahrens- und materiellrechtliche Grundlagen zur Buchführungspflicht
Erachtens kann dieser Grundsatz bei beschränkter Steuerpflicht im Ausland, also bei Vorliegen einer ausländischen Betriebsstätte eines inländischen Steuerpflichtigen nur entsprechend gelten. Zwar ist grundsätzlich dem Umstand zuzustimmen, dass die Aufgabe eines Gewerbebetriebes etwas anderes ist als die Aufgabe einer in- oder ausländischen Betriebsstätte bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der gewerblichen Tätigkeit, doch verlangt die Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte eine entsprechende Rechtsfolge, wie bei Aufgabe eines Gewerbebetriebes. Wird die ausländische Betriebsstätte des inländischen Unternehmens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen aufgelöst, empfiehlt es sich, neben der nach § 5 EStG aufzustellenden Schlussbilanz, in der die einzelnen Wirtschaftsgüter nach Maßgabe des § 6 EStG zu bewerten sind, noch eine „Liquidationsbilanz“ aufzustellen. In ihr sind alle auf das Unternehmensstammhaus übergehenden Aktiva und Passiva, auch soweit sie steuerrechtlich nicht bilanzierungsfähig sind, mit Ausnahme eines Firmenwerts zu erfassen und nach Fremdvergleichsgrundsatz zu bewerten. Die in dieser Bilanz ausgewiesenen nicht realisierten Gewinne sind bei ihrer Realisierung für steuerliche Zwecke als nachträgliche Betriebsstätteneinkünfte aus dem Unternehmensgewinn auszusondern. Von einer etwaigen Freistellung der Gewinne profitieren jedoch nur die stillen Reserven bis zum Zeitpunkt der Überführung auf die inländischen Betriebsstätten.
4.188
Mit der Auflösung der inländischen Betriebsstätte und der Überführung ihrer Aktiva und Passiva auf das ausländische Unternehmensstammhaus endet für gewöhnlich die beschränkte Steuerpflicht gewerblicher Einkünfte. Ist die beschränkt steuerpflichtige Person ein körperschaftsteuerpflichtiges Gebilde, so ist § 11 KStG bei Auflösung der inländischen Betriebsstätte und der dadurch bedingten Beendigung der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht gem. § 12 Abs. 2 KStG anzuwenden. Statt des bei einer Liquidation zur Verteilung kommenden Vermögens ist der gemeine Wert des auf das Unternehmensstammhaus übergehenden Betriebsstättenvermögens anzusetzen. Handelt es sich bei dem beschränkt Steuerpflichtigen um eine natürliche Person, greift bei Auflösung der inländischen Betriebsstätte und Überführung ihrer Aktiva und Passiva auf das ausländische Unternehmensstammhaus § 16 Abs. 3 EStG ein.
4.189
Die Veräußerung einer ausländischen Betriebsstätte als Ganzes durch ein inländisches Unternehmen folgt in DBA-Fällen regelmäßig dem Art. 13 Abs. 2 OECD-MA 2010. Das Besteuerungsrecht an dem Veräußerungsgewinn hat der ausländische Betriebsstättenstaat, sofern es sich um Mobilien handelt. Entsprechendes gilt auch für einen Veräußerungsverlust, wobei innerhalb der EU die Besonderheiten der Berücksichtigung finaler Betriebsstättenverluste zu beachten sind. Ist kein DBA vorhanden, erfolgt die Besteuerung im ausländischen Staat wie im Inland, wobei im Inland eine Anrechnung der ausländischen Steuer gem. § 34c EStG vorgenommen wird.
4.190
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3. Teil Auslandsaktivitäten inländischer Unternehmen (Outbound-Investitionen) Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften Literatur Aigner/Kofler, Steuerliche Folgen des Zuzugs von EU-Kapitalgesellschaften nach Österreich nach der Rechtsprechung des EuGH in der Rs. Überseering (C-208/00), IStR 2003, 570; Autzen, Die ausländische Holding-Personengesellschaft. Ertragsteuerliche Behandlung und zielorientierte Gestaltung, Diss., Berlin 2006; Bahns/ Keuthen, Behandlung hybrider Gesellschaften im Entlastungsverfahren nach § 50d EStG – Reichweite des Art. 1 Abs. 7 DBA-USA, IStR 2010, 750; Becker/Loitz/Stein, Steueroptimale Verlustnutzung, Wiesbaden 2009; Beinert/Benecke, Internationale Aspekte der Umstrukturierung von Unternehmen, FR 2010, 1009; Blumers, DBABetriebsstätten-Zurechnungen in der jüngsten BFH-Rechtsprechung, DB 2008, 1765; Boller/Eilinghoff/Schmidt, § 50d Abs. 10 EStG i.d.F. des JStG 2009 – ein zahnloser Tiger?, IStR 2009, 109; Debatin, Außensteuerrechtliche und internationalrechtliche Behandlung von Rechtsträgern und daran bestehenden Beteiligungen, DB 1977, Beilage Nr. 13 zu Heft 39, 1; Debatin, Die Land- und Forstwirtschaft im Spiegel des internationalen Steuerrechts, DB 1988, 1285; Debatin, Zur Behandlung von Beteiligungen an Personengesellschaften unter den Doppelbesteuerungsabkommen im Lichte der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, BB 1992, 1181; Digeronimo/Kolb, Überblick über das Update 2010 des OECD-Musterabkommens, IWB 2011, 26; Ditz/Liebchen, Zur Anwendung des Betriebsstättenvorbehalts im Ansässigkeitsstaat – Der BFH rückt mit Urteil vom 24.8.2011 die Verhältnisse wieder gerade, IStR 2012, 449; Ditz/Schneider, Änderungen des Betriebsstättenerlasses durch das BMF-Schreiben vom 25.8.2009, IStR 2010, 81; Ditz/ Tcherveniachki, Nutzungsüberlassung immaterieller Wirtschaftsgüter an ausländische Betriebsstätten – Betriebsprüfungsfall zu § 12 Abs. 1 KStG, Ubg 2012, 101; Djanani/Brähler/Hartmann, Die Finanzverwaltung und die autonome Abkommensauslegung – zugleich Besprechung des BMF-Schreibens vom 19.3.2004, IStR 2004, 351, IStR 2004, 481; Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, München 2004; Engel/Hilbert, Besteuerung des Gewinnanteils des inländischen Gesellschafters einer ausländischen Personengesellschaft, FR 2012, 394; Engel/Hilbert, Keine Betriebsstätte nach Art. 5 OECD-MA bei Landund Forstwirtschaft, IWB 2012, 316; Franz/Voulon, Abkommensrechtliche Behandlung von Sondervergütungen – Status Quo und Perspektiven, BB 2011, 1111; Frotscher, Treaty Override und § 50d Abs. 10 EStG, IStR 2009, 593; Gebhardt/Quilitzsch, Aktivitätsvorbehalte im Abkommensrecht – kann § 20 Abs. 2 AStG die Freistellung aufrechterhalten?, IStR 2011, 169; Goebel/Liedtke/Schmidt, FG München: Anwendung des § 50d Abs. 10 EStG im Inboundfall, IWB 2010, 7; Goksch, Die Anwendbarkeit von § 1 AStG auf Entnahmesachverhalte, IStR 2002, 181; Gosch, Altes und Neues, Bekanntes und weniger Bekanntes zur sog. isolierenden Betrachtungsweise, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005, 263; Grotherr, Zweifelsfragen bei der Anwendung der Rückfallklausel („subject to tax clause“) gemäß DBA, IWB 1997, Fach 3, Gruppe 2 (aussortiert am 1.4.2005), 689;
Schänzle/Engel
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Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften Günkel/Lieber, Abkommensrechtliche Qualifikation von Sondervergütungen. Irrwege der Finanzverwaltung, FR 2000, 853; Haase/Brändel, DBA und Personengesellschaften – Irrungen und Wirrungen im Notenwechsel zum DBA-Spanien, IStR 2011, 255; Häck, Zur Auslegung des § 50d Abs. 10 EStG durch den BFH, IStR 2011, 71; Hartmann, Steuergestaltung durch Verwendung hybrider Gesellschaften. Ein Modell zur Analyse der Steuerbelastung bei übereinstimmender Qualifikation und subjektiven Qualifikationskonflikten, Diss., Ingolstadt 1999; Haun, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht – Ausgewählte Möglichkeiten der Steuerplanung im Outbound-Fall, in Grotherr, Handbuch der Internationalen Steuerplanung, 3. Aufl., Herne 2011; Haun/Reiser/Mödinger, Zweifelsfragen bei der Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen auf Personengesellschaften, GmbHR 2010, 637; Helmschrott/Eberhart, Die wichtigsten Änderungen der AO und ihrer Nebengesetze durch das Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz (Teil II), DStR 1994, 525; Henke/Lang, Qualifizierung ausländischer Rechtsgebilde am Beispiel der Delaware-LLC, IStR 2001, 514; Heurung/Engel, Grenzüberschreitende Berücksichtigung von Betriebsstättenverlusten in der EU, GmbHR 2010, 1065; Hey, Stellung der US (Delaware) Limited Liability Company im internationalen Steuerrecht, in Burmester/Endres (Hrsg.), Außensteuerrecht, Doppelbesteuerungsabkommen und EU-Recht im Spannungsverhältnis, FS für Debatin, München 1997, 121; Hey, Personalstatut und Steuerrecht. Auswirkungen der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Sitztheorie auf die Besteuerung doppelansässiger Kapitalgesellschaften, DK 2004, 577; Hils, Neuregelung internationaler Sondervergütungen nach § 50d Abs. 10 EStG, DStR 2009, 888; Jacob, Das revidierte DBA-USA – Eckpfeiler – Fortentwicklungen – Neuland (Teil II), IStR 2011, 98; Jakob, Freistellungs- oder Anrechnungsmethode – Anmerkungen zu Urteilen des Bundesfinanzhofs zur sog. Aktivitätsklausel gemäss Art. 24 Abs. 1 Ziffer 1 Buchstabe a Satz 1 DBA CH-D, in Locher/Ryser (Hrsg.), Internationales Steuerrecht in der Schweiz. Aktuelle Situation und Perspektiven, FS für Ryser, Bern 2005, 211; Kahle, Die Ertragsbesteuerung der Beteiligung an einer ausländischen Personengesellschaft, StuB 2005, 666; Kahle/Mödinger, Die Neufassung des Art. 7 OECD-MA im Rahmen der Aktualisierung des OECD-MA 2010, IStR 2010, 757; Kaminski, Aktivitätsvorbehalte und ihre Bedeutung für die DBA-Anwendung, StuW 2007, 275; Kaminski/Strunk, § 20 Abs. 2 AStG i.d.F. des JStG 2010: (Nicht-)Freistellung von Betriebsstätteneinkünften in DBA-Fällen, IStR 2011, 137; Kaminski/Strunk/Haase, Anmerkung zu § 20 Abs. 2 AStG in der Entwurfsfassung des Jahressteuergesetzes 2008, IStR 2008, 726; Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht. National – international, 2. Aufl., München 2008; Kluge, Betriebsstättenvorbehalt und Methodenartikel – ein Beitrag zur autonomen Abkommensauslegung, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005, 663; Knobbe-Keuk, „Qualifikationskonflikte“ im internationalen Steuerrecht der Personengesellschaften, RIW 1991, 306; Köhler/Eicker, Kritische Anmerkungen zum BMF-Schreiben „Cadbury Schweppes“ vom 8.1.2007, DStR 2007, 331; Krawitz/ Büttgen-Pöhland/Hick, Aktivitätsvorbehalte bei Einkünften aus ausländischen Kapitalgesellschaften und Betriebsstätten, FR 2003, 109; Kreienbaum/Nürnberger, Für international operierende Unternehmen praxisrelevante Änderungen durch das Revisionsprotokoll zum DBA-USA, IStR 2006, 806; Lang, Qualifikationskonflikte im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, in Kirchhof/Lehner/Raupach/ Rodi (Hrsg.), Staaten und Steuern, FS für Vogel, Heidelberg 2000, 907; Lang/Reich/ Schmidt, Personengesellschaften im Verhältnis Deutschland-Österreich-Schweiz, IStR 2007, 1; Lemaitre/Schnittker/Siegel, Die steuerliche Einordnung der US-amerikanischen Limited Liability Company (LLC) auf der Grundlage des BMF-Schreibens vom 19.3.2004. Auswirkungen auf die Beratungspraxis, GmbHR 2004, 618; Lieber, Personengesellschaften mit grenzüberschreitenden Rechtsbeziehungen, IWB 2010, 351; Lohbeck/Wagner, § 50d Abs. 10 EStG – Uneingeschränktes Be-
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Schänzle/Engel
Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften steuerungsrecht für Sondervergütungen im Inbound-Fall?, DB 2009, 423; Lüdicke, Neue Entwicklungen der Besteuerung von Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht, StbJb 1997/1998, 449; Lüdicke, Beteiligung an ausländischen intransparent besteuerten Personengesellschaften, IStR 2011, 91; Meilicke/Portner, Grenzen für den Übergang von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode, IStR 2004, 397; Meretzki, Greift § 50d Abs. 9 EStG auch bei nur zum Teil steuerfreien Einkünften? Auch Sondervergütungen und Gewinnanteil bilden eine Einkünfteeinheit, IStR 2008, 23; Meretzki, Weshalb der neue § 50d Abs. 10 EStG sein Ziel verfehlt und neue Probleme schafft, IStR 2009, 217; Mitschke, Plädoyer für eine Nichtanwendung der EuGH-Rechtsprechung im Bereich der direkten Steuern, FR 2008, 165; Mitschke, Konkretisierung der gesetzlichen Entstrickungsregelungen und Kodifizierung der finalen Betriebsaufgabetheorie durch das Jahressteuergesetz 2010, Ubg 2011, 328; Mössner, Rechtsprechung des BFH zur Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen im Jahr 2002, RIW 2003, 294; Musil, Die Ergänzung des Entstrickungstatbestands durch § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG – Herrscht nun endlich Klarheit?, FR 2011, 545; OECD, The Application of the OECD Model Tax Convention to Partnerships, Issues in International Taxation No. 6, Paris 1999; Piltz, Die Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland, Heidelberg 1981; Pohl, Abkommensrechtliche Sondervergütungsregelungen im Lichte aktueller Rechtsprechung, IWB 2012, 120; Prinz, Besteuerungsgrundsätze für hybride internationale Mitunternehmerschaften, FR 2012, 381; Pyszka/Schmedt, Gestaltungsüberlegungen zum grenzüberschreitenden Ausgleich von Betriebsstättenverlusten bei DBA mit Aktivitätsklausel, IStR 2002, 342; Richter, Einzelfragen internationaler Personengesellschaften im Abkommensrecht, FR 2010, 544; Richter, Europarechtswidrigkeit der switch-over-Klausel im § 20 Abs. 2 AStG – BFH zum EuGH-Urteil Columbus Container, BB 2010, 1832; Richter, Zum Diskussionsstand der Berücksichtigung ausländischer Betriebsstättenverluste in Deutschland, IStR 2010, 1; Salome/Danon, The OECD Partnership Report – A Swiss View on Conflicts of Qualification, Intertax 2003, 190; Schänzle, Generalthema II: Steuerliche Behandlung von Wechselkursschwankungen, IStR 2009, 514; Scheipers/Maywald, Zur Vereinbarkeit des § 20 Abs. 2 AStG mit EGRecht unter Berücksichtigung der Ausführungen des Generalanwalts Leger in der Rs. Cadbury Schweppes, IStR 2009, 472; Schmidt, Sondervergütungen auf Abkommensebene – Was nun, Finanzverwaltung und Gesetzgeber? Zugleich Anmerkung zum BFH-Urteil vom 8.9.2010, I R 74/09, DStR 2010, 2436; Schmidt/Heinz, Steuerliche Ergebnisermittlung einer ausländischen Personen(handels)gesellschaft für deutsche Besteuerungszwecke. Keine „Abfärbewirkung“ eines ausländischen Abschlusses auf die steuerliche Ergebnisermittlung in Deutschland, GmbHR 2008, 581; Schnittker, Steuersubjektqualifikation ausländischer hybrider Rechtsgebilde, StuW 2004, 39; Schnittker/Bank, Die LLP in der Praxis. Gesellschaftsrecht und Steuerrecht der Limited Liability Partnership, München 2008; Schnittker/Lemaitre, Steuersubjektqualifikation ausländischer Personen- und Kapitalgesellschaften anhand des Rechtstypenvergleichs: Welche Vergleichskriterien sind heranzuziehen?, GmbHR 2003, 1314; Schönfeld, Der neue Artikel 1 DBA-USA – Hinzurechnungsbesteuerung und abkommensrechtliche Behandlung von Einkünften steuerlich transparenter Rechtsträger, IStR 2007, 274; Schönfeld, Ausgewählte Internationale Aspekte des neuen Umwandlungserlasses, IStR 2011, 497; Seidel, Ertragsbesteuerung periodischer Auslandseinkünfte aus Direktinvestitionen, Diss., Frankfurt am Main 2011; Spengel/Schaden/Wehrße, Besteuerung von Personengesellschaften in den 27 EU-Mitgliedsstaaten und den USA – eine Analyse der nationalen Besteuerungskonzeptionen, StuW 2010, 44; Strunk/Kaminski, Aktuelle Entwicklungen bei der Besteuerung von ausländischen Betriebsstätten und Personengesellschaften in Abkommensfällen, IStR 2003, 181; Suchanek, Doppelte Nichtbesteuerung eines Gewinns aus der Veräußerung einer intransparenten Personengesellschaft – Erste gerichtliche Klärung durch das FG Hamburg, IStR 2007,
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Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften 654; Suchanek/Herbst, Status quo zur Behandlung intransparent besteuerter ausländischer Personengesellschaften, Ubg 2011, 779; Wassermeyer, Die Beurteilung der Abkommensberechtigung ausländischer Personengesellschaften durch Deutschland als dem Nichtansässigkeitsstaat der Personengesellschaft, IStR 1998, 489 Wassermeyer, Die abkommensrechtliche Behandlung von Einkünften einer in einem Vertragsstaat ansässigen Personengesellschaft, IStR 2011, 85 Weggenmann, Die Empfehlungen der OECD an den Ansässigkeitsstaat zur Lösung von Einordnungskonflikten in Bezug auf Sondervergütungen, IStR 2002, 614; Wissenschaftlicher Beirat von Ernst & Young tax, Die Systematik der sog. Entstrickungsbesteuerung, DB 2010, 1776; Wolff, Auslegungsfragen zu DBA-Regelungen über Unternehmensgewinne, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005, 647; Zimmermann/Hottmann/Kiebele/Schaeberle/Völkel, Die Personengesellschaft im Steuerrecht, 10. Aufl., Achim 2009.
A. Einführung 5.1 Die Rechtsform der Personengesellschaft erfreut sich in Deutschland einer großen Beliebtheit. Dies gilt in besonderem Maße für mittelständische Familienunternehmen. Hinsichtlich der Strukturierung von Direktinvestitionen deutscher Unternehmen im Ausland ergibt sich hingegen ein anderes Bild. Deutsche Unternehmen nutzen für die Strukturierung ihrer Direktinvestitionen im Ausland überwiegend die Rechtsreform der Kapitalgesellschaft. Dies gilt sowohl für Unternehmen, an deren Spitze eine inländische Kapitalgesellschaft steht, als auch für mittelständische Unternehmen, die im Inland als Personengesellschaft, typischerweise in der Rechtsform der GmbH & Co. KG, geführt werden. Betrachtet man ausschließlich steuerliche Kriterien, überrascht dieser Befund. Denn ausländische Personengesellschaften können als eine Art „Zwitter“1 zwischen Kapitalgesellschaft und Betriebsstätte geeignet sein, die steuerlichen Vorteile einer Betriebsstätte mit der rechtlichen Trennung einer Kapitalgesellschaft zu verbinden.
5.2 Da die Beteiligung eines Steuerinländers an einer ausländischen Mitunternehmerschaft grundsätzlich dem Gesellschafter die von der Personengesellschaft unterhaltenen Betriebsstätten vermittelt, lassen sich die steuerlichen Vorteile einer ausländischen Betriebsstätte im Vergleich zu einer ausländischen Kapitalgesellschaft im Allgemeinen auch über eine ausländische Personengesellschaft erzielen: – Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung: Bei abkommensrechtlicher Freistellung der ausländischen Unternehmensgewinne können die Gewinne steuerfrei bis zum inländischen Gesellschafter durchgeleitet werden. Gewinne einer ausländischen Kapitalgesellschaft unterliegen dagegen bei der Ausschüttung der inländischen Besteuerung in Form der 5 %-Schachtelstrafe nach § 8b Abs. 5 KStG bzw. dem Teil1 Köhler in Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht2, § 8 Rz. 65.
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A. Einführung
einkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 Buchst. d EStG oder der sog. Abgeltungsteuer gem. § 32d EStG bei (Weiter-)Ausschüttung an natürliche Personen. Insbesondere bei inländischen Familienunternehmen mit einer Personengesellschaft an der Spitze der Unternehmensgruppe lassen sich somit erhebliche steuerliche Vorteile realisieren. – Vermeidung von Quellensteuer: Besteuert der Sitzstaat der Personengesellschaft nach dem Transparenzprinzip, werden regelmäßig keine Quellensteuern auf die Repatriierung von Gewinnen erhoben. – Verlustnutzung: Im Anwendungsbereich der Anrechnungsmethode ist grundsätzlich eine Verlustnutzung im Inland möglich. Die Rechtsform der Personengesellschaft weist ferner folgende Vorteile gegenüber einer Betriebsstätte auf:
5.3
– Haftungsbegrenzung: Im Gegensatz zur Betriebsstättenalternative kann bei Investitionen in eine ausländische Personengesellschaft zumeist durch eine Kapitalgesellschaft-&-Co.-Strukturierung eine Haftungsbegrenzung erreicht werden. – Eigenschaft als eigenes Rechtssubjekt: Die Rechtssubjekteigenschaft der Personengesellschaft bietet Vorteile im Geschäftsverkehr sowie in Bezug auf den Marktauftritt. Die ausländische Personengesellschaft kann insbesondere in ihrem Gründungsstaat als „heimisches Unternehmen“ auftreten. – Gewinnabgrenzung: Zwischen der inländischen Spitzeneinheit und einer ausländischen Personengesellschaft können – anders als dies bei einer Betriebsstätte der Fall ist – schuldrechtliche Vertragsbeziehungen bestehen. Im Vergleich zur Betriebsstätte ist daher die Gewinnabgrenzung im Personengesellschaftsfall regelmäßig einfacher und stabiler. Insbesondere im Falle einer Umsetzung des „Authorized OECD Approach“ (AOA) für die Gewinnabgrenzung in § 1 AStG durch das geplante JStG 2013 (siehe Rz. 5.214) könnte umso mehr erwogen werden, vorhandene Betriebsstätten in eine Personengesellschaft einzubringen, um die Anwendung des AOA zu vermeiden. Den vorstehend aufgezeigten steuerlichen Vorteilen können jedoch im Vergleich zur Kapitalgesellschaft folgende steuerliche und außersteuerliche Nachteile gegenüberstehen: – Haftungsbegrenzung: Das ausländische Gesellschaftsrecht ermöglicht ggf. keine Haftungsbegrenzung; zumindest wird hierfür regelmäßig eine inländische oder ausländische Kapitalgesellschaft als Komplementärin zu installieren sein. – Geringe Verbreitung der Rechtsform im Ausland: Die geringe Verbreitung der Rechtsform der Personengesellschaft kann mit einer geringen Akzeptanz derselben im Geschäftsverkehr einhergehen. Dies kann ein nicht zu unterschätzendes wirtschaftliches Argument gegen die Rechtsform der Personengesellschaft darstellen, da sich hieraus
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5.4
Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
Nachteile in Bezug auf den Marktauftritt ergeben können (fehlendes Vertrauen der Marktteilnehmer). – Komplexität und Rechtsunsicherheit der Besteuerung: Die Besteuerung ausländischer Personengesellschaften und ihrer Gesellschafter zeichnet sich durch ein hohes Maß an Komplexität aus und kann mit Zweifelsfragen verbunden sein. Aufgrund von Unterschieden in den Besteuerungskonzepten der einzelnen Staaten können sich auch Qualifikations- sowie Zurechnungskonflikte ergeben. – Administrative Schwierigkeiten/Aufwand: Das Transparenzprinzip macht eine steuerliche Registrierung aller Gesellschafter im Ausland notwendig. Durch eine ggf. zu installierende Komplementärin kann sich ein zusätzlicher administrativer Aufwand ergeben.
5.5 Auch wenn für Auslandsengagements die Kapitalgesellschaft nach wie vor stärker verbreitet ist, scheint der Einsatz ausländischer Personengesellschaften in der Praxis zunehmend an Bedeutung zu gewinnen. Ein wesentlicher Grund hierfür liegt sicherlich in der steuerlichen Attraktivität der Nutzung ausländischer Personengesellschaften gerade für deutsche inhabergeführte Unternehmen, die im Inland als Personengesellschaft strukturiert sind. Die weitere Internationalisierung des deutschen Mittelstands sowie die zunehmende Vertrautheit der deutschen und ausländischen Berater sowie der beteiligten Fisci mit grenzüberschreitenden Personengesellschaftsstrukturen sind wesentliche Faktoren, die zu dieser Entwicklung beitragen. Ausländische Personengesellschaften eignen sich jedoch nicht nur für deutsche Familien-Personengesellschaften, vielmehr kann die Einschaltung ausländischer Personengesellschaften auch für inländische Kapitalgesellschaftskonzerne steuerlich von Vorteil sein.
5.6 Das Zusammentreffen von Rechtssubjekteigenschaft und steuerlicher Transparenz, die nationalen Besonderheiten wie das Konzept der zweistufigen Gewinnermittlung unter Einbeziehung des Sonderbetriebsvermögens, die ggf. abweichende Qualifikation und Besteuerung im Ausland sowie die zahlreichen Anwendungsfragen des DBA-Rechts machen die Besteuerung von grenzüberschreitenden Mitunternehmerschaften zu einer für den Rechtsanwender komplexen Materie, die in vielen Aspekten noch nicht höchstrichterlich geklärt ist. Es verwundert daher nicht, dass die internationale Besteuerung von Personengesellschaften eines der beherrschenden Themen im jüngeren Schrifttum ist. Die zunehmende praktische Bedeutung des Themas zeigt sich auch darin, dass die grenzüberschreitende Besteuerung von Personengesellschaften in der jüngeren Vergangenheit häufiger Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen war. Dem trägt auch die Finanzverwaltung Rechnung, indem sie ein umfangreiches BMF-Schreiben zur Anwendung von DBA auf Personengesellschaften veröffentlicht hat.1 Diese Verlautbarung wird zwar kontrovers diskutiert und ist in Teilen bereits durch die Rspr. überholt. Für den 1 BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354.
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B. Grundsätzliches zur Besteuerung
Rechtsanwender ist jedoch bereits die mit dem BMF-Schreiben verbundene Transparenz der Verwaltungsauffassung hilfreich und begrüßenswert. Vor diesem Hintergrund sollen nachfolgend die Grundlagen der Besteuerung ausländischer Personengesellschaften sowie die daraus resultierenden Unsicherheiten, Risiken und Chancen dargestellt werden. Gegenstand der Untersuchung ist die Beteiligung eines Steuerinländers an einer ausländischen Personengesellschaft. Der Begriff des Steuerinländers ist dabei in einem umfassenden Sinne zu verstehen. Betrachtet wird insbesondere auch die Konstellation einer inländischen Spitzeneinheit in der Rechtsform der Personengesellschaft, die als Gesellschafter natürliche Personen sowie Kapitalgesellschaften aufweisen kann.
5.7
B. Grundsätzliches zur Besteuerung ausländischer Personengesellschaften und ihrer inländischen Gesellschafter I. Besteuerungsprinzipien im Ausland (Transparenz vs. Trennungsprinzip) Für die Besteuerung der ausländischen Personengesellschaft in ihrem Sitzstaat sind allein die Grundsätze des nationalen Rechts dieses Staates maßgeblich. Im Sitzstaat der nach deutschem Recht als Mitunternehmerschaft zu qualifizierenden Personengesellschaft kann die Besteuerung dabei nach dem Transparenz- oder dem Trennungsprinzip erfolgen.
5.8
Insbesondere in Mittel- und Westeuropa richtet sich die Besteuerung von Personengesellschaften mehrheitlich nach dem Transparenzprinzip. Entscheidendes Merkmal einer transparenten Besteuerung ist, dass die Gewinne der Gesellschaft nicht bei der Gesellschaft selbst, sondern bei den einzelnen Gesellschaftern der Besteuerung unterliegen. Gleiches gilt im Grundsatz für Verluste. Diese werden wie die Gewinne an die Gesellschafter „durchgeleitet“, können also dort mit positiven Einkünften verrechnet werden.1
5.9
Vor allem süd- und osteuropäische Staaten besteuern Personengesellschaften nach dem sog. Trennungsprinzip.2 Personengesellschaften unterliegen in diesen Ländern i.d.R. als eigenes Steuersubjekt der Körperschaftsteuer und werden somit im Rahmen der Besteuerung wie Kapitalgesellschaften behandelt. Dies liegt oftmals daran, dass Personengesellschaften in diesen Staaten – vom deutschen Verständnis abweichend – als juristische Per-
5.10
1 Einzelne Staaten weichen hiervon ab. Vgl. für eine Übersicht über die Rechtslage in den 27 EU-Mitgliedsstaaten und den USA: Spengel/Schaden/Wehrße, StuW 2010, 44 (48 f.). 2 Vgl. hierzu im Einzelnen Spengel/Schaden/Wehrße, StuW 2010, 44 (46 ff.).
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Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
sonen qualifiziert werden. Eine Besteuerung der Personengesellschaft nach dem Trennungsprinzip geht in nahezu allen Staaten mit einer Besteuerung des Gewinntransfers an die Gesellschafter einher.1
5.11 In einigen Staaten kommen Mischformen bzw. Kombinationen der beiden Grundkonzepte zur Anwendung. Dies gilt bspw. für die Besteuerung tschechischer „Kommanditni Spolecnost“ sowie slowakischer „Komanditná Spolocnost“. Beide Gesellschaftsformen sind ihrer zivilrechtlichen Struktur nach mit einer deutschen Kommanditgesellschaft vergleichbar,2 weisen also neben Gesellschaftern, die unbeschränkt für die Gesellschaftsschulden haften, solche Gesellschafter auf, deren Haftung beschränkt ist. Bei der Besteuerung der beiden genannten Gesellschaftsformen wird nach diesen unterschiedlichen Arten von Gesellschaftern differenziert. Während die auf die unbeschränkt haftenden Gesellschafter entfallenden Gewinne diesen jeweils nach dem Transparenzprinzip unmittelbar zugerechnet werden, unterliegt der auf die beschränkt haftenden Gesellschafter entfallende Gewinnanteil auf der Ebene der Gesellschaft der Körperschaftsteuer. Die Gewinnzuteilung wird als steuerfreie Dividende behandelt.3 Schließlich besteht in einigen Staaten4 ein Wahlrecht, sich entweder nach dem Trennungs- oder nach dem Transparenzprinzip besteuern zu lassen.
II. Qualifikation der ausländischen Gesellschaft nach deutschem Recht (Steuersubjektqualifikation) 5.12 Für Zwecke der Besteuerung eines Steuerinländers an einer ausländischen Personengesellschaft ist zunächst zu prüfen, ob die Gesellschaft aus der Sicht des deutschen Steuerrechts eine Mitunternehmerschaft oder eine Körperschaft darstellt. Ausgehend von dieser steuerlichen Einordnung sind dann – unabhängig von der Behandlung der Gesellschaft im Ausland als steuerlich transparentes oder intransparentes Rechtsgebilde – die steuerlichen Konsequenzen im Inland zu ziehen. Diese Steuersubjektqualifikation ist somit maßgeblich für die Besteuerung des inländischen Gesellschafters. Im Falle einer steuerlichen Einordnung der ausländischen Gesellschaft als Mitunternehmerschaft findet das Transparenzprinzip Anwendung, d.h., es gelten grundsätzlich die gleichen Regelungen des deutschen Steuerrechts wie für inländische Personengesellschaften. Bei einer Qualifikation als Kapitalgesellschaft stellt diese hingegen gemäß dem dann anzuwendenden Trennungsprinzip ein eigenständiges Steuersubjekt dar.5 1 Vgl. zu alledem Spengel/Schaden/Wehrße, StuW 2010, 44 (44 ff.); Engel/Hilbert, FR 2012, 394 (394). 2 Vgl. Tabelle 2 in der Anlage zum BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 130 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076. 3 Vgl. Spengel/Schaden/Wehrße, StuW 2010, 44 (49). 4 Z.B. Frankreich und die USA. 5 Hey in T/L20, § 18 Rz. 1 ff.; Frotscher, Internationales Steuerrecht3, § 9 Rz. 330.
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B. Grundsätzliches zur Besteuerung
Die Qualifikation des ausländischen Rechtsgebildes, also die Einordnung 5.13 als transparente Personen- oder intransparente Kapitalgesellschaft, ist durch den sogenannten Rechtstypenvergleich vorzunehmen. Nach diesem erstmals vom Reichsfinanzhof1 entwickelten Verfahren, das seitdem vom Bundesfinanzhof in ständiger Rspr. weiterentwickelt und verfeinert wurde,2 ist darauf abzustellen, ob das ausländische Rechtsgebilde in seinem rechtlichen Aufbau und seiner Struktur im Rahmen einer Gesamtwürdigung eher einer deutschen Kapitalgesellschaft oder einer deutschen Personengesellschaft entspricht.3 Es ist also das ausländische Gesellschaftsrecht mit dem deutschen Gesellschaftsrecht zu vergleichen. Die Steuersubjektqualifikation ist eine Frage des originär innerstaatlichen Steuerrechts; abkommensrechtliche Überlegungen sind daher an dieser Stelle nicht anzustellen.4 Auch die gesellschafts- und steuerrechtliche Einordnung der Gesellschaft in ihrem Heimatstaat (Rz. 5.8 ff.) ist für deren Steuersubjektqualifikation für Zwecke der deutschen Besteuerung nicht von Bedeutung. Der zur rechtlichen Einordnung des ausländischen Rechtsgebildes durchzuführende Rechtstypenvergleich erfolgt zweistufig:5 – Auf der ersten Stufe ist die ausländische Gesellschaft auf Grundlage des ausländischen Rechts zu würdigen und es sind die für einen Vergleich mit inländischen Gesellschaften relevanten Strukturmerkmale zu ermitteln. Als Grundlage gilt dafür i.d.R. der gesetzliche Idealtypus der ausländischen Gesellschaft nach ausländischem Recht.6 Lediglich soweit es einen solchen Idealtypus nicht gibt – etwa weil das ausländische Gesellschaftsrecht bei der Ausgestaltung der rechtlichen Verhältnisse der Gesellschaft einen weitreichenden Gestaltungsspielraum einräumt – ist auf die konkrete Ausgestaltung der gesellschaftsrecht-
1 RFH v. 12.2.1930 – VI A 899/27, RFHE 27, 73. 2 BFH v. 17.7.1968 – I 121/64, BStBl. II 1968, 695; v. 3.2.1988 – I R 134/84, BStBl. II 1988, 588; v. 23.6.1992 – IX R 182/87, BStBl. II 1992, 972; v. 16.12.1992, BStBl. 1993, 399; v. 4.4.2007 – I R 110/05, BStBl. II 2007, 521. 3 Die Literatur stimmt dem mittlerweile einhellig zu. Zum früheren Meinungsstreit vgl. Graffe in D/J/P/W, § 1 KStG Rz. 81 ff. 4 BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BFH/NV 2008, 2133; BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA - 22/04, BStBl. I 2004, 411; Schnittker in Wassermeyer/Richter/ Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 4.10. 5 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 430; Schnittker in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 4.12. 6 BFH v. 23.6.1992 – IX R 182/87, BStBl. II 1992, 972; BMF v. 1.12.1980 – IV B 7 S 2741 - 20/80, DB 1981, 139; zustimmend Siegers in D/J/P/W, § 2 KStG Rz. 8; Engert in Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 8 Rz. 29; Schnittker in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 4.17 f.; a.A. (Berücksichtigung gesellschaftsvertraglich vereinbarter Abweichungen vom Idealtypus) Piltz, Die Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland, 71; Hey in FS Debatin, 121 (138); Henke/Lang, IStR 2001, 514 (516); Lüdicke, StbJb 1997/1998, 449 (453).
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5.14
Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
lichen Verhältnisse im betreffenden Einzelfall abzustellen.1 Dieses Verständnis wird auch von der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben zur Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen auf Personengesellschaften vom 16.4.20102 geteilt.3 – Auf einer zweiten Stufe ist festzustellen, welcher inländischen Organisationsform die ausländische Gesellschaft gleicht (konkreter Typenvergleich). Kann eine direkt vergleichbare deutsche Gesellschaftsform nicht gefunden werden, ist weiter zu fragen, ob die ausländische Gesellschaft ihrem Wesen nach mehr Gemeinsamkeiten mit dem abstrakten Typus der deutschen Kapitalgesellschaft hat oder grundsätzlich eher einer deutschen Personalgesellschaft typische Merkmale aufweist (abstrakter Typenvergleich).
5.15 Die Rspr. hat eine Reihe von gesellschaftsrechtlichen Merkmalen herausgearbeitet, anhand derer im Rahmen des abstrakten Typenvergleichs die Qualifikation des ausländischen Rechtsgebildes zu erfolgen hat.4 Die Finanzverwaltung hat diese Kriterien im sog. LLC-Erlass5 zusammengefasst.6 Dieses BMF-Schreiben befasst sich zwar ausschließlich mit der Qualifikation von Gesellschaften in der Rechtsform einer LLC, die dort aufgelisteten gesellschaftsrechtlichen Merkmale sind jedoch auch bei der Qualifikation anderer ausländischer Rechtsgebilde heranzuziehen.7 Für eine Einordnung als Kapitalgesellschaft sprechen demnach:
1 BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA - 22/04, BStBl. I 2004, 441 (412) für die US-LLC; wohl weitergehend: OFD Frankfurt am Main v. 14.11.2008 – S 2241 A - 107 - St 213, RIW 2009, 96, die ganz allgemein auch die getroffenen Vereinbarungen miteinbeziehen möchte. 2 BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354 Rz. 1.2. 3 Überzeugend: Schnittker in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 4.17. 4 Grundlegend: RFH v. 18.12.1930 – VI A 899/30, RStBl. 1931, 200; ebenso BFH v. 6.11.1980 – IV R 182/7, BStBl. II 1981, 220; v. 20.8.2008 – I R 34/08, BFH/NV 2008, 2123; BMF v. 16.12.1993 – IV C 5 - S 1301 Gri - 18/93, BStBl. I 1994, 3; BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA - 22/04, BStBl. I 2004, 411 (413) zur US LLC; OFD Frankfurt am Main v. 14.11.2008, RIW 2009, 96; Schnittker/Lemaitre, GmbHR 2003, 1314; Schild/Ehlermann in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung2, 1389 (1394); Schnittker, StuW 2004, 39 ff.; ausführlich zu den einzelnen Merkmalen: Schnittker in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 4.21 ff. 5 BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA - 22/04, BStBl. I 2004, 411. 6 Der BFH hat dem BMF in einem Urteil bescheinigt, die von der Rspr. herausgearbeiteten Kriterien im LLC-Erlass zutreffend wiedergegeben zu haben. Vgl. BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BFH/NV 2008, 2123. Zu den Kriterien im Einzelnen: Lemaitre/Schnittker/Siegel, GmbHR 2004, 618 ff. 7 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354 Rz. 1.2; Kahle, StuB 2005, 666 (668); Djanani/Brähler/Hartmann, IStR 2004, 481 (481).
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B. Grundsätzliches zur Besteuerung
– eine zentralisierte Geschäftsführung und Vertretung, d.h., es sind nicht alle Gesellschafter befugt, die Geschäfte der Gesellschaft zu führen und diese im Rechtsverkehr zu vertreten; – eine auf das Gesellschaftsvermögen beschränkte Haftung; – die freie Übertragbarkeit der Anteile; – eine Gewinnzuteilung durch Ausschüttungsbeschluss, d.h., der einzelne Gesellschafter kann über seinen Gewinnanteil erst nach der Abfassung eines von der Gesellschafterversammlung getroffenen Ausschüttungsbeschlusses verfügen; – das Erfordernis der Kapitalaufbringung, d.h., es besteht eine Verpflichtung der Gesellschafter, das Gesellschaftskapital durch Einlage aufzubringen; – die unbegrenzte Lebensdauer der Gesellschaft, d.h., die Gesellschaft bleibt im Falle des Austritts, des Todes oder der Insolvenz eines Gesellschafters bestehen; – die Gewinnverteilung nach Maßgabe der Beteiligungshöhe; – das Bestehen formaler Gründungsvoraussetzungen. Nach dem LLC-Erlass soll der Typenvergleich primär durch eine Würdigung des „Gesamtbildes“ der ausländischen Gesellschaft vorzunehmen sein („Gesamtbild-Test“1). Dabei müsse eine Gewichtung der oben genannten Kriterien erfolgen, wobei keinem Merkmal eine allein ausschlaggebende Bedeutung zukommen könne.2 Die Finanzverwaltung führt in diesem Zusammenhang zutreffend aus, dass das Kriterium der unbegrenzten Lebensdauer der Gesellschaft nur noch sehr eingeschränkt herangezogen werden kann, seit Kündigung, Tod oder Insolvenz eines Gesellschafters auch bei Personenhandelsgesellschaften nicht mehr zwingend die Auflösung der Gesellschaft zur Folge haben (§ 131 HGB). Führt dieser Gesamtbild-Test zu keinem eindeutigen Ergebnis, sei die ausländische Gesellschaft als Kapitalgesellschaft einzustufen, wenn sie mindestens drei der ersten fünf in Rz. 5.15 genannten Merkmale aufweist („Merkmalsmehrheit-Test“3).4
5.16
Auf Basis der Rspr. und des LLC-Erlasses können letztlich folgende Merkmale genannt werden, die für die Einordnung als Personengesellschaft sprechen:
5.17
– eine personalisierte Struktur der Gesellschaft, d.h., sämtliche Gesellschafter führen selbst (gemeinschaftlich) die Geschäfte der Gesellschaft und sind allein vertretungsberechtigt. Sind hingegen nur einzel1 Schnittker in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 4.41; Lemaitre/Schnittker/Siegel, GmbHR 2004, 618 (627). 2 Zur Bedeutung der einzelnen Merkmale: Altendorf in H/H/R, § 1 KStG Rz. 27; Schnittker/Lemaitre, GmbHR 2003, 1314 ff. 3 Schnittker in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 4.45. 4 Vgl. BMF v. 19.3.2004 – IV B - S 1301 USA - 22/04, BStBl. I 2004, 411 (unter V.).
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Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
ne Gesellschafter zur Geschäftsführung befugt, ist zu unterscheiden, ob diese Einschränkung auf gesetzlichen Regelungen oder vertraglicher Grundlage beruht. Eine Fremdgeschäftsführung zumindest auch durch einen Nicht-Gesellschafter spricht hingegen grundsätzlich für eine Kapitalgesellschaft; – unbeschränkte Haftung mindestens eines Gesellschafters aufgrund gesellschaftsrechtlicher Bestimmungen; – keine freie Übertragbarkeit der Gesellschaftsanteile, d.h., die Übertragung erfordert die Zustimmung der übrigen Gesellschafter. Da jedoch auch bei Aktiengesellschaften oder GmbH die Übertragbarkeit der Anteile nicht selten eingeschränkt ist, hat dieses Merkmal nur eine geringe Bedeutung; – keine Mindesteinlageverpflichtung bei der Kapitalaufbringung; andererseits ist auch bei Personengesellschaften die Vereinbarung einer Kapitaleinlage nicht unüblich, sodass diesem Merkmal kein allzu hohes Gewicht beizumessen ist. Keine eindeutige Einordnung ermöglichen dagegen u.E. die im LLC-Erlass angeführten Kriterien der Gewinnverteilung und -zuteilung. Denn in der Praxis erfolgt nicht nur bei Kapitalgesellschaften, sondern regelmäßig ebenso bei Personengesellschaften eine Verteilung des Gewinns nach der Beteiligungshöhe; umgekehrt kann auch bei Kapitalgesellschaften eine disquotale Gewinnverteilung erreicht werden.1 Ferner wird in den Gesellschaftsverträgen von Personengesellschaften häufig das Recht des einzelnen Gesellschafters zur Entnahme des Gewinns von einem Beschluss der Gesellschafter abhängig gemacht und damit die Gewinnzuteilung an die Rechtslage bei Kapitalgesellschaften angeglichen. Schließlich kommt u.E. den formalen Voraussetzungen für die Gründung der ausländischen Gesellschaft (bspw. die Notwendigkeit einer Registereintragung) keine besondere Aussagekraft zu.2
5.18 Die Finanzverwaltung hat in den Tabellen 1 und 2 im Anhang zum sog. Betriebsstättenerlass bereits eine Einordnung zahlreicher ausländischer Gesellschaftsformen vorgenommen.3 Ferner hat die OECD Übersichten zur steuerlichen Behandlung einzelner Gesellschaftsformen in den Mitgliedsstaaten veröffentlicht.4 Die MTR5 enthält zudem in ihrem Anhang eine Auflistung sämtlicher Gesellschaften, zwischen denen die EU-Mitgliedsstaaten Gewinnausschüttungen steuerfrei stellen müssen. Dabei handelt es sich um die Rechtsgebilde, die in ihrem Heimatstaat Körper1 Überzeugend: Schnittker in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 4.21 ff. 2 Vgl. Schnittker in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 4.38. 3 Vgl. insbesondere die Übersichten in Tabelle 1 und Tabelle 2 im Anhang zu BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 130 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076. 4 Vgl. OECD, The Application of the OECD Model Tax Convention to Partnerships, Issues in International Taxation No. 6, 1999, Annex III. 5 RL EWG Nr. 90/435 v. 23.7.1990, ABl. EG Nr. L 225, 6 – Anhang.
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B. Grundsätzliches zur Besteuerung
schaftsteuersubjekte darstellen. Im Schrifttum wird teilweise vertreten, die dort aufgeführten Gesellschaften seien in den einzelnen Mitgliedsstaaten verbindlich als Kapitalgesellschaften zu qualifizieren.1 Diese Autoren übersehen aber, dass es sich bei der Tabelle im Anhang zur MTR nicht um eine Auflistung von Kapitalgesellschaften, sondern um einen Katalog europäischer Körperschaftsteuersubjekte handelt. Dieser Unterschied ist entscheidend, weil in einigen europäischen Staaten auch Personengesellschaften der Körperschaftsteuer unterliegen (Rz. 5.10). Deshalb sind in der MTR auch Gesellschaftsformen aufgelistet, die aus deutscher Sicht eindeutig als Personengesellschaften zu qualifizieren sind. Dies betrifft bspw. die niederländische Commanditaire Vernootshap (CV), die laut Betriebsstättenerlass mit einer KG vergleichbar ist.2 Auch belgische Personengesellschaften in der Rechtsform der société en nom collectif/vennootschap onder firma3 sowie der société en commandite simple/gewone commanditaire vennootschap4 qualifizieren als Gesellschaften i.S.d. MTR. Die im Anhang der MTR aufgeführten Gesellschaften sind deshalb nicht bereits aus europarechtlichen Gründen zwingend als Kapitalgesellschaften bzw. Körperschaftsteuersubjekte zu qualifizieren. Dies ergibt sich auch aus Art. 4 Abs. 1a Satz 1 MTR, wonach die Richtlinie einer transparenten Besteuerung ausländischer Gesellschaften nicht entgegensteht. Insbesondere im angelsächsischen Rechtskreis können die Rechtsverhältnisse bestimmter Gesellschaftsformen in hohem Maß durch gesellschaftsvertragliche Regelungen bestimmt werden. In solchen Fällen fehlt es an einem gesetzlichen Idealtypus der Gesellschaft, weshalb im Rahmen des Rechtstypenvergleichs auf die konkrete Ausgestaltung der gesellschaftsvertraglichen Verhältnisse abzustellen ist (Rz. 5.14).5 Daraus ergibt sich, dass eine schlichte Änderung des Gesellschaftsvertrags zu einer abweichenden steuerlichen Qualifikation der Gesellschaft und damit zu einer Art „faktischem Formwechsel“ führen kann.
5.19
Beispiel 1:
5.20
Steuerinländer D ist Gründungsgesellschafter der US-amerikanischen X-LLC. Bislang wurde die X-LLC nach dem Rechtstypenvergleich als Kapitalgesellschaft qualifiziert. Eine Änderung des Gesellschaftsvertrags führt dazu, dass die X-LLC nunmehr steuerlich als Personengesellschaft einzuordnen ist.
1 Vgl. Schnittker in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 4.6; Hey, DK 2004, 577 (582); Aigner/Kofler, IStR 2003, 570 (582). 2 Vgl. Tabelle 1 im Anhang zu BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 130 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076. 3 Der Tabelle 1 im Anhang zu BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 130 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 zu Folge vergleichbar mit einer OHG deutschen Rechts. 4 Der Tabelle 1 im Anhang zu BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 130 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 zu Folge entspricht diese Rechtsform im Wesentlichen einer KG deutschen Rechts. 5 BMF v. 19.3.2004 – IV B - S 1301 USA - 22/04, BStBl. I 2004, 441 (412) für die USLLC.
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Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
5.21 Es stellt sich die Frage, welche steuerlichen Folgen dieser „faktische Formwechsel“ für D hat. Eine Anwendung der umwandlungssteuerrechtlichen Vorschriften über den Formwechsel (§ 9 i.V.m. §§ 3 ff. UmwStG) würde im Beispielsfall eine Qualifikation der bloßen Änderung des Gesellschaftsvertrags als einen mit einem Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft i.S. des § 190 Abs. 1 UmwG vergleichbaren ausländischen Vorgang voraussetzen. Da dies u.E. zu verneinen ist, ist weiter fraglich, ob im Beispielsfall ein Realisationstatbestand vorliegt. Denkbar wäre die Qualifikation der Änderung des Gesellschaftsvertrags als Veräußerung (§ 17 Abs. 1 EStG) oder als Auflösung (§ 17 Abs. 4 EStG). Aus der bisherigen Rspr. des BFH lässt sich hierzu keine eindeutige Aussage ableiten. Zuletzt käme auch eine Anwendung der Entstrickungsregelungen in § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AStG (im Privatvermögen) bzw. des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG (im Betriebsvermögen) infrage. So könnte die Tatsache, dass nach der Änderung des Gesellschaftsvertrags aus deutscher Sicht D nicht mehr über einen Kapitalgesellschaftsanteil, sondern über einen Mitunternehmeranteil verfügt, als Ausschluss des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung des Kapitalgesellschaftsanteils zu verstehen sein.1
III. Qualifikationskonflikte bei ausländischen Personengesellschaften 5.22 Beteiligt sich ein Steuerinländer an einer ausländischen Personengesellschaft und gehen die beteiligten Staaten bei der Besteuerung von Personengesellschaften von unterschiedlichen Konzepten aus, kann dies zu Qualifikations- bzw. Zurechnungskonflikten2 führen. Dies kann eine Doppelbesteuerung, aber auch eine „Keinmalbesteuerung“ oder „doppelte Nichtbesteuerung“ zur Folge haben. Auf solche Konstellationen wird im Zusammenhang mit der laufenden Besteuerung sowie der Veräußerungsgewinnbesteuerung noch im Einzelnen eingegangen. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf den verschiedenen Regelungen in den DBA sowie im innerstaatlichen Recht, wodurch insbesondere die Keinmalbesteuerung von Einkünften vermieden werden soll (Rz. 5.88 ff.).
1 Vgl. zu alledem Schönfeld, IStR 2011, 497 (502 f.). 2 Hinsichtlich der grundsätzlichen Begriffsbestimmungen sei auf Rz. 1.171 ff. zu den Qualifikationskonflikten verwiesen.
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C. Laufende Besteuerung inländischer Gesellschafter
C. Laufende Besteuerung inländischer Gesellschafter einer ausländischen Personengesellschaft I. Besteuerung im Nicht-DBA-Fall 1. Besteuerung laufender Einkünfte bei einheitlicher Steuersubjektqualifikation Ist die ausländische Personengesellschaft für Zwecke des deutschen Steuerrechts als Mitunternehmerschaft anzusehen, gilt aus deutscher Sicht das Transparenzprinzip. Für Zwecke der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer werden die Einkünfte zwar auf Ebene der Personengesellschaft ermittelt, die Gesellschaft ist jedoch – anders als bspw. im Rahmen der Gewerbesteuer (§ 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG) oder der Umsatzsteuer – selbst nicht steuerpflichtig. Die anteiligen Gewinne unterliegen vielmehr bei den Gesellschaftern der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer. Sind diese im Inland ansässig, so unterliegen sie mit sämtlichen Einkünften aus der Auslandspersonengesellschaft der unbeschränkten Steuerpflicht. Zu den im Inland steuerpflichtigen Einkünften gehören neben dem Gewinnanteil aus der ausländischen Personengesellschaft auch die an die Gesellschafter gezahlten Miet- und Pachtzinsen, Darlehenszinsen sowie Tätigkeitsvergütungen. Bei gewerblich tätigen (bzw. gewerblich geprägten oder infizierten) Personengesellschaften handelt es sich insoweit um Sondervergütungen nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG.
5.23
Behandelt der Ansässigkeitsstaat die ausländische Personengesellschaft ebenfalls transparent, werden ihre in Deutschland ansässigen Gesellschafter mit ihren anteiligen Einkünften dort der beschränkten Steuerpflicht unterliegen. Die im Ausland gezahlte Steuer kann entweder gemäß § 34c Abs. 1 EStG auf die deutsche Einkommensteuer angerechnet oder gemäß § 34c Abs. 2 und Abs. 3 EStG bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage abgezogen werden. Handelt es sich bei dem inländischen Gesellschafter um eine Körperschaft, finden die Anrechnungs- sowie die Abzugsmethode gem. § 26 Abs. 1 KStG bzw. über die Verweisung in § 26 Abs. 6 KStG ebenfalls Anwendung.1 Fraglich ist jedoch, ob eine Steueranrechnung (bzw. ein Steuerabzug) auch dann erfolgen kann, wenn die ausländische Steuer auf nach deutschem Recht als Sondervergütungen zu qualifizierende Einkünfte entfällt.
5.24
Beispiel 2: Der in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtige D ist an einer Personengesellschaft P im Staat P beteiligt. D gewährt der P ein Darlehen, für das er Zinsen erhält. Die von der Personengesellschaft an D gezahlten Zinsen lässt der Staat P – im Unterschied zu § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG – zum Abzug zu, erhebt jedoch zugleich auf die Zinszahlungen eine Quellensteuer.
5.25
1 Ausführlich zur Steueranrechnung bzw. zum Steuerabzug nach § 34c EStG vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 15.56 ff.
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Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
5.26 Aus Sicht des Staates P unterliegen die Zinseinkünfte des D dort der beschränkten Steuerpflicht. Die Besteuerung erfolgt durch einen Steuerabzug an der Quelle. Nach deutschem Verständnis gehören die Zinseinnahmen des D als Sondervergütungen zu den gewerblichen Einkünften (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) und unterliegen der inländischen unbeschränkten Steuerpflicht. Da nach h.M. im Rahmen von § 34d EStG ebenso wie im Rahmen von § 49 EStG eine isolierende Betrachtungsweise anzuwenden ist1 und mithin inländische Besteuerungsmerkmale, die die Annahme ausländischer Einkünfte ausschließen würden, außer Betracht bleiben, handelt es sich bei den von der Personengesellschaft P ausgezahlten Zinsen um ausländische Einkünfte i.S. von § 34d Abs. 1 Nr. 6 EStG. Da die ausländische Quellensteuer auch im Übrigen der deutschen Einkommensteuer entspricht und auch in beiden Fällen D steuerpflichtig ist, ist eine Anrechnung der ausländischen Quellensteuer nach § 34c Abs. 1 EStG auf die deutsche Einkommensteuer des D möglich.2
5.27 Eine Anrechnung sollte auch dann möglich sein, wenn die Sondervergütungen erst in einem späteren Veranlagungszeitraum bezogen werden. Beispiel 3 (Abwandlung von Beispiel 2): Der Grundsachverhalt entspricht dem des Beispiels 2. D vermietet der Personengesellschaft P ein im Ausland belegenes Betriebsgrundstück. Der Mietzins für das Jahr 01 wird von der Personengesellschaft P erst zu Beginn des Jahres 02 gezahlt und unterliegt auch erst zu diesem Zeitpunkt der beschränkten Steuerpflicht in Staat P.
5.28 Auch wenn die Mieteinkünfte nach deutschem Verständnis zu den gewerblichen Einkünften des Jahres 01 gehören, kann die im Jahr 02 anfallende ausländische Steuer gleichwohl nach § 34c Abs. 1 EStG auf die deutsche Einkommensteuer des Jahres 01 angerechnet werden, da sich die ausländische Steuer – nach deutschem Verständnis – auf Einkünfte aus dem Jahr 01 bezieht. § 34c EStG verlangt also keine zeitliche Identität zwischen den Veranlagungszeiträumen.3
5.29 Kommt im Ausland das Transparenzprinzip zur Anwendung, entsteht im Rahmen des Gewinntransfers grundsätzlich keine weitere steuerliche Belastung. Denn der Transfer von Gewinnen einer transparent besteuerten Personengesellschaft zu ihrem Gesellschafter wird in diesem Fall im Sitzstaat der Gesellschaft regelmäßig ebenso wie nach deutschem Steuerrecht als nicht steuerbare Entnahme behandelt.
1 BFH v. 9.4.1997 – I R 178/94, BStBl. II 1997, 657; v. 29.3.2000 – I R 15/99, BStBl. II 2000, 577; Gosch in Kirchhof, § 34d EStG Rz. 4; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 521. 2 Weggenmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 8.35; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 521; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 35. 3 Vgl. Wassermeyer/Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 138.
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C. Laufende Besteuerung inländischer Gesellschafter
2. Besteuerung laufender Einkünfte bei abweichender Steuersubjektqualifikation a) Intransparente Besteuerung im Sitzstaat Besteuert der Ansässigkeitsstaat die aus deutscher Sicht als Mitunternehmerschaft zu qualifizierende Gesellschaft nach dem Trennungsprinzip, ist diese im Allgemeinen im Ausland als eigenes Steuersubjekt unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Aufgrund des dabei regelmäßig zur Anwendung kommenden Welteinkommensprinzips werden sämtliche Einkünfte der ausländischen Personengesellschaft in deren Heimatstaat der Körperschaftsteuer unterliegen.
5.30
Auf die inländische Besteuerung hat die abweichende steuerliche Behandlung im Ausland zunächst keinen Einfluss. Die in Rz. 5.23 angesprochenen, allgemeinen Grundsätze der Personengesellschaftsbesteuerung finden also auch bei einer intransparenten Besteuerung der Personengesellschaft in ihrem Sitzstaat Anwendung. Unterschiede zu der Konstellation einer übereinstimmenden steuerlichen Behandlung im Sitzstaat könnten sich jedoch in Bezug auf die Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ergeben. Hier stellt sich die Frage, ob im Falle einer intransparenten Besteuerung der ausländischen Personengesellschaft eine Anrechnung der ausländischen Körperschaftsteuer auf die inländische Steuer des Mitunternehmers infrage kommt. Da in diesem Fall die ausländische Steuer nicht vom inländischen Gesellschafter, sondern von der ausländischen Gesellschaft selbst erhoben wird, ist fraglich, ob die von § 34c Abs. 1 Satz 1 EStG bzw. § 26 Abs. 1 KStG geforderte Steuersubjektidentität erfüllt ist. Die ganz h.M. im Schrifttum1 geht jedoch ebenso wie die Finanzverwaltung2 auch in dieser Konstellation von einer Anrechenbarkeit der ausländischen Steuer aus. Deutschland behandelt somit die von der ausländischen Personengesellschaft erhobene Steuer als anteilige Steuer des Mitunternehmers.3 Ebenso wie im Falle einer transparenten Besteuerung der ausländischen Personengesellschaft in ihrem Sitzstaat kann auch bei einer intransparenten Besteuerung auf Antrag des Steuerpflichtigen anstelle der Anrechnung ein Abzug der ausländischen Steuer von der Bemessungsgrundlage gemäß § 34c Abs. 2 EStG erfolgen.
5.31
Behandelt der Sitzstaat die ausländische Personengesellschaft steuerlich intransparent, hat dies regelmäßig zur Folge, dass der Gewinntransfer beim Gesellschafter einer Ausschüttungsbesteuerung unterworfen wird.
5.32
1 Vgl. Weggenmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 8.33; Hartmann, Steuergestaltung durch Verwenden hybrider Gesellschaften, 1999, 168; Debatin, DB 1977, Beilage Nr. 13 zu Heft 39, 1 (3); Piltz, Die Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland, 114. 2 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354 Rz. 4.1.4.1. 3 Vgl. Wassermeyer/Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 130.
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Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
Der inländische Gesellschafter wird folglich in diesem Fall im Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft mit der Gewinnauskehrung der beschränkten Steuerpflicht unterliegen. Eine Veranlagung findet dabei üblicherweise nicht statt. Die Steuer wird vielmehr regelmäßig durch den Abzug einer (abgeltenden) Quellensteuer auf die Gewinnauskehrung erhoben. Handelt es sich bei dem inländischen Gesellschafter um eine Kapitalgesellschaft, kommt innerhalb der EU eine Quellensteuerbefreiung aufgrund der MTR in Betracht. Denn die aus deutscher Sicht als Personengesellschaft zu qualifizierenden Gesellschaften anderer EU-Mitgliedsstaaten, die in ihrem Sitzstaat nach dem Trennungsprinzip besteuert werden, sind überwiegend in der Tabelle im Anhang der MTR enthalten und damit vom Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst.1 Aus deutscher Sicht handelt es sich bei dem Gewinntransfer um eine nicht steuerbare Entnahme des Gesellschafters. Eine im Ausland erhobene Quellensteuer entfällt somit nicht auf im Inland steuerbare Einkünfte. Aus diesem Grund lehnt der überwiegende Teil der Literatur die Anrechenbarkeit einer solchen Steuer ab.2 Die Finanzverwaltung vertritt im Rahmen der DBA-Anrechnung dieselbe Auffassung.3 Vereinzelt wird jedoch eine Anrechnung der Quellensteuer für möglich gehalten. Hierfür kann das Argument angeführt werden, dass die im Ausland beim Gewinntransfer erhobene Quellensteuer aus deutscher Sicht nicht auf eine Dividende entfällt, sondern vielmehr in eine Steuer auf den Gewinnanteil des Gesellschafters umzudeuten ist.4 b) Exkurs: Transparente Besteuerung im Sitzstaat bei deutscher Qualifikation als Kapitalgesellschaft
5.33 Wird die ausländische Grundeinheit in ihrem Sitzstaat als steuerlich transparente Personengesellschaft qualifiziert, ist sie jedoch aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Struktur mit einer deutschen Kapitalgesellschaft vergleichbar, wird der inländische Gesellschafter für Zwecke der deutschen Besteuerung als Anteilseigner einer ausländischen Körperschaft angesehen, die steuerliche Abschirmwirkung entfaltet. Der Gesellschafter unterliegt deshalb im Inland grundsätzlich nur mit den ihm i.S. einer Gewinnausschüttung zufließenden Erträgen aus der ausländischen Gesellschaft sowie mit sämtlichen Einkünften aus Lieferungen oder Leistungen an die Gesellschaft der Besteuerung. Nicht ausgeschüttete Ge-
1 Ausnahmen bildeten bislang die tschechische „Kommanditni Spolecnost“ sowie die slowakische „Komanditná Spolocnost“. Letztere Gesellschaft ist in der Neufassung der MTR nun im Anhang genannt. 2 Vgl. z.B. Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, Rz. N 312; Pyszka/Brauer, Ausländische Personengesellschaften, Rz. 35. 3 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354 Rz. 4.1.4.1. 4 Vgl. Weggenmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 8.34; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 35.
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C. Laufende Besteuerung inländischer Gesellschafter
winne werden hingegen in Deutschland grundsätzlich steuerlich nicht erfasst. 3. Besteuerung im Verlustfall a) Welteinkommensprinzip Für Verluste der ausländischen Personengesellschaft gilt im Grundsatz dasselbe wie für Gewinne. Diese werden also beim inländischen Mitunternehmer aufgrund des Welteinkommensprinzips1 in die Bemessungsgrundlage der inländischen Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer einbezogen.2 Bei der Gewerbesteuer erfolgt regelmäßig dagegen keine Berücksichtigung der Verluste der ausländischen Grundeinheit, da die ausländische Gesellschaft selbst im Regelfall nicht der Gewerbesteuer unterliegt3 und bei ihren Gesellschaftern die bei der steuerlichen Gewinnermittlung zum Abzug gebrachten Verlustanteile dem steuerlichen Gewinn gem. § 8 Nr. 8 GewStG wieder hinzugerechnet werden.4
5.34
b) Begrenzung nach § 15a EStG § 15a EStG sieht unter bestimmten Voraussetzungen für Verluste, die einem nur beschränkt haftenden Gesellschafter zugerechnet werden, eine Ausgleichs- und Abzugsbeschränkung vor. Grundgedanke dieser Regelung bildet die Vorstellung, ein beschränkt haftender Gesellschafter werde nur insoweit durch Verluste wirtschaftlich belastet, als dadurch seine Einlage oder ihm bereits gutgeschriebene Gewinne aus Vorjahren gemindert werden oder er gegenüber den Gesellschaftsgläubigern für die Verluste der Gesellschaft haftet.5 Daher sollen die ihm zuzurechnenden Verluste auch nur in diesen Fällen zum Abzug oder Ausgleich mit anderen Einkünften zur Verfügung stehen. Führt ein negatives Ergebnis der Gesellschaft dagegen weder zu einem Verlust der Einlage noch zu einer Minderung stehen gelassener Gewinne und entsteht insoweit auch keine Außenhaftung des Gesellschafters, fehlt es an einer wirtschaftlichen Belastung desselben. In diesem Fall sollen die Verluste nicht zum Ausgleich oder Abzug mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsquellen genutzt werden können. In § 15a EStG ist geregelt, dass solche, vom Gesetz als verrechenbare Verluste bezeichneten, negativen Einkünfte nur mit künftigen Gewinnen aus derselben Mitunternehmerschaft verrechnet werden können. § 15a EStG geht zwar von einem Kommanditisten als ty1 Zur Geltung des Welteinkommensprinzips für Auslandsverluste: BFH v. 5.6.1986 – IV R 268/82, BStBl. II 1986, 659. 2 Vgl. Frey in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 19.1. 3 Eine Gewerbesteuerpflicht der ausländischen Personengesellschaft besteht nur, wenn diese im Inland eine Betriebsstätte betreibt (§ 2 Abs. 1 GewStG). Dies wird regelmäßig nicht der Fall sein. 4 Vgl. Frey in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 19.39 m.w.N. 5 Vgl. Lüdemann in H/H/R, § 15a EStG Rz. 9.
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5.35
Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
pischem Anwendungsfall eines beschränkt haftenden Gesellschafters aus, die Norm ist jedoch gem. § 15a Abs. 5 Nr. 3 EStG u.a. auch auf Gesellschafter einer ausländischen Personengesellschaft anzuwenden, wenn entweder die Haftung des Gesellschafters der eines Kommanditisten oder eines stillen Gesellschafters entspricht oder die Inanspruchnahme des Gesellschafters für betriebliche Schulden durch Vertrag ausgeschlossen oder nach Art und Weise des Geschäftsbetriebs unwahrscheinlich ist.
5.36 Die Vergleichbarkeit der Außenhaftung des Gesellschafters mit der eines Kommanditisten oder eines atypisch stillen Gesellschafters ist durch einen Vergleich des Haftungsregimes der ausländischen Gesellschaftsform mit dem Haftungsstatut der KG bzw. dem einer atypisch stillen Gesellschaft festzustellen. Andere Strukturmerkmale der ausländischen Gesellschaftsform sind dabei nicht zu berücksichtigen.1 Als wesentliche Merkmale der Kommanditistenhaftung sind die grundsätzliche Beschränkung der Außenhaftung auf die im Handelsregister eingetragene Einlage sowie die Möglichkeit der Befreiung von dieser Haftung durch die Leistung der Einlage in das Gesellschaftsvermögen zu nennen.2 Für den atypisch still Beteiligten stellt der umfassende Haftungsschutz im Außenverhältnis das maßgebliche Vergleichsmerkmal dar.3 Die Kriterien des vertraglichen Ausschlusses der Haftung der Gesellschafter für betriebliche Schulden und der Unwahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme zielen eher auf ausländische Publikumspersonengesellschaften ab. Sie sollen hier nicht näher beleuchtet werden. Ist die ausländische Gesellschaftsform in Bezug auf ihr Haftungsstatut einer KG vergleichbar, führt eine sich aus einem ausländischen Register ergebende, überschießende Außenhaftung nicht zu ausgleichs- bzw. abzugsfähigen Verlusten, weil § 15a Abs. 5 EStG nicht auf § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG verweist.4 Im Verhältnis zu Personengesellschaften anderer EU-Mitgliedsstaaten begegnet diese Rechtslage europarechtlichen Bedenken.5 c) Begrenzung nach § 2a EStG
5.37 Die Vorschrift des § 2a EStG sieht speziell für negative Auslandseinkünfte Beschränkungen des Verlustabzugs und -ausgleichs vor. Verluste aus EU-Mitgliedsstaaten wurden durch das JStG 20096 aus europarechtlichen Gründen von dieser Regelung ausgenommen. Seitdem richtet sich § 2a 1 Vgl. Lüdemann in H/H/R, § 15a EStG Rz. 187. 2 Vgl. Frey in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 19.27. 3 Vgl. Schnittker/Bank, 2008, 128; Zimmermann u.a., Die Personengesellschaft im Steuerrecht10, 60. 4 Vgl. FG Düsseldorf v. 3.11.2003 – 7 K 6498/99 F, DStRE 2004, 460 (rkr.); Wacker in Schmidt31, § 15a EStG Rz. 158; Heuermann in Blümich, § 15a EStG Rz. 138; Frey in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 19.29; a.A. Lüdemann in H/H/R, § 15a EStG Rz. 187. 5 Vgl. Mitschke, FR 2008, 165 (169 f.); Lüdemann in H/H/R, § 15a EStG Rz. 187. 6 BGBl. I 2008, 2794.
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C. Laufende Besteuerung inländischer Gesellschafter
EStG letztlich nur gegen bestimmte Verluste und Gewinnminderungen aus Staaten, die nicht Mitgliedstaaten der EU/EWR sind (sog. „Drittstaaten“). Bei negativen Einkünften aus ausländischen Personengesellschaften ist § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in den Blick zu nehmen. Danach können Verluste aus einer Drittstaaten-Betriebsstätte nur mit positiven Einkünften aus einer in demselben Staat belegenen Betriebsstätte ausgeglichen werden. Dieselben Beschränkungen gelten gem. § 2a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2, Abs. 1 Satz 3 f. EStG für den Verlustabzug.1 Erbringt der Steuerpflichtige jedoch den Nachweis, dass die negativen Betriebsstätteneinkünfte aus bestimmten in dieser Vorschrift aufgezählten „aktiven“ Tätigkeiten stammen, greifen die dargestellten Beschränkungen nicht (§ 2a Abs. 2 Satz 1 EStG). Im Ergebnis beschränkt die Vorschrift nur für „passive Verluste“ aus Drittstaaten-Betriebsstätten den Verlustausgleich und Verlustabzug. Da dem inländischen Gesellschafter aufgrund des Transparenzprinzips die Betriebsstätten der ausländischen Personengesellschaft und damit auch die dort erzielten Einkünfte (anteilig) zugerechnet werden, ist § 2a EStG auch bei Verlusten ausländischer Personengesellschaften zu beachten. Die Vorschrift ist immer dann zu prüfen, wenn einem inländischen Gesellschafter über die ausländische Personengesellschaft Verluste aus einer Betriebsstätte in einem Drittstaat zugerechnet werden.2 4. Gewerbesteuerliche Behandlung Gewinne einer aus der Sicht des deutschen Steuerrechts als Mitunternehmerschaft zu qualifizierenden ausländischen Personengesellschaft unterliegen auf Ebene der Gesellschaft nur dann der Gewerbesteuer, wenn die Personengesellschaft selbst im Inland einen Gewerbebetrieb betreibt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Dies ist nur der Fall, soweit die Auslandsgesellschaft im Inland eine Betriebsstätte unterhält (§ 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG). Regelmäßig wird daher keine Gewerbesteuerpflicht der ausländischen Personengesellschaft bestehen.
5.38
Auf Ebene des inländischen Gesellschafters kommt es ebenfalls zu keiner Belastung des Gewinnanteils mit Gewerbesteuer. Gehören die Anteile an der ausländischen Personengesellschaft zum Betriebsvermögen eines inländischen Gewerbebetriebs, geht der Gewinnanteil der Auslandsgesellschaft zwar in den steuerlichen Gewinn ein. Bei der Ermittlung des Gewerbeertrags erfolgt jedoch gem. § 9 Nr. 2 GewStG eine gewerbesteuerliche Kürzung um den Anteil am Gewinn der ausländischen Personengesellschaft.3
5.39
1 Vgl. Frey in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 19.5. 2 Zur Wirkung des § 2a EStG im Rahmen des Progressionsvorbehalts siehe Rz. 2.494. 3 Im Verlustfall erfolgt korrespondierend hierzu gem. § 8 Nr. 8 GewStG eine Hinzurechnung des Verlustanteils (siehe Rz. 5.34).
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Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
5. Drittstaateneinkünfte
5.40 Erzielt die ausländische Personengesellschaft Einkünfte aus einem Drittstaat, können diese – insbesondere bei einer intransparenten Besteuerung der Auslandsgesellschaft – zugleich im Drittstaat, im Inland und im Sitzstaat der Personengesellschaft der Besteuerung unterliegen. Für solche Dreieckssachverhalte stellt sich die Frage, wie diese Mehrfachbesteuerung vermieden werden kann.
5.41 Beispiel 4: Der im Inland unbeschränkt Steuerpflichtige D ist an der Personengesellschaft P im Staat P beteiligt. Zum Gewinn der Personengesellschaft gehören Dividendeneinnahmen aus einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft in Staat Q.
5.42 Aus deutscher Sicht ist zunächst darüber zu befinden, ob die Dividenden einer Betriebsstätte in Staat P zuzuordnen sind, welche die Personengesellschaft dem D aufgrund des Transparenzprinzips vermittelt. Ist eine Zuordenbarkeit der Dividendeneinkünfte zu einer Betriebsstätte in Staat P gegeben, kann die in Staat P gezahlte Steuer auf die deutsche Steuer angerechnet werden, da es sich dann bei den Dividenden um ausländische Einkünfte i.S. des § 34d Nr. 2 Buchst. a Halbs. 1 EStG handelt. Staat P ist folglich in diesem Fall der Herkunftsstaat der Einkünfte, also der Staat aus dem die Dividenden i.S. des § 34d EStG „stammen“. Die im Staat Q erhobene Steuer soll dagegen nach Auffassung der Finanzverwaltung und der h.M. im Schrifttum nicht im Wege der Anrechnung, sondern allein durch Steuerabzug nach § 34c Abs. 3 EStG berücksichtigt werden können. Begründet wird dies damit, dass Einkünfte nur aus einem Staat stammen können. Bei den über eine Betriebsstätte erzielten Einkünften ist dies der Betriebsstättenstaat.1 Nach u.E. zutreffender Auffassung von Wassermeyer und Lüdicke soll hingegen in der dem Beispiel zugrunde liegenden Konstellation auch eine Anrechnung der im Staat Q erhobenen Steuer möglich sein. Nach Ansicht der Autoren können Einkünfte auch aus mehreren Staaten gleichzeitig stammen. Im Beispielsfall ist folglich, soweit es um die Anrechnung der in Staat P erhobenen Steuer geht, Staat P als Herkunftsstaat der Dividenden anzusehen. Zugleich gilt Staat Q für Zwecke der Anrechnung der Steuer des Staates Q als Herkunftsstaat der Einkünfte.2
5.43 Sind die Dividendeneinkünfte keiner dem inländischen Mitunternehmer durch seine Beteiligung vermittelnden Betriebsstätte der Personengesellschaft in Staat P zuzuordnen, scheidet eine Anrechnung der in Staat P erhobenen Steuer aus, da der Staat P in diesem Fall nicht als Herkunftsstaat der Dividenden angesehen werden kann. Die in Staat P gezahlte Steuer kann dann nur im Rahmen des Steuerabzugs nach § 34c Abs. 3 EStG berücksichtigt werden. Dafür ist gem. § 34c Abs. 1 i.V.m. § 34d Nr. 6 EStG eine Anrechnung der in Staat Q gezahlten Steuer möglich. 1 Vgl. etwa Wagner in Blümich, § 34d EStG Rz. 10. 2 Vgl. Wassermeyer/Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 146.
800
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C. Laufende Besteuerung inländischer Gesellschafter
5.44
Beispiel 5: Der im Inland unbeschränkt Steuerpflichtige D ist an der Personengesellschaft P im Staat P beteiligt. Zum Gewinn der Personengesellschaft gehören Einkünfte aus einer Betriebsstätte in Staat Q.
In Beispiel 5 werden die Einkünfte aus der Betriebsstätte in Staat Q aufgrund des Betriebsstättenprinzips in Staat Q der beschränkten Steuerpflicht unterliegen. Ferner werden sie im Inland bei D im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht erfasst. Zudem ist vorstellbar, dass die Einkünfte im Sitzstaat der Personengesellschaft ebenfalls der Besteuerung unterliegen. Folgt Staat P der deutschen Sichtweise, wonach Einkünfte der Personengesellschaft, die auf eine ausländische Betriebsstätte entfallen, im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht des Gesellschafters nicht steuerbar sind,1 erfolgt in Staat P zwar keine Besteuerung des auf die Betriebsstätte in Staat Q entfallenden Teils des Gesellschaftsgewinns. Behandelt Staat P Personengesellschaften steuerlich intransparent, wird er jedoch regelmäßig auch die der Betriebsstätte in Staat Q zuzuordnenden Gewinne der unbeschränkten Steuerpflicht unterwerfen.
5.45
Für die Anrechenbarkeit ausländischer Steuern ist entscheidend, aus welchem Staat die Einkünfte aus der Betriebsstätte in Staat Q i.S. des § 34d EStG stammen. Zu § 49 EStG hat der BFH entschieden, dass die Zuordnung von Einkünften zu einer ausländischen Betriebsstätte einer inländischen Personengesellschaft die Zuordenbarkeit dieser Einkünfte zu einer inländischen (Geschäftsleitungs-)Betriebsstätte logisch ausschließt. Steuerlich existieren somit keine „Unterbetriebsstätten“.2 Vielmehr stehen sämtliche dem inländischen Gesellschafter durch seine Beteiligung an der Personengesellschaft vermittelten Betriebsstätten nebeneinander auf der gleichen Stufe. Diese überzeugenden dogmatischen Grundsätze gelten auch für § 34d EStG. Für den Beispielsfall bedeutet dies, dass die Einkünfte gem. § 34c Nr. 2 Buchst. a EStG aus Staat Q stammen und somit nur die in Staat Q erhobene Steuer im Inland angerechnet werden kann. Eine im Sitzstaat der Personengesellschaft erhobene Steuer kann allein im Wege des Steuerabzugs (§ 34c Abs. 3 EStG) berücksichtigt werden.
5.46
Beispiel 6: Der im Inland unbeschränkt Steuerpflichtige D ist an der Personengesellschaft P im Staat P beteiligt. Zum Gewinn der Personengesellschaft gehören Dividenden aus einer Beteiligung an einer inländischen Kapitalgesellschaft sowie Gewinne aus einer im Inland belegenen Betriebsstätte.
5.47
In Beispiel 6 ist ein sog. unechter Dreieckssachverhalt gegeben, wobei Deutschland gleichzeitig als Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters und als Quellenstaat in Erscheinung tritt. Hinsichtlich der Anrechenbarkeit einer ggf. in Staat P erhobenen Steuer gilt dabei Folgendes: Die auf die Di-
5.48
1 Vgl. BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663; siehe auch Weggenmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 8.78. 2 Vgl. BFH v. 24.2.1988 – IR 95/84, BStBl. II 1988, 663.
Schänzle/Engel
801
Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
videnden entfallenden Steuern können im Inland angerechnet werden, wenn die entsprechende Beteiligung einer Betriebsstätte der Personengesellschaft in Staat P zuzuordnen ist. Denn im Falle einer solchen Zuordnung ist Staat P gem. § 34d Nr. 2 EStG als Herkunftsstaat der Dividenden anzusehen. Ist die Beteiligung keiner Betriebsstätte in Staat P zuzuordnen, scheidet mangels ausländischer Einkünfte eine Anrechnung der ausländischen Steuer aus und es kann insoweit lediglich ein Steuerabzug nach § 34c Abs. 3 EStG erfolgen. Entsprechend der im Zusammenhang mit echten Dreieckskonstellationen dargestellten Systematik des „Nebeneinanders“ der von der Personengesellschaft unterhaltenen Betriebsstätten (keine „Unterbetriebsstätte“, siehe Rz. 5.46) scheidet eine Zuordnung des inländischen Betriebsstättenergebnisses zu einer (Geschäftsleitungs-)Betriebsstätte der Personengesellschaft P in Staat P aus. Aus deutscher Sicht liegen insoweit keine ausländischen Einkünfte i.S. von § 34d EStG vor, weshalb eine im Ausland auf den inländischen Betriebsstättengewinn erhobene Steuer nicht auf die inländische Steuer angerechnet, sondern nur bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage abgezogen werden kann.
II. Besteuerung im DBA-Fall 1. Steuersubjektqualifikation und Abkommensberechtigung
5.49 Besteht zwischen Deutschland und dem Sitzstaat der Personengesellschaft ein DBA, stellt sich die Frage, ob die Gesellschaft selbst oder die hinter der Gesellschaft stehenden Gesellschafter vom persönlichen Anwendungsbereich des Abkommens umfasst sind. Das OECD-MA regelt in Art. 1 OECD-MA, dass das Abkommen auf die Einkünfte bzw. das Vermögen von Personen anzuwenden ist, die in einem Vertragsstaat oder in beiden Vertragsstaaten ansässig sind. Der Abkommensschutz bzw. die „Abkommensberechtigung“1 setzt somit voraus, dass es sich um eine Person i.S. von Art. 3 Abs. 1a OECD-MA handelt und dass diese ihre Ansässigkeit (Art. 4 OECD-MA) in zumindest einem der Vertragsstaaten hat.2
5.50 Der Begriff der Person umfasst gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA „natürliche Personen, Gesellschaften und alle anderen Personenvereinigungen“, wobei als „Gesellschaften“ juristische Personen und solche Rechtsträger zu qualifizieren sind, die wie juristische Personen besteuert werden (Art. 3 Abs. 1 Buchst. b OECD-MA). Intransparent besteuerte Personengesellschaften stellen somit „Gesellschaften“ im abkommensrecht1 Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 11; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.170. 2 Vgl. hierzu auch Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.170; Heurung/Engel in Prinz/Seitz, Umwandlungen im int. Steuerrecht, Rz. 5.3 (im Erscheinen).
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C. Laufende Besteuerung inländischer Gesellschafter
lichen Sinne dar. Steuerlich transparente Personengesellschaften fallen dagegen unter den Begriff der „anderen Personenvereinigungen“. Das maßgebliche Kriterium zur Bestimmung der Ansässigkeit einer Person stellt gem. Art. 4 OECD-MA die unbeschränkte Steuerpflicht in dem jeweiligen Staat dar. Natürliche Personen und Kapitalgesellschaften sind damit ansässige Personen im abkommensrechtlichen Sinne und können damit den Schutz des Abkommens für sich beanspruchen. Für die Abkommensberechtigung von Personengesellschaften gilt, dass diese in einem Vertragsstaat ansässig sind, wenn sie dort selbst – also als eigenes Steuersubjekt – einer nicht nur beschränkten Steuerpflicht unterliegen.1 Im Falle einer transparenten Besteuerung scheidet eine Personengesellschaft mithin als ansässige Person aus. Eine in ihrem Sitzstaat intransparent besteuerte Personengesellschaft ist hingegen in diesem Staat abkommensrechtlich ansässig und damit berechtigt, den Abkommensschutz für sich geltend zu machen. Dies hat allerdings nach dem Urteil des BFH vom 25.5.20112 nicht zur Folge, dass Deutschland die von einer solchen Personengesellschaft erzielten Einkünfte entgegen den eigenen Besteuerungsgrundsätzen der Gesellschaft selbst zurechnen müsste. Eine „subjektive Qualifikationsverkettung“ besteht somit nach zutreffender Ansicht des I. Senats nicht. Vielmehr hat aus deutscher Sicht auch abkommensrechtlich eine Zurechnung der Einkünfte zu den hinter der Personengesellschaft stehenden Gesellschaftern zu erfolgen.3 Abkommensberechtigung und Steuerpflicht im anderen Staat können somit auseinanderfallen. Eine steuerlich unterschiedliche steuerliche Einordnung der Personengesellschaft in den beteiligten Staaten kann insbesondere zu einer abweichenden Zuordnung des „Unternehmens“ im abkommensrechtlichen Sinne (Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA) führen. Hierauf wird noch zurückzukommen sein (siehe Rz. 5.127 ff.).
5.51
2. Besteuerung des Gewinnanteils bei einheitlicher Qualifikation a) Abkommensrechtliche Einkünftequalifikation aa) Unternehmensgewinne (1) Abkommensrechtlicher Unternehmensbegriff Fällt der Gewinnanteil eines Steuerinländers aus einer ausländischen Per- 5.52 sonengesellschaft in den Anwendungsbereich eines DBA, ist darüber zu befinden, unter welche der in den Art. 6–8, 10–21 OECD-MA geregelten abkommensrechtlichen Einkunftsarten der Gewinnanteil zu subsumieren ist. Da sich die Beteiligung an einer ausländischen Personengesell1 Einige deutsche DBA enthalten in Bezug auf die Ansässigkeit von Personengesellschaften spezielle Regelungen, vgl. hierzu die Abkommensübersicht bei Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 140. 2 BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602. 3 Vgl. hierzu Prinz, FR 2012, 381 (382); Engel/Hilbert, FR 2012, 394 (397).
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Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
schaft in der Mehrzahl der praktischen Fälle als eine Investition im unternehmerischen Bereich darstellt, liegt es nahe, zunächst zu prüfen, ob Unternehmensgewinne i.S. von Art. 7 OECD-MA vorliegen. Art. 7 OECD-MA selbst enthält keine Definition dessen, was unter einem Unternehmensgewinn zu verstehen ist. Der Begriff des „Unternehmens“ ist allerdings in Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA als „Ausübung einer Geschäftstätigkeit“ umschrieben. Eine erschöpfende Definition kann hierin nicht gesehen werden, da offenbleibt, was unter einer „Geschäftstätigkeit“ zu verstehen ist. Aus diesem Grund gehen die OECD1, die Finanzverwaltung2 sowie die h.M. im Schrifttum3 davon aus, dass insoweit auf das innerstaatliche Recht der Vertragsstaaten zurückzugreifen ist. Aus deutscher Sicht wäre somit § 15 Abs. 2 EStG heranzuziehen. Der Gewinnanteil einer i.S. des § 15 Abs. 2 EStG gewerblich tätigen Personengesellschaft würde damit stets als Unternehmensgewinn im abkommensrechtlichen Sinne gelten. Dies entspricht auch der bisherigen Rspr. des BFH.4 In einer jüngeren Entscheidung zum DBA-Spanien 19665 führt der I. Senat des BFH nun dagegen aus, dass die Frage, was als Unternehmen im abkommensrechtlichen Sinne anzusehen ist, nicht durch einen Rückgriff auf die Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 EStG, sondern primär durch eine Würdigung des Wortlauts und des Zwecks des Art. 5 OECD-MA sowie des systematischen Zusammenhangs mit anderen Abkommensbestimmungen zu beantworten sei. Der BFH nimmt damit nunmehr an, dass der abkommensrechtliche Unternehmensbegriff durch eine Auslegung aus dem Abkommen heraus zu bestimmen ist. Art. 5 OECD-MA kommt im Rahmen einer abkommensorientierten Auslegung deshalb eine maßgebliche Bedeutung zu, weil dort in Abs. 1 der Norm der Begriff der Betriebsstätte als eine „feste Geschäftseinrichtung, durch die die Tätigkeit des Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird“ definiert wird. Sofern bestimmte Tätigkeiten gem. Art. 5 OECDMA eine Betriebsstätte begründen, sind diese mithin auch als unternehmerisch im abkommensrechtlichen Sinne zu qualifizieren, führen also zu Einkünften nach Art. 7 OECD-MA. Hinsichtlich des Zusammenhangs mit anderen Abkommensnormen soll sich nach Auffassung des BFH unter Berücksichtigung des abkommensrechtlichen Spezialitätsprinzips insbesondere ergeben, dass sämtliche Tätigkeiten, die als Land- und Forstwirtschaft i.S. des Art. 6 Abs. 1 OECD-MA anzusehen sind, nicht unter den abkommensrechtlichen Unternehmensbegriff fallen.6 1 Vgl. OECD-MK Art. 3 Nr. 4. 2 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.1. 3 Vgl. Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 16a; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 29 ff.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.236. 4 Vgl. BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, BFHE 229, 252; v. 9.12.2010 – I R 49/09, BStBl. II 2011, 482; v. 24.8.2011 – I R 46/10, BFH/NV 2011, 2165. 5 BFH v. 27.10.2011 – I R 26/11, BFH/NV 2012, 860. 6 Vgl. hierzu kritisch Engel/Hilbert, IWB 2012, 316 ff.
804
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C. Laufende Besteuerung inländischer Gesellschafter
(2) Gewerblich tätige Personengesellschaft Eine i.S. des § 15 Abs. 2 EStG gewerblich tätige Personengesellschaft wird ihren Gesellschaftern – auch unter Berücksichtigung der Grundsätze des BFH-Urteils vom 27.10.20111 – im Regelfall Unternehmensgewinne i.S. des Art. 7 OECD-MA vermitteln. Denn der innerstaatliche Begriff des Gewerbebetriebs und der des Unternehmens im abkommensrechtlichen Sinne weisen einen weiten Überschneidungsbereich auf. Eine vollständige Deckungsgleichheit besteht jedoch nicht. Der abkommensrechtliche Begriff des Unternehmens weicht vielmehr in einigen Aspekten von dem des Gewerbebetriebs ab. So umfasst der abkommensrechtliche Unternehmensbegriff bspw. auch freiberufliche Tätigkeiten, sofern das DBA keine eigenständige Vorschrift für Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit (Art. 14 OECD-MA a.F.) enthält. Ferner können bestimmte Einkünfte nach innerstaatlichem Recht als solche aus Land- und Forstwirtschaft zu qualifizieren sein, während sie abkommensrechtlich aufgrund einer fehlenden Nutzung unbeweglichen Vermögens nicht unter Art. 6 OECD-MA gefasst werden können und damit dem Anwendungsbereich des Art. 7 OECDMA zuzuschreiben sind.2 Weitere Abweichungen ergeben sich aus der Interpretation des abkommensrechtlichen Spezialitätsprinzips i.S. des Urteils des BFH vom 27.10.2011.3 Danach fallen die von Art. 6 OECD-MA erfassten Tätigkeiten bereits von vornherein aus dem Anwendungsbereich des Art. 7 OECD-MA heraus, sodass bspw. Einkünfte aus der Vermietung unbeweglichen Vermögens keine Unternehmensgewinne sind (Rz. 8.52).
5.53
(3) Vermögensverwaltende Personengesellschaft Geht die Personengesellschaft einer vermögensverwaltenden Tätigkeit nach, wird sie ihrem Gesellschafter regelmäßig Einkünfte i.S. der Art. 6, 10–13 und 21 OECD-MA vermitteln. Die Personengesellschaft wird abkommensrechtlich aus deutscher Sicht ebenso wie nach innerstaatlichem Recht vollständig transparent behandelt, d.h., das Abkommen wird im Grundsatz so angewendet, als hätte der inländische Gesellschafter die auf ihn entfallenden Einkünfte unmittelbar selbst erzielt.4 Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Ausführungen zu Einkünften aus unbeweg1 BFH v. 27.10.2011 – I R 26/11, BFH/NV 2012, 860. 2 Vgl. Weggenmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 8.13, der als Beispiel Großimkereien und bestimmte Formen der Viehzucht nennt. 3 BFH v. 27.10.2011 – I R 26/11, BFH/NV 2012, 860. 4 Etwas anderes gilt auch nicht, soweit das Abkommen Begünstigungen daran knüpft, dass „Nutzungsberechtigter“ eine im anderen Staat ansässige Person ist, weil als Nutzungsberechtigter derjenige angesehen werden kann, dem die Einkünfte nach dem innerstaatlichen Recht zuzurechnen sind (hier: dem inländischen Gesellschafter), vgl. Lemaitre/Lüdemann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 7.34; Wassermeyer in D/W, Art. 11 OECD-MA Rz. 57.
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5.54
Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
lichem Vermögen (Rz. 5.74 ff.) und Dividenden, Zinsen, Lizenzgebühren sowie sonstigen Einkünften (Rz. 5.60 ff.) verwiesen. (4) Gewerbliche Prägung
5.55 Die Finanzverwaltung will die Frage, ob ein Unternehmen im abkommensrechtlichen Sinne vorliegt, aufgrund der Vorschrift des Art. 3 Abs. 2 OECD-MA durch einen umfassenden Rückgriff auf das innerstaatliche Recht des jeweiligen Vertragsstaats beantworten. Sie zieht dabei § 15 EStG in seiner Gesamtheit heran, sodass ihrer Ansicht nach auch der Anteil am Gewinn einer tatsächlich rein vermögensverwaltend tätigen Personengesellschaft abkommensrechtlich als Unternehmensgewinn i.S. von Art. 7 OECD-MA zu qualifizieren ist, wenn die Tätigkeit der Personengesellschaft nach innerstaatlichem Recht aufgrund einer gewerblichen Prägung (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) als Gewerbebetrieb gilt.1 Die ganz h.M. im Schrifttum lehnt dagegen eine Wirkung der Fiktion des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG für Zwecke des Abkommensrechts ab.2 Nach dieser Sichtweise wäre im Rahmen der Einkünftequalifikation in Bezug auf Anteile am Gewinn einer gewerblich geprägten Personengesellschaft auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit abzustellen. Der BFH hat sich in der jüngeren Vergangenheit ebenfalls mehrfach gegen ein Durchschlagen der Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG auf das Abkommensrecht ausgesprochen.3 Die Auffassung der Finanzverwaltung dürfte daher nicht mehr länger haltbar sein. (5) Gewerbliche Infektion
5.56 Wie schon im Zusammenhang mit der sog. gewerblichen Prägung dargestellt wurde (Rz. 5.55), sind nach Ansicht der Finanzverwaltung stets Unternehmensgewinne im abkommensrechtlichen Sinne gegeben, wenn nach Maßgabe des § 15 EStG ein Gewerbebetrieb vorliegt. Konsequenterweise nimmt die Verwaltung an, dass auch § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG auf das Abkommensrecht durchschlägt. Nach Verwaltungsauffassung ist demnach insgesamt von Unternehmensgewinnen auszugehen, wenn die ausländische Personengesellschaft nur teilweise einer gewerblichen Tätigkeit nachgeht oder Einkünfte aus einer gewerblichen Per-
1 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.1; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 1.1.5.1. 2 Vgl. Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 41; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECDMA Rz. 57; Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 46; Niehaves in Haase, Art. 7 OECD-MA Rz. 32 ff.; Oenings/Seitz in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 12.59; Elser/Gütle-Kunz in Wassermeyer/Richter/ Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 11.48 m.w.N. 3 Vgl. BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, BFHE 229, 252; v. 9.12.2010 – I R 49/09, BStBl. II 2011, 482; v. 24.8.2011 – I R 46/10, BFH/NV 2011, 2165.
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C. Laufende Besteuerung inländischer Gesellschafter
sonengesellschaft bezieht.1 Das Schrifttum steht dieser Auffassung zu Recht ganz überwiegend ablehnend gegenüber.2 Der BFH hat jüngst ebenfalls eine Wirkung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG auf DBA-Ebene abgelehnt.3 Im Rahmen der abkommensrechtlichen Einkünftequalifikation sollten somit richtigerweise die Einkünfte aus einer tatsächlichen unternehmerischen Tätigkeit der Personengesellschaft und die Einkünfte aus Vermögensverwaltung jeweils für sich zu beurteilen sein. Im Einzelfall hat mithin eine Aufteilung der Einkünfte zu erfolgen.4 (6) Betriebsaufspaltung Für die Betriebsaufspaltung gelten die vorstehenden Ausführungen zur gewerblichen Prägung bzw. gewerblichen Infektion (Rz. 5.55 f.) entsprechend. Die von der Besitzpersonengesellschaft erzielten Einkünfte sind somit abkommensrechtlich entsprechend ihrem tatsächlichen Charakter zu qualifizieren. Im Rahmen einer Grundstücksvermietung erzielt der Gesellschafter über seine Beteiligung an der Besitzgesellschaft also bspw. Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen (Art. 6 OECD-MA) und keine Unternehmensgewinne.5
5.57
(7) Stille und atypisch stille Beteiligungen Die Unterscheidung zwischen typisch und atypisch stillen Gesellschaften ist auch für die abkommensrechtliche Einkünftequalifikation von Bedeutung. Einkünfte aus typisch stillen Beteiligungen sind grundsätzlich abkommensrechtlich keine Dividenden, da es an der hierfür erforderlichen Beteiligung des stillen Gesellschafters am Liquidationserlös fehlt; vielmehr liegen Zinsen i.S. des Art. 10 OECD-MA vor.6 In der deutschen Abkommenspraxis werden Einkünfte aus einer typisch stillen Beteili1 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.1; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 1.1.5.1. 2 Vgl. Lemaitre/Lüdemann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 7.29; Weggenmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 8.16; Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 40, 53; Piltz/Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 86; Elser/Gütle-Kunz in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 11.48 m.w.N.; der Verwaltung zustimmend hingegen: Strunk/Kaminski in S/K/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 32. 3 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602. 4 Vgl. Kempermann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 3.70. 5 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602; Kempermann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 3.69. 6 Vgl. BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793; BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.1.3; Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 165 f., 208; Wassermeyer in D/W, Art. 10 OECDMA Rz. 115; Gradel in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 75; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.333.
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5.58
Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
gung jedoch oftmals in die Dividendendefinition einbezogen.1 Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass für Einkünfte aus stillen Beteiligungen ein im Methodenartikel vorgesehenes Schachtelprivileg anzuwenden wäre, selbst wenn neben der stillen Beteiligung eine entsprechende Beteiligung am Grundkapital der Kapitalgesellschaft bestehen sollte.2
5.59 Einkünfte aus atypisch stillen Beteiligungen stellen dagegen abkommensrechtlich Unternehmensgewinne i.S. des Art. 7 OECD-MA dar. Dies gilt auch für den Fall, dass Einkünfte aus stillen Beteiligungen ohne weitere Differenzierungen in die abkommensrechtliche Dividendendefinition einbezogen werden, da dort stets nur Einkünfte als typisch stiller Gesellschafter angesprochen sind.3 bb) Dividenden, Lizenzgebühren, Zinsen und sonstige Einkünfte
5.60 Eine ausländische Personengesellschaft kann ihrem Gesellschafter Dividenden (Art. 10 OECD-MA), Zinsen (Art. 11 OECD-MA) oder Lizenzgebühren (Art. 11 OECD-MA) sowie andere Einkünfte i.S. des Art. 21 OECD-MA4 vermitteln. Da diese Einkunftsarten derselben Systematik folgen, sollen sie hier gemeinsam behandelt werden. Die dem inländischen Gesellschafter über seine Beteiligung zugerechneten Dividenden, Zinsen etc. unterliegen grundsätzlich den jeweiligen speziellen Verteilungsnormen. Ist die ausländische Personengesellschaft lediglich vermögensverwaltend tätig, ergeben sich dabei grundsätzlich dieselben Rechtsfolgen, als wenn der Gesellschafter die Dividenden, Zinsen, etc. unmittelbar selbst bezogen hätte, d.h., es sind die Art. 10, 11, 12 bzw. 21 OECD-MA anzuwenden, ohne dass weitere Prüfungsschritte notwendig wären.5 Etwas anderes gilt, wenn die ausländische Personengesellschaft einer unternehmerischen Betätigung nachgeht. Zwar sind dann aufgrund des abkommensrechtlichen Spezialitätsprinzips zunächst ebenfalls die speziellen Verteilungsartikel einschlägig (Art. 7 Abs. 7 OECDMA), jedoch gilt die Vorrangigkeit dieser Verteilungsnormen gegenüber Art. 7 OECD-MA nicht, wenn der den Einkünften zugrunde liegende Vermögenswert, das sog. Stammrecht (Beteiligung, für die Dividende gezahlt wird; Forderung, für die Zinsen entrichtet werden; Lizenz, für die Gebühr 1 Vgl. hierzu die Abkommensübersicht bei Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 204, 231. 2 Vgl. BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793; BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.1.3; sowie zu alledem Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.333. 3 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.1.2; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.334 m.w.N. 4 Hierunter fallen insbesondere Drittstaateneinkünfte. 5 Insbesondere kann als „Nutzungsberechtigter“ derjenige angesehen werden, dem die Einkünfte nach dem innerstaatlichen Recht zuzurechnen sind (hier: dem inländischen Gesellschafter), vgl. Lemaitre/Lüdemann in Wassermeyer/ Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 7.34; Wassermeyer in D/W, Art. 11 OECD-MA Rz. 57.
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C. Laufende Besteuerung inländischer Gesellschafter
gezahlt wird) tatsächlich zu einer Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat (dem Sitzstaat der Personengesellschaft) gehört. Denn für diesen Fall sieht der in den Art. 10 Abs. 4, 11 Abs. 4, 12 Abs. 3, 21 Abs. 2 OECD-MA jeweils enthaltene Betriebsstättenvorbehalt eine Rückverweisung zu Art. 7 OECD-MA vor.1 Greift der Betriebsstättenvorbehalt ein, hat der Quellenstaat auch für die Dividenden, Zinsen etc. ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht. Für die Besteuerung im Wohnsitzstaat ergibt sich eine steuerliche Bedeutung des Betriebsstättenvorbehalts, sofern – wie dies in den deutschen DBA zumeist der Fall ist2 – der Methodenartikel zur Vermeidung der Doppelbesteuerung für ausländische Betriebsstättengewinne die Freistellungsmethode, für Dividenden, Zinsen, Lizenzgebühren und andere Einkünfte i.S. des Art. 21 OECD-MA hingegen die Anrechnungsmethode vorsieht. Denn bei einem Eingreifen des Betriebsstättenvorbehalts partizipieren diese Einkünfte an der Freistellung des Betriebsstättengewinns.3 Der von Wassermeyer vertretenen Ansicht, wonach der Betriebsstättenvorbehalt für die Anwendung des Methodenartikels keine Wirkung entfaltet, sodass auch bei Eingreifen eines Betriebsstättenvorbehalts die für Dividenden, Lizenzen etc. vorgesehenen Regelungen gelten,4 hat der BFH nun in seinem Urteil vom 24.8.20115 zum DBA-Großbritannien 1964/19706 eine Absage erteilt und sich damit der h.M. im Schrifttum7 angeschlossen.8
5.61
Der Betriebsstättenvorbehalt setzt voraus, dass das entsprechende Stamm- 5.62 recht „tatsächlich“ zu einer Betriebsstätte im anderen Staat „gehört“ (Art. 10 Abs. 4, 11 Abs. 4, 12 Abs. 3, 21 Abs. 2 OECD-MA). Nach der Rspr. ist diese tatsächliche Zugehörigkeit von einer rein (steuer-)rechtlichen Zugehörigkeit zu unterscheiden. Bevor jedoch näher auf das Kriterium der tatsächlichen Zugehörigkeit eingegangen wird, soll der Frage nachgegangen werden, ob im Rahmen der Zuordnung von Wirtschaftsgütern 1 Vgl. zu alledem Seitz in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 5.54. 2 Vgl. die Abkommensübersicht bei Vogel in V/L5, Art. 23 B OECD-MA Rz. 16. 3 Vgl. Seitz in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 5.56. 4 Vgl. Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 160, 160c und Art. 10 OECDMA Rz. 139. 5 BFH v. 14.8.2011 – I R 46/10, BFH/NV 2011, 2165; in einer früheren Entscheidung hatte der BFH diese Frage noch offengelassen, vgl. BFH v. 7.8.2002 – I R 10/01, BStBl. II 2002, 848. 6 Auch wenn dies in der Urteilsbegründung anders anklingen mag, ist die Entscheidung auf andere DBA übertragbar, vgl. Ditz/Liebchen, IStR 2012, 449 (452 f.). 7 Vgl. Vogel in V/L5, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 32; Strunk/Kaminski, IStR 2003, 181 (185); Lang/Reich/Schmidt, IStR 2007, 1 (6). Der Auffassung Wassermeyers zustimmend hingegen Kluge in FS Wassermeyer, 663 (678 f.); vgl. auch ausführlich Gosch in FS Wassermeyer, 263 (281 ff.), der sich im Ergebnis nicht festlegt. 8 Vgl. zu alledem Heurung/Engel in Prinz/Seitz, Umwandlungen im int. Steuerrecht Rz. 5.15 (im Erscheinen).
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Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
für Zwecke des Betriebsstättenvorbehalts nur die Betriebsstätten der Personengesellschaft oder auch die Betriebsstätten der Mitunternehmer als Zuordnungssubjekt infrage kommen.
5.63 Beispiel 7: Die inländische D-GmbH ist zu 100 % an der Personengesellschaft P in DBA-Freistellungsstaat P beteiligt. Die Personengesellschaft verfügt selbst nur über eine einzige (Geschäftsleitungs-)Betriebsstätte in Staat P. Der Gewinnanteil der D-GmbH aus der P enthält u.a. Dividenden aus einer Beteiligung der P an der Kapitalgesellschaft X, welche Sitz und Geschäftsleitung in Staat X hat.
5.64 In Beispiel 7 stellt sich die Frage, wie die im Gewinnanteil der D-GmbH enthaltenen, an die P gezahlten Dividenden der X abkommensrechtlich zu behandeln sind. Da Art. 10 OECD-MA ausweislich seines Wortlauts nur für Ausschüttungen von im anderen Vertragsstaat ansässigen Gesellschaften gilt, fallen Auskehrungen von Drittstaatsgesellschaften abkommensrechtlich grundsätzlich unter Art. 21 Abs. 1 OECD-MA mit der Folge, dass allein dem Wohnsitzstaat (hier: Deutschland) ein Besteuerungsrecht zukommt. Ist die Beteiligung an der X jedoch einer Betriebsstätte im anderen Staat (hier: Staat P) zuzuordnen, kommt Art. 7 OECDMA zur Anwendung (Art. 21 Abs. 2 OECD-MA). Staat P hätte dann ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht und Deutschland würde den Gewinn von der Steuer freistellen. Nimmt man nun an, dass die Beteiligung der P an der Gesellschaft X nur einer von der Personengesellschaft selbst unterhaltenen Betriebsstätte zugeordnet werden kann, wären im Beispielsfall die Voraussetzungen des Betriebsstättenvorbehalts gegeben, da die P nur in Staat P Betriebsstätten unterhält. Vertritt man dagegen die Auffassung, dass neben der dem Gesellschafter über seine Beteiligung an der Personengesellschaft zuzurechnenden Betriebsstätte der P auch die von ihm selbst unterhaltenen Betriebsstätten als Zuordnungsobjekt der Beteiligung an der X infrage kommen, müsste hier weitergehend geprüft werden, welcher Betriebsstätte die Beteiligung tatsächlich zugehörig ist.
5.65 Der BFH hat in seinem Beschluss vom 19.12.20071 zu einer dem Beispiel vergleichbaren Konstellation für das DBA-Niederlande i.S. der letztgenannten Auffassung entschieden. Im Ergebnis hat der I. Senat dabei eine Zuordnung einer Beteiligung zu einer dem inländischen Gesellschafter über die niederländische Personengesellschaft vermittelte Betriebsstätte in den Niederlanden abgelehnt, weil es an einer tatsächlich-funktionalen Bedeutung der Beteiligung für den Betrieb der Personengesellschaft gefehlt habe. Die Finanzverwaltung folgt der Auffassung des BFH und wendet die Grundsätze allgemein an.2
1 BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510; zum sog. CV-Modell Haun in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 1761 (1773). 2 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.4.1.
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C. Laufende Besteuerung inländischer Gesellschafter
Unseres Erachtens sollte entgegen der Ansicht des BFH und der Finanzverwaltung ein zum Vermögen einer ausländischen Personengesellschaft gehörendes Wirtschaftsgut nur einer von der Personengesellschaft selbst unterhaltenen Betriebsstätte und keiner eigenen Betriebsstätte des Gesellschafters zugeordnet werden können. In Beispiel 7 wäre deshalb in jedem Fall eine Zuordnung zu einer Betriebsstätte in Staat P gegeben. Der Grund hierfür ist darin zu sehen, dass auch für Zwecke des DBA zwischen dem Unternehmen der Personengesellschaft und einem etwaigen eigenen Unternehmen des Gesellschafters zu unterscheiden ist. Diese Unternehmen bilden abkommensrechtlich nicht etwa deshalb eine Einheit, weil der inländische Gesellschafter als „Betreiber“ des (anteiligen) Unternehmens der Personengesellschaft anzusehen ist.1 Der BFH geht jedoch genau davon aus und nimmt daher erkennbar an, der inländische Gesellschafter und „seine“ ausländische Personengesellschaften stünden sich im selben Verhältnis gegenüber wie „Stammhaus“ und Betriebsstätte. Dass dieses Verständnis unzutreffend ist, zeigt sich, wenn man Beispiel 7 leicht abwandelt.
5.66
Beispiel 8 (Abwandlung von Beispiel 7):
5.67
Der Ausgangssachverhalt entspricht dem des Beispiels 7. Nur soll die GmbH nicht zu 100 %, sondern zu 99 % an der Personengesellschaft P beteiligt sein. Das übrige Prozent entfällt auf den Steuerinländer D, der selbst keiner unternehmerischen Betätigung nachgeht und der an der Geschäftsführung der P nicht beteiligt ist.
In dieser Konstellation erscheint zwar nach der BFH-Rspr. hinsichtlich des Gewinnanteils der X-GmbH eine Zuordnung der Beteiligung zu einer inländischen Betriebsstätte der X-GmbH möglich, in Bezug auf D scheidet eine solche Zuordnung jedoch aus, da dieser im Inland keine eigene Betriebsstätte unterhält. Eine unterschiedliche Zuordnung von Wirtschaftsgütern des Gesamthandsvermögens der Personengesellschaft bei den einzelnen Gesellschaftern ist u.E. abzulehnen, sodass richtigerweise sowohl bei der D-GmbH als auch bei D nur eine Zuordnung der Beteiligung zu der einzigen Betriebsstätte der P infrage kommen sollte.
5.68
Zusammenfassend ist damit festzuhalten, dass das Unternehmen der Personengesellschaft von dem Unternehmen des Gesellschafters zu unterscheiden ist. Das Unternehmen der Personengesellschaft besteht abkommensrechtlich nur aus den von der Gesellschaft selbst unterhaltenen Betriebsstätten. Innerhalb des Betriebsstättenvorbehalts können Wirtschaftsgüter mithin auch nur den eigenen Betriebsstätten der Personengesellschaft zugeordnet werden. Das sog. „Stammhaus“ stellt letztlich ebenfalls (nur) eine Betriebsstätte dar. Von anderen Betriebsstätten hebt sich das „Stammhaus“ – oder besser die Geschäftsleitungsbetriebsstätte – allein dadurch ab, dass dort die grundlegenden Entscheidungen des gesamten Unternehmens der Personengesellschaft getroffen werden. Ein „inländisches Stammhaus“ der Personengesellschaft kann deshalb nur
5.69
1 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 2.7. Zum Begriff des „Betreibers“ eines Unternehmens siehe Rz. 5.86.
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Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
angenommen werden, wenn die ausländische Personengesellschaft vom Inland aus geleitet wird. Da dies zumeist nicht der Fall sein dürfte, wird die Geschäftsleitungsbetriebsstätte der Personengesellschaft regelmäßig in ihrem Sitzstaat liegen.
5.70 Die in den Betriebsstättenvorbehalten vorausgesetzte tatsächliche Zugehörigkeit eines Wirtschaftsguts zu einer Betriebsstätte ist nach der ständigen Rspr. des BFH gegeben, wenn das Wirtschaftsgut in einem funktionalen Zusammenhang mit der in der Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeit steht.1 Der BFH greift somit auf die funktionale Betrachtungsweise des § 8 AStG zurück. Beteiligungen, zinstragende Forderungen usw. sind folglich nach den Grundsätzen der BFH-Rspr. immer dann einer bestimmten Betriebsstätte zuzuordnen, wenn sie als Nebenerträge der in der Betriebsstätte hauptsächlich ausgeübten Tätigkeit anzusehen sind.
5.71 Beispiel 9: An der Spitze eines Konzerns steht die inländische D-GmbH, die zu 100 % an der Personengesellschaft P im DBA-Freistellungsstaat P beteiligt ist. Die Personengesellschaft fungiert innerhalb des Konzerns als Vertriebsgesellschaft für den Staat P. Sie verfügt selbst nur über eine einzige (Geschäftsleitungs-)Betriebsstätte in Staat P. Im Gewinnanteil der D-GmbH aus der P sind u.a. Dividenden aus Beteiligungen der P an den jeweils in einem Drittstaat ansässigen Kapitalgesellschaften X, Y und Z enthalten. Diese Kapitalgesellschaften sind ihrerseits Vertriebsgesellschaften des Konzerns für ihre Domizilstaaten – die Staaten X, Y und Z.
5.72 Der BFH hat in einer im Kern dem Beispielsfall entsprechenden Konstellation eine Zuordnung der Beteiligungen an den Drittstaat-Gesellschaften zu der der X-GmbH durch ihre Beteiligung an der Personengesellschaft P vermittelten Betriebsstätte in Staat P abgelehnt und daher für die Dividenden jeweils ein ausschließliches Besteuerungsrecht Deutschlands entsprechend Art. 21 Abs. 1 OECD-MA angenommen. Zur Begründung führt der BFH aus, die Zuordnung der Beteiligungen zur Personengesellschaft P hätte erfordert, dass die P entweder ihrerseits Vertriebsfunktionen in den Staaten X, Y und Z übernommen hat oder ihr neben dem Stammhaus bestimmte, geschäftsleitende Holdingfunktionen über die anderen Auslands-Vertriebsgesellschaften übertragen wurden, die nach dem Veranlassungsprinzip und dem Funktionszusammenhang eine Zuordnung der Beteiligungen bei der P rechtfertigen könnten. Da die Klägerin hierfür nichts vorgebracht habe, könne keine Zuordnung der Beteiligungen zu der Personengesellschaft P angenommen werden.2 Die Entscheidung des BFH zeigt zunächst, dass der I. Senat – entgegen der hier vertretenen Auffassung (Rz. 5.69) – davon ausgeht, der inländische Betrieb der D-GmbH bilde das „Stammhaus“ des abkommensrechtlichen Unternehmens und der Betrieb der Personengesellschaft dessen ausländische Betriebsstätte. Hinsichtlich der Zuordnung nach der funktionalen 1 Vgl. z.B. BFH v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; v. 29.11.2000 – I R 84/99, DStRE 2001, 600. 2 Vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510.
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C. Laufende Besteuerung inländischer Gesellschafter
Betrachtungsweise hält der BFH es für möglich, dass die ausländische Personengesellschaft neben einer Vertriebsfunktion auch eine Holdingfunktion übernehmen kann. Hierin wird man zumindest eine Neuinterpretation der funktionalen Betrachtungsweise sehen müssen, ging man doch bislang im Schrifttum davon aus, dass die ausländische Grundeinheit nur eine Funktion als „Haupttätigkeit“ ausüben kann.1 Die Finanzverwaltung folgt im Grundsatz der BFH-Rspr.2 Hinsichtlich der Wirtschaftsgüter, die funktional sowohl einer ausländischen Betriebsstätte als auch der Geschäftsleitungsbetriebsstätte zugeordnet werden könnten (sog. „neutrale Wirtschaftsgüter“3), will die Finanzverwaltung dem Steuerpflichtigen die Zuordnungsentscheidung überlassen.4 Diese unternehmerische Dispositionsfreiheit schränkt die Verwaltung jedoch durch die These der sog. „Zentralfunktion des Stammhauses“ ganz erheblich ein. So sollen bestimmte Zentralfunktionen allein vom Stammhaus übernommen werden können. Als solche Funktionen qualifiziert die Verwaltung insbesondere die Finanzierungs- sowie die Holdingfunktion. Aus diesem Grund sind nach Verwaltungsauffassung dem inländischen Stammhaus regelmäßig die dem Gesamtunternehmen dienenden Finanzmittel sowie (neutrale) Beteiligungen zuzuordnen.5 Abzuwarten bleibt jedoch, ob die Finanzverwaltung nicht im Zuge der geplanten Verankerung des „Authorized OECD Approach“ (AOA) in § 1 AStG durch das JStG 2013 von ihrer These von der „Zentralfunktion des Stammhauses“ abrücken wird. Dies wäre jedenfalls naheliegend, zumal die Verwaltungsauffassung mit dem AOA unvereinbar ist. Ein Abrücken der Finanzverwaltung von der These der Zentralfunktion wäre auch zu begrüßen, zumal weder die Rspr. des BFH noch deren Deutung durch die Finanzverwaltung überzeugen können. So fehlt es für die Anwendung der funktionalen Betrachtungsweise bei der Zuordnung von Wirtschaftsgütern innerhalb eines Betriebsstättenvorbehalts schlicht an einer Rechtsgrundlage im Abkommensrecht.6 Dasselbe gilt für die These der Zentralfunktion des Stammhauses,7 die zudem modernen betriebswirtschaftlichen Organisa-
1 Vgl. Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 17; Reiche in Haase, § 8 AStG Rz. 13 ff. 2 Die Rechtsprechungsgrundsätze finden nach Auffassung des BFH und der Finanzverwaltung auch in Fällen Anwendung, in denen der Betriebsstättenvorbehalt des anzuwendenden DBA einen abweichenden Wortlaut hat, vgl. BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356 (zu Art. 11 Abs. 3 DBA-USA 1989); BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.4.1. 3 Ditz/Schneider, IStR 2010, 81 (83). 4 Vgl. BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004 (2009/0421117), BStBl. I 2009, 888 Rz. 2.4 Abs. 3. 5 Vgl. BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004 (2009/0421117), BStBl. I 2009, 888 Rz. 2.4 Abs. 4. 6 Vgl. Wolff in FS Wassermeyer, 647 (662); ähnlich Blumers, DB 2008, 1765 (1770). 7 Vgl. Beinert/Benecke, FR 2010, 1009 (1018) m.w.N.
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5.73
Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
tionsformen nicht gerecht wird1 und zuletzt mit der internationalen Praxis nicht abgestimmt ist.2 cc) Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen
5.74 Eine ausländische Personengesellschaft kann ihrem inländischen Gesellschafter Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen i.S. von Art. 6 OECDMA vermitteln. Diese Einkunftsart umfasst sämtliche Einkünfte aus der unmittelbaren Nutzung, der Vermietung bzw. Verpachtung sowie jeder anderen Art der Nutzung unbeweglichen Vermögens (Art. 6 Abs. 3 OECDMA), wobei hierzu auch Einkünfte land- und forstwirtschaftlicher Betriebe zählen. Art. 6 Abs. 1 OECD-MA sieht dabei für den Staat, in dem das unbewegliche Vermögen belegen ist, ein unbeschränktes Besteuerungsrecht vor. Abkommensrechtlich gilt somit das sog. Belegenheitsprinzip. Art. 6 Abs. 1 OECD-MA stellt eine Verteilungsnorm mit offener Rechtsfolge3 dar, regelt also die Besteuerung im Wohnsitzstaat nicht. In der deutschen Abkommenspraxis wird die Doppelbesteuerung bei Einkünften aus unbeweglichem Vermögen überwiegend durch die Freistellungsmethode vermieden.4
5.75 Da einerseits zum Teil für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen die Anrechnungsmethode gilt und anderseits bei Unternehmensgewinnen die Freistellung vielfach von einem Aktivitätsvorbehalt abhängig ist, stellt sich die Frage nach dem Konkurrenzverhältnis zwischen Art. 6 und Art. 7 OECD-MA. Ferner kann das Verhältnis dieser beiden Abkommensnormen zueinander für die Besteuerung von Zinsen und Lizenzen von Bedeutung sein.
5.76 Beispiel 10: Der Steuerinländer D ist an der Personengesellschaft P in DBA-Staat P beteiligt. Die Personengesellschaft betreibt in Staat P eine Orangenplantage. Die P unterhält in Staat P ein verzinstes Girokonto, auf dem die Erlöse aus dem Verkauf der Orangen eingehen, sowie ein Festgeldkonto mit einem höheren Zinssatz. Das DBA zwischen Deutschland und Staat P sieht sowohl für Gewinne aus unbeweglichem Vermögen als auch für Unternehmensgewinne die Freistellungsmethode vor.
5.77 Die Gewinne aus dem Orangenverkauf stellen zweifellos solche aus einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb dar und fallen damit unter Art. 6 OECD-MA. Gleichwohl stellt sich die Frage, ob daneben Unternehmensgewinne i.S. des Art. 7 OECD-MA vorliegen. Auf die Besteuerung der Gewinne aus dem Verkauf der Orangen hat dies zwar keine Auswirkungen, da Art. 6 OECD-MA als speziellere Norm dem Art. 7 OECD-MA vorgeht. Bedeutung kommt der Frage jedoch für die abkommensrechtliche Behandlung der Zinsen zu. Im Falle einer Qualifikation des land- und forst1 Vgl. Ditz/Schneider, IStR 2010, 81 (83); Autzen, Die ausländische Holding-Personengesellschaft, 174. 2 Vgl. Ditz/Schneider, IStR 2010, 81 (84). 3 Vogel in V/L5, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 5–7. 4 Vgl. die Abkommensübersicht bei Vogel in V/L5, Art. 23 B OECD-MA Rz. 16.
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C. Laufende Besteuerung inländischer Gesellschafter
wirtschaftlichen Betriebs als Unternehmen im abkommensrechtlichen Sinne wären die Zinsen wegen des Betriebsstättenvorbehalts in Art. 10 Abs. 3 OECD-MA dem Aufteilungsmechanismus für Unternehmensgewinne zu unterwerfen.1 Im Beispielsfall würde dies zu einem uneingeschränkten Besteuerungsrecht des Staates P gem. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA führen, während Deutschland den Gewinn freizustellen hätte. Spricht man der Plantage die Unternehmenseigenschaft ab, wären die Zinsen hingegen allein unter Art. 11 OECD-MA zu subsumieren, da Art. 6 OECD-MA keine dem Betriebsstättenvorbehalt vergleichbare Regelung enthält. In diesem Falle hätte Deutschland als Wohnsitzstaat des Gesellschafters ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht für die Zinsen, während Staat P lediglich ein der Höhe nach beschränktes Quellenbesteuerungsrecht zukäme. Aufgrund des Spezialitätsprinzips würde dies für die Zinsen aus dem Festgeldkonto sowie gleichermaßen für die Guthabenzinsen auf dem Girokonto gelten.2 Der BFH hat in einem Urteil zum DBA-Spanien ausgeführt, dass ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft kein Unternehmen im abkommensrechtlichen Sinne darstellt.3 Dies entspricht der h.M. im Schrifttum4 sowie der Auffassung der Finanzverwaltung.5 Teile des Schrifttums6 und die OECD7 sprechen hingegen mit guten Gründen land- und forstwirtschaftlichen Betrieben durchaus die Fähigkeit zu, ein Unternehmen bzw. Betriebsstätten i.S. der DBA zu begründen.8
5.78
Die Frage nach dem Konkurrenzverhältnis zwischen den Art. 6 und 7 OECD-MA stellt sich in anderer Weise, wenn die ausländische Personengesellschaft im Kern Tätigkeiten nachgeht, die an sich unter Art. 6 OECD-MA fallen, die Personengesellschaft dabei jedoch ergänzend unternehmerische Leistungen erbringt.
5.79
Beispiel 11:
5.80
Der Steuerinländer D ist an der Personengesellschaft P in DBA-Staat P beteiligt. Unternehmensgegenstand der P ist die Vermietung verschiedener Immobilien. Da1 Nach der Rspr. des BFH würde dies jedoch einen tatsächlich-funktionalen Zusammenhang der Zinsen mit der Plantagentätigkeit erfordern (Rz. 5.64), der im Beispielsfall nur für die Zinsen aus dem Girokonto gegeben wäre. 2 Hierin liegt ein Unterscheid zum innerstaatlichen Recht, das in § 20 Abs. 8 Satz 1 EStG eine Subsidiarität der Einkünfte aus Kapitalvermögen gegenüber anderen Einkunftsarten anordnet. 3 Vgl. BFH v. 27.10.2011 – I R 26/11, BFH/NV 2012, 860. 4 Vgl. Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 41a; Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 11; Wassermeyer in D/W, Art. 6 OECD-MA Rz. 16a; Suchanek, IStR 2007, 654 (656). 5 BMF v. 23.3.1982 – IV C 6 - S 1301 Span-6/82, BStBl. I 1982, 372. 6 Vgl. Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 43a, 204; sowie – in Teilen – Debatin, DB 1988, 1285 ff. 7 Vgl. OECD-Diskussionspapier „Interpretation and Application of Article 5 (Permanent Establishment) of the OECD Model Tax Convention“ vom 12.10.2011, 7 Rz. 5–9, abrufbar unter: http://www.oecd.org/dataoecd/23/7/48836726.pdf. 8 Vgl. hierzu auch Engel/Hilbert, IWB 2012, 316 ff.
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Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften bei übernimmt die P gegenüber den Mietern auch umfangreiche Service- und Wartungsleistungen.
5.81 Ein Teil des Schrifttums nimmt an, dass die Abgrenzung zwischen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und einer gewerblichen Vermietung nach innerstaatlichem Recht sich über Art. 3 Abs. 2 OECD-MA auch abkommensrechtlich auswirkt.1 Nach dieser Sichtweise wäre im Beispielsfall aufgrund der Service- und Wartungsleistungen insgesamt von gewerblichen Einkünften und damit abkommensrechtlich von Unternehmensgewinnen auszugehen. Nach dem BFH-Urteil vom 27.10.20112 scheiden jedoch die von Art. 6 OECD-MA erfassten Tätigkeiten bereits von vornherein aus dem Anwendungsbereich des Art. 7 OECD-MA aus. Deshalb sind die aus der Vermietung resultierenden Einkünfte unter Art. 6 OECD-MA zu subsumieren und nur die Gewinne aus den Serviceund Wartungsleistungen als Unternehmensgewinn zu qualifizieren. Das abkommensrechtliche Spezialitätsprinzip führt hier somit zu einer vom innerstaatlichen Recht abweichenden Beurteilung.
5.82 Ferner ist denkbar, dass die ausländische Personengesellschaft einer unternehmerischen Tätigkeit nachgeht, dabei aber auch Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen erzielt.
5.83 Beispiel 12: Der Steuerinländer D ist an der Personengesellschaft P in DBA-Staat P beteiligt. Unternehmensgegenstand der P ist die Herstellung und der Vertrieb von Elektroartikeln. Die Gesellschaft ist Eigentümerin einer Lagerhalle in Staat P, die sie derzeit selbst nicht nutzt und daher an ein ortsansässiges Unternehmen vermietet.
5.84 Im Beispielsfall sind die Einkünfte aus der Vermietung der Lagerhalle für sich gesehen abkommensrechtlich als Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen zu qualifizieren. Dass die Einkünfte im Rahmen eines Unternehmens anfallen, ändert daran nichts, da Art. 7 Abs. 4 und Art. 6 Abs. 4 OECD-MA hier eine vorrangige Anwendung des Art. 6 OECD-MA anordnen. Diese Vorrangigkeit wird hier auch nicht, wie dies etwa bei Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren der Fall ist (Rz. 5.60), durch eine Rückverweisung aufgrund des Betriebsstättenvorbehalts begrenzt. Der Vorrang des Art. 6 gegenüber Art. 7 OECD-MA ist Ausdruck des abkommensrechtlichen Spezialitätsprinzips, wonach im Allgemeinen für den Fall, dass Einkünfte begrifflich unter mehrere Verteilungsnormen subsumiert werden können, die Rechtsfolge der spezielleren Norm zu entnehmen ist.3 Staat P hat im Beispielsfall folglich ein unbeschränktes Besteuerungsrecht für die Vermietungseinkünfte. Der Vorrang des Art. 6 OECD-
1 Vgl. Menschig/Tyarks in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 10.105 m.w.N. 2 BFH v. 27.10.2011 – I R 26/11, BFH/NV 2012, 860. 3 Vgl. Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 354; Wassermeyer in D/W, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 21.
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C. Laufende Besteuerung inländischer Gesellschafter
MA gilt uneingeschränkt und damit auch für die Anwendung des Methodenartikels. Die gegenläufige Ansicht der Finanzverwaltung, die in dieser Konstellation von einer Anwendung der Regelungen für Unternehmensgewinne ausgeht,1 entbehrt einer abkommensrechtlichen Grundlage und ist daher abzulehnen. Im Beispielsfall hat Deutschland die Doppelbesteuerung der Einkünfte aus der Vermietung mithin nach der im Methodenartikel für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen vorgesehenen Methode zu vermeiden. Die Verwaltungsauffassung führt hingegen dazu, dass ein etwaiger, für Unternehmensgewinne vorgesehener Aktivitätsvorbehalt auch für innerhalb eines Unternehmens entstehende Vermietungseinkünfte gelten würde. In der Praxis ist daher darauf zu achten, dass die Toleranzschwelle von 10 % passiver Einkünfte unter Einbezug der Vermietungseinkünfte nicht überschritten wird. b) Freistellung von Unternehmensgewinnen unter Progressionsvorbehalt Erzielt die Personengesellschaft Unternehmensgewinne, kommt der Ver- 5.85 teilungsmechanismus des Art. 7 OECD-MA zum Tragen. Danach können die Gewinne eines „Unternehmens eines Vertragsstaats“ grundsätzlich nur in diesem Staat besteuert werden (Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA). Unterhält das Unternehmen jedoch im anderen Vertragsstaat eine Betriebsstätte, so können diese Gewinne dort besteuert werden, allerdings nur insoweit, als sie dieser Betriebsstätte zuzurechnen sind (Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA).2 Im Rahmen der Abgrenzung der Besteuerungsrechte für Unternehmensgewinne ist damit zunächst eine Zuordnung des Unternehmens der Personengesellschaft zu einem der beiden Vertragsstaaten vorzunehmen. Anschließend ist darüber zu befinden, ob eine Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat unterhalten wird, welcher der Gewinn der Personengesellschaft bzw. ein Teil dieses Gewinns zuzurechnen ist. Nach der Begriffsdefinition des „Unternehmen[s] eines Vertragsstaats“ in Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA ist ein Unternehmen jenem Vertragsstaat zuzuordnen, in dem die Person, die das Unternehmen betreibt, abkommensrechtlich ansässig ist. Da als „Betreiber“ des Unternehmens somit nur eine Person infrage kommt, die in einem der Vertragsstaaten abkommensrechtlich ansässig ist, kann eine transparent besteuerte Personengesellschaft selbst nicht Betreiberin des Unternehmens sein. Aus diesem Grund wird das Unternehmen der Personengesellschaft nach allgemeiner Auffassung als (anteiliges) Unternehmen der einzelnen Gesellschafter betrachtet, sofern diese ihrerseits in einem der beiden Vertragsstaaten ansässig sind. Damit bestehen abkommensrechtlich ebenso viele Unternehmen wie in einem der Vertragsstaaten ansässige Gesellschaf-
1 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354 Rz. 4.1.1.1.1. 2 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.229 f.
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Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
ter.1 Dieses Unternehmen ist dann dem Staat zuzuordnen, in dem der Gesellschafter seine abkommensrechtliche Ansässigkeit hat.2
5.87 Für die Beteiligung eines Steuerinländers an einer ausländischen Personengesellschaft gilt somit, dass der Gesellschafter Betreiber des (anteiligen) Unternehmens ist, sodass im abkommensrechtlichen Sinne ein „deutsches Unternehmen“ vorliegt. Infolgedessen kann zunächst die BRD gem. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Satz 1 OECD-MA das ausschließliche Besteuerungsrecht für den Gewinn der ausländischen Personengesellschaft für sich beanspruchen. Der andere Vertragsstaat hat nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Satz 2 OECD-MA ein Besteuerungsrecht, wenn das Gesellschafterunternehmen seine Geschäftstätigkeit durch eine Betriebsstätte in diesem Staat ausübt. Der Sitzstaat der Personengesellschaft kann in diesem Fall die Gewinne der Personengesellschaft besteuern, allerdings nur soweit sie einer Betriebsstätte in diesem Staat zuzurechnen sind.3 Deutschland als Wohnsitzstaat wird den auf eine ausländische Betriebsstätte der Personengesellschaft entfallenden Gewinn nach der in seinen DBA traditionell vereinbarten Freistellungsmethode grundsätzlich von der Besteuerung ausnehmen. Die deutschen DBA sprechen im Allgemeinen – dem OECD-MA folgend – dem Wohnsitzstaat das Recht zu, die freigestellten ausländischen Einkünfte4 bei der Berechnung des Steuersatzes, mit dem die nicht freigestellten Einkünfte besteuert werden, im Rahmen eines Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen (Art. 23 A Abs. 3, Art. 23 B Abs. 2 OECD-MA).5 Diese im Methodenartikel enthaltenen Regelungen sind lediglich deklaratorischer Natur, d.h. soweit gem. § 32b EStG nach einem DBA steuerbefreite Einkünfte durch Progressionsvorbehalt zu berücksichtigen sind,6 gilt dies unabhängig davon, ob das Abkommen eine solche Berücksichtigung vorsieht. Lediglich wenn das Abkommen den Einbezug von Einkünften in den Progressionsvorbehalt ausdrücklich untersagt, ist § 32b EStG nicht anwendbar.7
1 Ständige Rspr. vgl. BFH v. 17.10.1990 – I R 16/89, BStBl. II 1991, 211; v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937; v. 23.8.2000 – I R 98/96, BStBl. II 2001, 207. Ebenso die ganz h.M. im Schrifttum; vgl. nur Richter, FR 2010, 544 (547); Piltz/Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 66; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECDMA Rz. 37; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.243; Debatin, BB 1992, 1181 (1182 f.). 2 Vgl. Piltz/Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 66. 3 Vgl. zu alledem Engel/Hilbert, FR 2012, 394 (394). 4 Der Progressionsvorbehalt ist in der Mehrzahl der deutschen DBA auf die nach dem Methodenartikel freizustellenden Einkünfte begrenzt; vgl. zu den unterschiedlichen Regelungen Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 228 f. 5 Vgl. die Übersicht bei Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 227. 6 Siehe zu den Einschränkungen des Progressionsvorbehalts in EU/EWR-Fällen Rz. 2.494 ff. 7 Vgl. BFH v. 19.12.2001 – I R 63/00, BStBl. II 2003, 302.
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C. Laufende Besteuerung inländischer Gesellschafter
c) Einschränkungen der abkommensrechtlichen Freistellung aa) Überblick Die Anwendung der in den deutschen Abkommen für Unternehmensgewinne traditionell verankerten Freistellungsmethode wird in den jeweiligen DBA zumeist von verschiedenen Voraussetzungen abhängig gemacht bzw. bestimmten Einschränkungen unterworfen. Solche Verengungen des Anwendungsbereichs der Freistellungsmethode können sich einerseits aus der Auslegung des Methodenartikels i.S. einer Qualifikationsverkettung,1 andererseits durch spezielle DBA-Regelungen wie Subject-to-Tax-Klauseln, Switch-over-Klauseln sowie einem Aktivitätsvorbehalt ergeben. Darüber hinaus enthält auch das innerstaatliche Recht mit § 50d Abs. 9 EStG und § 20 Abs. 2 AStG Normen, die einer DBA-Freistellung entgegenstehen können. Die vorstehend genannten Vorschriften verengen den Anwendungsbereich der Freistellungsmethode, indem sie entweder zusätzliche Tatbestandsvoraussetzungen für die Freistellung normieren oder eine eigentlich zu gewährende Freistellung einschränken. Sie normieren somit Vorbehalte für die abkommensrechtliche Freistellung und können daher auch unter dem Oberbegriff „Vorbehaltsklauseln“2 zusammengefasst werden. Hinsichtlich ihrer Zielsetzung und ihres Anwendungsbereichs weisen die einzelnen Klauseln durchaus Unterschiede auf. Dabei ist von folgender Abgrenzung auszugehen:3
5.88
– Subject-to-Tax-Klauseln (auch: „Rückfallklauseln“4) stehen einer Freistellung entgegen, wenn die Einkünfte im anderen Staat – ganz gleich aus welchen Gründen – nicht besteuert werden. – Switch-over-Klauseln schließen die Freistellung aus, wenn die Einkünfte im anderen Vertragsstaat aufgrund eines Qualifikations- oder Zurechnungskonflikts nicht oder zu niedrig besteuert werden. – Aktivitätsklauseln bzw. Aktivitätsvorbehalte knüpfen die Freistellung der Einkünfte an die Voraussetzung, dass die Einkünfte aus bestimmten „aktiven“ Tätigkeiten stammen. Die Vorbehaltsklauseln haben keine Auswirkungen auf die Gewerbesteuer, da Anteile am Gewinn einer ausländischen Personengesellschaft aufgrund der Vorschrift des § 9 Nr. 2 GewStG bereits nach innerstaatlichem Recht nicht der Gewerbesteuer unterliegen, sodass es insoweit auf eine abkommensrechtliche Freistellung nicht mehr ankommt. Die nationale Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 2 GewStG kann die Strukturierung von Auslandsaktivitäten über eine Personengesellschaft somit auch bei Versagung der abkommensrechtlichen Freistellung im Vergleich zum Einsatz 1 Vgl. Art. 23 Nr. 32.1–32.7 OECD-MK (2008). 2 Meretzki in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 16.6 m.w.N. 3 Vgl. Meretzki in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 16.7; siehe zu alledem auch Heurung/Engel in Prinz/Seitz, Umwandlungen im int. Steuerrecht, Rz. 5.59 (im Erscheinen). 4 Schmidt/Blöchle in S/K/K, Art. 23 A/B OECD-MA Rz. 164.
Schänzle/Engel
819
5.89
Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
einer ausländischen Kapitalgesellschaft besonders vorteilhaft erscheinen lassen. bb) DBA-Aktivitätsklauseln
5.90 Eine Vielzahl der DBA mit deutscher Beteiligung enthalten einen Aktivitätsvorbehalt, der zumeist nicht nur für Unternehmensgewinne, sondern regelmäßig ebenso für Gewinnausschüttungen und in vielen Fällen auch für Veräußerungsgewinne i.S. des Art. 13 Abs. 2 OECD-MA gilt.1 Abkommensrechtliche Aktivitätsklauseln machen die Freistellung der Einkünfte davon abhängig, dass sie ausschließlich oder fast ausschließlich aus bestimmten „aktiven“ Tätigkeiten stammen. Die Beschränkung der Freistellung auf Einkünfte aus „aktiven“ Tätigkeiten ist von der Vorstellung geprägt, dass der Steuerpflichtige nur bei der Erzielung solcher aktiver Einkünfte tatsächlich im Wettbewerb mit im Quellenstaat ansässigen Konkurrenten steht und deshalb nur insoweit eine Freistellung wirtschaftspolitisch gerechtfertigt ist.2 Für passive Einkünfte soll dagegen die Anrechnungsmethode gelten. Die meisten abkommensrechtlichen Aktivitätsklauseln folgen einem „Alles-oder-nichts-Prinzip“, schließen also, wenn ein Schwellenwert von 10 %3 passiver Einkünfte überschritten ist, die Freistellung insgesamt aus. Nur wenige DBA, z.B. das Abkommen mit Finnland sowie das „alte“ Abkommen mit der Schweiz, sehen hiervon abweichend eine Bruchteilsbetrachtung vor, nach der ein Übergang zur Anrechnungsmethode nur für den als „passiv“ zu qualifizierenden Teil der Einkünfte erfolgt.4 In diesen Fällen muss daher – sozusagen im Rahmen einer Gewinnabgrenzung zweiten Grades – entschieden werden, welcher Teil des Betriebsstättenergebnisses aus aktiven Tätigkeiten stammt und welcher Teil des Ergebnisses auf passive Tätigkeiten zurückzuführen ist.
5.91 Welche Tätigkeiten als „aktiv“ gelten, regelt ein Aktivitätskatalog. Bei den sog. originären Aktivitätsklauseln enthält das jeweilige DBA einen eigenen Aktivitätskatalog, während die sog. derivativen Aktivitätsklauseln diesbezüglich auf § 8 AStG verweisen.5 Ein solcher Verweis bezieht sich regelmäßig nicht auf den gesamten Tätigkeitskatalog des § 8 Abs. 1 AStG. Vielmehr gelten zumeist nur die in § 8 Abs. 1 Nr. 1–6 AStG genannten Tätigkeiten als „aktiv“. Soweit ersichtlich verweist allein das
1 Vgl. für eine Übersicht Wassermeyer in D/W, Anlage zu Art. 23 A/B OECDMA. 2 Vgl. Wassermeyer in D/W, Art. 23 A OECD-MA Rz. 156. 3 Vgl. BFH v. 30.8.1995 – I R 77/94, BStBl. II 1996, 122 zu § 8 Abs. 2 AStG a.F., dem diese Formulierung entstammt; OFD Münster v. 25.9.1998 – S 1301 - 18 St 22-34, IStR 1999, 81; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.516; Kaminski, StuW 2007, 275 (280). 4 Vgl. zu alledem auch Heurung/Engel in Prinz/Seitz, Umwandlungen im int. Steuerrecht, Rz. 5.65 (im Erscheinen). 5 Vgl. Krawitz/Büttgen-Pöhland/Hick, FR 2003, 109 (111).
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C. Laufende Besteuerung inländischer Gesellschafter
DBA-Großbritannien uneingeschränkt auf § 8 Abs. 1 AStG.1 Zentraler Prüfungsschritt bei der Anwendung der Aktivitätsklauseln ist somit eine Einkünftequalifikation. Nach h.M.2 ist hierbei auf die zum Außensteuergesetz entwickelten Grundsätze zurückzugreifen.3 Zu diesen Grundsätzen gehört insbesondere die sog. funktionale Betrachtungsweise, wonach wirtschaftlich zusammengehörende Tätigkeiten einheitlich zu qualifizieren sind.4 Innerhalb der Einkünftequalifikation ist sodann auf diejenige Tätigkeit abzustellen, auf der der wirtschaftliche Schwerpunkt liegt (Haupttätigkeit). Passive Tätigkeiten sind nach dieser Betrachtung unschädlich, wenn sie einen wirtschaftlichen Zusammenhang zu einer aktiven Haupttätigkeit aufweisen. Umgekehrt können allerdings auch aktive Nebentätigkeiten wegen ihres Funktionszusammenhangs mit einer passiven Haupttätigkeit als passiv zu behandeln sein.5
5.92
Beispiel 13: Die inländische D-GmbH ist an der Personengesellschaft P in DBA-Freistellungsstaat P beteiligt. Der Methodenartikel des DBA mit Staat P soll einen Aktivitätsvorbehalt enthalten, der zur Bestimmung der aktiven Tätigkeiten auf § 8 Abs. 1 Nr. 1–6 AStG verweist. Unternehmensgegenstand der P ist der Vertrieb der Produkte des D-Konzerns im Staat P. Neben den Einkünften aus der Vertriebstätigkeit erzielt die P Dividendeneinnahmen aus Kapitalgesellschaften, an denen sie jeweils zu Spekulationszwecken beteiligt ist.
Im Beispielsfall gelten die Dividenden als „passiv“, da § 8 Abs. 1 Nr. 1–6 AStG die Gewinnausschüttungen nicht als Einkünfte aus aktivem Erwerb benennt und sie in keinem funktionalen Zusammenhang mit der die Haupttätigkeit der Personengesellschaft darstellenden (aktiven) Vertriebstätigkeit (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 AStG) stehen. Da im Beispielsfall das DBA nur auf § 8 Abs. 1 Nr. 1–6 AStG verweist, ist unbeachtlich, dass seit der Erweiterung des Aktivitätskatalogs des § 8 AStG durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts (UntStFG)6 auch Dividenden als aktiv gelten (§ 8 Nr. 8 AStG).
5.93
Beispiel 14 (Abwandlung von Beispiel 13):
5.94
Der Grundsachverhalt entspricht dem des Beispiels 13. Allerdings soll nun davon ausgegangen werden, dass die Dividendeneinnahmen aus Gesellschaften stammen, deren Unternehmensgegenstand der Vertrieb von Produkten des D-Konzerns in bestimmten Regionen des Staates P ist und dass die P innerhalb des D-Konzerns die Koordination der Vertriebstätigkeiten dieser Gesellschaften übernimmt. 1 Vgl. hierzu Kaminski/Strunk, IStR 2011, 137 (138); Gebhardt/Quilitzsch, IStR 2011, 169 (170). 2 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.516 m.w.N. 3 Dies soll nicht nur für die auf § 8 AStG verweisenden Klauseln, sondern auch für originäre Aktivitätsklauseln gelten; ebenso die Finanzverwaltung zum DBASchweiz, vgl. BMF v. 26.3.1975 – IV C 6 - S 1301-Schweiz-3/75, BStBl. I 1975, 479 Rz. 3.1.2.1. 4 Grundlegend BFH v. 16.5.1990 – I R 16/88, BStBl. II 1990, 1049; zuletzt bestätigt durch BFH v. 13.10.2010 – I R 61/09, BStBl. II 2011, 249. 5 Vgl. Wassermeyer in D/W, Art. 23 A OECD-MA Rz. 156. 6 BGBl. I 2001, 3858.
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Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
5.95 In dieser Konstellation wären die Dividendeneinnahmen aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs mit der von der P ausgeübten (aktiven) Vertriebstätigkeit (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 AStG) als solche aus aktivem Erwerb zu qualifizieren.
5.96 Zweifel an der funktionalen Betrachtungsweise innerhalb der DBA-Aktivitätsklauseln ergeben sich aus einem viel beachteten1 Urteil des BFH vom 7.8.2002.2 Dabei ging es um die Frage, wie Dividenden abkommensrechtlich einzuordnen sind, die ein in Deutschland ansässiger Steuerpflichtiger über eine schweizerische Personengesellschaft erzielt hat und die daher im Ergebnis einer schweizerischen Betriebsstätte i.S.d. Art. 10 Abs. 4 DBA-Schweiz zuzuordnen waren. Das DBA-Schweiz sieht in Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 sowohl für Betriebsstättengewinne als auch für Schachteldividenden eine Freistellung von der deutschen Besteuerung vor, stellt diese jedoch jeweils unter einen Aktivitätsvorbehalt. Dieser ist für Unternehmensgewinne und Dividenden nicht einheitlich definiert. So sind gem. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a DBA-Schweiz Betriebsstättengewinne „aus eigener Tätigkeit“ begünstigt, soweit sie nachweislich durch die „Herstellung, Bearbeitung, Verarbeitung oder Montage von Gegenständen, Aufsuchen und Gewinnung von Bodenschätzen, Bank- und Versicherungsgeschäfte, Handel oder Erbringung von Dienstleistungen unter Teilnahme am aktiven Wirtschaftsverkehr erzielt werden.“ Schachteldividenden sind dagegen dann von der Steuer ausgenommen, wenn die ausschüttende Gesellschaft ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 Nr. 1–6 AStG fallenden Tätigkeiten bezieht (Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b DBA-Schweiz). Der BFH diskutiert in seinem Urteil verschiedene Lösungsansätze. So könne einerseits die Vorschrift des Art. 24 Abs. 1 Buchst. b DBA-Schweiz anzuwenden sein. Anderseits komme jedoch auch eine Anwendung des Art. 24 Abs. 1 Buchst. a DBA-Schweiz über die Freistellung von Unternehmensgewinnen in Betracht.3 Der BFH ließ diese Frage offen, da seiner Auffassung nach die Voraussetzungen keiner der beiden Normen gegeben waren. Für das Schachtelprivileg des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b DBASchweiz war dies offensichtlich, da weder die schweizerische Personengesellschaft noch deren Gesellschafter die hierfür notwendigen personellen Voraussetzungen erfüllten. Der BFH lehnte jedoch auch eine Freistellung nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a DBA-Schweiz mit der Begründung ab, 1 Aufsehen hat dieses Urteil insbesondere deswegen erregt, weil es die Auffassung Wassermeyers (Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 160, 160c, Art. 10 OECD-MA Rz. 139), wonach der Betriebsstättenvorbehalt sich nicht auf den Methodenartikel auswirkt, andiskutiert. Die Aussagen hinsichtlich der Anwendung des Aktivitätsvorbehalts haben im Schrifttum dagegen kaum Beachtung gefunden. 2 BFH v. 7.8.2002 – I R 10/01, BStBl. II 2002, 848. 3 Anders die Finanzverwaltung, nach der Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a DBASchweiz auf Dividenden auch dann keine Anwendung finden kann, wenn diese über eine schweizerische Betriebsstätte/Personengesellschaft zufließen, vgl. FM NRW v. 17.4.1980 – Schweiz 47 – V B 5, BeckVerw 028208.
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C. Laufende Besteuerung inländischer Gesellschafter
dass sich die Dividenden – unabhängig von der Frage, ob Gewinnausschüttungen überhaupt „Gewinne aus eigener Tätigkeit“ einer Betriebsstätte sind1 – jedenfalls nicht den dort aufgeführten, aktiven Tätigkeiten zuordnen ließen.2 Auf die funktionale Betrachtungsweise geht der BFH dabei nicht ein, obwohl nach den Feststellungen der Vorinstanz die Beteiligungen den „Bestand der Betriebsstätte [sicherten]“, was durchaus dafür spricht, dass die Dividenden als Nebenerträge der Produktions- und Vertriebstätigkeit der Betriebsstätte hätten angesehen werden können.3 Die Konsequenzen des BFH-Urteils vom 7.8.2002 sind noch immer nicht 5.97 abschließend geklärt. Das Urteil wirft zunächst die Frage auf, wie Zinsund Lizenzeinnahmen, die innerhalb einer schweizerischen Betriebsstätte anfallen, im Rahmen des Aktivitätsvorbehalts zu behandeln sind. Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Überlassung von Wirtschaftsgütern zur Nutzung nach Auffassung des BFH für sich betrachtet als passive Tätigkeit einzustufen ist.4 Zins- und Lizenzeinnahmen stellen damit für sich gesehen passive Einkünfte dar.5 In einer früheren Entscheidung hielt der BFH jedoch eine Freistellung von über eine schweizerische Betriebsstätte vereinnahmten Lizenzgebühren und Zinsen unter der Prämisse für möglich, dass diese nach der funktionalen Betrachtungsweise zu einer aktiven Tätigkeit i.S.d. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a DBASchweiz gehören.6 Ist das o.g. Urteil vom 7.8.2002 als vollständige Abkehr von der funktionalen Betrachtungsweise zu sehen und sind und diese Entscheidungen damit überholt? Grotherr7 geht offenbar davon aus, dass die Grundsätze des Urteils vom 7.8.2002 nur für Dividenden gelten, während für Lizenzgebühren und Zinsen nach wie vor die funktionelle Betrachtungsweise Anwendung findet. Da für eine Differenzierung zwischen Dividenden einerseits und Lizenzgebühren und Zinsen andererseits keine Gründe ersichtlich sind, sollte u.E. bei der Subsumtion von Betriebsstättengewinnen unter den Aktivitätskatalog des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a DBA-Schweiz die funktionale Betrachtungsweise entweder in sämtlichen Fällen oder gar nicht Anwendung finden. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der BFH die funktionale Betrachtungsweise jedenfalls für Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a DBA-Schweiz aufgegeben hat.8 Dafür spricht auch die Tatsache, dass der BFH in seinem dem Urteil vorangegangenen unveröffentlichten
1 So Scherer in D/W, Art. 24 DBA-Schweiz Rz. 57; a.A. FM NRW v. 17.4.1980 – Schweiz 47 – V B 5, BeckVerw 028208. 2 Zustimmend Grotherr in G/K/G, Art. 24 DBA-Schweiz Rz. 4. 3 Ähnlich Mössner, RIW 2003, 294 (299). 4 Vgl. BFH v. 5.6.2002 – I R 86/01, BStBl. II 2002, 1846. 5 Ebenso zum DBA-Spanien a.F. BMF v. 28.5.1998 – IV C 5 - S 1301 Spa-2/98, BStBl. I 1998, 557 Rz. 4. 6 Vgl. BFH v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563. 7 Vgl. Grotherr in G/K/G, Art. 24 DBA-Schweiz Rz. 4. 8 Ebenso bereits Greif in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. E 102.
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Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
Gerichtsbescheid vom 30.1.20021 die Dividenden nach der funktionalen Betrachtungsweise der aktiven Tätigkeit der schweizerischen Personengesellschaft zugeordnet hat. Vor diesem Hintergrund kann die anderweitige Entscheidung im Urteil nur als bewusste Abkehr von der funktionalen Betrachtungsweise verstanden werden.2
5.98 In Bezug auf die Übertragbarkeit der Grundsätze des BFH-Urteils vom 7.8.2002 auf andere DBA ist zunächst festzuhalten, dass in den Aktivitätsklauseln der DBA mit Argentinien, Portugal sowie dem zum 31.12.2005 außer Kraft getretenen Abkommen mit Brasilien3 für Zinsen und Lizenzgebühren die Anwendung der funktionalen Betrachtungsweise ausdrücklich festgeschrieben ist. Insoweit wirkt sich die BFH-Rspr. mithin nicht aus. Für die auf § 8 AStG verweisenden Aktivitätsklauseln ist zu erwägen, ob sich der Verweis nicht nur auf den außensteuerrechtlichen Tätigkeitskatalog, sondern auch auf die entsprechenden Auslegungsgrundsätze inklusive der funktionalen Betrachtungsweise bezieht. Für DBA mit eigenständigen Aktivitätskatalogen erscheint dagegen eine isolierte Betrachtung und damit eine Anwendung der Grundsätze des BFH-Urteils vom 7.8.2002 naheliegend zu sein.
5.99 Die DBA-Aktivitätsklauseln sind auch in Verlustsituationen von Relevanz. Ist nämlich für Gewinne abkommensrechtlich keine Freistellung vorgesehen, kann auch die Symmetriethese nicht greifen. Die Beschränkung der abkommensrechtlichen Freistellung auf Gewinne aus aktiven Erwerbstätigkeiten hat damit zur Folge, dass für Verluste aus „passiven“ Tätigkeiten keine aus dem DBA abgeleiteten Einschränkungen bei der Verlustberücksichtigung im Inland gelten.4 Zu beachten sind jedoch die im innerstaatlichen Recht vorgesehenen Beschränkungen der Verlustverrechnung. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang insbesondere auf die Vorschrift des § 2a EStG (Rz. 5.37). Da diese Norm zum einen nur die Berücksichtigung von negativen Einkünften aus Staaten, die weder der EU noch dem EWR angehören, ausschließt, und da zum anderen die Voraussetzungen des § 2a EStG mit den Tätigkeitskatalogen der Aktivitätsklauseln nicht abgestimmt sind, ergibt sich in zahlreichen Konstellationen die Möglichkeit, durch die Herbeiführung von passiven Einkünften eine Verlustberücksichtigung im Inland zu erreichen.5 Eine gewerbesteuerliche Berücksichtigung kommt jedoch grds. nicht in Betracht, da Anteile am Verlust einer ausländischen Personengesellschaft der gewerbesteu-
1 Vgl. hierzu die Darstellung bei Jakob in FS Ryser, 211 (223 f.); Kubaile/Suter/Jakob, Steuer- und Investitionsstandort Schweiz, 359 f. 2 In diesem Sinne auch Jakob in FS Ryser, 211 (225); Kubaile/Suter/Jakob, Steuerund Investitionsstandort Schweiz, 361 f.; ähnlich Ditz/Liebchen, IStR 2012, 449 (454). 3 Vgl. dazu Krabbe in D/W, Art. 25 DBA-Brasilien Rz. 40. 4 Vgl. Kaminski, StuW 2007, 275 (283); Pyszka/Schmedt, IStR 2002, 342 (343). 5 Vgl. Kaminski, StuW 2007, 275 (284); sowie ausführlich Pyszka/Schmedt, IStR 2002, 342 (344 ff.).
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C. Laufende Besteuerung inländischer Gesellschafter
erlichen Hinzurechnung unterliegen (§ 8 Nr. 8 GewStG) und damit letztlich den Gewerbeertrag nicht mindern. cc) Zwischeneinkünfte (§ 20 Abs. 2 AStG) Wie die DBA-Aktivitätsklauseln sieht auch § 20 Abs. 2 AStG für „passive“ Einkünfte einen Übergang von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode vor. Anders als seine abkommensrechtlichen Pendants richtet sich der unilaterale Aktivitätsvorbehalt jedoch nicht generell gegen passive Einkünfte, sondern nur gegen solche Einkünfte aus passivem Erwerb, die im Ausland einer niedrigen Besteuerung unterliegen.1 Die Vorschrift des § 20 Abs. 2 AStG soll damit – ähnlich wie die Hinzurechnungsbesteuerung – eine steuerlich motivierte Verlagerung von Gewinnen auf funktionsschwache, niedrig besteuerte ausländische Einheiten unterbinden.
5.100
§ 20 Abs. 2 AStG ordnet einen Übergang von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode an, soweit die Einkünfte ungeachtet des § 8 Abs. 2 AStG als Zwischeneinkünfte steuerpflichtig wären, wenn die ausländische Betriebsstätte eine ausländische Gesellschaft wäre. Die Vorschrift verweist somit umfassend auf die Regelungen zur Hinzurechnungsbesteuerung. Im Einzelnen ergeben sich somit aus § 20 Abs. 2 AStG selbst und den §§ 7 ff. AStG folgende Anwendungsvoraussetzungen:
5.101
– Es müssen Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen aus einer ausländischen Betriebsstätte vorliegen. – Die Einkünfte müssen an sich nach einem DBA von der deutschen Besteuerung freizustellen sein. – Die Betriebsstätteneinkünfte müssen nach den Wertungen des § 8 Abs. 1 AStG als passiv zu qualifizieren sein. – Die Einkünfte müssen im Ausland einer niedrigen Besteuerung unterliegen. Als Rechtsfolge sieht § 20 Abs. 2 AStG einen Übergang von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode vor. Der Wortlaut der Vorschrift („insoweit“) macht deutlich, dass dieser Übergang – anders als dies überwiegend bei abkommensrechtlichen Aktivitätsklauseln der Fall ist (Rz. 5.90) – nur hinsichtlich der passiven Einkünfte und nicht etwa für die gesamten ausländischen Betriebsstätteneinkünfte erfolgt. Dies bedeutet zugleich, dass nur die auf die passiven Einkünfte entfallende ausländische Steuer nach § 34c EStG bzw. § 26 Abs. 1 KStG i.V.m. § 34c EStG angerechnet werden kann.2
1 Vgl. Meretzki in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 16.90 m.w.N. 2 Vgl. Wassermeyer in F/W/B/S, § 20 AStG Rz. 154; Meretzki in Wassermeyer/ Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 16.93.
Schänzle/Engel
825
5.102
Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
5.103 Beispiel 15: Der Steuerinländer D (Einzelunternehmer) ist an der Personengesellschaft P in DBAFreistellungsstaat P beteiligt. Auf D entfällt ein Gewinnanteil von 150 000 Euro, wobei 40 000 Euro aus Einkünften stammen, die nach dem Katalog des § 8 Abs. 1 AStG als passiv zu qualifizieren sind. Auf den gesamten Gewinnanteil fiel in Staat P Einkommensteuer i.H. von 30 000 Euro an.
5.104 § 20 Abs. 2 AStG suspendiert die abkommensrechtliche Freistellung nur im Hinblick auf die passiven Einkünfte i.H. von 40 000 Euro; hinsichtlich der übrigen 110 000 Euro bleibt es bei der Freistellung. Nach § 34c EStG anrechenbar sind 4/15 der in Staat P gezahlten Einkommensteuer (40 000 Euro/ 150 000 Euro), also 8000 Euro. Für gewerbesteuerliche Zwecke greift hingegen für den gesamten Gewinnanteil von 150 000 Euro die nationale Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 2 GewStG.1
5.105 Nicht ganz eindeutig ist, ob § 20 Abs. 2 AStG auch in Verlustsituationen Anwendung findet. Die Verwendung des Begriffs „Einkünfte“ spricht zunächst für eine Anwendung des § 20 Abs. 2 AStG auch auf Verluste, da der allgemeine steuerliche Einkünftebegriff sowohl Gewinne als auch Verluste umfasst.2 Anwendungsvoraussetzung des § 20 Abs. 2 AStG ist jedoch, dass die Einkünfte als Zwischeneinkünfte steuerpflichtig wären, wenn es sich bei der Betriebsstätte um eine Zwischengesellschaft handeln würde. Für die Hinzurechnungsbesteuerung bestimmt § 10 Abs. 1 Satz 3 AStG, dass eine Hinzurechnung unterbleibt, wenn sich ein negativer Hinzurechnungsbetrag ergeben sollte. Das Tatbestandsmerkmal der hypothetischen Steuerpflicht im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung liegt somit im Falle negativer Betriebsstätteneinkünfte nicht vor, sodass eine Anwendung des § 20 Abs. 2 AStG in Verlustkonstellationen letztlich nicht Anwendung finden könnte.3 Im Falle einer Versagung des Verlustabzugs sollten die Auslandsverluste dann aber – analog zur Hinzurechnungsbesteuerung – für Zwecke des § 20 Abs. 2 AStG vorgetragen und mit künftigen aufgrund § 20 Abs. 2 AStG steuerpflichtigen Einkünften verrechnet werden können.
5.106 Die Anwendung des § 20 Abs. 2 AStG auf Einkünfte aus ausländischen Personengesellschaften ist mit einigen Zweifelsfragen behaftet. Als problematisch erweist sich insbesondere der Verweis auf die Regelungen zur Hinzurechnungsbesteuerung. Aus diesem schließt das Schrifttum, dass die ausländische Betriebsstätte für Zwecke des § 20 Abs. 2 AStG als ausländische Gesellschaft i.S. von § 7 Abs. 1 AStG gilt. Im Zusammenhang mit einer Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft stellt sich nun 1 Wäre D hingegen an einer ausländischen Kapitalgesellschaft beteiligt, für deren Einkünfte anteilig die Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 AStG ff. Anwendung findet, würde der Hinzurechnungsbetrag grds. auch der Gewerbesteuer im Inland unterliegen. 2 Vgl. nur Raetschow in Blümich, § 2 EStG Rz. 52. 3 Vgl. Wassermeyer in F/W/B/S, § 20 AStG Rz. 126; Richter, IStR 2010, 1 (6); a.A. Becker/Loitz/Stein, Steueroptimale Verlustnutzung, 147.
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C. Laufende Besteuerung inländischer Gesellschafter
die Frage, ob die gesamte Betriebsstätte der Personengesellschaft1 oder vielmehr nur der ideelle Betriebsstättenanteil des Gesellschafters2 als (fiktive) ausländische Gesellschaft anzusehen ist. Nach der erstgenannten Auffassung wäre § 20 Abs. 2 AStG nur anzuwenden, wenn an der ausländischen Personengesellschaft mehrheitlich unbeschränkt Steuerpflichtige beteiligt sind (§ 7 Abs. 1 AStG). Ferner wäre nach dieser Sichtweise im Rahmen der Einkünftequalifikation gem. § 8 Abs. 1 AStG auf die Personengesellschaft selbst abzustellen, was insbesondere bei den sog. Mitwirkungstatbeständen (etwa nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a und Buchst. b AStG) Bedeutung erlangt.3 Qualifiziert man hingegen den ideellen Anteil des Steuerinländers an der Betriebsstätte der Personengesellschaft als (fiktive) Zwischengesellschaft, so wären die Beteiligungsvoraussetzungen des § 7 AStG stets erfüllt, da der unbeschränkt Steuerpflichtige an seiner anteiligen Betriebsstätte stets als zu 100 % „beteiligt“ anzusehen wäre. Im Rahmen des § 8 Abs. 1 AStG wäre dann stets auf den Gesellschafter abzustellen. Die Rspr. hat sich bislang noch nicht mit dieser Frage befasst. Eine eindeutige Stellungnahme der Finanzverwaltung ist ebenso wenig zu verzeichnen. Einzelne Aussagen des BMF-Schreibens vom 16.4.20104 und des Anwendungsschreibens zum AStG5 legen jedoch nahe, dass die Finanzverwaltung innerhalb des § 20 Abs. 2 AStG auf den Betriebsstättenanteil des Gesellschafters abstellt. Diese u.E. zutreffende Auffassung entspricht auch dem Wortlaut des § 20 Abs. 2 AStG. Insbesondere die Formulierungen: „in der Betriebsstätte eines unbeschränkten Steuerpflichtigen“ und „falls diese eine Gesellschaft wäre“ sprechen für eine auf den einzelnen Mitunternehmer bezogene Betrachtung.6 Die Verweistechnik der Norm mag zwar eine gesellschaftsbezogene Auslegung nahelegen;7 insgesamt bleibt es jedoch dabei, dass die besseren Gründe für eine mitunternehmerbezogene Betrachtung sprechen. So stößt eine gesellschaftsbezogene Betrachtungsweise jedenfalls bei der Bestimmung der niedrigen Besteuerung i.S. von § 8 Abs. 3 AStG (i.V.m. § 20 Abs. 2 AStG) an ihre Grenzen. Hier kann nur auf die niedrige Besteuerung des Gewinnanteils des einzelnen Mitunternehmers abzustellen sein.8 Wenn die Niedrigbesteuerung 1 So z.B. Wassermeyer in F/W/B/S, § 20 AStG Rz. 123. 2 So Vogt in Blümich, § 20 AStG Rz. 29; Rupp in Haase, § 20 AStG Rz. 79. 3 Vgl. Meretzki in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 16.101. 4 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354 Rz. 4.1.1.2.2. 5 Vgl. BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004 Sondernummer 1, 3 Rz. 20.2. 6 Vgl. Meretzki in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 16.104. 7 Vgl. Meretzki in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 16.105. 8 Vgl. Meretzki in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 16.106, der sich gleichwohl für eine gesellschaftsbezogene Betrachtung ausspricht.
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5.107
Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
der fiktiven Gesellschaft für jeden Mitunternehmer einzeln zu ermitteln ist, spricht dies dafür, auch hinsichtlich der übrigen Tatbestandsmerkmale des § 20 Abs. 2 AStG auf den ideellen Anteil des jeweiligen Gesellschafters abzustellen.1
5.108 Der Übergang von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode erfolgt ausweislich des Wortlauts des § 20 Abs. 2 Satz 1 AStG „ungeachtet des § 8 Abs. 2 AStG“. Die Ausnahmeregelung des § 8 Abs. 2 AStG, die in Umsetzung der Grundsätze des EuGH-Urteils in der Rs. „Cadbury Schweppes“2 entsprechend Einkünfte von EU/EWR-Kapitalgesellschaften von der Hinzurechnungsbesteuerung ausnimmt, wenn diese einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen, kommt somit innerhalb des § 20 Abs. 2 AStG nicht zur Anwendung. Für ausländische Betriebsstätteneinkünfte besteht für den Steuerpflichtigen mithin keine derartige Exkulpationsmöglichkeit. Im Schrifttum werden gegen den Ausschluss des „Motivtests“ des § 8 Abs. 2 AStG europarechtliche Bedenken geäußert.3 Diese Zweifel nähren sich insbesondere aus dem Schlussurteil des BFH in der Rs. „Columbus Container Services“.4 Der I. Senat hatte dort entschieden, dass der Wechsel von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode europarechtlich nicht zulässig sei, soweit er auch dann erfolgt, wenn die Einkünfte nachweislich nicht künstlich auf eine ausländische Betriebsstätte verlagert wurden, sondern in der Betriebsstätte einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgegangen wird. Der EuGH kam im Rahmen des dem Schlussurteil des BFH vorangegangenen Vorabentscheidungsverfahrens allerdings zum gegenteiligen Ergebnis.5 In Folge des von § 20 Abs. 2 AStG angeordneten Übergangs von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode würden die ausländischen Betriebsstätteneinkünfte steuerlich letztlich wie solche aus dem Inland behandelt, sodass es an einer Diskriminierung und damit an einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit fehle. Die EuGH-Entscheidung stellt für den Gesetzgeber die maßgebliche Legitimation für den Ausschluss des Motivtests des § 8 Abs. 2 AStG innerhalb des § 20 Abs. 2 AStG dar.6 Die Finanzverwaltung geht ebenfalls davon aus, dass nach dem genannten 1 Bei den abkommensrechtlichen Aktivitätsklauseln ergibt sich in Bezug auf die Auslegung der Mitwirkungstatbestände dieselbe Problematik; auch hier ist eine mitunternehmerbezogene Betrachtungsweise anzustellen. Im Vergleich zu § 20 Abs. 2 AStG ist dieses Ergebnis für die abkommensrechtlichen Aktivitätsklauseln zwingend, da das Abkommensrecht keine Fiktion enthält, nach der die Betriebsstätte als ausländische Gesellschaft anzusehen wäre; a.A. Meretzki in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 16.120. 2 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995 = IStR 2006, 670. 3 Vgl. z.B. Richter, BB 2010, 1832 (1835); Scheipers/Maywald, IStR 2009, 472 (476); Köhler/Eicker, IStR 2007, 331 (334); Kaminski/Strunk/Haase, IStR 2008, 726 (727 f.). 4 Vgl. BFH v. 21.10.2009 – I R 114/08, BStBl. II 2009, 774. 5 Vgl. EuGH v. 6.12.2007 – Rs. C-298/05 – Columbus Container Services, EuGHE 2007, I-10451 = IStR 2008, 63. 6 Vgl. BT-Drucks. 16/6290, 94.
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C. Laufende Besteuerung inländischer Gesellschafter
EuGH-Urteil im Rahmen des unilateralen Aktivitätsvorbehalts keine europarechtliche Notwendigkeit für eine solche Ausnahmeregelung besteht.1 dd) Abkommensrechtliche Subject-to-Tax-Klauseln Die neueren von der BRD abgeschlossenen Abkommen knüpfen die Frei- 5.109 stellung von Einkünften an die Voraussetzung, dass diese im anderen Staat tatsächlich besteuert werden. Sie enthalten damit im Methodenartikel eine eindeutige Subject-to-Tax-Klausel. Gerade in den älteren DBA sind ferner sog. Quellenregeln verbreitet,2 bei denen die Wirkung i.S. einer Subject-to-Tax-Klausel nicht unumstritten ist. Diese Quellenregeln haben grundsätzlich folgenden Wortlaut: „Für die Zwecke dieses Artikels (dem Methodenartikel; Anm. der Verfasser) gelten Einkünfte (…) als aus Quellen des anderen Vertragsstaats stammend, wenn sie in Übereinstimmung mit dem Abkommen in dem anderen Vertragsstaat besteuert werden.“ Die deutschen DBA begrenzen im Methodenartikel die Verpflichtung des Wohnsitzstaates zur Freistellung oder Anrechnung regelmäßig ausdrücklich auf Einkünfte, die „aus dem anderen Staat stammen“. Nachdem der BFH zwischenzeitlich eine andere Auffassung vertreten hatte,3 interpretiert er die Quellenregeln seit der erneuten Änderung der Rspr. durch das Urteil vom 17.10.20074 wieder dahin gehend, dass sie die Frage, wann bestimmte Einkünfte aus dem anderen Vertragsstaat „stammen“, abschließend regeln.5 Damit versteht der BFH die Quellenregeln i.S. von Subjectto-Tax-Klauseln.6 Zentrales Tatbestandsmerkmal sowohl der Quellenregeln als auch der in den neueren DBA enthaltenen Subject-to-Tax-Klauseln stellt die Besteuerung der Einkünfte im anderen Vertragsstaat dar.7 So wird die Freistellung von der deutschen Besteuerung letztlich an die Voraussetzung geknüpft, dass die Einkünfte im anderen Staat besteuert werden,8 tatsäch-
1 OFD Rheinland v. 22.10.2010 – Kurzinformation IStR Nr. 49/2010, DStR 2011, 175. 2 Quellenregeln enthalten die DBA mit Neuseeland, Norwegen, Schweden, Dänemark, das Protokoll zum DBA-Italien, das DBA-USA sowie das DBA-Kanada 1981, vgl. hierzu Meretzki in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 16.17. 3 Vgl. BFH v. 17.12.2003 – I R 14/02, BStBl. II 2004, 260. 4 BFH v. 17.10.2007 – I R 97/06, BStBl. II 2008, 953. 5 Dies entspricht der früheren Rspr. des BFH, vgl. BFH v. 5.2.1992 – I R 158/90, BStBl. II 1992, 660; v. 11.6.1996 – I R 8/96, BStBl. II 1997, 117. 6 Vgl. zu alledem Meretzki in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 16.17 ff.; sowie Heurung/Engel in Prinz/Seitz, Umwandlungen im int. Steuerrecht, Rz. 5.61 (im Erscheinen). 7 Meretzki in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 16.22. 8 Z.B. Art. 24 Abs. 3 DBA-Dänemark; Art. 23 Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweden.
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5.110
Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
lich besteuert werden1 bzw. effektiv besteuert worden sind.2 Im Rahmen der Anwendung der Subject-to-Tax-Klauseln sind daher folgende Fragen von besonderer Bedeutung: – Wie ist der Begriff der Einkünfte zu verstehen? – Wann ist von einer Besteuerung im Quellenstaat i.S. der Subject-toTax-Klauseln auszugehen?
5.111 Im Hinblick auf den Einkünftebegriff innerhalb der Subject-to-Tax-Klauseln hat der BFH in seinem Urteil vom 27.8.19973 entschieden, dass stets auf die einzelnen Einkunftsarten der Verteilungsartikel in ihrer Gesamtheit abzustellen ist. Es findet also keine Zerlegung des ausländischen Betriebsstättengewinns in einzelne Einnahmen statt. Vielmehr hat eine Einheitsbetrachtung zu erfolgen, sodass eine Besteuerung im anderen Staat bereits vorliegt, wenn die Einkünfte zumindest teilweise im Quellenstaat besteuert werden.4
5.112 Beispiel 16: Der Steuerinländer D ist an der Personengesellschaft P in DBA-Freistellungsstaat P beteiligt. Die P erzielt abkommensrechtlich ausschließlich Unternehmensgewinne und unterhält ausschließlich in Staat P Betriebsstätten. Der Gewinn der Personengesellschaft enthält neben steuerpflichtigen Erträgen auch Einnahmen, die in Staat P aufgrund einer branchenspezifischen Förderungspolitik steuerfrei sind. Das zwischen der BRD und Staat P abgeschlossene DBA enthält eine Subjectto-Tax-Klausel.
5.113 Nach den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 27.8.1997 ist der gesamte Gewinnanteil des D aus der Personengesellschaft P von der deutschen Steuer freizustellen. Die Subject-to-Tax-Klausel kommt vorliegend nicht zur Anwendung, da zumindest ein Teil des Gewinns der Personengesellschaft in Staat P der Besteuerung unterliegt und damit insgesamt betrachtet keine „Nichtbesteuerung“ vorliegt.
5.114 Für Beteiligungen an ausländischen Personengesellschaften ist diese Einheitsbetrachtung von besonderer Bedeutung. Hinzuweisen ist insbesondere auf die Vorschrift des § 50d Abs. 10 EStG, wonach Sonderbetriebseinnahmen entgegen der BFH-Rspr.5 als Unternehmensgewinne im abkommensrechtlichen Sinne gelten. Aufgrund dieser Regelung gehören Sonderbetriebseinnahmen im Falle einer Zuordnung zu einer ausländischen Betriebsstätte der Personengesellschaft für Zwecke der Subjectto-Tax-Klauseln zu der maßgeblichen Einkünfteeinheit, sodass eine Anwendung der Subject-to-Tax-Klauseln nur in Betracht kommt, wenn 1 2 3 4
Z.B. Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-Großbritannien. Rz. 16 Buchst. d des Protokolls zum DBA-Italien. BFH v. 27.8.1997 – I R 127/95, BStBl. II 1998, 58. Vgl. zum Ganzen auch Seidel, Ertragsbesteuerung periodischer Auslandseinkünfte aus Direktinvestitionen, 2011, 152; Meretzki in Wassermeyer/Richter/ Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 16.23 f. 5 Vgl. BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356.
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C. Laufende Besteuerung inländischer Gesellschafter
weder der Gewinnanteil noch die Sondervergütungen im anderen Staat der Besteuerung unterliegen. Diese und weitere Fragen der grenzüberschreitenden Besteuerung von Sondervergütungen werden an anderer Stelle ausführlich behandelt (siehe Rz. 5.143 ff.). Ob eine Besteuerung im Quellenstaat i.S. der Subject-to-Tax-Klauseln 5.115 vorliegt, kann im konkreten Einzelfall durchaus schwierig zu beantworten sein. Die Rspr. konnte bislang noch nicht entscheidend zur Klärung der sich in diesem Zusammenhang stellenden Zweifelsfragen beitragen. Im Schrifttum haben sich insbesondere Grotherr1 sowie darauf aufbauend Meretzki2 um eine Begriffsklärung bemüht. Eine Besteuerung i.S. der Subject-to-Tax-Klauseln ist danach jedenfalls dann gegeben, wenn im Quellenstaat auf die Einkünfte eine Steuer erhoben wird. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Steuer im Wege des Quellensteuerabzugs erhoben wird oder ob eine Veranlagung erfolgt.3 Umgekehrt liegt jedoch nicht bereits deshalb keine Besteuerung i.S. der Subject-to-Tax-Klauseln vor, weil auf Einkünfte keine Steuern erhoben wurden. Vielmehr ist hier eine differenzierte Betrachtung anzustellen. So kann als Grundvoraussetzung des „besteuert Werdens“ i.S. der Subject-to-Tax-Klauseln genannt werden, dass die Einkünfte im anderen Staat steuerbar und nicht sachlich steuerfrei sind.4 Eine Besteuerung kann nicht angenommen werden, wenn die Einnahmen bestimmte sachliche Freibeträge oder Freigrenzen nicht erreichen, da hierin eine betragsmäßig beschränkte Steuerbefreiung zu sehen ist.5 Sind die Einkünfte im Ausland steuerbar und steuerpflichtig, ergibt sich aber letztlich keine steuerliche Belastung, kann hingegen im Einzelfall gleichwohl eine Besteuerung i.S. der Subject-to-Tax-Klauseln vorliegen. So sollten bspw. Einkünfte als besteuert anzusehen sein, wenn sie aufgrund eines Ausgleichs mit anderen negativen Einkünften im Veranlagungszeitraum oder wegen eines Verlustvor- oder -rücktrags, persönlichen Freibeträgen oder des Sonderausgabenabzugs im maßgeblichen Veranlagungszeitraum keine Steuerlast auslösen.6 Besonders schwierig stellt sich die Beantwortung der Frage nach der (Nicht-)Besteuerung von Einkünften in Fallkonstellationen dar, in denen aus deutscher Perspektive ein Gewinn gegeben ist, während nach dem Recht des Quellenstaats Einkünfte i.H.v. null vorliegen. Meretzki7 nennt hier folgende Beispiele: 1 Grotherr, IWB 1997, Fach 3, Gruppe 2, 689 ff. 2 Meretzki in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 16.15 ff. 3 Vgl. Meretzki in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 16.31; a.A. Grotherr, IWB 1997, Fach 3, Gruppe 2, 689 (711 f.). 4 Vgl. Meretzki in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 16.30. 5 So auch die Finanzverwaltung, vgl. BMF v. 14.9.2006 – IV B 6 - S 1300 - 367/06, BStBl. I 2006, 532 Rz. 155. 6 Vgl. OFD Frankfurt v. 8.7.2003 – S 1301 A - 55 - St II 57, DB 2003, 1602. 7 Meretzki in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 16.34.
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5.116
Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
– Der Steuerpflichtige erzielt im Quellenstaat aufgrund eines entsprechend ausgeübten Abschreibungswahlrechts einen Gewinn i.H. von null. – Im Quellenstaat kann für Veräußerungsgewinne eine § 6b EStG entsprechende Rücklage gebildet werden. – Das Steuerrecht des Quellenstaates ermöglicht eine steuerneutrale, formwechselnde Umwandlung einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft. Die zuletzt genannte Fallkonstellation lag dem BFH-Urteil vom 17.10.20071 zugrunde. Der I. Senat hatte hier eine Anwendung der im Protokoll zum im Streitfall einschlägigen DBA-Italien enthaltenen Quellenregel bejaht. Die beiden anderen Konstellationen waren dagegen bislang noch nicht Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. Unseres Erachtens ist jedenfalls in der im ersten Punkt genannten Fallkonstellation mit Meilicke/Portner2 von einer Besteuerung i.S. der Subject-to-Tax-Klauseln auszugehen. Der Grund hierfür ist darin zu sehen, dass die Betriebsstätteneinkünfte dem Grunde nach der Besteuerung unterliegen, nur die Bemessungsgrundlage eben genau null beträgt.3 Eine Anwendung der Subject-to-Tax-Klauseln wäre hier auch nicht sachgerecht, da es nicht deren Sinn und Zweck entspricht, solche – zumal temporären – Bemessungsgrundlageneffekte zum Anlass für einen Übergang von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode zu machen.4 ee) Abkommensrechtliche Switch-over-Klauseln
5.117 Abkommensrechtliche Switch-over-Klauseln setzen eine Nicht-, Minderund vereinzelt auch eine Doppelbesteuerung im anderen Vertragsstaat voraus. Hinsichtlich der erstgenannten Tatbestandsalternative weisen sie damit eine gewisse Nähe zu Subject-to-tax-Klauseln auf. In zweierlei Hinsicht unterscheiden sich Switch-over-Klauseln jedoch von den Subject-to-Tax-Klauseln: Erstens verlangen sie neben einer Nicht- oder Minderbesteuerung, dass die Nicht- oder Minderbesteuerung im anderen Vertragsstaat auf einen Qualifikations- oder Zurechnungskonflikt zurückzuführen ist.5 Einige Autoren vertreten hierbei die Auffassung, die abkommensrechtlichen Switch-over-Klauseln seien nur auf Qualifikationskonflikte anzuwenden, die auf Unterschieden im innerstaatlichen Recht der Vertragsstaaten beruhen („echte Qualifikationskonflikte“).6 1 2 3 4
BFH v. 17.10.2007 – I R 96/06, BStBl. II 2008, 953. Vgl. Meilicke/Portner, IStR 2004, 397 (401). Ebenso OFD Frankfurt v. 8.7.2003 – S 1301 A - 55 - St II 57, DB 2003, 1602. So auch in Bezug auf Switch-over-Klauseln Meilicke/Portner, IStR 2004, 397 (401). 5 Vgl. Meretzki in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 16.51. 6 Vgl. Schmidt/Blöchle in S/K/K, Art. 23 A/B OECD-MA Rz. 160; siehe auch Vogel in V/L5, Einleitung OECD-MA Rz. 169; Seidel, Ertragsbesteuerung periodischer Auslandseinkünfte aus Direktinvestitionen, 2011, 152.
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Der OECD-MK kommt indes bei der Switch-over-Klausel des Art. 23 Abs. 4 OECD-MA zu genau dem gegenteiligen Ergebnis. So soll Art. 23 Abs. 3 OECD-MA nur Anwendung finden, wenn der Qualifikations- oder Zurechnungskonflikt gerade nicht auf dem innerstaatlichen Recht der Vertragsstaaten beruht. Diese Einschränkung des Anwendungsbereichs der Switch-over-Klauseln durch den OECD-MK liegt darin begründet, dass der OECD-MK echte Qualifikationskonflikte bereits dadurch vermeidet, dass bei der Anwendung des Methodenartikels von einer Bindung des Ansässigkeitsstaates an die Sichtweise des Quellenstaats (sog. Qualifikationsverkettung) ausgegangen wird. Während die Finanzverwaltung der im OECD-MK geäußerten Auffassung folgt,1 stehen der BFH2 sowie der überwiegende Teil des deutschsprachigen Schrifttums3 zumindest für DBA, die zum Zeitpunkt der entsprechenden Änderung des OECD-MK bereits in Kraft waren, der Qualifikationsverkettung zu Recht ablehnend gegenüber. Unseres Erachtens kann den Switch-over-Klauseln im Allgemeinen weder eine Beschränkung auf echte Qualifikationskonflikte entnommen werden, noch können diese Klauseln umgekehrt in Bezug auf solche Qualifikationskonflikte aufgrund einer Auslegung des Methodenartikels i.S. einer Qualifikationsverkettung als obsolet bezeichnet werden. Im Ergebnis spricht daher vieles dafür, dass Switch-over-Klauseln im Allgemeinen sämtliche Arten von Qualifikationskonflikten erfassen.4 Ein weiterer Unterschied der Switch-over-Klauseln gegenüber den Subject-to-Tax-Klauseln besteht darin, dass bei der Prüfung des Tatbestandsmerkmals der (Nicht-)Besteuerung im anderen Vertragsstaat stets auf die Einkünfte bzw. Teilbeträge abzustellen ist, die der andere Vertragsstaat abkommensrechtlich abweichend einordnet; die in Rz. 5.111 dargestellte Einheitsbetrachtung findet somit im Rahmen der Switch-over-Klauseln keine Anwendung.5
5.118
Beispiel 17: Der Steuerinländer D ist an der gewerblich tätigen Personengesellschaft P in DBAFreistellungsstaat P beteiligt. P unterhält Betriebsstätten in Staat P sowie in Deutschland. Der Gewinn der Personengesellschaft enthält u.a. Dividenden aus der in Drittstaat X ansässigen Kapitalgesellschaft. Staat P geht davon aus, dass die Dividende der deutschen Betriebsstätte der Personengesellschaft zuzuordnen ist und nimmt damit ein ausschließliches Besteuerungsrecht der BRD entsprechend Art. 21 Abs. 1 OECD-MA an. Deutschland geht hingegen von einer Zuordnung der
1 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354 Rz. 4.1.3.3.1. 2 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602. 3 Vgl. Lang in FS Vogel, 907 ff.; Günkel/Lieber, FR 2000, 853 (856 ff.). Dem OECDMK folgend dagegen Weggenmann, IStR 2002, 614 ff.; Salome/Danon, Intertax 2003, 190 (193 ff.); siehe auch Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 1304. 4 Vgl. zu alledem Heurung/Engel in Prinz/Seitz, Umwandlungen im int. Steuerrecht, Rz. 5.63 m.w.N. (im Erscheinen). 5 Vgl. Meretzki in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 16.55.
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Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften Beteiligung zu einer Betriebsstätte der P in Staat P aus und kommt damit zu einem Besteuerungsrecht des Staates P entsprechend Art. 21 Abs. 2 OECD-MA.
5.119 Im Beispielsfall fände eine abkommensrechtliche Switch-over-Klausel Anwendung, da die Drittstaatsdividende infolge eines Qualifikationskonflikts in Staat P nicht besteuert wird. Bei der Prüfung des Tatbestandsmerkmals des „besteuert Werdens“ ist hier mithin nur auf die in dem Gewinnanteil der P enthaltene Dividende und nicht etwa auf den gesamten Unternehmensgewinn (Gewinnanteil des D aus der P) abzustellen.
5.120 Die abkommensrechtlichen Switch-over-Klauseln greifen – anders als dies zumindest dem Wortlaut nach bei § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG der Fall ist (Rz. 5.125) – nur dann ein, wenn die Anwendung verschiedener Abkommensbestimmungen durch die beiden Vertragsstaaten tatsächlich zu einer Nicht- oder Minderbesteuerung führt. Dies ist gerade für die Tatbestandsalternative der Minderbesteuerung von besonderer Bedeutung.
5.121 Beispiel 18:1 Der Steuerinländer D ist an der gewerblich tätigen Personengesellschaft P in DBAFreistellungsstaat P beteiligt, die sowohl in Staat P als auch in Deutschland Betriebsstätten betreibt. Die Personengesellschaft gewährt einem Dritten ein Darlehen über 2 Mio. Euro und erhält hierfür im maßgeblichen Veranlagungszeitraum Zinsen i.H. von 100 000 Euro. Die Personengesellschaft hat die Darlehensvergabe durch ein Bankdarlehen refinanziert, für das im maßgeblichen Jahr 80 000 Euro an Zinsaufwand entstanden. Deutschland ordnet das Darlehen einer Betriebsstätte in Staat P zu, während Staat P den Zinsartikel anwendet. Dieser gewährt dem Quellenstaat ein Besteuerungsrecht i.H. von 10 % der Bruttoeinnahmen. Der reguläre Steuersatz in Staat P beträgt 30 %.
5.122 In dieser Konstellation wäre eine abkommensrechtliche Switch-overKlausel nicht anwendbar, weil die abweichende abkommensrechtliche Einordnung der Darlehenszinsen in Staat P tatsächlich keine Minderbesteuerung zur Folge hat: Im Beispielsfall ergibt sich in Staat P eine tatsächliche Steuer i.H. von 10 000 Euro. Bei einer Behandlung als Teil des Betriebsstättengewinns hätte die Steuer hingegen nur 6000 Euro (30 % von 20 000 Euro) betragen, da in diesem Fall der Refinanzierungsaufwand bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage zum Abzug hätte gebracht werden können. ff) Switch-over- und Subject-to-Tax-Klauseln nach nationalem Recht (1) Überblick über die Vorschrift des § 50d Abs. 9 EStG
5.123 In § 50d Abs. 9 EStG hat der Gesetzgeber die abkommensrechtlichen Switch-over- und Subject-to-Tax-Klauseln jeweils um ein innerstaatliches Pendant ergänzt. Die Vorschrift enthält zwei Regelungen, eine Switchover-Klausel (§ 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG) und eine Subject-to-TaxKlausel (§ 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG). Rechtsfolge beider Vorschriften 1 In enger Anlehnung an Meretzki in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 16.54.
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ist ein Übergang von der im Abkommen vorgesehenen Freistellungsmethode zur Anrechnungs- bzw. Abzugsmethode (§ 34c Abs. 6 Satz 5 EStG). Im Hinblick auf die Anwendungsvoraussetzungen der beiden Normen ist zunächst festzuhalten, dass die Klauseln einerseits gemeinsame, anderseits jeweils spezifische Tatbestandsmerkmale aufweisen. So setzt § 50d Abs. 9 EStG in beiden Varianten Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen voraus, die nach einem DBA von der deutschen Steuer freizustellen sind. Dies führt zu der Frage, was unter „Einkünften“ i.S. des § 50d Abs. 9 EStG zu verstehen ist, kommen hier doch sowohl das einkommensteuerrechtliche als auch das abkommensrechtliche Begriffsverständnis infrage. Die Rspr. hatte sich bislang noch nicht mit dieser Problematik zu beschäftigen. Im Schrifttum sind die Auffassungen geteilt. Für die Maßgeblichkeit des einkommensteuerrechtlichen Begriffsverständnisses spricht das systematische Argument, dass grundsätzlich innerhalb des EStG auf die Definition in § 2 Abs. 1 und 2 EStG abzustellen ist.1 Allerdings setzt § 50d Abs. 9 EStG tatbestandlich voraus, dass die Einkünfte abkommensrechtlich steuerbefreit sind. Aufgrund dieser Verknüpfung des Einkünftebegriffs mit der Eigenschaft der abkommensrechtlichen Steuerfreiheit ist u.E. zumindest naheliegend, dass innerhalb des § 50d Abs. 9 EStG nicht vom allgemeinen einkommensteuerlichen Begriffsverständnis, sondern von den abkommensrechtlichen Einkünftekategorien auszugehen ist.2 Bislang höchstrichterlich ungeklärt ist ferner die Frage, ob die nach der BFH-Rspr.3 für abkommensrechtliche Subject-to-Tax-Klauseln relevante Einheitsbetrachtung (siehe Rz. 5.111) auch innerhalb des § 50d Abs. 9 EStG Anwendung findet. Im Schrifttum wird dies überwiegend unter Bezugnahme auf den Wortlaut der Norm bejaht. Dem ist zuzustimmen, zumal der Einleitungssatz der Vorschrift das Wort „wenn“ und nicht etwa das Wort „soweit“ verwendet.4 Die Finanzverwaltung geht hingegen insbesondere bei der Anwendung des § 50d Abs. 9 Nr. 1 EStG von einer Bruchteilsbetrachtung aus.5
5.124
(2) Spezifische Tatbestandsmerkmale des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG Über die in Rz. 5.123 beschriebenen, allgemeinen Tatbestandsmerkmale setzt § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG voraus, dass der andere Staat das Abkommen so anwendet, dass die Einkünfte von der Besteuerung auszuneh1 Vgl. Meretzki in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 16.76; Gosch in Kirchhof, § 50d Rz. 41. 2 Vgl. Schönfeld in F/W/B/S, § 50d Abs. 9 EStG Rz. 51. 3 BFH v. 11.6.1996 – I R 8/96, BStBl. II 1997, 117. 4 Vgl. Meretzki, IStR 2008, 23 ff.; Meretzki in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 16.82 m.w.N. 5 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354 Rz. 4.1.3.3.2.
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Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
men sind (Alt. 1) oder nur zu einem durch das Abkommen begrenzten Steuersatz besteuert werden können (Alt. 2). Aus der Wortfolge „das Abkommen so anwendet“ folgt zunächst, dass § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG nur eingreift, wenn der Quellenstaat die Einkünfte aufgrund der Anwendung einer Abkommensvorschrift nicht oder nur zu einem abkommensrechtlich begrenzten Steuersatz besteuert. Eine sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht ergebende Nicht- oder Minderbesteuerung im anderen Staat führt dementsprechend nicht zu einer Anwendung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG.1 Die innerstaatliche Switch-over-Klausel setzt ferner voraus, dass die Nicht- oder Minderbesteuerung im anderen Staat Folge eines Qualifikationskonflikts ist.2 Auch dies ergibt sich aus der Formulierung „das Abkommen so anwendet“, aus der zu schließen ist, dass das DBA aus deutscher Sicht gerade nicht „so“, sondern anders anzuwenden gewesen wäre.3 Die Ursache des Qualifikationskonflikts ist für die Anwendung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG irrelevant.4 Schließlich ist zu beachten, dass innerhalb der Vorschrift auf das abkommensrechtliche Besteuerungsrecht des Quellenstaats und nicht wie bei den abkommensrechtlichen Switch-over-Klauseln auf die tatsächliche Besteuerung abzustellen ist. § 50d Abs. 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG kann daher zumindest dem Wortlaut nach auch dann anzuwenden sein, wenn sich die Steuersatzbegrenzung – bspw. aufgrund von mit den Einnahmen in Zusammenhang stehenden Aufwendungen – letztlich gar nicht auswirkt.5 Aufgrund der Maßgeblichkeit des abkommensrechtlichen Besteuerungsrechts wäre die Vorschrift des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG in der dem Beispiel 18 (Rz. 5.121) zugrunde liegenden Konstellation anwendbar, obwohl sich dort aus dem Qualifikationskonflikt letztlich keine niedrigere Besteuerung ergibt. Da eine Anwendung der innerstaatlichen Switch-over-Klausel in solchen Konstellationen nicht dem Sinn und Zweck der Norm entspricht, wäre hier an eine teleologische Reduktion des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG zu denken. (3) Spezifische Tatbestandsmerkmale des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG
5.126 Die innerstaatliche Subject-to-Tax-Klausel des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG setzt neben den sich aus dem Einleitungssatz ergebenden Tatbestandsmerkmalen (Rz. 5.123) voraus, dass die Einkünfte im anderen Staat nicht steuerpflichtig sind, weil sie von einer Person bezogen werden, die in diesem Staat nicht aufgrund ihres Wohnsitzes, ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung, des Sitzes oder eines ähnlichen Merkmals unbeschränkt steuerpflichtig ist. Der Gesetzgeber will damit Konstellationen erfassen, in denen ausländische Einkünfte im Rah1 2 3 4 5
Vgl. BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, BFH/NV 2011, 2165. Vgl. BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, BFH/NV 2011, 2165. Vgl. Schönfeld in F/W/B/S, § 50d Abs. 9 EStG Rz. 72. Vgl. BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, BFH/NV 2011, 2165. Vgl. Meretzki in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 16.85.
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C. Laufende Besteuerung inländischer Gesellschafter
men einer beschränkten Steuerpflicht oder einer Remittance-Base-Besteuerung1 im Ausland nicht besteuert werden. Dabei macht die Vorschrift keinen Unterschied, ob die fehlende Steuerpflicht Folge einer Lücke im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht ist oder – wie dies etwa im Falle gezielter Anreize für ausländische Investoren der Fall ist2 – auf eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung des Quellenstaates zurückzuführen ist.3 3. Besteuerung des Gewinnanteils bei abweichender Qualifikation a) Intransparente Besteuerung im Sitzstaat aa) OECD-MA In den dem OECD-MA folgenden Abkommen gilt eine Personengesellschaft, die in ihrem Sitzstaat als eigenes Steuersubjekt einer unbeschränkten (Körperschaft-)Steuerpflicht unterliegt, entsprechend Art. 4 Abs. 1 OECD-MA als eine in ihrem Sitzstaat ansässige Person.4 Für die Besteuerung von Unternehmensgewinnen hat dies zur Folge, dass der Sitzstaat der Personengesellschaft diese aufgrund ihrer Abkommensberechtigung auch als Betreiberin des von ihr geführten Unternehmens qualifizieren wird. Damit stellt das Unternehmen der Personengesellschaft jedenfalls aus der Sicht des Ansässigkeitsstaats der Personengesellschaft i.S. des Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA ein Unternehmen ebendieses Staates dar. Der Ansässigkeitsstaat wird deshalb auf Grundlage des Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Satz 1 OECD-MA für sich ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht für den von der Personengesellschaft erzielten Gewinn reklamieren.5
5.127
Im Schrifttum wird seit Langem kontrovers diskutiert, ob Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters bei der Anwendung des Abkommens i.S. einer subjektiven Qualifikationsverkettung an die Unternehmenszuordnung des intransparent besteuernden Sitzstaates der Ge-
5.128
1 Nach dem Remittance-Base-Prinzip erfolgt im Wohnsitzstaat erst dann eine Besteuerung ausländischer Einkünfte und Vermögenswerte, wenn diese vom Ausland in den Wohnsitzstaat überwiesen worden sind, vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 282. 2 Vgl. hierzu BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354 Rz. 4.1.1.2.4 Beispiel 2; Schönfeld in F/W/B/S, § 50d Abs. 9 EStG Rz. 103. 3 Kritisch Vogel, IStR 2007, 225 (228); vgl. zu alledem auch Schönfeld in F/W/B/S, § 50d Abs. 9 EStG Rz. 103. 4 Ganz h.M., vgl. z.B. Richter, FR 2010, 540 (544); Schmidt, IStR 2010, 413 (416); Piltz/Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 67; Weggenmann in Wassermeyer/Schnittker/Richter, Personengesellschaften, Rz. 8.45; Blumers/Zillmer, BB 2010, 1375 (1377); a.A. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.1.1; Hruschka, DStR 2010, 1357 (1358). 5 Vgl. zu alledem Lüdicke IStR 2011, 91 (91); Piltz/Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 67; Weggenmann in Wassermeyer/Schnittker/Richter, Personengesellschaften, Rz. 8.45; Suchanek/Herbst, Ubg 2011, 779 (782).
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Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
sellschaft gebunden ist. Eine solche Bindungswirkung hätte nach der Auffassung nahezu aller sich für eine solche Auslegung aussprechenden Autoren zur Folge, dass der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters gem. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA von vornherein an einer Besteuerung des Gewinns der Personengesellschaft gehindert ist.1 Im Falle einer subjektiven Qualifikationsverkettung könnte der Wohnsitzstaat des Gesellschafters somit weder die Personengesellschaft selbst noch den inländischen Gesellschafter zu einer Steuer auf den Gewinn(-anteil) heranziehen. Dies würde auch für Gewinne der Personengesellschaft aus einer Betriebsstätte in einem Drittstaat gelten.2 Da der Methodenartikel nach dieser Sichtweise für die Besteuerung des Gesellschafters keine Bedeutung hat, wäre dessen Ansässigkeitsstaat auch dann an einer Besteuerung des Gewinnanteils gehindert, wenn der jeweilige Methodenartikel des einschlägigen DBA für Unternehmensgewinne nur eine Anrechnung der ausländischen Steuer vorsieht.3 Weiterhin käme einem etwaigen Aktivitätsvorbehalt keine Bedeutung zu. Verneint man hingegen eine subjektive Qualifikationsverkettung, würde Deutschland das Unternehmen der Personengesellschaft ebenso wie im Falle einer übereinstimmenden Qualifikation anteilig den dahinterstehenden Gesellschaftern zuordnen und damit hinsichtlich des Gewinnanteils des Steuerinländers von einem inländischen Unternehmen ausgehen (Rz. 5.86 f.).
5.129 Der BFH hat nun mit Urteil vom 25.5.20114 zum DBA-Ungarn5 entschieden, dass die Besteuerung eines in Deutschland ansässigen Gesellschafters einer ungarischen, nach dortigem Recht steuerlich intransparent behandelten Personengesellschaft nach Maßgabe des DBA-Ungarn auf der Grundlage des deutschen und nicht des ungarischen Steuerrechts vorzunehmen ist. Nach Ansicht des BFH erfolgt somit keine subjektive Qualifikationsverkettung, sodass auch im Falle einer intransparenten Besteuerung der ausländischen Personengesellschaft bei der Anwendung des DBA aus deutscher Sicht die oben für das Transparenzprinzip dargestellten Grundsätze (Rz. 5.86) greifen. Bei Abkommen, die wie das DBA-Ungarn in ihrem Aufbau dem OECDMA folgen, ist somit nach zutreffender Auffassung des BFH im Rahmen der abkommensrechtlichen Unternehmenszuordnung von einer anwen-
1 A.A. Lang in FS Fischer, 713 (719 ff.); Lang, The Application of the OECD Model Tax Convention to Partnerships – A Critical Analysis of the Report Prepared by the OECD Committee on Fiscal Affairs, 97 f.; Lang in FS Vogel, 907 (914), nach dessen Auffassung sich für den Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters ein Besteuerungsrecht aus Art. 10 Abs. 1 OECD-MA ergibt. 2 Für diese Fälle eine teleologische Reduktion des Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA in Betracht ziehend Wassermeyer, IStR 2011, 85 (89 f.). 3 Ein Einbezug der Einkünfte in den Progressionsvorbehalt könnte jedoch trotzdem erfolgen, vgl. hierzu Lüdicke, IStR 2011, 91 (94); Weggenmann in Wassermeyer/Schnittker/Richter, Personengesellschaften, Rz. 8.46 m.w.N. 4 BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602. 5 BGBl. II 1979, 626.
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C. Laufende Besteuerung inländischer Gesellschafter
derstaatsorientierten Auslegung auszugehen.1 Zur Begründung dieser Auffassung führt der I. Senat aus, dass die Einkünftezurechnung nicht Gegenstand des DBA, sondern des originär innerstaatlichen Rechts sei. Der nach dem nationalen Recht des jeweiligen Anwenderstaats vorgenommenen Einkünftezurechnung komme auch für die DBA-Anwendung maßgebliche Bedeutung zu.2 So führt nach Ansicht des BFH die Zuordnung der Einkünfte der ausländischen Personengesellschaft zum inländischen Gesellschafter dazu, dass das Unternehmen der Personengesellschaft aus deutscher Sicht dem inländischen Mitunternehmer zuzurechnen ist. Bei der Bestimmung der Person, die das Unternehmen im abkommensrechtlichen Sinne betreibt, ist also darauf abzustellen, welcher Person die Einkünfte aus der unternehmerischen Tätigkeit nach dem Recht des jeweiligen Vertragsstaats jeweils steuerlich zugerechnet werden.3 bb) DBA-Belgien Eine Reihe von DBA mit deutscher Beteiligung enthalten Sonderregelungen in Bezug auf Personengesellschaften. So umfasst nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 DBA-Belgien4 der Begriff der „Gesellschaft“ „sämtliche Rechtsträger, die in ihrem Ansässigkeitsstaat als solches besteuert werden, sowie die OHG, KG und Partenreedereien deutschen Rechts“. Im Hinblick auf die abkommensrechtliche Ansässigkeit sind – in Übereinstimmung mit dem OECD-MA – gem. Art. 4 Abs. 1 Halbs. 1 DBA-Belgien Personen, die nach dem Recht eines Vertragsstaates aufgrund eines persönlichen Merkmals steuerpflichtig sind, in diesem Staat ansässig. Nach dem zweiten Halbsatz dieser Regelung qualifizieren jedoch darüber hinaus auch OHG, KG und Partenreedereien deutschen Rechts sowie transparent besteuerte Gesellschaften belgischen Rechts, deren tatsächliche Geschäftsleitung sich jeweils in diesem Staat befindet, als ansässige Personen im abkommensrechtlichen Sinne. Diese Erweiterung des Kreises der ansässigen Personen hat jedoch in Übertragung der Grundsätze des BFH-Urteils vom 25.11.2011 nicht zur Folge, dass der in einem Vertragsstaat ansässigen Personengesellschaft die von ihr erzielten Einkünfte abkommensrechtlich zuzurechnen wären. Vielmehr gilt auch für das DBA-Belgien, dass die Einkünftezurechnung Gegenstand des innerstaatlichen Rechts der Vertragsstaaten ist. Im Hinblick auf die Besteuerung von Unternehmensgewinnen gelten somit die für das OECD-MA dargestellten Grundsätze,5 wonach die abkommensrechtliche Unternehmenszuordnung der Einkünftezurechnung des jeweiligen Anwenderstaats folgt.6 1 2 3 4 5 6
Vgl. hierzu auch Suchanek/Herbst, Ubg 2011, 779 (780 f.). Ebenso Wassermeyer, IStR 1998, 489 (491); Lüdicke, IStR 2011, 91 (93). Vgl. zu alledem Engel/Hilbert, FR 2012, 394 (397). BGBl. II 1969, 17. Vgl. Gosch in G/K/G, Art. 13 OECD-MA Rz. 63. Vgl. zu alledem Engel/Hilbert, FR 2012, 394 (398).
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5.130
Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
cc) DBA-Portugal und DBA-Spanien 1966
5.131 Sonderregelungen für Einkünfte aus Personengesellschaften enthalten auch das DBA-Portugal1 sowie das DBA-Spanien 1966.2 Diese auf Ebene der Gesellschafter ansetzenden Regelungen bestimmen jeweils, dass der Gesellschafter einer Personengesellschaft für Zwecke der Anwendung der Verteilungsnormen betreffend seine Einkünfte3 und sein Vermögen aus der Personengesellschaft als am Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung der Personengesellschaft ansässig gilt (Art. 4 Abs. 1 Satz 1 DBA-Portugal und DBA-Spanien 1966). Für die Besteuerung des inländischen Gesellschafters einer portugiesischen bzw. bis einschließlich 2011 einer spanischen Personengesellschaft hat dies zur Folge, dass auch aus deutscher Sicht Portugal bzw. Spanien hinsichtlich der Einkünfte aus der Personengesellschaft als Wohnsitzstaat des Gesellschafters gilt und damit Deutschland insoweit höchstens ein Besteuerungsrecht als Quellenstaat zukommen kann.
5.132 Beispiel 19: Der im Inland unbeschränkt Steuerpflichtige D ist an der portugiesischen Personengesellschaft (Sitz und Ort der Geschäftsleitung liegen jeweils in Portugal) P beteiligt. Die Gesellschaft erzielt ausschließlich Unternehmensgewinne, wobei sie Betriebsstätten in Portugal, Deutschland und dem Nicht-DBA-Staat X unterhält.
5.133 Aufgrund der intransparenten Besteuerung der Personengesellschaft in Portugal ist aus portugiesischer Sicht die Personengesellschaft selbst Betreiberin des Unternehmens im abkommensrechtlichen Sinne. Portugal nimmt daher ein portugiesisches Unternehmen i.S. des Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA-Portugal an. Portugal wird somit für sich ein Besteuerungsrecht für den gesamten Gewinn der Personengesellschaft reklamieren und die in Deutschland auf den Betriebsstättengewinn erhobene Steuer gem. Art. 24 Abs. 1 Buchst. a DBA-Portugal anrechnen. Deutschland wird dagegen im Rahmen der Besteuerung des D ebendiesen als Betreiber des (anteiligen) Unternehmens der Personengesellschaft qualifizieren. Gemäß Art. 4 Abs. 4 Satz 1 DBA-Portugal gilt D jedoch als in Portugal ansässig. Im Ergebnis liegt mithin auch aus deutscher Sicht ein portugiesisches Unternehmen vor,4 denn die Sonderregelungen in Art. 4 Abs. 4 der genannten Abkommen gelten ausweislich des Wortlauts auch für die Wohnsitzbesteuerung der Gesellschafter.5 Deutschland kann daher – korrespondierend zur portugiesischen Sichtweise – für sich nur bezüglich des auf die in der BRD belegene Betriebsstätte entfallenden Teils des Gewinnanteils des D ein Besteuerungsrecht reklamieren. 1 BGBl. II 1982, 130. 2 BGBl. II 1968, 9. 3 Das DBA-Portugal schließt hierbei Ausschüttungen vom Anwendungsbereich der Norm aus. 4 So auch Haase/Brändel, IStR 2011, 255 (256); Engel/Hilbert, FR 2012, 394 (399). 5 Vgl. BFH v. 17.10.2007 – I R 96/06, BStBl. II 2008, 953 (Obiter Dictum zu Art. 4 Abs. 4 DBA-Spanien); ausführlich Raber in D/W, Art. 4 DBA-Portugal Rz. 20; a.A. Herlinghaus in D/W, Art. 4 DBA-Spanien Rz. 16.
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C. Laufende Besteuerung inländischer Gesellschafter
5.134
Beispiel 20 (Abwandlung von Beispiel 19): Der Ausgangssachverhalt entspricht dem in Beispiel 19 mit dem Unterschied, dass D nicht direkt, sondern über die inländische D-KG an der P beteiligt sein soll.
In Beispiel 20 stellt sich die Frage, wer „Gesellschafter“ der Personengesellschaft P i.S. des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 DBA-Portugal ist, zumal diesbezüglich die D-KG oder deren hinter ihr stehende Gesellschafter und damit u.a. D in Betracht kommen. Wäre auf den zivilrechtlichen Gesellschafter abzustellen, hätte dies zur Folge, dass die Ansässigkeitsfiktion (nur) für die D-KG gilt. Für die Besteuerung des D würden sich dagegen keine materiellen Konsequenzen ergeben. Richtigerweise sollte jedoch i.S. einer steuerlich orientierten Auslegung des Gesellschafterbegriffs des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 DBA-Portugal in der vorliegenden Konstellation dem Transparenzprinzip entsprechend D aufgrund seiner Eigenschaft als Mitunternehmer der D-KG als (mittelbarer) „Gesellschafter“ der Untergesellschaft anzusehen sein.1 Somit stellt sich letztlich dasselbe Ergebnis ein wie in Beispiel 19. D gilt somit im Hinblick auf die Einkünfte aus der Personengesellschaft P, die im über seine Beteiligung an der D-KG zugerechnet werden, als in Portugal ansässig.
5.135
dd) DBA-USA Das DBA-USA2 enthält in Art. 1 Abs. 7 DBA-USA eine Sonderregelung zur Behandlung sog. „hybrider Gesellschaften“,3 also solcher Gesellschaften, die in einem der Vertragsstaaten steuerlich intransparent, im anderen Vertragsstaat hingegen transparent behandelt werden. Nach dieser Vorschrift gelten Einkünfte, die von einer oder über eine Person erzielt werden, die nach dem Recht eines der Vertragsstaaten als solche nicht steuerpflichtig ist, als von einer in einem Staat ansässigen Person bezogen, soweit sie i.S. der Steuergesetze dieses Staates als Einkünfte oder Gewinne einer ansässigen Person gelten. Art. 1 Abs. 7 DBA-USA enthält somit zwei verschiedene Tatbestandsalternativen: Die Erzielung von Einkünften von einer Person, die nach dem Recht eines der Vertragsstaaten als solche nicht steuerpflichtig ist (Alt. 1) und die Erzielung von Einkünften über einer Person, die nach dem Recht eines der Vertragsstaaten als solche nicht steuerpflichtig ist (Alt. 2). Rechtsfolge des Art. 1 Abs. 7 DBA-USA ist für beide Alternativen, dass die Einkünfte als von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person erzielt gelten. Im Schrifttum ist umstritten, ob Art. 1 Abs. 7 DBA-USA lediglich regelt, dass die Einkünfte von (irgend-)einer in einem der Vertragsstaaten ansässigen Person erzielt werden und damit letztlich nur den persönlichen Anwendungsbereich des Abkommens betrifft4 oder ob die 1 2 3 4
Vgl. Engel/Hilbert, FR 2012, 394 (400). BGBl. II 2008, 611, berichtigt in BGBl. II 2008, 851. Bahns/Keuthen, IStR 2010, 750. So z.B. Schönfeld, IStR 2007, 274 (276); Kreienbaum/Nürnberger, IStR 2006, 806 (811).
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5.136
Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
Vorschrift auch die abkommensrechtliche1 Einkünftezurechnung regelt.2 Nach der letztgenannten Auffassung wären die fraglichen Einkünfte für die Anwendung des Abkommens genau jener „in einem der Vertragsstaaten ansässigen Person“ zuzurechnen, die im konkreten Einzelfall zur Anwendung des Art. 1 Abs. 7 DBA-USA geführt hat. Ungeachtet dieses Meinungsstreits vermag die Vorschrift in vielen Konstellationen die Entstehung von Qualifikations- bzw. Zurechnungskonflikten nicht zu vermeiden.3
5.137 Beispiel 21: Die inländische D-GmbH ist an der P-LLC beteiligt. Diese ist aus deutscher Sicht als Personengesellschaft zu qualifizieren, wird jedoch in den USA intransparent besteuert. Die P-LLC erzielt ausschließlich Unternehmensgewinne aus US-amerikanischen Betriebsstätten.
5.138 In Beispiel 21 ist aufgrund der unterschiedlichen ertragsteuerlichen Einordnung der P-LLC in den USA und Deutschland die Vorschrift des Art. 1 Abs. 7 DBA-USA zu prüfen. Aus US-amerikanischer Perspektive ist ein Anwendungsfall des Art. 1 Abs. 7 Alt. 1 DBA-USA gegeben, da die Einkünfte aus Sicht der USA von der P-LLC erzielt werden, die ihrerseits in einem der beiden Staaten (Deutschland) als solche nicht steuerpflichtig ist, jedoch aufgrund ihrer intransparenten steuerlichen Behandlung in den USA dort abkommensrechtlich ansässig ist. Aus deutscher Sicht werden die Einkünfte dagegen von der in Deutschland ansässigen D-GmbH über die P-LLC erzielt, wobei Letztere nach deutschem Recht als solche nicht steuerpflichtig ist. Damit liegen aus deutscher Sicht die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 7 Alt. 2 DBA-USA vor. Selbst wenn man mit der h.M. in Art. 1 Abs. 7 DBA-USA die abkommensrechtliche Einkünftezurechnung geregelt sieht, ließe sich der im Beispielsfall gegebene Qualifikations- bzw. Zurechnungskonflikt nicht auflösen. Denn die beiden Tatbestandsalternativen des Art. 1 Abs. 7 DBA-USA stehen gleichberechtigt nebeneinander, weshalb beide Staaten innerhalb von Art. 1 Abs. 7 DBA-USA von ihren Zurechnungsgrundsätzen ausgehen können.4 Somit wären die Einkünfte auch unter Berücksichtigung dieser Vorschrift in den beiden Staaten unterschiedlichen Personen zuzurechnen. Im Ergebnis kommen somit im Beispielsfall dieselben Grundsätze zum Tragen, wie sie oben für das OECD-MA (Rz. 5.127 ff.) herausgearbeitet wurden.5
1 Die Einkünftezurechnung nach nationalem Recht bleibt selbstverständlich unberührt, vgl. hierzu auch Schnitger in Endres/Jacob/Gohr/Klein, Art. 1 DBA-USA Rz. 77; Schönfeld, IStR 2007, 274 (276). 2 So die h.M., vgl. Wolff in D/W, Art. 1 DBA-USA Rz. 113; Schnitger in Endres/Jacob/Gohr/Klein, Art. 1 DBA-USA Rz. 73–75; Jacob, IStR 2011, 98 (99); Bahns/ Keuthen, IStR 2010, 750 (752). 3 Vgl. zu alledem Engel/Hilbert, FR 2012, 394 (400 f.). 4 So auch Schnitger in Endres/Jacob/Gohr/Klein, Art. 1 DBA-USA Rz. 91. 5 Ebenso im Ergebnis Schnitger in Endres/Jacob/Gohr/Klein, Art. 1 DBA-USA Rz. 92 f.; siehe auch Engel/Hilbert, FR 2012, 384 (401 f.).
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C. Laufende Besteuerung inländischer Gesellschafter
b) Exkurs: Transparente Besteuerung im Sitzstaat bei deutscher Qualifikation als Kapitalgesellschaft Denkbar sind auch Konstellationen, in der eine in ihrem Sitzstaat transparent besteuerte (Personen-)Gesellschaft aus deutscher Sicht nach dem Rechtstypenvergleich als Körperschaft zu qualifizieren ist.
5.139
Beispiel 22:
5.140
Der Steuerinländer D ist an der Gesellschaft G in Staat G beteiligt. Diese ist aus deutscher Sicht als Kapitalgesellschaft zu qualifizieren, wird jedoch in Staat G transparent besteuert. Die G erzielt ausschließlich Unternehmensgewinne aus in Staat G belegenen Betriebsstätten.
In Deutschland erfolgt die Besteuerung des Gesellschafters D erst im Falle einer Ausschüttung (Rz. 5.33). Dabei finden bei einer Zuordnung der Beteiligung zum steuerlichen Privatvermögen die Regelungen zur sog. Abgeltungsteuer Anwendung, während im Falle einer Zugehörigkeit der Beteiligung zu einem Betriebsvermögen das Teileinkünfteverfahren (§§ 3 Nr. 40 Buchst. d, 3c Abs. 2 EStG) eingreift.
5.141
Im DBA-Fall wäre Deutschland in Beispiel 22 abkommensrechtlich nicht an einer Besteuerung der Gewinnausschüttung gehindert. Denn nach dem BFH-Urteil vom 20.8.20081 hat Deutschland gem. Art. 21 Abs. 1 OECD-MA ein Besteuerungsrecht für den ausgeschütteten Gewinn.2
5.142
4. Besteuerung von Sondervergütungen a) Dem OECD-MA entsprechende DBA Die Mehrzahl der von Deutschland abgeschlossenen DBA enthalten wie das OECD-MA keine ausdrückliche Regelung zur Behandlung der nach deutschem Steuerrecht als Sondervergütungen zu qualifizierenden Einkünfte. Aus diesem Grund wäre grundsätzlich anhand allgemeiner Auslegungskriterien zu entscheiden, unter welche abkommensrechtliche Einkunftsart Sondervergütungen zu subsumieren sind. Nun hat jedoch der Gesetzgeber in § 50d Abs. 10 EStG geregelt, dass Sondervergütungen – soweit das Abkommen diesbezüglich keine ausdrückliche Regelung enthält – ausschließlich als Unternehmensgewinne gelten. Die Einführung dieser Vorschrift durch das JStG 20093 stellt eine Reaktion des Gesetzgebers auf die anderslautende Rspr. des BFH dar. Dieser hatte im Hinblick auf Zinsen, die ein ausländischer Gesellschafter von einer inländischen Mitunternehmerschaft erhielt, eine (vorrangige) Anwendung des Zinsartikels angenommen, welcher im konkreten Fall ein ausschließliches Besteue-
1 BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263. 2 Ebenso BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354 Rz. 4.1.4.2; v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA - 22/04, BStBl. I 2004, 411. 3 BGBl. I 2008, 2794.
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5.143
Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
rungsrecht des Wohnsitzstaates vorsah.1 § 50d Abs. 10 EStG dient daher in erster Linie der „Absicherung“ eines deutschen Besteuerungsrechts für Sondervergütungen nach dem Betriebsstättenprinzip in Inbound-Konstellationen. Die Vorschrift ist jedoch auch auf unbeschränkt Steuerpflichtige anzuwenden, weshalb im Folgenden die Besteuerung von Sondervergütungen, die ein Steuerinländer aus „seiner“ ausländischen Personengesellschaft erhält, aufgezeigt werden soll. Auf eine umfangreiche Darstellung des der Einführung des § 50d Abs. 10 EStG vorhergehenden Theorienstreits wird jedoch verzichtet. Hier sei auf Kapitel 10 verwiesen (siehe Rz. 10.81).
5.144 Beispiel 23: Der Steuerinländer D ist an einer Personengesellschaft P im DBA-Freistellungsstaat P beteiligt, die nur in Staat P über Betriebsstätten verfügt. D hat der P ein Darlehen ausgereicht, für welches er jährlich Zinsen i.H. von 100 000 Euro erhält. Staat P soll die Darlehenszinsen annahmegemäß ebenfalls als Sondervergütungen behandeln.
5.145 Die abkommensrechtliche Behandlung der Sondervergütungen ist im Beispielsfall auch unter Einbezug der Regelung des § 50d Abs. 10 EStG nicht eindeutig. Denn aus der Vorschrift ergibt sich zunächst nur, dass es sich bei den Darlehenszinsen ausschließlich um Unternehmensgewinne handeln soll. Somit ist Art. 7 OECD-MA anzuwenden. Nach dessen Verteilungsmechanismus hat zunächst Deutschland gem. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA ein unbeschränktes Besteuerungsrecht an dem Unternehmensgewinn (inkl. der Sondervergütungen). Staat P kommt hingegen ein Besteuerungsrecht zu, soweit der Unternehmensgewinn auf eine Betriebsstätte in Staat P entfällt (Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA). Es stellt sich daher die Frage, ob das Darlehen und damit die Zinsen einer Betriebsstätte in Staat P zuzurechnen sind. Die Finanzverwaltung und Teile des Schrifttums gehen davon aus, dass sich im Beispielsfall eine Zuordnung der Sondervergütungen zu (einer Betriebsstätte) der Personengesellschaft letztlich aus § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG i.V. mit der Lex-Fori-Klausel des Art. 3 Abs. 2 OECD-MA ergibt. Die h.M. nimmt demgegenüber an, dass die Zuordnungsfrage im Wege einer abkommensorientierten Auslegung zu klären ist, und kommt dabei zu dem Ergebnis, dass die Sondervergütungen (regelmäßig) keiner Betriebsstätte der Personengesellschaft zugeordnet werden können.2 Stattdessen wird zum Teil davon ausgegangen, dass die Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens und damit auch die Sondervergütungen einer vom Mitunternehmer selbst eigens für den Sonderbetriebsbereich unterhaltenen Betriebsstätte (sog. Mitunternehmer-
1 Vgl. BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356 (zu Art. 7 und 11 DBAUSA). 2 Vgl. Hils, DStR 2009, 888 (891); Schmidt, DStR 2010, 2436 (2438); Haun/Reiser/ Mödinger, GmbHR 2010, 637 (642); Boller/Eilinghoff/Schmidt, IStR 2009, 109 (112 ff.); Meretzki, IStR 2009, 217 (219 f.); Häck, IStR 2011, 71 (73).
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C. Laufende Besteuerung inländischer Gesellschafter
betriebsstätte) oder einer weiteren Betriebsstätte bzw. dem „Stammhaus“ des eigenen Unternehmens des Mitunternehmers zuzuordnen sind.1 Der BFH hat nun in einem Urteil zu einer Inbound-Konstellation ent- 5.146 schieden, dass § 50d Abs. 10 EStG „streng genommen“ bereits deshalb leerlaufe, weil er auf Art. 7 OECD-MA in seiner Gesamtheit und damit auch auf Art. 7 Abs. 7 OECD-MA verweise, der einen Vorrang der speziellen Verteilungsnormen gegenüber Art. 7 OECD-MA statuiert. Selbst wenn jedoch nur Art. 7 OECD-MA Anwendung finden würde, wäre nach den tatsächlichen Gegebenheiten zu entscheiden, ob die Sondervergütungen einer Betriebsstätte der Personengesellschaft zuzurechnen sind. Der innerstaatlichen Norm des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG könne hingegen im Rahmen der abkommensrechtlichen Betriebsstättenzurechnung keine Bedeutung beigemessen werden. Vielmehr würden innerhalb des Art. 7 OECD-MA weitestgehend dieselben Grundsätze gelten wie im Rahmen der Betriebsstättenvorbehalte. Einer dem Gesellschafter über seine Beteiligung zuzurechnenden Betriebsstätte der Personengesellschaft könnten somit nur solche Wirtschaftsgüter zugerechnet werden, die dieser Betriebsstätte nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten „gebühren“. So wären Lizenzrechte einer Betriebsstätte der Personengesellschaft zuzurechnen, wenn sie in dieser Betriebsstätte bzw. von dieser Betriebsstätte aus verwaltet und vermarktet werden, woran es im Streitfall gefehlt habe.2 Nach den Grundsätzen des BFH-Urteils kommt eine Zuordnung von Sondervergütungen zu einer Betriebsstätte der Personengesellschaft wohl nicht wirklich in Betracht, da es immer der Mitunternehmer ist, der die Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens verwaltet bzw. vermarktet. In Beispielsfall 20 würde demnach unter Zugrundelegung der h.M. sowie der BFH-Rspr. eine Zurechnung der Sondervergütungen zu der Betriebsstätte in Staat P ausscheiden, sodass es bei einem unbeschränkten Besteuerungsrecht der BRD nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA bliebe. Im Hinblick auf das umfassende Schrifttum zu dieser Thematik3 soll hier nur kurz auf das Urteil des BFH vom 8.9.2010 und dessen Begründung eingegangen werden. Der BFH nennt zwei Gründe, warum die Vorschrift des § 50d Abs. 10 EStG nicht geeignet war, für den dem Urteil zugrunde liegenden Fall einer von einer inländischen Personengesellschaft an einen ausländischen Mitunternehmer gezahlten Sondervergütung ein deutsches Besteuerungsrecht nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 DBA-USA4 zu begründen. Der erste Begründungsansatz, wonach die von § 50d Abs. 10 EStG angeordnete Qualifikation als Unternehmensgewinn auch zu einer Anwen1 Vgl. Wassermeyer, IStR 2006, 273 (273 f.); Boller/Eilinghoff/Schmidt, IStR 2009, 109 (112 ff.); Meretzki, IStR 2009, 217 (219 f.); Häck, IStR 2011, 71 (73). 2 Vgl. BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138. 3 Vgl. Hils, DStR 2009, 888 ff.; Schmidt, DStR 2010, 2436 ff.; Haun/Reiser/Mödinger, GmbHR 2010, 637 ff.; Boller/Eilinghoff/Schmidt, IStR 2009, 109 ff.; Meretzki, IStR 2009, 217 ff.; Häck, IStR 2011, 71 ff.; Goebel/Liedtke/Schmidt, IWB 2010, 7 ff.; Lieber, IWB 2010, 351 ff.; Lohbeck/Wagner, DB 2009, 423 ff. 4 Entspricht Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA.
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5.147
Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
dung des Art. 7 Abs. 7 DBA-USA führe und dementsprechend aufgrund des Spezialitätsprinzips letztlich doch die jeweiligen speziellen Verteilungsnormen anzuwenden sind, ist u.E. nicht überzeugend. Denn ausweislich des Wortlauts des § 50d Abs. 10 EStG gelten die Sondervergütungen ausschließlich als Unternehmensgewinne. Die Vorschrift bringt damit deutlich zum Ausdruck, dass sie die Sondervergütungen nicht nur dem Art. 7 OECD-MA zuordnen, sondern zugleich dem Anwendungsbereich der speziellen Verteilungsnormen entheben will.1 Überzeugend ist hingegen der zweite Begründungsansatz des BFH, wonach sich weder aus § 50d Abs. 10 EStG selbst noch aus § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG (i.V.m. Art. 3 Abs. 2 OECD-MA) eine Zuordnung der Sondervergütungen zu einer Betriebsstätte der Personengesellschaft ergibt. Es sind folglich die allgemeinen abkommensrechtlichen Grundsätze anzuwenden, weshalb die Wirtschaftsgüter letztlich nur einer eigenen Betriebsstätte des Mitunternehmers zugeordnet werden können.2
5.148 Insbesondere wenn der andere Staat das Konzept der Sondervergütungen nicht kennt, kann die Anwendung des § 50d Abs. 10 EStG zu Qualifikationskonflikten führen. Dies hat der Gesetzgeber erkannt und daher in § 50d Abs. 10 Satz 2 EStG ausdrücklich angeordnet, dass die innerstaatliche Switch-over-Klausel des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG auch im Anwendungsbereich des § 50d Abs. 10 EStG Anwendung findet. Ob damit aber einer „Keinmalbesteuerung“ bzw. „doppelten Nichtbesteuerung“ der Sondervergütungen wirksam vorgebeugt wurde, ist zweifelhaft.
5.149 Beispiel 24 (Abwandlung von Beispiel 23): Der Grundsachverhalt entspricht dem des Beispiels 23. Nur lässt nun Staat P die Darlehenszinsen annahmegemäß bei der Personengesellschaft P zum Abzug zu. Die an D gezahlten Darlehenszinsen subsumiert Staat P unter den Zinsartikel, der ein alleiniges Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates vorsehen soll.
5.150 Geht man mit der Finanzverwaltung davon aus, dass die Darlehenszinsen in Beispiel 24 einen Teil des ausländischen Betriebsstättengewinns bilden und dementsprechend grundsätzlich von der inländischen Besteuerung auszunehmen sind, stellt sich die Frage, ob hier die innerstaatliche Switch-over-Klausel des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG eingreift. Dabei kommt es darauf an, ob man entsprechend der hier vertretenen Auffassung den Gewinnanteil und die Sondervergütungen innerhalb des § 50d Abs. 9 EStG als Einheit sieht (Rz. 5.124) oder mit der Finanzverwaltung3 diesbezüglich von einer Bruchteilsbetrachtung ausgeht. Nach der erstgenannten Sichtweise wäre § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG nur anzuwen1 In diesem Sinne auch Pohl, IWB 2012, 120 (123); Häck, IStR 2011, 71 (73); Frotscher, IStR 2009, 593 (595). 2 Derzeit wird auf eine Prüfbitte des Bundesrats hin geprüft, ob die Vorschrift des § 50d Abs. 10 EStG im Rahmen des geplanten JStG 2013 dahin gehend geändert werden soll, dass dieser zukünftig auch die Zurechnungsfrage regelt, vgl. BRDrucks. 302/12, 51 f. 3 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354 Rz. 4.1.3.3.2.
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den, wenn weder der Gewinnanteil noch die Sondervergütungen in Staat P der Besteuerung unterliegen würden. Bezieht man dagegen die innerstaatliche Switch-over-Klausel nur auf die Sondervergütungen, wäre im Beispielsfall ein Anwendungsfall des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG gegeben. Für die Gewerbesteuer ist die abkommensrechtliche Behandlung der Sondervergütungen nicht von Bedeutung, da die Sondervergütungen zum Anteil am Gewinn der ausländischen Personengesellschaft i.S. des § 9 Nr. 2 GewStG gehören und demnach beim inländischen Gesellschafter der gewerbesteuerlichen Kürzung unterliegen.
5.151
b) DBA mit ausdrücklichen Regelungen für Sondervergütungen Einige der von der BRD abgeschlossenen Abkommen enthalten für Sondervergütungen eine ausdrückliche Regelung.1 Diese genießen Vorrang vor der innerstaatlichen Vorschrift des § 50d Abs. 10 EStG. Die Sonderregelungen sind jeweils in ihrem Wortlaut identisch, sodass insoweit keine weiteren Differenzierungen notwendig sind. Sie weisen Sondervergütungen jeweils dem Artikel über Unternehmensgewinne zu, wenn die Vergütungen nach dem Steuerrecht des Vertragsstaates, in dem die Betriebsstätte belegen ist, den Einkünften des Gesellschafters aus dieser Betriebsstätte zugerechnet werden.2 Ordnet keiner der beiden Vertragsstaaten die Vergütungen einer in seinem Hoheitsgebiet gelegenen Betriebsstätte der Personengesellschaft zu, bleibt es dagegen bei den allgemeinen Grundsätzen.
5.152
Beispiel 25:
5.153
Der Steuerinländer D ist an der schweizerischen CH-OHG beteiligt, welche nur in der Schweiz Betriebsstätten unterhält. D hat der CH-OHG ein Darlehen ausgereicht, für welches er jährlich Zinsen i.H. von 100 000 Euro erhält. Die Schweiz lässt die Darlehenszinsen bei der CH-OHG steuerlich zum Abzug zu und wendet im Rahmen der Besteuerung des D den Zinsartikel (Art. 11 Abs. 1 DBA-Schweiz) an und kommt damit zu einem alleinigen Besteuerungsrecht der BRD.
In Beispiel 25 sind die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBASchweiz nicht gegeben, da keiner der beiden Vertragsstaaten die Darlehenszinsen als Einkünfte aus einer Betriebsstätte der Personengesellschaft qualifiziert. § 50d Abs. 10 EStG findet im Beispielsfall ebenfalls keine Anwendung, da diese Norm nur anzuwenden ist, wenn das DBA keine ausdrückliche Regelungen für Sondervergütungen enthält. Abkommens1 Z.B.: Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Belarus; Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Ghana; Art. 7 Abs. 6 Satz 2 DBA-Kasachstan; Art. 7 Abs. 4 DBA-Liechtenstein; Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Österreich; Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Schweiz; Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Singapur; Art. 7 Abs. 7 DBA-Tadschikistan; Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Usbekistan. 2 Da die jeweiligen Sonderregelungen an die Gesellschafterstellung im Zeitpunkt der Einkünfteerzielung anknüpfen, können sie für nachträgliche Einkünfte keine Anwendung finden, vgl. Rz. 10.89; Franz/Voulon, BB 2011, 1111 (1113).
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5.154
Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
rechtlich gelten somit die allgemeinen Grundsätze. Nach der höchstrichterlichen Rspr. wären die Darlehenszinsen auch aus deutscher Sicht unter Art. 11 Abs. 1 DBA-Schweiz zu subsumieren.
5.155 Beispiel 26: Der Steuerinländer D ist an der österreichischen Ö-KG beteiligt, welche nur in Österreich Betriebsstätten unterhält. D hat der Ö-KG ein Darlehen ausgereicht, für welches er jährlich Zinsen i.H. von 100 000 Euro erhält. In Österreich werden die Darlehenszinsen als Einkünfte des D aus einer ihm durch seine Beteiligung vermittelten österreichischen Betriebsstätte qualifiziert.1
5.156 Die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Österreich sind im Beispielsfall gegeben, da Österreich als Betriebsstättenstaat die Sondervergütungen als Teil des Gewinns aus einer österreichischen Betriebsstätte behandelt. Fraglich ist jedoch, welche Rechtsfolgen hieraus zu ziehen sind. So könnte entsprechend der Argumentation des BFH zu § 50d Abs. 10 EStG angenommen werden, dass Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Österreich auch auf Art. 7 insgesamt und damit auch auf Abs. 8 verweist, sodass im Ergebnis trotz der Sonderregelung auf die Darlehenszinsen Art. 11 DBA-Österreich vorrangig anzuwenden ist. Der BFH hatte zwar für die wortgleiche Sonderregelung im DBA-Schweiz entschieden, dass die Sonderregelung für Sondervergütungen keinen Verweis auf die Subsidiaritätsklausel enthält,2 aufgrund des Urteils vom 8.9.20103 zu § 50d Abs. 10 EStG (Rz. 5.146) ist jedoch zweifelhaft, ob diese Grundsätze noch Bestand haben.4
5.157 Abgesehen von der vorstehend beschriebenen Problematik stellt sich für Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Österreich ähnlich wie in § 50d Abs. 10 EStG (Rz. 5.145) die Frage nach der konkreten Rechtsfolge der Norm. Deren Wortlaut spricht nur davon, dass Art. 7 DBA-Österreich auch für die dort bezeichneten Vergütungen anzuwenden ist, die Sondervergütungen also als Unternehmensgewinne zu qualifizieren sind. Ein Teil des Schrifttums sieht vor diesem Hintergrund die Rechtsfolge solcher Sonderregelungen auf die Qualifikation als Unternehmensgewinne beschränkt. Für das Beispiel 25 würde dies bedeuten, dass aus deutscher Sicht – ebenso wie dies der BFH in seinem Urteil vom 8.9.20105 für § 50d Abs. 10 EStG angenommen hat (Rz. 5.146) – eine Zurechnung zu einer dem Gesellschafter durch seine Beteiligung vermittelten österreichischen Betriebsstätte abzulehnen wäre und damit die Sondervergütungen nicht von der deutschen Steuer freizustellen wären. Andere Autoren nehmen hingegen an, dass Vorschriften wie Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Österreich auch als Zurechnungsnormen zu verstehen sind, also neben der Einkünftequalifikation die Betriebsstättenzuordnung regeln. Sie sollen also den Wohnsitzstaat 1 Vgl. hierzu die Verrechnungspreisrichtlinien 2010 des österreichischen BMF v. 28.10.2010 – BMF-010221/2522-IV/4/2010, Rz. 294 (abrufbar unter https://findok. bmf.gv.at/findok/showGesPDFakt.do). 2 Vgl. BFH v. 17.10.1990 – I R 16/89, BStBl. II 1991, 211. 3 Vgl. BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138. 4 Vgl. Pohl, IWB 2012, 120 (123). 5 BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138.
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C. Laufende Besteuerung inländischer Gesellschafter
zur Übernahme der Zuordnung durch den Betriebsstättenstaat verpflichten.1 Nach dieser Auffassung wären die Sondervergütungen in Beispiel 26 auch aus deutscher Sicht Teil des österreichischen Betriebsstättengewinns und damit von der deutschen Besteuerung auszunehmen. Aus der bisherigen BFH-Rspr. zu den Sonderregelungen können hierzu keine Schlüsse gezogen werden. Denn der BFH hatte bislang nur im Rahmen von Inbound-Konstellationen zu entscheiden, ob aus deutscher Sicht eine abkommensrechtliche Zurechnung von Sondervergütungen zu einer inländischen Betriebsstätte des ausländischen Mitunternehmers vorlag bzw. nach welchen Grundsätzen eine solche Zurechnung vorzunehmen ist.2 Das Gericht hatte sich also bislang nur mit den Tatbestandsvoraussetzungen der Sonderregelungen und nicht mit deren Rechtsfolgen für den Wohnsitzstaat zu beschäftigen. Die Frage, ob der BFH Abkommensnormen wie Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Österreich i.S. einer strengen Wortlautauslegung ebenso wie § 50d Abs. 10 EStG eine Wirkung für die Betriebsstättenzurechnung absprechen würde, muss daher als offen bezeichnet werden.3 5. Besteuerung im Verlustfall a) Anrechnungsmethode Soweit das Abkommen die Doppelbesteuerung durch die Anrechnungsmethode vermeidet, ergeben sich aus dem DBA selbst keine Einschränkungen der Verlustberücksichtigung im Inland. Die Verlustbehandlung richtet sich somit allein nach innerstaatlichem Recht, sodass insoweit auf die Ausführungen zum Nicht-DBA-Fall (Rz. 5.34 ff.) verwiesen werden kann. Auch im Rahmen der Ermittlung sowie der Feststellung der Verluste ist allein das deutsche Verständnis maßgebend.
5.158
b) Freistellungsmethode aa) Symmetriethese und Progressionsvorbehalt Die von der BRD abgeschlossenen Abkommen sehen traditionell zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von Unternehmensgewinnen die Freistellungsmethode vor. Nach der sog. Symmetriethese sind im Falle einer abkommensrechtlichen Freistellung Verluste ebenso wie Gewinne nicht in die inländische Bemessungsgrundlage einzubeziehen.4 Gilt abkommensrechtlich die Freistellungsmethode, sind mithin Anteile am Verlust einer ausländischen Personengesellschaft im Rahmen der inländischen 1 Vgl. Pohl, IWB 2012, 120 (124); Rosenberg/Farle in Wassermeyer/Richter/ Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 13.26; Schmidt, DStR 2010, 2436 (2437). 2 Vgl. BFH v. 17.10.1990 – I R 16/89, BStBl. II 1991, 211; v. 10.7.2002 – I R 71/01, BStBl. II 2003, 191. 3 Ebenso Pohl, IWB 2012, 120 (124). 4 Ständige Rspr., vgl. z.B. BFH v. 9.8.1989 – I B 118/88, BStBl. II 1990, 175; v. 16.11.1989 – IV R 143/85, BStBl. II 1990, 204; v. 9.6.2010 – I R 100/09, GmbHR 2010, 722; v. 9.6.2010 – I R 107/09, GmbHR 2010, 996.
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5.159
Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
Besteuerung des Gesellschafters nicht zu berücksichtigen. Der Progressionsvorbehalt findet grundsätzlich auch im Falle ausländischer Verluste Anwendung.1 bb) „Finale“ Verluste
5.160 Nach der Rspr. des EuGH in der Rs. „Lidl Belgium“2 ist die Symmetriethese im Zusammenhang mit Verlusten aus einer ausländischen Betriebsstätte zwar im Grundsatz europarechtlich zulässig. Eine Ausnahme hiervon stellen jedoch Verluste dar, die im anderen Mitgliedsstaat endgültig nicht mehr genutzt werden können. Solche sog. „finalen“ Verluste müssen ausnahmsweise im Inland Berücksichtigung finden, weil sonst ein ungerechtfertigter Eingriff in die Niederlassungsfreiheit vorliegen würde. Der BFH hat die EuGH-Rspr. übernommen sowie weiterentwickelt bzw. konkretisiert. Dabei hat der I. Senat auch eine Abzugsfähigkeit der finalen Verluste im Rahmen der Gewerbesteuer angenommen, obwohl sich die Nichtberücksichtigung ausländischer Betriebsstättenverluste dort bereits aus dem Gewerbesteuergesetz (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG bzw. § 9 Nr. 3 GewStG – „negative Kürzung“) und nicht aus der abkommensrechtlichen Freistellung bzw. der Symmetriethese ergibt.3 Dies ist u.E. sachgerecht, denn europarechtlich sollte es keinen Unterschied machen, ob die Nichtberücksichtigung ausländischer positiver und negativer Einkünfte Folge einer Norm des innerstaatlichen Rechts oder des Abkommensrechts ist.4
5.161 Die Rechtsprechungsgrundsätze gelten grundsätzlich auch in Personengesellschaftsfällen, soweit die Beteiligung des Steuerinländers ihm finale Verluste aus einer ausländischen Betriebsstätte der Gesellschaft vermittelt. Im Hinblick auf die Berücksichtigungsfähigkeit der Verluste im Rahmen der Gewerbesteuer ist jedoch zu beachten, dass § 8 Nr. 8 GewStG eine Hinzurechnung von Verlustanteilen sowohl einer in- als auch einer ausländischen Personengesellschaft vorsieht. Anders als bei Betriebsstättenverlusten liegt also eine Gleichbehandlung in- und ausländischer Verluste vor. Die durch § 8 Nr. 8 GewStG letztlich angeordnete Nichtberücksichtigung von Verlusten einer ausländischen Personengesellschaft wirkt somit nicht diskriminierend, sodass es bereits an einem Eingriff in die Niederlassungsfreiheit fehlen dürfte. Es spricht somit einiges dafür, dass eine gewerbesteuerliche Berücksichtigung finaler Verluste in Personengesellschaftskonstellationen versagt wird.
1 Vgl. hierzu sowie zu den Einschränkungen des negativen Progressionsvorbehalts Rz. 2.494 ff. 2 EuGH v. 15.5.2008 – Rs. C-414/06 – Lidl Belgium, EuGHE 2008, I-3601 = BStBl. II 2009, 692. 3 Vgl. BFH v. 9.6.2010 – I R 107/09, BFH/NV 2010, 1744. 4 Vgl. Heurung/Engel, GmbHR 2010, 1065 (1071).
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C. Laufende Besteuerung inländischer Gesellschafter
6. Drittstaateneinkünfte a) Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren aus Drittstaaten Erzielt die ausländische Personengesellschaft Einkünfte aus einem Drittstaat, können diese – insbesondere bei einer intransparenten Besteuerung der Auslandsgesellschaft – zugleich im Drittstaat, im Inland und im Sitzstaat der Personengesellschaft der Besteuerung unterliegen. Für solche Dreieckssachverhalte stellt sich die Frage, wie diese Mehrfachbesteuerung vermieden werden kann.
5.162
Beispiel 27:
5.163
Der im Inland unbeschränkt Steuerpflichtige D ist an der Personengesellschaft P im DBA-Freistellungsstaat P beteiligt. Zum Gewinn der Personengesellschaft gehören Dividendeneinnahmen aus einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft in Staat Q.
Aus deutscher Sicht ist zunächst zu prüfen, ob die Dividenden einer Betriebsstätte in Staat P zuzuordnen sind, welche die Personengesellschaft dem D aufgrund des Transparenzprinzips vermittelt. Ist eine Zuordenbarkeit der Dividendeneinkünfte zu einer Betriebsstätte in Staat P gegeben, unterliegen die Drittstaatdividenden entsprechend Art. 21 Abs. 2 OECDMA dem Verteilungsmechanismus des Art. 7 OECD-MA, können also in Staat P uneingeschränkt besteuert werden. Deutschland hat die Drittstaatsdividenden als Teil des ausländischen Betriebsstättengewinns von der Besteuerung auszunehmen (Art. 23 A i.V.m. Art. 7 OECD-MA). Aufgrund dieser Steuerbefreiung kommt eine Anrechnung der in Staat Q erhobenen Quellensteuer auf die deutsche Steuer nicht in Betracht. Besteht zwischen Staat Q und der BRD ein DBA, kann sich aus dem Dividendenartikel eine Beschränkung des Quellenbesteuerungsrechts des Staates Q ergeben. Auf ein mögliches Abkommen zwischen den Staaten P und Q kann sich D nicht berufen, da er in keinem der beiden Staaten abkommensrechtlich ansässig ist. Es ist daher eine Frage des innerstaatlichen Rechts, ob – wie dies in § 50 Abs. 3 EStG vorgesehen ist – eine Anrechnung der in Staat Q erhobenen Steuer auf die Steuer des Staates P infrage kommt.
5.164
Ist keine Zuordenbarkeit der Beteiligung an der Drittstaatsgesellschaft zu einer dem inländischen Mitunternehmer durch seine Beteiligung vermittelnden Betriebsstätte der Personengesellschaft in Staat P gegeben, ist im Verhältnis zwischen Deutschland und Staat P Art. 21 Abs. 1 OECD-MA einschlägig, mit der Folge, dass der BRD ein alleiniges Besteuerungsrecht an den Drittstaatsdividenden zusteht. Eine in Staat Q erhobene Quellensteuer könnte im Rahmen der inländischen Besteuerung durch Anrechnung berücksichtigt werden.
5.165
Hinzuweisen ist auf den Zurechnungskonflikt, der sich in Beispiel 27 ergeben kann, wenn Staat P die Personengesellschaft intransparent behandelt. In diesem Fall wird er die Dividenden der Personengesellschaft P zurechnen und deshalb bei der Anwendung des zwischen Deutschland
5.166
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Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
und Staat P abgeschlossenen DBA auf Grundlage von Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA oder Art. 21 Abs. 1 OECD-MA davon ausgehen, dass ihm ein exklusives Besteuerungsrecht an den Drittstaatsdividenden zukommt. Insoweit kann es also zu einem Zurechnungskonflikt sowie zu einer Doppel- bzw. Mehrfachbesteuerung kommen. Hier hilft D nur ein Verständigungsverfahren entsprechend Art. 25 OECD-MA. b) Betriebsstätte im Drittstaat
5.167 Beispiel 28: Der im Inland unbeschränkt Steuerpflichtige D ist an der Personengesellschaft P im DBA-Freistellungsstaat P beteiligt. Zum Gewinn der Personengesellschaft gehören Einkünfte aus einer Betriebsstätte in Staat Q.
5.168 Im Beispielsfall vermittelt die Beteiligung des D an der Personengesellschaft P diesem (anteilig) auch die Betriebsstätte der P in Staat Q. Die in dieser Betriebsstätte erwirtschafteten Ergebnisse sind auch im Rahmen der Anwendung der DBA (siehe zum innerstaatlichen Recht Rz. 5.46) allein als Einkünfte der Betriebsstätte in Staat Q anzusehen, können also nicht zugleich als Einkünfte aus einer Betriebsstätte in Staat P qualifiziert werden. Somit existieren auch abkommensrechtlich keine sog. „Unterbetriebsstätten“. Für die Anwendung des zwischen der BRD und Staat P vereinbarten DBA bedeutet dies, dass Deutschland das alleinige Besteuerungsrecht an dem Betriebsstättengewinn entsprechend Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA zusteht. Wenn zwischen Staat Q und der BRD kein DBA bestehen sollte, könnte die im Staat Q erhobene Steuer auf die deutsche Steuer angerechnet werden. Besteht dagegen zwischen Staat Q und Deutschland ein DBA, hätte Staat Q entsprechend Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA ein Besteuerungsrecht für den Betriebsstättengewinn und Deutschland würde den Gewinn regelmäßig von der Besteuerung freistellen (entsprechend Art. 23 A i.V.m. Art. 7 OECD-MA).
5.169 Wie in Beispiel 27 ist auch hier denkbar, dass Staat P die Personengesellschaft intransparent besteuert und damit dieser die Einkünfte aus der Betriebsstätte in Staat Q zurechnet. In diesem Fall würde Staat P bei der Anwendung des zwischen Staat P und der BRD vereinbarten DBA für sich aus einer Art. 7 Abs. 7 Satz 1 OECD-MA entsprechenden Regelung ein exklusives Besteuerungsrecht annehmen. Ein solcher Zurechnungskonflikt könnte dann zu einer Doppel- bzw. Mehrfachbesteuerung führen. Allerdings hätte eine intransparente Besteuerung der Personengesellschaft P in Staat P zur Folge, dass auch ein mögliches Abkommen zwischen den Staaten P und Q Anwendung finden würde. Aus diesem Abkommen könnte sich dann eine Freistellung des Betriebsstättengewinns in Staat P ergeben (entsprechend Art. 23 A i.V.m. Art. 7 OECD-MA), sodass es nicht zwingend zu einer Doppel- bzw. Mehrfachbesteuerung kommen muss.
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C. Laufende Besteuerung inländischer Gesellschafter
5.170
Beispiel 29: Der im Inland unbeschränkt Steuerpflichtige D ist an der Personengesellschaft P in DBA-Freistellungsstaat P beteiligt. Zum Gewinn der Personengesellschaft gehören Dividenden aus einer Beteiligung an einer inländischen Kapitalgesellschaft sowie Gewinne aus einer im Inland belegenen Betriebsstätte.
In Beispiel 29 ist ein sog. unechter Dreieckssachverhalt gegeben, wobei Deutschland gleichzeitig als Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters und als Quellenstaat in Erscheinung tritt.
5.171
Entsprechend der im Zusammenhang mit echten Dreieckskonstellationen dargestellten Systematik des „Nebeneinanders“ der von der Personengesellschaft unterhaltenen Betriebsstätten (keine „Unterbetriebsstätte“, siehe Rz. 5.168) scheidet eine gleichzeitige Zuordnung des inländischen Betriebsstättenergebnisses zu einer (Geschäftsleitungs-)Betriebsstätte der Personengesellschaft P in Staat P aus. Deutschland kann daher entsprechend Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA das alleinige Besteuerungsrecht des auf die inländische Betriebsstätte entfallenden Teils des Gewinnanteils des D beanspruchen. Hinsichtlich der Dividenden ist danach zu unterscheiden, ob diese einer Betriebsstätte in Staat P zugeordnet werden können. Ist dies der Fall, hat Staat P diesbezüglich ein Besteuerungsrecht entsprechend Art. 21 Abs. 2, 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA, während Deutschland die Dividenden von der Besteuerung ausnimmt (entsprechend Art. 23 A i.V.m. Art. 7 OECD-MA). Scheidet eine solche Zuordnung hingegen aus, hat Deutschland das alleinige Besteuerungsrecht für die Dividendeneinkünfte (entsprechend Art. 21 Abs. 1 OECD-MA). Besteuert Staat P die Personengesellschaft intransparent, würde sich aus 5.172 der Sicht des Staates P eine abweichende Behandlung ergeben. Für die inländischen Betriebsstätteneinkünfte hätte dies regelmäßig keine steuerlichen Konsequenzen. Zwar ginge Staat P innerhalb des Art. 7 OECD-MA von einem „Unternehmen des Staates P“ aus, hinsichtlich des auf die deutsche Betriebsstätte entfallenden Gewinns würde er jedoch entsprechend Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA ein deutsches Besteuerungsrecht annehmen und die Gewinne von seiner Steuer freistellen. Materielle Konsequenzen ergäben sich jedoch im Hinblick auf die Besteuerung der Dividenden: Staat P würde diesbezüglich für sich ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht entsprechend Art. 10 Abs. 1 OECD-MA beanspruchen. Ferner würde Staat P annehmen, dass Deutschland die Dividenden nur zu dem in Art. 10 Abs. 2 des Abkommens festgelegten Steuersatz besteuern darf. Nur wenn die Beteiligung der deutschen Betriebsstätte zuzuordnen wäre, käme Staat P zu einem uneingeschränkten Besteuerungsrecht Deutschlands (entsprechend Art. 10 Abs. 4, Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECDMA) und würde die Dividenden von seiner Steuer ausnehmen (entsprechend Art. 23 A i.V.m. Art. 7 OECD-MA).
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Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
D. Gründung und Erwerb einer ausländischen Personengesellschaft I. Bargründung 5.173 Wird eine Personengesellschaft neu gegründet, ist eine Gründungsbilanz zu erstellen. Vereinbaren die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag, ihre Beiträge in Geld zu erbringen, liegt eine sog. Bargründung vor. In diesem Fall ergeben sich bei der Erstellung der Eröffnungsbilanz keine besonderen Schwierigkeiten. Der Geldbestand der Personengesellschaft wird auf der Aktivseite der Gründungsbilanz ausgewiesen, während auf der Passivseite für jeden Gesellschafter zumindest ein (festes) Kapitalkonto eingerichtet wird, welches die geleisteten Beiträge des jeweiligen Gesellschafters ausweist. Da die Geldbeträge stets zum Nennwert angesetzt werden, stellen sich bei einer Bargründung keine Gewinnrealisierungsfragen.
5.174 Gehören die Anteile an der neu gegründeten Personengesellschaft beim inländischen Gesellschafter zu einem Betriebsvermögen, erscheinen diese in seiner Steuerbilanz unter dem Merkposten „Beteiligung an der ausländischen Personengesellschaft“. Dieser Merkposten symbolisiert einen ideellen Anteil des Gesellschafters am Vermögen der Personengesellschaft und entspricht nach der sog. Spiegelbildmethode betragsmäßig dem in der Steuerbilanz der Personengesellschaft ausgewiesenen Kapitalanteil des Gesellschafters.
5.175 Hinsichtlich der Höhe der Eigenkapitalausstattung ergeben sich aus dem deutschen Steuerrecht keine Beschränkungen. Es gilt vielmehr der Grundsatz der Finanzierungsfreiheit. Die Finanzierungsstruktur der Personengesellschaft kann somit an unternehmerischen Erfordernissen ausgerichtet werden. Zu beachten ist jedoch, dass sich aus dem Recht des Sitzstaates der Personengesellschaft ggf. gesellschaftsrechtliche und/oder steuerrechtliche Restriktionen ergeben können.
II. Sachgründung 5.176 Im Gesellschaftsvertrag kann auch vereinbart werden, dass die Gesellschafter ihre Einlage beim Eintritt in die ausländische Personengesellschaft ganz oder teilweise in Sachwerten zu erbringen haben. Im Rahmen einer solchen Sachgründung kommen als Gegenstand der Einlage sowohl materielle Wirtschaftsgüter, wie z.B. Maschinen oder Grundstücke, als auch immaterielle Wirtschaftsgüter, wie z.B. Know-how, Patente, Lizenzen, in Betracht. Steuerlich stellt sich bei einer Sachgründung insbesondere die Frage, mit welchem Wert die auf die Personengesellschaft übertragenen Wirtschaftsgüter in deren Steuerbilanz anzusetzen sind, weil damit auch über die Aufdeckung oder Fortführung eventuell vorhandener stiller Reserven entschieden wird. Hierbei ist zwischen Übertragungen
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Schänzle/Engel
D. Gründung und Erwerb einer ausländischen Personengesellschaft
von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens des Gesellschafters und Übertragungen aus einem Betriebsvermögen zu unterscheiden. Werden im Rahmen der Gründung Wirtschaftsgüter des Privatvermögens 5.177 gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten auf eine (in- oder ausländische) Personengesellschaft übertragen, ist hierin ein entgeltlicher, tauschähnlicher Vorgang zu sehen mit der Folge, dass gem. § 6 Abs. 6 Satz 1 EStG der gemeine Wert anzusetzen ist.1 Der in § 6 Abs. 1 Nr. 5 und 6 EStG vorgesehene Teilwertansatz kommt nur bei unentgeltlichen Übertragungen im Wege der verdeckten Einlage in Betracht.2 Kommt der Gesellschafter seiner Einlageverpflichtung dadurch nach, dass er Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens auf die ausländische Personengesellschaft überträgt, stellt sich die Frage, ob ein Anwendungsfall des § 6 Abs. 5 Satz 1, Satz 3 Nr. 1 EStG vorliegt. Dabei kommt dem Tatbestandsmerkmal der Sicherstellung der Besteuerung der stillen Reserven eine besondere Bedeutung zu.
5.178
Beispiel 30:
5.179
Der Steuerinländer D und die inländische D-GmbH gründen gemeinsam in DBAFreistellungsstaat P die Personengesellschaft P. D soll seine Einlage durch die Übertragung einer Beteiligung erbringen, die er bislang im Betriebsvermögen seines Einzelunternehmens hält. Der Buchwert der Beteiligung beträgt 40 000 Euro; der gemeine Wert 120 000 Euro.
Im Beispielsfall wird die Beteiligung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten aus einem Betriebsvermögen des D in das Gesamthandsvermögen der P übertragen. Damit liegt eine der in § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG umschriebenen Konstellationen vor. Eine Buchwertfortführung setzt jedoch gem. § 6 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 EStG weiterhin voraus, dass die Besteuerung der in der Beteiligung enthaltenen stillen Reserven sichergestellt ist. Auf Basis der Rspr. des BFH wäre davon auszugehen, dass das zwischen der BRD und Staat P vereinbarte DBA den deutschen Fiskus nicht daran hindert, die in der Beteiligung enthaltenen stillen Reserven bei einer späteren Realisation steuerlich zu erfassen.3 Tatsächlich kann also eine Sicherstellung des deutschen Besteuerungsrechts bejaht werden, sodass die Voraussetzungen für eine Buchwertfortführung eigentlich vorliegen würden. Nun hat jedoch der Gesetzgeber durch das JStG 20104 auf das Urteil des BFH vom 17.7.20085 reagiert, indem er in § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG eine Regelung geschaffen hat, wonach ein Ausschluss oder eine Beschränkung 1 BFH v. 19.10.1998 – VIII R 69/95, BStBl. II 2000, 230; siehe dazu auch Hey in T/L20, § 18 Rz. 81. 2 Vgl. hierzu sowie zur Abgrenzung von entgeltlichen und unentgeltlichen Übertragungen BMF v. 11.7.2011 – IV C 6 - S 2178/09/10001 (2011/0524044), BStBl. I 2011, 713. 3 Vgl. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. 4 BGBl. I 2010, 1768. 5 Vgl. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464.
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5.180
Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts insbesondere vorliegen soll, wenn ein bisher einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen zuzuordnendes Wirtschaftsgut einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist. Nach dieser Vorschrift ist also zumindest in den durch das Beispiel abgedeckten Sachverhalten entgegen der BFH-Rspr. ein von § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG vorausgesetzter Ausschluss bzw. eine Beschränkung des Besteuerungsrechts anzunehmen. Dabei soll hier nicht weiter erörtert werden, ob in § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG eine gesetzliche Fiktion zu sehen ist oder ob vielmehr davon ausgegangen werden kann, dass es sich um ein Regelbeispiel handelt, welches den Regelungsbereich der Grundnorm des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG lediglich verdeutlicht.1 Im hier interessierenden Zusammenhang ist vielmehr das Zusammenspiel zwischen § 6 Abs. 5 EStG und § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG von Bedeutung. § 6 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 EStG sieht eine entsprechende Anwendung dieser Fiktion innerhalb des § 6 Abs. 5 EStG vor. Dies stellt den Rechtsanwender vor Probleme, ist doch die Rechtsfolge des § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG nicht mit dem Wortlaut des § 6 Abs. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 EStG abgestimmt: Die erstgenannte Norm ordnet einen „Ausschluss oder eine Beschränkung des Besteuerungsrechts“2 an, während die zuletzt genannte Vorschrift eine „Sicherstellung der Besteuerung“ voraussetzt. Im Sinne einer strengen Wortlautauslegung ließe sich argumentieren, dass im Beispielsfall deshalb von einem Anwendungsfall des § 6 Abs. 5 Satz 1, Satz 3 Nr. 1 EStG auszugehen ist, weil die Besteuerung der stillen Reserven tatsächlich sichergestellt ist und die Annahme eines „Ausschlusses oder einer Beschränkung des Besteuerungsrechts“ daran nichts ändert, da die Norm eben nicht an den Ausschluss oder die Beschränkung eines Besteuerungsrechts anknüpft. Der Verweis auf § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG ginge somit letztlich ins Leere. Anderseits kann man das Zusammenwirken der Normen auch so verstehen, dass § 6 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 EStG an eine „Sicherstellung der Besteuerung“ anknüpft, diese jedoch unter Zugrundelegung der Fiktion bzw. des Regelbeispiels in § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG zu prüfen ist.3 Im Beispielsfall würde der hiernach anzunehmende Ausschluss des Besteuerungsrechts der BRD dazu führen, dass die Besteuerung der stillen Reserven in Deutschland als nicht sichergestellt anzusehen wäre und somit kein Buchwertansatz gem. § 6 Abs. 5 EStG erfolgen könnte. Nach dieser Sichtweise wäre wie bei Übertragungen aus dem Privatvermögen § 6 Abs. 6 Satz 1 EStG anzuwenden; es käme also zu einem Ansatz des gemeinen Wertes. Von dem zuletzt genannten Verständnis dürfte der Gesetzgeber des JStG 2010 ausgegangen sein.
1 In diesem Sinne Musil, FR 2011, 545 (549 f.); Mitschke, Ubg 2011, 328 (330 f.). 2 Hier sollte auch die Frage erlaubt sein, ob die Vorschrift beides zugleich fingiert oder ob es darauf ankommen soll, ob für die ausländischen Betriebsstättengewinne die Anrechnungs- oder die Freistellungsmethode gilt. Letzteres dürfte wohl der gesetzgeberischen Vorstellung entsprechen. 3 So wohl Mitschke, Ubg 2011, 328 (332).
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D. Gründung und Erwerb einer ausländischen Personengesellschaft
Dies entspricht auch der Praxis der Finanzverwaltung, die im Betriebsstättenerlass von einem Ansatz zum Fremdvergleichspreis ausgeht.1
5.181
Beispiel 31 (Abwandlung von Beispiel 30): Der Grundsachverhalt entspricht dem des Beispiels 30. Nur soll zwischen Deutschland und Staat P kein DBA bestehen.
Wie in Beispiel 30 ist auch hier fraglich, ob nach Maßgabe des § 6 Abs. 5 Satz 1, Satz 3 Nr. 1 EStG eine Buchwertfortführung erfolgen kann bzw. zu erfolgen hat. Die in Rz. 5.180 angesprochene Problematik bei der Prüfung des Tatbestandsmerkmals der „Sicherstellung der Besteuerung der stillen Reserven“ besteht auch in der dem Beispiel 31 zugrunde liegenden Konstellation. Allerdings sollte die Besteuerung der stillen Reserven auch dann als sichergestellt anzusehen sein, wenn bei einer späteren steuerlichen Erfassung möglicherweise eine ausländische Steuer anzurechnen ist. Denn Deutschland kann in diesem Fall zweifellos die stillen Reserven besteuern. Dass möglicherweise eine ausländische Steuer anzurechnen ist, steht dem nicht entgegen, da § 6 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 EStG ausweislich seines Wortlauts keinen exklusiven, uneingeschränkten Besteuerungszugriff durch den deutschen Fiskus verlangt. Darin unterscheidet sich die Vorschrift von den durch das SEStEG2 geschaffenen Entstrickungsregelungen, mit denen der Gesetzgeber insoweit gewissermaßen „Neuland betreten hat“, als den Normen erstmals die Überlegung zugrunde liegt, dass die Möglichkeit der Anrechnung ausländischer Steuern das deutsche Besteuerungsrecht beschränkt. Im Ergebnis liegen in Beispiel 31 mithin die Voraussetzungen für eine Buchwertfortführung vor.
5.182
III. Erwerb von Anteilen an ausländischen Personengesellschaften Erwirbt ein Steuerinländer einen Anteil an einer ausländischen Personengesellschaft, ist nach der Höhe des vereinbarten Entgelts zu unterscheiden: Entspricht der Kaufpreis dem Buchwert, ergeben sich steuerlich keine Probleme. Auf Ebene der Gesellschaft wird das Kapitalkonto des ausscheidenden Gesellschafters für den neuen Gesellschafter fortgeführt. Das Kapitalkonto in der Steuerbilanz der ausländischen Personengesellschaft weist in diesem Fall den bilanzsteuerlichen Wert der Beteiligung bereits zutreffend aus. Gehört der neu erworbene Mitunternehmeranteil beim Gesellschafter zu einem Betriebsvermögen, ist dieser in der eigenen Steuerbilanz des inländischen Gesellschafters entsprechend der Spiegelbildmethode unter dem Merkposten „Beteiligung an der ausländischen Personengesellschaft“ mit dem in der Gesellschaftsbilanz ausgewiesenen Betrag seines Kapitalkontos zu aktivieren.
1 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.6.4. 2 BGBl. I 2006, 2782.
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5.183
Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
5.184 Weicht der Kaufpreis für den Anteil von dem Buchwert des Kapitalkontos der ausländischen Personengesellschaft ab, ist der Mehr- oder Minderwert des Erwerbers in einer positiven oder negativen Ergänzungsbilanz festzuhalten. In dieser Ergänzungsbilanz wird zum einen ein Mehr- oder Minderkapital des Gesellschafters und zum anderen ein korrespondierender Mehr- oder Minderwert der einzelnen Wirtschaftsgüter der Personengesellschaft vermerkt. Denn nach der steuerlichen Betrachtung hat der neue Gesellschafter die (anteiligen) Wirtschaftsgüter der Personengesellschaft erworben, sodass für die Besteuerung des Erwerbers die Buchwerte der Wirtschaftsgüter an seine Anschaffungskosten anzupassen sind. Ob sich die in der Ergänzungsbilanz vorgenommenen Korrekturen im Inland steuerlich auswirken, hängt davon ab, welcher Betriebsstätte die jeweiligen Wirtschaftsgüter zuzuordnen sind.1
E. Ermittlung der Einkünfte der ausländischen Personengesellschaft I. Buchführungs- und Anmeldepflichten 5.185 Die ausländische Personengesellschaft hat grundsätzlich in ihrem Sitzstaat nach den dort geltenden Rechtsvorschriften Bücher zu führen. Eine Maßgeblichkeit des nach ausländischem Recht erstellten Abschlusses für die deutsche Besteuerung ergibt sich daraus jedoch nicht.2 Ebenso wenig führt eine handelsrechtliche Buchführungspflicht im Sitzstaat der Gesellschaft zu einer derivativen steuerlichen Buchführungspflicht, da ausländische Rechtsnormen vom Begriff der „anderen Gesetze“ i.S. des § 140 AO nicht umfasst sind.3 Ein qualifizierter Betriebsvermögensvergleich ist deshalb nur durchzuführen, wenn die ausländische Personengesellschaft im Inland eine Zweigniederlassung unterhält oder eine der Grenzen des § 141 AO überschreitet. In allen anderen Fällen kann der Gewinn dagegen wahlweise entweder nach § 4 Abs. 1 EStG oder nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt werden.4 Um dem Steuerpflichtigen eine „doppelte Buchführung“5 im In- und Ausland zu ersparen, sieht § 146 Abs. 2 AO vor, dass eine ausländische Buchführung zum Ausgangspunkt der steuerlichen Gewinnermittlung 1 Vgl. für Beispiele zur Behandlung steuerlicher Ergänzungsbilanzen Zimmermann u.a., Die Personengesellschaft im Steuerrecht10, Rz. C 83 ff. 2 BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57. 3 Vgl. BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; Schmidt/Heinz, GmbHR 2008, 581 (583) m.w.N. Anders nun die Finanzverwaltung im Entwurf der Einkommensteueränderungsrichtlinien 2012, Rz. 11. 4 Vgl. BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; Schmidt/Heinz, GmbHR 2008, 581 (584 f.). 5 So plakativ Piltz, Die Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland, 88.
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E. Ermittlung der Einkünfte der ausländischen Personengesellschaft
gemacht werden kann. In diesem Fall stellt das GoB-konform umgerechnete1 Ergebnis nach ausländischem Recht die Grundlage der steuerlichen Gewinnermittlung für Zwecke der inländischen Besteuerung dar. Allerdings müssen gem. § 146 Abs. 2 Satz 4 AO Anpassungen an die deutschen Gewinnermittlungsvorschriften vorgenommen und kenntlich gemacht werden.2 Kennt der Sitzstaat der Personengesellschaft das Konzept der Sondervergütungen nicht, kann dies die Aufstellung gesonderter Sonderbilanzen durch den Gesellschafter notwendig machen.3 Beteiligt sich ein Steuerinländer an einer ausländischen Personengesellschaft, hat er dies gem. § 138 Abs. 2 AO seinem zuständigen Finanzamt anzuzeigen. Mitteilungspflichtig sind ferner die Aufgabe sowie die Änderung einer solchen Beteiligung. Die Mitteilungspflicht nach § 138 Abs. 2 AO ist nicht von weiteren Voraussetzungen wie z.B. einer bestimmten Beteiligungshöhe abhängig. Der Steuerpflichtige hat die Mitteilung gem. § 138 Abs. 3 AO innerhalb eines Monats nach dem Eintritt des meldepflichtigen Ereignisses auf amtlich vorgeschriebenen Vordruck zu erstatten. Kommt der Steuerpflichtige seiner Mitteilungspflicht nicht nach, wird sich regelmäßig die Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamts mit einschalten und möglicherweise Zwangsgelder verhängen (§§ 328 ff. AO) sowie prüfen, ob ein Fall von Steuergefährdung gem. § 379 Abs. 2 Nr. 1 AO vorliegt.4
5.186
II. Währungsumrechnung/Steuerliche Berücksichtigung von Wechselkursgewinnen und -verlusten Der Gewinnanteil des inländischen Gesellschafters einer ausländischen Personengesellschaft ist nach den Vorschriften des deutschen Steuerrechts zu ermitteln. Die Gewinnermittlung kann dabei entweder direkt in Euro erfolgen oder das Ergebnis ist nach einer den GoB entsprechenden Methode der Währungsumrechnung in Euro umzurechnen. Grundsätzlich erfordert dies eine Umrechnung jedes einzelnen Geschäftsvorfalls mit dem jeweiligen Kurs (sog. Zeitbezugsmethode).5 Dieses Verfahren weist zwar eine sehr hohe Genauigkeit auf, ist aber bei einer Vielzahl von Geschäftsvorfällen wenig praktikabel. Deshalb ist auch eine Umrechnung nach der sog. Stichtagskursmethode zulässig, wenn es zwischen den Bilanzstichtagen zu keinen wesentlichen Kursschwankungen kam.6 Bei dieser Me1 Zu den Umrechnungsgrundsätzen Rz. 5.187. 2 Vgl. BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57. 3 Zu praktischen Schwierigkeiten, die sich hieraus ergeben können: Weggenmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 8.27. 4 Vgl. zu alledem Weggenmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 8.19–8.21. 5 Vgl. BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; v. 9.8.1989 – I B 118/88, BStBl. II 1990, 175; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; v. 16.2.1996 – I R 46/95, BStBl. II 1996, 588. 6 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.8.1.
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5.187
Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
thode erfolgt die Umrechnung des Ergebnisses zum Bilanzstichtag mit einem einheitlichen Wechselkurs.1
5.188 Im Hinblick auf die steuerliche Behandlung von Wechselkursgewinnen bzw. -verlusten gilt nach innerstaatlichem Recht Folgendes: Gewinne oder Verluste aus der Umrechnung des Anteils des inländischen Gesellschafters am Gewinn der ausländischen Personengesellschaft sind steuerlich Teil des Gewinnanteils i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG. Wechselkursgewinne bzw. -verluste sind daher für Zwecke des § 34d EStG nach dem Veranlassungsprinzip der Betriebsstätte zuzuordnen, in der die jeweiligen Einkünfte entstanden sind. Dadurch beeinflussen sie die Höhe der ausländischen Einkünfte und damit auch den Rahmen einer möglichen Steueranrechnung. Für Sondervergütungen gilt Entsprechendes. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG ordnet diese Vergütungen den Einkünften aus der Mitunternehmerschaft zu. Daraus ergibt sich, dass die Sondervergütungen nach innerstaatlichem Recht einer Betriebsstätte der Personengesellschaft zuzuordnen sind. Wechselkursgewinne oder -verluste, die in diesem Zusammenhang entstehen, folgen dieser Zuordnung.
5.189 Im DBA-Fall ist das Umrechnungsergebnis nach der BFH-Rspr. ebenfalls derjenigen Betriebsstätte zuzuordnen, deren Gewinn oder Verlust Gegenstand der Umrechnung ist.2 Im Falle einer DBA-Freistellung sind Wechselkursgewinne daher im Inland steuerfrei bzw. lediglich über den Progressionsvorbehalt zu berücksichtigen. Für Verluste gilt, dass diese im Inland ebenfalls von der Bemessungsgrundlage auszunehmen sind und daher höchstens im Rahmen des Progressionsvorbehalts Berücksichtigung finden können.3 Diese Grundsätze gelten auch für den Gewinnanteil des inländischen Gesellschafters aus einer ausländischen Personengesellschaft. Im Bereich der Sondervergütungen ist hingegen zu berücksichtigen, dass die Sondervergütungen zwar aufgrund der Vorschrift des § 50d Abs. 10 EStG als Unternehmensgewinne im abkommensrechtlichen Sinne gelten, für die Betriebsstättenzuordnung der Sondervergütungen jedoch nicht die Grundsätze des innerstaatlichen Rechts, sondern diejenigen des Art. 7 OECD-MA Anwendung finden. Aus diesem Grund sind die Sondervergütungen abkommensrechtlich regelmäßig einer eigenen Betriebsstätte des Mitunternehmers zuzurechnen (siehe Rz. 5.147). Sofern diese im Inland belegen ist, sind die Umrechnungsgewinne bzw. -verluste im Inland voll zu berücksichtigen.
5.190 Für Währungsverluste aus einem EU/EWR-Mitgliedsstaat kann sich aus den Grundsätzen der Entscheidung des EuGH in der Rs. „Deutsche Shell“4 1 Vgl. zu alledem Schänzle, IStR 2009, 514 (517). 2 BFH v. 16.2.1996 – I R 46/95, BStBl. II 1996, 588; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128. 3 Zu den Beschränkungen des negativen Progressionsvorbehalts vgl. Rz. 2.494 ff. 4 EuGH v. 28.2.2008 – Rs. C-293/06 – Deutsche Shell, EuGHE 2008, I-1129 = BStBl. II 2009, 976.
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E. Ermittlung der Einkünfte der ausländischen Personengesellschaft
eine Berücksichtigung im Inland ergeben. Der Gerichtshof hatte dort entschieden, dass Währungsverluste aus der auflösungsbedingten Rückführung des Dotationskapitals einer Betriebsstätte im Inland steuerlich abzugsfähig sein müssen, da eine Nichtberücksichtigung solcher Verluste eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit darstellen würde. Jedenfalls solche Verluste sind mithin stets im Inland zu berücksichtigen; die Symmetriethese sowie § 3c EStG finden insoweit aufgrund des Anwendungsvorrangs des Europäischen Gemeinschaftsrechts keine Anwendung. Dies gilt unabhängig davon, ob für die Betriebsstätte im maßgeblichen Veranlagungszeitraum (vor Umrechnung) ein Gewinn oder ein Verlust ermittelt wurde.1 Ferner kommt es für die Berücksichtigung der Verluste aus der Währungsumrechnung nicht auf eine „Finalität“ i.S. der Rspr. des EuGH in den Rs. „Marks & Spencer“2 sowie „Lidl Belgium“3 an. Denn das Finalitätskriterium beruht auf dem Gedanken, dass eine Verlustberücksichtigung im Inland nur dann als „ultima ratio“ in Betracht kommen soll, wenn die Verluste im anderen Mitgliedsstaat nicht berücksichtigt wurden und auch zukünftig nicht mehr genutzt werden können. Währungsverluste gelangen aber im Betriebsstättenstaat bzw. im Sitzstaat der Personengesellschaft gar nicht erst zur Entstehung und können dort folglich auch nicht berücksichtigt werden. Insoweit muss hier stets eine Berücksichtigung im Inland erfolgen. Nach der Rspr. des EuGH ist im sachlichen Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit kein Raum für die Anwendung der Kapitalverkehrsfreiheit. Aus diesem Grund dürfte bei wesentlichen Beteiligungen eine Berücksichtigung von Währungsverlusten aus einem Drittstaat ausscheiden. Im Falle einer Minderheitsbeteiligung sind hingegen auch Währungsverluste aus Drittstaaten im Inland steuerlich zum Abzug zuzulassen.
III. Erfolgs- und Vermögensabgrenzung 1. Systematik Die zutreffende Ermittlung des Gewinnanteils des Steuerinländers aus der ausländischen Personengesellschaft macht eine Erfolgs- und Vermögensabgrenzung zwischen der Personengesellschaft und deren Gesellschaftern notwendig. Dabei muss einerseits über den Umfang des Betriebsvermögens der Personengesellschaft entschieden werden (Rz. 5.192 ff.), andererseits sind die steuerlichen Auswirkungen des Lieferungs- und Leistungsverkehrs zwischen Gesellschaft und Gesellschafter zu untersuchen (Rz. 5.203 ff.). Dabei erscheint es zweckmäßig, zunächst die sich auf Grundlage des originär innerstaatlichen Steuerrechts ergebenden steuerlichen Folgen he-
1 Vgl. zu alledem Schänzle, IStR 2009. 514 (518) m.w.N. 2 EuGH v. 13.12.2005 – C 448/03, EuGHE I 2005, 10866. 3 EuGH v. 15.5.2008 – C 414/06, EuGHE I 2008, 3601.
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5.191
Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
rauszuarbeiten und sodann zu prüfen, ob sich aus einem DBA Einschränkungen dieser Steuerfolgen ergeben. 2. Grundlagen der Einkünfteabgrenzung a) Grundsätze des innerstaatlichen Rechts
5.192 Das steuerliche Betriebsvermögen einer Mitunternehmerschaft besteht nach den Grundsätzen des deutschen Steuerrechts nicht nur aus den Wirtschaftsgütern, die sich im (wirtschaftlichen) Eigentum der Gesellschaft befinden (sog. Gesamthandsvermögen), vielmehr zählen hierzu auch Wirtschaftsgüter, die ein Mitunternehmer der Personengesellschaft zur Nutzung überlässt (sog. Sonderbetriebsvermögen I) sowie im Eigentum des Mitunternehmers stehende Wirtschaftsgüter, die dazu dienen, seine Beteiligung an der Mitunternehmerschaft zu fördern (sog. Sonderbetriebsvermögen II). Diese Grundsätze finden auch für ausländische Personengesellschaften Anwendung.1
5.193 Beteiligt sich ein Steuerinländer an einer ausländischen Mitunternehmerschaft, stellt sich sowohl für Wirtschaftsgüter des Gesamthands- als auch des Sonderbetriebsvermögens die Frage der Betriebsstättenzuordnung. Für das innerstaatliche Recht ist diese Zuordnung aus folgenden Gründen von Bedeutung: – Nur soweit Wirtschaftsgüter und damit die entsprechenden Erträge und Aufwendungen einer im Ausland belegenen Betriebsstätte der ausländischen Personengesellschaft zuzurechnen sind, werden diese gem. §§ 2 Abs. 1 Satz 1 und 3, 9 Nr. 3 GewStG von der Besteuerung mit Gewerbesteuer ausgenommen. – Die Zuordnung der Wirtschaftsgüter sowie der daraus entstehenden Einkünfte ist notwendige Bedingung für das Vorliegen ausländischer Einkünfte und damit Voraussetzung einer Steueranrechnung. – Zuletzt können sich aus § 2a EStG Einschränkungen der Verlustberücksichtigung für Einkünfte aus ausländischen Betriebsstätten ergeben.
5.194 Für Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens ist unstrittig, dass diese, wenn sie zum Betriebsvermögen der Personengesellschaft gehören, einer Betriebsstätte der Personengesellschaft zuzuordnen sind. Hinsichtlich des Sonderbetriebsvermögens gilt, dass § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG nicht nur als Einkünftequalifikations-, sondern darüber hinaus auch als Zuordnungsnorm zu verstehen ist.2 Die Vorschrift ordnet die Sondervergütungen also den Einkünften aus der Mitunternehmer1 Vgl. z.B. BFH v. 31.5.1995 – I R 74/93, BStBl. II 1995, 683 (Sonderbetriebsvermögen I); v. 18.5.1983 – I R 5/82, BStBl. II 1983, 771 (Sonderbetriebsvermögen II). 2 Rosenberg/Farle in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 13.6; Hey in T/L20, § 18 Rz. 69 f.
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Schänzle/Engel
E. Ermittlung der Einkünfte der ausländischen Personengesellschaft
schaft zu. Dies gilt auch für den Fall, dass der Gesellschafter selbst einen eigenen Betrieb unterhält, dem die Einkünfte sonst zuzuordnen wären. Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens sind daher nach innerstaatlichem Steuerrecht vorrangig der Mitunternehmerschaft und damit einer Betriebsstätte der Personengesellschaft zuzuordnen.1 b) Grundsätze des Abkommensrechts Abkommensrechtlich ergibt sich die Notwendigkeit einer Einkommensund Vermögensabgrenzung aus der Systematik des Art. 7 Abs. 1 OECDMA. Denn für die Aufteilung der Besteuerungsrechte an Unternehmensgewinnen kommt es darauf an, welcher Teil des Gewinns des Unternehmens eines Vertragsstaates (Wohnsitzstaat) auf eine Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat (Quellen- bzw. Betriebsstättenstaat) entfällt. Bereits an anderer Stelle (siehe Rz. 5.86) wurde darauf hingewiesen, dass jedenfalls aus deutscher Sicht aufgrund des Transparenzprinzips der inländische Gesellschafter abkommensrechtlich als Betreiber des Unternehmens der ausländischen Personengesellschaft gilt, sodass ein „deutsches Unternehmen“ i.S. des Art. 7 OECD-MA vorliegt. Infolgedessen kann gem. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA zunächst Deutschland das ausschließliche Besteuerungsrecht für den Unternehmensgewinn für sich beanspruchen; der andere Vertragsstaat hat demgegenüber nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA ein Besteuerungsrecht, soweit das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit durch eine Betriebsstätte in diesem Staat ausübt (Rz. 5.85).
5.195
Auch wenn der inländische Gesellschafter als „Betreiber“ des Unterneh- 5.196 mens der Personengesellschaft zu qualifizieren ist, muss – entgegen der Auffassung des BFH2 und der Finanzverwaltung3 – abkommensrechtlich das Unternehmen der Personengesellschaft von einem eigenen Unternehmen des Gesellschafters unterschieden werden. Die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA geregelte Zuordnung des Unternehmens dient somit allein der Bestimmung des Staates, dem im Ausgangspunkt das alleinige Besteuerungsrecht nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA zusteht. Die aus dem Transparenzprinzip folgende Zuordnung des Unternehmens der Personengesellschaft zum Gesellschafter ist lediglich eine „einkünftemäßige“,4 sie lässt deshalb keine Schlüsse über das Verhältnis zwischen Personengesellschaft und Gesellschafter zu.5 1 Wirtschaftsgüter, die eine gewerbliche Personengesellschaft an ihre Schwesterpersonengesellschaft vermietet, sind hingegen dem Betriebsvermögen der vermietenden Gesellschaft zuzurechnen, vgl. BFH v. 16.6.1994 – IV R 48/93, BStBl. II 1996, 82; v. 22.11.1994 – VIII R 63/93, BStBl. II 1996, 93. 2 Vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510; v.17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. 3 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.4.1. 4 Wassermeyer in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 2.6. 5 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 2.9.
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Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
Abkommensrechtlich besteht ein Unternehmen aus mindestens einer, zumeist aber aus mehreren Betriebsstätten, die dem „Betreiber“ des Unternehmens wie das Unternehmen selbst „einkünftemäßig“1 zuzuordnen sind. Dabei gilt, dass sämtliche Wirtschaftsgüter und Schulden sowie Aufwendungen und Erträge einer bestimmten Betriebsstätte des Unternehmens zugeordnet werden müssen. Im Bereich der Unternehmensgewinne gibt es mithin weder „betriebsstättenloses Vermögen“ noch „betriebsstättenlose Einkünfte“2. Für die Beteiligung an einer Personengesellschaft bedeutet dies, dass der Erfolg sowie das Vermögen den verschiedenen Betriebsstätten der Personengesellschaft zuzuordnen sind. Eine Abgrenzung des von der Personengesellschaft erzielten Gewinns ist mithin nur dann nötig, wenn die Personengesellschaft in beiden Vertragsstaaten Betriebsstätten unterhält.
5.197 Beispiel 32: Der Steuerinländer D ist an der Personengesellschaft P im DBA-Freistellungsstaat P in geringem Umfang beteiligt. Seine Gesellschafterstellung in der P ist mit der eines Kommanditisten vergleichbar. Die Geschäfte der P werden von ihrer Hauptniederlassung in Staat P aus geleitet. P unterhält ausschließlich in Staat P Betriebsstätten.
5.198 In Beispiel 32 liegt zwar ein deutsches Unternehmen im abkommensrechtlichen Sinne vor, mangels einer entsprechenden Geschäftseinrichtung (Art. 5 OECD-MA) besteht jedoch in Deutschland keine Betriebsstätte. Vielmehr sind sämtliche Betriebsstätten des Unternehmens in Staat P gelegen. Dies gilt auch für das „Stammhaus“ bzw. die Geschäftsleitungsbetriebsstätte, welche vorliegend am Ort der Hauptniederlassung der P zu verorten ist. Im Beispielsfall ist der Gewinnanteil des D i.S. des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA in voller Höhe einer Betriebsstätte (bzw. verschiedenen Betriebsstätten) im anderen Staat zuzurechnen. Deutschland hat also den gesamten Gewinn von der Besteuerung auszunehmen (Art. 23 A i.V.m. Art. 7 OECD-MA). Die Vorstellung, der inländische Gesellschafter und die ausländische Personengesellschaft stünden sich wie „Stammhaus“ und Betriebsstätte gegenüber, ist folglich unzutreffend (siehe Rz. 5.69).3
5.199 Nach den vorstehend beschriebenen Grundsätzen sind die im Eigentum der ausländischen Personengesellschaft stehenden Wirtschaftsgüter entgegen der Rspr. des BFH4 und der Auffassung der Finanzverwaltung5 stets einer Betriebsstätte der Personengesellschaft zuzuordnen (siehe bereits Rz. 5.66). 1 Wassermeyer in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 2.6. 2 Vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BStBl. II 2010, 398. 3 Vgl. hierzu Piltz/Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 68a. 4 Vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510; v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. 5 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.4.1.
864
Schänzle/Engel
E. Ermittlung der Einkünfte der ausländischen Personengesellschaft
5.200
Beispiel 33 (Erweiterung von Beispiel 32): Der Grundsachverhalt entspricht dem des Beispiels 32, wobei zum Vermögen der Personengesellschaft eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft gehören soll, die ihren Sitz und ihre Geschäftsleitung in Staat P hat.
Soweit im Gewinnanteil des D Dividenden der Kapitalgesellschaft an die P enthalten sind, stellt sich die Frage, ob Art. 10 OECD-MA Anwendung findet oder ob aufgrund des Betriebsstättenvorbehalts in Art. 10 Abs. 4 OECD-MA vorrangig Unternehmensgewinne anzunehmen sind. Im Beispielsfall sind nach der hier vertretenen Auffassung die Voraussetzungen des Betriebsstättenvorbehalts gegeben, da die zum Vermögen der P gehörende Beteiligung nur einer Betriebsstätte der P zugerechnet werden kann und sich annahmegemäß sämtliche Betriebsstätten der Gesellschaft in Staat P befinden. Die Dividenden fallen somit vorrangig unter Art. 7 OECD-MA.
5.201
Das nach dem innerstaatlichen Steuerrecht zum Betrieb der Personengesellschaft zählende Sonderbetriebsvermögen gehört abkommensrechtlich nicht zum Unternehmen der Personengesellschaft. Dies ergibt sich aus der Rspr. des BFH, der Sondervergütungen nach einer abkommensorientierten Auslegung den speziellen Verteilungsartikeln zuordnet.1 Daran ändern auch die in einigen DBA enthaltenen Sonderregelungen (siehe dazu Rz. 5.152 ff.) sowie die Vorschrift des § 50d Abs. 10 EStG (siehe dazu Rz. 5.143 ff.) nichts. Denn sowohl die DBA-Regelungen2 als auch § 50d Abs. 10 EStG3 qualifizieren ausweislich ihres Wortlauts nur Sondervergütungen als Unternehmensgewinne, sie ordnen jedoch nicht die entsprechenden Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens dem Unternehmen der Personengesellschaft zu. Es ist damit nach den tatsächlichen Gegebenheiten zu prüfen, ob die Wirtschaftsgüter auf Ebene des Gesellschafters dem privaten oder dem unternehmerischen Bereich zuzuordnen sind. Im Falle einer Zugehörigkeit zu einem eigenen Unternehmen des Gesellschafters ist dann darüber zu entscheiden, zu welcher Betriebsstätte das Sonderbetriebsvermögen gehört. Dabei ist darauf abzustellen, von wo aus der Mitunternehmer die Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens verwaltet.4 Für Gewinne aus der Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen gelten nach der Rspr. des BFH jedoch andere Grundsätze (vgl. hierzu ausführlich Rz. 5.255 f.)
5.202
1 Vgl. BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356. 2 Vgl. z.B. für Art. 7 Abs. 7 DBA-Schweiz: Scherer in D/W, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 422. 3 Vgl. BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138; Schmidt, DStR 2010, 2436 (2440 f.); Häck, IStR 2011, 71 (73). 4 Vgl. BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138.
Schänzle/Engel
865
Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
3. Übertragung und Überführung von Wirtschaftsgütern a) Behandlung nach nationalem Recht
5.203 Für die steuerliche Behandlung des Liefer- und Leistungsverkehrs muss zunächst zwischen Übertragungen und Überführungen unterschieden werden. Eine Übertragung setzt nach der Terminologie des Einkommensteuerrechts einen Rechtsträgerwechsel voraus. Ein solcher ist z.B. bei Veräußerungsgeschäften zwischen Gesellschafter und Gesellschaft gegeben. Bei einer Überführung findet dagegen kein Rechtsträgerwechsel statt, vielmehr erfolgt lediglich eine Umwidmung innerhalb eines Betriebsvermögens bzw. zwischen verschiedenen Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen. Von einer Überführung kann also im hier interessierenden Zusammenhang bspw. gesprochen werden, wenn Wirtschaftsgüter von einer Betriebsstätte der Personengesellschaft zur dauerhaften Nutzung in eine andere Betriebsstätte der Personengesellschaft verbracht werden.
5.204 Übertragungen liegen insbesondere bei schuldrechtlichen Veräußerungsgeschäften zwischen der Gesellschaft und ihrem Gesellschafter vor. Entsprechen die Bedingungen solcher Veräußerungsgeschäfte dem, was unter fremden Dritten üblich ist, werden diese steuerlich anerkannt. Veräußert also etwa ein Gesellschafter ein Wirtschaftsgut gegen ein angemessenes Entgelt an die Gesellschaft, so wird die Veräußerung steuerlich ebenso behandelt wie die Veräußerung an einen fremden Dritten.1 Dasselbe gilt, wenn umgekehrt die Gesellschaft Wirtschaftsgüter zu einem angemessenen Preis an einen Gesellschafter veräußert.2 Soweit einem Veräußerungsgeschäft zwischen Gesellschafter und Gesellschaft unübliche Konditionen zugrunde liegen, erfolgt steuerlich eine Einkünftekorrektur nach Einlage- bzw. Entnahmegrundsätzen.3 Eine Anwendung der allgemeinen Ent- und Verstrickungsregelungen (§§ 4 Abs. 1 Satz 3 und 8 EStG, 12 Abs. 1 KStG) kommt in diesen Fällen nicht in Betracht, da die Vorschriften über (echte) Entnahmen und Einlagen die Ent- und Verstrickungsnormen verdrängen.4
5.205 Wirtschaftsgüter können nicht nur auf Basis einer schuldrechtlichen Leistungsbeziehung, sondern auch auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage übertragen werden. Als praxisrelevantes Beispiel ist hier die Übertragung eines Wirtschaftsguts auf die Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten zu nennen. Eine solche Einbringung stellt zwar nach der Rspr. des BFH einen entgeltlichen, tauschähnlichen Vorgang dar, der an sich zu einer Gewinnrealisierung führen würde. § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG ordnet jedoch für die Einbringung von Einzelwirtschafts1 Vgl. BFH v. 31.3.1977 – IV R 54/72, BStBl. II 1977, 415. 2 Vgl. BFH v. 28.1.1976 – I R 84/74, BStBl. II 1976, 744; v. 21.10.1976 – IV R 210/72, BStBl. II 1977, 145. 3 Vgl. hierzu im Allgemeinen Hey in T/L20, § 17 Rz. 184 m.w.N. sowie speziell in Bezug auf ausländische Personengesellschaften Piltz, Die Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland, 96. 4 Vgl. Wissenschaftlicher Beirat von Ernst & Young tax, DB 2010, 1776 (1782).
866
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E. Ermittlung der Einkünfte der ausländischen Personengesellschaft
gütern1 in eine Personengesellschaft eine Buchwertfortführung an, wenn die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist. Zur Frage, ob diese Voraussetzung bei Einbringungen in eine ausländische Personengesellschaft erfüllt ist, wird auf die Ausführungen zur Sachgründung verwiesen (Rz. 5.178 ff.). Überführungen können sowohl auf Ebene der Gesellschaft als auch auf Gesellschafterebene vorliegen. Bereits oben wurde als Beispiel für eine Überführung die dauerhafte Verbringung eines Wirtschaftsguts von einer Betriebsstätte der Personengesellschaft in eine andere Betriebsstätte derselben Personengesellschaft genannt. Auf Gesellschafterebene ist bspw. der Fall zu nennen, dass der Mitunternehmer ein Wirtschaftsgut aus seinem eigenen Betriebsvermögen in das Sonderbetriebsvermögen der Personengesellschaft überführt. Die beiden Konstellationen weisen die Gemeinsamkeit auf, dass sich die Eigentumsverhältnisse an dem Wirtschaftsgut nicht ändern, also kein Rechtsträgerwechsel und damit keine „Außentransaktion“ vorliegt. Dennoch unterscheiden sich die beiden Beispiele in einem wichtigen Punkt: Während sich die Überführung im erstgenannten Beispiel innerhalb desselben Betriebsvermögens abspielt, erfolgt im letztgenannten Fall eine Überführung zwischen verschiedenen Betrieben, namentlich dem Betrieb des Gesellschafters und dem der Mitunternehmerschaft. Dies ist deshalb von Bedeutung, weil Überführungen innerhalb eines Betriebs – sieht man von den allgemeinen Entstrickungstatbeständen der §§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, 12 Abs. 1 Satz 2 KStG ab – nicht zu einer steuerlichen Realisation führen. Anders verhält es sich bei Überführungen zwischen verschiedenen Betrieben. In diesen Fällen liegt eine Entnahme i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG beim abgebenden Betrieb und gleichzeitig eine Einlage (§ 4 Abs. 1 Satz 6 EStG) in den aufnehmenden Betrieb vor, die grundsätzlich jeweils mit dem Teilwert zu bewerten sind (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 und 5 EStG). Entnahmen und Einlagen sind auch in den in § 6 Abs. 5 Satz 2 EStG genannten Konstellationen gegeben. Jedoch erfolgt aufgrund der speziellen Regelung in § 6 Abs. 5 Satz 2 EStG anstelle der Bewertung zum Teilwert eine Buchwertfortführung.2
5.206
Es stellt sich die Frage, ob im Falle von Überführungen oder Übertragungen eine Anwendung des § 1 AStG in Betracht kommt. Diese Einkünftekorrekturnorm sieht für den Fall, dass bei Geschäftsbeziehungen zum Ausland die Vertragsbedingungen einem Drittvergleich nicht standhalten und dies beim Steuerpflichtigen zu einer Einkünfteminderung führt, eine außerbilanzielle3 Korrektur der vereinbarten, aber unangemessenen Ent-
5.207
1 Die Einbringung von betrieblichen Sachgesamtheiten (Betrieb, Teilbetrieb, Mitunternehmeranteil) richtet sich nach § 24 UmwStG. 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 2.16. 3 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, geändert durch BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 8.1.1.
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Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
gelte vor. Im Kern müssen für eine Anwendung des § 1 AStG folgende Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen:1 – Es muss eine Geschäftsbeziehung zum Ausland bestehen (§ 1 Abs. 1, Abs. 5 AStG). – Parteien dieser Geschäftsbeziehung müssen ein inländischer Steuerpflichtiger und eine ihm „nahe stehende Person“ sein (§ 1 Abs. 1 und 2 AStG). – Die Geschäftsbeziehung muss beim inländischen Steuerpflichtigen zu einer Einkünfteminderung führen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AStG).
5.208 Der Begriff der „Geschäftsbeziehung“ ist in § 1 Abs. 5 AStG definiert. Danach kommen als Geschäftsbeziehung nur schuldrechtliche Beziehungen in Betracht, die keine gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen sind. Bereits an dieser Stelle kann deshalb festgehalten werden, dass nach der derzeitigen Rechtslage Überführungen aus dem Anwendungsbereich des § 1 AStG ausscheiden, da ihnen keine schuldrechtliche Beziehung zugrunde liegt. Denn ein schuldrechtliches Vertragsverhältnis kann nur zwischen verschiedenen Rechtssubjekten, nicht aber zwischen verschiedenen Teilen eines rechtlich einheitlichen Unternehmens bestehen. Im Rahmen des JStG 2013 soll jedoch der Anwendungsbereich des § 1 AStG auch auf solche Sachverhalte (sog. angenommene schuldrechtliche Beziehungen) ausgedehnt werden. Da ferner gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen nicht unter den Begriff der Geschäftsbeziehung fallen, ist § 1 AStG auch im Falle von Einbringungen und Ausbringungen nicht anwendbar. Unter den Begriff der Geschäftsbeziehung können dagegen insbesondere Veräußerungsgeschäfte zwischen dem inländischen Gesellschafter und der ausländischen Personengesellschaft subsumiert werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 AStG vorliegen.
5.209 § 1 AStG erfasst nur Geschäftsbeziehungen zwischen einem inländischen Steuerpflichtigen und einer ihm nahe stehenden Person. Steuerpflichtige i.S. von § 1 AStG sind alle diejenigen Rechtssubjekte, die entweder der Einkommen- oder der Körperschaftsteuer unterliegen. Eine Gewerbesteuerpflicht des Unternehmensträgers ist hingegen nicht ausreichend. Personengesellschaften scheiden somit als Steuerpflichtige aus.2 Daraus folgt jedoch nicht, dass Geschäftsbeziehungen, bei denen auch auf inländischer Seite eine Personengesellschaft beteiligt ist, vom Anwendungsbereich des § 1 AStG auszunehmen wären. Vielmehr ist die Geschäftsbeziehung einer Personengesellschaft dem Mitunternehmer zuzurechnen und sodann auf Ebene des Gesellschafters zu prüfen, ob die weiteren Voraussetzungen des § 1 AStG vorliegen.3 Eine ausländische Personengesellschaft kann eine dem inländischen Steuerpflichtigen „nahe stehende 1 Vgl. Ditz in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 14.19. 2 Vgl. BFH v. 17.12.1997 – I B 96/97, BStBl. II 1998, 321; Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 218. 3 Vgl. BFH v. 30.5.1990 – I R 97/88, BStBl. II 1990, 875; v. 17.12.1997 – I B 96/97, BStBl. II 1998, 321.
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E. Ermittlung der Einkünfte der ausländischen Personengesellschaft
Person“ sein,1 wenn der Steuerinländer an der ausländischen Personengesellschaft wesentlich beteiligt ist (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG). Eine wesentliche Beteiligung liegt dabei vor, wenn der Gesellschafter am Vermögen der Personengesellschaft zu mindestens 25 % beteiligt ist.2 Nach dem Entwurf des JStG 2013 soll in § 1 AStG ausdrücklich festgeschrieben werden, dass eine Personengesellschaft sowohl „Steuerpflichtiger“ als auch „nahe stehende Person“ sein kann.3 § 1 AStG setzt schließlich voraus, dass die Geschäftsbeziehung zum Ausland beim Steuerpflichtigen zu einer Einkünfteminderung führt. Aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift, Gewinnverlagerungen ins Ausland zu vermeiden, schließt die ganz h.M.,4 dass nur eine Minderung der im Inland steuerpflichtigen Einkünfte den Tatbestand des § 1 AStG erfüllt.5 Erfasst werden sowohl unmittelbare Einkünfteminderungen (z.B. verminderte Betriebseinnahmen oder erhöhte Betriebsausgaben) als auch mittelbare Einkünfteminderungen (z.B. Verzicht auf die Erzielung von Einnahmen).6
5.210
Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass jedenfalls im Falle von Veräußerungsgeschäften zwischen der ausländischen Personengesellschaft und ihrem inländischen Gesellschafter eine Anwendung des § 1 AStG vorstellbar ist. Da bei Veräußerungen zu unüblichen Konditionen auch eine verdeckte Entnahme bzw. eine verdeckte Einlage vorliegt, stellt sich sowohl auf Tatbestands- als auch auf Rechtsfolgenebene die Frage nach dem Verhältnis des § 1 AStG zu den Einlage- bzw. Entnahmeregelungen. Zum Tatbestand des § 1 AStG vertritt Wassermeyer die Auffassung, die steuerliche Beurteilung eines Sachverhalts als Entnahme oder Einlage stehe der Annahme einer Geschäftsbeziehung entgegen; § 1 AStG fehle „die Eignung, eine Entnahme in eine ‚Geschäftsbeziehung‘ umzudeuten.“7 Für offene Einlagen und Entnahmen ist dem zuzustimmen. Anders ist dies bei verdeckten Entnahmen und verdeckten Einlagen. Denn dort liegt ein schuldrechtliches Rechtsgeschäft vor, welches die Einlage bzw. Entnahme „verdecken“ soll. Dieses Rechtsgeschäft kann als Geschäftsbeziehung
5.211
1 Pohl in Mössner/Fuhrmann, § 1 AStG Rz. 100; Boller in Wöhrle/Schelle/Gross, § 1 Abs. 2–5 AStG Rz. 17 f. – zu Recht zweifelnd für vermögensverwaltende Personengesellschaften und atypisch stille Gesellschaften Ditz in Wassermeyer/ Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 14.21. 2 Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 833; Kraft in Kraft, § 1 AStG Rz. 170; a.A. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 864, da die Mitunternehmerstellung (Unternehmerinitiative und -risiko) immer zugleich zu einem Nahestehen führe; ablehnend auch Boller in Wöhrle/Schelle/Gross, § 1 AStG Rz. 24. 3 Vgl. BT-Drucks. 17/10000, 21. 4 Vgl. Kraft in Kraft, § 1 AStG Rz. 66 ff.; Ditz in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 14.20; Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 231. 5 Ebenso die Finanzverwaltung, vgl. BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 1.4.3. 6 Vgl. Ditz in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 14.22. 7 Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 95.
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Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
i.S. von § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG angesehen werden.1 Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 AStG können somit auch dann vorliegen, wenn zugleich die Voraussetzungen für eine Einkünftekorrektur nach Einlageoder Entnahmegrundsätzen gegeben sind. In diesem Fall erfolgt gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG die Berichtigung der Einkünfte nach dieser Norm „unbeschadet anderer Vorschriften“. Die Bedeutung dieser Formulierung war bis zur Ergänzung des § 1 AStG durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 umstritten.2 Nunmehr regelt jedoch der durch dieses Gesetz neu eingefügte § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG, dass § 1 AStG neben den Rechtsfolgen anderer Korrekturnormen anzuwenden ist, wenn sich aus § 1 AStG weitergehende Berichtigungen als aus den anderen Vorschriften ergeben.3 Für das Verhältnis von § 1 AStG zur Entnahme bzw. Einlage gilt damit, dass ein gezahltes Entgelt zunächst nach Entnahme- bzw. Einlagegrundsätzen bis zur Höhe des Teilwerts zu korrigieren ist und sodann eine weitergehende Korrektur auf Basis des Fremdvergleichswerts erfolgen kann.4 b) Behandlung in den DBA
5.212 Im Hinblick auf die abkommensrechtliche Behandlung des Liefer- und Leistungsverkehrs ist danach zu unterscheiden, ob es sich um Geschäfte zwischen verschiedenen Unternehmen handelt oder ob der Leistungsaustausch innerhalb eines Unternehmens erfolgt.
5.213 Für Geschäfte zwischen verschiedenen Unternehmen gilt, dass das Abkommensrecht von der Selbständigkeit eines Unternehmens ausgeht. Auch im Falle verbundener Unternehmen wird somit abkommensrechtlich von einer eigenständigen Gewinnermittlung für jedes Unternehmen ausgegangen. Ferner liegt dem MA die Annahme zugrunde, dass zivilrechtliche Leistungsbeziehungen zwischen verschiedenen Unternehmen grundsätzlich steuerlich anerkannt werden. Dies gilt im Grundsatz insbesondere auch im Falle einer Konzernzugehörigkeit oder sonstigen gesellschaftsrechtlichen Verbindungen. Da nach der hier vertretenen Auffassung der Betrieb der Personengesellschaft und der Betrieb des Gesellschafters abkommensrechtlich jeweils eigenständige Unternehmen bilden (Rz. 5.196), sind Leistungsbeziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter abkommensrechtlich grundsätzlich anzuerkennen.5
1 Vgl. z.B. Kraft in Kraft § 1 AStG Rz. 35; Goksch, IStR 2002, 181 (183). 2 Vgl. zu den verschiedenen Auffassungen Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 307 ff. m.w.N. 3 Vgl. Nientimp in Mössner/Fuhrmann, § 1 AStG Rz. 11 f. 4 Vgl. Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 310; a.A. dagegen Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 867, der von einer Aufteilung der verdeckten Entnahme in einen unentgeltlichen und einen entgeltlichen Teil ausgeht und lediglich für Letzteren eine Anwendbarkeit des § 1 AStG annimmt. Vgl. hierzu auch Goksch, IStR 2002, 181 (183 f.). 5 Vgl. Wassermeyer/Piltz in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 68a.
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E. Ermittlung der Einkünfte der ausländischen Personengesellschaft
Ausgehend von der grundsätzlichen Anerkennung von Leistungsbeziehungen zwischen verschiedenen Unternehmen, gibt Art. 9 OECD-MA einen abkommensrechtlichen Rahmen vor, innerhalb dessen eine Einkünftekorrektur erfolgen kann. In diesem Sinne lässt Art. 9 OECD-MA eine Gewinnberichtigung zu, wenn bei kaufmännischen oder finanziellen Beziehungen zwischen verbundenen Unternehmen die Bedingungen von dem abweichen, was unabhängige Unternehmen miteinander vereinbaren würden. Die auch auf Leistungsbeziehungen zwischen dem inländischen Gesellschafter und der ausländischen Personengesellschaft anwendbare Vorschrift des Art. 9 OECD-MA ist demnach nicht selbst Einkünftekorrekturnorm, sondern stellt lediglich eine Erlaubnisnorm für Ergebniskorrekturen auf Grundlage der Vorschriften des nationalen Rechts dar. Somit ist stets in einem ersten Schritt zu prüfen, ob der konkrete Sachverhalt den Tatbestand einer Korrekturvorschrift des innerstaatlichen Rechts erfüllt. Ist dies der Fall, muss festgestellt werden, ob die aufgrund dieser Norm durchzuführende Gewinnkorrektur der Sache sowie der Höhe nach mit den Grundsätzen des Art. 9 OECD-MA in Einklang steht. Der Leistungsaustausch innerhalb eines Unternehmens der Personenge- 5.214 sellschaft muss im Rahmen der Abgrenzung des Unternehmensgewinns auf die einzelnen Betriebsstätten berücksichtigt werden und ist damit Gegenstand des Art. 7 OECD-MA. Nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2008 ist hierbei auf Grundlage einer Selbständigkeitsfiktion vom Fremdvergleichsgrundsatz auszugehen. So sollen einer Betriebsstätte die Gewinne zugerechnet werden, die sie hätte erzielen können, wenn sie eine gleiche oder ähnliche Tätigkeit unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen als selbständiges Unternehmen ausgeübt hätte und im Verkehr mit dem Unternehmen, dessen Betriebsstätte sie ist, völlig unabhängig gewesen wäre. Die Reichweite dieser Selbständigkeitsfiktion sowie des Fremdvergleichsgrundsatzes ist seit langer Zeit umstritten. Die OECD hat sich in der Bemühung, eine international einheitliche Vorgehensweise zu erreichen, dieser Problematik angenommen. Ergebnis dieser Bemühungen ist der sog. Betriebsstättenbericht, der im Rahmen eines „Authorized OECD Approach“ eine sehr weitreichende Interpretation des Fremdvergleichsgrundsatzes vorsieht. Im Ergebnis soll die Gewinnabgrenzung innerhalb eines Unternehmens der Vorgehensweise bei rechtlich selbständigen Konzerngesellschaften angeglichen werden.1 Nach Auffassung der OECD sind die Ergebnisse des Betriebsstättenberichts jedoch nur insoweit bei der Anwendung bestehender Abkommen heranzuziehen, als sie dem bisherigen OECD-MK nicht widersprechen. Für eine vollständige Umsetzung des AOA hielt die OECD hingegen Anpassungen im Wortlaut des Art. 7 OECD-MA für erforderlich. Aus diesem Grund wurde im Zuge des „Update 2010“ ein neuer Art. 7 OECD-MA verabschiedet, dessen Übernahme in den Abkommenstext Voraussetzung der Anwendung des AOA
1 Vgl. Ditz in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 14.26.
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Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
sein soll.1 Der „neue“ Art. 7 OECD-MA unterscheidet sich von Art. 7 OECD-MA 2008 insbesondere im Hinblick auf seinen Abs. 2. Obwohl seit der Verabschiedung des OECD-MA 2010 zahlreiche deutsche DBA neu verhandelt wurden, hat der Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 bislang nur in das Abkommen mit Liechtenstein Eingang gefunden. Der Entwurf des JStG 2013 sieht jedoch eine Ergänzung des § 1 AStG vor, wonach der AOA zulasten des Steuerpflichtigen im Zweifel auch in Fällen anzuwenden sein soll, in denen das im konkreten Einzelfall anwendbare DBA sich an der alten Formulierung des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA orientiert. c) Zusammenfassende Beispiele
5.215 Veräußerungsgeschäfte zwischen Gesellschafter und Gesellschaft, die zu Bedingungen abgewickelt werden, wie sie auch zwischen fremden Dritten üblich sind, werden steuerlich anerkannt.
5.216 Beispiel 34: Der Steuerinländer D ist mit einem Anteil von 50 % am Vermögen der Personengesellschaft P in Staat P beteiligt. D betreibt im Inland eine Möbelhandlung als Einzelunternehmen und veräußert in diesem Rahmen einen Schreibtisch zu fremdüblichen Konditionen an die P, der dort im Büro des Geschäftsführers genutzt werden soll.
5.217 Aus der Gesellschafterstellung des D ergeben sich keine Besonderheiten. D erzielt im Rahmen seines Einzelunternehmens Betriebseinnahmen; die Personengesellschaft aktiviert den Schreibtisch zu Anschaffungskosten in ihrer Bilanz. Die Abschreibungen mindern als Betriebsausgaben den Gewinn der Personengesellschaft.
5.218 Wenn bei Veräußerungsgeschäften die Preise nicht den zwischen fremden Dritten üblichen Bedingungen entsprechen, ist eine Anwendung der verschiedenen Einkünftekorrekturnormen zu prüfen.
5.219 Beispiel 35 (Abwandlung von Beispiel 34): Der Grundsachverhalt entspricht dem des Beispiels 34. Der von der P gezahlte Preis beträgt 2000 Euro. Der übliche Verkaufspreis für das von D gelieferte Modell liegt bei 1500 Euro.
5.220 Es liegt eine verdeckte Entnahme des D bei der P i.H. von 500 Euro vor. Der Gewinn der P ist um 500 Euro zu erhöhen.
5.221 Beispiel 36 (Abwandlung von Beispiel 34): Der Grundsachverhalt entspricht dem des Beispiels 34. Der von der P gezahlte Preis entspricht den Anschaffungskosten des D i.H. von 1000 Euro. Der übliche Verkaufspreis für das von D gelieferte Modell liegt bei 1500 Euro.
5.222 Vorliegend ist in der Lieferung des Schreibtisches unter Preis keine Entnahme des D aus seinem Einzelunternehmen zu sehen, da im Beispielsfall der 1 Vgl. hierzu Digeronimo/Kolb, IWB 2011, 26 (28 f.).
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Schänzle/Engel
E. Ermittlung der Einkünfte der ausländischen Personengesellschaft
Teilwert des Schreibtischs mit dessen Anschaffungskosten übereinstimmt und damit der Kaufpreis dem Teilwert entspricht. Im Beispielsfall liegt jedoch ein Anwendungsfall des § 1 AStG vor, sodass der Gewinn des Einzelunternehmens des D außerbilanziell um 500 Euro zu erhöhen ist. Überführungen zwischen verschiedenen Betriebsstätten der Personengesellschaft können zu einer (fiktiven) Entnahme i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG führen, wenn das deutsche Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt ist.
5.223
Beispiel 37:
5.224
Der Steuerinländer D ist am Vermögen der Personengesellschaft P im DBA-Freistellungsstaat P mit einem Anteil von 50 % beteiligt. Die Personengesellschaft verbringt einen LKW von ihrer deutschen Produktionsbetriebsstätte in ihre Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Staat P. Dieser soll von nun an dauerhaft ausschließlich dort genutzt werden. Der Buchwert des LKW beträgt 10 000 Euro; der tatsächliche Verkehrswert beträgt 18 000 Euro.
Die Überführung des LKW in die ausländische Betriebsstätte führt gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 f. EStG zu einer (fiktiven) Entnahme, die zum gemeinen Wert zu bewerten ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 EStG). Der inländische Gewinn der Personengesellschaft P ist um 8000 Euro zu erhöhen (18 000 Euro ./. 10 000 Euro). Abkommensrechtlich ist eine solche Besteuerung zulässig. Dies gilt sowohl nach dem bisherigen Verständnis als auch für den AOA.
5.225
4. Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern und Erbringung von Dienstleistungen a) Behandlung nach nationalem Recht Hinsichtlich der steuerlichen Behandlung der Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern sowie der Erbringung von Dienstleistungen ist ähnlich wie beim Transfer von Wirtschaftsgütern danach zu unterscheiden, ob sich die Nutzungsüberlassung als „echte“ zivilrechtliche Leistungsbeziehung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter darstellt, oder ob auf Ebene der Personengesellschaft ein „rein faktischer“ innerbetrieblicher Leistungsaustausch vorliegt. Ferner ist innerhalb der echten Leistungsbeziehungen danach zu unterscheiden, ob der Gesellschafter der Personengesellschaft Wirtschaftsgüter zur Nutzung überlässt oder umgekehrt.
5.226
In Bezug auf Nutzungsüberlassungen bzw. Dienstleistungen der Personengesellschaft an ihren Gesellschafter gilt wie für Veräußerungsgeschäfte (Rz. 5.204), dass solche schuldrechtlichen Leistungsbeziehungen steuerlich anzuerkennen sind, soweit die Bedingungen dem entsprechen, was unter fremden Dritten üblich ist. Halten die Konditionen dagegen einem Fremdvergleich nicht stand, ist eine Anwendung der Entnahme- und Einlagevorschriften sowie ergänzend des § 1 AStG zu prüfen. Eine Anwendung der allgemeinen Ent- und Verstrickungsregelungen (§§ 4 Abs. 1 Satz 3 und 8 EStG, 12 Abs. 1 KStG) kommt in diesen Fällen nicht in Be-
5.227
Schänzle/Engel
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Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
tracht, da die Vorschriften über (echte) Entnahmen und Einlagen die Entund Verstrickungsnormen verdrängen.1
5.228 Für Nutzungsüberlassungen bzw. Dienstleistungen, die der Gesellschafter auf schuldrechtlicher Grundlage an seine Personengesellschaft erbringt, gilt im Ausgangspunkt dasselbe. Die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG dreht dies jedoch steuerlich dadurch zurück,2 dass sie die Vergütungen, die der Gesellschafter für die Überlassung von Wirtschaftsgütern zur Nutzung, die Hingabe von Darlehen sowie für Tätigkeiten im Dienst der Gesellschaft von der Personengesellschaft erhält, als Sonderbetriebseinnahmen qualifiziert und damit den Einkünften des Gesellschafters aus der Mitunternehmerschaft zuordnet. Gleichwohl müssen auch die Sondervergütungen einem Fremdvergleich standhalten. Andernfalls hat eine Einkünftekorrektur zu erfolgen.3 Bei Nutzungsüberlassungen ist in diesem Zusammenhang jedoch zu beachten, dass Nutzungen zwar Gegenstand einer Entnahme sein können (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG), jedoch keine einlagefähigen Wirtschaftsgüter sind (§ 4 Abs. 1 Satz 7 EStG). Überlässt also etwa der inländische Gesellschafter „seiner“ ausländischen Personengesellschaft ein Wirtschaftsgut gegen ein unangemessen niedriges Entgelt zur Nutzung, liegt also keine verdeckte Einlage vor. In diesem Fall ist jedoch eine Einkünftekorrektur nach § 1 AStG zu prüfen. Entsprechendes gilt für Dienstleistungen.
5.229 Besteht der Rechtsgrund für eine Nutzungsüberlassung oder eine Dienstleistung des Gesellschafters an die Personengesellschaft in einer gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung, sind diese einem Fremdvergleich entzogen. Denn in diesem Fall wird dieser Beitrag des Gesellschafters bereits bei der Gewinnverteilung berücksichtigt.
5.230 Innerbetriebliche Nutzungsüberlassungen wirken sich steuerlich ebenso wie Überführungen innerhalb eines Betriebsvermögens (Rz. 5.206) unmittelbar nur im Rahmen der allgemeinen Entstrickungsregelungen der §§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, 12 Abs. 1 KStG aus. b) Behandlung in den DBA
5.231 Im Hinblick auf die abkommensrechtliche Behandlung von echten schuldrechtlichen Nutzungsüberlassungen kann auf die Ausführungen zu Übertragungen (Rz. 5.213) verwiesen werden. Nutzungsüberlassungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter werden also abkommensrechtlich grundsätzlich wie solche zwischen fremden Dritten behandelt. Art. 9 OECD-MA erlaubt bei Verstößen gegen den Fremdvergleichsgrundsatz eine Einkünftekorrektur. 1 Vgl. Wissenschaftlicher Beirat von Ernst & Young tax, DB 2010, 1776 (1782). 2 So treffend Rupp in D/J/P/W, IntGA Rz. 71a. 3 Vgl. BFH v. 13.10.1998 – VIII R 4/98, BStBl. II 1999, 284; Tiede in H/H/R, § 15 EStG Rz. 526; Ditz in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 14.34.
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E. Ermittlung der Einkünfte der ausländischen Personengesellschaft
Die Einkünftequalifikation sowie die Betriebsstättenzuordnung bei Sondervergütungen werden an anderer Stelle ausführlich behandelt (Rz. 5.143 ff.). Nutzungsüberlassungen zwischen verschiedenen Betriebsstätten der Personengesellschaft sind ebenso wie innerbetriebliche Überführungen Gegenstand des Art. 7 OECD-MA. Sie müssen im Rahmen der Gewinnabgrenzung Berücksichtigung finden. Die h.M. im Schrifttum sowie die gängige Praxis gingen vor der Verabschiedung des AOA durch die OECD im Rahmen solcher Nutzungsüberlassungen lediglich von einer Aufwandsverrechnung aus.1 Der AOA sieht i.S. einer uneingeschränkten Selbständigkeitsfiktion hier nunmehr eine Verrechnung fremdüblicher Entgelte im Rahmen fiktiver Leistungsbeziehungen zwischen den verschiedenen Unternehmensteilen (sog. „dealings“) vor.2
5.232
c) Zusammenfassende Beispiele Nutzungsüberlassungen sowie Dienstleistungen der Gesellschaft an den Gesellschafter, die zu Bedingungen abgewickelt werden, wie sie auch zwischen fremden Dritten üblich sind, werden steuerlich anerkannt.
5.233
Beispiel 38: Der Steuerinländer D ist an der Personengesellschaft P in Staat P beteiligt. Die Personengesellschaft überlässt D ein Lizenzrecht zu fremdüblichen Konditionen zur Nutzung.
Aus der Gesellschafterstellung des D ergeben sich keine Besonderheiten. Die Lizenzgebühren stellen bei D Betriebsausgaben und bei P Betriebseinnahmen dar.
5.234
Entsprechen bei Nutzungsüberlassungen oder Dienstleistungen der Gesellschaft an den Gesellschafter die Bedingungen nicht dem, was zwischen fremden Dritten üblich ist, sind die verschiedenen Einkünftekorrekturnormen zu prüfen.
5.235
Beispiel 39:
5.236
Der Grundsachverhalt entspricht dem des Beispiels 38. Die vereinbarte Lizenzgebühr beträgt 20 000 Euro p.a. Im Lizenzierungszeitraum entstanden der P im Zusammenhang mit der Lizenz keine Aufwendungen. Fremden Dritten hätte P für die Lizenz 30 000 Euro p.a. berechnen können.
Die Lizenzgebühr hält zwar einem Drittvergleich nicht stand. Eine (verdeckte) Entnahme liegt trotzdem nicht vor. Denn der gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG für Entnahmen relevante „Teilwert“ entspricht bei Nutzungen den Selbstkosten. Diese betragen im Beispielsfall null Euro, sodass 1 Vgl. Art. 7 Nr. 17.4 OECD-MK (2008); Ditz/Tcherveniachki, Ubg 2012, 101 (106). 2 Vgl. Kahle/Mödinger, IStR 2010, 757 (758); Ditz/Tcherveniachki, Ubg 2012, 101 (105).
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5.237
Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
die Lizenzgebühr über dem Teilwert liegt. Eine Anwendung des § 1 AStG kommt nicht in Betracht, da es im Inland zu keiner Einkünfteminderung kommt. Somit erfolgt im Beispielsfall keine Einkünftekorrektur.
5.238 Beispiel 40: Der Steuerinländer D ist an der Personengesellschaft P im DBA-Freistellungsstaat P beteiligt. D gewährt der P ein Darlehen. Hierfür zahlt ihm die P im ersten Jahr Zinsen i.H. von 10 000 Euro. Bei einem marktgerechten Zinssatz hätte die P 30 000 Euro an Zinsen zahlen müssen. Das DBA mit Staat P enthält keine Sonderregelung für Sondervergütungen.
5.239 Die Zinsen halten zwar einem Drittvergleich nicht stand. Mangels eines bilanzierungsfähigen Wirtschaftsguts liegt jedoch keine (verdeckte) Einlage des D in die P vor. In Betracht kommt jedoch eine Anwendung des § 1 AStG. Dies setzt insbesondere eine Einkünfteminderung im Inland voraus. Eine solche ist im Beispielsfall gegeben, da Deutschland für die Sondervergütungen ein Besteuerungsrecht hat (Rz. 5.144 f.), während die BRD aufgrund der DBA-Freistellung auf den Gewinn der Personengesellschaft, auch soweit dieser auf den Steuerinländer D entfällt, steuerlich nicht zugreifen kann. Die Einkünfte des D sind also um 20 000 Euro zu erhöhen.
5.240 Innerbetriebliche Nutzungsüberlassungen können zu einer (fiktiven) Entnahme der Nutzungen i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG führen, wenn das deutsche Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt ist.
5.241 Beispiel 41:1 Der Steuerinländer D ist an der Personengesellschaft P in DBA-Freistellungsstaat P beteiligt. Die Personengesellschaft verbringt einen LKW von ihrer deutschen Produktionsbetriebsstätte in ihre Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Staat P. Dort soll der LKW für zwei Monate genutzt und danach wieder zurück in die deutsche Produktionsbetriebsstätte verbracht werden. Für die Unterhaltung des LKW entstehen der Personengesellschaft Aufwendungen für Abschreibungen, Instandhaltungen und Betriebskosten etc. i.H. von 18 000 Euro p.a. Die Anmietung eines vergleichbaren Fahrzeugs für die Geschäftsleitungsbetriebsstätte hätte für den Zeitraum von zwei Monaten 5000 Euro gekostet.
5.242 Versteht man wie die Verfasser unter dem „Gewinn aus der Nutzung“ im Beispielsfall die Erträge aus der Nutzung des LKW, gelangt man zu dem Ergebnis, dass für den Zeitraum, indem der LKW in der Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Staat P genutzt wird, das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Nutzung des LKW ausgeschlossen ist. Somit läge eine (fiktive) Nutzungsentnahme i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG vor, die mit dem gemeinen Wert der Nutzung zu bewerten ist.2 Im Beispielsfall wäre somit in der inländischen Betriebsstätte eine Gewinnerhöhung von 5000 Euro vorzunehmen. Gleichzeitig wären die Aufwendungen vollständig der inländischen Produktionsbetriebsstätte anzulasten. Zahlreiche Autoren verstehen hingegen unter dem „Gewinn aus der 1 In Anlehnung an Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 719. 2 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 719.
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E. Ermittlung der Einkünfte der ausländischen Personengesellschaft
Nutzung“ ein fiktives Nutzungsentgelt und kommen auf Basis dieser Sichtweise zu dem Ergebnis, dass § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG in Konstellationen, wie sie dem Beispielsfall zugrunde liegen, keine Anwendung findet.1 Abkommensrechtlich wurde bislang in solchen Fällen lediglich der Aufwand des Gesamtunternehmens entsprechend der Nutzungsanteile verteilt;2 die Rechtsfolge des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG widerspricht mithin an dieser Stelle der internationalen Praxis. Der AOA geht hingegen wie § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG von einer Abrechnung der Nutzungsüberlassung zu Marktpreisen aus.3
IV. Zeitliche Zurechnung der Einkünfte Sowohl für den Gewinnanteil des inländischen Gesellschafters als auch für etwaige ihm von der ausländischen Personengesellschaft gezahlte Sondervergütungen gelten hinsichtlich der zeitlichen Zurechnung der Einkünfte im Rahmen der deutschen Besteuerung die Grundsätze des deutschen Steuerrechts. Die Einkünfte sind mithin wie in rein innerstaatlichen Fällen unabhängig vom tatsächlichen Zuflusszeitpunkt in dem Jahr steuerlich zu erfassen, in dem sie entstanden sind. Auf eine Auskehrung des Gewinns kommt es auch dann nicht an, wenn der Sitzstaat der Personengesellschaft den Gesellschafter erst im Zuge einer „Ausschüttung“ besteuert, wie dies regelmäßig bei einer intransparenten Besteuerung der Personengesellschaft der Fall sein wird.
5.243
V. Verfahrensfragen 1. Gesonderte Feststellung in Gewinnsituationen Nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO werden einkommen- und körperschaftsteuerpflichtige Einkünfte und mit ihnen in Zusammenhang stehende andere Besteuerungsgrundlagen gesondert festgestellt, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind. Hauptanwendungsfall dieser Norm bildet die Beteiligung mehrerer einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtiger Personen an den Einkünften einer Personengesellschaft. Für die gesonderte Feststellung sind Sitz und Geschäftsleitung der Personengesellschaft nicht von Bedeutung. Entscheidend ist vielmehr, ob die Einkünfte im Inland bei mehreren Steuerpflichtigen der Besteuerung unterliegen.4
1 Vgl. stellvertretend Ditz/Tcherveniachki, Ubg 2012, 101 ff. 2 Vgl. Art. 7 Nr. 17.4 OECD-MK (2008); Ditz/Tcherveniachki, Ubg 2012, 101 (106). 3 Vgl. Kahle/Mödinger, IStR 2010, 757 (758); Ditz/Tcherveniachki, Ubg 2012, 101 (105). 4 Vgl. zu alledem Dremel in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 26.1 f.
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5.244
Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
Eine ausländische Personengesellschaft wird regelmäßig Einkünfte aus ausländischen Betriebsstätten erzielen, die ihren Gesellschaftern aufgrund des Transparenzprinzips steuerlich zugerechnet werden. Für diese Einkünfte ist gem. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO nur dann eine gesonderte und einheitliche Feststellung durchzuführen, wenn an den Einkünften mehrere inländische Gesellschafter beteiligt sind. Denn die ausländischen Betriebsstättengewinne sind nur bei unbeschränkt steuerpflichtigen Mitunternehmern im Inland steuerbar.1 Ist an den Einkünften hingegen nur ein Steuerinländer beteiligt, erfolgt keine einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte. Diese sind dann vielmehr im Rahmen der Veranlagung des Steuerinländers festzustellen. Voraussetzung für eine gesonderte Feststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO ist ferner, dass die Einkünfte nicht aufgrund eines DBA von der inländischen Besteuerung freigestellt sind. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO greift damit in Nicht-DBA-Fällen sowie in Konstellationen, in denen ein DBA für die Vermeidung der Doppelbesteuerung die Anrechnungsmethode vorsieht. Dabei ist auch an Fallkonstellationen zu denken, in denen eine abkommensrechtliche Freistellung aufgrund einer Vorbehaltsklausel keine Anwendung findet (siehe dazu Rz. 5.88 ff.).2
5.245 Sind die den inländischen Mitunternehmern durch ihre Beteiligung an der Personengesellschaft vermittelten ausländischen Betriebsstätteneinkünfte nach einem DBA von der deutschen Besteuerung auszunehmen, findet § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO keine Anwendung, da dann die Voraussetzung der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerpflicht im Inland nicht vorliegt.3 Allerdings hat in diesen Fällen gem. § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO ebenfalls eine gesonderte Feststellung zu erfolgen, wenn die abkommensrechtlich steuerbefreiten Einkünfte bei der Festsetzung der Steuern der beteiligten Personen von Bedeutung sind. Eine derartige Bedeutung der steuerfreien Einkünfte ergibt sich für einkommensteuerpflichtige Mitunternehmer regelmäßig aus dem Progressionsvorbehalt (§ 32b EStG). Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Progressionsvorbehalt in bestimmten Fällen keine Anwendung findet (siehe hierzu ausführlich Rz. 2.494 ff.).4
5.246 Erzielt die Personengesellschaft sowohl steuerpflichtige als auch abkommensrechtlich steuerbefreite Einkünfte, haben gesonderte Feststellungen gleichermaßen nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO sowie nach § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO zu erfolgen. In diesem Fall handelt es sich bei der Feststellung nach § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO um einen eigenständigen Verwal1 Vgl. BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663. 2 Vgl. zu alledem Dremel in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 26.13 und 26.18. 3 BFH v. 30.5.2005 – IV B 92/03, BFH/NV 2005, 1560 (1562); v. 18.12.2002 – I R 92/01, BFH/NV 2003, 964 (966); v. 17.11.1999 – I R 7/99, BStBl. II 2000, 605 (606). 4 Vgl. zum Ganzen Dremel in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 26.16.
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E. Ermittlung der Einkünfte der ausländischen Personengesellschaft
tungsakt.1 In der Regel wird ein kombinierter Feststellungsbescheid ergehen, welcher die Feststellungen zusammenfasst.2 Die einheitliche und gesonderte Feststellung umfasst sämtliche Einkünfte aus der Mitunternehmerschaft. Der Umfang der Feststellung ergibt sich somit insbesondere aus § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG, sodass neben dem Anteil am Gewinn oder Verlust der Personengesellschaft auch Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben sowie Gewinne und Verluste, die ein Mitunternehmer aus der Veräußerung seines Anteils erzielt, einheitlich und gesondert festgestellt werden.3 Noch nicht abschließend geklärt ist, ob und inwieweit im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung auch Feststellungen zu den im Ausland auf Gewinne der Personengesellschaft erhobenen Steuern zu erfolgen haben. Der X. Senat des BFH lehnt dies mit der Begründung ab, dass Gegenstand der gesonderten und einheitlichen Feststellung nur die Einkünfte sind, während Fragen im Zusammenhang mit Tarifvorschriften wie § 34c Abs. 1 EStG auf Gesellschafterebene im Steuerfestsetzungsverfahren entschieden werden müssen.4 Demgegenüber hält der I. Senat des BFH Feststellungen über die Höhe der anrechenbaren Steuern im Feststellungsverfahren nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 AO zumindest dann für geboten, wenn die ausländischen Steuern nicht von den einzelnen an der gesonderten Feststellung beteiligten Personen entrichtet wurden.5 Das Schrifttum spricht sich überwiegend für eine Aufnahme von Angaben über die Höhe der ausländischen Steuer, den Staat, aus dem die Einkünfte stammen sowie die Verteilung der ausländischen Steuern auf die einzelnen Gesellschafter aus.6 Diese zutreffende Auffassung wird von der Finanzverwaltung geteilt.7 Für nach dem 31.12.1994 beginnende Feststellungszeiträume spricht hierfür nicht nur die größere Sachnähe des über die gesonderte und einheitliche Feststellung entscheidenden Finanzamts, sondern auch der Wortlaut des § 180 Abs. 1 Nr. 2 AO, der neben den steuerpflichtigen Einkünften die „mit ihnen im Zusammenhang stehenden anderen Besteuerungsgrundlagen“ zum Gegenstand der einheitlichen und gesonderten Feststellung erklärt.8
1 Vgl. BFH v. 4.4.2007 – I R 110/05, BStBl. II 2007, 521 (522); v. 18.12.2002 – I R 92/01, BFH/NV 2003, 964 (966). 2 Vgl. BFH v. 26.4.2005 – I B 159/04, BFH/NV 2005, 1560 (1562); v. 18.12.2002 – I R 92/01, BFH/NV 2003, 964 (966). 3 Vgl. zu alledem Dremel in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 26.15. 4 Vgl. BFH v. 4.6.1991 – X R 35/88, BStBl. II 1992, 187. 5 Vgl. BFH v. 18.7.1990 – I R 115/88, BStBl. II 1990, 951. 6 Vgl. Brandis in T/K, § 180 AO Rz. 59; Frotscher in Schwarz, § 180 AO Rz. 61; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 72; Dremel in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 26.50. 7 Vgl. OFD Nürnberg v. 26.8.2004 – S 1300 - 247/St 32, BeckVerw 149503. 8 Vgl. Dremel in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 26.50; Helmschrott/Eberhart, DStR 1994, 525 (526).
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5.247
Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
5.248 Beteiligte der einheitlichen und gesonderten Feststellung sind die unmittelbaren Gesellschafter der ausländischen Personengesellschaft. Dies gilt in gleicher Weise, soweit an der ausländischen Personengesellschaft (Untergesellschaft) eine Personengesellschaft beteiligt ist (Obergesellschaft). In diesem Fall sind daher auf Ebene beider Gesellschaften Feststellungsverfahren durchzuführen.1 Dass (nur) der unmittelbare Gesellschafter am Feststellungsverfahren beteiligt ist, gilt nach Auffassung des BFH auch dann, wenn dieser als Organgesellschaft in eine inländische Kapital- oder Personengesellschaft eingegliedert ist. Die Einkünfte, die die Organgesellschaft aus der Mitunternehmerschaft erzielt, sind zwar letztlich dem Organträger zuzurechnen. Die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus der Personengesellschaft entfaltet jedoch für den Organträger keine bindende Wirkung, weil weder der Feststellungsbescheid der Personengesellschaft noch der Körperschaftsteuerbescheid der Organgesellschaft als Grundlagenbescheid für die Besteuerung des Organträgers qualifiziert werden können.2 Diese Rspr. kann sich für den Steuerpflichtigen sowohl positiv als auch negativ auswirken. Beispielsweise können Erhöhungen des Gewinns der Tochterpersonengesellschaft der Organgesellschaft bei der Organträgerin nur unter den Voraussetzungen des § 173 AO berücksichtigt werden, wenn die Körperschaftsteuer- bzw. Feststellungsbescheide dort nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehen. Wurde bei der Organträgerin für den Veranlagungszeitraum bereits eine Außenprüfung durchgeführt, gilt der erhöhte Bestandsschutz gem. § 173 Abs. 2 AO. Die Bescheide können dann nur noch im Falle einer Steuerhinterziehung oder einer leichtfertigen Steuerverkürzung geändert werden. Allerdings scheidet in diesem Fall eine Berücksichtigung bislang unberücksichtigter steuermindernder Tatsachen ebenfalls aus.3 2. Gesonderte Feststellung in Verlustsituationen
5.249 Für Verluste einer ausländischen Personengesellschaft gelten verfahrensrechtlich dieselben Grundsätze wie für Gewinne. Über eine ausländische Personengesellschaft erzielte Verluste aus einer ausländischen Betriebsstätte sind wie im Gewinnfall (Rz. 5.244) einheitlich und gesondert festzustellen, wenn an den Einkünften mehrere inländische Gesellschafter beteiligt sind. Eine gesonderte Feststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO ist dabei durchzuführen, wenn die Verluste bei der inländischen Besteuerung in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen sind. Dagegen ist § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO Rechtsgrundlage für eine Feststellung, wenn die Verluste aufgrund einer DBA-Freistellung von der Bemessungsgrundlage auszunehmen sind, jedoch zu einem negativen Progressions-
1 Vgl. zu alledem Dremel in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 26.23. 2 Vgl. BFH v. 6.3.2008 – V R 74/05, BStBl. II 2008, 663. 3 Vgl. zu alledem Dremel in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 26.20.
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F. Beendigung und Strukturwechsel
vorbehalt führen. Hierbei sind die Einschränkungen des negativen Progressionsvorbehalts zu beachten (siehe Rz. 2.494 ff.). In Verlustfällen ist neben der Höhe und der steuerlichen Behandlung der 5.250 Verluste auch festzustellen, ob die Voraussetzungen einer Hinzurechnung von Gewinnen nach § 2a Abs. 3 Satz 3 EStG a.F. gegeben sind,1 oder ob ein Ereignis vorliegt, welches gem. § 2a Abs. 4 i.V.m. § 52 Abs. 3 Satz 5 oder 6 EStG zu einer Nachversteuerung führt.2 Der nur verrechenbare Verlust i.S. des § 15a EStG ist dagegen durch einen eigenständigen Verwaltungsakt festzustellen,3 auch wenn er mit der einheitlichen und gesonderten Feststellung der einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtigen Einkünfte verbunden wird. Der Bescheid über die gesonderte Feststellung der Einkünfte aus der Personengesellschaft stellt für den Feststellungsbescheid i.S. des § 15a EStG einen Grundlagenbescheid dar. Über die Höhe des Verlustanteils ist demnach abschließend im Feststellungsverfahren der Personengesellschaft zu entscheiden.4
F. Beendigung und Strukturwechsel I. Vorbemerkungen Die nachfolgenden Ausführungen zu Beendigung und Strukturwechsel beschränken sich auf Vorgänge, die sich außerhalb des Anwendungsbereichs des Umwandlungssteuergesetzes vollziehen. Umwandlungen werden in Kapitel 10 ausführlich behandelt, sodass auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden kann.
5.251
II. Veräußerung Veräußert der inländische Gesellschafter seine Beteiligung an der ausländischen Personengesellschaft, können wie in rein nationalen Fällen für den Veräußerungsgewinn die in den §§ 16, 34 EStG vorgesehenen Begünstigungen in Anspruch genommen werden, wenn der Gesellschafter eine natürliche Person ist. Voraussetzung hierfür ist, dass der Gesellschafter seinen gesamten Mitunternehmeranteil einschließlich des wesentlichen Sonderbetriebsvermögens veräußert. Ist der veräußernde inländische Ge1 Vgl. BFH v. 28.11.2007 – I R 25/07, BFH/NV 2008, 1097 (1098); v. 16.11.1989 – IV R 143/85, BStBl. II 1990, 204; v. 30.4.1991 – VIII R 68/86, BStBl. II 1991, 873; v. 9.6.1999 – I R 40/98, BFH/NV 2000, 168. 2 Vgl. BFH v. 28.11.2007 – I R 25/07, BFH/NV 2008, 1097 (1098); Dremel in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 26.42. 3 Vgl. BFH v. 15.9.2004 – I R 30/04, BFH/NV 2005, 842 (843); v. 18.10.1998 – VIII R 78/97, BStBl. II 1999, 163; v. 23.2.1999 – VIII R 29/98, BStBl. II 1999, 592. 4 Vgl. zu alledem Dremel in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 26.44.
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5.252
Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
sellschafter eine Kapitalgesellschaft, unterliegt der Gewinn der regulären Besteuerung mit Körperschaftsteuer. Entsteht bei der Veräußerung ein Verlust, ist dieser grundsätzlich nach dem Welteinkommensprinzip im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht des Gesellschafters zu berücksichtigen. Regelmäßig wird der Veräußerungsgewinn im Ausland ebenfalls der Besteuerung unterliegen. Eine Doppelbesteuerung kann im Nicht-DBA-Fall durch eine Anrechnung oder einen Abzug der ausländischen Steuern nach § 34c EStG bzw. § 26 KStG vermieden werden, da der Veräußerungsgewinn gem. § 34d Nr. 2 EStG zu den ausländischen Einkünften zählt.1
5.253 Im Abkommensfall ist die Vorschrift des Art. 13 OECD-MA in den Blick zu nehmen, welche die Zuordnung des Besteuerungsrechts für Gewinne aus der Veräußerung von Vermögen regelt. Aufgrund des Transparenzprinzips stellt die Veräußerung von Anteilen an einer Mitunternehmerschaft jedenfalls aus deutscher Perspektive abkommensrechtlich eine anteilige Veräußerung des Betriebsvermögens der Personengesellschaft dar. Dies gilt in Übertragung der Grundsätze des BFH-Urteils vom 25.5.20112 auch dann, wenn der Sitzstaat der Personengesellschaft diese als Körperschaft qualifiziert und daher die Veräußerung des Anteils als Beteiligungsveräußerung qualifiziert.3 Soweit es sich bei dem Vermögen der Personengesellschaft um bewegliches Vermögen handelt und dieses einer Betriebsstätte der Personengesellschaft im anderen Staat zuzurechnen ist, kommt mithin Art. 13 Abs. 2 OECD-MA zur Anwendung mit der Folge, dass der andere Staat ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht hat.4 Deutschland ist als Ansässigkeitsstaat regelmäßig zur Freistellung solcher Veräußerungsgewinne verpflichtet. Soweit der Veräußerungsgewinn auf unbewegliches Vermögen der Personengesellschaft im anderen Staat entfällt, ist Art. 13 Abs. 1 OECD-MA anzuwenden.5 Dem anderen Staat steht also auch insoweit ein Besteuerungsrecht zu, während Deutschland als Ansässigkeitsstaat den Gewinn regelmäßig freizustellen hat. Für alle in Art. 13 Abs. 1–4 OECD-MA nicht explizit genannten Vermögensgegenstände gilt, dass ein Veräußerungsgewinn allein im Wohnsitzstaat des Gesellschafters besteuert werden kann (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA). Diese „Auffangvorschrift“ gilt insbesondere für bewegliches Betriebsvermögen, das nicht einer Betriebsstätte im anderen Staat zugerechnet werden kann, also im hier interessierenden Zusammenhang bspw. für bewegliches Ver1 Vgl. Weggenmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 8.61. 2 BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602. 3 Vgl. Prinz, FR 2012, 381 (383); Suchanek/Herbst, Ubg 779 (784 f.). 4 Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 162; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.338; Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 78; Lieber, IWB 2010, 351 (357); BFH v. 17.10.2007 – I R 96/06, BStBl. II 2008, 953 (955). 5 Wassermeyer in D/W, Art. 13 OECD-MA Rz. 41; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.338; wohl auch BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.4.2.
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F. Beendigung und Strukturwechsel
mögen aus einer deutschen Betriebsstätte oder einer Betriebsstätte in einem Drittstaat. Die vorstehend beschriebenen Grundsätze finden unabhängig davon Anwendung, ob der Gesellschafter seinen gesamten Anteil oder nur einen Teil hiervon veräußert.1 Der Gewinn aus der Veräußerung des Anteils an einer ausländischen Mitunternehmerschaft unterliegt regelmäßig nicht der Gewerbesteuer. Denn gewerbesteuerlich entsteht der Veräußerungsgewinn auf Gesellschaftsebene,2 die ausländische Personengesellschaft ist jedoch nur dann gewerbesteuerpflichtig, wenn sie im Inland über Betriebsstätten verfügt, was in der Praxis regelmäßig nicht der Fall sein wird. Selbst wenn eine Gewerbesteuerpflicht der ausländischen Personengesellschaft besteht, unterliegt der Veräußerungsgewinn nicht der Gewerbesteuer, soweit er auf eine natürliche Person als unmittelbar beteiligter Mitunternehmer entfällt (§ 7 Satz 2 GewStG). Wurde in solchen Fällen eine auf den Veräußerungsgewinn erhobene ausländische Steuer im Rahmen der Einkünfteermittlung von der Bemessungsgrundlage abgezogen (§ 34c Abs. 2 EStG), sind diese Beträge gem. § 8 Nr. 12 GewStG bei der Ermittlung des Gewerbeertrags wieder hinzuzurechnen.3
5.254
Bei der Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Sonderbetriebsvermögens 5.255 ist das Urteil des BFH vom 13.2.20084 zu berücksichtigen, in dem der I. Senat für das DBA-Schweiz entschieden hat, dass sich die Betriebsstättenzuordnung innerhalb des Art. 13 DBA-Schweiz nach einem anderen Maßstab richtet als bei den Betriebsstättenvorbehalten. Art. 13 Abs. 2 DBA Schweiz5 setze ausweislich seines Wortlauts keine „tatsächliche Zugehörigkeit“ zu einer Betriebsstätte im anderen Staat voraus, sondern verlange, dass das Wirtschaftsgut „Betriebsvermögen einer Betriebsstätte im anderen Staat ist“. Da das DBA den Begriff des Betriebsvermögens einer Betriebsstätte nicht definiere, sei gem. Art. 3 Abs. 2 OECD-MA auf die Begriffsbestimmungen des innerstaatlichen Rechts zurückzugreifen. Aus diesem Rückgriff ergebe sich aus deutscher Sicht, dass ein sich im Eigentum des in der Schweiz ansässigen Gesellschafters befindendes Wirtschaftsgut, welches zu dessen notwendigem Sonderbetriebsvermögen bei einer inländischen Personengesellschaft gehört, jedenfalls dann i.S. des Art. 13 Abs. 2 DBA-Schweiz einer Betriebsstätte in Deutschland zuzurechnen ist, wenn die Personengesellschaft ausschließlich in Deutschland Betriebsstätten unterhält und auch der Gesellschafter außerhalb Deutschlands keine weiteren Betriebsstätten betreibt.6
1 Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 79. 2 Vgl. Gosch in Blümich, § 2 GewStG Rz. 42 m.w.N. 3 Vgl. Weggenmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 8.63. 4 BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414. 5 Entspricht in seinem Wortlaut Art. 13 Abs. 2 OECD-MA. 6 Diese Auffassung hat der I. Senat jüngst in einem AdV-Beschluss bestätigt, vgl. BFH v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156.
Schänzle/Engel
883
Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
Auch in Outbound-Konstellationen stellen somit nach der Rspr. des BFH Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens Betriebsvermögen i.S. von Art. 13 OECD-MA dar, sodass darüber zu entscheiden ist, welcher Betriebsstätte diese Wirtschaftsgüter zuzuordnen sind. Dabei können die Wirtschaftsgüter sowohl einer eigenen Betriebsstätte des inländischen Mitunternehmers als auch einer Betriebsstätte der Personengesellschaft zugeordnet werden. Entscheidend für die Zuordnung ist, mit welcher Betriebsstätte das Sonderbetriebsvermögen in einem funktionalen Zusammenhang steht.1
5.256 Die vorstehend skizzierte Entscheidung des BFH wird vom überwiegenden Teil des Schrifttums zu Recht kritisiert.2 Der BFH verkennt, dass Art. 13 OECD-MA letztlich die Aufteilungsregeln für laufende Einkünfte auf Veräußerungsgewinne überträgt. Zwischen Art. 7 und Art. 13 Abs. 2 OECD-MA besteht somit ein enger Zusammenhang.3 Dies spricht dafür, bei der Betriebsstättenzuordnung von einem einheitlichen Maßstab auszugehen.4
5.257 Hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Gesellschaftsanteile kann ein Qualifikationskonflikt entstehen, wenn der andere Staat die Personengesellschaft als Körperschaft qualifiziert. Denn in diesem Fall wird der andere Staat in der Veräußerung der Mitunternehmeranteile durch den inländischen Gesellschafter eine Beteiligungsveräußerung sehen und somit gem. Art. 13 Abs. 5 OECD-MA ein alleiniges Besteuerungsrecht der BRD annehmen. Dadurch könnte es zu einer „Keinmalbesteuerung“ der Einkünfte kommen. In den meisten Fällen wird jedoch entweder eine abkommensrechtliche Subject-to-Tax- oder Switch-overKlausel greifen oder ein Anwendungsfall des § 50d Abs. 9 EStG vorliegen. Deutschland wird den Gewinn im Falle einer „drohenden“ Keinmalbesteuerung also regelmäßig nicht von der Besteuerung ausnehmen.
5.258 Beispiel 42: Der Steuerinländer D veräußert seinen Anteil an der Personengesellschaft P. Die P hat ihren Sitz in DBA-Staat P, der die Personengesellschaft als Körperschaftsteuersubjekt qualifiziert. Sämtliche Betriebsstätten der P befinden sich in Staat P. Die Personengesellschaft P verfügt über einige Betriebsgrundstücke, die ebenfalls alle in Staat P belegen sind. Das DBA zwischen Deutschland und Staat P sieht für die Vermeidung der Doppelbesteuerung für Einkünfte i.S. des Art. 13 Abs. 1 und 2 OECD-MA jeweils die Freistellungsmethode vor.
1 Vgl. BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414. 2 Vgl. z.B. Weggenmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 8.92; Rosenberg/Farle in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 13.67. 3 Vgl. hierzu Art. 13 Nr. 4 OECD-MK (2008). 4 Vgl. Weggenmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 8.92; Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, S 257; sowie zu alledem Heurung/Engel in Prinz/Seitz, Umwandlungen im int. Steuerrecht, Rz. 5.20 (im Erscheinen).
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Schänzle/Engel
F. Beendigung und Strukturwechsel
Aus deutscher Sicht liegt abkommensrechtlich eine Veräußerung der anteiligen Wirtschaftsgüter der P vor (Rz. 5.253). Soweit der Veräußerungsgewinn auf bewegliches Vermögen entfällt, ist aus deutscher Perspektive somit Art. 13 Abs. 2 OECD-MA einschlägig, während in Bezug auf das unbewegliche Vermögen Art. 13 Abs. 1 OECD-MA anzuwenden ist. Deutschland geht mithin davon aus, dass der Veräußerungsgewinn allein in Staat P besteuert werden kann. Staat P subsumiert den Veräußerungsgewinn dagegen unter Art. 13 Abs. 5 OECD-MA und nimmt daher ein alleiniges Besteuerungsrecht der BRD an. Wenn nicht bereits auf Abkommensebene eine Subject-to-Tax- oder Switch-over-Klausel anzuwenden ist, wäre im Beispielsfall ein Anwendungsfall des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 EStG gegeben. Deutschland würde somit im Beispielsfall den Gewinn nicht freistellen.
5.259
Qualifikationskonflikte können sich ferner bei einer Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Sonderbetriebsvermögens ergeben. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn das Sonderbetriebsvermögen entsprechend der Grundsätze der oben dargestellten BFH-Rspr. (Rz. 5.255) einer im anderen Vertragsstaat belegenen Betriebsstätte der Personengesellschaft zuzuordnen ist. Ob eine „Keinmalbesteuerung“ durch abkommensrechtliche Subject-to-Tax- oder Switch-over-Klauseln oder durch § 50d Abs. 9 EStG vermieden wird, ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.
5.260
Eine Freistellung des Gewinns aus der Veräußerung des Sonderbetriebsvermögens von der deutschen Besteuerung wird immer dann ausscheiden, wenn auch hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung des Gesellschaftsanteils ein negativer Qualifikationskonflikt vorliegt.
5.261
Beispiel 43 (Erweiterung des Beispiels 42):
5.262
Der Grundsachverhalt entspricht dem des Beispiels 42. D, der selbst neben seiner Beteiligung an der P keiner unternehmerischen Tätigkeit nachgeht, veräußert im Zuge der Veräußerung seines Gesellschaftsanteils auch seine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft in Staat P, die zum Sonderbetriebsvermögen bei der P gehört.
Im Beispielfall wäre nach der Rspr. des BFH1 innerhalb des Art. 13 OECDMA von einer Zuordnung der Beteiligung zu einer Betriebsstätte der Personengesellschaft P auszugehen, sodass auch insoweit ein Besteuerungsrecht der P nach Art. 13 Abs. 2 OECD-MA anzunehmen wäre. Der andere Staat wird hingegen den Gewinn aus der Veräußerung der im Sonderbetriebsvermögen gehaltenen Beteiligung ebenso unter Art. 13 Abs. 5 OECD-MA subsumieren wie den Gewinn aus der Veräußerung des Mitunternehmeranteils. Hier gilt wie in Beispiel 41, dass, wenn nicht bereits auf Abkommensebene eine Subject-to-Tax- oder Switch-over-Klausel Anwendung finden würde, jedenfalls ein Anwendungsfall des § 50d Abs. 9
1 BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414; v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156.
Schänzle/Engel
885
5.263
Kapitel 5 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften
Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 EStG gegeben wäre. Deutschland würde somit im Beispielsfall den Gewinn nicht von der Besteuerung ausnehmen.
5.264 Folgt der andere Vertragsstaat bei der abkommensrechtlichen Qualifikation des Gewinns aus der Veräußerung des Gesellschaftsanteils der deutschen Sichtweise, kann dies einer Anwendung abkommensrechtlicher Subject-to-Tax-Klauseln sowie des § 50d Abs. 9 EStG entgegenstehen, sodass eine Versagung der Freistellung nur auf eine abkommensrechtliche Switch-over-Klausel gestützt werden kann.
5.265 Beispiel 44 (Abwandlung der Beispiele 42 und 43): Der Sachverhalt entspricht dem der Beispiele 42 und 43. Allerdings soll nun angenommen werden, dass Staat P die Personengesellschaft transparent besteuert, das Konzept des Sonderbetriebsvermögens jedoch nicht kennt.
5.266 Staat P würde hier in Bezug auf die Veräußerung des Gesellschaftsanteils die deutsche Sichtweise teilen. Lediglich hinsichtlich des Sonderbetriebsvermögens ergäbe sich der in Rz. 5.257 dargestellte Qualifikationskonflikt. Sowohl innerhalb der abkommensrechtlichen Subject-to-Tax-Klauseln als auch im Rahmen des § 50d Abs. 9 EStG hat bei der Prüfung der (Nicht-)Besteuerung im anderen Vertragsstaat eine einheitliche Betrachtung der Einkünfte zu erfolgen (Rz. 5.111, 5.124). Die Gewinne aus der Veräußerung des Gesellschaftsanteils einerseits und des Sonderbetriebsvermögens anderseits sind somit als Einheit zu sehen, soweit sie unter dieselbe Abkommensvorschrift fallen. Im Beispielfall ist sowohl in Bezug auf das bewegliche Betriebsvermögen der P als auch hinsichtlich der im Sonderbetriebsvermögen gehaltenen Beteiligung Art. 13 Abs. 2 OECDMA einschlägig. Da Staat P zumindest den Gewinn aus der Veräußerung des Gesellschaftsanteils besteuert, liegt im Beispielsfall keine Nichtbesteuerung i.S. der abkommensrechtlichen Subject-to-Tax-Klauseln oder des § 50d Abs. 9 EStG vor. Diese Normen stehen also hier einer Freistellung des Gewinns aus der Veräußerung des Sonderbetriebsvermögens nicht entgegen. Eine abkommensrechtliche Switch-over-Klausel würde hingegen im Beispielsfall eine Freistellung des Gewinns aus der Veräußerung des Sonderbetriebsvermögens versagen, da bei diesen Normen nur auf die im anderen Vertragsstaat abweichend qualifizierten Einkünfte – hier also den Gewinn aus der Veräußerung des Sonderbetriebsvermögens – abzustellen ist (Rz. 5.117).
III. Aufgabe/Liquidation 5.267 Die wirtschaftliche Aktivität im Ausland kann nicht nur durch eine entgeltliche Veräußerung des Gesellschaftsanteils beendigt werden. Vielmehr kann der inländische Gesellschafter auch seinen Gesellschaftsanteil aufgeben. Eine solche Aufgabe eines Mitunternehmeranteils liegt vor, wenn mit den übrigen Gesellschaftern die Liquidation der Gesellschaft beschlossen wird oder die Gesellschaft ohne einen solchen Be-
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F. Beendigung und Strukturwechsel
schluss ihren Gewerbebetrieb aufgibt. In diesen Fällen ergibt sich ein Aufgabegewinn bzw. -verlust i.H. des Unterschiedsbetrags zwischen dem gemeinen Wert der Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens und deren Buchwert und den bei der Auflösung der Personengesellschaft angefallenen Aufwendungen. Die steuerlichen Folgen der Aufgabe eines Mitunternehmeranteils entsprechen grundsätzlich denen einer Veräußerung.1 Dies gilt sowohl für das innerstaatliche Recht als auch für das Abkommensrecht. Insbesondere ist auch ein Aufgabegewinn als Veräußerungsgewinn im abkommensrechtlichen Sinne zu qualifizieren, da der Anwendungsbereich des Art. 13 OECD-MA nicht auf Veräußerungen im eigentlichen Wortsinn beschränkt ist, sondern sämtliche Realisationstatbestände des innerstaatlichen Steuerrechts der Vertragsstaaten erfasst.2 Daher kann insoweit auf die Ausführungen zur Veräußerung des Gesellschaftsanteils verwiesen werden (Rz. 5.252 ff.).
1 Zu beachten sind jedoch die zeitlichen Anforderungen, die an die Aufgabe bei der Inanspruchnahme der Vergünstigungen der §§ 16, 34 EStG gerichtet werden, vgl. hierzu Wacker in Schmidt31, § 16 EStG Rz. 424. 2 Vgl. Heurung/Engel in Prinz/Seitz, Umwandlungen im int. Steuerrecht, Rz. 5.17 m.w.N. (im Erscheinen).
Schänzle/Engel
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5.268
Kapitel 6 Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften Literatur Birk, Zuzug und Wegzug von Kapitalgesellschaften, IStR 2003, 469; Brocke, Abzug definitiver Verluste ausländischer Tochtergesellschaften im Rahmen der körperschaftsteuerlichen Organschaft? Zwei FG-Entscheidungen zur Anwendung der Grundsätze des EuGH in der Rs. Marks & Spencer, DStR 2010, 964; Bullinger, Änderung der Mutter-Tochter-Richtlinie ab 2005: Erweiterung des Anwendungsbereiches und verbleibende Probleme, IStR 2004, 406; Bullinger/Seroin, Anm. zu BMF v. 10.9.2002 – Berücksichtigung der französischen Steuergutschrift („avoir fiscal“) im Veranlagungszeitraum 2001; 2. Fiskalausgleichsverfahren gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. bb DBA-Frankreich, IstR 2002, 782; Deininger, Körperschaftsteuerrechtliche Auswirkungen der Überseering-Entscheidung des EuGH, IStR 2003, 214; Derlien, BFH: Zeitpunkt der Gewinnverwirklichung bei aufschiebend bedingter Übertragung eines Mitunternehmeranteils/Veräußerung eines Mitunternehmeranteils, BB 2010, 358; Desens, Die Besteuerung des Anteilseigners bei grenzüberschreitenden Gewinnausschüttungen – Überblick und Grundprobleme, IStR 2003, 613; Djanani/Brähler/Hartmann, Die abkommensrechtliche Behandlung von Ausschüttungen aus US-amerikanischen S-Corporations, IStR 2003, 456; Djanani/Brähler/Hartmann, Die Finanzverwaltung und die autonome Abkommensauslegung, IStR 2004, 481; Dörfler/Heurung/Adrian, Korrespondenzprinzip bei verdeckter Gewinnausschüttung und verdeckter Einlage, DStR 2007, 514; Dötsch/Pung, § 8b Abs. 1 bis 6 KStG: Das Einführungsschreiben des Bundesfinanzministeriums, DB 2003, 1016; Eilers/Taske, Beratungs-Know-how Körperschaftsteuerrecht, DStR 2003, 1195; Engler, Kosten einer Due Diligence – Aufwand oder aktivierungspflichtige Anschaffungskosten?, BB 2006, 747; Englisch, Urteilsanmerkung zum EuGH, IStR 2006, 23; Fahrenberg/Henke, Das BMF-Schreiben zur steuerlichen Einordnung der US-LLC aus Beratersicht, IStR 2004, 485; Figgener, Umqualifizierung von Zinsen in vGA verstößt gegen das Diskriminierungsverbot im DBA-Schweiz, SteuK 2011, 83; Fink/Richter, Wegfall der französischen Steuergutschrift „avoir fiscal“ für deutsche Gesellschafter französischer Kapitalgesellschaften?, IStR 2001, 584; Fock, Sitztheorie im deutschen internationalen Steuerrecht nach der Centros-Entscheidung, RIW 2000, 42; Fox/Scheidle, Anm. zu BFH v. 25.6.2009 (IV R 3/07) – Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an Mitunternehmeranteil setzt rechtlich geschützte unentziehbare Erwerbsanwartschaft voraus, GWR 2009, 433; Frotscher, Grenzüberschreitende Organschaft – wo stehen wir?, IStR 2011, 697; Gosch, Außensteuerliche Aspekte der Gewerbesteuer, Hefte zur Internationalen Besteuerung, Interdisziplinäres Zentrum für Internationales Finanz- und Steuerwesen (IIFS) der Universität Hamburg, Heft 177 (2011); Grotherr, Außensteuerrechtliche Bezüge im Jahressteuergesetz 2007, RIW 2006, 898; Haas, Die Gewerbesteuerpflicht von Dividenden aus Streubesitz nach § 8 Nr. 5 GewStG und ihre Auswirkungen auf 100 %-Beteiligungen, DB 2002, 549; Haas, Reformbedarf im deutschen internationalen Steuerrecht, IStR 2011, 353 (357); Hageböke, Zum Konkurrenzverhältnis von DBA-Schachtelprivileg und § 8b KStG, IStR 2009, 473; Hahne, Spätere Ausfälle von Kaufpreisforderungen mindern rückwirkend steuerfreie Veräußerungsgewinne gemäß § 8b Abs. 2 KStG, DStR 2011, 955; Henkel, Subjektfähigkeit grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften, RIW 1991, 565; Henkel, Die deutsche Zwischenholding nach dem Standortsicherungsgesetz, DB 1993, 896; Homburg, AWD – ein deutscher Anwendungsfall für Marks & Spencer, IStR 2009, 350; Homburg, Anmerkung zum BFH-Beschluss vom 9.11.2010 (I R 16/10), IStR 2011, 111; Kessler/Sinz, Änderung der Mutter-Tochter-
Henkel
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Kapitel 6 Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften Richtlinie: Ende der „Quellensteuerfalle“ im Verhältnis zu Frankreich absehbar, IStR 2004, 789; Köhler, Unternehmenssteuerreform 2001; Auswirkungen des Steuersenkungsgesetzes auf deutsche Auslandsinvestitionen, DStR 2000, 1849; Lang, BMF: Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2008/4909 zum doppelten Inlandsbezug für Organgesellschaften, SteuK 2011, 245; Lemaitre/Schnitger/Siegel, Die steuerliche Einordnung der US-amerikanischen Limited Liability Company (LLC) auf der Grundlage des BMF-Schreibens vom 19.3.2004, GmbHR 2004, 618; Maier-Frischmuth, Neuregelung der Besteuerung französischer Dividendeneinkünfte, IStR 2002, 52; Mayr, Endgültige Verluste im Sinne von Marks & Spencer, BB 2008, 1816; Meilicke, Niederlassung unter Umgehung des nationales Rechts, DB 1999, 627; Mitschke, Ergebnisabführungsvertrag „über die Grenze“ und Abzug finaler Verluste ausländischer Tochtergesellschaften – Zugleich eine Erwiderung auf die Anmerkung von Homburg zum BFH-Beschluss vom 9.11.2010 (I R 16/10), IStR 2011, 185; Müller, Industrielle Holdinggesellschaften – Behandlung des Eigenhandels von Anteilen an Kapitalgesellschaften entsprechend § 8b Abs. 7 KStG, BB 2003, 1309; Pache, Die Urteile des BFH und des BGH vom 29.1.2003 als erste Reaktion auf die Überseering-Entscheidung des EuGH, IStR 2003, 808; Peter/Graser, Zu kurz gegriffen: Due-Diligence-Kosten als Anschaffungsnebenkosten beim Beteiligungserwerb, DStR 2009, 2032; Prinz/Simon, Kuriositäten und Ungereimtheiten des UntStFG: Ungewollte Abschaffung des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs für Kapitalgesellschaften?, DStR 2002, 149; Rödder/Schönfeld, Abschied (auslandsbeherrschter) inländischer Kapitalgesellschaften von der deutschen Ertragsteuerpflicht? Erste Anmerkungen zum überraschenden Urteil des BFH v. 9.2.2011 (I R 54, 55/10), DStR 2011, 886; Rödder/Schumacher, Das BMF-Schreiben zu § 8b KStG, DStR 2003, 909; Rust, Anmerkung zum BFH-Urt. v. 29.1.2003 – I R 6/99 (Diskriminierungsverbote der DBA), IStR 2005, 27; Saß, Die Fusionsrichtlinie und die Mutter-Tochter-Richtlinie, DB 1990, 2340; Scheffler/Krebs, Einfluss der Besteuerung von privaten Dividenden, Veräußerungsgewinnen und Zinsen auf die Unternehmensfinanzierung, IStR 2010, 859; Scheunemann, Europaweite Verlustberücksichtigung im Konzern: Steine statt Brot durch die Schlussanträge des Generalanwalts Maduro vom 7.4.2005 im Fall Marks & Spencer?, IStR 2005, 303; Scheunemann, Praktische Anforderungen einer grenzüberschreitenden Verlustberücksichtigung im Konzern in Inbound- und Outboundfällen nach der Entscheidung Marks & Spencer, IStR 2006, 145; Schnitger, Anrechnung ausländischer Quellensteuern bei steuerfreien ausländischen Einkünften unter besonderer Bedeutung von § 8b Abs. 5 KStG, IStR 2003, 298; Schnitger/Rometzki, Die Anwendung des Korrespondenzprinzips auf verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten nach dem JStG 2007, BB 2008, 1648; Schultze, Doch noch Anspruch auf den „avoir fiscal“?, IStR 2004, 639; Schulze-Osterloh, Passiver Ausgleichsposten beim Erwerb von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft gegen Zuzahlung des Verkäufers – Zugleich Besprechung des BFH-Urteils vom 26.4.2006 (I R 49, 50/04), BB 2006, 1955; Schwedhelm/Binnewies, Grenzüberschreitende Sitzverlegung von GmbH, GmbH-StB 2000, 100; Sedemund, Der BFH verabschiedet sich von der Sitztheorie im Steuerrecht, BB 2003, 1362; Seibold, Problematik der Doppelansässigkeit von Kapitalgesellschaften, IStR 2003, 45; Seibt, Unternehmenskauf und -verkauf nach dem Steuersenkungsgesetz, DStR 2000, 2061; Sörgel, Körperschaftsteuerliche Auswirkungen der „Centros“-Entscheidung des EuGH, DB 1999, 2236; Spilker/Peschke, Erfordernis der Steuerneutralität der Einlagenrückgewähr aus ausländischen Gesellschaften – Zur Reformbedürftigkeit des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG i.V.m. § 27 Abs. 8 KStG, DStR 2011, 385; Staringer, Besteuerung doppelt ansässiger Kapitalgesellschaften, Wien 1999; Wassermeyer, Die Beurteilung der Abkommensberechtigung ausländischer Personengesellschaften durch Deutschland als dem Nichtansässigkeitsstaat der Personengesellschaft, IStR 1998, 489; Wassermeyer, Einkünftekorrekturnormen im Steuerrecht, IStR 2001, 633; Winter/Marx, „Grenzüberschreitende“ Organschaft
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Henkel
A. Subjektive Steuerpflicht ausländischer Kapitalgesellschaften mit zugezogenen EU-/EWR-Gesellschaften – Neue Gestaltungsmöglichkeiten aufgrund des BMF-Schreibens vom 28.3.2011, DStR 2011, 1101.
A. Subjektive Steuerpflicht ausländischer Kapitalgesellschaften I. Rechtliche Grundlagen Die in Deutschland geltende gesellschaftsrechtliche Unterscheidung zwischen Kapitalgesellschaften (AG, GmbH) und Personengesellschaften (OHG, KG) findet sich auch in den meisten ausländischen Rechtsordnungen.1 Kapitalgesellschaften werden auch im Ausland nach dortigem Gesellschaftsrecht regelmäßig als juristische Personen angesehen, Personengesellschaften sind dagegen – bis auf wenige Ausnahmen2 – nicht selbständig rechtsfähig. Als ausländische Kapitalgesellschaft ist auch die Europäische Gesellschaft („SE“) anzusehen, die in einem anderen EUStaat errichtet wird.
6.1
Ob eine Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts in Deutschland als Rechtssubjekt anerkannt wird, entscheidet sich nach dem Gesellschaftsstatut des Internationalen Gesellschaftsrechts.3 Danach stehen sich die Sitztheorie und die Gründungstheorie gegenüber. Die Sitztheorie besagt, dass die Regelungen des Staates heranzuziehen seien, in dem die Gesellschaft ihren tatsächlichen Verwaltungssitz hat.4 Der tatsächliche Verwaltungssitz ist der Ort, an dem die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden.5 Die Gründungstheorie verweist hingegen auf die Rechtsordnung, in der die Gesellschaft gegründet wurde.6 In Deutschland
6.2
1 Zu den Rechtsformen ausländischen Rechts s. Übersicht bei Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 300. 2 Z.B. in Argentinien, Belgien, Peru und Spanien; vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, EStG (2010), Vergleichende Übersichten, Rz. 448, Tabelle 1. 3 Das Internationale Gesellschaftsrecht ist Kollisionsrecht und entscheidet darüber, nach welchem materiellen Recht eine Gesellschaft entsteht, lebt und beendet wird, BGH v. 11.7.1957 – II ZR 318/55, BGHZ 25, 134 = NJW 1957, 1433; Kindler in MüKo BGB IntGesR5, Rz. 1 ff.; Mäsch in BeckOK, Art. 12 EGBGB Rz. 43 ff. (Stand: Februar 2010). 4 Der Sitztheorie folgen insbesondere die EU-Staaten Staaten Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Luxemburg, Österreich, Polen, Portugal, Slowenien und Spanien, vgl. Kindler in MüKo BGB IntGesR5, Rz. 510 ff. 5 BGH v. 21.3.1986 – V ZR 10/85, BGHZ 97, 269 (272); anders als bei der steuerlichen Beurteilung des Orts der Geschäftsleitung gem § 10 AO ist nicht der Ort entscheidend, an dem die interne Willensbildung stattfindet, Mäsch in BeckOK, Art. 12 EGBGB Rz. 59 (Stand: Februar 2010) m.w.N. 6 Der Gründungstheorie folgen insbesondere die EU/EWR-Staaten Bulgarien, England, Liechtenstein, die Niederlande, Rumänien, Tschechien und Ungarn; Italien wendet die Gründungstheorie als einseitige Kollisionsnorm an, vgl. Kindler in MüKo BGB IntGesR5, Rz. 508 ff.
Henkel
891
Kapitel 6 Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften
herrscht grundsätzlich die gewohnheitsrechtlich anerkannte Sitztheorie vor. Diese soll verhindern will, dass die Schutzvorschriften des Staates, in dem die Gesellschaft ihren tatsächlichen Verwaltungssitz hat (insbesondere der Gläubiger-, der Minderheitsgesellschafter- und der Arbeitnehmerschutz) durch Rechtsformen ausländischen Rechts mit geringerem Schutz umgangen werden.1
6.3 Die Sitztheorie gilt jedoch nur in Bezug auf Drittstaaten. Sind Kapitalgesellschaften nach dem Recht eines EU- oder EWR-Staats errichtet, sind sie nach den Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen Centros,2 Überseering,3 und Inspire Art4 von dem Zuzugsstaat auch dann weiterhin als Kapitalgesellschaften anzuerkennen, wenn sie ihren Verwaltungssitz verlegen. Der EuGH folgt damit grundsätzlich der Gründungstheorie, allerdings nicht ausnahmslos. In der Rechtssache Cadbury Schweppes5 schränkt er die Grundsätze der Centros-Entscheidung ein und versagt den Schutz der Niederlassungsfreiheit in den Fällen, in denen die Gesellschaft ohne realen Bezug errichtet wurde und in ihrem Sitzstaat weder Geschäftsräume noch Personal oder Mobiliar hat.6 Eine weitere Einschränkung ergibt sich aus der Rechtssache Cartesio.7 In dieser Entscheidung respektiert der EuGH die innerstaatliche Wegzugs-Regelung, nach der eine ungarische KG ihren Verwaltungssitz nicht identitätswahrend ins Ausland verlegen darf, und sieht darin keinen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit.
6.4 Der BGH hat sich hinsichtlich des Zuzugs von Gesellschaften, die nach dem Recht eines EU/EWR-Staats errichtet werden, der Rechtsprechung des EuGH und damit der Gründungstheorie angeschlossen.8 Folglich können Kapitalgesellschaften, die nach dem Recht eines EU/EWR-Staats errichtet wurden oder für die – wie für die USA – spezielle bilaterale 1 Ständige Rspr., z.B. BGH v. 30.1.1970 – V ZR 139/68, BGHZ 53, 181 (183); v. 21.11.1996 – IX ZR 148/95, BGHZ 134, 116 (118); jüngst bestätigt durch BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06, NJW 2009, 289 (Trabrennbahn); Großfeld in Staudinger, BGB, IntGesR5, Rz. 38; Kindler in MüKo BGB IntGesR5, Rz. 1 ff. 2 EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 – Centros, EuGHE 1999, I-1459 = NJW 1999, 2027. 3 EuGH v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 – Überseering, EuGHE 2002, I-9919 = NJW 2002, 3614. 4 EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 – Inspire Art, EuGHE 2003, I-10155 = NJW 2003, 3331. 5 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995 = IStR 2006, 670. 6 Weiterführend Kindler in MüKo BGB IntGesR5, Rz. 128 f. 7 EuGH v. 16.12.2008 – Rs. C-210/06 – Cartesio, EuGH 2006, I-9641 = NJW 2009, 569. 8 BGH v. 13.3.2003 – VII ZR 370/98, BGHZ 154, 185 (190) = NJW 2003, 1461 (Überseering); v. 5.7.2004 – II ZR 389/02, NJW-RR 2004, 1618 (Delaware); zur Rechtsentwicklung siehe Kindler in MüKo BGB IntGesR5, Rz. 144 ff.; zu dem häufigen Fall des Zuzugs einer englischen Private Limited Company („Limited“) s. Bayer in Lutter/Hommelhoff17, § 4a GmbHG Anh II.
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Henkel
A. Subjektive Steuerpflicht ausländischer Kapitalgesellschaften
staatliche Abkommen gelten,1 identitätswahrend ihren effektiven Verwaltungssitz nach Deutschland verlegen.2 Für den Wegzug, also die Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes einer deutschen GmbH oder AG ins Ausland, hat der Gesetzgeber mit dem MoMiG eine Regelung getroffen, die den „Export“ der deutschen Rechtsformen unterstützen soll. In § 4a GmbHG und § 5 AktG sind jeweils die einschränkenden Regelungen gestrichen worden, die eine Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland betrafen.3 Hiernach ist die identitätswahrende Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes ins Ausland (auch in das nicht EU/EWRAusland) bei der AG und der GmbH möglich.
II. Subjektive Steuerpflicht im Inland 1. Rechtsformen § 1 Abs. 1 KStG zählt die subjektiv steuerpflichtigen Rechtsformen auf. Die Aufzählung der Kapitalgesellschaften in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG war bis zur Einführung des SEStEG abschließend und einer Analogie nicht zugänglich.4 Mit Wirkung zum Veranlagungszeitraum 2006 wurde der Klammerzusatz um ein „insbesondere“ ergänzt, um u.a. eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für die steuerliche Erfassung ausländischer Körperschaften zu erreichen.5 Zu den steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften gem. Nr. 1 gehören nunmehr „insbesondere“ die SE, die AG, die KGaA und die GmbH. Neben den Genossenschaften einschließlich der Europäischen Genossenschaften (Nr. 2) und den Versicherungs- und Pensionsfondsvereinen auf Gegenseitigkeit (Nr. 3) und den sonstigen juristischen Personen des privaten Rechts (Nr. 4) hatte in der Vergangenheit die Auffangregelung (Nr. 5) besondere Bedeutung, da hierunter – nach früherer Rechtsansicht – auch juristische Personen des ausländischen Rechts fielen.6 Nach den Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen Centros, Überseering und Inspire Art, der Anerkennung der Gründungstheorie für EU/EWR-Gesellschaften durch die deutsche Rechtsprechung (siehe hierzu Rz. 6.2) und durch die Ergänzung der Aufzählung („insbesondere“) des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG durch das SEStEG ist nunmehr davon auszugehen, 1 So das Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsabkommen mit den USA vom 29.10.1954, BGBl. II 1954, 487. 2 Offen ist, ob der BGH (ebenso wie der EuGH in der Rechtssache Cadbury Schweppes (s. Rz. 6.3) Einschränkungen machen wird, wenn es sich um eine funktionslose Gesellschaft handelt. 3 Siehe Lutter in Lutter/Hommelhoff17, Einleitung GmbHG Rz. 34: „Bislang musste der faktische Verwaltungssitz einer GmbH im Inland liegen; wurde er ins Ausland verlegt, so wurde das von der Rspr. als Auflösung interpretiert mit der katastrophalen Folge der Liquidationsbesteuerung … Diesen Unfug hat das MoMiG beseitigt.“ 4 So noch R 2 Abs. 1 KStR 2004. 5 Streck in Streck7, § 1 KStG Rz. 30. 6 Vgl. BFH v. 23.6.1992 – IX R 182/87, BStBl. II 1992, 972; v. 17.5.2000 – I R 19/98, BStBl. II 2000, 619.
Henkel
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6.5
Kapitel 6 Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften
dass Kapitalgesellschaften des ausländischen Rechts, die körperschaftlich strukturiert sind, von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG und nicht von § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG erfasst werden.1 2. Rechtstypenvergleich
6.6 Das deutsche Steuerrecht beurteilt die Subjektfähigkeit ausländischer Gesellschaften autonom nach seinen eigenen Wertungen im Rahmen der Durchführung des sog. Rechtstypenvergleichs.2 Die Charakterisierung erfolgt grundsätzlich unabhängig davon, ob das ausländische Gesellschaftsrecht die ausländische Gesellschaft als juristische Person beurteilt3 oder wie das ausländische Steuerrecht das dort ansässige Rechtsgebilde qualifiziert (vgl. hierzu auch Rz. 1.171 ff.).4 Entscheidend ist vielmehr, ob das ausländische Rechtsgebilde nach seinem durch das ausländische Recht geregelten Aufbau und seiner wirtschaftlichen Stellung einer Körperschaft entspricht. Die ausländische Gesellschaft ist danach als Körperschaft einzuordnen, wenn eine Gesamtwürdigung der maßgebenden ausländischen Regelungen über die Organisation und Struktur der Gesellschaft ergibt, dass diese rechtlich und wirtschaftlich einer inländischen Kapitalgesellschaft oder einer juristischen Person des privaten Rechts gleicht. Dazu muss im Einzelfall geprüft werden, ob die im Ausland bestehende Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse nach ihrem „Typus“ und ihrer tatsächlichen Handhabung einer Kapitalgesellschaft oder einer juristischen Person des Privatrechts entspricht.5 Für die hiernach vorzunehmende Gesamtwürdigung haben sich folgende Kriterien herausgebildet:6 1 Lambrecht in Gosch2, § 1 KStG Rz. 86 f., 107 ff.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 6.7. 2 Ständige Rspr.: RFH v. 12.2.1930 – VI A 899/27, RStBl. 1930, 444; BFH v. 23.6.1992 – IX R 182/87, BStBl. II 1992, 972; v. 4.4.2007 – I R 110/05, BStBl. II 2007, 521; v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263; H 2 KStH 2008 „Ausländische Gesellschaften, Typenvergleich“ mit Hinweis auf den Betriebsstättenerlass (BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1509 Tabellen 1 u. 2); Frotscher in Frotscher/Maas, § 1 KStG Rz. 55; Streck in Streck7, § 1 KStG Rz. 13. 3 So werden z.B. spanische Personengesellschaften zwar nach spanischem Gesellschaftsrecht als juristische Personen angesehen, gleichwohl sind sie nach dem Rechtstypenvergleich im deutschen Steuerrecht keine Körperschaften, sondern werden als Mitunternehmerschaften angesehen, BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1509 Tabelle 1 Spanien. 4 So BFH v. 27.7.1962 – IV 156/59 U, BStBl. III 1962, 429 (430); v. 10.8.1983 – I R 241/82, BStBl. II 1984, 11 (12); v. 3.2.1988 – I R 134/84, BStBl. II 1988, 588; v. 23.6.1992 – IX R 182/87, BStBl. II 1992, 972; v. 19.3.1996 – VIII R 15/94, BStBl. II 1996, 312; v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263. 5 BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263. 6 Kriterienkatalog des BMF zur Limited Liability Company des amerikanischen Rechts v. 19.3.2004, IV B 4 - S 1301 USA - 22/04, BStBl. I 2004, 411; bestätigt durch BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263; zu dem Kriterienkatalog im Einzelnen Djanani/Brähler/Hartmann, IStR 2004, 481; Fahrenberg/Henke, IStR 2004, 485; Lemaitre/Schnitger/Siegel, GmbHR 2004, 618.
894
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A. Subjektive Steuerpflicht ausländischer Kapitalgesellschaften
– Zentralisierte Geschäftsführung und Vertretung – Beschränkte Haftung – Freie Übertragbarkeit der Anteile – Gewinnzuteilung (durch Gesellschafterbeschluss) – Kapitalaufbringung – Unbegrenzte Lebensdauer der Gesellschaft – Gewinnverteilung – Formale Gründungsvoraussetzungen Anhand dieser Kriterien ist auf das Gesamtbild der Verhältnisse abzustellen. Dabei kann es auch an einzelnen Kriterien fehlen, ohne dass dadurch die Charakterisierung als Kapitalgesellschaft entfallen muss. Im Ausland zulässige steuerliche Optionsmöglichkeiten wie das „check the box“-Verfahren in den USA bleiben dabei außer Betracht.1 Die Qualifikation nach deutschem Steuerrecht mündet entweder in einer Besteuerung als Körperschaft gem. §§ 1 und 2 KStG oder in einer Besteuerung nach dem Mitunternehmerkonzept gem. § 15 Abs. 1 EStG.
6.7
3. Ausländische Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland Ob die Steuersubjektfähigkeit von Kapitalgesellschaften, deren Sitz im Ausland und deren Geschäftsleitung im Inland liegt, anders zu qualifizieren ist als nach dem herkömmlichen Rechtstypenvergleich, war lange Zeit unklar. Die Finanzverwaltung hatte bei einer englischen Limited Liability Company (LLC) wie folgt unterschieden: Hatte die LLC ihren Satzungssitz und ihren effektiven Verwaltungssitz in England, war sie nach dem Rechtstypenvergleich als Kapitalgesellschaft in Deutschland beschränkt steuerpflichtig; verlegte sie indes ihren effektiven Verwaltungssitz nach Deutschland, verlor sie in Folge der Sitztheorie (siehe Rz. 6.2) ihre gesellschaftsrechtliche Anerkennung und sollte daher auch steuerlich nicht mehr als Kapitalgesellschaft körperschaftsteuerpflichtig sein.2 Mit der Aufgabe der Sitztheorie für EU/EWR-Zuzugsfälle in den Rechtssachen „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“3 hat die Finanzverwaltung ihre frühere Haltung aufgegeben.4 Der BFH hat sich erstmals mit Urteil vom 29.1.20035 zu den steuerrechtlichen Folgen einer Sitzverlegung nach der neuen Rechtsprechung des EuGH geäußert. Zwar 1 Siehe hierzu Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 432 f. m.w.N. 2 StEK KStG 1977 § 1 Nr. 20, Rz. 23. 3 EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 – Centros, EuGHE 1999, I-1459 = NJW 1999, 2027; v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 – Überseering, EuGHE 2002, I-9919 = NJW 2002, 3614; v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 – Inspire Art, EuGHE 2003, I-10155 = NJW 2003, 3331. 4 StEK KStG 1977 § 1 Nr. 37. 5 BFH v. 29.1.2003 – I R 6/99, BB 2003, 1210; vgl. hierzu Sedemund, BB 2003, 1362; Pache, IStR 2003, 808; BMF v. 8.12.2004 – IV B 4 - S 1301 USA - 12/04, DStR 2005, 25; vgl. zu Letzterem Rust, IStR 2005, 27.
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6.8
Kapitel 6 Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften
nimmt der BFH in diesem Urteil nicht zur Einordnung der zugezogenen Gesellschaft in den Katalog des § 1 Abs. 1 KStG Stellung, er verweist jedoch ausdrücklich darauf, dass die Anwendung der Sitztheorie in Zuzugsfällen eine Verletzung der Niederlassungs- und der Kapitalverkehrsfreiheit darstelle. Darüber hinaus stellt der BFH fest, dass sich die Überseering-Entscheidung (siehe Rz. 6.3) über Art. 24 OECD-Musterabkommen (OECD-MA) nachgebildete abkommensrechtliche Diskriminierungsverbote auch auf Staaten außerhalb der EU auswirkt.1 Mit Urteil vom 8.9.20102 hat sich der BFH mit dem Zuzug aus einem nicht EU/ ERW-Staat befasst: Er sieht eine in der Schweiz errichtete AG mit Geschäftsleitung im Inland als Steuersubjekt an, das gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG unbeschränkt steuerpflichtig ist, unabhängig davon, ob ihr nach der Sitztheorie die gesellschaftsrechtliche Rechtsfähigkeit fehlt.3
6.9 Hieraus folgt, dass Kapitalgesellschaften, die nach dem Recht eines EU/ EWR-Staats errichtet sind und die nach dem Rechtstypenvergleich als Kapitalgesellschaften gem. § 1 Abs. 1 KStG anzusehen sind, auch nach Auffassung der Finanzverwaltung weiterhin als Körperschaftsteuersubjekt anzuerkennen sind, wenn sie ihren effektiven Verwaltungssitz ins Inland verlegen. Nach Auffassung des BFH gilt dies auch für Gesellschaften, die in einem Drittstaat, mit dem ein DBA mit Anti-Diskriminierungsklausel besteht, errichtet wurden.4 4. Beginn und Ende der Steuerpflicht
6.10 Die Körperschaftsteuerpflicht einer Kapitalgesellschaft beginnt mit der Errichtung der notariellen Satzung, auch wenn zu diesem Zeitpunkt mangels des konstitutiven Erfordernisses der Eintragung noch keine Kapitalgesellschaft, sondern erst eine sog. Vorgesellschaft entstanden ist.5 Die Körperschaftsteuerpflicht wird aus Praktikabilitätsgesichtspunkten auf den Zeitraum zwischen der notariellen Errichtung der Satzung und der Eintragung vorverlegt, um eine – i.d.R. nur kurzzeitige – Besteuerung
1 Ablehnend zur Einbeziehung der Niederlassungsfreiheit des AEUV auf DBAStaaten über die Diskriminierungsklauseln der DBA BMF v. 8.12.2004 – IV B 4 S 1301 USA - 12/04, DStR 2005, 25; kein entsprechendes DBA-Diskriminierungsverbot enthalten die DBA mit Australien, Kuwait und Neuseeland. 2 BFH v. 8.9.2010 – I R 6/09, IStR 2011, 160; m. Anm. Figgener, SteuK 2011, 83. 3 Das dem Verfahren beigetretene BMF hatte geltend gemacht, dass die schweizerische AG infolge der Verlagerung des Ortes ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung nach Deutschland fortan nicht mehr als Kapitalgesellschaft, sondern als Personengesellschaft anzusehen sei; das ergebe sich aus internationalem Gesellschaftsrecht und der danach gegenüber Drittstaaten fortgeltenden Sitztheorie. 4 BFH v. 8.9.2010 – I R 6/09, IStR 2011, 160; vgl. zur Rechtsentwicklung u.a. Birk, IStR 2003, 469; Deininger, IStR 2003, 214; Schwedhelm/Binnewies, GmbH-StB 2000, 100; Sedemund, BB 2003, 1362 sowie zurückhaltender Sörgel, DB 1999, 2236; Fock, RIW 2000, 42; Meilicke, DB 1999, 627. 5 BFH v. 13.12.1989 – I R 98/86, BStBl. II 1990, 468 (469); Streck in Streck7, § 1 KStG Rz. 20.
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A. Subjektive Steuerpflicht ausländischer Kapitalgesellschaften
nach Mitunternehmergrundsätzen zu vermeiden.1 Diese Grundsätze sollten im Rahmen des Typenvergleichs auch auf eine Kapitalgesellschaft Anwendung finden, die nach einer ausländischen Rechtsordnung errichtet wird und für deren wirksame Errichtung die ausländische Rechtsordnung vergleichbare konstitutive Erfordernisse aufstellt. Die steuerliche Subjektfähigkeit der Gesellschaft endet, wenn auch die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit endet.2 Das ist der Zeitpunkt der Eintragung des Auflösungsbeschlusses oder die Löschung im Handelsregister.3 Auch insoweit ist davon auszugehen, dass die subjektive Steuerpflicht im Inland dann endet, wenn ein vergleichbarer Vorgang ausländischen Rechts vorliegt.
6.11
5. Unabhängigkeit von der Ansässigkeit der Gesellschafter Die subjektive Steuerpflicht i.S.d. § 1 KStG ist unabhängig davon, ob ihre Gesellschafter im In- oder Ausland ansässig sind. Für die früher vom RFH vertretene Konzerntheorie – Gesellschaften innerhalb eines Konzerns können wie Betriebsstätten besteuert werden4 – und die Filialtheorie bzw. Organtheorie – inländische Organgesellschaften ausländischer Gesellschaften sind wie Betriebsstätten zu besteuern5 – gibt es keine gesetzliche Grundlage.6 Die inländische Kapitalgesellschaft kann jedoch, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, Vertreter i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG und Art. 5 Abs. 5 OECD-MA ihres ausländischen Gesellschafters sein.7
6.12
6. Unbeschränkte und beschränkte Steuerpflicht Eine Kapitalgesellschaft ist in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig, wenn sie ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland hat. Ihren Sitz hat eine Körperschaft gem. § 11 AO an dem Ort, der durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag, Satzung, Stiftungsgeschäft oder dergleichen bestimmt ist. Eine nach deutschem Recht errichtete Kapitalgesellschaft hat ihren durch Satzung bestimmten Sitz im Inland (§ 5 AktG, § 4a GmbHG). Damit ist eine inländische Kapitalgesellschaft stets unbeschränkt – also mit ihrem Welteinkommen – steuerpflichtig. Verlegt eine im Inland errichtete Gesellschaft ihre Geschäftsleitung ins Ausland, kann die Gesellschaft 1 Lambrecht in Gosch2, § 1 KStG Rz. 35 m.w.N. Scheitert die Eintragung, soll die Körperschaftsteuerpflicht nach h.M. allerdings rückwirkend entfallen; zu weiteren Nachweisen Streck7, § 1 KStG Rz. 20. 2 BFH v. 13.12.1989 – I R 98/86, BStBl. II 1990, 468. 3 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 11 V 6a. 4 RFH v. 30.1.1930 – I A 226/29, RStBl. 1930, 148. 5 RFH v. 16.9.1930 – I A 129/30, RStBl. 1930, 757. 6 Neumann in Gosch2, § 14 KStG Rz. 4 m.w.N.; Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 165 ff. u. 173 ff. zur Ant-Orhan-Klausel in den DBA. 7 Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 168.; Günkel in G/K/G, Art. 5 OECD-MA Rz. 216 ff.
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897
6.13
Kapitel 6 Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften
– nach den jeweiligen Anknüpfungen des ausländischen Staates – doppelt ansässig sein.1
6.14 Ausländische Kapitalgesellschaften sind im Inland unbeschränkt steuerpflichtig, wenn sie hier ihre Geschäftsleitung haben. Die Geschäftsleitung ist gem. § 10 AO der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung. Diese Charakterisierung überlappt sich weitgehend mit der kollisionsrechtlichen Bestimmung des effektiven Verwaltungssitzes (siehe Rz. 6.3). Unterschiede ergeben sich jedoch daraus, dass der effektive Verwaltungssitz daran anknüpft, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden, während die Geschäftsleitung i.S.d. § 10 AO regelmäßig dort ausgeübt wird, wo der für die Geschäftsführung und Betriebsleitung maßgebliche Wille gebildet wird.2
6.15 Die ausländische Gesellschaft ist im Inland beschränkt steuerpflichtig, wenn sie hier weder ihren Sitz noch ihre Geschäftsleitung hat (§ 2 Nr. 1 KStG). Sachlich steuerpflichtig ist die beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft nur mit ihren inländischen Einkünften i.S.d. § 49 EStG. Dabei gilt die sog. isolierende Betrachtungsweise, nach der die im Ausland gegebenen Besteuerungsmerkmale außer Betracht bleiben (§ 49 Abs. 2 EStG). Danach können ausländische Kapitalgesellschaften im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht auch andere als gewerbliche Einkünfte i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG erzielen, z.B. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, aus Kapitalvermögen oder sonstige Einkünfte.
III. Subjektive Steuerpflicht im Ausland 6.16 Ausländische Kapitalgesellschaften werden auch im Ausland üblicherweise als selbständige Steuerrechtssubjekte anerkannt. Allerdings besteuern manche Staaten Personengesellschaften wie Kapitalgesellschaften3 oder sie gewähren unter bestimmten Voraussetzungen die Wahl der Besteuerungsform. Dies geht in beide Richtungen. So sehen einige Staaten die Möglichkeit vor, dass die Gesellschafter einer nach dem Mitunternehmerkonzept besteuerten Personengesellschaft dafür optieren können, dass die Gesellschaft wie ein Körperschaftsteuersubjekt besteuert wird.4 Umgekehrt gibt es Rechtsordnungen, die einer der Körperschaftsteuer unterliegenden Gesellschaft die Möglichkeit einräumen, dass ihre Gewinne
1 Zur Doppelansässigkeit einer schweizerischen AG siehe BFH v. 8.9.2010 – I R 6/09, IStR 2011, 160; vgl. auch Henkel, RIW 1991, 565 m.w.N.; Staringer, Besteuerung doppelt ansässiger Kapitalgesellschaften, 1999. 2 Das sind i.d.R. die Büroräume des maßgeblichen Geschäftsleiters, vgl. Frotscher in Frotscher/Maas, § 1 KStG Rz. 74 ff. m.w.N. 3 So z.B. in Belgien, siehe Wilke in G/K/G, Art. 3 DBA-Belgien Rz. 3. 4 Wie z.B. in Frankreich, siehe Wilke in G/K/G, Art. 3 OECD-MA Rz. 20.
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A. Subjektive Steuerpflicht ausländischer Kapitalgesellschaften
zum Zwecke der Besteuerung anteilig bei ihren Gesellschaftern erfasst werden.1
IV. DBA-Recht 1. Abkommensberechtigung Unter Abkommensberechtigung ist das Recht einer Person zu verstehen, die Abkommensnormen und damit den Abkommensschutz in Anspruch zu nehmen.2 Abkommensberechtigt sind Personen, die in einem Vertragsstaat oder in beiden Vertragsstaaten ansässig sind (Art. 1 OECDMA). Nahezu alle deutschen DBA folgen dieser Regelung des OECD-MA.
6.17
Gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA gehören zu den Personen i.S.d. DBA-Rechts (neben den natürlichen Personen) Gesellschaften und alle anderen Personenvereinigungen. Gesellschaften sind „juristische Personen oder Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden“ (Art. 3 Abs. 1 Buchst. b OECD-MA).3 Dazu gehören also grundsätzlich alle Kapitalgesellschaften inländischen und ausländischen Rechts sowie die Gebilde, die zwar nicht selbst rechtsfähig sind, aber nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG körperschaftsteuerpflichtig sind. Nicht rechtsfähige Personenvereinigungen – i.d.R. Personengesellschaften – sind nach den deutschen DBA in den meisten Fällen nicht selbst abkommensberechtigt (Ausnahmen gelten z.B. für Belgien, Finnland, Island, Liberia).4 Auch Betriebsstätten sind nicht selbständig abkommensberechtigt.5
6.18
Behandeln beide Vertragsstaaten die Person oder den Rechtsträger einheitlich nach ihrem innerstaatlichen Recht entweder als intransparent (in Deutschland als Körperschaftsteuersubjekt) oder als transparent (in Deutschland als Mitunternehmerschaft), findet eine einheitliche Qualifizierung der Abkommensberechtigung statt. Problematisch sind jedoch die Fälle, in denen die beiden Vertragsstaaten hinsichtlich der Frage der innerstaatlichen Besteuerung der Gesellschaft zu unterschiedlichen Qualifikationen gelangen (vgl. hierzu auch Rz. 1.171 ff.).6 Ein solcher subjektiver Qualifikationskonflikt tritt z.B. im Fall der tschechischen Koman-
6.19
1 So z.B. in Belgien und in den USA, vgl. Djanani/Brähler/Hartmann, IStR 2003, 456. 2 Vgl. Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 11. 3 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.171. 4 Prokisch in V/L55, Art. 1 OECD-MA Rz. 14 ff. u. 61 ff. sowie Vogel in V/L55, Art. 3 OECD-MA Rz. 25 ff.; Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 27 ff. 5 Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 8. Einer Betriebsstätte eines in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässigen Unternehmens dürfen jedoch unter Beachtung der europarechtlichen Niederlassungsfreiheit die Vorteile eines DBA mit einem Drittstaat nicht verweigert werden, vgl. EuGH v. 21.9.1999 – Rs. C-307/97 – Compagnie de Saint-Gobain, EuGHE 1999, I-6183 = DB 1999, 2037. 6 Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 30 ff.
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ditni Spolecnost (KS) auf, die nach tschechischem Handelsrecht als juristische Person behandelt und steuerlich intransparent, also wie eine Körperschaft, besteuert wird. Nach deutschem Steuerrecht entspricht die KS hingegen nach dem Rechtstypenvergleich einer Personengesellschaft, sodass die Mitunternehmergrundsätze Anwendung finden. Daraus folgt, dass deutsche Gesellschafter der KS mit ihren jeweiligen Gewinnanteilen gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG – vorbehaltlich der DBA-Regelungen – steuerpflichtig sind, unabhängig davon, ob es zu einer tatsächlichen Ausschüttung kommt.1 Hinsichtlich der Subjekt-Qualifikation der KS nach dem DBA-Tschechien gibt es unterschiedliche Meinungen: Einerseits soll die Qualifikation des Sitzstaats der Gesellschaft auch auf den Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter durchschlagen (Sitzstaatsqualifikation),2 nach a.A. handelt es sich auch abkommensrechtlich um den jeweiligen Gewinnanteil des deutschen Gesellschafters (Qualifikation nach dem Recht des Anwenderstaats).3 In beiden Fällen ist der Gewinnanteil beim deutschen Gesellschafter zwar steuerfrei,4 jedoch findet bei der zweiten Ansicht im Falle der Ausschüttung eine Quellenbesteuerung statt, die mangels deutscher Dividendeneinkünfte nicht angerechnet werden kann. Aus Gründen des Abkommenszwecks, die internationale Doppelbesteuerung zu vermeiden, sollte u.E. der Sitzstaatsqualifikation der Vorrang eingeräumt werden.5 2. Ansässigkeit
6.20 Die Ansässigkeit wird in den Abkommen unterschiedlich definiert. Überwiegend entsprechen die Abkommen jedoch – zumindest inhaltlich – Art. 4 Abs. 1 OECD-MA. Danach ist eine Gesellschaft, die in einem Vertragsstaat aufgrund „des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals“ unbeschränkt steuerpflichtig ist, auch für die Ab1 BFH v. 4.4.2007 – I R 110/05, DStR 2007, 1073. 2 So Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 33; Grotherr in G/K/G, DBA-Tschechien, Art. 23 OECD-MA Rz. 11; Vogel, IStR 1999, 5; vgl. auch Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.179. 3 So Wassermeyer, IStR 1998, 489 (493); so im Ergebnis auch BFH v. 4.4.2007 – I R 110/05, DStR 2007, 1073, der allerdings nicht ausdrücklich eine Qualifikation nach dem Recht des Anwendestaates fordert, sondern die Frage nach der abkommensrechtlich nicht geregelten Zurechnung von Einkünften lösen will (zweifelhaft, da hier nicht die Zurechnung, sondern die Einkünftequalifikation zu klären ist). 4 Im ersten Fall als Gewinn eines tschechischen Unternehmens in Tschechien (Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 DBA-Tschechien), im zweiten Fall als anteiliger Gewinn eines deutschen Unternehmens in Tschechien (Art. 7 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Halbs. 2, 23 Abs. 1 DBA-Tschechien); BFH v. 4.4.2007 – I R 110/05, DStR 2007, 1073. 5 Im Ergebnis ebenso, allerdings mit anderer Begründung Debatin, BB 1989, Beilage 2, 6; ihm folgend Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 498 ff.; s. auch BFH v. 20.8.2008 – I R 39/07, IStR 2008, 849, zur Qualifizierung einer USInc., die nach innerstaatlichem Steuerrecht zu einer steuerlich transparenten S-Corporation optiert hat.
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kommensanwendung in diesem Staat ansässig. In diesem Fall sind die die Ansässigkeit begründenden Merkmale nach innerstaatlichem Recht zu bestimmen. Aufseiten der Bundesrepublik sind also sowohl der Sitz i.S.d. § 11 AO als auch der Ort der Geschäftsleitung i.S.d. § 10 AO heranzuziehen.1 Ebenso wie nach innerstaatlichem Recht kann es auch nach Abkommensrecht eine Doppelansässigkeit geben. Dies kann darauf beruhen, dass die Gesellschaft in beiden Staaten Ansässigkeitsmerkmale erfüllt, die aufgrund der Verweisung auf das innerstaatliche Recht auch die abkommensrechtliche Ansässigkeit begründen. Für die Anwendung des Abkommens und somit für die Frage, welcher Staat der abkommensrechtliche Ansässigkeitsstaat und welcher der Quellenstaat i.S.d. Verteilungsnormen ist, trifft Art. 4 Abs. 3 OECD-MA eine Vorrangbestimmung (sog. „tie-breaker-rule“): Danach soll nur der Staat der tatsächlichen Geschäftsleitung2 als der abkommensrechtliche Ansässigkeitsstaat gelten, der andere Staat wird für Abkommenszwecke als Quellenstaat angesehen. Der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung ist – anders als der Ort der der Geschäftsleitung gem. Art. 4 Abs. 1 OECD-MA – abkommensautonom und nicht durch Verweis auf das innerstaatliche Recht auszulegen.3 Eine solche oder ähnliche Regelung enthält die Mehrzahl der deutschen DBA.4 Keine entsprechende Regelung findet sich in den DBA mit Irland, Japan und den USA. Vorbehaltlich anderer Kollisionsregeln5 kann eine doppelansässige Gesellschaft in diesem Fall keine Abkommensvergünstigungen beanspruchen.
6.21
Eine eventuelle Doppelansässigkeit in einem Vertragsstaat und in einem Drittstaat berührt die Abkommensberechtigung gegenüber dem anderen Vertragsstaat nicht, da ein DBA nur das bilaterale Verhältnis zwischen den Vertragsstaaten regelt.6
6.22
1 Vgl. Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 105 u. 110. 2 Vgl. Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 105 u. 110; vgl. auch Seibold, IStR 2003, 50. 3 Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 263 ff. 4 Vgl. die Übersicht bei Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 290; zu abweichenden Vorrangkriterien siehe Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 296 ff. 5 Gemäß Art. 4 Abs. 3 DBA-USA ist im Falle von doppelansässigen Gesellschaften ein Verständigungsverfahren durchzuführen, um den Ansässigkeitsstaat zu bestimmen; Gleiches gilt für Estland, Kanada, Lettland und Litauen; scheitert das Verfahren, entfällt der Abkommensschutz. Für Irland und Japan kann ein Verständigungsverfahren durchgeführt werden, auch wenn es keine abkommensrechtliche Verpflichtung hierzu gibt; vgl. Art. 4 Abs. 8–10 DBA-Schweiz; Art. 4 Abs. 3 DBA-USA. 6 Wassermeyer in D/W, Art. 4 OECD-MA Rz. 91; Staringer, Besteuerung doppelt ansässiger Kapitalgesellschaften, 1999, 147 ff.
Henkel
901
Kapitel 6 Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften
B. Erwerb von Anteilen an einer ausländischen Kapitalgesellschaft I. Überblick 6.23 Die Gründe für den Erwerb einer Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft sind vielfältig: Im Vordergrund stehen die Gründung einer Gesellschaft (NewCo), z.B. zur Errichtung einer ausländischen Vertriebs- oder Produktionsgesellschaft oder einer Auslandsholding, der Unternehmenskauf durch Erwerb von Anteilen an einer bestehenden Gesellschaft oder interne Umstrukturierungen. Die Gründung einer Gesellschaft erfolgt auch nach ausländischem Gesellschaftsrecht üblicherweise entweder als Bar- oder als Sachgründung. Der Unternehmenskauf kann als Anteilskauf (Share Deal) oder als Anteilstausch (share for share transaction) gestaltet werden, in Einzelfällen auch als Erwerb aller Vermögensgegenstände (Asset Deal). Bei internen Umstrukturierungen kann – soweit vorhanden – das ausländische Umwandlungsrecht herangezogen werden.
6.24 Bei der Entscheidung, ob ein ausländisches Unternehmen im Wege des Share Deal oder im Wege eines Asset Deal erworben wird, besteht ebenso wie bei Inlandssachverhalten der typische Konflikt zwischen den steuerlichen Interessen des Verkäufers und des Käufers: Der Verkäufer tendiert i.d.R. zu einem Share Deal, da der Verkauf von Anteilen auch nach ausländischen Steuerordnungen (insbesondere bei Schachtelbeteiligungen) regelmäßig steuerlich vorteilhaft ist, während der Verkauf der Vermögensgegenstände üblicherweise der (höheren) laufenden Besteuerung unterliegt; beim Asset Deal kann der Erwerber hingegen die aufgestockten Anschaffungskosten der Vermögensgegenstände (step-up) abschreiben, was bei Anteilen an inländischen wie ausländischen Kapitalgesellschaften nicht möglich ist. Beim internationalen Unternehmenskauf herrscht – insbesondere aus nicht-steuerlichen Gründen – der Anteilskauf (Share Deal) vor.
II. Anteilskauf 1. Grundlagen
6.25 Nach deutschem Recht wird zwischen dem schuldrechtlichen Kaufvertrag und der dinglichen Abtretung des Anteils unterschieden (Abstraktionsprinzip).1 Ausländische Rechtsordnungen kennen diese Trennung oftmals nicht. In der Praxis hat diese Unterscheidung nur eine geringe Bedeutung, da im Anteilskaufvertrag (Share Purchase Agreement) üblicherweise eine klare Trennung zwischen den kaufvertraglichen Bestandteilen und dem Vollzug (Closing) vorgenommen wird. Für die Frage, wann das 1 Ellenberger in Palandt71, Überbl. vor § 104 BGB Rz. 22.
902
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B. Erwerb von Anteilen an einer ausländischen Kapitalgesellschaft
rechtliche Eigentum an den Anteilen von ausländischen Kapitalgesellschaften übergeht, kann i.d.R. auf die vertraglichen Regelungen zum Closing abgestellt werden. 2. Anschaffungskosten Das inländische Unternehmen bilanziert die erworbene Beteiligung nach deutschem Handelsrecht entweder im Anlagevermögen oder im Umlaufvermögen (§ 266 Abs. 2 HGB), je nachdem, ob die Beteiligung dazu bestimmt ist, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen (vgl. § 247 Abs. 2 HGB). Dabei ist zu unterscheiden zwischen Anteilen an verbundenen Unternehmen (vgl. § 271 Abs. 2 HGB) und Beteiligungen (§ 271 Abs. 1 HGB), die gem. § 271 Abs. 1 Satz 3 HGB i.d.R. bei einer Beteiligungsgröße von mehr als 20 v.H. vorliegen, sowie sonstigen Anteilen. Diese Unterscheidung ist insbesondere vor dem Hintergrund der Holding-Regelung des § 8b Abs. 7 KStG von Bedeutung.
6.26
Handelsrechtlich wie steuerlich sind Anschaffungskosten der Beteiligung gem. § 255 HGB i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG nur solche Kosten, die nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten der Anschaffung tatsächlich zuzuordnen sind (finaler Anschaffungskostenbegriff).1 Das umfasst neben dem Kaufpreis zzgl. der Anschaffungsnebenkosten insbesondere die Beurkundungs- und Registerkosten sowie das Entgelt für thesaurierte Gewinne.2 Ob und inwieweit Beratungs- und Gutachtenkosten, insbesondere Kosten einer Due Diligence, zu den Anschaffungskosten oder zu den sofort abzugsfähigen Betriebsausgaben oder Werbungskosten des Käufers zählen, ist strittig.3 Der BFH ist zurückhaltend und lässt Gutachtenkosten nur insoweit als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben bzw. als Werbungskosten zu, als sie lediglich Maßnahmen zur Vorbereitung einer noch unbestimmten, erst später zu treffenden Erwerbsentscheidung darstellen.4 Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Anschaffungsnebenkosten im Inland oder im Ausland anfallen. Wird der Kaufpreis in fremder Währung gezahlt, entscheidet grundsätzlich der Umrechnungskurs im Zeitpunkt des Beteiligungserwerbs; das ist der Tag, an dem das inländische Unternehmen die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Beteiligung erlangt.5 Währungsschwankungen begründen keine Veränderung bei den Anschaffungskosten der Beteiligung. An den Anschaffungskosten ändert sich auch nichts, wenn das inländische Unternehmen die für den Erwerb verwendeten Devisen vor und nach dem Anschaffungszeitpunkt zu einem abweichenden Kurs erwirbt, 1 2 3 4
BFH v. 20.4.2011 – I R 2/10, DStR 2011, 1169. Kulosa in Schmidt31, § 6 EStG Rz. 140, Stichwort: „Beteiligung an KapGes“. Zum Streitstand Kulosa in Schmidt31, § 6 EStG Rz. 54 m.w.N. BFH v. 27.3.2007 – VIII R 62/05, DStR 2007, 1027; differenzierend Peter/Graser, DStR 2009, 2032; Engler, BB 2006, 747. 5 Vgl. BFH v. 17.2.2004 – VIII R 28/02, BFH/NV 2004, 1130; v. 18.12.2001 – VIII R 5/00, BFH/NV 2002, 640.
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6.27
Kapitel 6 Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften
denn die Devisen sind von der Beteiligung zu unterscheidende Wirtschaftsgüter.1 In diesem Fall können sich jedoch Gewinnauswirkungen aufgrund einer Wechselkursänderung zwischen dem Zeitpunkt des Devisenerwerbs und dem der Anschaffung der Beteiligung ergeben.
6.28 Nachträgliche Zahlungen aufgrund von Kaufpreisanpassungsklauseln (z.B. aufgrund eines Earn-out) erhöhen den Kaufpreis rückwirkend.2 Dementsprechend mindern Zahlungen des Verkäufers an den Käufer aufgrund von Kaufpreisanpassungen oder aufgrund der Verletzung von Garantien aus dem Unternehmenskaufvertrag den Kaufpreis rückwirkend.
6.29 Beteiligungen an Kapitalgesellschaften sind nicht abnutzbares Anlagevermögen und können nur im Falle einer dauernden Wertminderung mit einem niedrigeren Wert als den Anschaffungskosten angesetzt werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG).3 Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um eine inländische oder ausländische Kapitalgesellschaft handelt. Regelmäßige Abschreibungen auf die Anschaffungskosten sind daher auch beim Erwerb von Anteilen an ausländischen Kapitalgesellschaften nicht möglich. Jedoch werden besondere Auslandsrisiken (Wechselkursänderungen, Transferverbote, besondere urheberrechtliche Risiken etc.) als mögliche Gründe für eine Teilwert-AfA auf Auslandsbeteiligungen angesehen.4
6.30 Gewährt der Verkäufer dem Erwerber eine Zuzahlung für den Erwerb des Anteils, um die negativen Ertragsaussichten der Gesellschaft abzugelten (negativer Kaufpreis), ist beim Erwerber ein passiver Ausgleichsposten zum Zwecke der Neutralisierung zu bilden.5 Eine Realisierung findet erst bei Veräußerung statt.6 Das gilt auch bei Erwerb von Anteilen an ausländischen Kapitalgesellschaften, unabhängig davon, ob die spätere Veräußerung nach einem DBA steuerbefreit ist.
1 Vgl. BFH v. 16.12.1977 – III R 92/75, BStBl. II 1978, 233; zu den Umrechnungsmethoden vgl. BFH v. 9.8.1989 – I B 118/88, RIW 1989, 1008; vgl. BFH v. 27.4.2000 – I R 58/99, BStBl. II 2001, 168; v. 7.11.2001 – I R 3/01, BStBl. II 2002, 865. 2 Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 195a; BMF v. 13.3.2008 – IV B 7 - S 2750a/07/0002, BStBl. I 2008, 506; ebenso BFH v. 22.12.2010 – I R 58/10, DStR 2011, 406 zum späteren Ausfall einer Kaufpreisforderung; a.A. Hahne, DStR 2011, 955. 3 Zur Bildung einer Bewertungseinheit bei Anteilen, die zu unterschiedlichen Anschaffungskosten erworben wurden siehe Kulosa in Schmidt31, § 6 EStG Rz. 404. 4 Kulosa in Schmidt31, § 6 EStG Rz. 287. 5 BFH v. 26.4.2006 – I R 49, 50/04, BStBl. II 2006, 656; Hoffmann, DStR 2006, 1315; Christiansen, HFR 2006, 867; Weber-Grellet in Schmidt31, § 5 EStG Rz. 550 Stichwort „Ausgleichsposten“ m.w.N. 6 Schulze-Osterloh, BB 2006, 1955; Weber-Grellet in Schmidt31, § 5 EStG Rz. 550 Stichwort „Ausgleichsposten“ m.w.N.
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B. Erwerb von Anteilen an einer ausländischen Kapitalgesellschaft
3. Erwerbszeitpunkt Der steuerliche Erwerbszeitpunkt ist grundsätzlich der Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO).1 Der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an Anteilen setzt voraus, dass
6.31
– der Erwerber aufgrund eines (bürgerlich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann, – die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte und – das Risiko der Wertminderung und die Chance der Wertsteigerung auf ihn übergegangen sind.2 Ist der rechtliche Übergang3 vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingungen (insbesondere der Kartellfreigabe) abhängig, auf die der Erwerber keinen Einfluss hat, kann der Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums nicht vor dem Bedingungseintritt liegen.4 Ob dem Erwerber eines Anteils an einer ausländischen Kapitalgesellschaft eine solche Rechtsstellung gewährt wird, die den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO begründen kann, ist nach dem jeweils anwendbaren Recht, also i.d.R. nach dem Recht des Ansässigkeitsstaats der ausländischen Kapitalgesellschaft, zu beurteilen.
6.32
Der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums kann vertraglich hinaus- 6.33 geschoben werden, werden, indem z.B. die Rechte aus den Anteilen (insbesondere das Stimmrecht und das Gewinnbezugsrecht) sowie die Wertsteigerungschance und das Wertminderungsrisiko auf einen späteren Zeitpunkt verlegt werden.5 Dies sollte auch dann möglich sein, wenn dieser Zeitpunkt nach dem rechtlichen Erwerb liegt; denn insbesondere nach ausländischen Rechtsordnungen, die nicht dem deutschen Abstraktionsprinzip folgen, ist eine klare, vertragliche Trennung zwischen dem Zeitpunkt des schuldrechtlichen Kaufvertrags und dem Wirksamwerden der dinglichen Abtretung kaum handhabbar. Eine in Unternehmenskaufverträgen übliche Regelung, nach der der wirtschaftliche Übergang des Anteils mit Wirkung zum Ablauf des letzten Tags (24:00 Uhr) des Monats 1 BFH v. 25.6.2009 – IV R 3/07, BStBl. II 2010, 182. 2 St. Rspr., siehe nur BFH v. 9.10.2008 – IX 73/06, BStBl. II 2009, 140; v. 22.7.2008 – IX R 74/06, BStBl. II 2009, 124; v. 4.7.2007 – VIII R 68/05, BStBl. II 2007, 937. 3 Das ist bei Unternehmenskaufverträgen ausländischen Rechts üblicherweise der Zeitpunkt des „Closing“ (siehe Rz. 6.25). 4 BFH v. 25.6.2009 – IV R 3/07, BStBl. II 2010, 182; der darauf abstellt, dass der Erwerber vor der Kartellfreigabe keine rechtlich gesicherte Anwartschaft haben könne und daher der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums nicht vor dem Eintritt der Bedingung liegen könne; m. Anm. von Derlien, BB 2010, 358; Fox/ Scheidle, GWR 2009, 433. 5 Zu Stimmrecht und Gewinnbezugsrecht bei einer GmbH als Voraussetzung für die Begründung des wirtschaftlichen Eigentums siehe BFH v. 18.12.2001 – VIII R 5/00, BFH/NV 2002, 640.
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Kapitel 6 Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften
erfolgen soll, in dem die letzte der aufschiebenden Bedingungen erfüllt ist, sollte daher steuerlich wirksam sein, unabhängig davon, wann nach der ausländischen Rechtsordnung tatsächlich der rechtliche Anteilsübergang stattfindet. Beispiel: Die deutsche D-GmbH schließt mit der niederländischen NL-B.V. am 15.2.2011 einen Anteilskaufvertrag nach englischem Recht über den Erwerb aller Anteile an der UK-Ltd. ab. Der Kaufvertrag ist aufschiebend bedingt auf die Kartellfreigabe, das Closing soll an dem der Kartellfreigabe folgenden Monatsletzten stattfinden, der Anteilsübergang soll sodann mit wirtschaftlicher Wirkung zum Closing um 24:00 Uhr erfolgen. Die Kartellfreigabe erfolgt am 25.4.2011. Der rechtliche Übergang findet mit der Erfüllung der Closing Conditions/Closing Actions am Closing statt und erfolgt mit steuerlicher Wirkung für die D-GmbH am 30.4.2011 um 24:00 Uhr.
4. Erwerbsstrukturen
6.34 Beim Anteilserwerb ist zu klären, ob das inländische Unternehmen die Anteile an der ausländischen Kapitalgesellschaft direkt oder über eine Erwerbsgesellschaft erwirbt. Insbesondere Fragen der Abzugsfähigkeit der Akquisitionsfinanzierung, der Verwendbarkeit von Verlustvorträgen und von Schachtelvoraussetzungen erfordern vielfach die Einschaltung einer ausländischen Erwerbsgesellschaft.
6.35 Wird für den Anteilserwerb eine Akquisitionsfinanzierung aufgenommen, stellt sich die Frage, auf welcher Ebene die Finanzierung aufgenommen wird. Wird sie von dem inländischen Unternehmen aufgenommen, ist nach dessen Rechtsform zu unterscheiden: Ist Erwerber eine deutsche Kapitalgesellschaft,1 können die Finanzierungskosten in Deutschland steuerlich geltend gemacht werden, auch wenn die Erträge aus der Beteiligung gem. § 8b Abs. 1 KStG (Bezüge) und § 8b Abs. 2 KStG (Veräußerungsgewinne) in Deutschland steuerfrei sind. Jedoch greift die DefinitivBelastung ein, nach der 5 % der Bezüge bzw. Veräußerungsgewinne als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben angesehen werden (§ 8b Abs. 3 bzw. 5 KStG), unabhängig davon, wie hoch die tatsächlichen Betriebsausgaben sind. Ist Erwerber eine natürliche Person,2 unterliegt der Gewinn aus der Beteiligung gem. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a EStG dem Teileinkünfteverfahren. Die Kosten der Akquisitionsfinanzierung können gem. § 3c Abs. 2 EStG hiernach zu 60 % berücksichtigt werden. In Abhängigkeit von dem inländischen Steuerpotenzial des inländischen Erwerbers und von dem zu erwartenden Ausschüttungsverhalten der erworbenen Gesellschaft kann es vorteilhafter sein, eine ausländische Erwerbsgesellschaft, die mit der Zielgesellschaft eine (der deutschen Organ1 Gleiches gilt, soweit Kapitalgesellschaften die Beteiligung über eine inländische Mitunternehmerschaft (Personengesellschaft) erwerben (§ 8b Abs. 6 KStG). 2 Gleiches gilt, soweit natürliche Personen die Beteiligung über eine inländische Mitunternehmerschaft (Personengesellschaft) erwerben (§ 8b Abs. 6 KStG).
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C. Besteuerung im Ausland
schaft vergleichbare) Gruppenbesteuerung begründet, vorzuschalten und die Fremdfinanzierung über die Erwerbsgesellschaft aufzunehmen. In diesem Fall können die Fremdfinanzierungskosten unmittelbar mit den Gewinnen der ausländischen Gesellschaft verrechnet werden. Verfügt die ausländische Kapitalgesellschaft über Verlustvorträge, kann es vorteilhaft sein, eine ausländische Erwerbsgesellschaft vorzuschalten, die nicht die Anteile an der ausländischen Gesellschaft, sondern ihr Vermögen erwirbt (Asset Deal), sodass die dabei entstehenden Veräußerungsgewinne mit den Verlustvorträgen verrechnet werden.
6.36
Soll nur ein geringer Anteil von z.B. unter 10 % erworben werden, kann es vorteilhaft sein, diesen Anteil über eine ausländische Gesellschaft zu erwerben, an der der deutsche Erwerber (Kapitalgesellschaft) zu mehr als 10 % beteiligt ist, um das DBA-Schachtelprivileg zu erlangen.
6.37
C. Besteuerung im Ausland I. Grundlagen Kapitalgesellschaften werden i.d.R. auch im Ausland als selbständige Steuersubjekte angesehen, deren Gewinn unabhängig von ihren Gesellschaftern besteuert wird (Trennungsprinzip). Sie unterliegen in ihrem Heimatstaat der unbeschränkten Besteuerung, wenn sie dort Sitz oder Geschäftsleitung haben. Die Gesellschafter werden dagegen auch im Ausland üblicherweise nur mit den an sie ausgeschütteten Gewinnen besteuert. Dieser Dualismus zwischen der Besteuerung der Kapitalgesellschaftsgewinne und der Besteuerung der Dividendenerträge der Gesellschafter führt zu einer Gesamtsteuerbelastung des von der Kapitalgesellschaft erwirtschafteten Gewinns, die einerseits von der Gewinnermittlung und dem Steuertarif bei der Gesellschaft (siehe nachfolgend Rz. 6.39) und andererseits von der steuerlichen Belastung der Dividenden beim Gesellschafter (siehe nachfolgend Rz. 6.40 ff.) abhängt.
6.38
II. Besteuerung der Kapitalgesellschaft im Ausland Ist die Kapitalgesellschaft nach ausländischem Recht errichtet und hat sie dort ihre Geschäftsleitung, wird sie dort i.d.R. mit ihrem Welteinkommen besteuert. Die Einkünfte der ausländischen Kapitalgesellschaft werden nach den Gewinnermittlungsvorschriften ihres Ansässigkeitsstaats ermittelt. Diese Regeln können z.T. erheblich von den inländischen Vorschriften abweichen. Unterschiede ergeben sich z.B. durch abweichende Abschreibungsmethoden und -sätze, Bewertungsgrundsätze und Steuerlenkungsnormen (insbesondere Subventionsmaßnahmen), aber auch durch Sondervorschriften wie z.B. die Regelungen zur GesellschafHenkel
907
6.39
Kapitel 6 Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften
terfremdfinanzierung (thin capitalization), zur Hinzurechnungsbesteuerung von Gewinnen aus ausländischen passiven Gesellschaften (controlled foreign corporations), zum Drittvergleich (dealing at arm’s length) oder zur Vermeidung von steuerorientierten Gestaltungen (tax shelters). Veräußerungsgewinne werden teilweise nicht in die allgemeine Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer aufgenommen, sondern unterliegen einer gesonderten Besteuerung (capital gains tax) mit z.T. geringeren Steuersätze; zunehmend wird die Besteuerung von capital gains jedoch der laufenden Besteuerung der ausländischen Körperschaft angeglichen.1 Hinzuweisen ist auch auf die erweiterten Berichts- und Dokumentationspflichten, die z.B. in den USA hinsichtlich der Geschäfte mit verbundenen Unternehmen bestehen.2
III. Besteuerung der Dividenden im Ausland 1. Körperschaftsteuersystem
6.40 Die Frage, ob und wie die Dividendenerträge der Anteilseigner im Ausland besteuert werden und wie die hierdurch entstehende Doppelbelastung (Besteuerung bei der Gesellschaft und beim Anteilseigner) gemildert oder beseitigt wird, richtet sich nach dem jeweiligen Körperschaftsteuersystem.3 Nicht beseitigt wird die Doppelbelastung in Irland und der Schweiz, die dem klassischen System ohne Shareholder-Relief folgen. Überwiegend finden beim klassischen System jedoch Erleichterungen statt: So gelten einerseits Tarifermäßigungen der Dividenden bei der Einkommensteuer des Empfängers im Wege der Abgeltungssteuer (so insbesondere in Belgien, Bulgarien, Frankreich, Italien, Lettland, Litauen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Slowenien, Tschechien) oder es findet eine Steuerfreiheit bzw. ein ermäßigter Steuersatz beim Empfänger der Dividenden (so insbesondere in Dänemark, Finnland, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Spanien, Ungarn, USA) Anwendung. Ein System der Teilanrechnung der von der Gesellschaft zu zahlenden Körperschaftsteuer auf die Einkommensteuer des Dividendenempfängers kennen Großbritannien, Japan und Kanada. In Österreich kann für eine Halbierung des Durchschnittssteuersatzes optiert werden. Griechenland und Malta folgen dem System der Vollanrechnung der Körperschaftsteuer auf die Einkommensteuer des Dividendenempfängers. In Estland, der Slowakei und in Zypern4 sind die Dividenden von der Einkommensteuer befreit. 1 Überblick über Gewinnermittlungsregelungen in den EU-Staaten bei Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 108 ff. 2 Vgl. Zschiegner, IWB 2002, Fach 8, Gruppe 2, 1171. 3 Eine Übersicht über die Körperschaftsteuersysteme in der EU und in weiteren ausgewählten Ländern enthält die Broschüre des BMF „Die wichtigsten Steuern im internationalen Vergleich 2010“ (Stand 2010); Scheffler/Krebs, IStR 2010, 859; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 125 ff. 4 In Zypern greift indes eine Verteidigungsabgabe von 15 % ein.
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C. Besteuerung im Ausland
2. Quellenbesteuerung Die Dividenden unterliegen regelmäßig der ausländischen Quellenbesteuerung.1 Die Quellensteuer kann in den meisten Staaten nur von dort ansässigen Steuerpflichtigen auf ihre Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer angerechnet werden. Andere Staaten erheben eine besondere Ausschüttungssteuer, die von dort Ansässigen gegen die Körperschaftsteuer der Gesellschaft verrechnet werden kann. Für ausländische Dividendenbezieher wird die Quellensteuer – vorbehaltlich einer (Teil-)Erstattung bzw. Anrechnung nach einem DBA – zur Definitivbelastung. Ist die Beteiligung einer im Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft belegenen Betriebsstätte zuzurechnen, besteht i.d.R. die Möglichkeit zur Anrechnung der Quellensteuer auf die Betriebsstättengewinne.
6.41
Die Quellensteuersätze auf Dividenden an natürliche Personen sind uneinheitlich. Sie betragen bei Dividendenzahlungen an Gebietsfremde in der Schweiz 35 v.H., in Schweden und den USA 30 v.H., in Finnland 28 v.H., in Italien 27 v.H., in Belgien, Frankreich, Kanada, Norwegen, Österreich und Ungarn 25 v.H., in Portugal 21,5 v.H., in Japan und Irland 20 v.H., in Polen 19 v.H., in Spanien 18 v.H., in Dänemark, Kroatien, Luxemburg, den Niederlanden, der Slowakei, Slowenien und Tschechien 15 v.H., in Griechenland und Lettland 10 v.H. und in Bulgarien 5 v.H. In Estland, Großbritannien, Griechenland (für GmbHs), Irland (an EU/DBAEmpfänger), Slowakei und Zypern wird (ggf. neben der Ausschüttungsbesteuerung) keine gesonderte Quellensteuer erhoben.2
6.42
Hält eine Kapitalgesellschaft (Muttergesellschaft) eine Schachtelbeteiligung an einer anderen Kapitalgesellschaft (Tochtergesellschaft), ist der Gewinntransfer unabhängig vom Körperschaftsteuersystem regelmäßig privilegiert (Schachtelprivileg). Zu unterscheiden sind das innerstaatliche Schachtelprivileg (Muttergesellschaft und Tochtergesellschaft sind in demselben Staat ansässig) und das internationale Schachtelprivileg (Muttergesellschaft und Tochtergesellschaft sind in verschiedenen Staaten ansässig). Das internationale Schachtelprivileg ist in zahlreichen DBA sowie innerhalb der EU darüber hinaus durch die Mutter-Tochter-Richtlinie (MTR) geregelt.
6.43
3. DBA-Recht Die vom Ansässigkeitsstaat der Kapitalgesellschaft erhobene Quellensteuer auf die Dividenden kann durch ein DBA begrenzt sein. Üblich ist, den Höchstsatz festzulegen, bis zu dem die Quellensteuer erhoben werden darf; der Höchstsatz muss aber nicht ausgeschöpft werden. Die Höchstsätze sind nicht einheitlich und können innerhalb eines DBA vari1 BMF „Die wichtigsten Steuern im internationalen Vergleich 2010“, Übersicht 10. 2 BMF „Die wichtigsten Steuern im internationalen Vergleich 2010“, Übersicht 10.
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6.44
Kapitel 6 Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften
ieren, je nach dem, ob es sich um Streubesitz oder Schachtelbeteiligungen handelt. a) Dividendenbegriff
6.45 Voraussetzung für die Quellensteuerermäßigung im Ansässigkeitsstaat der ausschüttenden Kapitalgesellschaft ist, dass der Dividendenbegriff des jeweiligen Abkommens erfüllt ist. Die neueren deutschen DBA folgen dazu weitgehend der Begriffsbestimmung des Art. 10 Abs. 3 OECD-MA.1 Dividenden sind danach Einkünfte – aus Aktien, Genussrechten oder Genussscheinen, Kuxen, Gründeranteilen, – aus anderen Rechten – ausgenommen Forderungen – mit Gewinnbeteiligung, – aus sonstigen Gesellschaftsanteilen, die nach dem Recht des Staates, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, den Einkünften aus Aktien steuerlich gleichgestellt sind.
6.46 Aus der Formulierung „sonstige Gesellschaftsanteile“ folgt, dass die Erträge stets von einer Gesellschaft – d.h. einem selbständigen Steuersubjekt – stammen müssen, nicht aber von einer Mitunternehmerschaft.2 Ob ein solcher selbständiger Rechtsträger vorliegt, richtet sich i.d.R. nach dem Recht des Ansässigkeitsstaates (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b OECDMA). Es fallen auch solche Gebilde unter den Gesellschaftsbegriff, die zwar Personengesellschaften sind, aber (nach dem Recht des Ansässigkeitsstaates der Gesellschaft zulässigerweise) für die Körperschaftsteuer optiert haben.3 Ob der Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers dieser Qualifikation folgt, ist unbeachtlich.4
6.47 Die erste Variante der Dividendendefinition umschreibt beispielhaft die Art der Erträge. Einkünfte aus Aktien sind hiernach laufende Gewinnausschüttungen und Vorabausschüttungen, nicht jedoch Rückzahlung von Einlagen; solche Erträge sind in den Rechtsordnungen der meisten OECD-Mitgliedstaaten zu finden und werden dort einheitlich als Dividenden behandelt.5 Genussrechte werden vorwiegend in den von Deutschland abgeschlossenen DBA ausdrücklich aufgeführt und sind i.d.R. den Dividenden gleichgestellt, wenn sie eine Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös vermitteln.6 Die zweite Variante enthält eine abstrakte Umschreibung (Einkünfte aus Rechten mit Gewinnbeteiligung), deren Inhalt abkommensautonom auszulegen ist, wobei allerdings die TatsachenZu Abweichungen vgl. Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 204 ff. Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 188. Wie z.B. in Frankreich, vgl. Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 190. Zu den sich hieraus ggf. ergebenden Qualifikationskonflikten vgl. Wassermeyer in D/W, Art. 10 OECD-MA Rz. 30, 72. 5 Art. 10 Rz. 23 OECD-MK. 6 Nachweise bei Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 205 ff.
1 2 3 4
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C. Besteuerung im Ausland
feststellung, ob eine Gewinnbeteiligung vorliegt, nur mit Blick auf das nationale Recht entschieden werden kann. Einkünfte, die nicht hierunter fallen, gehören nach der Generalklausel der dritten Variante (Einkünfte aus sonstigen Gesellschaftsanteilen) zu den Dividenden i.S.d. Abkommens, wenn sie das innerstaatliche Steuerrecht des Ansässigkeitsstaates der Gesellschaft wie Dividenden besteuert. Damit wird in Zweifelsfällen aufgrund der ausdrücklichen Verweisungsregelung des jeweiligen DBA auf die Qualifikation des Quellenstaates verwiesen; auf die allgemeine Verweisungsklausel i.S.d. Art. 3 Abs. 2 OECD-MA, die auf das Recht des Anwenderstaats verweist, ist in diesen Fällen nicht zurückzugreifen. b) Nutzungsberechtigter Die meisten deutschen DBA enthalten die im Musterabkommen vorge- 6.48 schlagene Klausel, dass die Quellensteuerbegrenzung nur eingreift, wenn der Empfänger der Dividende der Nutzungsberechtigte (beneficial owner) ist (Ausnahmen: vor 1977 abgeschlossene DBA sowie DBA-Ecuador, -Finnland, -Kenia, -Philippinen, -Slowakei, -Tschechien, -Türkei, -Uruguay, -UdSSR-Nachfolgestaaten).1 Diese Regelungen wenden sich gegen eine bestimmte Form des treaty shopping, bei der Abkommensvorteile durch Verlängerung der Dividendenroute über einen DBA-Vertragsstaat erzielt werden sollen, um eine ansonsten nicht (oder nicht in der Höhe) bestehende Quellensteuerreduzierung zu erreichen. Die Feststellung, ob der Dividendenempfänger tatsächlich der Nutzungsberechtigte ist, ist angesichts einer fehlenden Begriffsbestimmung sowohl in den DBA (Ausnahmen: DBA-Italien, -Norwegen, -Schweden, -USA) als auch im innerstaatlichen Recht denkbar schwierig. Abhängig von dem Recht des jeweiligen Quellenstaates werden in der Praxis unterschiedliche Anforderungen an die Qualifikation als Nutzungsberechtigter gestellt. Den Begriff des „Nutzungsberechtigten“ wird man nur aus dem Abkommenszusammenhang auslegen können, und zwar unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks, der mit dieser Regelung verfolgt wird.2 Überzeugend erscheint der Ansatz von Vogel,3 als Nutzungsberechtigten denjenigen anzusehen, der „entweder über die Hingabe des Kapitals oder des Wirtschaftsguts zur Nutzung oder über die Verwendung der Nutzungen [Anm. d. Verf.: wohl: Erträge],4 ggf. über beides, entscheiden kann.“ Entscheidend ist damit, wer hinsichtlich der Dividendenberechtigung (also der Gesellschafterstellung bei der ausschüttenden Gesellschaft) oder hinsichtlich der empfangenen Dividendenbeträge das Sagen hat. Dies kann – 1 Nach Vogel in V/L5, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 26 soll in diesen Fällen der Grundsatz der „Abkommensumgehung“ zu demselben Ergebnis führen. 2 Art. 10 Rz. 12 OECD-MK; vgl. Vogel in V/L5, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 15, 17. 3 Vogel in V/L5, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 18. 4 Die von Vogel abweichend verwendete Formulierung „Verwendung der Nutzungen“ dürfte auf einem Redaktionsversehen beruhen.
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6.49
Kapitel 6 Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften
muss aber nicht – der Gesellschafter sein; ein Treuhänder oder Nießbraucher kann der Nutzungsberechtigte sein, wenn er über die entsprechenden Befugnisse verfügt.1 Nicht nutzungsberechtigt ist dagegen der lediglich als Beauftragter oder Vertreter (nominee or agent, vgl. Art. 10 Rz. 12.1 OECD-MK) zwischengeschaltete Dritte. Entsprechendes soll seit der Revision 2003 des OECD-MK2 gelten, wenn eine Person in anderer Weise als durch ein Vertretungs- oder Auftragsverhältnis nur als Durchlaufstation für den eigentlich Nutzungsberechtigten agiert. Vogel3 folgert hieraus, dass der Empfänger der Dividenden jedenfalls dann als Nutzungsberechtigter anzusehen ist, wenn er in seinem Wohnsitzstaat als Bezieher der Dividenden besteuert wird, ohne dass dies indes den Umkehrschluss zulasse, im Falle der dortigen Nichtbesteuerung fehle es an der Nutzungsberechtigung. Sind sowohl der Nutzungsberechtigte als auch der Vertreter oder der Beauftragte im anderen Vertragsstaat ansässig, bleibt es bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen bei der Quellensteuerreduktion.4
6.50 Nach deutschem Rechtsverständnis ist u.E. nur dann ein anderer als der Gesellschafter der Nutzungsberechtigte, wenn der Gesellschafter aufgrund von schuldrechtlichen Abreden verpflichtet ist, sowohl den Anteil an der ausschüttenden Gesellschaft als auch die empfangenen Dividenden an einen Dritten herauszugeben; eine gesellschaftsrechtliche Beherrschung des Gesellschafters, wie z.B. bei einer Zwischenholding, reicht hierfür nicht aus.5 c) Betriebsstättenvorbehalt
6.51 Ist die Beteiligung, für die die Dividenden gezahlt werden, einer im Ansässigkeitsstaat der ausschüttenden Gesellschaft belegenen Betriebsstätte zuzurechnen, greift nicht der Dividendenartikel, sondern die Betriebsstättenregelung ein (Art. 10 Abs. 4 OECD-MA). Die Dividenden fließen dann in die „Gewinnermittlung“ der Betriebsstätte ein und unterliegen der ausschließlichen Besteuerung im Betriebsstättenstaat.6 Im Rahmen der Zurechnung der Beteiligung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte kommt es darauf an, ob die Beteiligung „tatsächlich“ zu der Betriebsstätte gehört; hiervon ist auszugehen, wenn die Beteiligung in einem funktio-
1 So Vogel in V/L5, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 18. 2 Im Rahmen der Maßnahmen zur Bekämpfung unfairer Steuerpraktiken wurden am 28.1.2003 ausführlichere Aussagen zur Person des Nutzungsberechtigten in den Rz. 12–12.2 zu Art. 10 OECD-MK aufgenommen. 3 Vogel in V/L5, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 15a. 4 Art. 10 Rz. 12.2 OECD-MK. 5 So wohl auch der Diskussionsentwurf der OECD zur Clarification of the Meaning of „Beneficial Owner“ in the OECD Model Tax Convention, 29 April 2011 to 15 July 2011, Entwurf zu Article 12.6. 6 Vogel in V/L5, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 30 ff.
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Henkel
C. Besteuerung im Ausland
nalen Zusammenhang mit dem für die Ausübung der Haupttätigkeit der Betriebsstätte erforderlichen Vermögen steht.1 d) DBA-Quellensteuersätze für Streubesitz Die Höhe der DBA-Quellensteuerbegrenzung ist unterschiedlich. Für 6.52 Streubesitz gilt: 25 v.H. beträgt der Quellensteuerhöchstsatz für Griechenland und Israel, 20 v.H. für Iran, Simbabwe, Trinidad und Tobago, z.T. Thailand sowie die Türkei. Überwiegend können höchstens 15 v.H. einbehalten werden. Das gilt für Ägypten, Argentinien, Australien, Bangladesch, Belgien, Bolivien, Brasilien,2 Bulgarien, Dänemark, Elfenbeinküste (z.T. auch 18 v.H.), Ecuador, Estland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Indonesien, Island, Italien, Jamaika, Japan, Kanada, Kasachstan, Kenia, Korea, Kroatien, Kuwait, Lettland, Liberia, Litauen, Luxemburg, Malta, Marokko, Mauritius, Mazedonien, Mexiko, Namibia, Neuseeland, Niederlande, Norwegen, Österreich, Pakistan, Philippinen, Polen, Portugal, Rumänien, Sambia, Schweden, Schweiz, Singapur (jedoch Suspensionsklausel), Slowakei, Slowenien, Spanien, Sri Lanka, Süd-Afrika, Tschechien, Tunesien, Ungarn, USA, UdSSR-Nachfolgestaaten, Ungarn, Uruguay, Usbekistan, Venezuela, Vereinigte Arabische Emirate, Vietnam. Eine 10-v.H.-Höchstgrenze sehen die DBA mit China, Indien, der Mongolei und der Ukraine vor. Keine Quellensteuern (Null-Satz) dürfen erhoben werden in Malaysia und Zypern (jedoch Suspensionsklausel). Unbegrenzt oder fast unbegrenzt können dagegen Quellensteuern nach folgenden DBA erhoben werden: Bosnien-Herzegowina, Serbien und Montenegro (DBA mit der früheren Republik Jugoslawien) sowie Irland. Hinzuweisen ist auf das DBA mit Frankreich: Dort war es nach früherer Rechtslage deutschen Streubesitzdividendenempfängern (zu Schachtelbeteiligungen siehe Rz. 6.57) gestattet, am französischen Teilanrechnungssystem teilzunehmen. Sie erhielten zusammen mit der Dividendenausschüttung eine Steuergutschrift („avoir fiscal“), die ihre inländische Bemessungsgrundlage erhöhte und die auf Antrag auf die deutsche Steuer angerechnet wurde. Der deutsche und der französische Fiskus glichen die Anrechnungsbeträge unter sich wieder aus (Fiskal-Ausgleich). Berechtigte die Dividendenausschüttung zum avoir fiscal, wurde gem. Art. 9 Abs. 3 DBA-Frankreich a.F. auch die Quellensteuer in vollem Umfang erstattet.3
6.53
Mit der Einführung des Halbeinkünfteverfahrens (jetzt Teileinkünfteverfahren) waren französische Dividenden aufgrund der zusätzlichen Anrechnung des avoir fiscal steuerlich besonders begünstigt.4 Durch das
6.54
1 BFH v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.485. 2 Das DBA-Brasilien wurde am 7.4.2005 mit Wirkung zum 1.1.2006 von Deutschland gekündigt. 3 Zum Verfahren vgl. BMF v. 1.6.1982 – IV B 7 - S 2816 - 6/82, StEK KStG 1977 § 32 Nr. 4 sowie die Vorauflage. 4 Vgl. Maier-Frischmuth, IStR 2002, 52; Bullinger/Seroin, IStR 2002, 782.
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zwischen Deutschland und Frankreich zum DBA-Frankreich abgeschlossene Zusatzabkommen vom 20.12.20011 wurde die Möglichkeit zur Anrechnung der französischen Steuergutschrift mit Wirkung zum 1.1.2002 abgeschafft. Seither bestehen für französische Dividenden keine Besonderheiten mehr gegenüber Dividenden aus anderen Staaten. e) DBA-Quellensteuersätze für Schachtelbeteiligungen
6.55 Die ausländische Quellensteuer auf Schachteldividenden wird in einigen DBA weiter vermindert oder ganz aufgehoben. Eine Schachtelbeteiligung besteht regelmäßig bei einer Mindestbeteiligung von 25 v.H. (Ausnahmen z.B. Dänemark, Finnland, Frankreich, Kanada, Kroatien, Kuwait, Malta, Mexiko, Mongolei, Namibia, Österreich, Polen, Rumänien, Russische Föderation, Schweden, Singapur, Türkei, USA, Vereinigte Arabische Emirate: 10 v.H.; Venezuela 15 v.H.; Pakistan, Schweiz, Ukraine: 20 v.H.). In nahezu allen deutschen DBA muss die Quote durch eine unmittelbare Beteiligung erfüllt sein (vgl. Art. 10 Abs. 2 Buchst. a OECD-MA); einzige Ausnahme ist das DBA-Japan, nach dem für die japanische Abzugsteuer auch eine mittelbare Beteiligung ausreicht. Die Beteiligung bemisst sich regelmäßig nach den stimmberechtigten Anteilen, stimmrechtslose Vorzugsaktien bleiben unberücksichtigt.
6.56 Der höchst zulässige Quellensteuersatz für Schachteldividenden beträgt 25 v.H. in Griechenland und Israel, 20 v.H. in Thailand (bei nicht-industriellen Unternehmen) und 15 v.H. nach den DBA mit Ägypten, Argentinien, Australien, Bangladesch, Belgien, Bolivien, Brasilien,2 Bulgarien, Ecuador, Elfenbeinküste, Großbritannien, Iran, Kenia, Neuseeland, Portugal, Sri Lanka, Thailand (für industrielle Unternehmen), Türkei, Uruguay. 10 v.H. beträgt der Höchstsatz in China, Finnland, Indien, Indonesien, Italien, Jamaika, Japan, Liberia, Luxemburg, Namibia, Niederlande, Pakistan, Philippinen, Rumänien, Simbabwe, Spanien, Trinidad und Tobago, Tunesien, Vietnam (für Beteiligungen zwischen 25 und 70 v.H.) und Zypern. 7,5 v.H. gelten in Süd-Afrika. Eine Reduzierung auf 5 v.H. sehen vor die DBA mit Dänemark, Estland, Island, Kanada, Kasachstan, Korea, Kroatien, Kuwait, Lettland, Litauen, Malta, Marokko, Mauritius, Mazedonien, Mexiko, Mongolei, Österreich, Polen, Russische Föderation, Sambia, Schweiz, Slowakei, Tschechien, Ukraine, Ungarn, USA, Usbekistan, Venezuela, Vereinigte Arabische Emirate und Vietnam (für Beteiligungen über 70 v.H.). Vollständig aufgehoben ist die Quellensteuer auf Schachtelbeteiligungen nach den DBA mit Frankreich, Malaysia, Malta, Norwegen und Schweden. Keine Beschränkung des DBA-Quellensteuersatzes für Schachtelbeteiligungen sehen die DBA mit den folgenden 1 Zusatzabkommen zum DBA-Frankreich v. 20.12.2001, BStBl. I 2002, 892, das am 1.6.2003 in Kraft getreten ist, vgl. Bekanntmachung v. 12.5.2003, BStBl. I 2003, 383; zu europarechtlichen Bedenken siehe Schultze, IStR 2004, 639. 2 Das DBA-Brasilien wurde am 7.4.2005 von Deutschland mit Wirkung zum 1.1.2006 gekündigt. Es existiert noch kein neues Abkommen.
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C. Besteuerung im Ausland
Staaten vor: Bosnien-Herzegowina, Serbien und Montenegro (DBA mit der früheren Republik Jugoslawien). Für Frankreich ist anzumerken: Bereits vor Inkrafttreten des Zusatzabkommens zum DBA-Frankreich1 blieb kein Raum für eine Anrechnung der französischen Körperschaftsteuer, da die französischen Schachteldividenden in der Bundesrepublik schon nach früherer Rechtslage steuerfrei waren. Daher wurde der avoir fiscal hier schon bisher nicht gewährt. Eine in Frankreich erhobene Vorsteuer („précompte“) für die Herstellung der Ausschüttungsbelastung – z.B. bei Weiterleitung steuerbefreiter Einkünfte – wird auch nach Abschaffung des deutschen Anrechnungsverfahrens der deutschen Muttergesellschaft erstattet (Art. 9 Abs. 4 Satz 1 DBAFrankreich).
6.57
f) Verfahren zur Reduzierung der Quellensteuer Üblicherweise wird zunächst der nach innerstaatlichem Recht vorgesehene Quellensteuersatz einbehalten und der Dividendenempfänger darauf verwiesen, die Differenz zum abkommensrechtlich zulässigen Höchstbetrag erstattet zu verlangen (Erstattungsverfahren). Daneben gibt es die Möglichkeit, dass dieser Differenzbetrag bereits beim Quellensteuereinbehalt freigestellt wird (Freistellungsverfahren); dies ist aber z.T. nur auf der Grundlage besonderer Erklärungs- und Nachweispflichten (insbesondere Nachweis der Ansässigkeit im DBA-Staat) möglich.2 Das Freistellungsverfahren für Dividenden ist z.B. möglich in Australien, Japan, den Niederlanden, Norwegen, Schweden und den USA.3
6.58
4. Mutter-Tochter-Richtlinie Die vom ausländischen Ansässigkeitsstaat der Kapitalgesellschaft auf die Dividenden erhobene Quellensteuer wird nicht nur durch die DBA, sondern innerhalb der EU auch aufgrund der MTR4 begrenzt, die entsprechend den Vorgaben der Richtlinie in allen Mitgliedstaaten der EU in nationales Recht umgesetzt worden ist.5 Durch die am 22.12.2003 verabschiedete Änderungs-Richtlinie6 wurde der Anwendungsbereich zum einen auf die bisher nicht erfassten Rechtsformen der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) und die Europäische Genossenschaft (SCE)7 und zum anderen auf Gewinn1 2 3 4
Zusatzabkommen zum DBA-Frankreich v. 20.12.2001, BStBl. I 2002, 892. Vgl. dazu allgemein Vogel in V/L5, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 57. Vogel in V/L5, Vor. Art. 10–12 OECD-MA Rz. 55 ff. Richtlinie 90/435/EWG v. 23.7.1990, ABl. EG v. 20.8.1990 Nr. L 225, geändert durch Änderungsrichtlinie 2003/123/EG v. 22.12.2003, ABl. EG v. 13.1.2004 Nr. L 7/41. 5 Übersicht bei Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 171 f. 6 Richtlinie 2003/123/EG, ABl. EG v. 13.1.2004 Nr. L 7/41, vgl. hierzu Bullinger, IStR 2004, 406. 7 Hier ist insbesondere die Europäische Aktiengesellschaft („SE“) zu nennen; vgl. zu den neu erfassten französischen Gesellschaftsformen Kessler/Sinz, IStR 2004, 789.
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6.59
Kapitel 6 Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften
ausschüttungen, die der EU-Betriebsstätte einer EU-Muttergesellschaft zufließen, erweitert. Nach dem Ziel der Richtlinie soll im Ansässigkeitsstaat der Tochtergesellschaft (EU-Tochtergesellschaft) nur der Gewinn der Tochtergesellschaft besteuert werden, die Einbehaltung einer Quellensteuer auf an die Muttergesellschaft eines anderen EU-Staates (EU-Muttergesellschaft) ausgeschüttete Gewinne ist unzulässig. Zugleich ist der Ansässigkeitsstaat der EU-Muttergesellschaft verpflichtet, die Ausschüttungen bei der EU-Muttergesellschaft entweder freizustellen oder die indirekte Anrechnung zu gewähren.1
6.60 Die Richtlinie betrifft Schachteldividenden, die eine in einem EU-Staat ansässige Tochtergesellschaft an ihre in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft ausschüttet. Die nach der Richtlinie erforderliche Schachtelquote wurde stufenweise abgesenkt: Die Muttergesellschaft musste bis einschließlich 2004 zu mindestens 25 v.H., ab 2005 zu mindestens 20 v.H., ab 2007 zu 15 v.H. und seit 2009 zu 10 v.H. am Nennkapital der EU-Tochtergesellschaft beteiligt sein; eine darüber hinausgehende unilaterale weitere Absenkung der Beteiligungsquote durch die einzelnen Vertragsstaaten ist zulässig.2
6.61 Die Richtlinie lässt den Mitgliedstaaten Spielraum zur Festlegung einer Mindesthaltefrist von bis zu zwei Jahren, der unterschiedlich ausgenutzt wird.3 Darüber hinaus muss die jeweilige Kapitalgesellschaft ohne Wahlmöglichkeit und ohne Befreiung der – für jeden Mitgliedstaat einzeln aufgeführten – umfassenden Körperschaftsbesteuerung unterliegen.
6.62 Im Verhältnis zu den DBA gilt Folgendes: Gemäß Art. 7 Abs. 2 MTR bleiben die Regelungen der DBA neben den Regelungen der Richtlinie anwendbar. Es findet daher die jeweils günstigere Regelung Anwendung.4
D. Laufende Besteuerung im Inland I. Besteuerung der ausländischen Kapitalgesellschaft 1. Beschränkte Steuerpflicht
6.63 Entspricht die ausländische Kapitalgesellschaft nach dem Typenvergleich einer inländischen Kapitalgesellschaft oder einem anderen Steuerrechtssubjekt i.S.d. § 1 KStG und hat sie im Inland weder Sitz noch Geschäftsleitung, ist sie in Deutschland mit ihren inländischen Einkünften beschränkt körperschaftsteuerpflichtig (§ 2 Nr. 1 KStG). Der Katalog inländischer Ein1 2 3 4
Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 174. Saß, DB 1990, 2340, 2345; Bullinger, IStR 2004, 406. Übersicht bei Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 171 f. Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 176; Wassermeyer in D/W, Art. 10 OECD-MA Rz. 86.
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D. Laufende Besteuerung im Inland
kunftsarten des § 49 Abs. 1 EStG gilt auch für Körperschaften (§ 8 Abs. 1 KStG). Von Bedeutung sind insbesondere die Einkünfte aus Gewerbebetrieb, für den im Inland eine Betriebsstätte unterhalten oder ein ständiger Vertreter bestellt wird (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG), Veräußerungsgewinne, die bei der Veräußerung von Beteiligungen i.S.d. § 17 EStG an inländischen Kapitalgesellschaften erzielt werden (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG), sowie Einkünfte aus der Veräußerung von im Inland belegenen Grundstücken und Sachinbegriffen (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG). Bestimmte Einkünfte aus inländischem Kapitalvermögen (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG; vor allem Dividenden und Zinsen aus grundpfandrechtlich gesicherten Forderungen)1 und aus Vermietung und Verpachtung von im Inland belegenen Grundstücken und Sachinbegriffen (§ 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG), aus Grundstücksspekulationen (§ 49 Abs. 1 Nr. 8 EStG) sowie aus der Nutzungsüberlassung von beweglichen Sachen oder Know-how im Inland (§ 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG) können ebenfalls von der beschränkten Steuerpflicht erfasst werden. 2. Isolierende Betrachtungsweise Im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht gilt die so genannte isolierende Betrachtungsweise (§ 49 Abs. 2 EStG):2 Ausländische Besteuerungsmerkmale3 werden nur insoweit berücksichtigt, wie sie zur Feststellung von inländischen Einkünften erforderlich sind. Unberücksichtigt bleibt insbesondere das Merkmal der Gewerblichkeit, falls der beschränkt Steuerpflichtige im Inland keine Betriebsstätte oder keinen ständigen Vertreter hat. Dies führt dazu, dass ausländische Kapitalgesellschaften mit inländischen Einkünften aus Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung, Nutzungsüberlassung u.Ä. beschränkt steuerpflichtig sein können, selbst wenn sie hier nicht über eine Betriebsstätte verfügen. Die isolierende Betrachtungsweise beschränkt sich darauf, die Subsidiaritätsklauseln der Nebeneinkunftsarten (§ 20 Abs. 3, § 21 Abs. 3, § 22 Nr. 1 Satz 1, Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 3 EStG) zu verdrängen.4 Mit ihrer Hilfe können einzelne Einkünfte nicht wesensmäßig verändert werden, insbesondere können gewerbliche Einkünfte nicht in selbständige Einkünfte umqualifiziert werden.5 1 Zinsen aus Bankeinlage und festverzinslichen Wertpapieren waren nur in der Zeit vom 1.1.1989 – 30.6.1989 beschränkt steuerpflichtig. 2 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.130 ff. 3 Zur Einordnung einer fehlenden Gewinnerzielungsabsicht als „ausländisches Besteuerungsmerkmal“ vgl. BFH v. 7.11.2001 – I R 14/01, BStBl. II 2002, 861 und den Nichtanwendungserlass des BMF v. 11.12.2002 – IV A 5 - S 2411 - 69/02, BStBl. I 2002, 1394. 4 H.M., grundlegend BFH v. 4.3.1970 – I R 140/66, BStBl. II 1970, 428 zur Rechtslage vor der Einführung des § 49 Abs. 2 EStG; zur späteren Rechtslage siehe BFH v. 1.12.1982 – I B 11/82, BStBl. II 1983, 378; v. 28.3.1984 – I R 129/79, BStBl. II 1984, 620; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.133. 5 Vgl. zum Meinungsstand Loschelder in Schmidt31, § 49 EStG Rz. 11 und 16 m.w.N.
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6.64
Kapitel 6 Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften
6.65 Ausländische Kapitalgesellschaften sind nur dann im Inland gewerbesteuerpflichtig, wenn sie hier eine Betriebsstätte unterhalten (§ 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG). 3. Besteuerungsverfahren
6.66 Die beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte werden durch Veranlagung ermittelt, soweit sie nicht dem Steuerabzug unterliegen. Dem Veranlagungsverfahren unterliegen insbesondere die Betriebsstättengewinne, die grundsätzlich nach der direkten Methode (Behandlung der Betriebsstätte wie ein selbständiges Unternehmen) zu ermitteln sind.1 Hierbei gilt das Nettoprinzip, d.h., Betriebsausgaben können abgezogen werden, wenn sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den inländischen Einkünften stehen (§ 50 Abs. 1 EStG). Im Rahmen der Betriebsstättengewinnermittlung können ausländische Quellensteuern, die auf die der inländischen Betriebsstätte zuzurechnenden ausländischen Einkünfte erhoben werden, angerechnet werden.
6.67 Das Abzugsverfahren wurde durch das JStG 2009 mit Wirkung ab 2009 neu geregelt; weitere Änderungen und Klarstellungen sind durch das JStG 2010 eingeführt worden. Danach sind der bisherige Mindeststeuersatz und die Beschränkungen zum Verlustabzug entfallen und der Katalog der Einkünfte, für die die Abgeltungswirkung gilt, verringert worden.2 Die Abzugsteuer mit Abgeltungswirkung gilt gem. § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG für die Kapitalertragsteuer, die Lohnsteuer und die in § 50a EStG genannten inländischen Einkünfte, soweit keine Ausnahme nach § 50 Abs. 2 Satz 2 EStG eingreift. Der Steuerabzug für ausländische Kapitalgesellschaften beträgt i.d.R. 15 % der Einnahmen (§ 50a Abs. 3 Satz 4 EStG). 4. DBA-Recht
6.68 Die Besteuerung der Einkünfte, die die ausländische Kapitalgesellschaft in Deutschland erzielt, kann durch ein DBA eingeschränkt sein. Dies gilt z.B. für Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren, die die ausländische Gesellschaft aus dem Inland bezieht, nicht jedoch für Einkünfte aus inländischen Betriebsstätten, da diese nach den deutschen DBA ausschließlich in Deutschland besteuert werden.3
1 Loschelder in Schmidt31, § 50 EStG Rz. 30 m.w.N.; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.3. 2 Zur Rechtsentwicklung Loschelder in Schmidt31, § 50 EStG Rz. 2 m.w.N.; die Änderungen sind u.a. auf EU-Recht zurückzuführen, siehe EuGH v. 12.6.2003 – Rs. C-234/01 – Gerritse, EuGHE 2003, I-5933 = IStR 2003, 458 zum Betriebsausgabenabzug bei Künstlerhonoraren. 3 Zum Betriebsstättenbegriff in den DBA ausführlich Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.241 ff.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 293 ff.
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D. Laufende Besteuerung im Inland
II. Besteuerung der Gesellschafter 1. Überblick In Deutschland ansässige Anteilseigner der ausländischen Kapitalgesellschaft unterliegen der deutschen unbeschränkten Steuerpflicht. Sachlich gehören dazu die von der ausländischen Kapitalgesellschaft bezogenen Dividendenerträge und sonstigen Bezüge. Besteuert werden grundsätzlich alle Gewinnausschüttungen und sonstigen Bezüge, unabhängig davon, ob Zahlungen ins Inland fließen. Zu den ausgeschütteten Gewinnen und den sonstigen Bezügen gehören neben den offenen auch verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG). Nicht ausgeschüttete Gewinne der ausländischen Gesellschaft können unter den Voraussetzungen der §§ 7 ff. AStG beim inländischen Gesellschafter besteuert werden (vgl. im Einzelnen Rz. 7.103 ff.).
6.69
Seit dem Wechsel vom Anrechnungssystem zum Halbeinkünfteverfahren (jetzt Teileinkünfteverfahren) erfordert das deutsche Körperschaftsteuersystem eine grundlegende Befreiung der Bezüge von inländischen Körperschaften bei der empfangenden Körperschaft, um körperschaftsteuerliche Mehrfachbelastungen (Kaskadeneffekte) zu vermeiden.1 Bezüge von ausländischen Kapitalgesellschaften werden in dieses System einbezogen, um inländische und ausländische Dividendenerträge gleichzubehandeln.2 In beiden Fällen geht das Körperschaftsteuersystem davon aus, dass die Erträge der ausschüttenden Körperschaft einer steuerlichen Vorbelastung ausgesetzt sind, ohne dies jedoch umfänglich anzuordnen. Es gibt lediglich punktuelle Regelungen: Bei ausländischen Körperschaften wird die Vorbelastung – mit systematischen Brüchen – durch die Hinzurechnungsbesteuerung gem. § 7 ff. AStG hergestellt,3 vGA sind seit 2007 nicht mehr steuerfrei, soweit sie das Einkommen der leistenden Körperschaft gemindert haben (§ 8b Abs. 1 Satz 2–4 KStG).
6.70
1 Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 1: „Herzstück des neuen KSt-Rechts“; Frotscher in Frotscher/Maas, § 8b KStG Rz. 2. 2 Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 41; bei natürlichen Personen als Anteilseigner wurde mit dem Systemwechsel die bisherige Anrechnung der Vorbelastung (i.H.v. 3/ 7 der Dividende) auf die Einkommensteuer abgelöst durch das Halbeinkünfteverfahren (jetzt Teileinkünfteverfahren), bei dem die Dividendenerträge zu 50 % (jetzt 40 %) freigestellt sind; da dies nunmehr für Dividenden inländischer und ausländischer Gesellschaften gleichermaßen gilt, wurde zugleich die fiskalisch problematische, europarechtlich drohende Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer auf die inländische Einkommensteuer vermieden, siehe EuGH v. 7.9.2004 – Rs. C-319/02 – Manninen, DStRE 2004, 1220; bestätigt durch EuGH v. 30.6.2011 – Rs. C-262/09 – Meilicke II, DStR 2011, 1262, der allerdings eine Anrechnung auf die Höhe der Einkommensteuer des Dividendenempfängers begrenzt. 3 Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 25 f.; zur Hinzurechnungsbesteuerung siehe Rz. 7.41 ff.
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2. Steuererleichterungen nach innerstaatlichem Recht a) Steuerbefreiung gem. § 8b Abs. 1 KStG
6.71 Durch § 8b Abs. 1 KStG werden Gewinnausschüttungen und andere laufende Beteiligungserträge – genauer: Bezüge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 2 EStG – von Kapitalgesellschaften an im Inland steuerpflichtige Kapitalgesellschaften von der deutschen Körperschaftsteuer freigestellt. Dies gilt unabhängig davon, ob die ausschüttende Kapitalgesellschaft im In- oder Ausland ansässig ist, sowie unabhängig von der Behaltenszeit und der Höhe der Beteiligung.1 Für die Körperschaftsteuer ist dies auch unabhängig davon, ob die ausländische Gesellschaft aktive oder passive Einkünfte erzielt2 und ob und in welcher Höhe die der Ausschüttung zugrunde liegenden Gewinne der Gesellschaft im Ausland steuerlich vorbelastet sind.3 Dies ist auch unabhängig davon, ob mit dem Sitzstaat der Gesellschaft ein DBA abgeschlossen wurde. Neben Bar- und Sachdividenden sowie Einnahmen aus der Abtretung von Dividendenansprüchen (§ 8b Abs. 1 Satz 2 KStG), sind auch vGA von der Steuerfreistellung erfasst (§ 8b Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG).4 Technisch erfolgt die Freistellung über eine außerbilanzielle Kürzung der steuerbefreiten Auslandsbezüge.5
6.72 Hält eine inländische Kapitalgesellschaft die Beteiligung an der ausländischen Kapitalgesellschaft mittelbar über eine oder mehrere Mitunternehmerschaften, kommt die Freistellung von der Körperschaftsteuer gem. § 8b Abs. 6 Satz 1 KStG zur Anwendung.6 Die Gewinnausschüttungen bleiben danach i.H. der Gewinnbeteiligung der Kapitalgesellschaft an der Mitunternehmerschaft von der Körperschaftsteuer befreit. Entsprechendes gilt bei mittelbarer Beteiligung über vermögensverwaltende Personengesellschaften nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO.7
6.73 Hinsichtlich der Betriebsausgaben, die im Zusammenhang mit der Beteiligung an der ausländischen Kapitalgesellschaft stehen, regelt § 8b Abs. 5 KStG, dass 5 % der befreiten Auslandsbezüge als nichtabziehbare Betriebsausgaben gelten. Im Ergebnis werden daher nur 95 % der Bezüge von der Körperschaftsteuer befreit. Unabhängig davon können die im Zu1 Zu evtl. zu erwartenden gesetzgeberischen Einschränkungen des § 8b KStG für Streubesitzdividenden siehe Häuselmann, SteuK 2012, 113. 2 Zu den Aktivitätsanforderungen des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs siehe Rz. 6.120. 3 Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 96. 4 Zur Vorbelastung bei der vGA siehe Rz. 6.106 f. 5 Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 140; Wassermeyer, IStR 2001, 633. 6 Nach Auffassung der Finanzverwaltung sollte die Steuerfreiheit gem. § 8b Abs. 6 KStG allerdings nicht für Gewerbesteuerzwecke gelten, sodass über Personengesellschaften bezogene Gewinnausschüttungen bis einschließlich Erhebungszeitraum 2003 der Gewerbesteuer unterlegen haben sollen. Gem. § 7 Satz 4 GewStG gilt die Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 6 KStG auch für die Gewerbesteuer; zum gewerbesteuerlichen Schachtelprivileg siehe Rz. 6.120 ff. 7 BMF v. 28.4.2003 – IV A 2 - S 2750a - 7/03, BStBl. I 2003, 292 Rz. 56.
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D. Laufende Besteuerung im Inland
sammenhang mit der Auslandsbeteiligung angefallenen Betriebsausgaben in voller Höhe steuerlich geltend gemacht werden; dies gilt jedoch nicht für Wertminderungen der Beteiligung, die gem. § 8b Abs. 3 KStG nicht abzugsfähig sind. Aus der Pauschalierung der nichtabziehbaren Betriebsausgaben folgt, dass es für den Anteilseigner steuerlich von Vorteil ist, wenn der tatsächliche Aufwand mehr als 5 % der Auslandsbezüge beträgt, da der überschießende Teil steuermindernd wirkt. Beträgt der tatsächliche Aufwand dagegen weniger als 5 % der Bezüge, entsteht eine Steuerbelastung auf nicht bezogene Erträge.1 Bei mehrstufigen Beteiligungsverhältnissen wirkt sich die Regelung des § 8b Abs. 5 KStG auf jeder Stufe aus, sodass ein Kaskadeneffekt entsteht. Es empfiehlt sich daher, den tatsächlichen Aufwand, insbesondere Finanzierungsaufwand, auf der untersten inländischen Stufe anfallen zu lassen sowie auf höheren Ebenen Organschaften zu begründen.
6.74
Die Rückzahlung von Gesellschaftereinlagen (Einlagenrückgewähr) gehört nicht zu den Bezügen i.S.d. § 8b Abs. 1 KStG, soweit sie aus Ausschüttungen einer Körperschaft stammen, für die Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S.d. § 27 KStG als verwendet gelten (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Für die Feststellung der Höhe dieser Bezüge ist eine Differenzrechnung vorzunehmen, sie können nicht frei zugeordnet werden. Bei Beteiligungen im Privatvermögen sind diese Bezüge nicht steuerbar.2 Für im Betriebsvermögen gehaltene Beteiligungen nimmt der BFH3 an, dass diese Bezüge insoweit nicht steuerbar sind, wie sie den Buchwert der Beteiligung nicht übersteigen, der überschießende Betrag soll hingegen zu den steuerbaren Beteiligungserträgen gehören, die jedoch nicht gem. § 8b Abs. 1 KStG steuerfrei sein sollen.4 Die Finanzverwaltung sieht die Einlagenrückgewähr als Veräußerungsvorgang an und wendet hierauf § 8b Abs. 2 KStG an.5 Im Schrifttum überwiegt die Auffassung, die Einlagenrückgewähr § 8b Abs. 1 KStG zu unterstellen.6 Soweit steuerbare,
6.75
1 Mit Beschluss v. 12.10.2010 (1 BvL 12/07, BGBl. I 2010, 1766 = DStR 2010, 2393) hat das BVerfG das pauschale Betriebsausgabenabzugsverbot gem. § 8b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 KStG als mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt; zur Europarechtswidrigkeit des § 8b Abs. 5 KStG für die Jahre 1999–2003 siehe OFD Niedersachsen v. 11.4.2011, DStR 2011, 1274 (1277). 2 Weber-Grellet in Schmidt31, § 20 EStG Rz. 66; jedoch mindern sich insoweit die Anschaffungskosten, BFH v. 19.7.1994 – VIII R 58/92, BStBl. II 1995, 362. 3 BFH v. 28.10.2009 – I R 116/08, DStR 2010, 215; siehe auch BFH v. 19.5.2010 – I R 51/09, DStR 2010, 1833. 4 Der BFH lässt offen, ob auf den überschießenden Betrag die Steuerfreistellung gem. § 8b Abs. 2 KStG anzuwenden ist; kritisch Dötsch/Pung in D/J/P/W, § 8b KStG Rz. 80 m.w.N. 5 BMF v. 28.4.2003 – IV A 2 - S 2750a - 7/03, BStBl. I 2003, 292 Rz. 6; hierdurch wird die Anwendung der siebenjährigen Sperrfrist hingenommen. 6 Dötsch/Pung in D/J/P/W, § 8b KStG Rz. 80; ebenso Herzig, DB 2003, 1459 (1461); a.A. Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 106 f., der auch hinsichtlich der das Einlagekonto übersteigenden Rückzahlungen wegen § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG keine „Bezüge“ anerkennt; dies ist indes zweifelhaft, da diese Vorschrift aus-
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aber gem. § 8b Abs. 1 oder Abs. 2 KStG steuerfrei Einnahmen vorliegen, greift gem. § 8b Abs. 3 bzw. § 8b Abs. 5 KStG die 5 %ige Definitiv-Belastung ein.
6.76 Gemäß § 27 Abs. 8 KStG gelten die Regelungen zum steuerlichen Einlagekonto seit dem Veranlagungszeitraum 2006 auch für Kapitalgesellschaften, die in einem EU-Staat unbeschränkt steuerpflichtig sind, nicht jedoch für sonstige ausländische Körperschaften.1 Da ausländische Kapitalgesellschaften nicht verpflichtet sind, ein Einlagekonto gem. § 27 Abs. 1 KStG zu führen, sie aber darlegungs- und beweispflichtig für die Höhe der Einlagenrückgewähr sind,2 empfiehlt es sich, dass sie die Berechnungsgrundlagen hierzu kontinuierlich dokumentieren. Für Kapitalgesellschaften außerhalb der EU greift § 27 KStG nicht ein, sodass ihre Einlagenrückgewähr in vollem Umfang der 5 %igen Definitiv-Belastung unterliegt.3
6.77 Von der allgemeinen Dividendenfreistellung ausgenommen sind Anteile, die von Finanzunternehmen i.S.d. Kreditwesengesetzes (KWG) zur kurzfristigen Erzielung von Eigenhandelserfolgen oder von Lebens- und Krankenversicherungen als Kapitalanlagen gehalten werden (§ 8b Abs. 7 bzw. 8 KStG). Zu den Finanzunternehmen i.S.d. KWG können auch Holdinggesellschaften von anderen Unternehmen (insbesondere Industrie-Holdings) gehören.4 Zur Feststellung, ob die Anteile der kurzfristigen Erzielung von Eigenhandelserfolgen dienen, ist nach Ansicht der Finanzverwaltung die Zuordnung der Anteile zum Umlaufvermögen entscheidend: Sind die Anteile dem Umlaufvermögen zuzuordnen, soll ein Erwerb mit dem Ziel der kurzfristigen Erzielung eines Eigenhandelserfolgs vorliegen.5 Eine Änderung der einmal vorgenommenen Zuordnung soll nicht möglich sein.
6.78 § 8b Abs. 9 KStG sieht indes eine Rückausnahme für solche Bezüge vor, die der MTR unterliegen. Damit gelten für die Bezüge von EU-Gesellschaften § 8b Abs. 1–6 KStG, ohne die Einschränkungen der Absätze 7 und 8.
1 2 3 4 5
drücklich nur „soweit“ keine Einnahmen annimmt, wie § 27 KStG eingreift, und darüber hinaus keine solche Ausnahme anordnet. Heger in Gosch2, § 27 KStG Rz. 60 ff.; zu den Ungereimtheiten, die sich aus dieser Sichtweise im Verhältnis zu den sonstigen ausländischen Körperschaften ergeben, siehe Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 106 f. m.w.N. Heger in Gosch2, § 27 KStG Rz. 63; kritisch zu den Nachweispflichten des inländischen Gesellschafters Spilker/Peschke, DStR 2011, 385. Haas, IStR 2011, 353 (357), fordert de lege ferenda auch bei der Einlagenrückgewähr von Nicht EU-Körperschaften auf die Definitiv-Belastung gem. § 8b Abs. 5 KStG zu verzichten. BFH v. 14.1.2009 – I R 36/08, DStR 2009, 635; BMF v. 25.7.2002 – IV A 2 - S 2750a - 6/02, BStBl. I 2002, 712 Abschn. C.I. BMF v. 25.7.2002 – IV A 2 - S 2750a - 6/02, BStBl. I 2002, 712 Abschn. C.II.; kritisch hierzu Müller, BB 2003, 1309.
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D. Laufende Besteuerung im Inland
b) Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 EStG Werden die Beteiligungserträge der ausländischen Kapitalgesellschaft von einer natürlichen Person als Anteilseigner erzielt, ist das Teileinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG anwendbar. Danach sind nur 60 % der Dividende in die Steuerbemessungsgrundlage einzubeziehen. Im Gegenzug können gem. § 3c Abs. 2 EStG nur 40 % der Betriebsausgaben abgezogen werden.
6.79
c) Steueranrechnung gem. § 34c Abs. 1 EStG Die Steueranrechnung nach § 34c Abs. 1 EStG (für Kapitalgesellschaften i.V.m. § 26 Abs. 1 und 6 KStG)1 setzt voraus, dass der Steuerpflichtige unbeschränkt steuerpflichtig ist und die ausländische (Quellen-)Steuer der deutschen Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer entspricht. Welche ausländischen Steuern das sind, kann der Anlage 6 zu den Einkommensteuerrichtlinien (EStR) 2008 entnommen werden. § 34d EStG regelt abschließend den Katalog ausländischer Einkünfte. Steuern und Einkünfte, die nicht hierunter fallen, können allenfalls gem. § 34c Abs. 3 EStG abgezogen werden. Die Steuern müssen festgesetzt und gezahlt sein und dürfen keinem Ermäßigungsanspruch2 unterliegen. Die ausländischen Steuern können nur auf diejenigen inländischen Steuern angerechnet werden, die auf Einkünfte aus dem jeweiligen Staat entfallen (per-country-limitation). Sind die ausländischen Steuern höher als die inländischen (infolge eines höheren Steuersatzes oder einer höheren Bemessungsgrundlage), bleibt ein Steuerüberhang, der nicht gem. § 10d EStG vor- oder rückgetragen werden kann.3 In diesem Fall empfiehlt es sich, den Steuerabzug zu wählen (siehe Rz. 6.83 f.). Es ist jedoch zulässig, alle Einkünfte aus dem jeweiligen Staat zu saldieren (per-country-limitation). Übersteigen hiernach die Gewinne aus einer Einkunftsquelle die Verluste aus einer anderen, so ist die auf den Saldo entfallende deutsche Steuer als Anrechnungspotenzial zugrunde zu legen.
6.80
Die Anrechnung der ausländischen Steuern ist durch den Anrechnungshöchstbetrag begrenzt. Gemäß § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG gilt für die Berechnung folgende Formel: deutsche ESt ausl: Einkunfte ¨ Anrechnungshochstbetrag ðAHBÞ ¼ ¨ Summe der Einkunfte ¨
6.81
1 Mit dem JStG 2009 wurde mit § 32d Abs. 5 EStG für die Einkünfte, die der Abgeltungssteuer unterliegen, eine zusätzliche Anrechnungsmethode geschaffen. 2 OFD Koblenz v. 18.5.1989 – S 1301 A - St 341, DB 1989, 1312; entscheidend ist, ob ein Anspruch besteht, es kommt nicht darauf an, ob die Ermäßigung geltend gemacht wird. 3 Insbesondere besteht auch keine Verpflichtung, die im Ausland erhobene Quellensteuer zu erstatten, wenn die inländische Einkommensteuer null beträgt, BFH v. 3.12.2003 – I S 10/03 (PKH), BFH/NV 2004, 525.
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Kapitel 6 Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften
Die ausländischen Einkünfte sind hierzu nach deutschem Steuerrecht zu ermitteln.1 Nur in Deutschland tatsächlich der Besteuerung unterliegende Einkünfte sind nach h.M. in die Berechnung des Anrechnungshöchstbetrages einzubeziehen.2 Seit dem Veranlagungszeitraum 2003 sind außerdem nur noch diejenigen ausländischen Einkünfte zu berücksichtigen, die auch im ausländischen Staat der Besteuerung unterlegen haben (§ 34c Abs. 1 Satz 3 EStG).3 Betriebsausgaben und Betriebsvermögensminderungen, die mit den ausländischen Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, kürzen die ausländischen Einkünfte zusätzlich (§ 34c Abs. 1 Satz 4 EStG). Im Ergebnis bewirkt der Anrechnungshöchstbetrag, dass die ausländischen Einkünfte mit dem jeweils höheren Steuerniveau belastet werden.4
6.82 Seit der Einführung des Teileinkünfteverfahrens unterliegen ausländische Dividenden bei natürlichen Personen als Anteilseignern nur zu 60 % der Besteuerung (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG. Dementsprechend verringern sich der auf die Dividende entfallende Anteil an deutscher Steuer und somit auch der Anrechnungshöchstbetrag. d) Steuerabzug gem. § 34c Abs. 2 EStG
6.83 Bei der Abzugsmethode (§ 34c Abs. 2 EStG, § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG) werden die ausländischen Steuern bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte wie Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen. Diese Methode bietet Erleichterungen, wenn die ausländische Steuer höher ist als die inländische oder wenn Inlandsverluste bestehen, sodass keine inländische Einkommensteuer anfällt. Führt der Abzug zu einem Verlust, kann dieser gem. § 10d EStG vor- oder rückgetragen werden.
6.84 Ausländische Dividenden unterliegen bei natürlichen Personen als Anteilseignern dem Teileinkünfteverfahren. Die auf die Dividende erhobene ausländische (Quellen-)Steuer ist jedoch wie bisher in voller Höhe abzugsfähig. Bei Kapitalgesellschaften als Anteilseignern wird die Abzugsmethode aufgrund der Dividendenfreistellung gem. § 8b Abs. 1 KStG im Vergleich zur Anrechnung stets vorteilhafter sein.5 e) Pauschalierungserlass gem. § 34c Abs. 5 EStG
6.85 Der auf § 34c Abs. 5 EStG und § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG gestützte Pauschalierungserlass6 ermächtigt die Finanzämter, auf Antrag des Steuer1 Vgl. dazu BFH v. 16.3.1994 – I R 42/93, BStBl. II 1994, 799; v. 16.5.2001 – I R 102/00, BStBl. II 2001, 710. 2 BFH v. 4.6.1991 – X R 35/88, BStBl. II 1992, 187; Heinicke in Schmidt31, § 34c EStG Rz. 17; a.A. Schnitger, IStR 2003, 298 m.w.N. 3 Vgl. hierzu die OFD Berlin Vfg. v. 22.1.2004, IStR 2004, 136. 4 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 46 f. 5 Desens, IStR 2003, 613. 6 BMF v. 10.4.1984 – IV C 6 - S 2293 - 11/84, BStBl. I 1984, 252; Beispiele in BStBl. I 1994, 97.
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D. Laufende Besteuerung im Inland
pflichtigen in eigener Zuständigkeit bestimmte ausländische Einkünfte pauschal mit 25 v.H. zu besteuern. Hierunter fallen aktive Einkünfte aus bestimmten gewerblichen Betriebsstätten, aus Anteilen an ausländischen Personengesellschaften und aus Schachtelbeteiligungen (unmittelbare Mindestbeteiligung von 10 v.H., Mindestbesitzdauer von zwölf Monaten) inländischer Kapitalgesellschaften an ausländischen Tochtergesellschaften. Letztgenannte Pauschalierungsmöglichkeit hat aufgrund der Einführung des allgemeinen körperschaftsteuerlichen Schachtelprivilegs in § 8b Abs. 1 KStG derzeit jedoch keinen praktischen Anwendungsbereich. Die Pauschalierung gilt nur für Einkünfte aus Staaten, mit denen kein DBA besteht. Im Gegensatz zur Anrechnungsmethode bewirkt die Pauschalierung, dass Steuervergünstigungen des Quellenstaates, insbesondere von Entwicklungsländern, aufrechterhalten bleiben.1 3. Steuererleichterungen nach DBA-Recht a) Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung Gewinnausschüttungen der ausländischen Kapitalgesellschaft an Gesellschafter, die nach dem DBA in der Bundesrepublik ansässig sind, können nach dem Abkommensrecht entweder von der inländischen Besteuerung ausgenommen werden (Freistellungsmethode entsprechend Art. 23A OECD-MA) oder sie bleiben in der Bemessungsgrundlage der inländischen Besteuerung und es wird lediglich die Quellensteuer, die auf den Ausschüttungen lastet, auf die inländische Steuerschuld angerechnet (Anrechnungsmethode entsprechend Art. 23B OECD-MA). Die Freistellungsmethode gilt im Allgemeinen nur für Schachtelbeteiligungen (siehe Rz. 6.88). Streubesitz-Dividenden unterliegen dagegen üblicherweise der Anrechnungsmethode.
6.86
b) Dividendenbegriff Für die Qualifikation des Dividendenbegriffs in den dem Art. 23 OECDMA entsprechenden Abkommensregelungen ist auf die Dividendendefinition der dem Art. 10 Abs. 3 OECD-MA entsprechenden Abkommensvorschriften zurückzugreifen. Dies folgt z.T. bereits aus ausdrücklichen Verweisungen (z.B. Art. 24 Abs. 2b Doppelbuchst. aa DBA-Portugal). Auch ohne eine ausdrückliche Inbezugnahme des Dividendenartikels lässt sich die Qualifikationsverkettung konkludent dem Abkommenszusammenhang entnehmen.2 Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass der Wohnsitzstaat bei der Dividendenqualifikation der Qualifikation des Quellenstaates folgt, und zwar dann, wenn der Dividendenartikel bei der Dividendendefinition auf das Recht des Quellenstaates verweist (vgl. 1 Der Gesetzgeber hat die Pauschalierung einer unilateralen Freistellung vorgezogen, um den Spielraum für künftige DBA-Verhandlungen nicht über Gebühr zu schmälern, vgl. Wied in Blümich, § 34c EStG Rz. 118. 2 So zutreffend Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 108.
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6.87
Kapitel 6 Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften
Art. 10 Abs. 3 OECD-MA; vgl. hierzu Rz. 6.45 ff.). Dies ist nicht Folge einer wie auch immer abgeleiteten Maßnahme zur Vermeidung von Qualifikationskonflikten,1 sondern beruht auf einer doppelten – hintereinander geschalteten – Verweisungstechnik.2 c) Schachtelbeteiligungen
6.88 Für Schachteldividenden, die eine ausländische Tochtergesellschaft an ihre inländische Muttergesellschaft ausschüttet, gilt regelmäßig die Freistellung von der inländischen Besteuerung – sog. Internationales Schachtelprivileg. Das Schachtelprivileg zielt darauf ab, die wirtschaftliche Doppelbelastung des von der ausländischen Gesellschaft erwirtschafteten Gewinns einerseits mit der ausländischen Körperschaftsteuer auf den Gewinn der ausländischen Gesellschaft und andererseits mit der deutschen Körperschaftsteuer auf die ausgeschütteten Dividenden zu beseitigen. Mit der Einführung der innerstaatlichen Freistellung von Beteiligungserträgen in § 8b Abs. 1 KStG hat sich die Bedeutung des abkommensrechtlich geregelten Internationalen Schachtelprivilegs jedoch deutlich verringert. Insbesondere hinsichtlich der reduzierten Quellensteuersätze in den Abkommen sowie in den Fällen, in denen § 8b Abs. 1 KStG nicht zur Anwendung kommt (siehe Rz. 6.77 f.), bleibt das Internationale Schachtelprivileg weiterhin bedeutsam. Der Ansässigkeitsstaat der Muttergesellschaft wird durch das Internationale Schachtelprivileg nicht verpflichtet, neben der Freistellung der Dividendenerträge auch die Quellensteuer anzurechnen, die der ausländische Staat von den Dividendenausschüttungen erhebt, sodass diese Quellensteuern neben der ausländischen Besteuerung der Kapitalgesellschaftsgewinne als zusätzliche Definitivbelastung bestehen bleiben.
6.89 Das Schachtelprivileg gilt nach den deutschen DBA regelmäßig nur für inländische Kapitalgesellschaften. Durch Erlass der Finanzverwaltung wird das DBA-Schachtelprivileg auf alle unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen erstreckt, die in dem erforderlichen Umfang an der ausländischen Gesellschaft beteiligt sind.3
6.90 Eine Schachtelbeteiligung liegt nach den älteren DBA vor, wenn die inländische Kapitalgesellschaft zu mindestens 25 v.H. (Indien und Pakistan: mehr als 25 v.H.) an der ausländischen Gesellschaft beteiligt ist; in den meisten neueren DBA ist die Beteiligungsquote abkommensrechtlich auf 1 Vgl. dazu Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 191. 2 Vgl. auch Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 137 f. 3 BMF v. 30.12.1983 – IV C 5 - S 1300 - 386/83, DStZE 1984, 19; zu Stiftungen siehe aber BMF v. 12.5.1989 – IV C 5 - S 1300 - 186/89, DStR 1989, 330; zu Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit, Kreditinstituten und Unternehmensstiftungen siehe OFD Frankfurt v. 1.11.1994 – S 3222 A - 1 - St III 30, DB 1994, 2591; siehe auch Grotherr in G/K/G, Art. 23A/23B OECD-MA Rz. 85; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.549.
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D. Laufende Besteuerung im Inland
mindestens 10 v.H. gesenkt.1 Die meisten DBA sehen als Bezugsgröße den Anteil am Kapital der ausländischen Gesellschaft vor. Bereits vor Inkrafttreten des Halbeinkünfteverfahrens (jetzt Teileinkünfteverfahren) wurde das abkommensrechtliche Schachtelprivileg unilateral auf Beteiligungen von mindestens 10 v.H. erweitert (§ 8b Abs. 5 KStG a.F.). Die Schachtelvergünstigung setzt nach den seit 1966 vereinbarten Abkommen zunehmend voraus, dass die Erträge der ausländischen Kapitalgesellschaft aus aktiven Tätigkeiten stammen.2 Ausnahmen bilden u.a. die DBA mit Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien, Japan, den Nachfolgestaaten Jugoslawiens Bosnien-Herzegowina und Mazedonien, Luxemburg, den Niederlanden, Norwegen, Österreich, Schweden, der Türkei sowie mit den USA.3 Wird der Aktivitätsvorbehalt nicht erfüllt, greift statt der Freistellungs- die Anrechnungsmethode. Da die Aktivitätsklauseln der DBA üblicherweise nicht gänzlich mit § 8 AStG übereinstimmen (Ausnahme DBA-Schweiz), konnte es nach alter Rechtslage dazu kommen, dass zwar nicht das abkommensrechtliche Schachtelprivileg, aber die indirekte Anrechnung nach § 26 Abs. 2 KStG a.F. galt.4 Da § 8b Abs. 1 KStG keinen Aktivitätsvorbehalt enthält, greift nach neuer Rechtslage auch bei Erträgen aus passiven Tätigkeiten die innerstaatliche Steuerbefreiung ein, sodass für eine indirekte Steueranrechnung kein Bedarf besteht.
6.91
d) Schachtelbeteiligung und Betriebsausgaben Gemäß § 8b Abs. 5 KStG gelten – unabhängig davon, ob und in welcher Höhe tatsächlich Betriebsausgaben entstanden sind – stets 5 % der Dividendeneinnahmen als nichtabziehbare Betriebsausgabe (vgl. Rz. 6.73 ff.). Ob diese 5 %ige Definitivbelastung auch im Falle eines DBA-Schachtelprivilegs gilt, ist umstritten.5 Zu beachten ist hierbei die Folgewirkung auf § 3c EStG: Ist § 8b Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 KStG auch im Fall eines DBASchachtelprivilegs anzuwenden, ist § 3c EStG gem. § 8b Abs. 5 Satz 2 KStG ausgeschlossen, sodass auch für in unmittelbarem Zusammenhang mit den steuerbefreiten Einkünften stehende Betriebsausgaben kein Ab-
1 Vgl. Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 96. 2 Tabelle bei Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 90. 3 Dort sind aber z.T. subject-to-tax clauses enthalten, z.T. Klauseln über eine Höchstgrenze von Drittstaatseinkünften (Belgien). 4 R 76 Abs. 3 KStR 1995. 5 Dafür Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 66 f., 92, da es sich um Gewinnermittlungsvorschriften handele, die vom DBA nicht erfasst seien; ebenso Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 15.153; a.A. Hageböke, IStR 2009, 473 mit Hinweis auf BFH v. 14.1.2009 – I R 47/08 und v. 22.6.2006 – I R 30/05, BFH/NV 2006, 1659, der ein Wahlrecht für die jeweils günstigere Regelung zulassen will, wie sie auch für das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg gelte (R 9.5 Satz 7 GewStR 2009); nicht eindeutig Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 483.
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6.92
Kapitel 6 Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften
zugsverbot besteht. Wenn § 8b Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 KStG durch das DBASchachtelprivileg verdrängt wird, greift hingegen § 3c EStG ein.1
6.93 Um die 5 %ige Definitivbelastung auf die Dividendeneinnahmen herauszuzögern, kann das unter der früheren Rechtslage entwickelte „Ballooning-Konzept“ weiterhin angewandt werden. Danach thesauriert die ausländische Tochtergesellschaft ihre Gewinne in den ersten Jahren und es wird erst in späteren Jahren Ausschüttungen oder eine Anteilsveräußerung vorgenommen. Während der Thesaurierungsphase findet mangels einer Gewinnausschüttung keine Besteuerung statt. Da abweichend von der früheren Rechtslage die Betriebsausgaben unabhängig davon, ob ausgeschüttet wird oder nicht, steuerlich abgezogen werden können, besteht der Vorteil des Balloonings nach neuer Rechtslage somit bezüglich der Zinsen bei einer Besteuerung in späteren Wirtschaftsjahren. e) Schachtelbeteiligungen und Organschaft
6.94 Ist die inländische Kapitalgesellschaft, die die Schachtelbeteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft hält, Organgesellschaft i.S.v. § 14 Abs. 1 KStG, so kann nicht sie, sondern nur der Organträger das DBASchachtelprivileg nutzen, dies allerdings nur, wenn er selber persönlich abkommensberechtigt ist (§ 15 Satz 2 i.V.m. § 15 Satz 1 Nr. 2 KStG). Dies gilt auch dann, wenn der Organträger beschränkt steuerpflichtig ist und die Organträger-Funktion über eine inländische Betriebsstätte ausübt.2 f) Fiktive Quellensteuern
6.95 Mit einigen DBA-Staaten – insbesondere Entwicklungsländern – ist die Anrechnung fiktiver Quellensteuern auf Dividenden vorgesehen.3 Die Regelung zielt darauf ab, Steueranreize des Quellenstaates beim Anrechnungsverfahren nicht zu verlieren. Denn da bei der Anrechnungsmethode die Steuerbelastung auf das Niveau des Ansässigkeitsstaates des Dividendenempfängers heraufgeschleust wird, führen niedrige Quellensteuern nur zu einem höheren Steueraufkommen des Ansässigkeitsstaates und entlasten nicht den Anteilseigner.
6.96 Die Anrechnung fiktiver Quellensteuern baut rechtstechnisch auf dem normalen Anrechnungsverfahren auf. Im Anschluss an die Regelungen zum Anrechnungsverfahren treffen die Vertragsstaaten z.B. folgende Bestimmung: „Für die Zwecke des Anrechnungsverfahrens wird davon ausgegangen, dass die Steuer des Quellenstaates auf Dividenden oder Zinsen einen bestimmten Prozentsatz beträgt. Dieser Prozentsatz stellt den Mindestbetrag der Anrechnung dar.“
1 Siehe die Beispielsrechnungen hierzu bei Hageböke, IStR 2009, 473. 2 Neumann in Gosch2, § 15 KStG Rz. 34. 3 Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 190 ff.
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D. Laufende Besteuerung im Inland
Durch die Steuerfreistellung von Dividenden gem. § 8b Abs. 1 KStG entfällt regelmäßig die Möglichkeit einer fiktiven Anrechnung. Nur in dem Fall, dass noch auf andere Einkünfte aus demselben Quellenstaat die Anrechnungsmethode Anwendung findet, ist die fiktive Anrechnung aufgrund der abkommensrechtlichen Verpflichtung zur Anrechnung im Rahmen der Berechnung des Anrechnungshöchstbetrages zu berücksichtigen.1
6.97
Eine Anrechnung fiktiver Quellensteuern auf Dividenden sehen die Abkommen mit u.a. mit folgenden Staaten vor: Ägypten, Argentinien, Bangladesch, China, Elfenbeinküste, Griechenland, Indien, Iran, Israel, Jamaika, Kenia, Malaysia, Malta, Marokko, Mauritius, Mexiko, Mongolei, Philippinen, Portugal, Sri Lanka, Trinidad und Tobago, Türkei, Tunesien, Venezuela, Vietnam und Zypern. Die Anrechnung fiktiver Quellensteuern ist vielfach mit einem Aktivitätsvorbehalt verknüpft.2
6.98
g) Verhältnis zu unilateralen Steuererleichterungen Greift ein DBA ein, werden die unilateralen Regelungen über Steuererleichterungen ergänzend hinzugezogen, soweit das DBA keine abweichende Regelung trifft (§ 34c Abs. 6, § 26 Abs. 6 KStG; siehe auch Rz. 6.80 f.). So ermittelt sich der Anrechnungshöchstbetrag – soweit im DBA überhaupt vorgesehen – regelmäßig schon kraft DBA-Verweisung auf das inländische Recht nach Maßgabe des § 34c Abs. 1 EStG;3 sieht das DBA nur die Anrechnung vor, kann wahlweise auch die Abzugsmethode des § 34c Abs. 2 EStG in Anspruch genommen werden;4 beseitigt das DBA die Doppelbesteuerung nicht, kommen sowohl § 34c Abs. 1 als auch Abs. 2 EStG in Betracht.
6.99
4. Steuererfolgen bei Weiterausschüttung Schüttet die inländische Kapitalgesellschaft die steuerfrei erhaltene Dividende an eine inländische Körperschaft aus, bleibt diese Dividende gem. § 8b Abs. 1 KStG bei der Ermittlung des Einkommens der empfangenden Körperschaft außer Ansatz. § 8b Abs. 1 KStG setzt weder eine Mindestbeteiligungsquote an der ausschüttenden inländischen Körperschaft noch eine Mindestbehaltefrist voraus. Zu beachten ist die (ab Veranlagungszeitraum 2004 auch für inländische Beteiligungen geltende) Definitivbelastung gem. § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG. Da diese Regelung auf jeder Beteiligungsstufe erneut eingreift, entstehen Kaskadeneffekte, die sich zu nennenswerten Belastungen aufsummieren können.5 Betriebsausgaben, die mit den steuerfreien Einnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang 1 2 3 4 5
Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 197. Vgl. die Übersicht bei Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 191. Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 177. R 34c Abs. 5 EStR 2008. Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 452 m.w.N.
Henkel
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6.100
Kapitel 6 Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften
stehen, können auf der jeweiligen Stufe, auf der sie anfallen, uneingeschränkt abgezogen werden (§ 8b Abs. 5 Satz 2 KStG).
6.101 Die Ausschüttungen der inländischen Kapitalgesellschaft unterliegen gem. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 3 EStG der Kapitalertragsteuer. Bei inländischen Anteilseignern gehört die Kapitalertragsteuer zu den Bezügen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG und bleibt daher bei empfangenden Körperschaften nach § 8b Abs. 1 KStG außer Ansatz. Im Rahmen der Körperschaftsteuerveranlagung wird sie in voller Höhe auf die Körperschaft der empfangenden Körperschaft angerechnet (§ 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG),1 sodass der Steuerabzug insoweit neutralisiert wird. Eine Belastung stellt die Kapitalertragsteuer aber zum einen für in einem Nicht-DBA-Staat ansässige ausländische Anteilseigner dar, sofern nach dem Recht des Ansässigkeitsstaates keine Anrechnungsmöglichkeit vorgesehen ist, und zum anderen für in einem DBA-Staat ansässige ausländische Muttergesellschaften, für die die Dividenden aufgrund einer Schachtelfreistellung nicht steuerpflichtig sind.2 Der Kapitalertragsteuereinbehalt hat für beschränkt Steuerpflichtige ohne inländisches Betriebsvermögen aus deutscher Sicht abgeltende Wirkung (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG).
6.102 Werden die Dividenden von der inländischen Kapitalgesellschaft an eine unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Person ausgeschüttet, ist die Dividende gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG nur zu 40 % steuerfrei. Mit der Beteiligung in wirtschaftlichem Zusammenhang stehende Betriebsausgaben können nach § 3c Abs. 2 EStG ebenfalls nur zu 40 % berücksichtigt werden. Die auf die Dividende einbehaltene Kapitalertragsteuer wird jedoch in voller Höhe angerechnet (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG).3
6.103 Werden die Dividenden von der ausländischen Kapitalgesellschaft an eine inländische Organgesellschaft ausgeschüttet, kommt § 8b Abs. 1 KStG nur dann zur Anwendung, wenn die Anwendungsvoraussetzungen des § 8b Abs. 1 KStG auf der Ebene des Organträgers erfüllt sind (§ 15 Nr. 2 KStG, sog. Bruttomethode).4 Hierdurch wird verhindert, dass natürliche Personen durch die Einschaltung einer Organschaft in den Genuss steuerfreier Einnahmen gem. § 8b Abs. 1 KStG kommen. 5. Ergebniskorrekturen
6.104 Neben den offenen Gewinnausschüttungen kann der inländische Gesellschafter auch aufgrund von Ergebniskorrekturen besteuert werden. Rechtsgrundlagen hierfür sind vGA gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, verdeck1 BMF v. 28.4.2003 – IV A 2 - S 2750a - 7/03, BStBl. I 2003, 292 Rz. 11. 2 In diesem Fall besteht wegen der Freistellung von der Steuer keine Anrechnungsmöglichkeit; vgl. hierzu auch Henkel, DB 1993, 896. 3 Drenseck in Schmidt31, § 36 EStG Rz. 11. 4 Vgl. BMF v. 26.8.2003 – IV A 2 - S 2770 18/03, BStBl. I 2003, 437 Rz. 21 ff.
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te Einlagen gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG, Gewinnberichtigungen nach § 1 AStG und der Hinzurechnungsbetrag nach §§ 7 ff. AStG. Dazu müssen deren jeweilige Voraussetzungen erfüllt sein. Einen für das Ertragsteuerrecht allgemein geltenden Grundsatz, nach dem Gewinnverlagerungen stets zu versteuern sind, gibt es nicht.1 Entsprechend uneinheitlich ist auch das Verhältnis der einzelnen Ergebniskorrekturregelungen zu den hier behandelten unilateralen und abkommensrechtlichen Steuererleichterungen. a) Verdeckte Gewinnausschüttungen Eine vGA i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH2 eine bei einer Kapitalgesellschaft eintretende Vermögensminderung (oder verhinderte Vermögensmehrung), die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Einkommens (jetzt: den Unterschiedsbetrag gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG3) auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht. Auf den Mittelabfluss bei der Gesellschaft oder den Zufluss beim Gesellschafter kommt es dabei grundsätzlich nicht an,4 jedoch muss die Vermögensminderung bei der Kapitalgesellschaft jedenfalls geeignet sein, beim Gesellschafter einen Bezug i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG hervorzurufen.5
6.105
aa) Einschränkungen der Steuerfreiheit bei vGA Bei Anteilseignern in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft gilt die Steuerfreistellung gem. § 8b Abs. 1 auch für die vGA.6 Bei einer vGA wird die Steuerfreiheit des § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG jedoch gem. § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG versagt, wenn es bei der leistenden Gesellschaft an einer steuerlichen Vorbelastung fehlt.7 Das ist bei inländischen Gesellschaften der Fall, wenn die vGA bei ihr nicht im Rahmen der Einkommensermittlung korrigiert wird und auch eine nachträgliche Korrektur gem. § 32a Abs. 1 KStG nicht möglich ist. Bei ausländischen Kapitalgesellschaften greift 1 BFH v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348. 2 Grundlegend BFH v. 22.2.1989 – I R 9/85, BStBl. II 1989, 631; v. 30.7.1997 – I R 65/96, BStBl. II 1998, 402. 3 Um auch steuerfreie Einkünfte zu erfassen, wurde die Begriffsbestimmung erweitert und anstelle des Einkommens der „Unterschiedsbetrag“ verwendet, Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 169 m.w.N. 4 BFH v. 22.2.1989 – I R 44/85, BStBl. II 1989, 475. 5 BFH v. 7.8.2002 – I R 2/02, BStBl. II 2004, 131; v. 25.5.2004 – VIII R 4/01, BFH/NV 2005, 105; Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 170. 6 BMF v. 28.4.2003 – IV A 2 - S 2750a 7/03, BStBl. I 2003, 292 Rz. 5; Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 103. 7 Strittig, ob neben der „Minderung des Einkommens“ auch eine verhinderte Vermögensmehrung erfasst ist; dafür Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 148; Frotscher in Frotscher/Maas, § 8b KStG Rz. 29i; a.A. Dörfler/Heurung/Adrian, DStR 2007, 370 (374); Schnitger/Rometzki, BB 2008, 1648 (1651).
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6.106
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dieser Ausschluss ein, wenn die Auskehrung nach deutschem Steuerrecht als vGA qualifiziert wird und nach ausländischem Steuerrecht keine Korrektur stattfindet; dies gilt auch dann, wenn das ausländische Steuerrecht eine betriebliche Veranlassung für die Aufwendungen anerkennt.1
6.107 § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG macht hiervon eine Rückausnahme im Falle der vGA an eine nahe stehende Person. Dies betrifft insbesondere vGA im Dreiecksverhältnis, also z.B. die Unterpreislieferung einer Tochterkapitalgesellschaft an ihre Schwestergesellschaft: In diesem Fall liegen eine vGA der leistenden Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft und eine verdeckte Einlage der Muttergesellschaft in die empfangende Tochtergesellschaft vor.2 Die Rückausnahme soll also den Fall erfassen, in dem die vGA das Einkommen bei der nahe stehenden Person erhöht hat und keine Korrektur gem. § 32a KStG eingreift. Ist die leistende Gesellschaft im Ausland ansässig (und nach ausländischem Steuerrecht findet keine Korrektur statt) und die empfangende Gesellschaft im Inland, verhindert die Rückausnahme also die Besteuerung der vGA bei der Muttergesellschaft.3 Sind indes beide Tochtergesellschaften im Ausland ansässig und wird die vGA nach dem jeweiligen ausländischen Steuerrecht weder bei der leistenden noch bei der empfangenden Gesellschaft korrigiert, werden nach dieser Gesetzestechnik – allerdings systemwidrig – in Deutschland steuerpflichtige Bezüge angenommen.4
6.108 Erhebt der ausländische Staat Quellensteuern auf die Leistungen (z.B. weil die Leistungen nach ausländischem Recht als Zinsen oder Lizenzgebühren qualifizieren), werden diese gem. § 26 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 2 KStG angerechnet.5
6.109 § 8b Abs. 1 Satz 3 KStG sichert die Steuerpflicht einer vGA bei der inländischen Körperschaft gem. § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG für den Fall eines DBA-Schachtelprivilegs ab: Danach wird nicht nur die Steuerfreiheit des § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG, sondern auch die ggf. überlagernde Freistellung nach einem DBA-Schachtelprivileg im Wege des Treaty Override durchbrochen.6
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Frotscher in Frotscher/Maas, § 8b KStG Rz. 29i. Hierzu Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 235 f. Siehe das Beispiel bei Frotscher in Frotscher/Maas, § 8b KStG Rz. 29q. Kritisch hierzu Frotscher in Frotscher/Maas, § 8b KStG Rz. 29q; Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 149e m.w.N.; Haas, IStR 2011, 353 (355 f.; das Korrespondenzprinzip sollte auf Inlandssachverhalte beschränkt werden). Kritisch ist auch, dass selbst bei Freistellung der vGA in Folge der Rückausnahme § 8b Abs. 5 KStG eingreift und 5 % der Bezüge als nichtabzugsfähige Betriebsausgabe anzusehen sind, Frotscher in Frotscher/Maas, § 8b KStG Rz. 29q. 5 Frotscher in Frotscher/Maas, § 8b KStG Rz. 29n. 6 Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 149g; Frotscher in Frotscher/Maas, § 8b KStG Rz. 29m.
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bb) Steueranrechnung bei vGA Die beim inländischen Anteilseigner zu erfassenden vGA einer ausländischen Kapitalgesellschaft sind für die Anwendung der §§ 34c EStG, 26 KStG als ausländische Einkünfte anzusehen.1 Daraus folgt für die (direkte) Steueranrechnung (§ 34c Abs. 1 EStG, § 26 Abs. 1 KStG), dass einerseits eine hierauf entfallende Kapitalertragsteuer des Sitzstaates der Gesellschaft bis zum Anrechnungshöchstbetrag auf die deutsche Körperschaftsteuer angerechnet werden kann und dass andererseits das Anrechungspotenzial um die auf die vGA entfallende deutsche Einkommenbzw. Körperschaftsteuer steigt.
6.110
cc) DBA-Recht und vGA Für die Anwendung des Abkommensrechts auf die vGA gilt Folgendes: In 6.111 den neueren DBA umfasst der Dividendenbegriff regelmäßig auch die vGA, sodass für sie auch die Abkommenserleichterungen gewährt werden. Ob eine vGA vorliegt, richtet sich dann danach, ob der Quellenstaat diese Einkünfte wie Dividendeneinkünfte besteuert; an diese Qualifikation ist der Ansässigkeitsstaat gebunden.2 Umfasst die Dividendendefinition des Abkommens nicht die vGA, greift die Auffangklausel ein (Art. 21 OECD-MA), die alle im DBA nicht genannten Einkünfte ausschließlich dem Ansässigkeitsstaat zur Besteuerung zuweist. Enthält das DBA keine für beide Vertragsstaaten einheitlich geltende Dividendendefinition, z.B. DBA-Irland, so fallen unter den abkommensrechtlichen Dividendenbegriff diejenigen Einnahmen, die nach dem Recht des Anwenderstaates – hier der Bundesrepublik – der Dividendenbesteuerung unterliegen (vgl. Art. II Abs. 3 DBA-Irland), also in Deutschland auch die vGA (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG).3 b) Verdeckte Einlage Auf der Ebene des Gesellschafters führt die verdeckte Einlage eines einlagefähigen Wirtschaftsguts aus seinem Betriebsvermögen zu einer Gewinnrealisierung: Die Anschaffungskosten der Beteiligung erhöhen sich um den Teilwert des eingelegten Wirtschaftsguts (§ 6 Abs. 6 Satz 2 EStG i.V.m § 8 Abs. 1 KStG).4 Bringt eine Körperschaft Anteile an einer Kapitalgesellschaft ein, ist der entstehende Buchgewinn gem. § 8b Abs. 2 Satz 6 KStG unter den sonstigen Voraussetzungen des § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei. Die verdeckte Einlage einer im Privatvermögen gehaltenen wesentli-
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Vgl. Flick/Wassermeyer/Lüdicke in F/W/B/S, § 34d EStG Rz. 152, 158. Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 186. Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 227. Wurde das Wirtschaftsgut innerhalb von drei Jahren vor der verdeckten Einlage angeschafft, werden die stillen Reserven gem. § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG nicht bei der einbringenden Gesellschaft realisiert, Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 744 f.
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6.112
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chen Beteiligung i.S.d. § 17 EStG wird gem. § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG einer entgeltlichen Veräußerung gleichgestellt.
6.113 Die steuerlichen Folgen der verdeckten Einlage auf der Ebene der ausländischen Gesellschaft richten sich allein nach ausländischem Steuerrecht. c) § 1 AStG
6.114 Die Einkünftekorrektur gem. § 1 AStG erfasst nur Geschäftsbeziehungen des inländischen Gesellschafters zum Ausland, nicht aber solche im Ausland oder vom Ausland zum Inland.1 Als Geschäftsbeziehung ist gem. § 1 Abs. 5 AStG jede schuldrechtliche Beziehung anzusehen, die keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung ist.2 Da § 1 AStG gegenüber der vGA und der verdeckten Einlage subsidiär ist, verbleibt nur ein eingeschränkter Anwendungsbereich für diese Einkünftekorrektur.3 Soweit Einkünftekorrekturen nach § 1 AStG zugleich vGA darstellen, gilt für die unilateralen und abkommensrechtlichen Steuererleichterungen das zuvor zur vGA Gesagte. Im Übrigen finden die Steuererleichterungen des § 8b KStG keine Anwendung auf den Einkünftekorrekturbetrag. Da der Betrag der Einkünftekorrektur weder bei der Rückgängigmachung des Vorteils noch im Beteiligungsansatz berücksichtigt wird, wird eine Doppelbesteuerung dadurch vermieden, dass bei dem inländischen Gesellschafter außerbilanziell ein Merkposten i.H. des Korrekturbetrags gebildet wird, der mit Rückerstattungen oder im Falle der Veräußerung oder Liquidation berücksichtigt wird.4 d) Hinzurechnungsbesteuerung
6.115 Die Hinzurechnungsbesteuerung i.S.d. §§ 7 ff. AStG führt beim inländischen Anteilseigner zu Einkünften aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG bzw., soweit die Anteile an der ausländischen Gesellschaft zu einem Betriebsvermögen gehören, zu Einkünften aus Gewerbebetrieb, aus Land- und Forstwirtschaft oder aus selbständiger Arbeit (§ 10 Abs. 2 Satz 1 und 2 AStG). Die Steuerbefreiungen für Beteiligungserträge gem. § 8b Abs. 1 KStG bzw. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG finden gem. § 10
1 BFH v. 20.4.1988 – I R 41/82, BStBl. II 1988, 868 (873); v. 28.4.2004 – I R 5, 6/02, BStBl. II 2005, 516; Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 88 f. 2 BFH v. 29.11.2000 – I R 85/99, BStBl. II 2002, 720 zu einer Konzernbürgschaft; Nichtanwendungserlass des BMF v. 17.10.2002 – IV B 4 - S 1341 - 14/02, BStBl. I 2002, 1025, aufgehoben durch BMF v. 12.1.2010 – IV B 5 - S 1341/07/10009 (2010/0002173), BStBl. I 2010, 34, als Folge auf BFH v. 27.8.2008, I R 28/07, BFH/ NV 2009, 123; vgl. hierzu Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 1453 ff. m.w.N. 3 Typischer Beispielsfall: Inländische Muttergesellschaft gewährt ein nicht oder niedrig verzinstes Darlehen an ihre ausländische Tochtergesellschaft; Kraft in Kraft, § 1 AStG Rz. 13. 4 BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Rz. 8.3; Kraft in Kraft, § 1 AStG Rz. 154.
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Abs. 2 Satz 3 AStG auf den Hinzurechnungsbetrag keine Anwendung.1 Findet eine Korrektur nach § 1 AStG bei gleichzeitigem Eingreifen der Hinzurechnungsbesteuerung nach § 7 ff. AStG statt, soll eine Doppelbesteuerung durch eine Gegenberichtigung der Zwischeneinkünfte der Muttergesellschaft vermieden werden.2 Hat eine Hinzurechnungsbesteuerung stattgefunden, sind nachfolgende Gewinnausschüttungen, soweit sie innerhalb von sieben Jahren aus einer Beteiligung an derselben ausländischen Gesellschaft erfolgen, gem. § 3 Nr. 41 EStG, bei Körperschaften i.V.m. § 8b Abs. 1 KStG, steuerfrei. Gleichwohl soll die 5 %ige Definitiv-Belastung gem. § 8b Abs. 5 und § 8b Abs. 3 Satz 1 f. KStG anzuwenden sein.3
6.116
e) Gewinnberichtigungsklauseln der DBA Die deutschen DBA enthalten für verbundene Unternehmen regelmäßig eine dem Art. 9 OECD-MA entsprechende Gewinnberichtigungsvorschrift. Diese Klauseln schaffen nach h.M. keinen Rechtsgrund für eine Berichtigung, sondern schränken die ggf. bestehenden nationalen Gewinnberichtigungsvorschriften lediglich ein.4 Dies betrifft grundsätzlich alle Arten von Gewinnkorrekturen.
6.117
6. Gewerbesteuer a) Umfang der Gewerbesteuerpflicht Hält der inländische Gesellschafter die Beteiligung an der ausländischen Kapitalgesellschaft in seinem Betriebsvermögen, sind die Gewinnausschüttungen und sonstigen Bezüge grundsätzlich gewerbesteuerpflichtig. Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer ist der nach den Vorschriften des EStG oder des KStG zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb (§ 7 Abs. 1 GewStG). Hierzu gehören grundsätzlich nicht nur die Gewinnausschüttungen ausländischer Tochtergesellschaften, sondern auch eventuelle Gewinnkorrekturen (vGA, § 1 AStG), Veräußerungsgewinne aus Anteilen an ausländischen Tochterkapitalgesellschaften sowie unter bestimmten Voraussetzungen Teilwertabschreibungen.5 Gewinnausschüttungen (sowie sonstige Bezüge) und Veräußerungsgewinne werden i.d.R. gem. § 8b Abs. 1 KStG bzw. § 8b Abs. 2 KStG (abgesehen von 1 Kritisch dazu Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 28. 2 BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Rz. 8.31.5.2; BFH v. 19.3.2002 – I R 4/01, BStBl. II 2002, 644; ablehnend Protzen in Kraft, § 7 AStG Rz. 145 f. 3 OFD Nds. v. 11.4.2011 – S 2750a - 18St 242, DStR 2011, 1274 (1276). 4 Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 18 m.w.N. 5 Die Hinzurechnung gem. § 8 Nr 10 GewStG wirkt sich bei Kapitalgesellschaften nicht aus, da bei ihnen die Teilwertabschreibung bereits gem. § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG unberücksichtigt bleibt, siehe Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 479.
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6.118
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der 5 %igen Definitivbelastung gem. § 8b Abs. 3 und Abs. 5 KStG) sowie gem. § 3 Nr. 40 EStG (zu 60 %) freigestellt. Über § 7 GewStG wirken sich diese Steuerbefreiungen auch auf die Gewerbesteuer aus. Dies gilt auch, wenn die Beteiligung an der Tochtergesellschaft mittelbar über eine Personengesellschaft gehalten wird.1 In die Ertragsrechnung des inländischen Gewerbebetriebs fließt auch der Hinzurechnungsbetrag nach§ 10 AStG ein (siehe Rz. 7.115). Nicht gewerbesteuerpflichtig sind Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinne von Betrieben oder Teilbetrieben einer Mitunternehmerschaft sowie von Beteiligungen an Mitunternehmerschaften, soweit sie auf eine unmittelbar beteiligte natürliche Person entfallen (§ 7 Satz 2 GewStG); die Veräußerung einer 100 %igen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft durch eine natürliche Person gehört hingegen zum laufenden Gewinn (unter Beachtung des Teileinkünfteverfahrens), es sei denn, die Veräußerung steht in zeitlichem und wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe.2
6.119 Zur Ermittlung des Gewerbeertrages wird der sich nach den Vorschriften des EStG oder des KStG zu ermittelnde Gewinn um spezifische gewerbesteuerliche Hinzurechnungen (§ 8 GewStG) und Kürzungen (§ 9 GewStG) vermehrt oder vermindert. Hinzugerechnet werden gem. § 8 Nr. 5 GewStG die nach § 3 Nr. 40 EStG oder § 8b KStG steuerfreien Gewinnanteile (Dividenden) und die diesen gleichgestellten Bezüge und erhaltenen Leistungen nach Abzug der mit ihnen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden, nach dem EStG bzw. KStG ansonsten nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben (vgl. § 3c EStG, § 8b Abs. 5 KStG). Veräußerungsgewinne unterliegen nicht der Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 5 GewStG. Die Hinzurechnung erfolgt jedoch nur, soweit nicht das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg eingreift (siehe Rz. 6.120 ff.). Hinzugerechnet werden gem. § 8 Nr. 1 GewStG ferner Entgelte für Schulden (siehe Rz. 6.128) und gem. § 8 Nr. 12 GewStG bestimmte abgezogene Steuern (siehe Rz. 6.129). b) Gewerbesteuerliches Schachtelprivileg
6.120 Das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg setzt voraus, dass das inländische Unternehmen – Einzelunternehmen, Personen- oder Kapitalgesellschaft – an der ausländischen Kapitalgesellschaft (Geschäftsleitung und Sitz im Ausland) seit Beginn des Erhebungszeitraums ununterbrochen mindestens zu 15 v.H. beteiligt ist und die ausländische Gesellschaft ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich3 aus Aktivitäten 1 BMF v. 28.4.2003 – IV A 2 - S 2750a - 7/03, BStBl. I 2003, 292 Rz. 57; zur Rechtslage ab dem Erhebungszeitraum 2004 vgl. § 7 Satz 4 GewStG. 2 Selder in Glanegger/Güroff, § 7 GewStG Rz. 53. 3 Das heißt nach h.M. regelmäßig zu wenigstens 90 v.H., R 65 Abs. 4 Satz 3 GewStR 1998 i.V.m. R 76 Abs. 9 Satz 2 KStR 1995; BFH v. 30.8.1995 – I R 77/94, BStBl. II 1996, 122; a.A. Güroff in Glanegger/Güroff, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 6, der unter „fast ausschließlich“ einen höheren Anteil versteht; diese abweichende Meinung beachtet jedoch nicht genügend, dass der Gesetzgeber die Formulie-
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i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 1–6 AStG und aus Schachtelbeteiligungen an Landesoder Funktionsholdinggesellschaften bezieht. Das Aktivitätserfordernis entfällt bei Schachtelbeteiligungen an ausländischen EU-Kapitalgesellschaften (§ 9 Nr. 7 Satz 1 Halbs. 2 GewStG). Das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg nach § 9 Nr. 7 GewStG gilt unabhängig davon, ob die ausländische Gesellschaft nach ausländischem Recht eine eigene Rechtsfähigkeit besitzt.1 Entscheidend ist, ob die Gesellschaft nach dem Typenvergleich (siehe Rz. 6.6 f.) einem inländischen Körperschaftsteuersubjekt entspricht.
6.121
Das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg ist gem. § 9 Nr. 7 Satz 4 GewStG auf Antrag auch auf Dividenden von ausländischen Kapitalgesellschaften (Enkelgesellschaften) anzuwenden, an denen das inländische Unternehmen über eine Tochtergesellschaft durchgerechnet wenigstens zu 15 v.H. mittelbar beteiligt ist (dreistufiges Schachtelprivileg); die Enkelgesellschaft muss ihre Erträge fast ausschließlich aus Aktivitäten i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 1–6 AStG beziehen, während die Tochtergesellschaft in diesem Fall nicht aktiv i.S.d. § 8 AStG sein muss. Das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg können nicht nur Kapitalgesellschaften geltend machen, es gilt für alle Unternehmen, die die Beteiligung in ihrem Betriebsvermögen halten. Ist die ausländische Tochtergesellschaft mitunternehmerisch an einem weiteren Unternehmen beteiligt, sind ihr die im Rahmen der Mitunternehmerschaft erzielten Bruttoerträge anteilig zuzurechnen; dass gilt auch bei einer mehrstufigen mitunternehmerischen Beteiligung.2
6.122
Sind die Voraussetzungen des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs nicht erfüllt, weil z.B. eine Beteiligung von unter 15 % besteht (PortfolioBeteiligung), oder die Aktivitätsanforderungen3 oder die Haltefrist nicht erfüllt sind, sind die Erträge aus der Beteiligung an der ausländischen Kapitalgesellschaft aufgrund der Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 5 GewStG gewerbesteuerpflichtig. Da die mit der Beteiligung in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage mindern und nicht der Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 5 GewStG unterliegen, wird im Ergebnis nur die „Netto-Dividende“ von der Hinzurechnung erfasst.4
6.123
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rung „fast ausschließlich“ in Kenntnis der ständigen Verwaltungspraxis in das Gesetz aufgenommen hat und auch bei der Änderung der Beteiligungshöhe (BGBl. I 1983, 1583) keinen Anlass gesehen hat, der Auslegung der Finanzverwaltung entgegenzutreten. Lenski/Steinberg, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 4; Güroff in Glanegger/Güroff, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 3. BFH v. 13.2.2008 – I R 75/07, DStR 2008, 1326. Bei EU/EWR-Kapitalgesellschaften kann das Aktivitätserfordernis zweifelhaft sein, da es keinen Gegenbeweis zulässt, siehe dazu Gosch, IIFS 2011, Heft 177, 14 f. Güroff in Glanegger/Güroff, § 8 Nr. 5 GewStG Rz. 3; nach Güroff soll in dem Fall, in dem die Betriebsausgaben, die Gewinnanteile übersteigen, der negative
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Kapitel 6 Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften
6.124 Soweit Gewinnausschüttungen gem. § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG freigestellt sind, werden sie von der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung ausgenommen (§ 8 Nr. 5 Satz 2 GewStG).1
6.125 Greift ein DBA ein, das Schachtelerträge von der Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer ausnimmt, wirkt sich dies auch auf die Ausgangsgröße des § 7 GewStG aus, wenn das DBA auch für die Gewerbesteuer gilt.2 Das ist inzwischen bei sämtlichen deutschen Abkommen der Fall, sodass sich bei Eingreifen eines DBA ein gewerbesteuerliches Schachtelprivileg über die Grenze erübrigt.
6.126 Das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg nach einem DBA kann nur eingreifen, wenn die ausländische Gesellschaft eine selbständig abkommensberechtigte Person ist; dies entscheidet sich üblicherweise nach der Begriffsbestimmung der „Gesellschaft“ in den Art. 3 Abs. 1b OECD-MA entsprechenden Abkommensvorschriften; deckt sich das jeweilige Abkommen mit dem OECD-Musterabkommen, so sind die Gesellschaften abkommensberechtigt, die juristische Personen sind oder von den Steuergesetzen des Vertragsstaats, in dem sie errichtet worden sind, wie juristische Personen behandelt werden.3 Damit können neben Beteiligungen an Kapitalgesellschaften auch Beteiligungen an Personengesellschaften schachtelprivilegiert sein, wenn sie vom ausländischen Steuerrecht wie juristische Personen besteuert werden.
6.127 Greift ausschließlich ein DBA-Schachtelprivileg ein, weil die Voraussetzungen des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs gem. § 9 Nr. 7 GewStG nicht erfüllt sind (Beteiligung unter 15 %, keine aktiven Einkünfte, Nichteinhaltung der Mindestbeteiligungsdauer) und wird die Doppelbesteuerung der ausländischen Beteiligungserträge durch die Freistellungsmethode vermieden, unterliegen die Erträge ebenfalls nicht der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG.4 Sieht das DBA hingegen als Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung die Anrechnung vor, bleibt die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von dem DBA-Schachtelprivileg unberührt. c) Entgelte für Schulden
6.128 Hinzugerechnet werden gem. § 8 Nr. 1 GewStG 25 v.H. der Entgelte für Schulden. Dies umfasst auch den Finanzierungsaufwand für Darlehen,
1 2 3 4
Betrag angesetzt werden; a.A. Hofmeister in Blümich, § 8 GewStG Rz. 586 m.w.N. Das betrifft die Fälle, in denen die den Gewinnausschüttungen zugrunde liegenden Erträge der Hinzurechnungsbesteuerung nach dem AStG unterliegen; siehe Rz. 6.116. BFH v. 14.1.2008 – I R 47/08, BStBl. II 2011, 131. Vgl. OECD-MA zu Art. 3 Nr. 3. BFH v. 23.6.2010 – I R 71/09, BStBl. II 2011, 129; Hageböke, IStR 2009, 473; Prinz/Simon, DStR 2002, 149; Haas, DB 2002, 549.
938
Henkel
D. Laufende Besteuerung im Inland
die zum Zwecke des Erwerbs der Beteiligung an der ausländischen Kapitalgesellschaft aufgenommen werden. Voraussetzung für die Hinzurechnung ist, dass diese Ausgaben den Gewinn – die Ausgangsgröße i.S.d. § 7 GewStG – tatsächlich gemindert haben. Für von inländischen Kapitalgesellschaften gehaltene Beteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften bedeutet dies, dass 25 % der Zinsen zur Ermittlung des Gewerbeertrags – nach Berücksichtigung der 5 %igen Definitivbelastung gem. § 8b Abs. 3 bzw. Abs. 5 KStG – wieder hinzugerechnet werden.1 Bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften unterliegen hiernach nur 15 % der Zinsen der Hinzurechnung, da nur 60 % der Entgelte abzugsfähig sind (§ 3c Abs. 2 EStG).2 d) Abgezogene Steuern Ausländische Steuern, die nach § 34c EStG als Betriebsausgabe abzogen wurden und damit den Gewerbeertrag gemindert haben, sind gem. § 8 Nr. 12 GewStG dem Gewerbeertrag wieder hinzuzurechnen, wenn die den ausländischen Steuern zugrunde liegenden Gewinne oder Gewinnanteile nicht im Gewerbeertrag enthalten sind. Die Hinzurechnung kommt somit dann in Betracht, wenn die entsprechenden Gewinne oder Gewinnanteile bei der Ermittlung des Gewerbeertrages außer Ansatz gelassen oder nach § 9 GewStG gekürzt wurden.
6.129
7. Verluste der ausländischen Kapitalgesellschaft Verluste der ausländischen Kapitalgesellschaft können nach deutschem Steuerrecht wegen des Trennungsprinzips grundsätzlich nicht mit positiven Erträgen des inländischen Gesellschafters verrechnet werden. Sie wirken sich lediglich nach dem Steuerrecht des Ansässigkeitsstaats der ausländischen Kapitalgesellschaft aus, das u.a. über die Vor- und Rücktragsfähigkeit der Verluste und eventuelle Verlustverrechnungsbeschränkungen entscheidet.
6.130
a) Finale Auslandsverluste Dies gilt nach der EuGH-Entscheidung in der Rs. Marks & Spencer3 grundsätzlich auch für Verluste von EU/EWR-Kapitalgesellschaften. 1 Sind die tatsächlichen Finanzierungsaufwendungen höher als die 5 %ige Definitivbelastung, kann eine Doppelerfassung entstehen, siehe Grotherr, RIW 2006, 911; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 478 f. mit Beispielsrechnung. 2 Zur Vereinbarkeit der Hinzurechnung von Schuldentgelten mit der Zins-Richtlinie siehe Vorabentscheidungsersuchen des BFH v. 27.5.2009 – I R 30/08, BFH/ NV 2009, 2059 sowie damit zusammenhängend EuGH v. 21.7.2011 – Rs. C-397/09 – Scheuten Solar Technology, IStR 2011, 590 u. BFH v. 7.12.2011 – I R 30/08, BFH/NV 2012, 656. 3 EuGH v. 13.2.2005 – Rs. C-446/03 – Marks & Spencer, IStR 2006, 19 zum britischen Group Relief.
Henkel
939
6.131
Kapitel 6 Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften
Nach dieser Entscheidung sind jedoch Verluste der EU/EWR-Kapitalgesellschaft bei der gebietsansässigen Muttergesellschaft zu berücksichtigen, wenn die Verluste bei der Tochtergesellschaft endgültig nicht genutzt werden können (sog. „finale Verluste“). Im Kern besagt die Entscheidung: Ein Mitgliedstaat beschränkt die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 und 48 EGV, jetzt Art. 49 AEUV), – wenn er bei einer inländischen Muttergesellschaft die Verluste nur inländischer, nicht aber anderer EU/EWR-Tochtergesellschaften berücksichtigt und – die Beschränkung zwar grundsätzlich gerechtfertigt ist, – der Verlustausschluss jedoch auch endgültige (finale) Verluste ausschließt, die dann bestehen, wenn die Auslandstochter sämtliche Möglichkeiten zur Verlustnutzung ausgeschöpft hat und sie keine Möglichkeit hat, die Verluste künftig selbst oder durch Übertragung auf Dritte zu nutzen.1
6.132 Die konkreten Auswirkungen der Entscheidung sind weitgehend unklar.2 Gesichert dürfte nur sein, dass finale Verluste jedenfalls dann vorliegen, wenn das ausländische Steuerrecht systembedingt auch für dort ansässige Tochtergesellschaften keine Verlustverrechnung kennt, oder der Verlustvortrag wegen zeitlicher Begrenzung entfällt sowie im Falle der Liquidation.3 Unklar ist hingegen u.a. die Höhe der grenzüberschreitenden Verlustnutzung, der Zeitpunkt der grenzüberschreitenden Verlustnutzung, die Nachweisanforderungen, die Rückausnahmen im Falle missbräuchlicher Verlustnutzung und die Erstreckung auf in Drittstaaten ansässige Tochtergesellschaften.4 Unklar ist auch, ob nach dieser Entscheidung die grenzüberschreitende Verlustnutzung allein eine finanzielle Eingliederung der EU/EWR-Tochtergesellschaft in das inländische Mutterunternehmen erfordert oder darüber hinaus ein wirksam auf mindestens fünf Jahre abgeschlossener und tatsächlich durchgeführter Ergebnisabführungsvertrag (siehe dazu Rz. 6.142) vorliegen muss. Ungeklärt ist ferner, ob die Berücksichtigung finaler Verluste auch auf die Gewerbesteuer durchschlägt.5 b) Teilwertabschreibung
6.133 Verluste einer ausländischen Kapitalgesellschaft können mittelbar bei ihrem inländischen Gesellschafter im Wege einer Teilwertabschreibung auf 1 Die Grundsätze überträgt der EuGH (v. 15.5.2008 – Rs. C-414/06 – Lidl Belgium, IStR 2008, 400) und ihm folgend der BFH (v. 17.7.2008 – I R 84/04, IStR 2008, 704; siehe hierzu Homburg, IStR 2009, 350; BFH v. 9.6.2010 – I R 107/09, BFHE 230, 35 = BB 2010, 2546 m. Anm. Heinsen) auf ausländische Betriebsstätten. 2 Scheunemann, IStR 2006, 145; Homburg, IStR 2009, 350 m.w.N. 3 Mayr, BB 2008, 1816 m.w.N. 4 Zu den Kriterien siehe Scheunemann, IStR 2006, 145. 5 Dafür BFH v. 9.6.2010 – I R 100/09, BStBl. II 2010, 1065 für ausländische Betriebsstättenverluste.
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D. Laufende Besteuerung im Inland
die Beteiligung erfasst werden. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG ist eine Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert vorzunehmen, wenn der Teilwert einer Beteiligung aufgrund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung unter den Buchwert bzw. die Anschaffungskosten der Beteiligung sinkt. Verluste können eine Teilwertabschreibung nur begründen, wenn sie nachhaltig sind, insbesondere, wenn sie auf Fehlmaßnahmen beruhen und es sich nicht um übliche Anlaufverluste handelt. Nach Auffassung der Rechtsprechung sollen als Anlaufphase im Regelfall für im Inland errichtete Kapitalgesellschaften drei Jahre und für im Ausland errichtete Kapitalgesellschaften fünf Jahre angenommen werden.1 Zu einer ausschüttungsbedingten Teilwertabschreibung kann es dann kommen, wenn Gewinnausschüttungen der ausländischen Kapitalgesellschaft, die z.B. aus der Veräußerung des Betriebsvermögens stammen, zu einer voraussichtlich dauernden Verminderung des Wertes der Beteiligung durch tatsächliches Absinken des Teilwerts unter den Buchwert führen.2 Bei Auslandsbeteiligungen kann eine Teilwertabschreibung auch auf besondere Auslandsrisiken gestützt werden, z.B. auf Transferverbote oder urheberrechtliche Besonderheiten.3
6.134
Die Berücksichtigung von Teilwertabschreibungen ist je nach Rechtsform des inländischen Gesellschafters unterschiedlich begrenzt.
6.135
– Bei inländischen Kapitalgesellschaften bleiben Gewinnminderungen im Zusammenhang mit Anteilen an (in- und) ausländischen Körperschaften gem. § 8b Abs. 3 KStG unberücksichtigt.4 Dies gilt auch in dem Fall, dass die Beteiligung mittelbar über eine Personengesellschaft von einer Körperschaft gehalten wird (§ 8b Abs. 6 KStG). Zu den Gewinnminderungen zählen insbesondere verlustbedingte sowie ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibungen.5 Aufgrund der Regelungssymmetrie zwischen steuerfreien Einkünften und dem Ausschluss der Berücksichtigung von Gewinnminderungen gilt § 8b Abs. 3 KStG nicht, wenn die Gewinne der Körperschaft wegen § 8b Abs. 7 KStG, z.B. im Falle eines Finanzunternehmens,6 nicht steuerbefreit sind. Das Verbot der Teilwertabschreibungen auf Streubesitzbeteiligungen gem. § 8b Abs. 3 KStG verstößt nach dem Urteil des EuGH in der Rs. STE-
6.136
1 BFH v. 27.7.1988 – I R 104/84, BStBl. II 1989, 274; vgl. auch BFH v. 6.11.2003 – IV R 10/01, BStBl. II 2004, 416. 2 BFH v. 22.12.1999 – I B 158/98, BFH/NV 2000, 710. 3 Kulosa in Schmidt31, § 6 EStG Rz. 287. 4 Die Abzugsbeschränkung gilt mit Wirkung vom Veranlagungszeitraum 2008 auch für Teilwertabschreibungen auf Gesellschafterdarlehen (§ 8b Abs. 3 Satz 4–8 KStG). 5 Vgl. BMF v. 28.4.2003 – IV A 2 - S 2750a 7/03, BStBl. I 2003, 292 Rz. 26. 6 Zu Finanzunternehmen können auch Industrie-Holdings und Beteiligungsgesellschaften gehören, wenn sie Anteile zur kurzfristigen Erzielung eines Eigenhandelserfolgs erwerben, Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 585 ff.; siehe auch Rz. 6.77.
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Kapitel 6 Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften
KO1 bereits seit 2001 gegen die Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 56 EGV (jetzt Art. 63 AEUV). Mit Bezug auf Drittstaaten vertritt das BMF die Auffassung, dass die Kapitalverkehrsfreiheit (durch die für Drittstaaten nicht geltende) Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) verdrängt werde, wenn die Beteiligung einen sicheren Einfluss auf die Gesellschaft vermittle.2
6.137 – Wird die Beteiligung an der ausländischen Kapitalgesellschaft im Betriebsvermögen einer inländischen natürlichen Person oder einer Personengesellschaft mit natürlichen Personen als Gesellschaftern gehalten, kann eine (verlustbedingte- oder ausschüttungsbedingte) Teilwertabschreibung bei der Ermittlung der Einkünfte zu 60 % steuerlich berücksichtigt werden (§ 3c Abs. 2 Satz 1 EStG). Nach Auffassung des FG Düsseldorf gilt dies nicht, wenn in dem entsprechenden Veranlagungszeitraum tatsächlich keine (zu 60 % steuerbefreiten) Ausschüttungen vorgenommen wurden.3 Der Verlustausgleich ist jedoch dadurch eingeschränkt, dass Verluste bzw. Gewinnminderungen aufgrund einer Teilwertabschreibung, die für eine Beteiligung an einer ausländischen Körperschaft vorgenommen wird, gem. § 2a Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG nur mit positiven Einkünften der jeweils selben Art aus demselben Staat verrechnet werden dürfen.4 Mit dem JStG 2009 wurde diese Verlustabzugsbegrenzung wegen EG-rechtlicher Bedenken auf negative Einkünfte mit Bezug zu Drittstaaten begrenzt. Die Verlustabzugsbegrenzung gilt dann nicht, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass die ausländische Körperschaft entweder seit ihrer Gründung oder während der letzten fünf Jahre und in dem maßgeblichen Veranlagungszeitraum selbst eine aktive Tätigkeit i.S.d. § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG ausgeübt hat (§ 2a Abs. 2 Satz 2 EStG). Gemäß § 2a Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG ist auch die Ausübung von Holdingfunktionen durch die ausländische Kapitalgesellschaft als Bewirkung gewerblicher Leistungen (aktive Tätigkeit) anzusehen, sofern Beteiligungen von mindestens einem Viertel am Nennkapital ausländischer Kapitalgesellschaften unmittelbar gehalten werden und diese Kapitalgesellschaften (Beteiligungsgesellschaften) selbst Tätigkeiten i.S.d. § 2a Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG ausüben.5
1 EuGH v. 22.1.2009 – Rs. C-377/07 – STEKO, DStRE 2009, 225. 2 BMF v. 11.11.2010 – IV C2 - S 2750 - a/07/10006, BStBl. I 2011, 40; OFD Nds. v. 11.4.2011, DStR 2011, 1274 (1276). 3 FG Düsseldorf v. 20.1.2010 – 2 K 4581/07 F, DStRE 2011, 465 (Rev. eingelegt, Az. BFH: IV R 14/10). 4 Die Verlustabzugsbegrenzung des § 2a EStG gilt nur, soweit nicht der Abzug bereits nach § 8b KStG entfällt, Heinicke in Schmidt31, § 2a EStG Rz. 10. 5 Zur Vermeidung einer Umgehung der Verlustausgleichsbeschränkung des § 2a Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG durch Zwischenschaltung inländischer Körperschaften erweitert § 2a Abs. 1 Nr. 7 EStG die Verlustausgleichsbeschränkung auf Verluste aus einer Teilwertabschreibung auf die Beteiligung an einer zwischengeschalteten inländischen Gesellschaft.
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D. Laufende Besteuerung im Inland
Wertaufholungen gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG, die in früheren Jahren sowohl auf steuerwirksamen wie auf steuerunwirksamen Teilwertabschreibungen beruhten, sind nach § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG a.F./§ 8b Abs. 2 Satz 4 KStG n.F. zunächst mit den nicht steuerwirksamen und erst danach mit den steuerunwirksamen Teilwertabschreibungen zu verrechnen („Last-in-First-out“).1
6.138
Für die Gewerbesteuer werden gem. § 8 Nr. 10 GewStG Gewinnminderungen, die auf einer Teilwertabschreibung bzw. einer Veräußerung oder Entnahme des Anteils oder einer Liquidation oder Kapitalherabsetzung beruhen, hinzugerechnet, soweit die Gewinnminderung auf eine Gewinnausschüttung zurückzuführen ist und für die Gewinnausschüttung eine gewerbesteuerliche Kürzung nach § 9 Nr. 2a, Nr. 7 oder Nr. 8 GewStG (gewerbesteuerliches Schachtelprivileg) vorgenommen wird. Vermieden werden soll hierdurch eine doppelte Steuererleichterung, die sich einmal aus der Dividendenausschüttung nach dem gewerbesteuerlichen Schachtelprinzip und zum anderen aus der Minderung des Beteiligungsansatzes ergibt, die sich gem. § 7 GewStG auf die Ausgangsgröße auswirkt. Bei inländischen Kapitalgesellschaften kommt es folglich zu keiner Hinzurechnung, da Teilwertabschreibungen nach § 7 GewStG i.V.m. § 8b Abs. 3 KStG die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer nicht mindern; bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften erfolgt eine anteilige Hinzurechnung.
6.139
8. Organschaft über die Grenze Gemäß §§ 14, 17 Satz 1 KStG ist für die Begründung einer Organschaft ein doppelter Inlandsbezug der Organgesellschaft erforderlich: Gemäß § 17 Satz 1 KStG muss die Kapitalgesellschaft sowohl ihre Geschäftsleitung als auch ihren Sitz im Inland haben.2 Eine körperschaftsteuerliche Organschaft über die Grenze mit einer ausländischen Kapitalgesellschaft als Organgesellschaft und einem inländischen Organträger ist hiernach tatbestandlich nicht möglich.3 Für die Anerkennung einer gewerbesteuerlichen Organschaft gilt nichts anderes, da die Voraussetzungen der gewerbesteuerlichen Organschaft seit 2002 zwingend an die Voraussetzungen der körperschaftsteuerlichen Organschaft anknüpfen.
6.140
Für Kapitalgesellschaften, die im EU/EWR-Ausland gegründet sind, wird auf den doppelten Inlandsbezug der Organgesellschaft verzichtet: Die
6.141
1 BFH v. 19.8.2009 – I R 2/09, BStBl. II 2010, 760; OFD Niedersachsen v. 11.4.2011 – S 2750a - 18St 242, DStR 2011, 1274 (1275). 2 BMF v. 26.8.2003 – IV A 2 - S 2770 - 18/03, BStBl. I 2003, 437 Rz. 8; damit eine Kapitalgesellschaft, die nach ausländischem Recht errichtet wurde, hiernach Organgesellschaften sein kann, müsste sie hierzu zunächst in eine transeuropäische SE oder eine deutsche Kapitalgesellschaft umstrukturiert werden, Winter/ Marx, DStR 2011, 1101 f. 3 Zur gewerbesteuerlichen Organschaft über die Grenze siehe Rz. 9.64 f.
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943
Kapitel 6 Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften
Finanzverwaltung1 lässt im Vorgriff auf eine Entscheidung der Europäischen Kommission in einem Vertragsverletzungsverfahren2 über den Wortlaut der Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG und § 17 KStG hinaus zu, dass „eine im EU/EWR-Ausland gegründete Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung in Deutschland ihr auf im Inland steuerpflichtigen (positiven und negativen) Einkünften beruhendes Einkommen innerhalb einer steuerlichen Organschaft einem Organträger i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG oder § 18 KStG zurechnen“ kann, „wenn auch die übrigen Voraussetzungen der §§ 14 ff. KStG für die Anerkennung der steuerlichen Organschaft erfüllt sind.“
6.142 Unklar ist, welche Tatbestandsmerkmale der §§ 14 und 17 KStG auf die ausländische EU-EWR-Kapitalgesellschaft anzuwenden sind. Im Vordergrund steht dabei, ob es eines wirksamen Ergebnisabführungsvertrags3 mit dem deutschen Organträger bedarf.4 Dessen Wirksamkeit richtet sich nach dem Gesellschaftsstatut nach dem Recht des Ansässigkeitsstaats der ausländischen Kapitalgesellschaft; in der EU ist das Institut des Ergebnisabführungsvertrags indes weitgehend unbekannt (Ausnahme Österreich und Portugal).5 Lässt der Ansässigkeitsstaat einen solchen Ergebnisabführungsvertrag nicht zu, geht die vom BMF gewährte Erleichterung bei der doppelten Inlandsanknüpfung ins Leere.6 Ob der EuGH die Voraussetzung des Ergebnisabführungsvertrags als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit ansehen wird, ist offen. In der Rs. X-Holding7 erkannte er 1 BMF v. 28.3.2011 – IV C 2 - S 2770/09/10001, BStBl. I 2011, 300 = DStR 2011, 674. 2 Nr. 2008/4909. 3 Siehe dazu Brocke, DStR 2010, 964, insbesondere zu den Urteilen des FG Nds. v. 11.2.2010 – 6 K 406/08, DStRE 2010, 474, und des FG Rh.-Pf. v. 17.3.2010 – 1 K 2406/07, EFG 2010, 1632; Englisch, Urteilsanmerkung zu EuGH v. 13.2.2005 – Rs. C-446/03 – Marks & Spencer, IStR 2006, 23; Scheunemann, IStR 2005, 303. 4 Zu klären ist daneben insbesondere der Status der zugezogenen Gesellschaft als Kapitalgesellschaft; dieser ist zweifelhaft bei Gesellschaften aus Ländern, die der Sitztheorie folgen, da bei ihnen mit der Verlegung der Geschäftsleitung die Rechtsfähigkeit entfällt und dies nach der EuGH-Entscheidung in der Rs. Cartesio nicht EU-rechtswidrig ist (EuGH v. 16.12.2008 – Rs. C-210/06 – Cartesio, DStR 2009, 121); daher wird die Regelung wohl nur für Gesellschaften aus England, Finnland, den Niederlanden, Dänemark und Liechtenstein möglich sein; hierzu und zu weiteren Anforderungen Winter/Marx, DStR 2011, 1101. 5 Winter/Marx, DStR 2011, 1101 (1104). 6 So Lang, SteuK 2011, 245; daher müsse der Ansässigkeitsstaat der ausländischen Gesellschaft zur Vermeidung einer Vertragsverletzung den Ergebnisabführungsvertrag zivilrechtlich anerkennen. Dies ist abzulehnen; der ausländische Staat kann nicht zu einer Anerkennung eines zivilrechtlichen Instituts gezwungen werden, nur weil es vom deutschen Steuerrecht ohne zwingenden Grund gefordert wird; richtigerweise ist auf den Ergebnisabführungsvertrag als Voraussetzung für die grenzüberschreitende körperschaftsteuerliche Organschaft ganz zu verzichten; ebenso Homburg, IStR 2011, 111; a.A. Mitschke, IStR 2011, 185; siehe auch BFH v. 13.10.2010 – I R 79/09, DStR 2011, 223. 7 EuGH v. 25.2.2010 – Rs. C-337/08 – X-Holding, DStR 2010, 427.
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D. Laufende Besteuerung im Inland
an, dass es Rechtfertigungsgründe für die tatbestandliche Einschränkung der grenzüberschreitenden Gruppenbesteuerung geben könne, wie die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis, die Gefahr der doppelten Verlustnutzung oder der Steuerumgehung.1 Unklar ist auch, welche Ergebnisse in die Gewinnabführung einzubeziehen sein sollen. Nach dem Ergebnisabführungsvertrag müssten dies die nach ausländischem Handelsrecht zuzurechnenden Gewinne oder Verluste sein; offen ist auch, ob hierbei die gem. § 17 Satz 2 Nr. 1 KStG einzuhaltenden Höchstbeträge des § 301 AktG zu beachten sind.2 Steuerlich sollen hingegen nach dem BMF-Schreiben die im Inland steuerpflichtigen Einkünfte zugerechnet werden, die von den handelsrechtlichen Gewinnen und Verlusten deutlich abweichen können, z.B. bei Gewinnen/Verlusten aus Drittstaaten-Betriebsstätten, für die eine DBA-Freistellung gilt.
6.143
Der BFH erkennt die gewerbesteuerliche Organschaft über die Grenze in einem Inbound-Fall an, gestützt auf das abkommensrechtliche Diskriminierungsverbot des Art. XX Abs. 4 und 5 DBA-Großbritannien 1964/1970 (siehe dazu Rz. 9.64 f.).3 Danach darf es für die Anerkennung einer Organschaft keinen Unterschied machen, ob die inländische Gesellschaft inlands- oder auslandsbeherrscht ist. Die Entscheidung bezieht sich auf Erhebungszeiträume, in denen die gewerbesteuerliche Organschaft noch keinen Ergebnisabführungsvertrag voraussetzte. Daher ist der Entscheidung für die hier interessierende Frage, ob beim Outbound-Fall, insbesondere nach dem BMF-Schreiben vom 28.3.2011,4 ein Ergebnisabführungsvertrag erforderlich ist, keine Aussage zu entnehmen.
6.144
Die gezeigten Unklarheiten machen deutlich, dass es de lege ferenda einer grundlegenden Reform der deutschen Gruppenbesteuerung bedarf. Dabei sind vor allem die Binnenmarktorientierung und die Anbindung an den Ergebnisabführungsvertrag zu modernisieren.5
6.145
1 Siehe dazu Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 468 f. 2 Winter/Marx, DStR 2011, 1101 (1107). 3 BFH v. 9.2.2011 – I R 54/10, 55/10, IStR 2011, 345; siehe dazu Frotscher, IStR 2011, 697; Rödder/Schönfeld, DStR 2011, 886. 4 BMF v. 28.3.2011 – IV C 2 - S 2770/09/10001, BStBl. I 2011, 300 = DStR 2011, 674. 5 Hey, Gastkommentar, DB 2011, Nr. 23 v. 10.6.2011, M 1; Hey/Haas/Herzig/Hirte/Kessler/Kröner/Rennings/Rödder, Einführung einer modernen Gruppenbesteuerung – Ein Reformvorschlag, Institut Finanzen und Steuern, IFSt-Schrift (2011) Nr. 471, 59 ff.
Henkel
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Kapitel 6 Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften
E. Veräußerung und Liquidation I. Veräußerung 1. Überblick
6.146 Als systematische Ergänzung zu der Steuerfreiheit von Gewinnausschüttungen gem. § 8b Abs. 1 KStG bleiben gem. § 8b Abs. 2 KStG bei einer Körperschaft auch Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Körperschaften außer Ansatz. Damit wird berücksichtigt, dass in den Veräußerungsgewinn auch die thesaurierten Gewinne der veräußerten Gesellschaft einfließen und insoweit keine unterschiedliche Behandlung zwischen Gewinnausschüttungen und Veräußerungsgewinnen vorgenommen wird.1
6.147 Bei natürlichen Personen ist zu unterscheiden: Werden die Beteiligungen im Betriebsvermögen gehalten, gilt das Teileinkünfteverfahren (früher Halbeinkünfteverfahren), bei dem der Veräußerungsgewinn nur zu 60 % (früher 50 %) besteuert wird. Gleiches gilt bei Beteiligungen im Privatvermögen, wenn die Beteiligung mindestens 1 % beträgt. Beteiligungen unter 1 % im Privatvermögen wurden bis 2008 gem. §§ 22 Nr. 2 i.V.m. 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften erfasst; ab 2009 gelten die Regelungen zur Abgeltungssteuer (kein Teileinkünfteverfahren, Steuersatz 25 %), soweit die Anteile nach dem 31.12.2008 erworben wurden (§ 52a Abs. 10 EStG).2
6.148 Ist die Beteiligung dem Betriebsvermögen einer ausländischen Betriebsstätte zuzurechnen, werden die Veräußerungsgewinne oder -verluste dem Einkommen der Betriebsstätte zugeordnet und unterliegen der allgemeinen Betriebsstättenbesteuerung. Sind die Betriebsstättengewinne nach einem DBA in der Bundesrepublik steuerbefreit, so gilt die Befreiung grundsätzlich auch für die Veräußerungsgewinne der der Betriebsstätte zuzuordnenden Beteiligung.3
1 Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 150 f. 2 Siehe Übersicht zur Abgeltungssteuer bei Weber-Grellet in Schmidt31, § 20 EStG Rz. 1 u. § 32d EStG Rz. 1 ff. 3 Das ist der Fall, wenn das DBA eine dem Art. 13 Abs. 2 OECD-MA entsprechende Abkommensregelung enthält; Gleiches kann auch ohne ausdrückliche Regelung aus dem Betriebsstättenartikel folgen, siehe im Einzelnen Prokisch in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 40; jedoch ist zu beachten, dass eine Zurechnung der Beteiligung zu einer ausländischen Betriebsstätte nur dann erfolgen kann, wenn die Beteiligung einer in der Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeit dient; BFH v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 111/99, BStBl. I 1999, 1076.
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E. Veräußerung und Liquidation
a) Veräußerung durch Körperschaften Gemäß § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG sind Gewinne von Körperschaften aus der Veräußerung von Anteilen an Körperschaften von der Körperschaftsteuer (zur GewSt siehe Rz. 6.118) steuerfrei gestellt, wenn deren Leistungen zu den Einnahmen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a EStG gehören. Damit ist ein Gleichlauf mit den Gewinnausschüttungen gem. § 8b Abs. 1 KStG hergestellt, sodass – anders als bei § 17 EStG – nicht nur Veräußerungen von Anteilen an in- und ausländischen Kapitalgesellschaften, sondern auch an allen sonstigen Körperschaften erfasst werden. Bei ausländischen Körperschaften ist hierfür der Typenvergleich1 vorzunehmen. Darüber hinaus bestehen keine weiteren Voraussetzungen, insbesondere bestehen keine Mindestbeteiligungsquoten, Mindestbesitzzeiten oder Aktivitätsvorbehalte.2 Die Steuerfreistellung gilt unabhängig von einer steuerlichen Vorbelastung3 und gilt auch dann, wenn die Veräußerung eine vGA darstellt.4
6.149
Die Steuerfreiheit umfasst gem. § 8b Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 KStG auch Anteile an Organgesellschaften. Wird die körperschaftsteuerliche Organschaft auch auf Organgesellschaften im Ausland erstreckt (siehe Rz. 6.141), fallen hierunter auch ausländische Organgesellschaften.
6.150
Seit dem Veranlagungszeitraum 2004 gelten 5 v.H. des Veräußerungsgewinns als Ausgaben, die nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen (§ 8b Abs. 3 Satz 1 KStG). Diese Definitiv-Belastung wirkt im Ergebnis wie eine Beschränkung der Steuerfreiheit auf 95 v.H. des Veräußerungsgewinnes.
6.151
§ 8b Abs. 2 Satz 2 KStG enthält eine Legaldefinition des Veräußerungsgewinns. Danach ist Veräußerungsgewinn der Betrag, um den der Veräußerungspreis (oder der an dessen Stelle tretende Wert) abzüglich der Veräußerungskosten den im Zeitpunkt der Veräußerung bestehenden Buchwert der Beteiligung übersteigt. Veräußerungskosten sind also – anders als bei Gewinnausschüttungen – in der Bemessungsgrundlage enthalten und können nicht gesondert abgezogen werden.
6.152
1 Siehe Rz. 6.141 zur Aufgabe des doppelten Inlandsbezugs bei EU/EWR-Kapitalgesellschaften mit Geschäftsleitung im Inland. 2 BMF v. 28.4.2003 – IV A 2 - S 2750a - 7/03, BStBl. I 2003, 292 Rz. 13; jedoch sind die Beschränkungen gem. § 8b Abs. 7 KStG für Finanzunternehmen zu beachten, zu denen auch Holdinggesellschaften gehören können (siehe Rz. 6.77). 3 BMF v. 28.4.2003 – IV A 2 - S 2750a - 7/03, BStBl. I 2003, 292 Rz. 13; die im Ausland erfolgende Besteuerung wird als Vorbelastung verstanden; ist die Gesellschaft im Ausland indes passiv und niedrig besteuert, findet eine Art der Vorbelastung der ausländischen Gewinne durch die Hinzurechnungsbesteuerung gem. §§ 7–14 AStG statt, jedoch ohne dass § 8b KStG hieran gesetzestechnisch anknüpft; zum Erfordernis der Vorbelastung bei vGA gem. § 8b Abs. 1 Satz 2–4 KStG siehe Rz. 6.106 f. 4 Eingehend Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 289 ff.; zur Einbeziehung von Beträgen, für die das steuerliche Einlagekonto gem. § 27 KStG als verwendet gilt, siehe Rz. 6.75.
Henkel
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Kapitel 6 Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften
6.153 Korrespondierend zu der Steuerfreistellung des Veräußerungsgewinns nach § 8b Abs. 2 KStG bleiben Veräußerungsverluste bei der steuerlichen Gewinnermittlung ebenfalls unberücksichtigt (§ 8b Abs. 3 Satz 3 KStG).1 Veräußerungsverluste sind jedoch in den Fällen, in denen Veräußerungsgewinne z.B. wegen § 8b Abs. 7 KStG nicht steuerfrei sind, abzugsfähig.
6.154 Die Steuerfreistellung gem. § 8b Abs. 2 KStG bezieht sich nicht nur auf die Körperschaftsteuer, sondern über § 7 Satz 1 i.V.m. Satz 4 Halbs. 2 GewStG auch auf die Gewerbesteuer.2 Anders als bei laufenden Gewinnen (§ 8 Nr. 5 GewStG) findet keine Hinzurechnung der Veräußerungsgewinne statt, sodass insoweit die Einschränkungen des § 9 Nr. 7 GewStG (Beteiligungsquote, Mindestbesitzzeit, Aktivitätsvorbehalt) unbeachtlich sind. Jedoch greift die Definitiv-Belastung von 5 % des Veräußerungsgewinns gem. § 8b Abs. 5 KStG auch für die Gewerbesteuer ein.
6.155 Die Steuerfreistellung wird gem. § 8b Abs. 2 Satz 4 KStG nicht gewährt, soweit der Anteil in früheren Jahren steuerwirksam auf den niedrigeren Teilwert abgeschrieben wurde und nicht durch eine steuerpflichtige Wertaufholung wieder ausgeglichen wurde. Diese Ausnahme betrifft insbesondere Teilwertabschreibungen, die während des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens steuerwirksam vorgenommen wurden (siehe Rz. 6.133 ff.).
6.156 Wird die Beteiligung an der ausländischen Kapitalgesellschaft mittelbar über eine Personengesellschaft gehalten, kommt die Steuerfreistellung gem. § 8b Abs. 6 Satz 1 i.V.m. § 8b Abs. 2 KStG zur Anwendung. Dies ergibt sich jedenfalls seit dem Erhebungszeitraum 2004 aus der ausdrücklichen Verweisung in § 7 Satz 4 Halbs. 2 GewStG.3 Steuerbefreit sind auch Gewinne aus der Veräußerung von Mitunternehmeranteilen, soweit der Veräußerungspreis auf mittelbar mitveräußerte Kapitalgesellschaftsanteile entfällt (§ 8b Abs. 6 Satz 1 Alt. 2 KStG).4 Die Steuerbefreiung des § 8b Abs. 2 KStG gilt nicht für Anteile, die bei Kreditinstituten und Finanzdienstleistungsinstituten nach § 1 KWG dem Handelsbuch zuzurechnen sind oder die von Finanzunternehmen i.S.d. KWG mit dem Ziel der kurzfristigen Erzielung eines Eigenhandelserfolges erworben werden (§ 8b Abs. 7 KStG). Unter den Begriff der Finanzunternehmen fallen auch Holdinggesellschaften (siehe auch Rz. 6.77).5 1 Frotscher in Frotscher/Maas, § 8b KStG Rz. 58a; Dötsch/Pung in D/J/P/W, § 8b KStG Rz. 113 m.w.N.; BMF v. 28.4.2003 – IV A 2 - S 2750a - 7/03, BStBl. I 2003, 292 Rz. 26; nach Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 266 soll der Veräußerungsverlust hingegen bereits unter § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG fallen, mit der Folge der Anwendbarkeit von § 8b Abs. 4 KStG a.F. 2 Frotscher in Frotscher/Maas, § 8b KStG Rz. 56; Dötsch/Pung in D/J/P/W, § 8b KStG Rz. 53; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 477; Dötsch/ Pung, DB 2003, 1016; Seibt, DStR 2000, 2061; Köhler, DStR 2000, 1849. 3 Selder in Glanegger/Güroff, § 7 GewStG Rz. 15 m.w.N. 4 BMF v. 28.4.2003 – IV A 2 - S 2750a - 7/03, BStBl. I 2003, 292 Rz. 55. 5 BFH v. 14.1.2009 – I R 36/08, BStBl. II 2009, 671.
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E. Veräußerung und Liquidation
Die Steuerbefreiung des § 8b Abs. 2 KStG gilt ferner nicht für Anteile, die bei Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen den Kapitalanlagen zuzurechnen sind (§ 8b Abs. 9 KStG). Die steuerfreie Veräußerung der Anteile an der ausländischen Kapitalgesellschaft unterlag bis zum Veranlagungszeitraum 2005 dem Missbrauchsvorbehalt des § 8b Abs. 4 KStG a.F.; das betrifft einbringungsgeborene Anteile, die nach 21 UmwStG a.F. steuerneutral in die Kapitalgesellschaft eingebracht wurden. Diese Vorschrift wurde durch das SEStEG mit Wirkung ab Veranlagungszeitraum 2006 durch die Regelung des § 22 UmwStG über die nachträgliche abschmelzende Besteuerung ersetzt; sie ist jedoch bis zum Anlauf der siebenjährigen Sperrfrist weiter anzuwenden.1
6.157
b) Veräußerung durch natürliche Personen Der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die eine natürliche Person oder eine Personengesellschaft, soweit an ihr natürliche Personen beteiligt sind, erzielt, deren Beteiligung mindestens 1 % beträgt, unterliegt dem Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a, c bzw. [bis 2009] j EStG). 60 % der Einnahmen bzw. des Veräußerungspreises aus der Veräußerung der Anteile sind danach steuerfrei. Dementsprechend dürfen Veräußerungskosten und der Wert der Anteile im Betriebsvermögen bzw. deren Anschaffungskosten gem. § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG nur zu 60 % herangezogen werden. Für in früheren Jahren in voller Höhe steuerwirksam vorgenommene Teilwertabschreibungen auf Anteile im Betriebsvermögen gilt die anteilige Steuerbefreiung entsprechend § 8b Abs. 2 Satz 4 KStG nicht (§ 3 Nr. 40 Buchst. a Satz 2 EStG). Veräußerungsverluste aus dem Verkauf von im Betriebsvermögen gehaltenen Anteilen an Kapitalgesellschaften werden gem. § 3c Abs. 2 EStG bei der Einkunftsermittlung ebenfalls nur zu 60 % berücksichtigt.
6.158
Die Höhe des Veräußerungsgewinns ermittelt sich auch bei Veräußerung von Anteilen an ausländischen Kapitalgesellschaften grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln. Für Beteiligungen des Betriebsvermögens gelten die §§ 4 Abs. 1, 5 ff. EStG2 (Betriebsvermögensvergleich) sowie § 4 Abs. 3 EStG (Überschussrechnung). Bei der Überschussrechnung ist bis 2005 die von § 11 EStG abweichende Sonderregelung des § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG zu beachten, nach der die Anschaffungskosten für Beteiligungen erst im Zeitpunkt der Veräußerung oder Entnahme der Beteiligung, ab 2006 im Zeitpunkt der Zahlung als Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind.3
6.159
Bei Beteiligungen des Privatvermögens, die unter § 17 EStG fallen, ermittelt sich der Veräußerungserlös aus dem Unterschied zwischen 60 % der 1 Zur Übergangsregelung gem. § 34 Abs. 7 KStG siehe Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 290a. 2 Vgl. BFH v. 6.7.2000 – I B 34/00, BFH/NV 2000, 1430. 3 Heinicke in Schmidt31, § 4 EStG Rz. 398.
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Anschaffungskosten und 60 % des Veräußerungspreises abzüglich 60 % der Veräußerungskosten.
6.160 Bei in Fremdwährung erworbenen Beteiligungen des Privatvermögens i.S.d. § 17 EStG sind die Anschaffungskosten, der Veräußerungspreis und die Veräußerungskosten jeweils im Zeitpunkt ihrer Entstehung aus der Fremdwährung in Euro umzurechnen;1 damit werden Kursgewinne bzw. -verluste, die zwischen der Anschaffung und der Veräußerung entstehen, in den Veräußerungsgewinn einbezogen. 2. DBA-Recht
6.161 Veräußerungsgewinne werden nach den DBA unterschiedlich behandelt. Zum Teil treffen die Abkommen ausdrückliche Regelungen, nach denen die ausschließliche Besteuerung für Einkünfte aus der Veräußerung von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften dem Ansässigkeitsstaat des Veräußerers zugewiesen wird (Frankreich, Luxemburg, Niederlande2).
6.162 Überwiegend entsprechen die Abkommen jedoch dem OECD-MA, in dem Veräußerungen von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften – ausgenommen die Veräußerungen von Anteilen an Grundstücksgesellschaften (vgl. Art. 13 Abs. 4 OECD-MA) – nicht ausdrücklich angesprochen sind, sodass sie gem. der speziellen Auffangklausel des Art. 13 Abs. 5 OECD-MA ebenfalls ausschließlich im Ansässigkeitsstaat des Veräußerers besteuert werden. Dies gilt grundsätzlich gleichermaßen für Beteiligungen im Privatvermögen und im Betriebsvermögen. Eine Ausnahme bildet der Betriebsstättenvorbehalt: Ist die Beteiligung einer Betriebsstätte zuzurechnen, die ein Unternehmen eines Vertragsstaats im anderen Vertragsstaat unterhält, so darf der Betriebsstätten-Staat die Veräußerungsgewinne besteuern (Art. 13 Abs. 2 OECD-MA). Der Ansässigkeitsstaat des Veräußerers hat in diesem Fall je nach der im DBA gewählten Methode (Art. 23A oder Art. 23B OECD-MA) entweder die Veräußerungsgewinne freizustellen oder die Betriebsstättenbesteuerung anzurechnen. Die spezielle Auffangklausel des Art. 13 Abs. 5 OECD-MA (einschließlich des Betriebsstättenvorbehalts) gilt in den DBA mit Aserbaidschan, Belarus, Belgien, Bosnien-Herzegowina, Dänemark, Elfenbeinküste, Estland, Finnland, Georgien, Ghana, Griechenland, Großbritannien, Indonesien, Iran, Irland, Island, Israel, Italien, Jamaika, Japan, Kanada, Kasachstan, Kirgisistan, Kroatien, Kuwait, Lettland, Litauen, Malaysia, Malta, Marokko, Mauritius, Mazedonien, Mongolei, Namibia, Norwegen, Österreich, Pakistan, Polen, Portugal, Rumänien, Russische Föderation, Sambia, Schweden, Schweiz, Serbien, Singapur, Slowenien, Spanien, Süd-Afrika, Tadschikistan, Thailand, Türkei (Sonderregelung für kurzfristige Ver-
1 Vgl. FG München v. 30.9.1997 – 16 K 4577/96, EFG 1998, 461. 2 Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 229.
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E. Veräußerung und Liquidation
äußerungsgewinne), Ukraine, Ungarn, USA, Usbekistan, Venezuela, Vereinigte Arabische Emirate und Vietnam.1 Abweichend von der grundsätzlichen Wohnsitzstaatsbesteuerung sehen einige Abkommen ausdrücklich vor, dass die Einkünfte aus der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen im Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft besteuert werden können. Es handelt sich um die DBA mit Ägypten, Argentinien, Bangladesch, Bolivien, Bulgarien, Ecuador, Indien, Jamaika, Kenia, Korea (Beteiligung L 25 %), Liberia, Mexiko, Neuseeland, Philippinen, Simbabwe, Sri Lanka, Tschechien, Tunesien, Uruguay und Zypern.
6.163
Enthält das Abkommen keine besondere Regelung über die Zuordnung des Besteuerungsrechts von Veräußerungsgewinnen bei Kapitalgesellschaften bzw. keine spezielle Auffangklausel i.S.d. Art. 13 Abs. 5 OECDMA, greift – soweit im Abkommen geregelt – die allgemeine Auffangklausel für die ansonsten nicht im Abkommen genannten Arten von Einkünften i.S.d. Art. 21 OECD-MA ein.
6.164
Manche Abkommen enthalten weder eine Regelung für Veräußerungsgewinne noch eine Auffangklausel, sodass mangels einschlägiger DBABestimmungen das Besteuerungsrecht beider Staaten unbegrenzt bestehen bleibt. Das gilt für Australien sowie Trinidad und Tobago. In diesen Fällen wird die Doppelbesteuerung nur nach innerstaatlichem Recht vermieden (§ 34c Abs. 6 Satz 4 i.V.m. Abs. 1 und 2 EStG, § 26 Abs. 6 KStG).
6.165
Eine Besonderheit gilt beim DBA mit Großbritannien: Ist eine natürliche Person im Vereinigten Königreich gewöhnlich ansässig (ordinarily resident) und werden die Veräußerungsgewinne nach innerstaatlichem Recht nicht in der Bundesrepublik besteuert (so bei der Veräußerung von Beteiligungen des Privatvermögens an englischen Gesellschaften, die weder nach § 17 EStG noch nach § 23 EStG steuerbar sind), behält Großbritannien entgegen der Grundregel das Besteuerungsrecht.2
6.166
In einigen deutschen DBA findet sich darüber hinaus die Regelung, wonach Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Grundstücksgesellschaften im Sitzstaat dieser Gesellschaften besteuert werden können, so in den DBA mit Bangladesch, Dänemark, Estland, Kanada, Schweden, Tadschikistan, Tschechien, Ukraine, USA. In anderen DBA ist die Regelung zu Grundstücksgesellschaften an weitere Voraussetzungen geknüpft, z.B. an Grundstücke im Aktivvermögen: Aserbaidschan, Estland, Georgien, Ghana, Kasachstan, Korea, Kroatien, Lettland, Litauen, Malta, Österreich, Polen, Rumänien, Usbekistan.
6.167
1 Einige Abkommen, die ebenfalls diesem OECD-Konzept entsprechen, enthalten zusätzliche Regelungen zur Wegzugsbesteuerung; das sind die DBA mit Finnland 1979 (Art. 13 Abs. 4 u. 5), Italien (Prot. zu Art. 13), Kanada (Art. 13 Abs. 7), Mauritius (Art. 13 Abs. 3–5), Neuseeland (Art. 13 Abs. 4 i.V.m. Prot. Nr. 5b), Österreich (Art. 13 Abs. 6), Schweden (Art. 13 Abs. 5) und der Schweiz (Art. 13 Abs. 5). 2 Vgl. Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 323.
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Kapitel 6 Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften
II. Liquidation 1. Besteuerung der ausländischen Kapitalgesellschaft
6.168 Die steuerlichen Folgen der Liquidation einer ausländischen Kapitalgesellschaft richten sich nach ausländischem Steuerrecht. Der Liquidationsgewinn wird nach dem Recht ihres Heimatstaates ermittelt und besteuert. Hält die ausländische Gesellschaft eine inländische Betriebsstätte, richtet sich die beschränkte Steuerpflicht der ausländischen Gesellschaft nach den allgemeinen Regeln: Soweit bei der Liquidation Wirtschaftsgüter der inländischen Betriebsstätte veräußert werden, sind die hieraus entstehenden Gewinne im Rahmen der Betriebsstätten-Besteuerung in Deutschland zu erfassen. § 11 KStG findet keine Anwendung, diese Vorschrift gilt nur für unbeschränkt Steuerpflichtige (§ 11 Abs. 1 Satz 1 KStG). 2. Besteuerung der inländischen Gesellschafter
6.169 Werden die Liquidationserlöse an einen inländischen Gesellschafter ausgekehrt, ist nach deutschem Steuerrecht zu klären, ob diese steuerbar sind und ob sie ggf. als Gewinnausschüttungen oder Veräußerungsgewinne zu behandeln sind. a) Kapitalgesellschaft als Gesellschafter
6.170 Bezüge, die nach der Auflösung einer Körperschaft anfallen, gehören gem. § 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG grundsätzlich zu den Einkünften aus Kapitalvermögen, die aufgrund der Verweisung des § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG beim inländischen Gesellschafter steuerfrei sind.1 Seit Einführung des SEStEG gilt dies sowohl für die Auflösung unbeschränkt steuerpflichtiger als auch beschränkt steuerpflichtiger Körperschaften.2 Ausnahmen sind: – Rückzahlung von Nennkapital Die Rückzahlung von Nennkapital ist grundsätzlich nicht steuerbar, es sei denn, dass es sich um die Rückzahlung von aus Gewinnrücklagen entstandenem Nennkapital handelt (§ 28 Abs. 2 und 4 KStG); diese Rückausnahme bezieht sich nach der ausdrücklichen Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG indes nur auf unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften. Daher ist die Rückzahlung von Nennkapital von ausländischen Körperschaften nicht steuerbar. – Rückzahlungen aus dem steuerlichen Einlagekonto 1 Insoweit haben sich die gemeinschaftsrechtlichen Bedenken erübrigt, gelten aber weiterhin für die Bezüge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG, die wie zuvor nur für die dort genannten Bezüge von unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaften gelten, vgl. Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 111. 2 Weber-Grellet in Schmidt31, § 20 EStG Rz. 69; Früchtl/Prokscha, BB 2007, 2147.
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E. Veräußerung und Liquidation
Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG gehören Bezüge nicht zu den Einnahmen, soweit sie aus Ausschüttungen stammen, für die Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto (§ 27 KStG) als verwendet gelten; diese Beträge sind nicht steuerbare Vermögensmehrungen, soweit sie den Buchwert der Beteiligung nicht überschreiten.1 Darüber hinausgehende Beträge gehören nach Auffassung der Finanzverwaltung zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG und fallen unter die Beteiligungsbefreiung gem. § 8b Abs. 2 KStG.2 Die Gegenansicht nimmt einheitlich Kapitaleinkünfte gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG an und stellt die Bezüge gem. § 8b Abs. 1 KStG steuerfrei.3 Damit unterliegen auch Rückzahlungen aus dem Einlagekonto, soweit sie den Buchwert übersteigen, der 5 %igen Definitivbelastung aus § 8b Abs. 5 bzw. Abs. 3 KStG.4 Die Regelung des § 27 KStG über das steuerliche Einlagekonto gilt grundsätzlich nicht für beschränkt steuerpflichtige Körperschaften, sodass deren Rückzahlungen aus einem (dem deutschen steuerlichen Einlagekonto vergleichbaren Konto) steuerpflichtige Einnahmen darstellen.5 Eine Ausnahme gilt jedoch gem. § 27 Abs. 8 KStG für in einem EU-Staat unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften. b) Natürliche Person als Gesellschafter Gehört die Beteiligung an der ausländischen Kapitalgesellschaft zum Be- 6.171 triebsvermögen, ist der Erlös aus der Auflösung und Abwicklung der ausländischen Gesellschaft im Rahmen des Betriebsvermögensvergleichs zu erfassen. Bei einer unbeschränkt steuerpflichtigen natürlichen Person oder einer Personengesellschaft, soweit an ihr natürliche Personen beteiligt sind, unterliegen die Einkünfte gem. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a EStG dem Teileinkünfteverfahren, soweit sie zu den Einnahmen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 9 EStG gehören; Gleiches gilt gem. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. e EStG, soweit sie Bezüge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG darstellen. Der Aufgabegewinn ergibt sich aus der Differenz zwischen 60 % des gemeinen Wertes des ausgekehrten Vermögens und 60 % des Buchwerts der Beteiligung. Handelt es sich um eine 100 %ige Beteiligung, liegt eine Teilbetriebsaufgabe i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 EStG vor, für die § 17 Abs. 4 EStG sinngemäß anzuwenden ist; konsequenterweise ist hierfür das Teileinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG anzuwenden.6 Da – abgesehen von Kapitalgesellschaften, die in einem EU1 BFH v. 28.10.2009 – I R 116/08, DStR 2010, 215; Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 106; strittig siehe Dötsch/Pung in D/J/P/W, § 8b KStG Rz. 80 m.w.N. 2 BMF v. 28.4.2003 – IV A 2 - S 2750a - 7/03, BStBl. I 2003, 292 Rz. 6. 3 Vgl. Dötsch/Pung, DB 2003, 1016; Rödder/Schumacher, DStR 2003, 909; Eilers/ Teske, DStR 2003, 1195. 4 Kritisch dazu Haas, IStR 2011, 353 (357). 5 Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 111. 6 Zu inländischen Beteiligungen s. Wacker in Schmidt31, § 16 EStG Rz. 167 m.w.N.
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Kapitel 6 Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften
Staat unbeschränkt steuerpflichtig sind – für ausländische Körperschaften kein steuerliches Einlagekonto i.S.d. § 27 KStG geführt wird, ist insoweit keine Aufteilung des Liquidationserlöses vorzunehmen.
6.172 Wird die Beteiligung an der ausländischen Kapitalgesellschaft im Privatvermögen gehalten und beträgt sie mindestens 1 %, ist die Auflösung der Kapitalgesellschaft gem. § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG einer Veräußerung gleichgestellt. Dies gilt auch für die Auflösung und Abwicklung einer ausländischen Kapitalgesellschaft.1 Nach § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG wird der gemeine Wert des zugeteilten Liquidationserlöses als Veräußerungspreis angesehen. Soweit darin thesaurierte Gewinne enthalten sind, findet eine Aufteilung statt (§ 17 Abs. 4 Satz 3 EStG). Auf den Veräußerungsgewinn ist das Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG anzuwenden. Bei einer Beteiligung unter 1 % greifen ab 2009 nicht mehr die Regelungen über private Veräußerungsgeschäfte gem. §§ 22 Nr. 2, 23 EStG, sondern die Regelungen über die Abgeltungssteuer. 3. Anrechnung ausländischer Steuern
6.173 Die im Ausland auf die Auskehrung des Liquidationserlöses der ausländischen Gesellschaft entfallenden Steuern können bei der inländischen Kapitalgesellschaft, soweit die inländische Steuerbefreiung nicht eingreift,2 im Rahmen des § 34c EStG bzw. § 26 KStG auf die inländische Steuer – unter Beachtung des Anrechnungshöchstbetrages – angerechnet werden. Soweit es sich dabei um Veräußerungsgewinne handelt, gehören sie gem. § 34d Nr. 4 Buchst. b EStG zu den ausländischen Einkünften. Soweit es sich um Einkünfte aus Kapitalvermögen handelt, sind sie gem. § 34d Nr. 6 EStG ausländische Einkünfte. 4. DBA-Recht
6.174 Die bei Auflösung einer ausländischen Gesellschaft entstehenden Liquidationserlöse können nach DBA-Recht sowohl als Dividenden als auch als Veräußerungsgewinne qualifiziert werden.3 Sie gehören zu den Dividenden, wenn sie nach der Qualifikation des Quellenstaats als Dividenden besteuert werden (Art. 10 Abs. 3 OECD-MA).4 Ansonsten fallen sie unter die für Veräußerungsgewinne geltende Auffangklausel des Art. 13 Abs. 5 OECD-MA.5 Ob Dividenden oder Veräußerungsgewinne vorliegen, entscheidet sich auch für den Ansässigkeitsstaat nach der für den Quellenstaat geltenden Qualifizierung. Soweit der Quellenstaat den 1 Weber-Grellet in Schmidt31, § 17 EStG Rz. 216; BFH v. 3.6.1993 – VIII R 81/91, BStBl. II 1994, 162; v. 22.2.1989 – I R 11/85, BStBl. II 1989, 794. 2 Dies kann z.B. bei Holdinggesellschaften gem. § 8b Abs. 7 KStG bzw. § 3 Nr. 40 Satz 3 EStG der Fall sein. 3 Tischbirek in V/L5, Art 10 OECD-MA Rz. 218. 4 Art. 10 Rz. 28 Satz 2 OECD-MK; Tischbirek in V/L5, Art 10 OECD-MA Rz. 186. 5 Siehe Art. 13 Rz. 31 OECD-MA.
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E. Veräußerung und Liquidation
Dividenden-Artikel entsprechend Art. 10 OECD-MA anwendet, ist der Liquidationserlös beim inländischen Gesellschafter nach dem DBASchachtelprivileg steuerfrei, auch wenn nach deutscher Qualifikation Veräußerungsgewinne vorliegen. Soweit nach der Qualifikation des Quellenstaats Veräußerungsgewinne vorliegen, ist die deutsche Besteuerung nicht durch das DBA beschränkt.
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Kapitel 7 Hinzurechnungsbesteuerung Literatur Bogenschütz/Kraft, Konzeptionelle Änderungen der erweiterten Hinzurechnungsbesteuerung und Verschärfungen im Bereich der Konzernfinanzierungseinkünfte durch das StMBG, IStR 1994, 153; Clausen, Struktur und Rechtsfolgen des § 42 AO, DB 2003, 1589; Demleitner, Hinzurechnungsbesteuerung nach US-amerikanischem Recht, IStR 2012, 459; Gosch, Außensteuerliche Aspekte der Gewerbesteuer, Hefte zur Internationalen Besteuerung, Interdisziplinäres Zentrum für Internationales Finanz- und Steuerwesen (IIFS) der Universität Hamburg, Heft 177 (2011); Grotherr, Erneute Reform der Hinzurechnungsbesteuerung durch das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz, IWB 2002, Fach 3 Deutschland, Gruppe 1, 1883; Haarmann, Wirksamkeit, Rechtmäßigkeit, Bedeutung und Notwendigkeit der Hinzurechnungsbesteuerung im AStG, IStR 2011, 565; Haas, Die Gewerbesteuerpflicht von Dividenden aus Streubesitz nach § 8 Nr. 5 GewStG und ihre Auswirkungen auf 100 %-Beteiligungen, DB 2002, 549; Haas, Reformbedarf im deutschen internationalen Steuerrecht, IStR 2011, 353; Kneip/Rieke, Hinzurechnungsbesteuerung bei ausländischen Holdinggesellschaften nach dem Entwurf eines Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes (UntStFG), IStR 2001, 665; Köhler, Die relevante Beteiligungshöhe für die Zurechnung von Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter nachgeschalteter Gesellschaften im AStG, IStR 1994, 108; Köhler/Tippelhofer, Verschärfung des § 42 AO durch das Jahressteuergesetz 2008? Zum unterschiedlichen Missbrauchsbegriff nach deutschem und europäischem Steuerrecht, IStR 2007, 681; Körner, Europarecht und CFC-Regelungen – Anrufung des EuGH im Verfahren „Cadbury Schweppes“, IStR 2004, 697; Kraft/ Nitzschke, Der Kreditinstituts-Begriff des Außensteuergesetzes unter besonderer Berücksichtigung der aufsichtsrechtlichen Einflüsse der 6. KWG-Novelle, IStR 2003, 427; Lenz/Heinsen, Zur Niedrigbesteuerung i.S.d. § 8 Abs. 3 AStG, IStR 2003, 793; Mitschke, Das Treaty Override zur Verhinderung einer Keinmalbesteuerung aus Sicht der Finanzverwaltung, DStR 2011, 2221; Morgenthaler, Steueroasen und deutsche Hinzurechnungsbesteuerung, IStR 2000, 289; Niedrig, Substanzerfordernisse bei ausländischen Gesellschaften, IStR 2003, 474; Rättig/Protzen, Die im Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts vorgesehenen Änderungen der Hinzurechnungsbesteuerung der §§ 7–14 AStG, IStR 2001, 601; Rättig/Protzen, Die „neue Hinzurechnungsbesteuerung“ der §§ 7–14 AStG in der Fassung des UntStFG – Problembereiche und Gestaltungshinweise, IStR 2002, 123; Rättig/Protzen, Keine Behinderung der internationalen Steuerplanung durch § 42 Abs. 2 AO 1977 n.F., IStR 2002, 828; Rättig/Protzen, Das BMF-Schreiben vom 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04 (Grundsätze zur Anwendung des Außensteuergesetzes) – Analyse und Kritik der wesentlichen Anordnungen im Bereich der Hinzurechnungsbesteuerung der §§ 7 bis 14 AStG, IStR 2004, 625; Rödder, Ist der Hinzurechnungsbetrag gewerbesteuerpflichtig?, IStR 2009, 873; Rödder/Schumacher, Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz: Wesentliche Änderungen des verkündeten Gesetzes gegenüber dem Regierungsentwurf, DStR 2002, 105; Schmidt, Anm. zu BFH v. 13.10.2010 – I R 61/09 (Keine Hinzurechnungsbesteuerung auch bei Outsourcing des operativen Geschäfts der ausländischen Tochtergesellschaft), GWR 2011, 48; Schmidt/Hageböke, Auslandverschmelzungen im Außensteuerrecht, IStR 2001, 697; Seer, Grenzen der Zulässigkeit eines treaty overridings am Beispiel der Switch-over-Klausel des § 20 AStG (Teil I), IStR 1997, 481; Wassermeyer, Die Zurechnung von Einkünften einer aus-
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Kapitel 7 Hinzurechnungsbesteuerung ländischen Untergesellschaft gegenüber ihrer ausländischen Obergesellschaft nach § 14 AStG, IStR 2003, 665.
A. Grundlagen I. Rechtsentwicklung 7.1 Eine im Ausland errichtete Kapitalgesellschaft unterliegt in ihrem Heimatstaat der Besteuerung und versteuert dort i.d.R. nach dem Welteinkommensprinzip die von ihr weltweit erzielten Gewinne. Die thesaurierten Gewinne werden in Deutschland steuerlich grundsätzlich nicht erfasst („Abschirmwirkung“).1
7.2 Die Abschirmwirkung war die Grundlage für die in der Mitte des 20. Jahrhunderts breitflächig einsetzende Verlagerung von Einkünften in sog. „Steueroasen“, in denen die Steuerbelastung – im Vergleich zu den deutschen Steuersätzen – niedrig war.2 Dabei ging es im Wesentlichen um Fälle, in denen Inländer Einkünfte und Vermögen auf Kapitalgesellschaften in Länder mit niedrigem Steuerniveau verlagerten, um steuerliche Effekte zu erzielen. Bei der inländischen Gesellschaft kam es zu Betriebsausgaben, wenn sie an die ausländische Gesellschaft Zinsen, Lizenzgebühren, Vermittlungsprovisionen oder sonstige Dienstleistungsentgelte zahlte oder – bei Einschaltung der ausländischen Gesellschaft als Zwischenerwerber – Entgelte für deren Zwischenhändlerfunktion entrichtete. Dadurch entstand ein Liquiditäts- und Zinsvorteil und, soweit die Gewinnausschüttungen in Deutschland aufgrund eines Schachtelprivilegs steuerfrei waren, ein definitiver Steuervorteil.3 Wurden die in der Basisgesellschaft angesammelten Erträge im Ausland investiert, entstand ein zusätzlicher Steuereffekt, da auch die Erträge aus Investitionen abgeschirmt wurden.
7.3 Die Finanzverwaltung versuchte, mit ihren Oasenerlassen diese Entwicklung durch extensive Anwendung der allgemeinen Regeln (Missbrauch, § 6 StAnpG, jetzt § 42 AO; Zurechnung wirtschaftlichen Eigentums/ Treuhand, § 11 StAnpG, jetzt § 39 AO) zu unterbinden.4 Gegenüber diesem weitreichenden Vorstoß der Finanzverwaltung blieb die Rechtsprechung indes zurückhaltend.5 1 Der Grundsatz der Abschirmwirkung ausländischer Kapitalgesellschaften ist allgemein anerkannt, z.B. BFH v. 17.7.1985 – I R 104/82, BStBl. II 1986, 129; v. 28.1.2001 – I R 42/02, BStBl. II 2005, 14; Protzen in Kraft, § 7 AStG Rz. 2. 2 Vgl. den „Oasenbericht“ des BMF v. 23.6.1964 – IV B/5 - S 1301 - 83/64, BTDrucks. IV/2412, 9, siehe dazu näher 2. Aufl. (1998), Rz. E 420 ff. 3 Siehe dazu Köhler in S/K/K, Vor §§ 7–14 AStG Rz. 4. 4 Vgl. die beiden sog. Oasenerlasse aus den Jahren 1965 und 1977, FinMin Niedersachsen v. 14.6.1965 – S 1301 - 31 1, BStBl. II 1965, 74 und FinMin NW v. 2.5.1977 – S 1300 - VB 2, DB 1977, 937; siehe dazu 2. Aufl. (1998), Rz. E 433 ff. 5 Vgl. das Basisurteil des BFH v. 17.7.1968 – I 121/64, BStBl. II 1968, 695.
958
Henkel
A. Grundlagen
Hierauf reagierte der Gesetzgeber und setzte mit Wirkung zum 1.1.1972 7.4 das AStG mit den Regelungen zur Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 ff. AStG) in Kraft. Die Hinzurechnungsbesteuerung lehnte sich weitgehend an das US-amerikanische Konzept der Subpart-F-Regelung des US Revenue Act von 1962 an.1 Ihr Kerngedanke bestand darin, passive Einkünfte, die von einer inlandsbeherrschten ausländischen Kapitalgesellschaft erzielt wurden und die der niedrigen Besteuerung (damals 30 %) unterlagen, den inländischen Anteilseignern zuzurechnen. Diese Zurechnung sollte jedoch die Schachtelprivilegien von bestehenden DBA respektieren, indem der „Hinzurechnungsbetrag“ bei Eingreifen eines DBA-Schachtelprivilegs freigestellt wurde (§ 10 Abs. 5 AStG a.F.).2 Mit ihrem Vorstoß blieb die Bundesrepublik nicht allein. Inzwischen gibt es in fast allen Industrienationen gesetzliche Maßnahmen, um die Abschirmwirkung von „Controlled Foreign Corporations“ („CFC“) einzuschränken.3 Dabei geht es im Wesentlichen darum, die Abschirmwirkung zu durchbrechen, wenn und soweit die ausländische Gesellschaft im niedrig besteuerten Ausland keine eigenständigen wirtschaftlichen Funktionen hat und lediglich als Basis für inländische wirtschaftliche Interessen zwischengeschaltet wurde.
7.5
Parallel zu der gesetzlichen Regelung der Hinzurechnungsbesteuerung entwickelte die Rechtsprechung eine umfangreiche Kasuistik zur missbräuchlichen Einschaltung von Basisgesellschaften. Danach erfüllte eine Basisgesellschaft im Ausland „den Tatbestand des Rechtsmissbrauchs vor allem dann, wenn für ihre Errichtung wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen und wenn sie keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet.“4
7.6
Die Abschirmwirkung kann – neben dem Rechtsmissbrauch und der Hinzurechnungsbesteuerung – auch in weiteren Ausnahmefällen durchbrochen werden. Im Vordergrund stehen dabei die Regelungen der AO zur Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums (§ 39 Abs. 2 AO) und zum Scheingeschäft (§ 41 Abs. 2 Satz 1 AO). Ein Zugriff auf das Steuersubstrat ergibt sich auch aufgrund von Gewinnkorrekturen gem. § 1 AStG sowie aufgrund von vGA und verdeckten Einlagen. Auf das Einkommen der im Ausland errichteten Gesellschaft wird ferner zugegriffen, wenn die Geschäftsleitung im Inland liegt und sie dadurch unbeschränkt steuerpflichtig ist (§ 1 Abs. 1 KStG i.V.m. § 10 AO).
7.7
1 Ausführlich Bellstedt, DStR 1962/63, 331; Demleitner, IStR 2012, 459. 2 § 10 Abs. 5 AStG wurde durch das StVergAbG mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2003 aufgehoben. 3 Vgl. Darstellung von Vogt in Blümich, Vorb. §§ 7–14 AStG Rz. 22; Köhler in S/K/K, Vor §§ 7–14 AStG Rz. 39. 4 BFH v. 29.1.1975 – I R 135/70, BStBl. II 1975, 553; v. 24.2.1976 – VIII R 155/51, BStBl. II 1977, 265; zur weiteren Entwicklung der Rspr. s. Rz. 7.24 ff.
Henkel
959
Kapitel 7 Hinzurechnungsbesteuerung
7.8 Den Regelungen, mit denen die Abschirmwirkung durchbrochen werden kann, liegt kein geschlossenes systematisches Konzept zugrunde, sodass Unstimmigkeiten und Brüche vorgezeichnet sind. Insbesondere sind auch die Versuche einer einheitlichen Begriffsbildung für die Begriffe „Steueroasen“ oder „Basisgesellschaft“ ins Leere gelaufen. Diese Begriffe sind weitgehend konturlos. Ihnen ist bei den gesetzlichen Regelungen nicht die Qualität von Tatbestandsmerkmalen zugekommen, es handelt sich vielmehr um gesetzlich nicht definierte Typusbegriffe.1 Es ist daher jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob eine gesetzliche Grundlage für eine Durchbrechung der Abschirmwirkung besteht und, wenn mehrere Regelungen eingreifen, in welchem Konkurrenzverhältnis diese zueinander stehen.
II. Allgemeine Vorschriften 7.9 Die allgemeinen Vorschriften, die zu einer Durchbrechung der Abschirmwirkung führen können, sind die Regelungen über Scheingeschäfte (§ 41 Abs. 2 AO), die Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums (§ 39 Abs. 2 AO) und der Rechtsmissbrauch nach § 42 AO. Diese Regelungen gehen der Hinzurechnungsbesteuerung i.S.v. § 7 ff. AStG vor.2 1. Scheingeschäft
7.10 Ebenso wie der Erwerb einer Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft regelmäßig ernsthaft gewollt und damit nicht als Scheingeschäft i.S.d. § 41 Abs. 2 Satz 1 AO zu bewerten ist,3 sind auch die Geschäftsvorfälle zwischen dem inländischen Gesellschafter und der Basisgesellschaft nicht als Scheingeschäft anzusehen, wenn die zivilrechtlichen Folgen des Vertrages zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter tatsächlich eintreten sollen. Das Ziel, mit diesen Verträgen Steuern einsparen zu wollen, ist zivilrechtlich nur als unbeachtliches Motiv anzusehen, sodass regelmäßig die Annahme eines Scheingeschäfts gem. § 41 Abs. 2 AO ausscheidet.4
7.11 Sollte im Einzelfall doch ein Scheingeschäft vorliegen, besteht die Rechtsfolge darin, dass das Scheingeschäft für die Besteuerung entweder unerheblich ist (§ 41 Abs. 2 Satz 1 AO) oder das durch das Scheingeschäft verdeckte Rechtsgeschäft besteuert wird (§ 41 Abs. 2 Satz 2 AO). Überträgt der inländische Gesellschafter der Basisgesellschaft zum Schein Wirtschaftsgüter, die er anschließend von dieser „mietet“, wobei aber die Nutzungen und die „Mietzahlungen“ nicht tatsächlich der Basisgesellschaft zustehen sollen, so ist die Vermietung steuerlich unbeachtlich; dies hat zur Folge, 1 Siehe 2. Aufl. (1998), Rz. E 425; Morgenthaler, IStR 2000, 289. 2 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 7.0.2. Nr. 2 u. Nr. 3; Köhler in S/K/K, § 7 AStG Rz. 12 ff. 3 Vgl. schon das Basisurteil des BFH v. 17.7.1968 – I 121/64, BStBl. II 1968, 695. 4 Protzen in Kraft, § 7 AStG Rz. 45.
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A. Grundlagen
dass der inländische Gesellschafter den „Mietaufwand“ nicht abziehen kann. 2. Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums/Treuhandschaft Von einer Treuhandschaft i.S.d. § 39 ist auszugehen, wenn der rechtliche Eigentümer des Anteils an der ausländischen Kapitalgesellschaft den Anteil nur treuhänderisch für einen anderen, den wirtschaftlichen Eigentümer hält, wenn also der rechtliche Eigentümer strikt weisungsgebunden ist und eine Verpflichtung zur jederzeitigen Rückgabe des Anteils besteht.1 In diesem Fall geht die Zurechnung des Anteils zum wirtschaftlichen Eigentümer als allgemeine Regel der Hinzurechnungsbesteuerung vor; ggf. kann den wirtschaftlichen Eigentümer die Hinzurechnungsbesteuerung treffen.
7.12
Ebenso kann eine Kapitalgesellschaft in Ausnahmefällen einzelne Wirtschaftsgüter, soweit sie nicht zur Erhaltung ihres Nennkapitals erforderlich sind, treuhänderisch für einen Gesellschafter halten.2 In diesem Fall können die Wirtschaftsgüter gem. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO und die aus der Nutzung dieser Wirtschaftsgüter erzielten Einnahmen dem inländischen Gesellschafter zugerechnet werden. Eine solche Weisungsbindung erfordert i.d.R. schuldrechtlichen Vereinbarungen.3 Die gesellschaftsrechtliche Beherrschung der ausländischen Kapitalgesellschaft ist dafür nicht ausreichend, sie beruht vielmehr auf der gesellschaftsrechtlichen Organisationsstruktur und begründet regelmäßig keine Treuhand.4
7.13
3. Rechtsmissbrauch a) Überblick Ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten liegt grundsätzlich dann vor,
7.14
„wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des erstrebten wirtschaftlichen Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist.“5
Hieraus hat der BFH die in ständiger Rechtsprechung verwendete Formel zur Beurteilung von Basisgesellschaften entwickelt:
1 Der BFH hat die ursprünglich einmal angewandte Treuhandlösung wieder verworfen, BFH v. 29.1.1975 – I R 135/70, BStBl. II 1975, 553 und die Fälle über § 42 AO gelöst; Protzen in Kraft, § 7 AStG Rz. 40. 2 BFH v. 15.7.1997 – VIII R 56/93, BStBl. II 1998, 152; zum Verhältnis von § 39 AO zu § 7 Abs. 4 AStG siehe Protzen in Kraft, § 7 AStG Rz. 225. 3 BFH v. 25.11.2009 – I R 12/09, BStBl. II 2010, 590 zur Treuhand bei Aktien. 4 Pahlke/König, § 39 AO Rz. 54 m.w.N. 5 BFH v. 23.10.2002 – I R 39/01, BFH/NV 2003, 289; v. 20.3.2002 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50 m.w.N.
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7.15
Kapitel 7 Hinzurechnungsbesteuerung „Die Zwischenschaltung von Basisgesellschaften in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft im niedrig besteuernden Ausland erfüllt den Tatbestand des Rechtsmissbrauchs, wenn für ihre Zwischenschaltung wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen.“1
7.16 Damit kommt zum Ausdruck, dass das Steuerrecht eine gewählte zivilrechtliche Gestaltung anerkennt, wenn diese nicht lediglich der Manipulation dient. Ist Letzteres der Fall, ist die Gestaltung unter der zusätzlichen Voraussetzung steuerlich anzuerkennen, dass durch die Gestaltung ein angemessener wirtschaftlicher Zweck verfolgt wird.
7.17 Die bloße Errichtung einer ausländischen Gesellschaft stellt grundsätzlich keinen Rechtsmissbrauch i.S.d. § 42 AO dar.2 Daraus folgt, dass auch das Erzielen von passiven Einkünften für sich genommen keinen Missbrauch darstellen kann; vielmehr müssen nach Ansicht des BFH weitere Umstände hinzutreten, die die Gestaltung als missbräuchlich kennzeichnen. Dies ist insbesondere bei der Einschaltung von eigenwirtschaftlich funktionslosen Basisgesellschaften, also letztlich von „Briefkastengesellschaften“, der Fall.3 b) Verhältnis zur Hinzurechnungsbesteuerung
7.18 Der BFH hat sich zum Verhältnis der Hinzurechnungsbesteuerung zu § 42 AO – jedenfalls für die bis zum Veranlagungszeitraum 2007 geltende Fassung des § 42 AO (nachfolgend „§ 42 AO a.F.“) – klar positioniert. Im Ausgangspunkt geht der BFH4 davon aus, dass § 42 AO a.F. gegenüber der Anwendung der §§ 7–14 AStG logisch vorrangig ist. Den logischen Vorrang leitet der BFH aus den unterschiedlichen Rechtsfolgen des § 42 AO a.F. einerseits und der §§ 7 ff. AStG andererseits ab. Im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung gem. §§ 7 ff. AStG werde die ausländische Zwischengesellschaft als Einkunftserzielungssubjekt behandelt. Die Rechtsfolge des § 42 AO a.F., die im Rahmen der vorliegenden Konstellation zu einer unmittelbaren Zurechnung der Einkünfte zum inländischen Gesellschafter führe, setze demgegenüber logisch früher an, da die Zurechnung der Einkünfte zum Gesellschafter die Einkünfteerzielung durch die aus1 Siehe nur BFH v. 23.10.2002 – I R 39/01, BFH/NV 2003, 289 m.w.N. 2 Vgl. BFH v. 23.10.2002 – I R 39/01, BFH/NV 2003, 289; v. 20.3.2002 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50; v. 5.3.1986 – I R 201/82, BStBl. II 1986, 496. In letztgenanntem Urteil wurde der Begriff der „Errichtung“ in der Formel zur Beurteilung von Basisgesellschaften durch „Einschaltung“ ersetzt. 3 BFH v. 25.2.2004 – I R 42/02, BFH/NV 2004, 1313; v. 19.1.2000 – I R 94/97 u. I R 117/97, BStBl. II 2001, 222 = BFH/NV 2000, 824 (sog. „Dublin-Docks-Urteile“); anders noch der Nichtanwendungserlass des BMF v. 19.3.2001 – IV B 4 - S 1300 - 65/01, DStR 2001, 659, größtenteils aufgehoben durch BMF v. 28.12.2004 – IV B 4 - S 1300 - 362/04, DStR 2005, 67. 4 BFH v. 20.3.2002 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50; v. 25.2.2004 – I R 42/02, BFH/NV 2004, 1313 sowie v. 19.1.2000 – I R 94/97 u. I R 117/97, BStBl. II 2001, 222 = BFH/ NV 2000, 824 (sog. „Dublin-Docks-Urteile“); v. 10.6.1992 – I R 105/89, BStBl. II 1992, 1029; v. 23.10.1991 – I R 40/89, BStBl. II 1992, 1026.
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A. Grundlagen
ländische Gesellschaft ausschließe. Die unmittelbare Zurechnung der Einkünfte beim inländischen Gesellschafter schließe es aus, die Einkünfte außerdem der Zwischengesellschaft zuzurechnen, um sie auf diese Weise (noch einmal) der Hinzurechnungsbesteuerung zu unterwerfen.1 Der vom BFH angenommene logische Vorrang des § 42 AO a.F. vor der Hinzurechnungsbesteuerung steht jedoch unter zwei wesentlichen Einschränkungen: Die erste Einschränkung ergibt sich daraus, dass § 42 AO a.F. indirekt voraussetzt, dass die vom Steuerpflichtigen gewählte Gestaltung zu einer Steuerersparnis führt.2 Führt die Zwischenschaltung der ausländischen Gesellschaft jedoch aufgrund der Hinzurechnungsbesteuerung auf die Gesamtdauer der Gestaltung gesehen zu einer höheren inländischen Steuer, so kommt die Anwendung des § 42 AO a.F. regelmäßig nicht in Betracht.3 Die zweite Einschränkung ergibt sich nach Auffassung des BFH daraus, dass die Anwendung von § 42 AO a.F. voraussetzt, dass sich die tatsächlich gewählte Gestaltung auch bei einer Bewertung am Gesetzeszweck der §§ 7 ff. AStG noch als ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts darstelle. Daraus leitet der BFH ab, dass das bloße Erzielen von Einkünften aus passivem Erwerb für sich genommen keinen Missbrauchsvorwurf rechtfertigt, sondern nur die Hinzurechnungsbesteuerung auslöst. Um § 42 AO a.F. anwenden zu können, müssten vielmehr weitere Umstände hinzutreten, die die Gestaltung als missbräuchlich kennzeichnen.4
7.19
Aus den vorstehend aufgezeigten Grundsätzen der Rechtsprechung folgt, dass § 42 AO a.F. grundsätzlich durch die Vorschriften der §§ 7 ff. AStG verdrängt wird, soweit über das bloße Erzielen von Einkünften aus passivem Erwerb hinaus keine den Missbrauchsvorwurf rechtfertigenden Gründe vorliegen. Zu einer Anwendung des § 42 AO a.F. kann es daher – jedenfalls für Veranlagungszeiträume bis 2007 – im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung nur im Fall von Briefkastengesellschaften kommen.5 Dieser Auffassung hat sich auch die Finanzverwaltung angeschlossen.6
7.20
In der umgekehrten Konstellation, in der die Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung nicht erfüllt sind (z.B. weil keine niedrige Be-
7.21
1 BFH v. 19.1.2000 – I R 94/97, BStBl. II 2001, 222; v. 23.10.1991 – I R 40/89, BStBl. II 1992, 1026 u. v. 10.6.1992 – I R 105/89, BStBl. II 1992, 1029. 2 Vgl. Clausen, DB 2003, 1589. 3 BFH v. 12.7.1989 – I R 46/85, BStBl. II 1990, 113; v. 23.10.1991 – I R 40/89, BStBl. II 1992, 1026 u. v. 10.6.1992 – I R 105/89, BStBl. II 1992, 1029; v. 25.3.2004 – III B 1/03, BFH/NV 2004, 920. 4 BFH v. 20.3.2002 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50; BFH v. 19.1.2000 – I R 94/97, BStBl. II 2001, 222; BFH v. 23.10.1991 – I R 40/89, BStBl. II 1992, 1026 u. v. 10.6.1992 – I R 105/89, BStBl. II 1992, 1029. 5 Vgl. hierzu BFH v. 10.6.1992 – I R 105/89, BStBl. II 1992, 1029; v. 19.1.2000 – I R 94/97, BStBl. II 2001, 222; v. 20.3.2002 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50. 6 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 7.0.2 Nr. 3.
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Kapitel 7 Hinzurechnungsbesteuerung
steuerung i.S.d. § 8 Abs. 3 AStG vorliegt), ist auch § 42 AO a.F. grundsätzlich nicht anwendbar, da es insofern an dem Tatbestandsmerkmal der Missbilligung der Gestaltung durch die Rechtsordnung fehlt. Denn wird die Gestaltung, die im Regelungsbereich der §§ 7 ff. AStG liegt, nicht durch die spezielle Missbrauchsvorschrift sanktioniert, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass die Gestaltung durch die Rechtsordnung gebilligt wird.1 Die allgemeine Missbrauchsvorschrift des § 42 AO kann in diesem Fall folglich ebenfalls nicht erfüllt sein.
7.22 Dieser restriktiven Anwendung des § 42 AO a.F. wollte der Gesetzgeber mit dem StÄndG 2001 entgegenwirken, indem er einen Abs. 2 in § 42 AO a.F. einfügte, wonach die allgemeine Missbrauchsvorschrift auch dann anwendbar sein sollte, wenn ihre Anwendbarkeit gesetzlich nicht ausdrücklich ausgeschlossen war. Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Ausweitung der Anwendbarkeit des § 42 Abs. 1 AO wurde jedoch nach Ansicht des BFH2 verfehlt, da für die Anwendbarkeit des § 42 Abs. 1 AO auch dessen Tatbestandsmerkmale erfüllt sein mussten. Waren diese aber nicht erfüllt, konnte die Vorschrift auch nicht durch die Neuregelung in § 42 Abs. 2 AO zur Anwendung gelangen.3 Im Ergebnis lief § 42 Abs. 2 AO somit leer und wurde konsequenterweise mit der Neufassung des § 42 AO durch das JStG 20084 aufgehoben.
7.23 Noch nicht geklärt ist, welche Auswirkungen die Änderung des § 42 AO durch das JStG 2008 auf die bisherige Rechtsprechung hat.5 Klarheit ist nur insoweit geschaffen, als die Neufassung des § 42 Abs. 1 Satz 2 AO nunmehr den Rang zwischen speziellen Missbrauchstatbeständen und § 42 AO regelt und einen Anwendungsvorrang für die spezialgesetzliche Norm bestimmt. In § 42 Abs. 2 Satz 1 AO versucht der Gesetzgeber zu definieren, was er unter „Missbrauch“ versteht: Dieser liege dann vor, „wenn eine unangemessene Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt.“ Damit ist aber keine Regelung darüber getroffen, wann eine Gestaltung unangemessen ist. Die Neufassung gibt daher keinen Grund, von der bisherigen Sichtweise abzuweichen, dass bei Nichterfüllung von Hinzurechnungskriterien (z.B. dem Vorliegen von Aktivität i.S.d. § 8 Abs. 1 AStG, des Gegenbeweises i.S.d. § 8 Abs. 2 AStG oder bei nicht-niedriger Besteuerung i.S.d. § 8 Abs. 3 AStG) keine Unangemessenheit vorliegen
1 Vgl. BFH v. 19.1.2000 – I R 94/97, BStBl. II 2001, 222; v. 20.3.2002 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50. 2 Vgl. BFH v. 19.2.2002 – IX R 32/98, BStBl. II 2002, 674; v. 20.3.2002 – IR 63/99, BStBl. II 2003, 50; v. 25.2.2004 – I R 42/02, BFH/NV 2004, 1313. 3 Protzen in Kraft, AStG, § 7 Rz. 115 f.; Clausen, DB 2003, 1589; Niedrig, IStR 2003, 474; Rättig/Protzen, IStR 2002, 828. 4 JStG 2008 v. 20.12.2007, BGBl. I 2007, 3150. 5 Protzen in Kraft, § 7 AStG Rz. 120 ff.
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kann.1 In § 42 Abs. 2 Satz 2 AO ist nunmehr auch der Ausschluss des § 42 AO aufgenommen, wenn der Steuerpflichtige für die Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.2 c) Missbrauchskriterien aa) Ausländische Kapitalgesellschaft Die BFH-Rechtsprechung befasst sich ausdrücklich nur mit „Basisgesellschaften“ in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft. Ob eine Kapitalgesellschaft vorliegt, richtet sich nach dem Typenvergleich.
7.24
Von der Missbrauchsrechtsprechung sind nur ausländische Gesellschaften betroffen. Die Gesellschaft ist im Ausland ansässig, wenn sie im Inland weder ihren Sitz noch ihren Ort der Geschäftsleitung hat. Hat die Gesellschaft Sitz oder Geschäftsleitung im Inland, wäre sie im Inland unbeschränkt steuerpflichtig. Einer Durchbrechung der Abschirmwirkung bedürfte es in diesem Fall nicht, da die Einkünfte unmittelbar der inländischen Besteuerung unterliegen.
7.25
bb) Unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter Die Rechtsprechung zu ausländischen Basisgesellschaften betraf ursprünglich nur inländische Gesellschafter, weil die Gründung einer Kapitalgesellschaft im Ausland durch einen Ausländer noch keinen Bezug zum Inland und damit zu den inländischen Steuergesetzen hat.3 Ein Rechtsmissbrauch kann jedoch auch bei der Einschaltung von Basisgesellschaften vorliegen, an denen beschränkt Steuerpflichtige beteiligt sind, wenn ein Bezug zum Inland und damit zu den inländischen Steuergesetzen besteht.4 Ein solcher Inlandsbezug besteht z.B. dann, wenn die im Ausland von einem Ausländer errichtete Kapitalgesellschaft in bestehende oder neu begründete Rechtsbeziehungen des Ausländers zum Inland eingeschaltet wird.5
1 Nach Reiche in Haase, § 7 AStG Rz. 13 ist § 42 AO bereits dann ausgeschlossen, wenn der Sachverhalt generell in den Anwendungsbereich des § 7 AStG fällt. 2 Köhler in S/K/K, § 7 AStG Rz. 14 ff. sieht hierin eine Verschärfung gegenüber der bisherigen Rspr.; ebenso Köhler/Tippelhofer, IStR 2007, 681. 3 Vgl. zu dieser früheren Rechtsauffassung BFH v. 29.10.1981 – I R 89/80, BStBl. II 1982, 150 (sog. „Monaco-Urteil“). 4 BFH v. 29.1.2008 – I R 26/06, DStRE 2008, 812. 5 BFH v. 20.3.2002 – I R 38/00, IStR 2002, 597; v. 29.10.1997 – I R 35/96, BStBl. II 1998, 235; v. 27.8.1997 – I R 8/97, BStBl. II 1998, 163; v. 10.11.1983 – IV R 62/82, BStBl. II 1984, 605.
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7.26
Kapitel 7 Hinzurechnungsbesteuerung
cc) Gesellschaftsrechtliche Verflechtung
7.27 Zwischen der ausländischen Gesellschaft und dem unbeschränkt – oder ausnahmsweise beschränkt – Steuerpflichtigen muss eine gesellschaftsrechtliche Verflechtung bestehen. Ausreichend ist, dass eine dem inländischen Steuerpflichtigen nahe stehende Person an der ausländischen Gesellschaft beteiligt ist.1
7.28 Über die Beteiligungshöhe sagen die Basis-Urteile nichts aus, insbesondere ist keine Mindestbeteiligung gefordert. Der Umfang der Beteiligung wirkt sich aber aufgrund der Rechtsfolge des § 42 AO aus, da die Einkünfte nur dem im Inland unbeschränkt – in Ausnahmefällen auch beschränkt – Steuerpflichtigen zugerechnet werden können. dd) Niedrige Besteuerung
7.29 Der BFH2 zieht die in § 8 Abs. 3 AStG festgelegte Steuersatzgrenze für die Annahme einer niedrigen Besteuerung (25 v.H. Steuerbelastung – bezogen auf nach inländischem Steuerrecht zu ermittelnde Einkünfte) auch für die allgemeine Missbrauchsrechtsprechung zu Basisgesellschaften heran. Da das AStG typisierend davon ausgeht, dass die Einschaltung einer ausländischen Gesellschaft nicht zu beanstanden ist, wenn diese einer Steuerbelastung von 25 v.H. und mehr unterliegt, stellt die Einschaltung der Basisgesellschaft in diesem Fall regelmäßig auch keinen Missbrauch i.S.d. § 42 AO dar. ee) Eigene wirtschaftliche Tätigkeit
7.30 Die Missbrauchsvermutung kann entkräftet werden, wenn die ausländische Zwischengesellschaft nicht nur formal eingeschaltet ist, sondern eine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet. Dazu wird gefordert, dass sie über einen eingerichteten Geschäftsbetrieb verfügt und darin eine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet.
7.31 Das Merkmal des eingerichteten Geschäftsbetriebs erfordert nach ständiger Rechtsprechung des BFH grundsätzlich, dass die Gesellschaft über eigenen Büroraum, eigene Telefon- und Faxanschlüsse, also über eigene Kommunikationsmittel, und über eigenes Personal verfügt. Ausreichend ist ein lediglich bescheidener Büroraum sowie die Beschäftigung von Teilzeitkräften.3 Fehlt es hieran, liegt eine reine Briefkastengesellschaft oder Domizilgesellschaft vor. Die Gesellschaft entfaltet eine eigene wirtschaftliche Tätigkeit, wenn sie eine eigenständige erwerbswirtschaftliche
1 BFH v. 9.5.1979 – I R 126/77, BStBl. II 1979, 586; v. 26.7.1995 – I R 78/93, IStR 1996, 79. 2 Vgl. BFH v. 20.3.2002 – IR 63/99, BStBl. II 2003, 50. 3 BFH v. 20.3.2002 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50; v. 29.10.1997 – I R 35/96, BStBl. II 1998, 235.
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Henkel
A. Grundlagen
Funktion hat und dieser Funktion auch tatsächlich nachkommt.1 Die eigenständige Funktion muss die Gesellschaft indes nicht durch eigenes Personal oder sonstige eigene Aktivitäten ausführen. Sie kann die Betriebsführung vielmehr outsourcen und auf eine Managementgesellschaft übertragen.2 Zu beachten sind die Wechselwirkungen zwischen dem Umfang der wirtschaftlichen Tätigkeit und dem Umfang des eingerichteten Geschäftsbetriebs: Wird – wie im Falle von Kapitalanlage- und Finanzierungsfunktionen – kein besonderer Apparat benötigt, können die Substanzanforderungen hinsichtlich des eingerichteten Geschäftsbetriebs herabgesetzt sein.3
7.32
ff) Wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe Das Vorliegen von wirtschaftlichen oder sonst beachtlichen außersteuerlichen Gründen verhindert die Qualifikation als Missbrauch, auch wenn ansonsten die Gestaltung zur Erreichung des erstrebten wirtschaftlichen Ziels unangemessen wäre.4 Als wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe für die Zwischenschaltung einer Basisgesellschaft kommen z.B. haftungsrechtliche, personalrechtliche oder organisationsrechtliche Gründe in Betracht. Nicht ausreichend sind nach Ansicht des BFH5 im Einzelfall Gründe der Koordination und Organisation des Aufbaus von Kundenbeziehungen, der Kosten, der örtlichen Präferenzen und der gesamtunternehmerischen Konzeption. Eine Holdinggesellschaft ist nach der Rechtsprechung des BFH anzuerkennen, wenn sie Beteiligungen von einigem Gewicht erwirbt und diesen gegenüber geschäftsleitende Funktionen wahrnehmen soll.6 Eine Kapitalanlagegesellschaft ist nach der Rechtsprechung des BFH jedenfalls dann nicht ohne jede steuerlich anzuerkennende Funktion, wenn sie auf eine gewisse Dauer angelegt ist und über ein Mindestmaß an personeller und
1 Vgl. BFH v. 5.3.1986 – I R 201/82, BStBl. II 1986, 496; v. 28.1.1992 – VIII R 7/88, BStBl. II 1993, 84; v. 2.6.1992 – VIII R 8/89, BFH/NV 1993, 416; v. 20.3.2002 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50 u. 20.3.2002 – I R 38/00, IStR 2002, 597. 2 BFH v. 25.2.2004 – I R 42/04, BFH/NV 2004, 1313 hinsichtlich der Abwicklung von Wertpapiergeschäften durch eine Managementgesellschaft; v. 19.1.2000 – I R 94/97, BStBl. II 2001, 222 u. v. 19.1.2000 – I R 117/97, BStBl. II 2001, 222; a.A. BMF v. 19.3.2001 – IV B 4 - S 1300 - 65/01, DStR 2001, 659, größtenteils aufgehoben durch BMF v. 28.12.2004 – IV B 4 - S 1300 - 362/04, DStR 2005, 67. 3 BFH v. 29.1.2008 – I R 26/06, DStRE 2008, 812 zu der insoweit vergleichbaren Situation bei § 50d Abs. 1a (jetzt § 50d Abs. 3) EStG. 4 Vgl. BFH v. 23.10.2002 – I R 39/01, BFH/NV 2003, 289; v. 20.3.2002 – I R 38/00, IStR 2002, 597. 5 BFH v. 20.3.2002 – I R 38/00, IStR 2002, 597; vgl. auch BFH v. 23.10.2002 – I R 39/01, BFH/NV 2003, 289. 6 BFH v. 2.6.1992 – VIII R 8/89, BFH/NV 1993, 416; Protzen in Kraft, § 7 AStG Rz. 63 m.w.N.
Henkel
967
7.33
Kapitel 7 Hinzurechnungsbesteuerung
sachlicher Ausstattung verfügt, die die unternehmerische Entscheidungsund Handlungsfähigkeit sicherstellt.1
7.34 Unklar ist, in welchem Verhältnis die beiden Kriterien der „eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit“ und der „außersteuerlichen Gründe“ stehen. Aus der Formel des BFH lässt sich ableiten, dass jedes der beiden Kriterien für sich genommen den Missbrauchsvorwurf ausschließen kann.2 Andererseits wird man die Rechtsprechung wohl so lesen müssen, dass es bei Fehlen eines eingerichteten Geschäftsbetriebs zur Anwendung des § 42 AO kommen kann, ohne dass das Kriterium der wirtschaftlichen oder sonstigen außersteuerlichen Gründe dieses Ergebnis verhindern kann.3 Für die Gestaltungspraxis ist daher anzuraten, dass stets ein eingerichteter Geschäftsbetrieb vorhanden sein sollte, dessen Substanz sich an der intendierten wirtschaftlichen Tätigkeit ausrichtet. d) Rechtsfolge aa) Einkunftserzielung durch den inländischen Steuerpflichtigen
7.35 Liegt eine missbräuchliche Umgehung vor, entsteht der Steueranspruch gem. § 42 Abs. 1 Satz 3 AO n.F. „so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.“ Nach bisheriger Rechtsprechung des BFH wird eine Gestaltung unterstellt, bei der die Umgehung hinweggedacht und die zwar nicht tatsächlich durchgeführte, aber den wirtschaftlichen Zielen angemessene Gestaltung besteuert wird.4 Es ist nicht erkennbar, dass die Neufassung des § 42 AO an der bisherigen Lesart etwas geändert hat. Das bedeutet bei missbräuchlicher Zwischenschaltung einer Basisgesellschaft, dass die Zwischenschaltung der Gesellschaft hinweggedacht und als wirtschaftlich angemessene Gestaltung regelmäßig die – anteilige – unmittelbare Einkunftserzielung durch den inländischen Steuerpflichtigen unterstellt wird.5 Auf der Grundlage dieser unterstellten Gestaltung „entsteht der Steueranspruch“ (§ 42 Abs. 1 Satz 2 AO). Der BFH geht davon aus, dass diese Rechtstechnik als Zurechnung von Einkünften zu verstehen sei.
1 BFH v. 25.2.2004 – I R 42/02, BFH/NV 2004, 1313; nach BMF v. 28.12.2004 – IV B 4 - S 1300 - 362/04, DStR 2005, 67 bleibt im Einzelfall zu prüfen, ob die Kapitalanlagegesellschaft tatsächlich eigenwirtschaftlich tätig war oder es sich um eine Basisgesellschaft handelte, die zum Zweck der Manipulation eingesetzt wurde. 2 Protzen in Kraft, § 7 AStG Rz. 53 m.w.N. 3 So wohl BFH v. 29.1.2008 – I R 26/06, DStRE 2008, 812 zu der insoweit vergleichbaren Situation bei § 50d Abs. 1a (jetzt § 50d Abs. 3) EStG. 4 Siehe auch Fischer in H/H/Sp, § 42 AO Rz. 301 ff.; Clausen, IStR 2003, 1589, die die umgangene Rechtsvorschrift auf den tatsächlich verwirklichten Sachverhalt (den tatsächlich stattfindenden Werttransfer) anwenden wollen. Ebenso BFH v. 19.12.2001 – X R 41/99, BFH/NV 2002, 1286; v. 10.6.1992 – I R 105/89, BStBl. II 1992, 1029; FG Nürnberg v. 10.7.2003 – IV 71/2001, EFG 2005, 631. 5 Vgl. Drüen in T/K, § 42 AO Rz. 50.
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A. Grundlagen
bb) Anrechnung ausländischer Steuern Wird die Basisgesellschaft in ihrem Sitzstaat – wenn auch gering – besteuert, stellt sich die Frage, ob diese Steuer gem. § 34c Abs. 1 EStG auf die als Folge der Anwendung des § 42 AO auf den inländischen Gesellschafter entfallende deutsche Steuer angerechnet wird oder ob gem. § 34c Abs. 3 EStG ein Abzug möglich ist. Nach Auffassung des BFH1 fehlt es an der Subjektidentität zwischen der ausländischen Basisgesellschaft und dem inländischen Gesellschafter; nur bei Subjektidentität liege eine Doppelbesteuerung vor, die durch eine Anrechnung nach § 34c EStG beseitigt werden könne.
7.36
Nach Auffassung des Verfassers kann diese Frage nur aus der Rechtsfolge- 7.37 anordnung des § 42 AO beantwortet werden: Als steuerrechtliche Folge der Umgehung schreibt § 42 Abs. 1 Satz 2 AO vor, dass der Steueranspruch so entsteht, wie es der den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entspricht. Nach der Basisrechtsprechung wird der inländische Steuerpflichtige mit den Einkünften, die über die Basisgesellschaft erzielt werden, besteuert; es wird also die Zwischenschaltung der Basisgesellschaft negiert. Genau betrachtet wird dabei aber nicht die Gesellschaft als solche, sondern nur deren Abschirmwirkung beseitigt. Denn nur die Abschirmwirkung hat zur Folge, dass die Einkünfte in Deutschland nicht besteuert werden. Wird auf der Grundlage des § 42 AO lediglich die Abschirmwirkung der 7.38 Basisgesellschaft hinweggedacht, ist nach hier vertretener Auffassung konsequenterweise anzunehmen, dass der tatsächlich vorliegende Betrieb der Basisgesellschaft im Ausland eine Betriebsstätte des inländischen Steuerpflichtigen begründet oder dass dort sonstige Leistungen ausgeführt werden, die zu ausländischen Einkünften des inländischen Steuerpflichtigen i.S.v. § 34d EStG führen. In diesem Fall ist es u.E. folgerichtig, auch die vom ausländischen Staat auf diese Einkünfte erhobenen Steuern dem inländischen Steuerpflichtigen zuzurechnen. Dies bedeutet, dass eine Subjektidentität besteht und die auf die Betriebsstätte oder die einzelnen Leistungen erhobene ausländische Steuer im Inland gem. § 34c EStG auf die deutschen Steuern des inländischen Anteilseigners angerechnet werden kann.2
1 BFH v. 24.2.1976 – VIII R 155/71, BStBl. II 1977, 265; ausdrücklich offengelassen durch BFH v. 11.10.2000 – I R 99/96, BStBl. II 2001, 22; wohl a.A. Protzen in Kraft, § 7 AStG Rz. 55 a.E.; vgl. aber BFH v. 1.4.2003 – I R 39/02, BStBl. II 2003, 869, wonach § 42 AO einem Abzug der Steuer nach § 34c Abs. 3 EStG jedenfalls dann nichts entgegensteht, wenn der ausländische Staat Quellensteuern die auf nach § 42 AO zugerechneten Einkünften der Gesellschaft erhebt. 2 Zur Anrechnung bzw. zum Abzug in Missbrauchsfällen siehe auch Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 47.
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969
Kapitel 7 Hinzurechnungsbesteuerung
e) Verhältnis zum DBA-Recht
7.39 Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist § 42 AO auch bei Bestehen eines DBA anzuwenden. Für den BFH handelt es sich um eine Frage der Zurechnung, und die Zurechnung der Einkünfte – weil im DBA nicht geregelt – sei nach innerstaatlichem Recht zu beurteilen.1 Danach entsteht der Steueranspruch wegen § 42 AO aus inländischer Sicht nicht bei der ausländischen Basisgesellschaft, sondern beim inländischen Gesellschafter. Da diese „Zurechnung“ auch für das DBA gelten soll, bestehen nach Ansicht des BFH folglich auch nach DBA-Recht keine Einkünfte der Basisgesellschaft, die vom Abkommen beschränkt werden könnten. f) Verhältnis zum EU-Recht
7.40 Daneben sind die Entwicklungen der Rechtsprechung des EuGH zu den Grundfreiheiten zu berücksichtigen. Aufgrund der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV, vormals Art. 43 EGV), scheidet die Anwendung von § 42 AO auf die Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft innerhalb der EU aus, wenn eine solche Zwischenschaltung im Inland nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist.2 Nach Auffassung des BFH kann ein Rechtsmissbrauch durch Einschaltung einer Kapitalgesellschaft innerhalb der EU allenfalls dann missbräuchlich sein, wenn sie lediglich vorübergehend erfolgt und nur zu dem Zweck bestimmt ist, anderweitig drohenden steuerlichen Belastungen zu entgehen.3
B. Tatbestand und Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung I. Überblick 7.41 Voraussetzungen und Rechtsfolge der Hinzurechnungsbesteuerung4 sind zunächst im Grundtatbestand in § 7 Abs. 1 AStG geregelt: Unbeschränkt 1 BFH v. 5.3.1986 – I R 201/82, BStBl. II 1986, 496 m.w.N.; v. 28.1.1992 – VIII R 7/88, BStBl. II 1993, 84; v. 29.10.1997 – I R 35/96, BStBl. II 1998, 235; v. 1.4.2003 – I R 39/02, BFH/NV 2003, 1245; differenzierter Prokisch in V/L5, Art. 1 OECDMA Rz. 102 ff. m.w.N.; die Sichtweise des BFH ist indes zweifelhaft, wenn man die Rechtsfolge des § 42 AO nicht als „Zurechnung“ von Einkünften, sondern als Beseitigung der „Abschirmwirkung“ versteht, denn die Abschirmwirkung wird man abkommensrechtlich als Teil der Anerkennung einer juristischen Personen im jeweiligen DBA ansehen müssen; a.A. Fischer in H/H/Sp, § 42 AO Rz. 571. 2 BFH v. 25.2.2004 – I R 42/02, DStR 2004, 1282. 3 BFH v. 25.2.2004 – I R 42/02, DStR 2004, 1282. 4 Begriff nach BFH, z.B. v. 20.4.1988 – I R 197/84, BStBl. II 1988, 983; so auch die Verwaltung, vgl. BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 7.0.
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B. Tatbestand und Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung
Steuerpflichtige, die an einer von Inländern beherrschten ausländischen Gesellschaft beteiligt sind, sind anteilig mit deren niedrig besteuerten Einkünften aus passivem Erwerb im Inland steuerpflichtig. Dies wird im Einzelnen konkretisiert: § 7 Abs. 1 AStG definiert die ausländische Gesellschaft, § 7 Abs. 2 bis 4 AStG die Inlandsbeherrschung, § 8 Abs. 1 AStG regelt die passiven Einkünfte, § 8 Abs. 3 AStG legt die niedrige Besteuerung fest. § 10 AStG bestimmt, wie der Hinzurechnungsbetrag ermittelt wird. Da die Hinzurechnungsbesteuerung nur den Steuervorteil beseitigen, nicht aber zusätzliche Belastungen schaffen soll,1 werden die ausländischen Steuern (§ 12 AStG) berücksichtigt. Hält die ausländische Gesellschaft weitere Beteiligungen (mehrstufiger Beteiligungsaufbau) und ist eine Gesellschaft mit Einkünften aus niedrig besteuertem, passivem Erwerb nachgeschaltet (nachgeschaltete Zwischengesellschaft), kommt es zur übertragenden Zurechnung (§ 14 AStG). Neben dem Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 AStG besteht gem. § 7 Abs. 6 7.42 AStG der Ergänzungstatbestand der sog. „erweiterten Hinzurechnungsbesteuerung“. Hiernach kommt es zur Hinzurechnungsbesteuerung, wenn an der ausländischen Gesellschaft wenigstens ein Steuerinländer zu mindestens 1 v.H. beteiligt ist und die Gesellschaft niedrig besteuerte Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter i.S.d. § 7 Abs. 6a AStG erzielt. Die Hinzurechnungsbesteuerung verfolgt zwar den gleichen Zweck wie die Missbrauchsrechtsprechung des BFH zu Basisgesellschaften, legt aber die Kriterien für die Erfassung von aktiven/passiven Einkünften der ausländischen Gesellschaft genauer fest. Sie ist einerseits günstiger als § 42 AO nach BFH-Rechtsprechung, da sie im Rahmen der Steueranrechnung ausländische Steuern berücksichtigt, andererseits ist sie schärfer,2 da sie die passiven Einkünfte stets auch bei gemischt aktiv-passiven Tätigkeiten hinzurechnet und die Hinzurechnung auch dann durchführt, wenn für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft andere wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe vorliegen oder wenn andere Aktivitäten als die im Katalog des § 8 Abs. 1 AStG genannten durchgeführt werden. Hinsichtlich des Aktivitätskatalogs ist kritisch hervorzuheben, dass die gesetzlichen Kriterien der Aktivität den Anforderungen an eine international arbeitsteilige Wirtschaft nicht gerecht werden, insbesondere sind die Mitwirkungs- und Bedienenstatbestände in keiner Weise zeitgemäß.3 Auch ist nicht erklärlich, warum die Mitwirkungs- und Bedienenstatbestände eine Hinzurechnungsbesteuerung von generell aktiven Einkünften auslösen sollen, anstatt das inländische Steuersubstrat über Verrechnungspreise abzusichern. 1 Vgl. BFH v. 2.7.1997 – I R 32/95, BStBl. II 1998, 176. 2 Vgl. BFH v. 5.3.1986 – I R 201/82, BStBl. II 1986, 496; v. 23.10.1991 – I R 52/90, BFH/NV 1992, 271; v. 15.9.2004 – I R 102-104/03, BStBl. II 2005, 255. 3 Köhler in S/K/K, Vor §§ 7–14 AStG Rz. 26; für eine Ersetzung der Hinzurechnungsbesteuerung durch eine zielschärfere und enger gefasste Missbrauchsregelung Haarmann, IStR 2011, 565.
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7.43
Kapitel 7 Hinzurechnungsbesteuerung
7.44 Mit dem Systemwechsel der deutschen Besteuerung von Körperschaften vom Anrechnungssystem zum klassischen System mit Steuerfreiheit der Dividenden und sonstigen Bezüge beim Gesellschafter bzw. mit dem Teileinkünfteverfahren hat auch die Hinzurechnungsbesteuerung ein neues dogmatisches Konzept bekommen: Seither besteht der Gesetzeszweck der Hinzurechnungsbesteuerung nicht mehr (allein) darin, die missbräuchliche Einschaltung von niedrig besteuerten Basisgesellschaften zu verhindern, sondern es geht nunmehr (auch) darum, die steuerliche Vorbelastung der Dividenden und sonstigen Bezüge herzustellen, um die (vollständige oder teilweise) Steuerfreiheit der Bezüge zu rechtfertigen. Dieser Zweck ist indes nicht konsequent und systemkonform in das AStG eingearbeitet und daher nicht widerspruchsfrei umgesetzt worden.
II. Verhältnis zu anderen Normen 1. Verhältnis zum EU-Recht
7.45 Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEU-Vertrag, vormals EG-Vertrag) schützt in Art. 49 (vormals Art. 43 EG-Vertrag) die Niederlassungsfreiheit und in Art. 63 (vormals Art. 56 EG-Vertrag) die Kapitalverkehrsfreiheit. Diese Grundfreiheiten sind unmittelbar anwendbares Recht und gehen im Kollisionsfall dem einfachgesetzlichen, innerstaatlichen Recht vor (Effet Utile). Der EuGH hat in der Rs. Cadbury Schweppes1 entschieden, dass die britische CFC-Regelung gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt. Er lässt eine Einbeziehung der Einkünfte einer in einem EU-Staat ansässigen beherrschten Gesellschaft in die Gewinne der beherrschenden Gesellschaft auch bei einer niedrigen Besteuerung an der Niederlassungsfreiheit scheitern, „es sei denn, eine solche Einbeziehung betrifft nur rein künstliche Gestaltungen, die dazu bestimmet sind, der normalerweise geschuldeten nationalen Steuer zu entgehen.“ Von der Anwendung der CFC-Regelung sei folglich abzusehen, „wenn es sich auf der Grundlage objektiver und von dritter Seite nachprüfbarer Anhaltspunkte erweist, dass die genannte beherrschte, ausländische Gesellschaft ungeachtet des Vorhandenseins von Motiven steuerlicher Art tatsächlich im Aufnahmemitgliedsstaat angesiedelt ist und dort wirklich wirtschaftlichen Tätigkeiten nachgeht.“
7.46 Das BMF hat auf diese Entscheidung reagiert und am 8.1.2007 – unter grundsätzlicher Beibehaltung der Regelungen der §§ 7–14 AStG – für alle nicht bestandskräftigen Verfahren einen Entlastungsbeweis (mit Beweislast für den Steuerpflichtigen) zugelassen, mit dem der Nachweis einer wirklichen, wirtschaftlichen Tätigkeit der Gesellschaft angetreten wer1 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995; kritisch Körner, IStR 2004, 697 m.w.N.; ebenso EuGH v. 6.12.2007 – Rs. C-298/05 – Columbus Container Services BVBA & Co, IStR 2008, 63; Schlussentscheid des BFH v. 21.10.2009 – I R 114/08, IStR 2009, 31.
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B. Tatbestand und Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung
den kann.1 Dabei grenzt das BMF den Entlastungsbeweis eng auf die eigene wirtschaftliche Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft ein und lässt den Entlastungsbeweis in folgenden Konstellationen nicht zu: für Einkünfte, die der ausländischen Gesellschaft von nachgeschalteten, in Drittstaaten ansässigen Zwischengesellschaften gem. § 14 AStG zugerechnet werden, für Einkünfte aus Drittstaaten-Betriebsstätten und für Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter i.S.d. § 7 Abs. 6a AStG. Auch wenn die schnelle Reaktion seitens des BMF zu begrüßen ist, so kritisch ist der zu eng gefasste Regelungsbereich. Es ist zu erwarten, dass die gesetzten Kriterien nicht genügen, den Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit zu beseitigen. Mit Wirkung für Wirtschaftsjahre der ausländischen Gesellschaft, die nach dem 31.12.2007 beginnen, hat der Gesetzgeber mit dem JStG 20082 in § 8 Abs. 2 AStG die Möglichkeit des Gegenbeweises auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Allerdings enthält § 8 Abs. 2 Satz 3 f. AStG ebenso wie das BMF-Schreiben Ausschlüsse für den Gegenbeweis bei nachgeschalteten Zwischengesellschaften in Drittstaaten und bei DrittstaatenBetriebsstätten.3 Anders als im BMF-Schreiben sind Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter hiernach zwar nicht mehr vom Gegenbeweis ausgenommen; da § 8 Abs. 2 AStG jedoch eine Inlands-Beherrschung i.S.v. § 7 Abs. 2 AStG voraussetzt und Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter auch bei einer darunterliegenden (Portfolio-)Beteiligung vorliegen können, ist der Gegenbeweis insoweit faktisch ebenfalls ausgeschlossen.
7.47
Ob die Einschränkungen des Gegenbeweises im BMF-Schreiben und in § 8 Abs. 2 Satz 2–5 AStG gegenüber dem EU-Recht standhalten, ist unklar.4 Die Entscheidung über diese Frage hängt letztlich davon ab, ob die Hinzurechnungsbesteuerung in der bisherigen Form nicht nur gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt, die grundsätzlich nur für die EU-Staaten gilt, sondern auch gegen die Kapitalverkehrsfreiheit, die auch Drittstaatenschutz gewährt.5
7.48
2. Verhältnis zum DBA-Recht Der Gesetzgeber hat mit Einführung des § 20 Abs. 1 AStG das Verhältnis der Hinzurechnungsbesteuerung zum DBA-Recht geklärt. Gemäß dieser 1 BMF v. 8.1.2007 – IV B - S - 1351 - 1/07, BStBl. I 2007, 99; zu den einzelnen Nachweiskriterien siehe Köhler in S/K/K, Vor §§ 7–14 AStG Rz. 19.17 f. 2 JStG 2008 v. 20.12.2007, BGBl. I 2007, 3150. 3 Daneben wird der Gegenbeweis in § 8 Abs. 2 Satz 2 AStG zusätzlich von der gegenseitigen Amtshilfe und gem. Satz 5 vom Fremdvergleichsgrundsatz des § 1 AStG abhängig gemacht. 4 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.14: Entscheidend sei, dass die unbestimmten Rechtsbegriffe des § 8 Abs. 2 AStG i.S.d. EuGH-Rspr. ausgelegt werden. 5 Siehe Köhler in S/K/K, Vor §§ 7–14 AStG Rz. 49; dazu und zu der Stand-Still-Regelung des Art. 64 Abs. 1 AEUV Haarmann, IStR 2011, 565.
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7.49
Kapitel 7 Hinzurechnungsbesteuerung
Vorschrift werden die §§ 7–18 AStG „durch die Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht berührt.“ Diese Regelung bedeutet, dass etwa entgegenstehendes Abkommensrecht durch die Regelungen der Hinzurechnungsbesteuerung verdrängt wird. Damit führt die Regelung des § 20 Abs. 1 AStG ausdrücklich zum Treaty Override, das trotz der Völkerrechtswidrigkeit der Vorschrift innerstaatlich wirksam ist.1
7.50 Ein weiteres Treaty Override enthält die „Switch-over-Klausel“2 gem. § 20 Abs. 1 Alt. 2 i.V.m. Abs. 2 AStG bezüglich ausländischer Betriebsstätteneinkünfte.3 Hiernach ist anstelle der abkommensrechtlichen Freistellungsmethode für Betriebsstätteneinkünfte die Anrechnungsmethode anzuwenden, wenn die Einkünfte – unterstellt die Betriebsstätte wäre eine ausländische Gesellschaft – der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen würden. Dem liegt Folgendes zugrunde: Die ausländischen Betriebsstätteneinkünfte werden, sofern mit dem jeweiligen Betriebsstättenstaat ein DBA vereinbart ist und dieses für die von der ausländischen Betriebsstätte erzielten Einkünfte keinen Aktivitätsvorbehalt enthält, aufgrund des Betriebsstättenprinzips in den DBA regelmäßig von der inländischen Besteuerung freigestellt. Somit wäre es inländischen Steuerpflichtigen möglich, durch Einschaltung ausländischer Personengesellschaften bzw. Betriebsstätten in derartigen DBA-Staaten die Hinzurechnungsbesteuerung zu umgehen, die nur bei ausländischen Kapitalgesellschaften eingreift. Zur Vermeidung einer solchen Umgehung der Hinzurechnungsbesteuerung sieht § 20 Abs. 2 AStG statt der im DBA vorgesehenen Freistellung der Betriebsstätteneinkünfte die Anrechnung der im ausländischen Betriebsstättenstaat erhobenen Steuern vor (sog. Switch-over). Durch § 20 Abs. 1 Alt. 2 AStG, nach der § 20 Abs. 2 AStG durch die Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht berührt wird, wird die in den DBA geregelte Steuerbefreiung ausländischer Betriebsstättengewinne aufgehoben und lediglich die Anrechnung ausländischer Steuern zugelassen. 3. Verhältnis zu den Gewinnkorrekturvorschriften
7.51 Grundsätzlich gehen die Gewinnkorrekturvorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung vor, sodass der Hinzurechnungsbetrag z.B. im Falle von Über- oder Unterpreislieferungen unter Anwendung der Regelungen
1 H.M., Prokopf in S/K/K, § 20 AStG Rz. 30 ff. m.w.N.; offen ist, ob sich infolge des Vorlagebeschlusses des BFH zur Verfassungsmäßigkeit des Treaty Override des § 50d Abs. 8 EStG eine andere Sichtweise ergibt, BFH v. 10.1.2012 – I R 66/09, DStR 2012, 949; zum Treaty Override aus Sicht der Finanzverwaltung Mitschke, DStR 2011, 2221. 2 Prokopf in S/K/K, § 20 AStG Rz. 50 ff. m.w.N.; vgl. dazu auch Seer, IStR 1997, 481. 3 Seit der Änderung des § 20 Abs. 2 AStG durch das StVergAbG sind sämtliche Zwischeneinkünfte der Betriebsstätte und nicht nur Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter von der Regelung erfasst.
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B. Tatbestand und Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung
zur vGA gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG zu ermitteln ist.1 § 1 AStG ist hingegen bereits tatbestandlich so eingeschränkt (Geschäftsbeziehungen vom Inland zum Ausland), dass sich eine Anwendung des § 1 AStG auf die Ermittlung des Hinzurechnungsbetrags regelmäßig nicht ergeben kann.2 Findet jedoch eine Gewinnkorrektur auf der Ebene des inländischen Gesellschafters statt, wird eine doppelte Erfassung durch eine entsprechende Gegenberichtigung bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrags vermieden.3
III. Hinzurechnungsvoraussetzungen Die Hinzurechnungsbesteuerung greift unter den nachstehenden Hinzurechnungsvoraussetzungen ein.:
7.52
1. Ausländische Gesellschaft Nach der Legaldefinition des § 7 Abs. 1 AStG ist eine ausländische Gesellschaft eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse i.S.d. KStG, die weder Geschäftsleitung noch Sitz im Inland hat und die nicht gem. § 3 Abs. 1 KStG von der Körperschaftsteuerpflicht ausgenommen ist. Dem Ziel der Hinzurechnungsbesteuerung entsprechend werden nur die Rechtsträger erfasst, für die nach dem KStG das Trennungsprinzip – hier in der Ausprägung der Abschirmwirkung – gilt, die also ein eigenständiges Körperschaftsteuersubjekt sind.
7.53
Mitunternehmerschaften, Betriebsstätten oder sonstige Rechtsgebilde, die nach deutschem Steuerrecht keine selbstständigen Steuersubjekte sind, sind nicht betroffen. Bei Rechtsgebilden, die nach ausländischem Recht errichtet sind, ist ein Typenvergleich vorzunehmen, nach dem der rechtliche Aufbau und die wirtschaftliche Stellung des Gebildes mit einer der unter § 1 KStG fallenden Rechtsformen verglichen wird.4
7.54
Die Gesellschaft ist ausländisch, wenn sie im Inland nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist, also weder Geschäftsleitung noch Sitz im Inland hat. Bei Doppelansässigkeit im In- und Ausland liegt keine ausländische Gesellschaft vor, auch nicht, wenn ein DBA eingreift, das für seine Anwendung von einer Ansässigkeit im Ausland ausgeht.
7.55
1 Köhler in S/K/K, § 7 AStG Rz. 16 ff. 2 BFH v. 20.4.1988 – I R 41/82, BStBl. II 1988, 868; v. 28.4.2004 – I R 5, 6/02, BFH/ NV 2004, 1442. 3 BFH v. 19.3.2002 – I R 4/01, BStBl. II 2002, 644 mit Verweis auf BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 1.5.2; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 10.1.1.1.; ebenso Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 77 m.w.N. 4 RFH v. 12.2.1930 – VI 899/27 („Venezuela-Entscheidung“), RFHE 27, 73; Basisurteil des BFH v. 17.7.1968 – I 121/64, BStBl. III 1968, 965.
Henkel
975
Kapitel 7 Hinzurechnungsbesteuerung
2. Beteiligung inländischer Gesellschafter a) Grundtatbestand: Beherrschung gem. § 7 Abs. 1 AStG
7.56 An der ausländischen Gesellschaft müssen gem. § 7 Abs. 1 AStG mehr als 50 % unbeschränkt Steuerpflichtige beteiligt sein. Von dieser Beteiligungsquote ist die Hinzurechnungsquote zu unterscheiden. Die Hinzurechnungsquote ist der Anteil, mit dem der einzelne Steuerpflichtige beteiligt sein muss, um ihm die Einkünfte anteilig zurechnen zu können; hierfür gibt es keine Mindestbeteiligung.
7.57 Die bei der Ermittlung der Beteiligungsquote von mehr als 50 % zu berücksichtigenden Beteiligungen sind für Zwecke der Anwendung des § 7 Abs. 1 AStG in § 7 Abs. 2–4 AStG1 näher umschrieben. Danach werden nicht nur Beteiligungen unbeschränkt Steuerpflichtiger, sondern auch solche von gem. § 2 AStG erweitert beschränkt Steuerpflichtigen berücksichtigt (§ 7 Abs. 2 Satz 1 AStG). Neben der Beteiligung am Gesellschaftskapital der ausländischen Gesellschaft ist alternativ auch auf das Stimmrechtsverhältnis abzustellen (§ 7 Abs. 2 Satz 1 AStG); sind weder ein Gesellschaftskapital noch Stimmrechte vorhanden, entscheidet das Verhältnis der Beteiligungen am Vermögen der Gesellschaft (§ 7 Abs. 2 Satz 3 AStG). Zu berücksichtigen sind auch Beteiligungen, die einem inländischen Steuerpflichtigen nach allgemeinen Regeln (§§ 39, 41, 42 AO) zuzurechnen sind.2 Gemäß § 7 Abs. 4 AStG werden auch die Beteiligungen einbezogen, die eine Person hält, die von einem unbeschränkt Steuerpflichtigen weisungsabhängig ist. Über in- oder ausländische Personengesellschaften3 gehaltene Beteiligungen sind gem. § 7 Abs. 3 AStG als unmittelbare Beteiligungen an der Zwischengesellschaft anzusehen, sodass diese bei der Berechnung der Beteiligungs- und Stimmrechtsquote zu berücksichtigen sind. Dieser Regelung kommt im Hinblick auf § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO nur in den Fällen konstitutive Bedeutung zu, in denen die ausländische Personengesellschaft gem. dem Recht ihres Sitzstaates als zivilrechtlich rechtsfähig behandelt wird.4 Auch mittelbare Beteiligungen sind zu berücksichtigen (§ 7 Abs. 2 Satz 2 AStG); dabei kann es sich auch um mehrstufige Beteiligungsverhältnisse handeln. Die vermittelnde „andere Gesellschaft“ muss stets eine ausländische Gesellschaft sein, d.h. mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland, weil bei einer Beteiligung über eine inländische Gesellschaft eine unmittelbare Beteiligung dieser Gesellschaft an der Zwischengesellschaft vorliegt, die bereits unter § 7 Abs. 2 Satz 1 AStG fällt.5 1 § 7 Abs. 5 AStG bezieht sich nur auf die „zuzurechnende Beteiligung am Nennkapital“ i.S.v. § 7 Abs. 1 AStG, vgl. Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 90. 2 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 7.4.1. 3 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 7.3; BFH v. 30.8.1995 – I R 77/94, BStBl. II 1996, 122. 4 Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 84, 85. 5 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 10.54.
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Henkel
B. Tatbestand und Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung
Die Mindestbeteiligung von mehr als 50 v.H. muss am Ende des Wirtschaftsjahres der ausländischen Gesellschaft bestehen, deren Einkünfte zugerechnet werden. Eine Mindestdauer der Beteiligung wird vom Gesetz nicht verlangt. Insbesondere bei einem Anteilskauf von einem ausländischen Anteilseigner, der mit Wirkung zum Ende eines Wirtschaftsjahres erfolgt, kann es daher dazu kommen, dass die Zielgesellschaft unerkannt für das gesamte Wirtschaftsjahr in die Hinzurechnungsbesteuerung gerät.
7.58
Kritisch ist anzumerken, dass die „Deutsch-Beherrschung“ gem. § 7 Abs. 1 AStG weiter gefasst ist als die Beherrschung im konzernrechtlichen Sinne. Es können daher Portfolio-Anteile in die Hinzurechnungsbesteuerung fallen, ohne dass die betroffenen Gesellschafter tatsächlich Einfluss auf die Gesellschaft nehmen können. Dies ist unter dem Gesichtspunkt der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV, vormals Art. 56 EG) als kritisch anzusehen.1
7.59
b) Ergänzungstatbestand: Beteiligungsquote i.S.d. § 7 Abs. 6 AStG In Abweichung vom Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 AStG kommt die Hinzurechnungsbesteuerung für Zwischengesellschaften, die Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter i.S.d. § 7 Abs. 6a AStG erzielen, bereits dann zur Anwendung, wenn ein unbeschränkt Steuerpflichtiger an der ausländischen Gesellschaft zu mindestens 1 v.H. beteiligt ist (§ 7 Abs. 6 Satz 1 AStG). Etwas anderes gilt nur, wenn bzgl. der von der Gesellschaft erzielten Einkünfte die Bagatellgrenze des § 7 Abs. 6 Satz 2 AStG unterschritten ist.2 Enthält diese Vorschrift somit in Abweichung vom Grundtatbestand einerseits geringere Anforderungen an die Mindestbeteiligungsquote, findet andererseits eine Hinzurechnung der Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter nicht bei jedem an der ausländischen Gesellschaft beteiligten Steuerinländer, sondern nur gegenüber den zu mindestens 1 v.H. Beteiligten statt. Die Mindestbeteiligungsquote ist somit im Rahmen des Anwendungsbereichs des § 7 Abs. 6 AStG in Abweichung vom Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 AStG auch bei der Hinzurechnung der Einkünfte zu beachten. Etwas anderes gilt gem. § 7 Abs. 6 Satz 3 AStG,3 wenn die ausländische Gesellschaft ausschließlich oder fast ausschließlich4 Bruttoerträge erzielt, die Zwischeneinkünften mit 1 Haarmann, IStR 2011, 565 (570 ff.). 2 Vgl. zum Inhalt der Bagatellgrenze Bogenschütz/Kraft, IStR 1994, 153. 3 Die Regelung wurde durch das UntStFG v. 20.12.2001, BGBl. I 2001, 3858 eingefügt und ist auf nach dem 15.8.2001 beginnende Wirtschaftsjahre der ausländischen Zwischengesellschaft anwendbar (§ 21 Abs. 7 Satz 3 AStG). 4 Die Finanzverwaltung geht bei Bruttoerträgen i.H.v. mehr als 90 v.H. der gesamten Bruttoerträge von „fast ausschließlichen“ Bruttoerträgen aus, vgl. BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 7.6.2. mit Verweis auf BFH v. 30.8.1995 – I R 77/94, BStBl. II 1996, 122. Zur Ermittlung der Bruttoerträge vgl. BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 9.0.1.
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7.60
Kapitel 7 Hinzurechnungsbesteuerung
Kapitalanlagecharakter zugrunde liegen. In diesem Fall werden auch geringere Beteiligungen in die erweiterte Hinzurechnungsbesteuerung einbezogen, es sei denn, die Hauptgattung der Aktien wird an einer anerkannten Börse gehandelt (sog. Börsenklausel).1 Hierdurch sollen Kapitalanlagemodelle in Niedrigsteuerländern verhindert werden.
7.61 Bei der Ermittlung der 1 %igen Beteiligungsquote findet § 7 Abs. 2 AStG abweichend vom Grundtatbestand keine Anwendung, da diese Vorschrift gem. ihrem Wortlaut ausschließlich der Feststellung der Frage dient, in welchen Fällen von einer Beteiligung unbeschränkt Steuerpflichtiger „zu mehr als der Hälfte“ i.S.d. § 7 Abs. 1 AStG auszugehen ist.2 Dies bedeutet zunächst, dass es zur Feststellung der Beteiligung von mindestens 1 v.H. nur auf die Beteiligung am Nennkapital und nicht auf die Stimmrechtsverteilung ankommt.3 Darüber hinaus kann ein Anteilseigner i.S.d. Ergänzungstatbestands nur ein unbeschränkt Steuerpflichtiger, nicht dagegen ein der erweiterten beschränkten Steuerpflicht gem. § 2 AStG unterliegender Anteilseigner sein. Mittelbare Beteiligungen sind im Rahmen der Berechnung der Beteiligungsquote nur insoweit zu berücksichtigen, als die Anteile an der ausländischen Gesellschaft über Personengesellschaften gehalten werden (§ 7 Abs. 3 AStG).4 Darüber hinaus sind auch hier die allgemeinen Zurechnungsvorschriften der §§ 39, 41 und 42 AO sowie § 7 Abs. 4 AStG zu beachten.5 3. Verhältnis des Grundtatbestandes zum Ergänzungstatbestand
7.62 Für das Verhältnis des Ergänzungstatbestands i.S.d. § 7 Abs. 6 AStG zum Grundtatbestand i.S.d. § 7 Abs. 1 AStG gilt Folgendes: Ist ein Steuerinländer zu weniger als 1 v.H. am Nennkapital der ausländischen Gesellschaft beteiligt, so kommt § 7 Abs. 6 AStG nicht zur Anwendung, es sei denn, es liegen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 6 Satz 3 AStG vor. Beträgt die Beteiligung demgegenüber mindestens 1 v.H., findet § 7 Abs. 6 AStG solange Anwendung, wie der unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner nicht allein oder zusammen mit anderen unbeschränkt oder erweitert beschränkt Steuerpflichtigen (§ 7 Abs. 2 AStG) zu mehr als der Hälfte an der ausländischen Gesellschaft beteiligt ist. Liegt eine solche Inländerbeherrschung vor, verdrängt die Rechtsfolge des § 7 Abs. 1 AStG die des § 7 1 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 7.6.2. 2 So auch Wassermeyer, WP-Handbuch der Unternehmensbesteuerung, Kapitel I, Rz. 567a; Rättig/Protzen, IStR 2004, 625. 3 A.A. wohl BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 7.6.1., wegen des uneingeschränkten Verweises auf Rz. 7.2. 4 Wassermeyer, WP-Handbuch der Unternehmensbesteuerung, Kapitel I, Rz. 567a; Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 110; Protzen in Kraft, § 7 AStG Rz. 309; a.A. BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 7.6.1. Satz 2; Köhler in S/K/K, § 7 AStG Rz. 160. 5 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 7.6.1. mit Verweis auf Rz. 7.2.
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B. Tatbestand und Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung
Abs. 6 AStG,1 sodass den inländischen Anteilseignern unabhängig von dem jeweiligen Beteiligungsumfang sämtliche Zwischeneinkünfte, d.h. auch diejenigen mit Kapitalanlagecharakter, zugerechnet werden.2 Sofern demgegenüber keine Beherrschung durch Steuerinländer i.S.d. § 7 Abs. 2 AStG vorliegt, verbleibt es bei der Anwendung des § 7 Abs. 6 AStG mit der Folge, dass es nur zu einer Hinzurechnung der Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter, und grundsätzlich auch nur bei den zu mindestens 1 v.H. an der ausländischen Gesellschaft beteiligten unbeschränkt Steuerpflichtigen, kommt. 4. Passive Einkünfte Die Hinzurechnungsbesteuerung greift nur insoweit ein, wie die ausländische Gesellschaft Einkünfte aus passivem Erwerb erzielt. Zur Bestimmung der Einkünfte aus passivem Erwerb hat der Gesetzgeber keinen Katalog passiver Tätigkeiten aufgestellt; vielmehr enthält § 8 Abs. 1 Nr. 1–9 AStG einen Katalog aktiver Tätigkeiten. Das bisher in § 8 Abs. 2 AStG enthaltene Funktions- und Landesholding-Privileg3 wurde durch das UntStFG4 aufgehoben. Sämtliche Einkünfte, die nicht aus den in § 8 Abs. 1 AStG genannten aktiven Tätigkeiten stammen, gehören zu den passiven Einkünften, die – bei niedriger Besteuerung i.S.d. § 8 Abs. 3 AStG – der Hinzurechnung unterliegen. Mit dieser Gesetzestechnik soll eine lückenlose Erfassung passiver Einkünfte sichergestellt werden, indem nur die vom Gesetz ausdrücklich als aktiv anerkannten Tätigkeiten unberührt bleiben. Diese Gesetzestechnik ist sowohl aus verfassungsrechtlicher als auch aus EU-rechtlicher Sicht kritisch zu sehen. Verfassungsrechtlich bedenklich ist, dass die Typisierung des Aktivitätskatalogs nicht an die sich verändernde Differenziertheit wirtschaftlichen Handelns angepasst wurde und damit wirtschaftliches Handeln z.B. im IT-Bereich automatisch als passiv anzusehen ist, ohne dass dazu eine gesetzgeberische Wertung getroffen wurde. Es ist daher eine verfassungskonforme, enge Auslegung geboten.5 Aus EU-Sicht ist zweifelhaft, ob die Nachbesserung des Gesetzgebers durch Einführung des Gegenbeweises gem. § 8 Abs. 2 AStG ausreichend ist, um einen Verstoß der Hinzurechnungsbesteuerung gegen die Niederlassungsfreiheit zu beseitigen.6
7.63
Die Hinzurechnungsbesteuerung erfasst damit insbesondere Vermögensverwaltungsgesellschaften, Patentverwertungsgesellschaften, Handelsund Dienstleistungsgesellschaften ohne eigene wirtschaftliche Funktion sowie Finanzierungsgesellschaften. Sofern die ausländische Gesellschaft
7.64
1 Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 112. 2 Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 554d. 3 Siehe dazu 2. Aufl. (1998), Rz. E 566–E 573; vgl. zur letztmaligen Anwendbarkeit § 21 Abs. 7 Satz 6 AStG. 4 UntStFG v. 20.12.2001, BGBl. I 2001, 3858 = BStBl. I 2002, 35. 5 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 8. 6 Kritisch BFH v. 13.1.2010 – I R 114/08, DStR 2010.
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Kapitel 7 Hinzurechnungsbesteuerung
sowohl aktive als auch passive Tätigkeiten ausübt (sog. gemischt tätige Gesellschaft), ist eine Aufteilung der Einkünfte in den aktiven bzw. passiven Bereich vorzunehmen. Dabei gilt die funktionale Betrachtungsweise, wonach wirtschaftlich zusammengehörende Tätigkeiten bei der Subsumtion unter § 8 AStG einheitlich zu beurteilen sind. Maßgebend ist die Tätigkeit, auf der nach allgemeiner Verkehrsauffassung das wirtschaftliche Schwergewicht liegt.1 So sind z.B. Zinserträge, die isoliert betrachtet passiv wären, einer aktiven Tätigkeit zuzuordnen, wenn es sich um betriebliche Nebenerträge handelt; ebenso können aktive Tätigkeiten, die sich einem passiven Erwerb unterordnen, passiv sein.2 Den aktiven Tätigkeiten sind auch die Einkünfte aus der Veräußerung von Anlagegütern zuzurechnen, die dieser Tätigkeit dienen.3
7.65 Ist die ausländische Gesellschaft an einer Personengesellschaft beteiligt, so sind für die Zwecke des § 8 AStG die aus dem Beteiligungsverhältnis fließenden Einkünfte so zu behandeln, als habe die ausländische Gesellschaft die Tätigkeiten selbst ausgeübt, aus denen der maßgebliche Gewinn der Personengesellschaft stammt.4 a) Aktivitäten kraft Wirtschaftszweigs
7.66 Bei der Land- und Forstwirtschaft und bei der industriellen Tätigkeit genügt die schlichte Ausübung, um aktive Tätigkeiten zu begründen. Zur Begriffsbestimmung der Land- und Forstwirtschaft sind die Regelungen der §§ 13 und 14 EStG maßgebend.5 Die industrielle Tätigkeit umfasst die Herstellung, Bearbeitung, Verarbeitung oder Montage von Sachen, die Erzeugung von Energie sowie das Aufsuchen und die Gewinnung von Bodenschätzen (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 AStG). Aktiv sind auch die Einkünfte aus der Veräußerung der produzierten Waren; jedoch sollen die aus der Vermietung dieser Waren stammenden Einkünfte hiernach nicht aktiv sein, sondern nach § 8 Abs. 1 Nr. 6 AStG behandelt werden, sodass sie regelmäßig passiv wären. Diese Unterscheidung ist nicht einzusehen, wenn es sich in beiden Fällen um die mit der Produktion unmittelbar zusammenhängende Verwertungstätigkeit – einmal durch die Veräußerung, das andere Mal durch z.B. Hersteller-Leasing – handelt. Die Vermietung von produzierten Waren sollte daher entgegen der h.M. im funktionalen Zusammenhang mit der Produktion gesehen werden.
1 BFH v. 16.5.1990 – I R 16/88, BStBl. II 1990, 1049; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 8.02. 2 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 8.0.2. 3 Vgl. Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 15. 4 BFH v. 16.5.1990 – I R 16/88, BStBl. II 1990, 1049; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 8.0.4. 5 Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 19; Wassermeyer in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 52.
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B. Tatbestand und Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung
Für die Tätigkeit von Kreditinstituten1 oder Versicherungsunternehmen ist neben der schlichten Ausübung ihrer üblichen Tätigkeit erforderlich, dass diese einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Betrieb unterhalten und ihre Geschäfte überwiegend mit fremden Dritten betreiben. Ob ein Kreditinstitut oder ein Versicherungsunternehmen anzunehmen ist, soll sich nicht nach dem (Aufsichts-)Recht des jeweiligen Staates richten, sondern in Anlehnung an § 1 des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG) und § 1 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) entschieden werden.2 Hiernach scheiden die als Investmentgesellschaften oder Depotbanken ausgestalteten Vermögensverwaltungsgesellschaften aus dem Aktivitätskatalog aus, sofern es an der gewissen Vielzahl von Bankgeschäften fehlt. Darüber hinaus sind Banken und Versicherungen nicht aktiv, wenn sie ihre Geschäfte zu mehr als der Hälfte mit Nahestehenden betreiben; dies kann insbesondere Konzernbanken und -versicherungen betreffen.3 Auch Tätigkeiten i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 6 KWG (Investmentgeschäft) sollen nicht zum Betrieb von Kreditinstituten führen.4 Nach der Rechtsprechung des BFH ist es unschädlich, wenn die ausländische Gesellschaft durch einen Betriebsführungsvertrag ein anderes Unternehmen mit der Ausführung des Versicherungsgeschäfts betraut.5
7.67
b) Aktivitäten mit Funktionsnachweis Handel, Dienstleistungen und die Vermietung und Verpachtung können nach der Regelungstechnik des § 8 Abs. 1 Nr. 4–6 AStG unter den jeweiligen weiteren Voraussetzungen entweder aktiv oder passiv sein; grundsätzliche Voraussetzung für die Aktivität ist aber einheitlich, dass ein im Ausland in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb besteht, der am wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt – qualifizierter Geschäftsbetrieb –, der ohne „Mitwirkung“6 nahe stehender Inländer tätig ist. Insbesondere das Kriterium der Mitwirkung ist unscharf und begründet für die Rechtsanwendung unnötige Unsicherheiten; der dahinterste1 Vgl. zum Kreditinstituts-Begriff Kraft/Nitzschke, IStR 2003, 427; FG BW v. 27.7.1995 – 6 K 216/88, EFG 1996, 350. 2 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 8.1.3.1 f. 3 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 10.86. 4 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 8.1.3.3. 5 BFH v. 13.10.2010 – I R 61/09, DStR 2010, 2565 m. Anm. Schmidt, GWR 2011, 48; die Finanzverwaltung geht davon aus, dass auch durch Zwischenschaltung fremder Dritter passive Einkünfte nicht vermieden werden können, BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 8.1.3.7; siehe auch die Gesetzesbegründung zu § 8 Abs. 2 AStG: Danach soll eine wirtschaftliche Tätigkeit nur vorliegen, wenn die ausländische Gesellschaft die Kernfunktionen selbst ausübt. 6 Zum Mitwirkungstatbestand haben die Finanzverwaltung und Spitzenverbände der Wirtschaft in einem Planspiel Musterfälle mit Lösungshinweisen erarbeitet, vgl. Anlage zum Erlass FinMin NW v. 29.12.1978 – S 1352 - 5 - V B 2, abgedruckt in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 153 ff.
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7.68
Kapitel 7 Hinzurechnungsbesteuerung
hende Gedanke, dass die aus der Mitwirkung resultierende Wertschöpfung nicht der deutschen Besteuerung entzogen werden soll, ist mit dem zwischenzeitlich gereiften Instrumentarium der Verrechnungspreise zielgenauer zu erreichen; das Kriterium der Mitwirkung sollte daher entfallen.1 Für EU/EWR-Kapitalgesellschaften sind diese Kriterien entschärft, da für sie der Gegenbeweis der tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit gem. § 8 Abs. 2 AStG geführt werden kann.2
7.69 Im Einzelnen gilt Folgendes: Der Handel ist grundsätzlich aktiv, solange er zwischen fremden Dritten betrieben wird. Er ist auch dann aktiv, wenn er zwar zwischen nahe stehenden Personen betrieben wird, aber keine Inlandsbindung (Einfuhr in das oder Ausfuhr aus dem Inland) hat. Der Handel zwischen der ausländischen Gesellschaft und dem an ihr beteiligten Steuerinländer bzw. einer ihm nahe stehenden Person (auch einer ausländischen Schwestergesellschaft der ausländischen Gesellschaft) ist dagegen bei Inlandsbindung nur unter den Voraussetzungen des Funktionsnachweises (qualifizierter Geschäftsbetrieb und betriebliche Eigenständigkeit) aktiv. Für eine Qualifikation des Handels als passive Tätigkeit ist eine grenzüberschreitende physische Bewegung der Ware nicht erforderlich; bereits die Verschaffung der Verfügungsmacht kann schädlich sein (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a und b i.d.F. des StVergAbG).
7.70 Dienstleistungen, die die ausländische Gesellschaft gegenüber fremden Dritten erbringt, sind grundsätzlich aktiv. Sie sind aber passiv, wenn sich die ausländische Gesellschaft bei der Erbringung der Dienstleistung eines an ihr beteiligten Steuerinländers oder einer nahe stehenden Person bedient, die mit ihrer Beteiligung an der Dienstleistung im Inland steuerpflichtig ist. „Bedienen“ bedeutet dabei, dass der Inlandsbeteiligte die Leistung erbringt, zu der sich die ausländische Gesellschaft verpflichtet hat;3 es umfasst mehr als „Mitwirkung“. Dienstleistungen, die die Gesellschaft gegenüber an ihr beteiligten Steuerinländern bzw. diesen nahe stehenden Personen erbringt, sind aktiv, wenn der Funktionsnachweis (qualifizierter Geschäftsbetrieb und betriebliche Eigenständigkeit) gelingt. Zu Dienstleistungen gehören z.B. Transport, Werbung, Forschung und Entwicklung, freiberufliche Tätigkeiten, Gastronomie, Vermittlungsleistungen, kulturelle Dienstleistungen, Nachrichtenverkehr, Reinigung, Bewachung.4 Keine Dienstleistungen sind die Vermögensverwaltung im eigenen Interesse der ausländischen Gesellschaft und das Halten wesentlicher Beteiligungen. Die Finanzverwaltung sieht auch echtes Factoring als bloße Verwaltung eigenen Vermögens an und qualifiziert die Einkünfte demzufolge als passiv.5 Diese Einordnung geht zu weit, da auch bei Nichterfüllen der Vo1 Siehe auch Haas, IStR 2011, 353. 2 Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 35. 3 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 8.1.5.2.1. 4 Vgl. den Katalog bei Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 51. 5 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 8.1.5.1.1.
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B. Tatbestand und Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung
raussetzungen für eine aktive Dienstleistung eine der übrigen aktiven Tätigkeiten des § 8 Abs. 1 AStG vorliegen kann.1 Die Vermietung und Verpachtung führt grundsätzlich zu passiven Einkünften, es sei denn, es greift eine der folgenden Ausnahmen ein:
7.71
– Einkünfte aus der Verwertung von Know-how (Urheberrechte, Patente) und von sonstigen Rechten sind im Falle eines besonderen Funktionsnachweises aktiv: Es muss sich um die Auswertung eigener Forschungsund Entwicklungsarbeiten der ausländischen Gesellschaft handeln, an der keine nahe stehende Person mitgewirkt hat (zur Mitwirkung s.o. Rz. 7.68). – Die Vermietung und Verpachtung unbeweglichen Vermögens ist aktiv, wenn die Einkünfte hieraus nach einem DBA, das zwischen dem Belegenheitsstaat des Grundstücks und der Bundesrepublik geschlossen wurde, im Inland steuerbefreit wären, wenn der inländische Steuerpflichtige die Einkünfte unmittelbar bezogen hätte. Im Inland belegene Grundstücke fallen nicht darunter. – Die Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung beweglicher Sachen sind aktiv, wenn der allgemeine Funktionsnachweis (qualifizierter Geschäftsbetrieb und betriebliche Eigenständigkeit) erfüllt wird. Unter dieser Voraussetzung ist das Finanzierungs-Leasing i.S.d. Leasingerlasse,2 nach denen das Wirtschaftsgut dem Leasinggeber zuzurechnen ist, als aktiv anzusehen; das fehlgeschlagene Leasing, bei dem das Wirtschaftsgut dem Leasingnehmer zuzurechnen ist, stellt dagegen ein Kreditgeschäft dar, für das § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG gilt.3 c) Konzernfinanzierung Finanzierungstätigkeiten (§ 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG) sind nur in engen Grenzen aktiv: Die ausländische Gesellschaft muss das Kapital auf ausländischen Kapitalmärkten und nicht bei nahe stehenden Personen i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG aufnehmen und ausländischen Betrieben oder Betriebsstätten, die ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 Nr. 1–6 AStG fallenden Tätigkeiten beziehen, oder inländischen Betrieben oder Betriebsstätten zuführen.
7.72
Ob die Finanzierung auf ausländischen Kapitalmärkten aufgenommen wurde, richtet sich danach, wo das Marktgeschehen stattfindet.4 Nach Auffassung der Finanzverwaltung fehlt es an einer Aufnahme auf ausländischen Kapitalmärkten, wenn eine „mittelbare Kreditaufnahme auf dem
7.73
1 Z.B. § 8 Abs. 1 Nr. 3 oder 7 AStG; Rättig/Protzen, IStR 2004, 625. 2 BdF v. 19.4.1971 – IV B/2 JK S 2170 - 31/71, BStBl. I 1971, 264. 3 Vgl. BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 8.1.6.4. 4 Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 75.
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Kapitel 7 Hinzurechnungsbesteuerung
inländischen Kapitalmarkt“ vorliegt.1 Hiergegen hat das FG Hess.2 im Anschluss an Wassermeyer3 zu Recht entschieden, dass das Gesetz nur von „Aufnahme auf einem ausländischen Kapitalmarkt“ spricht und nichts über die Herkunft der Mittel aussagt; die „Herkunft der Mittel“ wäre auch schon aus praktischen Gründen kein brauchbares Kriterium, da sie i.d.R. gar nicht feststellbar ist.4
7.74 Die Finanzierung darf nicht bei nahe stehenden Personen aufgenommen werden, selbst wenn diese sich auf ausländischen Kapitalmärkten refinanzieren.5 Von einer Aufnahme der Finanzierung bei einer nahe stehenden Personen ist nicht auszugehen, wenn diese die Darlehensaufnahme durch Bürgschaften oder Garantien absichert; der Gesetzeswortlaut spricht allein von „Aufnahme“ und erfasst damit nicht die „Absicherung“.6
7.75 Das auf ausländischen Märkten aufgenommene Kapital kann an inländische und ausländische Betriebe oder Betriebsstätten ausgereicht werden, an ausländische jedoch nur, wenn diese fast Ausschließlich aktiv tätig sind; entsprechend der Regelung in § 9 AStG ist hierfür eine Aktivität von mindestens 90 % ausreichend.7 Eine „dauerhafte“ Kreditvergabe ist nicht erforderlich. d) Gewinnausschüttungen, Veräußerungsgewinne und Umwandlungen aa) Überblick
7.76 Einkünfte aus Beteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften in Form von Gewinnausschüttungen, Veräußerungsgewinnen und Umwandlungen werden ebenfalls dem aktiven Bereich zugeordnet (§ 8 Abs. 1 Nr. 8–10 AStG). Damit werden auch solche Erträge dem aktiven Bereich zugeordnet, die nicht nach der Art der Tätigkeit, sondern nach der Beteiligungsstruktur zu bestimmen sind. Dies ist eine konsequente, wenn auch nicht widerspruchsfrei umgesetzte, Folge des Systemwechsels der deutschen Körperschaftsteuer, nach dem die Besteuerung auf der Ebene der Untergesellschaft erfolgt und Beteiligungserträge auf der Ebene der Obergesellschaft steuerfrei sind (§ 8b Abs. 1 und 2 KStG). Dieses System wird auf das System der Hinzurechnungsbesteuerung gem. § 7 ff. AStG übertragen, indem passive Einkünften allein auf der Ebene von nachge1 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 8.1.7.2. 2 FG Hess. v. 30.3.1987 – II K 454/80, EFG 1987, 601 (rkr.); Ammelung/Kuich, IStR 2000, 641. 3 Wassermeyer in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 251 m.w.N. 4 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 144; nach Wassermeyer in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 255 m.w.N. soll in diesem Fall eine passive Tätigkeit nur unter den Voraussetzungen des § 42 AO angenommen werden können. 5 Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 76. 6 Wassermeyer in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 258; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 150; wohl a.A. Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 76 bei Back-to-back-Darlehen. 7 Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 76; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 154.
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B. Tatbestand und Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung
schalteten Zwischengesellschaften gem. § 14 AStG erfasst werden und Ausschüttungen sowie in bestimmten Grenzen Veräußerungsgewinne und Umwandlungserträge auf der Ebene der empfangenden Gesellschaft bei der Hinzurechnungsbesteuerung unberücksichtigt bleiben. Die Regelungen greifen indes zu kurz, da sie systemwidrig nur Erträge aus Kapitalgesellschaften erfassen. Diese sind solche i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG und die ihnen nach dem Rechtstypenvergleich entsprechenden ausländischen Gesellschaften. Es ist nicht erklärlich, warum z.B. Genossenschaften und andere Körperschaften nicht einbezogen sind.1
7.77
bb) Gewinnausschüttungen Zu den Gewinnausschüttungen i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 8 AStG zählen neben offenen auch vGA2 von inländischen Kapitalgesellschaften. Ebenso werden Einnahmen aus der Veräußerung von Dividendenscheinen (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) von der Regelung erfasst.3 Ob auch sonstige „Bezüge“ i.S.d. § 8b Abs. 1 KStG darunterfallen, ist aufgrund des unterschiedlichen Wortlauts unklar. Aus gesetzessystematischen Gründen spricht viel dafür, hierunter jedenfalls diejenigen Bezüge zu fassen, die nach § 14 AStG eine übertragende Zurechnung auslösen können.4 Im Fall von EU/EWR-Kapitalgesellschaften sollten darüber hinaus alle Bezüge i.S.d. § 8b Abs. 1 KStG erfasst werden.5
7.78
cc) Veräußerungsgewinne Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einer nachgeschalteten Gesellschaft sowie aus deren Auflösung oder der Herabsetzung ihres Kapitals sind ebenfalls den aktiven Einkünften zuzurechnen. Dies gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass der Veräußerungsgewinn nicht auf Wirtschaftsgüter entfällt, die Einkünften i.S.d. § 16 REIT-Gesetzes6 oder Einkünften mit Kapitalanlagecharakter i.S.d. § 7 Abs. 6a AStG dienen (§ 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG). Entsprechendes gilt auch für Veräußerungsgewinne in mehr als zweistufigen Beteiligungsstrukturen, wenn also die Veräußerungsgewinne auf Wirtschaftsgüter in solchen Kapitalgesellschaften entfallen, an denen die veräußerte Gesellschaft mittelbar über eine andere Gesellschaft beteiligt ist.7 Die Finanzverwaltung fordert einen Nachweis über die Zusammensetzung der Wirtschaftsgüter bezogen auf 1 So auch Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 163. 2 BT-Drucks. 14/6882 v. 10.9.2001, 67; Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 93. 3 Vgl. BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 8.1.8. 4 So Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 162. 5 Rättig/Protzen, IStR 2001, 601; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 163 m.w.N. 6 REITG v. 28.5.2007, BGBl. I 2007, 914, zuletzt geändert durch Gesetz v. 22.6.2011, BGBl. I 2011, 1126. 7 Hierfür ist eine unmittelbare Beteiligung am Nennkapital der anderen Gesellschaft erforderlich, Rättig/Protzen, IStR 2004, 625; Kneip/Rieke, IStR 2001, 665;
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7.79
Kapitel 7 Hinzurechnungsbesteuerung
die Tätigkeitsbereiche und Einkunftsquellen der jeweiligen nachgeordneten Gesellschaft.1 Dieser Nachweis kann insbesondere für offene Rücklagen regelmäßig nicht geführt werden.2
7.80 Unter den Begriff der Veräußerung fallen auch die Liquidation der Untergesellschaft3 und die Kapitalherabsetzung bei der Untergesellschaft, soweit hierdurch bei der ausländischen Kapitalgesellschaft Veräußerungsgewinne entstehen. Hierunter sollten auch sämtliche Fälle subsumiert werden, die wie eine Veräußerung besteuert werden („Ersatzrealisierungstatbestände“),4 einschließlich des Anteilstauschs, der offenen Einlage und der verdeckten Einlage. Bis zur Einführung des SEStEG5 konnten Gewinne aus der Umwandlung von Untergesellschaften, soweit sie bei der Obergesellschaft wie Veräußerungsgewinne besteuert werden, von § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG erfasst werden.6
7.81 Veräußerungsverluste können den Hinzurechnungsbetrag im Umkehrschluss nur mindern, wenn die Verluste Wirtschaftsgütern zuzuordnen sind, die der Erzielung von Einkünften i.S.d. § 7 Abs. 6a AStG dienen, bzw. soweit es sich um Einkünfte i.S.d. § 16 REIT-Gesetz handelt (§ 8 Abs. 1 Nr. 9 letzter Halbs. AStG). dd) Umwandlungen
7.82 Können Umwandlungen nach ausländischem Steuerrecht neutral vollzogen werden, liegt aus Sicht des AStG zugleich eine niedrige Besteuerung vor (§ 8 Abs. 3 AStG). Vor der Einführung des § 8 Nr. 10 AStG führten Umwandlungen, die Wirtschaftsgüter betrafen, die passiven Einkünften dienten, ebenfalls zu passiven Einkünften. Der Veräußerungstatbestand gem. § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG konnte sich in diesen Fällen nur im Rahmen von übertragenden Umwandlungen und auch nur auf der Ebene der ausländischen Obergesellschaft auswirken. Um diesen Missstand zu beseitigen, ist mit dem SEStEG § 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG eingefügt worden, wonach ausländische Umwandlungsvorgänge, die ungeachtet der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 und 4 UmwStG zu Buchwerten erfolgen könn-
1 2 3
4 5 6
a.A. wohl BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 8.1.9. Vgl. BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 8.1.9. Zur Kritik an dem Nachweiserfordernis Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 179 f. Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 174 m.w.N.; Rödel in Kraft, § 8 Rz. 559: „Seit dem SEStEG ist bei der Liquidation zwischen Kapitalrückzahlungen, die als Veräußerungserlöse i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG anzusehen sind, und Gewinnausschüttungen i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 8 AStG zu unterscheiden.“ Ebenso Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 170. SEStEG v. 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782. Vgl. Rödder in Grotherr (Hrsg.), Handbuch der internationalen Steuerplanung, 2003, 1656; zur Rechtslage seit dem SEStEG s. Rz. 7.82 ff.; Schmidt/Hageböke, IStR 2001, 697; z.T. wurde auch schon vor dem SEStEG die Anwendbarkeit des UmwStG angenommen: Sedemund/Sterner, BB 2005, 2777.
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B. Tatbestand und Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung
ten, grundsätzlich aktiv sind. Dies betrifft nicht nur die Obergesellschaft, sondern auch die übertragende und die aufnehmende Gesellschaft. Wie bei der Veräußerung besteht hierbei eine Ausnahme insoweit, wie bei der Umwandlung Wirtschaftsgüter betroffen sind, die zu Einkünften mit Kapitalanlagecharakter oder zu Einkünften aus REIT-Gesellschaften führen. Begünstigt sind hiernach grundsätzlich die in § 1 Abs. 1 und 3 UmwStG genannten Umwandlungsvorgänge, ohne dass die Ansässigkeitsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 und 3 UmwStG erfüllt sein müssen.1 Erfasst sind also die Fälle, in denen die übertragenen Wirtschaftsgüter in das Betriebsvermögen der übernehmenden Gesellschaft übergehen und dort der späteren Besteuerung unterliegen. Unklar ist, wie das verschiedentlich im UmwStG geforderte Kriterium, dass das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der übertragenen oder eingebrachten Wirtschaftsgüter beim übernehmenden Rechtsträger nicht ausgeschlossen sein darf, im Rahmen des § 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG anzuwenden ist. Einerseits wird vertreten, dass dies konkret danach zu entscheiden ist, ob vor der Umwandlung ein Besteuerungsrecht Deutschlands besteht, das nach der Umwandlung entfällt,2 andererseits wird vertreten, dass dies fiktiv so zu prüfen sei, als ob die Umwandlung im Inland stattfinde.3 Der zweiten Auffassung ist der Vorzug zu geben, da das AStG mit dem Aktivitätskatalog aktive Tätigkeiten erfassen will und damit systematisch einen anderen Ansatz als das UmwStG verfolgt, das eine konkrete inländische Steuerverhaftung als eingrenzendes Merkmal fordert.
7.83
ee) Verhältnis zu den sonstigen aktiven Einkünften Die Aktivitäten kraft Beteiligungsstruktur gem. § 8 Abs 1 Nr. 8–10 AStG stehen im Konkurrenzverhältnis zu den Aktivitäten kraft Tätigkeit gem. § 8 Abs. 1 Nr. 1–7 AStG. Da sich die Aktivitätsregelungen nicht gegenseitig ausschließen, sondern die Erfüllung eines Aktivitätstatbestandes des § 8 AStG ausreicht, um die Hinzurechnung auszuschließen, ist das Konkurrenzverhältnis wie folgt zu lösen: Stehen die Gewinnausschüttungen, Veräußerungen oder Umwandlungen im funktionalen Zusammenhang mit anderen aktiven Tätigkeiten der ausländischen Gesellschaft i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 1–7 AStG, sind sie mit diesen zusammen ebenfalls aktiv. Besteht kein funktionaler Zusammenhang mit solchen aktiven Einkünften, kann sich die Aktivität aus dem Katalog des § 8 Abs. 1 Nr. 8–10 AStG ergeben; ein funktionaler Zusammenhang mit passiven Einkünften ist hierbei unerheblich.
1 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.6. 2 So wohl Rödel in Kraft, § 8 AStG Rz. 697, 701 ff. 3 Wassermeyer in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 319.1; im Ergebnis ebenso Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.7.
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7.84
Kapitel 7 Hinzurechnungsbesteuerung
e) Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter
7.85 Der Ergänzungstatbestand des § 7 Abs. 6 AStG hat in dem Fall Bedeutung, in dem keine Beherrschung der ausländischen Gesellschafter durch Steuerinländer vorliegt. In diesem Fall wird die Hinzurechnungsbesteuerung nur auf Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter i.S.d. § 7 Abs. 6a AStG1 angewendet. aa) Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter
7.86 Gemäß § 7 Abs. 6a AStG sind Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter Einkünfte der ausländischen Zwischengesellschaft, die aus dem Halten, der Verwaltung, Werterhaltung oder Werterhöhung von Zahlungsmitteln, Forderungen, Wertpapieren, Beteiligungen (mit Ausnahme der in § 8 Abs. 1 Nr. 8 und 9 AStG genannten Einkünfte) oder ähnlichen Vermögenswerten stammen. Damit sind insbesondere Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 EStG sowie Gewinne aus der Veräußerung dieser Vermögenswerte angesprochen.2 Mit dem Begriff der Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter wird der sachliche Anwendungsbereich der §§ 7–14 AStG nicht erweitert, es handelt sich vielmehr um eine Teilmenge.3 bb) Ausnahmetatbestand: Aktivität
7.87 Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter liegen nicht vor, wenn der Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 6a Halbs. 2 AStG vorliegt. Dieser Ausnahmetatbestand betrifft Einkünfte, die aus einer Tätigkeit stammen, die einer unter § 8 Abs. 1 Nr. 1–6 AStG fallenden eigenen Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft dient, ausgenommen Tätigkeiten i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 6 KWG. Diese Aktivitätsklausel läuft weitgehend ins Leere, da Einkünfte, die aus Tätigkeiten stammen, die einer aktiven Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft dienen, bereits aufgrund der funktionalen Betrachtungsweise den aktiven Tätigkeiten der ausländischen Gesellschaft zuzuordnen sind, sodass von vornherein keine Zwischeneinkünfte vorliegen, mit der Folge, dass § 7 Abs. 6a AStG keine Anwendung findet.4 Auch der Ausnahmeregelung für Tätigkeiten i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 6 KWG (Investmentgeschäfte) kommt kein eigenständiger Anwendungsbereich zu: Sofern die daraus erzielten Einkünfte aktiv i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG sind, liegen keine Zwischeneinkünfte vor, sodass § 7 Abs. 6a AStG nicht
1 Die bisher in § 10 Abs. 6 Satz 2 AStG geregelte Definition der Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter wurde im Rahmen des StVergAbG in § 7 Abs. 6a AStG übernommen. 2 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 10.6.2; Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 193; Köhler in S/K/K, § 7 AStG Rz. 187. 3 Köhler in S/K/K, § 7 AStG Rz. 183. 4 Wassermeyer in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 608, § 10 AStG Rz. 225.
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B. Tatbestand und Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung
anwendbar ist; fallen die Investmentgeschäfte demgegenüber nicht unter § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG, liegen ohnehin passive Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter vor, sodass die Ausnahmeregelung auch insoweit obsolet ist.1 f) Gegenbeweis bei EU/EWR-Gesellschaften Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 AStG unterliegt eine ausländische Gesellschaft mit Sitz oder Geschäftsleitung in einem EU- bzw. EWR-Staat nicht der Hinzurechnungsbesteuerung, wenn die unbeschränkt Steuerpflichtigen, die gem. § 7 Abs. 2 AStG an der Gesellschaft beteiligt sind, „nachweisen, dass die Gesellschaft insoweit einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit in diesem Staat nachgeht.“
7.88
aa) Überblick Die Möglichkeit des Gegenbeweises wurde durch das JStG 20082 mit Wir- 7.89 kung für Geschäftsjahre eingeführt, die nach dem 31.12.2007 beginnen. Mit dem Gegenbeweis versucht der Gesetzgeber, die Regelungen der Hinzurechnungsbesteuerung mit den Grundfreiheiten der AEUV, namentlich mit der Niederlassungsfreiheit gem. Art. 49 AEUV (vormals Art. 43 EGV) in Einklang zu bringen. Er übernimmt dazu die Formulierung, die der EuGH in der Rs. Cadbury Schweppes verwendet hat, sodass für die Auslegung dieses Kriteriums unmittelbar die Urteilsgründe dieser Entscheidung heranzuziehen sind. Für Geschäftsjahre, die vor dem 1.1.2008 begonnen haben, ist das BMF-Schreiben vom 8.1.20073 anzuwenden. Allerdings ist zu beachten, dass nicht nur die Neuregelung in § 8 Abs. 2 AStG, sondern auch das BMF-Schreiben an den Grundfreiheiten des Europarechts zu messen ist. Soweit also das BMF-Schreiben und/oder die Neuregelung des § 8 Abs. 2 AStG zu weit greifen und weiterhin gegen die Grundfreiheiten verstoßen, sind sie nur innerhalb der Schranken der Grundfreiheiten anzuwenden. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit die Hinzurechnungsbesteuerung nicht nur gegen die Niederlassungsfreiheit, sondern auch gegen die Kapitalverkehrsfreiheit gem. Art. 63 AEUV (vormals Art. 56 EGV) verstößt.4 bb) Beteiligungsvoraussetzungen Der Gegenbeweis ist unbeschränkt Steuerpflichtigen eröffnet, die (ggf. zusammen mit anderen Beteiligten) mehrheitlich i.S.d. § 7 Abs. 2 AStG an der Gesellschaft beteiligt sind. Dies wird so verstanden, dass die Gesell1 So auch Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 10.63. 2 JStG 2008 v. 20.12.2007, BGBl. I 2007, 3150. 3 BMF v. 8.1.2007 – IV B 3 - S 1351 - 1/07, BStBl. I 2007, 99; zwischenzeitlich aufgehoben durch BMF v. 23.4.2010 – IV A 6 - O 1000/09/10095, BStBl. I 2010, 391. 4 Siehe dazu Köhler in S/K/K, Vor §§ 7–14 AStG Rz. 49 ff.; Haarmann, IStR 2011, 565.
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Kapitel 7 Hinzurechnungsbesteuerung
schaft deutsch-beherrscht sein muss, sodass bei Portfoliobeteiligungen, bei denen nicht zugleich eine Deutsch-Beherrschung vorliegt, also bei Einkünften mit Kapitalanlagecharakter, der Gegenbeweis ausgeschlossen sei.1 Der Gesetzgeber hat jedoch – anders als das BMF-Schreiben – keinen ausdrücklichen Ausschluss des Gegenbeweises für Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter vorgesehen. Hat der Gesetzgeber es jedoch versäumt, diese wichtige und ihm durch das BMF-Schreiben bekannte Einschränkung in den Wortlaut aufzunehmen, darf man dies bei der Auslegung nicht außer Acht lassen und muss dem gesetzgeberischen Willen unterstellen, dass die Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter eben nicht vom Gegenbeweis ausgenommen werden sollen. cc) Tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit
7.91 Nach der Entscheidung des EuGH in der Rs. Cadbury Schweppes sind Einschränkungen der Niederlassungsfreiheit durch CFC-Regelungen nur dann zulässig, wenn sie der Bekämpfung rein künstlicher Gestaltungen dienen.2 Eine solche liegt nicht vor, wenn die Gesellschaft im Aufnahmestaat tatsächlich angesiedelt ist und dort eine wirtschaftliche Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung ausübt und dies auf objektiven, von dritter Seite nachprüfbaren Anhaltspunkten beruht, die sich auf das greifbare Vorhandensein der Gesellschaft in Form von Geschäftsräumen, Personal und Ausrüstungsgegenständen beziehen.3 Diese Substanzerfordernisse sind z.B. dann nicht erfüllt, wenn es sich um sog. Briefkastenfirmen oder Strohfirmen handelt. Die genaue Abgrenzung zwischen der europarechtlich geschützten, wirtschaftlichen Tätigkeit und einer substanzlosen Briefkastengesellschaft lässt der EuGH offen. Es ist aber davon auszugehen, dass der Umfang der Substanzerfordernisse mit dem intendierten wirtschaftlichen Zweck korreliert.4
7.92 Nach der Gesetzesbegründung zu § 8 Abs. 2 AStG soll es an der tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit fehlen, wenn die ausländische Gesellschaft die Kernfunktionen ihrer Tätigkeit nicht selbst ausübt.5 Damit soll das Outsourcing von wesentlichen Funktionen verhindert werden. Es ist zu bezweifeln, dass dem Gesetzgeber dies hiermit gelungen ist. Zum einen hat der BFH bereits zu den Hinzurechnungstatbeständen geurteilt,
1 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.18; im Ergebnis ebenso Kraft in Kraft, § 8 AStG Rz. 751. 2 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995 Rz. 54. 3 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995 Rz. 67. 4 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.20. 5 BT-Drucks. 16/6290 v. 4.9.2007, 123 ff.; kritisch dazu Kraft in Kraft, § 8 AStG Rz. 750; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.21; Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 156.
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B. Tatbestand und Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung
dass das Outsourcing unschädlich ist.1 Zum anderen ist das in § 8 Abs. 2 AStG aufgenommene Kriterium der wirtschaftlichen Tätigkeit i.S.d. EuGH-Rechtsprechung auszulegen, um den vom Gesetzgeber beabsichtigten Zweck zu erreichen, einen Verstoß gegen EU-Recht zu vermeiden. Nach der EuGH-Rechtsprechung ist aber nicht erkennbar, dass das Outsourcing zu einer „rein künstlichen Gestaltung“ führt. Konzerntätigkeiten werden ausweislich der Gesetzesbegründung nicht mehr generell als schädlich angesehen. Damit können auch Holding- und Finanzierungsfunktionen eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen. Eine Einschränkung dahin gehend, dass die Holding geschäftsleitende Funktionen ausüben müsse, ist nach der EuGH-Rechtsprechung nicht erkennbar und daher im Rahmen des Gegenbeweises nicht zu fordern. Ebenso wird gegen eine Hinzurechnungsbesteuerung, die sich auf schädliche Mitwirkungs- und Bedienenstatbestände stützt, der Gegenbeweis durchschlagen.2 Der Substanznachweis muss gem. § 8 Abs. 2 Satz 5 AStG für jede wirtschaftliche Tätigkeit gesondert geführt werden, um die jeweilige Hinzurechnungsbesteuerung auszuschließen. Dabei ist weitere Voraussetzung, dass insoweit der Fremdvergleichsmaßstab eingehalten wurde.
7.93
dd) Beweislast Gemäß § 8 Abs. 2 AStG hat der Steuerpflichtige die Beweislast für das 7.94 Vorliegen der tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit. In dem Fall, in dem der inländische Steuerpflichtige die ausländische Gesellschaft gesellschaftsrechtlich kontrolliert, wird er auch in der Lage sein, die Ansässigkeit und die tatsächliche Betätigung der Gesellschaft darzulegen und ggf. zu beweisen. Ob der vom deutschen Gesetzgeben darüber hinaus verlangte Nachweis bei Vorliegen eines qualifizierten Geschäftsbetriebs EUrechtskonform ist, ist zweifelhaft.3 Wenn der inländische Steuerpflichtige die ausländische Gesellschaft nicht gesellschaftsrechtlich kontrolliert, sondern allein eine Deutsch-Beherrschung i.S.d. § 7 Abs. 2 AStG vorliegt, kann die Beweislastregelung zu einer materiell EU-rechtswidrigen Besteuerung führen.4 In diesem Fall wäre wohl auch die Beweislastregelung EU-rechtswidrig.
1 BFH v. 25.2.2004 – I R 42/04, BFH/NV 2004, 1313 hinsichtlich der Abwicklung von Wertpapiergeschäften durch eine Managementgesellschaft; v. 19.1.2000 – I R 94/97 u. I R 117/97, BStBl. II 2001, 222; v. 13.10.2010 – I R 61/09, GWR 2011, 48, m. Anm. Schmidt; a.A. BMF v. 19.3.2001 – IV B 4 - S 1300 - 65/01, DStR 2001, 659, größtenteils aufgehoben durch BMF v. 28.12.2004, DStR 2005, 67. 2 Ebenso Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.23. 3 Siehe dazu Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.26. 4 Dabei ist zu klären, ob ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit oder – wegen der nicht zu kontrollierenden Beteiligung – gegen die Kapitalverkehrsfreiheit vorliegt.
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Kapitel 7 Hinzurechnungsbesteuerung
ee) Drittstaateneinkünfte
7.95 Der Gegenbeweis ist ausgeschlossen, soweit Einkünfte aus Drittstaaten vorliegen. Dies betrifft Einkünfte einer nachgeschalteten Zwischengesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in einem Drittstaat, die der ausländischen Gesellschaft gem. § 14 AStG zugerechnet werden (§ 8 Abs. 2 Satz 3 AStG) sowie Einkünfte, die einer Betriebsstätte der ausländischen Gesellschaft, die in einem Drittstaat belegen ist, zuzurechnen sind (§ 8 Abs. 2 Satz 4 AStG). Dieser Ausschluss ist EU-rechtswidrig, wenn die Tätigkeit dem Schutz der Kapitalverkehrsfreiheit unterliegt, da diese auch Drittstaateneinkünfte schützt. 5. Niedrige Besteuerung
7.96 Die Hinzurechnungsbesteuerung gem. § 7 Abs. 1 und 6 AStG setzt ferner voraus, dass die von der ausländischen Gesellschaft erzielten Einkünfte einer niedrigen Besteuerung unterliegen (§ 8 Abs. 3 AStG). Die passiven Einkünfte werden niedrig besteuert, wenn ihre gesamte Belastung durch Ertragsteuern unter 25 v.H. liegt1 oder der ausländische Staat eine indirekte Anrechnung gewährt. Zur Ertragsteuerbelastung gehören alle zulasten der ausländischen Gesellschaft im Staat ihres Sitzes, ihrer Geschäftsleitung oder einem Drittstaat erhobenen Ertragsteuern.2 Bezieht die ausländische Gesellschaft Einkünfte aus aktiver und passiver Tätigkeit (gemischte Einkünfte), sind die aktiven Einkünfte im Rahmen der Steuerbelastungsberechnung außer Betracht zu lassen.3 In die Gesamtbelastung fließen alle tatsächlich anfallenden Ertragsteuern ein;4 ob sie bereits gezahlt sind, ist – anders als z.B. bei § 34c EStG – unerheblich. Eine Niedrigbesteuerung liegt nicht deshalb vor, weil die Einkünfte im Rahmen einer Gruppenbesteuerung bei einer anderen Gesellschaft besteuert werden.5
7.97 Fallen der Staat des Sitzes und der Geschäftsleitung der ausländischen Gesellschaft auseinander, so liegt eine niedrige Besteuerung dann vor, wenn die Steuerbelastung in beiden Staaten zusammen weniger als 25 v.H. beträgt.6
1 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 8.3.1.1. 2 Vogt in Blümich § 8 AStG Rz. 129; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 8.3.1.1. 3 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 8.3.3. 4 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 8.3.1.2. 5 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 8.3.1.2. 6 Vgl. Wassermeyer in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 405; Lenz/Heinsen, IStR 2003, 793.
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B. Tatbestand und Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung
Ob die 25 v.H.-Grenze unterschritten ist, kann im Regelfall nach dem allgemeinen Ertragsteuersatz des Sitzstaates entschieden werden.1 Ausnahmsweise ist eine konkrete Belastungsrechnung durchzuführen, falls der Normaltarif nicht angewendet wird, oder die Einkünfte im Ausland anders ermittelt werden als nach deutschem Steuerrecht; in diesem Fall ist die Bemessungsgrundlage nach deutschem Recht zu ermitteln und der darauf entfallenden Gesamtsteuerbelastung gegenüberzustellen, hierbei sind allerdings belastungsadäquate Berichtigungen vorzunehmen.2 Freiwillig gezahlte Steuern sind bei der Belastungsrechnung nicht zu berücksichtigen.3
7.98
Unerheblich ist, ob im Ausland allgemein eine niedrige Besteuerung herrscht oder ob die niedrige Besteuerung auf gezielten ausländischen Steuervergünstigungen beruht.4
7.99
Im Rahmen der Ermittlung der Steuerbelastung ist nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 3 AStG nicht auf die im Ausland tatsächlich gezahlte, sondern auf die abstrakt geschuldete Steuer abzustellen.5 Ob die ausländische Finanzbehörde die Einkünfte tatsächlich niedriger oder gar nicht besteuert hat, ist nach Ansicht des BFH für die Ermittlung der niedrigen Besteuerung i.S.d. § 8 Abs. 3 AStG unerheblich.6 Infolgedessen ist gem. § 8 Abs. 3 AStG auch eine Minderung der effektiven Steuerbelastung nicht zu berücksichtigen, sofern diese auf einem Ausgleich mit anderen negativen Einkünften aus aktiven Tätigkeiten oder aus passivem Erwerb beruht.
7.100
Mit dem JStG 2010 wurde § 8 Abs. 3 AStG um einen Satz 2 erweitert, nach dem in die Belastungsrechnung die Ansprüche einzubeziehen sind, die im Falle einer Gewinnausschüttung der ausländischen Gesellschaft dem inländischen Gesellschafter oder einer ihm nahe stehenden Person gewährt werden. Damit sollen insbesondere Fälle erfasst werden, in denen – wie bei einer zweistufigen Struktur in Malta – zwar die untere Gesellschaft nicht niedrig besteuert wird, die Obergesellschaft aber im Falle der Dividendenausschüttung eine weitestgehende Erstattung der Steuer
7.101
1 BFH v. 9.7.2003 – I R 82/01, BStBl. II 2004, 4; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 8.3.2.1, vgl. dazu die vom BMF ermittelten Steuersätze in wichtigen Gebieten, Anlagen 1 und 2 zum BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3. 2 Vgl. BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 8.3.2.3; zur Berücksichtigung schweizerischer Steuern vgl. BMF v. 23.5.1980 – IV C 5 - S 1351 - 4/80, BStBl. I 1980, 282; BFH v. 15.3.1995 – I R 14/94, BStBl. II 1995, 502. 3 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 8.3.2.1. 4 BFH v. 20.4.1988 – I R 197/84, BStBl. II 1988, 983; v. 9.7.2003 – I R 82/01, BStBl. II 2004, 4. 5 BFH v. 9.7.2003 – I R 82/01, BStBl. II 2004, 4; FG BW v. 28.10.2004 – 6 K 170/02, IStR 2004, 92; Wassermeyer in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 404. 6 BFH v. 9.7.2003 – I R 82/01, BStBl. II 2004, 4.
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Kapitel 7 Hinzurechnungsbesteuerung
der Untergesellschaft erhält. Die Regelung hat in § 10 Abs. 1 Nr. 1a AStG eine technische Folgeänderung erhalten, mit der die Ansprüche bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrags berücksichtigt werden. 6. Freigrenze bei gemischter Tätigkeit
7.102 Für gemischt tätige Gesellschaften gilt gem. § 9 AStG eine Freigrenze: Liegen die passiven Einkünfte unter 10 v.H. der aktiven Bruttoeinkünfte (relative Freigrenze) und erreichen sie höchstens 80 000 Euro (absolute Freigrenze), so bleiben sie außer Ansatz. Es handelt sich nur um eine Freigrenze, bei deren Überschreitung die gesamten passiven Einkünfte hinzugerechnet werden. Eine allgemeine „Bagatellgrenze“ sehen die Vorschriften über die Hinzurechnungsbesteuerung hingegen nicht vor.1
IV. Hinzurechnung 1. Allgemeines
7.103 Sind die Voraussetzungen des Grundtatbestandes (§ 7 Abs. 1 AStG) oder des Ergänzungstatbestandes (§ 7 Abs. 6 AStG) erfüllt, kommt es zur anteiligen Hinzurechnung der von der ausländischen Gesellschaft erzielten, niedrig besteuerten Einkünfte (Zwischeneinkünfte, § 8 Abs. 1 AStG) bei den an der Gesellschaft beteiligten Steuerinländern. Wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen des § 7 Abs. 1 AStG einerseits und des § 7 Abs. 6 AStG andererseits ist zu prüfen, aufgrund welcher der beiden Vorschriften sich die Hinzurechnungsbesteuerung ergibt. Gem. § 7 Abs. 6 AStG werden die Zwischeneinkünfte im Rahmen des Grundtatbestandes sämtlichen, unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern der ausländischen Gesellschaft, unabhängig von ihrer jeweiligen Beteiligungshöhe, zugerechnet, während § 7 Abs. 6 Satz 1 AStG eine Hinzurechnung grundsätzlich nur für die zu mindestens 1 v.H. beteiligten Steuerinländer vorsieht, es sei denn, die ausländische Gesellschaft erzielt fast ausschließlich Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter (§ 7 Abs. 6 Satz 3 AStG).
7.104 Zur Durchführung der Hinzurechnung werden die passiven Einkünfte der ausländischen Gesellschaft ermittelt, und – um abzugsfähige ausländische Steuern gekürzt – anteilig mit dem Hinzurechnungsbetrag in die Steuerbemessungsgrundlage der inländischen Steuerpflichtigen einbezogen. Der gesetzliche Aufbau der §§ 10–12 AStG ist verwirrend, da er nicht mit der Abfolge der Berechnung des Hinzurechnungsbetrages übereinstimmt. Im Einzelnen beruht die Hinzurechnung auf folgenden Schritten.
1 BFH v. 15.9.2004 – I R 102-104/03, BStBl. II 2005, 255.
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Henkel
B. Tatbestand und Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung
2. Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages a) Gewinnermittlung Der Hinzurechnungsbetrag baut auf den niedrig besteuerten, passiven Einkünften auf, die die ausländische Gesellschaft in dem jeweiligen Wirtschaftsjahr erzielt hat. Diese Einkünfte sind nach deutschem Steuerrecht zu ermitteln (§ 10 Abs. 3 AStG), und zwar so, als wäre die Gesellschaft unbeschränkt steuerpflichtig. Die Ermittlung ist sowohl durch Gewinnermittlung nach dem Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG als auch durch Überschussrechnung i.S.d. § 4 Abs. 3 EStG zulässig. Betreibt die Zwischengesellschaft hingegen nur Vermögensverwaltung und halten die Gesellschafter die Beteiligung im Privatvermögen, sind die Zwischeneinkünfte nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG (Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten) zu ermitteln.1 Ein Verlustausgleich zwischen verschiedenen passiven Einkünften der ausländischen Gesellschaft im Wirtschaftsjahr ist möglich. Betriebsausgaben sind abzuziehen, soweit sie im wirtschaftlichen Zusammenhang mit den passiven Einkünften stehen (§ 10 Abs. 4 AStG).2
7.105
Steuerliche Vergünstigungen, die nur unbeschränkt Steuerpflichtigen zustehen oder eine inländische Betriebsstätte voraussetzen, sowie die Steuerbefreiungen gem. § 8b Abs. 1 und 2 KStG bleiben unberücksichtigt (§ 10 Abs. 3 Satz 4 AStG). Dies gilt seit Einführung des SEStEG auch für die Vorschriften des UmwStG, soweit Einkünfte aus einer Umwandlung nach § 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG hinzuzurechnen sind. Hierbei handelt es sich um eine Folgeregelung zu der Änderung in § 8 Abs. 1 Nr 10 AStG: Ist eine Umwandlung hiernach nicht aktiv (z.B. weil die Umwandlung auch außerhalb der Einschränkungen des § 1 Abs. 2 und 4 UmwStG nicht zu Buchwerten erfolgen könnte oder die Umwandlung Wirtschaftsgüter betrifft, die gem. § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter bzw. REIT-Einkünfte begründen), werden diese Einkünfte (wie vor Einführung des SEStEG) in die Hinzurechnung einbezogen.3
7.106
b) Verluste Verluste, die die ausländische Gesellschaft in früheren Jahren aus passiven Tätigkeiten erzielt hat, können in entsprechender Anwendung des § 10d EStG abgezogen werden (§ 10 Abs. 3 Satz 5 AStG).4 Ab dem Veranlagungszeitraum 2004 ist die Nutzung eines Verlustvortrages aufgrund 1 BFH v. 21.1.1998 – I R 3/86, BStBl. II 1998, 468; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 10.1.1.2. 2 Aufwendungen für das Aufstellen der Hinzurechnungsbilanz sollen hingegen nicht abzugsfähig sein, BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 10.1.3; einschränkender BFH v. 15.3.1995 – I R 14/94, BStBl. II 1995, 502. 3 Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 105. 4 Vgl. hierzu auch BFH v. 5.6.2002 – I R 115/00, BFH/NV 2002, 1549; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 10.3.5.
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7.107
Kapitel 7 Hinzurechnungsbesteuerung
der Einführung der sog. Mindestbesteuerung in § 10d Abs. 2 EStG nur noch in eingeschränktem Maße möglich. c) Abzug ausländischer Steuern
7.108 Steuern, die zulasten der ausländischen Gesellschaft von den passiven Einkünften erhoben worden sind, können vom Gesamthinzurechnungsbetrag abgezogen werden, jedoch nur soweit, wie sie bereits entrichtet sind; später entrichtete Steuern können in späteren Wirtschaftsjahren von den dann nach § 7 Abs. 1 AStG steuerpflichtigen Einkünften abgezogen werden (§ 10 Abs. 1 Satz 2 AStG). Werden abzugsfähige Steuern der ausländischen Gesellschaft erst nach Ablauf des der Hinzurechnung zugrunde liegenden Wirtschaftsjahres entrichtet, geht der Abzug dieser Steuern vom Hinzurechnungsbetrag ins Leere, wenn im Jahr der Entrichtung kein Hinzurechnungsbetrag anfällt oder dieser geringer als die abzugsfähigen Steuern ist. Zur Vermeidung dieses unbilligen Ergebnisses bestimmt § 10 Abs. 3 Satz 6 AStG, dass ein durch den Abzug der Steuern entstehender negativer Hinzurechnungsbetrag in den Verlustabzug nach § 10 Abs. 3 Satz 5 AStG i.V.m. § 10d EStG einzubeziehen ist. Abzugsfähig sind neben den Steuern des Sitzstaates der Gesellschaft auch in Deutschland und in Drittstaaten erhobene Quellensteuern.1 d) Anrechnung ausländischer Steuern
7.109 Beantragt der inländische Steuerpflichtige statt des Steuerabzugs gem. § 12 AStG die gewöhnlich günstigere Anrechnung der ausländischen Steuern auf seine Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer, wird der Hinzurechnungsbetrag um die abgezogenen Steuern erhöht. e) Keine Bagatellgrenze
7.110 Die vom ausländischen Betrieb oder der Betriebsstätte erzielten passiven Bruttoerträge sind grundsätzlich auch dann hinzuzurechnen, wenn sie weniger als 10 v.H. der gesamten Bruttoerträge der ausländischen Zwischengesellschaft betragen. Nach der Rechtsprechung des BFH enthalten die Vorschriften über die Hinzurechnungsbesteuerung keine allgemeine „Bagatellgrenze“, wonach passive Einkünfte ohne weitere Prüfung im Rahmen einer Unschädlichkeitsgrenze als Nebenerträge aktiver Tätigkeiten anzusehen sind.2 3. Hinzurechnungsquote des Inlandsbeteiligten
7.111 Sind an der ausländischen Gesellschaft mehrere Personen beteiligt, so kann der Hinzurechnungsbetrag nur anteilig hinzugerechnet werden. Die 1 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 10.1.2.1. 2 BFH v. 15.9.2004 – I R 102-104/03, BStBl. II 2005, 255.
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B. Tatbestand und Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung
Hinzurechnungsquote bestimmt sich gem. § 7 Abs. 1 AStG nach der dem jeweiligen Steuerinländer zuzurechnenden Beteiligung am Nennkapital der Gesellschaft. Bei der Beteiligung am Nennkapital der ausländischen Gesellschaft muss es sich um eine unmittelbare Beteiligung handeln.1 Ist für die Gewinnverteilung der ausländischen Gesellschaft nicht die Beteiligung am Nennkapital maßgebend oder hat die Gesellschaft kein Nennkapital, so ist für die Aufteilung des Hinzurechnungsbetrages der Maßstab der Gewinnverteilung entscheidend (§ 7 Abs. 5 AStG). Beim Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 AStG gibt es nur auf der Tatbe- 7.112 standsebene eine Mindestbeteiligungsquote (Beteiligung von mehr als 50 v.H. durch Steuerinländer). Für die Rechtsfolge der Hinzurechnung besteht dagegen kein Mindestbeteiligungserfordernis. Auch Steuerinländer, die lediglich einen Zwerganteil von unter 1 % an der ausländischen Gesellschaft halten, können dementsprechend unter die Hinzurechnungsbesteuerung des § 7 Abs. 1 AStG fallen, sofern die Gesellschaft insgesamt durch Steuerinländer beherrscht ist. Beim Ergänzungstatbestand des § 7 Abs. 6 AStG ist die Hinzurechnung nur gegenüber demjenigen Steuerinländer vorzunehmen, der zu mindestens 1 v.H. an der ausländischen Gesellschaft beteiligt ist, es sei denn, die ausländische Gesellschaft erzielt (fast) ausschließlich Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter (§ 7 Abs. 6 Satz 3 AStG).
7.113
4. Ansatz des anteiligen Hinzurechnungsbetrages beim Inlandsbeteiligten Gemäß § 10 Abs. 2 AStG gehört der beim Inlandsbeteiligten anzusetzende Hinzurechnungsbetrag zu den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Die Steuerfreistellung gem. § 8b Abs. 1 KStG sowie das Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG sind auf den Hinzurechnungsbetrag nicht anzuwenden (§ 10 Abs. 2 Satz 3 AStG). Der Ansatz des Hinzurechnungsbetrages erfolgt in der Sekunde nach Ablauf des maßgebenden Wirtschaftsjahres der ausländischen Gesellschaft. Ist der Hinzurechnungsbetrag negativ, entfällt die Hinzurechnung (§ 10 Abs. 1 Satz 3 AStG); der negative Betrag wird im Wege des Verlustvortrags mit künftigen positiven Hinzurechnungsbeträgen verrechnet (§ 10 Abs. 3 Satz 5 AStG).
7.114
Wird die Beteiligung im Betriebsvermögen gehalten, unterliegt der Hinzurechnungsbetrag gem. § 7 Abs. 1 GewStG auch der Gewerbesteuer.2 Höchstrichterlich ist bislang nicht entschieden, ob der Hinzurechnungsbetrag einer gewerbesteuerlichen Kürzung unterliegt; hier wird disku-
7.115
1 Vogt in Blümich, § 7 AStG Rz. 29; Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 12.1. 2 Vogt in Blümich, § 10 AStG Rz. 60; siehe auch Köhler in S/K/K, § 7 AStG Rz. 37; nach BFH v. 19.7.2010 – I R 36/09, BStBl. II 2010, 1020 schlägt die außerbilanzielle Hinzurechnung gem. § 10 AStG auf die Gewerbesteuer durch; a.A. Edelmann in Kraft, § 10 AStG Rz. 354.
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Kapitel 7 Hinzurechnungsbesteuerung
tiert, die ausländische Gesellschaft strukturell als Quasibetriebsstätte anzusehen und den Hinzurechnungsbetrag gem. § 9 Nr. 3 GewStG zu kürzen.1 Geht man indes davon aus, dass keine Kürzung eingreift, droht eine zweifache Erfassung mit Gewerbesteuer: Neben dem Hinzurechnungsbetrag gehen auch die Gewinnausschüttungen gem. § 8 Nr. 5 GewStG in die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage ein; eine gewerbesteuerliche Kürzung der Gewinnausschüttungen gem. § 9 Nr. 7 GewStG wird jedoch regelmäßig an dessen Aktivitätsanforderungen scheitern. Diese Doppelerfassung wird gem. § 8 Nr. 5 Satz 2 GewStG für die Fälle des § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG vermieden. Diese Vorschrift gilt jedoch nur für die Einkommensteuer,2 nicht für Körperschaften,3 weil deren Dividendenerträge nicht nach § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG, sondern gem. § 8b KStG entlastet werden. Gleichwohl besteht weitgehende Einigkeit, dass diese Doppelerfassung zu vermeiden sei, indem § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG auch auf Körperschaften angewandt wird.4
7.116 Wird die Beteiligung an der ausländischen Gesellschaft über eine in- oder ausländische Personengesellschaft gehalten, wird der Hinzurechnungsbetrag nicht direkt bei den inländischen Anteilseignern der Personengesellschaft, sondern bei der an der ausländischen Gesellschaft unmittelbar beteiligten Personengesellschaft angesetzt; er geht dann anteilig in den den inländischen Gesellschaftern zuzurechnenden Gewinnanteil der Personengesellschaft ein.5
V. Änderungen des Hinzurechnungsbetrages 1. Kürzung um Veräußerungsgewinne
7.117 Der im Rahmen des UntStFG neu gefasste § 11 AStG betrifft Gewinne der ausländischen Zwischengesellschaft aus der Veräußerung von Anteilen an einer anderen ausländischen Gesellschaft (Untergesellschaft), die 1 Gosch in Blümich, § 9 GewStG Rz. 221a; Gosch, Außensteuerliche Aspekte der Gewerbesteuer, IIFS, Diskussionsbeiträge, Heft 117 (2011), 20 f.; Rödder/Schumacher, IStR 2002, 105; a.A. Güroff in Glanegger/Güroff7, § 9 Nr. 3 GewStG Rz. 3; diese Kürzung greift jedoch zweifelsfrei ein, wenn die Beteiligung einer Auslandsbetriebsstätte zuzuordnen ist. 2 Hier ist aber zu beachten, dass die Entlastung nur innerhalb der siebenjährigen Frist gem. § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG gilt; dazu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 188. 3 Für EU/EWR-Kapitalgesellschaften sollte der Aktivitätsvorbehalt des § 9 Nr. 7 GewStG nicht gelten, siehe Rödder, IStR 2009, 873. 4 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 189 m.w.N.; Vogt in Blümich, § 10 AStG Rz. 60; jetzt auch Güroff in Glanegger/Güroff7, § 8 Nr. 5 GewStG Rz. 3; Haas, DB 2002, 549; wohl auch die Finanzverwaltung wegen des Verweises in R 32 Abs. 1 KStR 2004 auf § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG. 5 BFH v. 30.8.1995 – I R 77/94, BStBl. II 1996, 122; Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 82; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 7.3, 18.1.1.2.
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B. Tatbestand und Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung
ihrerseits Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter i.S.d. § 7 Abs. 6a AStG erzielt hat. Thesauriert die Untergesellschaft Gewinne, die nach § 14 AStG der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen, tritt im Fall der Veräußerung der Anteile durch die ausländische Zwischengesellschaft eine Doppelbelastung ein, da der Veräußerungsgewinn der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegt, soweit er auf Wirtschaftsgüter entfällt, die der Erzielung von Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter oder REIT-Gesellschaften dienen (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG). Zur Vermeidung der Doppelbelastung sieht § 11 AStG eine Kürzung des Hinzurechnungsbetrages um den Veräußerungsgewinn vor, soweit dieser auf innerhalb der letzten sieben Wirtschafts- oder Kalenderjahre bereits hinzugerechneten Einkünften beruht.1 Der Steuerpflichtige hat das Vorliegen der Entlastungsvoraussetzungen nachzuweisen. Eine entsprechende Kürzung erfolgt für Gewinne aus der Auflösung oder Kapitalherabsetzung der Untergesellschaft. 2. Steueranrechnung § 12 Abs. 1 AStG räumt dem jeweiligen an der ausländischen Gesellschaft beteiligten Steuerinländer die Möglichkeit ein, die nach § 10 Abs. 1 AStG abziehbaren Personensteuern auf Antrag auf seine Einkommenoder Körperschaftsteuer anzurechnen. In diesem Fall ist gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 AStG der Hinzurechnungsbetrag um diese Steuern zu erhöhen.2 Die Steueranrechnung ist für den inländischen Steuerpflichtigen regelmäßig günstiger als der Steuerabzug. Für die Steueranrechnung gelten gem. § 12 Abs. 2 AStG die Vorschriften des § 34c Abs. 1 EStG bzw. § 26 Abs. 1 und 6 KStG entsprechend.
7.118
Durch die tatsächliche Ausschüttung der Zwischeneinkünfte können Steuern anfallen (ausländische Quellensteuern), die nicht nach § 12 Abs. 1 und 2 AStG angerechnet werden können, weil sie nicht von der Zwischengesellschaft und deren Zwischeneinkünften erhoben werden; sie können auch nicht auf die tatsächlich erfolgte Ausschüttung angerechnet werden, da diese gemäß § 3 Nr. 41 EStG bzw. § 8b KStG steuerfrei ist.3 § 12 Abs. 3 i.d.F. des UntStFG löst dieses Problem, indem er – zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung – auf Antrag die rückwirkende Anrechnung dieser Steuern auf die von den Zwischeneinkünften erhobene Steuer oder alternativ den Abzug vom Hinzurechnungsbetrag dieser Zwischeneinkünfte zulässt. Seit dem JStG 2008 wird diese Erleichterung nicht nur für die ESt, sondern auch für die KSt gewährt.
7.119
1 Das BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 verlangt in Rz. 11.1, dass die Zwischeneinkünfte „bei dem Steuerpflichtigen“ der Hinzurechnungsbesteuerung unterlegen haben müssen. 2 Die Erhöhung gilt gleichfalls für die Gewerbesteuer, BFH v. 21.12.2005 – I R 4/05, BStBl. II 2006, 555; Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 17 m.w.N.: dies gelte nur, soweit sich kein Anrechnungsüberhang ergibt, der nicht genutzt werden kann. 3 Vgl. Vogt in Blümich § 12 AStG Rz. 19.
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Kapitel 7 Hinzurechnungsbesteuerung
VI. Mehrstufige Beteiligungsverhältnisse 1. Übertragende Zurechnung
7.120 Hält die ausländische Gesellschaft (Obergesellschaft) eine Beteiligung an einer weiteren ausländischen Gesellschaft (Untergesellschaft), so liegt ein mehrstufiges Beteiligungsverhältnis vor. Damit die Hinzurechnungsbesteuerung bei solchen mehrstufigen Beteiligungsverhältnissen nicht leerläuft, wird die Hinzurechnungsbesteuerung auf jeder Beteiligungsstufe gesondert geprüft. Ist auf der Ebene der Untergesellschaft ein Hinzurechnungstatbestand erfüllt, wird der Hinzurechnungsbetrag bei der Obergesellschaft im Wege der übertragenden Zurechnung gem. § 14 Abs. 1 AStG erfasst („übertragende Zurechnung“). Die Hinzurechnung ist von dem tatsächlichen Dividendenverhalten der Untergesellschaft abgekoppelt, denn Ausschüttungen der Untergesellschaft an die ausländische Obergesellschaft führen bei ihr zu aktiven Einkünften (§ 8 Abs. 1 Nr. 8 AStG).
7.121 In die übertragende Zurechnung fließen nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AStG grundsätzlich zunächst alle niedrig besteuerten Einkünfte der Untergesellschaft ein, unabhängig, ob sie aktiv oder passiv sind. Der Steuerpflichtige hat jedoch die Möglichkeit nachzuweisen, dass es sich um aktive Einkünfte handelt, die von der Zurechnung auszunehmen sind. Damit ergibt sich eine Umkehr der Beweislast zulasten des Steuerpflichtigen.1
7.122 Von der Zurechnung nicht erfasst sind darüber hinaus die passiven Tätigkeiten der Untergesellschaft, die nachweislich eigenen aktiven Tätigkeiten i.S.d. § 8 Abs. 1–6 AStG der ausländischen Obergesellschaft dienen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbs. i.V.m. Satz 2 AStG), und die nicht zu den Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter (§ 7 Abs. 6a AStG) zählen. Dieses Funktionsprivileg soll jedoch nur im Verhältnis der Untergesellschaft zur Obergesellschaft eingreifen, nicht jedoch, soweit an der Untergesellschaft andere Gesellschafter beteiligt sind, zu denen keine solche dienende Funktion besteht.2
7.123 Für die Ermittlung der Zwischeneinkünfte ist für jede Untergesellschaft eine Hinzurechnungsbilanz zu erstellen. Gewinne und Verluste einer Untergesellschaft sind zu saldieren. Ein Verlust der Untergesellschaft ist der ausländischen Obergesellschaft zuzurechnen.3
1 Kritisch hierzu Hauswirth in S/K/K, § 14 AStG Rz. 38; Wassermeyer, IStR 2003, 665; Rättig/Protzen, IStR 2004, 625. 2 Vogt in Blümich, § 14 AStG Rz. 38; Mössner in Brezing u.a., § 14 AStG Rz. 57; Hauswirth in S/K/K, § 14 AStG Rz. 52. 3 BFH v. 20.4.1988 – I R 41/82, BStBl. II 1988, 868; v. 28.9.1988 – I R 91/87, BStBl. II 1989, 13; vgl. BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 14.1.6 f.
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B. Tatbestand und Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung
2. Beteiligungsverhältnisse Für den Grundtatbestand der Zurechnung gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 AStG ist unstreitig, dass die ausländische Obergesellschaft gem. § 7 Abs. 2 AStG allein oder zusammen mit unbeschränkt Steuerpflichtigen zu mehr als der Hälfte an der Untergesellschaft beteiligt, also inlandsbeherrscht, sein muss.1
7.124
Umstritten ist demgegenüber, welches Beteiligungsverhältnis an der Untergesellschaft maßgebend ist, wenn es um Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter (Ergänzungstatbestand) geht. Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, dass bei diesen Einkünften eine Zurechnung i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 1 AStG bereits ab einer Beteiligungshöhe von 1 v.H. gem. § 7 Abs. 6 Satz 1 AStG bzw. ohne Mindestbeteiligungshöhe gem. § 7 Abs. 6 Satz 3 erfolgt.2 Nach anderer Auffassung erfolgt auch bei Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter eine Zurechnung nur, sofern eine Inländerbeherrschung der ausländischen Untergesellschaft i.S.d. § 7 Abs. 2 AStG vorliegt.3
7.125
Hält die ausländische Untergesellschaft weitere Beteiligungen, gelten die Vorschriften über „nachgeschaltete Zwischengesellschaften“ entsprechend (§ 14 Abs. 3 AStG).
7.126
3. Ausschüttung und Weiterausschüttung Schüttet die Untergesellschaft ihre Erträge an die Obergesellschaft aus, so entstehen bei der Obergesellschaft aktive Einkünfte (§ 8 Abs. 1 Nr. 8 AStG). Insoweit kommt es zu keiner Hinzurechnungsbesteuerung beim Inlandsbeteiligten. Schüttet die ausländische Obergesellschaft die Beteiligungserträge an den Inlandsbeteiligten aus, greifen § 8b Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 KStG bzw. § 3 Nr. 41 EStG4 ein: Die Dividenden werden im Inland somit bei Kapitalgesellschaften im Ergebnis zu 95 % und bei natürlichen Personen gem. § 3 Nr. 41 EStG vollständig steuerfrei gestellt. Ausländische Quellensteuern, die auf diese Dividenden erhoben werden, können auf Antrag auf die Hinzurechnungssteuer angerechnet werden (§ 12 Abs. 3 AStG). Die unter § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG fallenden Einkünfte werden gemäß § 8 Nr. 5 Satz 2 GewStG zudem von der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung ausgenommen. Im Gegensatz zur früheren Rechtslage, nach der Ausschüttungen regelmäßig zu passiven Einkünften führ1 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 10.223 m.w.N.; Vogt in Blümich, § 14 AStG Rz. 9 f.; Wassermeyer in F/W/B/S, § 14 AStG Rz. 18 ff.; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 14.0.1. 2 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 14.0.4.; so auch Köhler, IStR 1994, 108 f.; Hauswirth in S/K/K, § 14 AStG Rz. 31 ff. 3 Wassermeyer in F/W/B/S, § 14 AStG Rz. 71 ff.; Rättig/Protzen, IStR 2002, 123; Rättig/Protzen, IStR 2004, 625. 4 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 18.1.5.1.
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Kapitel 7 Hinzurechnungsbesteuerung
ten, ist ein mehrstufiger Konzernaufbau nach geltendem Recht somit nicht zwingend von Nachteil.
7.128 Veräußert die ausländische Obergesellschaft die Anteile an der ausländischen Untergesellschaft, ist der Veräußerungsgewinn bei der Obergesellschaft grundsätzlich aktiv, es sei denn, dass die Ausnahmetatbestände (bei der Untergesellschaft liegen Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter vor, oder sie ist eine REIT-Gesellschaft) eingreifen (§ 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG). Findet in diesen Ausnahmefällen keine Gewinnausschüttung statt, erhöht sich der Veräußerungsgewinn um die thesaurierten Gewinne, sodass eine Mehrfacherfassung droht. Um dies zu vermeiden, ist der Hinzurechnungsbetrag gem. § 11 AStG um den Teil des Veräußerungsgewinns zu kürzen, für den die Einkünfte der veräußerten Gesellschaft der Besteuerung gem. § 14 AStG unterlegen haben und keine Ausschüttung dieser Einkünfte erfolgte.
VII. Verfahren 7.129 Gemäß § 18 AStG ist ein gesonderter Feststellungsbescheid (Hinzurechnungsbescheid) zu erlassen, der gegenüber allen unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern einheitlich vorgenommen wird (§ 18 Abs. 1 Satz 1 AStG). Der Feststellungsbescheid entfaltet Bindungswirkung für die Befreiung nach § 3 Nr. 41 EStG.1 Im Falle von nachgeschalteten Zwischengesellschaften i.S.d. § 14 AStG findet ein zweistufiges Feststellungsverfahren statt, nämlich ein Verfahren zur Feststellung der Einkünfte der Untergesellschaft und ihrer Zurechnung zur ausländischen Obergesellschaft (Zurechnungsbescheid) und ein zweites Verfahren zur Feststellung des Hinzurechnungsbetrages (Hinzurechnungsbescheid).2
1 Vogt in Blümich, § 18 AStG Rz. 6. 2 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 18.1.4.2.
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4. Teil Inlandsaktivitäten ausländischer Unternehmen (Inbound-Investitionen) Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften* Literatur Altmeppen, Schutz vor „europäischen“ Kapitalgesellschaften, NJW 2004, 97; Bäumer, Die Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG – einzelne Anwendungsprobleme mit Lösungsansätzen, DStR 2007, 2089; Becker/Günkel, Betriebsaufspaltung über die Grenze, in Raupach/Uelner (Hrsg.), Ertragsbesteuerung, FS für Schmidt, München 1993, 483; Bellstedt, Steuerpflicht des ausländischen Sozius einer deutschen Rechtsanwaltssozietät?, IWB (5/1991), Fach 2, 521; Bellstedt, Einkommensteuer der Internationalen Sozietät, IStR 1995, 361; Beutel/Rehberg, National Grid Indus – Schlusspunkt der Diskussion oder Quell neuer Kontroverse zur Entstrickungsbesteuerung?, IStR 2012, 94; Blumers/Zillmer, Das neue BMFSchreiben zur Anwendung der DBA auf Personengesellschaften, BB 2010, 1375; Bodden, Die Thesaurierungsbegünstigung des § 34a EStG im Gesamtgefüge der Einkommensbesteuerung, FR 2012, 68; Boller/Eilinghoff/Schmidt, § 50d Abs. 10 EStG i.d.F. des JStG 2009 – ein zahnloser Tiger?, IStR 2009, 109; Boller/Schmidt, § 50d Abs. 10 EStG ist doch ein zahnloser Tiger – Replik zu Frotscher (IStR 2009, 593), IStR 2009, 852; Brinkman/Reiter, National Grid Indus: Auswirkungen auf die deutsche Entstrickungsbesteuerung, DB 2012, 16; Brocke/Peter/Albrecht, Schicksal einer Schlussbesteuerung in den Händen wegziehender Gesellschaft, IWB 2011, 939; Bron, Betriebsbegriff und beschränkte Steuerpflicht im Rahmen der Zinsschrankenregelung der §§ 4h EStG und 8a KStG, IStR 2008, 14; Bron, Geänderte Besteuerung von gewerblichen Immobilieneinkünften beschränkt Steuerpflichtiger, DB 2009, 592; Buciek, Zuordnung einer Beteiligung zum notwendigen Betriebsvermögen und die Reichweite einer tatsächlichen Verständigung, HFR 2008, 685; Bullinger, Änderung der Mutter-Tochter-Richtlinie ab 2005: Erweiterung des Anwendungsbereichs und verbleibende Probleme, IStR 2004, 406; Carlé, Rechtsprechungstendenzen beim gewerblichen Grundstückshandel, DStZ 2009, 278; Clausnitzer, Die Novelle des Internationalen Gesellschaftsrechts – Auswirkungen auf das deutsche Firmenrecht, NZG 2008, 321; Debatin, Zur Behandlung von Beteiligungen an Personalgesellschaften unter den Doppelbesteuerungsabkommen im Lichte der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, BB 1992, 1181; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten – Ableitung einer rechtsformneutralen Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes im internationalen Steuerrecht, Diss., Berlin 2004; Ditz, Aufgabe der finalen Entnahmetheorie – Analyse des BFH-Urteils vom 17.7.2008 und seiner Konsequenzen, IStR 2009, 115; Dörfler/Rautenstrauch/Adrian, Das Jahressteuergesetz 2009 – Ausgewählte Aspekte der Unternehmensbesteuerung, BB 2009, 580; Eckert, Besteht die Gefahr der Gewerblichkeit bei einer multinationalen Rechtsanwaltssozietät?, IStR 1999, 478; Ege, Beschränkte Steuerpflicht – Systematik und aktuelle Entwicklungen, DStR 2010, 1205; Feldgen, Die Anwendung der DBA auf Personengesellschaften, IWB 2010, 232; Fischer, B., Grenzüber* Dieses Kapitel wurde von der 1. bis zur 3. Auflage von Herrn Prof. Dr. Piltz bearbeitet.
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Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften schreitende Einkünfte in Betriebsstätten, in Lüdicke (Hrsg.), Besteuerungspraxis bei grenzüberschreitender Tätigkeit, Köln 2003, 163; Fischer, B., Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG – Bewertung aus Sicht eines international tätigen deutschen Personengesellschaftskonzerns, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung – FS für Schaumburg, Köln 2009, 319; Fischer, P., Gedankensplitter zu den Typen „Gewerbebetrieb“ und „Vermögensverwaltung“, DStR 2009, 298; Franz/Voulon, „Der BFH stellt § 50d Abs. 10 EStG auf das Abstellgleis“ – Zugleich eine Anmerkung zum BFH-Urteil vom 8.9.2010 – I R 74/09, BB 2011, 166; Franz/Voulon, Abkommensrechtliche Behandlung von Sondervergütungen – Status quo und Perspektiven, BB 2011, 1111; Frotscher, Treaty Override und § 50d Abs. 10 EStG, IStR 2009, 593; FW, Anmerkung zu BFH v. 13.5.1993 – IV R 69/92, IStR 1994, 80; Gebhardt/Quilitzsch, Erste höchstrichterliche Entscheidung zu § 50d Abs. 10 EStG – Implikationen und offene Fragen, BB 2011, 669; Gocksch, Die Anwendbarkeit von § 1 AStG auf Entnahmesachverhalte, IStR 2002, 181; Goebel/Eilinghoff/Schmidt, Grenzüberschreitend gezahlte Sondervergütungen – § 50d Abs. 10 EStG greift im Inboundfall nicht, DStZ 2011, 74; Goebel/Liedtke/ Schmidt, FG München: Anwendung des § 50d Abs. 10 EStG im Inboundfall, IWB 2010, 7; Goebel/Ungemach, Gewerblich geprägte Personengesellschaft abkommensrechtlich kein Unternehmen – Anmerkung zum Urteil des FG Köln vom 13.8.2009, DStZ 2010, 257; Gosch, Altes und Neues, Bekanntes und weniger Bekanntes zur sog. isolierenden Betrachtungsweise, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer/Internationales Steuerrecht/Doppelbesteuerung – FS für Wassermeyer, München 2005, 263; Gosch, Keine „Steuerentstrickung“ bei Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte – Praxis-Hinweise zur BFH-Entscheidung I R 77/06 vom 17.7.2008, BFH-PR 2008, 499; Gosch, Anmerkung zum BFH-Urteil vom 25.5.2011 – I R 95/10, BFH-PR 2011, 402; Gosch, Über das Nichtanwenden höchstrichterlicher Rechtsprechung – aufgezeigt am Beispiel der Spruchpraxis des I. Senats des BFH, in Mellinghoff/Schön/Viskorf (Hrsg.), Steuerrecht im Rechtsstaat, FS für Spindler, Köln 2011, 379; Groh, Trennungs- und Transparenzprinzip im Steuerrecht der Personengesellschaften, ZIP 1998, 89; Grotherr, Funktionsweise und Zweifelsfragen der neuen Zinsschranke 2008, IWB 2007, Fach 3, Gruppe 3, 1489; Gummert, Münchener Anwaltshandbuch Personengesellschaftsrecht, München 2005; Gummert/Weipert, Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 1, 3. Aufl., München 2009; Günkel/Lieber, Auslegungsfragen im Zusammenhang mit § 50d Abs. 10 EStG i.d.F. des JStG 2009, Ubg 2009, 301; Haas, Reformbedarf im deutschen internationalen Steuerrecht, IStR 2011, 353; Häck, Zur Auslegung des § 50d Abs. 10 EStG durch den BFH – Zugleich Anmerkung zu BFH vom 8.9.2010 – I R 74/09 (IStR 2011, 32 mit Anm. Kammeter), IStR 2011, 71; Hansen, Einkünfte aus Personengesellschaftsbeteiligungen im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Diss., Baden-Baden 2009; Hartrott, Die Abgrenzung des Gewerbebetriebs von der privaten Vermögensverwaltung, FR 2008, 1095; Haun/Reiser, Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen auf Personengesellschaften – eine erste Analyse, GmbHR 2007, 915; Haun/Reiser/Mödinger, Zweifelsfragen bei der Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen auf Personengesellschaften, GmbHR 2010, 637; Haverkamp, Betriebsaufspaltung über die Grenze – Ein Steuersparmodell?, IStR 2008, 165; Helde, Dreiecksverhältnisse im Internationalen Steuerrecht unter Beteiligung einer Betriebsstätte, Diss., Köln 2000; Hemmelrath, Besonderheiten bei der Beteiligung von Steuerausländern an Personengesellschaften in DBA-Staaten, IStR 1995, 570; Hemmelrath, Die Besteuerung international tätiger Sozietäten, in Haarmann/Hemmelrath & Partner (Hrsg.), Gestaltung und Analyse in der Rechts-, Wirtschafts- und Steuerberatung von Unternehmen, Köln 1998, 623; Hennrichs, Besteuerung von Personengesellschaften – Transparenz- oder Trennungsprinzip?, FR 2010, 721; Herbst/Loose, Nochmals: Keine Anwendung des § 50d Abs. 10 EStG auf nachträgliche Sondervergütungen, BB 2012, 947; Hils, Neuregelung internationaler Sondervergütungen
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Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften nach § 50d Abs. 10 EStG, DStR 2009, 888; Hock, Personengesellschaften mit internationalem Gesellschafterkreis – Besteuerungskonflikte und Lösungsmöglichkeiten, Diss., Wiesbaden 1994; Hoffmann, Der Ausgleichsposten nach § 4g EStG i.d.F. des SEStEG, DB 2007, 652; Hoheisel, Gewerblich geprägte Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht, IWB Fach 10, Gruppe 2, 2009; Hruschka, Das BMF-Schreiben zur Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auf Personengesellschaften vom 16.4.2010, DStR 2010, 1357; Hruschka, Anmerkung zum EuGH-Urteil v. 29.11.2011 – C-371/10, DStR 2011, 2443; Huschke/Hartwig, Das geplante Jahressteuergesetz 2009: Auswirkungen auf Vermietungseinkünfte beschränkt steuerpflichtiger Kapitalgesellschaften, IStR 2008, 745; Ismer/Kost, Sondervergütungen unter dem DBA-USA, IStR 2007, 120; Jacobs, Unternehmensbesteuerung und Rechtsform, 4. Aufl., München 2009; Jansen/Weidmann, Treaty Overriding und Verfassungsrecht, IStR 2010, 596; Jesse, Richtlinien-Umsetzungsgesetz – EURLUmsG: Anpassung des § 43b EStG (Kapitalertragsteuerbefreiung) an die geänderte Mutter-Tochter-Richtlinie, IStR 2005, 151; Jung, Anwendung der Gründungstheorie auf Gesellschaften schweizerischen Rechts? – Zugleich eine Anmerkung zu den beim BGH anhängigen Revisionsverfahren II ZR 158/06 und II ZR 290/07, NZG 2008, 681; Karla, Möglichkeiten der Gesetzesauslegung am Beispiel des BFH-Urteils vom 8.9.2010 (I R 74/09), IStR 2012, 52; Kaminski, Die Festlegung von Maßstäben zur internationalen Einkünftekorrektur durch § 1 Außensteuergesetz, StuW 2008, 337; Kaminski, Aktuelle Rechtsprechung zum internationalen Steuerrecht, Stbg 2011, 338; Kaminski, Aktuelle Rechtsprechung zum Internationalen Steuerrecht, Stbg 2012, 256; Kaminski/Strunk, Funktionsverlagerung in und von ausländischen Betriebsstätten und Personengesellschaften: Überlegungen zur (Nicht-)Anwendbarkeit der Grundsätze zum sog. Transferpakt, DB 2008, 2501; Kammeter, Anmerkung zum BFH-Urteil vom 8.9.2010 – I R 74/09, IStR 2011, 35; Kempermann, Mitunternehmerschaft, Mitunternehmer und Mitunternehmeranteil – steuerliche Probleme der Personengesellschaft aus Sicht des BFH, GmbHR 2002, 200; Kempermann, Besteuerung der Einkünfte internationaler Anwaltssozietäten, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer/Internationales Steuerrecht/Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005, 333; Kessens, Die Besteuerung der grenzüberschreitenden Überführung von Wirtschaftsgütern, Diss., Frankfurt a.M. 2009; Kessler/Huck, Grenzüberschreitender Transfer von Betriebsvermögen, StuW 2005, 193; Kessler/Jüngling/Pfuhl, Internationale Aspekte der Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG: Steuersatzund Anrechnungseffekte bei grenzüberschreitender Geschäftstätigkeit, Ubg 2008, 741; Kessler/Philipp, Anmerkung zum BFH-Beschluss vom 8.11.2010 – I R 106/09, IStR 2011, 158; Kessler/Philipp, Hat sich die Entstrickung endgültig „verstrickt“? Neues zur Europarechtskonformität der deutschen Entstrickungsnormen, DStR 2011, 1888; Kessler/Philipp, Rechtssache National Grid Indus BV – Ende oder Bestätigung der Entstrickungsbesteuerung?, DStR 2012, 267; Kessler/Philipp/Eicke, Rechtssache National Grid Indus BV – Wohin führt der Weg der Entstrickungsbesteuerung?, PISTB 2012, 67; Klein, Verdeckte Gewinnausschüttungen bei Lieferbeziehungen im internationalen Konzern, BB 1995, 225; Kleineidam, Gewinnermittlung bei Auslandsbetriebsstätten (Teil 1), IStR 1993, 349; Köhler, Erste Gedanken zur Zinsschranke nach der Unternehmensteuerreform, DStR 2007, 597; Korn, Grenzen des Einflusses innerstaatlichen Rechts auf die Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen – Erläutert am Beispiel von § 50d Abs. 10 EStG, IStR 2009, 641; Körner, Europarechtliches Verbot der Sofortbesteuerung stiller Reserven beim Transfer ins EU-Ausland, IStR 2012, 1; Krabbe, Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze und Personengesellschaften, IWB Fach 3, Gruppe 2, 863; Krabbe, Abgrenzung der Besteuerungsrechte bei international tätigen Sozietäten, FR 1995, 691; Krabbe, Die Personengesellschaft im Internationalen Steuerrecht, StbJb 2000/2001, 183; Krabbe, Abkommensrechtliche Behandlung von Sondervergütungen – Eine Replik, FR 2001, 129; Krabbe, Personengesellschaften und Unterneh-
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Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften mensgewinne nach den DBA, IStR 2002, 145; Kramer, Nochmal: Das Darlehen des ausländischen Mitunternehmers an seine deutsche Personengesellschaft und § 50d Abs. 10 EStG, IStR 2010, 239; Kramer, „Betriebsstättenlose“ Einkünfte aus Gewerbebetrieb – „betriebstättenlose“ Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens, DB 2011, 1882; Kramer, An einen ausländischen Mitunternehmer von einer inländischen Personengesellschaft gezahlte Sondervergütungen, BB 2011, 2467; Kreutziger, Festlegung des Mittelpunkts der geschäftlichen Oberleitung eines Schiffahrtsunternehmens – Anmerkung zum BFH-Urteil vom 3.7.1997, R 58-95, DStRE 1998, 60, DStR 1998, 1122; Kröner/Bolik, Die Anwendung der Zinsschranke bei vermögensverwaltenden und gewerblichen Personengesellschaften, DStR 2008, 1309; Kussmaul/Ruiner/Schappe, Problemfälle bei der Anwendung der Zinsschranke auf Personengesellschaften, DStR 2008, 904; Lang, Betriebsstättenvorbehalt und Ansässigkeitsstaat, in Kirchhof/Schmidt/Schön/Vogel (Hrsg.), FS für Raupach, Köln 2006, 601; Lang, DBA und Personengesellschaften – Grundfragen der Abkommensauslegung, IStR 2007, 606; Lange, Die abkommensrechtliche Behandlung von Sondervergütungen, GmbH-StB 2009, 128; Lange, Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen auf Personengesellschaften – Wie sind die Aussagen des BMF einzuordnen?, EStB 2010, 226; Lehner, Treaty Override im Anwendungsbereich des § 50d EStG, IStR 2012, 389; Lendewig/Jaschke, Die Erneuerung der allgemeinen Entstrickungsvorschriften durch das JStG 2010, StuB 2011, 90; Letzgus, Das BMFSchreiben vom 16.4.2010 zur Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auf Personengesellschaften, Ubg 2010, 425; Letzgus, Erste Judikatur zum BMF-Schreiben vom 16.4.2010 – vom Kampf der Gewalten, Ubg 2010, 513; Lieber, Personengesellschaften mit grenzüberschreitenden Rechtsbeziehungen, IWB 2010, 351; Lohbeck/Wagner, § 50d Abs. 10 EStG – Uneingeschränktes Besteuerungsrecht für Sondervergütungen im Inbound-Fall?, DB 2009, 423; Loose/Wittkowski, Folgen der aktuellen BFH-Rechtsprechung zu gewerblich geprägten Personengesellschaften für Wegzugsfälle nach § 6 AStG, IStR 2011, 68; Löwenstein/Heinsen, Anwendung der Grundsätze zum Dotationskapital auch bei grenzüberschreitenden mitunternehmerischen Beteiligungen an Personengesellschaften?, IStR 2007, 301; Lüdemann/Wildfeuer, Einkünftequalifikation bei Laborarztpraxen, BB 2000, 589; Lüdicke, Neue Entwicklungen der Besteuerung von Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht, StbJb 1997/98, 449; Lüdicke, Beteiligung an ausländischen intransparent besteuerten Personengesellschaften, IStR 2011, 91; Lüdicke, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, in Schön/Hüttemann (Hrsg.), Die Personengesellschaft im Steuerrecht – Gedächtnissymposium für Brigitte Knobbe-Keuk, Köln, 2011, 95; Meining/Telg, Zweifelsfragen bei der Anwendung der Zinsschranke auf beschränkt steuerpflichtige Objektkapitalgesellschaften mit abweichendem Wirtschaftsjahr, IStR 2008, 507; Mensching, Neufassung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f) EStG durch das Jahressteuergesetz 2009 – Auswirkungen auf beschränkt steuerpflichtige Investoren, DStR 2009, 96; Meretzki, Weshalb der neue § 50d Abs. 10 EStG sein Ziel verfehlt und neue Probleme schafft, IStR 2009, 217; Meyer/Sterner, Thesaurierung und Nachversteuerung – BMF-Schreiben und JStG 2009, Ubg 2008, 733; Mitschke, Aufgabe der „finalen Entnahmetheorie“ – Nachlese zum BFH-Urt. v. 17.7.2008 – I R 77/06, FR 2008, 1149, FR 2008, 1144; Mitschke, Nochmals: Aufgabe der „finalen Entnahmetheorie“ – Nachlese zum BHF-Urteil I R 77/06, FR 2009, 266; Mitschke, Zur gesetzlichen Entstrickungsregelung des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, DB 2009, 1376; Mitschke, Streitpunkt § 50d Abs. 10 EStG – ein Tiger mit scharfen Zähnen, DB 2010, 303; Mitschke, Das Treaty Override zur Verhinderung einer Keinmalbesteuerung aus Sicht der Finanzverwaltung, DStR 2011, 2221; Mitschke, Keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung der Entstrickungsregelungen des JStG 2010, FR 2011, 706; Mitschke, Kommentar zu BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, FR 2011, 182; Mitschke, Das EuGHUrteil „National Grid Indus“ vom 29.11.2011 – Eine Bestandsaufnahme und eine Bewertung aus Sicht der Finanzverwaltung, DStR 2012, 629; Mitschke, National
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Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften Grid Indus – Ein Phyrrussieg für die Gegner der Sofortversteuerung?, IStR 2012, 6; Möller-Gosoge/Kaiser, Die deutsche EXIT-Besteuerung bei Wegzug von Unternehmen ins Ausland, BB 2012, 803; Mueller, Gedanken zur „Europatauglichkeit“ der neuen Dividendenbesteuerung, IStR 2002, 109; Müller, Marion, Grenzüberschreitende Sondervergütungen und Sonderbetriebsausgaben im Spannungsfeld des Abkommensrechts, BB 2009, 751; Müller, Michael, Double-Dip Modelle bei deutschen Personengesellschaften, IStR 2005, 181; Müller/Hoffmann, Beck’sches Handbuch der Personengesellschaften, 3. Aufl., München 2009; Musil, Die Ergänzung des Entstrickungstatbestands durch § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG – Herrscht nun endlich Klarheit?, FR 2011, 545; Musil, Anmerkung zum EuGH-Urteil v. 29.11.2011 – C-371/10, FR 2012, 32; Nitzschke, Folgerungen aus der Rechtsprechung des BFH zu gewerblich geprägten Personengesellschaften für Umwandlungen, IStR 2011, 838; Oepen/Münch, Die Gewerbesteuer als Türöffner zum DBASchutz? – Zur Abkommensberechtigung deutscher Personengesellschaften unter dem DBA-Indien, IStR 2009, 55; Paus, Gewinnthesaurierung bei Übertragung von WG und Betrieben – Sonderregelungen eröffnen neue Gestaltungsspielräume, EStB 2008, 365; Piltz, Freiberufliche Tätigkeit einer Personengesellschaft – Anmerkung zu dem BFH-Urteil VIII R 254/80 vom 11.6.1985, DStZ 1986, 120; Piltz, Doppelbesteuerungsabkommen und Steuerumgehung unter besonderer Berücksichtigung des treaty-shopping, BB 1987, Beilage 14/1987 zu Heft 18/1987, 1; Piltz, Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen unter den Doppelbesteuerungsabkommen (OECD-Musterabkommen und DBA-Schweiz), IStR 1996, 457; Piltz, Grenzüberschreitende Sondervergütungen bei Personengesellschaften, in Lüdicke (Hrsg.), Besteuerungspraxis bei grenzüberschreitender Tätigkeit, Köln 2003, 137; Pohl, Anmerkung zum BFH-Urteil v. 7.12.2011 – I R 5/11, IStR 2012, 225; Portner/Bödefeld, Besteuerung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit bei grenzüberschreitender Tätigkeit überörtlicher Rechtsanwaltssozietäten, IWB Fach 3, Gruppe 3, 1037; Prinz, Gesetzgeberische Wirrungen um Grundsätze der Betriebsstättenbesteuerung, DB 2009, 807; Prinz, Besteuerung der Personengesellschaften – unpraktikabel und realitätsfremd?, FR 2010, 736; Prinz, Ertragsteuerliche Entwicklungen der Personengesellschaften – Personengesellschaften und DBA, JbFStR 2010/2011, 491; Prinz, Grenzüberschreitende Sondervergütungen bei Mitunternehmerschaften, DB 2011, 1415; Prinz, Besteuerungsgrundsätze für hybride internationale Mitunternehmerschaften, FR 2012, 381; Prinz, Steuerliches Entstrickungskonzept – gelungen oder reparaturbedürftig?, GmbHR 2012, 195; Prinz zu Hohenlohe/Rautenstrauch/ Wittmann, BB-Rechtsprechungsreport – Internationales Steuerrecht 2010/2011, BB 2012, 357; Pyszka, Lizenz- und Zinszahlungen einer Personengesellschaft an ihre ausländischen Mitunternehmer, IStR 1998, 745; Rademacher-Gottwald, Besteuerungsprobleme der grenzüberschreitenden Sozietäten von Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern, Diss., Herne/Berlin 2001; Rautenstrauch/Seitz, National Grid Indus: Europarechtliche Implikationen für den Wegzug und die internationale Umwandlung von Gesellschaften, Ubg 2012, 14; Ribbrock, Dreieckssachverhalte im Internationalen Steuerrecht, Diss., Hamburg 2004; Richter, Einzelfragen internationaler Personengesellschaften im Abkommensrecht, FR 2010, 544; Rödder/Hötzel/Mueller-Thuns, Unternehmenskauf/Unternehmensverkauf – Zivilrechtliche und steuerrechtliche Gestaltungspraxis, München 2003; Rödder/ Schumacher, Das kommende SEStEG – Teil I: Die geplanten Änderungen des EStG, KStG und AStG – Der Regierungsentwurf eines Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften, DStR 2006, 1481; Rohler, Personengesellschaften im DBA-Recht – Ihre Behandlung nach dem BMF-Schreiben vom 16.4.2010, GmbH-StB 2010, 294; Roser, Überführung von Wirtschaftsgütern ins Ausland – eine Grundsatzentscheidung mit vielen Fragen, DStR 2008, 2389; Rotheimer, Referentenentwurf zum Internationalen Gesellschaftsrecht, NZG 2008, 181; Ruf, Die Betriebsaufspaltung über die Grenze, IStR 2006, 232; Ruiner, Über-
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Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften legungen zur deutschen Wegzugsbesteuerung von Gesellschaften im Licht des EuGH-Urteils in der Rs. National Grid Indus BV, IStR 2012, 49; Salzmann, § 50d Abs. 10 EStG – ein fiskalischer Blindgänger?, IWB Gruppe 3, Fach 3, 1539; Salzmann, Zinsen einer inländischen Personengesellschaft an ihre ausländischen Gesellschafter im Abkommensrecht – Anmerkung zu BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, IStR 2008, 399; Schaden/Franz, Qualifikationskonflikte und Steuerplanung – einige Beispiele, Ubg 2008, 452; Schaden/Käshammer, Der Zinsvortrag im Rahmen der Regelungen zur Zinsschranke, BB 2007, 2317; Scheunemann/Dennisen, Änderungen im Unternehmenssteuerrecht durch das Jahressteuergesetz 2010, BB 2011, 220; Schiffer, Anmerkungen zum Anwendungsschreiben zur Begünstigung der nicht entnommenen Gewinne nach § 34a EStG, DStR 2008, 1805; Schlichte, Die Zulässigkeit der Ltd. & Co. KG, DB 2006, 87; Schmidt, C., Personengesellschaften im Abkommensrecht (Teil 1), WPG 2002, 1134; Schmidt, C., Zinsen einer inländischen Personengesellschaft an ihre ausländischen Gesellschafter im Abkommensrecht – Anmerkung zu BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, IStR 2008, 290; Schmidt, C., Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auf Personengesellschaften – Eine Analyse des BMF-Schreibens vom 16.4.2010, IStR 2010, 413; Schmidt, C., (Weitere) Infragestellung des BMF-Schreibens vom 16.4.2010 „Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auf Personengesellschaften“ durch zwei neue Entscheidungen des BFH, IStR 2010, 520; Schmidt, C., Sondervergütungen auf Abkommensebene – Was nun, Finanzverwaltung und Gesetzgeber? – Zugleich Anmerkung zum BFH-Urteil vom 8.9.2010, I R 74/09, DStR 2010, 2436; Schmidt, C., Anmerkung zum BFH-Urteil vom 25.5.2011 – I R 95/10, IStR 2011, 691; Schmidt, C., Personengesellschaften und DBA – das BMF-Schreiben vom 16. April 2010, in Lüdicke (Hrsg.), Internationales Steuerrecht – Aufbruch oder Konsolidierung?, Köln 2011, 185; Schmidt/Dendorfer, Beteiligungen an US-amerikanischen Immobilienfonds, IStR 2000, 46; Schmitt-Homann, Das BMF-Schreiben vom 16.4.2010 zur Anwendung der DBA auf Personengesellschaften – Kritische Anmerkung zum Aufsatz von Hruschka in DStR 2010, 1357, DStR 2010, 2545; Schneider/Oepen, Finale Entnahme, Sicherstellung stiller Reserven und Entstrickung, FR 2009, 22; Schneider/ Oepen, Letztmals: Aufgabe der finalen Entnahmelehre, FR 2009, 568; Schnitger, Aktuelle Entwicklungen bei der beschränkten Steuerpflicht und internationalen Personengesellschaften, in Lüdicke (Hrsg.), Wo steht das deutsche Internationale Steuerrecht?, Köln 2009, 183; Schnitger, Generalthema II: Praktische Probleme bei der Vermeidung der Doppelbesteuerung von Unternehmensgewinnen, IStR 2011, 653; Schnitger/Bildstein, Praxisfragen der Betriebsstättenbesteuerung, Ubg 2008, 444; Schönfeld, Keine „Wegzugsbesteuerung“ bei Wegzug mit einer Beteiligung an einer gewerblich geprägten Personengesellschaft, IStR 2011, 142; Schwarz, Ausländische Tochtergesellschaften oder Niederlassungen: Sonderbetriebsvermögen von EWIV-Gesellschaftern, RIW 1990, 917; Schwenke, Treaty override und kein Ende?, FR 2012, 443; Scott/Weigel, Britische Qualifikation einer deutschen stillen Gesellschaft, IStR 1998, 614; Sieker, Folgerungen aus „National Grid Indus“ für die Besteuerung der Betriebsverlegung ins Ausland nach nationalem Recht, FR 2012, 352; Staub, Großkommentar Handelsgesetzbuch, Band 3, 5. Aufl., Berlin 2009; Stein, Thesaurierungsbegünstigung (§ 34a EStG) im Internationalen Steuerrecht, in Lüdicke (Hrsg.), Unternehmensteuerreform 2008 im internationalen Umfeld, Köln 2008, 75; Suchanek, Anmerkung zum BFH-Urteil v. 25.5.2011 – I R 95/10, GmbHR 2011, 1008; Thömmes, Wegzugsbesteuerung von Gesellschaften verstößt gegen Unionsrecht, IWB 2011, 896; Töben/Fischer, Fragen zur Zinsschranke aus der Sicht ausländischer Investoren, insbesondere bei Immobilieninvestitionen von Private-EquityFonds, Ubg 2008, 149; Töben/Lohbeck/Fischer, Aktuelle Fragen im Zusammenhang mit Inbound-Investitionen in deutsches Grundvermögen, FR 2009, 151; Ulmer, Gläubigerschutz bei Scheinauslandsgesellschaften – Zum Verhältnis zwischen gläubigerschützendem nationalem Gesellschafts-, Delikts- und Insolvenzrecht und der EG-Niederlassungsfreiheit, NJW 2004, 1201; van Lishaut/Schumacher/Heine-
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A. Einführung mann, Besonderheiten der Zinsschranke bei Personengesellschaften, DStR 2008, 2341; Vees, Die Anwendung der DBA auf Personengesellschaften, DB 2010, 1422; von Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, IntGesR; Wacker, Notizen zur Thesaurierungsbesteuerung nach § 34a EStG, FR 2008, 605; Wagner/Fischer, Anwendung der Zinsschranke bei Personengesellschaften, BB 2007, 1811; Wassermeyer, Verliert Deutschland im Fall der Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte das Besteuerungsrecht?, DB 2006, 1176; Wassermeyer, Die Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen auf Personengesellschaften, IStR 2007, 413; Wassermeyer, Sondervergütungen und Sonderbetriebsvermögen im Abkommensrecht, in Achatz/Ehrke-Rabel/Heinrich/Leitner/Taucher (Hrsg.), Steuerrecht/Verfassungsrecht/Europarecht – FS für Ruppe, Wien 2007, 681; Wassermeyer, Entstrickung versus Veräußerung und Nutzungsüberlassung steuerrechtlich gesehen, IStR 2008, 176; Wassermeyer, Zur Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen auf Personengesellschaften, DK 2008, 338; Wassermeyer, Gesetzliche Neuregelung der Vermietung inländischen Grundbesitzes in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG, IStR 2009, 238; Wassermeyer, Nochmal: Das Darlehen des ausländischen Mitunternehmers an seine deutsche Personengesellschaft und § 50d Abs. 10 EStG – Kritik an den Ausführungen von Kramer, IStR 2010, 241; Wassermeyer, Die abkommensrechtliche Behandlung von Einkünften einer in einem Vertragsstaat ansässigen Personengesellschaft, IStR 2011, 85; Wassermeyer, Nachträgliche „ausländische“ Einkünfte, IStR 2011, 361; Watermeyer, GmbH & Co. KG mit ausländischem Gesellschafter, GmbH-StB 2000, 277; Winkler/Käshammer, Betrieb und Konzern im Sinne der Zinsschranke (§ 4h EStG) – Überlegungen zur Abgrenzung des für die Zinsschranke relevanten Konsolidierungskreises, Ubg 2008, 478; Winnefeld, Bilanzhandbuch, 4. Aufl., München 2006; Wittkowski/Hielscher, Wesentliche Änderungen der Unternehmensbesteuerung durch das Jahressteuergesetz 2010, BC 2010, 569; Wittkowski/Loose, Gewerblich geprägte Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, DB 2010, 2411; Wolff, Auslegung von DBA-Regelungen über Unternehmensgewinne, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer/Internationales Steuerrecht/Doppelbesteuerung – FS für Wassermeyer, München 2005, 647.
A. Einführung Ausländer, die über ein unternehmerisches Engagement in Deutschland nachdenken, werden i.d.R. zunächst die Beteiligung an einer deutschen Kapitalgesellschaft ins Auge fassen. Denn auch wenn inländische Personengesellschaften einen weitreichenden Gestaltungsfreiraum1 bieten, schränken die stärkere Einbindung der Gesellschafter und die damit verbundenen Haftungsrisiken die Attraktivität dieser Rechtsform für ausländische Investoren in nicht unerheblichem Maße wieder ein. Hinzu kommen die weitreichenden steuerrechtlichen Folgen eines solchen Engagements, die auch von dem steuerlichen Berater eine erhöhte Aufmerksamkeit verlangen: Dass der ausländische Gesellschafter in Deutschland mit seinen regelmäßig gewerblichen Einkünften beschränkt steuerpflichtig werden wird, stellt dabei sicherlich noch eines der weniger gewichtigen Hemmnisse dar. Die Beteiligung an einer inländischen Personengesellschaft kann jedoch für den investitionsinteressierten Ausländer auch steuerliche Vorteile 1 Vgl. dazu Prinz, FR 2010, 736 (737) m.w.N.
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1009
8.1
Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften
bringen, die eine Auseinandersetzung mit dieser Rechtsform lohnenswert erscheinen lassen. Durch eine rein vermögensverwaltende Personengesellschaft lässt sich bspw. die Gewerbesteuerpflicht der Einkünfte vermeiden. Die Beteiligung von Ausländern an grundbesitzenden deutschen Personengesellschaften ist eine häufig zu beobachtende Gestaltungskonstellation. Andererseits lösen gerade Personengesellschaften im internationalen Steuerkontext schwierigste steuerliche Fragestellungen aus, die gerade abkommensrechtlich nur schwer greifbar sind. Insoweit besteht auch steuerplanerisch bei Beteiligungen an Personalgesellschaften weit weniger Rechtssicherheit als bei Kapitalgesellschaftbeteiligungen.
8.2 Das folgende Kapitel behandelt die Besteuerung ausländischer Gesellschafter von inländischen Personengesellschaften. Als Personengesellschaft kennt das deutsche Recht die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB), die offene Handelsgesellschaft (§§ 105 ff. HGB), die Kommanditgesellschaft (§§ 161 ff. HGB), die (atypische) stille Gesellschaft (§§ 230 ff. HGB), die Partnerschaftsgesellschaft (§§ 1 ff. PartGG), die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (Art. 1 ff. EWIV-VO;1 §§ 1 ff. EWIVG2) und die Partenreederei (§§ 489 ff. HGB).3 Um eine inländische Personengesellschaft handelt es sich, wenn sie ihren Sitz und ihre Geschäftsleitung in Deutschland hat.
8.3 Natürliche Personen können unabhängig von ihrer Nationalität oder Ansässigkeit Gesellschafter deutscher Personengesellschaften sein.4 Gesellschaftsrechtlich bestehen diesbezüglich keine Einschränkungen.
8.4 Ebenso können aus gesellschaftsrechtlicher Sicht nach h.M. auch ausländische Gesellschaften Gesellschafter deutscher Personengesellschaften sein, wenn nach deutschem Gesellschaftsrecht die Beteiligung einer vergleichbaren inländischen Gesellschaft zulässig ist5 und auch das für die aus1 Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 des Rates v. 25.7.1985, ABl. Nr. L 199, 1. 2 Gesetz zur Ausführung der EWG-Verordnung über die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung v. 14.4.1988, BGBl. I 1988, 514, zuletzt geändert durch Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen v. 23.10.2008, BGBl. I 2008, 2026. 3 Bei einer Bau-Arbeitsgemeinschaft (sog. ARGE) handelt es sich abhängig von der konkreten Ausgestaltung entweder um eine BGB-Gesellschaft oder eine OHG; vgl. ausführlich zur ARGE Mantler in Gummert/Weipert, Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts3, Bd. 1, § 26 Rz. 12 ff. 4 K. Schmidt in MünchKomm3 § 105 HGB Rz. 83; Gummert in Gummert, MAH Personengesellschaftsrecht, § 14 Rz. 6. 5 Anerkannt für juristische Personen, aber auch für Gesamthandsgemeinschaften wie OHG und KG (vgl. Hopt in Baumbach/Hopt35, § 105 HGB Rz. 28), GbR (vgl. Müller in Beck’sches HdB PersG3, § 4 Rz. 7 ff.; K. Schmidt in MünchKomm3, § 105 HGB Rz. 96 ff. – m.w.N.), Vor-GmbH und Vor-AG (vgl. BGH v. 9.3.1981 – II ZR 54/80, NJW 1981, 1373; K. Schmidt in MünchKomm3, § 105 HGB Rz. 86) und EWIV (Müller in Beck’sches HdB PersG3, § 4 ff.; vgl. aber Art. 3 2 EWIV-VO). Nicht Gesellschafterinnen einer Personengesellschaft können hingegen eine Erbengemeinschaft und eine eheliche Gütergemeinschaft sowie die Bruchteilsgemeinschaft und (definitionsgemäß) die stille Gesellschaft sein, vgl. K. Schmidt
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A. Einführung
ländische Gesellschaft maßgebliche Gesellschaftsstatut eine Beteiligung an einer der deutschen Personengesellschaft entsprechenden ausländischen Gesellschaft zulässt. Einer ausländischen juristischen Person muss zudem auch im Inland die Rechtsfähigkeit zuerkannt werden können.1 Nach den Entscheidungen des EuGH in Sachen „Centros“,2 „Überseering“3 und „Inspire Art“4 ist die einer EU-Gesellschaft in ihrem Heimatstaat zugesprochene Rechtsfähigkeit von anderen Mitgliedstaaten zu respektieren. Damit sind jedenfalls ausländische Gesellschaften aus EU-Mitgliedstaaten als mögliche Gesellschafter inländischer Personengesellschaften grundsätzlich anzuerkennen.5 Gleiches gilt aufgrund staatsvertraglicher Regelungen6 auch für US-amerikanische Gesellschaften.7 Nach überzeugender Auffassung gelten die voranstehenden Grundsätze ebenso für eine Beteiligung als Komplementärin an einer Kommanditgesellschaft.8
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7 8
in MünchKomm3, § 105 HGB Rz. 104 ff.; Müller in Beck’sches HdB PersG3, § 4 Rz. 8 f. Hopt in Baumbach/Hopt35, Anh § 177a HGB Rz. 11; Gummert in MAH Personengesellschaftsrecht, § 14 Rz. 7; BayObLG v. 21.3.1986 – BReg 3 Z 148/85, NJW 1986, 3029 (3030 f.) (englische private limited company als Komplementärin einer deutschen KG); OLG Saarbrücken v. 21.4.1989 – 5 W 60/88, NJW 1990, 647 (Schweizer AG als Komplementärin einer deutschen KG); LG Stuttgart v. 11.5.1993 – 2 AktE 1/92, BB 1993, 1541 (1542) (Schweizer GmbH als Gesellschafterin einer deutschen KG); LG Bielefeld v. 11.8.2005 – 24 T 19/05, NZG 2006, 504 (englische Ltd. als Komplementärin einer deutschen KG). EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 – Centros, EuGHE 1999, I-1459 = NJW 1999, 2027. EuGH v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 – Überseering, EuGHE 2002, 9919 = NJW 2002, 3614. EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 – Inspire Art, EuGHE 2003, 10155 = NJW 2003, 3331. Für Gesellschaften aus Drittstaaten ist hingegen umstritten, ob sich ihre Rechtsfähigkeit nach der Sitz- (vgl. die wohl noch h.M.: BGH v. 30.1.1970 – V ZR 139/68, NJW 1970, 998 (999); v. 1.7.2002 – II ZR 380/00, NJW 2002, 3539 (3540); v. 27.10.2008 – II ZR 158/06, NJW 2009, 289 (290); OLG Hamburg v. 30.3.2007 – 11 U 231/04, NZG 2007, 597 (597 f.); Thorn in Palandt71, Anh. zu Art. 12 EGBGB Rz. 2, 9, 20; Altmeppen, NJW 2004, 97 (99); Ulmer, NJW 2004, 1201 (1202 f.)) oder der Gründungstheorie (vgl. OLG Hamm v. 26.5.2006 – 30 U 166/05, BB 2006, 2487 (2487) – für Gesellschaften nach Schweizer Recht [aufgehoben durch BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06, BB 2009, 14 (15) u. v. 27.10.2008 – II ZR 290/07, IPrax 2009, 259]; Jung, NZG 2008, 681) beurteilt (ausführlich Kindler in MünchKomm5, IntGesR Rz. 351 ff.). Das Bundesjustizministerium hat zwischenzeitlich einen Referentenentwurf vorgelegt („Gesetz zum internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen“) v. 7.1.2008, abrufbar unter www.bmj.bund.de; dazu: Rotheimer, NZG 2008, 181 ff.; ablehnend Clausnitzer, NZG 2008, 321 f., der die Gründungstheorie auch auf Drittstaaten erstreckt. Art. 25 Abs. 5 des Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika v. 29.10.1954, vgl. Gesetz v. 7.5.1956, BGBl. II 1956, 487; ausführlich dazu Kindler in MünchKomm4, IntGesR Rz. 313 ff. Schäfer in Staub5, § 105 HGB Rz. 94. Grunewald in MünchKomm3, § 161 HGB Rz. 105 m.w.N.; BayObLG v. 21.3.1986 – Breg. 3 Z 148/85, WM 1986, 968 (971); OLG Stuttgart v. 30.3.1995 –
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Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften
8.5 Entscheidend für die Qualifikation als Steuerausländer ist, dass sich der Wohnsitz und der gewöhnliche Aufenthalt – bei einer natürlichen Person – bzw. der Sitz und die Geschäftsleitung – bei einer juristischen Person – im Ausland befinden. Auch in- oder ausländische Personengesellschaften können Gesellschafter einer deutschen Personengesellschaft sein (siehe hierzu Rz. 8.12).
B. Grundzüge der Besteuerung ausländischer Gesellschafter inländischer Personengesellschaften I. Überblick über die Besteuerung von Personengesellschaften im deutschen Steuerrecht 1. Grundsatz: Einkommensteuerliche Transparenz
8.6 Eine Personengesellschaft ist im deutschen Ertragsteuerrecht kein eigenständiges Steuersubjekt und mithin weder einkommen- noch körperschaftsteuerpflichtig. Vielmehr werden die Einkünfte der Personengesellschaft ihren Gesellschaftern anteilig zugerechnet. Dabei kann es sich entweder um die Zurechnung eines Gewinnanteils (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) oder eines Anteils am Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten handeln. Die zugerechneten Einkünfte unterliegen dann auf Ebene der Gesellschafter der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer, wenn diese nach § 1 EStG oder nach §§ 1, 2 KStG unbeschränkt oder beschränkt einkommen- bzw. körperschaftsteuerpflichtig sind. Für ertragsteuerliche Zwecke ist die Personengesellschaft also transparent.1 Zwar werden die erzielten Einkünfte auf Ebene der Personengesellschaft qualifiziert und dort auch einheitlich ermittelt (vgl. Rz. 8.203 ff.), diese werden jedoch allein den Gesellschaftern als originäre Einkünfte zugerechnet und von diesen versteuert.2
8 W 355/93, IPrax 1995, 397 (399); OLG Saarbrücken v. 21.4.1989 – 5 W 60/88, NJW 1990, 647 (647 f.); Ulmer in MünchKomm5, § 705 BGB Rz. 76; Schlichte, DB 2006, 87 (89 f.); a.A. Großfeld in Staudinger, IntGesR Rz. 544; Schäfer in Staub5, § 105 HGB Rz. 94; Kindler in MünchKomm4, IntGesR Rz. 552 m.w.N.; kritisch auch K. Schmidt in MünchKomm3, § 105 HGB Rz. 89 m.w.N. 1 Zum Transparenzprinzip vgl. Hey in T/L, Steuerrecht20, § 18 Rz. 9 ff.; Kempermann, GmbHR 2002, 200 (200); Groh, ZIP 1998, 89 (91 ff.); Tiede in H/H/R, § 15 EStG Rz. 450; Friedrich in Beck’sches HdB PersG3, § 6 Rz. 1; ausführlich auch Hennrichs, FR 2010, 721 ff. – Dieser Grundsatz wird im Rahmen der GewSt durchbrochen, da der Gewerbeertrag auf Ebene der Personengesellschaft der Besteuerung unterliegt. 2 BFH v. 11.4.2005 – GrS 2/02, BStBl. II 2005, 679 (681); v. 29.3.2007 – IV R 72/02, BStBl. II 2008, 420 (423 f.).
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B. Grundzüge der Besteuerung ausländischer Gesellschafter
2. Steuerliche Grundformen der Personengesellschaften Abhängig von der Einkünftequalifikation können mehrere Personengesellschaftstypen unterschieden werden:
8.7
– Die (ausschließlich oder auch) gewerblich tätige Personengesellschaft. Eine solche liegt vor, wenn ihre Gesellschafter gewerbliche Einkünfte (§ 15 EStG) erzielen. Im deutschen Steuerrecht wird der gewerblich tätigen die gewerblich geprägte Personengesellschaft gleichgestellt. Eine Personengesellschaft ist gewerblich geprägt, wenn sie zwar nicht originär gewerblich tätig wird, bei ihr aber ausschließlich eine oder mehrere Kapitalgesellschaften persönlich haftende Gesellschafter sind und nur diese oder Personen, die nicht Gesellschafter sind, zur Geschäftsführung befugt sind (vgl. § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG).1 – Die vermögensverwaltende Personengesellschaft. Diese entfaltet im 8.8 Gegensatz zur gewerblichen Personengesellschaft unter Berücksichtigung des Gesamtbildes der Verhältnisse lediglich vermögensverwaltende Tätigkeiten.2 Eine vermögensverwaltende Personengesellschaft liegt dann vor, wenn sie weder land- oder forstwirtschaftliche (§ 13 EStG) noch gewerbliche (§ 15 EStG) oder freiberufliche (§ 18 EStG) Tätigkeiten ausübt und sie bzw. ihre Gesellschafter im Rahmen gesamthänderischer Verbundenheit Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG), aus Vermietung oder Verpachtung (§ 21 EStG) oder sonstige Einkünfte (§§ 22 i.V.m. 23 EStG) beziehen.3 Übt eine Personengesellschaft auch gewerbliche Tätigkeiten aus, so ist sie insgesamt gewerblich tätig (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG). – Die Freiberufler-Personengesellschaft, deren Gesellschafter Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG)4 erzielen. Um eine gewerbliche Infektion der gesamten Tätigkeit der Gesellschaft zu vermeiden, ist jedoch erforderlich, dass jeder Mitunternehmer die Voraussetzungen einer freiberuflichen Tätigkeit erfüllt.5 Neben der notwendigen berufli1 Zur gewerblich geprägten Personengesellschaft vgl. Stapperfend in H/H/R, § 15 EStG Rz. 1435 ff.; Bitz in L/B/P, § 15 EStG Rz. 165 ff.; Friedrich in Beck’sches HdB PersG 3, § 6 Rz. 7. 2 Zur Abgrenzung von Gewerbetrieb und (privater) Vermögensverwaltung vgl. BFH v. 5.3.2008 – X R 48/06, BFH/NV 2008, 1463 (1465); v. 10.12.2001 – GrS 1/98, BStBl. II 2002, 291 (292); v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617 (619); v. 25.6.1984 – GrS 1/82, BStBl. II 1984, 751 (761); Bitz in L/B/P, § 15 EStG Rz. 130 ff.; Hartrott, FR 2008, 1095. 3 Lemaitre/Lüdemann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 7.5. 4 Unter Umständen können auch Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) bezogen werden; vgl. dazu Richter in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 9.29 f. 5 BFH v. 8.4.2008 – VIII R 73/05, DStR 2008, 1187 (1188), auch zur Verfassungsmäßigkeit (1190); auch BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 26.10.2004 – 2 BvR 246/98, WM 2004, 2364; Stuhrmann in K/S/M, § 18 EStG Rz. E 9; Güroff in L/B/P, § 18 EStG Rz. 282; teilweise a.A. Paus, DStZ 1986, 120; Lüdemann/Wild-
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8.9
Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften
chen Qualifikation ist dafür eine leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit erforderlich.1
8.10 Aufgrund der praktischen Bedeutung soll zudem als Sonderfall die Immobilienpersonengesellschaft betrachtet werden, deren Vermögen aus Grundstücken besteht. Je nach Ausgestaltung handelt es sich bei ihr um eine gewerbliche (bzw. gewerblich geprägte oder infizierte) oder eine vermögensverwaltende Personengesellschaft.
II. Beschränkte Steuerpflicht im Nicht-DBA-Fall (rein nationales Recht) 1. Grundsätzliches
8.11 Nach nationalem Recht ist für die Einkünfteermittlung auf Ebene einer inländischen Personengesellschaft, die ausschließlich inländische Einkünfte erzielt, grundsätzlich unerheblich, ob an dieser Gesellschaft (auch) ausländische Gesellschafter beteiligt sind. Es gelten die gleichen Grundsätze, die auch in rein innerdeutschen Sachverhalten Anwendung finden. Insbesondere wird der ausländische Gesellschafter in die einheitliche und gesonderte Gewinnermittlung miteinbezogen2 (Rz. 8.203 ff.).
8.12 Dabei richtet sich die Einordnung der deutschen Gesellschaft als Personengesellschaft allein nach deutschem Recht. Die Qualifikation durch den Heimatstaat der Gesellschafter ist unerheblich. So bleibt bspw. eine deutsche KG für das deutsche Steuerrecht eine Personengesellschaft, auch wenn das Ausland diese als Körperschaft ansieht und besteuert.3 feuer, BB 2000, 589 (592). Allenfalls bei einem sehr geringen Anteil der gewerblichen Einkünfte an den Gesamteinkünften können diese ausnahmsweise unschädlich sein, vgl. BFH v. 11.8.1999 – XI R 12/96, BStBl. II 2000, 229 (230); vgl. auch Güroff in L/B/P, § 18 EStG Rz. 286. 1 BFH v. 11.6.1985 – VIII R 254/80, BStBl. II 1985, 584 (585 f.); v. 17.1.1980 – IV R 115/76, BStBl. II 1980, 336 (337). Zu den Anforderungen an die einzelnen Voraussetzungen/Merkmale, vgl. ausführlich Güroff in L/B/P, § 18 EStG Rz. 269 ff.; Stuhrmann in K/S/M, § 18 EStG Rz. E 9 ff. Zur nicht ausreichenden rein kapitalistischen Beteiligung vgl. BFH v. 8.4.2008 – VIII R 73/05, BStBl. II 2008, 681 (683); OFD Hannover v. 1.7.2007 – G 1401 - 24 - StO 252, DB 2007, 1897. 2 Grützner, IStR 1994, 65 (66); Prinz, DB 2011, 1415 (1416); Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 371; Brandis in T/K, § 180 AO Rz. 16. 3 Die Niederlande qualifizieren ausländische Rechtsformen ebenfalls anhand eines Typenvergleichs. Für die Frage der steuerlichen Transparenz einer Gesellschaft kommt es dort u.a. maßgeblich auf die Frage an, ob die Anteile an der Gesellschaft frei übertragbar sind. Ist dies der Fall, so ist die Gesellschaft nicht transparent und als Kapitalgesellschaft zu behandeln. Vor diesem Hintergrund kann auch eine deutsche KG unter Umständen als Kapitalgesellschaft nach niederländischem Recht qualifizieren, vgl. Spierts/Stevens in Wassermeyer/Richter/ Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 27.13 u. 27.14. – Zur Qualifikation einer deutschen atypischen stillen Gesellschaft nach britischem Recht vgl. Scott/Weigel, IStR 1998, 614.
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B. Grundzüge der Besteuerung ausländischer Gesellschafter
Dadurch kann es zu Qualifikationskonflikten kommen (vgl. ausführlich Rz. 1.171 ff.). Behandelt nämlich der ausländische Staat die deutsche Personengesellschaft wie eine Kapitalgesellschaft, besteuert er zwar nicht den thesaurierten Gewinn. Dieser wird vielmehr in Deutschland im Jahr der Erzielung auf Ebene der Gesellschafter besteuert. Im Ausland sind hingegen spätere Ausschüttungen als steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen steuerpflichtig. Somit wird der Gewinn der Gesellschaft doppelt belastet: im Jahr, in dem er erzielt wird, mit deutscher und im Jahr der Ausschüttung mit ausländischer Steuer. Solche Konflikte liegen im Verhältnis zu den Staaten nahe, die in ihrem Staat errichtete Personengesellschaften als Steuersubjekte behandeln und auch ausländische, d.h. deutsche Personengesellschaften nach eigenem Recht qualifizieren. In Deutschland sind die ausländischen Gesellschafter mit ihren inländischen Einkünften nach Maßgabe der §§ 1 Abs. 4 i.V.m. 49 EStG oder § 2 Nr. 1 KStG i.V.m. § 49 EStG beschränkt steuerpflichtig.
8.13
Ist eine ausländische Personenvereinigung an einer deutschen Personengesellschaft beteiligt, ist für die Besteuerung ihres Gewinnanteils maßgeblich, ob sie als Personengesellschaft oder als Körperschaft zu qualifizieren ist. Auch diese Einordnung erfolgt ausschließlich anhand des Typenvergleichs nach deutschem Steuerrecht1 (vgl. dazu ausführlich Rz. 1.171 ff.). Sind bspw. zwei Briten Partner einer britischen Limited Partnership, die ihrerseits Gesellschafterin einer deutschen OHG ist, so ist nicht die britische Gesellschaft, sondern sind die beiden Briten in Deutschland beschränkt einkommensteuerpflichtig. Handelt es sich bei der britischen Gesellschaft dagegen um eine Private company limited by shares (Ltd.), so wäre diese beschränkt körperschaftsteuerpflichtig,2 ihre Gesellschafter wären in Deutschland nicht steuerpflichtig. 2. Besteuerung des Gewinnanteils und der Sondervergütungen a) Gewerbliche Personengesellschaften Gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG unterliegen der beschränkten Steuerpflicht „Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§§ 15 bis 17), für den im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird oder ein ständiger Vertreter bestellt ist.“ Durch die Verweisung auf § 15 EStG wird klargestellt, dass zunächst alle Voraussetzungen vorliegen müssen, die von der Einkunftsart des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG auch bei rein nationalen Sachverhalten vorausgesetzt werden.
1 BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 1.2; zur Qualifikation ausländischer Personenvereinigungen vgl. Schnittker in Wassermeyer/ Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 4.5 ff.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 490 ff. 2 Vgl. RFH v. 22.3.1933 – I A 395/31, RStBl. 1933, 1318 (1319) – zu einer dänischen Kapitalgesellschaft.
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8.14
Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften
aa) Gewerbliche Einkünfte als Grundvoraussetzung
8.15 Für die Frage, ob der Steuerausländer gewerbliche Einkünfte oder Einkünfte aus Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung, nichtselbständiger Arbeit o.Ä. erzielt, ist allein das deutsche Steuerrecht ausschlaggebend.1 Wie diese Einkünfte nach ausländischem Steuerrecht qualifiziert werden, ist im Rahmen von § 49 EStG unerheblich.
8.16 Grundvoraussetzung ist mithin, dass die deutsche Personengesellschaft ein gewerbliches Unternehmen i.S.v. § 15 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 EStG mit der Absicht betreibt, Gewinn zu erzielen, oder dass es sich um eine gewerblich infizierte oder geprägte Personengesellschaft i.S.v. § 15 Abs. 3 EStG handelt. Da § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG nicht zwischen in- und ausländischen Kapitalgesellschaften unterscheidet, ist auch eine ausländische Kapitalgesellschaft als persönlich haftender Gesellschafter geeignet, die (inländische) Personengesellschaft gewerblich zu prägen,2 wenn sie aufgrund des Rechtstypenvergleichs nach ihrem rechtlichen Aufbau und ihrer wirtschaftlichen Gestaltung einer inländischen Kapitalgesellschaft entspricht.3 Einkünfte aus Gewerbebetrieb liegen deswegen bspw. dann vor, wenn an einer (ausschließlich) vermögensverwaltenden deutschen Personengesellschaft eine US-Corporation oder eine Schweizer AG als einzige Komplementärin beteiligt sind. Nicht von Bedeutung ist, ob die ausländische Kapitalgesellschaft selbst kraft ihrer Rechtsform oder Tätigkeit gewerbliche Einkünfte erzielt.4 Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen die ausländischen Gesellschafter einer deutschen Personengesellschaft schließlich auch dann, wenn die Gesellschaft neben anderen Tätigkeiten – wenn auch nur in geringem Umfang5 – gewerblich tätig ist (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG).
8.17 Die ausländischen Gesellschafter müssen außerdem als Mitunternehmer der inländischen Personengesellschaft anzusehen sein. Auch insoweit gelten die Regelungen des nationalen Rechts. Die Gesellschafter müssen mithin Mitunternehmerinitiative entfalten und Mitunternehmerrisiko 1 Kumpf in H/H/R, § 49 EStG Rz. 144, Haiß in H/H/R, § 49 EStG Rz. 660; M. Klein/M. Link in H/H/R, § 49 Rz. 800; Ramackers in L/B/P, § 49 EStG Rz. 80; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 370. 2 BFH v.14.3.2007 – XI R 15/05, BB 2007, 1882 (1883); v. 17.12.1997 – I R 34/97, BB 1998, 781 (781); Lüdicke, DStR 2002, 671 (672); Kessler/Eicke, DStR 2005, 2101 (2106); Wachter, GmbHR 2005, 1181 (1182 ff.); Wendt, HFR 2007, 652 (653); Ege, DStR 2010, 1205 (1208); Stapperfend in H/H/R, § 15 EStG Rz. 1437; Wacker in Schmidt31, § 15 EStG Rz. 216; Bitz in L/B/P, § 15 EStG Rz. 174; a.A. Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 272. 3 Zur gewerblichen Prägung durch hybride Gesellschaftsformen wie die US-LLC, US-LLP oder UK-LLP vgl. Oenings/Seitz in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 12.26. 4 BFH v. 17.12.1997 – I R 34/97, BB 1998, 781 (781). 5 Vgl. BFH v. 10.8.1994 – I R 133/93, BStBl. II 1995, 171; v. 19.2.1998 – IV R 11/97, BStBl. II 1998, 603 (604); Wacker in Schmidt31, § 15 EStG Rz. 188; Stapperfend in H/H/R, § 15 EStG Rz. 1426.
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B. Grundzüge der Besteuerung ausländischer Gesellschafter
tragen.1 Deshalb ist auch der Steuerausländer, der an einer deutschen Personengesellschaft atypisch still beteiligt ist, als Mitunternehmer anzusehen und bezieht Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die der beschränkten Steuerpflicht unterliegen können.2 Die Mitunternehmerschaft kann auch durch eine nur mittelbare Beteiligung an der deutschen Personengesellschaft begründet werden (vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG). Deshalb ist z.B. auch der Gesellschafter einer britischen Partnership, die ihrerseits Gesellschafterin einer deutschen Personengesellschaft ist, als deren Mitunternehmer anzusehen.
8.18
Der in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG enthaltene Verweis auf § 15 EStG hat zur Folge, dass auch Sondervergütungen beschränkt steuerpflichtige Einkünfte sein können. Bei solchen handelt es sich – wie auch in rein innerstaatlichen Sachverhalten – um Einkünfte aus Gewerbebetrieb.3 Daraus folgt eine erhebliche Ausweitung der beschränkten Steuerpflicht von Gesellschaftern im Vergleich zu Nicht-Gesellschaftern.4
8.19
Beispiel 1: Der an einer deutschen OHG beteiligte Steuerausländer (Nicht-DBA-Fall) gewährt der Gesellschaft ein verzinstes Darlehen, für das keine inländische Grundbesitzsicherung besteht. Die Darlehenszinsen sind als Sondervergütung nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG beschränkt steuerpflichtig. Hätte hingegen ein Ausländer, der nicht zugleich Gesellschafter ist, das Darlehen eingeräumt, läge mangels inländischer Sicherung keine beschränkte Steuerpflicht vor (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c EStG). Beispiel 2: Der an einer deutschen OHG beteiligte Steuerausländer ist für die Gesellschaft als angestellter Ingenieur tätig. Für seine Tätigkeit, die er ausschließlich im Ausland ausübt, bezieht er ein Gehalt. Der Arbeitslohn stellt eine Sondervergütung dar, die nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG der beschränkten Steuerpflicht in Deutschland unterliegt. Das von einem Steuerausländer, der nicht zugleich auch Gesellschafter ist, bezogene Gehalt fiele nicht unter § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG und wäre mithin in Deutschland nicht steuerbar.5
Die beschränkte Steuerpflicht von Sondervergütungen kann auch durch das Einschalten einer Basisgesellschaft, über die Erträge an den Gesellschafter weitergereicht werden, nicht vermieden werden. Gibt bspw. eine
1 BFH v. 3.5.1993 – GrS 3-92, BStBl. II 1993, 616 (621). 2 FG Nds. v. 8.11.1990 – VI 174/89, RIW 1992, 79 (79) (rkr.); zur atypisch stillen Gesellschaft: Haep in H/H/R, § 15 EStG Rz. 391 ff. 3 RFH v. 30.11.1938 – I 42/38, RStBl. 1939, 544; BFH v. 17.10.1990 – I R 16/89, BStBl. II 1991, 211 (212), Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 59; Piltz in Lüdicke, Besteuerungspraxis bei grenzüberschreitender Tätigkeit, 137 (144). 4 Das innerstaatliche deutsche Recht sieht in diesen Fällen keine Möglichkeiten vor, eine etwaige Doppelbesteuerung zu verhindern. 5 BFH v. 12.11.1986 – I R 192/85, BStBl. II 1987, 383 (384).
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8.20
Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften
ausländische substanzlose Kapitalgesellschaft einer deutschen gewerblichen Personengesellschaft ein Darlehen und ist an beiden Gesellschaften der Steuerausländer beteiligt, stellen die Darlehenszinsen keine quellensteuerfreien Kapitaleinkünfte der Kapitalgesellschaft (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c EStG), sondern steuerpflichtige Sondervergütungen des Gesellschafters dar.1 Der Fall ist mithin so zu behandeln, als sei das Darlehen unmittelbar vom ausländischen Gesellschafter gewährt worden. Liegen hingegen lediglich die Voraussetzungen des § 50d Abs. 3 EStG nicht vor, ändert dies die Qualifikation der Zinseinkünfte nicht. Gegebenenfalls wird lediglich eine Quellensteuerbefreiung versagt, falls diese nicht – wie im Regelfall – schon kraft nationalen Rechts entfällt. Stellt die Beteiligung an der ausländischen (aktiven) Kapitalgesellschaft Sonderbetriebsvermögen dar, so stellen die Dividenden von der Kapitalgesellschaft Sonderbetriebseinnahmen dar. bb) Betriebsstätte als inländisches Anknüpfungsmerkmal
8.21 Neben dem Vorliegen gewerblicher Einkünfte im vorgenannten Sinne ist für eine beschränkte Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG erforderlich, dass für das von der deutschen Personengesellschaft betriebene Gewerbe im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird oder ein ständiger Vertreter bestellt ist.2
8.22 Die bloße Beteiligung eines Steuerausländers an einer deutschen Personengesellschaft begründet für sich noch keine Betriebsstätte. Vielmehr bestimmt sich das Vorliegen einer inländischen Betriebsstätte nach § 12 AO.3 Nicht gewerblich tätige Personengesellschaften können schon deshalb keine Betriebsstätte unterhalten, weil eine Betriebsstätte immer gewerbliche (oder als gewerblich fingierte) Einkünfte erfordert.4 Aber auch eine gewerblich tätige Personengesellschaft unterhält nicht notwendigerweise eine Betriebsstätte im Inland.5 So hat z.B. eine deutsche KapG & Co. KG, die im Inland lediglich ihren Handelsregistersitz und eine Postadresse unterhält, keine Betriebsstätte im Inland.6
8.23 Regelmäßig werden jedoch bei einer deutschen Personengesellschaft, die im Inland gewerblich tätig ist, die Voraussetzungen des § 12 AO und da-
1 BFH v. 10.11.1983 – IV R 62/82, BStBl. II 1984, 605 (606 f.); v. 10.7.2002 – I R 71/01, BStBl. II 2003, 191 (193). 2 Zur Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen „Beteiligung an einer inländischen Personengesellschaft“ und „inländischer Betriebsstätte“ vgl. BFH v. 29.1.1964 – I 154/61 S, BStBl. III 1964, 165. 3 Vgl. Schnitger/Bildstein, Ubg 2008, 444 (444 f.) m.w.N. 4 Frotscher in Schwarz, § 12 AO Rz. 2; Kruse in T/K, § 12 AO Rz. 17. 5 BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.3; Vees, DB 2010, 1422 (1423). 6 FG Berlin v. 3.12.1969 – VI 86/69, EFG 1970, 327 (327) (rkr.); BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.3.
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B. Grundzüge der Besteuerung ausländischer Gesellschafter
mit eine inländische Betriebsstätte vorliegen.1 Dies insbesondere dann, wenn sich in Deutschland der Ort der Geschäftsleitung befindet.2 Das FG München3 hat bei einer betriebsverpachtenden GbR (Ex-OHG) eine inländische Betriebsstätte am Ort der Geschäftsleitung und damit eine beschränkte Steuerpflicht des ausländischen Gesellschafters angenommen.4 Eine inländische Betriebsstätte liegt immer dann vor, wenn der deutschen Gesellschaft die Verfügungsmacht über die feste Geschäftseinrichtung oder die Anlagen zusteht, als auch, wenn nur der ausländische Gesellschafter die Verfügungsmacht besitzt, als auch, wenn Gesellschaft und Gesellschafter gemeinsam die Verfügungsmacht haben.5 Hat die Personengesellschaft keine Betriebsstätte im Inland, so sind Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von inländischem Vermögen beschränkt steuerpflichtig nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Doppelbuchst. aa EStG, wenn die Gesellschaft ein Gewerbe im Sine des § 15 Abs. 2 EStG betreibt.6 Ist dies nicht der Fall, z.B. bei einer KG, deren Gesellschafter ausschließlich natürliche Personen sind und die Grundvermögen vermietet, haben die ausländischen Gesellschafter beschränkt steuerpflichtige Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG (Rz. 8.30 ff.).
8.24
Nach ganz überwiegender Meinung wird auch eine grenzüberschreitende Betriebsaufspaltung für möglich gehalten (allgemein zur Betriebsaufspaltung noch Rz. 8.200 ff.).7
8.25
Beispiel: Die Steuerausländer A und B sind Gesellschafter einer deutschen GbR, der ein Grundstück gehört, das an eine deutsche produzierende GmbH vermietet ist. Gesellschafter der GmbH sind ebenfalls A und B mit gleicher Beteiligungsquote. Bei den von A und B erzielten Mieteinnahmen handelt es sich um inländische gewerbliche Einkünfte. Diese unterliegen der beschränkten Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, wenn die GbR eine Betriebsstätte im Inland unterhält. 1 Zum Betriebsstättenbegriff vgl. umfassend: BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076. 2 BFH v. 3.7.1997 – IV R 58/95, DStRE 1998, 60 (61) mit Anm. Kreutziger, DStR 1998, 1122; Maier in Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung2, Rz. 184 m.w.N.; vgl. auch: Blumers/Zillmer, BB 2010, 1375 (1377). 3 FG München v. 24.9.1990 – 13 K 13707/85, EFG 1991, 328 (rkr.). 4 Wohl nicht vereinbar mit BFH v. 12.4.1978 – I R 136/77, BStBl. II 1978, 494, wonach die Wohnsitzverlegung eines gewerblichen Verpächters ins Ausland zur Umqualifizierung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb in solche aus Vermietung und Verpachtung führt und folglich in der Auswanderung eine Betriebsaufgabe i.S.d. § 16 Abs. 3 EStG zu sehen ist. 5 BFH v. 29.1.1964 – I 153/61 S, BStBl. III 1964, 165 (166); v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937 (938); v. 2.12.1992 – I R 165/90, BStBl. II 1993, 577 (579); ausführlich zur Betriebsstättenzuordnung Hock, Personengesellschaften, 59 ff. 6 Ausführlich dazu Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 130 ff. 7 BFH v. 28.7.1982 – I R 196/79, BStBl. II 1983, 77 (78 ff.); FG Düsseldorf v. 22.5.1979 – IX 694/77 G, EFG 1980, 34 (rkr.); FG BW v. 21.4.2004 – 12 K 252/00, IStR 2005, 172 (rkr.) mit Anm. Piltz; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 1.2.1.1; Ruf, IStR 2006, 232; Haverkamp, IStR 2008, 165.
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Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften Allein durch die Vermietung des im Inland belegenen Grundstückes wird eine solche jedoch noch nicht begründet.1 Nur wenn die inländische GmbH über die Pflichten als Mieter hinaus wirtschaftliche Interessen der GbR hinsichtlich Erhaltung, Erneuerung oder Erweiterung des Grundstückes übernommen hat, kann sie als ständige Vertreterin angesehen werden.2 Liegen diese Voraussetzungen – wie wohl im Regelfall – nicht vor, so folgt die beschränkte Steuerpflicht aus § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Doppelbuchst. aa EStG.3
8.26 Vergütungen von dritter Seite, die zivilrechtlich der inländischen, nicht gewerblichen Personengesellschaft zustehen, sind steuerrechtlich unmittelbar deren ausländischen Gesellschaftern zuzurechnen. Auf diese sind die für beschränkt Steuerpflichtige geltenden Sondervorschriften (z.B. §§ 50, 50a EStG) anzuwenden. Die „VuV-Personengesellschaft“ ist steuerlich nicht existent, soweit „durch sie“ Einnahmen erzielt werden (vgl. dazu noch Rz. 8.32). Beispiel: Der Steuerausländer A und die ausländische B Ltd. sind an einer deutschen OHG beteiligt, die Einkünfte aus der Überlassung eines ihr zustehenden Markenrechts an eine deutsche AG (Lizenz) erzielt. Die Gesellschafter beziehen beschränkt steuerpflichtige Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Doppelbuchst. aa EStG bzw. § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f kommt bei beschränkt Steuerpflichtigen zur Anwendung, die im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit inländisches unbewegliches Vermögen etc. vermieten, verpachten oder veräußern. Bei beschränkt steuerpflichtigen Körperschaften wird die Gewerblichkeit fingiert (vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 2 EStG).4 In den Fällen des § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG erfolgt die Besteuerung im Wege des Steuerabzuges, weshalb insbesondere ein Abzug von Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten nicht in Betracht kommt (§ 50a Abs. 3 EStG greift hier nicht). Dass zivilrechtlich die OHG Gläubigerin der Lizenzeinnahmen ist, spielt steuerlich keine Rolle.
8.27 Bei einer inländischen Personengesellschaft mit ausländischen Gesellschaftern hat der ständige Vertreter als Anknüpfungsmerkmal zur Begründung der beschränkten Steuerpflicht neben der inländischen Betriebsstätte keine praktische Bedeutung. Die deutsche Personengesellschaft wird im Regelfall nicht ständige Vertreterin ihrer ausländischen Gesellschafter sein, weil sie nicht den Sachweisungen ihrer (ausländischen) Gesellschaf-
1 BFH v. 6.7.1978 – IV R 24/73, BStBl. II 1979, 18 (20); v. 17.7.1991 – I R 98/88, BStBl. II 1992, 246 (247). 2 BFH v. 12.4.1978 – I R 136/77, BStBl. II 1978, 494 (497); FG BW v. 21.4.2004 – 12 K 252/00, IStR 2005, 172 (rkr.) (zum insoweit vergleichbaren Art. 5 Abs. 4 DBASchweiz). 3 Vor Einführung von § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Doppelbuchst. aa EStG war umstritten, ob auf Grundlage der isolierenden Betrachtungsweise des § 49 Abs. 2 EStG eine Qualifizierung der Mieteinkünfte als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.S.v. § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG in Betracht kam, vgl. dazu: Haverkamp, IStR 2008, 165 (167) – m.w.N. 4 BMF v. 16.5.2011 – IV C 3 - S 2300/08/10014, DStR 2011, 973 Rz. 1.
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B. Grundzüge der Besteuerung ausländischer Gesellschafter
ter unterliegt.1 Als ständiger Vertreter der ausländischen Gesellschafter kann zwar der Geschäftsleiter der Personengesellschaft angesehen werden. In diesen Fällen wird jedoch regelmäßig zugleich auch eine inländische Betriebsstätte vorliegen, hinter die das Anknüpfungsmerkmal des ständigen Vertreters als subsidiär zurücktritt.2 cc) Umfang der beschränkt steuerpflichtigen gewerblichen Einkünfte Der beschränkten Steuerpflicht des ausländischen Gesellschafters nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG unterliegen sämtliche Einkünfte, die der inländischen Betriebsstätte der deutschen Gesellschaft zuzurechnen sind. Dazu zählen diejenigen Einkünfte, die in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit der Betriebsstätte stehen.3 Unterhält die deutsche Personengesellschaft hingegen auch im Ausland Betriebsstätten, so wird dieser Gewinnanteil der ausländischen Betriebsstätte zugerechnet und unterliegt nicht der (deutschen) beschränkten Steuerpflicht des ausländischen Gesellschafters.4
8.28
Der beschränkten Steuerpflicht unterliegen nach überwiegender Ansicht auch nachträgliche Einkünfte i.S. des § 24 Nr. 2 EStG aus einer inländischen Personengesellschaft.5
8.29
b) Vermögensverwaltende Personengesellschaft Als in Deutschland beschränkt steuerpflichtige Einkünfte eines ausländischen Gesellschafters aus der Beteiligung an einer vermögensverwaltenden, nicht gewerblich geprägten, inländischen Personengesellschaft kommen zunächst solche aus Kapitalvermögen in Betracht (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG). Die Einkünfte werden so besteuert, als seien sie unmittelbar vom Steuerausländer vereinnahmt worden. Zinseinkünfte unterliegen da1 Vgl. Koenig in Pahlke/Koenig2, § 13 AO Rz. 3; zur Möglichkeit einer Personengesellschaft als ständige Vertreterin vgl. Frotscher in Schwarz, § 13 AO Rz. 5; Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 231. 2 Frotscher in Schwarz, § 13 AO Rz. 8. 3 RFH v. 28.11.1933 – I A 456/31, RStBl. 1934, 620 (620 f.); BFH v. 20.1.1959 – I 112/57 S, BStBl. III 1959, 133 (133 f.); Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 241; Ramackers in L/B/P, § 49 EStG Rz. 95; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 370. 4 BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663 (664) – für einen Schweizer Gesellschafter einer deutschen KG mit Betriebsstätte in Borneo; v. 18.12.2002 – I R 92/01, IStR 2003, 388 (389) – Schweizer Gesellschafter einer deutschen GbR mit Betriebsstätte in der Schweiz; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 2000, 1076 Rz. 1.1.5.5; Fischer in Lüdicke, Besteuerungspraxis bei grenzüberschreitender Tätigkeit, 163 (186 f.). 5 BFH v. 15.7.1964 – I 415/61 U, BStBl. III 1964, 551 (552); Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D 4143; Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 53, 341; H 34d EStH 2010; mit beachtlichen Argumenten a.A. Wassermeyer, IStR 2011, 361 u. zuvor schon Wassermeyer in W/A/D, Rz. 5.18. Zur abkommensrechtlichen Behandlung vgl. noch Rz. 8.63.
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8.30
Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften
nach nur insoweit der deutschen Besteuerung, als das Kapitalvermögen durch inländischen Grundbesitz etc. dinglich gesichert ist (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. aa EStG).
8.31 Die Erhebung der Steuer erfolgt grundsätzlich1 nicht im Wege des Kapitalertragsteuerabzuges, sondern durch Steuerveranlagung.2 Bei Einkünften aus der Beteiligung als (typisch) stiller Gesellschafter oder aus partiarischem Darlehen, Wandelanleihen oder Gewinnobligationen kommt es auf den inländischen Wohnsitz/Sitz des Schuldners an. Die Erhebung der Steuer erfolgt in diesem Fall regelmäßig durch Steuereinbehalt (§ 43 Abs. 1 Nr. 2 u. Nr. 3 EStG). Auch Dividendeneinkünfte aus Beteiligungen an inländischen Kapitalgesellschaften unterliegen der beschränkten Steuerpflicht (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG) durch Kapitalertragsteuerabzug zuzüglich Solidaritätszuschlag (vgl. §§ 43 Abs. 1 Nr. 1, 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG). Handelt es sich bei dem ausländischen Gesellschafter um eine beschränkt steuerpflichtige Körperschaft i.S. des § 2 Nr. 1 KStG, so können 2/3 der einbehaltenen Steuer auf Antrag erstattet werden, sodass die ausländische Körperschaft im Ergebnis wie eine inländische Körperschaft mit einem Steuersatz von 15 % (zuzüglich Solidaritätszuschlag) belastet wird.
8.32 Neben Einkünften aus Kapitalvermögen kann der ausländische Gesellschafter aufgrund seiner Beteiligung an der deutschen Personengesellschaft auch solche aus Vermietung und Verpachtung (insbesondere von unbeweglichem Vermögen und aus der Nutzung von Rechten; § 21 EStG) erzielen. Diese unterliegen nach § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG der beschränkten Steuerpflicht, soweit sie nicht zu den Einkünften i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 1–5 EStG gehören und wenn der Mietgegenstand im Inland belegen oder in ein inländisches öffentliches Buch oder Register eingetragen ist oder in einer inländischen Betriebsstätte oder anderen Einrichtung verwertet wird. Nicht erforderlich für die Begründung der beschränkten Steuerpflicht ist, dass der Grundbesitz selbst eine Betriebsstätte i.S.v. § 12 AO darstellt. Bei rein vermögensverwaltender Tätigkeit können die Regelungen über Sondervergütungen nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 EStG – mangels gewerblicher Tätigkeit – nicht zur Anwendung kommen.3 Vielmehr ist für jede einzelne Vergütung der Personengesellschaft an ihren ausländischen Gesellschafter die beschränkte Steuerpflicht nach dem Katalog des § 49 Abs. 1 EStG gesondert zu prüfen.
8.33 Während Vermietungseinkünfte aus inländischem Immobilienvermögen im Rahmen der Veranlagung zu erklären sind (§ 49 Abs. 1 Nr. 6, § 50 EStG), werden Einkünfte aus der Nutzung von Rechten4 (bspw. Lizenz1 Anders jedoch in den Fällen des § 43 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b EStG. 2 Hidien in K/S/M § 49 EStG Rz. H 690 ff. 3 Vgl. für Inlandsachverhalte BFH v. 7.4.1987 – IX R 103/85, BStBl. II 1987, 707 (709); Drenseck in Schmidt31, § 21 EStG Rz. 23. 4 Nicht jedoch aus der Überlassung von beweglichen Sachen oder aus der Veräußerung von Rechten; vgl. Schnitger in Lüdicke, Wo steht das deutsche Internationale Steuerrecht?, 183 (205).
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B. Grundzüge der Besteuerung ausländischer Gesellschafter
gebühren) durch einen Steuerabzug nach § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG besteuert. Bei Vermietung von beweglichen Sachen im Inland durch die Personengesellschaft unterliegt der ausländische Gesellschafter der beschränkten Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 9 i.V.m. § 22 Nr. 3 EStG. Die anfallende Steuer wird nach h.M. nicht mehr im Wege des Steuerabzugs (so noch § 50a Abs. 4 Nr. 3 EStG a.F.), sondern im Veranlagungsverfahren erhoben.1 Dem an einer inländischen vermögensverwaltenden Personengesellschaft beteiligten ausländischen Gesellschafter können schließlich auch Einkünfte aus Veräußerungsgewinnen (§ 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 EStG) zugerechnet werden. In Betracht kommen dabei Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften mit inländischen Grundstücken (bzw. grundstücksgleichen Rechten) gem. § 49 Abs. 1 Nr. 8 EStG. Die Zehnjahresfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist immer dann erfüllt, wenn entweder die Gesellschaft das Grundstück innerhalb der Frist veräußert, oder wenn der Gesellschafter sein Beteiligung an der vermögensverwaltenden Personengesellschaft vor Ablauf von zehn Jahren veräußert (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG).2 Soweit an der Personengesellschaft eine ausländische Körperschaft beteiligt ist, erfolgt insoweit eine Besteuerung des Veräußerungsgewinns unabhängig von der Zehnjahresfrist. Hier erfolgt die Besteuerung unter den Voraussetzungen des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 2 EStG. Veräußerungsgewinne aus von der Personengesellschaft gehaltenen Beteiligungen an inländischen Kapitalgesellschaften sind bei ihren ausländischen Gesellschaftern beschränkt steuerpflichtig, wenn innerhalb der letzten fünf Jahre eine mittelbare oder unmittelbare Beteiligung i.H.v. mindestens 1 % am Kapital der Gesellschaft bestand (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e i.V.m. § 17 EStG). Eine Besteuerung erfolgt unabhängig davon, ob die Anteile im ausländischen Betriebs- oder Privatvermögen gehalten werden.3 Für die Höhe der Beteiligungsquote ist nicht isoliert auf die Beteiligung der vermögensverwaltenden Personengesellschaft abzustellen, sondern unter Berücksichtigung der quotalen Beteiligung auf den hinter ihr stehenden Gesellschafter (sog. „Bruchteilsbetrachtung“).4 Ein vom Gesellschafter direkt gehaltener Anteil an der Kapitalgesellschaft und der auf ihn entfallende Bruchteil aus der Beteiligung an der vermögensverwaltenden Personengesellschaft sind zusammenzurechnen.5
1 Lemaitre/Lüdemann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 7.54; Loschelder in Schmidt31, § 50a EStG Rz. 13; a.A. Klein in H/H/R, § 49 EStG Rz. 1080. 2 Vgl. auch Tischbirek in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 1213. 3 BFH v. 13.12.1989 – I R 40/87, BStBl. II 1990, 381 (382). 4 BFH v. 9.5.2000 – VIII R 41/99, BStBl. II 2000, 686 (688 ff.); v. 19.3.1996 – VIII R 15/94, BStBl. II 1996, 312 (314). 5 Rapp in L/B/P, § 17 EStG Rz. 83; Weber-Grellet in Schmidt31, § 17 EStG Rz. 55.
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8.34
Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften Beispiel: Die inländische vermögensverwaltende X-OHG ist zu 3 % am Kapital der ebenfalls inländischen Y-GmbH beteiligt. Gesellschafter der X-OHG sind zu 1/2 der Steuerausländer A und zu je 1/4 die Steuerausländer B und C. B hält zudem eine direkte Beteiligung an der Y-GmbH i.H.v. 0,5 %. Die X-KG veräußert ihre Beteiligung an der Y-GmbH. Bei einer bruchteilsmäßigen Betrachtung sind von der 3 %igen Beteiligung der X-OHG an der Y-GmbH dem A ein Anteil von 1,5 % und B und C von je 0,75 % zuzurechnen. Für B ist dazu seine direkt gehaltene Beteiligung i.H.v. 0,5 % hinzuzurechnen, sodass seine Gesamtbeteiligung an der Y-GmbH 1,25 % beträgt. Ein aus der Beteiligungsveräußerung entstehender Gewinn unterliegt mithin bei A und B, nicht jedoch bei C der beschränkten Steuerpflicht (§§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e, 17 EStG). Bei einer (mittelbaren) Beteiligungsquote von unter 1 % des Kapitals entfällt die beschränkte Steuerpflicht. § 20 Abs. 2 EStG ist mangels Bezugnahme in § 49 EStG nicht auf beschränkt Steuerpflichtige anzuwenden.
c) Freiberufler-Personengesellschaft
8.35 Auch an Freiberufler-Personengesellschaften ist eine Beteiligung ausländischer Gesellschafter möglich. Da bereits die Beteiligung eines einzigen Berufsfremden zu einer gewerblichen Infektion der gesamten Einkünfte der inländischen Personengesellschaft führt, müssen auch die ausländischen Gesellschafter eine selbständige Tätigkeit ausüben. Keine Schwierigkeiten bestehen, wenn der ausländische Mitunternehmer die für die freiberufliche Tätigkeit erforderliche deutsche Qualifikation besitzt (z.B. in Deutschland als Rechtsanwalt zugelassen oder als Arzt approbiert ist). Ebenfalls ausreichend ist, wenn der ausländische Mitunternehmer eine dem deutschen Recht vergleichbare Berufserlaubnis nach dem Recht seines Herkunftsstaates besitzt oder zumindest im Ausland der Kontrolle durch eine Berufsorganisation unterliegt.1
8.36 Auch ausländische Kapitalgesellschaften können sich grundsätzlich an inländischen Freiberufler-Personengesellschaften beteiligen. Eine gesetzliche Fiktion, die sämtliche Einkünfte der ausländischen Kapitalgesellschaft als gewerbliche qualifizieren und damit die gesamten Einkünfte der Freiberufler-Personengesellschaft infizieren würde, existiert nicht: § 8 Abs. 2 KStG, der sämtliche Einkünfte einer Kapitalgesellschaft als gewerblich einordnet, findet nur auf unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften Anwendung,2 und § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 2 EStG gilt ausweislich seines klaren Wortlauts nur für die in Satz 1 genannten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie Veräußerung.3 Die Be1 Vgl. zu dieser Problematik BFH v. 28.8.2003 – IV R 69/00, FR 2004, 224; Eckert, IStR 1999, 478 (479 f.); Korn/Strahl, NWB Fach 3, 13417 (13420); Hemmelrath in Haarmann/Hemmelrath, Gestaltung und Analyse, 623 (637 f.); RademacherGottwald, Besteuerungsprobleme der grenzüberschreitenden Sozietäten, 158 f.; Kempermann in FS Wassermeyer, 333. 2 BFH v. 2.2.1994 – I B 143/93, IStR 1994, 239 (239); Töben/Lohbeck/Fischer, FR 2009, 151 (152); Lang in D/J/P/W, § 8 Abs. 2 KStG Rz. 18. 3 Richter in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 9.21.
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B. Grundzüge der Besteuerung ausländischer Gesellschafter
teiligung der ausländischen Kapitalgesellschaft muss jedoch so ausgestaltet sein, dass die Personengesellschaft hierdurch nicht gewerblich geprägt wird. Beteiligt sich die beschränkt steuerpflichtige ausländische Kapitalgesellschaft an einer Freiberufler-Personengesellschaft, bleibt dennoch die Frage zu klären, ob sie Einkünfte aus selbständiger, insbesondere freiberuflicher Tätigkeit erzielen kann. Dies ist jedenfalls für Tätigkeiten zu verneinen, die höchstpersönlich erbracht werden müssen.1 Solche Tätigkeiten kann die Kapitalgesellschaft nicht selbst erbringen. Sie kann sich vielmehr nur dazu verpflichten, die Leistung durch andere erbringen zu lassen. Ob hingegen anderes bei vertretbaren Dienstleistungen gelten kann, ist umstritten.2 Da dort nicht die Tätigkeit als solche, sondern das Ergebnis im Vordergrund stehe, wird teilweise angenommen, dass diese auch von Kapitalgesellschaften erbracht werden könnten, wenn sie die Leistungen als Gesellschaft erbringen kann (und auch tatsächlich erbringt) und wenn sie die erforderlichen berufsrechtlichen Voraussetzungen in eigener Person erfüllt.3
8.37
Gewinne aus freiberuflicher (selbständiger i.S.d. § 18 EStG) Tätigkeit einer inländischen Freiberufler-Personengesellschaft unterliegen bei ihren ausländischen Gesellschaftern unter den Voraussetzungen des § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG der beschränkten Steuerpflicht. Danach werden alle Tätigkeiten erfasst, die im Inland ausgeübt oder verwertet4 werden oder worden sind oder für die im Inland eine feste Einrichtung5 oder Betriebsstätte6 unterhalten wird. Im Fall einer inländischen Personengesellschaft wird regelmäßig eine Betriebsstätte im Inland vorliegen, die eine beschränkte Steuerpflicht der ausländischen Mitunternehmer zu begründen vermag. Der beschränkten Steuerpflicht unterliegt dann nur der in der inländi-
8.38
1 Vgl. BFH v. 1.12.1982 – I R 238/81, BStBl. II 1983, 213 (214 f.); Clausen in H/H/R, § 49 EStG Rz. 1251. 2 Rademacher-Gottwald, Besteuerungsprobleme der grenzüberschreitenden Sozietäten, 334; Clausen in H/H/R, § 49 EStG Rz. 1251; wohl a.A. Ramackers in L/B/P, § 49 EStG Rz. 292. 3 Ebenso Richter in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 9.21; a.A. BFH v. 27.7.1988 – I R 130/84, BStBl. II 1989, 101 (102), wonach eine Kapitalgeselslchaft nie Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit erziele; ebenso Gosch in FS Wassermeyer, 263 (275); Strunk in Korn, § 49 EStG Rz. 241 f.; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 38. 4 Nach Aufnahme des Betriebsstättenprinzips in § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG haben die Varianten der Ausübung und Verwertung nur noch eine geringe Bedeutung; vgl. zu den beiden Merkmalen BFH v. 15.11.1971 – GrS 1/71, BStBl. II 1972, 68 (70); v. 12.11.1986 – I R 268/83, BStBl. II 1987, 372 (373); Haiß in H/H/R, § 49 EStG Rz. 670 ff.; Loschelder in Schmidt31, § 49 EStG Rz. 46. 5 Der Begriff der „festen Einrichtung“ orientiert sich wohl an Art. 14 OECD-MA vor 2000 und ist inhaltsgleich mit dem Begriff der „Betriebsstätte“, sodass ihm vorliegend keine eigenständige Bedeutung zukommt; vgl. Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 147; Haiß in H/H/R, § 49 EStG Rz. 691; Gosch in Kirchhof11, § 49 EStG Rz. 55. 6 Zum Betriebsstättenbegriff vgl. Rz. 8.21 f.
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Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften
schen Betriebsstätte erwirtschaftete und auf den ausländischen Mitunternehmer entfallende Gewinnanteil (vgl. Rz. 8.28 f.).1 d) Sonderfall: Immobilienpersonengesellschaften
8.39 Beteiligt sich ein Steuerausländer an einer deutschen Personengesellschaft, die Einnahmen aus der Vermietung und/oder Veräußerung von im Inland belegenem, unbeweglichem Vermögen erzielt, stellt sich die Frage, inwieweit die ihm zurechenbaren Einkünfte der beschränkten Steuerpflicht unterliegen. Von Bedeutung ist hierfür auch, ob die Gesellschaft gewerbliche Einkünfte oder solche aus privater Vermögensverwaltung erzielt. aa) Gewerbliche oder vermögensverwaltende Tätigkeit
8.40 Die Abgrenzung einer privaten Vermögensverwaltung durch Vermietung und Verpachtung sowie durch private Veräußerungsgeschäfte von gewerblicher Tätigkeit erfolgt nach dem „Gesamtbild der Verhältnisse und der Verkehrsanschauung“.2 Von einem Gewerbebetrieb ist i.d.R. dann auszugehen, wenn über die reine Vermietung hinaus noch weitere Sonderleistungen (z.B. Service-, Wartungs- oder Werbeleistungen) durch die Personengesellschaft erbracht werden.3 Die Größe des Vermietungsobjekts stellt dagegen ebenso wenig ein geeignetes Abgrenzungskriterium dar wie eine große Zahl von Mietverhältnissen.4
8.41 Ebenfalls keine private Vermögensverwaltung liegt vor, wenn die Tätigkeit die Schwelle zum gewerblichen Grundstückshandel überschreitet. Hierfür stellt die Rechtsprechung auf die sog. Drei-Objekt-Grenze ab.5 Danach wird eine gewerbliche Tätigkeit vermutet, wenn der Steuerpflichtige in einem engen zeitlichen Zusammenhang mehr als drei Objekte veräußert. Ein enger zeitlicher Zusammenhang soll vorliegen, wenn sowohl zwischen Anschaffung und Veräußerung als auch zwischen den einzelnen Veräußerungen i.d.R. nicht mehr als fünf Jahre liegen. Ein gewerblicher Grundstückshandel kann aber auch dann vorliegen, wenn die Drei-Objekt-Grenze nicht erfüllt ist. Dies insbesondere dann, wenn die
1 Ausführlich zu den verschiedenen Gewinnverteilungsmodellen Richter in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 9.41 ff. 2 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (761); v. 10.12.2001 – GrS 1/98, BStBl. II 2002, 291 (292); Fischer, DStR 2009, 398 (399). 3 FG Schl.-Holst. v. 28.1.2002 – I 333/01, EFG 2002, 456 (456 f.) (rkr.); Bode in Blümich, § 15 EStG Rz. 114. 4 BFH v. 6.3.1997 – IV R 21/96, BFH/NV 1997, 762 (763); v. 20.10.2009 – X B 241/08, BFH/NV 2010, 198 (199). 5 BFH v. 10.12.2001 – GrS 1/98, BStBl. II 2002, 291 (293); v. 9.12.1986 – VIII R 317/82, BStBl. II 1988, 244 (245); Carlé, DStZ 2009, 278; Buge in H/H/R, § 15 EStG Rz. 1123 ff.; BMF v. 24.2.2004 – IV A 6 - S 2240 - 26/03, BStBl. I 2004, 434 Rz. 5.
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B. Grundzüge der Besteuerung ausländischer Gesellschafter
unbedingte Absicht besteht, das Grundstück weiterzuveräußern;1 z.B. wenn der Steuerpflichtige plant, das Grundstück zuerst zu bebauen und danach wieder zu veräußern.2 Die von § 15 Abs. 2 EStG vorausgesetzte Nachhaltigkeit kann zudem auch bei der Veräußerung eines einzelnen Grundstückes erfüllt sein, etwa wenn der Steuerpflichtige zur Durchführung des Geschäfts eine Vielzahl von verschiedenen Einzeltätigkeiten entfaltet, die gemeinsam die Annahme einer nachhaltigen Tätigkeit rechtfertigen.3 Sind die Voraussetzungen des gewerblichen Grundstückshandels erfüllt, so liegt ein Gewerbebetrieb bereits ab dem Erwerb der Grundstücke vor. Die Voraussetzungen der Drei-Objekt-Grenze sind zunächst nur auf 8.42 Ebene der inländischen Personengesellschaft selbst zu prüfen. Auf eventuelle Grundstücksveräußerungen durch den ausländischen Gesellschafter kommt es in diesem Zusammenhang zunächst nicht an.4 Daneben kann jedoch auch der einzelne Gesellschafter selbst einen gewerblichen Grundstückshandel betreiben.5 Dafür können ihm Grundstücksverkäufe6 der Personengesellschaft zugerechnet werden,7 wenn er entweder an ihr zu mindestens 10 % beteiligt ist oder der auf ihn aufgrund seiner Gesellschaftsbeteiligung entfallende Anteil am veräußerten Grundstück oder der Verkehrswert seiner Gesellschaftsanteile 250 000 Euro übersteigt.8 Schließlich ist auch bei der Immobilienpersonengesellschaft zu beachten, dass bereits eine geringe gewerbliche Tätigkeit zu einer gewerblichen Infektion der gesamten Einkünfte führt (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG; vgl. Rz. 8.16). Unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG liegt zudem eine gewerblich geprägte Gesellschaft vor (vgl. Rz. 8.7). Erzielt nach diesen Grundsätzen nicht bereits die Immobiliengesellschaft selbst gewerbliche Einkünfte, so fingiert § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 2 1 BFH v. 17.12.2008 – IV R 77/06, DStR 2009, 963 (965) m.w.N.; Buge in H/H/R, § 15 EStG Rz. 1138 ff. 2 BFH v. 18.9.2002 – X R 5/00, BStBl. II 2003, 286 (286); v. 13.8.2002 – VIII R 14/99, BStBl. II 2002, 811 (812). 3 BFH v. 9.12.2002 – VIII R 40/01, BStBl. II 2003, 294 (297); Buge in H/H/R, § 15 EStG Rz. 1138. 4 BFH v. 15.6.2004 – VIII R 7/02, BStBl. II 2004, 914 (918 f.); Wacker in Schmidt31, § 15 EStG Rz. 70 ff. 5 Bei mehrstufigen Personengesellschaftsstrukturen können auch Grundstücksveräußerungen der Untergesellschaft der jeweiligen Obergesellschaft zugerechnet werden; vgl. FG Hamburg v. 1.12.2008 – 7 K 19/04, EFG 2009, 557 (561) (rkr.). 6 Ob dagegen auch die Veräußerung einer Beteiligung an einer Immobilienpersonengesellschaft wie die Veräußerung des Grundstücks selbst anzusehen ist, ist umstritten; vgl. Tischbirek in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 1213 m.w.N. 7 BFH v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617 (620 f.); v. 28.11.2002 – III R 1/01, BStBl. II 2003, 250 (254 f.); FG Hamburg v. 1.12.2008 – 7 K 19/04, EFG 2009, 557 (560 f.) (rkr.). 8 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 26/03, BStBl. I 2004, 434 Rz. 14, 17 f.
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8.43
Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften
EStG die Gewerblichkeit von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung1 oder Veräußerung von inländischen Grundstücken, wenn die Einkünfte von einer beschränkt steuerpflichtigen Körperschaft i.S. des § 2 Abs. 1 KStG erzielt werden, die mit einer Kapitalgesellschaft oder juristischen Person i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1–3 KStG vergleichbar ist. Im Unterschied zu der bei unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaften geltenden Regelung des § 8 Abs. 2 KStG erfasst § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 2 EStG jedoch nicht sämtliche Einkünfte der ausländischen Körperschaft, sondern nur diejenigen aus der Vermietung und Verpachtung oder Veräußerung von inländischem Immobilienvermögen. Auch auf die Immobilienpersonengesellschaft selbst hat diese Fiktion keine Auswirkung. Insbesondere gilt diese nicht selbst als gewerblich, sodass ihre inländischen Gesellschafter (oder ausländische Gesellschafter, für die die Fiktion des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 2 EStG keine Anwendung findet, z.B. natürliche Personen) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) oder aus privaten Veräußerungsgeschäften (§§ 22 Nr. 2, 23 EStG) erzielen. Die Einkünfte der vermögensverwaltenden Personengesellschaft sind als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu ermitteln. Erst in einem zweiten Schritt werden die Einnahmen auf Ebene der ausländischen Körperschaft gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 2 EStG in gewerbliche Einkünfte umqualifiziert. Die Gesellschafter der Personengesellschaft können mithin der Art nach unterschiedliche Einkünfte erzielen. bb) Beschränkte Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG
8.44 Liegen nach diesen Grundsätzen gewerbliche Einkünfte vor,2 so sind die Einnahmen aus der Vermietung und Verpachtung oder aus der Veräußerung von inländischem unbeweglichen Vermögen in Deutschland beschränkt steuerpflichtig (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG).3 Die Einnahmen sind auf Basis der allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften der §§ 4 ff. EStG zu ermitteln.4 Umstritten ist, ob die Einnah1 Zwar verweist § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Doppelbuchst. aa EStG – im Gegensatz zu § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG – nicht auf § 21 EStG, dennoch sollten die dort geltenden Grundsätze Anwendung finden können, da der Gesetzgeber mit der Neuregelung keine Änderung diesbezüglich bezweckte; vgl. auch Peffermann in H/H/R, § 49 EStG Rz. 619. 2 Wassermeyer, IStR 2009, 238 (240). 3 Andernfalls ist die Immobilienpersonengesellschaft lediglich vermögensverwaltend tätig, vgl. dazu Rz. 8.30 ff. 4 Peffermann in H/H/R, § 49 EStG Rz. 633; Huschke/Hartwig, IStR 2008, 745 (747); Bron, DB 2009, 592 (593); für § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG a.F. bereits BFH v. 5.6.2002 – I R 81/00, BStBl. II 2004, 344 (345 f.); v. 5.6.2002 – I R 105/00, BFH/NV 2002, 1433 (1434); OFD Münster v. 24.7.2008 – S 1300 - 169 - St 45-32, GmbHR 2008, 1007. Zu Fragen der Bewertung der inländischen Grundstücke (insbesondere bei erstmaliger Anwendung von § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Doppelbuchst. aa EStG zum 1.1.2009) vgl. Peffermann in H/H/R, § 49 EStG Rz. 634; Töben/Lohbeck/Fischer, FR 2009, 151 (154); Mensching/Tyarks in Wassermeyer/
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B. Grundzüge der Besteuerung ausländischer Gesellschafter
men aus Vermietung und Verpachtung einerseits und aus der Veräußerung andererseits einheitlich oder getrennt zu ermitteln sind. Für eine getrennte Ermittlung könnte sprechen, dass das Gesetz in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG zwischen den beiden Einkunftsquellen ausdrücklich unterscheidet.1 Dagegen spricht jedoch, dass der Gesetzgeber durch Einführung von § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Doppelbuchst. aa EStG diese Unterscheidung gerade abschaffen wollte.2 Der Gesetzeswortlaut schließt eine einheitliche Gewinnermittlung auch nicht eindeutig aus. Vielmehr lässt sich die vorgenommene Differenzierung aus rein sprachlichen Gründen – insbesondere einer besseren Übersichtlichkeit – erklären. Zu diesem Ergebnis wird man im Rahmen einer europarechtskonformen Auslegung zumindest dann kommen müssen, wenn – was auch die Anhänger einer getrennten Gewinnermittlung für möglich halten3 – die bei einer getrennten Gewinnermittlung eintretende unterschiedliche Behandlung von inländischen und (EU-)ausländischen Steuerpflichtigen gegen europarechtliche Vorgaben verstößt. Auf Grundlage der hier vertretenen einheitlichen Gewinnermittlung kommt auch im Rahmen von § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG eine Teilwertabschreibung des Immobilienbesitzes nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG in Betracht.4 Keine Bedeutung dürfte hingegen die Übertragung von stillen Reserven auf Reinvestitionsgüter oder die Bildung einer Rücklage nach §§ 6b Abs. 1 und Abs. 3, 6c EStG haben, da dafür nach § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG die angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte gehören müssen.5 Besteht jedoch eine inländische Betriebsstätte, so kommt § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG aufgrund des Vorrangs von § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG nicht in Betracht.6
1 2 3 4
5 6
Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 10.43 ff. (auf Grundlage einer getrennten Gewinnermittlung). Töben/Lohbeck/Fischer, FR 2009, 151 (154); Mensching, DStR 2009, 96 (98); Mensching/Tyarks in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 10.42. BT-Drucks. 16/10189, 58 f.; ebenfalls für eine einheitliche Gewinnermittlung Huschke/Hartwig, IStR 2008, 745; Peffermann in H/H/R, § 49 EStG Rz. 633. Vgl. Mensching, DStR 2009, 96 (98). Ebenso Peffermann in H/H/R, § 49 EStG Rz. 634; Huschke/Hartwig, IStR 2008, 745 (749); Bron, DB 2009, 593 (594); auf Grundlage einer getrennten Gewinnermittlung a.A. Mensching, DStR 2009, 96 (98); Töben/Lohbeck/Fischer, FR 2009, 151 (154). BMF v. 16.5.2011 – IV C 3 - S 2300/08/10014, BStBl. I 2011, 530 Rz. 11; ebenso Bayerisches Landesamt für Steuern v. 8.6.2011 – S2300.2.1-4/13 St32, IStR 2011, 599 Rz. 11. Peffermann in H/H/R, § 49 EStG Rz. 634; Bron, DB 2009, 593 (594), der jedoch eine Anwendung aufgrund gemeinschaftsrechtlichen Anwendungsvorranges für denkbar hält; Töben/Lohbeck/Fischer, FR 2009, 151 (154) mit anderer Begründung; a.A. Huschke/Hartwig, IStR 2008, 745 (749).
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8.45
Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften
8.46 Da aufgrund der Gewerblichkeit der Einkünfte vom Vorliegen von Betriebsvermögen auszugehen ist,1 kann – bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen – für Gebäude die AfA i.H.v. 3 % (anstelle von bisher 2 % bzw. 2,5 %; vgl. § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG) geltend gemacht werden (§ 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG).2 Für die Bemessungsgrundlage sind dagegen anstelle der Anschaffungs- oder Herstellungskosten künftig die Anschaffungs- oder Herstellungskosten vermindert um diejenigen Absetzungen für Abnutzung, die bis zum Zeitpunkt der Einlage vorgenommen wurden, anzusetzen (§ 7 Abs. 1 Satz 5 EStG).3 3. Besteuerung im Verlustfall
8.47 Kommt es auf Ebene der inländischen Personengesellschaft zu Verlusten, so sind diese ihren ausländischen Mitunternehmern ebenso zuzurechnen wie etwaige Gewinne. Beschränkt Steuerpflichtige können die ihnen anteilig zurechenbaren Verluste mit anderen inländischen Einkünften i.S. des § 49 EStG verrechnen (§ 2 Abs. 3 EStG). Übersteigen die durch die Personengesellschaftsbeteiligung (anteilig) entstandenen Verluste die im gleichen Veranlagungszeitraum erzielten inländischen Einkünfte, so ist auch der beschränkt Steuerpflichtige zum Verlustausgleich nach § 10d EStG berechtigt. Mit dem JStG 2009 ist das zusätzliche Erfordernis entfallen, wonach sich bei beschränkt Steuerpflichtigen die Verluste aus inländischen Unterlagen ergeben müssen (vgl. § 50 Abs. 1 Satz 2 EStG a.F.).4 Auch die Abzugsbeschränkungen des § 2a EStG sind grundsätzlich auf beschränkt Steuerpflichtige anwendbar.5 Sie werden jedoch nur in den seltenen Fällen zum Tragen kommen, in denen die beschränkt Steuerpflichtigen im Inland mit Einkünften aus Drittstaaten besteuert werden.6
1 Auch die Gewerblichkeitsfiktion des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 2 EStG vermag die für die Gewinnermittlung nach §§ 4 ff. EStG vorausgesetzte Eigenschaft als Betriebsvermögen zu begründen; vgl. Peffermann in H/H/R, § 49 EStG Rz. 634; Huschke/Hartwig, IStR 2008, 745 (747) – auch zum Umfang des Betriebsvermögens; a.A. Wassermeyer, IStR 2009, 238 (239). 2 BMF v. 16.5.2011 – IV C 3 - S 2300/08/10014, BStBl. I 2011, 530 Rz. 12; Mensching, DStR 2009, 96 (98); Peffermann in H/H/R, § 49 EStG Rz. 634; Huschke/ Hartwig, IStR 2008, 745 (749); Bron, DB 2009, 593 (594); Ege, DStR 2010, 1205 (1208). 3 Mensching/Tyarks in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 10.48. 4 Gesetz vom 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794, Art. 1 Nr. 35; zur Europarechtswidrigkeit der alten Regelung: EuGH v. 15.5.1997 – Rs. C-250/95 – Futura Participations, EuGHE 1997, I-2471 = DB 1997, 1211. 5 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 376; Mössner in K/S/M, § 2a EStG Rz. A 5; Herkenroth/Striegel in H/H/R, § 2a EStG Rz. 14; Dreyer in L/B/P, § 2a EStG Rz. 40. 6 Frey/Heidemann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 19.40; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 376; Heinicke in Schmidt31, § 2a EStG Rz. 3.
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B. Grundzüge der Besteuerung ausländischer Gesellschafter
Ist die Haftung des ausländischen Gesellschafters beschränkt, gilt auch für ihn die Verlustausgleichs- und Abzugsbeschränkung des § 15a EStG.1 Sein anteiliger Verlust kann nur insoweit mit anderen Einkünften verrechnet oder nach § 10d EStG abgezogen werden, als dadurch kein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht. Darüber hinausgehende Verluste können nur mit zukünftigen Gewinnen aus der Mitunternehmerschaft verrechnet werden. Bei beschränkt Steuerpflichtigen ist zu beachten, dass sich § 15a EStG nur auf die inländischen Einkünfte bezieht.2 Während im Inland unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter i.d.R. weitere Einkünfte im Inland haben werden und deshalb bemüht sein werden, die Verlustausgleichs- und Abzugsbeschränkungen des § 15a EStG zu vermeiden, können für beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter, die keine weiteren inländischen Einkünfte erzielen, die Rechtsfolgen des § 15a EStG gegenüber denen des § 10d EStG sogar vorteilhaft sein. Sollte es in den folgenden Jahren zu Gewinnen aus der Gesellschaftsbeteiligung kommen, so unterliegen die verrechenbaren Verluste im Gegensatz zu ausgleichsfähigen Verlusten nicht der Mindestbesteuerung des § 10d EStG.3
8.48
4. Drittstaateneinkünfte Besonderheiten sind zu beachten, wenn neben dem Ausland als Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters und dem Inland als Sitzstaat der Personengesellschaft weitere Staaten ein Besteuerungsrecht beanspruchen. Angesprochen sind damit die Fälle, in denen die inländische Personengesellschaft Einkünfte aus Drittstaaten erzielt. Beansprucht in diesem Fall auch der Drittstaat ein Besteuerungsrecht für die erzielten Einkünfte, so stellt sich die Frage, ob und bejahendenfalls auf welche Weise eine doppelte (oder gar dreifache) Besteuerung der Einkünfte (unter Außerachtlassung der DBA-rechtlichen Sonderregelungen) verhindert werden kann.
8.49
Teilweise wird eine doppelte- oder mehrfache Besteuerung bei Drittstaateneinkünften schon dadurch vermieden, dass nur bestimmte Einkünfte der beschränkten Steuerpflicht unterliegen. Erzielt etwa die inländische Personengesellschaft Einnahmen, die einer in dem Drittstaat gelegenen Betriebsstätte zuzurechnen sind, handelt es sich nicht um inländische Einkünfte i.S.v. § 49 EStG. Zweck dieser Regelung ist es, nur im Inland erzielte Einkünfte zu erfassen.4 Daran fehlt es jedoch, wenn die Einkünfte von der inländischen Gesellschaft durch eine ausländische Betriebs-
8.50
1 Lüdemann in H/H/R, § 15a EStG Rz. 46; Korn/Heißenberg in Korn, § 15a EStG Rz. 14. 2 Korn/Heißenberg in Korn, § 15a EStG Rz. 14; v. Beckerath in K/S/M, § 15a EStG Rz. A 23. 3 Ausführlich dazu – auch zu Möglichkeiten der Steuerplanung Frey/Heidemann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 19.41 ff. 4 BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663 (664 f.).
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Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften
stätte erzielt werden.1 Eine etwaige Doppelbesteuerung zwischen dem Quellenstaat und dem Ansässigkeitsstaat kann in diesem Fall nicht durch Deutschland, sondern allenfalls durch den Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters vermieden werden.
8.51 Stammen die Einnahmen hingegen aus in dem Drittstaat gelegenen, unbeweglichen Vermögen, ist fraglich, ob diese in Deutschland der beschränkten Steuerpflicht unterliegen. Soweit es sich um eine rein vermögensverwaltende Personengesellschaft handelt, können inländische Einkünfte nicht angenommen werden. § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG bezieht insoweit ausdrücklich nur Einkünfte aus in Deutschland belegenem unbeweglichen Vermögen ein. Ist die Personengesellschaft hingegen gewerblich tätig und hat sie einzig eine inländische Betriebsstätte, sind sämtliche Einnahmen dieser Betriebsstätte zuzuordnen und nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG beschränkt steuerpflichtig.2
8.52 Durch die Regelung des § 50 Abs. 3 EStG ermöglicht jedoch das deutsche innerstaatliche Recht, eine etwaige Doppelbesteuerung zu verhindern oder zumindest abzumildern. Danach ist auf Gewinneinkünfte eines beschränkt Steuerpflichtigen § 34c Abs. 1–3 EStG anzuwenden, wonach die im Ausland gezahlte Steuer entweder auf die inländische Steuer anzurechnen oder wahlweise bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte abzuziehen ist. Voraussetzung ist, dass im Inland ein Betrieb unterhalten wird, dem die fraglichen Einkünfte zuzurechnen sind.3 Für den vorliegend zu betrachtenden Fall eines ausländischen Gesellschafters einer inländischen Gesellschaft ist mithin erforderlich, dass die Gesellschaft eine Betriebsstätte im Inland unterhält.4 Weiter verlangt § 50 Abs. 3 EStG, dass es sich nicht um Einkünfte aus einem ausländischen Staat handelt, mit denen der beschränkt Steuerpflichtige dort in einem der unbeschränkten Steuerpflicht ähnlichen Umfang zu einer Steuer vom Einkommen5 herangezogen wird. Daneben müssen – abgesehen von der aufgrund von § 50 Abs. 3 EStG entbehrlichen unbeschränkten Steuerpflicht – auch die Voraussetzungen des § 34c EStG vorliegen.6
1 BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663 (665); BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 1.1.5.5; Schnitger/Rometzki in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 17.54. 2 Frotscher in Frotscher, § 49 EStG Rz. 69; a.A. Kleineidam, IStR 1993, 349 (350); Helde, Dreiecksverhältnisse, 20, wonach zuvorderst auf den Belegenheitsort abzustellen sei und deshalb ausländische Einkünfte vorlägen. Das Gesetz sieht einen solchen Vorrang nicht ausdrücklich vor, sondern ordnet sämtliche Einkünfte, die der inländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind, dem deutschen Besteuerungsrecht zu. 3 Kube in K/S/M, § 50 EStG Rz. F 6; Wied in Blümich, § 50 EStG Rz. 117; Herkenroth/Striegel in H/H/R, § 50 EStG Rz. 451. 4 Kube in K/S/M, § 50 EStG Rz. F 6; Strunk in Korn, § 50 EStG Rz. 61. 5 Der deutschen Einkommensteuer entsprechen grundsätzlich solche Ertragsteuern, für die ein DBA gilt; vgl. R 50.2 Satz 2 EStR 2008. 6 Herkenroth/Striegel in H/H/R, § 50 EStG Rz. 432.
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B. Grundzüge der Besteuerung ausländischer Gesellschafter Beispiel: Der im Ausland ansässige A ist Kommanditist der deutschen D-KG, die originär gewerblich tätig ist und Dividenden aus einem Drittstaat bezieht. Es soll davon ausgegangen werden, dass der Drittstaat auf Dividendenzahlungen eine Quellensteuer erhebt. A unterliegt mit den Dividendeneinkünften in Deutschland der beschränkten Steuerpflicht. Eine Anrechnung der im Drittstaat gezahlten Quellensteuer nach § 34c Abs. 1 EStG kommt nicht in Betracht, da A in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist. Hingegen kann eine Anrechnung grundsätzlich gem. §§ 50 Abs. 3 i.V.m. 34c EStG erfolgen. Wird jedoch A im Wohnsitzstaat mit den anteiligen Einkünften, die die D-KG vereinnahmt hat in einem der unbeschränkten Steuerpflicht ähnlichen Umfang besteuert, so scheidet eine Anrechnung oder ein Abzug der Drittstaaten-Quellensteuer in Deutschland aus. Nach den Vorstellungen des deutschen Gesetzgebers ist es in diesen Fällen vielmehr Sache desjenigen Staates, der von einer unbeschränkten Steuerpflicht ausgeht, eine Doppelbesteuerung zu vermeiden.1 Abwandlung 1: A ist zwar in dem ausländischen Staat unbeschränkt steuerpflichtig, dieser besteuert jedoch aufgrund seines nationalen Besteuerungsrechts Einkünfte, die aus dem Ausland herrühren, generell nicht. Nach überwiegender Ansicht2 soll es nicht ausreichen, dass der Steuerpflichtige im Ausland der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt. Erforderlich sei vielmehr, dass die konkreten, einer inländischen Betriebsstätte der Personengesellschaft zuzurechnenden Einkünfte dort tatsächlich in einem der unbeschränkten Steuerpflicht ähnlichen Umfang herangezogen werden können.3 Daran fehle es jedoch immer dann, wenn der ausländische Staat die konkreten Einkünfte nicht besteuert – sei es aufgrund nationaler Regelungen (aufgrund des Territorialprinzips) oder aufgrund von DBA. Die auf die Dividendenzahlungen angefallene Quellensteuer ist mithin nach § 50 Abs. 3 EStG anzurechnen.
Fraglich ist, ob § 50 Abs. 3 EStG auch zur Anwendung kommen kann, wenn die von einem Drittstaat erhobene Steuer im Wohnsitzstaat des Steuerpflichtigen angerechnet wird. Neben nationalen Regelungen können insbesondere auch DBA zwischen dem Wohnsitzstaat des im Inland beschränkt Steuerpflichtigen und dem Drittstaat, aus dem die Einkünfte stammen, eine Anrechnung der Drittstaatensteuer vorsehen. Abwandlung 2: Wie im Beispielsfall aber die im Drittstaat erhobene Quellensteuer rechnet der Wohnsitzstaat auf die von A zu zahlende Steuer an. Die Anrechnung der Drittstaatensteuern im Heimatland des Gesellschafters sollte einer Anrechnung in Deutschland gemäß §§ 50 Abs. 3, 34c Abs. 1–3 EStG nicht
1 BT-Drucks. 8/3648, 22 (zu Nr. 10, Buchst. a); Kube in K/S/M, § 50 EStG Rz. F 2; Wied in Blümich, § 50 EStG Rz. 118. 2 Kube in K/S/M, § 50 EStG Rz. F 7; Wassermeyer in Wassermeyer/Richter/ Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 17.9; Herkenroth/Striegel in H/H/R, § 50 EStG Rz. 430. 3 Dass eine mögliche Besteuerung tatsächlich erfolgt, ist hingegen nicht erforderlich; vgl. Herkenroth/Striegel in H/H/R, § 50 EStG Rz. 430.
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8.53
Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften entgegenstehen.1 Ein eine Anrechnung ausschließender Ermäßigungsanspruch i.S.v. § 34c Abs. 1 Satz 1 EStG besteht schon deshalb nicht, weil vorliegend nicht die ausländische Steuer – hier also die Quellensteuer – ermäßigt wird, sondern die auf das Welteinkommen des A erhobene Steuer.2 Durch eine Anrechnung der Quellensteuer sowohl im Wohnsitzstaat wie auch im Inland kommt es auch nicht zu einer ungerechtfertigten doppelten Entlastung des Steuerpflichtigen. Dieser wird vielmehr nicht nur in dem die Quellensteuer erhebenden Drittstaat, sondern noch in zwei weiteren Staaten mit den ausländischen Einkünften zur Steuer herangezogen. Wird der Steuerpflichtige aber insgesamt dreimal zur Steuer herangezogen (im Drittstaat, im Wohnsitzstaat und im Inland), so führt eine doppelte Entlastung zu dem zutreffenden Ergebnis, dass die betreffenden Einkünfte (genau) nur einmal mit Steuer belastet werden.
III. Verteilung des Besteuerungsrechts im DBA-Fall 1. Grundsätzliches
8.54 Die vorstehend dargestellten Grundsätze stellen allein die Situation nach innerstaatlichem Recht dar. Ob und in welchem Umfang Deutschland sein Besteuerungsrecht ausüben darf, ist vielfach zusätzlich durch DBA geregelt.3 Für die nachfolgende Darstellung wird eine Rechtslage zugrunde gelegt, wie sie für die dem OECD-MA entsprechenden DBA gilt.
8.55 Danach kann die Personengesellschaft zwar Person i.S. des DBA sein (Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA),4 jedoch mangels eigener Einkommen- und Körperschaftsteuerpflicht keine „ansässige Person“ (Art. 4 Abs. 1 OECD-MA). Als ansässig und abkommensberechtigte Person sind vielmehr ihre Gesellschafter anzusehen, soweit sie nicht selbst Personengesellschaften sind.5 Dagegen sind Personengesellschaften Gewerbesteuersubjekt und insoweit auch DBA-berechtigt. Die Gewerbesteuerpflicht begründet jedoch keine Ansässigkeit nach Art. 4 Abs. 1 OECD-MA, da die Gewerbesteuer eine Objektsteuer ist und an den inländischen, stehenden Gewerbebetrieb und nicht an die Ansässigkeit der Person geknüpft ist (vgl. Art. 4 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA).6 1 Ebenso FG Düsseldorf v. 15.12.1992 – 6 K 110/88 K, EFG 1993, 447 (rkr.); Herkenroth/Striegel in H/H/R, § 50 EStG Rz. 430; Frotscher in Frotscher, § 50 EStG Rz. 173; a.A. Piltz in Mössner u.a.3, Rz. F 133. 2 Anderes könnte möglicherweise gelten, wenn bspw. aufgrund eines DBA zwischen A und B im Staat B die einbehaltene Quellensteuer erstattet würde; § 34c Abs. 1 Satz 1 EStG stünde dann wohl einer Anrechnung im Inland entgegen. 3 Eine Übersicht über den aktuellen Stand der von der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen DBA zum 1.1.2012 findet sich im BMF v. 17.1.2012 – IV B 2 - S 1301/07/10017-03, BStBl. I 2012, 108. 4 Vgl. OECD-MK Art. 3 Nr. 2 Satz 5. 5 Vgl. OECD-MK Art. 1 Nr. 6.4; Hruschka, DStR 2010, 1357 (1358); Wassermeyer, IStR 2011, 85 (85). 6 Vgl. Wassermeyer in D/W, Art. 4 OECD-MA Rz. 25, 46; Art. 1 OECD-MA Rz. 17; Oepen/Münch, IStR 2009, 55 (57); vgl. aber zum DBA-Indien die Rechtsauffas-
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B. Grundzüge der Besteuerung ausländischer Gesellschafter
Diese rechtliche Einordnung führt dann zu Anwendungsproblemen, 8.56 wenn die deutsche Personengesellschaft im Ansässigkeitsstaat des Steuerausländers als nicht-transparent angesehen wird. Wird die Personengesellschaft in einem der beiden Vertragsstaaten als Steuersubjekt anerkannt, so kommt es zu einem subjektiven Qualifikationskonflikt, der auf Abkommensebene zu unterschiedlichen Rechtsfolgen führt, je nachdem, ob der Sitzstaat oder nur der andere Vertragsstaat die Steuersubjekteigenschaft anerkennt. Die deutsche Finanzverwaltung steht auf dem Standpunkt, dass sich die Transparenz nach nationalem Verständnis grundsätzlich auch auf die Abkommensberechtigung auswirkt. Damit bestimmt sich die Abkommensberechtigung – und mithin das jeweils anwendbare Abkommen – nach der Ansässigkeit der Gesellschafter der aus deutscher Sicht transparenten Personengesellschaft. Auf die Personengesellschaft kommt es selbst dann nicht an, wenn das ausländische Recht auf sie abstellen würde. Eine deutsche Personengesellschaft ist damit nach OECD-MA nicht selbst abkommensberechtigt. Gleichwohl gewährt die Finanzverwaltung – insoweit systemwidrig – eine Entlastung von Abzugsteuern, wenn die Einkünfte nach dem Recht des betreffenden Staates dort als Einkünfte einer ansässigen Person steuerpflichtig sind. Dies kann auch eine Personengesellschaft sein.1 Somit entscheidet in diesem Spezialfall der Sitzstaat der Gesellschaft auch für den anderen Staat verbindlich, ob die Personengesellschaft für Abzugsteuerzwecke eine abkommensberechtigte Person ist oder nicht.2
8.57
Einige deutsche DBA sprechen der Personengesellschaft selbst ausdrücklich die Abkommensberechtigung zu3 (vgl. auch Rz. 8.105 ff.). Dies geschieht regelmäßig dadurch, dass die Personengesellschaft sowohl als „Person“ als auch als „ansässig“ i.S. des jeweiligen Abkommens definiert wird. In diesen Fällen ist dann beispielsweise nicht mehr der ausländische Gesellschafter als „Unternehmer“ anzusehen, dem im Inland durch die Personengesellschaft eine Betriebsstätte vermittelt wird, sondern die inländische Personengesellschaft selbst. Das deutsche Besteue-
8.58
sung des Income Tax Appellate Tribunal (Mumbai, Indien) v. 4.7.2008 (Nachweis bei Oepen/Münch, IStR 2009, 55). 1 Vgl. Schmidt, WPG 2002, 1134 (1139); OECD-MK Art. 1 Nr. 5; OECD-Partnership-Report, Rz. 28 ff., BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.1.1, 2.1.2; sowie Krabbe, IWB Fach 3, Gruppe 2, 863 (864). 2 Im Unterschied hierzu könnte man auch die Auffassung vertreten, dass eine solche Verknüpfung nicht vorliegt, sondern jeder Staat bei Anwendung des Abkommens prüft, ob nach den Wertungen seines eigenen innerstaatlichen Rechts eine ansässige Person i.S.v. Art. 4 OECD-MA gegeben wäre. 3 Vgl. Art. 3 Abs. 1 Nr. 4, 4 Abs. 1 DBA-Belgien (für die OHG, KG und Partenreederei); Art. 3 Abs. 1 Buchst. b, 4 Abs. 4 DBA-Finnland; Art. 3 Abs. 1 Buchst. d, 4 Abs. 1 i.V.m. Ziff. 2 des Protokolls, Ziff. 5 Protokoll DBA-Liberia; auch Art. 7 Abs. 7 DBA-Japan, das OHG und KG hinsichtlich der Unternehmensgewinne juristischen Personen gleichstellt.
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Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften
rungsrecht für auf die inländische Betriebsstätte entfallenden Einkünfte folgt somit nicht mehr aus Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 Satz 2 OECDMA, sondern aus Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 OECD-MA.
8.59 Vergleichbar dem deutschen Recht unterscheidet das OECD-MA in den Art. 6–21 verschiedene Einkunftsarten. Für deren Abgrenzung untereinander ist allein das Abkommensrecht ausschlaggebend. Das nationale Recht kann dieses Ergebnis aber wegen Art. 3 Abs. 2 OECD-MA beeinflussen. 2. Besteuerung des Gewinnanteils a) Gewerblich tätige Personengesellschaften
8.60 Für den vorliegend zu betrachtenden Fall einer inländischen Personengesellschaft mit ausländischen Gesellschaftern kann der Anteil an der Personengesellschaft dem beschränkt steuerpflichtigen Ausländer ein ausländisches Unternehmen mit deutscher Betriebsstätte vermitteln.1 Jeder (ausländische) Gesellschafter einer gewerblich tätigen Personengesellschaft betreibt mithin ein Unternehmen.2 Der Gewinnanteil ausländischer Gesellschafter aus gewerblich tätigen Personengesellschaften fällt damit unter Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2, Satz 2 OECD-MA.3 Danach steht das Besteuerungsrecht für Unternehmensgewinne, die auf eine inländische Betriebsstätte entfallen,4 dem Betriebsstättenstaat zu. Nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA sind der inländischen Betriebsstätte diejenigen Gewinne zuzurechnen, die erzielt worden wären, wenn eine gleiche Geschäftstätigkeit unter vergleichbaren Bedingungen durch ein selbständiges, unabhängiges Unternehmen ausgeübt worden wäre. Abkommensrechtlich erfolgt mithin die Einkünfteabgrenzung nach Fremdvergleichsgrundsätzen.5 Dabei kann jedoch auch Art. 7 Abs. 2 OECD-MA – wie
1 BFH v. 29.1.1964 – I 153/61 F, BStBl. III 1964, 165 (166); v. 17.10.1990 – I R 16/89, BStBl. II 1991, 211; v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937 (937 f.); v. 16.10.2002 – I R 17/01, BStBl. II 2003, 631 (633 f.); v. 18.12.2002 – I R 92/01, HFR 2003, 645 (646); BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.2, 2.2.3; Piltz/Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 68 f.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 378 f.; Blumers/Zillmer, BB 2010, 1375 (1379); Vees, DB 2010, 1422 (1423). 2 BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.2; Hruschka, DStR 2010, 1357 (1359); Lieber, IWB 2010, 351 (352); Schmidt, IStR 2010, 413 (420) m.w.N. 3 Ausführlich Piltz/Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 66 ff. m.w.N.; ebenso Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 37; BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/1003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.1; BFH v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937 (940); v. 4.4.2007 – I R 110/05, BFH/NV 2007, 1417 (1418). 4 Einkünfte, die die deutsche Personengesellschaft durch ausländische Betriebsstätten erzielt, unterliegen bereits nach innerstaatlichem Recht nicht der deutschen Besteuerung. 5 Zur Reichweite dieser Grundsätze vgl. ausführlich Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung, 47 ff. u. 114 ff.
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B. Grundzüge der Besteuerung ausländischer Gesellschafter
DBA generell – weder einen Steueranspruch begründen noch einen bestehenden in seinem Umfang erweitern.1 Er regelt lediglich Fragen der Gewinnabgrenzung i.S. einer abkommensrechtlichen Begrenzung des nach innerstaatlichen Grundsätzen bestehenden Besteuerungsanspruchs. Erforderlich für die Anwendung des Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2, Satz 2 OECD-MA ist, dass die Personengesellschaft selbst im Inland eine Betriebsstätte i.S.v. Art. 5 Abs. 1 OECD-MA unterhält, sodass diese – und die daraus erzielten Einkünfte – dem einzelnen Mitunternehmer zugerechnet werden können.2
8.61
In einzelnen Abkommen wird zudem ausdrücklich klargestellt, dass auch Mitunternehmerschaften dem Regelungsbereich der jeweils Art. 7 OECDMA entsprechenden Vorschrift unterfallen.3 Ein deutsches Besteuerungsrecht besteht in diesen Konstellationen jedoch nur, wenn die inländische Betriebsstätte nicht nur – zur Begründung der beschränkten Steuerpflicht – den Voraussetzungen des § 12 AO genügt, sondern zugleich auch denjenigen des Art. 5 OECD-MA.4
8.62
Beispiel: An der deutschen X-OHG sind die Steuerausländer A und B beteiligt. Einziger Zweck der X-OHG ist, für ihre Gesellschafter in Deutschland Waren einzukaufen. Dafür unterhält sie im Inland sowohl Geschäftsräume als auch ein Lager. A und B sind in Deutschland beschränkt steuerpflichtig (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG), da die Geschäftsräume und das Warenlager der X-OHG nach § 12 Satz 2 Nr. 5 und Nr. 6 AO eine inländische Betriebsstätte darstellen. Anders jedoch nach Abkommensrecht: Nach Art. 5 Abs. 4 Buchst. a und Buchst. d OECD-MA gelten beide Einrichtungen nicht als Betriebsstätte, weshalb Deutschland kein (beschränktes) Besteuerungsrecht zusteht.5
Eine abkommensrechtliche Qualifikation als Unternehmensgewinn i.S.v. Art. 7 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA setzt voraus, dass das Unternehmen im Zeitpunkt der Einkünfteerzielung betrieben wird. „Nachträgliche“ Unternehmensgewinne – also solche, die zu einem Zeitpunkt
1 Keine self-executing-Wirkung vgl. BFH v. 12.3.1980 – I R 186/76, BStBl. II 1980, 531 (532 f.). Zu einer ausnahmsweisen „self-executing“-Wirkung vgl. Weggenmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 8.85. 2 Zu Recht weist Wassermeyer in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 2.10, darauf hin, dass der Anteil an der Personengesellschaft allein mangels fester Geschäftseinrichtung keine Betriebsstätte darstellen kann. 3 Vgl. z.B. Art. 5 Abs. 1 DBA-Luxemburg, Art. 5 Abs. 1 DBA-Niederlande: „als Unternehmer oder Mitunternehmer“ oder durch Regelung in einem wortgleichen eigenen Absatz; vgl. Art. 4 Abs. 3 DBA-Frankreich, Art. III Abs. 2 DBA-Irland. 4 Vgl. BFH v. 18.12.2002 – I R 92/01, IStR 2003, 388; Piltz/Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 68; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 378; Schnitger/Bildstein, Ubg 2008, 444 (447); Letzgus, Ubg 2010, 425 (427). Gleiches gilt für einen inländischen Vertreter, vgl. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA. 5 Zu den Unterschieden des nationalen Betriebsstättenbegriffs und desjenigen nach DBA vgl. Schnitger/Bildstein, Ubg 2008, 444 (447 f.).
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8.63
Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften
erzielt werden, in dem das Unternehmen nicht mehr betrieben wird und nicht lediglich abwickelnder Natur sind – fallen abkommensrechtlich nicht unter Art. 7 OECD-MA, sondern sind nach Art. 21 Abs. 1 OECDMA zu beurteilen. Solche Einnahmen können mithin nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden.1 b) Auch gewerblich tätige Personengesellschaften
8.64 Schwieriger stellt sich die Situation bei deutschen Personengesellschaften dar, die neben gewerblichen Tätigkeiten auch solche Tätigkeiten ausführen, die nicht gewerblicher Natur sind. Beispiel: An der deutschen X-KG sind die Steuerausländer A und B beteiligt. Die Gesellschaft betreibt ein gewerbliches Unternehmen mit einer Betriebsstätte in Deutschland. Daneben hält die X-KG – ohne Bezug zum Gewerbe – Beteiligungen an deutschen Kapitalgesellschaften und bezieht Zinsen aus festverzinslichen Wertpapieren von einer deutschen Bank. Nach nationalem Recht beziehen A und B ausschließlich gewerbliche Einkünfte, die der beschränkten Steuerpflicht in Deutschland unterliegen (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Für die Dividenden- und Zinseinkünfte folgt dies aus der gewerblichen Infektion gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG.
8.65 Fraglich und umstritten ist jedoch, ob diese Art der gewerblichen Infektion auch auf das Abkommensrecht durchschlägt und zur Anwendung von Art. 7 OECD-MA führt oder ob abkommensrechtlich eine Aufspaltung in die einzelnen Einkunftsarten (Art. 7, 10, 11 OECD-MA) zu erfolgen hat. Die Finanzverwaltung2 – und ihr folgend auch Meinungen im deutschen Schrifttum3 – greifen auch im Abkommensrecht auf den nationalen Gewerblichkeitsbegriff zurück und kommen damit zu einer einheitlichen Einordnung sämtlicher von der gewerblich infizierten Personengesellschaft erzielter Gewinne unter Art. 7 OECD-MA. Begründet wird dies mit Art. 3 Abs. 2 OECD-MA, wonach jeder im Abkommen nicht definierte Begriff nach nationalen Gesichtspunkten auszulegen sei. Im Beispielsfall bestünde mithin auch für die Dividenden- und Zinseinkünfte – ebenso wie für Gewinne aus der Veräußerung der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft – ein deutsches Besteuerungsrecht.
1 Ausführlich Wassermeyer, IStR 2011, 361 (367). Zur Zuordnung nachträglicher Einkünfte vgl. auch BFH v. 7.12.2011 – I R 5/11, IStR 2012, 222 (vorhergehend FG Düsseldorf v. 7.12.2010 – 13 K 1214/06 E EFG 2011, 878). 2 BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/1003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.1. 3 Strunk/Kaminski in S/K/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 32; Buciek in F/W/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 24, 33; FW, IStR 1994, 80.
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B. Grundzüge der Besteuerung ausländischer Gesellschafter
Die Gegenansicht in Literatur1 und Teile der Rechtsprechung2 wenden dagegen § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG im Abkommensrecht nicht an. Stattdessen sind die Einkunftsarten unter die Spezialartikel des DBA zu subsumieren. Die Definition der Gewerblichkeit könne sich nicht über Art. 3 Abs. 2 OECD-MA aus § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG ergeben. Vielmehr verdeutliche Art. 7 Abs. 4 OECD-MA einen Anwendungsvorrang der Spezialartikel vor der allgemeinen Einkunftsart des Art. 7 OECD-MA. Aus dieser Vorschrift folge, dass im Gegensatz zum nationalen Recht, in dem oftmals gewerbliche Einkünfte den Vorrang genießen (vgl. §§ 20 Abs. 8; 21 Abs. 3; 23 Abs. 2; 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG; 8 Abs. 2 KStG), im Abkommensrecht gerade der Vorrang anderer Einkunftsarten vor der allgemeinen Einkunftsart des Art. 7 OECD-MA gelte. Nur wenn zwischen den Tätigkeiten ein solch enger sachlicher Zusammenhang bestehe, dass nur eine einheitliche Beurteilung der Betätigung möglich sei, sei die Gesamtbetätigung auch abkommensrechtlich einheitlich zu qualifizieren. Entscheidend ist dann der Schwerpunkt der Tätigkeit.3 Von einer – auch abkommensrechtlich – ausschließlich gewerblichen Tätigkeit kann damit dann ausgegangen werden, wenn die persönliche Arbeitsleistung nicht mehr im Vordergrund der Tätigkeit steht. Ansonsten lägen bei Personengesellschaften mit teilweise gewerblichen und teilweise anderen Einkünften aus Sicht des DBA unterschiedliche Einkünfte vor. Im Beispielsfall werden deshalb neben Einkünften nach Art. 7 OECD-MA auch solche nach Art. 10 und 11 OECD-MA erzielt.
8.66
Folgt man der zuletzt genannten Ansicht, so kann es gleichwohl aufgrund der in einzelnen DBA-Regelungen vorgesehenen Betriebsstättenvorbehalte zu einer Anwendung von Art. 7 OECD-MA kommen. Denn Art. 7 OECD-MA ist wiederum dann anzuwenden, wenn der Empfänger der Dividenden, Zinsen oder Lizenzgebühren in dem anderen (Quellen-)Staat eine Geschäftstätigkeit durch eine dort belegene Betriebsstätte ausübt und die Stammrechte tatsächlich zu dieser Betriebsstätte gehören (vgl. Art. 10 Abs. 4, 11 Abs. 4, 12 Abs. 3 OECD-MA).4 Entscheidend für eine Einordnung als Unternehmensgewinn i.S.v. Art. 7 OECD-MA ist die tatsächliche Zugehörigkeit zur inländischen Betriebsstätte. Dabei sei die „tatsächliche“ insbesondere nicht im Sinne einer (steuer)rechtlichen Zuordnung zu verstehen. Vielmehr muss ein funktionaler Zusammenhang
8.67
1 Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 40, 53; Piltz/Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 86; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 35; Schmitt-Homann, DStR 2010, 2545 (2546 f.); Lange, EStB 2010, 226 (228); in diese Richtung auch Blumers/Zillmer, BB 2010, 1375 (1376 f.). 2 FG Hamburg v. 10.2.1997 – V 212/94, EFG 1997, 987 (988 f.), nachfolgend BFH v. 17.12.1997 – I R 34/97, BStBl. II 1998, 296. 3 BFH v. 7.11.1991 – IV R 17/90, BStBl. II 1993, 324 (325 f.); Piltz/Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 86. 4 Für Veräußerungsgewinne kommen Art. 13 Abs. 2 OECD-MA und für sonstige Einkünfte Art. 21 Abs. 2 OECD-MA zu einem vergleichbaren Ergebnis, vgl. aber Rz. 8.69.
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Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften
zwischen dem Wirtschaftsgut (Beteiligung, Forderung, Lizenz oder andere Rechte) und der in der Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeit bestehen.1 c) Gewerblich geprägte Personengesellschaften
8.68 Auch bei einer nach deutschem Recht gewerblich geprägten Personengesellschaft (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) stellt sich die Frage, welche Einkunftsart einem ausländischen Gesellschafter durch diese Beteiligung vermittelt wird. Beispiel: Einziger Kommanditist der nicht gewerblich tätigen X-GmbH & Co. KG ist der nicht zur Geschäftsführung befugte Steuerausländer A. Die X-GmbH & Co. KG unterhält in Deutschland eine feste Einrichtung. Aus einer Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft und aus Darlehensforderungen gegenüber deutschen Schuldnern erzielt die KG Veräußerungs- und Zinseinkünfte. Aus nationaler Sicht erzielt A gewerbliche Einkünfte (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG), die in Deutschland der beschränkten Steuerpflicht unterliegen (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Fraglich ist jedoch, wie diese Einkünfte abkommensrechtlich zu qualifizieren sind.
8.69 Die deutsche Finanzverwaltung2 – und ihr folgend ein Teil der Literatur3 – geht davon aus, dass auch für das Abkommensrecht der nationale Gewerblichkeitsbegriff maßgeblich ist (vgl. Rz. 8.64 ff.) und kommt auch im Fall einer gewerblich geprägten Personengesellschaft zu Unternehmensgewinnen i.S.v. Art. 7 OECD-MA.4 Die Argumentation ist gleichlaufend mit der zuvor zur „gewerblich infizierten Personengesellschaft“ dargestellten. Insbesondere wird der Anwendungsvorrang der Spezialregelun1 BFH v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937 (939); v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563 (565); v. 29.11.2000 – I R 84/99, HFR 2001, 1053 (1054); v. 17.12.2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771 (772); v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510 (512); v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414 (419 f.); BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.4; v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/1003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.4.1; Wassermeyer in D/W, Art. 10 OECD-MA Rz. 132 ff.; Vogel in V/L5, vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 40; a.A. Piltz, IStR 1996, 457, der von einem „tatsächlichen Gehören“ schon immer dann ausgeht, wenn das Stammrecht zum Gesamthandsvermögen der deutschen Personengesellschaft gehört. 2 BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.1 – ausdrücklich ablehnend BFH v. 4.5.2011 – II R 51/09, IStR 2011, 635 (637), vgl. dazu noch Rz. 8.70. – Für eine Selbstbindung der Finanzverwaltung bis zur Aufgabe der eigenen Rechtsauffassung vgl. Kaminski, Stbg 2011, 338 (339). Eine Änderung der Verwaltungsauffassung unter Übernahme der Ansicht des BFH erwarten Prinz zu Hohenlohe/Rautenstrauch/Wittmann, BB 2012, 357 (358). 3 Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 24, 33; Krabbe, IStR 2002, 145 (148); Schmidt/Dendorfer, IStR 2000, 46 (49); Wolff in D/W, Art. 7 DBA-USA Rz. 48; Hruschka, IStR 2010, 1357 (1358); differenzierend: Schmidt, IStR 2010, 413 (418). 4 Zum gleichen Ergebnis gelangt man über die in den Spezialartikeln enthaltenen Betriebsstättenvorbehalte (vgl. z.B. Art. 10 Abs. 4, 11 Abs. 4, 12 Abs. 3 OECDMA), vgl. Wolff in FS Wassermeyer, 647 (654).
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B. Grundzüge der Besteuerung ausländischer Gesellschafter
gen (Art. 10, 11 und 12 OECD-MA) durch Art. 7 Abs. 4 OECD-MA wegen der überlagernden Betriebsstättenvorbehalte abgelehnt. Schließlich wird für diese Ansicht auch auf den OECD-MK1 verwiesen, der die Frage, ob eine Tätigkeit im Rahmen eines Unternehmens ausgeübt wird oder an sich schon ein Unternehmen darstellt, stets nach dem innerstaatlichen Recht der Vertragsstaaten beurteilen lässt. Hieraus wird gefolgert, dass sich unter Berücksichtigung des Gebots der Entscheidungsharmonie ergebe, dass der Anwenderstaat bei der Auslegung des DBA stets jene Interpretation anstreben solle, die am ehesten Aussicht hat, in beiden Vertragsstaaten akzeptiert zu werden.2 Danach erzielt A im Beispiel Einkünfte i.S.v. Art. 7 OECD-MA. Die Veräußerung der Beteiligung unterläge nach Art. 13 Abs. 2 OECD-MA in Deutschland der Besteuerung. Ein deutsches Besteuerungsrecht besteht gleichwohl dann nicht, wenn eine inländische Betriebsstätte nicht vorliegt. Allein die gewerbliche Prägung der Gesellschaft vermag eine solche nicht zu begründen.3 Die Mehrzahl der Vertreter im Schrifttum4 und die deutsche Rechtsprechung5 befürworten hingegen zu Recht eine autonome Abkommensauslegung. Zwar sei zutreffend, dass sich aus dem Abkommensrecht keine vollständige Definition des Unternehmensgewinns ergebe und ein verbleibender Definitionsbedarf durch das nationale Recht zu decken sei. Dabei könne jedoch nur auf den Begriff des originären Gewerbebetriebes, mithin auf § 15 Abs. 2 EStG zurückgegriffen werden. Eine gewerblich geprägte Personengesellschaft erfülle diese Voraussetzungen gerade nicht. Da der Begriff der „Unternehmensgewinne“ auch im nationalen Recht nicht verwandt wird, wird teilweise sogar eine vollständige Eigenständig1 2 3 4
OECD-MK Art. 3 Nr. 4. Vgl. Hruschka, IStR 2010, 1357 (1359). Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.3. Wassermeyer in D/W, Art. 3 OECD-MA Rz. 23, Art. 7 OECD-MA Rz. 16a, 49; Piltz/Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 85; Hansen, Einkünfte aus Personengesellschaftsbeteiligungen, 153 ff. m.w.N.; Wassermeyer, IStR 2007, 413 (416); Wassermeyer, DK 2008, 338 (341); Hoheisel, IWB Fach 10, Gruppe 2, 2009 (2012); Richter, FR 2010, 544 (552 f.); Schmitt-Homann, DStR 2010, 2545 (2546 f.); Haun/Reiser/Mödinger, GmbhR 2010, 637 (639); Lieber, IWB 2010, 351 (353); Prinz, JbFStR 2010/2011, 491 (505); Prinz, FR 2012, 381 (383); Lüdicke in Schön/Hüttemann, Personengesellschaft im Steuerrecht, 95 (137); ähnlich Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.236; Oenings/Seitz in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 12.59; wohl auch Lang, IStR 2007, 606 (609); Wittkowski/Loose, DB 2010, 2411 (2413 f.). 5 BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, DStR 2010, 1220 (1222); v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156 (158) mit Anm. Schmidt, IStR 2010, 520; v. 9.12.2010 – I R 49/09, DStR 2011, 449 (451); v. 4.5.2011 – II R 51/09, IStR 2011, 635 (637) im Rahmen von Art. 22 Abs. 2 DBA-Schweiz; v. 25.5.2011 – I R 95/10, IStR 2011, 688 (691) mit Anm. Schmidt, IStR 2011, 691; v. 24.8.2011 – I R 46/10, IStR 2011, 925 (927); FG Köln v. 13.8.2009 – 15 K 2900/05, EFG 2009, 1819 (bestätigt durch BFH v. 4.5.2011 – II R 51/09) – mit Anm. Goebel/Ungemach, DStZ 2010, 257; FG Schl.-Holst. v. 28.3.2006 – 5 K 291/04, EFG 2004, 824 – aus verfahrensrechtlichen Gründen aufgehoben durch BFH v. 24.4.2007 – I R 33/06, BFH/NV 2007, 2236; FG Hamburg v. 22.8.2006 – 7 K 255/04, DStR 2007, 665 (667) (rkr.).
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8.70
Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften
keit des Abkommensrechts angenommen.1 Mit diesem Verständnis wird u.E. dem Gebot der Entscheidungsharmonie deutlich besser Rechnung getragen als mit der Übertragung von deutschen Einkunftstypenfiktionen in das DBA-Recht. Unter Beachtung von Art. 7 Abs. 4 OECD-MA ist ein eigenständiger Typusbegriff zu finden, unter den jedenfalls die gewerbliche Prägung nicht gefasst werden kann.2 Eine nach deutschem Recht lediglich gewerblich geprägte Personengesellschaft vermag aus abkommensrechtlicher Sicht keine Einkünfte aus Art. 7 OECD-MA zu vermitteln. Ihre Einkünfte sind vielmehr unter die speziellen Vorschriften der Art. 10 ff. OECD-MA zu fassen. Auch der in den einzelnen Artikeln vorgesehene Betriebsstättenvorbehalt, der wieder zu einer Rückverweisung auf Art. 7 OECD-MA führen würde, findet in diesen Fällen gerade keine Anwendung.3 Der Betriebsstättenvorbehalt setzt die Existenz einer Betriebsstätte voraus, die nach Art. 5 Abs. 1 OECD-MA unternehmerische Tätigkeit (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c EStG) verlangt. An Letzterem fehlt es jedoch, da eine lediglich gewerblich geprägte Personengesellschaft – abkommensrechtlich – nicht unternehmerisch tätig ist.4 Vgl. Thematik auch bei Betriebsaufspaltung Rz. 8.200 ff.5
8.71 Die abkommensrechtliche Qualifikation von Einkünften einer gewerblich geprägten Personengesellschaften hat auch Auswirkungen auf die Frage, ob durch die Gründung einer gewerblich geprägten Personengesellschaft eine Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG und § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG vermieden werden kann. Beispiel: Der Steuerinländer A ist einziger Gesellschafter der X-GmbH. Für die im Privatvermögen gehaltene Beteiligung hatte A Anschaffungskosten von 100. Der gemeine Wert liegt bei 1000. A möchte seinen Wohnsitz ins Ausland unter Aufgabe seines deutschen Wohnsitzes verlegen. Er überlegt, seine Beteiligung in eine vermögensverwaltende, gewerblich geprägte GmbH & Co. KG mit deutscher Betriebsstätte einzulegen. 1 Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 41; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 30 ff.; Hemmelrath, IStR 1995, 570 (572 f.); Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmensteuerrecht9, 545; ähnlich auch Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 43 ff.; Lieber in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 319; Strunk/Kaminski in S/K/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 29 f.; Niehaves in Haase, Art. 7 OECD-MA Rz. 32 ff.; Hansen, Einkünfte aus Personengesellschaftsbeteiligungen, 156. 2 Fraglich ist, ob eine einheitliche Auslegung des Abkommensrechts mit der innerstaatlichen Definition des § 15 Abs. 1–3 EStG dann geboten ist, wenn das DBA von „gewerbliche[n] Gewinne[n] eines Unternehmens“ (z.B. Art. III Abs. 1 DBA-Griechenland, Art. III Abs. 2 DBA-Irland) o.Ä. spricht; dafür: Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 50. 3 Überzeugend Oenings/Seitz in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 12.60. Darüber hinaus fehlt es auch mangels aktiver Tätigkeit an der tatsächlichen Zugehörigkeit; ebenso: Nitzschke, IStR 2011, 838 (839); Loose/ Wittkowski, IStR 2011, 68 (70); a.A. Schönfeld, IStR 2011, 142. 4 Im Ergebnis ebenso: Nitzschke, IStR 2011, 838 (839). 5 BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, IStR 2011, 688 (691) – mit zustimmender Anm. Gosch, BFH-PR 2011, 402.
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B. Grundzüge der Besteuerung ausländischer Gesellschafter Unstreitig ist, dass § 6 AStG nicht für solche Beteiligungen gilt, die der auswandernde Steuerpflichtige im deutschen Betriebsvermögen hält.1 Eine deutsche GmbH & Co. KG mit inländischer Betriebsstätte begründet inländisches Betriebsvermögen des ausländischen Gesellschafters,2 sodass eine Anwendbarkeit von § 6 AStG ausscheidet.3
Fraglich ist jedoch, ob es gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 EStG zur Realisation stiller Reserven kommt. Hierzu müsste das deutsche Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt sein. Dies ist nach § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG insbesondere dann anzunehmen, wenn ein bisher einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen zuzuordnendes Wirtschaftsgut nun einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist. Hiervon kann nur dann ausgegangen werden, wenn die gewerblich geprägte Personengesellschaft kein Unternehmen i.S.v. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD- MA darstellt. Nach Auffassung der Finanzverwaltung vermitteln gewerblich geprägte Personengesellschaften Unternehmensgewinne nach Art. 7 OECD-MA, für die Deutschland das Besteuerungsrecht behält. Eine Entstrickung durch Wegzug gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG käme damit nicht in Betracht. In der Vergangenheit wurde diese Rechtsfolge seitens der Finanzverwaltung meist auch in einer verbindlichen Auskunft bestätigt.4 Nimmt man hingegen an, dass die gewerbliche Prägung nicht auf die Auslegung des Abkommens durchschlägt, lägen abkommensrechtlich schon keine gewerblichen Gewinne vor, so dass durch den Wegzug das deutsche Besteuerungsrecht ausgeschlossen würde.5 Teilweise wird diese Rechtsfolge mit dem Hinweis auf Art. 13 Abs. 2 OECD-MA abgelehnt. Danach können Gewinne aus der Veräußerung von beweglichen Vermögen, das Betriebsvermögen einer Betriebsstätte ist, in diesem Staat besteuert werden. Da der Betriebsstättenvorbehalt des Art. 13 Abs. 2 OECD-MA jedoch – im Gegensatz zu Art. 11 Abs. 4 OECD-MA und Art. 12 Abs. 3 OECD-MA – keine „tatsächliche“ Zugehörigkeit, sondern lediglich „Betriebsvermögen“ verlange, könne die zu den Betriebsstättenvorbehalten des Art. 11 Abs. 4 OECD-MA bzw. Art. 12 Abs. 3 OECD-MA ergangene Rechtsprechung nicht ohne weiteres auf Art. 13
1 Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 Rz. 42; Elicker in Blümich, § 6 Rz. 33. 2 BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.3. 3 Loose/Wittkowski, IStR 2011, 68 (68). A.A. Prinz zu Hohenlohe/Rautenstrauch/ Wittmann, BB 2012, 357 (358); Suchanek, GmbHR 2011, 1008; Lüdicke in Schön/Hüttemann, Personengesellschaft im Steuerrecht, 95 (138); die u.E. zu Unrecht eine Anwendung des § 6 AStG für möglich halten. Auf die Frage, ob eine gewerblich geprägte Personengesellschaft nach nationalem Recht inländisches Betriebsvermögen begründet, sollte die abkommensrechtliche Beurteilung nicht durchschlagen. Fraglich ist vielmehr, ob § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG zur Anwendung kommen (vgl. Rz. 8.72). 4 Schmidt, IStR 2010, 413 (418), der darauf hinweist, dass diese Verwaltungspraxis durch BFH v. 17.10.2007 (I R 5/06, BStBl. II 2009, 356) beendet wurde und durch BMF v. 16.4.2010 (IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354) neuen Auftrieb erhalten könnte. 5 Loose/Wittkowski, IStR 2011, 68 (70); Nitzschke, IStR 2011, 838 (839).
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Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften
Abs. 2 OECD-MA übertragen werden.1 Mangels Definition des Begriffs „Betriebsvermögen“ im DBA bestimme darüber hinaus das deutsche Steuerrecht, ob Betriebsvermögen vorliege.2 Es ist davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung das in der Vergangenheit intensiv genutzte KG-Modell kritisch hinterfragen und nicht mehr unbedingt akzeptieren wird.3 In diesem Fall könnte nur eine originäre Gewerblichkeit der KG (ggf. als geschäftsleitende Holding) noch Schutz bieten.4 Die gleichen Rechtsfragen stellen sich auch in Umwandlungsfällen bspw. wegen § 3 Abs. 2 UmwStG. d) Vermögensverwaltende Personengesellschaften
8.73 Der Umgang mit ausschließlich vermögensverwaltend tätigen, nicht gewerblich geprägten Personengesellschaften bereitet abkommensrechtlich keine Probleme. Insbesondere stehen hier nicht personengesellschaftsspezifische Fragen bei der Auslegung über Umfang und Reichweite einzelner Artikel des DBA im Vordergrund. Die vermögensverwaltende Personengesellschaft vermittelt ihren Gesellschaftern abkommensrechtlich Dividenden-, Zins-, Lizenzeinkünfte oder Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen (Art. 6, 10–12 OECD-MA).5 Bei der Veräußerung von Nichtbetriebsvermögen findet darüber hinaus Art. 13 Abs. 1 oder 5 OECD-MA Anwendung. Subsidiär greift auch Art. 21 OECD-MA. Abgrenzungsprobleme bei der Zuordnung von Einkünften unter DBARecht bestehen gleichwohl und sind allgemeiner Natur (insbesondere bei der Abgrenzung von Dividenden- bzw. Zinseinkünften). Sie hängen nicht mit der Besteuerung von Personengesellschaften im Speziellen zusammen. e) Freiberufler-Personengesellschaften
8.74 Das OECD-MA enthielt bis zum Jahr 2000 in Art. 14 eine Regelung für Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Die Vorschrift wurde ersatzlos gestrichen. Für Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit gilt jetzt Art. 7 OECD-MA. Gleichwohl hat Art. 14 OECD-MA noch praktische Bedeutung, da sich die Mehrzahl der von Deutschland abgeschlossenen DBA an Art. 14 OECD-MA orientiert.
1 Vgl. BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414. 2 Schönfeld, IStR 2011, 142 (143). 3 So auch Rohler, GmbH-StB 2010, 294 (297); Loose/Wittkowski, IStR 2011, 68 (71); dagegen geht Prinz, JbFStR 2010/2011, 491 (508), (noch) davon aus, dass die Verwaltung eine (positive) verbindliche Auskunft in solchen Gestaltungen nicht verweigern könne. 4 Vgl. auch Loose/Wittkowski, IStR 2011, 68 (71); Prinz, FR 2012, 381 (383). 5 Vgl. auch Vees, DB 2010, 1422 (1423); Lange, EStB 2010, 226 (228); Lieber, IWB 2010, 351 (357).
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B. Grundzüge der Besteuerung ausländischer Gesellschafter
aa) Behandlung gemäß Art. 14 OECD-MA vor 2000 Art. 14 Abs. 1 OECD-MA a.F. bestimmte, dass „Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus einem freien Beruf oder aus sonstiger selbständiger Tätigkeit bezieht, (…) nur in diesem Staat besteuert werden [können], es sei denn, daß der Person im anderen Vertragsstaat für die Ausübung ihrer Tätigkeit gewöhnlich eine feste Einrichtung zur Verfügung steht. Steht ihr eine solche feste Einrichtung zur Verfügung, so können die Einkünfte im anderen Staat besteuert werden, jedoch nur insoweit, als sie dieser festen Einrichtung zugerechnet werden können.“ In dem Fall einer deutschen Freiberufler-Personengesellschaft mit ausländischen Gesellschaftern ist fraglich, ob Deutschland das Besteuerungsrecht der der beschränkten Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG unterliegenden Einkünfte aus einer deutschen Betriebsstätte zusteht.
8.75
Dabei ist umstritten, ob neben dem Bestehen einer festen Einrichtung1 8.76 noch weitere Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Teilweise wird angenommen, dass dem Belgenheitsstaat ein Besteuerungsrecht nur zusteht, soweit der jeweilige Freiberufler in der festen Einrichtung auch tatsächlich eine Tätigkeit ausübt.2 Dafür könnte der persönliche Einschlag der freien Berufe sprechen sowie die Tatsache, dass (jedenfalls nach deutschem Recht) die Personengesellschaft nicht selbst abkommensberechtigt ist und deshalb die Tätigkeit einzelner Gesellschafter anderen Mitgesellschaftern nicht zugerechnet werden kann. Danach bestünde ein deutsches Besteuerungsrecht nur hinsichtlich solcher Steuerausländer, die auch tatsächlich in der inländischen festen Einrichtung eine Tätigkeit ausüben. Mit der herrschenden Gegenansicht ist diese Einschränkung indes abzulehnen.3 Schon die Tätigkeit eines einzigen Gesellschafters in der inländischen, festen Einrichtung genügt, um ein Besteuerungsrecht des Quellenstaates hinsichtlich aller Mitgesellschafter für sämtliche der festen Einrichtung zuzuordnenden Einkünfte zu begründen. Dies folgt aus der gesamthänderischen Verbundenheit der Gesellschafter und daraus, dass Art. 14 Abs. 1 OECD-MA a.F. nicht die höchstpersönliche Tätigkeit durch jedes Mitglied der Freiberufler-Personengesellschaft voraussetzt. Auch die OECD selbst ist der Ansicht, dass die Streichung von
1 Der Begriff der festen Einrichtung ist weitgehend inhaltsgleich mit dem der Betriebsstätte; vgl. Art. 14 Nr. 4 OECD-MK (2008). 2 Sog. Arbeitsortsprinzip; vgl. Bödefeld in G/K/G, Art. 14 OECD-MA Rz. 102 f.; Hemmelrath in V/L5, Art. 14 OECD-MA Rz. 30; Portner/Bödefeld, IWB, Fach 3, Gruppe 3, 1037 (1041). 3 Sog. Betriebsstättenprinzip; vgl. Wassermeyer in D/W, Art. 14 OECD-MA Rz. 50; Bellstedt, IWB Fach 2, 521 (524); Bellstedt, IStR 1995, 361 (364); RademacherGottwald, Besteuerungsprobleme der grenzüberschreitenden Sozietäten, 260 ff.; Krabbe, FR 1995, 691 (693). § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG stützt die Vermutung, dass auch die Finanzverwaltung dem Betriebsstättenprinzip zuzuneigen scheint.
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Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften
Art. 14 OECD-MA und die nunmehrige Anwendung von Art. 7 OECDMA zu keiner materiellen Änderung geführt habe.1 bb) Behandlung gemäß Art 7 OECD-MA
8.77 Nach Streichung des Art. 14 OECD-MA erfolgt die Zuweisung des Besteuerungsrechts für Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit nunmehr aus Art. 7 OECD-MA. In diesen Fällen ist deshalb unstreitig das Betriebsstättenprinzip maßgeblich.2 Hinsichtlich des Besteuerungsrechts gelten die zuvor für gewerblich tätige Personengesellschaften dargestellten Grundsätze.3 f) Sonderfall: Immobilienpersonengesellschaften
8.78 Abkommensrechtlich fallen die Einkünfte einer Immobilienpersonengesellschaft unter Art. 6 OECD-MA (insbesondere Mietzinsen) oder Art. 13 Abs. 1 OECD-MA (Veräußerungsgewinne). Das gilt wegen Art. 6 Abs. 4 OECD-MA ausdrücklich auch für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen, die ein Unternehmen erzielt. Deshalb sind auch Einkünfte, die eine Immobilienpersonengesellschaft mit einer Kapitalgesellschaft als (Mit-)Gesellschafter aus Vermietung und Verpachtung erzielt und die nach deutschem Recht durch § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Doppelbuchst. aa Satz 2 EStG als gewerblich qualifiziert werden, abkommensrechtlich nicht als Unternehmensgewinne i.S.v. Art. 7 OECD-MA einzuordnen.4 Das Besteuerungsrecht steht dem Staat zu, in dem das Grundstück liegt. 3. Besteuerung von Sondervergütungen a) DBA mit Sonderregelungen zu Sondervergütungen
8.79 Sondervergütungen deutscher Personengesellschaften an ihre ausländischen Personengesellschafter unterliegen nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG der Besteuerung als Einkünfte aus Gewerbebetrieb (vgl. Rz. 8.19 f.).5 Weitgehend unproblematisch ist die abkommensrechtliche Beurteilung in den (wenigen) Fällen, in denen das je1 Vgl. OECD-MK, Einleitung Nr. 35. Zur (eingeschränkten) Bedeutung der Auffassung der OECD vgl. Richter in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 9.60. 2 Vgl. Fn. 1 zu Rz. 8.76. 3 BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.2; Vees, DB 2010, 1422 (1423); vgl. dazu auch Rz. 8.60 f. 4 Huschke/Hartwig, IStR 2008, 745 (749); Wassermeyer, IStR 2009, 238 (240). 5 Nach Kramer, BB 2011, 2467, sollen hingegen inländische Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG nicht vorliegen, weil die dem ausländischen Mitunternehmer gezahlten Sondervergütungen nicht in der inländischen Betriebsstätte erwirtschaftet seien. Sofern nicht ein anderer Tatbestand einschlägig sei (für Lizenzgebühren etwa § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG), seien die Sondervergütungen deshalb in Deutschland nicht steuerbar. Zur abweichenden h.M. vgl. noch unten Rz. 8.82 ff.
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B. Grundzüge der Besteuerung ausländischer Gesellschafter
weilige DBA für Sondervergütungen eine ausdrückliche Regelung enthält.1 Diese beziehen Sondervergütungen einer Personengesellschaft an ihren Gesellschafter in die Unternehmensgewinne nach Art. 7 OECDMA mit ein, wenn die Vergütungen nach dem Steuerrecht des Betriebsstättenstaates den Einkünften des Gesellschafters aus dieser Betriebsstätte zugerechnet werden.2 Im Ergebnis wird damit die nach nationalem deutschen Recht geltende Rechtslage auch im Abkommensrecht nachvollzogen. Die Sondervergütungen werden den Unternehmensgewinnen und zugleich der jeweiligen Betriebsstätte zugeordnet (ohne dass eine Zuordnung zu den spezielleren Artikeln über Zins-, Miet- oder Lizenzeinnahmen möglich wäre). Im Gegensatz zum nationalen Recht, in dem auch im Rahmen von Freiberuflerpersonengesellschaften Sondervergütungen möglich sind (vgl. § 18 Abs. 4 Satz 2 EStG), gelten die in den DBA enthaltenen Sonderregelungen immer nur für Unternehmensgewinne, nicht jedoch für Einkünfte aus selbständiger Arbeit.3 b) Dem OECD-MA entsprechende DBA Die Mehrzahl der von Deutschland abgeschlossenen DBA enthalten jedoch – wie auch das OECD-MA – keine ausdrückliche Regelung zur Behandlung von nach deutschem Steuerrecht als Sondervergütungen zu qualifizierenden Einkünften.
8.80
Beispiel: An der deutschen gewerblich tätigen X-KG ist u.a. der Steuerausländer A als Kommanditist beteiligt. A gibt der X-KG ein verzinsliches Darlehen. Die Frage, ob das Besteuerungsrecht für die einem ausländischen Mitunternehmer zufließenden Sondervergütungen Deutschland oder dem ausländischen Ansässigkeitsstaat zusteht, ist eine der in den letzten Jahren meist diskutierten des internationalen Steuerrechts.
aa) Ausgangslage Hinsichtlich der abkommensrechtlichen Behandlung von nach deutschem Recht als Sondervergütungen zu qualifizierenden Einkünften stehen sich grundsätzlich zwei Auffassungen gegenüber, die zu konträren Ergebnissen hinsichtlich der Ausübung des Besteuerungsrechts führen.
1 Z.B. Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Belarus; Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Ghana; Art. 7 Abs. 6 Satz 2 DBA-Kasachstan; Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Österreich; Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Schweiz; Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Singapur; Art. 7 Abs. 7 DBA-Tadschikistan; Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Usbekistan. 2 Da die jeweiligen Sonderregelungen an die Gesellschafterstellung im Zeitpunkt der (Sonder-)Vergütung anknüpfen, können sie für nachträgliche Einkünfte keine Anwendung finden (vgl. schon allgemein Rz. 8.63); ebenso Franz/Voulon, BB 2011, 1111 (1113). 3 In den deutschen DBA finden sich fast ausschließlich noch auf Art. 14 OECDMA a.F. beruhende Spezialartikel für Einkünfte aus selbständiger Arbeit.
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8.81
Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften
8.82 Die ältere deutsche Rechtsprechung,1 Teile des Schrifttums2 und die deutsche Finanzverwaltung3 sehen in nach deutschem Recht als Sondervergütungen zu qualifizierenden Einkünften Unternehmensgewinne i.S.v. Art. 7 OECD-MA, die der deutschen Betriebsstätte zugerechnet werden können. Sie unterliegen damit unbegrenzt der deutschen beschränkten Steuerpflicht. Begründet wird diese Ansicht mit Art. 3 Abs. 2 OECDMA, wonach im Abkommen nicht definierte Begriffe nach dem Recht des jeweiligen Anwenderstaates auszulegen sind. Für die Ermittlung der Unternehmensgewinne treffe das DBA keine Regelung, sodass diese Frage allein nach innerstaatlichem Steuerrecht und mithin in Deutschland durch Rückgriff auf die Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu beantworten sei. Diese Rechtsauffassung steht in engem Zusammenhang mit der bereits aufgezeigten Argumentation der Finanzverwaltung betreffend die abkommensrechtliche Qualifizierung von Einkünften aus gewerblich infizierten oder gewerblich geprägten Personengesellschaften. Auch bei den Sondervergütungen wird der Vorrang der übrigen Verteilungsnormen vor Art. 7 OECD-MA verneint. Im Ergebnis wird die Gleichbehandlung der Beteiligung von inländischen und ausländischen Gesellschaftern an inländischen Personengesellschaften mit inländischen Betriebsstätten postuliert.
8.83 Folgt man diesem weitreichenden Rückgriff auf nationale Regelungen, sind Qualifikationskonflikte und daraus resultierende Doppelbesteuerungen (im Inbound-Fall) oder doppelte Nichtbesteuerungen (im OutboundFall) vorgezeichnet. Häufig wird der Ansässigkeitsstaat des ausländischen Gesellschafters das deutsche Besteuerungskonzept der Sondervergütungen nicht kennen und seinerseits die Einkünfte unter Art. 10 ff. OECD-MA einordnen, mit der Konsequenz, dass beide Länder ein Besteuerungsrecht aus dem jeweiligen DBA herzuleiten vermögen. Die Finanzverwaltung müsste dann solche Qualifikationskonflikte durch die – auch im OECD-Partnership-Report dargestellte4 – Qualifikationsverkettung lösen. Danach vermeidet der Ansässigkeitsstaat die Doppelbesteuerung, indem er der Auslegung des DBA durch den Nichtansässigkeitsstaat folgt. Die deutsche Finanzverwaltung erwartet mithin, dass der Ansässig1 RFH v. 30.11.1938 – I 42/38, RStBl. 1939, 544 (544) bzgl. Zinsen; BFH v. 29.1.1964 – I 153/61 S, BStBl. III 1964, 165 (166) bzgl. Lizenzen; v. 10.11.1983 – IV R 62/82, BStBl. II 1984, 605 (606) bzgl. Gewinnanteilen für Stille Beteiligungen und Darlehenszinsen; v. 17.10.1990 – I R 16/89, BStBl. II 1991, 211 (212 f.) bzgl. Zinsen. 2 Wolff in D/W, Art. 7 DBA-USA Rz. 97; Wolff in FS Wassermeyer, 647 (655 ff.); Krabbe, StbJb 2000/2001, 183 (198 ff.); Krabbe, FR 2001, 129; Deabtin, BB 1992, 1181 (1184); Ismer/Kost, IStR 2007, 120 (122 f.); Schmidt, IStR 2008, 290 (292). 3 BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 5.1; v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 1.2.3; zur Selbstbindung der Finanzverwaltung bis zur Aufgabe dieser Rechtsauffassung, vgl. Kaminski, Stbg 2011, 338 (340). 4 OECD-Partnership-Report, Rz. 102 ff.; kritisch dazu Franz/Voulon, BB 2011, 1111 (1114).
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B. Grundzüge der Besteuerung ausländischer Gesellschafter
keitsstaat den Methodenartikel entsprechend eingeschränkt anwendet und im Ergebnis auf sein Besteuerungsrecht verzichtet.1 Der BFH2 und ihm folgend das herrschende Schrifttum3 beurteilen nach deutschem Recht als Sondervergütungen einzustufende Einkünfte ausschließlich nach Abkommensrecht, ohne einen Rückgriff auf innerstaatliches Recht vorzunehmen. Dabei ist zwischen den Vertretern dieser Ansicht umstritten, ob es sich bei Sondervergütungen – zumindest auch – um Unternehmensgewinne i.S.v. Art. 7 OECD-MA handelt. Im vorliegenden Zusammenhang spielt diese Frage jedoch letztlich keine Rolle, da Einigkeit besteht, dass aus Art. 7 Abs. 4 OECD-MA als allgemeines Prinzip im Abkommensrecht4 folge, dass die speziellen Abkommensartikel (Art. 10 ff. OECD-MA) Vorrang vor Art. 7 OECD-MA genießen. Lassen sich die Einkünfte danach unter einen der Spezialartikel fassen, fragt sich jedoch, ob aufgrund der Anwendung eines Betriebsstättenvorbehaltes eine Qualifikation als Unternehmensgewinne i.S.v. Art. 7 OECD-MA zu erfolgen hat (vgl. dazu Rz. 8.85).
8.84
Aufgrund der Betriebsstättenvorbehalte werden Einkünfte nicht dem Spezialartikel, sondern Unternehmensgewinnen nach Art. 7 OECD-MA zugeordnet, wenn der Empfänger im anderen Vertragsstaat eine Betriebsstätte unterhält und die Einkünfte tatsächlich zu dieser Betriebsstätte gehören (vgl. z.B. Art. 10 Abs. 4, Art. 11 Abs. 4 OECD-MA). Dem ausländischen Gesellschafter wird durch seine Beteiligung an der inländischen Personengesellschaft regelmäßig eine Betriebsstätte im Inland vermittelt (vgl. dazu Rz. 8.22). Es kommt deshalb entscheidend darauf an, ob die Einkünfte „tatsächlich zu dieser Betriebsstätte gehören.“ Während die oben genannten Stimmen die Zuordnung zu der Personengesellschafts-Betriebsstätte allein nach deutschem Recht vornehmen wollen und Sondervergütungen aufgrund von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG
1 Eine Qualifikationsverkettung ausdrücklich ablehnend: BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, IStR 2011, 688 – mit Anmerkungen Schmidt, IStR 2011, 691 u. Suchanek, GmbHR 2011, 1008; ebenso Lüdicke, IStR 2011, 91 (96); vgl. zur Qualifikationsverkettung Rz. 1.193 f. 2 BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, IStR 2008, 300; v. 28.4.2010 – I R 81/09, DStR 2010, 525 (526 f.); v. 8.9.2010 – I R 74/09, IStR 2011, 32 (33 f.); v. 8.11.2010 – I R 106/09, IStR 2011, 157 (157 f.); v. 7.12.2011 – I R 5/11, IStR 2012, 222. 3 Müller, BB 2009, 751 (752 ff.); Korn, IStR 2009, 641 (642); Gosch, in FS Spindler, 423; Wassermeyer, IStR 201, 85 (89); in diese Richtung auch Haun/Reiser, GmbHR 2007, 915 (921); Salzmann, IStR 2008, 399 (399 f.); a.A. Kramer, IStR 2010, 239 und DB 2011, 1882, der von betriebsstättenlosem Betriebsvermögen (dagegen: BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BStBl. II 2010, 398; Wassermeyer, IStR 2010, 241) oder einer Zuordnung zu einer ausländischen Betriebsstätte des Mitunternehmers ausgeht und so bereits nach innerstaatlichem Recht (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) mangels inländischer Einkünfte eine deutsches Besteuerungsrecht verneint. 4 BFH v. 10.7.2006 – II R 59/05, BStBl. II 2009, 758 (764 f.); v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510 (511).
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8.85
Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften
generell der Betriebsstätte der Gesellschaft zuordnen,1 verlangen die Vertreter einer abkommensautonomen Auslegung über eine rechtliche Zugehörigkeit hinaus eine „tatsächliche Zugehörigkeit“ zu der Betriebsstätte der Gesellschaft.2 Die Einkünfte müssten mit der in der Personengesellschafts-Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeit in einem funktionalen Zusammenhang stehen. Dabei soll es unerheblich sein, ob das entsprechende Abkommen eine „tatsächliche Zugehörigkeit“ ausdrücklich verlangt (wie bspw. Art. 11 Abs. 4 OECD-MA). Auch in den Fällen, in denen die einschlägige Abkommensbestimmung nur auf die „Zuordnung zum Betriebsstättenvermögen“ (z.B. Art. 10 Abs. 2 DBA-Frankreich) oder schlicht auf die „Zurechnung zur Betriebsstätte“ (z.B. Art. 11 Abs. 3 DBA-Großbritannien) abstellt, sei ein tatsächlich-funktionaler Zusammenhang mit der Personengesellschafts-Betriebsstätte erforderlich.3 Der BFH begründet dies damit, dass der Betriebsstättenvorbehalt letztlich Ausfluss des Fremdvergleichsgrundsatzes sei. Als Unternehmensgewinn seien danach diejenigen Gewinne der Betriebsstätte zuzurechnen, die ein vergleichbares selbständiges Unternehmen unter gleichen oder zumindest ähnlichen Bedingungen erzielt hätte.4
8.86 Von einer solchen funktional-tatsächlichen Zugehörigkeit (im Gegensatz zu einer (steuer-)rechtlichen Zugehörigkeit) zur Betriebsstätte geht der BFH in seiner ständigen Rechtsprechung nur dann aus, wenn die fragliche Forderung, die Beteiligung oder das Recht aus Sicht der Betriebsstätte einen Aktivposten bildet.5 Vor diesem Hintergrund scheidet eine funktionale Zuordnung der Sondervergütungen zu der Betriebsstätte der Personengesellschaft regelmäßig aus, da der Aktivposten nicht bei der Personengesellschaft, sondern bei dem Gesellschafter zu bilden ist. Auf Grundlage der speziellen Abkommensartikel unterliegen Sondervergütungen inländischer Personengesellschaften an ihre ausländischen Gesellschafter dann jedoch regelmäßig der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters. Deutschland steht allenfalls ein Quellenbesteuerungsrecht zu.
8.87 Soll im Einzelfall eine Besteuerung im Betriebsstättenstaat (in den Inbound-Fällen mithin Deutschland) begründet werden, so bietet sich als 1 Vgl. die in Rz. 8.82 genannten Stimmen. 2 BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, IStR 2008, 300 (302 f.); v. 8.9.2010 – I R 74/09, IStR 2011, 32 (33 f.); v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937 (939); v. 21.7.1999 – I R 110/98, DStR 1999, 1894 (1896 f.); zustimmend aus der Literatur Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 380; Piltz/Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 109; Pyszka, IStR 1998, 745 (746 ff.). 3 BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, IStR 2008, 300 (302 f.); v. 10.8.2006 – II R 59/05, BStBl. II 2009, 758 (765) – zum DBA-Frankreich; v. 20.12.2006 – I B 47/05, BFH/ NV 2007, 831 (835) – zum DBA-Großbritannien. 4 BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, IStR 2008, 300 (303). 5 BFH v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937 (939); v. 21.7.1999 – I R 110/98, DStR 1999, 1894 (1896); zur Problematik bei eigenkapitalersetzenden Darlehen vgl. Wassermeyer in W/A/D, Rz. 7.14 ff.; Schaden/Franz, Ubg 2008, 452 (460).
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B. Grundzüge der Besteuerung ausländischer Gesellschafter
Gestaltungsmöglichkeit die Vereinbarung eines Gewinnvorabs an, auf den nach überwiegender Ansicht Art. 7 Abs. 1 OECD-MA anzuwenden ist.1 bb) Sonderregelung des § 50d Abs. 10 EStG (1) Zielrichtung und Regelungsbereich Der deutsche Gesetzgeber wollte eine Einschränkung des deutschen Besteuerungsrechtes in Inbound-Fällen aufgrund der von Rechtsprechung und Literatur vertretenen abkommensautonomen Auslegung nicht hinnehmen und hat deshalb – insbesondere auf das BFH-Urteil vom 17.10.20072 – mit einer rechtsprechungsbrechenden Regelung reagiert.3 Gemäß § 50d Abs. 10 EStG gelten Sondervergütungen i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 und Nr. 3 Halbs. 2 EStG für die Anwendung eines DBA ausschließlich als Unternehmensgewinne, wenn das Abkommen keine ausdrückliche Regelung diesbezüglich enthält. § 50d Abs. 10 EStG bezieht sich auf sämtliche Arten von Sondervergütungen. Für Abkommenszwecke sind damit jegliche Einkünfte, die nach nationalem Recht als Sondervergütung zu qualifizieren sind, als Unternehmensgewinne anzusehen. Neben den in der Praxis häufigen Fällen der Zinszahlung bei Gesellschafterdarlehen werden bspw. auch Entgelte für die Erbringung von Tätigkeiten und Dienstleistungen sowie für die Überlassung von Rechten, Lizenzen und sonstigen Wirtschaftsgütern (z.B. Verpachtung des Betriebsgeländes) des jeweiligen Gesellschafters an seine Personengesellschaft erfasst. Unseres Erachtens dürfte die Regelung auch für Freiberufler-Personengesellschaften gelten.4
8.88
§ 50d Abs. 10 EStG findet aber wegen des fehlenden Verweises auf § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG keine Anwendung auf mittelbar beteiligte Gesellschafter. In den Grenzen von § 42 AO können deshalb doppelstöckige Personengesellschaften in Inbound-Fällen das deutsche Besteuerungsrecht auch unter Geltung von § 50d Abs. 10 EStG ausschließen.5 Ebenso dürfte die Anwendbarkeit für vermögensverwaltende Personengesellschaften (und nach der hier vertretenen Auffassung ebenso für gewerblich geprägte oder gewerblich infizierte Personengesellschaften) ausgeschlossen sein, da diese keine Betriebsstätte besitzen. Die vom Gesetzgeber angeordnete Fiktion von Unternehmensgewinnen läuft inso-
8.89
1 Vgl. dazu Müller, BB 2009, 751 (756); Möbus/Altrichter-Herzberg in Grotherr, Handbuch der Internationalen Steuerplanung3, 1136. 2 BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, IStR 2008, 300. 3 Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages zum Entwurf eines JStG 2009, BT-Drucks. 16/11108, 23 f.; äußerst kritisch zu dieser Regelung Wassermeyer, IStR 2011, 85 (90). 4 A.A. Salzmann, IWB Gruppe 3, Fach 3 (Deutschland), 1539 (1549); zu vermögensverwaltenden Personengesellschaften vgl. noch Rz. 8.89. 5 Vgl. auch Hils, DStR 2009, 888 (891); Franz/Voulon, BB 2011, 1111 (1116); in diese Richtung auch Salzmann, IWB Gruppe 3, Fach 3 (Deutschland), 1539 (1549).
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Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften
weit leer.1 Nach Ansicht des BFH werden zudem nachträgliche Sondervergütungen von § 50d Abs. 10 EStG nicht erfasst.2
8.90 In der Literatur wird teilweise die Ansicht vertreten, § 50d Abs. 10 EStG sei verfassungswidrig.3 Zum einen wird durch die Anwendung der Neuregelung auf alle noch nicht bestandskräftigen Einkommen- und Körperschaftsteuerfestsetzungen auch für Veranlagungszeiträume vor 2009 (vgl. § 52 Abs. 59a Satz 8 EStG) ein Fall echter Rückwirkung und schon deshalb ein Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG gesehen.4 Fraglich ist zudem, ob § 50d Abs. 10 EStG abkommensverdrängenden Charakter hat und damit einen sog. Treaty Override5 enthält,6 der 1 Ebenfalls Hils, DStR 2009, 888 (890). 2 BFH v. 8.11.2010 – I R 106/09, DStR 2011, 14 (15) – mit zustimmender Anm. Kessler/Philipp, IStR 2011, 158; v. 7.12.2011 – I R 5/11, IStR 2012, 222 – mit Anm. Pohl, IStR 2012, 225; ebenso FG Düsseldorf v. 7.12.2010 – 13 K 1214/06 E, EFG 2011, 878 (879 f.) insoweit bestätigt durch BFH v. 7.12.2011 – I R 5/11, IStR 2012, 222 – mit zustimmender Anm. Herbst/Loose, BB 2012, 947; FG BW v. 9.10.2009 – 10 K 3312/08, DStR 2010, 431 (433) bestätigt durch BFH v. 8.11.2010 – I R 106/09, DStR 2011, 14. Vgl. auch Rz. 8.63. 3 Ausführlich Jansen/Weidmann, IStR 2010, 596 (603 f.); ebenso Hils, DStR 2009, 888 (891); Frotscher, IStR 2009, 593 (598 ff.); a.A. Mitschke, DB 2010, 303 (305). 4 Hils, DStR 2009, 888 (891); Goebel/Liedtke/Schmidt, IWB 2010, 7 (9 f.); Schmidt, DStR 2010, 2436 (2438) m.w.N.; Franz/Voulon, BB 2011, 166 (167 f.); Schmidt in Lüdicke, Internationales Steuerrecht, 185 (206); kritisch auch Goebel/Eilinghoff/Schmidt, DStZ 2011, 74 (79); Herbst/Loose, BB 2012, 947; a.A. Gebhardt/Quilitzsch, BB 2011, 669 (673), die aufgrund der abweichenden Ansicht der Finanzverwaltung die Bildung eines schutzwürdigen Vertrauens ablehnen. Offengelassen von BFH v. 8.11.2010 – I R 106/09, DStR 2011, 14 (15); v. 8.9.2010 – I R 74/09, FR 2011, 179 (182); v. 7.12.2011 – I R 5/11, IStR 2012, 222; gegen eine verfassungswidrige, echte Rückwirkung FG Düsseldorf v. 7.12.2010 – 13 K 1214/06 E, EFG 2011, 878 (879) aus anderen Gründen aufgehoben durch BFH v. 7.12.2011 – I R 5/11, IStR 2012, 222. 5 Zum Begriff des Treaty Override vgl. Schwenke, FR 2012, 443 (443). 6 Für die Annahme eines Treaty Overrides FG Düsseldorf v. 7.12.2010 – 13 K 1214/06 E, EFG 2011, 878 (880 f.) aus anderen Gründen aufgehoben durch BFH v. 7.12.2011 – I R 5/11, IStR 2012, 222; Frotscher, IStR 2009, 593 (597); Salzmann, IWB Gruppe 3, Fach 3 (Deutschland), 1539 (1548 f.); Hils, DStR 2009, 888 (892); Frotscher, IStR 2009, 593 (597); Blumers/Zillmer, BB 2010, 1375 (1380); Dörfler/Rautenstrauch/Adrian, BB 2009, 580 (584); Jansen/Weidmann, IStR 2010, 596 (603 f.); Haas, IStR 2011, 353 (358); Franz/Voulon, BB 2011, 166 (168); Franz/Voulon, BB 2011, 1111 (1117); Schmidt, DStR 2010, 2436 (2438); Prinz, DB 2011, 1415 (1415, 1417); Gebhardt/Quilitzsch, BB 2011, 669 (673); Goebel/Eilinghoff/Schmidt, DStZ 2011, 74 (79); Lehner, IStR 2012, 389 (396); Schnitger in Lüdicke, Wo steht das deutsche Internationale Steuerrecht?, 183 (197); Schmidt in Lüdicke, Internationales Steuerrecht, 185 (205); Lüdicke in Schön/Hüttemann, Personengesellschaft im Steuerrecht, 95 (109); zweifelnd Mitschke, DB 2010, 303 (305); Meretzki, IStR 2009, 217 (224 f.); gegen die Annahme eines Treaty Overrides Boller/Eilinghoff/Schmidt, IStR 2009, 109 (111 f.); Mitschke, FR 2011, 182 (183); Korn, IStR 2009, 641 (643), jedoch vergleichbar zu behandeln; offengelassen von BFH v. 7.12.2011 – I R 5/11, IStR 2012, 222; Lange, GmbH-StB 2009, 128 (133); differenzierend Goebel/Liedtke/Schmidt, IWB 2010, 7 (8 f.).
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B. Grundzüge der Besteuerung ausländischer Gesellschafter
einen ungerechtfertigten Eingriff in die Grundrechte des Steuerpflichtigen bewirkt.1 Soweit man § 50d Abs. 10 EStG als Treaty Override qualifiziert, da diese nationale Regelung gegen den durch Auslegung gewonnenen Inhalt eines DBA verstößt, stellt sich auch insoweit die Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit. Teilweise wird ein aufgrund von Verstößen gegen den Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit und des Rechtsstaatsprinzips nicht zu rechtfertigender Eingriff in Art. 14, 2 und 3 GG gesehen, da § 50d Abs. 10 EStG zu einer Doppelbesteuerung führe, die die DBA gerade verhindern wollten.2 Mit Beschluss vom 10.1.2012 hat der BFH dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob der in § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG enthaltene Treaty Override verfassungswidrig ist.3 Nach Ansicht des vorlegenden 1. Senats verstößt ein Treaty Override gegen Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 und Art. 25 sowie Art. 3 Abs. 1 GG.4 Es ist davon auszugehen, dass die anstehende Entscheidung des BVerfG über den zu entscheidenden Fall hinaus die Frage der Verfassungskonformität eines Treaty Overrides klären wird.5 Nach Ansicht der Finanzgerichte München und Düsseldorf ist § 50d Abs. 10 EStG hingegen verfassungskonform und materiell wirksam.6 (2) Reichweite der Vorschrift Unabhängig von den zahlreichen offenen Fragen über den Regelungsbereich und die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift, ist die Bedeutung von § 50d Abs. 10 EStG auch in materieller Hinsicht zweifelhaft. Offensichtliches Ziel des Gesetzgebers war es, Sondervergütungen als Unter1 Zusammenfassend zu den Folgen Schmidt, DStR 2010, 2436 (2438). 2 Ausführlich BFH v. 10.1.2012 – I R 66/09, IStR 2012, 426 – m.w.N.; Frotscher, IStR 2009, 593 (597 ff.); a.A. Franz/Voulon, BB 2011, 1111 (1118) – auch zur Problematik einer echten Rückwirkung (vgl. dazu auch FG Düsseldorf v. 7.12.2010 – 13 K 1214/06 E, EFG 2011, 878 (879) aus anderen Gründen aufgehoben durch BFH v. 7.12.2011 – I R 5/11, IStR 2012, 222). 3 BFH v. 10.1.2012 – I R 66/09, IStR 2012, 426 – insoweit unter ausdrücklicher Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung vgl. BFH v. 13.7.1994 – I R 120/93, BStBl. II 1995, 129; v. 17.5.1995 – I B 183/94, BStBl. II 1995, 781. 4 Zweifelnd Schwenke, FR 2012, 443 (449 f.) unter Hinweis auf das Demokratieprinzip; gegen eine Verfassungswidrigkeit Lehner, IStR 2012, 389 (402), der jedoch einen Verstoß gegen das im Rang über einfachem Bundesgesetz stehende Gebot des pacta sunt servanda annimmt, welcher nur in sehr eng begrenzten Fällen gerechtfertigt sein könne (S. 404). 5 Ebenso Kaminski, Stbg 2012, 256 (260). – Möglich erscheint jedoch eine Differenzierung aufgrund der verschiedenen Arten von Treaty Overrides (z.B. zur Missbrauchsverhinderung, zur Verhinderung von Keinmalbesteuerung, zur Sicherstellung von Besteuerungssubstrat, vgl. zur Typisierung Schwenke, FR 2012, 443 (443 f.) m.w.N.), so wohl auch Mitschke, DStR 2011, 2221. 6 FG München v. 30.7.2009 – 1 K 1816/09, IStR 2009, 864 (aufgehoben durch BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, DStR 2010, 2450) – mit Anm. Goebel/Liedtke/Schmidt, IWB 2010, 7; FG Düsseldorf v. 7.12.2010 – 13 K 1214/06 E, EFG 2011, 878 (880 ff.) aus anderen Gründen aufgehoben von BFH v. 7.12.2011 – I R 5/11, IStR 2012, 222; ebenso Mitschke, DB 2010, 303 (305 f.).
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1053
8.91
Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften
nehmensgewinne einer inländischen Betriebsstätte der Personengesellschaft zuzuordnen und damit – im Gegensatz zu der Rechtsprechung des BFH1 – ein deutsches Besteuerungsrecht zu begründen.2
8.92 Nach einer Vielzahl von Literaturstimmen vermag § 50d Abs. 10 EStG in den meisten Fällen ein deutsches Besteuerungsrecht an Sondervergütungen, die eine inländische Personengesellschaft an einen im Ausland ansässigen Gesellschafter zahlt, nicht zu begründen.3 Teilweise wird bezweifelt, dass die Formulierung, Sondervergütungen gelten „für Zwecke der Anwendung des Abkommens ausschließlich als Unternehmensgewinne“ auch für Abkommen Bedeutung hat, die – wie insbesondere ältere Abkommen – anstelle von Unternehmensgewinnen auf „Einkünften aus gewerblichen Unternehmen“, „gewerblichen Gewinnen eines Unternehmens“ o.Ä. abstellen.4 Unseres Erachtens dürfte dieser Einwand nicht durchgreifen, da die Abkommen trotz unterschiedlicher Formulierung nicht auf unterschiedliche Einkunftsarten und Inhalte abzielen.5
8.93 Gewichtiger ist jedoch der Einwand, der Gesetzgeber habe allein durch eine Qualifikation von Sondervergütungen als abkommensrechtliche Unternehmensgewinne ein deutsches Besteuerungsrecht nicht begründen können.6 Ein solches kommt nur dann in Betracht, wenn diese Gewinne
1 BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, IStR 2008, 300. 2 Vgl. BT-Drucks. 16/11108, 23. 3 Vgl. die in Fn. 2 u. 4 auf dieser Seite genannten Stimmen; a.A. Mitschke, DB 2010, 303 (304); Mitschke, FR 2011, 182; Frotscher, IStR 2009, 593 (595 f.) u.a. unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung; ebenfalls noch a.A. FG Düsseldorf v. 7.12.2010 – 13 K 1214/06 E, EFG 2011, 878 (aufgehoben durch BFH v. 7.12.2011 – I R 5/11, IStR 2012, 222). 4 Vgl. Boller/Eilinghoff/Schmidt, IStR 2009, 109 (111); Goebel/Eilinghoff/Schmidt, DStZ 2011, 74 (77). 5 Ebenso FG Düsseldorf v. 7.12.2010 – 13 K 1214/06 E, EFG 2011, 878 (879) (aus anderen Gründen aufgehoben durch BFH v. 7.12.2011 – I R 5/11, IStR 2012, 222); FG München v. 30.7.2009 – 1 K 1816/09, DStR 2009, 2363 (2365 f.) (aus anderen Gründen aufgehoben durch BFH v. 8.9.2010, DStR 2010, 2450); Günkel/Lieber, Ubg 2009, 301 (304); Franz/Voulon, BB 2011, 166 (167); Franz/Voulon, BB 2011, 1111 (1116); Gebhardt/Quilitzsch, BB 2011, 669 (671); offengelassen durch BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, DStR 2010, 2450. 6 Salzmann, IWB Gruppe 3, Fach 3 (Deutschland), 1539 (1550 ff.); Meretzki, IStR 2009, 217 (219); Hils, DStR 2009, 888 (890 f.); Lohbeck/Wagner, DB 2009, 423 (425); Boller/Eilinghoff/Schmidt, IStR 2009, 109 (114 f.); Boller/Schmidt, IStR 2009, 852; Richter, FR 2010, 544 (553); Schmidt, IStR 2010, 413 (430); Schmidt, DStR 2010, 2436 (2437); Lange, GmbH-StB 2009, 128 (133 ff.); Goebel/Liedtke/ Schmidt, IWB 2010, 7 (10 f.); Lieber, IWB 2010, 351 (359); Haun/Reiser/Mödinger, GmbHR 2010, 637 (642); Schmitt-Homann, DStR 2010, 2545 (2549); Prinz, DB 2011, 1415 (1417); Häck, IStR 2011, 71 (75 ff.); Gebhardt/Quilitzsch, BB 2011, 669 (671 f.); Goebel/Eilinghoff/Schmidt, DStZ 2011, 74 (77); Schnitger, IStR 2011, 653 (658); Herbst/Loose, BB 2012, 947; Möbus/Altrichter-Herzberg in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 1132; Schmidt in Lüdicke, Internationales Steuerrecht, 185 (203); Gosch in FS Spindler, 424; wohl a.A. Vees, DB 2010, 1422 (1428); Feldgen, IWB 2010, 232 (239); Franz/Voulon,
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B. Grundzüge der Besteuerung ausländischer Gesellschafter
zugleich auch einer inländischen Betriebsstätte zuzurechnen sind (vgl. Art. 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 OECD-MA). Erforderlich ist mithin, dass die nach deutschem Recht als Sondervergütungen und aufgrund von § 50d Abs. 10 EStG abkommensrechtlich als Unternehmensgewinne zu qualifizierenden Einkünfte der dem ausländischen Gesellschafter durch die inländische Personengesellschaft im Inland vermittelten Betriebsstätte zugerechnet werden können. § 50d Abs. 10 EStG enthält eine DBA-präzisierende Definition für den Unternehmensgewinn, der über Art. 3 Abs. 2 OECD-MA Abkommenswirkung entfaltet. Unseres Erachtens kann sich diese Wirkung zunächst nur auf solche Abkommen beziehen, die nach Geltung des § 50d Abs. 10 EStG abgeschlossen worden sind. § 50d Abs. 10 EStG trifft zudem keine Regelung hinsichtlich einer Zurechnungsfiktion von Unternehmensgewinnen.1 Es wird damit auch weiterhin auf eine tatsächliche (funktionale) Zugehörigkeit der Wirtschaftsgüter zu einer inländischen Betriebsstätte ankommen, welche nicht allein aus der rechtlichen Zugehörigkeit der Sondervergütungen zum Unternehmensgewinn aufgrund § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG folgt.2 Dieser Auffassung hat sich auch der BFH angeschlossen.3 Dabei betont das Gericht, dass auch die im Rahmen des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 OECD-MA erforderlichen Zurechnungsfragen nach allgemeinen Verursachungs- und Veranlassungsgesichtspunkten zu entscheiden seien und mit den Zurechnungsfragen der Betriebsstättenvorbehalte weitgehend übereinstimmten. Der BFH bestätigte damit seine bisherige Rechtsprechung zur funktionalen Zurechnung.4 Der Auffassung widersprechen Teile der Literatur, wonach die zu Art. 11 Abs. 4 OECD-MA ergangene Rechtsprechung des BFH nicht auf Art. 7
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BB 2011, 1111 (1116 f.); Kammeter, IStR 2011, 35 (37); a.A. Mitschke, FR 2011, 182; Frotscher, IStR 2009, 593 (595). Salzmann, IWB Gruppe 3, Fach 3 (Deutschland), 1539 (1551) schlägt z.B. folgende Regelung vor: „(…) gelten diese Vergütungen für Zwecke der Anwendung des Abkommens ausschließlich als Unternehmensgewinne und die Vergütungen als der inländischen Betriebsstätte des Gesellschafters zugehörig“. BFH v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937 (939 f.). BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, DStR 2010, 2450 (mit ablehnender Anm. Mitschke, FR 2011, 182 u. Kammeter, IStR 2011, 35; kritisch zur Gesetzesauslegung des § 50d Abs. 10 EStG durch den BFH ausführlich auch Karla, IStR 2012, 52); v. 7.12.2011 – I R 5/11, IStR 2012, 222 (224); ebenso FG BW v. 9.10.2009 – 10 K 3312/08, DStR 2010, 431 (433) (bestätigt durch BFH v. 8.11.2010 – I R 106/09, DStR 2011, 14); a.A. FG Düsseldorf v. 7.12.2010 – 13 K 1214/06 E, EFG 2011, 878 (882 ff.) (aufgehoben durch BFH v. 7.12.2011 – I R 5/11, IStR 2012, 222). BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, IStR 2008, 300 (302 ff.); so hat es der BFH auch zu den DBA-Frankreich (BFH v. 10.8.2006 – II R 59/05, BStBl. II 2009, 758 (765 f.)) u. DBA-USA (BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356 (358 f.)) ausdrücklich für unbeachtlich gehalten, dass in den dortigen Betriebsstättenvorbehalten eine „tatsächliche“ Zugehörigkeit nicht verlangt wird. Für die in Art. 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 OECD-MA verwendete Formulierung der „Zurechenbarkeit zur Betriebsstätte“ sollte danach nichts anderes gelten.
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8.94
Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften
Abs. 1, 2 OECD-MA übertragen werden könne.1 Während im ersten Fall aufgrund des Wortlauts eine „tatsächliche“ Zurechnung erforderlich sei, reiche im Rahmen von Art. 7 OECD-MA eine rechtliche Zurechnung aus. Mangels abkommensrechtlicher Sonderregelungen sei hierzu auf nationale Vorschriften zurückzugreifen (vgl. Art. 3 Abs. 2 OECD-MA), wonach Sonderbetriebsvermögen und Sonderbetriebsausgaben der Personengesellschaft zuzurechnen seien. Bestätigt werde dies auch durch den ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, mittels § 50d Abs. 10 EStG Sondervergütungen, die eine inländische Personengesellschaft an einen im Ausland ansässigen Gesellschafter zahlt, der inländischen Betriebsstätte der Personengesellschaft zuzurechnen, um ein deutsches Besteuerungsrecht zu begründen.
8.95 Durch die aktuelle Rechtsprechung des BFH2 dürfte § 50d Abs. 10 EStG weitgehend leerlaufen. Dem Gesetzgeber bleibt somit nur die Möglichkeit einer Korrektur, die auch die Zurechnung der Sondervergütung zu der inländischen Betriebsstätte fingiert.3 Damit bleibt aber weiterhin die Frage der Vereinbarung eines Treaty Overrides mit dem Völkerrecht und dem Verfassungsrecht offen.4 4. Besteuerung im Verlustfall
8.96 Der abkommensrechtliche Begriff des „Gewinns“ umfasst nach überwiegender Ansicht sowohl positive als auch negative Einkünfte.5 Das OECDMA enthält keine Regelungen für die Ermittlung und Verrechnung von Verlusten. Es sind deshalb die nationalen Vorschriften anzuwenden. Im Fall einer deutschen Personengesellschaft sind dies insbesondere die inner- (§ 2 Abs. 3 EStG) und interperiodische (§ 10d EStG) Verlustverrechnung. Bei Beteiligungen an Kommanditgesellschaften ist zudem § 15a EStG zu beachten (vgl. zum Ganzen bereits Rz. 8.47 f.).
1 Frotscher, IStR 2009, 593 (596); Mitschke, DB 2010, 303 (304). 2 BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, DStR 2010, 2450. 3 Vgl. Mitschke, FR 2011, 182 (183 f.), der folgende Ergänzung vorschlägt: „(…), wenn diese Vergütungen nach dem Steuerrecht desjenigen Vertragsstaats, in dem die (Geschäftsleitungs-)Betriebsstätte gelegen ist, dem Gesellschafter selbst eine Betriebsstätte vermittelt und deshalb den Einkünften des Gesellschafters aus dieser Betriebsstätte zugerechnet werden.“ 4 Zu möglichen Bedenken gegen ein „Nachbessern“ durch den Gesetzgeber ausführlich Schmidt, DStR 2010, 2436 (2439 ff.); Schmidt in Lüdicke, Internationales Steuerrecht, 185 (208 ff.); kritisch auch Letzgus, Ubg 2010, 513 (517). 5 BFH v. 12.1.1983 – I R 90/79, BStBl. II 1983, 382 (383); v. 5.6.1986 – IV R 268/82, BStBl. II 1986, 659 (659); Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 159; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 383; kritisch Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 61 ff.
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B. Grundzüge der Besteuerung ausländischer Gesellschafter
5. Drittstaateneinkünfte a) Problemstellung und Lösung auf Grundlage des OECD-MA Problematisch ist die Behandlung der Fälle, in denen die inländische Personengesellschaft Einkünfte aus einem dritten Staat, also weder aus dem Wohnsitzstaat des ausländischen Gesellschafters noch aus dem Inland, bezieht.
8.97
Beispiel: An der deutschen, gewerblich tätigen K-KG ist der in A-Land ansässige Steuerausländer A beteiligt. Die K-KG bezieht der deutschen Betriebsstätte zuzurechnende Dividenden und Zinsen aus dem D-Staat, der auf diese eine Quellensteuer i.H.v. 15 % erhebt. Sowohl zwischen Deutschland und A-Land als auch zwischen Deutschland und D-Staat sowie zwischen A-Land und D-Staat soll ein DBA bestehen, das dem OECD-MA entspricht. Unstreitig ist zunächst, dass es sich bei den Dividenden- und Zinseinkünften nach innerstaatlichem Recht um beschränkt steuerpflichtige Einkünfte des A handelt (vgl. zum innerstaatlichen Recht bereits Rz. 8.49 ff.). Fraglich ist jedoch, wie in diesen Konstellationen eine Doppelbesteuerung – durch den Wohnsitzstaat A-Land, das Inland als Ansässigkeitsstaat der Personengesellschaft und durch den D-Staat – vermieden werden kann.
Auf Grundlage des OECD-MA kann sich die K-KG selbst weder auf das DBA zwischen A-Land und Deutschland noch auf dasjenige zwischen D-Staat und Deutschland berufen. Nach Art. 1 OECD-MA finden diese nur Anwendung auf Personen, die zumindest in einem der beiden Vertragsstaaten ansässig sind. Zwar ist auch eine Personengesellschaft eine Person i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA, sie ist jedoch keine ansässige Person, da sie in keinem der drei Länder steuerpflichtig ist. Demnach kann die K-KG selbst keine Entlastung von den Quellensteuern unter dem DBA-Deutschland/D-Staat verlangen.
8.98
A kann sich hingegen sowohl auf das DBA-Deutschland/A-Land als auch auf das DBA-A-Land/D-Staat berufen, da er als natürliche Person in A-Land unbeschränkt steuerpflichtig ist (Art. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, Art. 4 Abs. 1 OECD-MA). Hingegen kann sich auch er nicht auf das DBA-Deutschland/D-Staat berufen, weil er weder in Deutschland noch in D-Staat ansässig ist. Eine Anrechnung der Quellensteuern aufgrund des DBA-Deutschland/D-Staat kommt somit nicht infrage.
8.99
Eine etwaige Doppelbesteuerung könnte mithin nur auf der Grundlage des DBA-A-Land/D-Staat und DBA-A-Land/Deutschland vermieden werden. Im Verhältnis zwischen A-Land und Deutschland richtet sich die Verteilung der Besteuerungsrechte hinsichtlich der Gewinnanteile aus der gewerblich tätigen K-KG nach Art. 7 Abs. 1 OECD-MA, wenn es sich nicht um Einkünfte handelt, die in anderen Verteilungsartikeln geregelt sind (vgl. Art. 7 Abs. 4 OECD-MA).1
8.100
1 Von einem solchen Vorrang ist nach der Rspr. auch dann auszugehen, wenn das DBA eine Art. 7 Abs. 4 OECD-MA entsprechende Regelung nicht enthalten soll-
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Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften
Dividenden- und Zinseinkünfte, die aus Drittstaaten stammen, werden von den speziellen Verteilungsnormen in den Art. 10 ff. OECD-MA nicht erfasst, da diese stets voraussetzen, dass die jeweiligen Einnahmen aus einem der beiden Vertragsstaaten stammen.1 Nach ganz überwiegender Ansicht handelt es sich bei solchen quellensteuerpflichtigen Drittstaateneinkünften aus Sicht des A um andere Einkünfte i.S.v. Art. 21 OECD.2 Soweit die Dividenden- und Zinseinkünfte einer in einem Vertragsstaat gelegenen Betriebsstätte zuzuordnen sind, sind die Besteuerungsrechte nach Art. 7 OECD-MA zu verteilen (vgl. Art. 21 Abs. 2 OECD-MA).3
8.101 Für die Anrechnung der ausländischen Quellensteuern nach dem DBAA-Land/Deutschland müsste sich A darauf berufen, dass es sich bei den vereinnahmten Zinseinkünften um solche nach Art. 10 OECD-MA handelt, da in diesem Fall Art. 23A Abs. 2 OECD-MA eine Anrechnungsmöglichkeit vorsieht. Nach überwiegender Auffassung fehlt es jedoch gerade hieran.4 Nach Art. 23A Abs. 2 OECD-MA hat eine Anrechnung nur dann zu erfolgen, wenn es sich um „Einkünfte, die nach den Artikel 10 und 11 im anderen Vertragsstaat besteuert werden können“, handelt. Bei den hier fraglichen Einkünften handelt es sich jedoch nach den zuvor genannten Grundsätzen um solche nach Art. 21 Abs. 2, Art. 7 OECD-MA, für die nach dem klaren Wortlaut von Art. 23A OECD-MA die Freistellungsmethode greift.5 Die Zinseinkünfte werden über eine deutsche Betriebsstätte vereinnahmt und gehören somit nicht zu den Einkünften nach Art. 10 OECD-MA, sondern zu den Einkünften nach Art 7 OECD-MA, für die die Freistellung nach Art. 23A Abs. 1 und nicht Abs. 2 OECD-MA gilt. Aus diesem Grund vermag die im Schrifttum vertretene Auffassung nicht zu überzeugen, dass sich die Betriebsstättenvorbehalte (Art. 10 Abs. 4, 11 Abs. 4, 12 Abs. 3, 21 Abs. 2 OECD-MA) nur an den Betriebsstättenstaat richtet, es sich im Übrigen jedoch weiterhin um Dividenden-
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te; vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510 (511) – zum DBA-Niederlande; v. 10.8.2006 – II R 59/05, BStBl. II 2009, 758 (764) – zum DBA-Frankreich. Art. 10 Nr. 8 OECD-MK; Art. 11 Nr. 6 OECD-MK; Art. 12 Nr. 5 OECD-MK; auch Wassermeyer in D/W, Art. 21 OECD-MA Rz. 1. Art. 21 Nr. 4 OECD-MK; BFH v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563 (564 f.); v. 19.2.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510 (512); Wassermeyer in D/W, Art. 21 OECD-MA Rz. 66; Lehner in V/L5, Art. 21 OECD-MA Rz. 4; Ribbrock, Dreieckssachverhalte, 62 f.; a.A. Helde, Dreiecksverhältnisse, 80 m.w.N., die Art. 7 Abs. 1 OECD-MA unmittelbar für anwendbar hält, da es sich bei den Drittstaateneinkünften nicht um Dividenden (Zinsen) handle. Wassermeyer in D/W, Art. 21 OECD-MA Rz. 63 ff. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 379; Lang in FS Raupach, 601; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 1.2.4b; der BFH hat diese Frage bisher offengelassen, vgl. BFH v. 7.8.2002 – I R 10/01, BStBl. II 2002, 848 (849); v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510 (512 f.). Ebenso Schnitger/Rometzki in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 17.35. Anderes kann möglicherweise dann gelten, wenn das Abkommen – in Abweichung zu Art. 23A Abs. 2 OECD-MA – nicht auf Art. 10 u. 11 OECD-MA, sondern auf „Dividenden- und Zinseinkünfte“, verweist.
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B. Grundzüge der Besteuerung ausländischer Gesellschafter
oder Zinseinkünfte handle, die der Ansässigkeitsstaat nicht freistellen müsse.1 Im Verhältnis zwischen A-Land/D-Staat finden aufgrund von Art. 7 Abs. 4 8.102 OECD-MA für die Dividenden- und Zinseinkünfte Art. 10 und 11 OECDMA Anwendung, da die ausschüttende Gesellschaft bzw. der Schuldner in einem Vertragsstaat (hier: D-Staat) ansässig ist. Danach steht dem D-Staat ggf. ein eingeschränktes Quellenbesteuerungsrecht zu. Eine etwaige Doppelbesteuerung wird durch eine Anrechnung der im D-Staat gezahlten (Quellen-)Steuer durch A-Land vermieden (vgl. Art. 23A Abs. 2 OECDMA bzw. Art. 23B OECD-MA). Damit kann eine tatsächliche Doppelbesteuerung im Verhältnis von Quellen- und Ansässigkeitsstaat aber nur dann vermieden werden, wenn die Einkünfte im Ansässigkeitsstaat (hier: A-Land) tatsächlich besteuert werden. Stellt dieser die Dividenden- und Zinseinkünfte aufgrund eines zwischen ihm und Deutschland bestehenden DBA wegen Art. 7 i.V.m. Art. 23B OECD-MA frei, läuft eine Anrechnung mangels Steuerbelastung in A-Land ins Leere.2 Findet hingegen sowohl im Verhältnis von A-Land zu D-Staat wie auch A-Land zu Deutschland die Anrechnungsmethode Anwendung, stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis A-Land die Steuern aus Deutschland und D-Staat anrechnet, wenn die anzurechnenden Steuern die in A-Land zu zahlenden Steuern übersteigen.
8.103
Beispiel (Fortführung von Rz. 8.97): Die aus D-Staat bezogenen Dividenden betragen 100, die darauf entfallende Quellensteuer in D-Staat 15. Die Steuer in Deutschland soll 35 betragen, die in A-Land 30. Die K-KG erzielt keine weiteren Einkünfte. Der Höchstbetrag der anrechenbaren Steuer errechnet sich nach der Höhe der im anderen Staat erzielten Einkünfte (sog. „per country limitation“). Er beträgt für Deutschland und D-Staat jeweils 30. Darüber hinausgehende (deutsche) Steuern sind in A-Land nicht anrechenbar, sodass A deutsche Steuern (jedenfalls) i.H.v. 5 zu tragen hat. Außerdem übersteigen die grundsätzlich anrechenbaren Steuern aus Deutschland und D-Staat i.H.v. insgesamt 45 die in A-Land zu zahlenden Steuern i.H.v. 30. Steuern i.H.v. (weiteren) 15 können mithin in A-Land nicht angerechnet werden. Unklar ist, in welchem Verhältnis diese auf Steuern aus D-Staat und Deutschland entfallen. Hierbei erscheint eine verhältnismäßige Aufteilung angemessen, sodass vorliegend auf die in A-Land zu entrichtende Steuer i.H.v. 30 deutsche Steuer i.H.v. 20 und Quellensteuer aus D-Staat i.H.v. 10 anzurechnen ist. Die darüber hinausgehende (deutsche und D-staatliche) Steuer i.H.v. 20 hat A zu tragen.3
1 Vgl. dazu Wassermeyer in FS Ruppe, 685 ff. 2 Schnitger/Rometzki in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 17.41; Ribbrock, Dreieckssachverhalte, 72; Helde, Dreiecksverhältnisse, 80. 3 Das innerstaatliche Recht (des A-Landes) kann hingegen einen Vor- oder Rücktrag von Anrechnungsüberhängen vorsehen, der es ermöglicht, die übersteigende ausländische Steuer in anderen Veranlagungszeiträumen zu berücksichtigen; vgl. Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 254.
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Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften
8.104 Wie gezeigt, können die Verteilungs- oder Methodenartikel der Abkommen diese Fälle grundsätzlich nicht lösen, da die Personengesellschaft keine ansässige Person im abkommensrechtlichen Sinne ist und auch der Gesellschafter in keinem der beiden Vertragsstaaten ansässig ist. Teilweise wird ein Rückgriff auf das abkommensrechtliche Diskriminierungsverbot (Art. 24 Abs. 3 OECD-MA) befürwortet, das eine Schlechterstellung von Betriebsstätten gegenüber im Vertragsstaat ansässigen Unternehmen verbietet. Deshalb müsse das mit D-Staat bestehende DBA auch zugunsten der Personengesellschaft angewandt werden.1 Schließlich könnten auch die Grundfreiheiten des EUV eine Ausweitung des persönlichen Anwendungsbereichs des DBA zwischen dem Sitzstaat der Gesellschaft und dem Quellenstaat dahin gehend verlangen, dass auch die Personengesellschaft als ansässige Person anzusehen ist.2 Für den hier interessierenden Fall einer inländischen Personengesellschaft mit ausländischen Gesellschaftern ermöglicht jedenfalls die innerstaatliche Regelung des § 50 Abs. 3 EStG eine Anrechnung der im Drittstaat gezahlten Quellensteuern auf die beschränkt steuerpflichtigen Betriebsstätteneinkünfte (vgl. dazu Rz. 8.53 f.). Die Regelung kommt auch bei Bestehen eines DBA zur Anwendung3 und verhindert eine doppelte Besteuerung der Dividenden- und Zinseinkünfte im Quellenstaat und im Inland. b) Abkommensspezifische Sonderregelungen
8.105 Es steht den Vertragsstaaten eines DBA frei, abweichend von dem OECDMA auch die Personengesellschaft als ansässige Person zu definieren. In diesem Fall kann sich die Gesellschaft selbst auf den Abkommensschutz berufen und dadurch eine Doppelbesteuerung auch im Verhältnis vom Sitzstaat der Personengesellschaft zum Quellenstaat vermeiden.
8.106 Gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 DBA-Belgien sind auch deutsche offene Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften und Partenreedereien eine in einem Vertragsstaat ansässige Person, wenn sich ihre tatsächliche Geschäftsleitung in Deutschland befindet. Unabhängig von der Ansässigkeit ihrer Gesellschafter können sich damit diese Gesellschaften selbst auf das Abkommen berufen. Beispiel: Der in A-Land ansässige A ist an der deutschen O-OHG beteiligt, welche Einkünfte aus Belgien bezieht, die dort einer Quellenbesteuerung unterliegen.
1 Vgl. Schnitger/Rometzki in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 17.45 ff., die jedoch zu Recht darauf hinweisen, dass dadurch keinesfalls eine Bindungswirkung für den Quellenstaat begründet werden könne. 2 Ausführlich Schnitger/Rometzki in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 17.49 ff. 3 Vgl. auch Kube in K/S/M, § 50 EStG Rz. F 3; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 380; R 50.2 Satz 1 EStR 2008.
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B. Grundzüge der Besteuerung ausländischer Gesellschafter Nach den zuvor genannten Grundsätzen können im Verhältnis von A-Land und Deutschland sowie zwischen A-Land und Belgien bestehende DBA Anwendung finden und eine Doppelbesteuerung regelmäßig vermeiden. Darüber hinaus kann sich die O-OHG selbst auf das DBA-Belgien berufen, wonach Deutschland eine in Übereinstimmung mit Art. 10 Abs. 2 und Abs. 3 DBA-Belgien erhobene belgische Quellensteuer anrechnet (Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Belgien). Die Anrechnung erfolgt auf die von A im Rahmen seiner beschränkten Steuerpflicht zu entrichteten deutschen Einkommensteuer. Dieses Ergebnis gilt auch unter Anwendung von § 50 Abs. 3 EStG (sofern Gewinneinkünfte). Jedoch geht die Abkommensberechtigung noch darüber hinaus. So wird u.a. der Quellenstaat aufgrund des DBA dazu verpflichtet, den Quellensteuersatz gegenüber dem Gläubiger (O-OHG) zu reduzieren.
Vergleichbare Regelungen finden sich in Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBAAserbaidschan i.V.m. Protokoll Nr. 2. Auch nach den deutschen DBA mit Island (Art. 3 Abs. 1 Buchst. d, Art. 4 Abs. 4 DBA-Island), Polen (Art. 3 Abs. 1 Buchst. b, Art. 4 Abs. 4 DBA-Polen) und Slowenien (Art. 3 Abs. 1 Buchst. b, Art. 4 Abs. 4 DBA-Slowenien) sind Personengesellschaften in dem Vertragsstaat ansässig, in dem sich der Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung befindet. Die Verteilungsartikel finden jedoch nur auf das Einkommen oder Vermögen der Gesellschaft Anwendung, das in ihrem Ansässigkeitsstaat der Besteuerung unterliegt (jeweils Art. 4 Abs. 4 Satz 2 der DBA). Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b, Art. 4 Abs. 4 DBA-Finnland ist eine Personengesellschaft in dem Vertragsstaat ansässig, nach dessen Recht sie gegründet wurde. Gemäß Art. 3, 4 DBA-Liberia i.V.m. Protokoll Nr. 5 gilt Gleiches für in Deutschland errichtete Personengesellschaften.1 Unter dem DBA-Italien sind Personengesellschaften schließlich dann in einem Vertragsstaat ansässig, wenn sie nach dem Recht dieses Staates gegründet wurden oder sich der Hauptgegenstand ihrer Tätigkeit dort befindet (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d, Art. 4 Abs. 1 DBA-Italien i.V.m. Protokoll Nr. 2). In all diesen Fällen kann sich die deutsche Personengesellschaft selbst auf das jeweilige Abkommen berufen und so i.d.R. eine Entlastung von in Drittstaaten gezahlter Quellensteuer erlangen.
8.107
Einen rechtssystematisch anderen Weg gehen das DBA-Spanien (1966)2 und das DBA-Portugal. Nach Art. 4 Abs. 4 des jeweiligen Abkommens werden die Gesellschafter von Personengesellschaften, die in einem der Vertragsstaaten den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung haben, so behandelt, als seien sie selbst in diesem Vertragsstaat ansässig.3 Die Abkommen enthalten mithin nicht eine Sonderregelung zur Ansässigkeit der Personengesellschaft, sondern für ihre Gesellschafter. Auch in einem Drittstaat ansässige Gesellschafter deutscher Personengesellschaften
8.108
1 Das DBA-Südafrika enthält hingegen nur für südafrikanische Gesellschaften eine Sonderregelung (Art. 3 Abs. 1 Buchst. g Doppelbuchst. aa DBA-Südafrika), die für die hier untersuchten Fälle von inländischen Personengesellschaftern mit ausländischen Gesellschaftern keine Bedeutung hat. 2 Am 3.2.2011 wurde ein neues DBA-Spanien unterzeichnet, das jedoch noch nicht in Kraft getreten ist. 3 Art. 4 Abs. 4 DBA-Portugal nimmt jedoch Ausschüttungen der Gesellschaft von dieser Regelung aus.
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Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften
können sich deshalb auf das DBA-Spanien (bzw. DBA-Portugal) berufen und damit gegenüber Deutschland eine Entlastung von in dem Drittstaat gezahlter Quellensteuer erreichen.1 Eine Besteuerung im anderen Vertragsstaat ist jedoch dann möglich, wenn die Einkünfte in Deutschland nicht der Besteuerung unterliegen (Art. 4 Abs. 4 Satz 2 DBA-Spanien/Portugal).
8.109 Einen Sonderweg geht auch das DBA-Schweiz. Dieses enthält zwar keine Sonderregelungen, die eine Abkommensberechtigung von Personengesellschaften begründen könnten. Auch Personengesellschaften können jedoch die in den Art. 10–12 DBA-Schweiz vorgesehenen Entlastungen von den Steuern des anderen Vertragsstaates beanspruchen, wenn mindestens 3/4 der Gewinne der Gesellschaft Personen zustehen, die in dem Staat ansässig sind, nach dessen Recht die Gesellschaft errichtet ist.2 Beispiel: An der deutschen K-KG sind der in Deutschland ansässige D zu 4/5 und der im Ausland ansässige A zu 1/5 beteiligt. Die K-KG bezieht Dividendeneinkünfte aus der Schweiz, die ihrer deutschen Betriebsstätte zuzurechnen sind und die in der Schweiz einer Quellensteuer unterliegen. Unproblematisch auf das DBA-Schweiz berufen und damit Entlastung von den einbehaltenen Quellensteuern erlangen kann sich D, da er selbst in Deutschland ansässig ist. Fraglich ist jedoch, ob auch A, der in Deutschland beschränkt steuerpflichtig ist, eine Anrechnung der Schweizer Quellensteuer auf die inländische Steuer erreichen kann. Weder A selbst noch die K-KG sind mangels Ansässigkeit in Deutschland oder der Schweiz unter dem DBA-Schweiz abkommensberechtigt. Da A jedoch nur Minderheitsgesellschafter der K-KG ist und im Übrigen an dieser zu über 75 % Personen beteiligt sind, die unter dem DBA-Schweiz abkommensberechtigt sind, kann die zuvor genannte Vereinfachungsregelung zur Anwendung kommen. Die K-KG kann deshalb für alle hinter ihr stehenden Gesellschafter – mithin auch für A – Entlastung von der Schweizer Quellensteuer auf Grundlage von Art. 10 DBA-Schweiz verlangen.
8.110 Eine ähnliche Vereinfachungsregelung bestand für deutsche Personengesellschaften im Rahmen des DBA-Frankreich, wenn sämtliche Gesellschafter in Deutschland ansässig sind. Das BMF vom 20.2.1981,3 das die Möglichkeit bot, dass die Gesellschaft mit nur einem einzigen Antrag Entlastung von der französischen Quellensteuer für ihre Gesellschafter erreichen konnte, wurde mittlerweile jedoch aufgehoben.4
8.111 Speziell für Unternehmensgewinne trifft das DBA-Japan in Art. 7 Abs. 7 eine Sonderregelung für deutsche offene Handelsgesellschaften und Kom1 Vgl. auch Herlinghaus in D/W, Art. 4 DBA-Spanien Rz. 17 ff.; Raber in D/W, Art. 4 DBA-Portugal Rz. 21 ff. 2 Vgl. Verhandlungsprotokoll v. 18.6.1971 zu Art. 10–12 sowie Verständigungsvereinbarung v. 26.11.1971 u. v. 26.1.1972, jeweils abgedruckt in Beck’sche Textausgaben DBA, Schweiz 0.1. Ausführlich dazu auch Zwosta in D/W, Art. 10 DBASchweiz Rz. 47; Hardt in D/W, Art. 4 DBA-Schweiz Rz. 48. 3 BMF v. 20.2.1981 – IV C 5 - S 1301 Fra-23/81, BStBl. I 1981, 74. 4 BMF v. 29.3.2007 – IV C 6 - O 1000/07/0018, BStBl. I 2007, 369.
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B. Grundzüge der Besteuerung ausländischer Gesellschafter
manditgesellschaften. Danach werden für die Anwendung dieses Artikels eine nach deutschem Recht gegründete offene Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft mit Sitz in Deutschland wie eine in Deutschland ansässige juristische Person behandelt. Das Besteuerungsrecht für (Unternehmens-)Gewinne der deutschen Personengesellschaft steht nach Art. 7 Abs. 1 DBA-Japan danach Deutschland zu, soweit nicht die Gesellschaft eine Betriebsstätte in Japan unterhält. Da diese Regelung jedoch ausdrücklich auf Unternehmensgewinne beschränkt ist, ist die deutsche Personengesellschaft für andere Einkünfte nicht abkommensberechtigt. Sie kann also bspw. nach dem DBA-Japan keine Entlastung von japanischen Quellensteuern auf Dividenden oder Zinsen verlangen. 6. Qualifikationskonflikte Als Qualifikationskonflikt soll hier der subjektive Qualifikationskonflikt behandelt werden, der durch unterschiedliche Regelungen zur Steuersubjektqualität bestimmter Rechtsträger auftritt, insbesondere wenn ein Staat eine (Personen-)Gesellschaft als transparent behandelt, während der andere Staat diese Gesellschaft als intransparentes Steuersubjekt ansieht oder umgekehrt. Aus diesem Konflikt unterschiedlicher Ansätze über die Steuersubjektqualität ergibt sich ein Zurechnungskonflikt, da die Einkünfte nach dem Recht des einen Staates den Gesellschaftern und nach dem Recht des anderen Staates der Personengesellschaft zugerechnet werden.1
8.112
In dem hier zu behandelnden Inbound-Fall kann ein subjektiver Qualifikationskonflikt entweder dadurch auftreten, dass eine deutsche Personengesellschaft im Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters als nicht-transparentes Körperschaftsteuersubjekt angesehen wird oder eine deutsche Kapitalgesellschaft aus Sicht des ausländischen Gesellschafters als Personengesellschaft zu qualifizieren ist. Erzielt die Personengesellschaft Einkünfte aus einem Drittstaat, so kann auch die Sichtweise des Drittstaates für die steuerliche Beurteilung der Steuersubjektqualität entscheidend sein. Somit muss auf bis zu drei Ebenen über die Steuersubjektqualität einer Gesellschaft entschieden werden (Quellenstaat der Einkünfte, Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft und Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter). Zumeist werden die Staaten völlig autonom nach eigenem, nationalen Steuerrechtsverständnis die Steuersubjektqualifikation vornehmen. Abgesehen von Sonderfällen zwingt sie auch das DBA-Recht nicht, ausländische Qualifikationen für eigene Besteuerungszwecke zu übernehmen (vgl. dazu ausführlich Rz. 1.171 ff.).
8.113
Wenn keine rechtlich verbindliche Qualifikationsverkettung besteht, sind internationale Besteuerungskonflikte vorprogrammiert: Wird etwa
8.114
1 Im Gegensatz hierzu steht der objektive Qualifikationskonflikt, in dem es insbesondere um unterschiedliche Einkünftequalifikationen geht. Dieser kann aber auch auf einen subjektiven Qualifikationskonflikt zurückzuführen sein.
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Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften
eine deutsche Personengesellschaft im Ansässigkeitsstaat des ausländischen Gesellschafters als eigenes Steuersubjekt behandelt, so werden nach dem ausländischen Steuerrecht die Einkünfte dieser Gesellschaft zugerechnet. Der Gesellschafter wird einer Besteuerung erst bei Ausschüttung unterworfen. Aus Sicht des Ansässigkeitslandes der Gesellschaft werden die Einkünfte hingegen sofort den Gesellschaftern zugerechnet ohne Besteuerungsrecht auf die Ausschüttung. Im Falle einer deutschen Kapitalgesellschaft würde der Konflikt darin bestehen, dass der Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft ein Besteuerungsrecht auf Ebene der Gesellschaft und ein weiteres Besteuerungsrecht bei Ausschüttung für sich einfordert, während der Gesellschafter bereits bei Einkünfteerzielung durch die Gesellschaft besteuert würde.
8.115 Bei den deutschen Inbound-Gestaltungen ist die Behandlung von subjektiven Qualifikationskonflikten weniger problematisch, da es hier nicht um die deutsch-steuerliche Behandlung von ausländischen Personengesellschaften geht (Outbound-Fall) und die deutschen Personengesellschaften nach deutschem Steuerrecht immer als transparent gegenüber ihren Gesellschaftern angesehen werden. Aus deutscher Sicht wird insbesondere eine deutsche Personengesellschaft niemals als Steuersubjekt angesehen, nur weil in dem Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter diese Gesellschaft als intransparent behandelt wird. Auch im umgekehrten Fall würde eine deutsche Kapitalgesellschaft für deutsch-steuerliche Zwecke immer als intransparentes Steuersubjekt anzusehen sein, unabhängig von der Behandlung im Ausland. Es ist in diesem Fall Aufgabe des ausländischen Staates, mögliche Qualifikationskonflikte zu vermeiden, indem er bspw. die deutsche Qualifikation übernimmt (Qualifikationsverkettung) oder etwa durch Steueranrechnung eine Doppelbesteuerung vermeidet. Teilweise wird etwa in der deutschen Literatur vertreten, dass die Qualifikation der Gesellschaft auf die Gesellschafter durchschlagen müsse.1 Diese Auffassung wird jedoch in dieser Allgemeinheit zu Recht abgelehnt,2 soweit sie nicht ausnahmsweise DBA-rechtlich geboten ist (so insbesondere aber Art. 1 Abs. 7 DBA-USA). Liegt die Einkünftequelle in einem Drittstaat, so kann neben dem Qualifikationskonflikt zwischen dem Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft und dem/den Gesellschafter(n) auch noch ein Konflikt mit dem Quellenstaat treten.
8.116 Beispiel: Eine GmbH & Co. KG erzielt Einkünfte aus a) originär gewerblicher Tätigkeit im Inland, b) inländische Dividendeneinkünfte, c) Dividendeneinkünfte aus einem Drittland. Gesellschafter der KG ist A, der in einem Staat ansässig ist, der die KG als intransparentes Steuersubjekt behandelt. Auch das Drittland behandelt die KG als Steuersubjekt. Aus deutscher Sicht werden die Einkünfte der GmbH & Co. KG als gewerbliche Einkünfte qualifiziert, die dem Mitunternehmer A steuerlich zuzurechnen sind. 1 Vgl. etwa Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 33. 2 Eine Qualifikationsverkettung ablehnend auch BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, IStR 2011, 688.
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C. Erwerb von Anteilen an einer inländischen Personengesellschaft Dies gilt grundsätzlich auch bezogen auf die inländischen und ausländischen Dividendeneinkünfte. Hier stellt sich allenfalls die Frage, ob die gewerbliche Prägung/ gewerbliche Infektion nach deutschem Steuerrecht auf die Einkünftequalifikation im DBA-Fall durchschlägt (vgl. dazu Rz. 8.65 und Rz. 8.69).
Bezüglich der Dividendeneinkünfte aus Drittstaaten ist die Lösung aus deutscher Sicht nicht anders zu beurteilen als bei inländischen Dividendeneinkünften. Allein der Umstand, dass die Einkünfte aus einem Quellenland bezogen werden, das die Personengesellschaft wiederum als Kapitalgesellschaft behandelt, bedeutet aus deutscher ertragsteuerlicher Sicht nicht, dass die Dividendenerträge unter das deutsche Körperschaftsteuerregime fallen würden. Es gibt hierzu grundsätzliche keine DBA-rechtliche Verpflichtung. Hiervon ist aber die Frage zu unterscheiden, ob wiederum das Quellenland für die Abkommensberechtigung davon ausgehen muss, dass Empfänger der Dividende ein – aus seiner Sicht – Körperschaftsteuersubjekt ist. Hier ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Quellenstaat als Anwenderstaat die DBA-Berechtigung wiederum nach eigenem nationalem Steuerrecht beurteilt, ohne an die deutsche Steuersubjektqualität gebunden zu sein. Etwas ganz anderes gilt nur dann, wenn der Quellenstaat eine Auslandsgesellschaft als transparent behandelt, während der Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft diese als intransparent behandelt. Es entspricht es einer weitverbreiteten Meinung, dass ein Quellenstaat eine ausländische Personengesellschaft dann als abkommensberechtigt anzusehen hat, wenn sie in ihrem Ansässigkeitsstaat ein eigenständiges Steuersubjekt darstellt (vgl. hierzu Rz. 1.178). Dieser Fall kann jedoch beim Beziehen ausländischer Quelleneinkünfte durch eine deutsche Personengesellschaft nicht auftreten. Allenfalls wenn Bezieher der Dividenden eine deutsche GmbH wäre, die aus dem Quellenland Einkünfte bezieht und in dem Quellenland als transparent eingestuft würde, könnte sich die GmbH nach DBA-Recht auf ihre deutsche Steuersubjektqualität gegenüber dem Quellenstaat berufen.
8.117
C. Erwerb von Anteilen an einer inländischen Personengesellschaft Der Erwerb eines bereits existierenden Anteils an einer deutschen Personengesellschaft durch einen Steuerausländer weist hinsichtlich seiner steuerlichen Behandlung keine Besonderheiten gegenüber dem Erwerb durch einen Steuerinländer auf.1 Zwar handelt es sich zivilrechtlich um den Erwerb von (Personen-)Gesellschaftsanteilen, steuerrechtlich wird der Erwerb dieser Anteile jedoch wie ein Erwerb der einzelnen Wirt-
1 Rödder/Hötzel in Rödder/Hötzel/Mueller-Thuns, Unternehmenskauf/Unternehmensverkauf, § 27 Rz. 124.
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schaftsgüter behandelt.1 Der Gesellschafterwechsel lässt die Gesamthandsbilanz der Personengesellschaft grundsätzlich unverändert.2 Die Anschaffungskosten des neu eintretenden Gesellschafters sind diesem vielmehr individuell zuzuordnen. In einer steuerlichen Ergänzungsbilanz sind diese auf die erworbenen Wirtschaftsgüter mit stillen Reserven zu verteilen; ggf. ist ein Geschäftswert zu aktivieren.3 Finanzierungskosten, die der Steuerausländer zum Erwerb der Beteiligung an der inländischen Personengesellschaft aufwendet und die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit beschränkt steuerpflichtigen Einkünften stehen (§ 50 Abs. 1 Satz 1 EStG), sind grundsätzlich im Inland als Sonderbetriebsausgaben oder Sonderwerbungskosten abziehbar. Sollte die deutsche Personengesellschaft im Ausland als intransparent behandelt werden, so kann dieser Qualifikationskonflikt dazu führen, dass die Finanzierungsaufwendungen sowohl im Inland als auch im Ausland steuerlich geltend gemacht werden können.4
8.119 Besonderheiten können sich jedoch im Gründungsfall ergeben, wenn der ausländische Gesellschafter eine Sacheinlage tätigt, die aus seinem ausländischen Betriebsvermögen stammt. In rein innerstaatlichen Sachverhalten erfolgt die Überführung eines Wirtschaftsgutes aus einem anderen Betriebsvermögen des Gesellschafters in seine Personengesellschaft zwingend zum Buchwert (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG). Dies gilt jedoch nicht für eine Einlage aus ausländischem Betriebsvermögen, da in diesen Fällen des Besteuerungsrecht vom Sitzstaat des Steuerausländers nach Deutschland wechselt. Beispiel: Der Steuerausländer A gründet mit dem in Deutschland ansässigen D die deutsche O-OHG. A und D haben im Gesellschaftsvertrag vereinbart, dass A aus seinem ausländischen Unternehmen verschiedene Produktionsmaschinen in die O-OHG einlegt. Die Maschinen sind nach dem Steuerrecht des Ansässigkeitsstaates des A bereits voll abgeschrieben, haben jedoch noch einen Fremdvergleichswert/gemeinen Wert/Teilwert von zusammen 100 000 Euro. Da durch die Sacheinlage in das Gesamthandsvermögen der O-OHG erstmals ein deutsches Besteuerungsrecht begründet wird, sind die Produktionsmaschinen mit 1 Rödder/Hötzel in Rödder/Hötzel/Mueller-Thuns, Unternehmenskauf/Unternehmensverkauf, § 27 Rz. 2; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 1225. 2 Abgesehen von der Umschreibung des Kapitalkontos. 3 Ausführlich dazu Rödder/Hötzel in Rödder/Hötzel/Mueller-Thuns, Unternehmenskauf/Unternehmensverkauf, § 27 Rz. 51, 21 ff.; Jacobs, Unternehmensbesteuerung und Rechtsform4, 501 ff. 4 Zu einem doppelten Abzug von Sonderbetriebsausgaben kann es zudem kommen, wenn diese im Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters diesem zugerechnet werden, sie in beiden Staaten abzugsfähig sind und der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters die Betriebsstätteneinkünfte entweder freistellt oder bei Anwendung der Anrechnungsmethode den nach deutschem Steuerrecht ermittelten Betriebsstättengewinn übernimmt; vgl. ausführlich zu sog. Double-Dip-Modellen im Zusammenhang mit der Beteiligung von Ausländern an deutschen Personengesellschaften Müller, IStR 2005, 181.
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C. Erwerb von Anteilen an einer inländischen Personengesellschaft ihrem gemeinen Wert von 100 000 Euro zu aktivieren (§ 4 Abs. 1 Satz 7 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG).1 Ein Bewertungswahlrecht besteht nicht. Es besteht auch keine Korrespondenz zur Bewertung nach ausländischem Recht, d.h., es ist unerheblich, ob das ausländische Steuerrecht in der Überführung einen Realisationstatbestand sieht oder nicht.
Ein inländischer Gesellschafter, der Anteile an einer Personengesellschaft erwirbt, kann sämtliches, nicht notwendiges Betriebsvermögen mit steuerlicher Wirkung entnehmen (z.B. Barmittel). Fraglich ist, ob dies auch für einen ausländischen Erwerber gilt oder ob insoweit Einschränkungen zu beachten sind. Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll ein beschränkt Steuerpflichtiger nach dem Erwerb von Anteilen an inländischen Personengesellschaften die Eigenkapitalausstattung nicht willkürlich zulasten der Betriebsstätte verringern können.2 Die bisherige Dotation durch den Altgesellschafter sei als betriebsnotwendiger Vergleichsmaßstab heranzuziehen. Eine darüber hinausgehende Entnahme des Neugesellschafters führt nach dieser Ansicht dazu, dass die Erträge der entnommenen Wirtschaftsgüter gleichwohl weiterhin dem Betriebsstättenergebnis (fiktiv) zugerechnet werden. In der Literatur wird teilweise bezweifelt, dass diese Sichtweise der Finanzverwaltung mit dem Gesetz vereinbar sei.3 Vielmehr stehe es einem Gesellschafter frei, wie er seine Gesellschaft finanziell ausstattet. Einschränkung erfahre diese Finanzierungsfreiheit lediglich durch die auch im Verhältnis zu Steuerausländern geltende Regelung der Überentnahme nach § 4 Abs. 4a EStG, die durch eine Zinsabzugsbeschränkung mittelbar eine bestimmte Finanzausstattung der Gesellschaft sicherstelle.
8.120
Neben dem Erwerb von Anteilen oder der Gründung einer Personengesellschaft können Steuerausländer auch dadurch an einer inländischen Personengesellschaft beteiligt werden, dass eine deutsche Kapitalgesellschaft rechtsformwechselnd in eine deutsche Personengesellschaft umgewandelt oder eine Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft verschmolzen wird (vgl. dazu Rz. 10.58 ff.).
8.121
1 Die gesetzliche Regelung greift mit Wirkung ab Veranlagungszeitraum 2007. Vergleichbar war zuvor aufgrund von Verwaltungsanweisung der „Ansatz zum Fremdvergleichspreis“; vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.6.3. 2 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.5.2. 3 Löwenstein/Heinsen, IStR 2007, 301; Watermeyer, GmbH-StB 2000, 277 (280).
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Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften
D. Ermittlung der (inländischen) Einkünfte des ausländischen Gesellschafters I. Grundsatz 8.122 Die Einkünfte des ausländischen Gesellschafters einer inländischen gewerblichen Personengesellschaft sind im Grundsatz ebenso zu ermitteln wie inländische Betriebsstätteneinkünfte von Steuerausländern. Die Personengesellschaft ist zwar selbst Betriebsstätteninhaber. Aufgrund ihrer Transparenz werden ihre Betriebsstätten aber den Mitunternehmern anteilig zugerechnet. Jeder Mitunternehmer muss sich also die von der Personengesellschaft unterhaltene Betriebsstätte wie eine eigene zurechnen lassen. Nach Auffassung der Rechtsprechung genügt es dabei, dass entweder die Personengesellschaft oder ein Gesellschafter Verfügungsmacht hat.1 Jedoch lässt sich schon bei rein nationalen Sachverhalten die vom Gesetz grundsätzlich vorgesehene Gleichstellung des Mitunternehmers mit einem Einzelunternehmer nicht gänzlich durchhalten. Insbesondere im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter sind Modifikationen erforderlich. Auch bei ausländischen Gesellschaftern können die Grundsätze der Betriebsstättengewinnermittlung nur mit gewissen Besonderheiten angewendet werden.
II. Buchführungspflicht 8.123 Eine deutsche OHG oder KG ist gemäß § 140 AO i.V.m §§ 238 Abs. 1, 6 Abs. 1 HGB verpflichtet, Bücher zu führen. Eine Beteiligung von im Ausland ansässigen Gesellschaftern ändert daran nichts. Nach Auffassung der Finanzverwaltung sollen daneben auch ausländische Rechtsnormen eine Buchführungspflicht nach § 140 AO begründen.2 Handelt es sich bei der deutschen Personengesellschaft nicht um eine OHG oder KG, besteht die Buchführungspflicht des § 140 AO nur, wenn die Gesellschaft die inländische Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens darstellt (§§ 13d ff. HGB). Daneben besteht eine steuerrechtliche Verpflichtung zum Führen von Büchern gemäß § 141 AO immer dann, wenn eine inländische Betriebsstätte i.S.v. § 12 AO besteht und die in § 141 AO genannten Grenzen über-
1 BFH v. 29.1.1964 – I 153/61 S, BStBl. III 1964, 165 (166); v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937 (938); hierzu auch Wassermeyer in Wassermeyer/Richter/ Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 2.7 ff. 2 Bay. Landesamt für Steuern, Verf. v. 8.6.2011 – S 2300.2.1-4/13 St32, IStR 2011, 599; Drüen in T/K § 140 AO Rz. 7; dagegen zu Recht die überwiegende Literaturmeinung Görke in HHSp, § 140 AO Rz. 11; Dißars in Schwarz, § 140 AO Rz. 2.
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D. Ermittlung der (inländischen) Einkünfte des ausländischen Gesellschafters
schritten werden.1 Dabei beziehen sich die dort genannten Grenzen auf die Gesellschaft als solche und nicht auf den auf den Gesellschafter entfallenden Anteil.2 Ort der Buchführung ist grundsätzlich das Inland (§ 146 Abs. 2 AO). Währungsprobleme – wie sie bei Beteiligungen von Inländern an ausländischen Personengesellschaften entstehen können (vgl. hierzu Rz. 5.187 ff.) – stellen sich nicht, da die (inländische) Gesellschaft nur in Euro bilanzieren darf.3 Im Übrigen gelten die allgemeinen Regelungen zur Währungsumrechnung (bspw. bei Bezug von Zinsen in fremder Währung).4
8.124
III. Gesamthandsvermögen Auch die inländische Personengesellschaft mit ausländischen Gesellschaftern ist hinsichtlich der Ermittlung ihres Gesamthandsvermögens (Gewinnermittlung auf erster Stufe) selbst Subjekt der Gewinnermittlung.5 Die Gewinnermittlung hat mithin grundsätzlich nach den §§ 4, 5 Abs. 1 EStG zu erfolgen.6
8.125
Aus der Tatsache, dass an der inländischen Gesellschaft auch im Ausland ansässige Gesellschafter beteiligt sind, ergeben sich für Geschäfte, die die Gesellschaft mit Dritten abschließt, keine Besonderheiten.7 Auch Verträge zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern werden auf dieser ersten Stufe der Gewinnermittlung anerkannt. Unerheblich ist, ob die der Personengesellschaft zufließenden Erträge aus dem Inland, dem Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter oder aus Drittstaaten stammen. Ebenso wenig ist entscheidend, ob Aufwand nach Deutschland, in das Heimatland der Gesellschafter oder in Drittstaaten fließt. Bezieht die Gesellschaft Entgelte aus dem Ausland, die dort einer Quellensteuer unterliegen (i.d.R. Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren), so können jedoch Doppelbesteuerungsprobleme entstehen (vgl. dazu noch Rz. 8.97 ff.).
8.126
Unterhält die deutsche Personengesellschaft neben einer inländischen Betriebsstätte auch Betriebsstätten im Ausland (bspw. im Heimatstaat der ausländischen Gesellschafter), muss der Gesamtgewinn verursachungs-
8.127
1 Vgl. FG Köln v. 7.7.1993 – 6 K 4693/87, EFG 1994, 138 (139) (aus anderen Gründen aufgehoben von BFH v. 14.9.1994 – I R 116/93, BStBl. II 1995, 238); Drüen in T/K § 141 AO Rz. 6; Dißars in Schwarz, § 141 AO Rz. 9. 2 Drüen in T/K, § 141 AO Rz. 2; Gorke in HHSp, § 141 AO Rz. 16; Dißars in Schwarz, § 141 AO Rz. 8. 3 Vgl. § 244 HGB. 4 Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 49. 5 Wacker in Schmidt31, § 15 EStG Rz. 401 ff. 6 Vgl. zur Betriebsstätte BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140 (142); BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 („Betriebsstättenerlass“), BStBl. I 1999, 1076 Rz. 1.1.3.1a, 1.1.5.5, 2.8.1. 7 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 371.
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gerecht auf die einzelnen Betriebsstätten aufgeteilt werden.1 Es liegen zwei Betriebsstätten der Personengesellschaft vor, die sich jeder Mitunternehmer als eigene steuerlich zurechnen lassen muss (vgl. Rz. 8.122). Auf eine inländische Personengesellschaftsbetriebsstätte sind die allgemeinen Rechtsgrundsätze anzuwenden, die für die Gewinnermittlung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern gelten.2 Beispiel: Die in den Niederlanden ansässige N-B.V. ist Kommanditistin der deutschen D-KG, die die von ihr hergestellten Produkte weltweit über Dritte vertreiben lässt. Die N-B.V. finanziert in den Niederlanden eine große Werbeaktion für diese Produkte. Die Kosten für die Werbeaktion sind bei der Gewinnermittlung der D-KG (jedenfalls zum Teil) abzugsfähig. Es gilt insoweit nichts anderes, als wenn es sich um eine einfache deutsche Betriebsstätte der niederländischen N-B.V. handeln würde.3
8.128 Auch für Entnahmen aus dem Gesamthandsvermögen der inländischen Personengesellschaft durch die ausländischen Gesellschafter gelten grundsätzlich die allgemeinen Grundsätze, die in Inlandssachverhalten Anwendung finden, insbesondere auch die Regelungen für Überentnahmen nach § 4 Abs. 4a EStG.4 Sonderregelungen können jedoch bei der Entnahme von Wirtschaftsgütern mit stillen Reserven zu beachten sein (vgl. dazu Rz. 8.153 ff.; zur „Entnahmebeschränkung“ ausländischer Erwerber inländischer Personengesellschaften vgl. Rz. 8.120).
IV. Sonderbetriebsvermögen 8.129 Für den Sonderbetriebsbereich des ausländischen Gesellschafters gelten die innerdeutschen Regelungen zum Sonderbetriebsvermögen sowie den Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben. Besonderheiten können sich aber durch die Anwendung eines DBA ergeben.
8.130 Wie bereits zuvor dargestellt, handelt es sich bei Sonderbetriebseinnahmen nach der Rechtsprechung und herrschenden Literatur nur dann um im Inland steuerpflichtige Unternehmensgewinne in Sinne von Art. 7 OECD-MA, wenn sich die Vergütung der inländischen Personengesellschaftsbetriebsstätte zuordnen lässt. Dies ist i.d.R. nicht der Fall und kann nach aktueller Rechtsprechung auch nicht über § 50d Abs. 10 EStG fingiert werden.5
1 BFH v. 18.12.2003 – I R 92/01, IStR 2003, 388 (389 f.). 2 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 („Betriebsstättenerlass“), BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2 u. 3; Fischer in Lüdicke, Besteuerungspraxis bei grenzüberschreitender Tätigkeit, 163 (167). 3 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 („Betriebsstättenerlass“), BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.7, 3.2.1, 3.2.2. 4 Maier in Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung2, Rz. 578. 5 Vgl. Rz. 8.88 ff.
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Sonderbetriebsausgaben sind bereits nach nationalem Recht nur dann steuerlich zu berücksichtigen, soweit sie in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit inländischen Einkünften stehen (vgl. § 50 Abs. 1 Satz 1 EStG).1 Soweit die Ausgaben in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit inländischen Einkünften stehen, kann der Steuerausländer diese ebenso absetzen wie ein Steuerinländer.2
8.131
Beispiel: Der ausländische Gesellschafter hat für den Erwerb eines Anteils an einer deutschen KG ein Darlehen bei einer Bank seines Heimatstaates aufgenommen. Die von ihm an die Bank zu zahlenden Zinsen mindern vorbehaltlich § 4h EStG seine inländischen Einkünfte.
Für Sonderbetriebsausgaben gelten damit grundsätzlich die gleichen Regelungen, die auch im Zusammenhang mit einfachen inländischen Betriebsstätten von Steuerausländern zur Anwendung kommen.3 Auch dort kommt es für den Betriebsausgabenabzug bei der Gewinnermittlung der inländischen Betriebsstätte nicht darauf an, ob die Aufwendungen im Inland oder im Ausland angefallen sind. Entscheidend ist vielmehr, ob die Aufwendungen mit der inländischen Betriebsstätte in einem wirtschaftlichen Veranlassungszusammenhang stehen. Bei Sonderbetriebsausgaben handelt es sich nur um einen durch die Rechtsform der Personengesellschaft bedingten Spezialfall, der im Grundsatz nicht anders behandelt werden kann. Dies gilt unabhängig davon, wie die Sonderbetriebsausgaben im Heimatstaat des Gesellschafters behandelt werden. Folgt dieser der deutschen Beurteilung, wonach ein Abzug in Deutschland erfolgt, so liegt es nahe, dieselben Ausgaben im Heimatstaat des Gesellschafters vom Abzug auszuschließen. Soweit das Ausland dieser deutschen Sichtweise nicht folgt, kann es zu einem doppelten Abzug kommen.4
8.132
Besteht hingegen kein wirtschaftlicher Zusammenhang mit inländischen Einkünften, scheidet ein Abzug der Sonderbetriebsausgaben im Inland aus. Gleiches gilt, wenn die Sonderbetriebsausgaben im Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen (vgl. § 3c EStG). Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Sondervergütungen als Zins- oder Dividendeneinkünfte i.S. eines DBA zu qualifizieren sind.5
8.133
1 Herkenroth/Striegel in H/H/R, § 50 EStG Rz. 50 „Personengesellschaften“; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 („Betriebsstättenerlass“), BStBl. I 1999, 1076 Rz. 1.1.5.5. 2 Beispiele bei Wacker in Schmidt31, § 15 EStG Rz. 645. 3 BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; Müller, BB 2009, 751 (756 f.). 4 Lüdicke, StbJb 1997/98, 449 (477); ausführlich Müller, IStR 2005, 181. 5 Vgl. auch Schnitger in Lüdicke, Wo steht das deutsche Internationale Steuerrecht?, 183 (191 f.).
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Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften Beispiel: Der ausländische Gesellschafter einer inländischen KG hat dieser ein Darlehen gegen Zinsen gewährt, das er seinerseits bei einer ausländischen Bank refinanziert hat. Nach Auffassung des BFH besteht in diesem Fall an den Zinseinkünften nach dem DBA kein deutsches Besteuerungsrecht nach Art 7 OECD-MA, da die Regelungen über die Zinseinkünfte (vgl. Art. 11 Abs. 1 OECD-MA) vorrangig sind (Art. 7 Abs. 4 OECD-MA). In diesem Fall scheidet auch ein Abzug der Sonderbetriebsausgaben darstellenden Refinanzierungszinsen aus (§ 3c Abs. 1 EStG).1 Anders wäre der Fall hingegen zu entscheiden, wenn man mit der Finanzverwaltung annimmt, dass die Zinsen als Sonderbetriebseinnahmen dem Unternehmensgewinn der inländischen Personengesellschaftsbetriebsstätte zuzurechnen sind und damit der deutschen Besteuerung unterliegen. Dann wäre auch der hiermit wirtschaftlich zusammenhängende Aufwand als Sonderbetriebsausgabe abzugsfähig. Gleiches gilt in einem Nicht-DBA-Fall.
8.134 Auch die nach nationalem Recht geltenden Regelungen über Sonderbetriebsvermögen sind anwendbar, wenn an der Personengesellschaft beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt sind. Ein deutsches Besteuerungsrecht nach Art. 7 OECD-MA besteht, wenn das Wirtschaftsgut der (inländischen) Betriebsstätte der Gesellschaft zugeordnet werden kann und es sich um Unternehmensgewinne handelt. Auf Grundlage der neueren Rechtsprechung des BFH wird es daran i.d.R. fehlen. Allein durch die Nutzungsüberlassung eines Wirtschaftsgutes entsteht noch keine eigenständige Betriebsstätte des überlassenden Gesellschafters am Ort der Nutzung.
8.135 Beispiel: Der Steuerausländer A ist sowohl an der deutschen X-GmbH & Co. KG als auch an deren deutschen Komplementärin, der X-GmbH, beteiligt. Die Beteiligung an der X-GmbH stellt für A Sonderbetriebsvermögen dar mit der Folge, dass ein uneingeschränktes deutsches Besteuerungsrecht nur dann besteht, wenn die Beteiligung an der X-GmbH der Betriebsstätte der X-GmbH & Co. KG tatsächlich zugeordnet werden kann (vgl. Art. 10 Abs. 4 OECD-MA). Nach Ansicht des BFH2 soll die Beteiligung eines Kommanditisten an der inländischen Komplementärgesellschaft dann der inländischen Betriebsstätte zugerechnet werden können, wenn die Beteiligung in einem funktionalen Zusammenhang zu einer in der Betriebsstätte ausgeübten aktiven Tätigkeit steht und sich deshalb die Beteiligungserträge bei funktionaler Betrachtungsweise als Nebenerträge der aktiven Betriebsstättentätigkeit darstellen. Davon ist dann auszugehen, wenn die Tätigkeit der GmbH sich ausschließlich oder fast ausschließlich auf die Geschäftsleitung der Personengesellschaft beschränkt. Die Finanzverwaltung würde zu dem gleichen Ergebnis schon aufgrund des von ihr geforderten, allgemeinen Vorrangs des Art. 7 OECD-MA gelangen.
1 Vgl. für den Fall, dass unter Beachtung des Zinsartikels ein eingeschränktes Quellensteuerrecht verbleibt: Schnitger in Lüdicke, Wo steht das deutsche Internationale Steuerrecht?, 183 (193 f.). 2 Vgl. BFH v. 26.2.1992 – I R 85/01, BStBl. II 1992, 937 – zum DBA-Schweiz.
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D. Ermittlung der (inländischen) Einkünfte des ausländischen Gesellschafters
Folgt der Wohnsitzstaat des Gesellschafters nicht der deutschen Zurechnung, kommt es zu einer doppelten Besteuerung,1 die nur durch ein Verständigungsverfahren beseitigt werden kann. Anderes gilt hingegen, wenn eine ausländische Kapitalgesellschaft als Komplementärin dient oder in Geschäftsbeziehungen zu der inländischen Mitunternehmerschaft steht. Der Betriebsstättenvorbehalt des Art. 10 Abs. 4 OECD-MA ist dann nur anwendbar, wenn die ausschüttende Kapitalgesellschaft im Betriebsstättenstaat ansässig ist. Andernfalls bleibt es abkommensrechtlich bei Dividendeneinkünften. Gewinne aus der Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen fallen im DBA-Fall unter Art. 13 OECD-MA (vgl. ausführlich hierzu Rz. 8.193).
8.136
V. Übertragung von Wirtschaftsgütern 1. Grundsätzliches Die Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen dem ausländischen Gesellschafter und seiner inländischen Gesellschaft folgt im Grundsatz den für nationale Sachverhalte entwickelten Regelungen. Fraglich ist jedoch, ob und in welchem Umfang es zu einer Realisierung von stillen Reserven kommt. Im Einzelnen kann die Übertragung wie auch bei rein nationalen Fällen die folgenden Vermögenssphären betreffen:
8.137
– das Gesamthandsvermögen der Gesellschaft (Betriebsvermögen), – das Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters, – anderes Betriebsvermögen des Gesellschafters, – das Privatvermögen des Gesellschafters. Die für nationale Fälle geltenden steuerlichen Grundsätze für die Übertragungen zwischen diesen Vermögenssphären lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die Übertragung wird wie ein Geschäft unter fremden Dritten behandelt, wenn angemessene Bedingungen vereinbart wurden. Bei unangemessenen Bedingungen ist zwingend der Buchwert des übertragenen Wirtschaftsgutes fortzuführen, solange es Betriebsvermögen bleibt (unabhängig, ob als Gesamthandsvermögen, als Sonderbetriebsvermögen oder als anderes Betriebsvermögen). Bei Übertragungen in das und aus dem Privatvermögen sind die Entnahme- und Einlagegrundsätze anzuwenden. Diese Grundsätze können auch auf inländische Personengesellschaften mit ausländischen Gesellschaftern übertragen werden. Zusätzliche Gewinnrealisierungen können jedoch in den Fällen eintreten, in denen das Wirtschaftsgut zwar von einem Betriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen übertragen wird, das empfangende Betriebsvermögen aber nicht der deutschen Steuerhoheit unterliegt. 1 Schwarz, RIW 1990, 917 (918).
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Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften
2. Zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern
8.139 Für Übertragungen zwischen dem Betriebsvermögen (Gesamthandsvermögen der Gesellschaft, Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters, anderes Betriebsvermögen des Gesellschafters) und dem Privatvermögen des Gesellschafters gelten keine Besonderheiten. Sie werden wie in rein nationalen Sachverhalten behandelt. Beispiele: 1) Die inländische Personengesellschaft veräußert einen zu ihrem Gesamthandsvermögen gehörenden PKW an ihren ausländischen Gesellschafter zum Verkehrswert. Es handelt sich um einen gewinnrealisierenden Verkauf wie unter fremden Dritten. Liegt der Preis unter dem Teilwert, liegt eine Entnahme vor. 2) Der ausländische Gesellschafter vermietet der Personengesellschaft ein in seinem Eigentum stehendes Grundstück. Scheidet er aus der Gesellschaft aus, verliert das Grundstück seine Eigenschaft als Sonderbetriebsvermögen und es liegt eine mit dem Teilwert zu bewertende Entnahme vor (§ 4 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 1 EStG).
8.140 Übertragungen von Wirtschaftsgütern aus dem Betriebsvermögen der inländischen Gesellschaft in das Betriebsvermögen ihres ausländischen Gesellschafters wurden von der älteren Rechtsprechung des BFH jedenfalls dann als Entnahme angesehen, wenn ein Wirtschaftsgut des Anlagevermögens in eine ausländische Betriebsstätte in einem DBA-Staat mit Freistellungsmethode überführt wurde.1 Auf Grundlage dieser sog. finalen Entnahmetheorie waren die in einem Wirtschaftsgut enthaltenen stillen Reserven bei der Überführung des Wirtschaftsgutes in eine ausländische Betriebsstätte durch den Ansatz des Teilwertes aufzudecken.
8.141 In seinem Urteil vom 17.7.2008 hat der BFH die Theorie der finalen Entnahme ausdrücklich aufgegeben.2 Zu Recht weist der BFH darauf hin, dass nach heutiger Sichtweise die spätere Besteuerung im Inland entstandener stiller Reserven durch eine Freistellung der ausländischen Betriebsstättengewinne nicht beeinträchtigt wird.3 Durch die Freistellungsmethode geht vielmehr das inländische Besteuerungsrecht nur in dem Umfang unter, in dem die realisierten Einkünfte tatsächlich durch die ausländische Betriebsstätte erwirtschaftet worden sind. Allein die Überführung eines Wirtschaftsgutes in eine ausländische Betriebsstätte des 1 Vgl. BFH v. 16.7.1969 – I 266/65, BStBl. II 1970, 175 (176); v. 30.5.1972 – VIII R 111/69, BStBl. II 1972, 760 (761 f.); v. 14.6.1988 – VIII R 387/83, BStBl. II 1989, 187 (188); v. 13.11.1990 – VIII R 152/86, BStBl. II 1991, 94 (96); v. 19.2.1998 – IV R 38/97, BStBl. II 1998, 509 (511); BMF v. 20.12.1977 – IV B 2 - S 2241 - 231/77, BStBl. I 1978, 8 Rz. 55; v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 („Betriebsstättenerlass“), BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.6.1 Buchst. b (vor Änderung durch BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004, BStBl. I 2009, 888). 2 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BB 2008, 2452 (2455); zustimmend Wassermeyer, DStR 2011, 361 (365); Ditz, IStR 2009, 115 (116 ff.) m.w.N.; Schnitger in Lüdicke, Wo steht das deutsche Internationale Steuerrecht?, 183 (185 f.). 3 Kritisch Musil, FR 2011, 545 (549).
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gleichen Unternehmers führt jedoch nicht zur Lösung des bisherigen betrieblichen Funktionszusammenhangs und kann deshalb mangels Außenumsatz nicht als Realisationstatbestand angesehen werden.1 Dass der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache National Grid Indus B.V. eine Aussage zu der im deutschen Recht begründeten finalen Entnahmetheorie entnommen werden könnte, erscheint u.E. fraglich.2 Bei Zugrundelegung dieser neuen Rechtsprechung liegt auch in Fällen der Übertragung von Wirtschaftsgütern aus dem Gesamthandsvermögen einer inländischen Personengesellschaft in das Betriebsvermögen des ausländischen Gesellschafters grundsätzlich keine Entnahme i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG vor.3
8.142
Der BFH musste sich in seinem Urteil nicht mit der Frage befassen, welche Konsequenzen die Aufgabe der finalen Entnahmetheorie für § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG hat. Diese Vorschrift wurde erst durch das SEStEG vom 7.12.2006 in das EStG eingeführt und hatte für die Entscheidung des BFH keine Bedeutung. Nach Auffassung der Finanzverwaltung unterfällt die Übertragung eines Wirtschaftsgutes aus dem Betriebsvermögen der inländischen Personengesellschaft in das Betriebsvermögen des ausländischen Gesellschafters § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und ist somit als Entnahme mit dem gemeinen Wert anzusetzen.4 Das Schrifttum äußerte Zweifel an dieser Sichtweise.5 Die Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG laufe in den fraglichen Fällen leer, da das inländische Besteuerungsrecht hinsichtlich der im Inland erwirtschafteten stillen Reserven bestehen bleibe. Mangels Ausschluss bzw. Beschränkung des inländischen Besteuerungsrechts könne von einer Entstrickungsentnahme nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG nicht ausgegangen werden.6 Vielmehr greife auch in solchen Fällen die Buchwert-Fortführungsklausel des § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 i.V.m. Satz 1 EStG, sodass das Wirtschaftsgut mit seinem Buchwert anzusetzen sei,
8.143
1 Ebenso Kessler/Huck, StuW 2005, 193 (198); Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECDMA Rz. 149/1 ff. 2 Ebenso Kessler/Philipp, DStR 2012, 267 (270); Kessler/Philipp/Eicke, PISTB 2012, 67 (70); Brinkmann/Reiter, DB 2012, 16 (17 f.); a.A. Mitschke, DStR 2012, 629 (633); Hruschka, DStR 2011, 2343 (2343 f.): Rautenstrauch/Seitz, Ubg 2012, 14 (15, Fn. 12); Musil, FR 2012, 32 (32). 3 Ditz in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 14.6 m.w.N.; a.A. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 („Betriebsstättenerlass“), BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.6.3. 4 BMF v. 20.5.2009 – IV C 6 - S 2134/07/10005, BStBl. I 2009, 671; v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004, BStBl. I 2009, 888 Rz. 2.6.1; zustimmend Mitschke, DB 2009, 1376 (1378). 5 Vgl. Ditz in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 14.6; Gosch, BFH-PR 2008, 499 (500 f.); Roser, DStR 2008, 2389 (2393 f.); Prinz, DB 2009, 807 (810 f.); Schneider/Oepen, FR 2009, 22 (28); Wassermeyer, DB 2006, 1176; Wassermeyer, IStR 2008, 176; Gosch, in FS Spindler, 396; in diese Richtung auch Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1481 (1483). 6 Wohl a.A. Musil, FR 2011, 545 (549).
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wenn es unentgeltlich übertragen werde.1 Anderes könne allenfalls bei einer vollständigen Betriebsverlegung ins Ausland gelten.2
8.144 Auf die insoweit entstandene Verunsicherung über die Reichweite der erst wenige Jahre zuvor eingeführten Entstrickungstatbestände reagierte der Gesetzgeber im JStG 20103 mit der Einführung eines neuen § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG.4 Danach liegt ein Ausschluss oder eine Beschränkung des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts insbesondere dann vor, wenn ein bisher einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen zuzuordnendes Wirtschaftsgut einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist. Unerheblich ist dabei, ob die Betriebsstättengewinne der Freistellungs- oder Anrechnungsmethode unterliegen.5 Aus Sicht des Gesetzgebers6 wird hiermit nur die Rechtslage bestätigt, die bereits durch § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG geregelt werden sollte.7
8.145 Ein durch eine fingierte Entnahme nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG entstandener Gewinn kann durch die Bildung eines Ausgleichspostens über einen Zeitraum von fünf Jahren gestreckt werden, wenn das betreffende Wirtschaftsgut in eine EU-Betriebsstätte desselben Steuerpflichtigen überführt wird (vgl. § 4g EStG). Beispiel: An der deutschen X-KG sind zu gleichen Teilen der Inländer D und der in Frankreich ansässige F beteiligt. Im Frühjahr werden zwei PKW der X-KG in das Betriebsvermögen des F überführt. Der Buchwert der PKW betrug jeweils 20 000 Euro; der auf Basis der Wiederverkaufspreismethode ermittelte Fremdvergleichspreis jeweils 30 000 Euro. Den einen PKW veräußert F im Sommer des Jahres für 35 000 Euro; der andere PKW wird wenig später bei einem Brand vollständig zerstört. Er war nicht versichert.
1 Ditz in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 14.18. 2 Vgl. Mitschke, FR 2009, 326 (330); Schneider/Oepen, FR 2009, 568 (572); FG Rh.Pf. v. 17.1.2008 – 4 K 1347/03, EFG 2008, 680 (aufgehoben durch BFH v. 28.10.2009 – I R 28/08, IStR 2010, 103). 3 JStG 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768. Zur erstmaligen Anwendung vgl. § 52 Abs. 8b EStG. Die in § 52 Abs. 8b Satz 2 EStG normierte Anwendung auch für Veranlagungszeiträume vor 2006 für verfassungswidrig hält Musil, FR 2011, 545 (550); dagegen Mitschke, FR 2011, 706 (707 ff.). 4 Vgl. dazu BMF v. 18.11.2011 – IV C – S 2134/10/100004, BStBl. I 2011, 1278. Zur Vereinbarkeit mit Europarecht vgl. Musil, FR 2011, 545 (548 f.); ausführlich noch Rz. 8.147. 5 Scheunemann/Dennisen, BB 2011, 220 (222); Wittkowski/Hielscher, BC 2010, 569 (572). 6 Stellungnahme des Bundesrates v. 22.9.2006, BR-Drucks. 542/06 (B). 7 Ob dies gelungen ist, ist in der Literatur umstritten; dafür Musil, FR 2011, 545 (549 f.); dagegen Lendewig/Jaschke, StuB 2011 90 (94); kritisch auch Gosch, in FS Spindler, 396.
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D. Ermittlung der (inländischen) Einkünfte des ausländischen Gesellschafters Nach Ansicht der Finanzverwaltung, die der Gesetzgeber nunmehr durch § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG gesetzlich kodifiziert hat, ist im Zeitpunkt der Überführung1 der beiden PKW ein Gewinn i.H.v. 20 000 Euro zu realisieren (Fremdvergleichspreis i.H.v. 30 000 Euro abzüglich Buchwert von 20 000 Euro je PKW).
Fraglich ist jedoch, ob insoweit ein Ausgleichsposten nach § 4g EStG gebildet werden kann. Handelt es sich – wie im Beispielsfall – um Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens, so ist der Ausgleichsposten in der Gesamthandsbilanz zu bilden.2 Da § 4g EStG nur für unbeschränkt Steuerpflichtige gilt,3 ist fraglich, ob in Fällen der Beteiligung des ausländischen Gesellschafters F ein Ausgleichsposten überhaupt gebildet werden kann. Teilweise wird die quotale Bildung eines Ausgleichspostens für möglich gehalten.4 Vorliegend könnte damit die X-KG einen Ausgleichsposten i.H.v. 10 000 Euro bilden. Es wird jedoch zu Recht bezweifelt, dass § 4g EStG die Bildung eines solchen quotalen Ausgleichspostens ermöglicht.5 Sind einzelne Gesellschafter nicht unbeschränkt steuerpflichtig, dürfen sie keinen Ausgleichsposten bilden und an einem solchen auch nicht (anteilig) partizipieren. Es ist deshalb in der Gesamthandsbilanz ein ungekürzter Ausgleichsposten zu bilden, der jedoch in einer Ergänzungsbilanz der ausländischen Gesellschafter durch einen „negativen“ Ausgleichsposten anteilig zu kompensieren und korrespondierend aufzulösen ist. Wird hingegen ein Wirtschaftsgut des Sonderbetriebsvermögens eines Gesellschafters übertragen, so kann ein Ausgleichsposten nur gebildet werden, wenn dieser Gesellschafter unbeschränkt steuerpflichtig ist.6 Die Frage der Europarechtskonformität der deutschen Entstrickungsregelungen ist spätestens seit der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache „National Grid Indus B.V.“7 in den Mittelpunkt einer vielschichtigen und kontroversen Diskussion gerückt. Der Entscheidung lassen sich aus steuerrechtlicher Sicht drei Kernelemente entnehmen:8 (1.) keine Steuerneutralität für die wegziehende Körperschaft, (2.) Rechtmäßigkeit einer Wegzugsbesteuerung und (3.) Unverhältnismäßigkeit der sofortigen Einziehung der Wegzugssteuer. Während noch weitgehend Einigkeit be1 Zu diesem Zeitpunkt Wassermeyer, IStR 2008, 176 (179), der von einem „nahtlosen Übergang“ ausgeht. 2 Kolbe in H/H/R, § 4g EStG Rz. 15; a.A. Kessens, Die Besteuerung der grenzüberschreitenden Überführung von Wirtschaftsgütern, 68 f. 3 Kolbe in H/H/R, § 4g EStG Rz. 15; Holzhäuser in K/S/M, § 4g EStG Rz. B 10; Heinicke in Schmidt31, § 4g EStG Rz. 2. Diese Beschränkung begegnet in der Literatur verbreitet europarechtlichen Bedenken, vgl. Holzhäuser in K/S/M, § 4g EStG Rz. B 10; Hoffmann in L/B/P, § 4g EStG Rz. 12; Heinicke in Schmidt31, § 4g EStG Rz. 2. 4 Hoffmann in L/B/P, § 4g EStG Rz. 21; Holzhäuser in K/S/M, § 4g EStG Rz. B 10; Hoffmann, DB 2007, 652 (653). 5 Kolbe in H/H/R, § 4g EStG Rz. 15. 6 Kolbe in H/H/R, § 4g EStG Rz. 15. 7 EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10 – National Grid Indus B.V., DStR 2011, 2334. 8 Vgl. Prinz, GmbHR 2012, 195 (197).
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1077
8.146
Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften
steht, dass die in § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG vorgesehene Steuerfestsetzung bei Ausschluss oder Beschränkung des inländischen Besteuerungsrechts bzw. bei Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte mit DBA-Freistellung europarechtlich nicht zu beanstanden sind,1 ist heftig umstritten, ob der in § 4g EStG vorgesehene Aufschub der Besteuerung den vom EuGH postulierten Anforderungen genügt. Nicht mit EU-Recht vereinbar dürfte u.E. sein, dass § 4g EStG keinen vollständigen Aufschub der Besteuerung sondern allein die Bildung eines über fünf Jahre abschmelzenden Ausgleichsposten vorsieht.2 Der zur niederländischen Schlussbesteuerung ergangenen oben genannten Entscheidung des EuGH kann u.E. dagegen nicht ohne weiteres entnommen werden, ob allein die Beschränkung auf Anlagegüter3 oder die Verpflichtung zur einheitlichen Ausübung des Wahlrechts4 eine unzulässige Einschränkung des europarechtlich notwendigen Besteuerungsaufschubs darstellen würde. Nicht endgültig geklärt scheint u.E. zudem die Frage, ob eine Sicherheitengestellung oder Verzinsung während des Aufschubs europarechtlich zulässig wäre.5 Die zurzeit anhängigen Vertragsverletzungsverfahren gegen die Niederlande6 und Dänemark7 wegen der dortigen Entstrickungsregelungen könnten dem EuGH die Möglichkeit geben, seine Rechtsprechung insoweit zu präzisieren.
1 Prinz, GmbHR 2012, 195 (198); Musil, FR 2012, 32 (32). 2 Ebenso Beutel/Rehberg, IStR 2012, 94 (95); Körner, IStR 2012, 1 (4 ff.); wohl auch Prinz, GmbHR 2012, 195 (198); Möller-Gosoge/Kaiser, BB 2012, 803 (808); Kessler/Philipp, DStR 2011, 1888 (1889); Thömmes, IWB 2011, 896 (903); vgl. auch FG Köln v. 16.11.2011 – 10 V 2336/11, IStR 2012, 184; FG Rh.-Pf. v. 7.1.2011 – 1 V 1217/10 (rkr.), DStRE 2011, 1065 zu § 12 KStG; a.A. (Beschränkung europarechtskonform) Mitschke, IStR 2012, 6 (8 f.); Mitschke, DStR 2012, 629 (630 ff.); differenzierend Ruiner, IStR 2012, 49 (51), der einen zehnjährigen Aufschub für angemessen hält; ähnlich auch Rautenstrauch/Seitz, Ubg 2012, 14 (15) und Sieker, FR 2012, 353 (354), die einen Zeitraum von 15 Jahren befürwortet; offenlassend Musil, FR 2012, 32 (32 f.); Kessler/Philipp, DStR 2012, 267 (272); Kessler/ Philipp/Eicke, PISTB 2012, 67 (72); Hruschka, DStR 2011, 2343 (2344); Brinkmann/Reiter, DB 2012, 16 (19). 3 Die Beschränkung auf Anlagegüter für problematisch halten Prinz, GmbHR 2012, 195 (198); Brinkmann/Reiter, DB 2012, 16 (19); a.A. Rautenstrauch/Seitz, Ubg 2012, 14 (15). 4 Das Erfordernis der einheitlichen Wahlrechtsausübung für problematisch halten Prinz, GmbHR 2012, 195 (198); Rautenstrauch/Seitz, Ubg 2012, 14 (15); Brinkmann/Reiter, DB 2012, 16 (19); Brocke/Peter/Albrecht, IWB 2001, 939 (943); a.A. Mitschke, DStR 2012, 629 (632). 5 Für eine grds. Zulässigkeit Mitschke, IStR 2012, 6 (10 f.); Mitschke, DStR 2012, 629 (634 f.); gegen die generelle Zulässigkeit Prinz, GmbHR 2012, 195 (198); Körner, IStR 2012, 1 (5); differenzierend Beutel/Rehberg, IStR 2012, 94 (96), die eine Verzinsung für grds. unzulässig halten und eine Sicherheitsleistung nur in Ausnahmefällen für zulässig. 6 Rs. C-301/11, Kommission gegen das Königreich der Niederlande, ABl. EU 2011 Nr. C 252, S. 20. 7 RS. C-261/11, Kommission gegen das Königreich Dänemark, ABl. EU 2011 Nr. C 238, S. 5.
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D. Ermittlung der (inländischen) Einkünfte des ausländischen Gesellschafters
Für den umgekehrten Fall – Übertragung eines Wirtschaftsgutes aus dem (Sonder-)Betriebsvermögen des ausländischen Gesellschafters in das Gesamthandsvermögen der inländischen Gesellschaft – gilt:
8.147
Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG liegt eine fiktive Einlage vor, wenn hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsgutes ein deutsches Besteuerungsrecht (erstmals) begründet wird. Ginge man mit der Finanzverwaltung davon aus, dass der Unternehmensgewinn nach Art. 7 OECD-MA auch den durch das Sonderbetriebsvermögen erzielten Gewinn erfasst, so bestand bereits vor der Übertragung ein deutsches Besteuerungsrecht an den übergegangenen Wirtschaftsgütern. Der Annahme einer fiktiven Einlage gem. § 4 Abs. 1 Satz 8 EStG stünde dann entgegen, dass das deutsche Besteuerungsrecht durch die Übertragung nicht erstmals begründet würde. Rechnet man aber mit der hier vertretenen Auffassung das Sonderbetriebsvermögen nicht dem Unternehmensgewinn nach Art. 7 OECD-MA zu, bestand vor der Übertragung kein deutsches Besteuerungsrecht. Vielmehr wird ein deutsches Besteuerungsrecht durch die Überführung des Wirtschaftsgutes aus dem Betriebsvermögen des ausländischen Gesellschafters in seine inländische Personengesellschaft erstmalig begründet.1 Nichts anderes folgt aus dem Urteil des BFH vom 17.7.2008.2 Zu bewerten ist die fiktive Einlage mit dem gemeinen Wert des übertragenen Wirtschaftsgutes (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG).3 Übertragungen zwischen dem Privatvermögen des ausländischen Gesellschafters und dem Betriebsvermögen – sei es Gesamthandsvermögen der Gesellschaft, Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters oder anderes Betriebsvermögen des Gesellschafters – werden grundsätzlich wie rein nationale Sachverhalte behandelt. Bei (teilweise) unentgeltlicher Übertragung liegt eine Einlage vor, die nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG mit dem Teilwert anzusetzen ist. Im umgekehrten Fall – entgeltliche Übertragung aus dem Betriebsvermögen in des Privatvermögen des Gesellschafters – liegt ein Entnahme vor,4 die ebenfalls zum Teilwert erfolgt (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 1 EStG, der in diesem Fall wohl Halbs. 2 vorgehen sollte).
8.148
3. Zwischen Gesellschaftern Die entgeltliche Übertragung eines zum Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters gehörenden Wirtschaftsgutes auf seinen Mitgesellschafter
1 Anderes gilt jedoch, wenn ein Wirtschaftsgut aus dem Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters übertragen wird. 2 Ditz in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 14.15; a.A. Roser, DStR 2008, 2389 (2394). 3 Vgl. auch BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 („Betriebsstättenerlass“), BStBl. I 1999, 1076; geändert durch BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/100004, BStBl. I 2009, 888. 4 BFH v. 30.6.1987 – VIII R 353/82, BStBl. II 1988, 418 (420).
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8.149
Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften
führt zu einem steuerpflichtigen Gewinn, soweit der Veräußerungspreis den Buchwert übersteigt. In rein nationalen Fällen erfolgt die unentgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts zwischen den jeweiligen Sonderbetriebsvermögen verschiedener Gesellschafter nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 3 EStG zum Buchwert und führt somit nicht zu einer Realisation stiller Reserven. Ob Gleiches auch gelten kann, wenn ein inländischer Gesellschafter ein Wirtschaftsgut des Sonderbetriebsvermögens an seinen ausländischen Mitgesellschafter überträgt, erscheint auf Grundlage der neusten Rechtsprechung des BFH zu Sondervergütungen im Abkommensrecht fraglich. Beispiel: Der Steuerinländer D und sein im DBA-Ausland ansässiger Mitgesellschafter A sind Kommanditisten der inländischen K-KG. D schenkt ein der K-KG gegen Entgelt zur Nutzung überlassenes Patent dem A, der dieses weiterhin der Gesellschaft zur Verfügung stellt. Nach Ansicht der Finanzverwaltung unterliegen sowohl die laufenden Einkünfte als auch solche aus der Veräußerung des Patents weiterhin dem deutschen Besteuerungsrecht (vgl. Rz. 8.82 und Rz. 8.193). Rechtsprechung und herrschende Literatur (vgl. Rz. 8.84) hingegen kommen zumindest zu einem Verlust des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich der laufenden Einkünfte, sodass durch die Übertragung eine Realisierung der stillen Reserven eintritt. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Buchwert und dem gemeinen Wert in Deutschland steuerpflichtig. In einem Nicht-DBA Fall wirken sich die unterschiedlichen Rechtsauffassungen nicht aus; nach beiden Ansichten erfolgt keine Realisierung der stillen Reserven.
VI. Anwendung des § 1 AStG 1. Regelungsbereich
8.150 Nach § 1 Abs. 1 AStG sind Einkünfte, die ein Steuerpflichtiger aus einer Geschäftsbeziehung zum Ausland mit einer ihm nahe stehenden Person erzielt, zu berichtigen, wenn der Ermittlung der Einkünfte Bedingungen zugrunde gelegt werden, die unabhängige Dritte unter vergleichbaren Voraussetzungen nicht vereinbart hätten.1 Steuerpflichtige i.S.v. § 1 Abs. 1 AStG sind auch beschränkt Steuerpflichtige i.S.v. § 49 EStG.2 Bereits nach allgemeinen Grundsätzen kann die inländische Personengesellschaft selbst nicht als Steuerpflichtiger angesehen werden.3 Für die Anwendung von § 1 Abs. 1 AStG kann mithin nur auf ihre (ausländischen) Gesellschafter abgestellt werden. Nur deren (inländischen) Einkünfte
1 Zur Frage der Europarechtswidrigkeit des § 1 AStG Ditz, IStR 2009, 115 (121 f.). 2 Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 Rz. 219; i.d.S. auch BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.4. 3 BFH v. 17.12.1997 – I B 96/97, BStBl. II 1998, 321 (323); Kaminski, StuW 2008, 337 (339).
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D. Ermittlung der (inländischen) Einkünfte des ausländischen Gesellschafters
können berichtigt werden. Adressat des § 1 AStG ist somit der ausländische Gesellschafter.1 Eine Personengesellschaft kann im Grundsatz jedoch nahe stehende Person i.S.v. § 1 Abs. 2 AStG sein,2 wenn der ausländische Gesellschafter an ihr wesentlich beteiligt ist (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG). Auch insoweit gilt, dass eine wesentliche Beteiligung eine Beteiligungsquote von mindestens 25 % erfordert.3 Da § 1 AStG nur eine Einkünftekorrektur zulasten des Steuerpflichtigen normiert,4 kann die Vorschrift nur Anwendung finden, wenn es zu einer Minderung der inländischen Einkünfte des (ausländischen) Gesellschafters kommt.
8.151
Beispiel: Die deutsche O-OHG veräußert die von ihr hergestellten Maschinen an eine ausländische nahe stehende Person über Preis. Mangels Minderung der inländischen Einkünfte ist eine Einkünftekorrektur nicht geboten. Erfolgt die Veräußerung unter Preis, ist § 1 Abs. 1 AStG hingegen einschlägig.
Im Wesentlichen lassen sich zwei Grundkonstellationen unterscheiden: Die inländische Personengesellschaft unterhält Geschäftsbeziehungen zu ihr nahe stehenden Personen, die nicht Gesellschafter der Personengesellschaft sind, oder die inländische Personengesellschaft unterhält Geschäftsbeziehungen zu ihren ausländischen Gesellschaftern. 2. Geschäftsbeziehungen der Personengesellschaft zu nahe stehenden Personen Voraussetzung für eine Berichtigung der Einkünfte nach § 1 Abs. 1 AStG auf Ebene der ausländischen Gesellschafter der Personengesellschaft ist eine Geschäftsbeziehung zum Ausland. Als Geschäftsbeziehung i.d.S. ist nach § 1 Abs. 5 EStG jede den Einkünften zugrunde liegende schuldrechtliche Beziehung anzusehen, die keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung ist und entweder beim Steuerpflichtigen oder bei der nahe stehenden Person zu Einkünften i.S.v. §§ 13, 15, 18 oder 21 EStG führt. Beispiel 1: An der inländischen K-KG ist der Steuerausländer A beteiligt. Die K-KG ist alleinige Gesellschafterin der niederländischen N-N.V., der sie ein zinsloses Darlehen überlässt. 1 Ebenso Kaminski, StuW 2008, 337 (339). 2 Pohl in Mössner/Fuhrmann2, § 1 Rz. 100; Boller in Wöhrle/Schelle/Gross, § 1 Abs. 2–5 Rz. 17 f. Zu Recht zweifelnd für vermögensverwaltende Personengesellschaften und atypisch stille Gesellschaften Ditz in Wassermeyer/Richter/ Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 14.21. 3 Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 Rz. 833; Kraft in Kraft, § 1 Rz. 170; a.A. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 864, da die Mitunternehmerstellung (Unternehmerinitiative und -risiko) immer zugleich zu einem Nahestehen führe; ablehnend auch Boller in Wöhrle/Schelle/Gross, § 1 Rz. 24. 4 Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 Rz. 231.
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8.152
Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften Durch die Zinslosigkeit des Darlehens werden inländische Einkünfte des A i.S.v. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG gemindert. Diese Minderung beruht auf einer Geschäftsbeziehung zum Ausland mit einer nahe stehenden Person, da die N-N.V. in den Niederlanden ansässig ist und A an ihr – zumindest mittelbar – beteiligt ist. Gleiches gilt, wenn an der N-N.V. nicht die K-KG, sondern A beteiligt ist. Ein DBA steht der Einkünftekorrektur nicht entgegen, wenn es eine Art. 9 OECD-MA entsprechende Regelung enthält.1 Beispiel 2: Die inländische K-KG gewährt das Darlehen der in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen B-AG, an der A beherrschend beteiligt ist. Zwar werden auch in diesem Fall inländische Einkünfte des A gemindert, es fehlt jedoch an einer Geschäftsbeziehung zum Ausland. Eine solche besteht vorliegend nur zwischen der inländischen K-KG und der ebenfalls inländischen B-AG, mithin ausschließlich im Inland. Der allein durch das Gesellschaftsverhältnis begründete Auslandsbezug genügt nicht, um eine Geschäftsbeziehung zum Ausland i.S.v. § 1 Abs. 1 AStG anzunehmen.2
3. Geschäftsbeziehungen der Personengesellschaft zu ihren ausländischen Gesellschaftern
8.153 Fraglich ist, ob § 1 AStG auch auf Geschäftsbeziehungen zwischen der inländischen Personengesellschaft und ihren ausländischen Gesellschaftern Anwendung finden kann. Einigkeit besteht zunächst darin, dass die Personengesellschaft selbst nicht Steuerpflichtiger i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG ist. Davon unabhängig ist jedoch die Frage zu beurteilen, ob zwischen einem Steuerpflichtigen und einer Personengesellschaft Geschäftsbeziehungen i.S.v. § 1 Abs. 5 AStG bestehen können. Teilweise wird dies mit Hinweis auf das Verhältnis zwischen Betriebsstätte und Stammhaus verneint.3 Mangels rechtlicher Selbständigkeit einer Betriebsstätte seien schuldrechtliche Beziehungen zwischen ihr und dem Stammhaus nicht möglich. Im Verhältnis der Betriebsstätte zum Stammhaus könne deshalb § 1 Abs. 1 AStG nicht angewandt werden.4 Für das Verhältnis von Gesellschafter und Personengesellschaft folgt jedoch das Steuerrecht – zumindest außerhalb von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG – der zivilrechtlichen Sichtweise, wonach Gesellschafter und Personengesellschaft eigenständige Rechtssubjekte sind.5 Schuldrechtliche Vereinbarungen zwischen ihnen sind – anders als zwischen Stammhaus und Betriebsstätte – steuerrechtlich anzuerkennen und somit auch an § 1 1 Ausführlich dazu Kaminski, StuW 2008, 337 (342 f.) – auch zu den Grenzen von Art. 9 OECD-MA. 2 Vgl. auch Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 Rz. 237. 3 Piltz in Mössner u.a.3, Rz. F 83; Gocksch, IStR 2002, 181 (183); in diese Richtung auch Schmidt, IStR 2008, 290 (292). 4 Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 Rz. 223.3, 894; Kaminski/Strunk, DB 2008, 2501 (2502); Kaminski, StuW 2008, 337 (338); Andresen in W/A/D, Rz. 2.61; Maier in Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung2, Rz. 661. 5 BFH v. 28.1.1976 – I R 84/74, BStBl. II 1976, 744 (745); Wacker in Schmidt31, § 15 EStG Rz. 163 ff.
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D. Ermittlung der (inländischen) Einkünfte des ausländischen Gesellschafters
AStG zu messen.1 Zu berücksichtigen ist allerdings, dass rein gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen keine Geschäftsbeziehungen i.S.v. § 1 Abs. 5 AStG darstellen. Nicht der Einkünftekorrektur unterliegen deshalb Beiträge des Gesellschafters zur Begründung seiner Gesellschafterstellung, etwa durch (offene) Einbringungen und Einlagen.2 Diese Vorgänge berühren allein das Gesellschaftsverhältnis.3 Ebenso wenig stellen (offene) Entnahmen Geschäftsbeziehungen i.S.v. § 1 Abs. 5 AStG dar. Zu Konkurrenzfragen kann es auch nicht bei offenen Entnahmen kommen, weil diese stets privat veranlasst sind.4
8.154
Als problematisch verbleiben damit die Fälle, in denen die Einlage oder Entnahme durch ein entgeltliches Rechtsgeschäft überdeckt wird (verdeckte Einlage oder Entnahme). Während die Finanzverwaltung von einem Verhältnis der Idealkonkurrenz ausging, wonach neben den Rechtsfolgen anderer Berichtigungsvorschriften eine weitergehende Berichtigung nach § 1 AStG zu erfolgen hatte,5 gingen die in der Literatur vertretenen Ansichten auseinander.6 Nach überwiegender Ansicht war § 1 AStG zu anderen Korrekturvorschriften subsidiär,7 was im Ergebnis dazu führt, dass immer die aus Sicht der Finanzverwaltung weitergehende Vorschrift anzuwenden ist.8 § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG stellt nunmehr ausdrücklich klar, dass eine Berichtigung nach § 1 AStG auch neben anderen Korrekturvorschriften Anwendung finden kann, wenn der Fremdvergleichsgrundsatz zu weitergehenden Berichtigungen führt. Im Ergebnis folgt daraus, dass eine Berichtigung zunächst auf Grundlage der anderen Berichtigungsvorschriften zu erfolgen hat. Sollte der Fremdvergleichsgrundsatz zu einer weitergehenden Korrektur führen, so ist diese daneben auf Grundlage von § 1 AStG vorzunehmen.9 Hierbei stellt das Rechtsgeschäft, das die Einlage verdecken soll, die für die Anwendung
8.155
1 Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 Rz. 223.3; Ditz in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 14.20; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 864 f. 2 Vgl. ausführlich Ditz in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 14.20, wonach auch die Erhöhung des Nominalkapitals eine nicht an § 1 AStG zu messende gesellschaftsvertragliche Vereinbarung darstellt. 3 Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 Rz. 89; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 865; Cortez in Wöhrle/Schelle/Gross, § 1 Rz. 33. 4 Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 Rz. 95; Gocksch, IStR 2002, 181 (183); in diese Richtung auch BFH v. 17.12.1997 – I B 96/97, BStBl. II 1998, 321 (324). 5 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 Rz. 1.1.2; v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 5.3.1. 6 Zum Meinungsstand vgl. Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 Rz. 77. 7 Ditz in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 14.24; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 18.81; Klein, BB 1995, 225 (227); Kaminski, StuW 2008, 337 (338); vgl. ausführlich Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 Rz. 77 ff. 8 Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 Rz. 77. 9 Vgl. dazu: Kaminski, StuW 2008, 337 (339) – auch zu europarechtlichen Aspekten, 344 f.
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Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften
des § 1 AStG erforderliche Geschäftsbeziehung dar. Für die Beurteilung der hier zu untersuchenden Inbound-Fälle folgt daraus:
8.156 Eine (verdeckten) Einlage führt bei einem ausländischen Gesellschafter grundsätzlich nur dann zu einer inländischen Gewinnkorrektur, wenn Deutschland ein Besteuerungsrecht auf diese Einkünfte hat. Beispiel: Verdeckte Einlage Der ausländische Gesellschafter veräußert einen zum ausländischen Betriebsvermögen gehörenden PKW an seine inländische Personengesellschaft unter Marktwert. Durch den Veräußerungsvorgang liegt zwar eine Geschäftsbeziehung zwischen dem Gesellschafter und der Personengesellschaft als nahe stehende Person vor, die von den Bedingungen abweicht, die fremde Dritte vereinbart hätten. Mangels inländischer Gewinnminderung führt die (verdeckte) Einlage auf Ebene des Gesellschafters aber nicht zur Anwendung von § 1 Abs. 1 AStG. Umgekehrt führt aus Sicht der Personengesellschaft die verdeckte Einlage zu einer Vermögensmehrung, sodass hier nur die Rechtsfolgen der Einlage anzusetzen sind. Beispiel: Nutzungsüberlassung Der ausländische Gesellschafter A überlässt seiner K-KG eine Maschine für 5 zur Nutzung. Der gemeine Wert des Nutzungsvorteils sei 20, der Teilwert hingegen 10. Gegenstand verdeckter Einlagen können nur solche Vermögenszuwendungen sein, die in die Bilanz aufgenommen werden können. Nutzungen oder Dienstleistungen, die ein Gesellschafter gegenüber seiner Gesellschaft erbringt, sind hingegen nicht einlagefähig.1 Eine verdeckte Einlage kommt insoweit nicht in Betracht. Gleichwohl kann § 1 Abs. 1 AStG zur Anwendung kommen, weshalb die Einkünfte des A i.H.v. 15 zu korrigieren wären.2 Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn das Besteuerungsrecht an den als Sonderbetriebseinnahmen zu qualifizierenden Nutzungsentgelt im Inland liegt, da andernfalls keine inländische Steuerminderung vorliegt. In einem DBA-Fall ist dies grundsätzlich nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht der Fall, sodass auch insoweit eine Anwendung des § 1 Abs. 1 AStG sowohl aus Sicht der empfangenen Gesellschaft als auch aus Sicht des ausländischen Gesellschafters ausscheidet.
8.157 Im Unterschied zur Einlage von Nutzungen ist die Entnahme von Nutzungen möglich.3 In Höhe des Teilwertes der Nutzungen liegt mithin eine Entnahme vor. Auch in diesem Fall kann eine darüber hinausgehende Korrektur nach § 1 AStG erfolgen, wenn der Fremdvergleichspreis den Teilwert übersteigt.4
1 BFH v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348 (352 ff.); Rosner in Gosch2, § 8 KStG Rz. 106. 2 Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 Rz. 92. 3 BFH v. 24.5.1989 – I R 213/85, BStBl. II 1990, 8 (9); Winnefeld, Bilanzhandbuch4, Rz. 515; Wied in Blümich, § 4 EStG Rz. 454, 456. 4 Ebenso Cortez in Wöhrle/Schelle/Gross, § 1 Rz. 35; kritisch BFH v. 17.12.1997 – I B 96/97, BStBl. II 1998, 321 (324), der es für ernstlich zweifelhaft hält, ob eine Entnahme nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG die Annahme einer Geschäftsbeziehung i.S.v. § 1 AStG erlaubt; a.A. Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 Rz. 95.
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D. Ermittlung der (inländischen) Einkünfte des ausländischen Gesellschafters Beispiel: Verdeckte (Nutzungs-)Entnahme Die inländische K-KG überlässt ihrem ausländischen Gesellschafter A Maschinen zur Hälfte der marktüblichen Miete. Für steuerliche Zwecke erfolgt eine Anpassung nach § 1 AStG auf den Fremdvergleichspreis.
VII. Auslandsbetriebsstätten der Personengesellschaft Zu einer (fiktiven) Entnahme kommt es, wenn ein Wirtschaftsgut aus einer inländischen Betriebsstätte der Personengesellschaft in eine Auslandsbetriebsstätte der Gesellschaft überführt wird (§ 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG). § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG stellt klar, dass eine mit dem gemeinen Wert zu bewertende fiktive Entnahme vorliegt.1
8.158
Beispiel: Der Steuerausländer A ist an der inländischen O-OHG beteiligt, die Betriebsstätten sowohl in Deutschland als auch in Italien unterhält. Die O-OHG verbringt eine bisher in einer deutschen Betriebsstätte genutzte Fertigungsmaschine in ihre italienische Betriebsstätte. Mit Überführung der Maschine in die italienische Betriebsstätte werden auf Ebene der O-OHG stille Reserven realisiert (§ 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG). Wird das Wirtschaftsgut in eine Anrechnungsbetriebsstätte z.B. in ein Nicht-DBALand verbracht, sind die Rechtsfolgen dieselben. Das verbrachte Wirtschaftsgut rechnet fortan zu der Auslandsbetriebsstätte, deren Einkünfte nicht zu den inländischen Einkünften des ausländischen Gesellschafters gehören.
VIII. Beteiligung an Kapitalgesellschaften Sind Gesellschafter der Personengesellschaft ausländische Privatpersonen und sind diese über eine vermögensverwaltende deutsche Personengesellschaft an Kapitalgesellschaften beteiligt, so erzielen die Gesellschafter aus den inländischen Kapitalbeteiligungen Dividenden, die nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG beschränkt steuerpflichtig sind, und Veräußerungsgewinne, die nur unter den Voraussetzungen des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e i.V.m. § 17 EStG der deutschen Besteuerung unterliegen. Die Besteuerung deutscher Dividenden erfolgt durch Kapitalertragsteuerabzug i.H.v. 25 % zuzüglich Solidaritätszuschlag (vgl. §§ 43 Abs. 1 Nr. 1, 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG) und gilt hierdurch als abgegolten (§ 50 Abs. 2 EStG). Veräußerungsgewinne unterliegen dem Teileinkünfteverfahren. Auslandsdividenden und Veräußerungsgewinne von ausländischen Beteiligungen unterliegen nicht der deutschen beschränkten Steuerpflicht und deshalb auch nicht der deutschen Kapitalertragsteuer.
1 Vgl. auch BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 („Betriebsstättenerlass“), BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.6.3, wonach auf den „Fremdvergleichspreis“ abzustellen sei, welcher jedoch regelmäßig dem gemeinen Wert entspreche (vgl. dort Rz. 2.2).
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8.159
Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften
Ist die Personengesellschaft gewerblich tätig, unterliegen die Dividenden und Veräußerungsgewinne als gewerbliche Einkünfte, die einer inländischen Betriebsstätte zuzurechnen sind, gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG bei ihrem ausländischen Gesellschafter der beschränkten Steuerpflicht. Gemäß § 3 Nr. 40 Satz 2 i.V.m. § 20 Abs. 8 EStG findet in diesem Fall das Teileinkünfteverfahren Anwendung.1 Durch die einbehaltene Kapitalertragsteuer gilt die deutsche Steuer nicht als abgegolten (§ 50 Abs. 2 Nr. 1 EStG).
8.160 Sind Gesellschafter der Personengesellschaft ausländische Kapitalgesellschaften, die in Deutschland beschränkt körperschaftsteuerpflichtig sind, werden im Ergebnis 95 % der Dividendeneinkünfte und Veräußerungsgewinne von der Besteuerung ausgenommen (vgl. § 8b Abs. 6 KStG). Die Anrechnung ausländischer Quellensteuern auf die Dividenden kann nur unter den Voraussetzungen der §§ 50 Abs. 3 i.V.m. 34c Abs. 1 EStG erfolgen. § 34c Abs. 2 EStG ist insoweit ausgeschlossen.2
8.161 Beschränkt steuerpflichtigen Körperschaften kann auf Antrag beim BZSt der regulär einzubehaltenden Kapitalertragsteuer erstattet werden (§ 44a Abs. 9 EStG), sodass Dividenden im Ergebnis nur mit 15 %3 Kapitalertragsteuern belastet werden, was dem inländischen Körperschaftsteuersatz entspricht. Für bestimmte in einem EU-Staat ansässige Körperschaften ermöglicht § 43b EStG ein vollständiges Absehen vom Kapitalertragsteuerabzug.4 § 43b Abs. 2 Satz 1 EStG verlangt hierfür jedoch eine „unmittelbare“ Beteiligung am Kapital der (deutschen) Tochtergesellschaft. Für Beteiligungen, die über eine (inländische) Personengesellschaft gehalten werden, kann diese Begünstigung mithin keine Anwendung finden.5 2/3
8.162 Diese Besteuerungsgrundsätze werden durch geltendes DBA-Recht erheblich eingeschränkt: Gemäß Art. 10 Abs. 1 OECD-MA können Dividenden grundsätzlich im Ansässigkeitsstaat des Anteilseigners besteuert werden. Dem Ansässigkeitsstaat der auszahlenden Gesellschaft steht dagegen ein beschränktes Quellenbesteuerungsrecht zu (Art. 10 Abs. 2 OECD-MA). Der Quellensteuersatz beträgt 15 % (Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Buchst. b OECD-MA). Er ist auf 5 % reduziert, wenn die ausländische Kapitalgesellschaft unmittelbar über mindestens 25 % des Kapitals der die Divi1 Zur Anwendbarkeit des Teileinkünfteverfahrens auf beschränkt Steuerpflichtige vgl. Nacke in H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 27; Tormöhlen/Korn in Korn, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 2. 2 Dötsch/Pung in D/J/P/W, § 8b KStG Rz. 247 i.V.m. Rz. 10 m.w.N.; a.A. Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 532; Mueller, IStR 2002, 109 (113). 3 Zuzüglich Solidaritätszuschlag i.H.v. 5,5 % (vgl. § 3 Nr. 5 SolzG). 4 Voraussetzung ist, dass die EU-Körperschaft eine Gesellschaft ist, die in Anlage 2 zu § 43b EStG aufgeführt ist und zu mindestens 10 % am Nennkapital der deutschen Kapitalgesellschaft beteiligt ist. 5 Lemaitre/Lüdemann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 7.38; Lindberg in Blümich, § 43b EStG Rz. 26; Jesse, IStR 2005, 151 (158); wohl a.A. Bullinger, IStR 2004, 406 (409).
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D. Ermittlung der (inländischen) Einkünfte des ausländischen Gesellschafters
dende zahlenden Gesellschaft verfügt (Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a OECD-MA). Wie die nationale Regelung des § 43b EStG verlangt damit auch die abkommensrechtliche Bestimmung – zumindest bei wörtlicher Auslegung – eine unmittelbare Beteiligung der Mutter- an der Tochtergesellschaft. In der deutschen Literatur mehren sich jedoch die Stimmen, die Art. 10 8.163 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a OECD-MA auch in Fällen einer mittelbaren Beteiligung anwenden wollen.1 Die Anhänger dieser Auffassung verweisen darauf, dass sowohl die deutsche Rechtsprechung2 wie auch der deutsche Gesetzgeber3 die Schachtelprivilegierungen in den letzten Jahren auf Fälle nur mittelbarer Beteiligungen über Personengesellschaften ausgeweitet hätten. Dies gelte sowohl für die Dividendenfreistellung nach innerstaatlichem Recht (§ 8b Abs. 6 KStG und § 9 Nr. 7 GewStG) als auch für die Quellenbesteuerung im internationalsteuerlichen Kontext. So werde beispielsweise in dem Revisionsprotokoll zum DBA-Schweiz vom 12.3.2002 „klargestellt“, dass „das Halten von Anteilen an einer Gesellschaft über eine Personengesellschaft“ der Anwendung des Art. 10 Abs. 3 DBA-Schweiz „nicht entgegenstehe“.4 Gleichwohl verlangt Art. 10 Abs. 3 DBA-Schweiz – wie Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a OECD-MA – ausdrücklich eine unmittelbare Beteiligung. Wenngleich das genannte Revisionsprotokoll verbindlich nur Aussagen zum DBA-Schweiz treffen kann, erschiene es doch wenig überzeugend, dass für gleichlautende Bestimmungen in anderen Abkommen anderes gelten soll. Zumindest aus deutsche Sicht sollte mithin davon ausgegangen werden können, dass das Schachtelprivileg des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a OECD-MA auch dann in Anspruch genommen werden kann, wenn die fragliche Beteiligung mittelbar über eine Personengesellschaft gehalten wird. Dass andere Staaten in der Situation als Quellenstaat eine strengere Interpretation des Unmittelbarkeitserfordernisses vornehmen und das Schachtelprivileg nicht gewähren, lässt sich jedoch nicht ausschließen. Das Revisionsprotokoll zum DBA-Schweiz kann insoweit jedenfalls keinerlei (Indiz-)Wirkung entfalten. Beispiel: Die in den USA ansässige US-Corp. ist als einzige Kommanditistin allein am Vermögen der vermögensverwaltenden K-KG beteiligt, welche ihrerseits 50 % der Geschäftsanteile an der im Inland ansässigen D-GmbH hält.
1 Lemaitre/Lüdemann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 7.40; Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 74; Gradel in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 42; Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, 121 f.; a.A. Wassermeyer in D/W, Art. 10 OECD-MA Rz. 77. 2 BFH v. 17.5.2000 – I R 31/99, BStBl. I 2001, 685 – zu § 9 Nr. 7 GewStG, der jedoch eine „unmittelbare“ Beteiligung gerade nicht verlangt. 3 Einführung von § 8b Abs. 6 KStG. 4 Revisionsprotokol v. 12.3.2002 zum DBA-Schweiz, Art. VI Protokoll Nr. 1b zu Art. 10 Abs. 3, Gesetz v. 8.3.2003, BGBl. II 2003, 67.
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Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a DBA-USA verlangt für eine Reduzierung des Quellensteuersatzes auf 5 % eine unmittelbare Beteiligung an der Dividenden zahlenden Gesellschaft i.H.v. mindestens 10 %. Nach hier vertretener Ansicht sollte der US-Corp. trotz der zwischengeschalteten K-KG das abkommensrechtliche Schachtelprivileg zugutekommen. Es ist davon auszugehen, dass nach deutschem Abkommensverständnis eine unmittelbare Beteiligung auch dann vorliegt, wenn diese durch eine zwischengeschaltete Personengesellschaft gehalten wird.
Gleiches sollte erst recht in all jenen Fällen gelten, in denen das jeweilige DBA eine unmittelbare Beteiligung nicht ausdrücklich verlangt (vgl. z.B. Art. 9 Abs. 5 DBA-Frankreich).
IX. Besonderheiten im Zusammenhang mit der Zinsschranke (§ 4h EStG) 1. Personengesellschaften als Betrieb im Sinne der Zinsschranke
8.164 Mit der Unternehmensteuerreform 20081 hat der Gesetzgeber den Betriebsausgabenabzug für Zinsaufwendungen durch die Einführung von § 4h EStG beschränkt. Danach sind Zinsaufwendungen, die den im gleichen Wirtschaftsjahr erwirtschafteten Zinsertrag des Betriebs übersteigen, grundsätzlich nur i.H.v. 30 % des verrechenbaren (steuerlichen) EBITDA abzugsfähig (§ 4h Abs. 1 EStG). Ein unbeschränkter Zinsabzug ist nur möglich, wenn (a) der negative Zinssaldo weniger als drei Millionen Euro beträgt, oder (b) keine Konzernzugehörigkeit besteht oder – bei Konzernzugehörigkeit – (c) die Eigenkapitalquote des Betriebes diejenige des Konzerns um nicht mehr als zwei Prozentpunkte unterschreitet (§ 4h Abs. 2 EStG). Die Regelung greift gleichermaßen für Personenunternehmen wie auch für Kapitalgesellschaften (vgl. § 8a KStG). Sie ist als allgemeine Vorschrift zur Einkünfteermittlung auch auf beschränkt Steuerpflichtige anzuwenden.
8.165 Die Regelung des § 4h Abs. 1 EStG knüpft dabei nicht an die Zinsaufwendungen einer Rechtspersönlichkeit oder eines (beschränkt) Steuerpflichtigen an, sondern an diejenigen eines Betriebes – ohne jedoch selbst den Begriff des Betriebs auch nur ansatzweise zu umschreiben. Seine Definition ist im Einzelnen umstritten.2 Einigkeit besteht jedoch, dass eine Anwendung von § 4h EStG nur im Rahmen von Gewinneinkünften – gleich welcher Art – in Betracht kommt.3 Lediglich für beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften findet § 4h EStG auch im Rahmen von Überschusseinkünften Anwendung (vgl. § 8a Abs. 1 Satz 4 KStG). Über das Vorliegen von Gewinneinkünften hinaus wird teilweise verlangt, dass auch ein be1 Unternehmensteuerreformgesetz 2008 v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912. 2 Vgl. zum Meinungsstand Bron, IStR 2008, 14 (14); Hick in H/H/R, § 4h EStG Rz. 22 ff.; Förster in Gosch2, Exkurs § 4h EStG Rz. 48 ff. 3 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 – a/07/100001, BStBl. I 2008, 718 Rz. 2; Kröner/ Bolik, DStR 2008, 1309 (1309); Förster in Gosch2, Exkurs § 4h EStG Rz. 11; Hick in H/H/R § 4h EStG Rz. 22.
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D. Ermittlung der (inländischen) Einkünfte des ausländischen Gesellschafters
trieblicher Organismus in der Art eines gewerbesteuerlichen Gewerbebetriebes vorliegen müsse (sog. zweistufiger Betriebsbegriff).1 Letzteres ist insbesondere in den Fällen problematisch, in denen die Einkünfte aus Gewerbebetrieb nur fingiert werden (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Eine Mitunternehmerschaft kann stets nur einen Betrieb unterhalten,2 dem auch das Sonderbetriebsvermögen zurzuechnen ist.3 Keinen Betrieb i.S. der Zinsschranke unterhalten dagegen ausschließlich vermögensverwaltende Personengesellschaften.4 Halten die Gesellschafter ihre Beteiligung an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft jedoch im Betriebsvermögen, so kommt auf Ebene der Gesellschafter eine Anwendung von § 4h EStG in Betracht.5
8.166
Auch gewerblich geprägte Personengesellschaften sollen nach Ansicht der Finanzverwaltung einen Betrieb unterhalten können.6 Dagegen fehlt es an einer Aussage zu gewerblich infizierten Personengesellschaften. Da diese jedoch insoweit mit gewerblich geprägten Personengesellschaften vergleichbar sein sollten, sollte davon ausgegangen werden können, dass die Finanzverwaltung auch insoweit § 4h EStG anwenden wird.7 Sowohl bei der gewerblich geprägten wie auch bei der gewerblich infizierten Personengesellschaft fingiert das Gesetz über § 15 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 EStG nicht nur das Vorliegen von gewerblichen Einkünften, sondern auch einen Gewerbebetrieb. Für Unternehmen in der Rechtsform der GmbH & Co. KG geht die Finanzverwaltung für die Anwendung des Ausschlusstatbestandes des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b EStG davon aus, dass die Kommanditgesellschaft und die Komplementär-GmbH grundsätzlich als ein Betrieb anzusehen sind, wenn sich die Tätigkeit der GmbH in der Haftungsübernahme auf Ebene der KG beschränkt und weder die KG noch die GmbH anderweitig zu einem Konzern gehören.8
8.167
1 Möhlenbrock in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 18.14; Möhlenbrock/Pung in D/J/P/W, § 8a KStG Rz. 45. 2 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 – a/07/100001, BStBl. I 2008, 718 Rz. 6; Hick in H/H/R, § 4h EStG Rz. 25; Grotherr, IWB 2007, Fach 3, Gruppe 3, 1489 (1498); Köhler, DStR 2007, 597 (598). 3 Hick in H/H/R, § 4h EStG Rz. 29. 4 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 – a/07/100001, BStBl. I 2008, 718 Rz. 5; Meining/Telg, IStR 2008, 507 (508); van Lishaut/Schumacher/Heinemann, DStR 2008, 2341; Hick in H/H/R, § 4h EStG Rz. 25; Förster in Gosch2, Exkurs § 4h EStG Rz. 11; Hoffmann in L/B/P, § 4h EStG Rz. 76. 5 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 – a/07/100001, BStBl. I 2008, 718 Rz. 43; vgl. dazu noch Rz. 8.171. 6 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 – a/07/100001, BStBl. I 2008, 718 Rz. 5; zustimmend Hick in H/H/R, § 4h EStG Rz. 25; Hoffmann in L/B/P, § 4h EStG Rz. 76; Förster in Gosch2, Exkurs § 4h EStG Rz. 50. 7 Möhlenbrock in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 18.7; ebenso Hick in H/H/R, § 4h EStG Rz. 25; Förster in Gosch2, Exkurs § 4h EStG Rz. 50; Schaden/Käshammer, BB 2007, 2317 (2319); Kröner/Bolik, DStR 2008, 1309 (1309); a.A. Winkler/Käshammer, Ubg 2008, 478 (479). 8 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 – a/07/100001, BStBl. I 2008, 718 Rz. 66: Die GmbH darf insbesondere keine eigene Geschäftstätigkeit entfalten. Insoweit legt
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Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften Beispiel: An einer inländischen KG ist neben dem Steuerausländer A als Kommanditist die britische L-Ltd. als alleinige Komplementärin beteiligt. A ist zugleich alleiniger Gesellschafter der L-Ltd. Der Gesetzeswortlaut legt nahe, dass es sich bei der KG wie auch der L-Ltd. jeweils um einen eigenständigen Betrieb i.S.v. § 4h EStG handelt. Die Folge wäre, dass § 4h Abs. 1 EStG Anwendung fände, wenn der negative Zinssaldo drei Millionen Euro übersteigt und der Eigenkapitalvergleich nicht erfüllt wird. Die Finanzverwaltung geht jedoch davon aus, dass die KG und die L-Ltd. einen einheitlichen Betrieb bilden,1 solange die L-Ltd. keine eigenständige Geschäftstätigkeit entfaltet. Mangels Konzernzugehörigkeit scheidet dann die Anwendung der Zinsschrankenregelung aus (vgl. § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b EStG).
8.168 Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind die nach § 4h EStG nicht abziehbaren Zinsaufwendungen betriebsbezogen zu ermitteln;2 mithin im Falle einer Personengesellschaft für Gesamthands- und Sonderbetriebsvermögen einheitlich. Zinsaufwendungen und -erträge, die im Sonderbereich eines Mitunternehmers entstanden sind, sind mit Zinsaufwendungen und -erträgen des Gesamthandsbereichs zu verrechnen.3 Diese Sichtweise trägt dem Umstand Rechnung, dass die Personengesellschaft einen einheitlichen Betrieb unterhält, zu dem auch das Sonderbetriebsvermögen gehört.4 2. Betriebseigenschaft bei beschränkter Steuerpflicht
8.169 Die unter Rz. 8.164 ff. dargestellten Grundsätze gelten auch bei Beteiligung von ausländischen Steuerpflichtigen an deutschen Personengesellschaften. Handelt es sich bei der Personengesellschaft um eine gewerblich tätige oder gewerblich geprägte/infizierte Personengesellschaft, erzielt diese gewerbliche (Gewinn-)Einkünfte. Unterhält sie zudem einen inländischen Betrieb, bestehen bezüglich der Anwendung der Zinsschranke keine Bedenken (siehe Rz. 8.165 zum zweistufigen Betriebsbegriff), insbesondere greift insoweit nicht die DBA-rechtliche Betrachtungsweise. Gerade bei ausländischen Investoren besteht aber häufig die Besonderheit, dass die Begründung eines deutschen Gewerbebetriebes zur Vermeidung von Gewerbesteuer vermieden werden soll. In der Praxis typisch sind solche Modelle insbesondere bei Immobilienerwerben. In solchen Situationen stellt sich die Frage, ob schon ein ausländischer Betrieb aus-
1
2 3 4
die Finanzverwaltung strenge Maßstäbe an; schon die Zuordnung von Zinsaufwendungen zur GmbH soll zwei eigenständige Betriebe begründen. Vgl. BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 – a/07/100001, BStBl. I 2008, 718 Rz. 66, wonach bei ausländischen Rechtsformen, die mit der einer GmbH & Co. KG vergleichbar sind, ebenfalls von einem einzigen, einheitlichen Betrieb auszugehen ist. BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 – a/07/100001, BStBl. I 2008, 718 Rz. 51. Hick in H/H/R, § 4h EStG Rz. 29 – auch mit einem Berechnungsbeispiel. Überzeugend Hick in H/H/R, § 4h EStG Rz. 29. Zu in der Literatur diskutierten, abweichenden Lösungsmöglichkeiten Loschelder in Schmidt31, § 4h EStG Rz. 10; Kussmaul/Ruiner/Schappe, DStR 2008, 904.
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D. Ermittlung der (inländischen) Einkünfte des ausländischen Gesellschafters
reicht, um einen Betrieb i.S. der Zinsschranke zu begründen. Darüber hinaus ist die Frage zu beantworten, wie sich die gesetzlichen Fiktionen der § 8a Abs. 1 Satz 4 KStG sowie § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG auf das Vorliegen eines Betriebs auswirken. Die nachfolgenden Beispiele sollen den Anwendungsbereich von § 4h EStG verdeutlichen, wenn beschränkt Steuerpflichtige an Grundbesitz haltenden inländischen Personengesellschaften beteiligt sind. Dabei sind für die Anwendung der Zinsschranke immer zwei Ebenen – die der Personengesellschaft und die des Personengesellschafters – zu prüfen. Als Ausgangspunkt soll eine inländische, nicht gewerblich geprägte, vermögensverwaltende Personengesellschaft dienen, die im Inland grundstücksverwaltend tätig ist.1
8.170
Beispiel: Der Steuerausländer A ist an der inländischen nicht gewerblich geprägten/infizierten K-KG als Kommanditist beteiligt. Die K-KG erzielt Einkünfte aus Vermietung inländischer Immobilien. Er hält seine Beteiligung a) im Privatvermögen, b) im (ausländischen) (Konzern-)Betriebsvermögen. In Fall a) erzielt A aufgrund der laufenden Mieteinnahmen beschränkt steuerpflichtige Einkünfte gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 6, § 21 EStG. Auf Ebene der K-KG scheidet eine Anwendung von § 4h EStG schon deshalb aus, weil eine vermögensverwaltende Personengesellschaft keinen Betrieb unterhält (vgl. Rz. 8.166).2 Auch auf Ebene des A liegt ein Betrieb nicht vor, weil er nur Überschuss- und keine Gewinneinkünfte (wie etwa § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG) erzielt. Im Fall b) scheidet die Anwendung der Zinsschranke auf Ebene der vermögensverwaltenden Personengesellschaft mangels Betrieb ebenfalls aus. A erzielt wiederum Einkünfte, die in Deutschland der beschränkten Steuerpflicht unterliegen (§ 49 Abs. 1 Nr. 6, § 21 EStG). Fraglich ist jedoch, ob auf Ebene des (ausländischen) Gesellschafters eine Umqualifizierung in Gewinneinkünfte erfolgen muss. Für einen Steuerinländer, der die Beteiligung an einer vermögensverwaltenden Gesellschaft im Betriebsvermögen hält, ist anerkannt, dass die Wirtschaftsgüter der Personengesellschaft anteilig in seiner Buchführung zu erfassen sind und dabei Überschusseinkünfte auf Grundlage der §§ 4 ff. EStG in Gewinneinkünfte umzurechnen sind.3 Für den Steuerinländer ist damit im Rahmen dieser Umrechnung auch die Zinsschrankenregelung des § 4h EStG zu beachten.4 Die aus § 49 Abs. 2 EStG folgende isolierte Betrachtungsweise hat jedoch zur Folge, dass vermögensverwaltende Einkünfte eines gewerblich tätigen Steuerausländers im Inland so zu versteuern sind, als wenn sie außerhalb des Gewerbebetriebs erzielt worden wären.5 Eine Umqualifizierung von Überschuss- in Gewinneinkünfte erfolgt insoweit gerade nicht.
1 Vgl. zum Ganzen Kröner/Bolik, DStR 2008, 1309. 2 Teilweise wird vertreten, dass dies auch dann gelte, wenn die Personengesellschaft einer Kapitalgesellschaft nachgeordnet ist; vgl. Meining/Telg, IStR 2008, 507 (508); Wagner/Fischer, BB 2007, 1811 (1812). 3 BFH v. 11.4.2005 – GrS 2/02, BStBl. II 2005, 679 (681); Wacker in Schmidt31, § 15 EStG Rz. 201. 4 Vgl. Kröner/Bolik, DStR 2008, 1309 (1310). 5 BFH v. 28.3.1984 – I R 129/79, BStBl. II 1984, 620.
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8.171
Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften Bleibt es für den Steuerausländer bei Überschusseinkünften, so kommt eine Anwendung von § 4h EStG auch auf Ebene des Gesellschafters nicht in Betracht.1 Abwandlung: Bei dem ausländischen Gesellschafter handelt es sich um eine niederländische N-N.V. (Kapitalgesellschaft). Die Beurteilung dieses Falles hängt von dem zu betrachtenden Veranlagungszeitraum ab. Für Veranlagungszeiträume vor 2009 galt folgendes: Wie bei einer Beteiligung im Betriebsvermögen einer natürlichen Person kommt eine Anwendung der Zinsschrankenregelung auch auf Ebene der KG nicht in Betracht. Fraglich ist jedoch, ob § 8a Abs. 1 Satz 4 KStG eine Anwendung auf Ebene des Anteilseigners (der N-N.V.) gebietet. Danach ist § 4h EStG sinngemäß auf Kapitalgesellschaften anzuwenden, die ihre Einkünfte nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG ermitteln. Der Gesetzgeber hatte mit diesem Verweis insbesondere ausländische Kapitalgesellschaften im Blick, die unmittelbar inländisches Grundvermögen halten. Werden die Einkünfte hingegen mittelbar über eine inländische Personengesellschaft bezogen, so werden die (Überschuss-)Einkünfte auf Ebene der Personengesellschaft ermittelt und der (ausländischen) Kapitalgesellschaft lediglich zugerechnet. § 8a Abs. 1 Satz 4 KStG ist seinem Wortlaut nach nicht erfüllt, da nicht die Kapitalgesellschaft selbst, sondern die inländische Personengesellschaft die Einkünfte ermittelt. Eine (sinngemäße) Anwendung von § 4h EStG kommt deshalb nicht in Betracht.2 Es erscheint jedoch zumindest fraglich, ob die Finanzverwaltung dieser eher formalen Sichtweise folgen wird. In der Literatur wird teilweise darauf hingewiesen, dass die Einkommensermittlung auf Ebene der Personengesellschaft allein aus Praktikabilitätsgründen erfolge, sodass daraus keine materiell-rechtlichen Folgen abgeleitet werden könnten.3 Für die Veranlagungszeiträume ab 2009 stellt sich die Rechtslage anders dar. Durch das JStG 2009 ist der Tatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG erweitert worden. Neben Veräußerungseinkünften werden nunmehr auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung als gewerbliche Einkünfte erfasst. Die Vorschrift greift aber nur dann, wenn es sich dabei um Einkünfte handelt, die im Rahmen einer echten gewerblichen Tätigkeit erzielt werden4 oder nach Satz 2, wenn es sich um Einkünfte einer beschränkt steuerpflichtigen Körperschaft handelt, die mit einer deutschen Kapitalgesellschaft vergleichbar ist.
8.172 In der Abwandlung ist mithin davon auszugehen, dass die niederländische N-N.V. gewerbliche Einkünfte nach § 49 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b Satz 2 EStG und damit Gewinneinkünfte erzielt. Dass die Einkünfte über eine vermögensverwaltende Personengesellschaft erzielt werden, dürfte unerheblich sein, da es nur darauf ankommt, dass die Kapitalgesellschaft die Einkünfte erzielt (und nicht die Einkünfte von der Kapitalgesellschaft ermittelt werden wie bei § 8a Abs. 1 Satz 4 KStG). Die Erweiterung der Gewinneinkünfte durch § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG lässt die Fiktion des § 8a Abs. 1 Satz 4 KStG ab Veranlagungszeitraum 2009 zwar ins Leere laufen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die N-N.V. einen betrieblichen Organismus nach Art eines gewerbesteuerlichen Gewerbebetriebes auch 1 2 3 4
Kröner/Bolik, DStR 2008, 1309 (1310). Ebenso Kröner/Bolik, DStR 2008, 1309 (1312); Meining/Telg, IStR 2008, 507 (509). Meining/Telg, IStR 2008, 507 (509). Loschelder in Schmidt31, § 49 EStG Rz. 38: Natürliche Personen, die ein inländisches Grundstück vermieten, erzielen daher nach wie vor Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG.
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D. Ermittlung der (inländischen) Einkünfte des ausländischen Gesellschafters
im Ausland unterhalten kann (vgl. Rz. 8.165). Der Gesetzgeber regelt diese Frage nicht ausdrücklich und auch die Finanzverwaltung trifft hierzu keine eindeutige Aussage. Stimmen aus der Finanzverwaltung deuten aber an, dass auch Betriebsvoraussetzungen, die im Ausland verwirklicht werden, für Zwecke der Begründung eines Betriebs i.S.v. § 4h EStG ausreichen sollen.1 Es ist somit nicht erforderlich, dass es sich um einen inländischen Betrieb handelt. Hierfür spricht, dass der Gesetzgeber beschränkt Steuerpflichtige mit nicht betrieblichen Direktinvestitionen in Deutschland nicht besser stellen wollte als inländische Investoren. § 49 Abs. 2 EStG ist nicht verletzt, da es hier nicht um die Besteuerungsmerkmale für § 49 EStG geht. Folgt man dieser Auffassung wäre die Anwendung der Zinsschranke auf Ebene der N-N.V. zu bejahen, unabhängig davon, ob die N-N.V. die Immobilieneinkünfte direkt oder über eine vermögensverwaltende Personengesellschaft bezieht. Somit ist zusammenfassend festzustellen, dass der Anwendungsbereich des § 4h EStG für denjenigen beschränkt Steuerpflichtigen eröffnet ist, der trotz fehlender inländischer Betriebsstätte seit dem Veranlagungszeitraum 20092 gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG gewerbliche Einkünfte über einen ausländischen Betrieb erzielt.
8.173
3. Zinsaufwendungen/Zinserträge Nach BMF v 4.7.2008 stellen Zinsaufwendungen, die im Inland steuerpflichtige Sondervergütungen eines Mitunternehmers i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sind, weder Zinsaufwendungen der Mitunternehmerschaft noch Zinserträge des Mitunternehmers dar.3 Damit hängt die Nichtanwendung der Zinsschranke für Zinsaufwendungen davon ab, dass es sich um „im Inland steuerpflichtige“ Sondervergütungen handelt. Bei einem Mitunternehmer in einem DBA-Land werden diese Voraussetzungen regelmäßig nicht vorliegen, da die Sondervergütungen nach der h.M. im Ausland der Besteuerung unterliegen (Art. 11 OECD-MA) und insoweit Art. 7 OECD-MA nicht zur Anwendung kommt. Hieran wird i.d.R. auch § 50d Abs. 10 EStG nichts ändern (vgl. hierzu ausführlich Rz. 8.88 ff.). Somit mindern die Zinsaufwendungen den steuerpflichtigen Gewinn der Mitunternehmerschaft (§ 4h Abs. 3 Satz 2 EStG), da sich dieser aus dem Gesamthands- und Sonderbetriebsvermögen zusammensetzt.
8.174
X. Zeitliche Zurechnung der Einkünfte Bezüglich der zeitlichen Zurechnung der Einkünfte, die ein ausländischer Gesellschafter durch seine Beteiligung an einer inländischen Personen1 Möhlenbrock in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 18.14. 2 Vgl. JStG 2009, Gesetz v. 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794. 3 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 – a/07/10001, BStBl. I 2008, 718 Rz. 19; Dörfler/ Rautenstrauch/Adrian, BB 2009, 580 (583).
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8.175
Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften
gesellschaft erzielt, bestehen keine Besonderheiten zu rein nationalen Sachverhalten. Gewerbliche Einkünfte sind deshalb in dem Jahr steuerlich zu erfassen, in dem sie entstanden sind. Darauf, ob oder wann sie dem Gesellschafter zufließen (bspw. durch eine Überweisung ins Ausland), kommt es nicht an. Für im Rahmen von ausschließlich vermögensverwaltend tätigen Personengesellschaften erzielte Einkünfte kommt es hingegen grundsätzlich auf den Zufluss an (vgl. aber § 44 Abs. 2 EStG). Unerheblich ist dabei, wann die jeweiligen Einkünfte nach dem ausländischen Recht im Sitzstaat des Steuerausländers steuerpflichtig sind. Beispiel: Das ausländische Steuerrecht qualifiziert die deutsche K-KG, an der der Steuerausländer A als Kommanditist beteiligt ist, als Kapitalgesellschaft und besteuert den bei der K-KG entstandenen Gewinn erst im Zeitpunkt der Ausschüttung an A als Dividenden. In Deutschland hingegen wird der (anteilige) thesaurierte Gewinn bereits im Jahr der Gewinnentstehung besteuert. Nachfolgende „Ausschüttungen“ an A unterliegen dagegen im Inland nicht der Steuer.
E. Thesaurierungsbesteuerung, § 34a EStG 8.176 Der durch die Unternehmensteuerreform 20081 eingeführte § 34a EStG soll Personenunternehmen die Möglichkeit geben, trotz Beibehaltung der Rechtsform an der niedrigen Thesaurierungsbelastung von Kapitalgesellschaften teilzuhaben. Erreicht werden soll dieses Ziel durch eine zweistufige Steuererhebung innerhalb der Einkommensteuer.2 Dazu gewährt § 34a Abs. 1 EStG auf der ersten Stufe die Möglichkeit, nicht entnommene Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit ganz oder teilweise mit einen Steuersatz von 28,25 % (zuzüglich Solidaritätszuschlag) zu versteuern. Für Mitunternehmeranteile kann der Steuerpflichtige den ermäßigten Steuersatz nur beantragen, wenn diese ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1 Satz 1 oder § 5 EStG ermitteln und sein Anteil am Gewinn entweder mehr als 10 % beträgt oder 10 000 Euro übersteigt (§ 34a Abs. 1 Satz 3). So begünstigt besteuerte Gewinne werden auf einer zweiten Stufe immer dann mit einem Steuersatz von 25 % (zuzüglich Solidaritätszuschlag) besteuert, wenn und soweit der positive Saldo aus Entnahmen und Einlagen den steuerbilanziellen Gewinn des Jahres übersteigt (§ 34a Abs. 4 EStG).3
1 Unternehmensteuerreformgesetz 2008 v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912. 2 In der Literatur wird vielfach kritisiert, dass eine Belastungsneutralität in vielen Fällen nicht erreicht wird; vgl. Ley/Bodden in Korn, § 34a EStG Rz. 9; Stein in H/H/R, § 34a EStG Rz. 8 m.w.N. 3 Ausführlich zu den Voraussetzungen der Thesaurierungsbesteuerung nach § 34a EStG Ley/Bodden in Korn, § 34a EStG Rz. 31 ff.; Stein in H/H/R, § 34a EStG Rz. 30 ff.; vgl. auch BMF v. 11.8.2008 – IV C 6 - S 2290a/07/100001, BStBl. I 2008, 838; weiterführend zur Stellung von § 34a EStG Bodden, FR 2012, 68.
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E. Thesaurierungsbesteuerung, § 34a EStG
Weder § 34a EStG noch § 50 EStG sehen Einschränkungen bezüglich der Anwendbarkeit der Thesaurierungsbesteuerung auf beschränkt Steuerpflichtige vor.1 Auch im Inland beschränkt steuerpflichtige Steuerausländer können mithin das Wahlrecht des § 34a Abs. 1 EStG ausüben.
8.177
Fraglich ist jedoch, in welchem Umfang § 34a EStG auf beschränkt Steuerpflichtige Anwendung finden kann. Problematisch ist dies nicht zuletzt deshalb, weil § 34a Abs. 1 EStG voraussetzt, dass der beschränkt Steuerpflichtige den Gewinn nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG ermittelt und es sich um Gewinneinkünfte nach § 49 EStG handeln muss.2
8.178
I. Begünstigte Besteuerung im Zeitpunkt der Entstehung des Gewinns Der ausländische Gesellschafter einer inländischen Personengesellschaft kann für die auf ihn entfallenden Gewinne die begünstigende Besteuerung nach § 34a EStG in Anspruch nehmen. Inwieweit dies für ihn tatsächlich zu einer Verringerung der Steuerbelastung führt, hängt entscheidend von der Besteuerungssituation des Gesellschafters in seinem Wohnsitzstaat ab.
8.179
Beispiel: Der Steuerausländer A erzielt aufgrund seiner Beteiligung an der inländischen K-KG einen nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG beschränkt steuerpflichtigen Gewinn i.H.v. 100. Er tätigt keinerlei Entnahmen. a) Zwischen dem Ansässigkeitsstaat und Deutschland besteht kein DBA oder ein DBA, nach dem die Anrechnungsmethode zur Anwendung kommt; und (1) der individuelle Steuersatz des A in seinem Wohnsitzstaat beträgt 20 %; (2) der individuelle Steuersatz des A in seinem Wohnsitzstaat beträgt 35 %; b) zwischen dem Ansässigkeitsstaat und Deutschland besteht ein DBA, nach dem die Freistellungsmethode zur Anwendung kommt.
Besteht kein DBA oder ein DBA mit Anrechnungsmethode, so ist es Sache des Wohnsitzstaates des Gesellschafters, eine Doppelbesteuerung zu verhindern. Davon unabhängig kann auf den deutschen Besteuerungsanspruch § 34a EStG Anwendung finden, der die effektive deutsche Steuerbelastung des A (zumindest temporär) verringert.
1 BMF v. 11.8.2008 – IV C 6 - S 2290a/07/100001, BStBl. I 2008, 838 Rz. 1, Stein in Lüdicke, Unternehmensteuerreform 2008, 90 f.; Stein in H/H/R, § 34a EStG Rz. 18; Lindberg in Frotscher, § 34a EStG Rz. 3; Ley/Bodden in Korn, § 34a EStG Rz. 29; Fischer in FS Schaumburg, 340; Bäumer, DStR 2007, 2089 (2093); Meyer/ Sterner, Ubg 2008, 733 (739). 2 BMF v. 11.8.2008 – IV C 6 - S 2290a/07/100001, BStBl. I 2008, 838 Rz. 2; Stein in H/H/R, § 34a EStG Rz. 18; Stein in Lüdicke, Unternehmensteuerreform 2008, 91; Ley/Bodden in Korn, § 34a EStG Rz. 29; Fischer in FS Schaumburg, 340; Meyer/Sterner, Ubg 2008, 733 (739).
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Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften
8.181 Die Inanspruchnahme der Thesaurierungsbesteuerung bringt A dann Vorteile, wenn das ausländische Steuerniveau unter dem inländischen begünstigten Steuersatz von 28,25 % liegt. In diesem Fall kann A durch die Thesaurierungsbesteuerung den Anrechnungsüberhang reduzieren und damit die effektive Steuerbelastung (zumindest temporär) verringern. Im Beispielsfall (1) beträgt die ausländische Steuerbelastung des A in seinem Wohnsitzstaat 20. Für darüber hinausgehende deutsche Steuern kommt eine Anrechnung mithin nicht in Betracht. Durch die Wahl der Thesaurierungsbesteuerung kann A mithin die darüber hinausgehende deutsche Steuer, die er mangels Anrechnungsmöglichkeit zu tragen hat, bis zum Zeitpunkt der Nachversteuerung verringern.
8.182 Liegt der individuelle Steuersatz des A in seinem Wohnsitzstaat hingegen über der deutschen Thesaurierungssteuer, ist der Vorteil bei Ausübung des Wahlrechts nach § 34a EStG fraglich. In Fall (2) beträgt die ausländische Steuerbelastung des A in jedem Fall 35. Die Wahl der Thesaurierungsbesteuerung führt hier zu keinem Vorteil. Die vorübergehende inländische Thesaurierungsbegünstigung wird durch die Heraufschleusung auf die höhere ausländische Steuer wirkungslos. Mit Blick auf eine eventuelle Nachbesteuerung, die in jedem Fall spätestens bei Beendigung des unternehmerischen Engagements in Deutschland anfällt und deren Anrechenbarkeit auf im Wohnsitzstaat gezahlte Steuer bestenfalls fraglich ist, wird die Thesaurierungsbesteuerung insgesamt zu einer höheren Steuerbelastung führen.1 Besteht keine Möglichkeit der Anrechnung der Nachsteuer im Ausland, wäre noch zu überlegen, die Thesaurierungsbegünstigung betragsmäßig so zu beschränken, dass insgesamt die inländische Steuerbelastung exakt der Höhe der im Wohnsitzstaat zu zahlenden (ausländischen) Steuer entspricht.2 Damit kann die im Zeitpunkt der Entstehung der Gewinne zu zahlende ausländische Steuer reduziert werden, ohne dass Anrechnungspotenzial im Ausland ungenutzt bliebe.
8.183 Gilt hingegen aufgrund des DBA die Freistellungsmethode, so hat die Wahl der Thesaurierungsbegünstigung keine steuerlichen Konsequenzen im Ansässigkeitsstaat3 – wohl auch dann nicht, wenn die Freistellung mit Progressionsvorbehalt gewährt wird.
II. Nachversteuerung 1. Nachversteuerung auslösende Ereignisse
8.184 Nach § 34a EStG kommt es insoweit zu einer Nachversteuerung von bisher begünstigt besteuerter Gewinne, als der positive Saldo der Entnahmen 1 Fischer in FS Schaumburg, 342; Stein in Lüdicke, Unternehmensteuerreform 2008, 92; Stein in H/H/R, § 34a EStG Rz. 18; Kessler/Jüngling/Pfuhl, Ubg 2008, 741 (744). 2 So auch Kessler/Jüngling/Pfuhl, Ubg 2008, 741 (744 f.). 3 Fischer in FS Schaumburg, 342; Stein in Lüdicke Unternehmensteuerreform 2008, 92; Kessler/Jüngling/Pfuhl, Ubg 2008, 741 (744).
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E. Thesaurierungsbesteuerung, § 34a EStG
und Einlagen eines Wirtschaftsjahres den Gewinn des Wirtschaftsjahres übersteigt. Fraglich ist jedoch, ob auch grenzüberschreitende Übertragungen von Wirtschaftsgütern zwischen einer in- und ausländischen Betriebsstätte eines beschränkt Steuerpflichtigen eine die Nachversteuerung auslösende Entnahme darstellen. Nach Ansicht der Finanzverwaltung führt die Überführung eines Wirtschaftsgutes aus der inländischen Betriebsstätte in das ausländische Stammhaus oder in weitere ausländische Betriebsstätten zu einer Entnahme i.S.v. § 34a Abs. 2 EStG. Die mit der Entnahme aus dem inländischen Betriebsvermögen korrespondierende Einlage in das zugehörige Auslandsvermögen bleibt bei der Ermittlung des nicht entnommen Gewinns unberücksichtigt, da die Anwendung des § 34a EStG auf den beschränkt steuerpflichtigen Gewinn nach § 49 EStG (Betriebsstättengewinn) beschränkt ist.1 Im Schrifttum wird diese Sichtweise überwiegend abgelehnt, da im umgekehrten (Outbound-)Fall die Finanzverwaltung2 eine Gesamtbetrachtung zwischen Entnahme und korrespondierender Einlage vornimmt.3
8.185
2. Steuerbelastung im Zeitpunkt der Nachversteuerung Im Falle einer Nachversteuerung unterliegt der überentnommene Gewinn der deutschen Nachsteuer i.H.v. 25 %. Da das Steuerobjekt der Nachversteuerung der ursprüngliche Betriebsstättengewinn ist, unterliegt dieser nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG in Deutschland der beschränkten Steuerpflicht. Damit unterliegt auch die Entnahme eines zunächst in die ausländische Betriebsstätte überführten Wirtschaftsgutes4 weiterhin der deutschen Besteuerung und auch abkommensrechtlich bleibt es bei einer Anwendung von Art. 7 OECD-MA.5
8.186
Besteht zwischen dem Wohnsitzstaat des Gesellschafters und Deutschland als Betriebsstättenstaat ein DBA, das die Freistellungsmethode vorsieht, ergeben sich bezüglich der Nachsteuer keine Probleme. Anders hingegen, wenn ein DBA die Anrechnungsmethode vorsieht oder kein DBA besteht. Da sich die Nachsteuern auf Einkünfte einer inländischen Betriebsstätte des ausländischen Gesellschafters beziehen, sollte einer Anrechenbarkeit nichts im Wege stehen. In der Praxis könnte jedoch proble-
8.187
1 BMF v. 11.8.2008 – IV C 6 - S 2290a/07/100001, BStBl. I 2008, 838 Rz. 36; ebenso Schiffer, DStR 2008, 1805 (1813); Bodden in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 21.18; Bodden/Ley in Korn, § 34a EStG Rz. 30. 2 Vgl. BMF v. 11.8.2008 – IV C 6 - S 2290a/07/100001, BStBl. I 2008, 838 Rz. 35. 3 Paus, EStB 2008, 365 (366); Meyer/Sterner, Ubg 2008, 733 (739); zumindest für den Transfer von Bargeld auch Kessler/Jüngling/Pfuhl, Ubg 2008. 741 (745 f.); vgl. auch Wacker, FR 2008, 605 (609). 4 Vgl. Rz. 8.186. 5 So überzeugend Kessler/Jüngling/Pfuhl, Ubg 2008, 741 (745); auch Stein in Lüdicke, Unternehmensteuerreform 2008, 93; Stein in H/H/R, § 34a EStG Rz. 20; Ley/Bodden in Korn, § 34a EStG Rz. 29.
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Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften
matisch sein, dass sich diese Steuer auf Einnahmen bezieht, die der Wohnsitzstaat bereits in den Vorjahren – damals unter Anrechnung der Thesaurierungssteuer – besteuert hat. Ob der ausländische Vertragsstaat aber nachträglich eine Anrechnung vornehmen wird, ist im Einzelfall ungewiss.1 Sofern dies nicht erfolgt – etwa weil ein solcher Anrechnungsrücktrag nicht vorgesehen ist – bliebe allein die Möglichkeit, die Nachsteuer im Jahr der Nachversteuerung anzurechnen. Da in diesem Jahr aufgrund der Nachsteuer eine überproportional hohe anrechenbare Steuer entstehen wird, besteht jedoch die Gefahr, dass es zu nicht unerheblichen Anrechnungsüberhängen kommt.2 In Anrechnungsfällen wird die Nachsteuer deshalb häufig zu einer echten Belastung führen. Besonders deutlich wird dies bei Aufgabe oder Veräußerung der Gesellschafterstellung, da in diesem Fall neben einem Veräußerungsgewinn die volle Nachsteuer auf die in den Vorjahren begünstigt besteuerten Gewinne fällig wird, sodass erhebliche Anrechnungsüberhänge entstehen können.3 Eine Anrechnung der Nachsteuer gänzlich ablehnen könnte der Wohnsitzstaat schließlich dann, wenn er die Nachversteuerung als Quellensteuer auf die Gewinnentnahme ansieht.4 Insbesondere aufgrund der Unsicherheiten bezüglich einer Anrechnung der Nachsteuer, sollte die Wahl der Thesaurierungsbesteuerung nach § 34a EStG bei Bestehen eines DBA und Geltung der Anrechnungsmethode gründlich überdacht werden.
F. Beendigung und Strukturwechsel I. Allgemeines 8.188 Die nachfolgenden Ausführungen zur Beendigung und Strukturwechsel beschränken sich auf solche Vorgänge, die sich außerhalb des Umwandlungssteuergesetzes vollziehen. Die sich bei Umwandlung einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft oder bei Verschmelzungen von Personengesellschaften ergebenen Fragen werden an anderer Stelle behandelt (vgl. Rz. 10.1 ff.).
1 Stein in Lüdicke, Unternehmensteuerreform 2008, 93; Fischer in FS Schaumburg, 342; Bodden in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 21.98, 21.92. 2 Kessler/Jüngling/Pfuhl, Ubg 2008, 741 (746); Fischer in FS Schaumburg, 342. 3 Ausführlich zum Ganzen Fischer in FS Schaumburg, 342. 4 Stein in Lüdicke, Unternehmensteuerreform 2008, 93; Bodden in Wassermeyer/ Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 21.98, 21.92.
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F. Beendigung und Strukturwechsel
II. Veräußerung Veräußert der ausländische Gesellschafter seine Beteiligung an der inländischen Mitunternehmerschaft, so ist ein erzielter Gewinn in Deutschland beschränkt steuerpflichtig. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG verweist auch auf den Veräußerungsgewinn nach § 16 EStG.1 Dabei wird nach nationalem Recht neben dem Gewinn aus der Veräußerung des Gesamthandsvermögens unstreitig auch der Gewinn aus der Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen erfasst.2 Auch die Tarifbegünstigung des § 34 EStG ist zugunsten des beschränkt Steuerpflichtigen uneingeschränkt anwendbar, da auf sie in § 50 Abs. 1 Satz 3 EStG nicht verwiesen wird.3 Dagegen kommt eine Berücksichtigung des Freibetrages nach § 16 Abs. 4 EStG nicht in Betracht (vgl. § 50 Abs. 1 Satz 3 EStG).4 Erzielt der beschränkt Steuerpflichtige einen Verlust, so ist dieser auch mit anderen beschränkt steuerpflichtigen Einnahmen verrechenbar (vgl. Rz. 8.47 f.).
8.189
Handelt es sich bei dem Gesellschafter um eine ausländische Kapitalgesellschaft, ist der Veräußerungsgewinn beschränkt körperschaftsteuerpflichtig (§ 2 Nr. 1 KStG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) und ggf. auch gewerbesteuerpflichtig (§ 7 Abs. 1 Satz 2, 2. Hs. GewStG). Im Abkommensfall regelt Art. 13 OECD-MA die Zuordnung des Besteuerungsrechts für Gewinne aus der Veräußerung von Vermögen. Zwar handelt es sich auch bei Veräußerungsgewinnen nach § 16 EStG begrifflich um Unternehmensgewinne, für die Art. 7 OECD-MA anzuwenden ist. Gemäß Art. 7 Abs. 4 OECD-MA sind die Regelungen der Art. 6 ff. OECDMA insoweit jedoch vorrangig. Bei der Veräußerung von Anteilen an einer Mitunternehmerschaft handelt es sich abkommensrechtlich um die Veräußerung der dem Mitunternehmer zuzurechnenden Betriebsstätte der Personengesellschaft, sodass Art. 13 Abs. 2 OECD-MA zur Anwendung kommt.5 Soweit auch unbewegliches Vermögen mitveräußert wird, gilt Art. 13 Abs. 1 OECD-MA.6 Somit darf Deutschland neben Gewinnen 1 Kumpf in H/H/R, § 49 EStG Rz. 144, 166; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 59; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D 397. 2 Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 92; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D 394; Ramackers in L/B/P, § 49 EStG Rz. 80. Ist das Sonderbetriebsvermögen hingegen einer ausländischen Betriebsstätte der inländischen Personengesellschaft zuzuordnen, so ist ein darauf entfallender Veräußerungsgewinn in Deutschland nicht steuerbar; vgl. Weggenmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 8.89. 3 Kumpf in H/H/R, § 49 EStG Rz. 144, 166; Geissler in H/H/R, § 16 EStG Rz. 12; Patt in H/H/R, § 16 EStG Rz. 201; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D 397; Graf in L/B/P, § 34 EStG Rz. 40. 4 Patt in H/H/R, § 16 EStG Rz. 201. 5 Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 162; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.338; Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 78; Lieber, IWB 2010, 351 (357); BFH v. 17.10.2007 – I R 96/06, BStBl. II 2008, 953 (955). 6 Wassermeyer in D/W, Art. 13 OECD-MA Rz. 41; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.338; wohl auch BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.4.2.
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8.190
Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften
aus im Inland belegenen Grundstücken (vgl. Art. 13 Abs. 1 OECD-MA)1 auch Gewinne aus der Veräußerung beweglichen Vermögens besteuern, das einer deutschen Betriebsstätte zuzuordnen ist (Art. 13 Abs. 2 OECDMA). Dabei ist es abkommensrechtlich unerheblich, ob der Gesellschafter seinen gesamten Anteil oder nur einen Teil veräußert. In beiden Fällen ist Art. 13 Abs. 2 OECD-MA anzuwenden.2 Die gilt zumindest für aus der Veräußerung von Gesamthandsvermögen entstehende Gewinne.
8.191 Fraglich ist jedoch, wie das Abkommensrecht die Besteuerungsrechte verteilt, wenn die Gewinne aus der Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen herrühren. Nach Ansicht des BFH sind für die Zuordnung von Betriebsvermögen im Rahmen von Art. 13 OECD-MA die innerstaatlichen Maßstäbe heranzuziehen.3 Wenn demnach das deutsche Einkommensteuerrecht die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft dem Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters und damit dem Bereich der Personengesellschaft zurechne, so müsse dies auf die abkommensrechtliche Zurechnung durchschlagen.4 Darin liegt nach Ansicht des BFH auch kein Widerspruch zu seiner Rechtsprechung zur abkommensrechtlichen Behandlung von Sondervergütungen, wonach die innerstaatliche Qualifikation als Sondervergütung nicht ausreiche, um eine tatsächliche Zuordnung zu der durch die Personengesellschaft vermittelten Betriebsstätte zu begründen. Art. 13 Abs. 2 OECD-MA verlange keine „tatsächliche“ Zugehörigkeit eines Wirtschaftsgutes, sondern stelle allein darauf ab, dass das Wirtschaftsgut „zum Betriebsvermögen der Betriebsstätte“ gehöre. Nur wenn die Personengesellschaft im Einzelfall sowohl inländische wie auch ausländische Betriebsstätten unterhält, muss die fragliche Beteiligung einer inländischen Betriebsvorrichtung funktional zuzurechnen sein, damit aus Art. 13 Abs. 2 OECD-MA ein deutsches Besteuerungsrecht folgt. Andernfalls gebe die innerstaatliche Qualifikation als Sondervergütung die Zurechnung zur deutschen Mitunternehmerbetriebsstätte vor.
8.192 In der Literatur wird diese Entscheidung des BFH kritisiert.5 In der Tat überzeugt es nicht, für Besteuerungsrechte aus laufenden Einnahmen und aus der Veräußerung unterschiedliche Grundsätze anzunehmen.6 Zudem ist es entgegen der Auffassung des BFH für das Besteuerungsrecht laufender Einkünfte gerade nicht erforderlich, dass das konkrete Abkom1 Das gilt unabhängig von der Frage, ob das inländische Grundvermögen einer deutschen Betriebsstätte der Personengesellschaft zuzuordnen ist; so zu Recht Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 79. 2 Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 79. 3 BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, DStR 2008, 1025 zum DBA-Schweiz. 4 BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, DStR 2008, 1025 (1029 ff.). 5 Weggenmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 8.92; Rosenberg/Farle in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 13.67; kritisch auch Schnitger/Bildstein, Ubg 2008, 444 (451); wohl auch a.A. Schmitt-Homann, DStR 2010, 2545 (2547). 6 A.A. Buciek, HFR 2008, 685.
1100
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men eine „tatsächliche“ Zugehörigkeit des Wirtschaftsguts zum Betriebsvermögen einer Betriebsstätte verlange. Warum im Rahmen von Art. 13 Abs. 2 OECD-MA das Fehlen der Voraussetzung der „tatsächlichen“ Zugehörigkeit eine abweichende Beurteilung rechtfertigt, bleibt offen. Allenfalls erschiene es konsequent, ein Besteuerungsrecht nach Art. 13 Abs. 2 OECD-MA aus dem Subsidiaritätsgedanken des Art. 7 Abs. 4 OECD-MA herzuleiten, woraus sich für Veräußerungsgewinne ein Vorrang des Art. 13 OECD-MA ableiten lässt, ohne dass aufgrund des Betriebsstättenvorbehalts wieder eine Rückverweisung folgt. Konsequenterweise sollten jedoch die Besteuerungsrechte für Gewinne aus der Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen nach den gleichen Grundsätzen ermittelt werden wie die laufenden Gewinne. Systematisch ließe sich dies damit begründen, dass das Betriebsvermögen einer Betriebsstätte nach Art. 13 Abs. 2 OECD-MA voraussetzt, dass auch die Erträge aus dem Vermögen der Betriebsstätte zuzurechnen sind. An dieser Voraussetzung fehlt es aber gerade bei Sondervergütungen, die unter die Spezialartikel des OECD-MA zu subsumieren sind. Im Ergebnis vermag Art. 13 Abs. 2 OECD-MA ein deutsches Besteuerungsrecht daher nur zu begründen, wenn das infrage stehende Wirtschaftsgut tatsächlich der inländischen Betriebsstätte der Personengesellschaft zugerechnet werden kann und die Erträge hieraus nach Art. 7 OECD-MA der Betriebsstätte zuzurechnen sind. Fehlt es daran, so wird regelmäßig – vorbehaltlich der Absätze 1, 3, 4 – das Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters zustehen (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA). Für nachträgliche Betriebseinnahmen und -ausgaben, die nach Veräußerung der Personengesellschaftsbeteiligung entstehen, gelten die gleichen Regeln, wie sie bei der Auflösung einfacher Betriebstätten gelten. Abwickelnde Tätigkeiten gehören ebenso wie vorbereitende Tätigkeiten noch zur Betriebstätte und unterliegen als solche in Deutschland der beschränkten Steuerpflicht.1
8.193
III. Aufgabe Gibt der ausländische Gesellschafter seine Beteiligung an der inländischen Personengesellschaft auf, bspw. indem die Gesellschaft liquidiert wird oder indem die Voraussetzungen des § 12 AO wegfallen,2 ist dies ein unter § 16 Abs. 3 EStG fallender Vorgang. Jeglicher daraus resultierender Gewinn unterliegt nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG der beschränkten Steuerpflicht und ggf. der Gewerbesteuerpflicht. Art. 13 Abs. 2 OECD-MA begründet auch in diesem Fall ein deutsches Besteuerungsrecht am beweglichen Vermögen, das der inländischen Betriebsstätte zuzuordnen war. Für im Inland belegenes Vermögen folgt dies aus Art. 13 Abs. 1 OECD-MA (vgl. zur Veräußerung bereits Rz. 8.190). 1 Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 220. 2 Vgl. Stahl in Korn, § 16 EStG Rz. 265 f.
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1101
8.194
Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften
8.195 Im Ergebnis ebenso zu behandeln sind die Fälle, in denen die inländische Personengesellschaft sämtliche Wirtschaftsgüter verkauft. Der erzielte Veräußerungsgewinn unterliegt bei dem ausländischen Gesellschafter der Einkommensteuer oder der Körperschaftsteuer und bei der Gesellschaft der Gewerbesteuer. Die Auskehrung des Veräußerungsgewinnes an die Gesellschafter ist in Deutschland kein steuerrelevanter Vorgang.
8.196 Besonderheiten im Vergleich zu rein nationalen Sachverhalten können sich bezüglich des Sonderbetriebsvermögens eines ausländischen Gesellschafters ergeben. Bei Aufgabe seines Anteils an der inländischen Personengesellschaft kann es insoweit zu einer Realisierung stiller Reserven kommen. Beispiel: Der im Ausland ansässige A ist Kommanditist der deutschen K-KG, welche ein Produkt herstellt und vertreibt, das aufgrund eines dem A gehörenden Patents produziert wird und für dessen Nutzung die K-KG an A eine Lizenz zahlt. Durch die Aufgabe seines Anteils an der inländischen K-KG verliert das Patent seine Eigenschaft als inländisches (Sonder-)Betriebsvermögen. Zu dem nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG i.V.m. § 16 EStG erfassten, beschränkt steuerpflichtigen Aufgabegewinn gehören auch die stillen Reserven in dem Patent. Nach Ansicht der Finanzverwaltung und des BFH (vgl. Rz. 8.191) hat für diesen Deutschland das Besteuerungsrecht, da es sich insoweit um Betriebsstättengewinne handelt (vgl. Art. 13 Abs. 2 OECD-MA). Nach hier vertretener Ansicht wäre das Patent hingegen in Art. 12 OECD-MA einzuordnen und das Besteuerungsrecht stünde wegen Art. 13 Abs. 5 OECD-MA dem anderen Vertragsstaat zu.
8.197 Für nachträgliche Betriebseinnahmen und -ausgaben gilt Gleiches wie auch in Fällen der Anteilsveräußerung (vgl. Rz. 8.193).
IV. Realteilung 8.198 Eine Personengesellschaft kann dadurch gespalten/geteilt werden, dass sie als Gesellschaft liquidiert wird, aber die Gesellschafter Wirtschaftsgüter aus dem Betriebsvermögen der Gesellschaft übernehmen und diese in ihrem eigenen Betrieb als Betriebsvermögen fortführen (vgl. § 123 UmwG).
8.199 Gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG hat eine Realteilung grundsätzlich zu Buchwerten zu erfolgen. Dies unabhängig davon, ob die Gesellschafter Teilbetriebe, Mitunternehmeranteile oder einzelne Wirtschaftsgüter in ihr eigenes Betriebsvermögen übernehmen. Anderes gilt jedoch, wenn die Besteuerung der stillen Reserven der übertragenen Wirtschaftsgüter im Betriebsvermögen des Gesellschafters nicht sichergestellt ist oder falls die übernommenen Wirtschaftsgüter binnen drei Jahren nach Abgabe der Steuererklärung der Mitunternehmerschaft für den Veranlagungszeitraum der Realteilung veräußert oder entnommen werden (vgl. § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG). Erfolgt eine Übertragung von einzelnen Wirtschaftsgütern
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F. Beendigung und Strukturwechsel
auf eine Kapitalgesellschaft, so ist in jedem Fall der gemeine Wert anzusetzen (§ 16 Abs. 3 Satz 4 EStG). Beispiel: An der deutschen O-OHG sind zu gleichen Teilen der in Frankreich ansässige F und die englische Kapitalgesellschaft GB-Ltd. beteiligt. F und GB-Ltd. möchten die O-OHG nicht länger gemeinsam weiterführen. Stattdessen soll F den einen und die GB-Ltd. einen davon getrennten, anderen Betriebszweig der Gesellschaft weiterführen. F kann sämtliches Vermögen der O-OHG, das er im Wege der Teilung erhält, in seinem Betriebsvermögen zu Buchwerten weiterführen, soweit dieser Betrieb in Deutschland besteht und daher die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist. Soweit GB-Ltd. Teilbetriebe und Mitunternehmeranteile erhält, gilt für sie Gleiches. Stille Reserven in einzelnen Wirtschaftsgütern, die die GB-Ltd. im Rahmen der Teilung der O-OHG erhält, müssen dagegen realisiert werden.
V. Betriebsaufspaltung In Betracht kommt schließlich auch eine Aufspaltung des Betriebes auf ein Unternehmen (sog. Besitzunternehmen), das wesentliche Betriebsgrundlagen an ein gewerblich tätiges Unternehmen (sog. Betriebsunternehmen) überlässt. Beherrschen eine oder mehrere Personen sowohl das Besitz- wie auch das Betriebsunternehmen in der Weise, dass sie in beiden einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchsetzen können, erzielt das Besitzunternehmen nach innerstaatlichem deutschen Steuerrecht nicht Vermietungseinkünfte nach § 21 EStG, sondern Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 EStG).1 Von einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung spricht man, wenn sowohl das Besitz- als auch das Betriebsunternehmen Personengesellschaften sind.2 Beispiel: Die Steuerausländer A und B sind Gesellschafter der deutschen O-OHG. Diese verpachtet sämtliche für die Produktion wesentliche Maschinen an die gewerblich tätige, deutsche K-KG, deren Gesellschafter ebenfalls A und B in gleicher Beteiligungsquote sind. Unterhält die O-OHG in Deutschland eine Betriebsstätte, so sind die Pachtzinsen in Deutschland als gewerbliche Einkünfte beschränkt steuerpflichtig (vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Dies gilt auch für die Vermietungseinkünfte aus deutschen Betriebsgrundstücken. Handelt es sich bei dem Besitzunternehmen um eine ausländische Personengesellschaft, die inländischen Grundbesitz an eine deutsche Schwesterpersonengesellschaft überlässt, so ist zweifelhaft, ob eine grenzüberschreitende Betriebsaufspaltung – mangels inländischer Geschäftsleitung – überhaupt vorliegen kann. Wird 1 Vgl. BFH v. 11.9.2003 – X B 103/02, BFH/NV 2004, 180; v. 25.5.2011 – I R 95/10, IStR 2011, 688 (vorhergehend FG Berlin-Brandenburg v. 2.9.2010 – 9 K 2510/04 B, EFG 2011, 415); vgl. ausführlich zur Betriebsaufspaltung auch Gluth in H/H/R, § 15 EStG Rz. 770 ff.; Wacker in Schmidt31, § 15 EStG Rz. 855 ff. 2 Ausführlich zur Frage der Betriebsaufspaltung über die Grenze Gluth in H/H/R, § 15 EStG Rz. 776; Wacker in Schmidt31, § 15 EStG Rz. 862.
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8.200
Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften dies verneint,1 so erzielen die ausländischen Personengesellschafter beschränkt steuerpflichtige Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG. Bejaht man hingegen auch die Möglichkeit der Begründung einer grenzüberschreitenden Betriebsaufspaltung, so erzielen die Besitzunternehmer gewerbliche Einkünfte, die bis Veranlagungszeitraum 2009 nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG nur bei Vorliegen einer deutschen Betriebsstätte bzw. eines ständigen Vertreters steuerpflichtig waren.2 Ab Veranlagungszeitraum 2009 spielt der Meinungsstreit jedoch wegen der Begründung der beschränkte Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG keine entscheidende Rolle mehr.
8.201 Fraglich ist jedoch, wie das Besteuerungsrecht abkommensrechtlich zu verteilen ist. Teilweise wird die Ansicht vertreten, die innerstaatliche Umqualifikation der Vermietungseinkünfte in gewerbliche Einkünfte schlage auch auf das Abkommensrecht durch.3 Deshalb fände Art. 7 OECD-MA Anwendung. Soweit das Besitzunternehmen eine inländische Betriebsstätte unterhält, folgt das deutsche Besteuerungsrecht aus Art. 7 Abs. 1 OECD-MA. Lediglich für die Überlassung von unbeweglichem Vermögen sei Art. 6 OECD-MA vorrangig, der jedoch für im Inland belegene Grundstücke ebenfalls ein deutsches Besteuerungsrecht normiert (vgl. Art. 6 Abs. 1 OECD-MA).
8.202 Nach a.A. soll die aufgrund innerstaatlicher Wertungen erfolgte Umqualifikation der Vermietungseinkünfte hingegen nicht ohne Weiteres auf das Abkommensrecht übertragen werden können.4 Dieser Ansicht hat sich nun auch ausdrücklich der BFH angeschlossen.5 Geht die Tätigkeit der Besitzgesellschaft über eine reine Vermögensverwaltung nicht hinaus, liegen nach dieser Ansicht abkommensrechtlich Einkünfte bspw. nach Art. 6, 12 oder 21 OECD-MA vor. Für die zuletzt genannte Ansicht spricht, dass – zumindest nach überwiegender Meinung – auch in anderen Fällen Gewerblichkeitsfiktionen nach innerstaatlichem Recht nicht in das Abkommensrecht übertragen werden.6
1 So insbesondere Wacker in Schmidt31, § 15 EStG Rz. 862. 2 Becker/Günkel, in FS Schmidt, 483, 490; a.A. wegen § 49 Abs. 2 EStG Piltz, DB 1991, 2044, 2045, Kaligin, JbFfSt 1986/87, 144, 147. 3 Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 34; Buciek in F/W/K, Art. 7 OECDMA Rz. 57. 4 Kempermann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 3.68 f.; Weggenmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 8.99; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.236; Becker/Günkel in FS Schmidt, 494; Prinz, FR 2012, 381 (383). 5 BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, IStR 2011, 688 – mit zustimmender Anm. Gosch, BFH-PR 2011, 402 (403). 6 Vgl. zur gewerblich geprägten und gewerblich infizierten Personengesellschaft Rz. 8.66 u. Rz. 8.70 sowie zu Sondervergütungen Rz. 8.84.
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G. Verfahrensfragen
G. Verfahrensfragen Gemäß §§ 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, 179 Abs. 2 Satz 2 EStG werden die Einkünfte der ausländischen Gesellschafter aus der Beteiligung an der inländischen Personengesellschaft gesondert und einheitlich festgestellt. Die Feststellung umfasst neben den laufenden Gewinnanteilen auch die Gewinne aus der Veräußerung oder Aufgabe von Mitunternehmeranteilen nach § 16 EStG. Gegenstand der Feststellung ist darüber hinaus, ob beschränkt steuerpflichtige Einkünfte i.S.v. § 49 EStG erzielt wurden1 sowie wer ausländischer Mitunternehmer ist, wenn mehrere in Betracht kommen.2 Eine gesonderte und einheitliche Feststellung findet nicht statt, wenn die Einkommensteuer durch den Steuerabzug gemäß § 50a EStG als abgegolten gilt.3
8.203
Mit in die einheitliche und gesonderte Feststellung einzubeziehen sind allerdings nur solche Einkünfte, die bei dem ausländischen Gesellschafter der beschränkten Steuerpflicht unterliegen.4 Im DBA-Fall ist im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung zudem auch zu entscheiden, ob und in welcher Höhe die Gewinne der deutschen Besteuerung unterliegen. Dies kann insbesondere bei Sonderbetriebseinnahmen fraglich sein. Gemäß § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO hat die Feststellung auch dann zu erfolgen, wenn die Einkünfte abkommensrechtlich zwar von der Besteuerungsgrundlage auszunehmen sind, sie aber gleichwohl aufgrund eines Progressionsvorbehalts für die Ermittlung des anzuwendenden Steuersatzes von Bedeutung sind.5
8.204
Beispiel: Der Steuerausländer A ist an der deutschen K-KG beteiligt. Neben einer deutschen Betriebsstätte unterhält die K-KG auch eine Betriebsstätte in Frankreich. Die der französischen Betriebsstätte zuzurechnenden Einkünfte unterliegen bei A nicht der beschränkten Steuerpflicht in Deutschland. Sie sind deshalb nicht mit in die einheitliche und gesonderte Feststellung miteinzubeziehen.6 Eine Einbeziehung nach § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO kommt mangels Steuerbarkeit in Deutschland ebenfalls nicht in Betracht.
Auch die ausländischen Gesellschafter haben in Deutschland eine Steuererklärung abzugeben (§ 25 Abs. 3 Satz 1 EStG, § 149 AO), die grundsätzlich eigenhändig zu unterschreiben ist (§ 25 Abs. 3 Satz 4 EStG). Der dau1 FG München v. 24.9.1990 – 13 K 13211/85, DStR 1991, 24 – bestätigt durch BFH v. 27.10.1993 – I R 108/91 (n.v.); BFH v. 18.12.2002 – I R 92/01, IStR 2003, 388 (389 f.). 2 BFH v. 6.12.1995 – I R 131/94, BFH/NV 1996, 592 (592). 3 BFH v. 23.10.1991 – I R 86/89, BStBl. II 1992, 185 (186), Frotscher in Schwarz, § 180 AO Rz. 22. 4 Söhn in HHSp, § 180 AO Rz. 161; Brandis in T/K, § 180 AO Rz. 56. 5 Brandis in T/K, § 180 AO Rz. 103; Frotscher in Schwarz, § 180 AO Rz. 22. 6 BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663 (664 f.); Frotscher in Schwarz, § 180 AO Rz. 22.
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Kapitel 8 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften
ernde Aufenthalt im Ausland kann jedoch als Fall längerer Abwesenheit i.S.v. § 150 Abs. 3 Satz 1 AO angesehen werden,1 sodass die Steuererklärung auch von einem Bevollmächtigten unterschrieben werden kann. Ist die deutsche Einkommensteuerschuld bereits durch Steuerabzug abgegolten, bedarf es keiner Abgabe einer Steuererklärung.2
1 BFH v. 10.4.2002 – VI R 66/98, BStBl. II 2002, 455 (456); nicht entscheidend ist, ob der beschränkt Steuerpflichtige im Ausland ggf. postalisch zu erreichen wäre. 2 Dremel in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 26.09.
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Kapitel 9 Beteiligung an inländischen Kapitalgesellschaften Literatur Bullinger, Änderung der Mutter-Tochter-Richtlinie ab 2005: Erweiterung des Anwendungsbereiches und verbleibende Probleme, IStR 2004, 406; Burwitz, Fehlgeschlagene GmbH-Vorgesellschaft nicht körperschaftsteuerpflichtig, NZG 2010, 743; Esterer/Bartelt, Modernes Gruppenbesteuerungssystem für Deutschland, BB Spezial 1 (zu BB 2010, Heft 5), 2; Flick, Deutsche Aktivitäten von Ausländern über ausländische Zwischengesellschaften und die Mißbrauchsgesetzgebung des § 50d Ia EStG, IStR 1994, 224; Frotscher, Grenzüberschreitende Organschaft – wo stehen wir?, IStR 2011, 697; Früchtl/Prokscha, Die einkommensteuerliche Behandlung von Erlösen aus der Liquidation von Kapitalgesellschaften nach dem SEStEG, BB 2007, 2147; Gosch, Über das Treaty Overriding – Bestandsaufnahme – Verfassungsrecht – Europarecht, IStR 2008, 413; Haarmann, Grenzen der Gestaltung im IStR, 1994, 79; Häuselmann, Zwölf Punkte zur weiteren Modernisierung und Vereinfachung des Unternehmenssteuerrechts – Die Steuerpläne der Regierungskoalition vom 14.2.2012, SteuK 2012, 113; Hey, Bedeutung der Besteuerungsfolgen der verdeckten Gewinnausschüttung nach der Unternehmenssteuerreform, GmbHR 2001, 1; Krabbe, Zweifelsfragen zu § 50d Abs. 1a EStG, IStR 1995, 382; Krabbe, Mittelbare Abkommensberechtigung nach § 50d Abs. 1a EStG, IStR 1998, 76; Kraft, Auslegungs- und Anwendungsprobleme der speziellen Mißbrauchsklausel des § 50d Ia EStG zur Verhinderung von Treaty Shopping und Directive Shopping, IStR 1994, 370; Lüdicke, Der missratene § 50d Absatz 3 Satz 1 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG, IStR 2012, 81; Lüdicke, Zum BMF-Schreiben vom 24.1.2012: Entlastungsberechtigung ausländischer Gesellschaften (§ 50d Absatz 3 EStG), IStR 2012, 148; Lutter, Europäische Aktiengesellschaft – Rechtsfigur mit Zukunft?, BB 2002, 1; Menhorn, § 50d Abs. 3 EStG und der stillschweigende Missbrauchsvorbehalt in Doppelbesteuerungsabkommen, IStR 2005, 325; Mössner, Gewerbesteuerliche Organschaft zwischen einem in Großbritannien ansässigen Organträger und einer inländischen Organgesellschaft über eine inländische Zwischenholding, IStR 2011, 345; Pache/Englert, Die Rechtssache X-Holding BV – das endgültige Ende der Hoffnungen auf ein vom EuGH postuliertes europäisches Gruppenbesteuerungssystem, IStR 2010, 448; Plewka/Renger, Verstößt § 50d III EStG tatsächlich gegen die Grundfreiheiten?, GmbHR 2007, 1027; Rödder, Deutsche Unternehmensbesteuerung im Visier des EuGH, DStR 2004, 1629; Rödder/Schönfeld, Abschied (auslandsbeherrschter) inländischer Kapitalgesellschaften von der deutschen Ertragsteuerpflicht? Erste Anmerkungen zum überraschenden Urteil des BFH v. 9.2.2011 (I R 54, 55/10, DStR 2011, 762), DStR 2011, 886; Schnitger, Verstoß der Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG) und weiterer Entstrickungsnormen des deutschen Ertragsteuerrechts gegen die Grundfreiheiten des EG-Vertrags, BB 2004, 804; Stoschek/Peter, § 50d Abs. 3 EStG – erste Rechtsprechung zu einer verfehlten Missbrauchsvorschrift – Vereinbarkeit von § 50d Abs. 5 EStG mit Europarecht? –, IStR 2002, 656; Suchanek/Jansen, Änderungen bei der Stille-Reserven-Klausel des § 8c KStG durch das Jahressteuergesetz 2010, GmbHR 2011, 174; Wagner/Herzig, EuGH-Urteil „Marks & Spencer“ – Begrenzter Zwang zur Öffnung nationaler Gruppenbesteuerungssysteme für grenzüberschreitende Sachverhalte, DStR 2006, 1; Winter/Marx, „Grenzüberschreitende“ Organschaft mit zugezogenen EU-/EWRGesellschaften – Neue Gestaltungsmöglichkeiten aufgrund des BMF-Schreibens vom 28.3.2011, DStR 2011, 1101.
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Kapitel 9 Beteiligung an inländischen Kapitalgesellschaften
A. Subjektive Steuerpflicht der inländischen Kapitalgesellschaft 9.1 Mit der Beteiligung an einer inländischen Kapitalgesellschaft erreicht das ausländische Unternehmen die engste Verflechtung mit dem Inland. Die Kapitalgesellschaft ist inländische juristische Person, ihre Rechte und Pflichten bestehen unabhängig davon, ob ihre Gesellschafter im Inland oder im Ausland ansässig sind. Sie genießt gem. Art. 19 Abs. 3 GG den Schutz der Grundrechte, soweit diese ihrem Wesen nach auf juristische Personen anwendbar sind.1
I. Rechtliche Grundlagen 9.2 Kapitalgesellschaften des deutschen Rechts sind die Aktiengesellschaft (AG), die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die Europäische Aktiengesellschaft (SE) und als Sonderform der AG die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA). Sie zählen neben den Genossenschaften und Vereinen (Vereine des bürgerlichen Rechts und Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit) zu den Körperschaften. Im Gegensatz zu den Personengesellschaften sind sie durch ihre Verselbständigung (Fortdauer bei Tod und Austritt, Vertretung durch Dritte, Mehrheitsentscheidungen in Versammlungen) charakterisiert.2 Im Vordergrund stehen die Aktiengesellschaft, die gem. § 1 AktG definiert ist als eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit und mit einem in Aktien zerlegten Grundkapital, für deren Verbindlichkeiten den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen haftet, und die GmbH, die definiert wird als eine Gesellschaft, die aus einem oder mehreren Gesellschaftern besteht, eine eigene Rechtspersönlichkeit und ein in Stammeinlagen zerlegtes Stammkapital hat.3
9.3 Die Europäische Aktiengesellschaft oder Societas Europaea (SE) wurde durch die Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SEVO)4 geschaffen und durch das Gesetz zur Einführung der Europäischen
1 Zur Inlandsanknüpfung des Art. 19 Abs. 3 GG siehe Remmert in Maunz/Dürig64, Art. 19 Abs. 3 GG Rz. 1 f., unter Hinweis auf die Problematik des Grundrechtsschutzes bei EU/EWR-Gesellschaften. 2 Schmidt, Gesellschaftsrecht4, § 3 I 2; hierbei handelt es sich um den gesetzlichen Idealtypus, nicht notwendigerweise um die tatsächliche Ausgestaltung in der Realität, wie allein die häufig vorkommende Mischform der GmbH & Co KG zeigt. 3 Schmidt, Gesellschaftsrecht4, § 33 I. 4 VO (EG) Nr. 2157/2001 des Rates v. 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft, ABl. EG v. 10.11.2001, Nr. L 294, 1(SE-VO) = Sonderbeilage zu NZG 2002, Heft 1, 3.
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A. Subjektive Steuerpflicht der inländischen Kapitalgesellschaft
Gesellschaft (SEEG) vom 22.12.20041 in das deutsche Recht eingeführt. Das SEEG ergänzt die unmittelbar anwendbare SE-VO und wird seinerseits ergänzt durch die Vorschriften des AktG.2 Die SE ist eine Handelsgesellschaft, deren Kapital in Aktien zerlegt ist (Art. 1 Abs. 2 Satz 1 SEVO), und ist juristische Person (Art. 1 Abs. 3 SE-VO). Sie kann in vier Varianten gegründet werden: 1) durch Verschmelzung von in der EU ansässigen (d.h. Sitz und Hauptverwaltung in der EU) Aktiengesellschaften aus mindestens zwei EUStaaten, 2) durch Gründung einer Holding-SE durch in der EU ansässige AGs oder GmbHs aus mindestens zwei EU-Staaten, 3) durch Gründung einer Tochter-SE durch in der EU ansässige Gesellschaften aus mindestens zwei EU-Staaten und 4) durch formwechselnde Umwandlung einer in der EU ansässigen AG mit einer mindestens zweijährigen Beteiligung an einer in der EU ansässigen Tochtergesellschaft.3 Wird die SE nach deutschem Recht gegründet (SE mit Registereintragung und Satzungssitz in Deutschland), ist sie inländische Kapitalgesellschaft. Ihr Satzungssitz muss in dem EU-Staat liegen, in dem sich ihre Hauptverwaltung befindet (Art. 7 Satz 1 EO-VO),4 ihre Sitzverlegung richtet sich nach Art. 8 SE-VO.5
II. Subjektive Steuerpflicht im Inland Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG sind inländische Kapitalgesellschaften die SE, die AG, die KGaA und die GmbH. Die subjektive Körperschaftsteuerpflicht der Kapitalgesellschaften beginnt mit der Errichtung der notariellen Satzung, auch wenn zu diesem Zeitpunkt mangels Erfüllung des konstitutiven Erfordernisses der Eintragung noch keine Kapitalgesellschaft, sondern erst eine sog. Vorgesellschaft entstanden ist.6 Die Körperschaft1 SEEG v. 22.12.2004, BGBl. I 2004, 3675 ff.; das SEEG beruht auf der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft, ABl. EG v. 10.11.2001, Nr. L 294, 1 ff. (SE-VO) und enthält als Artikel I das Gesetz zur Ausführung der Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE-Ausführungsgesetz – SEAG). 2 Zur Entwicklungsgeschichte Oechsler in MüKo AktG2, Vor Art. 1 SE-VO Rz. 1 ff.; Lutter, BB 2002, 1 ff. 3 Vgl. Übersicht bei Kindler in MüKo BGB IntGesR5, Rz. 74 ff. m.w.N. 4 Damit hat sich die SE-VO für die sog. Sitztheorie entschieden, Kindler in MüKo BGB IntGesR5, Rz. 77. m.w.N. 5 Um ein Auseinanderfallen von Satzungssitz und Hauptverwaltung (mit der Folge der Auflösung gem. Art. 64 SE-VO) zu vermeiden, muss die SE bei Verlegung ihres Satzungssitzes auch ihre Hauptverwaltung in den Zuzugsstaat verlegen, Oechsler in MüKo AktG2, Art. 8 SE-VO Rz. 54. 6 BFH v. 13.12.1989 – I R 98/86, BStBl. II 1990, 468 (469); Streck7, § 1 KStG Rz. 20; Lambrecht in Gosch2, § 1 KStG Rz. 35.
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9.4
Kapitel 9 Beteiligung an inländischen Kapitalgesellschaften
steuerpflicht wird aus Praktikabilitätsgesichtspunkten auf den Zeitraum zwischen der notariellen Errichtung der Satzung und der Eintragung vorverlegt, um eine – i.d.R. nur kurzzeitige – Besteuerung nach Mitunternehmergrundsätzen zu vermeiden.1 Für den ausländischen Gesellschafter folgt hieraus, dass er bei einer erfolgreichen Gesellschaftsgründung in Deutschland ausschließlich eine Beteiligung erwirbt und bereits die Vorgesellschaft die steuerliche Abschirmwirkung vermittelt, er also keine inländische Betriebsstätte begründet.
9.5 Die steuerliche Subjektfähigkeit der Gesellschaft endet nicht, bevor nicht auch die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit endet.2 Zivilrechtlich ist das der Zeitpunkt der Eintragung des Auflösungsbeschlusses oder die Löschung im Handelsregister.3 Steuerlich bleibt das Gebilde auch danach noch während der gesamten Abwicklungsphase körperschaftsteuerpflichtig;4 folglich bleibt für den ausländischen Gesellschafter die steuerliche Abschirmwirkung bis zur Beendigung der Abwicklungsphase bestehen.
9.6 Die subjektive Steuerpflicht i.S.d. § 1 KStG ist unabhängig davon zu bestimmen, ob ihre Gesellschafter im In- oder Ausland ansässig sind. Für die früher vom RFH vertretene Konzerntheorie – Gesellschaften innerhalb eines Konzerns können wie Betriebsstätten besteuert werden5 – und die Filialtheorie bzw. Organtheorie – inländische Organgesellschaften ausländischer Gesellschaften sind wie Betriebsstätten zu besteuern6 – gibt es keine gesetzliche Grundlage.7 Die inländische Kapitalgesellschaft kann jedoch, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, Vertreter i.S.d.§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG und Art. 5 Abs. 5 OECD-MA ihres ausländischen Gesellschafters sein.8
B. Erwerb einer inländischen Kapitalgesellschaft 9.7 Nach inländischem Gesellschaftsrecht kann sich der Anteilserwerb im Wege des Anteilskaufs, also des Erwerbs bestehender Anteile vom bisherigen Gesellschafter, oder der Zeichnung neuer Anteile im Wege der Gründung einer neuen Gesellschaft oder der Kapitalerhöhung an einer be1 Lambrecht in Gosch2, § 1 KStG Rz. 35, m.w.N.; scheitert die Eintragung, soll die Körperschaftsteuerpflicht nach h.M. allerdings rückwirkend entfallen, zu weiteren Nachweisen Streck7, § 1 KStG Rz. 20. 2 BFH v. 13.12.1989 – I R 98/86, BStBl. II 1990, 468. 3 Schmidt, Gesellschaftsrecht4, § 11 V 6a. 4 Lambrecht in Gosch2, § 1 KStG Rz. 38 m.w.N. 5 RFH v. 30.1.1930 – I A 226/29, RStBl. 1930, 148. 6 RFH v. 16.9.1930 – I A 129/30, RStBl. 1930, 757. 7 Neumann in Gosch2, § 14 KStG Rz. 4 m.w.N.; Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 165 ff. u. 173 ff. zur Anti-Organ-Klausel in den DBA. 8 Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 168; Günkel in G/K/G, Art. 5 OECD-MA Rz. 216 ff.
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B. Erwerb einer inländischen Kapitalgesellschaft
stehenden Gesellschaft vollziehen. Werden neue Anteile gegen Einbringung bestehender Anteile erworben, liegt eine „share for share“-Transaktion vor (zur steuerlichen Behandlung von Einbringungen in Form von share-for-share-Transaktionen siehe Rz. 10.170). Der ausländische Erwerber wird im Rahmen seiner steuerlichen Erwerbstrategie Folgendes berücksichtigen: – Bei Erwerb von Anteilen an einer inländischen Kapitalgesellschaft wird er i.d.R. die Anschaffungskosten in seinem Ansässigkeitsstaat nicht steuerlich geltend machen können (kein steuerlicher Step-up). Er wird daher erwägen, einzelne Wirtschaftsgüter, z.B. Patente und andere immaterielle Wirtschaftsgüter, vorab aus der Gesellschaft herauszukaufen, insbesondere, wenn die Zielgesellschaft über steuerliche Verlustvorträge verfügt, die hierbei genutzt werden können.1 – Um Finanzierungskosten für den Erwerb der Beteiligung mit den laufenden Erträgen der Zielgesellschaft steuerlich verrechnen zu können, wird er ein „debt-push-down“-Konzept verfolgen; dazu kann er den Erwerb über eine inländische Erwerbsgesellschaft vollziehen, die die Akquisitionsfinanzierung aufnimmt und mit der Zielgesellschaft eine steuerliche Organschaft begründet, oder die mit der Zielgesellschaft verschmolzen wird.2 – Verfügt die inländische Kapitalgesellschaft über Verlustvorträge, wird der ausländische Erwerber versuchen, den gem. § 8c Abs. 1 KStG drohenden vollständigen oder teilweisen Untergang des Verlustvortrags3 zu vermeiden; auf einen Step-up der vorhandenen stillen Reserven durch Vornahme von Realisierungsvorgängen kann nach Einführung von § 8c Abs. 1 Satz 6 KStG durch das WachstBeschlG in der Regel verzichtet werden, da hiernach die Verlustvorträge trotz schädlichen Beteiligungserwerbs i.H. der auf den erworbenen Anteil entfallenden stillen Reserven der Zielgesellschaft erhalten bleiben.4 1 Dabei ist die Mindestbesteuerung gem. § 10d Abs. 2 EStG zu beachten, nach der die Verlustverrechnung nur bis 1 Mio. Euro vollständig und darüber hinaus nur zu 60 % erfolgen kann. 2 Im Falle der (Aufwärts-)Verschmelzung nach Anteilserwerb entsteht jedoch i.d.R. ein Verschmelzungsverlust, der steuerlich zwar neutralisiert wird, jedoch mit Fortführung der niedrigen Buchwerte erkauft wird, siehe auch Blaas in Lüdicke/Sistermann, Unternehmenssteuerrecht, § 14 Rz. 161 ff.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 1226 ff. 3 Bei einem Anteilserwerb zwischen 25 und 50 % geht der Verlustvortrag anteilig unter, bei einem Anteilserwerb von mehr als 50 % geht er vollständig verloren, soweit nicht eine Ausnahmeregelung gem. § 8c Abs. 1 Satz 5 bis 8 KStG (Konzernklausel; Stille-Reserven-Klausel) eingreift; s. dazu Brandis in Blümich, § 8c KStG Rz. 47a, 61. 4 Die stillen Reserven ermitteln sich als Differenz zwischen dem Kaufpreis für den erworbenen Anteil und dem anteiligen Eigenkapital aus der Steuerbilanz; die stillen Reserven sind indes nur insoweit zu berücksichtigen, als sie mit im Inland steuerpflichtigen Einnahmen verbunden sind, sodass ausländische Betriebstätten und Grundstücke sowie Anteile an in- und ausländischen Kapitalge-
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9.8
Kapitel 9 Beteiligung an inländischen Kapitalgesellschaften
C. Besteuerung im Inland I. Besteuerung der Gesellschaft 9.9 Die unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft wird im Inland mit ihrem Welteinkommen besteuert (§ 1 Abs. 2 KStG). Ihr Gewinn ermittelt sich nach dem Betriebsvermögensvergleich (§ 8 Abs. 1 KStG i.V.m. §§ 4, 5 EStG); vGA und gewinnabhängige Ausschüttungen auf bestimmte Genussrechte mindern das Einkommen nicht (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG). Der Körperschaftsteuertarif wird seit 2001 für thesaurierte und ausgeschüttete Gewinne einheitlich und definitiv festgelegt und betrug von 2001–2007 25 v.H. und wurde mit Wirkung ab 2008 auf 15 % abgesenkt1 (§ 23 Abs. 1 KStG).
9.10 Leistungsbeziehungen zwischen den ausländischen Gesellschaftern und der inländischen Gesellschaft, wie z.B. Warentransfer, Überlassung von Lizenzen und Know-how, in bestimmten Grenzen auch Gesellschafterdarlehen (siehe dazu Rz. 11.9, 11.25), werden grundsätzlich steuerlich anerkannt, die hieraus resultierenden Zahlungen können als Betriebsausgaben abgezogen werden. Die zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern vereinbarten Leistungsentgelte müssen hierzu dem Fremdvergleich standhalten, d.h., sie müssen dem entsprechen, was zwischen fremden Dritten für die Leistung gezahlt worden wäre (sog. Dealing at arm’s length; s. dazu Rz. 3.6 ff.). Rechtsgrundlage für die Einkunftsabgrenzung sind die vGA, die verdeckte Einlage und § 1 AStG. Die sog. „Verwaltungsgrundsätze“ legen die Maßstäbe zur Bestimmung eines angemessenen Fremdvergleichsentgeltes aus Sicht der Finanzverwaltung fest.2
9.11 Im Falle von Gewinnausschüttungen erfolgt seit der Körperschaftsteuerreform 2001 unabhängig von der Ansässigkeit der Dividendenempfänger keine Änderung der Körperschaftsteuerbelastung der Gesellschaft mehr. Der zur Ausschüttung verfügbare Gewinn ist somit mit 15 % KSt und mit GewSt, die nach dem jeweils geltenden Hebesatz zu ermitteln ist, sowie mit dem Solidaritätszuschlag vorbelastet. Auf die Dividende wird Kapitalertragsteuer (KapESt) von 25 v.H. erhoben (§ 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG).
sellschaften (diese zu 95 %) unberücksichtigt bleiben; s. zu der Neuregelung des § 8c Abs. 1 Satz 6 KStG durch das JStG 2010 Suchanek/Jansen, GmbHR 2011, 174. 1 Mit Ausnahme des erhöhten Körperschaftsteuertarifs i.H.v. 26,5 v.H. im VZ 2003. Der Solidaritätszuschlag i.H.v. 5,5 v.H. der festgesetzten Körperschaftsteuer bleibt im Folgenden aus Vereinfachungsgründen unberücksichtigt. 2 Verwaltungsgrundsätze für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung bei international verbundenen Unternehmen, BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218; teilweise aufgehoben durch BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570.
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C. Besteuerung im Inland
II. Besteuerung der Gesellschafter 1. Körperschaftsteuer Der ausländische Gesellschafter ist mit den von der inländischen Kapi- 9.12 talgesellschaft bezogenen Kapitaleinkünften in der Bundesrepublik beschränkt steuerpflichtig (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG). Dabei knüpft § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG weitgehend an die Besteuerungstatbestände des § 20 EStG sowie des § 43 EStG an; der Inlandsbezug wird i.d.R. anhand der Ansässigkeit des Schuldners bestimmt, teilweise jedoch auch nach der Belegenheit im Inland, z.B. bei der Besicherung durch inländischen Grundbesitz.1 Zu den hiernach maßgeblichen Einkünften aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4, 6 und 9 EStG gehören u.a. Gewinnanteile (Dividenden), Ausbeuten und sonstige Bezüge aus Aktien, aus gewinnabhängigen Genussrechten, aus GmbH-Anteilen und Auskehrungen nach Kapitalherabsetzung oder Auflösung einer inländischen Kapitalgesellschaft sowie im Einzelnen aufgeführte Veräußerungsgewinne; dies gilt auch für Erträge aus Wandelanleihen und Gewinnobligationen sowie für Genussrechte, die nicht unter § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG fallen. Erfasst werden auch besondere Entgelte oder Vorteile i.S.d. § 20 Abs. 3 EStG (vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 EStG) sowie vGA.2 Kapitalertragsteuer wird nach der abschließenden Regelung des § 43 EStG auf die (hier einschlägigen) Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) sowie auf alle besonderen Entgelte und Vorteile i.S.d. § 20 Abs. 3 EStG erhoben, die neben den im Einzelnen bezeichneten Kapitalerträgen gewährt werden (§ 43 Abs. 1 Satz 2 EStG). Der Steuerabzug hat ungeachtet einer Steuerfreiheit nach § 8b KStG bzw. § 3 Nr. 40 EStG zu erfolgen. Die Anwendbarkeit der Freistellung bzw. des Teileinkünfteverfahrens beschränkt sich aufgrund des grundsätzlich abgeltenden Steuerabzugs nach § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG auf die Fälle, in denen die Kapitalerträge im Rahmen einer Veranlagung erfasst werden. Eine Veranlagung erfolgt gem. § 50 Abs. 2 Satz 2 EStG u.a., wenn die Kapitalerträge einer inländischen Betriebsstätte des ausländischen Anteilseigners zuzurechnen sind. Voraussetzung für den Kapitalertragsteuerabzug ist stets, dass es sich um steuerbare Kapitalerträge handelt, d.h. um das Entgelt für die Nutzung von Kapital. Verdeckte Gewinnausschüttungen unterliegen ebenfalls der KapESt.3
9.13
Der Steuerabzugssatz beträgt mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2010 grundsätzlich 25 % der Kapitalerträge (§ 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG) zuzüglich Solidaritätszuschlag. Für beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften kann der Abzug um zwei Fünftel auf 15 % reduziert werden (§ 44a Abs. 9 EStG), sofern die (unmittelbaren und mittelbaren)
9.14
1 Loschelder in Schmidt31, § 49 EStG Rz. 100. 2 Vgl. Loschelder in Schmidt31, § 49 EStG Rz. 96 ff. 3 BFH v. 4.7.1984 – I R 195/81, BStBl. II 1984, 842; Weber-Grellet in Schmidt31, § 43 EStG Rz. 20; Hey, GmbHR 2001, 1.
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Kapitel 9 Beteiligung an inländischen Kapitalgesellschaften
Substanzanforderungen des § 50d Abs. 3 EStG eingehalten sind (siehe dazu Rz. 9.26 ff.).1
9.15 Bemessungsgrundlage der KapESt ist der Bruttobetrag der steuerpflichtigen Zuwendungen. Mit dem Steuerabzug gilt die Einkommensteuer/Körperschaftsteuer als abgegolten (§ 50 Abs. 2 Satz 1 EStG). Betriebsausgaben oder Werbungskosten bleiben somit unberücksichtigt. Unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter können die KapESt auf ihre Einkommensteuer-/Körperschaftsteuerschuld anrechnen bzw. erstattet verlangen (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG); sie haben daher die empfangene Dividende vor Abzug der KapESt als Einnahmen zu versteuern.2
9.16 Bei ausländischen Anteilseignern ist demgegenüber zu unterscheiden: – Gehört die Beteiligung zu einer inländischen Betriebsstätte, werden die Kapitalerträge je nach Rechtsform des Gesellschafters gem. § 8b Abs. 1 und 5 KStG (5 % nichtabzugsfähige Betriebsausgaben) bzw. § 3 Nr. 40 EStG (zu 60 %) berücksichtigt. In diesem Fall können auch die tatsächlich mit der Beteiligung zusammenhängenden Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten nach den allgemeinen Regeln berücksichtigt werden. Die einbehaltene KapESt wird gem. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG auf die KSt bzw. ESt angerechnet.3 – Ohne inländische Betriebsstätte greift die Abgeltungswirkung (§ 50 Abs. 2 Satz 1 EStG, § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG). Jedoch kann die KapESt aufgrund der MTR oder aufgrund eines DBA ermäßigt werden (siehe dazu Rz. 9.17 f.).
9.17 Gemäß § 43b Abs. 1 EStG sind Kapitalerträge i.S.d.§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG (Gewinnanteile, Ausbeuten und sonstige Bezüge aus Aktien usw. einschließlich vGA), die einer ausländischen EU-Muttergesellschaft von ihrer inländischen Tochtergesellschaft zufließen, auf Antrag der Muttergesellschaft von der inländischen KapESt befreit. Nicht begünstigt sind Bezüge i.S.d.§ 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG, die also aufgrund einer Kapitalherabsetzung oder nach Auflösung der Gesellschaft anfallen. Mit der Regelung des § 43b EStG wurde die Vorgabe des Art. 5 der MTR in innerstaatliches Recht umgesetzt.4 Die ausschüttende Tochtergesellschaft muss grundsätzlich eine im Inland unbeschränkt steuerpflichtige EU-Kapitalgesellschaft sein (§ 43b Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 EStG). Die ausländische EUMuttergesellschaft muss ebenfalls eine der in Anlage 2 zu § 43b EStG aufgeführten Gesellschaftsformen darstellen. Die Muttergesellschaft darf weder ihren Sitz noch ihre Geschäftsleitung im Inland haben und muss in einem anderen EU-Staat steuerlich ansässig sein (§ 43b Abs. 1 EStG 1 Bei Betrieben gewerblicher Art gilt ebenfalls ein reduzierter Satz von 15 % (§ 43a Abs. 1 Nr. 2 EStG). 2 Vgl. aber die Dividendenentlastung gem. § 8b Abs. 1 KStG für Körperschaften und gem. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG für natürliche Personen. 3 Lambrecht in Gosch2, § 32 KStG Rz. 21. 4 Weber-Grellet in Schmidt31, § 43b EStG Rz. 1.
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C. Besteuerung im Inland
i.V.m. Art. 2b MTR). Darüber hinaus muss diese in ihrem jeweiligen Ansässigkeitsstaat der Körperschaftsteuer unterliegen, darf keine Steuerbefreiung genießen1 und muss im Zeitpunkt der Entstehung der KapESt nachweislich seit mindestens zwölf Monaten ununterbrochen mit einer Mindestbeteiligungsquote, die seit dem Veranlagungszeitraum 2009 auf 10 % abgesenkt wurde, unmittelbar am Nennkapital der inländischen Kapitalgesellschaft beteiligt sein (§ 43b Abs. 2 EStG).2 Besteht die Beteiligung im Zeitpunkt der Entstehung der KapESt noch keine zwölf Monate, ist zunächst KapESt einzubehalten und abzuführen. Nach Ablauf der Behaltensfrist ist die einbehaltene und abgeführte KapESt nach Maßgabe des § 50d Abs. 1 EStG zu erstatten.3 Ausreichend war auch vor 2009 gem. § 43b Abs. 3 EStG eine Beteiligung i.H.v. mindestens 10 %, wenn im Staat der Ansässigkeit der EU-Muttergesellschaft für die Ausschüttung der Tochtergesellschaft eine Schachtelvergünstigung (Steuerbefreiung oder indirekte Steueranrechnung) gewährt wurde und darüber hinaus Gegenseitigkeit auch in dem Sinne bestand, dass der andere EU-Staat Ausschüttungen an eine unbeschränkt steuerpflichtige Muttergesellschaft ab der gleichen Beteiligungshöhe von der KapESt befreite.4 Soweit Dividenden nicht in den Genuss des EU-Schachtelprivilegs kommen, es sich also insbesondere um Streubesitzdividenden handelt, ist die unterschiedliche Behandlung von inländischen Gesellschaftern, die die KapESt anrechnen können, und ausländischen Gesellschaftern, für die der Kapitalertragsteuerabzug abgeltende Wirkung hat, an der Kapitalverkehrsfreiheit von Art. 63 AEUV (vormals Art. 56 Abs. 1 EGV) zu messen, die nicht nur gegenüber EU/EWR-Gesellschaftern, sondern auch für Gesellschafter in Drittstaaten gilt. Die EU-Kommission hat deswegen ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet, über das der EuGH nunmehr entschieden hat: Es verstößt gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV), dass die Bundesrepublik in dem Fall, in dem die Mindestbeteiligungsschwelle der Fusions-Richtlinie nicht erreicht ist, Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedsstaaten ausgeschüttet werden, wirtschaftlich einer höheren Besteuerung unterwirft als Dividenden, die an inländische Gesellschaften gezahlt werden.5
1 Ausgeschlossen von der Regelung ist daher z.B. eine luxemburgische HoldingGesellschaft, wenn sie aufgrund besonderer Steuerprivilegierung von der luxemburgischen Körperschaftsteuer befreit ist, Lindberg in Blümich, § 43b EStG Rz. 25. 2 Die Beteiligungsquote wurde sukzessive von 25 % über 20 % und 15 % abgesenkt. 3 Vgl. EuGH v. 17.10.1996 – Rs. C-283/94, C-291/94, C-292/94 – Denkavit, EuGHE 1996, I-5063 = IStR 1996, 526; zum Entlastungsverfahren siehe Rz. 9.24 f. 4 Insoweit ging die innerstaatliche Regelung über die Verpflichtung der MTR hinaus, sodass das Gegenseitigkeitserfordernis zulässig war. 5 EuGH v. 20.10.2011 – Rs. C-284/09 – Kommission/Deutschland, DStR 2011, 2038; zum Vorlageverfahren siehe Burwitz, NZG 2010, 743; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 350.
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9.18
Kapitel 9 Beteiligung an inländischen Kapitalgesellschaften
2. Gewerbesteuer
9.19 Die ausländische Gesellschaft unterliegt in Deutschland nur dann der Gewerbesteuer, wenn sie gewerbliche Einkünfte erzielt und eine Betriebsstätte im Inland hat. Entspricht die ausländische Gesellschaft nach dem Typenvergleich einer Kapitalgesellschaft, greift gem. § 2 Abs. 2 GewStG die Gewerblichkeitsfiktion ein mit der Folge, dass sie unabhängig von ihrer Tätigkeit gewerbliche Einkünfte erzielt. Die Einkünfte sind im Inland aber nur dann gewerbesteuerpflichtig, wenn die Gesellschaft eine inländische Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO unterhält1 und die Einkünfte dieser Betriebsstätte zuzuordnen sind.2 Gemäß § 7 Satz 1 GewStG findet § 8b Abs. 1 KStG auch auf die Gewinne aus Gewerbebetrieb Anwendung. Folglich sind die über eine inländische Betriebsstätte gehaltenen Anteile an einer inländischen Kapitalgesellschaft (bis auf die 5 %ige Definitivbelastung gem. § 8b Abs. 5 KStG) auch gewerbesteuerbefreit. Jedoch greift für Beteiligungsquoten unter 15 % die gewerbesteuerliche Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 5 i.V.m. § 9 Nr. 2a GewStG ein. 3. DBA-Recht
9.20 Neben den innerstaatlichen Regelungen zur Reduzierung der KapESt gem. § 43b EStG greifen die Quellensteuerregelungen der DBA ein. Für das Verhältnis des § 43b EStG zu den DBA gilt Folgendes: Die abkommensrechtlichen Regelungen werden von § 43b EStG nicht verdrängt. Enthält § 43b EStG jedoch eine im Vergleich zum DBA für den Steuerpflichtigen günstigere Regelung, geht § 43b EStG vor.3 a) Schachtelbeteiligungen
9.21 Schachtelbeteiligungen werden in den DBA üblicherweise privilegiert. Der Quellenstaat (der Ansässigkeitsstaat der ausschüttenden Gesellschaft) darf Schachteldividenden regelmäßig nur zu einem reduzierten Kapitalertragsteuersatz besteuern; der andere Staat hat die Schachtelerträge üblicherweise beim Dividendenempfänger freizustellen. Mit dem Schachtelprivileg soll erreicht werden, dass der erwirtschaftete und ausgeschüttete Gewinn nicht oder nur gering doppelt besteuert wird. Damit wird die sog. wirtschaftliche Doppelbesteuerung (Besteuerung des Gewinns bei zwei verschiedenen Rechtssubjekten) vermieden bzw. verrin1 Eine Betriebsstätte fehlt regelmäßig bei ausländischen Beteiligungsverwaltungsgesellschaften, die im Inland lediglich Beteiligungen halten, oder bei Grundstücksverwaltungsgesellschaften, sodass in diesem Fall keine inländische Gewerbesteuer entsteht; im Falle von Private-Equity/Venture-Capital-Gesellschaften liegt indes regelmäßig eine gewerbliche Tätigkeit vor, BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, DStR 2011, 2085. 2 Zur Zuordnung von Einkünften zur inländischen Betriebsstätte s. Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 74 ff. m.w.N. 3 Lindberg in Blümich, § 43b EStG Rz. 15.
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C. Besteuerung im Inland
gert.1 Im Gegensatz zu einer Reihe von (i.d.R. älteren) deutschen DBA, die einen Quellensteuersatz von 15 % (Ägypten, Argentinien, Australien, Bangladesch, Bulgarien, Ecuador, Elfenbeinküste, Iran, Japan, Kenia, Neuseeland, Sri Lanka, Thailand, Türkei, Uruguay) bzw. 10 % (Bolivien, China, Indien, Jamaika, Liberia, Namibia, Simbabwe, Singapur, Tunesien, Vietnam) vorsehen, enthalten die seit 1996 von Deutschland abgeschlossenen DBA regelmäßig den im OECD-MA vorgesehenen, reduzierten Höchstsatz auf Schachteldividenden von 5 %. In den DBA mit Georgien und der Schweiz gibt es für Schachteldividenden darüber hinaus eine vollständige Befreiung von der inländischen Quellensteuer.2 b) Streubesitz Nach den deutschen DBA behält der Quellenstaat bei Streubesitzbeteiligungen regelmäßig ein begrenztes Recht zum Quellensteuerabzug, während der Wohnsitzstaat die Einkünfte vollen Umfangs in die Bemessungsgrundlage einbeziehen kann, aber die Quellensteuer anrechnen muss. In der Regel ist die Quellensteuer auf 15 % begrenzt. Die DBA mit Bolivien, China, Georgien, Indien, Irland, Mongolei und der Ukraine begrenzen den Höchstsatz auf 10 %. Für Griechenland und Israel gilt ein Höchstsatz von 25 % und für Iran, Simbabwe, Trinidad und Tobago, Thailand und die Türkei beträgt er 20 %.3
9.22
c) Betriebsstättenvorbehalt Entsprechend Art. 10 Abs. 4 OECD-MA enthalten die DBA einen Betriebsstättenvorbehalt, nach dem die DBA-Quellensteuerermäßigung für Dividenden nicht gilt, wenn die Beteiligung zu einer inländischen Betriebsstätte gehört; in diesem Fall werden die Erträge in die Einkommensermittlung der Betriebsstätte einbezogen.
9.23
4. Kapitalertragsteuerverfahren Greift § 43b EStG oder ein DBA ein, gilt gem. § 50d Abs. 1 EStG für die KapESt grundsätzlich das Erstattungsverfahren. Danach wird die KapESt mit dem allgemeinen Satz von 25 % zunächst einbehalten; die Quellensteuerreduzierung gem. § 43b EStG bzw. nach den DBA muss im Wege der Erstattung geltend gemacht werden. Das Erstattungsverfahren gilt expressis verbis bei allen DBA, unabhängig davon, ob und wie das Verfahren dort geregelt ist, und zwar auch dann, wenn § 50d Abs. 1 EStG einem
1 Zum Begriff der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung vgl. Vogel in V/L5, Einleitung OECD-MA Rz. 4. 2 Vgl. die Tabelle von Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 67. 3 Vgl. die Abkommensübersicht bei Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 67.
Henkel
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9.24
Kapitel 9 Beteiligung an inländischen Kapitalgesellschaften
DBA widerspricht.1 Nach bislang vorliegender Rechtsprechung ist diese Verfahrensweise ungeachtet einer eventuellen Völkerrechtswidrigkeit innerstaatlich wirksam.2 Der Erstattungsantrag ist vom Gläubiger der Kapitalerträge nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck beim BZSt zu stellen.3 Dem Antrag ist gem. § 50d Abs. 4 Satz 1 EStG eine Ansässigkeitsbestätigung beizufügen, in der die ausländische Steuerbehörde die ausländische Ansässigkeit des Gläubigers der Kapitalerträge bescheinigt. Die Antragsfrist beträgt vier Jahre und beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Kapitalertrag bezogen worden ist (§ 50d Abs. 1 Satz 9 EStG). Es wird jedoch sichergestellt, dass die Frist nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach Entrichtung der Steuer endet (§ 50d Abs. 1 Satz 10 EStG).
9.25 Für Schachteldividenden ist daneben das Freistellungsverfahren möglich (§ 50d Abs. 2 EStG), das beim BZSt unter Nachweis der Voraussetzungen zu beantragen ist. Für Dividendenzahlungen, die nicht unter § 50d Abs. 2 EStG fallen, kommt auch eine Freistellung im Wege des Kontrollmeldeverfahrens in Betracht, wenn sich die Steuerfreiheit oder der Anspruch auf Besteuerung nach einem niedrigeren Steuersatz ohne nähere Ermittlungen feststellen lässt (§ 50d Abs. 6 i.V.m. Abs. 5 EStG).
III. Missbrauchsausschluss (Treaty Shopping) 1. Überblick
9.26 Die Entlastung von inländischer KapESt für Gewinnausschüttungen inländischer Kapitalgesellschaften nach einem DBA, nach § 43b EStG oder nach § 50g EStG hat Einschränkungen erfahren, um die missbräuchliche Zwischenschaltung von ausländischen Gesellschaften zur Erlangung von Quellensteuervorteilen zu vermeiden. Gemäß § 50d Abs. 3 EStG4 hat eine ausländische Gesellschaft keinen Anspruch auf völlige oder teilweise Steuerentlastung, „soweit Personen an ihr beteiligt sind, denen die Erstattung oder Freistellung nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten, und die von der auslän1 So BFH v. 22.10.1986 – I R 261/82, BStBl. II 1987, 171; v. 22.10.1986 – I R 128/83, BStBl. II 1987, 253 zu den DBA mit Frankreich und den USA; ein Völkerrechtsverstoß soll nur dann ausgeschlossen sein, wenn das Abkommen den Steuerabzug ausdrücklich zulässt; bestätigt durch BFH v. 27.7.1988 – I R 28/87, BFHE 155, 479, v. 10.5.1989 – I R 50/89, BStBl. II 1989, 755. 2 BFH v. 13.7.1994 – I R 120/93, BStBl. II 1995, 129; v. 17.5.1995 – I B 183/94, BStBl. II 1995, 781; v. 28.11.2001 – I B 169/00, BFH/NV 2002, 774; offen ist, ob sich aus dem beim BVerfG anhängigen Normenkontrollverfahren (2 Bv 1/12) zu § 50d Abs. 8 EStG, vorgelegt durch BFH v. 10.1.2012 – I R 66/09, DStR 2012, 949, eine abweichende Sicht ergeben wird. 3 Siehe zum Erstattungsverfahren i.E. BMF v. 1.3.1994 – IV C 5 - S 1300 - 49/94, BStBl. I 1994, 203. 4 In der ab dem Veranlagungszeitraum 2012 geltenden Fassung des BeitrRLUmsG v. 7.12.2011, BGBl. I 2011, 2592.
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C. Besteuerung im Inland dischen Gesellschaft im betreffenden Wirtschaftsjahr erzielten Bruttoerträge nicht aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammen, sowie 1. in Bezug auf diese Erträge für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen oder 2. die ausländische Gesellschaft nicht mit einem für ihren Geschäftszweck angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt.“1
Hintergrund der ursprünglich als § 50d Abs. 1a EStG eingeführten, seit 2001 als § 50d Abs. 3 EStG gefassten, und seit 2007 erheblich verschärften Regelung war die Vermeidung von Rechtsmissbräuchen: Die Quellensteuerermäßigung sollte nur den in einem DBA-Staat Ansässigen bzw. einer in einem ausländischen EU-Staat ansässigen Muttergesellschaft gewährt werden (siehe dazu Rz. 9.17 f. und 9.20 ff.). Ist der wirtschaftliche Empfänger der Dividenden, Zinsen oder Lizenzgebühren in einem anderen Staat ansässig, könnte er die Quellensteuerbegrenzung dadurch erreichen, dass er zwischen sich und die inländische Gesellschaft eine im Übrigen funktionslose oder funktionsschwache Kapitalgesellschaft zwischenschaltet, die lediglich formal die persönlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der zuvor genannten Steuervergünstigungen erfüllt. Soweit dadurch die Schutzwirkung eines DBA erreicht wird, spricht man von „Treaty Shopping“; kann dadurch die in § 43b EStG umgesetzte MTR oder die in § 50g EStG umgesetzte Zins-/Lizenz-RL in Anspruch genommen werden, spricht man von „Directive Shopping“. Die Finanzverwaltung sah sich bis zur Einführung der ursprünglich als § 50d Abs. 1a EStG eingeführten Vorschrift nicht in der Lage, gegen derartige Gestaltungen vorzugehen, da der BFH zunächst2 entschieden hatte, dass die Anwendung der auf § 42 AO gestützten Rechtsprechung zu Basisgesellschaften (siehe Teil 3 Rz. 7.14 ff.) auf die Gründung von Gesellschaften im Ausland nicht zulässig sei, wenn an der Gesellschaft nur Steuerausländer beteiligt seien. § 50d Abs. 1a EStG sollte die insoweit bestehende Regelungslücke des innerstaatlichen Steuerrechts schließen. In späteren Entscheidungen hat der BFH seine frühere Rechtsprechung jedoch aufgegeben und festgestellt, dass § 42 AO grundsätzlich auch auf Steueraus-
1 Der Streit darüber, ob sich § 50d Abs. 3 EStG nur auf solche Einkünfte der ausländischen Gesellschaft bezieht, die der inländischen Quellenabzugsbesteuerung unterliegen (Kapitalerträge und Vergütungen i.S.v. § 50a EStG) oder ob die Vorschrift darüber hinaus auch für andere Einkunftsarten gilt, für die das jeweilige DBA eine Beschränkung des inländischen Quellenbesteuerungsrechts vorsieht, ist entschärft, seit sich das BMF für die engere Auffassung ausgesprochen hat: BMF v. 3.4.2007 – IV B 1 - S 2411/07/0002; BStBl. I 2007, 446; geändert durch BMF v. 21.6.2010, BStBl. I 2010, 596; beide ersetzt durch BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 - S 2411/07/10016, BStBl. I 2012, 171; ebenso Klein/Hagena in H/H/R, § 50d EStG Rz. 55; Wagner in Blümich, § 50d EStG Rz. 54u. 84; Lüdicke in Piltz/ Schaumburg, Unternehmensfinanzierung, 108 ff. 2 Sog. „Monaco-Enscheidung“ des BFH v. 29.10.1981 – I R 89/80, BStBl. II 1982, 150.
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9.27
Kapitel 9 Beteiligung an inländischen Kapitalgesellschaften
länder anwendbar ist.1 Seither wird § 50d Abs. 3 EStG gegenüber § 42 AO als die speziellere Vorschrift angesehen, die den tatbestandlichen Rahmen auch für § 42 AO abschließend vorgibt.2 In seiner Entscheidung vom 29.1.2008 stellt der BFH klar, dass § 42 AO durch § 50d Abs. 1a EStG (jetzt Abs. 3) verdrängt wird, da diese die speziellere Vorschrift zur Vermeidung von Missbräuchen darstellt.3
9.28 Die Kommission hat die seit 2007 geltende Fassung des § 50d Abs. 3 EStG beanstandet und ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.4 Mit der Neustrukturierung des § 50d Abs. 3 EStG wurde – wohl in Abstimmung mit der Kommission – eine Abkehr von der bisherigen „Umschaltklausel“ vorgenommen, die im Wege einer „schwarz-weiß“ Betrachtung entweder eine vollständige Versagung oder eine vollständige Unschädlichkeit anhand der starren 10 %-Grenze vorsah, und eine „Aufteilungsklausel“ eingeführt. Hierdurch soll die Vorschrift „zielgenauer“ ausgestaltet werden.5 Die Neuregelung ist auf erhebliche Kritik gestoßen. In der Kritik stehen zum einen handwerkliche Mängel der Gesetzesfassung (unklares und widersprüchliches Konzept von Regeln und Ausnahmen), zum anderen die fehlende Berücksichtigung europarechtlicher und abkommensrechtlicher Grenzen (keine Anwendung des § 50d EStG, soweit kein Missbrauch festzustellen sei). Auch das Aufteilungskonzept als solches steht in der Kritik: Es schieße systematisch über das Ziel der Missbrauchsvermeidung hinaus.6
9.29 Der Kritik ist im Grundsatz zuzustimmen. Die Regelungstechnik ist verunglückt, sie arbeitet mit verwobenen Negativbedingungen, klärt nicht die Begrifflichkeit der „Bruttoerträge“ im Verhältnis zu den abzugssteuerpflichtigen Einkünften und schafft dadurch Unsicherheiten bezüglich der Ermittlung der Verhältnisrechnung, die nach dem neuen Aufteilungssystem stets vorzunehmen ist. Unerfindlich ist auch, warum die Klausel keinen Gegenbeweis fehlenden Missbrauchs zulässt. Dadurch ist trotz der wohl erfolgten Abstimmung mit der Kommission damit zu rechnen, dass in den Fällen, in denen kein Missbrauch vorliegt, die Vorschrift als unvereinbar mit dem EU-Recht anzusehen sein wird. Ähnliches gilt für das Treaty Shopping: Soweit die Vorschrift nicht von abkommensrechtlichen Missbrauchsregelungen gedeckt ist, liegt ein Treaty Override vor, der 1 BFH v. 27.8.1997 – I R 8/97, BStBl. II 1998, 163; v. 29.10.1997 – I R 35/96, BStBl. II 1998, 235; v. 20.3.2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819; v. 23.10.2002 – I R 39/01, BFH/NV 2003, 289. 2 BFH v. 31.5.2005 – I R 74, 88/04, BStBl. II 2006, 118; allerdings ist nach Auffassung des BFH nicht ausgeschlossen, dass § 42 AO auch noch „daneben“ anzuwenden sein könne, ohne dies näher zu präzisieren; siehe Klein/Hagena in HHR, § 50d EStG Rz. 52 m.w.N. 3 BFH v. 29.1.2008 – I R 26/06, BB 2008, 1377 m. Anm. Renger. 4 Kritisiert wurde insbesondere die starre 10 %-Regelung des § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG a.F., die keinen Gegenbeweis zuließ; siehe dazu Klein/Hagena in H/H/R, § 50d EStG Rz. 52 m.w.N. 5 BT-Drucks. 17/7524, 17. 6 Lüdicke, IStR 2012, 81; Lüdicke, IStR 2012, 148.
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C. Besteuerung im Inland
möglicherweise als verfassungswidrig einzustufen sein wird.1 Vor diesem Hintergrund ist das Aufteilungskonzept insgesamt daraufhin zu untersuchen, ob es abkommenrechtlich und europarechtlich überhaupt einen pauschal festzustellenden „quotalen“ Missbrauch geben kann. 2. Regelungsinhalt Das BMF versucht, den verworrenen Regelungsinhalt des Gesetzes zu entschachteln und trennt deutlich zwischen der persönlichen und der sachlichen Entlastungsberechtigung:
9.30
Danach ist der Anspruch auf Befreiung oder Ermäßigung von KapESt oder Abzugssteuern eingeschränkt, – „soweit Personen an der Gesellschaft beteiligt sind, denen die Steuerentlastung nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten (persönliche Entlastungsberechtigung), und – soweit die Funktionsvoraussetzungen des § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG (sachliche Entlastungsberechtigung) nicht vorliegen (schädliche Erträge).“2
Dies bedeutet positiv gewendet, dass unschädliche Erträge vorliegen,
9.31
– soweit die von der ausländischen Gesellschaft erzielten Bruttoerträge aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammen oder (soweit keine eigenwirtschaftlichen Erträge bestehen) – für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe bestehen und die Gesellschaft mit einem angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt.3 a) Ausländische Gesellschaft § 50d Abs. 3 EStG setzt zunächst das Vorliegen einer Gesellschaft voraus. Der im Gesetzestext nicht näher bestimmte Begriffsinhalt ergibt sich aus dem jeweiligen DBA bzw. § 43b EStG, aufgrund dessen im Einzelfall die Vergünstigung gegenüber der inländischen Quellenbesteuerung geltend gemacht wird.4 Bei Eingreifen eines DBA muss die Gesellschaft, um den Abkommensschutz für sich in Anspruch nehmen zu können, abkommensberechtigt sein, d.h., es muss sich um eine in dem ausländischen Staat ansässige Gesellschaft i.S.d. DBA handeln.5 Hierbei ist nicht die Qualifizierung des anderen Vertragsstaats, sondern die deutsche steuerli1 Vorlagebeschluss des BFH v. 10.1.2012 zu § 50d Abs. 8 EStG – I R 66/09, IStR 2012, 426; s. auch Lehner, IStR 2012, 389 m.w.N., der zwar einen generellen Verfassungsverstoß ablehnt, jedoch einen Rechtfertigungsgrund für erforderlich hält. 2 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 - S 2411/07/10016, BStBl. I 2012, 171, Rz. 1. 3 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 - S 2411/07/10016, BStBl. I 2012, 171, Rz. 1; unschädlich sind zudem die börsengehandelten Gesellschaften sowie Investmentgesellschaften, s. § 50d Abs. 3 Satz 5 EStG. 4 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 - S 2411/07/10016, BStBl. I 2012, 171, Rz. 3. 5 Vgl. Art. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA.
Henkel
1121
9.32
Kapitel 9 Beteiligung an inländischen Kapitalgesellschaften
che Sicht entscheidend, sodass die Einordnung nach dem Typenvergleich1 erfolgt. Damit gehören im DBA-Fall zu den ausländischen Gesellschaften insbesondere im anderen Vertragsstaat ansässige Kapitalgesellschaften, aber auch solche Anstalten, Stiftungen, Trusts und Personengesellschaften, die nach dem Typenvergleich als eigenständiges, unbeschränkt steuerpflichtiges Steuersubjekt behandelt werden; im Falle von §§ 43b oder 50g EStG kommt es demgegenüber darauf an, ob die Gesellschaft eine der in der Anlage 2 zu § 43b EStG bzw. Anlage 3a zu § 50g EStG aufgeführten Rechtsformen aufweist.2 Eine Gesellschaft ist ausländisch, wenn sie im Inland weder Sitz noch Geschäftsleitung hat oder sie bei sog. Doppelansässigkeit nach dem jeweils maßgeblichen DBA als im anderen Vertragsstaat ansässig gilt.3 Gesellschaften mit börsengehandelten Aktien und Investmentgesellschaften sind gem. § 50d Abs. 3 Satz 4 EStG vom Anwendungsbereich der Vorschrift ausgenommen. b) Persönliche Entlastungsberechtigung
9.33 Die ausländische Gesellschaft ist nach der Neuregelung des § 50d Abs. 3 EStG persönlich entlastungsberechtigt, soweit die an ihr beteiligten Personen entlastungsberechtigt wären, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten. Die Entlastungsberechtigung ist hiernach für jeden Gesellschafter gesondert zu prüfen.4 Entlastungsberechtigung ist auch auf dieser Ebene nicht nur die persönliche, sondern auch die sachliche Entlastungsberechtigung: Soweit der Gesellschafter sachlich entlastungsberechtigt ist, also die Funktionsanforderungen des § 50d Abs. 3 Satz EStG erfüllt, ist die persönliche Entlastungsberechtigung der ausländischen Gesellschaft gegeben.
9.34 Bei mehrstufigen Beteiligungsverhältnissen ist die Prüfung der persönlichen Entlastungsberechtigung auf der jeweils höheren Ebene vorzunehmen: Ist Gesellschafter der ausländischen Gesellschaft ebenfalls eine Gesellschaft, ist zu prüfen, ob diese persönlich entlastungsberechtigt ist (fiktiver Entlastungsanspruch). Im Ergebnis muss also jede Gesellschaft einer Beteiligungskette persönlich entlastungsberechtigt sein.5 Dies hat zur Folge, dass die Vorschrift des § 50d Abs. 3 EStG nicht durch Zwi1 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 - S 2411/07/10016, BStBl. I 2012, 171, Rz. 3. 2 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 - S 2411/07/10016, BStBl. I 2012, 171, Rz. 3. 3 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 - S 2411/07/10016, BStBl. I 2012, 171, Rz. 3.; die Ansässigkeit richtet sich in diesem Fall nach der dem Art. 4 Abs. 1 und 3 OECD-MA entsprechenden Abkommensvorschrift. 4 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 - S 2411/07/10016, BStBl. I 2012, 171, Rz. 4.1; zu beachten ist, dass hiernach unbeschränkt Steuerpflichtige nicht entlastungsberechtigt sind, so auch Wagner in Blümich, § 50d EStG Rz. 68; Lüdicke in Piltz/ Schaumburg, Unternehmensfinanzierung, 107; Loschelder in Schmidt31, § 50d EStG Rz. 46; a.A. Klein/Hagena in H/H/R, § 50d EStG Rz. 55. 5 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 - S 2411/07/10016, BStBl. I 2012, 171, Rz. 4.2; Frotscher, § 50d EStG Rz. 4 unter Hinweis auf BFH v. 20.3.2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819; a.A. Klein/Hagena in H/H/R, § 50d EStG Rz. 55 m.w.N.
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C. Besteuerung im Inland
schenschaltung einer weiteren funktionslosen ausländischen Gesellschaft umgangen werden kann. Ein Gesellschafter ist dann nicht (mittelbar) persönlich entlastungsberechtigt, wenn er
9.35
– nicht in einem DBA-Staat ansässig ist bzw. als außerhalb der EU ansässige Person nicht die Voraussetzungen der einschlägigen EU-Richtlinien erfüllt, – die Rechtsform einer Gesellschaft hat, diese nicht sachlich entlastungsberechtigt ist und deren Gesellschafter ihrerseits nicht in einem DBA-Staat ansässig sind bzw. als außerhalb der EU ansässige Personen nicht die Voraussetzungen der einschlägigen EU-Richtlinien erfüllen oder – zwar in einem DBA-Staat und/oder innerhalb der EU ansässig ist, aber nicht die Vergünstigungen eines DBA bzw. der einschlägigen EURichtlinien geltend machen kann.1 c) Sachliche Entlastungsberechtigung Die Einschaltung einer ausländischen Gesellschaft führt nach § 50d Abs. 3 EStG zur Versagung der geltend gemachten Entlastung von der inländischen Besteuerung, soweit sie die in § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG aufgeführten Funktionen nicht erfüllt. Auf der Grundlage der Aufteilungsregelung (s. dazu oben Rz. 9.28) ist dies so zu verstehen, dass unschädliche Erträge vorliegen, soweit diese aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammen, anderenfalls soweit hierfür (kumulativ) wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe und ein angemessen eingerichteter Geschäftsbetrieb bestehen.
9.36
aa) Eigene Wirtschaftstätigkeit Die ausländische Gesellschaft erzielt unschädliche Einkünfte, soweit die von ihr erzielten Bruttoerträge aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammen.2 Hierzu gehören auch die Erträge, die mit der eigenen Wirtschaftstätigkeit in einem funktionalen wirtschaftlichen Zusammenhang stehen sowie Zinserträge aus der Anlage erwirtschafteter entlastungsberechtigter Gewinne der Gesellschaft.
9.37
Die „eigene Wirtschaftstätigkeit“ setzt voraus, dass eine über die reine Ver- 9.38 mögensverwaltung hinausgehende wirtschaftliche Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr stattfindet. Bei Einschaltung einer Gesellschaft in einem EU/EWR-Staat ist erforderlich, dass die Gesellschaft am dortigen Marktgeschehen im Rahmen ihrer gewöhnlichen Geschäfts-
1 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 - S 2411/07/10016, BStBl. I 2012, 171, Rz. 4.3. 2 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 - S 2411/07/10016, BStBl. I 2012, 171, Rz. 5.
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tätigkeiten aktiv, ständig und nachhaltig teilnimmt.1 Eine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr liegt auch dann vor, wenn entgeltliche Dienstleistungen innerhalb des Konzerns erbracht werden, die dem Fremdvergleich entsprechen.2
9.39 Eine eigene Wirtschaftstätigkeit liegt auch vor, soweit die Gesellschaft Beteiligungen von einigem Gewicht hält, um gegenüber diesen geschäftsleitende Funktionen wahrzunehmen (aktive Beteiligungsverwaltung);3 nicht ausreichend ist die passive Beteiligungsverwaltung, bei der geschäftsleitende Funktionen nur gegenüber einer Gesellschaft ausgeübt werden oder lediglich Anteile an einer oder mehreren Gesellschaften gehalten werden und sich die ausländische Gesellschaft auf die Ausübung von Gesellschafterrechten begrenzt.4 Gleiches gilt für einzelne Geschäftsfunktionen, wie z.B. Lizenzverwertung und/oder Kreditgewährung: Dies allein reicht für eine Qualifizierung als aktive Beteiligungsverwaltung nicht aus.5 Liegt eine aktive Beteiligungsverwaltung vor, gehören auch die Dividenden, Zinsen und anderen Erträge (Lizenzgebühren), die von geleiteten Gesellschaften stammen, zu den unschädlichen Erträgen.6
9.40 Gemäß § 50d Abs. 3 Satz 3 EStG liegt eine eigene Wirtschaftstätigkeit nicht vor, soweit die Gesellschaft ihre Bruttoerträge aus der Verwaltung von Wirtschaftsgütern erzielt oder ihre wesentlichen Geschäftstätigkeiten auf Dritte, z.B. auf Managementgesellschaften oder Anwaltskanzleien, überträgt (Outsourcing). bb) Wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe und angemessener Geschäftsbetrieb
9.41 Gemäß § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EStG besteht des Weiteren eine Entlastungsberechtigung, soweit für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe und ein angemessen eingerichteter Geschäftsbetrieb bestehen. Die Gesetzesformulierung knüpft an die Rechtsprechung des BFH zu ausländischen Basisgesellschaften an.7 Zur Auslegung dieses Merkmals kann folglich die
1 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 - S 2411/07/10016, 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171 Rz. 5.1 unter Hinweis auf EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury-Schweppes, DStR 2006, 1686. 2 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 - S 2411/07/10016, 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171 Rz. 5.1. 3 BFH v. 29.1.2008 – I R 26/06, BB 2008, 1377; BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 - S 2411/07/10016, 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171 Rz. 5.2. 4 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 - S 2411/07/10016, 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171 Rz. 5.2. 5 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 - S 2411/07/10016, 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171 Rz. 5.3. 6 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 - S 2411/07/10016, 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171 Rz. 5; Klein/Hagena in H/H/R, § 50d EStG Rz. 57. 7 Siehe BT-Drucks. 12/5630, 65.
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Henkel
C. Besteuerung im Inland
(kasuistische) Rechtsprechung des BFH zur Anerkennung von Basisgesellschaften herangezogen werden (siehe Teil 3 Rz. 7.14 ff.). Ein wirtschaftlich beachtlicher Grund liegt vor, wenn mit der ausländischen Gesellschaft die Aufnahme einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit (s. Rz. 9.37 ff.) geplant ist und entsprechende Aktivitäten nachgewiesen werden.1
9.42
An wirtschaftlich oder sonst beachtlichen Gründen fehlt es, wenn es sich um eine „rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltung“ handelt.2
9.43
Als „wirtschaftlich beachtliche Gründe“ gelten folgende Beispiele:
9.44
– Die Gesellschaft dient als Spitze eines bestehenden oder noch aufzubauenden Konzerns, wohl auch eines regionalen Teilkonzerns, einer Sparte oder einer Division.3 – Die Gesellschaft übt Finanzierungsfunktionen gegenüber mindestens zwei Tochtergesellschaften aus.4 Ein wirtschaftlicher Grund fehlt, wenn die ausländische Gesellschaft überwiegend der Sicherung von Inlandsvermögen in Krisenzeiten dient oder für den Aufbau der Alterssicherung der Gesellschafter eingesetzt werden soll.5
9.45
Als nicht ausreichend werden ferner Umstände, die sich aus den Verhältnissen des Konzernverbundes ergeben (Koordination, Organisation, Aufbau von Kundenbeziehungen etc.), angesehen.6 Als „sonst beachtliche Gründe“ werden rechtliche, politische oder auch religiöse Gründe genannt.7
9.46
Die ausländische Gesellschaft muss daneben über einen für ihren Geschäftszweck angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb verfügen. Das umfasst qualifiziertes Personal, Geschäftsräume und technische Kom-
9.47
1 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 - S 2411/07/10016, 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171 Rz. 6. 2 BFH v. 29.1.2008 – I R 26/06, BB 2008, 1377 unter Hinweis auf EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995 = DStR 2006, 1686 Rz. 55. 3 BFH v. 29.1.1975 – I R 135/70, BStBl. II 1975, 553; Klein/Hagena in H/H/R, § 50d EStG Rz. 56. 4 BFH v. 23.1.1991 – I R 40/89, BStBl. II 1992, 1026; Klein/Hagena in H/H/R, § 50d EStG Rz. 56. 5 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 - S 2411/07/10016, 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171 Rz. 6. 6 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 - S 2411/07/10016, 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171 Rz. 6. 7 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 - S 2411/07/10016, 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171 Rz. 6.
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Kapitel 9 Beteiligung an inländischen Kapitalgesellschaften
munikationsmittel.1 Maßstab für den Umfang des Geschäftsbetriebs ist der Geschäftszweck der ausländischen Gesellschaft. Die Finanzverwaltung sieht dies als erfüllt an, wenn folgende Indizien vorliegen: – die Gesellschaft beschäftigt dort für die Ausübung ihrer Tätigkeit ständig sowohl geschäftsleitendes als auch anderes Personal, – das Personal der Gesellschaft verfügt über ausreichende Qualifikation, um die Aufgaben der Gesellschaft eigenverantwortlich und selbstständig zu erfüllen, – die Geschäfte zwischen nahestehenden Personen (§ 1 Abs. 2 AStG) halten dem Fremdvergleich stand. cc) Konzernverhältnisse
9.48 Bei Anwendung der o.g. Kriterien (Rz. 9.36 ff.; eigene Wirtschaftstätigkeit, Rz. 9.37 ff., und wirtschaftlich beachtliche Gründe, Rz. 9.41 ff.) ist ausschließlich auf die Verhältnisse der ausländischen Gesellschaft und nicht auf den Konzernverbund abzustellen. Struktur und Strategiekonzepte von Konzerngesellschaften sollen daher nicht geeignet sein, einer funktionslosen Gesellschaft Steuerentlastungen zu gewähren. Dies soll auch in Fällen der Organschaft und der fiskalischen Einheit gelten.2 3. Rechtsfolge
9.49 Die Rechtsfolge des § 50d Abs. 3 EStG ist komplex. Sie besteht letztlich darin, dass die ausländische Gesellschaft insoweit keinen Anspruch auf die Steuerentlastung gem. dem jeweiligen DBA bzw. gem. § 43b EStG hat, wie schädliche Erträge im Verhältnis zu den Gesamtbruttoerträgen vorliegen. Hierfür ist nach Auffassung der Finanzverwaltung wie folgt vorzugehen: Zunächst ist auf der Ebene der ausländischen Gesellschaft das Verhältnis der unschädlichen Bruttoerträge zu den im Wirtschaftsjahr insgesamt erzielten Bruttoerträgen der ausländischen Gesellschaft zu ermitteln.3 Dazu ist zu prüfen, inwieweit die ausländische Gesellschaft ihre Bruttoerträge aus eigener Wirtschaftstätigkeit oder aus anderen anerkannten Funktionen erzielt (insoweit liegen unschädliche Erträge vor). Hinsichtlich der verbleibenden – auf ihrer Ebene schädlichen – Erträge ist auf die Gesellschafterebene der ausländischen Gesellschaft abzustellen und wie folgt zu unterscheiden: – Soweit der Gesellschafter der ausländischen Gesellschaft persönlich entlastungsberechtigt ist und unschädliche Erträge erzielt (fiktive Ent1 BFH v. 20.3.2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819; BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 - S 2411/07/10016, 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171 Rz. 7; siehe auch BFH v. 29.1.2008 – I R 26/06, BB 2008, 1377 m. Anm. Renger. 2 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 - S 2411/07/10016, 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171 Rz. 8; dies wird aus § 50d Abs. 3 Satz 2 EStG herausgelesen. 3 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 - S 2411/07/10016, 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171 Rz. 2 Abs. 2.
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C. Besteuerung im Inland
lastungsberechtigung), erhöht sich der Anteil der unschädlichen Erträge entsprechend. – Soweit der Gesellschafter persönlich entlastungsberechtigt ist und er schädliche Erträge erzielt, erhöht sich der Anteil der schädlichen Erträge entsprechend. Schädliche Erträge erzielt der Gesellschafter u.a. dann, wenn es sich bei dem Gesellschafter um eine Gesellschaft handelt, an der Personen beteiligt sind, die ihrerseits nicht persönlich entlastungsberechtigt sind. Hiergegen wird eingewandt, dass die Unterscheidung der schädlichen von den unschädlichen Erträgen auf der Ebene der Gesellschafter der ausländischen Gesellschaft (die fiktive Entlastungsberechtigung) zwar im Sinne einer zielgenauen Ausgestaltung der Regelung sinnvoll sei, sich aber nicht aus dem Gesetz ergebe.1
9.50
Dieser Auslegungsstreit ist Beleg genug dafür, dass die Vorschrift schnell überarbeitet werden muss. Es ist im internationalen Wettbewerb der Standorte nicht hinnehmbar, dass ausländische Investoren über die steuerlichen Berechnungsgrundlagen ihres „Return on Investment“ im Unklaren gelassen werden.
9.51
4. Vereinbarkeit mit EU- bzw. DBA-Recht Hinsichtlich der Vereinbarkeit dieser Rechtsfolge mit EU-Recht bzw. mit den Regelungen der DBA gilt Folgendes: – Die MTR sieht in Art. 1 Abs. 2 ausdrücklich die Schaffung von innerstaatlichen Regelungen zur Verhinderung von Missbräuchen vor. Der BFH hatte die Vorschrift des § 50d Abs. 1a EStG (jetzt § 50d Abs. 3 EStG) zunächst grundsätzlich mit EU-Recht für vereinbar gehalten, jedenfalls bei Einschaltung einer ausländischen Basisgesellschaft,2 ist hiervon jedoch im Anschluss an die Entscheidungen des EuGH in den Rs. Denkavit3 und Test Claimants4 jedenfalls für die Fälle abgerückt, in denen die KapESt für die EU/EWR-Gesellschaft mangels Anrechnungspotenzials definitiv wird.5 Mit Urteil vom 29.1.20086 wendet der BFH dann im Rahmen der Prüfung der Substanzanforderungen das
1 Loschelder in Schmidt31, § 50d EStG Rz. 47. 2 BFH v. 20.3.2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819; so auch FG Köln v. 8.8.2001 – 2 K 6630/99, 2 K 8337/99, EFG 2002, 541 (rkr.); erhebliche Zweifel der Vereinbarkeit von § 50d Abs. 3 EStG mit der MTR bzw. Art. 43 EG bei Stoschek/Peter, IStR 2002, 656; Bullinger, IStR 2004, 406; Plewka/Renger, GmbHR 2007, 1027; Gosch, IStR 2008, 413. 3 EuGH v. 14.12.2006 – Rs. C-170/05 – Denkavit, EuGHE 2006, I-11949 = DStRE 2007, 289. 4 EuGH v. 12.12.2006 – Rs. C-374/04 – Test Claimants, EuGHE 2006, I-11673 = IStR 2007, 138. 5 BFH v. 20.12.2006 – I R 13/06, BStBl. II 2007, 616 = DStR 2007, 943. 6 BFH v. 29.1.2008 – I R 26/06, BB 2008, 1377.
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9.52
Kapitel 9 Beteiligung an inländischen Kapitalgesellschaften
vom EuGH in der Rs. Cadbury Schweppes1 herangezogenen Kriterium der „rein künstlichen, jeder wirtschaftlichen Realität baren Gestaltung“ an und zieht damit eine enge Grenze für die nach Art. 1 Abs. 2 MTR zulässige Missbrauchsprüfung. Diese Grenze dürfte in vielen Fällen durch die typisierende Regelung des § 50d Abs. 3 EStG überschritten sein. – Hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem Abkommensrecht ist zunächst darauf zu verweisen, dass im DBA-Recht verschiedene Ansätze zur Vermeidung des Treaty Shopping verwendet werden. Das jeweilige Abkommen kann allgemeine Missbrauchsvorschriften enthalten, also solche, die den Missbrauch auf Abkommensebene eigenständig regeln. Neben den Limitation-of-Benefits-Klauseln2 gibt es u.a. spezielle Regelungen gegen Durchlaufgesellschaften (conduit companies).3 Die Regelungen zum Nutzungsberechtigten (beneficial owner) gelten in den meisten der nach 1977 abgeschlossenen Abkommen in den Dividenden-, Zins- und Lizenzgebühren-Artikeln (Art. 10–12 OECD-MA).4 Ferner gibt es in den Abkommen besondere Einzelregelungen wie die „Subject-to-Tax“-Klauseln (z.B. Art. 13 Abs. 4 DBA-Schweiz) oder Rückfallklauseln zur Vermeidung weißer Einkünfte (z.B. Art. 23 Abs. 3 letzter Satz DBA-USA 1989).5 Zum anderen kann das jeweilige DBA die Missbrauchsregelungen des nationalen Rechts in die Abkommensanwendung einbeziehen, indem es entweder innerstaatliche Missbrauchsregelungen für abkommensrechtlich anwendbar erklärt oder bestimmt, dass die Anwendung innerstaatlicher Missbrauchsregelungen nicht durch das Abkommensrecht ausgeschlossen ist.6 Zum Teil wird auch versucht, Missbräuche durch Auslegung des jeweiligen Abkommens zu lösen.7
9.53 Vor diesem Hintergrund ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass bilaterale Abkommen unter einem Umgehungsvorbehalt stehen, und hat sich insoweit auf den Musterkommentar zum OECD-MA 1992 berufen.8 Der BFH hat die Auffassung des Gesetzgebers im Grundsatz bestätigt und entschieden, dass § 50d Abs. 3 EStG grundsätzlich nicht gegen Abkommensrecht verstößt und den Regelungen eines DBA vorgeht.9 Enthält je1 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995 = DStR 2006, 1686. 2 Siehe dazu Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 121a ff. 3 Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 120d ff. 4 Vgl. dazu Vogel in V/L5, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 11 ff.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.139. 5 Vogel in V/L5, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 31 ff. m.w.N. 6 Zur Anwendung des § 42 AO im DBA-Recht: Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.133 ff.; Vogel in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 102 ff.; Vogel in Haarmann, Grenzen der Gestaltung im IStR, 1994, 79 ff. 7 Siehe die Darstellung bei Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 116. 8 BT-Drucks. 12/5630, 65. 9 BFH v. 20.3.2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819; vgl. auch BFH v. 28.11.2001 – I B 169/00, BFH/NV 2002, 774.
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Henkel
C. Besteuerung im Inland
doch ein DBA eine spezielle Anti-Missbrauchsregelung,1 hat diese Vorrang vor § 50d Abs. 3 EStG.2
IV. Verluste der inländischen Kapitalgesellschaft 1. Verlustrücktrag und Verlustvortrag Eine inländische Kapitalgesellschaft kann körperschaftsteuerliche Verluste gem. § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG bis zu einem Betrag von 511 500 Euro in den unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum zurücktragen. Die hiernach nicht ausgeglichenen Verluste können gem. § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG ohne zeitliche Beschränkung vorgetragen werden. Der Verlustvortrag ist seit dem VZ 2004 nur bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte i.H.v. 1 Mio. Euro unbeschränkt und darüber hinaus bis zu 60 v.H. des 1 Mio. Euro übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte möglich (§ 10d Abs. 2 Satz 1 EStG). Gemäß § 10d Abs. 1 Satz 7 EStG kann auf den grundsätzlich vorrangigen Verlustrücktrag verzichtet werden. Wird die Gesellschaft vor Nutzung der Verlustvorträge verkauft, können Verlustvorträge gem. § 8c KStG bzw. der früheren Mantelkaufregelung gem. § 8 Abs. 4 KStG untergehen.3 Verlustvorträge können auch bei Umwandlung oder Liquidation verloren gehen, sodass endgültige (definitive) Verluste entstehen.4 Die gewerbesteuerliche Verlustverrechnung unterscheidet sich von der körperschaftsteuerlichen Verlustverrechnung wie folgt: Der Gewerbeertrag basiert auf dem körperschaftsteuerlichen Einkommen, wird jedoch durch Hinzurechnungen (§ 8 GewStG) und Kürzungen (§ 9 GewStG) verändert. Ergibt sich hiernach ein Gewerbeverlust (Fehlbetrag), kann er gem. § 10a GewStG vorgetragen werden. Dabei sind die Verlustausgleichsbeschränkungen zu beachten: Insbesondere findet § 8c KStG gem. § 10a Satz 10 GewStG Anwendung, sodass eine Verlustberücksichtigung bei Gesellschafterwechsel ausgeschlossen sein kann. Die Verlustverrechnung unterliegt gem. § 10a Satz 2 GewStG ebenfalls der Mindestbesteuerung, sodass der den Betrag von 1 Mio. Euro übersteigende Fehlbetrag nur zu 60 % berücksichtigt werden darf.5 1 Die DBA mit den USA (Art. 28) und der Schweiz (Art. 23) enthalten z.B. derartige Regelungen; zu Art. 28 DBA-USA siehe Jacob, IStR 2011, 45. 2 BFH v. 19.12.2007 – I R 21/07, DStR 2008, 926; v. 29.10.1997 – I R 35/96, BStBl. II 1998, 235; Wagner in Blümich, § 50d EStG Rz. 56. 3 Siehe hierzu BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S a/08/10001, BStBl. I 2008, 736. 4 Für den Fall, dass die Verlustnutzung durch die Anwendung der Mindestbesteuerung endgültig wegfällt, hat der BFH ernstliche verfassungsrechtliche Bedenken auch an der Regelung des § 8c KStG, BFH v. 26.8.2010 – I B 49/10, DStR 2010, 2179; ebenso Roser in Gosch2, § 8c KStG Rz. 26 m.w.N. 5 Beim BFH ist ein Verfahren zu der Frage anhängig, ob die Mindestbesteuerung aufgrund teleologischer Reduktion nur eingreift, soweit sie keine definitiven Verluste auslöst, Az. IV R 36/10 (Vorinstanz FG München v. 4.8.2010 – 1 K 608/07, EFG 2010, 1914).
Henkel
1129
9.54
Kapitel 9 Beteiligung an inländischen Kapitalgesellschaften
2. Verlustausgleich
9.55 Ob ein ausländischer Gesellschafter die Verluste der inländischen Kapitalgesellschaft bei seiner heimischen Besteuerung geltend machen kann, entscheidet sich nach dem ausländischen Steuerrecht. Gleiches gilt für die Frage, ob er den Beteiligungsansatz aufgrund der Verluste berichtigen kann. Bei einer EU/EWR-Kapitalgesellschaft wird der Ansässigkeitsstaat die Grundsätze der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Marks & Spencer1 zu beachten haben, nach der endgültige Verluste im Rahmen einer grenzüberschreitenden Gruppenbesteuerung zu berücksichtigen sind.
V. Organschaft 9.56 Die zunächst allein für inländische Konzernstrukturen entwickelte Organschaft ist im Vergleich zu Gruppenbesteuerungssystemen in anderen Ländern sehr formalistisch geprägt. Dies beruht darauf, dass die konzeptionelle Rechtfertigung der steuerlichen Überbrückung des Subjektprinzips auf die konzernrechtlich enge Verbindung von abhängigen und mit einem gem. § 291 AktG wirksam abgeschlossenen Gewinnabführungsvertrag verbundenen Gesellschaften gestützt wird. Dabei folgt das Konzept der §§ 14 ff. KStG diesem konzernrechtlichen Ansatz soweit, dass die Ergebnisse der verbundenen Gesellschaften steuerlich nicht konsolidiert werden, sondern es wird das Einkommen der Organgesellschaft dem Träger des Unternehmens (Organträger) zugerechnet (§ 14 Abs. 1 Satz 1 KStG). Es muss also zunächst das Ergebnis auf der Ebene der Organgesellschaft ermittelt werden, um diese sodann dem Organträger zurechnen zu können. Im Verlustfall können dadurch „negative Steuerstundungseffekte“, die zu Zins- und Liquiditätsnachteilen führen, vermindert werden, wenn der Organträger über entsprechende positive Erträge verfügt. Allerdings müssen die Gesellschaften nach den tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 14 ff. KStG einen solchen Inlandsbezug aufweisen, dass hiernach eine grenzüberschreitende Organschaft nicht möglich ist.
9.57 Dies hat insbesondere nach der EuGH-Entscheidung in der Rs. Marks & Spencer2 zu Diskussionen geführt, die deutschen Regelungen den in Europa gängigen Regelungen anzupassen und auch die grenzüberschreitende Verlustverrechnung zuzulassen.3 Gefordert wird vor allem, die Anbindung an das Konzernrecht aufzuheben und auf das Erfordernis eines Gewinnabführungsvertrags zu verzichten. Zudem solle die deutsche Gruppenbesteuerung europäisiert werden und die Vorgaben des EuGH zur
1 EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 – Marks & Spencer, EuGHE 2005, I-10837 = DStR 2005, 2168; Wagner/Herzig, DStR 2006, 1. 2 EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 – Marks & Spencer, EuGHE 2005, I-10837 = DStR 2005, 2168. 3 Neumann in Gosch2, § 14 KStG Rz. 12.
1130
Henkel
C. Besteuerung im Inland
Berücksichtigung von definitiven Verlusten umsetzen.1 Der Zwölf-Punkte-Plan zur weiteren Modernisierung und Vereinfachung des Unternehmenssteuerrechts2 sieht zwar die Einführung einer Gruppenbesteuerung anstelle der bisherigen steuerlichen Organschaft3 vor, eine grenzüberschreitende Gruppenbesteuerung ist darin jedoch nicht vorgesehen. 1. Körperschaftsteuerliche Organschaft Die körperschaftsteuerliche Organschaft setzt tatbestandlich einen zivilrechtlich wirksamen Ergebnisabführungsvertrag sowie die finanzielle Eingliederung voraus. Organträger kann grundsätzlich nur eine im Inland unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Person oder eine nicht steuerbefreite Körperschaft mit Geschäftsleitung im Inland sein (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 KStG).
9.58
Ausländische Gesellschaften können gem. § 18 KStG Organträger sein, wenn sie im Inland eine im Handelsregister eingetragene Zweigniederlassung (Betriebsstätte) unterhalten. Weitere Voraussetzung ist, dass die Beteiligung an der inländischen Kapitalgesellschaft zu der Zweigniederlassung gehört, der Ergebnisabführungsvertrag unter der Firma der Zweigniederlassung abgeschlossen ist und die finanzielle Eingliederung im Verhältnis zur Zweigniederlassung selbst gegeben ist.
9.59
Das Erfordernis der doppelten Inlandsanknüpfung (Sitz und Geschäftsleitung des Organträgers im Inland) ist mit dem UntStFG aufgehoben worden. Daher kann auch eine doppelansässige Kapitalgesellschaft, die ihren statutarischem Sitz im Ausland und ihre Geschäftsleitung im Inland hat und dadurch unbeschränkt steuerpflichtig ist, auch ohne inländische Zweigniederlassung Organträger sein.4
9.60
Ungeklärt ist die Frage, ob körperschaftsteuerlich eine grenzüberschreitende Organschaft zulässig ist, ob also eine ausländische Kapitalgesellschaft ohne inländische Geschäftsführung und ohne inländische Betriebsstätte Organträger einer inländischen Kapitalgesellschaft sein kann, mit der Folge, dass das Einkommen der inländischen Kapitalgesellschaft der ausländischen Gesellschaft zuzurechnen ist. Der gesetzliche Tatbestand
9.61
1 Siehe Esterer/Bartelt, BB Spezial 1 (zu BB 2010), 2; Pache/Englert, IStR 2010, 448 m.w.N. 2 Vorschlag der finanzpolitischen Sprecher der Koalitionsfraktionen v. 14.2.2012; s. dazu Häuselmann, SteuK 2012, 113. 3 Die Einführung soll nach einem technischen Vorlauf von drei Jahren in 2016 wirksam werden. 4 BMF v. 26.8.2003 – IV A 2 - S 2770 - 18/03, BStBl. I 2003, 437 Rz. 6; eine zugezogene US-Kapitalgesellschaft mit satzungsmäßigem Sitz in den USA und Geschäftsleitung im Inland kann somit Organträgerin einer deutschen GmbH als Organgesellschaft sein, vgl. BFH v. 29.1.2003 – I R 6/99, BB 2003, 1210; zum Wegfall des doppelten Inlandsbezugs bei der Organgesellschaft siehe BMF v. 28.3.2011 – IV C 2 - S 2770/09/10001, BStBl. I 2011, 300; Winter/Marx, DStR 2011, 1101.
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Kapitel 9 Beteiligung an inländischen Kapitalgesellschaften
der §§ 14 ff. KStG lässt dies nicht zu, da § 18 KStG für eine Organschaft mit einem ausländischen Organträger eine inländische Zweigniederlassung und einen Gewinnabführungsvertrag fordert. Jedoch wird aus der Entscheidung des BFH zur grenzüberschreitenden gewerbesteuerlichen Organschaft1 gefolgert, dass dies konsequenterweise auch für die körperschaftsteuerliche Organschaft zu bejahen sei.2
9.62 Ausländische Anteilseigner können zudem mittelbar als Organträger fungieren, indem sie sich an einer inländischen Personengesellschaft als Mitunternehmer beteiligen und die Beteiligung an der Organgesellschaft zum Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft gehört oder zumindest das wirtschaftliche Eigentum der Personengesellschaft an den Anteilen gegeben ist,3 (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 KStG). Beteiligungen im Sonderbetriebsvermögen reichen nicht aus.4 Organträger kann seit dem Veranlagungszeitraum 2003 aber nur noch eine Personengesellschaft sein, die eine originär gewerbliche Tätigkeit i.S.d.§ 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausübt (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 KStG). Lediglich gewerblich geprägte Personengesellschaften scheiden somit als Organträger aus.5
9.63 Für steuerfreie Beteiligungserträge, die die inländische Organgesellschaft aus der Beteiligung an einer in- oder ausländischen Kapitalgesellschaft bezieht, ist § 15 Nr. 2 KStG zu beachten: Die DBA-Schachtelbefreiungen sowie § 8b Abs. 1–6 KStG finden bei der Ermittlung des Einkommens der Organgesellschaft keine Anwendung. Diese Vorschriften einschließlich § 3 Nr. 40 EStG und § 3c EStG sind vielmehr bei der Ermittlung des Einkommens des Organträgers anzuwenden.6 Die DBA-Schachtelvoraussetzungen bzw. die Voraussetzungen des § 8b KStG müssen in der Person des Organträgers erfüllt sein. Gehört der ausländische Organträger nicht zu den nach diesen Regelungen begünstigten Personen, scheitert die Anwendung der Steuerbefreiung. Mit dem durch das JStG 2009 eingefügten § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 KStG ist klargestellt, dass § 8b Abs. 7, 8 oder 10 KStG auf Ebene der Organgesellschaft weiterhin Anwendung finden, auch wenn die jeweiligen Voraussetzungen auf Ebene des Organträgers nicht vorliegen.
1 BFH v. 9.2.2011 – I R 54, 55/10, IStR 2011, 345 m. Anm. Mössner; siehe dazu Rz. 9.64 f. 2 Rödder/Schönfeld, DStR 2011, 886; im Fall eines EU/EWR-Organträgers ist ferner zu klären, ob für die Annahme einer grenzüberschreitenden Organschaft auch ein grenzüberschreitender Gewinnabführungsvertrag geschlossen sein muss oder ob dieses Erfordernis als unionsrechtswidrig entfällt. 3 BFH v. 28.4.1983 – IV R 152/80, BStBl. II 1983, 690. 4 R 58 Satz 4 KStR 2004. 5 Nach Neumann in Gosch2, § 14 KStG Rz. 80 reicht die Gewerblichkeit durch Abfärbung oder Betriebsaufspaltung nicht aus, wohl aber aufgrund geschäftsleitender Holdingfunktion. 6 Sog. Bruttomethode, vgl. BMF v. 26.8.2003 – IV A 2 - S 2770 - 18/03, BStBl. I 2003, 437 Rz. 22.
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C. Besteuerung im Inland
2. Gewerbesteuerliche Organschaft Die gewerbesteuerliche Organschaft ist mit dem UntStFG der körper- 9.64 schaftsteuerlichen Organschaft angeglichen worden und knüpft an die tatbestandlichen Voraussetzungen des KStG an: Sie setzt ebenfalls einen zivilrechtlich wirksamen Ergebnisabführungsvertrag sowie die finanzielle Eingliederung voraus. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG gilt eine Organgesellschaft i.S.d. §§ 14, 17 oder 18 KStG gewerbesteuerlich als Betriebsstätte des Organträgers. Nach diesen Regelungen kann eine inländische Kapitalgesellschaft nur dann gewerbesteuerliche Organgesellschaft einer ausländischen Gesellschaft sein, wenn die ausländische Gesellschaft entweder ihre Geschäftsleitung im Inland hat und dadurch in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist (§ 14 KStG) oder wenn sie eine inländische Zweigniederlassung hat, mit der der Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen wird (§ 18 KStG). Der BFH hat in dem Fall einer inländischen Kapitalgesellschaft, die (zunächst mittelbar, später unmittelbar) von einer Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in Großbritannien gehalten wurde, entschieden, dass das tatbestandliche Erfordernis der Inlandsanknüpfung des Organträgers (Geschäftsleitung im Inland) gegen das Diskriminierungsverbot des Art. XX Abs. 4 und 5 des DBA-Großbritannien (1964/1970) verstoße und daher nicht anzuwenden sei.1 Die Diskriminierung sieht der BFH in dem Vergleich einer inlandsbeherrschten Organgesellschaft mit einer von einer UK-Gesellschaft beherrschten Organgesellschaft. Die inlandsbeherrschte Organgesellschaft versteuert ihren Gewinn (und Verlust) nicht selbst, sondern er werde dem Organträger zugerechnet; die UK-beherrschte Gesellschaft müsse indes ihren Gewinn (und Verlust) selbst versteuern. Gegen diese Ergebnis spricht nach Ansicht des BFH auch nicht, dass dabei eine „Keinmalbesteuerung“ entstehen könne; die Anwendung der Organschaftsregeln führe zwar dazu, dass die inländische Organgesellschaft eine Betriebsstätte der UK-Gesellschaft sei (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG), diese könne jedoch in Deutschland nicht besteuert werden, weil der dem Art. 5 Abs. 7 OECD-MA entsprechende Art. III Abs. 1 i.V.m. Art. II Abs. 1 Buchst. l (vi) DBA-Großbritannien (1964/1970) in diesem Fall keine die innerstaatliche Besteuerung zulassende Betriebsstätte anerkenne. Nehme Großbritannien das ihm hiernach eingeräumte Besteuerungsrecht nicht wahr, entstünde zwar eine Keinmalbesteuerung, die jedoch nicht gegen die grundsätzliche Diskriminierung der deutschen Organgesellschaft spreche. Die Auswirkungen dieser Entscheidung sind noch zu klären.2 Diese Entscheidung betrifft das alte Gewerbesteuerrecht (Erhebungszeitraum 1999), nach dem für die Anerkennung einer gewerbesteuerlichen Organschaft noch kein Gewinnabführungsvertrag vorausgesetzt wurde. Es wird daher auch zu klären sein, ob das Erfordernis des 1 BFH v. 9.2.2011 – I R 54, 55/10, IStR 2011, 345; Nichtanwendungserlass des BMF v. 27.12.2011 – IV C 2 - S 2770/11/10002, BStBl. I 2012, 119. 2 Siehe dazu Frotscher, IStR 2011, 697; Rödder/Schönfeld, DStR 2011, 886; Mössner, Urteilsanmerkung, IStR 2011, 345.
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9.65
Kapitel 9 Beteiligung an inländischen Kapitalgesellschaften
Gewinnabführungsvertrags unter dem Gesichtspunkt des Diskriminierungsverbots weiterhin Bestand hat oder ob es in diesen Konstellationen entfällt.
D. Besteuerung im Ausland I. Nationales Recht 9.66 Im Regelfall wird der ausländische Staat die Dividendenausschüttungen der inländischen Kapitalgesellschaft zum Welteinkommen des bei ihm ansässigen Gesellschafters zählen und besteuern. Folgt der ausländische Staat jedoch – wie einige lateinamerikanische Staaten – dem Territorialitätsprinzip, sind die aus dem Ausland stammenden Dividendenerträge nicht steuerbar. Andererseits gibt es Staaten, die die Gewinnverlagerung auf ausländische Tochtergesellschaften zu unterbinden versuchen und – ähnlich wie die Bundesrepublik – bestimmte ausländische Gesellschaften als Controlled Foreign Corporations ansehen und deren Abschirmwirkung durchbrechen, um auf den von der ausländischen Gesellschaft erwirtschafteten Gewinn auch ohne Gewinnausschüttung zugreifen zu können (häufig als CFC-Rules bezeichnet); solche Regelungen kennen neben den USA (Subpart-F-Gesetzgebung) u.a. Argentinien, Australien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Neuseeland, Norwegen, Portugal, Schweden, Spanien und SüdKorea.1 In diesem Zusammenhang ist darauf zu achten, dass die Einkünfte der in Deutschland ansässigen Tochtergesellschaft bei ihrer ausländischen Muttergesellschaft den ausländischen CFC-Rules unterliegen, wenn es sich hierbei z.B. um steuerbefreite Beteiligungserträge aus Drittstaaten handelt.
9.67 Für Dividendenausschüttungen können nach dem nationalen Recht des ausländischen Staates Steuererleichterungen bestehen. Quellensteuern auf Dividenden können ähnlich wie im deutschen Recht in ein Anrechnungsverfahren oder ein Abzugsverfahren einbezogen sein; bei Schachteldividenden kann es zudem zu einer indirekten Anrechnung der auf die inländische Kapitalgesellschaft entfallenden Körperschaftsteuer kommen (sog. indirect tax credit).2
II. DBA-Recht 9.68 Besteht ein DBA, können sich weitere Steuerermäßigungen ergeben. Für die Besteuerung der von der inländischen Kapitalgesellschaft bezogenen 1 Vgl. die Übersicht bei Vogt in Blümich, Vorb §§ 7–14 AStG Rz. 22 m.w.N.; Köhler in Strunk/Kaminski/Köhler, Vor §§ 7–14 AStG Rz. 39. 2 Vgl. Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 112.
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D. Besteuerung im Ausland
Dividenden im ausländischen Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters sehen die deutschen DBA regelmäßig die Anrechnung der nach den DBA erhobenen Quellensteuer vor. Die Durchführung der Anrechnung, insbesondere die Berücksichtigung eines Anrechnungshöchstbetrags ist dabei uneinheitlich geregelt. Für Schachteldividenden1 gibt es die Freistellungsmethode und die indirekte Anrechnung. Freigestellt (i.d.R. unter Aktivitätsvorbehalt) werden sie in Bangladesch, Dänemark, Ecuador, Finnland, Italien, Luxemburg, Norwegen, Österreich, Philippinen, Polen, Schweden, Sri Lanka, Thailand, Türkei und Uruguay. Die indirekte Anrechnung gilt für China, Estland, Großbritannien, Jamaika, Kanada 2001, Malaysia, Mexiko, Sambia, Singapur, USA und Zypern. Im Übrigen gelten abweichende Regelungen oder der Vertragsstaat gewährt kein abkommensrechtliches Schachtelprivileg.2
III. Mutter-Tochter-Richtlinie Für Schachteldividenden an Gesellschafter in einem EU-Staat3 gilt darüber hinaus die MTR,4 die in allen Mitgliedstaaten der EU bis zum 31.12.2004 in nationales Recht umgesetzt werden musste. Die Richtlinie betrifft Schachteldividenden, die eine in einem EU-Mitgliedstaat ansässige Tochtergesellschaft an ihre in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft (ab 1.1.2005 auch an deren Betriebsstätte) ausschüttet. Gemäß Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie hat die ausländische EU-Muttergesellschaft die von der (hier: deutschen) Tochtergesellschaft bezogenen Dividenden entweder von der Besteuerung freizustellen oder die indirekte Steueranrechnung zu gewähren. Hat der ausländische Staat die Richtlinie nicht oder nicht vollständig umgesetzt, kann der dort ansässige Gesellschafter sich auf die unmittelbare Anwendbarkeit der Richtlinie berufen.
1 Eine Schachtelbeteiligung setzt regelmäßig eine Mindestbeteiligung von 25 v.H. voraus; Ausnahme: Belgien, Finnland 1979, Mexiko, Sambia, Schweden; hier gelten aber auch vom MA grundsätzlich abweichende Schachtelregelungen; für China, Dänemark, Estland, Kanada 2001, Österreich, Türkei, Uruguay, USA gilt eine Mindestbeteiligung von 10 v.H.; zum Aktivitätserfordernis vgl. die Übersicht von Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 90u. 111 f. 2 Vgl. die Abkommensübersicht von Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 90. 3 Im Verhältnis zur Schweiz gilt nach BMF v. 28.6.2005 – IV B 1 - S 1316 - 42/05, BStBl. II 2005, 858 Entsprechendes. 4 Nr. 90/435/EWG v. 23.7.1990, ABl. EG v. 20.8.1990, Nr. L 225, 6, geändert durch Änderungsrichtlinie v. 22.12.2003, ABl. EG v. 13.1.2004, Nr. L 7, 41.
Henkel
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9.69
Kapitel 9 Beteiligung an inländischen Kapitalgesellschaften
E. Veräußerung und Liquidation I. Veräußerung 1. Innerstaatliches Recht
9.70 Gewinne aus der Anteilsveräußerung sind unabhängig von einer Mindestbeteiligung im Rahmen der Gewinnermittlung einer inländischen Betriebsstätte beschränkt steuerpflichtig (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 1 EStG), wenn die Beteiligung zum Betriebsvermögen der inländischen Betriebsstätte gehört; § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG ist in diesen Fällen unanwendbar.1 Nach früherer Rechtsprechung gehörte die Beteiligung regelmäßig zum Betriebsvermögen der inländischen Betriebsstätte, wenn sie bei ihr verbucht wurde;2 sie stellte dann gewillkürtes Betriebsvermögen dar. Nach heutiger Auffassung wird die Beteiligung notwendiges Betriebsvermögen, wenn sie ausschließlich und unmittelbar dem Betrieb der inländischen Betriebsstätte dient.3 Ob das der Fall ist, ist nach dem jeweiligen Einzelfall zu entscheiden.4 Die Finanzverwaltung nimmt eine Zuordnung nach dem Grundsatz der Zentralfunktion des Stammhauses vor: Beteiligungen sind danach ebenso wie immaterielle Wirtschaftsgüter und Geschäftswert bei gemeinsamer Nutzung durch das Stammhaus und die Betriebsstätte tendenziell beim Stammhaus zuzuordnen und nicht bei der Betriebsstätte.5 Beschränkte Steuerpflicht tritt auch ein, wenn der ausländische Anteilseigner im Inland einen ständigen Vertreter bestellt hat (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 EStG) und die Beteiligung dem ständigen Vertreter zuzuordnen ist.
9.71 Liegt keine inländische Betriebsstätte vor, ist der ausländische Anteilseigner in Deutschland mit dem Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an der inländischen Kapitalgesellschaft gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG unter den Voraussetzungen des § 17 EStG (Beteiligung von mindestens 1 v.H.) beschränkt steuerpflichtig. Das gilt auch bei einer Veräußerung durch eine ausländische Kapitalgesellschaft.6 Das Erfordernis der wesentlichen Beteiligung gilt unabhängig davon, ob der ausländische Anteilseigner die Beteiligung in seinem ausländischen Betriebsver1 Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 123; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.185. 2 RFH v. 19.12.1935 – I A 236/35, RStBl. 1936, 590. 3 BFH v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563. 4 BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, DStR 2008, 1025. 5 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.4 (Betriebsstätten-Erlass). 6 So schon BFH v. 13.12.1961 – I R 209/60 U, BStBl. III 1962, 85; vgl. auch BFH v. 6.10.1966 – I 35/64, BStBl. III 1967, 45 – durch Normierung der isolierenden Betrachtungsweise in § 49 Abs. 2 EStG bestätigt; weitere Klarstellung durch ausdrückliche Einbeziehung des § 17 EStG in den Klammerzusatz des § 49 Abs. 1 EStG sowie durch Neufassung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG, vgl. Loschelder in Schmidt31, § 49 EStG Rz. 48 f.
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E. Veräußerung und Liquidation
mögen oder Privatvermögen hält. Die Veräußerung von nicht wesentlichen Beteiligungen wird seit 2009 gem. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. d EStG als Kapitaleinkünfte besteuert.1 Der Veräußerungsgewinn einer ausländischen Kapitalgesellschaft ermittelt sich in den Fällen des § 17 EStG als der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt (§§ 17 Abs. 2 Satz 1 bzw. 23 Abs. 3 Satz 1 EStG). Gehört die Beteiligung zu einer inländischen Betriebsstätte, tritt an die Stelle der Anschaffungskosten der Buchwert der Beteiligung. Der Veräußerungsgewinn ist gem. § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei, vorbehaltlich der 5 %igen Definitivbelastung gem. § 8b Abs. 3 KStG.2
9.72
Wird die inländische Beteiligung i.S.d. § 17 EStG durch eine ausländische natürliche Person (sei es aus ihrem Privatvermögen, ihrem Betriebsvermögen oder aus einer Beteiligung an einer ausländischen Personengesellschaft) veräußert, kommt grundsätzlich das Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG zur Anwendung.
9.73
2. DBA-Recht Die meisten deutschen DBA unterscheiden ähnlich wie Art. 13 OECDMA zwischen allgemeinen Veräußerungsgewinnen, die ausschließlich im Ansässigkeitsstaat des Veräußerers besteuert werden können, und besonderen Veräußerungsgewinnen – von denen bei der hier zu betrachtenden Fallgestaltung „ausländischer Anteilseigner mit Anteilen an inländischen Kapitalgesellschaften“ allein die Betriebsstättengewinne einschlägig sind –, auf die regelmäßig der Belegenheitsstaat der Betriebsstätte zugreifen kann.3 Die Gewinne aus der Veräußerung der vom ausländischen Anteilseigner in seinem ausländischen Betriebs- oder Privatvermögen gehaltenen Beteiligungen unterliegen regelmäßig den DBA-Regelungen über allgemeine Veräußerungsgewinne und können demnach in der Bundesrepublik nicht besteuert werden. Die inländische Besteuerung ist dagegen nicht beschränkt, wenn die Anteile Betriebsvermögen einer inländischen Betriebsstätte des ausländischen Anteilseigners sind; dies gilt – anteilig – auch, wenn die inländische Betriebsstätte zu einer Personengesellschaft gehört, an der der ausländische Anteilseigner beteiligt ist. Für die Anwendung dieser DBA-Regelungen ist allein der Betriebsstättenbegriff des jeweiligen DBA maßgeblich; eine eventuell weitergehende innerstaatliche Betriebsstätten-Definition ist unbeachtlich. Nach einigen deutschen DBA ist die inländische Besteuerung ebenfalls nicht eingeschränkt, wenn
1 Loschelder in Schmidt31, § 49 EStG Rz. 102. 2 BMF v. 28.4.2003 – IV A 2 - S 2750a - 7/03, BStBl. I 2003, 292 Rz. 13. 3 Die Behandlung im Ansässigkeitsstaat unterscheidet sich in diesen Fällen danach, ob die Freistellungs- oder die Anrechnungsmethode gilt.
Henkel
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9.74
Kapitel 9 Beteiligung an inländischen Kapitalgesellschaften
es sich um Anteile an Grundstücksgesellschaften, deren Wert weitgehend aus deutschem Grundvermögen besteht, handelt.1
9.75 Der abkommensrechtliche Betriebsstättenbegriff umfasst regelmäßig auch den abhängigen Vertreter, der eine Vertragsabschlussvollmacht besitzt (Vertreterbetriebsstätte, Art. 5 Abs. 5 OECD-MA). Jedoch wird man einer Vertreterbetriebsstätte regelmäßig keine Anteile an inländischen Kapitalgesellschaften zuordnen können, da die Funktion des Vertreters darin besteht, Aufträge einzuholen und Verträge abzuschließen.2
9.76 Spezielle Regelungen für die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen enthalten die deutschen DBA mit Argentinien, Bangladesch, Bulgarien, Ecuador, Indien, Kenia, Korea, Liberia, Mexiko, Neuseeland, Norwegen, Pakistan, Philippinen, Sri Lanka, Simbabwe, Tschechien, Tunesien, UdSSR-Nachfolgestaaten, Ukraine, Uruguay und Zypern.3 Diese Abkommen erlauben die Besteuerung des Veräußerungsgewinns (auch) im Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft.
9.77 Daneben gibt es eine Reihe von Abkommen, die keine besondere Regelung für Veräußerungsgewinne kennen. In diesem Fall greift – soweit vorhanden – die allgemeine Auffangklausel des jeweiligen DBA ein, die regelmäßig die ausschließliche Besteuerung im Ansässigkeitsstaat vorschreibt; besteht keine Auffangregelung,4 begrenzt das DBA den doppelten Besteuerungszugriff nicht.
II. Liquidation 1. Innerstaatliches Recht
9.78 Bei der Liquidation einer inländischen Kapitalgesellschaft, an der ausländische Anteilseigner beteiligt sind, sind zwei Fragen auseinanderzuhalten: die Ermittlung und Besteuerung des Liquidationsgewinns auf der Ebene der Kapitalgesellschaft und die beschränkte Steuerpflicht des ausländischen Anteilseigners mit dem an ihn ausgekehrten Vermögen. a) Kapitalgesellschaft
9.79 Auf der Ebene der Kapitalgesellschaft ist gem. § 11 Abs. 1 KStG der Liquidationsgewinn des Abwicklungszeitraums, der nicht länger als drei Jahre 1 Dies gilt für die DBA mit Bangladesch, Dänemark, Estland, Lettland, Litauen, Schweden, Finnland 1979, Kasachstan, Korea, Malta, Österreich, Ukraine, Usbekistan, Kanada, Norwegen, Pakistan, Vietnam, Neuseeland und den USA. 2 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 18.60. 3 Siehe Übersicht bei Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 226. 4 Ohne Auffangklausel sind die DBA mit Australien sowie mit Trinidad und Tobago; eine abkommensrechtliche Besteuerungsbefugnis für beide Staaten sieht das DBA mit Brasilien vor, das allerdings mit Wirkung zum 1.1.2006 von Deutschland gekündigt wurde.
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Henkel
E. Veräußerung und Liquidation
dauern soll, zu ermitteln; dazu ist das Abwicklungs-Endvermögen dem Abwicklungs-Anfangsvermögen gegenüberzustellen (§ 11 Abs. 2 KStG). Das Abwicklungs-Endvermögen ist nach § 11 Abs. 3 KStG das zur Verteilung kommende Vermögen vermindert um die steuerfreien Vermögensvermehrungen, die dem Steuerpflichtigen im Abwicklungszeitraum zugeflossen sind; das Abwicklungs-Anfangsvermögen ist nach der Definition des § 11 Abs. 4 KStG das Betriebsvermögen, das am Schluss des der Auflösung vorangegangenen Wirtschaftsjahres der Veranlagung zur Körperschaftsteuer zugrunde gelegt worden ist, abzüglich der Gewinnausschüttungen im Abwicklungszeitraum. Die Kapitalgesellschaft ist mit dem Liquidationsgewinn unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig.1 § 11 KStG erfasst damit den Gewinn, der durch die Liquidation und während der Liquidation entsteht, und zielt dabei insbesondere auf die Versteuerung der stillen Reserven ab.2 Mit derselben Zielrichtung sind gem. § 12 KStG die Liquidationsregelungen des § 11 KStG entsprechend anzuwenden, wenn die Kapitalgesellschaft ihren Sitz und/oder ihre Geschäftsleitung ins Ausland verlegt und dadurch aus der unbeschränkten Steuerpflicht ausscheidet; auch hier sollen die stillen Reserven erfasst werden, bevor sie dem inländischen Zugriff entzogen sind.3
9.80
b) Anteilseigner aa) Ohne inländische Betriebsstätte Ausländische Anteilseigner, die ihre Beteiligung nicht in einer inländischen Betriebsstätte halten, sind gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG beschränkt steuerpflichtig mit ihren „Einkünften aus Gewerbebetrieb (§§ 15 bis 17 EStG), die unter den Voraussetzungen des § 17 erzielt werden, wenn es sich um Anteile an einer Kapitalgesellschaft handelt, die ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland hat.“ Da die Auflösung und Liquidation der inländischen Kapitalgesellschaft gem. § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG einer Veräußerung gleichgestellt ist, sollen die in den Gesellschaftsanteilen enthaltenen stillen Reserven in gleicher Weise erfasst werden wie bei der Anteilsveräußerung.4
9.81
Die Auflösung und Liquidation stehen gem. § 17 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Satz 3 EStG jedoch nur insoweit einer Veräußerung gleich, als die Vermögensauskehrung keine Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 EStG darstellt. Damit kommt es zu einer Spaltung des ausgekehrten Vermögens in einen Veräußerungserlös und in Einnahmen
9.82
1 Vgl. allgemein zur Liquidationsbesteuerung auf der Ebene der Kapitalgesellschaft Lambrecht in Gosch2, § 11 KStG Rz. 20 ff. 2 Lambrecht in Gosch2, § 11 KStG Rz. 45. 3 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 6.29 ff.; zum Verstoß gegen die europarechtliche Niederlassungsfreiheit vgl. z.B. Rödder, DStR 2004, 1629; Schnitger, BB 2004, 804. 4 BT-Drucks. IV/2400, 70 f.
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1139
Kapitel 9 Beteiligung an inländischen Kapitalgesellschaften
aus Kapitalvermögen. Dazu wird der Betrag, der bei dem Gesellschafter nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehört, von dem gemeinen Wert des dem Anteilseigner zugeteilten Vermögens abgezogen. In der Praxis empfiehlt es sich daher, zunächst den „Auflösungsgewinn“ festzustellen und davon die als Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG zu qualifizierenden Teile des ausgekehrten Vermögens abzuziehen. Als Kapitaleinkünfte können hiernach Auskehrungen aus den sonstigen Rücklagen abgezogen werden,1 nicht jedoch die Rückzahlung von Nennkapital2 oder Liquidationserlöse, für die Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S.d.§ 27 Abs. 1 KStG als verwendet gelten.
9.83 Für ausländische Anteilseigner ist diese Aufspaltung entsprechend anzuwenden. Dies ergibt sich aus der Verweisungstechnik des § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG. § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG verweist auf die §§ 15–17 EStG und damit auch auf die in § 17 Abs. 4 EStG der Veräußerung gleichgestellte Liquidation. Die Bezugnahme auf die §§ 15–17 EStG schließt auch die in § 17 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Satz 3 EStG angeordnete Aufspaltung ein. Die vom „Auflösungsgewinn“ abzuziehenden Kapitalerträge sind wegen der Verweisung des § 17 Abs. 4 Satz 3 auf § 20 Abs. 1 EStG wie Dividenden zu besteuern.3 Für ausländische Anteilseigner müssen daher insoweit die Voraussetzungen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG erfüllt sein. Die in dieser Vorschrift vorgesehene Anknüpfung – Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz des Schuldners im Inland – ist bei der hier behandelten Liquidation einer inländischen Kapitalgesellschaft regelmäßig gegeben.
9.84 Auf den als Dividende zu behandelnden Teil des Auflösungsgewinns wird die KapESt von 25 % erhoben (§ 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG); die KapESt kann aufgrund der MTR oder aufgrund eines DBA ermäßigt sein.
9.85 Der verbleibende „Auflösungsgewinn“ wird im Wege der Veranlagung ermittelt. Er unterliegt bei natürlichen Personen dem Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 EStG. Sind die Anteilseigner ausländische Kapitalgesellschaften, wird der verbleibende Auflösungsgewinn gem. § 8b KStG im Ergebnis zu 95 v.H. von der Körperschaftsteuer freigestellt. Ob die Liquidation für ausländische Anteilseigner günstiger ist als die Anteilsveräußerung, kann nur ein Belastungsvergleich ergeben.4 Die KapESt wird vom Bruttobetrag (ohne Abzug von Aufwand) erhoben, während in der Veranlagung des verbleibenden „Auflösungsgewinns“ das Netto-Ergebnis besteuert wird.
1 2 3 4
Weber-Grellet in Schmidt31, § 17 EStG Rz. 227. Weber-Grellet in Schmidt31, § 17 EStG Rz. 211, 229 f. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 5.218. Bei inländischen Anteilseignern sind inzwischen – von Freibeträgen abgesehen – Veräußerung und Liquidation gleichwertig, Weber-Grellet in Schmidt31, § 17 EStG Rz. 227; zur Liquidation mit ausländischen Anteilseignern siehe Früchtl/ Prokscha, BB 2007, 2147.
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E. Veräußerung und Liquidation
bb) Mit inländischer Betriebsstätte Wenn die Beteiligung an der inländischen Kapitalgesellschaft in einer inländischen Betriebsstätte gehalten wird, führt die Liquidation der Kapitalgesellschaft beim ausländischen Anteilseigner gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 1 EStG auch dann zu steuerbaren Betriebseinnahmen, wenn die Beteiligungshöhe weniger als 1 v.H. beträgt.
9.86
Beträgt die Beteiligungshöhe weniger als 100 v.H., stellt das gesamte an den ausländischen Gesellschafter ausgekehrte Vermögen der Gesellschaft einschließlich der Nennkapitalauskehrung laufende Betriebseinnahmen dar. Diese unterliegen bei natürlichen Personen als Anteilseignern der 60 %igen Besteuerung (§ 3 Nr. 40 EStG); bei ausländischen Kapitalgesellschaften kommt die Steuerbefreiung gem. § 8b KStG zur Anwendung. Liegt demgegenüber eine 100-v.H.-Beteiligung vor, führt die Liquidation der inländischen Kapitalgesellschaft zu einer Teilbetriebsaufgabe i.S.d.§ 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG.1 Durch Verweis des § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Halbs. 2 EStG auf die Regelung des § 17 Abs. 4 Satz 3 EStG ist hier ebenfalls eine Aufspaltung des Liquidationserlöses in einen Veräußerungsgewinn und in laufende Einkünfte aus Kapitalvermögen vorzunehmen.
9.87
2. DBA-Recht Für die DBA-Qualifikation der Liquidationserlöse ist zu unterscheiden, ob der Dividendenartikel – ähnlich wie Art. 10 Abs. 3 OECD-MA – auf die Behandlung nach dem Recht des Quellenstaates verweist oder eine andere Regelung vorsieht.
9.88
a) Verweisung auf das Recht des Quellenstaates Ist die liquidierte Gesellschaft in Deutschland ansässig, wird für die abkommensrechtliche Behandlung der Liquidation auf die Anwendung des deutschen Rechts als dem Ansässigkeitsstaat der liquidierten Gesellschaft verwiesen. In diesem Fall wird der gem. § 20 Abs. 1 EStG als Kapitalertrag zu behandelnde Teil des Liquidationserlöses nach dem Dividendenartikel behandelt;2 Deutschland kann als Quellenstaat also die KapESt bis zu dem in dem Dividendenartikel zugestandenen Quellensteuersatz erheben.
9.89
Hinsichtlich des verbleibenden Liquidationserlöses greift nicht der Dividendenartikel ein, denn dieser Teil des Liquidationserlöses stellt nach deutschem Steuerrecht keinen Kapitalertrag dar. Hierfür ist vielmehr ein dem Art. 13 OECD-MA entsprechender Veräußerungsgewinn-Artikel einschlägig, denn es handelt sich insoweit um einen Gewinn aus der Liquidation der Beteiligung, der nach innerstaatlichem Recht den Veräußerungsgewinnen gleichgestellt ist (vgl. § 17 Abs. 4 EStG).
9.90
1 BFH v. 19.4.1994 – VIII R 2/93, BStBl. II 1995, 705. 2 Vgl. Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 203, 218 m.w.N.
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Kapitel 9 Beteiligung an inländischen Kapitalgesellschaften
b) Keine Verweisung auf das Recht des Quellenstaates
9.91 Verweist der Dividenden-Artikel nicht auf innerstaatliches Recht, entscheidet die abkommensautonome Qualifikation (Abkommensdefinition/Auslegung nach dem Sinnzusammenhang des Abkommens) und hilfsweise die Qualifikation des Rechts des Anwenderstaates (entsprechend Art. 3 Abs. 2 OECD-MA). Auch hier kann es zur Differenzierung zwischen den im ausgekehrten Liquidationserlös enthaltenen Kapitalerträgen und den verbleibenden Gewinnen aus der Realisierung der in den Anteilen enthaltenen stillen Reserven kommen. Die Gewinnanteile können in Anlehnung an den OECD-MK1 im Wege der Auslegung aus dem Abkommenszusammenhang den Dividenden zugeordnet werden, während die restlichen Beträge wie Veräußerungserlöse behandelt werden.
9.92 Ist wegen einer dem Art. 3 Abs. 2 OECD-MA entsprechenden Abkommensregelung das Recht des Anwenderstaates heranzuziehen, ist danach zu entscheiden, wie Liquidationserlöse nach dessen Recht besteuert werden, insbesondere, ob danach ebenfalls eine Aufteilung in Kapitalerträge und verbleibende Liquidationserlöse vorzunehmen ist.
1 Art. 10 Rz. 27 u. Art. 13 Rz. 31 OECD-MK 2010.
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5. Teil Internationale Umwandlungen und Finanzierungen Kapitel 10 Internationale Umwandlungen Literatur Becker/Loose, Besteuerung ausländischer Abspaltungen beim inländischen Anteilseigner, IStR 2010, 383; Benecke, Anwendungsbereich des UmwStG und Rückwirkung nach dem UmwSt-Erlass 2011, GmbHR 2012, 113; Benecke, Anm. zu BFH v. 28.10.2009 – I R 99/08, IStR 2010, 101; Benz/Rosenberg, Einbringungen von Unternehmensteilen in eine Kapitalgesellschaft und Anteilstausch (§§ 20–23 UmwStG), DB Beilage 1 zu Heft 2/2012, 38; Blöchle, Anwendungsbereich für die Entstrickungsregelung des § § 4 Absatz 1 Satz 3 EStG nach Aufgabe der „finalen Entnahmelehre“ beim Wegzug von Personengesellschaftern, IStR 2009, 645; Bogenschütz, Aktuelle Entwicklungen bei der Umwandlung von Kapital- in Personengesellschaften, Ubg 2009, 604; Brinkmann/Reiter, National Grid Indus, Auswirkungen auf die deutsche Entstrickungsbesteuerung, DB 2012, 16; Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 7. Aufl., Stuttgart 2012; Dötsch/Pung, SEStEG: Die Änderungen des UmwStG, DB 2006, 2704; Drüen/Hruschka/Kaeser/Sistermann, Der neue Umwandlungssteuererlass – Ausgewählte Aspekte, Beihefter zu DStR 2/2012, 3; Ernst&Young AG, Wissenschaftlicher Beirat des Fb Steuern: Die Systematik der sogenannten Entstrickungsbesteuerung, DB 2010, 1776; Gebhardt/Quilitzsch, Europarechtliche Überlegungen zu § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG, IStR 2010, 390; Hageböke, Sind alle Umwandlungen „Veräußerungen“? – Kritische Anmerkungen zur neuen Ausgangsthese der Finanzverwaltung im UmwStEE, Ubg 2011, 289; Hagemann/Jakob/Ropohl/Viebrock, SEStEG – Das neue Konzept der Verstrickung und Entstrickung sowie die Neufassung des UmwStG, NWB-Sonderheft 1/2007; Hahn, Überlegungen zum Urteil des EuGH in der Rechtssache National Grid Indus, BB 2012, 681; Häuselmann, Zwölf Punkte zur weiteren Modernisierung und Vereinfachung des Unternehmenssteuerrechts, SteuK 2012, 113; Heinemann, Verschmelzung von Kapitalgesellschaften nach dem UmwSt-Erlass 2011, GmbHR 2012, 133; Heurung/Engel/Thiedemann, Die Entstrickungsbesteuerung im Lichte des Europarechts, EWS 2011, 228; Kaminski, Ertragsteuerliche Konsequenzen bei der Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte, DStR 1996, 1794; Kessler/Huck, Grenzüberschreitender Transfer von Betriebsvermögen, StuW 2005, 193; Kessler/Philipp, Steuerrechtliche Behandlung der Anteile an der übernehmenden Körperschaft im Rahmen des downstream-merger, DB 2011, 1658; Kessler/Philipp, Rechtssache National Grid Indus BV – Ende oder Bestätigung der Entstrickungsbesteuerung?, DStR 2012, 267; Klingenberg/von Lishaut, Ausländische Umwandlungen im deutschen Steuerrecht, FR 1999, 1209; Köhler, Grenzüberschreitende Outbound-Verschmelzung und Sitzverlegung vor dem Hintergrund der jüngsten BFH-Rechtsprechung, IStR 2010, 337; Körner, Neue Erkenntnisse zu Ent- und Verstrickung – Kurze Replik zu Mitschke, IStR 2010, 95 ff., IStR 2010, 208; Körner, Ent- und Verstrickung, IStR 2009, 741; Körner, Sofortige Entstrickungsbesteuerung bei Sitzverlegung? Anmerkung zum Aussetzungsbeschluss des FG Rheinland-Pfalz vom 7.1.2011 – 1 V 1217/10, IStR 2011, 308 ff. – Zugleich Erwiderung zu Mitschke, IStR 2011, 294 ff., IStR 2011, 527; Linn, Generalanwältin Kokott hält Entstrickungsvorschriften für nicht mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar,
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Kapitel 10 Internationale Umwandlungen IStR 2011, 817; Lutter/Winter, Umwandlungsgesetz UmwG, 4. Aufl., Köln 2009; Mitschke, Zur gesetzlichen Entstrickungsregelung des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, DB 2009, 1376; Mitschke, Entstrickung und Verstrickung – BFH I R 77/06 und § 4 Absatz 1 Satz 3 EStG -Kurze Erwiderung auf Körner, IStR 2009, 741 ff., IStR 2010, 95; Mitschke, Entstrickung und Verstrickung – BFH I R 77/06 und § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG – Kurze Duplik auf Körner, IStR 2010, 211; Mitschke, Kein steuerfreier Exit stiller Reserven bei Sitzverlegung einer SE von Deutschland nach Österreich – Anmerkungen zum Aussetzungsbeschluss des FG Rheinland-Pfalz vom 7.1.2011 – 1 V 1217/10, IStR 2011, 294; Mitschke, Das EuGH-Urteil „National Grid Indus“ vom 29.11.2011 – Eine Bestandsaufnahme und eine Bewertung aus Sicht der Finanzverwaltung, DStR 2012, 629; Mitschke, National Grid Indus – Ein Phyrrussieg für die Gegner der Sofortversteuerung? Zugleich eine Erwiderung auf Körner, in diesem Heft S. 1, IStR 2012, 6; Neu/Schiffers/Watermayer, Praxisrelevante Schwerpunkte aus dem UmwStE-Entwurf, GmbHR 2011, 729; Neumann, Spaltung von Kapitalgesellschaften nach dem UmwSt-Erlass 2011, GmbHR 2012, 141; Oppen/ Polatzky, Ausgewählte Zweifels- und Praxisfragen zur Verschmelzung nach dem UmwSt-Erlass 2011, GmbHR 2012, 263; Rasche, Einbringung von Unternehmensteilen in Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften nach dem UmwSt-Erlass 2011, GmbHR 2012, 149; Rautenstrauch/Seitz, National Grid Indus: Europarechtliche Implikationen für den Wegzug und die internationale Umwandlung von Gesellschaften, Ubg 2012, 14; Rödder/Schumacher, Das kommende SEStEG – Teil I: Die geplanten Änderungen des EStG, KStG und AStG – Der Regierungsentwurf eines Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften, DStR 2006, 1481; Rogall, Wesentliche Aspekte des neuen Umwandlungssteuererlasses, NZG 2011, 810; Schaflitzl/Götz, Verschmelzung zwischen Kapitalgesellschaften, Spaltung von Kapitalgesellschaften und damit verbundene gewerbesteuerliche Regelungen, DB Beilage 1 zu Heft 2/2012, 25; Schießl, Der neue Umwandlungssteuer-Erlass, Bonn 2012; Schießl, Erstmalige Feststellung eines steuerlichen Einlagekontos von ausländischen Körperschaften im Fall der Hereinverschmelzung, DStZ 2008, 852; Schindler, Generalthema II: Die Änderungen der Fusionsbesteuerungsrichtlinie, IStR 2005, 551; Schmitt, Auf- und Abspaltung von Kapitalgesellschaften – Anmerkungen zum Entwurf des Umwandlungssteuererlasses, DStR 2011, 1108; Schmitt/Schloßmacher, Downstream-Merger mit ausländischen Anteilseignern, DStR 2010, 673; Schmitt/Schloßmacher, Umwandlungssteuererlass UmwStE 2011, München 2012; Schneider/Ruoff/Sistermann, Umwandlungssteuer-Erlass 2011, Köln 2012; Schönfeld, Entstrickung über die Grenze aus Sicht des § 4 Absatz 1 Satz 3 EStG anhand von Fallbeispielen, IStR 2010, 133; Schönfeld, Ausgewählte internationale Aspekte des neuen Umwandlungssteuererlasses, IStR 2011, 497; Schumacher/Neumann, Ausgewählte Zweifelsfragen zur Auf- und Abspaltung von Kapitalgesellschaften und Einbringung von Unternehmensteilen in Kapitalgesellschaften, DStR 2008, 325; Stadler/Elser/ Bindl, Vermögensübergang bei Verschmelzung auf eine Personengesellschaft oder eine natürliche Person und Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft, DB Beilage 1 zu Heft 2/2012, 14; Stimpel, Umwandlung von Kapital- in Personengesellschaften nach dem UmwStErlass 2011, GmbHR 2012, 123; Wassermeyer, Verliert Deutschland im Fall der Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte das Besteuerungsrecht?, DB 2006, 1176; Wassermeyer, Das Besteuerungsrecht für nachträgliche Einkünfte im internationalen Steuerrecht, IStR 2010, 461; Wassermeyer, Nachträgliche „ausländische“ Einkünfte, IStR 2011, 361; Wassermeyer, Entstrickungsbesteuerung und EU-Recht, IStR 2011, 813.
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A. Grundlagen
A. Grundlagen I. Umwandlungsrecht Das Umwandlungsrecht1 dient dazu, gewachsene rechtliche Organisationsstrukturen an sich verändernde wirtschaftliche Verhältnisse anzupassen.2 Zu nennen sind hierbei die rechtliche Zusammenführung von bestehenden Gesellschaften, die Trennung von unternehmerischen Einheiten in verschiedene Gesellschaften oder die Änderung einer bestehenden Rechtsform. Gleiches gilt für die Veränderung von Konzernstrukturen wie das „Umhängen“ von Beteiligungen, die Errichtung von Holdingstrukturen oder die Verringerung der Konzerntiefe bis hin zur Schaffung von Betriebsstättenkonzernen.
10.1
Zum Umwandlungsrecht i.e.S. gehören die Maßnahmen, die im Umwandlungsgesetz geregelt sind. Dies beinhaltet Verschmelzungen, Spaltungen, Formwechsel und Vermögensübertragungen. Diese Maßnahmen erfolgen im Wege der (zumindest teilweisen) Gesamtrechtsnachfolge. Im weiteren Sinne gehören zum Umwandlungsrecht auch Maßnahmen außerhalb des UmwG, die zu einer Änderung der rechtlichen Organisationsstruktur führen, und die i.d.R. im Wege der Einzelrechtsnachfolge vorzunehmen sind, wie die gesellschaftsrechtlichen Instrumente der Sachkapitalerhöhung (§ 56 GmbHG, § 183 AktG), die Sacheinlage (Einbringung in die Rücklage), die Sachdividende, die Kapitalherabsetzung und die Realteilung von Personengesellschaften. Außerhalb des UmwG gibt es zudem die An- und Abwachsung (§ 105 Abs. 2 HGB i.V.m. § 738 BGB).
10.2
Der Reorganisationsbedarf ist nicht auf das Inland beschränkt, sondern betrifft auch grenzüberschreitende und ausländische Strukturen. Das UmwG ist historisch zunächst als Binnenregelung geschaffen worden3 und regelte gem. seinem § 1 Abs. 1 UmwG zunächst nur Verschmelzungen, Spaltungen, Vermögensübertragungen und Formwechsel von Rechtsträgern mit Sitz4 im Inland. 2007 wurde das UmwG in Umsetzung der
10.3
1 Im vorliegenden Kapitel werden internationale Aspekte von Umwandlungen unter Beteiligung von Kapitalgesellschaften behandelt; im Übrigen wird auf die einschlägige Kommentarliteratur zum Umwandlungsrecht und Umwandlungssteuerrecht verwiesen. 2 BegrRegE, abgedruckt bei Schaumburg/Rödder, Einf. UmwG Rz. 23 ff.; Lutter, Einl. I UmwG Rz. 2 ff. 3 Mit dem UmwBerG v. 28.10.1994, BGBl. I 1994, 3210, wurde das bis dahin in verschiedene Gesetze zersplitterte Umwandlungsrecht im UmwG zusammengefasst und vereinfacht; es wurde über die Jahre weiter fortentwickelt, siehe dazu die Darstellung bei Lutter, Einl. I UmwG Rz. 8 ff.; Möhlenbrock in D/P/P/M7, Einf. UmwStG Rz. 2; Stengel in Haritz/Menner3, Einf. A UmwStG Rz. 10. 4 Sitz i.S.d. § 1 Abs. 1 UmwG ist nach h.M. der Satzungssitz, siehe Drinhausen in Semler/Stengel3, Einl. C. UmwG Rz. 20; Kindler in MünchKommBGB, IntGesR Rz. 912 f.; Kallmeyer, § 1 UmwG Rz. 11 m.w.N.; dem hat sich die Finanz-
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Kapitel 10 Internationale Umwandlungen
Verschmelzungsrichtlinie1 um die §§ 122a ff. UmwG auf grenzüberschreitende Verschmelzungen von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedsstaaten der EU oder des EWR erweitert.2 Eine bedarfsgerechte Europäisierung oder gar Internationalisierung des Umwandlungsrechts ist damit wegen des engen Anwendungsbereichs der §§ 122a ff. UmwG3 jedoch nicht geschaffen worden.4
10.4 Eine praxisgerechte Erweiterung der grenzüberschreitenden Umwandlungsmöglichkeiten ergibt sich auch nicht aus dem Europarecht, also den europäischen Grundfreiheiten oder dem europäischen Sekundärrecht. Zwar hat der EuGH in der Rs. SEVIC Systems AG5 gefordert, die grenzüberschreitende Hereinverschmelzung (Zuzug) auf der Grundlage der Grundfreiheit der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV, vormals Art. 43 EGV) zuzulassen;6 jedoch sind die Entscheidungsgründe zu allgemein gehalten, um in der Praxis als rechtssichere Grundlage für die verfahrensmäßige Durchführung von grenzüberschreitenden Umwandlungen zu dienen.7 Jedoch ist mit der Entscheidung in der Rs. Cartesio, die einen Fall der Verlegung des Verwaltungssitzes (Wegzug) betraf, eine Verunsicherung eingetreten: Der EuGH hat in dieser Sache entschieden, dass in-
1 2 3
4
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6
7
verwaltung angeschlossen, siehe BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.03 (UmwStE 2011); Benecke, GmbHR 2012, 113 (115). RL 2005/56/EG, v. 26.10.2005, ABl. EG Nr. L 310 v. 25.11.2005. Zweites Gesetz zur Änderung des UmwG vom 19.4.2007, BGBl. I 2007, 542; siehe dazu ausführlich Drinhausen in Semler/Stengel, Einleitung C UmwG3, Rz. 18 ff. und §§ 122a ff. §§ 122a ff. UmwG regeln nur die Verschmelzung von EU/EWR-Kapitalgesellschaften; andere Verschmelzungsarten und andere Rechtsformen sind hiervon nicht erfasst; zudem muss an der grenzüberschreitenden Verschmelzung mindestens eine Gesellschaft dem deutschen Recht unterliegen, siehe nur Bayer in Lutter, § 122a UmwG Rz. 21 ff.; zu weiteren Änderungen des UmwG siehe Semler/ Stengel in Semler/Stengel, Einleitung A UmwG3, Rz. 42 f. Das Gesetzgebungsverfahren zu dem BMJ-Entwurf für ein Gesetz zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen v. 7.1.2008 ist in der 16. Legislaturperiode nicht abgeschlossen worden; es fehlen daher wegweisende gesetzliche Regelungen zu Fragen der auf ausländische Gesellschaften anzuwendenden Rechtsordnung (Sitz- oder Gründungstheorie), siehe Möhlenbrock in D/P/P/M7, Einf. UmwStG Rz. 5. Vom 13.12.2005 – Rs. C-411/03 – SEVIC Systems AG, EuGHE 2005, I-10805 = GmbHR 2006, 140; danach können nur zwingende Gründe wie z.B. der Schutz der Minderheitsgesellschafter, der Arbeitnehmer, der Gläubiger Einschränkungen rechtfertigen. Dementsprechend ist mit der h.M. in der Literatur davon auszugehen, dass jedenfalls in Zuzugsfällen auch andere Umwandlungsarten (Spaltung, Sitzverlegung/Formwechsel) sowie für andere Rechtsformen (Personengesellschaften) aufgrund der Niederlassungsfreiheit zuzulassen sind, siehe Nachweise bei Bayer in Lutter, § 122a UmwG Rz. 11 f. Siehe nur Bayer in Lutter, § 122a UmwG Rz. 13 m.w.N.
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A. Grundlagen
ländisches Recht, das im Falle eines Wegzugs die Eigenschaft als Gesellschaft entfallen lässt, nicht gegen die Grundfreiheiten verstößt.1 Mit der steuerlichen Fusionslichtlinie (FRL)2 wurde bereits 1990 europäisches Sekundärrecht mit Bezug auf Umwandlungen geschaffen. Die FRL beschränkt sich jedoch auf die Schaffung von steuerlichen Regelungen, ohne dass bereits gesellschaftsrechtliche Grundlagen bestanden. Mit der SE-Verordnung,3 der SCE-Verordnung,4 der EWIV-VO5 und den jeweiligen innerstaatlichen Ausführungsgesetzen wurden supranationale, umwandlungsfähige Rechtsformen geschaffen.6 Eine weitergehende Grundlage für grenzüberschreitende Umwandlungen entstand mit der 10. Richtlinie über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedsstaaten (Verschmelzungsrichtlinie), die die Grundlage für die Einführung der §§ 122a ff. UmwG war (siehe Rz. 10.3).
10.5
II. Umwandlungen im Steuerrecht 1. Grundsatz der Gewinnrealisierung Steuerrechtlich steht bei konzerninternen Reorganisationsmaßnahmen die Frage der Gewinnrealisierung7 im Vordergrund. Dies ist dadurch begründet, dass bei Reorganisationsmaßnahmen i.d.R. Realisierungstatbestände (entgeltlicher Rechtsträgerwechsel) erfüllt werden, durch die die stillen Reserven des übergehenden Vermögens bei dem übertragenden Rechtsträger steuerlich erfasst werden. Da die steuerlichen Gewinnermittlungsvorschriften an das jeweilige Steuersubjekt8 (Gesellschaft, natürliche Person) anknüpfen und es insoweit – vorbehaltlich der Erleichterungen des UmwStG und anderer Sondervorschriften9 – für die mit der 1 EuGH v. 16.12.2008 – Rs. C-210/06 – Cartesio, EuGHE 2008, I-9641 = NJW 2009, 569 = DStR 2009, 121. 2 RL 90/434/EWG v. 23.7.1990, ABl. EG Nr. L 225, jetzt RL 2009/133/EG v. 19.10.2009, ABl. EG L 310, 34 über ein gemeinsames Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, Einbringungen von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedsstaaten betreffen, sowie für die Verlegung des Sitzes einer Europäischen Gesellschaft oder einer Europäischen Genossenschaft von einem Mitgliedsstaat in einen anderen Mitgliedsstaat. 3 Nr. 2157/2001, ABl. EG Nr. L 294, 1 v. 8.10.2001. 4 Nr. 1435/2003, ABl. EG Nr. L 207, 1 v. 22.7.2003. 5 Nr. 2137/85, ABl. EG Nr. L 199, 1 v. 25.7.1985. 6 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.05 (UmwStE 2011). 7 Siehe dazu Weber-Grellet in Schmidt31, § 5 EStG Rz. 601 m.w.N.; Rödder in R/H/vL, Einführung UmwStG Rz. 2; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 17.8. ff. 8 Zur Subjektbindung der Besteuerung stiller Reserven ausdrücklich die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 12/6885, 22. 9 Ausnahmen vom Realisationsprinzip sehen daneben § 6b EStG (Rücklage für Ersatzbeschaffung), § 6 Abs. 5 EStG, § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG (Übertragungen bei
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10.6
Kapitel 10 Internationale Umwandlungen
Reorganisationsmaßnahme verbundenen Vermögensübertragungen keine Steuererleichterungen für gruppen- oder konzerninterne Übertragungen gibt, finden die allgemeinen ertragsteuerrechtlichen Gewinnrealisierungsvorschriften grundsätzlich auch auf gruppeninterne Übertragungen Anwendung.
10.7 Reorganisationsmaßnahmen führen jedoch nur dann zu einer Gewinnrealisierung, wenn ein konkreter gesetzlicher Realisierungstatbestand erfüllt ist. Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass alle Umwandlungen und Einbringungen auf der Ebene des übertragenden Rechtsträgers Veräußerungsvorgänge und auf der Ebene des übernehmenden Rechtsträgers Anschaffungsvorgänge darstellen.1 So soll die Umwandlung zwischen Körperschaften auf der Ebene der Anteilseigner ebenfalls als Veräußerungsund Anschaffungsvorgang der Anteile zu beurteilen sein, z.B. auch bei der Aufwärtsverschmelzung.2 Dem ist in dieser Allgemeinheit jedoch nicht zu folgen.3 Vielmehr ist für jeden Einzelfall zu prüfen, ob ein gesetzlicher Realisierungstatbestand erfüllt ist. a) Realisationsprinzip
10.8 Realisierungstatbestände ergeben sich zunächst aus dem allgemeinen Realisationsprinzip des Handelsrechts, das gem. § 5 Abs. 1 EStG auch für das Ertragsteuerrecht gilt. Nach dem imparitätischen Realisationsprinzip des Handelsrechts wird ein Gewinn grundsätzlich erst dann ausgewiesen, wenn er durch Umsatz oder sonstigen Leistungsaustausch verwirklicht ist.4 Dies setzt grundsätzlich eine Übertragung von Vermögen von einem Rechtsträger auf einen anderen (Rechtsträgerwechsel) gegen Entgelt, also eine Außentransaktion voraus. Unerheblich ist, ob die Vermögensübertragung zwischen fremden Dritten oder zwischen verbundenen Unternehmen stattfindet.5 Es kommt darauf an, dass der Gewinn nach Maßgabe wirtschaftlicher Betrachtung verwirklicht ist, z.B. aufgrund von Lieferungen und Leistungen gegen Entgelt (Bar- oder Buchgeld). Erfasst werden auch Tausch und tauschähnliche Vorgänge, wie die Einbringung von Wirtschaftsgütern in eine Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von
1 2 3 4 5
Mitunternehmerschaften) und § 6 Abs. 3 EStG (unentgeltliche Übertragungen) vor, siehe dazu Schaumburg, Internationales Steuerecht3, Rz. 17.15 ff. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 00.02 (UmwStE 2011). BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 00.03 (UmwStE 2011). So auch Schießl, Der neue UmwStE, 108; Schmidt/Schloßmacher, UmwStE 2011, 5; Brinkmann in Schneider/Ruoff/Sistermann, UmwStE 2011, Rz. 0.24; kritisch auch Hageböke, Ubg 2011, 289. BFH v. 23.3.2011 – X R 42/08, DStR 2011, 1603; v. 31.8.2011 – X R 19/10, DStR 2012, 17; Weber-Grellet in Schmidt31, § 5 EStG Rz. 601 m.w.N. Weber-Grellet in Schmidt31, § 5 EStG Rz. 675.
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A. Grundlagen
Gesellschaftsrechten.1 Auch die Einbringung von Wirtschaftsgütern eines Gesellschafters aus seinem Betriebsvermögen in das Betriebsvermögen einer Mitunternehmerschaft, an der er beteiligt ist (Sacheinlage), stellt zivilrechtlich einen Rechtsträgerwechsel dar; nach den allgemeinen ertragsteuerlichen Regelungen wird dies jedoch nicht als Veräußerungsvorgang angesehen, selbst wenn ein Teil des Einbringungswerts in eine Kapitalrücklage eingestellt wurde.2 Seit 1999 sind Übertragungen zwischen verschiedenen Betriebsvermögen bei Mitunternehmerschaften speziell in § 6 Abs. 5 EStG geregelt. Erfasst werden sowohl Vermögensübertragungen, die im Wege der Einzelrechtsnachfolge, als auch solche, die im Wege der Gesamtrechtsnachfolge vorgenommen werden.3 Die allgemeinen Realisierungstatbestände des Handelsrechts, die gem. § 5 Abs. 1 EStG auch für das Ertragsteuerrecht gelten, werden durch spezielle steuerrechtliche Regelungen ergänzt oder überlagert. – Für den Tausch sieht § 6 Abs. 6 Satz 1 EStG vor, dass das erworbene Wirtschaftsgut mit dem gemeinen Wert des hingegebenen Wirtschaftsguts anzusetzen ist; anders als nach dem Handelsrecht besteht also kein Wahlrecht zur Buchwertfortführung. Als Tausch ist auch die (offene) Einlage von Wirtschaftsgütern in eine Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten anzusehen.4 Verdeckte Einlagen in Kapitalgesellschaften führen gem. § 6 Abs. 6 Satz 2 EStG zur Gewinnrealisierung. Eine steuerliche Gewinnrealisierung findet grundsätzlich auch bei der Schenkung von Betriebsvermögen statt, soweit nicht gem. § 6 Abs. 3 EStG eine Übertragung zu Buchwerten möglich ist. – Bei Übertragungen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge überlagern sich die allgemeinen Gewinnrealisierungstatbestände mit den im UmwStG speziell geregelten Realisierungstatbeständen, wenn und soweit das übertragende Unternehmen für das übertragene Vermögen ein Entgelt (Bar- oder Buchgeld bzw. Anteile) erhält. Dies ist jedoch bei einigen Umwandlungsmaßnahmen wie z.B. beim Formwechsel zwischen Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften nicht der Fall: Hierbei wird kein Vermögen auf einen anderen Rechtsträger übertragen, sondern es kommt nur zu einer Änderung des Besteuerungsregimes (§§ 15 ff. EStG). Der Realisierungstatbestand des § 9 i.V.m. § 3 Abs. 1 UmwStG für den Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine
1 Weber-Grellet in Schmidt31, § 5 EStG Rz. 631 ff.; allerdings lässt das Handelsrecht das Wahlrecht zu, das eingetauschte Wirtschaftsgut mit dem Buchwert des hingegebenen Wirtschaftsguts anzusetzen, Kulosa in Schmidt31, § 6 EStG Rz. 731. 2 Für die Zeit vor 1999 hat der BFH (v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464, entgegen BMF v. 26.11.2004 – IV B 2 - S 2178 - 2/04, BStBl. I 2004, 1190) ein Wahlrecht zugestanden. 3 Siehe nur Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 17.9. 4 Kulosa in Schmidt31, § 6 EStG Rz. 735.
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10.9
Kapitel 10 Internationale Umwandlungen
Personengesellschaft wird daher zu Recht als Fiktion angesehen.1 Gleiches gilt bei der Verschmelzung: Hier liegt auf der Ebene der Anteilseigner kein Anschaffungsgeschäft vor, da der Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft die Anteile nicht „entgeltlich“ gegen die erhaltenen Anteile überträgt.2 In diesem Fall ist die Regelung des § 13 Abs. 1 UmwStG als steuerbegründende Gewinnrealisierungsfiktion anzusehen. Auf den Fall der Aufwärtsverschmelzung ist § 13 UmwStG hingegen nicht anzuwenden, sodass es insoweit auch nicht eine Realisierung fingiert wird.3
10.10 Bei ausländischen Sachverhalten ist wie folgt zu unterscheiden: – Die allgemeinen ertragsteuerlichen Gewinnrealisierungsgrundsätze sind auch auf Übertragungsvorgänge, die im Ausland stattfinden, anzuwenden, sodass nach deutschem Steuerrecht auch dann eine Gewinnrealisierung eintritt, wenn die Wirtschaftsgüter im Ausland belegen sind. Das ist z.B. der Fall bei der Einlage von Wirtschaftsgütern durch einen inländischen Steuerpflichtigen in eine ausländische Kapitalgesellschaft, unabhängig davon, ob die einzubringenden Wirtschaftsgüter im Inland oder im Ausland belegen sind. Gleiches gilt bei der Übertragung von im Inland steuerverhafteten Wirtschaftsgütern (inländische Betriebsstätte, inländisches Grundvermögen) durch einen beschränkt Steuerpflichtigen auf einen anderen Rechtsträger. – Handelt es sich um Umwandlungsmaßnahmen in der EU oder im EWR, auf die das UmwStG anzuwenden ist, sind die Realisierungstatbestände des UmwStG einschließlich der fiktiven Realisationstatbestände anzuwenden; sie verdrängen die allgemeinen Gewinnrealisierungsgrundsätze, soweit sie spezieller sind. – Umwandlungsmaßnahmen in Drittstaaten unterliegen jedoch nicht dem UmwStG. Aus deutscher Sicht kann eine Gewinnrealisierung daher nur nach den allgemeinen Regeln eintreten, nicht nach den Realisierungstatbeständen des UmwStG. Demzufolge sind in Drittstaaten erfolgende fiktive Realisationstatbestände des UmwStG (z.B. Formwechsel zwischen Kapital- und Personengesellschaften; Realisie-
1 RegBegr. BT-Drucks. 12/6885, 26; Schmitt in S/H/S, § 9 UmwStG Rz. 8; Birkemeier in R/H/vL, § 9 UmwStG, Rz. 16; Fischer in Schneider/Ruoff/Sistermann, UmwStE 2011, Rz. 9.2. 2 Schmitt in S/H/S, § 13 UmwStG Rz. 5.; Brinkmann in Schneider/Ruoff/Sistermann, UmwStE 2011, Rz. 0.17; a.A. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 00.03 Satz 2 (UmwStE 2011) zur Aufwärtsverschmelzung; IDW, Entwurf Stellungnahme zur Rechnungslegung, ERS HFA 42 (Stand: 10.6.2011), Rz. 72; Dötsch in D/P/P/M7, § 13 UmwStG Rz. 1. 3 Dötsch in D/P/P/M7, § 13 UmwStG Rz. 6; Schmitt in S/H/S, § 13 UmwStG Rz. 11; Brinkmann in Schneider/Ruoff/Sistermann, UmwStE 2011, Rz. 0.19.
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A. Grundlagen
rung auf Ebene der Anteilseigner bei Verschmelzungen) nicht anzuwenden.1 b) Entnahmen Eine Gewinnrealisierung tritt auch dann ein, wenn Wirtschaftsgüter aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen überführt werden, also eine Entnahme vorliegt (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG). Bei Entnahmen handelt es sich nicht um Realisierungen durch Außentransaktionen (entgeltliche Übertragung auf einen anderen Rechtsträger), sondern um die Korrektur des Betriebsvermögensvergleichs bei betriebsfremder Verwendung von betrieblich erwirtschafteten Werten.2 Eine Entnahme liegt auch dann vor, wenn der Gesellschafter einer Personengesellschaft Wirtschaftsgüter aus dem Betriebsvermögen (Gesamthandsvermögen, Sonderbetriebsvermögen) der Mitunternehmerschaft in sein Privatvermögen überführt. Eine Entnahme liegt – seit der Aufgabe der finalen Entnahme-Theorie durch den BFH – hingegen nicht vor, wenn Wirtschaftsgüter aus dem Betriebsvermögen einer Mitunternehmerschaft in das Betriebsvermögen eines Gesellschafters überführt werden.3 Da Kapitalgesellschaften keine Privatsphäre haben, wird bei ihnen gem. § 8 Abs. 3 KStG anstelle einer Entnahme i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) besteuert;4 auch bei der vGA werden stille Reserven erfasst, allerdings ist die Höhe der vGA nach dem Entgelt zu bestimmen, das nach Maßgabe des durchgeführten Fremdvergleichs als angemessen anzusehen ist.5
10.11
c) Entstrickung Bei grenzüberschreitenden Reorganisationsmaßnahmen können stille Reserven aus dem deutschen Besteuerungszugriff ausscheiden, ohne dass handelsrechtlich eine zur Gewinnrealisierung führende entgeltliche Außentransaktion vorliegt. Das ist bspw. der Fall bei der Überführung von 1 Für Drittstaaten-Verschmelzungen ist jedoch § 13 UmwStG aufgrund der Verweisung in § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG entsprechend anzuwenden. 2 Heinicke in Schmidt31, § 4 EStG Rz. 300 m.w.N. 3 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464; für Zeiträume vor 1999 bestand auf der Grundlage der Rspr. des BFH (v. 15.7.1976 – I R 17/74, BStBl. II 1976, 748) ein Wahlrecht, den Buchwert fortzuführen oder eine Neubewertung bis zur Höhe des Teilwerts vorzunehmen; seit 1999 sind Übertragungen einzelner Wirtschaftsgüter von einem Betriebsvermögen auf ein anderes in § 6 Abs. 5 EStG speziell geregelt; die Finanzverwaltung hält hingegen daran fest, dass auch im Anwendungsbereich des § 6 Abs. 5 EStG die Überführung von Wirtschaftsgütern aus einem Betriebsvermögen in ein anders Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen eine Entnahme darstelle, BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S 2241/10/10002 (2011/0973858), BStBl. I 2011, 1279 Rz. 1. 4 Roser in Gosch2, § 8 KStG Rz. 82; siehe dort auch Rz. 79 zu der Frage, inwieweit die Entnahmeregelungen auch bei Kapitalgesellschaften Anwendung finden können. 5 Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 380.
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10.12
Kapitel 10 Internationale Umwandlungen
Wirtschaftsgütern aus dem inländischen Stammhaus in eine ausländische Betriebsstätte, auf die die Freistellungsmethode nach einem DBA (sog. Freistellungs-Betriebsstätte) Anwendung findet (Entstrickung). Eine Entstrickung tritt auch dann ein, wenn eine im Inland unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung ins Ausland verlegt und die Wirtschaftsgüter nicht einer inländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind.
10.13 Die Rspr. hatte einen Bedarf gesehen, für solche Entstrickungsfälle die Theorie der finalen Entnahme zu entwickeln.1 Grundgedanke war, dass es sich sowohl bei der Entnahme als auch bei der Entstrickung um Maßnahmen handelt, denen keine Außentransaktionen zugrunde liegen, und bei denen stille Reserven der Besteuerung entzogen werden. Die Theorie der finalen Entnahme hat daher einerseits den Entnahmebegriff über die gesetzliche Definition des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG hinaus teleologisch erweitert (und dabei die Grenze der Analogie überschritten), andererseits das Merkmal der „Gefährdung der stillen Reserven“ hineininterpretiert und von einer Gewinnrealisierung abgesehen, wenn die inländische Besteuerung gesichert war.2 Die Finanzverwaltung hatte sich der finalen Entnahmetheorie angeschlossen und auf dieser Grundlage das Wahlrecht gewährt, die stillen Reserven entweder bei Überführung der Wirtschaftsgüter in die ausländische Betriebsstätte oder bei späterem Ausscheiden der Wirtschaftsgüter aus der Betriebsstätte (auch bei entgegenstehendem DBA) zu versteuern.3
10.14 Der Gesetzgeber hat mit dem SEStEG4 die Entstrickung wie folgt geregelt: – Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG i.V.m § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 EStG hat er den Entnahmebegriff erweitert: „Einer Entnahme für betriebsfremde Zwecke steht der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung5 eines Wirtschaftsguts gleich.“ Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 EStG ist in diesem Fall die Entnahme mit dem gemeinen Wert anzusetzen. – Da es bei Kapitalgesellschaften mangels Privatsphäre keine Entnahme geben kann, regelt § 12 Abs. 1 KStG eine fiktive Veräußerung: „Wird bei der Körperschaft … das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der 1 BFH v. 30.5.1972 – VIII R 111/69, BStBl. II 1972, 760; v. 19.2.1988 – IV R 38/97, BStBl. II 1998, 509. 2 Siehe nur Heinicke in Schmidt31, § 4 EStG Rz. 326 m.w.N. 3 BMF v. 12.2.1990 – S 2135/S 1300, BStBl. I 1990, 72 (aufgehoben durch BMF v. 29.3.2007 – IV C 6 - O 1000/07/0018, BStBl. I 2007, 369) = DStR 1990, 121; siehe dazu Kaminski, DStR 1996, 1794. 4 Gesetz v. 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782 bzw. v. 24.1.2007, BGBl. I 2007, 68. 5 Anders als die Verstrickung gem. § 4 Abs. 1 Satz 8 EStG erfasst die Entstrickung gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG auch die Nutzungsüberlassung, siehe Rz. 10.22.
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A. Grundlagen
Nutzung eines Wirtschaftsguts ausgeschlossen oder beschränkt, gilt dies als Veräußerung oder Überlassung des Wirtschaftsguts zum gemeinen Wert.“ – Eine entsprechende Regelung findet sich in § 12 Abs. 3 KStG für den Fall der Verlegung von Geschäftsleitung oder Sitz ins Ausland. – Die Sofortbesteuerung kann jedoch bei Überführung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens in eine ausländische EU-Betriebsstätte gem. § 4g EStG durch Bildung eines Ausgleichspostens aufgeschoben werden. Der Ausgleichsposten ist unabhängig von der tatsächlichen Nutzungsdauer des überführten Wirtschaftsguts innerhalb von fünf Jahren linear aufzulösen. Die Auflösung erfolgt jedoch in vollem Umfang, wenn das Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen ausscheidet, es aus der EU-Besteuerungshoheit ausscheidet oder wenn die stillen Reserven im Ausland aufgedeckt werden (oder nach deutschen Besteuerungsgrundsätzen hätten aufgedeckt werden müssen). Der Gesetzgeber hat den Entstrickungsregelungen die zu jener Zeit geltende Rspr. des BFH zur finalen Entnahmetheorie zugrunde gelegt und lediglich darauf Bezug genommen, ob das deutsche Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt werde; er hat dabei darauf verzichtet, ausdrücklich die Gewinnrealisierung anzuordnen und zu regeln, dass die Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte als Realisierungstatbestand anzusehen sei, von dem – lediglich als Ausnahme – abzusehen sei, wenn die Besteuerung der stillen Reserven im Inland sichergestellt sei.
10.15
Mit Urteil vom 17.7.2008 hat der BFH1 die finale Entnahmetheorie aufgegeben und die Entstrickung nicht mehr als gewinnrealisierende Entnahme angesehen. Im Kern geht es dabei darum, dass die Entnahme ein systematisch notwendiges Korrektiv für den Betriebsvermögensvergleich darstellt, wenn stille Reserven aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen wechseln, während bei der Entstrickung weiterhin Betriebsvermögen besteht, das nicht auf einen anderen Rechtsträger übertragen wird, sondern bei dem nur ein Wechsel in der Steuerhoheit eintritt. Der BFH geht noch einen Schritt weiter und schließt sich dem gewandelten Verständnis der zur Auslegung der DBA-Betriebsstätten-Freistellung an, dass in diesen Fällen das deutsche Besteuerungsrecht an den bis zur Überführung der Wirtschaftsgüter ins Ausland entstandenen stillen Reserven
10.16
1 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464; siehe ferner BFH v. 28.10.2009 – I R 99/08, DStR 2010, 40; Nichtanwendungserlass BMF v. 20.5.2009 – IV C 6 S 2134/07/10005, BStBl. I 2009, 671; die neue Rspr. befürwortend Köhler, IStR 2010, 337; Körner, IStR 2010, 208; Körner, IStR 2011, 527; Schönfeld, IStR 2010, 133; Wassermeyer, IStR 2010, 461; Wassermeyer, IStR 2011, 361; ablehnend Blöchle, IStR 2009, 645; Benecke, IStR 2010, 101; Mitschke, DB 2009, 1376; Mitschke, IStR 2010, 95; Mitschke, IStR 2010, 211; Mitschke, IStR 2011, 294.
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Kapitel 10 Internationale Umwandlungen
nicht beschränkt werde.1 Im Kern bedeutet das, dass im Rahmen der Gewinnabgrenzung zwischen Betriebsstätte und Stammhaus nicht die gesamten im Zeitpunkt der Überführung bestehenden stillen Reserven aus den der Betriebsstätte zuzuordnenden Wirtschaftsgütern dem Betriebsstätten-Staat zustehen, sondern dass vor der Überführung entstandene stille Reserven beim Stammhaus besteuert werden dürfen, auch wenn die Realisierung erst zu einem Zeitpunkt stattfindet, in dem das Wirtschaftsgut bereits auf die Betriebsstätte überführt wurde. Nach diesem – gewandelten – Verständnis des Abkommensrechts ist der Tatbestand des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG nicht erfüllt, wenn ein Wirtschaftsgut in eine ausländische Betriebsstätte überführt wird, da das deutsche Besteuerungsrecht hierdurch weder ausgeschlossen noch beschränkt wird.
10.17 Mit der Aufgabe der finalen Entnahmetheorie durch den BFH, verbunden mit der Feststellung, dass das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der bis zur Überführung entstandenen stillen Reserven auch bei einer Freistellungs-Betriebsstätte nicht ausgeschlossen sei, fehlte es also an einem gesetzlichen Realisierungstatbestand für die Entstrickung. Der Gesetzgeber hat mit dem JStG 20102 den bisherigen Zustand wiederherstellen wollen und in § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG ein „Regelbeispiel“ eingeführt, nach dem die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu einer ausländischen Betriebsstätte als Ausschluss oder Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts anzusehen sei. Mit der umständlichen Konstruktion der Schaffung eines „Regelbeispiels“ sollte erreicht werden, dass die Entstrickungsregeln der §§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, 12 Abs. 1 und 3 KStG die Überführung von Wirtschaftsgütern in ausländische Betriebsstätten rückwirkend seit der Einführung des SEStEG erfassen sollten.3
10.18 Ob damit aber tatsächlich ein Realisierungstatbestand (zumal mit Rückwirkung) geschaffen wurde, erscheint indes zweifelhaft.4 Geht man mit der zutreffenden Auslegung des BFH zum Entnahmebegriff des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG davon aus, dass die Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte keine Entnahme ist und auch mangels
1 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464: Es gilt abkommensrechtlich eine Aufteilung des künftigen Veräußerungsgewinns zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach Verursachungsbeiträgen; vgl. Wassermeyer in D/W, Art. 7 OECD-MA Rz. 242 ff.; Wassermeyer, DB 2006, 1176; Hidien in K/S/M, § 49 EStG, Rz. D 3110; Kolbe in H/H/R, Jahresband 2007, § 12 KStG Rz. J 06-15; Kessler/Huck, StuW 2005, 193, 203; Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1481, 1483. 2 JStG 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768. 3 Str. ist, ob der Einführung von § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG Rückwirkung zukommt (so BMF v. 20.5.2009 – IV C 6 - S 2134/07/10005, BStBl. I 2009, 671; Benecke, IStR 2010, 101; Mitschke, DB 2009, 1376; a.A. Brähler/Bensmann, DStZ 2011, 702; Ernst & Young – Beirat, DB 2010, 1776; Heurung/Engel/Thiedemann, EWS 2011, 228; Körner, IStR 2010, 208; siehe im Übrigen die Übersicht bei Heinicke in Schmidt31, § 4 EStG Rz. 329 m.w.N. 4 Dafür Mitschke, DStR 2012, 629; Mitschke, IStR 2012, 6; dagegen Kessler/Philipp, DStR 2012, 267.
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A. Grundlagen
einer entgeltlichen Außentransaktion die allgemeinen Gewinnrealisierungsgrundsätze keine Anwendung finden, kann eine Erfassung der stillen Reserven im Zeitpunkt der Überführung nur dann eintreten, wenn eine gesetzliche Grundlage hierfür besteht. Da eine solche Grundlage mangels Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzung der „Beschränkung“ bzw. des „Ausschlusses“ des deutschen „Besteuerungsrechts“ nicht in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG bzw. § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG gesehen werden kann, kann eine solche Besteuerung nur eintreten, wenn die gesetzliche Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG diese Gewinnrealisierung anordnet. Für die Zeit vor der Einfügung des Regelbeispiels in § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG durch das JStG 2010 ist eine solche Sichtweise ausgeschlossen, da anderenfalls eine echte Rückwirkung eintreten würde. Aber auch für die Zeit ab dem JStG 2010 bleiben ernste Zweifel: Der Gesetzgeber verwendet die Technik des Regelbeispiels, anstatt klar anzuordnen, dass die im Zeitpunkt der Überführung entstandenen stillen Reserven zu versteuern sind; er verweist damit auf den Tatbestand des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, also auf die „Beschränkung bzw. den Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts“. Ist das deutsche Besteuerungsrecht – nach heutiger gewandelter Erkenntnis – tatsächlich aber nicht beschränkt oder ausgeschlossen, kann ein „Regelbeispiel“ die Tatbestandsmäßigkeit nicht begründen; der Gesetzgeber hätte statt der Regelungstechnik des „Regelbeispiels“ vielmehr zu der Regelungstechnik der „Fiktion“ greifen müssen. Hieraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber aufgrund dieser Regelungstechnik, mit der er wohl nur eine Rückwirkung auf Zeiträume vor dem JStG 2010 erreichen wollte, letztlich das Gegenteil erreicht hat, nämlich dass selbst seit dem JStG 2010 keine gesetzliche Grundlage für eine Gewinnrealisierung in Entstrickungsfällen geschaffen wurde.1 Der Entstrickungsgedanke ist auch im UmwStG verankert und wirkt dort als Gegenausnahme zu der Steuerneutralität der Umwandlung. Jedoch ist im JStG 2010 – anders als bei § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG und bei § 12 Abs. 1 KStG – das Regelbeispiel nicht auf die Vorschriften des UmwStG erstreckt worden. Damit ist jedenfalls bei Gewinnrealisierungstatbeständen, die sich aus den spezielleren Regelungen des UmwStG ergeben, jeweils im Einzelfall auf der Grundlage der neueren Rspr. des BFH zu klären, ob tatsächlich der Entstrickungsvorbehalt eingreift.2
1 Es ist zu erwarten, dass die Entstrickung gesetzlich neu geregelt wird; in der Diskussion sind die Schaffung eines Wahlrechts des Steuerpflichtigen zwischen einer Sofortbesteuerung und einer unbeschränkten Stundung (mit Nachweispflichten, Stundungszinsen und Bestellung von Sicherheiten), siehe Mitschke, DStR 2012, 6; Häuselmann, SteuK 2012, 113. 2 Inwieweit sich auch bei Umwandlungen, die dem UmwStG unterliegen, Entstrickungen nach den allgemeinen Regeln des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG bzw. § 12 Abs. 1 KStG ergeben, siehe Rz. 10.61 und 10.139.
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10.19
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2. Ausnahmen von der Gewinnrealisierung
10.20 Trotz Erfüllung eines Gewinnrealisierungstatbestands sieht das Gesetz – neben den Regelungen des UmwStG – in bestimmten Fällen Ausnahmen von der Gewinnrealisierung vor:1 – § 6b EStG (Übertragung stiller Reserven bei Veräußerung bestimmter Anlagegüter), – R 6.6 EStR 2008 (Rücklage für Ersatzbeschaffung), – §§ 6 Abs. 5, 16 Abs. 3 EStG (Vermögensübertragungen bei Mitunternehmerschaften, insbesondere zwischen Gesellschaftern und Personengesellschaft), – § 6 Abs. 3 EStG (unentgeltliche Übertragungen), – § 8b Abs. 2 KStG (Veräußerung von Anteilen an Körperschaften durch Körperschaften).
10.21 Hierbei handelt es sich um Vorschriften, die teils systematischer Natur sind (Übertragungen bei Mitunternehmerschaften), teils Lenkungsnormen darstellen (§ 6b EStG, Rücklage für Ersatzbeschaffung). 3. Steuerverstrickung
10.22 Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG gelten Wirtschaftsgüter, für die das deutsche Besteuerungsrecht begründet wird, als in das Betriebsvermögen eingelegt. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG ist dafür der gemeine Wert des Wirtschaftsguts im Zeitpunkt der Zuführung anzusetzen. Abweichend vom umgekehrten Fall der Entstrickung findet die Verstrickung nur im Falle der „Begründung“ des inländischen Besteuerungsrechts statt, also bei Überführung in eine inländische Betriebsstätte oder bei Begründung des Besteuerungsrechts durch Aufhebung der DBA-Beschränkungen einer ausländischen Betriebsstätte; eine reine „Verstärkung“ des inländischen Besteuerungsrechts durch Zuordnung zu einer Anrechnungsbetriebsstätte soll hierfür nicht ausreichen.2
III. Regelungskonzept des UmwStG 1. Einführung
10.23 In seinem ersten Teil regelt das UmwStG den Anwendungsbereich. Das UmwStG findet nur dann Anwendung, wenn der sachliche Anwendungsbereich gem. § 1 Abs. 1 und 3 UmwStG und der persönliche Anwendungsbereich gem. § 1 Abs. 2 und 4 UmwStG eröffnet sind. Aufgrund der Europäisierung des Umwandlungssteuerrechts durch das SEStEG ist der sachliche Anwendungsbereich auf bestimmte EU/EWR-Umwandlungen ausgeweitet worden. Drittstaatenumwandlungen sind vom UmwStG 1 Siehe Übersicht bei Heinicke in Schmidt31, § 4 EStG Rz. 63 ff. m.w.N. 2 Heinicke in Schmidt31, § 4 EStG Rz. 331.
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nicht erfasst. Ist der Anwendungsbereich nicht erfüllt, ist das UmwStG auf den betreffenden Vorgang nicht anzuwenden, es gelten vielmehr die allgemeinen ertragsteuerlichen Regeln (siehe Rz. 10.8 ff.). Der zweite Teil des UmwStG (§§ 2–10) regelt die Verschmelzung von Körperschaften auf Personengesellschaften bzw. auf natürliche Personen sowie vergleichbare ausländische Vorgänge. Gemäß § 9 UmwStG gelten die Reglungen der §§ 2–8 UmwStG für den Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft entsprechend. Gemäß § 16 UmwStG sind die Regelungen der §§ 3–8 und 15 UmwStG bei der Aufspaltung und Abspaltung des Vermögens einer Körperschaft auf eine Personengesellschaft entsprechend anzuwenden.
10.24
Im dritten Teil (§§ 11–13 UmwStG) sind die steuerlichen Folgen der Verschmelzung von Körperschaften auf Körperschaften geregelt. Dies umfasst insbesondere Verschmelzungen nach dem UmwG sowie vergleichbare ausländische Vorgänge und grenzüberschreitende Verschmelzungen innerhalb der EU bzw. des EWR. Im vierten Teil (§ 15 UmwStG) wird für Spaltungen grundsätzlich auf das System der §§ 11–13 UmwStG zurückgegriffen, allerdings werden einige weitere Voraussetzungen aufgestellt (Teilbetriebserfordernis, § 15 Abs. 1 Satz 2 UmwStG; Vorbereitung einer Veräußerung, Trennung von Gesellschafterstämmen etc. gem. § 15 Abs. 2 UmwStG).
10.25
Der sechste Teil (§§ 20–23) regelt die steuerliche Behandlung der Einbringung von Unternehmensteilen in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft sowie den Anteilstausch. Der siebte Teil befasst sich mit der Einbringung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils in eine Personengesellschaft und der achte Teil erklärt den siebten Teil im Falle des Formwechsels einer Personengesellschaft in eine Körperschaft oder Genossenschaft sowie vergleichbare ausländische Vorgänge für entsprechend anwendbar.
10.26
2. Sachlicher Anwendungsbereich des 2. bis 5. Teils § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 UmwStG unterscheidet zwischen inländischen Umwandlungen und vergleichbaren ausländischen Vorgängen. Es muss also zunächst festgestellt werden, welche inländischen Umwandlungen in den sachlichen Anwendungsbereich fallen, um entscheiden zu können, ob ein ausländischer Vorgang damit vergleichbar ist.
10.27
a) Inländische Umwandlungen § 1 Abs. 1 UmwStG enthält einen numerus clausus der inländischen Umwandlungsmaßnahmen. Gemäß dessen Nr. 1 und Nr. 2 werden nur die gesellschaftsrechtlichen Umwandlungsmaßnahmen der §§ 2, 123 Abs. 1 und 2, 190 Abs. 1 UmwG von Körperschaften bzw. Kapitalgesellschaften erfasst. Maßgeblich für die Frage, ob es sich um eine inländische Um-
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10.28
Kapitel 10 Internationale Umwandlungen
wandlung handelt, ist, ob nach dem Gesellschaftsstatut (Personalstatut) des Internationalen Gesellschaftsrechts1 auf die beteiligten Gesellschaften deutsches Sachrecht anzuwenden ist; nicht entscheidend ist die steuerliche Ansässigkeit oder die Belegenheit von Vermögen.2 In welchen Fällen deutsches Sachrecht (Gesellschaftsrecht, Umwandlungsrecht) anzuwenden ist, ist nach deutschem IPR umstritten. Hier stehen sich die Sitztheorie, die auf die Rechtsordnung verweist, in der die Gesellschaft ihren tatsächlichen Verwaltungssitz hat, und die Gründungstheorie, die auf die Rechtsordnung verweist, nach der die Gesellschaft gegründet wurde, gegenüber. Nach h.M. wird im Grundsatz die Sitztheorie vertreten.3 Dies führt im Ergebnis dazu, dass eine nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft mit effektivem Verwaltungssitz im Inland hier nicht als Kapitalgesellschaft anerkannt wird. Im Verhältnis zu den EU/ EWR-Staaten sowie zu den USA wird jedoch regelmäßig von einer Anwendung der Gründungstheorie ausgegangen. Danach werden auch im EU/EWR-Ausland (sowie in den USA) gegründete Kapitalgesellschaften in Deutschland als solche anerkannt, auch wenn sie ihren effektiven Verwaltungssitz im Inland haben.4 Seit dem MoMiG5 ist deutsches Sachrecht auch auf die nach deutschem Recht gegründeten Kapitalgesellschaften anzuwenden, die ihren effektiven Verwaltungssitz ins EU/EWR-Ausland verlegen; Gleiches gilt bei Drittstaaten, die der Gründungstheorie folgen.
10.29 An einer inländischen Umwandlung soll es dann fehlen, wenn auch nur einer der beteiligten Rechtsträger seinen statutarischen Sitz nicht im Inland hat.6 Dementsprechend sollen grenzüberschreitende Verschmelzungen gem. §§ 122a UmwG nicht als inländische Umwandlungen zu werten sein; sie werden aber als vergleichbare ausländische Umwandlungen angesehen.7 1 Das Internationale Gesellschaftsrecht ist Teil des Internationalen Privatrechts (IPR), das als Kollisionsrecht darüber entscheidet, welches Sachrecht auf einen Vorgang anzuwenden ist. 2 Benecke, GmbHR 2012, 113 f. 3 BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06, BGHZ 178, 192 = GmbHR 2009, 138; weitere Nachweise bei Michalski, GmbHG2, Systematische Darstellung 2, Internationales Gesellschaftsrecht, Rz. 4 ff. 4 Michalski, GmbHG2, Systematische Darstellung 2, Internationales Gesellschaftsrecht, Rz. 7 ff.; Benecke, GmbHR 2012, 114 f. m.w.N. 5 MoMiG v. 23.10.2008, BGBl. I 2008, 2026. 6 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.03 Satz 2 (UmwStE 2011). 7 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.21 (UmwStE 2011); der eigentliche Grund für die Einordnung der grenzüberschreitenden Verschmelzungen in die „ausländischen Vorgänge“ dürfte darin liegen, dass die §§ 122a UmwG nach der Reform des UmwStG durch das SEStEG eingeführt wurden und der „numerus clausus“ der inländischen Umwandlungsmaßnahmen nicht um §§ 122a UmwG erweitert wurde; anstatt den sachlichen Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 UmwStG insoweit rechtsfortbildend zu erweitern, wurde der Umweg gewählt, die grenzüberschreitenden Ver-
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Die Umwandlungsmaßnahmen müssen zivilrechtlich zulässig und wirksam sein, (Maßgeblichkeit des Gesellschaftsrechts).1 Dabei soll nach Auffassung der Finanzverwaltung die Frage, ob eine zivilrechtlich wirksame Umwandlung vorliegt, „regelmäßig“ von der registerrechtlichen Entscheidung auszugehen sein; dies solle jedoch dann nicht gelten, wenn die registerrechtliche Entscheidung trotz „rechtlich gravierender Mängel“ erfolge.2 Dieser Vorbehalt ist zu Recht erheblich kritisiert worden, da er ein partielles Prüfungsrecht der Finanzverwaltung für registerrechtliche Entscheidungen schaffe.3 Unsicherheiten entstehen hierdurch zum einen hinsichtlich der Frage, welcher Maßstab für die „gravitas“ der rechtlichen Mängel gelten soll. Unbeantwortet bleibt auch die Frage, welche Folgen rechtliche Mängel haben sollen, die nach Umwandlungsrecht geheilt werden (§§ 20 Abs. 2, 131 Abs. 2, 202 Abs. 3 UmwG); dies kann nur so beantwortet werden, dass nach der umwandlungsrechtlichen Rechtsordnung im Falle der Heilung eben kein „Mangel“ mehr vorliegt und das Steuerrecht dieses Ergebnis aufgrund der Maßgeblichkeit des Gesellschaftsrechts hinnehmen muss, ohne ein – aufgrund der Heilung überholtes – rechtsmängelbehaftetes Zwischenstadium heranziehen zu können.4
10.30
b) Vergleichbare ausländische Vorgänge Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 UmwStG fallen in den sachlichen Anwendungsbereich des UmwStG auch die mit einer Verschmelzung, Auf- oder Abspaltung sowie einem Formwechsel vergleichbaren ausländischen Vorgänge.
10.31
aa) Allgemeines Für die Frage, ob es sich um einen ausländischen Vorgang handelt, ist auf das Gesellschaftsstatut abzustellen: Entscheidend ist, ob auf den übertragenden und den übernehmenden Rechtsträger, bzw. beim Formwechsel auf den umwandelnden Rechtsträger, das UmwG kollisionsrechtlich kei-
1 2 3 4
schmelzungen gem. §§ 122a UmwG als mit einer Verschmelzung gem. § 2 UmwG „vergleichbar“ anzusehen. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.02 (UmwStE 2011). BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.06 (UmwStE 2011). Hörtnagel in S/H/S, § 1 UmwStG Rz. 150 m.w.N.; Widmann in W/M, § 1 UmwStG Rz. 203, 207; Schießl, Der neue UmwStE, 112 f.; Neu/Schiffers/Watermayer, GmbHR 2011, 729; a.A. Klingberg in Blümich, § 1 UmwStG Rz. 9. Dies gilt jedoch nur soweit, wie die Heilungswirkung reicht; das ist regelmäßig das Erlöschen des übertragenden Rechtsträgers, der Übergang des Vermögens, bei Verschmelzung zur Neubildung die Entstehung des neuen Rechtsträgers sowie die Gewährung von Anteilen, Marsch-Barner in Kallmeyer, § 20 UmwG Rz. 33 ff.; soweit eine Beschlussnichtigkeit vorliegt, die nicht geheilt wird oder Schadensersatzansprüche ausgelöst werden, sind deren steuerliche Folgen gesondert zu prüfen.
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10.32
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ne Anwendung findet. Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll sich dies „regelmäßig“ danach bestimmen, in welchem Staat der jeweilige Rechtsträger in ein öffentliches Register eingetragen ist; fehlt es an einer Eintragung, soll das Gesellschaftsstatut des Staates maßgeblich sein, nach dem er organisiert ist.1 Die Finanzverwaltung wendet hierdurch das wesentliche Kriterium der Gründungstheorie an. Das ist auch zutreffend, soweit nur EU/EWR-Kapitalgesellschaften erfasst werden, da für diese – abweichend von der grundsätzlich geltenden Sitztheorie – die Gründungstheorie anzuwenden ist. Demgegenüber ist auf die Sitztheorie zu rekurrieren, wenn eine ausländische Verschmelzung in einem Drittstaat vorliegt und das UmwStG nur durch Verweisung gem. § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG auf § 13 UmwStG Anwendung findet.
10.33 Erfasst werden ausländische Vorgänge in ihrer jeweiligen konkreten rechtlichen Ausgestaltung und nicht das abstrakte ausländische Umwandlungsrecht als solches.2 Hierfür ist maßgebend, dass der nach ausländischem Umwandlungsrecht abgewickelte konkrete Vorgang – ungeachtet des Sitzes der Gesellschaft – auch nach den Bestimmungen des UmwG hätte angewickelt werden können.
10.34 Grenzüberschreitende Verschmelzungen gem. §§ 122a UmwG sollen grundsätzlich mit einer Verschmelzung vergleichbare Vorgänge sein.3 bb) Zivilrechtliche Wirksamkeit nach ausländischem Recht
10.35 Auch für ausländische Vorgänge soll der Grundsatz der Maßgeblichkeit des Gesellschaftsrechts gelten.4 Der Vorgang muss also nach ausländischem Gesellschaftsrecht (gemeint ist hiermit wohl das Sachrecht, nicht das IPR; zu berücksichtigen ist dabei auch das in dem jeweiligen ausländischen Staat anzuwendende primäre und sekundäre Gemeinschaftsrecht) gesellschaftsrechtlich zulässig und wirksam sein. Hierfür soll regelmäßig von der Entscheidung der ausländischen Registerbehörden auszugehen sein,5 es sei denn, es lägen „gravierende Mängel der Um-
1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.20 (UmwStE 2011); kritisch zu der Herangehensweise, „ausländische Vorgänge“ nach der Anwendbarkeit deutschen Gesellschaftsrechts zu entscheiden Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 26. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.25 (UmwStE 2011); zum Verhältnis der Begriffe „ausländischer Vorgang“ zu „ausländischen Vorschriften“ siehe Schmitt/Schlossmacher, UmwStE 2011, 29. 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.21 (UmwStE 2011). 4 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.23 (UmwStE 2011). 5 Möhlenbrock/Pung in D/P/P/M7, § 1 UmwStG Rz. 121 sieht in der Entscheidung der Registerbehörden lediglich eine Indizwirkung.
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wandlung“ vor.1 Auch hier ist die Unbestimmtheit des Kriteriums zu kritisieren, dies umso mehr, als sich die Finanzverwaltung hiermit bei ausländischen Vorgängen offenbar nicht nur ein rechtliches, sondern auch ein wirtschaftliches Prüfungsrecht schaffen will.2 cc) Prüfung der Vergleichbarkeit Der ausländische Vorgang muss mit einer Verschmelzung, einer Auf- oder Abspaltung sowie einem Formwechsel vergleichbar sein. Dies betrifft zum einen die beteiligten Rechtsträger und zum anderen die Strukturmerkmale des Umwandlungsvorgangs.
10.36
(1) Umwandlungsfähigkeit der beteiligten Rechtsträger Basierend auf dem Grundsatz der Maßgeblichkeit des Gesellschaftsrechts müssen nach Auffassung der Finanzverwaltung die ausländischen Rechtsträger im Rahmen eines Rechtstypenvergleichs einem inländischen umwandlungsfähigen Rechtsträger entsprechen.3 Für die Durchführung des Typenvergleichs verweist sie auf die Tabellen 1 und 2 des BMF-Schreibens vom 24.12.19994 und vom 19.3.2004.5 Nach jüngerer BFH-Rspr. ist hierfür eine konkret individuelle Betrachtung, nicht eine generell abstrakte Betrachtung vorzunehmen, es muss also „im Einzelfall geprüft werden, ob die im Ausland rechtsfähige Körperschaft dem Typ und der tatsächlichen Handhabung nach einer Kapitalgesellschaft oder sonstigen juristischen Person entspricht.“6 Es ist zweifelhaft, ob tatsächlich ein Rechtstypenvergleich vorzunehmen ist, denn entscheidend ist, ob es sich um einen Vorgang handelt, der einem inländischen Umwandlungsvorgang entspricht;7 jedenfalls ist die Umwandlungsfähigkeit von europäischen supranationalen Rechtsformen sowie mit diesen vergleichbaren Rechtsformen einzubeziehen.
1 Das BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 (UmwStE 2011) lässt unbeantwortet, wie zu verfahren sein soll, wenn es im Ausland keine Registerbehörde gibt, siehe Schießl, Der neue UmwStE, 118. 2 Kritisch zu der Auffassung der Finanzverwaltung Trossen in R/H/vL, § 1 UmwStG Rz. 89; Schießl, Der neue UmwStE, 118 m.w.N. 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.27 (UmwStE 2011). 4 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, Anhang I, BStBl. I 1999, 1076, zuletzt geändert durch BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 (Betriebsstätten-Erlass). 5 BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA - 22/04, BStBl. I 2004, 411 (LLC-Schreiben). 6 BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263; siehe dazu Benecke, GmbHR 2012, 113 (118). 7 Kritisch Schmitt/Schloßmacher, UmwStE 2011, 31 f.
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10.37
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(2) Strukturmerkmale des Umwandlungsvorgangs
10.38 Der ausländische Vorgang muss die wesentlichen Merkmale (Strukturmerkmale) einer Verschmelzung, Auf- oder Abspaltung oder eines Formwechsels aufweisen. Wie bei dem Rechtstypenvergleich soll der Umwandlungsvorgang in seiner konkreten rechtlichen Ausgestaltung geprüft werden und nicht das ausländische Umwandlungsrecht als solches.1 Diese Vorgehensweise erlaubt bspw., bei der Höhe der Zuzahlungen nicht auf die gesetzlich zulässige Höhe (die über 10 % liegen kann), sondern auf die tatsächlich vereinbarte Höhe (die auf 10 % begrenzt werden kann) abzustellen und dadurch die Vergleichbarkeit herzustellen.2
10.39 Die Finanzverwaltung fordert für jede der genannten Umwandlungsmaßnahmen eigene Prüfungskriterien:
10.40 Verschmelzung gem. § 2 UmwG3 – Übertragung des gesamten Vermögens auf einen übernehmenden Rechtsträger – aufgrund Rechtsgeschäfts – kraft Gesetzes – gegen Gewährung von Anteilen am übernehmenden Rechtsträger an die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers – unter Auflösung ohne Abwicklung des übertragenden Rechtsträgers.
10.41 Es ist unklar, ob nach Ansicht der Finanzverwaltung ein mit einer Verschmelzung vergleichbarer Vorgang vorliegt, wenn zwei englische Limiteds miteinander verschmolzen werden. Das englische Recht kennt keine formelle Verschmelzung, vielmehr wird der Geschäftsbetrieb übertragen und die übertragende Gesellschaft anschließend liquidiert.4 Wollte man an die dogmatische Grundlage der Vermögensübertragung ohne Liquidation anknüpfen, wäre der Vorgang nicht mit einer inländischen Verschmelzung vergleichbar, auch wenn er im Ergebnis zu demselben Erfolg führt.5
10.42 Aufspaltung gem. § 123 Abs. 1 UmwG6 – Übertragung des gesamten Vermögens auf mindestens zwei übernehmende Rechtsträger – aufgrund Rechtsgeschäfts 1 Kritisch dazu Schießl, Der neue UmwStE, 123 f. m.w.N. 2 Siehe dazu das Beispiel im BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.25 (UmwStE 2011). 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.30 (UmwStE 2011). 4 Thömmes/Tomsett in W/M, Anhang 3 Großbritannien, Rz. GB 16 ff. 5 Die Vergleichbarkeit wird zutreffenderweise vielfach bejaht: Schießl, Der neue UmwStE, 58; Widmann in W/M, § 1 UmwStG Rz. 17 ff. 6 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.33 (UmwStE 2011).
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– kraft Gesetzes – gegen Gewährung von Anteilen an den übernehmenden Rechtsträgern an die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers – unter Auflösung ohne Abwicklung des übertragenden Rechtsträgers. Abspaltung gem. § 123 Abs. 2 UmwG1
10.43
– Übertragung eines Teils oder mehrerer Teile eines Rechtsträgers auf einen oder mehrere übernehmende Rechtsträger – aufgrund Rechtsgeschäfts – kraft Gesetzes – gegen Gewährung von Anteilen am übernehmenden Rechtsträger oder an den übernehmenden Rechtsträgern an die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers – ohne Auflösung des übertragenden Rechtsträgers. Formwechsel gem. § 190 ff. UmwG2
10.44
– Rechtliche Kontinuität des Rechtsträgers, – Abgrenzung zur Verschmelzung. (3) Sonstige Vergleichskriterien Die Höhe der Zuzahlungen muss sich grundsätzlich an den Vorgaben des UmwG messen: Zuzahlungen, die den Rahmen des § 54 Abs. 2 UmwG deutlich überschreiten, sind als Indiz für fehlende Vergleichbarkeit anzusehen.3
10.45
Dagegen stellt die Dauer der Rückbeziehungsmöglichkeit kein für die Vergleichbarkeit entscheidendes Merkmal dar.4
10.46
3. Persönlicher Anwendungsbereich des 2. bis 5. Teils Gemäß § 1 Abs. 2 UmwStG gelten die Regelungen des 2. bis 5. Teils nur, 10.47 wenn beim Formwechsel der umwandelnde und bei anderen Umwandlungen sowohl der übertragende als auch der übernehmende Rechtsträger 1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.36 (UmwStE 2011). 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.39 (UmwStE 2011). 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.40 (UmwStE 2011); siehe auch RegBegr. BT Drucks. 16/2710, 35; es wäre wünschenswert, genauere Kriterien dafür zu haben, wann von einem „deutlichen Überschreiten“ auszugehen ist, Brinkmann in Schneider/Ruoff/Sistermann, UmwStE 2011, Rz. 1.49. 4 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.41 (UmwStE 2011); zustimmend Brinkmann in Schneider/Ruoff/Sistermann, UmwStE 2011, Rz. 1.48.
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Kapitel 10 Internationale Umwandlungen
EU/EWR-Gesellschaften sind, also nach dem Recht eines EU-Mitgliedsstaats oder eines EWR-Staats gegründet sind und ihren Sitz (§ 11 AO) sowie ihren Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AO) in einem dieser Staaten haben. Abweichend vom Wortlaut des § 1 Abs. 2 UmwStG reicht es laut Finanzverwaltung1 aus, wenn sich der Sitz einer formwechselnden Gesellschaft in einem EU-Mitgliedsstaat und der Ort der Geschäftsleitung in einem anderen EU-Mitgliedsstaat befinden.2
10.48 Der Begriff der Gesellschaft ist gemeinschaftsrechtlich zu bestimmen, nicht nach innerstaatlichem Recht.3 Dies umfasst juristische Personen des privaten Rechts (z.B. AG und GmbH); ausgenommen sind Gesellschaften, die keinen Erwerbszweck verfolgen.4 Die persönlichen Anwendungsvoraussetzungen müssen spätestens am steuerlichen Übertragungsstichtag erfüllt sein; wurde ein Rechtsträger im steuerlichen Rückwirkungszeitraum gegründet, ist auf den Zeitpunkt der zivilrechtlichen Wirksamkeit der Gründung abzustellen.5 4. Sachlicher Anwendungsbereich des 6. bis 8. Teils
10.49 § 1 Abs. 3 UmwStG unterscheidet ebenso wie § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 UmwStG zwischen inländischen Umwandlungen und „vergleichbaren ausländischen Vorgängen“. Es muss also auch hier zunächst festgestellt werden, welche inländischen Umwandlungen in den sachlichen Anwendungsbereich fallen, um entscheiden zu können, ob ein ausländischer Vorgang damit vergleichbar ist. a) Inländische Umwandlungen
10.50 Auch § 1 Abs. 3 UmwStG enthält einen numerus clausus der inländischen Umwandlungsmaßnahmen. Gemäß dessen Nr. 1 werden nur die gesellschaftsrechtlichen Umwandlungsmaßnahmen der §§ 2, 123 Abs. 1 und 2 UmwG von Personengesellschaften erfasst; Nr. 2 betrifft die Ausgliederung von Vermögensteilen i.S. des § 123 Abs. 3 UmwG; Nr. 3 bezieht den Formwechsel von Personengesellschaften in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft ein; gem. Nr. 4 wird die Einbringung von Betriebsvermögen durch Einzelrechtsnachfolge in eine Kapitalgesellschaft erfasst; Nr. 5 bezieht den Anteilstausch von Anteilen ein.
1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 1314 Rz. 01.49 (UmwStE 2011). 2 Schießl, Der neue UmwStE, 133. 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 1314 Rz. 01.50 (UmwStE 2011). 4 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 1314 Rz. 01.50 (UmwStE 2011). 5 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 1314 Rz. 01.52 (UmwStE 2011).
1164
Henkel
(2011/0903665), BStBl. I 2011, (2011/0903665), BStBl. I 2011, (2011/0903665), BStBl. I 2011, (2011/0903665), BStBl. I 2011,
A. Grundlagen
Die Finanzverwaltung stellt die Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums der Einzelrechtsnachfolge i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 4 UmwStG gleich.1
10.51
b) Vergleichbare ausländische Vorgänge Die Finanzverwaltung verweist für Einbringungen nach § 20 UmwStG und für Einbringungen nach § 24 UmwStG auf das entsprechende BMFSchreiben.2 Damit gelten die dort genannten Bestimmungen hinsichtlich der Anwendbarkeit des UmwG, der zivilrechtlichen Wirksamkeit, der Prüfung der Vergleichbarkeit und der Umwandlungsfähigkeit der beteiligten Rechtsträger entsprechend.
10.52
5. Persönlicher Anwendungsbereich des 6. bis 8. Teils Der persönliche Anwendungsbereich des 6. bis 8. Teils ist sehr weit gesteckt.
10.53
– Einbringender kann jede natürliche Person sein, die im Inland unbeschränkt steuerpflichtig ist und nicht nach den DBA-Regelungen zur Doppelansässigkeit in einem anderen Staat als ansässig zu behandeln ist. Einbringender kann ferner jede EU/EWR-Kapitalgesellschaft sein. Ungeachtet der Ansässigkeitserfordernisse kann auch jede andere Person Einbringender sein, wenn das deutsche Besteuerungsrecht an den erhaltenen Anteilen nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist.3 – Übernehmender Rechtsträger kann jede EU/EWR-Kapitalgesellschaft sowie Genossenschaft sein, deren Sitz und Ort der Geschäftsleitung sich in einem EU/EWR-Staat befinden.4
IV. EU-Recht Es stellt sich die Frage, ob die deutschen Entstrickungsregelungen mit dem EU-Recht im Einklang stehen. Diese Frage wird auf der Grundlage des EuGH-Urteils in der Rs. National Grid Indus vom 29.11.20115 kontrovers diskutiert.6 In der Entscheidung hat der EuGH herausgestellt, dass das europarechtliche Primärrecht nicht entgegensteht, wenn ein Mit1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.43 (UmwStE 2011). 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.45 bzw. Rz. 01.48 i.V.m. Rz. 01.20 ff. (UmwStE 2011). 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.53 (UmwStE 2011). 4 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.54 (UmwStE 2011). 5 EuGH v. 29.11.2011 – Rs. C-371/10 – National Grid Indus, DStR 2011, 2334. 6 Mitschke, DStR 2012, 629; Mitschke, DStR 2012, 6; Kessler/Philipp, DStR 2012, 267; Rautenstrauch/Seitz, Ubg 2012, 14; Brinkmann/Reiter, DStR 2012, 16; Hahn, BB 2012, 681.
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10.54
Kapitel 10 Internationale Umwandlungen
gliedsstaat anlässlich der Sitzverlegung Steuern auf die in seinem Hoheitsgebiet entstandenen stillen Reserven festsetzt. Er greift hierbei auf den Rechtfertigungsgrund der „Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedsstaaten“ zurück und gesteht eine Aufteilung nach dem Territorialitätsprinzip verbunden mit einer zeitlichen Komponente zu.1 Das bedeutet, dass ein Mitgliedsstaat die stillen Reserven besteuern darf, die während der Steuerverhaftung eines Wirtschaftsguts in seinem Hoheitsgebiet erzielt wurden.2 Es widerspreche jedoch der Niederlassungsfreiheit, wenn diese Steuer sofort zu entrichten sei; dem EuGH würde es ausreichen, wenn ein Wahlrecht zwischen einer sofortigen Versteuerung und einer Stundung der geschuldeten Steuer bis zur tatsächlichen Realisierung der stillen Reserven im Zuzugsstaat gelte, wobei die Stundung von Nachweispflichten, Verzinsung sowie Sicherheitsleistung3 abhängig gemacht werden könne.
10.55 Es ist allgemein anerkannt, dass sich die tragenden Gründe des Urteils nicht auf die Entstrickung bei Sitzverlegung einer Kapitalgesellschaft beschränken, sondern auf die für die Überführung oder Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu ausländischen Betriebsstätten geltenden Entstrickungsregelungen übertragen werden können. Insoweit können die Urteilsgründe für die Frage herangezogen werden, ob die deutschen Entstrickungsregelungen – soweit man sie für anwendbar hält (siehe Rz. 10.18) – vor dem EU-Recht Bestand haben.
10.56 Geht man mit dem EuGH davon aus, dass die Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse eine ausreichende Rechtfertigung für die Festsetzung einer Steuer anlässlich der Sitzverlegung darstellt, sollten die Entstrickungsregelungen, die die Überführung bzw. die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu einer Auslandsbetriebsstätte erfassen, dem Grunde nach gerechtfertigt sein.
10.57 Umstritten ist hingegen, ob die zeitliche Streckung der Besteuerung auf fünf Jahre gem. § 4g EStG sowie § 36 Abs. 5 EStG dem Verhältnismäßigkeitsmaßstab gerecht wird. Der EuGH hatte über diese Regelung nicht zu entscheiden, da sie in dem niederländischen Urteilsfall keine Rolle spielte. Er hat aber hervorgehoben, dass eine zeitliche Streckung (zumindest als Wahlrecht) erforderlich sei, damit eine Entstrickungsbesteuerung verhältnismäßig sein könne. Ob die pauschale Festlegung einer Streckung auf fünf Jahre – ungeachtet der tatsächlichen Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts – als verhältnismäßig angesehen werden kann,4 ist zweifelhaft. Es spricht einiges dafür, dass diese Pauschalierung zu strikt ausgefal-
1 So bereits seit der der Entscheidung des EuGH v. 7.9.2006, Rs. C-470/04 – N, EuGHE 2006, I-7409 = DStR 2006, 1691. 2 So auch Kessler/Philipp, DStR 2012, 267 (270). 3 Kritisch zu den Liquiditätsbelastungen, die durch die Verzinsung und die Besicherung eintreten Kessler/Philipp, DStR 2012, 267. 4 So Mitschke, DStR 2012, 629 (632).
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B. Verschmelzungen
len ist und die vom EuGH (in Form eines Wahlrechts) geforderte aufgeschobene Besteuerung nicht ausreichend erfüllt wird.
B. Verschmelzungen I. Verschmelzung von Kapitalgesellschaft auf Personengesellschaft 1. Verschmelzung inländischer Kapitalgesellschaft auf inländische Personengesellschaft (Inlandsverschmelzung mit Auslandsbezug) Eine inländische Kapitalgesellschaft kann nach deutschem Umwandlungsrecht (§ 2 UmwG) auf eine inländische Personengesellschaft verschmolzen werden; dabei ist unerheblich, ob das Vermögen der Kapitalgesellschaft im Inland oder im Ausland belegen ist; die Kapitalgesellschaft kann also z.B. über eine ausländische Niederlassung, ein ausländisches Grundstück, in einem ausländischen Register eingetragene Rechte etc. verfügen. Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG gehen diese Vermögensgegenstände zusammen mit dem inländischen Vermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die übernehmende Personengesellschaft über.1 Erkennt der ausländische Staat die Gesamtrechtsnachfolge der deutschen Umwandlung nach seinem Recht (z.B. aufgrund des IPR-Grundsatzes der lex rei sitae für nicht in seinem Gebiet belegene Vermögensgegenstände) nicht an, sind Einzelübertragungen der ausländischen Vermögensgegenstände nach ausländischem Recht vorzunehmen.2 Diese sollten in zeitlichem Zusammenhang mit dem Vollzug der deutschen Umwandlung erfolgen.3 Unerheblich ist auch, ob die Gesellschafter der Kapitalgesellschaft im Inland oder im Ausland ansässig sind. Sie werden gleichermaßen Gesellschafter der Personengesellschaft.
10.58
Die steuerlichen Folgen der Verschmelzung einer inländischen Kapitalgesellschaft auf eine inländische Personengesellschaft richten sich nach §§ 3 ff. UmwStG. Der sachliche Anwendungsbereich ist bei einer Inlandsverschmelzung gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UmwStG i.V.m. § 2 UmwG eröffnet. Der persönliche Anwendungsbereich ist erfüllt, wenn der übertragende Rechtsträger eine inländische Körperschaft und der übernehmende Rechtsträger eine inländische Personenhandelsgesellschaft sind, und beide ihren Sitz und ihren Ort der Geschäftsleitung im Hoheitsgebiet eines EU/EWRStaats haben (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 UmwStG); dies gilt unabhängig davon, ob
10.59
1 Stratz in S/H/S5, § 20 UmwG Rz. 33 m.w.N. 2 Dies muss vor der Eintragung erfolgen, da die übertragende Kapitalgesellschaft mit der Eintragung erlischt, Stratz in S/H/S5, § 20 UmwG Rz. 33. 3 Anderenfalls besteht die Gefahr, dass für die Einzelübertragungen die Regelungen des deutschen UmwStG keine Anwendung finden.
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1167
Kapitel 10 Internationale Umwandlungen
die Gesellschafter der Überträgerin im Inland oder im Ausland ansässig sind. a) Ebene der übertragenden Kapitalgesellschaft
10.60 Auf der Ebene der übertragenden Kapitalgesellschaft stellt die Verschmelzung bereits nach allgemeinen Grundsätzen grundsätzlich einen Realisierungsvorgang dar (entgeltlicher Rechtsträgerwechsel), der nach der spezielleren Vorschrift des § 3 Abs. 1 UmwStG1 zu einem Ansatz der übergehenden Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert führt (für Pensionsrückstellungen gilt hiervon abweichend die Bewertung nach § 6a EStG). Die Aufstockung erfolgt in einer gesonderten Schlussbilanz, die von der Steuerbilanz zu unterscheiden ist und für die – anders als nach den Regelungen zur Steuerbilanz – keine Ansatzverbote für unentgeltlich erworbene oder selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter gelten.
10.61 Der Antrag kann nur einheitlich für das gesamte übergehende Vermögen gestellt werden.2 Dies ist problematisch, wenn ein Wert unter dem gemeinen Wert beantragt wird und dabei Wirtschaftsgüter einer ausländischen Betriebsstätte übergehen, die aufgrund der Umwandlung erstmals verstrickt werden. Nach h.M. soll auch in diesem Fall keine Ausnahme von dem einheitlichen Wertansatz vorgenommen werden können.3 Es spricht jedoch vieles dafür, in diesem Fall den Ansatz zum gemeinen Wert zuzulassen, um die ansonsten drohende Doppelbesteuerung zu vermeiden.4 Eine Aufstockung nach den allgemeinen Regeln des § 4 Abs. 1 Nr. 8 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG (Verstrickung) ist jedoch dann möglich, wenn die Wirtschaftsgüter nicht aufgrund der Verschmelzung, sondern aufgrund faktischer Zuordnungsänderung zu einem Zeitpunkt nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag im Inland steuerverstrickt werden.5
10.62 Auf Antrag kann die übertragende Kapitalgesellschaft die übergehenden Wirtschaftsgüter gem. § 3 Abs. 2 UmwStG einheitlich mit dem Buchwert oder einem Zwischenwert ansetzen, soweit diese
1 Zum Verhältnis der allgemeinen Realisierungsgrundsätze zu den speziellen Realisierungstatbeständen des UmwStG siehe Rz. 10.9. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.13 (UmwStE 2011). 3 Die einheitliche Ausübung werde durch den Gesetzeswortlaut vorgegeben: Möhlenbrock in D/P/P/M7, § 3 Rz. 43; Widmann in W/M, § 3 UmwStG Rz. 99, 465 f.; auch eine analoge Anwendung der allgemeinen Verstrickungsregelung des § 4 Abs. 1 Satz 8 EStG sei nicht zulässig: Birkemeier in R/H/vL, § 3 UmwStG Rz. 102, 106; Brinkhaus in Haritz/Menner3, § 3 UmwStG Rz. 174; a.A. Körner, IStR 2010, 741 (749). 4 Ebenso Schießl, Der neue UmwStE, 165. 5 Zum Unterschied zwischen faktischer und rechtlicher Zuordnung siehe Rz. 10.129.
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B. Verschmelzungen
– bei der übernehmenden Personengesellschaft Betriebsvermögen1 werden und die spätere Besteuerung mit ESt oder KSt sichergestellt ist, – das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgüter bei den Gesellschaftern der übernehmenden Personengesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird und – eine Gegenleistung nicht gewährt wird oder in Gesellschaftsrechten besteht. aa) Sicherstellung der Besteuerung Es muss die Besteuerung mit inländischer oder ausländischer2 ESt oder KSt3 sichergestellt sein. Eine Sicherstellung der Besteuerung mit GewSt ist nicht erforderlich.4 Soweit an der übertragenden Kapitalgesellschaft ausländische Gesellschafter beteiligt sind, ist die Besteuerung mit inländischer ESt oder KSt sichergestellt, wenn die Wirtschaftsgüter einer inländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind; sind sie einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen, ist zu klären, ob hierauf ausländische ESt oder KSt entfällt.
10.63
bb) Ausschluss oder Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts Das Erfordernis, dass das deutsche Besteuerungsrecht nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden darf, ist mit dem SEStEG in §§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2; 11 Abs. 2 Nr. 2; 20 Abs. 2 Nr. 3; 21 Abs. 2 Nr. 1 in das UmwStG aufgenommen worden. Ihm liegt der „Entstrickungsgedanke“ zugrunde (siehe Rz. 10.12 f.). Die gesetzliche Regelung war unter Berücksichtigung der seinerzeit vom BFH vertretenen finalen Entnahmetheorie entstanden. Der BFH hat diese Auffassung jedoch inzwischen aufgegeben und entschieden, dass durch die Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische (Freistellungs-)Betriebsstätte das deutsche Besteue1 Es kann sich um inländisches oder ausländisches Betriebsvermögen handeln; Betriebsvermögen von gewerblich geprägten Personengesellschaften i.S.v. § 15 Abs. 3 EStG ist ausreichend, Möhlenbrock/Pung in D/P/P/M7, § 3 UmwStG Rz. 31 m.w.N.; das gilt auch für ausländische Personengesellschaften gelten, die i.S.v. § 15 Abs. 3 EStG gewerblich geprägt sind, BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.15 (UmwStE 2011). 2 So nun ausdrücklich BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.17 (UmwStE 2011); Möhlenbrock/ Pung in D/P/P/M7, § 3 UmwStG Rz. 35 m.w.N. 3 Ebenso wie bei dem Prüfkriterium der Sicherstellung der Besteuerung der stillen Reserven wird allein die ESt und die KSt in Bezug genommen; ein Ausschluss oder eine Beschränkung der GewSt ist nach dem klaren Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG unmaßgeblich. 4 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.17 (UmwStE 2011); Möhlenbrock/Pung in D/P/P/M7, § 3 UmwStG Rz. 36 m.w.N.
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10.64
Kapitel 10 Internationale Umwandlungen
rungsrecht nicht ausgeschlossen werde (siehe Rz. 10.16). Das daraufhin vom Gesetzgeber in § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG und in § 12 Abs. 1 KStG eingefügte Regelbeispiel ist nicht in das UmwStG aufgenommen worden. (1) Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu einer ausländischen Betriebsstätte
10.65 Nach Auffassung der Finanzverwaltung kann ein Ausschluss oder eine Beschränkung des Besteuerungsrechts nur dann vorliegen, wenn vor der Umwandlung überhaupt ein deutsches Besteuerungsrecht bestanden hat, also die Wirtschaftsgüter vor der Verschmelzung nicht einer Freistellungsbetriebsstätte der übertragenden Kapitalgesellschaft zuzuordnen waren.1 Ein Ausschluss kann hingegen dann vorliegen, wenn vor der Umwandlung eine Besteuerung mit Anrechnungsverpflichtung bestand und nach der Umwandlung eine Freistellung eingreift.2
10.66 Nach der hier vertretenen Meinung reichen die Entstrickungsvorschriften der §§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und 12 Abs. 1 KStG i.d.F. des SEStEG nicht aus, um eine Gewinnrealisierung zu rechtfertigen und laufen daher leer.3 Konsequenterweise können auch die im UmwStG enthaltenen Entstrickungsvorbehalte keine Wirkung entfalten und laufen ebenfalls leer.4 Dem wird entgegengehalten, dass es sich bei Umwandlungsvorgängen letztlich um Außentransaktionen handele, die „schon der Natur der Sache nach zu einer Gewinnwirkung“ führten.5 Der Gegenansicht ist zuzugestehen, dass es sich bei Umwandlungen i.d.R. um Realisierungstatbestände handelt, da sie zu einem entgeltlichen Rechtsträgerwechsel führen. Darum geht es bei dem Entstrickungsvorbehalt aber nicht. Die Gewinnrealisierung ergibt sich aus § 3 Abs. 1 UmwStG, der als Spezialregelung zu den allgemeinen Realisierungsgrundsätzen anzusehen ist. Der Entstrickungsvorbehalt greift demgegenüber erst auf der nächsten Stufe, nämlich der hierzu als Ausnahme möglichen Steuerneutralität; erst auf dieser Ebene ist zu prüfen, ob das Recht Deutschlands hinsichtlich der Besteuerung ausgeschlossen oder beschränkt ist. Es geht also nicht um die Frage, ob mit der Umwandlung grundsätzlich eine Realisierung eintritt, sondern darum, ob die nach § 3 Abs. 1 UmwStG zunächst eintretende Gewinnrealisierung ausgeschlossen wird. Ist in diesem Zusammenhang der Entstrickungsvorbehalt zu prüfen, wird man mit der neueren Rspr. des BFH zu dem Ergebnis kommen, dass durch die Umwandlung das Recht zur Besteuerung abkommensrechtlich nicht aus1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.19 (UmwStE 2011); Möhlenbrock/Pung in D/P/P/M7, § 3 UmwStG Rz. 38 m.w.N. 2 So Möhlenbrock/Pung in D/P/P/M7, § 3 UmwStG Rz. 38 m.w.N. 3 Dies hat auch der Gesetzgeber so gesehen und im JStG 2010 in § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG und in § 12 KStG sogenannte Regelbeispiele eingefügt, siehe Rz. 10.17 f. 4 So wohl Dötsch in D/P/P/M7, § 11 UmwStG Rz. 57. 5 So Möhlenbrock/Pung in D/P/P/M7, § 3 UmwStG Rz. 38a m.w.N.
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B. Verschmelzungen
geschlossen oder beschränkt wird. Die Entstrickungsvorbehalte des UmwStG greifen also schon tatbestandlich nicht ein. Für die Praxis ist gleichwohl Vorsicht geboten: Es wird vertreten, dass die 10.67 Entstrickungsvorbehalte des UmwStG nur für solche Überführungen von Wirtschaftsgütern gelten, die unmittelbar durch die Umwandlung veranlasst würden, also letztlich auf rechtlicher Grundlage zum steuerlichen Übertragungsstichtag erfolgten. Demgegenüber sollen Entstrickungen, die auf tatsächlicher Grundlage erfolgten, also insbesondere aufgrund der funktionalen Zuordnung, die erst mit dem tatsächlichen Vollzug der Verschmelzung eintrete, nicht nach den Entstrickungsvorbehalten des UmwStG zu prüfen sein, sondern nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG bzw. § 12 Abs. 1 KStG. Der Unterschied besteht darin, dass die allgemeinen Vorschriften um das Regelbeispiel ergänzt wurden, die umwandlungssteuerlichen Entstrickungsvorbehalte hingegen nicht. Ob solche faktischen Zuordnungsänderungen eintreten, ist letztlich eine Tatsachenfrage; problematisch ist aber, dass diese Frage nach Auffassung der Finanzverwaltung nach den Grundsätzen des Betriebsstätten-Erlasses erfolgen soll.1 Dementsprechend soll eine Zuordnungsänderung nach dem Grundsatz der Zentralfunktion des Stammhauses erfolgen, wonach insbesondere bei Beteiligungen, immateriellen Wirtschaftsgütern und dem Geschäftswert tendenziell eine Zuordnung zum Stammhaus erfolgt.2 Nach der hier vertretenen Auffassung sind die Entstrickungsregelungen selbst bei Anwendung des Regelbeispiels tatbestandlich nicht erfüllt (siehe Rz. 10.18), sodass das Zurückfallen auf die allgemeinen Entstrickungsregelungen zu keinen Änderungen führt und der Entstrickungsvorbehalt letztlich leerläuft. (2) Ausländische Anteilseigner Soweit an der inländischen Kapitalgesellschaft ausländische Anteilseigner beteiligt sind, und soweit ausländisches Betriebsstättenvermögen übergeht, kommt es bei Nichtbestehen eines DBA und bei einer AnrechnungsBetriebsstätte zum Ausschluss bzw. zur Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts der in den auf die Personengesellschaft übergehenden Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven. Vor der Umwandlung unterlag das ausländische Betriebsstättenvermögen bei der inländischen Kapitalgesellschaft aufgrund des Welteinkommensprinzips der unbeschränkten deutschen Besteuerung; nach der Umwandlung in eine Personengesellschaft unterliegen weder die laufenden Gewinne aus der ausländischen Betriebsstätte noch etwaige Gewinne aus der Veräußerung 1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.20 (UmwStE 2011) verweist auf das BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, zuletzt geändert durch BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 (Betriebsstätten-Erlass). 2 Siehe Dötsch in D/P/P/M7, § 11 UmwStG Rz. 58 zur Hinausverschmelzung; kritisch zur Heranziehung der Betriebsstättengrundsätze für die Zuordnung bei der Entstrickung Breuninger in FS Schaumburg, 587 (599) m.w.N.
Henkel
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10.68
Kapitel 10 Internationale Umwandlungen
dieses Betriebsstättenvermögens, soweit diese anteilig auf ausländische Anteilseigner entfallen, der beschränkten Steuerpflicht, weil diese Einkünfte nicht originär aus einer deutschen Quelle stammen.1
10.69 Hierfür lassen sich folgende Fallgruppen unterscheiden: – Hatte die umzuwandelnde inländische Kapitalgesellschaft vor der Umwandlung keine ausländische Betriebsstätte, kann die Umwandlung i.d.R. steuerneutral vollzogen werden, auch wenn ausländische Anteilseigner beteiligt sind. – Hatte die inländische Kapitalgesellschaft eine ausländische Freistellungs-Betriebsstätte und waren die Wirtschaftsgüter vor der Umwandlung der ausländischen Freistellungs-Betriebsstätte zuzuordnen, ist die steuerneutrale Umwandlung möglich, auch wenn ausländische Gesellschafter beteiligt sind. – Hatte die inländische Kapitalgesellschaft eine ausländische Anrechnungs-Betriebsstätte oder eine Betriebsstätte in einem Nicht-DBAStaat und waren die Wirtschaftsgüter vor der Umwandlung der ausländischen Anrechnungsbetriebsstätte zuzuordnen, ist die steuerneutrale Umwandlung nur soweit möglich, wie im Inland steuerpflichtige Anteilseigner beteiligt sind. Soweit ausländische Anteilseigner beteiligt sind, entfällt mit der Umwandlung in eine Personengesellschaft das deutsche Besteuerungsrecht für die Betriebsstätteneinkünfte.2 cc) Keine Gegenleistung außer Gesellschaftsrechte
10.70 Mit dem SEStEG ist in § 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 UmwStG die Einschränkung aufgenommen, die sich bis dahin nur in § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwStG für die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften befunden hat: Die Buchwertfortführung ist ausgeschlossen, soweit eine Gegenleistung erbracht wird, die nicht in Gesellschaftsrechten besteht. Für die Abgrenzung von Gesellschaftsrechten zu anderen Leistungen ist bei Personengesellschaften insbesondere die Abgrenzung zwischen Kapitalkonten und Privatkonten entscheidend.3 Der Übergang von Kapitalkonten ist grundsätzlich unschädlich. Nach Verwaltungsauffassung kann allerdings im Einzelfall die zeitnahe Entnahme aus einem Kapitalkonto schädlich sein, auch wenn die hiermit im Zusammenhang stehende, vorangegangene Einzahlung oder Einbringung in ein Kapitalkonto erfolgte.4
1 BFH v. 18.12.2002 – I R 92/01, BFH/NV 2003, 964 mit Verweis auf BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663. 2 Möhlenbrock/Pung in D/P/P/M7, § 3 UmwStG Rz. 39a m.w.N. 3 Möhlenbrock/Pung in D/P/P/M7, § 3 UmwStG Rz. 48 m.w.N. 4 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.21 i.V.m. Rz. 24.11 (UmwStE 2011).
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B. Verschmelzungen
Entrichtet die übernehmende Personengesellschaft KapESt für die als ausgeschüttet geltenden, offenen Rücklagen, liegt auch nach Verwaltungsauffassung keine Gegenleistung vor.1
10.71
Ungeklärt ist hingegen, ob Entnahmen für persönliche ESt oder KSt, die auf die gem. § 7 UmwStG entfallende Einkünftezurechnung entfallen, als Gegenleistung anzusehen sind.2
10.72
dd) Besteuerung des Übertragungsgewinns Ist der gemeine Wert anzusetzen oder wählt die übertragende Körperschaft zulässigerweise einen Zwischenwert, entsteht ein Übertragungsgewinn, der nach den allgemeinen Vorschriften bei der übertragenden Kapitalgesellschaft zu versteuern ist. Es ist also insbesondere § 8b KStG anzuwenden, soweit der Übertragungsgewinn auf Anteile an einer Kapitalgesellschaft entfällt. Soweit der Übertragungsgewinn in einer ausländischen Freistellungs-Betriebsstätte anfällt, ist der Übertragungsgewinn freizustellen; in diesem Fall soll der anteilige Gewerbeertrag analog § 9 Nr. 3 GewStG gekürzt werden.3
10.73
b) Ebene der übernehmenden Personengesellschaft aa) Wertverknüpfung Die übernehmende Personengesellschaft hat die auf sie übergehenden Wirtschaftsgüter sowie die Bilanzpositionen der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Kapitalgesellschaft mit deren Wertansätzen zu übernehmen; dies gilt auch für Bilanzansätze, die keine Wirtschaftsgutseigenschaft besitzen.4 Bei einer Verschmelzung zur Neugründung erfolgt die Übernahme in der Eröffnungsbilanz, bei einer Verschmelzung zur Aufnahme auf eine bereits bestehende Personengesellschaft stellt die Übernahme der Bilanzpositionen einen laufenden Geschäftsvorfall dar.5 Die Übernahme erfolgt in beiden Fällen mit Wirkung zum steuerlichen Übertragungsstichtag. Soweit die übertragende Kapitalgesellschaft an der übernehmenden Personengesellschaft beteiligt ist, gehören zu dem übergehenden Vermögen auch die ihr anteilig zuzurechnenden Wirtschaftsgüter der übernehmenden Personengesellschaft.6 1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.21 (UmwStE 2011). 2 Siehe dazu Schießl, Der neue UmwStE, 171 f. 3 Möhlenbrock/Pung in D/P/P/M7, § 3 UmwStG Rz. 52a m.w.N. 4 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.01 (UmwStE 2011). 5 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.03 (UmwStE 2011). 6 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.02 (UmwStE 2011); dies entspricht der vom BFH vertretenen „Spiegelbildtheorie“, siehe nur Blaas/Sommer in Schneider/Ruoff/Sistermann, UmwStE 2011, Rz. 4.8 m.w.N.
Henkel
1173
10.74
Kapitel 10 Internationale Umwandlungen
bb) Erweiterte Wertverknüpfung – Beteiligungskorrekturgewinn
10.75 Soweit die übernehmende Personengesellschaft an der übertragenden Kapitalgesellschaft beteiligt ist, hat sie den Buchwert der Beteiligung zum steuerlichen Übertragungsstichtag zu korrigieren: So sind insbesondere steuerwirksame Abschreibungen, § 6b EStG-Abzüge und ähnliche Abzüge hinzuzurechnen, höchstens jedoch bis zum gemeinen Wert (§ 4 Abs. 1 Satz 2 UmwStG).1
10.76 Der hiernach entstehende Beteiligungskorrekturgewinn ist nach den allgemeinen Grundsätzen zu versteuern und gehört nicht zum Übernahmegewinn. Auf den Beteiligungskorrekturgewinn findet also insbesondere § 8b KStG Anwendung (§ 4 Abs. 1 Satz 3 UmwStG). cc) Eintritt in die steuerliche Rechtsstellung
10.77 Die übernehmende Personengesellschaft tritt in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden Kapitalgesellschaft ein; das gilt insbesondere hinsichtlich der historischen Anschaffungs- oder Herstellungskosten, Rückstellungen und verrechenbaren Verluste (§ 4 Abs. 2 Satz 2 und 3 UmwStG). Wurden Verluste einer ausländischen Betriebsstätte gem. § 2a Abs. 3 EStG a.F. bzw. § 2 Abs. 2 AuslInvG abgezogen, findet auf der Ebene der übertragenden Körperschaft eine Nachversteuerung statt; dies gilt auch im Fall der Umwandlung einer ausländischen Betriebsstätte in eine Kapitalgesellschaft.2 dd) Ermittlung des Übernahmeergebnisses
10.78 Gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 UmwStG ergibt sich infolge des Vermögensübergangs ein Übernahmeergebnis (Übernahmegewinn oder -verlust) i.H. des Unterschiedsbetrags zwischen dem Wert, mit dem die übergegangenen Wirtschaftsgüter zu übernehmen sind, abzüglich der Kosten und dem Wert der Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft. Es findet grundsätzlich eine 100 %-Betrachtung statt: Verglichen wird der gesamte Wert des übergehenden Vermögens, auch wenn die Personengesellschaft nicht alle Anteile an der Kapitalgesellschaft hält (eine Zuordnung zum Sonderbetriebsvermögen soll hierfür ausreichend sein),3 mit den gesamten Anteilen an der Kapitalgesellschaft. Erreicht wird dies dadurch, dass die Anteile der anderen Gesellschafter als eingelegt gelten (§ 5 UmwStG, Einlagefiktion). Soweit nicht alle Anteile aufgrund der Einlagefiktion zugerechnet werden (das betrifft Anteile im Privatvermögen, die nicht unter
1 Siehe hierzu näher BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.05 ff. (UmwStE 2011). 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.12 (UmwStE 2011). 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.19 f. (UmwStE 2011).
1174
Henkel
B. Verschmelzungen
§ 17 EStG fallen), findet eine anteilige Ermittlung des Übernahmeergebnisses statt (§ 4 Abs. 4 Satz 3 UmwStG). Soweit an der übertragenden Kapitalgesellschaft ausländische Anteilseigner beteiligt sind und soweit die Kapitalgesellschaft eine ausländische Betriebsstätte in einem Staat hat, mit dem z.B. kein DBA besteht, ist eine Buchwertfortführung in der steuerlichen Schlussbilanz der Kapitalgesellschaft ausgeschlossen (siehe Rz. 10.68). In dem Umfang, in dem hiernach stille Reserven in der Betriebsstätte aufzudecken sind, ist für die inländischen Beteiligten ein entsprechender Betrag in einer negativen Ergänzungsbilanz und für die betroffenen ausländischen Anteilseigner ein Betrag in einer positiven Ergänzungsbilanz auszuweisen.1
10.79
Gehört zum Betriebsvermögen der übertragenden, unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft eine ausländische Betriebsstätte, für die die DBA-Freistellungsmethode gilt, ist ausschließlich für Zwecke der Ermittlung des Übernahmeergebnisses der gemeine Wert dieses Vermögens anzusetzen (§ 4 Abs. 4 Satz 2 UmwStG, Zuschlag für neutrales Vermögen). Der Zuschlag ist in der Höhe der Differenz zwischen dessen Ansatz in der steuerlichen Schlussbilanz und seinem gemeinen Wert vorzunehmen.2 Mit dieser Regelung im SEStEG sollte eine „Besteuerungslücke“ beseitigt werden: Hätten die Anteilseigner der Kapitalgesellschaft ihre Anteile vor der Verschmelzung veräußert, hätte sich der Wert der ausländischen Betriebsstätte in dem Veräußerungspreis für die Anteile niedergeschlagen und wäre – bei in Deutschland steuerpflichtigen Anteilseignern – von der deutschen Besteuerung erfasst worden. Nach der Verschmelzung ist bei einem Verkauf der Anteile an der Personengesellschaft der auf die Betriebsstätte entfallende Teil des Veräußerungsgewinns steuerfrei. Die Besteuerungslücke wird also dadurch vermieden, dass der Übernahmegewinn erhöht wird, unmittelbar bevor auf der Ebene der Übernehmerin die DBA-Freistellung für das Betriebsstättenvermögen eingreift.3
10.80
Die Vorschrift hat überschießende Wirkung, soweit inländische Steuerpflichtige Anteile an einer ausländischen EU/EWR-Kapitalgesellschaft mit Betriebsstätte in einem nicht DBA-Staat oder mit einer Anrechnungs-Betriebsstätte halten, und die Kapitalgesellschaft auf eine deutsche Personengesellschaft verschmolzen wird: In diesem Fall bestand ein Besteuerungsrecht an den Anteilen, aber nicht an dem Betriebsstättenvermögen; mit der Verschmelzung erlangt Deutschland nunmehr das Be-
10.81
1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.24 (UmwStE 2011); kritisch hierzu Schießl, Der neue UmwStE, 192. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.29 (UmwStE 2011) mit Berechnungsbeispielen. 3 Zu der Frage der EU-Rechtswidrigkeit siehe Pung in D/P/P/M7, § 4 UmwStG Rz. 59 m.w.N.
Henkel
1175
Kapitel 10 Internationale Umwandlungen
steuerungsrecht unmittelbar an dem Betriebsstättenvermögen.1 Diese überschießende Wirkung ist durch teleologische Reduktion zu begrenzen.
10.82 Das hiernach zu ermittelnde Übernahmeergebnis (Übernahmeergebnis erster Stufe) ist gem. § 4 Abs. 5 UmwStG um einen Sperrbetrag nach § 50c EStG zu erhöhen sowie (seit dem SEStEG) um die Bezüge i.S.v. § 7 UmwStG (Ausschüttungsfiktion) zu mindern (Übernahmeergebnis zweiter Stufe).
10.83 Aufgrund der Minderung um die Bezüge i.S.v. § 7 UmwStG entsteht i.d.R. ein Übernahmeverlust zweiter Stufe.2 Dieser bleibt gem. § 4 Abs. 6 UmwStG grundsätzlich außer Ansatz, soweit er auf eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse entfällt, es sei denn, er entfällt auf eine Körperschaft i.S.v. § 8b Abs. 7 oder Abs. 8 Satz 1 KStG. Soweit der Übernahmeverlust auf eine natürliche Person entfällt, ist er zu 60 % zu berücksichtigen.
10.84 Hinsichtlich eines Übernahmegewinns sind § 8b KStG sowie bei natürlichen Personen das Teileinkünfteverfahren anzuwenden.
10.85 Folgende Übersicht soll den Regelungsmechanismus des § 4 Abs. 4 und 5 UmwStG verdeutlichen:3 (Anteiliger) Wert, mit dem die übergegangenen Wirtschaftsgüter zu übernehmen sind + Zuschlag für neutrales Vermögen (Auslandsvermögen) ./. Wert der Anteile an der übertragenden Körperschaft ./. Kosten des Vermögensübergangs = Übernahmeergebnis 1. Stufe + Sperrbetrag i.S.d. § 50c EStG ./. Bezüge i.S.d. § 7 UmwStG =
Übernahmeergebnis 2. Stufe
c) Ebene der Anteilseigner
10.86 Auf der Ebene der Anteilseigner der übertragenden Kapitalgesellschaft ist zu unterscheiden zwischen denjenigen, die Gesellschafter der übernehmenden Personengesellschaft werden, und denjenigen, die nicht an der Verschmelzung teilnehmen. 1 Siehe zum Meinungsstand Pung in D/P/P/M7, § 4 UmwStG Rz. 59 m.w.N. 2 Pung in D/P/P/M7, § 4 UmwStG Rz. 126. 3 Siehe die Tabelle im BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.27 (UmwStE 2011); hinzuweisen ist darauf, dass der Beteiligungskorrekturgewinn nicht zum Übernahmeergebnis gehört und nach den allgemeinen Regeln zu versteuern ist, BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.08 (UmwStE 2011).
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Henkel
B. Verschmelzungen
aa) Anteilseigner werden Gesellschafter der Personengesellschaft Diese Anteilseigner haben gem. § 7 UmwStG die auf sie quotal entfallenden, offenen Rücklagen (Eigenkapital abzüglich des Bestands ihres steuerlichen Einlagekontos i.S.d. § 27 KStG nach Anwendung von § 29 Abs. 1 Nr. 1 KStG) als Einnahmen aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu versteuern (Ausschüttungsfiktion). Dies gilt unabhängig davon, ob für sie ein Übernahmeergebnis zu ermitteln ist.1 Die Einkünfte gelten mit dem Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags als zugeflossen (§ 2 Abs. 2 UmwStG).
10.87
Die Einkünfte i.S.d. § 7 UmwStG unterliegen gem. der Bezugnahme auf § 20 EStG deren allgemeinen Regeln: Handelt es sich bei dem Anteilseigner um eine Körperschaft, greift § 8b KStG ein, handelt es sich um eine natürliche Person, gilt bei Anteilen im Privatvermögen grundsätzlich die Abgeltungssteuer, bei Anteilen im Betriebsvermögen das Teileinkünfteverfahren.2 Die Bezüge i.S.d. § 7 UmwStG unterliegen nach Verwaltungsauffassung dem Kapitalertragsteuerabzug gem. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG.3 Dies gilt grundsätzlich sowohl für unbeschränkt steuerpflichtige wie für beschränkt steuerpflichtige Anteilseigner. Bei beschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern soll eine Abstandnahme von der KapESt nach der MTR nicht zulässig sein;4 es wird daher eine Ausschüttung vor der Umwandlung empfohlen.5 Für diese Anteilseigner ist zudem gem. §§ 4 und 5 UmwStG ein Übernahmeergebnis zu ermitteln, das um die Bezüge i.S.d. § 7 UmwStG zu mindern ist. Das im Wege der gesonderten und einheitlichen Feststellung zugewiesene, anteilige Übernahmeergebnis ist auf der Ebene der Anteilseigner wie folgt zu besteuern: Bei unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigern ist der zugewiesene Anteil am Übernahmegewinn als laufende gewerbliche Einkünfte nach allgemeinen Regeln steuerpflichtig; das bedeutet für den Fall, dass die Anteile funktional einer ausländischen Freistellungs-Betriebsstätte zuzuordnen sind, dass das Übernahmeergebnis
1 Ein Übernahmeergebnis ist nicht für diejenigen Anteileigner zu ermitteln, deren Anteile nicht steuerverhaftet sind, also insbesondere Anteile im Privatvermögen, die nicht unter § 17 EStG fallen. 2 Zur gewerbesteuerlichen Behandlung siehe BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 07.07 i.V.m. Rz. 18.04 (UmwStE 2011). 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 07.08 (UmwStE 2011); Pung in D/P/P/M7, § 7 UmwStG Rz. 18 mit Hinweis auf den Zeitpunkt des Entstehens der KapESt und deren Berücksichtigung in der Bilanz der übertragenden Kapitalgesellschaft. 4 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 07.09 (UmwStE 2011); Pung in D/P/P/M7, § 7 UmwStG Rz. 19 m.w.N. 5 Bogenschütz, Ubg 2009, 604, 609.
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10.88
Kapitel 10 Internationale Umwandlungen
von der Freistellung erfasst wird.1 Bei beschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern folgt die Steuerpflicht aus § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG. Sind die Anteile funktional einer inländischen Betriebsstätte zuzuordnen, wird die Besteuerung auch im DBA-Fall nicht begrenzt. Sind sie einer ausländischen Freistellungs-Betriebsstätte zuzuordnen, ist auch der anteilige Übernahmegewinn steuerbefreit; in diesem Fall ist der Übernahmegewinn nicht festzustellen.2 bb) Anteilseigner werden nicht Gesellschafter der Personengesellschaft
10.89 Anteilseigner, die vor dem Wirksamwerden der Verschmelzung ausscheiden, auch wenn dies in der Interimszeit zwischen dem steuerlichen Übertragungsstichtag und der Eintragung der Verschmelzung erfolgt, erzielen Veräußerungsgewinne, die nach den allgemeinen Regeln versteuert werden.3 Sie sind insoweit steuerpflichtig, wenn die Anteile zu einem Betriebsvermögen gehören oder wenn es sich um Anteile i.S.d. § 17 EStG handelt. Die Veräußerungsgewinnbesteuerung entsteht mit dem Wirksamwerden der Veräußerung. Dies gilt bei einem Erwerb im Interimszeitraum auch für den Veräußerer; der Erwerber erwirbt allerdings bereits zum steuerlichen Übertragungsstichtag.4
10.90 Die Finanzverwaltung verweist auf ein entsprechendes Berechnungsschema.5 Diese Berechnung ist – ggf. für jeden Gesellschafter getrennt – heranzuziehen.6 2. Verschmelzung ausländischer Kapitalgesellschaft auf ausländische Personengesellschaft (Auslandsverschmelzung mit Inlandsbezug)
10.91 Die Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft, die nach ausländischem Recht errichtet ist und ihren effektiven Verwaltungssitz im Ausland hat (ausländische Kapitalgesellschaft), auf eine Personengesellschaft, die ebenfalls nach ausländischem Recht errichtet ist und ihre effektive Geschäftsleitung im Ausland hat (ausländische Personengesellschaft), richtet sich nicht nach dem UmwG, sondern nach ausländischem Umwandlungsrecht. Da ausländisches Umwandlungsrecht regelmäßig ebenso wie das 1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 07.08 (UmwStE 2011); Pung in D/P/P/M7, § 5 UmwStG Rz. 46. 2 Pung in D/P/P/M7, § 5 UmwStG Rz. 33. Zu beachten sind die Fälle, in denen es anlässlich der Umwandlung zu einer Änderung der funktionalen Zuordnung kommt, siehe dazu Rz. 10.129. 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 02.20 (UmwStE 2011). 4 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 02.21 (UmwStE 2011); Schwahn in Schneider/Ruoff/Sistermann, UmwStE 2011, Rz. 2.57. 5 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 03.27 Beispiel 2 (UmwStE 2011). 6 Schmitt/Schloßmacher, UmwStE 2011, 122.
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Henkel
B. Verschmelzungen
deutsche UmwG Verschmelzungen von Kapitalgesellschaften auf Personengesellschaften zulässt, wird nachstehend davon ausgegangen, dass eine Auslandsverschmelzung vorliegt, die mit einer Inlandsverschmelzung vergleichbar ist. Wird eine ausländische Kapitalgesellschaft auf eine ausländische Personengesellschaft verschmolzen, ergeben sich steuerliche Folgen zunächst nach dem ausländischen Steuerrecht. Inländisches Steuerrecht ist zum einen dann berührt, wenn die ausländische Kapitalgesellschaft eine inländische Betriebsstätte hat, und zum anderen, wenn an der ausländischen Kapitalgesellschaft inländische Anteilseigner beteiligt sind.
10.92
a) Inländische Betriebsstätte Die Auslandsverschmelzung führt zu einem Rechtsträgerwechsel, der nach allgemeinen Grundsätzen die Realisierung stiller Reserven auslöst (siehe Rz. 10.8). Demzufolge werden die stillen Reserven in der inländischen Betriebsstätte gehoben und unterliegen gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG der inländischen Besteuerung. Die Besteuerung kann nur vermieden werden, wenn eine entsprechende Ausnahmeregelung eingreift.
10.93
Handelt es sich um eine Verschmelzung innerhalb der EU bzw. des EWR, richten sich die steuerlichen Folgen nach §§ 3 ff. UmwStG. Die inländische Besteuerung der stillen Reserven kann daher vermieden werden, wenn das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der übergegangenen Wirtschaftsgüter bei den Anteilseignern der übernehmenden ausländischen Personengesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UmwStG). Das ist i.d.R. der Fall, und zwar unabhängig davon, ob ein DBA eingreift oder nicht.1
10.94
Findet die Verschmelzung in einem Drittstaat statt, findet das deutsche UmwStG keine Anwendung. Es ist daher zu klären, ob eine Ausnahme von der Besteuerung gem. § 12 KStG eingreift. Es ist unklar, ob die Entstrickungsregelung des § 12 Abs. 1 KStG auf die Verschmelzung einer ausländischen Kapitalgesellschaft auf eine ausländische Personengesellschaft Anwendung findet. Nach ihrem Wortlaut kann die Vorschrift auch auf beschränkt steuerpflichtige Körperschaften Anwendung finden, da im Wortlaut eine Beschränkung auf unbeschränkt Steuerpflichtige nicht enthalten ist. Der Wortlaut beschränkt sich auch nicht auf Überführungen, die ohne Rechtsträgerwechsel vollzogen werden; es sollte daher zulässig sein, auch die verschmelzungsbedingte Übertragung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge unter den Wortlaut zu fassen. Dagegen spricht indes der systematische Zusammenhang: § 12 Abs. 2 KStG regelt ausdrücklich den Fall der Vermögensübertragung durch beschränkt steuerpflichtige
10.95
1 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 17.191.
Henkel
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Kapitel 10 Internationale Umwandlungen
Körperschaften im Wege der Verschmelzung und begrenzt die Steuerneutralität auf den Übergang auf eine andere Körperschaft.1 Dies spricht dafür, die Verschmelzung auf eine ausländische Personengesellschaft abschließend nach § 12 Abs. 2 KStG zu beurteilen und nicht in § 12 Abs. 1 KStG hineinzulesen.2 Es sollte daher bei der Verschmelzung einer ausländischen Kapitalgesellschaft auf eine ausländische Personengesellschaft mit inländischer Betriebsstätte im Vorfeld der Verschmelzung geprüft werden, ob zunächst eine Verschmelzung auf eine Kapitalgesellschaft in Betracht kommt. b) Inländische Anteilseigner
10.96 Der Austausch der Anteile an der ausländischen Kapitalgesellschaft in Anteile an der ausländischen Personengesellschaft führt nach allgemeinen Realisierungsgrundsätzen zu einer Aufdeckung der in den Anteilen enthaltenen stillen Reserven. Ist eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft an der ausländischen Kapitalgesellschaft beteiligt, greift § 8b KStG ein, bei Anteilen von natürlichen Personen ist das Teileinkünfteverfahren anzuwenden. Eine DBA-Steuerfreistellung kann eingreifen, wenn die Anteile funktional einer ausländischen Freistellungs-Betriebsstätte zuzuordnen sind.
10.97 Handelt es sich um eine Verschmelzung in der EU bzw. im EWR, greifen die Regelungen des § 3 ff. UmwStG ein. Da auch in diesem Fall i.d.R. das deutsche Besteuerungsrecht nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird, können die Buchwerte fortgeführt werden. Für die Ermittlung des Übernahmeergebnisses verweist die Finanzverwaltung auf eine ausführliche Beispielsrechnung.3
10.98 Findet die Verschmelzung in einem Drittstaat statt, ist das UmwStG nicht anzuwenden. Auch scheidet eine Steuerneutralität nach § 12 KStG i.V.m. § 13 UmwStG aus.4 3. Grenzüberschreitende Verschmelzungen von Kapitalgesellschaften auf Personengesellschaften (Hinausverschmelzung und Hereinverschmelzung)
10.99 Die grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Personengesellschaften (Hinausverschmelzung und Hereinverschmelzung) sind vom UmwG nicht erfasst. §§ 3 ff. UmwStG finden auf diese Vorgänge daher keine Anwendung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UmwStG). Zwar ist davon auszugehen, dass eine grenzüberschreitende Verschmelzung unter Beru1 Lambrecht in Gosch2, § 12 KStG Rz. 55 a.E. 2 A.A. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 17.193 m.w.N. 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.24 Beispiel 2 (UmwStE 2011). 4 § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG betrifft nur die Anteilseigner einer aufnehmenden Kapitalgesellschaft.
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Henkel
B. Verschmelzungen
fung auf die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) gestützt werden kann,1 in der Praxis hat dies jedoch derzeit keine Relevanz. Ersatzkonstruktionen sind daher die Betriebsübertragung oder die Anteilsübertragung (im Falle einer 100 %-Beteiligung) durch Einbringung und anschließende Liquidation der Kapitalgesellschaft.2 Deren steuerliche Folgen richten sich nach §§ 24 UmwStG bzw. (im Fall einer inländischen Kapitalgesellschaft) nach § 11 KStG.
II. Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Kapitalgesellschaften 1. Verschmelzung inländischer Kapitalgesellschaft auf inländische Kapitalgesellschaft (Inlandsverschmelzung mit Auslandsbezug) Die Verschmelzung von inländischen Kapitalgesellschaften unterliegt nach deutschem internationalem Gesellschaftsrecht dem deutschen Umwandlungsrecht. Der hiernach anzuwendende § 2 UmwG regelt den Übergang im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nicht nur für das inländische Vermögen, sondern auch für im Ausland belegene Vermögensgegenstände. Erkennt der ausländische Staat den Vermögensübergang im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auch für die auf seinem Gebiet belegenen Vermögensgegenstände an, ist in diesem Staat keine darüber hinausgehende Einzelübertragung erforderlich.3 Auch der Übergang der Anteile des Anteilseigners von der übertragenden Kapitalgesellschaft auf Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft erfolgt nach dem deutschen Umwandlungsrecht, unabhängig davon, ob der Anteilseigner im Inland oder im Ausland ansässig ist.
10.100
Steuerlich ist zwischen der Ebene der übertragenden Kapitalgesellschaft, der übernehmenden Kapitalgesellschaft und der Ebene der Anteilseigner zu unterscheiden.
10.101
a) Ebene der übertragenden Kapitalgesellschaft Der Übergang des Vermögens von der übertragenden Kapitalgesellschaft auf die übernehmende Kapitalgesellschaft führt als entgeltlicher Rechtsträgerwechsel bereits nach allgemeinen Regeln zu einer Gewinnrealisierung. Gemäß der spezielleren Regelung des § 11 Abs. 1 UmwStG hat die übertragende Kapitalgesellschaft in ihrer steuerlichen Schlussbilanz für
1 EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-411/03 – SEVIC Systems AG, EuGHE 2005, I-10805 = GmbHR 2006, 140; in diesem Fall können die §§ 3 ff. UmwStG Anwendung finden, wenn die Umwandlung gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UmwStG als „vergleichbarer Vorgang“ anzusehen ist. 2 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 17.75 ff. und 17.91 ff. 3 Anderenfalls sind Einzelübertragungen nach ausländischem Recht vorzunehmen, siehe Rz. 10.58.
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10.102
Kapitel 10 Internationale Umwandlungen
diesen Übergang grundsätzlich den gemeinen Wert anzusetzen. Auf Antrag kann sie stattdessen gem. § 11 Abs. 2 Satz 1 UmwStG die steuerlichen Buchwerte oder Zwischenwerte ansetzen, soweit – die spätere Besteuerung mit Körperschaftsteuer sichergestellt ist, – das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgüter bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird und – eine Gegenleistung nicht gewährt wird oder in Gesellschaftsrechten besteht. aa) Sicherstellung der Besteuerung
10.103 Bei der Verschmelzung auf eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft ist die Besteuerung mit Körperschaftsteuer grundsätzlich sichergestellt.1 Eine Ausnahme kann z.B. bestehen, wenn die Übernehmerin gem. § 5 KStG steuerbefreit ist. Unschädlich ist auch, wenn die Übernehmerin eine Organgesellschaft ist und auf Organträgerebene natürliche Personen beteiligt sind, die der Einkommensteuer unterliegen; nach bestrittener Auffassung der Finanzverwaltung soll dies nur gelten, wenn alle an der Verschmelzung Beteiligten (einschließlich der Anteilseigner der beteiligten Gesellschaften) übereinstimmend schriftlich einverstanden sind.2 Diese Voraussetzung ist insbesondere bei Gesellschaften bei starken, diversifizierten Minderheiten, insbesondere bei ausländischen Anteilseignern, unnötig erschwerend und mangels gesetzlicher Grundlage abzulehnen.3 bb) Ausschluss oder Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts
10.104 Das Wertansatzwahlrecht setzt des Weiteren voraus, dass das deutsche Besteuerungsrecht nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG). Ein Ausschluss liegt vor, wenn das Besteuerungsrecht vollständig entfällt, z.B. durch die Anwendung der Freistellungsmethode; eine Beschränkung liegt vor, wenn ein vor der Verschmelzung
1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 11.07 (UmwStE 2011). 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 11.08 (UmwStE 2011). 3 Das Erfordernis der einheitlichen Erklärung findet sich nicht im Gesetz; es kann auch nicht deswegen in das Gesetz hineingelesen werden, weil nur auf die Körperschaftsteuer und nicht auf die Einkommensteuer verwiesen wird; diese Hürde ist bei Organschaften vielmehr im Wege der teleologischen Auslegung zu überwinden und kann nicht durch eine mit Erschwernissen versehene Billigkeitsregelung ersetzt werden; kritisch auch Schießl, Der neue UmwStE, 225 f. m.w.N.
1182
Henkel
B. Verschmelzungen
bestehendes Besteuerungsrecht mit der Verschmelzung eingeschränkt wird, z.B. durch Anwendung der Anrechnungsmethode.1 (1) Zuordnung der Wirtschaftsgüter Für inländisches Vermögen ist dies unproblematisch, da insoweit keinerlei Entstrickung droht.
10.105
Bei ausländischem Vermögen ist zu unterscheiden: – Gehört das Vermögen zu einer ausländischen Betriebsstätte, die in einem DBA-Staat mit Freistellungsmethode belegen ist (Freistellungs-Betriebsstätte), hatte Deutschland vor der Verschmelzung kein Besteuerungsrecht; es kann daher durch die Umwandlung nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden.2 – Gehört das Vermögen zu einer ausländischen Betriebsstätte in einem Nicht-DBA-Staat oder in einem DBA-Staat mit Anrechnungsmethode, besteht zwar vor der Verschmelzung ein Besteuerungsrecht; wird das Vermögen mit der Verschmelzung jedoch keinem anderen Betriebsstättenregime (Begründung einer Anrechnungspflicht, Anwendung der Befreiungsmethode) zugeordnet, entsteht mit der Verschmelzung keine zusätzliche Beschränkung.3
10.106
(2) Abwärtsverschmelzung mit ausländischem Anteilseigner Grundsätzlich ist es für die Buchwertfortführung unmaßgeblich, ob an der übertragenden Kapitalgesellschaft inländische oder ausländische Anteilseigner beteiligt sind. In beiden Fällen ist auf der Ebene der übernehmenden Kapitalgesellschaft zu prüfen, ob das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Veräußerung der übernommenen Wirtschaftsgüter ausgeschlossen oder beschränkt wird. Nach Ansicht der Finanzverwaltung4 soll es jedoch im Fall einer Abwärtsverschmelzung („Downstream Merger“) darauf ankommen, ob die stillen Reserven in den Anteilen an der
1 Da das Gesetz auf das deutsche „Besteuerungsrecht“ verweist, nimmt es offenkundig Bezug auf die DBA-rechtliche Aufteilung der Besteuerungsrechte. Dies bedeutet, dass auch „Beschränkungen“ und „Ausschlüsse“ nur solche des DBARechts sein können. Ausschlüsse oder Beschränkungen, die sich allein aus innerstaatlichem Recht ergeben, scheiden daher nach hier vertretener Ansicht aus. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 11.09 i.V.m. Rz. 03.19 (UmwStE 2011); Bärwaldt in Haritz/Menner3, § 11 UmwStG Rz. 47 m.w.N. 3 Insoweit kommt es also nicht darauf an, dass der Entstrickungsvorbehalt nach hier vertretener Ansicht im Fall einer Freistellungs-Betriebsstätte tatbestandlich nicht erfüllt ist, siehe Rz. 10.18. 4 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 11.19 (UmwStE 2011); zustimmend Dötsch in D/P/P/M7, § 11 UmwStG Rz. 65 m.w.N.
Henkel
1183
10.107
Kapitel 10 Internationale Umwandlungen
aufnehmenden Gesellschaft auf der Ebene des diese Anteile erwerbenden Anteilseigners gesichert sind oder nicht. Ist der Anteilseigner im Inland ansässig, wird das Besteuerungsrecht hinsichtlich der Anteile an der aufnehmenden Gesellschaft weder ausgeschlossen noch beschränkt. Die Anteile gehen direkt auf den Anteilseigner ohne Durchgangserwerb durch die übertragende Tochtergesellschaft über,1 ein Realisierungsvorgang findet insoweit nicht statt. Veräußert der Anteilseigner die erworbenen Anteile, sind die darin enthaltenen stillen Reserven auf seiner Ebene zu versteuern. Demzufolge kann auch nach Auffassung der Finanzverwaltung in diesem Fall der Buchwert der übergehenden Anteile auf der Ebene des Anteilseigners fortgeführt werden. Ist der Anteilseigner hingegen im Ausland ansässig, soll nach Auffassung der Finanzverwaltung auf der Ebene des Anteilseigners geprüft werden, ob das Besteuerungsrecht hinsichtlich der erworbenen Anteile ausgeschlossen oder beschränkt wird.2 Ein Ausschluss liegt hiernach vor, wenn hinsichtlich dieser Anteile ein DBA (entsprechend Art. 13 Abs. 5 OECDMA) eingreift, nach dem die Gewinne aus der Veräußerung der erworbenen Anteile nur im Ansässigkeitsstaat des Anteilseigners zu versteuern sind.3
10.108 Die Auffassung der Finanzverwaltung ist abzulehnen. Es gibt beim Downstream Merger mit ausländischem Anteilseigner keine gesetzliche Grundlage für die Versagung der Buchwertfortführung.4 Gemäß dem hier diskutierten Entstrickungsvorbehalt gem. § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG ist erforderlich, dass das Besteuerungsrecht der übertragenen Wirtschaftsgüter bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird; es handelt sich also um eine Voraussetzung, die nur hinsichtlich der Wirtschaftsgüter eingreift, die auf die übernehmende Gesellschaft übertragen werden. Werden jedoch – wie bei der Abwärtsverschmelzung – die Anteile an der übernehmenden Gesellschaft nicht auf die übernehmende Gesellschaft, sondern auf den Anteilseigner übertragen, findet der Entstrickungsvorbehalt keine Anwendung. Vielmehr läuft diese Voraussetzung ins Leere mit der Folge, dass keine Beschränkung des Besteuerungsrechts eintritt.5
1 So nun auch die Finanzverwaltung im BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 11.18 (UmwStE 2011). 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 11.19 (UmwStE 2011); Sistermann in Drüen/Hruschka/Kaeser/Sistermann, Beihefter zu DStR 2/2012, 9. 3 Siehe Ruoff in Schneider/Ruoff/Sistermann, UmwStE 2011, Rz. 11.28. 4 Kessler/Philipp, DB 2011, 1658; Schönfeld, IStR 2011, 497; Schmitt/Schloßmacher, DStR 2010, 673; Ruoff in Schneider/Ruoff/Sistermann, UmwStE 2011, Rz. 11.29 jeweils m.w.N. 5 A.A. Dötsch, in D/P/P/M7, § 11 UmwStG Rz. 65, der insoweit von der Nicht-Erfüllung einer die Buchwertfortführung erforderlichen Voraussetzung ausgeht.
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Henkel
B. Verschmelzungen
b) Ebene der übernehmenden Kapitalgesellschaft Die übernehmende Kapitalgesellschaft hat das auf sie übergehende Vermögen mit den in der steuerlichen Schlussbilanz enthaltenen Werten zu übernehmen (§ 12 Abs. 1 UmwStG). Durch diese Wertverknüpfung wird erreicht, dass die in den übergehenden Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven auf der Ebene der übernehmenden Gesellschaft steuerverhaftet bleiben. Ein Übernahmegewinn bleibt außer Ansatz (§ 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG). Soweit die übernehmende Gesellschaft an der übertragenden Gesellschaft beteiligt ist (Aufwärtsverschmelzung), greift § 8b KStG ein (mit der Folge der Anwendung der 5 %igen nichtabzugsfähigen Aufwendungen). Hinsichtlich der steuerlichen Behandlung auf der Ebene der übernehmenden Gesellschaft ist unmaßgeblich, ob die Wirtschaftsgüter einer inländischen oder einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind oder ob an der übertragenden Gesellschaft ausländische Anteilseigner beteiligt sind.1
10.109
c) Ebene der Anteilseigner aa) Inländische Anteilseigner Im Inland ansässige Anteilseigner haben ein Wertansatzwahlrecht, nach dem sie die Anteile an der übernehmenden Gesellschaft mit dem gemeinen Wert oder auf Antrag mit dem Buchwert der Anteile an der übertragenden Gesellschaft ansetzen können (§ 13 Abs. 2 Satz 1 UmwStG). Diese Regelung gilt nur für Anteile im Betriebsvermögen bzw. für Anteile i.S.v. § 17 Abs. 1 EStG; für andere Anteile gilt § 20 Abs. 4a EStG. Das Wahlrecht des Anteilseigners ist unabhängig davon, ob auf der Ebene der übertragenden Gesellschaft die Buchwertfortführung gewählt wird.2 Soweit im Falle der Aufwärtsverschmelzung die übernehmende Gesellschaft an der übertragenden Gesellschaft beteiligt ist, ist § 13 UmwStG nicht anwendbar.3 Der Entstrickungsvorbehalt gem. § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG steht bei unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern der Buchwertfortführung nicht entgegen.
10.110
bb) Ausländische Anteilseigner Anteilseigner, die im Inland nicht unbeschränkt steuerpflichtig sind (ausländische Anteilseigner), sind gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG (im Falle der Zugehörigkeit zu einer inländischen Betriebsstätte) bzw. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG (im Falle einer wesentlichen Beteiligung i.S.v. § 17 EStG ohne inländische Betriebsstätte) mit Gewinnen aus der Veräußerung der erworbenen Anteile an der inländischen Kapitalgesellschaft 1 Schießl, Der neue UmwStE, 56. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 13.08 (UmwStE 2011). 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 13.01 Satz 2 (UmwStE 2011).
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1185
10.111
Kapitel 10 Internationale Umwandlungen
im Inland beschränkt steuerpflichtig. Die beschränkte Steuerpflicht wird i.S.v. § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG durch die Umwandlung ausgeschlossen oder beschränkt, wenn der Anteilseigner in einem DBA-Staat ansässig ist, mit dem eine Art. 13 Abs. 5 OECD-MA entsprechende Regelung getroffen ist, nach der der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen ausschließlich im Ansässigkeitsstaat des Anteilseigners besteuert werden kann. 2. Verschmelzung ausländischer Kapitalgesellschaft auf ausländische Kapitalgesellschaft (Auslandsverschmelzung mit Inlandsbezug)
10.112 Werden ausländische Kapitalgesellschaften miteinander verschmolzen, ist kollisionsrechtlich nach dem Gesellschaftsstatut des IPR ausländisches Umwandlungsrecht anzuwenden. Das ausländische Umwandlungsrecht bestimmt die Regelungstechnik der Verschmelzung. a) Drittstaaten-Kapitalgesellschaften
10.113 Die steuerlichen Folgen der Verschmelzung von Kapitalgesellschaften, die nicht in der EU bzw. im EWR gegründet sind und damit nicht in den persönlichen Anwendungsbereich des UmwStG fallen (Drittstaaten-Kapitalgesellschaften), richten sich nicht nach dem UmwStG, sondern nach allgemeinen Vorschriften. Die Besteuerung des Umwandlungsvorgangs auf der Ebene der übertragenden und der übernehmenden Kapitalgesellschaft richtet sich nach ausländischem Steuerrecht. Der Inlandsbezug kann sich daraus ergeben, dass die übertragende Kapitalgesellschaft eine inländische Betriebsstätte hat oder dass an der übertragenden Kapitalgesellschaft inländische Anteilseigner beteiligt sind. aa) Inländische Betriebsstätte
10.114 Hat die übertragende Kapitalgesellschaft eine inländische Betriebsstätte, ist sie mit den Betriebsstättengewinnen im Inland beschränkt steuerpflichtig (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Die Übertragung der Wirtschaftsgüter auf die übernehmende Kapitalgesellschaft ist nach allgemeinen Vorschriften als gewinnrealisierender Vorgang anzusehen (entgeltlicher Rechtsträgerwechsel). Besteht ein DBA mit Freistellungsmethode, kann dieser Gewinn nur im Inland und nicht im Sitzstaat der übertragenden Gesellschaft besteuert werden. Die übertragende Gesellschaft hat das Bewertungswahlrecht gem. § 12 Abs. 2 Satz 1 KStG, wenn die Verschmelzung mit einer Verschmelzung gem. § 2 UmwG vergleichbar ist und insbesondere das deutsche Besteuerungsrecht nicht beschränkt wird. Dies ist erfüllt, wenn die Wirtschaftsgüter vor und nach der Verschmelzung der inländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind. Zu beachten ist, dass § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG nach seinem Wortlaut auf Verschmelzungen in demselben ausländischen Staat beschränkt ist.
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B. Verschmelzungen
bb) Inländische Anteilseigner Sind an der übertragenden Kapitalgesellschaft inländische Steuerpflichtige beteiligt, ist der Übergang des Anteils an der übertragenden Kapitalgesellschaft auf einen Anteil an der übernehmenden Gesellschaft nach allgemeinen Gewinnrealisierungsvorschriften zu beurteilen. Dieser Übergang ist als tauschähnlicher Vorgang anzusehen, der grundsätzlich zu einer Realisierung der in den Anteilen enthaltenen stillen Reserven führt. Besteht ein DBA, nach dem Veräußerungsgewinne entsprechend Art. 13 Abs. 5 OECD-MA nur im Ansässigkeitsstaat des Anteilseigners versteuert werden können, sind die stillen Reserven im Inland zu versteuern. Auf der Ebene der Anteilseigner findet gem. § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG § 13 UmwStG Anwendung.1
10.115
Sind an der übertragenden Gesellschaft zu mehr als 50 % unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner beteiligt und wird die Übertragung im Ausland steuerlich nicht oder nur niedrig besteuert, kann die Hinzurechnungsbesteuerung in den Anwendungsbereich des AStG fallen. Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG findet die Hinzurechnungsbesteuerung aber nur dann statt, soweit die Gesellschaft Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter i.S.d. § 7 Abs. 6a AStG erzielt oder eine REIT-Gesellschaft ist (§ 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG).
10.116
b) EU/EWR-Kapitalgesellschaften Sind die übertragende und die übernehmende Gesellschaft EU- bzw. EWR-Kapitalgesellschaften, ist der persönliche Anwendungsbereich des UmwStG eröffnet (§ 1 Abs. Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UmwStG). Die Auslandsverschmelzung ist mit der inländischen Verschmelzung jedenfalls dann vergleichbar, wenn der übertragende Rechtsträger ohne Liquidation erlischt und neben der Gewährung der Anteile keine oder nur eine geringe Gegenleistung erbracht wird.2 Die Vergleichbarkeit ist entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung darüber hinaus auch dann gegeben, wenn das ausländische Recht keine Gesamtrechtsnachfolge kennt und die Verschmelzung zu dem Ergebnis führt, das einer Verschmelzung entspricht.3 In beiden Fällen richten sich die steuerlichen Folgen nach dem UmwStG.
1 Das sollte entgegen dem Wortlaut nicht nur bei einer Verschmelzung in demselben Drittstaat, sondern auch bei einer Verschmelzung auf eine Kapitalgesellschaft in einem anderen Drittstaat gelten, siehe Schießl, Der neue UmwStE, 82; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 17.200. 2 Schießl, Der neue UmwStE, 58. 3 Schießl, Der neue UmwStE, 58. zur Verschmelzung einer englischen Limited; Widmann in W/M, § 1 UmwStG Rz. 15 ff.
Henkel
1187
10.117
Kapitel 10 Internationale Umwandlungen
aa) Ebene der übertragenden Kapitalgesellschaft
10.118 Die übertragende Gesellschaft hat steuerlich eine Schlussbilanz auf den steuerlichen Übertragungsstichtag aufzustellen; diese ist nur dann entbehrlich, wenn sie nicht für inländische Besteuerungszwecke benötigt wird.1
10.119 Für Wirtschaftsgüter, die vor und nach der Verschmelzung zu einer inländischen Betriebsstätte gehören, wird das deutsche Besteuerungsrecht nicht ausgeschlossen oder beschränkt; der Entstrickungsvorbehalt gem. § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG steht der Buchwertfortführung daher nicht entgegen. Da die Zuordnung der Wirtschaftsgüter nach Ansicht der Finanzverwaltung funktional nach der Zentralfunktion des Stammhauses zu erfolgen hat,2 kann es in Folge der Verschmelzung zu einer Änderung der Zuordnung kommen. Diese Zuordnungsänderung findet als tatsächlicher Vorgang i.d.R. erst nach dem Wirksamwerden der Verschmelzung statt (siehe Rz. 10.129), sodass der zunächst vorzunehmende Buchwertansatz in der steuerlichen Schlussbilanz hierdurch nicht berührt wird. Ob aufgrund einer späteren faktischen Zuordnungsänderung eine Entstrickung nach allgemeinen Vorschriften eingreift, ist auf der Grundlage der BFH-Rspr. zur Aufgabe der finalen Entnahmetheorie zu verneinen (siehe Rz. 10.16 ff.). Denn es ist auch in dem Fall der beschränkten Steuerpflicht nicht davon auszugehen, dass die bis zur Zuordnungsänderung entstandenen stillen Reserven nur noch beim ausländischen Stammhaus besteuert werden dürfen; vielmehr gilt auch in diesem Fall, dass die abkommensrechtliche Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte das Besteuerungsrecht für die bisher in der Betriebsstätte entstandenen stillen Reserven nicht ausschließt.3 bb) Ebene der übernehmenden Kapitalgesellschaft
10.120 Die Buchwertfortführung gem. § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG kann nur hinsichtlich des im Inland steuerverhafteten Vermögens Anwendung finden. Das ist bspw. der Fall, wenn die Beteiligung an der übernehmenden Gesellschaft einer inländischen Betriebsstätte zuzurechnen ist. In diesem Fall bleibt das Übernahmeergebnis gem. § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht der übernehmenden Gesellschaft außer Ansatz.4
1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 11.02 i.V.m. Rz. 03.02 (UmwStE 2011). 2 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, zuletzt geändert durch BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 (Betriebsstätten-Erlass). 3 So BFH v. 28.10.2009 – I R 28/08, IStR 2010, 103. 4 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 17.197; Schießl, Der neue UmwStE, 60.
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Henkel
B. Verschmelzungen
cc) Ebene der Anteilseigner (1) Inländische Anteilseigner Inländischen Anteilseignern steht grundsätzlich das Wertansatzwahlrecht gem. § 13 Abs. 2 UmwStG zu. Der Entstrickungsvorbehalt gem. § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG steht bei unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern der Buchwertfortführung nicht entgegen, wenn das Besteuerungsrecht an den Anteilen der übernehmenden Gesellschaft weder ausgeschlossen noch beschränkt wird. In der Regel findet ein solcher Ausschluss bzw. eine solche Beschränkung nicht statt; wird jedoch bspw. eine belgische Gesellschaft auf eine tschechische Gesellschaft verschmolzen, steht das Besteuerungsrecht gem. Art. 13 Abs. 3 DBA-Tschechien Tschechien zu, Deutschland muss die tschechische Steuer gem. Art. 23 Abs. 1 Buchst. b) Nr. 3 DBA-Tschechien anrechnen. Gleichwohl kann die Buchwertfortführung gewählt werden, da ein Fall des Art. 8 Abs. 6 FRL vorliegt, der gem. § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG die Buchwertfortführung zulässt.1
10.121
(2) Ausländische Anteilseigner Sind die Anteilseigner im Ausland ansässig, ist deutsches Steuerrecht nicht berührt, es sei denn, die Anteile sind einer inländischen Betriebsstätte zuzuordnen. In diesem Fall steht dem Anteilseigner das Wertansatzwahlrecht gem. § 13 Abs. 2 UmwStG im Rahmen seiner beschränkten Steuerpflicht zu.2
10.122
3. Verschmelzung einer inländischen Kapitalgesellschaft auf eine ausländische Kapitalgesellschaft (Hinausverschmelzung) a) Verschmelzung einer inländischen Kapitalgesellschaft auf eine Kapitalgesellschaft in einem Nicht-EU/EWR-Staat (DrittstaatenHinausverschmelzung) Das deutsche Umwandlungsrecht enthält keine Regelung für eine Hinausverschmelzung auf eine Kapitalgesellschaft in einem Drittstaat. Dies schließt nicht aus, dass das Sachrecht der ausländischen Gesellschaft eine solche Verschmelzung zulässt. Ebenso kann sich aus Staatsverträgen eine Verpflichtung zur Gleichbehandlung mit den Regelungen der §§ 122a ff. UmwG ergeben.3
1 Ob es ratsam ist, in diesem Fall die Buchwertfortführung zu wählen, ist angesichts der drohenden Doppelbesteuerung zu prüfen, siehe dazu Schießl, Der neue UmwStE, 61. 2 Schießl, Der neue UmwStE, 64. 3 Das betrifft insbesondere die USA, siehe Heckschen in W/M, § 122a UmwG Rz. 89; Heckschen in W/M, § 122b UmwG Rz. 79 ff.; gegen eine Erweiterung des Anwendungsbereichs auf der Grundlage von Staatsverträgen Kindler in MünchKommBGB IntGesR, Rz. 914.
Henkel
1189
10.123
Kapitel 10 Internationale Umwandlungen
10.124 Steuerlich richtet sich die Drittstaaten-Hinausverschmelzung nach § 12 Abs. 1 KStG; das UmwStG ist nicht anwendbar.1 b) Verschmelzung einer inländischen Kapitalgesellschaft auf eine Kapitalgesellschaft in einem EU/EWR-Staat (EU/EWRHinausverschmelzung)
10.125 Umwandlungsrechtlich ist die Hinausverschmelzung auf eine EU/EWRKapitalgesellschaft in § 122a ff. UmwG geregelt. Der übertragende Rechtsträger ist in diesem Fall eine Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland. Der übernehmende Rechtsträger ist eine EU/ EWR-Kapitalgesellschaft.2 Steuerlich ist auf die Hinausverschmelzung das UmwStG anzuwenden, wenn die aufnehmende EU/EWR-Kapitalgesellschaft ihren Sitz und ihre Geschäftsleitung in einem oder in verschiedenen EU/EWR-Staaten hat (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG).3 aa) Ebene der übertragenden Kapitalgesellschaft
10.126 Die übertragende Kapitalgesellschaft kann in ihrer Schlussbilanz das Bewertungswahlrecht gem. § 11 Abs. 2 UmwStG ausüben, soweit mit der Umwandlung das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgüter bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist. Hierfür sind folgende Fallgestaltungen zu unterscheiden: (1) Inländische Betriebsstätte
10.127 Soweit Wirtschaftsgüter vor und nach der Verschmelzung einer inländischen Betriebsstätte zuzuordnen4 sind, bleibt die deutsche Besteuerung für Veräußerungen der Wirtschaftsgüter erhalten. Es findet nur ein Wechsel von der unbeschränkten Steuerpflicht der übertragenden Gesellschaft zur beschränkten Steuerpflicht der übernehmenden Gesellschaft statt.
1 Dies gilt auch für eine Hinausverschmelzung auf eine EU/EWR-Gesellschaft mit Satzungssitz in der EU bzw. im EWR und Ort der Geschäftsleitung in einem Drittstaat, Schießl, Der neue UmwStE, 81 m.w.N. 2 Schießl, Der neue UmwStE, 69 f. 3 Widmann in W/M, § 1 UmwStG Rz. 27 ff. 4 Es ist zu beachten, dass die Durchführung der Verschmelzung als solche keine Änderung der Zuordnung bewirkt, BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 11.09 i.V.m. Rz. 03.20 (UmwStE 2011); siehe auch Schießl, Der neue UmwStE, 70; zur Zuordnungsänderung aufgrund faktischer Umstände siehe Rz. 10.129.
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B. Verschmelzungen
(2) Ausländische Betriebsstätte Soweit Wirtschaftsgüter vor und nach der Verschmelzung einer ausländischen Betriebsstätte außerhalb des Ansässigkeitsstaats der übernehmenden Gesellschaft zuzuordnen sind, ist zu unterscheiden:
10.128
– Ist die Betriebsstätte in einem DBA-Staat belegen, mit dem die Freistellungsmethode vereinbart ist (Freistellungs-Betriebsstätte), bestand vor der Verschmelzung kein Besteuerungsrecht, das durch die Verschmelzung hätte ausgeschlossen oder beschränkt werden können. Der Entstrickungsvorbehalt greift also nicht ein. – Ist die Betriebsstätte in einem Nicht-DBA-Staat oder in einem DBAStaat mit Anrechnungsmethode (außerhalb der EU) belegen (Nicht-EUAnrechnungs-Betriebsstätte), wird die zuvor auf der Ebene der übertragenden Gesellschaft bestehende Besteuerung ausgeschlossen, da die übernehmende Gesellschaft in Deutschland nicht mit ihrer ausländischen Betriebsstätte im Inland steuerpflichtig ist. Dies wird allgemein als Ausschluss des deutschen „Besteuerungsrechts“ angesehen mit der Folge, dass mangels Erfüllung des Entstrickungsvorbehalts eine Buchwertfortführung nicht möglich ist.1 – Ist die Betriebsstätte in einem DBA-Staat mit Anrechnungsmethode (innerhalb der EU) belegen (EU-Anrechnungs-Betriebsstätte), ist die ggf. anfallende KSt gem. Art. 10 Abs. 2 FRL um eine fiktive ausländische Steuer zu ermäßigen (§ 11 Abs. 3 i.V.m. § 3 Abs. 3 UmwStG).2 (3) Zuordnungsänderung Nach Verwaltungsmeinung3 soll die grenzüberschreitende Verschmelzung für sich genommen die abkommensrechtliche Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu einer inländischen oder ausländischen Betriebsstätte
1 Allg. Meinung, siehe nur Schießl, Der neue UmwStE, 73 f.; bei wörtlicher Auslegung des Begriffs „Besteuerungsrecht“ kann man hierin jedoch Zweifel haben: Mit diesem Begriff wird auf die abkommensrechtliche Ebene verwiesen, denn nur auf Abkommensebene werden Besteuerungsrechte zugeordnet; im innerstaatlichen Recht hat dieser Begriff keine eigene Anknüpfung. Wird die ausländische Betriebsstätte aufgrund der Verschmelzung nicht mehr der übertragenden, sondern der übernehmenden Gesellschaft zugeordnet, die im Inland nur beschränkt steuerpflichtig ist, entfällt die inländische Besteuerung nicht aufgrund des Abkommensrechts, sondern weil die inländische beschränkte Steuerpflicht gem. § 49 EStG die ausländische Betriebsstätte nicht erfasst. Es spricht also einiges dafür, die nach innerstaatlichem Recht eintretende Nichterfassung ausländischer Betriebsstätten nicht als Ausschluss des „Besteuerungsrechts“ i.S.v. § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG anzusehen. 2 Widmann in W/M, § 3 UmwStG Rz. R 564.1; Dötsch/Pung, DB 2006, 2704; Schießl, Der neue UmwStE, 75 f. 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 11.09 i.V.m. Rz. 03.20 (UmwStE 2011).
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10.129
Kapitel 10 Internationale Umwandlungen
nicht ändern. Jedoch sollen die Grundsätze des Betriebsstätten-Erlasses1 maßgebend sein. Aufgrund der darin enthaltenen Zuordnung von Wirtschaftsgütern nach der „Zentral-Funktion des Stammhauses“ soll eine Zuordnungsänderung eintreten, wenn die funktionale Zuordnung zu der inländischen Betriebsstätte nicht mehr gegeben ist. Das betrifft insbesondere die Zuordnung von Beteiligungen und immateriellen Wirtschaftsgütern. Die inzwischen wohl überwiegende Meinung trennt zwischen einer Entstrickung, die sich auf rechtlicher Grundlage aufgrund der Umwandlung einstellt und einer Zuordnungsänderung, die erst auf tatsächlicher Grundlage nach Wirksamwerden der Umwandlung eintritt.2 Auf die erstgenannte Entstrickung sind die Entstrickungsvorbehalte des UmwStG anzuwenden, auf die zweitgenannte die allgemeinen Entstrickungsregelungen (§ 4 Abs. 1 Satz 3 f. EStG, § 12 Abs. 1 KStG). Der Unterschied besteht darin, dass nur die allgemeinen Entstrickungsregelungen das „Regelbeispiel“ enthalten, nach dem die Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte (ohne Rechtsträgerwechsel) als Realisierungsvorgang anzusehen ist. Auf die Wirtschaftsgüter einer inländischen Betriebsstätte lässt sich dieses Regelungskonzept im Fall der Hinausverschmelzung indes nicht anwenden: Die umwandlungsrechtlichen Entstrickungstatbestände finden keine Anwendung, da die Verschmelzung allein keine Zuordnungsänderung begründet und daher die Wirtschaftsgüter vor und nach der Verschmelzung der inländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind. Die allgemeinen Entstrickungsregelungen scheitern nach der hier vertretenen Auffassung daran, dass es nicht zu dem nach dem Regelbeispiel in § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG geforderten Ausschluss der deutschen Besteuerung kommt und auch das Regelbeispiel hieran nichts ändert. Die Zuordnungsänderung ist ein allein das innerstaatliche Recht betreffender Vorgang. Das abkommensrechtliche „Besteuerungsrecht“, auf das in den Entstrickungsregelungen verwiesen wird, wird hierdurch nicht tangiert. Es stünde dem deutschen Gesetzgeber frei, die Besteuerung der stillen Reserven anzuordnen, was er mit der verwinkelten Struktur des Regelbeispiels – wohl entgegen seiner Intention (siehe Rz. 10.18) – nicht umgesetzt hat. bb) Ebene der übernehmenden Kapitalgesellschaft
10.130 Die übernehmende Gesellschaft hat die auf sie übergehenden Wirtschaftsgüter gem. § 12 Abs. 1 UmwStG mit den Wertansätzen der übertragenden Gesellschaft anzusetzen. Dies gilt unabhängig davon, dass sie
1 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, zuletzt geändert durch BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 (Betriebsstätten-Erlass). 2 Dötsch in D/P/P/M7, § 11 UmwStG Rz. 57 ff. m.w.N. zum „Leerlaufen“ der im UmwStG enthaltenen Entstrickungsvorschriften; Schönfeld, IStR 2011, 497; grundsätzlich ebenso Schießl, Der neue UmwStE, 70 ff. mit Differenzierung nach dem Zeitpunkt der Eintragung.
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B. Verschmelzungen
im Inland nur mit der inländischen Betriebsstätte beschränkt steuerpflichtig ist. Für die Ermittlung des Übernahmeergebnisses ist § 12 UmwStG anzuwenden. Nach dessen Satz 1 bleibt das Übernahmeergebnis grundsätzlich außer Ansatz; soweit die übernehmende Gesellschaft an der übertragenden Gesellschaft beteiligt ist (Aufwärtsverschmelzung), greift grundsätzlich § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG ein, der für den Fall des Übernahmegewinns die Anwendung von § 8b KStG anordnet.1 cc) Ebene der Anteilseigner (1) Inländische Anteilseigner Der inländische Anteilseigner hat i.d.R. das Wertansatzwahlrecht aus § 13 UmwStG (Buchwert oder gemeiner Wert, ein Zwischenwert ist nicht zugelassen). Dies gilt gem. § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG für den Fall, dass das Besteuerungsrecht hinsichtlich der Anteile nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird, anderenfalls folgt das Bewertungswahlrecht aus § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG i.V.m. Art. 8 FRL.2
10.131
(2) Ausländische Anteilseigner Ist der ausländische Anteilseigner in einem DBA-Staat ansässig und sieht das DBA die ausschließliche Besteuerung von Veräußerungsgewinnen gem. Art. 13 Abs. 4 OECD-MA im Ansässigkeitsstaat vor, bestand schon vor der Verschmelzung kein inländisches Besteuerungsrecht, das durch die Verschmelzung ausgeschlossen oder beschränkt werden konnte. Bei einer Verschmelzung auf eine Gesellschaft in Tschechien, der Slowakei oder Zypern steht das Besteuerungsrecht zwar dem Ansässigkeitsstaat der übernehmenden Gesellschaft zu, aber auch hier verliert Deutschland kein Besteuerungsrecht.3 Inländisches Besteuerungsrecht ist jedoch betroffen, wenn die Anteile einer inländischen Betriebsstätte zuzurechnen sind oder der Anteilseigner in einem Nicht-DBA-Staat ansässig ist; in diesem Fall greift i.d.R. das Wertansatzwahlrecht ein.4
1 Dies gilt indes nur, wenn die übernehmende Gesellschaft mit den Anteilen an der übertragenden Gesellschaft in Deutschland steuerpflichtig ist, siehe Schießl, Der neue UmwStE, 77. 2 Siehe näher Dötsch in D/P/P/M7, § 13 UmwStG Rz. 42 f.; es kommt jedoch im Zeitpunkt der späteren Veräußerung zu einer Doppelbesteuerung, siehe Schießl, Der neue UmwStE, 78. 3 Zu dem Ausnahmefall des EWR-Staats Norwegen siehe Dötsch in D/P/P/M7, § 13 UmwStG Rz. 44. 4 Siehe näher Schießl, Der neue UmwStE, 78 f.
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10.132
Kapitel 10 Internationale Umwandlungen
4. Verschmelzung einer ausländischen Kapitalgesellschaft auf eine inländische Kapitalgesellschaft (Hereinverschmelzung) a) Verschmelzung einer ausländischen Kapitalgesellschaft aus einem Nicht-EU/EWR-Staat auf eine inländische Kapitalgesellschaft (Drittstaaten-Hereinverschmelzung
10.133 Die Hereinverschmelzung einer Nicht-EU/EWR-Kapitalgesellschaft auf eine inländische Kapitalgesellschaft ist im UmwG nicht vorgesehen. Möglicherweise kann die Verschmelzung auf der Grundlage von Gleichstellungsregelungen in Staatsverträgen vorgenommen werden (siehe Rz. 10.123).
10.134 Steuerlich findet auf die Hereinverschmelzung einer Nicht-EU/EWR-Kapitalgesellschaft das UmwStG keine Anwendung, sie vollzieht sich vielmehr nach allgemeinen Regeln. Es findet ein Wechsel von der beschränkten Steuerpflicht der übertragenden Gesellschaft zu der unbeschränkten Steuerpflicht der übernehmenden Gesellschaft statt. Die stillen Reserven in Wirtschaftsgütern, die der inländischen Betriebsstätte der ausländischen Kapitalgesellschaft zuzuordnen sind, werden im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG) nach allgemeinen Regeln versteuert (entgeltlicher Rechtsträgerwechsel, siehe Rz. 10.8 f.). Dem Bewertungswahlrecht gem. § 12 Abs. 2 Satz 1 KStG steht der Wortlaut entgegen, der eine Verschmelzung in demselben ausländischen Staat erfordert.1 Dies erscheint nicht sachgerecht, da die stillen Reserven im Inland steuerverhaftet bleiben. Vielmehr sollte die Vorschrift auch für Hereinverschmelzungen gelten. Dies gilt auch für die Ebene der Anteilseigner. Die in § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG angeordnete Anwendung des § 13 UmwStG gilt nach dem Wortlaut des § 12 Abs. 2 KStG ebenfalls nur bei Verschmelzungen in demselben Drittstaat. b) Verschmelzung einer ausländischen EU/EWR-Kapitalgesellschaft auf eine inländische Kapitalgesellschaft (EU/EWR-Hereinverschmelzung)
10.135 Die EU/EWR-Hereinverschmelzung kann gem. § 122a ff. UmwG vollzogen werden.
10.136 Steuerlich ist auf die Hereinverschmelzung das UmwStG anzuwenden, wenn die übertragende EU/EWR-Kapitalgesellschaft ihren Sitz und ihre Geschäftsleitung in einem oder in verschiedenen EU/EWR-Staaten hat (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 UmwStG). aa) Ebene der übertragenden Kapitalgesellschaft
10.137 Die übertragende Kapitalgesellschaft hat gem. § 11 Abs. 2 UmwStG eine Schlussbilanz aufzustellen, in der sie das Bewertungswahlrecht einheitlich für das inländische und ausländische Vermögen ausüben muss. Die 1 Siehe Lambrecht in Gosch2, § 12 KStG Rz. 53.
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B. Verschmelzungen
Buchwertfortführung wird i.d.R. möglich sein, da entweder vor der Verschmelzung kein Besteuerungsrecht bestand, das aufgrund der Verschmelzung ausgeschlossen oder beschränkt werden könnte, oder es bestand ein deutsches Besteuerungsrecht, das nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird. Kommt es im Zusammenhang mit der Verschmelzung aufgrund faktischer Umstände (siehe Rz. 10.129) zu einer Zuordnungsänderung von der inländischen Betriebsstätte zu einer ausländischen DBA-Freistellungs-Betriebsstätte, ist zu klären, ob die Gewinnrealisierung nach den allgemeinen Entstrickungsgrundsätzen (§ 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG, § 12 Abs. 1 KStG) eintritt. Diese Situation kann sich z.B. ergeben, wenn die aufnehmende Gesellschaft vor der Verschmelzung der übertragenden Gesellschaft Wirtschaftsgüter vermietet hat und diese der nun ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind. Nach der BFH-Rspr. zur Aufgabe der finalen Entnahmetheorie ist in diesem Fall das Besteuerungsrecht Deutschlands an den bis zur Zuordnungsänderung entstandenen stillen Reserven nicht ausgeschlossen oder beschränkt. Nach der hier vertretenen Auffassung begründet das „Regelbeispiel“ keinen Realisierungstatbestand (siehe Rz. 10.18).
10.138
bb) Ebene der übernehmenden Kapitalgesellschaft Auf der Ebene der übernehmenden Gesellschaft ist gem. § 12 Abs. 1 UmwStG die Wertverknüpfung angeordnet. Dies ist jedoch problematisch, wenn im Falle der Buchwertfortführung auch ausländische Wirtschaftsgüter, die bislang nicht im Inland steuerverhaftet waren, zu Buchwerten verstrickt werden. Dies widerspricht dem in § 4 Abs. 1 Satz 7 EStG, § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG geregelten Grundsatz, dass Wirtschaftsgüter im Falle der Verstrickung mit dem gemeinen Wert anzusetzen sind.1 Der Widerspruch ließe sich dadurch auflösen, dass die genannten Verstrickungsregelungen hinsichtlich der erstmals verstrickten Wirtschaftsgüter als lex specialis zu der Regelung der einheitlichen Wertverknüpfung gem. § 12 Abs. 1 UmwStG angesehen werden.2
10.139
Kommt es im Zuge der Verschmelzung aufgrund funktionaler Zuordnung nach dem Betriebsstättenerlass3 zu einer Zuordnungsänderung von einer
10.140
1 Rödder in R/H/vL, § 11 UmwStG Rz. 159 m.w.N.; ihm folgend Dötsch in D/P/P/M7, § 11 UmwStG Rz. 33, ohne allerdings eine Lösung dieses Wertungswiderspruchs anzubieten. 2 So auch Hagemann/Jakob/Ropohl/Viebrock, NWB 2007, Sonderheft 1, 32; a.A. Schießl, Der neue UmwStE, 66 f., der allerdings keine Trennung hinsichtlich der bereits verstrickten und der erstmals verstrickten Wirtschaftsgüter vornimmt; zur erstmaligen Verstrickung von Wirtschaftsgütern bei der Verschmelzung auf Personengesellschaften siehe Rz. 10.61. 3 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, zuletzt geändert durch BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 (Betriebsstätten-Erlass).
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ausländischen DBA-Freistellungs-Betriebsstätte zum (nunmehr) inländischen Stammhaus der übernehmenden Gesellschaft, richtet sich die Besteuerung nicht nach dem UmwStG, sondern nach allgemeinen Regeln. Es findet also eine Verstrickung gem. § 4 Abs. 1 Satz 7 EStG, § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG statt.
10.141 Die übernehmende Kapitalgesellschaft kann gem. § 29 Abs. 2 KStG das steuerliche Einlagekonto der übertragenden Gesellschaft ihrem Einlagekonto hinzurechnen. Da für ausländische Kapitalgesellschaften kein Einlagekonto geführt wird, ist gem. § 29 Abs. 6 KStG an dessen Stelle der Bestand der nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen anzusetzen.1 cc) Ebene der Anteilseigner
10.142 Für inländische Anteilseigner besteht i.d.R. das Bewertungswahlrecht gem. § 13 UmwStG, nach dem der Buchwert oder der gemeine Wert (kein Zwischenwert) angesetzt werden kann. Wird durch die Verschmelzung das inländische Besteuerungsrecht erst begründet,2 ist ebenfalls § 13 UmwStG anzuwenden.3
10.143 Ausländische Anteilseigner mit Sitz in einem DBA-Staat sind i.d.R. mit ihren Anteilen sowohl an der übertragenden als auch an der übernehmenden Gesellschaft im Inland steuerbefreit.4 Soweit das nicht der Fall ist, besteht das Wertansatzwahlrecht gem. § 13 UmwStG auch für den ausländischen Anteilseigner.
C. Spaltung 10.144 Bei der Spaltung von Kapitalgesellschaften bestehen internationale Bezüge in den folgenden Konstellationen: – Inländische Spaltung mit ausländischer Betriebsstätte bzw. ausländischen Anteilseignern (Inlandsspaltung mit Auslandsbezug), – ausländische Spaltung mit inländischer Betriebsstätte bzw. inländischen Anteilseignern (Auslandsspaltung mit Inlandsbezug), – grenzüberschreitende Spaltungen.
1 2 3 4
Siehe dazu Schießl, DStZ 2008, 852. Nach den DBA mit Tschechien, der Slowakei und Zypern. So auch Dötsch in D/P/P/M7, § 11 UmwStG Rz. 64. Ausnahmen gelten für die DBA mit Tschechien, der Slowakei und Zypern.
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C. Spaltung
I. Inlandsspaltung mit ausländischer Betriebsstätte bzw. ausländischen Anteilseignern (Inlandsspaltung mit Auslandsbezug) Das deutsche Umwandlungsrecht regelt in §§ 123 ff. UmwG als Arten der Spaltung von Rechtsträgern die Aufspaltung, die Abspaltung und die Ausgliederung. Gemeinsam ist allen Spaltungsformen, dass der zu spaltende Rechtsträger Vermögen im Wege der (partiellen) Gesamtrechtsnachfolge1 auf einen anderen Rechtsträger überträgt und als Gegenleistung für die Übertragung eine Beteiligung am übernehmenden Rechtsträger erhält. Spaltungen können im Wege der Aufnahme (Übertragung des Teilvermögens auf einen bestehenden Rechtsträger) und im Wege der Neugründung (Übertragung des Teilvermögens auf neu gegründete Rechtsträger) vollzogen werden. Bei der Aufspaltung überträgt ein Rechtsträger in einem Vorgang sein gesamtes Vermögen auf mindestens zwei übernehmende Rechtsträger, erlischt ohne Abwicklungsverfahren und als Gegenleistung für die Vermögensübertragung erhalten die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers Anteile an den übernehmenden Rechtsträgern. Im Gegensatz zur Aufspaltung erlischt der übertragende Rechtsträger bei der Abspaltung nicht, da er nur einen Teil seines Vermögens auf einen oder mehrere Rechtsträger überträgt. Wie bei der Aufspaltung erhalten die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers als Ausgleich für die Teilvermögensübertragung Anteile am übernehmenden Rechtsträger. Die Ausgliederung unterscheidet sich von der Abspaltung insofern, als die Anteile am übernehmenden Rechtsträger als Gegenleistung für die Teilvermögensübertragung nicht den Anteilseignern des übertragenden Rechtsträgers, sondern dem übertragenden Rechtsträger selbst gewährt werden.
10.145
Die steuerlichen Folgen des Vermögensübergangs bei der Spaltung von inländischen Kapitalgesellschaften auf inländische Kapitalgesellschaften richten sich nach § 15 i.V.m. §§ 11–13 UmwStG. Danach kann die Spaltung erfolgsneutral vorgenommen werden, wenn neben den Voraussetzungen der §§ 11–13 UmwStG die besonderen Spaltungsvoraussetzungen, also insbesondere die Teilbetriebsvoraussetzungen, erfüllt sind.
10.146
1. Ebene der übertragenden Gesellschaft Eine Inlandsspaltung ist auf der Ebene der übertragenden Gesellschaft durch entsprechende Wahlrechtsausübung gem. § 15 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 1 UmwStG steuerneutral möglich, wenn – die stillen Reserven des übergehenden Vermögens bei der übernehmenden Gesellschaft der Körperschaftsteuer unterliegen, – das deutsche Besteuerungsrecht an den Gewinnen aus der Veräußerung der Wirtschaftsgüter nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird, – keine Gegenleistung gewährt wird, außer sie besteht in Anteilen, 1 Vgl. zur Gesamtrechtsnachfolge und zur partiellen Sonderrechtsnachfolge bei Spaltungen Hörtnagl in S/H/S, § 131 UmwG Rz. 4 ff.
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10.147
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– die Teilbetriebsvoraussetzungen des § 15 UmwStG erfüllt sind und – die Spaltung keine Veräußerung oder deren Vorbereitung ist (§ 15 Abs. 2 Satz 4 UmwStG).
10.148 Gehört zu dem übertragenen Vermögen eine Auslandsbetriebsstätte, darf das deutsche Besteuerungsrecht nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden. Das ist bei einer Spaltung auf eine inländische Kapitalgesellschaft ebenso wie bei der Verschmelzung auf eine inländische Kapitalgesellschaft i.d.R. erfüllt.
10.149 Es muss ferner sichergestellt sein, dass die Wirtschaftsgüter der Auslandsbetriebsstätte das Teilbetriebserfordernis erfüllen.
10.150 Der Teilbetriebsbegriff ist in § 15 UmwStG nicht definiert. Er richtet sich nach Auffassung der Finanzverwaltung nach der funktionalen Betrachtung des Art. 2j der FRL.1 Im Schrifttum wird differenziert und teils der nationale Teilbetriebsbegriff, teils der Teilbetriebsbegriff der FRL herangezogen. Die Trennlinien verlaufen dabei unterschiedlich: Die h.M. verwendet den nationalen Begriff für inländische Spaltungen, den Teilbetriebsbegriff der FRL für grenzüberschreitende Umstrukturierungen.2 Eine andere Ansicht will den nationalen Teilbetriebsbegriff dann verwenden, wenn er weniger restriktiv ist als der der FRL.3 Weder aus europäischem Primärrecht noch aus der FRL ergibt sich ein Zwang, den europäischen Teilbetriebsbegriff auch innerstaatlich zu verwenden; er kann daher bei Inlandssachverhalten weiterhin nach innerstaatlichem Recht ausgelegt werden. Im Fall einer ausländischen Betriebsstätte in einem EU/EWR-Staat ist hingegen der Teilbetriebsbegriff der FRL heranzuziehen.
10.151 Die ausländische Betriebsstätte kann hiernach einen Teilbetrieb darstellen. Dies gilt unabhängig davon, ob sie in einem DBA-Staat mit Freistellungsmethode liegt oder nicht.4 Im Ausland belegene Wirtschaftsgüter, die nicht der ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind, gehören zum inländischen Stammhaus und müssen zusammen mit dem inländischen Teilbetrieb übertragen werden.5
1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 15.02 (UmwStE 2011); siehe dazu näher Dötsch/Pung in D/P/P/M7, § 15 UmwStG Rz. 61 f.; im Ergebnis ebenso Asmus in Haritz/Menner3, § 15 UmwStG Rz. 60 m.w.N.; Beinert/Benecke, FR 2010, 1009; die funktionale Sicht wird durch BFH v. 7.4.2010 – I R 96/08, BStBl. II 2011, 467, bestätigt. 2 Schießl, Der neue UmwStE, 266 ff.; Schießl in W/M, § 15 UmwStG Rz. 25; Schmitt/Schloßmacher, UmwStE 2011, 192 ff.; Schmitt in S/H/S5, § 20 UmwStG Rz. 82 ff. 3 Schumacher/Neumann, DStR 2008, 325; Menner in Haritz/Menner3, § 20 UmwStG Rz. 100. 4 Dötsch/Pung in D/P/P/M7, § 15 UmwStG Rz. 59. 5 Dötsch/Pung in D/P/P/M7, § 15 UmwStG Rz. 59, m.w.N.
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C. Spaltung
Nach Auffassung der Finanzverwaltung1 müssen bei der Abspaltung so- 10.152 wohl das übertragene als auch das zurückbleibende Vermögen jeweils einen Teilbetrieb darstellen (doppeltes Teilbetriebserfordernis) und alle Wirtschaftsgüter müssen einem dieser Teilbetriebe zuzuordnen sein; es darf keine nicht zuzuordnenden Einzelwirtschaftsgüter (keine neutralen Wirtschaftsgüter) geben.2 Diese Ansicht soll angeblich Missbräuche verhindern,3 ergibt sich aber nicht aus dem Gesetz. Dem zu übertragenden Teilbetrieb sind die Wirtschaftsgüter funktional zuzuordnen; eine darüber hinausgehende Zuordnung von neutralem Vermögen wird seit dem SEStEG nicht gefordert.4 Als Teilbetrieb gilt gem. § 15 Abs. 1 Satz 3 UmwStG auch die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, die das gesamte Nennkapital umfasst, also 100 %-Beteiligungen, es sei denn, die 100 %-Beteiligung ist ihrerseits funktional einem Teilbetrieb zuzuordnen.
10.153
2. Ebene der übernehmenden Gesellschaft Die übernehmende Gesellschaft hat das übergehende Vermögen mit den Schlussbilanz-Werten der übertragenden Gesellschaft anzusetzen;5 hinsichtlich des Vermögens einer ausländischen Betriebsstätte ergeben sich insoweit keine Besonderheiten.
10.154
3. Ebene der Anteilseigner Die steuerliche Behandlung ausländischer Anteilseigner entspricht im Wesentlichen derjenigen bei einer Verschmelzung auf eine inländische Kapitalgesellschaft mit ausländischen Anteilseignern. Insbesondere ist es unschädlich, wenn der Anteilseigner in einem DBA-Staat ansässig ist, der das ausschließliche Besteuerungsrecht an den Anteilen hat, da das Besteuerungsrecht vor und nach der Spaltung nicht bestand und daher nicht verloren gehen konnte.6
1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 15.01 (UmwStE 2011). 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 15.01 (UmwStE 2011); ebenso Dötsch/Pung in D/P/P/M7, § 15 UmwStG Rz. 55 f. m.w.N. 3 Siehe das Beispiel im BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 15.02 (UmwStE 2011). 4 Schießl, Der neue UmwStE, 267; Frotscher in Frotscher/Maas, § 15 UmwStG Rz. 65; Ley/Bodden, FR 2007, 279. 5 Dötsch/Pung in D/P/P/M7, § 15 UmwStG Rz. 237 ff. m.w.N. 6 Dötsch/Pung in D/P/P/M7, § 15 UmwStG Rz. 244.
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10.155
Kapitel 10 Internationale Umwandlungen
II. Ausländische Spaltung mit inländischer Betriebsstätte und inländischen Anteilseignern (Auslandsspaltung mit Inlandsbezug) 10.156 Ausländische Gesellschaften können ihr Vermögen (oder Teile davon) im Rahmen einer Spaltung durch (partielle) Gesamtrechtsnachfolge auf einen anderen Rechtsträger übertragen, wenn das dortige Gesellschaftsrecht solche Vorgänge vorsieht. Kennt das ausländische Umwandlungsrecht keine solchen, mit einer Spaltung gem. §§ 123 ff. UmwG vergleichbaren Gestaltungen, kann ein vergleichbares Ergebnis dadurch erzielt werden, dass anstelle einer Abspaltung eine Sachausschüttung an den Anteilseigner und anstelle einer Aufspaltung eine Liquidation der übertragenden Gesellschaft, jeweils verbunden mit einer Einlage (Kapitalerhöhung) in die übernehmende Gesellschaft, erfolgt.
10.157 Für die Besteuerung der Übertragungs- und Übernahmegewinne/-verluste der übertragenden und der übernehmenden Gesellschaft ist auf das ausländische Steuerrecht abzustellen. Das ausländische Steuerrecht entscheidet auch über die Gewinnermittlung sowie darüber, ob bei den beteiligten Rechtsträgern von einer Besteuerung abgesehen wird.
10.158 Hat die übertragende Kapitalgesellschaft eine inländische Betriebsstätte, ist sie im Falle einer ausländischen Spaltung mit den inländischen Betriebsstättengewinnen im Inland beschränkt steuerpflichtig (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG), da der Übergang der Wirtschaftsgüter von der übertragenden Gesellschaft auf die übernehmende Gesellschaft nach deutschen allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften als gewinnrealisierender Vorgang anzusehen ist (entgeltlicher Rechtsträgerwechsel), siehe Rz. 10.9. Sind sowohl die übertragende als auch die übernehmende Gesellschaft EU/EWR-Gesellschaften, findet § 11 UmwStG Anwendung;1 der Vorgang kann unter den darin aufgestellten Voraussetzungen2 steuerneutral erfolgen.3 Sind an der Spaltung nicht EU/EWR-Gesellschaften beteiligt (Drittstaaten-Spaltung), wird die Gewinnrealisierung nicht durch § 12 Abs. 2 KStG neutralisiert, da diese Vorschrift ausdrücklich nur für Verschmelzungen gilt.4
10.159 Zu inländischen Besteuerungsfolgen kann es bei einer ausländischen Spaltung für den inländischen Anteilseigner kommen, wenn die ausländische Kapitalgesellschaft, an der er beteiligt ist, eine Aufspaltung bzw. Abspaltung vornimmt. Sowohl bei der Abspaltung als auch bei der Aufspaltung liegt ein tauschähnlicher Vorgang vor, da der inländische Anteilseigner jeweils neue Anteile an dem übernehmenden Rechtsträger er1 Dötsch/Pung in D/P/P/M7, § 15 UmwStG Rz. 34. 2 Insbesondere darf das deutsche Besteuerungsrecht nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden (Entstrickungsvorbehalt). 3 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 17.208 unter Verweis auf die Verschmelzungsregeln. 4 Dötsch/Pung in D/P/P/M7, § 15 UmwStG Rz. 9.
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C. Spaltung
wirbt und er im Gegenzug seine bisherige Beteiligung an der übertragenden Gesellschaft aufgibt.1 Folglich kommt es für den inländischen Gesellschafter in diesen Fällen grundsätzlich zu einer Gewinnrealisierung. Im Falle einer Ausgliederung erwirbt demgegenüber die übertragende Gesellschaft selbst Anteile an dem aufnehmenden Rechtsträger, sodass beim inländischen Anteilseigner keine Vermögensübertragung eintritt; er behält seine Anteile an dem übertragenden Rechtsträger. Handelt es sich bei der übertragenden und der übernehmenden Gesellschaft um EU/ EWR-Kapitalgesellschaften, besteht für den inländischen Anteilseigner das Bewertungswahlrecht gem. § 13 Abs. 2 UmwStG.2 Bei DrittstaatenSpaltungen ist die Anwendung von § 13 UmwStG hingegen ausgeschlossen.3 Da die Spaltung aus Sicht des inländischen Anteilseigners in Bezug auf die von ihm gehaltenen Anteile im Fall der Auf- und Abspaltung einen tauschähnlichen Vorgang darstellt,4 sind § 8b Abs. 2 KStG bzw. das Teileinkünfteverfahren gem. des § 3 Nr. 40 EStG grundsätzlich anwendbar.5
III. Grenzüberschreitende Spaltungen Das UmwG enthält keine Regelungen zu grenzüberschreitenden Spaltungen. Diese können daher nicht auf der Grundlage des UmwG vorgenommen werden. Ob die grenzüberschreitende Spaltung auf der Grundlage der europäischen Grundfreiheiten gem. Art. 49 AEUV möglich ist, ist nicht entschieden.6 Für die Praxis besteht für die verfahrensmäßige 1 Wie hier Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 17.208; a.A. Schießl in W/M, § 15 UmwStG Rz. 341; Klingberg/von Lishaut, FR 1999, 1209, die von einer Sachausschüttung an den Anteilseigner und einer anschließenden Einlage in die aufnehmende Gesellschaft ausgehen; differenzierend Dötsch in D/P/P/M7, § 13 UmwStG Rz. 62, der die Unterscheidung zwischen Tausch und Sachausschüttung/Einlage von der steuerlichen Behandlung im Ausland abhängig machen will; nach hier vertretener Ansicht ist an das ausländische Zivilrecht anzuknüpfen: Ist dieses mit einer inländischen Spaltung vergleichbar, liegt ein Tausch vor, anderenfalls kann auch nach deutschem Steuerrecht von einer Sachdividende mit anschließender Einlage ausgegangen werden. 2 Dötsch in D/P/P/M7, § 15 UmwStG Rz. 244. 3 Dötsch in D/P/P/M7, § 15 UmwStG Rz. 244; FG Köln v. 14.8.2008 – 13 K 3592/04, EFG 2008, 1854 (rkr.); Gebhardt/Quilitzsch, IStR 2010, 383. 4 Weber-Grellet in Schmidt31, § 17 EStG Rz. 117. 5 BMF v. 28.4.2003 – I V A 2 - S 2750a - 7/03, BStBl. I 2003, 292 Rz. 23; zur Anwendbarkeit des Korrespondenzprinzips auf die bei einer Seitwärtsabspaltung anteilig entstehende verdeckte Gewinnausschüttung siehe Becker/Loose, IStR 2010, 383. 6 Die h.M. in der Literatur befürwortet zutreffenderweise die Zulässigkeit der grenzüberschreitenden Spaltung, jedenfalls im Falle der Hineinspaltung, mit Hinweis auf die Entscheidung des EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-411/03 – SEVIC Systems AG, EuGHE 2005, I-10805 = GmbHR 2006, 140; Altmeppen/Ego in Münchener Kommentar zum AktG3, B. Europäische Niederlassungsfreiheit, Rz. 73 ff.; Bayer in Lutter/Hommelhoff17, Anh. II zu § 4a GmbHG Rz. 59; Drinhausen in Semler/Stengel3, Einl. C UmwG Rz. 29 ff. und 35; Lutter/Winter, § 1
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10.160
Kapitel 10 Internationale Umwandlungen
Durchführung einer grenzüberschreitenden Spaltung gegenwärtig keine ausreichende Rechtssicherheit. Die steuerrechtlichen Regelungen der FRL,1 die eine steuerneutrale Durchführung grenzüberschreitender Spaltungen erlauben,2 haben daher nur eine geringe Bedeutung.
D. Formwechsel I. Formwechsel inländischer Kapitalgesellschaften 10.161 Das Umwandlungsgesetz regelt in §§ 190 ff. nur den Formwechsel inländischer Rechtsträger. Es geht sowohl bei einem Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine andere Kapitalgesellschaft als auch bei einem Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft von der Identität des Rechtsträgers vor und nach dem Formwechsel aus, sodass rechtlich keine Vermögensübertragung stattfindet.3 Der Formwechsel stellt auch handelsrechtlich keinen Geschäftsvorfall dar, es ist keine handelsrechtliche Übertragungsbilanz und keine handelsrechtliche Eröffnungsbilanz zu bilden.
10.162 Das Steuerrecht folgt dieser Wertung des Zivilrechts nur für den Fall der formwechselnden Umwandlung einer inländischen Körperschaft in eine andere Körperschaft (z.B. GmbH in AG). Wegen der auch aus steuerlicher Sicht bestehenden Subjektidentität liegt in diesem Fall kein Veräußerungsvorgang vor.4 Wird hingegen eine inländische Körperschaft im Wege des Formwechsels in eine Personengesellschaft umgewandelt, sind gem. § 9 Satz 1 UmwStG die §§ 3–8 und 10 UmwStG entsprechend anzuwenden. Dadurch wird steuerlich trotz zivilrechtlicher Identität des Rechtsträgers aufgrund des Wechsels des Besteuerungsregimes von einer Körperschaft zu einer Mitunternehmerschaft gem. §§ 15 ff. EStG (Regimewechsel) ein tauschähnlicher Vorgang angeordnet, der grundsätzlich zu einer Gewinnrealisierung führt. Dies betrifft sowohl die Ebene der Gesellschaft als auch die Ebene der Gesellschafter. Gem. § 9 Satz 2 UmwStG hat die übertragende Kapitalgesellschaft für steuerliche Zwecke eine Übertragungsbilanz und die Personengesellschaft eine Eröffnungsbilanz zu erstellen. Mangels handelsrechtlicher Rückbeziehungsmöglichkeit regelt § 9 Satz 3 UmwStG speziell für steuerliche Zwecke eine Rück-
1 2 3 4
UmwG Rz. 11; a.A. Kindler in MünchKommBGB, IntGesR, Rz. 867 ff. und 877; ungeklärt ist indes, welche Auswirkung die Entscheidung des EuGH v. 16.12.2008 – Rs. C-210/06 – Cartesio, EuGHE 2008, I-9641 = NJW 2009, 569, für den Fall der Hinausspaltung hat. Vom 23.7.1990, ABl. EG v. 20.8.1990, Nr. L 225, 1, geändert durch Richtlinie 2005/19/EG v. 17.2.2005, ABl. EG Nr. L 58, 19. Schindler, IStR 2005, 551; Dötsch/Pung in D/P/P/M7, § 15 UmwStG Rz. 8. Stratz in S/H/S, § 190 UmwG Rz. 2; zur Gesetzesbegründung siehe BT-Drucks. 12/6699, 136. Weber-Grellet in Schmidt31, § 17 EStG Rz. 114.
1202
Henkel
D. Formwechsel
wirkungsmöglichkeit von höchstens acht Monaten vor der Anmeldung des Formwechsels. Die Rückbeziehung ist jedoch ausgeschlossen, soweit wegen Auseinanderfallens inländischer und ausländischer Rückbeziehungsvorschriften weiße Einkünfte entstehen.1 Die Wertansätze der übergehenden Wirtschaftsgüter in der steuerlichen Schlussbilanz der formwechselnden inländischen Kapitalgesellschaft richten sich nach § 9 UmwStG i.V.m. § 3 UmwStG. Dies gilt gleichermaßen für inländisches wie für ausländisches Vermögen. Nach § 3 Abs. 1 UmwStG ist grundsätzlich der gemeine Wert anzusetzen. Das Bewertungswahlrecht kann unter den in § 3 Abs. 2 Satz 1 UmwStG genannten Voraussetzungen (insbesondere der Wahrung des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich der Veräußerung der übergehenden Wirtschaftsgüter) ausgeübt werden (siehe Rz. 10.64 ff.). Der Ansatz mit dem gemeinen Wert ist eine gesetzliche Fiktion des UmwStG; nach den allgemeinen Regeln ist mangels eines Rechtsträgerwechsels kein Gewinnrealisierungstatbestand gegeben.
10.163
Sofern Vermögen, das einer inländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist, 10.164 auf die Personengesellschaft übergeht, ist die spätere Besteuerung der stillen Reserven in Deutschland gewahrt. Dies gilt auch bei Beteiligung von ausländischen Anteilseignern: Der ausländische Anteilseigner ist mit Gewinnen aus der Veräußerung von Betriebsvermögen durch die Personengesellschaft gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG beschränkt steuerpflichtig. Auch bei Bestehen eines DBA ändert sich an diesem Ergebnis nichts, soweit Deutschland, je nachdem ob die inländische Personengesellschaft bewegliches oder unbewegliches Vermögen veräußert, gem. einer Art. 13 Abs. 1 bzw. 2 OECD-MA entsprechenden Abkommensvorschrift das Besteuerungsrecht für solche Veräußerungsgewinne zusteht (siehe Rz. 10.68 f.). Geht jedoch Vermögen (insbesondere ausländisches Vermögen) über, das nach dem Formwechsel nicht mehr der deutschen beschränkten Steuerpflicht unterliegt, entfällt der deutsche Besteuerungszugriff, soweit ausländische Anteileigner beteiligt sind. In diesem Fall gelten die für die Verschmelzung einer inländischen Kapitalgesellschaft auf eine inländische Personengesellschaft anzuwendenden Regelungen entsprechend (siehe Rz. 10.65 ff.). Auf der Ebene der Personengesellschaft entsteht ein Übernahmegewinn/ -verlust i.H. des Unterschiedsbetrags zwischen dem Wert, mit dem die übergegangenen Wirtschaftsgüter von der Personengesellschaft übernommen worden sind und dem Buchwert der Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft (§ 4 Abs. 4 UmwStG).
10.165
Auch für die Besteuerung der Anteilseigner gelten die für die Verschmelzung anzuwendenden Regelungen entsprechend (siehe Rz. 10.86 ff.).
10.166
1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 09.02 (UmwStE 2011).
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1203
Kapitel 10 Internationale Umwandlungen
II. Formwechsel ausländischer Kapitalgesellschaft 10.167 Kann eine im Ausland errichtete Kapitalgesellschaft nach ausländischem Umwandlungsrecht in eine ausländische Personengesellschaft in der Weise formwechselnd umgewandelt werden, dass die Kontinuität des Rechtsträgers gegeben ist, liegt ein mit einer Umwandlung nach §§ 190 ff. UmwG vergleichbarer Vorgang vor.1 Da in den Anwendungsbereich des § 9 UmwStG nur der Formwechsel in eine Personengesellschaft fällt, ist nach dem Rechtstypenvergleich zu klären, ob die Gesellschaft, auf die formgewechselt wird, als Personengesellschaft anzusehen ist.
10.168 Die Frage einer etwaigen Gewinnrealisierung auf der Ebene der umzuwandelnden ausländischen Kapitalgesellschaft beurteilt sich nach den steuerlichen Vorschriften des jeweiligen ausländischen Staates. Das deutsche Steuerrecht kommt zur Anwendung, wenn die ausländische Kapitalgesellschaft über eine inländische Betriebsstätte verfügt. In diesem Fall ist zu unterscheiden: Handelt es sich um den Formwechsel einer EU/ EWR-Kapitalgesellschaft, findet das UmwStG Anwendung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 UmwStG).2 In diesem Fall ist die durch § 9 i.V.m. § 3 UmwStG angeordnete Fiktion der Gewinnrealisierung zum gemeinen Wert auch im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht der ausländischen Gesellschaft zu berücksichtigen. Handelt es sich jedoch um eine Gesellschaft in einem Drittstaat, ist das UmwStG nicht anzuwenden; die Gewinnrealisierung kann sich daher nur aus den allgemeinen Regeln ergeben. Danach kommt es nur dann zu einer Gewinnrealisierung, wenn ein entgeltlicher Rechtsträgerwechsel stattfindet. Dies ist beim Formwechsel aufgrund der Kontinuität des Rechtsträgers jedoch nicht gegeben, sodass der Formwechsel in einem Drittstaat keine ertragsteuerlichen Folgen im Inland auslöst.3
III. Grenzüberschreitender Formwechsel 10.169 Für einen grenzüberschreitenden Formwechsel einer inländischen Personengesellschaft in eine ausländische Kapitalgesellschaft oder einer ausländischen Kapitalgesellschaft in eine inländische Personengesellschaft gibt es keine umwandlungsrechtliche Rechtsgrundlage.
1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.39 (UmwStE 2011); Möhlenbrock in D/P/P/M7, § 9 UmwStG Rz. 7; weitergehend Hagemann/Jakob/Ropohl/Viebrock, NWB-Sonderheft 1/2007, 23, die § 9 UmwStG auch auf Kombinationsvorgänge mit Vermögensübertragung erstrecken. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.39 (UmwStE 2011). 3 A.A. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 17.212 m.w.N.
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E. Grenzüberschreitende Einbringungen in Kapitalgesellschaften
E. Grenzüberschreitende Einbringungen in Kapitalgesellschaften I. Einführung Für international tätige Unternehmen besteht Umstrukturierungsbedarf nicht nur in Bezug auf Umwandlungen i.e.S., also für Vorgänge, die nach dem UmwG vorgenommen werden können, sondern auch für Übertragungen von einzelnen Wirtschaftsgütern, von Unternehmensteilen und von Anteilen im Wege der Einzelrechtsnachfolge.1 Mit der Reform des UmwStG durch das SEStEG wurde diesem Bedarf in Bezug auf Übertragungen innerhalb der EU und des EWR bereits teilweise Rechnung getragen; eine umfassende Internationalisierung steht indes noch aus.
10.170
Grenzüberschreitende Übertragungen2 sind somit danach zu trennen, ob sie sich innerhalb oder außerhalb des UmwStG vollziehen. Soweit Übertragungen nicht vom UmwStG erfasst werden, richten sie sich nach den allgemeinen Regeln.
10.171
1. Rechtliche Grundlagen Die Einbringung von Vermögensgegenständen (Sachen, Sachgesamtheiten, Anteile an Gesellschaften, sonstige Rechte) in eine inländische Kapitalgesellschaft kann gesellschaftsrechtlich im Wege der Sachgründung (§ 5 Abs. 4 GmbHG; § 27 AktG) oder der Sachkapitalerhöhung (§ 56 GmbHG; §§ 183, 193, 205 AktG), also gegen Ausgabe von neuen Anteilen, vorgenommen werden. Erhält der Einbringende keine neuen Anteile oder sonstige Gegenleistungen, die dem Wert des eingebrachten Vermögens entsprechen, kann gesellschaftsrechtlich eine Einlage in die Rücklagen vorliegen. Ausländische Rechtsordnungen kennen i.d.R. solche oder ähnliche Kapitalmaßnahmen. Es ist daher davon auszugehen, dass vergleichbare Übertragungen rechtlich auch im Ausland und damit auch grenzüberschreitend möglich sind.
10.172
2. Steuerliche Grundlagen Die Einbringung von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens in eine Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten stellt steuerlich einen Tausch dar, der nach allgemeinen Grundsätzen zu einer Ge-
1 Zu den wirtschaftlich begründeten Strukturänderungen siehe näher die Übersicht bei Patt in D/P/P/M7, Vor §§ 20–23 UmwStG Rz. 43 m.w.N. 2 Hier werden nur Einbringungen i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 4 und der Anteilstausch i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 5 UmwStG behandelt; auf die Umwandlungsmaßnahmen i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1–3 UmwStG (Umwandlungen von Personengesellschaften auf Kapitalgesellschaften und die Ausgliederung gem. § 123 Abs. 3 UmwG) wird nicht eingegangen.
Henkel
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10.173
Kapitel 10 Internationale Umwandlungen
winnrealisierung führt.1 Als Anschaffungskosten der erworbenen Beteiligung ist gem. § 6 Abs. 6 Satz 1 EStG steuerlich grundsätzlich der gemeine Wert der hingegebenen Wirtschaftsgüter zugrunde zu legen. Liegt der Buchwert der hingegebenen Wirtschaftsgüter unter dem gemeinen Wert, kommt es zu einer Aufdeckung stiller Reserven in den hingegebenen Wirtschaftsgütern. Erhält der Einbringende eine Zuzahlung, mindert sich der Wert der erworbenen Beteiligung um die Zuzahlung; erbringt der Einbringende eine Zuzahlung, erhöht sich der Wert der erworbenen Beteiligung um die Zuzahlung. Die steuerliche Bewertung ist unabhängig von der handelsrechtlichen Bewertung.2
10.174 Erhält der Einbringende keine Gesellschaftsrechte und auch keine sonstige Gegenleistung, liegt steuerlich eine verdeckte Einlage (§ 6 Abs. 6 Satz 2 EStG) vor. Auch die verdeckte Einlage begründet beim Einbringenden einen gewinnrealisierenden Vorgang,3 sie fällt jedoch nicht unter § 20 UmwStG.4
10.175 Die allgemeinen Grundsätze gelten unabhängig davon, ob die übertragende Person im Inland oder im Ausland ansässig ist. Bringt eine unbeschränkt steuerpflichtige Person Wirtschaftsgüter in eine ausländische Kapitalgesellschaft ein, sind auf ihrer Ebene die stillen Reserven in den übertragenen Wirtschaftsgütern aufzudecken und zu versteuern. Gleiches gilt, wenn eine ausländische Person im Inland beschränkt steuerpflichtig ist und sie im Inland steuerverhaftete Wirtschaftsgüter in eine in- oder ausländische Kapitalgesellschaft einbringt.
10.176 Im UmwStG ist die Einbringung von bestimmten Unternehmensteilen (Betriebe, Teilbetriebe und Mitunternehmeranteile i.S.v. § 20 UmwStG) sowie von Anteilen an Kapitalgesellschaften und Genossenschaften (Anteilstausch i.S.v. § 21 UmwStG) spezieller geregelt. Die übernehmende Gesellschaft hat die eingebrachten Unternehmensteile bzw. die eingebrachten Anteile grundsätzlich mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Sie kann bei Erfüllung der jeweiligen Voraussetzungen jedoch auch den Buchwert fortführen oder einen Zwischenwert ansetzen (§ 20 Abs. 2 Satz 2 bzw. § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG). Der Wert, mit dem die übernehmende Gesellschaft das eingebrachte Vermögen ansetzt, gilt für den Ein1 BFH in ständiger Rspr., vgl. BFH v. 5.6.2002 – I R 6/01, BFH/NV 2003, 88; v. 17.9.2003 – I R 97/02, BStBl. II 2004, 686; Beck’scher Bilanzkommentar, § 255 HGB Rz. 146; Kulosa in Schmidt31, § 6 EStG Rz. 731; a.A. Schmidt/Hageböke, DStR 2003, 1813, nach deren Auffassung es an einer Gegenleistung fehlt; Einbringungsgegenstand können nur materielle und immaterielle Wirtschaftsgüter sein, nicht jedoch Nutzungen, vgl. Kulosa in Schmidt31, § 6 EStG Rz. 735. 2 Handelsrechtlich besteht ein Wahlrecht des Einbringenden, den erworbenen Anteil mit dem Buchwert der hingegebenen Vermögensgegenstände anzusetzen, Beck’scher Bilanzkommentar, § 255 HGB Rz. 131 f.; Kulosa in Schmidt31, § 6 EStG Rz. 731. 3 Kulosa in Schmidt31, § 6 EStG Rz. 741. 4 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.10 (UmwStE 2011).
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E. Grenzüberschreitende Einbringungen in Kapitalgesellschaften
bringenden als Veräußerungspreis für das übertragene Vermögen und als Anschaffungskosten für die erworbenen Gesellschaftsanteile (§ 20 Abs. 4 bzw. § 21 Abs. 3 UmwStG). Mit dem SEStEG wurden die Reglungen der §§ 20 ff. UmwStG auf den Bereich der EU und des EWR erstreckt. Gemäß § 1 Abs. 4 UmwStG gelten die Regelungen über die Einbringung von Unternehmensteilen und Anteilen nicht nur für inländische Unternehmen, sondern auch für EU/EWR-Gesellschaften. Dabei ist zu unterscheiden: Einbringender kann nicht nur eine EU/EWR-Gesellschaft sein, sondern auch jede andere ausländische Person, wenn die erworbenen Anteile im Inland steuerverhaftet werden und das Besteuerungsrecht an den Anteilen nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG).1 Der übernehmende Rechtsträger muss hingegen eine EU/EWR-Kapitalgesellschaft sein (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG). Demgegenüber bestehen keine Beschränkungen hinsichtlich der Ansässigkeit der Gesellschaft, deren Anteile im Wege eines Anteilstauschs (§ 21 UmwStG) eingebracht werden (erworbene Gesellschaft); diese kann sowohl in der EU bzw. im EWR als auch in einem Drittstaat ansässig sein.2
10.177
Mit dem SEStEG wurde zudem das System der „einbringungsgeborenen Anteile“ (§ 8b Abs. 4 KStG a.F.) durch das System der „rückwirkenden Besteuerung“ des Einbringungsgewinns (§ 22 Abs. 1 und 2 UmwStG) ersetzt. Beiden Systemen ist gemeinsam, dass die durch die Einbringung erreichte „Statusverbesserung“ hinsichtlich der erworbenen Anteile (Gewinne aus der Veräußerung der durch die Einbringung erworbenen Anteile sind gem. § 8b KStG steuerbefreit) für einen Übergangszeitraum von sieben Jahren eingeschränkt sein soll.3 Während das frühere System die steuerlichen Folgen der Einbringung unberührt ließ und die Steuerfreiheit des § 8b KStG für Anteilsveräußerungen während der siebenjährigen Übergangszeit gänzlich ausschloss,4 knüpft das neue System an die Einbringung an. Werden bei der Einbringung von Unternehmensteilen die durch die Einbringung erworbenen Anteile bzw. werden im Falle des Anteilstauschs die eingebrachten Anteile innerhalb des Siebenjahreszeitraums veräußert, kommt es zu einer rückwirkenden Besteuerung der stillen Reserven bei der Einbringung, wobei – anders als bei dem früheren
10.178
1 Siehe BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.53 (UmwStE 2011): Das ist bspw. der Fall, wenn der im Drittstaat ansässige Einbringende Wirtschaftsgüter aus seiner inländischen Betriebsstätte einbringt und die erworbenen Anteile der inländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 21.05 (UmwStE 2011); Schulz in Schneider/Ruoff/Sistermann, UmwStE 2011, Rz. 21.11. 3 Zum Regelungszweck des § 8b Abs. 4 KStG a.F. siehe Gosch/Bauschatz in Gosch2, § 8b KStG Rz. 290 f. 4 § 8b Abs. 4 KStG a.F. ist jedoch noch bis zum Auslaufen der Siebenjahresfristen von bis zum 31.12.2006 vorgenommenen Einbringungen, also längstens bis 2013, anzuwenden.
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Kapitel 10 Internationale Umwandlungen
System – eine Abschmelzung von einem Siebtel für jedes abgelaufene Jahr seit der Einbringung erfolgt. Mit dem Systemwechsel wird erreicht, dass die stillen Reserven erfasst werden, die im Zeitpunkt der Einbringung bestanden; danach eintretende Wertveränderungen bleiben – anders als zuvor – unberücksichtigt. Zudem führt der erhöhte Einbringungsgewinn zu erhöhten Anschaffungskosten auf der Ebene der übernehmenden Gesellschaft und ist damit ausgewogener als die alte Regelung.1
II. Einbringung in ausländische Kapitalgesellschaft (Outbound-Einbringung) 10.179 Die Einbringung von Wirtschaftsgütern durch im Inland steuerpflichtige Personen in eine ausländische Kapitalgesellschaft (Outbound-Einbringungen) vollzieht sich rechtlich nach dem Gesellschaftsrecht des Staates der aufnehmenden Gesellschaft. Die Frage, ob dabei im Inland stille Reserven aufzudecken sind, ist hingegen eine Frage des inländischen Steuerrechts. Hierfür ist zu unterscheiden, ob der Vorgang nach den allgemeinen Regeln zu beurteilen ist oder ob das UmwStG Anwendung findet; im zweiten Fall ist sodann zwischen den Regelungen zur Einbringung von Unternehmensteilen gem. § 20 UmwStG und von Anteilen gem. § 21 UmwStG zu trennen. 1. Rechtliche Grundlagen
10.180 Bei ausländischen Kapitalgesellschaften richtet sie die rechtliche Form der Einbringung nach dem jeweiligen ausländischen Gesellschaftsrecht. Dabei kann es im Ausland ebenso wie im Inland neben der reinen Sachgründung bzw. der reinen Sachkapitalerhöhung auch andere Einbringungsformen geben. Die Einbringung kann anstelle oder neben neuen Anteilen gegen Gewährung von bestehenden Anteilen (eigene Anteile) vorgenommen werden. Die Gegenleistung kann in einer Kombination aus der Gewährung von eigenen Anteilen und Geldzahlungen bestehen, z.B. als Barkapitalerhöhung mit Einbringung der Wirtschaftsgüter in die Rücklage (AgioEinbringung) oder als verdeckte Sacheinlage (die eingezahlten Geldmittel aus einer Barkapitalerhöhung werden unmittelbar für den Kauf der Wirtschaftsgüter verwendet). Die Einbringung kann ohne Gewährung von neuen Anteilen allein in die Rücklage erbracht werden oder auch ohne buchmäßige Erfassung allein den Wert der alten Anteile erhöhen (verdeckte Einlage).
1 Siehe Schneider in Schneider/Ruoff/Sistermann, UmwStE 2011, Rz. 20.3.
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E. Grenzüberschreitende Einbringungen in Kapitalgesellschaften
2. Besteuerung nach allgemeinen Regeln außerhalb des Anwendungsbereichs des UmwStG (Drittstaaten-Einbringungen) Bringt eine im Inland unbeschränkt steuerpflichtige Person Einzelwirtschaftsgüter oder Unternehmensteile in eine ausländische Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von neuen oder bestehenden Anteilen ein, kommt es zu einem entgeltlichen Rechtsträgerwechsel, der grundsätzlich zur Aufdeckung der in den eingebrachten Wirtschaftsgütern bzw. Unternehmensteilen vorhandenen stillen Reserven führt.1 Dies gilt auch dann, wenn das eingebrachte Vermögen einen inländischen Betrieb oder Teilbetrieb eines inländischen Unternehmens darstellt, der durch die Einbringung zur inländischen Betriebsstätte einer ausländischen Kapitalgesellschaft wird und dadurch weiterhin der deutschen Steuerhoheit unterliegt (Wechsel von der unbeschränkten Steuerpflicht des übertragenden Unternehmens in die beschränkte Körperschaftsteuerpflicht der übernehmenden Kapitalgesellschaft). Die Gewinnrealisierung tritt unabhängig davon ein, ob der Betrieb bzw. Teilbetrieb in Deutschland steuerverhaftet bleibt. Bei der verdeckten Einlage findet hingegen kein entgeltlicher Rechtsträgerwechsel statt, jedoch werden die stillen Reserven aufgrund der speziellen Regelung des § 6 Abs. 6 Satz 2 EStG realisiert.
10.181
Ähnliches gilt für den Anteil an einer inländischen Mitunternehmerschaft. Mit der Einbringung wechselt die Mitunternehmerstellung von der inländischen zur ausländischen Kapitalgesellschaft; zugleich findet hinsichtlich der Mitunternehmerstellung ein Rechtsträgerwechsel statt, der zur Gewinnrealisierung führt.
10.182
Werden Anteile an einer Kapitalgesellschaft oder an einer sonstigen Körperschaft i.S.d §§ 1 und 2 KStG durch eine Kapitalgesellschaft oder eine sonstige Körperschaft eingebracht, ist der Veräußerungsgewinn grundsätzlich steuerfrei (§ 8b Abs. 2 KStG). Ausnahmen ergeben sich aus § 8b Abs. 3 KStG (5 % des Gewinns gelten als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben), Abs. 7 (der Eigenhandel und bestimmte kurzzeitige Beteiligungen von Finanzunternehmen i.S. des KWG, einschließlich Holdinggesellschaften,2 sind nicht steuerbefreit) und Abs. 8 (Anteile von Lebens- und Krankenversicherungen sind nicht steuerbefreit); Ausnahmen ergeben sich ferner, wenn die Anteile an der einzubringenden Kapitalgesellschaft aus Einbringungsvorgängen innerhalb der vorausgegangenen sieben Jahre stammen (§ 22 Abs. 1 UmwStG) oder wenn sie „einbringungsgeboren“ gem. § 21 UmwStG a.F. sind, also wenn es sich um Anteile an einer Kapi-
10.183
1 Tausch bzw. tauschähnlicher Vorgang, siehe Weber-Grellet in Schmidt31, § 5 EStG Rz. 631 ff.; bei verdeckter Einlage nach § 6 Abs. 6 Satz 2 EStG ist dies fraglich, da dort nur von Einzelwirtschaftsgütern gesprochen wird; gem. Weber-Grellet in Schmidt31, § 5 EStG Rz. 639, m.w.N. sollen bei der verdeckten Einlage eine Entnahme und bei der verdeckten Sacheinlage eines Betriebs eine Totalentnahme vorliegen. 2 BFH v. 14.1.2009 – I R 36/08, BStBl. II 2009, 671; BMF v. 25.7.2002 – IV A 2 - S 2750a-6/02, BStBl. I 2002, 712.
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talgesellschaft handelt, die aus vor dem 31.12.2006 erfolgten Sacheinlagen oder Formwechseln zu Werten unter dem gemeinen Wert stammen. Ausnahmen ergeben sich ferner, wenn auf die Anteile in der Vergangenheit steuerwirksame Teilwertabschreibungen vorgenommen wurden oder wenn auf die Beteiligung steuerwirksame Abzüge gem. § 6b EStG vorgenommen wurden.
10.184 Die Steuerfreiheit gilt auch für die Gewerbesteuer, da die Verweisungsnorm des § 7 Satz 1 GewStG die Regelung des § 8b KStG erfasst. Folglich unterliegen im Ergebnis 5 % des Veräußerungsgewinns der Gewerbesteuer. Gewerbesteuerliche Hinzurechnungen und Kürzungen (§ 8 Nr. 5 i.V.m. § 9 Nr. 2a und Nr. 7 GewStG), die auf Dividenden und andere Bezüge Anwendung finden, gelten bei Veräußerungsgewinnen nicht.
10.185 Werden die Anteile von einer natürlichen Person eingebracht, die mit einer Quote von mindestens 1 % an der einzubringenden Gesellschaft beteiligt ist, wird der Veräußerungsgewinn gem. § 17 Abs. 1 i.V.m. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG zu 60 % besteuert (Teileinkünfteverfahren). Als Veräußerungsvorgang i.S. des § 17 EStG gelten auch die verdeckte Einlage (§ 17 Abs. 1 Satz 2 EStG), die Kapitalherabsetzung sowie die Liquidation gem. § 17 Abs. 4 EStG. Wurde die Beteiligung nach dem 31.12.2008 erworben, wird sie im Privatvermögen gehalten und findet keine Besteuerung nach dem (vorrangigen) § 17 EStG statt, greift das Abzugsverfahren mit dem 25 %igen Abgeltungssteuersatz (zuzüglich Solidaritätszuschlag) ein (§ 20 Abs. 2 i.V.m. Abs. 8, § 32d Abs. 1 Satz 1 EStG). 3. Einbringung von Unternehmensteilen gemäß § 20 UmwStG (EU-/EWR-Einbringungen) a) Einbringung von inländischen Unternehmensteilen (Betrieb, Teilbetrieb, Mitunternehmeranteil) in eine ausländische Kapitalgesellschaft
10.186 § 20 UmwStG lässt die steuerneutrale Einbringung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils in eine Kapitalgesellschaft gegen Gewährung neuer Anteile an der Übernehmerin zu. aa) Einbringende Person
10.187 Einbringender i.S.v. § 20 Abs. 1 UmwStG kann eine EU/EWR-Gesellschaft sein (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG) sowie jede ausländische Person (natürliche oder juristische Person), wenn die erworbenen Anteile im Inland steuerverhaftet werden und das Besteuerungsrecht an den Anteilen nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG).1 Diese Steuerverhaftung wird isoliert auf Basis der hypothetischen Annahme einer Veräußerung
1 Siehe BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.53 (UmwStE 2011).
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E. Grenzüberschreitende Einbringungen in Kapitalgesellschaften
zum steuerlichen Übertragungszeitpunkt (also rückbezogen) geprüft.1 Geht das Besteuerungsrecht nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag verloren, kann eine nachträgliche Versteuerung des Einbringungsgewinns gem. § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 6 UmwStG eingreifen. Wird die Einbringung von einem Dritten erbracht, ist derjenige Rechtsträger als Einbringender anzusehen, dem die Gegenleistung zusteht.2 Bringt eine Personengesellschaft Betriebsvermögen ein, hängt die Frage, 10.188 wer Einbringender ist, davon ab, ob die Personengesellschaft nach der Einbringung fortbesteht und wem danach die neuen Anteile zivilrechtlich zustehen.3 Besteht die Personengesellschaft fort und erhält sie die Anteile, ist sie auch insoweit Einbringende.4 Erhält sie keine Gegenleistung (wie z.B. bei der Abspaltung) oder geht sie unter (wie z.B. bei einer Verschmelzung auf eine Kapitalgesellschaft), sind die Mitunternehmer, die die neuen Anteile erhalten, als Einbringende anzusehen.5 bb) Übernehmende Gesellschaft Übernehmender Rechtsträger kann jede inländische oder ausländische Kapitalgesellschaft sein, die nach den Regelungen des jeweiligen EU/ EWR-Staats gegründet ist und sowohl ihren Sitz als auch ihre Geschäftsleitung in einem EU/EWR-Staat hat. Ob eine Kapitalgesellschaft vorliegt, ist nach dem Typenvergleich zu bestimmen (siehe Rz. 10.37). Übernehmender Rechtsträger kann auch eine Genossenschaft sein (EU/EWR-Genossenschaft).6
10.189
cc) Gegenstand der Einbringung § 20 Abs. 1 UmwStG begünstigt die Einbringung von Betrieben, Teilbetrieben und Mitunternehmeranteilen (oder Teilen von Mitunternehmeranteilen). Nicht erfasst ist die Einbringung von Einzelwirtschaftsgütern oder Sachgesamtheiten, die nicht die Voraussetzungen eines Betriebs oder Teilbetriebs erfüllen und auch nicht zu einem Mitunternehmeranteil gehören. Nicht begünstigt ist auch die Einbringung von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens.
1 Patt in D/P/P/M7, § 20 UmwStG Rz. 14 m.w.N. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.02 (UmwStE 2011). 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.03 (UmwStE 2011). 4 Dabei muss sie auch als steuerliche Mitunternehmerschaft fortbestehen; unklar ist, ob sie hierbei auch Sonderbetriebsvermögen einbringen muss, siehe Rode/ Teufel in Schneider/Ruoff/Sistermann, UmwStE 2011, Rz. 20.6. 5 Siehe näher Schmidt/Schloßmacher, UmwStE 2011, 236 f. 6 Patt in D/P/P/M7, § 20 UmwStG Rz. 155.
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1211
10.190
Kapitel 10 Internationale Umwandlungen
(1) Betrieb
10.191 Der Begriff des Betriebs ist weder im UmwStG noch in der FRL definiert. Es gilt daher das allgemeine Begriffsverständnis des deutschen Ertragsteuerrechts. Erfasst werden nicht nur gewerbliche Betriebe, sondern alle Betriebe, die der Erzielung von Gewinneinkünften i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG dienen, also auch freiberufliche sowie land- und forstwirtschaftliche Betriebe.1
10.192 Die Betriebseinbringung gem. § 20 Abs. 1 UmwStG erfordert, dass alle funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen einzubringen sind. Für die Zuordnung können die Rechtsprechungsgrundsätze zur Betriebsaufspaltung herangezogen werden.2 Eine Nutzungsüberlassung ist nicht ausreichend,3 jedoch genügt wirtschaftliches Eigentum.4 Werden funktional wesentliche Betriebsgrundlagen zurückbehalten, ist der gesamte Vorgang nicht als Betriebseinbringung anzusehen. Werden bei der Einbringung Wirtschaftsgüter zurückbehalten, die nicht zu den funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen gehören, sind sie als entnommen anzusehen, sodass die stillen Reserven aufzudecken sind, es sei denn, dass die Wirtschaftsgüter weiterhin Betriebsvermögen sind.5
10.193 Werden Wirtschaftsgüter, die zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen eines inländischen Betriebs gehören, im zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Einbringung z.B. eines Teilbetriebs in ein anderes Betriebsvermögen überführt oder übertragen, soll es nach Auffassung der Finanzverwaltung an der Erfüllung des Teilbetriebsbegriffs fehlen; Maßstab hierfür soll die Gesamtplanrechtsprechung des BFH sein.6
10.194 Gehört zu dem einzubringenden Betrieb eine 100 %ige Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, richtet sich die umwandlungssteuerliche Behandlung nach § 20 Abs. 1 und nicht nach § 21 Abs. 1 UmwStG.7 Dementsprechend ist die Beteiligung mit einzubringen, wenn sie zu den funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen gehört. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Beteiligung um eine ausländische Kapitalgesellschaft handelt. 1 Patt in D/P/P/M7, § 20 UmwStG Rz. 22 m.w.N. 2 Patt in D/P/P/M7, § 20 UmwStG Rz. 46 m.w.N. 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.06 Satz 3 (UmwStE 2011); so auch BFH v. 7.4.2010 – I R 96/08, BFH/ NV 2010, 1749. 4 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.06 Satz 2 Halbs. 2 i.V.m. Rz. 15.07 (UmwStE 2011). 5 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.08 (UmwStE 2011). 6 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.07 (UmwStE 2011) mit Rechtsprechungsnachweisen; jedoch fehlt die Bezugnahme auf die BFH-Entscheidung vom 25.11.2009 – I R 72/08, BStBl. II 2010, 471, zur Einbringung von Mitunternehmeranteilen, nach der eine vorangehende Auslagerung steuerlich anzuerkennen ist, wenn sie auf Dauer erfolgt. 7 Patt in D/P/P/M7, § 20 UmwStG Rz. 31 m.w.N.
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E. Grenzüberschreitende Einbringungen in Kapitalgesellschaften
(2) Teilbetrieb Abweichend von der früheren Haltung der Finanzverwaltung ist nunmehr einheitlich der Teilbetriebsbegriff der FRL zugrunde zu legen.1 Dies hat zur Folge, dass dem Teilbetrieb nicht nur die funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen zuzuordnen sein sollen, sondern auch alle diesem Teilbetrieb nach wirtschaftlichen Zusammenhängen zuordenbaren Wirtschaftsgüter.2 Demgegenüber wird in der Literatur vertreten, dass der Teilbetriebsbegriff unterschiedlich zu definieren ist (rein inländische Einbringungen nach dem inländischem Teilbetriebsbegriff, EU/EWR-Einbringungen nach dem europäischen Begriff; andere wollen den jeweils vorteilhafteren Begriff heranziehen; siehe Rz. 10.150 ff.). Nach hier vertretener Ansicht sollte der Teilbetriebsbegriff wie bei der Spaltung unterschiedlich verwendet werden (siehe Rz. 10.150 ff.). Jedoch sollten strukturelle Unterschiede zwischen der Spaltung und der Einbringung berücksichtigt werden: Anders als bei der Spaltung wird bei der Einbringung nicht gefordert, dass das zurückbleibende Vermögen ebenfalls den Teilbetriebsbegriff erfüllt; es sollte daher möglich sein, die funktional wesentlichen Wirtschaftsgüter frei zuzuordnen und ggf. mit zu übertragen und zurückvermieten zu lassen.3 Dies gilt auch für Wirtschaftsgüter, die im Ausland belegen sind; in solchen Fällen besteht in der Praxis oftmals der Bedarf, diese Wirtschaftsgüter rechtlich der aufnehmenden Kapitalgesellschaft zuzuordnen.
10.195
Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG und § 15 Abs. 1 Satz 3 UmwStG gilt die 100 %ige Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft als Teilbetrieb. Diese Fiktion soll nicht auf Einbringungen gem. § 20 UmwStG übertragbar sein.4
10.196
(3) Mitunternehmeranteil Der Mitunternehmeranteil wird gem. § 20 Abs. 1 UmwStG neben dem Betrieb und dem Teilbetrieb als weiterer Unternehmensteil aufgeführt, der steuerneutral eingebracht werden kann. Die Teilbetriebsfiktion des § 15 Abs. 1 Satz 3 UmwStG gilt daher im Anwendungsbereich des § 20 UmwStG nicht.
10.197
Auch Sonderbetriebsvermögen, das dem einzubringenden Betriebsvermögen/Teilbetriebsvermögen als wesentliche Betriebsgrundlage zuzuordnen ist, muss mit übertragen werden. Das betrifft sowohl das Sonderbetriebsvermögen I wie das Sonderbetriebsvermögen II. Dazu muss der Mitunternehmer die Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens durch geson-
10.198
1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.05 und Rz. 15.02 (UmwStE 2011). 2 So ausdrücklich BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 15.02 Satz 2 (UmwStE 2011). 3 So auch Rode/Teufel in Schneider/Ruoff/Sistermann, UmwStE 2011, Rz. 20.12 f. 4 Patt in D/P/P/M7, § 20 UmwStG Rz. 103 f. m.w.N.
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Kapitel 10 Internationale Umwandlungen
derte Vereinbarung in einem einheitlichen Vorgang zu demselben Stichtag übertragen.1
10.199 Sonderbetriebsvermögen, das keine wesentliche Betriebsgrundlage darstellt und nicht mit eingebracht wird, kann Privatvermögen werden, mit der Folge der Gewinnrealisierung. dd) Einbringung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten
10.200 Die Einbringung muss gem. § 20 Abs. 1 UmwStG gegen Gewährung neuer Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft erfolgen. Ist die übernehmende Gesellschaft nach ausländischem Recht errichtet, erfolgt die Einbringung nach dem jeweiligen ausländischen Recht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Einbringung ausländischen Rechts den deutschen Kapitalerhöhungs- oder Umwandlungsregelungen entspricht.2 Eine verdeckte Einlage ist hierfür jedoch nicht ausreichend, ebenso wenig eine Bareinlage mit Verwendungsbindung der Barmittel zum Erwerb von Wirtschaftsgütern des Einbringenden (verschleierte Sachgründung/Sachkapitalerhöhung).
10.201 Streitig ist, ob das Erfordernis der Ausgabe „neuer“ Anteile gegen die FRL verstößt. Denn diese begünstigt auch die Ausgabe von „eigenen“ Anteilen, also bereits bestehender Anteile, die von der übernehmenden Kapitalgesellschaft gehalten werden.3 Man wird hier zutreffenderweise differenzieren müssen: Bei reinen Inlandsfällen wird die Beschränkung auf neue Anteile wirksam sein, bei EU/EWR-Einbringungen, ggf. auch bei Einbringungen in Staaten, mit denen Staatsverträge mit Gleichbehandlungsregelungen bestehen, wird auch die Ausgabe eigener Anteile ausreichend sein.4 ee) Kein Ausschluss bzw. Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts
10.202 Der Ansatz eines unter dem gemeinen Wert liegenden Wertes (Buchwert oder Zwischenwert) ist nur soweit zulässig, wie das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung des eingebrachten Betriebsvermögens bei der übernehmenden Gesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UmwStG). Wird inländisches Betriebsvermögen in eine ausländische Kapitalgesellschaft eingebracht, das vor und nach der Einbringung einer inländischen Betriebsstätte der übernehmenden Kapitalgesellschaft zuzuordnen 1 Patt in D/P/P/M7, § 20 UmwStG Rz. 124; Schmidt/Schloßmacher, UmwStE 2011, 240. 2 Behrens in Haritz/Menner3, § 21 UmwStG Rz. 132 m.w.N. 3 Zum Meinungsstand Patt in D/P/P/M7, § 20 UmwStG Rz. 170b m.w.N. 4 So auch Schmitt in S/H/S5, § 20 UmwStG Rz. 205; Widmann in W/M, § 20 UmwStG Rz. R 134 a.E.; wohl ebenso Patt in D/P/P/M7, § 20 UmwStG Rz. 170b.
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E. Grenzüberschreitende Einbringungen in Kapitalgesellschaften
ist, bleibt das Besteuerungsrecht erhalten. Ein Ausschluss bzw. eine Beschränkung soll jedoch dann vorliegen, wenn es auf der Grundlage des Betriebsstätten-Erlasses zu einer Zuordnungsänderung kommt.1 Das betrifft Wirtschaftsgüter, die aufgrund der Zentralfunktion des Stammhauses der ausländischen Kapitalgesellschaft zugeordnet werden sollen, wie z.B. immaterielle Wirtschaftsgüter und Beteiligungen. Da eine solche Zuordnungsänderung nicht durch den rechtlichen Vorgang der Umwandlung, sondern allenfalls durch nach dem Vollzug der Umwandlung eintretende tatsächliche Umstände erfolgen kann, laufen die Entstrickungsregelungen des UmwStG bei der Einbringung ebenso wie bei der Verschmelzung insoweit leer (siehe Rz. 10.66 ff.). Zu einer Besteuerung der stillen Reserven in den Wirtschaftsgütern, die der ausländischen Kapitalgesellschaft zugeordnet werden, kann es daher nur nach den allgemeinen Entstrickungsregelungen (§ 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG, § 12 Abs. 1 KStG) kommen. Nach hier vertretener Auffassung (siehe Rz. 10.129) werden die tatbestandlichen Voraussetzungen der allgemeinen Entstrickungsregelungen – auch unter Berücksichtigung des Regelbeispiels – bei einer solchen Zuordnungsänderung jedoch nicht erfüllt. ff) Folgen für die Bewertung beim Einbringenden Gemäß § 20 Abs. 3 Satz 1 UmwStG gilt der Wert, mit dem die übernehmende Gesellschaft das eingebrachte Vermögen ansetzt, für den Einbringenden als Veräußerungspreis und als Anschaffungskosten für die erworbenen Gesellschaftsanteile. Ist das eingebrachte inländische Betriebsvermögen aufgrund der Einbringung einer inländischen Betriebsstätte zuzuordnen, ist entscheidend, dass die ausländische Kapitalgesellschaft das Bewertungswahlrecht für die Wirtschaftsgüter in ihrer inländischen Betriebsstätte vornimmt. Für die hierbei in der Betriebsstätte angesetzten Werte gilt für den Einbringenden die Wertverknüpfung. Werden Wirtschaftsgüter aufgrund faktischer Umstände, zu denen auch die Zuordnungsänderung aufgrund der Zentralfunktion des Stammhauses nach dem Betriebsstätten-Erlass gehören kann,2 nach der Einbringung dem ausländischen Stammhaus zugeordnet, richtet sich die Besteuerung der stillen Reserven nach den allgemeinen Entstrickungsregelungen gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4, § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG und § 12 Abs. 1 KStG.3
1 Patt in D/P/P/M7, § 20 UmwStG Rz. 226 unter Hinweis auf die Grundsätze des BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, zuletzt geändert durch BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 (Betriebsstätten-Erlass). 2 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, zuletzt geändert durch BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 (Betriebsstätten-Erlass); siehe dazu Rz. 10.129. 3 Siehe dazu Rz. 10.17 f.: Nach hier vertretener Auffassung sind die Tatbestandsvoraussetzungen der Entstrickungsnormen bei der Überführung von Wirtschaftsgütern aus der inländischen Betriebsstätte in das ausländische Stammhaus nicht erfüllt.
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10.203
Kapitel 10 Internationale Umwandlungen
b) Einbringung von ausländischen Unternehmensteilen durch im Inland ansässige Person in ausländische Kapitalgesellschaft
10.204 Bringt die inländische Kapitalgesellschaft eine ausländische Betriebsstätte, die einen Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil darstellt, in eine EU/EWR-Kapitalgesellschaft ein, ist zu unterscheiden: – Ist die Betriebsstätte in einem DBA-Staat mit Freistellungsmethode (Freistellungs-Betriebsstätte) belegen, ist das Besteuerungsrecht hinsichtlich dieser Wirtschaftsgüter sowohl vor als auch nach der Einbringung ausgeschlossen. In diesem Fall gilt gem. § 20 Abs. 3 Satz 2 UmwStG der gemeine Wert des Betriebsvermögens als Anschaffungskosten der erworbenen Anteile. Es entsteht also eine Verstrickung der Anteile mit dem gemeinen Wert.1 Dies gilt unabhängig davon, ob die übernehmende Gesellschaft Buch- oder Zwischenwerte ansetzt. Auch die eingebrachten Wirtschaftsgüter wird man mit dem gemeinen Wert ansetzen müssen, wenn das deutsche Besteuerungsrecht durch die Einbringung erstmals begründet wird, etwa durch Zurechnung von Wirtschaftsgütern zu einer inländischen Betriebsstätte.2 – Ist die Betriebsstätte in einem DBA-Staat mit Anrechnungsmethode (Anrechnungs-Betriebsstätte) belegen, wird durch die Einbringung das deutsche Besteuerungsrecht an dem Betriebsvermögen ausgeschlossen; der Einbringende erhält an dessen Stelle die Anteile an der übernehmenden Gesellschaft. Das der ausländischen Betriebsstätte zuzurechnende Vermögen ist daher gewinnrealisierend mit dem gemeinen Wert anzusetzen (§ 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UmwStG).3 Ist die Betriebsstätte in einem EU-Staat belegen, verzichtet dieser Staat gem. Art. 10 Abs. 1 Satz 1 FRL auf sein Besteuerungsrecht an den stillen Reserven des Betriebsstättenvermögens. Gemäß § 20 Abs. 7, § 3 Abs. 3 UmwStG ist in diesem Fall die fiktive Steuer, die im Belegenheitsstaat der EU-Betriebsstätte anfallen würde, auf die deutsche Steuer anzurechnen. 4. Einbringung von Anteilen durch im Inland ansässige Person in ausländische Kapitalgesellschaft gemäß § 21 UmwStG (EU-/EWR-Einbringungen) a) Wertverknüpfung
10.205 Bringt ein inländischer Steuerpflichtiger Anteile an einer Kapitalgesellschaft in eine andere Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesell1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.34 (UmwStE 2011). 2 Patt in D/P/P/M7, § 20 UmwStG Rz. 228 m.w.N.; Rode/Teufel in Schneider/Ruoff/Sistermann, UmwStE 2011, Rz. 20.49. 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.36 (UmwStE 2011); da Deutschland ein System der Welteinkommensbesteuerung hat, ist dies nach Art. 10 Abs. 2 FRL zulässig. Zur Anwendbarkeit auf EWR-Staaten, die nicht zugleich EU-Staaten sind, siehe Rode/Teufel in Schneider/Ruoff/Sistermann, UmwStE 2011, Rz. 20.52.
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E. Grenzüberschreitende Einbringungen in Kapitalgesellschaften
schaftsrechten ein, liegt ein Anteilstausch vor, der sowohl nach den allgemeinen Regeln als auch nach der speziellen Regelung des § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG grundsätzlich zu einer Aufdeckung der stillen Reserven in den eingebrachten Anteilen führt. Hat die übernehmende Gesellschaft nach der Einbringung nachweisbar unmittelbar die Mehrheit der Stimmrechte an der erworbenen Gesellschaft, liegt ein qualifizierter Anteilstausch vor. In diesem Fall kann die übernehmende Gesellschaft auf Antrag die eingebrachten Anteile gem. § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG mit dem Buchwert oder einem Zwischenwert ansetzen. Dieser Wert gilt gem. § 21 Abs. 2 Satz 1 UmwStG für den Einbringenden als Veräußerungspreis der eingebrachten und als Anschaffungskosten für die erhaltenen Anteile (strenge Wertverknüpfung). Die Wertverknüpfung wird jedoch durchbrochen, wenn das inländische Besteuerungsrecht hinsichtlich der eingebrachten oder der erhaltenen Anteile ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 21 Abs. 2 Satz 2 UmwStG). In diesem Fall ist der gemeine Wert der eingebrachten Anteile als Veräußerungspreis und als Anschaffungskosten für die erhaltenen Anteile anzusetzen, es sei denn, es liegen die Voraussetzungen der Rückausnahme (siehe Rz. 10.217 ff.) vor. Gehören die Anteile zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils und werden sie zusammen mit diesen Unternehmensteilen nach den Regelungen des § 20 UmwStG eingebracht, gehen diese Regelungen vor.1
10.206
Die Einbringung von Anteilen an einer in- oder ausländischen Kapitalgesellschaft in eine ausländische Gesellschaft (Outbound-Einbringung) unterliegt der Wertverknüpfung gem. § 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 UmwStG, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
10.207
aa) Einbringende Person Anders als bei der Einbringung von Betrieben, Teilbetrieben oder Mitunternehmeranteilen gem. § 20 Abs. 1 UmwStG gibt es keine Anforderungen an die Person des Einbringenden, insbesondere muss die einbringende Kapitalgesellschaft nicht nach dem Recht eines EU/EWR-Staates errichtet oder in der EU bzw. im EWR ansässig sein. Begünstigt ist vielmehr die Einbringung durch jede unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige natürliche Person, Personengesellschaft oder juristische Person.2
1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 20.06 (UmwStE 2011). 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 21.03 (UmwStE 2011) Patt in D/P/P/M7, § 21 UmwStG Rz. 8; Behrens, in Haritz/Menner3, § 21 UmwStG Rz. 86 ff. m.w.N.
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10.208
Kapitel 10 Internationale Umwandlungen
bb) Übernehmende Kapitalgesellschaft
10.209 Die übernehmende Gesellschaft muss eine EU/EWR-Kapitalgesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG1 sein (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwStG). Dies bedeutet, dass sie nach dem Recht eines EU/EWR-Staates gegründet sein und ihren Sitz und ihre Geschäftsleitung im Hoheitsgebiet eines EU/EWR-Staates haben muss. Satzungssitz und Ort der Geschäftsleitung können jedoch in unterschiedlichen EU/EWR-Staaten liegen.2 cc) Gegenstand der Einbringung
10.210 Einbringungsgegenstand sind die Anteile an der zu erwerbenden Gesellschaft. Die Gesellschaft muss eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft sein. Sie kann im Inland oder Ausland, auch in Drittstaaten, ansässig sein; ist sie nach ausländischem Recht errichtet, ist die Qualifikation als Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft nach dem Typenvergleich vorzunehmen.3 Der Begriff der „Anteile“ wird seitens der Finanzverwaltung im BMF vom 11.11.20114 nicht geklärt; der Begriff ist daher nach allgemeinen Regeln zu bestimmen. Danach müssen sie jedenfalls eine Beteiligung am Kapital umfassen. Aufgrund des Erfordernisses der „mehrheitsvermittelnden“ Anteile müssen sie zudem Stimmrechte begründen.5 dd) Erwerb der unmittelbaren Stimmrechtsmehrheit
10.211 Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG ist erforderlich, dass die übernehmende Kapitalgesellschaft aufgrund ihrer Beteiligung einschließlich der übernommenen Anteile nachweisbar unmittelbar die Mehrheit der Stimmrechte an der Gesellschaft hat, deren Anteile eingebracht werden. Erfasst sind folgende Fälle: – die Einbringung einer Mehrheitsbeteiligung einschließlich einer 100 %igen Beteiligung; – die Aufstockung einer vorhandenen Minderheitsbeteiligung der erwerbenden Gesellschaft, sodass sich eine Mehrheitsbeteiligung ergibt; – die Aufstockung einer bereits vor der Einbringung vorhandenen Mehrheitsbeteiligung der erwerbenden Gesellschaft an der erworbenen Gesellschaft. 1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 21.04 i.V.m. Rz. 20.04 (UmwStE 2011). 2 Patt in D/P/P/M7, § 21 UmwStG Rz. 6; Behrens in Haritz/Menner3, § 21 UmwStG Rz. 83 m.w.N. 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 21.05 (UmwStE 2011). 4 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 (UmwStE 2011). 5 Schulz in Schneider/Ruoff/Sistermann, UmwStE 2011, Rz. 21.12.
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E. Grenzüberschreitende Einbringungen in Kapitalgesellschaften
Handelt es sich um Anteile an einer AG oder GmbH, beurteilt sich die Frage der Stimmenmehrheit nach dem deutschen Gesellschaftsrecht. Ist die Gesellschaft im Ausland gegründet, richtet sich die Beurteilung der Stimmenmehrheit nach dem Gesellschaftsrecht dieses Staates.1
10.212
Die Stimmrechtsmehrheit muss „unmittelbar“ bestehen, mittelbare Anteile sind nicht zu berücksichtigen.
10.213
Die Stimmrechtsmehrheit muss nachweisbar bestehen, der Einbringende hat daher die Beweislast für das Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen.
10.214
ee) Einbringung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten Die Einbringung muss gem. § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG gegen Gewährung neuer Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft erfolgen. Ist die übernehmende Gesellschaft nach ausländischem Recht errichtet, erfolgt die Einbringung nach dem jeweiligen ausländischen Recht. Es ist unmaßgeblich, ob die Einbringung ausländischen Rechts mit den deutschen Kapitalerhöhungs- oder Umwandlungsregelungen vergleichbar ist.2 Eine verdeckte Einlage ist hierfür jedoch nicht ausreichend, ebenso wenig eine Bareinlage mit Verwendungsbindung der Barmittel zum Erwerb von Wirtschaftsgütern des Einbringenden (verschleierte Sachgründung/Sachkapitalerhöhung).
10.215
ff) Kein Ausschluss bzw. Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts Die Wertverknüpfung setzt gem. § 21 Abs. 2 Satz 2 UmwStG zudem voraus, dass das Besteuerungsrecht Deutschlands hinsichtlich des Gewinns aus einer Veräußerung der eingebrachten Anteile und der erhaltenen Anteile nach der Einbringung nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist. Bei der Einbringung in eine ausländische Gesellschaft (Outbound-Einbringung) ist diese Voraussetzung nur erfüllt, wenn der Einbringende mit den erhaltenen Anteilen im Inland unbeschränkt steuerpflichtig ist und die im Ausland ansässige übernehmende Gesellschaft mit den Anteilen an der erworbenen Gesellschaft im Inland beschränkt steuerpflichtig ist – vorausgesetzt, dass die jeweiligen Besteuerungsrechte nicht durch ein DBA ausgeschlossen oder beschränkt werden. Dies ist bspw. der Fall, wenn ein inländischer Einbringender die Anteile in eine Kapitalgesellschaft einbringt, die in einem Staat ansässig ist, mit dem ein Art. 13 Abs. 5 OECD-MA entsprechendes ausschließliches Besteuerungsrecht im Ansässigkeitsstaat des Anteilseigners besteht, und die erworbenen Anteile einer inländischen Betriebsstätte der übernehmenden Gesellschaft zuzuordnen sind. 1 Behrens in Haritz/Menner3, § 21 UmwStG Rz. 153. 2 Behrens in Haritz/Menner3, § 21 UmwStG Rz. 132 m.w.N.
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1219
10.216
Kapitel 10 Internationale Umwandlungen
b) Rückausnahme
10.217 Gemäß § 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG gilt eine Rückausnahme für den Fall, dass – das Besteuerungsrecht Deutschlands hinsichtlich der Veräußerung der erhaltenen Anteile nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist, oder – ein Einbringungsgewinn aufgrund von Art. 8 der FRL nicht besteuert wird.
10.218 Eine Bewertung unter dem gemeinen Wert kann in diesem Fall von dem Einbringenden beantragt werden.1 Der Wertansatz bei der übernehmenden Gesellschaft ist hierfür unbeachtlich, die doppelte Buchwertverknüpfung ist nicht gefordert.2
10.219 Dementsprechend ist eine steuerneutrale Einbringung von Anteilen an einer deutschen GmbH in z.B. eine englische Ltd. möglich, da zwar das deutsche Besteuerungsrecht an den Anteilen an der deutschen Gesellschaft verloren geht, dafür jedoch die Anteile an der englischen Ltd. in Deutschland steuerverhaftet werden und das ausschließliche Besteuerungsrecht für Veräußerungsgewinne nach dem DBA-Großbritannien Deutschland zusteht. Steht das Besteuerungsrecht an den erworbenen Anteilen jedoch – wie im DBA-Tschechien – dem Ansässigkeitsstaat der übernehmenden Gesellschaft zu, ist das Besteuerungsrecht Deutschlands ausgeschlossen; hier kann jedoch die weitere Rückausnahme des Art. 8 FRL eingreifen.3 c) Ermittlung des Veräußerungsgewinns
10.220 Ein evtl. Veräußerungsgewinn ermittelt sich aus dem anzusetzenden Wert der übertragenen Anteile abzüglich ihres Buchwerts bzw. (bei Anteilen im Privatvermögen) ihrer Anschaffungskosten und abzüglich der Einbringungskosten (§ 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG). Eventuelle Freibeträge gem. § 16 Abs. 4 EStG oder § 17 Abs. 3 EStG sind abzuziehen.4 Liegt ein Fall der strengen Wertverknüpfung vor, hängt die Besteuerung des Einbringenden von der Ausübung des Bewertungswahlrechts der übernehmenden Gesellschaft ab. In diesem Fall sollte die Ausübung des Bewertungswahlrechts durch vertragliche Vereinbarungen sichergestellt werden. 5. Rückwirkende Besteuerung des Einbringungsgewinns
10.221 Gemäß § 22 UmwStG wird die durch die Einbringung erreichte „Statusverbesserung“ hinsichtlich der erworbenen Anteile (Gewinne aus der Veräußerung der durch die Einbringung erworbenen Anteile sind gem. § 8b 1 Siehe im Einzelnen Patt in D/P/P/M7, § 21 UmwStG Rz. 58 ff. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 21.15 (UmwStE 2011). 3 Siehe hierzu die instruktiven Beispiele in BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 21.15 (UmwStE 2011). 4 Behrens in Haritz/Menner3, § 21 UmwStG Rz. 342.
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E. Grenzüberschreitende Einbringungen in Kapitalgesellschaften
KStG steuerbefreit) für einen Übergangszeitraum von sieben Jahren eingeschränkt, wenn die Einbringung zu einem Wert unter dem gemeinen Wert erfolgte (siehe Rz. 10.178). Dabei wird zwischen der Einbringung von Unternehmensteilen (§ 20 UmwStG) und derjenigen von Anteilen (§ 21 UmwStG) unterschieden. a) Unternehmensteile Veräußert im Falle einer Einbringung von Unternehmensteilen nach § 20 UmwStG der Einbringende die erhaltenen Anteile innerhalb von sieben Jahren seit dem Einbringungszeitpunkt, entfällt die Steuerfreiheit beim Einbringenden rückwirkend zum Einbringungszeitpunkt (§ 22 Abs. 1 UmwStG). Der Gewinn wird als „Einbringungsgewinn I“ so besteuert, als hätte zum Einbringungszeitpunkt die Steuerfreiheit nicht bestanden; er unterliegt also den Vorschriften des § 8b Abs. 2, Abs. 7 und 8 KStG, § 21 UmwStG a.F. (einbringungsgeborene Anteile) bzw. § 17 EStG. Der Veräußerung stehen die in § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 1–6 UmwStG enthaltenen Ersatztatbestände gleich.
10.222
Der Einbringungsgewinn I ermittelt sich aus dem gemeinen Wert des eingebrachten Betriebsvermögens, vermindert um ein Siebtel für jedes seit dem Einbringungszeitpunkt abgelaufene Zeitjahr und berechnet sich wie folgt:1
10.223
Gemeiner Wert des eingebrachten Betriebsvermögens ./. Kosten des Vermögensübergangs ./. Wertansatz bei der übernehmenden Gesellschaft = Einbringungsgewinn I vor Siebtelregelung ./. Verringerung um je ein Siebtel pro abgelaufenes Zeitjahr seit Einbringung = zu versteuernder Einbringungsgewinn I Der Einbringungsgewinn I gilt beim Einbringenden zugleich als nachträgliche Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile. Dadurch verringert sich ein späterer Gewinn aus einer nachfolgenden Veräußerung der erhaltenen Anteile. b) Anteile Veräußert im Falle eines qualifizierten Anteilstauschs nach § 21 UmwStG die übernehmende Kapitalgesellschaft die eingebrachten Anteile innerhalb von sieben Jahren seit dem Einbringungszeitpunkt, entfällt die Steuerfreiheit beim Einbringenden rückwirkend zum Einbringungszeitpunkt (§ 22 Abs. 2 UmwStG). Der Gewinn wird als „Einbringungsgewinn II“ so besteuert, als hätte zum Einbringungszeitpunkt die Steuer1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 22.08 (UmwStE 2011).
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1221
10.224
Kapitel 10 Internationale Umwandlungen
freiheit nicht bestanden; er unterliegt also den Vorschriften des § 8b Abs. 2, Abs. 7 und 8 KStG, § 21 UmwStG a.F. (einbringungsgeborene Anteile) bzw. § 17 EStG.
10.225 Der Einbringungsgewinn II ermittelt sich aus dem gemeinen Wert der eingebrachten Anteile, vermindert um ein Siebtel für jedes seit dem Einbringungszeitpunkt abgelaufene Zeitjahr und berechnet sich wie folgt:1 Gemeiner Wert der eingebrachten Anteile ./. Kosten des Vermögensübergangs ./. Wertansatz der erhaltenen Anteile beim Einbringenden = Einbringungsgewinn II vor Siebtelregelung ./. Verringerung um je ein Siebtel pro abgelaufenes Zeitjahr seit Einbringung = zu versteuernder Einbringungsgewinn II Hat der Einbringende neben den Anteilen eine sonstige Gegenleistung erhalten, ist der Wertansatz der erhaltenen Anteile um den gemeinen Wert der Gegenleistung zu erhöhen (§ 20 Abs. 3 Satz 3 UmwStG).2 Der Einbringungsgewinn II gilt beim Einbringenden zugleich als nachträgliche Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile. Dadurch verringert sich ein späterer Gewinn aus einer nachfolgenden Veräußerung der erhaltenen Anteile.
III. Einbringung in inländische Kapitalgesellschaft durch ausländische Kapitalgesellschaft (Inbound-Einbringung) 1. Gewinnrealisierung nach allgemeinen Regeln
10.226 Ist die einbringende Gesellschaft im Ausland ansässig, wird sie bei der Einbringung in eine inländische Kapitalgesellschaft (Inbound-Einbringung) im Inland unter den Voraussetzungen des § 49 EStG steuerpflichtig. Dafür ist zu unterscheiden: Die Einbringung von beweglichen Einzelwirtschaftsgütern, die nicht zu einer inländischen Betriebsstätte gehören, wird von § 49 EStG nicht erfasst; hierzu gehören z.B. Maschinen, Betriebsvorrichtungen, Wertpapiere. Dabei ist unerheblich, ob diese Wirtschaftsgüter im Ausland zum Betriebsvermögen oder zum Privatvermögen gehören. Stellen die Wirtschaftsgüter jedoch Vermögen einer inländischen Betriebsstätte dar, gehört der Veräußerungsgewinn zum steuerpflichtigen Betriebsstättengewinn (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG).
1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 22.14 (UmwStE 2011). 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 22.15 (UmwStE 2011).
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Henkel
E. Grenzüberschreitende Einbringungen in Kapitalgesellschaften
Die Einbringung von inländischen Grundstücken, Sachinbegriffen oder Rechten, die in ein inländisches öffentliches Buch oder Register eingetragen sind oder die in einer inländischen Betriebsstätte oder anderen Einrichtung verwertet werden, führt nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG zur Gewinnrealisierung, soweit sie nicht bereits unter § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG fällt.1
10.227
Die Einbringung von Anteilen an einer inländischen Kapitalgesellschaft führt zur beschränkten Steuerpflicht, wenn es sich um Beteiligungen i.S.d. § 17 EStG handelt (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG) oder – ohne Rücksicht auf den Umfang der Beteiligung – wenn sie zu einer inländischen Betriebsstätte gehören. Auf den Einbringungsgewinn ist die Steuerfreistellung gem. § 8b Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 KStG bzw. das Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG anwendbar.
10.228
Soweit ein DBA mit dem Ansässigkeitsstaat des Einbringenden besteht, kann Deutschland die im Rahmen der Einbringung entstehenden Veräußerungsgewinne gem. § 49 EStG nur besteuern, soweit das jeweilige DBA Deutschland als Quellenstaat das Besteuerungsrecht für die jeweiligen Veräußerungsgewinne zuweist. Nach DBA-Recht gehören Gewinne, die bei der Sacheinlage gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten entstehen, grundsätzlich zu den Veräußerungsgewinnen i.S.d. Art. 13 OECDMA.2 Folgt das jeweils einschlägige DBA dem OECD-MA, werden die Gewinne aus der Einbringung von Immobilien im Belegenheitsstaat der Immobilie und Gewinne, die aus der Einbringung von Wirtschaftsgütern einer Betriebsstätte entstehen, im Betriebsstättenstaat besteuert. Veräußerungsgewinne, die nicht speziell geregelt werden, werden üblicherweise (Auffangklausel gem. Art. 13 Abs. 5 OECD-MA) im Sitzstaat des Veräußerers/Einbringenden besteuert. Das gilt regelmäßig für Gewinne aus der Veräußerung von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften. Nach diesen DBA-Regelungen können die bei der Einbringung entstehenden Gewinne im Inland besteuert werden, wenn die eingebrachten Wirtschaftsgüter zum Betriebsvermögen einer inländischen Betriebsstätte gehören oder wenn es sich um inländisches Grundvermögen handelt. Gewinne, die ein ausländischer Anteilseigner aus der Einbringung von Beteiligungen an einer inländischen Kapitalgesellschaft erzielt, dürfen nach der Auffangregelung des Art. 13 Abs. 5 OECD-MA nur im anderen DBA-Staat besteuert werden.
10.229
2. Einbringung nach dem UmwStG Einbringungen fallen nur dann unter das UmwStG, wenn der persönliche und sachliche Anwendungsbereich erfüllt ist (§ 1 Abs. 3 und 4 UmwStG). Für Einbringungen in eine inländische Kapitalgesellschaft (Inbound-Einbringungen) ist zwischen der Einbringung von Unternehmensteilen gem. 1 Heinicke in Schmidt31, § 49 EStG Rz. 38. 2 Prokisch in V/L, Art. 13 OECD-MA Rz. 3.
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1223
10.230
Kapitel 10 Internationale Umwandlungen
§ 20 UmwStG und der Einbringung von Anteilen gem. § 21 UmwStG zu unterscheiden. a) Einbringung von Unternehmensteilen gemäß § 20 UmwStG
10.231 Der persönliche Anwendungsbereich für die Einbringung von Unternehmensteilen i.S.v. § 20 Abs. 1 UmwStG ist eröffnet, wenn der Einbringende eine EU/EWR-Gesellschaft ist (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG). Einbringender kann zudem jede ausländische Person (natürliche oder juristische Person) sein, wenn die erworbenen Anteile im Inland steuerverhaftet werden und das Besteuerungsrecht an den Anteilen nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG).1 Hiernach sind folgende Fallgruppen zu unterscheiden: – Bringt eine im Ausland ansässige Person Wirtschaftsgüter in eine inländische Kapitalgesellschaft ein, die vor der Einbringung im Inland nicht steuerverstrickt waren, weil insoweit keine deutsche beschränkte Steuerpflicht besteht, entsteht keine inländische Besteuerung der stillen Reserven des eingebrachten Betriebsvermögens. Wird das Betriebsvermögen durch die Einbringung erstmals steuerverstrickt, weil sie z.B. dem Stammhaus der übernehmenden Gesellschaft zuzuordnen sind, hat die übernehmende Gesellschaft den gemeinen Wert des eingebrachten Betriebsvermögens anzusetzen.2 Zugleich sind die Anschaffungskosten des Einbringenden an den erhaltenen Anteilen mit dem gemeinen Wert anzusetzen.3 – Bringt eine im Ausland ansässige Person Betriebsvermögen, das einen Betrieb, Teilbetrieb oder einen Mitunternehmeranteil darstellt, in eine inländische Kapitalgesellschaft ein, das vor der Einbringung im Inland steuerverstrickt war, weil insoweit eine deutsche beschränkte Steuerpflicht bestand, ist der Einbringungsgewinn im Inland nach allgemeinen Regeln steuerpflichtig. Die übernehmende Gesellschaft kann das Wahlrecht gem. § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UmwStG ausüben, soweit das inländische Besteuerungsrecht hinsichtlich der Gewinne aus der Veräußerung des eingebrachten Betriebsvermögens nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird. Dementsprechend ist zu unterscheiden: – Wird das Betriebsvermögen dem Stammhaus der übernehmenden Gesellschaft zugeordnet, wird es steuerverstrickt und die inländische Besteuerung ist gewahrt; die übernehmende Gesellschaft kann (unter den weiteren Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 UmwStG) das Bewertungswahlrecht ausüben. Gleiches gilt, wenn das Betriebsver1 Siehe BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 (2011/0903665), BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.53 (UmwStE 2011). 2 H.M., siehe nur Patt in D/P/P/M7, § 20 UmwStG Rz. 228 m.w.N.: Es gelten insoweit die allgemeinen Verstrickungsregelungen gem. § 4 Abs. 1 Satz 8 und § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG; a.A. Herlinghaus in R/H/vL, § 20 UmwStG Rz. 167. 3 Schmidt/Schloßmacher, UmwStE 2011, 267.
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E. Grenzüberschreitende Einbringungen in Kapitalgesellschaften
mögen einer ausländischen Betriebsstätte in einem Nicht-DBAStaat zugeordnet wird. – Wird das Betriebsvermögen einer ausländischen Betriebsstätte zugeordnet, die in einem DBA-Staat mit Freistellungsmethode belegen ist (Freistellungs-Betriebsstätte), ist das deutsche Besteuerungsrecht ausgeschlossen und das Wahlrecht wird versagt. Gleiches gilt bei einer Betriebsstätte in einem DBA-Staat mit Anrechnungsmethode (Anrechnungs-Betriebsstätte); in diesem Fall wird das Wahlrecht versagt, weil das deutsche Besteuerungsrecht aufgrund der Anrechnungsverpflichtung beschränkt wird. Für die Ausübung des Wahlrechts der übernehmenden Gesellschaft ist es unerheblich, ob ein deutsches Besteuerungsrecht für die erhaltenen Anteile besteht, wenn es sich bei dem Einbringenden um eine in der EU bzw. im EWR ansässige Person handelt.1
10.232
b) Anteilstausch gemäß § 21 UmwStG Bei der Inbound-Einbringung von Anteilen hat die übernehmende Gesellschaft für die eingebrachten Anteile gem. § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG das Bewertungswahlrecht, wenn sie aufgrund ihrer Beteiligung einschließlich der erworbenen Anteile nachweisbar unmittelbar die Mehrheit der Stimmrechte an der Gesellschaft hat.
10.233
Einbringender kann beim Anteilstausch jede natürliche und juristische Person sein, unabhängig davon, wo sie ansässig ist. Die besonderen Anforderungen an den persönlichen Anwendungsbereich des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UmwStG gelten mangels Verweisung auf § 1 Abs. 3 Nr. 5 UmwStG nicht für den Anteilstausch.2 Folglich kann Einbringender jede ausländische Person sein, auch wenn sie in einem Drittstaat ansässig ist.
10.234
Auch hinsichtlich der persönlichen Anforderungen an die erworbene Gesellschaft bestehen keine Einschränkungen. Es können daher Anteile an EU/EWR-Kapitalgesellschaften sowie Anteile an Gesellschaften aus Drittstaaten eingebracht werden.3
10.235
Gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 UmwStG gilt der Wert, mit dem die übernehmende Gesellschaft die erworbenen Anteile ansetzt, grundsätzlich als Veräußerungspreis der eingebrachten und als Anschaffungskosten der erworbenen Anteile. Diese Wertverknüpfung gilt jedoch nicht (Ausnahme), wenn das inländische Besteuerungsrecht für die erworbenen oder für die erhaltenen Anteile ausgeschlossen oder beschränkt ist. Das ist bei der Inbound-Einbringung bspw. dann der Fall, wenn die eingebrachten Anteile einer ausländischen Betriebsstätte der übernehmenden Gesellschaft zu-
10.236
1 Patt in D/P/P/M7, § 20 UmwStG Rz. 229. 2 Patt in D/P/P/M7, § 21 UmwStG Rz. 8. 3 Patt in D/P/P/M7, § 20 UmwStG Rz. 9.
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Kapitel 10 Internationale Umwandlungen
zuordnen sind oder wenn der Einbringende in einem DBA-Staat ansässig ist, das entsprechend Art. 13 Abs. 5 OECD-MA den Gewinn aus der Veräußerung der Anteile dem Ansässigkeitsstaat des Anteilseigners zuweist.
10.237 Jedoch kann der Einbringende das Wahlrecht ausüben (Rückausnahme), wenn das deutsche Besteuerungsrecht an den erhaltenen Anteilen nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist oder der Gewinn gem. Art. 8 FRL nicht besteuert werden darf (siehe Rz. 10.131).
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Kapitel 11 Grenzüberschreitende Finanzierung international tätiger Unternehmen Literatur Ammelung, (Erneute) Verrechnungspreisaspekte bei Sicherheitengestellung gegenüber ausländischen Finanzierungsgesellschaften, IStR 2003, 250; Blaurock, Handbuch Stille Gesellschaft, 7. Aufl., Köln 2010; Bogenschütz, Hybride Finanzierungen im grenzüberschreitenden Kontext, Ubg 2008, 533; Boller/Eilinghoff/Schmidt, § 50d Abs. 10 EStG i.d.F. des JStG 2009 – ein zahnloser Tiger?, IStR 2009, 109; Bordewin/Tonner, Leasing im Steuerrecht, Heidelberg 2008; Bosak, Asset Backed Securities, Aachen 2006; Bösl/Sommer, Mezzanine Finanzierung, München 2006; Briesemeister, Hybride Finanzierungsinstrumente im Ertragsteuerrecht, Düsseldorf 2006; Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, München 2008; Endres/Schreiber, Investitions- und Steuerstandort USA, München 2008; Ernst/Bachmann, Steuerliche Behandlung der grenzüberschreitenden Unternehmensfinanzierung, StuW 2010, 262; Frischmuth, Europarecht und Hinzurechnungsbesteuerung, StuB 2007, 65; Grotherr, Zum Anwendungsbereich der unilateralen Rückfallklausel gemäß § 50d Abs. 9 EStG, IStR 2007, 265; Häuselmann, Bilanzielle und steuerliche Erfassung von Hybridanleihen, BB 2007, 931; Habersack/ Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt; 2. Aufl., Köln 2008; Haisch/Helios, Rechtshandbuch Finanzinstrumente, München 2011; Höinck/Janott, Non-Performing Loans, Factoring und USt, DB 2012, 943; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 7. Aufl., München 2011; Kaminski, Bedeutung der Finanzierung für die Besteuerung, Stbg 2011, 49; Kratsch, Die Behandlung von Genussrechten im Steuerrecht, BB 2005, 2603; Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., Köln 2011; Lechner/Haisch, Abgrenzung von partiarischem Darlehen zu innovativen Finanzierungsformen, Ubg 2011, 282; Lenz/Dörfler, Die Zinsschranke im internationalen Vergleich, DB 2010, 18; Lindemann/Schlikker/ Omar, Verbriefungen Made in Germany – Lösung für die Liquiditätskrise?, FR 2009, 711; Martinek/Stoffels/Wimmer-Leonard, Leasinghandbuch, 2. Aufl., München 2008; Meretzki, Weshalb der neue § 50d Abs. 10 EStG sein Ziel verfehlt und neue Probleme schafft, IStR 2009, 217; Middendorf, Wirtschaftliches Eigentum an Forderungen bei asset backed securities-Modellen in der Steuerbilanz, StuB 2011, 134; Müller, Double-Dip-Modelle bei deutschen Personengesellschaften, IStR 2009, 181; Petereit, Die sog. Switch-over-Klausel in den deutschen Doppelbesteuerungsabkommen, IStR 2003, 577; Piltz/Schaumburg, Internationale Unternehmensfinanzierung, Köln 2006; Rödding/Dann, Partiarische Darlehen – Neuorientierung der Finanzierungspraxis nach BFH-Urteil zur Kapitalertragsteuer nötig?, DStR 2011, 342; Rudolph, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, Tübingen 2006; Schmid/ Dammer, Neue Regeln zur Gewerbesteuer bei Asset-Backed-Securities – Transaktionen nach dem Kleinunternehmerförderungsgesetz, BB 2003, 819; Schön, Zurück in die Zukunft? – Gesellschafter-Fremdfinanzierung im Lichte der EuGH Rechtsprechung, IStR 2009, 882; Schreiber/Overesch, Reform der Unternehmensbesteuerung, DB 2007, 813; Sedemund, Qualifikationskonflikte bei Ausschüttungen von in den USA ansässigen Kapitalgesellschaften, RIW 2006, 533; Seeger/Thier, Cash Pooling – Ein sinnvolles Finanzinstrument zur Nutzung von Kostensenkungspotenzialen auch im gemeinnützigen Konzern, DStR 2011, 184; Streck, Körperschaftsteuergesetz, 7. Aufl., München 2008; Stumpf, Factoring – ein modernes und attraktives Finanzierungsinstrument zur Liquiditätssicherung, BB 2012, 1045; Vater, „Ewige Anleihen“: Funktionsweise, Einsatzzweck und Ausgestaltung, FB 2006,
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Kapitel 11 Grenzüberschreitende Finanzierung international tätiger Unternehmen 44; Watrin/Lühn, Mezzanine-Finanzierungen im Rahmen des § 8a KStG n.F., StuB 2004, 724; von Westphalen, Der Leasingvertrag, 6. Aufl., Köln 2008.
A. Finanzierungsmöglichkeiten eines Unternehmens und Entscheidungsparameter I. Einführung 11.1 Zu den Grundlagen jeder unternehmerischen Tätigkeit zählt die Unternehmensfinanzierung. In der Betriebswirtschaftslehre wird unter diesem Begriff allgemein die Bereitstellung von Mitteln zur Durchführung von Investitionen als Grundlage unternehmerischer Tätigkeit verstanden.1 Unternehmen stehen hierbei unterschiedliche Möglichkeiten offen. Die verschiedenen Finanzierungsarten lassen sich grundsätzlich nach folgenden Kriterien systematisieren:2 – Herkunft des Kapitals (Außen- und Innenfinanzierung), – Rechtsstellung des Kapitalgebers (Eigen- und Fremdfinanzierung; hier lassen sich auch hybride Finanzierungsmethoden, also Mischformen der Finanzierung mit Eigen- und Fremdmitteln, einordnen), – Dauer der Kapitalüberlassung (unbefristet/langfristig/mittelfristig/ kurzfristig), – Anlass der Finanzierung wandlung/Sanierung).
(Gründung/Kapitalerhöhung/Fusion/Um-
11.2 Dem Unternehmer ist die Form der Kapitalbeschaffung grundsätzlich freigestellt, wobei sowohl die Art des konkret gewählten Finanzierungsmittels als auch die Rahmenbedingungen – wie bspw. die Rechtsform des zu finanzierenden Unternehmens und des Kapitalgebers – erhebliche steuerliche Auswirkungen haben können.
11.3 Die Besteuerung hat Einfluss auf die Kapitalkosten und die Finanzierungsstrukturen und ist daher neben anderen Parametern, wie z.B. der Umfang der Haftung und der zu bestellenden Sicherheiten sowie der Verfügbarkeit des Kapitals und der Flexibilität, ein maßgeblicher Parameter im unternehmerischen Entscheidungsprozess. Fehler bei der Berücksichtigung der steuerlichen Belastung bei Finanzierungsentscheidungen können zu einer unnötigen Verteuerung des erlangten Kapitals und damit zu ökonomischen Wettbewerbsnachteilen gegenüber Mitbewerbern führen. Finanzierungsfragen stellen konsequenterweise ein Zentralthema im Rahmen der nationalen und internationalen Steuerplanung dar und nicht von ungefähr werden häufig Cross-Border-Finanzierungen unter einer
1 Siehe Kaminski, Stbg 2011, 49. 2 Steiner/Schiffel in Bösl/Sommer, Mezzanine Finanzierung, 5.
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A. Finanzierungsmöglichkeiten eines Unternehmens und Entscheidungsparameter
steuerlich motivierten Einbeziehung von Kreditaufnahme- bzw. Finanzierungsgesellschaften gestaltet.1 Die nachfolgenden Ausführungen knüpfen insbesondere an das Systematisierungskriterium der Rechtsstellung des Kapitalgebers an, d.h., bei der Darstellung der steuerlichen Rahmenbedingungen und Folgen der konkreten Finanzierungsentscheidung wird zwischen einer Finanzierung mit Eigen- und Fremdmitteln sowie hybriden Finanzierungsformen unterschieden.
II. Eigenkapital Von einer Eigenkapitalfinanzierung spricht man, wenn der zu finanzierenden Unternehmung durch einen Eigentümer, Miteigentümer oder Anteilseigner persönliche finanzielle Mittel zugeführt werden, wobei dies in Form von Geld- oder Sachkapital geschehen kann. Das Eigenkapital repräsentiert somit letztlich den Anteil der Eigentümer am Gesellschaftsvermögen. Wesentliche Unterscheidungsmerkmale des Eigenkapitals zum Fremdkapital sind neben der Herkunft des zur Verfügung gestellten Kapitals eine Bindung des Kapitals, d.h., das Kapital kann nicht wie etwa ein Kredit gekündigt werden, sowie die Tatsache, dass es sich beim Eigenkapital um haftendes Kapital handelt, das im Falle der Insolvenz der Unternehmung nicht als Insolvenzforderung geltend gemacht werden kann.2 Im Gegenzug zu dieser Haftung der Eigenkapitalgeber für Verluste der Gesellschaft partizipieren die Eigenkapitalgeber an einem potenziellen Gewinn der Unternehmung. Bei einer Kapitalgesellschaft wird das Eigenkapital durch das satzungsmäßige Stamm- bzw. Grundkapital der Gesellschaft, die ausgewiesenen Rücklagen sowie durch den Bilanzgewinn verkörpert. Bei einer Personengesellschaft repräsentieren die entsprechenden Gesellschafterkonten das Eigenkapital. Da Eigenkapital einen Anteil am Gesellschaftsvermögen repräsentiert, vermittelt es dem Eigenkapitalgeber zugleich Mitwirkungs- und Entscheidungsrechte in Bezug auf die Geschäftspolitik der Unternehmung.
11.4
Die Anforderungen, die an die Eigenkapitalausstattung des Unternehmens gestellt werden, hängen dabei grundsätzlich von der Rechtsform ab, in der die geschäftliche Unternehmung betrieben wird. Ist die Haftung für Risiken aufgrund der Rechtsform beschränkt, so wird gesellschaftsrechtlich unter Umständen eine gewisse Mindestausstattung des haftenden Eigenkapitals vorgeschrieben. Bei deutschen Kapitalgesellschaften werden an die Eigenkapitalausstattung in diesem Zusammenhang normative Anforderungen gestellt. So muss bei Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien das in diesem Fall als Grundkapital bezeichnete Eigenkapital gemäß § 7 AktG zumindest 50 000 Euro betragen.
11.5
1 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 971. 2 Schmidt, Gesellschaftsrecht4, 515.
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Kapitel 11 Grenzüberschreitende Finanzierung international tätiger Unternehmen
Bei einer GmbH hat sich das als Stammkapital bezeichnete Eigenkapital gemäß § 5 GmbHG auf mindestens 25 000 Euro zu belaufen. Über diese starren Mindestanforderungen hinaus existiert jedoch zumindest nach deutschem gesellschaftsrechtlichem Verständnis grundsätzlich1 keine Verpflichtung an die Gesellschafter, ihre Unternehmung mit einem dem Unternehmenszweck angemessenen Eigenkapitalpolster auszustatten.2 Ausnahmen sind im regulierten Finanzdienstleistungsbereich bei Banken, Versicherungen und Kapitalanlagegesellschaften gegeben.
11.6 Ist die persönliche Haftung für Risiken aus der geschäftlichen Unternehmung hingegen nicht aufgrund der Rechtsform des Unternehmens eingeschränkt, so entfällt im Regelfall das Bedürfnis nach einer gesetzlich festgeschriebenen Mindestausstattung mit Eigenkapital. In der Bundesrepublik Deutschland trifft dies auf die in der Rechtsform von Personengesellschaften geführten Unternehmungen zu. So haften alle Gesellschafter der BGB-Gesellschaft, der OHG und der Partnerschaftsgesellschaft gemäß § 128 HGB bzw. § 8 PartGG sowie die persönlich haftenden Gesellschafter der KG gemäß §§ 128, 161 HGB unbeschränkt für Verbindlichkeiten ihrer Gesellschaft. Entsprechend fehlt es bei diesen Gesellschaftsformen an gesetzlichen Regelungen hinsichtlich einer Mindestausstattung der Gesellschaft mit Eigenkapital.3
11.7 Korrespondierend zu den Vorschriften betreffend die Kapitalausstattung der Unternehmung können Vorschriften zum Erhalt des der Unternehmung von Ihren Gesellschaftern zur Verfügung gestellten Eigenkapitals bestehen. Bei einer deutschen Aktiengesellschaft gilt in diesem Zusammenhang gemäß §§ 57 f. AktG eine starre Kapitalbindung, wonach lediglich der Bilanzgewinn im Wege der Gewinnausschüttung an die Anteilseigner der Gesellschaft ausgekehrt werden kann, während eine Rückgewähr der das Eigenkapital repräsentierten Einlagen der Gesellschafter ausschließlich im Wege einer Herabsetzung des Grundkapitals der Gesellschaft erfolgen darf.
11.8 Die Kapitalaufbringung, d.h. das eigentliche Zurverfügungstellen des Eigenkapitals an die Unternehmung vollzieht sich bei Gründung der Gesellschaft durch Leistung der Einlagen durch die Gesellschafter an die Gesellschaft im Wege von Bar- oder Sacheinlagen. Benötigt die Gesellschaft nach ihrer Gründung neues Eigenkapital, so sind auch nach Gründung der Gesellschaft Kapitalerhöhungsmaßnahmen durch die Zuführung von neuem Eigenkapital durch entsprechende Einlagen durch die bestehenden oder ggf. neuen Gesellschafter möglich. Steuerrechtlich wirkt sich eine
1 Ausnahmen wurden zum Teil durch die Rechtsprechung bei einer allgemeinen Unterkapitalisierung der Gesellschaft gemacht, vgl. hierzu OLG Düsseldorf v. 26.10.2006 – 6 U 248/05, NZG 2007, 388 f. 2 Aleth/Reichel in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, 84. 3 Siehe hierzu Schmidt, Gesellschaftsrecht4, 515.
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A. Finanzierungsmöglichkeiten eines Unternehmens und Entscheidungsparameter
Finanzierung mit Eigenkapital bei der finanzierten Gesellschaft dem Grunde nach neutral aus. Weder die Rückzahlung des zur Verfügung gestellten Kapitals noch Zahlungen auf das Eigenkapital wie Gewinnausschüttungen oder Dividenden haben Auswirkungen auf der Besteuerung der finanzierten Gesellschaft, da diese Zahlungen im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung nicht in Abzug gebracht werden können.
III. Fremdkapital Im Unterschied zu einer Finanzierung durch Eigenkapital liegt eine Fremdkapitalfinanzierung dann vor, wenn das Unternehmen nicht unentgeltlich durch seine Eigentümer mit eigenem Kapital ausgestattet wird, sondern ihm entweder durch seine Anteilseigner oder durch Dritte entgeltlich Kapital zur Verfügung gestellt wird. Typische Beispiele für Fremdkapital sind Kredite durch Banken, Lieferantenkredite, Unternehmensanleihen oder Gesellschafterdarlehen.1 Bilanziell sind diese Positionen unter den Verbindlichkeiten auszuweisen. Gesetzliche Mindestkapitalausstattungspflichten gibt es beim Fremdkapital naturgemäß nicht. Letztendlich ist hier der tatsächliche Kapitalbedarf der Gesellschaft entscheidend. Im Unterschied zum Eigenkapital wird Fremdkapital nur befristet überlassen und vermittelt dem Kapitalgeber weder eine Beteiligung am Erfolg noch Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die Geschäftspolitik der Unternehmung. Im Gegenzug ist durch den Fremdkapitalnehmer an den Fremdkapitalgeber eine verpflichtende Vergütung für die Überlassung des Kapitals zu entrichten, die üblicherweise2 nicht fest an den wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmung geknüpft ist. Im Gegensatz zur Finanzierung durch Eigenkapital ist Fremdkapital hierbei nicht steuerneutral, da die Vergütung für die Überlassung des Fremdkapitals das steuerliche Ergebnis der zu finanzierenden Unternehmung mindert.3
11.9
IV. Hybride Finanzierungsformen Unter Hybridkapital oder mezzaninem Kapital sind Finanzierungsformen zu verstehen, die sowohl Elemente einer Finanzierung mit Eigenkapital (z.B. eine Partizipation an den Chancen und Risiken der geschäftlichen Unternehmung) als auch Elemente einer Finanzierung mit Fremdkapital (z.B. bilanzielle Behandlung als Verbindlichkeit) in sich vereinigen.4 Typische Beispiele hybrider Finanzierungsinstrumente sind hierbei etwa Darle-
1 Vgl. zu den verschiedenen Fremdfinanzierungsalternativen Rudolph, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, Kap. 10. 2 Ausnahmen wären z.B. sog. „partiarische Darlehen“, d.h. Darlehen mit einer gewinnabhängigen Verzinsung. 3 Vgl. Eilers in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, 18. 4 Briesemeister, Hybride Finanzierungsinstrumente im Ertragsteuerrecht, 10.
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11.10
Kapitel 11 Grenzüberschreitende Finanzierung international tätiger Unternehmen
hen mit Rangrücktrittsvereinbarung, partiarische Darlehen, Genussrechte sowie typische und atypische stille Beteiligungen. Aufgrund dieser Zwitterstellung zwischen den beiden klassischen Finanzierungsarten weist Hybridkapital eine hohe Flexibilität bezüglich seiner konkreten Ausgestaltung aus und kann individuell auf die über die reine Zuführung von Liquidität hinausgehenden Bedürfnisse des finanzierten Unternehmens und die Interessen des Kapitalgebers angepasst werden. Im besonderen Fokus steht hierbei die verbreitete Intention, Kapital ohne oder nur mit einer moderaten Erhöhung des bilanziellen Verschuldungsgrades aufzunehmen, um so den Spielraum des Unternehmens zur Aufnahme echten Fremdkapitals zu gewährleisten.1 Hybride Finanzierungsformen ermöglichen ferner die Aufnahme von eigenkapitalähnlichen Mitteln, ohne die bestehende Gesellschafterstruktur und damit die Einflussverhältnisse innerhalb des Unternehmens verändern zu müssen. Schließlich kann durch die Auswahl eines geeigneten hybriden Finanzierungsinstruments die Aufnahme von sich für das Unternehmen wirtschaftlich als Eigenkapital darstellendem Kapital mit einer steuerlichen Abzugsfähigkeit der von dem finanzierten Unternehmen für das Kapital zu entrichtenden Vergütung (z.B. Zinsen) kombiniert werden.
V. Operative Finanzierungsformen 11.11 Operative Finanzierungsformen werden in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur zwar als eine eigene Finanzierungsform angesehen, systematisch sind sie jedoch als ein Unterfall der Finanzierung durch Fremdkapital zu klassifizieren, da Ziel einer operativen Finanzierung letztlich die Beschaffung von Liquidität von dritter Seite zur Verfolgung der eigenen unternehmerischen Aktivitäten ist. Zu den operativen Finanzierungsformen zählt insbesondere die Verwertung von Forderungsbeständen des Unternehmens zwecks kurzfristiger Generierung von Liquidität wie beim Factoring oder bei Asset-Backed-Securities-Transaktionen. Auch die Finanzierung des für die unternehmerischen Zwecke notwendigen Anlagevermögens der Unternehmung durch Leasingtransaktionen ist zu den operativen Finanzierungsformen zu zählen.2
VI. Steuerliche Rahmenbedingungen der grenzüberschreitenden Unternehmensfinanzierung 11.12 Wie in den obigen Abschnitten erläutert kann die Finanzierung international tätiger Unternehmen durch Eigen- oder Fremdmittel sowie durch Mischformen, d.h. durch hybride Finanzierungsinstrumente erfolgen. 1 Vgl. zu den Motiven des Einsatzes hybrider Finanzierungsformen Gleske/Laudenklos in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, 467. 2 Vgl. zu den verschiedenen operativen Finanzierungsformen Schott/Bartsch in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, Kap. E.
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A. Finanzierungsmöglichkeiten eines Unternehmens und Entscheidungsparameter
Grundsätzlich existiert hierbei zumindest nach deutschem steuerrechtlichem Verständnis ein Wahlrecht. So betont der BFH in ständiger Rechtsprechung, dass es dem Unternehmer freisteht, ob er seine Unternehmung durch Eigenkapital oder Fremdkapital finanziert.1 Dies gilt ausdrücklich auch dann, wenn sich eine der Finanzierungsform als steuerlich vorteilhafter als die andere erweist. Dieser auch in ausländischen Steuerjurisdiktionen anzutreffende „Grundsatz der Finanzierungsfreiheit“ wird in der Praxis jedoch häufig durch fiskalische Lenkungsmaßnahmen des jeweils zuständigen nationalen Gesetzgebers eingeschränkt. Diesen liegt dabei im Wesentlichen dieselbe Problematik zugrunde. Im Kern geht es jeweils darum, einer Entziehung von Steuersubstrat durch eine übermäßige Fremdfinanzierung eines inländischen steuerpflichtigen Unternehmens durch einen im Ausland ansässigen Kapitalgeber entgegenzuwirken. Im Zentrum steuerlicher Überlegungen liegt demnach sowohl aufseiten des Gesetzgebers als auch aufseiten der Finanzierungsparteien typischerweise die Finanzierung mit Fremdkapital oder steuerrechtlich als Fremdkapital ausgestalteten hybriden Finanzierungsformen. Wird der Kapitalbedarf einer Unternehmung durch steuerrechtlich als Fremdkapital zu qualifizierende Finanzierungsinstrumente gedeckt, so vermindert die für das zur Verfügung gestellte Kapital zu entrichtende Gegenleistung (z.B. eine vereinbarte Verzinsung) im Regelfall das steuerliche Ergebnis dieses Unternehmens. Befinden sich sowohl das finanzierte als auch das finanzierende Unternehmen in derselben Steuerjurisdiktion, so steht dem Abgang von Steuersubstrat bei dem finanzierten Unternehmen ein korrespondierender Zuwachs an Steuersubstrat (z.B. durch vereinnahmte Zinszahlungen) beim Kapitalgeber gegenüber. Unterstellt, das finanzierte und das das Kapital zur Verfügung stellende Unternehmen weisen dieselben Steuerattribute auf (individueller Steuersatz, Nutzung von steuerlichen Verlustvorträgen), so droht dem jeweiligen Fiskus kein Verlust an Steuersubstrat und -aufkommen.
11.13
Liegt hingegen eine grenzüberschreitende Finanzierungsstruktur vor, so ist diese fiskalische Symmetrie2 nicht mehr sichergestellt. Das durch den Fremdkapitalgeber vereinnahmte Entgelt (z.B. der Zinsertrag) unterliegt nach deutschem Steuerrecht im Regelfall3 im Ansässigkeitsstaat des Kapitalgebers der Besteuerung. Zusätzlich weisen die durch die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen Abkommen zur Vermeidung der
11.14
1 Vgl. BFH v. 5.2.1992 – I R 127/90, BStBl. II 1992, 532; v. 8.12.1997 – GrS 1-2/95, BStBl. II 1998, 197; v. 15.2.2002 – I R 53/00, BStBl. II 2003, 329; v. 6.12.2005 – VIII R 34/04, BStBl. II 2006, 266; v. 25.2.2009 – IX R 62/07, BStBl. II 2009, 460. 2 Siehe zu diesem Begriff Ernst/Bachmann, StuW 2010, 262. 3 Gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. aa EStG unterliegen Zinseinkünfte grundsätzlich nur dann einer beschränkten Steuerpflicht, wenn sie grundpfandrechtlich besichert sind oder auf eigenkapitalähnliche Genussrechte gezahlt werden. Zinseinkünfte des stillen Gesellschafters oder Gläubigers eines partiarischen Darlehens unterliegen gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG jedoch einer beschränkten Steuerpflicht.
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Kapitel 11 Grenzüberschreitende Finanzierung international tätiger Unternehmen
Doppelbesteuerung grundsätzlich dem Ansässigkeitsstaat des Fremdkapitalgebers das volle Besteuerungsrecht auf das Finanzierungsentgelt zu. Nur in Ausnahmefällen wird dem Ansässigkeitsstaat des Fremdkapitalnehmers ein begrenztes Besteuerungsrecht belassen.1 Schließlich wird im EU-Raum eine Besteuerung von Zinseinkommen durch den Ansässigkeitsstaat des Kapitalnehmers durch die Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie untersagt.
11.15 Der steuerplanerische Ansatz von grenzüberschreitend tätigen Unternehmen besteht daher oftmals darin, Fremdkapital von Unternehmenseinheiten, die einem hohen Steuerniveau unterliegen, aufnehmen zu lassen. Bei vergleichbarer Profitabilität wird auf diesem Wege eine Maximierung der steuerlichen Wirkung des Abzuges der Fremdkapitalaufwendungen erreicht. Bei Unternehmenseinheiten, die nur einem relativ geringen Steuerniveau unterliegen, ist nach dieser Logik hingegen einer eigenkapitalbasierten Finanzierung der Vorzug einzuräumen.
11.16 In Anbetracht des noch immer vergleichsweise hohen deutschen Steuerniveaus überrascht es daher nicht, dass im Falle von unternehmensinternen grenzüberschreitenden Inbound-Investitionen die Finanzierung mit verzinslichem Fremdkapital in der Vergangenheit überwog.2
11.17 Begegnet wird diesen „fiskalischen Asymmetrien“ durch die betroffenen Steuerjurisdiktionen im Regelfall dadurch, dass das von der Gesellschaft an den im Ausland ansässigen Kapitalgeber entrichtete Entgelt für das zur Verfügung gestellte Fremdkapital im Rahmen der steuerlichen Ergebnisermittlung nicht mehr zum Abzug zugelassen wird. In der Bundesrepublik Deutschland wurde in diesem Zusammenhang erstmals 1993 durch das sog. „Standortsicherungsgesetz“3 eine gesetzliche Unterkapitalisierungsvorschrift in Gestalt des § 8a KStG a.F. eingeführt. Wirkungsweise dieser Vorschrift war es, an ausländische Anteilseigener der finanzierten Gesellschaft gezahlte Vergütungen für Fremdkapital unter bestimmten Voraussetzungen als verdeckte Gewinnausschüttungen zu qualifizieren und somit die steuerliche Abzugsfähigkeit der Vergütungen auf der Ebene der finanzierten Gesellschaft auszuschließen.4 Durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 wurde § 8a KStG a.F. durch die sogenannte Zinsschrankenregelung gemäß § 4h EStG und § 8a KStG n.F. ersetzt. Wirkungsweise der Zinsschrankenregelung ist es hierbei, unter bestimmten Voraussetzungen die Abzugsfähigkeit des Nettozinsaufwandes des finanzierten Unternehmens auf 30 % des steuerlich modifizierten EBITDA zu begrenzen, wobei allerdings ein Vortrag von nicht abzugsfähigem Zinsaufwand in zukünftige Veranlagungszeiträume möglich ist. Während die Unterkapitalisierungsvorschrift nach § 8a KStG a.F. explizit nur auf den 1 Vgl. in diesem Zusammenhang Art. 11 Abs. 2 DBA-Kanada sowie Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 11 OECD-MA Rz. 48. 2 Schreiber/Overesch, DB 2007, 820. 3 BStBl. I 1993, 774 f. 4 Vgl. zu dieser Vorschrift Schwedhelm in Streck7, § 8a KStG a.F.
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B. Ausgewählte Instrumente der grenzüberschreitenden Unternehmensfinanzierung
Fall einer Fremdfinanzierung eines inländischen Unternehmens durch einen ausländischen Gesellschafter abstellte, weist die Zinsschrankenregelung hierbei keinen spezifischen Gesellschafterbezug auf und ist auch auf inländische Finanzierungsstrukturen anwendbar. Nichtsdestotrotz ist die fiskalisch motivierte Begrenzung der grenzüberschreitenden Fremdfinanzierung inländischer Gesellschaften durch ausländische Kapitalgeber ein wesentliches Wirkungselement der Zinsschrankenregelung.1
B. Ausgewählte Instrumente der grenzüberschreitenden Unternehmensfinanzierung I. Beteiligungs- und Einlagenfinanzierung Die Finanzierung einer Gesellschaft mit Eigenkapital erfolgt steuerrechtlich durch die Leistung von Einlagen. Hierbei handelt es sich um Vermögenszuführungen, die der Unternehmung auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage zugeführt werden und die ihrer Natur nach nur von den Gesellschaftern der jeweiligen Gesellschaft geleistet werden können. Weiterhin kann die Gesellschaft durch Gewinnthesaurierung weiteres Eigenkapital bilden. Hinsichtlich der Form von Einlagen wird steuerlich generell zwischen offenen und verdeckten Einlagen unterschieden.
11.18
Offene Einlagen werden hierbei nach Maßgabe gesellschaftsrechtlicher Vorschriften zum Erwerb von Gesellschaftsrechten erbracht. Aus deutschem steuerrechtlichem Blickwinkel sind Einlagen hierbei gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbs. 1 EStG grundsätzlich mit dem Teilwert zu bewerten. Teilwert ist hierbei gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG der Wert, den der Erwerber des gesamten Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das jeweilige Wirtschaftsgut veranschlagen würde. Steuerlich gilt hierbei die Prämisse, dass die durch die Einlage auf der Ebene der finanzierten Gesellschaft verursachte Vermögensmehrung nicht von dieser selbst erwirtschaftet wurde und somit nicht Bestandteil ihres steuerlichen Gewinns sein kann, wohingegen es beim Gesellschafter durch den Teilwertansatz sehr wohl zu einer steuerpflichtigen Gewinnrealisierung kommen kann.
11.19
Verdeckte Einlagen liegen vor, wenn der Unternehmung ohne Gesellschafterbeschluss Vermögensvorteile zugewendet werden, die ein Nichtgesellschafter nicht zugewendet hätte und deren Grundlage daher das Gesellschaftsverhältnis ist. Typische Beispielsfälle für verdeckte Einlagen sind hierbei Forderungsverzichte von Gesellschaftern gegenüber ihrer Gesellschaft und unentgeltliche oder verbilligte Leistungen an die Gesellschaft oder der Bezug von überteuerten Waren-/Dienstleistungen von der Gesellschaft. Steuersystematische Folge einer verdeckten Einlage ist eine
11.20
1 Vgl. Schön, IStR 2009, 882.
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Kapitel 11 Grenzüberschreitende Finanzierung international tätiger Unternehmen
steuerwirksame Korrektur des auf der Ebene der finanzierten Gesellschaft zu hoch ausgewiesenen Gewinns und eine dem spiegelbildlich gegenüberstehende Erhöhung des steuerlichen Gewinns auf der Ebene des finanzierenden Gesellschafters.1 Diese allgemeinen deutschen Grundsätze hinsichtlich der steuerlichen Behandlung offener und verdeckter Einlagen gelten explizit auch für den Fall einer grenzüberschreitenden Finanzierung, d.h. bei Ansässigkeit des Eigenkapitalgebers bzw. Eigenkapitalnehmers im Ausland.
11.21 Den Einlagen gegenüber stehen bei der Einlagenfinanzierung bei Kapitalgesellschaften Gewinnausschüttungen bzw. Dividendenzahlungen der Gesellschaft an ihre Gesellschafter und bei Personengesellschaften Entnahmen durch die Gesellschafter. In beiden Fällen erfolgt ein Transfer des Ergebnisses des Unternehmens zu den Anteilseignern.
11.22 Einen besonderen Fall stellt das Dotationskapital als steuerliche Eigenkapitalfiktion bei Betriebsstätten im Rahmen von grenzüberschreitenden Finanzierungen dar. Während Betriebsstätten gesellschaftsrechtlich ein integraler Bestandteil des Gesamtunternehmens sind, wird aus steuerlichem Blickwinkel zum Zwecke der Gewinnabgrenzung zwischen den verschiedenen Steuerjurisdiktionen eine wirtschaftliche Selbständigkeit fingiert. Folgerichtig gilt die Maßgabe, die Betriebsstätte so mit Dotationskapital auszustatten, dass sie in der Lage ist, die ihr durch das Stammhaus übertragenen Aufgaben zu erfüllen. Wie genau das angemessene Dotationskapital einer Betriebsstätte zu bestimmen ist, ist zumindest aus deutscher steuerrechtlicher Sicht nach wie vor problematisch. Die deutsche Finanzverwaltung hat sich der Prämisse der Rechtsprechung, wonach die Art der Finanzierung dem Stammhaus zu überlassen ist, zwar grundsätzlich angeschlossen, gleichzeitig wird jedoch ausdrücklich das Erfordernis einer dem Fremdvergleich genügenden Kapitalausstattung der Betriebsstätte hervorgehoben. Unangemessene Unter- oder Überdotierungen der Betriebsstätte sollen ausdrücklich nur in Ausnahmefällen zulässig sein.2
11.23 Generell entsteht bei einer Finanzierung der Unternehmung mit Eigenkapital kein Finanzierungsaufwand der finanzierten Gesellschaft (z.B. in Form von Zinsen). Das erzielte steuerliche Ergebnis des finanzierten Unternehmens wird nicht durch den Finanzierungsaufwand verringert. Aus steuerlichem Blickwinkel erscheint eine Eigenkapitalfinanzierung daher generell immer dann als vorteilhaft, wenn das Steuerniveau auf der Ebene des Kapitalgebers höher ist als auf der Ebene des finanzierten Unternehmens. Im Ergebnis ist dieses Prinzip auch auf Betriebsstätten anwendbar. Einer Betriebsstätte sind Finanzierungsaufwendungen immer dann zuzuordnen, wenn sie das durch das Stammhaus zur Verfügung gestellte Dota1 Reichel/Roderburg in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, Kap. B, Rz. 112 f. 2 Vgl. BMF v. 20.11.2000 – IV B 4 - S 1300 - 222/00, BStBl. I 2000, 1509 (Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze).
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B. Ausgewählte Instrumente der grenzüberschreitenden Unternehmensfinanzierung
tionskapital überschreiten. Ist das Steuerniveau im Ansässigkeitsstaat des Stammhauses höher als im Ansässigkeitsstaat der Betriebsstätte, so erscheint daher ebenfalls eine eigenkapitalbasierte Finanzierung der Betriebsstätte durch eine umfangreiche Ausstattung mit Dotationskapital attraktiv. Im Falle von Kapitalgesellschaften gilt es bei einer Finanzierung mit Eigenkapital zu beachten, dass ggf. eine doppelte Steuerbelastung aufgrund der Besteuerung der finanzierten Gesellschaft mit Körperschaftsteuer und einer Quellenbesteuerung auf die Gewinnausschüttungen bzw. Dividenden eintreten kann. Durch DBA kann die Quellenbesteuerung der Dividendenzahlungen jedoch wiederum ausgeschlossen oder beschränkt sein. Auch entfällt sie bei Anwendbarkeit der MTR. Weiterhin gilt es, die in bestimmten Ländern anzutreffenden Kapitalverkehrssteuern auf Eigenkapitalzuführungen zu beachten. Wird eine solche selbständige Steuer auf das der finanzierten Unternehmung im Rahmen einer Cross-Border-Finanzierung von ihren Gesellschaftern zur Verfügung gestellte Eigenkapital erhoben, kann auch dies ein Argument gegen eine eigenkapitalbasierte Finanzierung darstellen. Ein wesentliches außersteuerliches Motiv für die Wahl einer Finanzierung mit Eigenkapital ist die Überlegung, dass auf Dividendenzahlungen bzw. Gewinnausschüttungen im Gegensatz zu für Fremdkapital zu entrichtenden Vergütungen im Grundsatz frei verzichtet werden kann. Diese Flexibilität bietet insbesondere bei einer sich negativ entwickelnden wirtschaftlichen Situation der finanzierten Gesellschaft Vorteile gegenüber der klassischen Fremdfinanzierung. Zu beachten ist allerdings der unter Umständen höhere administrative Aufwand bei Eigenkapitalmaßnahmen (Gesellschafterversammlung, Registereintragungen etc.).
11.24
II. Darlehen/Kredite Kann oder soll der Kapitalbedarf nicht durch Eigenkapital gedeckt werden, so ist die betreffende Unternehmung auf die Aufnahme von Fremdkapital angewiesen. Hierbei sind zwei Möglichkeiten zu unterscheiden. Zum einen die Aufnahme von Fremdkapital von dritter Seite, etwa durch Aufnahme eines Darlehens von einer Bank oder durch Platzierung von Anleihen an Kapitalmärkten. Zum anderen die Aufnahme von Fremdkapital von den eigenen Gesellschaftern bzw. Mutterunternehmen, etwa durch Aufnahme eines Gesellschafterdarlehens. Betriebsstätten sind als rechtlich unselbständige Teile des Unternehmens zivilrechtlich zwar nicht in der Lage, eigene Verträge über die Aufnahme von Fremdkapital abzuschließen, bei einer entsprechenden betrieblichen Veranlassung im Rahmen der Gesamtunternehmung können jedoch durch das Stammhaus aufgenommenes Fremdkapital und insbesondere der hiermit verbundene Finanzierungsaufwand der Betriebsstätte zugerechnet werden.1 1 Siehe in diesem Zusammenhang BMF v. 20.11.2000 – IV B 4 - S 1300 - 222/00, BStBl. I 2000, 1509 Tz. 3.3 (Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze).
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11.25
Kapitel 11 Grenzüberschreitende Finanzierung international tätiger Unternehmen
11.26 Generell gilt bei der Finanzierung mit Darlehen bzw. Krediten als Unterfall der Fremdkapitalfinanzierung steuerlich, dass das für die Überlassung des Fremdkapitals zu entrichtende Entgelt (bei einem Darlehensvertrag der vereinbarte Zins) das steuerliche Ergebnis des finanzierten Unternehmens mindert. Unterliegt das Einkommen des Unternehmens der deutschen Gewerbesteuer, so wäre bei einer Inbound-Finanzierung allerdings die gewerbesteuerliche Hinzurechnung i.H.v. 25 % gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG zu beachten. Eine Quellenbesteuerung auf abfließende Zinsen für Kredite wird in der Bundesrepublik Deutschland sowie der Mehrzahl der übrigen Steuerjurisdiktionen1 grundsätzlich nicht erhoben. Darüber hinaus weisen die seitens der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen DBA das grundsätzliche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Zinserträge aus Kreditverhältnissen stets dem Ansässigkeitsstaat des Empfängers zu.2
11.27 Besonderheiten können sich im Rahmen einer grenzüberschreitenden Finanzierung jedoch in den Fällen ergeben, in denen das Darlehen durch die Gesellschafter einer aus deutscher Sicht als Mitunternehmerschaft zu qualifizierenden Personengesellschaft an die Gesellschaft ausgereicht wird. Nach der Logik des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG stellen die Zinszahlungen in diesem Fall Sonderbetriebseinnahmen des Gesellschafters/Mitunternehmers dar, die dessen Gewinnanteil aus der Personengesellschaft zuzurechnen sind. Da das deutsche Mitunternehmerkonzept im Ausland jedoch unbekannt ist, werden die Zinserträge durch die meisten Staaten hingegen direkt den Gesellschaftern der Personengesellschaft für steuerliche Zwecke zugerechnet. Im Outbound-Fall besteht aufgrund dieses Qualifikationskonflikts die abstrakte Möglichkeit der Entstehung von „weißen Einkünften“, wenn die Besteuerung der Zinserträge aus deutscher Sicht aufgrund der Mitunternehmerkonzeption auf der Ebene der finanzierten ausländischen Personengesellschaft zu erfolgen hat und der ausländische Staat die Zahlungen jedoch als originäre Zinszahlungen ansieht und die Zinszahlungen aufgrund eines DBA mit Deutschland von einer Besteuerung freistellt. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang jedoch die mit Wirkung ab 2007 eingeführte Rückfallklausel des § 50d Abs. 9 Nr. 1 EStG. Nach dieser Vorschrift kommt eine Freistellung unter einem DBA nicht in Betracht, sofern der andere Staat die Einkünfte unter einen anderen Artikel des DBA subsumiert und daher keine Besteuerung der Einkünfte vornimmt. Aufgrund von § 50d Abs. 9 Nr. 1 EStG kommt im oben beschriebenen Sachverhalt zumindest nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung eine Freistellung der Einkünfte aufgrund der Qualifikation als Sonderbetriebseinnahmen im Ergebnis nicht in Betracht.3 1 Innerhalb der EU kommt eine Besteuerung der Zinszahlungen mit Kapitalertragsteuer schon aufgrund der EU-Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie nicht in Betracht. 2 Vgl. beispielhaft Art. 11 DBA-USA, DBA-Großbritannien und Art. 10 DBAFrankreich. 3 Zum gleichen Ergebnis kommt letztlich der BFH mit seiner Rechtsprechung zum Betriebsstättenvorbehalt, vgl. BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; siehe auch Grotherr, IStR 2007, 265 f.
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B. Ausgewählte Instrumente der grenzüberschreitenden Unternehmensfinanzierung
Im umgekehrten Fall einer Inbound-Finanzierung einer inländischen Personengesellschaft besteht die Möglichkeit, dass das Entgelt für die Finanzierung aus deutscher Sicht aufgrund der Mitunternehmerkonzeption dem inländischen Betriebsstättenergebnis der Personengesellschaft zuzurechnen ist und Deutschland daher eine Besteuerung des Entgelts vornimmt, während der ausländische Staat das Entgelt als originäre Zinserträge klassifiziert und sein diesbezügliches Besteuerungsrecht unter einem DBA1 ausübt. Mit Urteil vom 17.10.2007 hatte der BFH im Fall von Zinszahlungen einer deutschen Personengesellschaft an einen USamerikanischen Gesellschafter entschieden, dass diese für Zwecke der Anwendung des DBA dem Zinsartikel unterfallen und nicht als Unternehmensgewinne der Personengesellschaft gelten.2 Um in diesen Fällen die inländische Besteuerung der für das gewährte Fremdkapital gewährten Entgelte gemäß der Mitunternehmerkonzeption sicherzustellen, wurde durch den Gesetzgeber im Rahmen des JStG 2009 die kontrovers diskutierte3 Vorschrift des § 50d Abs. 10 EStG eingeführt. Letztere besagt unter anderem, dass als Sondervergütungen i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu qualifizierende Zinszahlungen an einen Mitunternehmer oder persönlich haftenden Gesellschafter einer KGaA bei Anwendbarkeit eines DBA stets als Unternehmensgewinne anzusehen sind, sofern das Abkommen keine ausdrückliche anderweitige Regelung trifft. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass § 50d Abs. 10 EStG keine Aussage zu der Frage der Zurechenbarkeit der Einkünfte zu einer deutschen Betriebsstätte der ausländischen Personengesellschaft trifft. Die Finanzverwaltung geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass die Sonderbetriebseinnahmen in Form der Finanzierungsentgelte grundsätzlich einer inländischen Betriebsstätte der ausländischen Personengesellschaft zuzurechnen sind.4 Der BFH hat in diesem Zusammenhang jedoch wiederholt5 entschieden, dass eine solche Zurechnung nur bei einem tatsächlich-funktional bestehenden Zusammenhang des zugrunde liegenden Darlehensverhältnisses zu einer inländischen Personengesellschaft infrage kommt, die in der Praxis regelmäßig ausscheidet. Mit Urteil vom 8.9.20106 hat der BFH diese Rechtsprechung auch in Ansehung des § 50d Abs. 10 EStG ausdrücklich bestätigt. Unabhängig von der durch § 50d Abs. 10 EStG vorgenommenen generellen Qualifizierung der Sonderentgelte im Rahmen einer grenzüberschreitenden Mitunternehmerschaft als Unternehmensgewinne bei Vorliegen eines DBA kommt eine deutsche
1 Vgl. Art. 11 OECD-MA, der das Besteuerungsrecht in Bezug auf Zinserträge grundsätzlich dem Ansässigkeitsstaat des Gläubigers zuweist. 2 BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356. 3 Vgl. Boller/Eilinghoff/Schmidt, IStR 2009, 109 f.; Meretzki, IStR 2009, 217 f. 4 BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354 Rz. 5.1. 5 Vgl. BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444 und v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356. 6 BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138.
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11.28
Kapitel 11 Grenzüberschreitende Finanzierung international tätiger Unternehmen
Besteuerung von Vergütungen für Fremdkapital im Inbound-Fall daher regelmäßig nicht in Betracht.
11.29 Analog zu der Frage nach der Besteuerung von Sonderbetriebseinnahmen stellt sich aufgrund der Mitunternehmerkonzeption die Frage nach der Verrechenbarkeit von Sonderbetriebsausgaben in Form der für die Überlassung des Fremdkapitals zu entrichtenden Refinanzierungsaufwendungen. Hier besteht im Outbound-Fall das Risiko, dass der ausländische Fiskus, dem die Mitunternehmerkonzeption fremd ist, die durch den inländischen Gesellschafter/Mitunternehmer zu entrichtenden Refinanzierungsaufwendungen nicht zum Abzug zulässt, während Deutschland den Abzug nur auf der Ebene der ausländischen Personengesellschaft zulassen will. Während im Nicht-DBA-Fall hierdurch Anrechnungsüberhänge produziert werden, steht im Falle des Vorliegens eines DBA die generelle steuerliche Abzugsfähigkeit des Finanzierungsaufwands zur Disposition. Umgekehrt besteht im Inbound-Fall natürlich die Möglichkeit, dass die Aufwendungen aus der Refinanzierung sowohl auf der Ebene der ausländischen Gesellschafter als auch im Rahmen der Einkommensermittlung der inländischen Betriebsstätte der Personengesellschaft Berücksichtigung finden.1 Die Vorschrift des § 50d Abs. 9 EStG ist auf Refinanzierungsaufwendungen der Gesellschafter einer Personengesellschaft bereits dem Wortlaut nach nicht anwendbar. Inwieweit die oben zitierte Rechtsprechung des BFH zur abkommensrechtlichen Zuordnung von Sonderbetriebseinkünften zu einer Betriebsstätte einer Personengesellschaft auch auf Sonderbetriebsausgaben im Zusammenhang mit der Refinanzierung der Kapitalausstattung der Personengesellschaft Anwendung finden kann, ist letztendlich noch ungeklärt.
11.30 Die grenzüberschreitende Fremdkapitalfinanzierung erscheint aufgrund der grundsätzlich bestehenden steuerlichen Abzugsfähigkeit des Zinsaufwands reziprok zu der Ausgangssituation bei der Finanzierung mit Eigenkapital immer dann als günstig, wenn das Steuerniveau des Ansässigkeitsstaates des finanzierten Unternehmens das des Ansässigkeitsstaates des Gesellschafters übersteigt. Ist hierbei die zu finanzierende Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland ansässig, so ist die Finanzierung dieser Gesellschaft im Wege eines Darlehens auch nach der im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 erfolgten Absenkung des deutschen Körperschaftsteuersatzes von 25 auf 15 % im Regelfall noch günstiger als die Finanzierung durch Eigenkapital.2 Im Falle einer Outbound-Finanzierung kommt es bei einer konzerninternen Finanzierung einer Kapitalgesellschaft neben dem konkreten Steuerniveau deren Ansässigkeitsstaates wesentlich auf die Höhe einer möglichen Kapitalertragsteuer auf Dividendenzahlungen der finanzierten Gesellschaft an. Ein vergleichbares Besteuerungsniveau unterstellt, spricht hier eine Kapitalertragsteuerbelastung der Dividendenzahlungen für die Anwendung eines 1 Müller, IStR 2005, 182. 2 Siehe Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 979.
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B. Ausgewählte Instrumente der grenzüberschreitenden Unternehmensfinanzierung
Darlehens, d.h. für eine Fremdkapitalfinanzierung, wohingegen das Fehlen einer Belastung mit Kapitalertragsteuer für eine Finanzierung mit Eigenkapital sprechen kann.1 Ob die grenzüberschreitende Finanzierung durch Gewährung eines Darlehens als Instrument der Fremdkapitalfinanzierung der Hingabe von Eigenkapital vorzuziehen ist, muss jedoch unabhängig von dem o.g. allgemeinen Belastungsvergleich zwischen in- und ausländischer Steuerbelastung für den konkreten Fall anhand der jeweiligen Steuerattribute der betroffenen Gesellschaften, wie z.B. die steuerliche Verlustsituation des finanzierten und finanzierenden Unternehmens, bestimmt werden.
11.31
Soll eine in- oder ausländische Gesellschaft durch die Aufnahme von Krediten finanziert werden, so ist sich insbesondere zu vergegenwärtigen, dass eine solche Fremdfinanzierung, wie dargestellt, im Inland und vielfach auch im Ausland aus steuerlichem Blickwinkel nur eingeschränkt zulässig ist. Die gezielt auf eine übermäßige Fremdfinanzierung in Deutschland abzielende2 Zinsschrankenregelung nach § 4h EStG und § 8a KStG ist im internationalen Vergleich durchaus keine Ausnahme. Im grenzüberschreitenden Vergleich wird deutlich, dass viele Länder einer nicht erwünschten Unterkapitalisierung bei der Fremdfinanzierung und der damit verbundenen Gefahr einer Erosion ihres Steuersubstrats begegnen wollen, wobei teilweise auf allgemeine steuerliche Missbrauchstatbestände und anderorts auf explizit kodifizierte gesetzliche Gegenmaßnahmen zurückgegriffen wird. Zwar sind in vielen Fällen steuerplanerische Gestaltungsmöglichkeiten denk- und verfügbar, die die steuerlichen Auswirkungen der o.g. Regelungen in der Praxis abmildern oder ganz ausschließen können.3 Ob das Darlehen im konkreten Fall dann noch das attraktivste Finanzierungsinstrument darstellt, wäre jedoch für den Einzelfall erneut zu beurteilen.
11.32
Der wohl wesentlichste außersteuerliche Aspekt, der insbesondere im Vergleich zu einer eigenkapitalbasierten Finanzierung für die Wahl eines Darlehens als Instrument einer grenzüberschreitenden Unternehmensfinanzierung spricht, ist die vergleichsweise hohe Flexibilität dieser Finanzierungsform. Darlehensverhältnisse lassen sich grundsätzlich zeitnah und ohne Berücksichtigung gesellschaftsrechtlicher Regelungen implementieren. Auch lassen sich im internationalen Vergleich weniger Restriktionen in Bezug auf die Zulässigkeit von Zinszahlungen beobachten, als dies hinsichtlich der Zahlungen von Gewinnausschüttungen bzw. Dividenden der Fall ist.
11.33
1 Im EU-Raum scheidet bei den im Rahmen der grenzüberschreitenden Unternehmensfinanzierung typischerweise vorliegenden Mehrheitsbeteiligungen eine Belastung von Dividendeneinkünften mit Kapitalertragsteuer bereits aufgrund der MTR aus. 2 Siehe zu den gesetzgeberischen Zielrichtungen der Zinsschranke BT-Drucks. 16/4841, 47 f. 3 Siehe hierzu Lenz/Dörfler, DB 2010, 20 f.
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Kapitel 11 Grenzüberschreitende Finanzierung international tätiger Unternehmen
III. Cash-Pooling 11.34 Bei grenzüberschreitenden Unternehmungen liegt es in der Natur des unternehmerischen Handelns, dass einige Unternehmenseinheiten Liquiditätsüberschüsse erzielen, die zu möglichst hohen Zinssätzen am Kapitalmarkt angelegt werden sollen, während andere Unternehmenseinheiten Liquiditätsbedarf haben, der zu möglichst niedrigen Kosten gedeckt werden soll. Um die Liquiditätssteuerung in einer Unternehmensgruppe zu optimieren, wenden international tätige Unternehmen und Konzerne sogenannte Cash-Management-Systeme an.
11.35 Als Cash-Management bezeichnet man hierbei allgemein die sachgerechte Gestaltung der Zahlungsströme und der kurzfristigen Geld- und Kreditbestände. Neben der Sicherung der Zahlungsfähigkeit sollen durch die Liquiditätssteuerung und -optimierung die Kosten des Zahlungsverkehrs, der Kassenhaltung und der kurzfristigen Kredite minimiert und der Ertrag aus den Geldanlagen maximiert werden.1 Ein Cash-Management-System ist das konzerninterne Cash-Pooling. Beim Cash-Pooling werden die kurzfristigen Liquiditätsüberschüsse bzw. der kurzfristige Liquiditätsbedarf der einzelnen Konzerneinheiten zentral in der Weise disponiert, dass von einer zentralen „Sammelstelle“ Liquiditätsüberschüsse einzelner Konzernunternehmen abgezogen und die von anderen Konzernunternehmen benötigte Liquidität zur Verfügung gestellt wird. Es handelt sich somit um einen konzerninternen Liquiditätsausgleich, der eine geringere Fremdverschuldung und somit eine geringere Zinsbelastung für den Gesamtkonzern und seine Unternehmen sowie eine höhere Effizienz im Zahlungsverkehr zur Folge hat.2 Bei negativer wirtschaftlicher Entwicklung führt das Cash-Pooling allerdings zu einer „Liquiditätsgefahrengemeinschaft“.
11.36 Mit der Einführung des Euro hat diese Finanzierungsmethode bei europaweit tätigen Unternehmen noch größere Bedeutung erlangt, da die Kosten der Liquiditätssteuerung durch Wegfall von Kurssicherungskosten erheblich reduziert wurden.
11.37 In der Praxis sind im Wesentlichen zwei Varianten des Cash-Pooling anzutreffen, wobei aber auch Kombinationsmodelle möglich sind.
11.38 Beim physischen Cash-Pooling werden die Salden der jeweiligen Finanzkonten der teilnehmenden Konzerngesellschaften auf ein Masterkonto transferiert, das i.d.R. bei der Konzernmuttergesellschaft geführt wird. Im Falle eines Liquiditätsbedarfs von Konzerngesellschaften wird dieser durch Transfers von dem Masterkonto gedeckt, sodass im Ergebnis nur der Saldo des Masterkontos im Kapitalmarkt angelegt bzw. durch Kredit1 Siehe hierzu Ammelung in Piltz/Schaumburg, Internationale Unternehmensfinanzierung, 81. 2 Siehe von Rosenberg in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, Kap. F, Rz. 1 f.
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B. Ausgewählte Instrumente der grenzüberschreitenden Unternehmensfinanzierung
aufnahme gedeckt werden muss.1 Zwischen dem das Masterkonto unterhaltenden Mutterunternehmen und den Konzernunternehmen bestehen folglich Kreditbeziehungen. Eine Überweisung auf das Masterkonto wird mithin als Darlehen der Konzerngesellschaft an die das Masterkonto verwaltende Konzernmuttergesellschaft behandelt. Im Gegenzug hierzu stellt die Deckung des Finanzierungsbedarfs einer Konzerngesellschaft von dem Masterkonto ein Darlehen der Muttergesellschaft an die Konzerngesellschaft da. Für die zu finanzierende Konzerneinheit gilt hierbei, dass die jeweiligen Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber Dritten (im Regelfall einem Kreditinstitut [Pooling-Bank]) durch Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber dem das Masterkonto führenden Mutterunternehmen ersetzt werden. Eine konzernweite Durchführung des Cash-Pooling unterstellt, findet sich auf dem Masterkonto folglich der Nettoliquiditätssaldo des Konzerns, den es zu möglichst günstigen Marktkonditionen an den Kapitalmärkten anzulegen bzw. aufzunehmen gilt. Beim virtuellen Cash-Pooling, das auch als „Notional Cash Pooling“ bezeichnet wird, erfolgt keine tatsächliche Übertragung der Banksalden der einzelnen Konzerngesellschaften auf das Masterkonto bei der Muttergesellschaft. Stattdessen werden die Salden lediglich rechnerisch auf einem virtuellen Masterkonto zusammengeführt.2 Aus diesem zusammengefassten Masterkonto errechnet sich ein Saldo, der die Grundlage für die Bestimmung der jeweiligen Soll- bzw. Habenzinssätze am Kapitalmarkt ist. Zwar lassen sich im Rahmen des virtuellen Cash-Pooling i.d.R. höhere Haben- und niedrigere Sollzinsen vereinbaren, bei länder- oder währungsübergreifenden konzerninternen Finanzierungen findet dieses Modell jedoch aufgrund von unterschiedlichen Zinsniveaus bzw. Wechselkursrisiken in der Praxis kaum Einsatz. Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich daher auf physische Cash-Pooling-Systeme, die auch im Rahmen von In- und Outbound-Finanzierungen mit Bezug zu Deutschland deutlich überwiegen.
11.39
Aus der Qualifikation des Cash-Pooling als konzerninterne Darlehensverbindungen folgt, dass es sich bei den im Wege des Cash-Pooling zur Verfügung gestellten Finanzierungsmitteln um Fremdkapital handelt. Abhängig von der jeweiligen Liquiditätsflussrichtung ist die Konzernmutter in ihrer Stellung als Poolingführerin Fremdkapitalgeber und die Konzerngesellschaft Fremdkapitalnehmer oder umgekehrt. Steuerrechtliche Spezialvorschriften für Cash-Pooling-Systeme existieren hierbei in den meisten Ländern nicht.3 Hieraus folgt notwendigerweise, dass die auf die Vermeidung einer übermäßigen Fremdfinanzierung abzielenden steuer-
11.40
1 Seeger/Thier, DStR 2011, 184. 2 von Rosenberg in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, Kap. F, Rz. 9. 3 Ammelung in Piltz/Schaumburg, Internationale Unternehmensfinanzierung, 81.
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rechtlichen Spezialvorschriften auch auf Cash-Pooling-Systeme Anwendung finden.1 Für Deutschland bedeutet dies, dass die Zinsschrankenregelung (siehe Rz. 1.137) nach § 4h EStG i.V.m. § 8a KStG im Verhältnis der Teilnehmer an dem Cash-Pooling anwendbar ist und der auf der Ebene der Poolingführerin oder auf der Ebene der Konzerngesellschaft entstehende Zinsaufwand lediglich unter den Voraussetzungen der in § 4h EStG i.V.m. § 8a KStG definierten Begrenzungen abzugsfähig ist. Korrespondierend hierzu ist in Deutschland auch die 25 %ige Hinzurechnung der Entgelte für Fremdkapital nach § 8 Nr. 1 GewStG (siehe Rz. 6.128) zu beachten. Hierbei kann es im Rahmen von Cash-Pooling-Strukturen zwischen inländischen Beteiligten insbesondere auch zu einer gewerbesteuerlichen Doppelbelastung bei der Aufnahme von externem Fremdkapital kommen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die inländische Tochtergesellschaft im Rahmen eines Cash-Pooling-Systems eine konzerninterne Zinsverbindlichkeit gegenüber der poolingführenden Muttergesellschaft hat und sich die Muttergesellschaft durch eine externe Kreditaufnahme refinanziert. Einer solchen doppelten gewerbesteuerlichen Hinzurechnung im Rahmen einer Cash-Pooling-Struktur kann jedoch ggf. durch Begründung einer gewerbesteuerlichen Organschaft begegnet werden.2
11.41 Da es sich bei den Parteien des Cash-Pooling um Konzernunternehmen, d.h. aus steuerrechtlichem Blickwinkel um verbundene Unternehmen handelt, ist aus ertragsteuerlicher Perspektive auf den allgemeinen arm’s length Grundsatz3 zurückzugreifen, nach dem die Verzinsung der durch das Cash-Pooling begründeten konzerninternen Forderungen und Verbindlichkeiten angemessen sein muss. In Bezug auf die anzuwendende Verrechnungspreismethodik werden hier in Deutschland wie in den meisten Steuerjurisdiktionen die Preisvergleichsmethode oder die Kostenaufschlagsmethode angewendet.4 Sofern mit dem Cash-Pooling eine Verlagerung von Ausfallrisiken gegenüber der Pooling-Bank verbunden ist, etwa wenn die an dem Cash-Pooling teilnehmenden Konzerngesellschaften gesamtschuldnerisch für die Verpflichtungen der Konzernmutter gegenüber der Pooling-Bank haften, kann nach dem arm’s length Grundsatz auch die Vereinbarung einer entsprechenden Avalprovision erforderlich werden.5 Generell gilt, dass die Implementierung von grenzüberschreitenden Cash-Pooling-Systemen umfangreiche Dokumentationspflichten in Bezug auf die angewandte Verrechnungspreismethodik und die konkret vereinbarten konzerninternen Vergütungen erfordert.
1 von Rosenberg in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, Kap. F, Rz. 53. 2 Ammelung in Piltz/Schaumburg, Internationale Unternehmensfinanzierung, 91. 3 In Deutschland für Sachverhalte mit Auslandsbezug kodifiziert in § 1 AStG, siehe hierzu Rz. 3.6 ff. 4 Seeger/Thier, DStR 2011, 184. 5 Vgl. hierzu Ammelung, IStR 2003, 250 f.
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B. Ausgewählte Instrumente der grenzüberschreitenden Unternehmensfinanzierung
Wegen der Verzinsung der im Rahmen des grenzüberschreitenden CashPooling zwischen Poolingführerin und den einbezogenen Konzerngesellschaften bestehenden Forderungen bzw. Verbindlichkeiten sind vor der Einführung eines solchen Systems auch die Auswirkungen einer möglichen Quellenbesteuerung der Zinseinkünfte entsprechend zu berücksichtigen. In Deutschland wird hierbei im Regelfall keine Quellensteuer auf Zinszahlungen der an dem Cash-Pooling teilnehmenden Konzerngesellschaften an eine ausländische Poolingführerin fällig. In entgegengesetzter Richtung, d.h. in Bezug auf Zinszahlungen ausländischer Konzerngesellschaften an eine im Inland ansässige Poolingführerin, kommt innerhalb der EU aufgrund der Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie eine Quellenbesteuerung der Zinszahlungen ebenfalls nicht in Betracht. Im Fall der Ansässigkeit der ausländischen in das Cash-Pooling einbezogenen Tochtergesellschaften außerhalb der EU gilt es zu berücksichtigen, dass die meisten DBA dem Ansässigkeitsstaat des Zinsgläubigers des Besteuerungsrecht auf die Zinseinkünfte einräumen.1 Lediglich in Einzelfällen2 verbleibt dem Ansässigkeitsstaat des Zinsschuldners ein beschränktes Recht auf Besteuerung der Zinszahlungen. Unabhängig hiervon kann es jedoch zu einer temporären Quellenbesteuerung kommen, wenn nach dem ausländischen Steuerrecht zunächst eine Quellenbesteuerung vorzunehmen ist und erst in einem zweiten Schritt eine teilweise oder vollständige Erstattung unter dem jeweiligen DBA gewährt wird. Wird eine einbehaltene Quellensteuer lediglich teilweise erstattet oder liegt kein DBA vor, so ist die Möglichkeit einer Anrechnung der im Ausland einbehaltenen Quellensteuer auf der Ebene der inländischen Poolingführerin zu prüfen. Zwar ist eine solche Anrechnung nach deutschem Steuerrecht vorgesehen, sie ist jedoch gemäß § 34c Abs. 1 Satz 1 EStG auf den Teil der deutschen Steuer beschränkt, der auf die ausländischen Zinseinnahmen entfällt. Da beim Cash-Pooling auf der Ebene der deutschen Muttergesellschaft den aus dem Ausland zufließenden Zinseinnahmen typischerweise Betriebsausgaben in Form des entsprechenden Refinanzierungsaufwandes gegenüberstehen, die ausländische Quellensteuer jedoch auf die BruttoZinszahlungen erhoben wird, ist die ausländische Quellensteuer daher i.d.R. höher als die korrespondierende deutsche Steuer. Es entstehen als „Anrechnungsüberhänge“ Konstellationen, bei denen die dem Grunde nach anrechenbare ausländische Quellenbesteuerung im Inland nicht anrechnungsfähig ist, was faktisch eine Doppelbesteuerung der Zinseinnahmen zur Folge hat.3
11.42
Unabhängig von den skizzierten steuerlichen Implikationen im Rahmen der Einführung von grenzüberschreitenden Cash-Management-Systemen stellen sich Letztere als finanzwirtschaftlich sehr sinnvolle Mittel zur Liquiditätssteuerung dar, die für deutsche Unternehmen insbesondere
11.43
1 Vgl. beispielhaft Art. 11 DBA-USA und DBA-Russland. 2 Vgl. z.B. Art. 11 Abs. 2 DBA-Kanada. 3 Vgl. Ammelung in Piltz/Schaumburg, Internationale Unternehmensfinanzierung, 94.
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durch die Ausweitung der Eurozone und dem stetigen technischen Fortschritt weiter an Bedeutung gewinnen werden. Wie oben jedoch aufgezeigt, ist gerade im Falle der Implementierung von grenzüberschreitenden Cash-Management-Systemen eine enge steuerliche Begleitung unerlässlich.
IV. Leasing 11.44 Eine wesentliche Rolle innerhalb der operativen Finanzierungsmöglichkeiten (siehe Rz. 11.11) einer Unternehmung stellt das Leasing dar. Das Leasing ist in Deutschland gesetzlich nicht geregelt. Zivilrechtlich wird es überwiegend als atypisches Mietverhältnis qualifiziert, bei dem der Leasinggeber dem Leasingnehmer ein zeitlich befristetes Besitz- und Nutzungsrecht an dem Leasinggegenstand entgeltlich überlässt. Je nach Einzelfall kann das Leasing aber auch mehr oder weniger stark ausgeprägte Elemente eines Kaufvertrages aufweisen.1 Wirtschaftlich macht das Leasing gegenüber dem typischen Mietverhältnis aus, dass der Leasinggegenstand durch den Leasinggeber gezielt für den Leasingnehmer erworben und Letzterem entgeltlich überlassen wird. Es weist mithin grundsätzlich eine Finanzierungsfunktion auf, da es dem Unternehmer die Beschaffung von Vermögensgegenständen des Anlagevermögens gegen über einen erheblichen Zeitraum der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer gestreckte Zahlungen ermöglicht.2 Im Gegensatz hierzu ist bei der klassischen Fremdfinanzierung im Wege der Aufnahme eines Darlehens im Regelfall ein größerer Teil der Anschaffungskosten des betreffenden Wirtschaftsguts durch eigene Mittel darzustellen. Betriebswirtschaftlich stehen bei den üblichen Leasingmodellen für den Leasingnehmer die Nutzung des Leasinggegenstandes über einen festen Zeitraum für kalkulierbare Leasingraten, für den Leasinggeber der Erhalt der Leasingraten und ggf. der Werterhalt des Leasinggegenstandes und für den Lieferanten der Absatz des Leasinggegenstandes im Vordergrund. Die einzelnen, in der Praxis anzutreffenden Ausprägungen des Leasings3 unterscheiden sich insbesondere in Bezug auf die Art des Leasinggegenstandes, die Finanzierungsstruktur sowie in Bezug auf die Allokation der einzelnen Rechte und Pflichten aus dem Leasingverhältnis.
11.45 Insofern übereinstimmend mit der zivilrechtlichen Rechtslage gibt es in Deutschland auch keine steuerlichen gesetzlichen Spezialregelungen für Leasinggeschäfte.4 Aufgrund der beschriebenen zivilrechtlichen Gemengelage des Leasings zwischen entgeltlicher Nutzungsüberlassung und 1 Zur zivilrechtlichen Einordnung des Leasingvertrags siehe von Westphalen in von Westphalen, Der Leasingvertrag6, 114 f. 2 Schott/Bartsch in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, Kap. E, Rz. 6 f. 3 Vgl. zu den anzutreffenden Erscheinungsformen des Leasings Martinek/Stoffels/ Wimmer-Leonard, Leasinghandbuch2, 21 f. 4 Bordewin/Tonner, Leasing im Steuerrecht, 25.
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fremdfinanzierten Kauf ist aus steuerlichem Blickwinkel insbesondere die wirtschaftliche Zurechnung des Leasinggegenstandes i.S.d. § 39 AO problematisch, die entscheidend für die Frage ist, bei wem die aus dem Leasinggegenstand resultierenden Erträge oder Aufwendungen steuerlich zu erfassen sind. Bereits im Laufe der 70er Jahre wurde die steuerliche Behandlung bestimmter typisierter Leasingmodelle durch die deutsche Finanzverwaltung durch die Veröffentlichung von insgesamt vier Grundsatz-Erlassen geregelt.1 Entscheidende Kriterien bei der Frage nach der wirtschaftlichen Zurechnung des Leasinggegenstandes sind hierbei insbesondere das Verhältnis der Vertragsdauer zu der betriebswirtschaftlichen Nutzungsdauer sowie ggf. weitere Kriterien, wie eine besondere „Maßschneiderung“ des Leasinggegenstandes für den Leasingnehmer (Spezialleasing) oder die Vereinbarung von Mietverlängerungsoptionen des Leasingnehmers oder von Andienungsrechten des Leasinggebers. Auch in ausländischen Steuerjurisdiktionen wird bei der Frage nach der steuerlichen Zuordnung des Leasinggegenstandes im Regelfall auf bestimmte Kriterien der zugrunde liegenden Leasingtransaktion abgestellt. Naturgemäß wurden hierbei im Vergleich zu Deutschland unterschiedliche Abgrenzungskriterien entwickelt bzw. die in Deutschland maßgeblichen Kriterien unterschiedlich gewichtet. Je nachdem überwiegt hierbei eine zivilrechtliche oder eine wirtschaftliche Betrachtung des zugrunde liegenden Leasingvertrages. Insofern übereinstimmend mit der Situation in Deutschland fehlt es jedoch im Regelfall an klaren gesetzlichen Regelungen zur Zuordnung für Zwecke der Besteuerung.2
11.46
Die Tatsache, dass die steuerlichen Zuordnungskriterien des Leasinggegenstandes im Rahmen derselben Leasingstruktur im In- und Ausland abweichen können, macht die aufgrund der fortschreitenden Globalisierung stetig zunehmenden grenzüberschreitenden Leasingverhältnisse („Cross-Border-Leasing“) aus steuerlicher Sicht besonders anspruchsvoll. Unter solch einem Cross-Border-Leasing ist hierbei ganz allgemein ein Leasingverhältnis zu verstehen, bei dem die Vertragsparteien, d.h. Leasinggeber und Leasingnehmer, in unterschiedlichen Staaten ansässig und daher auch unterschiedlichen steuerrechtlichen Regelungen unterworfen sind. Wird der Leasinggegenstand durch die beiden involvierten Staaten nämlich unterschiedlich zugeordnet, so hat dies grundsätzlich entweder eine zumindest temporäre Steuerminderung oder Steuererhöhung gegenüber einem vergleichbaren rein nationalen Sachverhalt zur Folge.3 Ord-
11.47
1 Vgl. BMF v. 19.4.1971 – IV B/2 - S 2170 - 31/71, BStBl. I 1971, 264 (Vollamortisierungserlass für Mobilien); BMF v. 21.3.1972 – F/IV B 2 - S 2170 - 11/72, BStBl. I 1972, 188 f. (Vollamortisationserlass für Immobilien); BMF v. 22.12.1975 – IV B 2 - S 2170 - 161/75, DB 1976, 172 f. (Teilamortisationserlass für Mobilien); BMF v. 23.12.1991 – IV B 2 - S 2170 - 115/91, BStBl. I 1992, 13 f. (Teilamortisationserlass für Immobilien). 2 Vgl. Bordewin/Tonner, Leasing im Steuerrecht, 182 f. für eine Übersicht über die (steuer)bilanzielle Behandlung des Leasings in ausgewählten Ländern. 3 Rehm in Piltz/Schaumburg, Internationale Unternehmensfinanzierung, 120.
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nen die beiden involvierten Staaten das Leasinggut steuerlich wechselseitig der in dem anderen Staat ansässigen Partei des Leasingvertrages zu, so wären etwa steuerwirksame Abschreibungen des Leasinggegenstandes nachhaltig nicht möglich. Der Wertverzehr des verleasten Wirtschaftsguts würde sich steuerlich erst nach Beendigung des Leasingvertrages realisieren. Wird das Leasinggut hingegen sowohl im In- als auch im Ausland steuerlich jeweils der eigenen Jurisdiktion zugerechnet, so könnte das Leasinggut unmittelbar doppelt abgeschrieben werden.
11.48 Unabhängig von solchen Qualifikationskonflikten gilt es in Bezug auf die konkrete steuerliche Behandlung einer grenzüberschreitenden Leasingstruktur zu unterscheiden, ob das Leasinggut steuerlich dem Leasinggeber oder dem Leasingnehmer zuzurechnen ist. Geht man von dem Regelfall der Zurechnung des Leasinggegenstandes zum Leasinggeber aus, so besteht bei einem grenzüberschreitenden Leasingverhältnis sowohl im Inbound- als auch im Outbound-Fall die generelle Gefahr einer steuerlichen Doppelbelastung der durch den Leasingnehmer für die Überlassung des Leasingguts zu entrichteten Leasinggebühren. Letztere werden regulär im Ansässigkeitsstaat des Leasinggebers der Besteuerung unterworfen. Darüber hinaus besteht aber auch die Möglichkeit, dass die Leasingraten im Ansässigkeitsstaat des Leasingnehmers eine beschränkte Steuerpflicht auslösen.
11.49 In Inbound-Sachverhalten würde das Leasing von in Deutschland belegenem unbeweglichem Vermögen in diesem Zusammenhang gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG eine beschränkte Steuerpflicht des Leasinggebers auslösen. Das Verleasen von in Deutschland steuerverstricktem beweglichem Vermögen hätte gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG eine beschränkte Steuerpflicht des Leasinggebers zur Folge. Im letzteren Fall würde die deutsche Steuer gemäß § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG im Wege eines Steuerabzugs i.H.v. 15 % der Leasingeinnahmen plus 5,5 % Solidaritätszuschlag erhoben.
11.50 Liegt ein DBA zwischen Deutschland und dem anderen an dem grenzüberschreitenden Leasingverhältnis beteiligten Staat vor, so wird die Doppelbesteuerung allerdings durch eine Aufteilung des Steuersubstrats und durch Anrechnung bzw. Abzug der ausländischen Steuern abgemildert oder ausgeschlossen. Gebühren für das Verleasen von unbeweglichem Vermögen fallen hierbei unter Art. 6 OECD-MA und das entsprechende Besteuerungsrecht wird entsprechend dem Belegenheitsstaat des Grundstücks und Ansässigkeitsstaat des Leasingnehmers zugeordnet. Leasingentgelte für bewegliches Vermögen können abkommensrechtlich grundsätzlich Unternehmensgewinne (vgl. Art. 7 OECD-MA), Lizenzgebühren (vgl. Art. 12 OECD-MA) oder andere Einkünfte (vgl. Art. 21 OECD-MA) darstellen.1 Nach den meisten von Deutschland abgeschlos1 Zur Einstufung von Leasingentgelten unter den DBA siehe Bordewin/Tonner, Leasing im Steuerrecht, 180.
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senen DBA sind sie jedoch unter die Unternehmensgewinne nach Art. 7 OECD-MA zu subsumieren.1 Das Besteuerungsrecht wird demzufolge dem Ansässigkeitsstaat des Leasinggebers zugerechnet. Vorstehendes gilt aufgrund des in Art. 7 OECD-MA verankerten Betriebsstättenvorbehaltes nur insoweit, als das Leasinggut nicht einer Betriebsstätte des Leasinggebers im Quellenstaat zugerechnet werden kann. In letzterem Fall weisen die durch Deutschland abgeschlossenen DBA dem Quellenstaat das volle Besteuerungsrecht hinsichtlich der Leasinggebühren unter Progressionsvorbehalt zu. Wird gemäß § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG ein Quellensteuereinbehalt vorgenommen, obwohl das Besteuerungsrecht hinsichtlich der Leasinggebühren dem Ansässigkeitsstaat des Leasinggebers zugeordnet wird, so ist die einbehaltene Steuer gemäß § 50d EStG zu erstatten. Liegt bei einer Cross-Border-Leasingstruktur kein entsprechendes DBA zwischen Deutschland und dem anderen Staat vor, so können ggf. im Inoder Ausland auf die Leasingentgelte einbehaltene Quellensteuern lediglich nach den nationalen Vorschriften angerechnet bzw. abgezogen werden. In Deutschland ergeben sich diese Möglichkeiten zur Steuerermäßigung bei ausländischen Einkünften aus § 34c EStG. Zu achten ist auch in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit von Anrechnungsüberhängen, da die Anrechnung ausländischer Steuern in Deutschland und in vielen anderen Steuerjurisdiktionen auf die Höhe der tatsächlichen inländischen Steuerbelastung beschränkt ist.2
11.51
Gewerbesteuerlich ist im Fall des Inbound-Leasings die gewerbesteuerliche Hinzurechnung auf Ebene des Leasingnehmers i.H.v. im Ergebnis 5 % der Leasingraten für bewegliche Wirtschaftsgüter und 12,5 % für unbewegliche Wirtschaftsgüter gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG zu beachten.
11.52
Wird das Leasinggut im Rahmen des grenzüberschreitenden Leasings hingegen übereinstimmend dem Leasingnehmer zugerechnet, so liegt wirtschaftlich betrachtet ein Kaufvertrag mit ratenweiser Zahlung vor.3 Die durch den Leasingnehmer an den Leasingeber zu entrichtenden Leasingraten sind in diesem Fall in einen steuerlich erfolgsneutralen Tilgungsanteil und in einen steuerlich aufwands- und ertragswirksamen Zinsund Kostenanteil aufzuteilen.4 Diese erfolgswirksamen Bestandteile der Leasinggebühren sind steuerlich als Einkünfte aus Kapitalvermögen in Form von Zinsen zu qualifizieren. Letztere stellen auf der Ebene des Leasingnehmers steuermindernde Aufwendungen und auf der Ebene des Leasinggebers steuerpflichtige Erträge da. Im Unterschied zu der oben beschriebenen Situation bei der steuerlichen Zuordnung des Leasinggegen-
11.53
1 Vgl. Wassermeyer in D/W, Art. 12 OECD-MA Rz. 86. 2 Rehm in Piltz/Schaumburg, Internationale Unternehmensfinanzierung, 126. 3 Schott/Bartsch in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, Kap. E, Rz. 48. 4 Zur steuerbilanziellen Behandlung bei wirtschaftlicher Zurechnung zum Leasingnehmer siehe Bordewin/Tonner, Leasing im Steuerrecht, 100 f.
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standes zum Leasinggeber (siehe Rz. 11.48) besteht grundsätzlich nicht die Gefahr einer doppelten Besteuerung des erfolgswirksamen Teils der Leasinggebühren, da durch Zinszahlungen im Regelfall keine beschränkte Steuerpflicht des Empfängers ausgelöst wird.1 Aufgrund der Qualifikation des ertragswirksamen Zins- und Kostenanteils als Zinsertrag wären bei einem Fall des grenzüberschreitenden Inbound-Leasings auf der Ebene des Leasingnehmers allerdings die Zinsschrankenregelung nach § 4h EStG i.V.m. § 8a KStG sowie die gewerbesteuerliche Hinzurechnung gemäß § 8 Nr. 1 GewStG i.H.v. 25 % des entsprechenden Ertragsbestandteils zu beachten.2
11.54 Handelt es sich bei dem Cross-Border-Leasing darüber hinaus um einen konzerninternen Sachverhalt, so ist zur Vermeidung negativer ertragsteuerlicher Konsequenzen ferner darauf zu achten, dass die Leasinggebühren durch Auswahl einer geeigneten Verrechnungspreismethodik dem arm’s-length- bzw. Fremdvergleichsgrundsatz3 genügen. Fungiert eine Konzerngesellschaft in einem Niedrigsteuerland als Leasinggeber, so ist ferner die Möglichkeit einer Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7–12 und 14 AStG in Erwägung zu ziehen (siehe Rz. 7.1 ff.).
V. Factoring 11.55 Eine weitere in ihrer praktischen Relevanz stetig zunehmende Form der operativen Unternehmensfinanzierung stellt das Factoring dar. Beim Factoring tritt das Unternehmen mit Finanzierungsbedarf Forderungen an ein anderes Unternehmen, im Regelfall an eine spezialisierte Factoringgesellschaft, ab und erhält im Gegenzug unmittelbar den Nennwert der abgetretenen Forderung abzüglich eines an der Werthaltigkeit und der Fälligkeit der Forderung bemessenen Abschlags ausbezahlt. Ziel des Factorings ist hierbei in erster Linie eine kurzfristige Verbesserung der Liquidität des Unternehmens. Motivationslage kann hierbei ein akuter Investitionsbedarf oder auch der Abbau von Verbindlichkeiten durch frei werdende Liquidität und die damit verbundene Bilanzverkürzung und Eigenkapitalentlastung sein. Je nach Ausgestaltung des Factoringverhältnisses können auch ein Auslagern der Ausfallrisiken der abgetretenen Forderungen sowie der Debitoren- und Inkassotätigkeit4 Motive für Factoring sein.
1 Gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c EStG greift diese in Deutschland bei Zinsen nur im Falle einer grundpfandrechtlichen Besicherung oder fremdkapitalähnlichen Genussrechten ein. 2 Ausweislich des Wortlauts des § 8 Satz 1 GewStG greift die gewerbesteuerliche Hinzurechnung jedoch nur ein, wenn die Zinsaufwendungen unter der Zinsschrankenregelung als abziehbar behandelt wurden. 3 Vgl. § 1 Abs. 1 AStG. 4 Schott/Bartsch in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, Kap. E, Rz. 57 f.
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In der Praxis bietet sich Factoring hierbei für solche Unternehmen an, die über einen ausreichend großen Bestand an gleichartigen und kurzfristigen Forderungen gegenüber einer Vielzahl an Kunden verfügen, denen bereits eine vollständig erbrachte Leistung zugrunde liegt, mithin Fälligkeit vorliegt. Insbesondere für kleinere Unternehmungen, für die ABS-Transaktionen (siehe Rz. 11.76 f.) wirtschaftlich unrentabel oder nicht durchführbar sind, stellt sich Factoring hierbei als eine sinnvolle zusätzliche Finanzierungsalternative dar, die in den letzten Jahren kontinuierlich an Bedeutung gewonnen hat.1
11.56
Das wesentlichste Abgrenzungsmerkmal bei der vertraglichen Gestaltung 11.57 von Factoringbeziehungen besteht hierbei darin, ob der auch als „Factor“ bezeichnete Abtretungsempfänger auch das als Delkredererisiko bezeichnete Ausfallrisiko der abgetretenen Forderungen übernimmt. Übernimmt der Factor im Factoringvertrag das Delkredererisiko, so spricht man von „echtem Factoring“. Verbleibt das Risiko hingegen beim ursprünglichen Forderungsinhaber, so liegt ein sogenanntes „unechtes Factoring“ vor. Der Übergang des Delkredererisikos wird in der Praxis auch als „True Sale“ bezeichnet. Nicht mit dem Delkredererisiko zu verwechseln ist hierbei das Risiko des wirksamen rechtlichen Bestandes der verkauften Forderung. Letzteres verbleibt in der Praxis unabhängig von der konkreten Ausgestaltung der Factoringvereinbarung beim auch als „Zedent“ bezeichneten Abtretenden der Forderung. Beim echten Factoring übernimmt der Factor folglich das Ausfallrisiko des Zedenten als ursprünglichem Forderungsinhaber und lässt sich dies bei der Bestimmung des Kaufpreises durch Vereinbarung eines Abschlags vom Kaufpreis vergüten. Auch beim unechten Factoring wird regelmäßig ein auf der historischen Ausfallquote basierender Abschlag vom Nominalwert der Forderungen vereinbart. Diesen trägt der Verkäufer jedoch nur insoweit, als die Forderungen tatsächlich ausfallen. Je nach Einbringlichkeit der Forderungen muss der Verkäufer den Kaufpreis nach erfolgter Abrechnung teilweise zurückzahlen oder erhält selber Nachzahlungen. Die Unterscheidung zwischen einem echten und unechten Factoringvertrag hat entscheidende Bedeutung für die zivilrechtliche, bilanzielle und steuerliche Abbildung des Factoringverhältnisses.
11.58
Nach deutschem zivilrechtlichem Verständnis stellt echtes Factoring einen Forderungskauf dar, der gemäß der Regelungen über den Kaufvertrag in den §§ 433 f. BGB zu behandeln ist. Unechtes Factoring wird in der deutschen zivilrechtlichen Rechtsprechung und Literatur hingegen weit überwiegend als Darlehen qualifiziert.2 Die vom Factor an den Zedenten für die Abtretung der Forderung gezahlte Vergütung stellt demnach einen Kredit und die abgetretene Forderung ein für den Kredit bestelltes Siche-
11.59
1 Siehe Stumpf, BB 2012, 1045 f. 2 Vgl. zur Abgrenzung zwischen echtem und unechtem Factoring sowie zur rechtlichen Einordnung von Factoring-Beziehungen Rossbach in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht4, 1442 f.
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rungsmittel dar. Kann die Forderung tatsächlich eingezogenen werden, so wird die Abtretung als erfüllungshalber angesehen.
11.60 Bilanziell ist beim echten Factoring die abgetretene Forderung aus der Bilanz des Verkäufers auszubuchen und beim Factor zu aktivieren. Im Gegenzug fließt dem Zedenten der Kaufpreis zu. Es liegt somit ein Aktivtausch vor. Beim unechten Factoring bleibt die dem Factoringgeschäft zugrunde liegende Forderung hingegen weiterhin beim Zedenten aktiviert. Neben der Aktivierung der erhaltenen Liquidität wird die Darlehensverbindlichkeit gegenüber dem Factor passiviert. Im Ergebnis hat dies eine Bilanzverlängerung zur Folge.
11.61 Das oben dargestellte potenzielle Ziel des Factoring in Form einer Eigenkapitalentlastung durch eine Bilanzverkürzung (siehe Rz. 11.55) kann folglich nur im Wege des echten Factorings erreicht werden. Es überrascht daher nicht, dass das echte Factoring in der Praxis deutlich häufiger anzutreffen ist als das unechte.
11.62 Für die Unterscheidung, ob ein echtes Factoring, und damit ein Forderungsabgang, oder ein unechtes Factoring vorliegt, stellt § 246 HGB in Deutschland grundsätzlich auf das zivilrechtliche Eigentum an der Forderung ab. Praktisch bemisst sich die Frage, ob im Rahmen eines Factoringgeschäfts von einem echten Factoring auszugehen und die Forderung beim Zedenten auszubuchen ist, entsprechend der IDW-Stellungnahme IDW RS HFA 81 danach, ob der Zedent das Delkredererisiko vollständig auf den Factor übertragen hat. Ein vollständiger Transfer des Delkredererisikos liegt hierbei immer dann vor, wenn ein endgültiger Kaufpreis für die Forderung vereinbart wird. Auch nach IFRS kommt es für die Frage, ob ein Forderungsabgang vorliegt, gemäß IAS 39 im Wesentlichen darauf an, in welchem Umfang die mit der Forderung verbundenen Ausfallrisiken auf den Forderungskäufer übertragen wurden.
11.63 Aus ertragsteuerlicher Sicht bemisst sich die Frage nach der Zurechnung einer abgetretenen Forderung im Rahmen eines Factoringverhältnisses nach der allgemeinen Zuordnungsvorschrift für Wirtschaftsgüter des § 39 AO. Gemäß § 39 Abs. 1 AO ist für die steuerliche Zurechnung grundsätzlich das zivilrechtliche Eigentum entscheidend. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs2 und nach der Auffassung des BMF3 ist die Frage nach dem Übergang des Delkredererisikos jedoch auch für die steuerliche Zuordnung der abgetretenen Forderung im Rahmen einer Factoringbeziehung maßgeblich. Liegt demnach ein True Sale durch Übergang des Delkredererisikos vor, so ist die abgetretene Forderung aus steuerli1 IDW RS HFA 8 ist unmittelbar nur bei Verbriefungen und ähnlichen Transaktionen anwendbar. In der Praxis wird die Stellungnahme jedoch auch für die Bilanzierung von Factoringbeziehungen zugrunde gelegt. 2 Vgl. die Entscheidung des BFH v. 26.8.2010 – I R 17/09, DB 2010, 2652 sowie Middendorf, StuB 2011, 134 f. 3 Siehe BMF v. 9.1.1996 – IV B 2 - S 2170 - 135/95, BB 1996, 263 f.
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chem Blickwinkel auf der Ebene des Zedenten auszubuchen und beim Factor zu erfassen. Liegt hingegen mangels True Sale ein unechtes Factoring vor, so ist die Forderung weiterhin beim Zedenten auszuweisen und entsprechend der oben beschriebenen Qualifizierung als Kreditvertrag (siehe Rz. 11.60) eine Verbindlichkeit des Zedenten gegenüber dem Faktor auszuweisen. Vereinbarte Abschläge auf den Nominalwert der Forderungen stellen aus steuerlichem Blickwinkel Abschreibungen auf den Forderungsbestand des Gläubigers dar und führen demzufolge unmittelbar zu Betriebsausgaben auf Ebene des Zedenten. Liegt steuerlich ein echtes Factoring vor, so fallen die Abschläge auch nicht unter die Zinsschranke gemäß §§ 4h EStG, 8a KStG, da sie keine Vergütung für die Gewährung von Fremdkapital darstellen.
11.64
Beim unechten Factoring stellen solche Abschläge auf den Nennwert des Kaufpreises hingegen eine Vergütung für die Gewährung von Fremdkapital i.S.d. §§ 4h EStG, 8a KStG dar und fallen als Kreditierung des Factors unter die Regelungen der Zinsschranke, sofern die Regelung auf den Forderungsverkäufer nach der Systematik der Zinsschrankenregelung Anwendung findet.1
11.65
Unabhängig von der Einstufung als echtes oder unechtes Factoring werden die Abschläge nach dem im Rahmen des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 neu gefassten § 8 Nr. 1 GewStG jedoch für die gewerbesteuerliche Hinzurechnung2 auf Ebene des Zedenten relevant. Gemäß des neu eingefügten § 8 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 GewStG sind beim Forderungsverkäufer 25 % des gewährten Diskontanteils der übertragenen Forderungen gewerbesteuerlich hinzuzurechnen.
11.66
Wesentliche steuerliche Probleme ergeben sich beim Factoring traditionell aus der Perspektive der Umsatzsteuer. In Deutschland war es hierbei insbesondere lange Zeit äußerst umstritten, ob der Factor eine unternehmerische Tätigkeit i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG ausübt.3
11.67
In seiner Entscheidung vom 26.6.2003 in der Rechtssache MKG-Kraftfahrzeuge-Factoring-GmbH4 hat der EuGH in diesem Zusammenhang entschieden, dass eine unternehmerische Tätigkeit des Factors vorliegt, wenn seine Dienstleistung im Wesentlichen darin besteht, dass der Forderungsverkäufer von der Einziehung der Forderung und dem Risiko ihrer
11.68
1 Vgl. zur Behandlung der Abschläge unter der Zinsschrankenregelung BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742-a/07/10001 (2008/0336202), BStBl. I 2008, 718 Rz. 36 f. 2 Vgl. hierzu BT-Drs. 16/4841, 135 sowie Rz. 6.128. 3 Siehe Vorabentscheidungsersuchen des BFH v. 17.5.2001 – V R 34/99, UR 2001, 393 f. 4 EuGH v. 26.6.2003 – Rs. C-305/01 – MKG-Kraftfahrzeuge-Factoring-GmbH, BStBl. II 2004, 688.
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Nichterfüllung entlastet wird. Dieser Auffassung hat sich die deutsche Finanzverwaltung angeschlossen.1 Darüber hinausgehend nimmt sie eine unternehmerische Tätigkeit des Factors auch für den Fall an, dass dieser lediglich die Einziehung der abgetretenen Forderung, aber eben nicht das Delkredererisiko übernimmt.2 Für den Fall eines Forderungskaufs ohne die Übernahme des tatsächlichen Forderungseinzugs durch den Factor geht die Finanzverwaltung davon aus, dass der Factor unabhängig von der Übernahme des Delkredererisikos eine unternehmerische Tätigkeit i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG ausübt, diese jedoch keine Factoringleistung i.S.d. obigen EuGH-Entscheidung darstelle.3
11.69 Nach deutschem umsatzsteuerlichem Verständnis erbringt der Forderungsverkäufer beim Factoring mit Übernahme des Forderungseinzugs durch den Factor durch die Abtretung der Forderung keine umsatzsteuerbare Leistung an den Factor.4 Dementgegen wird der durch den Factor ggf. zu erbringende Forderungseinzug als umsatzsteuerbare und dem Grunde nach nicht steuerbefreite5 Leistung angesehen. Wird der Einzug der abgetretenen Forderungen nicht durch den Factor übernommen, so stellt die Forderungsabtretung einen nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG umsatzsteuerbefreiten Umsatz im Geschäft mit Forderungen dar. Sofern der Forderungsverkäufer aufgrund eines vorbehaltenen Rechts im eigenen Interesse tätig wird, stellt sich der durch ihn zu erbringende Einzug der abgetretenen Forderungen als keine weitere steuerbare Leistung an den Factor dar.6
11.70 Factoring ohne Übernahme des tatsächlichen Forderungseinzugs stellt sich aus umsatzsteuerlicher Sicht – unabhängig vom Vorliegen eines True Sale – darüber hinaus regelmäßig als Rechtsgeschäft dar, bei dem der Factor dem Forderungsverkäufer neben der Zahlung des Kaufpreises für die Forderungsabtretung einen Kredit gewährt, wofür der Forderungsverkäufer als Gegenleistung seine Forderungen abtritt. Umsatzsteuerlich ist es nach Auffassung der Finanzverwaltung hierbei unerheblich, ob die Forderungen beim Verkäufer oder beim Factor zu bilanzieren sind.7 Die Kreditgewährung ist hierbei allerdings steuerfrei nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG.
11.71 Umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage bei der Factoring-Leistung ist hierbei gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG die Differenz zwischen dem Nennwert der verkauften Forderung und dem Nettobetrag, den der Factor dem Forderungsverkäufer als Entgelt für die Forderung zahlt, abzüglich der in dem Differenzbetrag enthaltenen Umsatzsteuer. Wird für den For1 2 3 4 5
BMF v. 3.6.2004 – IV B 7 - S 7104 - 18/04, BStBl. I 2004, 737. Vgl. Abschn. 2.4 Abs. 1 UStAE. Vgl. Abschn. 2.4 Abs. 2 UStAE. Siehe BFH v. 4.9.2003 – V R 34/99, BStBl. II 2004, 667. Insbesondere greift in diesem Zusammenhang nicht die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG, vgl. Abschn. 2.4 Abs. 4 UStAE. 6 Siehe Abschn. 2.4 Abs. 3 UStAE. 7 Abschn. 2.4 Abs. 4 UStAE.
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B. Ausgewählte Instrumente der grenzüberschreitenden Unternehmensfinanzierung
derungseinzug zusätzlich eine gesonderte Gebühr vereinbart, so gehört auch diese zur umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage. Liegt ein grenzüberschreitender Forderungsverkauf vor, so wird Schuldner der Umsatzsteuer gemäß § 3a Abs. 2 UStG im Regelfall der leistungsempfangende Unternehmer, mithin der Forderungsverkäufer als Empfänger des Forderungseinzugs sein.
11.72
Relevant kann beim Factoring weiterhin die Umsatzsteuerhaftung nach § 13c UStG werden. § 13c UStG bestimmt, dass, sofern ein Unternehmer den Anspruch auf die Gegenleistung für einen steuerpflichtigen Umsatz an einen anderen Unternehmer abgetreten hat und die festgesetzte Umsatzsteuer nicht oder nicht vollständig entrichtet wurde, der Abtretungsempfänger für die in der Forderung enthaltene Umsatzsteuer haftet, sofern sie im vereinnahmten Betrag enthalten ist. Praktisch relevant für den Factor ist diese Vorschrift insbesondere im Falle des Vorliegens einer Insolvenz des Forderungsverkäufers, der die in der abgetretenen Forderung enthaltene Umsatzsteuer nicht abgeführt hat.1
11.73
Ungeklärt war aus umsatzsteuerlicher Sicht lange Zeit die Refinanzierung durch den Verkauf von zahlungsgestörten Forderungen (non-performing-loans), die insbesondere durch Banken zur kurzfristigen Generierung von Liquidität vorgenommen wird. Die deutsche Finanzverwaltung sowie Teile der Literatur und die Finanzrechtsprechung gingen hierbei zunächst von einer Anwendbarkeit der MKG-Rechtsprechung und damit von einer steuerbaren Leistung des Factors aus.2 Auf Vorlagebeschluss des BFH vom 10.12.20093 hat der EuGH mit Urteil vom 27.10.2011 nunmehr entschieden, dass der Ankauf von zahlungsgestörten Forderungen mangels Entgelt keine wirtschaftliche Tätigkeit im Anwendungsbereich der MwStSystRL darstellt. Der EuGH hat seine Rechtsauffassung hierbei damit begründet, dass der Erwerber der zahlungsgestörten Forderung keine Gegenleistung vom Veräußerer erhalte. Die beim Verkauf von zahlungsgestörten Forderungen üblicherweise vereinbarte Differenz zwischen dem Nennwert der Forderungen und dem Kaufpreis stelle in diesem Zusammenhang keine Vergütung dar, mit der eine vom Käufer der Forderungen erbrachte Dienstleistung entgolten werden soll. Die Differenz spiegele vielmehr den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert der Forderungen zum Zeitpunkt ihrer Übertragung wider, weswegen die MKGRechtsprechung des EuGH im Ergebnis nicht anwendbar sei.4 Für den Käufer der zahlungsgestörten Forderung bedeutet die Entscheidung, dass für ihn insoweit eine Unternehmereigenschaft i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG nicht begründet wird und insoweit keine Berechtigung zum Vorsteuer-
11.74
1 Schott/Bartsch in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, Kap. E, Rz. 77 f. 2 Für einen Überblick siehe Höinck/Janott, DB 2012, 943 f. 3 BFH v. 10.12.2009 – V R 18/08, BStBl. II 2010, 654 = DB 2010, 426 f. 4 EuGH v. 27.10.2011 – Rs. C-93/10 – GFKL Financial Services AG, DB 2011, 2642 f.
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Kapitel 11 Grenzüberschreitende Finanzierung international tätiger Unternehmen
abzug vorliegt. Für den sich durch den Verkauf der Forderungen refinanzierenden Verkäufer liegt ein steuerfreier Forderungsverkauf gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG vor. Die Entscheidung des EuGH entlastet hierbei insbesondere sich durch den Verkauf von zahlungsgestörten Forderungen refinanzierende Unternehmen mit eingeschränkter Möglichkeit zum Vorsteuerabzug, wie z.B. Finanzdienstleistungsunternehmen. Der BFH hat die Entscheidung des EuGH im Urteil vom 26.1.2012 umgesetzt.1 Eine Reaktion der deutschen Finanzverwaltung auf das Urteil des EuGH bleibt abzuwarten.
11.75 Insoweit übereinstimmend mit dem grenzüberschreitenden Leasing (siehe Rz. 11.47 f.) als operative Finanzierungsform liegen die steuerlichen Herausforderungen beim grenzüberschreitenden Factoring insbesondere in der steuerlichen Zuordnung der abgetretenen Forderungen als vom Factoring betroffene Wirtschaftsgüter. Kommen die beiden involvierten Steuerjurisdiktionen zu einem abweichenden Ergebnis hinsichtlich der Frage, ob aus steuerlichem Blickwinkel von einem Übergang/True Sale der abgetretenen Forderung auszugehen ist, so ist es möglich, dass die Factoringbeziehung unterschiedlich als Forderungskauf und Darlehensbeziehung qualifiziert wird. Steuerlich hätte ein solcher Qualifikationskonflikt ggf. zur Folge, dass die Forderungen entweder in beiden Ländern zu erfassen wären oder in keinem. In ersterem Fall hätte dies die Annahme von Zinsaufwand in Höhe der Abschlagszahlung beim Zedenten und einen Aktivtausch Finanzkonto an Forderungen beim Factor zur Folge.
VI. ABS-Finanzierungen 11.76 Eine dem Factoring nahe stehende und an praktischer Relevanz gewinnende operative Finanzierungsform sind ABS-(Asset-Backed-Security)-Finanzierungen. Insbesondere aufgrund der sich im Zuge der Basel-Regulierungen stetig verschärfenden Eigenkapitalanforderungen und der sich damit verändernden Rahmenbedingungen der Unternehmensfinanzierung sehen sich immer mehr Unternehmen gezwungen, eine Alternative zur klassischen Finanzierung durch Bankkredite zu finden. Die ABS-Finanzierung stellt für viele Unternehmungen eine solche alternative Form einer langfristigen Finanzierung da. Ihre Wirkungsweise besteht darin, dass bestimmte homogene Forderungen eines Unternehmens (Originator) gebündelt auf eine eigens für diese Transaktionen gegründete Zweckgesellschaft entgeltlich übertragen werden. Wie beim Factoring kann der Originator durch die zufließende Liquidität entweder notwendige Investitionen tätigen oder Verbindlichkeiten abbauen und so seine Eigenkapitalquote erhöhen und gewerbesteuerliche Hinzurechnungen reduzieren.2
1 BFH v. 26.1.2012 – V R 18/08, DB 2012, 611 f. 2 Siehe zu den möglichen Motiven einer ABS-Verbriefung Bosak, Asset Backed Securities, 41 f.
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B. Ausgewählte Instrumente der grenzüberschreitenden Unternehmensfinanzierung
Ungeachtet des im Detail sehr hohen Komplexitätsgrades der einzelnen ABS-Struktur lassen sich sämtliche am Markt vertretenen Ausprägungen dieser Transaktionen prinzipiell auf ein Grundmuster zurückführen. Im Mittelpunkt steht hierbei die Zweckgesellschaft, ein sogenanntes „Special Purpose Vehicle“ (SPV), die die Forderungen von dem Originator erwirbt. Die Zweckgesellschaft refinanziert sich hierbei über die Emission der im Rahmen eines Strukturierungsprozesses zu Wertpapieren (z.B. Anleihen, Commercial Paper) transformierten Forderungen, für die ein Sekundärmarkt besteht. Die dem Investor zustehenden Zinszahlungen und Tilgungsleistungen werden hierbei aus dem Cashflow der verbrieften Forderungen bedient. Der Forderungseinzug wird durch die Zweckgesellschaft üblicherweise im Rahmen eines Servicing Agreements auf den Originator übertragen. Letzteres dient nicht zuletzt der Vermeidung einer Offenlegung des Forderungsverkaufs gegenüber den Schuldnern der Forderungen (sogenannte stille Zession). Geeignet für ABS-Transaktionen sind hierbei solche Forderungen, die einen laufenden und möglichst stabilen Cashflow erzeugen und darüber hinaus abtretbar sind. Ferner muss im Rahmen einer ABS-Transaktion zwischen dem Entstehungszeitpunkt der Forderung und der Fälligkeit ein hinreichend langer Zeitraum bestehen. In der Praxis sind insbesondere Darlehens-, Miet- oder Leasingforderungen Gegenstand von ABS-Strukturen.1
11.77
Aufgrund der hohen, mit ABS-Strukturen verbundenen Transaktionskosten (insbesondere für den Verbriefungsprozess und die damit verbundenen Kosten für externe Berater) wurden diese als Finanzierungsinstrument zunächst nur von Großunternehmen umgesetzt. Die durch entsprechende Finanzdienstleistungsunternehmen zunehmend angebotenen Pool-Lösungen erlauben es jedoch mittlerweile, dass auch mittelständische Unternehmen an dieser Finanzierungsform partizipieren können. Dies wird z.B. über die Implementierung sogenannter Conduit-Programme erreicht, die durch fast alle größeren in Deutschland aktiven Kreditinstitute angeboten werden und bei denen das Forderungsvolumen verschiedener Originatoren gebündelt wird. Des Weiteren trägt die Standardisierung von Prozessen und Verträgen zur Reduzierung der Transaktionskosten und zu einer Senkung des für eine ABS-Transaktion erforderlichen Forderungsvolumens bei. So werden mittlerweile auf dem Markt ABS-Programme angeboten, die ein Mindestforderungsvolumen von nur einigen Mio. Euro vorsehen.
11.78
Wie der BFH in seiner Entscheidung vom 26.8.2010 bestätigt2 hat, sind in Bezug auf die (steuer)bilanzielle Behandlung einer ABS-Transaktion die vom IDW zu der Frage des bilanziellen Abgangs beim Verkauf von Forde-
11.79
1 Kaiser in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, Kap. E, Rz. 101. 2 Vgl. bereits FG Münster v. 2.12.2008 – 9 K 2344/07 G, DStRE 2010, 106 f.
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rungen aufgestellten Grundsätze anwendbar.1 Entscheidend für die Frage, ob und wann die abgetretene Forderung beim Originator ausgebucht und bei der Zweckgesellschaft vereinnahmt werden kann, ist folglich, ob ein True Sale, d.h. ein Übergang des auf die Forderung bezogenen Delkredererisikos, auf die Zweckgesellschaft vorgelegen hat. Im Unterschied zum Factoring ist der Übergang des Delkredererisikos auf die Zweckgesellschaft im Rahmen einer ABS-Transaktion jedoch in jedem Fall erforderlich.2 Exemplarisch hindern die nachfolgend aufgeführten Abreden den Forderungsübergang auf den Erwerber, da ihnen ein zumindest teilweiser Verbleib des Delkredererisikos beim Originator immanent ist:3 – Die Forderungen können von der Zweckgesellschaft gegen ein bestimmtes Entgelt an den Originator zurückveräußert werden. – Der Originator übernimmt eine Ausfallgarantie. – Der Veräußerungspreis ist nur vorläufig und wird an den tatsächlichen Forderungsausfall angepasst. – Der Originator ist am Eigenkapital der Zweckgesellschaft beteiligt. – Der Originator erwirbt die von der Zweckgesellschaft begebenen Schuldtitel.
11.80 Nicht hinderlich für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums sollen hingegen sein: – ein endgültiger (auch unangemessen hoher) Abschlag vom Forderungskaufpreis ohne Rückvergütung an den Originator, – die Abtretung durch eine stille Zession, – der durch den Originator durchgeführte Forderungseinzug. Als eindeutig abgrenzbares Kriterium liegt ein vollständiger Transfer des Delkredererisikos mithin dann vor, wenn ein endgültiger Kaufpreis für die Forderung vereinbart wird.
11.81 In Bezug auf die steuerlichen Auswirkungen einer ABS-Transaktion beim Originator ergeben sich im Wesentlichen keine Abweichungen zu den beim Factoring dargestellten Grundsätzen. Die steuerlichen Implikationen einer ABS-Struktur werden hierbei maßgeblich durch die steuerlichen Rahmenbedingungen auf der Ebene der Zweckgesellschaft bestimmt. In Bezug auf ABS-Strukturen mit Beteiligung deutscher Originatoren sind die involvierten Zweckgesellschaften in den meisten Fällen in auslän-
1 Siehe BFH v. 26.8.2010 – I R 17/09, BB 2011, 109 f. sowie Middendorf, StuB 2011, 134 f. 2 Ein True Sale liegt allerdings dann nicht vor, wenn die von der Zweckgesellschaft begebenen Wertpapiere – wie bspw. im Rahmen von sog. EZB-Refinanzierungen – durch den Emittenten zurückerworben werden, vgl. Lindemann/ Schlikker/Omar, FR 2009, 711. 3 Siehe im Einzelnen IDW RS HFA 8.
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B. Ausgewählte Instrumente der grenzüberschreitenden Unternehmensfinanzierung
dischen Steuerjurisdiktionen angesiedelt.1 Zu betonen ist hierbei jedoch, dass auch andere Faktoren, wie z.B. einschlägiges Know-how sowie die aufsichtsrechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen, einen maßgeblichen Einfluss auf die Standortwahl haben. Auf der Ebene der Zweckgesellschaft besteht typischerweise eine sehr geringe Gewinnmarge, was rein ertragsteuerliche Risiken gegenüber nicht-steuerlichen Risiken zurücktreten lässt. Die Zweckgesellschaft wird sowohl im Inland als auch im Ausland regelmäßig als Kapitalgesellschaft mit beschränkter Haftung oder als Trust gegründet. Gründe hierfür sind neben der haftungsbeschränkenden Komponente insbesondere die international anerkannte Eigenschaft einer Kapitalgesellschaft als Steuersubjekt, die ihr insbesondere eine Abkommensberechtigung im Rahmen von DBA zukommen lässt.2
11.82
Die in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft geführte Zweckgesellschaft ist im Inland gemäß § 1 Abs. 1 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig, wenn sie ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland hat. Aufgrund der funktionsbedingt im Regelfall niedrigen Gewinnmarge der Zweckgesellschaft würde die effektive Steuerbelastung hierbei aufgrund der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung des Refinanzierungsaufwands der Zweckgesellschaft gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG primär durch die inländische Gewerbesteuer beeinflusst. Die inländische Gewerbesteuerpflicht der Zweckgesellschaft entsteht hierbei kraft Rechtsform gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG. Gleichwohl dürfte die Funktion der Zweckgesellschaft aber bereits insofern als Gewerbebetrieb i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG zu qualifizieren sein, da die Emission von Schuldtiteln und der ausschließlich fremdfinanzierte Erwerb der diesen zugrunde liegenden Forderungen den Rahmen einer reinen Vermögensverwaltung überschreiten sollte. Die Qualifizierung als Gewerbebetrieb führt dazu, dass die Emission der Wertpapiere Verbindlichkeiten begründet, deren Zinszahlungen grundsätzlich Schuldzinsen i.S.d. § 8 Nr. 1 GewStG darstellen. Folge einer solchen Qualifizierung wäre die 25 %ige Hinzurechnung der auf die Schuldtitel geleisteten Zinszahlungen für gewerbesteuerliche Zwecke. Hierbei handelt es sich um echte Mehrkosten im Rahmen einer ABS-Struktur, da die Finanzierungsleistung vergütenden Kaufpreisabschläge beim Originator gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 GewStG ebenfalls einer gewerbesteuerlichen Hinzurechnung unterliegen.3
11.83
Zu beachten wäre in diesem Zusammenhang jedoch das sogenannte gewerbesteuerliche Bankenprivileg gemäß § 19 Abs. 1 GewStDV, das der Besonderheit des Bankgeschäfts insofern Rechnung trägt, als Zinszahlun-
11.84
1 In der Praxis häufig anzutreffen sind Zweckgesellschaften auf den Kanalinseln Jersey und Guernsey, der Republik Irland und Luxemburg. 2 Vgl. Wassermeyer in D/W, Art. 1 OECD-MA Rz. 21 f. 3 Siehe BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742-a/07/10001 (2008/0336202), BStBl. I 2008, 718 Rz. 17 u. 23.
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gen durch Banken bei diesen insoweit nicht der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung unterworfen werden, als sie mit dem regulären Bankgeschäft in Zusammenhang stehen.1 Da die Zweckgesellschaft im Rahmen einer ABS-Transaktion jedoch regelmäßig keine typischen Bankgeschäfte tätigt, greift dieser Ausnahmetatbestand grundsätzlich nicht. Mit Wirkung zum 1.1.2003 wurde das Bankenprivileg durch den Gesetzgeber jedoch wesentlich ausgeweitet. Gemäß dem neu eingeführten § 19 Abs. 3 Nr. 2 GewStDV soll die gewerbesteuerliche Hinzurechnung der Schuldzinsen bei einer Zweckgesellschaft demnach unterbleiben, wenn diese ausschließlich unmittelbar oder mittelbar Kreditforderungen und Kreditrisiken aus Bankgeschäften i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 3 und 8 KWG von Kreditinstituten i.S.d. § 1 KWG oder von in § 3 Nr. 2 GewStG genannten Gewerbebetrieben erwirbt und diesen Erwerb durch die Emission von Schuldtiteln oder die Aufnahme von Darlehen refinanziert (sogenanntes „Verbriefungsprivileg“2). Diese Ausweitung des Bankenprivilegs betrifft mithin lediglich solche ABS-Transaktionen, bei denen Banken als Originatoren von Forderungen fungieren. Die in der Praxis gängige Verbriefung von Waren-, Miet- oder Leasingforderungen ist mithin nicht unmittelbar von dieser Vergünstigung umfasst. Das Fehlen eines umfassenderen Verbriefungsprivilegs hinsichtlich der Gewerbesteuerbelastung aufgrund der 25 %igen Hinzurechnung von Schuldzinsen nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG ist eine der Ursachen, warum die Zweckgesellschaften in der Praxis häufig im Ausland angesiedelt werden.
11.85 Da die Zweckgesellschaft unter den von ihr an die Investoren begebenen Wertpapieren im Regelfall zu Zinszahlungen verpflichtet ist, stellt sich die Frage nach einer Anwendbarkeit der Zinsschrankenregelung (siehe Rz. 1.137 nach § 4h EStG i.V.m. § 8a KStG. Sofern die der Zweckgesellschaft vom Originator abgetretenen Forderungen selbst Zinsforderungen darstellen oder zumindest einen Zinsanteil enthalten, so wäre dieser Zinsertrag in die Berechnung des abzugsfähigen Zinsaufwands auf der Ebene der Zweckgesellschaft nach § 4h Abs. 1 EStG miteinzubeziehen. Die Differenz zwischen dem Nennwert der an die Zweckgesellschaft abgetretenen Forderung und dem durch die Zweckgesellschaft an den Originator entrichteten Kaufpreis wird durch die Finanzverwaltung3 nur in Ausnahmefällen und auf Antrag als Zinsertrag nach § 4h Abs. 3 Satz 2 EStG anerkannt. In diesem Fall ist darüber hinaus zu beachten, dass ein korrespondierender Zinsaufwand beim Originator entsteht, dessen Abzugsfähigkeit nach § 4h EStG i.V.m. § 8a KStG separat sicherzustellen wäre. Die Freigrenze von 3 Mio. Euro nach § 4h Abs. 2 Buchst. a EStG sowie die sogenannte Escape-Klausel nach § 4h Abs. 2 Buchst. c EStG werden hierbei aufgrund der hohen Volumina von ABS-Transaktionen sowie des strukturbedingt hohen Verschuldensgrades der Zweckgesellschaft 1 Vgl. hierzu Hofmeister in Blümich, § 8 GewStG Rz. 90 f. 2 Siehe hierzu Schmidt/Dammer, BB 2003, 819 f. 3 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742-a/07/10001 (2008/0336202), BStBl. I 2008, 718 f. Rz. 29.
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B. Ausgewählte Instrumente der grenzüberschreitenden Unternehmensfinanzierung
nicht zur Anwendung kommen. Um die mit der ABS-Transaktion erstrebten Effekte erzielen zu können, wird die Zweckgesellschaft jedoch regelmäßig dergestalt aufgesetzt, dass sie nicht nach den §§ 290 f. HGB beim Originator der Forderung konsolidierungspflichtig ist. Eine Einbeziehung in den Konsolidierungskreis des Originators für Zwecke der Zinsschranke nur aufgrund der wirtschaftlichen Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der Nutzen und Risikoverteilung wird durch die Finanzverwaltung explizit ausgeschlossen.1 Im Regelfall sollte die Ausnahme des § 4h Abs. 2 Buchst. b EStG auf eine in Deutschland steuerpflichtige Zweckgesellschaft daher Anwendung finden, was eine Anwendung der Zinsschrankenregelung nach § 4h EStG i.V.m. § 8a KStG im Ergebnis ausschließt. Im Rahmen von ABS-Transaktionen werden die von der Zweckgesellschaft an die Investoren begebenen Wertpapiere üblicherweise nur dann bedient, wenn der Zweckgesellschaft die korrespondierenden Zahlungseingänge aus den abgetretenen Forderungen tatsächlich zufließen. Das Delkredererisiko wird mithin im Ergebnis auf die Investoren übertragen. Hierbei könnten sich jedoch möglicherweise Implikationen mit dem in § 5 Abs. 2a EStG normierten steuerlichen Passivierungsaufschub2 ergeben. § 5 Abs. 2a EStG sieht vor, dass für Verpflichtungen, die nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, Verbindlichkeiten oder Rückstellungen erst anzusetzen sind, wenn die Einnahmen oder Gewinne tatsächlich angefallen sind. Es ist hierbei letztlich nicht abschließend geklärt, ob § 5 Abs. 2a EStG im Rahmen einer ABS-Struktur auf die Verpflichtungen der Zweckgesellschaft gegenüber den Investoren aus den begebenen Wertpapieren Anwendung findet. Dagegen spricht insbesondere, dass § 5 Abs. 2a EStG insbesondere solche Fälle erfassen soll, in denen aufgenommenes Fremdkapital zur Finanzierung von sofort abziehbaren Betriebsaufwendungen verwendet wird und der unmittelbare Ansatz der nur unter Einnahmen- bzw. Gewinnvorbehalt rückzahlbaren Verbindlichkeit oder Rückstellung zu einem steuerlichen Verlust führen würde.3 Im Rahmen von ABS-Transaktionen werden durch die Zweckgesellschaft jedoch aktivierbare Wirtschaftsgüter in Form der vom Originator abgetretenen Forderungen angeschafft und mithin keine steuermindernden Betriebsausgaben geltend gemacht. Eine Anwendung des § 5 Abs. 2a EStG auf die Zweckgesellschaft erscheint daher nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift als verfehlt.
11.86
Die Tatsache, dass die durch die Zweckgesellschaft an die Investoren begebenen Wertpapiere nur dann bedient werden, wenn der Zweckgesellschaft die Erträge unter den zugrunde liegenden Forderungen zufließen, könnte bei Einbindung ausländischer Investoren auch in Bezug auf Quel-
11.87
1 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742-a/07/10001 (2008/0336202), BStBl. I 2008, 718 f. Rz. 67. 2 Siehe Richter in H/H/R, § 5 EStG Rz. 1761 f. 3 Vgl. BT-Drucks. 14/2070, 18.
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lensteuern Relevanz entfalten. Generell gilt in Bezug auf eine mögliche Belastung der Zahlungen der Zweckgesellschaft an ausländische Investoren mit deutscher Quellensteuer, dass Zinszahlungen an Steuerausländer in Deutschland grundsätzlich keiner Quellenbesteuerung unterliegen. Eine Ausnahme besteht hierbei gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 2 und 3 EStG für bestimmte hybride Finanzinstrumente wie unter anderem auch partiarische Darlehen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG. Bei den durch die Zweckgesellschaft im Rahmen einer ABS-Transaktion begebenen Wertpapieren wird regelmäßig eine feste oder marktzinsabhängige Verzinsung vereinbart. Fraglich ist allerdings, ob aus der bereits beschriebenen Abhängigkeit der Zins- und Tilgungszahlungen unter den Wertpapieren von der tatsächlichen Realisierbarkeit der Forderungen eine solche Erfolgsabhängigkeit abgeleitet werden kann. Der BFH hat in seinem Urteil vom 22.6.20101 zur Frage einer solchen Erfolgsabhängigkeit ausgeführt, dass die Ergebnisabhängigkeit der Vergütung daran festgemacht werden kann, dass die vereinbarten Zinsen erst dann zur Zahlung fällig werden sollten, wenn der Fremdkapitalnehmer über ausreichende Liquidität verfügt. Überträgt man diese Grundsätze auf eine ABS-Transaktion, so erscheint die Qualifizierung der durch die Zweckgesellschaft begebenen Wertpapiere als partiarisch in der Tat möglich. Da im Verhältnis Zweckgesellschaft zu Investor jedoch durch die Übertragung des Delkredererisikos nicht die Begründung eines erfolgsabhängigen Darlehensverhältnisses, sondern die geordnete Abwicklung der gegenseitigen Rechtsbeziehungen für den Fall von Forderungsausfällen gewollt ist, erscheint nach der hier vertretenen Rechtsauffassung eine Anwendung des § 43 Abs. 1 Nr. 2 EStG auf die von der Zweckgesellschaft begebenen Wertpapiere und eine Quellensteuerbelastung der darunter getätigten Zahlungen als nicht sachgerecht.
11.88 Umsatzsteuerlich würde, sofern die zum Factoring dargestellten Grundsätze des oben bereits beschriebenen MKG-Urteils2 des EuGH auf ABSTransaktionen übertragbar wären, der Forderungsverkauf durch den Originator an die Zweckgesellschaft einen umsatzsteuerbaren Vorgang darstellen. Das MKG-Urteil basiert jedoch im Wesentlichen auf der Überlegung, dass die vom Factor erbrachte umsatzsteuerbare Dienstleistung durch die Übernahme des Forderungseinzugs und die Übernahme des Delkredererisikos repräsentiert wird.3 Da im Rahmen von ABS-Transaktionen der Forderungseinzug beim Originator verbleibt, sind die Grundsätze des MKG-Urteils des EuGH folglich nicht auf ABS-Transaktionen anwendbar.4 Unabhängig hiervon ist die Zweckgesellschaft im Rahmen einer ABS-Transaktion aufgrund der mit dem Erwerb der Forde1 BFH v. 22.6.2010 – I R 78/09, DStR 2010, 2448 sowie Rödding/Dann, DStR 2001, 342 f. 2 EuGH v. 26.6.2003 – Rs. C-305/01 – MKG-Kraftfahrzeuge-Factoring-GmbH, BStBl. II 2004, 688 f. 3 EuGH v. 26.6.2003 – Rs. C-305/01 – MKG-Kraftfahrzeuge-Factoring-GmbH, BStBl. II 2004, 688 f. 4 Vgl. BMF v. 3.6.2004 – IV B 7 - S 7104 - 18/04, BStBl. I 2004, 737 Rz. 2 und Abschn. 2.4 Abs. 2 UStAE.
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rung vom Originator verbundenen Funktion als „fingierter Kreditgeber“1 unternehmerisch tätig. Die Abtretung der Forderungen durch den Originator an die Zweckgesellschaft ist ein steuerfreier Umsatz nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG,2 die Einziehung der Forderungen durch den Originator ist i.d.R. keine selbständige steuerbare Leistung i.S.d. UStG. Auf der Ebene der Zweckgesellschaft wird umsatzsteuerlich unabhängig von der zivilrechtlichen Betrachtung und unabhängig vom Vorliegen eines True Sale neben dem Forderungskauf eine nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG steuerfreie Kreditgewährung an den Originator fingiert.3 Das Entgelt für die Kreditgewährung ist hierbei der Unterschiedsbetrag zwischen dem für die Forderung entrichteten Kaufpreis und deren Nennwert. Aus den oben beschriebenen rechtlichen und steuerlichen Erwägungen, insbesondere aber auch aufgrund der allgemeinen Überlegung, dass sich die Zweckgesellschaft im Rahmen einer ABS-Struktur üblicherweise an den internationalen Kapitalmärkten refinanziert, wird sie trotz der durch den deutschen Gesetzgeber eingeführten Vergünstigung in Form des Verbriefungsprivilegs noch überwiegend im Ausland angesiedelt. Ist Letzteres der Fall, so ist sie mangels Sitz und Geschäftsleitung im Inland gemäß § 1 Abs. 1 KStG in Deutschland nicht unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Auch eine Gewerbesteuerpflicht kommt in diesem Fall grundsätzlich nicht in Betracht, da diese gemäß § 2 Abs. 1 GewStG einen inländischen Gewerbebetrieb voraussetzt.
11.89
Im Verhältnis der ausländischen Zweckgesellschaft zum inländischen Originator ist aus steuerstruktureller Sicht jedoch dem Servicing Agreement, durch das der Originator von der Zweckgesellschaft mit dem Forderungseinzug betraut wird, besonderes Augenmerk zu schenken. Käme man aus deutscher steuerlicher Perspektive zu dem Schluss, dass durch das Servicing Agreement wesentliche geschäftliche Entscheidungsprozesse der Zweckgesellschaft auf den in Deutschland ansässigen Originator übertragen werden, so hätte dies unter Umständen die Allokation des Ortes der Geschäftsleitung der Zweckgesellschaft nach Deutschland zur Folge. Folge hiervon wäre gemäß § 1 Abs. 1 KStG eine steuerliche Ansässigkeit der Zweckgesellschaft in Deutschland sowie gemäß § 10 AO i.V.m. § 12 Nr. 1 AO die Begründung einer inländischen Betriebsstätte, was die Zweckgesellschaft im Ergebnis zum Subjekt deutscher Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer machen würde. Zwar verbleibt auf der Ebene der Zweckgesellschaft nur eine geringe Gewinnmarge, sofern sie jedoch nicht vom Verbriefungsprivileg nach § 19 Abs. 3 Nr. 2 GewStDV profitiert, entstünde aufgrund der Hinzurechnung gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG jedoch ggf. dennoch beträchtliches Steuersubstrat in Form von nicht abziehbaren Finanzierungsentgelten. Gegen die Begrün-
11.90
1 Kaiser in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, Kap. E, Rz. 141. 2 Siehe Abschn. 2.4 Abs. 3 Satz 5 UStAE. 3 Abschn. 2.4 Abs. 5 UStAE.
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dung einer solchen inländischen Betriebsstätte lässt sich generell anführen, dass die im Ausland durch die dort ansässige Geschäftsleitung der Zweckgesellschaft getroffenen Entscheidungen (z.B. in Bezug auf die Refinanzierung der Zweckgesellschaft) das höhere Gewicht gegenüber dem Forderungsmanagement einnehmen. Andererseits kommt es bei der Bestimmung des Ortes der Geschäftsleitung als Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung i.S.d. § 10 AO gerade auf das Tagesgeschäft und nicht auf die besonders wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen an.1 Es lässt sich jedoch weiter argumentieren, dass das Servicing der Forderungen im Rahmen einer ABS-Transaktion dem Originator nach dem Willen der beteiligten Parteien zwingend funktional zugeordnet und vorbehalten ist, da der Originator gar nicht bereit wäre, die Forderungsverwaltung zusammen mit den Forderungen an das Zweckvehikel zu übertragen.2 Die pauschale Allokation einer Geschäftsleitungsbetriebsstätte des Zweckvehikels im Inland unter Berufung auf das durch den Originator durchgeführte Forderungsmanagement erscheint daher als nicht sachgerecht. Unabhängig hiervon sollte bei der Gestaltung des Servicing Agreements über das Forderungsmanagement im Rahmen einer ABSTransaktion zur Vermeidung unnötiger Steuerrisiken darauf geachtet werden, dass durch den Originator wesentliche Entscheidungen im Rahmen des Forderungsmanagements nur in enger Abstimmung mit der Zweckgesellschaft getroffen werden können.
11.91 Da die Gewinnmarge auf der Ebene der Zweckgesellschaft regelmäßig gering ist und infolgedessen im Normalfall lediglich eine geringe lokale Steuerbelastung begründet wird, sind lokale steuerliche Aspekte bei der Frage nach der Lokalisierung der Zweckgesellschaft scheinbar zweitrangig. Gleichwohl lässt es sich in der Praxis beobachten, dass Zweckgesellschaften im Rahmen von ABS-Strukturen primär in Staaten gegründet werden, die sich neben einer relativ geringen lokalen Steuerbelastung außerdem durch ein weit gefächertes Netz von abgeschlossenen DBA auszeichnen. Weiterhin haben die jeweiligen nationalen Regelungen zur Eigenkapitalausstattung Einfluss auf die Standortwahl. Neben den klassischen „Tax Havens“ erwiesen sich in der jüngeren Vergangenheit zunehmend auch Industrienationen, wie z.B. Luxemburg, Niederlande, Irland, Schweiz, Schweden etc., als geeignete Standorte, da diese Staaten neben einem umfangreichen Netz von DBA neben weiteren Privilegierungen über gesonderte Regelungen im Hinblick auf die Eigenkapitalausstattung derartiger Zweckgesellschaften verfügen und infolgedessen eine hohe Fremdkapitalquote steuerlich zulassen.
11.92 Auch aus außensteuerlichen Gesichtspunkten kann die Allokation der Zweckgesellschaft in einem Industriestaat anstelle eines klassischen „Tax Havens“ vorzugswürdig sein, um eine Niedrigbesteuerung der 1 Siehe Kruse in T/K, § 10 AO Rz. 2 m.w.N. 2 Geiger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt2, § 18 Rz. 45.
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B. Ausgewählte Instrumente der grenzüberschreitenden Unternehmensfinanzierung
durch die Zweckgesellschaft erzielten Beträge i.S.d. § 8 Abs. 3 AStG auszuschließen. Unabhängig von einer Niedrigbesteuerung müsste die Zweckgesellschaft für eine Hinzurechnungsbesteuerung nach § 7 AStG (d.h. die Einkünfte der ausländischen Zweckgesellschaft werden unabhängig von einer Ausschüttung den inländischen Anteilseignern zugerechnet) deutschbeherrscht nach § 7 Abs. 1 und 2 AStG sein. Die ausländische Zweckgesellschaft ist gemäß § 7 Abs. 1 AStG regelmäßig deutschbeherrscht, wenn an ihr unmittelbar oder mittelbar mindestens 50 % deutsche Anteilseigner beteiligt sind. In der Praxis lässt es sich jedoch beobachten, dass die ausländischen Zweckgesellschaften nicht durch dem Originator nahe stehende Personen gegründet werden, sondern z.B. durch eine nicht im Lager des Originators stehende Stiftung bzw. eines Trusts. In einem solchen Fall sollte eine Beherrschung des Zweckvehikels nach § 7 AStG nicht in Betracht kommen. Weiterhin hat der deutsche Gesetzgeber als Konsequenz aus der Cadburry-Schweppes-Entscheidung des EuGH1 in § 8 Abs. 2 AStG eine Entlastungsmöglichkeit im Hinblick auf die Hinzurechnungsbesteuerung eingeführt. Die Zweckgesellschaft gilt demnach nicht als durch den Originator beherrscht, wenn nachgewiesen wird, dass sie im ausländischen Staat tatsächlich wirtschaftlich tätig wird. Dies erfordert einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb, der am wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt. Verlangt wird implizit das Vorhandensein einer festen Geschäftseinrichtung und Substanz in Form von Geschäftsräumen, Personal und Ausrüstungsgegenständen.2 Gleichzeitig müssen die Kernfunktionen von der Zweckgesellschaft selbst vorgenommen werden. Es darf insoweit also kein Outsourcing vorliegen. Gelingt hinsichtlich der Zweckgesellschaft ein entsprechender Nachweis, so sollte eine deutsche Hinzurechnungsbesteuerung nach dem AStG ausscheiden.
VII. Hybride Finanzierungsformen Unter „hybriden“ oder „mezzaninen“ Finanzierungsinstrumenten sind Finanzierungsinstrumente zu verstehen, die aufgrund ihrer Ausgestaltung Charakteristika einer Finanzierung mit Eigenkapital und einer Finanzierung mit Fremdkapital miteinander verbinden.3 In der wirtschaftswissenschaftlichen und steuerrechtlichen Literatur sind beide Termini bei der Beschreibung bestimmter Beteiligungs- und Finanzierungsinstrumente zwar absolut gängig, es sei an dieser Stelle jedoch betont, dass es sich bei Hybrid- oder Mezzaninkapital nicht um Rechtsbegriffe handelt, die sich in Gesetzen wiederfinden lassen. Begünstigt durch den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsatz der Vertragsfreiheit hat sich in der Vergangenheit eine Vielzahl von hybriden Instrumenten mit einer Finanzierungsfunktion entwickelt. 1 Siehe EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995 sowie Frischmuth, StuB 2007, 65 f. 2 Siehe Kraft, § 8 AStG Rz. 741 f. 3 Vgl. Haisch/Helios, Rechtshandbuch Finanzinstrumente, § 1 Rz. 108.
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11.93
Kapitel 11 Grenzüberschreitende Finanzierung international tätiger Unternehmen
11.94 Kennzeichnend für hybride Finanzierungsformen sind hierbei allgemein die folgenden Gestaltungsmerkmale, die bei den einzelnen Instrumenten jedoch in der konkreten Ausgestaltung stark variieren können:1
11.95 Langfristige Ausgestaltung: Ein entscheidendes Wesensmerkmal von Eigenkapital ist es, dass es der mit Kapital auszustattenden Unternehmung durch den Kapitalgeber dauerhaft zur Verfügung gestellt wird. Entsprechend sind auch hybride Finanzierungsinstrumente im Regelfall mit einer längeren Laufzeit ausgestattet als reines Fremdkapital.
11.96 Ergebnisabhängigkeit: Eigenkapital zeichnet sich gegenüber Fremdkapital generell durch aus, dass der Kapitalgeber vom Kapitalnehmer keine feste Vergütung für die Überlassung des Kapitals erhält, sondern der Kapitalgeber lediglich im Wege von Gewinnausschüttungen am Erfolg der Unternehmung partizipiert. Im Gegensatz hierzu ist die Vergütung für die Überlassung von Fremdkapital (z.B. die Verzinsung eines Darlehens) unabhängig von der wirtschaftlichen Situation des finanzierten Unternehmens zu entrichten. Diese, in einer Krise des Unternehmens entlastend wirkende Rolle von Eigenkapital übernehmen üblicherweise auch hybride Finanzierungsinstrumente durch eine ergebnisabhängige Vergütung für die Kapitalüberlassung.
11.97 Nachrangigkeit: Ein weiterer struktureller Unterschied zwischen Eigenund Fremdkapital ist, dass die Eigenkapitalgeber im Falle einer Insolvenz der finanzierten Unternehmung grundsätzlich nachrangig gegenüber den Fremdkapitalgebern befriedigt werden. Diese strukturelle Nachrangigkeit von Eigenkapital wird auch von hybriden Finanzierungsinstrumenten in unterschiedlicher Ausprägung abgebildet. Systematisch zu unterscheiden ist hierbei zwischen einer strukturellen Nachrangigkeit aufgrund der Allokation des Kapitalgebers im Konzernverbund und einer Nachrangigkeit aufgrund der konkreten rechtlichen Ausgestaltung des Finanzierungsinstruments.
11.98 Laufende Verlustübernahme/Beteiligung an stillen Reserven: Besonders starke Indizien für das Vorliegen von Eigenkapital ist die Teilnahme an den laufenden Verlusten der finanzierten Gesellschaft sowie die Vereinbarung einer Beteiligung an den stillen Reserven. Beide Gestaltungselemente können in der Praxis auch bei der Ausgestaltung eines hybriden Finanzierungsinstruments von Bedeutung sein, sind jedoch im Unterschied zu den vorhergehend benannten Kriterien keine notwendigen Ausgestaltungsmerkmale von Hybridkapital.
11.99 Generelles Wesenselement hybrider Finanzierungsmittel ist die Flexibilität gegenüber der klassischen Finanzierung mit reinem Eigen- oder Fremdkapital, die es den an der Finanzierung beteiligten Parteien ermög1 Vgl. zu den typischen Ausgestaltungsmerkmalen von hybriden Finanzierungsinstrumenten Gleske/Laudenklos in Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, Kap. D, Rz. 24 f.
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B. Ausgewählte Instrumente der grenzüberschreitenden Unternehmensfinanzierung
licht, das Finanzierungsinstrument passgenau und ohne weitere Transaktionskosten auf die jeweiligen Bedürfnisse von Kapitalgeber und Kapitalnehmer anzupassen. Die konkrete Motivationslage für den Einsatz von Hybridkapital ist hierbei auf beiden Seiten je nach Einzelfall verschieden. Typischer Anwendungsbereich von hybriden Finanzierungen sind bei einem Unternehmen die Wachstumsfinanzierung, Buy-out sowie Rekapitalisierungsszenarien. Weiter kommen hybride Finanzierungen typischerweise auch in Sanierungs- oder Nachfolgephasen eines Unternehmens sowie aus aufsichtsrechtlichen Erwägungen zum Einsatz.1 Typische Zielsetzung auf der Seite der Kapitalnehmer ist es hierbei, Kapital ohne oder nur mit einer geringfügigen Erhöhung des Verschuldensgrades aufzunehmen, indem das aufgenommene Kapital als wirtschaftliches Eigenkapital des Unternehmens ausgestaltet wird. Hierdurch soll insbesondere das Bilanzbild des finanzierten Unternehmens verbessert und vermieden werden, dass die Möglichkeit des Unternehmens zur Aufnahme von weiterem echtem Fremdkapital beeinträchtigt wird. Hybridkapital bietet dem Kapitalnehmer und seinen Anteilseignern im Gegensatz zur reinen Eigenkapitalfinanzierung ferner die Möglichkeit, eigenkapitalähnliche Finanzierungsmittel aufzunehmen, ohne die bestehende Gesellschafterstruktur verändern zu müssen.
11.100
Da bei hybriden Finanzierungsinstrumenten nicht zwingend Banken als Kapitalgeber fungieren, sondern diese Finanzierungsform auch von Kapitalgebern über den klassischen Bankensektor hinaus angeboten wird, kann Hybridkapital von dem finanzierten Unternehmen auch zu einer strategischen Diversifizierung seiner Kapitalgeber genutzt werden.2 Darüber hinaus können jedoch auch steuerliche Aspekte bei der Entscheidung für eine hybride Finanzierung eine gewichtige Rolle spielen. In der Praxis wird auf der Ebene des Kapitalnehmers oft ein bilanzieller Ausweis des Finanzierungsinstruments als Eigenkapital unter gleichzeitigem Erhalt der steuerlichen Abzugsfähigkeit der Kapitalvergütungen angestrebt (siehe hierzu Rz. 11.124).
11.101
In Bezug auf den bilanziellen Ausweis von hybriden Finanzierungsinstrumenten enthält das HGB über das allgemeine Vollständigkeitsgebot nach § 246 Abs. 1 HGB, wonach im Jahresabschluss sämtliche Schulden und damit auch Verpflichtungen aus hybriden Instrumenten auszuweisen sind, keine expliziten Regelungen über die Behandlung von Hybridkapital. In Bezug auf Genussrechte hat der IDW die Voraussetzungen, unter denen das Instrument bilanziell als Eigenkapital auszuweisen ist, jedoch näher spezifiziert. Demnach kommt ein bilanzieller Ausweis als Eigen-
11.102
1 Für eine Übersicht über die Motive zum Einsatz hybrider Finanzierungsinstrumente siehe Briesemeister, Hybride Finanzierungsinstrumente im Ertragsteuerrecht, 32 f. 2 Gleske/Laudenklos in Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, Kap. D, Rz. 2 f.
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kapital nur infrage, wenn (kumulativ) ein absoluter Nachrang im Falle der Insolvenz, eine erfolgsabhängige Verzinsung, eine Verlustteilnahme bis zur vollen Höhe sowie eine längerfristige Kapitalüberlassung vorliegen.1 In der Praxis kommt nach diesen vom IDW aufgestellten Kriterien eine Klassifizierung des Instruments als Eigenkapital nur bei Genussrechten und bei der Beteiligung als stiller Gesellschafter infrage.2 In Bezug auf die Behandlung hybrider Finanzierungsinstrumente nach internationalen Rechnungslegungsvorschriften bestimmt IAS 32.16, dass ein Finanzinstrument nur dann ein Eigenkapitalinstrument ist, wenn das Instrument keine vertragliche Verpflichtung zur Lieferung von flüssigen Mitteln oder anderen finanziellen Vermögenswerten an ein anderes Unternehmen beinhaltet. Nur in dem Fall, dass das finanzierte Unternehmen ein volles Ermessen hat, ob und inwieweit das zur Verfügung gestellte Kapital sowie die entsprechenden Vergütungen für dessen Überlassung an den Kapitalgeber gezahlt werden, kommt demnach eine Einstufung als Eigenkapital infrage. Trotz dieser sehr hohen Anforderungen für die Klassifizierung als Eigenkapital haben sich in der Praxis vermarktbare hybride Finanzierungsinstrumente herausgebildet, die nach IFRS auf der Ebene des Kapitalnehmers als Eigenkapital qualifiziert werden, da sie die Zahlungen zwar grundsätzlich in dessen Ermessen stellen, Letzteres für den Kapitalnehmer jedoch durch anderweitige spezifische Vereinbarungen wie die Ankoppelung der Zahlungsverpflichtung an bestimmte Handlungen des finanzierten Unternehmens (z.B. Beschluss über Dividendenausschüttungen) akzeptabel machen.3
11.103 In der Praxis sind insbesondere die nachfolgend aufgeführten Hybridkapitalinstrumente verbreitet:
11.104 Genussrechte bzw. Genussscheine: Obwohl auf den Terminus „Genussrecht“ in verschiedenen Gesetzen Bezug genommen wird,4 hat der deutsche Gesetzgeber in Ansehung der vielfältigen Ausgestaltungsmöglichkeiten dieser Finanzierungsform bis dato auf eine Legaldefinition verzichtet. In der juristischen Literatur5 und der Rechtsprechung6 wird das Genussrecht allgemein als ein in erster Linie schuldrechtliches und damit nicht gesellschaftsrechtlich geprägtes Rechtsverhältnis definiert, das dem Kapitalgeber ausdrücklich keine für einen Gesellschafter typischen Rechte wie Mitwirkungs- und Verwaltungsrechte vermitteln soll. 1 Vgl. IDW HFA 1 1994, WPg 1994, 419 f. 2 Vgl. für eine Übersicht über den Eigenkapitalcharakter verschiedener hybrider Finanzierungsformen Watrin/Lühn, StuB 2004, 278 f. 3 Gleske/Laudenklos in Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, Kap. D, Rz. 13. 4 Vgl. beispielhaft §§ 20 Abs. 1 Nr. 1 und 43 Abs. 1 Nr. 2 EStG, § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, §§ 10, 10a und 53 KWG und § 221 Abs. 3 AktG. 5 Siehe Habersack in Münchner Kommentar zum Aktiengesetz, § 221 AktG Rz. 65. 6 Siehe BGH v. 5.10.1992 – II ZR 172/91, BGHZ 119, 305 = NJW 1993, 57 f. und v. 9.11.1992 – II ZR 230/91, BGHZ 120, 141 = NJW 1993, 400 f.
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B. Ausgewählte Instrumente der grenzüberschreitenden Unternehmensfinanzierung
Im Gegenzug vermittelt das Genussrecht dem Kapitalgeber als Gegenleistung für die Überlassung jedoch Vermögensrechte, die man sonst bei einem Gesellschafter vermuten würde, wie die Beteiligung am laufenden Gewinn und dem Liquidationserlös des finanzierten Unternehmens. In Deutschland wurden Genussrechte als hybride Finanzierungsform bis vor einigen Jahren nur vereinzelt eingesetzt. Erst mit der um 2004 erfolgten Einführung von komplexen Finanzierungsstrukturen zur Bündelung von durch Unternehmen begebenen Genussrechten auf der Ebene von Zweckgesellschaften und anschließender Platzierung der Genussrechte auf den internationalen Kapitalmärkten als Schuldverschreibung/Collaterized Debt Obligation (CDO) hat die Bedeutung dieser Finanzierungsform erheblich an Gewicht gewonnen. Insbesondere wird durch diese Genussrechtsprogramme auch solchen Unternehmen Zugang zu internationalen Kapitalmärkten gewährt, für die etwa ein Börsengang mangels Kapitalmarktorientierung nicht infrage kommt.1 Hybridanleihen: Unter Hybridanleihen oder ewigen Anleihen versteht man Finanzierungsinstrumente in Form von großvolumigen Schuldverschreibungen, die zum Zwecke der Aufnahme von Eigenkapital nach IAS 32 durch die zu finanzierende Unternehmung direkt an den internationalen Kapitalmärkten platziert werden. Gestaltungsmerkmale solcher Hybridanleihen sind hierbei eine absolute Nachrangigkeit der durch sie vermittelten Ansprüche des Kapitalgebers, eine sehr lange oder sogar unbeschränkte Laufzeit sowie die Koppelung der Zahlungsverpflichtung des Emittenten an bestimmte von ihm selbst beherrschbare Ereignisse (z.B. der Beschluss über eine Dividendenausschüttung).2 Entscheidender Unterschied zu den Genussrechten ist, dass ihnen stets die Beteiligung am Gewinn bzw. am Liquidationserlös des Emittenten fehlt.3 In Anbetracht der oben beschriebenen Charakteristika der Hybridanleihen kommt diese Finanzierungsform im Grundsatz nur für solche Unternehmen in Betracht, die insgesamt auf eine Finanzierung an Kapitalmärten angewiesen sind und bei denen die Investoren daher davon ausgehen können, dass die finanzierte Gesellschaft die Interessen ihrer Kapitalgeber berücksichtigen wird.
11.105
Nachrangige Darlehen: Nachrangige Darlehen können aufgrund ihrer Struktur als eine Grundform von Hybridkapital angesehen werden.4 Bei einem nachrangigen Darlehen tritt der Darlehensgeber durch eine Rangrücktrittsvereinbarung für den Fall einer Zahlungsunfähigkeit der finanzierten Gesellschaft mit seinen Forderungen hinter die sonstigen Fremdkapitalgeber zurück. Der Rangrücktritt umfasst hierbei die laufenden Zahlungsverpflichtungen aus dem Darlehensverhältnis, den Anspruch
11.106
1 Zusammenfassend Gleske/Laudenklos in Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, Kap. D, Rz. 57. 2 Siehe Vater, FB 2006, 45 f. 3 Vgl. Haisch/Helios, Rechtshandbuch Finanzinstrumente, § 1 Rz. 119. 4 Bock, DStR 2005, 1067.
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Kapitel 11 Grenzüberschreitende Finanzierung international tätiger Unternehmen
auf Rückzahlung des Darlehens sowie die Rechte an der Insolvenzmasse. In Bezug auf seine wirtschaftliche Haftungsposition nimmt der Kapitalgeber bei einem nachrangigen Darlehen mithin eine eigenkapitalgeberähnliche Stellung ein. Unabhängig hiervon orientiert sich das Nachrangdarlehen jedoch rechtlich an den allgemeinen Vorschriften über Darlehensverhältnisse und weist in Bezug auf seine übrige Ausgestaltung typische Merkmale einer Fremdkapitalüberlassung auf. Die Überlassung des Fremdkapitals erfolgt nämlich nur für einen bestimmten Zeitraum, die Kapitalrückzahlung und die Zahlung der Vergütung für die Kapitalüberlassung sind nicht an das Ergebnis der finanzieren Gesellschaft gekoppelt und der Darlehensgeber behält sich im Regelfall bestimmte Kündigungsrechte vor. Im Regelfall werden Nachrangdarlehen daher nicht als wirtschaftliches Eigenkapital behandelt und folglich bilanziell als Fremdkaptal ausgewiesen.1
11.107 Partiarisches Darlehen: Das partiarische Darlehen, bei Verbriefung in Schuldtiteln auch als Gewinnobligation bezeichnet, ist im Unterschied zum einfachen Darlehen dadurch gekennzeichnet, dass die Verpflichtung zur Entrichtung der Vergütung für die Überlassung des Fremdkapitals an bestimmte wirtschaftliche Erfolgsfaktoren auf der Ebene des Darlehensnehmers gekoppelt ist. In der Regel wird die Zahlungsverpflichtung mit dem Gewinn oder hieraus abgeleiteten Referenzgrößen verknüpft.2 Wie bei der Eigenkapitalfinanzierung ist die Rendite des Kapitalgebers daher letztlich von der wirtschaftlichen Performance des Kapitalnehmers abhängig, was den Darlehensgeber wirtschaftlich in eine dem Eigenkapitalgeber vergleichbare Stellung bringt. Insofern übereinstimmend zum Nachrangdarlehen folgt jedoch auch das partiarische Darlehen ansonsten den allgemeinen Ausgestaltungsmerkmalen von Darlehensverhältnissen. Auch in Bezug auf diese hybride Finanzierungsform scheidet daher im Regelfall die Qualifikation als wirtschaftliches Eigenkapital aus. Hinzuweisen ist jedoch darauf, dass auch Kombinationsmodelle von Nachrangdarlehen und partiarischen Darlehen implementiert werden können.3 Aufgrund der Kombination aus nachrangiger Gläubigerstellung und Gewinnabhängigkeit der Vergütungen für die Kapitalüberlassung sind solche Instrumente wirtschaftlichem Eigenkapital zumindest sehr stark angenähert.
11.108 Stille Gesellschaft: Im Rahmen der stillen Gesellschaft nach den §§ 230 f. HGB beteiligt sich der stille Gesellschafter als Kapitalgeber durch den Abschluss eines entsprechenden Gesellschaftsvertrages und durch die Leistung einer Vermögenseinlage an dem Handelsgewerbe des Kapitalnehmers. Zivilrechtlich entsteht zwischen dem stillen Gesellschafter 1 Wagner in Bösl/Sommer, Mezzanine Finanzierung, 263. 2 Zur Definition des partiarischen Darlehens Lechner/Haisch, Ubg 2011, 282 f. 3 Eine Verlustbeteiligung wird hingegen als mit dem Wesen eines partiarischen Darlehens unvereinbar angesehen – vgl. BFH v. 22.7.1997 – VIII R 57/95, BStBl. II 1997, 755 und v. 19.10.2005 – I R 38/04, BStBl. II 2006, 568 = DB 2006, 364.
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B. Ausgewählte Instrumente der grenzüberschreitenden Unternehmensfinanzierung
und der finanzierten Gesellschaft auf diesem Wege eine schuldrechtliche Innengesellschaft.1 Als Unterschiedskriterium insbesondere zu der Beteiligung durch den Abschluss eines partiarischen Darlehens oder durch ein Genussrecht muss bei der Beteiligung als stiller Gesellschafter die von § 705 BGB vorausgesetzte Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks vorliegen.2 Sofern der stille Gesellschafter vorrangig als Kapitalgeber fungieren soll, bei der Errichtung der stillen Gesellschaft mithin die Kaptalbeschaffung im Vordergrund steht, besteht der im Gesellschaftsvertrag festzulegende Beitrag des stillen Gesellschafters primär in der Erbringung einer Bareinlage in das Vermögen der zu finanzierenden Gesellschaft. Als Gegenleistung erhält der stille Gesellschafter gemäß § 231 Abs. 1 HGB eine Beteiligung am Gewinn und Verlust der finanzierten Gesellschaft, wobei gemäß § 231 Abs. 2 HGB eine Verlustbeteiligung auch ausgeschlossen werden kann. An den stillen Reserven, d.h. an einer möglichen Wertsteigerung des zu finanzierenden Unternehmens, nimmt der stille Gesellschafter im Gegensatz zu dem klassischen Eigenkapitalgeber hingegen nicht teil. Wie im Fall des partiarischen Darlehens so kann auch bei der stillen Gesellschaft eine Nachrangigkeit der Ansprüche des stillen Gesellschafters gegenüber anderen Fremdkapitalgebern vereinbart werden.3 Wie sich aus § 233 Abs. 2 HGB ergibt, vermittelt die stille Gesellschaft hierbei ausdrücklich keine nennenswerten gesellschaftsrechtlichen Mitwirkungsrechte in Bezug auf die finanzierte Gesellschaft. In Bezug auf die Einordnung zwischen Eigen- und Fremdkapital ist die stille Gesellschaft dem partiarischen Darlehen folglich sehr ähnlich. Ein wesentlicher praktischer Nachteil zu dieser Finanzierungsform sind jedoch die umfangreichen gesellschaftsrechtlichen Mitwirkungspflichten der Anteilseigner des kapitalaufnehmenden Unternehmens, die beim Abschluss eines Gesellschaftsvertrages über die Begründung einer stillen Gesellschaft erforderlich werden.4 Von der typisch stillen Gesellschaft zu unterscheiden ist der Fall, dass dem stillen Gesellschafter im Innenverhältnis durch die im Gesellschaftsvertrag getroffenen Abreden eine Beteiligung an den stillen Reserven der Kapitalnehmerin sowie ggf. weitergehende Einfluss- und Kontrollrechte eingeräumt werden. In diesem Fall spricht man von einer „atypisch stillen Gesellschaft“.5 Die atypische stille Gesellschaft unter1 Ausführlich zur Rechtsnatur der stillen Gesellschaft Schmidt in Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, § 230 HGB Rz. 4 f. 2 BFH v. 22.7.1997 – VIII R 57/95, BStBl. II 1997, 755 und v. 8.4.2008 – VIII R 3/05, BStBl. II 2008, 852 sowie Haisch/Helios, Rechtshandbuch Finanzinstrumente, § 1 Rz. 116. 3 Blaurock, Handbuch Stille Gesellschaft7, 277. 4 Bei der AG und GmbH bedarf die Beteiligung eines stillen Gesellschafters gemäß § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG (analog) der Zustimmung der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung. Auch bei Personengesellschaften bedarf es einer Zustimmung durch die Gesellschafter. 5 Ausführlich zur Abgrenzung der typischen von der atypisch-stillen Gesellschaft Blaurock, Handbuch Stille Gesellschaft7, 502 f.
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Kapitel 11 Grenzüberschreitende Finanzierung international tätiger Unternehmen
liegt ebenfalls den Regelungen der §§ 705 f. BGB und §§ 230 f. HGB. Aufgrund der Beteiligung an den stillen Reserven und seinen Mitwirkungsrechten steht der atypisch stille Gesellschafter jedoch wirtschaftlich einem direkten Gesellschafter bzw. Mitunternehmer i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG gleich, was die atypisch stille Gesellschaft steuerlich zum Subjekt der Gewinnerzielung und Gewinnermittlung macht.1
11.110 Steuerrechtliche Rahmenbedingungen: In Bezug auf die steuerlichen Rahmenbedingungen einer Finanzierung durch Hybridkapital stellt sich aufgrund der dargestellten Zwitterstellung zwischen Eigen- und Fremdkapital an Ansehung der bereits dem Grunde nach völlig verschiedenen steuerlichen Behandlung dieser Finanzierungsformen die Frage nach einer ggf. abweichenden steuerlichen Einordnung des entsprechenden Finanzierungsinstruments. Im nationalen Kontext ist hierbei aufgrund des auch nach der Einführung des BilMoG noch gültigen und damit auch auf hybride Finanzierungsformen anwendbaren Maßgeblichkeitsgrundsatzes2 nach § 5 Abs. 1 EStG die aus dem Zivilrecht abgeleitete handelsrechtliche Behandlung auch für die steuerrechtliche Qualifikation entscheidend. Dies gilt aus deutscher steuerrechtlicher Sicht jedoch allgemein immer dann nicht, wenn der wirtschaftliche Gehalt des dem Finanzierungsinstrument zugrunde liegenden Rechtsgeschäftes in erheblichem Maße von der äußeren zivilrechtlichen bzw. bilanziellen Behandlung abweicht3 oder nach Maßgabe des steuerlichen Bewertungsvorbehaltes nach § 5 Abs. 6 EStG spezifische steuerrechtliche Regelungen in Bezug auf die Behandlung des Instruments bestehen.
11.111 Zu nennen ist in diesem Zusammenhang insbesondere die Vorschrift des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG. Letzterer bestimmt, dass Ausschüttungen jeder Art auf Genussrechte, mit denen das Recht auf Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös der Kapitalgesellschaft verbunden ist, das Einkommen nicht mindern. Im Ergebnis bedeutet dies, dass das für die Kapitalüberlassung zu entrichtende Entgelt als Gewinnverwendung qualifiziert und ein Steuerabzug auf der Ebene der finanzierten Gesellschaft wie im Falle der Finanzierung mit Eigenkapital ausgeschlossen ist. Die Vorschrift ist hierbei keinesfalls nur auf Genussrechte im engeren Sinne (siehe Rz. 11.104) anzuwenden, sondern auf alle Finanzierungsinstrumente, welche unter den Tatbestand des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG zu subsumieren sind. Die Tatbestandsmerkmale „Beteiligung am Gewinn“ und „Beteiligung am Liquidationserlös“ müssen hierbei bereits dem Wortlaut der Vorschrift nach kumulativ vorliegen.4 Während sich die Beteiligung am 1 Siehe BFH v. 26.11.1996 – VIII R 42/94, BStBl. II 1998, 328. 2 Zum Maßgeblichkeitsgrundsatz nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG unter dem BilMoG BMF v. 12.3.2010 – IV C 6 - S 2133/09/10001 (2010/0188935), BStBl. I 2010, 239 f. 3 Hierzu Köhler in Piltz/Schaumburg, Internationale Unternehmensfinanzierung, 142. 4 BFH v. 14.6.2005 – VIII R 73/03, DStR 2005, 1848 und BMF v. 8.12.1986 – IV B 7 - S 2742 - 26/86, BB 1987, 667 f.
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B. Ausgewählte Instrumente der grenzüberschreitenden Unternehmensfinanzierung
Gewinn der Kapitalgesellschaft aus den dem Finanzierungsinstrument konkret zugrunde liegenden Vereinbarungen ergeben muss, ist nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung die ausdrückliche Vereinbarung einer Beteiligung des Kapitalgebers am Liquidationserlös nicht erforderlich. Abweichend von der Rechtsprechung des BFH1 und der wohl überwiegenden Literaturmeinung2 unterstellt die Finanzverwaltung bei einer Laufzeit des Instruments von zumindest 30 Jahren die Beteiligung des Kapitalgebers am Liquidationserlös der finanzierten Kapitalgesellschaft.3 Im Ergebnis bedeutet dies, dass eine Gewinnbeteiligung vermittelnde Finanzierungsinstrumente mit einer Laufzeit von 30 Jahren oder darüber als „eigenkapitalähnliche Genussrechte“ gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG in der Praxis nicht als steuerwirksames Instrument der Kapitalaufbringung genutzt werden können. Betroffen hiervon sind insbesondere Finanzierungsstrukturen, die nach IFRS als Eigenkapital qualifiziert werden sollen (z.B. die Hybridanleihe, vgl. Rz. 11.105). In Kombination mit einer Gewinnbeteiligung wird die nach IFRS erforderliche lange bzw. unbegrenzte Laufzeit in vielen Fällen den Tatbestand des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG auslösen und die steuerliche Abzugsfähigkeit des Entgelts für das zur Verfügung gestellte Kapital ausschließen. Während durch § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG mithin bestimmte Finanzierungsformen für steuerrechtliche Zwecke unabhängig von ihrer zivil- und handelsrechtlichen Einstufung als Eigenkapitalinstrumente qualifiziert werden, ist auf nationaler Ebene auch die bloße Fiktion der Rechtsfolge von Eigenkapital zu beobachten. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang erneut die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Gemäß letzterer Vorschrift sind die Gewinnanteile und sonstigen Vergütungen des Gesellschafters einer Gesellschaft, bei der die Gesellschafter als Mitunternehmer des Betriebs anzusehen sind, als Einkünfte aus der Mitunternehmerschaft und mithin als gewerbliche Einkünfte zu qualifizieren. Auf der Ebene der Gesellschaft stellen diese Einkünfte daher im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung keine steuerlich abzugsfähigen Betriebsausgaben dar. Ist ein Kapitalgeber nach dieser Vorschrift als Mitunternehmer der das Kapital aufnehmenden Gesellschaft zu qualifizieren, so kommt ein steuermindernder Abzug der Vergütungen für die Überlassung des Fremdkapitals auf der Ebene der Gesellschaft mithin nicht in Betracht. Besondere Relevanz in Bezug auf hybride Finanzierungsformen erlangt § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG hierbei bei der atypisch stillen Gesellschaft. Aufgrund der gesellschafterähnlichen Stellung des atypisch stillen Gesellschafters ist dieser aus steuerlichem Blickwinkel als Mitunternehmer der finanzierten Gesellschaft anzusehen (siehe Rz. 2.99). Da in Bezug auf die durch die Kapitalnehmerin an den stillen Gesellschafter zu entrichtenden Zinszahlungen eine steuerliche Abzugsfähigkeit ausscheidet, Letztere jedoch im 1 Siehe BFH v. 8.12.1971 – I R 80/70, BStBl. II 1972, 292 und v. 15.9.1988 – IV R 75/87, BStBl. II 1991, 624. 2 Vgl. Häuselmann, BB 2007, 935 sowie Kratsch, BB 2005, 2608. 3 BMF v. 8.12.1986 – IV B 7 - S 2742 - 26/86, BB 1987, 667 f.
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11.112
Kapitel 11 Grenzüberschreitende Finanzierung international tätiger Unternehmen
Rahmen hybrider Finanzierungsstrukturen auf der Ebene der finanzierten Gesellschaft häufig vorausgesetzt wird, sind atypisch stille Gesellschaften mit einer Finanzierungsfunktion in der Praxis nur selten anzutreffen.
11.113 Ein weiterer steuerlicher Aspekt, der nach nationalem Steuerrecht in Bezug auf mezzanine Finanzierungen zu beachten ist, ist die mögliche Verpflichtung der kapitalaufnehmenden Gesellschaft zum Einbehalt von Kapitalertragsteuer. Gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 2 und 3 i.V.m. § 43a Abs. 1 Nr. 1 ESG ist bei fremdkapitalähnlichen, d.h. nicht unter den § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG fallenden Genussrechten, partiarischen Darlehen und Beteiligungen als stiller Gesellschafter durch die finanzierte Gesellschaft eine Kapitalertragsteuer i.H.v. 25 % plus 5,5 % Solidaritätszuschlag hierauf auf die Vergütungen für die Überlassung des Fremdkapitals einzubehalten. Handelt es sich bei dem Kapitalgeber um einen Inländer, so ist die Verpflichtung zum Einbehalt der Kapitalertragsteuer aufgrund deren Charakters als Steuervorauszahlung hinsichtlich der später gesondert festzusetzenden Steuerschuld zumindest kein zwingendes Hindernis. Selbiges gilt, wenn der Kapitalgeber im Ausland ansässig ist und nach den Bestimmungen eines DBA hinsichtlich der einbehaltenen Kapitalertragsteuer erstattungsberechtigt ist.1 Soll die Finanzierung jedoch durch einen Ausländer vorgenommen werden, der nicht oder nur teilweise zur Erstattung der einzubehaltenden Kapitalertragsteuer berechtigt ist, so werden diese Alternativen einer hybriden Finanzierung aus ertragsteuerlichen Gründen im Regelfall ausscheiden.
11.114 In Anbetracht der schon nach nationalem Recht komplizierten steuerlichen Handhabung mezzaniner Finanzierungsinstrumente überrascht es nicht, dass sich auch der grenzüberschreitende Einsatz dieser Finanzierungsform aus steuerlicher Perspektive als besonders anspruchsvoll darstellt. Aufgrund der international unterschiedlichen Besteuerungskonzepte kann es hierbei zu einer steuerlich unterschiedlichen Qualifikation und Behandlung des implementierten Instruments kommen, was aus steuerlichem Blickwinkel nur in besonderen Fällen erwünscht ist (siehe hierzu Rz. 11.116 f.). Wesentliche Faktoren sind hierbei erneut die allgemeine Qualifikation als Eigen- oder Fremdkapital, die Zuordnung zu einer bestimmten Einkunftsquelle sowie die Belastung mit Kapitalertragsteuer im Ansässigkeitsstaat der finanzierten Gesellschaft sowie die Möglichkeit zur Kapitalertragsteueranrechnung im Ansässigkeitsstaat des Kapitalgebers. Generell muss hierbei im grenzüberschreitenden Kontext zwischen Ländern unterschieden werden, mit denen Deutschland ein DBA abgeschlossen hat und Ländern, bei denen kein Abkommensschutz verfügbar ist. Ist Letzteres der Fall, so besteht von vornherein kein Korrelativ hinsichtlich möglicher grenzüberschreitender Qualifikationskonflikte in Bezug auf das verwendete Instrument. Selbst beim Vorliegen 1 Unter Cashflow- bzw. Liquiditätsgesichtspunkten ist der Einbehalt von Kapitalertragsteuern natürlich in jedem Fall (d.h. auch im Inlandsfall und bei Erstattungsberechtigung unter DBA) ungünstig.
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C. Steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten
eines DBA ist eine einheitliche Behandlung des Finanzierungsinstruments keinesfalls gewährleistet. Sofern in dem jeweiligen DBA keine spezielle Regelung in Bezug auf das konkrete hybride Instrument vorliegt, ist gemäß Art. 3 Abs. 2 OECD-MA eine auf dem inländischen Steuerrecht beruhende Einordnung in den Einkünftekatalog des jeweiligen DBA erforderlich. Als Grundnorm dient hierbei Art. 7 OECD-MA, der die allgemeine Zuordnung von Unternehmensgewinnen regelt, sofern die Einkünfte nicht von einem gesonderten Artikel des jeweiligen DBA erfasst werden.1 Als weitere Einkunftsarten kommen je nach Einzelfall Dividendeneinkünfte i.S.d. Art. 10 OECD-MA, Zinseinkünfte i.S.d. Art. 11 OECD-MA, Veräußerungsgewinne i.S.d. Art. 13 OECD-MA sowie andere Einkünfte i.S.d. Art. 21 OECD-MA infrage.2 Im Gegensatz zu dem OECD-MA enthalten die meisten von Deutschland abgeschlossenen DBA separate Bestimmungen über einzelne hybride Finanzierungsinstrumente. So werden das partiarische Darlehen und die stille Gesellschaft üblicherweise selbständig innerhalb des Dividendenartikels berücksichtigt. Zum Teil wird bei der stillen Gesellschaft sogar noch zwischen der typischen und der atypischen unterschieden. Nichtsdestotrotz bestehen für die übrigen Varianten der hybriden Finanzierung keine spezifischen Regelungen. Ferner lassen sie sich üblicherweise auch nicht zweifelsfrei einer bestimmten Einkunftsart innerhalb des DBA zurechnen, weshalb hierbei gemäß Art. 3 Abs. 2 OECD-MA auf nationale Grundsätze zurückgegriffen werden muss. Dies hat im Einzelfall zwangsläufig eine unterschiedliche Qualifikation der unter dem hybriden Instrument verwirklichten Einkünfte und demzufolge eine abweichende Zuordnung innerhalb des jeweiligen Einkünftekatalogs im DBA zur Folge. Zwar müssen sich solche steuerlichen Qualifikationskonflikte im Rahmen der grenzüberschreitenden Unternehmensfinanzierung keinesfalls immer negativ auswirken, sie verdeutlichen jedoch in besonderem Maße die Notwendigkeit einer sorgfältigen Steuerplanung beim grenzüberschreitenden Einsatz mezzaniner Finanzierungsinstrumente.
C. Steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen der grenzüberschreitenden Unternehmensfinanzierung I. Einführung Die dargestellte Vielfalt der Mittel zur Kapitalausstattung innerhalb eines grenzüberschreitend tätigen Unternehmens führt dazu, dass die grenzüberschreitende Unternehmensfinanzierung mannigfaltige Ansatzpunkte für steuergestalterische Überlegungen bietet. Ausgehend von dem allgemeingültigen Grundsatz der Finanzierungsfreiheit (siehe Rz. 11.12) sowie 1 Vgl. Art. 7 Abs. 7 OECD-MA. 2 Köhler in Piltz/Schaumburg, Internationale Unternehmensfinanzierung, 143.
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11.115
Kapitel 11 Grenzüberschreitende Finanzierung international tätiger Unternehmen
der bereits dargestellten fehlenden Steuerneutralität der Finanzierung bieten die unterschiedlichen nationalen Steuersysteme vielfältigen Raum zur Nutzung der internationalen Steuerarbitrage.
II. Grenzüberschreitende Qualifikationskonflikte als Ausgangspunkt der internationalen Steuerplanung 11.116 Neben der bereits erwähnten Möglichkeit des gezielten Ausnutzens eines unterschiedlichen Steuerniveaus in den beteiligten Staaten (siehe hierzu Rz. 11.15) stellt der zielgerichtete Einsatz von grenzüberschreitenden steuerlichen Qualifikationskonflikten den wesentlichen Anknüpfungspunkt für grenzüberschreitende steuerplanerische Gestaltungsansätze dar.
11.117 Ausgangspunkt ist hierbei stets die Überlegung, dass die konkrete Ausgestaltung des nationalen Steuerrechts Sache des einzelnen souveränen Staates ist. Es versteht sich dabei von selbst, dass hierbei selbst innerhalb von Staatengemeinschaften wie der Europäischen Union vielfältige systematische und detailliert-technische Unterschiede im Rahmen der Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlagen aufzufinden sind. Zielsetzung der grenzüberschreitenden Steuergestaltung auf der Basis steuerlicher Qualifikationskonflikte ist hierbei die zweckgerichtete Nutzung bestimmter abweichender Behandlungen desselben Sachverhalts durch zumindest zwei involvierte Steuerjurisdiktionen zur Reduzierung der Steuerlast oder zur Generierung von Zinsvorteilen.
11.118 Übliche Ansatzpunkte sind hierbei abweichende Regelungen im Zusammenhang mit der allgemeinen Einkommensermittlung, der steuerrechtlichen Zurechnung von Wirtschaftsgütern, dem Zeitpunkt der Besteuerung sowie im Zusammenhang mit der Qualifizierung von Gesellschaftsformen und Finanzierungsinstrumenten.1 Es handelt sich bei der grenzüberschreitenden Steuergestaltung durch Ausnutzung von steuerlichen Qualifikationskonflikten dabei zumindest nach deutschem Rechtsverständnis um eine zulässige steuerliche Optimierungsmöglichkeit, die nicht etwa einen Missbrauchstatbestand nach § 42 AO oder gar einen steuerstrafrechtlich relevanten Sachverhalt darstellt.2 Dies ergibt sich unter anderem aus der Überlegung, dass sich aus grenzüberschreitenden steuerlichen Qualifikationskonflikten natürlich auch unerwünschte Konsequenzen, etwa in Form einer Mehr- bzw. Doppelbesteuerung oder von unerwünschten Periodeneffekten (z.B. unterschiedliche Erfassung von korrespondierenden Erträgen und Aufwendungen) ergeben können.
1 Siehe zu den grundsätzlichen Ansätzen der grenzüberschreitenden Steuerplanung Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 911 f. 2 So höchstrichterlich bestätigt durch BFH v. 20.5.1997 – VIII B 108/96, DB 1997, 1747.
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C. Steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten
III. Repo-Strukturen Insbesondere im Rahmen von grenzüberschreitenden Finanzierungsstrukturen stellen unterschiedliche Wertungen der beteiligten Jurisdiktionen bei der steuerlichen Zurechnung von Wirtschaftsgütern einen häufigen Ansatzpunkt für steueroptimierte Strukturierungen dar. In der Praxis werden solche Strukturen häufig auch als „Repo-Strukturen“, abgeleitet vom englischen Wort „repurchase“ für „wiederkaufen“, bezeichnet. Wie durch diese Bezeichnung bereits impliziert wird, handelt es sich hierbei grundsätzlich um Gestaltungen, bei denen ein Wirtschaftsgut im Wege einer grenzüberschreitenden Transaktion von der einen Transaktionspartei an die andere Transaktionspartei entgeltlich überlassen wird, wobei der übernehmenden Partei üblicherweise die Möglichkeit einer entgeltlichen Rückübertragung des Wirtschaftsguts eingeräumt wird.1 Es besteht nun die Möglichkeit, dass die Transaktion für steuerliche Zwecke auf der Ebene des überlassenden Rechtsträgers als besichertes Darlehensverhältnis und auf der Ebene des übernehmenden Rechtsträgers als entgeltlicher Anschaffungsvorgang qualifiziert wird. Ist dies der Fall, so kann bei der das Wirtschaftsgut überlassenen Transaktionspartei ggf. steuerlich ein Kapitaldienst aus dem unterstellten Darlehensverhältnis (z.B. in Form der Differenz zwischen Verkaufspreis und Wiederverkaufspreis) in Abzug gebracht werden, dem auf der Ebene der anderen Transaktionspartei aufgrund der Einordnung der Transaktion als entgeltlicher Anschaffungsvorgang jedoch kein korrespondierender Ertrag gegenübersteht. Wird der auf Ebene der übernehmenden Counterparty im Rahmen der Rückübertragung entstehende Gewinn von wiederum der Differenz zwischen Verkaufspreis und Wiederverkaufspreis z.B. aufgrund einer Privilegierung von Beteiligungsveräußerungen wie in § 8b Abs. 2 KStG steuerlich begünstigt, so lassen sich durch solche Strukturierungen signifikante Steuervorteile erzielen. Praktische Anwendung finden Repo-Strukturen insbesondere bei der Finanzierung von sehr kapitalintensiven Investitions- bzw. Akquisitionsvorhaben oder im Rahmen einer allgemeinen, groß angelegten Aufnahme von Fremdkapital. Die liegt darin begründet, dass der diesen Strukturierungen zugrunde liegende Ansatz einer bewussten Schaffung eines grenzüberschreitenden Qualifikationskonflikts in Bezug auf die rechtliche Einordnung eines bestimmten Vertragswerks als besonders aufwendig und beratungsintensiv einzuordnen ist.2
11.119
IV. Grenzüberschreitende Leasingmodelle Ein weiteres, im Rahmen von grenzüberschreitenden Finanzierungen angewandtes steuerliches Gestaltungsmodell, das auf dem gezielten Ausnutzen von Wertungskonflikten bei der steuerlichen Zurechnung von 1 Siehe Haisch in Haisch/Helios, Rechtshandbuch Finanzinstrumente, § 1 Rz. 142 f. 2 Siehe Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 1313.
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11.120
Kapitel 11 Grenzüberschreitende Finanzierung international tätiger Unternehmen
Wirtschaftsgütern basiert, sind grenzüberschreitende Leasingmodelle. Wie bereits erwähnt wurde (siehe Rz. 11.47), sind bei grenzüberschreitenden Leasingtransaktionen Konstellationen denkbar, bei denen der Leasinggegenstand für steuerliche Zwecke durch die involvierten Steuersysteme sowohl dem Leasinggeber als auch dem Leasingnehmer oder im gegenteiligen Fall gar keiner Partei des Leasingvertrags zugerechnet wird.
11.121 Ursache für diese divergierende Behandlung kann zum einen sein, dass bei der Frage nach der steuerlichen Zurechnung des Leasinggegenstands in manchen Steuerrechtssystemen (insoweit übereinstimmend mit der deutschen Sichtweise) auf das wirtschaftliche Eigentum an dem Leasinggegenstand abgestellt wird, während sich anderen Staaten wiederum auf das rein zivilrechtliche Eigentum kaprizieren. Verfolgen die involvierten Finanzverwaltungen bei einer grenzüberschreitenden Leasingtransaktion nun einen unterschiedlichen Ansatz bei der steuerlichen Zurechnung des Leasinggegenstands, so lässt sich durch eine entsprechende Ausgestaltung der zugrunde liegenden Verträge vielfach ein Qualifikationskonflikt bei der Zurechnung für steuerliche Zwecke erzielen. Da in Deutschland gemäß der Würdigung des § 39 AO bei der Frage nach der steuerlichen Zurechnung von Wirtschaftsgütern stets auf das wirtschaftliche Eigentum abzustellen ist, liegt es auf der Hand, dass sich im Rahmen von grenzüberschreitenden Leasingverhältnissen mit deutscher Beteiligung gerade im Verhältnis mit Ländern, in denen bei der steuerlichen Zuordnung auf das zivilrechtliche Eigentum abgestellt wird, steuerliche Zuordnungskonflikte ergeben können.
11.122 Auch in dem Fall, dass beide an einer grenzüberschreitenden Leasingtransaktion beteiligten Staaten bei der Frage nach der steuerlichen Zurechnung des Leasinggegenstands einheitlich auf das wirtschaftliche Eigentum abstellen, kann es zu steuerlichen Zuordnungskonflikten kommen. Diese liegen dann in einer abweichenden, nationalen Interpretation des zugrunde liegenden Leasingvertrages begründet. Je nachdem, ob der Vertrag als operatives Leasing (Zurechnung tendenziell eher beim Leasinggeber), oder als eine Form des Finanzierungsleasings (Zurechnung tendenziell beim Leasingnehmer) klassifiziert wird, kann die steuerliche Zuordnung des verleasten Wirtschaftsguts entsprechend variieren.
11.123 Aus steuerplanerischer Sicht ggf. erwünschte Effekte ergeben sich hierbei bei einer doppelten steuerlichen Zuordnung des Leasinggegenstands beim Leasinggeber und beim Leasingnehmer. In diesem Fall kann das überlassene Wirtschaftsgut für steuerliche Zwecke sowohl auf der Ebene des Leasinggebers als auch auf der Ebene des Leasingnehmers unmittelbar aufwandswirksam abgeschrieben werden.1 Der unmittelbaren doppelten Aufwandsverrechnung durch die Abschreibung des Leasinggegenstands steht jedoch als gegenläufiger Effekt gegenüber, dass die durch den Lea1 Zur Möglichkeit der Erzielung eines Double-Dip bei grenzüberschreitenden Leasingsachverhalten Rehm in Piltz/Schaumburg, Internationale Unternehmensfinanzierung, 123.
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C. Steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten
singnehmer an den Leasinggeber zu entrichtenden Leasingraten in Höhe eines steuerlich erfolgsneutral zu behandelnden Tilgungsanteils nicht mehr aufwandswirksam berücksichtigt werden können. Über die Gesamtdauer des Leasingverhältnisses stimmen der erfolgsneutrale Tilgungsanteil und die Abschreibungen auf das überlassene Wirtschaftsgut überein. Da der berücksichtigungsfähige Aufwand aufgrund der Abschreibungen auf der Ebene des Leasingnehmers zu Beginn der Laufzeit jedoch den erfolgsneutralen Tilgungsanteil aus den Leasingraten im Regelfall übersteigt, lassen sich auf diesem Wege vorteilhafte Steuerstundungseffekte erzielen, die in der Praxis insbesondere bei Investitionsvorhaben mit sehr hohem Kapitalbedarf nutzbar gemacht werden.1
V. Hybride Finanzierungsformen Ein im Rahmen von grenzüberschreitenden Konzernstrukturen nach wie vor zum Einsatz kommendes, auf der Ausnutzung von steuerlichen Qualifikationskonflikten basierendes, steuerliches Gestaltungsinstrument stellen hybride Finanzierungsformen dar. Aufgrund der Tatsache, dass diese Finanzierungsinstrumente in unterschiedlicher Ausprägung Wesenselemente von Eigen- und Fremdkapital in sich vereinigen (siehe Rz. 11.93 f.), überrascht es nicht, dass es beim grenzüberschreitenden Einsatz dieser Instrumente in einer nicht unbeträchtlichen Anzahl von Konstellationen zu einer unterschiedlichen Zuordnung durch die involvierten Steuerrechtssysteme kommt. Steuerlicher Nutzen kann aus solchen Qualifikationskonflikten generell dann gezogen, wenn das Instrument im Ansässigkeitsstaat der finanzierten Unternehmenseinheit als Fremdkapital qualifiziert wird, auf der Ebene der finanzierenden Einheit jedoch von Eigenkapital ausgegangen wird.2 In diesem Fall wird die ertragsteuerliche Bemessungsgrundlage der kapitalaufnehmenden Konzerngesellschaft durch das steuerlich abzugsfähige Entgelt für die Überlassung des Kapitals (z.B. der zu entrichtende Zins) reduziert. Da das Entgelt bei der finanzierenden Gesellschaft hingegen als Gewinnverwendung (z.B. als Dividendenzahlung) qualifiziert wird, können auf dieser Ebene ggf. weitreichende Steuerbefreiungen in Anspruch genommen werden. Im deutschen Outbound-Fall wäre hier die 95 %ige Steuerbefreiung von Dividenden gemäß § 8b Abs. 1 i.V.m. § 8b Abs. 3 KStG zu nennen. Es entstünden im Wesentlichen steuerbefreite „weiße Einkünfte“. Neben einer genauen Analyse der einschlägigen involvierten nationalen Bestimmungen, einschließlich eventuell vorhandener nationaler Switch-over-Klauseln,3 ist im Rahmen solcher Strukturierungen eine eingehende Untersuchung der Bestimmungen des jeweiligen DBA notwendig, da in vielen Abkommen Sonder1 Z.B. im Anlagenbau, der Schiffsfinanzierung, der Finanzierung von Flugzeugen – vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 1311. 2 Siehe hierzu Bogenschütz, Ubg 2008, 537 f. 3 In Deutschland wäre hier insbesondere die unilaterale Switch-over-Klausel des § 50d Abs. 9 EStG zu nennen.
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11.124
Kapitel 11 Grenzüberschreitende Finanzierung international tätiger Unternehmen
regelungen in Bezug auf hybride Finanzierungsinstrumente aufzufinden sind, die zum Teil explizit auf die Vermeidung von „weißen Einkünften“ abzielen.1 Da sich der steuerinduzierte Einsatz von hybriden Finanzierungsinstrumenten in vielen Steuerjurisdiktionen2, aber auch auf transnationaler Ebene3 im Fokus der Gesetzgebung befindet, wird abzuwarten sein, inwieweit sich diese steuerlichen Gestaltungsinstrumentarien zukünftig weiter behaupten werden.
VI. Hybride Gesellschaftsformen 11.125 Ein dem Einsatz hybrider Finanzierungsformen in Bezug auf seine Wirkungsweise sehr ähnliches steuerliches Gestaltungsinstrumentarium im Rahmen der grenzüberschreitenden Unternehmensfinanzierung ist der gezielte Einsatz von hybriden Gesellschaftsformen. Während auf hybriden Finanzierungsformen basierende steuerliche Gestaltungsformen auf einer unterschiedlichen Qualifizierung des implementierten Finanzierungsinstruments durch die involvierten Steuerjurisdiktionen basieren, wird hier auf einer steuerlich unterschiedlichen Behandlung einzelner Gesellschaftsformen angeknüpft. Im Kern geht es stets darum, dass es aufgrund der Unterschiedlichkeit der nationalen Steuersysteme zu Wertungskonflikten bei der Frage kommen kann, ob eine bestimmte Gesellschaft für steuerliche Zwecke als transparentes oder als intransparentes Gebilde anzusehen ist.4 Ursache für solche Qualifikationskonflikte kann zum einen in einem unterschiedlichen Verständnis bei der Abgrenzung von einer transparenten (Personen-)Gesellschaft zu einer intransparenten (Kapital-)Gesellschaft begründet liegen. So wird eine deutsche GmbH & Co. KG, die nach inländischem Steuerrecht stets als transparent angesehen wird, im angelsächsischen Rechtsraum vielfach als Körperschaft anzusehen sein.5 In Bezug auf ausländische Rechtsformen kommt es insbesondere bei US-amerikanischen Gesellschaften in der Rechtsform einer Limited Liability Company (LLC) oder Limited Liability Partnership (LLP) regelmäßig zu solchen Qualifikationskonflikten in Bezug auf die Steuersubjektsqualität, da es sich bei beiden Rechtsformen aus deutschem Blickwinkel zwar um Personengesellschaften handelt, die jedoch auch mehr oder weniger stark ausgeprägte Elemente von Kapitalgesell-
1 Vgl. Petereit, IStR 2003, 577 f. 2 In Bezug auf Deutschland ist hier die gegenwärtig im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Jahressteuergesetz 2013 diskutierte Ausweitung der bisher schon in §§ 3 Nr. 40 Buchst. d, 32d Abs. 2 Nr. 4 EStG und § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG für verdeckte Gewinnausschüttungen bestehende korrespondierende Besteuerung auf sämtliche Bezüge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 9 EStG zu nennen. 3 Jüngstes Beispiel ist der Report „Hybrid Mismatch Agreements“ der OECD vom März 2012. 4 Siehe Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 1320. 5 Siehe Sedemund, RIW 2006, 538 f.
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C. Steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten
schaften aufweisen.1 Weitere Ursache für die Entstehung von steuerlichen Qualifikationskonflikten im Zusammenhang mit hybriden Gesellschaftsformen ist die in manchen Ländern vorhandene, dem deutschen Steuerrecht völlig fremde Wahlmöglichkeit, eine Gesellschaft als steuerlich transparent oder intransparent auszugestalten. Zu nennen ist hier insbesondere das US-amerikanische sog. „check the box“-Verfahren,2 wonach sogar eine deutsche GmbH auf Wunsch ihrer Gesellschafter für steuerrechtliche Zwecke als transparent ausgestaltet werden kann. Neben anderen steuerlich motivierten Zielsetzungen können hybride Gesellschaftsformen insbesondere auch im Rahmen einer grenzüberschreitenden steueroptimierten Unternehmensfinanzierung nutzbar gemacht werden. So kann im Rahmen einer Inbound-Finanzierung einer (hybriden) Gesellschaft, die aus deutscher Sicht als intransparent, aus Sicht des Ansässigkeitsstaates des Kapitalgebers hingegen als transparent eingestuft wird, erreicht werden, dass der durch die finanzierte Gesellschaft zu entrichtende Kapitaldienst in Deutschland als steuerlich abzugsfähig anerkannt wird, die Zahlungen im Ausland hingegen nicht als steuerpflichtige (Zins-)Einnahmen, sondern als direkt über die transparente Gesellschaftsform bezogene Einkünfte angesehen werden. Der umgekehrte Fall, dass eine Gesellschaft aus deutscher Perspektive als transparent eingestuft wird, aus Sicht des ausländischen Staates hingegen als steuerlich intransparentes Gebilde,3 lässt sich im Falle einer im Ausland ansässigen Gesellschaft mit deutschem Anteilseigner ggf. dazu nutzen, einen auf der Ebene der ausländischen Gesellschaft anfallenden Fremdfinanzierungsaufwand doppelt abziehen zu können.4 Aufgrund der Behandlung als eigenständiges Steuersubjekt sind die Fremdfinanzierungsaufwendungen auf der Ebene der ausländischen Gesellschaft dabei originär steuerlich abzugsfähig. Qualifiziert die Gesellschaft dabei nicht als eigenständige Betriebsstätte des deutschen Anteilseigners, so sind die Aufwendungen aufgrund des Betriebsstättenvorbehalts5 ggf. auch auf Ebene des inländischen Anteilseigners als steuerlich abzugsfähig anzuerkennen. Wie im Fall der hybriden Finanzierungsinstrumente ist jedoch auch bei der Nutzung von zwischenstaatlichen Qualifikationskonflikten in Bezug auf die Steuersubjektqualität bestimmter Gesellschaften zur Generierung von Steuerarbitrage auf nationaler Ebene insbesondere die Switch-overKlausel des § 50d Abs. 9 EStG (siehe Rz. 11.27) zu berücksichtigen. Auf internationaler Ebene lässt sich der Versuch Deutschlands erkennen, unliebsame Qualifikationskonflikte in Bezug auf hybride Gesellschaften auf Abkommensebene aufzulösen.6 1 Vgl. in diesem Zusammenhang BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA - 22/04, BStBl. I 2004, 411 f. 2 Hierzu Endres/Schreiber, Investitions- und Steuerstandort USA, 66 f. 3 Erreicht werden kann dies insbesondere durch das erwähnte „check the box“-Verfahren. 4 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 1320. 5 Vgl. Art. 7 OECD-MA. 6 Z.B. durch Art. 1 Abs. 7 DBA-USA.
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11.126
6. Teil Internationales Steuerverfahrensrecht und Umsatzsteuerrecht bei Auslandsbeziehungen Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht Literatur Albert, DBA-Verständigungsverfahren – Probleme und Verbesserungsvorschläge –, IFSt-Schrift 457, Bonn 2009; Albert, Schiedsverfahren im Internationalen Steuerrecht, IFSt-Schrift 462, Bonn 2010; BMF, Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Informationsaustausch in Steuersachen, BStBl. I 2012, 599; BMF, Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe bei der Steuererhebung (Beitreibung), BStBl. I 2012, 244; Bödefeld/Kunschick, Schiedsverfahren nach den DBA, IStR 2008, 449; Brock, Der internationale Auskunftsverkehr innerhalb der EU bei den direkten und indirekten Steuern, Frankfurt/a.M. 1999; Carl/Klos, Leitfaden zur internationalen Amts- und Rechtshilfe, Herne/Berlin 1995; Creszelius, Steuerliche Verfahrensfragen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, IStR 2002, 433; Escher/ Escher-Weingart, Spontanauskunft und Datenschutz, RIW 1991, 574; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz – zugleich ein Beitrag zur Lehre von der Auslegung der Doppelbesteuerungsabkommen, Berlin 1988; Götzenberger, Der gläserne Steuerbürger, Herne 2008; Hendricks, Internationale Informationshilfe im Steuerverfahren, Diss., Köln 2004; Herlinghaus, Gedanken zum abkommensrechtlichen Schiedsverfahren nach Art. 25 Abs. 5 OECD-MA, IStR 2010, 125; Hosp, Verhaltenskodex: Das geplante Abkommen zwischen der EU und Liechtenstein als Richtschnur für die Einbindung von Drittstaaten, IStR 2011, 208; Hummel, Zur innerstaatlichen Bindungswirkung von auf DBA beruhenden Konsultationsvereinbarungen, IStR 2011, 397; Korts/Korts, Die Ermittlungsmöglichkeiten deutscher Steuerbehörden bei Auslandssachverhalten, IStR 2006, 869; Lehner, Die Umsetzung von abkommensrechtlichen Konsultationsvereinbarungen durch Rechtsverordnung, IStR 2011, 733; Möllenbeck, Das Verhältnis der EG-Amtshilferichtlinie zu den erweiterten Mitwirkungspflichten bei internationalen Steuerfällen, Bochum 2010; Nientimp/Tomson, Das verbindliche Schiedsverfahren nach dem neuen OECD-MA, IStR 2010, 125; Seer, Steuerverfahrensrechtliche Bewältigung grenzüberschreitender Sachverhalte, in Spindler/ Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 151, Seer/Gabert, Der internationale Auskunftsverkehr in Steuersachen, StuW 2010, 3; Stahlschmidt/Laws, Handbuch des Auskunftsverkehrs in Steuersachen, Berlin 2009; Vögele/Forster, Das EU-Schiedsübereinkommen, IStR 2006, 537; Widmann (Hrsg.), Steuervollzug im Rechtsstaat, DStJG 31, Köln 2008.
A. Besteuerungsvollzug im internationalen Steuerrecht Das international tätige Unternehmen sieht sich im internationalen Steuerraum einer Mehrzahl von Staaten gegenüber, unterliegt deren materiellem Steuerrecht und hat deren Verfahrensrecht zu beachten. Die beteiligten Steuerverwaltungen sind darauf angewiesen, dass die in ihrem Menck
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12.1
Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
Gebiet steuerpflichtigen Unternehmensteile Erklärungs- und Nachweispflichten nachkommen. Der Steuervollzug setzt – wie im rein nationalen Bereich – die Zusammenarbeit von Unternehmen und den einzelnen Steuerverwaltungen voraus. Unterstrichen wird dies durch die OECDLeitsätze für multinationale Unternehmen:1 „Die Unternehmen sollten … auf Verlangen der Steuerbehörden der Länder, in denen sie tätig sind, und im Einklang mit den Schutzbestimmungen und diesbezüglichen Verfahrensregeln der nationalen Gesetzgebung dieser Länder alle Informationen zur Verfügung stellen, die zur konkreten Veranlagung der im Zusammenhang mit ihren Aktivitäten zu entrichtenden Steuern erforderlich sind, und zwar einschließlich zweckdienlicher Informationen über ihre Tätigkeit in anderen Ländern.“ Im internationalen Raum fehlt es allerdings an der Kohärenz von Steuerrecht und -verwaltung, die im nationalen Raum zu erwarten wäre.2 Schon auf der Normebene besteht in ihm nicht die dort zu erwartende rechtliche Geschlossenheit. Auf der Ebene der Rechtsanwendung handeln die Verwaltungen international unabhängig voneinander; darin sind Abstimmungsdefizite angelegt, die im nationalen Raum vermeidbar sind. Aus all dem können für die Unternehmen steuerkumulierende, aber auch steuerentlastende Effekte resultieren.
12.2 Die beteiligten Steuerverwaltungen stehen vor besonderen vollzugsrechtlichen Schwierigkeiten der Rechtsanwendung im internationalen Raum: a) Der einzelne, territorial begrenzte Staat bezieht auf unterschiedlichste Weise Verhältnisse jenseits der eigenen Grenzen materiell in seine Besteuerung ein (z.B. durch Inanspruchnahme ausländischer Steuerquellen, die Anknüpfung der Besteuerung an Verhältnisse im Ausland, die Abzugsfähigkeit ins Ausland abfließender Leistungen usw.). Nach allgemein anerkanntem Völkerrecht darf er dies tun und kann den Unternehmen die zur Rechtsanwendung notwendige verfahrensrechtliche Mitwirkung abverlangen. Er ist jedoch bei Kontroll- und Zwangsmaßnahmen auf territoriale Maßnahmen beschränkt.3 Der einzelne Staat kann so die Auslandssachverhalte, an die er materiellrechtlich anknüpft, im Besteuerungsverfahren nicht selbst im Ausland überprüfen und u.U. seine Steueransprüche nicht durchsetzen. b) Internationale Verhältnisse stellen die Verwaltungen aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen oft vor größere Kontrollschwierigkeiten als rein nationale. Beispiele dafür sind die Notwendigkeit, die Gewinnabgrenzung zu überprüfen und dabei das Verhalten anderer Steuerver1 OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen, verabschiedet vom OECDMinisterrat am 21./22.6.1976, Abschn. „Besteuerung (1)“. Neufassung Oktober 2011, I.11. 2 Dass die Kohärenz der Rechtsanwendung auch innerstaatlich nicht selbstverständlich ist, zeigt § 32a KStG, der Überbelastungen durch Divergenzen der Rechtsanwendung zu beseitigen hat. 3 Zu dieser „formellen Territorialität“ gegenüber dem das Staatsgebiet überschreitenden materiellen Recht siehe Vogel in V/L5, Einl. DBA Rz. 10 ff.; s. auch Rz. 12.14.
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A. Besteuerungsvollzug im internationalen Steuerrecht
waltungen im Auge zu behalten, oder die Kontrolle von Gestaltungen zur internationalen Belastungsminderung. c) Rein nationale Tätigkeit vollzieht sich auf einem innerstaatlichen Überwachungsteppich, durch den Massenbesteuerung wie Einzelkontrolle auf Feststellungen aus dem gesamten Umfeld zurückgreifen kann. Wo Wirtschaftsvorgänge bei einem Unternehmen steuererhöhend, bei einem anderen Steuerpflichtigen steuermindernd wirken, wird z.B. jeder Vorgang potenziell doppelt überwacht. Die dadurch gegebene Kontrolldichte fehlt im internationalen Raum. Die einzelne Verwaltung bleibt somit durch ihr völkerrechtlich begründetes Vollzugsdefizit hinter ihrem Auftrag zurück.1 Dazu kommt es u.U. auch bei inlandsbezogenen Sachverhalten, wenn diese wegen besonderer Umstände nur im Ausland aufzuklären sind (Beispiel: einem Inländer werden ihm zuzurechnende Zinsbezüge auf ein ausländisches Bankkonto gutgeschrieben). Als Ausgleich für diese erhöhten Schwierigkeiten des Steuervollzugs greifen die Staaten zu besonderen Maßnahmen, z.B. zu pauschaler Besteuerung in das Ausland reichender Vorgänge, durch Abzugsteuern, durch gesteigerte Mitwirkungspflichten, die Außerachtlassung steuermindernder Auslandsverhältnisse oder durch Sonderbestimmungen gegen die Steuerverkürzung. Vor allem haben sich ein Netz intensiver Zusammenarbeit der Steuerverwaltungen bei den direkten Steuern und eine noch engere Verzahnung bei den indirekten Abgaben entwickelt. Die OECD hat in den letzten Jahren intensive Bemühungen um einen internationalen Steuerraum ohne verzerrende Möglichkeiten zur Steuerhinterziehung eingeleitet und „Standards“ für den internationalen Auskunftsaustausch gesetzt, die in der gesamten Staatengemeinschaft durchgesetzt werden sollen.2
12.3
Das Steuermanagement der international tätigen Unternehmen reagiert auf diese die Unternehmen belastenden Verhältnisse zunächst i.R. der Selbstregulierung der internationalen Steuerverhältnisse. Davon gehen i.d.R. auch die Steuerverwaltungen bei ihren Kontrollmaßnahmen aus. Sie erfassen die Unternehmen i.R. ihres allgemeinen Erklärungs- und Veranlagungswesens; sie unterstützen ihre Selbstregulierung, wenn sie z.B. Angaben zu Auslandsbeziehungen trotz mangelnder Kontrollmöglichkeit akzeptieren, Bescheinigungen zur Verwendung bei ausländischen Steuerverwaltungen ausstellen oder bei Außenprüfungen das Vorgehen ausländischer Steuerverwaltungen ermessensgebunden würdigen. Die unternehmensseitige Selbstregulierung wird oft dezentral von den jeweils betroffenen Unternehmenseinheiten besorgt, wobei unternehmensintern
12.4
1 Zu den deutschen verfassungsrechtlichen Problemen hieraus siehe Seer in FS Schaumburg, 151 ff.; Staringer, DStJG 31 (2008), 135, Seer/Gabert, StuW 2010, 4 m.w.N. 2 Vgl. hierzu die laufenden Fortschrittsberichte der OECD über Arbeiten ihres „Global Forum on Taxation“ (zuletzt von 2009), in www. OECD.org/tax/ transparency. Zur Gesamtentwicklung siehe Rz. 1.84 ff.
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Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
Probleme internationaler Abstimmung entstehen. Vielfach existieren zentrale Steuerabteilungen mit Spezialisten des internationalen Steuerrechts. Im Rahmen ihres internationalen Steuermanagements (siehe Rz. 1.2, 1.77 ff.) haben die Unternehmen meist mehrere operative Optionen zur Lösung auftauchender Verfahrensprobleme: a) Verhandlungen und Rechtsmittel in dem Staat, der den in Frage stehenden Steueranspruch erhebt (örtliche Abwehr). Das schließt die Führung von Prozessen vor den Finanzgerichten u.Ä. ein. Die Zentrale wird meist in dem betreffenden Staat nicht selbst vorgehen, sondern sich der – entsprechend anzuweisenden – örtlichen Unternehmenseinheit bedienen; b) Reaktionen bei einer anderen Unternehmenseinheit bzw. deren Finanzverwaltung, die eine Steueranrechnung, Gegenberichtigung von Gewinnzuweisungen, einer Parallelwertung des internationalen Sachverhalts oder einem ähnlichen Ausgleich der Maßnahme anstreben, die im Ausgangsstaat Anlass der Störung war (Abwehr durch Ausgleichsmaßnahmen). Die Ausgleichsmaßnahme wird häufig im Staat der Zentrale vorzunehmen sein und damit in den unmittelbaren Zuständigkeitsbereich der dortigen Steuerabteilung fallen; c) konzerninterne Maßnahmen, wobei es sich um Einzeleingriffe steuerplanerischer Art, um kaufmännische Dispositionen oder um Eingriffe in die Konzernstruktur handeln kann; auch sie fallen regelmäßig in den unmittelbaren Zuständigkeitsbereich der Zentraleinheit, die sie regelmäßig innerhalb des Gesamtunternehmens betrieblich abzustimmen und abzusichern haben wird. Die internationale Steuerstrategie der Unternehmen ist in aller Regel auf Flexibilität gerichtet und vermeidet es, in der Entscheidung über ihre Optionen von den Finanzbehörden abhängig zu werden.
12.5 Anders als beim materiellen Steuerrecht fehlt den Unternehmen ein ausformulierter völkerrechtlicher Verfahrensschutz, wie ihn das Netz der DBA bietet. Das OECD-MA erstreckt zwar sein Diskriminierungsverbot in Art. 24 auf „die Besteuerung und die damit zusammenhängenden Verpflichtungen“; es visiert damit neben dem materiellen Steuerrecht an Formalitäten von Steuererklärungen, -zahlung und -fristen an1 – und erstreckt sich so auf das steuerliche Schuldverhältnis auch nach seiner verfahrensrechtlichen Seite.2 Es sind aber alle tatsächlichen und rechtlichen Unterschiede zu berücksichtigen, wozu unterschiedliche Aufklärungsverhältnisse im nationalen und internationalen Bereich gehören. Ähnlich gelten die Grundrechte der EU auch für das Verfahrensrecht. Die Rechtsprechung des EuGH hat aber schon früh die Wirksamkeit der Steueraufsicht als „zwingenden Grund des Allgemeininteresses“ anerkannt.3 Ein 1 So Art. 24 Rz. 10 OECD-MK. 2 So Rust in V/L5, Art. 24 OECD-MA Rz. 46. 3 Ausführlich Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 938; dazu, dass dies auch nach Erlass der EG-AmtshilfeRL gilt, siehe Seer/ Gabert, StuW 2010, 18 m.w.N.
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B. Kontrollmaßnahmen und Kooperation der Steuerverwaltungen
allgemeines Gleichheitsgebot für die Behandlung nationaler und internationaler Sachverhalte im Besteuerungsverfahren ist damit aus den genannten Quellen nicht abzuleiten.1 Den Schutz vor Abstimmungsdefiziten bezweckt das Verständigungsverfahren, ohne freilich bislang einen einklagbaren Schutz zu gewähren (siehe hierzu ausführlich Rz. 12.38 ff.). Wieweit aus der Berufung auf den Menschenrechts-Code oder den EUVertrag Grenzen zu entwickeln sind, ist abzuwarten. Bei alldem ist zu sehen, dass Fairness im Besteuerungsverfahren für international tätige Unternehmen im Eigeninteresse der beteiligten Staaten liegt, zumal das Standortklima des betreffenden Landes auch an ihr gemessen wird. Zudem können Ineffizienzen im internationalen Steuerraum für sie nutzende Unternehmen ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Unternehmen entstehen lassen.
B. Kontrollmaßnahmen und Kooperation der Steuerverwaltungen Die international tätigen Unternehmen und die Steuerverwaltungen stehen gemeinsam vor Gestaltungs- und Kontrollproblemen des internationalen Steuerraums. Erstere belastet die Anpassung an die Rechts- und Verfahrensvielfalt; die Verwaltungen müssen die Erhebungseffizienz wahren, dürfen die internationale Tätigkeit der Unternehmen aber nicht unter Generalverdacht stellen und durch ihre sichernden Maßnahmen übermäßig belasten. Vielfach kann eine Verwaltung eines Staates bei Wirtschaftsbeziehungen zu einem anderen Staat davon ausgehen, dass in diesem letzterem Staat vergleichbare Steuern und kontrollierende Verwaltungen bestehen und so die fraglichen Beziehungen einer potenziellen Doppelkontrolle durch beide Verwaltungen unterliegen. Dies unterstellend verzichten Steuerverwaltungen oft realistischerweise bei steuermindernden Ausgaben an das Ausland auf detaillierte Empfängernachweise, wenn die Zahlung i.R. eines üblichen Handelsgeschäftes erfolgt, der Betrag in das Ausland abgeflossen ist und der Empfänger im betreffenden Staat steuerpflichtig ist.2 Sie verzichten damit nicht auf ergänzende Kontrollmaßnahmen, die der internationalen Situation durch Sonderregelungen für Auslandsbeziehung Rechnung tragen. Diese müssen auch für die Entlastung der international tätigen Unternehmen eingesetzt werden können.
12.6
Effektiverer Kontrolle dient die Zusammenarbeit der Steuerverwaltungen durch Amtshilfe. Im deutschen nationalen Recht hat sie ihren Angelpunkt in § 117 AO. Regelmäßige Grundlage ist das weite Netz bilateraler
12.7
1 So für die Mitwirkungspflichten beim Fremdvergleich ausdrücklich Art. 24 Rz. 59 OECD-MK. 2 Für Deutschland ähnlich die allgemein gehaltene Fassung von Rz. 4 AEAO zu § 160 AO in besonderem Zusammenhang.
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Abkommen; dazu ist auf die Übersichten I und II in Rz. 1.111 zu verweisen. Daneben bestehen spezielle Konventionen und EU-Recht.2 Die deutsche Steuerverwaltung hat sich um Transparenz auf dem nur schwer überschaubaren Feld bemüht, indem sie umfassende Merkblätter zu den Einzelbereichen erließ und ständig an die Entwicklung anpasst. Diese Merkblätter sind Grundlage der folgenden Darstellung. Die Einzelbereiche sind – die Sachverhaltsaufklärung durch Feststellung und Mitteilungen von Sachverhalten, die die leistende Finanzverwaltung nach eigenen Ermittlungsvorschriften und ggf. unter Heranziehung nur ihr erreichbarer Dritter feststellt (Auskunftsverfahren); – die Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung, indem Steuerverwaltungen sich in Bereichen gegenseitigen Bezugs (z.B. aufgrund von DBA) aufeinander abstimmen (Verständigungsverfahren); durch Schlichtungs-(Schieds-)Verfahren können solche Verfahren zur verlässlichen Absicherung des Steuerpflichtigen weiter ausgebaut werden; – die Vollstreckung des Steueranspruchs und der Strafverfolgung von Steuerdelikten durch Vollstreckungshilfe und strafrechtliche Zusammenarbeit der ordentlichen Gerichte (Rechtshilfe); – Sonderverfahren bei der Durchführung von DBA, namentlich bei der Erstattung von Steuerabzügen; – die Zusammenarbeit bei der Zustellung, die Hilfe bei der Steuerbeitreibung sowie die Rechtshilfe unter den ordentlichen Gerichten im Steuerstrafverfahren (bei Finanzgerichten fehlt dagegen die Möglichkeit direkter Kooperation). Darüber hinaus verläuft die Zusammenarbeit ohne Bezug auf anhängige Besteuerungsverfahren. In Anlehnung an die im nationalen Bereich bestehenden Kontrollmethoden (vor allem die Kontrollmitteilung von Finanzbehörde zu Finanzbehörde), hat sich i.R. des Auskunftsverkehrs international die „automatische“ und „spontane“ Mitteilung über Beobachtungen entwickelt, die den Verdacht einer Steuerverkürzung gegenüber dem Mitteilungsempfänger nahelegen u.Ä. Sehr viel weiter gehen Formen der Zusammenarbeit, die das Besteuerungsverfahren in zwei Staaten auf Sondergebieten verzahnen, so bei der Mehrwertsteuer oder bei ertragsteuerlichen Außenprüfungen.
12.8 Eigentümliche Verfahrensschwierigkeiten ergeben sich aus besonderen Rechtsproblemen international tätiger Unternehmen. Für sie sind ihre internationalen Verrechnungspreise besonders kennzeichnend. Die Schwierigkeiten ergeben sich hier daraus, dass 1 Die dort genannten DBA enthalten regelmäßig Vereinbarungen zum Verständigungsverfahren und zur Steuerauskunft nach Art. 25 und 26 OECD-MA. Die intensiven Bemühungen der OECD auf dem Gesamtgebiet sind einsehbar unter www.OECD.org. 2 Zu den Einzelheiten s. die genannten Merkblätter.
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B. Kontrollmaßnahmen und Kooperation der Steuerverwaltungen
– materiellrechtlich der Fremdvergleichsgrundsatz auf die Verhältnisse auf freien Märkten verweist; diese sind jedoch häufig intransparent, lassen meist nur mehr oder minder breite Preisbänder erkennen und erfordern oft zusätzliche Parameter, die u.U. an inneren Unternehmensverhältnissen ansetzen; – verfahrensrechtlich die beteiligten Staaten auf diese Situation durch breit gefächerte Mitwirkungs-, Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten antworten, die angesichts der von Unübersichtlichkeit der Märkte und der internen Komplexität der Unternehmen schwer zu erfüllen sind; – rechtsumsetzend Finanzverwaltung und Unternehmen angesichts der Intransparenzen und Unschärfen der Märkte Abgrenzungen, Schätzungen und Annahmen zu machen sind, für deren Ansatz erhebliche Beurteilungsräume bestehen. Ähnliches gilt für die Gewinnabgrenzung von Betriebsstätten und die Gestaltungskontrolle unternehmensinterner Beziehungen. Solche Problembereiche bilden breite Reibungsflächen, weil sie wegen der Größe des infrage stehenden Steuersubstrats und wegen der Möglichkeiten zu belastungsminimierender Gestaltungen im Brennpunkt steuerlicher Kontrolle stehen. Wegen der regelmäßig eintretenden Konkurrenzsituation der Fisken droht weitverbreitete Doppelbesteuerung. Dies macht eine Feinabstimmung in vielen Bereichen der Rechtsanwendung notwendig, vor allem auch bei der Anforderung an Aufzeichnungen, bei der Beweiswürdigung und bei Schätzungen. Die Inanspruchnahme von Amts- und Rechtshilfe und internationale Verwaltungskoordination galten früher als seltene Ausnahmemaßnahmen; die neuere Entwicklung sieht in ihnen Normalmaßnahmen nationaler Besteuerung und setzt sie z.T. bereits als Werkzeug der Massenbesteuerung ein. Diese Tendenz zeigt sich vor allem in Folgendem: – In der EU stützt sich die Umsatzbesteuerung auf abgestimmte organisatorische Maßnahmen und auf einen ständigen Informationsaustausch nationaler Zentralstellen; bei den direkten Steuern ist die Besteuerung von Kapitalerträgen in der EU breit abgesichert. Die OECD hat den Versuch gemacht, für den Auskunftsaustausch einen internationalen Standard festzuschreiben. – Im Verständigungsverkehr wird durch die Einführung von Schiedsverfahren für mehr Rechtssicherheit gesorgt; diese Entwicklung begann im bilateralen Bereich (Art. 25 Abs. 5 DBA-USA 1989), setzte sich dann als allgemeine Regelung in der EU fort und greift zunehmend auf die DBA über. – International zeigt sich der Trend, Standards für die Bereitschaft zum Auskunftsverkehr und zur Verständigung zu entwickeln und durchzusetzen. Bei der Zusammenarbeit zeigt sich dies in erster Linie in an OECD-Empfehlungen orientierten nationalen Verwaltungsanweisungen (vor allem zur Gewinnabgrenzung), in Maßnahmen zur Abstimmung nationaler Prüfungen (sog. APA, siehe Rz. 12.50 ff.). Menck
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Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
– Diese Bestrebungen finden ihren Ausdruck in der Bildung eines „Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes“, das 2005 bei der OECD gegründet wurde;1 es wendet sich vor allem gegen Auswirkungen des in vielen nationalen Rechten verankerten Bankgeheimnisses. Ähnliche Ziele verfolgt der weltweit vernetzte International Tax Dialogue.2 – Im Zuge dieser Bemühungen baut die OECD den von ihr empfohlenen Umfang des internationalen Auskunftsaustauschs zu einem internationalen Standard aus, dem sich selbst internationale „Oasenländer“ und Finanzzentren unterwerfen sollen; sie hat hierzu ein besonderes Entwurfsmuster vorgelegt, das z.B. in bilateralen Verträgen Deutschlands mit Liechtenstein und anderen Ländern verwendet wurde.3 Diese Trends werden sich in der Zukunft fortsetzen. Für die EU ergibt sich dies aus allgemeinen Gemeinschaftszielen. So hat der EuGH die Mitgliedsländer immer wieder auf die Entwicklung des Auskunftsverkehrs verwiesen, wenn er Rechtfertigungen nicht gemeinschaftskonformer Regelungen zurückwies, die sich auf die Aufklärungsschwierigkeiten bei grenzüberschreitenden Beziehungen beriefen.4 Auch außerhalb der EU wird diese Entwicklung unterstützt durch das Argument, Mängel in der Zusammenarbeit könnten deutliche Verzerrungen im internationalen Wettbewerb auslösen.
12.10 Auch für die Zukunft ist davon auszugehen, dass die international tätigen Unternehmen in den einzelnen Tätigkeitsländern gesonderte Erklärungen abgeben, die in getrennten Verfahren kontrolliert werden. Zu den gemeinsamen Anliegen von Unternehmen und Verwaltungen gehört, dass Rechtssicherheit und ein hohes Maß an Rechtsschutz gewährleistet sein müssen. Die Kooperation der Verwaltungen sollte daher in einer für die Unternehmen rechtlich gesicherten und transparenten Weise gestaltet sein und in fairer Weise auch zum Vorteil der steuerpflichtigen Unternehmen genutzt werden können.
C. Internationale Unternehmenstätigkeit im deutschen Verfahrensrecht 12.11 Das international tätige Unternehmen unterliegt mit seinem materiell von der deutschen Besteuerung erfassten Teil dem Zugriff und der Kon1 Über Ziele und Stand der Arbeiten siehe die zahlreichen Mitteilungen der OECD, die unter www.oecd.org abrufbar sind. 2 Einzelheiten sind abrufbar unter www.itdweb.org. 3 Entwurf des Zentrums für Steuerpolitik und -verwaltung für „Tax Information Exchange Agreements“ (sog. TIEAs) zur Erfüllung des von der OECD geforderten Standards an internationaler Zusammenarbeit. Zu der extrem hohen Zahl derartiger Abkommen s. www.OECD.org. 4 Vgl. statt aller EuGH v. 18.12.2007 – Rs. C-101/05 – Skatteverket/A, EuGHE 2007, I-11531 = IStR 2008, 66, wonach im Verhältnis zu Drittländern fehlende Amtshilfe Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit rechtfertigen können.
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C. Internationale Unternehmenstätigkeit im deutschen Verfahrensrecht
trolle der zu Gesetzmäßigkeit des deutschen Steuervollzugs verpflichteten deutschen Steuerverwaltung.1 Grundlage des Verfahrens sind die deutsche Abgabenordnung und ihre Nebengesetze: Nach ihnen gilt für nationale und internationale Sachverhalte grundsätzlich gleiches Recht. Für internationale Sachverhalte treffen den Steuerpflichtigen aber erhöhte Mitwirkungspflichten (s. Rz. 12.15). An Sonderbestimmungen zur Besteuerung internationaler Sachverhalte sind zu nennen: – Bestimmungen über die Zuständigkeit (§ 20 Abs. 4 AO), die Pflicht von Steuerausländern zur Bestellung von steuerlichen Vertretern (§ 81 Abs. 1 Nr. 3 AO), die Amtssprache (§ 87 AO), die Zustellung im Ausland (§ 14 VwZG, siehe dazu Rz. 12.196 ff.), über die Zusammenarbeit mit Passbehörden (§ 7 Abs. 1 Buchst. c PassG); – Meldepflichten für das Auslandsengagement inländischer Unternehmen (§ 138 Abs. 2 AO). Sie betreffen den Erwerb von Betrieben, Betriebsstätten und Anteilen an Personengesellschaften sowie von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften über 10 v.H./mittelbar über 25 v.H. sowie bei Anschaffungskosten über 150 000 Euro und Buchführungspflichten hierbei (§ 146 Abs. 2 AO); – Rechtsgrundlagen für die Durchführung der DBA (§ 50d EStG), der Verständigung (§ 173a AO) und Amtshilfe (§ 117 AO) und sonstige Bestimmungen zur internationalen Kooperation. Für die Schranken der Gestaltungsfreiheit international tätiger Unternehmen gelten die allgemeinen Bestimmungen, also insbesondere das Missbrauchsverbot in § 42 AO.2 Für sie gelten vor allem auch die ausgedehnten Sonderregelungen starker Steuergefälle, die eingehend in Rz. 7.14 ff. dargestellt sind. Bei der Besteuerung internationaler Vorgänge trifft alle Steuerpflichtigen die allgemeine Verpflichtung, in In- und Ausland belegene Sachverhaltsteile darzulegen und aufzuklären, die nach deutschem Steuerrecht relevant sind (zur weitergehenden Beweisvorsorge nach § 90 Abs. 2, 3 und § 162 Abs. 3, 4 AO bei Auslandssachverhalten siehe Rz. 12.15 ff.). Verwaltungsseitig vollzieht sich die Erfassung international tätiger Unternehmen nach den Grundsätzen der Amtsermittlung regelmäßig i.R. betriebsbezogener Einzelverfahren (vor allem der z.B. der Außenprüfung i.S.v. 1 Vgl. hierzu eingehend Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 19.1–26; zum Verhältnis von Besteuerung und Durchsetzung bei internationalen Steuerfällen siehe Widmann, Steuervollzug und Rechtsstaat, DStJG 31, 2008, 295; zum Verhältnis von Untersuchungsgrundsatz des § 80 AO und der Mitwirkung des Steuerpflichtigen siehe dort Seer, Der Vollzug von Steuergesetzen unter den Bedingungen einer Massenverwaltung, DStJG 31, 2008, 7. 2 Zum gegenwärtigen Stand siehe Hey, Spezialgesetzgebung und Typologie zum Gestaltungsmissbrauch, DStJG 33, 2010, 138; Hey, Nationale Missbrauchsvorschriften im Spannungsfeld von DBA- und EU-Recht, in Lüdicke (Hrsg.), Unternehmenssteuerreform 2008 im internationalen Umfeld, 137; Hüttenmann, Gestaltungsfreiheit und Gestaltungsmissbrauch im Steuerrecht, DStJG 33, 2010, 391.
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Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
§ 80 AO); an ihnen wirken die in Deutschland steuerpflichtigen Unternehmensteile mit, indem sie diejenigen Sachverhaltsbereiche zur Verifizierung offenlegen und angemessen durch Benennung von Beteiligten, Vorlage von Urkunden und Angabe anderer Beweismittel belegen, die nach dem infrage stehenden Gesetzestatbestand die Steuerpflicht begründen. Insoweit folgt Verfahrensrecht dem nationalen Steueranspruch. Dies gilt sowohl für die Erklärungs- und Mitwirkungspflichten der Beteiligten als auch für die Kontrolle durch die Finanzbehörden. Zum Beispiel müssen sich bei Offenlegung beide bei unbeschränkter Steuerpflicht grundsätzlich auf das Welteinkommen, bei beschränkter allein auf die Inlandseinkünfte beziehen.
12.13 Die Verfahrenssituation des international tätigen Unternehmens ist dabei wesentlich von den unterschiedlichen Formen seiner Organisation und internen Aufgabenverteilung her bestimmt. So stellt es als Konzern organisiert die deutsche (und andere) Steuerverwaltungen vor eine Mehrzahl teils unbeschränkt, teils beschränkt steuerpflichtiger Mitgliedsgesellschaften, als Einheitsunternehmen vor eine Vielzahl steuerlich zu isolierender Betriebsstätten. In beiden Fällen differiert die persönliche Reichweite der auf die einzelne Rechtsperson zugeschnittenen allgemeinen Mitwirkungspflicht. Das deutsche Steuerrecht sucht hierfür einen Ausgleich i.S. einer Heranziehung der vom Unternehmensganzen erreichbaren, für die deutsche Besteuerung bedeutsamen Informationen: Unterlagen und Beweismittel von in Deutschland zu besteuernden Unternehmen und Unternehmensteilen, die sich im Ausland befinden, sind von dem Unternehmen ins Inland zu schaffen und vorzulegen, von anderen Unternehmensteilen von dem deutschen Unternehmensteil zu beschaffen.1 Sind z.B. zur Kontrolle der Steuerpflicht einer übergeordneten deutschen Konzerngesellschaft Ermittlungen bei einer ausländischen Konzerngesellschaft nötig; so hat der deutsche Konzernteil einschlägige Unterlagen der Untergesellschaften zu beschaffen, was aufgrund der Beteiligungsverhältnisse i.R. ihrer rechtlichen Möglichkeiten liegt. Ist die deutsche Konzerngesellschaft untergeordnet, so hat sie i.d.R. nicht die tatsächliche oder rechtliche Möglichkeit, von der ausländischen Mutter Unterlagen oder Informationen zu verlangen, muss aber bei Abschluss der betreffenden Geschäfte von Unterlagen bzw. ihre Herausgabe voraussorgend sichern, die für die deutsche Besteuerung von Belang sind.2
12.14 Die Gleichstellung territorialer und nichtterritorialer Sachverhalte bei der Amtsermittlung belässt es freilich dabei, dass die deutsche Finanzbehörde ausländische Sachverhalte, die gesetzlich für den Steueranspruch relevant sind, nur durch im Inland vollziehbare Maßnahmen überprüfen kann (formelle Territorialität trotz materieller Globalität).3 So kann sie 1 Dies ergibt sich schon aus der allgemeinen Mitwirkungspflicht, siehe BFH v. 22.12.1997 – VIII B 87/96, BFH/NV 1998, 944, i.E. aber aus der erweiterten Mitwirkungspflicht bei Auslandsbeziehungen (siehe Rz. 12.15). 2 BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BFH/NV 2002, 134 = IStR 2002, 745. 3 S. Fn. 1 zu Rz. 12.2.
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C. Internationale Unternehmenstätigkeit im deutschen Verfahrensrecht
im Inland tätige Unternehmen wohl zur Erklärung steuerlich erheblicher Verhältnisse im Ausland anhalten, diese aber dort nicht selbst überprüfen. Sie kann nur im Inland befindliche Auskunftspersonen vernehmen oder im Inland vorliegende Unterlagen über Verhältnisse im Ausland (z.B. über Handelsregistereintragungen oder über Bankkonten) verwerten. Dies schließt es nicht aus, dass sie vom Inland aus ausländische Verhältnisse ermittelt, z.B. indem sie Handelsregister-Veröffentlichungen im normalen Vertrieb erwirbt und analysiert oder indem sie auch für Private zugängliche Auskünfte von Auskunfteien einholt. Ebenso ist die jedermann zugängliche Nutzung des Internets zur Erlangung von Auskünften zulässig, auch wenn damit Daten aus ausländischen Speichern abgerufen werden (streitig freilich, ob solche Daten verwendet werden dürfen, wenn ihr Erwerb eine strafbare oder sonst unerlaubte Handlung war). Nicht zulässig ist es, Bedienstete ohne Genehmigung der zuständigen ausländischen Behörden ins Ausland zu entsenden, um einen Augenschein einzunehmen oder zur Aussage bereite Personen zu vernehmen. Sind Personen im Ausland zu Aussagen bereit, so sind sie grundsätzlich im Inland oder schriftlich zu hören. Internationale Praxis mancher Länder ist es, dass Beamte sich in das Ausland begeben, z.B. um dort umfangreiche Bücher einzusehen, wenn die Auskunftsperson dies verlangt oder dem zustimmt. Erforderlich ist dazu jedoch i.d.R. die Zustimmung der Verwaltung des betreffenden Staates; eine gefestigte internationale Praxis in dieser Frage besteht aber noch nicht. Das Verbot, Hoheitsakte im Ausland vorzunehmen, wirkt in sehr unterschiedlicher Weise als faktische Schranke der Amtsermittlung. Sie reicht vom Angewiesensein auf ausländische Bescheinigungen über die Unmöglichkeit, Aufklärungsmaßnahmen im Auslandsbereich des Unternehmens und im dortigen Umfeld durchzuführen bis zum Ausfall im Ausland belegener Quellen für bislang gänzlich unbekannte Sachverhalte. Das deutsche Verfahrensrecht gleicht diese Schranken durch die schon erwähnte Erhöhung der Mitwirkungspflichten von Beteiligten beim Inlandsvollzug aus. Dieser von der deutschen Rechtsprechung entwickelte Grundsatz ist heute in § 90 Abs. 2 AO als „erweiterte Mitwirkungspflicht bei Auslandssachverhalten“ kodifiziert. Sie gilt für Steuerinländer mit Auslandsbeziehungen wie für Steuerausländer mit Beziehungen zum Inland. Die Bestimmung geht von der die AO beherrschenden Regel aus, dass beim Zusammenwirken von Finanzbehörde und Steuerpflichtigem jeder nach eigenen Möglichkeiten, Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit seinen Teil beizutragen hat, wobei der Auslandsbereich meist allein dem Steuerpflichtigen zugänglich ist. Er hat deshalb den Sachverhalt selbst aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen. Eine Beweislastumkehr liegt hierin nicht; es gilt vielmehr auch für den internationalen Raum die Beurteilung nach der objektiven Beweis- oder Feststellungslast (das Fehlen des Nachweises geht bei steuerbegründenden Tatsachen zulasten der Finanzbehörde, bei entlastenden zulasten des Steuerpflichtigen). Soweit er der Mitwirkungspflicht nicht nachkommt, hat der Steuerpflichtige ihm nachteilige Sachverhaltsannahmen, BewerMenck
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Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
tungen und Schätzung i.R. des Angemessenen hinzunehmen. Das gilt vor allem für ungewöhnlich gelagerte Sachverhalte, wie bei sich aufdrängendem Verdacht von Steuerverlagerungen durch die Beteiligung niedrig besteuernder Gebiete u.Ä. In derartigen Fällen können außerdem die Finanzbehörden nach dem für In- und Ausland gleichermaßen geltenden § 160 AO Angaben über direkte oder verdeckte Empfänger von Zahlungen verlangen und bei deren Fehlen Ausgaben und Schulden vom steuerlichen Abzug ausschließen. Die Beweisvorsorge, zu der § 90 Abs. 2 AO Steuerpflichtige heranzieht, darf nicht an die Grenze einer Beweislastumkehr führen, wo der Nachweis aus in der Sphäre des Steuerpflichtigen liegenden Gründen tatsächlich nicht erbracht werden kann. Dies ist z.B. bei der Prüfung von Verrechnungspreisen zu beachten, wenn die Marktgegebenheiten nicht transparent sind oder Spielräume belassen. Im Übrigen hängen Umfang und Richtung der dem international tätigen Unternehmen auferlegten Obliegenheiten von dem jeweils gestellten Aufklärungsziel und den ihm zugrunde liegenden Einzelregelungen ab. Zu Einzelfragen ist auf die Ausführungen zu diesen zu verweisen (vgl. vor allem Rz. 3.239 zu Verrechnungspreisen).
12.16 Die internationale Unternehmenstätigkeit wächst dauerhaft nach Umfang, Komplexität und Zahl der beteiligten Staaten. Die Aufklärung der Inlandsverhältnisse wird damit zunehmend abhängig von Ermittlungen im Gesamtbereich der Unternehmen und ihres Umfelds. Der Finanzverwaltung fehlt dazu im Ansatz die Möglichkeit zum kontrollierenden Zugriff auf das gesamte Umfeld, den der Untersuchungsgrundsatz (§ 88 AO) voraussetzt und der beim nationalen Unternehmen die Erfassung der Unternehmenstätigkeit als Einheit zulässt. Die erweiterte Mitwirkungspflicht soll hier einen Ausgleich bilden, indem es das Unternehmen zur eigenen Beweismittelbesorgung verpflichtet; wo ihm der Zugang zu diesen fehlt, hat es sie sich bei der Gestaltung der Verhältnisse diesen Zugriff rechtlich zu sichern. Die Vereinbarkeit dieser einschneidenden Verpflichtungen mit völkerrechtlichen und EU-rechtlichen Schranken (siehe Rz. 12.2 ff.) ist umstritten. Durch ihre Erfüllung kann aber das international tätige Unternehmen im praktischen Ergebnis seine internationalen Beziehungen ebenso der Überprüfung stellen, als handele es sich um landesinterne Verhältnisse und dient so auch der Vertrauensbildung zwischen Steuerpflichtigen und Steuerverwaltungen. Andererseits haben die Finanzverwaltungen anzuerkennen, dass eine Mitwirkung, die dem Unternehmen in seiner Gesamtheit nicht möglich oder zumutbar ist, ausscheidet. Ferner sollten die Fisken eine Verpflichtung anerkennen, die Doppelbesteuerung, Nachteile aus internationalen Abstimmungsdefiziten (siehe Rz. 12.3 ff.), aber auch Belastungen durch Rechtsverwerfungen ebenso zu vermeiden, als ginge es um die Binnenbesteuerung.
12.17 Die „erweiterte Mitwirkungspflicht“ bezieht sich nicht zuletzt auf die internationale Abgrenzung des Steuersubstrats zwischen Mutterhaus und Betriebsstätte und zwischen konzernzugehörigen Gesellschaften in ver-
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D. Die Prüfung international tätiger Unternehmen durch die dt. Steuerverwaltung
schiedenen Staaten. Die das Unternehmen bzw. den Konzern stützenden Rechtsstrukturen (Eigentum, gesellschaftsrechtliche Verbindungen) führen für die Finanzbehörden zu besonderem Ermittlungsbedarf (vor allem bei der Gewinnabgrenzung bzw. Überprüfung der Verrechnungspreise); sie bilden gleichzeitig die Grundlage, auf der die Beteiligten i.S. des vorerwähnten Grundsatzes am deutschen Besteuerungsverfahren mitzuwirken. § 90 Abs. 2 AO verlangt sie i.W. in drei Richtungen: – Die maßgebenden Verhältnisse sind von den Unternehmen nach Sachverhalt und Angemessenheit zu dokumentieren, wozu die Bereitstellung eines Datenbestandes nötig ist, der für besondere Vorgänge auf zeitnahen Aufzeichnungen beruhen soll. – Durch eine Rechtsverordnung ist der von der Finanzverwaltung erwartete Mindestumfang der Dokumentation näher umschrieben und ein allgemeiner Bewertungsmaßstab dahin formuliert worden, dass die „Dokumentation das ernsthafte Bemühen“1 erkennen lassen soll, die unternehmensinternen Beziehungen nach dem Grundsatz des Fremdvergleichs zu gestalten. – Das Gesetz sieht bei Nichterfüllung, nicht zeitgerechter Vorlage und Ungenügen der Dokumentation Verfahrensnachteile und Strafzuschläge vor (§ 162 Abs. 3, 4 AO). Die Regelung gilt unabhängig von der Richtung der Investitions- und Beteiligungsverhältnisse. Die Einzelheiten und die Sanktionen hängen eng mit den materiellen Fragen zusammen, weshalb hierzu auf die entsprechenden Darstellungen zu verweisen ist. Um gerade auf diesem Gebiet der Konsensunfähigkeit von Steuerverwaltungen vorzubeugen, hat die jüngere Rechtsentwicklung das Schiedsverfahren entwickelt (siehe Rz. 12.105 ff.). Nicht zu übersehen ist die Gefahr, dass auf die übersteigerten Mitwirkungspflichten in Fällen zurückgegriffen wird, in denen der Problemkern tatsächlich in Intransparenzen oder Unbestimmtheiten der Märkte liegt.
D. Die Prüfung international tätiger Unternehmen durch die deutsche Steuerverwaltung Die deutsche Finanzverwaltung sucht internationale Sachverhalte im Gesamtrahmen ihrer Tätigkeit intensiv zu bearbeiten. Organisatorisch geschieht dies durch die jeweils zuständigen Behörden der Landesfinanzverwaltungen. Die Außenprüfungen verfügen in einigen Dienststellen über Sonderprüfer für Auslandsbeziehungen; ein besonderer, darauf speziali-
1 § 1 Abs. 1 Satz 3 GAufzV v. 13.11.2003 i.d.F. v. 14.8.2007 BGBl. I 2003, 2296; 2007, 1912; s. hierzu Rz. 3.448.
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Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
sierter Prüfungsdienst besteht aber nicht. Zentralisiert sind im Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) folgende Sonderaufgaben:1 – Die Mitwirkung an Außenprüfungen der Länder, wofür das BZSt durch eigene Prüfer für Auslandsbeziehungen verfügt; – Zentralstelle für Aufgaben bei der Mehrwertsteuer in der EU (Erteilung von Kenn-Nummern, Auskunftsaustausch); es verzahnt hier zusammen mit vergleichbaren Zentralstellen der anderen EU-Staaten die harmonisierten nationalen Systeme, insbesondere bei innergemeinschaftlichem Warenverkehr; – Erstattung von Steuern aufgrund von DBA (Erstattung von Kapitalertragsteuer, Freistellungsbescheinigungen bei Lizenzgebühren und Künstlereinkünften) sowie aufgrund diplomatischer Immunitäten; – Informationszentrale für Auslandsbeziehungen, die Informationen aus der gesamten Finanzverwaltung erhält, zusammenstellt und auswertet; hierzu gehören eine Kartei über im Markt beobachtete Lizenzgebühren sowie die Beobachtung internationaler Steuergestaltung;2 – die Vermittlung des internationalen Auskunftsverkehrs zwischen den Finanzbehörden der Länder und den ausländischen Spitzenbehörden (Funktion als „zuständige Behörde“ bei Amts- und Rechtshilfeverkehr); – umfassende Funktionen bei den internationalen Problemen der Mehrwertsteuer und des Zolls. Außerdem beansprucht die Finanzverwaltung allgemein bestehende Mitteilungspflichten anderer Verwaltungszweige und Unternehmen sowie die Hilfe der Auslandsvertretungen für Zustellungen im Ausland.
12.19 International tätige Unternehmen haben die steuerlichen Folgen ihrer internationalen Beziehungen eigenverantwortlich festzustellen und in ihre Erklärungen einfließen zu lassen. Überprüft werden sie i.d.R. im Rahmen der allgemeinen Außenprüfungen von Unternehmen. Die Außenprüfung – ist eine ortsnahe und nachträgliche, umfassende Prüfung (§ 194 AO), deren ermessensabhängige Beschränkung „auf das Wesentliche“ (§ 4 BpO) im Allgemeinen nicht gerichtlich begrenzbar ist.3 Sie ist im betrieblichen Bereich ohne besonderen Anlass möglich, kann die Verhältnisse umfassend ausforschen und bezieht auch die Geschäftsbeziehungen zu Dritten ein; – hat in der Prüfung von Auslandsbeziehungen einen ihrer „Schwerpunkte“ und nutzt dabei die Erfahrungen und das Erkenntnismaterial des BZSt (siehe Rz. 12.18); 1 Vgl. hierzu die Merkblätter des BMF zum Entlastungsverfahren v. 1.3.1994, BStBl. I 1994, 210 und 203 nebst BMF zum Kontrollmeldeverfahren v. 18.12.2002 – IV B 4 - S 2293 - 54/02, BStBl. I 2002, 1386. 2 Vgl. dazu eingehend BMF v. 6.2.2012 – IV B 6 - S 1509/07/10001, 2012/0049930, BStBl. I 2012, 241 („IZA-Erlass“). 3 Hierzu kritisch Rüsken, DStJG 31, 2008, 243.
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D. Die Prüfung international tätiger Unternehmen durch die dt. Steuerverwaltung
– wird für konzerneigene Unternehmen einheitlich von einer sachnahen örtlichen Steuerbehörde durchgeführt; dies gilt auch, wenn ausländische Konzerne mehrere inländische Unternehmen beherrschen (§ 19 BpO); – prüft internationale (wie andere Sachverhalte) ex post; im Anschluss an sie können für geprüfte Sachverhalte auf Antrag Zusagen für künftige Sachbehandlungen gemacht werden. Seit 1997 hat sich die Finanzverwaltung hierzu allgemein bereit erklärt; bei internationalen Verrechnungspreisen soll die prüfende Behörde dem Unternehmen früh die Möglichkeit zur internen Abstimmung mit den ausländischen Teilen geben;1 – kann internationale Zusammenarbeit nutzen, vor allem durch Auskunftsaustausch-, Verständigungsverfahren und vorweggezogene Abstimmungen (siehe Rz. 12.38 ff.). Hierbei zeigen sich die Wirkungs- und Abstimmungsdefizite, die den internationalen Steuerraum allgemein kennzeichnen: Die Außenprüfung untersteht dem Verbot grenzüberschreitender Hoheitsausübung und ist in Ziel und Vollzug auf das Inland ausgerichtet. Eine intensive, ortsnahe Erfassung der Gesamtheit wirtschaftlicher Tätigkeit und ihres Umfeldes ist beim international tätigen Unternehmen deshalb nicht möglich. Andererseits führt die Überprüfung der Außenbeziehungen immer wieder auf Bereiche, in denen sie mit ausländischen Steuerverwaltungen in Konflikt steht. Dies gilt vor allem für die Prüfung der Gewinnabgrenzung. Sie wird dadurch erschwert, dass die Prüfung hierbei durch den Grundsatz des Fremdvergleichs auf Marktverhältnisse verwiesen wird, die vielfach nicht transparent und unscharf sind. Neben der Außenprüfung kommen bei besonderen Anlässen Mittel der Nachschau sowie der Einsatz der Steuerfahndung in Betracht. Die Probleme international tätiger Unternehmen waren treibende Kraft hinter der deutschen Teilnahme an der Kooperation der Steuerverwaltungen. Die Außenprüfung wie andere Kontrollmaßnahmen (z.B. strafrechtliche Ermittlungen, Auswertung von Kontrollmitteilungen) müssen sich zunächst auf die allgemeine und erweiterte Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen stützen (siehe Rz. 12.15). Ergänzend kann die internationale Amts- und Rechtshilfe die erhebungsrechtliche Effizienz auf Inlandsniveau anheben. Wichtige Entwicklungen der letzten Jahre zielen auf ihre intensive Nutzung bei der Außenprüfung (s. Rz. 12.19). Ziel ist es, auch erhebungstechnisch ein „plain level“ ohne Verzerrungsmöglichkeiten zu schaffen (dies entspricht Forderungen des Global Forums der OECD (siehe Fn. 2 zu Rz. 12.3)). Legen die Unternehmen ihre internationalen ausländischen Verhältnisse offen und unterliegt potenziell auch der ausländische Raum einer der nationalen Kontrolldichte nahe kommenden Kontrolle der Verwaltungen, so sollten diese den Unternehmen auch eben 1 BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Tz. 1.2.5 (VWG-Verfahren).
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Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
die Sicherheit und das Vertrauen gewähren, die sie im nationalen Bereich gewähren. Die Steuerverwaltungen erkennen denn auch in steigendem Maß die Verpflichtung an, die Belastung durch unabgestimmten Verwaltungsvollzug (Doppelbesteuerung) zu dergestalt vermeiden, als ginge es um die Binnenbesteuerung. In konsequenter Weise hat die EU in der Schiedsstellenkonvention in Fragen der Gewinnverteilung eine Verpflichtung zum Konsens begründet, nachdem ein umfassender Auskunftsverkehr zwischen ihren Mitgliedsländern sichergestellt worden war (siehe Rz. 12.51). Schwierigkeiten bleiben auf der Ebene der Rechtsprechung. Auch wenn den international tätigen Unternehmen überall der gleiche Zugang zu ihr gewährleistet ist, ist eine gleichgerichtete Judikatur – wie sie dem nationalen Bereich entspricht – nicht gegeben. Dies wird sichtbar, wenn Gerichte bei der Auslegung von DBA ihre Urteile ohne Berücksichtigung ausländischer Auslegung ergehen lassen und den schutzsuchenden Steuerpflichtigen auf das Verständigungsverfahren verweisen.1
E. Internationale Ermittlungshilfe (Auskunftsaustausch auf Ersuchen) 12.21 Bei der Besteuerung international tätiger Unternehmen ist jede beteiligte Verwaltung auf die Kooperation der Unternehmen angewiesen, ohne deren Angaben über Verhältnisse im Ausland grenzüberschreitend selbst überprüfen zu können. Diese Lücke schließt die Inanspruchnahme von Ermittlungshilfe ausländischer Steuerverwaltungen. Sie ermöglichen es, dem um sie ersuchenden Staat im ersuchten Staat ähnliche Kontrollmaßnahmen wie im nationalen Raum anstellen zu lassen; die sich anschließende Mitteilung des Ermittlungsergebnisses ist sekundärer Akt, was die allgemeine Bezeichnung „internationaler Auskunftsaustausch“ verschleiert. Diese Form der Kooperation setzt voraus, dass der ersuchende Staat hinreichende Anhaltspunkte für Sachverhalte oder Beweismittel hat, um sein konkretes Ersuchen zu stellen. Der Auskunftsaustausch setzt i.d.R. internationale Vereinbarungen voraus. Vorgesehen ist sie regelmäßig in den DBA nach Maßgabe des Art. 25 OECD-MA/UN-MA, sowie in der Amtshilfe-Richtlinie der EU und der EU-Rat/OECD-Amtshilfekonvention. Sachlich kann die Hilfe bei der großen Auskunftsklausel sich auf alle für den Steueranspruch des ersuchenden Staats erheblichen Umstände beziehen. Die kleine Auskunftsklausel ist auf Fragen der DBADurchführung begrenzt, kann aber hier vor allem bei der Gewinnabgrenzung und anderen Einzelbereichen von allgemeiner Bedeutung sein.2 1 So z.B. BFH v. 18.7.2001 – IR 26/01 - BStBl. II 2002, 410 unter 2c. 2 Zum Bestand dieser unübersichtlichen Vereinbarungen siehe BMF v. 25.1.2006 – IV B 1 - S 1320 - 11/06, BStBl. I 2006, 26 – Anhang (Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftstausch in Steuersachen).
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E. Internationale Ermittlungshilfe (Auskunftsaustausch auf Ersuchen)
Sachlich ist die Kooperation eines großen Teils der Steuerverwaltungen durch die gemeinsame Rechtsentwicklung, die am OECD-MA ansetzte, stark vereinheitlicht; sie wird zunehmend als internationaler Standard anerkannt (siehe Rz. 12.9). Das BMF sucht die deutsche Handhabung zu vereinheitlichen; so hat es Schranken, die das EG-Amtshilfe-Gesetz1 zugunsten des Steuerpflichtigen zieht, verallgemeinert, was Letzterem insoweit den Charakter eines allgemeinen Rahmengesetzes für den Auskunftsverkehr gibt.2 Im deutschen Recht ist im Prinzip der Amtsermittlung die Befugnis eingeschlossen, die Bereitschaft ausländischer Steuerverwaltungen im Rahmen der Gegenseitigkeit zur Amtshilfe zu nutzen (so ausdrücklich § 119 Abs. 1 AO). Dem steht jedoch i.d.R. entgegen, dass ausländische Verwaltungen hieran schon durch die Begrenzung ihres Tätigkeitsauftrags auf die eigene Besteuerung an solcher Mithilfe gehindert sind. Die internationalen Vereinbarungen sind von den beteiligten Staaten in nationales Recht umgesetzt worden. Dies erweitert den Tätigkeitsauftrag der Verwaltungen und setzt auch auf deutscher Seite die Verwaltung in Stand, fremde Ersuchen zu erfüllen.3 Die Umsetzung gibt namentlich der ersuchten Verwaltung die Möglichkeiten, Dritte zur Mitwirkung an erbetenen Ermittlungen heranzuziehen und Auskünfte ohne Rücksicht auf das Steuergeheimnis weiterzugeben. Organisatorisch wird der Auskunftsaustausch i.d.R. über zentrale Stellen der betroffenen Staaten abgewickelt (sog. „zuständige Behörden“). Tätig werden sie i.d.R. auf Veranlassung bzw. Berichte nachgeordneter Dienststellen, die mit dem Ausgangsverfahren befasst sind.
12.22
Zentrale Stelle in Deutschland für die internationale Amtshilfe in Steuersachen ist das BZSt (Rz. 12.19). Folgen sind:
12.23
a) In Deutschland verlaufen im Regelfall einschlägige Vorgänge auf dem Dienstweg von der örtlich zuständigen Landesbehörde über die Oberfinanzdirektionen und ggf. Länderfinanzministerien an das BZSt bzw. umgekehrt. Die Verfahren setzen eine Abstimmung zwischen den Landesbehörden und dem BZSt in Sach- und Verfahrensfragen voraus, was in den BMF-Merkblättern als selbstverständlich unterstellt wird. Die dadurch auftretenden Zeitverluste werden durch Fristempfehlungen eingeschränkt. Der Austausch macht vielfach Übersetzungen nötig, die im Fall Deutschlands zentral vom BZSt erstellt werden.
1 EG-AmtshilfeG v. 19.12.1985, BGBl. I 1985, 2436, 2441, zuletzt geändert durch Art. 17 des Gesetzes v. 20.12.2007, BGBl. I 2007, 3150. 2 BMF v. 25.1.2006 – IV B 1 - S 1320 - 11/06, BStBl. I 2006, 26 Tz. 3.3 und 4.1.1.1. 3 Eine deutsche Sonderregelung bildet die Möglichkeit, schon nach nationalem Recht sog. spontane Auskünfte auf Ersuchen von Steuerverwaltungen zu geben, mit denen tatsächlich gesicherte Gegenseitigkeit besteht und bei denen der Schutzrahmen des internationalen Standards gewährleistet ist (§ 117 Abs. 3 AO).
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Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
b) An dem Austausch sind die mit der Sache befassten Behörden der beiden Staaten i.d.R. nicht in unmittelbarem Kontakt. Dieser Ausschluss des unmittelbaren Verkehrs ist in Schwierigkeiten der Verständigung zwischen den örtlichen Behörden und deren Unerfahrenheit im Umgang mit fremden Rechtsverhältnissen begründet, begrenzt aber die Möglichkeiten der Kooperation fühlbar. Die Entwicklung sucht die Effizienz durch weiterentwickelnde Maßnahmen zu erhöhen, wie die Möglichkeit zur Entsendung von Beamten und die zeitliche Abstimmung von Prüfungen (siehe Rz. 12.31). Außerdem sind für das Verhältnis Deutschlands zu Österreich Zentralstellen die Mittelbehörden, im Verhältnis zu Frankreich und Tschechien sind lokale Sonderstellen für die Zusammenarbeit innerhalb der Grenzzonen zuständig.
12.24 Die Ersuchensauskunft setzt im ersuchenden Staat ein Ausgangsverfahren voraus, d.h. ein konkretes Besteuerungsverfahren dieses Staats, in dem sich die Notwendigkeit der einzelfallbezogenen Sachaufklärung im ersuchten Staat ergeben hat. Der Steuerpflichtige braucht noch nicht bekannt zu sein; unzulässig sind aber Ersuchen, die auf einem bestimmten Feld das Vorliegen von Steuersachverhalten aufspüren sollen (sog. fishing expedition); zur Auskunftserteilung ohne Ersuchen siehe Rz. 12.33 ff.1 Ersuchen können sich auf die Feststellung eines steuerlich relevanten Sachverhalts und/oder auf die Nutzung bestimmter Beweismittel für einen solchen Sachverhalt (Erhebungsersuchen) richten. Bei deutschen Ersuchen ist dieses Teil der Sachverhaltsermittlung (§ 88 AO) und zielt auf die Beschaffung erforderlicher Beweismittel; es ist kein Verwaltungsakt mit Außenwirkung, ist aber im Blick auf Steuergeheimnis und Datenschutz auf seine Verhältnismäßigkeit zu prüfen und ggf. mit den Betroffenen zu erörtern. Der ersuchte Staat prüft das Ersuchen nach den äußeren Gegebenheiten die Zulässigkeit des Ersuchens, jedoch sind das Ausgangsverfahren betreffende Rechtsfragen vom ersuchenden Staat und nach dessen Recht zu beurteilen.2 Im anschließenden Ermittlungsverfahren trifft er die zur Erledigung des Ersuchens notwendigen Maßnahmen nach eigenem Recht.
12.25 Ersuchen sind zur Klärung von Sachverhalten jeder Art zulässig, die nach dem Recht des ersuchenden Staates für „die zutreffende Festsetzung der Steuern … erheblich sein können.“3 Infrage kommen etwa Einzelheiten der Unternehmensstruktur, Beziehungen innerhalb des Gesamtunternehmens, seine Außenbeziehungen oder Fakten, die für die Gewinnabgrenzung von Bedeutung sind. In der Praxis stehen dabei Erhebungsersuchen um die Heranziehung bestimmter Beweismittel (z.B. Zeugen) neben Ermittlungsersuchen, bei denen der ersuchte Staat um eine selbständige Ermittlung und Heranziehung von Beweismitteln erbeten wird. Die Ersu1 Zur Abgrenzung ist lehrreich die im Verhältnis zur Schweiz getroffene Regelung im BMF v. 4.1.2012 – IV B 12 - S 1301 - CHE 107/10027 - 01, BStBl. I 2012, 17. 2 BMF v. 25.1.2006 – IV B 1 - S 1320 - 11/06, BStBl. I 2006, 26 Tz. 3. 3 § 1 Abs. 2 EG-AmtshilfeG.
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E. Internationale Ermittlungshilfe (Auskunftsaustausch auf Ersuchen)
chen brauchen sich nicht auf Verhältnisse in dem ersuchten Staat oder auf die Aufklärung von Beziehungen zwischen ersuchendem und ersuchtem Staat zu beschränken; ein Beispiel für die Einbeziehung von Verhältnissen zu Drittstaaten ist die Aufklärung von Gewinnverlagerungen innerhalb des Unternehmens über niedrig besteuernde Länder. Möglich sind auch Auskunftsverfahren, an denen drei oder mehr Staaten teilnehmen. Gegenstand eines Ersuchens kann damit alles sein, was Finanzgerichte zum Gegenstand eines Beweisbeschlusses machen können. Es ist aber Folgendes zu beachten: a) Die deutschen Finanzbehörden haben die Verhältnisse vorrangig unter Heranziehung der Quellen aufzuklären, die „üblicherweise im innerstaatlichen Besteuerungsverfahren zur Verfügung stehen“1 (§ 93 Abs. 1 Satz 3 AO).2 Die Bedeutung dieses sog. „Subsidiaritätsprinzips“ ist aber dadurch eingeschränkt, dass ein sich darauf berufender Steuerpflichtiger selbst verwertbare im Inland verfügbare Beweismittel benennen muss (§ 90 Abs. 3 AO). Es soll versagen, wenn die Amtshilfe im Vergleich zu den inländischen Aufklärungsmitteln das tauglichere Mittel ist; bei der dazu nötigen Abwägung werden aber auch entgegenstehende Interessen von Beteiligten zu berücksichtigen sein. b) Ob nach den Gegebenheiten des Einzelfalls ein Ersuchen zu stellen ist, hat die Finanzbehörde nach ihrem Ermessen zu entscheiden. Es ist nicht erforderlich, dass eine Steuerverkürzung im Inland schon feststeht; soll z.B. der tatsächliche Abfluss von Betriebsausgaben in das Ausland überprüft werden, so wird das Ersuchen nicht durch die Ungewissheit darüber ausgeschlossen, ob es der inländische Steuerpflichtige oder der Auslandspartner ist, der bei dem infrage stehenden Vorgang die (heimische) Steuer verkürzt hat. c) Nicht erforderlich ist, dass im Ausgangsverfahren eine strafbare Verkürzung vermutet wird. Sollen lediglich Voraussetzungen der Strafbarkeit festgestellt werden (z.B. der Vorsatz bei einer schon festgestellten Verkürzung), so ist der Rechtshilfeweg zu beschreiten (siehe Rz. 12.5 ff.). d) Die rechtserheblichen Tatsachen können auch zugunsten des Steuerpflichtigen wirken (sog. Entlastungsauskunft), wie überhaupt im Auskunftsverkehr der Rechtsgrundsatz des deutschen Steuerrechts zu beachten ist, dass die Finanzbehörden auch zugunsten des Steuerpflichtigen ermitteln sollen.3 Deshalb kann auch der Steuerpflichtige die Einholung internationaler Auskünfte zu seiner Entlastung beantragen. Ein rechtlich durchsetzbarer Anspruch wird allgemein verneint,4 was 1 Art. 26 Rz. 9a OECD-MK. 2 Siehe auch BMF v. 25.1.2006 – IV B 1 - S 1320 - 11/06, BStBl. I 2006, 26 Tz. 2.1.2. 3 Siehe BMF v. 25.1.2006 – IV B 1 - S 1320 - 11/06, BStBl. I 2006, 26 Tz. 1.1 Abs. 4 Satz 2. 4 Seer/Gabert, StuW 2010, 1 (5).
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12.26
Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
jedoch bei groben Ermessensfehlern der Finanzverwaltung nicht hinzunehmen ist.
12.27 Der Rahmen der anzufordernden Ermittlungen deckt im Allgemeinen die klassischen Beweismittel wie Befragungen von Auskunftspersonen, Anforderungen und Überlassung von Urkunden, Augenschein ab. Hierher gehören aber auch bloße Angaben aus den Steuerakten des erteilenden Staates und Angaben, die sich aus dem seiner Steuerverwaltung zugänglichen Material, z.B. aus Handels- oder Personenregistern oder aus den Medien, ergeben. Im Ermittlungsverfahren können jedoch nur Maßnahmen eingesetzt werden, die sowohl nach dem Recht des ersuchten wie dem des ersuchenden Staates angestellt werden können, sodass die Ermittlungsmöglichkeiten der beteiligten Steuerverwaltungen sich nicht erweitern. Der Ermittlungsrahmen im ersuchten Staat kann damit geringer sein als im anfragenden Staat, z.B. wegen weiterer Rechte zur Auskunftsverweigerung (z.B. Bankgeheimnis). Damit können sich Auskunftspersonen u.Ä. im ersuchten Staat auf die Ermittlungsgrenzen beider Staaten berufen;1 jedenfalls bei der DBA-Auskunft sind sie auch mit dem Einwand zu hören, die dort vorgesehenen Ermittlungen seien dem ersuchenden Staat nach seinem eigenen Steuerrecht nicht möglich.2 Aus alldem kann aber nicht abgeleitet werden, dass die Durchführung des Auskunftsersuchens, seine Intensität und seine besondere Vornahmeakte in beiden Staaten identisch sein müssen. Im Rahmen einer deutschen Betriebsprüfung erbetene Auskünfte können daher nicht verweigert werden, weil ein der deutschen Außenprüfung entsprechendes Verfahren im ersuchten Staat nicht besteht. Umgekehrt kann nach deutscher Praxis ein ausländisches Ersuchen i.R. einer laufenden deutschen Außenprüfung aufgeklärt werden.3 Zu weiteren Zusammenhängen mit der Außenprüfung siehe Rz. 12.52 ff.
12.28 Schranken hat die Anforderung und Leistung von Ermittlungshilfe vor allem in folgender Richtung:4 a) Die Möglichkeit, dass durch Auskunftsaustausch einem inländischen Beteiligten ein mit dem Zweck der Auskunftserteilung nicht zu vereinbarender Schaden droht, wird i.R. der Ermessensentscheidungen über die Einholung einer Auskunft Gewicht haben (die korrekte Besteuerung im Ausland wird nicht als Schaden anerkannt). b) Beschränkungen bestehen, wenn in dem Ersuchen oder in der Auskunft Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse mitzuteilen wären. Die deutsche 1 Beispiel: § 30a AO. 2 BMF v. 25.1.2006 – IV B 1 - S 1320 - 11/06, BStBl. I 2006, 26 Tz. 3.3.11 und 3.3.2.1; zum EU-Bereich; siehe Seer/Gabert, StuW 2010, 1 (5). Zur Einschränkung nationaler Bankgeheimnisse u.Ä. enthalten Art. 26 Abs. 5 OECD-MA (2008) sowie das Abkommensmuster ATIO und ihm folgender bilateraler Abkommen Verbote, die Auskunft aus Gründen solcher Bestimmungen abzulehnen. 3 BMF v. 25.1.2006 – IV B 1 - S 1320 - 11/06, BStBl. I 2006, 26 Tz. 3.23. 4 BMF v. 25.1.2006 – IV B 1 - S 1320 - 11/06, BStBl. I 2006, 26 Tz. 2 und 6.
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E. Internationale Ermittlungshilfe (Auskunftsaustausch auf Ersuchen)
Verwaltung1 nimmt ein solches Geheimnis an bei „Tatsachen und Umständen, die von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung und praktisch nutzbar sind.“2 Das Geheimhaltungsinteresse an Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen bloß aus steuerlichen Gründen wird damit für sich grundsätzlich nicht als schutzwürdig anerkannt. Das Gleiche gilt für Geheimhaltungsinteressen zwischen den beteiligten Unternehmensteilen (auch solchen zwischen den einzelnen Teilen eines Konzerns). Im Übrigen steht nach den DBA die Ablehnung von Auskünften auch bei geschützten Geheimnissen nur im Ermessen der Auskunft erteilenden Steuerverwaltung; der Schutz ist aber auch hier stets zu gewähren, wenn die Gefahr eines mit dem Zweck der Auskunftserteilung nicht zu vereinbarenden Schadens besteht.3 c) Auskunft wird i.d.R. nicht erteilt, wenn die Auskunft auf eine DBAwidrige Besteuerung zielt oder zu ihr führen könnte.4 Dies behält der auskunftsgebenden Verwaltung ein Recht der Vorwegprüfung vor, das z.B. bei Auskunftsersuchen von Bedeutung sein kann, die sich auf die internationale Gewinnabgrenzung beziehen. Zur Klärung wird u.U. eine vorweg zu treffende Verständigung notwendig sein. Die deutsche Verwaltung hat sich vorbehalten, die Auskunft in Zweifelsfällen von der Bereitschaft des Partnerlandes zur Klärung in einem Verständigungsverfahren abhängig zu machen.5 d) Der Rechtsschutz von Steuerpflichtigen bzw. Beteiligten setzt voraus, dass diese von der Einleitung eines gegen sie gerichteten Ersuchens unterrichtet werden.6 Die wenig bestimmten Grundsätze der deutschen Verwaltung sehen dies zwar im Grundsatz vor.7 Bei Außenprüfungen u.Ä. von Auslandbeziehungen soll aber ein bloß allgemeiner Vorbehalt genügen, dass internationale Amtshilfe benutzt wird. Für Datenbestände, die im Massenverfahren der Besteuerung in Steuererklärungen u.Ä. zu erklären sind, begnügt sich die Verwaltung in ihren Vordruckserläuterungen mit dem ganz allgemeinen Hinweis auf die Möglichkeit ihrer Verwendung im internationalen Auskunftsverkehr. Dies wird zumindest dann nicht genügen, wenn sich Steuerpflichtige und Beteiligte ausdrücklich im gegebenen Fall die Überprüfung der Rechtslage vor1 BMF v. 25.1.2006 – IV B 1 - S 1320 - 11/06, BStBl. I 2006, 26 Tz. 3.3.1.3. 2 BFH v. 20.2.1979 – VII R 16/78, BStBl. II 1979, 268 (272); BMF v. 25.1.2006 – IV B 1 - S 1320 - 11/06, BStBl. I 2006, 26 Tz. 3.3.1.4; zu Gegenmeinungen und zum Streitstand vgl. T/K, § 117 AO Rz. 16 ff.; Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 107–111; Höppner in G/KG, Art. 26 OECD-MA Rz. 207 ff. 3 § 3 Abs. 1 Nr. 4 EG-AmtshilfeG. 4 Siehe BMF v. 25.1.2006 – IV B 1 - S 1320 - 11/06, BStBl. I 2006, 26 Tz. 3.3.1.2; die besondere, sichernde Bestimmung in § 3 Abs. 1 Nr. 2 EG-AmtshilfeG wurde allerdings aufgehoben. 5 BMF v. 25.1.2006 – IV B 1 - S 1320 - 11/06, BStBl. I 2006, 26 Tz. 3.3.2.3 Satz 1; der weitergehende allgemeine Vorbehalt eines Schiedsverfahrens in § 3 Abs. 3 Satz 2 EG-AmtshilfeG a.F. wurde aufgehoben. 6 BMF v. 25.1.2006 – IV B 1 - S 1320 - 11/06, BStBl. I 2006, 26 Tz. 3.3.1.3. 7 Siehe im Einzelnen BMF v. 25.1.2006 – IV B 1 - S 1320 - 11/06, BStBl. I 2006, 26 Tz. 2.1.3. und 5.
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Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
behalten. Einwendung gegen die Stellung eines Auskunftsersuchens können Steuerpflichtige und sonstige Betroffene vor den deutschen Finanzgerichten durch Unterlassungsklage und ggf. einstweilige Verfügung durchsetzen.1
12.29 Im ersuchten Staat wird nach der Zulassungsprüfung das Ermittlungsverfahren eingeleitet. Grundlage ist das allgemeine nationale Recht (siehe in Deutschland § 117 Abs. 3 AO), soweit es nicht weiter geht als die Ermittlungsmöglichkeiten des ersuchenden Staats (siehe Rz. 12.27): a) Hierzu gehören vor allem die Anhörung von Auskunftspersonen, die Anordnung der Vorlage von Unterlagen und von Gutachten. Anzufordern sind diese Unterlagen durch Verwaltungsakte mit Außenwirkung, gegen die die Betroffenen in Deutschland die gleichen Rechte haben wie in national veranlassten Verfahren. Geltend gemacht werden können hierbei Einwendungen gegen die Zulässigkeit des Ersuchens als solches, das Berufen auf Schranken des Auskunftsaustauschs (z.B. Geschäftsgeheimnisse), drohende Doppelbesteuerung, nicht aber Einwendungen gegen die Anwendung ausländischen Rechts im Ausgangsverfahren. b) Die Ermittlungen können sich ggf. auf die Erhebung von der ersuchten Verwaltung bekannten Tatsachen, der Beiziehung von Akten oder der Nutzung allgemein zugänglicher Quellen bestehen.2 Inwieweit hierbei in die Rechte Außenstehender eingegriffen wird, ist Sache des Einzelfalls und von der Ermittlungsbehörde verantwortlich zu prüfen; die deutsche Verwaltung nutzt einen Ausnahmenkatalog, der wiederum vor allem Angaben in Steuererklärungen generell zulässt, bei deren Erhebung auf die Möglichkeit des Auskunftsaustauschs hingewiesen wurde.3 Im Übrigen gilt zu Anhörung und Gegenmaßnahmen das zu a) Gesagte.
12.30 Das Ermittlungsergebnis wird von der ersuchten Verwaltung in geeigneter Form zusammengefasst und so der ersuchenden Finanzverwaltung übergeben. Diese nutzt es im Ausgangsverfahren nach den eigenen Regeln der Beweisverwertung. So werden die ermittelten Dokumente bewertet und Vernehmungsprotokolle über die Anhörung ausländischer Auskunftspersonen als Beweisunterlagen verwendet. Der Steuerpflichtige ist zu der Auskunft anzuhören, kann eigene Beweismittel angeben und weitere Ermittlungen beantragen. Bei Streit hierüber kann ein ergänzendes Auskunftsersuchen gestellt werden. Gegebenenfalls ist es Sache der Finanzgerichte, über streitige tatsächliche Fragen im Wege der allgemeinen Grundsätze über die Beweiswürdigung zu entscheiden. Ein direkte Amtshilfe zwischen den Finanzgerichten des ersuchenden und ersuchten Staates ist jedoch mangels entsprechender Rechtsgrundlage nicht möglich. 1 BMF v. 25.1.2006 – IV B 1 - S 1320 - 11/06, BStBl. I 2006, 26 Tz. 6.2. 2 Zu den Problemen hierbei siehe BFH v. 17.5.1995 – I B 118/94, BStBl. II 1995, 497 (Zufallserkenntnisse bei automatischer Auskunft). 3 BMF v. 25.1.2006 – IV B 1 - S 1320 - 11/06, BStBl. I 2006, 26 Tz. 5.1 Abs. 2.
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E. Internationale Ermittlungshilfe (Auskunftsaustausch auf Ersuchen)
Dies schließt es nicht aus, dass das Gericht die Finanzverwaltung zur Anforderung von internationaler Amtshilfe auffordert. Der gesamte Auskunftsverkehr unterliegt einer besonders ausgestalteten Form des Steuergeheimnisses. Diese Form gilt nicht nur für erteilte Auskünfte, sondern auch für Informationen, die in das Auskunftsersuchen selbst oder in Erläuterungen eingeflossen sind. Dieser Geheimnisschutz hat zwei Stufen: a) Beim Auskunftsverkehr unterliegen zunächst alle in ihm bekannt werdenden Verhältnisse von Steuerpflichtigen oder Dritten dem nationalen Steuergeheimnis (in Deutschland § 30 AO, weil der Austausch ein steuerliches Verwaltungsverfahren ist).1 Gleiches gilt für die infrage kommenden Partnerverwaltungen. Der Geheimnisschutz beruht insoweit auf nationalem Recht. Völkerrechtliche Grundlagen brauchen ihn nicht noch besonders festzulegen.2 Das nationale Steuergeheimnis gilt allerdings insoweit mit allen seinen Einschränkungen, in der Bundesrepublik Deutschland etwa denen des § 31a AO. In anderen Staaten finden sich weiter gehende Ausnahmen (z.B. für Mitteilungen an Devisenbehörden); ohne den zusätzlichen Schutz der zweiten Stufe wären die Beteiligten dagegen nicht geschützt. b) Als zweite Stufe enthalten DBA und EG-Amtshilfe-Richtlinie eine eigenständige Geheimhaltungsklausel.3 Sie begründet einen vom nationalen Recht unabhängigen Geheimhaltungsschutz, der nach drei Richtungen wirkt: Einmal gilt er auch gegenüber Einschränkungen des nationalen Steuergeheimnisses; z.B. ist eine Bekanntgabe von Auskünften an Devisenbehörden, die das nationale Abgabenrecht des Auslandes vorsieht, durch diese Klausel ausgeschlossen. Zweitens begründet die Klausel gleichsam ein „Steuergeheimnis innerhalb des Steuergeheimnisses“. Die geschützten Auskünfte dürfen nämlich innerhalb der betreffenden Steuerverwaltung nur den mit den betreffenden Steuern befassten Beamten zugänglich gemacht werden. Die dritte Wirkung der Klausel ist, dass sie völkerrechtlichen Charakter hat. Ihre Verletzung berührt nicht nur nationales Recht und löst nicht allein die dort vorgesehenen Sanktionen aus; sie stellt vielmehr die Verletzung einer internationalen Verpflichtung des betreffenden Staates mit den daraus erwachsenden Rechtsfolgen zur Wiedergutmachung dar. Diese wird darin zu bestehen haben, dass der Steuerpflichtige so zu stellen ist, wie er bei Beobachtung seiner Verpflichtung stünde (Verbot der internen Verwertung außerhalb des zugelassenen Rahmens). Für die Bundesrepublik Deutschland ist der Geheimnisschutz im Ausland nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Voraussetzung dafür, dass im Auskunftsaustausch in das Recht der informationellen Selbst1 § 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO. 2 Eine solche Festlegung sehen Art. 26 Abs. 1 OECD-MA und die EG-AmtshilfeRL vor. 3 BMF v. 25.1.2006 – IV B 1 - S 1320 - 11/06, BStBl. I 2006, 26 Tz. 1.3.1.
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12.31
Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
bestimmung eingegriffen wird.1 Fehlt im Ausland ein ausreichender Datenschutz, so schließt dies den Auskunftsaustausch aus. Das BMF kann sich die Gewährung des rechtlich bestehenden Geheimnisschutzes für den Einzelfall noch besonders von der betreffenden Finanzverwaltung zusichern lassen.2
12.32 Das Auskunftsverfahren ist zeitaufwendig.3 Das Fehlen unmittelbarer Kontakte zwischen den deutschen Stellen, die das Ausgangsverfahren betreiben, und den ermittelnden ausländischen Stellen setzen seiner Wirksamkeit Grenzen. Die deutsche Steuerverwaltung strebt Beschleunigung und Flexibilisierung an. Dazu sollen dienen – „Voranfragen“4 zur Feststellung, ob ein Auskunftsersuchen Aussicht auf Erfolg hat. Sie sollen beschränkt sein auf allgemein zugängliche Angaben wie Namen oder Anschriften von Geschäftspartnern u.Ä.;5 – Kurzersuchen, die von der Behörde des Ausgangsverfahrens unmittelbar beim BZSt zu beantragen sind;6 – Entsendung von Steuerbeamten des anfragenden Staates in den ersuchten Staat, die dort „das Ersuchen erläutern, die Ermittlungsergebnisse entgegennehmen und etwaige Hinweise für weitere Ermittlungen geben.“7 Die Teilnahme an den Ermittlungshandlungen des ersuchten Staats ist in diesem Auftrag nicht eingeschlossen (zu Maßnahmen im Zusammenhang mit abgestimmten Betriebsprüfungen siehe Rz. 12.189). Nach Planung der EU-Kommission ist mit weiteren Maßnahmen zur Effizienzsteigerung im europäischen Bereich zu rechnen, so durch verkürzte Amtshilfewege, die Einführung eines einheitlichen Systems digitaler Formulare, die Nutzung des für die Mehrwertsteuer in der EU bestehenden elektronischen Netzwerkes und verbindliche Fristen für die Reaktionen auf Ersuchen.
1 BVerfG v. 15.12.1983 – 1 BvR 209/83, 1 BvR 269/83, 1 BvR 362/83, 1 BvR 420/83, 1 BvR 440/83, 1 BvR 484/83, BVerfGE 65, 1 ff. Zum Diskussionsstand hierzu siehe Höppner in G/K/G, Art. 26 OECD-MA Rz. 73; Engelschalk in V/L5, Art. 26 OECD-MA Rz. 64. 2 BMF v. 25.1.2006 – IV B 1 - S 1320 - 11/06, BStBl. I 2006, 26 Tz. 1.3.2; hierzu und zu Fragen des Rechtsschutzes siehe Seer/Gabert, StuW 2010, 3 (18). 3 Das BMF v. 25.1.2006 – IV B 1 - S 1320 - 11/06, BStBl. I 2006, 26 Tz. 2.2.6 gibt Laufzeiten zwischen „mehreren Wochen“ und „mehr als einem Jahr“ an. 4 BMF v. 25.1.2006 – IV B 1 - S 1320 - 11/06, BStBl. I 2006, 26 Tz. 2.2.4 (MerkblAuskV). 5 BMF v. 25.1.2006 – IV B 1 - S 1320 - 11/06, BStBl. I 2006, 26 Tz. 2.2.4. 6 BMF v. 25.1.2006 – IV B 1 - S 1320 - 11/06, BStBl. I 2006, 26 Tz. 2.2.4 Satz 2 u. Anlage 5. 7 BMF v. 25.1.2006 – IV B 1 - S 1320 - 11/06, BStBl. I 2006, 26 Tz. 2.2.5.
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F. Austausch spontaner und automatischer Auskünfte
F. Austausch spontaner und automatischer Auskünfte Der Auskunftsaustausch auf Ersuchen setzt voraus, dass der ersuchende Staat in seinem Territorium bereits Ziel und Vorgaben für die angeforderten Ermittlungen feststellen konnte. Er ersetzt nicht Kontrollformen, die Feststellungen aus dem Umfeld eines Steuerpflichtigen oder aus größeren Datenbeständen zur gezielten Einleitung von Ermittlungen nutzen (Kontrollmitteilungen, Umfeldüberwachung). Der Auskunftsverkehr auf Ersuchen wurde im Blick hierauf durch die Auskunftserteilung ohne vorangehendes Ersuchen ausgeweitet (sog. spontane und automatische Auskünfte). Der solche Auskünfte erteilende Staat leistet damit dem empfangenden Staat potenziell Ermittlungshilfe für die Aufdeckung neuer Kontrollfälle. Ausdrücklich vorgesehen ist dies in § 2 EG-AmtshilfeRL (§ 2 Abs. 2 EG-AmtshilfeG). Die h.M. hält diese Form der Zusammenarbeit aber auch bei den großen Auskunftsklauseln der DBA für zulässig, da die i.d.R. hierzu verwendete OECD-Klausel1 nach ihrem Wortlaut den Auskunftsaustausch als solchen zulässt, ohne das Vorliegen eines Ersuchens oder ein bereits eröffnetes Ausgangsverfahren zu verlangen.2 Diese Techniken setzen eine Verständigung bei der Planung bzw. bei der Durchführung voraus. Die deutsche Finanzverwaltung ist dazu übergegangen, die Einzelheiten in vertragsartigen Absprachen mit Partnerstaaten festzulegen.3 In der EU ist es bei der Mehrwertsteuer zu einer engen Verzahnung der Steuerverwaltungen gekommen, die in Kapitel 13 gesondert dargestellt ist.
12.33
Bei spontaner Auskunftserteilung greift die sie leistende Finanzverwaltung konkrete Anzeichen für eine Steuerverkürzung in einem anderen Staat auf und prüft einzelfallbezogen ihre Bedeutung und teilt sie der betroffenen Finanzverwaltung mit. Im Unternehmensbereich gehören zu den Schwerpunkten solcher Mitteilungen die Erfassung des Lieferungsund Leistungsverkehrs über die Grenze und die Kontrolle von Innenverhältnissen der international tätigen Unternehmen (z.B. Steuerreduzierungen durch unrichtige Verrechnungspreise, Gewinnumleitungen in Drittländer und die steuerentlastende unsymmetrische Behandlung von Vorgängen innerhalb des Gesamtunternehmens). Voraussetzung und Schranke für die Erteilung spontaner Auskünfte ist auch hier deren Eignung für die Besteuerung des Staates, dem sie zugehen, ohne dass jedoch
12.34
1 S. hierzu Art. 26 Rz. 95 OECD-MK. 2 So i.E. schon BFH v. 29.4.1992 – I B 12/92, BStBl. II 1992, 645; v. 17.5.1995 – I B 118/94, BStBl. II 1995, 497 zum DBA-USA; BMF v. 25.1.2006 – IV B 1 - S 1320 11/06, BStBl. I 2006, 26 Tz. 4; streitig ist, ob dies für vor 1977 geschlossene DBA gilt, da die OECD-Länder erst zu diesem Zeitpunkt die heutige Auslegung dokumentierten. Zum Streitstand siehe Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 18. 3 2010 bestanden solche Absprachen mit Frankreich (BStBl. I 2004, 1184), Tschechische Republik (BStBl. I 2005, 904; Dänemark (BStBl. I 2005, 498); Lettland (BStBl. I 2006, 359).
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Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
die konkrete Steuerpflicht feststehen muss.1 Mit Staaten, mit denen nur eine kleine Auskunftsklausel besteht, kommen nur Auskünfte über Einkünfte in Betracht, die Deutschland nach dem DBA steuerlich entlastet hat.
12.35 Grundsätzlich liegt diese Form der Ermittlungshilfe im Ermessen der erteilenden Verwaltung. Die EG-AmtshilfeRL setzt dafür allgemeine Ermessens-Maßstäbe, die die deutsche Verwaltung verallgemeinert hat.2 Der besondere Zweck, nur international zu erhebende Hinweise auf Kontrollnotwendigkeiten zu erfassen, ist bei der Rechtsanwendung als Grenze, aber auch als Leitlinie zu beachten (so hat die Subsidiarität im Zielstaat zurückzutreten, da sie vom erteilenden Staat nicht zu beurteilen ist, verbietet aber Mitteilungen, die jenem nach den Umständen offen vorliegen). Die deutsche Verwaltung nimmt ein eigenes deutsches öffentliches Interesse an der spontanen Auskunft über Einkünfte an, bei denen Deutschland in DBA auf die Besteuerung verzichtet hat. Im Übrigen gelten grundsätzlich die allgemeinen Grenzen des Auskunftsverkehrs (siehe Rz. 12.28). Es gelten auch die Grundsätze zur Unterrichtung von Personen, von denen die übertragenen Daten stammen; die deutsche Verwaltung lässt aber ihre allgemeinen Hinweise in erklärungsbegleitenden Hinweisen auch hierfür genügen. Zu beachten ist, dass es vor allem bei Mitteilungen über Verrechnungspreise leicht zu materiellen Differenzen beider Finanzverwaltungen kommen kann. Der Auskunftsaustausch setzt hier eine verlässliche Aussicht auf Verständigung voraus, da sonst eine den Auskunftsverkehr ausschließende Gefahr doppelter Besteuerung besteht.
12.36 Mit der automatischen Auskunft werden alle in einem Staat anfallenden Auskünfte über bestimmte Sachverhalte (z.B. Steuererstattungen aufgrund von DBA) einem anderen Staat periodisch überlassen, ohne dass im Einzelfall eine besondere Überprüfung stattfindet. Besonderheiten sind: a) Die Auskünfte sind auf eng begrenzte Tatbestände begrenzt, zu denen bei den direkten Steuern zurzeit im Wesentlichen die Entlastung von deutschen Steuerabzügen nach § 50d EStG gehört. Diese Tatbestände müssen in Verwaltungsvereinbarungen festgelegt werden.3 b) Die Mitteilung erfolgt in sämtlichen bekannt werdenden Fällen, steht also nicht im einzelfallbezogenen Ermessen der erteilenden Verwaltung. c) Eine Anhörung Betroffener findet nicht oder nur eingeschränkt statt (§ 2 Abs. 3 Satz 2 EG-AmtshilfeG). 1 BFH v. 17.5.1995 – I B 118/94, BStBl. II 1995, 497; BFH v. 15.2.2006 – I B 87/05, BStBl. II 2006, 616. 2 § 2 Abs. 2 EG-AmtshilfeG, BMF v. 25.1.2006 – IV B 1 - S 1320 - 11/06, BStBl. I 2006, 26 Tz. 4.1.1; siehe dazu EuGH v. 13.4.2000 – Rs. C-420/98 – Staatssekretaris van Financíen – IStR 2000, 334. 3 Siehe dazu BMF v. 25.1.2006 – IV B 1 - S 1320 - 11/06, BStBl. I 2006, 26 Tz. 4.1.2.
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G. Verständigungsverfahren und Konsultation
Zum Bereich, in dem automatische Auskünfte erteilt werden, sind folgende Gruppen zu unterscheiden:
12.37
– Die Mitgliedsländer der EU teilen sich gegenseitig automatisch alle Zinszahlungen aus ihrem Gebiet an in anderen EU-Staaten Ansässige mit.1 Sie sichern dies durch Ermittlungshilfe ab, indem sie die die Zinsen zahlenden Personen oder Stellen zu entsprechenden Mitteilungen an ihre zentralen Behörden (in Deutschland BZSt) verpflichten.2 – Allgemein werden automatisch mitgeteilt die Einkünfte beschränkt Steuerpflichtiger, die im Kontrollmelde-Verfahren von deutschen Abzugssteuern entlastet werden (§ 50a Abs. 10 EStG), gleichgültig ob es sich um EU- oder Nicht-EU-Länder handelt und ob eine große oder kleine Auskunftsklausel vereinbart ist. – Mit einer zunehmenden Zahl von Staaten wird darüber durch besondere Vereinbarungen der Austausch von automatischen Auskünften erweitert. Die Vereinbarungen von 2005 nennen alle Einkünfte i.S. der Art. 6–23 OECD-MA sowie Informationen über Grundstückserwerb, über die Errichtung, Übertragung und Umstrukturierung von Unternehmen. Die deutsche Finanzverwaltung weist in diesen Bereichen nicht auf die Auskunftserteilung hin oder kündigt sie nur allgemein durch Hinweise in den Anlagen zu Erklärungsvordrucken an. Zu den weiterhegenden Regelungen bei der Mehrwertsteuer siehe Kapitel 13. Zu Besonderheiten im Steuerstrafverfahren s. Rz. 12.191 ff.).
G. Verständigungsverfahren und Konsultation Die international tätigen Unternehmen treffen in den Tätigkeitsländern 12.38 auf isoliert voneinander arbeitende Steuerverwaltungen und müssen mit deren Koordinationsdefiziten (siehe Rz. 12.2 ff.) rechnen. Im nationalen Raum gehört es z.B. zum Regelservice der dortigen Finanzbehörden, unter einheitlichem Recht dafür zu sorgen, dass Einzelsachverhalte steuerlich überall im Staatsgebiet gleich beurteilt und dass Gewinne zwischen Nahestehenden übereinstimmend abgegrenzt werden. Sind mehrere Steuerverwaltungen tätig, so kann diese Koordination des Besteuerungsvollzugs zunächst nur unternehmensseitig durch die Zusammenarbeit des Unternehmens mit den isoliert vorgehenden Steuerverwaltungen erreicht werden (Selbstregulierung). Ergibt sich, dass die Fisken in der Sachverhalts1 Für eine Übergangszeit bilden eine Ausnahme die Länder Belgien, Luxemburg und Österreich, die anstelle der Mitteilung eigene Abzugsteuern erheben und im Wesentlichen an die Länder des Zinsempfängers überstellen. 2 Zu den Einzelheiten siehe die VO v. 26.1.2004, BGBl. I 2004, 428 i.d.F. des Gesetzes v. 5.11.2007, BGBl. I 2562 und BMF v. 6.1.2005 – IV C 1 - S 2000 - 363/04, BStBl. I 2005, 29 (geändert durch BMF v. 27.1.2006 – IV C 1 - S 2402a - 4/06, BStBl. I 2006, 439).
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Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
oder Rechtsbeurteilung divergieren, liegen störende Verwerfungen der nationalen Rechte vor oder kommt es zu unterschiedlichen Schätzungen und belastet dies das Unternehmen, so muss dessen internationales Steuermanagement durch eigene Anträge an die beteiligten Steuerverwaltungen und ggf. durch Rechtsmittel versuchen, Entscheidungsharmonie zu erreichen. Diese Selbstregulierung der international tätigen Unternehmen wird vielfach von den Steuerverwaltungen unterstützt. In Deutschland zeigt sich dies bei Außenprüfungen. Zeichnen sich bei ihnen z.B. deutsche Gewinnberichtigungen ab, die im Ausland Gegenberichtigungen notwendig machen können, so sollen die Prüfungsstellen dies rechtzeitig (also vor der Schlussbesprechung) den Betroffenen bekannt machen und ihnen so Zeit zu geben, die Sache mit den Finanzbehörden des betroffenen Staates zu besprechen.1 Zeichnet sich umgekehrt im Ausland eine Berichtigung zulasten deutscher Gewinne ab, so hat die örtlich zuständige deutsche Finanzbehörde die Sache frühzeitig mit den deutschen Betroffenen zu erörtern, wenn diese sie ihr vortragen.2 Die deutsche Finanzverwaltung überprüft allerdings auch Vereinbarungen, die Unternehmen zu ihren Lasten mit anderen Verwaltungen getroffen haben und verweigert ihnen ggf. die Anerkennung.3 Sie überprüft ferner, ob die Unternehmen ungerechtfertigt Chancen zur Steuerminimierung wahrgenommen haben, die sich aus unterschiedlichen Steuerrechten und unabgestimmtem Verwaltungshandeln ergeben.
12.39 Die Dichte internationaler Beziehungen hat dazu geführt, dass sich eine eigene Koordination der Steuerverwaltungen untereinander entwickelt hat. Grundlage war die in den DBA allgemein vorgesehene Verständigungsregelung nach dem Vorbild des Art. 25 Abs. 1 OECD-MA. Die Abklärung der Verhältnisse international tätiger Unternehmen und ihrer internen Beziehungen ist seit je Schwerpunkt solcher Verfahren. Geführt und entschieden werden diese durch Zentralbehörden der beteiligten Staaten („zuständige Behörden“), die sich zur Sachaufklärung und Umsetzung der Verständigung der örtlichen nationalen Behörden bedienen.4 Es sind folgende, für die Unternehmensbesteuerung wichtige Formen zu unterscheiden: a) Im bilateralen Konsultationsverfahren (Art. 25 Abs. 3 OECD-MA) verständigen sich Steuerverwaltungen „über Schwierigkeiten und Zweifel bei der Auslegung und Anwendung des Abkommens“; es geht es um die allgemeine Klärung fallgruppenbezogener Fragen, sodass der Bezug 1 BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461 Tz. 6.2 (Merkblatt zum internationalen Verständigungs- und Schiedsverfahren auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen); BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 1/05, BStBl. I 2005, 570 Tz. 1.2.5 (VWG-Verfahren). 2 BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Tz. 1.2.6. 3 Vgl. dazu FinMin BW, Erl. v. 28.11.1994 – 1300/26, IStR 1995, 36, nach dem bei der Überprüfung von Verrechnungspreisen das Bestehen derartiger Vereinbarungen bei Prüfungen vorweg festgestellt werden soll. 4 Siehe eingehend Art. 25 OECD-MK; BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461.
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G. Verständigungsverfahren und Konsultation
zum Einzelfall zumindest formal fehlt. Besondere Regelungen für diese Zusammenarbeit auf der Ebene der Normorientierung haben sich nicht gebildet. Bei für die Unternehmensbesteuerung wesentlichen Fragen (vor allem der Gewinnabgrenzung) spielt sich diese Art der Koordination vielfach in multilateralen Arbeitsgruppen von OECD und EU ab (Beispiel: OECD-Berichte zur Gewinnabgrenzung). b) Das klassische „Verständigungsverfahren“ des Art. 25 Abs. 1 und 2 OECD-MA lässt einzelfallbezogene Verfahren auf Antrag Beteiligter zu. Voraussetzung ist, dass der Antrag konkret eine abkommenswidrige Besteuerung anspricht, womit die beiden Verwaltungen eine gemeinsame Rechtsgrundlage für die Fallentscheidung haben, deren einverständliche Beseitigung sie anstreben (Art. 25 Abs. 1 und 2 OEDC-MA). c) Aus der Sicht der Steuerverwaltungen kann eine einzelfallbezogene Koordination ohne Antrag notwendig werden, z.B. wenn Unternehmen Möglichkeiten zur Steuerminimierung wahrgenommen haben. Grundlage dafür kann der Auskunftsaustausch sein. Meist wird auch diese Art der Zusammenarbeit auf die Bestimmung über das Konsultationsverfahren (siehe a)) gestützt. Dies ist aus dem Wortlaut des Art. 25 Abs. 3 OECD-MA nicht ohne Weiteres zu widerlegen. Es ist aber bedenklich, dass eine stringente Regelung fehlt, die das Interesse der Unternehmen nach angemessenem Rechtsschutz gewährleistet. d) Art. 25 Abs. 3 Satz 2 OECD-MA sieht eine vertragsergänzende Verständigung über die Frage vor, „wie eine Doppelbesteuerung in Fällen vermieden werden kann, die in dem Abkommen nicht vorgesehen sind“;1 sie kann einzelfall- oder fallgruppenbezogen sein und sich in Einzelfällen an das Verständigungsverfahren i.S.v. b) anschließen, wenn bei Letzteren eine Verständigung fehlgeschlagen ist. Bei allen diesen Formen der „Verständigung“ handelt es sich um Vorgänge auf der Verwaltungsebene. In durch das Prinzip der Gewaltenteilung beherrschten Ländern berühren sie deren Normbestand nicht und haben für die Judikative keinerlei bindende Wirkung. Beteiligte des Verfahrens sind nach h.M. ausschließlich die sie führenden Zentralstellen; zu ihrem Verhältnis zu nachgeordneten Stellen und dem Verkehr zu diesen siehe für Deutschland ausführlich die einschlägigen Ausführungen des BMFMerkblatts.2 Beim klassischen einzelfallbezogenen Verständigungsverfahren muss der Antragsteller die „Auffassung“ darlegen, dass durch Maßnahmen einer beteiligten Verwaltung eine „nicht dem DBA entsprechende Besteuerung“ droht. Ob die fragliche Maßnahme tatsächlich abkommenswidrig ist, ist Gegenstand der Prüfung im Verständigungsverfahren, nicht Zulässigkeitsvoraussetzung. Ein „Drohen“ wird im Allgemeinen schon dann anzunehmen sein, wenn die Finanzbehörde eines Vertragsstaates in ei1 Art. 25 Abs. 3 Satz 3 OECD-MA. 2 BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461.
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12.40
Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
nem Besteuerungsverfahren (z.B. Betriebsprüfung) bestimmte Maßnahmen nach Überprüfung angekündigt oder sich zur steuerlichen Beurteilung eines Sachverhaltes durch eine Auskunft geäußert hat. Wichtigster Fall ist, dass es in einem Bereich, in dem das Abkommen die Doppelbesteuerung nach seinem Regelungsgehalt beseitigt, durch Maßnahmen der beiden Staaten zu einer doppelten Erfassung von Steuersubstrat kommt, z.B. durch unterschiedliche Handhabung der Gewinnabgrenzung zwischen Betriebsstätten oder des Fremdvergleich-Grundsatzes. Es steht dann fest, dass eine der beiden Maßnahmen abkommenswidrig sein muss, mag auch offen sein, welche der beiden dies ist. Es genügt aber auch, dass der fraglichen Maßnahme ein Diskriminierungsverbot des DBA entgegensteht.
12.41 Zu den Verfahrensvoraussetzungen und dem Verfahren1 für den Antrag haben sowohl die EU wie die OECD-Grundsätze formuliert, die als internationaler Standard anzusehen sind und die die deutsche Steuerverwaltung ihrem ausführlichen Merkblatt dazu zugrunde gelegt hat. Die meisten Staaten behandeln das Verfahren flexibel. Hervorzuheben ist Folgendes: – Die Verfahren können während laufender Außenprüfungen geführt und ggf. durch solche ausgelöst werden; die Anhängigkeit von Rechtsmitteln (Einspruch, Klage vor dem Finanzgericht) steht dem Antrag und seiner Bescheidung nicht entgegen.2 – Das Verfahren wird im Allgemeinen zumindest in einem Staat durch ein Ausgangsverfahren ausgelöst, z.B. durch eine Außenprüfung; der andere Staat hat ggf. ein eigenes Erledigungsverfahren einzuleiten; beide Verfahren richten sich allein nach nationalem Recht. – Die deutschen DBA sehen – im Gegensatz zum OECD-MA – meist keine Frist für den Antrag vor; gleichwohl ist es zweckmäßig, den Antrag möglichst bald zu stellen, nachdem sich herausgestellt hat, dass der Verständigungssituation nicht ausgewichen werden kann.3 – Für die Verständigung selbst ist letztlich die das Verfahren führende „zuständige Behörde“ i.S. des DBA; in der Bundesrepublik Deutschland ist dies das BZSt, das ggf. seine Prüfungsstellen ergänzend einsetzt. Viele Finanzverwaltungen (darunter die deutsche) lassen aber auch die Antragstellung bei einer nachgeordneten Behörde, z.B. dem zuständigen Finanzamt, zu.4
1 Vgl. zum Folgenden BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461 Tz. 3 und 4 (MerkblVerstV). 2 BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461 Tz. 5.1.2; nach rechtskräftiger Entscheidung über ein Rechtsmittel kann ggf. ein Verständigungsverfahren eingeleitet werden um eine drohende Doppelbesteuerung zu vermeiden. 3 BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461 Tz. 2.2. 4 Im Einzelnen siehe BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461 Tz. 2.1.4.
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G. Verständigungsverfahren und Konsultation
– Der Antrag soll grundsätzlich in dem Staat gestellt werden, in dem der Antragsteller ansässig ist.1 Sind mehrere Personen betroffen (z.B. bei einer Gewinnberichtigung im Falle verbundener Personen), ist jeder Beteiligte zur Antragstellung in seinem Staat berechtigt. International geht die Tendenz aber dahin, dass bei Ober- und Untergesellschaft die Obergesellschaft den Antrag im Staat ihrer Ansässigkeit stellt. Ziel des Verständigungsverfahrens ist es, die dem „Abkommen nicht entsprechende Besteuerung zu vermeiden“. Es damit einzusetzen, um auf Basis des DBA festzustellen, ob Anknüpfungsmerkmale für die Besteuerungszuweisung an den Quellenstaat vorliegen (z.B. eine Betriebstätte i.S. des DBA besteht) bzw. zu klären, wieweit der Wohnsitzstaat verpflichtet ist, eine Doppelbesteuerung durch Freistellung bestimmter Einkünfte bzw. durch Anrechnung von Steuern des Quellenstaates zu vermeiden. Herkömmlicherweise dienen sie auch der Erledigung von Verfahrensfragen, z.B. wenn Schwierigkeiten im Entlastungsverfahren bei Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren entstehen. In diesem Rahmen können in ihnen die Folgen nationalen Rechts für die Abkommensanwendung geklärt werden; in die Verständigung fließen damit ggf. Auslegungsfragen des nationalen Rechts und deren Tragweite für die DBA-Anwendung ein (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA). Bei international tätigen Unternehmen bilden Schwerpunkte – die Zuordnung von Aktivitäten und Wirtschaftsgütern zu einzelnen Betriebsstätten oder Konzerngesellschaften und die Besteuerungsrechte für das damit erzielte Steuersubstrat; hierher gehören auch Fragen der Behandlung von Personengesellschaften; – die Abgrenzung der Gewinne zwischen den Unternehmensteilen, insbesondere die Bemessung von Verrechnungspreisen nach dem Grundsatz des Fremdvergleichs; – die Beurteilung von Finanzierungsmodalitäten, verdeckten Gewinnausschüttungen und sonstigen Gegebenheiten, die sich auf das von den beteiligten Staaten zu erfassende Steuersubstrat auswirken, sowie die Behandlung von Qualifikationskonflikten; – Fragen die sich aus der Beurteilung von besonderen Geschäftsformen, Gestaltungen oder aus der Anwendung besonderer nationaler Vorschriften zur Gestaltungskontrolle ergeben; – Probleme aus dem Verhältnis zu Drittstaaten, soweit sie das Besteuerungssubstrat in den das Verfahren führenden Staaten beeinflussen. Verfahrensgegenstand können alle DBA-Verstöße sein, z.B. unrichtige Inanspruchnahme des Besteuerungsrechts, Diskriminierung, oder rechtsbeeinträchtigende Säumnisse bei Entlastungen.2 Doppelbesteuerungen sind auch dann zu beseitigen, wenn aus tatsächlichen oder rechtlichen
1 BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461 Tz. 2.1.2. 2 BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461 Tz. 2.3.
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12.42
Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
Gründen nicht zu klären ist, welchem der beiden Staaten das Besteuerungsrecht zusteht.1
12.43 Zur sachlichen Erledigung des Verfahrens können die Vertragsstaaten den Streitgegenstand bildenden Fall in voller Breite erörtern. Hierbei ist Folgendes zu beachten: a) Die Sacherledigung stützt sich auf die die gemeinsame Rechtsgrundlage bildenden DBA-Bestimmungen. Herkömmlicherweise werden aber auch Auslegung und Anwendung nationalen Rechts erörtert, das für die Bemessung des den beiden Staaten zustehenden Steuersubstrats von Bedeutung ist und über dessen Anwendung jeder beteiligte Staat inzidenter zu entscheiden hat. Um die Verständigung zu erzielen, ist es u.U. nötig, bei der Anwendung solchen nationalen Rechts von der in dem betreffenden Staat üblichen Auslegung oder Anwendungspraxis abzuweichen. Nach der internationalen Praxis sind derartige Vorgänge durch die Verständigungsklauseln der DBA als Teil der Verständigung mit abgedeckt; kommt es mangels Zustimmung von Steuerpflichtigen nicht zur Umsetzung der Verständigungslösung, so hat sie im nationalen Raum keine Auswirkung. b) Die Verfahrenserledigung hat sich im Übrigen nicht nur auf Rechtsfragen, sondern auch auf unterschiedliche Tatsachenfeststellungen bzw. Schätzungen zu erstrecken. Gegebenenfalls sind im Verständigungsverfahren Sachverhaltsfeststellungen zu treffen. Hierzu erheben die beteiligten Finanzverwaltungen die notwendigen Unterlagen im Ausgangsund Erledigungsverfahren und nutzen dazu die nach nationalem Recht bestehende Handhabung (in Deutschland vor allem die für internationale Beziehungen vorgesehenen erweiterten Mitwirkungspflichten). Daneben finden sich gemeinsame Anhörungen durch die beiden Verwaltungen und die gemeinsame Anforderung von Äußerungen durch sie. c) Nicht selten sehen die beteiligten Steuerverwaltungen in einem in einzelfallbezogener Verständigung erzielten Resultat die Grundlage für die allgemeine Rechtsanwendung. Das Verfahren geht dann in eine allgemeine Konsultation über, deren Ergebnisse in geeigneter Weise formuliert und im nationalen Raum umzusetzen sind.
12.44 Das Verständigungsverfahren ist durch drei Verfahrensphasen gekennzeichnet:2 – das Vorprüfungsverfahren bei der angerufenen zuständigen Behörde.3 In ihm befindet diese über die Zulässigkeit des Ersuchens und die Möglichkeit eigener Abhilfe. Sie eröffnet – wenn sie nicht zur Abhilfe in der Lage ist und ihrer Ansicht nach die Maßnahme des anderen Staates 1 BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461 Tz. 2.3.4. 2 Vgl. hierzu eingehend Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 66; Art. 25 Rz. 20 ff. OECD-MK; Markus, IFSt-Schrift 457, 25. 3 BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461 Tz. 2.4.1.
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G. Verständigungsverfahren und Konsultation
abkommenswidrig ist – durch ein Schreiben an den anderen Staat das Verständigungsverfahren. Anderenfalls gibt sie dem Antrag statt, indem sie selbst abhilft, oder sie lehnt ihn ab. Eine Ablehnung ist in Sonderfällen auch aus anderen Gründen möglich, z.B. weil ein Einlenken des anderen Vertragsstaates nach den Umständen ausgeschlossen ist;1 – das eigentliche Verständigungsverfahren, in dem die zuständigen Behörden der beiden Vertragsstaaten die Angelegenheit gemeinsam prüfen, aufklären und entscheiden.2 Dieser Teil des Verfahrens endet mit der Formulierung der vereinbarten Lösung des Falls oder der Feststellung, dass das Verständigungsverfahren gescheitert ist; – die Verwirklichung der Verständigungsregelung durch die Finanzbehörden der Vertragsstaaten. Diese setzen dabei die gemeinsame Lösung durch nationale Verwaltungsakte in die innerstaatliche Rechtssphäre um.3 Das Verfahren ist meist zeitaufwendig (Gründe sind vor allem Sprachschwierigkeiten, Zeitaufwand für Verkehr und Abstimmung innerhalb der einzelnen beteiligten Verwaltungen, Abstimmung zwischen den mit der Angelegenheit befassten örtlichen Steuerbehörden, der „zuständigen Behörde“). Um es abzukürzen, haben die oben erwähnten Codices von EU-Kommission und OECD (siehe Rz. 12.9) Vorgaben für die zeitliche Strukturierung von Antragstellung und Verständigungsphase entwickelt. Der Verständigungsantrag soll spätestens drei Jahre nach auslösendem Bescheid gestellt werden (Art. 6 Abs. 1 Satz 2 Schiedskonvention). Im Übrigen soll ein Schema von Höchstfristen beachtet werden. Nach der Finanzverwaltung4 sollen vorliegen (gerechnet vom Eingang des Verständigungsantrags an)5 nach – 1 Monat: seitens der angerufenen Finanzverwaltung die Eingangsbestätigung des Antrags und evtl. Anforderungen ergänzender Angaben; – 2 Monaten: unternehmensseitig die geforderten ergänzenden Angaben; – 4 Monaten: ein Positionspapier der angerufenen Finanzverwaltung und die förmliche Eröffnung des Verständigungsverfahrens; – 10 Monaten: die Entgegnung der gegnerische Finanzverwaltung durch ein eigenes Positionspapier; – 18 Monaten: ein „persönliches Treffen“ der beiden Finanzverwaltungen zur Erörterung der beiderseitigen Positionen; 1 2 3 4 5
Vgl. dazu BFH v. 26.5.1982 – I R 16/78, BStBl. II 1982, 583. BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461 Tz. 3.2 und 7.2. BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461 Tz. 4. BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461. Diese Vorgaben orientieren sich an Empfehlungen der OECD (Art. 25 Rz. 6 ff. OECD-MK) und der EU-Kommission (Verhaltenskodex zur wirksamen Durchführung des Schiedsübereinkommens v. 31.3.2005, Anl. b zu dem in den vorhergehenden Fn. genannten BMF-Schreiben).
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12.45
Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
– 24 Monaten: gegebenenfalls weitere Verhandlungen der beiden Finanzverwaltungen, nach deren Ende das Verfahren automatisch in die Schiedsphase übergeht. Angestrebt wird eine möglichst frühe, die Fristen nicht voll ausschöpfende Einigung.
12.46 Die Stellung der beteiligten Steuerpflichtigen während des Verfahrens ist nicht im Einzelnen geregelt. An der Verständigung selbst ist der Steuerpflichtige als einem Verfahren zwischen den beteiligten Verwaltungen nicht als Partei beteiligt. Dies erschöpft jedoch die Lage nicht. Der Steuerpflichtige oder sonst Betroffene hat ein Recht, die Verfahrenseröffnung bei der zuständigen Behörde zu beantragen.1 Dazu treten Rechte, die die Beteiligten i.R. der nationalen Verfahren, die das Verständigungsverfahren auslösten und auf die es ausgerichtet ist, nach nationalem Recht haben. Daraus leitet sich die Pflicht dieser Behörde zur einseitigen Überprüfung der gesamten heimatlichen Rechtslage,2 zur Entscheidung über den Antrag, zur Anhörung im Verlauf des Verfahrens und zur Unterrichtung über Einleitung und Verständigungsergebnis ab.3 Die deutsche Verwaltung hat ferner die Grundsätze von Rechtsstaatlichkeit, Vollzugsgerechtigkeit und Verhältnismäßigkeit zu beachten; dem entsprechen Gerechtigkeitsforderungen der völkerrechtlichen Ebene. Andererseits hat der Steuerpflichtige als Reflex des Ausgangsverfahrens die nötigen Beweismittel beizubringen und sich nach Vorliegen eines Verständigungsvorschlags ggf. über die Zurücknahme von Einwendungen zu äußern. Dem muss eine umfassende Pflicht zur Unterrichtung über Verfahrensgang und -aussichten entsprechen. Wenn ein Recht zur Akteneinsicht nicht gewährt wird,4 so ist das nur aus der Vertraulichkeit zu rechtfertigen, die dem Erfolg von Verständigungsverfahren dient.
12.47 Verständigungsziel ist die zwischen den beteiligten „zuständigen Behörden“ zu treffende Verständigungsvereinbarung über eine den Abkommensverstoß (die Doppelbesteuerung) beseitigende Sacherledigung durch die beiden Steuerverwaltungen. Ihr Inhalt richtet sich auf die Lösung des vorliegenden Einzelfalls. Sachlich handelt es sich um Absichtserklärungen der beiden Steuerverwaltungen über den Erlass von Verwaltungsakten, die ihre vertragsartige Wirkung zwischen diesen aus dem Verständigungsartikel ableiten. Gegenüber dem Antragsteller und anderen Betroffenen haben sie zunächst keine Außenwirkung. Die Verständigungslösung ist vielmehr in den beteiligten Staaten durch entsprechende Verwaltungsakte umzusetzen. In Deutschland ist hierfür das mit der Sache befasste örtliche Finanzamt zuständig; es ändert bestehende Steuerbescheide, was auch bei deren Rechtskraft zulässig ist (§ 175a AO). Ist ein Konflikt (z.B. Streit über die Auslegung des DBA, die tatsächliche Grund1 2 3 4
BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461 Tz. 2.1.2. BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461 Tz. 2.4.1. BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461 Tz. 3.3. BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461 Tz. 3.3.1.
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G. Verständigungsverfahren und Konsultation
lage oder die Angemessenheit von Schätzungen) nicht beizulegen, so legt dies i.d.R. eine vom DBA nicht beseitigte Doppelbesteuerung vor, die als solche durch Verständigung nach Art. 28 Abs. 3 Satz 3 OECD-MA beseitigt werden kann, was oft im Wege des gegenseitigen give and take gelöst wird und i.R. des laufenden Antragsverfahrens geschieht. Anderenfalls scheitert das Verständigungsverfahren, was von den beteiligten Verwaltungen meist förmlich festgestellt und dem Antragsteller mitgeteilt wird. Zum sog. Schiedsverfahren, das diesen Fall durch Schlichtung vermeidet, siehe Rz. 12.105 ff. Die die Verständigung umsetzenden, deutschen Verwaltungsakte müssen im bestehenden Recht ihre Grundlage finden; eine eigenständige Rechtsgrundlage für Steueransprüche kann sie nach internationaler Übung und nach deutscher Rechtsprechung nicht bilden.1 Für den Steuerpflichtigen bzw. Antragsteller ergibt sich die Frage, in welchem Verhältnis die Verständigungsvereinbarung und ihr vorangehende Vorgänge in den beteiligten Staaten zum finanzgerichtlichen Schutz stehen.2 Der Charakter des Verfahrens (siehe Rz. 12.39) lässt eine an sich wünschenswerte gerichtliche Überprüfung der Verständigung als solcher durch die Gerichte der beteiligten Staaten nicht zu.3 Der Grundsatz der Gewaltenteilung in den beteiligten Staaten schließt es auch aus, dass Verwaltungen durch ihr Zusammenwirken der Finanzgerichtsbarkeit vorgreifen. Vielmehr wird die Verständigungslösung im Allgemeinen unter den Vorbehalt gestellt, dass die Betroffenen zustimmen und auf Rechtsmittel verzichten bzw. sie zurückziehen.4 Bei der Umsetzung der Verständigungslösung könnte der Antragssteller die ihm günstigen Verständigungsergebnisse in einem Staat nutzen, ihn belastende Teile in dem anderen Staat dagegen durch Rechtsmittel bekämpfen. Im Blick hierauf wird die Umsetzung der Verständigung von den zuständigen Behörden regelmäßig unter die Bedingung gestellt, dass die anhängigen Rechtsmittel zurückgenommen werden.5 Schwierigkeiten mit solchen Verfahrenslagen sucht die deutsche Praxis durch ein Zwischenverfahren zu vermeiden: Dem Antragsteller wird ein Verständigungsvorschlag mit der Aufforderung mitgeteilt, sich zur Zurücknahme eigener Einwendungen zu äußern.6 Zur Situation, die sich bei Zwischenschaltung eines Schiedsverfahrens ergibt, ist wiederum auf die Rz. 12.105 zu verweisen.
1 Siehe Fn. 2 zu Rz. 12.44; vor allem in der ausländischen Literatur wird häufig der pragmatische Charakter des Verfahrens betont. Dies bezieht sich auf die freie Stellung der zuständigen Behörden bei Sachverhaltsfeststellungen und Schätzungen. 2 Zum Folgenden siehe Albert, IFSt-Schrift 457, 27 ff. m.w.N. 3 Hieran ändert das Einschalten eines „Schiedsverfahrens“ nichts, da dies keinen gerichtlichen Charakter hat (siehe Rz. 12.105 ff.). 4 BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461 Tz. 4. 5 Dies gilt auch, wenn das Verständigungsverfahren eingelegt und eröffnet wurde, während gegen bereits vorliegende Bescheide Rechtsmittel eingelegt sind. 6 BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461 Tz. 3.3.2.
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12.48
Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
12.49 Für das Verhältnis von Verständigungsverfahren und finanzgerichtlichem Schutz gilt damit Folgendes: – Die Verständigung beendet ein in der Sache anhängiges Rechtsmittelverfahren nicht. Die sie umsetzenden Verwaltungsakte können selbständig durch die allgemein vorgesehenen Rechtsmittel angegriffen werden. Die Gerichte sind ist aber an die Verständigung nicht gebunden. – Die Ablehnung des Antrags auf Eröffnung eines Verständigungsverfahrens kann vor deutschen Finanzgerichten überprüft werden, nach h.M. können diese aber nur überprüfen, ob die ablehnende Behörde die dem pflichtmäßigen Ermessen gesetzten Grenzen eingehalten hat. – Weicht die Verständigung von Vorstellungen aller Beteiligten ab, so können sie lediglich die Lösung als Ganzes ablehnen und sich gerichtlich gegen die umsetzenden Verwaltungsakte wenden. Sie müssen hinnehmen, dass die von Verwaltungen erledigten Fragen u.U. auch unter den Finanzgerichten streitig bleiben. – Stimmen einzelne Beteiligte einer Verständigungslösung nicht zu, so haben sie allgemeine Rechtsmittel gegen die umstrittenen Entscheidungen in Deutschland im Verfahren vor den Finanzgerichten. Dies zwingt nach der internationalen Praxis auch andere Beteiligte, die der Lösung an sich zustimmen würden, ebenfalls diesen Weg zu beschreiten. – Scheitert das Verständigungsverfahren, so können die Beteiligten in den Ausgangsverfahren in beteiligten Staaten gegen die umstrittenen Entscheidungen finanzgerichtlichen Schutz suchen. In allen Fällen kann das Finanzgericht das Verständigungsergebnis im Wege freier Beweiswürdigung oder als Anhaltspunkte für Schätzungen berücksichtigen. Es kann aber die das Verständigungsverfahren auslösende Schutzlücke bestehen bleiben, vor allem, falls sich die Beteiligten belastende Divergenzen der Finanzgerichte ergeben.
H. Advance Pricing Agreements (APA) Literatur Baumhoff/Puls, Mediation bei Verrechnungspreiskonflikten als alternativer Streitbeilegungsansatz?, IStR 2010, 802; Borggreve, Auskünfte über Besteuerungsgrundlagen (Teil II) – Fortsetzung des Beitrages aus AO-StB 3, 2007, AO-StB 2008, 108; Dommes/Gahleitner/Steiner, APA-Verfahren in Österreich: Rechtlicher Rahmen und erster Erfahrungsbericht, SWI 2009, 56; Dworaczek, Vorabverständigungsverfahren über Verrechnungspreise: Advance Pricing Agreements – APAs, StWK 2007, Gruppe 13, 19; Friedrich/Kuschil/Steiner, Ruling und APAs – Chancen und Risiken für die Steuerpolitik, in Bundesministerium der Finanzen/Johannes-Kepler Universität Linz (Hrsg.), Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Steuerpolitik, GS für Quantschnigg, Wien 2010, 109; Grotherr, Internationaler Vergleich der Verfah-
1318
Menck/Liebchen
H. Advance Pricing Agreements (APA) ren für Advance Pricing Agreements, IWB 2005, Fach 10, Gruppe 2, 1823; Grotherr, Überlegungen zur Ausgestaltung von speziellen Verfahrensregelungen für Advance Pricing Agreements, IStR 2005, 350; Grotherr, Advance Pricing Agreements – Verfahren zur Vermeidung von Verrechnungspreiskonflikten, BB 2005, 855; Heinrich/ Schmitt, Bilaterales Advance Pricing Agreement: Ein Erfahrungsbericht, DB 2006, 2428; Herzig, Advance Pricing Agreements: Ein Instrument zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen?, in Burmester/Endres (Hrsg.), Außensteuerrecht, Doppelbesteuerungsabkommen und EU-Recht im Spannungsverhältnis, FS für Debatin, München 1997, 107; Kramer, APA – Vorabverständigungsverfahren und Vorabzusagen über Verrechnungspreise, IStR 2007, 174; Kroppen, EU – Gemeinsames Verrechnungspreisforum – Harmonisierungsbestrebungen für Verrechnungspreisvorschriften in der EU, in Ballwieser/Grewe (Hrsg.), Wirtschaftsprüfung im Wandel, FS 100 Jahre Südtreu/Deloitte – 1907–2007, München 2008, 515; Kroppen/Eigelshoven, Internationale Entwicklungen bei Advance Pricing Agreements, IWB 2000, Fach 10, Gruppe 2, 1467; Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, Hamburg 2009; Kurzewitz/Endert, Möglichkeiten des Aufbaus und der Ausgestaltung eines Risikomanagementsystems für steuerliche Verrechnungspreise im Konzern, in Grotherr (Hrsg.), Handbuch der internationalen Steuerplanung, 3. Aufl., Herne 2011, 673; Loh/Peters, Die neuen Regelungen zu Advance Pricing Agreements im deutschen Steuerrecht, RIW 2007, 116; Loh/Steinert, Scheitern internationale Lösungen von Verrechnungspreisfragen an § 175a AO?, BB 2008, 2383; Menck, Verrechnungspreise: Internationale Vorabverständigung (APA) und Schiedsverfahren – zu einer Veranstaltung der Bundesfinanzakademie am 28.11.2006, FR 2007, 307; Naumann, Seminar J: „Tax Rulings“ International, IStR 2011, 683; Niess, Internationale Verrechnungspreise: Überlegungen zur Reduzierung der steuerlichen Risiken, in Baumhoff/Dücker/Köhler (Hrsg.), Besteuerung, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, FS für Krawitz, Wiesbaden 2010, 301; Oosterhoff, Global Transfer Pricing Trends, ITPJ 2008, 119; Schaumburg, Normative Defizite und internationale Verrechnungspreise, Der Konzern 2006, 495; Schmid, Advance Pricing Agreements, in Grotherr (Hrsg.), Handbuch der internationalen Steuerplanung, 3. Aufl., Herne 2011, 733; Schnorberger/Wingendorf, Panning Certainty through Advance Pricing Agreements, ITPJ 2005, 77.
I. Begriff, Rechtsgrundlage, Zwecksetzung und Formen Präventives Streitvermeidungsinstrument. Im Gegensatz zu den reaktiven, ex post wirkenden Streitbeilegungsinstrumenten des Verständigungsverfahrens auf Grundlage von Art. 25 OECD-MA, des Schiedsverfahrens auf Grundlage von Art. 25 Abs. 5 OECD-MA und des Verfahrens nach der EU-Schiedskonvention (EU-Schiedsverfahren)1 ist der Abschluss eines Advance Pricing Agreements (APA) ein präventives, ex ante wirkendes Instrument der Streitvermeidung und der Verminderung von Verrechnungspreisrisiken. APA haben ihren Ursprung in den USA, wo seit 1991 Regelungen über deren Abschluss zwischen der Finanzverwaltung und dem Steuerpflichtigen zur Vermeidung zeitaufwendiger Auseinandersetzungen im Nachhinein über die Angemessenheit steuerlicher Verrechnungspreise bestehen. Mittlerweile wurden in 29 Ländern eigenständige 1 Übereinkommen über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Fall von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen v. 23.7.1990, BGBl. II 1993, 1308 und BGBl. II 1995, 84.
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12.50
Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
Bestimmungen für APA etabliert oder im Rahmen allgemein verbindlicher Auskünfte geregelt.1 Hierbei steigt die Zahl der Länder mit eigenen APA-Regelungen insbesondere seit Herausgabe der OECD-Leitlinien 1995 kontinuierlich.
12.51 Begriff. Der Begriff des Advance Pricing Agreement (APA) ist nicht einheitlich definiert. Die deutsche Finanzverwaltung versteht ein APA als Vereinbarung zwischen einem oder mehreren Steuerpflichtigen und einer oder mehreren Steuerverwaltungen, in der neben der Verrechnungspreismethode auch weitere Kriterien für die Verrechnungspreisbestimmung, wie z.B. die Ermittlung von Fremdvergleichswerten und Regeln für die Fortschreibung im APA-Zeitraum, sachgerechte Anpassungsrechnungen, sog. Gültigkeitsbedingungen im Hinblick auf künftige Ereignisse („Critical Assumptions“), für einen bestimmten Zeitraum fest vereinbart werden.2 Dieses Verständnis deckt sich weitestgehend mit der Definition in Rz. 4.124 OECD-Leitlinien 20103 und derjenigen der vom EU-JTPF entwickelten Leitlinien für Verrechnungspreiszusagen (APA) in der Europäischen Union.4
12.52 Rechtsgrundlage. Im Hinblick auf die Rechtsgrundlage bi- und multilateraler Vorabverständigungsverfahren besteht insofern Klarheit, als diese in den Art. 25 OECD-MA entsprechenden abkommensrechtlichen Regelungen besteht. Allerdings ist weitestgehend ungeklärt, ob letztlich das Verständigungsverfahren nach Art. 25 Abs. 1 und 2 OECD-MA oder aber das Konsultationsverfahren nach Art. 25 Abs. 3 OECD-MA einschlägig ist. Die deutsche Finanzverwaltung lässt diese Frage ausdrücklich offen und verweist auf das „Verständigungs- und Konsultationsverfahren“ nach Art. 25 Abs. 1 und 3 OECD-MA, im Hinblick auf die Bindungswirkung bezieht sie sich allerdings auf Art. 25 Abs. 2 Satz 2 OECD-MA und damit auf die inhaltsgleiche Umsetzungspflicht von Verständigungsvereinbarungen im Rahmen des Verständigungsverfahrens i.e.S.5 Hierfür spricht insbesondere die antragsgebundene Initiierung des APA-Verfahrens. Die wohl h.M.6 nimmt als Rechtsgrundlage das Verständigungsverfahren i.e.S. nach Art. 25 Abs. 2 OECD-MA an.
12.53 Zwecksetzung. Gegenstand eines APA ist die einvernehmliche Festlegung von Regelungen entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz, 1 Vgl. Ernst & Young, 2010 Global Transfer Pricing Survey, 12. 2 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 1.2. 3 Vgl. Rz. 4.123 OECD-Leitlinien 2010, hierzu Rasch/Mank in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Rz. 4.123 Anm. 390. 4 Vgl. KOM (2007) 71 final v. 26.2.2007, Abschn. 4 Rz. 12 ff. 5 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 1.2. 6 Vgl. Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 327 und 341; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.105; Kramer, IStR 2007, 175 f.; Schnorberger, ITPJ 2007, 111.
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nach denen Verrechnungspreise für zukünftige Transaktionen oder die Gewinnabgrenzung zwischen Organisationseinheiten grenzüberschreitend agierender Einheitsunternehmen in der Zukunft zu bestimmen sind, um Steuerpflichtigem und Finanzverwaltung in diesen Fragen Rechtssicherheit zu verschaffen.1 In diesem Sinne ist das primäre Ziel von APA die Vermeidung von Verrechnungspreiskonflikten und daraus resultierender Doppelbesteuerungen. Formen von APA. Im Hinblick auf die an einem APA beteiligten Finanzverwaltungen sind unilaterale, bilaterale und multilaterale APA zu unterscheiden:2
12.54
– Ein unilaterales APA ist die Vereinbarung zwischen einem Steuerpflichtigen und der Steuerverwaltung eines Staates. – Ein bilaterales APA stellt eine Vereinbarung zwischen einem oder mehreren Steuerpflichtigen und den Steuerverwaltungen zweier Staaten dar. – Ein multilaterales APA ist schließlich eine Vereinbarung unter Beteiligung der Steuerverwaltungen von mehr als zwei Staaten. Die OECD-Leitlinien 2010 bevorzugen angesichts der Zwecksetzungen von APA, Verrechnungspreisrisiken zu reduzieren und (hierdurch) das Risiko von Doppelbesteuerung zu mindern, bilaterale und multilaterale APA.3 Beide sind APA auf Grundlage eines Verständigungsverfahrens bzw. MAP („Mutual Agreement Procedure“)-APA.
II. Unilaterale APA Beschränkung auf Ausnahmefälle. Unilaterale APA erfüllen wegen der Bindungswirkung nur einer Finanzverwaltung bezogen auf die Anwendung einer Verrechnungspreismethode für zukünftige konzerninterne Lieferungs- und Leistungsbeziehungen die Zwecksetzung von APA (Rz. 12.53) jedenfalls dann nur eingeschränkt, wenn diese grenzüberschreitend erfolgen. Zwar können unilateral Verrechnungspreisrisiken reduziert werden, das Risiko der Doppelbesteuerung bleibt jedoch mangels Bindungswirkung auch für die Finanzverwaltung des Sitzstaates des verbundenen Transaktionspartners bestehen.4 Insofern wird der Abschluss unilateraler APA nur in folgenden Ausnahmefällen als sachgerecht angesehen:5
1 2 3 4
Vgl. auch KOM (2007) 71 final v. 26.2.2007, Abschn. 1 Rz. 3 und 5. Vgl. Rz. 4.130 OECD-Leitlinien 2010. Vgl. Rz. 4.130 OECD-Leitlinien 2010. Vgl. hierzu Kurzewitz, Die Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 386 f. 5 Vgl. Grotherr, BB 2005, 857; Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 321; Kurzewitz, Die Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 387.
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12.55
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1. Zwischen den involvierten Ansässigkeitsstaaten der verbundenen Transaktionspartner besteht mangels DBA keine Rechtsgrundlage für ein bilaterales APA. 2. Der Verwaltungsaufwand eines aufgrund zahlreicher, jedoch jeweils für sich wirtschaftlich unbedeutender Transaktionen mit Verbundunternehmen mehrerer Staaten erforderlichen multilateralen APA wäre unverhältnismäßig. 3. Eine bestimmte Rechtsfrage bedarf nur in einem Staat einer Klärung. 4. Eine etwaige Verrechnungspreiskorrektur ist nur für eine betroffene Gesellschaft zusätzlich zur Steuerzahlung mit erheblichen Strafzuschlägen verbunden.
12.56 Eingeschränkte Akzeptanz. Zu beachten ist hier jedoch, dass die deutsche Finanzverwaltung unilateralen APA eher skeptisch gegenübersteht. Besteht mit dem Staat des verbundenen Transaktionspartners ein DBA, sollen Verrechnungspreiszusagen nur nach erfolgreichem Abschluss des Vorabverständigungsverfahrens erteilt werden.1 Besteht mit dem anderen Staat kein DBA, soll sich die zuständige Landesfinanzbehörde antragsgebunden und im Einvernehmen mit dem BZSt erst dann in Verrechnungspreisfragen für die Zukunft binden, wenn der konkrete Einzelfall hierfür geeignet ist und ein berechtigtes Interesse besteht.2 Für die Ablehnung entsprechender Anträge soll bereits der Umstand sprechen, dass einseitige Maßnahmen eine Doppelbesteuerung nicht zuverlässig beseitigen und sogar Besteuerungslücken verursachen können.3 Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob allein diese, jeder unilateralen Maßnahme eigenen abstrakten Doppel- bzw. Minderbesteuerungsrisiken hinreichen können, um den Antrag abzulehnen. Welche Bedeutung in diesem Zusammenhang der Eignung im betreffenden Einzelfall und dem Bestehen eines berechtigten Interesses zukommt, ist völlig offen.
12.57 Ausdehnung unilateraler APA auf Deutschland. Schließt der Steuerpflichtige mit einem anderen Staat ohne Beteiligung der deutschen Finanzbehörden ein unilaterales APA und beantragt sodann bei der zuständigen Landesfinanzbehörde die Bindung in Verrechnungspreisfragen entsprechend diesem APA, handelt es sich auf deutscher Seite um ein weiteres unilaterales APA. Dem Antrag des Steuerpflichtigen soll nur dann stattgegeben werden, wenn ohne besonderen Aufwand festgestellt werden kann, dass das APA mit dem anderen Staat deutsche Besteuerungsinteressen nicht beeinträchtigt.4 1 Vgl. BMF v. 5.10.2006 594 Rz. 1.2 Abs. 4. 2 Vgl. BMF v. 5.10.2006 594 Rz. 1.2 Abs. 5. 3 Vgl. BMF v. 5.10.2006 594 Rz. 1.2 Abs. 5. 4 Vgl. BMF v. 5.10.2006 594 Rz. 1.2.
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– IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006,
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III. Verfahrensablauf in Deutschland 1. Vorbemerkung In Deutschland ist das APA-Verfahren als ein zweigeteiltes Verfahren konzipiert.1 Es besteht aus einem Vorabverständigungsverfahren und der Umsetzung der Verständigungsvereinbarung durch Vorabzusage der deutschen Finanzverwaltung gegenüber dem Steuerpflichtigen. Die Vorabverständigungsvereinbarung und die Vorabzusage bilden zusammen als Einheit das APA.2
12.58
Phasen des APA-Verfahrens. Die deutsche Finanzverwaltung führt in Übereinstimmung mit internationalen Grundsätzen ein APA-Verfahren in fünf Phasen durch:
12.59
1. Vorgespräch (Prefiling-Phase), 2. förmliche Antragstellung, 3. Prüfung des APA-Antrags, 4. Verhandlung und Abschluss des APA, 5. Vorabzusage. 2. Vorgespräch (Prefiling-Phase) Gegenstand und Zwecksetzung. Die Prefiling-Phase ist der förmlichen Antragstellung zwar vorgelagert; mit ihr beginnt jedoch – international übereinstimmend – das Vorabverständigungsverfahren. Es wir allerdings erst eröffnet, wenn die Gebührenfestsetzung (Rz. 12.97 f.) unanfechtbar geworden ist und die Gebühr entrichtet wurde (§ 178a Abs. 1 Satz 4 AO). Da die Gebührenpflicht erst mit dem APA-Antrag entsteht (§ 178a Abs. 1 Satz 1 AO), löst die informelle Bitte um Vorgespräche beim BZSt wie auch deren Durchführung keine Gebühren aus. Das Vorgespräch zwischen dem/den Steuerpflichtigen und den zuständigen Finanzbehörden soll es vornehmlich allen Beteiligten ermöglichen, die Erfolgsaussichten eines APA-Antrags abschätzen zu können. Hierzu sind möglichst umfangreiche Informationen über das geplante APA, die konzerninternen Geschäftsbeziehungen, auf die sich das APA erstrecken soll, die an diesen beteiligten Transaktionspartner (insbesondere im Hinblick auf deren jeweiliges Funktions- und Risikoprofil), die geplanten Verrechnungspreismethoden, die speziellen Gründe für das APA, den geplanten APA-Zeitraum sowie eine ggf. rückwirkende Anwendung (roll back) vorzulegen.3 Diese Vorgespräche sollten mit den zuständigen Behörden sämtlicher Staaten geführt werden, auf die sich das APA erstrecken soll. Bereits im 1 Vgl. hierzu BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 1.2; hierzu auch Kramer, IStR 2007, 174 ff. 2 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 1.2. 3 Vgl. Becker in Haase, Art. 25 OECD-MA Rz. 72.
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12.60
Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
Rahmen des Vorgesprächs soll das BZSt den Steuerpflichtigen darauf hinweisen, dass deutsche Finanzbehörden eine Vorabverständigungsvereinbarung nur abschließen, wenn nach § 354 Abs. 1a AO auf die Einlegung eines Einspruchs gegen Steuerbescheide verzichtet wird, die die Ergebnisse der Verständigung für die Laufzeit zutreffend umsetzen.1 Schließlich sind die Vorgespräche darauf gerichtet, eine gemeinsame und unverbindliche Einschätzung über den zeitlichen Rahmen bis zum Abschluss des APA zu treffen.
12.61 Möglichkeit der Anonymisierung. Aufgrund der mit einem APA-Antrag verbundenen weitgehenden Offenlegung der relevanten Verhältnisse ist es zu begrüßen, dass die Vorgespräche u.a. auch in Deutschland anonymisiert, d.h. ohne Nennung des betreffenden Steuerpflichtigen, erfolgen können. Diese Vorgehensweise ist auch zu empfehlen, soweit sie in den betreffenden Staaten zulässig ist.2 Anderenfalls läuft der Steuerpflichtige Gefahr, bereits im Falle fehlgeschlagener Vorgespräche den wesentlichen Nachteil des APA-Verfahrens in Kauf nehmen zu müssen, dass bekannt gewordene Sachverhaltsinformationen von den Finanzbehörden auch zulasten des Steuerpflichtigen verwendet werden können. Soweit auf deutscher Seite die Vorgespräche auf anonymer Basis geführt werden, sind allerdings alle Äußerungen der Finanzbehörden, die über Verfahrenshinweise hinausgehen, unverbindlich.3 3. Phase der Antragstellung a) Antragsberechtigung
12.62 Abkommensberechtigung. Aufgrund der abkommensrechtlichen Grundlage des Vorabverständigungsverfahrens in den Art. 25 Abs. 1 und 2 OECD-MA entsprechenden Regelungen des jeweiligen DBA sind antragsberechtigt nur abkommensberechtigte Personen.4 Der Antrag ist beim BZSt zu stellen. Grundsätzlich bestimmt der Antragsteller den Umfang seines Antrags. Dieser kann deshalb auf bestimmte Geschäftsvorfälle (z.B. Produktlinien, Unternehmen, Unternehmensbereiche), auf Geschäfte mit genau bezeichneten Transaktionspartnern oder auf Geschäfte mit Transaktionspartnern in bestimmten Staaten beschränkt werden.5 Allerdings fordert die deutsche Finanzverwaltung, dass die Beschränkungen nicht willkürlich sein dürfen, sondern begründet und sachgerecht sein 1 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 2.2. 2 Vgl. hierzu Übersicht bei Rasch/Mank in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Rz. 4.130 Anm. 412. 3 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 2.2. 4 Art. 25 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA. Vgl. auch BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 2.3. 5 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 3.2.
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müssen; sie behält sich anderenfalls ausdrücklich die Zurückweisung des Antrags vor.1 Antragsberechtigung und Personengesellschaften. Deutsche Personengesellschaften sind mangels umfassender Subjektbesteuerung in Deutschland dort nicht ansässig und damit insgesamt nicht abkommensberechtigt.2 Dementsprechend können sie ein APA-Verfahren nicht initiieren. Der Gesetzgeber beabsichtigt jedoch nach dem vorliegenden Regierungsentwurf eines JStG 2013 vom 23.5.2012,3 die Verrechnungspreisthematik bei internationalen Personengesellschaften in dem Sinne „klarzustellen“, dass diese für Zwecke des § 1 AStG Kapitalgesellschaften gleichstehen. Erklärte Zielsetzung des Gesetzgebers ist es, „die Besteuerung grenzüberschreitender Vorgänge im Hinblick auf die Gewinnabgrenzung bzw. Gewinnverteilung klar und für alle Investitionsalternativen (Kapitalgesellschaften, Personengesellschaften, Betriebsstätten) einheitlich zu regeln“.4 Vor diesem Hintergrund wird zukünftig die Frage an Bedeutung gewinnen, wie weit diese Gleichstellungsabsicht im Hinblick auf die Vermeidung von Verrechnungspreisrisiken reicht. Gegenwärtig konzediert die deutsche Finanzverwaltung5 bereits Personengesellschaften mit Sitz in einem DBA-Staat, der Personengesellschaften intransparent behandelt, d.h. diese selbst der subjektiven Steuerpflicht unterwirft, einen eigenen Entlastungsanspruch für die Entlastung von deutschen Quellensteuern.6 Fraglich ist, ob auch deutsche Personengesellschaften trotz ihrer fehlenden Abkommensberechtigung nicht in eigener Person berechtigt sein sollten, ein APA-Verfahren zu initiieren. Dies zum einen deshalb, weil sich mit Abstellen auf die jeweilige Abkommensberechtigung die infrage kommenden abkommensrechtlichen Grundlagen entsprechend der Beteiligtenstruktur auf verschiedene DBA „atomisieren“. Zum anderen ist auch unter dem Transparenzprinzip für Verrechnungspreiszwecke vornehmlich das deutsche Betriebsstättenergebnis der Personengesellschaft betroffen. Aus diesen Gründen ist eine Antragsberechtigung deutscher Personengesellschaften ernsthaft in Betracht zu ziehen.
1 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 3.2. 2 Siehe zur Abkommensberechtigung von Personengesellschaften ausführlich Liebchen, Beteiligungen an ausländischen Personengesellschaften, 132 ff. 3 Regierungsentwurf v. 23.5.2012, BR-Drucks. 302/12. 4 Regierungsentwurf v. 23.5.2012, Gesetzesbegründung zu Art. 5 Nr. 1. 5 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.1.2. 6 Zwar ist diese Auffassung grundsätzlich zu begrüßen. Man kommt jedoch nicht umhin festzustellen, dass ihr keine Rechtsgrundlage zur Seite steht. Vgl. hierzu Wassermeyer, IStR 2011, 87.
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12.63
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b) Erforderliche Unterlagen
12.64 Der Antrag soll insbesondere folgende Aufzeichnungen und Unterlagen enthalten:1 1. Darstellung der Beteiligungsverhältnisse; 2. Darstellung der organisatorischen und operativen Konzernstruktur; 3. Darstellung der für das APA erforderlichen Tätigkeitsbereiche; 4. Darstellung der betroffenen Geschäftsbeziehungen und der vorgesehenen Vertragsgestaltungen; 5. Funktions- und Risikoanalyse; 6. Bezeichnung und Beschreibung der wesentlichen (insbesondere immateriellen) Wirtschaftsgüter, die bei den betroffenen Geschäftsbeziehungen eingesetzt werden; 7. Darstellung der Markt- und Wettbewerbsverhältnisse und der gewählten Geschäftsstrategie(n); 8. Beschreibung der Wertschöpfungsketten und -beiträge der Transaktionspartner; 9. Benennung aller für das APA relevanten offenen Steuerfragen.
12.65 Einbeziehung von Umlageverträgen. Sofern in das APA auch ein Umlagevertrag einbezogen werden soll, sind ferner folgende Unterlagen und Aufzeichnungen erforderlich (Rz. 3.328):2 1. der vorgesehene Umlagevertrag mit Anhängen, Anlagen und Zusatzvereinbarungen; 2. Unterlagen über den zu erwartenden Nutzen für alle Beteiligten (einschließlich Darlegung der angewandten Methode und Prognoserechnungen); 3. Unterlagen über den vorgesehenen Umlageschlüssel; 4. gegebenenfalls im Umlagevertrag nicht enthaltene Unterlagen über die voraussichtlichen Regeln über die Rechnungskontrolle, über Anpassungsmechanismen bei Änderung der Verhältnisse, über die Zugriffsrechte auf erforderliche Umlage-Unterlagen und die Zuordnung von Nutzungsrechten. Inhalt und Umfang der Unterlagen verdeutlichen, dass die deutsche Finanzverwaltung im Wesentlichen die Unterlagen für erforderlich hält, die ihr anderenfalls ex post im Rahmen der Dokumentationspflichten nach § 90 Abs. 3 AO und der GAufzV Feststellungen darüber ermöglichen, welche grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen mit Nahestehenden verwirklicht wurden und inwieweit der Steuerpflichtige dabei den Fremdvergleichsgrundsatz beachtet hat. Insofern erwachsen dem Steuer1 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 3.5. 2 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 3.6.
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pflichtigen keine Vorteile im Hinblick auf sog. compliance costs.1 Diese werden in das APA-Antragsverfahren „vorgezogen“, und zwar gewissermaßen als „Preis“ für die durch das APA zu erlangende Rechts- und Planungssicherheit. Verrechnungspreismethode und -bestimmung. Die deutsche Finanzverwaltung will Vorabverständigungsverfahren regelmäßig nur über die Anerkennung einer oder mehrerer Verrechnungspreismethoden für bestimmte Geschäftsvorfälle unter Vereinbarung von Gültigkeitsbedingungen abschließen.2 Dagegen sollen darüber hinausgehende Regelungen nur insofern in Betracht kommen, als im Einzelfall mit der konkreten Verrechnungspreismethode zusammenhängende Kriterien bestimmt werden, die über Gültigkeitsbedingungen abgesichert werden können (Rz. 12.69). Hierbei sollen zuverlässige, jedenfalls eingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte für z.B. den Kostenaufschlagssatz im Rahmen der Kostenaufschlagsmethode oder die Nettorendite im Rahmen der transaktionsbezogenen Nettomargenmethode (TNMM) für die Jahre des APA-Zeitraums auch tatsächlich nachgewiesen werden können, um eine konkrete Spanne überhaupt zum Gegenstand der Vereinbarung zu machen. Gelingt der Nachweis während des APA-Zeitraums nicht, etwa weil Vergleichsunternehmen später in Datenbanken nicht mehr auffindbar sind, ist nach Auffassung der Finanzverwaltung eine Vertragsgrundlage für die Vorabverständigungsvereinbarung entfallen.3 Unklar bleibt allerdings, mit welchen Konsequenzen dies verbunden sein soll. Der Hinweis in Rz. 3.3 auf Rz. 6.4 des Merkblatts APA geht jedenfalls insofern fehl, als die dort getroffenen Regelungen nicht die Nichterfüllung von Gültigkeitsbedingungen („Critical Assumptions“) betreffen.
12.66
Vereinbarkeit mit dem Fremdvergleichsgrundsatz. In dem APA-Antrag soll zudem begründet werden, dass die Anwendung der zugrunde gelegten Verrechnungspreismethode auf die betreffenden Geschäftsvorfälle mit dem Fremdvergleichsgrundsatz in Übereinstimmung steht.4 Diese Anforderung der Finanzverwaltung ist insofern missverständlich, als jedenfalls die von der OECD anerkannten Verrechnungspreismethoden (transaktionsbezogene Standard- und transaktionsbezogene Gewinnmethoden) sämtlich mit dem Fremdvergleichsgrundsatz vereinbar sind. Sie ist dahin zu verstehen, dass die Eignung der gewählten Methode für die relevanten Geschäftsvorfälle zu begründen ist, d.h. dass die jeweiligen Anwendungsvoraussetzungen vorliegen und dass uneingeschränkt, jedenfalls aber eingeschränkt, vergleichbare Vergleichswerte festgestellt werden können. Hierzu hat der Steuerpflichtige die Methode detailliert zu beschreiben so-
12.67
1 Vgl. auch Engler/Ebert in V/B/E, Verrechnungspreise3, F Rz. 407. 2 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 3.3. 3 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 3.3. 4 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 3.4.
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wie erforderliche Unterlagen und Berechnungen für die Anwendung der Methode (einschließlich eines detaillierten Kalkulationsschemas) vorzulegen. Insbesondere sollen zeitnah erhobene, jedenfalls eingeschränkt vergleichbare, Fremdvergleichswerte für die betreffende Verrechnungspreismethode sowie ggf. – auch erst zukünftig während des APA-Zeitraums – erforderliche Anpassungsrechnungen dargestellt und erläutert werden.
12.68 Nichteignung der gewählten Verrechnungspreismethode. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass das BZSt bei Nichteignung der dem APAAntrag zugrunde gelegten Verrechnungspreismethode gehalten ist, auf die Anwendung einer geeigneten Verrechnungspreismethode hinzuwirken.1 Im Hinblick auf die (Nicht-)Eignung einer Verrechnungspreismethode entspricht die in Bezug genommene Verwaltungsauffassung in den VWG-Verfahren2 allerdings insofern nicht der aktuellen Rechtslage, als § 1 Abs. 3 Satz 2 AStG für den tatsächlichen Fremdvergleich mittels eingeschränkt vergleichbarer Vergleichswerte jede geeignete Verrechnungspreismethode zulässt. Die eingeschränkte Zulässigkeit der TNMM nur für Routineunternehmen (Rz. 3.117) ist deshalb ohne Rechtsgrundlage (Rz. 3.223 und Rz. 3.318). c) Gültigkeitsbedingungen („Critical Assumptions“)
12.69 Gültigkeitsbedingungen („Critical Assumptions“). Ein APA bezieht sich auf zukünftige Geschäftsvorfälle, für die die Anwendung einer Verrechnungspreismethode sowie ggf. eine Bandbreite z.B. von Aufschlagssätzen bei Anwendung der Kostenaufschlagsmethode fest vereinbart werden. Der materielle Gehalt eines APA besteht letztlich darin, dass eine APAkonforme Abrechnung der betreffenden Geschäfte von den beteiligten Fisken als mit dem Fremdvergleichsgrundsatz vereinbar und deshalb einer Einkünftekorrektur in keinem der beteiligten Staaten für zugänglich angesehen wird.3 Naturgemäß können die relevanten Vergleichbarkeitsfaktoren, auf die sich die vereinbarte Fremdvergleichskonformität stützt, nicht im Vorhinein sicher prognostiziert werden. Dementsprechend werden diesbezüglich kritische Annahmen (sog. „Critical Assumptions“) zugrunde gelegt, von denen die Geltung des APA abhängen soll. Die deutsche Finanzverwaltung will diese Gültigkeitsbedingungen nach der maßgeblichen Beeinflussung der Geschäftsbeziehungen bestimmen.4 Dieser Ansatz ist zu pauschal. Richtigerweise kann es nur um Umstände gehen, die entscheidenden Einfluss auf die Anwendung der vereinbarten 1 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 3.3. 2 BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570. 3 Vgl. auch Rasch/Mank in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Rz. 4.137 Anm. 437. 4 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 3.7.
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Verrechnungspreismethode einschließlich der jeweiligen Kriterien haben.1 Dies umfasst zum einen Umstände, nach denen die Anwendung der Verrechnungspreismethode mittels der vereinbarten Kriterien dem Fremdvergleichsgrundsatz nicht (mehr) genügt, als auch Umstände, die die Anwendbarkeit der betreffenden Verrechnungspreismethode insgesamt infrage stellen. Dem entspricht es, wenn die deutsche Finanzverwaltung für die vom Steuerpflichtigen vorzuschlagenden Gültigkeitsbedingungen eine Abhängigkeit des Regelungsgegenstands des APA in dem Sinne fordert, dass Änderungen der Gültigkeitsbedingungen die materiellen Vereinbarungen des APA wahrscheinlich beeinflussen bzw. infrage stellen.2 Ferner soll der Steuerpflichtige in seinem APA-Antrag bereits erläutern, inwieweit die angewendete Verrechnungspreismethode eine Berücksichtigung geänderter Gültigkeitsbedingungen zulässt.3 Aus deutscher Sicht sind die Gültigkeitsbedingungen Vertragsgrundlage der Vorabverständigungsvereinbarung zwischen den beteiligten Staaten. Beispielhafte Gültigkeitsbedingungen. Nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung können zu den Gültigkeitsbedingungen gehören:4 – gleich bleibende Beteiligungsverhältnisse, – gleich bleibende Verhältnisse bezüglich Marktbedingungen, Marktanteil, Geschäftsvolumen, Verkaufspreise (z.B. keine wesentlichen Änderungen wegen neuer Technologien), – gleich bleibende Verhältnisse z.B. im Hinblick auf Aufsichtsrat, Zölle, Import- und Exportbeschränkungen, internationalen Zahlungsverkehr, – gleich bleibende Funktions- und Risikoverteilung und Kapitalstruktur, gleich bleibendes Geschäftsmodell, – gleich bleibende Verhältnisse bezüglich Währungskursen und Zinssätzen, – Durchführung der Besteuerung entsprechend dem APA im anderen Staat, – keine wesentlichen Änderungen der steuerlichen Rahmenbedingungen im anderen Staat, – Verrechnungspreiskorrekturen eines am APA nicht beteiligten Drittstaates, die Auswirkungen auf das APA haben. Die vom EU-JTPF entwickelten Leitlinien für Verrechnungspreiszusagen (APA) in der Europäischen Union geben keine inhaltlich konkretisierten Gültigkeitsbedingungen vor, sondern verweisen auf eine einzelfallbezoge1 Vgl. Rasch/Mank in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Rz. 4.125 Anm. 397. 2 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 3.7. 3 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 3.7. 4 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 3.7.
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ne Formulierung bezogen auf das jeweilige APA, wobei in der Regel Annahmen zu einigen der folgenden Bereiche zu treffen sind:1 – die ausschlaggebenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften und DBA; – Tarife, Abgaben, Einfuhrbeschränkungen und staatliche Regulierungen; – wirtschaftliche Bedingungen, Marktanteil, Marktbedingungen, Endverkaufspreis und Absatzvolumen; – Art der Funktionen und Risiken für die an den Transaktionen beteiligten Unternehmen; – Wechselkurse, Zinssätze, Kreditwürdigkeit und Kapitalstruktur; – Betriebs- und Finanzbuchhaltung, Klassifizierung von Einkommen und Ausgaben; – die Unternehmen, die im Hoheitsgebiet der einzelnen Steuerverwaltungen geschäftlich tätig sind, und Art der Geschäftstätigkeit. Bei der konkreten Formulierung verweisen diese Leitlinien zutreffend auf den wesensmäßigen Kern der Gültigkeitsbedingungen und deren Zwecksetzung: Sie bestehen in der Gewährleistung, dass das APA dem Gebot der fremdvergleichskonformen Preisgestaltung gerecht wird.2 Die Finanzverwaltungen und der Steuerpflichtige sollten bestrebt sein, dass die kritischen Annahmen objektiv nachprüfbar, auf den konkreten Steuerpflichtigen, das jeweilige Unternehmensumfeld, die gewählte Methode und die Art der betroffenen Transaktionen zugeschnitten sind und so breit gefasst sind, wie es den am APA beteiligten Parteien angemessen erscheint.3 Ferner ist der Hinweis – insbesondere im Hinblick auf die mit der Nichteinhaltung der Gültigkeitsbedingungen verbundenen Konsequenzen (Rz. 12.71) – entscheidend und als Leitlinie in die jeweiligen nationalen APA-Bestimmungen aufzunehmen, dass die Gültigkeitsbedingungen möglichst innerhalb bestimmter Bandbreiten formuliert werden, die das für die Beteiligten akzeptable Abweichungsniveau markieren, innerhalb dessen die Gültigkeitsbedingungen eingehalten sind.4
12.71 Nichteinhaltung der Gültigkeitsbedingungen. Werden die Gültigkeitsbedingungen nicht eingehalten, betrifft dies zunächst (nur) die Bindung der beteiligten Staaten als Völkerrechtssubjekte an die völkervertragliche Verpflichtung. Das APA kann gekündigt oder aber abgeändert werden. Hiervon losgelöst ist die Bindungswirkung der deutschen Finanzverwaltung gegenüber dem Steuerpflichtigen aufgrund der – rein unilateralen – Vorabzusage, mittels derer die Verständigungsvereinbarung innerstaatlich umgesetzt wurde. Diese kann auf den Zeitpunkt widerrufen werden, ab
1 2 3 4
Vgl. KOM (2007) 71 final v. 26.2.2007, Anhang f. Vgl. KOM (2007) 71 final v. 26.2.2007, Abschn. 7.2 Rz. 52. Vgl. KOM (2007) 71 final v. 26.2.2007, Abschn. 7.2 Rz. 53 ff. Vgl. KOM (2007) 71 final v. 26.2.2007, Abschn. 7.2 Rz. 56.
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dem die Gültigkeitsbedingungen nicht (mehr) erfüllt sind.1 Hierbei beschränkt sich die deutsche Finanzverwaltung auf die Nichterfüllung in wesentlichen Punkten. Im Falle unwesentlicher Abweichungen wird von deutscher Seite entweder unverändert an dem APA festgehalten oder aber nach schriftlicher Konsultation mit dem anderen Staat und im Einvernehmen mit dem Steuerpflichtigen das APA entsprechend angepasst. In allen übrigen Fällen ist es an dem Steuerpflichtigen, durch einen entsprechenden Änderungsantrag beim BZSt eine Änderung des APA unter Vorlage entsprechender Unterlagen zu initiieren. Führen die entsprechenden Verhandlungen mit dem anderen Staat zu einer einvernehmlichen Änderung der Vorabverständigungsvereinbarung, wird die Vorabzusage entsprechend geändert und das geänderte APA ist wirksam. Stellt der Steuerpflichtige dagegen keinen Änderungsantrag oder scheitern die Verhandlungen mit dem anderen Staat über die Änderung der Vorabverständigungsvereinbarung, entfällt die Wirksamkeit des APA ab dem Zeitpunkt, ab dem die Gültigkeitsbedingungen nicht mehr erfüllt sind.2 Da in die Vorabzusage gerade im Hinblick auf die Nichterfüllung der Gültigkeitsbedingungen ein Widerrufsvorbehalt aufzunehmen ist,3 wird die Vorabzusage in diesem Fall nach § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO widerrufen. Gültigkeitsbedingungen und Zwecksetzung von APA. Diese, mit der Nichterfüllung von Gültigkeitsbedingungen verbundenen Konsequenzen verdeutlichen hinreichend, dass mit deren Vereinbarung in einem APA gezielt und „sparsam“ umgegangen werden sollte. Ein enges Korsett aus Gültigkeitsbedingungen gefährdet letztlich die Zwecksetzung eines APA, da die getroffene Vereinbarung faktisch unter dem umfassenden Vorbehalt der Einhaltung einer Vielzahl kritischer Annahmen steht. Dies zumal dann, wenn die Gültigkeitsbedingungen keinerlei Einfluss auf die angewendete Verrechnungspreismethode haben. Hier mögen durchaus auch unterschiedliche Vorstellungen bei den beteiligten Fisken vorherrschen, ob Gültigkeitsbedingungen in wesentlichen oder unwesentlichen Punkten nicht erfüllt sind und welche Konsequenzen der jeweilige Staat mit seiner Einschätzung verbindet. Ferner bergen Verhandlungen, die auf eine Änderung der Vorabverständigungsvereinbarung gerichtet sind, stets das Risiko des Scheiterns. Planungssicherheit im Hinblick auf Verrechnungspreisrisiken lässt sich insofern nicht erlangen. Dem jeweiligen fiskalischen Interesse der beteiligten Staaten sollte durch kritische Annahmen nur insofern Rechnung getragen werden, als Umstände die Anwendung der vereinbarten Verrechnungspreismethode in einer Weise beeinflussen, dass der Fremdvergleichsgrundsatz nicht mehr eingehalten würde.
1 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 3.7. 2 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 6.5.2. 3 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 5.1.
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d) Laufzeit/Gültigkeitsdauer
12.73 APA-Zeitraum. Für die Laufzeit eines APA gibt es keine international einheitlichen Regelungen; die OECD-Leitlinien verzichten auf entsprechende Empfehlungen. In der internationalen Staatenpraxis haben sich gleichwohl überwiegend Laufzeiten zwischen drei und fünf Jahren durchgesetzt.1 Dem entsprechen die Vorgaben der deutschen Finanzverwaltung, wonach die Laufzeit nicht weniger als drei und nicht mehr als fünf Jahre betragen sollte.2 Allerdings handelt es sich hierbei nicht um starre zeitliche Grenzen. Stattdessen soll dem APA eine angemessene Laufzeit zugrunde gelegt werden, für deren Bestimmung u.a. folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind: – die Dauerhaftigkeit und Stabilität der erfassten Geschäftsbeziehungen, – das Interesse des Steuerpflichtigen an und Bedenken der Finanzverwaltung gegenüber einer langfristigen Bindung, – die Praxis des beteiligten anderen Staates.
12.74 Beginn der Laufzeit. Entsprechend der Ausrichtung auf zukünftige Geschäftsvorfälle beginnt die Laufzeit eines APA üblicherweise zum Beginn des Wirtschaftsjahres, in dem der Antrag förmlich gestellt ist. Die deutsche Finanzverwaltung lässt einen früheren Beginn der Laufzeit aber dann zu, wenn zum Zeitpunkt der Abgabe des APA-Antrags für das frühere Wirtschaftsjahr noch keine Steuererklärung abgegeben wurde und die gesetzliche Abgabefrist auch noch nicht abgelaufen ist.3 Ein abweichender Beginn kommt – bei Vereinbarkeit mit den Interessen der deutschen Finanzbehörden – ferner dann in Betracht, wenn dies der Praxis des anderen Staates entspricht.
12.75 Rückbeziehung („roll back“). Die OECD-Leitlinien 2010 enthalten den ausdrücklichen Hinweis, dass ein APA auch die Möglichkeit bieten könne, die vereinbarte Verrechnungspreismethode zur Lösung ähnlicher Verrechnungsprobleme noch offener Vorjahre anzuwenden.4 Dementsprechend räumt auch die deutsche Finanzverwaltung die Rückbeziehung der Ergebnisse eines APA auch auf vorangehende Veranlagungszeiträume ein, wenn der Steuerpflichtige dies beantragt.5 Voraussetzung ist zunächst, dass der andere Staat dem zustimmt, was die Zulässigkeit einer rückwirkenden Anwendung nach dortigem innerstaatlichem Recht erfordert.6 1 Vgl. Übersicht bei Rasch/Mank in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Rz. 4.135 Anm. 433. 2 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 3.8. 3 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 3.8. 4 Vgl. Rz. 4.136 OECD-Leitlinien 2010. 5 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 7.3. 6 Vgl. hierzu Übersicht bei Rasch/Mank in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Rz. 4.135 Anm. 433.
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Ferner muss der Sachverhalt der Vorjahre dem Sachverhalt der APA-Jahre entsprechen und es müssen zu den Aufzeichnungen für den APA-Zeitraum entsprechende Unterlagen vorgelegt werden. Verlängerung des APA. Grundsätzlich endet die Geltungsdauer eines APA mit Zeitablauf. Eine Verlängerung über den Geltungszeitraum hinaus kommt allerdings auf Antrag des Steuerpflichtigen in Betracht. Die deutsche Finanzverwaltung verlangt hierbei, dass der Antrag rechtzeitig gestellt und glaubhaft gemacht wird, dass der zukünftig verwirklichte Sachverhalt dem Sachverhalt entspricht, der dem APA zugrunde gelegt wurde.1 Im Hinblick auf die Rechtzeitigkeit des Antrags ist eine Antragstellung vor Ablauf der regulären Geltungsdauer zu empfehlen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Verlängerung des APA – wie der Abschluss und die Änderung eines APA – eine zwischenstaatliche Vereinbarung mit dem anderen Staat voraussetzt. Sofern nach den APA-Grundsätzen des anderen beteiligten Staates eine Verlängerung nicht möglich ist,2 verbleibt es bei der ursprünglichen Geltungsdauer bzw. der Möglichkeit, eine neue Vorabverständigungsvereinbarung zu treffen. Von deutscher Seite sollte es bei der vereinfachten Antragstellung ohne die umfassende Vorlage der bei einem Erstantrag erforderlichen Unterlagen auch dann bleiben, wenn der andere Staat weitergehende Anforderungen stellt. Was die Geltungsdauer der Verlängerungsvereinbarung betrifft, orientiert sich die deutsche Finanzverwaltung an den allgemeinen Grundsätzen über die Laufzeitbestimmung (Rz. 12.73).
12.76
e) Entscheidung über den APA-Antrag Ermessensentscheidung. Das BZSt entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen darüber, ob das Vorabverständigungsverfahren eröffnet wird oder nicht, wobei die Entscheidung im Einvernehmen mit der zuständigen obersten Landesfinanzbehörde getroffen wird.3 Bei der Ausübung dieses Ermessens hat das BZSt eine Interessenabwägung vorzunehmen. Einerseits sind die Interessen des Steuerpflichtigen an einer sicheren Vermeidung einer möglichen Doppelbesteuerung zu berücksichtigen. Andererseits geht in diese Interessenabwägung das Interesse der Finanzverwaltung an einer einvernehmlichen Erledigung der Verrechnungspreisfrage ein, die sonst Gegenstand einer Außenprüfung oder eines Verständigungsverfahrens nach den Art. 25 Abs. 1 und 2 OECD-MA entsprechenden abkommensrechtlichen Bestimmungen oder nach Art. 6 EU-Schiedskonvention werden kann. Hierbei handelt es sich jeweils um Interessen an
1 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 7.4. 2 Vgl. hierzu Übersicht bei Rasch/Mank in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Rz. 4.135 Anm. 433. 3 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 3.9.
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der Durchführung eines Vorabverständigungsverfahrens.1 Ferner können nach dem Merkblatt für bilaterale oder multilaterale APA folgende Aspekte in die Interessenabwägung einfließen: – inhaltliche Übereinstimmung des Antrags mit den deutschen Verrechnungspreisgrundsätzen, internationale Durchsetzbarkeit, APA-Praxis des anderen Staates; – abzusehende Schwierigkeiten oder Zweifel bei der Auslegung des anzuwendenden DBA, die besser vor Durchführung der betreffenden Geschäftsvorfälle zu lösen sind (Zusageinteresse der Verwaltung); – Ernsthaftigkeit der zu beurteilenden Geschäftsvorfälle, hypothetische Vorgänge, erkennbarer Test der Position der Steuerverwaltung, Steuervermeidung als erkennbares Motiv für den Antrag; – Streit in einer laufenden Außenprüfung, der wegen gleicher Sachverhalte indirekt durch den Abschluss eines APA gelöst werden könnte.2
12.78 Ablehnung und Ablehnungsgründe. Führt die Interessenabwägung zu der Entscheidung des BZSt, das Vorabverständigungsverfahren nicht zu eröffnen, handelt es sich um eine Entscheidung über den APA-Antrag und damit um einen Verwaltungsakt i.S.v. § 118 AO. Aus Sicht der Finanzverwaltung sprechen gegen die Eröffnung eines Vorabverständigungsverfahrens z.B., dass – der Antragsteller seinen Antrag ohne sachliche Begründung beschränkt; – er kein berechtigtes Interesse oder nur ein Steuervermeidungsinteresse hat; – von ihm zu vertretende, erhebliche Verzögerungen eintreten; – er den Finanzbehörden ausreichende Informationen verweigert oder – er auf der Anwendung einer Methode besteht, die die Finanzbehörden für ungeeignet halten.3 Dem Antragsteller wird vor Erlass der ablehnenden Entscheidung Gelegenheit gegeben, etwaige Ablehnungsgründe zu beseitigen. Das BZSt kann daneben die weitere Bearbeitung des APA-Antrags zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens unter Darlegung der entsprechenden Gründe ablehnen und das APA-Verfahren nach dessen Eröffnung abbrechen.4
1 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 3.9. 2 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 3.9. 3 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 3.9. 4 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 4.1 mit Hinweis auf Rz. 3.9. Siehe auch Becker in Haase, Art. 25 OECDMA Rz. 73.
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4. Vorabverständigungsverfahren und Abschluss des APA a) Durchführung des Verfahrens Zeitliche Vorgaben/Zeitplan. Weder nach innerstaatlichen APA-Grundsätzen noch nach den international abgestimmten APA-Grundsätzen der OECD bestehen konkrete zeitliche Vorgaben für die Bewertung des APAAntrags durch die jeweilige Finanzbehörde und den gesamten Verfahrensablauf der zwischenstaatlichen Verständigung über den APA-Antrag. In ihrem Merkblatt betont die deutsche Finanzverwaltung allerdings, dass insbesondere die zeitliche Koordination und die zügige Durchführung des Verfahrens in allen Phasen für den erfolgreichen Abschluss eines APAVerfahrens entscheidend sind.1 Hierzu ist das BZSt gehalten, mit der zuständigen Behörde des (jeweiligen) anderen Vertragsstaates für das gesamte Verfahren und jeden einzelnen Verfahrensabschnitt realistische – allerdings unverbindliche – Terminabsprachen zu treffen.2 Die vom EUJTPF entwickelten Leitlinien für Verrechnungspreiszusagen (APA) in der Europäischen Union empfehlen dagegen die Festlegung eines konkreten Zeitplans möglichst zeitnah nach Eingang des APA-Antrags und stellen hierfür einen Musterzeitplan zur Verfügung.3 Hiernach sollte die unabhängige (Erst-)Bewertung des APA-Antrags durch die jeweilige Finanzbehörde einschließlich der Erstellung des Positionspapiers (Rz. 12.81) innerhalb von zwölf Monaten abgeschlossen sein und das gesamte APAVerfahren bis zum Abschluss der Vorabverständigungsvereinbarung in der Regel nicht mehr als achtzehn Monate in Anspruch nehmen.4 Für die von Deutschland abgeschlossenen APA bestehen keine validen Informationen über die Verfahrensdauer. International koordinierte, statistische Auswertungen zur Verfahrensdauer von APA-Verfahren, vergleichbar der OECD-Statistik zu Verständigungsverfahren,5 sind – soweit ersichtlich – nicht verfügbar. Die Leitlinien für Verrechnungspreiszusagen (APA) in der Europäischen Union empfehlen lediglich, gewisse statistische Angaben über APA zu veröffentlichen, ohne diese zweckdienlichen Angaben allerdings konkret zu fassen.6 Dem Vernehmen nach erfolgen gegenwärtig im BZSt statistische Erhebungen und Auswertungen über die tatsächliche Verfahrensdauer der mit deutscher Beteiligung (erfolgreich) abgeschlossenen APA-Verfahren. Üblicherweise soll die Verfahrensdauer der von Deutschland abgeschlossenen APA zwei Jahre betragen.7 In der Praxis sind allerdings auch Fälle bekannt, in denen APA-Verfahren nach Ablauf von fünf Jahren nach Antragstellung noch nicht 1 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 4.1. 2 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 4.1. 3 Vgl. KOM (2007) 71 final v. 26.2.2007, Abschn. 7.3 Rz. 30 und Anhang C. 4 Vgl. KOM (2007) 71 final v. 26.2.2007, Abschn. 7.3 Anhang C. 5 Vgl. Albertz, IStR-LB 3/2012, 13 f. 6 Vgl. KOM (2007) 71 final v. 26.2.2007, Abschn. 8.4 Rz. 62. 7 Vgl. Becker in Haase, Art. 25 OECD-MA Rz. 74.
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abgeschlossen sind. Zu berücksichtigen ist überdies, dass strittige Verrechnungspreisfragen in einer Betriebsprüfung unter Beteiligung des BZSt und deren Klärung durchaus geeignet sind, die Verfahrensdauer eines parallel laufenden APA-Verfahrens zu beeinflussen.
12.80 Bewertung des APA. Die Prüfung und Bewertung des APA betrifft die Positionierung der jeweiligen zuständigen Behörde im Hinblick auf Bedingungen und Konditionen des APA. Da diese Bewertung in Abhängigkeit von der Komplexität der dem APA zugrunde liegenden Verrechnungspreisfragen durchaus zwölf Monate und länger in Anspruch nehmen kann, empfiehlt es sich, den APA-Antrag zeitgleich beim BZSt und der bzw. den zuständigen ausländischen Steuerbehörde(n) zu stellen, damit die jeweiligen innerstaatlichen Bewertungsprozesse möglichst zeitgleich ablaufen. Das BZSt wird bei (Erst-)Antragstellung in Deutschland auf eine zeitgleiche Antragstellung in den jeweiligen anderen Vertragsstaaten hinwirken.1 Die Prüfungen im Rahmen der Bewertung des APA werden in den jeweiligen Staaten entweder von speziellen APA-Prüfern oder von den örtlich zuständigen Prüfern vorgenommen.2 In Deutschland bildet das BZSt nach Eingang des APA-Antrags für jedes APA unter Beteiligung der zuständigen obersten Finanzbehörde oder der beauftragten Behörde ein spezielles „APA-Team“, das aus einem Vertreter des zuständigen Referats des BZSt und mindestens einem Vertreter des jeweiligen Bundeslandes besteht; die Team-Koordination wie die Durchführung des Vorabverständigungsverfahrens liegen beim BZSt als die für Deutschland „zuständige Behörde“.3 Für den Bewertungsprozess empfehlen die Leitlinien für Verrechnungspreiszusagen (APA) in der Europäischen Union eine möglichst enge Abstimmung zwischen Finanzverwaltung und Steuerpflichtigem und das Hinarbeiten auf eine für beide Seiten akzeptable Lösung, wobei bestenfalls Einvernehmen zwischen Steuerpflichtigem und der jeweiligen Finanzbehörde über die Bewertung erzielt wird.4 Zur Einleitung der Verhandlungen mit dem jeweiligen anderen Vertragsstaat ist entsprechend dieser Empfehlungen die zuständige Behörde berufen, die ihre Bewertung abgeschlossen hat.5 Im Regelfall geht sie mit der Übersendung des entsprechenden Positionspapiers (Rz. 12.81) einher, um die andere(n) zuständige(n) Behörde(n) von der jeweiligen Position förmlich in Kenntnis zu setzen.6 Die jeweilige andere zuständige Behörde ist gehalten, ihrerseits nach Abschluss ihrer Bewertung das entsprechende Positionspapier zu
1 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 4.4. 2 Vgl. Becker in Haase, Art. 25 OECD-MA Rz. 74. 3 Siehe im Einzelnen zur Zusammenarbeit des BZSt mit Landesbehörden BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 4.3. 4 Vgl. KOM (2007) 71 final v. 26.2.2007, Abschn. 7.3 Rz. 31 ff. 5 Vgl. KOM (2007) 71 final v. 26.2.2007, Abschn. 7.3 Rz. 37. 6 Vgl. KOM (2007) 71 final v. 26.2.2007, Abschn. 7.3 Rz. 40.
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übersenden und möglichst darauf hinzuweisen, in welchen Punkten Meinungsverschiedenheiten bestehen.1 Positionspapiere. Das Merkblatt für APA enthält keine konkreten Vorgaben zum Informationsaustausch während der zwischenstaatlichen Verhandlungen über den APA-Antrag. Die vom EU-JTPF entwickelten Leitlinien für Verrechnungspreiszusagen (APA) in der Europäischen Union empfehlen den Vertragsstaaten nach Abschluss ihrer jeweiligen Bewertung ein Positionspapier zu erstellen, aus dem der Standpunkt der betreffenden Steuerverwaltung hervorgehen sollte.2 Für dieses Positionspapier wird folgende inhaltliche Vorgehensweise empfohlen:3
12.81
1. die Schlussfolgerungen der zuständigen Behörde mit Darstellung der Logik, auf die sie sich bei der Beurteilung stützt, wobei u.a. angegeben werden sollte, welcher Methode aus welchen Gründen der Vorzug gegeben wird; 2. gegebenenfalls Gründe für die Ablehnung oder Änderung der Methode, die ursprünglich vom Steuerpflichtigen gewählt wurde; 3. nähere Angaben zu den für die genannte Schlussfolgerung ausschlaggebenden Tatsachen, wobei gegebenenfalls solche Umstände besonders berücksichtigt werden sollten, die noch nicht im ursprünglichen Antrag ersichtlich waren, sondern erst im Verlaufe des APA-Verfahrens zutage treten; 4. Angaben zu den kritischen Annahmen, auf denen das APA beruhen soll; 5. Stellungnahme zu etwaigen Rückwirkungsaspekten und zur Laufzeit des APA; 6. Anregungen zu der Art der Beobachtung des APA (monitoring); 7. Beschreibung der DBA und der innerstaatlichen Rechtsvorschriften, denen das APA unterliegt und die dem Steuerpflichtigen Rechtssicherheit geben. Vorzeitige Beendigung. Das Vorabverständigungsverfahren kann zu jedem Zeitpunkt und in jedem Verfahrensstadium sowohl durch die jeweilige zuständige Behörde als auch durch den Antragsteller beendet werden. Aufgrund der Antragsgebundenheit des APA-Verfahrens entfällt mit der Rücknahme des Antrags die Grundlage für dessen Durchführung mit der Folge, dass das Vorabverständigungsverfahren beendet ist.4 Allerdings können sich die Vertragsstaaten anstelle der Beendigung auf die Überleitung in ein antragsunabhängiges Konsultationsverfahren auf Grundlage der Art. 25 Abs. 3 OECD-MA entsprechenden Bestimmungen des jeweili1 2 3 4
Vgl. KOM (2007) 71 final v. 26.2.2007, Abschn. 7.3 Rz. 41. Vgl. KOM (2007) 71 final v. 26.2.2007, Abschn. 7.3 Rz. 40 und 42. Vgl. KOM (2007) 71 final v. 26.2.2007, Abschn. 7.3 Rz. 42 und Anhang D. Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 4.2 und 7.2.
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12.82
Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
gen DBA verständigen, wenn im Rahmen der zwischenstaatlichen Verhandlungen über das APA – auch bezogen auf den konkreten Einzelfall – Schwierigkeiten und Zweifel bei der Auslegung des DBA zu Tage getreten sind, die einer einvernehmlichen Lösung bedürfen.1 Wie bei jedweder (erfolglosen) Beendigung oder dem Scheitern des APA-Verfahrens besteht hinsichtlich der bekannt gewordenen Tatsachen kein Verwertungsverbot, sondern diese sind entsprechend dem Untersuchungsgrundsatz zugunsten wie zulasten des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen.2 Das BZSt kann seinerseits das APA-Verfahren in jedem Verfahrensstadium abbrechen, wenn die für die Ablehnung des APA-Antrags dargestellten Ablehnungsgründe vorliegen (Rz. 12.78), wobei es sich wiederum um eine Ermessensentscheidung handelt (Rz. 12.77). b) Rechtsstellung des Steuerpflichtigen
12.83 Mitwirkungsrechte und -pflichten. Das Vorabverständigungsverfahren auf Grundlage der Art. 25 Abs. 1 und 2 OECD-MA (Rz. 12.52) ist wie das „normale“ Verständigungsverfahren ein zwischenstaatliches Verwaltungsverfahren zwischen den zuständigen Behörden der beiden Vertragsstaaten. Der Steuerpflichtige ist selbst nicht Verfahrensbeteiligter; ihm kommen deshalb keine Parteienstellung und keine Möglichkeit der Einflussnahme auf das Zustandekommen einer Einigung zu. Er hat demzufolge auch keine Mitwirkungsmöglichkeit, wenngleich die OECD-Leitlinien 2010 eine solche Mitwirkungsmöglichkeit bei Abschluss eines APA annehmen und hieran einen entscheidenden Vorteil des Vorabverständigungsverfahrens gegenüber dem herkömmlichen Verständigungsverfahren festmachen wollen.3 Der Steuerpflichtige ist jedoch Beteiligter seines Antragsverfahrens sowie des Verfahrens der Vorabzusage und ist aufgrund dessen zur Mitwirkung, Informationsbeschaffung und Vorlage von Unterlagen und Aufzeichnungen verpflichtet.4
12.84 Ermessensabhängige Verfahrensteilnahme. Als Verfahrensparteien entscheiden die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten über die Einbindung des Steuerpflichtigen in das Vorabverständigungsverfahren. Nach Rz. 4.57 OECD-Leitlinien 2010 soll über die Mitwirkungsmöglichkeit „im Rahmen des freien Ermessens der zuständigen Behörden entschieden werden“.5 Ferner empfiehlt Rz. 4.59 OECD-Leitlinien 2010 für das APA1 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 7.2. 2 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 1.3 und 7.2. 3 Vgl. Rz. 4.134 OECD-Leitlinien 2010; zutreffend kritisch Rasch/Mank in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Rz. 4.135 Anm. 423. 4 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 4.2. 5 Rz. 4.57 OECD-Leitlinien 010.
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Verfahren, dass die von vielen OECD-Mitgliedsstaaten routinemäßig praktizierte regelmäßige Information über den Verfahrensstand übernommen werden sollte. Dem folgt die deutsche Finanzverwaltung in ihrem Merkblatt für APA.1 Hiernach unterrichtet das BZSt den Antragsteller regelmäßig über den Verfahrensstand. Ferner entscheidet es als „zuständige Behörde“ im Einvernehmen mit der zuständigen Behörde des anderen Vertragsstaates über die persönliche Anwesenheit des Antragstellers oder seines Vertreters an Teilen von Verhandlungen bzw. über die Möglichkeit für den Antragsteller, bei diesen Verhandlungen seine Position gegenüber beiden Staaten persönlich zu vertreten und zu diskutieren. „Aktive“ Verfahrensbeteiligung als Informant. Auch ohne Anwesenheits- und Mitwirkungsrechte des Steuerpflichtigen ist die (informelle) Verfahrensbeteiligung des Steuerpflichtigen als „Informant oder Assistent“2 aktiver und damit günstiger als beim vergangenheitsorientierten Verständigungsverfahren, da es sich auf noch nicht abgeschlossene Sachverhalte bezieht.3 Von einer weitgehenden Einbindung des Steuerpflichtigen in das Verfahren geht wohl auch die deutsche Finanzverwaltung aus, wenn als allgemeine Verfahrensgrundsätze für einen erfolgreichen Abschluss eines APA-Verfahrens auf den ungehinderten Informationsfluss auch im Verhältnis zum Steuerpflichtigen, die zügige Durchführung und den zügigen Abschluss des Verfahrens und insbesondere die enge Zusammenarbeit aller Mitwirkenden, was letztlich den Steuerpflichtigen einbezieht, hingewiesen wird.4 Dies steht im Einklang mit den Empfehlungen des EU-JTPF, das als Vorteil des APA-Verfahrens herausstreicht, dass in einem solchen von Kooperation geprägten Umfeld die Sachverhalte flexibler überprüft werden können als in einer Atmosphäre der Konfrontation.5
12.85
c) Abschluss der Vorabverständigungsvereinbarung Völkerrechtlicher Vertrag und Bindungswirkung. Erzielen die Verfahrensbeteiligten eine Einigung, schließt das BZSt mit der anderen zuständigen Behörde bzw. – bei multilateralen APA – mit jeder anderen zuständigen Behörde bezogen auf das jeweilige bilaterale Vorabverständigungsverfahren eine Vorabverständigungsvereinbarung. Hierbei können mehrere Vorabverständigungsverfahren, die auf einem Antrag beruhen, in einer einheitlichen Vertragsurkunde abgeschlossen werden.6 Mit dem Abschluss
1 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 4.2. 2 Kramer, IStR 2007, 175. 3 Vgl. Grotherr, IStR 2005, 352; Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 301. 4 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 4.1. 5 Vgl. KOM (2007) 71 final v. 26.2.2007, Abschn. 3.2 Rz. 26. 6 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 4.5.
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12.86
Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
der Vorabverständigungsvereinbarung ist das APA-Verfahren bezogen auf das zwischenstaatliche Verwaltungsverfahren formal beendet. Die jeweilige Vorabverständigungsvereinbarung ist ein völkerrechtlicher Vertrag, zu dessen Abschluss das BZSt als die für die Durchführung des Vorabverständigungsverfahrens „zuständige Behörde“ berechtigt ist. Im Hinblick auf die rechtliche Bindungswirkung ist allerdings zwischen der völkerrechtlichen Bindung gegenüber dem jeweiligen anderen Vertragsstaat des bilateralen Vorabverständigungsverfahrens, der Bindung innerstaatlicher Gerichte und der (Selbst-)Bindung der die Vorabverständigungsverfahren abschließenden und der ihr nachgeordneten Behörden zu unterscheiden.1 Entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben (Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG) binden völkerrechtliche Verpflichtungen deutsche Gerichte und den Steuerpflichtigen aber nur, wenn sie in innerstaatliches Recht umgesetzt werden.2 Dies ist bei Vorabverständigungsvereinbarungen, die auf den jeweiligen Einzelfall gerichtet sind, aber nicht der Fall. Nichts anderes gilt aufgrund der Verordnungsermächtigung des BMF nach § 2 Abs. 2 AO, die sich auf die Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen beschränkt.
12.87 Zustimmungsvorbehalt und Einspruchsverzicht. Das BZSt ist gehalten, Vorabverständigungsvereinbarungen nur unter dem Vorbehalt abzuschließen, dass – der Antragsteller der Vorabverständigungsvereinbarung schriftlich zustimmt und – nach § 354 Abs. 1a AO auf die Einlegung eines Einspruchs gegen Steuerbescheide verzichtet, die die Ergebnisse der Verständigung für die Laufzeit zutreffend umsetzen.3 Die Vorabverständigungsvereinbarung wird deshalb regelmäßig erst nach schriftlicher Abgabe der entsprechenden Erklärungen wirksam. Nach Eingang der entsprechenden Erklärungen fällt der Vorbehalt weg und die Vorabverständigungsvereinbarung wird zu diesem Zeitpunkt endgültig wirksam; die jeweilige andere zuständige Behörde ist über diesen Zeitpunkt in Kenntnis zu setzen.4 Die Zustimmung zur Vorabverständigungsvereinbarung ist ebenso wie der Einspruchsverzicht nach § 354 Abs. 1a AO unverzüglich schriftlich gegenüber der örtlich zuständigen Finanzbehörde zu erklären.5 Ferner hat 1 Vgl. BFH v. 2.9.2009 – I R 90/08, BStBl. II 2010, 394 m.w.N. 2 Vgl. BFH v. 1.2.1989 – I R 74/86, BStBl. II 1990, 4; v. 10.7.1996 – I R 4/96, BStBl. II 1997, 15; v. 2.9.2009 – I R 90/08, BStBl. II 2010, 394; v. 11.11.2009 – I R 15/09, BStBl. II 2010, 602. 3 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 4.5 und 4.6. 4 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 4.5. 5 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 4.6; BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06 – Merkblatt zum Verständigungs- und Schiedsverfahren, BStBl. I 2006, 461 Rz. 4.2.
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der Antragsteller seine Kenntnis darüber zu erklären, dass die deutschen Finanzbehörden nur dann an die Vorabverständigungsvereinbarung gebunden sind, wenn – der zugrunde liegende Sachverhalt erfüllt ist, – die Gültigkeitsbedingungen eingehalten werden und – den Finanzbehörden die erforderlichen Jahresberichte zur Verfügung gestellt werden.1 Inhalt der Vorabverständigungsvereinbarung. Die Leitlinien für Verrechnungspreiszusagen (APA) in der Europäischen Union empfehlen für die Vorabverständigungsvereinbarung folgende, in der Regel erforderliche inhaltliche Angaben:2
12.88
1. die Laufzeit des APA und der Tag seines Inkrafttretens; 2. eine detaillierte Darlegung der akzeptierten Methode für die Verrechnungspreisgestaltung und der kritischen Annahmen,3 nach denen vorgegangen werden muss, damit das APA Gültigkeit hat; 3. die Einigung darüber, dass das APA für die beteiligten Steuerverwaltungen verbindlich sein wird; 4. die Einigung darüber, wie das APA beobachtet werden soll (monitoring); 5. die Einigung darüber, welche Dokumentation während der Laufzeit des APA zu führen ist, sodass eine effektive Beobachtung stattfinden kann (z.B. Jahresberichte); 6. die Einigung über etwaige Rückwirkungsaspekte; 7. Umstände, die eine Überprüfung des APA erforderlich machen; 8. Umstände, die zu einer Aufhebung des APA führen, gegebenenfalls sogar rückwirkend (z.B. Übermittlung falscher Angaben). 5. Umsetzung der Vorabverständigungsvereinbarung Antragsgebundene Vorabzusage. Nach Abschluss der Vorabverständigungsvereinbarung ist das zuständige Finanzamt verpflichtet, eine verbindliche Vorabzusage gleichen Inhalts zu erteilen.4 Allerdings bedarf es hierfür eines neuerlichen Antrags des Steuerpflichtigen auf Erteilung ebendieser Vorabzusage, weil das APA-Verfahren auch verfahrensrechtlich zweigeteilt ist. Grundsätzlich bietet es sich an, zeitgleich mit dem Antrag auf Einleitung eines Vorabverständigungsverfahrens beim BZSt (Rz. 12.62 ff.) den Antrag auf Erteilung der entsprechenden Vorabzusage 1 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 4.6. 2 Vgl. KOM (2007) 71 final v. 26.2.2007, Anhang E. 3 Vgl. KOM (2007) 71 final v. 26.2.2007, Anhang F. 4 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 5.1.
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12.89
Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
beim örtlich zuständigen Finanzamt zu stellen.1 Dem Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Vorabzusage wird allerdings nicht entsprochen, bevor das Vorabverständigungsverfahren abgeschlossen ist.
12.90 Abgrenzungsfragen. Nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung ist die verbindliche Vorabzusage deshalb von verbindlichen Zusagen im Anschluss an eine Außenprüfung nach §§ 204 ff. AO und verbindlichen Auskünften nach § 89 Abs. 2 AO abzugrenzen, weil APA ihre Rechtsgrundlage im jeweiligen DBA haben.2 Diese Auffassung ist im Hinblick auf die Zweiteilung des APA-Verfahrens nach innerstaatlichem Recht in Vorabverständigungsverfahren einerseits und das rein innerstaatliche Verfahren der Erteilung der entsprechenden verbindlichen Vorabzusage (Rz. 12.58) andererseits widersprüchlich, weil lediglich das völkerrechtliche Vorabverständigungsverfahren auf einer völkervertraglichen Grundlage beruht.3 Zutreffend ist allerdings, dass das BZSt als die für den Abschluss von Vorabverständigungsvereinbarungen zuständige deutsche Finanzbehörde mit dem Abschluss einer Vorabverständigungsvereinbarung eine Selbstbindung deutscher Finanzbehörden begründet. Entsprechend der völkerrechtlichen Verpflichtung aus der Vorabverständigungsvereinbarung und im Einklang mit den OECD-Leitlinien 20104 sind die Finanzbehörden an das APA gebunden, wenn der zugrunde gelegte Sachverhalt erfüllt ist und die entsprechenden Gültigkeitsbedingungen eingehalten wurden.5 Insofern ist die Entscheidung des örtlich zuständigen Finanzamts über den Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Zusage gebundenes Verwaltungshandeln. Es muss diesem Antrag entsprechen, wenn eine Vorabverständigungsvereinbarung gleichen Inhalts umzusetzen ist, und es muss diesen Antrag ablehnen, wenn das APA-Verfahren endgültig gescheitert ist. Sowohl die Erteilung einer verbindlichen Vorabzusage wie die Ablehnung des hierauf gerichteten Antrags sind (mitwirkungsbedürftige) Verwaltungsakte.6 Eine gesonderte Verfahrensvorschrift für verbindliche Vorabzusagen besteht allerdings nicht. Dass sie eine mit verbindlichen Zusagen im Anschluss an eine Außenprüfung nach §§ 204 ff. AO vergleichbare Wirkung entfalten, ist unbestritten.7
1 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 2.3; auch Kramer, IStR 2007, 176. 2 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 1.2. 3 Kritisch auch Engler/Ebert in V/B/E, Verrechnungspreise3, F Rz. 413. 4 Rz. 4.135 OECD-Leitlinien 2010. 5 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 6.3. 6 Vgl. Kramer, IStR 2007, 175. 7 Vgl. Kramer, IStR 2007, 175; Rasch/Mank in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Rz. 4.135 Anm. 429. Zur Ablehnung des APA-Antrags vgl. auch BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 3.9.
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Widerrufsvorbehalt. Die Erteilung einer verbindlichen Vorabzusage erfolgt nur unter Widerrufsvorbehalt. Der Widerrufsvorbehalt wird zum einen im Hinblick auf die Nichtverwirklichung des dem APA zugrunde gelegten Sachverhalts gefasst,1 weil sowohl die Vorabverständigungsvereinbarung als auch die hierauf beruhende verbindliche Vorabzusage in diesem Fall keinerlei Rechtswirkung entfalten.2 Zum anderen betrifft der Widerrufsvorbehalt die Nichterfüllung der Gültigkeitsbedingungen des APA.3 Werden die Gültigkeitsbedingungen in wesentlichen Punkten nicht erfüllt, geht die Finanzverwaltung davon aus, dass dem APA die Grundlage entzogen ist; in diesem Fall entscheidet das Finanzamt nach pflichtgemäßem Ermessen über den Widerruf der Vorabzusage.4 Gleiches gilt bei nicht unwesentlichen Abweichungen von den vereinbarten Gültigkeitsbedingungen, wenn die hieraufhin eingeleiteten Verhandlungen mit dem anderen Vertragsstaat auf Änderung der Vorabverständigungsvereinbarung scheitern.5 Ferner wird das zuständige Finanzamt den Widerrufsvorbehalt regelmäßig auch auf die Erfüllung der jährlichen Berichtspflichten erstrecken, deren Erfüllung das zuständige Finanzamt und das BZSt erst in die Lage versetzen, die tatsächliche Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts und die Einhaltung der Gültigkeitsbedingungen festzustellen.6
12.91
Umsetzung im anderen Vertragsstaat. Für das innerstaatliche Verfahren der Vorabzusage ist die Umsetzung der Vorabverständigungsvereinbarung im anderen Vertragsstaat (bilaterales APA) bzw. in den anderen Vertragsstaaten (multilaterales APA) grundsätzlich unbeachtlich.7 Deutschland hat die nach Art. 25 Abs. 2 Satz 2 OECD-MA bestehende völkerrechtliche Verpflichtung zur innerstaatlichen Umsetzung der Vorabverständigungsvereinbarung zu erfüllen. Im Falle der fehlenden Umsetzung im anderen Vertragsstaat oder von Abweichungen von der Vorabverständigungsvereinbarung ist der Steuerpflichtige gehalten, das BZSt zu kontaktieren, das seinerseits über die Aufnahme von Verhandlungen entscheidet.8 Zu berücksichtigen ist ferner, dass die deutsche Finanzverwaltung die Durchführung der Besteuerung entsprechend dem APA im anderen Staat als ei-
12.92
1 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 594 Rz. 5.1. 2 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 594 Rz. 6.4 mit Verweis auf Rz. 6.5.1. 3 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 594 Rz. 5.1. 4 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 594 Rz. 6.5.2. 5 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 594 Rz. 6.5.2. 6 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 594 Rz. 6.3. 7 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 594 Rz. 5.2. 8 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 594 Rz. 5.2.
- 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006,
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ne beispielhafte Gültigkeitsbedingung aufführt (Rz. 12.70). Hierbei ist allerdings völlig unklar, welche Konsequenzen zum Tragen kommen, wenn bei einer solchen Gültigkeitsbedingung das APA im anderen Vertragsstaat tatsächlich nicht durchgeführt wird.
IV. Maßnahmen während der Laufzeit des APA 12.93 Jahresbericht („Compliance Report“). Die Vorabverständigungsvereinbarung zwischen den beteiligten Staaten beinhaltet von deutscher Seite grundsätzlich die Verpflichtung des Steuerpflichtigen, einen jährlichen Bericht („Compliance Report“) zu erstellen und vorzulegen. Mit diesem Bericht soll der Steuerpflichtige darlegen, dass der dem APA zugrunde gelegte Sachverhalt im betreffenden Wirtschaftsjahr verwirklicht worden ist und insbesondere, dass die Gültigkeitsbedingungen (Rz. 12.69) eingehalten wurden. Die deutsche Finanzverwaltung verlangt in diesem Zusammenhang, dass der Steuerpflichtige auf jede Abweichung ausdrücklich hinweisen sowie ferner mitteilen muss, welche Anpassungen er vorgenommen hat. In diesem Zusammenhang wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Verletzung dieser Hinweis- und Mitteilungspflicht nachteilige Folgen auslösen kann. Diesem Hinweis muss wohl entnommen werden, dass in diesem Fall der jeweilige Jahresbericht mit der Folge als nicht zur Verfügung gestellt gilt, sodass keine Bindungswirkung der deutschen Finanzbehörden an das APA besteht.1 Der Steuerpflichtige ist ferner bei Nichteinhaltung der Gültigkeitsbedingungen gehalten, Vorschläge für entsprechende Anpassungen der Verständigungsvereinbarung zu machen. In diesem Zusammenhang sind gestellte, ergänzende Anfragen der Finanzbehörden unverzüglich zu beantworten.2 Im Hinblick auf die Abgrenzung zwischen einer Anpassung und einer Änderung der Vorabverständigungsvereinbarung – und daraufhin der Vorabzusage – ist laut Finanzverwaltung davon auszugehen, dass eine Anpassung nur bei unwesentlichen Abweichungen und eine Änderung nur dann in Betracht kommt, wenn die Gültigkeitsbedingungen nicht in wesentlichen Punkten nicht eingehalten werden.3 Im letzteren Fall sollte der Vorschlag auf etwaige Anpassungen der Vorabverständigungsvereinbarung zugleich mit einem Änderungsantrag verbunden werden.
12.94 Abgabefrist und Formvorgaben. Der Jahresbericht sollte bis zum Ablauf der gesetzlichen Steuererklärungsfrist des betreffenden Jahres sowohl beim BZSt als auch beim zuständigen Finanzamt abgegeben werden. Die 1 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 6.1 mit Verweis auf Rz. 4.6. 2 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 6.1. 3 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 6.5.2.
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deutsche Finanzverwaltung verlangt eine Vorlage des Jahresberichts in deutscher Sprache; bei Abfassung in einer Fremdsprache ist deshalb eine deutsche Übersetzung beizufügen. Eine Abgabe hat spätestens zum früheren der nachfolgenden Zeitpunkte zu erfolgen: – gleichzeitig mit der Vorlage im anderen Staat; – zusammen mit der Abgabe der Steuererklärung für den betreffenden Veranlagungszeitraum. Sanktionierung der Berichtspflichten. Die Nichtvorlage der Jahresberichte ist zwar nicht explizit sanktioniert. Allerdings werden das BZSt und das zuständige Finanzamt erst durch die Erfüllung dieser jährlichen Berichtspflichten in die Lage versetzt, die tatsächliche Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts und die Einhaltung der Gültigkeitsbedingungen überhaupt überprüfen zu können.1 Dem APA entsprechende Steuerbescheide sind im Übrigen nur zu erlassen, wenn neben der tatsächlichen Verwirklichung des dem APA zugrunde gelegten Sachverhalts und der Einhaltung der Gültigkeitsbedingungen auch die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind.2 Ferner ist die Verpflichtung der jährlichen Berichtspflichten Bestandteil der Vorabverständigungsvereinbarung und der inhaltsgleichen verbindlichen Vorabzusage. Die deutsche Finanzverwaltung sieht eine rechtliche Verpflichtung zur Bindung an die Vorabverständigungsvereinbarung deshalb nur dann als gegeben an, wenn den Finanzbehörden die erforderlichen Jahresberichte zur Verfügung gestellt werden.3
12.95
V. Gebühren Während die OECD-Leitlinien 2010 die Gebühren eines APA nicht ansprechen, führen die Leitlinien für Verrechnungspreiszusagen in der EU jedenfalls – allerdings wenig greifbar – aus, dass etwaige Gebühren für APA-Verfahren nicht so hoch sein sollten, dass sie von der Beantragung eines APA-Verfahrens abschrecken.4
12.96
Jedenfalls die Gebühren für bilaterale APA sind im deutschen Steuerrecht geregelt. Die Einführung der Gebührenregelung in § 178a AO durch das JStG 20075 dürfte das Ermessen der deutschen Finanzverwaltung zugunsten des Antragstellers positiv beeinflussen.6 Gemäß § 178a Abs. 2 AO wird für jeden Antrag eine pauschale Grundgebühr i.H.v. 20 000 Euro er-
12.97
1 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 6.3. 2 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 5.1. 3 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 4.6. 4 Vgl. KOM (2007) 71 final v. 26.2.2007, Abschn. 4 Rz. 14. 5 JStG 2007 v. 13.12.2006, BGBl. I 2006, 2878. 6 Vgl. auch Engler/Ebert in V/B/E, Verrechnungspreise3, F Rz. 417.
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hoben. Für die Verlängerung eines bestehenden APA fällt eine (Verlängerungs-)Gebühr i.H.v. 15 000 Euro, für jede Änderung eines bestehenden APA eine (Änderungs-)Gebühr i.H.v. 10 000 Euro an. Die Änderungsgebühr entsteht allerdings nicht, wenn die Änderung vom BZSt oder von der Finanzbehörde des anderen Staates veranlasst worden ist (§ 178a Abs. 1 Satz 3 AO). Der Antrag auf ein APA löst die Gebührenpflicht aus. Die Gebühr entsteht mit Eingang des APA-Antrags beim BZSt.1 Gemäß § 178a Abs. 3 AO reduzieren sich diese Pauschalgebühren für kleine Unternehmen i.S.v. § 6 GAufzV auf die Hälfte. Dies sind Unternehmen, bei denen die Entgelte aus der Lieferung von Gütern oder Waren an nahestehende Unternehmen 5 Mio. Euro und die Entgelte aus anderen Leistungen an nahestehende Unternehmen 500 000 Euro nicht übersteigen. In § 178a Abs. 4 AO ist ferner eine Billigkeitsregel verankert, nach der auf Antrag des Steuerpflichtigen vor Eröffnung des APA-Verfahrens die Gebühr ermäßigt werden kann, wenn deren Erhebung eine unbillige Härte darstellt. Hinzutreten muss ein besonderes staatliches Interesse an der Durchführung des APA, das ausweislich der Gesetzesbegründung darin bestehen kann, dass durch das APA streitige Betriebsprüfungen und zeitbzw. kostenaufwendige spätere Verständigungs- oder Schiedsverfahren vermieden werden.2 Die Pauschalgebühr entsteht für die Bearbeitung des APA-Antrags, nicht dagegen für die – antragsgemäße – Erteilung der Vorabzusage und die mit ihr eine Einheit bildende Verständigungsvereinbarung aufgrund des jeweiligen DBA.3 § 178a Abs. 5 AO stellt deshalb klar, dass die Gebühr erfolgsunabhängig ist, d.h. auch dann nicht erstattet wird, wenn der Antrag auf Eröffnung des APA-Verfahrens abgelehnt wird, das Unternehmen den Antrag zurücknimmt oder das APA-Verfahren scheitert.
12.98 Für multilaterale APA sieht § 178a AO keinen gesonderten Gebührenmaßstab vor. Stattdessen ist in diesem Fall die Gebühr nach § 178a Abs. 1 Satz 3 AO mehrmals festzusetzen und zu entrichten. Für Zwecke der Gebührenerhebung bedeutet dies, dass das multilaterale APA in jeweils bilaterale APA aufgespalten wird. Dies ist insofern nicht bedenkenfrei, als der vom BZSt gegenüber der jeweiligen ausländischen Finanzbehörde zugrunde gelegte Sachverhalt identisch ist und damit auch verwaltungsseitig Synergieeffekte gehoben werden. Dass der Gesetzgeber von vornherein davon ausgegangen ist, dass APA-Gebühren keineswegs kostendeckend sind,4 räumt diese Bedenken nicht aus. Denn das besondere Interesse der Finanzbehörde an einem APA-Verfahren, etwa die Vermeidung streitiger Betriebsprüfungen und zeit- bzw. kostenaufwendiger späterer Verständigungs- oder Schiedsverfahren sowie insbesondere die Herstellung einer
1 Vgl. Seer in T/K, § 178a AO Rz. 18. 2 Vgl. BT-Drs. 16/2712 v. 25.9.2006, 80. 3 Vgl. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06 – Merkblatt APA, BStBl. I 2006, 594 Rz. 1.2. 4 Vgl. BT-Drs. 16/2712 v. 25.9.2006, 80.
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H. Advance Pricing Agreements (APA)
anderweitig kaum zu erlangenden Informationstransparenz, dürfte sich in dem Gebührenrahmen hinreichend widerspiegeln. Unilaterale APA werden in Deutschland vornehmlich als verbindliche Zusage im Anschluss an eine Außenprüfung gem. § 204 ff. AO oder als verbindliche Auskunft gem. § 89 Abs. 2 AO umgesetzt.1 Eine Gebührenpflicht besteht nur für die Erteilung verbindlicher Auskünfte, nicht dagegen für verbindliche Zusagen gem. §§ 204 ff. AO.2 Letztere lösen auch nicht die Gebührenpflicht nach § 178a AO aus, da sich dessen Anwendungsbereich auf bilaterale und multilaterale APA beschränkt.
12.99
Sollen einseitige Verrechnungspreiszusagen mittels einer verbindlichen Auskunft erlangt werden, besteht gem. § 89 Abs. 3 Satz 1 AO eine Gebührenpflicht für die Auskunftserteilung. Die Gebühr ist nicht erfolgsabhängig, d.h., sie entfällt nicht, wenn die Finanzverwaltung in der erteilten Auskunft eine andere Rechtsauffassung vertritt als der Steuerpflichtige.3 Grundsätzlich richtet sich die Gebühr nach dem Gegenstandswert, wobei der Steuerpflichtige diesen in seinem Antrag bestimmen soll (§ 89 Abs. 4 Satz 1 f. AO). Die Finanzverwaltung ist gehalten, diesen Gegenstandswert der Gebührenfestsetzung zugrunde zu legen, soweit dies nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt (§ 89 Abs. 4 Satz 4 AO). Der Gegenstandswert ist in entsprechender Anwendung von § 34 GKG zu ermitteln, beträgt aber mindestens 5000 Euro (§ 89 Abs. 5 Satz 1 f. AO). Im internationalen Vergleich zeigt sich, dass die Erhebung von Gebühren für APA-Verfahren keinesfalls die Regel ist. So werden etwa in den meisten Staaten mit Bestimmungen für APA keine4 oder allenfalls marginale Gebühren5 erhoben. Offenkundig wird in anderen Staaten das fiskalische Interesse an APA-Verfahren als jedenfalls gleichwertig zu den Interessen des Steuerpflichtigen angesehen, sodass es nur folgerichtig ist, dass Steuerpflichtiger wie Finanzbehörde die jeweils entstehenden Kosten zu tragen haben. Im Vergleich zu den Gebührensätzen in den USA ist der deutsche Gebührenrahmen jedoch eher moderat.6
1 Vgl. Loh/Peters, RIW 2007, 116 f.; Engler/Elbert in V/B/E, Verrechnungspreise3, F Rz. 416. 2 Vgl. AEAO zu § 89 Rz. 4.1.4. 3 Vgl. AEAO zu § 89 Rz. 4.1.2. 4 Z.B. in Frankreich, Großbritannien, Niederlande, Spanien, China, Japan und Australien, vgl. Deloitte, 2011 Global Transfer Pricing Desktop Reference; Übersicht bei Rasch/Mank in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Rz. 4.147–4.158 Anm. 456. 5 Z.B. in Finnland, Dänemark und Schweiz, vgl. Deloitte, 2011 Global Transfer Pricing Desktop Reference; Übersicht bei Rasch/Mank in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Rz. 4.147–4.158 Anm. 456. 6 Grundgebühr: 50 000 USD, Verlängerungsgebühr: 35 000 USD, Änderungsgebühr: 10 000 USD, kleine Unternehmen: 22 500 USD.
Liebchen
1347
12.100
Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
VI. Bewertung von APA 12.101 Vorteile. Im Gegensatz zu reaktiv wirkenden Streitbeilegungsinstrumenten bieten APA als präventive Streitvermeidungsinstrumente zunächst den Vorteil der Rechts- und Planungssicherheit im Hinblick auf die Anwendung der Verrechnungspreismethode und weiterer einbezogener Kriterien für die Verrechnungspreisbestimmung durch eine bindende Vorabzusage der beteiligten Finanzverwaltungen. Durch die Vermeidung, jedenfalls aber die Reduzierung potenzieller zukünftiger Verrechnungspreiskonflikte und der durch sie potenziell bewirkten Doppelbesteuerung sind sie ein interessantes Instrument des Steuerrisikomanagements.1 Überdies lassen sich über die Möglichkeit der Rückbeziehung („roll back“) Verrechnungspreisprobleme noch offener Vorjahre unter Anwendung der vereinbarten Verrechnungspreismethode lösen, ohne dass die ex ante wirkenden Streitbeilegungssinstrumente Verständigungs- oder Schiedsverfahren in Anspruch genommen werden müssen. Allerdings lassen sich die Compliance-Risiken nicht vollständig ausschließen, weil die Bindungswirkung des APA entscheidend von der Einhaltung der Gültigkeitsbedingungen abhängt. Je enger diese gefasst sind, umso weniger sind APA unter Compliance-Gesichtspunkten geeignet, steuerliche Verrechnungspreisrisiken adäquat zu minimieren oder bestenfalls auszuschließen. Wie jedes reguläre Verständigungsverfahren bietet das auf der Grundlage der Art. 25 Abs. 1 OECD-MA entsprechenden Bestimmungen des jeweiligen DBA basierende Vorabverständigungsverfahren in jedem Verfahrensstadium die Möglichkeit, dass der Antragsteller durch Rücknahme des APA-Antrags die Beendigung des Verfahrens herbeiführen kann (Rz. 12.82). Als weitere Vorteile werden im Schrifttum benannt:2 – Vermeidung zeit- und kostenintensiver Betriebsprüfungen; – Vermeidung zeit- und kostenintensiver außergerichtlicher und gerichtlicher Rechtsbehelfsverfahren; – Vermeidung von Strafzuschlägen und Nachzahlungszinsen; – Erörterung und konstruktive Diskussion im kooperativen Klima der Zusammenarbeit sämtlicher Mitwirkender und Verfahrensbeteiligter; – Herstellen von Transparenz über die komplexen Transaktionen für die beteiligten Finanzverwaltungen mit der entsprechenden „Hoffnung“
1 Vgl. Grotherr, BB 2005, 855 ff.; Schnorberger/Wingendorf, ITPJ 2005, 80 f.; Kurzewitz/Endert in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung 3, 682 f.; Niess in FS Krawitz, 310. 2 Vgl. Grotherr, BB 2005, 863; Menck, FR 2007, 304 f.; Schmid in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung 3, 755; Engler/Elbert in V/B/E, Verrechnungspreise3, F Rz. 422; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 909 f.; Rasch/Mank in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Rz. 4.142–4.146 Anm. 449; Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 392 ff.
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Liebchen
H. Advance Pricing Agreements (APA)
auf Verständnis für die Schwierigkeiten bei der ex-ante-Bestimmung von Verrechnungspreisen. Das EU-JTPF hat im Rahmen der Erarbeitung von Leitlinien für Verrechnungspreiszusagen in der EU die Vor- und Nachteile sowohl aus Sicht des Steuerpflichtigen als auch aus Sicht der Finanzverwaltung untersucht. Im Hinblick auf Vorteile des APA-Verfahrens ist das EU-JTPF zur Erkenntnis gelangt, dass APA dem Steuerpflichtigen wie den Steuerverwaltungen vielfältige Vorteile bieten, wobei folgende Gesichtspunkte herausgestellt wurden:1 – Den Steuerpflichtigen kommt insbesondere die Rechtssicherheit zugute, die die vereinbarte Verrechnungspreismethode gewährleistet. Die durch das APA geschaffene Rechtssicherheit ermöglicht es einem Unternehmen, seine Steuerschuld besser zu veranschlagen, und schafft somit ein investitionsfreundliches steuerliches Umfeld. Bei Ablauf eines APA können die zuständigen Steuerverwaltungen und die betroffenen Unternehmen überdies dessen Verlängerung beschließen, sodass die Vorteile fortbestehen. – Außerdem kann der Steuerpflichtige in stärkerem Maße als beim herkömmlichen Verständigungsverfahren am Abschluss eines APA mitwirken, indem er der Steuerverwaltung seinen Fall darlegt und diesen mit ihr erörtert. Diese Mitwirkung bietet Steuerpflichtigen und Steuerverwaltungen die Gelegenheit, in einem nicht von Rivalität geprägten Geist und Klima zu beraten und zusammenzuarbeiten. – Die Möglichkeit, schwierige Steuerfragen in einer Atmosphäre zu erörtern, die weniger von Konfrontation gekennzeichnet ist als bei einer Verrechnungspreisprüfung, kann den freien Informationsfluss fördern und eine Einigung zwischen allen Parteien erleichtern. In einem solchen von Kooperation geprägten Umfeld können zudem die Sachverhalte flexibler überprüft werden als in einer Atmosphäre der Konfrontation. – Da eine Diskussion über ein APA aufgrund dessen prospektiver Ausrichtung künftige Ereignisse zum Gegenstand hat, ist eine größere Flexibilität als bei der Verrechnungspreisprüfung oder beim Verständigungsverfahren gewährleistet. Diese vermehrte Flexibilität trägt unweigerlich dazu bei, dass eine für alle Parteien vorteilhafte Lösung gefunden wird. – Ein APA kann sowohl für die Steuerpflichtigen als auch die Steuerverwaltungen in wichtigen Verrechnungspreisfällen kostspielige und zeitaufwendige Prüfungen sowie gerichtliche Verfahren vermeiden, sodass das Risiko von Zinszahlungen und Strafzuschlägen gemindert wird. Nach Vereinbarung eines APA sind unter Umständen auch weniger Ressourcen für die spätere Prüfung der Steuererklärung des Steuerpflichtigen erforderlich. Allerdings muss die Anwendung des APA 1 Vgl. KOM (2007) 71 final v. 26.2.2007, Abschn. 3.2 Rz. 24 ff.
Liebchen
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12.102
Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
nach wie vor überwacht werden, und dieses Recht nimmt die Steuerverwaltung nach wie vor wahr. Das APA-Verfahren kann für Unternehmen und Steuerverwaltungen im Vergleich zu einer herkömmlichen Betriebsprüfung und einem darauf folgenden Verständigungsverfahren eine Zeitersparnis bedeuten. – Zudem wird durch ein bilaterales oder multilaterales APA, bei dem sich ein Steuerpflichtiger und mehrere Steuerverwaltungen auf die steuerliche Behandlung einigen, auch das Risiko einer Doppelbesteuerung vermieden. Auch dies ist einer Einigung förderlich. – Die größere Flexibilität eines APA-Verfahrens kann zudem Lösungen für herkömmlichere Verrechnungspreisprobleme erleichtern. So muss beispielsweise bei bilateralen Verhandlungen zwischen Steuerverwaltungen das Fehlen von Daten über vergleichbare Unternehmen nicht zwangsläufig ein unüberwindbares Hindernis darstellen. Verständigen sich Steuerpflichtige und Steuerverwaltungen auf ein fremdvergleichskonformes Ergebnis – möglicherweise durch eine Gewinnaufteilung auf Grundlage der Wertschöpfung der betreffenden Funktionen – kann sich eine Datenbankabfrage erübrigen. – Außerdem kommt der Steuerverwaltung zugute, dass ein Steuerpflichtiger im Rahmen eines APA die einschlägigen Vorschriften in stärkerem Maße befolgt. Das EU-JTPF weist ferner darauf hin, dass APA gleichwohl nicht alle Verrechnungspreisprobleme und grenzübergreifenden Streitigkeiten lösen können. Überdies kann das APA-Verfahren trotz einer effizienten Organisation und der generellen Einsparung von Ressourcen im Vergleich zu einer Betriebsprüfung und einem Verständigungsverfahren wegen der Komplexität der zu prüfenden Fragestellungen zeitaufwendig und ressourcenintensiv sein.1
12.103 Nachteile. Mit dem APA gehen aber auch Nachteile einher. Zunächst gehen die durch das APA erlangte Planungs- und Rechtsicherheit zulasten der unternehmerischen Entscheidungs- und Dispositionsfreiheit, weil die Bindungswirkung des APA nur bei tatsächlicher Verwirklichung des dem APA zugrunde gelegten Sachverhalts eintritt.2 Insofern müssen zukünftige Handlungsalternativen innerhalb des APA-Zeitraums stets vor dem Hintergrund kalkülisiert werden, ob sie die Bindungswirkung des APA beeinträchtigen oder nicht. Gegebenenfalls müssen unternehmerisch erforderliche Maßnahmen unter Preisgabe der Bindungswirkung des APA realisiert werden. Gleiches gilt bezogen auf die Gültigkeitsbedingungen. Überdies ist das Transparenzerfordernis im APA-Verfahren mit dem erheblichen Nachteil verbunden, dass für die im APA-Verfahren erlangten Umstände und Tatschen kein Verwertungsverbot besteht, sondern diese – jedenfalls nach dem in Deutschland geltenden Untersuchungsgrundsatz 1 Vgl. KOM (2007) 71 final v. 26.2.2007, Abschn. 3.2 Rz. 32. 2 Vgl. auch Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 393.
1350
Liebchen
H. Advance Pricing Agreements (APA)
(§ 88 Abs. 2 AO) – zugunsten wie zulasten des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen sind. Als weitere Nachteile werden im Schrifttum benannt:1 – die lange Verfahrensdauer von bi- und multilateralen APA; – Unsicherheiten in Bezug auf die Wahrung der Vertraulichkeit in den beteiligten Staaten über die im APA-Verfahren bekannt gewordenen Unternehmensdaten; – Zeit- und Kostenintensität der mit dem APA verbundenen jährlichen Berichtspflichten; – Einschränkung der Wirkung des APA aufgrund kurzer APA-Laufzeit und hierauf anrechnender Verfahrensdauer. Über diese mit dem APA-Verfahren verbunden Nachteile für den Antragsteller hinaus hat das EU-JTPF aus Sicht der Finanzverwaltung die folgenden möglichen, mit dem APA-Verfahren verbundenen Nachteile ausgemacht:2 – APA können anfänglich die Ressourcen für die Behandlung von Verrechnungspreisfragen belasten, da die Steuerverwaltungen im Allgemeinen Ressourcen, die für andere Zwecke vorgesehen sind (z.B. für Prüfungen, Beratung, Rechtsmittel), dafür einsetzen müssen. Steuerpflichtige, die in Anbetracht ihrer Geschäftsziele und -planung auf eine möglichst schnelle Erledigung ihres APA-Antrags drängen, können die Ressourcen einer Steuerverwaltung ebenfalls belasten. Diese Anforderungen sind nicht unbedingt mit der Ressourcenplanung der Steuerverwaltungen vereinbar, was die effiziente Erledigung von APA und von anderen, ebenso wichtigen Arbeiten erschwert. – Es kann besonders schwierig sein, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den APA-bezogenen und den anderen Tätigkeiten einer Steuerverwaltung zu finden, da die APA in der Regel ein sehr erfahrenes und oftmals spezialisiertes Personal erfordern. APA-Anträge können sich in bestimmten Bereichen oder Sektoren, z.B. im weltweiten Handel, häufen, was das in diesen Bereichen in den Behörden bereits eingesetzte Fachpersonal übermäßig belasten kann. Die Steuerverwaltungen benötigen Zeit, um Fachpersonal in Spezialbereichen auszubilden, um der nicht vorhersehbaren Nachfrage der Steuerpflichtigen nach APA in diesen Bereichen gerecht zu werden.
1 Vgl. Grotherr, BB 2005, 863; Menck, FR 2007, 304 f.; Schmid in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung 3, 755; Engler/Elbert in V/B/E, Verrechnungspreise3, F Rz. 423; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 909 f.; Rasch/Mank in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Rz. 4.142–4.146 Anm. 454 f.; Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 392 ff. 2 Vgl. KOM (2007) 71 final v. 26.2.2007, Abschn. 3.2 Rz. 33 f.
Liebchen
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12.104
Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
I. Schiedsverfahren Literatur Albert, Schiedsverfahren im Internationalen Steuerrecht, IFSt-Schrift Nr. 462, Bonn 2010; Bödefeld/Kuntschik, Verständigungs- und Schiedsverfahren nach dem EU-Schiedsabkommen – Theorie und Praxis, IStR 2009, 268; Bödefeld/Kuntschik, Schiedsverfahren nach DBA, IStR 2009, 449; Bödefeld/Kuntschik, Der Überarbeitete Verhaltenskodex zur Anwendung des EU-Schiedsübereinkommen, IStR 2010, 474; Damsma, Proposed Changes to the Code of Conduct for the Arbitration Convention, ITPJ 2010, 34; Eicker/Stockburger, Internationale Verfahren zur Beseitigung der Doppelbesteuerung – Überblick und Folgerungen für die Praxis anlässlich des rückwirkenden Wiedereintritts der EU-Schiedskonvention zum 1.11.2004, IWB 2005, Gruppe 2, Fach 11, 661; Herksen, How the Arbitration Convention lost its Lustre: the Threat of Triangular Cases, Intertax 2008, 332; Herksen/Fraser, Comparative Analysis: Arbitration Procedures for handling Tax Controversy, ITPJ 2009, 143; Herlinghaus, Gedanken zum abkommensrechtlichen Schiedsverfahren nach Art. 25 Abs. 5 OECD-MA, IStR 2010, 125; Hinnekens, Different interpretations of the European Tax Arbitration Convention, EC Tax Review 1998, 247; Hinnekens, European Arbitration Convention: thoughts on its principles, procedures and first experience, EC Tax Review 2010, 109; Keerl, Internationale Verrechnungspreise in der globalisierten Wirtschaft, Göttingen 2008; Kempf/Gelsdorf, Die EU-Schiedsverfahrenskonvention im Konkurrenzverhältnis zu Doppelbesteuerungsabkommen, IStR 2012, 329; Kroppen, EU – Gemeinsames Verrechnungspreisforum – Harmonisierungsbestrebungen für Verrechnungspreisvorschriften in der EU, in Ballwieser/Grewe (Hrsg.), Wirtschaftsprüfung im Wandel, FS 100 Jahre Südtreu/ Deloitte – 1907–2007, München 2008, 515; Kuntschik/Bödefeld, Schiedsverfahren nach den DBA mit Großbritannien, der Schweiz und Liechtenstein, IStR 2012, 137; Kurzewitz/Endert, Möglichkeiten des Aufbaus und der Ausgestaltung eines Risikomanagementsystems für steuerliche Verrechnungspreise im Konzern, in Grotherr (Hrsg.), Handbuch der internationalen Steuerplanung, 3. Aufl., Herne 2011, 673; Lehner, Streitbeilegung im Internationalen Steuerrecht, in Kirchhof/Nieskens (Hrsg.), FS für Reiß, Köln 2008, 665; Loh/Peters, Das neue Schiedsverfahren im DBA-USA, RIW 2008, 294; Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, Baden-Baden 2008; Lühn/Siemers, Internationale Verständigungsverfahren – Vorsicht bei Steuervergehen, PIStB 2009, 161; Merz/Sajogo, Das Verfahren nach Art. 6 EUSchiedskonvention, PIStB 2010, 239; Merz/Sajogo, Das Verständigungs- und Schiedsverfahren nach Art. 25 OECD-MA als „letzter Ausweg“, PIStB 2010, 185; Nientimp/Thomsen, Das verbindliche Schiedsverfahren nach dem neuen OECDMA, IStR 2009, 615; Niess, Internationale Verrechnungspreise: Überlegungen zur Reduzierung der steuerlichen Risiken, in Baumhoff/Dücker/Köhler (Hrsg.), Besteuerung, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, FS für Krawitz, Wiesbaden 2010, 301; Peters/Haverkamp, Verbesserte Möglichkeiten zur Beseitigung von Doppelbesteuerungen – Vergleich des Schiedsverfahrens nach Art. 25 Abs. 5 OECD-MA und des EU-Schiedsverfahrens, BB 2011, 1303; Puls/Nientimp, Das neue Schiedsverfahren nach dem DBA-USA, RIW 2006, 673; Schönfeld, Das neue Verständigungs- und Schiedsverfahren nach Art. 25 DBA-USA, Ubg 2008, 544; Vögele/Forster, Das EU-Schiedsübereinkommen, IStR 2006, 537; Wichmann, Anmerkungen zur deutschen Abkommenspolitik, FR 2011, 1082.
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Liebchen
I. Schiedsverfahren
I. Rechtsgrundlagen Doppelbesteuerungsabkommen (bilaterale Verträge). Mit der Revision des OECD-MA 2008 wurde in Art. 25 Abs. 5 OECD-MA eine obligatorische Schiedsklausel aufgenommen. Hiernach ist das Schiedsverfahren nicht als eigenständiges Verfahren, sondern als unselbständiger Teil – die zweite Phase – des Verständigungsverfahrens (vgl. Rz. 12.38 ff.) konzipiert.1 Insofern teilt es grundsätzlich den Anwendungsbereich des Verständigungsverfahrens, wenngleich es den Vertragsstaaten anheimgestellt ist, den Anwendungsbereich in ihrem Vertrag auf bestimmte Fälle zu beschränken.2 In den deutschen DBA waren bereits zuvor sowohl fakultative3 als auch obligatorische Schiedsverfahren geregelt.4 Die jüngste deutsche Abkommenspraxis zeigt, dass die Bundesrepublik Deutschland dazu übergegangen ist, in ihren DBA ein obligatorisches Schiedsverfahren entsprechend Art. 25 Abs. 5 OECD-MA aufzunehmen.5 Für die Durchführung der Schiedsverfahren hat das BMF für das Schiedsverfahren nach dem DBA-USA,6 dem DBA-Großbritannien7 sowie dem DBA-Niederlande8 mit der jeweiligen Steuerbehörde ferner Verständigungsvereinbarungen getroffen.
12.105
EU-Schiedskonvention (multilaterale Verträge). Das wesentliche Streit- 12.106 beilegungsinstrument in Fällen von Verrechnungspreiskorrekturen innerhalb der EU stellt das Schiedsverfahren nach EU-Schiedskonvention dar. Das Übereinkommen über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen9 1 2 3 4 5
6 7 8
9
Vgl. OECD-MK zu Art. 25 OECD-MA Nr. 69 ff. Vgl. OECD-MK zu Art. 25 OECD-MA Nr. 66. Vgl. Art. 25a DBA-Frankreich; Art. 25 Abs. 6 DBA-Kanada. Vgl. Art. 25 Abs. 5 DBA-Österreich; Art. 25 Abs. 6 DBA-USA; Art. 41 Abs. 5 DBA-Schweden. Vgl. Art. 26 Abs. 5 DBA-Großbritannien (in Kraft getreten am 30.12.2010 durch Bekanntmachung vom 12.4.2011, BGBl. II 2011, 536); Art. 26 Abs. 5 DBASchweiz (Revisionsprotokoll vom 27.10.2010, BGBl. II 2011, 1192); Art. 25 Abs. 5 des am 17.11.2011 unterzeichneten DBA-Liechtenstein; Art. 25 Abs. 5 des am 12.4.2012 unterzeichneten DBA-Niederlande; Art. 24 Abs. 5 des am 23.4.2012 unterzeichneten DBA-Luxemburg. Vgl. auch Kuntschik/Bödefeld, IStR 2012, 137. Vgl. BMF v. 16.1.2009 – IV B 2 - S 1301 - USA/08/10001 (2009/0013814), BStBl. I 2009, 345. Vgl. BMF v. 10.10.2011 – IV B 3 - S 1301 - GB/11/10003 (2011/0757911), BStBl. I 2011, 956. Vgl. BMF v. 12.4.2012, verfügbar auf der Internetseite des BMF unter www.bun desfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/Interna tionales_Steuerrecht/Staatenbezogene_Informationen/Laender_A_Z/Niederlande /2012-04-13-abkommen-zwischen-der-bundesrepublik-deutschland-und-dem-koe nigreich-der-niederlande-anlage2.pdf?__blob=publicationFile&v=2 – (n.v.). Schiedskonvention (90/436/EWG) v. 23.7.1990, Abl. EG Nr. L 225, 10 v. 20.8.1990; Änderungsprotokoll v. 25.5.1999, Abl. EG Nr. C 202/1 v. 16.7.1999; Ergänzung ABl. EU Nr. C 160, 1 v. 30.6.2005; Beschluss des Rates v. 23.6.2008, ABl. L 174, 1 v. 1.7.2008.
Liebchen
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Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
wurde am 23.7.1990 auf Grundlage von Art. 293 EG a.F. abgeschlossen und ist zum 1.1.1995 in Kraft getreten.1 Die EU-Schiedskonvention ist ein multilateraler völkerrechtlicher Vertrag, den alle EU-Mitgliedsstaaten mit Ausnahme von Bulgarien und Rumänien mit dem Ziel ratifiziert haben, Doppelbesteuerungen durch Verrechnungspreiskorrekturen innerhalb des Binnenmarktes zu vermeiden.2 Eine wichtige Auslegungshilfe für das Schiedsverfahren nach der EU-Schiedskonvention stellt der Verhaltenskodex zur Anwendung des EU-Schiedsübereinkommens dar, der auf Empfehlungen des Gemeinsamen EU-Verrechnungspreisforums (Joint Transfer Pricing Forum – JTPF) zurückgeht und der in der ersten Fassung vom Rat der Europäischen Union am 27.6.20063 und in einer überarbeiteten Fassung am 22.12.20094 angenommen wurde. Dieser Verhaltenskodex, der eine politische, aber keine rechtliche Verpflichtung der Mitgliedsstaaten darstellt und somit keine rechtliche Bindungswirkung entfaltet (sog. soft law),5 behandelt wesentliche Verfahrensfragen und Definitionen, die Anwendung der EU-Schiedskonvention auf Dreieckskonstellationen und Unterkapitalisierungen sowie die Vereinheitlichung der Verzinsung von Steuererstattungen und -nachzahlungen. Die deutsche Finanzverwaltung6 verweist ausdrücklich auf den Verhaltenskodex zur effektiven Durchführung der EU-Schiedskonvention. Ferner wiederholt das Merkblatt zu Verständigungs- und Schiedsverfahren die im EU-Verhaltenskodex vertretenen Rechtsauffassungen inhaltlich.7
12.107 Verhältnis zwischen dem EU- und dem DBA-Schiedsverfahren. Sofern mit einem EU-Mitgliedsstaat ein DBA mit einer (obligatorischen) Schiedsklausel besteht,8 stellt sich die Frage nach dem Rangverhältnis zwischen dem Schiedsverfahren nach EU-Schiedskonvention und demjenigen nach DBA. Bezogen auf den Regelungsgegenstand ist das Schieds1 BStBl. I 1995, 166. 2 Vgl. Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 300. 3 Verhaltenskodex zur wirksamen Durchführung des Übereinkommens über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen, vgl. KOM (2004) 297 und ABl. EU C 176 v. 28.7.2006, 8. Siehe hierzu Kroppen in FS 100 Jahre Südtreu/Deloitte, 522 ff. 4 Überarbeiteter Verhaltenskodex zur wirksamen Durchführung des Übereinkommens über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen, Abl. EU C 322 v. 30.12.2009, 1. Siehe hierzu Bödefeld/Kuntschik, IStR 2010, 474. 5 Vgl. Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 301. Zum vergleichbaren Problembereich des Rechtsstatus des OECD-MK siehe etwa Vogel in Lang/Schuch/Staringer (Hrsg.), Soft Law in der Praxis, Wien 2005, 145 ff. 6 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Rz. 6.1.3.2. 7 Vgl. BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06 – Merkblatt zum Verständigungsund Schiedsverfahren, BStBl. I 2006, 461. 8 Art. 25 Abs. 5 DBA-Österreich; Art. 25 Abs. 6 DBA-USA; Art. 41 Abs. 5 DBASchweden; Art. 26 Abs. 5 DBA-Großbritannien sowie – nach Inkrafttreten – Art. 25 Abs. 5 des am 12.4.2012 unterzeichneten DBA-Niederlande; Art. 24 Abs. 5 des am 23.4.2012 unterzeichneten DBA-Luxemburg.
1354
Liebchen
I. Schiedsverfahren
verfahren nach EU-Schiedskonvention auf Verrechnungspreiskorrekturen und die Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte innerhalb grenzüberschreitender sog. Einheitsunternehmen beschränkt,1 während sich das Schiedsverfahren nach den Art. 25 Abs. 5 OECD-MA entsprechenden Regelungen der deutschen DBA grundsätzlich auf alle Streitfragen erstreckt, für die der sachliche Anwendungsbereich des Verständigungsverfahrens nach Art. 25 Abs. 1 OECD-MA eröffnet ist. Letztere sind alle Maßnahmen eines oder beider Vertragsstaaten, die zu einer dem Abkommen nicht entsprechenden Besteuerung führen, wobei es sich regelmäßig um Doppelbesteuerungen handeln dürfte. Ein Konkurrenzverhältnis besteht deshalb nur im überschneidenden Geltungsbereich der Verrechnungspreiskorrekturen und der Gewinnabgrenzung innerhalb grenzüberschreitender Einheitsunternehmen. Ihrer Rechtsnatur nach sind die EU-Schiedskonvention – als multilateraler – und die DBA – als jeweils bilaterale – gleichermaßen völkerrechtliche Verträge, die durch Zustimmungsgesetz nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG in innerstaatliches Recht umgesetzt und in den Rang eines innerstaatlichen Bundesgesetzes überführt werden.2 Hierbei kann dahinstehen, ob völkerrechtliche Verpflichtungen gewissermaßen als Metaebene3 zwischen den verfassungsrechtlichen Vorgaben und einfachen Bundesgesetzen anzusiedeln sind. Denn beide völkerrechtlichen Verträge stehen auch insofern auf derselben Hierarchieebene und damit gleichrangig nebeneinander. Es kommen deshalb zwar grundsätzlich die für eine Normenkollision auf derselben Rangebene geltenden Auflösungsgrundsätze von lex specialis und lex posterior zur Anwendung. Demgemäß würden die jeweiligen zeitlich jüngeren DBA-rechtlichen Regelungen zum Schiedsverfahren diejenigen nach der EU-Schiedskonvention jedenfalls dann verdrängen, wenn Erstere als lex specialis anzusehen wären und Letzteren lex-generalis-Charakter zukäme (lex specialis prior derogat legi generali posteriori; lex generalis posterior non derogat legi speciali priori).4 Allerdings verengt sich in diesem Fall einer etwaigen Normenkollision die anstehende Beurteilung letztlich auf die Entscheidung eines Spezialitätsverhältnisses zwischen den Regelungsgegenständen der kollidierenden Normen. Dieses besteht zwischen den jeweiligen Regelungen zum Schiedsverfahren nicht und lässt sich insbesondere auch nicht an dem auf Verrechnungspreiskorrek1 Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 4 EU-Schiedskonvention. 2 Vgl. BVerfG v. 14.10.2004 – 2 BVR 1481/04, BVerfGE 111, 307; v. 4.5.2011 – 2 BvR 2365/09, 740/10, 2333/08, 1152/10, 571/10, BVerfGE 128, 326. 3 Vgl. Liebchen, Beteiligungen an ausländischen Personengesellschaften, Berlin 2008, 359. Vgl. auch Papier, HRJL 2006, 2, wenn er der EMRK eine „constitutional-law dimension“ beimisst. Siehe hierzu insbesondere auch BFH v. 10.1.2012 – I R 66/09, IStR 2012, 426 m.w.N. 4 A.A. Peters/Haverkamp, BB 2011, 1305, die darauf verweisen, dass aus Art. 30 WÜRV die Geltung dieser allgemeinen Rechtsgrundsätze nicht zu entnehmen sei. Richtigerweise ist die Auflösung einer etwaigen Normenkonkurrenz allerdings nach innerstaatlichem Recht zu entscheiden, weil die jeweiligen völkerrechtlichen Verpflichtungen nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG in innerstaatliches Recht umgesetzt wurden.
Liebchen
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Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
turen und die Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte innerhalb grenzüberschreitender Einheitsunternehmen beschränkten sachlichen Anwendungsbereich der EU-Schiedskonvention festmachen.1 Die ganz überwiegende Meinung im Schrifttum geht aufgrund der Regelung des Art. 15 EU-Schiedskonvention, wonach weitergehende Verpflichtungen unberührt bleiben, deshalb zutreffend von einem Nebeneinander beider Schiedsverfahren aus.2 Ferner trifft die Vorgabe in Nr. 67 des OECD-MK zu Art. 25 OECD-MA, wonach die Vertragsstaaten die Verfahren koordinieren sollen,3 weder eine Vorranganordnung, noch wäre diese Rechtsquelle – wegen der fehlenden Rechtsverbindlichkeit des OECD-MK (soft law) – für eine solche Regelung geeignet. Stattdessen wird von einem Wahlrecht des Steuerpflichtigen ausgegangen.4 Dem scheint wohl auch die Finanzverwaltung zu folgen, wenn sie fordert, dass der Steuerpflichtige in seinem Antrag deutlich machen soll, ob er sich auf das DBA oder die EU-Schiedskonvention beruft.5 Im Zweifel soll wohl von einem Verfahren nach der EU-Schiedskonvention auszugehen sein.6 Fraglich ist ferner, ob innerhalb des jeweiligen Verfahrens z.B. vom DBAVerständigungsverfahren zum Schiedsverfahren nach EU-Schiedskonvention gewechselt werden kann. Letztlich ist diese Frage ungeklärt. Während zum einen vertreten wird, dass dem eingeleiteten Prozess Vorrang gebührt,7 wird andererseits die Möglichkeit einer verfahrensrechtlichen Überleitung vom DBA-Verständigungsverfahren zum Schiedsverfahren nach der EU-Schiedskonvention aus der jeweiligen Zwecksetzung dieser Regelungen abgeleitet.8
1 Vgl. zur Normenkollision zwischen dem Fremdvergleichsgrundsatz nach der Art. 9 OECD-MA entsprechenden Bestimmung des jeweiligen DBA und demjenigen nach Art. 4 EU-Schiedskonvention sowie deren Auflösung aber auch Kempf/Gelsdorf, IStR 2012, 333 ff. Allerdings ist mehr als fraglich, ob sich die Normenkollision letztlich bezogen auf den jeweiligen Fremdvergleichsmaßstab darstellt oder aber – wie hier vertreten – bezogen auf die (verfahrensrechtlichen) Regelungsgegenstände Verständigungs- und Schiedsverfahren. 2 Vgl. Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 301; Krabbe in D/W, Art. 6 EU-SchÜ Rz. 6; Engler/Ebert in V/B/E, Verrechnungspreise3, F Rz. 301; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 902; Bödefeld/Kuntschik, IStR 2009, 452 f.; Peters/Haverkamp, BB 2011, 1305. 3 Vgl. OECD-MK zu Art. 25 OECD-MA Nr. 67. 4 Vgl. Fn. 2. 5 Vgl. BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06 – Merkblatt zum Verständigungsund Schiedsverfahren, BStBl. I 2006, 461 Rz. 2.1 und 11.1.1. 6 Vgl. Krabbe in D/W, Art. 6 EU-SchÜ Rz. 6. 7 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 902. 8 Vgl. Engler/Ebert in V/B/E, Verrechnungspreise3, F Rz. 301.
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I. Schiedsverfahren
II. Schiedsverfahren nach EU-Schiedskonvention 1. Überblick Nach der EU-Schiedskonvention sind insgesamt vier voneinander zu trennende Verfahrensabschnitte vorgesehen:
12.108
– Vorverfahren (Art. 5), – Verständigungsverfahren (Art. 6), – Schiedsverfahren (Art. 7) und – Einigungsverfahren (Art. 12). 2. Vorverfahren (Art. 5 EU-Schiedskonvention) Unterrichtungspflicht. Das Vorverfahren nach Art. 5 EU-Schiedskonvention ist als Vorstufe des Verständigungsverfahrens und des Schiedsverfahrens konzipiert (Art. 6 und 7 EU-Schiedskonvention). Gegenstand des Vorverfahrens ist eine frühzeitige Unterrichtungspflicht des Staates, der eine Gewinnberichtigung nach Art. 4 EU-Schiedskonvention vorzunehmen beabsichtigt. Nach Art. 5 Satz 1 EU-Schiedskonvention muss das betroffene Unternehmen über das Vorhaben frühzeitig unterrichtet werden, damit dieses Gelegenheit hat, die betroffenen Unternehmen in den anderen Vertragsstaaten zu informieren. Das jeweilige betroffene Unternehmen wiederum kann die für es zuständige Finanzbehörde informieren und den Sachverhalt mit dieser erörtern, um letztlich – im Interesse einer Vermeidung der Doppelbesteuerung durch einseitige Verrechnungspreiskorrektur – eine Gegenberichtigung zu erreichen. Zwar schließt diese Unterrichtung die Gewinnberichtigung nicht aus (Art. 5 Satz 2 EUSchiedskonvention). Mit Zustimmung der Finanzbehörde des anderen Vertragsstaates und der beiden betroffenen Unternehmen zu der beabsichtigten Gewinnkorrektur entfallen jedoch die weiterführenden Verfahrensabschnitte Verständigungs- und Schiedsverfahren (Art. 5 Satz 3 EUSchiedskonvention). Vor diesem Hintergrund dient das Vorverfahren der verfahrensrechtlichen Abkürzung.
12.109
Vermittelnde Lösungen. Laut Finanzverwaltung müssen „die beteiligten Finanzbehörden“ zustimmen,1 was bei einer beabsichtigten Gewinnberichtigung in Deutschland grundsätzlich auch das BZSt einbezieht. Hiermit weicht die deutsche Finanzverwaltung erkennbar vom Wortlaut des Art. 5 Satz 3 EU-Schiedskonvention ab. Dies deutet darauf hin, dass sich das Einverständnis auch auf vermittelnde Lösungsvorschläge erstrecken kann und auch aus deutscher Sicht die beabsichtigte Gewinnberichtigung kein feststehendes Datum ist.2 Deshalb beschränkt sich das Vorverfahren nicht auf ein bloßes Nachgeben3 des anderen Vertragsstaates
12.110
1 Vgl. BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06 – Merkblatt zum Verständigungsund Schiedsverfahren, BStBl. I 2006, 461 Rz. 10.2. 2 Vgl. auch Krabbe in D/W, Art. 5 EU-SchÜ Rz. 8. 3 So etwa Engler/Elbert in V/B/E, Verrechnungspreise3, F Rz. 304.
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und dem Zugeständnis einer Gegenberichtigung bei dem betroffenen Unternehmen seines Zuständigkeitsbereiches, sondern ist – insbesondere angesichts der mit Planungs- und Rechtsunsicherheit verbundenen langen Verfahrensdauer – durchaus geeignet, eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen.
12.111 Keine Verpflichtung zur Gegenberichtigung. Nach dem Wortlaut von Art. 5 Satz 3 EU-Schiedskonvention ist mit der Zustimmung des anderen Vertragsstaates zur Gewinnberichtigung keine Verpflichtung zur Gegenberichtigung verbunden. Eine solche lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass das Verständigungs- und das Schiedsverfahren bei Einvernehmen ausgeschlossen sind. Allerdings müssen neben dem anderen Vertragsstaat eben auch die betroffenen Unternehmen zustimmen. Diese Zustimmung sollte von dem betroffenen Unternehmen und dem anderen verbundenen Unternehmen nur zu erlangen sein, wenn die Doppelbesteuerung durch Gegenberichtigung vermieden wird. Anderenfalls würde im Vorverfahren kein Einvernehmen über die Berichtigung und über die Gegenberichtigung erzielt. Von deutscher Seite ist jedenfalls die Möglichkeit der Gegenberichtigung nicht ausgeschlossen.1 3. Verständigungsverfahren (Art. 6 EU-Schiedskonvention) a) Antrag und Voraussetzungen
12.112 Antragsgebundene Initiierung. Das Schiedsverfahren wird nicht von Amts wegen eingeleitet, sondern bedarf eines Antrags des Steuerpflichtigen. Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EU-Schiedskonvention hat das Unternehmen unbeschadet der im jeweiligen innerstaatlichen Recht vorgesehenen Rechtsbehelfe die Möglichkeit, ein Verständigungsverfahren zu beantragen. Dieser Antrag ist binnen einer Frist von drei Jahren nach der ersten Mitteilung der zu einer Doppelbesteuerung führenden Maßnahme (Art. 6 Abs. 1 Satz 2 EU-Schiedskonvention) zu stellen. Die Antragstellung erfolgt durch Unterbreitung des entsprechenden Falles. Die Finanzverwaltung verlangt hier zum einen, dass sich der Steuerpflichtige in seinem Antrag auf die EU-Schiedskonvention beruft.2 Zum anderen muss als Zulässigkeitsvoraussetzung eine Nichtbeachtung der Grundsätze nach Art. 4 EU-Schiedskonvention geltend gemacht werden.
12.113 Anbringungsbehörde. Der Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EU-Schiedskonvention ist bei der zuständigen Behörde des Staates zu stellen, dem das Unternehmen zugeordnet ist. Dies ist bei Antragstellung in Deutschland das BZSt, auf das das BMF die Wahrnehmung der zuständigen Behörde für den Bereich der Ver-
1 Vgl. BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06 – Merkblatt zum Verständigungsund Schiedsverfahren, BStBl. I 2006, 461 Rz. 10.2. 2 Vgl. BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06 – Merkblatt zum Verständigungsund Schiedsverfahren, BStBl. I 2006, 461 Rz. 11.1.1.
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I. Schiedsverfahren
ständigungs- und Schiedsverfahren nach den DBA und der EU-Schiedskonvention übertragen hat.1 Erforderliche Angaben und Unterlagen. Der Verhaltenskodex zur EUSchiedskonvention enthält Mindestanforderungen im Hinblick auf die im Antrag erforderlichen Angaben und Unterlagen, damit der Fall für Zwecke des Art. 7 Abs. 1 EU-Schiedskonvention als unterbreitet gilt. Diese sind nahezu deckungsgleich mit den Anforderungen der deutschen Finanzverwaltung2 bzw. mit den auf der Internetseite des BZSt3 abrufbaren Anforderungen. Hiernach muss der Antrag folgende Angaben und Unterlagen enthalten:4 1. Name, Anschrift, Steuernummer und örtlich zuständiges Finanzamt des antragstellenden Unternehmens des Mitgliedsstaats sowie der anderen Beteiligten an den betreffenden Geschäftsvorfällen; 2. detaillierte Angaben zu den für den Fall relevanten Tatsachen und Umständen (einschließlich Einzelheiten über die Beziehungen zwischen dem Unternehmen und den anderen Beteiligten an den betreffenden Geschäftsvorfällen); 3. Angaben zu den betreffenden Besteuerungszeiträumen; 4. Kopien der Steuerbescheide, des Betriebsprüfungsberichts oder vergleichbarer Dokumente, die zu der behaupteten Doppelbesteuerung geführt haben; 5. detaillierte Angaben zu etwaigen außergerichtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren, die das Unternehmen oder die anderen an den betreffenden Geschäftsvorfällen Beteiligten eingeleitet haben, sowie zu etwaigen den Fall betreffenden Gerichtsurteilen; 6. eine Darlegung seitens des Unternehmens, inwiefern seiner Ansicht nach die in Art. 4 Schiedsübereinkommen festgelegten Grundsätze nicht beachtet wurden; 7. eine Zusage des Unternehmens, dass es so vollständig und rasch wie möglich alle vernünftigen und angemessenen Nachfragen einer zuständigen Behörde beantworten und den zuständigen Behörden Unterlagen zur Verfügung stellen wird und
1 Vgl. BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06 – Merkblatt zum Verständigungsund Schiedsverfahren, BStBl. I 2006, 461 Rz. 1.4; v. 26.11.2004 – IV B 6 - S 1300 - 320/04, BStBl. I 2004, 1144. 2 Vgl. BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06 – Merkblatt zum Verständigungsund Schiedsverfahren, BStBl. I 2006, 461 Rz. 11.3.2. 3 Abrufbar unter http://www.bzst.de/DE/Steuern_International/Verstaendigungs verfahren/Merkblaetter/merkblaetter_node.html. 4 Vgl. BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06 – Merkblatt zum Verständigungsund Schiedsverfahren, BStBl. I 2006, 461 Rz. 11.3.2 sowie überarbeiteten Verhaltenskodex zur wirksamen Durchführung des Übereinkommens über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen, Abl. EU C 322 v. 30.12.2009, 1 Rz. 5 Buchst. a.
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12.114
Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
8. jede spezifische Zusatzinformation, die die zuständige Behörde innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Antrags des Steuerpflichtigen anfordert.
12.115 Weitere Informationen. Über die vorgenannten Unterlagen und Angaben hinaus, die den Vorgaben des EU-Verhaltenskodexes entsprechen, sind ausweislich des auf der Internetseite des BZSt abrufbaren Merkblatts1 die Standardinformationen nachfolgenden Fragebogens erforderlich, um zeitaufwendige Rückfragen zu vermeiden: 1. die Steuerjahre, für die das Verständigungsverfahren eingeleitet werden soll; 2. der Verfahrensstand – Datum des/der Bp-Bericht(e) (Bp-Bericht als Ablichtung beifügen) – Datum des/der Änderungsbescheids bzw. -bescheide) – Angaben zu Rechtsbehelfs- bzw. Klageverfahren sowie Aussetzung der Vollziehung; 3. die betroffenen Unternehmen – in Deutschland betroffene(s) Unternehmen bzw. Betriebsstätte Name(n): Adresse(n): ggf. gegründet oder umgewandelt, verschmolzen am – im anderen Staat/in anderen Staaten betroffene(s) Unternehmen bzw. Betriebsstätte(n) Name(n): Adresse(n): ggf. gegründet am oder umgewandelt, verschmolzen am; 4. Beteiligungsverhältnis zwischen dem/den inländischen und dem/den ausländischen Unternehmen; 5. Beschreibung der Konzernstruktur und der Stellung des/der betroffenen inländischen und des/der ausländischen Unternehmen(s) im Konzern; 6. wirtschaftliche Situation des Unternehmens/der Betriebsstätte in Deutschland – Gewinn-/Verlustsituation während des Korrekturzeitraums (Kopie der GuV-Rechnung und der Bilanzen beifügen), – Gewinn-/Verlustsituation vor/nach dem Korrekturzeitraum (Angaben sollten einen Überblick über einen angemessenen Zeitraum ergeben);
1 Abrufbar unter http://www.bzst.de/DE/Steuern_International/Verstaendigungs verfahren/Merkblaetter/merkblaetter_node.html.
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I. Schiedsverfahren Gewinn/Verlust Jahr(e)
Vor Verrechnungspreiskorrektur
Nach Verrechnungspreiskorrektur
7. wirtschaftliche Situation des Unternehmens/der Betriebsstätte im Ausland (soweit bekannt) – Gewinn-/Verlustsituation während des Korrekturzeitraums, – Gewinn-/Verlustsituation vor/nach dem Korrekturzeitraum; Jahr(e)
Gewinn/Verlust
8. Höhe der von der deutschen Bp vorgenommenen Korrekturen; Jahr(e)
Korrekturbetrag (Angabe der Währung)
9. Art der Korrektur (verdeckte Gewinnausschüttung, Forderungen); 10. Verrechnungspreisproblem (Angabe eines kurzen Stichworts, wie z.B. Dienstleistung im Konzern, Kostenumlage, Berechnung einer angemessenen Vergütung für das Produktions- oder Vertriebsunternehmen, Lizenzen, Zinsen etc.); 11. Angaben zur Verrechnungspreisüberprüfung – Erläuterung des Unternehmensgegenstandes der betroffenen Unternehmen, – Erläuterung der Geschäftsbeziehungen zwischen den betroffenen Unternehmen (Verträge beifügen), – Beziehungen zu weiteren Konzerngesellschaften, die für die Bestimmung des Verrechnungspreises von Bedeutung sind (z.B. Lieferverhältnisse Großmutter, Mutter, Tochter), – Beschreibung der Funktionen und Risiken der betroffenen Unternehmen, – Beschreibung der vom Unternehmen angewandten Verrechnungspreismethode, – Angaben, inwiefern das Verrechnungspreisproblem auch in späteren Jahren fortbesteht; 12. im Falle von Rückfragen – Namen, Adressen, Telefonnummern des Ansprechpartners; 13. Anlagen – dem Bericht sind folgende Anlagen beizufügen: Kopie Bp-Bericht(e) für die betroffenen Zeiträume, Bilanzen und GuV-Rechnungen für die betroffenen Zeiträume. Liebchen
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Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
b) Ausschluss in strafbewährten Fällen
12.116 Empfindlich zu bestrafender Verstoß. Art. 8 Abs. 1 EU-Schiedskonvention entbindet die zuständige Behörde von ihrer Verpflichtung, ein Verständigungs- oder Schlichtungsverfahren einzuleiten, wenn eines der beteiligten Unternehmen durch Handlungen, die eine Gewinnberichtigung zur Folge haben, einen rechtskräftig festgestellten „empfindlich zu bestrafenden Verstoß“ gegen steuerliche Vorschriften begangen hat. Was unter einem „empfindlich zu bestrafenden Verstoß“ inhaltlich zu verstehen sein soll, ist in der EU-Schiedskonvention nicht geregelt. Stattdessen hat jeder Mitgliedsstaat durch einseitige Erklärungen zu Art. 8 EU-Schiedskonvention jeweils eine z.T. sehr weit gefasste Definition vorgenommen. Für die Bundesrepublik Deutschland fällt hierunter „jeder Verstoß gegen die Steuergesetze, der mit Freiheitsstrafe, Geldstrafe oder Bußgeld geahndet wird“. Neben der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) kommen damit insbesondere die leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO) und die Steuergefährdung in Betracht (§ 379 AO). Dagegen fallen Zuschläge („penalties“) nach § 162 Abs. 4 AO nicht unter diese Definition. Diese Zuschläge sind bei Verstößen gegen die Aufzeichnungspflichten nach § 90 Abs. 3 AO und der GAufzV dem Grunde nach festzusetzen, wenn die vorgeschriebenen Aufzeichnungen nicht vorgelegt werden oder die vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar sind (vgl. Rz. 3.456). Dieser Zuschlag ist eine steuerliche Nebenleistung nach § 3 Abs. 4 AO und damit weder Geldstrafe noch Bußgeld.1 Der EU-Verhaltenskodex empfiehlt den Mitgliedsstaaten, ihre einseitigen Erklärungen zu präzisieren oder zu überarbeiten, um deutlicher zum Ausdruck zu bringen, dass sich der Anwendungsbereich des Art. 8 EUSchiedskonvention auf Ausnahmefälle (z.B. Betrug) beschränkt.2
12.117 Gewinnberichtigung als Folge. Die Verbindung zum Gegenstand des Verständigungs- oder Schiedsverfahrens nach der EU-Schiedskonvention besteht darin, dass die strafbewährten Handlungen eine Gewinnberichtigung nach Art. 4 EU-Schiedskonvention zur Folge gehabt haben müssen, d.h. zu einer Einkünftekorrektur wegen einer nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechenden Abrechnung des verbundinternen Lieferungs- und Leistungsaustauschs (Art. 4 Nr. 1 EU-Schiedskonvention) oder einer nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechenden Einkunftsabgrenzung zwischen den Organisationseinheiten eines Einheitsunternehmens (Art. 4 Nr. 2 EU-Schiedskonvention) geführt haben. Ohne einen Zusammenhang der strafbewährten Taten mit dem Fall, für den wegen einer nicht mit dem Fremdvergleichsgrundsatz vereinbaren Einkünftekorrektur die Einleitung eines Verständigungs- oder Schiedsverfahrens 1 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Rz. 6.1.3.2. 2 Vgl. überarbeiteten Verhaltenskodex zur wirksamen Durchführung des Übereinkommens über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen, Abl. EU C 322 v. 30.12.2009, 1 Rz. 3.
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I. Schiedsverfahren
beantragt wird, kommt ein Ausschluss nach Art. 8 Abs. 1 EU-Schiedskonvention nicht in Betracht.1 Ausschluss bei endgültiger Feststellung. Die Einleitungsverpflichtung der zuständigen Behörde bezüglich eines Verständigungs- oder Schiedsverfahrens entfällt erst, wenn der betreffende Verstoß endgültig festgestellt ist. Dies bedeutet für die bezogen auf Deutschland infrage kommenden Verstöße, dass eine rechtskräftige Verurteilung erforderlich ist,2 da sie nicht durch eine Verwaltungsbehörde endgültig festgestellt werden können. An einer rechtskräftigen Verurteilung fehlt es, wenn Strafbefreiung durch Selbstanzeige (§ 371 AO) erlangt wurde, von der Strafverfolgung nach § 398a AO abgesehen wird, Verfolgungsverjährung eingetreten ist oder das Verfahren aus anderen Gründen eingestellt wurde oder aber das Steuerstrafverfahren mit Freispruch endet.
12.118
Ob bei rechtskräftiger Verurteilung ein Verständigungs- oder Schiedsverfahren eingeleitet wird oder nicht, liegt im Ermessen der zuständigen Behörde. Art. 8 Abs. 1 EU-Schiedskonvention regelt nur, dass eine solche Verpflichtung nicht besteht. Hierbei betrifft die Ermessensentscheidung jede Verfahrensstufe gesondert. Wie diese Ermessensentscheidung von deutscher Seite „ermessensleitend“ auszuüben ist, lässt die Finanzverwaltung offen; es erschöpft sich in der Darstellung der Rechtslage.3 Alternativ kommen bei Nichteinleitung nach der EU-Schiedskonvention die entsprechenden Verfahren nach dem jeweiligen DBA in Betracht, für die vergleichbare Ausschlussgründe nicht bestehen.4 Insbesondere im Hinblick auf die jeweils für jede Verfahrensstufe erneut mögliche „Blockade“, wobei die Einsetzung des Beratenden Ausschusses auch durch die zuständige Behörde des anderen Vertragsstaats mit Verweis auf Art. 8 Abs. 1 EU-Schiedskonvention verweigert werden kann,5 kommt der Möglichkeit eines Wechsels vom Verständigungsverfahren nach der EU-Schiedskonvention zum obligatorischen Schiedsverfahren nach dem jeweiligen DBA Bedeutung zu. Hierzu fehlen bisher klare Regelungen (Rz. 12.107). Diese sind angesichts der jüngsten deutschen Abkommenspraxis, zunehmend verbindliche Schiedsverfahren in den DBA zu regeln (Rz. 12.105), zukünftig nicht mehr entbehrlich. Aussetzung bei gleichzeitiger Rechtshängigkeit. Ist das Gerichts- oder Bußgeldverfahren, mit dem der zu bestrafende Verstoß festgestellt werden soll, zeitgleich anhängig, können die zuständigen Behörden nach Art. 8 Abs. 2 EU-Schiedskonvention das Verständigungs- oder Schiedsverfahren bis zum Abschluss des Gerichts- oder Verwaltungsverfahrens aussetzen. Auch hier liegt die Aussetzungsentscheidung im Ermessen der jeweiligen 1 Vgl. Krabbe in D/W, Art. 8 EU-SchÜ Rz. 3. 2 Vgl. Krabbe in D/W, Art. 8 EU-SchÜ Rz. 4. 3 Vgl. BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06 – Merkblatt zum Verständigungsund Schiedsverfahren, BStBl. I 2006, 461 Rz. 12.1.4. 4 Vgl. Peters/Haverkamp, BB 2011, 1308. 5 Vgl. Krabbe in D/W, Art. 8 EU-SchÜ Rz. 5.
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12.119
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zuständigen Behörde („können“), die unabhängig von der zuständigen Behörde des anderen Vertragsstaates die Aussetzung herbeiführen kann. c) Durchführung des Verständigungsverfahrens
12.120 Verfahrensabschnitte. Art. 6 Abs. 2 EU-Schiedskonvention entspricht inhaltlich Art. 25 Abs. 2 OECD-MA. Das Verständigungsverfahren gliedert sich in folgende Verfahrensabschnitte: – Vorprüfungs- und Abhilfeverfahren, – Verständigungsverfahren und – innerstaatliche Umsetzung der Verständigungsregelung.1
12.121 Vorprüfungs- und Abhilfeverfahren. Gegenstand des dem eigentlichen Verständigungsverfahren vorgelagerten Vorprüfungsverfahrens ist die Zulässigkeitsprüfung des Einleitungsantrags des Steuerpflichtigen. Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Antragsteller eine Nichtbeachtung der Grundsätze nach Art. 4 EU-Schiedskonvention geltend macht (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EU-Schiedskonvention). Ferner muss der Antrag innerhalb der Ausschlussfrist nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 EU-Schiedskonvention innerhalb von drei Jahren nach der ersten Mitteilung der Maßnahme gestellt werden, die eine Doppelbesteuerung nach Art. 1 EU-Schiedskonvention herbeigeführt hat oder herbeiführen könnte. Diese Frist beginnt mit der Bekanntgabe des ersten Bescheids, der zu einer Doppelbesteuerung führt.2 Bei Antragstellung in Deutschland ist zur Fristwahrung der Eingang des Antrags beim BZSt maßgeblich.3 Außerhalb dieser Ausschlussfrist gestellte Anträge sind unzulässig. Ist der Antrag zulässig, wird das rein innerstaatliche Abhilfeverfahren eingeleitet. Bei Antragstellung bei der zuständigen Behörde, die die Erstberichtigung vorgenommen hat, ist dieses Abhilfeverfahren auf die Überprüfung dieser Berichtigung gerichtet. Im Falle der Antragstellung bei der zuständigen Behörde des anderen Vertragsstaates kann dem Begehren des Antragstellers nur durch Gewährung der Gegenberichtigung abgeholfen werden. Besteht eine Abhilfemöglichkeit nach innerstaatlichem Recht, sind die notwendigen Maßnahmen durch die zuständigen deutschen Fi-
1 Vgl. BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06 – Merkblatt zum Verständigungsund Schiedsverfahren, BStBl. I 2006, 461 Rz. 11.4 und 12; Krabbe in D/W, Art. 6 EU-SchÜ Rz. 12; Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 71; Eilers in D/W, Art. 25 OECD-MA Rz. 45 ff. 2 Vgl. überarbeiteten Verhaltenskodex zur wirksamen Durchführung des Übereinkommens über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen, Abl. EU C 322 v. 30.12.2009, 1 Rz. 4; BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06 – Merkblatt zum Verständigungs- und Schiedsverfahren, BStBl. I 2006, 461 Rz. 11.2.1. 3 Vgl. BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06 – Merkblatt zum Verständigungsund Schiedsverfahren, BStBl. I 2006, 461 Rz. 11.2.1.
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I. Schiedsverfahren
nanzbehörden von Amts wegen zu ergreifen.1 Von dieser Entscheidung sind das betroffene Unternehmen und die zuständige Behörde des anderen Vertragsstaates grundsätzlich unverzüglich zu unterrichten.2 Einleitung des Verständigungsverfahrens. Kann dem Begehren des Antragstellers – bei Antragstellung in Deutschland – mit Maßnahmen des innerstaatlichen deutschen Steuerrechts nicht abgeholfen werden, ist das Verständigungsverfahren nach Art. 6 Abs. 2 EU-Schiedskonvention einzuleiten. Die Einleitung steht nicht im Ermessen der zuständigen Behörde, sondern es besteht ein Einleitungsanspruch. Im Gegensatz zum Verständigungsverfahren nach Art. 25 Abs. 2 OECD-MA ergibt sich dieser Einleitungsanspruch trotz des identischen Wortlauts („wird … sich bemühen“) aus dem obligatorischen Charakter des Schiedsverfahrens.3 Diese Rechtssicht sollte auch der Auffassung der deutschen Finanzverwaltung entsprechen.4 Das Verständigungsverfahren wird spätestens vier Monate nach dem späteren der nachfolgenden Zeitpunkte eingeleitet:
12.122
– Datum des Steuerbescheids, mit dem die Entscheidung über die Einkommenserhöhung festgesetzt oder festgestellt worden ist, oder – Datum, an dem der Antrag des Unternehmens sowie alle erforderlichen Angaben und Unterlagen (Rz. 12.114) und alle weiteren Informationen, die vom antragstellenden Unternehmen innerhalb von zwei Monaten nach Antragseingang angefordert worden sind, beim BZSt vorliegen.5 Im Hinblick auf den Zwei-Monats-Zeitraum für Rückfragen des BZSt ist in der Praxis festzustellen, dass zeitliche Verzögerungen des Verfahrens insbesondere auch deshalb eintreten, weil das BZSt Rückfragen auch nach Ablauf dieses Zeitraums stellt und das Verständigungsverfahren erst nach deren Beantwortung einleitet. Von der Einleitung des Verständigungsverfahrens ist das antragstellende Unternehmen zu unterrichten sowie ferner darüber zu informieren, ob der Antrag fristgerecht eingereicht wurde und an welchem Tag die ZweiJahres-Frist nach Art. 7 Abs. 1 EU-Schiedskonvention (Rz. 12.128) begonnen hat. Einleitungsschreiben und Positionspapier. Regelmäßig bereits mit dem Einleitungsschreiben, jedenfalls aber innerhalb der für die Einleitung maßgeblichen Vier-Monats-Frist, übersendet das BZSt im Falle der Erst1 Vgl. BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06 – Merkblatt zum Verständigungsund Schiedsverfahren, BStBl. I 2006, 461 Rz. 11.4.3. 2 Vgl. BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06 – Merkblatt zum Verständigungsund Schiedsverfahren, BStBl. I 2006, 461 Rz. 11.4.3. 3 Vgl. Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 303; Krabbe in D/W, Art. 6 EU-SchÜ Rz. 15. 4 Vgl. BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06 – Merkblatt zum Verständigungsund Schiedsverfahren, BStBl. I 2006, 461 Rz. 11.4.4. 5 Vgl. BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06 – Merkblatt zum Verständigungsund Schiedsverfahren, BStBl. I 2006, 461 Rz. 11.4.4.
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12.123
Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
berichtigung durch eine deutsche Finanzbehörde den zuständigen Behörden der anderen an dem Fall beteiligten Vertragsstaaten ein Positionspapier, das folgenden inhaltlichen Anforderungen genügen muss:1 – Bestätigung, dass der Fall innerhalb der Drei-Jahres-Frist nach Art. 6 Abs. 1 EU-Schiedskonvention unterbreitet wurde; – Mitteilung über den Beginn der Zwei-Jahres-Frist nach Art. 7 Abs. 1 EU-Schiedskonvention; – Darlegung des Falls durch den Antragsteller; – Beurteilung des Sachverhalts durch das BZSt, z.B. aus welchem Grund eine Doppelbesteuerung vorliegt oder wahrscheinlich eintreten könnte; – Vorschlag, wie der Fall im Hinblick auf die Beseitigung der Doppelbesteuerung gelöst werden könnte, einschließlich umfassender Erläuterungen des Lösungsvorschlags; – vollständige Begründung der Steuerfestsetzung oder der Korrekturen; – Beifügung der Unterlagen von grundsätzlicher Bedeutung zur Darlegung des Standpunktes; – Liste aller weiteren Unterlagen, die bei der Vornahme der Korrektur verwendet wurden. Wurde die Erstberichtigung von einer ausländischen Finanzbehörde vorgenommen, werden mit dem Einleitungsschreiben neben den Angaben der ersten beiden Spiegelstriche alle erforderlichen Angaben und Unterlagen (Rz. 12.114) und alle weiteren Informationen, die vom antragstellenden Unternehmen innerhalb von zwei Monaten nach Antragseingang angefordert worden sind, übermittelt.2 In diesem Fall ist die zuständige Behörde dieses Staates nach dem EU-Verhaltenskodex gehalten, dem BZSt und den zuständigen Behörden der anderen an dem Fall beteiligten Mitgliedsstaaten so rasch wie angesichts der Komplexität des jeweiligen Falles möglich, spätestens allerdings innerhalb der für die Einleitung maßgeblichen Vier-Monats-Frist (Rz. 12.122), ein Positionspapier zu übermitteln.3
12.124 Weiterer Verfahrensgang. Nach dem EU-Verhaltenskodex ist die zuständige Behörde des anderen betroffenen Staates gehalten, so rasch wie angesichts der Komplexität des Falles möglich, spätestens jedoch sechs Mo-
1 Vgl. BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06 – Merkblatt zum Verständigungsund Schiedsverfahren, BStBl. I 2006, 461 Rz. 12.2.1. 2 Vgl. BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06 – Merkblatt zum Verständigungsund Schiedsverfahren, BStBl. I 2006, 461 Rz. 12.2.2. 3 Vgl. überarbeiteten Verhaltenskodex zur wirksamen Durchführung des Übereinkommens über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen, Abl. EU C 322 v. 30.12.2009, 1 Rz. 6.4 Buchst. c.
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I. Schiedsverfahren
nate ab Eingang des Positionspapiers, dieses zu beantworten.1 Diese Antwort sollte Aussagen dazu treffen, – ob eine Doppelbesteuerung vorliegt oder droht und ob dem im Positionspapier vorgeschlagen Lösungsansatz zugestimmt wird; in diesem Fall ist die erforderliche Gegenberichtigung so rasch wie möglich vorzunehmen, wobei von deutscher Seite die erforderlichen Maßnahmen von Amts wegen zu ergreifen sind; – ob eine Doppelbesteuerung nicht vorliegt oder droht oder aber mit dem im Positionspapier der zuständigen Behörde, die die Erstberichtigung vorgenommen hat, vorgeschlagenen Lösungsansatz nicht übereingestimmt wird; in diesem Fall hat – auf deutscher Seite – das BZSt den zuständigen Behörden der anderen beteiligten Vertragsstaaten seinerseits ein eigenes Positionspapier zu übermitteln, in dem es seine Gründe darlegt und einen unverbindlichen Zeitplan für den weiteren Verfahrensgang vorschlägt. Gegebenenfalls wird zugleich ein Termin für ein Verständigungsgespräch vorgeschlagen, das spätestens 18 Monate nach den für die Einleitung des Verständigungsverfahrens maßgeblichen Zeitpunkten (Rz. 12.122) stattfinden sollte.2 Der weitere Verfahrensgang ist weder in der EU-Schiedskonvention noch im EU-Verhaltenskodex geregelt. Die Vertragsstaaten sind allerdings gehalten, alle zur Beschleunigung des Verfahrens erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen und hierzu regelmäßig, mindestens jedoch jährlich, persönliche Treffen ihrer zuständigen Behörden zu organisieren, wo sie die anhängigen Verständigungsverfahren erörtern können, wenn dies durch die Zahl der Fälle gerechtfertigt ist.3 Auch wenn die EU-Schiedskonvention eine Art. 25 Abs. 4 OECD-MA vergleichbare Bestimmung nicht enthält, nach der die zuständigen Behörden unter Ausschluss des diplomatischen Wegs unmittelbar miteinander verkehren, ist diese Selbstverständlichkeit unter Einschluss mündlicher wie schriftlicher Erörterungen in den Regelungen der EU-Schiedskonvention selbst angelegt.4 Daneben entspricht es allgemeiner Verfahrenspraxis, die nur für das Schlichtungsverfahren geregelten Mitwirkungsrechte und -pflichten der betroffenen Unternehmen auch 1 Vgl. überarbeiteten Verhaltenskodex zur wirksamen Durchführung des Übereinkommens über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen, Abl. EU C 322 v. 30.12.2009, 1 Rz. 6.4 Buchst. d. 2 Vgl. überarbeiteten Verhaltenskodex zur wirksamen Durchführung des Übereinkommens über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen, Abl. EU C 322 v. 30.12.2009, 1 Rz. 6.4 Buchst. e; BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06 – Merkblatt zum Verständigungs- und Schiedsverfahren, BStBl. I 2006, 461 Rz. 12.2.2. 3 Vgl. überarbeiteten Verhaltenskodex zur wirksamen Durchführung des Übereinkommens über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen, Abl. EU C 322 v. 30.12.2009, 1 Rz. 6.4 Buchst. f. 4 Vgl. Krabbe in D/W, Art. 6 EU-SchÜ Rz. 16.
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Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
im Verständigungsverfahren nach Art. 6 EU-Schiedskonvention anzuwenden.1
12.125 Antragstellung im Ausland. Wurde der Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens im Ausland gestellt, erfolgte die Erstberichtigung aber durch eine deutsche Finanzbehörde, übermittelt das BZSt auf das Einleitungsschreiben des anderen Staates hin den anderen an dem Fall beteiligten Vertragsstaaten ein Positionspapier. Die inhaltlichen Angaben entsprechen denen bei Antragstellung im Inland, soweit sich die betreffenden Angaben nicht bereits aus dem Einleitungsschreiben ergeben.2 Hierbei ist das Positionspapier binnen einer Vier-Monats-Frist zu übermitteln, die zu dem späteren der nachfolgenden Zeitpunkte beginnt: – Datum des Steuerbescheids, mit dem die Entscheidung über die Einkommenserhöhung festgesetzt oder festgestellt worden ist, oder – Eingang der Einleitung des Verständigungsverfahrens durch die zuständige Finanzbehörde des anderen Vertragsstaats und Zugang aller erforderlichen Angaben und Unterlagen (Rz. 12.114) sowie aller weiteren Informationen, die vom antragstellenden Unternehmen innerhalb von zwei Monaten nach Antragseingang angefordert worden sind, beim BZSt.3 Die inhaltlichen Anforderungen an dieses Positionspapier entsprechen den in Rz. 12.123 dargestellten. Erfolgte nicht nur die Einleitung, sondern auch die Erstberichtigung durch eine ausländische Finanzbehörde, ist das BZSt als zuständige Behörde des anderen Vertragsstaates zur Beantwortung des Positionspapiers von der zuständigen Behörde, die die Erstberichtigung vorgenommen hat, innerhalb der Sechs-Monats-Frist angehalten, wobei der weitere Verfahrensablauf dem in Rz. 12.124 dargestellten entspricht.4
12.126 Umsetzung der Verständigungsregelung. Die Bestandskraft der Steuerfestsetzungen steht gemäß Art. 13 EU-Schiedskonvention der Durchführung eines Verständigungs- oder Schiedsverfahrens nicht entgegen. Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 EU-Schiedskonvention ist die Verständigungsregelung zudem ungeachtet der Fristen des jeweiligen innerstaatlichen Rechts umzusetzen. Diesen völkerrechtlichen Verpflichtungen trägt § 175a AO Rechnung. Nach § 175a Satz 1 AO können Steuerbescheide u.a. erlassen, aufgehoben oder geändert werden, soweit dies zur Umsetzung einer Verständigungsvereinbarung erforderlich ist. § 175a Satz 2 AO hemmt ferner den Ablauf der Festsetzungsfrist (vgl. aber Rz. 12.150). Sie endet nicht vor Ablauf eines Jahres nach Wirksamwerden der Verständigungsregelung. 1 Vgl. hierzu ausführlich Krabbe in D/W, Art. 6 EU-SchÜ Rz. 16. 2 Vgl. BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06 – Merkblatt zum Verständigungsund Schiedsverfahren, BStBl. I 2006, 461 Rz. 12.3.1. 3 Vgl. BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06 – Merkblatt zum Verständigungsund Schiedsverfahren, BStBl. I 2006, 461 Rz. 11.4.4. 4 Vgl. BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06 – Merkblatt zum Verständigungsund Schiedsverfahren, BStBl. I 2006, 461 Rz. 12.3.2.
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I. Schiedsverfahren
Wird der Einleitungsantrag bei einer inländischen Finanzbehörde gestellt und mit einem Antrag auf Änderung des Steuerbescheids verbunden, tritt ferner nach § 171 Abs. 3 AO Ablaufhemmung bis zur unanfechtbaren Entscheidung über den Änderungsantrag ein. 4. Schiedsverfahren (Art. 7 EU-Schiedskonvention) a) Einsetzung des Beratenden Ausschusses Verpflichtung zur Einsetzung. Die zuständigen Finanzbehörden sind verpflichtet, einen Beratenden Ausschuss einzusetzen, diesem den Fall vorzulegen und dessen Stellungnahme einzuholen, wenn das Verständigungsverfahren nicht innerhalb einer Frist von zwei Jahren zu einer einvernehmlichen Beseitigung der Doppelbesteuerung geführt hat (Art. 7 Abs. 1 Satz 1 EU-Schiedskonvention). Insofern liegt es nicht im Ermessen der beteiligten Finanzbehörden, sondern es besteht eine Verpflichtung zur Verfahrensaufnahme. Die EU-Schiedskonvention enthält keine Regelungen darüber, welcher Vertragsstaat hierbei die Initiative zu übernehmen hat. Die deutsche Finanzverwaltung geht in Übereinstimmung mit dem EU-Verhaltenskodex (Rz. 7.2 Buchst. a)1 vorbehaltlich anderslautender Vereinbarungen zwischen den Vertragsstaaten davon aus, dass der Vertragsstaat die Initiative zu ergreifen und die Sitzungen in Absprache mit dem anderen Vertragsstaat zu organisieren hat, der den ersten Steuerbescheid über die Steuererhöhung oder eine gleichbedeutende Maßnahme erlassen hat.2
12.127
Zwei-Jahres-Frist. Die Frist von zwei Jahren, innerhalb derer die Doppelbesteuerung zur Vermeidung des Schlichtungsverfahrens einvernehmlich beseitigt werden muss, beginnt an dem Tag, an dem der Fall erstmals der für den Antrag auf ein Verständigungsverfahren nach Art. 6 Abs. 1 EUSchiedskonvention zuständigen Behörde unterbreitet worden ist. Wird der Fall auch der Finanzbehörde des anderen Vertragsstaates unterbreitet, ist der erstgestellte Antrag maßgebend. Für den Beginn des Fristlaufs ist – wie auch für die Drei-Jahres-Ausschlussfrist nach Art. 6 Abs. 1 EUSchiedskonvention – der spätere der nachfolgenden Zeitpunkte maßgebend:
12.128
– Datum des Steuerbescheids, mit dem die Entscheidung über die Einkommenserhöhung festgesetzt oder festgestellt worden ist; – Tag des vollständigen Eingangs aller erforderlichen Angaben und Unterlagen (Rz. 12.114) bei der zuständigen Behörde sowie jeder weiteren
1 Vgl. überarbeiteten Verhaltenskodex zur wirksamen Durchführung des Übereinkommens über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen, Abl. EU C 322 v. 30.12.2009, 1 Rz. 7.2 Buchst. a. 2 Vgl. BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06 – Merkblatt zum Verständigungsund Schiedsverfahren, BStBl. I 2006, 461 Rz. 13.2.1.
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Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
Information, die vom antragstellenden Unternehmen innerhalb von zwei Monaten nach Antragseingang angefordert worden sind.1 Für das Ende des Fristlaufs geben weder die EU-Schiedskonvention noch der EU-Verhaltenskodex international abgestimmte Grundsätze vor. Sie bestimmen sich nach den jeweiligen verfahrensrechtlichen Grundsätzen des Vertragsstaates. Insofern sind sowohl § 188 BGB analog als auch § 108 Abs. 3 AO anzuwenden.2 Allerdings kommt in der Praxis der taggenauen Fristbestimmung eine weitaus geringere Bedeutung zu als nach innerstaatlichem Verfahrensrecht. Dies zumal deshalb, weil die Einsetzung des Beratenden Ausschusses eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt. Nach dem EU-Verhaltenskodex soll der Beratende Ausschuss spätestens sechs Monate nach Ablauf der Zwei-Jahres-Frist eingesetzt werden, wobei der fruchtlose Ablauf dieser Frist lediglich mit dem Übergang der Initiative zur Einsetzung des Beratenden Ausschusses auf den anderen Vertragsstaat verbunden ist.3 In der Praxis sind durchaus Fälle bekannt, in denen die Einsetzung des Beratenden Ausschusses deutlich länger als diese sechs Monate bzw. – bei Übergang der Initiative auf den anderen Vertragsstaat – ein Jahr, nämlich z.T. zwei Jahre, in Anspruch genommen hat.4
12.129 Vorrang innerstaatlicher gerichtlicher Rechtsbehelfsverfahren. Zwar gilt auch für das Schiedsverfahren, dass innerstaatliche Rechtsmittel unberührt bleiben und deshalb kein Verzicht auf diese erklärt werden muss. Ist jedoch der Fall vor einem Gericht anhängig, beginnt der Fristlauf erst mit Rechtskraft der letztinstanzlichen Entscheidung, wobei hierfür unbeachtlich ist (Art. 7 Abs. 1 Satz 2 EU-Schiedskonvention), ob Rechtshängigkeit zeitlich vor oder nach dem Antrag des Unternehmens eingetreten ist.5
12.130 Rechtsmittelverzicht/-rücknahme. Während in Deutschland gemäß § 175a AO Steuerbescheide, deren Rechtmäßigkeit rechtskräftig gerichtlich festgestellt worden ist, aufgrund der Entscheidung im Schiedsverfahren geändert werden können (§ 110 Abs. 2 FGO), sehen eine Reihe von EU-Mitgliedsstaaten in ihrem innerstaatlichen Recht vor, dass die Finanzbehörden nicht von den Entscheidungen ihrer Gerichte abweichen
1 Vgl. BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06 – Merkblatt zum Verständigungsund Schiedsverfahren, BStBl. I 2006, 461 Rz. 13.1.2 sowie überarbeiteten Verhaltenskodex zur wirksamen Durchführung des Übereinkommens über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen, Abl. EU C 322 v. 30.12.2009, 1 Rz. 5. Buchst. b. 2 Vgl. Krabbe in D/W, Art. 7 EU-SchÜ Rz. 5. 3 Vgl. überarbeiteten Verhaltenskodex zur wirksamen Durchführung des Übereinkommens über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen, Abl. EU C 322 v. 30.12.2009, 1 Rz. 7.2 Buchst. b. 4 Vgl. Bödefeld/Kuntschik, IStR 2009, 271. 5 Vgl. auch Krabbe in D/W, Art. 12 EU-SchÜ Rz. 6.
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I. Schiedsverfahren
dürfen.1 Gemäß Art. 7 Abs. 3 EU-Schiedskonvention ist in diesem Fall Voraussetzung für ein Schiedsverfahren, dass das Unternehmen auf Rechtsbehelfe verzichtet bzw. diese zurücknimmt, soweit sie sich auf den Gegenstand des Schiedsverfahrens beziehen. Ohne den Rechtsmittelverzicht bzw. die Rücknahme des betreffenden Rechtsmittels scheidet ein Schlichtungsverfahren aus. Deutschland hat eine entsprechende einseitige Erklärung nicht abgegeben. Offenkundig geht die Finanzverwaltung mit § 110 Abs. 2 FGO i.V.m. § 175a AO von einer hinreichenden Rechtsgrundlage für die Durchbrechung der Rechtskraft von Urteilen aus.2 Die Änderung eines Steuerbescheids nach § 175a AO ist allerdings u.a. dann nicht zulässig, wenn die Rechtskraft eines Urteils im Anschluss an eine Verständigungsvereinbarung eintritt.3 Die Verständigungsvereinbarung ist ebenso wie ein Schiedsspruch keine Rechtsgrundlage für die Durchbrechung der Rechtskraft4. Da § 175a AO die einzige Rechtsgrundlage für die Änderung bestandskräftiger Steuerbescheide aufgrund einer Verständigungsvereinbarung oder eines Schiedsspruchs ist, kommt eine Durchbrechung rechtskräftiger Urteile immer dann nicht in Betracht, wenn auch nach § 175a AO keine Änderungsmöglichkeit besteht, etwa weil bei Antragstellung bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war (Rz. 12.150). In der Praxis wird trotz der innerstaatlichen Umsetzungsverpflichtung nach § 175a AO und der fehlenden Erklärung der Bundesrepublik Deutschland, von Art. 7 Abs. 3 EU-Schiedskonvention Gebrauch zu machen, auch die Finanzverwaltung die Einleitung eines Schlichtungsverfahrens davon abhängig machen, dass der Steuerpflichtige seine Rechtsbehelfe teilweise zurücknimmt (§ 362 Abs. 1a AO, § 72 Abs. 1a FGO) oder aber bei fehlender Rechtshängigkeit teilweise ein Verzicht erklärt wird (§ 354 Abs. 1a AO; § 50 Abs. 1a FGO).5 b) Zusammensetzung des Beratenden Ausschusses Besetzung der Schlichtungsstelle. Der Beratende Ausschuss besteht aus dem unabhängigen Vorsitzenden, jeweils zwei Vertretern der zuständigen Behörden der Vertragsstaaten, wobei diese Anzahl einvernehmlich auf einen Vertreter reduziert werden kann, und einer geraden Anzahl von unabhängigen Vertretern, d.h. mindestens zwei unabhängige Vertreter (Art. 9 Abs. 1 EU-Schiedskonvention). Nach Art. 9 Abs. 4 EU-Schiedskonvention 1 Dies sind zurzeit 12 der 27 EU-Mitgliedsstaaten (Belgien, Frankreich, Italien, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Portugal, Slowakei, Slowenien, Tschechische Republik, Großbritannien), vgl. Übersicht einseitiger Erklärungen zu Art. 7 bei Krabbe in D/W, Art. 7 EU-SchÜ. 2 Vgl. BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06 – Merkblatt zum Verständigungsund Schiedsverfahren, BStBl. I 2006, 461 Rz. 13.1.4. 3 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.103. 4 Vgl. Seer in T/K, § 110 FGO Rz. 35; Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 133; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.103. 5 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.123.
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12.131
Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
haben die Vertragsstaaten eine Liste unabhängiger Vertreter zu erstellen, zu diesem Zweck jeweils fünf unabhängige Vertreter zu benennen und dem Generalsekretariat des Rates der Europäischen Union mitzuteilen. Für die Nominierung ist neben der Staatsangehörigkeit eines der Vertragsstaaten einzige valide Voraussetzung, dass die infrage kommende Person ihren Wohnsitz im Gemeinschaftsgebiet haben muss. Daneben muss die Person unabhängig und sachlich qualifiziert sein, wobei an die Sachkunde potenzieller einfacher Ausschussmitglieder keine konkreten Anforderungen geknüpft sind (Art. 9 Abs. 4 Satz 3 f. EU-Schiedskonvention). Ausschließlich der Ausschussvorsitzende muss entweder in seinem Land zum Richteramt befähigt oder aber Jurist von allgemein bekannter Kompetenz sein (Art. 9 Abs. 5 Satz 1 EU-Schiedskonvention). Insofern wird das Bestreben der Vertragsstaaten dahin gehen, dass mindestens einer der von ihnen jeweils Nominierten die Voraussetzungen für den potenziellen Ausschussvorsitz erfüllt.1 Nach dem EU-Verhaltenskodex sind die Namen der Nominierten unverzüglich zu benennen, auf Anforderung des Rates einmal im Jahr zu aktualisieren sowie ein Lebenslauf der betreffenden Person beizufügen, aus dem die Erfahrung im Bereich Recht, Steuern und insbesondere Verrechnungspreise hervorgeht.2 Diese Liste ist auf der Internetseite des Rates der Europäischen Union allgemein zugänglich.3 Im Hinblick auf den Unabhängigkeitsstatus wird den zuständigen Behörden empfohlen, dass die für den Beratenden Ausschuss vorgesehenen, unabhängigen Personen ihre Unabhängigkeit bezüglich der betroffenen Unternehmen versichern.4 Erkennbar widersprüchlich ist die Begrenzung nur auf das Nahestehen zu einem der betroffenen Unternehmen. Im Hinblick auf die in Art. 9 Abs. 3 Satz 1 EU-Schiedskonvention benannten, zur Ablehnung unabhängiger Ausschussmitglieder geeigneten Befangenheitsgründe (Rz. 12.133) müssen sich Unabhängigkeit und normierte, potenzielle Befangenheit denklogisch ausschließen. Deshalb ist auch bezogen auf die geforderte Versicherung der Unabhängigkeit zu fordern, dass alle ausdrücklich geregelten sowie die daneben gesondert vereinbarten Befangenheitsgründe eingeschlossen werden sollten.
12.132 Bestellung der unabhängigen (einfachen) Ausschussmitglieder. Aus der Liste unabhängiger Vertreter wird im gegenseitigen Einvernehmen der 1 Vgl. zu den von Deutschland benannten Personen die veröffentlichte Liste auf der Internetseite des Rates (http://www.consilium.europa.eu/ueDocs/cms_Data/ docs/accords/tables/1990093.pdf), Stand: 25.4.2012. 2 Vgl. überarbeiteten Verhaltenskodex zur wirksamen Durchführung des Übereinkommens über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen, Abl. EU C 322 v. 30.12.2009, 1 Rz. 7.1 Buchst. a, b und d. 3 Vgl. Fn. 1. 4 Vgl. überarbeiteten Verhaltenskodex zur wirksamen Durchführung des Übereinkommens über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen, Abl. EU C 322 v. 30.12.2009, 1 Rz. 7.1 Buchst. g. Zu einem Entwurf der Erklärung des JTPF vgl. DOC: JTPF/002/2008/EN, 6 f.
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I. Schiedsverfahren
Vertragsstaaten die gerade Anzahl unabhängiger Personen bestimmt. Kommt es nicht zu einer einvernehmlichen Entscheidung, werden die unabhängigen Personen durch Los ermittelt. Hierbei ist wesentlich, dass sich die Liste unabhängiger Personen auf die von allen Vertragsstaaten nominierten erstreckt.1 Insofern ist sowohl die einvernehmliche Auswahl als auch (und erst recht) die Losentscheidung nicht auf die von den beteiligten Vertragsstaaten für diese Liste benannten Personen beschränkt. Ferner sind bereits mit der Benennung der betreffenden Unabhängigen vorsorglich jeweils Stellvertreter zu bestimmen oder – hilfsweise – durch Los zu ermitteln, die für den Fall nachrücken, dass die zuerst benannte Person an der Wahrnehmung ihrer Aufgaben gehindert ist (Art. 9 Abs. 2 EU-Schiedskonvention). Bei Wegfall auch der Ersatzperson muss für diese ad hoc eine weitere Ersatzperson einvernehmlich benannt oder durch Los bestimmt werden.2 Ablehnung ausgeloster Unabhängiger wegen Befangenheit. Eine Ablehnung wegen Befangenheit kommt nach Art. 9 Abs. 3 EU-Schiedskonvention nur für unabhängige (einfache) Ausschussmitglieder und nur dann in Betracht, wenn diese durch Losentscheid ermittelt wurden. Als Befangenheitsgründe umschreibt Art. 9 Abs. 3 Satz 2 EU-Schiedskonvention
12.133
– das gegenwärtige Nahestehen zu einer der beteiligten Finanzverwaltungen; – das vergangene oder gegenwärtige Nahestehen zu einem der betroffenen Unternehmen sowie – die als Auffangtatbestand konzipierte, nicht hinreichende Gewähr für eine Unbefangenheit im konkreten Fall.3 Daneben können die zuständigen Behörden der beteiligten Vertragsstaaten weitere Ablehnungsgründe im Voraus vereinbaren. Die Entscheidung über die Ablehnung liegt im Ermessen der jeweiligen Finanzbehörde. Gegen sie ist – wie im Übrigen für das Verfahren vor dem Beratenden Ausschuss und einzelne Verfahrenshandlungen – mangels Rechtsgrundlage in der EU-Schiedskonvention kein Rechtsbehelf gegeben. Die andere beteiligte Finanzbehörde muss die Ablehnung letztlich hinnehmen. Folge der Ablehnung einer oder mehrerer unabhängiger Personen ist, dass die jeweilige Ersatzperson zum Zuge kommt. Insofern ließe sich – wenn auch eingeschränkt – die Besetzung auch bei Losentscheid noch beeinflussen, wobei wiederum Befangenheitsablehnungen möglich sind. Wahl des Ausschussvorsitzenden. Der Vorsitzende des Beratenden Ausschusses wird im Gegensatz zu den unabhängigen (einfachen) Ausschuss1 Mit Ausnahme von Zypern, Litauen, Lettland, Rumänien und Slowenien haben alle Vertragsstaaten ihre Listenkandidaten benannt, davon allerdings Schweden nur mit vier unabhängigen Personen, vgl. Fn. 1 auf S. 1372. 2 Vgl. Krabbe in D/W, Art. 9 EU-SchÜ Rz. 4. 3 Siehe im Einzelnen hierzu Krabbe in D/W, Art. 9 EU-SchÜ Rz. 7 ff.
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12.134
Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
mitgliedern nicht von den zuständigen Behörden der Vertragsstaaten bestimmt, sondern von allen Mitgliedern des Beratenden Ausschusses durch Mehrheitsentscheidung gewählt (Art. 9 Abs. 5 Satz 1 EU-Schiedskonvention). Die Eignung zum Ausschussvorsitz setzt die Befähigung der betreffenden Person zum Richteramt in seinem Land oder seine allgemein bekannte Kompetenz voraus (Art. 9 Abs. 5 Satz 2 EU-Schiedskonvention). Infrage kommen die auf der Liste unabhängiger Personen verzeichneten Personen. Eine Beschränkung auf die von einer Verfahrenspartei benannten Personen eines Vertragsstaates besteht nicht. Jede beteiligte zuständige Behörde hat das Recht zur Befangenheitsablehnung (Rz. 12.133). In diesem Fall ist erneut durch Mehrheitsentscheidung so lange eine andere Person durch einfache Mehrheitsentscheidung zu wählen, bis keine Verfahrenspartei dessen Funktion durch Befangenheitsablehnung angreift und auch keine Hinderungsgründe bestehen. Eine Stellvertreterreglung ist nicht vorgesehen. Im Gegensatz zur Bestimmung einfacher Ausschussmitglieder ist die Bestimmung durch Losentscheid nicht möglich. c) Verfahrensgrundsätze
12.135 Verfahrenssprache. Das Verfahren vor dem Beratenden Ausschuss ist in der oder den Amtssprachen der beteiligten Vertragsstaaten als Verfahrensparteien zu führen, sofern die zuständigen Behörden der beteiligten Vertragsstaaten unter Berücksichtigung der Wünsche des Beratenden Ausschusses nicht etwas anderes vereinbaren.1 Auf Verlangen des Beratenden Ausschusses sind Erklärungen und Dokumente in die Verfahrenssprache(n) zu übersetzen.2
12.136 Amtsermittlungs-/Untersuchungsgrundsatz. Der Beratende Ausschuss ist zur eigenen Sachverhaltsaufklärung befugt und verpflichtet. Hierbei liegt es in seinem Ermessen, welche Sachverhaltsaspekte er für aufklärungsbedürftig hält und welches Vorlageverlangen er dementsprechend stellt. Dies spricht im Ausgangspunkt für die Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes. Schon aufgrund der Beschränkung der personellen und sachlichen Ressourcen führt der Beratende Ausschuss allerdings tatsächliche Sachverhaltsforschungen nicht durch, sondern ist auf Anforderungsverlangen und auf die Ermittlungen durch die Finanzbehörden beschränkt.3 Nach 1 Vgl. überarbeiteten Verhaltenskodex zur wirksamen Durchführung des Übereinkommens über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen, Abl. EU C 322 v. 30.12.2009, 1 Rz. 7.3 Buchst. b; BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06 – Merkblatt zum Verständigungs- und Schiedsverfahren, BStBl. I 2006, 461 Rz. 13.4.1. 2 Vgl. überarbeiteten Verhaltenskodex zur wirksamen Durchführung des Übereinkommens über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen, Abl. EU C 322 v. 30.12.2009, 1 Rz. 7.3 Buchst. c. 3 Vgl. Bödefeld/Kuntschik, IStR 2009, 272; Peters/Haverkamp, BB 2011, 1309 f.
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I. Schiedsverfahren
Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EU-Schiedskonvention ist er berechtigt, von den Unternehmen und den zuständigen Behörden der beteiligten Vertragsstaaten Angaben, Beweismittel und Schriftstücke anzufordern. Diesem Anforderungsverlangen ist nachzukommen. Ferner kann der Beratende Ausschuss über Anfragen an die Finanzverwaltungen Sachverhaltsermittlungen durch diese nach ihrem jeweiligen innerstaatlichen Recht in Gang setzen. Allerdings ist das Informationsverlangen an die Finanzbehörden nach Art. 10 Abs. 1 Satz 3 EU-Schiedskonvention beschränkt. Ferner sind dem Beratenden Ausschuss durch die EU-Schiedskonvention keine Zwangsmittel an die Hand gegeben, sein Informationsverlangen gegenüber den Verfahrensparteien auch durchsetzen zu können. Der Beratende Ausschuss hat schließlich die Möglichkeit, den Fall zurückzuverweisen, wenn die vom Steuerpflichtigen übermittelten Informationen nicht ausreichen; dagegen sind die Konsequenzen unzureichender Informationsbeibringung durch die Finanzbehörden weitestgehend unklar.1 Darlegungs- und Beweislast. Die EU-Schiedskonvention trifft keine Regelungen über die Beweislastverteilung zwischen den Verfahrensparteien. Aus dem Zweck des Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EU-Schiedskonvention und dem Schiedsverfahren an sich wird aber abgeleitet, dass die Stellungnahme des Beratenden Ausschusses auch aufgrund von Beweislastverteilungsregeln ergehen kann.2 Ungeklärt ist, welche Verfahrenspartei die Darlegungs- und Beweislast trägt. Nach Rz. 4.17 OECD-Leitlinien 2010 soll im Falle eines Verständigungsverfahrens diejenige Finanzbehörde, die die Erstberichtigung („primary adjustment“) vornimmt und sich dabei auf eine bestimmte Verrechnungspreismethode beruft, darlegen, dass diese Methode sachgerecht ist und dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht.3 Auf diese Überlegung greift wohl auch das EU-JTPF mit seiner Auffassung zurück, wonach die Beweislast bei dem Mitgliedsstaat liegen soll, der die Verrechnungspreisberichtigung vorgenommen hat.4
12.137
d) Rechtsstellung des Steuerpflichtigen Mitwirkungsrechte und -pflichten. Der Steuerpflichtige ist selbst nicht Verfahrensbeteiligter des zwischenstaatlichen Verständigungs- oder Schiedsverfahrens nach der EU-Schiedskonvention; ihm kommt deshalb keine Parteienstellung zu. Für das Verfahren vor dem Beratenden Ausschuss regelt Art. 10 EU-Schiedskonvention allerdings umfassende Mitwirkungsrechte und -pflichten. Gemäß Art. 10 Abs. 1 Satz 1 EU-Schiedskonvention können die beteiligten Unternehmen dem beratenden 1 Vgl. Bödefeld/Kuntschik, IStR 2009, 272. 2 Vgl. Menck in G/K/G, Art. 25 OECD-MA Rz. 9 zu Art. 10 Schiedsübereinkommen und Rz. 1 ff. zu Art. 11 Schiedsübereinkommen; Bödefeld/Kuntschik, IStR 2009, 272; siehe aber auch kritisch Peters/Haverkamp, BB 2011, 1310. 3 Vgl. Rz. 4.17 OECD-Leitlinien 2010. 4 Vgl. Rz. 49 des Kurzberichts über die vierte Sitzung des JTPF, DOC: JTPF/ 012/2003/DE.
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1375
12.138
Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
Ausschuss solche Angaben, Dokumente und Schriftstücke übermitteln, die nach ihrer Auffassung für die Entscheidungsfindung nützlich sein können. Der Steuerpflichtige hat ferner – wie die zuständigen Behörden der beteiligten Vertragsstaaten auch – jeder Aufforderung des Beratenden Ausschusses zur Übermittlung von Angaben, Beweismitteln und Schriftstücken nachzukommen (Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EU-Schiedskonvention). Allerdings ist diese Verpflichtung durch den Beratenden Ausschuss mangels Rechtsgrundlage nicht mit Zwangsmitteln durchsetzbar. Er kann jedoch die jeweilige zuständige Finanzbehörde zur Vornahme von Ermittlungshandlungen nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht auffordern, sodass der Steuerpflichtige mittelbar zur Erfüllung des Informationsverlangens angehalten wird.1
12.139 Anhörungs- und Vertretungsrecht. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 EU-Schiedskonvention räumt dem Steuerpflichtigen ein umfassendes Anhörungs- und Vertretungsrecht ein. Allerdings kann sich der Steuerpflichtige trotz des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht auf die Öffentlichkeit der Verhandlung berufen. In Rahmen eines Anhörungstermins hat der Steuerpflichtige Gelegenheit, seinen eigenen Standpunkt zu der Sach- und Rechtslage darzustellen. Hierbei kann er sich vertreten lassen, wobei an die Qualifikation des Vertreters im Verfahren vor dem Beratenden Ausschuss keine gesonderten Anforderungen gestellt werden. Da sich die Einflussnahme auf das Verfahren auf die Anhörung und die Beibringung relevanter Unterlagen beschränkt, sollten beide Verfahrenshandlungen aufeinander abgestimmt und nicht in sich widersprüchlich sein; der Steuerpflichtige liefe anderenfalls Gefahr, schon aufgrund fehlender Kontinuität und Widersprüchlichkeit die Schiedsrichter nicht für seine Sichtweise einnehmen zu können.2
12.140 Kein grundsätzliches Anwesenheitsrecht. Auf Anforderung des Beratenden Ausschusses ist der Steuerpflichtige verpflichtet, vor dem Ausschuss zu erscheinen oder sich vertreten zu lassen (Art. 10 Abs. 2 Satz 2 EUSchiedskonvention). Über diese Aufforderung wird in einfacher Mehrheit entschieden.3 Allerdings besteht kein grundsätzliches Anwesenheitsrecht.4 Trotz des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann sich der Steuerpflichtige nicht auf die Öffentlichkeit der Verhandlung berufen. Ob die endgültige Entscheidung der beteiligten Behörden bzw. die zum Schiedsspruch erstarkte Stellungnahme des Beratenden Ausschusses veröffentlicht wird, steht im Ermessen der zuständigen Behörden der Vertrags1 Vgl. Menck in G/K/G, Art. 25 OECD-MA Rz. 9 zu Art. 10 Schiedsübereinkommen und Rz. 1 ff. zu Art. 11 Schiedsübereinkommen; Krabbe in D/W, Art. 11 EU-SchÜ Rz. 4. 2 Vgl. auch Peters/Haverkamp, BB 2011, 1308. 3 Vgl. Krabbe in D/W, Art. 11 EU-SchÜ Rz. 10. 4 Vgl. Menck in G/K/G, Art. 25 OECD-MA Rz. 5 zu Art. 10 Schiedsübereinkommen; ablehnend auch das EU-JTPF, vgl. Draft summary record oft the third meeting of the EU JTPF, DOC: JTPF/007/2003/EN v. 4.6.2003 Rz. 38; so auch Mitteilung der Kommission v. 23.4.2004, KOM (2004) 297 endg.
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I. Schiedsverfahren
staaten und unter dem Vorbehalt der Zustimmung der beteiligten Unternehmen (Art. 12 Abs. 2 EU-Schiedsübereinkommen). Der EU-Verhaltenskodex enthält keine Sollvorgaben für eine wünschenswerte Veröffentlichungspraxis, sondern lediglich Regelungen für den Fall der Veröffentlichung.1 Unter Transparenzgesichtspunkten und im Hinblick auf die Legalität des Verfahrens ist allerdings eine Veröffentlichung zu befürworten.2 e) Stellungnahme des Beratenden Ausschusses Sechs-Monats-Frist. Die Stellungnahme des Beratenden Ausschusses muss binnen einer Frist von sechs Monaten ab seiner Befassung abgegeben werden (Art. 11 Abs. 1 Satz 1 EU-Schiedskonvention). Hierbei schließt diese Sechs-Monats-Frist nicht unmittelbar an die für die Pflicht zur Einsetzung des Beratenden Ausschusses maßgebliche Zwei-JahresFrist (Rz. 12.128) an, sondern beginnt erst mit Befassung des Beratenden Ausschusses. Nach dem EU-Verhaltenskodex3 – und ihm folgend der Auffassung der deutschen Finanzverwaltung4 – ist der Beratende Ausschuss befasst, wenn ihm der Fall unterbreitet wurde. Hierbei gilt der Fall an dem Tag als unterbreitet, an dem der Ausschussvorsitzende bestätigt, dass die Ausschussmitglieder alle sachdienlichen Unterlagen und Informationen von allen zuständigen Behörden der an dem Fall beteiligten Vertragsstaaten erhalten haben. Dies sind insbesondere sämtliche Dokumente, Berichte, Korrespondenzen und Schlussfolgerungen aus dem Verständigungsverfahren.5 Eine Ablaufhemmung tritt ein bei Aussetzung des Verfahrens nach Art. 8 Abs. 3 EU-Schiedskonvention (Rz. 12.119) oder wenn das Verfahren wegen höherer Gewalt nicht geführt werden kann, nicht dagegen bei Verweigerung der Mitwirkungspflichten durch die Verfahrensparteien oder die betroffenen Unternehmen.6 Eine Sanktionierung bei Fristüberschreitung sieht die EU-Schiedskonvention nicht vor. Da die für die Bindungswirkung der Stellungnahme maßgebliche Karenzfrist von sechs Monaten mit der tatsächlichen und nicht mit der fristgerechten 1 Vgl. überarbeiteten Verhaltenskodex zur wirksamen Durchführung des Übereinkommens über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen, Abl. EU C 322 v. 30.12.2009, 1 Rz. 7.4 Buchst. i Doppelbuchst. ii. 2 Vgl. Hinnekens, EC Tax Review 2010, 113. 3 Vgl. überarbeiteten Verhaltenskodex zur wirksamen Durchführung des Übereinkommens über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen, Abl. EU C 322 v. 30.12.2009, 1 Rz. 7.3 Buchst. a. 4 Vgl. BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06 – Merkblatt zum Verständigungsund Schiedsverfahren, BStBl. I 2006, 461 Rz. 13.5.2. 5 Vgl. überarbeiteten Verhaltenskodex zur wirksamen Durchführung des Übereinkommens über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen, Abl. EU C 322 v. 30.12.2009, 1 Rz. 7. Buchst. f; BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06 – Merkblatt zum Verständigungs- und Schiedsverfahren, BStBl. I 2006, 461 Rz. 13.3.2. 6 Vgl. Krabbe in D/W, Art. 11 EU-SchÜ Rz. 2.
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12.141
Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
Abgabe der Stellungnahme beginnt (Rz. 12.145), entfaltet auch eine verspätete Abgabe dieselben Wirkungen.
12.142 Entscheidungsmaßstab. Der Beratende Ausschuss muss seiner Stellungnahme die Bestimmungen des Art. 4 EU-Schiedskonvention zugrunde legen (Art. 11 Abs. 1 Satz 2 EU-Schiedskonvention). Dies bedeutet, dass der Ausschuss an den Grundsatz des Fremdvergleichs gebunden ist. Da der Fremdvergleichsgrundsatz jedoch auslegungsbedürftig ist, steht außer Zweifel, dass der Beratende Ausschuss ausschließlich die international abgestimmten OECD-Leitlinien 2010 anwendet und nicht etwa die jeweiligen innerstaatlichen Rechtssetzungen oder Gerichtsentscheidungen eines der Vertragsstaaten oder aber des Herkunftsstaates von Ausschussmitgliedern. Für das Verständigungsverfahren gibt der EU-Verhaltenskodex die Anwendung der OECD-Leitlinien ausdrücklich vor.1 Für das Verständigungs- und das Schiedsverfahren nach den DBA-Großbritannien und DBA-Niederlande sind nach den entsprechenden Verständigungsvereinbarungen überdies die Auslegungen des OECD-MK zu beachten, wobei die jeweils aktuelle Fassung des OECD-MK zugrunde zu legen ist (Rz. 12.164).
12.143 Inhalt der Stellungnahme. Nach den Empfehlungen des EU-Verhaltenskodexes soll die Stellungnahme des Beratenden Ausschusses Folgendes enthalten: – die Namen der Mitglieder des Beratenden Ausschusses; – die Namen und Anschriften der beteiligten Unternehmen; – die beteiligten zuständigen Behörden; – eine Beschreibung des dem streitigen Fall zugrunde liegenden Sachverhalts; – eine klare und eindeutige Darlegung, was der Antragsteller fordert; – eine kurze Zusammenfassung des Verfahrens; – die Argumente und Methoden, auf die sich die Entscheidung in der Stellungnahme stützt, – die Stellungnahme; – Ort und Datum der Stellungnahme; – die Unterschriften der Mitglieder des Beratenden Ausschusses.2
1 Vgl. überarbeiteten Verhaltenskodex zur wirksamen Durchführung des Übereinkommens über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen, Abl. EU C 322 v. 30.12.2009, 1 Rz. 6.1 Buchst. a. 2 Vgl. überarbeiteten Verhaltenskodex zur wirksamen Durchführung des Übereinkommens über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen, Abl. EU C 322 v. 30.12.2009, 1 Rz. 7.4; BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06 – Merkblatt zum Verständigungs- und Schiedsverfahren, BStBl. I 2006, 461 Rz. 13.5.3.
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I. Schiedsverfahren
Beschlussfassung durch Mehrheitsentscheidung. Für die Beschlussfassung über die Stellungnahme gilt das Mehrheitsprinzip (Art. 11 Abs. 2 Satz 2 EU-Schiedskonvention). Entscheidend ist die einfache Mehrheit aller Ausschussmitglieder, die Mehrheit nur der anwesenden Mitglieder ist dagegen nicht ausreichend. Die zuständigen Behörden der beteiligten Vertragsstaaten können zwar weitestgehend frei im Voraus weitere Verfahrensregeln für das Verfahren vor dem Beratenden Ausschuss festlegen (Art. 11 Abs. 2 Satz 2 EU-Schiedskonvention). Dies gilt allerdings nur für „weitere“ Verfahrensregeln. Die Beschlussfassung steht dagegen nicht zur Disposition der Verfahrensparteien.
12.144
5. Einigungsverfahren/Schlussverfahren (Art. 12 EU-Schiedskonvention) Bindungswirkung als Schiedsspruch. Die Stellungnahme des Beratenden Ausschusses entfaltet unmittelbar keine Bindungswirkung. Den Charakter als Schiedsspruch erlangt sie erst, wenn nach Ablauf von sechs Monaten nach Abgabe der Stellungnahme keine Einigung zwischen den Vertragsstaaten herbeigeführt werden konnte, durch die die Doppelbesteuerung vermieden wird (Art. 12 Abs. 1 Satz 3 EU-Schiedskonvention). Insofern wird davon ausgegangen, dass sich die zuständigen Finanzbehörden die Entscheidung des Beratenden Ausschusses zu eigen gemacht haben.1 Die Entscheidung ist ungeachtet der Fristen des innerstaatlichen Rechts umzusetzen, da für das Schluss- bzw. Einigungsverfahren als Verfahrensabschnitt des Verständigungsverfahrens nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 EU-Schiedskonvention gilt.
12.145
Keine Revisionsinstanz. Eine Revisionsinstanz, die die Einhaltung der Verfahrensregeln überprüfen und durchsetzen könnte, sieht die EUSchiedskonvention nicht vor. Insofern sind schwere Verfahrensfehler, wie z.B. die nicht ordnungsgemäße Bildung des Beratenden Ausschusses, die Überschreitung seiner Kompetenzen, die Bestechung eines Mitglieds oder die Einhaltung der Grundsätze des Art. 4 EU-Schiedskonvention durch die Vertragsstaaten als die Beteiligten des Verfahrens nicht mit Rechtsmitteln angreifbar. Die EU-Schiedskonvention ist als multilateraler Vertrag i.S.v. Art. 293 EG-Vertrag a.F. zwar eine Harmonisierungsmaßnahme zur Beseitigung der Doppelbesteuerung. Da sie aber entgegen der ursprünglichen Absicht nicht als EU-Richtlinie verabschiedet wurde, ist sie nicht Teil des Gemeinschaftsrechts.2 Die EU-Schiedskonvention unterliegt deshalb nicht der Rechtsprechungskompetenz des EuGH.3 Eine solche Kompetenz hätte dem EuGH durch die Vertragsstaaten der EUSchiedskonvention in dem Vertrag zugewiesen werden müssen,4 wie dies
12.146
1 Vgl. auch Krabbe in D/W, Art. 12 EU-SchÜ Rz. 5. 2 Vgl. KOM (1976) 611 endg. Siehe ferner Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 3.78; Krabbe in D/W, Vor Art. 1 EU-SchÜ Rz. 1. 3 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 3.78; Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 301. 4 Vgl. Bödefeld/Kuntschik, IStR 2009, 271.
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Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
etwa in Art. 25 Abs. 5 DBA-Österreich erfolgt ist. Der z.T. vertretenen entgegenstehenden Auffassung kann nicht gefolgt werden.1 Da der Steuerpflichtige nicht Verfahrensbeteiligter ist, käme für ihn allenfalls die Möglichkeit der Geltendmachung vor einem nationalen Gericht in Betracht, die allerdings aufgrund schon fraglicher Verletzung in subjektiven Rechten effektiv nicht besteht.2
12.147 Nachgeschaltete Verständigung innerhalb der Sechs-Monats-Frist. Innerhalb dieser Sechs-Monats-Frist haben die beteiligten Finanzbehörden Gelegenheit, auf Grundlage der Ausschussstellungnahme einvernehmlich eine Einigung herbeizuführen, durch die die Doppelbesteuerung vermieden wird (Art. 12 Abs. 1 Satz 3 EU-Schiedskonvention). Hierbei können sie sich die Stellungnahme des Beratenden Ausschusses zu eigen machen und damit – als Schiedsspruch – umsetzen. Sie haben aber alternativ auch die Möglichkeit, eine hiervon abweichende Entscheidung zu treffen. Art. 12 Abs. 1 Satz 2 EU-Schiedskonvention bestimmt dies ausdrücklich. Insofern schließt sich eine nachgeschaltete Verständigung zwischen den Vertragsstaaten an.3 Die – von der Stellungnahme des Beratenden Ausschusses – abweichende Entscheidung muss die Doppelbesteuerung beseitigen. Anderenfalls greift die Bindungswirkung des Schiedsspruchs, da die Sechs-Monats-Frist zur Beseitigung der Doppelbesteuerung dann fruchtlos abgelaufen ist.
12.148 Fragliche Perspektiven auf eine abweichende Einigung. Letztlich fraglich ist, ob in Kenntnis der Stellungnahme des Beratenden Ausschusses und deren Bindungswirkung nach Ablauf der Wartefrist eine abweichende Einigung überhaupt in Betracht kommen kann. Dies würde erfordern, dass sich einer der Vertragsstaaten zugunsten des anderen Vertragsstaates verschlechtert und damit – gemessen an der Ausschussstellungnahme – ein Fiskalopfer bringt. Betrachtet man nur das jeweilige Verfahren, ist eine inhaltlich tatsächlich abweichende und nicht nur die Stellungnahme des Beratenden Ausschusses inhaltlich nachzeichnende Einigung realistischerweise nicht vorstellbar.4 Allerdings sind zwischenstaatliche Verhandlungen im Rahmen von Verständigungs- und Schiedsverfahren zum einen durch mehrere an einem Tag verhandelte Fälle und zum anderen – hiermit im Zusammenhang stehend – durch spezifische Verhandlungssituationen und ein gegenseitiges „do ut des“ geprägt. Eine abweichende Einigung ist deshalb auch praktisch nicht ausgeschlossen.
1 Siehe z.B. Menck in G/K/G, Art. 25 OECD-MA Rz. 7 zu Art. 12 Schiedsabkommen. 2 Vgl. Bödefeld/Kuntschik, IStR 2009, 271. 3 Vgl. Peters/Haverkamp, BB 2011, 1310. 4 Vgl. auch Keerl, Internationale Verrechnungspreise in der globalisierten Wirtschaft, 308.
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I. Schiedsverfahren
6. Umsetzung der Einigung Die zwischen den Vertragsstaaten erlangte (abweichende) Einigung bzw. die zum verbindlichen Schiedsspruch erstarkte Stellungnahme des Beratenden Ausschusses muss von den Finanzbehörden umgesetzt werden. Nach § 175a AO i.V.m. § 2 AO sind bereits bestandskräftige Bescheide entsprechend zu ändern. Hierfür normiert § 175a Satz 2 AO eine Ablaufhemmung, wonach die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Wirksamwerden des Schiedsspruchs endet (Rz. 12.125).
12.149
Allerdings kommt eine innerstaatliche Umsetzung nach h.M. dann nicht in Betracht, wenn zum Zeitpunkt der Beantragung des Verständigungsoder Schiedsverfahrens die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen ist.1 Dagegen wird mit Hinweis auf den Sinn und Zweck von § 175a AO die Auffassung vertreten, die Änderung bestandskräftiger Steuerbescheide sei auch nach Eintritt der Festsetzungsverjährung möglich.2 Entscheidende Bedeutung hat diese Frage insbesondere dann, wenn der Antrag auf Einleitung eines Verständigungs- oder Schiedsverfahrens von einer ausländischen nahestehenden Person gestellt wird, weil bei ihr eine Einkünftekorrektur vorgenommen wurde. In diesem Fall kann eine Ablaufhemmung nur erreicht werden, wenn gleichzeitig, jedenfalls aber vor Ablauf der Festsetzungsfrist, ein entsprechender Antrag auf Änderung des Steuerbescheids von dem in Deutschland ansässigen verbundenen Unternehmen gestellt wird. In diesem Fall tritt nach § 171 Abs. 3 AO Ablaufhemmung bis zur unanfechtbaren Entscheidung über den Änderungsantrag ein. Sollte hingegen die Einkünftekorrektur durch die deutsche Finanzverwaltung vorgenommen werden, kann zeitnah vor Eintritt der Festsetzungsverjährung der Antrag auf Einleitung des Verständigungsverfahrens gestellt werden bzw. ein Einspruch – im Zusammenhang mit einem Antrag auf Ruhen des Verfahren bis zum Ende des Verständigungsverfahrens – eingelegt werden, sodass der Eintritt der Festsetzungsverjährung gehemmt wird. Im Übrigen empfiehlt es sich bei Antragstellung im Inland bei Bestandskraft der entsprechenden Steuerbescheide stets, den Einleitungsantrag mit einem Antrag auf Änderung des Steuerbescheids zu verbinden.
12.150
7. Verfahrenskosten Kosten des Verständigungsverfahrens. Die EU-Schiedskonvention enthält keine Regelung über die Kostentragung für das Verständigungsverfahren nach Art. 6 EU-Schiedskonvention. Insofern tragen die Verfahrensbetei-
1 Vgl. Loose in T/K, § 175a AO Rz. 8; Balmes in Kühn/von Wedelstädt, § 175a AO Rz. 3; von Groll in H/H/Sp, 175a AO Rz. 102; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.102. 2 Vgl. von Wedelstädt in Beermann/Gosch, § 175a AO Rz. 17.
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12.151
Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
ligten die ihnen jeweils entstandenen Kosten selbst. Die den betroffenen Unternehmen entstandenen Kosten werden nicht erstattet.1
12.152 Verfahrenskosten des Beratenden Ausschusses. Die Verfahrenskosten des Beratenden Ausschusses tragen die Verfahrensparteien zu gleichen Teilen (Art. 11 Abs. 3 EU-Schiedskonvention). Zu diesen Kosten gehören die Verwaltungskosten des Beratenden Ausschusses und die Honorare und Auslagen für die unabhängigen Personen.2 Dagegen gehören nicht zu den Verfahrenskosten sämtliche Kosten der Vertreter der zuständigen Behörden der Vertragsstaaten. Sie werden gegeneinander aufgehoben. Vorbehaltlich anderweitiger Vereinbarungen der Verfahrensparteien gelten nach dem EU-Verhaltenskodex höhenmäßige Beschränkungen für Tageshonorare und Reisekosten.3
12.153 Kosten der verbundenen Unternehmen. Die den betroffenen Unternehmen entstandenen Kosten für die Vorbereitung und Begleitung des Verfahrens, etwa Rechtsanwalts- und Steuerberatungskosten, werden nicht erstattet, sondern müssen selbst getragen werden.4 Art. 11 Abs. 3 Satz 1 EU-Schiedskonvention nimmt diese Kosten ausdrücklich aus den Verfahrenskosten des Beratenden Ausschusses aus.
III. Schiedsverfahren nach Art. 25 Abs. 5 OECD-MA 1. Verlängerung des Verständigungsverfahrens
12.154 Kein autonomes Verfahren. Das Schiedsverfahren nach Art. 25 Abs. 5 OECD-MA ist nicht als eigenständiges Verfahren konzipiert, sondern als „integraler Bestandteil des Verständigungsverfahrens“.5 Dies folgt unmittelbar aus dem Wortlaut von Art. 25 Abs. 5 Satz 1 Buchst. b OECD-MA, wonach in Fällen, in denen die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten nicht in der Lage sind, innerhalb einer Zwei-Jahres-Frist eine einvernehmliche Lösung nach Art. 25 Abs. 2 OECD-MA herbeizuführen, „die ungelösten Fragen“ auf Antrag der betreffenden Person einem Schiedsver1 Vgl. BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06 – Merkblatt zum Verständigungsund Schiedsverfahren, BStBl. I 2006, 461 Rz. 14.1 i.V.m. Rz. 9, Rz. 14.5. 2 Vgl. überarbeiteten Verhaltenskodex zur wirksamen Durchführung des Übereinkommens über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen, Abl. EU C 322 v. 30.12.2009, 1 Rz. 7.3 Buchst. e; BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06 – Merkblatt zum Verständigungs- und Schiedsverfahren, BStBl. I 2006, 461 Rz. 14.1 i.V.m. Rz. 9 sowie Rz. 14.2. 3 Siehe hierzu überarbeiteten Verhaltenskodex zur wirksamen Durchführung des Übereinkommens über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen, Abl. EU C 322 v. 30.12.2009, 1 Rz. 7.3 Buchst. f. 4 Vgl. Krabbe in D/W, Art. 11 EU-SchÜ Rz. 6; Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 234; Schmitz in S/K/K, Art. 25 OECD-MA Rz. 81. 5 OECD-MK, Nr. 5 zu Art. 25 OECD-MA.
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I. Schiedsverfahren
fahren unterworfen werden. Insofern erweitert das Schiedsverfahren als unselbständiger Bestandteil das Verständigungsverfahren i.e.S. nach Art. 25 Abs. 1 und 2 OECD-MA.1 Im Hinblick auf die Verfahrensparteien und die Rechtsstellung des Steuerpflichtigen gelten die entsprechenden Ausführungen zum Verständigungsverfahren (vgl. Rz. 12.38 ff.). Verfahrensgegenstand. Das Schiedsverfahren nach Art. 25 Abs. 5 OECDMA erstreckt sich grundsätzlich auf alle Streifragen, für die der sachliche Anwendungsbereich des Verständigungsverfahrens nach Art. 25 Abs. 1 OECD-MA eröffnet ist. Letztere sind alle Maßnahmen eines oder beider Vertragsstaaten, die zu einer dem Abkommen nicht entsprechenden Besteuerung führen, wobei es sich regelmäßig um Doppelbesteuerungen handeln dürfte. Ferner sollen nach Art. 25 Abs. 5 Satz 2 OECD-MA nur „die ungelösten Fragen“ einem Schiedsverfahren unterworfen werden können, was darauf hindeuten könnte, dass lediglich strittige Teilaspekte und nicht der gesamte, dem Verständigungsverfahren zugrunde liegende Sachverhalt einem Schiedsverfahren zugänglich sind. Der OECD-MK führt hierzu aus, dass „die Lösung des Falles weiterhin im Verständigungsverfahren erreicht [wird], während die Lösung einer Einzelfrage, die einer Einigung entgegensteht, Gegenstand des Schiedsverfahrens ist“.2 Dies bedeutet im Ergebnis, dass nicht streitige Teilaspekte nicht zum Gegenstand des Schiedsverfahrens gemacht werden können.3 Allerdings wird zu Recht befürwortet, dass eine Lösung des Gesamtfalls dann auch dem Schiedsverfahren zugeführt werden kann, wenn sich dessen einvernehmliche Lösung letztlich als Gesamtlösung diverser strittiger Einzelfragen darstellt.4 Weder gibt der Wortlaut des Art. 25 Abs. 5 Satz 1 Buchst. b OECD-MA die zwingende Atomisierung in strittige und unstrittige Einzelaspekte her, noch wäre eine solche Vorgehensweise letztlich praktikabel. Hierfür spricht ferner die Auffassung des Fiskalausschusses der OECD zur Abfassung des Schiedsauftrags. Zwar soll der Schiedsauftrag grundsätzlich auf eine bestimmte Frage oder eine Reihe von Fragen beschränkt sein; in Abhängigkeit von dem betreffenden Fall und dem Zusammenhang zwischen den streitigen Fragen können aber auch der gesamte Fall und nicht nur bestimmte Fragen dem Schiedsverfahren unterworfen werden.5
1 Vgl. Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 209; Eilers in D/W, Art. 25 OECDMA Rz. 5a, 72; Schmitz in S/K/K, Art. 25 OECD-MA Rz. 69; Becker in Hasse, Art. 25 OECD-MA Rz. 48. 2 OECD-MK, Nr. 64 zu Art. 25 OECD-MA. 3 Vgl. Schmitz in S/K/K, Art. 25 OECD-MA Rz. 69. 4 Vgl. Bödefeld/Kuntschik, IStR 2009, 450; Herlinghaus, IStR 2010, 126. 5 Vgl. OECD-MK, Anhang zu Art. 25 OECD-MA, Nr. 10.
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Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
2. Einleitung des Schiedsverfahrens a) Rechtsanspruch des Steuerpflichtigen
12.156 Obligatorisches Schiedsverfahren. Art. 25 Abs. 5 OECD-MA regelt ein obligatorisches Schiedsverfahren. Hiernach steht die Einleitung nicht im Ermessen der zuständigen Behörden der Vertragsstaaten oder bedarf deren Zustimmung, sondern das Schiedsverfahren ist bei Vorliegen der Verfahrensvoraussetzungen zwingend durchzuführen. Auf seinen Antrag hin hat der Steuerpflichtige einen auf die Durchführung des Schiedsverfahrens gerichteten Einleitungsanspruch, was sich unmittelbar aus Art. 25 Abs. 5 Satz 1 OECD-MA ableitet („werden … auf Antrag der Person einem Schiedsverfahren unterworfen“).1 Im Hinblick auf das Vorliegen der Verfahrensvoraussetzungen wesentlich ist, dass der Einleitungsanspruch nur für „ungelöste Fragen“ besteht. Sofern eine einvernehmliche Einigung erzielt wurde, liegt eine Verfahrensvoraussetzung nicht vor, sodass ein Rechtsanspruch des Steuerpflichtigen auch insofern nicht besteht.
12.157 Deutsche DBA. Bereits vor Einführung eines obligatorischen Schiedsverfahrens in das OECD-MA durch die Revision 2008 waren in den DBAFrankreich, DBA-Schweden, DBA-Kanada und im DBA-Österreich Schiedsklauseln vereinbart. Allerdings sind nach Art. 25a DBA-Frankreich, Art. 41 Abs. 5 DBA-Schweden und Art. 25 Abs. 6 DBA-Kanada lediglich fakultative Schiedsverfahren vorgesehen, die dem Steuerpflichtigen keinen Rechtsanspruch vermitteln und es letztlich in das Ermessen der Vertragsstaaten stellen, sich nach erfolgloser Durchführung einvernehmlich auf die Anrufung eines Schiedsgerichts zu verständigen. Dagegen ist nach der Schiedsklausel des Art. 25 Abs. 5 DBA-Österreich bei fruchtlosen Verständigungsverhandlungen innerhalb einer Drei-JahresFrist der Fall auf Antrag des Steuerpflichtigen zwingend dem EuGH im Rahmen eines (obligatorischen) Schiedsverfahrens nach Art. 273 AEUV vorzulegen. Die jüngste deutsche Abkommenspraxis zeigt, dass die Bundesrepublik Deutschland dazu übergegangen ist, in ihren DBA ein obligatorisches Schiedsverfahren entsprechend Art. 25 Abs. 5 OECD-MA aufzunehmen. So regeln Art. 25 Abs. 5 und 6 DBA-USA, Art. 26 Abs. 5 DBA-Großbritannien,2 Art. 26 Abs. 5 DBA-Schweiz3 sowie – von den unterzeichneten DBA – Art. 25 Abs. 5 DBA-Liechtenstein,4 Art. 25 Abs. 5 DBA-Niederlande5 und Art. 24 Abs. 5 DBA-Luxemburg6 obligatorische Schiedsverfahren und den entsprechenden Einleitungsanspruch des Steuerpflichtigen. Inso-
1 Vgl. Herlinghaus, IStR 2010, 126. 2 In Kraft getreten am 30.12.2010 durch Bekanntmachung vom 12.4.2011, BGBl. II 2011, 536. 3 Revisionsprotokoll vom 27.10.2010, BGBl. II 2011, 1192. 4 Unterzeichnet am 17.11.2011. 5 Unterzeichnet am 12.4.2012. 6 Unterzeichnet am 23.4.2012.
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fern bestätigt sich eine gegenüber der Schiedsklausel grundsätzlich aufgeschlossene deutsche Abkommenspolitik.1 Für die Durchführung der Schiedsverfahren hat das BMF für das Schiedsverfahren nach dem DBA-USA,2 dem DBA-Großbritannien3 sowie dem DBA-Niederlande4 mit der jeweiligen Steuerbehörde ferner Verständigungsvereinbarungen getroffen. b) Einleitungsvoraussetzungen (Teilweises) erfolgloses Verständigungsverfahren. Aus dem Wortlaut von Art. 25 Abs. 5 Satz 1 Buchst. b OECD-MA folgt unmittelbar, dass ein Verständigungsverfahren i.e.S. (i.S.v. Art. 25 Abs. 2 OECD-MA) ohne einvernehmliche Lösung „des Falles“ durchgeführt worden sein muss. Ferner sind die gelösten Fragen einem Schiedsverfahren nicht zugänglich. Wegen der vorrangigen Durchführung eines Verständigungsverfahrens i.e.S. scheiden auch sämtliche Fälle aus dem Anwendungsbereich des obligatorischen Schiedsverfahrens aus, in denen die Antragsfrist für das Verständigungsverfahren abgelaufen ist und deshalb Einleitungsanträge als unzulässig zu verwerfen sind.5
12.158
Tatsächlich eingetretene Doppelbesteuerung. Einem Schiedsverfahren nach Art. 25 Abs. 5 OECD-MA werden nur „ungelöste“ Teilaspekte eines Falles unterworfen, der zuvor einer zuständigen Behörde eines Vertragsstaates von einer (abkommensberechtigten) Person mit der Begründung unterbreitet wurde, Maßnahmen eines oder beider Vertragsstaaten hätten für sie zu einer abkommenswidrigen Besteuerung geführt (Art. 25 Abs. 5 Satz 1 Buchst. a OECD-MA). Dementsprechend sind die „ungelösten Fragen“ einem Schiedsverfahren nur zugänglich, wenn die abkommenswidrige Besteuerung bereits tatsächlich eingetreten ist.6 Allein auf eine potenziell mögliche oder drohende Doppelbesteuerung kann ein Einleitungsantrag für ein Schiedsverfahren – im Gegensatz zu einem Verständigungsverfahren nach Art. 25 Abs. 1 und 2 OECD-MA – nicht gestützt werden.7 Für den tatsächlichen Eintritt der Doppelbesteuerung ist nach Auffassung des Fiskalausschusses der OECD nicht nur die Zahlung oder Festsetzung der Steuer hinreichend, sondern auch schon die – aufgrund einer konkreten amtlichen Mitteilung über die Absicht, bestimmte Ein-
12.159
1 Vgl. Wichmann, FR 2011, 185 f. 2 Vgl. BMF v. 16.1.2009 – IV B 2 - S 1301 - USA/08/10001 (2009/0013814), BStBl. I 2009, 345. 3 Vgl. BMF v. 10.10.2011 – IV B 3 - S 1301 - GB/11/10003 (2011/0757911), BStBl. I 2011, 956. 4 Vgl. BMF v. 12.4.2012, n.v., s. Fn. 8 auf S. 1353. 5 Vgl. auch Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 213. 6 Vgl. OECD-MK, Nr. 72 zu Art. 25 OECD-MA. 7 Vgl. Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 214; Schmitz in S/K/K, Art. 25 OECD-MA Rz. 70; Nientimp/Thomsen, IStR 2009, 616; Herlinghaus, IStR 2010, 127.
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künfte zu besteuern – unmittelbar bevorstehende, abkommenswidrige Besteuerung.1
12.160 Zwei-Jahres-Frist. Nach Art. 25 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b OECD-MA kann das Schiedsverfahren eingeleitet werden, wenn die Vertragsstaaten nicht binnen einer Frist von zwei Jahren eine einvernehmliche Lösung des Falles herbeigeführt haben. Hierbei beginnt die Frist ab dem Tag, an dem ein der zuständigen Behörde eines Vertragsstaates unterbreiteter Fall auch der zuständigen Behörde des anderen Staates unterbreitet wurde.2 Ein Fall gilt allerdings nur dann als einer zuständigen Behörde vorgelegt, wenn diese zuständige Behörde die für eine materielle Prüfung zur Herbeiführung einer Verständigungsvereinbarung erforderlichen Informationen erhalten hat.3 Die Verständigungsvereinbarungen zum Schiedsverfahren nach den DBA-USA,4 DBA-Großbritannien5 sowie DBA-Niederlande6 entsprechen insoweit der Musterverständigungsvereinbarung der OECD. Allerdings kann nach dem DBA-USA für das Schiedsverfahren im Voraus eine abweichende Frist zwischen den Vertragsstaaten vereinbart werden.7 Im Hinblick auf die erforderlichen Informationen entsprechen die Anforderungen nach den Verständigungsvereinbarungen zum Schiedsverfahren nach den DBA-Großbritannien und DBA-Niederlande denjenigen für das EU-Schiedsverfahren (Rz. 12.114). c) Zulässigkeitsvoraussetzungen
12.161 Rechtsmittelverzicht. Wie auch für das Verständigungsverfahren nach Art. 25 Abs. 1 und 2 OECD-MA ist die Einleitung eines Schiedsverfahrens nicht von einem vorherigen Verzicht auf innerstaatliche Rechtsmittel abhängig.8 Insofern kann ein Schiedsverfahren grundsätzlich unabhängig von innerstaatlichen Rechtsmitteln verfolgt werden. Allerdings ist es nach Auffassung des Fiskalausschusses der OECD, die sich die Vertragsstaaten bei wortlautentsprechender Übernahme des Art. 25 Abs. 5 OECD-MA in ihr DBA zu eigen gemacht haben, nicht möglich, ein Schiedsverfahren und ein innerstaatliches Rechtsmittel parallel zu verfolgen.9 Die zuständigen Behörden sind gehalten, entweder die Aussetzung des innerstaatlichen Rechtsmittels bis zum Ergehen des Schiedsspruchs zu erwirken oder aber, wenn der Steuerpflichtige mit der Aussetzung 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Vgl. OECD-MK, Nr. 72 zu Art. 25 OECD-MA. Vgl. OECD-Musterverständigungsvereinbarung zum Schiedsverfahren, Rz. 2. Vgl. OECD-MK, Nr. 75 zu Art. 25 OECD-MA. Vgl. BMF v. 16.1.2009 – IV B 2 - S 1301 - USA/08/10001 (2009/0013814), BStBl. I 2009, 345. Vgl. BMF v. 10.10.2011 – IV B 3 - S 1301 - GB/11/10003 (2011/0757911), BStBl. I 2011, 956. Vgl. BMF v. 12.4.2012, n.v., s. Fn. 8 auf S. 1353. Art. 25 Abs. 6 Buchst. c Doppelbuchst. aa DBA-USA. Vgl. Menck in G/K/G, Art. 25 OECD-MA Rz. 106; Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 217; Herlinghaus, IStR 2010, 128. Vgl. OECD-MK Rz. 76 Satz 3 Buchst. a zu Art. 25 OECD-MA.
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I. Schiedsverfahren
nicht einverstanden ist, das Schiedsverfahren so lange hinauszuzögern, bis die Rechtsmittel nach innerstaatlichem Recht erschöpft sind (vgl. aber Rz. 12.162). Der Steuerpflichtige hat dann nach den Art. 25 Abs. 5 Satz 3 OECD-MA entsprechenden Bestimmungen der deutschen DBA1 die Möglichkeit, die Verständigungsvereinbarung abzulehnen, durch die der Schiedsspruch umgesetzt wird; in diesem Fall ist der Schiedsspruch für die Verfahrensparteien nicht verbindlich (Rz. 12.179). Der Steuerpflichtige kann dann die innerstaatlichen Rechtsmittel weiter betreiben.2 Eine solche Vorrangigkeit DBA-rechtlicher Verständigungs- und Schiedsverfahren vor innerstaatlichen Rechtsbehelfen steht im Einklang mit dem Zweck des Schiedsverfahrens, eine Lösung der im Verständigungsverfahren ungelösten Teilaspekte zu ermöglichen.3 Rechtskräftige gerichtliche Entscheidung. Art. 25 Abs. 5 Satz 2 OECDMA sieht vor, dass ein Schiedsverfahren dann nicht mehr zulässig ist, wenn zu den entsprechenden ungelösten Fragen bereits eine Gerichtsentscheidung in einem der Staaten ergangen ist. Während in Deutschland gemäß § 175a AO Steuerbescheide, deren Rechtmäßigkeit rechtskräftig gerichtlich festgestellt worden ist, aufgrund der Entscheidung im Schiedsverfahren geändert werden können (§ 110 Abs. 2 FGO), sehen eine Reihe von Staaten in ihrem innerstaatlichen Recht vor, dass die Finanzbehörden nicht von den Entscheidungen ihrer Gerichte abweichen dürfen (Rz. 12.130). Das DBA-Großbritannien enthält mit Art. 26 Abs. 5 Satz 2 und das am 23.4.2012 unterzeichnete DBA-Luxemburg mit Art. 24 Abs. 5 Satz 2 eine vergleichbare Ausschlussbestimmung. Im Übrigen wurde diese Regelung entsprechend der Empfehlung des Fiskalausschusses der OECD nicht übernommen.4
12.162
3. Verfahren a) Anzuwendendes Recht Maßgeblichkeit des Abkommensrechts. Die dem Schiedsverfahren unterworfenen strittigen Fragen betreffen eine abkommenswidrige Besteuerung. Insofern ist der maßgebliche Rechtskreis auf die Bestimmungen des konkreten Abkommens festgelegt.5 Sofern die Auslegungsfragen klärungsbedürftig sind, richtet sich die Auslegung der konkreten Bestimmungen nach den für die Auslegung völkerrechtlicher Verträge maßgeb-
1 Vgl. auch Art. 25 Abs. 6 Buchst. e DBA-USA; Art. 26 Abs. 5 Satz 3 DBA-Großbritannien; Art. 26 Abs. 6 Buchst. e DBA-Schweiz; Art. 25 Abs. 5 Buchst. b des am 12.4.2012 unterzeichneten DBA-Niederlande; Art. 24 Abs. 5 Satz 3 des am 23.4.2012 unterzeichneten DBA-Luxemburg; Art. 25 Abs. 6 Buchst. e des am 17.11.2011 unterzeichneten DBA-Liechtenstein. 2 Vgl. OECD-MK Rz. 76 Satz 3 Buchst. b zu Art. 25 OECD-MA. 3 Vgl. OECD-MK Rz. 78 zu Art. 25 OECD-MA. 4 Vgl. OECD-MK Rz. 76 Satz 6 zu Art. 25 OECD-MA. 5 Vgl. OECD-Musterverständigungsvereinbarung zum Schiedsverfahren, Rz. 14.
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12.163
Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
lichen Auslegungsgrundsätzen der Art. 31–34 WÜRV.1 Dies beinhaltet auch das innerstaatliche Recht des jeweiligen Vertragsstaates, sofern Abkommensbestimmungen für die Auslegung einzelner Begriffe auf das innerstaatliche (Steuer-)Recht eines Vertragsstaates verweisen oder aber auf das jeweilige innerstaatliche Recht wegen des Anwenderstaatsvorbehalts der Art. 3 Abs. 2 OECD-MA entsprechenden Bestimmungen zulässigerweise zurückgegriffen wurde. Zutreffend weist der OECD-MK allerdings auf die Unangemessenheit hin, den Schiedsrichtern eine unabhängige Entscheidung nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht abzuverlangen.2 Insofern wird im OECD-MK vorgeschlagen, entweder die innerstaatlichen Auslegungsergebnisse bereits in der Entscheidungsvorlage vorzugeben oder aber den Schiedsauftrag entsprechend zu fassen.3
12.164 Beachtung des OECD-MK und der OECD-Leitlinien. In den Verständigungsvereinbarungen zum Schiedsverfahren nach den DBA-Großbritannien und dem DBA-Niederlande sind neben den Auslegungsgrundsätzen nach Art. 31 ff. WÜRV insbesondere auch die Auslegungen des OECDMK zu beachten, wobei die jeweils aktuelle Fassung des OECD-MK zugrunde zu legen ist. Dies ist insofern beachtlich, als der Rechtsstatus des OECD-MK national wie international weitestgehend ungeklärt ist und die Vereinbarkeit der dynamischen Auslegung mit den Auslegungsgrundsätzen nach Art. 31 ff. WÜRV mehr als fraglich ist.4 Bekanntlich bestehen jedenfalls nach deutschem Recht erhebliche Bedenken gegen die dynamische Auslegung mittels geänderter Rechtsauffassungen des Fiskalausschusses der OECD.5 Auslegungsfragen, die die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes betreffen, sollen unter Beachtung der OECD-Leitlinien entschieden werden. Ferner ergeben sich weitere Rechtsquellen ausdrücklich aus dem Schiedsauftrag.6 b) Verfahrens- und Beweisregeln
12.165 Keine Regelungen im DBA. Art. 25 Abs. 5 OECD-MA enthält ebenso wenig wie die Schiedsklauseln der deutschen DBA mit obligatorischem Schiedsverfahren Verfahrens- und Beweisregeln. Gleiches gilt für die Musterverständigungsvereinbarung der OECD. Insofern obliegt es den 1 Die Bundesrepublik Deutschland ist der Wiener Vertragsrechtskonvention beigetreten, vgl. WÜRV v. 23.5.1985, BGBl. II 1985, 926 ff.; Datum des Inkrafttretens: 20.8.1987, BGBl. II 1987, 757. 2 Vgl. OECD-MK, Anhang zu Art. 25 OECD-MA, Nr. 34. 3 Vgl. OECD-MK, Anhang zu Art. 25 OECD-MA, Nr. 33; siehe auch Herlinghaus, IStR 2012, 129. 4 Siehe zum Rechtsstatus des OECD-MK Liebchen, Beteiligungen an ausländischen Personengesellschaften, 122 ff. m.w.N. 5 Vgl. nur BFH v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156 m.w.N. 6 Vgl. BMF v. 10.10.2011 – IV B 3 - S 1301 - GB/11/10003 (2011/0757911), BStBl. I 2011, 956 Rz. 14; BMF v. 12.4.2012, n.v., s. Fn. 8 auf S. 1353 zu Rz. 12.105, Rz. 14.
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I. Schiedsverfahren
Vertragsstaaten, konkrete Regeln vorzusehen, wenn sie diese für erforderlich halten.1 Solche konkreten Regeln sind auch nicht verbindlich in den Verständigungsvereinbarungen zum Schiedsverfahren nach dem DBA-Großbritannien und dem DBA-Niederlande vorgegeben. Stattdessen wird es vorbehaltlich des konkreten Schiedsauftrags in das Ermessen der Schiedsrichter gestellt, die Verfahrens- und Beweisregeln anzuwenden, die sie zur Beantwortung der in dem Schiedsauftrag aufgeführten Fragen für erforderlich erachten.2 Dies entspricht Abs. 10 der Mustervereinbarung der OECD.3 Insofern können die Schiedsrichter auf international anerkannte Regelungen zu internationalen Schiedsverfahren, wie z.B. die Regeln der Internationalen Handelskammer, zurückgreifen.4 Sachverhaltsaufklärung und Beweisfragen. Der Fiskalausschuss der OECD empfiehlt, dass in den ad hoc vom Schiedsgericht festgelegten Verfahrensregeln klargestellt werden sollte, dass das Schiedsgericht seine Entscheidung regelmäßig auf das Tatsachenmaterial stützt, das bereits in das Verständigungsverfahren eingebracht wurde.5 Hierzu haben die Schiedsrichter Zugang zu allen, auch vertraulichen Informationen, die zur Entscheidung über die dem Schiedsverfahren unterworfenen Fragen erforderlich sind.6 Grundsätzlich betreibt das Schiedsgericht keine eigene Sachverhaltsaufklärung, sondern stützt sich auf das bereits in das Verständigungsverfahren eingebrachte Tatsachenmaterial. Die Mustervereinbarung der OECD ebenso wie die Verständigungsvereinbarungen zum Schiedsverfahren nach den DBA-Großbritannien und DBA-Niederlande sehen vor, dass das Schiedsgericht Informationen nicht zu berücksichtigen hat, die nicht beiden Vertragsstaaten bereits im Verständigungsverfahren vorgelegen haben, wobei sich allerdings die Vertragsstaaten auf deren Einführung in das Schiedsverfahren einigen können.7 Folglich kommt nur in Ausnahmefällen eine eigene Sachverhaltsaufklärung in Betracht.8 Beweisfragen stellen sich deshalb grundsätzlich nicht.9
1 Vgl. OECD-Musterverständigungsvereinbarung zum Schiedsverfahren, Rz. 3. 2 Vgl. BMF v. 10.10.2011 – IV B 3 - S 1301 - GB/11/10003 (2011/0757911), BStBl. I 2011, 956 Rz. 10. 3 Vgl. OECD-Musterverständigungsvereinbarung zum Schiedsverfahren, Rz. 3. 4 Vgl. OECD-MK, Anhang zu Art. 25 OECD-MA, Nr. 18. 5 Vgl. OECD-MK, Anhang zu Art. 25 OECD-MA, Nr. 18. 6 Vgl. OECD-Musterverständigungsvereinbarung zum Schiedsverfahren, Rz. 10; BMF v. 10.10.2011 – IV B 3 - S 1301 - GB/11/10003 (2011/0757911), BStBl. I 2011, 956 Rz. 10; BMF v. 12.4.2012, n.v., s. Fn. 8 auf S. 1353 zu Rz. 12.105, Rz. 10. 7 Vgl. OECD-Musterverständigungsvereinbarung zum Schiedsverfahren, Rz. 10; BMF v. 10.10.2011 – IV B 3 - S 1301 - GB/11/10003 (2011/0757911), BStBl. I 2011, 956 Rz. 10; BMF v. 12.4.2012, n.v., s. Fn. 8 auf S. 1353 zu Rz. 12.105, Rz. 10. 8 Vgl. OECD-MK, Anhang zu Art. 25 OECD-MA, Nr. 18. 9 Vgl. Herlinghaus, IStR 2010, 129.
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12.166
Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
c) Schiedsauftrag
12.167 Verständigung auf Entscheidungsvorlage. Für das Schiedsverfahren nach den DBA-Großbritannien und DBA-Niederlande ist in Übereinstimmung mit Abs. 3 der Musterverständigungsvereinbarung geregelt, dass sich die beiden zuständigen Behörden innerhalb von drei Monaten nach Zugang des Einleitungsantrags bei beiden Behörden auf die vom Schiedsgericht zu lösenden Fragen verständigen müssen.1 Für die Abfassung des Schiedsauftrags weist der Fiskalausschuss ausdrücklich darauf hin, dass auch eine Beratung der zu entscheidenden Fragen mit dem Antragsteller in Betracht kommen kann.2 Ferner kann anstelle bestimmter Fragen auch der gesamte Fall dem Schiedsverfahren unterworfen werden, wenn dies nach dem betreffenden Fall und dem zwischen den einzelnen Fragen bestehenden Zusammenhang erforderlich ist (Rz. 12.155). Der Schiedsauftrag kann neben den vom Schiedsgericht zu lösenden Fragen Regelungen zum anzuwendenden Recht (Rz. 12.163 f.) sowie Verfahrensregeln enthalten (Rz. 12.165 f.), die dann vorrangig anzuwenden sind. Der Schiedsauftrag muss schließlich binnen der Drei-Monats-Frist dem Antragsteller übermittelt werden.
12.168 Verfahren bei verspäteter Übermittlung. Wird der Schiedsauftrag dem Antragsteller nicht binnen der Drei-Monats-Frist übermittelt, sehen die Verständigungsvereinbarungen zum Schiedsverfahren nach den DBA-Großbritannien und DBA-Niederlande wie auch die Musterverständigungsvereinbarung der OECD einen Mechanismus vor, der den Verfahrensfortgang sicherstellen soll.3 Hiernach haben sowohl der Steuerpflichtige als auch jede zuständige Behörde das Recht, innerhalb eines Monats nach Ablauf der Drei-Monats-Frist einander schriftlich die im Schiedsverfahren zu lösenden Fragen zu übermitteln. Die Gesamtheit der so übermittelten Aufstellungen bildet den vorläufigen Schiedsauftrag. Auf dieser Grundlage erfolgt dann die Berufung aller Schiedsrichter (Rz. 12.169 ff.). Die Schiedsrichter haben dann binnen eines Monats nach vollständiger Berufung des Schiedsgerichts dem Antragsteller eine überarbeitete Fassung des vorläufigen Schiedsauftrags auf Grundlage der betreffenden Aufstellungen zu erstellen sowie den zuständigen Behörden und dem Antragsteller zu übermitteln. Es ist dann Sache der zuständigen Behörden, diesen Schiedsauftrag zu akzeptieren oder sich auf einen anderen Schiedsauftrag zu verständigen. Diese Verständigung und Abfassung eines anderen Schiedsauftrags muss innerhalb eines Monats nach Übermittlung der konsolidierten Fassung durch das Schiedsgericht erfolgen 1 Vgl. OECD-Musterverständigungsvereinbarung zum Schiedsverfahren, Rz. 3; BMF v. 10.10.2011 – IV B 3 - S 1301 - GB/11/10003 (2011/0757911), BStBl. I 2011, 956 Rz. 3; BMF v. 12.4.2012, n.v., s. Fn. 8 auf S. 1353 zu Rz. 12.105, Rz. 3. 2 Vgl. OECD-MK, Anhang zu Art. 25 OECD-MA, Nr. 9. 3 Vgl. OECD-Musterverständigungsvereinbarung zum Schiedsverfahren, Rz. 3; BMF v. 10.10.2011 – IV B 3 - S 1301 - GB/11/10003 (2011/0757911), BStBl. I 2011, 956 Rz. 3; BMF v. 12.4.2012, n.v., s. Fn. 8 auf S. 1353 zu Rz. 12.105, Rz. 3. Siehe auch OECD-MK, Anhang zu Art. 25 OECD-MA, Nr. 9.
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I. Schiedsverfahren
und dem Antragsteller wie dem Schiedsgericht innerhalb dieser Frist übermittelt werden. Verstreicht diese Frist ergebnislos, ist für das Schiedsverfahren die überarbeitete Fassung des vorläufigen Schiedsauftrags maßgebend. Vor diesem Hintergrund kann der Steuerpflichtige zwar aktiv die Abfassung des Schiedsauftrags beeinflussen. Dies setzt allerdings voraus, dass eine anderweitige einvernehmliche Verständigung zwischen den Vertragsstaaten nicht zustande kommt. d) Bestellung der Schiedsrichter Fristgebundenes Verfahren. Für das Schiedsverfahren nach den DBAGroßbritannien und DBA-Niederlande ist wie nach der Musterverständigungsvereinbarung der OECD vorgesehen, dass die Schiedsstelle aus zwei (einfachen) Schiedsrichtern und einem als Vorsitzenden handelnden Schiedsrichter besteht, wobei die Vertragsstaaten zunächst jeweils einen Schiedsrichter innerhalb einer Frist von drei bzw. vier Monaten nach Eingang des Schiedsauftrags beim Antragsteller ernennen und diese wiederum innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach der letzten Berufung den Vorsitzenden der Schiedsstelle berufen.1 Erfolgt die Berufung nicht innerhalb dieser Fristen, werden die nicht berufenen Schiedsrichter auf Ersuchen des Antragstellers hin innerhalb einer Frist von 15 Tagen nach Eingang des entsprechenden Ersuchens durch das hochrangigste Mitglied des Sekretariats des Zentrums für Steuerpolitik und Steuerverwaltung der OECD berufen, das nicht die Staatsangehörigkeit eines der Vertragsstaaten hat.2 Diese Regelung dient der Auflösung von Stillstand bei der Schiedsrichterauswahl und ist aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung zu begrüßen. Der Steuerpflichtige als Antragsteller kann mithin die Verfahrensbeschleunigung durch Ersuchen initiieren. Ungeklärt ist allerdings, an wen das Ersuchen zu richten ist. Wie für den Schiedsantrag selbst sollte jede der zuständigen Behörden der Vertragsstaaten als Anbringungsbehörde in Betracht kommen, mithin für Deutschland das BZSt. Dies entspricht dem Vorgehen für das Schiedsverfahren nach dem DBA-USA, bei dem sich bei Nichternennung eines Schiedsstellenmitglieds durch einen der Vertragsstaaten das andere ernannte Schiedsstellenmitglied an die zuständige Behörde wendet, die es ernannt hat, und diese wiederum die unabhängige Institution kontaktiert.3 1 Vgl. OECD-Musterverständigungsvereinbarung zum Schiedsverfahren, Rz. 5; BMF v. 10.10.2011 – IV B 3 - S 1301 - GB/11/10003 (2011/0757911), BStBl. I 2011, 956 Rz. 5; BMF v. 12.4.2012, n.v., s. Fn. 8 auf S. 1353 zu Rz. 12.105, Rz. 5. 2 Abweichend von der Musterverständigungsvereinbarung der OECD sehen die Verständigungsvereinbarungen zu dem Schiedsverfahren nach den DBA-Großbritannien und DBA-Niederlande eine mit dem vereinfachten Schiedsverfahren übereinstimmende Frist von 15 Tagen anstelle von 10 Tagen vor. Vgl. BMF v. 10.10.2011 – IV B 3 - S 1301 - GB/11/10003 (2011/0757911), BStBl. I 2011, 956 Rz. 5; BMF v. 12.4.2012, n.v., s. Fn. 8 auf S. 1353 zu Rz. 12.105, Rz. 5. 3 Vgl. Nr. 22 Buchst. e des Protokolls zu Art. 25 Abs. 5 und 6 DBA-USA; Vgl. BMF v. 16.1.2009 – IV B 2 - S 1301 - USA/08/10001, BStBl. I 2009, 345 Rz. 6 Buchst. b.
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12.169
Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
Ein Aufschub der Berufung der Schiedsrichter kommt allerdings in Betracht, wenn die Verfahrensparteien einvernehmlich der Auffassung sind, die – jedenfalls teilweise – erfolglose Durchführung des Verständigungsverfahrens innerhalb der Zwei-Jahres-Frist sei auf die mangelnde Mitwirkung einer unmittelbar von dem Fall betroffenen Person zurückzuführen. In diesem Fall können die zuständigen Behörden die Berufung der Schiedsrichter um den der Verzögerung der Informationsverteilung entsprechenden Zeitraum verschieben.1 Ein alternativer Ansatz, nach dem ungelöste Fragen dann nicht mehr einem Schiedsverfahren unterworfen werden können, wenn der Steuerpflichtige nicht innerhalb einer zusätzlichen Frist die angeforderten Informationen beibringt,2 wird in den Verständigungsvereinbarungen zu dem Schiedsverfahren nach den DBAGroßbritannien und DBA-Niederlande nicht verfolgt.
12.170 Unabhängigkeit/Qualifikation potenzieller Schiedsrichter. Für das DBASchiedsverfahren sind keine konkreten Anforderungen an die Unabhängigkeit und die Qualifikation infrage kommender Schiedsrichter geregelt. Der für das Regelverfahren maßgebliche Ansatz der „independent opinion“ impliziert jedoch, dass die Schiedsrichter unabhängig sein müssen. Diese Unabhängigkeit wird übereinstimmend dahin gehend konkretisiert, dass die Person nicht bereits auf früheren Verfahrensstufen mit dem zum Schiedsverfahren führenden Fall befasst gewesen sein darf.3 Weitergehende Anforderungen bestehen nicht. Insbesondere kommen als Schiedsrichter ausdrücklich auch Beamte eines Vertragsstaates in Betracht. Die Kommentierung zur Musterverständigungsvereinbarung der OECD geht mit Hinweis auf die Interessenlagen sowohl der Vertragsstaaten als auch der parteibenannten Schiedsrichter davon aus, dass die Festlegung bestimmter Eigenschaften der Schiedsrichter nicht notwendig sei.4 Dieser Ansatz ist sicherlich nicht bedenkenfrei. Wie die verfahrensrechtlichen Vorgaben der EU-Schiedskonvention zeigen, besteht durchaus die Notwendigkeit, an die Unabhängigkeit und die Qualifikation der Schiedsrichter insbesondere dann, wenn sie die Funktion der Vorsitzenden übernehmen sollen, konkrete Anforderungen zu stellen (Rz. 12.131 ff.). Gleiches gilt für das Schiedsverfahren nach dem DBAUSA, für das die Verständigungsvereinbarung detaillierte Vorgaben macht. Hiernach kommen etwa aktive Mitglieder des öffentlichen Dienstes und ehemalige Mitglieder des öffentlichen Dienstes innerhalb eines Zweijahreszeitraums nach ihrem Ausscheiden als Mitglied der Schieds1 Vgl. OECD-Musterverständigungsvereinbarung zum Schiedsverfahren, Rz. 9; BMF v. 10.10.2011 – IV B 3 - S 1301 - GB/11/10003 (2011/0757911), BStBl. I 2011, 956 Rz. 9; BMF v. 12.4.2012, n.v., s. Fn. 8 auf S. 1353 zu Rz. 12.105, Rz. 9. Siehe ferner hierzu OECD-MK, Anhang zu Art. 25 OECD-MA, Nr. 16. 2 Vgl. OECD-MK, Anhang zu Art. 25 OECD-MA, Nr. 16. 3 Vgl. OECD-Musterverständigungsvereinbarung zum Schiedsverfahren, Rz. 9; BMF v. 10.10.2011 – IV B 3 - S 1301 - GB/11/10003 (2011/0757911), BStBl. I 2011, 956 Rz. 9; BMF v. 12.4.2012, n.v., s. Fn. 8 auf S. 1353 zu Rz. 12.105, Rz. 9. Siehe ferner hierzu OECD-MK, Anhang zu Art. 25 OECD-MA, Nr. 16. 4 Vgl. OECD-MK, Anhang zu Art. 25 OECD-MA, Nr. 15.
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I. Schiedsverfahren
stelle nicht in Betracht.1 Ferner muss die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit von den Vertragsstaaten und den Personen, von denen sie die Ernennung annehmen, zum Zeitpunkt der Ernennung, während des Schiedsverfahrens und für eine angemessene Zeit nach Beendigung gegeben sein; Erfahrungen als Richter oder Schiedsrichter müssen dagegen nicht vorliegen.2 Der Fiskalausschuss der OECD weist in seiner Kommentierung ferner auf die Möglichkeit hin, zur Erleichterung des Berufungsverfahrens eine Liste geeigneter Schiedsrichter zu erstellen, wobei diese Aufgabe vom Fiskalausschuss der OECD wahrgenommen werden könnte.3 Sofern es DBA-Schiedsverfahren zwischen EU-Mitgliedsstaaten betrifft, wäre ferner der Rückgriff auf die nach Art. 9 Abs. 4 EU-Schiedskonvention erstellte Liste unabhängiger Personen (Rz. 12.131) in Betracht zu ziehen. Die Verständigungsvereinbarungen zum Schiedsverfahren nach den DBAGroßbritannien und DBA-Niederlande enthalten diesbezüglich keinen Hinweis. Ein solcher Rückgriff sollte allerdings im Einklang mit den Empfehlungen des EU-Verhaltenskodexes stehen, der insbesondere für das Verständigungsverfahren nach Art. 25 Abs. 1 OECD-MA und demjenigen nach Art. 6 EU-Schiedskonvention eine weitgehende Harmonisierung anstrebt.4 Vertraulichkeit. Der Schiedsrichter wird für Zwecke der Vertraulichkeit der den Schiedsfall betreffenden Informationen als bevollmächtigter Vertreter der zuständigen Behörde bestimmt, die ihn berufen hat, bzw., wenn er nicht allein von einer zuständigen Behörde berufen wurde (z.B. der Vorsitzende), als bevollmächtigter Vertreter der zuständigen Behörde bestimmt, der der Schiedsfall ursprünglich vorgelegt wurde.5 Hierdurch unterliegen die Schiedsrichter den innerstaatlichen Bestimmungen des jeweiligen Vertragsstaates (z.B. § 30 AO), was die Sanktionen für die Verletzung der Vertraulichkeit einschließt.6
12.171
Anforderungen an den Vorsitzenden. Aufgrund der Beschlussfassung durch Mehrheitsentscheidung kommt der Funktion des Vorsitzenden der Schiedsstelle eine herausragende Rolle angesichts der paritätischen Beset-
12.172
1 Vgl. BMF v. 16.1.2009 – IV B 2 - S 1301 - USA/08/10001 (2009/0013814), BStBl. I 2009, 345 Anhang 1 Rz. 6 Buchst. d. 2 Vgl. BMF v. 16.1.2009 – IV B 2 - S 1301 - USA/08/10001 (2009/0013814), BStBl. I 2009, 345 Anhang 1 Rz. 6 Buchst. e. 3 Vgl. OECD-MK, Anhang zu Art. 25 OECD-MA, Nr. 15. 4 Vgl. hierzu den überarbeiteten Verhaltenskodex zur wirksamen Durchführung des Übereinkommens über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen, Abl. EU C 322 v. 30.12.2009, 1 Rz. 6.5. 5 Vgl. OECD-Musterverständigungsvereinbarung zum Schiedsverfahren, Rz. 8; BMF v. 10.10.2011 – IV B 3 - S 1301 - GB/11/10003 (2011/0757911), BStBl. I 2011, 956 Rz. 8; BMF v. 12.4.2012, n.v., s. Fn. 8 auf S. 1353 zu Rz. 12.105, Rz. 8. 6 Vgl. OECD-MK, Anhang zu Art. 25 OECD-MA, Nr. 17; Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 226; Nientimp/Thomsen, IStR 2009, 617; Herlinghaus, IStR 2011, 129.
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Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
zung mit den jeweils durch einen der Vertragsstaaten ernannten Schiedsrichtern zu. Zwar sind auch nach der Musterverständigungsvereinbarung der OECD eine gewisse Erfahrung mit den während des Schiedsverfahrens auftretenden Beweis-, Verfahrens- und Logistikfragen und eine „Vertrautheit“ mit steuerlichen Fragen angeregt. Dies ist allerdings wenig konkret und letztlich in das Ermessen der jeweils benannten Schiedsrichter gestellt, da diese den Vorsitzenden des Gremiums berufen, sollte nicht durch Fristablauf auf Ersuchen des Antragstellers hin die autorisierte unabhängige Instanz den Vorsitzenden berufen (Rz. 12.169). Hier mögen zwar naturgemäß Interessengegensätze bestehen, weil davon auszugehen ist, dass die parteibenannten Schiedsrichter eine gewisse Nähe zur Rechtsposition der Partei haben, die sie benannt hat.1 Allerdings müssen sich die beiden von den Vertragsparteien benannten Schiedsrichter einvernehmlich auf einen Vorsitzenden verständigen, um nicht eine Entscheidung von dem als unabhängige Berufungsstelle autorisierten hochrangigsten Mitglied des Sekretariats des Zentrums für Steuerpolitik und Steuerverwaltung der OECD vorgegeben zu erhalten. Insofern mögen mit der Auffassung des Fiskalausschusses der OECD durchaus gleichgerichtete Interessen im Hinblick auf die eigenbestimmte Verfahrensführung vorherrschen. Auch insoweit es die Funktion des Vorsitzenden der Schiedsstelle anbelangt, wäre für Schiedsverfahren zwischen EU-Mitgliedsstaaten ein Rückgriff auf die nach Art. 9 Abs. 4 EU-Schiedskonvention erstellte Liste unabhängiger Personen denkbar und sinnvoll. Dies gilt umso mehr, als die spezielle Qualifizierung zum Vorsitz eines Schiedsgerichts in dieser Liste gesondert verzeichnet ist (Rz. 12.131 und 12.134). Für das Schiedsverfahren nach Art. 25 Abs. 5 und 6 DBA-USA sehen das Protokoll2 und die Verständigungsvereinbarung3 vor, dass sich die Vertragsstaaten gemeinsam auf fünf bis zehn Personen einigen, die für die Übernahme des Vorsitzes der Schiedsstelle geeignet und hierzu bereit sind. Wie die Liste unabhängiger Personen nach Art. 9 Abs. 4 EU-Schiedskonvention ist eine periodische Aktualisierung im Drei-Jahres-Rhythmus vorgesehen. e) Entscheidung der Schiedsstelle
12.173 Independent Opinion Approach. Das Regelverfahren nach den Art. 25 Abs. 5 OECD-MA entsprechenden Bestimmungen ist als sog. „independent opinion approach“ ausgestaltet.4 Nach dieser Verfahrensweise entwickeln die Schiedsrichter auf Grundlage des anzuwendenden Rechts (Rz. 12.163 f.) und der Tatsachen und Beweismittel jeweils eigene Lösungen für die einzelnen, im Schiedsauftrag aufgeführten Fragestellungen 1 Vgl. Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 231; Herlinghaus, IStR 2011, 129. 2 Vgl. Nr. 22 Buchst. e Satze 4 f. des Protokolls zu Art. 25 Abs. 5 und 6 DBAUSA. 3 Vgl. BMF v. 16.1.2009 – IV B 2 - S 1301 - USA/08/10001, BStBl. I 2009, 345 Rz. 8. 4 Vgl. OECD-MK, Anhang zu Art. 25 OECD-MA, Nr. 4.
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I. Schiedsverfahren
bzw. für den gesamten Fall, wenn dieser nach der Fassung des Schiedsauftrags dem Schiedsverfahren unterworfen wurde (Rz. 12.167). Das Schiedsgericht ist in diesem Fall in der Entscheidungsfindung nicht gebunden, sondern kann seine eigene unabhängige Entscheidung treffen.1 Aufgrund der Bindung an das anzuwendende Recht kommt allerdings eine Billigkeitsentscheidung nicht in Betracht.2 Alternative Verfahrensweisen. Für das Schiedsverfahren nach den DBAGroßbritannien und DBA-Niederlande folgen die Verständigungsvereinbarungen der Musterverständigungsvereinbarung der OECD. Insofern wird für das Regelverfahren eine unabhängige Entscheidungsfindung nach dem sog. „independent opinion approach“ angewendet. Daneben ist – bei entsprechender Abfassung des Schiedsauftrags – das vereinfachte Schiedsverfahren auf Grundlage der sog. „baseball arbitration“ bzw. „last best offer arbitration“ möglich, das aber neben der Form der Entscheidungsfindung gesonderte verfahrensrechtliche Vorgaben beinhaltet (Rz. 12.181 ff.). Grundsätzlich steht es allerdings im Ermessen der Verfahrensparteien, auch die Form der Entscheidungsfindung im Schiedsauftrag zu regeln. Der Kommentar zur Musterverständigungsvereinbarung der OECD weist ausdrücklich darauf hin, dass es zwischen beiden Ansätzen diverse Varianten und Kombinationsmöglichkeiten gibt, auf die sich die zuständigen Behörden für das jeweilige Schiedsverfahren verständigen können.3 Diese Verfahrenshoheit über das Schiedsverfahren üben die zuständigen Behörden durch entsprechende Abfassung des Schiedsauftrags aus, auf dessen Grundlage das Schiedsgericht tätig wird. Neben der Festlegung der Verfahrensgrundsätze4 und der Anwendung des vereinfachten Schiedsverfahrens5 bestehen in den Verständigungsvereinbarungen zu den DBA-Großbritannien und DBA-Niederlande entsprechende Vorbehalte bezogen auf den konkreten Schiedsauftrag für den Schiedsspruch.6 Dagegen bestehen für das Schiedsverfahren nach dem DBA-USA vergleichbare Öffnungsklauseln zur Ausgestaltung des Verfahrens mittels des konkreten Schiedsauftrags nicht, sondern die anzuwendende Verfahrensform ist im Protokoll zu Art. 25 Abs. 5 und 6 DBA-USA und in der zugehörigen Verständigungsvereinbarung detailliert nach der „baseball arbitration“ bzw. „last best offer arbitration“ geregelt.7 1 2 3 4
Vgl. OECD-MK, Anhang zu Art. 25 OECD-MA, Nr. 2. Vgl. Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 230; Herlinghaus, IStR 2011, 129. Vgl. OECD-MK, Anhang zu Art. 25 OECD-MA, Nr. 3 und 4. Vgl. BMF v. 10.10.2011 – IV B 3 - S 1301 - GB/11/10003 (2011/0757911), BStBl. I 2011, 956 Rz. 10; BMF v. 12.4.2012, n.v., s. Fn. 8 auf S. 1353 zu Rz. 12.105, Rz. 10. 5 Vgl. BMF v. 10.10.2011 – IV B 3 - S 1301 - GB/11/10003 (2011/0757911), BStBl. I 2011, 956 Rz. 6; BMF v. 12.4.2012, n.v., s. Fn. 8 auf S. 1353 zu Rz. 12.105, Rz. 6. 6 Vgl. BMF v. 10.10.2011 – IV B 3 - S 1301 - GB/11/10003 (2011/0757911), BStBl. I 2011, 956 Rz. 15; BMF v. 12.4.2012, n.v., s. Fn. 8 auf S. 1353 zu Rz. 12.105, Rz. 15. 7 Vgl. Nr. 22 Buchst. g und h des Protokolls zu Art. 25 Abs. 5 und 6 DBA-USA; Vgl. BMF v. 16.1.2009 – IV B 2 - S 1301 - USA/08/10001, BStBl. I 2009, 345 Anlage 1 Rz. 9 und Anlage 2 Rz. 6, 7 und 13.
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12.174
Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
12.175 Sechs-Monats-Frist. Das Schiedsgericht muss seinen Schiedsspruch innerhalb von sechs Monaten treffen und den zuständigen Behörden sowie allen unmittelbar von dem Fall betroffenen Personen übermitteln.1 Diese Sechs-Monats-Frist beginnt ab dem Tag, an dem der Vorsitzendende den zuständigen Behörden und dem Antragsteller schriftlich mitgeteilt hat, dass er alle zum Beginn der Prüfung des Falls notwendigen Informationen erhalten hat. Der Vorsitzende des Schiedsgerichts kann jederzeit innerhalb von zwei Monaten ab dem Tag, an dem der letzte Schiedsrichter berufen worden ist, mit Zustimmung einer der zuständigen Behörden der anderen zuständigen Behörde und dem Antragsteller schriftlich mitteilen, dass ihm noch nicht alle für die Erstprüfung des Falles erforderlichen Informationen vorliegen. Mit der Mitteilung werden für die Übermittlung der erforderlichen Informationen zwei weitere Monate gewährt.2 Werden die erforderlichen Informationen innerhalb der Zwei-Monats-Frist übermittelt, sind diese für die Bildung der Rechtsauffassung des Schiedsgerichts zu berücksichtigen und der Fristlauf für die Sechs-Monats-Frist beginnt ab dem Tag, an dem der Vorsitzende die Informationen erhalten hat. Erhält der Vorsitzende des Schiedsgerichts die erforderlichen Informationen dagegen nicht, wird der Fristlauf einer dann allerdings AchtMonats-Frist mit Versenden der Mitteilung des Vorsitzenden über das Nichtvorliegen der für eine Erstprüfung des Falls erforderlichen Informationen in Gang gesetzt. Zwar sehen die Musterverständigungsvereinbarung der OECD wie die Verständigungsvereinbarungen zum Schiedsverfahren nach den DBA-Großbritannien und DBA-Niederlande vor, dass die betreffenden Informationen in diesem Fall grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind. Die beiden zuständigen Behörden können sich aber auch einvernehmlich auf deren Berücksichtigung verständigen.
12.176 Maßnahmen bei Fristüberschreitung. Wird die Sechs-Monats-Frist bzw. die an ihre Stelle tretende Frist für die Übermittlung des Schiedsspruchs überschritten, sind zwar ebenso wie für das Schiedsverfahren nach der EU-Schiedskonvention keine konkreten Sanktionen vorgesehen (Rz. 12.141). Um den Verfahrensfortgang zu gewährleisten, sehen die Musterverständigungsvereinbarung der OECD und die Verständigungsverfahren zum DBA-Großbritannien und DBA-Niederlande konkrete Maßnahmen vor.3 Zum einen können die zuständigen Behörden die Frist einvernehmlich um höchstens sechs Monate verlängern. Diese Verständigung auf eine Fristverlängerung muss innerhalb eines Monats nach Ablauf der Sechs-Monats-Frist erfolgen. Kommt eine einvernehmliche Fristverlängerung nicht zustande, ist das gesamte Verfahren vor dem 1 Vgl. BMF v. 10.10.2011 – IV B 3 - S 1301 - GB/11/10003 (2011/0757911), BStBl. I 2011, 956 Rz. 16; BMF v. 12.4.2012, n.v., s. Fn. 8 auf S. 1353 zu Rz. 12.105, Rz. 16. 2 Vgl. OECD-Musterverständigungsvereinbarung zum Schiedsverfahren, Rz. 16; BMF v. 10.10.2011 – IV B 3 - S 1301 - GB/11/10003 (2011/0757911), BStBl. I 2011, 956 Rz. 16; BMF v. 12.4.2012, n.v., s. Fn. 8 auf S. 1353 zu Rz. 12.105, Rz. 16. 3 Vgl. OECD-Musterverständigungsvereinbarung zum Schiedsverfahren, Rz. 17; BMF v. 10.10.2011 – IV B 3 - S 1301 - GB/11/10003 (2011/0757911), BStBl. I 2011, 956 Rz. 17; BMF v. 12.4.2012, n.v., s. Fn. 8 auf S. 1353 zu Rz. 12.105, Rz. 17.
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I. Schiedsverfahren
Schiedsgericht in neuer Besetzung des Schiedsgerichts zu wiederholen, wobei das Verfahren dort anknüpft, wo die ursprünglichen Schiedsrichter berufen worden waren.1 Hierzu haben die zuständigen Behörden einen oder mehrere neue Schiedsrichter nach den hierfür geltenden Grundsätzen zu berufen (Rz. 12.169 ff.), d.h., die jeweilige zuständige Behörde kann ihren parteibenannten Schiedsrichter austauschen und der Austausch des Vorsitzenden des Schiedsgerichts erfolgt durch Neuberufung der (neuen) parteibenannten Schiedsrichter. Beschlussfassung und formale Anforderungen. Über den Schiedsspruch wird durch Mehrheitsentscheidung befunden.2 Im Hinblick auf die formalen Anforderungen an den Schiedsspruch können sich die zuständigen Behörden durch entsprechende Abfassung des Schiedsauftrags verständigen. Grundsätzlich soll der Schiedsspruch im Regelverfahren aber schriftlich ergehen und die Rechtsquellen sowie die entscheidungserheblichen Gründe enthalten.3 Die Kommentierung des Fiskalausschusses der OECD zur Musterverständigungsvereinbarung weist ausdrücklich darauf hin, dass zur Sicherstellung der Akzeptanz der Entscheidung bei den Verfahrensbeteiligten die entscheidungstragende Argumentation nachvollziehbar aufgezeigt werden sollte.4 Dies dient daneben einer zutreffenden Umsetzung des Schiedsspruchs und einer entsprechenden Streitbeilegung zwischen den Verfahrensparteien in vergleichbaren Fällen in der Zukunft.5
12.177
Im Hinblick auf die Veröffentlichungspraxis liegt es im Ermessen der zuständigen Behörden und ist zudem abhängig von der Erlaubnis des Antragstellers, ob der Schiedsspruch in anonymisierter Form veröffentlicht wird oder nicht. Wie auch für die Veröffentlichung von Schiedssprüchen in Schiedsverfahren nach der EU-Schiedskonvention ist allerdings unter Transparenzgesichtspunkten und im Hinblick auf die Legalität des Verfahrens eine Veröffentlichung zu befürworten.6 Diese hat allerdings ausdrücklich keine Präzedenzwirkung.7 Erledigung vor Ergehen des Schiedsspruchs. Bis zur Übermittlung eines Schiedsspruchs an die zuständigen Behörden und den Antragsteller haben 1 Vgl. OECD-MK, Anhang zu Art. 25 OECD-MA, Nr. 38. 2 Vgl. OECD-Musterverständigungsvereinbarung zum Schiedsverfahren, Rz. 15; BMF v. 10.10.2011 – IV B 3 - S 1301 - GB/11/10003 (2011/0757911), BStBl. I 2011, 956 Rz. 15; BMF v. 12.4.2012, n.v., s. Fn. 8 auf S. 1353 zu Rz. 12.105, Rz. 15. 3 Vgl. OECD-MK, Anhang zu Art. 25 OECD-MA, Nr. 37. 4 Vgl. OECD-MK, Anhang zu Art. 25 OECD-MA, Nr. 37. 5 Vgl. Nientimp/Thomsen, IStR 2009, 618; Herlinghaus, IStR 2011, 130. 6 Vgl. OECD-MK, Anhang zu Art. 25 OECD-MA, Nr. 39; Hinnekens, EC Tax Review 2010, 113; Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 232; Herlinghaus, IStR 2011, 130. 7 Vgl. OECD-Musterverständigungsvereinbarung zum Schiedsverfahren, Rz. 15; BMF v. 10.10.2011 – IV B 3 - S 1301 - GB/11/10003 (2011/0757911), BStBl. I 2011, 956 Rz. 15; BMF v. 12.4.2012, n.v., s. Fn. 8 auf S. 1353 zu Rz. 12.105, Rz. 15; OECD-MK, Anhang zu Art. 25 OECD-MA, Nr. 39.
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12.178
Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
die Verfahrensparteien nach Stellung des Schiedsantrags jederzeit die Möglichkeit, die dem Schiedsverfahren unterworfenen, offenen Teilaspekte des Falls bzw. – bei entsprechender Abfassung des Schiedsauftrags – den gesamten Fall anderweitig zu lösen.1 Eine solche anderweitige Lösung muss sich allerdings auf alle offenen Fragen des Falls erstrecken. Der Fall gilt dann als im Verständigungsverfahren gelöst und ein Schiedsspruch ergeht nicht, wenn die einvernehmliche Herbeiführung einer Lösung den Schiedsrichtern und dem Antragsteller mitgeteilt wurde. Eine nachträgliche Abänderung des Schiedsauftrags in dem Fall, dass lediglich einzelne Teilfragen gelöst wurden, sollte von dieser Regelung nicht erfasst sein, weil diese ausdrücklich auf eine Erledigung des gesamten Falls im Verständigungsverfahren gerichtet ist. f) Umsetzung des Schiedsspruchs
12.179 Einzelfallbezogene inhaltsgleiche Verständigungsvereinbarung. Aufgrund der Einbindung des Schiedsverfahrens in das Verständigungsverfahren nach Art. 25 Abs. 1 und 2 OECD-MA erstreckt sich die mit Schiedsspruch getroffene Entscheidung nur auf den betreffenden Einzelfall. Ausdrücklich wird mit dem Schiedsspruch kein Präzedenzfall für gleich gelagerte Fälle geschaffen.2 Die Umsetzung des Schiedsspruchs erfolgt völkerrechtlich dadurch, dass die zuständigen Behörden innerhalb von sechs Monaten nach Mitteilung des Schiedsspruchs für den betreffenden Fall eine inhaltsgleiche Verständigungsvereinbarung treffen.3 Weder die Musterverständigungsvereinbarung der OECD noch die Verständigungsvereinbarungen zum Schiedsverfahren nach den DBA-Großbritannien und DBA-Niederlande sehen ein mit Art. 12 Abs. 1 Satz 3 EU-Schiedskonvention vergleichbares, der Veröffentlichung des Schiedsspruchs nachgelagertes Verständigungsverfahren vor, in dem sich die Verfahrensparteien auf eine vom Schiedsspruch abweichende Lösung verständigen könnten (Rz. 12.147 f.). Zwar weist der OECD-MK ausdrücklich auf diese Möglichkeit hin.4 Eine entsprechende Formulierung der Art. 25 Abs. 5 Satz 3 OECD-MA entsprechenden alternativen Bestimmung ist jedoch nach gegenwärtigem Stand lediglich im DBA-Liechtenstein vereinbart worden.5 Hiernach können 1 Vgl. OECD-Musterverständigungsvereinbarung zum Schiedsverfahren, Rz. 20; BMF v. 10.10.2011 – IV B 3 - S 1301 - GB/11/10003 (2011/0757911), BStBl. I 2011, 956 Rz. 20; BMF v. 12.4.2012, n.v., s. Fn. 8 auf S. 1353 zu Rz. 12.105, Rz. 20. 2 Vgl. OECD-Musterverständigungsvereinbarung zum Schiedsverfahren, Rz. 15; BMF v. 10.10.2011 – IV B 3 - S 1301 - GB/11/10003 (2011/0757911), BStBl. I 2011, 956 Rz. 15; BMF v. 12.4.2012, n.v., s. Fn. 8 auf S. 1353 zu Rz. 12.105, Rz. 15; OECD-MK, Anhang zu Art. 25 OECD-MA, Nr. 39. 3 Vgl. OECD-Musterverständigungsvereinbarung zum Schiedsverfahren, Rz. 20; BMF v. 10.10.2011 – IV B 3 - S 1301 - GB/11/10003 (2011/0757911), BStBl. I 2011, 956 Rz. 20; BMF v. 12.4.2012, n.v., s. Fn. 8 auf S. 1353 zu Rz. 12.105, Rz. 19. 4 Vgl. OECD-MK, Nr. 84 zu Art. 25 OECD-MA. 5 Vgl. Art. 25 Abs. 6 Buchst. e des am 17.11.2011 unterzeichneten DBA-Liechtenstein.
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I. Schiedsverfahren
die Vertragsstaaten eine vom Schiedsspruch abweichende Einigung innerhalb von drei Monaten nach Ergehen der Entscheidung erzielen. Bei einer Art. 25 Abs. 5 Satz 3 OECD-MA entsprechenden Regelung in dem jeweiligen DBA ist der Schiedsspruch für beide Verfahrensparteien rechtlich verbindlich, wenn keine unmittelbar von dem Fall betroffene Person die Verständigungsvereinbarung ablehnt, durch die der Schiedsspruch umgesetzt wird.1 Umsetzung im innerstaatlichen Recht. Die den Schiedsspruch völkerrechtlich umsetzende Verständigungsvereinbarung muss, um auch gegenüber dem Steuerpflichtigen Rechtswirkungen entfalten zu können, in innerstaatliches Recht umgesetzt werden. Für diese Umsetzung ist in den betreffenden deutschen DBA durchweg eine von innerstaatlichen Verjährungsfristen unabhängige Durchführungsverpflichtung vereinbart.2 Dieser völkervertraglichen Rechtslage genügt § 175a AO grundsätzlich (vgl. aber auch Rz. 12.130 und 12.150). Nach § 175a Satz 1 AO können Steuerbescheide u.a. erlassen, aufgehoben oder geändert werden, soweit dies zur Umsetzung eines Schiedsspruchs nach einem DBA erforderlich ist. § 175a Satz 2 AO hemmt ferner den Ablauf der Festsetzungsfrist. Sie endet nicht vor Ablauf eines Jahres nach Wirksamwerden des Schiedsspruchs. Wird der Einleitungsantrag bei einer inländischen Finanzbehörde gestellt und mit einem Antrag auf Änderung des Steuerbescheids verbunden, tritt ferner nach § 171 Abs. 3 AO Ablaufhemmung bis zur unanfechtbaren Entscheidung über den Änderungsantrag ein.
12.180
4. Vereinfachtes Schiedsverfahren Baseball Arbitration. Die Verständigungsvereinbarungen zum Schiedsverfahren nach den DBA-Großbritannien und DBA-Niederlande sehen im Einklang mit der Musterverständigungsvereinbarung der OECD ein sog. vereinfachtes Schiedsverfahren vor,3 das im Gegensatz zum weitestgehend offenen Regelverfahren nach dem sog. „independent opinion approach“ als sog. „baseball arbitration“ bzw. „last best offer arbitration“ ausgestaltet ist. Während sich bei dem sog. „independent opinion approach“ die zuständigen Behörden auf die vom Schiedsgericht zu lösenden Fragestellungen verständigen, den Schiedsauftrag dementsprechend fassen und dem Schiedsgericht die Lösung der Fragstellung durch Entwicklung einer eigenen Rechtsauffassung überantworten, unterbreiten bei der sog. „baseball arbitration“ die zuständigen Behörden dem Schiedsgericht jeweils eine Antwort auf die im Schiedsauftrag gestellten Fragen, 1 Vgl. auch Art. 25 Abs. 6 Buchst. e DBA-USA; Art. 26 Abs. 5 Satz 3 DBA-Großbritannien; Art. 26 Abs. 6 Buchst. e DBA-Schweiz; Art. 25 Abs. 5 Buchst. b des am 12.4.2012 unterzeichneten DBA-Niederlande; Art. 24 Abs. 5 Satz 3 des am 23.4.2012 unterzeichneten DBA-Luxemburg. 2 Vgl. Fn. 1 und Fn. 6 auf S. 1398. 3 Vgl. BMF v. 10.10.2011 – IV B 3 - S 1301 - GB/11/10003 (2011/0757911), BStBl. I 2011, 956 Rz. 6; BMF v. 12.4.2012, n.v., s. Fn. 8 auf S. 1353 zu Rz. 12.105, Rz. 6.
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12.181
Kapitel 12 Internationales Steuerverfahrensrecht
zwischen denen sich die Schiedsrichter entscheiden müssen.1 Der Schiedsspruch besteht bei letzterem Verfahren mithin in der Auswahl eines vollständigen Lösungsvorschlags, ohne dass einzelne Abänderungen durch die Schiedsrichter zulässig sind.2 Die „baseball arbitration“ als besondere Form der Schiedsgerichtsbarkeit gehört zu den tragenden USamerikanischen Streitschlichtungsgrundsätzen, die ihren Ursprung in der Schlichtung von Gehaltsverhandlungen in der US-amerikanischen Profibaseballliga hat. Sie findet im Schiedsverfahren nach Art. 25 Abs. 5 und 6 DBA-USA als einzige Schlichtungsform Anwendung.3
12.182 Anwendungsbereich des vereinfachten Schiedsverfahrens. Nach dem OECD-MK zur Musterverständigungsvereinbarung soll das vereinfachte Schiedsverfahren vornehmlich für Fälle in Betracht kommen, in denen die ungelösten Fragen „tatsächlicher Art“ sind und sich die Entscheidung auf eine abschließende Feststellung bezieht, wie z.B. die Festlegung des Betrags der Einkünfteberichtigung.4 Solche Umstände sollen insbesondere in Verrechnungspreisfällen gegeben sein, in denen es um die Festlegung eines Fremdpreises oder einer Bandbreite von Preisen geht, aber auch dann, wenn das Bestehen oder Nichtbestehen einer Betriebsstätte strittig ist. Im überschneidenden Geltungsbereich von Schiedsverfahren nach der Schiedskonvention und solchen nach den Art. 25 Abs. 5