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German Pages 171 Year 1998
CHRISTINE KREUZER
Staatsangehörigkeit und Staatensukzession
Schriften zum Völkerrecht
Band 132
Staatsangehörigkeit und Staatensukzession Die Bedeutung der Staatensukzession für die staatsangehörigkeitsrechtlichen Regelungen in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion, Jugoslawiens und der Tschechoslowakei
Von
Christine Kreuzer
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Kreuzer, Christine: Staatsangehörigkeit und Staatensukzession : die Bedeutung der Staatensukzession für die staatsangehörigkeitsrechtlichen Regelungen in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion, Jugoslawiens und der Tschechoslowakei I von Christine Kreuzer. - Berlin : Duncker und Humblot, 1998 (Schriften zum Völkerrecht ; Bd. 132) Zugl.: Konstanz, Univ., Diss., 1997 ISBN 3-428-09303-8
Alle Rechte vorbehalten Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany
© 1998 Duncker &
ISSN 0582-0251 ISBN 3-428-09303-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97069
Meiner Mutter
Vorwort Die vorliegende Arbeit lag der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Konstanz im Frühjahr 1997 als Doktorarbeit vor. Sie wurde filr die Veröffentlichung geringfilgig der Rechtsentwicklung angepaßt und aktualisiert. Die mündliche Prüfung fand am 10. Juli 1997 statt. Viele haben mich bei der Erstellung dieser Arbeit unterstützt. Mein besonderer Dank gilt meinem verehrten Lehrer Herrn Professor Dr. Kay Hailbronner, der die Bearbeitung dieser Thematik ermöglichte und förderte. Dank auch an Herrn Professor Dr. Max-Emanuel Geis filr die Übernahme des Zweitgutachtens. Für die Zusendung von nicht öffentlich zugänglichen Materialien danke ich den Mitarbeitern des Auswärtigen Amtes und den diplomatischen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion, der Tschechoslowakei und Jugoslawiens, den Mitarbeitern der Innenministerien und der diplomatischen Vertretungen dieser Staaten, den Beschäftigten des Europarates, der lOM und OSZE sowie der ILC. Nicht zuletzt auch ein herzliches Dankeschön an meine Familie, Freunde und Kollegen, die ebenfalls zur Entstehung dieser Arbeit beigetragen haben. Namentlich hervorheben möchte ich Herrn Boris Altrichter, der durch seine Geduld maßgeblich zur Erstellung der druckfertigen Vorlage beigetragen hat.
Konstanz, im Oktober 1997
Christine Kreuzer
Inhaltsverzeichnis Einleitung...................................................................................................................... 19 Kapitel 1
Staatsangehörigkeit und Staatennachfolge A. Die Staatsangehörigkeit und das Völkerrecht .......................................................... 22
I.
Begriff und Rechtsnatur der Staatsangehörigkeit .............................................. 22 l. Staatsangehörigkeit und Staatsbürgerschaft ................................................ 22
2. Bundes- und Gliedstaaten-Staatsangehörigkeit ........................................... 23 II. Staatsangehörigkeit zwischen Völkerrecht und innerstaatlicher Gesetzgebung ............................................................................................................... 24 1. Grundsatz .................................................................................................... 24 2. Völkerrechtliche Schranken ........................................................................ 25 a) Völkervertragsrecht. .............................................................................. 26 b) Völkergewohnheitsrecht ....................................................................... 29 III. Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit ..................................................... 30 1. Erwerbs- und Verlusttatbestände................................................................. 30 2. Mehrstaatigkeit und Staatenlosigkeit .......................................................... 32 B. Grundsätze der Staatennachfolge ............................................................................. 34 I.
Einfllhrung......................................................................................................... 34 1. Der Begriff der Staatensukzession .............................................................. 34 2. Staatsidentität und Staatensukzession ......................................................... 35
II. Arten der Staatennachfolge ............................................................................... 36 I. Vorgänge der Integration und Desintegration ............................................. 36 2. Die Abgrenzung zwischen Sezession und Dismembration ......................... 38 III. Völkerrechtliche Regelungen ............................................................................ 40 I. Völkervertragsrecht ..................................................................................... 40 2. Völkergewohnheitsrecht. ............................................................................. 40 C. Die Staatsangehörigkeit in Fällen der Staatennachfolge .......................................... 41 I.
Die Auffassungen in Literatur und Rechtsprechung .......................................... 41 I. Überblick ..................................................................................................... 41 2. Literatur....................................................................................................... 45
IO
Inhaltsverzeichnis 3. Rechtsprechung ........................................................................................... 48 II. Differenzierungen nach der Art der Staatennachfolge ....................................... 49
I. Der Wechsel der Staatsangehörigkeit bei Untergang des Vorgängerstaates .......................................................................................................... 49 2. Der Wechsel der Staatsangehörigkeit bei Fortbestand des Vorgängerstaates .......................................................................................................... 50 Ili. Das Optionsrecht ............................................................................................... 5 I D. Zusammenfassung ................................................................................................... 54
Kapitell
Die Desintegration von UdSSR, SFRJ und CSFR
A. Das Auseinanderbrechen der Sowjetunion .............................................................. 56 I.
Von der Gründung bis zum Untergang.............................................................. 56
I. Die Lösung der baltischen Staaten .............................................................. 56 2. Die Desintegration der übrigen UdSSR ...................................................... 57
li. Völkerrechtliche Bewertung des Auflösungsprozesses ..................................... 59 B. Die Ereignisse in Jugoslawien ..................................................................... ............ 63 I.
Der Prozeß der Auflösung ................................................................................. 63
I. Die Zusammensetzung der Bevölkerung ..................................................... 63 2. Die Unabhängigkeitserklärungen und Anerkennungen ............................... 64
li. Völkerrechtliche Bewertung der Desintegration ........... .................................... 68
I. Die Haltung Restjugoslawiens .................................................................... 68 2. Die Auffassung in der Staatengemeinschaft ................................................ 69 3. Ergebnis ...................................................................................................... 7I C. Die Auflösung der Tschechoslowakei ..................................................................... 72 D. Zusammenfassung ................................................................................................... 76
Kapite/3
Staatsangehörigkeitsrechtliche Regelungen
A. Die Regelungen in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion ................................. 77 I.
Überblick über das StaatsangehörigkeitsTecht der UdSSR von der Gründung bis zur Dismembration ............................................................................. 77 I. Die staatsangehörigkeitsrechtlichen Regelungen bis zur Verfassung von I977 ..................................................................................................... 78 2. Das Verhältnis von Unionsbürgerschaft und Republikzugehörigkeit nach 1977 .................................................................................................... 80 3. Änderungen während des Desintegrationsprozesses ................................... 80
Inhaltsverzeichnis
II
4. Staatsangehörigkeitsrechtliche Gesetzgebung in den Staaten der ehemaligen UdSSR ........................................................................................... 81 a) Die baltischen Staaten ........................................................................... 81 b) Die GUS-Staaten ................................................................................... 84
5. Kategorisierung der staatsangehörigkeitsrechtlichen Regelungen .............. 85 II. Automatischer Wechselaufgrund Republikzugehörigkeit.. .............................. 86 III. Automatischer Wechselaufgrund der Zugehörigkeit zum wiederhergestellten Staatsvolk .............................................................................................. 87 IV. Automatischer Wechselaufgrund eines aktuellen Wohnsitzes im Inland ......... 89 V. Automatischer Wechsel aufgrund eines Wohnsitzes im Inland vor 1940, der Abstammung von solchen Personen, der Geburt im Inland oder Volkszugehörigkeit ........................................................................................... 91 VI. Optionsrechte..................................................................................................... 92 I . Positives Optionsrecht ................................................................................. 92 2. Negatives Optionsrecht ............................................................................... 94 3. Ergebnis ...................................................................................................... 95 VII. Nachträglicher Erwerb durch Einbürgerung .................................................... 95 I. Dauer des Inlandsaufenthaltes ..................................................................... 95 2. Sonstige Erfordernisse ................................................................................ 97 3. Erleichterte Einbürgerungsverfahren ........................................................ 102 a) Ehemalige UdSSR-Staatsangehörigkeit... ........................................... 102 b) Volkszugehörigkeit/Abstammung........................... ............................ 103 c) Für Ehegatten oder aufgrundeines Verwandtschaftsverhältnisses ..... 105 d) Sonstige Gründe .................................................................................. 106 4. Ergebnis .................................................................................................... 108 VIII. Zusammenfassung......................................................................................... 108 B. Die Regelungen in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens ........................................ 112 I.
Überblick ......................................................................................................... 112 I. Die Rechtslage bis zur Unabhängigkeit der Teilrepubliken ...................... 112 2. Die staatsangehörigkeitsrechtliche Gesetzgebung nach 1991 ................... 112
II. Automatischer Wechselaufgrund Republikzugehörigkeit.. ............................ 113 III. Automatischer Wechselaufgrund eines Wohnsitzes im Inland ....................... 114 IV. Optionsrechte................................................................................................... 115 V. Nachträglicher Erwerb durch Einbürgerung .................................................... 117 I. Aufenthaltsdauer ....................................................................................... 117 2. Sonstige Erfordernisse .............................................................................. 117 3. Erleichterte Einbürgerungsverfahren ........................................................ 118
Inhaltsverzeichnis
12
VI. Ergebnis ........................................................................................................... 120 C. Die Regelungen in den Staaten der ehemaligen Tschechoslowakei ...................... 121 I.
Überblick ......................................................................................................... 121
II. Automatischer Wechselaufgrund Republikzugehörigkeit .............................. 122 111. Optionsrechte................................................................................................... 123 IV. Nachträglicher Erwerb durch Einbürgerung .................................................... 123 V. Ergebnis ........................................................................................................... 124 D. Zusammenfassung der Ergebnisse und Bewertung................................................ 125 I.
Zusammenfassung der Ergebnisse anhand der verschiedenen Erwerbstatbestände ........................................................................................................... 125
II. Zusammenfassung der Ergebnisse im Hinblick auf den vom Wechsel betroffenen Personenkreis ................................................................................... 127 III. Zusammenfassung nach Dismembration, Sezession und "wiederhergestellten" Staaten .......................................................................... 128
Kapite/4
Entstehung neuer völkerrechtlicher Normen A. Bildung neuen Völkergewohnheitsrechtes ............................................................ 131
I.
Voraussetzungen ftlr die Bildung von Völkergewohnheitsrecht ..................... 131
II. Völkergewohnheitsrecht im Bereich der Staatennachfolge ............................. 132 B. Stellungnahmen internationaler Gremien .............................................................. 134 I.
Die Arbeiten der ILC ....................................................................................... 134
II. Die "Draft Declaration on the Consequences of State Succession for the Nationality ofNatural Persons" der "European Commission for Democracy Through Law" vom 14.9.1996 .......................................................... 135 C. Der Entwurf eines Übereinkommens zur Staatsangehörigkeit.. ............................. 13 7 I.
Überblick ......................................................................................................... 137
II. Inhalt der die Staatensukzession betreffenden Vorschriften ............................ 138 111. Bewertung ....................................................................................................... 140
KapitelS
Ergebnisse der Untersuchung, Thesen und Ausblick I.
Staatennachfolge ............................................................................................. 143
II. Regelungen in Fragen der Staatsangehörigkeit ............................................... 143 111. Ausblick .......................................................................................................... 144
Literaturverzeichnis ................................................................................................... 146 Sachregister ................................................................................................................ 164
Abkürzungsverzeichnis a.A.
andere Ansicht
Abs.
Absatz
A.D.
Annual Digest and Reports of Public International Law Cases
AdG
Archiv der Gegenwart
AFDI
Annuaire fran~ais de droit international
AJPIL
Austrian Journal ofPublic International Law (=ÖZöRV)
AllErklMR
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
AllE. R.
All England Law Reports
Am. U. J. Int'l L. & Pol'y
The American University Journal of International Law and Policy
Ann.
Annuaire
Anm.
Anmerkung
ArchVR
Archiv des Völkerrechts
Art.
Artikel
ASIL
American Society of International Law
AusiG
Ausländergesetz
Bd.
Band
BelS SR
Weißrussische Sozialistische Sowjetrepublik (seit 19.9.1991 Republik Belarus)
BerDGVR
Bericht der Deutschen Gesellschaft ftir Völkerrecht
BGBI.
Bundesgesetzblatt der Bundesrepublik Deutschland
BRJ
Bundesrepublik Jugoslawien (=FRJ)
BT-Drs.
Bundestags-Drucksache
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
BVerfGE
Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichtes
BVerwG
Bundesverwaltungsgericht
BVerwGE
Entscheidungssammlung des Bundesverwaltungsgerichtes
14 BYIL
Abkürzungsverzeichnis British Yearbook of International Law
CIS
Commonwealth of Independent States
CR
Tschechische Republik
CSSR
Tschechoslowakische Sozialistische Republik
CSFR
Tschechisch-Slowakische Föderative Republik
Denver J. Int'l L. & Policy
Denver Journal of International Law and Policy
d.h.
das heißt
Diss.
Dissertation
Doc.
Document
EA
Europa-Archiv Getzt: Internationale Politik)
Emory Int'l L. R.
Emory International Law Review
EPIL
Encyclopedia of Public International Law, Hrsg.: Rudolf Bernhardt
EPZ
Europäische Politische Zusammenarbeit
ETS
European Treaty Series
f(f).
(fort)folgende
FRJ
Föderative Republik Jugoslawien (=BRJ)
FS
Festschrift
FW
Die Friedenswarte
GA
General Assembly
GAOR
General Assembly, Official Records
GUS
Gemeinschaft Unabhängiger Staaten
GYIL
German Yearbook oflnternational Law
h.M.
herrschende Meinung
HRLJ
Human Rights Law Journal
Hrsg.
Herausgeber
HuV
Humanitäres Völkerrecht- Informationsschriften
ICJ
International Court of Justice
ICLQ
The International and Comparative Law Quarterly
i.d.F.
in der Fassung
IGH
Internationaler Gerichtshof
IJRL
International Journal ofRefugee Law
ILC
International Law Commission
ILM
International Legal Materials
ILR
International Law Reports
Int'l
International
IMR
International Migration Review
I.O.
Internationale Organisation
Abkürzungsverzeichnis
15
IPbürgR
Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. 12.1966
IPwirtR
Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 10.12.1966
IWF
Internationaler Währungsfonds
JBS
Journal ofBaltic Studies
J.O.
Journal Officiel
JOR
Jahrbuch für Ostrecht
JVA
Jugoslawische Volksarmee
LNTS
League ofNations Treaty Series
LoN
League ofNations
Loy. L. A. Int'l & Comp. L. J.
Loyola of Los Angeles International and Comparative Law Journal
MfOR
Monatsheft fl.lr Ostrecht
MLR
Modem Law Review
N.n.
Narodne novine (Gesetzblatt Kroatiens)
Nr.
Nummer
NTIR
Nederlands Tijdschrift voor International Recht
m.w.N.
mit weiteren Nachweisen
NYIL
Netherland's Yearbook of International Law
N. Y. L. Int'l L. & Comp. L.
New York Law School Journal of International and Comparative Law
N. Y. U. J. Int'l L. & Pol.
New York University Journal of International Law and Politics
ODIHR
Office for Democratic Institutions and Human Rights der OSZE in Warschau
OER
Osteuroparecht
ÖZöRV
Österreichische Zeitschrift fl.lr Öffentliches Recht und Völkerrecht(= AJPIL)
OSZE
Organisation fl.lr Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa(bis 31.12.1994: KSZE)
PCIJ
Permanent Court of Justice
Q.B.
Queen's Bench
RBDI
Revue beige de droit international
RBiH
Republik Bosnien und Herzegowina
RdC
Recueil des Cours, Collected Courses of the Hague Academy of International Law
RDI
Revue de Droit International
16
Abkürzungsverzeichnis
RDILC
Revue de droit international et de pare
Rdnr.
Randnummer
Rep.
Reports
RF
Russische Föderation/Rußland (bis 24.12.1991: RSFSR)
RFEIRL
Radio Free Europe, Radio Liberty
ROW
Recht in Ost und West
RSFSR
Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik
lt~gislation
R.U.D.H.
Revue universelle des droits de l'homme
Ru StAG
Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz
s.
com-
Seite
Sb.CR
Sbirka zäkonu I Gesetzblatt Tschechische Republik
Sb. CSFR
Sbirka zäkonu I Gesetzblatt der CSFR
Sect.
Section
SFRJ
Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien
S.L.
Amtsblatt Bosnien-Herzegowinas
Sl.g.
Sluzbeni glasnik (Gesetzblatt Serbiens)
SI. I. Sl.v. SR SSR StAng StAngG StAngR StAZ StiGH s.u. Suppl. SZIER
Sluzbeni Iist (Gesetzblatt Jugoslawiens) Sluzben vesnik (Gesetzblatt Mazedoniens) Slowakische Republik Sozialistische Sowjetrepublik Staatsangehörigkeit Staatsangehörigkeitsgesetz Staatsangehörigkeitsrecht Das Standesamt (Zeitschrift) Ständiger Internationaler Gerichtshof siehe unten Supplement
u.a.
Schweizerische Zeitschrift flir internationales und europäisches Recht unter anderem
UdSSR
Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken
UK
United Kingdom
UN
United Nations
UNO UNHCR
United Nations Organization United Nations High Commissioner for Refugees
UNTS
United Nations Treaty Series
Abkürzungsverzeichnis
17
Ur.I.RS
Uradni Iist Republike Slovenije (Gesetzblatt Sloweniens)
USSR
Union of Soviet Socialist Republics
u.U.
unter Umständen
Va.J.Int'l L.
Virginia Journal of International Law
VN
Vereinte Nationen (Zeitschrift)
VRÜ
Verfassung und Recht in Übersee
WiRO
Wirtschaft und Recht in Osteuropa
YB
Yearbook
ZaöRV
Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht
Ziff.
Ziffer
z.T.
zum Teil
ZVglRWiss
Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft
ZVölkR
Zeitschrift für Völkerrecht
2 Kreuzer
Einleitung Die Frage nach der Staatsangehörigkeit des einzelnen stellte sich in jüngster Zeit erneut nach der Desintegration der osteuropäischen Nationalitätenstaaten. Von entscheidender Bedeutung ist die Bestimmung der Staatsangehörigkeit für die Ausübung des diplomatischen Schutzes, für die Wehrpflicht, Anknüpfungen im Internationalen Privatrecht, aber vor allem für die Teilnahme an Wahlen. Dies zeigte sich insbesondere bei den baltischen Staaten, als diese auch über das Staatsangehörigkeitsrecht versuchten, Personen russischer Herkunft und Angehörige des Militärs von diesen auszunehmen. In der Vergangenheit ging man zunächst von einem automatischen Wechsel der Staatsangehörigkeit für die sich im Gebiet befindliche Bevölkerung aus. Diese These beruhte auf der Annahme, daß Gebiet und Bevölkerung in einem untrennbaren Zusammenhang stünden. Zu einer Zeit, als man schon fast von einem völkergewohnheitsrechtliehen Satz des automatischen Wechsels der Staatsangehörigkeit bei Staatensukzession sprechen konnte, entwickelte sich jedoch die Idee des Nationalstaates. Nunmehr schien es sinnvoll, die Bevölkerung in ethnischer Hinsicht homogen zu gestalten. Dies führte dazu, daß die Staatsangehörigen des Vorgängerstaates bzw. die sich in dem erworbenen Gebiet befindliche Bevölkerung nicht mehr automatisch als Teil des neuen Staatsvolkes akzeptiert wurde. Unerwünschte Teile der Bevölkerung wurden vom Erwerb der Staatsangehörigkeit ausgeschlossen, und man sah in dem automatischen Wechsel nicht mehr eine völkergewohnheitsrechtliche Verpflichtung, sondern vielmehr eine Beschränkung staatlicher Souveränität. Die Rechtsauffassung ging daher groBteils nur noch von einer Vermutung der Übernahme der Staatsangehörigen des Vorgängerstaates aus. Zur Beantwortung der Frage, wie sich ein Wechsel der Souveränität aufgrund einer Staatennachfolge auf die Staatsangehörigkeit auswirkt, bieten sich verschiedene Ansätze an. So wäre es möglich gewesen, menschenrechtliche Aspekte in den Vordergrund zu stellen und zu untersuchen, inwieweit Staatenlosigkeit vermieden und dem einzelnen ein Recht auf Staatsangehörigkeit eingeräumt wird. Im folgenden wird jedoch dem "klassischen" Ansatz gefolgt und geprüft, ob sich aus dem Völkerrecht Schranken oder Verpflichtungen bei der Bestimmung des Staatsvolkes und der Verleihung der Staatsangehörigkeit ergeben. Die Frage nach der Vermeidung der Staatenlosigkeit wird allenfalls inzident angesprochen und erst im Rahmen der Ergebnisse berücksichtigt. 2*
20
Einleitung
In der Literatur wird zwischen dem Wechsel der Staatsangehörigkeit im Fall des Untergangs des Vorgängerstaates und den Fällen unterschieden, in denen der Vorgängerstaat auf verkleinertem Gebiet fortbesteht. Für beide Fälle werden voneinander abweichende Regeln formuliert, da im ersten Fall Staatenlosigkeit zu vermeiden sei, im zweiten sich zwei Staatsangehörigkeiten gegenüberstünden, deren eventuelle Kollision einer Lösung zugefUhrt werden müsse. Um festzustellen, inwieweit diese Unterscheidung noch heute aufrechtzuerhalten ist, beschäftigt sich Kapitel 2 mit Fragen des Zerfalls der osteuropäischen Nationalitätenstaaten. Hier wird insbesondere die Frage beantwortet, ob die Russische Föderation Nachfolgestaat oder Fortsetzerstaat der ehemaligen UdSSR ist, und ob Jugoslawien durch Dismembration untergegangen ist, oder etwa auf dem verkleinertem Gebiet der Föderativen Republik Jugoslawien fortbesteht. Erst im Anschluß an die Beantwortung dieser Vorfrage werden die im Zusammenhang mit der Staatennachfolge getroffenen staatsangehörigkeitsrechtlichen Regelungen untersucht. In einem ersten Schritt wird festgestellt, welche Personengruppen von einem automatischen Wechsel der Staatsangehörigkeit betroffen sind, nach welchen Gesichtspunkten sich dieser Personenkreis bestimmt, und inwieweit die von der Staatennachfolge betroffene Personen eine Möglichkeit haben, die Staatsangehörigkeit abzulehnen oder durch Option zu erwerben. Da einige Staaten eine sehr restriktive Definition ihres Staatsvolkes vorgenommen haben, findet sich im Anschluß daran ein Überblick über die Möglichkeit, die Staatsangehörigkeit des jeweiligen Nachfolgestaates nachträglich im Wege der Einbürgerung oder erleichterten Einbürgerung zu erwerben. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird im Rahmen der Untersuchung nicht wie herkömmlich zwischen den drei verschiedenen Personengruppen differenziert, auf die sich die Staatennachfolge auswirken kann: Personen, die im Gebiet geboren wurden, und dort im Zeitpunkt des Souveränitätswechsels noch ihren Wohnsitz haben; solchen, die im Ausland geboren wurden, aber im Inland wohnen; und solchen, die im Inland geboren wurden, sich im Zeitpunkt des Wechsel jedoch im Ausland aufhalten. Diese Unterscheidung spielt zwar bei den Kriterien, nach denen die Staatsangehörigkeit verliehen wird, immanent eine Rolle, wird jedoch erst in der Zusammenfassung am Ende der Untersuchung berücksichtigt. Da es sich hier um die Untersuchung völkergewohnheitsrechtlicher Regelungen handelt, die mit Kodifikationsvorhaben wie dem Europäischen Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit verglichen werden, wird auf völkerrechtliche Verträge und deren Fortgeltung nicht gesondert eingegangen, auch wenn sie die Gesetzgebung beeinflußt haben sollten, wie etwa die Menschen-
Einleitung
21
rechtspakte oder das Staatenlosenminderungsübereinkommen'. Der Erstrekkungserwerb und die Stellung minderjähriger Kinder wurde nicht berücksichtigt. Gleiches gilt fiir Regelungen, die sich in allen Rechtsordnungen wiederfmden. Sie werden allenfalls exemplarisch oder punktuell fiir einige der Nachfolgestaalen genannt. Außerdem wurde die Prüfung aus Gründen der Übersichtlichkeit auf Fragen der Staatsangehörigkeit bei natürlichen Personen beschränkt. Für die Auswirkungen der Staatensukzession auf juristische Personen sei auf die Untersuchung der ILC verwiesen. 2
1 So wurde etwa das Staatenlosenminderungsübereinkommen bereits im Mai 1990 von Lettland ratifiziert; alle drei baltischen Staaten ratifizierten von Oktober 1991 bis Januar 1992 das Übereinkommen über die Rechte des Kindes. Vgl. zu den völkerrechtlichen Verträgen der osteuropäischen Staaten Hellmuth Hecker, ArchVR 30 (1992), S. 362 ff.; Conseil d'Europe, Bulletin europeen sur Ia nationalite, DIR/JUR (95) 1 vom 24.3.1995, Addendum II. 2 UN Doc. A/CN.4/474 vom 17.4.1996, S. 63 ff.
Kapitel 1
Staatsangehörigkeit und Staatennachfolge A. Die Staatsangehörigkeit und das Völkerrecht I. Begriff und Rechtsnatur der Staatsangehörigkeit 1. Staatsangehörigkeit und Staatsbürgerschaft
Die Staatsangehörigkeit umschreibt die rechtliche Beziehung einer Person zu ihrem Heimatstaat. 1 Der Begriff der "Staatsangehörigkeit" oder "nationality" entstand im 18. und 19. Jahrhundert2. Der einzelne wurde als Mitglied einer lokalen Gemeinschaft begriffen, was u.a. zur Folge hatte, daß an die Staatsangehörigkeit zunehmend Rechte und Pflichten geknüpft wurden. Neben dem Begriff der "Staatsangehörigkeit" entwickelte sich der Begriff der "Staatsbürgerschaft" bzw. der des "citizenship". Mit der "Staatsbürgerschaft", die auf der römischen Konzeption fußt, wird weniger der völkerrechtliche, als vielmehr der innerstaatliche Aspekt betont.3 Außerdem ist die Staatsangehörigkeit Voraussetzung der Staatsbürgerschaft.4 Viele osteuropäischen Staaten bezeichnen ihre staatsangehörigkeitsrechtlichen Regelungen als "Staatsbürgerschaftsgesetze". In Anlehnung an den deutschen und internationalen Sprachgebrauch sollen beide Begriffe jedoch im folgenden synonym verwendet werden.5 1 Vgl. u.a. die Entscheidung der Britisch-Mexikanischen Claims Commission vom 8.11 .1929 im Fall Robert John Lynch v. United Mexican States: "A man's nationality is a continuing legal relationship between the sovereign state on the one hand and the citizen on the other." (RIAA V, 17, 18). 2 Vgl. zur Geschichte und der Entwicklung des Begriffs etwa Ralf Grawert, Staat und Staatsangehörigkeit, Berlin I 973, S. 22 ff; Kay Hailbronner!Günter Renner, StAngR, I. Auflage München 1991, Teil I A, Rdnr. I ff; Alexander N. Makarov, Allgemeine Lehren des Staatsangehörigkeitsrechts, Stuttgart 1948, S. 17 f.; Walter Schätzet, ZVölkR XII (1923), S. 86, 87 ff., Marek St. Korowicz, Introduction to International Law, Den Haag 1964, S. 287 ff. 3 Vgl. zur Abgrenzung auch Richard W. Flournoy, AJIL 23 (1929), Suppl., S. 23. 4 So konnte in den USA jemand die Staatsangehörigkeit besitzen, ohne zugleich auch ein "citizen" zu sein (vgl. U.S. Nationality Act 1940, 8 U.S.C. sect. 101[6]). 5 Ebenso auch noch Art. 3 lit. a des Entwurfs der Konvention zur Staatsangehörigkeit des Europarates vom 2.1.1996:
A. Die Staatsangehörigkeit und das Völkerrecht
23
Die Staatsangehörigkeit, die den einzelnen als Mitglied einer einen Staat bildenden Gruppe defmiert6, hat innerstaatliche Aspekte, sie wirkt aber auch nach außen, d.h. der einzelne ist nicht der Herrschaft eines anderen Staates unterstellt und kann den diplomatischen Schutz des Heimatstaates in Anspruch nehmen. Innerstaatlich ergeben sich aus der Staatsangehörigkeit bestimmte Rechte wie das Recht zur Teilnahme an Wahlen und Abstimmungen und Pflichten wie etwa die Wehrpflicht. 2. Bundes- und Gliedstaaten-Staatsangehörigkeit
Hingewiesen sei - gerade im Hinblick auf die Rechtslage im ehemaligen Jugoslawien und der ehemaligen Tschechoslowakei und in begrenztem Umfang der Sowjetunion7 - auf die Möglichkeit einer "doppelten" Staatsangehörigkeit. Bundes- und Gliedstaaten-Staatsangehörigkeit bestehen in Bundesstaaten nicht gleichberechtigt nebeneinander, sondern übereinander. In der Regel sind alle Bundesstaatsangehörigen auch Angehörige eines Gliedstaates, dies ist jedoch nicht zwingend. 8 So gab es etwa nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22.7.1913 in Deutschland eine unmittelbare Reichsangehörigkeit
"'Nationality' means the legal affiliation of an individual to the population of a sovereign State. It does not indicate the ethnic origin of a person and therefore has the same meaning as the term 'citizenship' which is used in many Centrat and Eastem European States." (DIR/JUR [96] 2). Vgl. zur Terminologie auch Paul Weis, Nationality and Statelessness in International Law, 2. Auflage Alpben an den Rijn, 1979, S. 3 ff. 6 So die Statustheorie: Vgl. hierzu Georg Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Auflage 1905, S. 117 f.; Fritz v. Keller!Paul Trautmann, Kommentar zum Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz, München 1914, S. 32; Paul Laband, Das Staatsrechts des deutschen Reiches, Bd. I, 5. Auflage, Freiburg 1911, S. 140; Alexander N. Makarov!Hans v. Mangoldt, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht, Loseblattkommentar, Neuwied, 10. Lieferung 1993, Ein!. I, Rdnr. 2, BVerfGE 37, S. 217, 239. Dieser Statustheorie steht die Rechtsverhältnistheorie gegenüber: Vgl. zu dieser Friedrich Berber, Lehrbuch des Völkerrechts, Bd. I, 2. Auflage Leipzig, 1975, S. 374; Hans Julius Hatschek, Deutsches und Preußisches Staatsrecht, 2. Auflage 1930, S. 194; auf die gegenseitigen Rechte und Pflichten stellt auch der IGH im Fall Notlebohm ab (ICJ Rep. 1955, S. 2, 23). Eine vermittelnde Auffassung findet sich bei Ralf Grawert, Staat und Staatsangehörigkeit, Berlin 1973, S. 231; Alexander N. Makarov, Allgemeine Lehren des Staatsangehörigkeitsrechts, Stuttgart 1962, S. 28; Albrecht Randelzhofer, EPIL 8 ( 1985), S. 416, 417. Ein Überblick über den Meinungsstreit findet bietet Kay Hailbronner!Günter Renner, StAngR, München 1991, Teil I, C., Rdnr. 3. 7 Vgl. hierzu insbesondere die Darstellung in Kapitel 3, A. I., B.l. und C.I. 8 Vgl. JosefL. Kunz, Handbuch des Völkerrechts, Bd. 2, 4. Abteilung, Die Staatenverbindungen, Stuttgart 1929, S. 637; a.A. Hans Nawiasky, Der Bundesstaat als Rechtsbegriff, Tübingen 1920, S. 129.
24
Kapitel I: Staatsangehörigkeit und Staatennachfolge
II. Staatsangehörigkeit zwischen Völkerrecht und innerstaatlicher Gesetzgebung
I. Grundsatz Grundsätzlich ist jeder Staat aufgrund seiner staatlichen Souveränität frei, selbst zu bestimmen, wen er als Staatsangehörigen anerkennt. 9 Diese völkergewohnheitsrechtlich verfestigte Auffassung, wonach es sich bei der Staatsangehörigkeit um eine innere Angelegenheit handelt, findet sich nicht nur in dem Gutachten des StiGH vom 7.2.1923 10, sondern auch in Art. I S. I der Haager Konvention vom 12.4.1930 11 , in der Entscheidung des IGH im Fall Nottebohm12, und zuletzt im Entwurf eines Europäischen Übereinkommens zur Staatsangehörigkeit vom Januar 1997: "Each State shall determine under its own law who are its nationals. This law shall be accepted by other States in so far as it is consistent with international conventions, customary international law, and the principles of law generally recognized with regard to nationality." 13
Aus der staatlichen Souveränität folgt, daß ein Staat nur seine eigene, nicht aber eine fremde Staatsangehörigkeit regeln darf. Kollisionsrechtlich wird die Staatsangehörigkeit nach der Rechtsordnung desjenigen Staates beurteilt, um dessen Staatsangehörigkeit es sich handelt.
9 Vgl. statt aller auch Kay Hailbronner/Günter Renner, StAngR, München 1991, Teil I E, Rdnr. I m.w.N.; Albrecht Randelzhofer, Nationality, EPIL 8 (1985), S. 416, 417. 10 PCIJ Ser. B Nr. 4 (1923), S. 24 ("Nationality Decrees in Tunis and Marocco"): "The question whether a certain matter is or is not solely within the jurisdiction of a State is an essentially relative question; it depends upon the development of international relations. Thus, in the present state of internationallaw, questions of nationality are, in opinion oftbis Court, in principle within this reserved domain." Eine Zusammenfassung der zu dieser Frage ergangenen Entscheidungen und Dokumente findet sich auch bei Herbert W Briggs, The Law of Nations, 2. Auflage New York, 1938, S. 452 ff. 11 LNTS Bd. 179, S. 89 ff: "It is for each State to determine under its own law who are its nationals. This law shall be recognized by other States in so far as it is consistent with international conventions, international custom, and the principles of law generally recognized with regard to nationality." 12 ICJ Rep. 1955, S. 4, 20: "It is for Liechtenstein, as it is for every sovereign State, to settle by its own legislation the rules relating to the acquisition of its nationality, and to confer that nationality by naturalization ( ... )" 13 Art. 3 der "Draft European Convention on Nationality and Military Obligations in Cases of Multiple Nationality" vom 15.1.1997, DIR/JUR (97)2.
A. Die Staatsangehörigkeit und das Völkerrecht
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Grundsätzlich entscheidet also das innerstaatliche Recht über Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit, während Völkerrecht und innerstaatliches Recht Rechtsfolgen an die Existenz der Staatsangehörigkeit knüpfen. 14 Dennoch könnte man an Ausnahmefälle denken, in denen das Völkerrecht unmittelbar in die Staatsangehörigkeit eingreift: "(... ) there are perhaps exceptional cases where individuals may possess a nationality for international purposes in absence of any applicable nationality Iaw. " 15
Eine solche unmittelbare Verleihung der Staatsangehörigkeit durch Völkerrecht könnte man insbesondere in Fällen der Staatensukzession vermuten. Aber auch wenn in der Vergangenheit von einem automatischen Erwerb ausgegangen wurde, so bedeutete dies nicht, daß die Staatsangehörigkeit aufgrund einer völkerrechtlichen Norm verliehen wurde. Ausschlaggebend war vielmehr letztendlich das innerstaatliche Recht: "( ... ) the question to what State a person belongs must ultimately be settled by the municipallaw ofthe predecessor State which is to determine which persons have lost their nationality as a result of the change; it is that of the successor State which is to determine which persans have acquired its nationality." 16
2. Völkerrechtliche Schranken Der Staat unterliegt bei seiner innerstaatlichen Regelung den sich aus dem Völkergewohnheitsrecht oder Völkervertragsrecht ergebenden Schranken17• Eine völkerrechtswidrige Verleihung der Staatsangehörigkeit fiihrt nicht zur Ungültigkeit der innerstaatlichen Vorschrift, sondern hat zur Folge, daß dritte
14 Offen bleiben soll an dieser Stelle die Frage, ob es einen völkerrechtlichen Kernbestand an Rechten gibt, die mit der Staatsangehörigkeit zusammenhängen; bejahend: Paul Weis, Nationality and Statelessness, 2. Auflage Alphen an den Rijn, 1979, S. 32; ablehnend: Alexander N. Makarov/Hans v. Mango/dt, Hans, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht, Neuwied, 10. Lieferung 1993, Einl. I, Rdnr. 11. 15 Robert Jennings/Arthur Watts, Oppenheim's International Law, 9. Auflage Avon, 1992, S. 853m.w.N. 16 Daniel Patrick O'Connell, State Succession in Municipal Law and International Law, Bd. I, Cambridge 1967, S. 501. Ebenso Rudolf Graupner, Nationality and State Succession, The Grotius Society, Transactions for the Year 1946, Bd. XXXII (1947), S. 94; Paul Weis, Nationality and Statelessness in International Law, Alphen aan den Rjin, 1979, S. 135. 17 So bereits das 1. Komitee der Haager Kodifikationskonferenz von 1930 (V.8.23): "Although nationality is primarily a matter for the municipallaw of each State, it is nevertheless governed to a !arge extent by principles ofinternationallaw."
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Kapitel 1: Staatsangehörigkeit und Staatennachfolge
Staaten diese sich im Widerspruch zu Völkerrecht erlassene Verleihung der Staatsangehörigkeit nicht anerkennen müssen. 18 a) Völkervertragsrecht Erste völkervertragliche Regelungen hinsichtlich der Staatsangehörigkeit finden sich in den sog. Bancroft-Verträgen, die nach der Auswanderung von Europäern nach Nordamerika abgeschlossen wurden 19 • Nach dem l. Weltkrieg wurden Regelungen der Staatsangehörigkeit in die Friedensverträge etwa von Versailles, Trianon oder St. Germain aufgenommen. 20 Neben Bestimmungen in bilateralen Verträgen wie Auslieferungs- oder Niederlassungsverträgen finden sich Bestimmungen zur Staatsangehörigkeit in der auf der Haager Kodifikationskonferenz ausgearbeiteten Konvention über gewisse Fragen beim Konflikt von Staatsangehörigkeitsgesetzen vom 12.4.1930 und in den Protokollen über militärische Pflichten in gewissen Fällen von Doppelstaatigkeit und über Spezialfragen der Staatenlosigkeit. Nach dem 2. Weltkrieg wurden auf universeller Ebene insbesondere folgende Abkommen mit Bestimmungen zur Staatsangehörigkeit ausgearbeitet und zur Unterzeichnung ausgelegt: - Das Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen vom 28.9.1954 21 ; - das Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit verheirateter Frauen vom 20.2.195722; -das Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit vom 30.8.1961 23 ; 18 Friedrich Berber, Lehrbuch des Völkerrechts, Bd. I, München, 2. Auflage 1975, S. 375; Bernhard Dubois, Die Frage der völkerrechtlichen Schranken landesrechtlicher Regelung der Staatsangehörigkeit, Berlin 1955, S. 23 f.; Alexander N. Makarov, Allgemeine Lehren des Staatsangehörigkeitsrechts, 2. Auflage, Stuttgart, 1962, S. 65 ff., 90. 19 Vgl. zu den Bancroft-Verträgen Wolfgang Fritzemeyer, Bancroft Conventions, EPIL 8 (1985), S. 46 ff. 20 S.u. C.l.1. 21 BGBI. 1976 II, S. 473 ff. Dieses Übereinkommen war am 31.8.1994 von vierzig Staaten ratifiziert worden. 22 BGBI. 1973 II, S. 1249 ff. 23 BGBI. 1977 II, S. 597 ff., das am 31.8.1994 achtzehn Vertragsparteien aufwies. Art. 10 lautet: "(1) In alle zwischen Vertragsstaaten geschlossenen Verträge über Gebietsabtretungen sind Bestimmungen aufzunehmen, die sicherstellen, daß infolge der Abtretung niemand staatenlos wird. Jeder Vertragsstaat wird sich nach Kräften dafür einsetzen, daß auch in alle derartigen von ihm mit einem Staat, der nicht Vertragspartei dieses Übereinkommens ist, geschlossenen Verträge solche Bestimmungen aufgenommen werden.
A. Die Staatsangehörigkeit und das Völkerrecht
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- der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.196624 ; - das Übereinkommen über die Rechte des Kindes vom 20.11.1989, das in Art. 7 das Recht des Kindes auf Staatsangehörigkeit enthält25 • Regelungen zur Staatsangehörigkeit finden sich ferner in Art. 15 Abs. 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom I 0.12.1948, wo sich die Generalversammlung gegen eine willkürliche Entziehung der Staatsangehörigkeit ausspricht, und in Art. 5 lit. d des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form der Rassendiskriminierung vom 7.3.1966, das u.a. das Recht jedes einzelnen auf Staatsangehörigkeit festschreibt, sowie in Art. 9 der Konvention von 1979 über die Beseitigung aller Formen der Diskriminierung gegenüber Frauen. Fraglich ist, inwieweit sich aus Art. 15 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ein Recht des einzelnen auf Staatsangehörigkeit ableiten läßt. Die ILC verweist in ihrem zweiten Dokument vom 17.4.1996 ausdrücklich auf den Unterschied zwischen de lege lata und de lege ferenda, legt aber dennoch ihrer Untersuchung die These zugrunde, daß jede Person, deren Staatsangehörigkeit durch völkerrechtliche Vorgänge beeinträchtigt sein könne, ein Recht auf eine Staatsangehörigkeit habe, und die beteiligten Staaten verpflichtet seien, Staatenlosigkeit zu vermeiden: "The right to a nationality is a centrat element of a conceptual approach to the topic, which, ( ... ) should aim at the protection of the individual against any detrimental effects resulting from state succession. While the concept of the right to a nationality and its usefullness in situations of state succession was generally accepted, it would nevertheless be unwise to draw any substantive conclusions therefrom, having in mind the very preliminary stage ofthe discussion on this issue. ( ... ) It would none the less be difficult to object to the view that the right to a nationality embodied in article 15 of the Universal Declaration of Human Rights 'must be understood to provide at least moral guidance' for the legislation on citizenship when new States are created or old ones resume their sovereignty." 26
(2) In Ermangelung solcher Bestimmungen verleiht ein Vertragsstaat, an den das Hoheitsgebiet abgetreten wird, oder der auf andere Weise Hoheitsgebiet erwirbt, seine Staatsangehörigkeit den Personen, die andernfalls infoge der Abtretung oder des Erwerbs staatenlos würden." 24 BGBI. 1973 II, S. 1533 ff. 25 BGBI. 1992 II, S. 121 ff. Art. 7 Abs. I lautet: "Das Kind ist unverzüglich nach seiner Geburt in ein Register einzutragen und hat das Recht auf einen Namen von Geburt an, das Recht, eine Staatsangehörigkeit zu erwerben, und soweit wie möglich das Recht, seine Eltern zu kennen und von ihnen betreut zu werden." 26 UN Doc. NCN.41474, S. 10. Der Inhalt des Rechtes wird aufS. II folgendermaßen umschrieben: "The right to a nationality, as a human right, is conceivable as a right of an individual vis-a-vis a certain State, deriving under certain conditions, from international
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Kapitel I: Staatsangehörigkeit und Staatennachfolge
Auf regionaler Ebene ist im Bereich des Staatsangehörigkeitsrechts neben Arbeiten der Internationalen Zivilstandskommission CIEC vor allem das im Rahmen des Europarates ausgearbeitete Übereinkommen über die Verringerung der Mehrstaatigkeit und über die Wehrpflicht von Mehrstaatern vom 6.5.1963 27 zu nennen. Ein neuer Entwurf eines Übereinkommens zur Staatsangehörigkeit ("Draft European Convention on Nationality") wurde im Januar 1997 vorgelegt. Er enthält in Art. 18 ff. u.a. Regelungen zur Frage der Staatsangehörigkeit bei Staatensukzession.28 Die ILC entschied sich bei ihrer 45. Sitzung 1993, Fragen der Staatensukzession und ihre Auswirkungen auf die Staatsangehörigkeit natürlicher und juristischer Personen ("the irnpact of state succession on the nationality of natural and legal persons") ebenfalls zu behandeln. Zunächst war noch offen, ob dies mit dem Ziel der Ausarbeitung einer Konvention oder der Festlegung einer Empfehlung geschehen soll. 29 Der Berichterstatter Mikulka verwies zur Begründung auf eine Stellungnahme der Generalversammlung, die daran zweifelte, ob die Erarbeitung einer Konvention sinnvoll sei. Denn angesichts der bisherigen Erfahrungen mit Kodifikationsvorhaben im Bereich der Staatensukzession sei mit langen Kodifizierungsarbeiten zu rechnen. Auch stelle sich die Frage nach der Bindungswirkung filr neue Staaten und solche, die dem Abkommen nicht beitreten würden. Im April 1996 wurde ein zweites Dokument zu diesem Fragenkreis vorgelegt; in dem festgestellt wird, daß die Arbeiten der Kommission sowohl eine Kodifikation als auch die Fortentwicklung des Völkerrechts beträfen. 30 Eine Präzisierung folgte erst am 12.7.1996, als die ILC beschloß, der Generalversammlung eine umfassende Untersuchung des Fragenkreises von "Nationality in relation to the succession of states" vorzuschlagen mit dem Schwerpunkt der Staatsangehörigkeit natürlicher und nicht juristischer Personen. Ziel der Arbeiten solle die Schaffung eines einen Rahmen bildenden und aus Artikeln und Kommentaren bestehenden Instrumentes sein.31 law. As the case may be, it is the right toi be granted the nationality of the successor State or not to be deprived of the nationality of the predecessor State. The obligation of the State not to create statelessness, however, is a State-to-State erga omnes obligation, conceivable either as a corollary of the above right to a nationality or as an autonomous obligation existing in the sphere of inter-State relations only and having no direct legal consequences in the relationship between States and individuals. ( ... )" 27 BGBI. 1969 II, S. 1953 ff. Das erste Zusatzprotokoll vom 24.11.1977 findet sich in ETS Nr. 95; vgl. ferner das Zweite Zusatzprotokoll von 1993 (ETS Nr. 149). 28 S.u. Kapitel 4, B. 29 UN Doc. A/CN.4/L.486 vom 9.7.1993. Vgl. hierzu auch Beate Rudolf, VN 1996, s. 32 f. 30 UN Doc. A/CN.4/474 vom 17.4.1996, S. 5. Eine Zusammenfassung der vorangegangenen Arbeiten der ILC und Beschlüsse der Generalversammlung findet sich aufS. 4 ff. 31 UN Doc. A/CN.4/L.525/Add. 1
A. Die Staatsangehörigkeit und das Völkerrecht
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b) Völkergewohnheitsrecht Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, wo die Grenzen nach allgemeinem Völkerrecht bei der Verleihung der Staatsangehörigkeit verlaufen. Einige Stimmen in der Literatur nennen hier den Fall des Rechtsmißbrauches32, den andere als zu vage verwerfen33 • Einig~eit besteht dahingehend, daß die Staatsangehörigkeit nicht an Personen verliehen werden darf, die keinerlei Beziehung oder Anknüpfung zur Rechtsordnung des verleihenden Staates aufweisen. Fraglich ist vor allem, inwieweit die Entscheidung des IGH im Fall Nottebohm34 verallgemeinerungsfähig ist, d.h. ob ein "genuine link" bei der Verleihung vorliegen muß. 3s Im Fall "Nottebohm" prüfte der IGH bei der Klage Liechtensteins gegen Guatemala, inwieweit Notlebohm Verbindungen zum einbürgernden Staat Liechtenstein aufwies und griff hierbei auf die Kriterien zurück, die für Mehrstaaterfälle entwickelt wurden, um die relativ stärkere Verbindung des einzelnen festzustellen ("real and effective nationality"). 36 Der IGH lehnte im Ergebnis die völkerrechtliche Wirksamkeit der Einbürgerung ab, nahm jedoch keinerlei Stellung zur Wirksamkeit der Einbürgerung nach innerstaatlichen Recht. Auch wenn zuzugeben ist, daß eine Anknüpfung an die Rechtsordnung des verleihenden Staates in irgendeiner Art und Weise gegeben sein muß, ist ein Vorliegen eines "genuine link" fiir alle Fälle der Verleihung wohl nicht notwendig. 37 Denn oftmals wird die Staatsangehörigkeit wie etwa bei der Durch-
32 Gerhard Leibholz, ZaöRV I (1929), S. 77; Georg Dahm, Völkerrecht, Bd. I, Stuttgart 1958, S. 449; Otto Kimminich, Einfllhrung in das Völkerrecht, 4. Auflage München, London u.a., 1990, S. 140 ("willkürlich"). 33 So etwa Friedrich Berber, Lehrbuch des Völkerrechts, Bd. I, 2. Auflage 1975, S. 377. 34 IGH 6.4.1955, ICJ Rep. 1955, S. 4 ff., mit Anm. etwa von Alexander N. Makarov, ZaöRV (1955), S. 407 ff., und Paul Weis, in: FS A.F Schnitz/er, Genf 1979, S. 501 ff. 3s Vgl. hierzu etwaR.Y Jennings, RdC 121 (1967 II), S. 452 ff.; Erwin Loewenfeld, ArchVR 5 (1955/56), S. 387 ff. 36 "International arbitrators have decided in the same way many numerous cases of dual nationality ( ...). They have given their preference to the real and effective nationality, that which accorded with the facts, that based on stronger factual ties between the person concerned and one of the States whose nationality is involved. Different factors are taken into consideration, and their importance will vary from one case to the next. The habitual residence of the individual concerned is an important factor, but there are other factors such as the centre of his interests, his family ties, his participation in public life, attachment shown by him for a given country and inculcated in his children." (ICJ Rep. 1955, S. 4, 22) 37 So auch Alexander N. Makarov, ZaöRV 1955, S. 407, 419; Pau/ Weis, in: FS Schnitz/er, Genf 1979, S. 501, 508; und die ILC (YBILC 1952 II, S. 3, 8):
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Kapitel I: Staatsangehörigkeit und Staatennachfolge
reise durch ein Land, das dem ius soli-Prinzip folgt, zufällig erworben. Ähnliche Konstellationen lassen sich auch im Bereich der Staatennachfolge feststellen, wo zum Teil Personen, die keine andere Staatsangehörigkeit besaßen, als neue Staatsangehörige allein aufgrund des Aufenthalts im Inland im Zeitpunkt der Unabhängigkeit bzw. des Inkrafttretens des Staatsangehörigkeitsgesetzes ohne das Vorliegen weiterer Voraussetzungen ins Staatsvolk aufgenommen wurden. 38 Teil des Völkergewohnheitsrecht ist inzwischen wohl auch der Erwerb der Staatsangehörigkeit durch ein im Inland geborenes Findelkind oder die von der Eheschließung und Ehescheidung unabhängige Staatsangehörigkeit der Ehefrau.39
111. Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit 1. Erwerbs- und Verlusttatbestände
Der originäre Erwerb der Staatsangehörigkeit erfolgt aufgrund einer Anwendung des ius soli- oder des ius sanguinis-Prinzips. Während früher noch davon ausgegangen wurde, daß eine Kombination beider Prinzipien nicht möglich sei,40 wird man heute eine solche Regelung mit dem Völkerrecht ver-
"(.. ) a personal or territorial link between the conferring State and the individual must exist." Vgl. aber Vaclav Mikulka, in: Vera Gowlland-Debbas, (Hrsg.), The Problem of Refugees in the Light of Contemporary International law Issues, Den Haag 1996, S. 35, 45; und Haro Frederik van Panhuys, The RoJe ofNationality in International Law, Leiden 1959, S. 105, 149 ff. 38 Die ILC betont jedoch trotz des Hinweises auf die Tatsache, daß der Grundsatz der effektiven Staatsangehörigkeit nach den Entscheidungen "Flegenheimer" und "Micheletti" an Bedeutung und Umfang verloren habe, daß dem Konzept des "genuine link" im Fall der Staatensukzession doch eine gewisse Bedeutung zukomme: "The discussion both in the Commission and in the Sixth Committee Iead to the conclusion that, even if the primary context for the application of the principle of effective nationality is the law of diplomatic protection, the underlying notion of genuine link also has some roJe to play in the determination of the principles applicable to the withdrawal or granting of nationality in situations of state succession. If a right to nationality was recognized there was still a need for a genuine link to be established bewteen the person and the state of his nationality; moreover, the concept of the individual's rights to a nationality could be better pinpointed within the context of State succession through a study of the effect of the application of the criterion of genuine link." UN Doc. A/CN.4/474, S. 14. 39 Vgl. hierzu insbesondere auch die Aufzählung bei Judith Putzer/Volker Türk, AJPIL 49 (1995), S. 29, 33. 40 So Art. 3 der "Draft Convention on Nationality" der Harvard Law School, AJIL 23 (1929) Spec. Suppl. S. 27.
A. Die Staatsangehörigkeit und das Völkerrecht
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einbar ansehen können, zumal immer mehr Staaten, die dem ius sanguinisPrinzip folgen, ihre Vorschriften mit ius soli-Eiementen anreichern! 1 Nachträglich kann die Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung, die Annahme als Kind oder Legitimation erworben werden. Ein automatischer Wechsel der Staatsangehörigkeit durch Eheschließung fmdet nicht mehr statt. Grundbesitz im Inland oder ein nur kurzer Inlandsaufenthalt reichen fiir einen Erwerb der Staatsangehörigkeit regelmäßig nicht aus. 42 Die größte Bedeutung unter den nachträglichen Erwerbstatbeständen kommt der Einbürgerung zu. Hierunter versteht man die Naturalisation eines ausländischen Staatsangehörigen oder Staatenlosen aufgrund eines entsprechenden Antrags. Der Antrag auf Aufnahme allein reicht jedoch im Gegensatz zur Option43 nicht zur Aufnahme in den Staatsverband auf. Vielmehr erfolgt diese durch staatlichen Hoheitsakt, auf den der einzeleine entweder einen Anspruch haben kann (vgl. etwa§§ 85 ff. AusiG), der aber zumeist im Ermessen des jeweiligen Staates steht (so etwa die §§ 8 ff. RuStAG). Objektive Voraussetzung einer Einbürgerung ist in der Regel ein längerer Inlandsaufenthalt Für bestimmte Personengruppen gibt es - auch in den neuen osteuropäischen Staaten - erleichterte Verfahren bzw. geringere Anforderungen an die Aufenthaltsdauer. Zu diesen Personen gehören Ehegatten von Staatsangehörigen; Personen, die die Staatsangehörigkeit während der Minderjährigkeit verloren haben, sofern sie sich innerhalb einer bestimmten Frist ftlr die alte Staatsangehörigkeit entscheiden; Personen, die einen Antrag auf Wiedereinbürgerung stellen; solche, die dem Staatsvolk durch ethnische Merkmale verbunden sind, oder die im Inland geboren wurden; Personen, die sich Verdienste um den verleihenden Staat erworben haben; sowie Staatenlose, wobei sich hier eine entsprechende Verpflichtung aus dem Staatenlosenminderungsübereinkommen ergeben kann. Zwangseinbürgerungen gegen den Willen des einzelnen sind grundsätzlich unzulässig. Eine Ausnahme stellt der Wechsel der Staatsangehörigkeit aufgrund eines Gebietsübergangs dar. Aber auch in diesem Fall darf die Staatsangehörigkeit nicht willkürlich verliehen werden. Personen, die keinerlei gefestigte Beziehung zum Aufenthaltsstaat aufweisen wie etwa Ausländer, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, sind vom Erwerb und Wechsel der Staatsangehörigkeit von vornherein ausgenommen.
41 /an Brownlie, Principles of Public International Law, 4. Auflage Oxford 1990, S. 388; noch offen gelassen wird die Frage bei Paul Weis, Nationality and Statelessness in International Law, 2. Auflage Alphen an den Rijn, Germantown, Maryland 1979, S. 97 f. 42 Vgl. hierzu auch Art. 2 der "Draft Convention on Nationality" der Harvard Law School vom 1.4.1929 (AJIL 23 [1929] Spec. Suppl., 13). 43 S.u. C.III.
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Kapitel 1: Staatsangehörigkeit und Staatennachfolge
Donner weist hinsichtlich des automatischen Erwerbs durch Staatsangehörige des Vorgängerstaates, die sich im Inland aufhalten, darauf hin, daß auch dieser Erwerb, der im allgemeinen Zustimmung findet, dann, wenn er ipso facto zu einem Staatsangehörigkeitswechsel ftlhrt, willkürlich sein kann. Dasselbe könne auch filr die Anknüpfung an ethnische Merkmale gelten, da diese im Widerspruch zum Verbot der Diskriminierung aufgrund von Rasse, Geschlecht, Sprache oder Religion stehen könnten. 44 Brownlie hingegen spricht sich filr eine Regelanknüpfung an den Inlandswohnsitz aus45 : "( ... ) territory, both socially and legally, is nottobe regarded as an empty plot: territory (with obvious geographical exceptions) connotes population, ethnic groupings, loyalty patterns, national aspirations, a part of humanity, or, if one is tolerant of the metaphor, an organism. To regard a population, in the normal cases, as related to particular areas of territory, is not to revert to forms of feudalism, but to recognize a human and political reality, which underlies modern territorial settlements." 46
Der Verlust der Staatsangehörigkeit kann die Folge des Untergangs des Heimatstaates sein. Zumeist verliert der einzelne die Staatsangehörigkeit jedoch durch Willenserklärung, bei Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit (so § 25 RuStAG) oder durch Ausbürgerung. Reicht die Willenserklärung allein zur Aufgabe der Staatsangehörigkeit, spricht man von Verzicht, ist eine Genehmigung durch den Heimatstaat notwendig, handelt es sich um eine Entlassung.47 2. Mehrstaatigkeit und Staatenlosigkeit
Mehrstaatigkeit tritt auf, wenn ein Kind von Eltern abstammt, deren Heimatrecht dem Abstammung folgt, sofern der Staat des Geburtsortes das ius soli-Prinzip anwendet. Staatenlosigkeit ist die Folge, wenn ein Kind in einem Land geboren wird, das dem Abstammungsprinzip folgt, wenn das Heimatrecht der Eltern das ius soli-Prinzip anwendet.
44
Ruth Donner, The Regulation ofNationality in International Law, Helsinki 1983,
s. 262 ff.
45 /an Brownlie, BYIL 39 (1963), S. 284, 324 f.
46 /an Brownlie, Principles of International Law, 4. Auflage Oxford, 1990, S. 664. Vgl. auch Daniel Patrick O'Connell, State Succession in Municipal Law and International Law Bd. I, Carnbridge 1967, S. 439. Inwieweit über die Anknüpfung hinaus ein "genuine link" gegeben sein muß, läßt die ILC offen. (UN Doc. A/CN.4/467, S. 30, para. 83 f.) 47 Vgl. hierzu ausführlich die Darstellung bei Kay Hailbronner!Günter Renner, StAngR, München 1991, Teil I, E., Rdnr. 48 f., S. 58 f.
A. Die Staatsangehörigkeit und das Völkerrecht
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Sowohl Mehrstaatigkeit als auch Staatenlosigkeit sind erlaubt, gelten aber allgemein als unerwünscht. Mehrstaatigkeit kann zu Unklarheiten etwa bei der Ausübung diplomatischen Schutzes, bei der Ableistung des Wehrdienstes, oder der Bestimmung der maßgeblichen Rechtsordnung bei Fragen des Internationalen Privatrechts fUhren. Ist eine Person staatenlos, wo wird sie von keinem Staat geschützt und genießt zunächst im Aufenthaltsstaat weder den Inländerstatus noch die Rechtsstellung, wie sie Ausländern gebührt. Daher wurden fiir beide Fälle Konventionen ausgearbeitet, um Fälle von Staatenlosigkeit und Mehrstaatigkeit zu vermeiden, und mögliche Kollisionen oder Konflikte zu lösen. 48 Sowohl der UNHCR als auch der Hochkommissar für Menschenrechte der OSZE waren sich der Gefahr der Entstehung von Staatenlosigkeit bewußt und forderten die Nachfolgestaaten auf, Staatenlosigkeit nach Möglichkeit zu vermeiden: "In no case should new citizenship laws be drafted and implemented in such a way as to discriminate against legitimate claimants for citizenship, or even to withhold citizenship from possibly tens of thousands of life-long and long-term inhabitants of the state. ( ... ) As a result, the status of these persons (would be) essentially that of a 'foreigner' in their own country. This would greatly undermine what I would consider to be in the long-term interest of the state. I would strongly wish that the clearly negative impact of such legislation be considered and that appropriate changes be made." 49
Die Arbeiten des Europarates gehen in der "Draft European Convention on Nationality" zwar ebenfalls vom Prinzip der Vermeidung von Staatenlosigkeit aus. Der "Explanatory Report" geht aber über dieses Prinzip noch einen Schritt hinaus, wenn in der Begründung festgestellt wird, die Pflicht, Staatenlosigkeit zu vermeiden, sei Teil des geltenden Völkergewohnheitsrechtes.so Die Einstellung zur Mehrstaatigkeit erfuhr - zumindest im westeuropäischen Raum - in jüngerer Zeit ebenfalls einen leichten Wandel. Während man zunächst bestrebt war, Mehrstaatigkeit in jedem Fall zu vermeiden, änderte sich die Einstellung angesichts des zunehmenden Anteils der ausländischen Bevölkerung. Daher wurde 1993 im Rahmen des Europarates ein bislang nur von Frankreich und Italien ratifiziertes Zweites Zusatzprotokoll zur Unterzeichnung ausgelegt, wonach die doppelte Staatsangehörigkeit in bestimmten Fällen hingenommen werden soll, um den Erwerb der Staatsangehörigkeit durch die im Inland geborenen Ausländer unter bestimmten Voraussetzungen zu erleichtem.s1
Vgl. die Aufzählung der völkerrechtlichen Verträge unter A.II.2.a. Zitiert nach Carol A. Batchelor, Refugee Survey Quarterly 14 ( 1995), S. 91, I 03. so S. 23, Ziff. 33. SI "Second Protocol amending the Convention on the Reduction of Cases of Multiple Nationality and Military Obligations in Cases of Multiple Nationality" vom 48
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3 Kreuzer
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Kapitel 1: Staatsangehörigkeit und Staatennachfolge
B. Grundsätze der Staatennachfolge I. Einführung Der Bereich der Staatennachfolge oder Staatensukzession umfaßt einen Bereich, der sich vor allem deswegen außerordentlich schwierig darstellt, weil sich bislang nur wenige völkergewohnheitsrechtliche Regeln nachweisen lassen, und weite Gebiete noch nicht abschließend geklärt sind.32 Hinzukommt, daß die Nachfolge auf gänzlich unterschiedliche Art und Weise erfolgen kann. Sie kann sich friedlich aufgrund eines Zessionsvertrages vollziehen, ihr kann eine Revolution oder ein Bürgerkrieg vorausgegangen sein, oder sie kann sich als Folge einer gewaltsamen Annexion darstellen. Versuche, den Bereich der Staatensukzession zu kodifizieren, hatten bislang keinen Erfolg. 33 1. Der Begriffder Staatensukzession
Erste Schwierigkeiten ergeben sich beim Begriff der Staatennachfolge oder Staatensukzession54• In Anlehnung an die Universalsukzession des Bürgerlichen Rechts könnte man schlußfolgern, daß der Nachfolgestaat vollständig in die Rechtsstellung des Vorgängerstaates eintritt.53 Das Völkerrecht folgt der Annahme einer unmittelbaren Universalsukzession jedoch nicht, sondern geht davon aus, daß der Nachfolgestaat seine eigene Hoheitsgewalt an die Stelle derjenigen des Gebietsvorgängers setzt, bei der Ausübung jedoch bestimmten Rechten und Pflichten unterliegt. 36
2.1l.l993, ETS Nr. 149. Nach Art. 1 soll folgende Bestimmung in das Mehrstaaterübereinkommen aufgenommen werden: "Notwithstanding the provisions of para. 1 and, where applicable, 2 above, where a national of a Contracting Party acquires the nationality of another Contracting Party on whose territory either he was bom and is resident, or has been ordinarily resident for a period of time beginning before the age of 18, each of these Parties may provide that he retains the nationality of origin." 52 Wilfried Fiedler, spricht von einem der "schwierigsten, unübersichtlichsten und am wenigsten geklärten Bereiche des Völkerrechts" (GYIL 24 [1981], S. 9); ebenso auch Alfred Verdross/ Bruno Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Auflage 1984 , S. 608: "einer der umstrittensten Teile des Völkerrechts überhaupt". 53 S.u. III. l . 34 Vgl. zu dieser Frage auch Ulrich Fastenrath. BerDGVR 35 (1996), S. 9 ff; zur Abgrenzung des Begriffs im Vergleich zum Internationalen Privatrecht: Carsten Thomas Ebenroth, BerDGVR 35 (1996), S. 235,237 f. ss So etwa Hugo Grotius, Deiure belli ac pacis, L.II.c.IX, § 12. 56 Vgl. zum Begriff und den Theorien der Staatensukzession etwa Daniel Patrick O 'Conne/1, RdC 130 (1970 II), S. 95 ff; Jost Delbrück, in: Georg Dahm/Jost Dei-
B. Grundsätze der Staatennachfolge
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Schoenbom defmierte die "Nachfolge eines Staates in Rechte und Pflichten eines anderen Staates als Folge der Erstreckung seiner (vollen oder oberherrlichen) Staatsgewalt auf Gebiete, welche bisher der Staatsgewalt des anderen Staates unterstellt waren".s7 Eine ähnliche Defmition wurde den beiden Wiener Konventionen über die Nachfolge in Verträge vom 23.8.197858 und über die Nachfolge in Staatsvermögen, -archive und -schulden vom 8.4.1983 59 zugrunde gelegt, und von der ILC in ihren jüngsten Arbeiten übemommen60 : "Succession of states means the replacement of one State by another in the responsibility for the international relations ofterritoty." 61
2. Staatsidentität und Staatensukzession Ein Fall der Staatennachfolge ist nur gegeben, wenn das bisherige Völkerrechtssubjekt nicht fortbesteht. Staatensukzession und Kontinuität62 schließen einander aus. 63 Staatsinterne Veränderungen wie Umwälzungen oder Revolutionen berühren die Existenz des Staates nicht und lassen den Staat als Völkerrechtssubjekt fortbestehen. 64
brück!Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), Völkerrecht Bd. I/1, 2. Auflage Berlin, New York 1989, S. 158. 57 Walther Schönborn, in: Fritz Stier-Somlo (Hrsg.), Handbuch des Völkerrechts, Bd. II/2, 1913, S. 6. Vgl. zu den Definition von Hejjier, M Huber, G. Jellinek und A. Cavag/ieri Pau/ Guggenheim, Beiträge zur völkerrechtlichen Lehre vom Staatenwechsel (Staatensukzession), Berlin 1925, S. 34-52. 58 Art. 2 Abs. 1 lit. b. 59 Art. 2 Abs. 1 lit. a. 60 UN Doc. NCN.4/467, S. 9, para. 26. 61 Eine Mindermeinung sieht die Nachfolge in Rechte und Pflichten als eine Folge des faktischen Übergangs der Souveränität und Gebietshoheit und unterscheidet folglich zwischen einer "succession in fact" und einer "succession in law" (vgl. Mervin J. Jones, BYIL 24 [1947], S. 360). Ein Überblick zu den Theorien findet sich auch bei Lucius Cajlisch, NTIL X (1963), S. 337, 353 ff.; Daniel Patrick O'Connell, The Law of State Succession, Cambridge 1956, S. 1 ff. 62 "Identität" ist ein statischer Begriff, während der "Kontinuität" ein dynamischer Charakter zukommt; vgl. zur Untrennbarkeit beider Begriffe Krystyna Marek, ldentity and Continuity of States in Public International Law, Genf 1954, S. 6 ff. 63 So bereits A.B. Keith, The Theoty of State Succession, 1907, S. 5; Pau/ Guggenheim, Beiträge zur völkerrechtlichen Lehre vom Staatenwechsel, Berlin 1925, S. 21. Vgl. hierzu auch M. T Badawi, La continuite et l'extinction de Ia personnalite de I'Etat, Lyon 1940; Giorgio Cansacchi, RdC 130 (1970 II), S. I ff; Wilfried Fiedler, Das Kontinuitätsproblem im Völkerrecht, Freiburg, München, 1978, S. 21 ff; Josef L. Kunz, AJIL 46 (1955), S. 68 ff. 64 s. u. 11.2. 3*
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Kapitel l: Staatsangehörigkeit und Staatennachfolge
Eine Sonderstellung bei der Frage der Kontinuität nehmen diejenigen Staaten ein, die unter Verletzung von Völkerrecht von dritten Staaten annektiert wurden. 63 Hier liegt während der Dauer der Einverleibung nur ein faktischer Staatsuntergang vor; werden sie später wiedererrichtet bzw. wiederhergestellt, wird der neue Staat so behandelt, als habe er ohne Unterbrechung fortbestanden.66 Ein Beispiel ftlr die sog. "wiederhergestellten" Staaten in jüngerer Zeit sind die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen.67
II. Arten der Staatennachfolge 1. Vorgänge der Integration und Desintegration
Neue Staaten können entweder durch Vorgänge der Integration (Fusion/ Beitritt) oder aufgrund von Desintegrationsprozessen (Dismembration, Sezession, Entlassung, Separation) entstehen,68 wobei sich die Darstellung im folgenden im Hinblick auf die Ereignisse in Osteuropa auf Desintegrationsprozesse beschränken soll. Unterschieden werden kann ferner danach, ob der Vorgängerstaat komplett untergeht wie etwa bei der Dismembration69, oder sich nur ein Teil abspaltet (Sezession7'). Ein allgemeines Recht auf Austritt aus einem Bundesstaat existiert, auch wenn es in der Präambel der jugoslawischen Verfassung und in Art. 63 Vgl. hierzu auch Ulrich Fastenrath, BerDGVR 35 (1996), S. 9, 15 m.w.N., der aber die Frage aufwirft, ob es sinnvoll sei, im Fall der baltischen Staaten die Sowjetzeit als nicht existent zu betrachten, da die Staaten zwar gegen ihren Willen annektiert worden seien, anschließend jedoch an der Ausübung der Herrschaft beteiligt wurden. 66 So etwa W. Wengler, Völkerrecht Bd. l, Berlin, Göttingen, Heidelberg, 1964, S. 180. 67 S.u. Kapitel 2.A.I.l.; Mahnke hingegen bejahte den Untergang der drei baltischen Staaten 1967 unter Hinweis darauf, daß mit der Herstellung der Staatsgewalt nicht gerechnet werden konnte. (Hans Heinrich Mahnke, in: Reinhard Maurach/Boris Meissner [Hrsg.], Völkerrecht in Ost und West, Stuttgart 1967, S. 100, 106.) 68 Vgl. hierzu auch die Darstellung bei Ulrich Fastenrath, BerDGVR 35 (1996), S. 9, 14 f.; vgl. zu Fragen der Staatensukzession ferner Michael Si/agi, Staatsuntergang und Staatennachfolge, Frankfurt am Main, 1996. 69 Beispiele für eine Dismembration: die Aufteilung Großkolumbiens 1832 in Neu Granada, Venezuela und Ecuador; das Auseinanderbrechen der mittelamerikanischen Föderation in Guatemala, Honduras, Salvador, Nicaragua und Costa Rica 1839; der Zerfall der Österreichisch-Ungarischen Monarchie 1918; der Zerfall der Mali-Föderation 1960 (Senegal und Sudan). 70 Beispiele für Sezessionen: die Unabhängigkeit der USA 1776; die LosreiBung Belgiens von den Niederlanden 1830; die Sezession Griechenlands von der Türkei 1830; die Sezession der baltischen Staaten, Finnlands und Polens von Rußland nach dem I. Weltkrieg; die Abtrennung der früheren Kolonien im Rahmen des Dekolonisierungsprozesses.
B. Grundsätze der Staatennachfolge
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72 der Verfassung der UdSSR genannt wurde, nicht. Zwar war das in Art. 72 enthaltene Sezessionsrecht nach sowjetischer Doktrin die wichtigste Ausprägung der Souveränität der Unionsrepubliken, ihm kam aufgrund der zentralistischen sowjetischen Struktur aber - zumindest bis zum Erlaß des Sezessionsgesetzes 1990 - keinerlei praktische Bedeutung zu. So wurde bereits 1924 in der Parteiliteratur folgende Feststellung getroffen: "Die Bestimmungen über das Austrittsrecht der Unionsrepubliken tragen nach unserer Meinung nur deklarativen und nicht legislativen Charakter. Vom Standpunkt des Marxismus stellt jeder Austritt aus dem Bund den Anfang einer nationalen und konterrevolutionären Bewegung dar." 71
Auch die nähere Betrachtung der jugoslawischen Verfassung fUhrt zu keinem anderen Ergebnis. Hier wurde das Recht auf Sezession in die Präambel aufgenommen: "(... ) ausgehend von dem Recht eines jeden Volkes auf Selbstbestimmung einschließlich des Rechts auf Loslösung(...) zu einer Bundesrepublik freier und gleichberechtigter Völker und Nationen vereinigt.(... )"
Unabhängig davon, ob man der Konsumtionstheorie folgte oder nicht, war die Ausübung des Sezessionsrechtes schon deswegen unmöglich, weil es an entsprechenden Vorschriften Ober das Verfahren fehlte. 72 Ein Wandel der Auffassung war hier ebenfalls im Zuge der Desintegration zu verzeichnen, und zwar insbesondere aufgrund des X. Amendments zur slowenischen Verfassung, das vor dem jugoslawischen Bundesverfassungsgericht bestehen konnte. Ein Recht auf Sezession, das früher ausnahmslos abgelehnt wurde, wird aufgrund der neueren Praxis in Osteuropa dann bejaht werden können, wenn zunächst alle innerstaatlichen Möglichkeiten zur Erweiterung des Rechtskreises des Territoriums ausgeschöpft wurden, die Regierung dieses Streben aber mit Gewalt unterdrückt und ein Referendum den Willen des Volkes zur Selbstbestimmung bestätigt.73
71 Nach Reinhart Maurach, Handbuch der Sowjetverfassung, München 1955, S. 105 f (Kommentierung zu Art. 17 der Verfassung von 1955). 72 Gegen eine Konsumtion unter Hinweis darauf, daß dies~. Bestimmung in allen Verfassungen enthalten war, spricht sich Dieter Blumenwitz, VRU 3 (1970), S. 429, 437 f., aus. 73 Dieter Frey, in: /gnaz Seidl-Hohenveldern!Hans Jörg Sehröfter (Hrsg.), Vereinte Nationen, Menschenrechte und Sicherheitspolitik - Völkerrechtliche Fragen zu internen Konfliktbegrenzungen, Köln, Berlin u.a., 1994, S. 63.
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Kapitel I: Staatsangehörigkeit und Staatennachfolge
2. Die Abgrenzung zwischen Sezession und Dismembration
Schwierig kann sich im einzelfall die Abgrenzung zwischen der Sezession und der Dismembration darstellen. 74 So war etwa 1919 streitig, ob die österreichisch-ungarische Monarchie durch Dismembration untergegangen war, oder ob nicht eine Kontinuität zwischen dem alten Österreich und der neuen Republik Österreich bestand.75 Eine ähnliche Frage tauchte bei der Zergliederung Britisch Indiens in Indien und Pakistan auf, als festgestellt werden sollte, welcher der beiden Staaten bzw. ob überhaupt einer der beiden Staaten die ONMitgliedschaft fortsetzen könne, und ob nicht etwa ein Aufnahmeverfahren durchzufUhren sei. Man entschied sich hier dafilr, Indien in der Mitgliedschaft zu belassen, und in Pakistan einen neuen Staat zu sehen. 76 Zur Beantwortung dieser Frage können sowohl objektive Merkmale wie die drei Staatselemente als auch subjektive Elemente wie das Verhalten der beteiligten Staaten selber oder Anerkennungen durch dritte Staaten herangezogen werden. Grundsätzlich wirken sich reine Gebietsveränderungen auf den Bestand eines Staates nicht aus. 77 Fraglich ist, ob dieser Grundsatz auch dann gilt, wenn Staatsgebiet in beträchtlichem Ausmaß verloren geht. 78 Nun kann dieser Umstand zwar bei der Beurteilung des Zerfallsprozesses durchaus argumentativ fiir die Entscheidung berücksichtigt werden, eine feste und verläßliche Grenze läßt sich aufgrund bisheriger Staatenpraxis jedoch nicht ableiten. Außerdem birgt eine solche Argumentation die Gefahr, nicht mehr nur das Verhältnis der betroffenen Gebietsanteile, sondern auch das der Bevölkerung oder gar wirtschaftliche Gesichtspunkte einzubeziehen, wie dies auch bei der Diskussion
74 Vgl zu den "Subsumtionsproblemen" auch Ulrich Fastenrath, BerDGVR 35 (1996), S. 18 ff. 75 Vgl. zu dieser Frage Ernst Herz, Die Identität des Staates, 1931; Lenz, Untersuchung zur Frage der Identität der Republik Österreich mit der Monarchie der Habsburger, 1939. Für eine Dismembration spricht sich Manlio Udina, L'estinzione dell'imperio Austro-Ungarico nel diritto internazionale, Padua, Triest, 1925, S. 27, aus. Ebenso auch Hans Kelsen, JÖR IX (1920), S. 247 ff.; Krystyna Marek, Identity and Continuity of States in Public International Law, Genf 1954, S. 235; Alfred Verdross, JÖR X (1921), S. 475 ff. Zu diesem Fragenkreis allgemein: Giorgio Cansacchi, RdC 130 ( 1970 II), S. l ff. 76 So das UN-Sekretariat: "( ...) that there was no change in the international status of India. It continues as a State with all treaty rights and obligations, and consequently with all rights and obligations ofmembership in the United Nations." 77 Krystyna Marek, Identity and Continuity of States in Public International Law, Genf 1954, S. 15. 78 Vgl. zu dieser Frage Krystyna Marek, Identity and Continuity of States in Public International Law, Genf 1954, S. 23 ff.
B. Grundsätze der Staatennachfolge
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über die Kontinuität der Russischen Föderation mit der UdSSR der Fall war. Diese Kriterien weisen jedoch weder einzelnen noch in ihrem Verhältnis zueinander hinreichend scharfen Konturen auf, um eine Abgrenzung mit Sicherheit vornehmen zu können. Aus der innerstaatlichen Rechtslage und etwa einer Verfassungsmäßigkeit der Trennung lassen sich zwar Hinweise auf den Vorgang der Desintegration entnehmen, diese sind jedoch filr die völkerrechtliche Beurteilung nicht zwingend.79 Des weiteren kann die Auffassung der beteiligten Staaten selbst Auskunft über die völkerrechtliche Zuordnung geben, etwa dann, wenn eine Vereinbarung zwischen den beteiligten Staaten vorliegt. Verbindlich kann deren Äußerung jedoch deswegen nicht sein, weil es dann in ihren Händen läge, sich von völkerrechtlichen Verträgen zu lösen. Anerkennungen durch dritte Staaten und Internationale Organisationen80 können ebenfalls Hinweise liefern. Nicht zu vergessen ist aber, daß Anerkennungen filr die Frage der Staatenentstehung nicht mehr als konstitutiv, sondern als deklaratorisch angesehen werden, 81 und sie - wie etwa die Anerkennungen der Nachfolgestaaten Jugoslawiens - oftmals auf politischen Erwägungen beruhen. 82
79 So richtigerweise für den Fall Jugoslawien Wa/demar Hummer, SZIER 3 81993), S. 425, 434. Vgl. demgegenüber jedoch Michael Bothe!Christian Schmidt, RGDIP 96 (1992), S. 811,826, und U. Vi//ani, RDI 1993, S. 27, 28. 80 Dies wurde insbesondere von A. Raestad vorgeschlagen (RDILC 1939, S. 441). Vgl. zur Bedeutung von UN-Resolutionen und ihre Unterstützung bei der Entstehung von Staaten Alfred VerdrossiRruno Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Auflage, Berlin 1984, s. 228. 81 Vgl. etwa Krystyna Marek, ldentity and Continuity of States in International Law, Genf 1954, S. 159. So auch das BVerfG im Hinblick auf die Staatseigenschaft der ehemaligen DDR ohne bundesdeutsche Anerkennung BVerfGE 36, S. I, 22. 82 Fastenrath nennt in seiner Darstellung dieselben Anhaltspunkte, d.h. die geschichtlich-politische Lage, die rechtliche Durchführung, die Relation der territorialen Größe, Bevölkerungszahl, des militärischen und wirtschaftlichen Potentials, die Beibehaltung der Rechts- und Wirtschaftsordnung, die Fortführung des Namens und der staatlichen Symbole, der Amtsgeschäfte durch die staatlichen Organe, und die Haltung der unmittelbar beteiligten Staaten, räumt aber zugleich ein, daß eine Unterscheidung zwischen Dismembration und Sezession ( ... ) mit diesen Regeln nicht gelinge. (Uirich Fastenrath, BerDGVR 35 [1996}, S. 9, 19).
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Kapitel I: Staatsangehörigkeit und Staatennachfolge
111. Völkerrechtliche Regelungen 1. Völkervertragsrecht
Im Rahmen der UNO wurde sehr früh beschlossen, Fragen der Staatensukzession auf die Tagesordnung der ILC zu setzen83 • Fragen der Nachfolge hinsichtlich der Staatsangehörigkeit wurden jedoch zunächst ausgeklammert, und sind erst jetzt Gegenstand der Beratungen geworden. 84 Man beschränkte sich vielmehr auf die Kodifizierung der Nachfolge in völkerrechtliche Verträge und der in Vermögen, Schulden und Archive. Beide Konvention wurden zur Unterzeichnung ausgelegt. Aber weder die Wiener Konvention über die Staatennachfolge in Verträge85 noch die Wiener Konvention über die Staatennachfolge in Vermögen, Archive und Schulden86 haben bislang die notwendige Zahl an Ratifikationen erlangt, da in beiden Konvention die "newly independent states" durch die "clean-slate"- bzw. "tabula rasa"-Doktrin gegenüber anderen Staaten bevorzugt werden, und es hier an einem ausreichenden Konsens in der Staatengemeinschaft fehlte.87 2. Völkergewohnheitsrecht
Bei der Beantwortung von Fragen zur Staatensukzession ist daher auf Völkergewohnheitsrecht zurückzugreifen. Einige dem Völkergewohnheitsrecht entnehmbare Regelungen sind unbestritten wie etwa der Grundsatz der "moving treaty frontiers" oder der des Übergang von radizierten Verträgen, andere Fragen hingegen wie der Wechsel der Staatsangehörigkeit als Folge von Vgl. die Resolution der UN-Generalversammlung 1686 (XVI) vom 18.12.1961. Vgl. aber Castren, der sich für die Einbeziehung von Fragen der Staatsangehörigkeit aussprach (Erik Castren, YBILC 1963-11, S. 277, 298). 85 "Vienna Covention on Succession in Respect of Treaties", ILM 17 ( 1978), S. 1488 ff.; vgl. zu diesem Übereinkommen etwa, Emmanuel G Bello; GYIL 23 (1980), S. 296 ff.; Daniel Patrick O'Connell, ZaöRV 39 (1979), S. 739 ff.; Georg Delbrück, in: Jost Dahm/Georg Delbrück!Rüdiger Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/1, 2. Auflage, Berlin, New York, 1989, S. 160 ff.; P.K. Menon, P.K., RDI 59 (1981), S. I ff.; Hans D. Treviranus, ZaöRV 39 (1979), S. 259 ff.; Kar/ Zemanek, in: FS Verdross, Berlin 1980, S. 720 ff. 86 "Vienna Convention on Succession of States in Respect of State Property, Archivesand Debts", ILM 22 (1983), S. 306 ff. Vgl. zur Konvention von 1983 Georg Delbrück, in: Jost Dahm!Georg Delbrück!Rüdiger Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/1 , 2. Auflage Berlin, New York, 1989, S. 169 ff.; P.K. Menon, RDI 65 (1987), S. 35 ff.; Rudolf Streinz, GYIL 26 (1983), S. 198 ff.; lgnaz Seidl-Hohenveldern, AJPIL 34 (1983), S. 173 ff. 87 Die Konvention von 1978 wurde von neuen Staaten ratifiziert, darunter auch Jugoslawien 1980 und Estland 1991; der Vertrag von 1983 hingegen wurde nur von fünf Staaten, darunter Jugoslawien, gezeichnet, und von Estland 1991 ratifizert. 83
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C. Die Staatsangehörigkeit in Fällen der Staatennachfolge
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Prozessen der Desintegration sind nach wie vor ungeklärt, 88 obgleich sie einige wie etwa Castren oder O'Connell bereits 1956 fiir eine Kodifikation ausgesprochen hatten: "(...) upon this subject, perhaps more than any other in the law of State succession, codification or international legislation is urgently demanded. It is undesirable that, as a result of change of sovereignty, persons should be rendered stateless against their wills. It is equally undesirable that persons who have only an accidental relationship with the absorbed territory should be invested with a nationality which they do not want. (... )89
Einigkeit besteht allein dahingehend, daß Ausländer, die sich nur vorübergehend oder zufiillig im Inland im Zeitpunkt des Souveränitätswechsels aufhalten, von einem Wechsel der Staatsangehörigkeit nicht erfaßt werden.90
C. Die Staatsangehörigkeit in Fällen der Staatennachfolge . I. Die Auffassungen in Literatur und Rechtsprechung 1. Überblick
In der Vergangenheit bestand weitestgehend Einigkeit dahingehend, daß die Staatsangehörigen ipso iure mit Übergang des Gebietes auf den Nachfolgestaat ihre Staatsangehörigkeit ändem. 91 Personen, die in dem vom Übergang betrof-
88 Unstreitig ist der Wechsel der Staatsangehörigkeit beim Zusammenschluß von Staaten. Vgl. hierzu insbesondere den Zusammenschluß Ägyptens und Syriens zur Vereinigten Arabischen Republik und die hierzu ergangenen Regelungen in Art. 2 der vorläufigen Verfassung und in Art. I des Staatsangehörigkeitsgesetzes der VAR. (S. hierzu u.a. Eugene Cotran, ICLQ 8 [1959], S. 346, 372; Richard Young, AJIL 56 [1962], S. 482). 89 Danie/ Patrick 0' Conne/1, The Law of State Succession, Cambridge 1956, S. 245. 90 Vgl. statt aller Danie/ Patrick O'Conne/1, The Law of State Succession, Cambridge 1956, S. 257 m.w.N. 91 Vgl. die Regel von Pothier: "Lorsqu'une province est d~membr~ de Ia couronne, les habitants changent de
d~nomination"
und die Haltung Englands: "When the King cedes by treaty, the inhabitants of the ceded territory become aliens." (Nach JosefL. Kunz, AJIL 41 [1947], S. 622, 623). Vgl. zur Praxis vor dem I. Weltkrieg auch Ro/fGrawert, Staat und Staatsangehörigkeit, Berlin 1973, S. 219 m.w.N., Co/eman Phi//ipson, Termination ofWar and Treaties ofPeace, London 1916, S. 290 ff.
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Kapitel 1: Staatsangehörigkeit und Staatennachfolge
fenen Gebiet ihren Wohnsitz hatten/2 verloren automatisch die Staatsangehörigkeit des Vorgängerstaates und erwarben die des Gebietsnachfolgers.93 Diese Annahme wurde insbesondere durch die nach dem 1. Weltkrieg geschlossenen Friedens- und Minderheitenverträge bestätigt. 94 So erwarben nach Art. 36 des Versailler Vertrages mit dem endgültigen Übergang des Gebietes diejenigen deutschen Reichsangehörigen, die in dem betroffenen Gebiet ihren Wohnsitz hatten, endgültig und von Rechts wegen die belgisehe Staatsangehörigkeit unter Verlust der deutschen. Ähnliche Regelungen wurden in Art. 105 ftlr die Freie Stadt Danzig und in Art. 84 ftlr diejenigen Personen getroffen, die ihren Wohnsitz in der Tschechoslowakei hatten. 95 Von dem Wohnsitzprinzip wurde allein in Art. 70 des Vertrages von St. Germain und Art. 61 des Vertrages von Trianon abgewichen. Hier wurde mit RUcksicht auf altösterreichisches Recht auf das Heimatrecht ("indigenat", "pertinenza") abgestellt. 96 Der Wechsel der Staatsangehörigkeit erfolgte wiederum automatisch97 • Eine Abweichung 92 Die Verleihung der Staatsangehörigkeit aufgrund einer Geburt im Inland war nicht als Völkergewohnheitsrecht anerkannt. Vgl. zu diesem Fragenkreis Ruth Donner, The Regulation ofNationality in International Law, Helsinki 1983, S. 191 m.w.N. 93 Erik Castren, RdC 78 (1951), S. 385, 468; James Crawford, The Creation of States in International Law, 1979, S. 41; Bernhard Dubois, Die Frage der völkerrechtlichen Schranken landesrechtlicher Regelung der Staatsangehörigkeit, Berlin 1955, S. 34 m.w.N., Lucella Gettys, AJIL 21 (1927), S. 268, die jedoch auf den Vertrag von Paris vom 10.12.1898 verweist, durch den Porto Rico und die Philippinen an die USA zediert wurden, und der keinen automatischen Wechsel vorsah, sondern die Bestimmung enthielt, daß "the civil and political status of the native inhabitants of the territories hereby ceded to the United States shall be determined by Congress." Zahlreiche Beispiele zum automatischen Wechsel der Staatsangehörigkeit finden sich in den Arbeiten der ILC; vgl. insbesondere UN Doc. NCN.4/474, S. 19 ff. 94 Vgl. zur Vertragspraxis RudolfGraupner, Nationality and State Succession, The Grotius Society 32 (1946), S. 87, 101 ff.; Waller Schätze/, ZVölkR XII (1923), S. 861 ff. 95 Der Versailler Vertrag findet sich bei Ernst /say, Kommentar zum Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz, Berlin 1929, und Richard W Flournoyl Manley 0. Hudson (Hrsg.), A Collection ofNationality Laws, Oxford 1929, S. 646 ff. 96 Art. 70 des Vertrages von St. Germain lautete: "Alle Personen, die das Heimatrecht in einem Gebiete besitzen, das früher zu den Gebieten der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie gehörte, erwerben ohne weiteres und unter Ausschluß der Österreichischen Staatsangehörigkeit die Staatsangehörigkeit desjenigen Staates, der auf dem genannten Gebiete die Souveränität ausübt." Auszugsweise ist der Vertrag abgedruckt bei Hans-Joachim See/er, Das Staatsangehörigkeitsrecht von Jugoslawien, Frankfurt M., Berlin, 1956, S. 72 ff. 97 Vgl. zum Staatsangehörigkeitswechsel nach dem I. Weltkrieg , Carl G. Bruns, Staatsangehörigkeitswechsel und Option, Berlin 1922; Maxson E. Engström, Les changements de nationalite d'apres !es Traites de Paix 1919-1920, Paris 1923; Erich Kaufmann, RdC 89 (1935/IV), S. 309, 370 ff.; Waller Schätze/, ZVölkR XII (1963), S. 86 ff.
C. Die Staatsangehörigkeit in Fällen der Staatennachfolge
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von diesen Grundsätzen war in den Regelungen der Staatsangehörigkeit in Elsaß-Lothringen enthalten. Hier wurden nur diejenigen Personen und ihre Nachkommen Franzosen, die ohne die Annexion 1871 Franzosen geblieben wären. Einwanderer konnten die französische Staatsangehörigkeit nur unter bestimmten engen Voraussetzungen erwerben.98 Nach dem 2. Weltkrieg wurde diese These vom automatischen Wechsel der Staatsangehörigkeit bei Staatennachfolge beibehalten.99 Der italienische Vertrag folgte dem Beispiel der Friedensverträge nach dem l. Weltkrieg, knüpfte in Art. 19 Abs. 1 an den Wohnsitz des einzelnen an und bestimmte, daß die im abgetretenen Gebiet wohnhaften Personen Staatsangehörige des Staates werden, an den das Gebiet abgetreten wird. Eine Änderung dieser Praxis trat erst während des Dokolonisierungsprozesses ein. Sofern Fragen der Staatsangehörigkeit nicht in Devolutivabkommen geregelt wurden, blieb die Defmition des neuen Staatsvolkes dem neuen unabhängigen Staat überlassen, der bestrebt war, vor allem die eingeborene Bevölkerung als Teil des Staatsvolkes zu akzeptieren, nicht aber Angehörige der ehemaligen Kolonialmacht. 100 Die vormals britischen Kolonien knüpften bei der Defmition ihres Staatsvolkes in der Regel an die Geburt im Inland oder die eines Elternteils im Inland an, sofern diese am Tag der Unabhängigkeit "citizen" des UK und der Kolonien waren. Fehlte es an einer Geburt im Inland, mußte ein Antrag auf Verleihung gestellt werden. Eine Ausnahme galt fiir Personen, die zwar im Ausland geboren wurden, deren Vater aber, würde er noch leben, die Staatsangehörigkeit des neuen unabhängigen Staats erworben hätte. Optionsrechte waren mit Ausnahme des "Burma Independence Act" nicht vorgesehen. 101 Fragen bzw. Probleme hinsichtlich der Staatsangehörigkeit wurden dadurch vermieden, daß die neuen 98 Vgl. zu den Regelungen in Elsaß-Lothringen J.-P. Niboyel, Revue de droit international et de droit compare 1921, S. 284, 300 f.; Waller Schätzet, Die elsasslothringische Staatsangehörigkeitsregelung und das Völkerrecht, Berlin 1929. 99 Vgl. etwa Horst-Alex Schmidl, Staatsangehörigkeitswechsel bei Staatensukzession, München 1966, S. 113. 100 Vgl. zum Dekolonisierungsprozeß etwa Mohammed Bedjaoui, RdC 130 (1970 III), S. 585 ff.; Waller Rudolf, ArchVR 17 (1977/78), S. 1 ff. und den staatsangehörigkeitsrechtlichen Regelungen Günter Breunig, Staatsangehörigkeit und Entkolonisierung, Berlin 1974; Jacques de Burlel, Revue critique de droit international prive 67 (1978), S. 305, 310 ff.; Hellmulh Hecker, VRÜ 19 (1986), S. 451 ff; Yasuaki Onuma, The Yale Journal ofWorld Public Order 8 (1981), S. I, 13 ff.; Kar! Zemanek, RdC 116 (1965 III), S. 181 ff. 101 Nach Sect. 2 (2) des "Burma Independence Act" hatten Personen, die sich außerhalb Burmas aufhielten, das Recht, für die britische Staatsangehörigkeit zu optieren. Vgl. hierzu auch die Darstellung bei T. T. Poulose, Succession in International Law, Neu Delhi 1974, S. 92 ff., 121.
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Kapitel I: Staatsangehörigkeit und Staatennachfolge
unabhängigen Staaten in den Commonwealth aufgenommen wurden, und sie durch die Beibehaltung des "citizenship" gemäß Sect. I (3) des "British Nationality Act" weiterhin Erleichterungen bei Arbeits- und Einbürgerungsbedingungen in anderen Commonwealth-Staaten in Anspruch nehmen konnten. 102 Eine dem Commonwealth vergleichbare Gemeinschaft wurde bei der Unabhängigkeit der französischen Kolonien nicht geschaffen. Zwar wurde in Art. 81 der Verfassung von 1946 noch eine Unionsbürgerschaft der "Communaute" anerkannt; 103 sie wurde aber nicht aufrecht erhalten. Statt dessen wurden die französischen staatsangehörigkeitsrechtlichen Bestimmungen geändert, da das damals geltende Recht dazu gefiihrt hätte, daß alle Personen, die vom Wechsel der Staatsangehörigkeit erfaßt wurden, automatisch ihre französische Staatsangehörigkeit verloren hätten. Durch Gesetz vom 28.7.1960 wurde eine Bestimmung eingefiigt, die den Behalt der französischen Staatsangehörigkeit durch "reconnaissance" fiir die in einem neuen unabhängigen Staat lebenden Personen ermöglichte. Die neuen unabhängigen Staaten verwendeten unterschiedliche Kriterien, um den Kreis ihrer Staatsangehörigen zu bestimmen. 104 So war etwa die Aufnahme in den neuen Staatsverband in Gabun davon abhängig, daß der einzelne seinen Wohnsitz im Inland hatte, oder als Kind eines gabonesischen Elternteils geboren wurde. Personen, die in Gabunoder einem Nachbarstaat geboren wurden, konnten ihre Staatsangehörigkeit bestätigen lassen, wenn sie einer "collectivite caracteristique du peuple gabonais" angehörten, dieser Gemeinschaft assimiliert waren, oder wenn sie von einem gabonesischen Elternteil abstammten. In Madagaskar erwarben Personen, die dort als Kind eines madegassischen Elternteils geboren waren, die Staatsangehörigkeit. Französische Staatsangehörige nicht madegassischer Herkunft ("non-originaires de Madagascar"), die in Madagaskar wohnten und dort seit fiinf Jahren einen Beruf ausübten, konnten fiir die madagassische Staatsangehörigkeit optieren. Im Tschad wurde die Staatsangehörigkeit von "particuliers de souehe africain qui aient depuis quinze ans Ia possession d'etat de Tchadien" erworben, d.h. die Personen mußten einer auf dem Staatsgebiet lebenden Gemeinschaft so assimiliert sein, daß sie von der Bevölkerung und den Behörden als "Tchadien" behandelt wurden. Ferner mußten sie "de bonne vie et mreurs" sein.
Vgl. auch Erich Kordt/ Kar/ Zemanek, BerDGVR 1964, S. I, 39 f. Vgl. hierzu P.F. Gonidel, AFDI 5 (1959), S. 754 ff. 104 Vgl. auch Albert Bleckmann, Das französische Kolonialreich und die Gründung neuer Staaten, Köln, Berlin u.a.l969, S. 496 ff.; Jacques de Bur/et, Nationalite des personnes physiques et decolonisation, Brüssel 1975; A. Zatzepine, Recueil Penant 84 (1975), S. 147 ff.; Kar{ Zemanek, RdC 119 (1965 III), S. 180,277 f. 102 103
C. Die Staatsangehörigkeit in Fällen der Staatennachfolge
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2. Literatur Ein Großteil der Literatur geht heute weiterhin davon aus, daß die Bevölkerung aufgrund ihrer Verbundenheit zum Gebiet die Staatsangehörigkeit mit Gebietsilbergang ändert: "In the submission of the present writer, the evidence is overwhelmingly in support of the view that the population follows the change of sovereignty in matters of nationality."105 Voraussetzung filr eine Wechsel ist, daß es sich hierbei nicht um Angehörige dritter Staaten, sondern um solche des Gebietsvorgängers handelt: "The modern rule of customary international law may be formulated as follows: The nationality of the predecessor state is lost and that of the successor state is acquired by such inhabitants ofthe ceded or annexed territory as were subjects ofthe superseded sovereign." 106 Andere wie etwa Weis 107 oder Seidl-Hohenveldem nehmen eine vorsichtigere Position ein und sprechen nur von der Berechtigung, die Staatsangehörigkeit verleihen zu können 108 bzw. einer Vermutung der Verleihung 109, was damit begründet wird, daß verschiedene Prinzipien zur Anwendung gelangten, mithin der vom Wechsel betroffene Personenkreis nicht hinreichend bestimmbar sei 110 : 105 /an Brownlie, Principles of Public International Law, 4. Auflage, Oxford 1990, S. 661; Bernhard Dubois, Die Frage der völkerrechtlichen Schranken landesrechtlicher Regelungen der Staatsangehörigkeit, Bern 1955, S. 34 f.; Josef L. Kunz, Hague Receuil XXXI (1930), S. 117; J.G. Starke, Introduction to International Law, IO. Auflage, London 1989, S. 337; Herbert A. Wilkinson, The American Doctrine of State Succession, Saltimore 1934, S. 70. Hansjörg Jellinek. Der automatische Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit durch völkerrechtliche Vorgänge, zugleich ein Beitrag zur Lehre von der Staatensukzession, Berlin, u.a., 1951, S. 19 I, spricht sich ebenfalls fllr einen automatischen Wechsel aus; den innerstaatlichen Gesetzen käme nur eine deklaratorische Bedeutung zu; vgl. auch Burkhardt Ziemske, Die deutsche Staatsangehörigkeit nach dem Grundgesetz, Berlin 1995, S. 65 f. 106 F.A. Mann, MLR I 942, S. 2 I 8, 220. Im Ergebnis ähnlich auch der Berichterstatter der ILC Manley 0. Hudson (YBILC 1952 II, S. 3, 8). 107 Paul Weis, Staatsangehörigkeit und Staatenlosigkeit im gegenwärtigen Völkerrecht, Berlin 1962, S. 14. 108 Daniel Patrick O'Conne/1, The Law of State Succession, Cambridge 1956, S. 250; RudolfGraupner, Law Quarterly Review LXI (1945), S. 168. 109 So Rudolf Graupner, Nationality and State Succession, The Grotius Society 32 (1946), S. 87, 98 m.w.N. unter Hinweis darauf, daß staatsangehörigkeitsrechtliche Regelungen in die innerstaatliche Zuständigkeit der oder des Nachfolgestaates fallen. 110 Zu diesem Ergebnis müßte eigentlich auch Schmidt gelangen, der einen automatischen Wechsel der Staatsangehörigkeit bejaht aufgrund einer dispositiven Norm des Völkergewohnheitsrechts, zugleich aber verschiedene Prinzipien zur Abgrenzung des vom Wechsel betroffenen Personenkreises nennt. Er spricht sich bei Zweifeln daflir aus, aufgrund einer Vermutung das Domizilprinzip anzuwenden. (Horst-Alex Schmidt, Staatsangehörigkeitswechsel bei Staatensukzessionen, München 1966, S. 113, 115).
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Kapitel 1: Staatsangehörigkeit und Staatennachfolge "Im Fall einer völkerrechtlich wirksamen Annexion sowie dann, wenn ein Staat einen Teil seines Gebietes an einen anderen Staat abtritt, ist der Erwerberstaat berechtigt, jedenfalls denjenigen Bewohnern des erworbenen Gebietes, die dort zur Zeit des Gebietserwerbes wohnhaft waren, seine Staatsangehörigkeit zu verleihen, falls sie bisher Staatsangehörige des Vorgängerstaates waren." 111
Im Hinblick auf den Grundsatz der Vermeidung von Staatenlosigkeit wird statt von einer Berechtigung oftmals auch von einer (möglichen) Verpflichtung des Nachfolgestaates zur Verleihung gesprochen unter Hinweis darauf, daß das Völkerrecht selbst nicht in der Lage sei, eine Staatsangehörigkeit zu verleihen: "Internationallaw does not itself confer the successor state's nationality of the extinct state. lt does, however, probably oblige the successor state to provide for the possibility of those nationals acquiring its nationality at least in the case of those of them who are resident in or have a substantial connection with the territory which the successor State has absorbed." 112
Mit Hinweis auf die Vermeidung von Staatenlosigkeit wird heute eine solche Verpflichtung hinsichtlich der gesamten Wohnbevölkerung insbesondere von Vertretern des UNHCR bejaht: "In case of state succession, there is an exception of the traditional rule according to which states are free to determine the criteria of granting nationality. Customary international law requires from succeeding states to grant their nationality to all the habitual residents of the acquired territory with the exclusion of nationals of third states." 113
111 /gnaz Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, 4. Auflage, Berlin, Bonn, München, 1994, S. 282. Ein automatischer Wechsel wird abgelehnt von Erik Castr~Jn, RdC 78 (1951), S. 385, 489; Kar/ Matthias Meessen, EPIL 8 (1985), S. 424, 426; Ko Swan Sik, NILR 29 (1982), S. 100, 102. 112 Robert Jenningsl Arthur Watts, Oppenheim's International Law, Bd.I/1, 9. Auflage, Avon, 1992, S. 219; ähnlich auch Maleolm Shaw, International Law, 3. Auflage Cambridge, 1991, S. 622 f. Die Annahme einer Verpflichtung findet sich in: Secretariat Survey, 14.5.1954, YBILC 1954 II, S. 61 , para. 39: "The opinion is widely held that, in case of change of sovereignty over a territory by annexation, or its voluntary cession by one State to another, the annexing Staate is obliged to grant its nationality to the inhabitants of the territory concerned who were citizens of the ceeding State, at least, if they have, at the time of annexation, their permanent residence in the ceded territory. In most instances these questions are settled by treaty. ( ...)" Der Entwurf des Staatsangehörigkeitsübereinkommens vom Januar 1996 spricht von "shall confer" (Art. 15). 113 Michel Ionga-Prat, in: UNHCR (Hrsg.), Nationality Laws in Former USSR Republics, Genf 1993, S. 9. Die ILC nimmt in ihrem Papier vom April 1996 noch eine vorsichtigere Position ein, wenn es aufS. 8 und 9 etwa heißt, "lt was generally agreed that it was precisely this limited roJe of international law in the specific context of state succession which was to be the focus of the Commission's view" und: "During the debate ( ... ) it was also generally recognized that, while nationality was essentially governed by internallaw, certain restrictions on the free-
C. Die Staatsangehörigkeit in Fällen der Staatennachfolge
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Andere lehnen hingegen eine spezielle Regel des Völkergewohnheitsrechts in diesem Bereich ab 114 und greifen auf allgemeine Grundsätze des Staatsangehörigkeitsrechts und das "genuine link" zurück. Dies führt dann etwa bei Chan zu folgender Schlußfolgerung, die im Ergebnis sehr den bereits genannten Grundsätzen gleicht: "To sum up, it may be submitted that upon change of sovereignty, all persons who have a genuine and effective link with the new State will automatically acquire the nationality of the new State. lt is primarily within the competence of each State to deterrnine what constitutes a genuine and effective link in the conferrnent of its nationality, subject to the presumption of avoidance of statelessness and the duty not to enact or apply any law on a discriminatory basis. Habitual residence will give rise to the presumption of a genuine and effective link." 115 Die oben aufgezeigte Diskussion berücksichtigt nur am Rande diejenigen Personen, die zwar die Staatsangehörigkeit des Vorgängerstaates hatten, sich im Zeitpunkt des Souveränitätsübergangs im Ausland aufhielten. Hier neigt die Literatur der Auffassung zu, daß diese Personen die Staatsangehörigkeit des Gebietsnachfolgers dann erwerben, wenn sie ihren Wohnsitz in das Gebiet des Nachfolgestaates verlegen, oder dazu, ihnen ein Optionsrecht zu gewähren, das zumeist mit der Rückkehr in den Nachfolgestaat verbunden wird. 116 Die bislang dargestellten Auffassungen in Literatur und Praxis nehmen bei der Defmition derjenigen Personen, die vom Wechsel der Staatsangehörigkeit betroffen sind, in der Regel (auch) auf den Wohnsitz Bezug. G. Hecker versuchte bereits 1931 vergeblich, einen allgemein gültigen völkerrechtlichen Wohnsitzbegriff zu entwickeln. 117 Abzugrenzen ist der völkerrechtliche Wohnsitzbegriff in jedem Fall vom englischen "domicile", das nur in zwei Formen, dem "domicile of origin" und dem "domicile of choice" existiert. 118
dom fo action of States derived from internationallaw (...)" (UN Doc. A(CN.4/474,
S. 8 f.) 114 Knut /psen, Völkerrecht, 4. Auflage, München 1990, S. 330, Rdnr. 25. 115 Johannes MM Chan, HRLJ 12 (1991), S. I, 12. Zu diesem Ansatz tendiert- ohne das Vorliegen des "genuine link" jedoch zu verallgemeinern- bereits Kar! Zemanek, RdC 116 (1965 III), S. 181,272. 116 Vgl. etwa /an Brownlie, Principles of Public International Law, 4. Auflage, Oxford 1990, S. 663. 117 Gottfried Hecker, Der völkerrechtliche Wohnsitzbegriff, Berlin 1931. Ebenso auch Daniel Patrick O'Conne/1, The Law of State Succession, Cambridge 1956, S. 251
m.w.N. 118 So bereits Humphreys J. im Fall Bicknell v. Brosnan (2 Q.B. 77 = ILR 1953, S. 286): "The word 'inhabitants' in this connection must receive its ordinary meaning, namely the people residing in the territory lost to the Crown. (... ) He was not and ist not an inhabitant ofEire (...) The question ofhis domicile is quite irrelevant to the consideration of his nationality."
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Kapitel I: Staatsangehörigkeit und Staatennachfolge
Beim völkerrechtlichen Wohnsitzbegriff ist hingegen der tatsächliche Lebensmittelpunkt ausschlaggebend; eine nur vorfibergehende Abwesenheit ist unschädlich. Dies wird im wesentlichen durch die neuere Staatenpraxis bestätigt. 3. Rechtsprechung
Die Rechtsprechung folgte im wesentlichen einem automatischen Wechsel aufgrund des Domizilprinzips} 19 Grundlegend war hierfilr etwa die Entscheidung der King's Bench im Fall Murray v. Parkes von 1942, in der festgestellt wurde, daß bei Fehlen vertraglicher Vereinbarungen "a British subject becomes an alien by the cession of British territory in which he is resident at the time of cession" .120 Ein Fall, in dem sich der einzelne nicht im vom Souveränitätswechsel betroffenen Gebiet, sondern außerhalb aufhielt, wurde in den USA am 18.8.1943 im Fall Schwarzkopfv. Uhl dahingehend entschieden, daß der sich in den USA aufhaltende Österreicher durch den "Anschluß" Österreichs an das Deutsche Reich nicht die deutsche Staatsangehörigkeit erworben habe. 121 Demgegenüber war der "Egypt Mixed Court of Appeal" im Fall Romana v. Comma 1925 der Auffassung, daß eine Person, die in Rom geboren wurde, aber in Ägypten ihren Wohnsitz hatte, mit der Annexion Roms 1870 italienischer Staatsangehöriger geworden sei. 122 Das BVerfG hatte sich mit Fragen der Staatsangehörigkeit bei Staatennachfolge im Rahmen der Zwangsverleihung der deutschen Staatsangehörigkeit seit l.l.l938 zu beschäftigen. Es gelangte zu der Auffassung, daß keine allgemeinen Grundsätze des Völkergewohnheitsrechtes über den Wechsel der Staatsan-
119 Eine Auswertung der Rechtsprechung findet sich bei Horst-A/ex Schmidt, Staatsangehörigkeitswechsel bei Staatensukzession, München 1966, S. 27 ff. (Deutschland), S. 46 ff. (Frankreich), S. 100 f. (USA). Richtungsweisend waren vor allem die Entscheidungen Boyd v. State of Nebraska ex. rel. Thayer vom 1.2.1892, (1892), 143 U.S. 135; die Entscheidung des Agypt. gemischten Schiedsgerichts vom 12.5.1925 im Fall Rarnano v. Comma (A.D. Bd. Ill, Nr. 195 =Gazette des Tribunaux Mixtes 1926, S. 158 f.), und die Entscheidung desselben Gerichts im Fall Pini v. Pini, Gazette des Tribunaux Mixtes 1920, S. 161 ff. 120 All. E.R. I (1942) 558 ff. mit Anm. von F.A. Mann, MRL 1942, S. 218 ff. 121 U.S. Circuit Court of Appeal, 137 F.2d 898 (2d Cir.l943). Ebenso auch die Entscheidung voip 1.10.1946 in der Sache United States ex. rel. Reiche/ v. Carusi, 157 F.2d 732 = AD Bd. 13, Nr. 49, und United States ex rel. Zeler v. Watkins, 167 F2nd 279. 122 A.D. Bd. 3, Nr. 195.
C. Die Staatsangehörigkeit in Fällen der Staatennachfolge
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gehörigkeit existierten. 123 Der Streit wurde schließlich durch das "Gesetz zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit" vom 22.2.1955 124 beigelegt. II. Differenzierungen nach der Art der Staatennachfolge
Teilweise wird zwischen den Regelungen der Staatsangehörigkeit im Fall einer Gesamtnachfolge und einer Teilnachfolge wie etwa Sezession und Zession differenziert. Eine solche Unterscheidung wird etwa von Weis und Plender vorgenommen, sie fmdet sich aber auch in Art. 15 des Entwurfes des Staatsangehörigkeitsilbereinkommens des Europarates, im Entwurf der "Harvard Law School", aber auch im Zweiten Bericht der ILC vom April 1996. 125 1. Der Wechsel der Staatsangehörigkeit bei Untergang des Vorgängerstaates
Diese Differenzierung berücksichtigt vor allem daß es bei einer Gesamtnachfolge zur Vermeidung von Staatenlosigkeit wünschenswert ist126, nicht nur die im betroffenen Gebiet wohnhaften Staatsangehörigen des Vorgängerstaates, sondern unter Umständen auch anderen Personen wie Staatenlosen die neue Staatsangehörigkeit zu verleihen, 127 wobei der automatische Erwerb gegebenenfalls durch Ausschlagungsrechte ergänzt werden kann 128 • Art. 18 Iit. a der "Draft Convention" des Entwurfes der "Harvard Law School"" bezieht sich nur auf die Angehörigen des Vorgängerstaates und schlägt folgende Regelung vor: "When the entire territoy of a State is acquired by another State, those persons who were nationals ofthe first State become nationals ofthe successor State, unless in ac123 BVerfGE 1, S. 322, S. 326; BVerfGE 2, S. 98; BVerfGE 4, S. 322. 329 mit zustimmender Anm. von Waller Tietgen, DVBI. 1956, S. 21 f. Ähnlich auch BVerwGE 1, S. 206, 212, das auf die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung verweist. 124 BGBl. 1955 I, S. 65 f. 125 UN Doc. NCN.4/474, S. 17 f.; abgelehnt wird diese Diffemzierung von F.A. Mann, MLR 5 (1941), S. 137 ff. 126 Geraud de Ia Padrelle, spricht hier von einen allgemeinen Prinzip des Völkerrechts: "II existe, en effet, un principe generat qui porte condamnation de l'apatridie. Tout indique que ce principe est universellement accepte car nombre d'instruments internationaux impliquent un rejet de l'apatridie tandis qu'on n'en trouve point qui Ia justifieraient.( ...)" (AJPIL 49 [1995), S. 81, 85.) 127 Vgl. hierzu auch den Zweiten Bericht der ILC, UN Doc. NCN.4/474, S. 38 ff. 128 Vgl. zum Wechsel der Staatsangehörigkeit bei Dismembration Paul Weis, Nationality and Statelessness in International Law, 2. Auflage, Alpben an den Rijn 1979, S. 137 ff.
4 Kreuzer
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Kapitel 1: Staatsangehörigkeit und Staatennachfolge cordance with the provisions of its law they decline the nationality of the successor State." 129
2. Der Wechsel der Staatsangehörigkeit bei Fortbestand des Vorgängerstaates
Vorrang genießen auch bei dem Fall einer teilweisen Staatennachfolge völkervertragliche Regelungen. Fehlt es an solchen, stehen sich im Fall der Sezession die staatsangehörigkeitsrechtlichen Regelungen zweier Staaten gegenüber. Hier wird dem einzelnen vielfach ein Wahlrecht eingeräumt, um Härten aufgrund des automatischen Wechsels der Staatsangehörigkeit im einzelfall zu mildem und Individualinteressen besser zu berücksichtigen . Eine entsprechende Regelung wurde bereits in Art. 18 lit. b der "Draft Convention" der "Harvard Law School" aufgenommen: "When a part of the territory of a State is acquired by another State or becomes the territory of a new State, the nationals of the first State who continue their habitual residence in such territory lose the nationality ofthat State and become nationals of the successor State, in the absence of treaty provisions to the contrary, unless in accordance with the law of the successor State they decline the nationality thereof."
Steht der Übergang des Gebietes in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht, dann ist der Vorgängerstaat verpflichtet, seine Staatsangehörigkeit den im Gebiet befmdlichen Personen zu entziehen. 130
129 Vgl. hierzu auch Richard Plender, AJPIL 49 (1995), S. 43, 54 unter Hinweis auf die Kommentierung des Art. 18 durch Richard W. Flournoy: "This article is believed to express a rule of international law which is generally recognised, although there might be differences of opinion with regard to its application under particular conditions. The cases of collective naturalisation provided for in this article are the only cases in which international law, without an applicable provision in the municipal law of the State, declares that a particular person has the nationality ofthe State. lt must be said that internationallaw assumes that the successor State confers its nationality upon the nationals of the predecessor State residing in the annexed territory at the time of annexation." 130 Paul Weis, Nationality and Statelessness in International Law, Alpben an den Rijn, 2. Auflage 1979, S. 147. Richard Plender, AJPIL 49 (1995), S. 43,63 und 64: "In this sense one may speak of a positive rule of international law on nationality to the effect that the predecessor State is under an obligation to withdraw its nationality from the inhabitants of the transferred territory, if they acquire the nationality of the successor State." Vgl. hierzu auch Art. 13 des Bustarnente Code: "In collective naturalizations in case of independence of a State, the law of the acquiring or new State shall apply, if it has established in the territory an effective sovereignty which has been recognized by the State trying the issue, and in the absence therof that the old Staate, all without prejudice to the contractuel stipulations between the two interested States, which shall always have preference."
C. Die Staatsangehörigkeit in Fällen der Staatennachfolge
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Grundsätzlich ist es möglich, Optionsrechte auch bei Dismembrationen zu gewähren, sofern die Nachfolgestaaten aus bestimmten Gründen nicht bereit sind, alle Teile der sich im Inland befmdlichen Staatsangehörigen des Vorgängerstaates zu akzeptieren. Folge ist hier jedoch eine Rechtsunsicherheit hinsichtlich des neuen Staatsvolkes. Im übrigen müßte ein solches Optionsrecht, soll es nicht zu Staatenlosigkeit fUhren, von allen Nachfolgestaaten in gleichem Umfang gewährt werden. 131
111. Das Optionsrecht Optionsrechte wurden nach den Weltkriegen vor allem vertraglich gewährt, finden sich heute aber auch einfachgesetzlich wie etwa in Art. 21 des russischen Staatsangehörigkeitsgesetzes. 132 Auch die Badinter-Kommission sprach sich in ihrem Gutachten Nr. 2 fiir ein Optionsrecht aus: "(...) every individual may choose to belong to whatever ethnic, religion or language community he or she wishes. In the Commission's view, one possible consequence of this principle might be for the members of Serbian population in Bosnia-Herzegovina and Croatia to be recognized under agreements between the Republics as having the nationality of their choice, with all the rights and obligations which that entails with respect to the State concerned." 133
Die Option dient vor allem dazu, Härten aufgrund eines automatischen Wechsels der Staatsangehörigkeit oder durch eine automatische Verleihung der Staatsangehörigkeit zu mildem, und dem einzelnen die Möglichkeit zu geben, über seine Staatsangehörigkeit selber zu entscheiden. Eine völkerrechtliche Verpflichtung zur Optionsgewährung gegenüber dem einzelnen läßt sich aus der völkerrechtlichen Praxis bislang nicht entnehmen. 134
131 Vgl. hierzu insbesondere die Darstellung des Optionsrechtes in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion in Kapitel 3, A.VII. 132 Zahlreiche Beispiele für Optionsrechte finden sich im Zweiten Bericht der ILC vom April 1996, UN Doc. NCN.4/474, S. 46 f. 133 ILM 31 (1992), S. 1497, 1498. 134 Kar/ Matthias Meessen, Die Option der Staatsangehörigkeit, München 1966, S. 81 ff.; ders.; EPIL 8 (1985), S. 424, 426; Weis, Pau/, Staatsangehörigkeit und Staatenlosigkeit im gegenwärtigen Völkerrecht, Berlin 1962, S. 17. Ein multilaterales generelles Optionsrecht findet sich allein in Art. 4 der amerikanischen Staatsangehörigkeitskonvention vom 26.12.1923: "In case of transfer of a portion of territory of the part of one of the states signatory hereof to another of such states, the inhabitants of such transferred territory must not consider themselves as nationals of the state to which they are transferred to, un1ess they expressly opt to change their original nationality."
4*
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Kapitel 1: Staatsangehörigkeit und Staatennachfolge
Nach der von Meessen getroffenen Defmition versteht man unter einer "Option der Staatsangehörigkeit" "den Erwerb einer Staatsangehörigkeit, den Verzicht auf eine Staatsangehörigkeit oder die Abwendung einer bevorstehenden Staatsangehörigkeitsveränderung durch rechtsgestaltende Erklärung des einzelnen." 135
Die Option kann dazu dienen, eine bisherige Staatsangehörigkeit beizubehalten, einen automatischen Erwerb rückgängig zu machen (gebundene Option), oder sich für eine neue Staatsangehörigkeit zu entscheiden (freie Option). 136 Des weiteren kann zwischen einer negativen Option, in der die erworbene Staatsangehörigkeit abgelehnt wird, und der positiven Option, die zum Erwerb der neuen Staatsangehörigkeit fUhrt, differenziert werden. In keinem Fall bedeutet die Option jedoch, wie der Begriff nahe zu legen scheint, eine echte Wahl zwischen zwei Staatsangehörigkeiten. 137 Der Personenkreis, dem ein Recht auf Option zusteht, bestimmte sich in der Regel entweder nach dem Domizil- oder nach dem Originitätsprinzip 138 • So gewährte etwa der Friedensvertrag von Versailles ein Optionsrecht den vom Wechsel betroffenen Personen, die im Gebiet wohnhaft waren. Im Vertrag von St. Germain fand sich ein Optionsrecht ftlr Personen, die einem bestimmten Volk zugehörten: "Personen, die in einem zur ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie gehörigen Gebiet heimatberechtigt und dort nach Rasse und Sprache verschieden sind, können innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten nach dem Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrages flir Österreich, Italien, Polen, Rumänien, den serbischkroatisch-slowenischen Staat oder den tschechoslowakischen Staat optieren, je nach-
13s Kar/ Matthias Meessen, Die Option der Staatsangehörigkeit, Berlin 1966, S. 62 unter Nennung anderer Definitions- und Umschreibungsmöglichkeiten. Eine einschränkende Definition findet sich etwa bei Josef L. Kunz, RdC 80 ( 1930 1), S. I 07, 121: "Les optants n'ont Je droit d'opter que pour leur ancienne nationalite. Le droit d'option est Ia faculte appartenant aux personnes atteintes dans Ieur nationalite par une succession d'Etats de se prononcer pour leur ancienne nationalite par un acte spontane, dependant de leur volonte libre."; ders., Die völkerrechtliche Option, Bd. 1, Breslau 1925, S. 83: "Optionsrecht ist die den von einer Staatensukzession betroffenen Personen zustehende Möglichkeit, durch einen eigenen freien Willen sich flir ihre alte Staatsangehörigkeit zu entscheiden." 136 Vgl. zu den Gründen fllr die Gewährung von Optionsrechten Kar/ Matthias Meessen, Die Option der Staatsangehörigkeit, Berlin 1966, S. 64 f. 137 So bereits Josef L. Kunz, Die völkerrechtliche Option, Bd. 1, Breslau 1925, S. 83. Für eine weite Definition spricht sich auch die ILC in ihrem Zweiten Bericht aus; vgl. UN Doc. A/CN.4/474, S. 45. 131 Vgl. hierzu Josef L. Kunz, Die völkerrechtliche Option, Bd. 1, Breslau 1925, S. 105; Christian Sto/1, Die Rechtsstellung der deutschen Staatsangehörigen in den polnisch verwalteten Gebieten, Frankfurt M., Berlin 1968, S. 227.
C. Die Staatsangehörigkeit in Fällen der Staatennachfolge
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dem, ob die Mehrheit der Bevölkerung dort aus Personen besteht, welche die gleiche Sprache sprechen und derselben Rasse zugehören wie sie.'' 139 Nach dem 2. Weltkrieg wurde nicht mehr an die Volkszugehörigkeit, sondern an die Umgangssprache angeknüpft: "Die Regierung des Staates, an den das Gebiet abgetreten wird, wird innerhalb von drei Monaten nach dem Inkrafttreten des vorliegenden Vertrages durch geeignete Gesetze dafür sorgen, daß alle in Ziffer I genannten Personen im Alter von über I 8 Jahren (oder verheiratete Personen, gleichviel, ob sie dieses Alter erreicht haben oder nicht), deren Umgangssprache Italienisch ist, das Recht haben, innerhalb eines Jahres nach dem Inkrafttreten des vorliegenden Vertrages filr die italienische Staatsangehörigkeit zu optieren. Alle so optierenden Personen behalten die italienische Staatsangehörigkeit und gelten nicht als Staatsangehörige des Staates, an den das Gebiet abgetreten wird." 140 Die Option der Staatsangehörigkeit ist von Einbürgerungen und Verfahren der erleichterten Einbürgerung wie sie sich etwa in Rußland in Form der Registrierung fmden, zu unterscheiden. Im Gegensatz zu einer Einbürgerung steht der Erwerb der Staatsangehörigkeit nicht im Ermessen des verleihenden Staates, und muß von diesem auch nicht genehmigt werden. Vielmehr kommt der Option konstitutive Wirkung dergestalt zu, daß die Erklärung des einzelnen ausreicht, um die gewünschte Staatsangehörigkeit zu erwerben oder zu verlieren. Die Option erfolgt in der Regel durch schriftliche Erklärung bei der zuständigen Behörde, allein Art. 7 des chinesich-indonesischen Vertrages vom 22.4.1955 kannte ein Optionsrecht durch Auswanderung. Im Interesse der betroffenen Staaten an der genauen Abgrenzung des Staatsvolkes wird die Option in der Regel befristet. Dies ist jedoch nicht zwingend. Die Fristen lagen in der Staatenpraxis bislang zwischen sechs Monaten und sechs Jahren. 141 Meessen geht davon aus, daß Fristen zwischen sechs Monaten und zwei Jahren den Interessen der Staaten am ehesten gerecht würden. 142 Eine Frist von zwei Jahren war etwa in Art. 37 Abs. I des Versailler Vertrages filr ehemalige deutsche Reichsangehörige, die in Belgien wohnhaft waren, vorgesehen 143 • Die jüngere
139 Zitiert nach Hans-Joachim See/er, Das Staatsangehörigkeitsrecht von Jugoslawien, Frankfurt M., Berlin, 1956, S. 72. Vgl. hierzu auchJosefL. Kunz, RdC 80 (1930), S. 107, 150; ders., AJIL 41 (1947), S. 622, 627. 140 Zitiert nach Wilhelm Cornides/ Eberhard Menzel, Die Friedensverträge von 1947 mit Italien, Ungarn, Bulgarien, Rumänien und Finnland, Oberursel 1948, S. 66, 72. Vgl hierzu auch Kunz, Josef L., AJIL 41 (1947), S. 622 f. Der Friedensvertrag mit Italien findet sich auch in UNTS 49 (I 950), S. 3 ff. 141 Vgl. hierzu insbesondere Josef L. Kunz, Die völkerrechtliche Option, Bd. I, Breslau 1925, S. 145. 142 Kar[ Matthias Meessen, Die Option der Staatsangehörigkeit, Berlin 1966, S. 100. 143 Ähnliche Optionsregelungen waren auch in Art. I 06 Abs. 2 und 3 für die Freie Stadt Danzig und in Art. 85 für Personen mit Wohnsitz in der Tschechoslowakei vorgesehen. Ergänzend bestimmte Art. 91 Abs. 4 für Polen deutscher Reichszugehörigkeit
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Kapitel l: Staatsangehörigkeit und Staatennachfolge
Staatenpraxis nimmt in der Regel ebenfalls eine Befristung vor. Die Fristen liegen zwischen drei Monaten und vier Jahren. 144
D. Zusammenfassung 1. Festzuhalten ist, daß der in der Vergangenheit aufrecht erhaltene Grundsatz vom automatischen Wechsel der im Gebiet wohnhaften Bevölkerung aufgrund einer völkergewohnheitsrechtliehen Norm nicht als Teil des Völkergewohnheitsrechts nachweisbar ist. Dies ergibt sich aufgrund der unterschiedlichen Haltung in der völkerrechtlichen Literatur und einer Prüfung der bisherigen Rechtsprechung nationaler und internationaler Gerichte. In der Regel wurden jedoch Personen, die ihren ständigen Aufenthalt oder Wohnsitz in dem vom Wechsel betroffenen Gebiet hatten, als Teil des neuen Staatsvolkes akzeptiert.
2. Abweichungen von dem Wohnsitzprinzip und das Abstellen auf den Ort der Geburt oder die Abstammung und Volkszugehörigkeit sind vor allem während des Dekaionisierungsprozesses feststellbar. Der Erwerb der Staatsangehörigkeit durch Personen, die mit der Bevölkerung des neuen unabhängigen Staates nicht ethnisch verbunden waren, wurde restriktiv gehandhabt, was seinen Ausdruck etwa darin fand, daß für einen Erwerb der Staatsangehörigkeit ein längerer Inlandsaufenthalt gefordert wurde. So verlangte Ceylon zehn Jahre, in Burma lag die geforderte Aufenthaltsdauer bei acht Jahren. 3. Unterschieden werden kann zwischen einem Wechsel der Staatsangehörigkeit in Fällen der Dismembration und der Sezession. Während sich im ersten Fall das Problem der Staatenlosigkeit stellt, stehen sich im zweiten Fall zwei Staaten mit ihrer Staatsangehörigkeitsgesetzgebung gegenüber. Konflikte werden dadurch gelöst, daß der Vorgängerstaat verpflichtet ist, auf die Staatsangehörigen zu verzichten, die der Gebietsnachfolger für sich beansprucht. 4. Interessen des einzelnen werden durch die Einräumung von Optionsrechten berücksichtigt. Auch wenn diese vor allem bei Sezessionen gewährt werden, sind solche Ausschlagungs- oder Erwerbsrechte grundsätzlich auch bei einer Dismembration denkbar. 5. Optionsrechte können entweder in Form von Ausschlagungsrechten (negative Option) auftreten; der einzelne kann aber auch durch Ausübung der
mit Wohnsitz in Deutschland, daß diese flir die polnische Staatsangehörigkeit optieren konnten. 144 Vgl. zu den Optionsrechten in den neuen osteuropäischen Staaten Kapitel 3, A.VI, B.IV, C.IV.
D. Zusammenfassung
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Option eine neue Staatsangehörigkeit erwerben (positive Option). Positive Optionsrechte können insbesondere dazu dienen, daß Personen, die sich im Ausland aufhalten, und die die Staatsangehörigkeit eines Wohnsitzstaates erwerben wollen, die Möglichkeit des Erwerbs aufgrund einer Abstammung eingeräumt wird, bzw. im umgekehrten Fall können Personen, die sich im vom Wechsel betroffenen Gebiet ständig aufhalten, aber aufgrund ethnischer Kriterien nicht in das Staatsvolk aufgenommen wurden, durch Erklärung Staatsangehörige des Wohnsitzstaates werden. Notwendig filr den Erwerb der Staatsangehörigkeit durch Option ist eine entsprechende Erklärung gegenüber der zuständigen Behörde, in der Regel innerhalb einer bestimmten Frist.
Kapitell
Die Desintegration von UdSSR, SFRJ und CSFR A. Das Auseinanderbrechen der Sowjetunion I. Von der Gründung bis zum Untergang I. Die Lösung det: baltischen Staaten
Der Prozeß der Loslösung von der UdSSR begann mit den Souveränitätserklärungen Estlands, Lettlands und Litauens 1988/1989. 1 Der Oberste Sowjet in Litauen erklärte am 22.8.1989, die Annexion durch die Sowjetunion sei illegal gewesen/ und beschloß am 6.12.1989, das Parteimonopol der kommunistischen Partei zu beseitigen.3 Nachdem zunächst die Kommunistische Partei Ende 1989 die Unabhängigkeit von Moskau erklärt hatte, verkündete der Oberste Sowjet Litauens am 11.3.1990 die Unabhängigkeit der Republik Litauen von der Sowjetunion. Die Zentralregierung versuchte, diesen Bestrebungen mit einem Embargo zu begegnen, was zwar in Litauen ein Moratorium zur Folge hatte, Lettland hingegen nicht daran hinderte, es Litauen gleich zu tun. Hier erklärte der Oberste Sowjet am 4.5.1990 die Unabhängigkeit. Trotz Eingreifens der sowjetischen Armee sprach sich schließlich bei einem nicht verbindlichen Referendum am 9.2.1991 die Mehrheit der Bevölkerung in Litauen für die Lö-
1 Estland erklärte die Souveränität am 16.11.1988, Litauen am 26.5.1989 und Lettland am 28.7.1989. Vgl. zur Separation der baltischen Staaten auch Theodor Schweisfurth, BerDGVR 35 (1996), S. 49, 56 ff. 2 Der Volkskongreß der Abgeordneten der Sowjetunion verurteilte schließlich im Dezember 1989 den Molotow-Ribbentrop-Pakt (Andreas Wilhelm, ZaöRV 51 [1991], S. 683, 690). Zum Hitler-Stalin-Pakt Gilbert Gornig, ROW 33 (1989), S. 395 ff. 3 Vgl. zur Geschichte der baltischen Staaten und der Wiederherstellung ihrer Unabhängigkeit: William C. Allison, Denver Int'l L. & Pol. 17 (1991), S. 625 ff.; Susan E. Himmer, Emory Int'l L. Rev. 6 (1992), S. 253 ff.; Egil Levits, in: Hans-Georg Ehrhardt (Hrsg.), Die "sowjetische Frage": Integration oder Zerfall?, Baden-Baden 1991 , S. 43 ff.; Andrejs Plakans, JBS XXII (1992), S. 259 ff.; Toivo V. Raun, JBS XXII (1991); S. 251 ff.; Alfred Erich Senn, JBS XXII (1991), S. 245 ff. ; W. T. Webb, Journal of Legislation 17 (1991), S. 309 ff.
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sung von der ehemaligen UdSSR aus. Plebiszite in Estland und Lettland am 17.3.1991 führten zu ähnlichen Ergebnissen. 4 Nach dem Augustputsch erklärten Estland und Lettland am 20. und 21 .8.1991 ihre Unabhängigkeit. Litauen bestätigte tags darauf die Unabhängigkeitserkärung von 1990. Von dem am 3.4.1990 beschlossenen Sezessionsgesetz der UdSSR machte keine der drei Republiken Gebrauch. Kurze Zeit später wurden die drei baltischen Staaten anerkannt. Die Anerkennung durch Rußland erfolgte fiir Estland und Lettland am 24.8.1991, die durch die UdSSR am 6.9.1991/ seitens der Europäische Gemeinschaften am 27.8.1991. Die USA sprachen die Anerkennung am 2.9.1991 aus. Bereitsam 10.9.1991 wurden die baltischen Staaten in die nunmehrige OSZE aufgenommen, und nur sieben Tage später erfolgte die Aufnahme in die UNO.
2. Die Desintegration der übrigen UdSSR Die Sowjetunion wurde 30.12.1922 durch einen Unionsvertrag der RSFSR, der Ukrainischen SSR, der Weißrussischen SSR und der Transkaukasischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik geschaffen, der zwar ein Recht auf Sezession enthielt, das sich in allen späteren Verfassungen wiederfindet, dennoch aber die Grundlage fiir die Schaffung eines zentralisierten Staates bildete. Die Zahl der Republiken nahm im Laufe der Zeit zu. Zu Beginn des Desintegrationsprozesses bestand die UdSSR aus fiinfzehn Unionsrepubliken: der Armenischen SSR, der Aserbaidschanischen SSR; der Belorussischen SSR, der Estnischen SSR, der Georgischen SSR, der Kasachischen SSR, der Kirgiseben SSR, der Lettischen SSR, der Litauischen SSR, der Moldauischen SSR; der Rußländischen SFSR, der Tadschikischen SSR; der Turkmenischen SSR, der Ukrainischen SSR und der Usbekischen SSR. Ein Wandel zeichnete sich 1988/89 ab, als die Unionsrepubliken im Zuge von "glasnost" und "perestroika" eine stärkere Stellung und mehr Gewicht im Bundesstaat forderten, und sie nach und nach ihre Souveränität erklärten, was nicht gleichbedeutend mit dem Streben nach Unabhängigkeit war. Die Unabhängigkeitserklärungen der einzelnen Unionsrepubliken erfolgten etwa ein Jahr später6 •
4
73%.
In Estland votierten über 77 % für die Unabhängigkeit; in Lettland waren es rund
5 Von Bedeutung ist die Anerkennung insbesondere ftlr die Möglichkeit der Registrierung nach Art. 18 des russischen Staatsangehörigkeitsgesetzes, das auf Unionsrepubliken nach dem Stand vom 1. 9 .1991 abstellt. Vgl. hierzu Kapitel 3, A. VI.3 .a. 6 Die Unabhängigkeit erklärten: Armenien arn 23.8.1990; Aserbaidschan arn 23.9.1989; Belarus arn 26.8.1991 , Kasachstan am 16.12.1991; Kirgistan am 31.8.1991;
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Kapitel2: Die Desintegration von UdSSR, SFRJ und CSFR
Vor dem Auseinanderbrechen 1991 wurde noch ein Entwurffilr einen neuen Unionsvertrag, 7 und im April 1990 ein Gesetz über den Austritt aus der Union aufgrundvon Art. 72 der Verfassung vorgelegt.' Die Bundesversammlung billigte am 6.3.1991 den Entwurf des Unionsvertrages, der Rechte der Union zugunsten von gemeinsamen Kompetenzen beider Ebenen zurückdrängen sollte. Bei einem Referendum am 17.3.1991 sprach sich die Mehrheit der Abstimmenden noch fiir den Erhalt der UdSSR in Form einer Föderation aus. Die Umsetzung unterblieb wegen des Putschversuches am 22.8.1991. 9 Als der Prozeß der Auflösung nicht aufzuhalten schien, 10 unterzeichneten die drei slawischen Staaten Rußland, Weißrußland und die Ukraine am 8.12.1991 das Abkommen in Minsk über die Gründung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS-Gründungsabkommen). In Alma-Ata traten die anderen Unionsrepubliken bis auf die baltischen Staaten und Georgien dem GUSGrUndungsabkommen bei. Georgien hatte zunächst nur Beobachterstatus, ist mittlerweile aber aufgenommen, nachdem es 1993 einen Aufnahmeantrag gestellt hatte. 11
die Republik Moldau am 25.8.1991 ; Tadschikistan am 9.9.1991; Turkmenistan am 27.10.1991; die Ukraine am 24.8.1991; Usbekistan am 31.8.1991. Georgien erklärte am 9.4.1991 mit der Unabhängigkeit, daß der Einmarsch 1921 sowie der 1921 geschlossene sowjetisch-georgischen Vertrag und der Vertrag über die Bildung der Transkaukasischen SSR vom 12.3.1922 - und damit auch zugleich den Unionsvertrag von 1922nichtig seien. Rußland gab keine Unabhängigkeitserklärung ab. 7 Vgl. hierzu Urs W Saxer, Loy. L. A. Int'l. & Comp. L. I. 14 (1992), S. 585, 588. 8 Dieses forderte zunächst einen Beschluß über ein Referendum, die Abhaltung eines Referendums, bei dem sich zwei Drittel der Wahlberechtigten für die Unabhängigkeit aussprechen mußten, sowie eine Übergangszeit von fünf Jahren. Sollte das Referendum keinen Erfolg haben, mußten zehn Jahre abgewartet werden, bevor eine erneute Abstimmung möglich sein sollte. (Vgl. hierzu Dona/d Barry, Review of Central and East European Law 18 [1992], S. 527 f.). 9 Vgl. zum Prozeß der Auflösung der Sowjetunion und den damit in Zusammenhang stehenden Fragen der Staatensukzession insbesondere Theodor Schweisfurth. ZaöRV 52 (1992), S. 541 ff.; ders., ArchVR 32 (1992), S. 99 ff.; ders., BerDGVR 35 (1996), S. 49 ff. Eine Zusammenstellung der völkerrechtlich relevanten Dokumente findet sich bei August Reinischl Gerhard Hafner, Staatensukzession und Schuldenübernahme beim "Zerfall" der Sowjetunion, Wien 1995, S. 119 ff. 10 Vgl. zum weiteren Zerfallsprozeß, d.h. den Referenden in den Unionsrepubliken, und den Souveränitäts- und Unabhängigkeitserklärungen Theodor Schweisfurth, BerDGVR 35 (1996), S. 49, 57 f. 11 Nach Sarah Boderson/ Aart Verdank. European Taxation 34 (1994), S. 50, 51 .
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II. Völkerrechtliche Bewertung des Auflösungsprozesses Die baltischen Staaten stellen nach eigener Auffassung 12 keine Nachfolgestaaten der UdSSR dar, sondern hier handelt es sich um "wiederhergestellte" Staaten. 13 Dieses Wiederaufleben der von 1920 bis zu ihrer Annexion im Jahr 1940 unabhängigen Staaten, die seit 1921 Teil des Völkerbundes waren, wird dadurch bestätigt, daß einige Staaten, im Jahr 1979 waren es außer der Bundesrepublik Deutschland dreizehn weitere NATO-Staaten, die Annexion durch die UdSSR de iure nicht anerkannt hatten. 14 Viele der vor der Annexion geschlossenen völkerrechtlichen Verträge, insbesondere Auslieferungs- und Rechtshilfeabkommen, lebten nach der Wiederherstellung der Unabhängigkeit wieder, z.T. wurde auf die vor der Annexion herrschende Gesetzgebung, etwa im Bereich des Staatsangehörigkeitsrechts, zurückgegriffen. Zu erwähnen ist auch die Rückgabe des Goldes, das baltische Staatsbanken in England eingelagert hatten. Zu klären ist im folgenden, ob die verbleibende Sowjetunion durch Dismembration untergegangen ist, oder ob nicht die Russische Föderation die ehemalige UdSSR fortsetzt. 15 Wäre dies der Fall, dann hätte dies im Bereich 12 Vgl. hierzu etwa die Erklärungen Estland und Lettlands vom 8.10.1991 und 26.2.1993 an den ON-Generalsekretär. 13 Lawrence S. Eastwood, Jr., (ebenso auch Dietrich Homann, FW 1993, S. 98,99) spricht zwar von Sezession, betont aber den Charakter der Wiederherstellung der vormals unabhängigen Staaten (Duke Journal of Comparative & International Law 3 [1993), S. 299, 316); ebenso !gor Grazin, Notre Dame Law Review 66 (1991), S. 1385, 1407, 1419. Für einen Untergang sprach sich hingegen Rußland aus (vgl. hierzu Theodor Schweisfurth, BerDGVR 35 [1996], S. 49, 57 m.w.N.). Ebenso auch Carsten T Ebenroth/Dietrich Grashoff, ZVglRWiss 92 (1993), S. I, 6, die auf den Wegfall der Staatsgewalt und den Effektivitätsgrundsatz verweisen. 14 Boris Meissner, in: ders. (Hrsg.), Die baltischen Nationen Estland, Lettland, Litauen, Köln 1990, s. 199 m.w.N. Vgl. zur Haltung der USA etwa Lawrence Juda, JBS VI (1975), S. 272 ff; zu der Großbritanniens Arien J. Kochavi, JBS XXII ( 1991 ), S. 173 ff. Eine Darstellung der Annexion zusammen mit einem Überblick über die Haltung der einzelnen Staaten findet sich bei W.J.H Hough ll/, N. Y. Sch. J. Int'l L. & Comp. L. 6 (1985), S. 355, 385 ff. 1 ~ Für eine Fortsetzung der ehemaligen UdSSR durch die Russische Föderation sprechen sich George Bunn/ John B. Rhinelander, V.J.Int'l L. 33 (1993), S. 323, 330; Wladislaw Czaplinski, RBDI 26 (1993/2), S. 375, 385 f.; A. Kolodkin, RBDI 26 (1993/2), S. 552, 554; Martti Koskenniemil Marja Lehto, AFDI 38 (1992), S. 174, 189f.; Marja Lehto, The Finnish YB ofint'l L. 4 (1993), S. 194, 227f., David 0. Lloyd, N. Y. U. J. Int'l L. & Pol. 26 (1994), S. 761, 778, ("because Russia was fundamentally the same state, in terms of population, territory, government, and roJe in the internatio, nal area(... )"); Markus Weyer, ROW 1992, S. 166, 171, aus. A.A. Dona/d Barry, Review of Central and East European Law 18 ( 1992), S. 527; Carsten T Ebenroth/ Dietrich Grashoff, ZVgiRWiss 92 (1993), S. 1, 6; /gor lvanovic Lukashuk, OER 39 (1993), S. 235, 239; Evgenij Vladimirovic Martynenko, OER 39
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Kapitel 2: Die Desintegration von UdSSR, SFRJ und CSFR
des Staatsangehörigkeitsrechts die Konsequenz, daß diejenigen Sowjetbürger, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Nachfolge- oder wiederhergestellten Staates erlangt hatten, automatisch Staatsangehörige der Russischen Föderation geworden wären. 16 Einige Tatsachen sprechen durchaus dafilr, die RSFSR Getzt: Russische Föderation) als Fortsetzerstaat der ehemaligen Sowjetunion anzusehen. So übernahm Rußland die Außenvertretungen der ehemaligen Sowjetunion und die Mitgliedschaft der UdSSR in der UNO, insbesondere aber den Sitz im Sicherheitsrat, nachdem Präsident Jelzin dem ON-Generalsekretär in einem Schreiben vom 24.12.1991 mitgeteilt hatte, that the membership of the Soviet Union in the Security Council and all other UN organswas being continued by the Russian Federation with the support ofthe countries of the Commonwealth of Independent States. 11
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Viele von der UdSSR abgeschlossene Verträge wurden von Rußland übernommen, und dritte Staaten sahen oftmals von einer ausdrücklichen Anerkennung Rußlands ab. Außerdem lebten die meisten ehemaligen Unionsbürger in der Russischen Föderation, deren Territorium 76,3 %des Gebietes der vormaligen UdSSR umfaßte. 18 Einer solchen Kontinuität steht jedoch entgegen, daß auch Rußland am 13.12.1992 den Unionsvertrag von 1922 kündigte. Ferner setzte Rußland die bisherigen rechtlichen und politischen Strukturen nicht fort. 19 So galt etwa auch das Staatsangehörigkeitsgesetz der UdSSR von 1990 nicht automatisch in der Russischen Föderation bzw. filr Angehörige der anderen Sowjetrepubliken weiter, wie dies etwa in der FRJ mit dem Gesetz von 1976 der Fall war, sondern hier wurden neue Vorschriften erlassen. 20 Die Auf(1993), S. 35, 41; Rein Mul/erson, V.J.Int'l L. 33 (1993), S. 289, 307; Urs W. Saxer, Loy. L. A. lnt'l. L. & Comp. L. J. 14 (1992), S. 585, 698 und 708; Wolfgang Seiffert, WiRO 1 (1992), S. 137, 138; Helmut Tichy, AJPIL 44 (1992), S. 117, 130. 16 Vgl. zu einer "subsidiary responsibility" flir die "left-overs" Michel /ogna-Prat, in: Gowl/and-Debbas, Vera (Hrsg.), The Problem of Refugees in the Light of Contemporary International Law lssues, Den Haag 1996, S. 25, 28. 17 UN Press Release ORG/8.1.1991; deutsch in BGBI. 1992 II, S. 1016. 18 Weitere vergleichende Angaben finden sich bei Martti Koskenniemil Marja Lehto, AFDI38 (1992), S. 174, 189 f 19 Vgl. zur Demontage der Unionsorgane ausfUhrlieh Theodor Schweisfurth, BerDGVR 35 (1996), S. 49, 59. 20 Anders hingegen Michael Bothel Christian Schmidt, RDGIP 96 ( 1992), S. 811, 822: C'est ainsi que cette republique se glisse pour ainsi dire progressivement dans Ia peau de l'ancienne Union. A l'occasion de Ia dissolution formelle de l'URSS, l'identite de l'union et de Ia Federation du Russie est de Ia sorte deja devenue un fait accompli, accepte comme tel par Ia communaute internationale. 11
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fassung, die ehemalige Sowjetunion fortsetzen zu wollen, fand ihren Niederschlag darin, daß Rußland bestimmten Personengruppen die Möglichkeit einer erleichterten Einbürgerung einräumt, insbesondere jedoch denjenigen Personen, die Angehörige der ehemaligen Sowjetunion waren, und die nicht die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erworben haben. Die sowjetischen Streitkräfte wurden zwar von der RSFSR übernommen, Rußland trat hier jedoch nicht als Fortsetzerstaat der UdSSR auf, sondern stellte in jeweiligen Dekreten ausdrUcklieh fest, daß er sich hier um eine Maßnahme in Zusammenhang mit der Beendigung der Existenz der UdSSR handle. 21 Ferner unterstützten die anderen Nachfolgestaaten Rußland in Alma-Ata darin, die UN-Mitgliedschaft fortzusetzen und den Sitz im UN-Sicherheitsrat zu übernehmen: "The States of the Commonwealth support Russia's continuance of the membership of the Union of Soviet Socialist Republics in the United Nations, including permanent membership of the Security Council, and other international organizations. "22
Die GUS-Staaten beschlossen am 23.3.1992 nach dem Treffen in Kiew "anzuerkennen, daß alle Teilnehmerstaaten Unabhängiger Staaten Nachfolger der Rechte und Pflichten der ehemaligen UdSSR sind". 23 Entsprechend wurde denn auch die Verteilung der Schulden auf alle Nachfolgestaaten nach einem festgelegten Schlüssel vorgenommen. 24 Auch das in Minsk am 30.12.1991 geschlossene "Abkommen über das Eigentum der ehemaligen UdSSR im AusIand"25 nimmt in der Präambel auf den Untergang der Sowjetunion Bezug, wenn es hier heißt "unter Berücksichtigung der tiefen Veränderungen, die zur Beendigung der Existenz der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken als Staat, als Völkerrechtssubjekt und als geopolitische Einheit gefiihrt haben. "26
Theodor Schweisfurth, BerDGVR 35 (1996), S. 49, 61 m.w.N. ILM31 (1992),S.142, 151. 23 EA 8 (1992), S. D 305 f. 24 Hiernach sollte die RSFSR 61,34% übernehmen, die Ukraine 16,37 %, Weißrußland 4,12 %. Usbekistan 3,27 %, Kasachstan 3,86 %, Georgien 1,62 %, Aserbaidschan 1,64 %, Litauen 1,41 %, die Republik Moldau 1,29 %, Lettland 1,14 %, Kirgistan 0,95 %, Tadschikistan 0,82 %, Armeoien 0,86 %, Turkmenistan 0, 7 %, und Estland 0,62 %. (Nach Huber/ Bee/emans, OER 41 [1995], S. 73, 88). 25 Vgl. zu den weiteren Abkommen von Minsk Theodor Schweisfurth, ZaöRV 52 ( 1992), s. 541' 644 ff. 26 Zitiert nach Theodor Schweisfurth, BerDGVR 35 (1996), S. 49, 66. Differenzierend zur Auflösung Hellmuth Hecker, ArchVR 35 (1997), S. 73, 83, der die Auffassung vertritt, daß die UdSSR erst mit Rücktritt Gorbatschows am 25.12.1991 durch die Erklärung des Obersten Sowjets am 26.12.1991 untergegangen ist. 21
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Kapite12: Die Desintegration von UdSSR, SFRJ und CSFR
Dritte Staaten gingen oftmals davon aus, daß mit der Zergliederung der Sowjetunion der Vertragspartner entfallen sei, so etwa Österreich im Hinblick auf den Staatsvertrag von 1955. 27 Der Begriff "Fortsetzerstaat"ist also nicht im Sinne völkerrechtlicher Kontinuität, sondern in einem politischen Zusammenhang zu verstehen. 23 Als Zeitpunkt der Auflösung kann nicht bereits der Tag der Unterzeichnung des Minsker Abkommens gelten, auch wenn hier in der Präambel festgestellt wird, "( ... ) that the Union of Soviet Socialist Rep.ublics as a subject of international law and a geographical reality no Ionger exists." 9 Denn zur Aufhebung des Unionsvertrages hätte es der Mitwirkung aller Unionsrepubliken, und nicht nur der drei slawischen bedurft. 30 Dies scheinen die Vertragsschließenden Parteien auch gesehen zu haben, da sie in Art. 13 ausdrücklich die anderen ehemaligen Unionsrepubliken zum Beitritt auffordern.31 Der Beitritt erfolgte durch die Erklärung von Alma-Ata am 21.12.1991. 32 Hier stellten die GUS-Staaten denn auch im Vertragstext ausdrücklich fest: "With the establishment of the Commonwealth of Independent States, the Union of Soviet Socialist Republics ceases to exist." Georgien war nicht Unterzeichnerstaat im Alma-Ata. Dies war jedoch fiir die Dissolution unschädlich, da Georgien sowohl den georgisch-sowjetischen Vertrag, als auch den Vertrag tiber die Bildung der Transkaukasischen SSR und den Unionsvertrag von 1922 als nichtig und damit im Hinblick auf Georgien als nicht verbindlich ansah. Die Aufhebung des Vertrages von 1922 war auch möglich. Zwar stellte Kelsen 1928 fest, daß kein Rechtsstatz dahingehend existiere, daß Rechtsverhält27 Wolfgang Seiffert, WiRO I (1992), S. 137, 138. 28 Theodor Schweis[urth, ZaöRV 52 (1992), S. 541, 689; Wo/fang Seiffert, WiRO I (1992), S. 137, 138. Ahnlieh auch der russische Außenminister Kosyrev im Januar 1992, der erklärt, daß der Begriff "Fortsetzerstaat" bedeute, daß auf Rußland der Verbindungsfaden mit der Außenwelt übergegangen sei." (zitiert nach Theodor Schweisfurth, BerDGVR 35 [1996], S. 49, 68). Vgl. zum Begriff des "Fortsetzerstaates" auch Theodor Schweisfurth, ZaöRV 52 (1992), S. 541, 688. 29 ILM31 (1992), S.142, 143. 30 So auch Wolfgang Seiffert, OER 38 (1992), S. 79, 87 f.; Markus Weyer, ROW 1992, s. 166, 169. 31 "This Agreement is open for accession by all Staates members ofthe former Union of Soviet Socialist Republics, and also by other States sharing the purposes and principles ofthis Agreement." (ILM 31 [1992], S. 142, 146). 32 ILM31 (1992),S.147ff.
B. Die Ereignisse in Jugoslawien
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nisse im allgemeinen so, wie sie begründet werden, auch wieder aufgehoben werden könnten. 33 Eine Aufhebung in derselben Form wie die des Vertragsschlusses ist jedoch dann möglich, wenn sich dies aus dem Willen der Vertragsparteien ausdrücklich ergibt. Eine solche Auffassung war zwar in der Sowjetunion zunächst nicht nachweisbar, da zwar nach der Gründung der Sowjetunion noch der staatenbündische Charakter im Vordergrund stand, die h.M. diesen jedoch 1975 als gegenstandslos ansah. 34 Ein Wandel trat jedoch später ein, wie der Erlaß eines Sezessionsgesetzes und die Diskussion über einen neuen Unionsvertrag zeigen. Die Sowjetunion wurde auch nicht in einen neuen Staat der GUS umgewandelt. Denn die GUS stellt weder einen Bundesstaat (noch eine reine "Abwicklungsgemeinschaft") dar, sondern einen Staatenbund, innerhalb dessen die Staaten insbesondere bei Fragen der Wirtschafttspolitik zusammenarbeiten. Die Zusammenarbeit der Nachfolgestaaten erfolgt nach Art. 7 des GUSGründungsabkommens über allgemeine Koordinierungsinstitute der Gemeinschaft; hier aufgrund eines diesbezüglichen Abkommens durch einen "Rat der Staatschefs" und einen "Rat der Regierungschefs". Eine engere Kooperation und Integration vereinbarten im April 1996 Belarus und die Russische Föderation. Diese soll jedoch nicht zur Schaffung eines aus diesen beiden Staaten bestehenden Bundesstaates - etwa mit einheitlicher Staatsangehörigkeit - fUhren. Im Ergebnis ist festzuhalten, daß die UdSSR mit der Unterzeichnung in Alma-Ata durch Dismembration untergegangen ist. Auch wenn die Russische Föderation in viele Positionen der ehemaligen UdSSR einrückte, so sind doch alle zwölf ehemaligen Unionsrepubliken - nicht hingegen die baltischen Staaten Nachfolgestaaten der UdSSR.
B. Die Ereignisse in Jugoslawien I. Der Prozeß der Auflösung
1. Die Zusammensetzung der Bevölkerung
Jugoslawien bestand zu Beginn der Desintegration aus sechs Teilrepubliken: den Sozialistischen Republiken Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Serbien, und Montenegro. Spannungen zwischen den verschiedeHans Kelsen, Allgemeine Staatslehre, Tübingen 1925, S. 223. Henn-Jüri Uibopuu, Die Völkerrechtssubjektivität der Unionsrepubliken der UdSSR, Wien, New York, 1975, S. 114 f. 33 34
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Kapitel 2: Die Desintegration von UdSSR, SFRJ und CSFR
nen ethnischen Gruppen existierten seit der Gründung des jugoslawischen Staates.35 • Die Bevölkerung in Slowenien war mit rund 91 %römisch-katholischer Bevölkerung als einzige homogen. In Kroatien bestand die Mehrheit der Bevölkerung aus römisch-katholischen Kroaten, rund 20 % waren jedoch orthodoxe Serben. In Bosnien-Herzegowina setzte sich die Bevölkerung aus muslimischen Bosniern (43,7 %), Kroaten (17,3 %) und Serben (31,3 %) zusammen.36 In Mazedonien und Montenegro war die Bevölkerung orthodox ausgerichtet, während in Serbien eine Mehrheit orthodoxer Serben zusammen mit einer Minderheit von muslimischen Albanern lebte. 2. Die Unabhängigkeitserklärungen und Anerkennungen
Die Strömungen in den anderen sozialistischen osteuropäischen Staaten fUhrte dazu, daß auch in Jugoslawien Uneinigkeit hinsichtlich der weiteren Zukunft des Bundesstaates bestand.37 Das Streben der Republiken nach größeren Kompetenzen zugunsten der Teilrepubliken fand u.a. seinen Ausdruck darin, daß das slowenische Parlament am 27.9.1989 eine Verfassungsänderung dahingehend beschloß, ein Recht auf Sezession vom Bundesstaat Jugoslawien in die Verfassung der Republik Slowenien aufzunehmen. 38 Wie bei der Desintegration in der Sowjetunion trennte sich auch hier zunächst die kommunistische Partei, und erst im Anschluß daran erklärte die Republik die Unabhängigkeit. Als erste löste sich Slowenien, nachdem serbische Kommunisten weitere Reformen abgelehnt hatten. Der serbische Standpunkt wurde insbesondere in einem 1989 ausgearbeiteten Memorandum der Serbi-
35 Diese Konflikte treten zum Teil bereits bei der Gründung des jugoslawischen Staates auf, als sich die Frage stellte, ob das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen wirklich ein neuer Staat, oder nicht aber ein vergrößertes Serbien darstellt. (Vgl. zu den Nationalitätenkonflikten Edgar Hösch, Geschichte der Balkanländer, Stuttgart, Berlin u.a. 1968; Erwin Holzer, Die Entstehung des jugoslawischen Staates, Berlin 1929, S. 54 ff; Reinhold Horneffer, Die Entstehung des Staates, Tübingen 1933, S. 221 ff; Erich Kaufmann, Niemeyers Zeitschrift fiir Internationales Recht 30/31 [1922/23], S. 211 ff; Dusan Lukac, Nations and Nationalities of Yugoslavia, Belgrad 1974; Kar/ Schilling, Ist das Königreich Jugoslawien mit dem früheren Königreich Serbien völkerrechtlich identisch?, Dresden 1939; Fred Singleton, A Short History of the Yugoslav Peoples, Cambridge, London New York u.a. 1985). 36 RFEIRL Research Report I (1992/9), S. 7. 37 Vgl. zu diesen Dezentralisierungsbestrebungen Monilw Beckmann-Petey, Der jugoslawische Föderalismus, Köln, München, 1990, S. 184 ff. ; Vojislav Kostunica, in: Dennison Rusinow, (Hrsg.), Yugoslavia, Washington 1988, S. 78, 81 ; lvan Kristan, in: FS Melichar, Wien 1983, S. 61 ff. 38 Vgl. zum X. Amendment Stefan Pürner, JOR XXXI ( 1990), S. 271 ff.
B. Die Ereignisse in Jugoslawien
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sehen Akademie der Wissenschaften deutlich, in dem die diskriminatorische Politik des politischen Systems in Jugoslawien gegenüber der größten Teilrepublik Serbien beklagt wurde. Die Verfasser gelangten zu der Schlußfolgerung, allen Serben innerhalb und außerhalb Serbiens müsse das Recht zugestanden werden, selbständig über ihre nationalen Interessen zu entscheiden. Diese Haltung fiihrte später u.a. dazu, daß die Vorschläge Sloweniens und Kroatiens fiir eine "Gemeinschaft Unabhängiger Staaten" und der Vertragsentwurf eines "Bundesstaates souveräner Republiken" seitens Bosnien-Herzegowinas und Mazedoniens als mit serbischen Interessen unvereinbar zurückgewiesen wurden. Am 3. 7.1990 erklärte das slowenische Parlament die Souveränität Sloweniens und stellte fest, daß slowenischen Gesetzen Vorrang vor Bundesgesetzen zukommen solle. Diese Verfassungsänderungen wurden am 1.10.1990 von der Bundesregierung fiir null und nichtig erklärt. Bestätigt wurden die Souveränitäts-und Unabhängigkeitsbestrebungen in den einzelnen Republiken durch Referenden. So sprachen sich in Slowenien am 23.12.1990 88,2 % der Wähler die Wahlbeteiligung lag bei 93,2 % - fiir die Unabhängigkeit von Jugoslawien aus. 39 Ähnliche Entwicklungen waren auch in den anderen Teilrepubliken zu beobachten. Das kroatische Parlament erklärte am 30.5.1991, daß die Unabhängigkeit am 30.6.1991 erklärt werde, sofern man sich nicht auf ein weniger zentralisiertes, konföderales Jugoslawien einigen könne, was vom Milosevic jedoch abgelehnt wurde.40 Zur Gewaltanwendung kam es 1991 aufgrundvon Zusammenstößen zwischen der kroatischen Polizei und Serben im Osten Kroatiens. Die jugoslawische Regierung reagierte hierauf mit einer Mobilmachung am 6.6.1991, nachdem der Staatspräsident Jovic am 12.3.1991 bereits die Funktionsunflihigkeit des Staatspräsidiums festgestellt hatte. 41 Seit 3.I 0.1991 lag die Macht bei Vertretern Serbiens und Montenegros. Kurz darauf, am 25.6.1991, erklärten sich Slowenien und Kroatien fiir unabhängig, setzten die Rechtswirkungen (auch der Staatsangehörigkeitsgesetze) jedoch aufgrund der Vereinbarung von Brioni vom 7.7.1991 fiir drei Monate aus42 • Nachdem Waffenstillstände nicht eingehalten wurden, und sich die Kämpfe fortsetzten, erklärten Slowenien und Kroatien am 7.9.1991 formell den Austritt aus der Bundesrepublik Jugoslawien.
39 Vgl. zur Bedeutung der Referenden Anne Peters, Das Gebietsreferendum im Völkerrecht, Baden-Baden 1995. Ein Überblick über den Teilungsfall "Jugoslawien" findet sich bei Theodor Schweisfurth, BerDGVR 35 (1996), S. 49, 68 ff. 40 AdG, S. 35180. 41 AdG, S. 35638. 42 AdG, S. 35857.
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Kapite12: Die Desintegration von UdSSR, SFRJ und CSFR
In Mazedonien sprachen sich am 8.9.1991 74% der Wähler filr einen souveränen und von Restjugoslawien unabhängigen Staat aus. 43 In Bosnien-Herzegowina wurde die Abstimmung von den bosnischen Serben, die eine eigene "Serbische Republik Bosnien-Herzegowina" proklamierten, boykottiert. Im Ergebnis wollten hier am I4.2.I992 99,4% der Abstimmenden die Trennung von Jugoslawien. Lediglich Serbien und Montenegro waren gewillt, in dem alten Staatsverband zu verbleiben. 44 Am 27.4.I992 beschloß das Rumpfpräsidium die Umgründung der bisherigen SFRJ in eine Föderative Republik Jugoslawien (FRJ)45 , die 44% der bisherigen Bevölkerung und 40% des bisherigen Staatsgebietes umfaßte. 46 Auf Seiten der Staatengemeinschaft schaltete sich auf regionaler Ebene sowohl die EG als auch die damalige KSZE zunächst mit dem Ziel ein, den Staat Jugoslawien zu erhalten bzw. friedliche Lösungen zu erarbeiten. Unter dem Vorsitz von Lord Carrington wurde am 7.9.I99I in Den Haag die JugoslawienKonferenz einberufen, die u.a. beschloß, eine Schiedskommission einzusetzen, die auf Anfragen Gutachten erstellen sollte, und die in Streitfiillen die Möglichkeit von bindenden Entscheidungen haben sollte. Nach ihrem Vorsitzenden wurde sie in der Folge "Badinter"-Kommission genannt. Im Dezember I 99 I einigte man sich im Rahmen der EPZ, die neuen osteuropäischen Staaten unter bestimmten Voraussetzungen anzuerkennen.47 Die Anerkennung wurde u.a. von der Achtung der Bestimmungen der UN-Charta, der Verpflichtungen aufgrund der OSZE-Dokumente, von Garantien fiir die 43 Die Unabhängigkeitserklärungen und die neuen Verfassungen finden sich bei Joseph Markol Tomislav Boric (Hrsg.), Slowenien-Kroatien-Serbien, Wien, Köln, Graz, 1991; Ulrich Wiedemann, JOR XXII (1991), S. 355 ff. 44 S. auch Branislav lvanovic, Yugoslav Law 20 (1993), S. 95 ff; Ratko Markovic, Yugoslav Law 20 (1993), S. 83 ff. 45 Die englische Übersetzung der neuen Verfassung der FRJ findet sich in: Yugoslav Law 19 (1992), S. 3 ff. 46 Die Mitteilung an den UN-Generalsekretär erfolgte am 7.5.1992, UN Doc. A/46/915. Diese Umgründung wurde vom EG-Ratsvorsitzenden van den Broeck als einem Putsch vergleichbar bezeichnet. (AdG 1991, S. 36205). Vgl. zu den Veränderungen der obersten Staatsorgane auch Theodor Schweisfurth, BerDGVR 35 (1996), S. 49, 72 ff. 47 Die Beschlüsse der EG-Außenminister zur Anerkennung neuer Staaten finden sich im Bulletin der Bundesregierung Nr. 144 vom 19.12.1991, S. 1173 fT = EA 47 (1992), S. D 120 ff= ILM 31 (1992), S. 1486 ff. Zweifel, ob es sich hier tatsächlich um Anerkennungsrichtlinien und nicht um Voraussetzungen von diplomatischen Beziehungen handelte, äußerten Waldemar Hummer, SZIER 3 (1993), S. 425, 440; Roland Rich. EJIL 4 (1993), S. 36, 62; Mare Weller, AJIL (1992), S. 558, 595. Vgl. zur Bedeutung der Anerkennungen auch Peter Hilpold, ArchVR 31 (1993), S. 387 ff; A. V. Lowe/Colin Warbrick, ICLQ 41 (1992), S. 473, 482; Hermann Weber, HuV 1993, S. 4 ff.
B. Die Ereignisse in Jugoslawien
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Rechte ethnischer und nationaler Gruppen und Minderheiten sowie der Achtung der Unverletzlichkeit der Grenzen abhängig gemacht. Die neuen osteuropäischen Staaten wurden eingeladen, bis 23.12.1992 zu erklären, ob sie eine Anerkennung wünschten. Eine Beurteilung dahingehend, ob die geforderten Kriterien erfiHit waren, oblag der Badinter-Kommission. Die Anerkennung Sloweniens und Kroatiens durch die Bundesrepublik Deutschland erfolgte am 25.12.1991, die der übrigen EG-Staaten zum 15.1.1992. Die USA erkannten Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Slowenien am 7.4.1992 als unabhängige Staaten an48 • Alle drei Staaten wurden am 22.5.1992 in die UNO aufgenommen.49 Restjugoslawien beantragte bei der EG keine Anerkennung, sondern hielt weiterhin die Auffassung aufrecht, es setzte die SFRJ auf verkleinertem Gebiet fort. Ein Anerkennung sei daher nicht notwendig, und bereits das Ansinnen, um Anerkennung zu ersuchen, stelle einen Akt der Aggression gegenüber Jugoslawien dar. Die Verzögerungen bei der Anerkennung Mazedoniens waren, obwohl sich die Badinter-Kommissionbereits am 1l.l.1991so für eine Anerkennung ausgesprochen hatte, auf griechischen Widerstand zurückzuführen, das den Verzicht auf den Namen "Mazedonien" forderte und eine Erklärung dahingehend verlangte, daß der neue Staat keine Gebietsansprüche gegen Griechenland erhebe, und daß keine "mazedonische" Minderheit in Griechenland existiere. Die mazedonische Verfassung wurde daraufhin geändert. In Art. 3 wurde der Verzicht auf Gebietsansprüche aufgenommen und Art. 49 wurde dahingehend ergänzt, daß die Republik Mazedonien erklärte, sich nicht in die souveränen Rechte und inneren Angelegenheiten anderer Staaten einzumischen.51 Als "Ehemalige Ju-
48 Vgl. zur Entstehung Sloweniens Janez Jansa, Die Entstehung des Slowenischen Staates 1988-1992. Der Zerfall Jugoslawiens, Klagenfurt,Ljubljana, Wien 1994. Allgemein zum Auseinanderbrechen Jugoslawiens Wolfgang Libal, Das Ende Jugoslawiens, 2. Auflage Wien, Zürich 1993; Thilo Marauhn, HuV 1991, S. 107 ff. 49 Nationale sowie völkerrechtliche Dokumente zum Auflösungsprozeß Jugoslawiens finden sich bei Snezana Trifunovska, Yugoslavia Through Documents. From its Creation to its Dissolution, Dordrecht, Boston, London, 1994; United Nations, Department of Public Information, The United Nations and the Situation in the Former Yugoslavia, Reference Paper, New York, April 1995. Eine deutsche Übersetzung der Unabhängigkeitserklärungen und Verfassungen Sloweniens, Kroatiens und Serbiens finden sich bei Joseph Marko/ Tomislav Boric (Hrsg.), Slowenien- Kroatien- Serbien, Wien, Köln, Graz 1991. Einen chronologischen Überblick über die Ereignisse bietet Herwig Roggemann, Krieg und Frieden auf dem Balkan, Berlin 1993. so AdG, S. 36383. SI Vgl. hierzu und zur Entwicklung in Mazedonien Wolfgang Libal, Mazedonien zwischen den Fronten, Wien, Zürich, 1993, S. 117 ff.; Duncan M Perry, RFEIRL Research Report 3 (1994/l), S. 118.
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Kapitel 2: Die Desintegration von UdSSR, SFRJ und CSFR
goslawische Republik Mazedonien" wurde der Staat schließlich am 8.4.1993 als 181. Mitglied in die UNO aufgenommen. Am 14.12.1995 wurde der Bosnien-Friedensvertrag unterzeichnet ("DaytonAbkommen"). Durch ihn werden zwei Entitäten errichtet: eine serbische Republik und eine kroatisch-muslimische Föderation. Die Staatsorgane sollen jeweils mit einem Vertreter der drei ethnischen Gruppen besetzt sein.
II. Völkerrechtliche Bewertung der Desintegration Der Fall der Desintegration der SFRJ stellt sich bei der Beurteilung und Bewertung der Aussagen auf internationaler Ebene als der schwierigste dar. Denn zeitlich betrachtet lag hier kein Fall einer Dismembration, sondern eine Reihe von Sezessionen vor. Dennoch herrscht in der Lehre- und Staatenpraxis die Auffassung, Jugoslawien sei durch Dismembration untergegangen. 52 I. Die Haltung Restjugoslawiens
Der aus Serbien und Montenegro bestehende restjugoslawische Staat vertrat die Ansicht, daß es die Rechtspersönlichkeit der SFRJ fortsetze 53 • Die Änderung der Verfassung am 27.4.1992 und die Umwandlung der SFRJ in die FRJ habe nicht zur Gründung eines dritten jugoslawischen Staates gefilhrt. Außerdem verwies Restjugoslawien auf den Willen der Bevölkerung, im gemeinsamen Staat verbleiben zu wollen: "( ...) the Federal Republic of Yugoslavia, continuing the State, international legal and political personality of the Socialist Republic of Yugoslavia. The basic criteria for the continuity and personality of a State are: significant portions of the territory which continues its existence; a major portion of the population, an independent government and organization of authority operating in accordance with the country's constitution. The nucleus of Yugoslavia ( ...)was formed by Serbia and Montenegro, which invested their statehood into the State of Yugoslavia together with all their rights and obligations, international treaties and membership in international organizations. ( ... ) Consequently, we have all the physical and material as weil as legal conditions for Yugoslavia's uninterrupted identity and existence. This view of conti-
52 Für eine Dismembration sprechen sich aus: Michael Bothel Christion Schmidt, RGDIP 96 (1992), S. 811; Vladimir-Djuro Degan, AJIL 87 (1993), S. 240, 244; lvan Kristan, ZaöRV 53 (1992), s. 322, 329; Stefan Oeter, ZaöRV 53 (1993), S. 15; Kar/ JosefPartsch, VN 1992, 181, 187. Vgl. demgegenüber aber: Yehuda Z. Blum, AJIL 86 (1992), S. 830, 833; Wafdemar Hummer, SZIER 3 (1993), S. 425, 436; Ratko Markovic, Yugoslav Law 19 (1992), S. 55, 56. 53 Vgl. hierzu auch Ratko Markovic, Yugoslav Law 19 (1992), S. 55, 56.
B. Die Ereignisse in Jugoslawien
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nuity and identity does not prejudice the possibility of the new State acquiring international recognition in accordance to internationallaw."54
Restjugoslawien erkläre daher in der Deklaration über das neuen Jugoslawien, in alle völkerrechtliche Verpflichtungen des alten Jugoslawien eintreten zu wollen: "I. The Federal Republic of Yugoslavia, continuing the state, international legal and political personality of the Socialist Federal Republic of Yugoslavia, shall strictly abide by all commitments that the Sodalist Federal Republic ofYugoslavia assumed internationally. At the sametime it is ready to fully respect the rights and interests of the Yugoslav Republics which declared independence. The recognition ofthe newlyformed states will follow after all the outstanding questions negotiated on within the conference of Yugoslavia have been regulated. Remaining bound by all the obligations to international organizations and institutions whose member it is, the Federal Republic of Yugoslavia shall not obstruct the newly formed staates to join these organizations and institutions, paricularly the United Nationsand specialized agencies. The Federal Republic ofYugoslavia also remains ready to negotiate, within the Conference of Yugoslavia, on all problems related to the division of assets, which means both to assets and debts acquired jointly. In case of a dispute regarding these issues, the Federal Republic of Yugoslavia shall be ready to accept the arbitration of the Permanent Court of Arbitration in The Hague. 2. The diplomatic and consular missions of the Federal Republic of Yugoslavia abroad shall continue without interruption to perform their functions of representing and protecting interests of Yugoslavia. Until further notice, they shall continue to take care of all assets of Yugoslavia abroad. They shall also extend consular protection to all nationals of the Sodalist Federali Republic of Yugoslavia whatever they request them to do until a final regulation oftheir nationality status.( ... )" 55
2. Die Auffassung in der Staatengemeinschaft
Nachdem die Badinter-Kommission in ihrem ersten Gutachten festgestellt hatte, "that the SFRY is in the process of dissolution", gelangte sie in ihrem Gutachten Nr. 8 vom 4.7.199256 zu der Auffassung, die SFRJ sei durch Dismembration untergegangen: 57
Zitiert nach Mare Weller, AJIL 86 (1992), S. 569, 595. Zitiert nach Theodor Schweisfurth, BerDGVR 35 (1996), S. 49, 76 f. 56 Bereits im Gutachten Nr. I vom 7.12.1991 stellte sie fest, daß sich die SFRJ in einem Prozeß der Auflösung befinde: "( ... ) that the SFRY is in the process of dissolution ( ...).", ILM 31 (1992), S. 1497. 51 Die Gutachten sind mit einer Einführung von Maurizio Ragazzi abgedruckt in den ILM 31 ( 1992), S. 1488 ff. Vgl. zur Bindungswirkung der Gutachten Danie/ Türk, EJIL 4 (1993), S. 66, 70. Vgl. allg. zur Befassung der EG-Staaten mit dem Teilungsprozeß in Jugoslawien Theodor Schweisfurth, BerDGVR 35 (1996), S. 49, 78 f. 54 55
Kapitel 2: Die Desintegration von UdSSR, SFRJ und CSFR
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"The dissolution of a state means that it no Ionger has legal personality (... ). The Commission finds that the existence of a federal state, which is made up of a number of separate entities, is seriously compromised when a majority of these entities, embracing a greater part of the territory and populations, constitute themselves as Sovereign states with the result that federal authority may no Ionger be effectively exercised. ( ...) Serbia and Montenegro, as Republics with equal standing in law, have constituted a new state, the 'Federal Republic of Yugoslavia', and on 27 April adopted a new constitution. ( ... ) that the process of dissolution of the SFRY referred to in Opinion No. 1 of 29 November 1991 is now complete and that the SFRY no Ionger exists. "51
Die Kommission folgerte daraus in ihrem Gutachten Nr. 9 vom 4.7.1992, daß die Nachfolgestaaten einvernehmlich nach einer Lösung zu suchen hätten, da keiner der Nachfolgestaaten die bisherigen Mitgliedschaftsrechte der SFRJ fiir sich alleine beanspruchen könne. Aktiva und Passiva müßten aufgeteilt werden. Die FRJ - so das I 0. Gutachten - stelle einen neuen Staat dar, dessen Anerkennung ebenfalls anband der ausgearbeiteten Richtlinien zu erfolgen habe. Die Organe der UNO folgten ebenfalls der These der Dismembration. In der Resolution 752 (1992) vom 15.5.1992 sprach der Sicherheitsrat zum ersten Mal von der "ehemaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien"59 • Am 19.9.1992 stellte der Sicherheitsrat in der Resolution 777 (1992)60 fest, daß "the State formerly known as the Socialist Federal Republic of Yugoslavia has ceased to exist. "61
Die FRJ habe daher die Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen neu zu beantragen und sei von den Arbeiten der Generalversammlung ausgeschlossen. Die Generalversammlung folgte dieser Empfehlung des Sicherheitsrates mit Resolution vom 22.9.1992: "( ... ) the Federal Republic of Yugoslavia (Serbia and Montenegro) cannot continue automatically the membership of the former Socialist Federal Republic of Yugoslavia in the United Nations; and therefore decides that the Federal Republic of Yugoslavia should apply for membership in the United Nations and that it shall not participate in the work ofthe General Assembly." 62
ILM31 (1992),S.J522und 1523. VN 1992, S. 109. 60 Der gleiche Wortlaut findet sich in der Resolution der Generalversammlung 47/1 vom 22.9.1992. 61 Vom "territory of the former Yugoslavia" spricht auch Art. 1 des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag (ILM 32 [1993], S. 1159, 1192.) 62 Res. A/47/ 1, deutsch in VN 1992, S. 218 ff. 58
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B. Die Ereignisse in Jugoslawien
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Die Mitgliedschaft Jugoslawiens wurde also weder suspendiert, noch schloß man Jugoslawien aus der Organisation ganz aus. So konnte Jugoslawien Sitz und Namensschild im Sitzungssaal sowie die Flagge weiterfiihren. 63 Der IGH nahm in seiner Entscheidung vom 8.4.1993 zwar auf diese Resolutionen Bezug, ließ die Frage des Untergangs der SFRJ jedoch dahingestellt. 64 3. Ergebnis
Im Ergebnis ist festzuhalten, daß sowohl objektive als auch subjektive Kriterien fiir die Annahme sprechen, bei der FRJ handle es sich um einen Fortsetzerstaat der SFRJ. Der Erlaß einer neuen Verfassung und die Neugliederung der Staatsgewalt am 27.4.1992 ftlhrten nicht zur Gründung eines neuen jugoslawischen Staates. Ebenso läßt die Verfassungswidrigkeit der Loslösung der Republiken zwar erkennen, daß es sich nicht um eine verfassungsmäßige Sezession, d.h. nicht um eine Entlassung, gehandelt hat. Daraus folgt aber auf völkerrechtlicher Ebene nicht zwingend der von Bothe/Schmidt gezogene Schluß einer Dismembration.65 Die Haltung dritter Staaten und internationaler Organisationen kann ein sehr starkes Indiz darstellen, ist aber ftlr das Vorliegen eines Staates nicht konstitutiv.66
63 Vgl. hierzu insbesondere die Stellungnahme des UN-Under-Secrerary-General vom 29.9.1992, UN Doc. N47/48 und die Darstellung bei Kar/ Josef Partsch. VN 1992, s. 181 ff. 64 "Order on Request for the lndication of Provisional Measures in Case Conceming Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide", Bosnia and Herzegovina v. Yugoslavia (Serbia and Montenegro), ILM 32 (1993), S. 888 ff. mit Anmerkung von Karin Oellers-Frahm, ZaöRV 53 (1993), S. 683 ff. 65 Michael Bothel Christion Schmidt, RGDIP 96 ( 1992), S. 811, 826: "Des lors, si Ia succession des republiques n'est pas accomplie dans Je cadre constitutionnel, elle met en cause le systeme meme. Base sur un certain equilibre des diverses nationalites, ce demier perd sa raison d'etre quand on lui enleve certains elements essentiels a son equilibre. C'est Ia raison pour Iaquelle il est en effet a tout Je moins possible d'expliquer Je processus de dissolution qui s'est developpe en Yougoslavie comme une veritable disparition de l'ancien Etat federal et non pas comme un simple reduction territorial. Sur cette base, il faut considerer les Etats issues de Ia reorganisation territoriale en Yougoslavie, y inclus Ia 'nouvelle' Republique federale, comme ( ...) lequels se pose Ia question de dissolution." 66 Michael Bothel Christian Schmidt, RGDIP 96 (1992), S. 811, 825.
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Kapitel 2: Die Desintegration von UdSSR, SFRJ und CSFR
Die SFRJ ist nicht durch Dismembration untergegangen. Die FRJ ist Fortsetzerstaat der SFRJ, Nachfolgestaaten sind Slowenien, Kroatien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina. Diese Auffassung findet ihre Entsprechung darin, daß die Nachfolgestaaten der SFRJ eigene Staatsangehörigkeitsgesetze erlassen, haben, fiir Restjugoslawien hingegen das alte Staatsangehörigkeitsgesetz von 1976 weiterhin Geltung beanspruchte. Dennoch setzt sich die These der Dismembration weiter durch. Zwar nahmen die Nachfolgestaaten bei der Definition ihres Staatsvolkes nicht ausdrücklich auf den Untergang Jugoslawiens Bezug, es wurden aber später das Optionsrecht ersetzende Regelungen des automatischen Erwerbs zugunsten der Wohnbevölkerung in die Gesetze Sloweniens und Bosnien-Herzegowinas aufgenommen, die typisch fiir den Fall der Dismembration sind. Vereinzelt finden sich in den Bestimmungen oder der Judikatur nunmehr auch Hinweise auf das "ehemalige Jugoslawien" bzw. die "ehemalige SFRJ"67, ein Zeichen dafiir, daß sich die zunächst politisch geprägte Auffassung nunmehr auch innerstaatlich Fuß gefaßt hat.
C. Die Auflösung der Tschechoslowakei Im Unterschied zu den Ereignissen in Jugoslawien verlief die Desintegration des tschechoslowakischen Staaten zum 1.1.1993 in zwei Staaten friedlich, obgleich die beiden Nationen Unterschiede hinsichtlich ihrer Mentalität und der Größe von Staatsgebiet und Bevölkerung aufwiesen. So lebten in der Tschechischen Republik auf einer Fläche von 78.864 km2 rund l 0,4 Millionen Menschen, während das Gebiet der Slowakischen Republik 49.036 km2 betrug; die Einwohnerzahllag bei etwa 5,3 Millionen Menschen. Problematisch erwies sich während der Zeit des Tschechoslowakischen Staates der Konflikt zwischen den beiden Völkern der Tschechen und Slowaken, da die Tschechen aufgrund der Hauptstadt Prag eine enge Verbindung mit der Regierung herstellen konnten, während die Slowakei bestrebt war, diese Vorherrschaft der Tschechen einzudämmen68• Die erste Verfassung sah keine Föderation vor. Es wurde ein asymmetrisches Modell gewählt, das die Existenz eigener slowakischer Organe zuließ, diesen jedoch keine vergleichbaren Organe auf tschechischer Seite gegenüberstellte. Vielmehr übernahmen hier die 67 So etwa Art. 29 des slowenischen und Art. 26 Abs. 3 des mazedonischen Staatsangehörigkeitsgesetzes. 68 Vgl. zur Gründung des Staates Reinhold Horneffer, Die Entstehung des Staates, Tübingen 1933, S. 234 ff.
C. Die Auflösung der Tschechoslowakei
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Zentralorgane zugleich auch die Vertretung der tschechischen Interessen. Erst 1968 wurden mit dem Verfassungsgesetz 143/1968 mit Wirkung zum 1.1.1969 zwei gleichberechtigte Republiken, die Tschechischen Sozialistischen Republik und die Slowakischen Sozialistischen Republik, geschaffen. Bei der Diskussion über die Zukunft des tschechoslowakischen Staates wurden diese Gegensätze zwischen den beiden Völkern erneut deutlich. Vladimir Meciar, der im Juni 1990 Ministerpräsident der Slowakischen Teilrepublik wurde, forderte eine souveräne und als eigener Staat anerkannte Slowakei im Rahmen einer Föderation oder Konföderation. Die Tschechische Republik hingegen wollte entweder einen einheitlichen Staat oder aber die Trennung von der Slowakei.69 Der Slowakische Nationalrat verabschiedete am 17.7.1992 schließlich eine Deklaration über die Souveränität der SlowakeF0 , in der verkündet wurde, daß "das tausendjährige Streben des slowakischen Volkes auf Selbstbestimmung erfüllt ist", und in der auf das "natürliche Recht des slowakischen Volkes auf Selbstbestimmung gemäß den völkerrechtlichen Instrumenten" verwiesen wurde. Einen Tag später begannen die Verhandlungen zwischen dem Tschechischen Nationalrat, dem Parlament der Tschechischen Republik und dem Slowakischen Nationalrat über staatsrechtliche Fragen. Am 23.7.1992 wurden Grundsätze über die spätere Zusammenarbeit zwischen der Bürgerlichen Demokratischen Partei von Vaclav Klaus und der Bewegung für die Demokratische Partei unter der Leitung von Vladirnir Meciar vereinbart, in denen bereits eine Trennung des Staates in zwei selbständige Teile ins Auge gefaßt wurde. Als erste der beiden Republiken billigte die slowakische Regierung am 28.7.1992 einen Verfassungsentwurf, der am 1.9.1992 vom slowakischen Na-
69 Vgl. zur Auflösung der Tschechoslowakei u.a. Petr Bohata, JOR XXXV (1994), S. 25, 29 f.; Mahulena Hoskova, ZaöRV 53 (1993), S. 689-735; Ferdinand Graf Kinsky, in: Jutta Kramer (Hrsg.), Föderalismus zwischen Integration und Sezession, BadenBaden 1993, S. 125 ff.; Jiri Malenovsk:f, AJPIL 45 (1993), S. 21 ff.; Ingo von Münch!Günter Hoog, in: Rüdiger Kipke/ Kare[ Vodicka (Hrsg.), Abschied von der Tschechoslowakei, Köln 1993, S. 163 ff.; Karin Schmid/ Vladimir HorsJcy (Hrsg.), Das Ende der Tschechoslowakei 1992 in verfassungsrechtlicher Sicht, 1995; Roland Schönfeld, EA 48 (1993), S. 229 ff.; Theodor Schweisfurth, BerDGVR 35 (1996), S. 49, 82 ff.; Eric Stein, in: Werner F Ebke/ Detlev F Vagts, (Hrsg.), Demokratie, Marktwirtschaft und Recht, Rechtliche und politische Probleme des Übergangs zur Demokratie, Heidelberg 1995, S. 341, 345 ff.; Sona Szomolanyi, Scottisch Affairs 1994/8, S. 31 ff. 70 Sb. CSFR Nr. 84 vom 28.8.1992; deutsch in OER 39 (1993), S. 166 ff.
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Kapitel 2: Die Desintegration von UdSSR, SFRJ und CSFR
tionalrat verabschiedet wurde71 • Die Tschechische Republik folgte am 16.12.1992 mit einer eigenen Verfassung. 72 Auf Bundesebene wurde zunächst am 13.11.1992 ein Gesetz "über die Aufteilung des Vermögens der CSFR zwischen der Tschechischen und Slowakischen Republik" beschlossen. Erst im Anschluß daran wurde am 25.11.1992 das "Verfassungsgesetz über die Auflösung der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik" verabschiedet. 73 In Art. 1 wurde festgestellt, daß die CSFR zum 31.12.1992 aufhöre zu bestehen; Art. 3 enthielt eine Bestimmung über die Auflösung der Staatsorgane und die Überleitung der Kompetenzen auf die Tschechische und Slowakische Republik .. 8 lit. d gewährte den Teilrepubliken in begrenztem Umfang Völkerrechtssubjektivität, so daß es den beiden Nachfolgestaaten vor dem Untergang der CSFR möglich war, Abkommen mit dritten Staaten und untereinander wie etwa über gute Nachbarschaft, freundschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit oder im wirtschaftlichen Bereich zu schließen. Am 17.11.1992 schließlich faßte das Bundesparlament einen Beschluß zum Untergang der CSFR mit der Aufforderung, die Verfassungsgesetze zur Auflösung der CSFR zu respektieren und die Legitimität der Exekutive und die Mandate der Mitglieder der Nationalräte nicht in Frage zu stellen. Diese Aufforderung war notwendig, da die tschechoslowakische Rechtsordnung eine Auflösung erst nach Durchfiihrung eines Referendums erlaubte. Sollte der Antrag in mindestens einer der beiden Teilrepubliken angenommen worden sein, sah das Gesetz Nr. 327/1991 vor, daß die CSFR binnen einen Jahres untergehen und die Bundeskompetenzen auf die beiden Teilrepubliken übergehen sollten. 74 Ein solches Referendum wurde jedoch in keiner der beiden Teilrepubliken durchgeführt. Bei einem Vergleich von Größe und Bevölkerung beider Republiken liegt der Schluß nahe, die Tschechische Republik als Fortsetzerstaat, die Slowakische Republik hingegen als Nachfolgestaat zu betrachten.75 Hierfür spricht, daß die Tschechische Republik fast die gesamte Rechtsordnung der CSFR und die 71 Sb. CSFR 460/1992 (deutsch in: Karin Schmid/ Vladimir Hors/cY [Hrsg.], Das Ende der Tschechoslowakei in verfassungsrechtlicher Sicht, Berlin, 1995, S. 87 ff. ); vgl. zur slowakischen Verfassung Christian Baumgartner, ROW 1992, S, 375 ff.; Pave/ Mates, RFEIRL Research Report 1143 (1992), S. 39 ff.; Helmut S/apnicka, OER 39 (1993), S. 157ff. 72 Sb. CR 111993 (deutsch in: Karin Schmidl V/adimir Hors/cY [Hrsg.], Das Ende der Tschechoslowakei in verfassungsrechtlicher Sicht, Ber1in 1995, S. 138 ff.); vgl. zur tschechischen Verfassung Petr Bohata, JOR XXXV (1994), S. 25 ff.; Helmut S/apnicka, OER 40 (1994), S. 28 ff. 73 Sb. CSFR Nr. 110 vom 8.12.1992, Pos. 542. 74 So Art. 1, 5 Abs. 2, 6 Abs. 2 des Verfassungsgesetzes Sb. CSFR 327/1991. Vgl. hierzu auch Petr Bohata, JOR XXXIII (1992), S. 104, 105. 75 So etwa Jir{ Malenovsky, AFDI XXXIX (1993), S. 305, 315.
C. Die Auflösung der Tschechoslowakei
75
Staatssymbole wie die Flagge oder den Staatsgrilndungstag von 1918 beibehielt, obgleich dies im Verfassungsgesetz über die Auflösung der CSFR so nicht vorgesehen war. 76 Abertrotz dieser Anhaltspunkte wurde in Art. I Abs. 2 des Verfassungsgesetzes vom 25.11.1992 ausdrUcklieh festgehalten, daß die CSFR zum 31.12.1992 aufhöre zu bestehen. Die bei der Trennung der beiden Staaten getroffenen Nachfolgeregelungen hinsichtlich des Eintretens in Vermögen, Schulden und völkerrechtliche Verträge sehen eine Aufteilung zwischen beiden Staaten etwa nach Gebiet oder Einwohnerzahl vor. 77 Eine einzelne Republik wird hier nicht bevorzugt behandelt. Auch hat die Tschechische Republik zwar die Rechtsordnung der CSFR übernommen, sie hat sich im Gegensatz zu Rußland jedoch nie als Fortsetzerstaat bezeichnet,11 Die Tschechoslowakei ist daher zum 31.12.1992 durch Dismembration untergegangen. Nachfolgestaaten sind die Tschechische Republik und die Slowakische Republik.
D. Zusammenfassung 1. Im Ergebnis ist festzuhalten, daß die Sowjetunion durch Dismembration untergegangen ist. Nachfolgestaaten sind alle GUS-Staaten, nicht hingegen die wiederhergestellten baltischen Staaten. Rußland ist zwar in viele Rechtspositionen der ehemaligen UdSSR eingetreten; es handelt sich hier jedoch nicht um einen Fortsetzerstaat im Sinn einer völkerrechtlichen Kontinuität. 2. In Jugoslawien handelte es sich nicht um eine Dismembration, sondern um eine Reihe von Sezessionen. Daher sind die Republiken Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien Nachfolgestaaten, nicht aber das
76 Art. 3 Abs. 2 des Verfassungsgesetzes vom 25.11.1992; vgl. auch AdG 1992, S. 37437 und 37441. 77 Vgl. zu den Nachfolgeregelungen Ingo von Münchl Günter Hoog, in: Rüdiger Kipke/ Kare/ Vodicka (Hrsg.), Abschied von der Tschechoslowakei, Köln 1993, S. 163, 167; Mahu/ena Hoskovd, ZaöRV 53 (1993), S. 689,695 m.w.N. 71 Vgl. zu dieser Auffassung der beiden Nachfolgestaaten etwa das Schreiben der Tschechischen Republik vom 16.2.1993 an den UN-Generalsekretär, in dem es heißt: "In conformity with the valid principles of intemationallaw and to the extent defined by it, the Czech Republic, as a successor State to the Czech and Slovak Federal Republic, considers itself bound ( ... ) by multilateral international treaties ( ...)", zitiert nach Theodor Schweisfurth, BerDGVR 35 (1996), S. 49, 84.
76
Kapitel 2: Die Desintegration von UdSSR, SFRJ und CSFR
aus Serbien und Montenegro bestehende Restjugoslawien, auch wenn sich hier politisch eine andere Auffassung mittlerweile durchgesetzt hat. 3. Die Tschechoslowakei ist zum 31.12.1992 durch Dismembration untergegangen. Nachfolgestaaten sind die Tschechische und Slowakische Republik.
Kapite/3
Staatsangehörigkeitsrechtliche Regelungen A. Die Regelungen in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion I. Überblick über das Staatsangehörigkeitsrecht der UdSSR von der
Gründung bis zur Dismembration
Insgesamt lebten in der Sowjetunion zur Zeit der Desintegration rund 60 Millionen Menschen in anderen als ihren angestammten Gebieten als Minderheiten. 25 Millionen hiervon waren ethnische Russen, 6,7 Millionen Ukrainer, 2,5 Millionen Usbeken und rund eine Million Armenier und Tadschiken. 1 Der Anteil der russischen Bevölkerung lag in Estland und Lettland bei rund einem Drittel an der Gesamtbevölkerung2, in Kasachstan bei 38 %, in der Ukraine bei
1 Vgl. zur ethnischen Zusammensetzung und Migrationsbewegungen in den Unionsrepubliken: Fuller, RFEIRL Research Report 2 (1993/1), S. 17, 19 (zu Armenien, Aserbaidschan und Georgien); GTZJMinisterium for Wirtschaft der Republik Moldau (Hrsg.), Investieren in der Republik Moldau, Wannweil 1995, S. 3; Yasemin Karakasoglu/ Margret Spohn, Kasachstan und Usbekistan; Probleme und Perspektiven der Unabhängigkeit im internationalen Kontext; hrsg. im Zentrum flir Türkeistudien, ZIT aktuell Nr. 26, Essen, Mai 1994; Rudolf Mark, in: Boris Meissner/ Alfred Eisfeld (Hrsg.), Die GUS-Staaten in Europa und Asien, Baden-Baden 1995, S. 43, 52 f (zur Ukraine); Mihalisko, RFEIRL Research Report 1 (1992/24), S. 7, 9 (zu Belarus); Carmen Schmidt, Der Minderheitenschutz in der Rußländischen Föderation, Ukraine und Weißrußland, Bonn 1994; Vladimir Socor, RFEIRL Research Report 1994/32, S. 19 ff. (zur Republik Moldau); Markus Ustina, RFEIRL Research Report 3 (1994/26), S. 48, 49 (zur Ukraine); Zentrumfor Türkeistudien (Hrsg.), Uzbekistan, Essen, Mai 1994, S. 4. 2 In Estland lag der Anteil der estnischen Bevölkerung bei 61,5 %, der der lettischen Bevölkerung in Lettland bei 52 %, und der der litauischen in Litauen bei 79 %, wobei 56 % der ethnischen Russen bereits in Lettland und 43 % in Estland geboren waren. (Nach Rogers Brubaker, IMR 26 [1992], S. 269, 288). Vgl. zu den ethnischen Problemen in den baltischen Staaten ferner: Wsevol W. /sajiw, JBS XXI (1990), S. 289 ff.; Edgar Kask/a, JBS XXIII (1992), S. 167 ff.; Aksel Kirchi Marika Kirchi Tarmo Tuigh, JBS XXIV (1993), S. 173 f.; Kadri-Ann Laar, JBS XXI (1990), S. 239 ff. ; Robert B. Schaftri Elisabeth A. Schafor, JBS XXIV (1993), S. 161 ff.; Ann Sheely, RFEIRL Report on the USSR 1989/46, S. 20 f.; Ants Viires, JBS XXII (1991), S. 123 ff. ; Peteris Zvidrins. JBS XXIII (1992), S. 359 ff.
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Kapitel 3: Staatsangehörigkeitsrechtliche Regelungen
22 %, in Kirgistan 21,5,%, in Belarus 13 %, und in der Republik Moldau 11
%.3
Bevor die einzelnen Regelungen der Nachfolgestaaten einzeln dargestellt werden, ist das Verhältnis zwischen Unionsbürgerschaft und Republikzugehörigkeit zu klären, da einige Gesetze auf die bisherige Republikzugehörigkeit Bezug nehmen, und Abgrenzungsprobleme auftreten können. So erließen etwa Aserbaidschan und Kirgistan noch zu Zeiten der UdSSR Staatsangehörigkeitsgesetze. In anderen Unionsrepubliken war entweder Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit durch Verordnung geregelt, oder es gab nur vereinzelte staatsangehörigkeitsrechtliche Vorschriften etwa in den Familiengesetzbüchem4. 1. Die staatsangehörigkeitsrecht/ichen Regelungen bis zur Verfassung von 1977
In der Sowjetunion war in erster Linie die einheitliche Unionsbürgerschaft von Bedeutung. 5 Dennoch war die h.M. unter Hinweis auf den bundesstaatliehen Charakter der Union der Auffassung, die einzelnen Unionsrepubliken benötigten auch ein Staatsvolk Eventuell auftretende Gegensätze zwischen beiden Staatsangehörigkeiten sollten im Wege einer hannonischen Synthese oder praktischen Konkordanz gelöst werden. Zum Teil wurde sogar die Meinung vertreten, Konflikte zwischen beiden Staatsangehörigkeiten könnten überhaupt nicht auftreten. 6 3 Angaben nach Michel logna-Prat, in: Vera Gowlland-Debbas (Hrsg.), The Problem ofRefugees in the Light ofContemporary International Law Issues, 1996, S. 25. 4 Vgl. zum Staatsangehörigkeitsrecht der ehemaligen UdSSR Georg Geilke, Das Staatsangehörigkeitsrecht der Sowjetunion, Frankfurt M., Berlin, 1964; George Ginsburgs, Soviet Citizenship Law, Leyden 1968; Waller Meder, Das Staatsangehörigkeitsrecht der UdSSR und der baltischen Staaten, Frankfurt M., 1950. 5 Vgl. zu den staatsangehörigkeitsrechtlichen Regelungen in der ehemaligen Sowjetunion auch Hellmuth Hecker, StAZ 1997, 158, 159 ff.; einzeldarstellungen finden sich aufS. 166 ff. 6 Vgl. George Ginsburgs, JBS XXI (1990), S. 3, 4 m.w.N.zur sowjetischen Literatur: "However ( ... ) it was quite clear that republican citizenship, in actuality, now connoted little more than that a Soviet citizen was a regular resident of the corresponding union republic and, by virtue of that fact, also counted as a citizen of the republic.( ... )". Vgl. auch S. 5: "( ... ) at present, when there has arisen a new historical entity- the Soviet people, the choice by a citizen of one union republic of the citizenship of another union republic on national grounds loses ist meaning. The reason for this is that the unshakable friendship of the people of the multinational Soviet State determines the unity of rights
A. Die Regelungen in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion
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Der Grundsatz einer einheitlichen· sowjetischen Staatsangehörigkeit war in der Staatsbürgerschaftsordnung vom 5.5.1931 7 enthalten, die später durch die Staatsbürgerschaftsordnung vom 19.2.1938 abgelöst wurde. 8 Staatsbürgerschaftsgesetze in den Unionsrepubliken bestanden nicht, vielmehr wurden Regelungen nur vereinzelt in die Familiengesetzbüchern aufgenommen. 9 Nach Ziff. I der Staatsbürgerschaftsordnung war jeder Staatsbürger Angehöriger derjenigen Unionsrepublik, in der er sich ständig authielt. 10 Er konnte jedoch nach Ziff. 2 die Staatsbürgerschaft einer anderen Unionsrepublik annehmen, wenn er sich mit dieser nach Volkszugehörigkeit und Abstammung verbunden filhlte. Bei Verlegung des Wohnsitzes änderte sich die Republikzugehörigkeit Die Kompetenzen im Bereich des Staatsangehörigkeitsrechts waren zwischen der Union und den Unionsrepubliken dergestalt aufgeteilt, daß beide filr die Zulassung zur Staatsangehörigkeit gemeinsam zuständig waren, der Bund jedoch alleinige Kompetenz im Bereich der Ausbürgerung und der Einbürgerung von im Ausland befindlichen Ausländern besaß. Geilke gelangte daher zu folgender Feststellung: "Es scheint hiernach, daß die Entwicklung in der UdSSR in ein Stadium getreten ist, in dem die republikanische Staatsbürgerschaft, als das überzeugendste Kennzeichen der Unterschied zwischen den einzelnen sowjetischen Nationalitäten, wieder mehr als bisher zurückgedrängt wird." 11
and duties of Soviet citizens regardless of their racial or national affiliation, religion, denomination, education, sedentariness, social extraction, etc." 7 Abgedruckt bei Georg Gei/ke, Geltende Staatsangehörigkeitsgesetze, Sowjetunion, Frankfurt M., Berlin 1964, S. 313 f.; und ZaöRV 1930/31, S. 739 ff. 8 Vgl. hierzu T.A. Taracouzio, AJIL 33 (1939), S. 157 ff. 9 Vgl. George Ginsburgs, Soviet Citizenship Law, Leyden 1968, S. 20 f.: "And, where subsquently, some of the Republics had occasion, in connection with the accession ofterritory to the USSR, to issue instructions on the acquisition oftheir citizenship by the inhabitants of these fresh increments to the Soviet domain, these measures confined themselves to verbal repetition of the relevant stipulations of preceding federal legislation that had already finished converting those people into citizens ofthe USSR." 10 Vgl. hierzu auch Galina K. Dmitrieva I/gor I. Lukashuk, Review of Central and East European Law 19 (1993), S. 267, 270; Henn-Jüri Uibopuu, Die Völkerrechtssubjektivität der Unionsrepubliken der UdSSR, Wien, New York, 1975, S. 74 ff. 11 Georg Geilke, Geltende Staatsangehörigkeitsgesetze, Frankfurt M., Berlin 1964, S. 48. Gegen die Staatsqualität einer Unionsrepublik mangels einer Staatsangehörigkeit spricht sich Hans Georg Beiz, JÖR XXII (1963), S. 249, 277, aus. Im Ergebnis so auch UNHCR, Nationality Laws in Former USSR Republics, Genf 1993, S. 15, 16 (zu Aserbaidschan).
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Kapitel 3: Staatsangehörigkeitsrechtliche Regelungen
2. Das Verhältnis von Unionsbürgerschaft und Republikzugehörigkeit nach 1977
Wie in Jugoslawien, so wurden auch hier während der siebziger Jahre Änderungen vorgenommen. Art 33 der Verfassung der UdSSR von 1977 bestimmte, daß jeder BUrger einer Unionsrepublik zugleich Bürger der UdSSR war. Am I. 7.1979 wurde ein neues Gesetz über die Staatsbürgerschaft der UdSSR verabschiedet.12 Einige Unionsrepubliken erließen in der Folge Vorschriften über die Aufnahme in die Staatsbürgerschaft; eigene Staatsangehörigkeitsgesetze gab es - im Gegensatz zur Tschechoslowakei und Jugoslawien - nicht. Für die Ukraine sei auf den Erlaß des Obersten Rates der UkrSSR vom 8.9.1981 über die Verfahren der Aufnahme in die Staatsbürgerschaft der UkrSSR verwiesen. 13 In der RSFSR fanden sich in der Verfassung vom 12.4.1978 staatsangehörigkeitsrechtliche Regelungen in Abschnitt II. Hier wurde aber in Art. 31 Abs. 2 nicht etwa die Staatsangehörigkeit der RSFSR genannt, sondern es wurde der Erwerb und Verlust der Sowjetbürgerschaft geregelt. 14 Daher ist auch nach der Verfassung von 1977 und dem Staatsbürgerschaftsgesetz von 1978 keine wesentliche Änderung eingetreten. Die Kompetenzen der Unionsrepubliken bewegten sich, wie die Art. 26 und 27 zeigen, weiterhin vor allem im verfahrensrechtlichen Bereich. 15 In den Pässen wurde die Staatsbürgerschaft der Sowjetunion genannt; die Zugehörigkeit zur Unionsrepublik bestimmte sich weiter nach dem Wohnsitz. 3. Anderungen während des Desintegrationsprozesses
Während des Desintegrationsprozesses wurde am 25.3.1990 ein neues Staatsangehörigkeitsgesetz erlassen, das neben der "doppelten" Staatsangehörigkeit von Union und Gliedstaat vor allem die Einheitlichkeit der bundesstaatliehen Staatsangehörigkeit betonte, 16 mithin keine allzu wesentlichen Änderun-
12 Eine deutsche Übersetzung findet sich im JOR XIX (1978), S. 2 ff. Vgl. hierzu auch Andreas Bilinsky, JOR XX (1979), S. 167 ff. 13 VVR UkrSSR 1981, Nr. 37, Art. 612. Vgl. hierzu auch Andreas Bilinsky, in: Alexander Bergmann I Murad Ferid (Hrsg.), Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Frankfurt M., 119. Lieferung vom 31.7.1994, S. I. 14 Nach Georg Geilke, in: Alexander Bergmann/ Murad Ferid (Hrsg.), Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Frankfurt M., 107. Lieferung vom 31.12.1989, S. 12. 15 Tatjana Kowai-Wolk, Die sowjetische Staatsbürgerschaft, Frankfurt M., Bern, 1982, S. 33 f. Eine endgültige Klärung des Verhältnisses von Republik- und Unionsbürgerschaft wird hier allerdings nicht getroffen (S. 35). 16 Gesetz vom 25.5.1990, das am 1.1.1991 in Kraft trat. (Ved. SSSR Nr. 23, Pos. 435). Vgl. hierzu auch Thomas Brendel, JOR XXXI (199111), S. 83 ff.; George Gins-
A. Die Regelungen in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion
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gen beinhaltete. Als die Auflösung der UdSSR immer wahrscheinlicher wurde, versuchte Gorbatschow darauf hinzuwirken, eine einheitliche Staatsangehörigkeit aller der in der GUS vertretenen Staaten ähnlich der des "Commonwealth" zu schaffen, hatte hiermit jedoch keinen Erfolg. Vielmehr gingen einige Unionsrepubliken wie etwa Aserbaidschan, Litauen oder Kirgistan dazu über, eigene Staatsangehörigkeitsgesetze zu erlassen. Die Sowjetunion versuchte daher, eine einheitliche Behandlung der ehemaligen Sowjetbürger und insbesondere das Recht auf freie Wahl der Staatsangehörigkeit bei Sezession durch das Gesetz vom 3.4.1990 zu regeln. Es gelangte niemals zur Anwendung. 17 Die anderen Unionsrepubliken erließen staatsangehörigkeitsrechtliche Vorschriften erst nach der Unabhängigkeit. Während der Übergangszeit wurden die Vorschriften der UdSSR weiterhin angewendet. 18 4. Staatsangehörigkeitsrechtliche Gesetzgebung in den Staaten der ehemaligen UdSSR
a) Die baltischen Staaten Staatsangehörigkeitsrechtliche Regelungen wurden in den baltischen Staaten bereits zur Zeit der Zugehörigkeit zur UdSSR debattiert. 19 So wurde in Estland etwa bereits 1988 der Erlaß eines Staatsangehörigkeitsgesetzes von der Kommunistischen Partei vorgeschlagen, was vor allem bei der russischen Bevölkerung begrüßt wurde, die sich so den Erwerb der Staatsangehörigkeit erhoffte.20
burgs, OER 36 (1990), S. 251 ff.; ders., Review ofCentral and East European Law 18 (1992), s. 1 ff. 17 Art. 15 lautete: "The citizen ofthe USSR residing on the territory ofthe seceding republic should be afforded the right of choice of citizenship, place of residence and work. The seceding republic shall compensate all expenses connected with the resettlement of citizens outside the confines ofthe republic." (Vgl. George Ginsburgs, OER 41 [1995], S. 1, 2). 18 Dies wurde etwa in Ziff. 3 des Beschlusses des Obersten Rates der Ukraine "über das lokrafttreten des Gesetzes der Ukraine über die Staatsbürgerschaft der Ukraine" ausdrücklich festgestellt. 19 Vgl. zum Staatsangehörigkeitsgesetz der baltischen Staaten George Ginsburgs, JBS XXI (1990), S. 3 ff. ; He/lmuth Hecker, StAZ 1993, S. 226 ff. ; ders., ArchVR 35 (1997), 73, 86 f. mit zahlreichen weiteren Nachweisen. 20 Vgl. etwa den Abgeordneten des Obersten SowjetS. Sovetnikov: "( .. ) we must adopt as quickly as possible the base version ofthe Law ofCitizenship, affording equal rights to all who consider Estonia their native land. ( ...) Prior to restoring the independent Estonian Republic, 600,000 non-Estonians want to know what sort of citizens they are going tobe. (... ) In order to eliminate interethnic tension ( ...), citizenship (and all its ensuring rights and obligations) would be extended to 6 Kreuzer
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Kapitel3: Staatsangehörigkeitsrechtliche Regelungen
Nach der Unabhängigkeit im August 1991 wurde am 9.9.1991 ein Entwurf eines Staatsangehörigkeitsgesetzes eingebracht, der berücksichtigte, daß es sich bei Estland um einen "wiederhergestellten" Staat handelte. Der Entwurf sah vor, daß Personen, die vor der Annexion die estnische Staatsangehörigkeit besaßen sowie deren Nachkommen automatisch die Staatsangehörigkeit erwerben sollten. Personen, die ihren dauernden Aufenthalt am 30.9.1990 in Estland gehabt hatten, sollten die Möglichkeit haben, die Staatsangehörigkeit ohne Sprach- oder Aufenthaltserfordernisse zu erwerben. Für den Rest der Bevölkerung sollte die Möglichkeit bestehen, sich nach einem zehn- oder zwanzigjährigen Inlandsaufenthalt einbürgern zu lassen, vorausgesetzt, sie beherrschten die estnische Sprache und legten einen Eid auf die Republik ab. Da dieser Vorschlag aufgrund des Widerstandes von national gesinnten Gruppen, die sich insbesondere gegen das Optionsrecht aussprachen/ 1 scheiterte, wurde am 26.2.1992 das estnische Staatsangehörigkeitsgesetz von 193 8 i.d.F. vom 16.6.1940 zusammen mit einigen Änderungen22 wieder in Kraft gesetzt.23 Am 19.1.1995 wurde ein neues Staatsangehörigkeitsgesetz beschlossen, das seit 1.4.1995 in Kraft ist und das die bis dahin geltenden verschiedenen Vorschriften und Änderungsgesetze24 in einem Regelungswerk zusammenfaßt 25
everyone who expresses the desire and possesses a permanent residence permit here." 21 So Rogers Brubaker, IMR 26 (1992), S. 269, 281. In der UdSSR wurde hingegen im Gesetz vom 26.4.1990 die freie Entwicklung der Staatsangehörigen der UdSSR gefordert, die sich außerhalb der Staatsgrenzen aufhalten: "There will be not tolerated any direct or indirect restriction of the rights and freedoms of citizens of the USSR on grounds of national affiliation, language, sedentariness, nature and character of occupation, attitude toward religion, place of residence and other circumstances. Citizens of the USSR residing beyond the borders of their national-state formations or not possessing them on the territory of the USSR are guaranteed legal equality and equal opportunities in all spheres of sociallife." 22 Vgl. die Gesetze vom 6.3.1993 und 6.5.1993 (The Current Digest of the PostSoviel Press 64 [1992], S. 19). 23 Vgl. zum Staatsangehörigkeitsrecht Estlands Mark Levin, New Times 1989, Nr. 43, S. 22 f; /dar Nizametdinov, The Baltic Observer 6./12.8.1992, S. 2; Tarmu Tarnmerk, The Baltic Independent 12.-18.2.1993, S. 10. 24 Zu diesen Vorschriften gehören: das Statasangehörigkeitsgesetz von 1938 i.d.F. von 1940, die Änderungsgesetze von 1993, die Resolution des Obersten Rates über die Anwendung des Staatsangehörigkeitsgesetzes i.d.F. von 1993, das Gesetz über die Anforderungen an die Sprachkenntnisse bei Bewerbern der estnischen Staatsangehörigkeit von 1993, sowie das Gesetz über die teilweise Ungültigkeit und Nichtigkeit von rechtlichen Akten bzgl. der Staatsangehörigkeit von 1993. Zusätzlich wurde ein neues Ausländergesetz erlassen, das das bisherige Gesetz von 1993 (mit den Änderungen von 1994) ablöst. 25 Eine deutsche Übersetzung findet sich nunmehr in WGO-MfOR 1995, S. 79 ff.
A. Die Regelungen in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion
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Die Debatte um ein Staatsangehörigkeitsgesetz in Lettland war aufgrund der ethnischen Zusammensetzung mit der in Estland vergleichbar. 26 Auch hier wurde im Juli 1989 ein Entwurf vorgelegt, der verschiedene mögliche Vorschriften als Diskussionsgrundlage zunächst in Klammer gegenüberstellte. 27 Aufgrund des national gesinnten Anteils der Bevölkerung fanden die hier gemachten Vorschläge wie in Estland keine Unterstützung. Nach der Wiederherstellung der Unabhängigkeit des lettischen Staates legte der Oberste Rat am 15.10.1991 in einer Resolution die Prinzipien fest, denen das neue Staatsangehörigkeitsrecht folgen sollte. Ausschlaggebend für die Zugehörigkeit zum wiederhergestellten Staatsvolk war die Staatsangehörigkeit vor der Annexion. Erst am 22.7.1994 wurde ein neues Staatsangehörigkeitsgesetz beschlossen, das die Resolution von 1991 ersetzt und seit 25.8.1994 in Kraft ist. Litauen erließ als einziger der baltischen Staaten noch während der Zugehörigkeit zur Sowjetunion am 3.11.1989 ein Staatsangehörigkeitsgesetz. 28 Dieses Gesetz berücksichtigte nicht nur die Angehörigen bzw. Nachkommen von Angehörigen des vormals unabhängigen Staates, sondern enthielt auch territoriale Anknüpfungspunkte. Das Gesetz von 1989 wurde inzwischen durch das Staatsangehörigkeitsgesetz vom 5.12.1991 abgelöst. 29 Ergänzende Regelungen fmden sich im Gesetz vom 10.12.1991 30 über die Gültigkeit von Dokumenten über die Staatsangehörigkeit. Eine Resolution vom 10.12.1991 regelt das Verfahren. 31
26 Vgl. zum Staatsangehörigkeitsrecht in Lettland llze Arklina, The Baltic Observer 6.-12.8.1992; Juris Bojars, OER 39 (1993), S. 132 ff.; Rogers Brubaker, IMR 26 (1992), S. 269 ff.; Dzintra Bungs, RFEIRL Report on the USSR 3 (1991144), S. 17 ff.; George Ginsburgs, JBS 21 (1990), S. 3 ff.; UN Doc. N47/748, Summary Report on a Fact -Finding Mission to Latvia. 27 George Ginsburgs, JBS 21 (1990), S. 3, 13 f. 28 Das Staatsangehörigkeitsrecht Litauens wurde auch vom Europarat einer Prüfung unterzogen. Der abschließende Bericht wurde am 16.1.1992 vorgelegt (Rudolf Bernhardt/ Henry Schermers, Report on Lithuanian Law and International Human Rights Standards, Doc. AS/Ad hoc-Bur-EE [43] 3). Vgl. zur Staatsangehörigkeit in Litauen ferner Rogers Brubaker, IMR 26 (1992), S. 269, 279 ff.; Bungs/Girnius/Kionka, RFEIRL Research Report I (1992/58), S. 38 ff.; George Ginsburgs, JBS XXI (1990), S. 3 ff.; Hel/muth Hecker, StAZ 1993, S. 226 ff.; UNHCR, Nationality Laws in Former USSR Republics, 1993, S. 46 ff.; Vodeau, The Baltic Observer 6.-12.8.1992; Andreas Zimmermann, StAZ 1992, S. 118 ff. 29 Gesetz Nr. 1-2072, das von der OSZE/ODIHR im englischer Fassung zur Verfügung gestellt wurde. 30 Gesetz Nr. 1-2079, das in einer englischen Übersetzung der OSZE/ODIHR vorliegt. 31 Die Resolution Nr. 1-2080 liegt ebenfalls in einer englischen Übersetzung der OSZE/ODIHR vor.
6*
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Kapitel 3: Staatsangehörigkeitsrechtliche Regelungen
b) Die GUS-Staaten32 Zwei Staaten erließen bereits vor der Dismembration eigene Staatsangehörigkeitsgesetze. Aserbaidschan beschloß vor der Dismembration am 26.6.1990 ein am 1.1.1991 in Kraft getretenes Staatsangehörigkeitsgesetz33 • Kirgistan erließ am 3 .12.1991 ein Staatsangehörigkeitsgesetz, das durch ein neues Gesetz vom 18.12.1993 ersetzt wurde. 34 Im Jahr 1991 wurden die Staatsangehörigkeitsgesetze der Ukraine (Gesetz vom 8.10.1991 mit Änderungen vom 28.1.1993)3s, der Republik Moldau (Gesetz vom 5.6.1991 mit Änderungen vom 26.5.1993 und 8.6.1993)36, Tadschikistans (28.6.1991Y 7, von Weißrußland (Gesetz vom 18.10.1991 mit Änderungen vom 8.9.1995)38 und von Kasachstan (20.12.1991Y9 beschlossen. Rußland erließ am 10.4.1992 ein neues Staatsangehörigkeitsgesetz, das am 17.6.1993 geändert wurde40 Es sieht in Art. 2 eine "doppelte" Staatsangehörig32 Ein Überblick über die wichtigsten Bestimmungen der neuen staatsangehörigkeitsrechtlichen Regelungen finden sich im "Info-Dienst Deutsche Aussiedler", Heft Nr. 70/1995, s. 9 ff. 33 Gesetz Nr. 1854-XI, das in einer Übersetzung des Auswärtigen Amtes vorliegt. 34 Dieses Gesetz li~gt dank der Unterstützung der deutschen Botschaft in Bischkek nunmehr in englischer Ubersetzung vor. 3s Gesetz Nr. 1636-XII, vorliegend in einer Übersetzung des Auswärtigen Amtes. Vgl. zum Staatsangehörigkeitsrecht der Ukraine auch Andreas Bilinsky, in: Alexander Bergmann/ Murad Ferid (Hrsg.), Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Frankfurt M., 119. Lieferung vom 31.7.1994; P. Chaliy, Ukrain Legislation on Nationality and Practice of ist Realization, in: Politique et Temps (Zeitschrift), 1993, Nr. 9. Vgl. zur Klärung staatsangehörigkeitsrechtlicher Fragen im Verhältnis Ukraine-Rußland den Beitrag von George Ginsburgs, OER 42 (1996), S. 217 ff. 36 Gesetz Nr. 596-XII, vorliegend in einer Rohübersetzung des Auswärtigen Amtes. 37 Gesetz Nr. 307, das in einer Übersetzung des Auswärtigen Amtes vorliegt. 38 Gesetz Nr. 1181-XII, ergänzt durch die Resolution des Obersten Rates vom 18.10.1991, Nr. 1182-XII. Aufgehoben wurde die Resolution des Präsidenten des Obersten Rates vom 27.8.1981 über das Verfahren bei der Verleihung der Staatsangehörigkeit der Republik Belarus und die Resolution vom 12.5.1987; vorliegend in einer englischen Übersetzung des Global Language Service, New York, zur Verfugung gestellt von der OSZE/ODIHR, Warschau. Vgl. zum Staatsangehörigkeitsrecht der Republik Belarus auch Andreas Bilinsky, in: Alexander Bergmann/ Murad Ferid (Hrsg.), Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Frankfurt M., 117. Lieferung vom 31.12.1993. Zum Grundlagenvertrag der UdSSR mit Weißrußland vom 18.12.1990 Hellmuth Hecker, ArchVR 35 (1997), 73, 95 m.w.N. 39 Das Gesetz trat am 20.12.1991 in Kraft und wurde durch den Erlaß des Präsidenten vom 23.12.1993 und ein Dekret vom 3.10.1995 ergänzt. Vgl. zum Staatsangehörigkeilsrecht Kasachstans auch Axel Weishaupt, in: Alexander Bergmann! Murad Ferid (Hrsg.), Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Bd. V, Frankfurt M., 120. Lieferung vom 28.2.1995. 40 Vgl. zum Staatsangehörigkeitsrecht Rußlands Galina K Dmietrieva/ !gor I. Lukashuk, Review of Centrat and East European Studies 19 ( 1993), S. 267 ff.; George
A. Die Regelungen in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion
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keit des Bundes und der Teilrepubliken vor. Das Verfahren in staatsangehörigkeitsrechtlichen Angelegenheiten wird durch das Statut vom 27.12.1992 geregelt.4' In Turkmenistan wurde das Staatsangehörigkeitsgesetz am 30.9.1992 beschlossen42. In Usbekistan erließ der Oberste Rat am 14.1.1992 ein Gesetz, das es Usbeken erlaubte, die Staatsangehörigkeit anderer Staaten zu erwerben. Das Staatsangehörigkeitsgesetz datiert vom 2.7.1992.43 Von Armeoien liegt bislang nur der Entwurfvom Frühjahr 1993 vor; weitere Informationen waren leider auch von der Botschaft nicht zu erhalten. In Georgien wurde das Staatsangehörigkeitsgesetz am 25.3.1993 beschlossen44 •
5. Kategorisierung der staatsangehörigkeitsrechtlichen Regelungen Die staatsangehörigkeitsrechtlichen Regelungen der Staaten der ehemaligen Sowjetunion werden im folgenden entsprechend der innerstaatlichen Tatbestände, die einen Wechsel der Staatsangehörigkeit auslösen, verschiedenen Gruppen zugeordnet. Einige Staaten wie etwa Litauen, die Republik Moldau oder die Russische Föderation verleihen die Staatsangehörigkeit aufgrund mehrerer Anknüpfungspunkte, so daß sich diese Staaten in verschiedenen Kategorien wiederfmden.
Ginsburgs, Review ofCentral and East European Law 18 (1992), S. I ff.; 19 (1993), S. 233 ff.; Egil Levits, StAZ 1992, S. 171 ff.; Hans v. Mangoldt, AJPIL 49 (1995), S. 65 ff. Ein Überblick über die von Rußland geschlossenen bzw. fortgeltenden multi- und bilateralen völkerrechtlichen Verträge findet sich bei Conseil d'Europe, Bulletin europeen sur Ia nationalite, DIR/JUR (95) I, Straßburg 24.3.1995, Addendum I, S. 163, 164. 41 Review ofCentral and East European Law 19 (1993), S. 310. Vgl. zum Grundlagenvertrag Rußlands mit Kirgistan vom 21.6.1991, der allenfalls über die Ausübung diplomatischen Schutzes auf die Staatsangehörigkeit Bezug nimmt, Hecker, Hellmuth, ArchVR 35 (1997), S. 73, 96 m.w.N. 42 Gesetz Nr. 740-XII, das freundlicherweise von der diplomatischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Aschgabat übersetzt und zur Verfugung gestellt wurde. Vgl. zum Freundschaftsvertrag Turkmenistans mit Rußland vom 31.7.1992 und zum Doppelstaatervertrag vom 23.1.1993 Hellmuth Hecker, ArchVR 35 (1997), S. 73, 97 m.w.N. 43 Eine deutsche Übersetzung von Arno Wohlgemuth, findet sich nunmehr in StAZ 1996, S. 50 ff. 44 Veröffentlicht in Tbilissis Svobodnaya Gruziya vom 30.3.1993, vorliegend in einer Übersetzung des Auswärtigen Amtes.
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Kapitel3: Staatsangehörigkeitsrechtliche Regelungen
Die erste Gruppe von Staaten erließ noch zu Zeiten der UdSSR ein eigenes Staatsangehörigkeitsgesetz und behielt die bisherigen Angehörigen der Unionsrepublik als Angehörige des neuen Staatsvolkes bei (Teil II). Zur zweiten Gruppe gehören die wiederhergestellten baltischen Staaten, die bei der Definition ihres Staatsvolkes an die Zugehörigkeit zu einem vormals unabhängigen Staat anknüpften (Teil III). Die dritte Gruppe ("Mischsystem") bilden Staaten, die an den Wohnsitz im Inland vor der Aufuahme bzw. Annexion durch die UdSSR anknüpfen, ihre Staatsangehörigkeit aber auch solchen Personen verliehen, die von diesen Personen oder solchen, die im Inland geboren worden waren, abstammen, solchen, die der der Staatsnation zuzurechnen sind, sowie solchen, die vormals zwangsausgebürgert wurden (Teil IV). Die vierte Gruppe, der die meisten Nachfolgestaaten zuzuordnen sind, bestimmten ihr Staatsvolk anband des Wohnsitzes im Inland (Teil V). Der Erwerb aufgrund des Wohnsitzes erfolgte entweder automatisch oder durch Ausübung eines Optionsrechtes (Teil VII). Teil VIII dient der Abrundung und bietet einen Überblick über die Möglichkeit der nicht vom Wechsel betroffenen Personen, die dennoch Verbindungen zum Staatsgebiet aufweisen, sich in dem jeweiligen Nachfolgestaat einbürgern bzw. erleichtert einbürgern zu lassen. Insbesondere wird hier auf die sich im Ausland befindlichen Personen bzw. Volkszugehörigen und die Möglichkeit der Registrierung ftlr ehemalige Sowjetbürger in Rußland eingegangen.
II. Automatischer Wechselaufgrund Republikzugehörigkeit Ein automatischer Wechsel der Staatsangehörigkeit aufgrund vorheriger Zugehörigkeit zu einer Unionsrepublik findet sich in Aserbaidschan, Kirgistan und Litauen. In Kirgistan bestimmt Art. 1 Ziff. 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes diejenigen Personen, die am Tag der Annahme der Souveränitätserklärung (15.12.1990) Staatsangehörige Kirgistans waren und sich nicht ftlr eine andere Staatsangehörigkeit entschieden haben, zu Staatsangehörigen. Nach Art. 1 Ziff. 2 sind ferner diejenigen Personen Staatsangehörige, die die Staatsangehörigkeit der Kirgisischen Republik nach den gesetzlichen Bestimmungen und nach der Erklärung der Souveränität erworben und nicht dem nun geltenden Gesetz verloren haben. Nach Art. 4 des aserbaidschanischen Staatsangehörigkeitsgesetzes sind diejenigen Personen, die die Staatsangehörigkeit der Unionsrepublik vor dem Auseinanderbrechen der UdSSR besessen hatten, Teil des Staatsvolkes. Weitere Anforderungen wie etwa ein Wohnsitz im Inland sind nicht notwendig.
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Beide Regelungen erscheinen einfach und keinerlei Probleme im Hinblick auf die Staatensukzession aufzuwerfen. Es stellt sich aber dennoch die Frage, wie das Staatsvolk vor Erlaß der beiden staatsangehörigkeitsrechtlichen Gesetze defmiert wurde, insbesondere welche Personengruppen integriert wurden. 45 Da leider keine weiteren Informationen zu erhalten waren, fmdet sich beim UNHCR die Vermutung, daß aufgrund der heterogenen Zusammensetzung der Bevölkerung in Aserbaidschan die Volkszugehörigkeit ausschlaggebendes Merkmal bei der Bestimmung der Staatsangehörigkeit gewesen sei: "Azeri authorities have therefore considerable discretionary powers in determining who is part of the initial citizenry and who is not. ( ...) Currently, a restrictive approach seems to prevail, which tends to exclude ethnic non-Azeri people that came to Azerbaijan from other Soviet republics, regardless of the time they have been living in Azerbaijan."46
In Kirgistan hingegen war nach Auskunft der Deutschen Botschaft in Bischkek vom 25.4.1996 nicht die Volkszugehörigkeit, sondern der Wohnsitz ausschlaggebendes Kriterium bei der Bestimmung des Staatsvolkes, da der Begriff der Volkszugehörigkeit seit kurzem in den Pässen nicht mehr erwähnt wird, und unabhängig von der ethnischen Zugehörigkeit des einzelnen in die Rubrik "Volkszugehörigkeit" nurmehr "Bürger Kirgistans" eingetragen werde. Auch Litauen hatte sein Staatsangehörigkeitsgesetz bereits am 3.11.1989, d.h. noch vor Wiederherstellung der Unabhängigkeit erlassen. Personen, die aufgrund dieses Gesetzes die Staatsangehörigkeit erworben hatten, behielten sie nach der Unabhängigkeit bei; das erste Staatsangehörigkeitsgesetz behielt bis 1991 seine Gültigkeit. 47 111. Automatischer Wechsel aufgrund der Zugehörigkeit zum wiederhergestellten Staatsvolk Unter den wiederhergestellten Staaten gibt es zum einen solche, die nur einen sehr engen Kreis von Personen in ihr Staatsvolk aufnahmen, wie etwa Estland und Lettland, auf der anderen Seite fmdet sich Litauen, das bemüht war, 45 In Aserbaidschan setzte sich die Bevölkerung am 1.1.1991 folgendermaßen zusammen: 82,7% waren aserbaidschanischer Herkunft, 5,6% waren Russen und 5,6% Armenier aus Berg-Karabach. In Kirgistan stellte sich die Lage wie folgt dar: 52,4 % waren Kirgisen, 21 ,5 % waren Russen, 12,9% waren Usbeken, 2,4% waren Ukrainer und 1,6% waren deutschstämmig. 46 UNHCR, Nationality Laws in Former USSR Republics, Genf 1993, S. 19 und 20. 47 Vgl. hierzu Andreas Zimmermann, StAZ 1992, S. 118, 119 m.w.N. Eine Darstellung der in Litauen getroffenen Regelungen findet sich ferner in Teil III., IV., V., VI., VII., und VIII.
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Kapitel 3: Staatsangehörigkeitsrechtliche Regelungen
Personen, die sich lange im Inland aufgehalten hatten, den Erwerb der Staatsangehörigkeit ohne größere Hürden etwa im Wege der Option zu ermöglichen. Eine den baltischen Staaten ähnliche Regelung fmdet sich in der Republik Moldau. Da hier aber nicht an ein bereits bestehendes Gesetz bzw. eine bestehende Staatsangehörigkeit angeknüpft wurde, sondern an den Wohnsitz im Inland bis 1940, werden Litauen und die Republik Moldau hinsichtlich dieses Anknüpfungspunktes unter einem eigenen Gliederungspunkt IV. behandelt.48 In Estland waren nach Ziff. 2 der Resolution des Obersten Rates diejenigen Personen und ihre Nachkommen estnische Staatsangehörige, die die Staatsangehörigkeit vor der Annexion durch die UdSSR besessen hatten. Der automatischer Erwerb galt auch filr Kinder, die vor dem 26.2.1992 legitimiert, adoptiert oder von estnischen Staatsangehörigen anerkannt wurden, sowie fiir Ehefrauen estnischer Staatsangehöriger. Diese Personen mußten bis zum I. 7.1994 ihre bisherigen sowjetischen Pässe gegen estnische Dokumente austauschen. Nach Angaben des estnischen Außenministeriums sollen aufgrund dieser Regelung bereits rund 80.000 Menschen nicht-estnischer Volkszugehörigkeit die Staatsangehörigkeit erlangt haben. Art. I Abs. I des Gesetzes von 1995 bestätigt diesen Erwerb!9 In Lettland bestimmte die Resolution vom 15.10.1991, daß diejenigen Personen und ihre Nachkommen, die die lettische Staatsangehörigkeit vor dem 17.6.1940 besessen hatten/0 dann lettische Staatsangehörige waren, wenn sie sich bis zum I.7.1992 fiir die Ausstellung eines lettischen Passes registrieren ließen. Notwendig war nach Abs. 3 ferner, daß diese Personen ihren rechtmäßigen Wohnsitz in Lettland seit dem 17.6.1940 hatten, nicht die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates besaßen und nicht sowjetischen Regierungsbehörden oder dem sowjetischen Militär angehörten. Personen, die sich im Ausland befanden, konnten jederzeit einen lettischen Paß beantragen, sofern sie auf ihre bisherige Staatsangehörigkeit verzichteten. Das Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22.7.1994 übernimmt diese Grundsätze. Daher sind diejenigen Personen und ihre Nachkommen, die vor 1940 die lettische Staatsangehörigkeit besessen hatten, Teil des wiederhergestellten Staatsvolkes, sofern sie nicht nach dem 4.5.1990 eine andere Staatsangehörigkeit erworben haben.
48 Im Ergebnis so auch Judith Putzer/ Volker Türk, AJPIL 49 (1995), S. 29, 37, die in der Republik Moldau einen "restored state" sehen und sie zusammen mit Litauen der Kategorie eines "mixed system" zuordnen. 49 Vgl. zum Rechtsstatus der nicht-estnischen Bevölkerung Tatjana Ansbach, ROW 1996, S. 217 ff. 50 Die Staatsangehörigkeit bestimmte sich hier nach dem Gesetz von 23.8.1919, geändert durch die Gesetze vom 2.6.1927, vom 5.2.1930, und vom 20.9.1938.
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Nach Art. I Ziff. I des Gesetzes von I989 waren Personen Staatsangehörige Litauens, die entweder selbst die Staatsangehörigkeit vor der Annexion besessen hatten oder von solchen Personen abstammten. Diese Regelung wurde in das Staatsangehörigkeitsgesetz vom 5.I2.1991 übernommen. Art. I bestimmt, daß diejenigen Personen, die vor dem 15.6.1940 Staatsangehörige Litauens waren, und deren Kinder und Eltern, Staatsangehörige der Republik Litauen sind, sofern sie keine andere Staatsangehörigkeit erworben haben. IV. Automatischer Wechsel aufgrund eines aktuellen Wohnsitzes im Inland Der Wohnsitz oder dauernde Aufenthalt im Inland ftihrt zu einem Erwerb der Staatsangehörigkeit in den Republiken Armenien, Belarus, Georgien, Kasachstan, der Russische Föderation, Tadschikistan und Turkmenistan, der Ukraine und Usbekistan. Nach § ll des armenischen Staatsangehörigkeitsgesetzes waren alle ehemaligen Staatsangehörigen der UdSSR (also nicht Staatenlose), die in Armenien ihren ständigen Wohnsitz hatten, Staatsangehörige Armeniens, sofern sie hierauf nicht verzichteten. Belarus entschied sich in Art. 2 des Staatsangehörigkeitsgesetzes ebenfalls filr das Wohnsitzprinzip51 , auch wenn dies dazu filhrte, daß Personen weißrussischer Abstammung, die sich im Zeitpunkt der Unabhängigkeit im Ausland aufhielten, nicht automatisch Teil des neuen Staatsvolkes wurden: "Belarus adopted a pure-state model. ( ... ) The initial citizenry does not include ethnic Belorussians permanently residing in other countries. In principles, they may acquire nationality only upon the filing of an application according to articles 17 and 21 of the nationality law, which imply that the applicant has to go through an examination procedure. "52
Etwas anderes kann entgegen Hecker3 weder aus der Souveränitätserklärung der BeiSSR vom 27.7.1990 abgeleitet werden, in der das belorussische Volk als die Gesamtheit der Staatsbürger bezeichnet wurde, und Weißrußland erklärte, Personen als Staatsangehörige aufnehmen und über die Beendigung der Staatsangehörigkeit entscheiden und die russische Staatsangehörigkeit verleihen zu 51 Vgl. zur Entstehungsgeschichte und den dem Gesetz vorausgehenden Debatten George Ginsburgs. Review ofCentral and East European Law 19 (1993), S. 233,253. 52 UNHCR, Nationality Laws in Former USSR Republics, Genf 1993, S. 21. So auch die Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Minsk vom 19.4.1996. 53 Hellmuth Hecker, WGO-MfDR 36 (1994), S. 45, 55.
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Kapitel3: Staatsangehörigkeitsrechtliche Regelungen
wollen, noch aus allgemeinen Erwägungen wie dem Grundsatz der Vermeidung der Staatenlosigkeit oder der Tatsache, daß ethnische Weißrussen nunmehr auf die Einbürgerung angewiesen waren. In Belarus bestimmt so Art. 2 Nr. l diejenigen Personen, die sich am Tag des Inkrafttretens des Staatsangehörigkeitsgesetzes ständig im Hoheitsgebiet Weißrußlands aufhielten, zu Staatsangehörigen. Auf diese Art und Weise konnten insbesondere Angehörige der Streitkräfte der UdSSR die Staatsangehörigkeit erwerben. Ein Ausschlagungsrecht fmdet sich hier nicht. Vom Erwerb ausgenommen waren Personen, die sich wie etwa Angehörige des sowjetischen Militärs, nur vorübergehend in Weißrußland -aufhielten. Die Resolution des Obersten Rates "über das Inkrafttreten des Staatsangehörigkeitsgesetzes" vom 18.1 O.I99I nannte in Ziff. 3 diejenigen sich im Ausland befmdlichen Personen, für die ein inländischer Wohnsitz fmgiert wurde, wie etwa solche, die sich aufgrund einer Militärpflicht im Ausland aufhielten, an Forschungsexpeditionen teilnahmen, als Seeleute arbeiteten, oder sich wegen eines Studiums oder einer medizinischen Behandlung im Ausland aufhielten. In Georgien mußte der einzelne eine Aufenthalt im Inland von mindestens fünf Jahren aufweisen, um die Staatsangehörigkeit automatisch erwerben zu können. Relativiert wurde der Erwerb nach Art. 3 lit. a dadurch, daß nur diejenigen Personen zum Staatsvolk gehörten, die innerhalb von vier Monaten nach Verabschiedung des Staatsangehörigkeitsgesetzes auch ihre Unterlagen über die Bestätigung der Staatsangehörigkeit erhalten hatten. In Kasachstan sah Art. 3 Abs. I vor, daß diejenigen Personen Staatsangehörige der Kasachischen Republik waren, die am Tag des Inkrafttretens des Staatsangehörigkeitsgesetzes (20.I2.I99I) ständig in der Republik Kasachstan wohnhaft waren. Nach Art. I3 Nr. I des russischen Staatsangehörigkeitsgesetzes war derjenige Staatsangehörige der ehemaligen UdSSR Staatsangehöriger der RF, der im Zeitpunkt des Inkrafttreten des Gesetzes, d.h. am 1.2.I992, seinen ständigen Wohnsitz im Hoheitsgebiet Rußlands hatte. In Tadschikistan waren nach Art. 2 diejenigen Personen tadschikische Staatsangehörige, die ihren ständigen Wohnsitz im Hoheitsgebiet Tadschikistans hatten, sowie die zur ständigen Wohnsitznahme einreisende Personen. Art. 49 des turkmenischen Staatsangehörigkeitsgesetzes bestimmte alle ehemaligen Staatsangehörigen der UdSSR, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Staatsangehörigkeitsgesetzes ihren ständigen Aufenthalt in Turkmenistan hatten, zu Staatsangehörigen des neuen unabhängigen Staates, sofern sie auf die Staatsangehörigkeit nicht schriftlich verzichteten. Nach Art. 50 liegt ein Inlandswohnsitz auch dann vor, wenn sich der einzelne vorübergehend im Ausland, etwa zu Ausbildungs- und Heilzwecken, aufgrund eines Arbeits- oder
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Dienstverhältnisses oder der Einberufung zu einem befristeten Wehrdienst, aufhält. In der Ukraine bestimmt Art. 2 Nr. I, daß Personen, die zum Zeitpunkt des lnkrafttretens des Gesetzes ihren Wohnsitz in der Ukraine hatten, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer sozialen und vermögensrechtlichen Lage, ihrer Rassen- und Nationalitätszugehörigkeit, ihres Geschlechts, ihrer Bildung, ihrer Sprache, ihrer politischen Ansichten, ihrer religiösen Überzeugung, von der Art und dem Charakter ihrer Beschäftigung, Staatsangehörige der Ukraine waren, sofern sie nicht die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates besaßen und nicht Widerspruch einlegten.54 Eine Ausnahme von den bislang aufgerührten Regelungen findet sich in Usbekistan, denn hier erwerben die im Inland lebenden Personen erst nach Ausübung eines Optionsrechtes die Staatsangehörigkeit.
V. Automatischer Wechselaufgrund eines Wohnsitzes im Inland vor 1940, der Abstammung von solchen Personen, der Geburt im Inland oder Volkszugehörigkeit Der Ansatz in der Republik Moldau war nicht rein territorialer Natur, sondern stellt einen Mischung aus dem Modell der wiederhergestellten Staaten und den an den Wohnsitz anknüpfenden Staaten dar. Dies hat historische Ursachen. 1878 erhielt Rußland auf dem Berliner Kongreß den südlichen Teil Bessarabiens, der nach dem Ende des I. Weltkrieges ein Teil Rumäniens wurde. Im Juni 1940 mußte Rumänien Bessarabien und die Nordbukowina an die Sowjetunion abtreten. 55 Ein Teil des abgetretenen Gebietes wurde der Ukrainischen SSR zugeschlagen, aus dem anderen entstand die Moldauische SSR, die der UdSSR am 2.8.1940 beitrat. Art. 2 Nr. 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes der Republik Moldau berücksichtigt diese geschichtliche Entwicklung, wenn er bestimmt, daß diejenigen Personen, die auf dem Staatsgebiet der Republik Moldau vor 28.6.1940 wohnten, Staatsangehörige des unabhängigen Staates sind, sowie deren Nachkommen, sofern sie noch in der Republik Moldau ihren Wohnsitz haben. Der Erwerb erfaßt ferner diejenigen im Inland lebenden Personen, deren einer Elternteil oder Vorfahre im Gebiet der Republik Moldau geboren wurde (Art. 2 Nr. 2). Diese Regelung fiihrte dazu, daß insbesondere viele in Rumänien lebende Personen nunmehr automatisch auch die moldauische Staatsangehörigkeit erwarben. 54 Zu Gunsten der sich im Ausland befindlichen Personen wurde am 28.1.1993 in Abs. 2 ein Optionsrecht eingefügt. 55 Die Feststellung der widerrechtlichen Annexion findet sich in der Souveränitätserklärung der Republik Moldau vom 23 .6.1990.
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Kapitel 3: Staatsangehörigkeitsrechtliche Regelungen
In Litauen waren nach dem Gesetz von 1991 diejenigen Personen und ihre im Inland lebenden Nachkömmlinge litauische Staatsangehörige, die während der Zeit vom 9.1.1919 bis zum 15.6.1940 ihren ständigen Wohnsitz im Staatsgebiet Litauens hatten. Auch hier erwarben darüber hinaus im Inland lebende Personen, deren einer Elternteil oder Vorfahre im Litauen geboren worden war (Art. 1 Nr. 2 des StAngG 1989). Rußland erließ ebenfalls eine Regelung über den automatischen Erwerb der Staatsangehörigkeit für Volkszugehörige. Hier bestimmt Art. 13 Abs. 2, daß Personen mit früherer rußländischer Staatsangehörigkeit, d.h. Personen, die am 30.12.1922 oder später auf dem Gebiet der Russischen Föderation geboren wurden, und die die Staatsangehörigkeit der ehemaligen UdSSR verloren hatten, sowie diejenigen, deren einer Elternteil im Zeitpunkt der Geburt russischer Staatsangehöriger mit ständigem Wohnsitz auf dem Gebiet Rußlands war, automatisch als Staatsangehörige anerkannt wurden. Nach Art. 20 Abs. 2 galt die Staatsangehörigkeit für Personen, die aus politischen gründen ausgebürgert wurden, automatisch als wiederhergestellt, sofern sie hierauf nicht verzichteten. Ebenso enthielt auch das Staatsangehörigkeitsgesetz Kasachstans in Art. 3 Abs. 3 einen automatischen Erwerb der Staatsangehörigkeit für Volkszugehörige und deren Nachkommen, die zwangsausgewiesen oder -ausgebürgert wurden, oder aufgrund unmenschlicher Behandlung oder politischer Verfolgung gezwungen waren, das Land zu verlassen. Der Erwerb der Staatsangehörigkeit tritt nur ein, wenn die Gesetze des jeweiligen Aufenthaltsstaates dem nicht entgegenstehen. VI. Optionsrechte 1. Positives Optionsrecht
In Armenien konnten Staatsangehörige der ehemaligen UdSSR, die im Hoheitsgebiet geboren wurden, im Zeitpunkt des lokrafttreten des Gesetzes sich jedoch außerhalb Armeniens aufhielten, innerhalb eines Jahres für die armenische Staatsangehörigkeit optieren (§ 11 letzter Absatz). Die gleiche Möglichkeit wurde auch den im Inland lebenden Staatenlosen eingeräumt(§ ll Abs. 1 lit. b). In Litauen konnten Personen, die nicht nach Art. 1 Nr. I und 2 des Gesetzes von 1989 die Staatsangehörigkeit erworben hatten, innerhalb einer Frist von zwei Jahren (bis zum 3.11.1991 ), für die litauische Staatsangehörigkeit optierten (Art. l Nr. 3). Voraussetzung dieser Option war, daß diese Personen ihren dauernden Aufenthalt in Litauen hatten und über ein regelmäßiges Einkommen verfügten.
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Sprachkenntnisse oder eine bestimmte Aufenthaltsdauer waren nicht notwendig. Der einzelne mußte sich verpflichten, die Verfassung und die Gesetze Litauens zu beachten und die staatliche Souveränität und territoriale Integrität zu respektieren. Personen, die die Staatsangehörigkeit aufgrund dieser Vorschrift erhalten hatten, behielten sie nach lokrafttreten des neuen Staatsangehörigkeitsgesetezs bei. Nach Informationen des litauischen Innenministeriums sollen rund 370.000 der ständig im Inland lebenden Personen von diesem Optionsrecht Gebrauch gemacht haben. Dies entspricht einem Anteil von 90 % an der Gesamtheit der Optionsberechtigten.56 Nach Art. 2 Nr. 3 des Staatsangehörigkeitsgesetzes der Republik Moldau waren Personen, die vor der Verabschiedung der Deklaration über die Souveränität der Republik Moldau - einschließlich des Tages der Verabschiedung (23.6.1990)- ihren ständigen Wohnsitz im Gebiet der Republik Moldau hatten, und die über eine Dauerarbeitsstelle oder eine legale Existenzgrundlage verfiigten, Staatsangehörige, wenn sie innerhalb eines Jahres (bis 5.6.1992) einen entsprechenden Antrag stellten. Diese Frist wurde vom UNHCR als kurz angesehen und veranlaßte ihn zur Vermutung, daß viele Berechtigte von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen konnten. 57 Leider fehlen Angaben darüber, inwieweit diese Annahme tatsächlich zutraf. Turkmenistan gewährte Staatsangehörigen der ehemaligen UdSSR und deren Nachkommen in direkter absteigender Linie, die auf turkmenischen Gebiet geboren wurden, Turkmenistan aber vor lokrafttreten des Gesetzes verlassen mußten, und ihren Wohnsitz in einen anderen Staat verlegt haben, die Möglichkeit, die Staatsangehörigkeit durch Erklärung zu erwerben. Ein entsprechender Antrag mußte innerhalb eines Jahres gestellt werden (Art. 49 Abs. 2). In der Ukraine wurde durch Gesetz vom 28.1.1993 ein Optionsrecht fiir Personen, die im Staatsinteresse im Ausland tätig waren, Wehrdienst leisteten, oder sich dort zu Ausbildungszwecken aufhielten (Art. 2 Nr. 2), eingefiigt. Voraussetzung fiir die Ausübung des Optionsrechtes war eine Geburt oder ein ständiger Wohnsitz im Inland sowie das Fehlen einer anderen Staatsangehörigkeit. Die Optionsfrist betrug zwei Jahre. In Usbekistan war es ftlr den Erwerb der Staatsangehörigkeit der in Art. 4 genannten im Inland lebenden Personen notwendig, daß ein entsprechender Antrag gestellt wurde. Nach Art. 4 sind diejenigen Personen optionsberechtigt, die im Zeitpunkt des lnkrafttretens des Staatsangehörigkeitsgesetzes in Usbekistan ihren ständigen Wohnsitz hatten, oder die, wenn sie sich in staatlichem 56 Nach Rudolf Bernhardtl Henry G. Schermers, Report on Lithuanian Law and International Human Rights Standards, Ad Hoc Committee on Relations with Eastem Europe, Council of Europe, Parliamentary Assembly, Doc. AS/Ad hoc-Bur-EE (43) 3, S.
12.
57
UNHCR, Nationality Laws in Former USSR Republics, Juli 1993, S. 53, 54.
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Kapitel 3: Staatsangehörigkeitsrechtliche Regelungen
Auftrag im Ausland aufhielten, im Hoheitsgebiet geboren worden waren. Sie konnten die Staatsangehörigkeit unabhängig von ihrer Abstammung, ihrer Sozial- und Vermögensstellung, Rassen- und Nationalzugehörigkeit, ihres Geschlecht, ihrer Bildung, Sprache, ihrer politischen Ansichten, ihrer religiösen Gesinnung, und der Art und des Charakters ihrer Beschäftigung erwerben, sofern sie nicht Staatsangehörige eines anderen Staates waren. Eine Frist nannte das Gesetz nicht. 2. Negatives Optionsrecht
In Armeoien betrug die Ausschlagungsfrist bereits sechs Monate. Georgien räumte seinen Staatsangehörigen während der Dauer von drei Monaten die Möglichkeit ein, auf die georgische Staatsangehörigkeit zu verzichten (Art. 3 lit. a). In Kasachstan konnte der einzelne die kasachische Staatsangehörigkeit bis 1.3.1995 ausschlagen.~ 8 Da in Kasachstan sowohl Personen, die der Wohnbevölkerung angehörten, als auch im Ausland lebende Kasachen ein Optionsrecht hatten, war die Vorgehensweise in beiden Fällen unterschiedlich. Wenn der einzelne im Inland lebte, mußte er seinen Antrag bei den Paßbehörden des Innenminsteriums stellen, die ihm anschließend bescheinigten, kein kasachischer Staatsangehöriger zu sein. Seinen Paß konnte er zum Zweck der Ausreise behalten. Wohnte der Optant im Ausland, mußte er bei der zuständigen Auslandsvertretung die Ablehnung erklären und seinen Paß abgeben. Personen, die sich innerhalb dieser Frist nicht entschieden, verloren nicht die Staatsangehörigkeit, sondern handelten rechtswidrig. 59 Ein Verlust konnte aber aufgrunddes Auslandsaufenthaltes eintreten. Das kasachische Außenministerium teilte mit, daß diejenigen Personen, die sich im Ausland aufhalten, und die älter als sechzehn Jahre sind, die Staatsangehörigkeit dann verlieren, wenn sie sich nicht innerhalb eines Zeitraumes von filnf Jahren registrieren lassen. Die Frist begann am 1.3 .1992, d.h. ein Verlust kann frühestens zum 1.3.1997 eintreten.60 In der Russischen Föderation konnte der Erwerb der russischen Staatsangehörigkeit gemäß Art. 13 Nr. I dadurch rückgängig gemacht werden, daß der einzelne innerhalb eines Jahres (bis 1.2.1993) die Entlassung beantragte. 58 Vgl. hierzu Ziff. 3 der Verordnung des Obersten Rates vom 20.12.1991. In einem Merkblatt der Republik Kasachstan für Aussiedler wurde den ehemaligen im Inland lebenden Sowjetbürgern empfohlen, ihr Verhältnis zur kasachischen Staatsangehörigkeit bereits bis zum 1.3.1994 zu klären. 59 Ziff. 3 des Merkblattes der Kasachischen Botschaft. 60 Vgl. hierzu ausfUhrlieh die Darstellung bei Axel Weishaupt, in: Alexander Bergmann!Murad Ferid (Hrsg.), Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, 120. Lieferung vom 28.2.1995, S. 6 ff.
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In Turkmenistan und der Ukraine gab es keine Befristung.
3. Ergebnis a. Ein positives Optionsrecht findet sich Litauen, der Republik Moldau, Turkmenistan, in der Ukraine und in Usbekistan. b. Der zur positiven Option berechtigte Personenkreis ist sehr unterschiedlich. Während in Armenien, Litauen, der Republik Moldau und Usbekistan der Wohnbevölkerung unter bestimmten Voraussetzungen ein Optionsrecht eingeräumt wurde, nannten die Staatsangehörigkeitsgesetze Armeniens, der Ukraine und Turkmenistans die im Ausland lebenden Personen, die im Gebiet geboren waren oder dort ihren ständigen Wohnsitz hatten. c. Die Fristen der positiven Optionsrechte liegen bei einem Jahr, zwei Jahren, oder war unbefristet. d. Ein Ausschlagungsrecht gewähren Georgien, Armenien, die Russische Föderation, Kasachstan und die Ukraine ein, nicht hingegen die Republiken Belarus, und der Republik Moldau. Ein allgemeines Wahlrecht für den Fall eines Gebietsübergangs ist allein im russischen Gesetz enthalten. e. Die Fristen für die Ausschlagung des automatischen Erwerbs liegen bei drei Monaten (Georgien), sechs Monaten (Armenien) einem Jahr (Rußland) und vier Jahren (Kasachstan), oder waren unbefristet möglich (Turkmenistan und die Ukraine).
VII. Nachträglicher Erwerb durch Einbürgerung I. Dauer des Inlandsaufenthaltes
In Aserbaidschan ist keine bestimmte Aufenthaltsdauer genannt. Hier bestimmt Art. 16 Abs. 2, daß Personenaufgrund eines Antrages unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Rassen- und Volksgruppenzugehörigkeit, ihres Geschlechts, ihrer Bildung, ihrer Sprache, ihrer Einstellung zur Religion, ihren politischen und anderen Überzeugungen sowie ihrem Wohnort, eingebürgert werden können. Ein vierjähriger Inlandsaufenthalt wird in Armenien gefordert(§ 14 Abs. 1). Kirgistan, das in seinem Entwurf zunächst eine Aufenthaltsdauer von zehn Jahren verlangte (Art. 23), setzte diese in dem nunmehr geltenden Staatsangehörigkeitsgesetz auf fünf Jahre herab (Art. 21 Abs. 1 Nr. 2). In Belarus wird für Einbürgerungen nach Art. 13 Nr. 3 ein Aufenthalt im Inland während der letzten sieben Jahre gefordert.
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In Estland galt vor Erlaß des Gesetzes von 1995 die sog. "2+ 1"-Regelung. Einbürgerungsinteressenten konnten ihren Antrag frühestens nach einem zweijährigen Inlandsaufenthalt stellen, ein Bescheid erfolgte frühestens ein Jahr später. Als Beginn der Frist bestimmte Ziff. 5 der Resolution den 30.3.1990, d.h. den Tag, an dem die Wiederherstellung der Republik Estland und die Rechtswidrigkeit der Annexion erklärte wurden. Anträge konnten daher frühestens zu Beginn des Jahres 1992 eingereicht werden, Einbürgerungen fanden nicht vor April 1993 statt. Ausnahmen von dieser Fristregelung und einem Nachweis der Sprachkenntnisse wurden aufgrund einer parlamentarischen Entscheidung zugunsten von rund 30.000 Personen zugelassen, die sich vor den Wahlen 1990 beim estnischen Kongreß registrieren ließen.61 Nach Art. 6 des Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1995 setzt eine Einbürgerung u.a. voraus, daß der Antragsteller mindestens fUnfzehn Jahre alt ist, er mindestens fUnf Jahre vor Antragstellung und ein Jahr nach der Registrierung in Estland gelebt hat. Art. 26 Abs. I lit. a des georgischen Staatsangehörigkeitsgesetzes verlangt, daß der Einbürgerungsbewerber die dem Antrag vorausgegangenen zehn Jahre seinen ständigen Wohnsitz im Hoheitsgebiet Georgiens hatte. Einen ebenso langen ständigen Wohnsitz fordert auch Art. 16 Abs. 1 des kasachischen Gesetzes. Kürzere Unterbrechungen des Inlandsaufenthalts aufgrund eines Militärdienstes oder zu Ausbildungszwecken nicht als Unterbrechung des ständigen Wohnsitzes angesehen (Art. 38). In Lettland mußte der Antragsteller nach Abschnitt 3 der Resolution vom 15.10.1991 mußte der Antragsteller die letzten sechzehn Jahre vor Antragsteilung in Lettland gelebt haben und seinen Antrag bis zum I.7.1992 einreichen. Die Aufenthaltsdauer als solche stellte kein exorbitantes Einbürgerungshindernis dar, da 42% der Wohnbevölkerung zwischen zehn und zwanzig Jahren in Lettland lebten, weitere 42 % sogar fiir eine Dauer von zwanzig Jahren und länger. 62 Das Staatsangehörigkeitsgesetz von 1994 setzte die Aufenthaltsdauer auf einen Zeitraum von fiinf Jahren seit dem 4.5.1990 herab. 63 Für Personen, die nach dem 1.7.1992 eingereist sind, beginnt die Frist mit der Ausstellung einer dauernden Aufenthaltserlaubnis. In Litauen ist fiir eine Einbürgerung ein mindestens zehnjähriger Inlandsaufenthalt erforderlich. Dies ist hier als Fortschritt zu werten, da der ursprüngliche Vgl. Tarmu Tammerk, The Baltic Independent 26.2.-4.3.1993, S. 10. Vgl. George Ginsburgs, Review ofCentral and East European Law 18 (1992), S. I, 19 m.w.N. 63 Im Entwurfwaren noch sechzehn Jahre genannt worden. 61
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Entwurf forderte, daß der Antragsteller selbst oder einer seiner Vorfahren bereits vor der Annexion durch die UdSSR 1940 in Litauen gelebt hatte. 64 Gleiches gilt nach Art. 15 Nr. I für die Republik Moldau, wobei EinbUrgerungen hier wohl nur von wenigen Personen beantragt werden können, da eine weitere Voraussetzung die Geburt im Inland ist. In der Russischen Föderation ist nach Art. 19 Abs. 2 ein dauernder Inlandsaufenthalt von filnf Jahren notwendig. Wenn der Aufenthalt im Inland ununterbrochen war, d.h. der Einbürgerungswerber nicht länger als drei Monate zu Ausbildungs- oder Behandlungszwecken im Ausland im Ausland weilte, reicht ein dreijähriger Inlandsaufenthalt; bei anerkannten Flüchtlingen ist die Hälfte ausreichend. Eine bestimmte Aufenthaltsdauer ist in Tadschikistan nicht vorgeschrieben. Vielmehr nennt Art. 16 nur die Möglichkeit einer Einbürgerung. Ausländische Staatsangehörige sowie Staatenlose, die ihren ständigen Wohnsitz im Inland haben, oder ausländische Staatsangehörige und Staatenlose, die den Wohnsitz im Ausland haben, und die den Wunsch nach Wohnsitznahme im Inland geäußert haben, können nach Art. 16 auf Antrag in Übereinstimmung mit dem Staatsangehörigkeitsgesetz die Staatsangehörigkeit Tadschikistans erwerben, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Rassen- und Volksgruppenzugehörigkeit, ihres Geschlechts, ihrer Bildung, ihrer Sprache, ihrer Einstellung zur Religion, sowie ihrer politischen und anderen Überzeugung. Art 18 des Staatsangehörigkeitsgesetzes von Turkmenistan fordert ebenfalls einen mindestens siebenjährigen Inlandsaufenthalt Art. 17 Nr. 2 des ukrainischen Gesetzes verlangt einen ständigen Wohnsitz im Inland während der letzten fünf Jahre. In Usbekistan ist für die Einbürgerung nach Art. 2 Abs. 3 Ziff. 2 ebenfalls ein dauernder Aufenthalt im Inland während der letzten fünf Jahre Voraussetzung. 2. Sonstige Erfordernisse Sprachkenntnisse sind zwar in allen Staaten Voraussetzung für die Einbürgerung. Die Anforderungen im einzelnen sind jedoch unterschiedlich, so daß insbesondere im Hinblick auf die baltische Gesetzgebung hierauf eingegangen werden soll.
64 Vgl. hierzu George Ginsburgs, Review of Central and East European Law 18 (1992), S. l , 8.
7 Kreuzer
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Kapitel3: Staatsangehörigkeitsrechtliche Regelungen
Die sonstigen Anforderungen bzw. Versagungsgründe stimmen im wesentlichen überein. Personen, die Handlungen begangen oder an Handlungen beteiligt waren, die sich gegen die Unabhängigkeit des Staates richteten, wurde in der Regel nicht eingebürgert. So wird in Kasachstan und Aserbaidschan etwa ein Antrag auf Einbürgerung nach Art. 17 bzw. 16 Abs. 2 zurückgewiesen, wenn der Antragsteller ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder vorsätzliche Handlungen, die gegen die Souveränität und Unabhängigkeit der Republik Kasachstan bzw. Aserbaidschen gerichtet sind, selbst begangen oder zu solchen aufgerufen hat; wenn er Handlungen begangen hat, die der öffentlichen Sicherheit und Ordnung schaden; wenn er zwischenstaatlichen, ethnischen oder religiösen Haß schürt, wenn er wegen terroristischer Akte verurteilt wurde; oder wenn ein Gericht ihn als gefiihrlichen Kriminellen oder Rückfalltäter eingestuft hat. Andere Staaten, insbesondere die drei Baltenstaaten, nehmen solche Personen nicht in den Staatsverband auf, die filr den KGB oder das sowjetische Militär gearbeitet haben. So werden Einbürgerungsanträge etwa in Lettland nach Art. 11 des Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1994 negativ verbeschieden, wenn der Antragsteller - festgestellt in einer gerichtlichen Entscheidung - Handlungen gegen die demokratische parlamentarische Staatsordnung oder die Regierung mit nicht verfassungsmäßigen Mitteln begangen hat; wenn er nachweislich faschistische, chauvinistische, nationalistische, kommunistische oder andere totalitäre Ideen propagiert oder den ethnischen oder Rassenhaß nach dem 4.5.1990 geschürt hat; wenn er im Dienst ausländischer Verwaltung, Einrichtung oder des Militärs stand; wenn er im Sicherheitsdienst, der Polizei, oder des Militärs eines fremden Staates tätig war; wenn er nach dem 17.6.1940 beschlossen hatte, sich in Lettland dauerhaft niederzulassen, nachdem er aus russischem oder sowjetischem ausgeschieden war, obgleich er seinen Wohnsitz vor Eintritt in den Militärdienst nicht in Lettland gehabt hatte; wenn der Antragsteller im Dienst des Geheimdienstes (KGB) der UdSSR oder LSSR oder eines ausländischen Geheimdienstes tätig gewesen war; wenn er in Lettland oder einem anderen Staat filr ein Verbrechen mit einer Geflingnisstrafe mit über einem Jahr verurteilt wurde, sofern diese Tat auch in Lettland ein Verbrechen darstellt; oder wenn er nach dem 13.1.1991 ein aktives Mitglied der KPdSU, der Arbeiterfront der UdSSR, der Organisation der Kriegs- und Arbeitsveteranen, des Vereinigten Rates der Arbeiterkollektive, oder des gesamtlettischen oder regionalen Heilskomittes war. Zusätzlich wurde in Art. 14 ein Zeitplan filr die Bearbeitung der Einbürgerungsanträge aufgenommen. Die Anträge von Personen, die in Lettland geboren waren und zwischen 16 und 20 Jahre alt waren, wurden als erste ab 1.1.1996 bearbeitet; die der über 30-jährigen werden erst nach 1.1.1996; andere erst nach dem Jahr 2000, wobei hier die Zahl der Einbürgerungen pro Jahr nicht einen Anteil von 0,1 %an der Gesamtbevölkerung Lettlands des Vorjahres übersteigen darf.
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Als Hürde für die Einbürgerungen der nicht-estnischen Bevölkerung erwiesen sich die geforderten Sprachkenntnisse. Nach dem Gesetz vom I 0.2.1993 mußte der Antragsteller in der Lage sein, Gespräche in Alltagssituationen zu fUhren, sich bei öffentlichen Einrichtungen und Diensten verständlich zu machen, und Radio- und Fernsehprogramme zu verstehen. Er mußte ferner in der Lage sein, Anträge selber schriftlich auszuftlllen und seinen Lebenslauf selbst zu verfassen. 65 Damit die Einbürgerungsbewerber diesen Anforderungen gewachsen waren, wurden seit 1992 Trainingszentren in ganz Estland eingerichtet.
Eine Ausnahme wurde nur bei denjenigen Personen zugelassen, die vor dem 1.1.1930 geboren wurden; solchen, die ihre Schulausbildung in Estland genossen hatten, und solchen, die sich bereits erfolgreich einer Sprachprüfung unterzogen hatten. Erleichterungen für die russischsprachige Bevölkerung, wie sie sich etwa in Litauen fmden, wurden in dem am 12.1.1991 geschlossenen Vertrag mit der RSFSR nicht aufgenommen worden. 66 Vielmehr verpflichteten sich die Vertragsparteien nur, den Angehörigen des jeweils anderen Staates die Möglichkeit einzuräumen, die Staatsangehörigkeit erwerben zu können.67 Nur wenige der in Estland lebenden Personen stellten daher einen Antrag auf Einbürgerung mit der Folge, daß am 30.3.1993 ca. 400.000 - 500.000 in Estland lebende Menschen staatenlos waren. 68
einzelheiten fanden sich im Regierungserlaß vom 23.4.1993. Vgl. zum Vertrag mit Estland Hellmuth Hecker, ArchVR 35 (1997), S. 73, 85. 67 Art. III "Die Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik und die Republik Estland übernehmen gegenseitig die Verpflichtung, Personen, die zum Zeitpunkt der Unterzeichnung dieses Vertrages in den Hoheitsgebieten der RSFSR und der Republik Estland leben und gegenwärtig Staatsangehörige der UdSSR sind, die Rechte zu garantieren, die Staatsangehörige der RSFSR oder der Republik Estland gemäß ihrer freien Willensäußerung zu behalten oder zu erwerben." Art. IV "Jede Hohe Vertragspartei gewährt den Staatsangehörigen der jeweils anderen Vertragspartei sowie Staatenlosen, die in ihrem Hoheitsgebiet ihren Wohnsitz haben, unabhängig von ihrer Volkszugehörigkeit 1. die bürgerlichen und politischen Rechte und Freiheiten sowie die sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechts nach Maßgabe der allgemein anerkannten völkerrechtlichen Normen in Bezug auf die Menschenrechte; 2. freie national-kulturelle Entfaltung; 3. Wahl der Staatsangehörigkeit nach den Rechtsvorschriften des Aufenthaltslandes und dem zwischen der RSFSR und der Republik Estland geschlossenen Vertrag über die Staatsangehörigkeit." (zitiert nach einer Übersetzung des Auswärtigen Amtes) 68 Angaben nach UNHCR, Nationality Laws in Former USSR Republics, 1993, S. 26, 32 m.w.N. 65
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Kapitel 3: Staatsangehörigkeitsrechtliche Regelungen
Die Anforderungen an die Sprachkenntnisse blieben nach Art. 8 des Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1995 im wesentlichen dieselben. Der Antragsteller, dessen Mindestalter auf fiinfzehn Jahre herabgesetzt wurde, muß allgemeine Kenntnisse der estnischen Sprache aufweisen, wie sie im Alltag verlangt werden, und die estnische Verfassung und das Staatsangehörigkeitsgesetz kennen (Art. 9). Nachgewiesen werden die Sprachkenntnisse in einer Prilfung. Von dieser sind nach Art. 35 diejenigen Personen befreit, die vor dem 1.1 .1930 geboren wurden, solche die geistig oder offensichtlich körperlich behindert sind, sowie seh- und hörgeschädigte Personen. Angesichts der bleibenden hohen Anforderungen wurde fast die Hälfte der Einbürgerungsanträge im normalen Verfahren negativ verbeschieden, während fast alle im vereinfachten Verfahren gestellten Anträge Erfolg hatten. 69 In Lettland mußte der Antragsteller neben der Ablegung eines Eides auf die Republik und der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit nach Abschnitt 3 der Resolution vom 15.10.1991 mit der lettischen Sprache vertraut sein. Dieses Erfordernis der Beherrschung der lettischen Sprache wurde im Staatsangehörigkeitsgesetz von 1994 beibehalten. Diese Bedingung filr den Erwerb der Staatsangehörigkeit war insbesondere deswegen fiir den Großteil der Bevölkerung eine Hürde, da nur rund 22 % der nicht-lettischen Bevölkerung über die geforderten Sprachkenntnisse verfilgten. 70 Die anderen Personen mußten die lettische Sprache entweder durch teuren Privatunterricht oder in staatlichen Kursen erlernen, der aber nur vereinzelt angeboten wurde. Vom Nachweis der Sprachkenntnisse befreit sind·Personen, die ihre allgemeine Schulausbildung in Lettland genossen haben, sowie Behinderte des ersten Grades. Die "UN Fact-Finding Mission" sah die sprachlichen Anforderungen als mit den Menschenrechten vereinbar an, schlug aber vor, Personen, die älter als fiinfzig Jahre waren, von diesen Prüfungen auszunehmen. 71 Wird der Einbürgerungsantrag abgelehnt, kann der einzelne innerhalb eines Jahres erneut die Staatsangehörigkeit beantragen. Der Status derjenigen Personen, die nicht die lettische Staatsangehörigkeit - auch nicht im erleichterten Verfahren - erwarben, aber vor dem I. 7.1992 ihren Wohnsitz in Lettland hatten, bestimmte sich dann nach dem Gesetz "über den Status ehemaliger
69 Nach Auskunft des estnischen Außenministeriums wurden bis November 1995 31.503 Anträge auf Einbürgerung im normalen Verfahren gestellt; 18.316 hiervon hatten Erfolg. Demgegenüber erhielten von 50.042 Antragstellern im vereinfachten Verfahren 45.428 Personen einen positiven Bescheid. Ca. 80.000 Personen entschieden sich für eine andere Staatsangehörigkeit: 78.600 ftir die russische, 900 für die lettische, 520 für die litauische und 132 für die ukrainische Staatsangehörigkeit. 70 Dzintra Bungs, RFEIRL Report on the USSR 3 (1941144), S. 17, 18 m.w.N. 71 Summary of the Report of a Fact-Finding Mission to Latvia, Oktober 1992, UN Doc. A/47/748, S. 8.
A. Die Regelungen in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion
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UdSSR-Bürger, die nicht die Staatsangehörigkeit Lettlands oder eines anderen Staates erworben hatten". 72 Von dem Anwendungsbereich ausgenommen waren Angehörige des sowjetischen Militärs. Auch in Litauen ist die Kenntnis der litauischen Sprache eine Voraussetzung der Einbürgerung. Der Antragsteller muß Kenntnisse der litauischen Sprache in Wort und Schrift haben. Ausnahmen gibt es ftlr Russen, die sich rechtmäßig im Inland aufhielten, und die von ihrem Optionsrecht keinen Gebrauch gemacht hatten. 73 • Interessant sind hier einige der Versagungsgründe. Denn nach Art. 13 fUhrt nicht nur ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder ein Völkermord zur Ablehnung des Einbürgerungsantrags, sondern auch eine chronische Alkohol- oder Drogenabhängigkeit, oder das Vorliegen einer geflihrlichen Infektionskrankheit. In Armeoien wird in§ 14 u.a. verlangt, daß der Antragsteller die armenische Verfassung kennt und mit die armenische Sprache spricht'4• Ablehnungsgründe sind in § 14 Abs. 3 enthalten. In Belarus muß sich der Einbürgerungsbewerber verpflichten, die Verfassung und die Gesetze einzuhalten, er muß im Inland über einen rechtmäßigen Unterhalt verfUgen und braucht die Staatssprache nur in einem ftlr den Umgang notwendigen Maße zu beherrschen (Art.l3). Dies 72 Dieses Gesetz liegt in einer Übersetzung des Europarates vor, hrsg. von der "European Commission for Democracy Through Law", CDL (95) 26. 73 Vgl. Art. 4 Abs. 2 und 3 des "Vertrages über die Grundlagen der zwischenstaatlichen Beziehungen zwischen der Republik Litauen mit der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik" vom 29.7.1991: "(2) Die Republik Litauen garantiert Personen, die einen Anspruch auf die Staatsangehörigkeit der RSFSR haben, und die bis zum 3.11.1989 einen ständigen Wohnsitz im Gebiet Litauens hatten und noch haben und in der Republik Litauen über einen ständigen Arbeitsplatz oder über eine andere legale Einkommensquelle verfügen, das Recht, die Staatsangehörigkeit der Republik Litauen gemäß ihrer freien Willensbekundung und nach einem in den Rechtsvorschriften der Republik Litauen vorgesehenen Verfahren zu erwerben, ohne daß für diese eine Mindestfrist der Ansässigkeit, Kenntnisse der litauischen Sprache oder irgendwelche andere Voraussetzungen flir den Erwerb der Staatsangehörigkeit, als flir alle übrigen Personen gelten, gefordert werden. (3) Die Republik Litauen garantiert Personen, die einen Anspruch auf die Staatsangehörigkeit der RSFSR haben, und die im Zeitraum vom 3. November 1989 bis zum Tag der Unterzeichnung dieses Vertrages nach Litauen gekommen sind, sowie ständig in der Republik Litauen wohnhaft sind und über einen ständigen Arbeitsplatz in einem Betrieb, einer Organisation oder einer Einrichtung der Republik Litauen verfügen, bzw. über eine andere legale Unterhaltsquelle verfugen, das Recht auf Erwerb der Staatsangehörigkeit der Republik Litauen. ( ... ) Auf die genannten Personen finden Forderungen nach einer Mindestfrist der Ansässigkeit und von Kenntnissen der litauischen Sprache keine Anwendung." (zitiert nach einer Übersetzung des Auswärtigen Amtes). 74 Ebenso Art. 15 Nr. 3 und 4 des Staatsangehörigkeitsgesetzes der Republik Moldau.
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Kapitel3: Staatsangehörigkeitsrechtliche Regelungen
scheint ausreichend zu sein, da festgestellt wurde, daß in Weißrußland 2,4 % der Bevölkerung nur Weißrussisch sprechen, 56,6% nur die russische Sprache verwenden, und nur ein Drittel der Bevölkerung als zweisprachig bezeichnet werden kann. 75 In Georgien muß der Einbürgerungsbewerber die georgische oder abcbasische Sprache entsprechend des festgesetzten Mindestniveaus (Grundkenntnisse filr den alltäglichen Umgang) beherrschen, Mindestkenntnisse der Geschichte und Verfassung aufweisen, und über einen Arbeitsplatz oder über unbewegliches Vermögen in der Republik Georgien verfilgen (Art. 26 Abs. 1 lit. b-d). In der Ukraine wird in Art. 17 Nr. 3 gefordert, daß der Antragsteller die Sprache in einem zur Verständigung ausreichenden Umfang beherrscht, über eine legale Existenzgrundlage verfilgt, die Verfassung anerkennt und auf eine ausländische Staatsangehörigkeit verzichtet (Art. 17 Nr. 1). Die Ablehnungsgründe entsprechen denen der anderen Nachfolgestaaten und weisen keine Besonderheiten auf. In der Russische Föderation muß gemäß Art. 19 eine rechtsflihige Person den Antrag stellen, die älter als 18 Jahre ist. Sie kann unabhängig von ihrer Herkunft, sozialen Stellung, rassischen Zugehörigkeit und Nationalität, Geschlecht, Bildung, Sprache, Religionszugehörigkeit, politischen und sonstigen Überzeugungen, die Staatsangehörigkeit Rußlands beantragen. Ablehnungsgründe sind in Art. 20 Abs. 4 genannt. Sprachkenntnisse sind hier nicht ausdrücklich genannt. In Usbekistan werden ebenfalls keine Sprachkenntnisse gefordert. Vielmehr muß der Antragsteller nur die auch in anderen Staaten üblichen Voraussetzungen wie ein rechtmäßiges Einkommen und die Anerkennung der Verfassung, aufweisen. 3. Erleichterte Einbürgerungsverfahren
a) Ehemalige UdSSR-Staatsangehörigkeit In Kasachstan gilt die Voraussetzung eines nur filnfjährigen Inlandsaufenthaltes statt des zehnjährigen Wohnsitzes filr Angehörige einer ehemaligen Sowjetrepublik. Ehemaligen Sowjetbürgern und ihren Nachkommen mit dauerndem Aufenthalt in Lettland, die nach Art. 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 23.8.1919 hätten eingebürgert werden können, sowie den mit ihnen seit mindestens zehn Jahren verheirateten Ehegatten stand nach Art. 13 des lettischen 15
RFEIRL Research Report I (1992/26), S. 77.
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Staatsangehörigkeitsgesetzes die Möglichkeit einer erleichterten Einbürgerung offen. Von besondere Bedeutung jedoch war die Möglichkeit der Registrierung ftlr ehemalige UdSSR-Bürger, wie sie sich in Rußland fmdet. Die Registrierung ist der Rubrik der erleichterten Einbürgerung und nicht den Optionsrechten zuzuordnen, da der in Art. 18 genannte Personenkreis zwar einen Anspruch auf Verleihung der Staatsangehörigkeit hat, diese Verleihung jedoch nicht automatisch aufgrund der individuellen Erklärung erfolgte, noch aus den in Art. 10 Abs. 4 - sie betreffen die Einbürgerungen - genannten Gründen zurückgewiesen werden konnte. Ein ehemaliger Sowjetbürger konnte nach Art. 18 lit. g die Registrierung als Staatsangehöriger der RSFSR beantragen, wenn er seinen ständigen Wohnsitz am 1.9.1991 in einer ehemaligen Unionsrepublik und nicht die Staatsangehörigkeit einer anderen ehemaligen Unionsrepublik erworben hatte. Der Antrag auf Registrierung mußte innerhalb eines Jahres nach lokrafttreten des Gesetzes (6.2.1991) gestellt werden. Problematisch war allein der in dieser Vorschrift genannt Zeitpunkt des 1.9.1991, da sich die baltischen Republiken bereits zuvor ihre Unabhängigkeit erklärt hatten, und die Vorschrift somit auf Russen in diesen drei Staaten nicht anwendbar gewesen wäre. Eine solche Auslegung würde aber dem Sinn und Zweck der Regelung zuwiderlaufen, zumal bereits vor der Dismembration versucht wurde, auf gesetzlichem Weg filr eine Gleichbehandlung der Russen im späteren Ausland Sorge zu tragen. Im übrigen erkannte die UdSSR (im Gegensatz zu Rußland) die baltischen Staaten erst am 6.9.1991 an.76 b) Volkszugehörigkeit/Abstammung Nach § 14 Abs. 3 können Ausländer armenischer Volkszugehörigkeit unter erleichterten Bedingungen die armenische Staatsangehörigkeit erwerben, wenn sie ihren ständigen Wohnsitz nach Armenien verlegen. Personen, deren einer Elternteil Armenier ist oder war, oder der in Armenien geboren wurde, können die Staatsangehörigkeit unter Verzicht auf den vierjährigen Inlandsaufenthalt erwerben, sofern der Antrag innerhalb eines Zeitraumes von drei Jahren nach Vollendung des 18. Lebensjahres gestellt wird. In Belarus findet sich in Art. 17 Abs. 2 die "Erhaltung" der Staatsbürgerschaft filr Personen, die Weißrussen sind oder sich als Weißrussen identifizieren, und deren Kinder, die außerhalb des gegenwärtigen Hoheitsgebietes geboren wurden. Ihnen steht ein - nunmehr bis 1.1.1998 befristetes - Recht auf die
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Vgl. zu diesem Problem auch Egil Levits, StAZ 1992, S. 171, 173.
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Kapitel 3: Staatsangehörigkeitsrechtliche Regelungen
weißrussische Staatsangehörigkeit zu. 77 Da Art. 17 Abs. 3 auf den die Einbürgerung regelnden Art. 13 verweist, ist hier nicht von einem Optionsrecht, sondern von der Möglichkeit einer erleichterten Einbürgerung auszugehen. In Estland war aufgrund der Resolution von 1992 ein erleichterter Erwerb fiir Personen estnischer Volkszugehörigkeit vorgesehen, sowie fiir Staatenlose, die seit zehn Jahren im Inland lebten. In Kasachstan gilt ein nur ftlnfjähriger Inlandsaufenthalt fiir Adoptivkinder, Ehegatten, Eltern, Geschwister und Großeltern kasachischer Staatsangehöriger. Der Präsidialerlaß vorn 23.12.1993 ennöglicht es Staatsangehörigen einer ehemaligen Sowjetrepublik, die kasachische Staatsangehörigkeit ohne Inlandswohnsitz zu erwerben, wenn es sich bei dem Antragsteller um einen Angehörigen einer ehemaligen Sowjetrepublik handelt, der nahe Verwandte kasachischer Staatsangehörigkeit besitzt, und der einen Antrag auf Farnilienzusarnrnenfiihrung stellt. Dieser Antrag muß u.a. von zwei bedeutsamen kasachischen Staatsangehörigen oder einer gesellschaftlichen Organisation beftlrwortet werden. In Kirgistan wird ftlr im Ausland lebende Volkszugehörige von dem Erfordernis des zehnjährigen Inlandsaufenthaltes abgesehen (Art. 21 Abs. 4 Ziff. l ). Erleichterungen gelten aufgrund des Gesetzes vorn 18.12.1993 ferner fiir im Inland geborene Personen (Art. 21 Abs. 4 Ziff. 5). Ein vereinfachtes Einbürgerungsverfahren gewährt Art. 13 des lettischen Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1994 dann, wenn ein Elternteil des Antragstellers Lette ist, der in Lettland seinen dauernden Aufenthalt hat, oder mittlerweile nach Lettland zurückgekehrt ist. In Art. 17 des litauischen Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1991 wurde fiir im Ausland lebende Personen aufgenommen, ein unbefristete Anspruch auf die litauische Staatsangehörigkeit geschaffen. Anspruchsberechtigt sind Personen, die bis zum 15.6.1940 die litauische Staatsangehörigkeit besessen hatten, sich aber nunmehr im Ausland authalten/8 ferner Kinder, deren Eltern bis zum 15.6.1940 die litauische Staatsangehörigkeit besessen hatten, und die in Litauen oder in Flüchtlingslagern geboren wurden, und nunmehr ihren Wohnsitz in einem anderen Staat haben, sowie andere Personen litauischen Ursprungs, die in einem anderen Staat ihren Wohnsitz haben. Diese Personen müssen einen entsprechenden Antrag bei der zuständigen Behörde oder Auslandsvertretung
77 Die Befristung wurde erst durch Gesetz vom 8.9.1995 eingefugt (VVS Nr. 32 vom November 1995, Pos. 421 ). 78 Bei der Emigration darf es sich nicht um die Rückkehr in den Heimatstaat handeln.
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stellen (Art. 18), auf ihre bisherige Staatsangehörigkeit verzichten, einen Eid auf die Republik Litauen ablegen und ihren Wohnsitz nach Litauen verlegen. 79 In der Republik Moldau kann nach § 14 Abs. 2 aus der Republik Moldau stammenden Personen die Staatsangehörigkeit zuerkannt werden, wenn sie zur ständigen Wohnsitznahmein die Republik übersiedeln. In der Russischen Föderation konnten ausländische Staatsangehörige die Möglichkeit der Registrierung unabhängig von ihrem Wohnsitz auch dann in Anspruch nehmen, wenn sie selbst oder wenigstens einer ihrer Verwandten in der direkten aufsteigenden Linie die russische Staatsangehörigkeit durch Geburt besessen hatte. Sie mußten ihren Antrag allerdings innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des Gesetzes stellen. 80 Für Personen, die durch die Geburt eine andere Staatsangehörigkeit erworben haben, deren einer Elternteil im Zeitpunkt der Geburt russischer Staatsangehöriger war, und Kinder ehemaliger russischer Staatsangehöriger gibt es ebenfalls die Möglichkeit der Registrierung. Der Antrag muß jedoch innerhalb von filnf Jahren nach Vollendung des 18. Lebensjahres gestellt werden. In Turkmenistan gibt es vereinfachte Verfahren fiir Turkmenen, die in anderen Staaten (mit Ausnahme der ehemaligen UdSSR) geboren wurden und wohnhaft sind. Art. 17 des ukrainischen Gesetzes bestimmt, daß vom Aufenthaltserfordernis abgesehen wird, wenn der Antragsteller im Gebiet der Ukraine geboren wurde, oder er nachweist, daß zumindest ein Elternteil, der Großvater oder die Großmutter dort geboren wurden, und er keine andere Staatsangehörigkeit besitzt. In Usbekistan wird nach Art. 2 Abs. 3 vom Aufenthaltserfordernis abgesehen, wenn der Antragsteller selbst oder deren Elternteil oder Großelternteil in Usbekistan geboren wurden, sofern der Antragsteller nicht eine andere Staatsangehörigkeit besitzt. c) Für Ehegatten oder aufgrundeines Verwandtschaftsverhältnisses In Armeoien sind Ehegatten vom Erfordernis eines vierjährigen inländischen Wohnsitzes befreit. In Georgien wird von dem Erfordernis der Sprach- und Geschichtskenntnisse abgesehen, wenn der Antragsteller mit einem georgischen Staatsangehörigen
Diese Personen benötigen zur Einreise kein Visum (Art. 17 Abs. 3). Die Jahresfrist wird z.T. als zu kurz angesehen. (Vgl. etwa Galina K. Dmietrievallgor I. Lukashuk, Revue ofCentral and East European Law 19 [1993}, S. 267, 297) 79
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Kapitel3: Staatsangehörigkeitsrechtliche Regelungen
verheiratet ist und mit ihm während der letzten drei Jahre in Georgien gelebt hat. In Kasachstan kann von dem zehnjährigen Inlandsaufenthalt abgesehen werden, wenn der Antragsteller mit einem kasachischen Staatsangehörigen verheiratet ist. Gleiches gilt nach Art. 2I Abs. 4 Ziff. 4 fiir Kirgistan. Erleichterungen filr Ehegatten gab es in Lettland81 und Litauen, nicht hingegen in Estland. Dies lag daran, daß durch Abs. I3 der Resolution von I992 der Erstreckungserwerb filr minderjährige Kinder und Ehefrauen in Art. I7 des Gesetzes von I938 gestrichen wurde, und zugleich auch mit Abs. I 0 dieser Resolution der im Gesetz von I938 enthaltene Art. IO, wonach mit estnischen Staatsangehörigen verheiratete Frauen bei Verlegung des Wohnsitzes nach Estland ein erleichterter Staatsangehörigkeitserwerb ermöglicht wurde. Personen, die nicht in der Republik Moldau geboren sind, können nach Art. I5 Nr. I erleichtert eingebürgert werden, wenn sie im Staatsgebiet einen zehnjährigen ständigen Wohnsitz haben und seit mindestens drei Jahren mit einem Staatsangehörigen der Republik Moldau verheiratet sind. In Rußland haben nach Art. I8 lit. a Personen, die einen Ehegatten oder Verwandten in direkter aufsteigender Linie mit russischer Staatsangehörigkeit haben, die Möglichkeit, sich unbefristet als Staatsangehörige registrieren zu lassen. Levits bezeichnet diesen Erwerbstatbestand als eine "bemerkenswert unbürokratische Form des Staatsangehörigkeitserwerbs ausländischer Ehegatten. "82 Diese Vorschrift betraf vor allem solche Personen, die etwa im Militärdienst außerhalb Rußlands tätig waren. Ein erleichtertes Verfahren der Einbürgerung wird nach Art. I7 des ukrainischen Gesetzes den mit ukrainischen Staatsangehörigen verheirateten Frauen gewährt, wenn sie auf ihre bisherige Staatsangehörigkeit verzichten. d) Sonstige Gründe In Belarus bestimmt Art. I7 Abs. I, daß diejenigen Personen und ihre Nachkommen ein Recht auf die Staatsangehörigkeit haben, die ständig im Hoheitsgebiet der Republik Weißrußland ansässig gewesen waren, aber aus dem Hoheitsgebiet zwangsweise ausgesiedelt wurden oder vor lokrafttreten des Gesetzes das Hoheitsgebiet verließen. Gleiches gilt filr solche Personen, die von
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In Lettland wir eine mindestens zehnjährige Ehe gefordert. StAZ 1992, S. 171, 173.
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weißrussischen Gerichten verurteilt wurden und außerhalb der Republik Belarus ihre Strafe verbüßen. 83 In Kasachstan wird der Aufenthalt auf fiinf Jahre herabgesetzt, wenn es sich um Personen und ihre Nachkommen handelt, die das Hoheitsgebiet zwangsweise verlassen mußten, sofern sie zur ständigen Wohnsitznahme nach Kasachstan zurückkehren. Eine spezielle Regelung fmdet sich in Lettland fiir diejenigen Personen, die aufgrund des Gesetzes von 1919 hätten eingebürgert werden können, sowie fiir deren im Inland lebende Nachkommen. Sie mußten nachweisen, daß sie in der Lage waren, sich in der lettischen Sprache verständlich zu machen, und ihren Antrag bis 1.7.1992 stellen. Das Staatsangehörigkeitsgesetz Lettlands von 1994 enthält eine ganze Reihe von Tatbeständen, die zu einem erleichterten Verfahren bei der Einbürgerung fiihren. Nach Art. 13 findet das vereinfachte Verfahren Anwendung auf Personen, die rechtmäßig nach Lettland eingereist und dort am 17.6.1940 dauerhaft wohnhaft waren und deren Nachkommen, sofern diese am Tag des Inkrafttretens des Gesetzes noch in Lettland ihren Wohnsitz haben; auf Personen, die während der deutschen Besatzung zwischen 1941 und 1945 nach Lettland verbracht wurden, und sich in Lettland nach dem Ende der Besatzungszeit niederließen sowie deren Nachkommen, sofern sie am Tag des Inkrafttretens des Staatsangehörigkeitsgesetzes noch dort wohnen; fiir Personen, die am 17.6.1940 Staatsangehörige Litauens oder Estlands waren und deren Nachkommen, sofern sie oder ihre Vorfahren mindestens fiinf Jahre vor AntragstelJung in Lettland lebten; und zuletzt fiir Personen mit ausgezeichneten lettischen Sprachkenntnissen. Die Republik Moldau sieht die Wiedereinbürgerung in Art. 24 Abs. 1 des Gesetzes fiir diejenigen Personen vor, die im Gebiet Bessarabiens geboren wurden bzw. dort oder im Gebiet der Moldauischen ASSR bis zum 28.6.1940 wohnhaft waren, und die 1940 und später ausgewiesen wurden bzw. ausgereist sind. Sie und ihre Nachkommen können aufgrund eines förmlichen Antrags wiedereingebürgert werden. Art 25 enthält die Beibehaltung des Rechts auf Staatsangehörigkeit fiir diejenigen Personen, die seit 1940 rechtswidrig aus der Republik ausgewiesen wurden, sowie fiir deren Nachkommen. Hier muß der Antrag allerdings innerhalb eines Jahres gestellt werden. In Turkmenistan sieht Art. 19 die Möglichkeit einer erleichterten Einbürgerung fiir Personen und ihre Nachkommen vor, die ständig im Hoheitsgebiet
83 So Ziff. 2 des Beschlusses des Obersten Rates "Über das Inkrafttreten des Gesetzes der Republik Belarus über die Staatsbürgerschaft der Republik Belarus" vom 18.10.1991.
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Kapitel 3: Staatsangehörigkeitsrechtliche Regelungen
wohnhaft waren, aber zwangsweise ausgesiedelt wurden oder die Turkmenistan wegen politischer oder religiöser Verfolgung verlassen haben. Staatenlose konnten die russsische Staatsangehörigkeit durch Registrierung erwerben, wenn sie im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes ihren ständigen Aufenthalt im Gebiet Rußlands oder einer anderen ehemaligen UdSSRRepublik hatten, oder wenn sie selbst oder einer ihrer Verwandten in der direkten aufsteigenden Linie durch Geburt russischer Staatsangehöriger war, und sie innerhalb eines Jahres einen Antrag auf Registrierung stellten. Weitere Erleichterungen bei Einbürgerungen sind in allen Nachfolgestaaten filr solche Personen vorgesehen, die sich um den einbürgernden Staat besondere Verdienste erworben haben, oder deren Einbürgerung filr den Staat von besonderem Interesse ist. 4. Ergebnis
Die filr die Einbürgerung notwendige Aufenthaltsdauer im Inland liegt bei zwei Jahren (Estland Res. 1992); vier Jahren (Armenien), filnf Jahren (Estland [1995], Lettland [1994], Kirgistan, Rußland, Ukraine, Usbekistan), sieben Jahren (Belarus, Turkmenistan), zehn Jahren (Georgien, Kasachstan, Republik Moldau, Litauen, Lettland [Res. 1991]). Keine Aufenthaltsdauer nennen die Gesetze von Aserbaidschan und Tadschikistan. Die Voraussetzungen der Einbürgerung stimmen in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion im wesentlichen überein. Erwähnt seien die besonders hohen Anforderungen an die Sprachkenntnisse in Estland und Lettland, sowie das Fehlen jeglicher Sprachprüfung bzw. der Nennung von Sprachkenntnissen in der Russischen Föderation und Usbekistan. VIII. Zusammenfassung 1. In den Staaten der ehemaligen Sowjetunion wurde bei der Bestimmung des Staatsvolkes sowohl das Abstammungs- als auch das Domizilprinzip berücksichtigt. 2. Das Staatsvolk der nunmehr unabhängigen Staaten bestimmte sich nach folgenden Kriterien, die entweder einzeln oder kombiniert angewendet wurden: - Anknüpfung an eine bereits zu Zeiten der UdSSR bzw. vor Wiederherstellung der Unabhängigkeit bestehende Zugehörigkeit zu einer Unionsrepublik (Aserbaidschan, Kirgistan, Litauen); - Bestimmung des Staatsvolkes aufgrund der Zugehörigkeit zum Staatsvolk vor der Annexion durch die UdSSR bzw. Abstammung von solchen Staatsangehörigen (Estland, Lettland, Litauen);
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- Wohnsitz im vom Wechsel betroffenen Gebiet vor der Eingliederung in die ehemalige Sowjetunion, d.h. Wohnsitz vor 1940 bzw. aktueller Wohnsitz und Abstammung von solchen oder im Inland geborenen Personen (Republik Moldau, Litauen); - Bestimmung des Staatsvolkes aufgrund eines aktuellen Wohnsitzes im Inland (Armenien, Belarus, Georgien [filnfjährige Dauer und Erhalt der Unterlagen innerhalb von drei Monaten], Kasachstan, Rußland, Tadschikistan, Turkmenistan, Ukraine, Usbeksitan). Für einen Erwerb wurde entweder die Staatsangehörigkeit der ehemaligen UdSSR gefordert (Russische Föderation, Turkmenistan); zum Teil war aber auch der reine Aufenthalt (auch von Staatenlosen) im Inland ausreichend (Belarus, Kasachstan, Tadschikistan, Ukraine, Usbekistan). - Darüber hinaus wurden zum Teil im Ausland lebende, zwangsausgebürgerte Personen (Kasachstan, Rußland) sowie Personen, deren Elternteil im Staatsgebiet geboren worden war (Republik Moldau, Russische Föderation), automatisch in den neuen Staatsverband aufgenommen. 3. In denjenigen Staaten, die bereits vor der Unabhängigkeit ein Staatsangehörigkeitsgesetz erlassen hatten, wurden diejenigen Personen, die die Staatsangehörigkeit der ehemaligen Unionsrepublik besaßen, automatisch Teil des neuen Staatsvolkes. Weitere Voraussetzungen wie ein Inlandswohnsitz oder eine Volkszugehörigkeit waren nicht erforderlich. 4. Gleiches gilt fiir die wiederhergestellten baltischen Staaten. Auch hier erhielten diejenigen Personen und ihre Nachkommen die Staatsangehörigkeit des wiederhergestellten Staates, unabhängig von ihrem Aufenthaltsort; die vom Wechsel betroffenen Personen mußten jedoch entweder auf ihre bisherige Staatsangehörigkeit verzichten (Estland), oder durften keine andere erworben haben (Lettland, Litauen). 5. In den beiden Staaten, die den Wechsel der Staatsangehörigkeit von der Innehabung eines Wohnsitzes vor 1940 abhängig machten, erwarben die damals im Gebiet wohnhaften Personen unabhängig von ihrem aktuellen Aufenthalt die Staatsangehörigkeit des nunmehr unabhängigen Staates. Ihre Nachkommen hingegen mußten noch im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes über einen Wohnsitz im Staatsgebiet verfilgen und nicht die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erworben haben. 6. In den anderen Staaten, die den aktuellen Wohnsitz als Anknüpfungspunkt nannten, war entweder ein Aufenthalt einer bestimmten Dauer wie in Georgien notwendig; in den meisten Staaten reichte hingegen der Wohnsitz im Inland im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Staatsangehörigkeitsgesetzes. 7. Vom Erwerb aufgrundeines inländischen Wohnsitzes waren zumeist alle im Inland befmdlichen Personen ohne fremde Staatsangehörigkeit erfaßt; nur zwei Staaten verlangten die ehemalige Staatsbürgerschaft der UdSSR.
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Kapite13: Staatsangehörigkeitsrechtliche Regelungen
8. Der Erwerbaufgrund eines inländischen Wohnsitzes erfolgte in den meisten Staaten automatisch. Nur Usbekistan machte ihn von der Ausübung eines Optionsrechtes abhängig. 9. Ein Erwerb fand ferner vereinzelt ftir im Ausland lebende Personen statt, die das Hoheitsgebiet zu Sowjetzeiten zwangsweise verlassen mußten und ausgebürgert wurden, sowie für Personen, deren einer Elternteil im Hoheitsgebiet geboren worden war. 10. Optionsrechte fmden sich sowohl in der Form von Ausschlagungs- als auch Erwerbsrechten. Ein positives Optionsrecht gab es sich in Armenien, Litauen, der Republik Moldau, Turkmenistan, der Ukraine und Usbekistan. Ein Ausschlagungsrecht wurde in Armenien, Georgien, Kasachstan, der Russischen Föderation und der Ukraine gewährt. Ein allgemeines Optionsrecht für den Fall des Gebietsübergangs war allein im russischen Staatsangehörigkeitsgesetz enthalten. 11 . Der zur positiven Option berechtigte Personenkreis setzt sich entweder aus der Wohnbevölkerung bzw. Teilen der Wohnbevölkerung zusammen (Armenien, Litauen, Republik Moldau, Usbekistan), oder wird den im Ausland lebenden Personen gewährt (Armenien, Ukraine, Turkmenistan), sofern der einzelne im Gebiet geboren wurde, oder er dort seinen ständigen Wohnsitz hatte. 12. Die Fristen für die positive Option liegen bei einem oder zwei Jahren, wurden zum Teil aber auch unbefristet gewährt. 13. Die Fristen für die Ausschlagung der automatisch erworbenen Staatsangehörigkeit waren zum Teil erheblich kürzer. Sie schwankten zwischen drei Monaten (Georgien), sechs Monaten (Armenien), einem Jahr (Rußland), und vier Jahren (Kasachstan), waren aber auch hier teilweise nicht befristet (Turkmenistan, Ukraine). 14. Die ftir die Einbürgerung notwendige Aufenthaltsdauer im Inland liegt bei zwei Jahren (Estland Res. 1992); vier Jahren (Armenien), ftinf Jahren (Estland (1995], Lettland [1994], Rußland, Ukraine, Usbekistan), sieben Jahren (Belarus, Turkmenistan), zehn Jahren (Georgien, Kasachstan, Kirgistan, Republik Moldau, Litauen, Lettland [Res. 1991]). Keine Aufenthaltsdauer nennen die Gesetze von Aserbaidschan und Tadschiksitan. 15. Die Versagungsgründe ähneln sich in allen Nachfolgestaaten; man wollte niemanden in das Staatsvolk aufnehmen, der etwa an Handlungen gegen die Souveränität oder Unabhängigkeit beteiligt war oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hatte, oder zu Rassenhaß beigetragen oder totalitäre Ideen proklamiert hatte. Die baltischen Staaten weigerten sich insbesondere, Angehörigen des sowjetischen Militärs oder Geheimdienstes die Staatsangehörigkeit zu verleihen.
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16. Hohe Anforderungen an die Sprachkenntnisse werden in Estland, Lettland und Litauen gefordert. Allein Litauen sieht Erleichterungen zugunsten der russisch-sprachigen Bevölkerung vor. 17. Unerwähnt bleiben Sprachkenntnisse hingegen in der Russischen Föderation und in dem Staatsangehörigkeitsgesetz Usbekistans. 18. Die meisten Staaten der ehemaligen Sowjetunion sahen fUr bestimmte Personengruppen die Möglichkeit der Einbürgerung unter Verzicht auf bestimmte Anforderungen wie Sprachkenntnisse oder Wohnsitz im Inland vor (Armenien, Belarus, Estland [1992], Georgien, Kasachstan, Kirgistan, Litauen, der Republik Moldau, Rußland, Turkmenistan, der Ukraine, Usbekistan). 19. Der berechtigte Personenkreis um faßte zum einen Angehörige der ehemaligen UdSSR (Kasachstan, Russische Föderation). 20. Erleichtert eingebürgert werden können auch Personen, die sich im Ausland befmden und die Volkszugehörigkeit des Nachfolgestaates besitzen bzw. von Volkszugehörigen abstammen, wobei hier zumeist die Rückkehr ins Inland gefordert wird (Armenien, Belarus, Estland [1992], Kasachstan, Kirgistan, Lettland [1994], Litauen [1991], Republik Moldau, Russische Föderation, Turkmenistan, Ukraine, Usbekistan). 21. Eine erleichterte Einbürgerung fiir Ehegatten oder aufgrund eines Verwandtschaftsverhältnisses existiert in Armenien, Georgien, Kasachstan, Lettland, Litauen, Republik Moldau, Russische Föderation, Ukraine. 22. Des weiteren gibt es Erleichterungen aufgrund der speziellen (historischen) Umstände, so etwa fUr Personen, die sich außerhalb des Staatsgebietes im Strafvollzug befanden (Belarus); fiir Personen, die aufgrund des Gesetzes von 1919 einen Einbürgerungsanspruch gehabt hätten (Lettland); fUr Personen, die während deutscher Besatzung gewaltsam ins Inland verbracht wurden und dort wohnhaft blieben (Lettland); rur Personen, die 1940 Staatsangehörige Estlands oder Litauens waren und fUnf Jahre vor Antragstellung im Inland gelebt hatten (Lettland); Personen mit ausgezeichneten Sprachkenntnissen (Lettland); fUr Personen, die im Gebiet geboren wurden oder wohnhaft waren, aber später ausgereist sind oder ausgewiesen wurden (Republik Moldau); fUr Personen, die das Hoheitsgebiet zwangsweise verlassen mußten (Belarus, Kasachstan, Republik Moldau, Turkmenistan). 23. Im Inland lebende Staatenlose haben nur in Rußland einen Anspruch auf erleichterte Einbürgerung. 24. Personen, die rur den neuen Staat von besonderer Bedeutung oder von besonderem Interesse sind, oder Personen, die sich um den Staat besondere Verdienste erworben haben, werden in allen Staaten gleichermaßen erleichtert eingebürgert.
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Kapitel3: Staatsangehörigkeitsrechtliche Regelungen
B. Die Regelungen in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens I. Überblick
1. Die Rechtslage bis zur Unabhängigkeit der Teilrepubliken
In Jugoslawien gab es bereits vor dem Auseinanderbrechen zwei Staatsangehörigkeiten. Nach Art. I des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 28.8.1945 besaß jeder Angehörige einer Teilrepublik automatisch die Staatsangehörigkeit des Bundes. 14 Durch Gesetz von 1964 wurde eine unmittelbare Bundesstaatszugehörigkeit geschaffen, die in Art. 281 Abs. I Nr. 9, 200 und 249 der Verfassung von 197415 übernommen wurde. 86 Art. 10 des Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1976 sah vor, daß der Einbürgerungsbewerber, der die Staatsangehörigkeit Jugoslawiens erlangen wollte, auch angeben mußte, welche Republikzugehörigkeit er erwerben wollte. Die sechs Teilrepubliken erließen daher in den Jahren 1976 bis 1979 eigene Staatsangehörigkeitsgesetze. 2. Die staatsangehörigkeitsrechtliche Gesetzgebung nach 1991
Nach der Trennung von Jugoslawien erließen die neuen Staaten neue staatsangehörigkeitsrechtliche Regelungen, die in relativ kurzer Zeit ausgearbeitet wurden 87• So gingen dem kroatischen Staatsangehörigkeitsgesetz etwa nur sechzig Tage der Ausarbeitung voraus. 88 In Slowenien wurde bereits 1991 ein Gesetz erlassen, das zwischenzeitlich mehrfach geändert (zuletzt am 25.3.1994) und durch Durchfiihrungsbestimmungen ergänzt wurde.19 Das Staatsangehörig-
84 Das Gesetz findet sich in deutscher Übersetzung bei See/er, Hans-Joachim Geltende Staatsangehörigkeitsgesetze. Das Staatsangehörigkeitsrecht von Jugoslawien, Frankfurt M., Berlin 1956, S. 131 ff. 85 Die Verfassung vom 21.2.1974 findet sich in einer Übersetzung von A. Verona bei Georg Brunner/ Boris Meissner (Hrsg.), Verfassungen kommunistischer Staaten, Paderbom, München, Wien, Zürich, 1979, S. 115, 126 ff. 16 Vgl. zur bisherigen Rechtslage auch Anton Lipowscheck, in: Alexander Bergmann/ Murad Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Frankfurt M., 75. Lieferung 1982, S. 6 ff. Dort findet sich auch die Übersetzung des Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1976. 87 Ein Überblick über die staatsangehörigkeitsrechtlichen Regelungen einst und jetzt findet sich bei Hellmuth Hecker, StAZ 1994, S. 90 ff. 11 Matthias Neuner, ROW 1994, S. 86. 89 Das Gesetz findet sich in Uradni Iist RS Nr. 1/91 -1, 30/91-I, 38/92 und 13/94; die Durchführungsbestimmungen in Uradni Iist RS Nr. 47/94. Vgl. zum Staatsangehörigkeitsgesetz in Slowenien auch Vida Cok, Yugoslav Law 19 (1992), S. 3 ff; Miroslava Gec-Korosec, IPRax I 993, S. 118 ff.
B. Die Regelungen in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens
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keitsgesetz Kroatiens vom 26.6.1991 90 trat am 8.10.1991 in Kraft. Die Gesetze in Mazedonien und in Bosnien.:.Herzegowina wurden 1992 erlassen. 91 In Restjugoslawien galt aufgrund der Annalune der Kontinuität mit der SFRJ das bundesstaatliche Staatsangehörigkeitsgesetz von 1976 weiter. 91 Die bedeutete zunächst, daß alle Personen mit Republiksstaatsangehörigkeit zugleich Angehörige Restjugoslawiens waren. Am 27.4.1992 erkannte die FRJ die anderen Republiken an und beschränkte den Geltungsbereich ihre Gesetze auf Serbien und Montenegro. Restjugoslawien schuf daher keinen Tatbestand, der dem der Registrierung in Rußland filr ehemaligen Sowjetbürger ähnlich gewesen wäre. Art. 17 Abs. I der neuen Bundesverfassung sieht lediglich vor, daß die FRJ denjenigen Personen die jugoslawische Staatsangehörigkeit verleihen soll, die im Gebiet wohnhaft sind.93 Am 18.7.1996 verabschiedete das Bundesparlament schließlich ein neues Staatsangehörigkeitsgesetz9\ das zum 1.1.1997 in Kraft tritt und eher der Annahme einer Dismembration zu folgen scheint. Nach Art. 51 des Gesetzes erhalten nur solche Personen automatisch die jugoslawische Staatsangehörigkeit, die am 27.3.1992 in Serbien und Montenegro registriert waren. Alle anderen Personen erhalten sie nur dann, wenn sie in einem förmlichen Verfahren nachweisen, daß sie keine andere Staatsangehörigkeit besitzen. Dies wird dazu filhren, daß rund 700.000 Flüchtlinge aus Bosnien und Kroatien nicht Staatsangehörige der FRJ werden. II. Automatischer Wechselaufgrund Republikzugehörigkeit
Nach Art. 39 des slowenischen Staatsangehörigkeitsgesetzes behielten Personen, die Angehörige der ehemaligen Teilrepublik Slowenien waren, ihre Staatsangehörigkeit unabhängig von ihrem Wohnsitz bei. Die bislang ausgestellten Reisepässe waren noch bis 1993 gültig. In Mazedonien fmdet sich eine entsprechende Bestimmung in Art. 26 Abs. 1; im Gesetz von BosnienHerzegowina in Art. 27. 90 N.N. Nr. 3111991, Nr. 70/1991, Nr. 28/1992; eine deutsche Übersetzung findet sich bei Tomislav Boric, StAZ 1993, S. 325 ff. 91 Gesetz vom 3.11.1992 (Mazedonien); SI. v. Nr. 67/92, das in einer Arbeitsübersetzung des Auswärtigen Amtes vorliegt; SL RBiH Nr. 18/92, Nr. 11193, Nr. 27/93, Nr. 13/94 und Nr. 15/95. 92 Wie in den anderen Teilrepubliken auch, exisitierte zusätzlich in Serbien das Staatsangehörigkeitsgesetz von 1979, und in Montenegro das Gesetz von 1975. 93 Die Verfassung findet sich in Yugoslav Law 19 (1992), S. 3, II, und in einer Übersetzung von Ulrich Wiedemann, in JOR 1991, S. 360, 368. 94 Sl.l. 19.7.1996, Nr. 409.
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Kapitel3: Staatsangehörigkeitsrechtliche Regelungen
In Art. 30 des kroatischen Staatsangehörigkeitsgesetzes ist hingegen nicht so eindeutig, was vermuten lassen könnte, daß der Gesetzgeber den Erwerb der Staatsangehörigkeit nur unter den in Art. 30 Abs. 2 genannten Voraussetzungen hätte zulassen wollen. 95 Dieser Auffassung trat das kroatische Verfassungsgericht jedoch in seiner einstweiligen Anordnung vom 24.5.1993 entgegen, indem es ausdrücklich feststellte, daß alle Personen kroatischer Republikzugehörigkeit kroatische Staatsangehörige seien, sollten sie die Republikzugehörigkeit aufgrundder bis zum 8.10.1991 geltenden Regelung des ehemaligen Jugoslawiens und der Sozialistischen Republik Kroatien erworben haben. Die Staatsangehörigkeit sei allen ehemaligen kroatischen Republikstaatsangehörigen auch den aufständischen Serben- zugebilligt worden. 96 Die Übernahme der bisherigen Republikangehörigen, die theoretisch als eine einfache Lösung anmutet, stieß in der Praxis jedoch auf erhebliche Schwierigkeiten. Handelte es sich bei den die Staatsangehörigkeit begehrenden Personen um Personen aus Krisengebieten, die ihre angestammte Heimat verlassen mußten, war es fUr diese schwer, den Nachweis der Republikzugehörigkeit zu fUhren. Außerdem waren die Führung der Matrikelbücher, sollten sie die Kriegswirren überstanden haben, bereits zu Zeiten der SFRJ vernachlässigt worden. 97 Beide Umstände fUhrten dazu, daß in Kroatien zunächst rund 6,2% der Bevölkerung keine nachweisbare Staatsangehörigkeit hatten. 91 111. Automatischer Wechselaufgrund eines Wohnsitzes im Inland In Slowenien wurde der Wohnbevölkerung zunächst nur ein Optionsrecht gewährt. 99 Erst mit Gesetz vom 25.3.1994 wurde Art. 39lit. a eingefUgt, der an die Stelle des Optionsrechtes nach Art. 40 trat. Hiernach wurden diejenigen Personen als Staatsangehörige der Republik Slowenien betrachtet, die am 23.12.1990 ihren ständigen Wohnsitz in Slowenien hatten, und die seit diesem Zeitpunkt ununterbrochen dort wohnhaft waren, sofern sie zuvor die Staatsangehörigkeit eines Teilstaates Jugoslawiens besessen hatten. Eine Verfassungsbeschwerde, die sich sowohl gegen Art. 40 als auch gegen Art. 13 lit. a mit der Begründung richtete, mit diesen Bestimmungen würde man nicht nur slowenische Volkszugehörige, sondern auch ausländische Arbeitsmigranten und Personen nicht-slowenischer Herkunft ohne Unterschied in den Staatsverband reSo Vida Cok, Yugoslav Law 19 (1992), S. 3, 8. ROW 1994, S. 89, 91. 97 Bericht des Außenministeriums von Kroatien ("Report submittet by the Republic of Croatia in accordance with Article 9 of the International Conventionon the Elimination ofall Forms ofRacial Discrimination", 1993, S. 20, Nr. 79). 91 Nach Matthias Neuner, ROW 1994, S. 86,87 m.w.N. 99 S.u. IV. 95
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B. Die Regelungen in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens
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zipieren, wurde mangels eines Rechtsschutzinteresses des Beschwerdefilhrers zurückgewiesen. 100 Während das Gesetz der RBiH in Art. 29 - der allerdings erst am 23.4.1993 eingefUgt wurde - diejenigen Staatsangehörigen der ehemaligen SFRJ, die sich am 6.4.1992 in der RBiH mit ständigem Wohnsitz aufhielten, als Staatsangehörige des neuen Staates betrachtete, gab es einen solchen automatischen Wechsel aufgrund des Wohnsitzes weder in Kroatien noch in Mazedonien. Das Domizilprinzip wurde hier nur im Rahmen der Optionsmöglichkeiten berücksichtigt. IV. Optionsrechte Nach dem- zum 31.12.1991 außer Kraft getretenen- Art. 40 des slowenischen Gesetzes konnten Angehörige anderer Teilrepubliken, die am Tag des Plebiszites Uber die Unabhängigkeit und Souveränität Slowenien, d.h. am 23.12.1990, in Slowenien mit ihrem Wohnsitz gemeldet waren und dort tatsächlich lebten, 101 die slowenische Staatsangehörigkeit innerhalb einer Frist von sechs Monaten erwerben, sofern sie einen entsprechenden Antrag stellten. Nach mUndlieber Auskunft des slowenischen Innenministeriums wurde von dieser Möglichkeit weitestgehend Gebrauch gemacht. Insgesamt entsprach die Zahl der Anträge einem Anteil an der gesamten Bevölkerung von rund 10 %. 102 Mit dem Gesetz Uber die Ergänzung des Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1991 wurde Art. 40 dahingehend ergänzt, daß ein Antrag auf Erwerb der slowenischen Staatsangehörigkeit zurückgewiesen wurde, wenn der Antragsteller nach dem 26.6.1991 eine strafbare Handlung gegen die Republik Slowenien begangen hatte. In Slowenien war darüber hinaus in Art. 41 eine Sonderregelung filr Personen vorgesehen, denen die Staatsangehörigkeit der Volksrepublik Slowenien und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien entzogen wurde, filr Unteroffiziere und Offiziere der früheren NA, die nicht in die Heimat zurück100 Resolution des Verfassungsgerichtes von Slowenien U-I-136/92-13 vom 11.2.1993. 101 In Art. 2 der Verordnung vom 28.6.1994 (Nr. 207-01/94-6/I-6, vorliegend in einer Übersetzung von Katja Skrubej. Ljubljana) wird ähnlich wie in den Gesetzen der Nachfolgestaaten der UdSSR ein dauernden Aufenthalt verneint, wenn sich der Antragsteller länger als drei Monate nicht zu touristischen Zwecken im Ausland aufhält, und wenn der Auslandsaufenthalt nicht beruflich bedingt ist, zur Weiterbildung dient, im Auftrag einer slowenischen Organisation erfolgt, oder auf einem unter slowenischer Flagge fahrenden Schiff. 102 Nach Auskunft von H. Kos vom 5.6.1995 (slowenisches Innenministerium) verteilten sich die Anträge auf die einzelnen Teilrepubliken folgendermaßen : 78.805 Anträge wurden von Angehörigen Bosnien-Herzegowinas gestellt; 58.458 von Angehörigen Kroatiens; 23.394 von Serben; 5.024 von Angehörigen Montenegros und 5.123 Anträge stellten Angehörige der Republik Mazedonien.
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Kapitel3: Staatsangehörigkeitsrechtliche Regelungen
kehren wollten, fUr Angehörige der Kriegsforrnationen, die dem Okkupator dienten und ins Ausland geflüchtet sind, sowie fUr Personen und deren Kinder, die nach der Befreiung ins Ausland flüchteten. Sie konnten innerhalb eines Jahres bei einem entsprechenden Antrag die slowenische Staatsangehörigkeit erwerben. Die Jahresfrist wurde durch Verordnung vorn 29.7.1992 um ein weiteres Jahr verlaß.gert. Ein Optionsrecht wurde ferner solchen Personen eingeräumt, die auswanderten, und die die Staatsangehörigkeit der SFRJ und der Republik Slowenien durch Abwesenheit verloren hatten. Wie in Slowenien wurde der automatische Erwerb in das Gesetz von Bosnien-Herzegowina aufgrund eines Wohnsitzes im Inland erst später, hier durch Dekret vorn 23.4.1993, eingefUgt Zuvor stand diesen Personen nach Art. 29 Abs. 1 ein Optionsrecht zu. Nach dieser Regelung wurde derjenige Staatsangehörige der SFRJ als Staatsangehöriger der RiBH betrachtet, der Angehöriger einer anderen Teilrepublik war, im Gebiet der RBiH geboren wurde, und der dort vor dem 6.4.1992 mindestens fUnf Jahre seinen dauernden Aufenthalt gehabt hatte, sofern er innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Beendigung des Kriegszustandes eine entsprechende Erklärung abgegeben und den Nachweis der Entlassung aus der bisherigen Staatsangehörigkeit vorgelegt hatte. Nach Art. 19 Abs. 2 a.F. konnten Staatsangehörige einer ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik als Staatsangehörige der RBiH angesehen werden, wenn sie vor dem 6.4.1992 ihren Wohnsitz fUr mindestens zehn Jahre im Inland innegehabt hatten. In Kroatien wurden diejenigen Personen als Staatsangehörige betrachtet, die arn Tag des Inkrafttretens des Staatsangehörigkeitsgesetzes Angehörige der kroatischen Nation, d.h. insbesondere katholischer Religionszugehörigkeit, waren und ihren gemeldeten Wohnsitz in Kroatien hatten, sofern sie eine Erklärung dahingehend abgaben, daß sie sich als Angehörige der kroatischen Nation, der 78,1 % der Gesamtbevölkerung zuzurechnen waren, betrachteten. Das ursprüngliche Vorhaben, zusätzlich einen zehnjährigen Inlandsaufenthalt zu fordern, und die Optionsfrist auf sechs Monaten fUr im Inland lebende Personen und auf ein Jahr für die sich im Ausland befmdlichen Personen festzusetzen, wurde bei der Novellierung des Staatsangehörigkeitsgesetzes 1992 aufgegeben. Art. 26 Abs. 3 des mazedonischen Staatsangehörigkeitsgesetzes bestimmt, daß Personen, die außer der jugoslawischen Staatsangehörigkeit die Republikzugehörigkeit einer anderen Teilrepublik hatten, sowie solche, die nur Angehörige der SFRJ waren, und die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet Mazedoniens hatten, die mazedonische Staatsangehörigkeit dann erwerben konnten, wenn sie innerhalb eines Jahres nach lokrafttreten des Gesetzes einen entsprechenden Antrag stellten, wenn sie über eine dauerhafte Einkommensquelle verfUgten, wenn sie volljährig waren und vor der Antragstellung mindestens 15 Jahre im Hoheitsgebiet der Republik Mazedonien rechtmäßig ihren Wohnsitz hatten.
B. Die Regelungen in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens
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V. Nachträglicher Erwerb durch Einbürgerung 1. Aufenthaltsdauer
Die geforderte Aufenthaltsdauer ist in einzelnen Nachfolgestaaten unterschiedlich. Während Kroatien einen filnfjä.hrigen Aufenthalt ausreichen läßt, fordern sowohl Art. 10 des slowenischen Gesetzes als auch Art. 8 des Gesetzes von Bosnien-Herzegowina einen zehnjährigen Aufenthalt im Inland, wobei in Slowenien ftlnf Jahre eines ununterbrochenen Aufenthalts der Antragstellung vorausgehen müssen. Die höchsten Anforderungen stellt Mazedonien mit filnfzehn Jahren (Art. 7 Abs. I Nr. 2). 2. Sonstige Erfordernisse
Die weiteren Erfordernisse der Einbürgerung in Slowenien weisen keine Besonderheiten auf. Der Antragsteller muß u.a. das 18. Lebensjahr vollendet haben, er muß eine Wohnung103 und dauernde Quelle des Lebensunterhaltes vorweisen, seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgeben, 104 die slowenische Sprache in einem ausreichenden Maß beherrschen, um sich mit der Umgebung verständlich machen zu können, er darf nicht wegen einer Straftat verurteilt worden sein, und er darf nicht eine Geflihrdung ftlr die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder Verteidigung des Landes darstellen. Dies ist nach Art. 8 der Verordnung vom 28.6.1994 insbesondere dann der Fall, wenn der Antragsteller aktiv an Angriffen auf Slowenien beteiligt war, wenn er als Mitglied der NA nach 18.7.1991 an solchen mitwirkte, insbesondere an der Zerstörung oder rechtswidrigen Aneignung von beweglichen und unbeweglichen Gütern,; wenn er aktiven Wehrdienst in der Armee eines fremden Staates leistete, oder wenn Anhaltspunkte dafilr vorliegen, daß er in den Diensten eines fremden Militärs oder Geheimdienstes stand. Die Ablehnungsgründe bzw. Einbürgerungsvoraussetzungen in BosnienHerzegowina und Mazedonien, wo etwa Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord, und das Fehlen einer Abschiebungsandrohung genannt sind, weisen keine Besonderheiten oder unangemessen hohe Hürden beim Erwerb auf. In Mazedonien wird zusätzlich verlangt, daß der Antragsteller geistig und körperlich gesund ist. Die Delegation des ODIHR stellte in ihrem Bericht 1995 103 Die Wohnung wurde in Art. 3 der Verordnung vom 28.6.1994 dahingehend umschrieben, daß eine solche dann vorliege, wenn eine Person 2m2 , bei zwei Personen 10 m2, und bei jeder weiteren Person jeweils weitere 2 m2 an Raum (ohne Sanitäreinrichtungen oder Küche, die auch in Gemeinschaftsbenutzung stehen können), gegeben seien. 104 Ebenso auch Art. 8 des Staatsangehörigkeitsgcsetzes von Bosnien-Herzegowina.
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Kapitel3: Staatsangehörigkeitsrechtliche Regelungen
fest, daß in Mazedonien keine Diskriminierung aufgrund Geschlecht, Religion, oder Namen gegeben sei. Jeder könne bei Erfüllen der vorgeschriebenen Bedingungen die Staatsangehörigkeit erlangen. 105 Eine von diesen Grundsätzen abweichende Regelung fmdet sich in Kroatien. Hier muß der Einbürgerungsbewerber nicht nur auf seine bisherige Staatsangehörigkeit verzichten und die lateinische Schrift und die kroatische Sprache beherrschen, sondern aus seinem Verhalten muß man entnehmen können, daß er die Rechtsordnung und die Sitten und Gebräuche Kroatiens achtet, und daß er die kroatische Kultur angenommen hat. Was hierunter zu verstehen ist, wird weder im Gesetz selbst noch in Richtlinien oder Durchfilhrungsbestimmungen näher ausgefilhrt. Nichtkroaten rügten hier eine Verletzung ihrer Gleichheitsrechte aus Art. 3 und 14 f. der Verfassung. Die Beschwerde wurde vom kroatischen Verfassungsgericht jedoch mit der Begründung zurückgewiesen, daß das Wesen der kroatischen Kultur zwar unbestimmt erscheine, daß hierunter aber eine Dominanz der katholischen Kirche und der christlichen Ethik zu verstehen sei. Eine Akzeptanz dieser Werte durch Angehörige von Minderheiten sei zumutbar. 3. Erleichterte Einbürgerungsverfahren In allen Nachfolgestaaten sind Tatbestände der erleichterten Einbürgerung vorgesehen, in denen insbesondere auf das Aufenthaltserfordernis und die Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit verzichtet wird. Eine Person kann nach Art. 13 lit. a des slowenischen Staatsangehörigkeitsgesetzes106 unter erleichterten Voraussetzungen die slowenische Staatsangehörigkeit erlangen, wenn zumindest ein Elternteil slowenischer Nationalität ist, und die betreffende Person die Staatsangehörigkeit durch Entlassung oder Ausbürgerung verlor, oder aufgrund geschichtlicher Begleitumstände nicht erwerben konnte. Eine Stellungnahme der Regierung ist in diesem Fall erforderlich. Der Erwerb der Staatsangehörigkeit durch Auswanderer ist in Art. 12 und 41 Abs. 2 geregelt; der der erleichterten Einbürgerung filr Ehegatten, die seit mindestens zwei Jahren verheiratet sind, findet sich in Art. 12 Abs. 2. Nach Art. 16 des kroatischen Gesetzes können sich im Ausland lebende Angehörige der kroatischen Nation erleichtert einbürgern lassen, sofern sie
105 Implementation Meeting on Human Dimension Issues: Citizenship of the Republic ofMacedonia, Warschau 1995, S. 3. 106 Verordnung über die Kundmachung des Gesetzes über die Änderung und Ergänzung des Gesetzes betreffend die Staatsbürgerschaft der Republik Slowenien, Ur.l. RS Nr. 38 vom 1.8.1992.
B. Die Regelungen in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens
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schriftlich erklärten, sich als kroatische Staatsangehörige zu filhlen. Die Rüge eines Beschwerdefilhrers vor dem kroatischen Verfassungsgericht, diese Regelung verletze Ausländeraufgrund der Privilegierung der "Mitglieder des kroatischen Volkes" hatte vor dem Verfassungsgericht keinen Bestand. Vielmehr wurde ausdrücklich festgestellt, daß aus der Verfassung und der Gleichheit vor dem Gesetz nicht abgeleitet werden könne, daß Ausländer, die Angehörige der kroatischen Nation seien und die Ausländer, die Angehörige anderer Nationen und Minderheiten seien, das gleiche Recht auf Erlangung der kroatischen Staatsangehörigkeit haben müßten. 107 Erleichterungen sind darüber hinaus in Art. 10 filr Ehegatten kroatischer Staatsangehöriger, in Art. II Abs. I filr Auswanderer, ihre Ehegatten und Nachkommen, und in Art. 9 filr Personen, die auf dem Gebiet Kroatiens geboren wurden und bis zur Antragstellung mindestens filnf Jahre ihren Wohnsitz hatten, vorgesehen. Nach Art. 9 Abs. I können Aussiedler aus der RBiH und ihre Nachkommen ersten Grades sowie Ehegatten von Staatsangehörigen der RBiH (Abs. 2) unter erleichterten Bedingungen eingebürgert werden. Ehegatten sind vom Alterserfordemis, dem Aufenthalt und der Entlassung aus der bisherigen Staatsangehörigkeit befreit. Ein Absehen von allen Einbürgerungsvoraussetzungen kommt nach Art. 9 letzter Absatz dann in Betracht, wenn es sich beim Antragsteller um ein Mitglied des bosnischen Militärs handelt. Art. 8 lit. a sieht vor, daß vom Fehlen einer strafrechtlichen Verurteilung abgesehen werden kann, wenn der Antragsteller nicht an einer Aggression beteiligt war oder diese unterstützt hat, und er schriftlich erklärt, sich als Staatsangehöriger Bosnien-Herzegowinas zu filhlen. Art. 8 des mazedonischen Gesetzes regelt den erleichterten Erwerb der Staatsangehörigkeit durch einen Auswanderer sowie dessen Ehegatten und die Abkömmlinge der ersten Ordnung. Auswanderer müssen ihre bisherige Staatsangehörigkeit nicht aufgeben; Ehegatten sind vom Aufenthaltserfordemis, der Entlassung aus der bisherigen Staatsangehörigkeit und den Sprachkenntnissen befreit, wenn seit mindestens drei Jahren verheiratet sind und ein Jahr vor der Antragstellung ununterbrochen in Mazedonien gelebt haben. In Art. I5 findet sich der Wiedererwerb von Personen, die die Staatsangehörigkeit während der Minderjährigkeit verloren haben.
107 Einstweilige Anordnung des kroatischen Verfassungsgerichts vom 24.5.1993, ROW 1994, S. 89, 90.
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Kapitel3: Staatsangehörigkeitsrechtliche Regelungen
VI. Ergebnis I. Alle drei Nachfolgestaaten stellten bei der Defmition des Personenkreises, der von einem automatischen Wechsel der Staatsangehörigkeit zunächst darauf ab, ob der einzelne schon bisher neben der jugoslawischen Staatsangehörigkeit die Republiksangehörigkeit besessen hatte. War dies der Fall, erwarb er ohne weiter Voraussetzungen wie Wohnsitz im Inland oder Abstammung die Staatsangehörigkeit des jeweiligen Nachfolgestaates. 2. Ein automatischer Erwerb der Staatsangehörigkeit aufgrund des Wahnsitzprinzips war zunächst in keinem der Nachfolgestaaten vorgesehen, sondern fand erst im Rahmen der Optionsrechte Anwendung. Erst nachträglich nahmen Slowenien und Bosnien-Herzegowina Bestimmungen auf, um der Wohnbevölkerung mit ehemaliger jugoslawischer Staatsangehörigkeit automatisch die jeweils neue Staatsangehörigkeit des Nachfolgestaates zu verleihen. Beide Staaten konnten dies ohne größere Schwierigkeiten tun, da Slowenien ohnehin eine homogene Bevölkerungsstruktur aufwies, und Bosnien-Herzegowina aus drei verschiedenen Nationen bestand. 3. Wie bereits bei den Staaten der ehemaligen UdSSR stand auch hier ein kürzerer Aufenthalt im Ausland (ca. drei Monate) der Annahme eines Wohnsitzes oder dauernden Aufenthaltes im Inland nicht entgegen. 4. Optionsrechte gab es zugunsten der Wohnbevölkerung. Doch während Slowenien keine weiteren Anforderungen stellte, verlangte Kroatien die Zugehörigkeit zur kroatischen Nation. Mazedonien erschwerte die Ausübung des Optionsrechtes durch das Erfordernis eines filnfzehnjährigen Inlandsaufenthaltes, während in Bosnien-Herzegowina ein tuntjähriger Aufenthalt ausreichend war. 5. Die Frist filr die Ausübung der Option war in allen Nachfolgestaaten zunächst relativ kurz bemessen. Sie betrug etwa in Slowenien sechs Monate; in Mazedonien lag sie bei einem Jahr. 6. Staatenlose wurden nicht gesondert berücksichtigt. Ebenso wurde Personen, die nicht die Republikzugehörigkeit besaßen, jedoch Angehörige der jeweiligen Staatsnation waren, bzw. in dem jeweiligen Gebiet geboren wurden, bis auf die Regelung in Kroatien- die allerdings auf die Wohnbevölkerung beschränkt war - keine Optionsrechte gewährt. 7. Das Abstammungsprinzip findet erst im Rahmen der erleichterten Einbürgerungen in allen Nachfolgestaaten gleichermaßen Anwendung. Personen, die von Personen der Nationalität des jeweiligen Nachfolgestaates abstammen, können in Slowenien und Kroatien erleichtert eingebürgert werden. Alle vier Nachfolgestaaten sehen ferner Erleichterungen filr Auswanderer und ihre Abkömmlinge sowie filr Ehegatten vor.
C. Die Regelungen in den Staaten der ehemaligen Tschechoslowakei
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8. Der filr Einbürgerung geforderte Aufenthalt liegt zwischen filnf und filnfzehn Jahren. Die Ablehnungsgründe aufgrund einer Tätigkeit im Rahmen der NA oder aufgrund von Tätigkeiten, die gegen den unabhängigen Staat gerichtet waren, finden in allen Gesetzen Entsprechungen. Die Anforderungen, die an den Einbürgerungsbewerber gestellt wurden, gleichen sich im übrigen. Allein Kroatien verlangt, daß man aus dem Verhalten des Bewerbers entnehmen können müsse, daß der Antragsteller die Rechtsordnung und die Gebräuche Kroatiens achte und die kroatische Kultur angenommen habe
C. Die Regelungen in den Staaten der ehemaligen Tschechoslowakei I. Überblick Wie in Jugoslawien so gab es auch in der Tschechoslowakei zwei Staatsangehörigkeiten, nämlich die des jeweiligen Teilstaates und die des Bundesstaates. Die tschechische Staatsangehörigkeit bestimmte sich nach dem Gesetz des Tschechischen Nationalrates Nr. 39/1969 über den Erwerb und Verlust der Staatsbürgerschaft der Tschechischen Republik i.d.F. des Gesetzes Nr. 9211990 und dem Gesetz Nr. 165/1969 über die Grundlagen des Erwerbs und Verlusts der Staatsbürgerschaft. 108 In der Slowakischen Republik das Gesetz des Slowakischen Nationalrates Nr. 206/1968 über den Erwerb und Verlust der Staatsbürgerschaft der Slowakischen Sozialistischen Republik i.d.F. des Art. I des Gesetzes Nr. 88/1990. Auf Bundesebene wurde zuletzt in § 4 Abs. 1 des "Verfassungsgesetzes über die Liste der Grundrechte und Freiheiten" vom 9.1.1991 auf die Staatsangehörigkeit Bezug genommen, wenn es hier heißt, daß "der Staatsbürger einer der beiden Teilrepubliken gleichzeitig Staatsbürger der Tschechischen und Slowakischen Republik" sei. 109 Die Tschechische Republik beschloß am 29.11.1992 ein neuen Staatsangehörigkeitsgesetz, das am 1.1.1993 in Kraft trat. Es ist noch immer gültig, da ein 1994 gegen dieses Gesetz gerichteter Antrag mehrerer Abgeordneter vom Verfassungsgericht zurückgewiesen wurde. 110
Deutsch in ROW 1969, S. 77 ff. Eine Übersetzung dieser Charta zusammen mit einer erläuternden Darstellung findet sich bei Petr Bohata, JOR XXXIII (1991), S. 178, 179, und Mahulena Hoskowi, EuGRZ 1991, S. 369 ff. 110 Nach Conseil d'Europe, Bulletin europeen sur Ia nationalite, DIR/JUR (95), 24.3.1995, s. 34. 108
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Kapitel 3: Staatsangehörigkeitsrechtliche Regelungen
Die Slowakische Republik beschloß am 19.1.1993 das "Gesetz über die Staatsbürgerschaft der Slowakischen Republik". 111 Wie in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion wurden auch hier die vormals ausgebürgerten Personen in einem Gesetz gesondert berücksichtigt, das hier allerdings bereits vor der Dismembration erlassen wurde. Mit Gesetz Nr. 88/1990 wurden die nach den alten Regelungen zwischen dem 1.10.1949 und dem 31.2.1989 ergangenen Ausbürgerungen und Aberkennungen der Staatsangehörigkeit für nichtig erklärt. Hiervon betroffenen Personen sollten so behandelt werden, als ob sie freiwillig um eine Entlassung nachgesucht hätten. Bis zum 31.12.1993 wurde ihnen die Möglichkeit eingeräumt, durch eine entsprechende Erklärung ihre tschechoslowakische Staatsangehörigkeit zu erneuern. Personen, die auf Antrag ausgebürgert wurden, hatten dieselbe Möglichkeit, eine Wiedereinbürgerung zu beantragen. II. Automatischer Wechsel aufgrund Republikzugehörigkeit Beide Nachfolgestaaten knüpften bei der Bestimmung ihres Staatsvolkes in erster Linie an die lnnehabung der bisherigen Teilrepublikzugehörigkeit an. Besaß die betreffende Personen eine Republikzugehörigkeit sowie die Bundesstaatsangehörigkeit vor der Dismembration, erwarb sie automatisch die des jeweiligen Nachfolgestaates. So bestimmte § 1 des tschechischen Staatsangehörigkeitsgesetzes, daß natürliche Personen, die am 31.12.1992 Staatsbürger der Tschechischen Republik und gleichzeitig Staatsbürger der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik waren, vom 1.1.1993 an Staatsbürger der Tschechischen Republik sind. Nach § 2 des Slowakischen Gesetzes sind diejenigen Personen, die bis zum 31.12.1992 Staatsangehörige der Slowakischen Republik nach dem Gesetz Nr. 206/1968 i.d.F. des Gesetzes Nr. 88/1990 des Slowakischen Nationalrates waren, Staatsangehörige der Slowakischen Republik. Ein automatischer Wechsel der Staatsangehörigkeit, der allein an den Wohnsitz anknüpfte, war im Gegensatz zu den Nachfolgestaaten Jugoslawiens und der UdSSR weder in der Tschechischen noch in der Slowakischen Republik vorgesehen. Das Domizilprinzip fand erst im Rahmen der Optionsrechte Berücksichtigung.
111 Beide Gesetze liegen in einer Übersetzung bzw. Rohübersetzung des Auswärtigen Amtes vor.
C. Die Regelungen in den Staaten der ehemaligen Tschechoslowakei
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111. Optionsrechte Optionsrechte fmden sich vor allem im tschechischen Staatsangehörigkeitsgesetz.
§ 6 Abs. I bestimmt, daß eine natürliche Person, die bis zum 3l.l2.1992 Staatsbürger der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik war, aber keine Teilrepublikzugehörigkeit besaß, durch Erklärung die Staatsangehörigkeit der Tschechischen Republik erwerben konnte. Staatsangehörige der Slowakischen Republik, die seit mindestens zwei Jahren ihren ununterbrochenen ständigen Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Tschechischen Republik hatten, konnten nach § 18 Abs. 2 bis zum 31.12.1993 filr die tschechische Staatsangehörigkeit optieren, wenn sie einen Nachweis über die Entlassung aus dem slowakischen Staatsverband vorlegten, 112 und sie nicht innerhalb der letzten filnf Jahre wegen einer Straftat verurteilt wurden 113 • Ein Staatsangehöriger der Slowakischen Republik, der in keinem der beiden Nachfolgestaaten seinen ständigen Wohnsitz hatte, konnte dann für die tschechische Staatsangehörigkeit optieren, wenn er vor der Ausreise den letzten ständigen Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Tschechischen Republik hatte, oder wenn ein Elternteil tschechischer Staatsangehöriger war. Allein die Regelung des § 6 Abs. 1 des tschechischen Gesetzes fmdet eine Entsprechung im slowakischen Staatsangehörigkeitsgesetz. Nach § 3 des slowakischen Gesetzen konnten Personen, die die Bundesstaatsangehörigkeit, nicht aber die slowakische Staatsangehörigkeit besaßen, bis zum 3l.l2.1993 filr die slowakische Staatsangehörigkeit durch eine schriftliche Erklärung optieren.
IV. Nachträglicher Erwerb durch Einbürgerung Die Einbürgerungvoraussetzungen entsprechen sich im wesentlichen. Hinsichtlich der Aufenthaltsdauer fordern sowohl § 7 des Tschechischen Gesetzes als auch § 7 Abs. 1 des slowakischen Gesetzes einen ständigen ununterbroche112 Von diesem Nachweis kann abgesehen werden, wenn der Antragsteller nachweist, daß er die Entlassung aus dem Staatsverband der Slowakischen Republik beantragt hat, und daß seinem Antrag innerhalb eines Zeitraumes von drei Monaten nicht entsprochen wurde, sofern er vor der zuständigen Behörde erklärt, daß er auf die slowakische Staatsangehörigkeit verzichtet. 113 Regelungen zur Verleihung der tschechischen Staatsangehörigkeit bei Personen, die älter als flinfzehn Jahre sind und in der Tschechischen Republik ihren ständigen Aufenthalt haben, sind in § 19 des Tschechischen Staatsangehörigkeitsgesetzes enthalten.
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Kapitel 3: Staatsangehörigkeitsrechtliche Regelungen
nen Aufenthalt im Gebiet der Tschechischen Republik am Tag der Einreichung des Antrages von mindestens filnf Jahren. Die übrigen Erfordernisse wie die Sprachkenntnisse gleichen einander ebenfalls mit der Ausnahme, daß die Tschechische Republik - wie bereits bei den Optionsrechten - die Entlassung aus der bisherigen Staatsangehörigkeit fordert, während die Slowakische Republik die Mehrstaatigkeit hinnimmt. Erleichterte Einbürgerungen sind in der Slowakischen Republik nach § 7 Abs. 5 bei Personen möglich, die ausgebürgert wurden, die ihre Staatsangehörigkeit durch Abwesenheit verloren haben, sowie bei mit slowakischen Staatsangehörigen verheirateten Personen. V. Ergebnis 1. Das neue Staatsvolk in den Nachfolgestaaten der Tschechoslowakei bestimmt sich primär nach der Republikzugehörigkeit vor der Dismembration. Dies bedeutet, daß tschechoslowakische Staatsangehörige, die daneben die Staatsangehörigkeit einer der beiden Republiken besaßen, unabhängig von ihrem Aufenthaltsort zur Zeit der Dismembration Staatsangehörige des jeweiligen Nachfolgestaates wurden. 2. Ein automatischer Wechselaufgrund eines Wohnsitzes in einer der beiden Teilrepubliken oder Abstammung von einem Republiksangehörigen fmdet sich in keinem der beiden Staatsangehörigkeitsgesetze. 3. Die Tatsache, daß die CSFR durch Dismembration untergegangen ist, fmdet in den Gesetzen beider Nachfolgestaaten Berücksichtigung, da sich Personen, die nur die Bundesstaatszugehörigkeit, nicht aber die Staatsangehörigkeit eines Teilstaates besaßen, filr die Staatsangehörigkeit eines Nachfolgestaates optieren konnten, und Staatenlosigkeit so vermieden wurde. Voraussetzungen wie ein bestimmter Inlandsaufenthalt waren nicht vorgeschrieben. § 3 des slowakischen Staatsangehörigkeitsgesetzes befristet das Optionsrecht bis 31.12.1993; die Einjahresfrist fmdet sich ebenfalls im tschechischen Staatsangehörigkeitsgesetz. 4. Weitergehende bis 31.12.1993 befristete Optionsrechte zugunsten von Angehörigen des anderen Teilstaates sind nur in der Tschechischen Republik gegeben, wobei diese sowohl Ausdruck des Domizil- als auch des Abstammungsprinzips sind. Sie berücksichtigen Personen, die von einem tschechischen Elternteil abstammen; solche, die seit über zwei Jahren ihren ständigen Wohnsitz in der Tschechischen Republik haben, sowie Personen, die sich im Zeitpunkt der Dismembration im Ausland aufhielten, ihren letzten ständigen Wohnsitz aber in der Tschechischen Republik hatten. Voraussetzung ist in all diesen Fällen die Aufgabe der bisherigen slowakischen Staatsangehörigkeit.
D. Zusammenfassung der Ergebnisse und Bewertung
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5. In diesem Punkt ist die Slowakische Republik "liberaler", da sie selbst die Einbürgerung nicht von der Aufgabe der tschechischen Staatsangehörigkeit abhängig macht. 6. Die filr Einbürgerungen geforderte Aufenthaltsdauer beträgt in beiden Staaten filnf Jahre, und hält sich somit in dem Rahmen, wie er sich auch im Entwurf des Übereinkommens zur Staatsangehörigkeit findet. 7. Die Möglichkeit einer erleichterten Einbürgerung filr Ehegatten sowie ausgebürgerten oder anderen Personen, die die Staatsangehörigkeit durch Abwesenheit verloren haben, fmdet sich allein im slowakischen Staatsangehörigkeitsgesetz.
D. Zusammenfassung der Ergebnisse und Bewertung Dieser Teil der Untersuchung dient einer Zusammenfassung der Ergebnisse, wobei hier zwischen drei verschiedenen Kriterien unterschieden wird. Teil I orientiert sich an dem Gang der Untersuchung und faßt die Ergebnisse in der bekannten Reihenfolge zusammen, um so einen Überblick über die Anzahl von Staaten zu bieten, die eine bestimmte Regelung in ihr Staatsangehörigkeitsgesetz aufgenommen haben. Teil II orientiert sich an einzelnen Personengruppen. Es wird zwischen Personen im Inland und im Ausland differenziert, um festzustellen, inwieweit diese automatisch oder nach Ausübung eines Optionsrechtes die Staatsangehörigkeit wechselten, oder auf den Weg einer (erleichterten) Einbürgerung angewiesen waren. Teil III schließlich ist der Untersuchung der Frage gewidmet, inwiefern eine Unterscheidung zwischen Dismembration, Sezession und/oder wiederhergestellten Staaten notwendig ist bzw. wo anband der Staatenpraxis Unterschiede festzustellen sind. Die Frage, inwieweit sich diese Ergebnisse in den Regelungen des Entwurfs eines Europäischen Übereinkommens zur Staatsangehörigkeit oder in den Arbeiten der ILC wiederfmden, bzw. inwieweit es sich bei den gefundenen Ergebnissen um Völkergewohnheitsrecht handelt, wird erst im darauffolgenden Kapitel behandelt. I. Zusammenfassung der Ergebnisse anband der verschiedenen Erwerbstatbestände 1. Ein automatischer Wechsel der Staatsangehörigkeit allein aufgrund eines völkergewohnheitsrechtliehen Grundsatzes kann nicht festgestellt werden.
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Kapitel3: Staatsangehörigkeitsrechtliche Regelungen
Vielmehr weisen die vielfältigen nationalen Regelungen darauf hin, daß die Staaten die Gesetzgebung im Bereich der Staatsangehörigkeit als eine innerstaatliche und nicht völkerrechtliche Materie sehen. 2. Wird von einem automatischen Wechsel gesprochen, so ist daher unter diesem Begriff nicht ein Wechsel aufgrund einer völkerrechtlichen Norm zu verstehen, sondern ein Wechsel, bei dem der Wille des einzelnen zunächst keine Beachtung fmdet. 3. Festzuhalten ist, daßalldiejenigen elf Staaten, die vor der Unabhängigkeit - gegebenenfalls auch vor ihrer Annexion - ihr Staatsvolk defmiert und ein Staatsangehörigkeitsgesetz erlassen hatten, diese Teilstaatszugehörigen ohne Ausnahme als Teil bzw. Kernbestand des neuen Staatsvolkes akzeptierten. Ausschlagungsrecht gab es in diesen Fällen nicht. 4. Überprüft man die Kriterien ftlr die Verleihung der Staatsangehörigkeit, so ist festzuhalten, daß die Mehrzahl der hier untersuchten Staaten die im Inland lebende Bevölkerung als neues Staatsvolk akzeptiert, wobei hier zum Teil auch die im Inland lebenden Staatenlosen von dieser Regelung umfaßt werden. 5. Darüber hinaus fmden sich aber auch vereinzelt und durch die historische Situation bedingt Anknüpfungen an die Abstammung, Volkszugehörigkeit, oder die Innehabung der Staatsangehörigkeit vor Ausbürgerung oder Ausweisung. 6. So knüpfen zwei Staaten an den Wohnsitz im Inland vor 1940 bzw. die Abstammung von solchen oder im Inland geborenen Personen bei der automatische Aufnahme ins Staatsvolk an, sofern noch ein aktueller Wohnsitz im Hoheitsgebiet gegeben ist. 7. Die Mehrzahl der Staaten läßt hingegen einen einfachen aktuellen Wohnsitz ausreichen; drei Staaten verlangen einen ca. ftlnfjährigen Inlandswohnsitz vor Unabhängigkeit bzw. lokrafttreten des Staatsangehörigkeitsgesetzes. Lediglich ein Staat relativiert diesen automatischen Erwerb dadurch, daß der einzelne nur dann Staatsangehöriger ist, wenn die Behörden ihm entsprechende Unterlagen innerhalb einer bestimmten Frist zugestellt haben. 8. Etwas mehr als die Hälfte der an den Wohnsitz anknüpfenden Staaten ist auch bereit, im Inland lebenden Staatenlosen die Staatsangehörigkeit automatisch zu verleihen. Fünf der elf Staaten verlangen hingegen die Staatsangehörigkeit des Vorgängerstaates. 9. Abgesehen von denjenigen Staaten, die an die Republikzugehörigkeit oder die Staatsangehörigkeit vor der Annexion anknüpfen, verleihen fünf Staaten die Staatsangehörigkeit auch bestimmten im Ausland lebenden Personen automatisch. In sechs Staaten haben die im Ausland lebenden Personen die Möglichkeit einer Option; in ftlnfzehn Staaten steht ihnen die Möglichkeit einer erleichterten Einbürgerung offen.
D. Zusammenfassung der Ergebnisse und Bewertung
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10. Positive und negative Optionsrechte werden in filnfzehn Staaten gewährt. Sechs Staaten gewähren dem einzelnen die Möglichkeit, die Staatsangehörigkeit auszuschlagen; Erwerbsrechte fmden sich in zehn Staatsangehörigkeitsgesetzen. 11. Die Ausschlagungsfristen liegen in einem der Staaten bei drei Monaten, sechs Monaten, einem Jahr oder sogar vier Jahren. Zwei Staaten haben keine Befristung vorgesehen. 12. Die Erwerbsrechte wurden bis auf einen Fall alle mit einer Frist verbunden, die zwischen sechs Monaten (zwei Staaten), einem Jahr (sieben Staaten), zwei Jahren (zwei Staaten) und vier Jahren (ein Staat) liegen. 13. Erleichterte bzw. vereinfachte Verfahren der Einbürgerung filr bestimmte Personengruppen fmden sich in filnfzehn Staaten. Zwei Staaten stellen hier auf die Staatsangehörigkeit des Vorgängerstaates ab; achtzehn Staaten stellen Volkszugehörigen, Auswanderern, zwangsausgebürgerten Personen oder solchen, die von im Inland geborenen Personen abstammen, ein vereinfachtes Verfahren zur Verfilgung. 14. In den anderen Staaten sind interessierte Personen auf den Weg der Einbürgerung angewiesen. Zwei Staaten stellen hohe Hürden hinsichtlich der Sprachkenntnisse auf. 15. Die Dauer des notwendigen Inlandsaufenthaltes lag zwischen "2+ I" bis sechzehn Jahren. Heute fordert ein Staat einen vierjährigen Inlandsaufenthalt, acht Staaten nennen einen filnfjährigen Zeitraum, sieben Staaten verlangen zehn Jahre; ein Staat nimmt Einbürgerungen erst nach filnfzehn Jahren vor.
II. Zusammenfassung der Ergebnisse im Hinblick auf den vom Wechsel betroffenen Personenkreis Eine Differenzierung zwischen den im Hoheitsgebiet und den sich außerhalb dieses Gebietes aufhaltenden Personen entfallt in den neun Staaten, die bereits vor der Unabhängigkeit ein Staatsangehörigkeitsgesetz erlassen hatten, und daher an die Republikzugehörigkeit unabhängig von Aufenthalt oder Wohnsitz anknüpften. In allen anderen Fällen sind Differenzierungen vorzunehmen. Personen, die im Inland wohnhaft waren, konnten in siebzehn Staaten die Staatsangehörigkeit entweder automatisch oder durch Ausübung eines Optionsrechtes erwerben. Zwei dieser Staaten verlangten zusätzlich die Abstammung von Personen, die bis 1940 einen Wohnsitz im Inland gehabt hatten, oder die Abstammung von solchen Personen. In drei Staaten mußte der einzelne über einen filnfjährigen Inlandswohnsitz verfUgen, wobei in einem dieser Fälle die Aufuahme in das Staatsvolk vom Erhalt der Unterlagen innerhalb von vier Monaten abhängig war. Ein Staat verlangte die Zugehörigkeit zur staatstragenden
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Kapitel 3: Staatsangehörigkeitsrechtliche Regelungen
Nation. Die Optionsfrist beim Erwerb der Staatsangehörigkeit lag zumeist zwischen sechs Monaten und einem Jahr. Im Inland lebende Staatenlose wurden in sechs Fällen vom automatischen Erwerb umfaßt; ein Staat gewährte ihnen ausdrücklich ein positives Optionsrecht; ein weiterer die Möglichkeit einer erleichterten Einbürgerung. Personen, die im Ausland lebten, erwarben in fiinf Fällen die Staatsangehörigkeit automatisch bzw. nach Ausübung eines Optionsrechtes, sofern man diejenigen Staaten, die nur an die Republikzugehörigkeit oder Staatsangehörigkeit vor der Annexion anknüpften, außer Betracht läßt. Zum berechtigten Personenkreis gehörten Personen mit Volkszugehörigkeit oder Abstammung von im Inland geborenen oder wohnhaften Personen; ehemals im Gebiet wohnhafte Personen, politisch Verfolgte und solche, zwangsweise das Hoheitsgebiet verlassen mußten oder ausgebürgert wurden. Zwei Staaten gewährten ein allgemeines Optionsrecht fiir Angehörige des Vorgängerstaates, ohne daß weitere Voraussetzungen vorliegen mußten. Alle anderen Personen waren auf den Weg der Einbürgerung im normalen oder vereinfachten Verfahren angewiesen, das in fünfzehn Staaten für Personen gewährt wurde, die Volkszugehörige waren, die ausgebürgert oder zwangsausgesiedelt wurden, die von im Inland geborenen Personen abstammten, deren Vorfahren einen Einbürgerungsanspruch vor der Annexion besaßen; für rückkehrwillige Auswanderer, ftlr Personen, die die Staatsangehörigkeit durch Abwesenheit verloren haben, und natürlich für Ehegatten von solchen Personen. Nur ein Staat gewährte eine erleichterte Einbürgerung für Staatenlose mit Aufenthalt in einem anderen Nachfolgestaat 111. Zusammenfassung nach Dismembration, Sezession und "wiederhergestellten" Staaten Aussagen im Hinblick auf den einzelnen Nachfolgetatbestand der Dismembration und Sezession sind hier sehr schwer, und können allenfalls im Ansatz formuliert werden, da die hier relevanten Staaten an eine bereits bestehende Republikzugehörigkeit anknüpften. Erschwert wird das Feststellen einer Regelung aber auch dadurch, daß die Nachfolgestaaten in Jugoslawien selbst zunächst von einer Sezession, nunmehr aber von einer Dismembration des Vorgängerstaates ausgehen, die Regelungen daher Elemente aufweisen, die typisch für die Dismembration und die Sezession sind. Gleiches gilt fiir die Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Hier vertritt die Russische Föderation die Auffassung, sie sei Fortsetzer der ehemaligen Sowjetunion und gewährte denjenigen Personen, die nicht die Staatsangehörigkeit eines anderen Nachfolgestaates erworben haben, in großzügiger Weise die Möglichkeit, die russische Staatsangehörigkeit im Wege eines vereinfachten Verfahrens zu erwerben, so daß die
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BefUrchtung, die negativen Optionsrechte einzelner Nachfolgestaaten könnten zu einer großen Zahl von Staatenlosen führen, nicht berechtigt war. Ein Vergleich der einzelnen Nachfolgestaaten ergibt lediglich, daß die Nachfolgestaaten in Jugoslawien im Gegensatz zu den Nachfolgestaaten der Sowjetunion nicht in gleichem Umfang bereit waren, die im Inland lebende Bevölkerung als Teil des neuen Staatsvolkes zu akzeptieren. Dies war im Hinblick auf die Vermeidung von Staatenlosigkeit auch nicht notwendig, da solche Personen die Staatsangehörigkeit der SFRJ bzw. der FRJ beibehielten, bis diese den Anwendungsbereich der Gesetze auf das verkleinerte Staatsgebiet beschränkte. Daher wurden in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens auf den Wohnsitz abstellende Regelungen, die einen automatischen Erwerb bewirkten, erst I 990 in die Gesetze zweier Nachfolgestaaten aufgenommen, als die Auffassung eines Untergangs des Vorgängerstaates durch Dismembration weiter Fuß faßte. Zuvor war es den im Inland lebenden Personen aufgrund eines Optionsrechtes möglich, die Staatsangehörigkeit zu erwerben, wobei in zwei Gesetzen ein fUnfjähriger Inlandsaufenthalt gefordert wurde, ein Staat die VolkszUgehörigkeit forderte, und zwei Staaten die Frist auf sechs Monate begrenzten. Optionsrechte können aufgrund der vorgenommen Untersuchung nicht als Unterscheidungskriterium für eine Differenzierung zwischen Dismembration und Sezession herangezogen werden, da diese in weitem Umfang auch in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion gewährt wurden. Auch der Umstand, daß es sich in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens um positive Optionsrechte handelte, während in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion die negativen Optionsrechte überwiegten, kann keine Differenzierung rechtfertigen, betrachtet man die Staatsangehörigkeitsgesetze in den Nachfolgestaaten der ehemaligen Tschecholsowakei, die beide nur positive Optionsrechte einräumten, obgleich hier ein Untergang durch Dismembration vorlag. Ein weiterer Unterschied zwischen den in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion getroffenen Regelungen und denen, wie sie sich in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens finden, ergibt sich hinsichtlich der Bereitschaft, auch im Inland lebende Staatenlose in das neue Staatsvolk aufzunehmen. Denn im Gegensatz zur ehemaligen UdSSR, wo diese entweder automatisch aufgrund eines Wohnsitzes, oder aber aufgrund eines Optionsrechtes oder sogar einer erleichterten Einbürgerung die Staatsangehörigkeit des nunmehr unabhängigen Staates erwerben konnte, beschränkten die Nachfolgestaaten Jugoslawiens den Erwerb auf Angehörige Jugoslawiens. Vergleicht man diese Regelung aber mit der Rechtslage in der ehemaligen CSFR, so muß man zum Ergebnis gelangen, daß dieser Unterschied nicht einen spezifischen Sukzessionstatbestand betrifft, da auch die Tschechische und die Slowakische Republik nur ehemaligen Staatsangehörigen der CSFR ihre Staatsangehörigkeit verliehen.
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Kapitel 3: Staatsangehörigkeitsrechtliche Regelungen
Weitaus einfacher gestaltet sich hingegen die Feststellung der fiir die Wiederherstellung annektierter Staaten aber auch Mischsysteme geltenden Charakteristika, die eine sehr restriktive Defmition ihres Staatsvolkes vornahmen. Alle drei baltischen Staaten nahmen aufgrund einer Automatik zunächst nur Angehörige des vor der Annexion unabhängigen Staates sowie deren Nachkommen in den Staatsverband auf, sowie im Ausland lebende Personen aufgrund eines vormaligen Einbürgerungsanspruchs oder der Abstammung von solchen oder im Inland geborenen Personen. Die Mischsysteme Litauens und der Republik Moldau berücksichtigten als einzige der vier Staaten die im Inland geborenen und lebenden Personen. Der Wohnbevölkerung wurde in beiden Staaten ein Optionsrecht eingeräumt. Bei den Verfahren der erleichterten Einbürgerung wird in allen vier Staaten an die geschichtliche Entwicklung angeknüpft, so daß hier hauptsächlich Deportierte, Volkszugehörige, von Volkszugehörigen abstammende oder ausgebürgerte Personen die Staatsangehörigkeit in einem vereinfachten Verfahren erwerben können. Keiner der vier Staaten steht Einbürgerungen besonders offen gegenüber. Zwei Staaten verlangen zwar nur einen ftlnfjährigen Aufenthalt, der Einbürgerungsbewerber muß hier jedoch über gute Sprachkenntnisse verfUgen. Die beiden anderen Staaten sehen zwar in bestimmten Fällen von den Sprachkenntnissen ab, fordern jedoch einen zehnjährigen Inlandsaufenthalt Ferner sind in allen genannten Staaten Personen, die dem KGB, der Sowjetarmee usw. angehörten, vom Erwerb ausgenommen. Sofern dies nicht ausdrücklich im Gesetz enthalten ist, ergibt sich das aus den ftlr eine Einbürgerung genannten Anforderungen wie Geburt im Inland, Sprachkenntnisse oder die Festlegung eines Kontingents hinsichtlich der Einbürgerung, wenn zunächst die Jugendlichen und erst nach dem Jahr 2000 die älteren Personen mit einer Einbürgerung rechnenkönnen.
Kapite/4
Entstehung neuer völkerrechtlicher Normen A. Bildung neuen Völkergewohnheitsrechtes I. Voraussetzungen für die Bildung von Völkergewohnheitsrecht
Unter Völkergewohnheitsrecht, das in Art. 38 des IGH-Statuts als Rechtsquelle genannt wird, versteht man eine allgemeine als Recht anerkannte Übung.' Notwendig ist in objektiver Hinsicht eine Praxis der Staaten sowie in subjektiver Hinsicht die Überzeugung, hier handle es sich um die Anwendung einer völkergewohnheitsrechtliehen Norm. Das Merkmal der "Übung" wurde vom IGH im "Asylum Case" dahingehend präzisiert, daß es sich um eine dauernde und einheitliche Übung handeln müsse. 2 Ebenso stellte auch das BVerfG im Botschaftskonten-Fan fest, daß das Völkergewohnheitsrecht eine gefestigte Praxis erfordere. 3 Im "North Sea Contineotal Shelf Case", als zu entscheiden war, ob eine vertragliche Bestimmung Völkergewohnheitsrecht darstellen könne, prüfte der IGH, ob eine "very widespread and representative participation" an dem betreffenden Abkommen einschließlich der besonders interessierten Staaten gegeben war. 4 Hier stellt sich filr den Fall der Staatensukzession die Folgefrage, filr welche Dauer denn eine Übung vorliegen muß, und wie viele Staaten eine bestimmte Regelung anwenden müssen, damit eine völkergewohnheitsrechtliche Norm gegeben ist. Der IGH ließ im "North Sea Contineotal Shelf Case" eine kürzere Staatenpraxis unter folgenden Bedingungen ausreichen: "Although the passage of only a short period of time is not necessarily, or of itself, a bar to the formation of a new rule of customary international law on the basis of what was originally a purely conventional rule, an indispensable requirement would be that within the period in question, short though it might be, State practice, inclu-
1 Vgl. zu den Theorien, die zum Teil die bloße Übung ausreichen Jassen, Josef L. Kunz, AJIL 47 (1953), S. 662, 663; Alfred Verdross /Bruno Simma, Völkerrecht, 3. Auflage 1984, § 550 f., S. 346 f. 2 ICJ Rep. 1950, S. 276: "un usage constant et uniforme". 3 BVerfGE 46, S. 367. 4 ICJ Rep. 1969, S. 41 f.
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Kapitel 4: Entstehung neuer völkerrechtlicher Normen
ding that of States, whose intersts are specifically affected, should have been both extensive and virtually uniform in the sense of the provision invoked; - and should moreover have occurred in such a way as to show a generat recognition that a rule of law or legal obligation is involved."
Nach herrschender Auffassung muß zu der oben genannten Übung eine Rechtsauffassung der beteiligten Staaten hinzutreten ("opinio iuris sive necessitatis"): "(... )not only must the acts concemed amount to a settled practice, but they must also be such, or be carried out in such a way, as to be evidence of a beliefthat this practice is rendered ob Iigatory by the existence of a rule of law requiring it. The need for such a belief, i.e. the existence of a subjective element, is implicit in the very notion of the opinio juris sive necessitatis. The States concemed must therefore feel that they are conforming to what amounts to a legal obligation."5
Der IGH nimmt auf den Lotus-Fall des StiGW Bezug und weist insbesondere darauf hin, daß die reine Übung nicht ausreichend sei, da insbesondere im Bereich der Courtoisie bestimmte Regeln existierten, die nicht Bestandteil des Völkergewohnheitsrechtes seien. Die Rechtsüberzeugung kann insbesondere der Haltung im internationalen Bereich, aber auch der innerstaatlicher Rechtspraxis und Rechtsprechung entnommen werden. II. Völkergewohnheitsrecht im Bereich der Staatennachfolge Betrachtet man die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung hinsichtlich des Wechsels der Staatsangehörigkeit bei Staatensukzession, stellen sich hinsichtlich einiger für das Völkergewohnheitsrecht notwendigen Voraussetzungen Zweifel ein, ob bereits von einer völkergewohnheitsrechtliehen Regelung zumindest in einer bestimmten Region gesprochen werden kann. Im Hinblick auf die oben genannte Auffassung des IGH wäre eine Übung nur über einen kurzen Zeitraum, wie es die Staatensukzession bedingt, ausreichend, sofern die getroffenen Regelungen von der erforderlichen Rechtsüberzeugung der beteiligten Staaten getragen würden: 7 "In a society constantly faced with new situations because of the dynamic of progress, there is a clear need for a reasonably speedy method of responding to such changes by a system of prompt rule-formation. In new areas of law, customs can be
ICJ Rep. 1969, S. 44. PCIJ (1927), Ser. A, Nr. 10. 7 Ablehnend Bruno Simma, in: Österreichischen Handbuch des Völkerrechts, Bd. 1, S. 45, Rdnr. 221. A.A. Bin Cheng, Custom: The Future of General State Practice in a Divided World, in: R. St. J Macdonald/Douglas M Johnston: The Structure and Process of Intemationallaw: Essays in Legal Philosophy Doctrine and Theory, The Hague, Boston, Lancaster, 1983. 5
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A. Bildung neuen Völkergewohnheitsrechtes
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quickly established by state practices by virtue of the newness of the situations involved, the Iack of contrary rules to be sunnounted and the overwhelming necessity to preserve a sense ofreglation in international relations." 8
Hier stellen sich aufgrund der Untersuchung jedoch Zweifel ein. Zum einen fmdet sich kaum ein Dokument, in dem sich ein Staat ausdrücklich dazu äußert, warum er sich für die Übernahme einer bestimmten Personengruppe als Teil des neuen Staatsvolkes entschieden hat; zum anderen ist die Praxis bis auf wenige Ausnahmen wie etwa die Übernahme bisheriger Teilstaatszugehöriger oder die Tendenz zur Anwendung des Wohnsitzprinzips zu uneinheitlich, als daß man hieraus bereits auf eine einheitliche Rechtspraxis schließen könnte9 • Daher können lediglich die folgenden Ergebnisse in einem abgestuften Verhältnis im Hinblick auf die Herausbildung von völkergewohnheitsrechtliehen Regelungen festgestellt werden: I. Einigkeit besteht in der Praxis der Staaten dahingehend, daß allein aufgrund des Tatbestandes der Staatennachfolge kein automatischer Wechsel der Staatsangehörigkeit eintritt. Vielmehr ist hierfür ein entsprechendes innerstaatliches Gesetz notwendig. 2. Völkergewohnheitsrechtlich anerkannt ist ferner der Grundsatz, daß diejenigen Staaten, die vor der Unabhängigkeit ein Staatsangehörigkeitsgesetz erlassen hatten, oder die zuvor bereits ein Staatsvolk definiert hatten, dieses auch nach der Unabhängigkeit in derselben Zusammensetzung beibehalten, wobei Ergänzungen durch Optionsrechte oder weitere Erwerbstatbestände möglich sind. 3. Allen weiteren Regelungen sind allenfalls Tendenzen zu entnehmen, die sich erst nach und nach zu einer völkergewohnheitsrechtliehen Norm verfestigen können. a. Hierzu gehört etwa der Grundsatz, daß im Inland wohnhafte Personen Staatsangehörige des Nachfolgestaates werden, zumal keine einheitliche Praxis dahingehend existiert, inwieweit Staatenlose von diesem Erwerb mitumfaßt werden sollen, und ob der Erwerb automatisch - verbunden mit einem Ausschlagungsrecht - oder erst nach Stellung eines entsprechenden Antrags erfolgen soll. b. Optionsrechte werden zwar in den meisten (nicht allen) der untersuchten Staaten gewährt, aber auch hier ist unklar, ob es sich um positive oder negative Optionsrechte handeln soll. Zudem sind die Fristen sehr unterschiedlich.
Malcom N. Shaw, International Law, 2. Auflage, Cambridge 1986, S. 65. Vgl. zur Vennutung einer Rechtsüberzeugung bei einheitlicher Praxis Karo/ Woljke, Custom in International Law, 2. Auflage, Dordrecht, London, Boston, 1993, S. 53. 8 9
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Kapitel4: Entstehung neuer völkerrechtlicher Normen
c. Nicht einheitlich ist ferner die Einbürgerungspraxis und die Möglichkeit eines erleichterten Verfahrens filr im Ausland lebende Personen mit Beziehungen zum Inland etwa aufgrund der Geburt oder solchen, die eine andere oder bedingt durch die Staatennachfolge - gar keine Staatsangehörigkeit erlangt haben.
B. Stellungnahmen internationaler Gremien I. Die Arbeiten der ILC Die ILC nennt in ihren Dokumenten der Sitzung vom Juli 1996 das Recht des einzelnen auf Staatsangehörigkeit, das Recht, zumindest eine der Staatsangehörigkeiten der Nachfolgestaaten zu erwerben, die Pflicht der Staaten, Staatenlosigkeit zu vermeiden und unverzüglich nach dem Sukzessionsfall Gesetze zu erlassen, um offene Fragen zu regeln. Hierbei sei das Prinzip der Nichtdiskriminierung und der Wahrung einer einheitlichen Staatsangehörigkeit innerhalb der Familie zu beachten. 10 In ihrem zweiten Bericht lehnt sie in Übereinstimmung mit der Staatenpraxis einen automatischen Wechsel der Staatsangehörigkeit allein aufgrund völkerrechtlicher Normen ab: "The remark that such automatic change in nationality could not occur in the absence of relevant domestic legislation is in consonance with the Special Rapporteur's thesis conceming the exclusively domestic character of the legal basis of nationality. Nevertheless, the comments of delegations were inconclusive as to the existence of an international obligation binding upon the successor State ragarding the granting of its nationality following State succession." 11
Sie gelangt ferner zu der Feststellung, daß Teilstaatszugehörige automatisch Teil des neuen Staatsvolkes wurden: "In recent cases of State succession in Eastem and Central Europe, the nationality laws of successor States resulting from the dissolution of federal States, i.e. Yugoslavia and Czechoslovakia, provided that individuals who, on the date of State succession bad, according to the laws of the predecessor State, 'the secondary nationality' of the territorial unit which acceded to independence would automatically acquire the nationality of the latter." 12
Bejaht wird auch die primäre Anwendung des Wohnsitzprinzips:
10 11
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UN Doc. NCN.4/L.525/Add. I, S. 2 f. UN Doc. NCN.4/474, S. 18 f. UN Doc. NCN.4/474, S. 32.
B. Stellungnahmen internationaler Gremien
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"Furthermore, the working group's conclusions gave a more prominent place to the fact ofnational residence that to the fact ofbirth. ( ...) As to the other criteria considered by the working group, some representatives in the Sixth Committee, when commenting on the alleged obligation of the successor State to grant its nationality, underlined the importance of the criterion of habitual residence in the territory of the successor state.'" 3
Unsicherheit besteht allerdings hinsichtlich der Frage, ob ein Optionsrecht im Fall der Staatensukzession bereits völkerrechtlich verankert ist: "The debate in the Sixth Committee revealed a considerable uncertainety about the existence, under general intemationallaw, of a right to option in the context of state succession. While in the view of some representatives, contemporary international law recognized such a right, according to others, the concept pertained to the realm of progressive development of intemationallaw." 14
Nichtsdestostrotz wird dessen Gewährung befUrwortet, um willkürliche Entscheidungen zu vermeiden. 1s Die Ergebnisse der ILC orientieren sich primär an der Staatenpraxis, entwickeln diese jedoch in einigen Punkten wie der Vermeidung von Staatenlosigkeit oder dem Recht des einzelnen auf Erwerb der Staatsangehörigkeit eines der Nachfolgestaaten fort. II. Die "Draft Declaration on the Consequences of State Succession for the Nationality of Natural Persons" der "European Commission for Democracy Through Law" vom 14.9.1996 Die "Draft Declaration" 16 der "European Commission for Democracy Through Law", die sich auf die Frage der Staatsangehörigkeit von natürlichen Personen beschränkt, wurde am 14.9.1996 angenommen. Zu Beginn werden in einem ersten Teil Begriffe wie die Staatensukzession oder Staatsangehörigkeit defmiert und allgemeine Prinzipien wie der Grundsatz der Vermeidung von Staatenlosigkeit oder die weitestgehende Berücksichtigung des Willens des einzelnen genannt. Nach IV.12. darf die Staatsangehörigkeit nicht entzogen werden, wenn Staatenlosigkeit die Folge wäre, d.h. der einzelne nicht die Staatsangehörigkeit eines anderen Nachfolgestaates erwerben konnte. Gezielte Unterscheidungen zwischen Dismembration und Sezession finden sich erst im Rahmen der Optionsrechte in Teil V.
UN Doc. A/CN.4/474, S. 34 und 59. UN Doc. A/CN.4/474, S. 46. 1s UN Doc. A/CN.4/L.525/Add. 1, S. 3. 16 CDL-NAT (96) 7. 13 14
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Kapitel 4: Entstehung neuer völkerrechtlicher Normen
Im Unterschied zu anderen Dokumenten wird in der Deklaration zwischen einer Pflicht zur Verleihung ("shall grant") und einer wünschenswerten Verleihung ("it is desirable to grant") unterschieden. Handelt es sich um Personen mit Wohnsitz im Inland, so statuiert Pkt. III. 8 a. eine Pflicht des Nachfolgestaates, allen Staatsangehörigen des Vorgängerstaates, die sich in dem vom Wechsel betroffenen Gebiet dauerhaft aufhalten, die Staatsangehörigkeit zu verleihen. Dabei soll die Verleihung unabhängig jeglicher Art der Diskriminierung aufgrund von Abstammung, Hautfarbe, Religion oder der politischen Gesinnung des einzelnen erfolgen. Die Staatsangehörigkeit soll ferner dann verliehen werden, wenn der betreffende Einwohner mit dauerndem Aufenthalt im Gebiet des Nachfolgestaates ansonsten aufgrundder Sukzession staatenlos wUrde (Pkt. IV. 10. a.). "Desirable" ist die Verleihung der Staatsangehörigkeit an Staatsangehörige dritter Staaten, die im Zeitpunkt der Staatensukzession ihren dauernden Aufenthalt im betroffenen Gebiet hatten (Pkt. III. 9. b.) und an Staatenlose mit dauerndem Aufenthalt im Gebiet des Nachfolgestaates (Pkt. IV. 11). Lebt eine Person mit hinreichender Inlandsbeziehung im Zeitpunkt der Staatennachfolge im Ausland, so soll ihr die Staatsangehörigkeit des Nachfolgestaates verliehen werden, wenn sie aus dem vom Wechsel betroffenen Gebiet stammt und ansonsten staatenlos würde (Pkt. IV. 10. b.). "Desirable" ist die Verleihung an Personen mit Aufenthalt im Ausland, die aus dem vom Wechsel betroffenen Gebiet stammen und Staatsangehörige des Vorgängerstaates waren (Pkt. III. 9. a.) und bei Staatenlosen, die aus dem betroffenen Gebiet stammen (Pkt. IV. 11. b). Ein Optionsrecht ist in der Deklaration sowohl fiir den Fall vorgesehen, daß der Vorgängerstaat weiterbesteht, als auch dann, wenn er untergeht und etwa in mehrere Nachfolgestaaten zerfallt. Im ersten Fall soll nach Pkt. V. 13. a. ein Optionsrecht zugunsten der Staatsangehörigkeit des Vorgängerstaates eingeräumt werden, wobei dieses von einem "effective link", d.h. ethnischen, sprachlichen oder religiösen Bindungen abhängig gemacht werden kann. Für den zweiten Fall sieht Pkt. V. 13. b vor, daß jeder Staat zugunsten der anderen Nachfolgestaaten ein Optionsrecht gewähren soll. Eine bestimmte Frist fiir die Ausübung des Optionsrechtes ist nicht vorgesehen; die Erklärung beschränkt sich hier auf die Festsetzung einer "reasonable time from the date of succession ". Pkt. V. 16 geht über die reine Frage der Verleihung der Staatsangehörigkeit hinaus und fordert, daß sich Erwerb oder Verlust der Staatsangehörigkeit des Nachfolgestaates keine Auswirkungen auf den aufenthaltsrechtlichen Status der die Wahl ausübenden Personen haben sollen: "The exercise ofthe right to choose the nationality ofthe predecessor State, or of one of the successor States, shall have no prejudicial consequences for those making that
C. Der Entwurf eines Übereinkommens zur Staatsangehörigkeit
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choice, in particular with regard to their right to residence in the successor State and their moveable or immoveable property located therein." 17
Die Deklaration der "European Commission for Democracy Through Law" unternimmt also ausgehend von der Staatenpraxis und unter Berücksichtigung der Interessen des einzelnen den Versuch, Regelungen für einzelne Fälle zu formulieren, die von allen Nachfolgestaaten akzeptiert werden können.
C. Der Entwurf eines Übereinkommens zur Staatsangehörigkeit I. Überblick
Im Januar 1997 wurde der endgültige Entwurf eines neuen Übereinkommens des Europarates zu Fragen der Staatsangehörigkeit vorgelegt. 18 Dieses Übereinkommen behandelt zum ersten Mal nicht nur einzelne Fragen der Staatsangehörigkeit wie etwa die Staatenlosigkeit oder die Behandlung der Wehrpflicht bei Mehrstaatern, sondern hier wurde in Einklang mit bestehenden völkerrechtlichen Verträgen und der Rechtsprechung von IGH, EuGH und EuGHMR ein Vertrag ausgearbeitet, der alle mit der Staatsangehörigkeit in Zusammenhang stehenden Fragen, auch solche des Wechsels der Staatsangehörigkeit bei Staatensukzession umfaßt. Das Übereinkommen soll bestehende Verträge wie etwa das MehrstaaterUbereinkommen von 1963 nicht ersetzen, sondern vielmehr ergänzen. Als Vertragsstaaten kommen nicht nur die Mitglieder des Europarates 19 in Betracht, sondern auch diejenigen Staaten, die an der Ausarbeitung der Konvention beteiligt waren (Art. 27 Abs. 1). Hierzu gehören Armenien, Aserbaidschan, Weißrußland, Bosnien-Herzegowina, Kanada, Ge-
17 Vgl. aber hierzu die ILC: "(...) the obligation that a reasonable time-timit is granted to comply with a requirement to transfer one's residence out of the territory of a State concerned following the voluntary renunciation ofthat State's nationality." (UN Doc. A./CN.4/L.525, Add. I, S. 4). 18 "Draft European Convention on Nationality and Explanatory Report" vom 15.1.1997, DIR/JUR (97) 2. Vgl. zum ersten Entwurfdie Darstellung von Horst Schade, AJPIL 49 ( 1995), S. 99 ff. 19 Dem Europarat gehörten im November 1996 folgende Staaten an: Albanien, Andorra, Österreich, Belgien, Bulgarien, Zypern, Kroatien, die Tschechische Republik, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, die Bundesrepublik Deutschland, Griechenland, Irland, Italien, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Malta, die Republik Moldau, die Niederlande, Norwegen, Polen, Portugal, Rumänien, die Russische Föderation, San Marino, die Slowakische Republik, Slowenien, Spanien, die "ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien", die Türkei, die Ukraine, Ungarn und das Vereinigte Königreich.
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Kapitel 4: Entstehung neuer völkerrechtlicher Normen
orgien, der Heilige Stuhl, Kirgistan sowie die USA. 20 Das Übereinkommen soll als "offener Vertrag" ferner Staaten offen stehen, die nicht Mitglied des Europarates sind, und zwar etwa dann, wenn eine Zusammenarbeit mit diesen wünschenswert oder erforderlich ist (Art. 27 Abs. 2).
II. Inhalt der die Staatensukzession betreffenden Vorschriften Der Entwurf des Übereinkommens von 1996 sah fiir Fragen der Staatensukzession noch detaillierte Vorschriften sowie eine Differenzierung nach verschiedenen Nachfolgetatbeständen vor. Diese Unterscheidung wurde in der Fassung von 1997 aufgegeben. Das Übereinkommen enthält in den Art. 18-20 nur die Vorgabe bestimmter Rahmenbedingungen und Grundsätze, die von den betroffenen Staaten, insbesondere den Nachfolgestaaten, zu beachten sind. Vorbehalte können bezüglich dieser Vorschriften nach Art. 29 der Konvention nicht angebracht werden. Nach Artikel 19 sollen sich die Staaten bemühen, Fragen der Staatsangehörigkeit bei Staatennachfolge möglichst durch zwischenstaatliche Verträge zu lösen: "Artic/e 19 - Settlement by international agreement
In cases of State succession, State Parties concemed shall endeavour to regulate matters relating to nationality by agreement amongst themselves and, where applicable, in their relationship with other States concemed. Such agreements shall respect the principles and rules contained or referred to in this chapter." Zu den bei der Behandlung von Fragen der Staatensukzession zu beachtenden Grundsätzen gehört die Vermeidung von Staatenlosigkeit (Art. 18 Abs. 121 ), die Beachtung der Menschenrechte und der "rule of law" 22, sowie die in Art. 4 und 5 niedergelegten Grundsätze. 23 Zu den grundlegenden Bestandteilen So der "Explanatory Report" DIR/JUR (97) 2, S. 43, Ziff. 1 Vgl. auch Art. 10 des Übereinkommens zur Verringerung der Staatenlosigkeit von 1961. 22 Hier wird auf Art. 3 der Satzung des Europrates vom 5.5.1949, der lautet: "Jedes Mitglied des Europarates erkennt den Grundsatz der Vorherrschaft des Rechts und den Grundsatz an, daß jeder, der seiner Hoheitsgewalt unterliegt, der Menschenrechte und Grundfreiheiten teilhaftig werden soll. Er verpflichtet sich, bei der Erftlllung der in Kapitel I bestimmten Aufgaben aufrichtig und tatkräftig mitzuarbeiten." Bezug genommen sowie auf die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11.1950, die hierzu ausgearbeiteten Zusatzprotokolle und die Entscheidungen von Kommission und EuGHMR. 23 Art. 4 enthält den Grundsatz der Vermeidung von Staatenlosigkeit, das Recht des einzelnen auf Staatsangehörigkeit, den Grundsatz, daß sich ein Wechsel der Staatsangehörigkeit eines Ehegatten nicht auf den Status des anderen auswirkt, sowie das Verbot 20
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der "rule of law" zählt der "Explanatory Report" etwa den Grundsatz, daß Entscheidungen auf der Grundlage des Rechts getroffen werden, daß das Recht im Hinblick auf den Schutz der Rechte und Freiheiten des einzelnen und nicht nur im Lichte des Staatsinteresses ausgelegt wird, und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei staatlichen Eingriffsmaßnahmen. 24 Art. 18 Abs. 2 nennt die bei der Verleihung zu berücksichtigenden Anknüpfungspunkte. Hierzu zählen das "genuine and effective link" der betroffenen Person mit dem neuen Staat, der gewöhnliche Aufenthalt im Zeitpunkt des Eintretens der Staatennachfolge25 , der Wille des einzelnen sowie die territoriale Herkunft der vom Wechsel betroffenen Person, womit der Ort der Geburt des einzelnen umschrieben wird26• Die Konvention sagt nicht ausdrücklich, welche Personen als Staatsangehörige des Nachfolgestaates anzuerkennen sind, scheint jedoch der Kodifikation aufgrund der Ausfilhrungen im "Explanatory Report" das Wohnsitzprinzip zugrunde gelegt zu haben. 27 Neufgefaßt wurde Art. 15 Abs. 3 a.F., der die Gleichbehandlung von Personen mit der neuen Staatsangehörigkeit und solchen Personen vorsah, die die Staatsangehörigkeit des Nachfolgestaates nicht erworben haben. Der erste Entwurf von 1995 beschränkte diese Gleichbehandlung noch auf eine Übergangszeit ("until they require nationality"). Diese Unterscheidung wurde in Art. 15 Abs. 3 der Fassung von 1996 zwar aufgegeben, dafilr wurden aber Ausnahmen des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Bereich der politischen Rechte, der Wehrpflicht, der Beschäftigung im öffentlichen Dienst und bei der Ausstellung eines Reisepasses aufgenommen. Diese Einschränkungen sind bis auf die Ausübung hoheitlicher Befugnisse28 in dem neuen Art. 20 nicht mehr enthalten29 :
der willkürlichen Entziehung der Staatsangehörigkeit. In Art. 5 ist das Diskriminierungsverbot enthalten. 24 Eine ausfilhrliche Darstellung mit Hinweisen auf Empfehlungen des Rates sowie die Rechtsprechung des EuGHMR in den Fällen Ringeisen, Go/der, Airey, sowie Albert und LeCompte findet sich aufS. 37, Ziff. 110 f. 25 Auf das Merkmal der "Rechtmäßigkeit" wurde bewußt verzichtet, da bei den ehemaligen Staatsangehörigen des Vorgängerstaates von der Rechtmäßigkeit im Heimatstaat ausgegangen werden kann. (So der "Explanatory Report" DIR/JUR (97) 2, S. 38, Ziff. 114) 26 Explanatory Report DIR/JUR (97) 2, S. 38, Ziff. 116. 21 DIRIJUR (97) 2, S. 36, Ziff. 108: "Article 18 outlines the specific principles which States Parties undertake to abide by in all matters of nationality arising in the context of State succession. (... ) This AItide needs to be seen in the light of the presumption under international law that the population sollows the change of sovereignty over the territory in matters of nationality." 28 Diese Passage entstammt der Entscheidung des EuGH im Fall Kommission v. Königreich Belgien vom 26.5.1982.
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Kapitel 4: Entstehung neuer völkerrechtlicher Normen
''Article 20 - Principles concerning non-nationals
1 Each State Party shall respect the following principles: a nationals of a predecessor State habitually resident in the territory over which sovereignty is transferred to a successor State and who have not acquired its nationality shall have the right to remain in that State; b persons referred to in sub-paragraph a shall enjoy equality of treatment with nationals ofthe successor State in relation to social and economic rights. 2 Each State Party may exclude persons considered under paragraph 1 from employment in the public service involving the exercise o(sovereign powers." 30
Um in den Genuß dieser Gleichbehandlung zu kommen, muß der einzelne die Staatsangehörigkeit des Vorgängerstaates besessen haben und darf nicht die Staatsangehörigkeit des Nachfolgestaates erworben haben; er muß seinen dauernden Aufenthalt im Hoheitsgebiet des Nachfolgestaates im Zeitpunkt des Eintritts der Staatennachfolge gehabt haben, und er muß sich noch immer in diesem Gebiet aufhalten. 31 Aufenthaltsrechte können sich darüber hinaus aus Art. 8 Abs. I EMRK, der u.a. das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens enthält, ergeben. 32 Da sich der Entwurf auf grundlegende Fragen beschränkt, und die Vertragsstaaten explizit nicht verpflichtet sind, bestimmten Personengruppen die Staatsangehörigkeit zu verleihen, wurde der Ausnahmetatbestand des Art. 15 Abs. 2 letzter Satz ("The granting of nationality may be refused only when vital interests of the State Party are at issue and on condition that the persons concerned do not remain stateless") in den neuen Entwurfnicht aufgenommen.
111. Bewertung Die neuen Regelungen, wie sie vom Europarat im Fall der Staatennachfolge vorgeschlagen werden, berücksichtigen, daß es einen im Völkerrecht begründeten automatischen Wechsel der Staatsangehörigkeit bei Staatennachfolge nicht 29 Ergänzend sei auf die Europäische Sozialcharta (ETS Nr. 35) sowie das Europäische Niederlassungsabkommen verwiesen (ETS Nr. 19). 30 Ein entsprechender Vorschlag wurde auch von der "European Commission for Democracy through Law" in Pkt. V. 16. gemacht: "The exercise ofthe right to choose the nationality ofthe predecessor State, or of one of the successor States, shall have no prejudicial consequences fot those making that choice, in particular with regard to their right to residence in the successor State and their moveable or immoveable property located therein." 31 So der "Explanatory Report", DIR/JUR (97) 2, S. 39, Ziff. 120. 32 Vgl. hierzu auch die Entscheidungen des EuGHMR im Fall Berrehab, Moustaquim, Beldjoudi, Nasri und Gül.
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gibt33, und enthalten daher konsequenterweise Vorgaben filr die innerstaatlichen Regelungen der Nachfolgestaaten. Sinnvoll erscheint es ferner, die Fragen des Wechsels der Staatsangehörigkeit bei Staatensukzession nicht im einzelnen vorzugeben und zwischen verschiedenen Sukzessionstatbeständen zu unterscheiden, sondern hier diejenigen Anknüpfungspunkte anzusprechen, die fiir die Verleihung der neuen Staatsangehörigkeit berücksichtigenswert sein sollen, insbesondere den Grundsatz der Vermeidung von Staatenlosigkeit. Fraglich erscheint jedoch, inwieweit die in Art. 19 enthaltene Pflicht zu völkervertraglicher Einigung der Nachfolgestaaten Anwendung fmden wird. Unproblematisch sind vertragliche Einigungen immer dann, wenn sich der Prozeß der Teilung wie im Fall der Tschechoslowakei friedlich vollzieht. Anders ist die Lage aber sowohl dann zu beurteilen, wenn eine große Zahl von Nachfolge- oder wiederhergestellten Staaten entsteht, wie dies bei der Dismembration der UdSSR der Fall war, oder dann, wenn die Trennung vom ursprünglichen Bundesstaat wie im ehemaligen Jugoslawien nicht auf friedlichem Wege erfolgt. Hier wird es auch schwierig sein, Staatenlosigkeit zu vermeiden, da dies eine Kenntnis der jeweils anderen Rechtsordnungen voraussetzen würde; eine vorläufige Verleihung der Staatsangehörigkeit bis zum Erwerb einer der anderen Nachfolgestaaten kommt nicht in Betracht, da sie im Hinblick auf das Verständnis der Staatsangehörigkeit als dauerndes Bindeglied zwischen dem einzelnen und seinem Heimatstaat gegen Völkerrecht verstoßen würde. Die Einräumung eines Optionsrechts könnte zwar dieses Problem entschärfen, würde dann aber dazu fiihren, daß das Staatsvolk des Nachfolgestaates bis zum Ende der Optionsfrist, die sich auf mehrere Jahre erstrecken kann, nicht definierbar wäre. Die in Art. 18 Abs. 2 genannten Anknüpfungspunkte wie etwa der Wohnsitz im Hoheitsgebiet des Nachfolgestaates34 entsprechen der in der völkerrechtlichen Praxis nachweisbaren Übung mit der Einschränkung, daß nationale Gesetzgeber zumeist einen Anknüpfungspunkt beim Erwerb in den Vordergrund stellten und weitere Gesichtspunkte erst im Rahmen anderer Erwerbsmöglichkeiten wie der Ausübung eines Optionsrechtes oder einer erleichterten Einbürgerung berücksichtigten. Das Optionsrecht selbst wird in dem neuen Entwurf Ebenso auch die ILC, UN Doc. A/CN.4/474, S. 18 f.: "The remark that such automatic change in nationality could not occur in the absence of relevant domestic legislation is in consonance with the Special Rapporteur's thesis conceming the exclusively domestic character ofthelegal basis ofnationality." 34 Vgl. hierzu die ILC, UN Doc. A/CN.4/474, S. 34 und 59: "Furthermore, the working group's conclusions gave a more prominent place to the fact ofnational residence than to the fact ofbirth. (...)" Zur Anknüpfung an den Wohnsitz auch Pkt. III. 8 a. der "Draft Declration on the Consequences of State Succession for the Nationality of Natural Persons" der "European Commission for Democracy through Law" vom 14.9.1996. 33
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Kapitel 4: Entstehung neuer völkerrechtlicher Normen
im Gegensatz zu anderen internationalen Dokumenten35 nur unter Art. 18 Abs. 2 lit. c subsumiert werden können ("the will of the person concemed"36). Ein Recht des einzelnen, die Staatsangehörigkeit eines der Nachfolgestaaten zu erwerben, ist im Entwurf des Europarates im Gegensatz zu den Arbeiten der ILC nicht enthalten37 • Der Entwurf enhält kein subjektives Recht des einzelnen auf Staatsangehörigkeit, auch wenn Bestimmungen- so der "Explanatory Report" auch dem einzelnen dienen sollen. 38 Der Entwurf nennt primär die zwischenstaatliche Pflicht zur Vermeidung von Staatenlosigkeit.39
ILC, Doc. A./CN.4/474, S. 46: "The debate in the Sixth Committee revealed uncertaintety about the existence, under general international Iaw, of a right to option in the context of state succession. While in the view of some representatives, contemporary international Iaw recognized such a right, according to others, the concept pertained to the ralm of progressive development of international Iaw." Vgl. zum Optionsrecht auch Pkt. V. 13. a. der Deklaration der "European Commission for Democracy through Law". 36 Die Berücksichtigung der Interessen der einzelnen wird bereits in der Präambel genannt: "Recognising that, in matters concerning nationality, account should be taken both of the legitimate interests of States and those of individuals." 37 Vgl. UN Doc. A/CN.4/L.525/Add. l, S. 2 f. 38 Vgl. DIRIJUR (97), 2, Ziff. 105, S. 36. 39 Eine zentrale Rolle spielt die Vermeidung der Staatenlosigkeit sowohl in den Arbeiten der ILC (UN Doc. A/CN.4/L.525/Add.l, S. 2 f.) und in Pkt. IV. 10. A. der Deklaration der "European Commission for Democracy through Law". 35
Kapitel 5
Ergebnisse der Untersuchung, Thesen und Ausblick Nachdem am Ende der jeweiligen Abschnitte 1 die einzelergebnisse ausfUhrlieh aufgezeigt worden sind, sollen an dieser Stelle die Hauptpunkte reflektiert und mit einem Ausblick verbundenen werden. I. Staatennachfolge I. Die UdSSR ist durch Dismembration untergegangen. Nachfolgestaaten sind alle GUS-Staaten. Die Russische Föderation ist nicht mit der UdSSR identisch; der Begriff "Fortsetzerstaat" ist in einem politischen, nicht juristischen Kontext zu verstehen. 2. Die baltischen Staaten haben sich nicht durch Sezession von der UdSSR gelöst, sondern hier handelt es sich vielmehr um wiederhergestellte Staaten, die mit den vor der Annexion existierenden Republiken identisch sind. 3. In Jugoslawien haben sich die Republiken Slowenien, Kroatien, BosnienHerzegowina und Mazedonien durch Sezession von dem Bundesstaat getrennt. Die FRJ war daher zunächst nicht Nachfolgestaat, sondern Fortsetzerstaat der SFRJ. 4. Die Tschechoslowakei ging durch Dismembration unter. Nachfolgestaaten sind die Tschechische Republik und die Slowakische Republik.
II. Regelungen in Fragen der Staatsangehörigkeit I. Ein automatischer Wechsel der Staatsangehörigkeitaufgrund einer unmittelbar anwendbaren völkerrechtlichen Norm läßt sich der Staatenpraxis nicht entnehmen, vielmehr lassen die unterschiedlichen nationalen Gesetze erkennen, daß es sich hier um einen Bereich des innerstaatlichen Rechts handelt.
1
Vgl. Kapitel l.D.; Kapitel 2.D.; Kapitel3.A.VIII; B.VI., C.V.
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Kapitel 5: Ergebnisse der Untersuchung, Thesen und Ausblick
2. Personen, die vor der Unabhängigkeit die Staatsangehörigkeit eines Teilstaates besaßen, werden aufgrund innerstaatlicher Rechtsvorschriften "automatisch" als Staatsangehörige des unabhängigen Staates akzeptiert; ein Ausschlagungsrecht wird nicht gewährt. Aufgrund der Einheitlichkeit der Übung kann hier von einer völkergewohnheitsrechtliehen Regelung gesprochen werden. 3. Die anderen Staaten knüpften bei der Defmition ihres Staatsvolkes primär an den auch von der ILC befilrworteten Wohnsitz im Inland an. Da sich dieser Anknüpfungspunkt nicht in allen Staatsangehörigkeitsgesetzen in gleichem Umfang fmdet, und Unterschiede etwa bei der Aufnahme von Staatenlosen in das neue Staatsvolk oder bei der Dauer des erforderlichen Inlandsaufenthaltes existieren, kann hier nur von einer im Entstehen begriffenen völkergewohnheitsrechtliehen Norm gesprochen werden, die ihren Niederschlag sowohl in der Deklaration der "European Commission for Democracy through Law" von 1996 als auch in der "Draft European Convention" des Europarates von 1997. Für die Annahme einer Pflicht und nicht nur eines Rechts auf Verleihung der Staatsangehörigkeit spricht der den Arbeiten zugrundeliegende Grundsatz der Vermeidung von Staatenlosigkeit. 4. Im Ausland lebende Personen mit Beziehungen zum Nachfolgestaat etwa durch Geburt im Inland oder bei Abstammung von im Staatsgebiet geborenen Vorfahren haben in der Regel bei Rückkehr die Möglichkeit, die Staatsangehörigkeit durch Option oder im Wege der erleichterten Einbürgerung zu erlangen, ein Grundsatz, der sich auch in den Kodifikationsarbeiten findet. Nur in wenigen Fällen erstreckte sich der automatische Erwerb auch auf sich im Ausland befmdliche Volkszugehörige. 5. Der Wechsel der Staatsangehörigkeit erfolgte entweder automatisch kraft innerstaatlichen Rechts oder war von der Ausübung eines Optionsrechtes abhängig. Eine eindeutige Regelläßt sich allenfalls dahingehend formulieren, daß in der Regel bei einem automatischen Erwerb Interessen des einzelnen durch die Möglichkeit eines Ausschlagungsrechtes Berücksichtigung fanden, daß daneben aber auch die Möglichkeit besteht, den Erwerb von dem Antrag des einzelnen abhängig zu machen. Eine Befristung wird hier von den meisten Staaten in unterschiedlicher Dauer vorgenommen. Die uneinheitliche Staatenpraxis wie auch die unterschiedlichen Auffassungen innerhalb der ILC lassen noch nicht den Schluß zu, die Gewährung eines Optionsrechtes sei Teil des geltenden Völkergewohnheitsrechtes, auch wenn dies im Hinblick auf die Entwicklung der Rechtsstellung des einzelnen durchaus wünschenswert wäre.
III. Ausblick 1. In einigen Punkten gehen die Vorschläge der ILC, der "European Commission for Democracy through Law" und der "Draft European Convention"
III. Ausblick
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über die bisherige völkerrechtliche Praxis richtigerweise hinaus. Begrüßenswert ist das in beiden Vorschlägen enthaltene Diskriminierungsverbot, das, sollte es künftig Anwendung findet, Situation vorbeugt, wie sie in einigen Nachfolgestaaten deswegen auftraten, weil etwa eine Volkszugehörigkeit, eine Abstammung, eine kulturelle oder religiöse Verbundenheit mit dem Nachfolgestaat gefordert wurde. 2. Auch das Problem der Vermeidung von Staatenlosigkeit wird in allen Dokumenten genannt. Die Staaten werden aufgefordert, das Recht des einzelnen auf Erwerb einer Staatsangehörigkeit zu beachten und Staatenlosigkeit zu vermeiden, wobei sich in der Praxis angesichts unterschiedlicher Sukessionsflille wie einem gewaltsamen Auseinanderbrechen oder einer Vielzahl von Staaten Probleme ergeben können. In diesem Zusammenhang erscheint es sinnvoll, Interessen des einzelnen durch die Einräumung eines Optionsrechtes zu berücksichtigen. Wünschenswert wäre es ferner, den einzelnen nicht mehr nur auf zwischenstaatliche Pflichten zu verweisen, sondern ihm als partielles Völkerrechtssubjekt aufgrund dieser Vorschläge auch subjektive Rechte einzuräumen.
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II*
Sachregister Aberkennung der Staatsangehörigkeit s. Ausbürgerung
Auswanderer 121 f.
Abstammung 56, 92, 106 ff.
Badinter-Kommission 53, 69 Gutachten Nr. 1 71 Gutachten Nr. 2 53 Gutachten Nr. 8 71 Gutachten Nr. 9 72 Gutachten Nr. 10 72
Abstammungsprinzip 111, 123, 129 Abwicklungsgemeinschaft 65 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 29 Alma-Ata 60, 65 Anerkennung 41 der baltischen Staaten 59 der Staaten des ehemaligen Jugoslawien 66,69 Rußlands 62 und EPZ 68 Annahme als Kind 33 Annexion 61, 91 Armenien 140 Staatsangehörigkeitsgesetz 88, 95, 97 f. , 104,106, 108,111,113 f. Armenische SSR 59 Aserbaidschan 81, 84, 140 Staatsangehörigkeitsgesetz 87, 89, 92, 98, 101, III Aserbaidschanische SSR 59
baltische Staaten 112, 133, 146 Staatsangehörigkeitsgesetze 84-86 Bancroft-Verträge 28 Beitritt 38 Belgien 55 Belarus 60, 65, 81 Staatsangehörigkeitsgesetz 92, 98, I 05 f., 109, 111, 113 f., 140 Belorussische SSR 59 Bessarabien 94 Bosnien-Herzegowina 65, 68, 74, 140, 146 Trennung von Jugoslawien 68 Kroatisch-muslimische Föderation 70 StaatsangehörigkeitsTegelungen 116, 118 f., 120, 122 f.
Asylum Case 134
Bosnien-Friedensvertrag 70
Aufenthalt 85 s. auch Wohnsitz
British India 40
Aufenthaltsstaat 95 Augustputsch 59 Ausbürgerung 125, 129 Ausland 92, 113, 121 f., 147 Auslandsaufenthalt 123, 131 Ausschlagungsrecht 147 s. auch Optionsrecht Austritt Sloweniens 67 Kroatiens 67
Botschaftskanten-Fall 134 British Nationality Act 46 British subject 50 Bundesrepublik Deutschland 69 Bundesstaat 66 Bundesverfassungsgericht deutsches 50, 134 des ehemaligen Jugoslawien 39 Burma 56 Burma Independence Act 45
Sachregister Ceylon 56 Chinesisch-indonesischer Vertrag 55 citizen 45, 46 citizenship s. Staatsangehörigkeit clean slate 42 Commonwealth 46, 84 CSFR s. Tschechische und Slowakische Föderative Republik CSSR s. Tschechoslowakei Danzig Dayton-Abkommen s. Bosnien-Friedensvertrag Dekolonisierungsprozeß 45, 56 DenHaag68 Desintegration 38, 83 der UdSSR 58-65 Jugoslawiens 65-74 der Tschechoslowakei 74-77 Deutsches Reich 50 Devolutivabkommen 45 Diskriminierung 121, 139 Dismembration 38, 56, 65, 73 Dissolution s. Dismembration Domizilprinzip 54, 111, 125 Draft European Convention on Nationality s. Entwurf eines Übereinkommens zur Staatsangehörigkeit EG 68 f. effective link 139 s. auch genuine and effective link Eheschließung 33 s. auch Einbürgerung von Ehegatten Einbürgerung 33, 98-105, 120-122, 126 f., 130 f., 133, 137 bei Verwandtschaftsverhältnissen I 08 f. erleichterte 105-111, 121 f., 127, 147 und Inlandsaufenthalt 98, I 20, 130
I65
und Sprachkenntnisse 100, I27 von Ehegatten 108 f., I22 Eingeborene 45 Elsaß-Lothringen 45 EMRK I43 Entlassung 38, 73 Entlassung aus der Staatsangehörigkeit 34 Entwurf eines Europäischen Übereinkommens zur Staatsangehörigkeit 26, 30, 140-I43 EPZ68 Erhalt der Staatsbürgerschaft I 06 Estnische SSR 59 Estland 58 Staatsangehörigkeitsgesetz 84, 9I , 99, 102, 107, I li, I 13 f. EuGH I40 EuGHMR I40 Europarat 30, 35, I40, I47 European Commission for Democracy Through Law 138, I47 deren Draft Declaration 138 Explanatory Report I42 Familiengesetzbücher 82 Fortsetzerstaat 6I, 62, 64, 70, 73, 76, I46 Frankreich französische Staatsangehörigkeit 45 Freie Stadt Danzig 44 FRJ s. Jugoslawien Fusion 38 Gabun 46 Generalversammlung 29, 30 genuine link 3 I, 49, I42 Georgien 60, 64, I40 Staatsangehörigkeitsgesetz 88, 92 f., 97, 99, I05, I08, I II, I I4 Georgische SSR 59 Gesetz über den Status ehemaliger UdSSR-Bürger, die nicht die Staatsangehörigkeit Lettlands oder eines anderen Staates erworben haben I03
166
Sachregister
Gesetz zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit 50 Gleichbehandlung 142 Glasnost 59 Griechenland 69 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 142 GUS-Staaten 64, 78, 84, 146 Staatsangehörigkeitsgesetze 87-88 GUS-Gründungsabkommen 60 Raager Konvention vom 12.4.1930 26, 28 Harvard Law School 51 f. Heimatrecht 44 Hl. Stuhll40 IGH 26, 73, 134 f., 140 ILC 29, 30, 37, 137 f., 147 Indien 40 Indigenat 44 Inlandsaufenthalt 124 Integration 38, 65 Internationale Organisationen 73 Internationale Zivilstandskommission 30 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte 29 Ius sanguinis-Prinzip 32 Ius soli-Prinzip 32 Jelzin 62 Jovic 67 Jugoslawien 146 Auflösung 65 Bevölkerung 65 Föderative Republik Jugoslawien 68, 74, 116, 132, 146 Gemeinschaft unabhängiger Staaten Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien 63, 69, 74, 132 Staatsangehörigkeitsregelungen in den Nachfolgestaaten 115-124 Teilrepubliken 115 Verfassung 115 f.
Vertragsentwurf eines Bundesstaates souveräner Republiken 67 Jugoslawien-Friedenskonferenz 68 Jugoslawische Volksarmee 118, 120, 124 Kanada 140 Kasachische SSR 59, 95 Kasachstan Staatsangehörigkeitsgesetz 87, 92 f., 97f., 101,105,107,109, llOf., 113 f. Kelsen 64 Kiew63 Kirgisische SSR 59 Kirgistan 81, 84, 140 Staatsangehörigkeitsgesetz 87, 89 f., 98, l 07' lll' 113 f. Klaus 75 Kodifikation Kolonien ehemalige britische 45 ehemalige französische 46 Kooperation 65 Kommunistische Partei 58, 59, 66 Konsumtionstheorie 39 Kontinuität 40, 41, 62, 116 KPdSU 101 Kroatien 66, 74, 146 Parlament 67 Staatsangehörigkeitsregelungen 115 ff., 119,121 f., 123 Unabhängigkeitserklärung 67 KSZE68 s. auch OSZE Legitimation 33 Lettische SSR 59 Lettland 58, 91 Staatsangehörigkeitsgesetz 86, 99, 103, 105, 107, 109, llO f., ll3f. Liechtenstein 31 Litauen 58, 84 Staatsangehörigkeitsgesetz 86, 90, 92, 95, 98 f., 104, 109, lll, 113f. Litauische SSR 59
Sachregister Lord Carrington 68 Lotus-Fall 135 Madagaskar 46 Matrikelbücher 117 Mazedonien 68, 74, 146 Anerkennung 69 ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien 70 Referendum 68 Souveränitäts- und Unabhängigkeitserklärung 68 Staatsangehörigkeitsregelungen 116, ll9 f., 122 f. Meciar 65, 75 Mehrstaatigkeit 34 f. Memorandum der Serbischen Akademie der Wissenschaften 66 Menschenrechte 141 Milosevic 67 Minderheiten 80, 121 Minsk 60,63 Minsker Abkommen 64 Mobilmachung 67 Moldauische SSR 59, 94 Montenegro 66 Moratorium moving treaty frontiers 42 Murray v. Parkes 50 Nachfolgestaat(en) 65, 76, 123, 125, 132, 144, 147 nationality s. Staatsangehörigkeit NAT061 newly independent states 42 Nordbukowina 94 North Sea Continental Shelf Case 134 Nottebohm 26, 31 ODIHR 120 Österreich 50, 64 Österreich-ungarische Monarchie 40
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offener Vertrag 141 opinio iuris sive necessitatis 135 Option 33, 91, 95, 126 f., 147 Optionsfrist 55, 97 f., 123, 136 Optionsrechte 53 ff., 56, 85 94, 113, 117 f., 123, 130, 133, 136, 139, 144 Begriff 54 bei der Dekaionisierung 45 f. in Staatsangehörigkeitsgesetzen nach den Weltkriegen 53 negative Optionsrechte 97 f. Pflicht zur Optionsgewährung 53 positive Optionsrecht 95-97 und die Badinter-Kommission 53 und Einbürgerung 55 Originitätsprinzip 54 Ort der Geburt 56 OSZE 35, 59, 68 Pakistan 40 Perestroika 59 pertinenza 44 Pflicht zur Entziehung der Staatsangehörigkeit 52, 139, 148 Plebiszit s. Referendum praktische Konkordanz 81 Radizierte Verträge 42 Rat der Regierungschefs 65 Rat der Staatschefs 65 real and effective nationality 31 Rechtsüberzeugung Rechtsmißbrauch 31 reconnaissance 46 Referendum 39 in den baltischen Republiken 58 im ehemaligen Jugoslawien 118 Registrierung I 06, 108 Republik Moldau 81, 94 Staatsangehörigkeitsgesetz 87, 91 , 98, 100, I 08f., ll 0 f., 113 f. Republikzugehörigkeit 81, 89, 116, 127
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Sachregister
Restjugoslawien 69, 115 s. auch ehemaliges Jugoslawien RSFSR 59, 61, 83 rule oflaw 141 Rumänien 94 Rumpfpräsidium 68 Russische Föderation s. Rußland Rußländische SSR 59 Rußland 60, 65, 78, 95, 102, 146 Staatsangehörigkeitsgesetz 87, 92 f., 97 f., 100, I 05, I 08f., 111, 113 f. Schiedskommission s. Badinter-Kommission Schwarzkopt v. Uhl50 Separation 38 Selbstbestimmung 39 Selbstbestimmungsrecht Serbien 65 Serbien und Montenegro 116 Serbische Akademie der Wissenschaften Serbische Republik 70 Serbische Republik Bosnien-Herzegowina68 Serbien und Montenegro 68 Sezession 38, 51, 56, 84 Recht auf Sezession 38 f., 66 und Dismembration 40 f. Sezessionsgesetz 65 Staatsangehörigkeit und Sezession 84 SFSR s. Jugoslawien Slowakische Republik 74 Deklaration über die Souveränität der Slowakei 75 Slowakischer Nationalrat 75, 125 Staatsangehörigkeit 124 f. Verfassung 75 Slowenien 66, 74, 146 Parlament 66, 67 Referendum 67 Staatsangehörigkeit 115 ff., 120, 123 Unabhängigkeitserklärung 67
Verfassung 66, 67 Sozialistische Republik BosnienHerzegowina 65 Sozialistische Republik Kroatien 65 Sozialistische Republik Mazedonien 65 Sozialistische Republik Serbien und Montenegro 65 Sozialistische Republik Slowenien 65 Staatengemeinschaft 71 Staatenlose 107, II I, 123, 132, 137, 141, 145, 147 f. Staatenlosigkeit 34 f. Staatsbürgerschaftsgesetz von 1978 83 Staatsgewalt 73 Staatspräsidium 67 StiGH 135 Sowjetunion s. UdSSR Sprachkenntnisse Staatennachfolge s. Staatensukzession Staatensukzession 36-43, 144 Arten 38-41 Begriff36 u. Staatsangehörigkeit 36 und Kontinuität 37 und völkerrechtliche Verträge 42 und Völkergewohnheitsrecht 42 f. Staatsangehörigkeit automatischer Wechsel89 ff. Begriff und Rechtsnatur 24 f. citizenship 24 doppelte Staatsangehörigkeit s. Mehrstaatigkeit Erwerb und Verlust 32-34 im innerstaatlichen Recht 26 in Bundesstaaten 25 f. Recht auf Staatsangehörigkeit 29, 145 und Dekolonisierung und Völkerrecht 24-57 Staatsbürgerschaft s. Staatsangehörigkeit Staatsgründungstag 77 StiGH 26
Sachregister Tabula rasa s. clean slate Tadschikische SSR Tadschikistan Staatsangehörigkeitsgesetz 87, 92 f., 100, 113 f. Teilrepublik 66, 124 f. Transkaukasische SSR 59, 64 Tschad 46 Tschechische Republik 74 Referendum 76 Staatsangehörigkeit 124 f. Tschechischer Nationalrat 75, 124 Verfassung 76, 77 Tschechische und Slowakische Föderative Republik 75 f. Tschechoslowakei 146 Auflösung 76 Bevölkerung 74 Dismembration 77 Föderation 74 f. Staatsgebiet 74 Turkmenistan Staatsangehörigkeitsgesetz 87, 92 f., 96, 98, 100, 108, 110 f., 113 f. UdSSR 78, 81, 146 Staatsangehörigkeitsgesetze 80-84 Unionsbürgerschaft 81 Verfassung von 1977 81 Übereinkommen über die Rechte des Kindes 29 Übereinkommen über die Rechtsstellung von Staatenlosen 28 Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit verheirateter Frauen 28 Übereinkommen über die Verringerung der Mehrstaatigkeit und über die Wehrpflicht von Mehrstaatern 30 Übereinkommen zur Beseitigung aller Formen der Diskriminierung gegenüber Frauen 29 Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Rassendiskriminierung 29 Übereinkommen zur Verminderung der
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Staatenlosigkeit 28 Ukraine 60 Staatsangehörigkeitsgesetz 92 f., 96, 98, 100, 105, 107, 108 f., 111, 113 f Ukrainische SSR 59, 83, 94 Umgangssprache 55 Unabhängigkeitserklärung(en) der baltischen Staaten in der ehemaligen UdSSR 59 im ehemaligen Jugoslawien 66 UN Fact-Finding Mission I 03 UNHCR 35, 48, 90, 96 Unionsrepublik 81 Unionsvertrag 59, 60, 65 Aufhebung 64 United Kingdom s. Vereinigtes Königreich Universalsukzession 36 UNO 59, 62, 69 f, 72. UN-Generalversammlung 72 UN-Generalsekretär 62 UN-Mitgliedschaft 63 UN-Resolution 72 UN-Sicherheitsrat 63, 72 Unionsbürgerschaft 46, 81 Unionsrepublik 81 Unionsvertrag USA 50, 69, 141 Usbekische SSR 59 Usbekistan Staatsangehörigkeitsgesetz 88, 92, 96, 98,100,105,108,111,113 f. Verbrechen gegen die Menschlichkeit 120 Vereinigtes Königreich 45 Verfassung der ehemaligen UdSSR 39 im ehemaligen Jugoslawien 39 von Frankreich 1946 46 von Slowenien 39 Verfassungsgesetz über die Liste der Grundrechte und Freiheiten 124 Verfassungswidrigkeit 73
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Sachregister
Verleihung der Staatsangehörigkeit 45 Vermutung der Verleihung 4 7 Pflicht zur Verleihung 4 7 Versailler Vertrag 28, 44, 54, 55 Vertrag mit Italien 45 Vertrag von Trianon 28, 44 Vertrag von St. Germain 28, 44 Verzicht auf die Staatsangehörigkeit 34 Völkerbund 61 Völkerrechtssubjekt 63, 76, 148 Völkergewohnheitsrecht 42, 49, 134 f., 146 f. bei Staatennachfolge 135-137 Völkerrechtliche Verträge 28-30, 141 Volkszugehörigkeit 54, 56, 91, 95, 106 ff., 129, 133, 147 Waffenstillstand 67 Wechsel der Staatsangehörigkeit automatisch 43, 46, 56, 128, 146 f. ipso iure 43 f. nach dem I . Weltkrieg 44 nach dem 2. Weltkrieg 45
Weißrußland s. Belarus Weißrussische SSR 59 wiederhergestellte Staaten 38, 61, 85 und StaatsangehörigkeitsTecht 90, 95 Wiener Konvention über die Nachfolge in Verträge 37, 42 Wiener Konvention über die Nachfolge in Staatsvermögen, -archive- und schulden 37,42 Wohnbevölkerung 48, 123 Wohnsitz 49, 83, 98 f., 112, 117 f., 136 domicile of origin 49 domicile of choice 49 im Inland 92 ff. Wohnsitzprinzip 44, 123, 125, 127, 129, 137, 142, 144, 147 Zession 51 Zwangseinbürgerung 33 Zwangsverleihung der Staatsangehörigkeit 50 zwangsweise Aussiedlung I 09 f. "Zwei-plus-eins"-Regelung 99