Staat und Kirche im 19. und 20. Jahrhundert: Dokumente zur Geschichte des deutschen Staatskirchenrechts. Bd. I: Staat und Kirche vom Ausgang des alten Reichs bis zum Vorabend der bürgerlichen Revolution [2 ed.] 9783428429882, 9783428029884


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German Pages 737 [738] Year 1990

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Staat und Kirche im 19. und 20. Jahrhundert: Dokumente zur Geschichte des deutschen Staatskirchenrechts. Bd. I: Staat und Kirche vom Ausgang des alten Reichs bis zum Vorabend der bürgerlichen Revolution [2 ed.]
 9783428429882, 9783428029884

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ERNST RUDOLF HUBER — WOLFGANG

HUBER

S t a a t u n d K i r c h e i m 19. u n d 2 0 . J a h r h u n d e r t D o k u m e n t e z u r Geschichte des deutschen Staatskirchenrechts

ERNST RUDOLF HUBER - WOLFGANG

HUBER

Staat u n d K i r c h e i m 19. u n d 20. J a h r h u n d e r t D o k u m e n t e z u r Geschichte des d e u t s c h e n S t a a t s k i r c h e n r e c h t s

Band I Staat u n d K i r c h e v o m Ausgang des alten Reichs bis zum V o r a b e n d der bürgerlichen R e v o l u t i o n

Zweite, unveränderte Auflage

D U N C K E R

&

H U M B L O T

/

B E R L I N

H e r g e s t e l l t m i t H i l f e der G e s c h w i s t e r B o e h r i n g e r I n g e l h e i m S t i f t u n g f ü r Geisteswissenschaften i n I n g e l h e i m a m R h e i n

A l l e Rechte vorbehalten ©

1990 D u n c k e r & H u m b l o t G m b H , B e r l i n 4 1

D r u c k : B e r l i n e r B u c h d r u c k e r e i U n i o n G m b H , B e r l i n 61 Printed in Germany I S B N 3-428-02988-7

Vorwort Die spannungs- u n d wandlungsreiche Entwicklung des Verhältnisses von Kirche u n d Staat gehört zu den Grundvorgängen der deutschen Geschichte des 19. u n d 20. Jahrhunderts. Die Theologie w i e die Staatstheorie, die Kirchenrechtslehre w i e die Verfassungsrechtslehre, die kirchengeschichtliche, die rechtsgeschichtliche wie die gesamtgeschichtliche Forschung nehmen sich dieses Fragenkreises m i t Sorgfalt an. Neuerdings wenden auch die Gesellschaftswissenschaft und die Lehre von der P o l i t i k i h r Augenmerk diesem vielschichtigen Sachverhalt zu. V o r allem aber i m Geschichts- w i e i m Gegenwartsbewußtsein der Allgemeinheit gebührt den Auseinandersetzungen, den immer wieder aufbrechenden Konflikten und den stets neu gewonnenen Verbindungen z w i schen dem staatlichen u n d dem kirchlichen Ordnungs- u n d Wirkungsbereich ein bedeutender Rang. Nicht anders als frühere Zeitabschnitte ist die Epoche des modernen Verfassungsstaats von dramatischen Kämpfen, aber auch von konstruktiv durchdachten Friedensaktionen zwischen den beiden großen Daseinsmächten Staat u n d Kirche erfüllt. Trotz der offenkundigen Wichtigkeit des Gegenstandes fehlt es bisher an einer zusammenfassenden Dokumentation der Grundtatsachen der staatlichkirchlichen Beziehungen dieser neueren Zeit. Z w a r sind die kirchenpolitischen und staatskirchenpolitischen Haupttexte zumeist veröffentlicht, doch nicht i n einer Form, die den Bedürfnissen der Forschung, der Lehre, der staatlichen und kirchlichen Praxis, sowie der allgemeinen Information genügen könnte. Die Fundorte f ü r die Quellen sind i n einer Weise verstreut, daß diese selbst dem Spezialisten nicht hinreichend verfügbar sind; f ü r jeden, der nicht zum engen Kreis der Sachkundigen gehört, ist das Quellenmaterial allenfalls i n Einzelstücken, aber nicht als Ganzes zugänglich. Die Dokumente finden sich: i n zahllosen einzelstaatlichen oder provinzialkirchlichen Publikationsorganen, i n einer Fülle situationsbezogener Flugschriften, i n Kampfschriften f ü r bestimmte Konfliktsereignisse, i m Textzusammenhang oder Quellenanhang v o n Monographien, Biographien, Erinnerungsschriften oder zeitlich begrenzten Geschichtsdarstellungen, i n einer k a u m mehr übersehbaren Masse von Beiträgen i n wissenschaftlichen oder kulturpolitischen Zeitschriften, bestenfalls i n T e i l Sammlungen zur Dokumentation zeitlich begrenzter Komplexe, die jedoch oft polemischen oder apologetischen Zielen dienen u n d daher einseitig und u n vollständig sind. A n vielen Bibliotheken, Instituten u n d Seminaren sind selbst diese älteren Teil-Sammlungen, erst recht aber die sonstigen Materialien n u r bruchstückhaft vorhanden. Das Ziel des hiermit i m ersten Band vorgelegten, auf insgesamt drei Bände veranschlagten Quellenwerks ist, die Hauptmaterialien zur Geschichte der kirchlich-staatlichen Beziehungen i n Deutschland f ü r die Epoche des modernen Verfassungsstaats i n ausgewogenem, gegliedertem u n d überschaubarem Z u sammenhang zu vereinen. Dazu w a r es i n erster L i n i e notwendig, den bereits

VI

Vorwort

veröffentlichten Bestand durch Zusammenfassung, Auswahl u n d Erläuterung neu zugänglich zu machen. Einige bisher unveröffentlichte Stücke aus staatlichen oder kirchlichen Archiven waren zur Ergänzung des allgemeinen K e n n t nisstandes i n das Gesamtbild einzufügen. Eine solche Dokumentation muß, u m historisch zuverlässig zu sein, eine gewisse Breite besitzen; sie darf das Detail, i n dem — entgegen einem verbreiteten V o r u r t e i l — oft die Wahrheit ihren Sitz hat, nicht scheuen. Sie muß zugleich, schon u m benutzbar zu bleiben, auf eine strenge Auslese beschränkt sein. Aus einer u m ein mehrfaches größeren Materialsammlung, die den Herausgebern als Grundlage gedient hat, sind f ü r den Zeitabschnitt des ersten Bandes, der bis an die Schwelle der Revolution von 1848 reicht, 300 Stücke herausgehoben und zusammengefügt worden, i n denen die Entwicklungsstufen der Konfrontation u n d Kooperation von Staat und Kirche i n der Epoche des V o r - u n d Frühkonstitutionalismus anschaulich w e r den. Das Recht, i n dem die großen Daseinsmächte sich begegnen, erschöpft sich nicht i n formalen Satzungen; es entsteht, wandelt und erneuert sich und vergeht vielmehr w e i t h i n i n der realen Aktion. Deshalb verbindet diese Dokumentation i n ständigem Wechselbezug staats- u n d kirchenrechtliche Texte — wie Konkordate, Staats- u n d Kirchengesetze, staatliche u n d kirchliche Verordnungen — m i t staats- und kirchenpolitischen Texten, i n denen gestaltende A k t i o n e n ihren Ausdruck finden: theologische Verlautbarungen, regierungsseitige Erklärungen, staatlich-kirchlicher Noten- und Briefwechsel, parlamentarische Reden, Anträge und Entschließungen und so fort. Z u ihrem Leidwesen mußten die Herausgeber sich vielfach auf Auszüge aus den mitgeteilten Texten beschränken, u m den Rahmen eines auf Lesbarkeit und Benutzbarkeit angelegten Quellenwerks nicht zu sprengen. I n der Anlage folgt die Dokumentation einem auch sonst bewährten Gliederungsprinzip. Innerhalb des grundsätzlich chronologisch geordneten Gesamtaufbaus faßt sie die sachlich zusammengehörigen Einzelstücke i n Gruppen und Untergruppen zusammen. Die die Untergruppen einleitenden Erläuterungen wollen die geschichtliche Lage anschaulich machen, der die wiedergegebenen Dokumente zugeordnet sind; zugleich rufen sie den geschichtlichen Zusammenhang, i n dem die jeweils mitgeteilten m i t anderen Texten stehen, i n die Erinnerung. Die erklärenden Fußnoten sind auf ein Mindestmaß begrenzt; sie sind insbesondere nicht von der Absicht bestimmt, die Fülle der Sekundärliter a t u r auszuweisen. Möglichst vollständig sind i n den Anmerkungsapparat kurze biographische Angaben eingefügt, u m wenigstens ein andeutendes B i l d von den handelnden K r ä f t e n der dargestellten großen Aktionsbereiche zu vermitteln. Die erforderlichen Register und ein Verzeichnis der angeführten L i t e r a t u r sind f ü r den dritten Band vorgesehen. I n den Fußnoten w i r d die Abkürzung Verfassungsgeschichte für die „Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789", die A b k ü r z u n g Dokumente f ü r die „Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte", jeweils ohne Hinzufügung des Verfassernamens, verwandt. E i n besonderes Problem ergab sich angesichts der großen Z a h l fremdsprachiger Texte, die dem kirchlich-staatlichen Bereich eigentümlich sind. Nach Lage der Dinge ist davon auszugehen, daß die Fähigkeit, lateinische u n d italienische, ja selbst französische Texte mühelos zu lesen, auch i m Kreis der wissenschaftlich Gebildeten i m Schwinden ist. Nach reiflicher Erwägung des F ü r und Wider

VII

Vorwort

haben die Herausgeber sich deshalb entschlossen, die fremdsprachigen Texte i n Übersetzungen vorzulegen. Die ursprüngliche Absicht, wenigstens die D o k u mente ersten Ranges zweisprachig wiederzugeben, ließ sich nicht festhalten, w e i l der erforderliche Raum n u r durch Verzicht auf eine entsprechende Z a h l anderer Stücke hätte gewonnen werden können. Die Herausgeber sind sich der wissenschaftlichen Bedenklichkeit ihrer Entscheidung bewußt. Doch w i r d dem Benutzer der Zugang zum fremdsprachigen Originaltext jeweils durch den Hinweis auf den entsprechenden Fundort erleichtert. Nach Möglichkeit sind ältere Ubersetzungen benutzt; gewisse Schwerfälligkeiten des Übersetzungsstils w u r d e n dabei i n K a u f genommen, w e i l sich auch i n ihnen oft der Geist der Zeit widerspiegelt, dem das Dokument selbst angehört. Diese älteren Übersetzungen sind durch die entsprechende Angabe ihrer Fundstelle (in der K l a m mer unter dem T i t e l des Dokuments) kenntlich gemacht. Für die i n die Sammlung aufgenommenen neuen Übersetzungen (die unterhalb der Fundstellenangabe durch den Zusatz — Übersetzung — bezeichnet sind) haben die H e r ausgeber H e r r n Studienassessor Rudolf Kohler, Rastatt (lateinische u n d französische Texte) u n d Frau Susanne Falconi, Heidelberg (italienische Texte) aufrichtig zu danken. Die Herausgeber danken weiter einer Reihe v o n Fachgenossen f ü r wertvolle Hilfe u n d sachkundigen Rat; den Universitätsbibliotheken Freiburg, Göttingen u n d Heidelberg, sowie H e r r n Diplom-Bibliothekar Reinhard Schiffmacher, Heidelberg, f ü r die vielfältig erwiesene Bereitwilligkeit bei der Beschaffung der notwendigen L i t e r a t u r ; dem Päpstlichen Geheimarchiv i n Rom sowie zahlreichen deutschen Staats- u n d Diözesanarchiven f ü r die Erteilung von A u s künften und die großzügige Überlassung von urkundlichem Material. Der ältere der Herausgeber dankt insbesondere seinem früheren Mitarbeiter, H e r r n Akademischen Rat Dr. Hans-Jürgen Toews, Göttingen, für die umsichtige u n d unermüdliche Hilfe bei der Sammlung u n d Ordnung eines großen Teils des benutzten Quellenbestands. Er dankt ferner Frau Dr. I n g r i d Dunger, Gießen, Frau Assessor Helga Romberg-Menzel, Ludwigshafen, H e r r n Assessor Gustav Schmidt, Freiburg, u n d H e r r n Referendar Christoph Vedder, Göttingen, f ü r vielfältige weitere Hilfeleistungen, insbesondere bei der Beschaffung von Daten u n d Nachweisen u n d bei der redaktionellen Überprüfung der Texte. F ü r die Mühe und Sorgfalt beim Mitlesen der Korrekturen sagen beide Herausgeber Frau Dr. Tula Huber-Simons u n d Frau Kara Huber-Kaldrack ihren besonderen Dank. Schließlich und vor allem danken die Herausgeber der Deutschen Forschungsgemeinschaft f ü r eine erhebliche Sachbeihilfe zur Vorbereitung u n d Durchführung der Sammlung, sowie ganz besonders der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung f ü r Geisteswissenschaften u n d anderen privaten Stiftungen f ü r ansehnliche Zuschüsse zu den Kosten der Herstellung. N u r dank dieser Unterstützung konnte die langjährige Arbeit an diesem Quellenwerk i n A n g r i f f genommen und durchgeführt werden. Freiburg und Heidelberg, i m J u n i 1973 E. R. H.

W. H.

Inhaltsübersicht Teil A Säkularisation und kirchliche Neuordnung Erstes Kapitel Staat und Kirche in der Zeit der Reichsauflösung und des Rheinbundes

1

I. Das Staatskirchenrecht des deutschen aufgeklärten Absolutismus Nr. 1. Hauptbestimmungen des Staatskirchenrechts des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten (5. Februar 1794)

1

II. Das französische Konkordat Nr. 2. Konvention zwischen dem Heiligen Stuhl und der Französischen Republik (15. J u l i 1801)

11

III. Der Frieden von Lunéville Nr. 3. Friedensvertrag von Lunéville (9. Februar 1801) Nr. 4. Schreiben Papst Pius V I I . an Kaiser Franz I I . (27. J u n i 1801) I V . Der Reichsdeputationshauptschluß (1803) Nr. 5. Hauptschluß der außerordentlichen Reichsdeputation (25. Februar 1803) Nr. 6. Schreiben Papst Pius V I I . an Kaiser Franz I I . (29. Januar 1803) Nr. 7. I n s t r u k t i o n Kaiser Franz I I . an den kaiserlichen Gesandten i n Rom Graf Khevenhüller (7. M a i 1803) V. Die Bemühungen um ein Reichskonkordat Nr. 8. E n t w u r f eines Reichskonkordats des Reichsreferendars v. Frank (Februar 1804) VI. Das Amt des Kurerzkanzlers und die Errichtung des Erzbistums Regensburg Nr. 9. Breve Papst Pius V I I . an den Erzbischof v. Dalberg über die p r o v i sorische Verwaltung des Bistums Regensburg (15. J u l i 1803) Nr. 10. Erklärung des Kurerzkanzlers v. Dalberg an Kaiser Napoleon (22. Januar 1805) Nr. 11. Bulle Papst Pius V I I . über die Translation des Erzbistums Mainz nach Regensburg (1. Februar 1805)

3

12 14 15 16 17 18 19 21 22 23 26

27 28 29

X

Inhaltsübersicht

V I I . Die Ernennung des Kardinals Fesch zum Koadjutor des Erzbischofs v. Dalberg Nr. 12. Vertrag zwischen Kaiser Napoleon u n d dem Kurerzkanzler v. D a l berg (6. M a i 1806) Nr. 13. Anzeige des Kurerzkanzlers v. Dalberg an den Reichsvizekanzler Frh. ν .Hügel (24. M a i 1806) Nr. 14. Schreiben des Kurerzkanzlers v. Dalberg an das Mainzer Domkapitel (26. M a i 1806) Nr. 15. Schreiben Kaiser Franz I I . an den Kurerzkanzler v. Dalberg (18. J u n i 1806) VIII. Fürstprimas v. Dalberg und die Reorganisation der katholischen Kirche im Rheinbund Nr. 16. Punktation des Fürstprimas v. Dalberg zu einem Konkordat für den Rheinbund (1807) Nr. 17. Das „Politische Testament" des Fürstprimas v. Dalberg (20. November 1808) IX. Das kirchenpolitische Programm des Fürstprimas Nr. 18. Denkschrift des Fürstprimas v. Dalberg (1810)

v. Dalberg

30 30 31 31 33 34

34 36 37 37

Zweites Kapitel Die Grundlagen der Neuordnung des Kirchenwesens in Preußen I. Die Säkularisation der geistlichen Fürstentümer in Preußen Nr. 19. Schreiben K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . an die deutschen Reichsstände über die Wiederbesetzung erledigter geistlicher Stellen (5. August 1801) Nr. 20. Schreiben K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . an das Domkapitel zu Münster (11. August 1802)

42 42 42 43

I I . Die preußische Gesandtschaft beim Heiligen Stuhl 44 Nr. 21. I n s t r u k t i o n K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . für den Residenten am Heiligen Stuhl W i l h e l m v. Humboldt (22. August 1802) 45 III. Die Grundsätze der preußischen Kirchenpolitik in der Zeit der Säkularisation Nr. 22. Mémoire des Geheimen Legationsrats v. Raumer über die Regierungsmaxime i n den Entschädigungslanden (28. J u n i 1803)

52

IV. Die Steinsche Behördenreform wesen

54

von 1808 und das preußische

Kirchen-

Nr. 23. Publikandum, die veränderte Verfassung der obersten Verwaltungsbehörden betreffend (16. Dezember 1808) Nr. 24. Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Provinzial-, Polizei- u n d Finanzbehörden (26. Dezember 1808) Nr. 25. I n s t r u k t i o n für die Regierungen (26. Dezember 1808)

51

55 56 57

Inhaltsübersicht V. Die Säkularisation des Kirchenguts in Preußen Nr. 26. E d i k t über die Einziehung sämtlicher geistlicher Güter i n der Monarchie (30. Oktober 1810)

57

58

Drittes Kapitel Die Anfänge der kirchlichen Neuordnung in Bayern

59

I. Die Rechtsstellung der Nichtkatholiken in Bayern Nr. 27. Verordnung des Kurfürsten M a x i m i l i a n Joseph über die Ansässigmachung nichtkatholischer Religionsverwandter (26. August 1801) II. Die Säkularisation des Kirchenguts in Bayern Nr. 28. I n s t r u k t i o n des Kurfürsten M a x i m i l i a n Joseph für die Spezialkommission i n Klostersachen (25. Januar 1802) III. Der Fortgang der kirchlichen Neuordnung und Pius VII Nr. 29. Schreiben Papst Pius V I I . an den Kurfürsten von Bayern (12. Februar 1803) Nr. 30. Schreiben des Kurfürsten M a x i m i l i a n Joseph (31. M a i 1803) Nr. 31. Schreiben Papst Pius V I I . an den Kurfürsten (19. November 1803)

die Proteste

59 59 60

61

Papst

M a x i m i l i a n Joseph an Papst Pius V I I . M a x i m i l i a n Joseph

IV. Die Bemühungen um einen Ausgleich zwischen Kirche und Staat . . . . Nr. 32. Verordnung über die Verhältnisse zur geistlichen Gewalt (7. M a i 1804)

62 63 65 67 68 69

Viertel Kapitel Die Anfänge der kirchlichen Neuordnung in Südwestdeutschland I. Organisationsdekret und Religionsedikt in Württemberg Nr. 33. Württembergisches Organisationsdekret (18. März 1806) Nr. 34. Württembergisches Religionsedikt (15. Oktober 1806)

71 71 72 72

II. Die württembergischen Konkordatsverhandlungen, die Errichtung des Generalvikariats Ellwangen und die Anfänge der Tübinger katholischtheologischen Fakultät 74 Nr. 35. Allerhöchste Bestimmungen, das Generalvikariat zu Ellwangen u n d die bischöflichen Funktionen i n dem diesseitigen A n t e i l des Bistums Augsburg betreffend (28. September 1812) 75 Nr. 36. Verordnung wegen des Generalvikariats, der katholischen Landesuniversität und des Priesterseminars zu Ellwangen (3. Oktober 1812) 76 III. Die badischen Organisationsedikte Nr. 37. Erstes Organisations-Edikt (4. Februar 1803) Nr. 38. Drittes Organisations-Edikt (11. Februar 1803)

von 1803

77 78 78

XII

Inhaltsübersicht

IV. Das badische Konstitutions-Edikt von 1807 Nr. 39. Konstitutions-Edikt, die kirchliche Staatsverfassung des Großherzogtums Baden betreffend (14. M a i 1807) Nr. 40. Edikt, die Aufhebung der geistlichen Gerichte und der Kirchenkollegien sowie die Einsetzung des Oberkirchenrats betreffend (15. J u n i 1807)

80

81 95

V. Die Säkularisation des Fürstbistums Fulda durch das Haus NassauOranien 95 Nr. 41. Schreiben des Erbprinzen W i l h e l m von Nassau-Oranien an den Fürstbischof Adalbert von Fulda (6. September 1802) 96 Nr. 42. Schreiben des Fürstbischofs Adalbert von Fulda an den Erbprinzen W i l h e l m von Nassau-Oranien (16. September 1802) 97 Nr. 43. Schreiben des Domkapitels von Fulda an den Erbprinzen W i l h e l m von Nassau-Oranien (19. September 1802) 98 VI. Die Religionsedikte von Ν as sau-Weilburg Nr. 44. Nassau-weilburgisches Religionsedikt (16. August 1803)

und Nassau-Usingen

99 100

Fünftes Kapitel Die Kirchenfrage auf dem Wiener Kongreß

104

I. Die Forderungen der katholischen Kirche 104 Nr. 45. Denkschrift der Oratoren v. Wamboldt, Helfferich u n d Schies über die Ansprüche der katholischen Kirche Deutschlands (30. Oktober 1814) 104 II. Die Vorschläge des Generalvikars Wessenberg Nr. 46. Denkschrift des Generalvikars Frh. v. Wessenberg über die Begehren der katholischen Kirche i n Deutschland hinsichtlich der B u n desakte (27. November 1814) Nr. 47. Denkschrift des Generalvikars Frh. v. Wessenberg über die Stellung der Bischöfe und Domkapitel (27. November 1814) Nr. 48. Vorschlag des Generalvikars Frh. v. Wessenberg zu einem A r t i k e l der Bundesakte über die katholische Kirche i n Deutschland (November/Dezember 1814) III. Die Kirchenartikel der Deutschen Bundesakte Nr. 49. Erster preußischer E n t w u r f einer Bundesverfassung (Anfang A p r i l 1815) Nr. 50. Zweiter preußischer E n t w u r f einer Bundesverfassung (Mai 1815) Nr. 51. österreichischer E n t w u r f einer Bundesverfassung (Mai 1815) Nr. 52. Österreich-Preußischer E n t w u r f einer Bundesverfassung (Mai 1815) Nr. 53. Deutsche Bundesakte (8. J u n i 1815) IV. Der Protest der Kurie gegen die Deutsche Bundesakte Nr. 54. Protest des Kardinalstaatssekretärs Consalvi (14. J u n i 1815)

109

109 111 112 113 113 114 114 114 115 115 116

Inhaltsübersicht Sechstes Kapitel Die Grundnormen des Staatskirchenrechts der deutschen Einzelstaaten 1815 - 1840 I. Die weitere Umgestaltung heiten in Preußen

der Staatsbehörden

für kirchliche

118 Angelegen-

118

Nr. 55. Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Provinzial-Behörden (30. A p r i l 1815) Nr. 56. Dienstinstruktion für die Provinzialkonsistorien (23. Oktober 1817) Nr. 57. I n s t r u k t i o n zur Geschäftsführung der Regierungen (23. Oktober 1817) Nr. 58. Kabinettsordre wegen Abänderungen i n der bisherigen Organisation der Provinzial-Verwaltungsbehörden (31. Dezember 1825)

125

II. Verfassungsurkunde

126

und Religionsedikt

für Bayern

119 120 124

Nr. 59. Staatskirchenrechtliche A r t i k e l der Verfassung des Königreichs Bayern (26. M a i 1818) 127 Nr. 60. E d i k t über die äußern Rechts-Verhältnisse der Einwohner des Königreichs Bayern, i n Beziehung auf Religion und kirchliche Gesellschaften (26. M a i 1818) 128 Nr. 61. Verordnung über den Obersten Kirchen- und Schulrat (17. Dezember 1825) 139 III. Verfassung sur künde und Kirchenbehörden

in Württemberg

140

Nr. 62. Verordnung, die Organisation des Königlichen Geheimen Rats betreffend (8. November 1816) 141 Nr. 63. Staatskirchenrechtliche A r t i k e l der Verfassung des Königreichs Württemberg (25. September 1819) 142 Nr. 64. Verordnung über den Wirkungskreis und den Geschäftsgang der gemeinschaftlichen Oberämter (23. August 1825) 144 IV. Baden

146

Nr. 65. Staatskirchenrechtliche A r t i k e l der Verfassung des Großherzogtums Baden (22. August 1818) 146 V. Hessen

147

Nr. 66. Staatskirchenrechtliche A r t i k e l der Verfassung des Großherzogtums Hessen (17. Dezember 1820) 147 VI. Kurhessen

148

Nr. 67. Staatskirchenrechtliche A r t i k e l der Verfassung des Kurfürstentums Hessen (5. Januar 1831) 148

XI

Inhaltsübersicht

VII. Sachsen Nr. 68. Mandat, die Ausübung der katholisch-geistlichen Gerichtsbarkeit i n den hiesigen Kreislanden und die Grundsätze zu Regulierung der gegenseitigen Verhältnisse der katholischen u n d evangelischen Glaubensgenossen betreffend (19. Februar 1827) Nr. 69. Staatskirchenrechtliche A r t i k e l der Verfassung des Königreichs Sachsen (4. September 1831) Nr. 70. Regulativ wegen Ausübung des weltlichen Hoheitsrechts über die katholische Kirche (1837) VIII. Braunschweig Nr. 71. Staatskirchenrechtliche A r t i k e l der Neuen Landschaftsordnung des Herzogtums Braunschweig (12. Oktober 1832) IX. Hannover Nr. 72. Staatskirchenrechtliche A r t i k e l der Verfassung des Königreichs Hannover (6. August 1840)

150

152 155 157 160 160 163 163

Teil Β Das deutsche Konkordatssystem Siebentes Kapitel Das bayerische Konkordat I. Die bayerischen Konkordatsverhandlungen von 1816/17 Nr. 73. Übereinkunft zwischen Bayern und dem Heiligen Stuhl (5. J u n i 1817)

169 169 170

I I . Bischofsernennung und Verfassungseid 177 Nr. 74. Verordnung K ö n i g M a x i m i l i a n Josephs über den Konstitutionseid (8. J u l i 1818) 179 III. Die Häffelinsche Erklärung Nr. 75. Depesche K ö n i g M a x i m i l i a n Josephs an den Gesandten K a r d i n a l v. Häffelin i n Rom (9. September 1818) Nr. 76. E r k l ä r u n g des Gesandten K a r d i n a l v. Häffelin (27. September 1818) Nr. 77. Gutachten des Staatsministers Frhr. v. Lerchenfeld über die Häffelinsche Deklaration (5. November 1818) Nr. 78. Depesche des Staatsministers Graf Rechberg an den K a r d i n a l staatssekretär Consalvi (7. November 1818) Nr. 79. Reskript K ö n i g M a x i m i l i a n Josephs betreffend das Verhältnis z w i schen Religionsedikt und Konkordat (7. November 1818)

180 181 182 183 186 187

I V . Die Kurie und die bayerische Kirchenfrage 188 Nr. 80. Schreiben Papst Pius V I I . an K ö n i g M a x Joseph (13. Januar 1819) 188 Nr. 81. Note des Kardinalstaatssekretärs Consalvi an den Außenminister Graf Rechberg (13. Januar 1819) 190

Inhaltsübersicht V. Das bayerische Episkopat und die Kirchenfrage Nr. 82. Erklärung des Erzbischofs von München Frhr. v. Gebsattel an K ö n i g M a x Joseph (27. Januar 1819) Nr. 83. Schreiben des Erzbischofs von München Frhr. v. Gebsattel an K ö n i g M a x Joseph (31. Januar 1819) Nr. 84. E r k l ä r u n g der dem geistlichen Stand angehörenden Abgeordneten der bayerischen Zweiten K a m m e r (31. Januar 1819)

192 193 194 194

VI. Die Tegemseer Erklärung 195 Nr. 85. Entschließung K ö n i g M a x i m i l i a n Josephs, den Vollzug des Concordats betreffend (15. September 1821) 196 VII. Die Neuregelung des königlichen Placet 196 Nr. 86. Verordnung K ö n i g M a x i m i l i a n Josephs über das Placetum regium (27. J u n i 1824) 197 Achtes Kapitel Die Vereinbarungen zwischen Preußen und dem Heiligen Stuhl I. Die Instruktionen für den Gesandten Niebuhr betreffend die Verhandlungen mit Rom Nr. 87. Kabinettsordre K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . an den Staatskanzler Fürst Hardenberg (6. A p r i l 1820) Nr. 88. Schreiben des Staatskanzlers Fürst Hardenberg an den Gesandten Niebuhr (23. M a i 1820) Nr. 89. Nachinstruktion für den Gesandten Niebuhr (23. November 1820)

199 199 200 201 201

I I . Die Bulle De salute animarum 203 Nr. 90. Kabinettsordre K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . an den Staatskanzler Fürst Hardenberg über die Sanktion der Bulle De salute animarum (23. August 1821) 204 Nr. 91. Zirkumskriptionsbulle De salute animarum (16. J u l i 1821) 204 III. Das Breve über die Bischofswahlen 221 Nr. 92. Breve Papst Pius V I I . Quod de fidelium an die preußischen D o m kapitel (16. J u l i 1821) 222 IV. Der preußische Bischofseid 223 Nr. 93. Eid der preußischen Bischöfe vor der B u l l e De salute a n i m a r u m . . 225 Nr. 94. Eid der preußischen Bischöfe nach der Bulle De salute a n i m a r u m 225 Neuntes Kapitel Die oberrheinische Kirchenprovinz I. Das Bistum Konstanz und der Fall Wessenberg Nr. 95. Breve Papst Pius V I I . an das Domkapitel zu Konstanz (15. März 1817) Nr. 96. Breve Papst Pius V I I . an Großherzog K a r l von Baden (21. M a i 1817)

227 227 229 229

XVI

Inhaltsübersicht

Nr. 97. A n t w o r t des Großherzogs K a r l von Baden an Papst Pius V I I . (16. J u n i 1817)

231

I I . Das Generalvikariat Ellwangen Nr. 98. I n s t r u k t i o n K ö n i g Wilhelms I. an den Geistlichen Rat v. Keller (1. J u l i 1815) Nr. 99. Breve Papst Pius V I I . an den Generalvikar Fürst Franz K a r l v. Hohenlohe zu Ellwangen (21. März 1816) Nr. 100. Breve Papst Pius V I I . über die Ernennung des Geistlichen Rats v. K e l l e r zum P r o v i k a r i n Ellwangen (15. J u n i 1816) Nr. 101. Breve Papst Pius V I I . betreffend die Ernennung des Generalvikars Fürst v. Hohenlohe zum apostolischen V i k a r f ü r die württembergischen Teile der Diözesen Konstanz u n d Worms (26. März 1817) III. Verhandlungen provinz

über die Begründung

der Oberrheinischen

Kirchen-

233 233 235 235

236 236

Nr. 102. I n s t r u k t i o n der badischen Regierung für den Gesandten v. Berstett (Februar 1817) Nr. 103. Eröffnungsrede des württembergischen Gesandten Frhr. v. Wangenheim auf der Frankfurter Konferenz (24. März 1818) Nr. 104. Deklaration der i n F r a n k f u r t vertretenen Regierungen an den H e i ligen Stuhl (24. J u l i 1818) Nr. 105. Erster Staatsvertrag der Oberrheinischen Vereinsstaaten (7. Oktober 1818)

245

IV. Die Zirkumskriptionsbulle für die oberrheinische Nr. 106. Zirkumskriptionsbulle Provida solersque (16. August 1821)

246

Kirchenprovinz

238 238 241

. . . . 246

V. Die Frankfurter Kirchenpragmatik von 1820 und der Oberrheinische Staatsvertrag von 1822 257 Nr. 107. Gemeinsame Grundsätze des Staatskirchenrechts (Kirchenpragmatik) (14. J u n i 1820) 258 Nr. 108. Zweiter Staatsvertrag der Oberrheinischen Vereinsstaaten (8. Februar 1822) 264 VI. Die Bulle Ad dominici gregis custodiam und das Breve Re sacra (1827) 267 Nr. 109. Bulle A d dominici gregis custodiam (11. A p r i i 1827) 268 Nr. 110. Das Breve Re sacra (28. M a i 1827) 272 VII. Der staatliche Vollzug der mit der Kurie getroffenen Vereinbarungen Nr. 111. D r i t t e r Staatsvertrag der Oberrheinischen Vereinsstaaten (15. November 1827) Nr. 112. Landesherrliche Publikation der päpstlichen Bullen zur Errichtung des Erzbistums zu Freiburg (16. Oktober 1827) Nr. 113. Landesherrliche Fundations-Urkunde für die Erzdiözese Freiburg (16. Oktober 1827)

275

VIII. Die Landesherrlichen hoheitsrecht

279

Verordnungen

über das staatliche

Kirchen-

273 273 275

Inhaltsübersicht Nr.

114. Landesherrliche Verordnung des Großherzogs L u d w i g von Hessen, die Ausübung des oberhoheitlichen Schutz- und AufsichtsRechts über die katholische Landeskirche betreffend (30. Januar 1830) 280 Nr. 115. Breve Papst Pius V I I I . an die Bischöfe der oberrheinischen K i r chenprovinz (30. J u n i 1830) 285 Nr. 116. Protest des Bischofs Rieger von Fulda gegen die Landesherrliche Verordnung über die staatliche Kirchenhoheit (30. August 1830) 287 Zehntes Kapitel Die Neuordnung des katholischen Kirchenwesens in Hannover I. Die hannoverschen

Verhandlungen

mit dem Heiligen Stuhl

292 292

Nr. 117. I n s t r u k t i o n für die nach Rom abgehende Gesandtschaft (Januar 1817) 294 Nr. 118. Depesche des Gesandten v. Ompteda an seine Regierung (9. J u n i 1817) 295 Nr. 119. I n s t r u k t i o n des Ministers Graf Münster für den Gesandten v. Ompteda (5. Januar 1818) 296 II. Die hannoversche

Zirkumskriptionsbulle

297

Nr. 120. Patent K ö n i g Georgs IV. über die Genehmigung der Bulle Impensa Romanorum Pontificum (20. M a i 1824) 298 Nr. 121. Zirkumskriptionsbulle Impensa Romanorum Pontificum (26. März 1824) 299

TeilC Konflikt und Versöhnung i m preußischen V o r m ä r z 309 Elftes Kapitel Die Mischehenfrage in der Kölner Kirchenprovinz I. Das preußische Mischehenrecht

(1794 - 1825)

309

Nr. 122. Mischehen-Recht des Allgemeinen Landrechts (5. Februar 1794) Nr. 123. Deklaration K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . (21. November 1803) Nr. 124. Kabinettsordre K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . an den K u l t u s m i n i ster v. Altenstein (6. A p r i l 1819) Nr. 125. Kabinettsordre K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . an das Staatsministerium (17. August 1825) II. Die Mischehen-Verhandlungen Episkopat

der Regierung

309

mit

dem

rheinischen

310 310 311 312 312

Nr. 126. Schreiben K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . an die Bischöfe der K ö l ner Kirchenprovinz (28. Februar 1828) 313

XVIII

Inhaltsübersicht

Nr. 127. Schreiben des Kultusministers v. Altenstein an die Bischöfe der Kölner Kirchenprovinz (10. März 1828) 314 III. Das erste Eingreifen

der Kurie

in die rheinische

Mischehenfrage

. . . . 317

Nr. 128. Breve Papst Pius V I I I . an den Erzbischof von K ö l n und die Bischöfe von Trier, Paderborn und Münster (25. März 1830) 317 Nr. 129. I n s t r u k t i o n des Kardinalstaatssekretärs A l b a n i an den Erzbischof von K ö l n und die Bischöfe von Trier, Paderborn und Münster (27. März 1830) 321 IV. Die Berliner

Übereinkunft

322

Nr. 130. Übereinkunft zwischen dem Erzbischof von K ö l n Graf Spiegel u n d dem Gesandten Frhr. v. Bunsen über die Ausführung des päpstlichen Mischehen-Breve (19. J u n i 1834) Nr. 131. B e i t r i t t der Bischöfe von Paderborn, Münster und Trier zur Berliner Ubereinkunft (Juli 1834) Nr. 132. Hirtenbrief des Erzbischofs von K ö l n Graf Spiegel an die Geistlichen seiner Diözese (13. Oktober 1834) Nr. 133. I n s t r u k t i o n des Erzbischofs von K ö l n Graf Spiegel an den Generalv i k a r Hüsgen (22. Oktober 1834) V. Die Anerkennung der Berliner Übereinkunft Clemens August Frhr. v. Droste-Vischering

durch den Weihbischof

324 329 330 331 333

Nr. 134. Schreiben des Weihbischofs von Münster Clemens August Frhr. v. Droste-Vischering an den Domkapitular Schmülling (5. September 1835) 334 VI. Das erneute Eingreifen

der Kurie in die rheinische Mischehenfrage

. . . . 335

Nr. 135. Vertrauliche Note des Kardinalstaatssekretärs Lambruschini an den Gesandten v. Bunsen (15. März 1836) 335 Nr. 136. Note des Gesandten v. Bunsen an den Kardinalstaatssekretär Lambruschini (15. A p r i l 1836) 338 Zwölftes Kapitel Der Kölner Kirchenkonflikt I. Die Berichte

der rheinischen

Bischöfe an Papst Gregor XVI

342 342

Nr. 137. Schreiben des Bischofs von Münster Kaspar M a x i m i l i a n Frhr. v. Droste-Vischering an Papst Gregor X V I . (15. September 1836) 342 Nr. 138. Schreiben des Erzbischofs von K ö l n Clemens August Frhr. v. Droste-Vischering an Papst Gregor X V I . (23. September 1836) 343 Nr. 139. Erstes Schreiben des Bischofs von Trier Joseph v. Hommer an Papst Gregor X V I . (1. Oktober 1836) 344

Inhaltsübersicht Nr. 140. Schreiben des Bischofs von Paderborn Friedrich Clemens Frhr. v. Ledebur an Papst Gregor X V I . (10. Oktober 1836) 345 Nr. 141. Zweites Schreiben des Bischofs von Trier Joseph v. Hommer an Papst Gregor X V I . (10. November 1836) 346 II. Die Verhandlungen des Gesandten v. Bunsen mit der Kurie (Januar/ Februar 1837) Nr. 142. Note des Gesandten v. Bunsen an den Kardinalstaatssekretär Lambruschini (15. Januar 1837) Nr. 143. Note des Kardinalstaatssekretärs Lambruschini an den Gesandten v. Bunsen (3. Februar 1837) Nr. 144. Note des Gesandten v. Bunsen an den Kardinalstaatssekretär Lambruschini (14. Februar 1837)

346

347 348 350

III. Erzbischof Clemens August Frhr. ν . Droste-Vischering und der Kölner Konflikt 352 Nr. 145. Schreiben des Erzbischofs v. Droste-Vischering an den Stadtdekan Ciaessen über die gemischten Ehen (25. Dezember 1836) 353 Nr. 146. „Beichtväter-Erlaß" des Erzbischofs von K ö l n an die Geistlichen von Bonn (12. Januar 1837) 356 I V . Das Eingreifen

der Regierung in den Kölner Konflikt

357

Nr. 147. Schreiben des Kultusministers v. Altenstein an den Erzbischof von K ö l n (12. Februar 1837) 357 Nr. 148. Schreiben des Erzbischofs v. Droste-Vischering an den K u l t u s minister v. Altenstein (1. März 1837) 360 Nr. 149. Erlaß des Kultusministers v. Altenstein an den Erzbischof v. Droste-Vischering (13. März 1837) 363 V. Die Unterwerfung der Bonner Hermesianer und die achtzehn Thesen Droste-Vischerings 364 Nr. 150. Protokoll über eine Konferenz des Universitäts-Kurators v. Rehfues, Bonn, m i t den Professoren der Bonner Katholisch-theologischen Fakultät und weiteren katholischen Professoren der Bonner Universität wegen der hermesianischen Sache (21. A p r i l 1837) 365 Nr. 151. Die „Achtzehn Thesen" des Erzbischofs v. Droste-Vischering gegen den Hermesianismus (Mai 1837) 367 VI. Der Höhepunkt des Kölner Konflikts 371 Nr. 152. Schreiben des Regierungsbevollmächtigten Graf A n t o n zu Stolberg an den Erzbischof v. Droste-Vischering (17. September 1837) 372 Nr. 153. Procès verbal über die Kölner Konferenz (17. September 1837Ì 373

XX

Inhaltsübersicht

Nr. 154. Schreiben des Erzbischofs v. Droste-Vischering an den Gesandten v. Bunsen (18. September 1837) 376 Nr. 155. Erklärung des Regierungsbevollmächtigten Graf A n t o n zu Stolberg an den Erzbischof v. Droste-Vischering (18. September 1837) 376 VII. Die Amts suspension des Erzbischofs von Köln Nr. 156. Erlaß des Kultusministers v. Altenstein an den Erzbischof v. Droste-Vischering (24. Oktober 1837) Nr. 157. Schreiben des Erzbischofs v. Droste-Vischering an den K u l t u s minister v. Altenstein (31. Oktober 1837) Nr. 158. P u b l i k a n d u m der Minister des Kultus, der Justiz und des Innern (15. November 1837) Nr. 159. Schreiben des Kultusministers v. Altenstein an das Domkapitel zu Köln (15. November 1837) Nr. 160. Protokoll über die Wegführung des Erzbischofs v. Droste-Vischering aus seinem Amtsbereich (20. November 1837) VIII. Das Kölner Domkapitel und die Amts suspension des Erzbischofs Droste-Vischering Nr. 161. Erlaß des Kölner Domkapitels an den Klerus der Erzdiözese (21. November 1837) Nr. 162. Bericht des Kölner Domkapitels an Papst Gregor X V I . (22. November 1837)

v.

IX. Die Kurie und die Amtssuspension des Erzbischofs v. Droste-Vischering Nr. 163. A l l o k u t i o n Papst Gregors X V I . i m Geheimen Konsistorium (10. Dezember 1837) Nr. 164. Note des Gesandten v. Bunsen an den Kardinalstaatssekretär Lambruschini (17. Dezember 1837) Nr. 165. Note des Kardinalstaatssekretärs Lambruschini an den Gesandten v. Bunsen (25. Dezember 1837) Nr. 166. Schreiben Papst Gregors X V I . an das Domkapitel zu K ö l n (26. Dezember 1837) Nr. 167. Note des Gesandten v. Bunsen an den Kardinalstaatssekretär Lambruschini (29. Dezember 1837) Nr. 168. Note des Kardinalstaatssekretärs Lambruschini an den Gesandten v. Bunsen (2. Januar 1838) X . Der Rücktritt der rheinischen Bischöfe von der Berliner Konvention .. Nr. 169. Schreiben des Bischofs von Münster Kaspar M a x i m i l i a n v. DrosteVischering an den Kultusminister v. Altenstein (5. Januar 1838) Nr. 170. Schreiben des Bischofs von Paderborn Klemens v. Ledebur an den Kultusminister v. Altenstein (10. Januar 1838) Nr. 171. Schreiben des Kultusministers v. Altenstein an die rheinischen Bischöfe (19. Februar 1838)

377

378 380 380 383 389 391 391 392 394 395 397 399 400 401 401 402

402 403 404

Inhaltsübersicht Dreizehntes Kapitel Die Wirren im preußischen Osten I. Der Beginn des Konflikts

im Erzbistum

Nr. 172. Eingabe des Erzbischofs v. D u n i n stein (13. Januar 1837) Nr. 173. A n t w o r t des Kultusministers v. Dunin (30. Januar 1837) Nr. 174. Eingabe des Erzbischofs v. D u n i n stein (15. A p r i l 1837) Nr. 175. A n t w o r t des Kultusministers v. Dunin (3. M a i 1837)

406

Gnesen-Posen

406

an den Kultusminister v. A l t e n 407 Altenstein an den Erzbischof v. 408 an den Kultusminister v. A l t e n 409 Altenstein an den Erzbischof v. 409

II. Die Eingabe des Erzbischofs von Gnesen-Polen

an den König

410

Nr. 176. Immediatvorstellung des Erzbischofs v. D u n i n an König Friedrich W i l h e l m I I I . (21. Oktober 1837) 411 Nr. 177. A n t w o r t K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . an den Erzbischof v. D u n i n (30. Dezember 1837) 413 III. Anordnungen der Kirchenoberen gemischten Ehen

der Erzdiözese Gnesen-Posen über die

414

Nr. 178. Hirtenbrief des Erzbischofs v. D u n i n über die gemischten Ehen (30. Januar 1838) 414 Nr. 179. Hirtenbrief des Erzbischofs v. D u n i n über die gemischten Ehen (27. Februar 1838) 417 IV. Die Einleitung des staatlichen Verfahrens gegen den Erzbischof von Gnesen-Posen Nr. 180. Immediatvorstellung des Erzbischofs v. D u n i n an K ö n i g Friedrich Wilhelm III. (10. März 1838) Nr. 181. Kabinettsordre K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . an die Staatsminister v. Altenstein, v. Rochow und v. Werther (12. A p r i l 1838) Nr. 182. Erlaß des Kultusministers v. Altenstein (25. J u n i 1838) Nr. 183. Depesche der Minister v. Altenstein, v. Rochow und v. Werther an den Erzbischof v. D u n i n (25. J u n i 1838) Nr. 184. Schreiben des Erzbischofs v. D u n i n an die Minister v. Altenstein, v. Rochow und v. Werther (9. J u l i 1838) V. Die Kurie chenkonflikt

und die preußische

Regierung

im Gnesen-Posenschen

Kir-

418 419 420 421 422 422 423

Nr. 185. A l l o k u t i o n Papst Gregors X V I . (13. September 1838) 424 Nr. 186. Erklärung der Regierung betreffend den Streit m i t dem Erzbischof v. D u n i n über die gemischten Ehen (31. Dezember 1838) 426

XXII

Inhaltsübersicht

Nr. 187. E r k l ä r u n g des Heiligen Stuhls gegen die staatliche Kirchenhoheit (11. A p r i l 1839) 428 VI. Das Strafurteil gegen den Erzbischof v. Dunin und die Bemühungen um die Beilegung des Konfliktes 431 Nr. 188. A l l o k u t i o n Papst Gregors X V I . .(8. J u l i 1839) 432 Nr. 189. Schreiben K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . an den Erzbischof v. Dunin (19. Oktober 1839) 432

Vierzehntes Kapitel Der preußische Thronwechsel von 1840 und die Erneuerung des Friedens zwischen Kirche und Staat I. Die Wiedereinsetzung

des Erzbischofs

von Gnesen-Posen v. Dunin

434 . . . . 434

Nr. 190. Schreiben des Erzbischofs v. D u n i n an K ö n i g Friedrich W i l h e l m I V . (24. J u l i 1840) 434 Nr. 191. A n t w o r t K ö n i g Friedrich Wilhelms I V . an den Erzbischof v. D u n i n (29. J u l i 1840) 437 Nr. 192. Rundschreiben des Erzbischofs v. D u n i n an den Klerus seiner Diözese nach seiner Rückkehr ins A m t (27. August 1840) 437 II. Die Zulassung des freien Verkehrs grenzung des staatlichen Plazet

der Bischöfe mit Rom und die Be-

438

Nr. 193. Schreiben des Kultusministers v. Eichhorn an die preußischen Bischöfe und Generalvikare (1. Januar 1841) 439 III.

Die Errichtung ministeriums

der katholischen

Abteilung

des preußischen

Kultus-

440

Nr. 194. Kabinettsordre K ö n i g Friedrich Wilhelms I V . betreffend die E r richtung der Katholischen Abteilung des Kultusministeriums (11. Januar 1841) 440 I V . Die Übereinkunft zwischen der Kurie vom 23.124. September 1841

und der preußischen

Regierung

441

Nr. 195. Note des preußischen Bevollmächtigten Graf B r ü h l an den K a r d i nalstaatssekretär Lambruschini (24. September 1841) 442 V. Die Festigung Preußen

des Status der katholisch-theologischen

Fakultäten

in

443

Nr. 196. Statuten der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Bonn (18. Oktober 1834) 445 Nr. 197. Statuten der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Breslau (13. September 1840) 450

Inhaltsübersicht VI. Das preußische Religionspatent

von 1847

454

Nr. 198. Patent K ö n i g Friedrich Wilhelms IV. betreffend die B i l d u n g neuer Religionsgemeinschaften (30. März 1847) 454

Teil D Konflikte zwischen Staat und katholischer Kirche in Süddeutschland 1830 - 1848 Fünfzehntes Kapitel Kirchenkonflikte in Bayern I. Die Beschränkung

des Verkehrs

der Katholiken

mit Rom

456 456

Nr. 199. Verordnung über die Einholung von Ehedispensen (18. A p r i l 1830) 457 Nr. 200. Rundschreiben des Innenministers v. A b e l an die Regierungspräsidenten, Erzbischöfe und Bischöfe (25. März 1841) 458 II. Die Mischehen-Frag

e in Bayern

459

Nr. 201. Entschließung des Staatsministeriums des Innern an die Regierung i n Regensburg (31. M a i 1831) Nr. 202. Entschließung des Staatsministeriums des Innern an die Regierung i n Regensburg (31. M a i 1831) Nr. 203. Breve Papst Gregors X V I . an die bayerischen Erzbischöfe und Bischöfe (27. M a i 1832) Nr. 204. Schreiben K ö n i g Ludwigs I. an Papst Gregor X V I . (15. J u n i 1834) Nr. 205. Schreiben Papst Gregors X V I . an K ö n i g L u d w i g I. (14. J u l i 1834) Nr. 206. I n s t r u k t i o n des Kardinalstaatssekretärs Bernetti an die bayerischen Erzbischöfe und Bischöfe (12. September 1834) Nr. 207. Entschließung des Staatsministeriums des I n n e r n über die religiöse Erziehung der K i n d e r aus gemischten Ehen an die Regierung i n Ansbach (31. M a i 1838) III. Die Klostererneuerung

in Bayern

460 462 464 466 467 468

470 471

Nr. 208. Erlaß des Staatsministeriums des Innern betreffend den Benediktinerorden an die Regierung i n Landshut (Niederbayern) (20. November 1836) 471 I V . Die Wende der bayerischen

Kirchenpolitik

und der Heilige Stuhl

Nr. 209. Schreiben Papst Pius I X . an K ö n i g L u d w i g I. (31. J u l i 1847)

472 474

XXI

Inhaltsübersicht

Nr. 210. Schreiben K ö n i g Ludwigs I. an Papst Pius I X . (2. September 1847) V. Die Bemühungen nach Rom

um die Wegberufung

des Erzbischofs

475 Graf

Reisach

476

Nr. 211. Schreiben des Außenministers Fürst Oettingen-Wallerstein an den Gesandten Graf Spaur i n Rom (31. Dezember 1847) 477 Nr. 212. Verbalnote des Kardinalstaatssekretärs A n t o n e l l i an den Gesandten Graf Spaur i n Rom ( A p r i l 1848) 478 Sechzehntes Kapitel Konflikte zwischen Staat und Kirche in Baden I . Beschwerden des Heiligen Stuhls über die Lage der katholischen in der Oberrheinischen Kirchenprovinz

480 Kirche

Nr. 213. Breve Papst Gregors X V I . an die Bischöfe der Oberrheinischen Kirchenprovinz (4. Oktober 1833) Nr. 214. Note des Kardinalstaatssekretärs Bernetti an die Regierungen der oberrheinischen Staaten (5. Oktober 1833) Nr. 215. Schreiben des Kardinalstaatssekretärs Bernetti an den badischen Minister Frhr. v. Türckheim (5. Oktober 1833) Nr. 216. Note des Ministers Frhr. v. Türckheim, i m Namen der Regierungen der Oberrheinischen Staaten, an Kardinalstaatssekretär Bernetti (4. September 1834) Nr. 217. Note des Ministers Frhr. v. Türckheim an Kardinalstaatssekretär Bernetti (5. September 1834) I I . Die Wahl des Erzbischofs

Demeter

480

480 482 485 487 488 489

Nr. 218. Depesche des Staatskanzlers Fürst Metternich an den österreichischen Gesandten Graf Buol-Schauenstein i n Karlsruhe (2. J u l i 1836) 490 Nr. 219. Depesche des badischen Außenministers v. Blittersdorf an den Geschäftsträger Maler i n Rom (16. J u l i 1836) 492 Nr. 220. Note des Kardinalstaatssekretärs Lambruschini an den Geschäftsträger Maler i n Rom (1. August 1836) 493 I I I . Die Mischehen-Frage

unter Erzbischof

Demeter 1838 - 1839

493

Nr. 221. Schreiben des erzbischöflichen Ordinariats Freiburg, unterzeichnet von Weihbischof v. Vicari, an die katholische Kirchensektion i m badischen I n n e n m i n i s t e r i u m (22. J u n i 1838) 494 Nr. 222. A n t w o r t der katholischen Kirchensektion i m badischen Innenministerium, unterzeichnet von Direktor Beeck, an das erzbischöfliche Ordinariat Freiburg (5. Dezember 1838) 496

Inhaltsübersicht Nr. 223. Beschluß des erzbischöflichen Ordinariats Freiburg, unterzeichnet von Erzbischof Demeter, über die gemischten Ehen (März 1839) 498 IV. Die Mischehen-Frag

e unter Erzbischof

v. Vicari

498

Nr. 224. Beschluß des erzbischöflichen Ordinariats Freiburg, unterzeichnet von Generalvikar Dr. M a r t i n , über die gemischten Ehen (3. Januar 1845) 499 Nr. 225. Anfrage des Evangelischen Oberkirchenrats, unterzeichnet von Kirchenrat Baumüller, an den Katholischen Oberkirchenrat (25. Februar 1845) 499 Nr. 226. E r k l ä r u n g des erzbischöflichen Ordinariats Freiburg, unterzeichnet von Generalvikar Dr. Martin, an den Katholischen Oberkirchenrat (28. März 1845) 500 Nr. 227. Erlaß des Innenministers Nebenius über die Nichtigkeitserklärung des erzbischöflichen Erlasses v o m 3. Januar 1845 betreffend die gemischten Ehen (3. J u n i 1845) 501 Nr. 228. M i t t e i l u n g des Katholischen Oberkirchenrats, unterzeichnet von Kirchenrat Siegel, an das Erzbischöfliche Ordinariat zu Freiburg (6. J u n i 1845) 502 Nr. 229. Hundschreiben des Erzbischofs v. Vicari an die erzbischöflichen Dekanate (9. August 1845) 503 Nr. 230. Schreiben des Erzbischofs v. Vicari an den Katholischen Oberkirchenrat (10. August 1845) 505 V. Der Höhepunkt

des badischen Mischehenkonflikts

506

Nr. 231. Schreiben des Erzbischofs v. Vicari an den Innenminister Nebenius (19. November 1845) 506 Nr. 232. Verfügung des Innenministers Nebenius (21. November 1845)

508

Nr. 233. Schreiben des Erzbischofs v. Vicari an den Innenminister Nebenius (24. November 1845) 510 Nr. 234. M i t t e i l u n g des Katholischen Oberkirchenrats an das Erzbischöfliche Ordinariat zu Freiburg (25. November 1845) 511 Nr. 235. Schreiben des Erzbischofs v. Vicari an den Katholischen Oberkirchenrat (3. Dezember 1845) 513 Nr. 236. Schreiben des Innenministers Nebenius an den Erzbischof v. Vicari (5. Dezember 1845) 514 Nr. 237. Breve Papst Gregors X V I . an den Erzbischof v. Vicari (23. M a i 1846)

516

Nr. 238. Gesetz, die Eingehung einer Ehe von Staatswegen bei einem vorhandenen anerkannten kirchlichen Hindernisse betreffend (6. November 1846) 518

XXVI

Inhaltsübersicht Siebzehntes Kapitel Konflikte zwischen Staat und Kirche in Württemberg

I. Der Streit um die staatlichen gischen Kammer

Kirchenhoheitsrechte

in der

520

württember-

520

Nr. 239. Motion des Abgeordneten Frhr. v. Hornstein i n der Württembergischen Zweiten K a m m e r (7. A p r i l 1830) 520 Nr. 240. E r k l ä r u n g des Königlichen Geheimen Rats an den Ständischen Ausschuß (10. Januar 1833) 522 II. Das Eingreifen chenkonflikt

des Bischofs v. Keller

in den württembergischen

Kir-

522

Nr. 241. E r k l ä r u n g des Bischofs v. Keller in der württembergischen Z w e i ten K a m m e r (11. März 1833) 523 Nr. 242. Motion des Bischofs v. Keller i n der württembergischen Zweiten Kammer (13. November 1841) 525 Nr. 243. Erwiderung des Innenministers v. Schlayer auf die Motion des Bischofs v. Keller i n der württembergischen Zweiten K a m m e r (15. März 1842) 529 Nr. 244. Replik des Bischofs v. Keller auf die Erwiderung des Innenministers v. Schlayer i n der württembergischen Zweiten Kammer (15. März 1842) 533 III. Die Kurie und die württembergische

Kirchenfrage

1842 - 1844

N. 245. Erstes Breve Papst Gregors X V I . an Bischof v. Keller (25. J u n i 1842)

534 535

Nr. 246. Schreiben des Innenministers v. Schlayer an den Bischof v. Keller (22. September 1842) 536 Nr. 247. Zweites Breve Papst Gregors X V I . an Bischof v. Keller (24. Oktober 1842)

538

IV. Die Bemühungen des bischöflichen Ordinariats zu Rottenburg um die verfassungsmäßige Autonomie der katholischen Kirche in Württemberg. . 539 Nr. 248. Punktation des bischöflichen Ordinariats zu Rottenburg betreffend die Herstellung der verfassungsmäßigen Autonomie der Kirche (20. Januar 1843) 540 Nr. 249. Schreiben des katholischen Kirchenrats an den Bischof v. Keller (30. J u n i 1843) 552 Nr. 250. Schreiben des Bischofs v. Keller an das M i n i s t e r i u m des Innern (12. J u l i 1843) 553 Nr. 251. Erlaß des Innenministers v. Schlayer an den Bischof v. Keller (18. J u l i 1843)

554

Nr. 252. Drittes Breve Papst Gregors X V I . an Bischof v. Keller (4. Dezember 1843)

554

Inhaltsübersicht Nr. 253. Erwiderung des Innenministers v. Schlayer auf die Punktation des bischöflichen Ordinariats Rottenburg (12. J u l i 1844) 555 V. Die Neuwahl

des Bischofs von Rottenburg

(1846/47)

556

Nr. 254. Schreiben Papst Pius I X . an K ö n i g W i l h e l m I. (14. November 1846)

557

Nr. 255. A n t w o r t K ö n i g Wilhelms I. an Papst Pius I X . (Anfang Dezember 1846)

560

Nr. 256. Propositionen des Bischofskandidaten Kirchenrat L i p p betreffend die Rechte des Bischofs zu Rottenburg (Mai 1847) 562 Teil E Evangelisches Staatskirchenrecht 1801 - 1848 Achtzehntes Kapitel Die evangelische Landeskirche in Preußen 1801 - 1848 I. Schleiermachers

Verfassungsvorschlag

von 1808

564 564

Nr. 257. Schleiermachers E n t w u r f einer neuen Verfassung der protestantischen Kirche i m preußischen Staat (September 1808) 565 II. Die Gründung

der Altpreußischen

Union

573

Nr. 258. Kabinettsordre K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . betreffend die V e r besserung der evangelischen Kirchenverfassung i n Preußen (27. M a i 1816) 574 Nr. 259. Kabinettsordre K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . betreffend die Union der evangelischen Landeskirchen i n Preußen (27. September 1817) 576 III. Der Agendenstreit

578

Nr. 260. Gutachten des Kultusministers v. Altenstein über das Rechtsverhältnis der liturgischen Angelegenheiten i n Preußen (1825) 579 I V . Die Fortbildung

der Altpreußischen

Union

581

Nr. 261. Kabinettsordre K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . an den K u l t u s m i n i ster v. Altenstein betreffend den Vollzug der U n i o n (30. A p r i l 1830) 582 Nr. 262. Kabinettsordre K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . an den K u l t u s m i n i ster v. Altenstein betreffend Wesen u n d Zweck der Union u n d Agende (28. Februar 1834) 582 V. Der hallische Theologenstreit

583

Nr. 263. Kabinettsordre K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . an den Staatsminister v. Altenstein (23. September 1830) 584

Inhaltsübersicht

XXVIII

Nr. 264. Weitere Kabinettsordre K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . an den Staatsminister v. Altenstein (23. September 1830) 585 VI. Die preußische Militär-Kirchenordnung

von 1832

586

Nr. 265. Preußische M i l i t ä r - K i r c h e n - O r d n u n g (12. Februar 1832) VII. Die Rheinisch-Westfälische

Kirchenordnung

587 von 1835

599

Nr. 266. Kabinettsordre betreffend die Kirchenordnung für die evangelischen Gemeinden der Provinz Westphalen u n d der Rheinprovinz (5. März 1835) 600 Nr. 267. Kirchenordnung für die evangelischen Gemeinden der Provinz Westphalen und der Rheinprovinz (5. März 1835) 600 VIII.

Die schlesischen

Altlutheraner

605

Nr. 268. Kabinettsordre K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . an den Staatsminister v. Altenstein, das Verbot von Zusammenkünften zu außerkirchlichen Religionsübungen betreffend (9. März 1834) Nr. 269. Deklaration K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . an den Staatsminister v. Altenstein über die Anwendbarkeit der §§ 76 - 79 Tit. 10 Theil I I A L R auf die Anmaßung geistlicher Amtshandlungen (9. März 1834) Nr. 270. Kabinettsordres K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . an die Staatsminister v. Altenstein und v. Rochow betreffend die Auswanderung der Altlutheraner a) Kabinettsordre v o m 2. Januar 1837 b) Kabinettsordre vom 2. September 1837 IX. Der Regierungswechsel sungsfrage

von 1840 und die evangelische

Kirchenverfas-

607

607 608 608 609 809

Nr. 271. Verordnung betreffend die Ressortverhältnisse der Provinzialbehörden für das evangelische Kirchenwesen (27. J u n i 1845) 610 X . Die Generalsynode

von 1846

612

Nr. 272. Erlaß K ö n i g Friedrich Wilhelms IV., die Berufung einer evangelischen Generalsynode betreffend (1846) 613 Nr. 273. Vorschlag der Ersten Kommission der Generalsynode für die Bekenntnisverpflichtung der Geistlichen (1846) 616 Nr. 274. Hauptsätze der Zweiten Kommission der Generalsynode zur Frage der Kirchenverfassung (1846) 621 XI. Die Errichtung

des evangelischen

Oberkonsistoriums

625

Nr. 275. Verordnung wegen Errichtung eines Evangelischen Ober-Konsistoriums (28. Januar 1848) 625 Nr. 276. Bekanntmachung des preußischen Staatsministeriums betreffend die Auflösung des Oberkonsistoriums (15. A p r i l 1848) 627

Inhaltsübersicht Neunzehntes Kapitel Die evangelischen Kirchen in Bayern I. Die Edikte über die Neuordnung von 1808/09

der protestantischen

628

Kirchenverfassung

628

Nr. 277. Organisches Edikt, die Anordnung einer Sektion i n Kirchengegenständen bei dem M i n i s t e r i u m des Innern betreffend (8. September 1808) 629 Nr. 278. Organisches Edikt, die B i l d u n g der Mittelstellen für die protestantischen Kirchenangelegenheiten und ihre Verhältnisse zu dem bei dem M i n i s t e r i u m des Innern angeordneten Generalkonsistorium betreffend (17. März 1809) 630 Nr. 279. Allerhöchste Verordnung über die Konsistorialordnung (8. September 1809) Nr. I. Instruction für das General-Konsistorium der protestantischen Gesammt-Gemeine des Königreichs Baiern Nr. I I . Special-Instruction für die General-Kreis-Kommissariate i n Beziehung auf das Kirchenwesen der protestantischen Gesammt-Gemeine des Königreichs Baiern Nr. I I I . Special-Instruction für die Distrikts-Dekane

645 647

II. Die Fortbildung

649

der protestantischen

Kirchenverfassung

634 635

Nr. 280. E d i k t über die inneren kirchlichen Angelegenheiten der Protestantischen Gesammtgemeinde (26. M a i 1818) 650 III. Die bayerischen Protestanten

im Kampf um die Parität

653

Nr. 281. Entscheidung K ö n i g M a x Josephs, die Verhältnisse der Protestantischen Gesammtgemeinde i m Königreiche betreffend (12. März 1818) 654 Nr. 282. Entschließung K ö n i g M a x Josephs, betreffend das Konkordat (19. Januar 1822) 654 Nr. 283. Erlaß König M a x Josephs, die Petition der General-Synoden von Ansbach und Bayreuth betreffend (28. Oktober 1824) 655 IV. Der Kampf um den „Kniebeug e-Erlaß"

656

Nr. 284. Erlaß des bayerischen Kriegsministeriums, betreffend die m i l i tärischen Ehrenbezeugungen bei katholischen Kultushandlungen (14. August 1838) 657 V. Der Kampf und die religiöse Unterweisung durch katholische Geistliche

minderjähriger

Protestanten

657

Nr. 285. Entschließung des Innenministeriums an das Oberkonsistorium über den Religions Wechsel Minderjähriger (5. November 1843) 658 Nr. 286. Ausschreiben des Oberkonsistoriums zur Erläuterung der Ministerialentschließung v o m 5. November 1843 (25. November 1843) 658 Nr. 287. Entschließung K ö n i g Ludwigs I. an das Oberkonsistorium (26. A p r i l 1845) ! 659

XX

Inhaltsübersicht

V I . Der Kampf

um die Zuständigkeiten

der Generalsynoden

660

Nr. 288. Entschließung K ö n i g Ludwigs I., die Beschwerde der Mitglieder der Generalsynoden betreffend (13. A p r i l 1845) 660 VII. Die pfälzische

Union

662

Nr. 289. Bestätigung K ö n i g M a x Josephs, die pfälzische Vereinigungsurkunde betreffend (10. Oktober 1818) 665 Nr. 290. Urkunde der Vereinigung beider protestantischen Konfessionen i m Rheinkreise (15. August 1818) 665

Zwanzigstes Kapitel Die evangelischen Kirchen in Südwest- und Mitteldeutschland I. Die badische Union

673 673

Nr. 291. Sanktion Großherzog Ludwigs, die Vereinigung der beiden Evangelischen Kirchen i n dem Großherzogtum Baden betreffend (23. J u l i 1821) 674 Nr. 292. Urkunde über die Vereinigung beider Evangelischer Kirchen i m Großherzogtum Baden (26. J u l i 1821) 675 Nr. 293. Kirchenverfassung der Evangelisch-Protestantischen Kirche i m Großherzogtum Baden (16. August 1821) 681 II. Die Union im Herzogtum

Nassau

685

Nr. 294. Unionsedikt des Herzogs W i l h e l m von Nassau (11. August 1817)

685

III.

688

Die Union im Kurfürstentum

Hessen

Nr. 295. A r t i k e l der Hanauer Union (1. J u n i 1818) IV. Die Union im Großherzogtum

689 Hessen

690

Nr. 296. Bekanntmachung des großherzoglich-hessischen Ministeriums des Innern und der Justiz über die Vereinigung der protestantischen K o n fessionen (2. Oktober 1822) 691 Nr. 297. Edikt Großherzogs Ludwigs II., die Organisation der Behörden f ü r die evangelischen Kirchenangelegenheiten betreffend (6. J u l i 1832) 692 V. Die lutherische

Landeskirche

des Königreichs

Sachsen

698

Nr. 298. Verordnung betreffend die veränderte Organisation der evangelisch-lutherisch-kirchlichen Mittelbehörden (10. A p r i l 1835) 699

Inhaltsverzeichnis

XXXI

Nr. 299. Verordnung, das Regulativ über die Ressortverhältnisse zwischen dem Ministerio des Cultus u n d öffentlichen Unterrichts u n d den i n Evangelicis beauftragten Staatsministern betreffend (12. November 1837) 703 Nr. 300. Regulativ über die Ressortverhältnisse zwischen dem Ministerio des Cultus und öffentlichen Unterrichts und den i n Evangelicis beauftragten Staatsministern (12. November 1837) 703

Teil

A

Säkularisation u n d kirchliche

Erstes

Neuordnung

Kapitel

Staat u n d K i r c h e i n d e r Z e i t d e r R e i c h s a u f l ö s u n g u n d dee R h e i n b u n d e s I . Das Staatskirchenrecht des deutschen a u f g e k l ä r t e n A b s o l u t i s m u s Die europäische Aufklärung war die gemeinsame Grundlage zweier entgegengesetzter politischer Systeme. Im deutschen aufgeklärten Absolutismus des josefinischen wie des friderizianischen Stils und in der französischen revolutionären Nationaldemokratie fand die Aufklärung ihre zeitbedingten Gestaltungsformen. Durch die in ihnen zur Herrschaft gelangte aufgeklärte Staatsphilosophie traten beide Systeme in Gegensatz zur überlieferten Kirchlichkeit. Die Neuordnung des Verhältnisses von Staat und Kirche und zugleich die neue Bestimmung des Standorts der Kirche in Staat und Gesellschaft war für beide Systeme eine vordringliche Aufgabe politischer Gestaltung. Unter den vom Geist der Aufklärung bestimmten staatskirchenrechtlichen Manifestationen deutscher Einzelstaaten im ausgehenden 18. Jahrhundert ragt als bedeutendste und umfassendste Regelung das preußische Allgemeine Landrecht von 1794 hervor. In seinem Teil II Titel 11 entwickelte es in insgesamt 1232 Paragraphen ein vollständiges System des Staatskirchenrechts für die im Staatsgebiet wirkenden verschiedenen „Religionsparteien". Der Geist der Aufklärung kam in den das große Gesetzgebungswerk beherrschenden Grundsätzen der Religionsfreiheit, der Toleranz und der Parität zum Ausdruck. Verbunden war diese Achtung vor geistiger Freiheit mit der Achtung vor Überlieferungsb estimmten Gegebenheiten. Daher blieb es bei der Anerkennung des öffentlichen Rangs und der Vorrechte der drei christlichen Hauptkonfessionen des Staatsgebiets. Zugleich aber führte die aufgeklärte Staatsräson — das Vernunftgebot des Vorrangs der staatlichen Existenz und der staatlichen Aufgaben vor individuellen und korporativen Zwecken — zum Anspruch des Staats auf die Kirchenhoheit in allen äußeren Angelegenheiten (jus circa sacra). Die Rechtsgrundsätze des staatskirchenrechtlichen Teils des preußischen Allgemeinen Landrechts sind in ihren Hauptvorschriften bezeichnend für das ganze deutsche Staatengefüge der Zeit, auch für die katholischen deutschen Einzelstaaten josefinischen Gepräges, wie das damalige Österreich und das damalige ι Huber, Staat und Kirche, l. Bd.

2

1. Kap. : Staat und Kirche i n der Zeit der Reichsauflösung

Bayern. In Preußen blieben die Grundsätze des ALR im ganzen 19. Jahrhundert in Kraft. Sie erlangten nach 1815 auch in denjenigen preußischen Gebietsteilen faktische Geltung, in denen das ALR nicht formell eingeführt wurdet. in den nachstehenden Auszug (Nr. 1) sind die Hauptbestimmungen dieser epochalen staatskirchenrechtlichen Kodifikation aufgenommen*a. Demgegenüber besaß das oft erwähnte, vor der Inkraftsetzung des ALR zu Beginn der Regierungszeit König Friedrich Wilhelms II.- erlassene „Wöllnersehe Religionsedikt" nur episodische Bedeutung. Das von dem Justizminister und Chef des Geistlichen Departements Wöllner3 veranlaßte Edikt vom 7. Juli 1788 4 hatte sich zwar in der Form zu einem Teil der staatskirchenrechtlichen Grundsätze der friderizianischen Aufklärung bekannt (so zu Parität und Toleranz). In der Sache aber war es ein Dokument der Gegenaufklärung. So hatte es die Herrschaft der Orthodoxie und des strengen Bibelglaubens im preußischen Staat wiederherzustellen gesucht; die Glaubens- und Gewissensfreiheit hatte es auf die drei christlichen Hauptkonfessionen, drei bestimmte christliche Sekten (Herrnhuter, Mennoniten, Böhmische Brüder) sowie die jüdische Kultusgemeinschaft begrenzt; alle anderen Glaubensrichtungen hatte es als staatsschädliche Commenti cui a verboten. Auch die Meinungsfreiheit und Lehrfreiheit hatte es eingeschränkt. In seinem Vollzug war es zur Verschärfung der Zensur (durch das Zensuredikt vom 11. Dezember 1788) gekommen 5. Nach dem Regierungsantritt König Friedrich Wilhelms IIIß aber wurde das Wöllnersche Religionsedikt alsbald außer Anwendung gesetzt; Wöllner selbst wurde 1798 entlassen. Die staatskirchenrechtlichen Grundsätze des ALR setzten sich nun uneingeschränkt durch.

1 Förmlich i n K r a f t gesetzt wurde das A L R nach 1815 durch Königl. Patente u. a. i n den Provinzen Posen und Sachsen (1816), i n der Provinz Westfalen (1825) und i n einigen rechtsrheinischen Teilen der Rheinprovinz; dagegen nicht i m Hauptteil der Rheinprovinz, ebenso später nicht i m Regierungsbezirk Hohenzollern und i n den 1866 erworbenen Provinzen Schleswig-Holstein, Hessen-Nassau und Hannover (ausgenommen Ostfriesland, wo das A L R auf Grund der früheren Zugehörigkeit zu Preußen schon bisher galt). Das für das Staatskirchenrecht wichtige Ehe- und Erziehungsrecht w a r nicht i n Teil I I Tit. 11, sondern i n Teil I I T i t . 1 u n d Tit. 2 (Ehe- und Familienrecht) untergebracht. Die in T i t . 2 enthaltenen Bestimmungen über die K i n d e r erziehung bei konfessionell gemischten Ehen sind unter Nr. 122 wiedergegeben. 2 Friedrich Wilhelm II. (1744 - 1797), Neffe Friedrichs des Großen; Regierungszeit 1786 - 1797. 3 Johann Christoph (v.) Wöllner (1732 - 1800), Theologe; Mitglied des geheimen Ordens der Rosenkreuzer; 1788 - 1798 preuß. Justizminister und Chef des Geistlichen Departements. 4 T e x t : C. L. H. Rabe, Sammlung preuß. Gesetze u. Verordnungen 1/7 (1823) S. 726 ff. 5 Verfassungsgeschichte Bd. I S. 108 ff. 6 Friedrich Wilhelm III. (1770 - 1840), Sohn Friedrich Wilhelms II.; Regierungszeit 1797 - 1840.

I. Staatskirchenrecht des deutschen aufgeklärten Absolutismus

3

N r . 1. Hauptbestimmungen des Staatskirchenrechts des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten vom 5. Februar 1794 (Zweite Amtliche Ausgabe i n vier Bänden, Berlin, 1804) — Auszug — Teil II. Titel 11. Von den Rechten und Pflichten der Kirchen und geistlichen Gesellschaften Allgemeine

Grundsätze

§ 1. Die Begriffe der Einwohner des Staats von Gott und göttlichen Dingen, der Glaube und der innere Gottesdienst können kein Gegenstand von Zwangsgesetzen seyn. § 2. Jedem Einwohner i m Staate muß eine vollkommene Glaubens- und Gewissensfreyheit gestattet werden. § 3. Niemand ist schuldig, über seine Privatmeinungen in Religionssachen Vorschriften vom Staate anzunehmen. § 4. Niemand soll wegen seiner Religionsmeinungen beunruhigt, zur Rechenschaft gezogen, verspottet oder gar verfolgt werden. §5. Auch der Staat kann von einem einzelnen Unterthan die Angabe: zu welcher Religionspartey sich derselbe bekenne, n u r alsdann fordern, wenn die K r a f t und Gültigkeit gewisser bürgerlichen Handlungen davon abhängt. § 6. Aber selbst in diesem Falle können m i t dem Geständnisse abweichender Meinungen nur diejenigen nachtheiligen Folgen für den Gestehenden verbunden werden, welche aus seiner dadurch, vermöge der Gesetze, begründeten U n fähigkeit zu gewissen bürgerlichen Handlungen oder Rechten von selbst fließen. Vom häuslichen

Gottesdienste

§ 7. Jeder Hausvater kann seinen häuslichen Gottesdienst nach Gutbefinden anordnen 7 . § 8. Er kann aber Mitglieder, die einer andern Religionspartey zugethan sind, zur Beywohnung desselben wider ihren Willen nicht anhalten. § 9. Heimliche Zusammenkünfte, welche der Ordnung und Sicherheit des Staats gefährlich werden könnten, sollen, auch unter dem Vorwande des häuslichen Gottesdienstes, nicht geduldet werden. Religionsgesellschaften,

Kirchengesellschaften,

geistliche Gesellschaften

§10. Wohl aber können mehrere Einwohner des Staats, unter dessen Genehmigung, zu Religionsübungen sich verbinden. §11. Religionsgesellschaften, welche sich zur öffentlichen Feier des Gottesdienstes verbunden haben, werden Kirchengesellschaften genannt. §12. Diejenigen, welche zu gewissen andern besondern Religionsübungen vereinigt sind, führen den Namen der geistlichen Gesellschaften. 7 Zu diesem und den folgenden §§ siehe die Kabinettsordre K ö n i g Friedrich Wilhelms III. vom 9. März 1834 (unten Nr. 268).

1. Kap.: Staat und Kirche i n der Zeit der Reichsauflösung

4 Erster Von

Abschnitt.

Kirchengesellschaften

überhaupt

Grundsatz §13. Jede Kirchengesellschaft ist verpflichtet, ihren Mitgliedern Ehrfurcht gegen die Gottheit, Gehorsam gegen die Gesetze, Treue gegen den Staat und sittlich gute Gesinnungen gegen ihre Mitbürger einzuflößen. Unerlaubte

Kirchengesellschaften

§ 14. Religionsgrundsätze, welche diesem zuwider sind, sollen i m Staate nicht gelehrt und weder mündlich noch i n Volksschriften ausgebreitet werden. §15. N u r der Staat hat das Recht, dergleichen Grundsätze, nach angestellter Prüfung, zu verwerfen u n d deren Ausbreitung zu untersagen. §16. Privatmeinungen einzelner Mitglieder machen eine Religionsgesellschaft nicht verwerflich. öffentlich

aufgenommene

und geduldete

Kirchengesellschaften

§17. Die vom Staate ausdrücklich aufgenommenen Kirchengesellschaften haben die Rechte privilegirter Corporationen 8 . §18. Die von ihnen zur Ausübung ihres Gottesdienstes gewidmeten Gebäude werden Kirchen genannt und sind als privilegirte Gebäude des Staats anzusehen. §19. Die bey solchen Kirchengesellschaften zur Feier des Gottesdienstes und zum Religionsunterrichte bestellten Personen haben mit andern Beamten im Staate gleiche Rechte. § 20. Eine Religionsgesellschaft, welche der Staat genehmigt, ihr aber die Rechte öffentlich aufgenommener Kirchengesellschaften nicht beygelegt hat, genießt n u r die Befugnisse geduldeter Gesellschaften 9 . § 21. Jede Kirchengesellschaft, die als solche auf die Rechte einer geduldeten Anspruch machen w i l l , muß sich bey dem Staate gebührend melden und nachweisen, daß die von i h r gelehrten Meinungen nichts enthalten, was dem Grundsatze des § 13 zuwider läuft. § 22. Einer geduldeten Kirchengesellschaft ist die freye Ausübung ihres Privat-Gottesdienstes verstattet. § 23. Z u dieser gehört die Anstellung gottesdienstlicher Zusammenkünfte in gewissen dazu bestimmten Gebäuden und die Ausübung der ihren Religionsgrundsätzen gemäßen Gebräuche, sowohl in diesen Zusammenkünften als in den Privatwohnungen der Mitglieder. § 24. Eine bloß geduldete Kirchengesellschaft kann aber das Eigenthum solcher Gebäude ohne besondre Erlaubniß des Staats nicht erwerben. § 25. I h r ist nicht gestattet, sich der Glocken zu bedienen oder öffentliche Feyerlichkeiten außerhalb der Mauern ihres Versammlungshauses anzustellen. § 26. Die von i h r zur Feier ihrer Religionshandlungen bestellten Personen genießen als solche keine besonderen persönlichen Rechte. 8 Das heißt, nach heutigem Sprachgebrauch, von „Körperschaften des öffentlichen Rechts". 9 Das heißt von „erlaubten Privatgesellschaften" nach näherer Regelung der §§ 11 ff. Teil I I T i t e l 6 A L R .

I. Staatskirchenrecht des deutschen aufgeklärten Absolutismus Verhältniß der Kirchengesellschaften gegen den Staat, gegen andere gesellschaften und gegen ihre Mitglieder

5 Kirchen-

§27. Sowohl öffentlich aufgenommene als bloß geduldete Religions- u n d Kirchengesellschaften müssen sich i n allen Angelegenheiten, die sie m i t andern bürgerlichen Gesellschaften gemein haben, nach den Gesetzen des Staats richten. § 32. Die Privat- und öffentliche Religionsübung einer jeden Kirchengesellschaft ist der Oberaufsicht des Staats unterworfen. § 34. Die Anordnung öffentlicher Bet-, Dank- und andrer außerordentlichen Festtage hängt allein vom Staate ab. § 35. I n wie fern die bereits angeordneten Kirchenfeste m i t Einstellung aller Handarbeiten und bürgerlichen Gewerbe begangen werden sollen oder nicht, kann n u r der Staat bestimmen. § 36. Mehrere Kirchengesellschaften, wenn sie gleich zu einerley Religionspartey gehören, stehen dennoch unter sich i n keiner nothwendigen Verbindung. § 39. Protestantische Kirchengesellschaften des Augsburgschen Glaubensbekenntnisses sollen ihren Mitgliedern wechselseitig die Theilnahme auch an ihren eigenthümlichen Religionshandlungen nicht versagen, w e n n dieselben keine Kirchenanstalt ihrer eignen Religionspartey, deren sie sich bedienen können, i n der Nähe haben. § 40. Jedem Bürger des Staats, welchen die Gesetze fähig erkennen, für sich selbst zu urtheilen, soll die Wahl der Religionspartey, zu welcher er sich halten w i l l , frey stehen 1 0 . §41. Der Ubergang von einer Religionspartey zu einer andern geschieht i n der Regel durch ausdrückliche E r k l ä r u n g 1 1 . §45. Keine Kirchengesellschaft ist befugt, ihren Mitgliedern Glaubensgesetze wider ihre Überzeugung aufzudringen. § 46. Wegen der äußern Form u n d Feier des Gottesdienstes kann jede K i r chengesellschaft dienliche Ordnungen einführen. § 47. Dergleichen Anordnungen müssen jedoch dem Staate zur Prüfung, nach dem § 13 bestimmten Grundsatze, vorgelegt werden. § 48. Nach erfolgter Genehmigung haben sie m i t andern Polizeygesetzen gleiche K r a f t und Verbindlichkeit 1 2 . §49. Sie können aber auch ohne Genehmigung des Staats nicht verändert noch wieder aufgehoben werden. § 50. Jedes Mitglied einer Kirchengesellschaft ist schuldig, sich der darin eingeführten Kirchenzucht zu unterwerfen. 10 Maßgebend für dieses freie Entscheidungsrecht über die Konfession w a r nach § 84 I I 4 A L R die Vollendung des 14. Lebensjahrs (das sog. Diskretionsjahr). 11 Oder aber durch Teilnahme an den Religionshandlungen einer anderen Religionspartei (nach Maßgabe des § 42 I I 11 ALR). 12 Der Ausdruck „Polizeygesetze" verwendet den Begriff „Polizei" i n seinem ursprünglichen, damals noch herrschenden Sinn ( = alle Maßnahmen zur Herstellung und Erhaltung des guten Zustands des Gemeinwesens). Der Sinn der Bestimmung ist: Anordnungen über den Gottesdienst sind als liturgische Regelungen zwar keine „Polizeigesetze", erlangen durch die staatliche Genehmigung aber die K r a f t und Verbindlichkeit wie Polizeigesetze (dazu auch unten Nr. 256).

6

1. Kap.: Staat und Kirche in der Zeit der Reichsauflösung

§51. Dergleichen Kirchenzucht soll bloß zur Abstellung öffentlichen Ärgernisses abzielen. § 52. Sie darf niemals i n Strafen an Leib, Ehre oder Vermögen der Mitglieder ausarten. § 53. Sind dergleichen Strafen zur Aufrechthaltung der Ordnung, Ruhe und Sicherheit in der Kirchengesellschaft nothwendig: so muß die Verfügung der v o m Staate gesetzten Obrigkeit überlassen werden. § 54. Wenn einzelne Mitglieder durch öffentliche Handlungen eine Verachtung des Gottesdienstes und der Religionsgebräuche zu erkennen geben oder andre in ihrer Andacht stören: so ist die Kirchengesellschaft befugt, dergleichen unwürdigen Mitgliedern, so lange sie sich nicht bessern, den Z u t r i t t i n ihre Versammlungen zu versagen. § 55. Wegen bloßer von dem gemeinen Glaubensbekenntnisse abweichender Meinungen kann kein Mitglied ausgeschlossen werden. §56. Wenn über die Rechtmäßigkeit der Ausschließung Streit entsteht: so gebührt die Entscheidung dem Staate. §57. So weit m i t einer solchen Ausschließung nachtheilige Folgen für die bürgerliche Ehre des Ausgeschlossenen verbunden sind, muß vor deren Veranlassung die Genehmigung des Staats eingeholt werden. Zweiter

Abschnitt.

Von den M i t g l i e d e r n

der

Kirchengesellschaften

§ 58. Die Kirchengesellschaft besteht aus geistlichen und weltlichen M i t gliedern. Rechte und Pflichten in Ansehung des geistlichen

Amts

§ 66. Die besondern Rechte und Pflichten eines katholischen Priesters, i n Ansehung seiner geistlichen Amtsverrichtungen, sind durch die Vorschriften des Canonischen Rechts, der protestantischen Geistlichen aber durch die Consistorial- und Kirchenordnungen bestimmt. § 67. A l l e Geistliche müssen sich, bey Verlust ihres Amts, eines ehrbaren und dem Volke unanstößigen Lebenswandels vorzüglich befleißigen. § 68. Auch i n gleichgültigen Dingen müssen sie alle Gelegenheit zum Anstoße für die Kirchengemeine sorgfältig vermeiden. § 69. A l l e r zudringlichen Einmischungen i n Privat- und Familienangelegenheiten müssen sie sich enthalten. § 70. Durch vorsichtiges und sanftmüthiges Betragen müssen sie die Liebe und das Vertrauen der Gemeine zu erwerben suchen. § 71. Überhaupt müssen sie i n Lehre und Wandel ihren Zuhörern m i t einem guten Beyspiele der Sanftmuth und Verträglichkeit, selbst gegen fremde Religionsverwandte, vorgehen. § 73. I n ihren Amtsvorträgen und bey dem öffentlichen Unterrichte müssen sie, zum Anstoße der Gemeine, nichts einmischen, was den Grundbegriffen ihrer Religionspartey widerspricht. § 74. I n wie fern sie, bey innerer Uberzeugung von der Unrichtigkeit dieser Begriffe, i h r A m t dennoch fortsetzen können, bleibt ihrem Gewissen überlassen.

I. Staatskirchenrecht des deutschen aufgeklärten Absolutismus

7

§ 75. Auch außer der Kirche müssen Geistliche, denen die Seelsorge bey einer Kirchengesellschaft anvertraut ist, an der Belehrung u n d moralischen Besserung ihrer Mitglieder unermüdet arbeiten. § 76. Zu Privatermahnungen, i n so fern dieselben m i t Sanftmuth und Bescheidenheit geschehen, sind sie berechtigt. § 80. Was einem Geistlichen unter dem Siegel der Beichte oder der geistlichen Amtsverschwiegenheit anvertraut worden, das muß er, bey Verlust seines Amts, geheim halten. § 81. Auch zum gerichtlichen Zeugnisse über den I n h a l t solcher Eröffnungen kann ein Geistlicher, ohne den Willen desjenigen, der i h m dieselben anvertraut hat, nicht aufgefordert werden. § 82. So weit aber die Offenbarung eines solchen Geheimnisses nothwendig ist, u m eine dem Staate drohende Gefahr abzuwenden; oder ein Verbrechen zu verhüten; oder den schädlichen Folgen eines schon begangenen Verbrechens abzuhelfen oder vorzubeugen, muß der Geistliche dasselbe der Obrigkeit anzeigen. § 86. K e i n Geistlicher darf eigenmächtig irgend ein M i t g l i e d der Gemeine von Beywohnung des Gottesdienstes oder von den Sacramenten ausschließen. §87. Findet er Bedenken, Jemanden zuzulassen: so muß er demselben dies Bedenken i n Zeiten m i t vernünftiger Schonung eröffnen. §88. Besteht derselbe dennoch auf seiner Zulassung: so muß der Geistliche den Vorfall, m i t Verschweigung des Namens, seinen geistlichen Obern anzeigen, und nach deren Vorbescheidung sich achten. § 89. N u r i n Fällen, wenn Jemand zu einer gottesdienstlichen Handlung i n der Trunkenheit, in anstößiger oder ärgerlicher K l e i d u n g oder sonst i n einem Zustande sich darstellt, i n welchem er, ohne offenbaren Anstoß u n d grobes Ärgerniß der Gemeine oder seiner Mitgenossen bey dieser Handlung nicht zugelassen werden kann, mag der Geistliche einen solchen Menschen, bis auf weitere Verfügung der Behörde, zurückweisen. § 90. Der einmal zurückgewiesene (§§ 87, 89) muß die Vorbescheidung der geistlichen Obern abwarten. §91. K e i n Geistlicher k a n n ein Mitglied der Gemeine zur Beywohnung des Gottesdienstes und zum Gebrauche der Sacramente durch äußern Zwang anhalten. § 92. Auch zu Haus- und Krankenbesuchen darf er sich Niemanden gegen dessen erklärte Abneigung aufdringen. Weltliche

Mitglieder

§108. Die weltlichen Mitglieder einer Kirchengesellschaft haben das Recht, sich der Anstalten der Gesellschaft zu ihren Religionshandlungen zu bedienen. § 109. Sie müssen sich aber dabey den bey dieser Gesellschaft eingeführten Ordnungen und Verfassungen unterwerfen. §110. So lange sie Mitglieder der Gesellschaft bleiben, müssen sie zur Unterhaltung der Kirchenanstalten nach den Verfassungen der Gesellschaft beytragen.

8 Dritter

1. Kap.: Staat und Kirche in der Zeit der Reichsauflösung Abschnitt.

Von d eη Οb er η u η d V οr geset ζ t e η d e r Κ i r c h e η g es e 11 s c h a f t e η Von dem geistlichen

Departement

§113. Die dem Staate über die Kirchengesellschaften nach den Gesetzen zukommenden Rechte werden von dem geistlichen Departement 1 3 i n so fern verwaltet, als sie nicht dem Oberhaupte des Staats ausdrücklich vorbehalten sind. §114. Außerdem aber stehen die Kirchengesellschaften einer jeden vom Staate aufgenommenen Religionspartey unter der Direction ihrer geistlichen Obern. Von Bischöfen §115. Bey den katholischen Glaubensgenossen ist der Bischof der gemeinschaftliche Vorgesetzte aller Kirchengesellschaften des i h m angewiesenen Districts. § 116. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Staats kann keine Kirchengesellschaft von dieser Unterordnung gegen den Bischof der Diözes ausgenommen werden. §117. K e i n Bischof darf i n Religions- und Kirchenangelegenheiten ohne Erlaubniß des Staats neue Verordnungen machen oder dergleichen von fremden geistlichen Obern annehmen. §118. Alle päbstliche Bullen, Breven und alle Verordnungen auswärtiger Obern der Geistlichkeit müssen vor ihrer Publication und Vollstreckung dem Staate zur Prüfung und Genehmigung vorgelegt werden. §121. Dem Bischof gebührt die Aufsicht über die Amtsführung, Lehre und Wandel der seiner Diözes unterworfenen Geistlichen. §122. Diese sind i h m Ehrfurcht und i n Angelegenheiten ihres geistlichen A m t s Gehorsam schuldig. § 123. Der Bischof ist berechtigt, bey den Kirchen seiner Diözes, so oft er es nöthig findet, Visitationen vorzunehmen. § 124. Die Rechte der Kirchenzucht gebühren n u r dem Bischöfe. §125. Vermöge dieses Rechts kann er die i h m untergeordneten Geistlichen durch geistliche Bußübungen, durch kleine, den Betrag von 20 Thalern nicht übersteigende Geldbußen, oder auch durch eine die Dauer von 4 Wochen nicht übersteigende Gefängnißstrafe, zum Gehorsame und zur Beobachtung ihrer Amtspflichten anhalten. 13 Das seit 1736 nachweisbare Geistliche Departement („Departement der geistlichen Sachen") w a r eine außerhalb des preußischen Generaldirektoriums stehende selbständige Zentralbehörde; es wurde in der letzten Epoche des f r i derizianischen Staats i n Personalunion von dem Chef des Justizdepartements verwaltet, so von den Ministern Karl Abraham Frhr. v. Zedlitz (1771 - 1788), Johann Christoph v. Wöllner (1788 - 1798) und Julius v. Massow (1798 - 1807). Seine Zuständigkeit erstreckte sich auch auf das gesamte Unterrichtswesen. Zu unterscheiden vom „Geistlichen Departement" als der über allen Konfessionen stehenden Zentralbehörde waren die beiden 1763/64 f ü r die protestantischen Kirchen geschaffenen Departements: das Lutherische Geistliche und Schuldepartement und das (deutsch- u n d französisch-) Reformierte Geistliche und Schuldepartement (aufgehoben 1808).

I. Staatskirchenrecht des deutschen aufgeklärten Absolutismus

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§ 126. Geistliche katholischer Religion, die sich in ihrer Amtsführung grober Vergehungen schuldig gemacht haben, müssen nach dem Erkenntnisse des geistlichen Gerichts bestraft werden. §127. Langwieriges Gefängniß (§ 125) und andre körperliche Strafen ist weder der Bischof noch ein geistliches Gericht zu verhängen berechtigt. §128. I n weltlichen Angelegenheiten der Geistlichen kann sich der Bischof nur i n so weit einer Gerichtsbarkeit und eines Erkenntnisses anmaßen, als i h m das Recht dazu vom Staate ausdrücklich verliehen worden ist. §129. Auch über ein Privatinteresse, welches bey Gelegenheit einer A m t s handlung entstanden ist, gebührt das Erkenntniß i n der Regel den weltlichen Gerichten. § 133. Die Bestellung eines bischöflichen Generalvicarius kann ohne Landesherrliche Genehmigung nicht geschehen. § 134. A l l e Obern der Geistlichkeit sind dem Staate zur vorzüglichen Treue und Gehorsam verpflichtet. Von auswärtigen

Bischöfen

§135. K e i n auswärtiger Bischof oder andrer geistlicher Obere darf sich i n Kirchensachen eine gesetzgebende Macht anmaßen. § 136. Auch darf er irgend einige andre Gewalt, Direction oder Gerichtsbarkeit i n solchen Sachen ohne ausdrückliche E i n w i l l i g u n g des Staats nicht ausüben. §137. K e i n Unterthan des Staats, geistlichen oder weltlichen Standes, kann unter irgend einem Vorwande zu der Gerichtsbarkeit auswärtiger geistlicher Obern gezogen werden. Protestantische

Consistoria

§ 143. Bey den Protestanten kommen die Rechte und Pflichten des Bischofs in Kirchensachen, der Regel nach, den Consistoriis zu. § 144. Der Umfang der Geschäfte derselben ist durch die Consistorial- und Kirchenordnungen, nach den verschiedenen Verfassungen der Provinzen und Departements, näher bestimmt. § 145. Sämmtliche Consistoria der Protestanten stehen unter der Oberdirection des dazu verordneten Departements des Staatsministerii. § 146. Ohne desselben Vorwissen und Genehmigung kann i n Kirchensachen keine Veränderung vorgenommen, noch weniger können neue Kirchenordnungen eingeführt werden. Vierter

Abschnitt.

Von den G ü t e r n und dem Kirchengesellschaften

Vermögen

der

§ 160. Zu dem Vermögen der Kirchengesellschaften gehören die Gebäude, liegende Gründe, Capitalien und alle Einkünfte, welche zur anständigen Unterhaltung des äußern Gottesdienstes für jede Kirchengemeine nach deren Verfassung bestimmt sind. § 161. Das Kirchenvermögen steht unter der Oberaufsicht und Direction des Staats.

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1. Kap.: Staat und Kirche in der Zeit der Reichsauflösung

§ 162. Der Staat ist berechtigt, darauf zu sehen, daß die Einkünfte der Kirchen zweckmäßig verwendet werden. § 163. I h m kommt es zu, dafür zu sorgen, daß nützliche Anstalten aus Mangel des Vermögens nicht zu Grunde gehen. § 164. F ü r den Unterhalt der bey einer Kirchengcscllschaft angesetzten Beamten muß die Gesellschaft selbst sorgen. § 167. Das Kirchenvermögen steht unter der Aufsicht der geistlichen Obern. § 168. Diese sind schuldig, für die Unterhaltung und zweckmäßige Verwendung desselben, nach der Verfassung einer jeden Kirchengesellschaft, zu sorgen. §169. Keinem auswärtigen geistlichen Obern soll erlaubt seyn, sich irgend einer Aufsicht oder Direction über das Vermögen inländischer Kirchen unmittelbar anzumaßen. Sechster

Abschnitt.

Von dem P f a r r e r

und dessen

Rechten

Begriff §318. Derjenige Geistliche, welcher zur Direction und Verwaltung des Gottesdienstes bey einer Parochialkirche bestellt worden, w i r d der Pfarrer des Kirchspiels genannt. Amtserfordernisse

und

Amtspflichten

§319. Ein Pfarrer muß die von einem geschickten und tugendhaften Geistlichen erforderten Eigenschaften i m vorzüglichen Grade besitzen. § 320. Er muß sich den Wohlstand der Kirche, den Unterricht der Gemeine und die Beförderung eines guten moralischen Verhaltens ihrer sämmtlichen Mitglieder besonders angelegen seyn lassen. §417. Bey seiner Amtsführung muß der Pfarrer alle den Geistlichen überhaupt vorgeschriebenen Pflichten sorgfältig beobachten. Pfarrzwang §418. Dagegen hat er das Recht, von den Eingepiarrten zu fordern, daß sie sich in ihren Religionshandlungen, zu deren Vollziehung es der M i t w i r kung eines Pfarrers bedarf, n u r seines Amts bedienen sollen. §422. Auch i n einzelnen Fällen dürfen Eingepfarrte ihre Trauungen. Taufen und Begräbnisse durch einen andern als den i n ihrer Parochie bestellten Pfarrer ohne dessen E i n w i l l i g u n g nicht vornehmen lassen. Trauungen und Taufen § 435. Die Trauung gebührt der Regel nach dem Pfarrer der Braut. §440. Jeder Pfarrer, welcher ein Aufgebot oder eine Trauung verrichten soll, muß die darüber vorhandenen gesetzlichen Vorschriften genau beobachten und sorgfältige Erkundigungen einziehen: ob die rechtlichen Erfordernisse einer gültigen Ehe vorhanden oder ob Ehehindernisse i m Wege sind. §441. Wenn m i t Erlaubniß des ordentlichen Pfarrers die Trauung durch einen andern Geistlichen verrichtet und diesem der gehörige Aufgebotsschein vorgelegt worden: so w i r d der trauende Pfarrer nur wegen solcher Mängel und Ehehindernisse verantwortlich, von denen er überführt werden kann, daß sie i h m w i r k l i c h bekannt gewesen sind.

I I . Das französische Konkordat

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§442. Wenn ein katholischer Pfarrer Anstand nimmt, eine Ehe, welche nach den Landesgesetzen erlaubt ist, u m deswillen, w e i l die Dispensation der geistlichen Obern nicht nachgesucht oder versagt worden 1 4 , durch Aufgebot und Trauung zu vollziehen: so muß er sich gefallen lassen, daß diese von einem andern Pfarrer verrichtet werden. §443. Das Landes-Justizcollegium 1 > ist i n einem solchen Falle, so wie auch alsdann schon, wenn der katholische Pfarrer das Aufgebot aus einem solchen Grunde versagt, w o h l befugt, beides einem andern Pfarrer, allenfalls auch von einer verschiedenen Religionspartey, aufzutragen. Anhang § 130. Es macht keinen Unterschied, ob nur einer oder ob beide Theile der Katholischen Religion zugethan sind. § 444. Übrigens sind die katholischen Pfarrer bey fiskalischer Ahndung verbunden, die von ihren geistlichen Obern ihnen zukommenden Dispensationen, ehe sie davon Gebrauch machen, dem Landes-Justizcollegio der Provinz vorzulegen. § 446. Die Taufe ehelicher K i n d e r gebührt i n der Regel dem Pfarrer des Vaters. §447. Sind die A l t e r n von verschiedener Religionspartey: so gebührt die Taufe bey Söhnen der Regel nach dem Pfarrer des Vaters, so wie bey Töchtern dem Pfarrer der Mutter™.

I I . Das französische K o u k o r d a t Mit dem französischen Konkordat von 1801 beginnt die Epoche der neuzeitlichen Konkordate. Die französische Nationalversammlung hatte am 2. November 1789 alle Kirchengüter säkularisierV. Die kirchlichen Angelegenheiten regelte sie zunächst einseitig in einer Reihe von Gesetzen aus dem Jahr 1790*; deren hervorstechende Bestimmung war die „Zivilkonstitution" des Klerus. Papst Pius V/.·'5 verwarf diese im Frühjahr 1792; darauf spaltete sich die katholische Kirche Frankreichs; die Beziehungen zwischen Paris und Rom wurden abgebrochen. Erst nach dem Staatsstreich Bonapartes (9. November 1799) und dem Amtsantritt Papst Pius VII.4 kam es zu Verhandlungen, die auf kirchlicher Seite der Kardinalstaatssekretär Consalvi führte*; sie miin14 Gedacht ist hier vor allem an das kirchliche Ehehindernis der Konfessionsverschiedenheit der Brautleute, zu dessen Beseitigung nach Kanonischem Recht eine kirchliche Dispensation erforderlich war. Zu dieser Frage der gemischten Ehen unten S. 309 ff. 15 Landes-Justizcollegien hießen die Obergerichte der einzelnen preußischen Provinzen. 16 Diese Vorschrift entspricht den Regeln des A L R über die Bekenntniszugehörigkeit der Kinder aus gemischten Ehen. Dazu unten Nr. 122. 1 Décret qui met les biens ecclésiastiques à la disposition de la nation (Ζ. Giacometti, Quellen zur Trennung von Staat und Kirche, 1926, S. 3). 2 Vgl. die Dekrete bei Giacometti, a.a.O., S. 3 ff. 3 Pius VI. = Giovanni Angelo Braschi (1717 - 1799); seit 1773 Kardinal; 1775 bis 1799 Papst. 4 Pius VII. =•-• Barnaba Chiavamonti (1740 - 1823); seit 1785 K a r d i n a l ; 1800 bis 1823 Papst. 5 Ercole Marchese Consalvi (1757 - 1824), seit 1783 Prälat an der Kurie, 1792 A u d i t o r (Richter) an der Rota Romana, einem der beiden päpstlichen Gerichts-

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1. Kap.: Staat und Kirche in der Zeit der Reichsauflösung

deten in das am 15. Juli 1801 abgeschlossene französische Konkordat (Nr. 2). Dieses wurde zusammen mit den Organischen Artikeln für die katholische Kirche« wie für die protestantischen Kirchen 7 veröffentlicht. Den Organischen Artikeln für die katholische Kirche verweigerte der Papst die Zustimmung, was ihre praktische Wirksamkeit jedoch nicht einschränkte. Napoleon (seit 1804 „Kaiser der Franzosen") nötigte 1S12 dem Papst eine zweite Vereinbarung, das Konkordat von Fontainebleau, auf, in dem Pius VII. auf den Kirchenstaat verzichten und die Reste seines Einflusses auf die katholische Kirche Frankreichs preisgeben mußte*. Nach Napoleons Sturz trat jedoch das Konkordat von 1801 unverkürzt wieder in Kraft. Das französische Konkordat von 1801 ist auch für die Entwicklung des deutschen Staatskirchenrechts von erheblichem Gewicht. Schon bei der Auseinandersetzung zwischen dem Papst und Kaiser Franz I I . 9 über den Reichsdeputationshauptschluß, sodann für das Staatskirchenrecht der Rheinbundstaaten, später in den Bestrebungen, ein deutsches Reichskonkordat abzuschließen, wie auch aus anderen Anlässen spielte das französische Konkordat für die deutsche staatskirchenrechtliche Entwicklung eine bedeutende Rolle. In den zeitweise zum französischen Staatsgebiet gehörenden deutschen Territorien, besonders auf dem linken Rheinufer, besaßen das Konkordat und die Organischen Artikel unmittelbare Geltung, die sie auch nach dem Ende der französischen Herrschaft zunächst behielten. N r . 2. Konvention zwischen dem Heiligen Stuhl und der Französischen Republik vom 15. J u l i 1801 (E. Münch, Vollständige Sammlung der ältern und neuern Konkordate, Teil 2, 1831, S. 11 ff.) — Übersetzung aus dem französischen T e x t 1 0 — Die Regierung der Republik erkennt an, daß die katholische, apostolische und römische Religion die Religion der großen Mehrheit der französischen Bürger ist. Se. Heiligkeit erkennt i n gleicher Weise an, daß diese Religion den größten Nutzen und den größten Glanz daraus gewonnen und k ü n f t i g daraus zu erwarten hat, daß der katholische K u l t i n Frankreich eingerichtet ist und daß insbesondere die Konsuln der Republik sich zu ihm bekennen. höfe; 1800 K a r d i n a l und Staatssekretär Papst Pius V I I . ; 1806 unter dem Druck Napoleons abberufen; 1814 - 1823 erneut Kardinalstaatssekretär. 6 Organische A r t i k e l v o m 8. A p r i l 1802 (Text: E. Münch, Vollständige Sammlung der ältern und neuern Konkordate, 2. Teil, 1831, S. 13 ff.). 7 Organische A r t i k e l f ü r die protestantischen Kirchen v o m 8. A p r i l 1802 (Text: Z. Giacometti, a.a.O., S. 39 ff.). 8 T e x t : E. Münch, a.a.O., S. 50 ff. 9 Franz II. (1768 - 1835), Sohn Kaiser Leopolds II., seit 1792 römisch-deutscher Kaiser (bis 1806); als Kaiser von Österreich (1804 - 1835) Franz I. genannt. 10 Lat. T e x t : Acta Apostolicae Sedis X X X V I I I (1905/06) Anhang S. 141 ff.; franz. und lat. Text: auch bei Z. Giacometti, Quellen zur Geschichte der Trennung von Staat und Kirche (1926) S. 31 f.

I I . Das französische Konkordat

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Nach dieser wechselseitigen Anerkenntnis sind die Vertragschließenden zum Wohl der Religion wie zur Aufrechterhaltung der inneren Ruhe i n Folgendem übereingekommen: Art. I. Die katholische, apostolische und römische Religion w i r d i n F r a n k reich frei ausgeübt werden. I h r K u l t w i r d öffentlich sein, wobei er sich i n Ubereinstimmung m i t den polizeilichen Vorschriften halten wird, die die Regierung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe als notwendig erachten wird. Art. II. Der Heil. Stuhl wird, i m Einklang m i t der französischen Regierung, eine neue Z i r k u m s k r i p t i o n der französischen Diözesen durchführen. Art. III. Se. Heiligkeit erklärt den Amtsinhabern der französischen Bistümer, daß Sie von ihnen m i t festem Vertrauen zum Wohl des Friedens und der Einheit jedwedes Opfer erwartet, selbst das ihrer Bischofssitze. Wenn sie nach einer solchen Ermahnung dieses Opfer, das v o m Wohl der Kirche gefordert wird, verweigern würden (was Seine Heiligkeit allerdings nicht erwartet), w i r d für die Leitung der französischen Bistümer nach der neuen Z i r k u m s k r i p t i o n durch neue Amtsinhaber i n folgender Weise gesorgt werden: Art. IV. Der Erste Konsul der Republik w i r d i n den ersten drei Monaten nach der Veröffentlichung der Bulle Sr. H e i l i g k e i t 1 1 Erzbischöfe und Bischöfe für die Diözesen der neuen Z i r k u m s k r i p t i o n nominieren. Seine Heiligkeit w i r d die kanonische Einsetzung i n den Formen vollziehen, die für Frankreich vor dem Regierungswechsel galten. Art. V. Die Nominierungen für die Bistümer, die später vakant werden, werden gleichfalls durch den Ersten Konsul vorgenommen; die kanonische Einsetzung w i r d durch den Heiligen Stuhl gemäß dem vorstehenden A r t i k e l v o l l zogen. Art. VI. Die Bischöfe werden, bevor sie i h r A m t wahrzunehmen beginnen, unmittelbar vor dem Ersten Konsul den Treueid schwören, der vor dem Regierungswechsel i m Gebrauch war, und zwar m i t folgenden Worten: „Ich schwöre und verspreche Gott, bei den heiligen Evangelien, Gehorsam und Treue der Regierung gegenüber zu wahren, die durch die Verfassung der französischen Republik eingesetzt ist. Ich verspreche auch, keinerlei Einvernehmen zu haben, keiner Beratung beizuwohnen, keine Verbindung zu unterhalten, sei es i m Ausland oder Inland, die der öffentlichen Ruhe entgegensteht; und wenn ich — i n meiner Diözese oder anderswo — erfahre, daß etwas zum Schaden des Staates angezettelt wird, werde ich es der Regierung zur Kenntnis geben." Art. VII. Die Priester des zweiten Weihegrades werden denselben Eid vor den von der Regierung dafür bestimmten Zivilbehörden schwören. Art. VIII. Die folgende Gebetsformel w i r d am Ende der heiligen Messe i n allen kath. Kirchen Frankreichs gesprochen werden: Domine, salvam fac rempublicam. Domine, salvos fac consules. 11 Gemeint ist die Zirkumskriptionsbulle Qui Christi D o m i n i Vices vom 29. November 1801 (Text: A. A. Barberi , B u l l a r i i Romani Continuatio Summorum Pontifìcum, Bd. X I , 1846, S. 245 ff.).

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1. Kap.: Staat und Kirche in der Zeit der Reichsauflösung

Art. IX. Die Bischöfe werden i n ihren Diözesen eine neue Z i r k u m s k r i p t i o n der Pfarreien vornehmen; diese w i r d erst nach der Zustimmung der Regierung in die Tat umgesetzt werden. Art. X. Die Bischöfe werden die Pfarrer nominieren. Ihre Wahl w i r d nur auf Personen fallen können, die die Regierung gebilligt hat. Art. XI. Die Bischöfe können an ihrer Kathedrale ein K a p i t e l und ein Diözesanseminar einrichten, jedoch, ohne daß die Regierung sich zu deren Dotation verpflichtet. Art. XII. Alle Metropolitankirchen, Kathedralen, Parochialkirchen und anderen Kirchen, die nicht enteignet wurden, werden, sofern sie für den Gottesdienst notwendig sind, den Bischöfen zur Verfügung gestellt. Art. XIII. Se. Heiligkeit erklärt i m Interesse des Friedens und der glücklichen Wiederherstellung der katholischen Religion, daß weder sie noch ihre Nachfolger diejenigen, die veräußerte Kirchengüter erworben haben, auf irgend eine Weise i m Besitz stören werden, daß also das Eigentum an diesen Gütern, sowie die Rechte und Einkünfte, die m i t ihnen verbunden sind, unantastbar i n deren Händen oder i n denen ihrer Rechtsnachfolger verbleiben. Art. XIV. Die Regierung w i r d den Bischöfen und Pfarrern, deren Diözesen und Pfarreien i n die neue Z i r k u m s k r i p t i o n eingeschlossen sind, eine angemessene Besoldung zusichern. Art. XV. Die Regierung w i r d ebenfalls Maßnahmen ergreifen, damit die französischen Katholiken, wenn sie wollen, Stiftungen zugunsten von Kirchen machen können. Art. XVI. Se. Heiligkeit anerkennt, daß der Erste Konsul der französischen Republik über dieselben Rechte und Prärogativen verfügt wie zuvor die alte Regierung. Art. XVII. Es w i r d zwischen den Vertragsparteien vereinbart, daß für den Fall, daß einer der Nachfolger des gegenwärtigen Ersten Konsuls nicht katholisch sein sollte, die Rechte und Prärogativen des voranstehenden Artikels und die Nominierung der Bischöfe i n bezug auf diesen Nachfolger durch eine neue Konvention geregelt werden.

I I I . Der Frieden von L u n é v i l l e Nach dem ersten Koalitionskrieg (1792 - 1797) erklärte Österreich sich in einem geheimen Zusatzabkommen zum Frieden von Campo Formio (1797) mit der Eingliederung der deutschen linksrheinischen Gebiete in die französische Republik einverstanden. Auch die Reichsdeputation beim Rastatter Kongreß nahm diese französische Forderung an. Der Friedensvertrag von Lunéville von 1801 (Nr. 3) besiegelte die Abtretung. Die in ihm vorgesehene Entschädigung der depossedierten linksrheinischen Reichsstäiide durch rechtsrheinische Gebiete war nur auf dem Weg der Säkularisierung der rechtsrheinisch gelegenen geistlichen Reichsfürstentümer möglich. Doch erhob Papst Pius VII. in einem Schreiben an Kaiser Franz II. gegen diesen Plan Protest (Nr. 4). Er hatte damit allerdings keinen Erfolg — unter anderem deshalb, weil entscheidend für das Entschädigungsverfahren weder der Kaiser noch die Reichsdeputation, sondern Frankreich und Rußland waren, die auf Grund

I I I . Der Frieden von Lunéville

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einer in Paris getroffenen Vereinbarung dem Reichstag am 18. August 1802 einen gemeinsamen Entschädigungsplan vorlegten. Die vom Kaiser einberufene Reichsdeputation in Regensburg war der Sache nach nur ausführendes Organ für den französisch-russischen Plan. Über den Umfang der geplanten Gebietsveränderungen ist zu sagen: die linksrheinischen geistlichen Reichsfürstentümer (die Kurfürstentümer Mainz, Trier und Köln, die Bistümer Speyer, Worms und Lüttich, sowie die Reichsabteien Prüm und Stablo) waren ohnedies durch Einverleibung in Frankreich der Säkularisation verfallen. An rechtsrheinischen geistlichen Px,eichsfürstentümern standen für die geplante Säkularisation zur Verfügung: das Erzbistum Salzburg, die Bistümer Augsburg, Bamberg, Brixen, Corvey, Eichstätt, Freising, Fulda, Hildesheim, Konstanz, Münster, Osnabrück, Paderborn, Passau, Regensburg, Trient und Würzburg; zahlreiche Reichsabteien, darunter Elten, Essen, Werden, Herford, Kappenberg, Quedlinburg, Kempten und St. Blasien; die Reichsprobsteien Berchtesgaden und Elhoangen; die Gebiete des Deutschordens und des Johanniterordens; schließlich die rechtsrheinisch gelegenen Teile der linksrheinischen Bistümer Straßburg, Speyer, Worms, Mainz, Trier und Köln. N r . 3. Friedensvertrag von Lunéville vom 9. Februar 1801 (G. F. v. Martens, Receuil des principeaux Traités depuis 1761, Bd. 7, 1801, S. 538 ff.) — Übersetzung im Auszug — Art. 7. Und da infolge der Abtretungen, die das Reich an die französische Republik zugestanden hat, mehrere Fürsten und Stände des Reichs ihre Gebiete ganz oder teilweise verloren haben, es aber dem Reich insgesamt obliegt, die aus den Bestimmungen des gegenwärtigen Vertrags entspringenden Verluste zu tragen, ist zwischen Sr. Majestät dem Kaiser und König, sowohl i n Ihrem als des Deutschen Reiches Namen, und der französischen Republik vereinbart worden, daß in Ubereinstimmung m i t den förmlich beim Rastatter Kongreß aufgestellten Grundsätzen 1 das Reich dazu verpflichtet ist, den erblichen Fürsten, welche linksrheinische Besitzungen verloren haben, eine Entschädigung zu geben, welche den Abmachungen zufolge, die auf dieser G r u n d lage weiterhin getroffen werden sollen, aus Gebieten im Innern des besagten Reichs genommen werden soll.

1 A u f dem Rastatter Kongreß (1797 - 1799) hatte die Reichsdeputation die französische Abtretungsforderung und den Entschädigungsgrundsatz zugunsten der linksrheinischen Reichsstände angenommen (Verfassungsgeschichte Bd. I S . 34 ff.).

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1. Kap.: Staat und Kirche in der Zeit der Reichsauflösung N r . 4. Schreiben Papst Pius V I I . an Kaiser Franz I I . vom 27. Juni 1801 (Übersetzung bei L. König, Pius VII., die Säkularisation und das Reichskonkordat, 1904, S. 1 ff.) — Auszug —

Nicht ohne den tiefsten Schmerz haben W i r vernommen, welch schwere Gefahren infolge des Friedens von Lunéville den Bistümern, Kapiteln, Abteien u n d dem ganzen W e l t - und Ordensklerus drohen. M a n hat Uns versichert, daß i n demselben projektiert sei, jede zeitliche Herrschaft wenn nicht aller, doch wenigstens vieler Bistümer einzuschränken und vielleicht sogar zu vernichten und die weltlichen Fürsten, auch andersgläubige, für die i m letzten Kriege erlittenen Verluste m i t Gütern zu entschädigen, welche rechtmäßiges Eigentum des Welt- und Ordensklerus sind. Dieser neue Schlag, den außer so vielen andern sehr schweren die Kirche in den gegenwärtigen für sie so verhängnisvollen Zeitumständen hat erdulden müssen, würde Uns wahrhaftig zu Boden drücken, wenn W i r nicht nach Gott Unser Vertrauen auf Euere Kaiserliche Majestät setzten. I n Ihrer ausgezeichneten religiösen Gesinnung und i n dem regen, von I h r e n glorreichen Vorfahren ererbten Eifer, wie er m i t den erhabenen T i t e l n eines Reichsoberhauptes und Schutzherrn der katholischen Kirche, die Sie sich zu so hoher Ehre rechnen, notwendig verbunden ist, w i r d Ew. Majestät niemals zugeben, daß ein so ungerechter Plan zur Durchführung kommt. Da Uns berichtet wurde, daß die Bestätigung des Planes betreffs der Entschädigungen, welche den Reichsfürsten zufallen, ganz dem weisen Willen Ew. M. überlassen sei, finden W i r darin keinen geringen Trost, daß W i r die Sache der Kirche i n Deutschland i n so gefahrvoller Lage i n zu gute Hände gelegt sehen, als daß W i r einem weitern Bedenken Raum geben könnten, es möchte den Diözesen irgend ein Schaden daraus erwachsen. Obgleich W i r aber das lebendigste Vertrauen i n die religiöse Gesinnung und Gerechtigkeit Ihres großmütigen Herzens setzen, können W i r doch i m Drange der Pflicht, die Uns als Haupt der Kirche, als Wächter und Schützer der katholischen Religion obliegt, es nicht unterlassen, vereint m i t allen Kirchen des Deutschen Reiches Ew. M. Unser dringendes Verlangen auszudrücken und m i t dem wärmsten Ausdruck der Gefühle Unsers Herzens eine Angelegenheit zu empfehlen, für die w i r das teuerste Interesse hegen müssen. Denn welches Ärgernis würde i n der christlichen Welt entstehen, wenn Ew. M., i h r vorzüglichster Verteidiger, nicht m i t aller Macht Ihrer kaiserlichen Autorität einer Usurpation sich widersetzen wollten, die i h r so gewaltigen Schaden verursacht? Welches für jeden friedlichen und rechtmäßigen Besitz unheildrohende Beispiel würde nicht den Völkern gegeben, wenn der vorliegende, gegen jedes Recht, jeden Anspruch, jede altehrwürdige Verjährung verstoßende Plan von katholischen Fürsten ausgeführt oder gebilligt oder auch nur geduldet würde? Welchen Gefahren wäre unsere heilige Religion in Deutschland ausgesetzt, wenn die Macht der Rechtgläubigen i m Reiche eingeschränkt, ja man kann sagen, vernichtet und durch die Beraubung der katholischen Fürsten die Macht der Andersgläubigen gehoben würde? Es kann Ew. M.

I V . Der Reichsdeputationshauptschluß (1803)

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nicht unbekannt sein, von welch unseligen Folgen für die Religion die u n gerechten A r t i k e l des westfälischen Friedens waren, gegen welche Unser Vorgänger Innozenz X. glorreichen Andenkens i n der apostolischen Konstitution „Zelo Domus Dei" feierlich Protest erhoben hat 2 . Dasselbe, ja ein noch größeres Unglück steht der Religion jetzt bevor, wenn Ew. M. i n dieser Not nicht helfen u n d die drohende Gefahr nicht abwenden. W i r b i t t e n Sie also bei dem erbarmungsvollsten Herzen unsers H e r r n Jesus Christus und beschwören Sie, Unsere Stimme u n d die der ganzen Kirche zu hören u n d treu dem Versprechen, das Sie Gott gegeben, m i t I h r e m mächtigen A r m e die Zersplitterung so vieler gottgeweihter Güter u n d die Vernichtung jener Macht zu hindern, welche die doppelte ehrenvolle Stütze der Religion und des Reiches bildet. Zeigen Ew. Majestät vielmehr, daß Sie i n I h r e m Herzen den ganzen Eifer Ihrer großen Vorfahren nähren, welche sich i n der Verteidigung der Kirche so sehr ausgezeichnet haben! W i r rufen I h r e n obersten Schutz u m so dringender an, als Unser Schmerz aufs höchste gesteigert würde, w e n n Wir, verlassen von I h r e r Hilfe, zu Unserm Leide gemäß der Obliegenheit Unsers apostolischen Amtes u n d nach dem Beispiel der Päpste Uns zum Gebrauche der gebotenen M i t t e l gezwungen sähen, u m einem Angriffe Uns zu widersetzen, den m a n gegen jene Rechte zu unternehmen wagt, deren Wahrung Uns von Jesus Christus anvertraut i s t . . A

I V . D e r R e i c h s d e p u t a t i o n s h a u p t s c h l u ß (1803) Die verfassungsrechtliche Bedeutung des Friedens von Lunéville kam der des Westfälischen Friedens (1648) mindestens gleich. Die Säkularisationen und Mediatisierungen, die er nach sich zog, bedeuteten eine tiefgreifende Umgestaltung der Reichsverfassung im Ganzen. Die Feststellung des Entschädigungsgesetzes übertrugen Kaiser und Reichstag einer zu diesem Zweck gebildeten Reichsdeputation, nachdem Frankreich und Rußland die Grundzüge der Entschädigung festgelegt hatten. Dem Reichsdeputationshauptschluß vom 25. Februar 1803 (Nr. 5) stimmten der Reichstag am 24. März, der Kaiser am 27. April 1803 zu. Mit der in ihm enthaltenen Gebietsneuregelung hob der Reichsdeputationshauptschluß sämtliche Geistlichen R,eichsfürstentümer mit drei Ausnahmen au/ 1 . Die Ausnahmen waren: das für den Kurerzkanzler neugebildete Kurfürstentum Aschaffenburg-Regensburg, sowie die Territorien des Hoch- und Deutschmeisters und des Großpriors des Johanniterordens. Die Orden wurden 1806 - 1809 ihrer Landeshoheit enthoben 2, das Gebiet des Kurerzkanzlers wurde 1810 in das Großherzogtum Frankfurt umgewandelt3. 2 Bulle Papst Innozenz X. „Zelo Domus Dei" vom 20. November 1648 (Text: C. Mirbt, Quellen zur Geschichte des Papsttums und des römischen K a t h o l i zismus, 4. Aufl. 1924, Nr. 529). 3 I m anschließenden Teil bittet der Papst den Kaiser u m seine Unterstützung bei der Bekämpfung religiöser Mißstände, für die er insbesondere eine zu w e i t gehende Presse- u n d Publikationsfreiheit verantwortlich macht; außerdem fordert er, den Bischöfen und allen Katholiken in geistlichen Sachen den Rekurs an den Heiligen Stuhl zu gestatten. 1 Uber die betroffenen Gebietsteile siehe oben S. 15. 2 Verfassungsgeschichte, Bd. I S. 77. 3 Ebenda, S. 78.

2 Huber, Staat und Kirche, 1. Bd.

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1. Kap. : Staat und Kirche i n der Zeit der Reichsauf lösung

In seinen Wirkungen griff der Reichsdeputationshauptschluß über diese Gebietsumgestaltung jedoch weit hinaus. Er ist das entscheidende staatskirchenrechtliche wie verfassungsrechtliche Dokument für den Übergang vom Alten Reich zu den deutschen Religions- und Staatsverhältnissen des 19. Jahrhunderts 4. Nachdem Papst Pius VII. zunächst über den Fürstbischof von Dalberg Einfluß auf die Verhandlungen der Reichsdeputation zu gewinnen versucht hatte·>, erneuerte er noch vor der Verabschiedung des Reichsdeputationshauptschlusses gegenüber Kaiser Franz II. seinen Protest gegen das vorgesehene Entschädigung sverfahren (Nr. 6). Der Kaiser weigerte sich, den Protest des Papstes bekannt zu machen, da er die Säkularisation als unausweichlich und den päpstlichen Einspruch deshalb als schädlich betrachtete e. Durch die dem Gesandten in Rom gegebene Instruktion (Nr. 7) versuchte er den Papst zum Einlenken zu veranlassen. N r . 5. Hauptschluß der außerordentlichen Reichsdeputation vom 25. Februar 1803 (Protokoll der außerordentlichen Reichsdeputation, 1803, Bd. 2, S. 841 ff.) 7 — Auszug — § 25. Der Stuhl zu Mainz w i r d auf die Domkirche zu Regensburg übertragen. Die Würden eines Kurfürsten, Reichs-Erzkanzlers, Metropolitan-Erzbischofs und Primas von Deutschland, bleiben auf ewige Zeiten damit vereinigt. Seine Metropolitan-Gerichtsbarkeit erstreckt sich i n Z u k u n f t über alle auf der rechten Rheinseite liegenden Theile der ehemaligen geistlichen Provinzen von Mainz, Trier und Köln, jedoch m i t Ausnahme der königl. Preußischen Staaten: ingleichen über die Salzburgische Provinz, so weit sich dieselbe über die m i t Pfalz-Baiern vereinigten Länder a u s d e h n t . . . Der Kurfürst-Erzkanzler w i r d fernerhin nach den Statuten seiner alten Metropolitankirche gewählt werden . . . § 34. A l l e Güter der Domkapitel und ihrer Dignitarien werden den Domänen der Bischöfe einverleibt, und gehen m i t den Bisthümern auf die Fürsten über, denen diese angewiesen sind. I n den zwischen mehrere vertheilten Bisthümern werden die i n den einzelnen Theilen befindlichen Güter dieser A r t m i t denselben vereinigt. § 35. A l l e Güter der fundirten Stifter, Abteyen und Klöster, i n den alten sowohl als i n den neuen Besitzungen, Katholischer sowohl als A. C. Verwandten, mittelbarer sowohl als unmittelbarer, deren Verwendung i n den vorhergehenden Anordnungen nicht förmlich festgesetzt worden ist, werden der freien und vollen Disposition der respectiven Landesherrn, sowohl zum 4

Ebenda, S. 42 ff. Schreiben Papst Pius V I I . an den Fürstbischof v. Dalberg vom 2. Oktober 1802 (B. Gams, Geschichte der Kirche Christi i m 19. Jahrhundert, Bd. 1, 1854, S. 369 f.). 0 Vgl. H. Bastgen, Die Stellung des Kaisers Franz und seiner Minister zum Breve Pius V I I . gegen die Säkularisation (Wissenschaftliche Beilagen zur „Germania", 1913, S. 75). 7 Vollständiger Wortlaut: Dokumente Bd. 1 Nr. 1. 5

IV. Der Reichsdeputationshauptschluß (1803)

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Behuf des Aufwandes für Gottesdienst, Unterrichts- und andere gemeinnützige Anstalten, als zur Erleichterung ihrer Finanzen überlassen, unter dem bestimmten Vorbehalte der festen u n d bleibenden Ausstattung der Domkirchen, welche werden beibehalten werden, und der Pensionen f ü r die aufgehobene Geistlichkeit, nach den, unten theils w i r k l i c h bemerkten, theils noch unverzüglich zu treffenden näheren Bestimmungen. § 36. Die namentlich u n d förmlich zur Entschädigung angewiesenen Stifter, Abteyen und Klöster, so wie die der Disposition der Landesherrn überlassenen, gehen überhaupt an ihre neuen Besitzer m i t allen Gütern, Rechten, Kapitalien und Einkünften, wo sie auch immer gelegen sind, über, sofern oben nicht ausdrückliche Trennungen festgesetzt worden sind. §42. Die Säcularisation der geschlossenen Frauenklöster kann n u r i m Einverständniß m i t dem Diöcesan-Bischofe geschehen. Die Mannsklöster h i n gegen sind der Verfügung der Landesherrn oder neuen Besitzer unterworfen, welche sie nach freiem Belieben aufheben oder beibehalten können. Beide Gattungen können n u r m i t E i n w i l l i g u n g des Landesherrn oder neuen Besitzers Novizen aufnehmen. § 61. Die Regalien, Bischöfliche Domainen, Domkapitelische Besitzungen und Einkünfte fallen den neuen Landesherrn zu. § 62. Die Erz- und Bischöflichen Diöcesen aber verbleiben i n ihrem bisherigen Zustande, bis eine andere Diöcesaneinrichtung auf reichsgesetzliche A r t getroffen seyn wird, wovon dann auch die Einrichtung der künftigen Domkapitel abhängt. § 63. Die bisherige Religionsübung eines jeden Landes soll gegen Aufhebung und K r ä n k u n g aller A r t geschützt seyn; insbesondere jeder Religion der Besitz und ungestörte Genuß ihres eigenthümlichen Kirchenguts, auch Schulfonds nach der Vorschrift des Westphälischen Friedens ungestört verbleiben; dem Landesherrn steht jedoch frei, andere Religionsverwandtc zu dulden und ihnen den vollen Genuß bürgerlicher Rechte zu gestatten. § 65. Fromme und milde Stiftungen sind, wie jedes Privateigenthum, zu conserviren, doch so, daß sie der landesherrlichen Aufsicht und Leitung untergeben bleiben.

N r . 6. Schreiben Papst Pius V I I . an Kaiser Franz I I . vom 29. Januar 1803 (Ubersetzung bei L. König, Pius VII., die Säkularisation und das Reichskonkordat, 1904, S. 15 ff.) — Auszug — Wie wäre es bei den so schweren Verlusten der deutschen Kirchen und den hohen Sturmfluten, von denen W i r dieselben beinahe fortgerissen und verschlungen sehen, anders möglich, liebster Sohn i n Christo, als daß auch über Uns die Fluten der Sorgen und Schmerzen sich türmen, wenn W i r einerseits die Unglücksschläge bedenken, welche i n Regensburg u n d i n den Gebieten, die unter eine neue Herrschaft gekommen sind, die Kirche getroffen, andererseits die Pflichten, welche W i r als die von Gott bestellten Wächter und Ver-

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1. Kap.: Staat und Kirche in der Zeit der Reichsauflösung

teidiger der Kirche und ihrer Interessen Unserm apostol. A m t e gemäß zu erfüllen haben! Nicht Worte, nicht Seufzer, nicht Tränen genügen, u m Deiner Kaiserl. Maj. die Bitterkeit der Wunden u n d die Schwere und Größe so vieler Leiden zu klagen. Was soll ich sagen? Die rechtmäßigen Vorsteher werden von ihren Gebieten und Besitzungen verdrängt, Kirchen, Kapitel, Kollegiatstifter, Abteien, Klöster aufgehoben u n d ihre Güter gehen in den Besitz weltlicher und auch akatholischer Fürsten über; die Diözesen werden deren W i l l k ü r überlassen, der ganze Klerus w i r d der tiefsten Verachtung preisgegeben, die A u t o r i t ä t des heil. Stuhles durch so viele den Kanones zuwiderlaufende Neuerungen m i t Füßen getreten, die Zahl der kath. Kurfürsten, was von so hoher Bedeutung ist, gemindert, die Kirche ihrer Freiheit beraubt und i n Fesseln geschlagen. Diese und andere gleich verhängnisvolle und traurige Tatsachen sehen W i r gegen die Verfassung des Deutschen Reiches 8 , gegen alle eingegangenen Verträge, gegen die heiligsten Satzungen der Kirche sich vollziehen und noch traurigere haben w i r f ü r die kath. Religion zu befürchten.... Seitdem w i r gesehen haben, daß sich unter so ernsten Gefahren für die kath. Religion diese neuen unseligen Unternehmungen gegen alle gesetzlichen Rechte der kath. Kirche im Deutschen Reiche vorbereiteten, wandten W i r Uns, vom tiefsten Schmerze ergriffen und gedrängt von der Sorge f ü r alle Kirchen, zuerst i n aller Demut Unsers Herzens zu Gott, daß er seine Kirche, bei der er zu bleiben versprochen, i n so gefahrvoller Lage nicht verlassen möchte. Dann, u m auch menschliche M i t t e l zu gebrauchen, haben W i r an Dich, teuerster Sohn i n Christo, den Schirmherrn der Kirche und das Haupt des Deutschen Reiches, ein Schreiben gerichtet 9 , w o r i n W i r Dich inständig baten, alle Deine A u t o r i t ä t und T a t k r a f t einsetzen zu wollen, damit nichts gegen die Kirche geschehe, was der Verfassung des Deutschen Reiches zuwider wäre, die A u t o rität des heil. Stuhles schädigte, die kath. Religion gefährdete. Die Gewalt des Sturmes hat die Bemühungen Deiner Kaiserl. Majestät vereitelt. W i r sehen nach dem unerforschlichen Ratschlüsse Gottes wegen unserer Sünden weder durch Gebete noch durch Bitten noch durch Dienste, welche W i r so vielen erwiesen haben, Unsere Wünsche erfüllt. I m Gegenteil ist die Bewegung gegen die Kirchen i m Deutschen Reiche von Tag zu Tag so gewachsen, daß dieselben bereits den schwersten Schaden genommen haben und der kath. Religion selbst die größte Gefahr droht. W i r haben zwar erfahren (nicht ohne großen Trost für Unser Herz), welchen Eifer Deine Kaiserl. Majestät zu Deren höchstem Ruhme durch Deine Gesandten bei dem Reichstage i n Regensburg für die Wahrung und Verteidigung der kath. Religion entfaltet hat; aber desto schmerzlicher fallen Uns diese Neuerungen. Daher wollen W i r i n der größten Trauer, i n die Uns zugleich m i t der ganzen Kirche diese gewaltigen Unbilden gegen die Religion gestürzt haben, Unsere unaussprechlich bangen Sorgen in Dein Herz niederlegen (Wir kennen ja Deine Gottesfurcht und Frömmigkeit und Deine Liebe zur Kirche) und abermals die Bitte an Dich richten, wenn es noch irgendwie möglich ist, den A n s t u r m so schwerer Übel aufzuhalten und so tiefe Wunden zu heilen, und wenn Du siehst, daß dies in besonderer Weise von 8 Dazu gerechnet wurden insbesondere die Grundbestimmungen des Westfälischen Friedens (der Verträge von Münster u n d Osnabrück) von 1648, so vor allem die dort ausgesprochenen Garantien für den kirchlichen Besitzstand. 9 Oben Nr. 4.

IV. Der Reichsdeputationshauptschluß (1803)

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Uns geschehen könne, Uns mitzuteilen, wie W i r es i m stände wären. Denn wie nach Unserm U r t e i l diese jedwedes Recht verletzenden Neuerungen weder von Uns noch vom apostol. Stuhle gebilligt werden können, so sind W i r auch bereit, wenn W i r für so tiefe Wunden der Kirchen u n d der Religion ein H e i l m i t t e l finden können, es m i t allem Eifer anzuwenden. N r . 7. Instruktion Kaiser Franz I I . an den kaiserlichen Gesandten in Rom Graf K h e v e n h ü l l e r 1 0 vom 7. M a i 1803 (Ubersetzung bei L. König, Pius V I I . , die Säkularisation u n d das Reichskonkordat, 1904, S. 24 f.) Der Kaiser ist i n Verehrung gegen Se. Heiligkeit von den Beweggründen, die Sie beseelen, durchdrungen und überzeugt, daß sie einzig und allein die wesentlichen Interessen der Kirche bezwecken. Aber auf dieselben Interessen muß Se. Maj. sich berufen, u m Se. Heiligkeit zu bewegen, daß Sie keinerlei M i ß billigung hinsichtlich der von den Gliedern der deutschen Kirche adoptierten und von ihrem Haupte sanktionierten Veränderungen kundgebe. Se. Maj. k a n n sich nicht verhehlen, daß die Wohlfahrt der deutschen Kirche aus einer solchen Mißbilligung ebensowenig Frucht ziehen würde, als die Proteste der Vorgänger Sr. Heiligkeit gegen die Ausführung der Bedingungen des westfälischen Friedens gebracht haben 1 1 . Übrigens besteht zwischen dem gegenwärtigen Falle und den Verträgen von Münster u n d Osnabrück 1 2 ein totaler Unterschied. Diese Verträge waren die Folgen von Wirren, welche i n Deutschland die Einführung der lutherischen und calvinischen Religion veranlaßt hatte; sie sanktionierten die Okkupation von Ländern, die vorher katholisch waren, aber dann protestantisch wurden u n d einen wirklichen Verlust für unsere heilige Religion nicht bloß an Kirchengütern und Dotationen, sondern an Gläubigen, welche den orthodoxen K u l t u s verließen, u m der Häresie zu folgen. Rom hatte alle M i t t e l angewendet, die i n seiner Macht lagen, u m diesem Unglücke vorzubeugen, u n d da es dasselbe nicht verhindern konnte, laut seine Unzufriedenheit zu erkennen gegeben. Aber die gegenwärtigen Veränderungen gewinnen nicht einen einzigen dem Protestantismus. Allerdings gehen Besitzungen, die bis jetzt Kirchenfürsten gehörten, in die Herrschaft protestantischer Fürsten über; aber der k a t h o l i sche K u l t u s bleibt erhalten. Dieser Punkt ist ohne Zweifel wichtiger als die Frage der zeitlichen Güter und muß nach unserer Meinung die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und das Ziel der vorzüglichsten Sorge des heiligen Vaters bilden. Als der Papst sich den Verhältnissen fügte und die Hand zum Konkordat m i t Frankreich bot 15 *, erwarb er den Ruhm, dort den orthodoxen K u l t u s wieder10 Johann Emanuel Joseph Graf v. Khevenhüller-Metsch (1751 - 1847), Sohn des Fürsten Joseph v. Khevenhüller (1706 - 1776); österreichischer Diplomat; 1803 - 1808 kaiserl. Gesandter beim Heil. Stuhl. 11 Oben S. 17 Anm. 2. 12 Dazu oben S. 20 Anm. 8. 13 Oben Nr. 2.

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1. Kap. : Staat und Kirche i n der Zeit der Reichsauflösung

hergestellt zu haben, ein Ereignis, das allein schon dieses Pontifikat für immer denkwürdig machen würde, wenn es nicht sonst durch hervorragende Vorzüge ausgezeichnet wäre. N u r i n Bezug auf die organischen A r t i k e l 1 4 hat der heil. Stuhl es für angezeigt gefunden, seine Approbation vorzubehalten; dagegen würde sich die Ausdrucksweise, welche der röm. Hof jetzt bezüglich der deutschen Angelegenheiten zu gebrauchen beliebt, auf die gesamten vorgenommenen Veränderungen beziehen.

V. D i e B e m ü h u n g e n u m e i n R e i c h s k o n k o r d a t Noch während der Regensburger Verhandlungen über den Reichsdeputationshauptschluß entstand, insbesondere von Kursachsen vorgebracht, der Plan eines Reichskonkordats. Es sollte in Fortführung der älteren Reichskonkordate 1 und in Entsprechung zum französischen Konkordat von 1801- die rechtliche Lage der katholischen Kirche in Deutschland nach der Säkularisation neu gestalten. Von Anfang an war deutlich, daß einige der Reichsstände, insbesondere Preußen und Bayern, dem Vorhaben Widerstand leisten würden. Besonderes Interesse am Abschluß des Konkordats hatte hingegen der Kurerzkanzler v. Dalberg*, dem r o r allem an der Bestätigung der Translation seines Erzbistums von Mainz nach Regensburg und an der Erhaltung seiner Würde als Primas von Deutschland gelegen ι oar. Er ließ deshalb im Februar/März 1803 durch seinen geistlichen Referendar Kolborn Vorschläge für das Konkordat ausarbeiten 4. Kolborn vertrat Dalberg auch bei den im Februar 1804 beginnenden Verhandlungen in Wien. Der Papst war bei diesen Verhandlungen durch den Nuntius in Wien, Severoli, das Reich durch den Reichsreferendar v. Frank vertreten\ In grundsätzlichen Bemerkungen legte Frank zu Beginn der Konferenz dar, warum die anstehenden Fragen weder durch Länderkonkordatet noch durch organische Artikel"', sondern nur durch ein Reichs11

Oben S. 12 Anm. 6. Die beiden Hauptfälle älterer Reichskonkordate waren das Wormser Konkordat vom 23. September 1122 und das Wiener Konkordat vom 17. Februar 1448 (Texte: K . Zeumer, Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Reichsverfassung, 2. Aufl. 1913. Nr. 5, Nr. 168). 2 Oben Nr. 2. 3 Carl Theodor Reichsfreiherr v. Dalberg (1744 - 1817), i m Kurmainzischen Dienst 1772 - 1802 Statthalter des Kurfürsten i n E r f u r t ; seit 1788 kath. Priester; Domkapitular i n Mainz, Worms und Würzburg; 1781 Titularerzbischof von Tarsus; 1787 Koadjutor des Erzbischofs von Mainz Karl Josef v. Erthal; 1800 Bischof von Konstanz; 1802 Erzbischof und Kurfürst von Mainz; 1803 - 1817 Erzbischof von Regensburg, 1806 - 1814 Primas des Rheinbundes; 1810 - 1814 Großherzog von Frankfurt. 4 L. König, Pius V I I . , die Säkularisation und das Reichskonkordat (1904) S. 79 ff. 5 „Reichsreferendar" w a r die Amtsbezeichnung der dem Reichsvizekanzler i n Wien unterstehenden drei obersten Beamten der Reichskanzlei (im Rang einem „Unterstaatsekretär" vergleichbar). 6 „Länderkonkordate" gab es i m 17. und 18. Jahrhundert in der Form von Verträgen deutscher Territorialfürsten m i t außerhalb ihres Territoriums seßhaften Reichsbischöfen; dagegen gab es i n dieser Zeit keine Länderkonkordate zwischen deutschen Landesherren u n d der Kurie. 7 „Organische A r t i k e l " heißen dabei: einseitige Staatsgesetze. 1

V. Die Bemühungen u m ein Reichskonkordat

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konkordat geregelt werden könntenDer von Frank vorgelegte Entwurf (Nr. 8), der auch innerkirchliche Gegenstände einbezog, stieß auf die Ablehnung des Papstes, der die Vorschläge als zu weitgehend und als in vielen Einzelhexten im Widerspruch zum kanonischen Recht stehend beurteilte 9. Nachdem der Franksche Entwurf gescheitert war, ließ Dalberg von dem päpstlichen Auditor Graf Troni und von seinem geistlichen Rat Kolborn einen neuen Konkordatsentwurf erstellen, den er dem Papst unterbreitete 10. Er hoffte, diesen Entwurf in unmittelbaren Verhandlungen mit Pius VII., mit dem er aus Anlaß der Kaiserkrönung Napoleons im November 1804 in Paris zusammentraf, durchsetzen zu können. Der Papst wollte ein Konkordat jedoch nur auf dem „konstitutionellen Wege", also in Verhandlungen mit dem Kaiser, abschließen. Die Aufnahme der Verhandlungen, die in Regensburg stattfinden sollten, verzögerten sich infolge der europäischen Wirren. Mit dem Dritten Koalitionskrieg, der Errichtung des Rheinbunds und dem Ende des Reichs wurden die Pläne zum Abschluß eines Reichskonkordats zunichte.

N r . 8. E n t w u r f eines Reichskonkordats des Reichsreferendars v. F r a n k vom Februar 1804 (L. König, Pius V I I . , Die Säkularisation und das Reichskonkordat, 1904, S. 154 ff.) — Auszug — I. Titel:

Allgemeine

Bestimmungen

1. Die kath. Kirche i n Deutschland verehrt i m röm. Papste das Oberhaupt der ganzen kath. Kirche und erkennt i n i h m voller Pietät den Primat der Ehre und Gewalt an, der zur Bewahrung der Einheit i n der Kirche eingesetzt ist. 2. Die zwischen dem röm. Stuhle und der deutschen Nation eingegangenen Verträge bleiben i n ihrer Kraft, soweit dieselben nicht durch die gegenwärtige Konvention ausdrücklich teilweise aufgehoben werden. 3. Die Mächte, welche die Menschen regieren, die kirchliche und weltliche Regierung, besitzen in sich selbst eine ihrer Verfassung u n d ihrem Zwecke eigene Autorität. 4. Die kath. Kirche i n Deutschland bekennt die Lehre des Apostels, daß man den Anordnungen der weltlichen Gewalt „nicht bloß u m der Strafe, sondern auch u m des Gewissens w i l l e n " 1 1 gehorchen müsse. Daß diese Lehre überaus viel zur Erreichung u n d Förderung des Zweckes der politischen Regierung beiträgt, bezeugt allenthalben die Erfahrung. 8 „Allgemeine Bemerkungen" des Reichsreferendars Frank über ein Reichskonkordat (Text: L. König, a.a.O., S. 148 ff.). 9 L. König, a.a.O., S. 246 ff., eine genaue Darstellung des Gangs der Verhandlungen ebenda, S. 187 ff. 10 Konkordatsentwurf des Kurerzkanzlers v. Dalberg (Text: H. Bastgen, Dalbergs und Napoleons Kirchenpolitik i n Deutschland, 1917, S. 306 ff.). 11 Röm. 13, 5.

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1. Kap.: Staat und Kirche in der Zeit der Reichsauflösung

5. Daher setzt auch die kath. Kirche ihrerseits das größte Vertrauen i n den wirksamen Schutz der Landesfürsten und i n das oberste kirchl. Schirmrecht des Reichsoberhauptes. 6. A l l e n und jedem K a t h o l i k e n soll die Freiheit ihres Gewissens unverletzt bleiben, welche sowohl der Natur der Sache nach als i m Sinne der Reichsgesetze nach den Prinzipien ihrer Religion zu beurteilen ist. II. Titel:

Von den Diözesen und Provinzen

1. Die kath. Kirche i n Deutschland soll nach der alten Einrichtung der ganzen Kirche i n Diözesen und Metropolitanprovinzen geteilt bleiben. 2. Eine Diözese ist ein bestimmter Landeskomplex, der bestimmte Pfarreien unter sich hat und der kirchlichen Regierung eines Bischofs untersteht; mehrere Diözesen zusammen unter der kirchl. A u t o r i t ä t eines Erzbischofs heißen Provinz. 3. Die Würde eines Erzbischofs zugleich m i t der Würde eines Primas für Deutschland, welche ehedem dem Stuhle von Mainz eigen war, soll k ü n f t i g h i n unzertrennlich an die Kirche von Regensburg geknüpft sein 1 2 . III. Titel:

Von den Bischöfen

1. Nach der Lehre der kath. Kirche gehören die Bischöfe vor allem zu der von Gott eingesetzten Hierarchie. 2. Nach derselben Lehre sind die Bischöfe die Nachfolger der Apostel und vom heiligen Geiste bestellt, die Kirche Gottes zu regieren. 3. Soweit die Gewalt der Bischöfe auf einzelne Diözesen beschränkt ist, sind sie die kirchl. Obern aller zu ihren Diözesen gehörigen Kirchen und regieren dieselben zwar iure proprio et ordinario, aber so, daß die kanonische Unterordnung sowohl unter die gesamte Kirche als den Primas der kath. Kirche niemals ausgeschlossen wird. 4. Durch den Zweck der Kirche w i r d bestimmt, was dem Diözesanrechte der Bischöfe inhäriert, und dasselbe erstreckt sich auf alle kirchl. Angelegenheiten und Orte und auf alle Glieder der Kirche, so daß m i t Zustimmung des Papstes k ü n f t i g jede Exemption aufhört. Über die Rechte, welche den Bischöfen kraft eines andern Titels als durch die Natur ihres Amtes zukommen, w i r d i m Verlaufe i n verschiedenen A r t i k e l n gehandelt. 5. Z u r bischöfl. Würde gelangt man durch Ernennung, Wahl, Postulation und Translation. 6. Der gewöhnliche, durch Gesetz und Brauch des Reiches angenommene, also regelmäßige Modus, die bischöfl. Würde zu erlangen, ist die Wahl; an den Orten jedoch, wo bisher nach einem Spezialrechte der unmittelbare kirchl. Obere oder der Landesherr das Enennungsrecht hatte oder dieses i n dem gegenwärtigen Konkordat i h m verliehen wird, ist diese besondere Norm zu beobachten. 7. I n jenen Diözesen, welche — nach ihrer neuen Umschreibung — innerhalb der Grenzen bloß eines Territoriums liegen, soll auch die Ernennung des 12

Die anschließenden A r t i k e l 4 - 7 betreffen die Zahl und die Grenzen der vorgeschlagenen Diözesen und Provinzen, die spätere Änderung der Diözesangrenzen sowie die etwaige Neuerrichtung von Diözesen.

V. Die Bemühungen u m ein Reichskonkordat

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Bischofs dem Landesherrn zustehen, jedoch so, daß er sich auf drei Kandidaten beschränkt, welche i n der durch die folgenden A r t i k e l vorgeschriebenen Weise zu wählen sind; wenn aber die Diözese über ein T e r r i t o r i u m hinausreicht, soll schlechtweg die regelmäßige Wahl statthaben 1 3 . 12. Das Recht zu prüfen, ob der Erwählte würdig, geeignet und kanonisch promoviert sei 1 4 , hat der Erzbischof. Die Prüfung selbst geschieht durch den Informativprozeß 1 5 . 13. Diesem Prozesse, welchen der Erzbischof dem Papste zu übermitteln hat, folgt die Konfirmation 1 6 . 14. Das Konfirmationsrecht soll nach der Norm und dem Sinne der K o n k o r date der deutschen Nation dem Papste bleiben, unbeschadet jedoch einer besondern Gewohnheit, wo eine solche es dem Erzbischof zuweist 1 7 . 24. Der Bischof soll dieselben Vorrechte und Ehren genießen wie die ersten Minister des Fürsten und Staates. 25. Die Bischöfe unterstehen i n Angelegenheiten, die i h r bischöfl. A m t betreffen, natürlich n u r dem kirchl. Obern nach der Ordnung der hierarchischen Regierung 1 8 . IV. Titel:

Von den Erzbischöfen

1. Der Stuhl von Mainz w i r d vom Papste so bald als möglich kanonisch nach Regensburg übertragen, w o m i t nach dem Reichsschlusse die Würden eines Kurfürsten, Erzkanzlers, Metropoliten u n d Primas von Deutschland für die Z u k u n f t verbunden bleiben. 2. Dieser erste Bischof der deutschen Kirche w i r d nach den Statuten seiner alten Metropolitankirche, i m allgemeinen nach dem bisherigen Gebrauche auch fernerhin gewählt. 3. Die übrigen Erzbischöfe Deutschlands werden i n derselben Weise wie die Bischöfe zu ihrer Würde erhoben 1 9 . 13 Die anschließenden A r t . 8 - 1 1 betreffen das aktive Wahlrecht und die \Vählbarkeit bei der Bischofswahl. 14 Das heißt: nach den Vorschriften des Konzils von Trient rite gewählt. 15 Der Informativprozeß, i n dem die kanonische Eignung des Kandidaten festgestellt w i r d , hat folgende Rechtsgrundlagen: a) die Tridentinischen Beschlüsse von 1563 (sess. X X I V . Decret. de reform,

cl);

b) die Konstitution Papst Gregors X I V . „Onus Apostolicae servitutis" vom 15. M a i 1591 (Text: E. P. Gasparri, Juris Canonici Fontes, Bd. I, 1923, S. 321); c) das Instrumentum particulare Papst Urbans V I I I . von 1627 (Text: A. Lutterbeck, Der Informativprozeß u n d seine rechtliche Nothwendigkeit für die Entscheidung der Mainzer Bischofsfrage, 1850, S. 28 ff.). 16 Confirmatio ist die Bestätigung einer kanonischen Wahl. 17 Die folgenden A r t . 15 - 23 betreffen Einzelfragen der päpstlichen Rechte bei der Bischofswahl u n d Bischofsernennung, ferner die Bischofsweihe (Konsekration), die Bestellung eines Koadjutors und die Dotation der Bistümer. 18 Die folgenden A r t . 26 - 50 betreffen die Amtspflichten und Amtsbefugnisse der Bischöfe. 19 Es folgen Bestimmungen über die Domkapitel (Titel V), über die kirchlichen Genossenschaften (Titel VI), über die Geistlichen (Titel V I I ) und über die Kirchengüter (Titel V I I I ) .

26

1. Kap.: Staat und Kirche in der Zeit der Reichsauflösung IX. Titel:

Von der Ausübung

der katholischen

Religion

2. Die Ausübung der kath. Religion, wie sie zur Zeit des Konklusums der außerordentlichen Reichsdeputation, das am 27. A p r i l des verflossenen Jahres durch kaiserliche Ratifikation bestätigt wurde, i n den Entschädigungsgebieten i n Brauch war, soll auch i n Z u k u n f t kraft des § 63 desselben vom Kaiser approbierten K o n k l u s u m s 2 0 i n dem nämlichen Stande bleiben und gegen jede Störung vollkommen gesichert sein. 3. Abgesehen von dieser Verfügung soll k r a f t desselben Paragraphen der katholischen Religion der Besitz des ganzen Komplexes ihrer Kirchengüter nach der Norm des Westfälischen Friedens v e r b l e i b e n . . . . 7. Endlich w i r d hiermit bestimmt, daß alles, was hinsichtlich der Rechte der katholischen Kirche i n Deutschland weder durch den vom Kaiser bestätigten Deputationshauptschluß noch durch das gegenwärtige Konkordat eine Veränderung erlitten hat, i n seinem frühern gesetzlichen Zustande verbleibe, was dagegen diesem frühern, unveränderten Zustande oder dem vom Kaiser bestätigten Deputationsschlusse oder irgendeinem A r t i k e l dieses Konkordats zuwider von den Reichsständen unterdessen eingeführt worden ist, verbessert und m i t den gegebenen Normen in Ubereinstimmung gebracht werde.

V I . Das A m t des K u r e r z k a n z l e r s u n d die E r r i c h t u n g des E r z b i s t u m s Regensburg Der § 25 des Reichsdeputationshauptschlusses (oben Nr. 5) sah die Übertragung des erzbischöflichen Stuhls von Mainz nach Regensburg vor; die Würden eines Kurfürsten, Reichs-Erzkanzlers, Μetropolitan-Erzbischofs und Primas von Deutschland sollten mit diesem Stuhl verbunden sein. Diese reichsrechtliche Regelung bedurfte der Bestätigung durch den Papst. Das Breve des Papstes vom 16. Juli 1803 (Nr. 9) beauftragte den Mainzer Erzbischof von Dalberg zwar mit der Verwaltung der Diözese Regensburg, enthielt aber keine Bestätigung der Translation des erzbischöflichen Stuhls und der damit verbundenen Würden von Mainz nach Regensburg. Solange diese Bestätigung ausstand, blieb das bisherige Mainzer Metropolitankapitel, das Dalberg 1802 in die im alten Mainzer Sprengel gelegene Stadt Aschaffenburg überführt hatte, bestehen; es behielt auch das Recht zur Wahl des Erzbischofs 1. Nachdem die Aussicht, die Frage durch den baldigen Abschluß eines Reichskonkordats zu regeln, ungewiß geworden war, erbat Dalberg die Unterstützung Napoleons bei der Translation des Mainzer Erzstuhls nach Regensburg; dabei sagte er die Bestellung eines Koadjutors zu, der das Vertrauen des Kaisers der Franzosen besitze (Nr. 10). Darauf forderte Napoleon, der an der definitiven Translation des Mainzer Erzbischofsstuhls nach Regensburg unter diesen Gegebenheiten ein unmittelbares Interesse hatte, den Papst mit Nachdruck auf, d»e Translation zu bestätigen. Dies geschah durch die in Paris ausgefertigte Bulle Pius VII. vom 1. Februar 1805 (Nr. 11). 20 1

Oben Nr. 5. Vgl. die Urkunde Dalbergs über das Wahlrecht des Mainzer Domkapitels: H. Bastgen, Dalbergs und Napoleons Kirchenpolitik i n Deutschland, 1917, S. 295 ff.

V I . Das A m t des Kurerzkanzlers

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N r . 9. Breve Papst Pius V I I . an den Erzbischof v. D a l b e r g über die provisorische V e r w a l t u n g des Bistums Regensburg vom 15. J u l i 1803 {H. Ph. K. Henke, Religionsannalen, Bd. 2, 1805, S. 501 ff.) — Ubersetzung i m Auszug — Die Pflichten des Hirtenamtes, durch welches W i r gemäß der göttlichen F ü gung der Leitung der auf dem ganzen Erdkreis verstreuten kath. Kirche v o r stehen, ermahnen Uns, für die geistlichen Nöte u n d das geistliche Wohl der Gläubigen Christi, soweit es uns aus der Höhe gestattet wird, wie es Zeit und Umstände fordern, zu sorgen. Da also, wie W i r erfahren haben, schon seit dem 4. A p r i l d. J. die Kirche von Regensburg den Trost eines H i r t e n entbehren muß 2 , ohne daß angesichts der gegenwärtigen Lage der deutschen Kirchen unsere geliebten Söhne, das K a p i t e l und die Kanoniker jener Kathedralkirche, die Möglichkeit gehabt hätten, gemäß den gewohnten Regeln und den alten Konkordaten, die einst zwischen dem apostol. Stuhl und der berühmten deutschen Nation vereinbart wurden 3 , eine geeignete Person für diese Kirche zu wählen, die durch den Papst für diese Zeit zu beauftragen wäre, setzen W i r Dich i n Fortsetzung der jetzt bestehenden Regelung kraft apostol. A u t o rität zum Verwalter der erwähnten Kirche von Regensburg i n allen besonderen und zeitlichen Angelegenheiten 4 m i t den notwendigen Vollmachten ein. W i r hegen dabei den Wunsch, dafür zu sorgen, daß die genannte Kirche, bis sie einen anderen H i r t e n erhält, keinerlei Schaden oder Ungemach erleidet, und w i r erwägen, wie sehr, zumal bei den gegenwärtigen schwierigen Zeitumständen, es von Vorteil ist, Dir, der Du den Eifer f ü r den Schutz der Religion m i t den nötigen Hilfsmitteln, das zu verwirklichen, verbindest u n d durch A u t o rität und Ansehen sehr viel Gewicht hast, die genannte Kirche einstweilen zu übertragen. Weiterhin leitet uns der Gedanke, daß man den Bedürfnissen der genannten Kirche nicht besser entgegenkommen und entsprechen könne, als dadurch, daß D u Deinen Eifer und Deine Sorge darauf verwendest, sie zu leiten. Was Deine brüderliche Glaubenstreue, Deine Klugheit, Deine Wachsamkeit und Deinen Eifer für die kath. Religion betrifft, vertrauen w i r vor allem auf Gott. Von allen denkbaren kirchlichen Urteilen der E x k o m m u n i k a tion, der Suspension und des Interdikts oder anderen Urteilen, Zensuren und Strafen, die aufgrund von Rechtsbestimmungen oder eines Prozesses stattfanden, falls Du i n solche auf irgendeine Weise verstrickt bist, absolvieren W i r Dich insgesamt und betrachten Dich i n Z u k u n f t als absolviert, u m jedenfalls etwas für jetzt zu erreichen. W i r geben zu u n d gewähren, daß Du diese Verwaltung zusammen m i t dem Teil der Diözese von Mainz, den Du, wie Du weißt, leitest, frei und erlaubterweise durchführen und ausüben kannst u n d darfst. D u sollst sie solange ausüben, bis eine sichere und feste Ordnung der 2 Infolge des Todes von Joseph Konrad v. Schroffenberg (1743 - 1803), der 1790 - 1803 Bischof von Regensburg u n d zugleich Bischof von Freising und Propst von Berchtesgaden war. 3 Uber die alten Reichskonkordate: oben S. 22. 4 I n specialibus et temporalibus: die Formel unterstreicht, daß es sich u m die Beauftragung m i t der provisorischen V e r w a l t u n g der Diözese handelt.

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1. Kap.: Staat und Kirche in der Zeit der Reichsauflösung

Verhältnisse i n der ganzen deutschen Kirche durch Unsere Autorität hergestellt w i r d , die ihrem Wohl und ihren Verhältnissen am meisten entspricht. W i r beauftragen deshalb kraft des heiligen Gehorsams das genannte Kapitel und die Kanoniker, insgesamt und einzeln, die es betrifft oder i n Z u k u n f t betreffen wird, D i r als dem Verwalter, dessen Stellung angesichts der so gearteten Voraussetzung von Dauer sein wird, bereitwillig zu gehorchen, Deine heilsamen Ermahnungen und Aufträge demütig entgegenzunehmen und dafür zu sorgen, daß diese w i r k u n g s v o l l erfüllt werden. Andernfalls werden W i r das U r t e i l oder die Strafe, die Du ordnungsgemäß gegen die Rebellen herbeiführst oder aussprichst, anerkennen und aus der Vollmacht des Herrn dafür sorgen, daß sie bis zur angemessenen Wiedergutmachung uneingeschränkt beachtet werden . . .

N r . 10. E r k l ä r u n g des Kurcrzkanzlers v. Dalberg an Kaiser Napoleon vom 22. Januar 1805 (J. S. Vater, Anbau der neuesten Kirchengeschichte, Bd. 2, 1822, S. 5 f.) — Übersetzung — Erfüllt von den Wohltaten Ihrer Kaiserl. Majestät, und i m Begriff, nach Deutschland zurückzukehren, nehme ich m i r die Freiheit, i h r i n respektvollem Vertrauen darzulegen, was mich i n Bezug auf die kirchl. Angelegenheiten Deutschlands beschäftigen wird. 1. Es handelt sich d ä m m , durch das Konkordat eine solide und angemessene Dotation f ü r die Bischöfe und ihren Klerus i n den kirchlichen Ländern, die als Entschädigungsgebiete verwandt wurden, zu erhalten; Ihre Majestät hat erklärt, daß sie sich nicht i n die inneren Angelegenheiten Deutschlands einmischen werde; gleichwohl w i r d der wohlwollende Ausdruck der gerechten und großmütigen Gefühle, die Ihre Majestät kennzeichnen, m i t Sicherheit i n dieser Hinsicht einen guten Eindruck auf den Geist der Fürsten Deutschlands machen, die i h r i n Dankbarkeit und tiefer Verehrung ergeben sind. 2. Die Bildung des Metropolitankapitels muß nach den Gepflogenheiten der Kirche, nach dem überlieferten Brauch und nach Gerechtigkeit und Billigkeit durch die Vereinigung der beiden K a p i t e l 5 vor sich gehen. Es handelt sich für mich darum, hier alsbald Hand anzulegen und dabei i n jedem F a l l die legalen und durch die Canones vorgeschriebenen Formen einzuhalten, damit niemand Anlaß hat, begründete Klagen oder Beschwerden vorzubringen. Das alte Metropolitankapitel nach Regensburg zu überführen, dem von Regensburg dieselben Rechte, die das alte Metropolitankapitel besaß, zu geben, darin w i r d unverzüglich meine Aufgabe bestehen. 3. I n einer Stellung, die auf Wahl beruht, ist es nützlich, daß der Nachfolger i n einer ruhigen Zeit i m voraus designiert wird. Der Erzkanzler des Reichs muß m i t anderen an seinem Platz notwendigen Qualitäten den Vorteil verbinden, das Vertrauen der großen Mächte zu besitzen, die auf die Erhaltung und das Heil der deutschen Verfassung Einfluß haben können. 5 Des Mainzer Metropolitankapitels (in Aschaffenburg) und des Regensburger Domkapitels.

V I . Das A m t des Kurerzkanzlers

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Sobald es m i r möglich sein w i r d , m i t Gewißheit einen solchen Koadjutor zu erhalten, der dazu ferner eindeutig das Vertrauen Ihrer Majestät besitzt, w i r d diese Sache erledigt werden; und n u r i n diesem Fall w i r d sie vollzogen werden. Das ist, Sire, der treue Ausdruck meiner festen Entschlüsse, die meine innerste Uberzeugung und die Liebe zu meinen Pflichten m i r diktiert hat. N r . 11. Bulle Papst Pius V I I . über die Translation des Erzbistums M a i n z nach Regensburg vom 1. Februar 1805 ( A. A. Barbieri , B u l l a r i i Romani Continuatio Summorum Pontificum, Bd. X I , 1846, S. 261 ff.) — Ubersetzung i m Auszug 0 — § 5. Gemäß dem Rat dieser Unserer ehrwürdigen Brüder, Ihrer verehrungswürdigsten Eminenzen, der Kardinäle, aus sicherem Wissen und sorgfältiger Erwägung auf Unserer Seite sowie aus der Fülle apostol. Vollmacht eximieren und befreien W i r auf Dauer die Bischofskirche von Regensburg aus allem metropolitanen Recht, aller Uberordnung, Jurisdiktion und Autorität des Erzbischofs von Salzburg; ihren Titel, ihre Benennung, ihre Natur und i h r Wesen als Kathedrale m i t der Würde als Bischofssitz heben W i r auch f ü r immer auf und löschen W i r aus. M i t der entsprechenden apostol. Autorität errichten W i r aber und setzen auf Dauer ein die Stadt Regensburg als Sitz eines Erzbischofs und als Metropole m i t den Rechten, Ehren u n d Prärogativen, die derartigen Sitzen von Erzbischöfen zukommen, und die Kathedralkirche von Regensburg unter A n r u f u n g der heil. Apostel Petrus und Paulus als erzbischöfl. und als Metropolitankirche, m i t erzbischöfl. Sitz und der entsprechenden Würde für einen demnächst zu ernennenden Erzbischof von Regensburg . . . § 7. Sobald dazu das Kapitel dieser neuen Metropolitankirche von Regensburg i n der vorgenannten Form 7 errichtet und m i t seinen Statuten v o m apostolischen Stuhl bestätigt sein wird, erkennen W i r i h m auf Dauer das Recht zu, daß i m Fall jeder Vakanz des erzbischöfl. Stuhls innerhalb von drei Monaten vom Tag der Vakanz an die Kanoniker, als Kapitel vereinigt, nachdem sie die göttliche Hilfe erbeten haben, einen neuen Erzbischof dieser Metropolitankirche von Regensburg gemäß den kanonischen Gesetzen, entsprechend dem Recht und den Statuten der alten, aufgehobenen Metropolitankirche von Mainz für die Z u k u n f t frei und erlaubt wählen können, und zwar rechtskräftig. Diec Der erste Teil der Bulle (§§ 1 - 4 ) ruft i n Erinnerung, daß die Erzdiözese Mainz und die Diözesen K ö l n und Trier, nachdem i h r Gebiet teilweise i n französischen Besitz übergegangen war, aufgelöst u n d auf diese französischen Gebiete beschränkt als Suffraganbistümer der Erzdiözese Mecheln neu errichtet worden waren; er verweist ferner auf die Beauftragung des früheren Erzbischofs von Mainz, K a r l Theodor von Dalberg, m i t der V e r w a l t u n g der Diözese Regensburg; i n § 4 bezieht er sich auf Beratungen m i t einigen Kardinälen über die Regelung der deutschen Kirchenfrage. 7 Da über die A r t der Zusammenführung des früheren Metropolitankapitals von Mainz und des Domkapitals von Regensburg keine Klarheit herbeigeführt werden konnte, w i r d i n § 6 die Aufgabe, diese Frage unter Beachtung der kanonischen Regeln zu klären, dem Erzbischof von Dalberg übertragen.

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1. Kap.: Staat und Kirche in der Zeit der Reichsauflösung

ser w i r d dann von Uns und den röm. Päpsten, die Unsere Nachfolger sein werden, als Vorsteher dieser Kirche i n der gewohnten Weise zu bestätigen und durch versiegeltes apostol. Schreiben für diese Metropolitankirche zu ernennen sein.

V I I . D i e E r n e n n u n g des K a r d i n a l s z u m K o a d j u t o r des Erzbischofs v . D a l b e r g Im unmittelbaren Anschluß an diese Vorgänge versuchte Dalberg, seine Position als Kurfürst und Erzkanzler des Reichs wie als Primas der deutschen katholischen Kirche durch die Einsetzung eines dem Kaiser der Franzosen genehmen Koadjutors (oben Nr. 10) weiter zu festigen. Die Verhandlungen über die Person des Koadjutors zogen sich bis 1806 hin. Der endgültigen Klärung ging ein Vertrag Dalbergs mit Napoleon voraus (Nr. 12), in dem dieser ihm die Integrität seines Territoriums, die durch die von Napoleon befürwortete Vergrößerung Bayerns bedroht amr, zusicherte. Dann wurden der Papst, der Kaiser, die deutschen Fürsten, das Mainzer Metropolitankapitel und die Öffentlichkeit mit der Nachricht überrascht, daß Dalberg den französischen Kardinal FescM, Onkel Napoleons, seit 1802 Erzbischof von Lyon, zum Koadjutor ernannt habe (Nr. 13, Nr. 14)-. Kaiser Franz II. gab seiner Mißbilligung gegenüber dem von Dalberg eingeschlagenen Verfahren im Schreiben vom 18. Juni 1806 deutlichen Ausdruck (Nr. 15). N r . 12. V e r t r a g zwischen Kaiser Napoleon und dem Kurerzkanzler v. Dalberg vom 6. Mai 1806 (H. Bastgen, Dalbergs und Napoleons Kirchenpolitik in Deutschland, 1917, S. 358) — Übersetzung — Art.l. Se. Maj. der Kaiser der Franzosen, K ö n i g von Italien, verpflichtet sich, seiner Durchlaucht dem Kurfürsten-Erzkanzler die Integrität seiner Staaten und die Ausführung des Artikels des Reichsdeputationshauptschlusses über den Octroi der Rheinschiffahrt 3 zu garantieren. Art. 2. Seine Durchlaucht der Kurfürst-Erzkanzler verpflichtet sich, Se. E m i nenz, den K a r d i n a l Fesch zu seinem Koadjutor zu ernennen, sobald er offiziell die Ratifikation des vorliegenden Vertrags empfangen wird, u n d verspricht, alle Mittel, die i n seiner Macht stehen, einzusetzen, damit die genannte E m i nenz i n dieser Eigenschaft i n den gewohnten Formen und i n dem kürzestmöglichen Zeitraum anerkannt wird. 1 Joseph Fesch (1763 - 1839), Halbbruder der Mutter Napoleons (Laetitia Bonaparte geb. Ramolino); 1802 Erzbischof von L y o n ; 1803 K a r d i n a l ; 1806 Koadjutor des Erzbistums Aschaffenburg-Regensburg; seit 1810 bei Napoleon in Ungnade; seit 1814/15 i n Rom. ? Die M i t t e i l u n g Dalbergs an den Reichstag über diese Ernennung bei B. Gams, Geschichte der Kirche Christi i m 19. Jahrhundert. Bd. I (1854), S. 396 f. 3 R D H § 39 (Dokumente Bd. 1, Nr. 1, S. 16 f.).

V I I . Die Ernennung des Kardinals Fesch zum Koadjutor

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N r . 13. Anzeige des Kurerzkanzlers v. Dalberg an den Reichsvizekanzler F r h r . v. H ü g e l 4 vom 24. M a i 180G (H. Bastgen, Dalbergs und Napoleons Kirchenpolitik in Deutschland, 1917, S. 359) Euer Liebden haben gewiß m i t m i r bisher die gerechteste Besorgnis u m E r haltung des Reichs-Erz-Kanzlerischen Kurstaates, ohne welchen die noch übrige Reichsverfassung nicht bestehen kann, aufrichtig getheilt. Von allen Seiten i n Meinen geistlichen und weltlichen Gerechtsamen schon bei meinen Lebzeiten und noch mehr nach meinem Tode bedroht, ohne Domkapitel, von dem ich Trost und Sicherheit für meinen Kurstaat hätte haben können, mußte ich auf einen Coadjutoren denken, von dem ich versichert bin, daß Er m i r und sich gegen alle Angriffe den mächtigen Schutz des französischen Kaisers gewähren würde. Ich konnte solchen nirgends als i n der Person des Herrn Cardinalen Fesch finden u n d dieses ist der äußerst wichtige Gegenstand meines Schreibens an die Kaiserl. Maj., das ich Euer Liebden in Aus- und Abschrift m i t dem Ersuchen hier beilege, und solches unverzüglich Sr. Maj. vorzulegen. Euer Liebden verkennen gewiß den Drang der Zeiten und die Reinheit der Absicht nicht, die mich hiebei geleitet haben, und Sie werden m i r desfalls bei Sr. Kaiserl. Maj. Gerechtigkeit widerfahren lassen. N r . 14. Schreiben des Kurerzkanzlers v. Dalberg an das Mainzer D o m k a p i t e l 5 vom 26. Mai 1806 ( Η. Bastgen, Dalbergs und Napoleons Kirchenpolitik in Deutschland, 1917, S. 359 ff.) Gleich bei dem A n t r i t t Unserer Regierung mußten die eben damals eingetretenen Höchsttraurigen Verhältnisse des Erzbisthums sowohl, als des K u r staates die Überzeugung von der Nothwendigkeit eines Coadjutors bei Uns bewirken. Mehrere Mitglieder dieses ehemal in Mainz bestandenen Metropolitan Kapitels haben Uns eben diese Uberzeugung öfters geäußert; auch hatten W i r den festen Entschluß schon gefaßt, Uns diesen Gehülfen und dem Erzstifte diese auf den Fall Unseres Hinscheidens so nothwendige Stütze sobald nur immer möglich zu geben. Daß dieser Entschluß bis anhero noch nicht ausgeführt ward, hieng von Uns nicht ab. Von der einen Seite hat die päbstliche T r a n s l o k a t i o n Bulle*5 das Recht des Regensburger Kathedral Kapitels, einen 4 Johann Alois (Frhr. v.) Hügel (1754 - 1825), zunächst in kurtrierischem, dann i n habsburgischem Dienst; 1794 - 1806 österreichischer Gesandter beim Reichstag i n Regensburg; Reichsvizekanzler unter dem Kurerzkanzler v. Dalberg; 1810 - 1814 österreichischer Gesandter bei diesem als Großherzog von F r a n k f u r t ; 1814/15 Zivilgouverneur der Verbündeten i n Frankfurt. 5 E i n i m Wesentlichen gleichlautendes Schreiben richtete Dalberg an das Regensburger Domkapitel. e Oben Nr. 11.

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1. Kap.: Staat und Kirche in der Zeit der Reichsauflösung

eigenen Bischof zu wählen, provisorisch suspendirt, und dem dermal in Aschaffenburg konstituirten Domkapitel das provisorische Wahlrecht auf den Fall einer Coadjutorie nicht eingeräumt; von der andern haben w i r die i n dieser Bulle vorbehaltene Konstituirung eines Metropolitan Kapitels aller unserer angewandten Mühe ungeachtet noch nicht zu Stande bringen können. Selbst auf unsere Ihro päbstl. Heiligkeit und Ihro Rom. Kaiserl. M a j . mitgetheilten Plane 7 ist bisher noch von keiner Seite eine A n t w o r t erfolgt. Seitdem n u n aber die neuesten Ereigniße i n Deutschland jene Lage des Kurstaats noch weit bedenklicher, u n d selbst seine Fortdauer höchst zweifelhaft gemacht haben, läßt sich dieses M i t t e l seiner Rettung nicht länger mehr verschieben. Vom Herzen hätten w i r zwar gewünscht, Unseren Nachfolger i n einem U n serer würdigen Kapitularen vorherzusehen; allein es w i r d jetzo ein solcher Koadjutor nöthig, welcher nicht nur die zu dieser Stelle erforderlichen persönlichen Eigenschaften besitzt, sondern m i t denselben auch diejenigen Verbindungen vereinigt, durch welche die so nahe drohende Gefahr abgewendet werden kann. M i t voller Zuversicht glauben w i r diesen in der Person des Herrn K a r d i n a l Fesch gefunden zu haben. Da w i r es nun für die dringendste Unserer Pflichten gegen das Uns anvertraute Erzstift, und selbst i n Beziehung auf die Erhaltung Unserer Domkapitularen ansehen, dieses einzige Rettungsmittel einzuschlagen, und die größte Gefahr auf dem Verzuge haftet, so haben W i r oben gesagten Herrn K a r d i n a l Sr. päbstl. Heiligkeit unverzüglich vorgeschlagen, und m i t Darstellung der wichtigsten, die Kirche und den Staat betreibenden Beweggründe Uns denselben zum Koadjutor und Nachfolger erbeten. — Es ist Uns zwar wohlbekannt, daß solche Koadjutoren deutscher Bischöfe von Sr. päbstl. Heiligkeit nie ohne von den Kapiteln vorläufig geschehener Bestimmung der Person ernennt worden sind, und daß diese Bestimmung durch eine A r t von Wahl erk l ä r t ward; allein da gegenwärtig kein zur Erwählung eines Koadjutors befugtes Kapitel bey Unserer Metropolitan Kirche bestehet, und die E r nennung dieses Unseres Koadjutors aus den wichtigsten allgemein bekannten Ursachen bis zur Errichtung des in erwähnter Bulle vorbehaltenen Metropolitan Kapitels keineswegs verschoben werden kann, auch die kapitularische Wahl kein wesentliches Erforderniß der Konstituirung bischöflicher Koadjutoren ist, indem diese nach dem Tridentinum lediglich von der nach reiflicher Erwägung der dringenden N o t w e n d i g k e i t gefasten Entscheidung und Gnade Sr. päbstl. Heiligkeit abhängt: so würden W i r Uns an der Unserem Erzstifte schuldigen Pflicht schwer versündiget haben, wenn w i r deßen Erhaltung dieser Bedenklichkeit hätten aufopfern wollen. W i r nehmen bey der Erfüllung dieser unsrer dringendsten Pflicht um so weniger Anstand als die Ernennung dieses Koadjutors die Folge eines so ganz außerordentlichen Falles ist, und daher eben so wenig dem Domkapitel der v o r h i n in Mainz bestandenen Metropolitan Kirche als dem nach Vorschrift der besagten päbstl. 7 Dalbergs Vorschlag über die Errichtung des Metropolitan-Kapitels zu Regensburg bei J. S. Vater, A n b a u der neuesten Kirchengeschichte, Bd. 2 (1822), S. 6 ff., ferner bei E. Münch, Vollständige Sammlung der ältern und neuern Konkordate, Bd. 2 (1831) S. 211 f.

V I I . Die Ernennung des Kardinals Fesch zum Koadjutor

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Bulle annoch zu errichtenden Metropolitan Kapitel zu einiger Präjudiz gereichen kann. Aus besondrer Rücksicht und aus innigem freundschaftlichen Vertrauen ertheilen W i r dem Metropolitan K a p i t e l der ehemaligen Mainzer Metropolitan Kirche von diesem so äußerst wichtigen Vorgange andurch die Nachricht, und zweifeln keineswegs, daßelbe werde Unsere Sorgfalt f ü r das Uns anvertraute Erzstift i n dieser von Uns gefaßten und, insofern es i n Unsern K r ä f t e n liegt, bethätigten Entschließung nicht mißkennen. Unsererseits werden w i r bei diesem so entscheidenden Ereigniß den ernstlichen Bedacht dahin nehmen, daß die i n der päbstl. Bulle annoch vorbehaltene förmliche Errichtung des Metropolitan Kapitels endlich einmal zu Stand komme, u n d daß f ü r die Rechte sowohl als für die Erhaltung des Erzbisthums und des Kurstaates jedes Besorgniß für die Z u k u n f t m i t der Hülfe Gottes entfernt werde.

N r . 15. Schreiben Kaiser Franz I I . an den Kurerzkanzler v. Dalberg vom 18. J u n i 1806 (H. Bastgen, Dalbergs und Napoleons Kirchenpolitik i n Deutschland, 1917, S. 367 f.) Euer Liebden sind bereits unterrichtet, daß M i r I h r Schreiben v o m 24. des vorigen über die gefaßte Entschließung, sich einen Coadjutor auszuersehen, zur Einsicht vorgelegt worden sey 8 . Ich konnte nicht anders als sehr verwundert seyn, daß als ich kaum i n die erste Kenntniß der genommenen Entschließung gesetzt war, Euer Liebden auch alsbald davon dem gesammten Reich durch den Weg der Dictatur die Anzeige gemacht 9 und m i t w i l l k ü r l i c h e r Voraussetzung Meines reichsoberhauptlichen Beyfalls schon alle Veranstaltungen als wenn dieser Beyfall w i r k l i c h schon erfolget wäre, getroffen haben. Euer Liebden kennen i n Ihrer Eigenschaft als Reichserzkanzler die konstitutionellen Verhältnisse des Reiches zu genau, als daß ich nöthig erachten könnte, denselben dasselbe i n das Gedächtniß zurückzurufen, was wegen Handhabung der althergebrachten Statuten der deutschen Erz- u n d Hochstifter — der Westfälische Friede festsetzt, was wegen der A u f rechthaltung der Statuten der ehemaligen Maynzischen Metropolitankirche das neueste Reichsgrundgesetz des Reichsdeputationsschlusses bestättigt hat, was Ihre Päpstl. Heiligkeit i n dem zu Paris am 1. Februar 1805 protokolierten Consistorial-Act zugesichert haben, u n d was endlich die Wahlkapitulation dem Reichsoberhaupt deßfalls zur Pflicht gemacht hat; und Euer Liebden w e r den daher die wichtigen u n d höheren Rücksichten nicht verkennen, welche i n dieser Angelegenheit eintreten und eine aufmerksame und ernstliche E r w ä gung verdienen.

8 9

Oben Nr. 13. Uber diese Anzeige Dalbergs an den Reichstag oben S. 30 Anm. 2.

3 H u b e r . S t a a t u n d K i r c h e , 1. B d .

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1. Kap.: Staat und Kirche i n der Zeit der Reichsauflösung

V I I I . F ü r s t p r i m a s v. D a l b e r g u n d die R e o r g a n i s a t i o n der k a t h o l i s c h e n K i r c h e i m R h e i n b u n d Mit dem Abschluß der Rheinbundsakte am 12. Juli 1806 1 erhielt der Kurerzkanzler v. Dalberg, dessen Gebiet Regensburg-Aschaffenburg um die Reichsstadt Frankfurt erweitert wurde, den Titel eines Fürstprimas und zugleich die Stellung eines geschäftsführenden BundesorgansMit dieser staatlichen Stellung verknüpfte der Fürstprimas v. Dalberg den Anspruch einer kirchlichen Primatialstellung, die er in einem Konkordat zu festigen suchte. Napoleon forderte, daß über das Konkordat für den Rheinbund in Paris verhandelt werde*. Die von Dalberg vorgelegte Punktation zu einem solchen Konkordat (Nr. 16) lehnte der Heilige Stuhl allerdings ab4. So blieb Dalbergs Bemühungen auch in diesem Fall der Erfolg versagt. Auch in den Jahren 1807 und 1808 gelang es Dalberg nicht, der inneren Verfassung des Rheinbundes, der katholischen Kirche im Rheinbund wie seinem „primatischen Staat" eine feste Grundlage zu schaffen. In dieser ungewissen Lage suchte er, wenigstens die Zukunft des primatischen Staats durch ein politisches Testament (Nr. 17) zu sichern.

N r . 16. Punktation des Fürstprimas v. Dalberg zu einem Konkordat für den Rheinbund v o m Jahre 1807 (B. Bastgen, Der E n t w u r f des Regensburger Erzbischofs Dalberg zu einem Konkordat für den Rheinbund und seine Ablehnung durch Rom, in: 14. Jahresbericht des Vereins zur Erforschung der Regensburger Diözesangeschichte, 1940, S. 5 ff.) — Übersetzung — Art.l. Die kath. Kirche soll die Freiheit der Religionsausübung genießen, die für alle Länder des Bundes Gültigkeit hat; ihre Mitglieder dürfen in keiner Weise von den bürgerlichen und politischen Rechten oder von Staatsämtern ausgeschlossen werden. Wie diese Freiheit weder die erworbenen Rechte noch den gegenwärtigen Besitz und die gegenwärtige Nutzung der Güter irgendeiner anderen Kirche beeinträchtigen darf, so wünscht auch die kath. Kirche, daß ihre Güter ebenso garantiert werden — und zwar i n der Form, daß die Dotationen ihrer Pfarrstellen, Pfründen, Gemeindeverwaltungen, Schulen, Seminare und anderen frommen Aufgaben immer unangestastet bleiben und 1

T e x t : Dokumente, Bd. 1, Nr. 2. 1810 fiel Regensburg an Bayern; der Fürstprimas nahm nun den Titel eines Großherzogs von Frankfurt an (unten S. 37). 3 Schreiben des französischen Außenministers Champagny an den K a r d i n a l legaten Caprara (bei dHaussonville, L'église romaine et le premier empire, torn. 2, 1868, p. 455 ff., bes. p. 460). 4 Gutachten des Kardinals di Pietro zu dem Konkordatsentwurf Dalbergs (B. Bastgen, Der E n t w u r f des Regensburger Erzbischofs Dalberg zu einem Konkordat für den Rheinbund und seine Ablehnung durch Rom; in: 14. Jahresbericht des Vereins zur Erforschung der Regensburger Diözesangeschichte, 1940, S. 3 ff.). 2

V I I I . Fürstprimas ν. Dalberg und Reorganisation der katholischen Kirche

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niemals zugunsten einer anderen Kirche oder unter einem anderen Vorwand ihrer Aufgabe entfremdet werden. Art. 2. I n Bezug auf diejenigen Güter von Bischöfen und anderen kirchl. Korporationen, die den weltlichen Fürsten als Entschädigung unter dem ausdrücklichen Vorbehalt einer festen Dotation der Kathedralen, die erhalten bleiben, gegeben wurden, hofft diese Kirche, daß diese Dotationen, die auch die Dotationen der Kapitel, Seminare und anderer diözesaner Einrichtungen umfassen, durch die betreffenden Fürsten i n einer ausreichenden und soliden Weise vorgenommen werden. Dies kann i m übrigen dem eigenen Vorteil der Souveräne nur förderlich sein; denn die Religion ist eine der festesten Stützen der politischen Verfassungen. Art. 3. Durch die V e r m i t t l u n g des erhabenen Protektors 5 soll m i t Sr. Heiligkeit ein allgemeines Konkordat für den ganzen Bund abgeschlossen werden, durch welches neben andern zu entscheidenden Gegenständen die neue Z i r kumskription und Dotation der Diözesen geregelt werden wird. Art. 4. Der Primas der deutschen Kirche, Nachfolger des heiligen Bonifatius, des Apostels Germaniens, soll, wie seine Vorgänger es seit tausend Jahren getan haben 6 , die Funktionen dieser kirchl. Würdenstellung über alle Kirchen des Bundes ausüben; die Besserungen, die er für das Wohl dieser Nationalkirche für notwendig halten wird, sollen überall promulgiert und durchgeführt werden, sobald sie die Bestätigung durch den Bundestag und die Genehmigung durch den erhabenen Protektor erhalten haben. Der Primas, der dem Oberhaupt der Kirche und M i t t e l p u n k t der Einheit aufrichtig und respektvoll u n terstellt und ergeben ist, w i r d seine F u n k t i o n i n Übereinstimmung m i t den heiligen Kanones n u r i n den seltenen, aber möglichen dringenden Fällen ausüben, i n denen sein Eingreifen umso notwendiger ist, als der Rekurs nach Rom nicht rechtzeitig statthaben kann. Art. 5. Die Eheschließungen, die Beurteilung ihrer Gültigkeit und die Scheidungen sollen weiterhin i n die ausschließliche Kompetenz der kirchl. Jurisdiktion fallen, m i t Ausnahme der notwendigen Punkte von rein bürgerlichem Interesse, wie der M i t g i f t , des Unterhalts der K i n d e r etc., die den weltlichen Richtern vorbehalten bleiben werden. Ebenso w i r d der Ehesegen niemals gespendet werden, ohne daß die Beteiligten die Zustimmung der bürgerlichen Gewalt erhalten und schriftlich vorgelegt haben. Art. 6. Die Bischöfe behalten bei der Verwaltung der Kirchengüter die Stellung, die sie vor der Zeit der Entschädigungen 7 innehatten. Art. 7. Der Rekurs zur politischen Regierung 8 gegen Urteile und A n o r d nungen der Bischöfe ist möglich i n den Fällen, i n denen der Gegenstand das zeitliche Interesse des Staates betrifft; wenn es sich dagegen u m das Dogma oder die innere Disziplin der Kirche handelt, ist die Angelegenheit durch A p pellation vor die nach der hierarchischen Ordnung unmittelbar übergeordneten kirchlichen Richter zu bringen; dies kann die so wünschenswerte Eintracht zwischen der zeitlichen Macht und der Geistlichkeit nur befestigen. 5

Nämlich Napoleons als des „Protektors des Rheinbundes". Nämlich die Erzbischöfe von Mainz. 7 Gemeint sind die Säkularisationen. * Gemeint ist der Recursus ab abusu.

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1. Kap. : Staat und Kirche i n der Zeit der Reichsauflösung

Art. 8. I m übrigen sollen die Bischöfe i n der Leitung ihrer Diözesen über denselben Spielraum und dieselbe Freiheit verfügen, die Se. Maj. der Kaiser und K ö n i g den Bischöfen Seines Reiches bewilligt hat oder noch bewilligen wird. Namentlich sollen sie die Pfarreien u n d Pfründen, für die nicht ein besonderes Patronat besteht, frei verleihen können, unter der Bedingung allerdings, daß die Amtseinsetzung erst erfolgt, nachdem die vorgesehene Person die Zustimmung der Regierung, die sie aus staatlichen Gründen ablehnen kann, gefunden hat. A l l e diese Wünsche w u r d e n von einer sehr großen Zahl von Bischöfen der Kirche Deutschlands ausgesprochen. Der Unterzeichnete legt sie i n ihrem Namen respektvoll dem erhabenen Protektor des Rheinbunds dar und n i m m t i n gleicher Weise alle Gelegenheiten wahr, die Aufmerksamkeit Sr. Heiligkeit des Oberhaupts der universalen Kirche auf sie zu lenken. N r . 17. Das „Politische Testament" des Fürstprimas v. Dalberg vom 20. November 1808 (H. Bastgen, Dalbergs u n d Napoleons Kirchenpolitik i n Deutschland, 1917, S. 369 f.) Da das Wohl des Primatischen Staates uns als Fürst Primas des Rheinischen Bundes anvertraut ist, so sehen w i r es als eine Pflicht an, auf denjenigen Fall eine Fürsorge zu treffen, w a n n es der göttlichen Vorsehung gefallen sollte, uns aus dieser Zeitlichkeit i n die Ewigkeit abzurufen, ehe daß unser Nachfolger bestimmt ist. V o n Herzen wünschen w i r , daß der verehrungswürdige Herr Cardinal Fesch unser Nachfolger werde. I n dieser Absicht haben w i r denselben als unsern Coadjutoren vorgeschlagen. Da n u n seitdem durch den Rheinischen B u n d die Benennung eines künftigen Fürsten Primas dem hohen Protector dieses Bundes vorbehalten ist: so muß der einstweilige Besitzstand des primatischen Staates i n dem Fall unsers tötlichen Eintritts i m Nahmen des Hohen Protectors ergriffen werden; so wie bey vorher bestehenden Verhältnissen das wählende Domkapitel im Erledigungs Fall des Domstifts und Staats den Besitz einstweilen ergriff. I n der Ergreifung solchen Besitzstandes ertheilen w i r hiermit K r a f t dieser unserer letzten Willens Meinung die Vollmacht unserm Staatsminister Freyherrn v. A l b i n i 9 i n Beziehung auf alle M i l i t ä r , politisch-flnanz- und Jurisdiktionsgegenstände. I m Erledigungs F a l l der primatischen Würde hat derselbe sogleich durch einen Curier die Nachricht an den hohen Protectoren des Rheinischen Bundes gelangen zu lassen u n d dessen hohen Weißungen zu gewärtigen. Auch ertheilen w i r unserm Staats-Minister Freyherrn v. A l b i n i die V o l l macht, i n dem Fürstenthum Aschaffenburg, Grafschaft Wetzlar und F r a n k 9 Franz Joseph Reichsfreiherr v. Albini (1748 - 1816), zunächst am Reichskammergericht; seit 1790 Hofkanzler u n d Minister des Kurfürsten von Mainz; 1806 Statthalter i n Regensburg; 1810 Staatsminister i m Großherzogtum Frankfurt.

I X . Das kirchenpolitische Programm des Fürstprimas v. Dalberg

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furter Gebiet diejeniche Geschäfts Männer zu substituiren, welche nach seiner Uberzeugung am besten geeignet sind, u m allda die provisorische Besitzergreifung i n dem Nahmen des hohen Protectors des Rheinischen Bundes gleichfalls zu ergreifen. Die Weisung wegen einstweiliger Verwaltung geistlicher Gerichtsbarkeit w i r d i n dem Sinne bestehender Kirchen Verfassung von uns dem Domcapitel ertheilt werden.

I X . Das k i r c h e n p o l i t i s c h e P r o g r a m m des F ü r s t p r i m a s v. D a l b e r g Mit der Gründung des Rheinbunds 1 wurde der bisherige Kurerzkanzler v. Dalberg, nunmehr als Fürstprimas von Deutschland, der wichtigste Partner Napoleons, des Protektors des Rheinbundes, in dem neugeschaffenen imperialen System. Der „Primatialstaat" des Fürstprimas war das letzte geistliche Fürstentum auf deutschem Boden. Am 16. Februar 1810 unterzeichneten Napoleon und Dalberg in Paris einen Vertrag 2, durch den Regensburg vom Primatialstaat getrennt und an Bayern abgetreten, dagegen Fulda und Hanau ihm eingefügt wurden. Der Primatialstaat erhielt nun den Namen „Großherzogtum Frankfurt", Dalberg den Titel eines Großherzogs. Nach seinem Tod sollte Prinz Eugen Beauharnais sein Nachfolger werden λ Damit war auch das letzte geistliche Fürstentum in Deutschland der Säkularisation überantwortet. Bei demselben Aufenthalt in Paris überreichte der Fürstprimas dem Kaiser eine Denkschrift über sein kirchenpolitisches Programm (Nr. 18). Doch auch dieser Vorschlag, der insbesondere die Übernahme des französischen Konkordats für den Rheinbund vorsah, blieb ohne Erfolg. N r . 18. Denkschrift des Fürstprimas v. D a l b e r g von 1810 (Archiv, f. d. kath. Kirchen- und Schulwesen vorzüglich i n den rheinischen Bundesstaaten, Bd. 1, 1810, S. 427 ff.) — Auszug — §1. Die kath. Kirche ist die Vereinigung der Gläubigen, welche durch den Geist der Gottesverehrung u n d der Liebe unter sich verbunden sind, u n d den Dogmen des Christenthums anhangen, die auf die heil. Schrift gegründet, durch die Konzilien entwickelt, durch die T r a d i t i o n u n d die von der allgemeinen Kirche angenommenen und dadurch bestätigten Bestimmungen der Päbste befestigt sind. 1

Durch die Rheinbundakte v o m 12. J u l i 1806 (Text: Dokumente Bd. 1 Nr. 2). T e x t : Corpus Juris Confoederationis Germanicae, Bd. 1, S. 105. Eugene de Beauharnais (1781 - 1824), Sohn der Kaiserin Josephine aus deren erster Ehe; Stiefsohn u n d Adoptivsohn Napoleons; seit 1802 Vize-König von Italien; verheiratet m i t der Prinzessin Amalie Auguste Luise von Bayern; von seinem Schwiegervater K ö n i g Max Joseph 1817 zum Herzog von Leuchtenberg erhoben. 2

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1. Kap.: Staat und Kirche i n der Zeit der Reichsauflösung

Die Einheit ist das Ziel der Richtung aller Mitglieder der kath. Kirche, und diese Vereinigung entwickelt sich i n der innigsten Ubereinstimmung der Empfindungen der tiefen Ehrfurcht gegen Gott, u n d der Liebe des Nächsten, w e l chen das Christenthum sich selbst gleichzusetzen befiehlt. Die Einheit der Kirche gründet sich auf die dem kath. Christen vorgeschriebene Pflicht, die i n der heil. Schrift geoffenbarte Dogmen fest zu glauben, und denselben i n dem Sinne getreulich anzuhangen, welcher durch die Konzilien u n d die Vorsteher der Kirche bestimmt, und von der allgemeinen Kirche angenommen ist. Diese Einheit gründet sich auf den festen und allgemeinen Glauben der Unsterblichkeit der Seele, welche i n der Ewigkeit die von der Gerechtigkeit Gottes zugemessene Belohnung der Tugend und Strafe der Laster findet... § 2. Der Friede der Kirche ist die Gewissensruhe in den Seelen der Gläubigen. Diese Ruhe genießt der gute K a t h o l i k , wenn er i n seinem H i r t e n das Beispiel tiefer Gottesfurcht und der wahren christlichen Liebe sieht, wenn dieser H i r t die i h m anvertrauten Seelen m i t Einsicht und Treue auf dem Wege der Tugend leitet, von ihren Verirrungen zurückführt, u n d i n ihren Leiden tröstet. Diese Ruhe ist i n der Seele des K a t h o l i k e n vorhanden, wenn er weiß, daß sein Bischof ein rechtmäßiger Nachfolger der Apostel ist. Sie ist vorhanden, w e n n der K a t h o l i k weiß, daß das Oberhaupt der Kirche und der M i t t e l p u n k t der Einheit, der Nachfolger des heiligen Petrus ist. Sie ist endlich vorhanden, wenn der K a t h o l i k weiß, daß die Dogmen, welche i h m die Kirche zu glauben vorschreibt, i n dem alten Testamente und i m Evangelium, i n den Entscheidungen der Konzilien, i n den Bestimmungen der K i r chenvorsteher, i n sofern sie von der allgemeinen Kirche angenommen sind, ihren Grund haben; und wenn er innigst überzeugt ist, daß die göttlichen V o r schriften seiner Religion, entfernt von allen Neben- und zeitlichen Absichten, keinen anderen Zweck haben, als das geistliche Wohl einer gottesfürchtigen und liebevollen Seele . . . § 3. Wenn aber der K a t h o l i k seinen Oberhirten i n der Ausübung der Gottesverehrung, ohne daß er sich eine Zerrüttung der öffentlichen Ruhe vorzuwerfen hat, gehemmt sieht, wenn die weltliche Macht die A r t vorschreibt, wie die Kirchenvorsteher die Glaubenslehren auslegen sollen; wenn sich diese Gewalt i n Dispensationsfällen zwischen den päbstl. Stuhl und den Bischof stellt; wenn sie i n einzelnen Fällen die Entscheidung i n Ehesachen, auch i n Beziehung auf das geistliche Band, sich zueignet; wenn die Zahl der zur Versehung des Gottesdienstes erforderlichen Geistlichen sich augenscheinlich vermindert; wenn die Seminarien nicht mehr unter der wesentlichen Leitung der Bischöffe stehen; wenn nach dem Tode seines Bischofs Jahre verfließen, ohne daß ein Nachfolger an seine Stelle t r i t t ; dann zerstören Zweifel und Besorgniß die Ruhe seiner Seele, er fürchtet, auf dem Wege des Heils nicht mehr sicher geleitet zu werden, i i c h zu verirren, ohne daß ein zuverlässiger Führer ihn auf den Pfad der christlichen Tugend zurückleiten könne; er fürchtet endlich, daß die heilige Religion, diese Trösterin i m Unglück, diese Hoffnung einer glückseligen E w i g keit, f r ü h oder spät f ü r ihn, für seine geliebten K i n d e r und für ihre Nachkommen verloren sey.

I X . Das kirchenpolitisch

Programm des Fürstprimas v. Dalberg

Dann ist der Friede aus dem beängstigten Herzen des Katholiken verbannt. Er fühlt sich in der Ausübung seiner Gottesverehrung und i n den Werken seiner christlichen Liebe beunruhigt. I n seinem Innern fordert er die Freiheit der Religionsübung seiner Väter. Gebühren, erzogen i n der katholisch-apostolisch-römischen Religion, verlangt er i n seinem Innern jene Ruhe zu finden, welche den gottesfürchtigen Seelen nöthig ist, deren Vereinigung i n eben dieser Beruhigung den wahren Frieden der Kirche a u s m a c h t . . . §4. Diese Beruhigung ist in den Staaten der rheinischen Konföderation gestört, w e i l mehrere ihrer Bißthümer offen bleiben, alle seit der Säkularisation der geistlichen Güter i n Deutschland ihrer Dotation beraubt sind, was nothwendig die Furcht herbeiführt, daß die kath. Länder der Konföderation i n wenig Jahren ohne Bischöffe seyn werden. Schon befinden sich die B i ß thümer Passau, Freisingen, Bamberg, Würzburg und Münster i n diesem Falle. Der auf dem rechten Ufer des Rheins gelegene Theil der Mainzer, Wormser, Straßburger und Konstanzer Diözes w i r d provisorisch von dem Erzbischoff e zu Regensburg verwaltet. Die Diözesen von Trier, K ö l l n u n d Basel, i n sofern sie auf dem rechten Rheinufer liegen; die von Eichstadt, Speyer, Paderborn, Hildesheim, Osnabrück, Corvei, Fulda, Salzburg nebst ihren vier Suffraganaten, haben zwar ihre eigenen Bischöfe, die nur lebenslängliche Pensionen genießen; ihre Sitze aber, die keine e i g e n t ü m l i c h e Dotation haben, gehören i n die Kategorie derjenigen, die nach dem Tode ihrer Bischöffe unbesetzt bleiben. Zu dieser Besorgniß kömmt noch die Betrachtung, daß die Fonds der Seminarien, der Klöster, eines großen Theils der geistlichen Pfründen, der Dom- u n d Kollegiatstifter säkularisirt sind, daß die Altäre und der Gottesdienst an vielen Orten Mangel an Subjekten leiden werden. Die Besorgniß vermehrt sich am Ende noch dadurch, daß alle Bestrebungen des Metropoliten, u m ein K o n kordat zu erwirken, ohne Erfolg gewesen sind 4 , und daß die einzelnen U n t e r handlungen der Souveräne m i t dem römischen Hofe ohne Erfolg geblieben sind 5 . Dieß ist die Lage des Katholizismus in einigen Staaten der rheinischen Konföderation . . . § 5. Aus diesen Betrachtungen ergiebt sich die traurige Wahrheit, daß i n vielen Gegenden der rheinischen Konföderation die Gewissensangst über den gegenwärtigen Zustand, und die Besorgniß über die Zukunft, die Ruhe und den religiösen Frieden der Gläubigen stören. M a n kann allerdings nicht läugnen, daß manche Mißbräuche, kleinliche, der Majestät der Gottesverehrung unwürdige Andachten, zu sehr vervielfältigte Wallfahrten, Vorurtheile, und einige abergläubige I r r t h ü m e r sich nach und nach i n ältern Zeiten i n diese Staaten eingeschlichen haben; allein die Wahrheit w i r d immer die Grundlage der kath. Religion seyn, und i n dieser Hinsicht verdienen die souveränen Fürsten die Dankbarkeit wahrhaft gottesfürchtiger Seelen, wenn sie die Völker durch Anstalten aufklären, welche eine gute Erziehung und die Kenntniß nützlicher Wahrheiten vorbereiten, die m i t den wahren und wohlthätigen Religionslehren immer vereinbarlich sind. Die Dankbarkeit der K a t h o l i k e n w i r d u m so gegründeter seyn, als diese Wahrheiten sich nach und nach und auf eine A r t verbreiten werden, daß sie 4

Oben S. 22 ff. ' Unten S. 34 ff.

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1. Kap. : Staat u n d Kirche in der Zeit der Reichsauflösung

aufklären, ohne zu blenden, die Grundlage der Mißbräuche, der Quelle so vieler Verirrungen zerstören, ohne den heilsamen, m i t Achtung und Schonung zu behandelnden Gebräuchen zu nahe zu treten . . . §6. Die Bischöffe sind ein wesentlicher T h e i l der Kirchenhierarchie; aber wie ist ihre Existenz i n den rheinischen Bundesstaaten für die Z u k u n f t zu sichern? Wie zu hoffen nach den seit sechs Jahren von dem Metropoliten von Regensburg bei dem päbstl. Stuhl ehrfurchtsvollest wiederholten Vorstellungen, nach den von mehreren konföderirten Fürsten m i t dem röm. Hofe angefangenen Unterhandlungen? Dieser Gegenstand ist, w i e w i r gesehen haben, m i t dem Frieden der Kirche i n den konföderirten Staaten aufs engste verbunden. Dieser Friede wäre hergestellt, wenn der erhabene Protektor i m Namen der Konföderation, u n d Ihro päbstl. Heiligkeit übereinkämen, das französische K o n k o r d a t 6 auch f ü r diese Staaten aufzunehmen. Alsdann hätte jeder Staat einen oder mehrere Bischöffe zu ernennen, die nach erhaltener päbstl. Bestätigung die nämliche geistl. Gewalt ausübten, welche die französischen Bischöffe besitzen, u n d deren bischöffl. Dotation durch jeden Souverän unter V e r m i t t lung Sr. M a j . des Kaisers und Ihrer päbstl. Heiligkeit bestimmt würde . . . § 7. I n dem Falle, wo diese i n jeder Hinsicht so erwünschte Vereinigung nicht zu Stande käme, würde es schwer seyn, zur Wiederherstellung u n d Befestigung des Friedens der Kirche i n den Staaten der rheinischen Konföderation ein M i t t e l zu finden. Würde ein französisches Provinzialkonzilium über diesen Gegenstand etwas beschließen können u n d wollen? u n d versammelt man ein Provinzialkonzilium i n diesen Staaten, könnte man hoffen, die Gesinnungen und Beistimmungen so vieler Souveräne zu vereinigen? E i n allgemeines Konzilium, welches aus französischen, italienischen, spanischen und deutschen Bischöffen bestünde, u n d von Sr. Maj. dem Kaiser berufen wäre 7 , würde alsdann wahrscheinlich die einzige und letzte Hoffnung gewähren, die Gränzlinie der Eintracht zwischen der geistlichen und w e l t lichen Gewalt i n den Staaten der Konföderation zu bestimmen . . . § 8. Richten w i r an die göttliche Vorsehung unsere Wünsche für die Wiederherstellung des Friedens der Kirche i n diesem so bedeutenden Theil kath. Länder. Dieser Friede, der f ü r das geistliche und zeitliche W o h l der Völker so nützlich ist, w i r d ihre Anhänglichkeit an ihre Souveräne befestigen, und v i e l leicht die Vereinigung der Katholiken und Protestanten durch den Geist christlicher Liebe erleichtern. Diese i m allgemeinen, und i n den rheinischen Bundesstaaten insbesondere so erwünschliche Vereinigung scheint, vor der Befestigung des hierarchischen Systems selbst, nicht möglich zu seyn. Wie sollte man sich auch vereinigen, so lange diejenigen, welche auf eine gründliche und berufsmäßige A r t dazu beitragen können, m i t einem Worte, so lang die wirklichen Bischöffe i n diesen Gegenden noch nicht vorhanden sind. Sie k a n n n u r durch die Liebe wahrer Gläubigen vorbereitet werden. Da diese alle Menschen, vorzüglich die Christen, w i e sich selbst lieben, verbreiten sie dadurch das Zutrauen, und ersticken den K e i m des Hasses, der aus der Verschiedenheit der Meinung entsteht, deren vollkommene Übereinstimmung n u r 6 7

Oben Nr. 2. Gemeint ist der Kaiser der Franzosen, der Protektor des Rheinbunds.

I X . Das kirchenpolitische Programm des Fürstprimas v. Dalberg

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das Werk der göttlichen Vorsehung seyn kann, indem das Licht des wahren Glaubens ein Geschenk ihrer Gnade ist. Bossuet, Leibniz, Molanus 8 , u n d i n neuern Zeiten verschiedene deutsche Gelehrte v o n beiden Partheien haben die Gränzen der Möglichkeit einer Annäherung untersucht, welche Gott allein bewirken kann. Bis dahin befolgen w i r die Ermahnung des heiligen Evangelisten Johannes, der i n seinem hohen A l t e r unaufhörlich wiederholte: Liebet euch, meine K i n d e r 9 !

8 Wie der Bischof Bossuet (1627 - 1704) auf katholischer Seite verfocht Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 - 1716) auf evangelischer Seite den Plan einer Union der römischen, der lutherischen und der reformierten Kirche. Leibniz wurde dabei unterstützt von dem lutherischen Theologen Gerhard Walter Molanus (1633 - 1722), der seit 1664 Professor i n Rinteln, seit 1674 Leiter des Konsistoriums i n Hannover war. 9 1. Johannes 4, 7 ff.

Zweites Kapitel Die Grundlagen der N e u o r d n u n g des K i r c h e n w e s e n s i n P r e u ß e n I . Die Säkularisation der geistlichen F ü r s t e n t ü m e r i n Preußen Seit dem Abschluß des Sonderfriedens von Basel (1795) betrieb Preußen eine Politik enger Verständigung mit FrankreichIn ihren Rahmen gehörte auch die nach dem Regierungsantritt König Friedrich Wilhelms III. von dem Minister v. Hardenberg - lebhaft geförderte innerdeutsche Gebietsreform. Für die linksrheinischen Verluste, die Preußen im Vollzug des Friedens von Lunéville vom 9. Februar 1801 (oben Nr. 3) hinnehmen mußte, konnte es kraft des schon hier festgelegten Säkularisationsprinzips bedeutende territoriale Entschädigungen auf dem rechten Rheinufer erwarten. Unter anderem erlangte es damit die Anwartschaft auf eine große Zahl von geistlichen Reichsstiften, nämlich die Bistümer Hildesheim, Paderborn und (zum großen Teil) Münster, sowie die Abteien Herford, Quedlinburg, Elten, Essen, Werden und Kappenberg*. Um Schiüierigkeiten bei der kommenden Säkularisation zu vermeiden, forderte Preußen, daß die zur Säkularisation in Aussicht genommenen Reichsstifte (-- reichsunmittelbare Bistümer und Abteien) bei Eintritt einer Vakanz nicht mehr neu besetzt werden dürften (Nr. 19). So machte der preußische König noch vor der Verabschiedung des Reichsdeputationshauptschlusses (oben Nr. 5) seine künftigen landesherrlichen Rechte nachdrücklich gegenüber dem Domkapitel zu Münster geltend (Nr. 20). N r . 19. Schreiben K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . an die deutschen Reichsstände über die Wiederbesetzung erledigter geistlicher Stellen vom 5. August 1801 (H. Granier, Preußen und die katholische Kirche, Teil 8, 1902, S. 468) — Auszug — Da durch die reichsväterliche Vorsorge Sr. Kayserl. Maj. von Alierhöchstdenselben und dem gesamten Reich zum Behuf der Entschädigungen das 1

Dazu Verfassungsgeschichte, Bd. I, S. 29 ff. Karl August (Fürst) von Hardenberg (1750 - 1822) wurde 1790 leitender Minister der Markgrafschaften Ansbach und Bayreuth; 1791 preuß. Provinzialminister f ü r Franken; 1798 - 1806 preuß. Kabinettsminister; A p r i l bis J u l i 1807 erneut leitender Minister; 1810 - 1822 preuß. Staatskanzler. 3 § 3 Reichsdeputationshauptschluß (Dokumente Bd. 1, S. 3). 2

I. Die Säkularisation der geistlichen Fürstentümer i n Preußen

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Secularisationsprincip einmal festgestellt worden, so würde es eine offenbare Inconsequenz seyn und die endliche Berichtigung des f ü r die^Ruhe des ganzen Reichs so höchstnöthigen Friedenswerkes ausnehmend erschweren, w e n n inzwischen die Capituln der von selbst zur Erledigung gekommenen oder noch kommenden höhern u n d mindern Reichsstifter zu neuen Wahlen schreiten wollten; W i r forderten daher Unsere hohen Reichsmitstände auf, so bald als möglich es gleichfalls zur Sanctionirung zu bringen, daß i n Fällen dieser A r t bis auf weitere Festsetzung durchaus keine Wahlen vorgenommen werden; U n d W i r hielten Uns von der vollkommensten Richtigkeit dieses angegebenen Grundsatzes so fest überzeugt, daß W i r Unserer Seits i n jedem Fall die i n z w i schen etwa doch zu Stande kommende übereilte Wahlen von solchen erledigten Stiftslanden, die zu Unserer Entschädigung dienen und genommen werden könnten, durchaus nicht als gültig oder bestehend anerkennen würden, als welches W i r hiemit vor gesammtem Reich bestimmt und ausdrücklich zu erklären Uns bewogen sähen. W i r wünschen noch, daß I h r auch andere weltliche Stände, besonders die m i t Uns i n gleichem Indemnisations Fall befindlichen, durch ihre dortige Gesandten disponiren könntet, gleiche Erklärungen abzulegen, und w i r zweiflen nicht, daß der von Uns aufgestellte, so einfach richtige Gesichtspunkt allgemeinen Eingang finden werde, da i m entgegengesetzten F a l l es die auffallendste I n consequenz seyn würde, während derjenigen Reichsberathschlagung, deren Folge die Supprimirung mehrerer Stifter seyn soll, von neuem geistliche Besitzer derselben an die Stelle der durch den Tod aus dem Wege gegangenen creiren zu lassen . . .

N r . 20. Schreiben K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . an das D o m k a p i t e l zu Münster vom 11. August 1802 (L. König, Pius VII., die Säkularisation und das Reichskonkordat, 1904, S. 10 f.) Da ohne Vorwissen und Genehmigung Unseres Organisationschefs niemanden ein geistliches A m t oder Beneficium, eine Prälatur, Stiftspräbende oder sonstige Pfründe, sie mögen katholisch oder protestantisch sein, f ü r die Z u k u n f t ertheilet werden dürfen 4 , und m i t den oberen geistlichen Behörden die Einrichtung getroffen werden muß, daß bei allen vacant werdenden Prälaturen und Stiftspräbenden, w o m i t cura animarum nicht verknüpft ist, sondern welche nur als Pfründen anzusehen sind, sofort ein detaillierter Bericht erstattet und bis zum Eingang weiterer Verhaltensbefehle i n ansieht der Wiederbesetzung der erledigten Stellen nicht verfüget werden soll, daß aber i n allen übrigen Fällen, so oft eine Vacanz entsteht, damit w i r k l i c h cura animarum verbunden ist, ebenfalls Anzeige geschehen muß, damit, wenn uns als Landesherrn die 4 Das Schreiben enthält hier u n d i m Folgenden eine instruktive Aufzählung der Machtvollkommenheiten, die der Staat damals kraft seiner Kirchenhoheit i n Anspruch nahm: Anzeigepflicht v o r der Wiederbesetzung geistlicher Stellen; staatliches Plazet vor der Verkündung kirchlicher Anordnungen, sowie staatliche Genehmigung des Eintritts i n Klöster.

2. Kap.: Neuordnung des Kirchenwesens in Preußen

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Nomination und Collation zusteht, die Besetzung der erledigten Stelle darnach eingerichtet werden kann, wenn aber dies nicht der Fall ist, sondern die Collation einem andern, es sei einem geistlichen Obern oder einem Patron zustehet, der Gewählte jedesmal, ehe er sein A m t w i r k l i c h übernimmt, Unserer höchsten Behörde angezeigt werden soll, u n d es dabei keinen Unterschied macht, ob von einem katholischen oder protestantischen Geistlichen die Rede ist; da ferner keine päpstliche Bulle und keine allgemeine Verordnung eines Bischofs ohne E i n w i l l i g u n g des Landesherrn und ohne Vorwissen Unserer Behörde bekanntgemacht werden darf; da weiter ohne vorhergegangene Anzeige und darauf erfolgte Genehmigung kein Klostergeistlicher i n den Mannsklöstern, auch kein Novize die Gelübde ablegen und niemand zum Novizen angenommen werden darf, so lassen w i r Euch solches hiemit zur Nachricht und Achtung bekanntmachen m i t dem Auftrage, hierüber jedesmal sofort einen detaillierten Bericht zu erstatten u n d bis zum Eingang weiterer Verhaltensbefehle i n A b sicht der Wiederbesetzung der erledigten Stelle nichts zu verfügen, sodann aber i n dem Berichte wegen Annahme eines Novizen oder wegen des von einem Novizen abzulegenden Klostergelübdes die dabei stattfindenden Umstände bei Uns gehörig detailliert anzuzeigen, zugleich aber ein genaues Verzeichnis sämmtlicher sowohl männlicher als weiblicher Klostergeistlichen und Novizen und nicht weniger aller Stiftsherren und Damen, ohne allen Unterschied, sie mögen zum Hochstifte oder anderen Stiftern gehören, m i t A n f ü h r u n g ihres Namens, Alters und Vaterlandes, sofort aufzunehmen und binnen 14 Tagen an Uns einzureichen.

I I . D i e preußische Gesandtschaft b e i m H e i l i g e n S t u h l Seit 1747 war Preußen durch diplomatische „Agenten" bei der Kurie vertretend Diese Aufgabe nahmen zunächst Italiener wahr, nämlich Giovanni Antonio Coltrolini (1747 - 1763) und Matteo Ciofani (1763 - 1798); der Letztgenannte erhielt 1787 den Titel eines „Residenten". Johann Daniel Wilhelm v. Uhden war der erste Deutsche, der, seit 1795 als Co-Resident, von 1798 bis 1802 als Resident, die preußischen Interessen in Rom vertrat 1*. Die Aufgaben des Residenten waren in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gewachsen, da Preußen durch die Einverleibung Schlesiens und durch die polnischen Teilungen größere katholische Gebiete erworben hatte. Gleichwohl blieb die preußische Vatikangesandtschaft auch unter Uhden vornehmlich ein Verwaltung spo sten, der den Verkehr der katholischen Untertanen Preußens mit der Kurie vermittelte. Die Annahme eines Apostolischen Nuntius in Berlin lehnte Preußen seit Friedrich dem Großen entschieden ab2. Erst Wilhelm 1

Vgl. F. Hanus, Die preußische Vatikangesandtschaft 1747 - 1920 (1954). Johann Daniel Wilhelm v. Uhden (1763 - 1835), preuß. Diplomat; 1795 bis 1802 Leiter der preuß. Gesandtschaft beim V a t i k a n ; seit 1809 Staatsrat i n der Sektion für K u l t u s und Unterricht i m preuß. Innenministerium. 2 Z u r Begründung der preußischen Position i n dieser Frage: Bericht Humboldts v o m 24. M a i 1806 (H. Granier, Preußen und die katholische Kirche nach 1640, T e i l 9, 1902, S. 529 ff.). A n der von Friedrich dem Großen stammenden M a x i m e hielt Preußen dauernd fest. Auch der erste apostolische Nuntius i n

I I . Die preußische Gesandtschaft beim Heiligen Stuhl

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v. Humboldt*, der 1802 - 1806 preußischer Resident und 1806 - 1808 bevollmächtigter Minister am päpstlichen Hof war, gab der Vertretung Preußens in Rom politisches Gewicht. Die königliche Instruktion für Humboldt von 1802 (Nr. 21) enthält die Grundzüge der preußischen Politik gegenüber der katholischen Kirche im Zeitabschnitt der Säkularisation 4. 1804 wurde Humboldt auch Geschäftsträger für Hessen-Darmstadt am päpstlichen Hop. N r . 21. Instruktion K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . für den Residenten a m Heiligen Stuhl W i l h e l m v. H u m b o l d t vom 22. August 1802 (H. Granier, Preußen u n d die katholische Kirche, Teil 8,1902, S. 630 ff.) — Auszug — Nachdem Wir, aus einem vorzüglichen Vertrauen i n Eure Fähigkeiten, Rechtschaffenheit und Diensteifer, Euch zu Unserm Residenten am röm. Hofe ausersehen und ernannt haben, habt I h r durch eine sorgfältige Benutzung der Acten Unsers Geheimen Archivs Euch bereits eine so gründliche Kenntniss von dem Umfange, den Zweigen und dem Zweck Eurer künftigen Geschäfte i n diesem Fache erworben, dass es desto leichter seyn w i r d , Euch i n der gegenwärtigen Instruction einen allgemeinen Umriss dieser Gegenstände zu geben, und dass Ihr, vermöge dieses allgemeinen, i n den Zweck des Ganzen eindringenden Uberblicks, demnächst die Euch von Uns zugehenden einzelnen A u f träge desto vollkommener ausführen werdet. 1. Der hierbei zu fassende Hauptgesichtspunkt ergiebt sich aus den Grundmaximen Unserer Regierung und aus der Beschaffenheit Unserer Staaten. Als ein Protestant. Souverain kennen W i r den vollen Umfang Unserer Majestätsrechte circa sacra 6 und aller Unserer Gerechtsame i n geistl. Angelegenheiten und halten solche unwandelbar aufrecht wider alle und jede Angriffe und Anmaassungen, üben jene Rechte stets aus und haben ein wachsames Auge auf alles, was sich darauf beziehet. Als K ö n i g und Souverain so vieler tausend, Unserm landesväterlichen Herzen theurer kath. Unterthanen lassen W i r dieselben der Früchte einer weisen, wohlverstandenen Toleranz geniessen und geben nicht zu, dass ihre Gewissensfreiheit gekränkt werde. Berlin Pacelli (1920 - 1930) und seine Nachfolger waren nur beim Reich, nicht bei Preußen akkreditiert. 3 Wilhelm Frhr. v. Humboldt (1767 - 1835), der sich zunächst privaten Studien widmete, w a r 1802 - 1808 preuß. Gesandter beim Heiligen Stuhl; 1809/10 Geh. Staatsrat und Leiter der K u l t u s - u n d Unterrichtsabteilung i m preuß. Innenministerium; 1810 - 1815 Gesandter i n Wien; 1817/18 Gesandter i n London; 1819 Minister f ü r ständische Angelegenheiten. 4 Die Instruktion wurde von dem Vortragenden Rat i m Kabinettsminister i u m Karl Georg v. Raumer (1753 - 1833) entworfen. Überlegungen aus einer Denkschrift Humboldts vom Sommer 1802 fanden i n diese Instruktion Eingang (Hanus, a.a.O., S. 80 ff.). 5 Dazu I n s t r u k t i o n des Landgrafen Ludwig für Humboldt vom 31. A p r i l 1804 bei: K . Walter, Hessen-Darmstadt und die katholische Kirche i n der Zeit von 1803 - 1830 (1933), S. 104 ff. 6 Uber die damaligen jura circa sacra: Verfassungsgeschichte Bd. I S. 393 ff.

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A l l e nur irgend vorkommende einzelne Geschäfte werden aus diesem zwiefachen Gesichtspunkte betrachtet und nach demselben dergestalt harmonisch behandelt, dass weder der eine noch der andere jemals ausser Acht gelassen, noch irgend etwas, was dem einen oder dem andern widerspricht, gestattet wird. 2. Hieraus ergiebt sich, so viel das Verhältnis zum röm. Hofe betrifft, dass W i r den Papst als einen weltlichen Fürsten betrachten, aber gestatten, dass Unsere kath. Unterthanen i n i h m das Oberhaupt der kath. Kirche verehren, jedoch dergestalt, dass dadurch i n keinem Falle Unsere Majestäts- und landesherrlichen Rechte, Unsere Majestäts-Rechte circa sacra oder überhaupt Unsere Gerechtsame in weltlichen oder geistlichen Angelegenheiten leiden. 5. Eurer Aufmerksamkeit w i r d ein i n den Materialien Unserer Euch zugehenden Aufträge liegender Unterschied nicht entgehen. Nemlich ein T h e i l derselben w i r d Euch von Uns dergestalt ertheilet, daß I h r solche als Unsere Aufträge i n Unserm Allerhöchsten Namen anzubringen, vorzutragen und darin zu negociiren habt. Diese A r t von Aufträgen kömmt alsdann vor, wenn es auf die Ausübung oder Aufrechthaltung Unserer Majestätsrechte oder überhaupt Unserer Gerechtsame ankömmt, zum Beispiel, wenn W i r ein Bisthum errichten, einen Bischof oder A b t ernennen und gestatten, dass für diese die röm. Ausfertigungen gesucht werden. Eine andere A r t von Aufträgen w i r d Euch von Uns dergestalt ertheilet, dass W i r bloss gestatten, dass I h r das Privatanbringen einer Partei unterstützet, zum Beispiel, wenn W i r i n Fällen, i n denen Unsere Landesgesetze die Ehe erlauben, den Parteien nachgeben, zur Beruhigung Ihrer Gewissen die röm. Dispensation zu suchen; wobei jedoch, wenn über Kosten in Armensachen oder über zu hohe Kosten Klage zu führen ist, die Beschwerde deshalb in Unserm Namen anzubringen ist. 6. Die Grundsätze der Regierung eines Protestant. Souverains bringen m i t sich und die Erfahrung bewährt es, daß, was auch irgend zu Rom zu unterhandeln vorfallen mag, und die Anträge mögen i n Unserm Allerhöchsten Namen oder n u r unter Unserer Zulassung anzubringen seyn, doch niemals die Form eines Concordats, noch auch überhaupt die Form eines bilateralen Actus dabei anzuwenden ist. E i n Concordat eines Souverains m i t dem Papst setzt voraus, daß jener i n irgend etwas nachgebe, dem Papst irgend einen Vortheil bewillige und dafür sich Gegenvortheile ausbedinge. I n diesen Fall des Nachgebens oder Vortheil-Bewilligens aber wollen Wir, als Protestant. Souverain und nach Unsern Regierungsgrundsätzen, durchaus nicht kommen; vielmehr wollen W i r weder nachgeben, noch Vortheile bewilligen. W i r negociiren zur Beruhigung der Gewissen Unserer kath. Unterthanen und lassen zu diesem Zweck negociiren, jedoch durchaus nur solche Bewilligungen von Seiten des Papstes, welche Unsere Majestätsrechte und Unsere sämtliche Gerechtsame, besonders Unsere Majestätsrechte circa Sacra und Unsere geistliche Gerichtsbarkeit, nicht verletzen. Dergleichen Bewilligungen zu ertheilen, hat der Papst ein starkes Interesse, w e i l i h m an der Beruhigung der Gewissen der Katholiken und an der Erhaltung Unserer Königl. Gnade gegen Unsere kath. Unterthanen gelegen seyn muss . . .

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7. I m Stift Ermeland sind zwar die dem Interesse der Souverains nur zu nachtheiligen Concordata Nationis Germanicae hergebracht 7 . Die Anwendung derselben gehet aber nicht so weit, daß W i r solche Punkte daraus, welche Unsern Majestätsrechten circa Sacra entgegen laufen, Uns jemals gefallen lassen oder i m röm. Sinne gefassten Auslegungen dieser Concordata jemals Platz geben sollten. Wenn demnach jene Concordata von röm. Seite angeführt werden sollten (die diesseitige A n f ü h r u n g derselben ist gänzlich zu vermeiden), so habt I h r , ohne Euch darauf einzulassen, den Fall mittels Eures Berichts anhero anzuzeigen. 8. Es pflegen auch w o h l von den Autoren allerhand sogenannte polnische Concordata, Conventionen u n d Transactionen der Päpste m i t den ehemaligen Königen von Polen i n polnischen kirchlichen Angelegenheiten, oder gar päpstl. Bullen über diese Gegenstände angeführt zu werden 8 . Diese piècen alle aber tragen, obgleich spätem Ursprungs als die Concordaten deutscher Nation, eben das Gepräge des Mittelalters, was die Concordaten deutscher Nation so unvorteilhaft auszeichnet, nemlich den Character einer ungebührlichen Nachgiebigkeit gegen den röm. Hof und einer Verkennung der Rechte der Souverains. W i r sind also gar nicht Willens, solche anzuerkennen, und machen Euch solches bekannt, damit Ihr, wenn etwann, wie jedoch bisher noch nicht geschehen ist, dergleichen dort wider Euch allegiret werden möchte, sogleich wissen möget, aus welchem Gesichtspunkte I h r die Sache anzusehen habet. W i r erwarten solchenfalls, daß I h r nichts dergleichen anerkennen, vielmehr den F a l l Uns berichtlich anzeigen und Verhaltungsbefehle von Uns einholen sollet. W i r bemerken bei dieser Gelegenheit, daß zuweilen noch i n römischen Ausfertigungen der Ausdruck Polonia u.s.w. eingeschlossen ist. Da der polnische Staat aufgelöset ist, so habt I h r diesem Ausdruck i n röm. Ausfertigungen nicht nachzusehen, sondern darauf zu wachen, dass überall darin gehörig Borussia (respective:) Meridionalis, Nova Orientalis etc. gesetzt werde y . 9. Es ist schon von jeher Haupt- und Grundmaxime Unserer Regierung gewesen und ist es noch itzo, dass keine einzige päpstl. Verordnung, Bulle, Breve, Decret und wie sie irgend Namen haben mögen, auch von welcher dortigen Stelle sie irgend emanirt seyn mögen, so wie überhaupt keine einzige Verordnung eines auswärtigen geistlichen Obern, Erzbischofs, Bischofs, Ordensgenerals, Provinzials und wie sie irgend Namen haben, i n Unsern Staaten bekannt gemacht oder zur Ausführung gebracht werden darf, ohne dass W i r davon die vollständigste Kenntniss erhalten und dazu Unsre ausdrückliche Genehmigung ertheilen 1 0 . 7

Nämlich das Wormser und das Wiener Konkordat (oben S. 22). Uber die engen Beziehungen zwischen der römischen K u r i e u n d dem K ö n i g reich Polen vor u n d nach der Reformation siehe K . Völker, Kirchengeschichte Polens (1930) S. 37 ff., 64 ff., 88 ff., 280 ff. Insbesondere über das Konkordat zwischen Papst Benedikt XIII. u n d K ö n i g August II. ( = August der Starke) vom 6. August 1730 ebenda S. 283 f. 9 Nämlich die amtlichen Bezeichnungen „Südpreußen" u n d „Neuostpreußen" f ü r die m i t der zweiten und dritten Teilung Polens i n Preußen einverleibten Gebiete. 10 Uber das hiermit umschriebene Recht des Plazet („placetum regium"): Verfassungsgeschichte Bd. I S. 393, 397. 8

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So sehr aber W i r auch hierauf wachsam waren, so schlichen sich dennoch Missbräuche ein. Erz- und Bischöfe, Ordensobere, andere Geistliche und Laien wendeten sich, sey es absichtlich oder aus Unkunde der Unzulässigkeit, u n mittelbar nach Rom u n d erschlichen dort römische Verfügungen, welche Wir, sobald sie zu Unserer Kenntniss gelangten, theils schon wegen dieses Grundfehlers i n der Form, theils wegen ihres oft höchst bedenklichen u n d unzulässigen Inhalts, f ü r n u l l und nichtig erklärten. U m aber durch eine wirksame Polizeimassregel die unabweichliche A n w e n dung jener Haupt- und Grundmaxime zu sichern, haben W i r die Regel ohne Ausnahme festgesetzt: dass alles und jedes, was nur irgend von Seiten Unserer Unterthanen w e l t lichen oder geistlichen, hohen oder niedern Standes zu Rom zu verhandeln, w i r k l i c h oder vermeintlich vorkömmt, an Unser Cabinets-Ministerium gebracht, von demselben geprüft und sodann, nach dessen Befinden, Euch deshalb A u f t r a g ertheilet wird, worauf I h r zurück an Unser Cabinetsministerium zu berichten und demselben ohne Ausnahme alle und jede römische Ausfertigungen, Decrete, Verfügungen und so weiter, zur Prüfung zu überreichen u n d Eure Schreiben an die Partei i n Euren Berichten an das Cabinetsministerium beizulegen habt. 10. Wenn also Personen, w e r sie auch seyn mögen, weltlichen oder geistlichen, hohen oder niedern Standes, i n ihren eignen oder vermeintlich vermöge ihres A m t s i n Anderer Angelegenheiten, Erz- u n d Bischöfe, Ordensobere, Geistliche, Laien etc. sich unmittelbar an Euch wenden, anstatt sich an Unser Cabinets-Ministerium zu wenden, oder wenn sie sich sogar an andre Personen oder Stellen zu Rom wenden, so sind solches alles Verstösse wider jene M a x i m e und Regel, von welchen Verstössen I h r sofort anhero an Uns zu berichten, auch Eures Orts vor Eurer Anfrage allhier u n d vor Unserer Bescheidung darauf nichts zur Beförderung eines solchen Gesuchs zu bewirken oder vorzunehmen habt. 11. Es hat auch der röm. Hof von Zeit zu Zeit Versuche gemacht, dem von Uns obgedachtermaassen unwandelbar festgesetzten Geschäftsgange eine andere, i h m vorteilhafte, Unserm u n d Unserer Unterthanen Interesse aber nachtheilige Richtung zu geben. Dahin gehören ins besondere folgende unzulässige Versuche: I. einen päpstl. Legaten oder Nuncium anhero abzuordnen oder irgend ein Subject unter irgend einer Benennung, was diese oder eine ähnliche Eigenschaft habe. Dieses nun oder irgend etwas ähnliches werden W i r nicht zugeben, aus Gründen, welche Eurem Scharfsinne nicht entgehen können. Da W i r nun wissen, dass der röm. Hof immer noch dieses Project heget und nähret und auf einen vermeintlich günstigen Zeitpunkt der Ausführung desselben harret, so habt I h r Aufmerksamkeit auf alles, was sich darauf beziehet, zu richten, u m erforderlichen Falls gleich von fern die Sache abzuschneiden und auf dasjenige, was m a n davon etwann gegen Euch verlauten lassen möchte, Euch m i t soviel Bestimmtheit, Würde und Feinheit zu äussern, dass jener römische Vorsatz zugleich i m Keime vernichtet werde. I I . Eben dasselbe geben w i r Euch hiermit zur Achtung zu erkennen i n Ansehung der etwanigen Idee des röm. Hofes, einen V i c a r i u m apostolicum generalem für Unsre katholische Unterthanen oder irgend ein ähnliches Sub-

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ject unter irgend einer Benennung zu bestellen, w e i l sie v ö l l i g par ratio wie No. I ist. So ist auch I I I . jeder Versuch unzulässig, von Rom aus irgend einem ausländischen Prälaten Aufträge zu ertheilen, welche sich auf Unsere Staaten oder Unterthanen beziehen . . . 12. Es ist auch neuerlich . . . der Fall vorgekommen, daß die sogenannte Congregatio Sancti officii Inquisitionis 1 1 etwas anhero erliess, und insbesondere einer protestantischen Ehefrau, zum Zweck der Dispensation zur Heurath m i t ihrem Anverwandten katholischer Religion, den U b e r t r i t t zur kath. Kirche zur Bedingung machen wollte. Ob I h r n u n gleich i n dieser Sache noch keine Demarchen t h u n sollet, bis W i r Euch des Endes m i t speciellen Verhaltungsbefehlen versehen haben werden, so wollen W i r Euch doch hier allgemein zur Achtung bekannt machen, daß W i r weder eine solche Bedingung gestatten noch überhaupt zugeben wollen, dass die Congregatio Sancti officii Inquisitionis, oder irgend eine Stelle der I n q u i sition, irgend etwas anhero i n Unsere Staaten erlasse. 13. Eine andere Hauptmaxime i n Ansehung des röm. Hofes ist, dass W i r i h m überhaupt gar keine Einmischung i n Temporalien 1 2 , ferner selbst i n geistlichen Sachen mehr nicht gestatten, als was m i t Unsern Majestätsrechten circa Sacra und m i t Unsern anderen hohen Gerechtsamen i n geistlichen und weltlichen Angelegenheiten vereinbarlich ist, endlich, dass W i r an diesen Hof n u r dasjenige gelangen lassen, was W i r zur Verwendung dahin für qualificirt achten, und dem röm. Hofe keinesweges gestatten, nach seinem Gutfìnden oder auf Anbringen irgend einer Partei von irgend etwas, was Unsere Staaten oder Unsere Unterthanen betrifft, Notiz zu nehmen. Findet oder erfahret I h r also, dass irgend hiewider angestossen werde, so erwarten W i r deshalb Euern Bericht. 14. Sollte auch der röm. Hof oder irgend eine dortige Behörde m i t Anträgen sich an Euch wenden, so habt I h r Uns deshalb gutachtlich anhero zu berichten und Unsere Verhaltungsbefehle zu erwarten, bevor I h r Euch darauf einlasset, indem w i r zuvörderst allhier, i m Zusammenhange m i t den innern Angelegenheiten, die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines solchen Antrages prüfen wollen . . . 15. Einem Manne, der wie I h r bei der genauesten Aufmerksamkeit auf das Detail der einzelnen Aufträge, welche i h m zugehen werden, einen forschenden allgemeinen Blick auf das Ganze richten und m i t historischen Kenntnissen und philosophischem Scharfsinn i n dasselbe dringen wird, wollen W i r auch, w i e hiermit geschieht, den A u f t r a g ertheilen, den Gang der Angelegenheiten der kath. Kirche i m Allgemeinen, insbesondere i n Italien, das System des röm. Hofes als einer hierarchischen Macht, und das Treiben und die Bewegungen der Exjesuiten 1 3 zu beobachten; und I h r habt über diesen Gegenstand 11 Das Sanctum Officium, die oberste Glaubensbehörde der Kurie, die auch i n Ehesachen zuständig war. 12 Der Satz von der Unzuständigkeit der Kirche i n weltlichen Angelegenheiten („Temporalien") ist einer der Hauptsätze des modernen Staaatskirchenrechts. 13 Die ehemaligen Angehörigen des Ordens der Societas Jesu, der damals kirchlich durch das Breve Papst Clemens XIV. „Dominus ac Redemptor" v o m 21. J u l i 1773 aufgehoben und verboten w a r (wiederhergestellt durch die Bulle

4 Huber, Staat u n d Kirche, l. Bd.

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von Zeit zu Zeit, besonders bei erheblichen Veranlassungen, anhero und zwar nach Eurem Befinden en chiffres zu berichten. Es w i r d i n gegenwärtiger Instruction eine leichte Berührung der wichtigen Gegenstände Eurer Beobachtung schon hinlänglich seyn, zum Beispiel: auf der einen Seite die Fortschritte des Geistes der Zeit und dessen, was von demselben gut und was von i h m nicht gut ist, ferner die Fortschritte der A u f k l ä rung, der Philosophie, der Wissenschaften; die dem Katholicismus, der Hierarchie, dem Klosterwesen widrige W i r k u n g hievon, die heimliche oder öffentliche Reaction dieser alten, auf Opinion beruhenden Kräfte, die verborgenen Machinationen oder öffentlichen Angriffe der letztern wider jene, die Verstärkung, welche das hierarchische System aus den letzten Zeitbegebenheiten, dem Concordat des römischen Stuhles m i t der Regierung der französischen Republik 1 4 , hergenommen zu haben glaubt, die stete Geschäftigkeit der E x jesuiten, i h r dermaliger Zustand, ihre Hoffnungen, Aussichten, Plane, Mittel, Machinationen. Die genaue Kenntniss dieser Gegenstände ist uns darum interessant, weil man die auf Meinung beruhenden, i m Dunkel wirkenden Kräfte der Hierarchie genau beleuchten u n d kennen muss, u m ihre schädlichen Einflüsse abzuhalten und unwirksam zu machen. Es interessirt also jede bedeutende Veränderung i n diesem Fache, sie mag m i t neuen Gefahren drohen, auf deren Abwendung W i r sodann Bedacht nehmen werden, oder sie mag Schwächen und Blossen des römischen Hofes aufdecken, welche sodann zum wahren Besten des Staates zu nutzen seyn werden. 16. I n Ansehung des Überblicks der katholischen kirchlichen Einrichtungen i n Unsern Staaten werden W i r nur die Hauptzüge hier entwerfen, da I h r Euch bereits aus den Acten Unsers Geheimen Archivs eine gründliche Kenntniss davon erworben h a b t . . , 1 5 . Gleich wie W i r nun i n allen Unsern . . . Provinzen, in welchen Erz- und Bischöfe sind, als: Westpreussen, Südpreussen, Neuostpreussen, Ermeland, Schlesien, Glatz u n d Neu-Schlesien, die Majestätsrechte circa Sacra i m vollesten Umfange ausüben und der geistlichen Gerichtsbarkeit der Erz- und Bischöfe diejenigen Schranken setzen, welche eine jede aufgeklärte und starke Regierung i h r setzen muss, so haben W i r dagegen in Altostpreussen und in Unsern deutschen Provinzen, als: M a r k Brandenburg, Pommern, Magdeburg, Halberstadt, Mansfeld, Hohenstein, Minden, Ravensberg, Cleve, Mark, Lingen nebst Tecklenburg, Ostfriesland, Anspach, Baireuth, nicht minder i n Neufchatel und Valengin, nicht allein die Majestäts- und Landes-Hoheitsrechte circa Sacra, sondern auch die geistliche Gerichtsbarkeit über Catholiken, ihrer Gewissensfreiheit unbeschadet u n d so, dass W i r facultates Spirituales für die angestellten catholischen Geistlichen, da wo W i r es gut finden, nehmen . . . 17. Diese Unsere geistliche Gerichtsbarkeit über Unsere catholische Unterthanen i n Unsern deutschen Provinzen beruhet auf den Westphälischen FriePapst Pius VII . „Sollicitudo omnium ecclesiarum" vom 7. August 1814). Die staatlichen Verbotsgesetze galten auch nach der kirchlichen Wiederzulassung des Ordens fort. 14 Oben Nr. 2. 15 Es folgt eine ins Einzelne gehende Darstellung der katholischen Verhältnisse i n den alt- und den neupreußischen Provinzen.

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den und auf das Normaljahr. Wider denselben hat bekanntlich der Papst protestiret und bei vorkommenden vermeintlichen Gelegenheiten dieses sogar i n Noten anhero zu erkennen gegeben. W i r beharren aber standhaft und unabweichlich auf Unsere Rechte aus dem Westphälischen Frieden u n d aus dem Normaljahr und achten nicht auf dergleichen römische Protestationen 1 6 . 18. Wegen der Staaten, welche W i r itzo i n Deutschland, zur Entschädigung für Unsere überrheinische deutsche Provinzen, abquiriren, werden W i r Euch zu seiner Zeit m i t näheren Verhaltungsbefehlen versehen 1 7 . 27. Das Erzstift Gnesen ist bekanntlich jetzo erledigt. Wann W i r zur Wiederbesetzung desselben schreiten, so wollen W i r die Sache dahin geleitet sehen, dass der Erzbischof das Pallium weder suche noch erhalte, indem dasselbe einen ansehnlichen u n d unnöthigen Geldausfluss nach Rom verursacht und i m Grunde nichts als ein Missbrauch, vollkommen entbehrlich, ja was noch mehr ist, dazu geeignet ist, schädlichen Vorurtheilen Nahrung zu geben und gute Ordnung zu stören 1 8 . 28. Euch ist die Differenz bekannt, welche zwischen Uns und dem röm. Hofe über die Form der Eide, welche der Papst von den Bischöfen verlangt, geschwebt hat und annoch schwebt. Unsere Intention ist, i n dieser Sache auf Unsern Grundsätzen standhaft zu beharren, jedoch die Erneuerung des Notenwechsels deshalb zu vermeiden. Wenn demnach irgend etwas hierauf sich beziehendes an Euch von irgend jemand gelangt, so habt I h r solches bloss ad referendum zu nehmen, Uns davon Bericht zu erstatten, Unsere Verhaltungsbefehle zu erwarten und jeden Uns compromittirenden Schritt zu vermeiden .. , 1 9 .

I I I . D i e Grundsätze der p r e u ß i s c h e n K i r c h e n p o l i t i k i n der Z e i t der S ä k u l a r i s a t i o n Durch den Reichsdeputationshauptschluß fielen Preußen über die bisherigen Besitzungen in Schlesien und in den polnischen Teilungslanden hinaus weitere 16 Die Friedensverträge von Münster und Osnabrück (1648), die in jedem deutschen T e r r i t o r i u m den konfessionellen Besitzstand des „Normaljahres" 1624 staatskirchenrechtlich garantierten, werden hier, ungeachtet des päpstlichen Protestes gegen die Friedensverträge, als auch i m Verhältnis zur K u r i e vollgültig festgestellt. 17 Die A r t . 19 - 25 der Instruktion betreffen Einzelfragen der geistlichen Gerichtsbarkeit, der Ehesachen, des bischöflichen Klostervisitationsrechts, des geistlichen Stiftungsrechts u. dgl. mehr. I n A r t . 26 wendet die I n s t r u k t i o n sich entschieden gegen die Ernennung eines preußischen Kardinals. 18 Das Erzbistum Gnesen w a r damals die einzige Metropolitankirche i m preußischen Staatsgebiet. Der Erzbischof von Gnesen w a r päpstlicher Legat u n d als Primas von Polen ein nationalpolitischer Faktor. Daher die preußische Zurückhaltung i n der Frage der Besetzung des seit 1801 vakanten Erzstuhles, sowie das Bestreben, i m F a l l der Wiederbesetzung den Erwerb des Pallium, des äußeren Zeichens der Ehrenvorrechte eines Erzbischofs, durch den neuen Inhaber des Gnesener Erzstuhls zu verhindern. Die Vakanz i n Gnesen wurde 1807 durch die auf eine Scheinwahl gegründete Ernennung von Ignaz Graf Raczynski zum Erzbischof beendet (siehe unten S. 206 Anm. 4). 19 Es folgen Einzelfragen (Art. 29 - 34) von nachgeordneter Bedeutung.

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ausgedehnte katholische Gebiete zu 1. Die vom Geheimen Legaiionsrat v. Raumer formulierte Regierungsmaxime für diese Gebiete (Nr. 22) entspricht den Regeln, die für die Behandlung der katholischen Angelegenheiten auch in den altpreußischen Gebieten Gültigkeit hatten. Die säkularisierten Reichsbistümer wurden nach Verlust der Landeshoheit zu reinen Kirchensprengeln („Diözesen"). Sie waren damit den preußischen Landesbistümern in Schlesien und den polnischen Teilungsgebieten gleichgestellt. Ebensowenig wie die preußische Regierung bereit war, die Beziehungen Preußens zum Heiligen Stuhl auf dem Wege eines Konkordats zu regeln, war sie bereit, sich an dem Plan eines Reichskonkordats zu beteiligen. Denn ein solches Konkordat hätte zum einen die Stellung des Papstes erhöht, zum anderen die landesherrlichen iura circa sacra begrenzt. Beides widersprach dem preußischen Staatsinteresse N r . 22. Mémoire des Geheimen Legationsrats v. Raumer über die Regierungsmaxime in den Entschädigungslanden vom 28. Juni 1803 (H. Granzer, Preußen u n d die katholische Kirche, Teil 8,1902, S. 861 ff.) Die Verhältnisse der cath. Geistlichkeit i n den Sr. Kgl. Maj. anheimgefallenen Entschädigungslanden sind I. noch nicht definitiv u n d vollständig, sondern erst provisorisch bestimmt. Es werden jedoch die Grundsätze zu dieser Bestimmung vorbereitet, und zu diesen aus den älteren preussischen Regierungsmaximen geschöpften Grundsätzen, auf welche man demnächst die weiteren Einrichtungen zu bauen gedenkt, gehören folgende: I I . man gestattet den Bischöfen, der Geistlichkeit, den Ordensobern, den Layen, nicht die unmittelbare Verwendung nach Rom oder i n das Ausland überhaupt 3 . Diese unmittelbare Verwendung w i r d allgemein untersagt. Ein jeder, wer er auch seyn möge, welcher glaubt, sich i n dem Falle zu befinden, sich nach Rom oder überhaupt nach dem Auslande verwenden zu müssen, hat seinen A n t r a g bey der unmittelbar vorgesetzten weltlichen Behörde, und diese solchen bey dem Ministerio anzubringen. W i r d bey dieser Prüfung der A n t r a g unzulässig befunden, so weiset man i h n zurück. W i r d er bey eben dieser Prüfung zulässig befunden, so erhält der Kgl. Minister zu Rom Auftrag, die Sache zu bearbeiten, und zwar nach Maassgabe ihres Inhalts als Hofsache oder als zu unterstützende Sache der Partey 4 . 1

Oben S. 15. So der preußische Minister Graf Hardenberg i n einem Schreiben an den Oranien-Fuldaischen Rat v. Arnoldi vom 25. M a i 1804 (H. Granier, Preußen u n d die katholische Kirche nach 1640, 9. Teil, 1902, S. 165 f.). Ferner K. G. v. Raumer i n einem Promemoria über die Haltung Preußens zu einem deutschen Konkordat vom 13. Dezember 1804 (ebenda S. 262), sowie Note des Ministers Graf Hardenberg an den österreichischen Gesandten i n B e r l i n Graf Klemens Lothar v. Metternich v o m 24. M a i 1805 (ebenda S. 392 f.). 3 Über das zu den Hauptgrundsätzen des älteren Staatskirchenrechts gehörende Verbot des unmittelbaren Verkehrs m i t Rom: Verfassungsgeschichte 4 Bd. I S. 393, 397. Darüber oben Nr. 21 (Art. 5). 2

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I I I . A u f eben diesem Wege kommen von Rom und vom Auslande die v o r fallenden Sachen i n geistlichen Angelegenheiten i n das Land. Keine päpstl. Bulle, kein päpstl. Breve, keine Verfügung irgend einer röm. Stelle, überhaupt keine Verfügung eines ausländischen Obern, welchen Namen dieser haben möge, Erz- und Bischof, Legat, Nuncius, Ordensgeneral, Provinzial p., k a n n ohne Prüfung und Genehmigung der weltlichen Macht publicirt oder zur Execution gebracht werden, und von der weltlichen Macht hängt die Versagung der Genehmigung ab 5 . I n Temporalien gestattet man dem röm. Hofe keine Einmischung. IV. V o n der ehemaligen Maynzer Metropolitanautorität sind die Kgl. E n t schädigungslande durch den bekannten Reichsschluße gänzlich befreyet worden. V. Das Diöcesanrecht gedenkt man dem Bischöfe von Hildesheim u n d Paderborn, als künftigen landsässigem Bischöfe, zu lassen 6 3 , jedoch i n den gehörigen Schranken und unter dem Sr. Kgl. M a j . zustehenden landesherrlichen Landeshoheitsrecht circa sacra. V I . Für Münster, Eichsfeld, Erfurt p. gedenkt man ähnliche Einrichtungen zu treffen. V I I . Die bischöfl. geistliche Gerichtsbarkeit w i r d beybehalten, aber i n die gehörigen Schranken gesetzt. Welches diese sind, solches dürfte am besten theils das L a n d r e c h t 6 b , theils die Constitution f ü r Südpreussen v o m 25. August 17967 analogisch ergeben. V I I I . Instanzen dürfte man bey dieser Gerichtsbarkeit drey gestatten, von denen die erste und zweyte eine bischöfliche wäre, die dritte aber aus inländischen geistlichen Richtern bestände, welche auf des Bischofs A n t r a g von S. M. genehmigt werden, u n d denen sodann der Papst auf Negociation durch den Kgl. Minister zu Rom Facultates ertheilt, welche von der weltlichen Behörde geprüft werden. I X . Die geistliche Gerichtsbarkeit ist, gleich dem ganzen Diöcesanrecht, dem landesherrlichen Landeshoheitsrechte circa sacra Sr. Kgl. Maj. unterworfen. X. Bischöfe ernennt der König, worauf der Papst durch einen inländischen Bischof ihre Fähigkeit prüfen oder ihnen den sogenannten Process formiren läßt 8 , auch demnächst einem inländischen Bischof ihre Consecration aufträgt. Process und Consecration w i r d von der weltlichen Macht beobachtet, und bey der Consecration ist ein landesherrlicher Commissarius. Der bey dieser Gelegenheit vom Bischof dem Papst zu leistende Eid ist zu prüfen, damit er nichts dem Landesherrn nachtheiliges enthalte 9 . X I . Jeder Bischof und überhaupt jeder Beneficiai muß dem Landesherrn den Huldigungseid schwören 1 0 . 5

Darüber oben Nr. 21 (Art. 9). Darüber oben Nr. 5 (§ 25). 6a Über die damalige Verbindung der Bistümer Hildesheim und Paderborn in der Hand des Fürstbischofs Franz Egon Frhr. v. Fürstenberg siehe unten S. 213 A n m . 12. 6 b Siehe §§ 124 - 129 I I 11 A L R (oben Nr. 1). 7 Text: C. L. H. Rabe, Sammlung preußischer Gesetze und Verordnungen (1816 ff.), Bd. X I I I , S. 311 ff. 8 Uber den Informativprozeß oben S. 25 Anm. 15. 9 Dazu oben Nr. 21 (Art. 28). 10 Uber den dem Staat zu leistenden Bischofseid unten Nr. 93. 6

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2. Kap.: Neuordnung des Kirchenwesens in Preußen

X I I . Ohne Kgl. Placet darf keine geistliche Stelle an jemand vergeben w e r den, gesetzt auch die Collation oder das Patronat ständen privatis z u 1 1 . X I I I . Die Eheverbote wegen Nähe des Grades sind durch die weltlichen Gesetze eingeschränkt. Wo die weltlichen Gesetze verbieten, gestattet man keine geistliche Dispensation, w o h l aber gestattet man da die geistliche Dispensation zur Gewissensberuhigung, wo die weltlichen Gesetze keine Verbote enthalten. Der Civileffect der Ehen hängt aber von den weltlichen Gesetzen ab 1 2 . X I V . Damit der Bischof unter landesherrlicher Controlle in minder erheblichen Fällen dispensiren könne, negoeiirt man i h m römische Facultates. X V . Wo diese nicht zureichen, w i r d auf dem oben unter II., I I I . bezeichneten Wege zu Rom i n den speciellen Fällen Dispensation gesucht. X V I . M a n gestattet auch, dass die Bischöfe Gewissensfälle verschlossen dem Papst vortragen, aber immer nur auf dem oben bezeichneten Wege, ferner so lange m a n nichts verfängliches bemerkt u n d endlich auf des Bischofs pflichtmässige Versicherung, dass der F a l l nichts enthalte, was nach der bekannten Stelle des A L R dann offenbart werden muss, wenn es unter dem Siegel der Beichte angebracht w i r d 1 3 . X V I I . Wenn der röm. Hof die Idee haben sollte, m i t dem deutschen Reiche ein Corcordat zu schliessen 14 u n d deshalb Unterhandlungen anzufangen, so sind Se. Kgl. M a j . bestimmt entschlossen, sich auf eine solche Unterhandlung gar nicht einzulassen u n d i h r Resultat, w i e es auch ausfallen möge, als für Allerhöchst Sie nicht verbindlich zu betrachten. Vielmehr wollen Se. Kgl. Maj. Allerhöchstihr gerechtes u n d billiges System i n cath. geistlichen Sachen behaupten und keine Schranken desselben anerkennen, sondern diese Angelegenheit lediglich nach dem Allerhöchstihnen zustehenden Majestäts- und Landeshoheitsrecht circa Sacra, nach I h r e r Weisheit, Gerechtigkeit und Liebe zu I h r e n Unterthanen dirigiren, und m i t Rom keine andere Communication haben als durch Allerhöchstihren Minister, den v. Humboldt. . . .

I V . D i e Steinsche B e h ö r d e n r e f o r m v o n 1808 u n d das preußische K i r c h e n w e s e n Nach dem preußischen Staatszusammenbruch von 1806/07 erging als eine der Reformmaßnahmen des Frhr. vom Stein 1 das allerdings erst nach dem Rücktritt des großen Staatserneuerers erlassene „Publikandum über die veränderte Verfassung der obersten Staatsbehörden" vom 16. Dezember 1808 (Nr. 23). Es regelte auch die Zuständigkeiten für kirchliche Angelegenheiten 11 Uber die staatliche E i n w i r k u n g auf die Besetzung kirchlicher Ä m t e r oben Nr. 20. 12 T e i l I I Tit. 1 §§ 7 ff. A L R . 13 T e i l I I T i t . l l §82 A L R . 14 Dazu oben Nr. 21 (Art. 6). 1 Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein (1757 - 1831), seit 1780 i m preuß. Staatsdienst; 1804 Staatsminister i m Generaldirektorium; i m Januar 1807 entlassen; von Oktober 1807 bis November 1808 leitender Minister und Urheber der preußischen Staatsreform, die nach seinem von Napoleon erzwungenen Ausscheiden aus dem Ministeramt i n seinem Geist vollendet wurde.

IV. Die Steinsche Behördenreform von 1808

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unter Anpassung an die veränderten Ressortverhältnisse neu. An die Stelle des Oberkonsistoriums trat die Abteilung für Kultus innerhalb der Sektion für den Kultus und den öffentlichen Unterricht des Innenministeriums; an die Stelle der Provinzialkonsistorien traten die Geistlichen und Schul-Deputationen bei den Regierungen. Diese Behörden nahmen bezüglich der katholischen Kirche die jura circa sacra, bezüglich der evangelischen Kirche zugleich das jus in sacra wahr. Die Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Provinzial-Polizeiund Finanzbehörden vom 26. Dezember 1808 (Nr. 24) enthielt nähere Bestimmungen über die Geschäftstätigkeit der Geistlichen und Schul-Deputationen. Die am gleichen Tag erlassene Instruktion (Nr. 25) hob die geistlichen Departements, das Oberkonsistorium und die Provinzialkonsistorien auf. Sie beseitigte damit die überlieferte preußische Konsistorialverfassung. N r . 23. Publikandum, die veränderte Verfassung der obersten Staatsbehörden betreffend vom 16. Dezember 1808 (Preußische Gesetz-Sammlung 1806 - 1810, S. 361) — Auszug — 9. Bei der Sektion f ü r den K u l t u s u n d öffentlichen Unterricht 2 steht die Abteilung für den K u l t u s unter spezieller Direktion eines Vorsitzenden Staatsrats, die für den öffentlichen Unterricht aber unter unmittelbarer Leitung des Geheimen Staatsrats und Sektions-Chefs. 12. Die Abteilung f ü r den K u l t u s erhält alle Rechte der obersten Aufsicht und Fürsorge des Staats i n Beziehung auf Religionsübung (jus circa sacra), wie diese Rechte das Allgemeine Landrecht Teil I I T i t e l 11 § 113 seqq. bestimmt hat 3 , ohne Unterschied der Glaubensverwandten. Nach Massgabe der den verschiedenen Religonsparteien zugestandenen Verfassung hat sie auch die Konsistorialrechte (jus sacrorum) namentlich in Absicht der Protestanten nach § 143 am angeführten Ort des Allgemeinen Landrechts. I h r gebühret die Beurteilung wegen Tolerierung einzelner Sekten; auch die Juden stehen i n Beziehung auf ihren Gottesdienst unter ihr. Nicht minder gebührt i h r die Aufsicht des Religionsunterrichts bei der Erziehung. 13. Da die Angelegenheiten des K u l t u s jedesmal durch die pp. K a m m e r n (Regierungen) gehen, so hat diese Sektion keine Behörden, welche i h r u n m i t telbar untergeordnet sind, ausser den Deputationen für Geistliche u n d Schulsachen i n den Kammern, u n d insoweit katholische geistliche Sachen und die Aufsicht auf den K u l t u s tolerierter Sekten ein Gegenstand der Landeshoheit sind, die Deputationen der Kammern, welche die Landeshoheits-Gegenstände bearbeiten. 2 Innerhalb des Ministeriums des Innern. A n Stelle dieser Sektion wurde das selbständige „ M i n i s t e r i u m der geistlichen Angelegenheiten u n d des öffentlichen Unterrichts" ( = Kultusministerium) erst errichtet durch die Kabinettsordre vom 3. November 1817 (GS 289). Siehe auch unten S. 118. 3 Oben Nr. 1.

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2. Kap.: Neuordnung des Kirchenwesens in Preußen N r . 24. Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Provinzial-, Polizei- und Finanzbehörden vom 26. Dezember 1808 (Preußische Gesetz-Sammlung 1808 - 10, S. 464) — Auszug —

§ 5. A l l e Zweige der Landespolizei, m i t h i n auch die Geistlichen und Schulangelegenheiten 4 , gehen zu [den Regierungen] über 5 , und die Behörden, welche bis jetzt selbige verwaltet haben, [gehen] entweder ein oder werden m i t den Regierungen vereinigt 6 . §10. Die Angelegenheiten des öffentlichen K u l t u s und Unterrichts u n d die damit i n Verbindung stehenden Stipendiensachen gehören, i n Rücksicht sämtlicher Religionsverwandten ohne Unterschied, folglich auch der RömischKatholischen und Evangelisch-(deutsch- und französisch-)Reformierten, v o r die Regierungen. § 26. Die gesamten Geschäfte der Regierungen werden nach ihren Hauptbranchen separiert u n d i n besondern Abteilungen oder Deputationen verwaltet. Vorläufig bestimmen W i r deren eine . . . I I . f ü r den K u l t u s u n d öffentlichen Unterricht. § 27. Jede Deputation hält zwar unter dem Vorsitze eines Regierungsdirektors ihre besondere Sitzungen und erläßt auch unter ihrem Namen die nötigen Verfügungen, z. B. Geistliche und Schuldeputation der westpreußischen Regierung . . . § 28. Sämtliche Deputationen stehen indessen untereinander i n der genauesten Verbindung und machen zusammen das Plenum aus . . . § 49. Die Regierungen sind i n Absicht der einzelnen Zweige ihres Ressorts denjenigen Staatsbehörden untergeordnet, denen die höhere Leitung dieser Zweige anvertraut ist 7 .

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Der Begriff der „Polizei" wurde hier eindeutig i m altüberlieferten Sinn der „Vorsorge f ü r den guten Zustand des Gemeinwesens" verwandt. I n dieser klassischen Bedeutung gehörten auch die geistlichen und Schulsachen zur „Polizei". 5 Die „Regierungen" ( = Regierungspräsidien) traten nach der Verordnung v o m 26. Dezember 1808 an die Stelle der bisherigen „ K a m m e r n " (Kriegs- und Domänenkammern) als Mittelinstanzen des preußischen Verwaltungsaufbaus. 6 Nach dieser Vorschrift wurden u. a. aufgehoben: a) die beiden geistlichen Departements (oben S. 8 Anm. 13), nämlich das L u t h e rische Geistliche und Schuldepartement und das (deutsch- u n d französisch-) Reformierte Geistliche und Schuldepartement; b) das (lutherische) Oberkonsistorium, das (deutsch-reformierte) Kirchendirektorium und das (französisch-reformierte) Consistoire Supérieur; c) die Provinzial-Konsistorien. 7 Das heißt die Regierungen waren i n geistlichen und Schulsachen u n m i t t e l bar der Kultussektion des Innenministeriums, seit 1817 unmittelbar dem K u l tusministerium unterstellt.

V. Die Säkularisation des Kirchenguts i n Preußen

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N r . 25. Instruktion für die Regierungen vom 26. Dezember 1808 (Preußische Gesetz-Sammlung 1806 - 10, S. 481) — Auszug — § 3. Die Geistliche und Schuldeputation versieht sämtliche Geschäfte, welche sich auf den öffentlichen K u l t u s u n d Unterricht und die öffentliche Meinung beziehen. Sie hat daher die Ausübung des landesherrlichen juris circa sacra i n seinem weitläuftigsten Umfange, die Direktion u n d Aufsicht von sämtlichen Kirchen, Schulen, Erziehungsanstalten, milden Stiftungen und ihrer Ärarien, die Besetzung der Unserm Patronatsrecht unterworfenen Geistlichen und Schulstellen, u n d die Bestätigung der von andern Patronen gewählten Subjekte, die Prüfung sämmtlicher Geistlichen und Schullehrer, und die Aufsicht über die Amtsverwaltung und moralische Führung. § 62. Z u m A m t e der . . . Deputation gehört es, dafür vorzüglich zu sorgen, daß der öffentliche Schul- und geistliche Unterricht und Kultus, sowohl seinem I n n e r n als Äußern nach, verbessert u n d zweckmäßiger eingerichtet werde, u m Religiosität und Moralität, Duldungsgeist u n d Annäherung zwischen den verschiedenen Glaubensverwandten, Bürgersinn u n d Theilnahme für die öffentliche Sache, Anhänglichkeit an Vaterland, Verfassung und Landesherrn, Achtung und Ausübung der Gesetze zu befördern. Es werden sehr gerne V o r schläge, welche zu diesem Zwecke führen können, angenommen w e r d e n . . . . Auch haben es die Regierungen zu einem besondern Gegenstande ihrer A u f merksamkeit zu machen, f ü r die baldige Hinwegräumung derjenigen Hindernisse zu sorgen, welche die bisherige Patronatsverfassung dem Kirchen- und Schulwesen i n den Weg gelegt h a t . . .

V. D i e S ä k u l a r i s a t i o n des K i r c h e n g u t s i n P r e u ß e n Die von der Säkularisation der Geistlichen Fürstentümer zu unterscheidende Säkularisation des Kirchenguts begann in den preußischen Entschädigung sländern bereits 1802/03Durch das Säkularisationsedikt von 1810 (Nr. 26) erhielt sie eine neue Grundlage. Dieses Edikt entsprach einer Ankündigung im Finanzedikt vom 27. Oktober 1810 2, das der durch den Krieg mit Frankreich und den Tilsiter Frieden von 1807 entstandenen Finanzlage Preußens aufhelfen sollte. Die Säkularisation betraf nach dem preußischen Edikt katholisches und protestantisches Kirchengut in der gleichen Weise. Ein Unterschied ergab sich allerdings daraus, daß gewisse Arten des Kirchenguts der katholischen Kirche allein oder in besonderem Maße eigentümlich sind, so das Eigentum von Bischofsstühlen und Domkapiteln, von geistlichen Orden und dergleichen. Allerdings waren von den zwölf katholischen Bistümern, die Preußen 1803 umfaßt hatte, nach dem Frieden von Tilsit nur zwei, nämlich Breslau und 1 Ausführliche Darstellung bei: B. Gams, Geschichte der Kirche Christi i m 19. Jahrhundert, Bd. 1 (1854) S. 561 ff. 2 Dokumente, Bd. 1, Nr. 9.

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2. Kap.: Neuordnung des Kirchenwesens in Preußen

Ermland, im preußischen Staatsverband verblieben. Das Säkularisationsedikt stützte sich, ohne dies zu erwähnen, auf den § 35 des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803 (oben Nr. 5). N r . 26. E d i k t über die Einziehung sämtlicher geistlicher Güter in der Monarchie vom 30. Oktober 1810 (Preußische Gesetz-Sammlung 1810, S. 32) I n Erwägung, daß a) die Zwecke, wozu geistliche Stifter und Klöster bisher errichtet wurden, theils m i t den Ansichten und Bedürfnissen der Zeit nicht vereinbar sind, theils auf veränderte Weise besser erreicht werden können; b) daß alle benachbarte Staaten die gleichen Maasregeln ergriffen haben; c) daß die pünktliche Abzahlung der Contribution an Frankreich nur dadurch möglich w i r d ; d) daß W i r dadurch die ohnedies sehr großen Anforderungen an das P r i v a t Vermögen Unserer getreuen Unterthanen ermäßigen, verordnen W i r wie folgt: §1. A l l e Klöster, Dom- und andere Stifter, Balleyen und Commenden, sie mögen zur katholischen oder protestantischen Religion gehören, werden von jetzt an als Staats-Güter betrachtet. § 2. A l l e Klöster, D o m - und andere Stifter, Balleyen und Commenden sollen nach und nach eingezogen und für Entschädigung der Benutzer und Berechtigten soll gesorgt werden. § 3. Vom Tage dieses Edikts an, dürfen a) keine Anwartschaften ertheilt, keine Novizen aufgenommen und Niemand i n den Besitz einer Stelle gesetzt werden; b) ohne Unsere Genehmigung keine Veränderung der Substanz vorgenommen werden; c) keine Capitalien eingezogen, keine Schulden kontrahirt, oder die Inventarien veräußert werden; d) keine neue Pacht-Contracte ohne Unsere Genehmigung geschlossen, keine ältere verlängert werden. A l l e gegen diese Vorschriften unternommene Handlungen sind nichtig. §4. W i r werden für hinreichende Belohnung der obersten geistlichen Behörden und m i t dem Rathe derselben für reichliche Dotirung der Pfarreien, Schulen, milden Stiftungen und selbst derjenigen Klöster sorgen, welche sich m i t der Erziehung der Jugend und der Krankenpflege beschäftigen und welche durch obige Vorschriften entweder an ihren bisherigen Einnahmen leiden oder deren durchaus neue Fundirung nöthig erscheinen dürfte.

Drittes Kapitel Die Anfänge der kirchlichen Neuordnung i n Bayern I . D i e R e c h t s s t e l l u n g der N i c h t k a t h o l i k e n i n B a y e r n Die bayerische Kirchenpolitik wurde seit 1799 von dem Kurfürsten und späteren König Maximilian Joseph 1 und von dem leitenden Minister Graf Montgelas geprägt 2. In seinem „Memoire instructif sur les droits des dues de Bavière en matière ecclésiastique" von 17993 entwickelte er die Grundlinien einer Reform des Staatskirchenrechts, die von den Prinzipien der Staatssouveränität, damit der eindeutigen Unterordnung der Kirche unter den Staat sowie der religiösen Toleranz bestimmt sein sollte. Der erste Schritt, dieses Programm zu verwirklichen, war die Verordnung vom 26. August 1801 (Nr. 27), mit der Kurfürst Maximilian Joseph den Nichtkatholiken offiziell gestattete, in Bayern ansässig zu werden, das heißt: volles Bürgerrecht in Bayern zu erwerben.

N r . 27. Verordnung des Kurfürsten M a x i m i l i a n Joseph über die Ansässigmachung nichtkatholischer Religionsverwandter vom 26. August 1801 (Churpfalzbaierisches Regierungsblatt 1801 S. 560 f.) W i r haben schon den 10. November verfl. Jahrs Unsere Landescollegien anweisen lassen, daß bei der Ansässigmachung i n Unsern sämtlichen herobern Staaten die katholische Religion nicht ferner als ein wesentliches Bedingniß anzusehen sei, und darnach andere Glaubensgenossen davon ausgeschlossen werden sollen. Z u dieser Verfügung sind W i r sowohl durch die Uberzeugung, daß weder i n der Reichs- noch i n der Landesverfassung einiger Grund zu solcher Ausschließung liege, als auch die Betrachtung bewogen worden, daß die Concurrenz anderer Religionsverwandten zu dem Erwerb liegender Gründe, und zur Ausübung der Gewerbe, der Landescultur, und dem Gewerbfleiß nothwendiger Aufnahme, Antrieb, und Ermunterung verschaffen müße. 1 Maximilian Joseph (1756 - 1825), seit 1795 regierender Herzog von PfalzZweibrücken, seit 1799 K u r f ü r s t von Bayern, 1806 - 1825 K ö n i g von Bayern. 2 Maximilian Graf von Montgelas (1759 - 1838), zunächst i n kurbayrischem, dann i n pfalz-zweibrückischem Dienst; 1799 - 1817 Geheimer Staats- und Konferenzminister i n Bayern; er w a r der eigentliche Schöpfer des modernen bayerischen Staats. 3 L. Doeberl, M. v. Montgelas und das Prinzip der Staatssouveränität (1925) S. 123 f.

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. Kap.: Anfänge der kirchlichen Neuordnung i n

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Dieses w i r d durch das Beispiel anderer i n der Cultur fortschreitender Staaten bewährt, wo die Ausschließung anderer Religionsverwandten wegen ihrer Religionseigenschaft, wenn sie übrigens alle Eigenschaften eines guten, und nützlichen Bürgers besitzen, schon längst als der Vernunft und dem Geiste der christlichen Religion zuwider anerkannt worden ist. Obschon daher durch die gestattete Ansäßigmachung anderer Religionsverwandten nichts verordnet wird, was den bestehenden rechtlichen Verhältnissen entgegen läuft, u n d wozu ein neues Gesetz nothwendig wäre, so haben W i r doch für zweckmäßig gefunden, sämmtlichen Unterthanen Unsere bestgemeinte Absicht zu eröffnen, i n der Zuversicht, daß sie sich bestreben werden, m i t Beseitigung alles Religionshaßes anderer Religionsverwandten, welche sich i n Unsern herobern Landen auf gesetzlichen Wegen ansäßig machen werden, m i t der Achtung und Liebe begegnen, welche eine jede Religion dem Menschen vorschreibt. Sämmtliche Obrigkeiten des Landes werden zugleich erinnert, daß sie der Ansäßigmachung anderer Religionsverwandten, soferne dieselbe die gesetzlichen Erfordernisse i n Erfüllung bringen, sich durch Geschicklichkeit auszeichnen, oder sonst m i t zureichendem Vermögen versehen sind, kein Hinderniß machen oder gestatten; sondern sich jederzeit Unserer Willensmeinung gemäs benehmen sollen. Übrigens würde es eine Mißdeutung Unserer landesfürstlichen Absicht sein, wenn diese aus den Grundsätzen einer guten Staatspolizei fließenden Maaßregeln als eine K r ä n k u n g des dermaligen Religionszustandes Unserer Unterthanen, wogegen W i r niemals eine Störung gestatten werden, angesehen werden würde.

I I . D i e S ä k u l a r i s a t i o n des K i r c h e n g u t s Schon vor der Verkündung des Reichsdeputationshauptschlusses begann in Bayern die Säkularisation des Kirchenguts. Sie setzte mit der Instruktion für die Spezialkommission in Klostersachen vom Januar 1802 (Nr. 28) ein, die die Aufhebung der Klöster und die Verwendung des Klostergutes für Aufgaben der Erziehung vorsah. Ein Zirkular des Kurfürsten Max Joseph an die Weltgeistlichkeit vom 11. März 1802 1 erläuterte diese Maßnahme; auch forderte es die Weltpriester auf, ihre Aufgaben — die zum Teil an Ordensgeistliche übergegangen waren — wieder in vollem Umfang wahrzunehmen. Es folgte eine Verordnung der kurfürstlichen Generallandesdirektion vom 3. November 18022, die im Vorgriff auf den § 35 des Reichsdeputationshauptschlusses (oben Nr. 5) eine genaue Aufstellung aller Eigentümer der fundierten Klöster und Stifte verfügte. Gegen diese Verfügung erhob die Landschaft in Bayern erfolglosen Protest 3. Der Reichsdeputationshauptschluß gab der 1803 in voller Schärfe einsetzenden bayerischen Säkularisation die reichsgesetzliche Grundlage. 1

T e x t : Churpfalzbair. Regierungsblatt, 1802, S. 178 ff. T e x t : Aktenstücke, die provisorischen Maßregeln der baierischen Regierung gegen die landesständischen Stifter und Abteyen i n Bayern betreffend (1802) S. 3 ff. 3 Text: Aktenstücke, a.a.O., S. 5 ff. 2

I I . Die Säkularisation des Kirchenguts

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N r . 28. Instruktion des Kurfürsten M a x i m i l i a n Joseph für die Spezialkommission in Klostersachen v o m 25. Januar 1802 ( Α. Μ . Scheglmann, Geschichte der Säkularisation i m rechtsrheinischen Bayern, Bd. 1,1903, S. 191 ff.) — Auszug — Da w i r überzeugt sind, daß die moralische Ausbildung eines Volkes die Grundbedingung ist, ohne welche man keinen dauerhaften Wohlstand erlangen kann, und daß die besten Regierungsanstalten ohne W i r k u n g bleiben, wenn die Unterthanen nicht durch jene dafür vorbereitet werden; so halten w i r uns verpflichtet, die Hindernisse, welche dieser Cultur entgegenstrebten, vor allen wegzuräumen, und zugleich f ü r eine zweckmäßige Erziehung der vaterländischen Jugend aller Klassen zu sorgen. Eines der mächtigsten Hindernisse zeiget sich in der dermaligen Verfassung der Klöster, und besonders der Bettelmönche, die, w e i l sie selbst fühlen, daß der Geist der Zeit eine Veränderung i n der öffentlichen Stimmung gegen sie hervorgebracht hat, m i t doppelten Kräften für ihre Erhaltung dadurch arbeiten, daß sie bei dem Volke durch Fortpflanzung des Aberglaubens und der schädlichsten I r r t h ü m e r richtigem Begriffen den Eingang zu erschweren, jede zu seiner wahren moralischen Bildung führende Anstalt demselben verdächtig zu machen suchen, und einen beständigen bösen Willen dagegen zu unterhalten. Ihre fortdauernde Existenz ist daher nicht nur zwecklos, sondern positiv schädlich, und dabei durch ihren privilegirten Bettel dem Landmanne äußerst lästig. U m den Bürger- und Landschulen eine zweckmäßige Einrichtung geben zu können, w i r d vor allem ein ausreichender Fond erfordert, der wegen Abgang anderer Staatsmittel nur aus dem Klostervermögen erholet werden kann. Damit nun die obenbemerkte uns obliegende landesfürstliche wesentliche Pflicht nicht länger unerfüllet bleibe, so haben w i r nach einem ausführlichen Gutachten unseres Ministerii nach mehrmalig reifer Erwägung beschlossen::}a I. Die beiden Orden der Franciscaner u n d Kapuciner sollen i n unseren Erbstaaten nur noch so lange geduldet werden, bis die i n ihren dermaligen K l ö stern vorhandenen Mitglieder allmählig ausgestorben sind . . . I I . A l l e nicht ständische fundierte Manns- und Frauenklöster i n unseren sämtlichen heroberen Staaten (die Elisabethinerinen und englischen Fräulein und die Ursulinerinen nebst den der Notre-Dame und diejenigen ausgenommen, worüber schon bereits verfügt ist) sollen aufgehoben und i h r Vermögen, was nämlich nach Abzug der darauf haftenden Schuldenlast, der A l i mentation der noch vorhandenen Klosterindividuen, und des nöthigen Beitrages zum Unterhalt der Franciscaner und Kapuciner (§ I.) noch übrig bleibt, für den Schulfond bestimmt, und zugleich verwendet w e r d e n . . . . 3a Dazu A. Schneider, Der Gewinn des bayerischen Staates von säkularisierten landständischen Klöstern in Altbayern (Miscellanea Bavarica Monacensia, Heft 23, 1970).

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Kap.: Anfänge der kirchlichen Neuordnung in

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I I I . a) Sämmtliche oberpfälzische Abteien, Waldsassen ausgenommen 4 , sollen gleichfalls allmählig aufgelöset, und i h r Vermögen dem Schulfond zugewendet werden . . . d) Da Waldsassen wegen seiner besonderen Verhältnisse nicht w o h l aufgehoben werden kann, so soll dasselbe zu einer Abgabe der Hälfte seines reinen Vermögens angehalten werden . . . IV. Diejenigen nicht ständischen Frauenklöster, als die Elisabethinerinen, englischen Fräulein, und die Ursulinerinen, m i t welchen die der Notre-Dame zu vereinigen sind, welche w i r rücksichtlich der Mädchenschulen von der A u f hebung ausgenommen haben, sollen a) für ihre Bestimmung eine zweckmäßige Einrichtung erhalten, worüber w i r wohlbemessene Vorschläge erwarten; b) i n Z u k u n f t n u r zur Ablegung einfacher Gelübde verpflichtet; c) allmählich geändert und bloß auf das Bedürfniß ihrer bestimmungsmäßigen Verrichtungen reducirt w e r d e n 5 . . .

I I I . D e r F o r t g a n g der k i r c h l i c h e n N e u o r d n u n g u n d die Proteste Papst P i u s V I I . Die Tendenz der von Montgelas betriebenen Kirchenpolitik zeigt sich besonders deutlich in der Verordnung über die Auflösung des geistlichen Rats 1. Sie gliederte die staatliche Kirchenaufsicht in die allgemeine Staatsverwaltung ein. Das Religionsedikt von 1803 2 bekräftigte die Gleichstellung der drei nach dem Westfälischen Frieden im Reich gleichberechtigten Konfessionen — der Katholiken, der Lutheraner und der Reformierten — in Bayern. Die in Bayern getroffenen staatskirchenrechtlichen Maßnahmen riefen den lebhaften Protest des Papstes hervor. „Die alles zerstörenden Neuordnungen auf kirchlichen Gebieten— so schilderte der Nuntius Severoli in einem Brief an Dalberg vom Juni 1802 die Lage — „die mit empörender Schnelligkeit aufeinander folgten, haben aufs tiefste das Gemüt Unseres Herrn ergriffen, so daß er sich nicht enthalten konnte, die Stimmen seines väterlichen Schmerzes durch ein Breve zu den Ohren jenes Kurfürsten gelangen zu lassen"*. Auf dieses päpstliche Breve (Nr. 29) antwortete der Kurfürst mit einem Rechtfertigungsschreiben (Nr. 30), in dem er zugleich versicherte, daß die Festigung und Förderung der katholischen Religion das Ziel seiner Kirchenpolitik darstelle. Darauf antioortete der Papst in einem zweiten Breve (Nr. 31), das insbesondere an der Aufhebung der Zensur in Bayern Kritik übte. 4 Die 1195 gestiftete, reichsfreie Cistercienser-Abtei Waldsassen (Oberpfalz) k a m 1802 an Bayern; die zunächst, aufgeschobene Säkularisation des Kirchenguts wurde 1803 durchgeführt (vgl. A. M. Schleglmann, a.a.O., Bd. I I I 2, S. 231 ff. 5 Es folgen nähere Ausführungsbestimmungen (ebenso in den ausgelassenen Teilen der vorangehenden Abschnitte). 1 Verordnung betr. die Auflösung des geistlichen Rats vom 6. Oktober 1802 (Churpfalzbair. RegBl. 1802, S. 707 ff.). 2 E d i k t die Religonsfreiheit i n den kurfürstlichen Herzogtümern Franken und Schwaben betreffend v o m 10. Januar 1803 (ebenda 1803, S. 25). 3 B. Bastgen, Bayern und der Heilige Stuhl, I. Teil (1940), S. 37 f.

I I I . Der Fortgang der kirchlichen Neuordnung

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N r . 29. Schreiben Papst Pius V I I . an den Kurfürsten M a x i m i l i a n Joseph von B a y e r n vom 12. Februar 1803 (Ubersetzung: A. v. Roskovàny, Monumenta Catholica, Bd. 2, S. 80 ff.; lateinisch: ebenda Bd. 3, S. 628 ff.) — Auszug — Seitdem W i r vernommen haben, daß D u i n Baiern am 26. August 18014 eine Verordnung erlassen hast, zu Folge welcher die kath. Religion als nöthige Bedingung zur Erwerbung staatsbürgerlicher Rechte nicht mehr erforderlich wäre, wurden Wir, da W i r so etwas von Deiner Regierung nicht erwartet haben, dergestalt i n unserm Innersten erschüttert, daß W i r Unsere Bestürzung m i t Worten nicht ausdrücken können; theils, w e i l D u diese Neuerung i n jenen Baierischen Gebietstheilen eingeführt hast, die sich ehedem durch den b l ü henden Zustand der Religion rühmlichst auszeichneten; theils, w e i l W i r sogleich jene bösen der Kirche und der katholischen Religion Unheil bringenden Folgen voraussahen, welche diese Verordnung selbst leicht voraussehen ließ. Derohalben haben Wir, u m bei so einer bedenklichen Gefahr den Pflichten Unsers H i r tenamts zu genügen, sowohl durch Unsern am kaiserlichen Hofe angestellten Bothschafter bei Deinem Gesandten 5 als durch andere Männer, denen w i r es zutrauten, daß sie D i r von Unserm Kummer, Unsern Sorgen gewisser als jeder andere Nachricht geben würden, dahin getrachtet, daß es D i r nicht verborgen bleiben sollte, wie empfindlich Uns jene i n Altbaiern erlassene Verordnung schmerzte, und wie nachdrücklich W i r wünschten, daß Du Dich von Einführung solcher der Kirche nachtheiligen Neuerungen i n Baiern, Deiner Religion gemäß, enthalten möchtest. Schon fingen W i r an, einige Hoffnungen zu schöpfen, daß D u von Deinem Beginnen abstehen würdest, indem Du es selbst bemerktest — so haben W i r es hier gehört — daß jene Neuerung i n Baiern sogar von Deinen Unterthanen m i t größtem Leidwesen aufgenommen wurde, w e i l sie sahen, daß dadurch nicht allein die deutsche Reichsverfassung u n d die Beschlüsse des westphälischen Friedens verletzt wären, sondern auch den K a t h o liken alle Schutzmittel zu ihrer Sicherstellung entrissen, dagegen aber den Protestanten, und sehr vielen andern zu gar keiner Religion sich bekennenden Leuten die höchste Macht u n d mannichfaltige Vortheile zum offenbaren Nachtheile der Kirche in die Hände gespielt würden. Wären D i r aber alle diese Verhältnisse genau bekannt, und würdest Du erwägen, daß gerade zur Verhütung solcher Gefährden jene Reichsgesetze gegeben sind, welche D u durch gedachte neue Verordnung abgeändert hast, so könnten W i r uns unmöglich bereden, daß D u i n Deinem Vorhaben verharren würdest, vielmehr müßten W i r annehmen, daß D u das Geschehene aufheben, und die ruhmwürdigen Beispiele Deiner Regierungsvorgeher nachahmen würdest, welche durch genaue Beobachtung jener Reichsgesetze die katholische Religion i n Altbaiern drei Jahrhunderte lang rein und unversehrt erhalten, das Land selbst daher als 4

Oben Nr. 27. Dieser Umweg über Wien w a r notwendig, w e i l Kurbayern damals noch nicht durch einen eigenen Gesandten i n Rom und die K u r i e seit 1800 nicht mehr durch einen Nuntius i n München vertreten w a r (dazu unten S. 67 A n m . 11). 5

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Kap.: Anfänge der kirchlichen Neuordnung in

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das blühendste Erbe D i r hinterlassen haben. A l l e i n gleich wie W i r gesehen haben, daß alle jene schmerzlichen Wunden, wie W i r sie voraussagten, richtig eintrafen, ebenso haben W i r es auch empfunden, daß alle Unsere Hoffnungen, w o m i t W i r uns schmeichelten, es dürften jene Drangsale von der Kirche i n Baiern doch noch abgewendet werden, vereitelt wurden. Nein, nicht ohne schmerzliche Rührung können W i r jene zahlreichen u n d schweren Vergehen in Erinnerung bringen, die nach der Bekanntmachung jener Verordnung i n Baiern gegen die Rechte der Kirche, zur Verstärkung der Protestanten, zur Vergrößerung ihres stolzen Ubermuthes gegen dieselbe, ja selbst zur A u f hebung aller Religionssicherheit verübt worden sind. Sollte i n Baiern die katholische Religion noch aufrecht stehen, und solltest Du fortan i n ihrem Glauben verbleiben wollen, so kann und darf alles Geschehene keinen Bestand haben. W i r werden, w e i l w i r jede einzelne Thatsache nicht aufzählen, u n d die Grenzen eines Sendschreibens nicht überschreiten wollen, nur das, was wichtiger scheint, andeuten, damit Du aus Unserer apostolischen Mißbilligung die Verkehrtheit Deiner Maßregeln ersehen, das Geschehene vernichten, und das Ärgernis wieder gut machen könnest, welches Du gegen Deine Absicht — denn das Gegentheil können W i r nicht glauben — allen Katholiken insgesamt gegeben hast, indem Du, als katholischer Fürst, es zugegeben hast, daß gegen die Kirche solche Verfügungen getroffen wurden, wodurch i h r der größte Schade zugefügt, der Religion selbst aber die größte Gefahr herbeigeführt worden i s t . . . 6 Da n u n Gott, der Uns zum Wächter seiner Kirche gesetzt hat, von Uns allerdings fordert, daß W i r so vielen und so harten Bedrängnissen begegnen sollen, und da W i r dereinst über Unsere Amtsführung die strengste Rechenschaft geben müssen, so haben Wir, u m die Pflichten Unseres Hirtenamts in ihrem ganzen Umfange zu erfüllen (die W i r aber auch allzeit erfüllen werden, damit W i r Gott nicht untreu werden, und Unserer Ehre und Unseren grauen Haaren keinen Schandfleck anhängen), Uns entschlossen, dieses Sendschreiben als Zeugen Unserer feierlichen Verwahrung gegen so viele Neuerungen, die dort gegen die Kirche, und ihre Diener unternommen wurden, an Dich erlassen; denn W i r halten es für unmöglich, daß, wenn Du einsiehst, daß der Apostolische Stuhl Deinen Verfügungen entgegen sei, nicht auch zugleich einsehen solltest, was Dein Glaube, Dein Heil, Dein Ruhm von D i r fordern. W i r versehen uns zu Dir, geliebtester Sohn i n Jesu Christo, daß Du durch diese Unsere väterlichen Ermahnungen aufgeweckt, in der Ergebenheit gegen die Kirche und i n Beschützung der katholischen Religion Deinen Regierungsvorgehern nicht nachstehen, und nicht zugeben werdest, daß die Kirche noch länger unter jenen schweren Bedrückungen seufze, wodurch sie, wie Du nun siehst, i n jenen Gegenden beinahe zum Untergange gebracht wird. Sollten aber diese Bedrängnisse noch länger fortdauern, wahrlich, so würden Wir, u m der Wohlfahrt der Kirche, u m dem Heile der Uns anvertrauten Seelen Fürsorge 6 Es folgt die Aufzählung der dem Kurfürsten zur Last gelegten Verstöße, so die Anordnung an die Pfarrer, Mischehen zu trauen, die richterliche Feststellung der Nichtigkeit der Ordensgelübde, die Duldung des Abfalls von Ordensgeistlichen, die Einschränkung der Fastentage, die Erhebung von Steuern auf das Kirchengut, die Unterdrückung der Klöster, die Aufhebung der Zensur, die Säkularisation des Kirchenguts.

I I I . Der Fortgang der kirchlichen Neuordnung

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zu thun, nach dem Beispiele Unserer Vorfahren, Unser A m t gewiß nicht u n thätig hintansetzen. Inzwischen w o l l e n W i r i n Demuth Unsers Herzens den Vater der Lichter und der Erbarmung Tag und Nacht m i t anhaltendem Gebete anflehen, damit er bei so wichtigen Angelegenheiten, die Uns so vielen K u m mer verursachen, Dich m i t dem Lichte seiner A u f k l ä r u n g erleuchte, u n d durch seine Allmacht bewirke, daß D u einsehen mögest, — W i r müssen es noch einmal wiederholen, — Dein wahrer R u h m und Dein Seelenheil sei unzertrennlich m i t jenen Angelegenheiten verbunden.

N r . 30 Schreiben des Kurfürsten M a x i m i l i a n Joseph an Papst Pius V I I . v o m 31. M a i 1803 (Ubersetzung bei L. König, Pius V I I . , die Säkularisation und das Reichskonkordat, 1904, S. 304 ff.) — Auszug — M i t innigstem Danke habe ich das von Ew. Heiligkeit unter dem 12. Februar an mich gerichtete Breve erhalten. Die ungünstige Meinung über meine mannigfachen Verordnungen i n politisch-kirchlichen Angelegenheiten, die man Ew. H. beigebracht hat, erfüllte mich m i t dem größten Schmerze. Da aber Ew. H. n u r durch vorschnelle, falsche und zum T e i l selbst verleumderische A n zeigen zu dieser Meinung gekommen ist, zweifle ich nicht i m mindesten, daß eine genaue u n d wahrheitsgetreuere Auseinandersetzung der Tatsachen alle dunklen Schatten zerstreuen u n d Ew. H. die Überzeugung beibringen w i r d , daß von meiner Seite nichts geschehen ist, was das väterliche und u m die Religion bekümmerte Herz Ew. H. beunruhigen könnte. Das Erste, was Ew. H. erwähnt, ist die Duldung, welche ich den Anhängern einer andern Religion i n meinen Gebieten gewährte. Wenn aber Ew. H. zu erwägen geruhten, daß es der Civilgewalt zusteht, diesen staatliche Rechte einzuräumen, daß bei einem solchen Zugeständnisse nichts über die Religion selbst oder die Wahrheit der Dogmen entschieden, sondern einzig das Wohl des Staates bezweckt w i r d , daß endlich die Duldung der drei i n Deutschland herrschenden Religionen sogar durch die Reichsgesetze selbst geboten ist 7 , so w i r d Ew. H. daraus leicht ersehen, daß ich keineswegs die Schranken der Civilgewalt überschritten habe, als ich die besagte Duldung i n den bayerischen Ländern einführte. Überdies b i n ich durch besondere u n d zwar äußerst dringende Gründe zu diesem Schritte bewogen worden. Viele von meinen frühern Untertanen i n den Rheingebieten sind m i r nämlich i n meinen neuen Regierungssitz gefolgt, u n d es konnte doch keine gesunde Politik, keine Vorschrift der Sittenlehre raten, diese fleißigen Menschen u n d treuen Bürger von einer schütter bewohnten Gegend fernzuhalten; dies hätte n u r einzig Religionshaß vermocht, den die Vernunft nicht minder als das Evangelium des Friedens verpönt. 7 Nämlich durch den Passauer Vertrag (2. August 1552), den Augsburger Religionsfrieden (25. September 1555) u n d den Westfälischen Frieden (Art. 5 und 7 Instrumentum Pacis Osnabrugense vom 24. Oktober 1648).

5 H u b e r , S t a a t u n d K i r c h e , 1. B d .

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Was indes hiebei verhütet werden mußte, ist keineswegs unterlassen worden. I m Gegenteil wurde m i t der größten Sorgfalt darauf geachtet, daß der K u l t u s der kath. Kirche und ihre Hechte nicht i m mindesten verkürzt würden. Die kath. Religion erfreut sich u n d w i r d sich auch immer aller Vorrechte erfreuen, die sie früher genoß, u n d gar nichts wurde den A k a t h o l i k e n gewährt, was jene beeinträchtigen könnte. Daher sind die Klagen schon längst verstummt, welche die bayerischen Landstände nicht i m Interesse der Religion, sondern wegen Verletzung politischer Rechte, die sie zu besitzen glaubten, erhoben haben, u n d die katholischen Einwohner leben r u h i g m i t den i n geringer Zahl aufgenommenen A k a t h o l i k e n zusammen u n d ahmen deren Fleiß nach. Dieser gegenseitige Verkehr läßt hoffen, daß die Akatholiken, wenn sie das Leben und Beispiel der K a t h o l i k e n aus größerer Nähe sehen, die vorgefaßten Meinungen, die sie vielleicht gegen den katholischen Glauben haben, ablegen und mehr zur Einheit i n Glauben u n d Liebe zusammentreten. Wenn Ew. H. dies i n Ihrer Weisheit erwägen w i l l , w i r d Sie nichts darin finden, was ich zum Nachteil der kath. Religion oder meiner kath. Untertanen oder wider meine Pflichten gegen die Kirche getan hätte. Überdies ist diese Milde gegen die Anhänger einer anderen Religion heutzutage beinahe i n allen kath. Staaten Europas i n Gebrauch und bewegt zum größten Vorteil f ü r die Kirche die akatholischen Fürsten zur gleichen Duldsamkeit ihren kath. Unter tanen gegenüber. Die Gebietsteile von Franken und Schwaben, die ich jüngst übernommen habe 8 , bekennen sich entweder n u r zur Augsburger Konfession oder sind gemischt. Eine Änderung i n diesem Stande der kirchlichen Dinge verbieten nicht n u r die Landesgrundgesetze, sondern auch der neueste Reichsrezeß 9 . Wenn ich indessen der ungerechten Unterdrückung, welche die Protestanten da und dort i n diesen Staaten erduldeten, ein Ende gemacht habe, so wurde immer sorgsam u n d vorsichtig vorgegangen, damit die katholische Sache dadurch ja nicht den geringsten Schaden erleide .. . 1 0 Daher bitte ich Ew. H. auf das inständigste, derartigen unwahren Anklagen, die sich auf keine A u t o r i t ä t stützen und meist aus bösem Willen, der n u r dem Privathasse oder Privatvorteile dient, entspringen, keinen Glauben beimessen zu wollen und diese festeste Überzeugung zu hegen, daß kein Mensch mehr als ich von der Heiligkeit und den Vorrechten unserer Religion durchdrungen sein kann. Ich fühle tief die Wahrheit, daß die öffentliche Sicherheit u n d das allgemeine Wohl des ganzen Menschengeschlechtes auf kein festeres Fundament als das der christkatholischen Religion sich zu stützen vermag; daher habe ich bei allen meinen Regierungshandlungen keine angelegentlichere Sorge, als daß dieselbe i n meinem Gebiete nicht nur erhalten bleibe, sondern auch durch heilsame Einrichtungen u n d eine wachsame Aufsicht über die Sitten und öffentliche Lehre gefestigt und gefördert werde. Damit dieses m i t umso größerem u n d sichererem Erfolge geschehe, habe ich beschlossen, immer nur, soweit es die Sache erfordert, nach vorausgegangener Verständigung m i t der kirchlichen Gewalt zu handeln, u n d damit diese Ver8

Reichsdeputationshauptschluß § 2 (Dokumente Bd. 1 Nr. 1). Ebenda § 63 (oben Nr. 5). Es folgen Ausführungen zur Widerlegung der vom Papst erhobenen V o r würfe (oben Nr. 29). 9

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ständigung desto vertrauensvoller sei und bleibe, werde ich i n nächster Zeit an den Heil. Stuhl einen eigenen Gesandten schicken, der daselbst sowohl über die Angelegenheiten der einzelnen Kirchen i n meinen Gebieten verhandeln als auch Ew. H. die untrüglichsten Zeichen meiner kindlichen Ehrfurcht und E r gebenheit darbringen soll 1 1 .

N r . 31. Schreiben Papst Pius V I I . an den Kurfürsten M a x i m i l i a n Joseph vom 19. November 1803 (H. von Sicherer, Staat und Kirche i n Bayern 1799 - 1821, 1874, Anhang, S. 17 f.) — Übersetzung — W i r haben Deinen Brief empfangen, den D u am 31. M a i als A n t w o r t schicktest auf den Brief, den W i r an Dich am 12. Februar dieses Jahres gerichtet hatten. I n i h m hat Uns Freude bereitet und wurde von uns als allen Lobes wert erachtet, was von D i r gegen Ende des Briefes Uns angezeigt wird, nämlich „daß D u felsenfest von der Wahrheit, Heiligkeit und den Vorrechten unserer heiligsten Religion überzeugt bist u n d daß D u i n voller Klarheit siehst, daß sie wahrhaftig das Fundament der öffentlichen Sicherheit und des allgemeinen Wohls des ganzen Menschengeschlechts darstellt, und daß D u deshalb anerkennst, daß sie von D i r auf Grund einer heiligen Verpflichtung aus Deiner Regierungstätigkeit nicht n u r erhalten, sondern auch gefestigt und gefördert werden müsse". Aber w i r müssen indessen bedauern, daß diesen Deinen heiligsten Gefühlen i n jenen Gebieten entgegen Deiner Meinung, wie W i r annehmen, die Resultate offensichtlich nicht entsprechen. Deshalb hatten W i r schon beschlossen, D i r i n dieser Frage einen anderen Brief zu schreiben und D i r bekannt zu machen, wie zurecht W i r Uns über so viele und so große Neuerungen beklagt haben und wie sehr W i r über vieles u n w i l l i g sind, was i n diesem Deinem Brief enthalten ist, u n d ebenso über anderes, wovon W i r nach Unserem apostolischen Schreiben erfahren haben, daß es zum Schaden der Religion und der katholischen Kirche dort geschehen ist. Doch als W i r durch Unseren geliebten Sohn, den K a r d i n a l der heiligen römischen Kirche, Ercole Consalvi, Unseren Staatssekretär, erfuhren — Dein M i n i s t e r 1 2 schrieb es i h m —, daß die A n k u n f t Deines Gesandten unmittelbar bevorstehe 1 3 , von dem D u Uns geschrieben hattest, daß D u i h n entsenden wollest, beschlossen Wir, einen derartigen Brief zu verschieben, und sahen es als ausreichend an, das, was Uns bis heute ununterbrochen m i t tiefstem K u m m e r erfüllt, D i r zuerst einmal durch diesen Deinen Gesandten kundzutun, wenn es auf diese Weise möglich sein würde, die Angelegenheit leichter zum Abschluß zu bringen. Inzwischen kön11 Z u r Herstellung der unmittelbaren Beziehungen zur K u r i e entsandte der Kurfürst 1803 den Gesandten Kasimir Frhr. v. Häffelin (1737 - 1827) nach Rom. Dieser w a r katholischer Geistlicher, seit 1783 Vizepräsident des „Geistlichen Rats", der obersten staatlichen Kultusbehörde i n München, Titularbischof von Chersonnes; 1803 - 1809 u n d 1815 - 1827 bayer. Gesandter beim Vatikan, seit 1818 Kardinal. 12 Der Staatsminister Graf Montgelas (siehe oben S. 59). 13 Der Gesandte Frhr. ν . Häffelin (siehe oben Anm. 11).

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nen W i r jedoch deshalb, w e i l das Übel von Tag zu Tag i n größerem Umfang sich ausbreitet, so daß, w e n n i h m nicht unverzüglich m i t einem rasch w i r k samen H e i l m i t t e l entgegengetreten w i r d , die Gefahr besteht, daß die heiligste Religion selbst erschüttert w i r d und zusammenstürzt, nicht m i t Schweigen darüber hinweggehen, da es zur Erhaltung der Religion sehr viel beitragen wird, D i r das mitzuteilen — das Übel nämlich, daß eine nicht geringe Anzahl von Büchern i n Unseren Händen ist, die entweder i n Bayern verlegt worden sind oder dort m i t Sicherheit straflos und frei verbreitet werden, Bücher, von denen die einen auf die Unterdrückung und Verachtung der katholischen Religion u n d der heiligen Diener (dieser Religion) gerichtet sind, die anderen aber dieser Religion vollständig feindlich sind, die zu bewahren und zu fördern D u Uns gegenüber i n Deinem Brief so offen als das Ziel Deiner Bemühungen erk l ä r t hast 1 4 . Daraus kannst D u erkennen, daß nicht n u r Form und Sinn der Zensur dort verändert worden ist, w i e D u meinst, sondern vielmehr dadurch, daß das Recht der Kirche zur Zensur aufgehoben ist — der Kirche, welcher Gott die Bewahrung u n d Verbreitung seiner Lehre anvertraut hat —, die Zensur selbst ganz und gar aufgehoben ist; dadurch aber daß jene heilsamen Früchte der Lehre nicht mehr aus der Kirche zu erkennen, sind, welche der göttliche Heiland durch sie den Gläubigen zu erkennen geben wollte, w i r d offensichtlich die katholische Religion allmählich i n den Seelen der Gläubigen verdorben und zerstört. D u siehst also, wie notwendig es ist, daß von den Bischöfen und ebenso auch von den anderen Geistlichen der heilige Dienst, der ihnen zur A u f erbauung der Kirche überantwortet ist, frei wahrgenommen werden kann. Denn n u r den Aposteln, ihren Schülern u n d ihren legitimen Nachfolgern — ihnen allein — hat Christus, der Herr, gesagt: „Geht und verkündigt das Evangelium aller K r e a t u r — lehret alle V ö l k e r " 1 5 — und: „Die Bischöfe" — sie allein, w o f ü r der Apostel Paulus Zeuge ist — „hat der Heilige Geist eingesetzt, die Kirche Gottes zu leiten, die er m i t seinem B l u t erworben hat 4 ' 1 6 . — Wenn Du so urteilst, Unser i n Christus geliebtester Sohn, dann w i r d das v e r w i r k licht werden können, was Du i m Sinn zu haben bekennst, nämlich daß D u für die Sicherheit, die Festigkeit und das Wachstum der katholischen Religion sorgen w i l l s t ; wenn es sich jedoch anders verhält, wirst D u das größte U n glück und den Untergang dieser Religion i n jenen Gebieten verursachen. Darum, daß Gott dies verhüte, bitten W i r i n angestrengten Gebeten, und erteilen Dir, Unser i n Christus geliebtester Sohn, voller Liebe den apostolischen Segen.

I V . Die Bemühungen u m einen Ausgleich zwischen K i r c h e u n d Staat Seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Bayern und der Kurie 1 verstärkten sich die Bemühungen um einen Ausgleich. Da insbesondere die Praxis der staatlichen Kirchenaufsicht als Eingriff in die geistliche Gewalt erschien, suchte die Verordnung vom 7. Mai 1804 (Nr. 32) klarzustellen, daß die 14 Die Aufhebung der Zensur gehörte zu den Mißständen, die der Papst i n dem Breve vom 12. Februar 1803 besonders gerügt hatte (oben S. 64 Anm. 6). 15 Markus 16, 15; Matthäus 28, 19 f. 16 Apostelgeschichte 20, 28. 1 Oben S. 67 A n m . 11.

I V . Bemühungen u m Ausgleich zwischen Kirche und Staat

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Freiheit der geistlichen Gewalt vom Staat nicht beeinträchtigt werde. Nur um zu verhindern, daß die Kirche zu einem „Staat im Staate" werde, bediene der Staat sich der hergebrachten jura circa sacra — so des Placetum regium, des Recursus ab abusu, der Aufsicht über die kirchliche Finanzverwaltung, sowie der Mitentscheidung über die Voraussetzungen zum geistlichen Amt. In besonderem Maß war der Gesandte Häffelin um den Abschluß eines bayerischen Konkordats bemüht 2. Doch erwiesen die Gegensätze sich als unüberwindlich*. Bayern erstrebte die päpstliche Anerkennung für die bisherigen staatskirchenrechtlichen Neuerungen sowie die Einrichtung einer katholischen bayerischen Landeskirche mit dem Erzbischof von München als Metropoliten; die Kurie hingegen forderte die Erneuerung der außer Kraft gesetzten kanonischen Regeln sowie die Erklärung des Katholizismus zu der in Bayern „herrschenden" Religion. Nachdem die Verhandlungen von beiden Seiten als gescheitert betrachtet wurden, regelte der bayerische Staat das Staatskirchenrecht — allerdings unter Ausklammerung der Diözesaneinteilung und ähnlicher Fragen — einseitig durch das Religionsedikt vom 24. März 18094, das die Grundsätze der Toleranz und Parität sowie der vollen Unterordnung der Kirche unter den Staat in äußeren und gemischten Angelegenheiten bestätigte. Das Religionsedikt stellte so die Krönung und Zusammenfassung des von Montgelas angestrebten aufgeklärt-territorialistischen Staatskirchenrechts dar. Das Edikt von 1809 stimmt mit dem Religionsedikt von 1817 (unten Nr. 60) der Sache nach im Wesentlichen überein 5.

N r . 32. Verordnung über die Verhältnisse zur geistlichen G e w a l t vom 7. M a i 1804 (Churpfalzbaier. Regierungsblatt S. 509 ff.) — Auszug — Es sind Uns v o n Seite der Ordinariate mehrere Beschwerden über Eingriffe Unserer Landesstellen i n ihre geistliche Gewalt zugekommen. W i r haben zwar einige derselben gänzlich ungegründet gefunden, andere beruhen auf T h a t umständen, die noch näher untersuchet werden müssen; andere sind aus i r r i gen u n d zum Theile w i l l k ü h r l i c h e n Auslegungen Unserer Verordnungen veranlaßt worden. W i r haben schon mehrmals Unsern ernstlichen W i l l e n bekannt gemacht, daß die geistliche Gewalt i n ihrem eigentlichen Wirkungskreise nicht gehemmt werden, u n d daß Unsere weltliche Regierung i n ganz geistlichen Gegenständen des Gewissens u n d der Religions-Lehre sich nicht einmischen solle. Bey allen Unsern zeither vorgenommenen Reformen w a r Unser eifriges Bestreben einzig dahin gerichtet gewesen, den ehrwürdigen Stand der Priester, welchem die Seelsorge anvertraut ist, zu der Würde seines wichtigen Amtes w i e 2

Siehe Verfassungsgeschichte, Band I, S. 422. Die wichtigsten Dokumente aus diesen Verhandlungen bei Sicherer, Staat und Kirche i n Bayern, 1874, Anhang, S. 22 ff. Dazu ferner A. Doeberl, Die bayerischen Konkordatsverhandlungen 1806/07 (1924). 4 T e x t : Regierungsblatt 1809 S, 897 ff. 5 Deshalb w i r d auf den Abdruck des Edikts von 1809 hier verzichtet. 3

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der zu erheben, und einen reineren christlichen Religions-Kult zu befördern 6 . W i r würden demnach gänzlich mißverstanden werden, w e n n man glauben könnte, daß W i r Unsere weltliche Gewalt über Gegenstände des bischöflichen Oberhirtenamtes, über innere Kirchenangelegenheiten weiter ausdehnen w o l l ten, als u m Mißstände, die dem Wohle des Staates nachtheilig werden könnten, abzuhalten, oder daß W i r je die Absicht hätten, den geistlichen Stand herabzuwürdigen, den Pfarrern ihre Einkünfte zu schmälern, oder ihre Pfarrgüter ihnen zu entziehen, u n d unsichere dafür zu surrogiren, w i e fälschlich, und wahrscheinlich aus boshaften Absichten, ausgestreut worden ist. Dagegen werden W i r aber auch nie dulden, daß die Geistlichkeit, und irgend eine Kirche einen Staat i m Staate bilde, daß dieselbe i n ihren weltlichen Handlungen, und m i t ihren Besitzungen den Gesetzen u n d den gesetzmäßigen Obrigkeiten sich entziehe; W i r werden die Rechte Unserer obersten Aufsicht immer strenge ausüben lassen; W i r werden Unsere landesfürstliche M i t w i r k u n g i n Gegenständen, welche zwar geistlich sind, aber die Religion nicht wesentlich betreffen, und zugleich irgend eine Beziehung auf den Staat und das weltliche W o h l der Einwohner desselben haben, nicht ausschließen lassen, so wie W i r die Seelsorger, als Volkserzieher i n Religion und Sittlichkeit, nicht als blosse Kirchendiener, sondern zugleich als Staatsbeamte betrachten. Unser aufrichtiger Wunsch ist, daß geistliche und weltliche Obrigkeiten i m gleichen Geiste u n d m i t gleicher Tendenz vereiniget, jede i n ihrem Wirkungskreise, zu dem nämlichen großen Zwecke hinarbeiten, und alle davon abführenden Kollisionen vermieden werden möchten: zu dem Ende haben W i r nothwendig erachtet, über einige Gegenstände Unserer bisherigen Verordnungen, bey derer Anwendung Mißdeutungen u n d Anstände sich ergeben haben, nähere Erläuterungen zu ertheilen. I. Keine Gesetze oder Verordnungen der Ordinariate dürfen, nach den hierüber i n Unseren Landen schon längst bestehenden General-Mandaten, ohne Unsere Einsicht und Genehmigung publizirt werden, und die Ordinariate sind gehalten, nach erlangter landesfürstlicher Bestätigung, i m Eingange der Ausschreibungen solcher Verordnungen, allezeit der landesfürstlichen Bestätigung Erwähnung zu t h u n 7 . . . I I . Obgleich i n Ansehung der Gerichtsbarkeit über Geistliche i n ihren peinlichen Vergehen, i n bürgerlichen Personal-Klagsachen, u n d bey allen übrigen aus bürgerlichen K o n t r a k t e n hervorgehenden Streitsachen, dann i n Sterbfällen der Geistlichkeit, es bey Unseren erlassenen Verordnungen sein V e r bleiben behält, so soll doch i n blossen Disziplinarsachen, welche einzig auf die geistliche Standes- u n d Amtsverhältnisse sich beziehen, dem Einflüsse des Oberhirtenamtes des Bischofs kein Hinderniß gesetzt, sondern solche sollen seiner Untersuchung und J u d i k a t u r überlassen bleiben, wenn nicht Unser landesfürstlicher Schutz gegen Mißbrauch der geistlichen Gewalt nachgesucht Wirde... 6 Dazu das Z i r k u l a r an die Weltgeistlichkeit v o m 11. März 1802 (oben S. 60 A n m . 1). 7 Die folgenden Bestimmungen enthalten eine Einschränkung des i m Grundsatz festgehaltenen Placetum regium. 8 I m Folgenden w i r d der Recursus ab abusu i n gewissem Umfang neu geregelt. Die anschließenden A r t . I I I - V I I betreffen kirchenrechtliche Einzelfragen.

Viertes Kapitel

D i e Anfänge der k i r c h l i c h e n N e u o r d n u n g i n Südweetdeutschland I. Organisationsdekret u n d Religioneedikt i n Württemberg Die Besitzergreifung der Württemberg endgültig erst im § 6 des Reichsdeputationshauptschlusses vom 25. Februar 1803 zugesprochenen Gebiete geschah auf der Grundlage des der Reichsdeputation am 18. August 1802 überreichten französisch-russischen Entschädigungsplans und des zweiten Entschädigungsplans vom Oktober 1802 bereits in den Monaten Oktober bis Dezember 1802. Dabei sicherte Herzog Friedrich IA in dem allgemeinen Besitzergreifungspatent vom 23. November 1802 seinen neuen Untertanen nicht nur die allgemeine landesväterliche Fürsorge, sondern darüber hinaus insbesondere den neuen katholischen Untertanen die freie und öffentliche Ausübung ihrer Religion zu 2. In der Konsequenz der damit für Württemberg vollzogenen Gleichstellung der drei vom Westfälischen Frieden anerkannten Religionsgesellschaften bestimmte das Religionsedikt für Neuwürttemberg vom 14. Februar 1803 3, daß der Grundsatz der Parität auch für die neuwürttembergischen Gebiete Gültigkeit besitze. Nachdem das Organisationsmanifest vom 1. Januar 1803 4 eine getrennte Verwaltung für die neuwürttembergischen Gebiete eingerichtet hatte , regelte das Organisationsdekret vom 18. März 1806 (Nr. 33) die Aufsicht über die Kirchen beider Konfessionen. Die Leitung des evangelischen Kirchenund Schulwesens übernahm das Oberkonsistorium. Die Souveränitätsrechte gegenüber der katholischen Kirche erhielt der Geistliche Rat. Aus der Vereinigung der beiden Landesteile ergab sich die Notwendigkeit, auch die staatskirchenrechtlichen Fragen neu zu regeln. Dies geschah durch das Religionsedikt vom 15. Oktober 1806 (Nr. 34).

1 Friedrich I. (1754 - 1816), seit 1797 Herzog, seit 1803 Kurfürst, 1806 - 1816 K ö n i g von Württemberg. 2 M. Erzberger, Die Säkularisation i n Württemberg 1802 - 1810, 1902, S. 83 f. 3 A. L. Reyscher, Sammlung der württembergischen Gesetze, Bd. 9, S. 3 ff. 4 M. Erzberger, a.a.O., S. 126 f.

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4. Kap. : Anfänge der kirchlichen Neuordnung in Südwestdeutschland N r . 33. Württembergisches Organisationsdekret v o m 18. März 1806

(A. L. Reyscher, Sammlung der Württembergischen Gesetze, Bd. 3, S. 247 ff.) — Auszug — § 8. Z u dem Geschäftskreise des Geistlichen Departements 5 gehört der Cultus, sowohl der evangelischen als katholischen Religion, und anderer i m Staate tolerirten Gemeinden, das Curatorium der Universität, Schulen, u n d überhaupt gelehrte u n d Bildungs-Anstalten. § 59 Abs. 2. V o n diesem Departement ressortiren: I. Das Ober-Consistorium: Es f ü h r t die Aufsicht über das gesamte evangelische Kirchen- u n d Schulwesen, so wie über die dabei angestellten Diener, auf gleiche A r t auch über die übrigen i m Königreiche tolerirten Gemeinden . . . §60. Bei Besetzung geistlicher Stellen hat der Minister des Departements, wie die übrigen, Uns den Vortrag zu machen. A l l e Kandidaten werden von dem Ober-Consistorium examinirt, u n d über sie sowohl, als über sämtliche angestellte Decane, Pfarrer u n d Vicarien w i r d jährlich eine Liste, unter gewissenhafter Angabe ihres moralischen Betragens, Fleißes und ihrer Talente vorgelegt. §63. II. I n Ansehung der katholischen Kirche besteht, neben dem Bischof und dessen Officialate, ein besonderer sogenannter geistlicher Rath zu Besorgung u n d Wahrung der Souveränitäts-Rechte . . . θ N r . 34. Württembergisches Religionsedikt v o m 15. Oktober 1806 (A. L. Rey scher, Sammlung der württembergischen Gesetze, Bd. 9, S. 68 ff.) U m Unsern Kgl. Unterthanen, zu welcher der bisher aufgenommenen Religionsparthien sie auch gehören, eine freye u n d ungehinderte Religionsübung i n dem ganzen Umfang Unseres Königreichs zu sichern, setzen W i r hiemit folgende, dem Geist des wahren Christenthums entsprechende Bestimmungen fest: I. Jede christliche Kirche, sie gehöre zu den beyden protestantischen oder zur katholischen Confession, hat gleiche Ansprüche auf Unsern Königlichen Schutz. I n dieser Gemäßheit sichern W i r jeder kirchlichen Gemeinde die Fortdauer ihrer bisherigen Religionsübung und den Genuß ihrer nach Vorschrift Unserer Gesetze zu verwaltenden Güter u n d Einkünfte, so w i e ihres Schulfonds, zu. 5 Nach dem E d i k t bestand das Staatsministerium aus sechs Departements (Fachministerien), darunter dem Geistlichen Departement. Dieses wurde 1816 i n „Ministerium des Kirchen- und Schulwesens" umbenannt (unten Nr. 62). β Der 1806 errichtete „Katholische Geistliche Rat" erhielt 1816 den Namen „Katholischer Kirchenrat" (unten Nr. 62). Der bedeutendste K o p f i n i h m w ä h rend der entscheidenden Anfangszeit w a r Moritz Philipp Frhr. v. SchmitzGrollenburg (1765 - 1849), kath. Priester, Kanonikus i n Mainz, dann i n Aschaffenburg; seit 1806 i m württembergischen Staatsdienst; 1812-1817 Direktor des Kath. Geistlichen Rats bzw. Kirchenrats. Er leitete die katholische Kirchenp o l i t i k i n Württemberg i m Geist des entschiedenen aufgeklärten Josefinismus.

I. Organisationsdekret und Religionsedikt i n Württemberg

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I I . Wenn an einem Orte Unseres Reichs bisher n u r Eine Religionsübung stattfand, die Genossen einer anderen Confession sich aber i n diesem Orte so sehr vermehren, daß sie eine kirchliche Gemeinde bilden können; so werden W i r ihnen auf i h r allerunterthänigstes Ansuchen die freye Übung ihrer Religion, nach den Vorschriften ihres Cultus, i n dem Innern eines Kirchengebäudes allergnädigst gestatten. Es muß jedoch der zur Einrichtung des Gottesdiensts nöthige A u f w a n d ohne Kosten und Beschwerniß der zu einer andern Confession gehörigen Mitglieder der Gemeinde u n d ihrer Fundationen aufgebracht w e r den können, indem W i r nie gestatten werden, daß E i n Religionstheil sich i n den Mitgebrauch u n d Mitgenuß der Güter, Einkünfte u n d Stiftungen der K i r che eines andern Religionstheiles eindringe. I I I . Können die von der herrschenden Confession eines Orts dissentirenden Einwohner eine besondere kirchliche Gemeinde nicht bilden; so ist ihnen u n benommen, nicht n u r die benachbarte Kirche ihres Cultus zu besuchen, sondern auch einen Geistlichen ihrer Confession zum häuslichen Religions- u n d Kinderunterricht, so w i e zur A d m i n i s t r i r u n g der Sacramente zu sich zu berufen. Letzteres findet auch i n Rücksicht auf Taufe u n d ehliche Trauungen statt, u n d können diese Actus i n Privathäusern vorgenommen werden; wobey alsdann den Geistlichen zur Pflicht gemacht wird, hievon sowohl vor als nach vollzogener Handlung dem Parochus des Orts eine amtliche Anzeige zu machen, welcher den Vorgang ordnungsmäßig i n das Kirchenbuch einzutragen hat. I n Absicht auf Beerdigungen soll unter allen Einwohnern eines Orts, zu welcher christlichen Confession sie auch gehören, eine ganz gleiche Behandlung statt haben, so daß also ein Geistlicher von der Confession des Verstorbenen auf V e r langen dem Leichenzuge beywohnen u n d eine Rede am Grabe halten darf. Übrigens werden die der Orts-Religion nicht zugethanen Einwohner, so lange sie keine besondere Kirche bilden, i n allem, was ihre Religions- u n d Gewissensfreiheit nicht beschränkt, zur Ortspfarrei gerechnet, und haben daher i n allen vorkommenden Fällen die gesetzlichen Stolgebühren dahin zu entrichten. IV. Bey Besetzung aller Ä m t e r u n d Stellen w i r d i n Z u k u n f t auf den Unterschied der christlichen Glaubensconfessionen keine Rücksicht genommen und unter den Fähigen dem Würdigsten, er gehöre zu der katholischen oder zu einer der protestantischen Kirchen, der Vorzug gegeben werden. V. Die Verschiedenheit des christlichen Glaubensbekenntnisses schließt i n Z u k u n f t die Kgl. Unterthanen von der Aufnahme i n das Bürgerrecht eines Orts nicht mehr aus, sondern jeder Unterthan, der einer der drey christlichen Glaubensconfessionen zugethan ist, kann, wenn er die übrigen gesetzlichen V o r schriften i n sich vereiniget, die Aufnahme als Bürger eines Orts und den vollen Genuß der davon abhängenden bürgerlichen Rechte erwarten. V I . U m eine Ehe m i t einer Person, die einer anderen christlichen Confession zugethan ist, einzugehen, bedarf es, wenn sonst alle gesetzlichen Erfordernisse vorhanden sind, keiner Dispensation, u n d bey vorwaltenden Ehehindernissen verificirt die Obrigkeit des Orts, wo die Ehe geschlossen w i r d , die beyderseitigen Dispensationen. Die K i n d e r aus dieser Ehe werden, i n der Regel, bis zu den Unterscheidungsjähren i n der Religion des Vaters erzogen. Es ist jedoch den Eheleuten erlaubt, durch Verträge eine nach dem Geschlecht der Kinder getheilte Erziehung oder jede andere Bestimmung dießfalls festzusetzen; n u r müssen, wenn der Vater der evangelischen Religion zugethan ist, die Söhne

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4. Kap.: Anfänge der kirchlichen Neuordnung i n Südwestdeutschland

nothwendig auch i n dieser Religion erzogen werden; jene Verträge sind aber n u r dann gültig, wenn sie v o r der Obrigkeit des Gatten abgeschlossen worden. Nach erreichten Unterscheidungsjähren steht es den aus solchen Ehen erzeugten K i n d e r n frey, sich nach eigener W a h l zu einer oder andern christlichen Kirche zu bekennen; jedoch sollen die i n Kgl. Civildiensten stehenden Personen keine Religionsveränderung vornehmen, ohne solche durch den Departementschef, dem sie angehören, Uns angezeigt zu haben. V I I . Die zur Gültigkeit jeder Ehe erforderliche Einsegnung geschieht bey Ehen verschiedener Confessionsverwandten v o r dem Pfarrer des Bräutigams. Wünscht der andere Ehetheil zu seiner Gewissensberuhigung auch noch von dem Geistlichen seiner Confession eingesegnet zu werden, so hat dieses keinen Anstand. A l l e diese Verfügungen w o l l e n W i r hiemit i n der Allgemeinheit festgesetzt haben, daß sie f ü r alle Theile Unseres Königreichs, welche kirchliche V e r fassung oder Ordnung bisher daselbst statt gehabt haben möge, sowohl bey dem C i v i l als M i l i t ä r , ohne allen Unterschied des Standes und der Personen, als gesetzliche N o r m gelten sollen. Daran geschieht Unser Königlicher Wille.

I L Die württembergischen Konkordatsverhandlungen, d i e E r r i c h t u n g des G e n e r a l v i k a r i a t s E l l w a n g e n u n d die A n f ä n g e der T ü b i n g e r k a t h o l i s c h - t h e o l o g i s c h e n F a k u l t ä t Die katholischen Einwohner der von Württemberg durch den Reichsdeputationshauptschluß neu erworbenen Gebiete gehörten außerwürttembergischen Diözesen — nämlich Würzburg, Augsburg und Konstanz — an; ein württembergisches Bistum bestand nicht. Das Ziel König Friedrichs I. von Württemberg war es, zwei exemte — also unmittelbar dem Papst unterstellte — Landesbistümer in Ellwangen und Rottweil einzurichten. Dem dienten die Konkordatsverhandlungen von 1807 1, die jedoch kurz vor dem erhofften Abschluß abgebrochen werden mußten, da Napoleon sich gegen die Vereinbarung von Länderkonkordaten aussprach und Verhandlungen über ein „deutsches" — nämlich ein rheinbündisches — Konkordat in Paris forderte 2. Auch die Verhandlungen, die der Geistliche Rat Keller3 in staatlichem Auftrag 1808 in Rom und 1811 in Paris führte, waren nicht von Erfolg. Darauf benutzte König Friedrich I. die durch den Tod des Bischofs von Augsburg im Jahre 1812 entstandene Lage4, um aus eigener Machtvollkommenheit 1 Dokumente bei O. Mejer, Die Konkordatsverhandlungen Württembergs von 1807 (1859). 2 M. Erzberger, a.a.O., S. 142 ff. 3 Johann Baptist (v.) Keller (1774 - 1845), Pfarrer i n Radolfzell, 1808 - 1816 Stadtpfarrer i n Stuttgart u n d gleichzeitig M i t g l . des Kath. Geistl. Rats (1816 in K a t h . Kirchenrat umbenannt); 1816 Titularbischof von Evara u n d Provikar i n Ellwangen; 1819 Generalvikar daselbst; 1828 - 1845 Bischof von Rottenburg. 4 Bischof von Augsburg w a r Clemens Wenzeslaus (1739 - 1812), Sohn des K u r f ü r s t e n Friedrich August III. von Sachsen, K ö n i g von Polen. Clemens Wenzeslaus w a r 1763 - 1768 Bischof von Freising u n d von Regensburg, seit 1768 Erzbischof und K u r f ü r s t von Trier, zugleich Bischof von Augsburg. Dazu

I I . Die württembergischen Konkordatsverhandhingen

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dem Weihbischof von Augsburg, Franz Karl Fürst von Hohenlohe 5, die Verwaltung der württembergischen Teile des Bistums Augsburg und des exemten Sprengeis Ellwangen zu übertragen (Nr. 35, 36). Das damit geschaffene Generalvikariat Ellwangen wurde die Grundlage für ein eigenes württembergisches Landesbistum. Bereits in den Konkordatsverhandlungen von 1807 erstrebte die württembergische Regierung neben der Errichtung dieses katholischen Landesbistums die Errichtung einer katholischen Landesuniversität 6. Demgemäß rief sie 1812 zugleich mit der Errichtung des Generalvikariats Ellwangen durch einseitigen staatlichen Akt eine staatliche Lehranstalt für die Ausbildung katholischer Geistlicher unter dem Namen „Friedrichs-Universität" in Ellwangen ins Leben. Doch war diese katholische Landesuniversität eine bloße Fakultät. Auf Betreiben des Kultusministers v. Wangenheim wurde sie schon 1817 als katholisch-theologische Fakultät in die Landesuniversität Tübingen überführt 1. Das neben der Universität in Ellwangen durch den Erlaß von 1812 errichtete katholische Priester seminar Ellwangen erhielt 1819 seinen endgültigen Sitz in Rottenburg.

N r . 35. Allerhöchste Bestimmungen, das Generalvikariat zu Ellwangen und die bischöflichen Funktionen in dem diesseitigen A n t e i l des Bistums Augsburg betreffend v o m 28. September 1812 (Historisch-politische Blätter, Bd. 18, 1846, S. 305 ff.) — Auszug — 1. Der Bischof von Tempe, Fürst von Hohenlohe, übernimmt, nach den allerhöchsten Absichten und m i t allerhöchster Genehmigung Sr. Maj. bis zur definitiven Organisation der katholischen Kirche i m Königreich Württemberg die Geschäfte eines Generalvicars und die bischöflichen Functionen für den dießseitigen A n t h e i l des Bisthums Augsburg, u n d hat seinen Sitz i n Ellwangen. 2. Als Generalvicar hat derselbe die Episcopaljurisdiction, w i e sie bisher der Bischof von Augsburg i n dem dießseitigen Bisthumstheile ausübte, m i t h i n nach der i m Bisthum seither bestandenen Verfassung zu verwalten. erhielt er später die Propstei Ellwangen. Die bischöflichen Funktionen i n Augsburg überließ er (auch nach dem Verlust von Trier) dem Weihbischof Fürst Hohenlohe. 5 Franz Karl Fürst v. Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst (1745 - 1819), seit 1802 Titularbischof von Tempe u n d Weihbischof von Augsburg; seit 1812 zugleich Generalvikar von Ellwangen. Er wurde 1818 zum Bischof von Augsburg gewählt, starb aber vor der Inthronisation. 6 Dazu das Organisationsedikt für Neuwürttemberg vom 1. Januar 1803 (oben S. 71 Anm. 4), das die Errichtung eines Seminars zur Ausbildung katholischer Geistlicher und Lehrer i n Ellwangen als staatliche Lehranstalt vorsah. 7 Dazu J. Zeller, Die Errichtung der katholisch-theologischen Fakultät i n Tübingen i m Jahre 1817 (Theol. Quartalschrift, 108, 1927, S. 77 ff.); der A b handlung sind die wesentlichen Aktenstücke über den Gründungs- und E i n gliederungsvorgang beigefügt.

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4. Kap. : Anfänge der kirchlichen Neuordnung i n Südwestdeutschland

3. Der Generalvicar hat, wenn das placetum regium f ü r bischöfliche oder Vicariatsverordnungen nachzusuchen ist, sowie i n allen andern zur Kenntniß u n d Cognition der Staatsbehörde gehörigen Angelegenheiten sich unmittelbar an das kgl. Cultministerium zu wenden, welches demselben die allerhöchste Entschließung eröffnen w i r d . 12. A l s Generalvicar hat der Fürst von Hohenlohe Sr. Königlichen Majestät den E i d der Treue, w i e folgt, abzulegen: Ich schwöre u n d verspreche zu Gott auf sein heiliges Evangelium, Sr. Königl. Majestät meinem allergnädigsten K ö n i g u n d H e r r n gehorsam u n d treu zu bleiben, nichts zu unternehmen noch zu gestatten, was dem Wohle Sr. Majestät, dem Interesse des Staats u n d den bestehenden Gesetzen zuwider wäre, u n d w e n n ich erfahren sollte, daß i n meinem Generalvicariatsbezirke oder sonst etwas zum Nachtheile Sr. Majestät und des Staates unternommen werden wollte, solches an Se. Majestät durch die m i r angewiesenen Behörden zu bringen. 13. Die Räthe des Generalvicars haben gegen den geistlichen Rath den Revers auszustellen, daß sie den allerhöchsten königlichen Verordnungen auf keine Weise entgegenhandeln, u n d sich angelegen seyn lassen werden, ihre Pflichten gegen Se. M a j . u n d den Staat genauest zu erfüllen. 14. Durch ein Circular des kgl. geistlichen Rathes w i r d den betreffenden Decanaten die Einrichtung des Generalvicariats u n d des dazu gehörigen Personals bekannt gemacht, und dieselben, so w i e alle ihnen untergeordneten Pfarrer angewiesen, dem Vicariat den Gehorsam i n kirchlichen Angelegenheiten zu leisten, den sie bisher dem Bischof von Augsburg zu leisten hatten. Ebenso ergeht von dem Generalvicar ein vorher zu allerhöchster Genehmigung vorzulegender Erlaß an diese Decane i n gleicher Beziehung. 15. Die feierliche Einsetzung des Generalvicars u n d seiner Räthe geschieht durch den Minister der geistlichen Angelegenheiten, i m Beiseyn sämmtlicher, dem Generalvicar untergeordneter Decane, so wie der Stadtgeistlichkeit von Ellwangen.

N r . 36. Verordnung wegen des Generalvikariats, der katholischen Landesuniversität und des Priesterseminars zu E l l w a n g e n v o m 3. Oktober 1812 (Württembergisches Staats- und Regierungsblatt 1812, S. 489) — Auszug — Se. K g l . M a j . haben vermög allerhöchsten Reskripts vom 28. September zu genehmigen geruht, daß bis zu definitiver Organisation der kath. Kirche i m Königreiche der Bischof von Tempe, Fürst v. Hohenlohe, die Geschäfte eines General-Vikars u n d die bischöfl. Funktionen f ü r den diesseitigen A n t h e i l des durch den Todesfall des Churfürsten v o n Trier, Bischofs von Augsburg, erledigten Bisthums Augsburg u n d den exemten Sprengel von Ellwangen übernehme... F ü r den Sitz des General-Vikars haben Se. Kgl. M a j . die Stadt Ellwangen zu bestimmen geruht.

I I I . Die badischen Organisationsedikte von 1803

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Sodann haben Allerhöchst dieselben zur B i l d u n g u n d für den Unterricht kath. Theologen eine kath. Landes-Universität i n der Stadt Ellwangen m i t allen Hechten und Befugnissen einer Universität, namentlich dem Rechte, akademische theologische Würden zu verleihen, allergnädigst errichtet und fundirt... Die Oberaufsicht über die ganze Anstalt haben Se. Kgl. Maj. einer besondern Curatel, welche aus dem jedesmaligen Präsidenten oder Direktor und den geistlichen Räthen des Kgl. kath. Geistlichen Raths besteht, zu übergeben . . . geruht... Endlich haben Allerhöchstdieselben neben der kath. Universität ein dem General-Vikar untergeordnetes Priester-Seminarium f ü r 40 Candidaten des kath. geistlichen Standes, welche nach absolvirtem dreijährigen theologischen Studienlauf auf E i n Jahr i n dasselbe eintreten u n d darin auf Kosten des Staats unterhalten werden, i n Ellwangen zu errichten u n d zu fundiren g e r u h t . . . Die dem Staate gebührende Oberaufsicht über das Priester-Seminarium ist dem Kgl. kath. Geistlichen Rath übertragen, u n d i n allen zum Ressort des General-Vikars geeigneten Fällen geschehen die Communicationen durch das Kgl. K u l t - M i n i s t e r i u m .

I I I . D i e badischen O r g a n i s a t i o n s e d i k t e v o n 1803 Durch die deutschen Gebietsveränderungen von 1802/03 erhielt die zum Kurfürstentum erhobene Markgrafschaft Baden als Ausgleich für die linksrheinischen Verluste einen weit darüber hinausgehenden rechtsrheinischen Gebietsgewinn, so unter anderem das Bistum Konstanz und Teile der Bistümer Basel, Straßburg und Speyer, ferner die rechtsrheinischen Teile der KurpfalzZu der überwiegend lutherischen Bevölkerung der alten Markgrafschaft kamen damit zahlreiche katholische Untertanen aus den säkularisierten geistlichen Staaten sowie zahlreiche reformierte Untertanen aus kurpfälzischem Gebiet. Zur staatlichen Neuordnung des vielgestaltigen Landes erließ Kurfürst Carl Friedrich 2 schon 1803 die von dem Geheimen Rat Brauer 3 ausgearbeiteten 13 Organisations-Edikte, die das gesamte Staatswesen einer grundlegenden Reform unterzogen und in kurzer Zeit ein modernes Verwaltungssystem ins Leben riefen. Staatskirchenrechtlich bedeutsam waren das I. Organisationsedikt vom 4. Februar 1803 (Nr. 37), das drei konfessionell geschiedene Zentralbehörden für die staatliche Kirchenverwaltung einrichtete, sowie das III. Organisationsedikt vom 11. Februar 1803 (Nr. 38), das einheitliche Vorschriften für alle Landesteile in Bezug auf „Religionsübung und Religionsduldung" statuierte. Das „Musterland" Baden schuf damit das Modell eines konfessionell neutralen, auf Parität und Toleranz gegründeten modernen Staatssystems. 1

Verfassungsgeschichte Bd. I, S. 48. Karl Friedrich von Baden (1728- 1811), Regierungszeit 1738- 1811 (1738 Markgraf, 1803 Kurfürst, 1806- 11 Großherzog). 3 Nikolaus Brauer (1754 - 1813), in Göttingen bei Pütter ausgebildeter Jurist; seit 1774 i m bad. Staatsdienst; 1788 Geh. Hofrat, 1790 Hofratsdirektor, 1792 2

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4. Kap. : Anfänge der kirchlichen Neuordnung i n Südwestdeutschland N r . 37. Erstes Organisations-Edikt v o m 4. Februar 1803 (Kurfürstlich Badische Landes-Organisation i n 13 Edicten, 1803) — Auszug —

Außerdem finden W i r ferner nöthig IV. F ü r das Kirchenwesen Unsrer Lande dasjenige, was davon Unsrer Fürsorge u n d Disposition anvertraut ist, nicht nach den drey Landesverwaltungsbezirken Unsrer Lande zu theilen 4 , sondern f ü r alle nach den drey darinn verbürgerten christlichen Confessionen durch Dikasterien . . . unter der Leitung des Geheimraths-Collegii... besorgen zu lassen. Es soll demnach bestehen: E i n Evangelisch Lutherischer Kirchenrath zu Carlsruhe, unter welchem die Lutherische Kirchen-, Schul- und Ehe-Sachen i n sämtlich dreyen Landesbezirken stehen . . . Dieser hat nach der von Uns noch nicht lange erneuerten Kirchenrathsordnung 5 i n allen Stücken, w o r i n n W i r nichts anders deßfalls zu verordnen Anlaß finden, das Kirchen-Regiment zu verwalten . . . E i n Evangelischreformirtes Kirchenraths-Collegium f ü r alle Reformirte Kirchspiele Unsrer Lande, welches i n Heidelberg seinen Sitz haben, sofort i n gleicher Weise wie das vorige Unsere geistliche Hoheit und Jurisdiction i n Kirchen-, Schul- und Ehesachen verwalten s o l l . . . Eine Katholische Kirchencommission, welcher die Verwaltung aller Staatsrechte i n Kirchen- u n d Schul-Sachen, soweit sie nach der Katholischen LandKirchenverfassung dem Landesherrlichen A m t e anhängen, i n Unseren beeden Landesbezirken am Rhein anvertraut seyn soll und derer W i r ihren Sitz i n Bruchsal anweisen . . . N r . 38. Drittes Organisations-Edikt v o m 11. Februar 1803 (Kurfürstlich Badische Landes-Organisation i n 13 Edicten, 1803) — Auszug — Nachdem Uns i n der neuen Territorial-Eintheilung Deutschlands zu Unseren alten evangelischen u n d katholischen Landen noch mehrere zugefallen sind, w o r i n n die eine oder die andere dieser christlichen Confessionen bisher ihre Religionsübung unvermischt genos, auch W i r mittelst Unserer Pfalzgrafschaft am Rhein weiter solche Gebiete erhalten haben, worinn, nebst der katholischen, beede protestantische Confessionen des Staatsbürgerrechts theilW i r k l . Geh. Rat; 1808 Mitgl. d. Staatsrats, 1811 Vortr. Geh. Kabinettsrat; Reorganisator des badischen Staatswesens; kirchenpolitisch u m den Ausgleich von Orthodoxie und A u f k l ä r u n g bemüht. 4 Die drei Landesverwaltungsbezirke waren: 1. die alte Badische Markgrafschaft, 2. die badische Pfalzgrafschaft an Rhein u n d 3. das badische obere Fürstentum (auch Fürstentum am Bodensee genannt). 5 Markgräflich Badische Kirchenraths-Instruktion vom 6. J u l i 1797 (Neue Aufl. Karlsruhe 1804). V o n Nikolaus Brauer verfaßt, w a r auch sie ein Musterstück des Staatskirchenrechts der Aufklärung.

I I I . Die badischen Organisationsedikte von 1803

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haftig sind; so läßt Uns die Kenntniß v o n dem Gang der menschlichen W ü n sche, Erwartungen und Besorgnisse voraussehen, daß i n manchem ängstlichen Gemüth des einen wie des andern Religions-Theils beunruhigende Zweifel entstehen... W i r wollen demnach daß i n Bezug auf ReligionsUbung und ReligionsDuldung es i n sammtlich Unseren Landen nachfolgendermaßen gehalten werde: I. Wegen bürgerlichen Annahmen oder Schutzertheilungen hat der ReichsdeputationsSchluß vom 22. October 1802 verordnet: „Dem Landesherrn stehet frei, andere Religionsverwandte zu dulden und ihnen den vollen Genuß bürgerlicher Rechte zu gestatten." . . . I I . Die Eheschließung zwischen verschiedenen Religionsverwandten ist h i n führo durchaus frei, u n d cessirt die i n einigen Gegenden Unserer alten Lande bestandene Nothwendigkeit einer vorherigen Dispensationseinholung. Dagegen machen W i r zur unabänderlichen Regel f ü r alle dergleichen gemischte Ehen, die k ü n f t i g werden geschlossen werden, ohne daß zuvor beede Eheleute über die Religionseigenschaft der K i n d e r vor ihrer weltlichen Obrigkeit Verträge haben errichten oder einschreiben lassen, daß die K i n d e r i n der Religion des Vaters ohne Unterschied des Geschlechts erzogen werden sollen; da ein Unterschied der Erziehung nach dem Geschlecht f ü r die Familieneinigkeit, für den guten Erziehungseindruk und f ü r das einstige bürgerliche Fortkommen der Kinder, die von der Ortsreligion abweichen, von nachtheiligen Folgen zu seyn pflegt. Damit schneiden W i r aber, wie gesagt, den Verlobten, welchen diese Erziehungsart nicht gefällt, die Befugniß nicht ab, eine nach dem Geschlecht getheilte Erziehung durch gerichtliche Verträge v o r der Ehe festzusetzen, w a n n sie auf Vorstellung jener Inconvenienzien dennoch darauf beharren 6 ; hingegen aussergerichtliche Verträge hierüber sollen u n k r ä f t i g seyn; auch eine Änderung der Erziehungsart, w i e sie bei einer Ehe durch das Gesetz oder durch einen Vertrag einmal bestimmt ist, soll während der Ehe weiter nicht statt finden, da dieses den Ehefrieden u n d die Ruhe des einoder anderen Ehegatten allzuvielen Nebeneinflüssen aussetzt. Es mag daher so wenig ein späterer Vertrag als der Tod eines oder des andern Ehegatten, der vor der Zeit, wo die K i n d e r die Unterscheidungsjähre erreicht haben, erfolgte, i n der Religionseigenschaft ihrer Erziehung etwas ändern. Selbst die Religionsänderung des einen Ehegatten, wodurch er der Religion des andern beitritt, kann nur die Erziehung derjenigen K i n d e r ändern, die noch nicht das schulmäsige A l t e r hatten, bey denen also noch die Erziehung zu einer bestimmten Religion nicht angefangen, die Übergabe an eine bestimmte Religionsgemeinde nicht geschehen ist. I I I . Die Eheeinsegnung gemischter Ehen kann, nach dem freien Belieben der Eheleute, von dem Pfarrer des Bräutigams oder von jenem der Braut geschehen, w a n n nur vorher von dem Pfarrer des andern Theils das Zeugniß der dreimal geschehenen oder von behöriger Obrigkeit ganz oder zum Theil erlassenen Proclamation i n jenen Fällen, wo diese nach den Gesetzen erforderlich ist, sodann dessen Zeugniß nicht vorhandener oder gehobener kirchlichen H i n 6 Uber die Änderung dieser unbeschränkten Vertragsfreiheit der Ehepartner siehe § 6 des Konstitutionsedikts vom 14. M a i 1807 (unten Nr. 39).

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4. Kap. : Anfänge der kirchlichen Neuordnung i n Südwestdeutschland

dernisse, nebst dem weltlichen Trauschein, dargelegt ist: u n d hängt alsdann von dieser Trauung allein die bürgerliche Gültigkeit der Ehe m i t allen ihren Folgen ab. Wann inzwischen bei Ehen zwischen Katholiken u n d Protestanten derjenige Ehetheil, welcher hierdurch bei einem Geistlichen anderer Religion v o r gestanden ist, zu seiner Gewissensberuhigung auch von seinem Geistlichen eingesegnet zu werden verlangt, so soll sich dem der andere Ehegatte nicht entziehen, aber auch dieser Geistliche solche ebenmäsige Einsegnung unverweigerlich u n d unentgeldlich verrichten.

I V . Das badische K o n s t i t u t i o n s - E d i k t v o n 1807 Durch § 5 des Reichsdeputationshauptschlusses 1 war dem Markgrafen von Baden insbesondere das Bistum Konstanz zugefallen. Den Konstanzer Bischofssitz hatte der Kurerzkanzler v. Dalberg inne; verwaltet wurde das Bistum von dem Generalvikar Heinrich Frh. v. Wessenberg 2. Die Auseinandersetzungen über den Umfang der Säkularisation von Konstanz fanden ihren Abschluß in dem Vergleich vom 25. Juni 1804 3. Wie Bayern und Württemberg erstrebte auch Baden die Einrichtung einer katholischen Landeskirche mit landeseigener Hierarchie. Diese sollte entweder von einem eigenen Erzbischof oder von einem exemten Bischof geleitet werden. Das war der entscheidende Punkt eines ausführlichen Konkordatsentwurfs, den der Geheime Rat Brauer im Februar 1807 vorlegte 4. Als sich jedoch zeigte, daß keine Aussicht auf einen baldigen Abschluß der Verhandlungen bestand, erließ Großherzog Karl Friedrich das KonstitutionsEdikt über die kirchliche Staatsverfassung vom 14. Mai 1807 (Nr. 39), das — ältere Verordnungen teils zusammenfassend, teils korrigierend — die rechtliche Stellung der Kirchen in Baden festlegte. Das badische Konstitutionsedikt war die zugleich eingehendste und modernste Zusammenfassung der staatskirchenrechtlichen Grundsätze der frühkonstitutionellen Zeit. In Vollzug des Konstitutionsedikts verfügte das Ausführungsedikt vom 15. Juni 1807 (Nr. 40) die Aufhebung der geistlichen Gerichtsbarkeit sowie der 1803 geschaffenen Behörden (oben Nr. 37), der evangelischen Kirchen-Collegien und der katholischen Kirchen- Commission. Der als neue Staatsbehörde zur Wahrnehmung der staatlichen Kirchenhoheit sowie des landesherrlichen Kirchenregiments eingesetzte Evangelische Oberkirchenrat faßte die beiden evangelischen Konfessionen des Landes unter einer gemeinsamen Leitung zusammen; diese Neuregelung bildete die Grundlage der badischen Union*. Für die katholische Kirche bereitete das Edikt die Errichtung eines badischen Landesbistums vor Q. 1

Dokumente, Bd. 1, S. 4. Verfassungsgeschichte, Bd. I, S. 405 f.; siehe auch unten S. 109 Anm. 1. Dazu E. Fleig, Fürstbischof K a r l Theodor von Dalberg u n d die Säkularisation des Fürstbistums Konstanz (Freiburger Diözesanarchiv 56, 1928, S. 250 ff.). Wortlaut des Vergleichs: ebenda S. 279 ff. 4 Th. Ludwig, Aktenstücke zur Zeit der badischen Concordatsbestrebungen in der Zeit Napoleons I. (Dt. Zeitschr. f. Kirchenrecht, 3. Folge, Bd. 12, 1902, S. 167 ff., 178 ff.). 5 Siehe unten Nr. 291 - 293. 6 Siehe unten Nr. 102 - 113. 2

3

IV. Das badische Konstitutions-Edikt von 1807

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N r . 39. Konstitutions-Edikt, die kirchliche Staatsverfassung des Großherzogtums Baden betreffend v o m 14. M a i 1807 (Karlsruhe 1807) Kirchliche

Staatsbürgerschaft

1. Jeder Mensch, wes Glaubens er sey, k a n n Staatsbürgerrecht genießen, so lang er keine Grundsätze bekennt oder übt, die der Unterwürfigkeit unter den Regenten, der Verträglichkeit m i t andern Staatsbürgern, der öffentlichen Erziehung, oder den guten Sitten Abbruch thun. Niemand kann zu Abwendung irgend einer Staatsanforderung eine Unverträglichkeit derselben m i t seinen Religionsgrundsätzen anführen, der nicht m i t bestimmter Beziehung auf solche Religionsgrundsätze seine Staatsduldung erlangt hat, welcher letztere F a l l alsdann vorhanden ist, w e n n jemand durch öffentliches Bekenntniß zu einer schon i m Lande vorhandenen besondern Kirche sich hält, oder die Summe seiner von den Landeskirchen abweichenden Glaubenssätze urkundlich zu den Staatsakten vor der Annahme zum Bürger, oder späterhin, als er diese Überzeugung ergriff, übergeben u n d der Staat daraufhin seine A n n a h me verfügt, oder sein ferneres Bleiben v e r w i l l i g t hat. Umgekehrt k a n n auch niemand eine Abweichung seiner Religionsüberzeugung anführen, u m den Auflagen der Kirchengewalt, denen er unterliegt, zu entgehen, oder Staatsschutz dagegen aufzurufen, so lang er sich nicht von der Gemeinschaft dieser Kirche öffentlich lossagt. Kirchliche

Ortsbürgerschaft

2. K e i n Staatsbürger kann auf das Bürgerrecht eines besondern Orts A n spruch machen, w a n n er nicht zu derjenigen Kirche, oder zu einer derjenigen gehört, die dort zur Theilnahme am Ortsbürgerrecht durch die Grundgesetze oder durch besondere Rechtstitel erklärt sind. Erlanget er es an einem Ort, wo es dieser Regel nach nicht statt finden möchte, durch besondere Gnade des Regenten, so bleibt es ohne Folge f ü r seine Nachkommenschaft, w e n n diese nicht i n der Ortsreligion erzogen w i r d . Auch kann kein Bürger an einem Ort, wo seine Kirche nicht das Recht einer Religionsübung m i t pfarrlichen Rechten, sey es als Haupt- oder als Filial-Kirchspiel, genießt, zu Ortsvorsteheroder Richterstellen gelangen, ohne einhellige Ernennung derer, welchen die Wahl zusteht. Einhellig aber ist jene, wozu wenigsten Neun Zehentheile der Stimmberechtigten einstimmen. Das weibliche Geschlecht hingegen, wo es i n den F a l l kommt, zum Behuf einer Heurath ein Ortsbürgerrecht zu suchen, kann nirgends um der Religion w i l l e n davon ausgeschlossen werden. Kirchliche

Konkurrenz

im Ortsbürgerrecht

3. Jede Stadt, welche nach Unserer neuen Konstitution m i t der Kanzleisäßigkeit begnadigt bleibt, ingleichem jede, wo der Sitz eines Provinzkollegii oder der obersten Staatsverwaltung aufgestellt ist, gilt allen drei christlichen K o n fessionen für offen. Diesem zufolge kann jene Parthie, welche dort keine Religionsübung hat, daselbst dennoch Bürgerrechte für ihre Genossen verlangen, auch einen vollständigen Privatgottesdienst begehren, sobald sie die 6 H u b e r , S t a a t u n d K i r c h e , 1. B d .

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4. Kap. : Anfänge der kirchlichen Neuordnung i n Südwestdeutschland

M i t t e l zur Unterhaltung desselben aufzubringen weiß, oder der Regent sie aus besonders bewegenden Gründen anzuweisen gut findet: ob aber der Privatgottesdienst bis zu einem öffentlichen erweitert werden solle, hängt von dem Belieben des jeweiligen Regenten ab. Eine einmal ertheilte Erweiterung dauert, wenn sie nicht auf Zeit oder auf Widerruf gegeben worden ist, so lange fort, als sie nicht durch Mißbrauch v e r w ü r k t wird. Jede Stadt hingegen, welche nicht unter Eine der vorgenannten Klassen vereigenschaftet ist, so wie jede L a n d gemeinde, soll i n Bezug auf öffentliche u n d Privat-Religionsübung stets denjenigen K a r a k t e r behalten, den sie bei Errichtung des Rheinischen Bundesvertrags gehabt hat 7 , m i t h i n gemischt seyn, wo damals Genossen mehrerer Kirchen von Staatswegen ihre eigene Religionsübung hatten, oder unvermischt, wo dieser Fall nicht eintrat. Wo ein Ort gemischten Karakters ist, da k a n n auch derjenige Theil, welcher zur vorgedachten Zeit keine Religionsübung i m Ort selbst, oder keine pfarrliche Rechte dabei hatte, die Eine oder die Andere erlangen, wenn es dem Regenten gefällt, solche zu ertheilen. Kirchliche

Ortsduldung

4. Der unvermischte Karakter eines Orts hindert nicht, daß Personen anderer Religion, die v o m A d e l - oder Dienerstande sind, ja selbst Personen des Bürgerstandes, wenn sie sonst irgendwo ein vorbehaltenes Heimatsrecht haben, u n d nur, ohne bürgerlich aufgenommen zu seyn, allda ihre Wohnung aufschlagen wollen, bis auf gutfindende Änderung h i n daselbst ihren Aufenthalt nehmen, n u r daß dergleichen Personen, ihrer seyen wenig oder viel, nie verlangen noch erwarten können, daß der Staat u m i h r e n t w i l l e n Kirchen- u n d Schul-Einrichtungen ihrer Religion dort mache. Kirchliche

Selbständigkeit

5. Jeder Staatsbürger jeden Standes und Geschlechts kann nach eigner freien Uberzeugung von einer Kirche zur Andern, von einem Glaubensbekenntniß zum A n d e r n übergehen, sobald seine kirchliche Erziehungsjähre vorüber sind, und er m i t h i n für ein selbständiges Glied der Kirche anerkannt werden kann, wozu n u r das zurückgelegte 18. Jahr f ü r zureichend anzusehen ist 8 . Niemand darf ein solches freigefaßtes Vorhaben durch Zwang, Furcht oder Z u d r i n g lichkeit hintertreiben; niemand aber auch auf einem oder dem andern Weg jemanden zu demselben hindrängen; durch jede Religionsänderung gehen alle kirchl. Gesellschaftsrechte einer verlassenen Kirche verloren, sie seyen hohe oder gemeine, direktive oder exekutive, Ehren- oder Genußrechte: hingegen kann nichts an allgemeinen staatsbürgerlichen Rechten, Ehren u n d Würden, nichts auch von w i r k l i c h angetretenen weltlichen A m t s - oder Ortsbürgerlichen Rechten verloren gehen, es wäre dann, was Amtsrechte betrifft, daß durch besondere und noch fernerhin verbindlich bleibende Gesetze oder Verträge dazu eine besondere Religions-Eigenschaft erfordert würde, i n welchem Fall m i t dieser Eigenschaft auch der Dienst aufgegeben werden muß. Aussichten zu noch nicht erlangten Diensten oder Bürgerrechten an ungemischten Orten w e r den aber dadurch allerdings beseitigt. 7

Nämlich der Rheinbundsakte v o m 12. J u l i 1806 (Dokumente Bd. 1 Nr. 2). Das sog. Unterscheidungsjahr wurde durch die Verordnung vom 12. März 1812 (RegBl. Nr. 12) auf das vollendete 16. Lebensjahr herabgesetzt. 8

I V . Das badische Konstitution>s-Edikt von 1807 Religions -Eigenschaft

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der Erziehung

6. Bis zum E i n t r i t t i n das obgedachte Unterscheidungsalter müssen alle junge Staatsbürger u n d Staatsbürgerinnen i n der Religion u n d Kirche ihrer Eltern, und wo diese verschiedenen Glaubens sind, i n jener des Vaters erzogen werden, wenn nicht obrigkeitlich protokollirte oder insinuirte u n d vor Vollziehung der Ehe geschlossene Verträge eine andere Erziehungsrichtschnur aufstellen. Eine nach dem Geschlecht getheilte Erziehung kann von allen Verlobten, dahingegen eine die K i n d e r beiderlei Geschlechts der Religion der M u t t e r zuführende n u r von jenen gültig bedungen werden, welche auf eine bürgerliche oder hintersäßliche oder sonst ständige Niederlassung an einem solchen Ort heurathen, wo n u r die Kirche der Braut eine berechtigte Religionsübung hat, zu deren Mitgenuß alle K i n d e r durch diesen Vertrag erzogen w e r den sollen. Niemals kann f ü r eine Niederlassung an gemischten Orten ein E r ziehungsvertrag der letzeren A r t zugelassen werden 9 . Niemals kann eine durch das Gesetz oder durch gültige Verträge bestimmte Religionserziehung während der Ehe geändert werden. Der Tod eines Ehegatten kann an jener ordnungsmäßigen Bestimmung der K i n d e r f ü r eine oder die andere Kirche nichts ändern, auch kann keine Wandelbarkeit der Religionserziehung nach Veränderung der gemeinen oder ehelichen Lebensverhältnisse der Eltern bedungen werden; sondern ein solcher Beding gilt f ü r nicht geschrieben. Die Religionsänderung der Eltern, sie geschehe von einem derselben oder von beiden, kann an der Kirchenbestimmung jener Kinder, die einmal das Schulalter erreicht haben, und i n Schulen ihrer Kirche geschickt, m i t h i n dadurch i h r gewidmet sind, oder den Jahren nach hätten gewidmet seyn sollen, nichts ändern, sobald es gegen die Neigung der K i n d e r m i t Dazwischenkunft äußerer Gewalt durchgesetzt werden müßte: jüngere K i n d e r aber können auf der Eltern binnen Jahr und Tag nach der Religionsänderung vor ihrer Obrigkeit erklärtes Verlangen eben so wie Kinder, die i n ihrer Eltern Wünsche g u t w i l l i g sich fügen, zu deren neu angenommenen Kirche so weit erzogen werden, als es auch würde haben geschehen können, wenn diese an dem Ort, wo die Ehegatten jetzt sind, gleich Anfangs schon als Bekenner der neu ergriffenen Religion ihre Ehe geschlossen hätten. Ehegatten, die aus dem Auslande einwandern, können i m ersten Jahr ihres hierlands angenommenen Staatsbürgerrechts noch all jenes über Erziehung ihrer Kinder bedingen, was sie hätten bedingen dürfen, wenn sie sich erst i n solchem L a n d geheurathet hätten; i n dem Unterbleibungsfall werden ihre kirchliche Eherechte lediglich nach dieser Konstitution beurtheilt. Angewünschte K i n d e r 1 0 sind i n der Religion ihrer natürlichen Eltern zu erziehen, wenn nicht i n der Anwünschungs-Urkunde ein anderes bedungen ist, welches so weit geschehen mag, als damit nicht gegen die Regel angestoßen wird, daß an ungemischten Orten Knaben i n keiner andern als der Ortsreligion erzogen

9 Damit w a r i n Abweichung vom I I I . Organisationsedikt (oben Nr. 38) an Orten m i t gemischter Konfession f ü r die Erziehung der männlichen Nachkommenschaft die Konfession des Vaters unbedingt festgesetzt. Durch das E d i k t vom 8. J u n i 1826 (RegBl. 91) wurde diese Klausel aufgehoben; auch an gemischten Orten w a r seitdem die konfessionelle Erziehung der Knaben der Vertragsschließungsmacht der Eltern überlassen. Dazu unten S. 493 ff. 10 Geregelt ist hier der Fall der Adoption.

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4. Kap. : Anfänge der kirchlichen Neuordnung in Südwestdeutschland

werden dürfen. Findlinge von unbekannten Eltern sind i n der Religion der Kirche zu erziehen, i n welcher sie getauft worden, w a n n desfalls ein Zettel beiliegt; andernfalls i n der Religion dessen, der sie aus christlicher Liebe zur Erziehung auf seine Kosten mittelst ausdrücklicher gerichtlicher Verpflichtung dazu übernimmt, oder i n Ermanglung eines solchen i n der Religion des Orts, wo sie gefunden werden, u n d w e n n dieser i m Sinne dieser Konstitution gemischt wäre, i n der Religion des ersten Finders. Aufgenommene

oder geduldete Kirche

7. Nicht jede Kirche, das heißt Sammlung v o n Menschen unter eine eigene f ü r die Religionsübung bestimmte gesellschaftliche Verbindung, genießt kirchliches Staatsbürgerrecht, das heißt die Befugniß zu verlangen, daß sie als Religionsgesellschaft i m Lande anerkannt werde, und f ü r ihre Kirchen-Einrichtungen Staatsschutz genieße; sondern die Evangelische (lutherischen und reformirten Theils) u n d die Katholische sind allein aufgenommen, u n d die jüdische ist konstitutionsmäßig geduldet. Jeder andern Kirche k a n n zwar durch das Ermessen des Regenten, wenn eine hinlängliche Anzahl ihrer Bekenner vorhanden ist, oder einwandern w i l l , eine solche Duldung v e r w i l l i g t werden, wobei der Religionskarakter der schon vorhandenen Orte nicht gegen den W i l l e n der Mehrheit der alten Ortsbewohner verändert w i r d ; aber eine solche besondere Duldungsverwilligung versteht sich, auch wenn es nicht ausgedruckt wäre, m i t Vorbehalt zeitiger Aufkündung, auf den Fall, daß i n der Folge deren Einnahme dem Regenten nicht mehr gefiele; und sie giebt nur diejenige kirchliche Vorrechte u n d Freiheiten, die namentlich i n der Bewilligungsurkunde ausgedruckt sind. F ü r zeitig gilt jene Aufkündung, die zur Auswanderung ein Jahr und zum Verkauf der Besitzungen i m Lande drei Jahre Frist giebt. Weder Staatsaufnahme noch Duldung giebt irgend einer Kirche ein Recht auf ein neues Etablissement an einzelnen bei der Aufnahme nicht genannten Orten des Landes, wo v o r h i n solche Kirche keines hatte. Herrschende Kirche 8. Die christliche Kirche bleibt i n Beziehung auf jede andere i n dem Sinne i n dem Großherzogtum herrschend, daß sie zu erwarten hat, es werde alle Regierungsgewalt und deren Ausübung in direktiver und administrativer Ordnung n u r i n die Hände von Dienern niedergelegt werden, die aus ihrer M i t t e sind, w o m i t aber andere Religionsverwandten von exekutiven Dienststellen des Staats nicht ausgeschlossen sind. Keine Religion aber, welchen Namen sie führe, k a n n i n dem Sinne herrschend seyn, daß ihre Kirche verlange, irgend ein Stück der Staatseinrichtung auf ihren einseitigen Vortheil abgewogen zu sehen, oder ihren Gliedern Vorzüge f ü r die Theilnahme an irgend einem Ausfluß der allgemeinen staatsbürgerrechtlichen Vortheile zu geben; keine der drei vorgedachten christlichen Konfessionen ist i n Beziehung auf die Andere herrschend, keine also kann denen i h r zugewandten Gliedern einen Vorzug vor Gliedern anderer Konfessionen i n der Zulassung zu Staatsdiensten und Ehrenvorzügen gewähren; keine geduldete Religionsgemeinheiten oder deren Glieder können aus Rücksicht und Vorliebe f ü r eine andere Religion ihrer konstitutions- oder koncessionsmäßigen Rechte entwähret werden.

IV. Das badische Konstitutions-Edikt von 1807 Eigenthumsrechte

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der Kirche

9. Jede Kirche, welche Staatsbürgerrecht genießt, ist Eigenthumsberechtigt. Sie kann daher auf jede gesetzmäßige A r t jedes Eigenthum k ü n f t i g erwerben. Keines, das sie erwirbt, k a n n aber dadurch, daß es i n ihre Hände übergeht, einigen Vorzug oder Befreiung i n Absicht auf Landes-Unterthänigkeit, Gerichtspflichtigkeit, auch Steuerbarkeit und Dienstbarkeit erlangen; u n d würde sie je dergleichen Vorzüge f ü r kirchliche Errungenschaft erlangt haben, oder fernerhin ausbringen, so sollen solche doch zu ewigen Tagen nichtig u n d u n kräftig seyn u n d bleiben, m i t h i n nicht einmal dem Verleiher, noch weniger irgend einem Nachfolger i m Wege stehen, solche wieder abzuthun. Nicht w e n i ger behält auch jede Kirche, ohne Unterschied der Konfession oder Religion, alles dasjenige Eigenthum an Liegenschaften, Renten, Bauansprachen u n d beweglichem Gut, das sie dermalen zum Gebrauche ihres Gottesdienstes, auch ihrer Kirchen-, Pfarr- u n d Schul-Einrichtungen w i r k l i c h und unbestritten besitzt, ohne darin zumal zu Gunsten irgend einer andern Kirche geschmälert oder beeinträchtigt werden zu können, der A n k u n f t s t i t e l ihrer Inhabung u n d dessen Rechtswerth nach den ältern Reichsgesetzen sey, welcher er wolle. Solches Vermögen kann i h r daher niemals entzogen, m i t h i n weder f ü r bloße Staatszwecke noch f ü r Bedürfnisse anderer Religionsverwandten verwendet, w o h l aber nach Ermessen der Kirchengewalt m i t Gutheißen des Regenten zu andern Kirchenzwecken, als denen es v o r h i n gewidmet war, bestimmt w e r den. Das Vermögen der Ordensgesellschaften gehört nicht zu dem gesellschaftlichen Kirchen-, sondern zu dem gemeinen Staatsvermögen, und fällt demnach, so oft jene aufgehoben werden oder erlöschen, dem Staat jedoch m i t Lasten u n d Vortheilen anheim, m i t h i n auch m i t der Pflicht, die fortdauernde kirchliche oder Staatszwecke, als Seelsorge, Jugendunterricht, Krankenverpflegung u. dergl. anderweit hinlänglich zu begründen. Kirchenvermögen, das jetzo schon zwischen verschiedenen Parthien i m Streit liegt, hat von Uns seine staatspolizeiliche Entscheidung zu erwarten, und erst derjenige Stand, der durch diese Erörterung hergestellt w i r d , genießt obiger Rechtsgewähr. Erlaubter

und unerlaubter

Simultan-Gebrauch

10. Auch ein getheiltes oder gemeinschaftliches Recht des Gebrauchs oder Genusses der Kirchen, der Pfarr- u n d Schulgebäude, oder des kirchlichen V e r mögens, das den Kirchspielen einer oder der andern Konfession angehört, soll unter keinerlei V o r w a n d eingeführt, noch m i t irgendeiner Angabe der U n schädlichkeit gerechtfertigt werden. N u r da, wo ein solches Simultaneum jetzo schon bestehet oder angeordnet ist, bleibet es ferner, so lang nicht die T h e i l haber unter sich eine Abtheilung einverständlich beschließen, oder die Staatsgewalt durch eine Auskunft, die jedem Theil gleichheitlich u n d b i l l i g seine separate Kirchenkonvenienz zuweiset, sich i n den Stand gesetzt hat, ihre T h e i lungsanordnungen gegen etwaige eigenwillige Hindernisse durchzusetzen, i n dem jede noch bestehende Gemeinschaft nicht zwar durch gerichtliche Klagen, w o h l aber durch Aufforderung der Einschreitung der obersten Staatspolizei aufgehoben, auch von einem T h e i l allein auf Theilung gedrungen werden kann, sobald billige Theilungsvorschläge gemacht werden können. F ü r einen verbotenen Mitgebrauch soll jedoch derjenige nicht geachtet werden dürfen, der n u r

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4. Kap.: Anfänge der kirchlichen Neuordnung i n S ü d e s t d e u t s c h l a n d

f ü r einen Nothfall auf kurze Zeit, z. E. wegen Brandschäden, Kirchenausbesserung, oder f ü r wandelnde Gemeinden, m i t h i n f ü r vorübergehende Anlässe, z. E. f ü r eingelegte Kriegsvölker, verlangt w i r d . Hierüber bleibt der Staatsgewalt jede Anordnung, welche den Genuß der eigenthumsberechtigten Kirche nicht schmälert oder hindert, unbenommen. Berechtigungen

der Kirchengewalt

11. Jede i m Staat aufgenommene Kirche k a n n verlangen, daß innerhalb des Großherzogthums eine i h r zugethane Kirchengewalt, eingerichtet auf die Grundsätze ihrer Religion, bestehe u n d anerkannt werde. Die Katholische insbesondere, deren allgemeine Kirchenverfassung einen M i t t e l p u n k t der Glaubenseinigkeit fordert, erwartet m i t vollem Recht, daß diese Centralstelle als solche geachtet, u n d i h r a l l jener Einfluß unter ihren Glaubensgenossen gestattet werde, welcher zur Erhaltung der Einheit der Vorschriften für Glauben u n d Leben der Kirchenglieder unentbehrlich ist. Keine Kirche kann verlangen, daß ihrer Kirchengewalt eine einseitige Handlungsweise i n Dingen gestattet werde, welche auf den Aufenthalt i m Staat u n d auf die Verpflichtungen gegen diesen ihren Wirkungen äußeren, wo nicht durch diese Konstitution oder nachfolgende Staatsgesetze eine solche Handlungsweise i h r bestimmt zugebilligt ist, oder dazu i m einzelnen F a l l zuvor das Staatsgutheißen namentlich e r w i r k t worden wäre. Noch weniger k a n n irgend Eine ihre Handlungen der Staatseinsicht und Aufsicht entziehen. F ü r die Leitung ihrer Glieder zu einem blos inneren oder sittlichen Zweck, ingleichem zu einem zunächst n u r äußerlichen und kirchlichen — der aber wegen der Beziehung auf das Innere m i t jenem eng verbunden — daher i h r vom Staat zugelassen wäre, kann jede Kirche U n t e r richt, Warnung, Zuspruch, Ausschließung von einzelnen kirchl. Vortheilen, und Ausschließung von der Kirchengemeinschaft anwenden, ohne dazu einer besonderen Staatsbewilligung zu bedürfen. Keinem ihrer kirchlichen Zwangsm i t t e l kann aber irgend ein Einfluß auf das gesellschaftliche Leben u n d die bürgerlichen Verhältnisse i m Staat gegönnt werden, so lang deren Anwendung für den einzelnen F a l l m i t besonderer Staatsgenehmigung nicht versehen ist, welche, wenn sie erfolgt, zugleich ausdrücken kann u n d soll, welche Staatsfolgen auf den Ungehorsamsfall etwa damit verbunden werden sollen. E i n zelne Kirchenbeamte, soweit sie zugleich Staatsbeamte f ü r die Sittenpolizei sind, können auch geringere weltliche Zwangsmittel zu ihrer Disposition haben, hängen aber alsdann i n deren Anwendung ganz von der Leitung der Oberpolizeigewalt des Staats ab. Gegenstände der Kirchengewalt 12. Rechtmäßige Gegenstände der Kirchengewalt, über welche sich ihre Wirksamkeit nach der Grundverfassung jeder Kirche verbreiten mag, sind: Erziehung der Jugend f ü r die Religion; Gewissensleitung aller Mitglieder; A n haltung ihrer Glieder zur E r f ü l l u n g jener kirchlichen Gesellschaftspflichten, welche durch die symbolischen Schriften der Kirche oder durch einzelne m i t Staatsgutheißen versehene Kirchengesetze bestimmt sind; Prüfung, Zulassung oder Verwerfung derjenigen, die sich als befähigt zu Kirchendiensten darstellen, u n d Aufnahme unter die Mitwerber zu kirchl. oder Schuldiensten v e r langen; Ermächtigung zur Amtsführung f ü r jene vorhin befähigt erkannte

I V . Das badische Konstitutions-Edikt von 1807

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Kandidaten, welche zur Aushülfe i m Kirchendienst von angestellten Dienern gebraucht werden wollen, oder zur eignen Führung eines Kirchen- oder Schulamts von der Behörde ernannt sind; ingleichem Zurücknahme dieser Ermächtigung bei erprobter Unfähigkeit oder U n w ü r d i g k e i t ; Anordnung über die religiösen Bedürfnisse u n d daraus entstehende häusliche u n d gesellschaftliche Verpflichtungen ihrer Glieder, ingleichem über den zweckmäßigen Gebrauch der dazu gewidmeten gottesdienstlichen Geräthe u n d Gebäude; L e i tung der Kirchen- u n d Schuldiener zu Erreichung des kirchl. Zwecks ihrer A n stellung; Miteinsicht i n die V e r w a l t u n g des gesellschaftlichen Kirchenvermögens u n d B e i w i r k u n g zur Sorge f ü r dessen Erhaltung; Polizei über ihre Diener und Glieder i n Bezug auf deren häusliches u n d öffentliches sittliches V e r halten; u n d V e r m i t t l u n g aller äußeren Rechtsstreitigkeiten, welche über staatsbürgerliche persönliche Verhältnisse ihrer Diener oder über Kirchenverhältnisse ihrer Glieder sich erheben, so lang nicht die Fruchtlosigkeit des Ausgleichungsversuchs durch runde E r k l ä r u n g der Betheiligten oder durch fruchtlosen A b l a u f einer dreimonatlichen Frist v o n der ersten Anzeige der S t r i t t i g keit an zu nehmen, k l a r vorliegt. Kirchliche

Dienstbestellung

13. Die Kirchengewalt benennet für sich die nach Gutfinden wandelbaren Gehülfen der angestellten Kirchen- u n d Schuldiener: hingegen die Ernennung jener ständigen Kirchen- oder Schulbeamten, welche eine eigens dazu gewidmete Pfründe oder sonst ein v o m Staat gesichertes Dienstgehalt haben, k o m m t i h r nicht zu; sondern diese gebühret dem jeweiligen Staatsregenten in der verfassungsmäßigen Form, soweit nicht durch besonders bestättigte V o r kommnisse der Pfarr- oder Schulsatz einem D r i t t e n rechtmäßig erworben wird, oder ferner zugesichert ist. Diese Ernennung k a n n n u r auf fähigerkannte Subjekte gestellt, bei deren Unfähigkeit oder U n w ü r d i g k e i t von der Kirchengewalt verworfen u n d n u r nach dreimal aufeinander gefolgter Benennung eines untauglichen oder nach der ohne entschuldigende Ursache versäumten Ernennungszeit, die anmit auf drei Monate bestimmt ist, welche von der A n zeige der Diensteröffnung an laufen, als überwälzt f ü r jenen einzelnen Fall, von der Kirchengewalt geübt werden. Strittigkeiten, welche über das Recht oder die Gültigkeit einer Ernennung entstehen, gehören vor das oberherrliche Provinzgericht; die vorsorgliche Anordnung der Dienstversehung aber vor die Kirchenbehörde. Kirchliche

Gerichtsbarkeit

14. Jede richterliche Gewalt, die i n Sachen des Gewissens oder der E r f ü l lung der Religions- und Kirchenpflichten einer Kirche nach ihren symbolischen Büchern u n d der darauf gegründeten Verfassung nöthig ist, bleibt i h r ungeschmälert, so lang sie solche nicht zum Nachtheil des Staatszweckes m i ß braucht. Hingegen keine Strafgerichtsbarkeit über weltliche Vergehen der Kirchendiener und geistlichen Personen, oder gar der weltlichen Kirchenglieder; auch keine Streitgerichtsbarkeit über weltliche Angelegenheiten der K i r chenangehörigen und keine Rechtspolizei k a n n v o n der Kirchengewalt irgend einer Kirche oder deren Inhabern u n d Verwaltern fernerhin ausgeübt w e r den. Solche gehören allein derjenigen Staatsbehörde, der die bestehenden

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4. Kap.: Anfänge der kirchlichen Neuordnung i n Südwestdeutschland

oder k ü n f t i g ergehenden Staatsgesetze diese Gattung von Gegenständen zur Erkenntniß zuweisen. Jedoch k a n n diese Behörde — unverschiebliche Nothfälle ausgenommen — keinen Kirchen- oder Schuldiener zur persönlichen Erscheinung vorladen, weniger noch irgend eine Verhaftung seiner Person, oder eine Verkümmerung der innerhalb seiner Wohnung befindlichen Familienglieder oder Vermögensstücke vornehmen, ohne eine Benachrichtigung u n d M i t e i n ladung zur B e i w i r k u n g an die unmittelbare geistliche Aufsichtsbehörde, z. E. den Landdechanten, Spezialsuperintendenten u n d dergl. erlassen zu haben, damit diese dafür wache, daß nichts dem Ansehen des Amts, oder dem I n teresse der Kirche nachtheiliges dabei unterlaufe, welches namentlich auch bei Vermögens-Beschreibungen u n d Verlassenschafts-Besieglungen statt findet. Bestimmung

der Natur der Weltlichkeit

15. F ü r eine weltliche Sache ist alles das anzusehen, wo der Gegenstand, der bei der Obrigkeit i n Frage kommt, i n irdischen Lebensverhältnissen, in liegenschaftlichen oder fahrenden Vermögensstücken, i n Verlassenschaften, i n Theilnahme an staatsbürgerlichen Rechten oder Vorzügen, i n U n t e r w ü r f i g keitsverhältnissen gegen den Staat oder i n Exemtionen davon; endlich i n angeschuldigtem Mißbrauch der Kirchengewalt für weltliche Zwecke, für leidenschaftliche Anlässe, oder f ü r Untergrabung der Staatsanordnungen besteht. Was je die Kirchengewalt einer oder der andern Kirche i n dergleichen Sachen soll verfügen können, dazu muß i h r das Recht durch einen dieser Konstitution nachfolgenden Vertrag oder Gnadenbrief neu bestätigt oder zugelegt werden, und bleibt selbst i n letzterm F a l l jedem Widerruf und jeder Änderung, deren die Privilegien nach Unsern Staatsgesetzen überhaupt f ü r empfänglich geachtet werden müssen, ebenfalls unterworfen. Gemischte Gegenstände, insbesondere

Ehesachen

16. A l l e Sachen, die wesentlich eine doppelte Beziehung haben, die nämlich i n ihrem Zweck u n d Bestimmung die geistliche und leibliche Wohlfahrt des Staatsbürgers gleich stark berühren (man vergleiche unten A r t . 22), behandelt die Kirchengewalt nur i n Bezug auf ihre kirchliche Seite, unberührt der weltlichen und ohne Folge f ü r dieselben, welches jedoch i n seiner A r t h i n w i e derum von den Vorschritten der Staatsstellen i n solchen Angelegenheiten gilt. Namentlich können daher Ehesachen, so weit die äußerliche Gültigkeit oder Ungültigkeit, die Schuldigkeit u m Zusammenwohnen oder nicht Zusammenwohnen, die Zuläßigkeit oder Nichtzuläßigkeit einer zeitlichen oder beständigen Trennung i n Frage ist, allein durch obrigkeitliche Staats-Entscheidungen erörtert, u n d keineswegs v o r geistliche Oberbehörden der einen oder der andern Religionsparthie gezogen werden. N u r ein Vermittlungsrecht bleibt zuerst den Pfarrherren allein u n d dann den geistl. Aufsichtsbehörden i n Gemeinschaft m i t den weltlichen Bezirksbeamten, dessen vorausgegangene Fruchtlosigkeit dargelegt seyn muß, ehe die Sache zur oberpolizeilichen Entscheidung f ü r reif geachtet u n d v o n der dessfallsigen Staatsbehörde an sich gezogen werden kann. Der kirchl. Oberbehörde hingegen bleibt die Entscheidung der Frage, welche Personen nach kirchlichen Grundsätzen zusammen heurathen, welche i n einer etwa kirchenordnungswidrig eingegangenen Ehe ohne Sünde fortleben können, und die damit eng verbundene Frage: w e l -

I V . Das badische Konstitutions-Edikt von 1807

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chen vom Staat auf beständig oder auf eine langjährige Frist getrennten Eheleuten nach ihren Religionsgrundsätzen zu einer andern Ehe zu schreiten erlaubt, oder doch als das geringere Übel nachgesehen werden möge. Doch kann sie hierüber neue Grundsätze nicht aufstellen, die von jenen abweichen, welche sie v o r h i n öffentlich i m Staat bekannt und geübt hatte, ohne regentenamtliches Gutheißen. Keine Kirche k a n n verlangen, daß i n Fällen, wo Eheleute zweier Religionen konkurriren, ihre einseitigen Kirchengrundsätze, wenn sie zugleich den andern Konfessionstheil treffen, durch Staatsgewalt zum Vollzug befördert werden, sondern nur, daß der jener Kirche angehörige Religionstheil nicht i n freiwilliger Befolgung seiner Kirchengrundsätze gehemmt werde. Eheverspruchssachen gehören als bloße Civilkontrakte ferner gar nicht mehr vor die geistlichen Gerichte irgend einer Kirche ; eben so wenig Schwängerungssachen, Ehesachen, Zehndsachen und andere dergleichen Gegenstände, die aus fernen u n d sehr mittelbaren Beziehungen auf den Kirchenzweck ehemals w o h l für kirchlich geachtet wurden. Verwaltung

der Evangelischen

Kirchengewalt

17. Die Kirchengewalt der Evangelischen Kirche beider Konfessionen 1 1 kann n u r i m Namen des Souverains, welcher Religion er auch f ü r seine Person zugethan sey, u n d n u r durch ein von i h m aus Gliedern der evang. Kirche bestelltes Oberkonsistorium besorgt werden. F ü r beide Konfessionen besteht n u r ein einiger solcher Kirchenrath, der aus geistlichen und weltlichen Gliedern von beiden Konfessionen i n verhältnißmäßiger Gleichheit besetzt sey, und von dessen beiden Vorstehern jederzeit der eine aus der einen, der andere aus der andern Konfession sey. Wenn von Rechtgläubigkeit oder Tauglichkeit einzelner Kirchenglieder ingleichen, von Verwendung des Kirchenvermögens zu einem außergewöhnlichen Zweck die Rede w i r d und die Meinungen der Räthe nach Konfessionen sich theilen, so können nur die Stimmen jener Glieder zur Schlußfassung gezählt werden, deren Religions- oder Kircheneigen thums-Interesse i n Frage steht; wo aber der seltene Fall einträfe, daß beider Konfessionen Interesse für den vorliegenden Fall i n einem Gegenstoß gefunden würde, da müssen die beiderseitigen Meinungen und Ansichten zur staatspolizeilichen V e r m i t t l u n g oder Entscheidung an die oberste Staatsbehörde i n Vortrag gebracht werden. Nach der erstmals von Uns vollendeten Zusammensetzung w i r d die Wiederbesetzung der erledigten Stellen aus einer vorgängigen Berathung der evangelischen Konferenz Unseres M i n i s t e r i i und zwar wenn nicht von Vorstehern, sondern von Räthen oder Beisitzern die Rede ist, nach vernommenem Gutachten des evangel. Oberkonsistorii Uns oder Unserem Regierungsnachfolger von dem betreffenden Ministerialdepartement i n Vortrag gebracht. Der Mitglieder dieses Oberkirchenraths dürfen, die beiden Vorsteher m i t eingerechnet, nie weniger seyn, als acht, w o h l aber können deren nach Befinden mehrere seyn. I m m e r muß darin von jeder Konfession ein eigens besoldeter Geistlicher als Rath angestellt seyn, der die Kirchendisciplin und Schulsachen hauptsächlich bearbeiten könne, und deshalb m i t kirchl. Verrichtungen oder andern Nebenämtern nicht beladen sey: außer diesen muß jederzeit wenigstens noch ein i m Kirchendienst praktisch beschäftigter Geist11 Geregelt ist hier das landesherrliche Kirchenregiment (jus episcopale) des Großherzogs.

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4. Kap.: Anfänge der kirchlichen Neuordnung i n Südwestdeutschland

licher v o n jeder Konfession i n solchen sich befinden. Das Oberkonsistorium w ü r k t durch die nach schicklichen Bezirken bestellten Specialsuperintendenten, welche i n gemischten Bezirken abwechselnd aus beiden Konfessionen genommen werden und stets einen Specialvicar der andern Konfession neben sich haben. Staatsberechtigungen

derselben

18. Da die evang. Kirchengewalt durch Personen verwaltet w i r d , welche i m alleinigen Dienst des Regenten stehen, u n d i n seinem Namen handeln, so hat der evang. Oberkirchenrath zugleich auch die Kirchenherrlichkeit des Regenten zu v e r w a l t e n 1 2 , welche hingegen i n der kath. Kirchenverfassung von der geistlichen Gewalt getrennt, u n d eignen desfallsigen Staatsstellen oder andern Staatsverwaltungsbehörden zugetheilt ist (Siehe A r t . 21); stehet aber desfalls i n allen Fällen u n d welcher Religion auch die Diener der obersten Staatsverwaltung beigethan seyn mögen, i n der nämlichen Gehorsamsschuldigkeit gegen den Regenten u n d i n der gleichen Unterordnung unter die oberste Staatsverwaltung, w i e andere Provinzstellen, indem allein i n dem, was die L e i t u n g der Gewissen, die innere kirchliche Einrichtungen, und den religiösen T h e i l der Erziehung betriff, der Oberkirchenrath verlangen kann, daß i h m durch keine Influenz von Personen anderer Religionen darin Maaße gegeben, und er der freien Überzeugung seiner Religionsgenossen zu folgen nicht gehindert werde. Verwaltung

des Kirchenvermögens

19. Die V e r w a l t u n g des Kirchenvermögens beider Konfessionen kann, so lang der Unterschied dieser Konfessionen noch besteht, und nicht die schon von den ersten Reformatoren bei Entstehung der Trennung gewünschte u n d gehoffte völlige Religionsvereinigung zu Stand k o m m t 1 3 , niemals auch n u r der V e r w a l t u n g nach i n einerlei Hand gegeben, weniger noch vermischt u n d i n irgend einem Stück k l e i n oder groß zum Kirchenzweck einer andern Konfession, als deren er angehört, zu dienen angehalten werden; sondern das Kirchenvermögen jedes Konfessionstheils bleibt einem eigenen n u r aus Gliedern dieser Konfession zusammengesetzten Verwaltungsrath vorbehalten, der jedoch desfalls der Aufsicht des evang. Oberkirchenraths so wie der Oberaufsicht des betreffenden Ministerialdepartements stets untergeben bleibt, u n d nach deren Weisungen die V e r w a l t u n g besorgen muß; solang nicht von einem Religionstheil zum andern der Genuß des Kirchenvermögens oder eines bestimmten Theils davon übergewältzt würde, als wogegen zu wachen u n d das Kircheneigenthum rechtlich überall zu vertreten, jener Verwaltungsrath durch diese Konstitution ermächtigt und persönlich verantwortlich gemacht wird. Verwaltung

der katholischen

Kirchengewalt

20. Die Kirchengewalt der kath. Kirche soll von dem Oberhaupte derselben als dem M i t t e l p u n k t ihrer Glaubenseinigkeit, nicht getrennt, noch von 12 Gemeint sind hier die Befugnisse der staatlichen Kirchenhoheit (jura circa sacra). Dazu unten Abschnitt 21. 13 Hinweis auf die erstrebte Union der beiden evangelischen Bekenntnisse (dazu unten Nr. 291 - 293).

I V . Das badische Konstitutions-Edikt von 1807

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irgend einiger Handlung oder Beziehung, die dazu wesentlich nothwendig ist, abgehalten werden: sie k a n n aber außerhalb Fällen, die zu einer außerordentlichen, oberhäuptlichen Sendung geeignet sind, n u r durch einen i m Lande seinen ständigen Aufenthalt habenden Bischof besorgt werden 1 4 , der alle kath. Kirchspiele des Großherzogthums unter sich vereinige, m i t keiner Sorge f ü r auswärtige Kirchspiele m i t beladen sey (soweit nicht etwa anstoßende m i t hinlänglichem L a n d zu Erhaltung eines Bischofs nicht begüterte Souverains über die Miteinnahme I h r e r Lande i n Unserem Landkirchensprengel Sich m i t Uns vergleichen), u n d der zur Regierung seiner Diöces den erforderlichen geistl. Senat, hiernächst zur Verminderung der Beschwerde der Unterthanen, die persönlich zu vernehmen sind, oder etwas anzubringen haben, seine nach schicklichen Bezirken aufgestellte untergeordnete Offizialate oder geistliche Kommissariate, so wie i n weiters untergeordneten Stufen, die i n schicklichen Eintheilungen zu bestellende Decanate zu Mitbesorgung der Polizei i n K i r chensachen aufgestellt habe. Das nähere über die Setzung, Verfassung u n d grundgesetzmäßige Würksamkeit dieser Verwalter der kath. Hierarchie bleibt dem Konkordat m i t dem röm. Hof vorbehalten 1 5 . Bis dahin bleiben alle B i schöfe der verschiedenen i n - u n d ausländischen Bischofshöfe, welche dermalen ein kath. Kirchenregiment i m Lande führen 1 6 , i m Besitz ihrer Amtsberechtigungen, jedoch n u r i n allen dieser Konstitution gemäß ferner als geistlich zu behandelnden Sachen, u n d n u r solang, als deren dermalige Bischöffe leben: so wie hingegen einer derselben stirbt, ist die Gewaltsattribution seiner geistl. Gerichte i n Unserm Staat f ü r erloschen anzusehen, u n d kann n u r (wie es dermalen i n gewisser Maaße schon m i t dem Straßburgischen Diöcesenantheil diesseits Rheins geschehen ist), eine der andern noch i n Amtsgewalt befindlichen Bischöfl. Rathsstellen Unserer Lande durch provisorische Delegation des jederzeitigen Metropolitanats die Fortführung des kirchl. Regiments übernehmen, solang nicht der röm. Hof m i t Uns sich zu einer definitiven Einrichtung der Diöces Unserer Lande vereinbart hat, als welcher Vereinbarungseinleitung W i r bisher vergebens entgegen gesehen haben, dazu aber w i e vor immer bereit sind. Die weltliche Kirchenherrlichkeit bei den kath. Kirchspielen w i r d statt bisher von der Kirchenkommission durch Unsere Regierungen der Provinzen verwaltet, bei welchen auch f ü r das kath. Kirchenvermögen eigene Ökonomiedeputationen (wie oben wegen des protestantischen Kirchenvermögens geordnet worden), bestehen sollen. Kirchenherrlichkeit

des Staats

21. Unsere Kirchenherrlichkeit 1 7 umfaßt überall u n d i n Bezug auf alle aufgenommene oder geduldete Religionspartheien nachstehendes: Die K e n n t nißnahme von allen Gewaltshandlungen der Kirche i n ihrem I n n e r n ; die V o r sorge, daß damit nichts geschehe, was überhaupt oder doch unter Zeit und U m ständen dem Staat Nachtheil bringt; das Recht zu allen öffentlichen V e r k ü n dungen, welche die Kirchengewalt beschließt, ingleichem zu allen Diensternennungen, die i h r überlassen sind, das Staatsgutheißen 1 8 zu ertheilen oder 14 15 16 17 18

Hinweis auf das erstrebte katholische Landesbistum (dazu unten Nr. 93 ff.). Oben S. 80 Anm. 4. Neben Konstanz vor allem Straßburg, Aschaffenburg, Regensburg. Geregelt ist hier der Umfang der staatlichen Kirchenhoheit. Vorbehalt des staatlichen Plazet.

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4. Kap. : Anfänge der kirchlichen Neuordnung i n Südwestdeutschland

nach Befinden zu versagen, u n d damit bis auf weitere Vereinbarung den V o r gang rückstellig zu machen; das Recht f ü r dergleichen kirchl. Diensternennungen solchen Personen den Ausschluß zu geben, deren Aufstellung f ü r diesen Posten i n Staatshinsicht bedenklich scheint; das Recht, Gesellschaften u n d I n stitute, die sich f ü r einen bestimmten kirchlichen Zweck m i t B i l l i g u n g der Kirchengewalt bilden, zuzulassen oder nicht zuzulassen; das Recht die zugelassene Kirchenanstalten, w e n n sie von ihrem ursprünglichen Zweck abweichen, oder ihre Tauglichkeit f ü r dessen Erreichung verlieren (welche stets als stillschweigende u n d unerläßliche Bedingung ihrer Fortdauer anzusehen ist), darauf zurückzuführen, oder sie ganz aufzuheben, doch daß es i n einer A r t geschehe, die m i t den Grundsätzen derjenigen Kirche, deren sie angehören, vereinbarlich ist; das Recht, aus denen von der Kirche fähig erkannten Gliedern zu bestimmten einzelnen Kirchendiensten denjenigen zu benennen, der sie erhalten soll, so weit dieses Recht nicht durch die dermalige neue Verfassung Unseres Großherzogthums der Kirchengewalt andern Privat-Kirchenlehenherren gegeben oder bestätigt w i r d ; das Recht alle jene Wirksamkeit der Diener, Gesellschaften, u n d Staatsgenossen anzuordnen u n d zu leiten, welche zu Erreichung des kirchl. Zwecks u n d zum Genuß der daraus zugleich für den Staat hervorgehenden Vortheile nöthig sind; das Recht an allen entstehenden Klagen, Beschwerden, oder Anstößigkeiten, die aus einem M i ß brauch der Kirchengewalt oder aus einem rechtswidrigen Verfahren derselben entstehen, Einsicht zu nehmen u n d das zu dessen Verhinderung nach Befinden der Umstände Geeignete vorzukehren 1 9 . H i e r i n handeln die Verwalter U n serer Staatsgewalt eben so unabhängig von den Grundsätzen und dem Begehren der Kirchengesellschaft oder ihrer Vorsteher, wie i n den übrigen Theilen der Staatssphäre, doch m i t steter Erinnerung, daß Einverständniß allein zum Gedeihen, sowohl des Staats als der Kirche führe, daß dieses daher i n allen billigen Dingen gefördert werden müsse, indem i n keiner der beiden Gewaltssphären ein rücksichtsloses Ausdehnungsbestreben, und eine nur einseitige Beschränkung zu einem Gemeinwohl führen könne. Geistliche

Staatsbeamte

22. Die Pfarrer, — ingleichem die Rabbinen, — sind bei der Verkündung, u n d Einsegnung der Ehe, bei der Annahme der Personen zur Taufe, oder Beschneidung, oder zur Ablegung eines Religionsbekenntnisses bei dem Übert r i t t von einer Kirche zur andern, endlich i m Begraben der Todten, nicht blos Kirchendiener, sondern auch Staatsbeamte. Sie dürfen daher diese Handlungen an Niemanden verrichten, der nicht durch die bestehende Ordnung demjenigen Sprengel zugewiesen ist, f ü r welchen sie angestellt sind, und nur i n jenen Fällen, die sich innerhalb desselben ergeben. Sie müssen i n jedem Fall zuvor sich versichern, daß diese Handlung i m vorliegenden Fall unanstößig m i t den Staatsgesetzen sey, widrigenfalls ist ihre Handlung straffällig, und ohne alle Rechtswirkung; sie haben sich i n der religiösen A r t der Verrichtung solcher Handlungen nach den Gesetzen ihrer Kirche, hingegen i n Hinsicht auf Zeitu n d Ortsverhältnisse, so w i e auf die Beurkundung nach den Gesetzen des Staats zu richten. Dieser Pfarrbann erstreckt sich bei jedem Pfarrer auch auf alle fremde Religionsverwandte, die sich i n seinem Sprengel ohne erlangtes 19

Vorbehalt des Recursus ab abusu.

I V . Das badische Konstitutions-Edikt von 1807

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eigenes Kirchenspielsrecht, oder ohne besondere Dispensation des Regenten zur Berufung eines andern Geistlichen sich aufhalten; i m letztern F a l l hat er noch immer die Anzeige der Fälle, u n d der ordnungsmäßigen Verrichtung der Handlung zur Eintragung i n die Pfarrbücher sammt der Entrichtung der deßfallsigen Pfarrgebühren zu fordern. Niemals kann ein Geistlicher seinen Pfarrbann dahin erweitern, u m Geistlichen seiner, oder anderer Religionen den Z u t r i t t zu ihren i n seinem Sprengel wohnenden Religionsgenossen zu versagen, oder ihnen geistliche Verrichtungen, die nicht zu den oberzählten Gebannten gehören, u n d die innerhalb der Wohnungen ohne Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung verrichtet werden, zu verwehren. Geistliche

Freiheiten

23. K e i n Kirchendiener hoch u n d nieder kann durch seine Wiedmung für eine kirchl. Bestimmung aufhören, Staatsbürger zu seyn 2 0 , u n d so w i e er daher Rechte u n d Vortheile der Staatsverbindung fortgenießet, so muß er auch Pflichten u n d Lasten derselben auf sich nehmen, so weit sie andern zur Kanzleisäßigkeit geeigneten Staatsbürgern jeweils obliegen, und den geordneten Staatsstellen deßfalls zu Rede stehen, soweit i h m nicht diese Konstitution, oder einst nachgefolgte Gesetze u n d Privilegien eine Befreiung gewähren; außerdem hat ein solcher weder f ü r seine Person i n bürgerlichen Verhältnissen, noch f ü r seine besitzende eigene Güter, oder führende weltliche Dienstgeschäfte, oder Gewerbe eine Befreiung vor andern Staatsbürgern seiner Klasse anzusprechen, w o h l aber, so lang er sich standesmäßig beträgt, die der wichtigen Bestimmung seines Standes gebührende vorzügliche Achtung zu gewarten, auch der seinem Kirchendienst verliehenen Rechte und Freiheiten zu genießen. Staatspflichten

der Kirchen

24. Jede Kirche kann für ihre Religionshandlungen von den Gliedern aller übrigen Religionsparthien vollkommene Sicherheit gegen Störungen aller A r t verlangen, aber keine andere Ehrenbezeugungen, als jene allgemeine Achtung, welche jedem ernsten u n d öffentlichen Vorgang i m Staat von wohlgesitteten Staatsbürgern erwiesen werden muß. Gegen deren Versagung k a n n sie anständige Erinnerungen und A u f r u f des obrigkeitlichen Schutzes, der keiner jemals versagt werden darf, zur Hand nehmen, aber niemals sich einige Selbsthülfe erlauben, außer wenn sie i m Innern ihrer Religionsgebäude gestört würde, wo i h r die mäßige Selbsthülfe, wie jedem Staatsbürger K r a f t der Hausgewalt i n dem Seinigen, zusteht. Keine Religionsparthei kann der andern i n Absicht auf kirchl. Einrichtungen, Gebräuche, Feste, und Religionshandlungen, Maas und Ziel geben, oder eine Bequemung zu ihrer deßfallsigen Einrichtung verlangen. N u r die weltliche Staatspolizei giebt da, wo es zum gemeinen Staatsfrieden unumgänglich nöthig erscheint, gemeinschaftliche Vorschriften f ü r äußere Handlungen, die nur zufälligen Bezug zum kirchl. Zweck haben, doch jedesmal so, daß sie den Religionslehren und gebietenden Kirchenvorschriften keines der darunter befangenen Religionstheile zuwider sind. 20 Also keine Exemtion der Geistlichen von der Unterwerfung unter die Staatsgewalt und von den Pflichten gegenüber dem Staat, insbesondere der Steuerpflicht.

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4. Kap. : Anfänge der kirchlichen Neuordnung i n Südwestdeutschland

Kirchenpolizei

und

Autonomie

25. Wo an einem Ort n u r Eine Religion das Staatsbürgerrecht u n d pfarrliche Rechte hat, da müssen alle fremde Religionsverwandte, welche sich darinnen f ü r längere, oder kürzere Zeit aufhalten, der Kirchenpolizei des Orts i n allen jenen Handlungen sich unterwerfen, welche außerhalb ihren Wohnungen sich äußern, oder ihre W i r k u n g haben, n u r daß diese ihnen nichts auflegen darf, was durch ihre Glaubensvorschriften f ü r verwerflich erklärt, u n d daher ihrem Gewissen entgegen ist, wogegen sie ihnen hinwiederum bei Zusammenkünften i m Leben u n d auf dem Kirchhof einen unabgesonderten, u n d unausgezeichneten Platz unter ihren eigenen Glaubensgenossen gönnen muß. Keine Kirchenpolizei hingegen k a n n über das Innere des häuslichen Lebens fremder Religionsverwandten, und über deren dort vornehmende religiöse Übungen sich verbreiten, noch daß es zu ihren Gunsten v o n Staatswegen geschehe, begehren, sondern jedem v o m Staat geduldeten Bürger bleibt die u n gestörte Hausandacht, u n d vermöge derselben das Recht, m i t seiner Familie auch andere (doch nicht i n verdächtig großer Z a h l sich sammelnde), Glaubensgenossen des nämlichen Orts, zum Lesen, Beten, Singen, u n d andern Religionsübungen sich zu vereinigen, seine K i n d e r m i t Hauslehrern seines Glaubens zu versehen, oder an Orte seiner Konfession zur Erziehung zu versenden, f ü r religiöse dem Pfarrbann nicht unterworfene Handlungen Geistliche zu sich kommen zu lassen, auch wegen jener, die dem Pfarrbann unterworfen sind, m i t Beobachtung der obgedachten Anzeige, u n d der Gebührenzahlung an andere Orte seiner Religion zu deren Verrichtung sich zu begeben 21 . V o m Regenten allein hängt es ab, einzelnen dergleichen Familien diese Hausandacht bis zu einem eingeschränkten oder uneingeschränkten Privatgottesdienst zu erweitern, dessen Rechte nachmals aus dem I n h a l t der Konzessionsurkunde beurtheilt werden müssen, deren Umfang also von den Empfängern nicht eigenmächtig erweitert, noch von den Dienern der Kirchengewalt des Orts gegen Sinn u n d Zweck der Konzession beschränkt, oder beeinträchtigt werden darf. Kirchenpolizei

an gemischten

Orten

26. I n Orten, wo mehrere Kirchen Staatsbürgerrecht genießen, richtet jeder T h e i l allein sich nach der Kirchenpolizei seiner eigenen Gemeinde, u n d ist dieser allein unterworfen; wo aber ein gemeinschaftlich konkurrirendes, oder kollidirendes Interesse mehrerer Religionstheile vorhanden ist, z. E. i n Vermittelung der Ehestrittigkeiten i n gemischten Ehen, da haben die geistl. V o r steher u n d Sittenrichter beider Kirchen zusammen zu w i r k e n 2 2 .

21

Eine instruktive Umschreibung des Umfangs u n d der Grenzen des Rechts der devotio domestica. 22 Nach der hierauf folgenden „Schluß-Sanction" trat das E d i k t am 1. August 1807 i n Kraft.

V. Säkularisation des Fürstbistums Fulda durch Nassau-Oranien

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N r . 40. Edikt, die Aufhebung der geistlichen Gerichte und der Kirchenkollegien sowie die Einsetzung des Oberkirchenrats betreffend v o m 15. J u n i 1807 (Badisches Regierungsblatt 1807, S. 87) Nachdem die neue kirchliche Constitution des Großherzogthums . . . i m Druck erschienen ist, so w i r d dieses m i t der vorläufigen Eröffnung bekannt gemacht, daß sie v o m 1. August d. J. an i n K r a f t übergeht, daß i n deren Gefolg a) A l l e Ehestreitsachen, als weltliche Gegenstände, gemäß einer nachfolgenden Instruction, zu behandeln; b) A l l e Klagsachen gegen Pfarrer u n d Geistliche aller A r t , über Privatverbindlichkeiten und Schulden, lediglich bey der weltlichen Gerichts-Behörde der Kanzleisässigen anzubringen; auch c) N u r von der weltlichen Behörde die Verlassenschaft derselben, nach A b sonderung des Amts halber empfangenen Kirchen-Eigenthums, dessentwegen ein Kirchen-Verordneter der Sieglung u n d Entsieglung der Verlassenschaft anwohnen und sein Amtssiegel beydrucken darf, beschrieben u n d vertheilt werden dürfe. d) Daß kein Patron einem kath. Diöcesan-Bischof einen Kirchenpfründner gültig zur Dienst-Ubergabe darstellen kann, ohne das landesherrliche G u t heißen f ü r dessen Ernennung erlangt zu haben. e) Daß alle Vergehen der Geistlichen gegen Staatsgesetze von der weltlichen Strafbehörde der Kanzleisäßigen zu richten sind. f) Daß die beiden Protestant. Kirchen-Collegien aufgehoben u n d dagegen v o m 23. Oct. d. J. ein eigener gemeinschaftlicher Oberkirchenrath, sodann zwei besondere Verwaltungs-Collegien, ein lutherisches hier und ein reformirtes i n Heidelberg (mit Beseitigung aller standesherrlichen Kirchen-Collegien) niedergesetzt werden. g) Daß die kath. Kirchen-Commission gleichfalls aufgehoben u n d i h r Geschäft der betreffenden Provinz-Regierung m i t Beigesellung besonderer K i r chen-ökonomie-Deputationen übergeben w i r d ; h) Daß alle kath. geistl. Gerichtshöfe ausser dem Großherzogthum längstens nur bis zum Abgang ihrer dermaligen Bischöffe eine geistl. Gewalt i m hiesiegen Staat ausüben können, v o n wo an sie an niemanden, als einen i m L a n d ordnungsmäßig aufgestellten Landes-Bischoff kommen kann.

V . D i e S ä k u l a r i s a t i o n dee F ü r e t b i s t u m s F u l d a d u r c h das H a u s Nassau-Oranien Nach dem Reichsdeputationshauptschluß sollte das Fürstbistum Fulda an das Haus Nassau-Oranien-Dillenburg fallen Κ Die Säkularisation stieß jedoch auf den Widerstand des Fürstbischofs Adalbert III., des bisherigen geistlichen 1

§ 12 Abs. 3 R D H (Dokumente Bd. 1 Nr. 1).

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4. Kap. : Anfänge der kirchlichen Neuordnung in Südwestdeutschland

Landesherrn 2. Der Erbprinz Wilhelm von Nassau-Oranien 3 forderte schon am 6. September 1802 die Übergabe (Nr. 41); der Fürstbischof weigerte sich jedoch, seine Rechte preiszugeben, bevor der Reichsdeputationshauptschluß durch Kaiser und Reich ratifiziert sei (Nr. 42). Das Domkapitel von Fulda dagegen erklärte sich mit der vorzeitigen Übernahme der Staatshoheit durch den Erbprinzen einverstanden (Nr. 43). So wurde die Säkularisation gegen den Willen des Fürstbischofs bereits 1802 vollzogen. N r . 41. Schreiben des Erbprinzen W i l h e l m von Nassau-Oranien an den Fürstbischof Adalbert von Fulda v o m 6. September 1802 (Buchonia, Zeitschr. hsgg. von J. Schneider, Bd. I I 2,1827, S. 29 ff.) Ew. Liebden werden die Erklärungen bekannt seyn, welche i n der allgemeinen reichsfriedensschlußmäßigen Entschädigungs-Angelegenheit von Seiten Sr. Russisch-Kaiserlichen Majestät u n d des Ersten Konsuls der französischen Republik, der allgemeinen Reichs-Versammlung, so wie auch der angeordneten Reichsfriedens-Deputation, am 25. des vorigen Monats vorgelegt worden sind 4 . Hochdieselben werden insonderheit daraus m i t Mehrerem entnommen haben, daß i n Folge der unterm 23. M a i d. J. zu Paris zwischen Preußen und F r a n k reich getroffenen, u n d i n der Folge unterm 4. J u n i d. J. durch den Kaiserl. Russischen Beitritt bestätigten förmlichen Convention dem fürstlichen Hause Oranien-Nassau-Dillenburg, zur Schadloshaltung wegen der Statthalterschaft und wegen der Niederländischen Domänen, unter andern auch das Erzstift Fulda m i t allen seinen Bestandtheilen und Zugehörungen als ein Erbfürstent h u m zugedacht und angewiesen worden. Des Prinzen von Oranien und Fürsten zu Nassau Hoheit, meines Herrn Vaters Gnaden, haben sich bewogen gefunden, alle die Ihnen bestimmten Entschädigungslande u n d Rechte an mich zu übertragen und abzutreten, wie Ew. Liebden aus der darüber unterm 29. d. M. ausgefertigten, i n beglaubigter Abschrift hier angebogenen Cessions-Urkunde m i t Mehrerem zu ersehen belieben werden. Bei der nun noch übrigen Vollziehung des vorliegenden Entschädigungsplanes ist es mein erster Wunsch, daß solche auf eine A r t und i n einem Wege bewerkstelliget werden möge, der auf der einen Seite den Gesinnungen der Ew. Liebden gewidmeten hohen Achtung, auf der andern aber den Wünschen, 2 Adalbert III. = Adalbert v. Harstall (1737 - 1814), seit 1788 Fürstbischof von Fulda, 1802 - 1814 als Landesbischof Inhaber der geistlichen Funktionen i n seinem Sprengel, der unter wiederholt wechselnde Territorialhoheit k a m (1802 zu Nassau, 1806 unter französischer Administration, 1810 zum Großherzogtum Frankfurt, 1814 unter deutscher Zentralverwaltung, 1815 zu Kurhessen). 3 Landesherr i n Nassau-Oranien-Dillenburg w a r damals Fürst Wilhelm V. (1748 - 1806); dieser w a r seit 1766 auch Erbstatthalter der Niederlande, wo er 1795 vertrieben wurde. Seine Rechte auf die Entschädigungslande, darunter auch Fulda, übertrug er seinem Sohn, dem Erbprinzen Wilhelm (1772 - 1843), der als Wilhelm I. von 1815 bis zu seinem Thronverzicht 1840 der erste K ö n i g der Niederlande war. 4 Uber den französisch-russischen Entschädigungsplan siehe oben S. 14 f.

V. Säkularisation des Fürstbistums Fulda durch Nassau-Oranien

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die mich für das Wohl des Fürstenthums Fulda u n d sämmtlicher LandesEingesessenen erfüllen, v ö l l i g entsprechen. Ich habe f ü r nöthig gefunden, den Geheimen Hegierungsrath und K a m m e r director von Schenk an Ew. Liebden m i t dem Auftrage abzuordnen, u m Ihnen meine Gesinnungen u n d Absichten ausführlicher vorzutragen u n d unter Hochdero Leitung die Maßregeln u n d Vorkehrungen näher zu verabreden und zur Vollziehung zu bringen, die die N a t u r des Gegenstandes darbietet. Ew. Liebden ersuche ich, diesem meinem Abgeordneten geneigtest Gehör zu geben, u n d i h m i n demjenigen, was er Ihnen i n meinem Namen vorzutragen die Ehre haben w i r d , völligen Glauben beizumessen.

N r . 42. Schreiben des Fürstbischofs Adalbert von F u l d a an den Erbprinzen W i l h e l m von Nassau-Oranien v o m 16. September 1802 (Buchonia, Zeitschr. hsgg. von J. Schneider, Bd. I I 2,1827, S. 36 ff.) Ew. Liebden gefällige Zuschrift v o m 6. d. M. habe ich aus den Händen des Hochderoseitigen Abgeordneten, Geheimen Regierungsrathes u n d K a m m e r directors von Schenk zu empfangen die Ehre gehabt, welchem ich das Zeugniß beilegen muß, daß derselbe dem von Ew. Liebden i h m ertheilten A u f trage sowohl mündlich als schriftlich durch ein nachgeholtes pro memoria ein volles Genüge geleistet und hierdurch Hochdero Gesinnungen und A b sichten m i r ausführlich zu erkennen gegeben habe. Ew. Liebden werden m i r aber erlauben, daß ich — durch den innersten Drang der Umstände gerührt — folgende Bemerkungen darüber anstelle und bei deren Beurtheilung die allgemein bekannte Gerechtigkeits- und Billigkeitsliebe Ew. Liebden auffordere. Der tiefsten Einsicht Ew. Liebden w i r d nicht entgehen, daß reichsfriedensschlußmäßig der Entschädigungspunct zuerst durch die v o m Kaiser u n d Reich beliebte außerordentliche Reichsfriedens-Deputation geprüft und erörtert und sodann vom Kaiser und Reich sanctionirt werden soll. Ich w i l l zwar die Gültigkeit und K r a f t der am 23. M a i d. J. zu Paris zwischen Preussen und Frankreich getroffenen, auch i n der Folge am 3. Jun. durch den Kais. Russischen Beitritt bestätigten Convention, vermöge welcher dem fürstlichen Hause Oranien-Nassau-Dillenburg unter andern auch das hiesige Hochstift m i t all seinen Bestandtheilen u n d Zugehörungen als ein Erbfürstent h u m zugedacht worden, nicht i m mindesten bezweifeln, und eben so unverkennbar ist m i r zwar auch die von Hochdero H e r r n Vater Liebden auf Hochdieselben deshalb geschehene, und durch die übersandte Urkunde bekräftigte Cession. A l l e i n es w i r d m i r auch zu behaupten vergönnt seyn, daß i n dem von Frankreich u n d Rußland entworfenen, und der Reichsdeputation mitgetheilten Entschädigungsplane von diesem besonderen, ohne Theilnahme Kaisers und Reichs abgeschlossenen Vertrage nichts enthalten, sondern der Entschädigung des fürstlichen Hauses Nassau-Dillenburg darin n u r i m allgemeinen, wie bei andern zu entschädigenden Erbfürsten, gedacht sey, woraus sich also die Schlußfolge ergiebt, daß auch diese Entschädigung erst von der Genehmigung 7 H u b e r , S t a a t u n d K i r c h e , 1. B d .

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4. Kap. : Anfänge der kirchlichen Neuordnung i n Südwestdeutschland

des Kaisers und Reichs, als von der constitutionellen deutschen Staatsgewalt, abhange, u n d diese Betrachtung ist es, welche ich Ew. Liebden i m vollen Vertrauen ans Herz zu legen m i r die Freiheit nehme, u n d worauf ich mein Ersuchen u n d meine Hoffnung gründe, daß Hochdieselben die Besetzung meines Hochstifts durch Königl. Preuß. Truppen abzuwenden u n d der Besitznahme meines Hochstifts i n der m i r erklärten Absicht, das ist, mittelst A b tretung meiner Landes-Regierung m i t allen meinem Fürstenthume einverleibten Bestandtheilen u n d Zugehörungen so lange Anstand zu geben belieben werden, bis der Entschädigungspunct überhaupt und so auch wegen des fürstlichen Hauses Nassau-Dillenburg durch förmlichen Reichsschluß seine gesetzliche Erledigung erhalten hat. Ich schmeichle m i r von Ew. Liebden hierin u m so mehr ein beifälliges Benehmen erwarten zu dürfen, je bereitwilliger ich bin, nach erfolgtem v o r besagtem Reichsbeschlusse keinen Augenblick zu säumen, mein Hochstift an Hochdieselben i n seinem ganzen Umfange abzutreten, u n d je gewisser Ew. Liebden versichert seyn können, daß ich bis dahin die Verwaltung meines Landes m i t der strengsten Gewissenhaftigkeit, wie ich es m i r stets zum u n verbrüchlichen Gesetze gemacht, fortführen und Ew. Liebden sodann solche unverrückt i n Hochdero Hände liefern werde. Pflicht, Gewissen u n d Ehrgefühl sind die einzigen Triebfedern meines gegenwärtigen Ersuchens, und es hängt bloß von der wohlwollenden Entschließung Ew. Liebden ab, das m i r bevorstehene harte Schicksal dadurch auf einige A r t erträglich zu machen, daß Hochdieselben die Besetzung meines Hochstifts durch Königl. Preussische Truppen zu beseitigen u n d den Vollzug der vorberührten Besitzergreifung n u r bis zum bald erfolgenden Reichsschlusse zu verschieben geneigen wollen. Ich sende i n dieser Absicht meinen Geheimenrath u n d Oberstallmeister v. Egloffstein an Ew. Liebden m i t dem Auftrage ab, u m Hochdenselben hierüber das Weitere vorzutragen, welchem Ew. Liebden ein geneigtes Gehör geben und i h m i n A l l e m vollen Glauben beizumessen belieben werden . . .

N r . 43. Schreiben des Domkapitels von Fulda an den Erbprinzen W i l h e l m von Nassau-Oranien v o m 19. September 1802 (Buchonia, Zeitschr. hsgg. von J. Schneider, Bd. I I 2,1827, S. 41 f.) M i t unbegrenzter Ehrfurcht eilet gehorsamstes Domkapitel Eurer Durchlaucht entgegen, u m bei dem bevorstehenden theuersten neuen Landesfürsten, als Stände des Hochstifts, sich m i t allen Communen, Dienerschaft, sämmtlichen Individuen und Unterthanen zur künftigen höchsten H u l d und Gnade tiefschuldigst zu empfehlen. W i r verehren dabei seitherige Schonung und ausgezeichnete Fürstenmilde m i t dem innigsten Dankgefühle, danken zugleich für die durch den H e r r n Geheimrath von Schenk geäußerte, für uns und das ganze P u b l i k u m so beruhigende Nachricht, wodurch jede Besorgniß wegen eines Austausches des hiesigen Landes zur allgemeinen Freude beseitigt wird, und bitten bei leider

V I . Religionsedikte für Nassau-Weilburg u-nd Nassau-Usingen

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noch immer fortdauernder Gegengesinnung Sr. Hochfürstlichen Gnaden i n unserem und des ganzen Landes Namen ehrerbiethigst, daß Ew. Durchlaucht von glänzendem Edelmuthe und angeborner Fürstengüte geleitet, diese große Wohlthat auch noch ferner gnädigst eintreten zu lassen geruhen möge . . .

VI» D i e R e l i g i o n s e d i k t e f ü r N a s s a u - W e i l b u r g u n d Nassau-Usingen Das Fürstentum Ν as sau-Weilburg 1 erhielt durch den Reichsdeputationshauptschluß den rechtsrheinischen Teil des Kurfüstentums Trier 2. Fürst Friedrich Wilhelm sah sich dadurch zu dem Religionsedikt vom 16. August 1803 veranlaßt, das die Stellung der katholischen Kirche in dem vergrößerten Fürstentum regelte (Nr. 44). Das Edikt rief den Protest des für die geistliche Verwaltung des rechtsrheinischen Teils der Trierer Erzdiözese zuständigen Generalvikars von Limburg wie des Erzbischofs Clemens Wenzeslaus von Trier hervor*. Der Protest richtete sich vor allem gegen die Eingrenzung der bischöflichen Rechte auf den inneren Gottesdienst, gegen das Erfordernis der staatlichen Mitwirkung bei der Festsetzung der Gottesdienstzeiten, sowie gegen die Einschränkung der geistlichen GerichtsbarkeitDer Fürst erwiderte, daß die Klärung dieser Streitfragen vom Reichskonkordat zu erwarten sei 4 . Bis dahin halte er an seinem Religionsedikt fest. Zum Fürstentum Nassau-Usingen5 kamen durch den Reichsdeputationshauptschluß gleichfalls eine Reihe katholischer Gebiete, darunter insbesondere rechtsrheinische Teile des Kurfürstentums K ö l n 6 . Das von dem Fürsten Friedrich August für Nassau-Usingen erlassene Religionsedikt vom 31. August 1803t entspricht dem ihm vorangegangenen Edikt für Ν as sau-Weilburg in allen wesentlichen Zügen.

1 Landesherr: Fürst Friedrich Wilhelm von Nassau-Weilburg (1768 - 1816); Regierungszeit 1788 - 1816. Uber seinen Sohn Herzog Wilhelm von Nassau unten Anm. 5. 2 § 12 Abs. 2 R D H (Dokumente Bd. 1 Nr. 1). 8 Über Clemens Wenzeslaus: oben S. 74 Anm. 4. 3a Dokumente bei M. Lieber, I n Sachen der oberrheinischen Kirchenprovinz (1853) S. 130 ff. 4 Ebenda, S. 136 f. 5 Landesherr: Fürst Friedrich August von Nassau-Usingen (1738 - 1816); Regierungszeit 1803 - 1816 (seit 1806: Herzog). M i t dem Tod des Herzogs Friedrich Wilhelm von Weilburg vereinigte er die beiden nassauischen Staaten als „ H e r zogtum Nassau" i n seiner Hand; m i t seinem Tod k a m das Herzogtum an den Sohn des kurz vorher verstorbenen Weilburgers, den Herzog Wilhelm (1792 bis 1839); Regierungszeit 1816 - 1839. 6 § 12 Abs. 1 RDH. 7 T e x t : Archiv f. d. kath. Kirchen- u n d Schulwesen, vorzüglich in den rheinischen Bundesstaaten, Bd. 1 (1810) S. 116 ff.

i*

100 4. Kap.: Anfänge der kirchlichen Neuordnung in Südwestdeutschland N r . 44. Nassau-weilburgisches Religionsedikt v o m 16. August 1803 (I. v. Longner,

Geschichte der oberrheinischen Kirchenprovinz, 1863, S. 40 ff.)

Der vielleicht noch mehr oder weniger entfernte Abschluß des zwischen dem päpstl. Stuhle, Kaiser u n d Reich zu berichtigenden Konkordates 8 veranlasset Uns, auf eine sorgfältige Bestimmung der landesherrlichen u n d bischöflichen Gewalt — da solche i n den zur Entschädigung Uns angewiesenen Rechten an K u r T r i e r f ü r jetzt getrennt ist — den unausgesetzten landesväterlichen Bedacht zu nehmen; W i r bezielen dabei zugleich die Sicherung der wechselseitigen Rechte, das Wohl Unserer Unterthanen und die herzustellende Ordnung der Dinge, und hegen keineswegs die Absicht, Uns i n die inneren Angelegenheiten der kath. Kirche zu mischen, noch auch die ursprünglichen bischöfl. Rechte zu beeinträchtigen, deren Aufrechthaltung und thätigste Unterstützung vielmehr W i r zur landesherrlichen Pflicht stets rechnen werden. W i r beschränken daher durch diese Unsere Verordnung provisorisch und insolange v o m Kaiser und Reich ein Anders nicht bestimmt sein w i r d — auf die festzusetzende A . Jura ordinis. B. Jura legis dioecesanae u n d C. die Jurisdictionem ecclesiasticam. U n d so wie W i r ad A. Unter die ausschließlichen bischöflichen Gerechtsame zählen 1. die Bestimmung alles dessen, was i n die Glaubenslehre einschlägt. 2. Die Schlüsselgewalt 9 , die daher fließenden Poenae medicinales 1 0 u n d I n dulgenzien 1 1 . 3. Die Ausspendung der Sakramente und die nöthig scheinende Ausschließung von derselben Gebrauch. 4. Konsekration der Kirchen, Benedizirung der Kirchhöfe. 5. Das Predigtamt u n d den Unterricht der Jugend i n Religionssachen. 6. Institutio authorizabilis der Pfarrer 1 2 u n d alle diese der bischöflichen Gewalt untergeordnet anerkennen, auch m i t solchen Uns unter keinem V o r w a n d befassen werden. So werden w i r dagegen ad B. Quoad leges dioecesanas Unsere landesherrliche Gewalt auch i n soweit einschränken lassen, daß soviel 1. die Visitation der Diöces, 2. die Zusammenberufung der Synoden und 3. die Bestellung der Sendgerichte bei den Pfarrämtern betrifft, solche nach Gutdünken des Bischofes zwar vorzunehmen, Unsere E i n w i l l i g u n g hiezu jedoch vordersamst einzuholen sei, sowie es auch von Uns abhängen wird, ob und auf welche A r t die hiernächst gut befindliche neue Disciplinar-Verfügungen ausgeführt werden sollen, und i n welchem Maaße nebst den auferlegt w e r denden Medizinal-Strafen, Geld und andere Bußen zuerkannt werden dürfen. 8

Z u m Plan eines Reichskonkordats siehe oben S. 22 ff. Potestas clavium (Matth. 16, V. 18, 19), die dem Papst und den Bischöfen zustehende oberste geistliche Gewalt i n der Kirche. 10 Poenae medicinales, die Besserungsstrafen (Zensuren), nach heutigem Kirchenrecht n u r Exkommunikation, Suspension und Interdikt. 11 Indulgenzien, der Ablaß, nämlich die außergerichtliche Lossprechung von zeitlichen Strafen (durch Absolution für die Lebenden, Fürbitte f ü r die Toten). 12 Institutio authorizabilis, die Amtsübertragung (institutio canonica). 9

V I . Religionsedikte für Nassau-Weilburg und Nassau-Usingen

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4. Die Bestimmung der Pfarr-Grenzen hänget lediglich von der bischöflichen Gewalt ab: die Vertheilung oder Vereinigung der Pfarreien aber sind Gegenstände, welche — wo nicht gütlich auszugleichen — doch ohne prozessualische Weitläufigkeit von dem Vicariat nach vordersamer Berathung m i t Unsrer Regierung zu Ehrenbreitenstein per v i a m ordinationis erledigt werden sollen. 5. Die Ernennung zu Benefizien u n d Pfarreien ist auf Uns als Landesherrn zu allen jenen Fällen devolvirt, was das Patronatsrecht von dem vorigen Regenten, oder von einer Uns zur Entschädigung angewiesenen Korporation ausgeübt worden. Die von n u n an eintretenden Erledigungsfälle sind Unsrer Regierung einzuberichten, u n d da W i r zur Wiederbesetzung solcher Stellen n u r taugliche — i m Wissenschaftlichen sowohl, als i m Sittlichen wohlgeprüften Subjekten — u n d unter diesen immer den Würdigsten zu wählen wünschen; so werden W i r sämmtliche u m eine solche Stelle einkommende Bittschriften Unsrer Regier u n g m i t der Verordnung zugehen lassen, darüber m i t dem Vicariate i n K o m m u n i k a t i o n zu treten, über das Sittliche u n d Moralische der Supplikanten aber selbst Erkundigung einzuziehen, u n d diesem nach den Würdigsten Uns gemeinschaftlich m i t dem Vicariat i n Vorschlag zu bringen. W i r werden diesem Unsre Nomination nicht versagen, sondern denselben vielmehr anweisen, alsbald die institutionem authorizabilem u n d die Weisung zur Einführung i n die Kirche beim Vicariat geziemend nachzusuchen. Da aber Unsre Unterthanen ohne Unsre landesherrliche Authorisation an keinen Vorgesetzten irgend einer A r t gewiesen werden können; so hat der nominirte Pfarrer von der erhaltenen institutione authorizabili bei Unsrer Regierung die Anzeige zu machen u n d diese w i r d 6. die Einführung eines neuen Pfarrers i n sein A m t i n der A r t anordnen, daß solche i n die Kirche von einem Vicariats-Kommissario i n Gegenwart Unsrer Lokalbeamten geschiehet, und dem erstem die Übergabe der Schlüssel der Kirche, des Tabernakels, des Taufsteins, der Besitz der Beichtstühle u n d der Kanzel, als Folge einer ganz spirituellen Sache, lediglich überlassen bleibe, daß hingegen die Vorstellung desselben i n dem Pfarr- u n d Schulhause durch Unsere Beamten i n Gegenwart des Vicariats-Kommissarii vollzogen werden. 7. Die L i t u r g i e u n d ritus sacros betreffend, so gehören solche ausschließlich zum Wirkungskreis des Bischofs, wohingegen 8. die Anordnung der Fest- und Fasttäge und öffentlichen Gebete, 9. der i n - u n d außer Landes gehenden Prozessionen, 10. die Bestimmung der Zeit des Gottesdienstes — insoweit eine Abänderung oder neue Einführung stattfinden soll — das vordersame landesherrliche Placet allerdings erfordert, ohne welches keine Neuerung i m Staate vorgehen darf, da hier die Rede von Fällen ist, welche m i t der öffentlichen Ordnung V e r bindung haben. 11. Die Führung der Pfarr-Protokollen, Tauf-, Sterb- und Eheregister bleibt einsweilen i n der hergebrachten A r t den Pfarrern überlassen, W i r behalten Uns aber Unsere landesherrliche Verordnung bevor, i n welcher A r t jene Protokolle i n Z u k u n f t geführt werden sollen, u m als hinreichende Beweisstücke zu gelten, und zugleich gegen Brand und sonstiges Verkommen gesichert zu werden. Ebenso überlassen W i r

102 4. Kap.: Anfänge der kirchlichen Neuordnung i n Südwestdeutschland 12. die V e r w a l t u n g der geistlichen Güter, die Verwendung der Kircheneinkünfte der bestehenden Anordnung, werden jedoch als Advocatus Ecclesiae auf die A r t ihrer V e r w a l t u n g u n d ihre zweckmäßige Anwendung wachen, gehörige Einsicht davon nehmen und erforderlichen Falls das Nöthige verfügen. 13. A l l e Kirchen und geistliche Personen, sowie die Klöster sind der bischöflichen Aufsicht untergeordnet, u n d die landesherrliche Gewalt w i r k e t dabei weiters nicht, als oben ad B. i n Betreff der Visitation der Diöcesen bestimmt worden. I n gleicher A r t verbleibt 14. die Aufsicht über Kirchendiener u n d Schullehrer wie bisheran, auch ferner den Pfarrämtern überlassen, u n d da die Kirchendiener auch meistens Schullehrer u n d i n dieser Eigenschaft Staatsdiener sind, so behalten W i r Uns bevor, solche Vorschriften zu erlassen, welche die Pfarrer i n den Stand setzen, die Schullehrer zu ihrer Schuldigkeit, sowohl i n dem einen, als andern Fach, m i t gutem Erfolg hier anzuhalten. ad C. [die bischöfliche Jurisdiktionsgewalt]

wollen w i r

1. die bischöfliche Gerichtsbarkeit über die Geistlichen i n ihren Amtssachen auf das Kräftigste unterstützen und der bischöflichen Erkenntniß bleiben 2. die nöthig scheinende Interdicta, Suspensiones, Amotiones a Benefìcio, das Jus carceris episcopalis, die Errichtung domus demeritorum et domus emeritorum u n d überhaupt die i n concilio tridentino bestimmte sonstige geistliche Strafen lediglich überlassen. Was dahingegen 3. die C i v i l - und Profan-Klagen u n d weltlichen Hechtsstreitigkeiten betrifft, so werden solche v o n nun an vor Unsre weltlichen Gerichte gezogen, dergestalten jedoch, daß Unser Justizsenat zu Ehrenbreitenstein f ü r alle Geistliche (mit Ausnahme der Kirchendiener u n d Schullehrer, welche den betreffenden Ä m t e r n untergeben werden) als erste Instanz andurch angeordnet w i r d . Eine Folge dieser Gerichtsbarkeit sind die Obsignationen bei Sterbfällen, die I n ventarisationen bei Verlassenschaften und Konkursen. Bei Sterbfällen sind jedoch die Obsignationen von den betreffenden Ä m t e r n a commissione perpetua ohne Zulassung irgend einer andern Behörde vorzunehmen, bei der Inventarisation i n Pfarr- u n d Benefizialhäusern aber ein Vikariats-Deputirter zuzuziehen, u n d diesem sind die i n das Pastoral- oder Beneficial-Amt einzuschlagenden Papiere auszuhändigen. 4. Sind die Matrimonialsachen n u r dann als causae ecclesiasticae zu betrachten, w a n n die Ehe nicht als ein bürgerlicher K o n t r a k t , sondern als ein Sakrament angesehen w i r d . I n diesem Falle sind solche nur dem Erkenntniß des Bischof es untergeordnet; i n allen Fällen aber, wo nicht von einem Impedimento canonico u n d eigenen Religionsgesetzen die Frage ist, sind dieselben blos von dem weltlichen Richter zu entscheiden. 5. Causae beneficiorum, j u r i s Patronatus et Decimarum sind von nun an unter keinem V o r w a n d v o r ein geistliches Gericht zu ziehen, und sollte i n Hinsicht der Neubruch- oder Novalzehnten, welche die Pfarrer i n hiesigen Landen zu beziehen, das uralte Recht haben, ein Streit entstehen, so ist solcher bei dem weltlichen Richter ein- und auszuführen.

V I . Religionsedikte für Nassau-Weilburg und Nassau-Usingen

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6. Die Eheversprechungssachen, als maxime connexae cum Sacramento m a t r i m o n i i gehören an und für sich zur geistlichen Gerichtsbarkeit; allein da hierüber eine Verordnung besteht, nach welcher n u r die vor dem Pfarrer u n d zweien Zeugen eingegangne Sponsalia giltig sind, so kann auch dieserhalb kein Rechtsstreit mehr entstehen; und W i r belassen es sofort auch bei dieser Verordnung lediglich. W i r befehlen diesem nach allen Unseren geistlich- und weltlichen U n t e r thanen hiemit gnädigst, u n d wollen, daß von ihnen dieser Unsrer E d i k t a l Verordnung i n allen Punkten k ü n f t i g h i n gehorsamst nachgelebet und hierauf ihrem Eid und Pflichten gemäß unabbrüchig festgehalten werde . . .

Fünftes Kapitel Die Kirchenfrage auf dem W i e n e r K o n g r e ß I . D i e F o r d e r u n g e n der k a t h o l i s c h e n K i r c h e Durch die nach den Befreiungskriegen geschlossenen Pariser Friedensverträge von 1814 und 1815 1 wurden die im Frieden von Lunéville und später an Frankreich abgetretenen linksrheinischen Gebiete wieder mit Deutschland vereinigt. Die Wortführer der katholischen Kirche sahen damit die Voraussetzungen der Säkularisation als hinfällig an2. Auf dem Wiener Kongreß forderten die Vertreter des deutschen Episkopats, die drei Oratoren Wamboldt 3, Helfferich 4 und Schiess, zwar nicht die Wiederherstellung der Landeshoheit der früheren Geistlichen Reichsfürstentümer, wohl aber die Wiederherstellung der katholischen Kirche Deutschland in ihrem alten Kirchengut und in ihren vollen geistlichen Rechten (Nr. 45).

N r . 45. Denkschrift der Oratoren v. Wamboldt, Helfferich und Schies über die Ansprüche der katholischen Kirche Deutschlands v o m 30. Oktober 1814 (J. L. Klüber, Acten des Wiener Congresses, Bd. 1 Heft 2, 1815, S. 28 ff.) Teutschlands katholischer Kirche verdankt das Vaterland, u n d selbst der grössere Theil des übrigen Europas, seine Religion und Cultur. Das Vaterland hat die hohen Verdienste seiner ehrwürdigen Kirche nicht verkannt. Seit langen Jahrhunderten steht sie da, als ergänzender Theil einer beglückenden Verfassung. I h r Ansehen, i h r Einfluß, ihre Rechte u n d i h r 1 Erster Pariser Frieden v o m 30. M a i 1814; Zweiter Pariser Frieden vom 20. November 1815. Texte: G. F. v. Martens, Nouveau Recueil de traités (1817 ff.) Bd. I I S. 1 ff., 682 ff. 2 Rechtliche B i t t e n und ehrfurchtsvolle Wünsche der K a t h o l i k e n Teutschlands (J. L. Klüber, Acten des Wiener Congresses, Bd. 1, Heft 2, 1815, S. 80 ff.); sowie Denkschrift f ü r die Kirche des katholischen Teutschlands, betreffend die Zuziehung ihrer Repräsentanten auf dem Congress, bei Berathung der teutschen Angelegenheiten, soweit diese Kirche dabei interessiert ist, vom 1. März 1815 (ebenda, Bd. 2, S. 255 ff.). 3 Franz Christoph v. Wamboldt (1761 - 1832), Domdechant i n Worms, Domkapitular i n Aschaffenburg. 4 Joseph Anton Helfferich (1762 - 1837), Dompräbendar i n Speyer, Domkapitular i n Bamberg. 5 Karl Schies (1764 - 1823), Advokat und Hofkammerrat in Mannheim.

I. Die Forderungen der katholischen Kirche

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Eigenthum sind anerkannt, geehrt u n d f ü r unantastbar erkläret, die Reinheit ihrer göttlichen Lehre bewahret, u n d der Glaube u n d das Gewissen gesichert. Die zerstörende Revolution, welche i n unserer Zeit von Frankreich ausgegangen war, u n d fast alle Theile Europas entzündete, hat alle G r u n d p r i n cipien der bürgerlichen Gesellschaft ergriffen, und i n ihrem Geiste hat sie vorzüglich Teutschlands katholische Kirche zerstöret. Nachdem das Vaterland i n langen und unglücklichen Kriegen die Beute des Feindes geworden war, konnte es den nöthigen u n d lange ersehnten Frieden n u r m i t den schwersten Aufopferungen u n d Vernichtung seiner Verfassung erkaufen. Der Ersatz f ü r das Verlorene wurde auf geistliche Staaten angewiesen, u n d die Säcularisation aller geistlichen Besitzungen als Grundsatz der Entschädigung sanctionirt. M i t der Abtretung der l i n k e n Rheinseite sah nun Teutschland alle seine vorzüglichsten Erz- u n d Bisthümer, seine Domcapitel und Collegiatstifter, Abteyen u n d wohlthätigsten Institute zerfallen, u n d von allen diesem Vermögen blieb der so w o h l fundirten Kirche nichts übrig, als zum T h e i l die AlmosenSpende eines kärglichen Lebensunterhaltes f ü r ihre vorhandenen Diener. Selbst die ausdrückliche Stipulation des Reichsdeputationsschlusses von 1803, „daß die Güter der teutschen Kirche, wenigstens zum T h e i l zur Verwendung u n d Dotation der Bischöfe u n d ihrer Capitel dienen sollen" 6 , hat die fortwährende Zerrüttung bisher noch unausgeführt gelassen. Gegenwärtig haben die gesegneten Waffen der höchsten Verbündeten die linke Rheinseite dem teutschen Vaterlande wieder gegeben, und daher die proclamirte Ursache der Säcularisation der geistlichen Staaten aufgehoben. Die säcularisirten geistlichen F ü r s t e n t ü m e r könnten demnach v o r dem unpartheiischen T r i b u n a l der Gerechtigkeit auf die Restitution ihres vorigen Zustandes, ihrer Dignitäten und Rechte, den gültigsten Anspruch machen, u m so mehr, als es der Weisheit erleuchteter Staatsmänner nicht entgehen kann, daß dem wohlthätigen Berufe der Religion nie nöthiger gewesen ist, i m Besitz der erforderlichen K r a f t und M i t t e l zu seyn, u m der göttlichen Lehre Christi wirksamen Eingang zu verschaffen, das entartete Zeitalter wieder zur Religion zu erheben, zur Ehrfurcht gegen seine Regenten, und zum Gehorsam gegen die Gesetze zurückzuführen. Allein, die teutsche Kirche, stets ergeben i n den anbetungswürdigen W i l l e n der Vorsehung, glaubt i n dem wichtigen Zeitpunkt eines zur Wiederherstellung der Ordnung und Gerechtigkeit vereinigten Congresses, wenigstens verpflichtet zu seyn, vorzüglich jene Rechte vindiziren u n d reclamiren zu müssen, welche i h r nicht von einer weltlichen Gewalt, sondern von Gott m i t dem ausschließlichen Befehl übertragen worden sind: Regere Ecclesiam Dei. I. Die kath. Kirche, während sie i n ihren Tempeln, vor den Stufen ihrer Altäre, dem Gott der Heerscharen für den T r i u m p h der errungenen Freiheit der Nationen ihre Dankgebete darbringt, beweint den elenden Zustand ihrer V e r waistheit, die fremden Eingriffe i n ihre wohlthätige Kirchengewalt, ja sogar i n ihre Dogmen, Gesetzgebung und Jurisdiction. 6

§ 35 R D H (oben Nr. 5).

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5. Kap.: Die Kirchenfrage auf dem Wiener Kongreß

1. Ihre bischöflichen Stühle sind fast alle leer 7 . Ihre Capitel, ein wesentlicher Bestandtheil der teutschen Kirchenverfassung u n d Freiheit, aufgelöset, deren Prälaten zerstreut, ihrem Berufe entzogen, oder veraltet u n d gestorben. 2. Die Grenzen der Diöcesen sind i n den Staaten des rheinischen Bundes w i l l k ü h r l i c h nach der Veränderlichkeit der weltlichen Landesgrenzen, größtent e i l s verrückt. 3. Jene religiösen Institute, welchen die Seelsorge und der öffentliche Gottesdienst seine Aushülfe, das Reich der soliden Wissenschaften u n d die Geschichte eine reiche Ausbeute, das ermüdete A l t e r u n d Verdienst seine Ruhe, der A r m e seine Labung, der Unglückliche Trost, der K r a n k e u n d Sterbende die sorgsamste Pflege, und der europäische Wanderer die brüderliche Gastfreundschaft verdankt, sind vernichtet, u n d ihre alten Bewohner beiderlei Geschlechts zum größten T h e i l i n eine Welt hinausgestoßen, die ihrem zurückgezogenen u n d betrachtenden Leben durchaus fremd ist. 4. Die Diener der Kirche sahen sich, immer mehr und mehr, i n Ausübung ihres Amtes den Verfügungen der weltlichen Gewalt i n allen Beziehungen unterworfen. — Der Drang der Zeiten ließ alle Klagen u n d Vorstellungen ohne Erfolg. Über die Vorsteher und Diener der Kirche schien die Vorsehung die härtesten Prüfungen verhängt zu haben. Sie duldeten ohne Murren, i m Geiste ihres göttlichen Stifters, nach dem grossen Beispiele des heiligen Vaters. Der Geschichte bleibt es überlassen, alle Zerstörungen der verwichenen U n glücksEpoche aufzuzeichnen. — Die Kirche sieht n u r jetzt der Wiederherstellung der gesellschaftlichen Ordnung u n d Grundsätze entgegen, welche die Fürsten Europas m i t vereinter K r a f t und m i t hoher Weisheit zurückgeführt haben, u n d die sie jetzt durch einen dauerhaften Frieden zu befestigen eben i m Begriffe sind. I n diesem grossen Momente verdient die kath. Kirche eine vorzügliche Berücksichtigung. Zu ihrer beglückenden Lehre bekennt sich der grössere Theil dieser denkenden Nation, — nach ihrem angestammten Frömmigkeitssinn, durchdrungen von der Überzeugung, daß zu dem Seyn u n d Wesen ihrer Kirche die Unabhängigkeit i n der V e r w a l t u n g ihres Hirtenamtes, ihrer geistlichen Gerichtsbarkeit, die freie W a h l ihrer Bischöfe, die Erziehung, B i l d u n g und Anstellung ihrer Diener gehört. N u r ein leichtsinniger u n d v e r w i r r t e r Zeitgeist konnte die Heiligkeit dieser Grundsätze verkennen, die traurigen Folgen aber, welche diese Verkennung, und die I r r t h ü m e r des Zeitgeistes nach sich gezogen haben, sind der beste Beweis, wie dringend nothwendig es sey, die teutsche kath. Kirche i n ihre alte Würde und i n i h r wohlthätiges Ansehen wieder herzustellen. Die teutsche Kirche vertraut hierin nicht allein auf die fromme Gerechtigkeit ihrer katholischen Fürsten, sondern auch auf den gerechten Sinn und die Weisheit jener 7 Von den 17 rechtsrheinischen ehemaligen Reichsbistümern (oben S. 15) waren 1815 n u r acht rite besetzt: Regensburg und Konstanz: beide Fürstprimas v. Dalberg (oben S. 22); Hildesheim und Paderborn: beide Franz Egon Frh. v. Fürstenberg (unten S. 213); Eichstätt: Joseph Graf Stubenberg (unten S. 192); Corvey: Ferdinand v. Lüning (unten S. 213); B r i x e n : Franz Karl Graf Lodron (1748 - 1828; Bischof 1791 - 1828); Trient: Emanuel Graf Thun-Hohenstein (1763 bis 1818; Bischof 1800 - 1818).

I. Die Forderungen der katholischen Kirche

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Regenten, die einer andern Confession zugethan, deren Scepter aber Millionen katholischer Christen unterworfen sind. 1. Die Gemüther der Gläubigen werden bei der Beeinträchtigung ihrer Kirche, bei der Abhängigkeit ihrer Oberhirten u n d Lehrer entweder i n ihrem religiösen Gefühl beunruhigt u n d mißtrauend, oder kalt gegen alles Heilige u n d Ehrwürdige. 2. Ist einmal der Mensch i n seiner Religion, i n seinem innern Frieden gestört — oder gleichgültig f ü r seinen Glauben u n d seine Hoffnung, dann k a n n die gefährliche W i r k u n g auf den Bestand der äusseren Ruhe nicht mehr zweifelhaft seyn. I n beiden Fällen gebietet demnach das Unglück, welches aus dem verwaiseten Zustande die Wohlfahrt des Staates m i t jedem Tag bedroht, daß der w ü r dige Bedacht genommen werde: a) auf die vor allen Dingen nothwendige Besetzung der bischöflichen Stühle ; und b) auf die weise Ergänzung ihrer KathedralCapitel, so wie sie f ü r den beständigen Rath der Bischöfe u n d deren W o h l geeignet seyn müssen. Da hievon die Wiederherstellung der verfallenen KirchenDisciplin, die E i n richtung der Seminarien, die sorgfältige Erziehung u n d Bildung der Geistlichen, die Aufsicht über den Clerus, u n d die Leitung des religiösen U n t e r richts i n den Schulen, somit das ganze Fundament der Wohlfahrt der Kirche u n d des Staats, vorzüglich abhängt, so ist höchst dringend, f ü r die Besetzung der bischöflichen Stühle, ohne Aufschub, Vorsehung zu treffen. A. I n dem gegenwärtigen Zustande der teutschen Kirche fällt das Recht und die Verbindlichkeit ohnehin unbezweifelt auf das Oberhaupt der allgemeinen Kirche, für diesen Fall u n d vermöge seiner Autorität, f ü r die Besetzung der bischöflichen Stühle, nach den Bedürfnissen der Zeit, durch die W a h l neuer Bischöfe die weise Vorsehung zu treffen. Dieses w i r d nicht n u r das zureichende M i t t e l seyn, die Gemüter der Gläubigen zu beruhigen, sondern auch den beiderseitigen wesentlichen Verhältnissen und Erfordernissen der Kirche und des Staats vollkommene Genüge zu leisten, deren wahre Zwecke so i n n i g verbunden sind. B. Sind auf solche A r t die verwaiseten Stühle wieder m i t vaterländischen Bischöfen besetzt, so w i r d es weniger schwer seyn, die KathedralCapitel wieder herzustellen u n d so zu ergänzen, daß sie fähig sind, ihren Offizien u n d Obliegenheiten Genüge zu leisten, daß sofort aus deren M i t t e u n d freier Wahl, würdige Bischöfe unter den erforderlichen Eigenschaften für die Z u k u n f t hervorgehen können; wie es sowohl den canonischen Vorschriften gemäß, als auch i n den Sitten und Gewohnheiten dieser biedern Nation seit so vielen Jahrhunderten gegründet ist, deren katholischer Theil diese freie und canonische Wahl der Bischöfe durch die Capitel, als das kostbarste Privilegium der germanischen Kirche betrachtet. U m n u n alle diese Hindernisse zu entfernen, welche der Freiheit der teutschen Kirche seither i m Wege gestanden, und sowohl die Wiederherstellung derselben zu bewirken, als auch die Gefahr, welche auf jedem längern Verzug haftet, zu beseitigen, bietet sich kein gerechteres, beruhigenderes, u n d zugleich angemesseneres M i t t e l dar, als die Gerechtigkeit u n d Frömmigkeit der allerhöchsten Mächte devotest zu imploriren, u m vordersamst auszusprechen:

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5. Kap.: Die Kirchenfrage auf dem Wiener Kongreß

a) daß die kath. Kirche wieder i n ihre eigenthümliche Rechte eingesetzt, und i n dem Besitz ihrer Rechte, m i t Inbegriff der freien W a h l der Bischöfe durch die Capitel, gegen jeden fremden Eingriff erhalten u n d gesichert werde; b) daß demnach die Verhältnisse der Kirche zum Staate, was die Ausübung der kirchlichen Rechte betrifft, ohne Rücksicht auf alle zum Nachtheil derselben statt gefundenen Neuerungen, i n jenen Zustand wieder herzustellen seyen, wie sie früher i n Teutschland bestanden haben; u n d c) daß jener Grundsatz — der alten teutschen Kirchenfreiheit — bei allen über diesen Gegenstand noch w e i t e r h i n zu treffenden Bestimmungen, als die Grundlage aufgestellt und angenommen werden solle. II. Teutschlands kath. Kirche reclamirt i h r Eigenthum 8 , auf welches sie nie Verzicht leisten darf. Wenn diese Reclamation jedem Privatmann erlaubt ist, so kann sie u m so weniger jener ehrwürdigen M u t t e r übel gedeutet werden, die keinen andern Gebrauch von ihrem Vermögen macht, als zur Beglückung der Menschen. Die teutsche Kirche reclamirt demnach: a) alle ihre kirchlichen Besitzungen, welche noch nicht veräussert sind ; b) ihre veräusserten Besitzungen, i n so weit sie nach den bestehenden Rechtsprinzipien und Gesetzen einlösbar sind; c) i n Ansehung des Restes ihres Eigenthums, vertraut sie auf die Gerechtigkeit der höchsten Regenten, daß der zureichende Ersatz durch angemessene Entschädigungen, i n unbeweglichen Besitzthümern, wenigstens i n so weit geleistet werde, als zur Fundation der Bisthümer, ihrer Capitel, Seminarien, Pfarreien, so wie ihrer kirchlichen und wohlthätigen Institute, nothwendig und erforderlich ist. Was die Kirche hier zurückfordert, war, und ist noch i h r Eigenthum, das als solches, selbst i n der Meinung aller rechtlichen Menschen geehrt wird. — I n so weit diese Kirchengüter noch nicht veräussert sind, berührt ihre Rückerstattung das bürgerliche Eigenthum nicht. Da, wo die geforderte und anerkannte Restitution zur Ehre des Rechts und des Gesetzes geboten w i r d , können sich die Besitzer i n ihrem Gewissen f ü r rechtmäsige Eigenthümer ohnedieß nicht halten. Wenn aber auch der Rechtsgrundsatz der vollen Wiedererstattung, von dem T r i b u n a l einer rücksichtslosen Gerechtigkeit i n seiner Strenge ausgesprochen werden müßte, so verbürgt der milde Geist, der zum Wesen der Kirche gehört, jede billige Mäsigung i n der Anwendung. Die Kirche besitzt i h r Eigenthum n u r zum Wohl und Glück der Völker. — Ihrer hohen Bestimmung genügt die Ausübung der Liebespflichten jeder A r t . Bei i h r findet jeder Stand u n d jede Classe erleichternde Unterstützung zum edlen Beginnen. Erziehung der Jugend, Bildung ihres Geistes und Herzens, 8 Geltend gemacht w i r d dagegen nicht die Landeshoheit i n den ehemaligen geistlichen Reichsfürstentümern, die nicht als Recht der Kirche, sondern seit der Beendigung des Investiturstreits (Wormser Konkordat 1122) als ein vom Kaiser übertragenes weltliches A m t anerkannt ist.

I I . Vorschläge des Generalvikars Wessenberg

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Leitung ihrer Studien i n den Grundwissenschaften, gehören i n den Umkreis ihrer wesentlichen Pflichten. Durch Ausübung der Gerechtigkeit f ü r die wohlthätigen teutschen KirchenAnstalten, kann demnach der Staat, nicht anders, als die wichtigsten Vortheile gewinnen. Der Sinn der Völker zu frommen Thaten w i r d wieder gewonnen; ihre Gemüther werden fortan der Wahrheit, dem Rechte und der Billigkeit wieder huldigen, und so der Z u k u n f t ein biederes Geschlecht i n Tugend und teutscher K r a f t bereitet werden. I n der Harmonie gerechter u n d frommer Regenten m i t der heiligen Kirche, werden die Nationen das Glück eines väterlichen Regiments ehren und lieben, w i r d sich der Grundsatz des Evangeliums nach seinen heilbringenden W i r k u n gen f ü r die allgemeine Wohlfahrt i m m e r mehr bewähren: zu geben dem Kaiser was des Kaisers u n d Gott was Gottes ist.

I I . D i e Vorschläge des G e n e r a l v i k a r e Wessenberg Vertreter des Erzbischofs Dalberg auf dem Wiener Kongreß war der Konstanzer Generalvikar Frhr. v. WessenbergIn drei Denkschriften (Nr. 46, 47, 48) entwickelte er Vorschläge über eine Neuregelung der katholischen Angelegenheiten. Wessenberg verfaßte die Denkschriften, nachdem Papst Pius VII. in einem Breve vom 2. November 1814 Dalberg aufgefordert hatte, den Generalvikar aus seinem Amt zu entfernen. Die badische Regierung versagte jedoch dem päpstlichen Entlassungsdekret das Plazet 2. N r . 46. Denkschrift des Generalvikars F r h r . v. Wessenberg über die Begehren der katholischen Kirche i n Deutschland hinsichtlich der Bundesakte v o m 27. November 1814 (J. L. Klüber, Acten des Wiener Congresses, Bd. 4,1815, S. 299 ff.) Daß die Religion die haltbarste Grundlage der Staaten u n d ihrer Wohlfahrt sey, gehört zu den Wahrheiten, die allgemein anerkannt sind. Wenn gleich das Christenthum auf das höhere Ziel der ewigen Seligkeit i n einer andern Welt gerichtet ist, so befördert es dennoch zugleich das Glück der gegenwärtigen. I h m verdankt insbesondere Teutschland seine Unabhängigkeit, Civilisation und K u l t u r ; und es w a r die angelegentlichste Sorge Carls des Grossen, der teutschen Nation diese unschätzbaren Wohlthaten durch feste Begründung der kirchlichen Einrichtungen dauerhaft zu versichern. Zehn Jahrhunderte haben die Weisheit dieser Fürsorge bewährt. Aber seit zwölf Jahren befindet sich die teutsche Kirche, welche bis dahin des höchsten Glanzes genoß, i n einem Zustande von Verlassenheit, welcher i n der Geschichte 1

Ignaz Heinrich Frhr. v. Wessenberg (1764 - 1860), seit 1792 Domkapitular i n Konstanz und Augsburg, 1802 Generalvikar i n Konstanz, 1817 - 1827 Bistumsverweser daselbst. 2 Siehe unten S. 227 ff.

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5. Kap.: Die Kirchenfrage auf dem Wiener Kongreß

ohne Beispiel ist. I h r Vermögen ist i h r entrissen, ihrer uralten Verfassung fehlt es an gesetzlichem Schutz; ihre wesentlichsten Anstalten sind ohne gesichertes Einkommen, selbst jene frommen u n d milden Stiftungen, deren E r haltung der § 65 des Reichsdeputations-Hauptschlusses von 1803 angeordnet hatte 3 , sind seither zum T h e i l w i l l k ü h r l i c h ihrem Zwecke u n d ihrer stiftungsmäsigen V e r w a l t u n g entzogen worden; die Bisthümer stehen größtentheils verwaiset 4 , die Domcapitel sterben aus; ihre den Kirchengesetzen entsprechende Wirksamkeit ist gehemmt; überhaupt gebricht es, bei der eingetretenen Unbestimmtheit der Grenzen zwischen der geistlichen u n d weltlichen Macht, den Behörden, welchen die Ausübung der erstem übertragen ist, an dem A n sehen und der Unterstützung, deren sie zur Handhabung guter Kirchenzucht bedürften. Der Nachtheil dieser Zerrüttung und Auflösung der kirchlichen Verhältnisse f ü r das wahre Wohl der teutschen Staaten, läßt sich unmöglich verkennen, aber kaum berechnen. Von der Nation längst ausgesprochen u n d äußerst dringend, ist das Bedürfniß der baldigen Aufstellung einer solchen Kirchenverfassung i n den teutschen Ländern, welche geeignet ist, ihre kirchlichen Anstalten, von denen der E i n fluß der göttlichen Religion auf die öffentliche Wohlfahrt vorzüglich abhangt, neuerdings fest zu begründen. Z u diesem Endzweck begehrt die katholische Kirche i n Teutschland i h r Eigenthum 5 ; sie begehrt noch dringender ihre Verfassung, ihre ursprünglichen Rechte, ihre Freiheit zurück. Die Veranlassung der Secularisation, nämlich der Verlust der teutschen Länder auf dem l i n k e n Rheinufer, ist durch die Wiedervereinigung dieser Länder m i t Teutschland beseitigt. Die Grundsätze der Zerstörung, denen auch die Güter u n d die Freiheit der Kirche zum Raub geworden sind, haben die vereinigten Anstrengungen der Völker Europens besiegt. Die Monarchen haben sie feierlich geächtet. Von den hohen verbündeten Mächten, welchen es m i t göttlichem Beistande so glücklich gelungen ist, Teutschland von der auswärtigen Unterdrückung zu befreien, darf Teutschland auch, m i t voller Zuversicht, die väterlich wirksame Verwendung f ü r Herstellung wohlthätiger kirchlicher Verhältnisse erwarten. Diese Wohlthat w i r d dem i m Vertrauen auf Gott unternommenen Werke die Krone aufsetzen, u n d der katholische T h e i l der teutschen Nation w i r d erst dann vollkommene Beruhigung erhalten, wenn die politische Verfassung nicht n u r der bürgerlichen Freiheit, sondern auch der Freiheit des Gewissens, durch feste Begründung u n d kräftige Beschirmung seiner Kirche, dauerhafte Sicherheit gewährt. Der protestantische Theil der teutschen Nation ist gewiß weit entfernt, diesen Gesinnungen seiner katholischen Mitbürger den Beifall zu versagen. Als Stimme der ganzen teutschen Nation w i r d demnach der ehrerbietige A n t r a g anzusehen sein, daß i n die Urkunde des teutschen Bundes nachstehende Bestimmungen aufgenommen werden möchten: 3

Oben Nr. 5. Oben S. 106 A n m . 7. Auch hier w i r d n u r die Restitution des Kirchenguts, nicht die der Landeshoheit i n den ehemaligen Geistlichen Reichsfürstentümern verlangt. 4

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I I . Vorschläge des Generalvikars Wessenberg

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„ F ü r die kanonische Einrichtung und Dotirung, u n d für die gesetzliche Sicherstellung der katholischen Kirche, ihrer Erz- u n d Bisthümer, i m Umfange des teutschen Bundes, w i r d durch ein m i t dem päpstlichen Stuhl ehestens abzuschließendes Concordat fürgesorgt werden. Die Einleitung dazu w i r d der obersten Landesbehörde übertragen. Das Concordat, sobald es förmlich abgeschlossen ist, w i r d einen wesentlichen Bestandtheil der Verfassung des teutschen Bundes ausmachen, u n d es w i r d unter den Schutz der Verfassung der obersten Bundesbehörde u n d des Bundesgerichtes gestellt, i n dessen Umfange alle Bisthümer zusammen ein Ganzes, als teutsche Kirche unter einem Primas, bilden werden. Die i n Teutschland bestandenen Bisthümer und Domkapitel sollen, so viel möglich, jedoch m i t Vorbehalt einer angemessenen Berichtigung der DiöcesanGrenzen, auch nach Erforderniß, der Versetzung eines alten Bischofsitzes, oder der Errichtung eines neuen, erhalten werden. Z u r Dotation derselben, wie auch der dazu gehörigen Anstalten, insbesondere der Seminarien, werden ihre noch vorhandenen Güter bestimmt. Diese Dotation soll aus liegenden Gründen, m i t dem Recht eigener selbständiger Verwaltung, bestehen. Der rechtmäsige Besitzstand aller Pfarr-, Schul- u n d Kirchengüter, w i r d feierlich garantirt; und es soll darüber ohne Beistimmung der Kirche keine Verfügung getroffen w e r den können. Auch sollen alle diejenigen frommen u n d milden Stiftungen ohne Ausnahme, die durch den § 65 des ReichsDeputationsHauptschlusses von 18036 bezeichnet sind, hergestellt, und für ihre frommen u n d milden Zwecke erhalten werden; von Seite des Staats aber soll den stiftungsgemäsen Verwaltungsrechten kein Abbruch geschehen, sondern voller Schutz verliehen, — überhaupt soll die freie Wirksamkeit der katholischen Kirchenbehörden von den Staatsbehörden keineswegs beeinträchtiget, sondern vielmehr kräftigst geschützet werden." Die jetzt lebende Menschheit und die späteste Nachwelt w i r d die erhabenen Monarchen dankbar segnen, welche, indem sie sich als Werkzeuge der göttlichen Vorsehung zum Besten der teutschen Völker betrachten, i h r besonderes Augenmerk darauf richten, daß Gott gegeben werde, was Gottes ist 7 , damit die Kirche auch i n Teutschland wieder aufblühe, und sich i n den Stand gesetzt sehe, die Bürger zu allen Tugenden, welche die Lebensgeister der öffentlichen Glückseligkeit sind, zu erziehen. N r . 47. Denkschrift des Generalvikars F r h r . v. Wessenberg über die Stellung der Bischöfe und D o m k a p i t e l v o m 27. November 1814 (J. L. Klüber, Acten des Wiener Congresses, Bd. 4,1815, S. 304 f.) Die Errichtung von Landständen i n allen Staaten des teutschen Bundes soll, der allgemeinen Versicherung nach, ein wesentlicher Bestandtheil der Verfassung werden, welche Teutschland so sehnlich und zuversichtlich erwartet. Die Theilnahme an der Wohlthat einer solchen Einrichtung, welche nicht nur zur Befriedigung der gerechten Wünsche der Völker, sondern auch zur 6 7

Oben Nr. 5. Lukas 20, 25.

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5. Kap.: Die Kirchenfrage auf dem Wiener Kongreß

Befestigung der Thronen dienen w i r d , kann b i l l i g auch die teutsche Kirche i n Anspruch nehmen, indem die Bischöfe sich bis zum Jahr 1803 i m Besitze der ersten Stellen unter den Reichsständen u n d Landesherren Teutschlands befanden, u n d nachdem sie das schuldlose Opfer außerordentlicher Zeitumstände geworden sind, w o h l u m so weniger verdienen, andern mediatisirten Reichsständen nachgesetzt zu werden, als der wichtige Einfluß, der den kirchlichen Oberbehörden auf das W o h l der Völker zukömmt, es f ü r den Staat erwünschlich machen muß, sie auch i n politischer Hinsicht m i t ausgezeichnetem Ansehen umgeben zu sehen. Da die Bischöfe u n d Domkapitel m i t Zuversicht hoffen dürfen, i n ganz Teutschland eine ihrer Stellung i n der bürgerlichen Gesellschaft angemessene Ausstattung i n liegenden Gütern, m i t eigener freien Selbstverwaltung, zu erhalten; so w i r d es auch den Wünschen der Völker, dem äussern Ansehen der Religion und dem Interesse der Souveraine entsprechen, daß i n die Urkunde des teutschen Bundes, als allgemein geltender Grundsatz folgende Bestimmung aufgenommen werde: „Die Bischöfe und Domkapitel sollen, nach ihrer gebührenden Dotation, aller Vorrechte der Landstände genießen; es sollen ihnen gleicher Rang und die nämlichen Verhältnisse, i n Hinsicht ihrer Personen u n d Güter, wie den w e l t lichen mediatisirten Reichsständen, eingeräumt werden 8 ."

N r . 48. Vorschlag des Generalvikars F r h r . v. Wessenberg zu einem A r t i k e l der Bundesakte über die katholische Kirche i n Deutschland (November/Dezember 1814) (J. L. Kliiber,

Acten des Wiener Congresses, Bd. 4, 1815, S. 306)

Die i n Teutschland bestandenen Bisthümer sollen i n so weit erhalten werden, als es m i t dem Bedürfnisse einer Berichtigung der DiöcesanGrenzen, oder auch der Versetzung eines alten Bischofsitzes, oder der Errichtung eines neuen vereinbarlich ist. Die Dotation der Bischöfe, der Domkapitel und der andern dazu gehörigen Anstalten, insbesondere der Seminarien, w i r d i n liegenden Gründen, m i t dem Recht eigener selbständiger Verwaltung, bestehen. Das M i n i m u m der Dotation eines Bischofs w i r d auf ein jährliches reines Einkommen von 20 000 fl., eines Erzbischofs von 30 000 fl., eines Domkapitels von 20 000 fl. festgesetzt. Die Erz- u n d Bischöfe werden i n jeder Hinsicht den mediatisirten Reichsfürsten gleichgestellt werden. Sie sind i n allen Staaten die ersten Landstände. A l l e Bisthümer des teutschen Bundes bilden zusammen ein Ganzes, unter einem Primas, dessen Vorrechte, ohne Abbruch der geistlichen Gerichtsbarkeit anderer Erzbischöfe, n u r auf die Leitung der allgemeinen Angelegenheiten der teutschen National-Kirche sich beziehen. Ihre Einrichtung wird, nach ge8

Gefordert w i r d auch hier also nicht die Wiederherstellung der Landeshoheit der ehemaligen Reichsbischöfe, sondern n u r ihre Aufnahme i n die künftigen landständischen Versammlungen, gleich den mediatisierten w e l t lichen Reichsständen.

I I I . Die Kirchenartikel der Deutschen Bundesakte

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pflogener Unterhandlung m i t dem päpstlichen Stuhl, ein Gesetz des Staatenbundes bestimmen, m i t dessen Abfassung der oberste Bundesrath sich unverweilt beschäftigen w i r d . Dieses Gesetz w i r d einen wesentlichen Bestandtheil der Verfassung des teutschen Bundes ausmachen, u n d den verfassungsmäsigen Schutz des obersten Bundesraths und des Bundesgerichts erhalten. Der rechtmäsige Besitzstand aller Pfarr-, Schul- u n d Kirchengüter w i r d feierlich garantirt, und es soll darüber nirgend ohne Beistimmung der Kirche gültig verfügt werden können. A l l e diejenigen frommen und milden Stiftungen ohne Ausnahme, die durch den § 65 des Reichsdeputations-Hauptschlusses von 1803 bezeichnet sind, sollen gänzlich wieder hergestellt, und f ü r ihre frommen und milden Zwecke erhalten werden; von Seite des Staats aber soll den stiftungsmäsigen Verwaltungsrechten kein Abbruch geschehen, sondern voller Schutz verliehen werden. I n Ansehung der bei den erz- u n d bischöflichen Vikariaten und Consistorien Angestellten, sollen die nämlichen Grundsätze, welche der ReichsdeputationsHauptschluß von 1803 i n Hinsicht der Anstellung, der Entschädigung u n d der Pensionirung der Staatsdiener festgesetzt hat, volle Anwendung finden.

I I I . D i e K i r c h e n a r t i k e l der D e u t s c h e n B u n d e s a k t e Schon die getrennten Entwürfe Preußens und Österreichs für die Verfassung des Deutschen Bundes (Nr. 49-51) enthielten Artikel über die Stellung von Religion und Kirche. Sie wollten die Grundsätze der Parität und der Toleranz für alle deutschen Staaten festlegen; auch wollten sie die Grundlage der Neuregelung des katholischen und evangelischen Staatskirchenrechts für Deutschland schaffen 1. Der gemeinsame österreichisch-preußische Entwurf (Nr. 52) verband diese Vorschläge in einem Kompromiß. Die Verhandlungen auf den deutschen Konferenzen des Wiener Kongresses 2 führten jedoch dazu, daß die den Bundesvertrag schließenden Regierungen in die Bundesakte vom 8. Juni 1815 nur die Garantie der bürgerlichen Gleichberechtigung der drei christlichen Religionsparteien sowie die Forderung, die bürgerliche Stellung der Bekenner des jüdischen Glaubens zu verbessern, aufnahmen (Nr. 53).

N r . 49. Erster preußischer E n t w u r f einer Bundesverfassung von Anfang A p r i l 1815 (J. L. Klüber, Acten des Wiener Congresses 1814 - 1815, Bd. 1, Heft 4, S. 110) — Auszug — §11. Die katholische Religion i n Teutschland w i r d , unter der Garantie des Bundes, eine so viel als möglich gleichförmige zusammenhängende Verfassung erhalten.

1 2

Z u diesen Entwürfen: Verfassungsgeschichte, Bd. I, S. 545 ff. J. L. Klüber, Acten des Wiener Kongresses 1814 - 1815, Bd. 2, S. 366 ff.

« H u b e r , S t a a t u n d K i r c h e , 1. B d .

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5. Kap. : Die Kirchenfrage auf dem Wiener Kongreß N r . 50. Z w e i t e r preußischer E n t w u r f einer Bundesverfassung v o m M a i 1815 (J. L. Kliiber,

Acten des Wiener Congresses 1814 - 1815, Bd. 2, S. 298 ff.) — Auszug —

§ 9. Abs. 4. Die drei christl. ReligionsParteien geniessen i n allen teutschen Staaten gleiche Rechte, und den Bekennern des jüdischen Glaubens werden, i n so fern sie sich der Leistung aller Bürgerpflichten unterziehen, die derselben entsprechenden Bürgerrechte eingeräumt. §11. Die katholische Religion i n Teutschland, w i r d , unter der Garantie des Bundes, eine so viel als möglich gleichförmige, zusammenhängende, und die zu Bestreitung ihrer Bedürfnisse nothwendigen M i t t e l sichernde Verfassung erhalten. Die Rechte der Evangelischen gehören i n jedem Staate zur Landesverfassung; und Erhaltung ihrer, auf Friedensschlüssen, Grundgesetzen, oder andern gültigen Verträgen beruhenden Rechte, sind dem Schutz des Bundes anvertraut.

N r . 51. österreichischer E n t w u r f einer Bundesverfassung v o m M a i 1815 (J. L. Klüber, Acten des Wiener Congresses 1814 - 1815, Bd. 2, S. 308 ff.) — Auszug — Art. 17. Die Religionsverschiedenheit der christlichen Glaubensbekenntnisse, soll keinen Unterschied i m Genuß bürgerlicher und politischer Rechte begründen. Jeder Confession soll die ausschließliche V e r w a l t u n g der Gegenstände ihres Cultus und ihrer Kirchengelder zustehen. Die Angelegenheiten der katholischen Kirche, sollen m i t dem römischen Hof auf der Versammlung verhandelt werden. Die jüdischen Glaubensgenossen bleiben i m Genuß der bisher erworbenen Rechte, und werden der Erwerbung bürgerlicher Rechte i n so fern fähig erklärt, als sie sich der Leistung aller Bürgerpflichten unterziehen.

N r . 52. Österreich-Preußischer E n t w u r f einer Bundesverfassung v o m M a i 1815 (J. L. Klüber, Acten des Wiener Congresses 1814 - 1815, Bd. 2, S. 314) — Auszug — Art. 14. Die Verschiedenheit der drei christlichen Religions-Parteien, kann i n den Ländern und Gebieten des teutschen Bundes, keinen Unterschied i m Genüsse bürgerlicher und politischer Rechte begründen. Den Bekennern jüdischen Glaubens werden, i n so fern sie sich der Leistung aller Bürgerpflichten unterziehen, die denselben entsprechenden Bürgerrechte eingeräumt, und wo dieser Reform Landesverfassungen ent-

I V . Der Protest der K u r i e gegen die Deutsche Bundesakte

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gegenstehen, erklären die Mitglieder des Bundes, diese Hindernisse so viel als möglich hinwegräumen zu wollen. Art. 15. Die katholische Kirche i n Teutschland w i r d , unter der Garantie des Bundes, eine ihre Rechte, u n d die zu Bestreitung ihrer Bedürfnisse n o t w e n digen M i t t e l sichernde Verfassung erhalten. Die Rechte der Evangelischen gehören i n jedem Staate zur Landesverfassung, u n d ihre auf Friedensschlüssen, Grundgesetzen, oder andern gültigen Verträgen beruhenden Rechte werden ausdrücklich aufrecht erhalten. N r . 53. Deutsche Bundesakte v o m 8. J u n i 1815 (Corpus Juris Confoederationis Germanicae, Bd. 2, S. 1 ff.) — Auszug — Art. 16. Die Verschiedenheit der christlichen Religions-Partheyen k a n n i n den Ländern u n d Gebiethen des deutschen Bundes keinen Unterschied i n dem Genüsse der bürgerlichen und politischen Rechte begründen. Die Bundesversammlung w i r d i n Berathung ziehen, w i e auf eine möglichst übereinstimmende Weise die bürgerliche Verbesserung der Bekenner des j ü d i schen Glaubens i n Deutschland zu bewirken sey, u n d wie insonderheit denselben der Genuß der bürgerlichen Rechte gegen die Übernahme aller Bürgerpflichten i n den Bundesstaaten verschafft u n d gesichert werden könne; jedoch werden den Bekennern dieses Glaubens bis dahin die denselben von den einzelnen Bundesstaaten bereits eingeräumten Rechte erhalten.

I V . D e r Protest der K u r i e gegen die Deutsche B u n d e s a k t e Gegen die Beschlüsse des Wiener Kongresses erhob der päpstliche Legat, der Kardinal-Staatssekretär Consalvi 1, am 14. Juni 1815 feierlichen Protest (Nr. 54). Dieser richtete sich insbesondere dagegen, daß die deutschen Regierungen die Säkularisation der Geistlichen Fürstentümer wie des Kirchenguts nicht rückgängig gemacht und auch im übrigen die alten Rechte der katholischen Kirche nicht in vollem Umfang wieder hergestellt hatten. Am gleichen Tag protestierte Consalvi auch dagegen, daß der Kongreß dem Kirchenstaat die seit 1789 von ihm abgetrennten Gebiete nicht vollständig zurückgegeben hatte 2. Beide Protestationen blieben erfolglos.

1

Siehe oben S. 11 A n m . 5. Protestation vom 14. J u n i 1815 (J. L. Klüber, Actenstücke des Wiener Congresses, Bd. 4, 1815, S. 325 ff.) m i t einer Note vom selben Tag (ebenda S. 319 ff.). 2

8'

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5. Kap.: Die Kirchenfrage auf dem Wiener Kongreß N r . 54. Protest des Kardinalstaatssekretärs Consalvi v o m 14. J u n i 1815 (J. L. Klüber, Acten des Wiener Congresses, Bd. 6,1838, S. 442 ff.) — Ubersetzung —

A l l e n insgesamt sowie den Einzelnen bezeuge ich durch dieses Handschreiben, daß m i r nicht nur die Aufgabe, f ü r die Besitzungen des Heil. Stuhls 3 Sorge zu tragen, v o m Summus Pontifex beim Wiener Kongreß übertragen war, sondern, daß ich auch gemäß dem Geheiß des Heiligsten H e r r n dafür Sorge zu tragen und sorgsam darauf zu achten hatte, daß nicht aus Anlaß der allgemeinen Befestigung des Friedens und der Ordnung der Angelegenheiten i n Europa die deutschen Kirchen u n d der apostol. Stuhl i n ihren Hechten, Immunitäten, Privilegien, Gütern und, was die Hauptsache ist, i m göttlichen K u l t u n d dem Heil der Seelen irgendeinen Schaden nähmen, zuletzt aber daß ich mich m i t allem Eifer darum zu bemühen hatte, daß etwas von dem Schaden, den die Kirche durch die Ungunst der vergangenen Zeiten sowohl i n ihren geistlichen als auch i n ihren zeitlichen Angelegenheiten erlitten hatte, wieder gutgemacht würde. U m diesen Aufgaben zu genügen, überreichte ich — sobald ich erfuhr, daß m i t der A u t o r i t ä t der höchsten i n dieser kaiserlichen und königlichen Stadt versammelten Fürsten eine Kommission m i t der Aufgabe, über die deutschen Angelegenheiten das Nötige i n Erfahrung zu bringen, zu beraten und zu beschließen, eingerichtet worden sei — dem Vorsitzenden dieser Kommission, Fürst von Metternich, am 17. November des vergangenen Jahres 1814 die Forderungen Sr. Heiligkeit i n einer Note, die der gesammten Kommission übergeben werden sollte 4 . I n i h r habe ich alle Veränderungen zusammengestellt, die i n den vorangehenden Jahren unter dem Einspruch unseres heiligsten Herrn (wie veröffentlichte Dokumente zeigen) i n Deutschland vollzogen w u r den, von denen viele durch mehrere Konventionen, vor allem aber durch den Reichsdeputationshauptschluß von 18035 sanktioniert wurden — Veränderungen zum Schaden der Kirchen, der Orte wie der Einrichtungen, und des röm. Reiches selbst. Aus ihnen ergaben sich sehr verderbliche Schäden auch für die geistl. Angelegenheiten der Kirche und f ü r das Heil der Seelen; ebenso entstand ein schwerer Nachteil für die Rechte des Apostol. Stuhls, die während so vieler Jahrhunderte von den Kaisern selbst und den übrigen Fürsten des Reichs anerkannt worden waren. Nachdem ich dies dargestellt hatte, bat ich i m Namen Sr. Heiligkeit, daß u m der Gerechtigkeit und der Weisheit der hervorragenden Fürsten w i l l e n Heilung f ü r solche Übel geschaffen würde. Ich ließ i m übrigen nicht ab, die Gesandten dieser Fürsten zu beschwören, damit sie bei der Wiederherstellung der deutschen Angelegenheiten, der sie sich w i d men sollten, auf die kath. Religion, das Heil der Seelen sowie die Rechte der deutschen Kirchen und des Heil. Stuhls vordringlich Rücksicht nähmen. Was die kirchl. Angelegenheiten betrifft, so weckt der häufiger erklärte geneigte 3 Nämlich des Kirchenstaats, der von Napoleon 1808/09 aufgehoben worden war, auf dem Wiener Kongreß aber als weltlicher Machtbereich des Papstes wiederhergestellt wurde. 4 T e x t : E. Ruck, Die römische K u r i e und die deutsche Kirchenfrage auf dem Wiener Kongreß (1917) S. 115 ff. 5 Oben Nr. 5.

IV. Der Protest der K u r i e gegen die Deutsche Bundesakte

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Wille der Fürsten, die Deutschland regieren, die Hoffnung, es werde gelingen, diese so bald wie möglich gemäß den Vorschriften der kirchl. Gesetze zu regeln und zu ordnen. Was jedoch die zeitlichen Besitzungen der deutschen Kirchen betrifft, so wurde mehreres bei dem Kongreß entweder bestätigt oder i n seinem Fortbestehen gestattet, was den Heil. Vater m i t großem Schmerz erfüllen w i r d . Die zeitlichen Fürstentümer, deren die Kirche in Deutschland beraubt wurde 6 , wurden nicht wiederhergestellt; vielmehr wurden sie den katholischen und akatholischen weltlichen Fürsten zuerkannt; die Güter und Einkünfte des weltlichen Klerus und des Ordensklerus beiderlei Geschlechts, die ein Eigentum der Kirche darstellen, werden, was die neuen Besitzer betrifft, diesen überlassen, ohne daß irgendeine Bestätigung ihres legitimen Besitzes erfolgt wäre; was jedoch den Gebrauch betrifft, zu dem sie bestimmt waren, w i r d gestattet, daß sie diesem entfremdet u n d entzogen bleiben. Das heilige r ö m i sche Reich schließlich, das i n rechtmäßiger Weise das Zentrum der politischen Einheit darstellt und darin durch die Heiligkeit der Religion geweiht ist, wurde i n keiner Weise wiederhergestellt 7 . Da nun der Heiligste H e r r i n der i h n bedrückenden Sorge u m die Herde des H e r r n u n d alle Kirchen, u n d i n der durch seinen E i d bei seiner Erhebung i n den Pontifikat als Vorsteher der Religion übernommenen Verpflichtung, solchen Schaden, der den zeitlichen Angelegenheiten der deutschen Kirchen zugefügt w i r d oder dessen Fortbestand gestattet w i r d — woraus i m übrigen der kath. Sache m i t Notwendigkeit u m so schwerere Nachteile entstehen, als i h r viele und große Schutzmächte genommen werden — nicht m i t Schweigen übergehen k a n n noch zu deren Anerkennung geneigt zu sein scheint, sondern nach der A r t seiner Vorgänger, die gegen v i e l kleinere Verluste der Kirche ihre apostol. Stimme zu erheben nicht versäumten, die Angelegenheiten u n d Rechte der Kirche, soweit es an i h m liegt, i n gutem Zustand zu wahren u n d unverletzt zu erhalten bestrebt ist: so folge ich, dem die Angelegenheiten des Papstes bei diesem Kongreß übertragen sind, dem V o r b i l d anderer Vertreter des Heil. Stuhls, insbesondere dem des Fabio Chigi, des Bischofs von Nardo, des Apostol. Nuntius beim berühmten Kongreß i n Münster i n Westfalen 8 , u n d lege gegen alles, was bei diesem Wiener Kongreß zum Nachteil der Rechte u n d Angelegenheiten der deutschen Kirchen und des Heil. Stuhls bestätigt oder i n seiner Fortdauer gestattet wurde, u n d gegen allen Schaden, der sich daraus f ü r den göttlichen Stuhl und das Heil der Seelen ergibt — was ich, soweit es an m i r lag, zu verhindern versucht habe — i m Namen des Heil. Apostol. Stuhls u n d des Heiligsten Vaters, Unseres Herrn, Pius V I I . , gemäß göttlicher Vorsehung Papst, öffentlich durch diesen Brief u n d auf alle denkbare Weise, Begründung und Form, über die ich gemäß meinem A m t verfüge, Protest, Beschwerde und Widerspruch ein. Zur weiteren Kenntnis dessen, bei den Abwesenden u n d bei den Nachkommen, habe ich diese meine Protestation eigenhändig unterschrieben, m i t meinem Siegel versehen und verlange nachdrücklich, daß sie i n das Protokoll der A k t e n dieses Kongresses eingerückt wird. 6

Dazu oben S. 104 ff. Über die Bemühungen u m die Wiederherstellung des Reichs u n d i h r Scheitern auf dem Wiener Kongreß: Verfassungsgeschichte Bd. I S. 475 ff. 8 Uber den Protest der K u r i e gegen die Friedensverträge von Münster und Osnabrück: oben S. 17 A n m . 2. 7

Sechstes Kapitel D i e G r u n d n o r m e n des S t a a t e k i r c h e n r e c h te der deutschen Einzelstaaten 1 8 1 5 - 1 8 4 0

I . D i e w e i t e r e U m g e s t a l t u n g der Staatsbehörden f ü r kirchliche Angelegenheiten i n Preußen Nach der Wiederherstellung Preußens und der damit verbundenen Erweiterung seines Staatsgebiets erlangten die staatskirchenrechtlichen Grundsätze des Allgemeinen Landrechts (oben Nr. 1) in den zurückgewonnenen Gebieten wieder volle Geltungskraft. Auch sofern in den neuen Gebietsteilen das Allgemeine Landrecht nicht formell eingeführt wurde 1, wurde praktisch doch weithin nach seinen Grundsätzen verfahren. Religionsfreiheit, Parität und Toleranz, verbunden mit dem staatlichen Anspruch auf das jus circa sacra gegenüber den öffentlich aufgenommenen Religionsgesellschaften sowie auf das landesherrliche Kirchenregiment gegenüber den protestantischen Landeskirchen des Staatsgebiets waren die Hauptprinzipien des preußischen Systems. Alsbald nach der Erneuerung des Staatswesens wurde das preußische Behördensystem weiter umgestaltetDie Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Provinzialbehörden vom 30. April 1815 (Nr. 55) schuf neue Provinzialkonsistorien, die an die Stelle der 1808 geschaffenen Geistlichen und Schuldeputationen der Regierungen traten und deren Zuständigkeiten übernahmen. Doch waren die neuen Konsistorien reine Staatsbehörden; die alte Konsistorialverfassung wurde somit in ihrem Wesensgehalt nicht wiederhergestellt. Am 23. Oktober 1817 wurde die Verordnung von 1815 durch Instruktionen für die Oberpräsidenten 2, die Konsistorien (Nr. 56) und die Regierungen (Nr. 57) näher ausgestaltet. Die Kabinettsordre vom 3. November 18173 gliederte das Departement für Kultus und öffentlichen Unterricht aus dem Ministerium des Innern, dem es 1808 eingefügt worden war (oben Nr. 23) aus. Sie schuf als selbständige neue Zentralbehörde das Ministerium der geistlichen Angelegenheiten und des Unterrichts unter der Leitung des Ministers Frhr. v. Altenstein 4.

1

Siehe oben S. 2 Anm. 1. Dazu oben Nr. 23 - 25. 2 GS 1817 S. 230. 3 GS 1817 S. 289. 4 Karl Freiherr vom Stein zum Altenstein (1770 - 1840), zunächst i m ansbachbayreuthischen, dann i m preuß. Staatsdienst; 1803 Geh. Oberfinanzrat i m Generaldirektorium; 1808 - 1810 preuß. Finanzminister; 1817 - 1840 preuß. K u l tusminister.

I. Die Umgestaltung der Staatsbehörden i n Preußen

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Die Kabinettsordre vom 31. Dezember 1825 (Nr. 58) zerlegte die Konsistorien in zwei Abteilungen: das Konsistorium und das Provinzial-Schul-Kollegium; die kirchlichen Angelegenheiten und die Schulverwaltung wurden so deutlicher als bisher voneinander getrennt. Am gleichen Tag erging eine neue Instruktion für die Oberpräsidentens, nach der diese den Vorsitz in den Konsistorien und den Provinzial-Schul-Kollegien behielten. N r . 55. Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Provinzial-Behörden vom 30. A p r i l 1815 (Preußische Gesetz-Sammlung 1815, S. 85) — Auszug — § 2. I n jeder Provinz w i r d ein Ober-Präsident die Verwaltung derjenigen allgemeinen Landesangelegenheiten führen, welche zweckgemäßer der Ausführung einer Behörde anvertraut werden, deren Wirksamkeit nicht auf einen einzelnen Regierungsbezirk beschränkt ist. § 3. Z u diesen Gegenständen gehören: 5. Die obere Leitung der Angelegenheiten des Kultus, des öffentlichen U n terrichts und des Medizinalwesens i n der Oberpräsidentur. Für diese wichtigen Zweige der innern V e r w a l t u n g finden W i r nöthig, am H a u p t - O r t jeder Oberpräsidentur besondere Behörden zu bilden, i n welchen der Oberpräsident den Vorsitz führen soll. § 15. F ü r die Kirchen- und Schul-Sachen besteht i m Hauptort jeder Provinz ein Konsistorium, dessen Präsident der Ober-Präsident ist. Dieses übt i n Rücksicht auf die Protestanten die Konsistorial-Rechte aus; i n Rücksicht auf die Römisch-Katholischen hat es die landesherrlichen Rechte circa sacra zu verwalten. I n Rücksicht auf alle übrigen Religions-Parteyen übt es diejenige Aufsicht aus, die der Staatszweck erfordert und die Gewissensfreiheit gestattet. §16. A l l e Unterrichts- und Bildungs-Anstalten stehen gleichfalls unter diesen Konsistorien m i t Ausnahme der Universitäten, welche unmittelbar dem Ministerium des Innern untergeordnet bleiben. Jeder Ober-Präsident ist jedoch als beständiger Commissarius dieses Ministeriums Curator der Universität, die sich i n der i h m anvertrauten Provinz befindet. §17. I n jedem Regierungs-Bezirk, w o r i n kein Konsistorium ist, besteht eine Kirchen- und Schul-Kommission von Geistlichen und Schulmännern, die unter Leitung und nach Anweisung des Konsistoriums diejenigen Geschäfte desselben besorgt, die einer nähern persönlichen E i n w i r k u n g bedürfen. §18. Die Direktion dieser Kommission f ü h r t ein Mitglied der Regierung, welches i m Regierungs-Kollegium den Vortrag derjenigen Konsistorial-Angelegenheiten hat, die eine M i t w i r k u n g der Regierungen erfordern. Diese Direktoren müssen wenigstens jährlich einmal i m Konsistorium erscheinen, w o r i n sie als Räthe Sitz und Stimme haben, und einen allgemeinen Vortrag über die 5

GS 1826, S. 1.

120 6. Kap.: Grundnormen d. Staatskirchenrechts d. deutschen Einzelstaaten besondern Verhältnisse der Konsistorial-Angelegenheiten ihres RegierungsBezirks machen. §42. Die Organe der Konsistorien sind der Schulenrath des Regierungsbezirks u n d die geistlichen und Schulinspektoren. N r . 56. Dienstinstruktion für die Provinzialkonsistorien v o m 23. Oktober 1817 (Preußische Gesetz-Sammlung 1817, S. 237) — Auszug — §1. Die Konsistorien sind vorzüglich dazu bestimmt, i n reingeistlicher und wissenschaftlicher Hinsicht die allgemeine Leitung des evangelischen Kirchenwesens und der Schulangelegenheiten i n der Provinz zu besorgen. Zugleich haben sie die V e r w a l t u n g derjenigen Gegenstände des K u l t u s und öffentlichen Unterrichts i n der Provinz, welche ihnen i n der gegenwärtigen I n s t r u k t i o n ausdrücklich übertragen werden 6 . I n so weit dieses nicht geschehen, werden diese Angelegenheiten von den Regierungen nach I n h a l t der, denselben heute ertheilten I n s t r u k t i o n verwaltet7. § 2. I n Absicht der kirchlichen Angelegenheiten der evangelischen Konfessionen übt das Konsistorium diejenigen Konsistorialrechte aus, welche sich auf den eigentlichen Religions-Unterricht beziehen, insofern ihnen nicht nachstehend mehrere beigelegt sind. Demnach hat dasselbe: 1. die Sorge f ü r Einrichtung der Synoden der evangelischen Geistlichkeit; die Aufsicht über diejenigen, welche schon vorhanden sind; die Prüfung und nach Befinden die Berichtigung oder Bestätigung der Synodalbeschlüsse, auch die Berichtserstattung über selbige, wo sie erforderlich ist; 2. die Aufsicht über den Gottesdienst i m Allgemeinen, insbesondere i n dogmatischer und liturgischer Beziehung, zur Aufrechthaltung desselben i n seiner Reinheit und Würde; 3. die Prüfung der Kandidaten, welche auf geistliche Ä m t e r Anspruch machen, pro facultate concionandi u n d die Prüfung pro Ministerio ; 4. die Bestätigung der von den Regierungen vermöge des Kgl. Patronatsrechts anzustellenden, oder bei derselben von Privatpatronen präsentirten und von i h r genehmigten Geistlichen, i m Fall diese von außerhalb Landes vocirt worden 8 ; 5. den Vorschlag wegen der i n der Provinz anzustellenden Superintendenten u n d sonstigen geistlichen Oberen, an das vorgesetzte Ministerium, und deren Einführung; 6. die Aufsicht über geistliche Seminarien und die Anstellung der Lehrer bei denselben; β

Über die Erweiterung der Zuständigkeiten der Konsistorien siehe die Verordnung vom 27. J u n i 1845 (unten Nr. 271). 7 Unten Nr. 57. 8 Aufgehoben durch die Kabinettsordre vom 31. Dezember 1825 (unten Nr. 58).

I. Die Umgestaltung der Staatsbehörden in Preußen

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7. die Aufsicht über die A m t s - u n d moralische Führung der Geistlichen; jedoch müssen die Visitationsberichte von den Superintendenten der vorgesetzten Kirchen- und Schulkommission zunächst eingereicht werden, damit diese i n allgemeiner Kenntniß v o n der A m t s f ü h r u n g der Geistlichen ihres Bezirks bleibt, u n d i n Ansehung ihres Geschäftskreises sogleich das Nöthige auf die Visitationsberichte veranlassen kann. Demnächst sind aber dieselben von der Kirchen- u n d Schulkommission unverzüglich m i t einer Anzeige dessen, was sie darauf verfügt hat, dem Konsistorium zur weitern Verfügung einzureichen. I m Falle bemerkter Unordnungen ist das Konsistorium befugt, außerordentliche Visitationen zu veranlassen; 8. die Einleitung des Strafverfahrens gegen diejenige Beamten des öffentlichen Gottesdienstes, welche bei F ü h r u n g ihres A m t s gegen die liturgischen u n d rein kirchlichen Anordnungen verstoßen ; 9. die Suspension der Geistlichen vom Dienst und den A n t r a g auf deren Remotion, sofern solches nicht wegen eines gemeinen, nicht in der Eigenschaft als Geistlicher verübten Vergehens wegen nothwendig w i r d , i n welchem letztern Falle die Suspension von Seiten der Kirchen- und Schulkommission, oder der betreffenden Gerichtsbehörde verfügt werden k a n n ; 10. die Ertheilung von Konzessionen u n d Dispensationen, m i t Ausschluß derjenigen zu Haustaufen u n d Haustrauungen, v o m dritten Aufgebote und von den verfassungsmäßigen Erfordernissen der Konfirmation, welche den Regierungen verbleiben, u n d m i t Ausnahme der Dispensation zum einmaligen A u f gebote, welche dem vorgesetzten Ministerium vorbehalten ist; 11. die Anordnung kirchlicher Feste, imgleichen der Büß- u n d Bettage, nach den Anweisungen Unsers Ministeriums der geistlichen Angelegenheiten und des öffentlichen Unterrichts, u n d die Bestimmung der Texte für die bei solchen Gelegenheiten zu haltenden Predigten; 12. die Censur der das Kirchenwesen betreffenden Schriften; aller pädagogischen u n d Schul-Schriften u n d der religiösen Volksschriften. § 3. Die Angelegenheiten der landesherrlichen Rechte circa sacra der römischkatholischen Kirche verwaltet, i n sofern sie die interna derselben betreffen, der Oberpräsident, unbeschadet der gesetz- und verfassungsmäßigen A m t s befugnisse der dieser Kirche unmittelbar vorgesetzten Bischöfe. Das Konsistorium ist i n Ansehung dieser Angelegenheiten blos eine ber a t e n d e Behörde. Es hängt von dem Oberpräsidenten ab, welche von denselben er darin durch die katholischen Räthe zum Vortrag bringen lassen w i l l . I h m gebührt indessen die Entscheidung; die Verfügungen werden i n seinem Namen ausgefertiget, blos von i h m vollzogen, und die Berichte und Gesuche in dergleichen Angelegenheiten namentlich an i h n gerichtet. § 4. Unter den dem Oberpräsidenten beigelegten innern Angelegenheiten der römisch-katholischen Kirche werden verstanden : 1. die Erörterungen über die Zulässigkeit päbstlicher Bullen und Breven, oder von andern auswärtigen geistlichen Obern herrührenden Verordnungen, wegen deren Genehmigung stets an das vorgesetzte Ministerium zu berichten und von diesem m i t Unserm Staatskanzler zu kommuniziren ist; 2. die Besorgung der Gesuche an den Pabst, oder an auswärtige geistliche Oberen, u m kanonische Bestätigung der Unserer Seits ertheilten geistlichen

122 6. Kap. : Grundnormen d. Staatskirchenrechts d. deutschen Einzelstaaten Würden, so wie u m Dispensation von Eheverboten nach den Grundsätzen des kanonischen Rechts. Es versteht sich, daß dieses auf dem vorschriftsmäßigen Wege geschehen, und sofern die Sache zweifelhaft oder bedenklich ist, an das vorgesetzte M i n i sterium zur M i t t h e i l u n g an den Staatskanzler berichtet werden muß; 3. die Erörterung und Erledigung der Streitigkeiten m i t andern Religionspartheien über Gegenstände des öffentlichen Kultus. Auch hier muß nicht allein i n zweifelhaften, sondern auch i n wichtigen und folgereichen Fällen an das vorgesetzte Ministerium berichtet werden; 4. die Erörterungen über Revision und Berichtigung der Kirchengesetze, welche ohne Genehmigung der angeordneten Ministerialbehörde nicht bekannt gemacht werden dürfen; 5. Beaufsichtung der Prüfungen, welchen die Kandidaten des geistlichen Standes Seitens der geistlichen Behörden unterworfen werden; 6. alle i m § 2 berührte Religionsangelegenheiten, i n so weit sie ihrer Natur nach unter dem jure circa sacra der katholischen Kirche m i t begriffen werden können. § 5. A l l e übrige Religionspartheien sind gleichfalls, i n Ansehung des eigentlichen Kultus, derjenigen Aufsicht des Konsistoriums unterworfen, welche der Staatszweck erfordert, u n d die Gewissensfreiheit gestattet. § 6. Sämmtliche Elementar- und Bürgerschulen, so w i e die Privaterziehungsund Unterrichtsanstalten bleiben der Aufsicht u n d V e r w a l t u n g der Regierungen und der m i t ihnen verbundenen Kirchen- u n d Schulkommissionen unterworfen. I n Rücksicht derselben steht den Konsistorien n u r die obere Leitung i n wissenschaftlicher Hinsicht und i n Beziehung auf die innere Verfassung, imgleichen die Sorge für die Ausbildung der Elementar-Schullehrer zu, nach näherer Bestimmung des folgenden §, so weit er hierauf Anwendung findet. A l l e gelehrte Schulen der Provinz, worunter hier diejenigen verstanden werden, welche zur Universität entlassen, stehen hingegen unter u n m i t t e l barer Aufsicht u n d Verwaltung des Konsistoriums. Die Universitäten u n d Akademien verbleiben unmittelbar von dem M i n i sterium der geistlichen Angelegenheiten u n d des öffentlichen Unterrichts abhängig. § 7. Hiernach erstreckt sich die Wirksamkeit der Konsistorien i n Absicht des Unterrichts- u n d Erziehungs-Wesens auf folgende Gegenstände: 1. alle sich auf den pädagogischen Zweck der Unterrichtsanstalten i m A l l gemeinen beziehende Angelegenheiten; 2. die Prüfung der Grundplane oder Statuten der Schulen und Erziehungsanstalten, in sofern sie deren innere Einrichtung betreffen; 3. die Prüfung neuer, die Revision u n d Berichtigung schon vorhandener spezieller Schulordnungen und Reglements; imgleichen der Disziplinargesetze, nicht minder die Abgabe zweckmäßiger Vorschläge, Behufs Abstellung der bei dem Erziehungs- u n d Unterrichts-Wesen eingeschlichenen Mißbräuche und anzutreffenden Mängel; 4. Prüfung der i m Gebrauch befindlichen Schulbücher; Bestimmung derjenigen, welche abzuschaffen oder neu einzuführen, u n d Regulirung der A n wendung nach vorheriger Genehmigung des vorgesetzten Ministerii;

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5. Abfassung neuer f ü r nöthig erachteter Schulbücher, welche jedoch nicht ohne Genehmigung des vorgesetzten Ministerii zum Gebrauch f ü r inländische Schulen gedruckt werden dürfen; 6. Abfassung u n d Revision der Pläne zur Gründung u n d innern Einrichtung von Schullehrer-Seminarien, so wie der Anstalten zum Behuf weiterer Ausbildung schon angestellter Lehrer; ferner die Aufsicht und Leitung der gedachten Seminarien; die Anstellung u n d Disziplin der Lehrer bei denselben. Es steht dem Konsistorium frei, die Seminarien außerordentlich revidiren zu lassen; 7. die Prüfung pro facultate docendi bei den gelehrten Schulen, der sich alle Kandidaten, welche unterrichten wollen, nach der Verordnung v o m 12. Juli 18109 unterziehen müssen; imgleichen die Prüfung der Lehrer bei denselben pro loco u n d pro ascensione; 8. Anordnung von Abiturienten-Prüfungskommissarien und Beurtheilung der Verhandlungen der Abiturienten-Prüfungen bei den gelehrten Schulen nach der darüber erlassenen Verordnung 1 0 , u n d Vorschläge zur Vervollkommnung dieser Maaßregel; 9. die Aufsicht, Leitung u n d Revision der gelehrten Schulen, welche zur Universität entlassen; 10. die Anstellung, Beförderung, Disziplin, Suspension und Entlassung der Lehrer bei den gedachten gelehrten Schulen . . . § 8. Die Bestimmungen der vorstehenden beiden §§ finden auch auf das römisch-katholische Erziehungs- u n d Unterrichtswesen Anwendung; jedoch bleibt den kath. Bischöfen i h r Einfluß, so weit er Verfassung- u n d gesetzmäßig ist, auf den Religionsunterricht i n den öffentlichen Schulen u n d auf die Anstellung der besonderen Religionslehrer, wo dergleichen vorhanden sind, vorbehalten. Es soll zu diesem Ende Seitens der Oberpräsidenten m i t den Bischöfen die Rücksprache genommen werden, daß letztere zu Abkürzung des Geschäftsganges bei den Prüfungen der Lehrer, die m i t für den kath. Religionsunterricht bestimmt sind, Kommissarien f ü r diesen Zweig der Prüfung den von Seiten der Konsistorien zu bestellenden Examinatoren zuordnen, so daß keine zweifache Prüfung, eine bei dem Konsistorium, u n d eine bei dem bischöflichen Examinator, sondern n u r eine einfache von den Bevollmächtigten des Konsistoriums und Bischòfes zusammen statt findet. I n sofern sich die Nothwendigkeit darstellen mögte, über das gegenseitige Verhältniß der Konsistorien und Bischöfe i n der angegebenen Beziehung noch nähere Bestimmungen zu treffen, werden solche vorbehalten. § 9. Die V e r w a l t u n g der äußern Angelegenheiten der Kirchen u n d Schulen aller Konfessionen, insbesondere die Aufsicht auf die Verwaltung des Kirchen9 Edikt wegen einzuführender allgemeiner Prüfung der Schulamtskandidaten vom 12. J u l i 1810 (GS 1806 - 1810 S. 717). 10 E d i k t wegen Prüfung der zu den Universitäten übergehenden Schüler v o m 12. Oktober 1812, m i t Anlage a: I n s t r u k t i o n betreffend die Prüfung der zu den Universitäten übergehenden Schüler v o m 25. J u l i 1812 (Texte: J. F. W. Koch, Die preußischen Universitäten, Bd. 2, 1840, S. 345 f., 346 ff.). Diese Vorschriften traten an die Stelle des Circulars v o m 23. Dezember 1788, das (in der Amtszeit Wöllners) die Abiturienten-Prüfung i n Preußen eingeführt hatte.

124 6. Kap.: Grundnormen d. Staatskirchenrechts d. deutschen Einzelstaaten u n d Schulvermögens, gehört den Regierungen, m i t Ausnahme der i m § 2 unter Nr. 6, und i m § 7 unter Nr. 6 und 9 gedachten Schul- u n d Unterrichtsanstalten, imgleichen solcher Kirchen- und Schulfonds, deren Bestimmung sich nicht auf den einzelnen Regierungsbezirk, sondern auf mehrere der Provinz erstreckt. I n Ansehung dieser Anstalten u n d Fonds steht auch die Verwaltung der äußeren Angelegenheiten und des Vermögens dem Konsistorium zu N r . 57. Instruktion zur Geschäftsführung der Regierungen 1 1 vom 23. Oktober 1817 (Preußische Gesetz-Sammlung 1817, S. 248) — Auszug — § 1. Der Geschäftskreis der Regierungen erstreckt sich auf alle Gegenstände der innern Landesverwaltung . . . § 2. Von diesen Gegenständen gehören vor die erste Abtheilung der Regierung: 6. die geistlichen u n d Schulangelegenheiten, m i t h i n auch die Aufsicht über die Kirchen, Schulen, Erziehungsanstalten und andere fromme und wohlthätige Stiftungen und Anstalten, und deren fundationsmäßige, innere sowohl als Vermögensverwaltung.... §18. Die Kirchen- und Schulkommission (§ 2 Nr. 6) ist, als solche, keine besondere Behörde, sondern ein integrirender Theil der ersten Abtheilung der Regierung. Alles was für letztere und die Regierungen überhaupt in der gegenwärtigen I n s t r u k t i o n vorgeschrieben worden, findet daher auf sie ebenfalls Anwendung. I h r gebührt die V e r w a l t u n g aller geistlichen und Schul-Angelegenheiten, welche nicht dem Konsistorium i n der demselben heute ertheilten Instruktion ausdrücklich übertragen worden. Unter dieser Einschränkung geb ü h r t i h r daher: a) die Besetzung sämmtlicher, dem landesherrlichen Patronatrechte unterworfenen, geistlichen und Schullehrerstellen, so wie die Bestätigung der von Privatpatronen u n d Gemeinden dazu erwählten Subjekte, sofern sie nicht außerhalb Landes her vocirt werden; imgleichen die Prüfung und Einführung derselben, i m Fall solche nicht dem Konsistorium übertragen ist; b) die Aufsicht über deren A m t s - und moralische Führung; die UrlaubsErtheilung f ü r selbige; c) die Aufrechthaltung der äußern Kirchenzucht und Ordnung; d) die Direktion u n d Aufsicht über sämmtliche Kirchen, öffentliche und Privatschulen und Erziehungsanstalten, milde und fromme Stiftungen und Institute; e) die Aufsicht und Verwaltung des gesammten Elementarschulwesens; f) die Aufsicht und V e r w a l t u n g sämmtlicher äußern Kirchen- und Schulangelegenheiten, m i t h i n auch die Regulirung des Stolwesens und Schulgeldes; g) die gesammte V e r w a l t u n g des Kirchen-, Schul- u n d Stiftungsvermögens, i m F a l l selbige nicht verfassungsmäßig andern Behörden oder Gemeinden, 11

Ersetzt die Dienstinstruktion vom 26. Dezember 1808 (oben Nr. 25).

I. Die Umgestaltung der Staatsbehörden in Preußen

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Korporationen und Privaten gebührt, und i m letztern Fall, die landesherrliche Oberaufsicht über die Vermögensverwaltung. I h r steht hiernach auch die E n t werfung, Prüfung u n d Bestätigung der hieher gehörigen Etats, so wie die Abnahme und Decharge der Kirchen-, Schul- u n d Institutsrechnungen zu. Sie hat ferner: h) die Dispensation i n den, i n der Konsistorialinstruktion i h r nachgelassenen Fällen... Auch steht i h r ohne höhere Genehmigung frei: k) Schulsozietäten einzurichten und zu vertheilen, wo die Ortschaften es wünschen, oder Lokalumstände es nöthig machen; so w i e 1) Parochien zusammen zu ziehen u n d zu vertheilen, wenn die Gemeinden und Patrone darin w i l l i g e n ; imgleichen, unter dieser Bedingung, einzelne Dorfschaften umzupf arren. I n allen diesen Angelegenheiten k o m m t es, Behufs der Kompetenz der Kirchen- und Schulkommission, auf die Verschiedenheit der Religion und des K u l t u s nicht an. Sie w i r d indessen bei Ausübung ihrer Kompetenz den Einfluß stets gehörig berücksichtigen, welcher bei den römisch-katholischen Kirchenu n d Schulsachen dem Bischöfe gesetz- u n d verfassungsmäßig zusteht, und i n zweifelhaften Fällen darüber von dem Oberpräsidenten I n s t r u k t i o n einholen. I h r sind i n obiger Beziehung sämmtliche Geistliche und Schullehrer, die Superintendenten u n d m i t ihnen i n gleicher Kathegorie stehende höhere Geistliche anderer Konfessionen, nicht ausgenommen, untergeordnet, u n d die K o m m i s sion kann wider sie n ö t i g e n f a l l s die gesetzlichen Zwangs- und Straf Verfügungen erlassen u n d zur Ausführung bringen. Wie es wegen ihrer Suspension und Entlassung vom Amte zu halten, ist i n der Konsistorialinstruktion b e s t i m m t . . .

N r . 58. Kabinettsordre wegen Abänderungen i n der bisherigen Organisation der Provinzial-Verwaltungsbehörden vom 31. Dezember 1825 (Preußische Gesetz-Sammlung 1826, S. 5) — Auszug — B. F ü r die Geschäftsführung der Konsistorien bleibt die Dienstinstruktion vom 23. Oktober 181712 m i t folgenden Abänderungen maaßgebend: 1. Das Kollegium theilt sich i n zwei Abtheilungen; die eine bearbeitet unter dem Namen: Konsistorium die evangelischen geistlichen Sachen, und die andere unter dem Namen: Provinzial-Schul-Kollegium die dem Kollegium durch jene Dienstinstruktion überwiesenen Unterrichts-Angelegenheiten; dem Ober-Präsidenten w i r d überlassen, die Mitglieder, m i t Berücksichtigung ihrer persönlichen Qualifikation zu den Arbeiten der einen oder der andern, oder beider Abtheilungen zuzuziehen. 2. Den Konsistorien w i r d außer der Prüfung der evangelisch-geistlichen Kandidaten (§ 2 Abschnitt 3 der Instruktion) auch deren Ordination hiermit übertragen. 12

Oben Nr. 56.

126 6. Kap.: Grundnormen d. Staatskirchenrechts d. deutschen Einzelstaaten 3. Die Vorschrift des § 2 Abschnitt 4 w i r d aufgehoben. Jedoch dürfen die Regierungen von außerhalb Landes Geistliche n u r m i t Genehmigung des M i n i s t e r i i anstellen; w e n n dagegen Privatpatrone von außerhalb Landes her Geistliche vociren, so müssen dieselben, ehe deren Bestätigung erfolgt, v o m Konsistorio zur Verwaltung einer geistlichen Stelle i m Staate für geeignet erachtet worden seyn. 4. Bei Erledigung von Superintendenturen haben sich die Regierungen über deren Wiederbesetzung gutachtlich gegen das Konsistorium zu äußern, w e l chem der Vorschlag hierüber bei dem vorgesetzten Minister, so wie die Einführung der Superintendenten verbleibt. 5. Die Berichte der Regierungen über Veränderung der bestehenden, oder über die Einführung neuer Stolgebührentaxen an das vorgesetzte Ministerium, gehen durch die Konsistorien zur Beifügung ihres Gutachtens. 6. Die Zusammenziehung u n d Vertheilung v o n Parochien, so wie die U m pfarrung von Ortschaften, k a n n von den Regierungen n u r unter Genehmigung des Konsistorii angeordnet werden. 7. Die Bestimmungen der §§ 3 u n d 4 der Dienstinstruktion über die W a h r nehmung des juris circa sacra der römisch-katholischen K i r c h e 1 3 finden für die Konsistorien, als evangelisch-geistliche Behörden, weiter keine Anwendung. D. Hinsichts der Regierungen setze Ich Folgendes fest: . . . I I . Statt der bisherigen Geschäfts-Bearbeitung i n zwei Regierungs-Abtheilungen können, zumal bei Regierungen von größerem Umfange, zur schnelleren Förderung der Geschäfte, diese mehr abgesondert bearbeitet und gebildet werden: 1. Eine Abtheilung des Innern . . . 2. Eine Abtheilung für die Kirchenverwaltung und das Schulwesen. Diese hat die § 2 No. 6. und § 18 der I n s t r u k t i o n von 1817 bezeichneten kirchlichen und Schul-Angelegenheiten zu bearbeiten, welche nicht dem Konsistorio u n d Provinzial-Schul-Kollegio durch die Dienst-Instruktion vom 23. Oktober 1817 und Unsere gegenwärtige Order vorbehalten sind.

I I . Verfassungsurkunde u n d Religionsedikt f ü r Bayern Die erste Verfassung, die das Königreich Bayern erhielt, die Verfassung von 1808 1, war in ihrem staatskirchenrechtlichen Teil von den Grundsätzen der Gewissensfreiheit, der Toleranz und der Parität bestimmt. Das bayerische Religions edikt von 1809 2 entwickelte diese Grundsätze fort. Während des Wiener Kongresses 1815 gab König Maximilian I. Joseph den Auftrag, die Verfassung von 1808 den veränderten Verhältnissen anzupassen. Doch erst nach dem Sturz des Ministeriums Montgelas (2. Februar 1817) kam die Verfassungsarbeit unter dem Ministerpräsidenten Graf Reigersberg* in schnelleren Gang. In der Präambel der — am 26. Mai 1818 erlassenen — Verfassung nannte der 13

Oben Nr. 56. Reg.Bl. 1808 Sp. 985 ff. 2 Reg.Bl. 1809 Sp. 897 ff. (dazu oben S. 69). 3 Heinrich Alois Graf von Reigersberg (1770 - 1856), unter Montgelas 1806 bis 1817 Justizminister; 1817 - 1825 Ministerpräsident (daneben bis 1823 auch Justizminister). 1

I I . V e r f a s s u g s u r k u n d e und Religionsedikt für Bayern

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König als ersten der Grundsätze, von denen er sich leiten lasse: „Freyheit der Gewissen und gewissenhafte Scheidung und Schützung dessen, was des Staates und der Kirche ist" 4 . Der Ausführung dieses Grundsatzes dienten die staatskirchenrechtlichen Bestimmungen im IV. Teil der Verfassung (Nr. 59). Zusammen mit dieser wurden zehn verfassungsergänzende Edikte ausgefertigt und verkündet. Das darunter befindliche neue Religionsedikt (Nr. 60) regelte die staatskirchenrechtlichen Fragen im Einzelnen 5. Zugleich unterwarf es eine Reihe von Vorschriften des ebenfalls als Anhang zur Verfassung sur künde publizierten Konkordats vom 5. Juni 1817 6 einseitig vom Staat gezogenen Beschränkungen. Der Außenminister Graf Rechberg 7, der Innenminister Graf Thürheim 8 und der Finanzminister Graf Lerchenfeld 9 waren bei dieser Wahrung der Staatsinteressen die führenden Kräfte. Zur Wahrnehmung der in dem Religions edikt von 1818 festgelegten staatlichen Funktionen in Kirchensachen wurde 1825 ein oberster Kirchenund Schulrat beim Staatsministerium des Innern eingerichtet (Nr. 61). N r . 59. Staatskirchenrechtliche A r t i k e l der Verfassung des Königreichs B a y e r n v o m 26. M a i 1818 (Bayerisches Gesetzblatt 1818, Sp. 101 ff.) 1 0 — Auszug — Titel IV. Von allgemeinen

Rechten und Pflichten

§ 9. Jedem Einwohner des Reichs w i r d vollkommene Gewissens-Freyheit gesichert; die einfache Haus-Andacht darf daher Niemandem, zu welcher Religion er sich bekennen mag, untersagt werden. Die i n dem Königreiche bestehenden drey christlichen Kirchen-Gesellschaften genießen gleiche bürgerliche und politische Rechte 1 1 . 4

Dokumente Bd. 1, S. 142. Dazu Verfassungsgeschichte Bd. I, S. 427 ff. Unten Nr. 73. 7 Alois Graf Rechberg-Rothenlöwen (1766 - 1849), pfalz-zweibrückischer D i plomat; 1799 bayer. Gesandter i n Petersburg, 1800 i n Berlin, 1801 - 1806 am Reichstag i n Regensburg, 1816-1817 am Bundestag i n F r a n k f u r t ; 1817-1825 bayer. Außenminister. 8 Karl Friedrich Graf von Thürheim (1763 - 1832), seit 1784 i m bayer. Verwaltungsdienst; 1792 Reichshof rat i n Wien; 1799 Vizepräsident der Neuburgischen Landesdirektion; 1803 Präsident der Landesdirektionen Bamberg und Würzburg; 1808 General-Kommissär i n Nürnberg, 1809 i n Ansbach u n d i n Innsbruck, 1810 - 1817 i n Bayreuth; 1817 - 1826 Innenminister; 1826 - 1828 Außenminister. 9 Maximilian Frhr. v. Lerchenfeld (1778 - 1843), seit 1802 i m bayer. Staatsdienst; 1808 General-Kommissär i n Ansbach, 1809 i n Nürnberg, 1810 i n Innsbruck; 1814 Hofkommissär i n Würzburg; 1817 - 1825 bayer. Finanzminister; 1826 - 1833 Gesandter am Bundestag; 1833 - 1834 erneut Finanzminister; 1834 bis 1842 Gesandter i n Wien, 1842 - 1843 erneut am Bundestag. 10 Vollständiger Text auch: Dokumente Bd. 1 Nr. 51. 11 Durch Gesetz v o m 1. J u l i 1834 (GBl. Sp. 41) erhielt § 9 folgenden Absatz 3: „Die Bekenner der unirten sowohl, als der nicht unirten griechischen Kirche 5

6

128 6. Kap.: Grundnormen d. Staatskirchenrechts d. deutschen Einzelstaaten Die nicht-christlichen Glaubens-Genossen haben zwar vollkommene Gewissens-Freyheit, sie erhalten aber an den Staatsbürgerlichen Rechten n u r i n dem Maaße einen Antheil, wie ihnen derselbe i n den organischen Edicten über ihre Aufnahme i n die Staats-Gesellschaft zugesichert i s t 1 2 . A l l e n Religionstheilen ohne Ausnahme ist das Eigenthum der Stiftungen und der Genuß ihrer Renten nach den ursprünglichen Stiftungs-Urkunden und dem rechtmäßigen Besitze, sie seyen für den Cultus, den Unterricht oder die Wohlthätigkeit bestimmt, vollständig gesichert. Die geistliche Gewalt darf i n ihrem eigentlichen Wirkungs-Kreise nie gehemmt werden, und die weltliche Regierung darf i n rein geistlichen Gegenständen der Religions-Lehre und des Gewissens sich nicht einmischen, als i n soweit das Oberhoheitliche Schutz- und Aufsichts-Recht eintritt, wonach keine Verordnungen und Gesetze der Kirchengewalt ohne vorgängige Einsicht und das Placet des Königs verkündet und vollzogen werden dürfen. Die Kirchen und Geistlichen sind i n ihren bürgerlichen Handlungen u n d Beziehungen, — wie auch i n Ansehung des ihnen zustehenden Vermögens den Gesetzen des Staats und den weltlichen Gerichten untergeben; auch können sie von öffentlichen Staatslasten keine Befreiung ansprechen. Die übrigen nähern Bestimmungen über die äußern Rechtsverhältnisse der Bewohner des Königreichs i n Beziehung auf Religion und kirchliche Gesellschaften sind i n dem der gegenwärtigen Verfassungs-Urkunde beygefügten besondern Edicte enthalten^. §10. Das gesamte Stiftungsvermögen nach den drey Zwecken des Cultus, des Unterrichts und der Wohlthätigkeit w i r d gleichfalls unter den besondern Schutz des Staates gestellt; es darf unter keinem Vorwande zu dem FinanzVermögen eingezogen und i n der Substanz für andere als die drey genannten Zwecke ohne Zustimmung der Betheiligten und bey allgemeinen Stiftungen ohne Zustimmung der Stände des Reichs veräußert oder verwendet werden. N r . 60. Edikt über die äußern Rechts-Verhältnisse der Einwohner des Königreichs Bayern, in Beziehung auf Religion und kirchliche Gesellschaften v o m 26. M a i 1818 (Bayerisches Gesetzblatt 1818, Sp. 149 ff.) I. Allgemeine

Abschnitt

Bestimmungen

über

Erstes Capitel: Religions - und

R e 1 i g i ο η s ν e r h ä 11 η i ß e Gewissens-Freyheit

§ 1. Jedem Einwohner des Reiches ist durch den 9. § des IV. Titels der Verfassungs-Urkunde eine vollkommene Gewissens-Freyheit gesichert. genießen m i t den Bekennern der i n dem Königreiche bereits verfassungsmäßig bestehenden drey christlichen Kirchen-Gesellschaften gleiche bürgerliche und politische Rechte." 1: - Dazu das Gesetz betreffend die bürgerlichen Rechte der israelitischen Glaubensgenossen vom 29. J u n i 1851 (GBl. Sp. 33). 13 Unten Nr. 60.

I I . V e r f a s s u g s u r k u n d e u n d Religionsedikt f ü r Bayern

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§ 2. Er darf demnach i n Gegenständen des Glaubens und Gewissens keinem Zwange unterworfen, auch darf Niemanden, zu welcher Religion er sich bekennen mag, die einfache Haus-Andacht untersagt werden. § 3. Sobald aber mehrere Familien zur Ausübung ihrer Religion sich verbinden wollen, so w i r d jederzeit hiezu die Königliche ausdrückliche Genehmigung nach den i m I I . Abschnitte folgenden nähern Bestimmungen erfordert. § 4. A l l e heimlichen Zusammenkünfte unter dem Vorwande des häuslichen Gottesdienstes sind verboten. Zweytes Capitel: Wahl des

Glaubens-Bekenntnißes

§ 5. Die W a h l des Glaubens-Bekenntnißes ist jedem Staats-Einwohner nach seiner eigenen freyen Uberzeugung überlassen. § 6. Derselbe muß jedoch das hiezu erforderliche Unterscheidungs-Alter, welches für bey de Geschlechter auf die gesetzliche Volljährigkeit bestimmt wird, erreicht haben. § 7. Da diese W a h l eine eigene freye Überzeugung voraussetzt, so kann sie nur solchen Individuen zustehen, welche i n keinem Geistes- oder GemüthsZustande sich befinden, der sie derselben unfähig macht. § 8. Keine Parthey darf die Mitglieder der andern durch Zwang oder List zum Ubergang verleiten. § 9. Wenn von denjenigen, welche die Religions-Erziehung zu leiten haben, eine solche W a h l aus einem der obigen Gründe angefochten w i r d , so hat die betreffende Regierungs-Behörde den F a l l zu untersuchen, und an das K ö n i g liche Staats-Ministerium des Innern zu berichten. §10. Der Übergang von einer Kirche zu einer andern muß allezeit bey dem einschlägigen Pfarrer oder geistlichen Vorstande sowohl der neu gewählten, als der verlassenen Kirche persönlich erklärt werden. § 11. Durch die Religions-Änderung gehen alle kirchlichen Gesellschaftsrechte der verlassenen Kirche verloren; dieselbe hat aber keinen Einfluß auf die allgemeinen staatsbürgerlichen Rechte, Ehren und Würden; ausgenommen, es geschehe der U b e r t r i t t zu einer Religions-Parthey, welcher n u r eine beschränkte Theilnahme an dem Staatsbürger-Rechte gestattet ist. Drittes Capitel: Religions-Verhältniße

der Kinder aus gemischten Ehen

§12. Wenn in einem gültigen Ehevertrage zwischen Eltern, die verschiedenen Glaubens-Bekenntnißen zugethan sind, bestimmt worden ist, i n welcher Religion die K i n d e r erzogen werden sollen, so hat es hiebey sein Bewenden. §13. Die Gültigkeit solcher Ehe Verträge ist sowohl i n Rücksicht ihrer Form, als der Zeit der Errichtung lediglich nach den bürgerlichen Gesetzen zu beurtheilen. § 14. Sind keine Ehepacten oder sonstige Verträge hierüber errichtet, oder ist i n jenen über die religiöse Erziehung der K i n d e r nichts verordnet worden, so folgen die Söhne der Religion des Vaters; die Töchter werden i n dem Glaubens-Bekenntniße der M u t t e r erzogen. §15. Übrigens benimmt die Verschiedenheit des kirchlichen Glaubens-Bekenntnißes keinem der Eltern die i h m sonst wegen der Erziehung zustehenden Rechte. 9 H u b e r , S t a a t u n d K i r c h e , 1. B d .

130 6. Kap.: Grundnormen d. Staatskirchenrechts d. deutschen Einzelstaaten § 16. Der Tod der Eltern ändert nichts i n den Bestimmungen der §§ 12 und 14 über die religiöse Erziehung der Kinder. §17. Die Ehescheidungen, oder alle sonstigen rechtsgültigen Auflösungen der Ehe können auf die Religion der K i n d e r keinen Einfluß haben. § 18. Wenn ein das Religions-Verhältniß der K i n d e r bestimmender Ehevertrag vorhanden ist, so b e w i r k t der Übergang der Eltern zu einem andern Glaubensbekenntniße darin so lange keine Veränderung, als die Ehe noch gemischt bleibt; geht aber ein Ehegatte zur Religion des andern über, u n d die Ehe hört dadurch auf, gemischt zu seyn, so folgen die K i n d e r der nun gleichen Religion ihrer Eltern, ausgenommen sie waren — dem bestehenden Ehevertrag gemäß — durch die Confirmation oder Communion bereits i n die Kirche einer anderen Confession aufgenommen, i n welchem Falle sie bis zum erlangten Unterscheidungs-Jahre darin zu belassen sind. § 19. Pflegkinder werden nach jenem Glaubens-Bekenntniße erzogen, welchem sie i n ihrem vorigen Stande zu folgen hatten. § 20. Durch Heirath legitimirte natürliche K i n d e r werden i n Beziehung auf den Religions-Unterricht ehelichen K i n d e r n gleich geachtet. § 21. Die übrigen natürlichen Kinder, wenn sie von einem Vater anerkannt sind, werden i n Ansehung der Religions-Erziehung gleichfalls wie die ehelichen behandelt, sind sie aber von dem Vater nicht anerkannt, so werden sie nach dem Glaubens-Bekenntniße der M u t t e r erzogen. § 22. Findlinge und natürliche Kinder, deren M u t t e r unbekannt ist, folgen der Religion desjenigen, welcher das K i n d aufgenommen hat, soferne er einer der öffentlich eingeführten Kirchen angehört, oder der Religions-Parthey des Findlings-Instituts, w o r i n sie erzogen werden. Außer diesen Fällen richtet sich ihre Religion nach jener der Mehrheit der Einwohner des Findungs-Orts. § 23. Die geistlichen Obern, die nächsten Verwandten, die Vormünder und Pathen haben das Recht, darüber zu wachen, daß vorstehende Anordnungen befolgt werden. Sie können zu diesem Behufe die Einsicht der betreffenden Bestimmungen der Eheverträge und der übrigen auf die Religions-Erziehung sich beziehenden Urkunden fordern. II. A b s c h n i t t Von Religions - und Kirchen-Gesellschaften Erstes Capitel: Ihre Aufnahme

und Bestätigung

§ 24. Die i n dem Königreiche bestehenden drey christlichen GlaubensConfessionen sind als öffentliche Kirchen-Gesellschaften m i t gleichen bürgerlichen und politischen Rechten, nach den unten folgenden nähern Bestimmungen anerkannt. § 25. Den nicht christlichen Glaubens-Genossen ist zwar nach §§ 1 und 2 eine vollkommene Religions- und Gewissens-Freyheit gestattet; als ReligionsGesellschaften und i n Beziehung auf Staatsbürger-Recht aber sind sie nach den über ihre bürgerlichen Verhältnisse bestehenden besondern Gesetzen u n d Verordnungen zu behandeln. § 26. Religions- oder Kirchen-Gesellschaften, die nicht zu den bereits gesetzlich aufgenommenen gehören, dürfen ohne ausdrückliche Königliche Genehmigung nicht eingeführt werden.

I I . Verfassungsurkunde u n d Religionsedikt für Bayern

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§ 27. Sie müssen vor der Aufnahme ihre Glaubens-Formeln und innere kirchliche Verfassung zur Einsicht und Prüfung dem Staats-Ministerium des Innern vorlegen. Zweytes Capitel:

Rechte und Befugniße der aufgenommenen Religions- und Kirchen-Gesellschaften

und bestätigten

§ 28. Die m i t ausdrücklicher Königlicher Genehmigung aufgenommenen Kirchen-Gesellschaften genießen der Rechte öffentlicher Corporationen. § 29. Die zur Ausübung ihres Gottesdienstes gewidmeten Gebäude sollen, wie andere öffentliche Gebäude, geschützt werden. § 30. Die zur Feyer ihres Gottesdienstes und zum Religions-Unterrichte bestellten Personen genießen die Rechte und Achtung öffentlicher Beamten. § 31. I h r Eigenthum steht unter dem besondern Schutze des Staats. § 32. Eine Religions-Gesellschaft, welche die Rechte öffentlich aufgenommener Kirchen-Gesellschaften bey ihrer Genehmigung nicht erhalten hat, w i r d nicht als eine öffentliche Corporation, sondern als eine Privat-Gesellschaft geachtet. § 33. Es ist derselben die freye Ausübung ihres Privat-Gottesdienstes gestattet. § 34. Z u dieser gehört die Anstellung gottesdienstlicher Zusammenkünfte i n gewissen dazu bestimmten Gebäuden, und die Ausübung der ihren Religions-Grundsätzen gemäßen Gebräuche sowohl i n diesen Zusammenkünften, als i n den Privat-Wohnungen der Mitglieder. § 35. Den Privat-Kirchen-Gesellschaften ist aber nicht gestattet, sich der Glocken oder sonstiger Auszeichnungen zu bedienen, welche Gesetze oder Gewohnheit den öffentlichen Kirchen angeeignet haben. § 36. Die von ihnen zur Feyer ihrer Religions-Handlungen bestellten Personen genießen als solche keiner besondern Vorzüge. § 37. Die ihnen zustehenden weitern Rechte müssen nach dem Inhalte ihrer Aufnahms-Urkunde bemessen werden. § 38. Jeder genehmigten P r i v a t - oder öffentlichen Kirchen-Gesellschaft, kömmt unter der obersten Staats-Aufsicht nach den i m I I I . Abschnitte enthaltenen Bestimmungen die Befugniß zu, nach der Formel und der von der Staatsgewalt anerkannten Verfassung ihrer Kirche, alle innern KirchenAngelegenheiten anzuordnen. Dahin gehören die Gegenstände: a) der Glaubenslehre, b) der Form und Feyer des Gottesdienstes, c) der geistlichen Amtsführung, d) des religiösen Volks-Unterrichts, e) der Kirchen-Disciplin, f) der Approbation und Ordination der Kirchendiener, g) der Einweihung der zum Gottesdienste gewidmeten Gebäude und der Kirchhöfe, h) der Ausübung der Gerichtsbarkeit in rein geistlichen Sachen; nämlich des Gewissens oder der Erfüllung der Religions- und Kirchen-Pflichten einer K i r che, nach ihren Dogmen, symbolischen Büchern und darauf gegründeten V e r fassung. 9*

132 6. Kap. : Grundnormen d. Staatskirchenrechts d. deutschen Einzelstaaten § 39. Den kirchlichen Obern, Vorstehern oder ihren Repräsentanten kömmt demnach das allgemeine Recht der Aufsicht m i t den daraus hervorgehenden Wirkungen zu, damit die Kirchen-Gesetze befolgt, der Cultus diesen gemäß aufrecht erhalten, der reine Geist der Religion und Sittlichkeit bewahret, und dessen Ausbreitung befördert werde. Der Antheil, welcher jedem Einzelnen an dieser Aufsicht zukömmt, w i r d durch seine Amtsvollmacht bestimmt. § 40. Die Kirchengewalt übt das rein geistliche Corrections-Recht 1 4 nach geeigneten Stufen aus. § 41. Jedes M i t g l i e d einer Kirchengesellschaft ist schuldig, der darin eingeführten Kirchenzucht sich zu unterwerfen. § 42. Keine Kirchengewalt ist aber befugt, Glaubensgesetze gegen ihre M i t glieder m i t äußerem Zwange geltend zu machen. § 43. Wenn einzelne Mitglieder durch öffentliche Handlungen eine Verachtung des Gottesdienstes u n d der Religionsgebräuche zu erkennen geben, oder andere i n ihrer Andacht stören, so ist die Kirchengesellschaft befugt, dergleichen unwürdigen Mitgliedern den Z u t r i t t i n ihre Versammlungen zu versagen. § 44. Die i n dem Königreiche als öffentliche Corporationen aufgenommenen Kirchen sind berechtiget, Eigenthum zu besitzen, und nach den hierüber bestehenden Gesetzen auch k ü n f t i g zu erwerben. §45. Die Eigenthumsfähigkeit der nicht öffentlichen Kirchengesellschaften w i r d nach ihrer Aufnahms-Urkunde, oder wenn i n dieser darüber nicht festgesetzt ist, nach den Rechten der Privatgesellschaften bestimmt. § 46. A l l e n Religionstheilen ohne Ausnahme ist dasjenige, was sie an Eigent h u m gesetzmäßig besitzen, es sey für den Cultus oder für den Unterricht bestimmt, es bestehe i n liegenden Gütern, Rechten, Capitalien, baarem Gelde, Prätiosen, oder sonstigen beweglichen Sachen durch den § 9 i m IV. T i t e l der Verfassungs-Urkunde des Reichs g a r a n t i r t 1 5 . § 47. Das Kirchenvermögen darf unter keinem Vorwande zum Staatsvermögen eingezogen und i n der Substanz zum Besten eines andern als des bestimmten Stiftungszweckes ohne Zustimmung der Betheiligten, und soferne es allgemeine Stiftungen betrifft, ohne Zustimmung der Stände nicht veräußert oder verwendet werden. § 48. Wenn bey demselben i n einzelnen Gemeinden, nach hinlänglicher Dekkung der Local-Kirchen-Bedürfnisse, Uberschüße sich ergeben, so sollen diese zum Besten des nämlichen Religions-Theiles nach folgenden Bestimmungen verwendet werden: a) zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Kirchen, und geistlichen Gebäude i n andern Gemeinden, die dafür kein hinreichendes eigenes Vermögen besitzen; b) zur Ergänzung des Unterhalts einzelner Kirchen-Diener, oder c) zur Fundation neuer nothwendiger Pfarr-Stellen ; d) zur Unterstützung geistlicher Bildungs-Anstalten ; e) zu Unterhalts-Beyträgen der durch A l t e r oder K r a n k h e i t zum KirchenDienst unfähig gewordenen geistlichen Personen. 14 15

das geistliche Strafrecht. Oben Nr. 59.

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§ 49. I n so ferne für diese Zwecke v o m Kirchen-Vermögen nach einer v o l l ständigen Erwägung etwas entbehrt werden kann, w i r d dieser Überschuß i m Einverständniße m i t der betreffenden geistlichen Oberbehörde vorzüglich zur Ergänzung von Schul-Anstalten, dann der Armen-Stiftungen (wohin auch jene der Krankenpflege zu rechnen sind) verwendet werden. III.

Abschnitt

V e r h ä l t n i ß e der im Staate aufgenommenen Kirchen-Gesellschaften zur Staats-Gewalt Erstes Capitel: In Religions - und

Kirchen-Sachen

§ 50. Seine Majestät der K ö n i g haben i n mehreren Verordnungen I h r e n ernstlichen W i l l e n ausgesprochen, daß die geistliche Gewalt i n ihrem eigentlichen Wirkungs-Kreise nie gehemmt werde, u n d die Königliche weltliche Regierung i n rein geistliche Gegenstände des Gewissens und der ReligionsLehre sich nicht einmischen solle, als i n so weit das Königliche oberste Schutzoder Aufsichts-Recht dabey eintritt. Die Königlichen Landes-Stellen werden wiederholt zur genauen Befolgung derselben angewiesen. §51. So lange demnach die Kirchen-Gewalt die Gränzen ihres eigentlichen Wirkungs-Kreises nicht überschreitet, kann dieselbe gegen jede Verletzung ihrer Rechte und Gesetze den Schutz der Staats-Gewalt anrufen, der i h r von den Königlichen einschlägigen Landes-Stellen nicht versagt werden darf. § 52. Es steht aber auch den Genoßen einer Kirchen-Gesellschaft, welche durch Handlungen der geistlichen Gewalt gegen die festgesetzte Ordnung beschwert werden, die Befugniß zu, dagegen den Königlichen Landesfürstlichen Schutz anzurufen 1 6 . § 53. E i n solcher Recurs gegen einen Mißbrauch der geistlichen Gewalt kann entweder bey der einschlägigen Regierungs-Behörde, welche darüber alsbald Bericht an das Königliche Staats-Ministerium des I n n e r n zu erstatten hat, oder bey Seiner Majestät dem Könige unmittelbar angebracht werden. § 54. Die angebrachten Beschwerden w i r d das Königliche Staats-Ministerium des Innern untersuchen lassen, und, eilige Fälle ausgenommen, n u r nach Vernehmung der betreffenden geistlichen Behörde, das Geeignete darauf verfügen. § 55. Der Regent k a n n bey feyerlichen Anlässen i n den verschiedenen K i r chen Seines Staates durch die geistlichen Behörden öffentliche Gebete u n d Dankfeste anordnen. § 56. Auch ist Derselbe befugt, wenn Er w a h r n i m m t , daß bey einer KirchenGesellschaft Spaltungen, Unordnungen oder Mißbräuche eingerissen sind, zur Wiederherstellung der Einigkeit und kirchlichen Ordnung unter Seinem Schutze Kirchen-Versammlungen zu veranlassen, ohne jedoch i n Gegenstände der Religionslehre Sich selbst einzumischen. §57. Da die hoheitliche Oberaufsicht über alle innerhalb der Gränzen des Staats vorfallenden Handlungen, Ereigniße u n d Verhältniße sich erstreckt, so ist die Staatsgewalt berechtigt, von demjenigen, was i n den Versammlungen 16

Vorbehalt des Recursus ab abusu.

134 6. Kap.: Grundnormen d. Staatskirchenrechts d. deutschen Einzelstaaten der Kirchen-Gesellschaften gelehrt u n d verhandelt w i r d , Kenntniß einzuziehen. § 58. Hiernach dürfen keine Gesetze, Verordnungen oder sonstige A n o r d nungen der Kirchen-Gewalt nach den hierüber i n den Königlichen Landen schon längst bestehenden General-Mandaten ohne Allerhöchste Einsicht u n d Genehmigung publicirt und vollzogen werden 1 7 . Die geistlichen Obrigkeiten sind gehalten, nachdem sie die Königliche Genehmigung zur Publication (Placet) erhalten haben, i m Eingange der Ausschreibungen ihrer Verordnungen von derselben jederzeit ausdrücklich Erwähnung zu thun. § 59. Ausschreibungen der geistlichen Behörden, die sich blos auf die ihnen untergeordnete Geistlichkeit beziehen, und aus genehmigten allgemeinen Verordnungen hervorgehen, bedürfen keiner neuen Genehmigung. § 60. Die Ausübung der geistlichen Gerichtsbarkeit kömmt zwar nach § 38 lit. h. der Kirchen-Gewalt zu; die dafür angeordneten Gerichte, so wie ihre Verfassung müßen aber vor ihrer Einführung von dem Könige bestätiget werden. Auch sollen die einschlägigen Königlichen Landesstellen aufmerksam seyn, damit die Königlichen Unterthanen von den geistlichen Stellen nicht m i t gesetzwidrigen Gebühren beschwert, oder i n ihren Angelegenheiten auf eine für sie lästige A r t aufgehalten werden. § 61. Die vorgeschriebenen Genehmigungen können n u r von dem Könige selbst, mittelst des Königlichen Staats-Ministeriums des Innern ertheilt w e r den, an welches die zu publicirenden kirchlichen Gesetze und Verordnungen eingesendet, und sonstige Anordnungen ausführlich angezeigt werden müssen. Zweytes Capitel: In ihren bürgerlichen

Handlungen

und

Beziehungen

§ 62. Die Religions- und Kirchen-Gesellschaften müssen sich i n Angelegenheiten, die sie m i t andern bürgerlichen Gesellschaften gemein haben, nach den Gesetzen des Staats richten. § 63. Diesen Gesetzen sind i n ihren bürgerlichen Beziehungen sowohl die Obern der Kirche als einzelne Mitglieder derselben auf gleiche A r t unterworfen. § 64. Zur Beseitigung aller künftigen Anstände werden nach solchen Beziehungen als weltliche Gegenstände erklärt: a) alle Verträge und letztwillige Dispositionen der Geistlichen ; b) alle Bestimmungen über liegende Güter etc., fahrende Habe, Nutzung, Renten, Rechte der Kirchen u n d kirchlichen Personen; c) Verordnungen und Erkenntnisse über Verbrechen und Strafen der Geistlichen, welche auf ihre bürgerlichen Rechte einen Einfluß haben; d) Ehe-Gesetze, i n so ferne sie den bürgerlichen Vertrag und dessen W i r kungen betreffen; e) Privilegien, Dispensationen, Immunitäten, Exemtionen, zum Besten ganzer Kirchen-Gesellschaften, einzelner Gemeinden oder Gesellschafts-Genossen, oder der dem Religions-Dienste gewidmeten Orte und Güter, i n so ferne sie politische oder bürgerliche Verhältnisse berühren; 17

Vorbehalt des Placetum regium.

I I . V e r f a s s u g s u r k u n d e u n d Religionsedikt f ü r Bayern

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f) allgemeine Normen über die Verbindlichkeit zur Erbauung und Erhaltung der Kirchen und geistlichen Gebäude; g) Bestimmungen über die Zulassung zu Kirchen-Pfründen; h) Vorschriften über die Einschreibung der Kirchen-Listen als Quellen der Bevölkerungs-Verzeichnisse, als Register des Civil-Standes und über die Legalität der pfarrlichen Documente. § 65. I n allen diesen Gegenständen k ö m m t der Staatsgewalt allein die Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit zu. § 66. Hiernach sind alle Geistlichen i n bürgerlichen Personal-Klagsachen, i n allen aus bürgerlichen Contracten hervorgehenden Streitsachen, i n allen Verhandlungen über ihre Verlassenschaften etc. einzig den weltlichen Gerichten untergeben. § 67. Sie genießen nach T i t e l V. § 5 der Verfassungs-Urkunde i n bürgerlichen und strafrechtlichen Fällen den befreyten Gerichtsstand. § 68. Bey Sterbfällen der Geistlichen soll darauf Rücksicht genommen w e r den, daß die geistlichen Verrichtungen, wenn der Verstorbene dergleichen versehen hat, nicht gehemmt werden; alles, was darauf Bezug hat, und zum Gottesdienste gehört, als heilige Gefäße etc. soll von der Sperre ausgenommen 1 8 , und mittelst Verzeichnißes entweder dem Nachfolger i m Beneficium sogleich verabfolgt oder andern sichern Händen einstweilen übergeben werden, wenn nicht zu ihrer Übernahme ein Abgeordneter der geistlichen Behörde sich einfindet, welche zu diesem Ende von dem weltlichen Richter bey jedem Sterbfalle eines i m Beneficium stehenden Geistlichen davon i n Kenntniß zu setzen ist. § 69. Die Criminal-Gerichtsbarkeit auch über Geistliche k ö m m t nur den einschlägigen Königlichen weltlichen Gerichten zu. § 70. Diese sollen aber die einschlägige geistliche Behörde jederzeit von dem Erfolge der Untersuchung i n Kenntniß setzen, u m auch von ihrer Seite gegen die Person des Verbrechers i n Beziehung auf seine geistlichen Verhältnisse das Geeignete darnach verfügen zu können. § 71. Keinem kirchlichen Z w a n g s - M i t t e l w i r d irgend ein Einfluß auf das gesellschaftliche Leben und die bürgerlichen Verhältnisse, ohne E i n w i l l i g u n g der Staats-Gewalt i m Staate gestattet. § 72. Das Verfahren der weltlichen Gerichte in Gegenständen, welche nach den obigen Bestimmungen zu ihrer Gerichtsbarkeit gehören, darf durch die Einschreitungen geistlicher Stellen weder unterbrochen noch aufgehoben werden. § 73. Die Kirchen und Geistlichen können i n Ansehung des ihnen zustehenden Vermögens weder von Landes-Unterthänigkeit, weder von Gerichtsbarkeit, noch von öffentlichen Staats-Lasten, irgend eine Befreyung ansprechen. § 74. Alle ältern Befreyungen, die hierüber mögen verliehen worden seyn, werden als nichtig erklärt. § 75. Die V e r w a l t u n g des Kirchen-Vermögens stehet nach den hierüber gegebenen Gesetzen unter dem Königlichen obersten Schutze und Königlicher oberster Aufsicht. 18 Nämlich der nach allgemeinem Zivilrecht über den Nachlaß eines Verstorbenen m i t dem Todesfall zunächst vorsorglich ipso jure verhängten Sperre.

136 6. Kap.: Grundnormen d. Staatskirchenrechts d. deutschen Einzelstaaten Drittes Capiteli Bey Gegenständen gemischter

Natur

§ 76. Unter Gegenständen gemischter Natur werden diejenigen verstanden, welche zwar geistlich sind, aber die Religion nicht wesentlich betreffen, und zugleich irgend eine Beziehung auf den Staat und das weltliche Wohl der E i n wohner desselben haben. Dahin gehören a) alle Anordnungen über den äußern Gottesdienst, dessen Ort, Zeit, Z a h l etc.; b) Beschränkung oder Aufhebung der nicht zu den wesentlichen Theilen des Cultus gehörigen Feyerlichkeiten, Processionen, Neben-Andachten, Ceremonien, Kreutzgänge und Bruderschaften; c) Errichtung geistlicher Gesellschaften und sonstiger Institute und Bestimmung ihrer Gelübde; d) organische Bestimmungen über geistliche Bildungs-, Verpflegungs- und Straf-Anstalten ; e) Eintheilung der Diöcesen, Decanats- u n d Pfarr-Sprengel; f) alle Gegenstände der Gesundheits-Polizey, i n soweit diese Kirchliche Anstalten m i t berühren. § 77. Bey diesen Gegenständen dürfen von der Kirchen-Gewalt ohne M i t w i r k u n g der weltlichen Obrigkeit keine einseitigen Anordnungen geschehen. § 78. Der Staats-Gewalt steht die Befugniß zu, nicht n u r von allen A n o r d nungen über diese Gegenstände Einsicht zu nehmen, sondern auch durch eigene Verordnungen dabey alles dasjenige zu hindern, was dem öffentlichen Wohle nachtheilig seyn könnte. § 79. Z u außerordentlichen kirchlichen Feyerlichkeiten, besonders wenn dieselben an Werktagen gehalten werden sollen, muß allezeit die spezielle K ö n i g liche Bewilligung erhohlt werden. IV. Von

Abschnitt

dem V e r h ä l t n i ß e verschiedener R e l i g i o n s Gesellschaften gegeneinander

Erstes Capitel: Allgemeine

Staats-Pflichten

der Kirchen

gegeneinander

§ 80. Die i m Staate bestehenden Religions-Gesellschaften sind sich wechselseitige gleiche Achtung schuldig; gegen deren Versagung kann der obrigkeitliche Schutz aufgerufen werden, der nicht verweigert werden darf ; dagegen ist aber auch keine Selbsthülfe erlaubt. § 81. Jede Kirche kann für ihre Religions-Handlungen von den Gliedern aller übrigen Religions-Partheyen vollkommene Sicherheit gegen Störungen aller A r t verlangen. § 82. Keine Kirchen-Gesellschaft kann verbindlich gemacht werden, an dem äußern Gottes-Dienste der andern A n t h e i l zu nehmen. K e i n Religions-Theil ist demnach schuldig, die besondern Feyertage des andern zu feyern, sondern es soll i h m frey stehen, an solchen Tagen sein Gewerbe und seine Handthierung auszuüben, jedoch ohne Störung des Gottes-Dienstes des andern Theils u n d ohne daß die Achtung dabey verletzt werde, welche nach § 80 jede Reli-

I I . V e r f a s s u g s u r k u n d e u n d Religionsedikt f ü r Bayern

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gions-Gesellschaft der andern bey Ausübung ihrer religiösen Handlungen und Gebräuche schuldig ist. § 83. Der weltlichen Staats-Policey k ö m m t es zu, i n so weit, als die Erhaltung der öffentlichen Ruhe u n d Ordnung zwischen verschiedenen ReligionsPartheyen es erfordert, Vorschriften f ü r äußere Handlungen, die n u r zufälligen Bezug zum kirchlichen Zwecke haben, zu geben. § 84. Religions-Verwandte einer öffentlich aufgenommenen Kirche, welche keine eigene Gemeinde bilden, können sich zu einer entfernten Gemeinde ihres Glaubens innerhalb der Grenzen des Reichs halten. § 85. Auch ist ihnen freygestellt, von dem Pfarrer oder Prediger einer andern Confession an ihrem Wohnorte jene Dienste und Amts-Functionen nachzusuchen, welche sie m i t ihren eigenen Religions-Grundsätzen vereinbarlich glauben, und jene nach ihren Religions-Grundsätzen leisten können. § 86. I n dergleichen Fällen sollen dem Pfarrer oder Geistlichen der fremden Confession für die geleisteten Dienste die festgesetzten Stolgebühren entrichtet werden. § 87. Diesen auf solche A r t der Orts-Pfarrey einverleibten fremden ReligionsVerwandten darf jedoch nichts aufgelegt werden, was ihrem Gewissen oder der jedem Staats-Einwohner garantirten Hausandacht entgegen ist. § 88. Den Mitgliedern der öffentlich aufgenommenen Kirchen-Gesellschaften steht die B i l d u n g einer eigenen Gemeinde aller Orten frey, wenn sie das erforderliche Vermögen zum Unterhalt der Kirchendiener, zu den Ausgaben für den Gottesdienst, dann zur Errichtung und Erhaltung der nöthigen Gebäude besitzen, oder wenn sie die M i t t e l hiezu auf gesetzlich gestattetem Wege aufzubringen vermögen. § 89. Das Verhältniß der Staats-Einwohner, welche einer Religion angehören, deren Mitgliedern n u r eine Hausandacht oder nur ein Privat-Gottesdienst gestattet ist, muß aus dem Inhalte der Confessions-Urkunde beurtheilt werden. Sie dürfen von den Dienern der Kirchen-Gewalt des Orts, wo sie wohnen, gegen den Sinn und Zweck der Concession weder beschränkt noch beeinträchtiget werden. Da sie m i t der Ortskirche i n keiner Verbindung stehen, so können von derselben keine pfarrlichen Rechte gegen sie ausgeübt werden; dagegen haben sie aber auch keinen A n t h e i l an den Rechten und dem Eigenthume der Kirche. Zweytes Capitel: Vom Simultan-Gebrauche

der Kirchen

§ 90. Wenn zwey Gemeinden verschiedener Religions-Partheyen zu einer Kirche berechtiget sind, so müssen die Rechte einer jeden hauptsächlich nach den vorhandenen besondern Gesetzen oder Verträgen beurtheilt werden. § 91. Mangelt es an solchen Bestimmungen, so w i r d vermuthet, daß eine jede dieser Gemeinden m i t der andern gleiche Rechte habe. § 92. Die Entscheidung der über Ausübung dieser Rechte entstehenden Streitigkeiten, wenn die Betheiligten sie durch gemeinschaftliches Einverständniß nicht beyzulegen vermögen, gehört an das Staats-Ministerium des Innern, welches die Sache nach Verhältniß der Umstände vor den Staatsrath bringen wird.

138 6. Kap.: Grundnormen d. Staatskirchenrechts d. deutschen Einzelstaaten § 93. W i r d aber darüber gestritten, ob eine oder die andere Gemeinde zu der Kirche w i r k l i c h berechtiget sey, so gehört die Entscheidung vor den ordentlichen Richter. § 94. Wenn nicht erhellet, daß beyde Gemeinden zu der Kirche w i r k l i c h berechtiget sind, so w i r d angenommen, daß diejenige, welche zu dem gegenwärtigen Mitgebrauch am spätesten gelangt ist, denselben als eine widerrufliche Gefälligkeit erhalten habe. § 95. Selbst ein viel jähriger Mitgebrauch kann für sich allein die Erwerbung eines wirklichen Rechtes durch V e r j ä h r u n g k ü n f t i g nicht begründen. § 96. Wenn jedoch außer diesem Mitgebrauche auch die Unterhaltung der Kirche von beyden Gemeinden bestritten worden, so begründet dieß die V e r muthung, daß auch der später zum Mitgebrauch gekommenen Gemeinde ein wirkliches Recht darauf zustehe. § 97. So lange eine Gemeinde den Mitgebrauch n u r bittweise hat, muß sie bey jedesmaliger Ausübung einer bisher nicht gewöhnlichen gottesdienstlichen Handlung die Erlaubniß der Vorsteher dazu nachsuchen. § 98. Den i m Mitgebrauch einer Kirche begriffenen Gemeinden steht es jederzeit frey, durch freywillige Ubereinkunft denselben aufzuheben, und das gemeinschaftliche Kirchen-Vermögen unter Königlicher Genehmigung, welche durch das Staats-Ministerium des I n n e r n eingehohlt werden muß, abzutheilen, und für jede eine gesonderte gottesdienstliche Anstalt zu bilden. § 99. Auch kann eine solche Abtheilung von der Staats-Gewalt aus policeylichen oder administrativen Erwägungen, oder auf Ansuchen der Betheiligten verfügt werden. § 100. Wenn ein Religionstheil keinen eigenen Kirchhof besitzt, oder nicht bey der Theilung des gemeinschaftlichen Kirchen-Vermögens einen solchen für sich anlegt, so ist der i m Orte befindliche als ein gemeinschaftlicher Begräbnißplatz für sämmtliche Einwohner des Orts zu betrachten, zu dessen A n lage und Unterhaltung aber auch sämmtliche Religionsverwandte verhältnißmäßig beytragen müssen. § 101. K e i n Geistlicher kann gezwungen werden, das Begräbniß eines fremden Religionsverwandten nach den Feyerlichkeiten seiner Kirche zu verrichten. § 102. W i r d derselbe darum ersucht, und er findet keinen Anstand, dem Begräbnisse beyzuwohnen, so müssen i h m auch die dafür hergebrachten Gebühren entrichtet werden. § 103. Der Glocken auf den Kirchhöfen kann jede öffentlich aufgenommene Kirchen-Gemeinde bey ihren Leichen-Feyerlichkeiten gegen Bezahlung der Gebühr sich bedienen. Dieses allgemeine Staats-Grundgesetz bestimmt, i n Ansehung der ReligionsVerhältnisse der verschiedenen Kirchen-Gesellschaften, ihre Rechte und V e r bindlichkeiten gegen den Staat, die unveräußerlichen Majestätsrechte des Regenten, u n d die jedem Unterthan zugesicherte Gewissensfreyheit und Religions-Ausübung. I n Ansehung der übrigen innern Kirchen-Angelegenheiten sind die w e i tern Bestimmungen, i n Beziehung auf die katholische Kirche i n dem m i t dem

I I . Ve r f a ssu η g su r k und e u n d Religionsedikt für Bayern

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päbstlichen Stuhle abgeschlossenen Concordate v o m 5. Junius 1817 19 und i n Beziehung auf die protestantische Kirche i n dem hierüber unterm heutigen Tage erlassenen eigenen E d i c t e 2 0 enthalten. N r . 61. Verordnung über den Obersten Kirchen- und Schulrat v o m 17. Dezember 1825 (Bayerisches Regierungsblatt 1825, S. 1033) — Auszug — W i r haben bereits unterm 9. d. M . 2 1 Unsere Allerhöchste Willensmeinung ausgesprochen, daß i n Z u k u n f t für die Angelegenheiten der Kirche, des Unterrichts, und der für diese beiden Zwecke bestimmten Stiftungen bei dem Staatsministerium des I n n e r n eine eigene Stelle bestehen soll. Über die Formation, den Wirkungs-Kreis und Geschäftsgang derselben verordnen W i r nach Vernehmung des Staatsraths nunmehr, wie folgt: § 1. Die Ministerialsection für die Angelegenheiten der Kirche u n d des Unterr ich tspreefche unter der Benennung „Oberster K i r c h e n - und Schul-Rath" gebildet werden soll, w i r d aus folgendem Personale bestehen: a) einem Vorstande, b) drei Räthen, wovon einer der protestantischen Confession angehören muß, c) einem Secretär, welcher zugleich die Registratur-Geschäfte zu besorgen hat, d) einem Revisor, e) einem von Uns zu decretirenden Kanzellisten. Diese I n d i v i d u e n m i t Ausnahme des Kanzellisten müßen die academischen Studien ordnungsmäßig absolvirt u n d i m Staats- oder Kirchen-Dienste bereits eine Stelle i n definitiver Eigenschaft bekleidet haben. § 7. Z u dem Wirkungskreise des obersten Kirchen- und Schul-Rathes gehören alle jene Gegenstände, welche i n den §§ 61, 62 und 63 der über den W i r kungskreis der Ministerien erlassenen Verordnung vom 9. d. M. dem Minister i u m des I n n e r n zugewiesen sind; die Anfertigung der hierauf Bezug habenden Etats, und innerhalb der Gränzen der festgesetzten Etatssummen die Verfügung über die hiezu bestimmten Staatsfonds. § 8. Das oberste Episcopat u n d alle andern i n dem verfassungsmäßigen Edicte über die innern Angelegenheiten der protestantischen Gesamtgemeinde 2 2 näher bezeichneten protestantischen Kirchensachen, bleiben jedoch der unmittelbaren Leitung des genannten Ministeriums vorbehalten, welchem das protestantische Ober-Consistorium auch fernerhin unmittelbar untergeordnet sein w i r d . Z u diesem Behufe w i r d dem Staatsministerium des Innern i n der Person des protestantischen Oberkirchen- und Studienrathes ein eigener Referent zugetheilt. 19

Unten Nr. 73. Unten Nr. 280. Verordnung die Formation der Ministerien betreffend v o m 9. Dezember 1825, § 63 (Reg.Bl. S. 998). 22 Unten Nr. 280. 20

21

140 6. Kap.: Grundnormen d. Staatskirchenrechts d. deutschen Einzelstaaten § 9. I n allen i m § 7 bezeichneten Gegenständen ist der oberste Kirchen- u n d Schulrath eine blos instruirende u n d berathende Stelle, welche überdies all dasjenige, was durch die Verordnung v o m Heutigen 2 3 i n den Wirkungskreis der Kreisregierungen u n d ihrer Unterbehörden gelegt ist, denselben zu überlassen u n d sich hierbey i n der Regel auf die blosse Oberaufsicht und oberste Leitung zu beschränken hat. §10. Der oberste Kirchen- u n d Schulrath hat das Resultat seiner Berathungen jederzeit dem M i n i s t e r i u m des I n n e r n zur Entscheidung vorzulegen, wenn der Gegenstand hiezu bereits genügend vorbereitet ist; — i m entgegengesetzten Falle leitet derselbe die Vervollständigung der Instruction ein, u n d rescribirt zu diesem Behufe aus eigener Competenz 2 4 .

I I I . Verfassungsurkunde u n d Kirchenbehörden i n Württemberg In Württemberg war bereits im Zug der Regierungsreform von 1806 1 neben die fünf klassischen Ministerien ein Departement für die geistlichen Angelegenheiten getreten. Dieses wurde in „Ministerium des Kirchen- und Schulwesens'" umbenannt, als das Staatsministerium 1816 als „Geheimer Rat" reorganisiert wurde (Nr. 62). An der Spitze des Ministeriums des Kirchenund Schulwesens stand 1816/17 der Freiherr v. Wangenheim 2. Schon 1817 wurde das Kultusministerium jedoch in das Innenministerium eingegliedert; die Innenminister v. Otto 3 und v. Schmidlin 4 erlangten damit die Verantwortung für die Kirchen- und Schulverwaltung der frühkonstitutionellen Zeit. Der bisherige „Katholische Geistliche Rat", das Zentralorgan für die katholischen Kirchenangelegenheiten, erhielt gleichzeitig die Bezeichnung „Katholischer Kirchenrat". Schon das Religionsedikt von 1806 (oben Nr. 34) hatte für Württemberg den Grundsatz der Parität zwischen den drei anerkannten Religionsgesellschaften eingeführt. Die Verfassung von 18195 bekräftigte diesen Grundsatz und regelte zugleich das Verhältnis zwischen verfassungsmäßiger Autonomie der Kirchen und staatlicher Kirchenhoheit (Nr. 63). 23 Verordnung die Formation, den Wirkungskreis und den Geschäftsgang der obersten Verwaltungsbehörden i n den Kreisen betreffend v o m 17. Dezember 1825 (Reg.Bl. S. 1049). 24 Der Oberste Kirchen- und Schulrat wurde aufgehoben, als m i t W i r k u n g v o m 1. Januar 1847 das bayerische Kultusministerium errichtet wurde (unten S. 472 f.); die Aufgaben der aufgehobenen Behörde gingen auf das neue M i n i sterium über. 1 Verfassungsgeschichte Bd. I, S. 330; ferner oben Nr. 33, 34. 2 Karl August Frhr. v. Wangenheim (1773 - 1850), seit 1806 i m w ü r t t . Staatsdienst; 1816-1817 w ü r t t . Kultusminister, 1817 - 1823 w ü r t t . Gesandter am Frankfurter Bundestag. 3 Christian Friedrich v. Otto (1758 - 1836) w a r 1817 - 1821 w ü r t t . Innenminister. 4 Christoph Friedrich v. Schmidlin (1780 - 1830) w a r 1821 - 1830 w ü r t t . Innenminister. 5 Verfassungsgeschichte Bd. I S. 333 f.

I I I . Verfassungsurkunde und Kirchenbehörden i n Württemberg

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Die Landesverwaltung Württembergs war seit 1805 in Oberämtern organisiert 6. In ihnen bestand neben dem weltlichen Oberamt als staatlicher Verio altungsbehörde ein gemeinschaftliches Oberamt als staatliche Kirchenaufsichtsbehörde. Dessen Zusammensetzung und Aufgabenbereich regelte die Verordnung vom 23. August 1825 (Nr. 64). N r . 62. Verordnung, die Organisation des Königlichen Geheimen Rats betreffend v o m 8. November 1816 (Württembergisches Regierungsblatt 1816, S. 347) — Auszug — § 1. Der Königl. Geheime Rath ist die zunächst unter dem Könige stehende oberste Staats-Behörde, welcher alle übrigen Staats-Verwaltungs-Stellen u n tergeordnet sind. Er besteht wenigstens aus 7 u n d höchstens aus 11 Mitgliedern. Das Directorium darin führt jedesmal der älteste Staats-Minister ohne weitern Vorrang. § 4. I n Hinsicht auf die Verhältnisse zwischen dem Königl. Geheimen Rathe und den einzelnen Departements-Ministern, welche darin Sitz und Stimme haben, w i r d hiermit festgesetzt, daß in dem Geheimen Rathe nothwendig v o r zutragen und zu verhandeln sind: 1. alle allgemeine Staats-, Landes- und Kirchen-Angelegenheiten . . . 3. alle Vorschläge zu Besetzung der höheren Staats- und K i r c h e n - Ä m t e r m i t Einschluß . . . der Dekanate . . . 6. Verhältnisse der Kirche zum Staate, i n so fern neue Bestimmungen nothwendig sind, oder einzelner Kirchen zueinander, wenn die Kgl. Centrai-Stellen dieser Confessionen sich nicht vereinigen. § 14. Das M i n i s t e r i u m des Kirchen- und Schulwesens, welchem für die A n gelegenheiten der kath. Kirche ein M i t g l i e d des kath. Kirchen-Raths als M i nisterial-Rath beyzugeben ist, hat für die verfassungsmäßigen Rechte der verschiedenen christlichen Kirchen und anderen Glaubensbekenntnisse, der Schulen und der Stiftungen zu wachen, und ist dafür verantwortlich. Zu dem Geschäftskreise desselben gehören der Cultus der evang., kath. und jeder andern Kirche, die Aufsicht und Leitung des Schul- und Erziehungswesens i n seinem ganzen Umfange, auch i n den Waisenhäusern, das Curator i u m der Universität, der öffentlichen Bibliotheken und aller K u n s t - und wissenschaftlichen Anstalten; die Oberaufsicht über die Verwaltung des Kirchenguts und des Stiftungs-Vermögens. Unter der unmittelbaren Leitung dieses Ministeriums stehen das evangelische Ober-Consistorium, der katholische Kirchen-Rath 7 , die Ober-StudienDirection und der Synodus. M i t diesem M i n i s t e r i u m w i r d der Zeit das Präsidium in dem zu errichtenden Gesetzgebungs-Collegium verbunden. 6

Ebenda S. 332. Gemäß dieser Vorschrift erhielt der 1806 geschaffene Katholische Geistliche Rat (oben Nr. 33) 1816 die Bezeichnung „Katholischer Kirchenrat". 7

142 6. Kap.: Grundnormen d. Staatskirchenrechts d. deutschen Einzelstaaten N r . 63. Staatskirchenrechtliche A r t i k e l der Verfassung des Königreichs W ü r t t e m b e r g v o m 25. September 1819 (Württembergisches Regierungsblatt 1819, S. 633 ff.) — Auszug — 8 III.

Von den allgemeinen Rechts-Verhältnissen der Staats-Bürger

§ 27. Jeder, ohne Unterschied der Religion, genießt i m Königreiche ungestörte Gewissensfreiheit. Den vollen Genuß der staatsbürgerlichen Rechte gewähren die drei christlichen Glaubens-Bekenntnisse. Andere christliche und nicht christliche Glaubens-Genossen können zur Theilnahme an den bürgerlichen Rechten nur i n dem Verhältnisse zugelassen werden, als sie durch die Grundsätze ihrer Religion an der Erfüllung bürgerlicher Pflichten nicht gehindert werden. VI. Von dem Verhältnisse

der Kirchen zum Staate

§ 70. Jeder der drei i m Königreiche bestehenden christlichen Confessionen w i r d freie öffentliche Religionsübung und der volle Genuß ihrer Kirchen-, Schul- und Armenfonds zugesichert. § 71. Die Anordnungen i n Betreff der innern kirchlichen Angelegenheiten bleiben der verfassungsmäßigen Autonomie einer jeden Kirche überlassen. § 72. Dem Könige gebührt das obersthoheitliche Schutz- und Aufsichtsrecht über die Kirchen. Vermöge desselben können die Verordnungen der KirchenGewalt ohne vorgängige Einsicht und Genehmigung des Staats-Oberhauptes weder verkündet noch vollzogen werden 9 . § 73. Die Kirchen-Diener sind i n Ansehung ihrer bürgerlichen Handlungen und Verhältnisse der weltlichen Obrigkeit unterworfen. § 74. Kirchen- und Schul-Diener, welche durch Altersschwäche oder eine ohne Hoffnung der Wiedergenesung andauernde Kränklichkeit zu Versehung ihres Amtes unfähig werden, haben Anspruch auf einen angemessenen lebenslänglichen Ruhe-Gehalt. 8

Vollständiger T e x t : Dokumente Bd. 1 Nr. 54/55. Dazu Gesetz vom 30. Januar 1862 (Reg.Bl. 59), das dem § 72 unter Streichung des Satzes 2 folgende Absätze zufügte: „Die von dem Erzbischof, dem Bischof und den übrigen kirchlichen Behörden ausgehenden allgemeinen Anordnungen und Kreisschreiben an die Geistlichkeit und Diözesanen, wodurch dieselben zu Etwas verbunden werden sollen, was nicht ganz i n dem eigenthümlichen Wirkungskreise der Kirche liegt, sowie auch sonstige Erlasse, welche i n staatliche oder bürgerliche Verhältnisse eingreifen, unterliegen der Genehmigung des Staates. Solche allgemeine kirchliche Anordnungen u n d öffentliche Erlasse dagegen, welche rein geistliche Gegenstände betreffen, sind der Staatsbehörde gleichzeitig m i t der Verkündigung zur Einsicht mitzutheilen. Denselben Bestimmungen unterliegen die auf Diözesan- und Provinzialsynoden gefaßten Beschlüsse, ebenso die päbstlichen Bullen, Breven u n d sonstigen Erlasse, welche immer n u r von dem Bischof verkündet und angewendet werden dürfen." 9

I I I . Verfassungsurkunde und Kirchenbehörden i n Württemberg

143

§ 75. Das Kirchen-Regiment der evangelisch-lutherischen Kirche w i r d durch das Königliche Consistorium und den Synodus nach den bestehenden oder k ü n f t i g zu erlassenden verfassungsmäßigen Gesetzen v e r w a l t e t 1 0 . § 76. Sollte i n künftigen Zeiten sich der F a l l ereignen, daß der K ö n i g einer andern, als der evangelischen Confession, zugethan wäre, so treten alsdann i n Hinsicht auf dessen Episcopal-Rechte die dahin gehörigen Bestimmungen der früheren Religions-Reversalien e i n 1 1 . § 77. Die abgesonderte V e r w a l t u n g des evangelischen Kirchen-Gutes des vormaligen Herzogthums Württemberg w i r d wieder hergestellt 1 2 . Z u dem Ende w i r d ungesäumt eine gemeinschaftliche Commission niedergesetzt, welche zu vörderst m i t der Ausscheidung des Eigenthums dieser Kirche i n dem alten Land und m i t Bestimmung der Theilnahme der Kirche gleicher Confession i n den neuen Landestheilen sich zu beschäftigen u n d sodann über die künftige V e r w a l t u n g s - A r t desselben Vorschläge zu machen hat. § 78. Die Leitung der innern Angelegenheiten der katholischen Kirche steht dem Landes-Bischoffe nebst dem Domkapitel zu. Derselbe w i r d i n dieser H i n sicht m i t dem K a p i t e l alle diejenigen Rechte ausüben, welche nach den G r u n d sätzen des katholischen Kirchenrechts m i t jener Würde wesentlich verbunden sind. § 79. Die i n der Staats-Gewalt begriffenen Rechte über die katholische Kirche werden von dem Könige durch eine aus katholischen Mitgliedern bestehende Behörde ausgeübt, welche auch bei Besetzung geistlicher Ämter, die von dem Könige abhängen, jedesmal u m ihre Vorschläge vernommen w i r d 1 3 . § 80. Die katholischen Kirchen-Diener genießen eben dieselben persönlichen Vorrechte, welche den Dienern der protestantischen Kirchen eingeräumt sind. § 81. Auch w i r d darauf Rücksicht genommen werden, daß katholische Geistliche, welche sich durch irgend ein Vergehen die Entsetzung vom A m t e zugezogen haben, ohne zugleich ihrer geistlichen Würde verlustig geworden zu seyn, ihren hinreichenden Unterhalt finden. § 82. Die katholische Kirche erhält zu Bestreitung derjenigen kirchlichen Bedürfnisse, wozu keine Örtlichen Fonds vorhanden sind, oder die vorhandenen nicht zureichen, und besonders für die Kosten der höheren Lehr-Anstalten, einen eigenen, diesen Zwecken ausschließlich gewidmeten Kirchenfond 1 4 . Z u m Behufe der Ausscheidung desselben vom Staats-Gut, und der näheren Bestimmung der künftigen Verwaltungsweise, w i r d auf gleiche A r t , wie oben 10 Dazu Verordnung betr. die Stellung des Ministers des Kirchen- und Schulwesens bei Angelegenheiten der evangelischen Kirche v o m 20. Dezember 1867 (Reg.Bl. 211). 11 Bei den württembergischen Religions-Reversalien handelt es sich u m fünf Garantie-Erklärungen des Herzogs Karl Alexander aus den Jahren 1729 bis 1734, die von dessen Nachfolgern, den Herzögen Karl Eugen u n d Friedrich Eugen bestätigt wurden (Nachweise bei R. v. Mohl, Das Staatsrecht des Köngreichs Württemberg, 2. Aufl. 1840, Bd. 2, S. 459). 12 Das protestantische Kirchengut i n Altwürttemberg, das seit der Reformation vom Staat als „abgesondertes" Vermögen verwaltet worden war, w a r 1806 vom Staat zum allgemeinen Staatsvermögen eingezogen worden. Die i n A r t . 77 der VerfUrk. versprochene Wiederherstellung des status quo ante unterblieb. 13 Gemeint ist der katholische Kirchenrat (oben S. 141 Anm. 7). 14 Diese dem § 63 R D H (oben Nr. 5) entsprechende Vorschrift wurde (ebenso wie der § 77 VerfUrk.) nicht ausgeführt.

144 6. Kap.: Grundnormen d. Staatskirchenrechts d. deutschen Einzelstaaten (§ 77) bei dem altwürttembergischen Kirchengute festgesetzt ist, eine Commission niedergesetzt werden. § 83. Was die i n dem Königreiche befindlichen reformirten Kirchen-Gemeinden betrifft, so w i r d sowohl auf Verbesserung ihrer kirchlichen Einrichtung und besonders ihrer Unterrichts-Anstalten, als auch auf A u s m i t t l u n g hinreichender Einkünfte zum Unterhalt ihrer Kirchen- und Schul-Diener und zu Bestreitung der übrigen kirchlichen Bedürfnisse gesorgt werden. § 84. F ü r Erhaltung u n d Vervollkommnung der höhern und niedern Unterrichts-Anstalten jeder A r t und namentlich der Landes-Universität w i r d auch k ü n f t i g auf das zweckmäßigste gesorgt. N r . 64. Verordnung über den Wirkungskreis und den Geschäftsgang der gemeinschaftlichen Oberämter V o m 23. August 1825 (Württembergisches Regierungsblatt 1825, S. 457 ff.) — Auszug — § 1. Das gemeinschaftliche Oberamt besteht aus dem Oberamtmann u n d je nach Verschiedenheit der Konfession der Betheiligten dem evangelischen oder dem katholischen Dekan; oder sofern es sich von katholischen Elementarschulen u n d den Lehrern an denselben handelt, dem Schul-Inspektor des Bezirks, welchem die i n Frage stehenden Individuen, Gemeinden, Anstalten oder Gegenstände angehören. § 2. Z u dem Geschäftskreis der gemeinschaftlichen Oberämter gehören nachstehende Gegenstände: 1. die Untersuchung von Dienstvergehen u n d berufswidriger A u f f ü h r u n g der i m Oberamts-Bezirk angestellten, dem gemeinschaftlichen Oberamt untergeordneten Geistlichen und die Berichtserstattung darüber an die höhere Behörde 1 5 . Das gemeinschaftliche Oberamt ist jedoch befugt, bei solchen Dienstvergehen eines Geistlichen, die sich unzweifelhaft zur gerichtlichen Bestrafung eignen, die Sache ohne vorgängige Berichtserstattung an das Oberamtsgericht abzugeben. Die Aufsicht über die kirchliche Amtsführung der Geistlichen in Hinsicht auf die religiöse Glaubens- und Sittenlehre und auf die Form des Gottesdienstes kommt dem Dekan, m i t Ausschluß des Oberamtmanns zu. Doch sind die Oberamtmänner befugt u n d verpflichtet, die Dekane auf die i n dieser Beziehung zu ihrer Kenntniß gelangenden Verfehlungen der Kirchendiener aufmerksam zu machen, und, wenn hierauf keine genügende Verfügung erfolgt, die Sache an die höhere Staatskirchenbehörde (evangelisches Konsistorium, katholischer Kirchenrath) zu berichten. I n Ansehung ihrer bürgerlichen Handlungen und Verhältnisse, namentlich i m Falle der Übertretung von Regiminal-, Polizei- und Finanz-Gesetzen, sind die Kirchendiener dem weltlichen Oberamt, m i t Ausschluß des Dekans, unterworfen (Verfassungsurkunde § 73). 15

§ 102 des Verwaltungsedikts v o m 1. März 1822 (Reg.Bl. 131).

I I I . Verfassungsurkunde und Kirchenbehörden i n Württemberg

145

§ 3. Es gehört ferner zum Geschäftskreise des gemeinschaftlichen Oberamts: 2. die Oberaufsicht über das niedere Personal der Ortskirchen und der damit i n Verbindung stehenden Anstalten, wie Organisten, Meßner, Todtengräber, Leichenträger, insbesondere die Untersuchung und Erledigung ihrer Dienstvergehen oder Übergabe derselben i n den dazu geeigneten Fällen an das Oberamtsgericht; § 4. 3. die Aufsicht über die den Kirchenkonventen zunächst obliegende Handhabung der Kirchen- u n d Sittenpolizei sowohl überhaupt, als insbesondere der Gesetze über die äußere Feier der Sonn-, Fest- und Feiertage, über Privaterbauungs-Zusammenkünfte, über Separatisten und andere Sekten, u n d die Erledigung derjenigen Gegenstände dieser A r t , welche die Verfügungsgew a l t der Kirchenkonvente übersteigen ; § 5. 4. die außergerichtliche Entscheidung von Streitigkeiten über Kirchenstühle und Begräbnißplätze; § 6. 5. die Erkennung über Gesuche u m Anordnung öffentlicher Kirchenkollekten i m Oberamtsbezirk für verunglückte Amtsuntergebene; § 7. 6. die Aufsicht über den äußeren geschäftsmäßigen Bestand, die F o r t dauer und den Besuch der deutschen und lateinischen Schulen m i t Ausnahme der Lyceen, Gymnasien und anderer den Centralstellen unmittelbar untergeordneten Lehranstalten, sowie über den Wandel der an jenen Schulen angestellten Lehrer und Diener, die Untersuchung, Erledigung und beziehungsweise berichtliche Vorlegung ihrer Dienstvergehen und Amtsverfehlungen, oder Übergabe solcher Untersuchungen an das Oberamtsgericht i n den dazu geeigneten Fällen. Die besondere Aufsicht über den Gang des Unterrichts und den Stand der Disciplin, sowie überhaupt die Befolgung des besonderen Unterrichtsplanes und der Schulordnung liegt dem Dekan, beziehungsweise dem Schulinspektor, allein ob. I n evangelischen Orten, wo neben dem Dekan besondere Schulinspektoren aufgestellt sind, hat das gemeinschaftliche Oberamt nur nach vorgängiger Rücksprache m i t diesen zu verfahren; § 8. 7. die Wahrnehmung der Verhältnisse in Beziehung auf die Einzelnen oder Gemeinden zu Kirchen- und Schulstellen zustehenden Nominations- und Vorschlagsrechte ; § 9. 8. die Aufsicht über die Verwaltung der i m Oberamtsbezirke befindlichen Kirchen-, Schul- und Armenstiftungen, über Familienstipendien, über I n d u strieschulen und örtliche Wohlthätigkeitsanstalten und deren Vermögen nach den dießfälligen Bestimmungen des Verwaltungs-Ediktes vom 1. März 1822; §10. 9. die Begutachtung der Frage wegen Veränderung der Kirchensprengel und Schulverbände, wegen Errichtung neuer oder Beschränkung der Zahl der vorhandenen Kirchendiener- oder Schuldienerstellen, wegen A u s m i t t l u n g neuer Gehalte oder Gehaltszulagen, wegen Errichtung neuer Kirchen, Pfarrund Meßnerhäuser, wegen Anlegung neuer Todtenäcker und wegen A u s m i t t lung der dazu erforderlichen Fonds. Das Erkenntniß, bezw. die Berichtserstattung über Anstände und Streitigkeiten u m Besoldungen und Gehaltstheile der Kirchen- und Schuldiener z w i schen dem Besoldungsreicher und dem Besoldeten, u m die Baulast an Kirchen10 H u b e r , S t a a t u n d K i r c h e , 1. B d .

146 6. Kap.: Grundnormen d. Staatskirchenrechts d. deutschen Einzelstaaten und Schulgebäuden, u m Erweiterung und Verlegung von Todtenäckern gehört ausschließend zum Geschäftskreis des weltlichen Oberamts 1 6 .

I V . Baden Die badische Verfassung sur künde von 1818 1 legte die Gleichberechtigung der Staatsuntertanen fest Die Glaubens- und Gewissensfreiheit war allen Landeseinwohnern zuerkannt. Die Gleichberechtigung im Zugang zu den öffentlichen Ämtern und in der Ausübung politischer Rechte dagegen war nur den Angehörigen der drei anerkannten Religionsgemeinschaften gewährleistet (Nr. 65). Erst das Gesetz vom 17. Februar 1849 hob diese Beschränkung der Gleichberechtigung auf die gemäß dem Westfälischen Frieden anerkannten Religionsgesellschaften auf. Seit 1807 nahmen in Baden der evangelische und der katholische Kirchenrat als Sektionen des Innenministeriums die staatliche Kirchenaufsicht wahr 2. Zuständiges Ressortministerium für die kirchlichen Angelegenheiten war das Innenministerium, an dessen Spitze in der frühkonstitutionellen Zeit vor allem der katholisch-konservative Frhr. v. Berckheim hervortrat 3. Der Evangelische Kirchenrat hatte als Konsistorium zugleich die Aufgaben des Kirchenregiments inne. Die Verordnung vom 5. Januar 1843 (RegBl. 105) gab den dem Ministerium des Innern unterstellten Kirchenräten die Bezeichnungen: Evangelischer Oberkirchenrat und Katholischer Oberkirchenrat. N r . 65. Staatskirchenrechtliche A r t i k e l der Verfassung des Großherzogtums Baden vom 22. August 1818 (Badisches Regierungsblatt 1818, S. 1425 ff.) 4 II. Staatsbürgerliche und politische Rechte der Badener und besondere Zusicherungen § 9. A l l e Staatsbürger von den drei christlichen Confessionen haben zu allen C i v i l - und Militärstellen und Kirchenämtern gleiche A n s p r ü c h e 5 . . . § 18. Jeder Landeseinwohner genießt der ungestörten Gewissensfreiheit und i n Ansehung der A r t seiner Gottesverehrung des gleichen Schutzes. § 19. Die politischen Rechte der drei christlichen Religionstheile sind gleich 6 . 16

§ 7 Nr. 16 der Generalverordnung vom 28. J u n i 1823 (Reg.Bl. 507). Verfassungsgeschichte Bd. I, S. 326 f. Siehe oben Nr. 39, 40. 3 Karl Christian Frhr. v. Berckheim (1774 - 1849), seit 1797 i m bad. Staatsdienst; 1813 - 1817 bad. Innenminister; 1817 - 1821 bad. Gesandter am F r a n k furter Bundestag; 1821 - 1831 erneut Innenminister. 4 Vollständiger T e x t : Dokumente Bd. 1 Nr. 52/53. 5 Seit dem Gesetz v o m 17. Februar 1849 (Reg.Bl. S. 75) A r t . 1 lautete der § 9: „ A l l e Staatsbürger, ohne Unterschied der Religion, haben zu allen C i v i l - und Militairstellen und Kirchenämtern gleiche Ansprüche." 6 Seit dem gleichen Gesetz hieß der § 19: „Die politischen Rechte aller Religionstheile sind gleich." 1 2

V. Hessen

147

§ 20. Das Kirchengut u n d die e i g e n t ü m l i c h e n Güter und Einkünfte der Stiftungen, Unterrichts- und Wohlthätigkeitsanstalten dürfen ihrem Zwecke nicht entzogen werden.

V. Hessen Die Verfassung des Großherzogtums Hessen vom 17. Dezember 1820 (Nr. 66) entspricht in ihren staatskirchenrechtlichen Bestimmungen weitgehend den süddeutschen Verfassungen der Zeit 1. N r . 66. Staatskirchenrechtliche A r t i k e l der Verfassung des Großherzogtums Hessen v o m 17. Dezember 1820 (Hessisches Regierungsblatt 1820, S. 535 ff.) — Auszug — Titel I. Von dem Großherzogthum

und dessen Regierung im

Allgemeinen

Art. 20. Die Verschiedenheit der i n dem Großherzogthume anerkannten christlichen Confessionen hat keine Verschiedenheit i n den politischen, oder bürgerlichen Rechten zur Folge. Art. 21. Den anerkannten christlichen Confessionen ist freye und öffentliche Ausübung ihres Religions-Cultus gestattet. Art. 22. Jedem Einwohner des Großherzogthums w i r d der Genuß v o l l k o m mener Gewissensfreiheit zugesichert. Der V o r w a n d der Gewissensfreiheit darf jedoch nie ein M i t t e l werden, u m sich irgend einer, nach den Gesetzen obliegenden Verbindlichkeit zu entziehen. Titel V. Von den Kirchen,

den Unterrichts-

und

Wohlthätigkeits-Anstalten

Art. 39. Die innere Kirchen-Verfassung genießt auch den Schutz der politischen. Art. 40. Verordnungen der Kirchengewalt können, ohne vorgängige Einsicht und Genehmigung des Großherzogs, weder verkündet, noch vollzogen werden. Art. 41. Die Geistlichen sind in ihren bürgerlichen Verhältnissen und bei strafbaren Handlungen, welche nicht bloße Dienstvergehen sind, der weltlichen Obrigkeit unterworfen. Art. 42. Die Beschwerden über Mißbrauch der kirchlichen Gewalt können jederzeit bei der Regierung angebracht werden. Art. 43. Das Kirchengut, das Vermögen der vom Staate anerkannten Stiftungen, Wohlthätigkeits- so wie der höheren und niederen Unterrichts-Anstalten genießen des besonderen Schutzes des Staates und können unter keiner V o r aussetzung dem Finanz-Vermögen einverleibt werden. Art. 44. Die Fonds der milden Stiftungen zur Beförderung der Gottesverehrung, des Unterrichts und der Wohlthätigkeit können nur m i t ständischer E i n w i l l i g u n g zu einem fremdartigen Zwecke verwendet werden. 1

10*

Verfassungsgeschichte, Bd. I, S. 335 f.

148 6. Kap.: Grundnormen d. Staatskirchenrechts d. deutschen Einzelstaaten Titel VIII.

Von den Landständen

Art. 72. Ohne Zustimmung der Stände kann kein Gesetz, auch i n Bezug auf das Landes-Polizey-Wesen, gegeben, aufgehoben oder abgeändert werden. Art. 73. Der Großherzog ist befugt, ohne ständische M i t w i r k u n g die zur V o l l streckung und Handhabung der Gesetze erforderlichen, sowie die aus dem A u f sichts- und Verwaltungsrecht ausfließenden Verordnungen und Anstalten zu treffen und i n dringenden Fällen das Nöthige zur Sicherheit des Staates vorzukehren 2 .

V I . Kurhessen Die kurhessische Verfassung vom 5. Januar 1831 (Nr. 67) enthält, über die Wiederholung der allgemeinen staatskirchenrechtlichen Grundsätze der Zeit hinausgreifend, ins einzelne gehende Regelungen für die staatliche Aufsicht über die katholische Kirche sowie die Ankündigung einer Synodalverfassung für die evangelische Kirche 1.

N r . 67. Staatskirchenrechtliche A r t i k e l der Verfassung des Kurfürstentums Hessen vom 5. Januar 1831 (Kurhessische Gesetz- und Verordnungs-Sammlung 1831, S. 1 ff.) 2 — Auszug — Dritter

Abschnitt. Von den allgemeinen Rechten und Pflichten der Unterthanen

§ 29. Die Verschiedenheit des christlichen Glaubensbekenntnisses hat auf den Genuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte keinen Einfluß. Die den Israeliten bereits zustehenden Rechte 3 sollen unter den Schutz der Verfassung gestellt seyn, und die besonderen Verhältnisse derselben gleichförmig für alle Gebietstheile durch ein Gesetz geordnet werden 4 . 2 Aus dieser Ermächtigung leitete der Großherzog die Zuständigkeit ab, gemäß seinem Kirchenhoheitsrecht (Recht der Kirchenaufsicht) Verordnungen m i t Gesetzeskraft i n Kirchenangelegenheiten zu erlassen (dazu unten Nr. 287). 1 Verfassungsgeschichte, Bd. I I , S. 68 ff. 2 Vollständiger T e x t : Dokumente Bd. 1 Nr. 56. 3 Kurhess. Verordnung die Verhältnisse der jüdischen Glaubensgenossen betreffend vom 14. M a i 1816 (GS 57). 4 Kurhess. Gesetz vom 29. Oktober 1833 (GS 144): „Die Staatsangehörigen israelitischen Glaubens i n allen Gebietstheilen erhalten unter den weiter unten folgenden Bestimmungen und Einschränkungen gleiche Rechte m i t den Unterthanen anderer Bekenntnisse, sind aber dagegen auch denselben Verpflichtungen unterworfen. A l l e nur auf das Glaubensbekenntniß gegründeten Verschiedenheiten, welche aus früheren Gesetzen, Verordnungen, Vorschriften, Observanzen und sonstigen Rechtsquellen sich ergeben, sind demnach erloschen, sofern sie nicht durch gegenwärtiges Gesetz eine Bestätigung erhal-

V I . Kurhessen

149

§ 30. Jedem Einwohner stehet vollkommene Freiheit des Gewissens u n d der Religions-Ubung zu. Jedoch darf die Religion nie als Vorwand gebraucht werden, u m sich irgend einer gesetzlichen Verbindlichkeit zu entziehen. Zehnter Abschnitt. Von den Kirchen, den Unterrichtsanstalten und den milden Stiftungen § 132. A l l e i m Staate anerkannten Kirchen genießen gleichen Schutz desselben. Ihren verfassungsmäßigen Beschlüssen bleiben die Sachen des Glaubens und der Liturgie überlassen. § 133. Die Staatsregierung übt die unveräußerlichen hoheitlichen Rechte des Schutzes und der Oberaufsicht über die Kirchen i n ihrem vollen Umfange aus. § 134. Die unmittelbare und mittelbare Ausübung der Kirchengewalt über die evang. Glaubensparteien verbleibt, wie bisher, dem Landesherren. Doch muß bei dem Übertritte desselben zu einer anderen, als evang. Kirche die alsdann zur Beruhigung der Gewissen gereichende Beschränkung dieser Gew a l t m i t den Landständen ohne Aufschub näher festgestellt werden. Uberhaupt aber w i r d i n liturgischen Sachen der evang. Kirchen keine Neuerung ohne die Zustimmung einer Synode Statt finden, welche von der Staatsregierung berufen w i r d . § 135. F ü r das besondere Verhältnis der kath. Kirche zu der Staatsgewalt dienen folgende Bestimmungen zur Richtschnur: a) I n Ansehung des kirchl. Zensur- und Strafrechtes, sowie des bischöfl. Amtseinflusses auf die Unterrichts-Anstalten bleibt das (mit dem vormaligen bischöfl. General-Vikariat zu Fulda verabredete) Regulativ vom 31. August 18295 ferner i n K r a f t . b) Die von dem Bischof und den übrigen kath. Kirchen-Behörden ausgehenden allgemeinen Anordnungen, Kreisschreiben und dergleichen allgemeinen Erlasse an die Geistlichkeit und Diözesanen, welche nicht reine Glaubens· und kirchl. Lehrsachen betreffen, oder durch welche dieselben zu Etwas verbunden werden sollen, was nicht ganz i n dem eigenthümlichen Wirkungskreise der Kirche liegt, bedürfen der Genehmigung des Staates, und können nur m i t solcher k u n d gemacht und i n Ausführung gebracht werden. c) Solche allgemeine Erlasse der Kirchen-Behörde, welche rein geistliche Gegenstände betreffen, sind der einschlägigen Staatsbehörde zur Einsicht vorzulegen, und diese w i r d die Bekanntmachung nicht hindern, wenn der Inhalt keinen Nachtheil dem Staate bringen würde. d) Von allen bischöfl. unmittelbaren oder mittelbaren Kommunikationen m i t dem päbstl. Stuhle, welche nicht etwa lediglich i n Beziehung auf einzelne Fälle der eigentlichen Seelsorge oder auf gewöhnliche, der röm. K u r i e unstreiten. Von den Befugnissen, welche Israeliten des Kurstaates erwerben können, sind allein ausgeschlossen: 1. das Patronatsrecht über christliche Kirchen, 2. die Fähigkeit zur Anstellung i n christlichen K i r c h e n - Ä m t e r n und als L e h rer der christlichen Religion." 5 Kurhessische Verordnung über die bischöfliche Gewalt v o m 31. August 1829 (Text: F. Walter, Fontes juris ecclesiastici antiqui et hodierni, 1862, S. 351 ff.).

150 6. Kap.: Grundnormen d. Staatskirchenrechts d. deutschen Einzelstaaten tig zukommende Dispensationen beabsichtigt werden möchten, noch bloß i n Glückwünschungs-, Danksagungs- u n d anderen dergleichen CeremonialSchreiben bestehen, w i r d die Staatsregierung durch den landesherrlichen Bevollmächtigten bei dem Bisthume nach wie vor Einsicht nehmen lassen 6 . e) I n allen Fällen, wo ein Misbrauch der geistlichen Gewalt Statt findet, bleibt die Beschwerde oder der Rekurs ebenwohl an die Landesbehörden offen, jedoch, was das geistliche Personal i n seinem Berufe angehet, erst alsdann, wenn ein bei der zuständigen oberen Kirchenbehörde geschehener Versuch zur gebührenden Abhülfe als erfolglos dargethan, oder i n so fern etwa Gefahr bei dem Verzuge seyn würde. § 136. Der Staat gewährt den Geistlichen jede, zur Erfüllung ihrer Berufsgeschäfte erforderliche, gesetzliche Unterstützung, und schützt sie i n dem Genüsse der Achtung und Auszeichnung, welche ihrer vom Staat anerkannten Amtswürde gebühret. Hinsichtlich ihrer bürgerlichen Handlungen und Verhältnisse sind dieselben der weltlichen Obrigkeit unterworfen. § 137. F ü r den öffentlichen Unterricht, sonach die Erhaltung und V e r v o l l kommnung der niederen und höheren Bildungs-Anstalten und namentlich der Landes-Universität, sowie der Landschullehrerseminare, ist zu allen Zeiten nach K r ä f t e n zu sorgen. § 138. A l l e Stiftungen ohne Ausnahme, sie mögen für den Kultus, den Unterricht oder die Wohlthätigkeit bestimmt seyn, stehen unter dem besonderen Schutze des Staates, und das Vermögen oder Einkommen derselben darf unter keinem Vorwande zum Staatsvermögen eingezogen oder für andere, als die stiftungsmäßigen Zwecke verwendet werden. N u r i n dem Falle, wo der stiftungsmäßige Zweck nicht mehr zu erreichen stehet, darf eine Verwendung zu anderen ähnlichen Zwecken m i t Zustimmung der Betheiligten, und, sofern öffentliche Anstalten i n Betracht kommen, m i t Bewilligung der Landstände, erfolgen.

V I I . Sachsen Im Königreich Sachsen gab, obwohl das ehedem protestantische Herrscherhaus seit 1697 wieder katholisch war, erst das von König Friedrich August ΙΛ erlassene Mandat vom 16. Februar 1807 2 den Katholiken in der Religionsausübung die volle Gleichberechtigung mit der weit überwiegend protestantischen Bevölkerung. Das Mandat vom 19. Februar 1827 (Nr. 68) regelte das β Der Landesherrliche Bevollmächtigte bei dem Bistum Fulda — ein m i t der Aufsicht über die Diözesanbehörden betrauter Staatskommissar — w a r eine i n dieser A r t einzigartige Einrichtung des deutschen Staatskirchenrechts des 19. Jahrhunderts. Das A m t wurde 1829 geschaffen bei der Neuerrichtung des Bistums Fulda i m Rahmen der oberrheinischen Kirchenprovinz (dazu unten Nr. 102 ff.). Näheres über das A m t enthält die „Dienstvorschrift für den landesherrlichen Bevollmächtigten bei dem B i s t u m Fulda" vom 12. August 1829 (unveröffentlicht; Original i m Bistums-Archiv Fulda, Az. 001 - 01 Fasz. 23). 1 Friedrich August I. (1750 - 1827), seit 1763 K u r f ü r s t von Sachsen (Friedrich August III.), seit dem 11. Dezember 1806 König. 2 T e x t : E. Sehreyer, Codex des i m Königreich Sachsen geltenden Kirchenund Schulrechts (1864) S. 204.

VI.

hsen

151

Verhältnis des Staates zur katholischen Kirche durchaus im Sinn des gemeindeutschen Staatskirchenrechts. So waren die Anordnungen des päpstlichen Stuhls wie die der obersten geistlichen Behörden Sachsens dem landesherrlichen Plazet unterworfen. Ebenso gab es gegenüber den Akten der geistlichen Gewalt den Recursus ab abusu an die Staatsbehörden. Auch das Mischehenrecht erhielt in dem Mandat von 1827 eine den staatlichen Grundsätzen entsprechende Regelung. Die unter König Anton 3 erlassene Verfassung von 1831 (Nr. 69) beschränkte die öffentliche Religionsausübung auf die drei Hauptkonfessionen. Der König nahm ihnen gegenüber das jus circa sacra in vollem Umfang in Anspruch 4. Die Ausübung dieser staatlichen Hoheitsrechte gegenüber der katholischen Kirche war geordnet in dem königlichen Regulativ von 1837 (Nr. 70). Innerhalb der evangelischen Kirche stand dem König das Landesherrliche Kirchenregiment zu. Doch war dieses jus episcopale über die evangelische Kirche , da der sächsische König katholisch war, den Ministern in Evangelicis übertragen5. Oberste geistliche Behörden der katholischen Kirche waren das Apostolische Vikariat Dresden und die Apostolische Präfektur Bautzen (siehe Nr. 68, 70). Das für das ganze Königreich gebildete Apostolische Vikariat war ein exemter, der Kurie unmittelbar unterstellter Sondersprengel (territorium separatum; dioecesis nullius ; eine „Quasi-Diözese"). Der an der Spitze stehende Apostolische Vikar, der stets zugleich Hofprediger war, besaß in seinem Sprengel das volle jus epicopale ; er war zwar nicht von Amts wegen Bischof, wurde jedoch stets zum Titularbischof ernannt. Das Amt bekleidete seit 1819 Ignaz Bernhard Mauermann e; ihm folgte 1841 sein Bruder Franz Laurenz Mauermann 7. Die Apostolische Präfektur Bautzen war ein für die sächsische Oberlausitz bestehender Sonderbereich. Der die Präfektur leitende Apostolische Präfekt, der zugleich Domdekan am Domstift St. Peter in Bautzen war&, war mit Sonderbefugnissen ausgestattet, die ihm eine partielle Exemtion gegenüber dem

3 Anton (1755 - 1836), Bruder Friedrich Augusts I., 1827 - 1836 K ö n i g von Sachsen. 4 Gegen die „Beeinträchtigung der katholischen Kirchenfreiheit" durch die Staatsverfassung von 1831 sowie die anschließende staatliche Gesetzgebung wandte die katholische Geistlichkeit Sachsens sich i n der Vorstellung des Präses des kath.-geistl. Consistoriums Laurenz Mauermann vom 8. A p r i l 1833 an die Ständeversammlung (Text: A. v. Roskovàny, Monumenta Catholica, Bd. 2, 1847, S. 521 ff.). 5 Siehe auch unten Nr. 299, 300. 6 Ignaz Bernhard Mauermann (1786 - 1841), seit 1808 kath. Priester; 1815 Hofprediger i n Dresden; 1819 zugleich Domherr am Domstift St. Peter i n Bautzen; 1819 - 1841 Apostol. V i k a r von Sachsen und Bischof von Pella i.p.i.; seit 1831 auch Domdekan und Apostol. Präfekt i n Bautzen. Er vereinigte damit die beiden höchsten katholisch-kirchlichen Würden Sachsens in seiner Hand. 7 Franz Laurenz Mauermann (1780 - 1845), älterer Bruder des Vorgenannten; seit 1796 i m Zisterzienserstift Neuzelle (Niederlausitz); seit 1813 Capellan am Zisterzienser-Frauenkloster Marienstern (Oberlausitz); 1817 Pfarrer i n Leipzig, dann Hof capellan i n Dresden; 1827 Präses des kath. Consistoriums (siehe Nr. 68, §§ 1, 4 ff.); 1841 - 1845 Apostol. V i k a r i n Sachsen (Bischof von Rama i.p.i.). 8 Inhaber des Amts w a r zunächst Franz Georg Lock (1751 - 1831); dessen Nachfolger w a r Ignaz Bernhard Mauermann (oben A n m . 6).

152 6. Kap.: Grundnormen d. Staatskirchenrechts d. deutschen Einzelstaaten Apostolischen Vikar in Dresden gaben9. Beide hatten damit eine fast gleichrangige Stellung in Sachsen inne. Der Grund für die Sonderstellung der Apostolischen Präfektur Bautzen war die 1637 begründete Lehnsabhängigkeit der Oberlausitz von der Krone Böhmen, an der das habsburgische Haus auch nach 1815 festzuhalten suchte. Eben wegen dieser ungelösten Frage der Lehnsabhängigkeit der Oberlausitz von Österreich mußte das sächsische Königshaus den zunächst verfolgten Plan, ein sächsisches Landesbistum mit dem Sitz Bautzen zu errichten, aufgeben. Durch einen mit Sachsen vereinbarten Rezess von 1845 gab Österreich das Schutzrecht über die Oberlausitz förmlich auf. An die Errichtung eines sächsischen Landesbistums aber war angesichts des protestantischen wie des liberalen Widerstandes vorerst nicht mehr zu denken. Erst nach der Novemberrevolution wurde 1921 das sächsische Landesbistum Meißen mit Sitz in Bautzen geschaffen, in dem das Vikariat Dresden und die Präfektur Bautzen aufgingen.

N r . 68. M a n d a t , die Ausübung der katholisch-geistlichen Gerichtsbarkeit in den hiesigen Kreislanden und die Grundsätze zu Regulierung der gegenseitigen Verhältnisse der katholischen und evangelischen Glaubensgenossen betreffend v o m 19. Februar 1827 (Sächsische Gesetzsammlung 1827, S. 13) — Auszug — W i r Friedrich August, von Gottes Gnaden K ö n i g von Sachsen etc. t h u n k u n d und zu wissen: Nachdem durch Unser Mandat vom 16. Februar 1807 10 bekannt gemacht worden, daß hinfüro i n Unserem gesammten Königreiche Sachsen die Ausübung des römisch-katholischen Gottesdienstes der Ausübung des Gottesdienstes der augsburgischen Confessionsverwandten gänzlich gleichgestellt werden, und die Unterthanen beider Confessionen gleiche bürgerliche und politische Rechte ohne Einschränkung genießen sollen, diese Gleichstellung auch durch den 16. A r t i k e l der deutschen Bundesacte vom 8. J u n i 1815, i n allen Bundeslanden festgesetzt worden ist 1 1 , so finden W i r für nöthig, über die Ausübung der katholisch-geistlichen Gerichtsbarkeit in den hiesigen Kreislanden, und zu Regulirung der gegenseitigen Verhältnisse der katholischen und evangelischen Glaubensgenossen, folgende, die gegenseitigen Grenzen bestimmende, gesetzliche Vorschrift zu ertheilen : § 1. Das apostolische Vicariat allhier ist die oberste geistliche Behörde für die römisch-katholischen Glaubensgenossen i n den vier Kreisen, und hat, nebst dem i h m untergeordneten katholischen Consistorium, die geistlichen Angelegenheiten und die geistliche Gerichtsbarkeit in Bezehung auf sie ebenso zu verwalten, wie solches von dem evangelischen Kirchenrathe, respective in 9 Uber den Vorbehalt der Sonderstellung der Apostol. Präfektur Bautzen unten Nr. 70 § 23. 10 Oben S. 150 A n m . 2. 11 Oben Nr. 53.

VI.

hsen

153

Subordination von den evangelischen wirklichen Geheimen Rathen u n d den unter demselben stehenden Consistorien, hinsichtlich der Evangelischen geschiehet. § 2. Der jedesmalige apostolische Vicar hat, nach vorheriger Vorlegung des die i h m beschehene Delegation enthaltenden päpstlichen Schreibens, den Unterthanen- und Dienst-Eid i n Unsere Hände abzuleisten, und dabei zu Beobachtung der Landesgesetze bei der i h m aufgetragenen V e r w a l t u n g sich zu verpflichten. § 3. Die Bekanntmachung allgemeiner, entweder v o m römischen Stuhle ausgehender, oder sonst v o m Vicariate f ü r nöthig zu befindender Anordnungen durch den Druck oder öffentlichen Anschlag soll ohne Unser landesherrliches Vorwissen, und, nach Befinden, beigefügtes Placet nicht geschehen. Auch behalten W i r Uns vor, i n etwa vorkommenden Fällen, welche auf Unsere landesherrliche Gerechtsame Einfluß haben können, und bei Beschwerden über Mißbrauch der von dem Vicariate auszuübenden geistlichen Gewalt, Selbst i n geeigneter Maße zu entscheiden. Z u m Behuf solcher Entscheidungen soll jedesmal über den i n Frage befangenen Gegenstand von Unserm Geheimen Rathe m i t dem apostolischen Vicar sich zuvor communicando vernommen, u n d i n dessen Folge räthliches G u t achten darüber von Ersterem Uns eröffnet werden. § 4. Z u r Ausübung der katholisch-geistlichen Gerichtsbarkeit i n der untern Instanz w i r d ein katholisch-geistliches Consistorium niedergesetzt, welches m i t drei geistlichen und zwei, zur V e r w a l t u n g von Justizstellen nach der desfallsigen gesetzlichen Vorschrift qualificirten, weltlichen Beisitzern besetzt, bei dessen Expedition auch, außer den sonst nöthigen Expedienten, ein zu Actuariatsverrichtungen legitimirter Secretarius angestellt seyn soll. § 5. Die als geistliche oder weltliche Mitglieder bei genanntem Collegio anzustellenden Personen hat Uns der apostolische Vicar, zu der zu deren A n stellung, bei nicht vorhandenen Bedenken, vorhero zu ertheilenden landesherrlichen Bestätigung, jedesmal i n Vorschlag zu bringen. § 6. Die sämmtlichen, sowohl geistlichen, als weltlichen Beisitzer dieser Behörde, auch die bei i h r anzustellenden Subalternen, werden bei ihrer Einführung und Annahme m i t dem Subjections- und dem Dienst-Eide belegt, haben auch, hinsichtlich der ihnen zukommenden Geschäftsführung, zu Beobachtung der Landesgesetze sich zu verpflichten. § 7. I n dem katholisch-geistlichen Consistono soll der Vorsitzende Geistliche den Titel: „Präses", die übrigen Beisitzer den Titel: „Consistorial-Assessoren" führen und Ersterer den Rang nach dem Director, Letztere den Rang nach den Assessoren des Consistorii zu Leipzig haben. Der Gerichtsstand derselben ist, was die geistlichen Beisitzer anlangt, nach den Bestimmungen des gegenwärtigen Mandats, i n Ansehung der weltlichen Assessoren aber und der Subalternen des Collegii, n u r Dienstsachen ausgenommen, i n Hinsicht deren sie sämmtlich unter dem Vicario stehen, nach den i n §§ 18. und 19. des Mandats vom 13. März 1822, enthaltenen allgemeinen Vorschriften, zu beurtheilen 1 2 . 12 Es folgen Bestimmungen über den Geschäftsgang und den Zuständigkeitsbereich des Consistoriums.

154 6. Kap.: Grundnormen d. Staatskirchenrechts d. deutschen Einzelstaaten § 44. Z u gültigen Eheversprechungen ist auch, i n Ansehung der dem römischkatholischen Glaubensbekenntnisse zugethanen Unterthanen, die E i n w i l l i g u n g der noch lebenden Altern, oder respective Großältern, schlechterdings erforderlich, und solches sowohl von den katholischen Pfarrern vor dem Aufgebote und der Trauung, als auch von dem katholisch-geistlichen Consistono bei den i n Sponsaliensachen zu fällenden Erkenntnissen, gehörig i n Obacht zu nehmen. § 45. Uberhaupt haben die katholischen Pfarrer, i n Ansehung des Aufgebots und der Trauung, nach den allgemeinen Bestimmungen der Sächsischen Eherechte, wie solche i n dem den Pfarrern Augsburgischer Confession unterm 15. Januar 1808 vorgeschriebenen Regulative 1 3 zusammen gestellt worden sind, ebenfalls sich zu achten, und sie sind desfalls m i t angemessener A n w e i sung durch das apostolische Vicariat besonders versehen worden. § 46. Verlobte, von welchen der eine Theil dem evangelischen, der andere dem römisch-katholischen Glaubensbekenntnisse zugethan ist, sind (nur den F a l l ausgenommen, da Beide von A d e l wären, u n d daher des den Personen v o m Adelsstande observanzmäßig zustehenden Privilegii der Befreiung v o m Aufgebote protestantischer Seits zu genießen hätten) i n den Kirchen beider Confessionen, und zwar i n den Kirchspielen, w o h i n sie eingepfarrt sind, oder respective i n deren Bezirke sie sich wesentlich aufhalten, das heißt, sich entweder häuslich niedergelassen, oder ihre Aeltern noch am Leben haben, auch wenn sie sich an einem andern Orte, als wo ihre Aeltern wohnen, häuslich niedergelassen haben, sowohl i n jenem, als i n diesem zu dreien Malen öffentlich aufzubieten. A n Orten, wo sich keine katholische Kirche befindet, muß das Aufgebot der Verlobten auch bei Ehen zwischen K a t h o l i k e n i n den protestantischen Pfarrkirchen, i n deren Bezirke sie wohnen, geschehen. § 47. V o n den Pfarrern, welche das Aufgebot zu veranstalten haben, ist v o r hero sorgfältig zu untersuchen, ob nicht, nach den Grundsätzen ihrer Kirche, der Vollziehung des Ehegelöbnisses zwischen beiden Verlobten ein rechtliches Hinderniß entgegen stehe; u n d es darf, bevor solches nicht beseitiget, oder i n dispensablen Fällen von dem Theile, auf dessen Seite es sich findet, die Dispensation seiner geistlichen Behörde glaubhaft beigebracht worden, m i t dem Aufgebote nicht verfahren werden. § 52. W i r tragen Bedenken, durch gesetzliche Bestimmungen über das Religionsbekenntniß, i n welchem K i n d e r von Personen verschiedenen Glaubensbekenntnisses getauft und erzogen werden sollen, den Aeltern oder andern Personen, die f ü r die Erziehung solcher K i n d e r zu sorgen verpflichtet sind, einen Zwang aufzulegen. Es bleibt also die Entscheidung hierüber lediglich der Übereinkunft u n d Anordnung der Aeltern, bei unehelichen K i n d e r n der M u t t e r allein, die auch nach deren Ableben zu befolgen ist, oder, wenn die Aeltern, ohne eine solche Ubereinkunft oder Anordnung zu treffen, verstorben seyn sollten, Denjenigen überlassen, die überhaupt für die Erziehung dieser K i n d e r zu sorgen haben. 13 Regulativ, nach welchem die Pfarrer Augsburgischer Confession bey A u f geboten u n d Trauungen sich zu halten haben v o m 15. Januar 1808 (Text: E. Schreyer, a.a.O., S. 207 ff.).

VI.

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155

§ 53. Unter keinem Vorwande ist Personen verschiedener Confession, die sich zu ehelichen gesonnen sind, ein Angelöbniß wegen der künftigen religiösen Erziehung der i n ihrer Ehe zu erzeugenden K i n d e r abzufordern 1 4 . § 54. Unregelmäßigkeiten, welche, vorstehenden Vorschriften zuwider, die Verlobten, oder die sie aufbietenden u n d trauenden Geistlichen, sich zu Schulden bringen, sind ernstlich zu ahnden. § 58. I m Betreff des Schulunterrichtes sind an Orten, wo es sowohl k a t h o l i sche, als evangelische Schulen giebt, die K i n d e r katholischer Aeltern durchaus an jene, die K i n d e r evangelischer Aeltern aber ebenso an diese zu verweisen. Unter keinem Vorwande dürfen an solchen Orten K i n d e r katholischer Aeltern i n die evangelische Schule, u n d die K i n d e r evangelischer Aeltern i n k a t h o l i sche, als evangelische Schulen giebt, die K i n d e r katholischer Aeltern durchaus § 59. N u r in Hinsicht der gelehrten Schulen soll hierin eine Ausnahme Statt finden, u n d auch den K i n d e r n verschiedener Confession, nach erhaltener Genehmigung der Schulvorsteher, verstattet seyn, als Extraner an dem Unterrichte i n Sprachen und Wissenschaften T h e i l zu nehmen. § 60. A n denjenigen Orten, wo keine katholische Schule vorhanden ist, sollen die daselbst lebenden K a t h o l i k e n ihre K i n d e r i n die protestantische Ortsschule zu schicken, zwar nicht verbunden seyn, ihnen jedoch freistehen, gegen E n t richtung des Schulgeldes, sie an dem darin zu empfangenden Unterrichte, nur den Religionsunterricht ausgenommen, Theil nehmen zu lassen.

N r . 69. Staatskirchenrechtliche A r t i k e l der Verfassung des Königreichs Sachsen v o m 4. September 1831 (Sächsische Gesetzsammlung 1831, S. 241 ff.) — Auszug — 1 5 Dritter

Abschnitt.

Von den allgemeinen Rechten und Pflichten der Unterthanen

§ 32. Jedem Landeseinwohner w i r d völlige Gewissensfreiheit und, i n der bisherigen oder k ü n f t i g gesetzlich festzusetzenden Maße, Schutz i n der Gottesverehrung seines Glaubens gewährt. § 33. Die Mitglieder der i m Königreiche aufgenommenen christlichen K i r chengesellschaften genießen gleiche bürgerliche u n d politische Rechte. A l l e andere Glaubensgenossen haben an den staatsbürgerlichen Rechten n u r i n der Maße einen Antheil, wie ihnen derselbe vermöge besonderer Gesetze zukommt16. 14 Auch diese dem katholischen Kirchenrecht extrem entgegengesetzte N o r m des sächsischen Staatskirchenrechts (siehe unten Nr. 122 ff., 213 ff., 245 ff.) nahm die K u r i e hin. 15 Vollständiger T e x t : Dokumente Bd. 1 Nr. 57.

156 6. Kap.: Grundnormen d. Staatskirchenrechts d. deutschen Einzelstaaten Vierter Abschnitt.

Von dem Staatsdienste

§ 41 Abs. 3. A u f den Vorstand des M i n i s t e r i i des Cultus, welcher stets der evangelischen Konfession zugethan seyn muß, i n Gemeinschaft m i t wenigstens zwei anderen Mitgliedern des Gesamtministerii derselben Confession, geht der bisherige A u f t r a g i n Evangelicis über 1 7 . Z u seinem Wirkungskreis gehören die § 57 bezeichneten Angelegenheiten aller Confessionen. Sechster Abschnitt. Von den Kirchen, Unterrichtsanstalten und milden Stiftungen § 56. N u r den i m Königreiche aufgenommenen oder k ü n f t i g mittelst besonderen Gesetzes aufzunehmenden christlichen Confessionen steht die freie öffentliche Religionsübung zu. Es dürfen weder neue Klöster errichtet, noch Jesuiten oder irgend ein anderer geistlicher Orden, jemals i m Lande aufgenommen werden. § 57. Der K ö n i g übt die Staatsgewalt über die Kirchen (jus circa sacra), die Aufsicht und das Schutzrecht über dieselben nach den diesfallsigen gesetzlichen Bestimmungen aus, u n d es sind daher namentlich auch die geistlichen Behörden aller Confessionen der Oberaufsicht des Ministeriums des Cultus untergeordnet. Die Anordnungen i m Betreff der innern kirchlichen Angelegenheiten bleiben der besondern Kirchen Verfassung einer jeden Confession überlassen. Insbesondere w i r d die landesherrliche Kirchengewalt (jus episcopale) über die evangelischen Glaubensgenossen, solange der K ö n i g einer andern Confession zugethan ist, von der § 41 bezeichneten Ministerialbehörde 1 8 ferner i n der zeitherigen Maße ausgeübt. § 58. Beschwerden über Mißbrauch der kirchlichen Gewalt können auch bis zu der obersten weltlichen Staatsbehörde gebracht werden. § 59. Die Kirchen und Schulen und deren Diener sind in ihren bürgerlichen Beziehungen und Handlungen den Gesetzen des Staats unterworfen. § 60. A l l e Stiftungen ohne Ausnahme, sie mögen für den Cultus, den Unterricht, oder die Wohlthätigkeit bestimmt seyn, stehen unter dem besondern Schutze des Staats, und das Vermögen oder Einkommen derselben darf unter keinem Vorwande zum Staatsvermögen eingezogen, oder für andere, als die stiftungsmäßigen Zwecke verwendet werden. N u r in dem Falle, wo der stiftungsmäßige Zweck nicht mehr zu erreichen steht, darf eine Verwendung zu andern ähnlichen Zwecken, m i t Zustimmung der Betheiligten und, insofern allgemeine Landesanstalten i n Betracht kommen, m i t B e w i l l i g u n g der Stände erfolgen.

18 Durch Gesetz vom 3. Dezember 1868 (GVB1. S. 365) wurde § 33 wie folgt geändert: „Der Genuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte ist unabhängig von dem religiösen Glaubensbekenntnisse. Den bürgerlichen und staatsbürgerlichen Pflichten darf das religiöse Bekenntnis keinen Abbruch tun." 17 Dazu unten S. 698 A n m . 1. 18 Nämlich die Minister i n Evangelicis (oben § 41 Abs 3).

V I I . Sachsen

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N r . 70. Regulativ wegen Ausübung des weltlichen Hoheitsrechts über die katholische Kirche von 183719 (G. F. H. Rheinwald,

Acta historico-ecclesiastica, Jg. 1837,1840, S. 632 ff.)

§ 1. Dem K ö n i g steht über die kath. Kirche, wie über jede andere i m K ö n i g reich aufgenommene Religionsgesellschaft, das weltliche Hoheitsrecht (jus circa sacra) zu. § 2. Die i n diesem Hoheitsrechte enthaltenen Befugnisse werden nach Maasgabe der Verfassungsurkunde (§ 32, 33, 56, 57, 58, 59 u n d 60)20 und der Verordnung, die Einrichtung der Ministerialdepartements betreffend, v o m 7. November 1831 (§ 4 unter E. I, I I , I I I und I V ) 2 1 durch das M i n i s t e r i u m des Cultus und öffentl. Unterrichts ausgeübt. Die Competenz des Gesammtministeriums hierbei ist nach den i n der erwähnten Verordnung § 4 unter G. enthaltenen allgemeinen Grundsätzen zu beurtheilen. § 3. A l l e allgemeinen Anordnungen und Erlasse des apostol. Vikariats und anderer kath.-geistlichen Behörden i m Königreiche, sie mögen n u n durch den Druck oder durch öffentlichen Anschlag bekannt gemacht werden, sind zuvörderst dem K ö n i g zu Ertheilung des landesherrlichen Placet vorzulegen und vor dessen Ertheilung nichtig. Die Vorlegung erfolgt durch das M i n i s t e r i u m des Cultus und öffentl. Unterrichts, welches i n der hierauf zu erlassenden Verfügung ausdrücklich zu bemerken hat, dass das Placet ertheilt worden sei. § 4. Eben dasselbe gilt auch v o n allen und jeden Bullen, Breven u n d sonstigen Erlassen des röm. Stuhls, und zwar von diesen ohne Unterschied, sie mögen n u n allgemeinen Inhalts sein, oder nur einzelne Kirchen, Stiftungen, Gemeinden, oder Einwohner angehen, insofern sie i m Königreiche publizirt oder zur Anwendung gebracht werden sollen. § 5. Die landesherrlich genehmigten Erlasse bleiben so lange i n K r a f t , als nicht i m Staate durch neuere Anordnungen etwas Anderes eingeführt w i r d . § 6. Ebenso, wie die weltlichen Mitglieder der kath. Kirche, stehen auch die geistlichen als Staatsgenossen i n allen bürgerlichen Beziehungen unter den Gesetzen und der Gerichtsbarkeit des Staates. Sie haben i n dieser Eigenschaft bei ihrer Anstellung den i n der Verfassungsurkunde § 139 vorgeschriebenen Eid vor dem katholisch-geistlichen Consistorium zu leisten 2 2 . § 7. K e i n Geistlicher darf ohne Genehmigung des Königs Würden, Pfründen, Pensionen, Orden oder Ehrentitel von Auswärtigen annehmen. 19 Das Regulativ wurde den beiden K a m m e r n durch Allerhöchstes Dekret vom 25. M a i 1837 als E n t w u r f zugeleitet. I n den Kammerberatungen ergaben sich keine wesentlichen Einwendungen. Obwohl das Regulativ nicht als Gesetz verkündet wurde, wurde es i n der sächsischen Staatspraxis angewandt; es bildete einen essentiellen Bestandteil der sächsischen Verfassungs- u n d Verwaltungswirklichkeit. Näheres dazu bei C. G. v. Weber, Systematische Darstellung des i m Königreiche Sachsen geltenden Kirchenrechts (2. Aufl. 1843) Bd. 1 S. 51 Anm. 3. 20 Oben Nr. 69. 21 Sächs. GS 1831 S. 323 ff. 22 Der Wortlaut des Treu- und Gehorsamseids der sächs. kath. Geistlichen w a r bestimmt durch die kgl. Resolution vom 26. März 1836 (Text: E. Friedberg, Die Gränzen zwischen Staat u n d Kirche, 1872, S. 391 A n m . 3).

158 6. Kap.: Grundnormen d. Staatskirchenrechts d. deutschen Einzelstaaten § 8. Den kath. Geistlichen w i r d i n demjenigen Maße, w i e den Geistlichen der übrigen i m Königreiche m i t verfassungsmässiger Rechtsgleichheit bestehenden christl. Confessionen, jede zu Erfüllung ihres Berufs erforderliche gesetzliche Unterstützung und voller Schutz i n der ihrer Amtswürde gebührenden Achtung und Auszeichnung gewährt. § 9. Die Räthe bei dem apostol. Vikariate und die Mitglieder des kath.-geistlichen Consistoriums 2 3 werden auf Designation des apostol. Vikars u n d V o r trag des Ministeriums des Cultus und öffentl. Unterrichts vom K ö n i g bestätigt. Z u Ernennung des untergeordneten Personals bei dem apostol. Vikariate ist der apostol. Vikar, u n d bei dem kath.-geistlichen Consistorium der Präses desselben fernerhin beauftragt. § 10. Das dem Könige zustehende Collaturrecht über diejenigen kath. K i r chen» und Schulstellen i m Königreiche, wo solches nicht von Privaten besonders erworben worden ist, w i r d ferner von dem apostol. V i k a r auftragsweise ausgeübt. Hierbei hat derselbe folgende Bestimmungen zu beobachten: a) Z u geistlichen und Schulstellen sind thunlichst Inländer, oder doch Deutsche, welche i n Deutschland ihre B i l d u n g erlangt haben, zu wählen. b) Die neugewählten Geistlichen müssen die kanon. Eigenschaften besitzen und eine Prüfung bei dem kath.-geistlichen Consistorium bestehen. c) Vor der Übertragung einer Pfarrei oder der F u n k t i o n eines Kaplans hat der apostol. V i k a r dem M i n i s t e r i u m des Cultus und öffentl. Unterrichts die getroffene Wahl, das Ergebniss der Prüfung und die Lebensumstände des Gewählten anzuzeigen, auch ist es bei ersterer zugleich zu bemerken, welche Stelle dem Pfarrer übertragen werden solle und wie selbige erledigt worden sei. Sollte dem M i n i s t e r i u m bei der W a h l ein Bedenken beigehen, und dieses durch Rücksprache m i t dem apost. V i k a r nicht gehoben werden, so hat das Ministerium die Sache dem K ö n i g vorzulegen. d) Schullehrer sind i n den Religionskenntnissen v o m kath.-geistlichen Consistorium, und i n den allgemeinen Schulkenntnissen von der Schulkommission, m i t Zuziehung eines von Ersterem abzuordnenden Geistlichen zu p r ü fen und können n u r dann angestellt werden, wenn sie diese Prüfung genügend bestanden haben. §11. Soll Seiten des Staats für anzustellende Pfarrvikarien oder Hülfsgeistliche ein Tischtitel angewiesen werden, so hat der apost. V i k a r das M i n i sterium des Cultus und öffentl. Unterrichts von der Nothwendigkeit einer solchen Anstellung i n Kenntniss zu setzen, welches den diesfallsigen Antrag dem K ö n i g vorlegen w i r d . § 12. Dispensationen, welche verbotene Verwandschaftsgrade und sonstige Ehehindernisse, Aufgebot, Trauung, Trauerzeit oder andere zur Entscheidung der kirchl. Behörde gehörige Punkte betreffen, werden hinsichtlich der kath. Unterthanen auch ferner von den kath.-geistlichen Obern ertheilt. § 13. Da zu Erledigung kirchl. Streitigkeiten der kath. Unterthanen i n dem apostol. Vikariate und dem kath.-geistlichen Consistorium geeignete Landesbehörden bestehen, so können dergleichen Streitigkeiten i n keinem Falle ausserhalb des Landes und vor auswärtigen Richtern verhandelt werden.

23

Siehe oben Nr. 68.

V I I . Sachsen

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§ 14. Die Fonds der kath. Kirchen, Schulen und geistl. Stiftungen stehen unter der Aufsicht des apostol. V i k a r ; er hat aber dem M i n i s t e r i u m des Cultus und öffentl. Unterrichts i n Folge der demselben obliegenden Oberaufsicht über diese Fonds aller Confessionen, auf Erfordern ausreichende Nachweisungen über die V e r w a l t u n g der erstem mitzutheilen. §15. Neue geistliche Einrichtungen, welche i n polizeilicher, nationalökonomischer und finanzieller Hinsicht den Staat oder dessen bürgerliche Einrichtungen ganz oder theilweise i n irgend einer A r t berühren, insbesondere aber die Errichtung kath. Kirchen, Schulen und anderer geistl. Anstalten, dürfen nicht ohne Königliche, nach dem vorhandenen Bedürfnisse zu bemessende, auf Vortrag des Ministeriums des Cultus und öffentl. Unterrichts ertheilte Genehmigung getroffen werden. Insbesondere gilt dieses auch von Bestimmung oder Veränderung der Parochialgränzen. §16. B i l d u n g neuer kath. Kirchen- und Schulgemeinden w i r d n u r dann gestattet werden, wenn dieselben zu Unterhaltung der Kirchen und geistl. Gebäude zu den nöthigen Ausgaben für den Gottesdienst die erforderlichen M i t t e l nachweisen. §17. Die Kirchengewalt — die Befugniss, die inneren Angelegenheiten der Kirche zu ordnen und zu leiten, — (potestas ecclesiastica, jus episcopale, jus in sacra) steht über die kath. Kirche den kath.-geistlichen Behörden zu; das Ministerium des Cultus u n d öffentl. Unterrichts ist jedoch befugt, auch über diese Angelegenheiten n ö t i g e n f a l l s Auskunft zu verlangen, u m der i h m vermöge des Königlichen Schutz- und Oberaufsichtsrechts obliegenden Pflicht Genüge leisten zu können und darauf zu sehen, dass Nichts vorgenommen werde, was dem allgemeinen kirchl. Zwecke Nachtheil bringen, die öffentl. Ruhe stören, die Rechte Einzelner gefährden, oder die dem Staate und andern gleichberechtigten Religionsgesellschaften schuldige Achtung verletzen könnte 2 4 . §18. Dem K ö n i g steht zu, auch i n den kath. Kirchen des Königreichs Feierlichkeiten und Gebete zu verlangen, und den Grad der dabei stattfindenden Feier, jedoch unbeschadet der besonderen Einrichtungen des kath. Gottesdienstes, zu bestimmen. Dergleichen Anordnungen werden durch das M i n i sterium des Cultus und öffentl. Unterrichts; oder, i n sofern sie Exequien und ähnliche nur den kath. Hofgottesdienst i n Dresden angehende Feierlichkeiten betreffen, durch das M i n i s t e r i u m des Kgl. Hauses erlassen. § 19. Das apostol. V i k a r i a t hat seine an den K ö n i g gerichteten Schriften und Anzeigen bei dem Ministerium des Cultus und öffentl. Unterrichts einzureichen. Ausgenommen sind die Schriften und Anzeigen wegen solcher Angelegenheiten des kath. Hofgottesdienstes, welche zum Ressort des Ministeriums des Kgl. Hauses gehören u n d daher dahin abzugeben sind, und die Beschwerden über Verfügungen von Ministerien, welche bei dem König unmittelbar eingereicht werden. Beschwerden über Mißbrauch der von dem apostol. Vikariate auszuübenden geistlichen Gewalt (§ 58 der Verfassungsurkunde) sind zunächst bei dem M i n i s t e r i u m des Cultus und öffentl. Unterrichts einzureichen. 24 Der hier erhobene staatliche Anspruch auf Überwachung der Kirche auch i m Bereich der innerkirchlichen Angelegenheiten ging weit über das nach a l l gemeinem deutschem Staatskirchenrecht übliche Maß hinaus.

160 6. Kap. : Grundnormen d. Staatskirchenrechts d. deutschen Einzelstaaten § 20. Dem apostol. Vikariate liegt ob, den aus dem Ministerium des Cultus und öffentl. Unterrichts ergehenden Anordnungen, insofern sie äussere Angelegenheiten der kath. Confession und der zu i h r gehörigen Geistlichkeit betreffen, ohne Einschränkung; i n Ansehung der innern kirchlichen Angelegenheiten aber nach den oben § 17 angegebenen nähern Bestimmungen nachzukommen, oder w e n n sich selbiges etwa durch kath.-kirchliche Vorschriften behindert glauben sollte, die diesfallsigen Gründe dem M i n i s t e r i u m darzulegen, worauf Letzteres die Erschliessung des Königs einholen w i r d . §21. U m den kath. Glaubensgenossen die vollkommenste Gewähr der U n parteilichkeit des Ministeriums des Cultus u n d öffentl. Unterrichts zu geben, w i r d bei selbigem jederzeit ein rechtskundiger kath. Ministerialrath angestellt sein, welcher bei den hauptsächlichen Erschliessungen i n kath. Kirchen- u n d Schulsachen, so w i e bei Entscheidungen über die von kath.-geistlichen Behörden, oder gegen selbige geführten Beschwerden, i n soweit sie überhaupt zu der Competenz des Ministeriums gehören, zuzuziehen ist und die Befugniss hat, wenn er sich nicht einverstehen kann, auf Vortrag der Sache an den K ö n i g zu provoziren. § 22. A l l e diesem Regulative entgegenlaufende bisherige Bestimmungen werden hierdurch aufgehoben. § 23. Die Bestimmungen des gegenwärtigen Regulativs sind auch rücksichtlich der Oberlausitz, jedoch unter Beachtung der eigenthümlichen Verfassungsund Competenzverhältnisse dieser Provinz, i n Anwendung zu bringen 2 5 .

V I I I . Braunschweig Das Herzogtum Braunschweig erhielt unter Herzog Wilhelm 1 in der „Neuen Landschaftsordnung" vom 12. Oktober 1832 (Nr. 71) ein umfassendes Staatsgrundgesetz, in dem auch die staatsrechtliche Stellung der Kirchen geregelt wurde 2. N r . 71. Staatskirchenrechtliche A r t i k e l der Neuen Landschaftsordnung des Herzogtums Braunschweig vom 12. Oktober 1832 (Braunschweigische Gesetz- und Verordnungs-Sammlung 1832, S. 191 ff.) — Auszug — Zweites Capitel.

Von den allgemeinen Unterthanen

Rechten und Pflichten der

§ 29. Jedem Einwohner w i r d vollkommene Freiheit des Gewissens und des religiösen Glaubens, auch das öffentliche Bekenntniß desselben i n einer der 25 Über die Sonderstellung der Oberlausitz und der Apostolischen Präfektur Bautzen siehe oben S. 151 f. 1 Wilhelm Herzog von Braunschweig (1806 - 1884), nach dem Sturz seines Bruders, des Herzogs K a r l , regierender Herzog von 1830 - 1884. 2 Verfassungsgeschichte Bd. I I , S. 46 ff. Die vorausgegangene erneuerte Landschaftsordnung v o m 25. A p r i l 1820 (H. A. Zachariä, Die deutschen V e r -

V I I I . Braunschweig

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i m Staate jetzt gestatteten kirchlichen Gesellschaften gewährt 3 . Niemand darf jedoch seine Religion vorschützen, u m sich einer gesetzlichen Verpflichtung zu entziehen. Aeußere Religionsübung ist der Oberaufsicht des Staats u n t e r worfen. Achtes Capitel. Von den christlichen Kirchen, den öffentlichen Unterrichtsanstalten und milden Stiftungen, von dem Klosterund Studienfonds §211. A l l e n i m Herzogthume anerkannten, oder durch ein Gesetz aufgenommenen christlichen Kirchen w i r d freie öffentliche Religionsübung zugesichert; sie genießen gleichen Schutz des Staats u n d ihre Angehörigen gleiche bürgerliche Rechte. § 212. A l l e Kirchen stehen unter der auf der höchsten Staatsgewalt beruhenden Oberaufsicht der Landesregierung. Die Anordnung der rein geistlichen Angelegenheiten bleibt, unter dieser Oberaufsicht, der i n der Verfassung jeder dieser Kirchen begründeten Kirchengewalt überlassen. I m Zweifel entscheidet darüber: ob eine Angelegenheit rein geistlich sei? — die Landesregierung. § 213. I n der evangelisch-lutherischen Kirche steht die Kirchengewalt dem Landesfürsten zu, welcher sie unter M i t w i r k u n g und Beirath des m i t evangelischen Geistlichen und Laien besetzten Consistoriums ausübt. Die Ausübung der i n Bezug auf das Kirchenwesen den einzelnen evangelischen Gemeinden zustehenden Rechte soll einem die Kirchengemeinde vertretenden Vorstande übertragen werden, über dessen Zusammensetzung und Wirkungskreis ein Gesetz das Nähere bestimmen w i r d . § 214. Sollte der Landesfürst sich zu einer andern, als der evangelisch-lutherischen Religion bekennen, so w i r d die alsdann eintretende Beschränkung i n der persönlichen Ausübung der Kirchengewalt ohne Aufschub m i t Zustimmung der Landstände festgestellt werden. § 215. Die Landesregierung w i r d darüber halten, daß diejenigen, welchen, nach der Verfassung der andern christlichen Kirchen, die Kirchengewalt zusteht, solche weder mißbrauchen noch überschreiten. Allgemeine Anordnungen, welche vermöge der Kirchengewalt getroffen, und Verfügungen, welche von auswärtigen geistlichen Obern erlassen sind, dürfen, welcher A r t sie auch sein mögen, ohne vorgängige Genehmigung der Landesregierung weder bekannt gemacht noch vollzogen werden. § 216. A l l e n Stiftungen ohne Ausnahme, sie mögen für kirchliche Zwecke, für den Unterricht oder die Wohlthätigkeit bestimmt sein, w i r d der volle fassungsgesetze der Gegenwart, 1855, S. 693) enthielt nur Bestimmungen über die Landstände, dagegen keine Gewährleistungen zugunsten von Einzelnen und Institutionen. 3 Gesetz, die Aufhebung der aus dem Glaubensbekenntnisse entspringenden Rechtsungleichheiten betreffend, v o m 23. M a i 1848 (GS Nr. 27): „ A l l e Rechtsungleichheiten, sowohl i m öffentlichen als i m Privatrechte, welche Folgen des Glaubensbekenntnisses sind, werden — vorbehaltlich der noch bestehenden Parochialgerechtsame und der übrigen kirchlichen Verhältnisse — hiedurch aufgehoben." Ein zweites Gesetz v o m selben Tag (GS Nr. 28) hob auch das Verbot der Ehen zwischen Christen und Juden auf u n d bestimmte die Form solcher religionsverschiedener Ehen. 11 Huber, Staat und Kirche, 1. Bd.

162 6. Kap.: Grundnormen d. Staatskirchenrechts d. deutschen Einzelstaaten Besitz und Genuß ihres Vermögens und Einkommens zugesichert. Dasselbe steht unter der besondern Obhut des Staats, und darf nicht zum Staatsvermögen gezogen werden. §217. Das Vermögen der Kirchen, Schulen und Stiftungen darf nie seiner ursprünglichen Bestimmung entzogen werden; soll dasselbe zu einem andern als dem bestimmten, bei der Stiftungsurkunde ausgedrückten Zwecke verwendet werden, so muß dieser ein ähnlicher sein, und die Verwendung kann nur m i t Zustimmung der betheiligten Privatpersonen und Gemeinden, und sofern Anstalten, welche das ganze Land angehen, i n Betracht kommen, m i t Zustimmung der Landstände geschehen. §218. Uber die bei der V e r w a l t u n g des Vermögens der Kirchen, Schulen und milden Stiftungen anzuordnende M i t w i r k u n g des Vorstandes der K i r chengemeinden soll eine besondere gesetzliche Vorschrift erfolgen. § 219. Der Klosterfonds soll m i t dem, von der vormaligen Universität H e l m stedt herrührenden Studienfonds vereinigt und behuf Vereinfachung der A d ministration und thunlicher Kostenersparung, bei der herzoglichen Kammer zugleich m i t dem Kammergute verwaltet, auch zu den Verwaltungskosten ein angemessener Beitrag geleistet werden. § 226. Die Kirchen- und Schuldiener aller christlichen Confessionen i m Lande, sofern sie nicht unmittelbar von der Landesregierung bestellt werden, bedürfen, bevor sie die Amtsgeschäfte antreten oder die Amtseinkünfte sich aneignen, der Landesfürstlichen Bestätigung; alle sind vor dem Amtsantritte auf die Beobachtung der Gesetze und der Landesverfassung zu beeidigen. Die Patronate und Wahlrechte, so wie die gesetzlichen Befugnisse der K i r chengemeinden wegen der aus erheblichen Gründen zu verweigernden A n nahme eines ihnen bestimmten Pfarrers, bleiben vorbehalten. § 227. Den verfassungsmäßig ernannten oder bestätigten Kirchen- und Schuldienern gewährt der Staat den zur Erfüllung ihrer Berufspflichten erforderlichen gesetzlichen Schutz. § 228. I n Allem, was das A m t und dessen Verwaltung betrifft, stehen die Kirchen- und Schuldiener zunächst unter der ihnen vorgesetzten verfassungsmäßigen Behörde; in Allem, was auf ihre bürgerlichen Verhältnisse und Handlungen Bezug hat, ingleichen bei Straffällen, welche nicht blos disciplinarischer Beschaffenheit sind, bleiben Kirchen- und Schuldiener der weltlichen Obrigkeit unterworfen. E i n besonderer Gerichtsstand für die Rechtssachen der Kirchen, Schulen und Stiftungen und der Diener derselben findet nicht Statt, vielmehr haben darüber — wie auch i n Ehesachen — die ordentlichen Gerichte, wie bisher, zu entscheiden. § 229. Die Suspension der Kirchen- und Schuldiener vom Amte und den Einkünften desselben kann i m Disciplinarverfahren nur von den kirchlichen Behörden geschehen u n d bedarf jedes M a l der Bestätigung der Landesregierung. Die Entlassung oder Absetzung kann n u r durch rechtskräftiges Erkenntniß des competenten Gerichtes, und zwar in Straffällen, welche nur die kirchliche Lehre betreffen, auf vorgängiges Gutachten der geistlichen Oberbehörde, verfügt werden. § 230. Die Erhaltung, Verbesserung und Vervollkommnung der öffentlichen Unterrichtsanstalten bleibt ein vorzüglicher, jederzeit m i t allen deshalb zu

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Gebote stehenden M i t t e l n zu befördernder Gegenstand der Fürsorge der L a n desregierung.

IX. Hannover Das Königreich Hannover 1 erhielt seine erste landständische Verfassung durch das Patent des Prinzregenten Georg 2 vom 7. Dezember 18193. Nach den Unruhen von 1830 kam es unter König Wilhelm I V . 4 am 26. September 1833 zu einer vereinbarten konstitutionellen Verfassung 5; diese enthielt eine Reihe grundlegender staatskirchenrechtlicher Neuerungen 6. Durch den Staatsstreich des Königs Ernst August 7 von 1837 verlor die Verfassung ihre Geltung. Am 6. August 1840 erließ der König eine neue Verfassung (Nr. 72), die wesentliche Teile der staatskirchenrechtlichen Vorschriften der aufgehobenen Verfassung von 1833 übernahm 8. Während diese jedoch die Wahrnehmung des königlichen jus episcopale über die evangelische Kirche ausschließlich durch Kon sistorial- und Presbyterial-Behörden vorgesehen hatte, sicherte der König sich durch die Verfassung von 1840 wieder die Möglichkeit, von diesem Recht der landesherrlichen Kirchengewalt unmittelbaren Gebrauch zu machen (§ 66). N r . 72. Staatskirchenrechtliche A r t i k e l der Verfassung des Königreichs Hannover vom 6. August 1840 (Hannoversche Gesetz-Sammlung 1840, S. 141) — Auszug — Drittes Kapitel:

Von den Rechten und Pflichten der im Allgemeinen

Unterthanen

§ 32. Jeder Landes-Einwohner genießt völlige Glaubens- und Gewissensfreiheit und ist zu Heligionsübungen m i t den Seinigen in seinem Hause berechtigt. 1

Verfassungsgeschichte Bd. I I , S. 84 ff.; Dokumente Bd. 1, Nr. 58 ff. Georg IV. (1762 - 1830), seit 1811 Prinzregent, 1820 - 1830 König von England und Hannover. 3 Text: Hannoversche Gesetzessammlung, 1819, S. 135 ff. 4 Wilhelm IV. (1765 - 1837), ein jüngerer Bruder Georgs IV., 1830 - 1837 K ö n i g von England und Hannover. 5 Text: Gesetzessammlung, 1833, S. 186 ff. 6 Gegen den E n t w u r f des hannoverschen Staatsgrundgesetzes von 1833 erhoben erhebliche Bedenken sowohl der Generalvikar Lübke von Osnabrück i n dem Promemoria vom 18. Februar 1832 (Text: A. Roskovàny, Monumenta catholica, Bd. 2 S. 496 ff.), als auch der Bischof Osthaus von Hildesheim und sein Domkapitel in den Eingaben vom 5. Januar an das Ministerium u n d vom 12. September 1832 an die hannoversche K a m m e r (Texte: ebenda S. 510 ff.). Gegen das Staatsgrundgesetz wandte sich auch Papst Gregor XVI. i n seinem Breve an den Bischof von Hildesheim v o m 8. November 1834 (Text: ebenda S. 367 f.). 7 Ernst August (1771 - 1851), Herzog von Cumberland, Bruder von Georg IV. und Wilhelm IV., 1837 - 1851 K ö n i g von Hannover. Über seinen Staatsstreich: Verfassungsgeschichte Bd. I I S. 91 ff. 8 Gegen den E n t w u r f der hannoverschen Landesverfassung von 1840 mach2

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164 6. Kap.: Grundnormen d. Staatskirchenrechts d. deutschen Einzelstaaten Die Mitglieder der evangelischen und römisch-katholischen Kirche genießen gleiche bürgerliche und politische Rechte. Hat der K ö n i g christliche Sekten aufgenommen, so genießen sie die bürgerlichen Rechte und haben das Recht zum Privat-Gottesdienste. Der Genuß der politischen Rechte muß ihnen aber durch ein besonderes Gesetz verliehen w e r den, und die Befugniß zur öffentlichen Religionsübung steht ihnen n u r i n dem Falle zu, wenn der K ö n i g sie ausdrücklich ihnen eingeräumt hat. Auch die Mitglieder solcher Sekten dürfen sich durch Berufung auf Glaubenssätze ihren staatsbürgerlichen Pflichten nicht entziehen 9 . Viertes Capitel.

Von den Kirchen, Unterrichts-Anstalten und milden Stiftungen

§ 63. Der evangelischen und römisch-katholischen Kirche werden freie öffentliche Religionsübung und ihre verfassungsmäßigen Rechte zugesichert. § 64. Dem Könige gebührt, kraft der i h m zustehenden Staatsgewalt, über beide Kirchen das Oberaufsichts- und Schutzrecht. § 65. Die Anordnung der geistlichen Angelegenheiten bleibt, unter Oberaufsicht des Königs, der i n der Verfassung einer jeden dieser Kirchen gegründeten Kirchengewalt überlassen. § 66. I n der evangelischen Kirche werden die Rechte der Kirchengewalt vom Könige i n Gemäßheit der bestehenden Kirchenverfassung unmittelbar, oder mittelbar durch die Consistorial- oder Presbyterialbehörden, welche aus evangelischen Geistlichen und weltlichen Personen bestehen sollen, unter K ö n i g l i cher Oberaufsicht ausgeübt. Jedoch sind k ü n f t i g etwa zu treffende nähere Bestimmungen über die innere Organisation und den Geschäftskreis dieser Behörden nicht ausgeschlossen. Durch ein Gesetz kann die streitige und freiwillige Gerichtsbarkeit der Consistorien den weltlichen Gerichten beigelegt werden. Den Gemeinden und Einzelnen sollen die i n Hinsicht der i m ersten Absätze dieses § erwähnten Verhältnisse ihnen zustehenden Rechte ungekränkt erhalten werden. Sollten für das ganze Königreich oder ganze Landestheile neue KirchenOrdnungen erlassen oder in wesentlichen Grundsätzen derselben, und namentlich i n der Liturgie Veränderungen gemacht werden, so ist darüber m i t einer vom Könige zusammenzuberufenden Versammlung von geistlichen und w e l t lichen Personen, welche theils vom Könige bestimmt, theils von den Geistten der Bischof Franz von Hildesheim (unten S. 298) und sein Domkapitel erneute Bedenken geltend i n der Vorstellung vom 23. M a i 1840 (Text: Roshovàny, a.a.O., S. 628 ff.). 9 § 32 wurde ersetzt durch das Gesetz, verschiedene Änderungen des Landesverfassungs-Gesetzes betreffend, vom 5. September 1848 (GS 1848, S. 261 ff.): „§ 6. Jeder Landeseinwohner genießt völlige Glaubens- und Gewissensfreiheit und ist zu Religionsübungen m i t den Seinigen in seinem Hause berechtigt. Die Ausübung der politischen und bürgerlichen Rechte ist von dem Glaubensbekenntnisse unabhängig; jedoch kann durch Berufung auf Glaubenssätze sich Niemand seinen staatsbürgerlichen Pflichten entziehen. Die Befugnis der Geistlichen, Amtshandlungen m i t bürgerlicher Wirksamkeit zu verrichten, setzt eine Ermächtigung von Seiten der Staatsbehörde voraus."

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liehen und Gemeinden i n den betreffenden Landestheilen auf die sodann durch Verordnung zu bestimmende Weise gewählt werden, zu berathen. § 67. Bekennt sich der K ö n i g oder der Regent nicht zur evangelischen Kirche, so werden die Rechte der Kirchengewalt einstweilen von den vereinten evangelischen Staats-Ministern ausgeübt. Z u r Sicherstellung des Rechtszustandes der evangelischen Kirche sollen sodann über die A r t u n d Weise der Ausübung der Kirchengewalt die erforderlichen Anordnungen, m i t Zustimmung der a l l gemeinen Stände-Versammlung, getroffen werden. § 68. I n der römisch-katholischen Kirche gebührt den Bischöfen oder A d ministratoren der Diöcesen Hildesheim und Osnabrück die Ausübung der K i r chengewalt i n Gemäßheit der Verfassung dieser Kirche 9 ». Die i m § 64 namhaft gemachten Rechte der Staatsgewalt werden auch in Hinsicht der Verwaltung des Vermögens der einzelnen römisch-katholischen Kirchen und der kirchlichen und milden Stiftungen v o m Könige unmittelbar, oder mittelbar durch die von I h m dazu bestellten Behörden ausgeübt. § 69. A l l e allgemeinen Anordnungen der römisch-katholischen Kirchenbehörden, welche nicht rein geistliche Gegenstände betreffen, können n u r nach vorher erfolgter ausdrücklicher Königlicher Genehmigung verkündigt und vollzogen werden 1 0 . Betreffen jene Anordnungen reine Glaubens-, kirchliche L e h r - und Disciplinar-Sachen, so sind sie vor deren Bekanntmachung, behuf Ausübung des Oberaufsichtsrechts (§ 64), dem Könige zur Einsicht vorzulegen. § 70. A l l e amtlichen Communicationen m i t dem päbstlichen Stuhle und m i t auswärtigen Kirchen-Versammlungen müssen dem Könige zur Einsicht v o r gelegt werden. Die vom päbstlichen Stuhle oder von auswärtigen Kirchen-Versammlungen an die römisch-katholische Kirche i m Königreiche, an ganze Kirchen-Gemeinden oder an einzelne Personen in denselben zu erlassenden Bullen, Breven, Rescripte, Beschlüsse oder sonstige Schreiben bedürfen vor ihrer V e r k ü n d i gung oder Behändigung des Königlichen Placet, wenn sie nicht rein geistliche Gegenstände betreffen. Wenn dieselben rein geistliche Gegenstände betreffen, so sind sie, behuf Ausübung des Oberaufsichtsrechts (§ 64), dem Könige zur Einsicht vorzulegen. Ausgenommen von den Bestimmungen dieses Paragraphen sind die Communicationen i n Gewissenssachen einzelner Personen. § 71. Beschwerden über Mißbrauch der Kirchengewalt können auch bis an den K ö n i g gebracht werden, welcher, nach Anhörung des Staatsrathes, darüber entscheiden w i r d . Sind diese Beschwerden von der Beschaffenheit, daß sie verfassungsmäßig an die Kirchen-Obern gelangen können, so sind sie zunächst an diese u n d erst alsdann, wenn hier keine Abhülfe erfolgt, an die weltliche Regierungsbehörde und zuletzt an den K ö n i g zu bringen. § 72. Die nicht unmittelbar vom Könige oder dessen Behörden, sondern von Dritten ernannten oder präsentirten Prediger oder Pfarrer und anderen höheren Kirchendienern der evangelischen u n d römisch-katholischen Kirche be®a Dazu unten Nr. 117 - 121. 10 Die §§ 69, 70 enthalten eine wichtige Einschränkung des staatlichen Plazet.

166 6. Kap.: Grundnormen d. Staatskirchenrechts d. deutschen Einzelstaaten dürfen der Bestätigung des Königs oder der dazu von I h m bestimmten Behörden, welche jedoch ohne erhebliche Gründe nicht verweigert werden w i r d . Über die canonischen Eigenschaften des zu Bestätigenden entscheidet die geistliche Behörde allein. V o r erfolgter Bestätigung hat der Ernannte oder Präsentirte kein Recht auf die Ausübung der Amtsgeschäfte und auf den Genuß der Amtseinkünfte. Die einstweilige Besorgung der Geschäfte eines erledigten Kirchenamts hat die geistliche Behörde allein anzuordnen, vorbehältlich der auch bei einstweiligen Anstellungen von Geistlichen der Regierung zustehenden Bestätigung. § 73. Der K ö n i g gewährt durch Seine Behörden sämmtlichen Kirchendienern jede zur ordnungsmäßigen Ausübung ihrer Amtsgeschäfte erforderliche gesetzliche Unterstützung und schützt sie i n der ihnen zukommenden A m t s würde. Sämmtliche Kirchendiener sind i n Hinsicht ihrer bürgerlichen Verhältnisse und Handlungen, wie auch ihres Vermögens den Gesetzen des Landes unterworfen. § 74. Die Entlassung der Kirchendiener von ihrem Amte, wie auch deren Suspension v o m Amte, verbunden m i t der vom Gehalte, kann i m DisciplinarVerfahren nicht anders Statt finden, als nachdem die Kirchenbehörde eine gehörige Untersuchung angestellt und die Kirchendiener m i t ihrer V e r t e i d i gung hinreichend gehört hat. I n Hinsicht der Prediger oder Pfarrer u n d der übrigen höheren Geistlichen ist i n solchen Fällen die Bestätigung des zuständigen DepartementsMinisters oder des Königs erforderlich. Bloße Amts-Suspension kann beim Anfange einer wider einen Kirchendiener angestellten Untersuchung sofort von der geistlichen Behörde verfügt werden. § 75. Das gegenwärtige u n d zukünftige Vermögen aller Stiftungen ohne Ausnahme darf unter keinem Vorwande zum Staats-Vermögen gezogen oder zu anderen, als den gesetz- oder stiftungsmäßigen Zwecken verwandt werden. Über die Befugniß, eine Privatstiftung m i t Bewilligung aller Betheiligten aufzuheben, entscheiden die Vorschriften der Rechte. Dem Könige gebührt das Oberaufsichtsrecht über alle für kirchliche Zwecke, f ü r den Unterricht oder für andere öffentliche Zwecke bestimmten Stiftungen. A u f Stiftungen, welche nicht für öffentliche Zwecke bestimmt sind, erstreckt sich das Oberaufsichtsrecht nicht anders, als wenn sie der Oberaufsicht der Regierungsgewalt besonders anvertraut sind und solche von dieser übernommen ist. Ist durch den Stifter oder durch die dabei betheiligten Personen für die Verw a l t u n g der Stiftungen eine Bestimmung getroffen, so berechtigt das Oberaufsichtsrecht nicht zu einer Einmischung i n die Verwaltung selbst. Eine Abänderung der i m zweiten Absätze dieses Paragraphen bezeichneten Stiftungen k a n n von der Regierungsgewalt nur nach vorgängiger Vernehmung der zur V e r w a l t u n g und Aufsicht etwa Berechtigten und nur dann vorgenommen werden, wenn der Zweck der Stiftung auf die vorgeschriebene Weise nicht mehr zu erreichen ist. Indeß muß das Vermögen, unter thunlichster Berücksichtigung der Wünsche der zur Verwaltung und Aufsicht etwa Berechtigten, zu gleichen oder möglichst ähnlichen und der muthmaßlichen Absicht des Stifters am meisten entsprechenden Zwecken wieder verwandt werden.

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Wenn bei der Entscheidung der zuständigen obern Verwaltungsbehörde über die Nothwendigkeit der Abänderung, oder über die künftige Verwendung des Vermögens einer Stiftung die zur Aufsicht oder V e r w a l t u n g etwa Berechtigten sich nicht beruhigen wollen, so steht es ihnen zu, sich dieserhalb an den betreffenden Departements-Minister und erst dann, wenn hier keine Abhülfe erfolgt, an den K ö n i g zu wenden, welcher nach Anhörung des Staatsr a t e s entscheidet. Für beide Fälle gelten die i m § 35 bestimmten Fristen. Bei Abänderung von geistlichen Stiftungen muß die den Kirchen-Obern zustehende M i t w i r k u n g eintreten. Auch bleiben die Bestimmungen des § 35 des Reichsdeputations-Hauptschlusses vom 25. Februar 1803 11 i n Rücksicht der i n demselben bezeichneten Güter, i n so fern eine endliche Verfügung darüber noch nicht getroffen w o r den ist, ausdrücklich vorbehalten. § 76. I n so fern die Verwalter des Vermögens der einzelnen Kirchen und der dazu gehörenden Stiftungen und Armenanstalten den bisherigen Einrichtungen gemäß nicht von der Kirchengemeinde gewählt werden und diese an der Verwaltung einen größern A n t h e i l nicht gehabt, sollen den V e r w a l t e r n dieses Vermögens i n jeder Kirchengemeinde nach den darüber zu erlassenden besonderen Verfügungen einige von der Kirchengemeinde zu erwählende Vorsteher unter M i t w i r k u n g der Pfarrgeistlichen zur Seite stehen, welche bei allen wichtigen, auf die Verwaltung sich beziehenden Maßregeln, bei Veräußerungen einzelner Theile dieses Vermögens, wie auch der Dotation der Kirchenämter und der zu P f a r r w i t w e n t h ü m e r n gehörenden Grundstücke oder Gerechtigkeiten, ferner bei Werken, die zu kirchlichen oder geistlichen Zwecken unternommen, nicht weniger bei Leistungen, die zu solchen Zwecken ausgeschrieben werden, und endlich bei der Rechnungsablage gehört werden müssen. Hiedurch sollen jedoch so wenig die Rechte der Kirchenpatronen i n Ansehung der W a h l von Rechnungsführern, Kirchen-Vorstehern, Juraten etc. verändert werden, als die diesen Personen selbst etwa zustehenden Rechte. I n denjenigen Fällen, i n welchen der Kirchenpatron die Ausgaben ausschließlich bestreitet, t r i t t die Bestimmung dieses § nicht ein. Auch soll diese Bestimmung den i n einzelnen Landestheilen bestehenden Einrichtungen, nach welchen die Vorsteher der Kirchengemeinden auf andere Weise vorgeschlagen oder ernannt werden, nicht entgegenstehen. § 77. Der Unterricht i n den Volksschulen bleibt der Aufsicht der Pfarrer und der zuständigen kirchlichen Behörde, unter Oberaufsicht des Königs, überlassen. § 78. Die i m dritten Capitel dieser Verfassungs-Urkunde enthaltenen Bestimmungen über Gemeindelasten finden, als solche, keine Anwendung auf diejenigen Grundsätze, nach welchen die Ausgaben für Kirchen und Schulen, namentlich für Unterhaltung von Kirchen, Pfarr- u n d Schulgebäuden aufzubringen sind oder für solche Zwecke Dienste geleistet werden müssen. § 79. Das von den vormaligen Klöstern und anderen ähnlichen Stiftungen i n den verschiedenen Theilen des Königreichs herrührende, zu einer abgesonderten Masse vereinigte Vermögen soll von den übrigen öffentlichen Cassen gänzlich getrennt bleiben, und allein zu Zuschüssen f ü r die Landes-Univer11

Oben Nr. 5.

168 6. Kap.: Grundnormen d. Staatskirchenrechts d. deutschen Einzelstaaten sität, f ü r Kirchen u n d Schulen, auch zu m i l d e n Zwecken aller A r t verwandt werden. Die Verwaltung dieses Vermögens gebührt allein der v o m Könige dazu bestellten Behörde 1 2 . Den allgemeinen Ständen soll i m Anfange eines jeden Landtags eine Ubersicht der daraus Statt gehabten Verwendungen und der m i t der Substanz desselben vorgegangenen Veränderungen zur Nachricht mitgetheilt werden. Veräußerungen einzelner Theile dieses Kloster-Vermögens sind, der Regel nach, unzulässig u n d können n u r unter denselben Bedingungen u n d Voraussetzungen Statt finden, unter welchen eine Veräußerung von Domainen und Regalien zufolge § 131 dieser Verfassungs-Urkunde erlaubt ist.

12 Gebildet wurde zu dem genannten Zweck der von der Klosterkammer verwaltete „Allgemeine hannoversche Klosterfonds".

Teil Β Das deutsche

Konkordatssystem

Die Maxime des aufgeklärten Absolutismus, das katholische Kirchenwesen durch einseitige staatliche Maßnahmen zu regeln, ließ sich im 19. Jahrhundert nicht festhalten. Als erste moderne europäische Macht entschloß Frankreich sich, für die Neuordnung des durch die Revolution zerrütteten Kirchenwesens den Weg der Vereinbarung zu beschreiten. Die französische Übereinkunft vom 15. Juni 1801 1 eröffnete das neue Zeitalter der Konkordate. Die deutschen Konkordatsversuche auf Reichs- wie auf Landesebene waren zwischen der Säkularisation und dem Wiener Kongreß zwar sämtlich gescheitert 2. Aber nach der Wiederherstellung der europäischen Friedensordnung durch die Wiener Verträge von 1815 setzte sich auch in Deutschland das Konkordatssystem durch. Da nach der Gründung des Deutschen Bundes die Zuständigkeit für die kirchlichen Angelegenheiten bei den Einzelstaaten verblieben war3, kam es in Deutschland nicht zu einem gesamtstaatlichen, sondern zu einem partikular staatlichen Vertragssystem. In der Sache machte es dabei keinen Unterschied, ob man sich, wie in Bayern, der Form des offenen Konkordats bediente (5. Juni 1817), oder ob man, wie in Preußen (16. Juli 1821), den oberrheinischen Staaten (16. August 1821) und Hannover (26. März 1824) den Weg der verdeckten Vereinbarung vorzog. Denn auch in diesen Fällen handelte es sich um eine verbindliche staatlich-kirchliche Übereinkunft, die absprachegemäß von der Kurie als „Zirkumskriptionsbulle" einseitig erlassen, aber zugleich durch landesherrliche Sanktion als Staatsgesetz in Kraft gesetzt wurde. Es war außer Zweifel, daß es sich in diesen Fällen der vereinbarten Parallelgesetzgebung in Wahrheit um echte, auf dem Boden der kirchlichstaatlichen Koordination geschlossene Verträge handelte 4.

Siebentes Kapitel Das b a y e r i s c h e K o n k o r d a t I . D i e bayerischen K o n k o r d a t s v e r h a n d l u n g e n v o n 1816/17 Bayern hatte 1806 - 1809 zum ersten Mal versucht, zum Abschluß eines Konkordats mit dem Heiligen Stuhl zu kommen 1. Die damals gescheiterten Ver1

Oben Nr. 2. Oben Nr. 8, 16, sowie S. 22 f. ObenS. 113. 4 Vgl. E. R. Huber, Verträge zwischen Staat u n d Kirche i m Deutschen Reich (1930) S. 66 f.; ders., Verfassungsgeschichte, Bd. I, S. 417 ff. 1 Oben S. 68 f. 2 3

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7. Kap.: Das bayerische Konkordat

Handlungen nahm es nach 1815 wieder auf 2. Verhandlungsführer waren auf der Seite der Kurie der Kardinalstaatssekretär Consalvi , auf der Seite der bayerischen Regierung der Gesandte Bischof Frhr. v. Häffelin*. Sowohl der römische Entwurf vom Herbst 1816 4 als auch der in dem Ultimatum der Kurie vom 23. April 1817 enthaltene Entwurf 5 stießen auf den Widerspruch der bayerischen Regierung, da sie in ihnen die im Religionsedikt von 1809 niedergelegten Grundsätze des bayerischen Staatskirchenrechts 6 verletzt sah. Die Regierung gab dem Gesandten am 10. Mai 1817 eine entsprechende Instruktion7. Trotzdem unterzeichnete Häffelin am 5. Juni 1817 einen Konkordatstext, der den Forderungen seiner Regierung keineswegs Genüge tat. Diese sprach dem Gesandten v. Häffelin in der neuen Instruktion vom 7. September 18178 ihre scharfe Mißbilligung aus. In den von der Regierung veranlaßten Nachverhandlungen gestand die Kurie daraufhin dem König noch das Recht zur Nomination der Bischöfe zu. Nunmehr bestätigte König Maximilian Joseph am 24. Oktober 1817 die Vereinbarung. Die Kurie gab den Text im Dezember 1817 bekannt; dagegen nahm die bayerische Regierung die Publikation des Konkordats erst im Anhang zur Verfassung vom 26. Mai 1818 vor (Nr. 73). Damit stellte sie das Konkordat in einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem als Beilage zur Verfassung veröffentlichten neuen Religionsedikt (oben Nr. 60). Sie machte auf diesem Weg ihre Vorbehalte gegenüber den der katholischen Kirche im Konkordat eingeräumten Rechten deutlich. Erst nach der Beilegung der daraus entstandenen Streitigkeiten kam das Konkordat 1821 zum Vollzug (unten Nr. 85).

N r . 73. Ubereinkunft zwischen Bayern und dem Heiligen Stuhl vom 5. Juni 1817 (deutscher Text: Bayerisches Gesetzblatt 1818, Sp. 400 ff.; lateinischer T e x t : ebenda Sp. 397 ff.) W i r M a x i m i l i a n Joseph, von Gottes Gnaden K ö n i g von Baiern, t h u n andurch Jedermann k u n d und zu wissen: Nachdem zwischen dem Staats-Secretaire Seiner Päbstlichen Heiligkeit Cardinal Consalvi u n d Unserm bevollmächtigten Minister, Freyherrn von Häffelin, Bischof von Chersones, über die Katholischen Kirchen-Verhältnisse in Unserm Königreiche am 5. des Monats Junius 1817 eine Ubereinkunft abgeschlossen worden ist, folgenden Inhalts:

2

Verfassungsgeschichte, Bd. I, S. 422 ff. Uber beide oben S. 11 f., 67. T e x t : H. v. Sicherer, Staat und Kirche in Bayern 1799 - 1821 (1874), U r k u n den, S. 54 ff. 5 T e x t : ebenda, S. 63 ff. 6 Dazu oben S. 69. 7 T e x t : H. v. Sicherer, a.a.O., S. 228 ff. 8 T e x t : K . Höfler, Concordat und Constitutionseid der Katholiken in Bayern (1847) S. 77 ff. 3

4

I. Die bayerischen Konkordatsverhandlungen von 1816/17 Übereinkunft zwischen Sr. Heiligkeit milian Joseph, König von Baiern.

Pabst Pius VII. und Sr. Majestät,

171 Maxi-

Im Namen der allerheilig sten Dreieinigkeit: Se. Heiligkeit Pabst Pius V I I . u n d Se. M a j . M a x i m i l i a n Joseph, K ö n i g von Baiern, von gleichem Verlangen beseelt, die Kath. Kirchen-Verhältnisse i m Königreiche Baiern u n d den dazu gehörigen Landen auf eine bestimmte und bleibende Weise zu ordnen, haben beschlossen, hierüber eine feyerliche Ubereinkunft zu treffen. Z u diesem Ende haben Se. Heiligkeit Pabst Pius V I I . zu Ihrem Bevollmächtigten ernannt: Se. Em., den Herrn Hercules Consalvi, der heil. Röm. Kirche Cardinal-Diaconen zu St. Agatha ad Suburram, Ihren Staats-Secretaire; und Se. Maj., M a x i m i l i a n Joseph, K ö n i g von Baiern, Se. Exz. den Frhr. Casimir v. Häffelin, Bischof von Chersones, Allerhöchst I h r e n bevollmächtigten M i n i ster bei dem heil. Stuhle; welche nach Auswechslung ihrer beiderseitigen Vollmachten über folgende A r t i k e l übereingekommen sind. Art. I. Die Römisch-katholische apostolische Religion w i r d i n dem ganzen Umfange des Königreichs Baiern u n d i n den dazu gehörigen Gebieten unversehrt m i t jenen Rechten und Prärogativen erhalten werden, welche sie nach göttlicher Anordnung und den canonischen Satzungen zu genießen hat. Art. II. Se. päbstl. Heiligkeit werden m i t Beobachtung der erforderlichen Rücksichten die Diöcesen des Königreiches Baiern i n folgender A r t bestimmen: Der bischöfl. Sitz von Freising w i r d nach München verlegt, und zum Metropolitan-Sitze erhoben. Sein Sprengel bleibt der dermalige Umfang der Freisinger Diöces, u n d die Vorsteher dieser Kirche werden den Namen eines Erzbischofs zu München und Freising führen. Diesem Erzbischof e werden die bischöfl. Kirchen von Augsburg, Passau und Regensburg, letztere m i t Aufhebung ihrer Metropolitan-Eigenschaft 9 , als Suffragan-Kirchen untergeordnet. Jedoch soll der jetzt lebende Bischof von Passau das Privilegium der Exemtion auf seine Lebensdauer genießen. Die bischöfl. Kirche von Bamberg w i r d zur Metropolitan-Kirche erhoben, und derselben werden die bischöfl. Kirchen von Würzburg, Eichstätt und Speyer als Suffragan-Kirchen zugetheilt. Das vormals zur Mainzer, gegenwärtig zur Regensburger Diöces gehörige Gebiet von Aschaffenburg und der A n t h e i l der Fuldaer Diöces in Baiern werden m i t der Würzburger Diöces vereinigt. Der i n Baiern gelegene Theil der Diöces Konstanz w i r d nebst dem exemten Bezirke von Kempten der Augsburger Diöces einverleibt. A u f gleiche Weise w i r d der Baierische T h e i l der Salzburger Diöces, und das Gebiet der exemten Probstey Berchtesgaden, theils m i t der Passauer, theils m i t der Münchner Diöces vereinigt werden. M i t letzterer w i r d auch der Bezirk des Bisthums Chiemsee, welches ganz aufgehoben wird, verbunden. Die neuen Grenzen der einzelnen Diöcesen werden, so weit es nöthig befunden wird, noch bestimmter ausgeschieden werden. 9 Über die Erhebung von Regensburg zum Erzbistum (1805) oben Nr. 11. Über den Vollzug der Aufhebung des Metropolitan-Charakters von Regensburg unten Nr. 85.

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7. Kap.: Das bayerische Konkordat

Art. III. Die Capitel der Metropolitan-Kirchen bestehen aus zwey Dignità rien, nämlich dem Probste u n d dem Dechanten, u n d aus zehn Canonikern. Auch die Capitel der bischöfl. Kirchen werden zwey Dignitarien, nämlich einen Probst u n d einen Dechant u n d acht Canoniker haben. Nebst diesen werden bey jedem sowohl Metropolitan- als bischöfl. Capitel wenigstens sechs Präbendirte oder Vicare angestellt werden. Sollten aber i n Z u k u n f t die Renten dieser Kirchen durch neue Stiftungen oder sonstige Vermehrung ihres Gutes einen solchen Zuwachs erhalten, daß mehrere Präbenden errichtet werden können; so w i r d die Zahl der Canoniker u n d Vicare noch weiter vermehrt werden. Bei jedem Capitel werden die Erzbischöfe und Bischöfe nach Vorschrift des heil. Conciliums von Trient aus den Canonikern einen als Theologen und einen zweyten als Pönitentiar aufstellen. A l l e Dignitarien u n d Canoniker werden nebst dem Chordienste den Erzbischöfen u n d Bischöfen i n V e r w a l t u n g ihrer Diöcese als Räthe dienen. Doch soll es den Erzbischöfen u n d Bischöfen frey stehen, deren Verwendung zu den einzelnen besondern Verrichtungen u n d Geschäften ihres Amtes nach G u t befinden zu bestimmen. Eben so werden sie auch den Vicaren ihre A m t s v e r richtungen anweisen. Se. Kgl. Majestät werden übrigens denjenigen, welche die Stelle eines General-Vicars bekleiden, jährlich 500 fl.; jenen aber, welchen das A m t eines bischöfl. Secretaires übertragen ist, 200 fl. auswerfen. Art. IV. Die Einkünfte zum Unterhalte der Erzbischöfe und Bischöfe werden auf Güter und ständige Fonds gegründet werden, welche der freyen Verwaltung der Erzbischöfe und Bischöfe übergeben werden 1 0 . I n gleicher A r t werden auch die erzbischöfl. und bischöfl. Capitel, und die bey denselben angestellten Vicare oder Präbendirten ihre Ausstattung m i t dem Rechte der Selbstverwaltung erhalten. Der Betrag der jährlichen Einkünfte, nach Abzug der Lasten w i r d folgender seyn: Diöces München: F ü r den Erzbischof 20 000 fl., f ü r den Probst 4000 fl., für den Dechant 4000 fl., für jeden der fünf ältern Canoniker 2000 fl., für jeden der fünf jüngern Canoniker 1600 fl., f ü r jeden der drey ältern Vicare 800 fl., für jeden der drey jüngern Vicare 600 fl. Diöces Bamberg: F ü r den Erzbischof 15 000 fl., f ü r den Probst 3500 fl., für den Dechant 3500 fl., f ü r jeden der fünf ältern Canoniker 1800 fl., für jeden der fünf jüngern Canoniker 1400 fl., f ü r jeden der drey ältern Vicare 800 fl., für jeden der drey jüngern Vicare 600 fl. Diöcesen Augsburg, Regensburg u n d Würzburg: F ü r den Bischof 10 000 fl., f ü r den Probst 3000 fl., f ü r den Dechant 3000 fl., für jeden der vier ältern Canoniker 1600 fl., f ü r jeden der vier jüngern Canoniker 10 Zu dieser Ausstattung der Bistümer m i t Grundeigentum k a m es nicht; es blieb bei Geldleistungen (später unter Anpassung an den veränderten Geldwert). Dazu E. R. Huber, Die Garantie der kirchlichen Vermögensrechte i n der Weimarer Verfassung (1927) S. 78.

I. Die bayerischen Konkordatsverhandlungen von 1816/17

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1400 fl., f ü r jeden der drey ältern Vicare 800 fl., f ü r jeden der drey jüngern Vicare 600 fl. Diöcesen Passau, Eichstädt und Speyer: Für den Bischof 8000 fl., für den Probst 2500 fl., für den Dechant 2500 fl., für jeden der vier ältern Canoniker 1600 fl., f ü r jeden der vier jüngern Canoniker 1400 fl., für jeden der drey ältern Vicare 800 fl., für jeden der drey jüngern Vicare 600 fl. A l l e diese Einkünfte sollen i n ihrem Betrage stets vollständig ungeschmälert erhalten werden, und die Güter und Fonds weder veräußert, noch i n GeldBesoldungen verwandelt werden können. Z u r Zeit der Erledigung eines erzbischöfl. oder bischöfl. Stuhls, der Dignitäten, Canonicate, Präbenden oder Vicariate w i r d der Betrag der vorerwähnten Einkünfte zum Besten der betreffenden Kirchen erhoben und erhalten. Sowohl den Erzbischöfen u n d Bischöfen als den Dignitarien, den ältern Canonikern u n d den ältern Vicaren w i r d eine ihrer Würde und ihrem Stande entsprechende Wohnung angewiesen werden. F ü r die erzbischöfl. und bischöfl. Curie, für das Capitel und das Archiv w e r den Se. Maj. ein geeignetes Gebäude bestimmen. Z u dem Vollzuge des Geschäfts der Anweisung dieser Einkünfte, Fonds und Güter, welches innerhalb eines Vierteljahres nach Ratification gegenwärtiger Ubereinkunft, wenn es thunlich ist, oder wenigstens innerhalb eines halben Jahres beendigt seyn soll, w i r d jeder der beyden contrahirenden Theile Commissarien ernennnen, und Se. Maj. werden von dem förmlichen Acte der v o r erwähnten Anweisung i n drei Exemplaren i n authentischer Form ausfertigen lassen, eines für das Kgl. Archiv, das andere für den apostolischen Nuntius, das dritte endlich für die Archive der betreffenden Kirchen. Andere Beneficien werden, wo solche vorhanden sind, erhalten werden. Da für die Diöces Speyer wegen besonderer Verhältnisse gegenwärtig keine Güter u n d ständigen Fonds angewiesen werden können; so werden Se. Maj. einstweilen und bis eine solche Anweisung möglich seyn wird, durch Aussetzung von Jahrs-Gehalten Fürsorge treffen, nämlich: Für den Bischof von 6000 fl., für den Probst 1500 fl., für den Dechant 1500 fl., für jeden der acht Canoniker 1000 fl., für jeden der sechs Vicare 600 fl. Die Fonds-Einkünfte, beweglichen und unbeweglichen Güter der bischöfl. Kirchen und ihrer Fabriken werden erhalten werden, und wenn dieselben zur Unterhaltung der Kirchen, zu den Ausgaben für den Gottesdienst und zu den Gehalten der nöthigen Diener nicht zureichen, so werden Se. Maj. den Abgang decken. Art. V. I n jeder Diöcese sollen die bischöfl. Seminarien erhalten, und m i t einer hinreichenden Dotation i n Gütern und ständigen Fonds versehen werden; i n jenen Diöcesen aber, i n welchen solche Anstalten nicht vorhanden sind, sollen sie ehestens m i t einer Dotation der nämlichen A r t hergestellt werden. I n die Seminarien werden jene Candidaten aufgenommen und darin nach Vorschrift des heil. Conciliums von Trient gebildet und unterrichtet, deren Aufnahme die Erzbischöfe u n d Bischöfe nach dem Bedürfnisse oder Nutzen der Diöcese für gut finden werden. Die innere Einrichtung, der Unterricht, die Leitung und die V e r w a l t u n g der Seminarien werden nach den canonischen

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7. Kap. : Das bayerische Konkordat

Formen der vollkommen freyen Aufsicht der Erzbischöfe und Bischöfe untergeben. Die Vorsteher u n d Lehrer i n diesen Seminarien werden von den Erzbischöfen und Bischöfen ernannt, und, so wie sie es für nöthig oder nützlich erachten sollten, auch wieder entfernt werden. Da den Bischöfen obliegt, über die Glaubens- und Sittenlehre zu wachen, so werden sie i n Ausübung dieser Amtspflicht auch i n Beziehung auf die öffentlichen Schulen keineswegs gehindert werden. Art. VI. Se. Maj. werden m i t Beyrathe der Erzbischöfe und Bischöfe f ü r die Herstellung eines hinlänglich dotirten Hauses sorgen, in welchem kranke und alte wohlverdiente Geistliche Unterstützung und Zuflucht finden können. Art. VII. Se. Kgl. M a j . werden i n Anbetracht der Vortheile, welche die religiösen Orden der Kirche und dem Staate gebracht haben, und i n der Folge auch noch bringen könnten, u n d u m einen Beweis Allerhöchst Ihrer Bereitwilligkeit gegen den heiligen Stuhl, zu geben, einige Klöster der geistl. Orden beyderlei Geschlechts entweder zum Unterrichte der Jugend in der Religion und den Wissenschaften, oder zur Aushülfe i n der Seelsorge, oder zur Kranken-Pflege, i m Benehmen m i t dem heil. Stuhle m i t angemessener Dotation herstellen lassen 11 . Art. VIII. Die Güter der Seminarien, Pfarreyen, Beneficien, Kirchen-Fabriken und aller übrigen Kirchen-Stiftungen werden stets und ungeschmälert erhalten, und können weder veräußert noch i n Pensionen verwandelt werden. Die Kirche w i r d auch das Recht haben, neue Besitzungen zu erwerben, und was sie neu erwirbt, soll i h r Eigenthum und gleicher Rechte m i t den ältern Kirchenstiftungen thei]haftig sein, welche so wenig als die k ü n f t i g zu errichtenden ohne Zustimmung des apostol. Stuhls jemals eingezogen, oder vereinigt werden können, jedoch m i t Vorbehalt der Rechte, welche den Bischöfen nach dem heil. Concilium von Trient zustehen. Art. IX. Se. Heiligkeit werden i n Erwägung der aus gegenwärtiger Ubereinkunft für die Angelegenheiten der Kirche u n d der Religion hervorgehenden Vortheile Sr. Maj. dem Könige M a x i m i l i a n Joseph und Seinen Katholischen Nachfolgern durch apostol. Briefe, welche sogleich nach der Ratification dieser Übereinkunft ausgefertigt werden sollen, auf ewige Zeiten das I n d u l t verleihen, zu den erledigten erzbischöfl. und bischöfl. Stühlen i m Königreiche Baiern würdige und taugliche Geistliche zu ernennen, welche die nach den canonischen Satzungen dazu erforderlichen Eigenschaften besitzen. Denselben w i r d Se. Heiligkeit nach den gewöhnlichen Formen die canonische Einsetzung ertheilen. Ehe sie aber diese erhalten haben, sollen sie sich auf keine Weise i n die Leitung oder Verwaltung der Kirchen, zu welchen sie ernannt sind, einmischen können. Die Annaten und Canzley-Taxen werden nach dem Maaßstabe der jährlichen Einkünfte eines jeden Bischofs von Neuem festgesetzt werden. Art. X. Die Probsteyen, sowohl bey den Metropolitan- als den Bischöfl. K i r chen w i r d Se. Heiligkeit verleihen. Die Ernennung der Dechanten steht Sr. Kgl. Maj. zu, Allerhöchstwelche auch zu den Canonicaten i n den sechs apostol. oder päbstl. Monaten ernennen werden. Von den übrigen sechs Monaten wer11

Uber die Wiederherstellung der Klöster in Bayern siehe unten Nr. 208.

I. Die bayerischen Konkordatsverhandlungen v o n 1816/17

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den i n drey die Erzbischöfe u n d Bischöfe, i n den andern drey aber die Capitel zu denselben ernennen 1 2 . I n die Capitel der erzbischöfl. u n d bischöfl. Kirchen können n u r Landeseingebohrne aufgenommen werden. Diese sollen neben den vom heil. Concilium zu Trient geforderten Eigenschaften i n der Seelsorge u n d andern Kirchendiensten rühmlich gearbeitet, oder den Erzbischöfen u n d Bischöfen i n der Verwaltung der Diöcese Beyhülfe geleistet, oder sich sonst durch Tugend u n d Wissenschaften Verdienste u n d Auszeichnung erworben haben. Die Stellen der Vicare an den Metropolitan- und Cathedral-Kirchen werden von den Erzbischöfen u n d den Bischöfen frey besetzt. Jedoch w i r d f ü r den gegenwärtigen Fall, wo die Capitel noch nicht bestellt sind, folglich die Bestimmungen dieses A r t i k e l s noch nicht sämmtlich beobachtet werden können, der apostol. Nuntius i m Einverständnisse m i t Sr. Maj. und m i t Rücksicht auf die einschlägigen Interessen die neuen Capitel einsetzen. Das nämliche gilt auch von den Vicaren. So wie den Dignitarien, Canonikern u n d allen zur Residenz verpflichteten Beneficiaten der Besitz mehrerer Beneflcien für eine Person nach den canonischen Satzungen untersagt ist, so sind sie auch nach der Strenge dieser V o r schriften zur Residenz, unbeschadet jedoch der Autorität des apostol. Stuhles, durchaus verbunden. Art. XI. Der K ö n i g von Baiern w i r d auf alle Pfarreyen, Curat- und einfache Beneflcien präsentiren, auf welche seine Vorfahrer, die Herzoge u n d Churfürsten, aus gültigem Patronats-Rechte, es mag sich dieses n u n auf Dotation, Fundation oder Bauführung gründen, präsentirt haben. Außerdem werden Se. Maj. zu allen jenen Beneflcien präsentiren, zu w e l chen geistliche Corporationen, die gegenwärtig nicht mehr bestehen, präsentirten. Die Unterthanen Sr. Maj., welche sich i m rechtmäßigen Besitze des Patronatrechts nach obigen T i t e l n befinden, werden ferner zu den Pfarreyen, Curatund einfachen Beneflcien, die unter ihrem Patronatsrechte stehen, präsentiren. Die Erzbischöfe und Bischöfe aber werden den präsentirten Geistlichen, wenn sie die erforderlichen Eigenschaften besitzen, nach vorgängiger Prüfung über Wissenschaft und Sitten, welche die Bischöfe selbst vorzunehmen haben, wenn es sich u m Pfarreyen oder Curat-Beneficien handelt, die canonische Einsetzung ertheilen. Übrigens muß die Präsentation zu allen diesen Benefiicien innerhalb der nach den canonischen Vorschriften bestimmten Zeit geschehen, außerdem werden sie frey von den Erzbischöfen und Bischöfen vergeben werden. Alle übrige Pfarreyen, Curat- u n d einfachen Beneflcien, welche die vorigen Bischöfe der nunmehrigen acht Kirchen i n Baiern frey besetzt haben, werden von den Erzbischöfen und Bischöfen an Personen, die von Seiner Majestät genehmigt werden, frey vergeben. 12 Die päpstlichen Monate (menses papales) sind die sechs ungeraden Monate; in ihnen w a r i n Deutschland nach dem Wiener Konkordat (1448) dem Papst die Besetzung der erledigten kirchlichen Stellen vorbehalten. I n den sechs geraden Monaten (menses episcopates oder capitulares) stand das Besetzungsrecht nach dem Wiener Konkordat den Bischöfen bzw. den Domkapiteln zu.

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7. Kap. : Das bayerische Konkordat

Art. XII. I n Leitung der Diöcesen sind die Erzbischöfe und Bischöfe befugt, alles dasjenige auszuüben, was ihnen vermöge ihres Hirtenamtes K r a f t der Erklärung oder Anordnung der canonischen Satzungen nach der gegenwärtigen u n d vom heiligen Stuhle bestätigten Kirchendisciplin zusteht, u n d insbesondere a) zu Vicaren, Rathgebern u n d Gehülfen i n ihrer Verwaltung Geistliche, welche sie immer hiezu tauglich finden werden, aufzustellen; b) A l l e diejenigen i n den geistlichen Stand aufzunehmen, und m i t den canonischen T i t e l n zu den höhern Weihen zu befördern, welche sie für ihre Diöcese nothwendig u n d nützlich erachten, wenn dieselben vorher die von den Erzbischöfen u n d Bischöfen selbst oder ihren Vicaren m i t Beyziehung der Synodal-Examinatoren vorzunehmende Prüfung bestanden haben, dagegen diejenigen, welche sie u n w ü r d i g finden, v o m Empfange der Weihen auszuschließen, ohne daß sie hierin unter irgend einem Vorwande gehindert werden können; c) Geistliche Sachen und insbesondere Ehesachen, welche nach dem Canon 12. Sess. 24 des heil. Conciliums von Trient vor den geistlichen Richter gehören, bey ihrem Gerichte zu verhandeln, und zu entscheiden. Ausgenommen davon sind die reinbürgerlichen Angelegenheiten der Geistlichen, z. B. Verträge, Schuld- u n d Erbschafts-Sachen, worüber den weltlichen Richtern die Verhandlung und Entscheidung zusteht; d) Gegen Geistliche, welche eine A h n d u n g verdienen, oder keine ehrbare geistliche, ihrem Stande und ihrer Würde anständige Kleidung tragen, die von dem heil. Concilium von Trient bestimmten oder ihnen sonst zweckmäßig scheinenden Strafen unter Vorbehalt des canonischen Recurses zu verhängen, und dieselben i n die Seminarien oder andere dazu bestimmte Häuser zu versetzen, auch gegen jeden der Gläubigen, welche sich der Übertretungen der Kirchensatzungen und der heil. Canonen schuldig machen, kirchliche Censuren anzuwenden; e) Nach Erforderniß des geistlichen Hirtenamts sich dem Clerus und dem Volke der Diöcese mitzutheilen, und ihren Unterricht und ihre Anordnungen i n kirchlichen Gegenständen frey k u n d zu machen; übrigens bleibt die Communication der Bischöfe, des Clerus und des Volkes m i t dem heiligen Stuhle i n geistl. Dingen und kirchl. Angelegenheiten v ö l l i g frey; f) I m Einverständnisse m i t Sr. Kgl. Maj., besonders wegen Anweisung angemessener Bezüge, Pfarreyen zu errichten, zu theilen, und zu vereinigen; g) öffentliche Gebete und andere fromme Übungen vorzuschreiben und anzusagen, wenn dieses das Wohl der Kirche, des Staates, oder des Volkes erheischt, und darauf zu sehen, daß bey den kirchl. Verrichtungen, besonders aber i n der Messe und der Ausspendung der Sacramente die lateinischen Kirchenformeln gebraucht werden. Art. XIII. Wenn die Erzbischöfe u n d Bischöfe der Regierung Anzeige erstatten, daß Bücher i n dem Königreiche gedruckt oder eingeführt worden seyen, deren I n h a l t dem Glauben, den guten Sitten oder der Kirchenzucht zuwider ist; so w i r d dieselbe Sorge tragen, daß deren Verbreitung i n der gesetzlichen Weise verhindert werde. Art. XIV. Se. M a j . werden nicht zugeben, daß die Kath. Religion, ihre Gebräuche und L i t u r g i e durch Worte, Thaten oder Schriften verächtlich gemacht, oder daß die Vorsteher oder Diener der Kirche i n Ausübung ihres Amtes,

I I . Bischofsernennung und Verfassungseid

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besonders i n Wahrung der Glaubens- und Sitten-Lehre u n d der Kirchen-Zucht gehindert werden. Da Se. Kgl. M a j . ferner wollen, daß den Dienern der Religion die ihnen nach göttlichen Geboten gebührende Achtung bezeigt werde; so werden Allerhöchstdieselben nicht gestatten, daß irgend etwas zu deren Herabwürdigung oder Verachtung geschehe, sondern vielmehr verfügen, daß ihnen von allen Obrigkeiten bey jeder Gelegenheit m i t besonderer Achtung, und i n der ihrem Stande gebührenden A r t begegnet werde. Art. XV. Die Erzbischöfe u n d Bischöfe werden i n die Hände Sr. Kgl. Maj. den Eid der Treue i n folgenden Worten ablegen: „ I c h schwöre u n d gelobe auf Gottes heilige Evangelien Gehorsam und Treue Seiner Majestät dem Könige. Eben so verspreche ich, keine Communication zu pflegen, an keinem Rathschlage T h e i l zu nehmen, u n d keine verdächtige V e r bindung weder i m Inlande noch auswärts zu unterhalten, welche der öffentlichen Ruhe schädlich seyn könnte, u n d wenn i d i von einem Anschlage zum Nachtheile des Staates, sei es i n meiner Diöcese oder sonst irgendwo K e n n t niß erhalten sollte, solches Seiner Majestät anzuzeigen." 13 Art. XVI. Durch gegenwärtige Übereinkunft werden die bisher i n Baiern gegebenen Gesetze, Verordnungen und Verfügungen, i n so weit sie derselben entgegen sind, als aufgehoben angesehen werden. Art. XVII. Alles Übrige, was kirchliche Gegenstände und Personen b e t r i i i t , wovon i n diesen A r t i k e l n nicht ausdrückliche Meldung geschehen ist, w i r d nach der Lehre der Kirche und nach der bestehenden und angenommenen Disciplin derselben behandelt werden 1 4 . Sollte aber i n Z u k u n f t sich ein Anstand ergeben, so behalten Sich Se. Heiligkeit und Se. Kgl. Maj. vor, Sich darüber zu benehmen, und die Sache auf freundschaftliche Weise beyzulegen. Art. XVIII. Beyde contrahirende Theile versprechen für Sich und Ihre Nachfolger die genaue Beobachtung alles dessen, worüber man i n diesen A r t i k e l n gegenseitig übereingekommen ist, und Se. Kgl. Maj. werden gegenwärtige Übereinkunft als Staats-Gesetz erklären. Ferner versprechen Se. Kgl. Maj. für Sich und Ihre Nachfolger, nie aus irgend einem Grunde den A r t i k e l n dieser Übereinkunft etwas beyzufügen, oder daran etwas abzuändern, oder dieselben auszulegen ohne Dazwischenk u n f t und M i t w i r k u n g des apostolischen Stuhls. Art. XIX. Die Auswechslung der Ratificationen gegenwärtiger Übereink u n f t soll innerhalb 40 Tagen vom Tage der Unterzeichnung an, oder früher, wenn es geschehen kann, erfolgen 1 5 .

I I . B i s c h o f s e r n e n n u n g u n d Verfassungseid Das wichtigste der vom Staat durch das Konkordat erlangten Zugeständnisse der Kurie war das Recht des Königs zur entscheidenden Mitwirkung bei der 13 Über die Formel des Bischofseids in Preußen: unten Nr. 91, 92; i n der oberrheinischen Kirchenprovinz: unten Nr. 107 (§ 21), Nr. 113 (Ziff. 2). 14 Diese Generalklausel enthielt ein außerordentlich weitgehendes Zugeständnis des Staats an die Kirche; sie w a r daher Gegenstand lebhafter K r i t i k (dazu unten Nr. 77, Ziff. 7). 15 Zur Ratifikation des am 5. J u n i 1817 unterzeichneten Konkordats k a m es erst am 24. Oktober 1817, zu seiner Verkündung als Staatsgesetz (Art. X V I I I )

U! Hubei-, S t a a t u n d K i r c h e , 1. B d .

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7. Kap.: Das bayerische Konkordat

Besetzung der Bischofsstühle. Diese geschah in folgender Weise: An die königliche Benennung des künftigen Bischofs schloß sich die päpstliche Bestätigung („Präkonisation") an; dann folgten die königliche Ernennung, die päpstliche Einsetzung („Institution"), die Bischofsweihe („Ordination") und schließlich die Besitzergreifung („Inthronisation"). Erst von diesem letzten Akt an war der Bischof zu Amtshandlungen befugt. Nach dem Inkrafttreten des bayerischen Konkordats kam es schon 1818 zur königlichen Benennung und päpstlichen Bestätigung der Kirchenoberen der sechs vakanten Diözesen: der Erzbistümer München-Freising (Frhr. v. Gebsattel) und Bamberg (Graf Stubenberg) sowie der Bistümer Augsburg (Frhr. v. Fraunberg), Regensburg (Johann Nepomuk v. Wolf), Würzburg (Friedrich v. Groß zu Trockau) und Speyer (Matthäus Georg v. Chandelle) 1. Zur Ernennung, Einsetzung, Ordination und Inthronisation kam es erst nach der Beilegung der wegen des Verfassungseids des bayerischen Klerus entstandenen Wirren durch die Tegernseer Erklärung von 1821 (unten Nr. 85). Der von 1818 bis 1821 dauernde Konflikt

hatte folgenden

Anlaß:

Während Art. 15 des bayerischen Konkordats (oben Nr. 73) von den Erzbischöfen und Bischöfen nur einen allgemeinen Treueid forderte, verpflichtete Tit. X § 3 der bayerischen Verfassung von 1818 alle Staatsbürger und somit auch die Geistlichen zu einem Verfassungseid. Da das Religionsedikt einen Bestandteil der Verfassung bildete, erstreckte der Konstitutionseid sich auch auf dieses Edikt; deshalb mußten die Widersprüche zwischen Religionsedikt und Konkordat zu Gewissenskonflikten führen. Eine Reihe von Geistlichen leistete den Konstitutionseid nur unter dem Vorbehalt, daß er nicht gegen die Gesetze der katholischen Kirche verstoße. Die königliche Verordnung vom 8. Juli 1818 (Nr. 74) untersagte jedoch ausdrücklich diese bedingte Eidesleistung. Daraus ergaben sich langwierige Auseinandersetzungen-. In ihrem Verlauf stellte der dem Ordinariat Freising angehörende Geistliche Rat Hacklinger3 die Differenzen zwischen dem Religionsedikt und dem Konkordat, die der Anlaß der bedingten Eidesleistung waren, in einem Gutachten dar 4.

erst bei Erlaß der Verfassung und des Religionsedikts vom 26. M a i 1818 (unten Nr. 57, 58). 1 Uber die Genannten unten S. 192 Anm. 1, 2, 3; S. 197 Anm. 2, 5; über den Vollzug ihrer Ernennung am 13. September 1821 unten S. 195. 2 Texte: K . Höf ler, Concordat und Constitutionseid der Katholiken i n Bayern (1847) S. 114 ff. 3 Augustin Hacklinger (1755 - 1830), seit 1781 Kath. Priester; 1794 Propst des Klosters der Augustinerchorherren Gars (Obb.); 1813 Geistlicher Rat i n Freising; 1821 Domkapitular daselbst; 1822 Generalvikar des Erzbistums München u n d Freising. 4 T e x t : P. Sieweck, Lothar Anselm Frhr. v. Gebsattel, der erste Erzbischof von München und Freising (1955) S. 267 ff.

I I . Bischofsernennung und Verfassungseid

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N r . 74. Verordnung K ö n i g M a x i m i l i a n Josephs über den Konstitutionseid vom 8. J u l i 1818 (G. v. Döllinger,

Verordnungen, Bd. V I I I 1 , S. 674 f.)

Nachdem W i r i n einem der Verfassungs-Urkunde Unseres Reichs beigefügten besondern Edicte^ nicht n u r die öffentlichen Verhältnisse aller Kirchen- und Religions-Gesellschaften, m i t derjenigen Gerechtigkeit, welche W i r der einen w i e der andern schuldig sind, nach allgemeinen, längst anerkannten u n d aus der Natur und dem Zwecke des Staatsverbandes hervorgehenden Grundsätzen festgesetzt, sondern auch, was die kath. Religion insbesondere betrifft, auf das m i t Sr. päbstl. Heiligkeit abgeschlossene Concordat ausdrücklich Bezug genommen haben; so mußten Uns die Bedingungen u n d Clausein, unter welchen nach euerem Berichte v o m 12. v. M., der Eid auf die Verfassung v o n einigen Pfarrern der N. Diözese abgelegt worden ist, sehr befremdend sein; u n d W i r sehen Uns, u m die Veranlassung dieses Vorganges einigermassen erklären zu können, zu der Vermuthung gedrungen, daß es die Landgerichte unterlassen haben möchten, m i t der Verfassungs-Urkunde zugleich auch das erwähnte Religionsedict gehörig zu verkündigen 6 . N u r unter dieser Voraussetzung wollen W i r von der ernstlichen Ahndung, welche außerdem ein so ungeziemendes Benehmen, und das dadurch geäußerte Mißtrauen gegen Unsere Anordnungen, verdient hätte, für diesmal Umgang nehmen, u n d befehlen euch, die besagten Pfarrer, und zwar einzeln, nochmal zu den betreffenden Landgerichten vorrufen, sich über i h r Mißverständniß, m i t Verweisung auf den ganzen Zusammenhang der nunmehr vollständig erschienenen constitutionellen Edicte, belehren, und zu einem unbedingten Eide m i t dem Anhange auffordern zu lassen, wie W i r nun und nimmermehr dulden können und wollen, daß geistl. Personen i h r erstes von der Religion nicht minder geheiligtes Verhältniß zum Staate und zu Uns als Landesherrn mißkennen, und dasselbe von vorgefaßten und einseitigen Meinungen über i h r Verhältniß zur Kirche, welches W i r jederzeit i n allen seinen rechtlichen und gesetzlichen Beziehungen geehrt und geschont haben und fortan ehren und schonen werden, abhängig machen. Den Landgerichten ist hingegen zu bemerken, daß sie eine bedingte Eidesleistung nicht hätten annehmen, sondern vielmehr die Pfarrer sogleich über das Unbegründete und Ungeeignete ihrer Verwahrung hätten belehren und zur unbedingten Eidesleistung hätten auffordern sollen. Über die Vollziehung dieser Unserer Entschließung erwarten W i r euere baldige Anzeige, und versehen Uns des schuldigen u n d pflichtmäßigen Gehorsams von Seite der betheiligten Pfarrer u m so gewisser, als W i r außerdem gegen dieselben die Obliegenheiten u n d Befugnisse, welche Uns als Regenten i n Ansehung renitirender Staatsbürger zustehen, zur Aufrechthaltung der Staats-Grundgesetze m i t allem Nachdrucke i n Ausübung zu bringen wissen und nicht ermangeln werden. 5

Religionsedikt vom 26. M a i 1818 (oben Nr. 60). „Landgerichte" waren damals in Bayern landesherrliche Behörden, denen (vor der Trennung von Justiz und Verwaltung) neben Aufgaben der Rechtsprechung zahlreiche Geschäfte der allgemeinen Landesverwaltung oblagen. 6

12*

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7. Kap.: Das bayerische Konkordat

I I I . D i e Häffeliasche Erklärung Zur authentischen Auslegung des Verhältnisses zwischen Konkordat und Religionsedikt entsandte König Max Joseph den Kanonikus Helfferich 1 nach Rom (Nr. 75). Dessen Erläuterungen kam der inzwischen auf Wunsch des Königs 2 zum Kardinal ernannte Gesandte v. Häffelin jedoch zuvor. In seiner Erklärung vom 27. September 1818 (Nr. 76) behauptete er, gemäß dem Willen des Königs gelte das Religionsedikt nur für Nichtkatholiken; die Stellung der Katholiken im bayerischen Staat sei umfassend durch das Konkordat geregelt. Papst Pius VII. nahm diese Eröffnung des Gesandten als eine „Erklärung des Königs" mit Erleichterung auf. Die Fortführung der Verhandlungen mit der bayerischen Regierung über die Zirkumskription der Diözesen und andere Fragen schien ihm nun wieder möglich zu sein 3 . Häffelin war jedoch zu seiner Erklärung von der bayerischen Regierung nicht ermächtigt. Nach ihrem Bekanntwerden 4 stellte der Finanzminister Maximilian Frhr. v. Lerchenfeld 5 in einem Gutachten (Nr. 77) die Konsequenzen dar, die sich für die Katholiken in Bayern ergeben würden, wenn das Konkordat nicht im Religionsedikt seine Begrenzung fände. Die Regierung distanzierte sich durch eine Depesche des Außenministers Graf Rechberg Q an den Kardinalstaatssekretär vom 7. November 1818 ausdrücklich von der Häffelinschen Verlautbarung (Nr. 78). Am selben Tag bekräftigte König Max Joseph in einem Reskript die Pflicht aller bayerischen Staatsangehörigen, sich dem Religionsedikt zu unterwerfen und den Verfassungseid zu leisten (Nr. 79). Graf Rechberg übersandte seine Note vom 7. November mit einem persönlichen Begleitschreiben vom 11. November 1818? an Kardinal Häffelin. In ihm wies er den Gesandten auf den Ernst der Lage hin, in die dieser sich durch die Erklärung vom 27. September gebracht habe. Häffelin antwortete mit einem Schreiben vom 25. November 1818*, das er zuvor im Entwurf — allerdings erfolglos — Consalvi mit der Bitte um Zustimmung vorgelegt hatte 9. Der Sache nach modifizierte er in diesem Schreiben seine Erklärung vom 27. September. Die Regierung vermisste allerdings auch in diesem Brief die notwendige Klarheit und stellte dem Gesandten am 27. Dezember ein Reskript des Königs zu, in dem es hieß: „Zur Vermeidung aller weiteren ausweichenden und verdrehten Auslegungen über diesen Gegenstand wird dem königlichen Gesandten Abschrift des an sämtliche Regierungen des Königreichs unterm 7. November erlassenen Rescript mitgetheilt und derselbe hienach angewiesen." 10 1

Oben S. 104 A n m . 4. Schreiben K ö n i g M a x Josephs an Papst Pius V I I . v o m 18. März 1818 (Text: K. Höfler, Concordat u n d Constitutionseid der K a t h o l i k e n i n Bayern, 1847, S. 234 f.). 3 A l l o k u t i o n Papst Pius V I I . vom 2. Oktober 1818 (A. v. Roskoväny, Monumente catholica, Bd. 2, S. 108 ff.). 4 Die Häffelinsche E r k l ä r u n g wurde i n Deutschland Ende Oktober 1818 bekannt (O. Mejer, Z u r Geschichte der römisch-deutschen Frage, I I , 1872, S. 183). 5 Oben S. 127 A n m . 9. 6 Oben S. 127 A n m . 7. 7 T e x t : W. Sieweck, L o t h a r Anselm Frhr. v. Gebsattel, der erste Erzbischof von München u n d Freising (1955) S. 271 f. 8 T e x t : H. v. Sicherer, Staat und Kirche i n Bayern 1799 - 1821 (1874) S. 300 f. 9 Ebenda S. 302. 10 T e x t : ebenda S. 301. 2

I I I . Die Häffelinsche Erklärung

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N r . 75. Depesche K ö n i g M a x i m i l i a n Josephs an den Gesandten K a r d i n a l v. H ä f f e l i n in R o m vom 9. September 1818 (Η. v. Sicherer, Staat und Kirche i n Bayern 1799 - 1821, 1874, Anhang S. 81 f.) — Ubersetzung — Der Kanonikus Helfferich, einer der würdigsten Geistlichen Deutschlands, der beim Heil. Stuhl einen guten Ruf genießt, w i r d Ihnen, Herr Kardinal, v o r liegendes Schreiben übergeben. Er begibt sich nach Rom, u m dort die geistliche Lage i n Deutschland u n d die dringenden Beweggründe bekannt zu machen, die mich dazu veranlaßt haben, meinem Königreich eine Verfassung zu geben und i h r organische Edikte zur Seite zu stellen, die sich m i t der i n Wien unterzeichneten Bundesakte u n d den Rechten, die dort den Völkern Deutschlands zugesichert worden sind, i n Ubereinstimmung befinden 1 0 3 . Ich weiß, welchen Eindruck meine Verfassung und meine Edikte i n Rom hervorgerufen haben. Ich weiß sehr wohl, daß eine Kommission von Prälaten, die m i t ihrer Prüfung beauftragt war, sie m i t Anathemata bedacht u n d als m i t den Grundsätzen der Kirche unvereinbar bezeichnet hat. Ich weiß, daß i n E r wägung stand, dem bayerischen Klerus zu verbieten, den Eid auf die V e r fassung zu leisten, und daß, nachdem der Heilige Vater und K a r d i n a l Consalvi diesen Vorschlag abgelehnt hatten, statt dessen ins Auge gefaßt wurde, an mich ein Mahnschreiben und an meinen Klerus ein Pastoralschreiben zu richten, i n welchem man i h m die Verhaltensmaßregel, die unter diesen U m ständen zu befolgen sei, vorgezeichnet hätte; doch ist bekanntlich auch diese Maßnahme vertagt worden. I n der Zwischenzeit läßt der K a r d i n a l Consalvi meinen Minister des Auswärtigen wissen, daß die neuen zusammen m i t dem Konkordat publizierten Gesetze dem Heil. Vater lebhaften Schmerz bereitet hätten, und daß er sich vorbehalte, dies zum Gegenstand späterer Verhandlungen zu machen. Ich wünsche, daß der Kanonikus Helfferich rechtzeitig eintrifft, u m einer Diskussion zuvorzukommen, v o n der ich m i r nicht das geringste Ergebnis zu erhoffen wüßte. Ich kann an dem Geschehenen nichts mehr ändern; die organischen Gesetze bilden integrierende Bestandteile der Verfassung, und es bedürfte der Zustimmung der Kammern, u m hier eine M o d i fikation vorzunehmen. Die Voraussetzungen, von denen man i n Rom ausgeht, sind für Deutschland ganz unzutreffend; man weiß i n Rom nur wenig von der öffentlichen Meinung i n Deutschland, auf die hier die mächtigsten Souveräne sich einstellen müssen. Daher w i r d ein Versuch, den Heil. Stuhl davon zu überzeugen, daß es nicht von m i r abhing, anders zu handeln, vergeblich sein. Es war notwendig, alle Parteien zufrieden zu stellen; man mußte 1 200 000 bayerische Protestanten beruhigen, die, v o m Konkordat alarmiert, bereits ihre verfassungsmäßigen Rechte verletzt glaubten und aus Furcht u m ihre Gewissensfreiheit nicht versäumt hätten, sich an den Bundestag in Frankfurt zu wenden, wo man öffentlich mein Konkordat mißbilligt hat. 10a

Oben Nr. 53.

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7. Kap.: Das bayerische Konkordat

Meine Prinzipien haben sich nicht gewandelt; ich werde das Konkordat treu u n d pünktlich ausführen; ich lege i h m den größten Wert bei. Davon sich zu überzeugen, hatte der Kanonikus Helfferich Gelegenheit. Wenn man sich i n Rom der K r a f t der Gründe verschlösse, die dieser darzulegen haben w i r d , bliebe m i r nur, eine Blindheit zu beklagen, deren Folgen unberechenbar w e r den könnten. N r . 76. E r k l ä r u n g des Gesandten K a r d i n a l v. H ä f f e l i n v o m 27. September 1818 (Ubersetzung in: A. v. Roskovàny,

Monumenta catholica, Bd. 3, 1856, S. 692 f.)

Dem K ö n i g von Bayern ist m i t unaussprechlicher Betrübniss zur Kenntniss gekommen, dass Sr. Heiligkeit einige A r t i k e l der f ü r seine Völker bekannt gemachten Verfassung und insbesondere das darangehängte Religionsedikt den Gesetzen 1015 einigermassen widersprechend zu seyn geschienen habe. Uber die Maassen empfindlich zu der missfälligen Wahrnehmung, die i n i h m durch eine solche Auslegung verursacht wurde, u n d sehnlich verlangend, jeden diessfälligen Zweifel u n d Anstoß zu heben, hat er den Unterzeichneten beauftragt, seine Gesinnungen Sr. Heiligkeit zu erklären, und i n seinem Namen zu versichern, dass seine Absicht allzeit sey und seyn werde, dass das am 5. J u n i 1817 m i t dem Heil. Stuhle abgeschlossene Concordat getreu u n d heilig i n allen seinen Theilen vollzogen werden soll; dass dieses als Reichsgesetz 11 verkündete Concordat allzeit als solches werde betrachtet und geachtet werden; dass das der Verfassung angehängte Edikt, dessen Hauptzweck ist, die Ordnung, die Ruhe und die gute Harmonie unter allen Unterthanen des Reiches handzuhaben, n u r f ü r diejenigen, die sich zur kathol. Religion nicht bekennen, als Richtschnur dienen soll und werde, während das Concordat bei allen K a t h o l i ken als Richtschnur dient und dienen soll; dass der auf die Verfassung zu leistende Eid auf keine Weise weder die Dogmen, noch die Gesetze der Kirche berühren kann, w e i l bei der Verkündigung der Verfassung der unbedingte Wille u n d die bestimmte Absicht des Königs gewesen ist, dass der zu leistende Eid sich auf nichts anders, als auf die bürgerliche Ordnung beziehe, und dass er diejenigen, die i h n leisteten, niemals zu einer Handlung verbindlich mache, welche den Gesetzen Gottes u n d der Kirche entgegen seyn könnte. Dies ist die Erklärung, dies sind die Gesinnungen, welche der Unterzeichnete beauftragt ist, i m Namen seines Königs und H e r r n vorzulegen, dem nichts mehr am Herzen liegt, als Sr. Heiligkeit die Geradheit und Reinheit seiner Absichten zu erkennen zu geben.

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t> Nämlich dem Kanonischen Recht. „Reichsgesetz" meint hier: Gesetz des Königreichs Bayern.

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I I I . Die Häffelinsche Erklärung

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N r . 77. Gutachten des Staatsministers F r h r . v. Lerchenfeld über die Häffelinsche Deklaration v o m 5. November 1818 (Η. v. Sicherer, Staat und Kirche in Bayern, 1874, Anhang S. 82 ff.) Folgerungen, welche sich aus der Cardinal Häffelinschen Erklärung am heiligen Stuhle vom 27. September ergeben, wenn dieselbe als w a h r angenommen würde. 1. Das Religions-Edict, welches die Verhältnisse der kirchlichen Gesellschaften gegeneinander und die äußeren Verhältnisse derselben gegen die Regierung festsetzt, ist f ü r die K a t h o l i k e n nicht verbindlich. F ü r diese ist auch i n diesen beiden Beziehungen nur allein das Concordat die einzige Norm. 2. Das Religions-Edict ist hingegen gesetzliche Bestimmung für die Protestanten i n ihrem Verhältnisse gegen die Katholiken. 3. Katholiken können daher i n protestantischen Orten sich niederlassen, daselbst ihre Hausandacht haben, oder sich zur Ausübung ihrer Religion i n eine kirchliche Gemeinde bilden. 4. Die K a t h o l i k e n können hingegen jene Rechte u n d Vorrechte gegen die übrigen Glaubensgenossen i m Königreiche ansprechen, welche ihnen der A r t . 1 des Concordates zuspricht, und sie erkennen keine Gleichheit der Rechte und Verhältnisse der Protestanten an. 5. Nach diesem A r t . 1 sind die beiden anderen Confessionen neben der herrschenden katholischen n u r tolerirt. Der Ausdruck „quibus f r u i debet" beseitiget sogar alle Berufung auf den dermaligen Besitzstand und öffnet der Römischen Curie für alle Z u k u n f t den Eingang zu den intolerantesten Grundsätzen und Forderungen, sowie sie i n der Folge der Zeit eine Hoffnung zu finden glaubt, dieselben durchsetzen zu können. 6. Nach dem Religions-Edicte darf keine Partei die Mitglieder der andern durch Zwang oder List zum Übergange verleiten. Nach canonischen Grundsätzen ist dies nicht verboten, u n d der katholische Clerus hält sich daher nach dem Concordate u m so mehr hiezu berechtiget, als selbst die päbstl. A l l o c u t i o n 1 2 von der Hoffnung eines von Tag zu Tag reichlicheren Zuwachses der kath. Religion i n Baiern spricht. 7. Das Concordat bezieht sich sowohl i m Eingange als i n mehreren anderen Punkten auf die canonischen Satzungen. Da diese i m allgemeinen nicht angenommen u n d festgestellt sind, da die sogenannten falschen Isidorischen Decretalen 1 3 von jeher auf das lebhafteste widersprochen wurden, da die Auslegung des Satzes, daß die katholische Religion m i t jenen Rechten u n d Vorrechten aufrecht u n d unversehrt erhalten werden solle, welche sie nach Gottes Anordnung u n d den canonischen Satzungen genießen soll, allen Ansprüchen des Clerus u n d einer vollkommen u l t r a 12

Text: A. v. Roskovany, Monumenta catholica, Bd. 2, 1847, S. 108 ff. Die „Pseudo-Isidorischen Dekretalen" waren eine u m 850 entstandene Sammlung angeblich alter Quellen des Kirchenrechts; der Herausgeber nannte sich Isidor Mercator. Erst i n der Reformationszeit wurde die Unechtheit der Urkunden aufgedeckt (Textausgabe: P. Hinschius, Decretales Pseudoisidorianae et capitula Angilramni, 1863). 13

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7. Kap.: Das bayerische Konkordat

montanistischen Auslegung des Concordates die Thore öffnet, so fand man nnch der reifesten Überlegung es durchaus nöthig, das Religions-Edict als die einzige Schutzwehr gegen diese Gefahr zu erlassen, und i n diesem die äußeren kirchlichen Verhältnisse der drei m i t gleichen Rechten begabten GlaubensConfessionen gegeneinander, sowie i h r Verhäitniss gegen den Staat i n allen äußeren Religions-Verhältnissen festzusetzen, und solche Schranken zu bestimmen, daß die kirchliche Behörde i n allen äußeren kirchlichen Verhältnissen die nöthigen Schranken nicht übersteige. Ist das Religions-Edict für die Katholiken officiell zurückgenommen, wie dies durch die Häffelinsche Erklärung geschehen, so ist der Römischen Curie alle Befugniss eingeräumt, den Clerus nach den ultramontanistischen Grundsätzen zu instruiren, und jede Anwendung der i n dem Religions-Edicte enthaltenen Bestimmungen gegen die katholischen kirchlichen Verhältnisse als eine unbefugte Usurpation zu erklären. 8. Den Katholiken ist die i m Religions-Edicte feierlich zugesicherte Gewissensfreiheit, i. e. i n Gegenständen des Glaubens und Gewissens keinem äußeren Zwang unterworfen werden zu können, durch das Concordat nicht gesichert; die geistlichen Behörden können gegen sie als Übertreter der heiligen canonischen Satzungen — w o h i n selbst Fastengebote etc. gehören — nach der von dem heiligen Stuhle gebilligten Kirchen-Disciplin m i t Censuren belegt werden, u n d sie können sich wegen Mißbrauch der geistlichen Gewalt nicht an die Regierung wenden, wenn selbst äußerer Zwang m i t verbunden werden sollte. 9. Nach dem Concordate behauptet die Römische Curie, daß i h r u n d den Erzbischöfen u n d Bischöfen ein gänzlich unbeschränktes Straf recht gegen die Geistlichen zukomme. N u r durch das Religions-Edict können diese einen Recurs gegen den M i ß brauch der geistlichen Gewalt an die Regierung nehmen, wie dies i n Frankreich und ebenso i n den deutschen Staaten von jeher bestand. Wie sehr aber dadurch der ganze Clerus unter die Gewalt der Römischen Curie kommen müsse, welchen Gefahren ein jeder Geistliche, der nicht durchaus i n dem Sinne u n d Geiste der Römischen Curie handle und lehre, ausgesetzt sei, u n d welche Richtung i n 20 bis 30 Jahren der ganze Clerus, der W i l l k ü h r der geistlichen Behörden überliefert, nehmen müsse, fühlt die Geistlichkeit in Baiern, wie der Staatsdiener und jeder denkende Staatsbürger! — 10. Nach dem A r t . 12 c des Concordates k a n n der Clerus das Recht der Einsicht u n d Genehmigung der zu erlassenden Kirchengesetze und Verordnungen bestreiten, und das i n allen kirchlichen Staaten hergebrachte Recht des Placeti regii, das i n dem Religions-Edicte ausdrücklich aufgeführt ist, als f ü r die K a t h o l i k e n m i t der Aufhebung des Religions-Edicts von der Regierung selbst zurückgenommen erklären, u n d wenn diese auf diesem Rechte noch ferner besteht, es als eine widerrechtliche Usurpation erklären, der man sich, so viel möglich zu entziehen befugt sei. Ohne das Placetum regium k a n n jedoch der Monarch die i h m obliegende Pflicht der verhütenden Aufsicht — jus cavendi — nicht ausüben. 11. Die Gerichtsbarkeit i n geistlichen Sachen leidet ohne das ReligionsEdict, u n d dessen nähere Bestimmung § 64 etc. große Discussionen. Insbesondere k a n n der Clerus i n Ehesachen die ganze Gerichtsbarkeit auch über die

I I I . Die Häffelinsche Erklärung bürgerlichen Folgen i n Anspruch nehmen, die ihm bios quoad v i n c u l u m sacramenti zusteht. 12. Die geistlichen Bildungsanstalten sind — ohne dem Schutze des ReligionsEdictes — ganz der bischöflichen Leitung i n der A r t überlassen, daß selbst das landesherrliche Oberaufsichtsrecht von dem Clerus verweigert werden kann. Der Römischen Curie sind dadurch alle M i t t e l i n die Hand gegeben, den künftigen Clerus i n Baiern ganz nach ultramontanistischen Grundsätzen zu bilden. 13. Die i n dem Religions-Edicte jedem Staatseinwohner gestattete W a h l des Glaubensbekenntnisses findet für K a t h o l i k e n nicht mehr statt, da derselben i m Concordate nicht erwähnt ist, und der Clerus dieselbe als der Bestimmung des A r t i k e l 1 zuwiderlaufend erklären wird. 14. Ehen vermischter Religion werden von dem katholischen Clerus nach seinen canonischen Grundsätzen n u r dann gebilliget und gestattet werden, wenn alle K i n d e r i n der katholischen Religion erzogen werden. 15. I n dem Concordate ist der Besteuerung der geistlichen Güter nicht erwähnt. I n dem ersten abgeschlossenen Concordats-Entwurfe w a r enthalten, daß die geistlichen Güter „nec novis extraordinariis praestationibus praeter communes subjici poterunt". Als dagegen der A n t r a g gemacht wurde, den Ausdruck „praeter communes" i n der A r t zu ersetzen, daß es heiße „außer den allgemeinen", damit die außerordentlichen Steuern, die i m F a l l eines Krieges und besonderer dringlicher Verhältnisse nöthig sind, nicht ausgeschlossen wären, hat die Römische Curie genug Feinheit gehabt, lieber den ganzen Satz hinwegzulassen, u m die Hand offen zu behalten, und das landesherrliche Besteuerungs-Recht der geistlichen Güter i n dem Concordate nicht anzuerkennen. Ohne das Religions-Edict kann daher die Geistlichkeit die Besteuerung der geistlichen Güter stets als eine Usurpation erklären, da i n dem Concordate die Besteuerung nicht zugegeben, nach den ultramontanistischen Grundsätzen hingegen nur i n Folge besonderer päbstlicher Indulte zulässig ist. 16. Ohne das Religions-Edict ist das Recht der Regierung, die Aufsicht über die Verwaltung des Kirchen-Vermögens zu führen, und auf dessen Erhaltung und treuen Verwaltung zu sorgen, durch das Concordat nicht gesichert. 17. M i t dem Religions-Edicte fällt die Schutzwehr gegen die Ubergriffe h i n weg, die von Seite der geistlichen Behörden aus der Bestimmung des A r t . 5 i n Ansehung des Schulwesens u n d nach dem A r t . 13 i n Ansehung der Preßfreiheit zu besorgen sind. 18. Die kath. Geistlichkeit ist auf die Verfassung des Reiches 14 n u r in so ferne verpflichtet, als sie keine Religions-Verhältnisse betrifft; i n Ansehung dieser ist sie blos allein auf das Concordat beeidet, u n d daher nicht i n ihrem Gewissen verbunden, einer nicht aus dem Concordate hervorgehenden Verfügung oder Anordnung der Landesbehörden u n d der Regierung Folge zu leisten. Sie k a n n diese als Usurpationen betrachten, denen man zwar so lange folgt, als man sich genöthiget sieht, von welchen sich zu befreien aber die u n verrückliche Richtung ist. 14

Gemeint: die bayerische Verfassung von 1818 (oben Nr. 59).

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7. Kap.: Das b a y r i s c h

Konkordat

Diess sind die hauptsächlichsten Folgen, welche aus der stillschweigenden Annahme oder der nicht legal erfolgten Widerrufung der Häffelinschen Erklärung, daß das Religions-Edict nur allein für die Protestanten gelte und der Eid der katholischen Geistlichkeit auf die Verfassung sich nur auf die bürgerliche Ordnung beziehe, hervorgehen. Zeigen sich auch nicht gleich Anfangs alle diese Folgen i n ihrer crassen Gestalt, so werden sie nach des Unterzeichneten inniger Uberzeugung sich immer mehr entwickeln, und wenigstens der Richtpunkt sein, nach welchem heimlich Clerus und Volk bearbeitet würde. N r . 78. Depesche des Staatsministers Graf Rechberg an den Kardinalstaatssekretär Consalvi vom 7. November 1818 (K. Höf ler, Concordat und Constitutionseid der Katholiken in Bayern, 1847, S. 238 f.) — Übersetzung i m Auszug — Se. Maj., immer bereit, zu bestätigen, was Ihre Minister i m Geist Ihrer A b sichten erklären, selbst wenn sie dazu keinen formellen A u f t r a g gehabt haben, bekräftigt i n fester Überzeugung die gegebene Versicherung, dafür zu sorgen, daß man das Konkordat i n allen seinen A r t i k e l n m i t religiöser Treue ausführen und beachten wird. Aber je stärker Se. Maj. von solchen Empfindungen durchdrungen ist, desto mehr muß es Sie bekümmern, daß I h r Minister den Sinn der Anordnungen nicht verstanden und dem m i t der Verfassung verbundenen Edikt eine Auslegung gegeben hat, die die katholischen Untertanen veranlassen könnte, an dessen Gültigkeit zu zweifeln. Sie könnten glauben, daß sie einem Gesetz nicht unterworfen seien, das doch, indem es jeder religiösen Gemeinschaft ihre Rechte und Pflichten vorzeichnet, auch die Beziehungen der Katholiken zum Souverän und zum Staat festlegt, ohne das Konkordat irgendwie zu beeinträchtigen, das, nachdem es Staatsgesetz geworden ist, heute das Palladium der Katholiken und der neuen in Bayern geschaffenen kirchlichen Ordnung darstellt. Je weniger es von nun an möglich sein wird, die Regelungen anzugreifen, die sich auf Grund einer gemeinsamen Übereinstimmung m i t dem Heil. Stuhl zu festigen beginnen, u m so mehr muß Se. Maj. wünschen, daß nicht Beschwerden ihre heilsamen Absichten durchkreuzen, und daß sie sich nicht der Gefahr ausgesetzt sieht, i n der Ständeversammlung hören zu müssen, wie auf Grund der Unachtsamkeit Ihres Ministers Vorwürfe vorgebracht werden, die leicht zu vermeiden gewesen wären. Indem ich Ihnen, Monsignore, m i t dem Freimut, den Sie an m i r kennen, die Gedanken meines Souveräns vertraulich mitteile, kann ich mich n u r beglückwünschen, i n der Person des Erzbischofs von Nicäa 1 5 den gerechten u n d versöhnlichen Geist zu finden, der uns instand setzen w i r d , über alle Hindernisse zu triumphieren und das große und wichtige Werk, m i t dem er beauftragt ist, zu einem Ende zu führen, das die Festigkeit der bayerischen Kirchen und die Ruhe der Gewissen gewährleisten wird. 13

Francesco Serra di Cassano (1783 - 1850), Erzbischof von Nicäa, 1817 - 1826 Nuntius i n München.

I I I . Die Häffelinsch

Erklärung

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N r . 79. Reskript K ö n i g M a x Josephs betreffend das Verhältnis zwischen Religionsedikt und Konkordat v o m 7. November 1818 (Η. v. Sicherer, Staat und Kirche i n Bayern, 1874, Anhang S. 85) Das Unserer Verfassungsurkunde beigefügte Edict über die äußeren Rechtsverhältnisse der Einwohner des Königreichs Baiern i n Beziehung auf Religion und kirchliche Gesellschaften vom 26. M a i 1818 16 ist, wie desselben Aufschrift zeigt, u n d der § 103 ausdrücklich ausspricht, für sämmtliche Einwohner des Reichs, ohne Rücksicht auf die Verschiedenheit ihrer Glaubensbekenntnisse, ein allgemein verbindliches Staatsgrundgesetz; wogegen das die inneren katholischen Kirchenangelegenheiten ordnende, m i t Sr. päbstl. Heiligkeit Pius V I I . am 5. J u n i 1817 abgeschlossene und am 24. October desselben Jahres ratificirte Concordat 1 7 , sowie das Edict über die inneren kirchlichen Angelegenheiten der protestantischen Gesammtgemeinde i n dem Königreiche vom 26. M a i 1818 18 als besondere eine jede der genannten beiden Kirchen betreffende Staatsgesetze zu betrachten sind; die von Unserem Gesandten zu Rom am 27. September 1818 an Seine päbstl. Heiligkeit abgegebenen Erklärung: daß das Unserer Verfassungs-Urkunde angehängte Edict bloß für diejenigen, welche sich nicht zur kath. Religion bekennen, gelte, kann demnach nur von dem besonders die protestantischen kirchlichen Angelegenheiten ordnenden Gesetze, aber nicht von dem oben angeführten allgemeinen, alle Einwohner des Staats ohne Unterschied ihrer besonderen Glaubensbekenntnisse gleich verbindenden Staatsgesetze verstanden werden; welches hierdurch — zur Beseitigung aller Mißverständnisse und unrichtigen Auslegungen — erklärt wird. W i r weisen Unsere sämmtlichen Landesstellen bei dieser Veranlassung wiederholt nachdrücklichst an, jedes der angeführten Edicte nach ihren Bestimmungen pünktlich zu befolgen und zu wachen, damit von keinem Unserer Unterthanen dagegen gehandelt werde. W i r haben i n der Verfassungsurkunde den in Unserem Königreiche bestehenden Kirchengesellschaften die feierliche Versicherung ertheilt, daß die geistliche Gewalt i n ihrem eigentlichen Wirkungskreise nie gehemmt werden, und die weltliche Regierung i n rein geistlichen Gegenständen der Religionslehre und des Gewissens sich nicht einmischen dürfe, als insoweit das obersthoheitliche Schutz- und Aufsichts-Recht dabei eintritt; W i r werden, wie Unser Gesandte zu Rom i n Unserem Namen mehrmal versichert hat, die m i t dem Heiligen Stuhle abgeschlossene Übereinkunft treu und gewissenhaft i n allen ihren Bestandtheilen als ein verbindliches Staatsgesetz vollziehen lassen; dagegen bestehen W i r unabänderlich darauf: daß das Unsere unveräußerlichen Majestätsrechte sichernde und die äußeren Rechtsverhältnisse der verschiedenen Kirchengesellschaften bestimmende allgemeine Staatsgrundgesetz von Unseren sämmtlichen Unterthanen genau befolgt und der von denselben auf die Verfassungsurkunde geleistete Eid, da dieser auf Gegenstände der Religionslehre keine Beziehung hat, gewissenhaft werde beobachtet werden. 16 17 18

Oben Nr. 60. Oben Nr. 73. Unten Nr. 280.

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7. Kap.: Das bayerische Konkordat

I V . D i e K u r i e u n d die bayerische Kirchenfrage Die Kurie fand sich mit den bayerischen Erklärungen vom November 1818 keineswegs ab. Durch das Breve vom 13. Januar 1819 (Nr. 80) erhob Papst Pius VII. förmlichen Einspruch. Am gleichen Tag widersprach auch Kardinalstaatssekretär Consalvi in einer Note an Graf Rechberg den staatlichen Verlautbarungen (Nr. 81). Gleichzeitig erläuterte er seinen Protest in einer Note an HäffelinBeide kündigten an, daß die Kurie die katholischen Untertanen Bayerns auffordern werde, den Konstitutionseid nicht zu leisten, falls die Regierung das Religionsedikt weiterhin als für die Katholiken verbindlich behandle. Zur gleichen Zeit erläuterte der Münchener Nuntius Serra-Cassano in einem Schreiben an den Staatsminister Graf Rechberg 2 die Widersprüche zwischen der neuen bayerischen Gesetzgebung und den Prinzipien der katholischen Kirche. Alle Erklärungen ließen erkennen, daß die Kurie zur Verständigung nicht bereit sei.

N r . 80. Schreiben Papst Pius V I I . an K ö n i g M a x Joseph v o m 13. Januar 1819 (Ubersetzung i n : K. Höf ler, Concordat und Constitutionseid der Katholiken i n Bayern, 1847, S. 139 ff.) Die Wichtigkeit der Mittheilungen, welche W i r gleichzeitig den Ministern Ew. M a j . machen lassen 3 , verpflichtet Uns, sie durch einen directen Brief an Ew. Ma j. zu bekräftigen, sowohl u m Derselben einen weitern Beweis Unserer beständigen Zuneigung u n d Rücksicht zu geben, als auch i m Vertrauen, daß Unsere eigenen Worte i n I h r Gemüth einen tieferen Eindruck machen werden. Ew. M a j . ist nicht unbekannt, welchen K u m m e r Uns mehrere Bestimmungen über die katholische Religion u n d Kirche machten, die i n der neuen Verfassung Bayerns enthalten sind. W i r haben dieses hinlänglich i n Unserer Allocution i m verflossenen Jahre zu erkennen gegeben 4 . Schon hatten w i r Unsere gerechten Vorstellungen bereit gehalten, als der Cardinal Häffelin, bevollmächtigter Minister Ew. K g l . Maj., die von i h m am 27. September unterzeichnete Erklärung^ übergab. W i r waren dadurch zufrieden gestellt, j a nahmen sie selbst m i t Vergnügen an, w e i l die daselbst dem Constitutionseid der K a t h o l i ken gemachten Zugeständnisse i h n erlaubt machten u n d zu Unserer besondereen Freude die katholischen Unterthanen Ew. M a j . i n den Stand setzten, die Wünsche der Regierung zu erfüllen. Jetzt haben W i r n u n zu Unserer u n beschreiblichen Überraschung u n d gegen alle E r w a r t u n g erfahren, daß Ew. M a j . die Uns übergebene E r k l ä r u n g n u r gutheiße, i n wieferne sie sich auf eine getreue Ausübung des Concordates beziehe; daß Ew. Kgl. Maj. folglich jene 1

T e x t : A. v. Roskovàny, Monumenta catholica, Bd. 3, S. 695 ff. Italienischer T e x t : H. v. Sicherer, Staat u n d Kirche i n Bayern 1799 - 1821 (1874) A n h a n g S. 91 ff.; deutsche Übersetzung: K . Höfler, Concordat und Constitutionseid der K a t h o l i k e n i n Bayern (1847) S. 142 ff. 3 U n t e n Nr. 81. 4 Oben S. 180 A n m . 3. 5 Oben Nr. 76. 2

I V . Die K u r i e und die bayerische Kirchenfrage

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Zugeständnisse nicht annehmen. Somit sehen W i r das Gewissen Unserer theuersten Söhne, der bayerischen Katholiken, m i t äußerstem Schmerze jener Wohlthaten beraubt, welche die E r k l ä r u n g Ihres königlichen Willens ihnen so günstig zugestanden hatte. W i r versichern n u n Ew. K g l . Maj., daß die i n der E r k l ä r u n g gegebenen Z u geständnisse zu Gunsten des Constitutionseides absolut nothwendig sind, u m den Eid leisten zu können, indem die neue Verfassung, wie W i r uns nach einer genauen Prüfung überzeugen mußten, mehrere A r t i k e l enthält, welche demjenigen entgegen sind, was unsere heilige Religion lehrt u n d vorschreibt. Eben deßhalb können die kath. Unterthanen Ew. K g l . M a j . die Aufrechthaltung und Beobachtung aller der i n der Constitution enthaltenen Verfügungen nicht unbedingt beschwören, ohne sich an den Pflichten zu verfehlen, welche ihnen ihre göttliche Religion vorschreibt. Da nun durch die Zurücknahme der i m Namen Ew. M a j . von I h r e m Minister abgegebenen Erklärung jene Zugeständnisse aufgehoben sind, die den v e r langten Eid erlaubt machten, so finden sich die Gewissen der katholischen Unterthanen Ew. M a j . m i t Recht beschwert u n d W i r , welche, wenn gleich ohne Unser Verdienst nach göttlicher Fügung auf dem Stuhle der Wahrheit sitzen und vor jenem Gotte, dessen Stellvertreter W i r hier wenngleich u n w ü r d i g sind, die strengste Rechenschaft über das B l u t jener Gläubigen ablegen müssen, welche durch Unsere Schuld verloren gingen, fühlen Uns daher durch Unsere heiligsten Pflichten verbunden, sie zu unterrichten, auf daß sie nicht ihrer Ansicht überlassen und i n dem Streite der Meinungen bei einer so wichtigen Sache i n Schwanken bleiben. Da w i r n u n Unser Gewissen keiner auch noch so bitteren Rücksicht Preis geben, noch die Sache der Religion wegen welch' immer möglichen Folgen verrathen dürfen, so können W i r Uns auch nicht davon entheben, Unserm Nuntius bei Ew. Kgl. M a j . aufzutragen, den Katholiken, wTelche i h n u m Rath fragen, zu antworten, daß man den von der Regierung verlangten Constitutionseid nicht einfach und unbedingt leisten dürfe. Das Vertrauen, welches W i r auf Ew. Kgl. M a j . Religiosität hegen, schmeichelt Uns, daß Ew. Maj., welche die göttliche Wahrheit der Religion Ihrer Väter anerkennen u n d bekennen, u n d welche das Glück Ihres Herzens u n d den Ruhm Ihres Thrones n u r i n der Liebe u n d dem wahren Glücke der von der göttlichen Vorsehung I h r e n väterlichen Sorgen anvertrauten Unterthanen suchen, w i l l i g Unsere Stimme u n d B i t t e n hören werden, die W i r Sie so sehr lieben u n d kein anderes Interesse haben, als das der Religion u n d des wahren Ruhmes Ew. Kgl. Maj.; daß Ew. M a j . von I h r e n gelieb testen Unterthanen jene Gewissensbeunruhigungen wegnehmen werden, i n die sie durch die Z u rücknahme der i n I h r e m Namen von I h r e m Gesandten abgegebenen E r k l ä rung versetzt wurden; daß Ew. M a j . i n der Weisheit, welche Sie auszeichnet, den großen Übeln steuern wolle, welche i n den Ländern Ew. K g l . M a j . unserer heiligen Religion durch eine Constitution drohen, die nicht n u r den Fundamentalgrundsätzen der katholischen Kirche entgegen ist, sondern auch dem treuen und buchstäblichen Vollzuge der i n dem m i t Uns abgeschlossenen Concordate eingegangenen Verpflichtungen, w i e dieses denn offen erhellt aus der D a r legung, welche W i r Unsern Nuntius beauftragten, I h r e m Minister des Äußern mitzutheilen.

7. Kap.: Das bayerische Konkordat

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I n dieser A r t w i r d die Gewissenhaftigkeit Ew. Kgl. M a j . Uns der N o t wendigkeit entheben, i n der W i r Uns durch die Verpflichtungen Unseres apostolischen Amtes befinden, öffentlich zu erklären, daß, da die Erklärung w i d e r rufen, auf welche W i r Unser Benehmen gründeten, die Dinge i n den Zustand zurückkehren, i n welchem sie sich vorher befanden, und da die neue Verfassung mehrere A r t i k e l enthält, welche dem entgegen sind, was die k a t h o l i sche Religion lehrt u n d vorschreibt, so könne nicht unbedingt geschworen w e r den, ohne Unterschied alle die Verfügungen der Constitution aufrecht zu erhalten und zu beobachten, u n d daß diejenigen, welche i n dieser A r t den Eid bereits geleistet haben, schuldig sind, i h n zurückzunehmen. I n dem Vertrauen, daß Ew. Kgl. M a j . m i t beeilter tröstlicher A n t w o r t Uns von einem solchen Schritte entheben werden, zu dem Uns unsere heiligen Pflichten verbinden müßten, geben W i r Ihnen unsern apostolischen Segen. N r . 81. Note des Kardinalstaatssekretärs Consalvi an den Außenminister G r a f Rechberg vom 13. Januar 1819 (Ubersetzung bei: K . Höf ler, Concordat u n d Constitutionseid der Katholiken i n Bayern, 1847, S. 135 ff.) Ich b i n Ew. Exz. auf Ihren Brief vom 7. November v. J. 0 eine A n t w o r t schuldig, i n welchem Sie m i r eröffnen, daß Se. Majestät der K ö n i g von Bayern immer bereit, dasjenige zu bestätigen, was Ihre Minister i m Sinne und Geiste Ihrer Absichten erklären, wenn sie auch keine ausdrücklichen Befehle hiezu hatten, der gemachten Erklärung Sr. Em. des Cardinais v. Häffelin, Ihres bevollmächtigen Ministers, beipflichten, insoferne sie die Versicherung enthält, daß das Concordat i n allen seinen A r t i k e l n m i t religiöser Treue i n Vollzug gesetzt werden solle. Übrigens aber drücken m i r Ew. Exz. aus, wie unangenehm es Sr. Maj. gewesen, zu sehen, daß I h r Minister, indem er den Geist der kgl. Verordnung nicht richtig auffaßte, dem m i t der Constitution i n V e r bindung stehenden Edicte eine Auslegung gegeben habe, welche die kath. Unterthanen Sr. Maj. habe verleiten können, an der Gültigkeit desselben zu zweifeln und zu glauben, daß sie einem Gesetze nicht unterworfen seien, welches, indem es die Rechte und Pflichten jeder religiösen Gesellschaft verfolgt, die Verhältnisse derselben zu dem Regenten und zum Staate festsetzt, ohne daß es darum dem Concordate Abbruch t h u n könnte, welches ein Staatsgrundgesetz geworden, w e i l es als ein Anhang einer i n der Constitution erwähnten Beilage publicirt worden, nun das Palladium der K a t h o l i k e n und der neuen i n Bayern festgesetzten kirchlichen Ordnung ist. Ew. Exz. werden m i r erlauben, daß ich m i t jener meinem Charakter eigenen Geradheit und m i t jener Offenheit, welche ein Gegenstand fordert, über den der heil. Vater nicht unterhandeln kann, Ihnen sagen darf, daß der Inhalt Ihres Briefes weder unerwarteter, noch schmerzhafter für Se. Heiligkeit seyn konnte. U n d wirklich, wie konnte Se. Heiligkeit Sich vorstellen, daß ein Cardinal der römischen Kirche, ein Minister Sr. Maj. bei Sr. Heiligkeit seit vierzehn Jahren « Oben Nr. 78.

IV. Die K u r i e und die bayerische Kirchenfrage

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accreditirt, unaufgefordert i m Namen Sr. Maj. eine von i h m unterschriebene und m i t dem kgl. Gesandtschaftssiegel versehene Erklärung geben könne, ohne bevollmächtiget gewesen zu seyn, sie i n jenem Ausdrucke zu geben, i n welchem sie abgefaßt war? Wie konnte Se. Heiligkeit denken, daß der Cardinal Häffelin die i h m vorgezeichneten Grenzen der von seinem Hofe vorgeschriebenen Instruction übertreten würde, da er doch wußte, daß die E r k l ä rung Sr. Maj. das Fundament seyn würde, auf welches Se. Heiligkeit die Rechtfertigung der Sendung Ihres Nuntius vor dem Angesichte der kath. Welt gründen würde, und da er vorläufig nicht n u r eingewilligt, sondern officiel erklärt hat, daß Se. kgl. Maj., weit entfernt, den Entschluß Sr. Heiligkeit, die kgl. Erklärung öffentlich k u n d zu machen, zu mißbilligen, m i t wahrer Beruhigung und Dankbarkeit die Nachricht von den Gesinnungen und Verfügungen des heiligen Vaters erhalten haben würde?! Aber nachdem Ew. Exz. sagen, u n d leider bestätigen es die spätem T h a t sachen, von welchen Se. Heiligkeit Kenntniß erlangt hat, daß Se. M a j . die Erklärung n u r i n so weit bestätigen, als sie die Versicherung, das Concordat treu und religiös zum Vollzuge bringen zu lassen, betrifft, so muß ich Ew. Exz. bekennen, daß i n dieser Lage der Dinge Se. Heiligkeit keine Beruhigung finden können. Da Se. Heiligkeit w i r k l i c h i n Erfahrung gebracht haben, daß die neue Gesetzgebung i m Königreiche Bayern i n den Verfügungen, welche geistliche Sachen betreffen, den verfassungsmäßigen Grundsätzen der kath. Kirche entgegen ist und daß folglich von einem Katholiken der Eid nicht puramente e semplicemente auf die Gesetzgebung selbst, d. i., die Constitution und ihre Beilagen geleistet werden kann, u n d nachdem Sie auch eingesehen haben, daß das Concordat nicht getreu und buchstäblich vollzogen werden kann, so lange das Edict besteht, obwohl es als zweite Beilage viele Monate nach der Bestätigung des Concordates publicirt wurde, w e i l verschiedene Verfügungen desselben i m geraden Widerspruche m i t jener der genannten Beilage sind, so haben Sie n u r i n der Erklärung Sr. Maj. eine Ursache gefunden, Ihren N u n tius, ohne Ärgerniß zu veranlassen, abzusenden, und Sich dadurch zugleich von der Nothwendigkeit befreit gefühlt, i n w T elcher Sie sich sonst befunden haben würden, den Katholiken des Königreichs Bayern zu erklären, daß sie den Eid nicht puramente e semplicemente hätten schwören können, ohne die Grundsätze der katholischen Religion und ihre Pflichten gegen dieselbe selbst wesentlich zu verletzen. Ohne Ew. Exz. länger, als es die Grenzen eines Briefes erlauben, m i t den Beweisen der Wahrheit der i n dem vorliegenden Schreiben enthaltenen Behauptungen aufzuhalten, berufe ich mich auf die Blätter, welche Ihnen von dem H. Nuntius werden mitgetheilt werden, i n welchen einige der Ursachen entwickelt sind, die es den Katholiken nicht erlauben, den Eid unbedingt, w i e er verlangt wird, zu leisten und wodurch die Unmöglichkeit bewiesen wird, daß das Concordat d i buona fede und buchstäblich vollzogen werden könne, wenn die Erklärung Sr. Maj. nicht nach ihrem vollen Inhalte besteht. Der heil. Vater, durch sein apostolisches A m t verpflichtet, die Katholiken des Königreichs Bayern, welche sich bei i h m Raths erholen, ob ihnen erlaubt sei, den von der Regierung verlangten Eid zu schwören, nicht ohne A n t w o r t zu lassen, und nachdem Se. Maj. die von Sr. Em. dem Cardinal Häffelin gegebene Erklärung, durch die der Eid erlaubt wäre, nicht nur nicht bestätigt,

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7. Kap.: Das bayerische Konkordat

sondern noch überdieß die Kgl. Regierung große Strafe denjenigen angedrohet hat, welche sich anboten, gestützt auf die besagte Erklärung, i m Sinne derselben den Eid zu schwören, hat m i r befohlen, der kgl. Regierung bekannt zu machen, daß es sich u m einen Gegenstand handle, der die Religion direct betrifft, welche Se. Heiligkeit keiner menschlichen Rücksicht aufopfern kann, ohne sich gegen Gott, dem er einst eine strenge Rechenschaft von seinen Handlungen schuldig ist, zu verletzen; daß also er, was immer daraus erfolge, sein Gewissen nicht verrathen werde. U n d nachdem der heil. Vater, u m vor dem Angesichte der Kirche sein S t i l l schweigen und sein Betragen nach der Publication der neuen bayerischen Gesetzgebung zu rechtfertigen, sich verpflichtet sieht, öffentlich die Beweggründe bekannt zu machen, welche i h n von was immer f ü r einer Handlung abhielten u n d i h n bestimmten, seinen Nuntius an den Monarchen abzuschicken, so w i r d er auch nun, wenn er nicht entweder auf geradem Wege von der kgl. Regierung oder durch seinen Nuntius m i t jener Eilfertigkeit, welche der Drang und die Wichtigkeit der Sache nothwendig machen, eine beruhigende A n t w o r t über den i n Rede stehenden Gegenstand erhält, sich nicht von der Erfüllung jener Pflichten lossagen können, die i h m gegen die Kirche obliegen, indem er bekannt machen wird, daß, da von der kgl. Regierung die von Cardinal Häffelin i m Namen Sr. Maj. gegebene Erklärung, auf welche der heil. Vater sein Benehmen gegründet hat, desavouirt werde, es nicht erlaubt sei, den Eid auf die neue Constitution und ihre Beilagen unbedingt zu leisten, und daß diejenigen, die ihn unbedingt geleistet haben, verpflichtet seien, ihn zurückzunehmen. Dieß ist die A n t w o r t , welche Se. Heiligkeit durch mich geben zu lassen sich gern enthoben gesehen hätten und die ich darum verschoben habe, welche aber nun zu geben nicht mehr länger wegen wiederholter Handlungen derselben Regierung verschoben werden darf.

V. D e r bayerische E p i s k o p a t u n d die K i r c h e n f r a g e Der Konflikt um den Verfassungseid wurde dadurch verschärft, daß König Max Joseph am 1. Januar 1819 die gemäß der Verfassung von 1818 neu gebildete, in zwei Kammern gegliederte Ständeversammlung einberief. Zu den Mitgliedern der Kammer der Reichsräte gehörten die designierten Erzbischöfe von München Frhr. v. Gebsattel 1 und von Bamberg Graf Stubenberg-, ferner der Bischof von Regensburg v. Wolf*. Auch die Kammer der Abgeordneten hatte mehrere geistliche Mitglieder. Mit der Einberufung der Ständeversamm1 Lothar Anselm Frhr. v. Gebsattel (1761 - 1846), kath. Geistlicher; 1795 Domherr i n Würzburg, 1796 Domdechant daselbst; 1806 - 1807 Gesandter des Großherzogs Ferdinand von Würzburg i n München; 1821 - 1846 Erzbischof von M ü n chen und Freising (1818 Präkonisation; 1821 Konsekration und Inthronisation). 2 Joseph Graf Stubenberg (1740 - 1824), kath. Geistlicher; 1762 Domkapitular i n Regensburg, 1780 auch i n Eichstätt; 1790 - 1824 Fürstbischof von Eichstätt; 1821 - 1824 Erzbischof i n Bamberg. 3 Johann Nepomuk v. Wolf (1743 - 1829), kath. Geistlicher; 1776 Geistlicher Rat i n Regensburg; 1789 Weihbischof i n Freising; 1802 zugleich Domdekan und Weihbischof in Regensburg; 1821 - 1829 Bischof in Regensburg.

V. Der bayerische Episkopat und die Kirchenfrage

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lung verband der König die Aufforderung, den Verfassungseid zu leisten, soweit dies noch nicht geschehen sei. Der Münchener Erzbischof Frhr. v. Gebsattel kam dieser Aufforderung zunächst am 7. Januar 1819 nach, widerrief jedoch am 19. Januar seine — an keine Bedingung geknüpfte — Eidesleistung 4. Darauf antwortete der bayerische König mit einem Reskript vom 22. Januars, in dem er den Erzbischof zur unbedingten Eidesleistung aufforderte. Dieser erläuterte seine Bedenken in einem Schreiben vom 27. Januar (Nr. 82); daraufhin verfügte der König am 30. Januar, daß die Berufung Gebsattels in die Kammer der Reichsräte hinfällig sei 6 . Dies veranlaßte Gebsattel zu einer bedingten Eidesleistung (Nr. 83), die die bayerische Regierung — wenn auch mit Unwillen — annahm. Am 1. Februar entschied der König, daß dem Eintritt Gebsattels in die Kammer der Reichsräte nun nichts mehr im Wege stehe 7. Auch ein Teil der geistlichen Abgeordneten der zweiten Kammer fand sich nur zur bedingten Eidesleistung im Sinn der Häffelinschen Erklärung bereit (Nr. 84); sie übernahmen den Wortlaut der von Gebsattel verwandten Eidesformel 8. Es war damit ein gewisser modus vivendi gefunden; eine definitive Lösung der Kirchenfrage aber war noch nicht erreicht.

N r . 82. E r k l ä r u n g des Erzbischofs von München F r h r . v. Gebsattel an K ö n i g M a x Joseph v o m 27. Januar 1819 (A. v. Roskovàny, Monumenta catholica, Bd. 3,1856, S. 775 f.) Die Aufrichtigkeit, die ich Ew. Maj. an meiner Stelle schuldig b i n ; die Pflicht, für das zu wachen, was Allerhöchstdieselbe i n dem Concordate der Kirche zugesichert; die Wahrnahme einiger heftigen Massregeln, die m i r n u r als Ausflüsse von dem Religionsedikte dem Concordate offenbar zuwider schienen: mussten nothwendig mein Gewissen beängstigen und mich nöthigen, ja zu keinem Widerstand Veranlassung geben zu dürfen, vielmehr zu trachten, dass mittelbar durch das von Ew. Maj. dieserhalben aufgestellte Organ A l l e r höchstdero Aufmerksamkeit erregt u n d die Hülfe ertheilet würde, welche i n dem Drange der Dinge so nothwendig schien. Ew. Maj. werden allergnädigst entnehmen, dass meine früher geäusserten Bedenklichkeiten nicht aufgedrungene schiefe Ansichten waren, deren G r u n d i n meinen vermeintlich irrigen Vorurtheilen nur nachzusuchen gewesen, dass nicht ich Verlegenheiten herbeigeführt, da selbe i m m e r h i n noch grösser und später durch die päpstliche ausdrückliche Weisung entstehen mussten; dass ich i n Widerspruch m i t dem päpstl. Stuhle denselben zu Massregeln würde verleitet haben, die mich u m alles Vertrauen von den gutdenkenden K a t h o l i k e n würden gebracht und zu der Würde unfähig gemacht haben, die m i r Ew. M a j . allergnädigst zugedacht; dass eine von m i r gezeigte Neigung, von dem Centralpuncte der kath. Kirche abweichen zu wollen, eben so viel seyn würde, als den Grundpfeiler unserer 4 5 6 7 8

Η. v. Sicherer, Staat und Kirche i n Bayern, Anhang S. 96, 97. Ebenda, S. 98 f. Ebenda, S. 102. Ebenda, S. 106 f. Ebenda, S. 106.

13 H u b e r , S t a a t u n d K i r c h e , 1. B d .

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7. Kap.: Das bayerische Konkordat

Religion, nämlich die Einheit stören u n d jenen i n die Hände arbeiten zu wollen, welche die Untergrabung derselben sich schon lange zum Geschäfte gemacht haben, welchem allem aber nach ich Ew. Maj. bitte, m i r die E r k l ä rung nicht zu verargen, dass ich der i n M i t t e liegenden päpstl. Weisung zufolge meinem abzulegenden Eide keinen andern Sinn unterstelle, als jenen, welchen Se. Päpstl. Heiligkeit i n der Allocution v o m 2. October 18189 ausgesprochen haben. N r . 83. Schreiben des Erzbischofs von München F r h r . v. Gebsattel an K ö n i g M a x Joseph vom 31. Januar 1819 (K. Höf ler, Concordat und Constitutionseid der Katholiken i n Bayern, 1847, S. 154 f.) U m auf keinen Fall m i r den V o r w u r f machen zu können, daß ich des zu leistenden Constitutionseides willen, etwas unterlassen hätte, was den W ü n schen Ew. Maj. entsprechen könnte, so verfehlte ich nicht, mich gestern m i t der N u n t i a t u r zu benehmen und dahin übereinzukommen, daß es der A b sicht Sr. Päpstl. Heiligkeit nicht zuwider seyn könnte, wenn ich mich i m Betreff des Eides, wie folgt, erklärte: Juramentum constitutioni praesto sub hac conditione ut non respiciat nisi ordinem civilem nec ullo modo me ad aliquid obliget quod aut dogmatibus aut Dei et ecclesiae catholicae legibus adversari possit. 1 0 I n der zuversichtlichen Hoffnung, daß diese Äußerung als passend angesehen werden wird, ersterbe ich . . .

N r . 84. E r k l ä r u n g der dem Geistlichen Stand angehörenden Abgeordneten der bayerischen Z w e i t e n K a m m e r vom 31. Januar 1819 (A. v. Roskovàny, Monumenta catholica, Bd. 3,1856, S. 780) Da uns durch die i n Folge der i m Namen Sr. Maj. des Königs officiell gegebenen Erklärung i m Consistono 2. October 1818 gehaltene und öffentlich publicirte Allocution des heil. Vaters 1 1 bekannt ist, dass die Constitution des Reiches sowie ihre Anhänge Mehreres i m Betreff der kath. Religion und K i r che verordnen, was Sr. Päpstl. Heiligkeit schweren K u m m e r und Betrübniss brachte; da daraus ferner bekannt ist, dass das Edikt über die äussern Rechtsverhältnisse des Kgr. Bayern i n Beziehung auf Religion und kirchliche Gesellschaften n u r für die nichtkatholischen Unterthanen des Kgr. Bayern verbindlich sei; da Ew. Kgl. Maj. dem hochw. Erzbischöfe von München-Freising 9

Oben S. 180 Anm. 3. „Ich leiste den E i d auf die Verfassung unter der Bedingung, daß er sich n u r auf die bürgerliche Ordnung bezieht und mich in keiner Weise zu irgendetwas verpflichtet, was entweder zu den Dogmen oder zu den Gesetzen Gottes und der kath. Kirche i n Widerspruch stehen könnte." 11 Oben S. 180 A n m . 3. 10

V I . Die Tegernseer E r k l ä r u n g

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durch ein allerh. Rescript v o m 22. d. M. die wiederholte Versicherung gegeben haben, dass keine Anwendung jenes Ediktes gegen das m i t Sr. Päpstl. Heiligkeit abgeschlossene Concordat zugelassen werden soll; da endlich die Verfassungsurkunde selbst allen christlichen Confessionsverwandten eine unbedingte Gewissensfreiheit zugesteht: so zweifeln w i r keinen Augenblick, Ew. Kgl. Maj. werden es genehm halten, dass w i r den erforderlichen E i d i n dem Sinne, i n welchem der päpstl. Stuhl den befugten Eid als eine reinkirchliche Gewissenssache abzulegen gestattet, gehorsamst leisten.

V I . D i e Tegernseer E r k l ä r u n g Am 8. März 1820 nahm Kardinalstaatssekretär Consalvi in einem vertraulichen Schreiben an den bayerischen Minister Graf Rechberg die Verhandlungen über eine definitive Beilegung des Konflikts wieder auf 1. Er schlug vor, den Streitfall durch eine Erklärung des Königs zu beenden, wonach der Verfassungseid sich nur auf die bürgerliche Ordnung beziehe und bei einem Widerspruch zwischen dem Religions e dikt und dem Konkordat dieses den Vorrang habe. Auf der Grundlage eines Gutachtens des Frhr. v. Zentner 2 vom 30. März 18203 antwortete Rechberg in einer offiziellen Note vom 30. April 4, die von einem vertraulichen Schreiben begleitet war5. Rechberg schlug eine andere Fassung der königlichen Erklärung vor; insbesondere verwahrte er sich gegen die förmliche und offene Überordnung des Konkordats über das Religionsedikt. Consalvi antwortete am 2. August 1820 6 mit einer Reihe von Einsprüchen gegen den von Rechberg vorgeschlagenen Text. Die bayerische Regierung übernahm die von Consalvi formulierte Erklärung zunächst in einer Note an den päpstlichen Nuntius in München vom 15. Mai 182V. Veröffentlicht wurde sie in der Form der „Tegernseer Erklärung" vom 15. September 1821 (Nr. 85). Diese kam einerseits der katholischen Kirche weit entgegen, wahrte andererseits jedoch im Gegensatz zur Häffelinschen Erklärung (oben Nr. 76) den Rechts Standpunkt der bayerischen Regierung. Erst im Prahmen der damit erreichten Verständigung lourde am 13. September 1821 die dem König im Konkordat vorbehaltene förmliche Ernennung der designierten Erzbischöfe und Bischöfe der sechs vakanten bayerischen Diözesen, sowie weiterhin die Besetzung der Domkapitel bekannt gemacht*. Mit der darauf folgenden Institution, Ordination und Inthronisation der Erzbischöfe und Bischöfe kam die Neuordnung des bayerischen katholischen Kirchenwesens zum Abschluß. 1

Η. v. Sicherer, Staat und Kirche i n Bayern, Anhang S. 107 ff. Georg Friedrich (Frhr. v.) Zentner (1752 - 1835), Jurist; 1777 - 1797 Professor des Staatsrechts i n Heidelberg; dann i m bayerischen Staatsdienst; zunächst i m Geistl., dann i m Ausw. Department; seit 1808 i m Innenministerium (seit 1817 Generaldirektor daselbst) ; 1823 - 1827 Justizminister; 1827 -1831 Außenminister. 3 Text: H. v. Sicherer, a.a.O., S. 114 ff. 4 Ebenda S. 119 ff. 5 Ebenda S. 122 ff. 6 Ebenda S. 124 ff. 7 Ebenda S. 129 f. 8 Bekanntmachung über die Ernennung der Bischöfe vom 13. September 1821 (Reg.Bl. 1821 S. 806); Bekanntmachungen über die Besetzung der Domkapitel (Reg.Bl. 1821 S. 882 ff., 991). 2

13*

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7. Kap.: Das bayerische Konkordat N r . 85. Entschließung K ö n i g M a x i m i l i a n Josephs, den V o l l z u g des Concordats betreffend v o m 15. September 1821 (Regierungsblatt f ü r das Königreich Baiern, 1821, Sp. 803 ff.)

Nachdem die wichtigsten Anstände, welche bisher den Vollzug des m i t dem päbstl. Stuhle unterm 5. Juny 1817 abgeschlossen, und von Uns unterm 24. O k tober des nämlichen Jahres ratificirten Concordats verzögert haben, nunmehr beseitiget sind, so ist es Unser Wille, daß dasselbe i n allen seinen Theilen i n volle Ausübung gebracht, u n d daß hiernach der Publication u n d Vollziehung der zur Ausführung der Circumscription der neuen Diöcesen i n Unserm K ö n i g reiche unterm 1. A p r i l 1818 ergangenen päbstl. Bulle, welche anfängt m i t den Worten: „Dei ac D o m i n i Nostri Jesu C h r i s t i " 9 nebst den darauf sich beziehenden Executions-Decreten des für dieses Geschäft von Seiner päbstl. Heiligkeit an Unser Hoflager i n der Person des H e r r n Franz Serra, aus dem Herzogl. Geschlecht Cassano, Erzbischofes von Nicäa etc. abgeordneten apostolischen N u n t i u s 1 0 kein weiteres Hinderniß gesetzt werden soll. Zugleich fügen W i r zur Beseitigung aller Mißverständnisse über den Gegenstand u n d die Beschaffenheit des von Unsern kath. Unterthanen auf die Constitution abzulegenden Eides die Erklärung bey, daß, indem W i r Unsern getreuen Unterthanen die Constitution gegeben haben, Unsere Absicht nicht gewesen sey, dem Gewissen derselben i m Geringsten einen Zwang anzuthun; daß daher nach den Bestimmungen der Constitution selbst der von Unseren kath. Unterthanen auf dieselbe abzulegende Eid lediglich auf die bürgerlichen Verhältnisse sich beziehe, und daß sie dadurch zu nichts werden verbindlich gemacht werden, was den göttlichen Gesetzen oder den kath. Kirchensatzungen entgegen wäre. Auch erklären w i r neuerdings, daß das Concordat, welches als Staatsgesetz gilt, als solches angesehen und vollzogen werden soll, u n d daß allen Behörden obliege, sich genau nach seinen Bestimmungen zu achten.

V I I . D i e N e u r e g e l u n g des k ö n i g l i c h e n Placet Mit der Tegernseer Erklärung (oben Nr. 85) waren die Differenzen zwischen der katholischen Kirche und der bayerischen Regierung keineswegs vollständig beigelegt. Auseinandersetzungen entstanden insbesondere über die Mischehenfrage, das bischöfliche Kollationsrecht auf Pfarreien und Benefizien, das bischöfliche Korrektionsrecht und das Recht auf freie Bekanntmachung der bischöflichen Erlasse 1. Insbesondere diese Frage des Placetum regium barg 9 Die päpstliche Zirkumskriptionsbulle Dei ac Domini Nostri vom 1. A p r i l 1818 wurde wegen des zwischenzeitlichen Konflikts erst am 8. September 1821 vom Münchener Nuntius Serra di Cassano amtlich verkündet und damit i n Wirksamkeit gesetzt. 10 Oben S. 186 A n m . 15.

V I I . Die Neuregelung des königlichen Placet

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neuen Konfliktsstoff. Art. XII, Abs. e des bayerischen Konkordats (oben Nr. 73) gewährleistete den freien Verkehr der Bischöfe mit ihrem Klerus und den Gemeinden sowie den freien Verkehr aller katholischen Untertanen mit dem Heiligen Stuhl. Dagegen unterwarf die Regierung durch die Verordnung vom 27. Juni 1824 (Nr. 86) unter Berufung auf Art. IV der bayerischen Verfassung (oben Nr. 59) sowie auf die §§ 58 - 61 des Religionsedikts (oben Nr. 60) alle Gesetze und Verordnungen der Kirchengewalt, darunter auch FastenPatente, nicht aber Hirtenbriefe zum Amtsantritt eines Bischofs, dem landesherrlichen Plazet 2. Die Regierung hielt diese Angelegenheiten offenbar für einen Gegenstand der „bürgerlichen Ordnung" im Sinn der „Tegernseer Erklärung". Am 14. Dezember 1829 erließ das Ministerium eine zweite Verordnung über die Einholung des Placetum regium 3, in der es die Grundsätze der Verordnung von 1824 bekräftigte. Der Erzbischof von München und Freising Frhr. v. Gebsattel begegnete diesen Maßnahmen damit, daß er auf Erlasse, die des staatlichen Plazet bedurften, nach Möglichkeit verzichtete; er richtete statt dessen mündliche und handschriftliche Weisungen an seinen Klerus 4.

N r . 86. Verordnung K ö n i g M a x i m i l i a n Josephs über das Placetum regium vom 27. J u n i 1824 (G. v. Döllinger,

Verordnungen Bd. V I I I 1 , S. 73 f.)

Nachdem der zum Erzbischof i n Bamberg beförderte bisherige Bischof von Augsburg Freiherr von Fraunberg 5 i n der Absicht, mögliche Mißverständnisse wegen Erlassung eines Hirtenbriefes bei dem Amtsantritte zum Voraus zu beseitigen, i n einer unmittelbar an Uns gerichteten Vorstellung vom 19. d. M. u m eine nähere Bestimmung über die Vorlage bischöflicher Ausschreiben, dann über die A r t der i n denselben zu machenden Erwähnung der Publications-Bewilligung gebeten hat, so eröffnen W i r Euch hiemit, unter H i n w e i sung auf Unsere Entschließung v o m 25. Januar vorigen Jahres und 14. Februar laufenden Jahres was folgt: I. Gesetze oder Verordnungen der Kirchengewalt können, nach klarer V o r schrift der Verfassungsurkunde Tit. I V . § 9 und des zweiten constitutionellen Edictes § 58 u n d 61 ohne vorgängige Vorlage und Erholung des landesherrlichen Placet nicht verkündet werden. 1 P. Sieweck, Lothar Anselm Frhr. v. Gebsattel, der erste Erzbischof von München u n d Freising (1955) S. 79 ff. 2 Vgl. die Beschwerde i m Schreiben des Bischofs Adam Friedrich Groß v. Trockau, Würzburg (1818 - 1840) an den Erzbischof Graf Stubenberg, Bamberg v o m 13. Dezember 1822 (K. Höf ler, Concordat und Constitutionseid der K a t h o liken i n Bayern, 1847, S. 165 ff.). 3 G. v. Döllinger, Verordnungen, Bd. V I I I 1, S. 78 f. 4 B. Bastgen, Bayern und der Heilige Stuhl i n der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (1940) Teil I I S. 765 ff. 5 Joseph Maria Frhr. v. Fraunberg (1768 - 1842), kath. Geistlicher; 1793 D o m herr zu Regensburg; 1802 bayer. Generalschuldirektor, dann Präsident der Geh. Schul- und Studienbüros; 1819 - 1824 Bischof von Augsburg; 1824- 1842 Erzbischof von Bamberg.

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7. Kap. : Das bayerische Konkordat

I I . Bischöfliche Ausschreiben, welche sich auf die untergeordnete Geistlichkeit beziehen, u n d aus genehmigten allgemeinen Verordnungen hervorgehen, bedürfen nach § 59 des angeführten zweiten constitutionellen Edictes keiner Genehmigungs-Erholung. III. Z u diesen Ausschreiben sind auch diejenigen Hirtenbriefe zu rechnen, welche, unter der sub I I bemerkten Voraussetzung, ein Bischof, als solcher, bei dem A n t r i t t e seines Amtes zu erlassen für nothwendig oder zweckmäßig erachtet. I V . Bei Bekanntmachung geistlicher Gesetze oder Verordnungen, unter w e l che allerdings die Fasten-Patente gezählt werden, muß Unsere Genehmigung ausdrücklich erwähnt werden. V. Auch erwarten Wir, daß die Erwähnung, welche auf die schicklichste Weise i m Eingange der Ausschreibung einer Verordnung geschieht, i n v o l l kommen entsprechenden Ausdrücken gemacht werde. V I . Übrigens werden die Bischöfe keiner besonderen Aufforderung bedürfen, von den Hirtenbriefen jederzeit einige Abdrücke den betreffenden Kreisregierungen mitzutheilen.

Achtes Kapitel Die V e r e i n b a r u n g e n zwischen Preußen und dem Heiligen Stuhl I . D i e I n s t r u k t i o n e n f ü r den Gesandten N i e b u h r betreffend die V e r h a n d l u n g e n i n R o m Seit 1815 stellte sich den deutschen Einzelstaaten die Aufgabe der Neuordnung des katholischen Kirchenwesens mit erhöhter Dringlichkeit . Für Preußen besaßen drei Fragen den Vorrang: die Zirkumskription der Diözesen , die Wahl der Bischöfe und schließlich die Dotation der Bischöfe und Domkapitel. Nach längeren Erwägungen in Berlin über die Frage, ob mit dem Heiligen Stuhl ein Konkordat abzuschließen oder ob die Regelung der anstehenden Fragen durch eine zwar intern mit der Kurie vereinbarte, nach außen aber von dieser einseitig erlassene Zirkumskriptionsbulle vorzuziehen sei, entschied die preußische Regierung sich gemäß der überlieferten Regierungsmaxime 1 für die Form der päpstlichen Bulle 2. Nachdem König Friedrich Wilhelm III. am 6. April 1820 den Auftrag zu den Verhandlungen erteilt hatte (Nr. 87), erhielt der preußische Gesandte in Rom Niebuhr 3 eine entsprechende Instruktion (Nr. 88). Besondere Schwierigkeiten bereitete die Frage der Bischofswahlen. Der päpstliche Verhandlungsführer Kardinal Consalvi schlug das sog. „irische Verfahren " vor 4. Danach hatte das Domkapitel eine Wahlliste von sechs Kandidaten vorzulegen ; der König konnte die nichtgenehmen Kandidaten streichen; dem Kapitel stand die Wahl unter den verbleibenden Kandidaten zu. Die preußische Regierung beharrte in ihrer Nachinstruktion vom 23. November 1820 (Nr. 89) jedoch auf dem vollen staatlichen Veto gegen die Wahl eines Bischofs. Niebuhr hielt diese Nachinstruktion für undurchführbar 5, fand aber schließlich eine für beide Seiten annehmbare Lösung 6. 1

Oben S. 44 ff. Die Dokumente über diese Frage bei O. Mejer, Z u r Geschichte der römischdeutschen Frage, Bd. 2, T e i l 2, 1873. 3 Barthold Georg Niebuhr (1776 - 1831), seit 1796 i m dänischen, seit 1806 i m preußischen Staatsdienst; 1809 Geheimer Staatsrat und Sektionschef i m preuß. Finanzministerium; 1810 Professor für A l t e Geschichte an der neu gegründeten Universität Berlin; 1816 - 1823 preuß. Gesandter beim V a t i k a n ; dann Professor an der Universität Bonn. 4 I n einem Bericht vom 27. Dezember 1820 (E. Friedberg, Der Staat und die Bischofswahlen i n Deutschland, 1874, Anhang, S. 17 ff.) erläutert Niebuhr, w a r u m das Verfahren als „irisch" bezeichnet w i r d : es handelt sich u m ein bei Verhandlungen des Jahres 1806 für I r l a n d vorgesehenes, jedoch nicht eingeführtes Verfahren. 5 Dazu der i n Anm. 4 genannte Bericht sowie Niebuhrs Schreiben an H a r denberg vom 7. Dezember 1820 (O. Mejer, a.a.O., Bd. 3, T e i l 1, S. 141 f.). 2

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8. Kap.: Vereinbarungen zwischen Preußen und dem Heiligen Stuhl N r . 87. Kabinettsordre K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . an den Staatskanzler Fürst Hardenberg v o m 6. A p r i l 1820 (O. Mejer, Z u r Geschichte der römisch-deutschen Frage, Bd. 111 1,1885, S. 111 f.)

A u f Ihren Vortrag über die Gegenstände meiner landesväterlichen Fürsorge f ü r das Wohl meiner getreuen Unterthanen kath. Confession habe ich beschlossen, Ihnen hiermit den A u f t r a g zu ertheilen, Meine wohlthätigen A b sichten f ü r diese Meine getreuen Unterthanen durch Meinen Gesandten zu Rom, den Geh. Staatsrath Niebuhr, dem röm. Hofe bekannt zu machen; u n d da es auf die M i t w i r k u n g des gedachten Hofes zur Bezeichnung des Umfanges der erzbischöfl. u n d bischöfl. Diöcesen ankommt, m i t dem gedachten Hofe zu dem Zwecke einer zu Stande zu bringenden Convention über diesen Gegenstand i n Verhandlung zu treten. Ich sende Ihnen zu diesem Zwecke die von M i r vollzogene Vollmacht f ü r den etc. Niebuhr, und trage Ihnen auf, denselben m i t solchen Instructionen zu versehen, die Meinen Ihnen bekannten Absichten angemessen sind. Nach dem von M i r genehmigten Plane bleiben i n Ansehung Schlesiens u n d der Grafschaft Glaz die Verhältnisse, wodurch die Diöces des Fürstbischofs von Breslau sich i n das kaiserlich österreichische Gebiet hinein erstreckt, und dagegen die resp. erzbischöfl. u n d bischöfl. Rechte des Erzbischofs von Prag u n d Erzbischofs von Olmütz auf gewisse Theile des preußischen Gebietes sich erstrecken 7 , unverändert, da sowohl der Zeitlauf, w i e die bestehende Freundschaft m i t dem kaiserlich österreichischen Hofe solche bewähren. I n Ansehung aller anderen Erz- und Bisthümer w i r d nach dem Beispiele Rußlands der Grundsatz aufrechterhalten, daß die Landesgrenze zugleich die Grenze der Erzbisthümer u n d Bisthümer ist, und hierdurch der Einfluß fremder Erzbischöfe ausgeschlossen w i r d 8 . F ü r die angemessene, nicht verschwenderische, aber auch nicht kärgliche Dotation der Erzbischöfe, B i schöfe, Domcapitel und Seminarien etc. w i l l Ich landesväterlich gesorgt wissen, u n d genehmige, daß dazu jährlich etwa 300 000 Thlr. auf den Etat der Staatsausgaben gebracht werden, und daß i n der Folgezeit, wenn die Stücke aus der anliegenden Anweisung L i t t . A. von den jetzo darauf haftenden Staatsschulden befreit sein werden, jene jährliche Summe v o m Etat der Staatsausgaben abgeschrieben, und auf Renten von diesen Stücken fundirt werden, jedoch wie gesagt n u r auf Renten daraus, und dergestalt, daß die Stücke fernerhin stets, so w i e bisher, i n Meinem Eigenthum, Meinem Besitz und Meiner V e r w a l t u n g verbleiben sollen. Das anliegende Tableau Β. enthält die ungefähre Übersicht des jährlichen Bedarfs. Diesem Meinen W i l l e n gemäß haben Sie überall Verfügung zu treffen.

6 Z u dieser Lösung unten S. 221 ff.; ferner die ausführliche Dokumentation der Beratungen bei Friedberg, a.a.O., Anhang, S. 5 ff. 7 Oben Nr. 21. 8 Diesen Grundsatz hatte Rußland schon bei den drei polnischen Teilungen des 18. Jahrhunderts u n d erneut bei der „vierten Teilung" Polens auf dem Wiener Kongreß durchgesetzt.

I. Die Instruktionen für den Gesandten Niebuhr

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N r . 88. Schreiben des Staatskanzlers Fürst Hardenberg an den Gesandten N i e b u h r vom 23. M a i 1820 (O. Mejer , Z u r Geschichte der römisch-deutschen Frage, Bd. I I I . 1,1885, S 114 f.) — Auszug — Es gereicht m i r zu einem vorzüglichen Vergnügen, Ew. hierneben 1. eine von Sr. Maj. dem Könige Höchstselbst vollzogene Vollmacht zu übersenden, und 2. eine der königlichen Absicht angemessene, von m i r unterzeichnete I n struction 9 hinzuzufügen, welcher annoch 3. das Project einer Convention, u n d 4. eine Bemerkung wegen eines Ceremonialpunktes beiliegt. Vornehmlich aber theile ich Ew. die v i d i m i r t e Abschrift einer an mich ergangenen Cabinetsordre mit, durch welche die Besorgnisse gehoben werden, deren Ew. i n einem m i r vorgelegten Privatschreiben gedachten. Ew. werden aus den Anlagen, verglichen m i t den früher an Sie ergangenen Depeschen, ersehen, daß die I n struction successive i m Laufe der letzten Jahre entstanden ist. Dieselbe und das i h r beigefügte Project einer „Convention", da der Name Concordat zu vermeiden ist, sprechen sich aus über das System unseres Hofes. Da von diesem das System des römischen Hofes unendlich entfernt ist, so besteht die von einem so echt- und treugesinnten, so kundigen und geschickten Gesandten, wie Ew. sind, zu lösende Aufgabe darin, daß des Königs Majestätsrechte circa sacra, die von selbst unwandelbar feststehen, durchaus nicht abhängig gemacht werden, von römischen Unterhandlungen, noch anmaßlichen römischen Bewilligungen. E i n Hauptpunkt der Convention ist, die Metropolitan- u n d Diöcesan-Circumscription u n d die alsdann mögliche Besetzung der Erzbisthümer u n d Bisthümer m i t trefflichen, wohlgesinnten, dem K ö n i g treu ergebenen, vom Könige zu bezeichnenden Männern. Uber manche, ja viele andere Punkte, bei denen w i r nicht nachgeben wollen, u n d der römische Hof nicht nachgeben wird, ist stillschweigende Umgehung i n der Convention die beste Maßregel, welche nicht ausschließt die Auffassung von anderen angemessenen Formen, u m Nachtheil von uns abzuwenden. Die Dotation ist die Hauptsache; aber w i r wünschen und wollen, daß jedes Ansehen, jeder Schein, als dränge solche der römische Hof uns ab, gänzlich vermieden werde . . . M i t welchen Propositionen Sie sogleich hervortreten, und welche hingegen Sie nachfolgen lassen wollen, solches muß ich, immer i n den Grenzen der . . . Instruction, I h r e m einsichtsvollen Gutfinden anheimstellen. N r . 89. Nachinstruktion für den Gesandten N i e b u h r v o m 23. November 1820 (E. Friedberg, Der Staat u n d die Bischofswahlen i n Deutschland, 1874, Anhang S. 12 ff.) — Auszug — Ew. Hochwohlgeboren haben i n mehreren Berichten ausführlich dargestellt, wie Sie unsere Unterhandlungen zu Rom wegen der Metropolitan- u n d Diö9

Es handelt sich u m eine bereits am 23. März 1818 fertiggestellte I n s t r u k -

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8. Kap. : Vereinbarungen zwischen Preußen u n d dem Heiligen Stuhl

cesan-Circumscription eingeleitet u n d welchen Erfolg bisher ihre Vorschritte gehabt haben. Gewiss ist es f ü r uns eine sehr angenehme Obliegenheit, Ihnen den größten Beifall zu bezeigen. Die gründlichste Kenntniss des Gegenstandes u n d der Verhältnisse, der Personen und der Sachen sprechen sich überall i n I h r e r Unterhandlung u n d i n I h r e n Berichten aus, und wenn w i r uns bestrebt haben das Ziel, w o h i n w i r zu gelangen wünschen, ganz i n Gemässheit der A b sicht Sr. Maj. des Königs aufzustellen, so gebührt Ihnen der Ruhm, die M i t t e l zu diesem Zweck m i t großer Umsicht und Localkunde gewählt zu haben. W i r haben Sr. Excellenz dem H e r r n Frhr. v. Altenstein v o m ganzen Detail der Angelegenheiten eine vollständige und anschauliche M i t t h e i l u n g gemacht. A u f diesem Wege ist zwischen den Ansichten des gedachten Herrn Ministers u n d den unsrigen über diesen Gegenstand ein vollständiges Einverständniss erzielet worden u n d w i r befinden uns dadurch i m Stande Ew. p. die gegenwärtige nachträgliche Instruction zu ertheilen, welche alles Wesentliche erschöpfen und gewiss Ihren Wünschen entsprechen wird. II. Materialien.

A. Erzbischofs-

und Bischofswahlen

durch die Capitel.

Aus Ew. p. Berichten haben w i r m i t des Freiherrn v. Altenstein Excellenz ersehen, welches Bestreben der römische Hof zeigt, den Einfluss des akatholischen Landesherrn auf die Besetzung der erzbischöflichen und bischöflichen Stühle möglichst zu beschränken . . . Der Vorschlag von sechs tüchtigen Candidaten zur W a h l 1 0 würde manches Domcapitel sehr i n Verlegenheit setzen, selbst wenn darunter auch Personen vorgeschlagen werden dürften, die nicht zum Capitel gehören. Darum scheint es besser, eine Wahl der Capitel eintreten zu lassen, die jeden Wahlfähigen u n d sogar Postulationsfähigen treffen kann. E i n landesherrlicher Commissar w i r d ohnehin zur W a h l abgeschickt, durch welchen der L a n desherr seinen Wunsch, auf welches Subject er die W a h l oder die Postulation gerichtet zu sehen hoffe, zu erkennen geben kann. U n d ist gleich dieser Wunsch kein Befehl und dieser Punkt nicht geeignet, ein Gegenstand der Unterhandl u n g m i t dem röm. Hofe zu werden, so hat doch der Landesherr nach dem alten u n d neuen deutschen Kirchenrecht ein Recht zu consentiren i n die Wahl des Gewählten wie i n die Postulation des Postulaten, welches Recht das Recht zu dissentiren nothwendig einschliesset, sowie das Recht, die Wahl oder die Postulation zu bestätigen, welches das Recht die Bestätigung zu verweigern einschliesset. Dieses sind die Grundsätze, auf welchen S. M a j . der K ö n i g unabweislich beharret und denen gegenüber also Nichts i n die Ubereinkunft oder Convention, welches auch die äussere Form derselben sein möge, kommen darf. W i r d demnach n u n jenes landesherrliche Recht, zu consentiren, u n d zu bestätigen fest u n d unwandelbar aufrecht erhalten, so w i r d das Wahlrecht der Capitel i n der Form, die w i r Ew. p. Einsicht überlassen, festgesetzt werden können, ohne jene zu Rom i n A n t r a g gebrachte dem deutschen Kirchenrecht u n d den deutschen Sitten fremde Formen zu wählen. tion, die Niebuhr n u n unverändert übersandt wurde; das Datum wurde durch Rasur auf den 23. M a i 1820 verändert (O. Mejer, a.a.O., I I , 2, S. 100 f., 265 ff., I I I , 1, S. 114). 10 Das oben S. 199 Anm. 4 erwähnte „irische Verfahren".

I I . Die Bulle De salute a n i m a r u m

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I n Ermland waren sehr bestimmte Wahlformen hergebracht. So auch i n Breslau, i n Gnesen, Posen, Culm, so dass zu diesen Erz- u n d Hochstiften die Wahl einer königlichen Nomination gleich galt; so groß w a r der landesherrliche Einfluß auf die W a h l 1 1 . Dieser Vortheil liesse sich vielleicht sicher stellen, wenn i n Ansehung der oben genannten resp. Erz- und Bisthümer da, wo von der W a h l zu denselben die Rede wäre, hinzugefügt würde: „Nach dem bisher hergebrachten oder nach den herkömmlichen Formen." Einem Diplomaten, der wie Ew. p. m i t der Kunde der dortigen Localverhältnisse eine gründliche Kenntniss der Geschichte u n d des Kirchenrechts verbindet, w i r d es möglich, j a vielleicht leicht und w e n n schwer desto verdienstlicher sein, i n diesem ganzen so sehr wichtigen Punkte No. I I . L i t . Α. eine Fassung zu finden und dort annehmlich zu machen, welche hierunter die landesherrlichen Rechte und das landesherrliche Interesse völlig sicher stellet. Diese Rechte stehen so fest, dass sie eines römischen Anerkenntnisses nicht bedürfen noch davon abhängig zu machen sind. N u r darf Nichts gestattet werden, was ihnen zuwider läuft.

I I . D i e B u l l e D e salute a n i m a r u m Die Verhandlungen zwischen Preußen und dem Heiligen Stuhl wurden durch eine Vereinbarung beendet; doch wurde diese in der Form einer einseitigen päpstlichen Verlautbarung kundgemacht. Am 16. Juli 1821 unterzeichnete Papst Pius VII. die Bulle De salute animarum. Durch Kabinettsordre vom 23. August 1821 gab der König der Bulle seine „Billigung und Sanktion", unbeschadet der königlichen Majestätsrechte und der Rechte der evangelischen Untertanen (Nr. 90). Zusammen mit der Kabinettsordre wurde die Bulle in der Preußischen Gesetz-Sammlung verkündet. Durch diese königliche Sanktion und Publikation wurde sie einem preußischen Staatsgesetz gleichgestellti. Die Bulle De salute animarum (Nr. 91) regelte die neue Zirkumskription der Diözesen, die Dotation der Bischöfe und der Domkapitel, sowie das Wahlrecht der Domkapitel bei der Bischofsernennung. Sie erlangte außer für Preußen auch Gültigkeit für die linksrheinischen Teile des Großherzogtums Oldenburg (Fürstentum Birkenfeld), des Herzogtums Sachsen-Koburg-Gotha (Fürstentum Lichtenberg) und des Landgrafentums Hessen-Homburg (Meisenheim), ferner für das südoldenburgische Münsterland, sowie für die Fürstentümer Lippe, Schwarzburg und Waldeck 2.

11 Uber dieses System der „Scheinwahl" (oder „Quasi-Nomination") Näheres bei E. Friedberg, Bischofswahlen, S. 44; E. Th. Laspeyres, Geschichte u n d heutige Verfassung der Katholischen Kirche Preußens (1840) S. 368ff., 440; U.Stutz, Der neueste Stand des deutschen Bischofswahlrechts (1909) S. 140 ff. 1 Verfassungsgeschichte, Bd. I, S. 444 ff. 2 Η. v. Kremer-Auenrode, Actenstücke zur Geschichte des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche i m 19. Jahrhundert, T e i l I (1873) S. 73.

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8. Kap. : Vereinbarungen zwischen Preußen und dem Heiligen Stuhl N r . 90. Kabinetts-Ordre K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . an den Staatskanzler Fürst Hardenberg über die Sanktion der Bulle D e salute a n i m a r u m v o m 23. August 1821 (Preußische Gesetz-Sammlung 1821, S. 113)

Da die M i r von Ihnen vorgelegte päbstliche Bulle, welche m i t den Worten: de salute animarum anhebt, und aus Rom v o m 16ten J u l i d. J. ( X V I I . Cai. Aug.) datirt ist, nach ihrem wesentlichen Inhalte m i t jener Verabredung zusammenstimmt, die unter dem 25sten März d. J. i n Betreff der Einrichtung, Ausstattung, u n d Begränzung der Erzbisthümer u n d Bisthümer der katholischen Kirche des Staats, u n d aller darauf Bezug habenden Gegenstände, getroffen, auch von M i r bereits unter dem 9ten J u n i d. J. genehmigt worden ist; so w i l l Ich, auf I h r e n Antrag, auch dem wesentlichen I n h a l t dieser Bulle, nämlich dem, was die auf vorerwähnte Gegenstände sich beziehenden sachlichen V e r fügungen betrifft, hierdurch Meine Königliche Billigung und Sanction ertheilen, K r a f t deren diese Verfügungen als bindendes Statut der Katholischen Kirche des Staats von allen die es angeht zu beobachten sind. Diese Meine Königliche B i l l i g u n g und Sanction ertheile Ich, vermöge Meiner Majestätsrechte, u n d diesen Rechten, wie auch allen Meinen Unterthanen Evangelischer Religion, und der Evangelischen Kirche des Staats, unbeschadet. Demnach ist ein Abdruck dieser Bulle i n die Gesetzsammlung aufzunehmen, u n d f ü r die Ausführung derselben durch das Ministerium der geistlichen A n gelegenheiten zu sorgen.

N r . 91. Zirkumskriptionsbulle De salute a n i m a r u m v o m 16. J u l i 1821 (lateinisch und deutsch: Preußische Gesetzsammlung 1821, S. 114 ff.) Pius Bischof, Knecht der Knechte Gottes, zu ewigem

Gedächtniß.

(I) Indem W i r das H e i l der Seelen u n d die Wohlfahrt der kath. Religion, wie Unser apostol. Beruf es fordert, eifrig zu Herzen nehmen, trachten W i r beständig, Alles zu bereiten, was irgend zur geistlichen Führung der Christen tauglich u n d nützlich ist. I n solcher Gesinnung hatten W i r längst Unsere Gedanken auf jene Gegenden gerichtet, die der Durchlauchtigste Fürst Friedrich Wilhelm K ö n i g von Preußen dermalen beherrschet; W i r wünschten, m i t Hülfe Seiner Macht u n d Freigebigkeit die Angelegenheiten der Religion daselbst auf die bestmöglichste Weise zu ordnen. (II) Denn jener Gegenden jetziger Zustand schwebte Uns vor Augen; und W i r hatten nicht aufgehört die Unfälle zu beweinen, die aus der allgemeinen Zerrüttung hervorgegangen, jene einst so blühenden, so reichen Kirchen von Deutschland, ihres alten Glanzes und Besitzthums beraubt, und sie i n das tiefste Elend herabgestürzt hatten; woraus f ü r den kath. Glauben u n d seine Bekenner großes Unheil entstanden ist.

I I . Die Bulle De salute a n i m a r u m I. Aufhebung,

Umwandlung

und Errichtung

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der Bistümer

(III) Da n u n die Umstände nicht vergönneten, diese Kirchen der ruhmvollen deutschen Nation i n vorigen Glanz hergestellt zu sehen, so haben W i r alle Mühe u n d Fleiß angewandt, Uns wenigstens jene M i t t e l zu verschaffen, die W i r als nöthig oder diensam erachteten, u m i n jenen Gegenden den kath. Glauben zu erhalten u n d das Seelen-Heil der Christen zu befördern. (IV) Diesem Unseren Verlangen hat der vorbelobte K ö n i g von Preußen sich überaus günstig erwiesen, dessen geneigten W i l l e n gegen die zahlreichen, seinem Zepter unterworfenen Katholiken, besonders i n den I h m zugetheilten Provinzen am Rhein, W i r m i t dankbarem Herzen erkennen. So vermögen W i r denn nun endlich alles zu einem guten und heilsamen Ausgang zu leiten, nach Lage der Orte und Bequemlichkeit der Inwohnenden einen neuen Zustand der Kirchen des Preußischen Reichs, m i t neuer Begränzung der Sprengel, einzurichten, u n d den einzelnen Stühlen, da, wo es daran mangelt, würdige und tüchtige H i r t e n zu verleihen. (V) Derohalben, indem W i r als ausdrücklich erwähnt und von Wort zu Worthier eingeschaltet ansehen alles dasjenige, was die Aufhebung, Umwandelung oder Einrichtung der unten namhaft zu machenden Kirchen u n d Kapitel, wie auch deren besonderer früheren Rechte und Vorrechte, imgleichen die Theilung und Zusammensetzung der Sprengel u n d die Vernichtung jedes früheren Metropolitanrechts betrifft — indem W i r ferner durchaus ergänzen die Z u stimmung aller derer, die irgend zur Sache betheiligt sind — aus sicherer U n serer Erkenntniß, nach reifer Überlegung, aus Fülle apostol. Gewalt, und i n Vorgang gänzlicher Aufhebung, Erlöschung und Vernichtung, schon jetzt der bischöfl. Kirche von Aachen (deren Domkapitel i n ein Kollegiatstift verwandelt werden soll), wie auch der bischöfl. Kirche und des Domkapitels zu Corvei, u n d der Abtei Neuzell, dereinst aber (nämlich nach dem Abgange des jetzigen Abts, Unsers ehrwürdigen Bruders, Joseph von Hohenzollern, Bischofs von Ermland) 3 , auch der A b t e i Oliva — willfahrend dem allgemeinen Wunsche von Deutschland, welcher Uns durch die Empfehlung des Königs doppelt w e r t h geworden ist — dem allmächtigen Gott zur Verherrlichung, und zur Ehre des Haupts der Apostel, des heil. Petrus, setzen W i r hierdurch wieder ein i n den Rang einer Metropole, die, jenem Haupt der Apostel geweihte, Kirche zu Cöln, die an Glanz u n d alterthümlicher Würde keinem andern Stuhle von Deutschland nachgiebt, und verfügen, daß sie zu ewigen Zeiten solcher Ehre genießen, und i h r die bischöfl. Kirchen von Trier, Münster und Paderborn als Suffragane untergeben seyn sollen. (VI) Die bischöfl. Kirche zu Posen, auf den Namen der sei. Apostel Petrus und Paulus geweiht, erheben W i r gleichfalls zum Range einer Metropole. W i r vereinigen sie für beständig m i t jener andern, dem Namen des seligen A d a l bert geweihten, gleichfalls erzbischöfl. Kirche zu Gnesen, die durch freiwillige, zu Unseren Händen geschehene und von Uns genehmigte Entsagung Unseres ehrwürdigen Bruders Ignatz Raczynski, ihres letzten Erzbischoffs dermalen 3 Joseph Wilhelm Graf v. Hohenzollern-Hechingen (1776 - 1836), 1808 auf Grund königlicher Nomination vom Domkapitel zum Bischof von Ermland gewählt, jedoch erst 1817 vom Papst präkonisiert, 1818 zum Bischof geweiht, bis zu seinem Tod 1836 i m A m t .

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8. Kap. : Vereinbarungen zwischen Preußen und dem Heiligen Stuhl

erledigt ist 4 . Die Obhut, Weide und V e r w a l t u n g dieser Kirche zu Gnesen übertragen W i r gänzlich Unserm ehrwürdigen Bruder Timotheus Gorzenski, B i schöfe zu Posen, welchen W i r hierdurch zum Erzbischöfe von Gnesen und Posen bestellen 5 . W i r wollen, daß er für immer Namen und Würde eines Erzbischofs von Gnesen und Posen annehme u n d führe. Seinem Metropolitanrecht unterordnen W i r die bischöfl. Kirche von Culm. (VII) Anlangend die bischöfl. Kirchen von Breslau und Ermland, so sind und bleiben dieselben Unserm heil. Stuhle unmittelbar unterworfen. ( V I I I ) Diesen Erzbischöfen u n d Bischöfen allen verleihen und bestätigen W i r den vollen I n h a l t jener Gerechtsame, Ehren, Vorzüge und Freiheiten, deren sich andere Erz-Bischöfe u n d Bischöfe jener Gegenden rechtmäßig erfreuen. II. Domkapitel

und bischöfliche

Seminare

(IX) Was anlangt das Kapitel der Metropolitan-Kirche zu K ö l l n , so errichten W i r i n demselben zwo Würden, nämlich die Probstei, welche den Rang hat nächst dem Erzbischöfe, und zur zweiten Würde die Dechantei, sodann zehn wirkliche und vier Ehren-Kanonikate, auch acht V i k a r i e n oder Pfründen. (X) Das K a p i t e l der erzbischöfl. Kirche zu Gnesen w i r d k ü n f t i g nur aus einer Würde bestehen, nämlich der probsteilichen, und aus Kanonikaten sechs an der Zahl; dahingegen bilden das Kapitel der anderen erzbischöfl. Kirche zu Posen zwo Würden, Probstei u n d Dechantei, acht wirkliche u n d vier EhrenKanonikate, auch acht V i k a r i e n oder Pfründen. (XI) Die K a p i t e l der beiden bischöfl. Kirchen von T r i e r und Paderborn werden ein jedes bestehen aus zwo Würden, nämlich Probstei u n d Dechantei, aus acht wirklichen u n d vier Ehren-Kanonikaten, und sechs V i k a r i e n oder Pfründen. (XII) I n der bischöfl. Kirche zu Münster werden das Kapitel ausmachen zwo Würden, nämlich als Erste die Probstei, u n d als andere die Dechantei, sodann acht wirkliche und vier Ehren-Kanonikate, auch acht V i k a r i e n oder Pfründen. ( X I I I ) Das K a p i t e l der bischöfl. Kirche zu K u l m w i r d bestehen aus zwo Würden, Probstei und Dechantei, aus acht w i r k l i c h e n und vier Ehren-Kanonikaten, auch aus sechs V i k a r i e n oder Pfründen. (XIV) Das K a p i t e l der bischöfl. Kirche zu Breslau werden bilden zwo W ü r den, nämlich die Probstei und Dechantei, dann zehn wirkliche Kanonikate, deren erstes die Schulpräbende m i t sich führt, und sechs Ehren-Kanonikate, auch acht V i k a r i e n oder Pfründen. (XV) Was endlich angeht das K a p i t e l der bischöfl. Kirche von Ermland, so bleibet solches f ü r jetzt i n seiner bisherigen Verfassung, jedoch so, daß Uns und Unsern Nachfolgern, den Päbsten zu Rom, vorbehalten sey, dasselbige i n Z u k u n f t nach der Weise anderer K a p i t e l des preußischen Reichs umzugestalten. (XVI) Ferner soll i n allen den vorgenannten erzbischöfl. und bischöfl. Kirchen die Seelsorge über die Pfarrgemeinen zwar ein Recht des Kapitels 4 Ignaz Graf v. Raczynski (1741 - 1823), seit 1793 auf Grund königlicher Ernennung Bischof von Posen; seit 1807 nach einer Scheinwahl gleichfalls auf Grund königlicher Ernennung Erzbischof von Gnesen bis zu seinem Amtsverzicht (1821). 5 Timotheus Graf v. Gorzenski (1741 - 1825), w a r 1790 - 1810 Bischof von Smolensk, dann Bischof von Posen, 1821 - 1825 Erzbischof von Gnesen-Posen.

I I . Die Bulle De salute animarum

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seyn; sie soll jedoch einem, eigens dazu bestellten, von dem Erzbischöfe oder Bischöfe i n Vorgang gehöriger Prüfung, nach Vorschrift der kanonischen Satzung bestätigtem Mitgliede anvertraut u n d von demselben m i t Hülfe der V i k a r i e n ausgeübt werden. Auch sollen i n jedem der gedachten K a p i t e l von dem Erzbischöfe oder Bischöfe zwei Chorherren für immer angewiesen werden, deren der Eine des Beichtvater-Amtes, der Andere hingegen des Amtes eines Gottesgelehrten, welcher an bestimmten Tagen dem Volke die heil. Schrift erkläret, treulich zu warten hat. ( X V I I ) Die Ehren-Kanonici vorgedachter K a p i t e l sollen zur persönlichen Residenz u n d A b w a r t u n g der Chorstunden durchaus nicht verpflichtet, aber dennoch berechtigt seyn, an diesen Stunden u n d allen gottesdienstlichen Verrichtungen, gleich den wirklichen Kanonicis, T h e i l zu nehmen. U n d zu Zier u n d größerem Glänze jener Kirchen bestätigen u n d nach Unterschied verleihen W i r allen Würden u n d Kanonicis sich solcher Auszeichnungen zu gebrauchen, als bisher üblich gewesen sind. ( X V I I I ) Zugleich ermächtigen W i r die vorgenannten Domkapitel, so itzt als künftig, daß sie zu neuer u n d angemessener Ordnung des Dienstes ihrer K i r chen und des täglichen Stundengebets darin, auch zu heilsamer Leitung, F ü h rung und V e r w a l t u n g geistlicher u n d zeitlicher Angelegenheiten u n d Gerechtsame, zu E r f ü l l u n g ihrer Obliegenheiten, zu Einziehung und Vertheilung der täglichen und übrigen Hebungen und Nutzungen, zu Anordnung der Strafen wider solche, so i m Gottesdienst säumig sind, zu Aufzeichnung der Anwesenden, zu Haltung der Zeremonien u n d Gebräuche, u n d was sonst zu allem diesem irgend nützlich und nöthig ist — Satzungen, Ordnungen, K a p i t e l und Beschlüsse, ehrbaren und erlaubten Inhalts, so den apostol. Verordnungen und Beschlüssen der Versammlung von Trient nicht widersprechen, unter Vorsitz u n d m i t Gutheißung ihrer Ordinarien, aufrichten, erklären, auslegen, i n bessere Fassung bringen, abändern, auch deren ganz neue, so v o n allen die es jetzo angeht u n d dereinst angehen w i r d , zu beobachten sind, abfassen und ausgehen lassen mögen. ( X I X ) U n d nachdem W i r eines jeden Metropolitan- und Domstifts-Würden, Kanonikate, Vikarien oder Pfründen der Z a h l nach, wie vorstehet, festgestellt, als setzen W i r zu deren jetziger u n d zukünftiger Einrichtung hierdurch fest, daß, wer immer zu vorgedachten Würden und Kanonikaten gelangen w i l l , m i t nachstehenden Erfordernissen begabt seyn soll; nämlich: daß er die höheren heil. Weihen empfangen, zum mindesten fünf Jahre lang i n dem Hauptoder Hülfsseelsorgeramte, oder i n dem Lehramte der Gottesgelahrtheit und des kanonischen Rechtes, oder i n eines preußischen Bischofes Verwaltung gestanden und der Kirche m i t Nutzen gedient, oder die höchste gelehrte Würde i n der Gottesgelahrtheit oder i n dem kanonischen Rechte gehörig erworben haben müsse. Dieses letzteren Erfordernisses bindende K r a f t w i r d jedoch aus erheblichen Gründen für den Verlauf der nächsten zehn Jahre von diesem Tage ab noch ausgesetzt. Übrigens sollen Stand und Geburt der Geistlichen i n E r langung der Würden u n d Kanonikate von n u n an keinen Unterschied des Rechts weiter begründen. Zugleich verfügen W i r hierdurch, daß i n dem Kathed r a l - K a p i t e l zu Münster, wie auch zu Breslau, E i n Kanonikat auserlesen werde, u m von demjenigen, dem es nach der Monate Wechsel gebühret, je allezeit einem öffentlichen Lehrer an den hohen Schulen gedachter Städte, der jedoch

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8. Kap. : Vereinbarungen zwischen Preußen und dem Heiligen S t u h l

m i t den kanonischen Erfordernissen begabt sey, verliehen zu werden. Gleichermaaßen verordnen Wir, daß der jeweilige Probst an der Pfarrkirche der heil. Hedwig zu Berlin, w i e auch der jeweilige Landdechant der Grafschaft Glatz, den Ehren-Kanonicis der Domkirche zu Breslau sollen zugezählt werden, also daß sie durchaus m i t den übrigen gleiche Rechte genießen, und ihre Stelle und Ordnung einnehmen nach dem A l t e r ihrer Ernennung. E i n Jeglicher aber der Ehren-Kanonici vorgedachter Kirchen insgemein soll aus der Zahl der Erzpriester genommen seyn — derer, die sich i n der Seelsorge m i t Ehren versucht haben. (XX) Was aber f ü r jetzo die neue Zusammensetzung vorgedachter K a p i t e l betrifft, welche allerbaldest zu bewirken ist, so ertheilen W i r Unserm, unten zu benennenden Vollzieher die Gewalt, i n einer jeden der vorgenannten K i r chen, solche Würden, Kanonikate und Vikarien, als w i r k l i c h erledigt sind, u n d bis zur E r f ü l l u n g vorgedachter Zahl, an würdige und geschickte Geistliche, aus besonderer i h m übertragenen apostol. Macht und i m Namen dieses heil. Stuhls, zu verleihen; dergestalt indeß, daß jene, welche durch i h n zu Würden und Kanonikaten befördert werden, gehalten seyn sollen, innerhalb den nächsten Monaten nach ihrer Beförderung bei Unserer apostol. Datarie neue Verleihungs- und Bestätigungs-Briefe einzuholen und ausfertigen zu lassen. Und, da sich zutrüge, daß i n einem oder andern Metropolitan- oder KathedralK a p i t e l des Preußischen Reichs, von den Würden, Canonicis und V i k a r i e n oder Pfründnern, rechtmäßig und kanonisch eingesetzt, noch mehr am Leben wären, als Unsere oben erwähnte Anzahl feststellet; so soll vorgedachter apostol. Vollzieher, nach vorgängiger Ladung und Anhörung der Betheiligten, durch frey w i l l i g e n Verzicht aller oder Einiger von ihnen, die Sache abthun, vorsorgend, daß durch angemessenes lebenslängliches Jahrgeld, wie der durchlauchtigste K ö n i g versprochen hat, derselben Unterhalt gesichert werde. — Wo aber solche Verzichtungen, entweder gar nicht oder nicht i n genügender Anzahl, zu erhalten wären, sollen alsdann die überzähligen Würden, Kanonici u n d V i k a r i e n oder Pfründner, welche später zum Besitze gelangt sind, falls sie bei ihren Kirchen wohnen, und fortfahren wollen, Kapitularen und V i k a r i e n zu seyn, i n dem Genüsse der Rechte u n d Vorzüge, die ihnen dermalen zukommen, nicht gestört werden, u n d sollen ihre Einkünfte nach dem Maaßstabe, wie jetzt, fortfahren zu beziehen. Wenn aber ihre Pfründen, die sie jetzt besitzen, dermaleinst, gleichviel auf welche Weise, zur Erledigung gelangen: so können solche keineswegs wieder besetzt, sondern sollen n u n alsdann für aufgehoben und erloschen angesehen u n d i n den unterschiedlichen K a p i t e l n die oben festgesetzte Zahl genau gehalten werden. Wo aber i n irgend einem K a p i t e l die Kanonici bisher geringere Einkünfte bezogen hätten, als diese Verordnung ihren Nachfolgern bestimmt, sollen sie keinen Anspruch auf diesen Zuwachs haben, es wäre denn, daß der apostol. Vollzieher ihnen einzeln und ausdrücklich solche größere Einkünfte beigelegt hätte. ( X X I ) Z u k ü n f t i g aber, bei sich ereignenden Erledigungen i n den gedachten erzbischöfl. u n d bischöfl. Kirchen, auch i n der Kirche zu Aachen (die, wie schon erwähnt, i n ein Kollegiatstift verwandelt werden soll) werden W i r u n d Unsere Nachfolger, die Päbste zu Rom, nicht nur die Probstei, welches die erste Würde nächst der bischöfl. ist, sondern auch die i n den Monaten Januar, März, Mai, Julius, September u n d November zur Erledigung gelangenden Kanonikate

I I . Die Dulle De salute animarum

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verleihen, und zwar i n derselbigen A r t und Weise, wie bisher zu Breslau geschehen ist. Was aber die Dechanteien an gedachten Metropolitan- und K a t h e dral-Kirchen anbelangt, desgleichen die Kanonikate, so daselbst und i n dem künftigen Kollegiatstifte zu Aachen, i n den übrigen Monaten des Jahrs er* ledigt werden: so fallen solche der Vergebung der betreffenden Erzbischöfe und Bischöfe anheim. Die Vikareyen aber oder Pfründen, i n was f ü r einen Monat sie ledig werden mögen, überlassen W i r gänzlich zur Verleihung der betreffenden Erzbischöfe u n d Bischöfe. ( X X I I ) Endlich glauben W i r der deutschen Nation etwas Angenehmes u n d dem vorbelobten Könige von Preußen etwas Wohlgefälliges zu erweisen, wenn W i r das Recht der Wahlen, welches i n den überrheinischen Kirchen erhalten u n d bestätigt, i n den diesseits Rheins Belegenen aber, durch apostol. Verfügung v o m Jahre 18016 ausser Gang gebracht worden ist, i n jenen diesseit Rheins belegenen Sprengein, die dem Zepter des genannten Königs i m Zeitlichen unterworfen sind, wieder herstellen. Daher verordnen u n d verfügen Wir, i n Ansehung der zu Deutschland gehörigen Kirchen von Kölln, Trier, Breslau, Paderborn und Münster: daß m i t Aufhebung jeder andern bisher bestandenen Weise und Gewohnheit, auch jedes Unterschiedes von W a h l u n d Postulation, und des Erfordernisses adlicher Geburt, besagte K a p i t e l (sobald sie auf vorerwähnte Weise eingerichtet u n d zusammen gesetzt seyn werden) sich solchen Rechts sollen zu erfreuen haben. Es sollen nämlich bei jeder Erledigung jener Stühle, es sei durch Todesfall extra curiam, oder durch Abdankung und Entsagung (mit Ausnahme jedoch der jetzigen Erledigungen von K ö l l n u n d T r i e r ) 6 3 innerhalb der gewöhnlichen Frist von drei Monaten, die Würden und Kanonici kapitularisch versammelt u n d m i t Beobachtung der kanonischen Vorschriften, aus der gesammten Geistlichkeit des Preußischen Reichs sich einen würdigen, und m i t den kanonischen Erfordernissen begabten M a n n zu ihren Vorgesetzten kanonisch zu erwählen, ermächtiget seyn. Bei dergleichen Wahlen aber sollen nicht blos die wirklichen, sondern auch die Ehren-Kanonici eine Stimme f ü h ren, selbst jene, die über die, i n dieser Verordnung festgesetzte Anzahl, auf ihre Lebzeit i n den Kapiteln beibehalten werden, sollen nicht davon ausgeschlossen seyn. ( X X I I I ) I n Ansehung der K a p i t e l der bischöfl. Kirchen von Ermland u n d K u l m , und der erzbischöfl. von Gnesen und Posen (die beständig vereinigt sind), enthalten W i r Uns etwas Neues zu verfügen, außer, daß die Kapitularen von Gnesen und Posen bei der W a h l ihres Erzbischofes gemeinschaftlich verfahren sollen. Was aber die erledigte bischöfl. Kirche von Breslau betrifft, so ertheilen W i r den dermalen i n i h r bestehenden fünf Würden, nämlich dem Probste, Dechant, Archidiakon, Scholaster und Custos, wie auch den acht residirenden und sechs Ehren-Kanonicis, die gegenwärtig das K a p i t e l jener Kirche v o r stellen, die besondere Befugniß, daß sie zur kanonischen W a h l ihres neuen B i 6 Die Bulle Qui Christi D o m i n i vices vom 29. November 1801 (A. A. Barberi , B u l l a r i i Romani Continuatio, Bd. X I , 1846, S. 245 ff.) ist bereits erwähnt i m Zusammenhang m i t dem französischen Konkordat von 1801 (oben Nr. 2). 6a Die vakanten Stühle von K ö l n und Trier wurden für dieses eine M a l ohne M i t w i r k u n g der Domkapitel v o m Papst dem Vorschlag des Königs gemäß besetzt: Erzbischof von K ö l n wurde 1824 Graf Spiegel (unten S. 312 A n m . 1), Bischof von Trier 1822 Joseph v. Hommer (unten S. 312 A n m . 2).

14 Huber, Staat und Kirche, 1. Bd.

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8. Kap.: Vereinbarungen zwischen Preußen und dem Heiligen Stuhl

schofs, i n der A r t und Weise wie vorgemeldet ist, auch für dieses erstemal vorschreiten können6*». ( X X I V ) Es soll jedoch über jede solche W a h l eine i n beglaubigter Form abgefaßte Urkunde an Unsern heil. Stuhl eingesendet werden. Wenn dieser dann die Wahl für kanonisch vollzogen anerkennet, und K r a f t der Untersuchung, die der röm. Pabst jederzeit einem preußischen Erzbischöfe oder Bischöfe auftragen, und dieser nach Vorschrift der Dienstanweisung Unseres Vorfahrs Urban's V I I I . seeliger Gedächtniß 7 m i t allem Fleiße führen wird, sich von des Erwählten Tüchtigkeit überzeugt: so werden W i r und Unsere Nachfolger, die Päbste zu Rom, jede solche Wahl, bestehendem Gebrauche gemäß, durch apostolische Briefe bestätigen. ( X X V ) Es soll überdem i n jeder erzbischöfl. und bischöfl. Stadt ein geistliches Seminar erhalten oder neu gegründet werden, damit darin eine solche Anzahl angehender K l e r i k e r unterhalten und nach Vorschrift der Beschlüsse von Trient unterrichtet und gebildet werden möge, als es der Umfang und Bedarf der Sprengel fordern, und der Vollzieher dieses gegenwärtigen Briefes genau anordnen wird. Dem Erzbischöfe von Gnesen und Posen überlassen W i r : ob er i n beiden Städten ein besonderes oder i n der Stadt Posen, wo die Gebäude besser sind, für beide Sprengel, ein gemeinsames Seminar zu haben vorziehe, nach dem, was zum größeren Wohl der Kirche gereichet, zu bestimmen. III.

Die Zirkumskription

der Bistümer

( X X V I ) Indem W i r nun, nach vorgängiger Theilung, Trennung und Veränderung einiger ö r t e r und Pfarreien, die der Jurisdiction ihrer bisherigen Ordinariate entzogen, und den unten nahmhaft zu machenden Sprengein neu hinzugefügt und einverleibt werden sollen; — gemäß Unserer besten E r k e n n t niß i n dem Herrn, auch nach angehörtem Rath Unserer ehrwürdigen Brüder, jener Kardinäle der heil. Kirche zu Rom, die der Versammlung von der Verbreitung des Glaubens vorstehen 8 , zu neuer Umschreibung der Diözesen übergehen: so ordnen, setzen und verfügen Wir, damit bei genauer Grenzbestimmung allen Irrungen i n Betreff der Ausübung der geistl. Jurisdiction vorgebeuget werde, wegen deren Vertheilung i n nachfolgender Weise: ( X X V I I ) Der Sprengel der Metropolitan-Kirche von K ö l l n soll gebildet w e r den aus 680 Pfarreien, welche theils am rechten, theils am linken Ufer des Rheins belegen sind. U n d zwar am linken Ufer begreift er alle Pfarreien der aufgelösten Diözes Aachen unter sich, die zu den Regierungsbezirken K ö l l n , Aachen und Düsseldorf gehören; nämlich neben den Pfarreien der Städte K ö l l n und Aachen auch die sog. Kantonpfarreien Bergheimersdorf, Bonn, Brühl, ®t> Die W a h l des Breslauer Domkapitels fiel auf Christoph Emanuel ν. Schimonsky (1752 - 1832), Weihbischof von Breslau; 1823 - 32 Fürstbischof daselbst. Die W a h l — die erste seit dem Inkrafttreten der Bulle De salute animarum durchgeführte Kapitelswahl — w a r eine „Scheinwahl"; denn der Kandidat w a r dem Domkapitel von dem Regierungskommissar Graf Stolberg (unten S. 317) verbindlich benannt worden. Obwohl i n Rom als unkanonisch beanstandet, fand die W a h l die päpstliche Bestätigung. Dazu E. Friedberg, B i schofswahlen, S. 220 ff. 7 Urban VIII. (1568 - 1644), ursprünglich Maffeo Barberini; Papst während des dreißigjährigen Kriegs (1623 - 1644). 8 Nämlich der Congregatio de Propaganda Fide.

I I . Die Dulle De salute animarum

211

Kerzen, Lechenich, Lessenich, Löwenich, Meckenheim, Münstereiffel, Zülpich, Krefeld, Dahlen, Dormagen, Elsen, Gladbach, Neuß, Urdingen, Viersen, B u r t scheid, Düren, Erkelenz, Eschweiler, Geilenkirchen, Gemünd, Heinsberg, Jülich, Linnig, Montjoie und Niedeggen sammt ihren innerhalb des Preuß. Reichs und gedachter Regierungsbezirke belegenen Hülfspfarreien u n d Nebenkirchen; dergestalt: daß die außerhalb des Reichs belegenen Hülfs-Pfarreien und Nebenkirchen getrennt, umgekehrt die innerhalb desselben belegenen, welche zu ausländischen Kantonal-Kirchen bisher gehörten, m i t inländischen Kirchen dieser A r t vereinigt werden sollen. Außerdem w i r d dieser Sprengel i n sich fassen jene Kantonpfarreien des Bisthums Lüttich, deren V e r w a l t u n g dem K a p i t u l a r - V i k a r i a t zu Aachen vom apostol. Stuhle übertragen war, namentlich: Kronenburg, Eupen, Malmedy, Nieder-Krüchten, Schleiden und St. V i t h m i t ihren eignen Hülfs-Pfarreien u n d Neben-Kirchen auf Preußischem Gebiete; wie auch m i t den Hülfs- und Neben-Kirchen, Namens Afden, Alsdorf, Merkstein, Roldau, Ubach und Welz, so dermalen zu der, i n dem Königreiche der Niederlande belegenen Kantonkirche, Namens Herkerad gehören: Ferner die i n dem Regierungs-Bezirke Aachen belegenen, zum Bisthum Trier gehörigen Pfarreien, Namens: Allendorf, Blankenheim, Dollendorf, Hollerath, L o m mersdorf, Manderfeld, Marmagen, Müllheim, Nettersheim, Reifferscheidt, Rescheid, Rigsdorf, Rohr, Schmittheim, Schönberg, Steinfeld, Tondorf, Wellhofen und Wildenburg m i t ihren angehörigen Kirchen. A n dem rechten Ufer des Rheins hingegen, innerhalb der Regierungs-Bezirke K ö l l n , Düsseldorff, und Koblenz: alle Pfarreien der Regionen Deutz, Düsseldorf, Essen und Siegburg m i t allen angehörigen Kirchen, jedoch m i t Ausnahme der Pfarrei Römershagen, die zu dem Bisthum Paderborn geschlagen werden soll, und der Pfarreien Hachenberg und Marienstädt, die i n dem Herzogthume Nassau liegen. ( X X V I I I ) Der Sprengel der bischöfl. Kirche von Trier, die W i r allem Metropolitan-Einflusse des Erzbischofs von Mecheln entziehen, und der Metropolitan-Kirche zu K ö l l n überweisen, w i r d innerhalb der Gränzen des Preußischen Reichs aus 634 Pfarreien bestehen. Nämlich, auf dem linken Ufer des Rheins aus den i n dem Regierungs-Bezirke Trier belegenen, welche jetzt ihren Sprengel bilden; dann aber von dem aufgehobenen Bisthum Aachen, innerhalb des Koblenzer-Regierungs-Bezirks folgende: als die Stadt Koblenz und die K a n tonal-Kirchen Adenau, Ahrweiler, Andernach, Boppard, Kastellaun, K r e u zenach, Kaisersesch, Kirchberg, K i r n , Lützerath, Mayen, Münstermayfeld, Niederzissen, Oberwesel, Polch, Pünderich, Remagen, Rübenach, Simmern, Sobernheim, St. Goar, Stromberg, Treiß, Ulmen, Wanderath und Zell m i t ihren Hülfs-Pfarreien und Neben-Kirchen. Weiter aber aus 132, theils Kantonnaltheils Hülfs-Kirchen, die nach der Umschreibung vom Jahre 18019 zum Bisthume Metz gehörig, auf Verfügung des apostol. Stuhls dem K a p i t u l a r V i k a r i a t zu Trier einstweilen waren anvertrauet worden. Ferner am rechten Rheinufer alle Kirchen des Preußischen Gebiets, die vordem zum Trierschen Sprengel gehörig, durch Umschreibung i m Jahre 1801 davon getrennt worden, u n d dermalen dem apostol. V i k a r zu Ehrenbreitstein untergeben sind. Endlich aus allen den bereits jetzt zum Sprengel gehörigen Pfarreien i n den angränzenden Gebieten der Fürsten von Koburg, Homburg und Oldenburg belegen 1 0 . 9 10

14*

Die oben S. 209 Anm. 6 genannte Bulle Qui Christi D o m i n i vices. Das Fürstentum Lichtenberg (damals zu Sachsen-Koburg-Gotha gehörig),

212

8. Kap.: Vereinbarungen zwischen Preußen und dem Heiligen Stuhl

( X X I X ) Den Sprengel der bischöfl. Kirche zu Münster, die der Metropole von K ö l l n angehört, bilden ihre innerhalb der Gränzen des Preußischen Reichs belegenen 287 Pfarreien sammt mehreren, außerhalb dieser Gränzen belegenen, und zu ihrer Diözes gehörigen, über die W i r Uns und Unsern Nachfolgern, den Päbsten zu Rom, die Macht vorbehalten i n Zukunft, wie es Uns i n dem H e r r n Wohlgefallen wird, zu verfügen. Außerdem vereinigen W i r m i t i h r die Regionen Recklinghausen, Sterkerath u n d Rees, sonst zur K ö l l n e r Diözes gehörig, jedoch m i t Ausschluß der Pfarrei Oeffelt auf Belgischem Staatsgebiet; sodann von der gegenwärtig aufgehobenen Aachner-Diözese die K a n t o n Pfarreien Calcar, Cleve, Cranenburg, Dülken, Geldern, Goch, Kempen, Meurs, Rheinsberg, Wonkum, Wesel, Xanten m i t ihren Hülfs-Pfarreien und Nebenkirchen, jedoch m i t Ausnahme der auf dem Gebiete des Königs der Niederlande belegenen. W i r fügen ferner hinzu die Pfarreien Elten und Emmerich m i t ihrer Tochterkirche, so bisher unter der holländischen Mission gestanden, desgleichen die Pfarrei Damme, die W i r von der Diözes Osnabrück trennen, und die Gemeine zu Oldenburg, die W i r von der Nordischen Mission ausscheiden lassen, u n d welche zum Gebiete des Herzoges von Oldenburg gehören 1 1 . Endlich übergeben W i r dem jetzigen und künftigen Bischöfe von Münster zu beständiger Leitung und V e r w a l t u n g die fünf Pfarreien Namens Brochterbeck, Ibbenbühren, Mettingen, Recke und Halverde, die der Verwaltung des Weihbischofs von Osnabrück widerruflich anvertrauet waren. ( X X X ) Der Sprengel der bischöfl. Kirche von Paderborn, deren Metropole ebenfalls die Kirche von K ö l l n ist, behält seinen bisherigen Umfang. M i t i h m vereinigen W i r den ganzen Sprengel des gegenwärtig aufgehobenen Bisthums Corvey, außerdem aber noch von dem überrheinischen Gebiet der vormaligen Erz-Diözes K ö l l n : die Dekanate Meschede, Attendorn, Brilon, Wormbach, Medebach und Wattenscheid, m i t ihren Pfarr- und Töchterkirchen, ferner das Commissariat Haaren und die Dekanate Rietberg und Wiedenbrück m i t ihren Pfarreien und Töchterkirchen, welche von der Diözes Osnabrück abgelöst werden; sodann, m i t Ablösung von der Diözes Maynz, nachher Regensburg: die Pfarreien Siegen und Obernetphen, sammt der Stadt Heiligenstadt m i t ihrem Dekanate und den Dekanaten Beuren, Bischofferode, Kirchworben, Kühlstädt, Lengenfelde, Neuendorf, Nordhausen, Rüstenfelde, Wiesenfelde m i t ihren Pfarreien und Töchterkirchen, u n d der Stadt Erfurt m i t den drey vorstädtischen Pfarreien, wie auch die Pfarreien des Großherzogthums Weimar; nicht minder die Pfarrei Eppe i m Fürstenthume Waldeck, sonst zum k ö l l n i schen Sprengel gehörig. Endlich übergeben Wir, m i t Ablösung vom apostolischen V i k a r i a t der nordischen Missionen, dem jetzigen und künftigen Bischöfen v o n Paderborn zu beständiger V e r w a l t u n g die Pfarreien Minden i n Westphalen, und Adersleben, Althaldensleben, Ammensieben, Aschersleben, H a t mersleben, St. Andreas und St. Katharina zu Halberstadt, Hammersleben, Hadersleben, Huisburg, Magdeburg, Marienbeck, Marienstuhl, Mayenhof, die Herrschaft Meisenheim am Glan (damals zu Hessen-Homburg gehörig) und das Fürstentum Birkenfeld (damals zu Oldenburg gehörig). Dazu Verfassungsgeschichte Bd. I S. 578, 582. 11 Es handelt sich hier u m das 1803 zu Oldenburg gekommene, seitdem südoldenburgische Münsterland (mit Vechta und Kloppenburg). Dazu Verfassungsgeschichte Bd. I S. 49.

I I . Die

ulle De salute animarum

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Stendal, Halle und Burg. I n Erwägung aber des hohen Alters Unsers ehrwürdigen Druders, des trefflichen Bischofs von Paderborn und Hildesheim u n d apostolischen Vikars i n Norden, Franz Egon von Fürstenberg 1 2 , wie auch seines ausgezeichneten Verdienstes u m die Kirche und kath. Religion, und u m i h n m i t neuer Bürde der V e r w a l t u n g zu verschonen, verfügen und verordnen Wir, daß aus Rücksicht dieses höchstwürdigen H i r t e n einstweilen keine Veränderung vorgenommen, vielmehr alles i n dem Stande, w o r i n es dermalen sich befindet, belassen, und die vorgedachte Erweiterung der Diözese Paderborn erst dann zur Vollziehung gelangen soll, wenn nach dem A b gange des vorbelobten Bischofs Franz Egon auf den erledigten Stuhl zu Paderborn ein neuer Bischof durch A u t o r i t ä t des apostol. Stuhls eingesetzt seyn w i r d . Indeß sollen alle von den Diözesen K ö l l n und Osnabrück, wie vor besagt, getrennten Orte und Pfarreien einem, von Uns zu bestellenden, apostol. V i k a r überwiesen werden, u m selbige bis zur Erledigung des Stuhls von Paderborn und des neuen Bischofs Einsetzung einstweilen zu verwalten. I n gleicher A r t sollen auch die, von der Diözes Maynz, später Regensburg, abgelösten Orte u n d Pfarreien, die von dem vormaligen Bischöfe von Corvey, jetzt Bischöfe von Münster, verwaltet werden 1 3 , der einstweiligen Leitung eines apostol. Vikars anvertraut werden. ( X X X I ) Den Sprengel der beiden erzbischöfl. und für immer zu gleichen Rechten vereinigten Kirchen von Gnesen und Posen werden jene Orte ausmachen, die dazu jetzo, seit der letzten Diözesanumschreibung des Königreichs Polen, gehören, jedoch m i t Ausnahme der Dekanate Schlochau, Tuchel und Kamin, die, wie unten angeführt werden soll, zur Diözese Culm abgetreten werden. — Dazu kommen die Dekanate Kruswitz, Gniewkowo und Inowraclaw, bisher zur Diözes von Wrazlawek gehörig und einstweilen unter die Verw a l t u n g des apostol. Vikariats zu Danzig gestellt; sodann: die Dekanate Ostrzeszow und Kempen, die von der Diözes Breslau abgelöst werden. Was aber die Vertheilung dieses Sprengeis an die beiden vereinigten Metropolitan-Kirchen anlangt; so überlassen W i r dem unten zu benennenden V o l l zieher dieses Briefs darüber die näheren Verfügungen zu treffen. ( X X X I I ) Der Sprengel der bischöfl. Kirche zu Culm, die Suffragan ist des Erzbischofs von Gnesen und Posen, w i r d bestehen aus 215 Pfarreien, nämlich aus den Dekanaten: Lessen, Rehden, Neumark, Löbau, Lautenberg, Straßburg, Gollub, Thorn, Culm, Culmsee und Gurzno m i t ihren Hülfs-Pfarreien und Tochter-Kirchen, sammt der Pfarrei Bialluten (die, wie Gurzno vormals zur Diözes Plock gehörig, dermalen vom Weihbischof zu Culm verwaltet werden) — sodann aus den Dekanaten: Danzig, Putzig, Mirchau, Dirschau, Stargard, Möwe, Neuenburg, Schwez, Lauenburg, Schlochau, Tuchel, K a m i n und Fordon, die vormals zur Diözes Wrazlaweck gehörig, jetzt von dem vorerwähnten apostol. V i k a r zu Danzig beaufsichtigt werden — endlich aus dem Gebiete der A b t e i Oliva, jedoch erst nach dem Abgange ihres gegenwärtigen Besitzers. Und da Uns vorgetragen ist, daß es zu Culm an Gebäuden zur an12 Franz Egon Frhr. v. Fürstenberg (1737 - 1825), seit 1786 K o a d j u t o r der Fürstbischöfe von Hildesheim und Paderborn; 1788 - 1825 Bischof von Hildesheim; 1789 - 1825 auch Bischof von Paderborn. 13 Ferdinand Frhr. v. Lüning (1755 - 1825), Fürstbischof von Corvey, 1820 bis 1825 Bischof von Münster.

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8. Kap. : Vereinbarungen zwischen Preußen und dem Heiligen Stuhl

gemessenen Wohnung des Bischofs und Kapitels fehle: so geben W i r dem Vollzieher dieses apostol. Schreibens hierdurch die besondere Macht: nach vorgängiger Anhörung der Betheiligten und reifer Erwägung, jedoch unter Beibehaltung des Titels und Namens des Bisthums Culm, und m i t Uberweisung von Kirche und Gebäuden, wenn es i h m i n dem H e r r n also gut zu seyn bedünken wird, den Bischof und das Domkapitel von Culm nach Pelplin zu versetzen, dergestalt jedoch, daß für die Erhaltung der Kirche zu Culm auf angemessene Weise Sorge getragen werde. ( X X X I I I ) Der Sprengel der bischöfl. Kirche zu Breslau, welche dem apostol. Stuhle unmittelbar unterworfen ist, bildet deren dermaliges Gebiet, m i t Ausschluß der Dekanate Ostrzeszow und Kempen, welche m i t der Diözes Posen vereinigt sind. Ferner die Dekanate Beuthen und Pleß, die von dem Bisthume K r a k a u abgesondert werden. Sodann nachstehende, in der Lausitz belegene Pfarreien, als: Neuzell (gegenwärtig aufgehobnes vormals exemtes Kloster), Wittichenau, Guntersdorf, Hennersdorf, Pfaffendorf, Ullersdorf, die bisher von dem Dechant des Kollegiatstifts von St. Peter zu Bautzen i n der Oberlausitz verwaltet worden. Uberhaupt 621 Pfarreien innerhalb der Gränzen des Preußischen Reichs. Außerdem behält dieser Sprengel seine auf Oesterreichischem Gebiet belegenen Pfarreien. Endlich unterordnen W i r den Bischöfen zu Breslau für jetzt und k ü n f t i g die von dem apostol. V i k a r i a t der nordischen Missionen zu trennenden Pfarreien der Städte: Berlin, Potsdam, Spandau, F r a n k f u r t an der Oder, Stettin und Stralsund, welche von dem vorerwähnten Probste zu St. Hedwig i n Berlin, als Delegaten des Bischofs von Breslau, verwaltet werden sollen. ( X X X I V ) Den Sprengel der bischöfl. Kirche von Ermland, welche ebenfalls dem apostol. Stuhle unmittelbar unterworfen ist, bildet ihr dermaliges Gebiet, nebst den von dem Bisthume K u l m getrennten Dekanaten: Fürstenwerder, Neuteich, Marienburg, Stuhm und Christburg m i t ihren Hülfspfarreien u n d Tochterkirchen, so daß der ganze Sprengel 119 Pfarreien i n sich fasset. ( X X X V ) Vorgedachte Städte nun und Kirchen, erbischöfl. und bischöfl., sammt Pfarreien und Orten, ihnen zum Sprengel beigelegt, auch Einwohnern beiderlei Geschlechts, sowohl geistlichen als weltlichen Standes, überweisen W i r den Kirchen und deren H i r t e n zu ewigen Zeiten als Stadt, Sprengel, Diöces, Geistlichkeit und Gemeine, u n d unterwerfen sie ihnen i m Geistlichen dergestalt u n d also: daß, nachdem vorerwähnter Bischof Joseph von Ermland diesen Brief gehörig w i r d vollzogen haben, und für einige, in der Form: „dann als n u n " 1 4 getroffene besondere Verfügungen die Zeit gekommen seyn wird, sie selbst oder durch andere i n ihrem Namen wahren, wesenhaften, u n d w i r k lichen Besitz der geistl. Leitung und Verwaltung, u n d jegliches Diözesan- und Ordinariatsrecht, i n gedachten Städten und deren Kirchensprengeln, wie auch Gütern und Einkünften, zu ihrer Ausstattung, wie unten folgt, ausgesetzt, kraft kanonisch-apostolischer Einsetzungsbriefe frei ergreifen, auch i n dem ergriffenen Besitze sich erhalten mögen. Daher denn auch, von dem Augenblicke, 14 Die juristische Formel „nunc pro tunc " (amtlich übersetzt: „dann als nun") bezeichnet eine Verfügung, insbesondere eine Besitzveränderung, die zwar jetzt angeordnet w i r d , aber erst k ü n f t i g w i r k s a m werden soll. I n der oberrheinischen Zirkumskriptionsbulle lautet die Übersetzung von nunc pro tunc daher: „jetzt für alsdann" (unten S. 152).

I I . Die Bulle De salute animarum

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da sie nach dieser Unserer Verordnung von den einzelnen ihnen beigelegten Sprengein werden Besitz ergriffen und deren Leitung m i t der That angetreten haben, alle Jurisdiction der vorigen Vorgesetzten, gleichviel ob Ordinarien oder Vikarien, aufhört, und alle denselbigen ertheilte Fakultäten, i n den ihrer Jurisdiction entzogenen Distrikten und Orten sofort ihre K r a f t und G ü l t i g keit verlieren. ( X X X V I ) Auch wollen W i r zum Nutzen der unterschiedlichen SprengelsEinsassen hiedurch vorschreiben und verfügen: daß alle, auf die abgetrennten und anderweitig einverleibten Kirchen-Sprengel, Pfarreien und Orte sich beziehenden Beweisthümer aus den alten Kanzleien ausgezogen, und an die derjenigen Bisthümer, dahin die Einverleibung geschehen ist, zu beständiger A u f bewahrung abgeliefert werden sollen. ( X X X V I I ) Inzwischen werden Unsere ehrwürdigen Brüder, die Erzbischöfe von Prag und Ollmütz, wie auch die Bischöfe von Königingrätz und L e u t meritz ihre Jurisdiction, so sie bisher i m Preußischen Gebiet ausgeübt, auch ferner behalten. ( X X X V I I I ) Hingegen werden die i n dieser Unserer Verordnung nicht m i t einbegriffenen u n d außerhalb des Preußischen Reichs belegenen Tochterkirchen, Pfarreien und Brüche von Pfarreien, von ihren M u t t e r - und P f a r r k i r chen, so innerhalb desselben Reichs belegen sind, hierdurch abgeschieden; und es sollen die nächsten Ordinariate dafür Sorge tragen, daß dieselben m i t andern Mutterkirchen und Pfarreien von einerlei Staatsgebiet vereinigt w e r den; gleichwie W i r es umgekehrt m i t den innerhalb des Preußischen Reichs belegenen, zu ausländischen M ü t t e r n gehörigen Pfarreien, Tochter-Kirchen und Pfarrbrüchen, eben so gehalten wissen wollen. U n d behalten W i r Uns und diesem apostol. Stuhle vor, was die geistliche Führung anderer Bezirke und Orte angeht, wenn es nöthig ist, besondere Fürsorge zu thun. ( X X X I X ) I n Erwägung aber des großen Umfangs der Kirchensprengeln des Preußischen Reichs, und der großen Anzahl der Eingewidmeten, wie auch: daß es hiernach den Erzbischöfen und Bischöfen überaus schwer fallen dürfte, allen Gläubigen das Sakrament der F i r m u n g auszuspenden, und ohne Beistand eines fremden Bischofs alle gottesdienstlichen Handlungen des bischöflichen Standes zu verrichten, wollen W i r die weihbischöfl. Würde i n denjenigen Sprengein des Preußischen Reichs, i n denen sie bereits besteht, nicht allein hierdurch bestätigen, sondern auch i n den Sprengein von Trier und K ö l l n herstellen und von neuem errichten; demzufolge dann jeder Erzbischof und Bischof an Uns und Unsere Nachfolger, die Päbste zu Rom, die Bitte zu bringen hat, daß ein m i t den gehörigen Erfordernissen versehener Mann, geistlichen Standes, zu der weihbischöfl. Würde bestimmt, und i n Vorgang des kanonischen Prozesses, auch m i t Beachtung hergebrachter Formen, und nach Anweisung eines anständigen Auskommens zu einem T i t u l a r - B i s t h u m i n Landen der Ungläubigen erhoben werden möge. (XL) U n d w e i l W i r die Herstellung des berühmten, uralten erzbischöfl. Stuhls zu Kölln, der Erhaltung des vor zwanzig Jahren, gleichsam an seiner Statt, errichteten Bisthums Aachen 1 5 vorgezogen haben, aber auch, i n Über15

Errichtet 1802 i n der Zeit der französischen Herrschaft; aufgehoben 1821; neuerrichtet 1930 auf der Grundlage des preußischen Konkordats v o n 1929 (siehe „Staat und Kirche", Bd. I I I ) .

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8. Kap. : Vereinbarungen zwischen Preußen und dem Heiligen Stuhl

einstimmung m i t des Durchlauchtigsten Königs von Preußen Wunsch und geneigtem Willen, der Stadt Aachen etwas Angenehmes erweisen wollen: so beschließen und verfügen Wir, daß die bisherige Kathedrale zur heil. Jungfrau Maria daselbst i n ein Kollegiatstift umgewandelt werden soll, bestehend aus der einzigen Würde eines Probstes und aus sechs Kanonikaten, deren V e r leihung, was die Probstei betrifft, dem heil. Stuhle ausschließlich, was h i n gegen die Kanonikate angeht, i h m i n Abwechslung m i t dem Erzbischöfe zu K ö l l n , gebühren w i r d . Diesen Kapitularen verleihen W i r aus besonderer Gnade die Erlaubniß, violettseidene Großtalare zu tragen, m i t seidenen Schnüren aufgeschürzt, und i m Winter Hermelin-Fell, i m Sommer Mozetten über die Chorhemden. Ferner: die Befugniß eigne Satzungen aufzurichten, i n derselbigen Form und Weise, wie oben von den K a t h e d r a l - K a p i t e l n gesagt worden ist. I V . Dotation

der Bischofsstühle,

Domkapitel

und Seminare

( X L I ) Z u m Vollzieher dieses Unseres Briefes ernennen, wählen, setzen und verordnen W i r Unsern ehrwürdigen Bruder, Joseph Bischof von E r m l a n d 1 6 , auf dessen Einsicht, Gelehrsamkeit und Rechtlichkeit W i r i n dem H e r r n ein großes Zutrauen setzen. I h m überlassen Wir, alles und jedes Vorbesagte und von Uns Verfügte zum vorgesetzten Ziel zu leiten, und (damit die erledigten Stühle, wie es die Noth erfordert, des baldigsten m i t tüchtigen H i r t e n versehen und die kirchl. Angelegenheiten i n bessern Stand u n d Ordnung gebracht werden mögen) die Kirchen m i t angemessener und fester Ausstattung zu versorgen. Die dazu erforderlichen M i t t e l w i r d der vorgepriesene Durchlauchtigste K ö n i g von Preußen, seiner H u l d nach, freigebig bewilligen, als welcher Fürst Uns Gesinnungen der höchsten Großmuth und Güte gegen die seinem Zepter unterworfenen Katholiken, zu erkennen gegeben und zu unverzüglicher Herstellung aller Diözesen seines Reichs folgende A r t und Weise der Ausstattung dargeboten hat : ( X L I I ) Es sollen auf die, namentlich dazu angewiesenen Staats-Waldungen so v i e l Grundzinsen errichtet werden, als auszustattende Sprengel da sind; und zwar zu solchem Betrag: daß die davon jährlich zu erhebenden reinen, von jeglicher Belästigung freien Einkünfte ausreichen, entweder zu gänzlicher Austattung der Sprengel, wenn es durchaus daran gebricht, oder zur Ergänzung der Ausstattung, wenn Sprengel einen Theil ihrer Güter noch besitzen, so daß jede Diözes zukünftig ein solches Jahr-Einkommen haben möge, welches die f ü r die erzbischöfl. oder bischöfl. Tafel, für das Domkapitel, für das Seminar und f ü r den Weihbischof ausgesetzten, unten aufzuführenden Einkünfte vollkommen decke; u n d daß das Eigenthum solcher Grundzinsen durch U r k u n den, i n bündiger den Gesetzen jenes Reichs entsprechender Form abgefaßt und von dem vorgepriesenen Könige selbst vollzogen, einer jeden Kirche übertragen werde. U n d w e i l vorgedachte Waldungen, wie die Staatsgüter überhaupt, aus Anlaß der, i m Kriege gemachten, Schulden m i t Hypothek belastet sind, denselben daher kein Grundzins auferlegt, auch ihr Einkommen nicht bezogen werden kann, bevor durch Zahlungen, welche die Regierung den HypothekarGläubigern geleistet, der Betrag der Staatsschuld vermindert, und ein zurei16

Oben S. 205 A n m . 3.

II. Die Bulle De salute animarum

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chender Theil der Staats-Waldungen von der Hypothek frei geworden ist; ferner, da nach dem Gesetze, wodurch der Durchlauchtigste K ö n i g den StaatsGläubigern diese Sicherheit gewährt hat, i m Jahre 1833 durch die Behörden sich entscheiden wird, was für Grundstücke von der Hypothek erledigt oder noch damit beschwert bleiben werden: so beschließen Wir, daß die Eintragung gedachter Grundzinsen i n dem erwähnten Jahre 1833, oder auch theilweise früher, wenn nämlich ein Theil der Waldungen von jener Hypothek befreiet würde, Statt finden soll. Es werden demnach, wenigstens vom Jahre 1833 ab, jene Grundzinsen von den einzelnen Diözesen unmittelbar erhoben; von nun an aber bis zu gedachtem Jahre hin, oder bis dahin, da die Errichtung des Grundzinses früher zu Stande käme, soll eine, dem Ertrag der Grundzinsen gleichkommende Baarschaft aus den Regierungshauptkassen der Provinz einer jeglichen Diözes ausbezahlt werden. U n d u m jede Besorgniß zu heben, daß diese A r t der Zahlung auch über das Jahr 1833 hinausreichen könne, wenn vielleicht die Behörde der Errichtung gedachter Grundzinsen widerspräche, w e i l die Staatsschuld noch nicht genugsam vermindert worden sey, so hat der belobte K ö n i g sich erboten und fest zugesagt und verheißen: wenn wider alle E r w a r t u n g sich solches zutragen möchte; daß dann m i t baarem Gelde des Staats so viel Grundstücke erkauft und den Kirchen zu eigenthümlichem Besitze übergeben werden sollen, als erforderlich sind, u m durch i h r j ä h r liches Einkommen den Betrag jener Grundzinsen zu erreichen 1 7 . Da n u n der Durchlauchtigste K ö n i g verheißen hat, über dieses Alles bündige, i n seinem Reich zu Recht bestehende, von I h m selbst zu vollziehende Urkunden zu desto sicherer Vollführung ausstellen zu lassen: so soll gedachter Bischof Joseph verpflichtet seyn, jeder Kirche eine dergleichen Urkunde zur Aufbewahrung i n ihrem Archiv zu überliefern. ( X L I I I ) Es haben aber die Einkünfte dieser A r t , der Kgl. Verheißung gemäß, frei von allen Lasten, folgenden Betrag jährlicher Ausstattung zu erreichen, als: F ü r den Erzbischof von Kölln, auch für den Erzbischof von Gnesen und Posen 12 000 Preußische Thaler. F ü r die Bischöfe von Trier, Münster, Paderborn und K u l m 8 000 Thaler selbiger Währung. F ü r den Bischof von Breslau 12 000 Thaler selbiger Währung, außer seinem Gute Würben i m Preußischen u n d außer seinen Einkünften aus demjenigen T h e i l der Diöces, welcher dem Zepter Unseres geliebtesten Sohnes i n Christo, des Kaisers von Österreich u n d apostol. Königs von Hungarn u n d Böhmen, Franz, unterworfen ist. Anlangend die Ausstattung des bischöfl. Tisches von Ermland, so erklären Wir, daß da dieser Stuhl Güter und festes Einkommen besitzet, vor der Hand keine V e r änderung Statt finden soll. Es w i r d jedoch zu seiner Zeit eine ähnliche E i n richtung, wie i n Ansehung der übrigen Stühle, durch apostol. A u t o r i t ä t getroffen werden. ( X L I V ) Gleichermaaßen w i r d das Metropolitankapitel zu K ö l l n ausgestattet werden zum jährlichen Betrage: für den Probst von 2 000 Preußischen Thalern, für den Dechant ebenfalls 2 000 Thaler, für die beiden ersten wirklichen K a n o 17 Die hier statuierte Pflicht zur Ausstattung („Dotation") der Bistümer (der bischöflichen Mensa, des Domkapitels, des bischöflichen Seminars u n d des Weihbischofs) m i t Grundzinsrechten oder Grundeigentum wurde weder i n dem vereinbarten Jahr noch später erfüllt. Dazu E. R. Huber, Die Garantie der kirchlichen Vermögensrechte i n der Weimarer Verfassung (1927) S. 78 f.

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8. Kap. : Vereinbarungen zwischen Preußen u n d dem Heiligen Stuhl

nici m i t 1 200 Thalern; für jeden der sechs folgenden wirklichen Kanonici m i t 1 000 Thalern; für die beiden jüngsten wirklichen Kanonici m i t 800 Thalern, für jeden der vier Ehren-Kanonici 100 Thaler; für jeden der acht Vicarien oder Pfründner 200 Thaler. (XLV) Bei der erzbischöfl. Kirche zu Gnesen werden der Probst und die sechs Kapitularen, welche i n Z u k u n f t deren Kapitel ausmachen, fortfahren dasselbe Einkommen zu beziehen, welches der Probst und die sechs ältesten Kapitularen gegenwärtig genießen. Als Einkommen der erzbischöfl. Kirche zu Posen werden i n der vorerwähnten Weise angewiesen werden: dem Probste 1 800 Thaler; dem Dechant ebenfalls 1 800 Thaler; jedem der beiden ältesten Kanonici 1 200 Thaler; jedem der vier folgenden: 1 000 Thaler, jedem der beiden Jüngsten: 800 Thaler; jedem Ehren-Kanonico 100 Thaler; jedem V i k a r oder Pfründner 200 Thaler. ( X L V I ) I n den Domkapiteln Trier und Paderborn dem Probste 1 400 Thaler; dem Dechant ebenfalls 1 400 Thaler; den beiden ältesten Kanonicis jedem 1 000 Thaler; den beiden folgenden jedem 900 Thaler; den übrigen jedem 800 Thaler; jedem der vier Ehren-Kanonici 100 Thaler; jedem der sechs Vikarien oder Pfründnern 200 Thaler. ( X L V I I ) I n dem Domkapitel zu Münster dem Probste 1 800 Thaler; dem Dechant 1 800 Thaler; jedem der beiden ältesten Kanonici 1 200 Thaler; jedem der vier nachfolgenden 1 000 Thaler; jedem der beiden jüngsten 800 Thaler; jedem der vier Ehren-Kanonici 100 Thaler; jedem der acht Vikarien oder Pfründnern 200 Thaler. ( X L V I I I ) I n der Kathedral-Kirche zu K u l m dem Probste 1 200 Thaler; dem Dechant ebenfalls 1 200 Thaler, dem ältesten Kanonico 1 000 Thaler; dem zweiten 900 Thaler; jedem der übrigen sechs 800 Thaler; jedem der vier EhrenKanonici 100 Thaler; jedem der sechs V i k a r i e n oder Pfründnern 200 Thaler. ( X L I X ) I n der Domkirche zu Breslau dem Probste 2 000 Thaler; dem Dechant ebenfalls 2 000 Thaler; dem ersten Kanonico der die Scholasterpfründe hat 1 500 Thaler; jedem der beiden nächstfolgenden Kanonici 1 100 Thaler; den übrigen sieben Kanonicis jedem 1 000 Thaler; den sechs Ehren-Kanonicis jedem 100 Thaler; jedem der acht V i k a r i e n oder Pfründnern 200 Thaler. (L) Anlangend das Domkapitel des Bisthums Ermland, erklären Wir, daß für jetzt eine Veränderung seiner Ausstattung nicht eintreten soll, behalten aber Uns und Unsern Nachfolgern, den Päbsten zu Rom, vor, i h m i n Z u k u n f t eine ähnliche Einrichtung, als den übrigen Domkapiteln, angedeihen zu lassen. (LI) Das Kollegiatstift zu Aachen, aus einem Probste und sechs Kapitularien bestehend, w i r d jenen Betrag des Einkommens behalten, den das bisherige Domkapitel daselbst bezog. (LH) Ferner soll gedachter Bischof Joseph von Ermland, zu angemessener sicherer Ausstattung der Seminarien jeder Diözes, diesen Anstalten, m i t Beibehaltung der Güter, die sie etwa schon haben, jene ganz neue oder ergänzende Ausstattung überweisen, zu welcher der Durchlauchtigste K ö n i g i n seiner Freigebigkeit sich erboten hat. ( L I I I ) Desgleichen tragen W i r ihm, dem Bischöfe Joseph, hierdurch auf: daß er den Erzbischöfen u n d Bischöfen zu ihrer anständigen Wohnung entweder die alten bischöfl. Residenzen, wenn dieses füglich geschehen kann, oder andere Häuser in den Städten, auch, wo die Umstände es begünstigen, einen

I I . Die Bulle De salute animarum

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Sommeraufenthalt, Alles, wie die Gnade des Königs es verleihen w i r d , fest bestimme und anweise. Ein gleiches gilt i n Betreff der Wohnungen und des Gelasses für die Würden, Chorherren, V i k a r i e n oder Pfründner, wie auch für die bischöfl. Kanzlei, das Domkapitel und Archiv. (LIV) Zu baulicher Unterhaltung der Metropolitan- und Kathedral-Kirchen (mit Einschluß der als Kathedrale supprimirten, übrigens aber beibehaltenen Kirchen zu Corvei und Aachen) wie auch Behufs des Aufwandes für den Gottesdienst und f ü r die Kirchenbedienten, sollen alle jene Güter und Einkünfte auch k ü n f t i g gewidmet bleiben, welche es gegenwärtig bereits sind, und deren sorgfältigste Erhaltung der Durchlauchtigste K ö n i g Uns verheißen hat. I m F a l l außerordentlicher Noth vertrauen Wir, daß für dieses Bedürfniß aus dem Vermögen des Königlichen Schatzes m i t Freigebigkeit werde gesorgt werden. (LV) Dem vorgedachten Bischöfe Joseph legen W i r überdies auf, daß er bei jedem Erzbisthum und Bisthum für herkömmlich angemessene Ausstattung der weihbischöfl. Würde sorge; auch den Erzbischöfen und Bischöfen die erforderlichen Einnahmen zur Besoldung des General-Vikars und zum Unterhalte der Behörde; nach der höchst freigebigen und fürsorglichen Verfügung des Königs überweise. (LVI) U n d da der Durchlauchtigste K ö n i g von Preußen verheißen hat, daß jene Häuser, die zur Versorgung ausgedienter, alter und kranker Priester, wie auch zur Zähmung ungerathener Geistlichen, bereitet sind, nicht eingehen; vielmehr da, wo es noch daran gebricht, deren neue errichtet werden sollen; so überlassen W i r Ihm, dem Bischöfe Joseph, i n vorgängiger Erkenntniß dessen, was der vorbelobte K ö n i g dieserwegen verfügt hat, auch nach eingezogenem Gutachten der betreffenden Ortsordinarien, unter deren Aufsicht dergleichen Häuser bleiben müssen, alles, was zu deren Ausstattung gehört, anzuordnen. ( L V I I ) Da sich aber in den Domkirchen zu Aachen und Corvei heiliges Geräthe befindet, dessen dieselbigen zur Ausübung der Pontifikal-Handlungen i n Z u k u n f t ferner nicht bedürfen, so ertheilen W i r dem erwähnten Bischöfe Joseph die Macht, solches zum Gebrauche und Nutzen der Metropolitankirche zu Kölln, wenn solches nöthig ist, sonst aber zum Nutzen anderer Kirchen des Preußischen Reichs zu verwenden. ( L V I I I ) Ferner, m i t Rücksicht auf den Betrag des Einkommens, welches den erzbischöfl. und bischöfl. Sitzen des Preußischen Reichs dermalen beigelegt worden ist, wollen Wir, daß sie i n den Büchern der apostol. K a m m e r i n Z u kunft geschätzt seyn sollen, w i e folget: die Kirche zu K ö l l n m i t 1 000 Goldgulden des Kammersatzes; die vereinte Kirche von Gnesen und Posen ebenfalls m i t 1 000 Gulden; die Kirche zu Breslau m i t 1 100 2 / 3 Gulden; die Kirchen von Trier, Münster, Paderborn, K u l m und Ermland, jede zu 666 2/3 Gulden. V. Der Vollzug der Bulle ( L I X ) A u f daß aber Alles, was hier verordnet worden, gehörig, gut und bald ins Werk gerichtet werde, ertheilen W i r dem mehrgedachten Bischöfe Joseph von Ermland, als angeordneten Vollzieher dieses Briefes, alle und jede V o l l machten, so zu diesem Geschäfte nöthig oder dienlich sind, auf daß er, nach vorgängiger Ausstattung mittelst der, i n rechtsgültiger Form abzufassenden Urkunden, zur Errichtung oder neuer Gestaltung einer jeden Kirche, wie auch

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8. Kap. : Vereinbarungen zwischen Preußen und dem Heiligen Stuhl

ihres Kapitels, desgleichen zur Umschreibung ihres Sprengeis vorschreiten, auch alles Übrige, w i e vor beschrieben ist, ausrichten und ordnen möge, als wozu W i r i h m hiermit Unser apostolisches Ansehen leihen. Ferner legen W i r Ihm, dem Bischöfe Joseph, die Befugniß bei: zu desto vollkommener Vollziehung dieser Sachen, zumal an Orten, die von seinem Aufenthalte weit entlegen sind, Eine oder auch mehrere Personen, die in gleicher oder anderer kirchl. Würde stehen, statt seiner m i t Vollmacht zu versehen. Und sowohl er selbst als jene Person oder Personen, so er m i t Vollmacht versehen haben wird, sollen ermächtigt seyn, über jeden Einwand, der vielleicht bei Gelegenheit der Vollziehung dieses Briefs gemacht werden dürfte, m i t Beobachtung jedoch der Formen des Rechts, schließlich und ohne Verstattung einiger Berufung zu erkennen. (LX) W i r machen aber auch dem besagten Bischöfe Joseph zur Pflicht und gebieten ihm, daß er Abschriften aller Verhandlungen, so sich auf die V o l l ziehung gegenwärtigen Briefes beziehen, sowohl seiner eignen als derer, die er statt seiner bevollmächtigt haben wird, innerhalb vier Monate nach v o l l brachter Vollziehung, i n beglaubigter Gestalt, an diesen apostol. Stuhl überschicke, damit solche in dem Archiv der Versammlung, die über die Konsistorial-Angelegenheiten gesetzt ist, altem Gebrauche gemäß, aufbewahrt werden mögen. ( L X I ) Es soll aber dieser Brief und Alles was darin enthalten und beschlossen ist, weder darum: daß die, oder die, so an dem Vorbesagten, ganz oder theilweise, berechtigt oder betheiligt sind, oder auch erst k ü n f t i g zu seyn behaupten (sie mögen seyn wes Standes oder Ranges sie wollen, selbst ausdrücklicher u n d namentlicher Meldung würdig) nicht darein gewilligt; oder daß Einige aus ihnen nicht dazu gerufen, oder gar nicht, oder nicht genugsam angehört; noch selbst u m Verletzung Willen, oder aus einem anderen in den Rechten noch so sehr begünstigtem Grunde, Anschein, Vorwand, oder Verfügung, selbst des geschlossenen kanonischen Gesetzbuchs, weder als erschlichen, oder nichtig, oder Unserer wahren Willensmeinung und der Beistimmung der Betheiligten ermangelnd, oder m i t einem andern, noch so großen und wesenhaften Gebrechen, wie es immer ausgedacht werden möge, behaftet; noch auch darum: daß die Feierlichkeiten und Formen nicht gehörig beobachtet und vollbracht; oder daß die Ursachen, u m derentwillen Vorgedachtes ergangen ist, nicht genugsam angeführet, nachgewiesen und gerechtfertigt worden, jemals können i n Anspruch genommen, angefeindet, entkräftet, ausgesetzt, beschränkt, beschnitten, i n Zweifel gezogen, noch dagegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Erlaubniß zu reden 1 8 , oder irgend ein anderes Rechtsmittel der Form oder des Thatbestandes zugestanden werden. Auch soll dieser Brief unter die Verfügung der i h m etwa widerwärtigen Verordnungen, Widerrufe, Suspensionen, Beschränkungen, Aufhebungen, Veränderungen, Verfügungen und Erklärungen, allgemeinen und besonderen, keineswegs begriffen, v i e l mehr gänzlich davon ausgenommen seyn und bleiben, und als von Uns, aus päbstl. Fürsorge, gewisser Erkenntniß und Fülle apostol. Gewalt erlassen, sich durchaus vollkommner K r a f t und Gültigkeit erfreuen, m i t h i n zu seiner vollen Wirksamkeit gelangen, und zukünftig von Allen, die es angeht und angehen 18 „Aperitio oris" = Erlaubnis zur richterlichen Uberprüfung (dazu unten S. 256, 307).

I I I . Das Breve über die Bischofswahlen

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wird, beständig und unverbrüchlich beobachtet werden; auch den Bischöfen und Kapiteln vorgedachter Kirchen u n d anderen darin m i t Gunst bedachten Personen zu ewigen Zeiten i n alle Wege zum Nutzen gereichen. Sie sollen daher, i n Betreff des Vorgedachten und aus dessen Anlaß von Niemanden, er sey welches Ansehens er wolle, belästiget, gestöret, beunruhigt oder gehindert werden; auch nicht zum Beweise oder zur Bekräftigung dessen, was in diesem Briefe geschichtlich angeführt ist, verpflichtet seyn, und dazu weder i m Gerichte noch außergerichtlich jemals können angehalten werden. Und falls es sich zutrüge, daß Jemand, welches Ansehens er auch sey, wissentlich oder unwissentlich hiergegen handelte; soll solches als n u l l und nichtig angesehen werden. ( L X I I ) Auch soll nicht dawider seyn: „daß wohlerworbene Rechte nicht aufzuheben," ferner: „daß bei Suppressionen die Betheiligten zu hören" und was dergleichen Unserer und der apostol. Kanzlei Regeln mehr sind. So auch nicht der gedachten Kirchen m i t päbstl. oder sonstiger Bestätigung versehene Statuten, uralte Gewohnheiten, auch Privilegien, Indulte und Verleihungen von noch so besonderem Inhalt, selbst ausdrücklicher Meldung Würdige. Auch nicht die von den Päbsten und i n den Provinzial- oder General-Synoden ausgegangene Verordnungen und Beschlüsse aller A r t , die W i r vielmehr sammt und sonders, ihrem ganzen Inhalte und ihrer Form nach, und (dafern deren besondere ausdrückliche und eigentliche Erwähnung nöthig oder dazu eine andere besondere Weise erforderlich wäre) gleich als ob i h r I n h a l t von Wort zu Wort, nichts ausgelassen, hier eingetragen, und jene Form genau beobachtet worden wäre, aus apostol. Gewalt, soweit es dessen zur Vollziehung und Ausführung alles Vorgedachten bedarf, hierdurch gänzlich entkräften; wie auch in gleicher Weise alles Übrige was obigem entgegensteht. ( L X I I I ) Auch wollen Wir, daß den Abschriften dieses Briefes, selbst A b drücken die durch Unterschrift eines öffentlichen Notars beglaubigt, und m i t dem Siegel einer Person, die in kirchl. Würde steht, versehen sind, überall, wo sie dargereicht und vorgezeigt werden, gleicher Glaube, wie der Urschrift zu Statten kommen soll. ( L X I V ) Niemand also, wer er auch sein möge, soll diesen Unsern Brief der Aufhebung, Erlöschung, Vernichtung, Herstellung, Errichtung, Vereinigung, Theilung, Trennung, Absonderung, Beifügung, Zuwendung, Umschreibung, Verleihung, Verstattung, Gewährung, Uberweisung, Ergänzung, Unterwerfung, Beilegung, Satzung, Erklärung, Überlassung, Abordnung und Beauftragung, Beschließung, Aufhebung u n d Willensäußerung, auf irgend eine Weise brechen oder freventlich dagegen handeln. Wer aber solches zu t h u n wagt, soll wissen, daß er die Ungnade des allmächtigen Gottes und seiner heil. Apostel Petrus und Paulus auf sich lenke.

I I I . Das B r e v e ü b e r die B i s c h o f s w a h l e n Während die Bulle De salute animarum nur allgemein den Dom- und Metropolitankapiteln das Recht zur Wahl der Bischöfe und Erzbischöfe zuerkannte, regelte das an die wahlberechtigten Kapitel gerichtete Breve Quod de fidelium, das Pius VII. ebenso wie die Bulle am 16. Juli 1821 unterzeichnete, die Staat-

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8. Kap. : Vereinbarungen zwischen Preußen und dem Heiligen Stuhl

liehen Mitwirkungsrechte bei den Bischofswahlen (Nr. 92). Danach konnte die Wahl des Kapitels nur auf einen vom König zuvor approbierten Kandidaten fallen. Diese Regelung galt zunächst nicht für die Bischofswahlen in GnesenPosen, Kulm und Ermland, wo der König ein noch weitergehendes effektives Nominationsrecht beanspruchte 1; erst durch einen vereinbarten Notenwechsel vom 23./24. September 18412 wurde bestimmt, daß das Bischofswahlrecht der Bulle De salute animarum und des Breve Quod de fidelium auch in diesen drei Diözesen Anwendung finden solle. Im übrigen richtete auch die erste Besetzung des Erzbistums Köln und der Bistümer Trier und Breslau nach 1821 sich noch nach den als bindend behandelten Vorschlägen der Regierung*. N r . 92. Breve Papst Pius V I I . Quod de fidelium an die preußischen Domkapitel v o m 16. J u l i 1821 (lateinischer T e x t : E. Friedberg, Der Staat und die Bischofswahlen i n Deutschland, 1874, S. 244 ff.; Übersetzung: H. v. Kremer-Auenr ode, Aktenstücke, Bd. I, S. 74 f.) — Auszug — Was W i r , u m das Heil der i n Euerem Lande lebenden Gläubigen äusserst besorgt, so sehr gewünscht und m i t allem Eifer betrieben haben, das ist endlich zu unserer Freude glücklich zu Stande gekommen, durch den gütigen Beistand dessen, der Geber des Friedens und Vater jedes Trostes ist. Nach so vielen Schwierigkeiten i n unseren höchst traurigen Zeitläufen konnten w i r nämlich i n diesem Reiche Bischofssitze, welche für so viele Namen werden anempfohlen werden, errichten, und nach der Bequemlichkeit der oberherrlichen Heerde passend vertheilen, nachdem die Angelegenheit vorzugsweise m i t Eurem Allergnädigsten Könige vereinbart worden war, der, durch den i h m eigenen erhabenen Edelmuth bei der großmüthigen Gewährung des Einkommens derselben, Unsern Bemühungen ausnehmend förderlich entgegen gekommen ist. Den ganzen Sachverhalt werdet I h r w o h l genau aus dem apostol. Schreiben erfahren, das diesen betrifft, und dessen Absendung unter Siegel W i r am heutigen Tage anbefohlen haben; auch zweifeln w i r nicht daran, dass I h r großen Trost daraus schöpfen werdet, dass I h r auch mehrere Kirchen eben dieses Landes, welche i m Argen gelegen, neu aufgerichtet, wie auch das bedeutungsvolle Vorrecht der Bischofswahl Euch gewahrt sehen werdet; ein Hauptgegenstand ebensowohl Eurer als Deutschlands angelegentlichster Wünsche. Bei diesem Anlass aber wollen W i r ganz besonders an Euch diese briefliche Mahnung richten, um, von Unserer allgemeinen Dankfeier und Benedeiung des H e r r n abgesehen, vielmehr bei dem höchst wichtigen Acte der Wahl Euere Frömmigkeit, Weisheit und Ehrenhaftigkeit eindringlichst anzueifern. Haltet Euch (Wir sagen dies m i t der grössten Bekümmerniss des Herzens) haltet Euch beständig vor Augen, was die Tridentinische Kirchenversammlung allen denjenigen sehr deutlich vorschreibt, welche zur Beförderung der zukünftigen 1 2 3

Uber diese Quasi-Nomination siehe oben S. 203. Unten Nr. 195. Verfassungsgeschichte, Bd. I, S. 446.

IV. Der preußische Bischofseid

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Vorsteher i n irgendwelcher A r t ihren Beistand gewähren (Sess. 24, Cap. I de Ref. — Sess. 6, Cap. I de Ref.). Es handelt sich u m die Ehre des Allmächtigen, u m das Wohl der Seelen, auch u m Euer ewiges Heil. K e i n anderes Ziel darf Euch demnach bei der Stimmabgabe leiten, als die Sorge für die Vortheile der Religion und die Unversehrtheit der Herde; denn I h r werdet Gott selbst, der von Eueren Händen das B l u t der Lämmer fordern wird, wenn schlechte Leitung der H i r t e n einige davon umkommen liess, Rechenschaft über Eure Mühe und Stimmabgabe ablegen. Da aber behufs des Gedeihens der Religion und der förderlicheren Verwaltung des bischöfl. Amtes gar v i e l daran liegt, dass die wechselseitige Eintracht beider Gewalten gewahrt werde, indem eben nach dem Zeugniss des Ivo Carnotensis 4 , bei der Übereinkunft zwischen K ö n i g t h u m und Priesterthum die Welt gut regiert w i r d und die Kirche Blüthen und Früchte trägt: so w i r d es an Euch liegen, jene vorzuschlagen, von denen I h r wisst, dass sie, neben den sonstigen v o m Kirchenrechte festgesetzten Eigenschaften, auch noch durch den Vorzug der Klugheit sich empfehlen, und nicht minder Sr. Maj. dem K ö n i g genehm sein werden, über welche Umstände I h r vor dem feierlichen, streng nach den canonischen Regeln vorzunehmenden Wahlacte Euch zu vergewissern trachten werdet. Obwohl W i r nun, den Wünschen Sr. Maj. nachgebend, in Unserm obenerwähnten Schreiben bestimmt haben, dass die zur Wahl gelangenden Kirchenfürsten Preussens, Eingeborne dieses Reiches sein sollen, so ist es doch nicht Unsere Absicht, dass alle Jene, die ausserhalb des Landes ansässig sind, von Euch ausnahmslos ausgeschlossen werden. Neigen sich nämlich Eure Stimmen einem Priester deutscher Nation zu, den grosse Vorzüge auszeichnen, der aber i n ausserpreussischem Gebiet wohnt, so erklären W i r bereitwillig die Gestattung seiner W a h l zum Bischof unter Zustimmung des Königs.

I V . D e r preußische Bischofseid Im alten Reich schuldeten die Reichsbischöfe, die als geistliche Fürsten keinem Landesherrn Untertan, sondern selbst Landesherren waren, der weltlichen Obrigkeit keinen Treueid. Dagegen verlangten die weltlichen Landesherren von den innerhalb ihres Staatsgebiets residierenden Landesbischöfenden Grundsätzen des Absolutismus gemäß, den Untertaneneid. In Preußen traten infolge der Gebietserweiterungen des 18. Jahrhunderts die ersten katholischen Landesbistümer in den Staatsverband ein, nämlich zunächst das Bistum Breslau mit der Einverleibung Schlesiens (1742) 2, dann das Bistum Ermland mit der ersten polnischen Teilung (1772)*. Preußen garantierte bei diesen Gebiets4 Bischof Ivo von Chartres (t 1196) sprach dies i n seinen Schriften zu den kirchenrechtlichen Fragen des Investiturstreits aus. Dazu R. Sprandel, Ivo von Chartres (1962). 1 Uber Reichsbistümer und Landesbistümer vor der Säkularisation: Verfassungsgeschichte Bd. I S. 401 f. 2 Berliner Vertrag v o m 28. J u l i 1742; T e x t : F. W. Ghillany, Europäische Chronik 1492 - 1877, Bd. I (1865) S. 265 f., A r t . 6: „Die katholische Religion soll i n Schlesien in statu quo erhalten bleiben, ohne daß die Religionsfreiheit der Protestanten und die Rechte des Souveräns beeinträchtigt werden." 3 Petersburger Vertrag vom 5. August 1772; T e x t : G. F. v. Martens, Recueil

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8. Kap.: Vereinbarungen zwischen Preußen und dem Heiligen Stuhl

erwerbungen den unversehrten Besitzstand der katholischen Religion; es forderte und erlangte zugleich den Untertaneneid der Geistlichen der neuerworbenen katholischen Gebiete, insonderheit den Treueid des Fürstbischofs von Breslau 4 und des Bischofs von Ermlands. Durch die zweite und die dritte polnische Teilung (1793, 1795) 6, den Reichsdeputationshauptschluß von 1803 (oben Nr. 5) und durch die Pariser Friedensverträge von 1814/15 erwarb Preußen die Staatshoheit über weitere Landesbistümer; es dehnte entsprechend die Eidespflicht auf die Bischöfe auch dieser neuen Gebietsteile aus. Die preußische Regierung berief sich dabei insbesondere auch auf das Beispiel Frankreichs, wo der Staat den Treueid des Episkopats nach anfänglichem kirchlichem Widerstand mit dem Konkordat von 1801 und den Organischen Artikeln von 1802 durchgesetzt hatte (oben Nr. 2). Der Bischofseid in Preußen wurde in dieser Zeit in der nachstehend wiedergegebenen Form geleistet (Nr. 93). Nach dem Inkrafttreten der Bulle De salute animarum erhielt der preußische Bischofseid eine neue Form (Nr. 94). Sie blieb bis zum Kulturkampf in Kraft7. In mehrfach veränderter Form besteht die Eidespflicht der Bischöfe bis heute fort 8. Auch die übrigen deutschen Staaten, in deren Gebieten katholische Landesbistümer bestanden oder errichtet wurden, so Bayern und die Staaten der oberrheinischen Kirchenprovinz, setzten den Bischofseid durch 9. Das gleiche gilt für Sachsen, wo alle Mitglieder des katholischen Klerus, an der Spitze der im Bischofsrang stehende apostolische Vikar in Dresden, der Eidespflicht unterworfen waren 10. des principaux traités, Bd. V I , S. 89, 93. Dazu das preußische Besitznahmepatent vom 13. September 1772; Text: E. F. Graf v. Hertzberg, Recueil des deductions, manifestes, traités et autres actes publiés pour la cour de Prusse Bd. 1 (1789) S. 319. Es versprach den neuen Untertanen, „sie samt und sonders bei ihren Besitzungen und Rechten in Geist- und Weltlichem zu lassen, zu schützen und zu handhaben". Die Verfügung f ü r die Provinz Westpreußen vom 4. Oktober 1773 (Text: H. F. Jacobson, Geschichte der Quellen des katholischen Kirchenrechts der Provinzen Preußen und Posen, 1827, S. 195) setzte hinzu: „Da W i r die schlesische Verfassung i n Unserer dortigen Provinz i n Ansehung der katholischen Geistlichkeit eingeführt wissen wollen, so habt I h r Euch nach sothaner Verfassung zu richten". Das i n Schlesien entwickelte Staatskirchenrecht wurde damit auch i n den polnischen Provinzen eingeführt. 4 I n Breslau widersetzte das Domkapitel sich anfänglich der Eidespflicht; es fügte sich dann aber, wie der Fürstbischof, der staatlichen Forderung. Dazu E. Friedberg, Die Gränzen zwischen Staat und Kirche (1872) S. 272. 5 Für das Bistum Ermland schrieb die preußische Regierungsinstruktion v o m 21. September 1773, dem bisherigen polnischen Recht folgend, den Treueid der Geistlichkeit, auch des Bischofs, vor. Dazu E. Friedberg, a.a.O., S. 282. 8 Durch die zweite polnische Teilung (1793) kamen an Preußen das Erzbistum Gnesen und das Bistum Posen (zunächst Provinz Südpreußen, seit 1815 Provinz Posen) sowie das Bistum K u l m (Provinz Westpreußen). Durch die dritte Teilung (1795) erhielt Preußen die Bistümer Warschau, Plock, W i g r y und Wraclaweck (Provinz Neuostpreußen). Diese gingen jedoch schon 1806 endgültig verloren; auf dem Wiener Kongreß 1815 fielen sie als T e i l von „Kongreßpolen" an Rußland. 7 Siehe „Staat und Kirche" Bd. I I . 8 Ebenda Bd. I I I . 9 Oben Nr. 73, unten Nr. 109. 10 § 27 des Sächsischen Mandats vom 19. Februar 1827 (oben Nr. 68).

I V . Der preußische Bischofseid

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N r . 93. Eid der preußischen Bischöfe vor der Bulle De salute a n i m a r u m (E. Friedberg, Der Staat u n d die Bischofswahlen i n Deutschland, 1874, Anhang S. 227) Ich N. N. schwöre einen Eid zu Gott dem Allmächtigen und Allwissenden dass ich Sr. Kgl. Majestät von Preußen Friedrich W i l h e l m I I I . , meinem gnädigsten K ö n i g und Herrn, und nach Sr. Kgl. Majestät Abgang dessen rechtmässigen Leibes- und Lehnserben und Nachfolgern auf dem Thron unterthänig, treu und ergeben sein, Sr. Kgl. Majestät Bestes nach K r ä f t e n befördern, Schaden und Nachtheil abwenden, auch meine Untergebenen dazu anhalten und nie i n meinem Leben eine Handlung begehen w i l l , wodurch der höchsten Person Sr. Majestät, dem Königl. Hause, dem Lande, der Armee u n d dem Kgl. Dienste irgend ein Nachtheil zugefügt werden könnte. Desgleichen schwöre und gelobe ich, die m i r anzuvertrauende christliche Gemeinde und alle meine Beichtkinder bei gegebener Veranlassung zu gleicher unverfälschter Treue und Ergebenheit gegen Se. Majestät den K ö n i g und das ganze Kgl. Haus aufzufordern und zu ermahnen, selbst m i t gutem Beispiel voranzugehen und überhaupt mich so zu betragen, wie es einem rechtschaffenen Geistlichen u n d treuen Unterthan gebührt. Alles so w a h r m i r Gott helfe und sein heiliges Evangelium; Amen. N r . 94. Eid der preußischen Bischöfe nach der Bulle De salute a n i m a r u m (E. Friedberg, Der Staat und die Bischofswahlen i n Deutschland, 1874, Anhang S. 229 f.) Ich, N. N., erwählter u n d bestätigter Erzbischof (Bischof) von X , schwöre einen Eid zu Gott dem Allmächtigen und Allwissenden und auf das heilige Evangelium, daß, nachdem ich auf den erzbischöflichen (bischöflichen) Stuhl von X erhoben worden bin, ich Sr. Kgl. Majestät von P r e u ß e n . . . und A l l e r höchstdessen rechtmäßigem Nachfolger i n der Regierung, als meinem A l l e r gnädigsten Könige und Landesherrn, unterthänig, treu, gehorsam und ergeben sein, Allerhöchstdero Bestes nach meinem Vermögen befördern, Schaden und Nachtheil aber verhüten und besonders dahin streben w i l l , daß i n den Gemüthern der meiner erzbischöflichen (bischöflichen) Leitung anvertrauten Geistlichen und Gemeinden die Gesinnungen der Ehrfurcht und der Treue gegen den König, die Liebe zum Vaterlande, der Gehorsam gegen die Gesetze und alle jene Tugenden, die i n dem Christen den guten Unterthan bezeichnen, m i t Sorgfalt gepflegt werden; und daß ich nicht dulden w i l l , daß von der m i r untergebenen Geistlichkeit i m entgegengesetzten Sinne gelehrt oder gehandelt werde. Insbesondere gelobe ich, daß ich keine Gemeinschaft oder Verbindung, sei es innerhalb oder außerhalb Landes, unterhalten w i l l , welche der öffentlichen Sicherheit gefährlich sein könnten, und w i l l ich, wenn ich erfahren sollte, daß i n meiner Diöcese oder anderswo Anschläge gemacht werden, die zum Nachtheile des Staats gereichen könnten, hiervon Sr. Kgl. Majestät Anzeige machen. 15 Huber, Staat und Kirche, 1. Bd.

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8. Kap. : Vereinbarungen zwischen Preußen und dem Heiligen Stuhl

Ich verspreche dieses Alles u m so unverbrüchlicher zu halten, als ich gewiß bin, daß ich mich durch den Eid, welchen ich Sr. päpstl. Heiligkeit und der Kirche geleistet habe, zu Nichts verpflichte, was dem Eide der Treue und Unterthänigkeit gegen Se. Kgl. Majestät entgegen sein kann. Alles dieses schwöre ich, so w a h r m i r Gott helfe und sein heiliges Evangelium; Amen.

Neuntes Kapitel Die oberrheinische Kirchenprovinz I . Das B i s t u m K o n s t a n z u n d der F a l l Wessenberg Einer Neuordnung des katholischen Kirchenwesens in Südwestdeutschland waren vor allem die Verhältnisse des Bistums Konstanz im Weg. Dieses erstreckte sich seit der Säkularisation auf badisches , württembergisches, hohenzollerisches und schweizerisches Staatsgebiet. Auf der anderen Seite gehörte das Großherzogtum Baden nur zum Teil dem Bistum Konstanz an; andere badische Landesteile zählten zu den Diözesen Straßburg, Speyer, Worms, Mainz und Würzburg. Koadjutor des Bischofs war seit 1788 Carl Theodor v. Dalberg 1, der 1800 als Administrator die Leitung des Bistums übernahm. Zum Generalvikar bestellte er alsbald den zu dieser Zeit 26jährigen Frhr. v. Wessenberg 2. Da Dalberg als Kurerzkanzler (seit 1802) durch bedeutendere Aufgaben in Anspruch genommen war, leitete Wessenberg das Bistum weitgehend selbständig. Zu den Zielen, die er verfolgte, gehörte unter anderem die Durchsetzung des episkopalen gegenüber dem kurialen Kirchenrecht. Deshalb bestritt er — und mit ihm das Konstanzer Domkapitel — die Weisungsbefugnis des päpstlichen Nuntius in Luzern 3 gegenüber dem Generalvikar und dem Domkapitel in Konstanz. Dies veranlaßte den Papst, in dem Breve vom 7. Oktober 1814 die Abtrennung der in der Schweiz gelegenen Teile des Bistums Konstanz zu verfügen; sie wurden dem Probst von Beromünster Franz Bernhard Göldlin als apostolischem Vikar unterstellt 4. Gegen diese Abtrennung protestierte das Konstanzer Domkapitel in einem Schreiben an Dalberg vom 31. Januar 1815 5 und einem Schreiben an den Papst vom 1. Februar 1815 e, i n dem es eine förmliche Appellation a male informato Pontifice ad melius informandum einlegte. In dem Breve vom 7. September 1816 7 forderte der Papst das Domkapitel auf, die Appellation zurückzunehmen. Erst durch die Neuord 1

Siehe oben S. 22 Anm. 3. Verfassungsgeschichte Bd. I, S. 405 f., S. 432 f.; siehe oben S. 109 A n m . 1. Fabricio Sceberas Testaf errata (1758 - 1843), Titularerzbischof von Beirut, 1803 - 1816 Nuntius i n Luzern. 4 E. Münch, Sammlung der ältern u n d neuern Konkordate, Bd. I I , S. 489 ff. 5 Arch. f. d. kath. Kirchen- u n d Schulwesen 3,1815, S. 166 ff. 6 I. v. Longner, Beiträge zur Geschichte der oberrheinischen Kirchenprovinz, 1863, S. 195. 7 Denkschrift über das Verfahren des Römischen Hofs bei der Ernennung des General-Vikars Frhr. v. Wessenberg zum Nachfolger i m Bisthum Konstanz und zu dessen Verweser, und die dabei von Sr. Königlichen Hoheit dem Großherzog von Baden genommenen Maßregeln (1818) S. 161 ff.; Longner, a.a.O., S. 195 f. 2

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9. Kap.: Die oberrheinische Kirchenprovinz

nung der oberrheinischen Kirchenprovinz 8 wurde der Streit definitiv entschieden. Ungefähr gleichzeitig mit der Verfügung, die schweizerischen Teile vom. Bistum Konstanz abzutrennen, forderte Papst Pius VII. in einem Breve vom 2. November 18149 von Dalberg die Abberufung Wessenbergs als Generalvikar von Konstanz. Dalberg gab das Breve nicht weiter; auch befolgte er selbst es nicht. Er ließ sich durch den Schritt der Kurie auch nicht abhalten, dem Papst im September 1815 Wessenberg als seinen Koadjutor cum spe succedendi für das Bistum Konstanz vorzuschlagen 10. Die päpstliche Bestätigung dieses Vorschlags blieb aus. Nach dem Tod Dalbergs (am 10. Februar 1817) wählte das Konstanzer Domkapitel gleichwohl Wessenberg zum Kapitularvikar und BistumsverweserDer Papst verweigerte jedoch mit dem Breve vom 15. März 1817 die Bestätigung (Nr. 95). Am 21. März teilte er dies auch dem Großherzog Karl von Baden mit (Nr. 96); dieser erhob am 16. Juni Widerspruch gegen die päpstliche Entscheidung (Nr. 97). Auch versagte die badische Regierung dem päpstlichen Breve über die Abberufung Wessenbergs das Plazet; seiner Ernennung zum Koadjutor für Konstanz stimmte sie zu; gegen den päpstlichen Widerspruch hielt sie an der Anerkennung Wessenbergs als Bistumsverwalter fest. Dagegen enthielt sich die württembergische Regierung jeder Stellungnahme: in dem Streit um Wessenberg sah sie eine willkommene Gelegenheit, die Errichtung eines eigenen Landesbistums wirksam zu betreiben. Wessenbergs Versuch, durch Verhandlungen in Rom den Streit beizulegen, scheiterte, da er sich nicht bereit fand, zu erklären, „dasjenige, was Seine Heiligkeit (sc. an Wessenbergs Amtsführung und seinen theologischen Auffassungen) mißbilligt habe, gleichfalls zu mißbilligen" 12. Trotz des päpstlichen Widerspruchs blieb Wessenberg, auf die Zustimmung des badischen Großherzogs gestützt, Kapitularvikar und Bistumsverweser von Konstanz bis zur Aufhebung des Bistums im Jahr 1827™. Die folgende Auswahl von Dokumenten zum „Fall Wessenberg" beschränkt sich auf den Höhepunkt dieses Konflikts zwischen papalem und episkopalem System im Jahr 1817.

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Unten S. 246 ff. Denkschrift über das Verfahren des Röm. Hofs, S. 121 ff. E. Fleig, Fürstbischof K a r l Theodor v. Dalberg und die Säkularisation des Fürstbistums Konstanz (Freiburger Diözesan-Archiv N F 29, 1928, S. 287 f.). 11 Schreiben des Domkapitels zu Konstanz an den Generalvikar Frhr. v. Wessenberg v o m 19. Februar 1817 (Text: I. v. Longner, a.a.O., S. 199 f.). 12 Die kurialen V o r w ü r f e gegen Wessenberg finden sich i n einer Note Consalvis an Wessenberg vom 2. September 1817 (Denkschrift über das Verfahren des Röm. Hofs, S. 17 ff.). 13 Aus der umfangreichen L i t e r a t u r sei hervorgehoben: K . Gröber, Heinrich Ignaz Freiherr von Wessenberg, I I . Teil: Wessenberg und Rom (Freiburger Diözesan-Archiv N F 29,1928, S. 294 - 435). 9

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I. Das Bistum Konstanz und der F a l l Wessenberg

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N r . 95. Breve Papst Pius V I I . an das Domkapitel zu Konstanz vom 15. März 1817 (Lateinischer T e x t : I. v. Longner, Beiträge zur Geschichte der oberrheinischen Kirchenprovinz, 1863, S. 627 f.; deutsche Übersetzung: Theol. Quartalschrift 1819,1. Heft, S. 109 ff.) Euer Schreiben vom 18. v. M., w o r i n ihr Uns den Tod des Erzbischofs von Regensburg und Administrators der Constanzer Kirche Carl Theodor gemeldet und zugleich angezeigt habt, daß das A m t eines K a p i t u l a r - V i k a r s dem Freyherrn Ignatz Heinrich v. Wessenberg von euch übertragen worden sey, hat uns m i t nicht geringem Schmerz erfüllt. Es kann euch nicht unbekannt seyn, und ist auch w i r k l i c h nicht unbekannt, daß gedachter v. Wessenberg der wichtigsten Gründe wegen, Unser Mißfallen dergestalt erregt habe, daß W i r i h n der Stelle eines General-Vikars, die er bekleidet, entsetzt wissen wollten. Wie ist es also zugegangen, daß ihr, m i t Hintansetzung aller Ehrfurcht gegen Uns und diesen heil. Stuhl, denselben Mann, den W i r nicht als General-Vikar haben wollten, zum K a p i t u l a r - V i k a r (was noch mehr ist) erwähltet? Doch hiemit begnüget i h r euch nicht; i h r habt euch sogar erkühnt, von Uns zu begehren, daß W i r eure W a h l genehmigen sollten. Folgendes diene euch zur A n t w o r t auf euere, u m uns gelinder auszudrücken, unüberlegte Bitte. W i r genehmigen die Wahl des v. Wessenberg, zum K a p i t u l a r - V i k a r nicht n u r allein nicht, sondern erkennen auch den v. Wessenberg, als K a p i t u l a r - V i k a r u n d A n t o n Reininger, als dessen Stellvertreter 1 4 , durchaus nicht an, noch werden Unsere geistliche Gerichte sie anerkennen, oder auf Schreiben, die von denselben erlassen sind, je die mindeste Rücksicht nehmen. Deßwegen befehlen W i r euch aus apostolischer Macht vermöge der Uns von Gott anvertrauten Sorge für diegesammte Kirche, daß i h r m i t Beseitigung der W a h l des v. Wessenberg einen K a p i t u l a r - V i k a r erwählet, der i n gutem Rufe bey den K a t h o l i ken steht, und die Pflichten des i h m anvertrauten Amtes recht und genau zu erfüllen i m Stande ist. Dieses Schreiben w i r d euch betrüben, aber es möge euch zur Reue betrüben, damit i h r Uns Folge leistet, und unserm Schmerze Trost, und dem Übel, das ihr gestiftet, schleunige Abhilfe bringet. I n dieser sichern Hoffnung verleihen W i r euch liebevoll den Apostol. Segen.

N r . 96. Breve Papst Pius V I I . an Großherzog K a r l von Baden vom 21. M a i 1817 (Übersetzung: Theol. Quartalschrift, 1819,1. Quartalsheft, S. 111 ff.) Durchlauchtigster Fürst! I n den Staaten u n d unter der Herrschaft Eurer Kgl. H o h e i t 1 5 liegt einer von jenen Kirchensprengeln, welche zu der N u n t i a t u r dieses heil. Stuhls i n der 14 Anton Reininger (geb. 1753), kath. Priester, Dr. theol., Domkapitular i n Konstanz, w a r v o m Domkapitel, gleichzeitig m i t Wessenberg, zu dessen P r o v i car gewählt worden. 15 Karl, Großherzog von Baden (1786 - 1818); Regierungszeit 1811 - 1818.

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9. Kiap.: Die oberrheinische Kirchenprovinz

Schweiz gehören. Dies hat uns veranlaßt, Ihnen durch gegenwärtiges Schreiben Unsern Bruder K a r l , den Erzbischof von Calcedon 1 6 , zu empfehlen, und Sie zu bitten, demselben I h r volles Vertrauen i n A l l e m zu schenken, was er Ihnen i n Unserm Namen vortragen wird. Er ist ein M a n n von vorzüglichen Geistesgaben, und wegen seiner vielen Tugenden Uns so lieb u n d werth, daß W i r i h n w ü r d i g fanden, i h m das A m t eines apostolischen Nuntius bey den Schweizern anzuvertrauen. Übrigens haben uns zwey Ursachen bewogen, an Eure Kgl. Hoheit zu schreiben; erstlich: damit Sie von Uns selbst vernehmen, welch hohe Verehrung W i r Ihnen widmen, und zweitens, u m Sie, nach unserer Amtspflicht, Ihren kath. Unterthanen, u n d der kath. Religion selbst, deren Schicksal durch den Wechsel vergangener Zeit gewiß sehr elend ist, m i t allem Nachdruck geneigt u n d wohlwollend zu machen. Wie aufrichtig W i r gegen Eure Kgl. Hoheit gesinnt sind, w i r d Ihnen unser Gesandte zu erkennen geben; er w i r d i n Unserm Namen inständig i n Sie d r i n gen, daß Sie dagegen auch Uns i n A l l e m w i l l f a h r e n mögen, was Uns so v o r züglich am Herzen liegt. Indessen können W i r nicht umhin, Ihnen durch dieses Schreiben unser sehnlichstes Verlangen auszudrücken, daß auch i n I h r e m Lande die kirchlichen Angelegenheiten berichtigt werden. Unserer Seits w e r den w i r bereitwillig weder Sorge noch Mühe und Fleiß sparen, das, was Uns so sehr angelegen ist, vollenden zu helfen; wie W i r denn auch hoffen, daß die Unterhandlungen, welche andere deutsche Fürsten durch ihre Abgeordnete, besonders dahier i n Rom, ebenfalls m i t Uns pflegen, einen schleunigen und glücklichen Erfolg haben werden. Indem W i r daher zu einem Unternehmen von solcher Wichtigkeit I h r e n Beystand ansprechen, geben W i r Ihnen die Versicherung, daß W i r alle n u r mögliche Rücksicht auf Alles nehmen werden, was Sie von Uns begehren mögen. W i r fühlen Uns indessen gedrungen, Ihnen über einen P u n k t Eröffnung zu than, der Uns gar sehr beunruhigt, der keinen Aufschub leidet, u n d den W i r nicht versäumen können, ohne die Pflicht Unsers heil. Amtes zu verletzen. Schon lange haben W i r viele und die wichtigsten Ursachen, Uns über den Ignaz Heinrich v. Wessenberg, Kapitularen von Constanz, und vormals Gener a l - V i k a r des verstorbenen Administrators des Bisthums Constanz, K a r l Theodors, höchlich zu beklagen. Nachdem W i r gedachten Erzbischof und A d ministrator öfters auf die Verderbtheit seines Vikars, gegen welchen aus Deutschland von allen Seiten Beschwerden bey Uns angebracht wurden, aufmerksam gemacht, die Sache sofort m i t allem Fleiße untersucht, genau und reiflich überlegt, u n d Uns von seinen verkehrten Lehren, seinen sehr bösen Beyspielen u n d seiner frevelhaften Widersetzlichkeit gegen die Befehle des apostolischen Stuhls (was Alles durch unwidersprechliche Dokumente erwiesen ist) überzeugt hatten, und da W i r wahrnahmen, daß sich dieser M a n n nicht bessern, und daß so großen Übeln durch das Ansehen K a r l Theodors nicht gesteuert werde: sahen W i r Uns, K r a f t Unseres Amtes, verpflichtet und genöthiget, durch Unser Breve vom 2. November 1814 17 zu befehlen, daß i h n 16 Carlo Zen (1772 - 1825), Erzbischof von Chalcedon; 1816 - 1817 Nuntius in Luzern; 1817 - 1819 Nuntius i n Paris. 17 Oben S. 228 A n m . 9.

I. Das Bistum Konstanz und der F a l l Wessenberg

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K a r l Theodor auf der Stelle zu entlassen, und nicht weiter als seinen Gener a l - V i k a r zu gebrauchen habe. Ob nun gleich Heinrich v. Wessenberg i n ganz Deutschland i m übelsten Rufe steht, und Unser durch das Breve ausgesprochene Wille nicht unbekannt geblieben war, t r u g doch das K a p i t e l von Constanz nicht nur kein Bedenken (worüber W i r Uns äußerst verwundern müssen, und was Uns großen K u m m e r gemacht hat) denselben, nach dem Ableben K a r l Theodors, als K a p i t u l a r V i k a r zu wählen, und i h m als Gehülfen und P r o - V i k a r den A n t o n Reininger, einen, gleichfalls solchen Amtes unwürdigen Menschen, beyzugeben, sondern dieses Uns sogar berichtlich anzuzeigen. W i r hingegen mißbilligten unterm 15. März und verwarfen eine solche Wahl, und befahlen den Kapitularen, einen andern frommen und tauglichen V i k a r zu w ä h l e n 1 8 ; u n d da W i r den Ignaz Heinrich v. Wessenberg — durchaus verwerfen, haben W i r Unsere geistlichen Gerichtsstellen angewiesen, keinen A k t von i h m zu bestätigen, und keine von i h m unterzeichnete Urkunden anzunehmen. Dieses haben W i r Eurer K g l . Hoheit zutraulich u n d getreulich eröffnet, in der Hoffnung, Dieselben werden, gerührt durch unsre Pflichterfüllung, Alles schützen und vertheidigen, was W i r gethan haben, und Uns behilflich seyn, daß der Ignaz Heinrich v. Wessenberg ausgeschlossen werde, und das Kapitel frey einen andern V i k a r wählen könne. Indem W i r aber bey diesem Geschäfte die Hilfe und den Schutz Eurer Kgl. Hoheit anrufen, mögen Dieselben überzeugt seyn, daß es sich hier nicht allein u m das W o h l der kath. Kirche, sondern auch u m den Nutzen und das Wohl Ihrer Unterthanen, ja selbst Ihres ganzen Landes, handle. Denn welches Ansehen kann bey den Gläubigen ein M a n n behaupten, den alle Guten verabscheuen, den sie verachten, von dem sie durch sichere und offenkundige Beweise wissen, daß er Unsern Beyfall nicht hat? I n i h m kann die öffentliche Ruhe so wenig eine Stütze finden, daß vielmehr zu befürchten steht, die Gemüther der Katholiken dürften, durch Vertheidigung seiner Sache, entfremdet, und sogar aufgereitzt werden, und Störung des Friedens und der Ordnung zur Folge haben. Da Eure Kgl. Hoheit all dieses, in I h r e r Weisheit, leicht begreifen, so halten W i r Uns versichert, daß Sie Unser Ansuchen geneigt und wohlwollend aufnehmen werden. Das Nämliche und noch Anderes, nach Umständen, w i r d Ihnen Unser Gesandte weitläufiger vortragen, W i r aber erflehen für Sie von Gott das vollkommenste und immerwährende Wohlseyn. N r . 97. A n t w o r t des Großherzogs K a r l von Baden an Papst Pius V I I . vom 16. J u n i 1817 (Theol. Quartalschrift, 1819, 1. Quartalsheft, S. 116 ff.) Heiligster Vater! Das Schreiben Ew. Heiligkeit, gegeben . . . den 21. M a i und durch den Erzbischof von Calcedon und apostolischen Nuntius i n der Schweiz — K a r l — überbracht, w a r Uns sehr angenehm; denn es dient Uns zum unzweideutigen 18

Oben Nr. 95.

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9. Kap.: Die oberrheinische Kirchenprovinz

Beweise, daß sich Ew. Heiligkeit die schickliche Berichtigung der kirchlichen A n gelegenheiten i n Unserem Großherzogthume besonders angelegen seyn lassen. Auch W i r wünschen schon lange sehnlichst, zum Wohle Unserer kath. Unterthanen, die bestmögliche Ausgleichung dieser Gegenstände, u n d es ist daher, auf Unsern Befehl, zu Allem, was die Dotation und den Sitz des Bischofs, des Domkapitels und des klerikalischen Alumnats betrifft, die gehörige Vorbereitung eingeleitet worden. Von diesem Eifer beseelt, haben W i r auch Unsere Beystimmung dazu ertheilt, daß Ew. Heiligkeit, noch bey Lebzeiten des Bischofs von Constanz, der damalige General-Vikar Ignaz Heinrich v. Wessenberg, als Coadjutor präsentirt werde, i n der Absicht, der Verwaisung des Bisthums vorzubeugen, und damit die V e r w a l t u n g desselben nach den kanonischen Vorschriften ohne Unterbrechung fortdaure. Als aber der Bischof von Constanz ohnlängst starb, eh noch sein Coadjutor, Ignaz Heinrich v. Wessenberg von Ew. Heiligkeit die i n den deutschen K o n kordaten verordnete Bestätigung erhalten hatte, w a r d i h m ganz i n der A r t u n d Weise, wie solches die kanonischen Satzungen und das beständige H e r kommen i n Deutschland vorschreiben, die provisorische Bisthums-Verwaltung übertragen, wozu W i r auch Unsere Beystimmung zu geben, u m so weniger Bedenken trugen, da seine Mitkapitularen, denen seine vorzüglichen Tugenden bekannt sind, i h n einstimmig für den Würdigsten zu diesem Amte hielten, und durch eine solche Auszeichnung sowohl den besten Ruf, i n welchem er bey der Klerisey u n d dem Volke steht, als die Verehrung rechtfertigten, deren er sich i n ganz Deutschland zu erfreuen hat. Es konnte Uns daher nichts Unangenehmeres und nichts Unerwarteteres begegnen, als daß Ew. Heiligkeit denjenigen, welchen W i r nach dem allgemeinen Urtheile aller Guten und Wohldenkenden, u m die kath. Kirche so hochverdient glaubten, schimpflich als einen Unwürdigen verwerfen würden — durch ein apostolisches Breve vom 18. M ä r z 1 9 , ohne Unser Wissen an die K a p i t u l a r e n zu Constanz erlassen, und Uns viel später zugestellt. W i r können Uns die dem Ignaz Heinrich v. Wessenberg zugefügte Beleidigung nicht anders erklären, als daß sie aus dem Neide der Unwürdigen entstanden ist. Die Gerechtigkeits- und Ordnungsliebe Ew. Heiligkeit w i r d sie wieder gut machen. Indessen verursachte Uns die Bekanntmachung des ersten Breves den tiefsten Schmerz, u n d da W i r berechtigt und verpflichtet sind, die alten K o n k o r date zu handhaben, u n d einen Unschuldigen, den man verdammt, eh er gehört worden, i n Schutz zu nehmen, so finden W i r Uns bewogen, Uns dem Vollzuge jenes apostolischen Briefes m i t Unserm ganzen Ansehen zu widersetzen, und werden auch darauf so lange bestehen, bis I. H. v. Wessenberg, nach A r t und Weise, wie es die besagten Konkordate vorschreiben, vor Gericht gestanden, und überwiesen seyn w i r d , daß kanonische Hindernisse gegen ihn obwalten 2 0 . Denn nach Allem, was Uns u n d Unsern geistlichen und weltlichen Stellen bisher von demselben bekannt geworden ist, w i r d i h n auch die strengste richterliche Untersuchung seiner Sitten und Amtsführung nicht anders als einen durchaus tadelfreyen M a n n finden, und Ew. Heiligkeit empfehlen. 19 20

Gemeint ist das Breve v o m 15. März 1817 (oben Nr. 95). A r t . 2 des Wiener Konkordats v o m 17. Februar 1448.

I I . Das Generalvikariat Ellwangen

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I I . Das G e n e r a l v i k a r i a t E l l w a n g e n Die Verhandlungen der württembergischen Regierung mit der Kurie über ein eigenes Landeskonkordat hatten 1807 zwar zum Entwurf eines Konkordats geführt; sie waren dann jedoch abgebrochen worden 1. 1812 hatte König Friedrich I. von Württemberg darauf aus eigener Machtvollkommenheit und ohne die kanonische Institution durch den damals in seiner Amtsausübung behinderten Papst das Generalvikariat Ellwangen errichtet 2. Diesem waren zunächst die württembergischen Teile des Bistums Augsburg unterstellt. Nachdem Ende 1813 der Verweser des Bistums Würzburg, Generalvikar Frhr. Schenk von Stauffenberg, gestorben war, ging 1814 auch die Verwaltung der württembergischen Teile des Bistums Würzburg in die Hände des Generalvikars von Ellwangen, des Fürsten Franz Karl v. Hohenlohe 3, über. Als der Papst nach Napoleons Sturz seine Handlungsfreiheit wiedergewonnen hatte, nahm König Wilhelm ΙΛ die Verhandlungen über das Konkordat wieder auf5. 1815 entsandte er zu diesem Zweck den Geistlichen Rat Keller β nach Rom (Nr. 98). Die Regierung erstrebte einerseits die Anerkennung des inzwischen geschaffenen Zustands, andererseits die Bildung einer württembergischen katholischen Landeskirche unter einem Erzbischof oder einem exemten Bischof. Die Mission Kellers führte jedoch nicht zum Abschluß eines Konkordats. Am 21. März 1816 bestätigte der Papst hingegen das Generalvikariat Ellwangen (Nr. 99); am 15. Juni 1816 ernannte er Keller zum Bischof von Evara und Provikar für das Generalvikariat (Nr. 100). Am 26. März 1817 genehmigte er, daß auch die württembergischen Teile der Diözesen Konstanz und Worms, die durch den Tod Dalbergs vakant geworden waren 7, dem Generalvikariat Ellwangen unterstellt wurden (Nr. 101). Diese Entscheidungen brachten die württembergische Regierung ihrem Ziel, eine katholische Landeskirche für Württemberg zu bilden, um einige Schritte näher. Das Verhältnis zwischen der Regierung und dem Generalvikariat Ellwangen wurde in einem Erlaß des württembergischen Innenministers vom 23. Januar 1818 genauer geregelt*.

N r . 98. Instruktion K ö n i g Wilhelms I . an den Geistlichen Rat v. K e l l e r vom 1. J u l i 1815 (E. Friedberg, Der Staat und die Bischofswahlen i n Deutschland, 1874, Anhang S. 3 ff.) — Auszug — 1. Unser Bevollmächtigter hat sich ungesäumt nach Rom zu begeben. 1

Siehe oben S. 74. Siehe oben S. 74 f. 3 Siehe oben S. 75 Anm. 5. 4 Wilhelm I., K ö n i g von Württemberg (1781 - 1864), Regierungszeit 1816 -1864. 5 I. v. Longner, Beiträge zur Geschichte der oberrheinischen Kirchenprovinz, 1863, S. 374 ff. 6 Siehe oben S. 74 Anm. 3. 7 Siehe oben S. 228. s Text: Hist. pol. Bl. Bd. 18, 1846, S. 360 ff. 2

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9. Kap. : Die oberrheinische Kirchenprovinz

2. Nach seiner A n k u n f t daselbst w i r d er sich alsbald zu dem päpstlichen Staats-Secretaire, Cardinal Consalvi verfügen . . . 4. I n dem Geiste und nach den in den diesseitigen Aktenstücken enthaltenen Grundsätzen w i r d derselbe die Unterhandlungen . . . wieder anknüpfen und folgende zwei Zwecke seiner Sendung zu erreichen suchen: a) dass Se. Päbstl. Heiligkeit für das Vergangene, und bis zur definitiven Abschließung eines Concordats alles dasjenige, was i n Betreff des zu E l l w a n gen errichteten General-Vikariats nach dem Bedürfnisse der Zeitumstände von uns verfügt worden, genehmige, und dem General-Vikar, Bischof Fürsten v. Hohenlohe die noch immer abgehende Institutionem Canonicam provisorisch ertheile... b) dass die Abschliessung eines Concordats zwischen uns und dem Päbstl. Hofe unterhandelt und zu Stande gebracht werde. 5. Unser Bevollmächtigter hat dabei auf die Errichtung von Einem oder Zwei Bisthümern, wovon i n letzterem F a l l eines ein Erzbisthum wäre, je nachdem man von Seiten des Päbstl. Hofs sich dazu geneigt finden lassen wird, i n der A r t anzutragen, daß i n jedem Falle, es möge ein einziges Bisthum oder ein Erzbisthum m i t einem B i s t h u m errichtet werden, sowohl der Erzbischof als der einzelne Bischof von jedem andern auswärtigen kirchlichen Verbände e x i m i r t u n d dem päbstl. Stuhle unmittelbar und allein unterworfen werde. 6. Ferner w i r d derselbe bei den Verhandlungen über das Concordat zwar die m i t dem Nuntius della Genga getroffene Übereinkunft i n Stuttgart zu Grunde legen 9 . Da W i r aber indessen verschiedene Verfügungen getroffen haben, welche damals n u r als zukünftig versprochen wurden, so w i r d unser Bevollmächtigter bei den Unterhandlungen sowohl als bei dem wirklichen Abschluss einer Convention auf alle durch die gegenwärtige Lage des kath. Kirchenwesens in Unsern Staaten herbeigeführten Veränderungen und Modificationen die gehörige Rücksicht zu nehmen wissen. 7. Unser Bevollmächtigter w i r d sich zugleich alle Mühe geben, die Gesinnungen des Röm. Hofes zu erforschen und denselben gemäss, sich bestreben, über alle Gegenstände des Concordats die für Unser allerhöchstes Landesherrliches Interesse u n d das Wohl unserer Unterthanen vorteilhaftesten Bedingnisse zu erreichen. 8. Würden gegen Unsere E r w a r t u n g von Seite des päbstl. Hofs wesentlich verändernde Modificationen des Concordats oder Beschränkungen Unserer L a n desherrlichen Rechte circa Sacra und Supremae Inspectionis gemacht werden wollen, so hat Unser Bevollmächtigter sich auf dieselben ganz nicht einzulassen, sondern darüber, nebst seinen eigenen Ansichten und Anträgen, Bericht zu erstatten und Unsere allerhöchste I n s t r u k t i o n darüber abzuwarten. 9. Überhaupt hat Unser Bevollmächtigter über den Gang seiner Geschäfte von Zeit zu Zeit an Unsern Minister der auswärtigen Angelegenheiten berichtliche Anzeige zu machen, insbesondere aber nichts abzuschließen, ohne daß W i r zuv o r Unsere allerhöchste Genehmigung dazu i h m ertheilt hätten.

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I I . Das Generalvikariat Ellwangen

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N r . 99. Breve Papst Pius V I I . an den Generalvikar Fürst Franz K a r l v. Hohenlohe zu Ellwangen v o m 21. März 1816 (I. v. Longner,

Beiträge zur Geschichte der oberrheinischen Kirchenprovinz, 1863, S. 621 ff.) — Ubersetzung i m Auszug —

. . . I n dem Wunsch, jetzt für die geistliche Leitung unserer geliebtesten kath. Söhne i n Württemberg zu sorgen und sie wie ebenso Dich von jeder Sorge zu befreien, schließlich auch in der festen Hoffnung, D u werdest das, was W i r D i r übertragen werden, richtig und heilmäßig ausführen, wählen Wir, setzen W i r ein und beauftragen W i r Dich m i t vorliegendem Schreiben als V i k a r für die beiden Teile des württembergischen Herrschaftsgebiets, die zur Diözese von Augsburg und zu der von Würzburg gehören, und zwar, wie D u es i n Deinem Schreiben vom 24. J u n i 1814 erbeten hast, in spirituellen wie j u r i s diktionellen Angelegenheiten. Diese Beauftragung hat Gültigkeit, bis der Apostolische Stuhl für eine dauerhafte Ordnung der Angelegenheiten der K a t h o l i k e n des Königreichs sorgen kann; sie umfaßt die A u t o r i t ä t und die Befugnisse, die den Bischöfen von Augsburg und Würzburg übertragen waren oder — gleichviel i n welcher Form — durch Rechtsgewohnheit oder Privileg zukommen konnten. Zugleich bestätigen w i r auf G r u n d der Fülle Unserer apostol. Macht die Amtshandlungen insgesamt und i m einzelnen, die eine legitime gesetzmäßige Jurisdiktion erfordern, sei es, daß sie von Dir, sei es, daß sie in Deinem Auftrag von anderen bis zum heutigen Tag vollzogen wurden, und verleihen ihnen volle Gültigkeit.

N r . 100. Breve Papst Pius V I I . über die Ernennung des Geistlichen Rats v. K e l l e r z u m Provikar in Ellwangen vom 15. J u n i 1816 (I. v. Longner, Beiträge zur Geschichte der oberrheinischen Kirchenprovinz, 1863, S. 623 f.) — Ubersetzung i m Auszug — Da i m F a l l des Ablebens v o n . . . Franz K a r l , Bischof von Tempe (dessen hohes A l t e r w i r kennen) jene K a t h o l i k e n 1 0 einer legitimen geistlichen Leitung entbehren müßten, bis dieser Heil. Stuhl m i t seiner A u t o r i t ä t Vorsorge f ü r sie getroffen hätte, bestimmen, wählen u n d beauftragen W i r Dich aus der Fülle unserer Macht — nachdem w i r Dich schon zum Bischof der Kirche i n Evara i n partibus infidelium ernannt haben u n d nachdem Franz K a r l , B i schof von Tempe, Dich als seinen Helfer i n der Wahrnehmung seines Amts herangezogen hat, u m m i t Deinem Rat und Deinen Bemühungen sein A m t leichter und nutzbringender ausüben zu können — jetzt für diesen künftigen F a l l als V i k a r für die beiden erwähnten Diözesanteile, und zwar m i t allen 10 Nämlich die Katholiken i n den württembergischen Teilen der Diözesen Augsburg und Würzburg.

236

9. Kap.

Die oberrheinische Kirchenprovinz

Befugnissen und i n derselben A r t und Form, i n der W i r eben diesen Franz K a r l kraft Unseres genannten Briefs vom 21. März dieses Jahres 1 1 als V i k a r gewählt und beauftragt haben. Dies hat zur Folge, daß D u i m F a l l seines A b lebens bevollmächtigt bist, die Leitung und Verwaltung dieser Diözesanteile unverzüglich zu übernehmen und solange innezuhaben, bis dieser Heil. Stuhl für eine dauerhafte Ordnung der Angelegenheiten der Katholiken dieses Königreichs sorgen k a n n 1 2 . N r . 101. Breve Papst Pius V I I . betreffend die Ernennung des Generalvikars Fürst v. Hohenlohe z u m apostolischen V i k a r für die württembergischen Teile der Diözesen Konstanz lind Worms vom 26. März 1817 (I. v. Longner,

Beiträge zur Geschichte der oberrheinischen Kirchenprovinz, 1863, S. 624 ff.) — Ubersetzung i m Auszug —

Ebenso wie W i r Dich durch unser früheres Schreiben vom 21. März des vergangenen Jahres m i t der geistlichen Leitung der beiden Teile des w ü r t t e m bergischen Staatsgebiets, die zuvor den Diözesen Augsburg u n d Würzburg gehörten, unter dem T i t e l eines Vikars beauftragt haben, so beauftragen w i r Dich auf Grund der Fülle unserer Apostolischen Macht i n der gleichen Weise und m i t denselben Rechten zur geistlichen Leitung derjenigen Teile der Diözesen Konstanz und Worms und ebenso der Pfarreien der Stadt Vila, gewöhnlich Weilderstadt genannt u n d von Deggingen, die in weltlichen Angelegenheiten zu diesem Königreich gehören. Diese Beauftragung gilt solange, bis dieser Apostolische Stuhl eine dauerhafte Ordnung (die w i r so schnell wie möglich zu erreichen hoffen) für alle K a t h o l i k e n dieses Königreichs w i r d herbeiführen können . . . 1 3 .

I I I . V e r h a n d l u n g e n ü b e r die B e g r ü n d u n g der o b e r r h e i n i s c h e n K i r c h e n p r o v i n z Der Verlauf des Streits um Wessenberg 1 wie auch das Scheitern der württembergischen Bemühungen um ein Landeskonkordat 2 hatten gezeigt, daß die süddeutschen protestantischen Staaten die Verhandlungen mit der Kurie nur gemeinsam zum Erfolg bringen konnten. Insbesondere der württembergische Bundestagsgesandte Freiherr v. Wangenheim 3 betrieb ein solidarisches Han11

Oben Nr. 99. Der Generalvikar Fürst Hohenlohe starb 1819; seitdem hatte Keller das A m t des Generalvikars inne. 13 I m folgenden tadelt der Papst den Generalvikar v. Hohenlohe, w e i l dieser die geistliche V e r w a l t u n g der genannten Gebiete bereits vor der E r w i r k u n g der päpstl. Bestätigung angetreten hatte. 1 Oben S. 227 ff. 2 Oben S. 233. Oben S. 140 Anm. 2. 12

I I I . Verhandlungen über Begründung der oberrheinischen Kirchenprovinz

237

dein der protestantischen Höfe gegenüber Rom. Da Preußen und Hannover sich nicht beteiligten, beschränkte sich der in den „Frankfurter Konferenzen" 4 bewirkte Zusammenschluß in der Hauptsache auf die südwestdeutschen Mittelstaaten und einige norddeutsche und mitteldeutsche Kleinstaaten. Daß die beteiligten Regierungen dabei den Gedanken, katholische Landesbistümer zu bilden, nicht preisgaben, wird aus der Instruktion für den badischen Gesandten Berstett 5 deutlich (Nr. 102). Die von Rom nicht ohne Grund des „Wessenbergianismus" verdächtigten Konferenzteilnehmer unterschieden sich von Wessenberg insbesondere dadurch, daß ihr Ziel nicht die Nationalkirche, sondern die territorial gebunden Staatskirche war. Dagegen trafen sie sich mit Wessenberg in dem Programm des Episkopalismus und damit in der Ablehnung des papalistischen Systems. Das Ziel der Konferenzen umschrieb Wangenheim in der Eröffnungsrede vom 24. März 1818 (Nr. 103). Auf der Grundlage von „Allgemeinen Grundsätzen, nach welchen in deutschen Staaten ein Konkordat abzuschließen wäre" 6 einigten sich die Konferenzteilnehmer auf „Grundzüge zu einer Vereinbarung über die Verhältnisse der katholischen Kirche in den deutschen Bundesstaaten" 7. Einer Deklaration vom 24. Juli 1818 (Nr. 104), die als Entwurf für ein gemeinsames Konkordat dienen sollte, wurden „Grundbestimmungen für ein organisches Staatsgesetzdas jeder Einzelstaat einseitig erlassen sollte, angefügt. Die beteiligten Staaten nahmen die Deklaration und die Grundbestimmungen durch den Staatsvertrag vom 7. Oktober 1818 (Nr. 105) an. Sie beauftragten eine gemeinsame Delegation, die Annahme der Deklaration bei der Kurie durchzusetzen 9; dieses Ansinnen lehnte Kardinalstaatssekretär Consalvi jedoch in einer Note vom 10. August 1819 ab 1 0 . Consalvi schlug seinerseits vor, sich zunächst auf eine Vereinbarung über die neue Diözesaneinteilung zu beschränken; die oberrheinischen Delegierten erwiderten jedoch, die von ihnen vorgesehene Deklaration habe als „Magna Charta libertatis ecclesiae catholicae romanae" die Aufgabe, den katholischen Untertanen der oberrheinischen Staaten „die Freiheit ihres Gewissens und die freie Ausübung ihres Gottesdienstes zu sichern"u. Nach weiterem Notenwechsel reiste die oberrheinische Delegation im Oktober 1819 aus Rom ab, ohne das Ziel ihrer Verhandlungen erreicht zu haben.

4

Verfassungsgeschichte Bd. I, S. 433 ff. Wilhelm Frhr. v. Berstett (1769 - 1837), seit 1807 i m bad. Dienst; 1816 - 1817 bad. Bundestagsgesandter; 1817 - 1831 bad. Außenminister. 6 O. Mejer, Zur Geschichte der römisch-deutschen Frage, Bd. 2, Teil 2, S. 172 ff., 178 ff. 7 E. Münch, Sammlung der ältern u n d neuern Konkordate, Bd. 2, S. 333. 8 Eilers, Deutsche Blätter 4, S. 81 ff.; da die „Grundbestimmungen" von der „Kirchenpragmatik" von 1820 (unten Nr. 107) abgelöst wurden, sind sie hier nicht aufgenommen. 9 O. Mejer, a.a.O., Bd. 3, S. 7 ff. 10 E. Münch, Konkordate, Bd. 2, S. 378 ff.; I. v. Longner, Beiträge zur Geschichte der oberrheinischen Kirchenprovinz, 1863, S. 466 ff. 11 Note der oberrheinischen Gesandten vom 3. September 1819 (Münch, a.a.O., S. 368 ff.; Longner, a.a.O., S. 485 ff.). 5

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9. Kap.: Die berrheinische Kirchenprovinz N r . 102. Instruktion der badischen Regierung für den Gesandten v. Berstett v o m Februar 1817 (E. Göller, Die Vorgeschichte der Bulle „Provida Solersque", I I , Freiburger Diözesan-Archiv N F 29,1928, S. 447 f.)

1. Es soll eine eigene, das gesamte jeweilige Badische L a n d umfassende, von keiner Kirchengewalt eines anderen Bundesstaates abhängige Landeskirche errichtet werden. 2. Diese Kirche soll zwey Bischöfe, wovon der eine zugleich Erzbischof ist, erhalten. 3. Die Einrichtung einer deutschen Primatie soll, soviel möglich, abgelehnt werden. 4. Die Ernennung des Erzbischofs, des Bischofs, ihrer Domkapitularen sowie die Präsentation auf sämtliche geistliche Pfründen, insoweit dieselben nicht den Standes- und Grund-Herren überlassen ist, steht Sr. Kgl. Hoheit zu, und werden die beyden Ersten v o m Pabste confirmirt. 5. Der Sitz des Erzbischofs m i t seinem K a p i t e l und Seminarium soll i n Freyburg, der des Bischofs i n Bruchsal seyn. 6. Das Kapitel soll i n einem Decan, der zugleich Generalvicar ist, und 4 Domherren, welche zugleich den geistlichen Rath (Vicariat) des Bischofs bilden, dann zwey oder drey Vicarien bestehen. 7. Die Dotation des Erz- und Bischofs soll auf bestimmte Gefälle angewiesen werden. 8. Die des Erzbischofs von 18 000 fl., jene des Bischofs i n 12 000 fl., die eines Decans i n 3 000 fl., die eines Domherrn i n 2 000 fl. und endlich die eines Vicars i n 700 fl. nebst freyer Wohnung und Garten bestehen. 9. Der Erzbischof sowie der Bischof hat die i h m obliegende Visitationen und sonstige Amtsreisen unentgeltlich zu machen, sowie der Bezug der bisherigen Sportein — Taxen — Abgaben u n d Einkünfte aller A r t für den Bischof oder für die zum Domkapitel gehörige Personen aufhört. 10. Die Dotation des Erz- und Bischoffs sowie die der K a p i t e l und der Seminarien, dann die Bezahlung des nebst den zu den Bischöflichen KanzleyGeschäften m i t bestimmten Vicarien etwa noch weiters erforderlichen Personals und der Kanzley-Requisiten liegt, inwieweit die bereits hiezu vorhandene F o n d s . . . nicht hinreichen, dem höchsten Staats-Ärarium Reichs-Deputations-pflichtmäßig auf. N r . 103. Eröffnungsrede des württembergischen Gesandten F r h r . v. W a n g e n h e i m auf der F r a n k f u r t e r Konferenz v o m 24. März 1818 ( I. v. Longner, Beiträge zur Geschichte der oberrheinischen Kirchenprovinz, 1863, S. 409 ff.) — Auszug — Es sind Jahre verflossen, seit der Papst durch die Macht der Ereignisse und durch kluge und redliche Benutzung derselben von Seiten der verbündeten

I I I . Verhandlungen über Begründung der oberrheinischen Kirchenprovinz

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Fürsten wieder i n den Besitz des Kirchenstaates und zugleich in die Lage versetzt worden ist, m i t voller Freiheit für das Wohl der kath. Kirche zu handeln und die Wunden zu heilen, welche i h r die U n b i l l der Zeiten geschlagen hat. Demungeachtet ist dafür von Seiten des Papstes weniger geschehen, als man von seinem Berufe hätte erwarten können, bei weitem weniger, als selbst von den verschiedenen Regierungen, namentlich auch von evangelischen Regenten, dafür gewollt und zum Theil auch gethan wurde. Einen traurigen Beweis für diese Behauptung liefert besonders die deutsche kath. Kirche, welche — ungeachtet Rom noch nie so viele diplomatische Agenten deutscher Höfe i n seinen Mauern und damit beschäftigt sah, das Wohl der Kirchen neu zu gründen und zu sichern — heute noch ohne feste Verfassung, beinahe ohne Bischöfe ist. Bis zum Jahre 1817 schien es, als wolle der Papst die definitive Regulirung der deutschen Kirchenangelegenheiten von dem Bundestage abhängig machen — wenigstens wurde ein K g l . Württembergischer Abgeordneter, der Bischof von Evara 1 2 , bei seiner dritten Mission nach Rom, ein ganzes Jahr lang, auf allgemeine Verhandlungen am Bundestage verwiesen und konnte nicht einm a l zu einer Annäherung an das gewünschte Ziel gelangen. A l l e i n von jenem Jahre an scheint sich das System des Papstes geändert zu haben, und er nunmehr nichts mehr zu wünschen, als jede allgemeine Verhandlung zu umgehen, indem er sich bloß m i t einzelnen Regierungen i n Unterhandlungen, die diesen Namen k a u m verdienen, einläßt. Inzwischen hat die Erfahrung gelehrt, was von den Unterhandlungen einzelner Staaten m i t dem Papste über Konkordate zu erwarten sei. Das Konkordat, welches die Französische Regierung für die gallikanische Kirche, die sich so lange bei dem Genüsse ihrer, i n dem allgemeinen Kirchenrechte gegründeten Freiheiten erhalten hat, m i t dem Papste abschließen w o l l t e 1 3 , erfährt (und gewiß m i t Recht) i n Frankreich den größten Widerspruch. U n d es läßt sich m i t Gewißheit voraussehen, daß es — so, wie es vorliegt — die Zustimmung der K a m m e r n nicht erhalten werde. E i n anderes Konkordat, welches, wie behauptet w i r d , die Kgl. Bayerische Regierung abgeschlossen, aber doch noch nicht publicirt h a t 1 4 , gibt zu noch größeren Besorgnissen Anlaß, als selbst das Französische, und interessirt natürlich die deutschen Regierungen und Partikularkirchen noch weit mehr als dieses... Wenn n u n kath. Könige n u r solche Concordate erhalten konnten, auf was für welche — wenn überhaupt — dürfen sich evangelische Fürsten i n schwächender Vereinzelung Rechnung machen? Es ist von mehreren deutschen evang. Fürsten, welchen durch die V o r sehung die Regierung kath. Unterthanen anvertraut wurde, eingesehen w o r den, daß eine ihrer ersten Pflichten darin bestehe, das Wohl der kath. Kirche zugleich m i t dem Wohle des Staates, i n welchem jene äußerlich gegründet, sicher zu stellen. 12

Nämlich Johann Baptist v. Keller (oben S. 74 A n m . 3). Entstehungsgeschichte und Text des französischen 11. J u n i 1817 bei: E. Münch, a.a.O., Bd. 2, S. 52 ff. 14 Oben Nr. 73. 13

Konkordats

vom

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9. Kap. : Die oberrheinische Kirchenprovinz

Die Kirche kann aber nur ihre höheren Zwecke erreichen, wenn i h r eigent ü m l i c h e s Wesen anerkannt, und die freie E n t w i c k l u n g desselben überall geschützt w i r d . U n d dieser unerläßliche Schutz kann n u r dann wahrhaft fruchtbar eintreten, wenn die Verhältnisse der Kirche zum Staate und das Verhältniß beider zum heil. Stuhle i n seinem Unterschiede von der Person des Papstes sowohl als auch von der röm. Curie, richtig begriffen und kräftig gehandhabt w i r d . . . Die P o l i t i k der röm. Curie hat die Person des Papstes dem heil. Stuhle gleich gesetzt; und es ist n u r zu oft, und nicht immer ohne Erfolg, versucht worden, den Papst über die i n den Concilien vorgestellte Kirche zu setzen und — Weltliches m i t Geistlichem verwechselnd — i m eigenen Staate das Geistliche durch weltliche Absichten bestimmen zu lassen, i n fremden aber m i t der geistlichen die weltliche Macht zu erdrücken. Wenn n u n gleich die Persönlichkeit des gegenwärtigen Papstes große Achtung verdient, und auch die gegenwärtige Zeit den Mißbrauch, den die röm. Curie von ihrem Einfluß auf das V o l k machen könnte, weniger zu begünstigen scheint: so ist doch w o h l zu bedenken, daß — solange das System überhaupt unerschüttert bleibt, ein System, das sich auch jetzt i n dem schreienden Verfahren gegen den H e r r n v. Wessenberg 1 » n u r allzudeutlich als vorherrschend offenbaret, — andere Päpste i n andern Zeiten kommen können, von welchen und i n welchen das alte Spiel der Politik m i t dem Heiligen, m i t größerem und unheilbringendem Erfolge nur zu leicht getrieben werden dürfte. Das Einbrechen solcher Zeiten ist aber nicht einmal unwahrscheinlich, da sich i n der Geschichte die Gegensätze suchen, und wie Despotismus leicht aus der Anarchie zu folgen pflegt, — auch der Fanatismus oft als Sohn der sich selbst vernichtenden Irreligiosität die Stelle einnimmt, welche diese selbst verlassen . . . Die jetzige Zeit scheint für eine klare und unbefangene, zugleich aber auch kräftige Verhältnißbestimmung ganz vorzüglich geeignet, da die Verhältnisse, i n welchen sich der Papst eine Reihe von Jahren hindurch befand, den E i n fluß und das Gewicht der röm. P o l i t i k bedeutend geschwächt haben; die kath. Geistlichkeit, m i t i h r aber auch zugleich ein großer T h e i l der Gemeinden, i n der C u l t u r weit vorgeschritten ist; die i n der kath. Kirche eingerissene V e r wirrung, die Sehnsucht nach Herstellung einer guten Ordnung erhöht hat; völkerrechtliche Verträge die Güter der Kirche beträchtlich gemindert und neue Dotationen von Seiten der Staaten und ihrer Regenten nothwendig gemacht haben, ein großer Theil kath. Staatsbürger unter den Scepter evang. Regenten gekommen ist; und endlich — was w o h l zu beherzigen ist — fast i n der ganzen c u l t i v i r t e n Welt der Wunsch ziemlich allgemein ausgesprochen w i r d , die Usurpation der röm. Curie nicht länger zu dulden, und dem allgemeinen Kirchenrechte wieder zu dem Ansehen zu verhelfen, das i h m gebührt. Der Erfüllung dieses Wunsches w i r d n u n freilich die röm. Curie, m i t ihrer gewöhnlichen Hartnäckigkeit, soviel als immer möglich entgegenwirken, und sie w i r d dies nicht ohne Erfolg thun, solange sich die deutschen Regierungen nicht zu gleich consequenter Festigkeit vereinigen . . .

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.

I I I . Verhandlungen über Begründung der oberrheinischen Kirchenprovinz

241

E i n wichtiger und sicher folgenreicher Schritt zu diesem Ziele ist geschehen. Die meisten evang. Regierungen Deutschlands haben den Entschluß gefaßt, sich für jenen hohen Zweck zu vereinigen, u n d uns ist der ehrenvolle A u f t r a g geworden, die Mittel, welche zur möglich vollständigen Erreichung desselben dienen können, zu berathen. Es scheint daher räthlich: I. über die Verhältnisse der kath. Kirche i n sich, d. h. über i h r Wesen sich auszusprechen; I I . die Verhältnisse der kath. Kirche zum Staate und des Staates zur kath. Kirche zu bezeichnen; I I I . die Verhältnisse der kath. Kirche zum Papst und des Papstes zur kath. Kirche, sowohl überhaupt, als auch i n besonderer Beziehung auf Deutschland zu bestimmen; IV. die Verhältnisse des Papstes zu evang. Fürsten, insofern diese kath. Landestheile unter ihrem Scepter haben, und umgekehrt kath. Fürsten zum Papste (zur röm. Curie, zum heil. Stuhle) festzusetzen; V. zu berathen : ob die Bestimmung dieser Verhältnisse und ihrer Anerkennung i n einem Concordate zu suchen, oder i n einer Deklaration zu fordern sein dürfte, und was i n dem einen oder andern F a l l w i r k l i c h auszusprechen oder n u r i n Ausübung als gemeinschaftlicher und unwandelbarer Grundsatz festzuhalten sei? V I . zu berathen: auf welche Weise der eine oder andere Weg der U n t e r handlung m i t dem Papste einzuschlagen und fortzusetzen? und endlich V I I . welche Schritte dann zu t h u n sein möchten, wenn wider besseres H o f fen m i t dem Papst auf die eine oder andere A r t kein Einverständniß zu erzielen wäre? N r . 104. Deklaration der i n F r a n k f u r t vertretenen Regierungen an den Heiligen Stuhl vom 24. J u l i 1818 (Lateinischer Text: l. v. Longner, Geschichte der oberrheinischen Kirchenprovinz, S. 630 ff.; deutsche Ubersetzung: ebenda S. 458 ff.) — Auszug — Nachdem endlich der Friede i n Europa hergestellt und Deutschlands Angelegenheiten i n eine feste Ordnung gebracht waren, haben sich die Fürsten u n d freien Städte vorzüglich zu dem Zwecke vereinigt, u m den Episkopat, durch den die Kirche regiert w i r d , allda wieder herzustellen, indem dafür sowohl passende Sitze, als auch ihre Begränzung und Dotation angewiesen wurden. Es hatten aber i n der letzten Zeit die alten Diöcesen und die davon abgetrennten Bestandtheile i m Königreiche Württemberg, dem Großherzogthume Baden, dem Churfürstenthume und Großherzogthume Hessen, dem Herzogthume Nassau und dem Gebiete der freien Stadt Frankfurt, beinahe sämmtlich zu derselben kirchlichen Provinz gehört, nämlich zu jener von Regensburgisa^ deren Metropolitanwürde seitdem durch ein päpstl. Dekret aufgehoben 15a

Dazu oben S. 171 Anm. 9.

16 Kuber, Staat und Kirche, 1. Bd.

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9. Kap.: Die oberrheinische Kirchenprovinz

wurde, und es handelte sich deshalb vor allem u m eine neue Begränzung der Diöcesen, die man an die Stelle der alten n u n aufgelösten setzen u n d doch zugleich den Provinzialverband unter ihnen erhalten könnte. Z u diesem Zwecke vereinigten sich — der K ö n i g von Württemberg, der Großherzog von Baden, die Souveräne beider Hessen, der Herzog von Nassau u n d die freie Stadt Frankfurt, i n deren Gebieten neue Bisthümer errichtet werden müssen, sowie der Großherzog von Mecklenburg, die beiden sächsischen Häuser, der Herzog von Oldenburg, der Fürst von Waldeck und die freien Hansestädte von Lübeck u n d Bremen, die sich vorbehalten hatten, i n Betreff ihrer kath. Unterthanen sich an geeignete Bisthümer anzuschliesen — durch ihre A b geordneten zu F r a n k f u r t a. M. u n d beschlossen, folgende A r t i k e l zur K e n n t niß Sr. Heiligkeit zu bringen. I. Den Mitgliedern der römisch-katholischen und apostolischen Kirche w i r d zum Behufe einer friedlichen Ausgleichung der kirchlichen Verhältnisse das freie ungehinderte Bekenntniß ihres Glaubens, sowie die freie öffentliche Ausübung ihres Cultus m i t allen Rechten zustehen, w i e sie aus den wesentlichen Grundsätzen ihrer Religion fließen, nicht n u r allein i n denjenigen Ländern und Orten, wo sie bisher dieselben besaß, sondern auch i n denjenigen, wo sie bisher diese Freiheit nicht genoß. Die vereinten Fürsten und Staaten werden Sorge tragen, i n Folge dieser Deklaration alle Hindernisse zu beseitigen, welche die katholische Kirche i n der freien Religionsübung stören könnten, i n Gemäßheit des ihnen zustehenden höchsten Schutzrechtes; und sie werden i h r auch diejenigen M i t t e l gewähren, welche zu ihrer Sicherheit u n d ihrem Vortheile, vorzüglich zur Gründung von Bisthümern nöthig sind. I I . I n Folge dessen haben sie geglaubt, daß folgende fünf Diöcesen errichtet und zu einer und derselben Provinz vereinigt werden sollen, nämlich: 1. Eine für die kath. Landestheile des Königreichs Württemberg, m i t dem Sitze i n der Stadt Rottenburg am Neckar, wo die H a u p t - u n d Pfarrkirche zu St. M a r t i n zu einer Kathedrale erhoben werden soll. 2. Eine zweite f ü r das Großherzogthum Baden, m i t dem bischöflichen Sitze i n Rastatt 1 6 . 3. Eine dritte für sämtliche kath. Einwohner i m Churfürstenthum Hessen, m i t dem Sitze in der Stadt Fulda und der weitern Bestimmung, daß die Kirche, Basilika genannt, auch k ü n f t i g eine Kathedralkirche bleibe, wie sie es schon seit längerem war. 4. Die vierte für die kath. Unterthanen i m Großherzogthume Hessen i n Mainz, wo das Bisthum schon besteht. 5. Die fünfte für die K a t h o l i k e n des Herzogthums Nassau und der freien Stadt Frankfurt. Z u diesem Zwecke w i r d die gegewärtige Pfarr-, ehemalige Collegiatkirche zu St. Georg i n der Stadt L i m b u r g an der L a h n zu einer Kathedralkirche erhoben. I I I . A n jeder Domkirche w i r d als Presbyterium, oder kirchlicher Senat ein K a p i t e l von Canonikern gebildet werden, deren hauptsächliche Bestimmung, außer dem Gottesdienste und der Seelsorge, sein soll, den Bischof i n der Verw a l t u n g seiner Diöcese zu unterstützen. ter

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I I I . Verhandlungen über Begründung der oberrheinischen Kirchenprovinz

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Jedes K a p i t e l w i r d aus einer hinlänglichen Zahl von Canonikern bestehen, i h m w i r d als solchem ein Domdechant vorstehen, der den Vorrang vor den andern haben w i r d . M i t dem K a p i t e l sind einige Präbenden und Kapläne v e r bunden. I V . Die für die B i l d u n g junger Candidaten des geistlichen Standes schon bestehenden bischöflichen Seminarien zu Rottenburg und Meersburg 1 ?, Fulda und Mainz werden erhalten werden. Da wo dergleichen noch nicht bestehen, w i r d Sorge getragen werden, entweder, daß neue Seminarien errichtet, oder die jungen Cleriker i n eines der schon i n der Provinz bestehenden aufgenommen werden. Die Bischöfe werden Niemanden darin aufnehmen, der nicht neben erprobten Sitten i n einer öffentlich zu erstehenden Prüfung sich der Aufnahme w ü r d i g gezeigt hat. Die Aufgenommenen erhalten den zur Erlangung der höheren Weihen nöthigen Tischtitel 1 8 von ihrem Landesherrn. Die Provinz w i r d k ü n f t i g ihre academischen Lehranstalten haben, auf w e l chen sich die Candidaten des geistlichen Amts in den theologischen Wissenschaften bilden können. V. U m die alte deutsche Kirchenzucht aufrecht zu erhalten, werden die Bischöfe durch W a h l zu ihrem A m t e gelangen. U m aber neben den Canonikern der Domkirche auch der Diöcesangeistlichkeit einen A n t h e i l an dieser W a h l zu sichern, wählen sämmtliche Landdechante aus ihrer M i t t e eine der Anzahl der Canoniker gleiche Zahl von verdienten einsichtsvollen Deputirten, welche i n Vereinigung m i t den Domherrn das Wahlcollegium bilden; u n d dieses w ä h l t durch S k r u t i n i u m 1 9 m i t absoluter Stimmenmehrheit aus der Geistlichkeit des ganzen Landes drei taugliche Personen, die — Deutsche von Geburt und Staatsbürger i n einem der Staaten der Provinz, von Seite ihrer K e n n t nisse und ihrer Tugenden w o h l berufen, das canonische A l t e r haben, u n d vor ihrer Ernennung wenigstens 8 Jahre lang m i t Auszeichnung entweder sich der Seelsorge gewidmet, oder ein academisches Lehramt versehen, oder sich sonst i n kirchlichen Geschäften geübt haben. Aus diesen Dreien benennt der Landesherr denjenigen, welcher die bischöfliche Würde erhält. Nachdem der Metropolit oder ein anderer Bischof der Provinz den Informativproceß 2 0 über die Eigenschaften des Ernannten instruirt hat, w i r d dieser die päpstliche Bestätigung nachsuchen, welche Se. Heiligkeit innerhalb sechs Monaten, als über welche Zeit nach den canonischen Rechten die bischöflichen Sitze nicht erledigt bleiben sollen, ertheilen werden. V I . Wenn der Bischof seine Bestätigung erhalten hat, w i r d er, vor seiner Consecration durch den Metropoliten, dem Landesherrn den E i d der Treue und des Gehorsams ablegen, w o r i n er versprechen w i r d , nichts zu unternehmen und an keiner B e r a t s c h l a g u n g Theil zu nehmen, wodurch das W o h l des Staates gefährdet werden könnte, und wenn er von irgend einem Anschlage 17 Später nach Rastatt, dann nach Freiburg, schließlich nach St. Peter i m Schwarzwald verlegt. 18 Das Versprechen einer physischen oder juristischen Person, i m F a l l der Erwerbsunfähigkeit für den Lebensunterhalt des Weihebewerbers aufzukommen. 19 Die Wahl mittels geheimen Stimmzettels. 20 Dazu oben S. 25 Anm. 15.

16

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9. Kap.

Die oberrheinische Kirchenprovinz

der A r t Kunde erhalten sollte, solches dem Landesherrn zu eröffnen. Sobald der Bischof consecrirt, u n d nachdem jede A r t von Exemtion, die etwa i n seiner Diöcese stattgefunden hätte, aufgehoben ist, k a n n er die bischöflichen V e r richtungen i n ihrem ganzen Umfang ungehindert a u s ü b e n 2 1 . . . V I I . Die Domherren werden gewählt u n d ernannt wie der Bischof, so oft Kanonikate i n den K a p i t e l n erledigt werden; den Domdechant jedoch ernennt der Landesherr aus dem Gremium des Kapitels. Außerdem w i r d von dem Subjekte, welches zu einer Domherrnstelle soll befördert werden können, erfordert: daß es aus der Diöcesangeistlichkeit, daß es Priester, dreißig Jahre alt, von untadelichen Sitten, durch theologische Kenntnisse vortheilhaft bekannt sei, und wenigstens 6 Jahre lang m i t Ruhm ein kirchliches oder ein theologisches Lehramt verwaltet h a b e 2 2 . . . V I I I . A l l e A r t e n von Kirchengütern, sie mögen zu Kirchenpfründen, Seminarien, oder zum Kirchenschatz gehören; überhaupt alle kirchlichen Fonds, die allgemeinen, die besondern u n d örtlichen; sowohl welche noch bestehen, als welche i n der Folge noch dazu kommen können, werden immer ungeschmälert erhalten, können auch niemals zu andern Zwecken verwendet, noch auch ihrer Bestimmung entzogen werden, m i t Vorbehalt jedoch der kirchlichen Canones und ihrer Verfügung. Die Landesherren werden den Bisthümern und Domkapiteln, sowie den Seminarien Dotationen anweisen und zwar i n Fonds und unbeweglichen Gütern; und es soll zur Vollziehung des Einen oder des Andern nicht hinreichen, daß der Kirche ständige und hinlänglich versicherte Einkünfte angewiesen, sondern diese Dotationen sollen von dem Staatsgute (Domänen) ausgeschieden, auf die Kirche überschrieben, der Geistlichkeit übergeben und von i h r unter Aufsicht des Bischofs verwaltet werden: die Güter und Einkünfte hingegen, welche zu einzelnen Beneflcien gehören, sollen von den Inhabern dieser verwaltet werden 2 3 . I X . U m die nothwendige Verbindung m i t dem apostolischen Stuhle, als dem M i t t e l p u n k t der kath. Einheit, zu sichern, ist man übereingekommen, den oben gedachten und k ü n f t i g durch einen Metropolitanverband vereinigten Bisthümern einen Erzbischof vorzusetzen, der, ehe er die Ausübung der Metropolitangerichtsbarkeit antritt, gemäß den kirchlichen Canones allen betreffenden Landesherren, über deren Gebiet sich seine Metropolitanprovinr erstreckt, schriftlich angeloben wird, sein A m t zum Besten ihrer kath. U n t e r thanen zu verwalten und nichts gegen die Rechte des Landesherrn und Landesbischofs zu unternehmen. Die vereinigten Fürsten und Städte bringen diese A r t i k e l gegenwärtiger Deklaration, die i n Form einer pragmatischen Sanktion bekannt zu machen ist, zur Kenntniß des Oberhauptes der Kirche, gestützt auf die Hoffnung, Se. Heiligkeit werde sie, nach ihrer vorzüglichen und väterlichen Sorgfalt für die 21

Es folgt die Aufzählung der dem Bischof zugedachten Rechte. Es folgen Einzelheiten über die Vergebung der Domherrenstellen, die Ausübung der Patronatsrechte sowie die Verleihung kirchlicher Beneflzien. 23 Es folgen Bestimmungen über die Höhe der Dotationen. 22

I I I . Verhandlungen über Begründung der oberrheinischen Kirchenprovinz

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kath. Kirche, wohlgefällig aufnehmen u n d i n Gemäßheit ihres heiligen und oberhirtlichen Amtes für deren Vollziehung freundwillige Vorsehung thun.

N r . 105. Erster Staatsvertrag der Oberrheinischen Vereinsstaaten v o m 7. Oktober 1818 (E. Friedberg,

Der Staat und die Bischofswahlen i n Deutschland, 1874, Anh. S. 89 ff.) — Auszug —

I n Folge der vertraulichen Berathungen über die Angelegenheiten der kath. Kirche, welche Se. Maj. der K ö n i g v o n Würtemberg, Se. Kgl. Hoheit der Grossherzog von Baden, K u r f ü r s t von Hessen, Grossherzog von Hessen, Herzog von Nassau und die Freie Stadt F r a n k f u r t als Constituenten der fünf Bisthümer und d e r . . . Grossherzog von Mecklenburg-Schwerin, die Herzöge von Sachsen-Gotha und Altenburg, Sachsen-Hildburghausen und Sachsen-CoburgSaalfeld, Holstein-Oldenburg, der Fürst von Waldeck und Pyrmont, die Freien Städte Lübeck u n d Bremen durch ihre Bevollmächtigten zu F r a n k f u r t a. M. gepflogen, haben sich dieselben über die Grundsätze vereinigt, nach welchen die Wirksamkeit der innerhalb des Staates sich äussernden Kirchengewalt, auf eine gleichförmige Weise geordnet und die zur Kenntniss und Bestimmung des röm. Hofes geeigneten Einrichtungen festgesetzt werden sollen. 1. Die aus den verabredeten Grundzügen zu einer künftigen Vereinbarung über die Verhältnisse der cath. Kirche i n teutschen Bundesstaaten herausgehobenen i n der Beil. L i t . Α. enthaltenen Punkte dem Papste zur K e n n t niss und Beistimmung durch gemeinschaftlich zu bevollmächtigende Gesandten sobald als möglich i n Rom vorlegen zu lassen, u n d über diesen Gegenstand nie einseitig m i t dem römischen Hofe zu unterhandeln. 2. Die i n der Beil. L i t . Β. enthaltenen Grundbestimmungen für ein organisches Staatskirchengesetz, zu deren Erläuterung die Grundzüge sowie die Commissionsprotokolle zur Quelle dienen, als gemeinschaftliche u n d unwandelbare Grundsätze anzuerkennen, fest zu halten u n d sobald die Verhandlungen m i t Sr. päpstl. Heiligkeit beendet sein werden, i n Ausübung zu bringen, m i t dem Vorbehalt gemeinschaftlich zu verabredender zeitgemässer Verbesserungen oder durch Localverhältnisse und andere dringende Umstände nöthig gewordener Anordnungen. 3. Die Höfe von Württemberg u n d Baden werden die zwei Gesandten, wovon einer evang. Confession sein w i r d , ernennen und sich darüber, sowie über die A u s w a h l eines Secretairs u n d Canzelisten verständigen, auch die Ernennung durch ihre hiesigen Bundestagsgesandten den betheiligten Gouvernements bekannt machen. Alles dieses w i r d so geschehen, dass die Gesandten sobald als thunlich die Reise nach Rom antreten können 2 4 . 24 Als Gesandte der oberrheinischen Staaten gingen nach Rom: der W ü r t t e m berger Frhr. Schmitz v. Grollenburg (oben S. 72) und der Badener Johann Frhr. v. Tiirckheim (1778-1847), seit 1808 i m bad. Staatsdienst; 1831 - 3 5 Außenminister.

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9. Kap. Die oberrheinische Kirchenprovinz

IV. Die Zirkumskriptionsbulle f ü r die o b e r r h e i n i s c h e K i r c h e n p r o v i n z Nachdem die Verhandlungen zwischen der oberrheinischen Gesandtschaft und der Kurie 1819 fehlgeschlagen waren 1, berieten beide Seiten von März 1820 bis Februar 1822 entsprechend der kurialen Anregung die Frage der neuen Diözesaneinteilung 2. Sie verständigten sich, Baden als Land mit der höchsten Zahl katholischer Untertanen zum Sitz des Erzbistums zu machen. Um Wessenberg 3 auszuschalten, beschloß man, das Bistum Konstanz aufzuheben und das Erzbistum in Freiburg neu zu begründen. Nachdem dies geklärt war, einigte man sich auch über andere anstehende Fragen. Gleichwohl war es für die beteiligten Staaten überraschend, als die Kurie durch die Bulle „Provida solersque" vom 16. August 1821 (Nr. 106) die neue Zirkumskription anordnete, bevor eine abschließende Übereinkunft, insbesondere über die staatliche Mitwirkung bei der Bischofswahl, erzielt war.

N r . 106. Zirkumskriptionsbulle Provida solersque v o m 16. August 1821 (Lateinischer und deutscher T e x t : Badisches Regierungsblatt, 1827, S. 212 ff.) Pius Bischof, Diener der Diener Gottes Zum immerwährenden

Gedächtniß!

Die fürsehende und eifrige Sorgfalt der Römischen Päbste i n Beilegung und Anordnung alles dessen, was zur besseren Obhut und Pflege der Heerde des Herrn, nach der eigenen Beschaffenheit der Zeiten und Orte, zweckmässiger erscheint, treibt dieselben an, bald neue bischöfliche Sitze zu errichten, bald einige derselben zu versetzen, u m unter dem Segen des H e r r n der Erndte f ü r die geistige Wohlfahrt des gläubigen Volkes dadurch geeignetere Schutzwehre zu errichten. — K a u m w a r daher Deutschland die Ruhe wieder gegeben, so verwendeten W i r Unsere Sorgen unausgesetzt auf die Herstellung der kirchlichen Angelegenheiten, die durch das Unheil der vergangenen Zeiten i n V e r w i r r u n g gekommen waren. U n d nachdem W i r diese vor vier Jahren i n dem Königreiche Baiern auf eine zweckmässige Weise geordnet hatten 4 , so wendeten W i r zugleich ohne Verzug Unsere Sorgfalt auf alle jene Verehrer des wahren Glaubens, welche gegenwärtig unter der Herrschaft der Durchlauchtigsten Fürsten u n d Staaten von Deutschland, nämlich des Königs von Würtemberg, des Großherzogs von Baden, des Großherzogs von Hessen, des Kurfürsten von Hessen, des Herzogs von Nassau, der freien Stadt Frankfurt, des Großherzogs von Mecklenburg, der Herzoge von Sachsen, des Herzogs von Oldenburg, des F ü r sten von Waldeck u n d der freien Hansestädte Lübeck und Bremen, sich befinden, welche, u m ihre Bereitwilligkeit an den Tag zu legen, Alles beizutragen, 1

Oben S. 237. Grundlage der Verhandlungen w a r eine Note Consalvis vom 21. September 1819 (O. Mejer, Die römisch-deutsche Frage, Bd. 3, S. 48, Anm. 2). 3 4 Oben S. 227 f. Oben Nr. 73. 2

I V . Die Zirkumskriptionsbulle für die oberrheinische Kirchenprovinz

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damit durch den apostolischen S t u h l Bisthümer m i t schicklicher Ausstattung entweder neu errichtet oder hergestellt werden möchten, deshalb eine gemeinschaftliche Gesandtschaft nach Rom sendeten. I. Neuerrichtung

und Wiederherstellung

der Bistümer

Da man sich jedoch nicht über alle kirchlichen Gegenstände, wovon es sich handelte, vereinigen konnte, W i r gleichwohl die Hoffnung nicht aufgeben, daß dieses i n der Folge, gemäß der Weisheit jener Fürsten und Staaten, noch werde geschehen können, so haben Wir, damit unterdessen die i n jenen Gegenden wohnenden Gläubigen, welche W i r i n Betreff der geistlichen V e r w a l t u n g i n die größte Noth versetzt sehen, nicht länger eigener H i r t e n entbehren müssen, zur Errichtung einiger bischöflicher Sitze i n den vorzüglicheren Städten u n d Gebieten jener Fürsten u n d Staaten u n d Umschreibung der Diöcesen v o r zuschreiten beschlossen, u m auf das geschwindeste jene Kirchen m i t eigenen Bischöfen versehen zu können, Uns die Sorge vorbehaltend, die catholischen Unterthanen anderer Fürsten m i t der Zeit jenen Diöcesen anzuschließen, die W i r f ü r die bequemsten dazu halten werden. Nach einvernommenem Rathe einiger Unserer ehrwürdigen Brüder, Cardinäle der heiligen Römischen Kirche, unterdrücken, zernichten u n d vertilgen W i r daher m i t sicherer Erkenntniß u n d reifer Überlegung u n d K r a f t der Fülle der apostolischen Gewalt den Titel, den Namen, die Natur, das Wesen u n d den ganzen gegenwärtigen Bestand der erledigten sowohl bischöflichen Kirche zu Constanz, als der zu keiner Diöcese gehörigen Probstei zum heiligen Vitus i n Ellwangen, sammt ihren Capiteln, i n der Absicht, u m frei zu der unten zu benennenden neuen Errichtung von Kirchen und Umschreibung der Diöcesen vorschreiten zu können. Ferner verändern W i r den Zustand der bischöflichen Kirchen zu Mainz und Fulda dergestalt, daß jene allem Metropolitanrechte des Erzbischofs von Mecheln entzogen werde, und nicht mehr an die Anordnung Unsers apostolischen Briefs, welcher anfängt: „ Q u i Christi Domini etc." v. 29. November 18015 gebunden sey; diese aber von dem klösterlichen Stande, i n welchem sie sich, gemäß des apostolischen Briefs Unseres Vorfahrers Benedict X I V . , seligen Andenkens, der m i t den Worten anfängt: „ I n apostolicae etc." 6 befand, enthoben u n d i n weltlichen Stand versetzt v/erde. M i t gleicher Erkenntniß, Überlegung und Gewalt, zur Ehre des allmächtigen Gottes, zur Erhöhung des wahren Glaubens und zur Beförderung der catholischen Religion, errichten und bestimmen W i r für alle Zeit Freiburg, die Hauptstadt i m Breisgau, welche sich durch eine hohe Schule und andere Stiftungen auszeichnet, und von mehr als 9000 Bürgern bewohnt wird, zur erzbischöflichen Stadt, und den sehr berühmten Tempel unter dem T i t e l der Aufnahme der seligen Jungfrau Maria zur erzbischöflichen Kirche und Pfarrkirche; desgleichen Rottenburg am Neckar, ehemals die Hauptstadt des Herzogthums Hohenberg, m i t t e n i m Königreiche Würtemberg, m i t einem ProvinzialJustiz-Collegium und 5500 Einwohnern, zur bischöflichen Stadt, u n d den dort 5

Oben S. 13 Anm. 11. Durch die Bulle „ I n Apostolicae" Papst Benedikts XIV. v o m 5. Oktober 1752 wurde die Abtei Fulda zum Bistum erhoben, jedoch unter Aufrechterhaltung der überlieferten klösterlichen („monachalen") Verfassung. Wesentlicher Text der Bulle: bei G. Richter, Statuta maioris ecclesiae Fuldensis (1904) S. X L V ff. 6

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9. Kap. Die oberrheinische Kirchenprovinz

befindlichen sehr ansehnlichen Tempel unter A n r u f u n g des heiligen M a r t i n , Bischofs u n d Beichtigers, zur bischöflichen Kirche; ferner L i m b u r g an der Lahn, das i n einer fruchtbaren Gegend u n d i n der M i t t e des Herzogthums Nassau liegt, u n d 2700 Einwohner enthält, gleichfalls zur bischöflichen Stadt, u n d den dort befindlichen Tempel unter A n r u f u n g des heiligen Georgs zur bischöflichen Kirche, m i t allen Rechten, Gerichtsbarkeiten, Vorzügen, Ehren u n d Freiheiten, welche dem erzbischöflichen u n d beziehungsweise den bischöflichen Sitzen gesetzmässig gebühren. Der zuvor genannten Metropolitankirche i n Freiburg aber weisen W i r die vier genannten bischöflichen Kirchen zu Mainz, Fulda, Rottenburg u n d L i m b u r g als Suffragankirchen zu. Die Capitel der Metropolitankirche zu Freiburg u n d der Cathedralkirchen zu Mainz u n d Rottenburg werden aus einer Decanatswürde u n d sechs Canonicaten; das Capitel zu Fulda aber w i r d aus einer Decanatswürde u n d vier Canonicaten; u n d das zu L i m b u r g aus einer Decanatswürde u n d fünf Canonicaten bestehen. U m die Z a h l der Kirchendiener zu vermehren, werden i n Freiburg u n d Rottenburg noch sechs, i n Mainz u n d Fulda vier, u n d i n L i m b u r g zwei Präbenden oder Caplaneien f ü r eben so viele Präbendaten oder Capläne errichtet werden. Jedem von gedachten Capiteln überlassen u n d ertheilen W i r die Erlaubniß u n d die Befugniß, i n Betreff des Chordienstes, der Vertheilung der Gefälle u n d anderer was immer f ü r Gebühren, der Tragung von Lasten, der heilsamen u n d glücklichen Führung u n d Leitung geistlicher u n d zeitlicher Angelegenheiten u n d Gerechtsame, was immer f ü r Satzungen, Capitelsschlüsse u n d V e r fügungen, so ferne sie i n sich erlaubt und anständig u n d den canonischen V o r schriften auf keine Weise entgegen sind, unter dem Vorsitze, der Aufsicht u n d m i t Gutheissung des zur Zeit bestehenden Vorstehers zu verfassen, herauszugeben, u n d sich überhaupt des Genusses aller Begünstigungen, Auszeichnungen und Freiheiten, dessen sich andere Cathedralkirchen i n diesen Gegenden gesetzmässig zu erfreuen haben, gleichfalls frei und m i t Recht zu erfreuen. Einem jeden Vorsteher der oben benannten Kirchen legen W i r ausdrücklich auf, daß er, unter Beobachtung der Vorschriften, einen von den Capitularen beauftrage, das A m t eines Pönitenziars bleibend auszuüben; u n d einen andern, an gewissen Tagen dem Volke die heilige Schrift auszulegen, oder, w e n n nicht füglich zu diesen Obliegenheiten Capitularen angewiesen werden können, so werden die Bischöfe dafür sorgen, daß diesen Amtsverrichtungen von andern tauglichen Priestern Genüge geleistet, u n d denselben f ü r ihre Bemühung eine hinreichende Belohnung ausgemittelt werde. I n jeder der oben benannten erzbischöflichen und bischöflichen Kirchen soll, nach Vorschrift der heiligen Kirchenversammlung von Trient, zur Erziehung u n d Unterweisung der Clerisei, unter der freien Leitung und V e r w a l t u n g des Bischofs, eine geistliche Bildungsanstalt bestehen, wo eine dem Bedürfnisse u n d Nutzen der Diöcese angemessene Anzahl von Zöglingen unterhalten w e r den kann. Da Uns bekannt ist, daß i n vier von jenen Diöcesen dergleichen schon bestehen, so befehlen W i r , daß baldmöglichst i n der einzigen noch übrigen eine solche zweckmäßig errichtet werde 7 . 7 Nämlich i n L i m b u r g (errichtet 1829). Näheres dazu: Verfassungsgeschichte Bd. I V S. 943 A n m . 43.

I V . Die Zirkumskriptionsbulle für die oberrheinische Kirchenprovinz II. Die Zirkumskription

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der Bistümer

I n der Absicht nun, u m zu der Umschreibung der oben benannten fünf Diöcesen vorzuschreiten, u n d durch die Ausscheidung der Grenzen derselben jedem Streite über die Ausübung der kirchlichen Gerichtsbarkeit unter den betreffenden Bischöfen vorzubeugen, beschliessen und befehlen und bestimmen W i r i n der nämlichen Fülle apostolischer Gewalt, nach vorgängiger Losreissung der unten zu benennenden Orte von den Diöcesen und Kirchen, w o von sie gegenwärtig abhängen, Folgendes: 1. Freiburg Die Metropolitankirche zu Freiburg w i r d zu ihrem Diöcesansprengel haben das ganze Gebiet des Großherzogthums Baden, nämlich die Pfarreien, welche innerhalb der Grenzen des Großherzogthums liegen, und theils zu der Constanzer, theils zu der Straßburger, Speierer, Wormser, Würzburger, Basler u n d Hegensburger Diöcese entweder gehören oder gehört haben; jene vierzehn Pfarreien sammt ihren Filialkirchen, welche i m Fürstenthume HohenzollernHechingen liegen, und zur benannten Constanzer Diöcese gehören, so w i e vier u n d zwanzig Pfarreien i m Fürstenthume Hohenzollern-Sigmaringen, die zu eben dieser Diöcese gehören, u n d noch achtzehn Pfarreien des Decanats V ö r i n gen, nebst siebenzehn Pfarreien des Decanats Haigerloch, die i n eben diesem Fürstenthume liegen, und zu ebenderselben Diöcese gehören. 2. Mainz Die bischöfliche Kirche zu Mainz w i r d zu ihrem Diöcesansprengel haben das ganze Gebiet des Großherzogthums Hessen, nämlich alle Pfarreien, welche nach der Trennung der unter Baierischer Hoheit stehenden Orte der Mainzer Diöcese noch übrig bleiben, und jene Orte u n d Pfarreien der Regensburger und W o r m ser Diöcesen, nebst der einzigen Pfarrei des Ortes Herbstein aus der Fuldaer Diöcese, die zum weltlichen Gebiete des benannten Großherzogthums gehören, endlich die Pfarreien i n den Orten Darmstadt, Glessen und Offenbach i m nämlichen Großherzogthume Hessen, doch so, daß von dem ersten künftigen Bischöfe i n jenen Orten, die größtentheils von Nichtcatholiken bewohnt w e r den, neue Pfarrkirchen f ü r die i n beträchtlicher Anzahl dort befindlichen Catholiken gegründet, wo sie sich aber n u r i n geringer Anzahl befinden, solche den nahe gelegenen catholischen Pfarreien zugetheilt werden. 3. Fulda Die bischöfliche Kirche zu Fulda w i r d zu ihrem künftigen Diöcesansprengel haben das ganze K u r f ü r s t e n t h u m Hessen, nämlich vierzig Pfarreien, die i n dieser Diöcese bereits begriffen sind, zwanzig Pfarreien von der alten Metropolitandiöcese ehemals Mainz, späterhin Regensburg, und einer Pfarrei i n dem Orte Volkmarsen von der Diöcese Paderborn, m i t Ausschluß jener Theile von Pfarreien, welche i m Königreiche Baiern liegen, und anderen Pfarreien Baierischer Diöcesen entweder schon zugetheilt sind, oder nächstens aus apostolischer Vollmacht werden zugetheilt werden. Jene i m Hessischen Gebiete liegenden Theile von auswärtigen Pfarreien aber sollen der nächst gelegenen Pfarrei i n der Fuldaer Diöcese zugetheilt werden. M i t der nämlichen Fuldaer Diöcese lassen W i r noch neun Pfarreien i m Großherzogthume Sachsen-Weimar v e r -

9. Kap.: Die oberrheinische Kirchenprovinz

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einigt, m i t Vorbehalt der freien Gewalt f ü r Uns u n d Unsere Nachfolger, die Römischen Päbste, w e n n es nöthig scheinen sollte, anders darüber zu verfügen. 4. Rottenburg Die bischöfliche Kirche zu Rottenburg w i r d zu ihrem Diöcesansprengel haben das ganze Königreich Würtemberg m i t allen Pfarreien, welche schon i m Jahre 1816 von der Augsburger, Speierer, Wormser u n d Würzburger Diöcese getrennt worden sind 8 , u n d jene Pfarreien, welche zur unterdrückten Probstei zum heiligen Vitus i n Ellwangen, die ohne Diöcesanverband w a r 9 , gehörten. 5.

Limburg

Die bischöfliche Kirche i n L i m b u r g w i r d zu ihrem Diöcesansprengel haben das ganze Herzogthum Nassau, w o r i n n sich acht u n d fünfzig Pfarreien befinden, welche zum alten Metropolitansprengel von Regensburg, und zwei und fünfzig, welche zum alten Metropolitansprengel von Trier gehörten, u n d vier u n d zwanzig Pfarreien i n der Provinz Dillenburg und Weilburg, und zugleich das Gebiet der freien Stadt Frankfurt, w o r i n n eine einzige Pfarrkirche unter der A n r u f u n g des heiligen Bartholomäus m i t drei Filialkirchen besteht, zu welcher von dem oben benannten Metropolitansprengel von Regensburg bisher abhängigen Pfarrei alle catholischen Einwohner der benannten Stadt u n d ihres Gebietes gehören. III.

Besitzeinweisung

Den erwähnten fünf Kirchen weisen W i r die vorgedachten, zu erzbischöflichen u n d bischöflichen erhobenen Städte u n d Kirchen, sammt den als betreffende Diöcesansprengel zugegebenen Orten u n d Pfarreien, und ihre E i n w o h ner beiderlei Geschlechts, geistlichen und weltlichen Standes, als Clerisei und Volk, auf immer zu, u n d unterwerfen sie gänzlich der geistlichen Gerichtsbarkeit eines jedweden Vorstehers, dergestalt, daß denjenigen, welche zur Regierung der erzbischöflichen u n d bischöflichen Kirchen nach den canonischen V e r ordnungen w ü r d i g u n d tauglich erachtet, u n d sowohl für dieses erste Mal, als i n Z u k u n f t durch apostolisches Ansehen, nach vorläufigem Untersuchungsproceß, welcher von dem Römischen Pabste, nach der auf Befehl Pabst Urban V I I I . , seligen Andenkens, Unseres Vorfahrers, herausgegebenen F o r m 1 0 , f ü r jeden einzelnen F a l l aufzutragen ist, aufgestellt seyn werden, erlaubt sey, so w i e W i r es hiemit befehlen u n d gebieten, durch sich selbst oder durch andere i n ihrem Namen, nachdem jedoch der gegenwärtige Brief gehörig und vollständig vollzogen seyn w i r d , und sie als Vorsteher Briefe der apostolischen Vorsehung werden erhalten haben, einen wahren, wirklichen und körperlichen Besitz von der Regierung, V e r w a l t u n g und einem jeglichen Diöcesanrechte über benannte Kirchen und Städte u n d Sprengel, Güter und andere Gefälle, welche zur Ausstattung angewiesen sind oder noch angewiesen werden, zu ergreifen, u n d den ergriffenen beständig zu behalten. Unterdessen beschliessen w i r , daß alle und jede oben benannte Orte von den nämlichen Vicarien oder rechtmässig aufgestellten Verwaltern einstweilen f o r t h i n verwaltet werden, denen sie gegenwärtig untergordnet sind. 8 9

Oben Nr. 99, 101. Oben Nr. 35, 36, 99.

I V . Die Zirkumskriptionsbulle für die oberrheinische Kirchenprovinz IV.

251

Dotation

Damit aber die obigen, v o n Uns getroffenen Bestimmungen insgesammt u n d einzeln i n eine schnelle u n d glückliche Wirksamkeit treten mögen, so ermächtigen u n d beauftragen W i r den ehrwürdigen Bruder Johann Baptist von Keller, Bischof von E v a r a 1 1 , den W i r zum Vollzieher Unseres gegenwärtigen Briefs ernennen, erwählen u n d abordnen, daß er zu der, oben gedachte Kirchencapitel u n d Seminarien betreffenden Dotation durch ständige Güter und Grundstücke und andere m i t Specialhypotheken versehene Einkünfte, welche späterhin i n ständige Güter u n d Grundstücke verwandelt, und von ihnen als Eigenthum besessen u n d verwaltet werden sollen, i n der A r t u n d Form schreite, w i e sie von den Durchlauchtigsten Fürsten, unter deren Bothmässigkeit 1 2 die einzelnen Diöcesen stehen, dargeboten, u n d i n den unten zu erwähnenden, i n rechtsgültiger Form ausgefertigten u n d Uns übersandten U r k u n d e n ausgedrückt worden ist, welche bei den Acten dieser den Consistorialangelegenheiten vorstehenden Congregation aufbewahrt w e r den, u n d wovon authentische Abschriften vom vorbesagten Vollzieher den einzelnen Kirchen zur Aufbewahrung i n ihren betreffenden Archiven werden übergeben werden. 2. Freiburg Er w i r d nämlich der erzbischöflichen Kirche zu Freiburg i m Breisgau die Herrschaft Linz und andere Einkünfte anweisen, welche Güter u n d Einkünfte i m Ganzen einen jährlichen Ertrag von siebenzig fünf tausend dreihundert sechs und vier rheinischen Gulden liefern, w i e solches k l a r und deutlich i n der auf Specialbefehl des Großherzogs von Baden unterm 23. December 1820 ausgefertigten Urkunde beschrieben w i r d 1 3 . Der besagte Bischof, Johann Baptist, w i r d aber die Güter dergestalt vertheilen, daß daraus jährlich zukommen: Dem erzbischöflichen Tische 13,400 fl.; hiezu die unten aufzuzählenden, von den drei bischöflichen Kirchen jährlich zu entrichtenden Geldleistungen gerechnet, werden die jährlichen Einkünfte des Freiburger erzbischöflichen Tisches 14,710 fl. seyn; Dem Decan des Capitels 4000 fl.; Dem ersten unter den Capitularen 2300 fl.; Jedem der fünf anderen Capitularen 1800 fl.; Jedem von den sechs Präbendaten endlich (Domcapläne) 900 fl.; Dem Seminarium der Diöcese weiter 25000 fl.; Der Fabrik der Domkirche 5264 fl.; Der erzbischöflichen Kanzlei 3000 fl.; Den Versorgungshäusern für ausgediente u n d dienstuntaugliche Geistliche endlich, welche entweder schon bestehen, oder v o n dem Ordinarius, unter dessen Gerichtsbarkeit sie werden gestellt werden, noch zu errichten sind 8000 fl. Außerdem w i r d er zur Wohnung des Erzbischofs das i n der Stadt Freiburg am Münsterplatze gelegene, vormals Breisgauisch Landständische Haus m i t seinen Zubehörungen u n d einem Garten vor dem Stadtthore; dann zur Wohnung des Decans sowohl, als der sechs Capitularen u n d der sechs Präbendaten andere, i n oben erwähnter Urkunde beschriebene Häuser anweisen. 10

15).

11

Instrumentum particulare Urbans V I I I . von 1627 (siehe oben S. 25 A n m .

12 Oben S. 74 Anm. 3. Sub ditione. Landesherrliche Dotations-Urkunde v o m 23. Dezember 1820 (Urkunden des Erzbischöfl. Archivs, Freiburg). 13

252

9. Kap.

Die oberrheinische Kirchenprovinz

2. Mainz Der bischöflichen Kirche zu Mainz w i r d er zu denjenigen festen Einkünften u n d Gefällen, deren sie sich bereits zu erfreuen hat, einen jährlichen Betrag von 20,000 rheinischen Gulden zutheilen, welcher aus den Gefällen u n d Einkünften des zu Erhebung der Zölle u n d herrschaftlichen Einkünfte bestehenden Mainzer Rentamts zu nehmen, u n d der vorerwähnten Kirche jährlich unter der Bedingung auszuzahlen ist, daß der gedachte Betrag ein Hypothekenrecht der herrschaftlichen Güter, Grundstücke und Gefälle dieses Mainzer Rentamts erhalte, und solche Bestimmung fest, ständig u n d unerschüttert bleibe, bis jener bischöflichen Kirche zu Mainz Güter und Grundstücke, deren Ertrag jährlich 20,000 fl. abwirft, zum vollen rechtlichen Besitze angewiesen werden, w i e solches i n der auf Specialbefehl des Großherzogs von Hessen u n d bei Rhein am 26. August 1820 ausgefertigten U r k u n d e ausdrücklich zugesagt w i r d . Nach Hinzufügung dieses Betrags von jährlichen 20,000 fl., als einer Ausstattungsergänzung zu den Einkünften, welche gegenwärtig das Vermögen der Kirche zu Mainz ausmachen, w i r d der Gesammtbetrag der hieraus sich ergebenden Einkünfte von dem vorbesagten Vollzieher dergestalt zu vertheilen seyn, daß dem Bischof 8000 fl., dessen Generalvicar 2500 fl., jedem der sechs Capitularen 1800 fl., dem ersten unter den vier Präbendaten 900 fl., jedem der drei anderen 800 fl. jährliche reine Einkünfte zu Theil werden. Doch w i r d diese Bestimmung hinsichtlich des Decans, der Capitularen u n d der Präbendaten nicht i n Wirklichkeit treten, bis die Z a h l der Mainzer Domcapitularen auf sechs zurückgeführt seyn w i r d , zu welchem Zwecke W i r verordnen, daß von den zehn dermaligen Capitelspfründen die vier zuerst erledigt werdenden nicht wieder vergeben werden sollen, damit dieses Capitel k ü n f t i g h i n aus einem Decan u n d sechs Capitularen bestehe. M i t t l e r w e i l e werden jedoch die zehn lebenden Capitularen die nämlichen jährlichen Einkünfte fort beziehen, welche sie vor Trennung eines Theils der alten Mainzer Diöcese u n d Zutheilung desselben an die Kirche zu Speier bezogen, u n d welche nach der neuen, durch einen anderen am 29. November 1801 14 unter dem Bleisiegel ausgefertigten Brief von Uns festgesetzten Begrenzung der Diöcesen des vormaligen Französischen Gebiets ihnen zugetheilt worden waren. Was aber die bei der Mainzer Domkirche gegenwärtig nicht bestehenden Präbendirten betrifft, w e i l deren Stellen Priester versehen, welche theils aus der kleinen Kirchenfabrik unter dem Namen Präsenzgelder, theils aus Ruhegehalten von Seite der Regierung Einkommen beziehen, so werden dergleichen Priester denselben Dienst m i t besagtem Einkommen zu leisten fortfahren, bis nach ihrem H i n t r i t t e die oben erwähnten, jetzt f ü r alsdann 1 5 zu errichtenden vier Präbenden m i t oben besagter Ausstattung von 900 fl. für den ersten u n d 800 fl. f ü r jeden der anderen drei Präbendirten bestellt werden können. Z u r Wohnung des Bischofs aber w i r d dasjenige Haus m i t dem anstossenden Garten dienen, welches der Bischof bis jetzt inne gehabt hat, u n d eben so w i r d es m i t den gegenwärtigen sowohl, als künftigen Capitularen zu halten seyn, zu deren Wohnung bereits zehn Häuser sich angewiesen vorfinden, w o v o n vier auch Gärten anliegen haben. 14 15

ObenS. 13 A n m . 11. „nunc pro tunc" (dazu oben S. 214).

I V . Die Zirkumskriptionsbulle für die oberrheinische Kirchenprovinz

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Z u r Unterhaltung der Domkirchenfabrik u n d zu Bestreitung der Kosten des Gottesdienstes werden die Grundstücke, Güter u n d andere Gefälle beibehalten werden, welche vorbesagte Kirche von Alters her besitzt, u n d welche einen jährlichen Ertrag von 3335 fl. geben. Dasselbe bestimmen W i r i n Betreff des Seminariums der Diöcese, welches Wir, nach vorgängiger Aufhebung des vormals von den Geistlichen des Ordens der Einsiedlerbrüder des heiligen Augustins bewohnten Klosters, i n diesem Kloster m i t dazu gehöriger Kirche u n d Garten bleibend zu errichten verordnen, u n d demselben ein theils aus dessen alten, i m Jahre 1806 i h m zurückgegebenen Gütern, theils aus späteren Schenkungen u n d Vermächtnissen herrührendes, einen Betrag von 3700 fl. ergebendes jährliches Einkommen anzuweisen befehlen, indem zugleich die neueste, zu dessen Gunsten gemachte reichhaltige Schenkung u n d andere vielleicht i n Z u k u n f t zu machende, deren Einkommen demselben Seminarium f ü r alle Zeiten zuzuweisen seyn werden, aufrecht zu erhalten ist. Dasselbe verordnen W i r ferner hinsichtlich des Versorgungshauses zu Pfaffenschwabenheim, bestimmt zu Verpflegung u n d Unterhaltung durch A l t e r entkräfteter oder durch K r a n k h e i t gebeugter Geistlichen, welches W i r , nach vorgängiger Aufhebung des vormals von den regulirten Chorherren v o m Orden des heiligen Augustins bewohnten Klosters, i n diesem Klostergebäude einzurichten verordnen, u n d dessen Ausstattung jährlich 1822 fl. erträgt, ausser demjenigen, was unter dem Namen einer freiwilligen Beisteuer i n einem Theile der alten Mainzer, später Regensburger Diöcese gesammelt w i r d , und, da es bisher bezahlt zu werden pflegte, keinen geringen Zuwachs erhalten dürfte. 3. Fulda Die bischöfliche Kirche zu Fulda w i r d Felder, Wiesen und Waldung, dann andere Einkünfte haben, welche einen jährlichen Ertrag von 26,370 rheinischen Gulden liefern, wie es weitläufig i n der von vorgedachtem Kurfürsten von Hessen unter dem 14. März 1821 ausgestellten Urkunde beschrieben w i r d . Diese Ausstattung aber w i r d vorbesagter Vollzieher dergestalt vertheilen, daß dem Bischof 6000 fl., dem Decan des Capitels 2600 fl., jedem der vier Capitularen 1800 fl., jedem der vier Präbendaten 800 fl. jährlich zukommen; i n die Fabrik der Domkirche 2000 fl., dem Seminarium der Diöcese 7000 fl., dem Erzbischof von Freiburg, als Metropolitan 170 fl. jährlich bezahlt werden. Überdieß bestimmen W i r zur Wohnung des Bischofs u n d der bischöflichen Curie ein der Domkirche zunächst am St. Michaelisberge gelegenes Haus m i t zwei daran stossenden Gärten u n d Zubehörungen; u n d zur Wohnung des Decans, der vier Capitularen u n d der vier Präbendaten andere, i n erwähnter Urkunde beschriebene Häuser, endlich f ü r das Seminarium das der Domkirche nahe gelegene, zu diesem Behufe bereits gewidmete Haus m i t daran stossendem Garten. 4. Rottenburg Die bischöfliche Kirche zu Rottenburg w i r d die Einkünfte gemessen, welche i n der auf besonderen Befehl des vorbesagten Königs von Würtemberg am 10. November 1820 ausgefertigten Urkunde einzeln aufgezählt sind, u n d welche von dem vorbenannten Vollzieher dergestalt zu vertheilen seyn werden, daß dem bischöflichen Tische 10,000 fl., dem Decan des Capitels 2400 fl., jedem der

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9. Kap.

Die oberrheinische Kirchenprovinz

sechs Capitularen 1800 fl., dem ersten unter den sechs Präbendaten 900 fl., jedem der fünf anderen Präbendaten 800 fl., der Fabrik der Domkirche, auch zur Unterhaltung der übrigen Gebäude 1400 fl., dem Seminarium der Diöcese 8092 fl., der bischöflichen Kanzlei 6900 fl., der Domkirche f ü r die Unkosten des Gottesdienstes 2150 fl., dem Meßner u n d anderen Kirchendienern 800 fl. und dem Erzbischof von Freiburg, als Metropolitan 864 fl. jährlich zu gut kommen. Sollte der Decan von dem Bischof zum Generalvicar erwählt werden, so sollen i h m weitere 1100 fl. ausbezahlt werden; sollte aber ein bioser Capitular zu vorbesagtem A m t e eines Generalvicars v o m Bischof ernannt werden, so w i r d i h m ein Zuschuß von 1700 fl. zugestanden werden. Ausserdem verordnen Wir, daß zur Wohnung des Bischofs u n d zur bischöflichen Curie ein i n der Stadt Rottenburg gegen das Neckarthal h i n gelegenes, vormals f ü r die Königliche Landvogtei bestimmtes Haus m i t anstossendem Garten u n d Zubehörungen ; zur Wohnung des Decans, der sechs Capitularen und der sechs Präbendaten andere, i n vorbesagter Urkunde gleichfalls beschriebene Häuser, weniger nicht zum bischöflichen Seminar, nach vorgängiger Aufhebung des vormals von den Geistlichen des Ordens der heiligen Jungfrau Maria v o m Berge Carmel bewohnten Klosters, dieses nämlichen vormaligen Klosters am Neckar belegenes Gebäude zum Behufe eines Priesterseminars angewiesen werden. 5. Limburg Die bischöfliche Kirche zu L i m b u r g w i r d Güter, Grundstücke, Zinsen, Zehnten und andere Einkünfte gemessen, welche einen jährlichen Ertrag von 21,600 fl. abwerfen, w i e aus der auf Specialbefehl des Herzogs von Nassau am 3. Januar des laufenden Jahres 1821 ausgefertigten Urkunde erhellt, welche Einkünfte vorbesagter Vollzieher dergestalt vertheilen wird, daß jedes Jahr zukommen: Dem Bischof 6000 fl.; Dem Decan des Capitels 2400 fl.; Dem ersten Capitular, welcher zugleich Pfarrer zu L i m b u r g seyn w i r d 1800 fl.; Dem zweiten Capitular gleichfalls 1800 fl.; Dem dritten Capitular, der zugleich Pfarrer zu Dietkirchen seyn wird, desgleichen 1800 fl.; Dem vierten Capitular, welcher zugleich Pfarrer i n E l t v i l l e seyn w i r d 2300 fl. und dem fünften Capitular, zugleich Pfarrer i n der freien Stadt Frankfurt u n d deren Gebiete, derselbe Betrag, welchen er als Pfarrer jetzt schon bezieht; wobei der Vollzieher, kraft der i h m ertheilten apostolischen Vollmacht, die erwähnten vier Capitularen wegen Beibehaltung der genannten Pfarreien, unter dem Vorbehalte, zu dispensiren hat, daß der Seelsorge i n dergleichen Pfarreien durch geeignete, von dem Ordinarius, unter Beobachtung des zu Beobachtenden, zu Folge der canonischen Vorschriften zu bestätigende und anzustellende Vicarien auf angemessene A r t fürgesehen werde: Dem ersten Caplan, welcher zugleich den Pfarrer zu L i m b u r g i n der Seelsorge unterstützen w i r d 800 fl.; Dem zweiten Caplan, welcher i n der Capelle des Armenhauses zu L i m b u r g Messe zu lesen verbunden seyn w i r d 800 fl.; Dem Erzbischof von Freiburg, als Metropolitan, an verhältnismässigem Z u schüsse seiner Ausstattung 270 fl.; Dem innerhalb der Kirchenprovinz errichteten oder noch zu errichtenden Seminar zu B i l d u n g und Unterweisung der Limburger Diöcesangeistlichkeit 1500 fl.; Endlich der bischöflichen Kanzlei und f ü r die übrigen Unkosten der Kirchen- sowohl, als Güter-Verwaltung 2130 fl. Ausserdem verordnen Wir, daß er zur Wohnung des Bischofs, nach vorgän-

I V . Die Zirkumskriptionsbulle für die oberrheinische Kirchenprovinz

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giger Aufhebung des Klosters, welches sonst die Geistlichen v o m Orden des heiligen Franziscus bewohnten, den T h e i l jenes Klosters, welchen bisher der Herzogliche A m t m a n n inne hatte, nebst dem nahe gelegnen, m i t Mauern u m gebenen Garten; f ü r den Decan, die fünf Capitularen und die zwei Capläne aber andere, i n vorbesagter U r k u n d e beschriebene Häuser anweise. V.

Vollzugsanweisungen Weiter geben w i r dem oben benannten Bischof, Johann Baptist, auf, daß er f ü r die Seelsorge i n der Metropolitan- u n d i n den Cathedral-Kirchen auf angemessene Weise sorge, und bestimme, von welchen, nach vorgängiger P r ü fung, i n Gemäßheit der canonischen Beschlüsse v o m betreffenden Ordinarius zu bestätigenden und anzustellenden Priestern und m i t welcher Ausstattung dieselbe i n jenen Kirchen sollte ausgeübt werden, u n d daß er bezeichne, i n welches Seminar der Freiburger Kirchenprovinz die Geistlichen der Limburger Diöcese, unter jährlicher Anweisung der oben besagten 1500 fl., aufzunehmen seyen, bis ein eigenes Seminar i n L i m b u r g errichtet w i r d ; daß er ferner die von den betreffenden Landesherren beizubringende Summe festsetze, wodurch die Kosten des Gottesdienstes i n den aufgehobenen Kirchen, der bischöflichen zu Constanz und der probsteilichen zu Ellwangen, hinlänglich und bleibend gedeckt werden; und daß er endlich dafür sorge, daß den jetzt lebenden Capitularen der aufgehobenen Capitel i h r jährliches Einkommen lebenslänglich vollständig u n d getreulich bezahlt werde. W i r wollen ferner zum Nutzen und zur Erleichterung der betreffenden Bisthumsgenossen angeordnet haben, daß alle u n d jede, auf die von den früheren Sprengein losgerissenen und den neuen zugetheilten Pfarreien und Orte Bezug habenden Urkunden aus den vorigen Kanzleien ausgeschieden, und i n geeigneter Weise den neuen erzbischöflichen u n d beziehungsweise bischöflichen Kanzleien zur fortwährenden Aufbewahrung übergeben werden sollen. M i t Rücksicht auf die betreffenden, den obbemeldeten erzbischöflichen und bischöflichen Kirchen angewiesenen Einkünfte verordnen Wir, daß diese i n den Büchern der apostolischen Kammer, w i e folgt: nämlich die Kirche zu Freiburg zu 668V3 fl.; die Kirche zu Mainz zu 348Ve fl.; die Kirche zu Fulda zu 332 fl.; die Kirche zu Rottenburg zu 490 fl.; die Kirche zu L i m b u r g zu 332 fl. geschätzt werden. Damit nun Alles, was W i r hiemit verordnet haben, genau i n E r f ü l l u n g gebracht werde, ertheilen W i r dem vorbesagten Johann Baptist, Bischof von Evara, als aufgestelltem Vollzieher dieses Unseres Briefes, alle und jede zu dessen Vollzug erforderlichen und geeigneten Vollmachten, vermöge deren er, nach vorgängiger Ausstattung mittelst der i n der rechtsgültigen Form der verschiedenen Staaten zu fertigenden Urkunden, sowohl zur Errichtung oder neuen Einrichtung einer jeden Kirche m i t ihrem Capitel, als zur Umschreibung des betreffenden Diöcesangebietes vorzuschreiten, u n d alles Andere nach Unserer obigen Anordnung, i n K r a f t der i h m ertheilten apostolischen V o l l macht, zu vollbringen und zu bestimmen, volle Freiheit und Befugnis haben soll. Auch ertheilen W i r dem vorbenannten Bischof, Johann Baptist, ferner die Gewalt, zum genaueren Vollzug alles dessen, besonders i n den von seinem Aufenthalte entfernteren Orten, eine oder mehrere i n geistlichen Würden stehende Person oder Personen aufzustellen, welche von i h m m i t Vollmach-

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9. Kap.: Die oberrheinische Kirchenprovinz

ten zu versehen sind, damit sie über jeden Einwand, der bei dem Vollzuge allenfalls gemacht werden könnte, jedoch m i t Beobachtung der Hechtsformen, schließlich und ohne Gestattung irgend einer weiteren Berufung, entscheiden können und mögen. W i r weisen auch vorbesagten Bischof Johann Baptist ausdrücklich an, u n d befehlen ihm, Exemplare von allen, sowohl durch i h n selbst, als durch seine Bevollmächtigten über den Vollzug des gegenwärtigen Briefes aufgenommenen Protocollen, vier Monate nach beendigtem Vollzuge, i n beglaubigter Form an den apostolischen S t u h l einzusenden, damit solche, nach altem Herkommen, i m A r c h i v der vorerwähnten Consistorialcongregation aufbewahrt werden. W i r wollen und verordnen, daß gegenwärtiger Brief und Alles, was darinn enthalten und festgesetzt worden ist, zu keiner Zeit deshalb, als hätten diejenigen, welche i m Vorbenannten oder sonst i n irgend einem Stücke betheiligt oder berechtigt sind, oder es erst k ü n f t i g zu seyn behaupten, weß Standes, Ranges, Verhältnisses und Vorzugs und welch besonderer einzelner ausdrücklicher u n d bestimmter E r w ä h n u n g sie auch immer w ü r d i g seyn mögen, nicht eingewilligt, oder als wären einige aus ihnen nicht gehörig oder gar nicht vernommen worden, oder aus welch immer einem begünstigten oder höchst begünstigten Rechtsgrunde, Anscheine, Vorwande oder Verfügung, selbst des geschlossenen canonischen Gesetzbuches, als heimlich oder unter der Hand erschlichen, oder als nichtig, oder wegen Mangels Unserer Willensmeinung oder der Beistimmung der Betheiligten, oder wegen irgend eines noch so grossen u n d wesentlichen Gebrechens, oder deshalb, als wären die erforderlichen Feierlichkeiten und was sonst zu beobachten und zu erfüllen ist, nicht beobachtet u n d erfüllt worden, oder als seyen die Gründe, u m dererwillen der gegenwärtige Brief erlassen worden, nicht hinreichend aufgeführt, bewährt und gerechtfertigt, i n Anspruch genommen, angefochten, oder auf andere Weise entkräftet, gehemmt, verkürzt, beschränkt, oder aufs Neue i n Streit gezogen worden. Auch soll gegen diesen Brief durchaus kein Rechtsmittel, wie das der Wiedereinsetzung i n den vorigen Stand, der Eröffnung des Mundes 1 6 , oder welches immer, weder i n der Form, noch i n der That, statt finden, oder derselbe soll unter keinerlei i h m etwa entgegengesetzten Verordnungen, Widerrufen, Beschränkungen, Abänderungen, allgemeinen oder besonderen, oder wie immer gefaßten Beschlüssen und Erklärungen begriffen, sondern immer davon ausgenommen seyn und bleiben, und als von Uns, i n K r a f t der päbstlichen F ü r sorge, sicherer Erkenntniß und Machtvollkommenheit, ausgegangen, für immer gültig und k r ä f t i g seyn und bleiben, daher stets volle und ganze Wirksamkeit erhalten und behalten, und somit von Allen, die es angeht u n d angehen wird, i n Z u k u n f t stets und unverbrüchlich beobachtet werden. Dieser Brief soll auch den obbesagten Kirchen, Bischöfen, Capiteln u n d Allen, zu deren Gunsten derselbe erlassen ist, zu allen künftigen Zeiten und i n allen Wegen zum Nutzen gereichen, u n d sie sollen daher i n Betreff alles und jedes Vorgedachten oder aus dessen Anlaß von Niemand, welches Ansehens er immer sey, auf irgend eine Weise belästigt, gestört, beunruhigt und gehindert werden, und 16 Aperitio oris: Eine vom Papst vorgenommene oder bestätigte Rechtshandlung kann n u r dann durch einen kirchlichen Richter überprüft werden, wenn der Papst selbst dazu einen A u f t r a g oder eine Erlaubnis erteilt hat. Dieses P r ü fungsrecht w i r d hier ausgeschlossen (ebenso oben S. 220, unten S. 307).

V. Die Frankfurter Kirchenpragmatik von 1820

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niemals zum Beweise oder zur Erhärtung dessen, was immer i n gegenwärtigem Briefe enthalten ist, angehalten, noch dazu gerichtlich oder aussergerichtlich gezwungen werden können, u n d sollte etwa von Jemand, welches A n sehens er auch sey, wissentlich oder unwissentlich dagegen gehandelt w e r den, so soll alles dieses u n g ü l t i g u n d durchaus nichtig seyn u n d bleiben. Aus sollen Unsere u n d der apostolischen Kanzlei Regeln, wie die, daß w o h l erworbene Recht nicht aufzuheben, u n d bei Suppressionen die Betheiligten zu hören, u n d dergleichen mehr, nicht dagegen seyn; eben so wenig die, selbst m i t päbstlicher Bestätigung oder sonst irgend einer Bekräftigung versehenen, einer besonderen u n d ausdrücklichen Erwähnung würdigen Statuten, Privilegien u n d I n d u l t e n der Kirchen, alle u n d jede apostolische u n d von Synodal-, Provinzial- und allgemeinen Kirchen-Versammlungen ausgegangenen besonderen und allgemeinen Verordnungen u n d Beschlüsse, welche W i r sammt u n d sonders, indem W i r sie Wort f ü r Wort als hierinn enthalten ansehen, zur Ausführung des Vorgedachten, kraft gleichmässiger Einsicht u n d Machtvollkommenheit, gänzlich, vollständig, besonders u n d ausdrücklich, gleich allem Ü b r i gen, was entgegenstehen könnte, aufheben. W i r wollen auch, daß den Abschriften des gegenwärtigen Briefs u n d auch selbst den Abdrücken, jedoch nur, w e n n sie durch die Unterschrift eines öffentlichen Notars beglaubigt, und m i t dem Siegel einer i n geistlichen W ü r den stehenden Person versehen sind, überall derselbe Glaube beigelegt werde, w i e gegenwärtiger Urschrift beigelegt werden würde, w e n n sie vorgelegt und gezeigt würde. Es soll daher Niemand, w e r es auch sey, diese Unsere A n o r d nung der Unterdrückung, Auslöschung, Zernichtung, Wiederherstellung, E r richtung, Zergliederung, Vereinigung, Beifügung, Zuwendung, Verleihung, Verstattung, Umschreibung, Überweisung, Gewährung, Satzung, Beauftragung, Abordnung, Bevollmächtigung, Beschliessung, Aufhebung u n d Willensäusserung entkräften oder freventlich dagegen handeln. Wer sich aber solches zu t h u n herausnimmt, der wisse, daß er sich die Ungnade des allmächtigen Gottes u n d seiner heiligen Apostel Petrus u n d Paulus zuziehen werde.

V. D i e F r a n k f u r t e r K i r c h e n p r a g m a t i k v o n 1820 u n d der O b e r r h e i n i s c h e Staatsvertrag v o n 1822 Die Bulle „Provida solersque" (oben Nr. 106) entsprach in ihren Vorschriften über die Neueinteilung der Diözesen dem Ergebnis der Frankfurter Verhandlungen zwischen den oberrheinischen Staaten. Dagegen enthielt sie nichts über die von den Staaten beanspruchte Mitwirkung bei der Bischofswahl. Im einseitigen Vorgehen der Kurie sahen die Regierungen eine Rechtfertigung für die Ergänzung der Bulle durch einseitige staatliche Akte. Schon am 14. Juni 1820 verständigten die in Frankfurt versammelten Regierungsvertreter sich über eine zunächst geheimgehaltene Kirchenpragmatik (Nr. 107), die gemeinsame Grundsätze des Staatskirchenrechts für die oberrheinischen Staaten aufstellte. Am 8. Februar 1822 schlossen sie einen zweiten Staatsvertrag (Nr. 108), in dem sie sich einigten, der Zirkumskriptionsbulle zwar die staatliche Sanktion zu erteilen, diese jedoch dem Vorbehalt der Übereinstimmung mit dem in der Kirchenpragmatik vereinbarten gemeinsamen Staatskirchenrecht zu unter17 Huber, Staat und Kirche, 1. Bd.

9. Kap.: Die oberrheinische Kirchenprovinz

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werfen. Ferner verständigten die beteiligten Regierungen sich über das bei den Bischofswahlen einzuschlagende Verfahren. Die Ausfertigung der staatlichen Fundationsinstrumente, die für die veränderten wie die neugebildeten Diözesen erforderlich waren, schoben sie bis zu einer endgültigen Verständigung mit der Kirche auf. Das Vorbild der französischen Organischen Artikel (oben Nr. 2 Anm. 6) und des bayerischen Religionsedikts (oben Nr. 60) fand in dieser oberrheinischen Kirchenpragmatik eine den Verhältnissen der Vertragsstaaten angepaßte Nachahmung. N r . 107. Gemeinsame Grundsätze des Staatskirchenrechts (Kirchenpragmatik) 1 v o m 14. J u n i 1820 (E. Münch, Vollständige Sammlung der ältern und neuern Konkordate, T e i l 2, 1832, S. 323 ff.) Die zur Herstellung der Diözesanverfassung der katholischen Kirche i n ihren Staaten vereinigten Regierungen haben beschlossen, die äußeren Verhältnisse der oberrheinischen Kirchenprovinz u n d der sie bildenden Bisthümer näher zu bestimmen und möglichst gleichförmig zu ordnen. Z u dem Ende haben sie folgende Grundbestimmung als bleibende Norm festgesetzt. I. Verhältnisse

der katholischen

Kirche zum Staate

§ 1. Der kath. Kirche steht das freie Bekenntniss ihres Glaubens und die öffentliche Ausübung ihres Cultus zu, und sie geniesst auch i n dieser Hinsicht m i t den andern i m Staate öffentlich anerkannten christl. Kirchengesellschaften gleiche Rechte. § 2. Der volle Genuss dieser Rechte steht allen kath. Kirchengemeinden, so wie auch den einzelnen Katholiken zu, welche zeither i n keinem Diöcesanverbande standen. Es kann i n keinem der eben erwähnten Bisthümer irgend eine A r t von kirchl. Exemtion statt finden. §3. Jeder Staat übt die i h m als unveräusserliche Majestätsrechte zustehenden Rechte des Schutzes und der Oberaufsicht über die Kirche i n ihrem vollen Umfange aus. § 4. Die von dem Erzbischöfe und den übrigen kirchl. Behörden ausgehenden allgemeinen Anordnungen, Kreisschreiben an die Geistlichkeit und die Diöcesanen, durch welche dieselben zu etwas verbunden werden sollen, so wie auch alle besondere Verfügungen von Wichtigkeit, unterliegen der Genehmigung des Staats, und können n u r m i t der ausdrücklichen Bemerkung der Staatsgenehmigung (placet) k u n d gemacht oder erlassen werden. Auch solche allgemeine kirchl. Anordnungen und öffentlichen Erlasse, welche rein geistliche Gegenstände betreffen, sind den Staatsbehörden zur Einsicht vorzulegen, und dürfen nur nach erfolgter Staatsgenehmigung k u n d gemacht werden. 1 Dazu die Gegenüberstellung der Frankfurter Kirchenpragmatik und der Landesherrlichen Verordnung von 1830 bei I. v. Longner, a.a.O., S. 636 ff.

V. Die Frankfurter Kirchenpragmatik von 1820

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§5. A l l e röm. Bullen, Breven u n d sonstige Erlasse müssen, ehe sie k u n d gemacht u n d i n A n w e n d u n g gebracht werden, die landesherrliche Genehmigung erhalten. Die Staatsgenehmigung ist aber nicht n u r für alle neu erscheinende päbstl. Bullen und Constitutionen, sondern auch für frühere päbstl. Anordnungen nothwendig, sobald davon Gebrauch gemacht werden w i l l . Auch die m i t Genehmigung der Regierung publicirten päbstl. u n d sonstigen kirchl. Erlasse behalten n u r so lange K r a f t , als der Staat seine Bewilligung nicht zurücknimmt. § 6. Eben so wie die weltlichen Mitglieder der kath. Kirche stehen auch die geistlichen als Staatsgenossen unter den Gesetzen u n d der Gerichtsbarkeit des Staats. II. Bildung

der oberrheinischen

Kirchenprovinz

§ 7. Die Bisthümer Rottenburg, Freiburg, Mainz, Fulda und L i m b u r g stehen i n einem Metropolitanverband u n d bilden die oberrheinische Kirchenprovinz. Da die erzbischöfl. Würde auf den bischöfl. Stuhl zu Freiburg bleibend übertragen ist, so stehet der dortige Bischof der Provinz als Erzbischof vor. § 8. Die ihrer ursprünglichen Bestimmung gemäss wieder hergestellte Metropolitanverfassung steht unter dem Gesammtschutz der vereinten Staaten. § 9. Provinzial-Synoden können n u r m i t Genehmigung der vereinten Staaten, welche denselben Commissarien beiordnen, gehalten werden. Da die wichtigeren den Zeitumständen u n d der fortschreitenden Cultur entsprechenden Verbesserungen i n Kirchensachen von denselben erwartet werden, so soll i n der Regel alle zehn Jahre eine solche Synode statt finden, die erste aber i m Laufe der nächsten fünf Jahre gehalten werden. Ausserdem soll zur Erledigung aller, die Kirchenprovinz betreffenden Verwaltungs-Angelegenheiten, jährlich eine Synodal-Conferenz statt finden, wozu m i t Genehmigung der Regierungen, der Erzbischof, so wie auch jeder Bischof, einen Bevollmächtigten absendet. §10. Es w i r d unverzüglich ein Synodalgericht (judices in partibus) gebildet, wozu aus jeder der fünf Diözesen der Provinz ein Mitglied abzuordnen ist; die Wahl dieses Mitgliedes hat auf dieselbe Weise und von demselben W a h l Collegium zu geschehen, wie bei der Bischofswahl angeordnet worden ist. Diese Behörde behandelt, unter dem Vorsitz eines aus ihrer M i t t e von i h r selbst gewählten Directors, als Synodal-Gericht, sowohl die Beschwerden höherer A r t , welche gegen Geistliche erhoben werden, als auch solche Appellationssachen, welche an eine dritte Instanz gelangen können. §11. Es können daher i n keinem Falle kirchl. Streitigkeiten der Katholiken ausserhalb der Provinz und vor auswärtigen Richtern verhandelt werden. III.

Vom Erzbischof

§12. Der Erzbischof w i r d sich, bevor er i n seine Amtsverrichtungen eintritt, gegen die Regierungen der vereinten Staaten eidlich reserviren, dass er sein A m t zur Beförderung des Seelenheils der Katholiken i n der Provinz verwalten und nichts unternehmen werde, was auf irgend eine A r t zum Nachtheil der Rechte der Staaten und der Bischöfe gereichen könnte 2 . 2 Über den oberrheinischen Bischofseid unten § 21; über den Erzbischofseid (Freiburg) unten Nr. 113.

17

9. Kap.

260

Die oberrheinische Kirchenprovinz

§13. Der kirchl. Provinzialverfassung gemäss w i r d der Erzbischof vorzüglich folgende Metropolitanrechte ausüben; er w i r d a) den Vorsitz u n d das Director i u m bei Provinzialsynoden führen; b) die persönlichen Klagen gegen die Bischöfe m i t den Conprovinzial-Bischöfen untersuchen, i n den Fällen aber, wo auf Deposition oder Privation des Angeklagten zu erkennen wäre, die Sache an das Synodalgericht (judices i n partibus), welches i m Namen des Pabstes spricht, zur Fällung des Erkenntnisses überweisen; c) für die i n geeigneten Fällen an das Metropolitan-Gericht gehende Appellation sein K a p i t e l i n zweiter Instanz aufstellen, f ü r die Behandlung der Streitsachen i n der eigenen Diözese aber sein K a p i t e l i n 2 Senate, wovon der eine i n der ersten, u n d der andere i n der zweiten Instanz zu entscheiden hat, abtheilen; d) die Bischöfe i m canonischen Wege zur E r f ü l l u n g ihrer Amtspflichten anhalten, u n d erforderlichen Falls nach vorhergegangener Rücksprache m i t dem betreffenden Staate das jus supplendi ausüben; e) die bischöfl. Diöcesen der Provinz jedoch n u r aus wichtigen Gründen, und m i t Genehmigung des betreffenden Staates, welcher nach Gutbefinden einen landesherrlichen Commissär beiordnen w i r d , visitiren; f) f ü r die verwaisten Kirchen, jedoch unbeschadet der Rechte der Domkapitel, sorgen, daher auch i n Nothfällen, wenn der päbstl. Stuhl erledigt oder der Pabst unzugänglich oder auf welche A r t es auch sey, gehindert seyn sollte, allen Bedürfnissen seiner Provinz vorzustehen; g) namentich aber seine ursprünglichen Confirmationsrechte u n d Pflichten ausüben, wenn die geistliche Bestätigung eines neuen Bischofs innerhalb der Zeit von 6 Monaten, binnen welcher die bischöfl. Sitze wieder besetzt seyn sollen, nicht erfolgt, es sey dass keine Gründe der Verweigerung angegeben oder dass die angegebenen von dem Synodalgericht auf unrichtigen Thatsachen beruhend, oder unerheblich befunden worden, oder dass der päbstl. Stuhl selbst i n dieser Zeit erledigt oder gehindert seyn sollte. § 14. I n Erledigungs- oder Hinderungs-Fällen des erzbischöfl. Stuhls t r i t t der älteste Bischof der Provinz von Rechtswegen i n die V e r w a l t u n g der Metropolitanrechte u n d Verrichtungen ein, u n d das bestehende Metropolitangericht w i r d von i h m bevollmächtigt. IV. Bildung

der Diöcesen

§ 15. Die fünf Bisthümer der oberrheinischen Kirchenprovinz sind i n Gemässheit der festgesetzten Regel gebildet, dass sich die Grenzen der Diöcesen auf die Grenzen der Staaten, für welche Bisthümer errichtet sind, erstrecken. §16. Eine jede Diöcese w i r d i n Dekanatsbezirke eingetheilt, deren Umfang, so viel thunlich, m i t jenen der Verwaltungsbezirke übereinstimmen soll. §17. Die Katholiken, welche seither i n keinem oder m i t einem Geistlichen anderer Confessionen i m Pfarrverbande standen, werden einer der i m Bisthum bestehenden Pfarreien zugetheilt. §18. Da, wo es zweckmässig erscheint, soll m i t Einverständniss der bischöflichen Behörde eine neue Pfarreintheilung zur bessern Regulirung der Pfarrsprengel vorgenommen werden. V. Vom Bischof §19. Die bischöfl. Stühle i n der Provinz werden sämmtlich durch die Wahl besetzt. Die W a h l ist folgende:

V. Die Frankfurter K i r c h e p r a g m a t i k von 1820

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a) das Wahlkollegium bildet sich bei jedem vorkommenden W a h l - A k t aus den sämmtlichen Mitgliedern des Domkapitels u n d einer der gesetzlichen Zahl der Domkapitularen gleichen Anzahl hiezu (s. § 33.) eigens gewählten Dekane; b) das Wahlkollegium w ä h l t durch absolute Stimmenmehrheit drei Geistliche aus dem Diöcesan-Clerus. Unter diesen w i r d derjenige als Bischof proclamili;, den das landesherrliche Veto nicht ausschliesst 3 ; c) der ganzen Wahlverhandlung w i r d ein landesherrlicher Commissär beiwohnen. § 20. Z u m Bischof k a n n n u r ein Geistlicher gewählt werden, welcher ein Deutscher von Geburt u n d Staatsbürger des Staats, w o r i n sich der erledigte Bischofssitz befindet, oder einer der Staaten ist, welche sich zu dieser Diöcese vereinigt haben. Nebst den vorgeschriebenen canonischen Eigenschaften ist erforderlich, dass derselbe wenigstens acht Jahre lang entweder die Seelsorge, ein akademisches Lehramt oder sonst eine kirchl. Stelle m i t Verdienst und Auszeichnung verwaltet habe, so w i e auch der inländischen Staats- u n d K i r chenverfassung, der Gesetze u n d Einrichtungen k u n d i g sey. § 21. Der Gewählte hat sich alsbald nach der Wahl wegen seiner Bestätigung an das Oberhaupt der Kirche zu wenden. V o r der Consekration, die der Erzbischof selbst oder m i t seinem Einverständniss ein anderer Bischof i n der Provinz vorzunehmen hat, legt derselbe dem Landesherrn folgenden Eid ab: Ich schwöre und verspreche bei den heiligen Evangelien Gottes, Sr. kgl. Majestät (Sr. kgl. Hoheit dem Grossherzoge etc.) und Allerhöchstdero Nachfolgern, so wie den Gesetzen des Staats Gehorsam u n d Treue. Ferner verspreche ich, keine Einverständnisse zu unterhalten, an keiner B e r a t s c h l a gung T h e i l zu nehmen, und weder i m I n n - noch i m Auslande Verbindungen einzugehen, welche die öffentliche Ruhe gefährden; vielmehr, wenn ich von irgend einem Anschlage zum Nachtheile des Staates, sey es i n meiner Diöcese oder anderswo, Kunde erhalten sollte, solches Sr. kgl. Majestät (Sr. kgl. Hoheit) zu eröffnen. § 22. Nach erlangter Consecration t r i t t der Bischof i n die volle Ausübung der m i t dem Episcopate verbundenen Rechte u n d Pflichten, und er w i r d hierin vom Staate nicht n u r nicht gehindert, sondern vielmehr gegen alle äussere Beschränkung geschützt. Zugleich w i r d aber auch der Staat darüber wachen, dass der Bischof seine Amtswirksamkeit den Diöcesanen geistlichen und weltlichen Standes i n der Absicht, sie an auswärtige geistliche Behörden zu verweisen, nicht versage. § 23. Diöcesan-Synoden können v o m Bischöfe, wenn sie nöthig erachtet werden, n u r m i t Genehmigung des Landesherrn zusammenberufen u n d i m Beiseyn landesherrlicher Commissarien gehalten werden. Die darin gefassten Beschlüsse unterliegen der Staatsgenehmigung nach Maasgabe der i n den §§ 4 u n d 5 festgesetzten Bestimmungen. § 24. Jeder Bischof oder Bisthumsverwalter steht i n freier Verbindung m i t dem Oberhaupte der Kirche, jedoch müssen dieselben die aus dem Metropolitanverbande hervorgehenden Verhältnisse jederzeit berücksichtigen. 3 A n die Stelle dieses i n die Form eines Vetorechts gekleideten landesherrlichen Designationsrechts trat aufgrund der Bulle A d dominici gregis custodiam vom 11. A p r i l 1827 das oberrheinische „Listenverfahren" (siehe unten Nr. 109).

9. Kap.: Die oberrheinische Kirchenprovinz

262 VI

Vom

Domkapitel

§ 25. Die Besetzung der Domkapitularstellen geschieht bei künftigen Erledigungen durch die Wahl u n d zwar auf die nämliche A r t , w i e sie oben § 19 lit. a, b und c bestimmt ist. § 26. Der Landesherr bezeichnet nach Vernehmung des Bischofs und K a p i tels den Domkapitularen, welcher zum Domdekan zu befördern ist, und der Bischof setzt i h n i n sein A m t ein. § 27. Z u Domkapitularstellen können n u r Diözesangeistliche gelangen, w e l che Priester, dreissig Jahre alt u n d tadellosen Wandels sind, vorzügliche theologische Kenntnisse besitzen, wenigstens sechs Jahre ein öffentliches Kirchenoder akademisches Lehramt m i t Auszeichnung verwaltet haben, u n d m i t der Landesverfassung genau bekannt sind. §28. Das Domkapitel einer jeden Cathedralkirche t r i t t i n den vollen W i r kungskreis der alten Presbyterien, und bildet unter dem Bischof die oberste Verwaltungsbehörde der Diözese. Der Dekan führt die Direktion. Die V e r w a l tungsform ist kollegialisch. § 29. Das Domkapitel sorgt auf gesetzliche Weise für die Diözesan-Verwaltung, wenn der Bischofssitz gehindert oder erledigt ist; i m letzten Falle hat jedoch der Neuerwählte das Recht, zugleich an die Spitze der Diözesanverwaltung zu treten. § 30. Die ganze Diözesanverwaltung w i r d für die Diözesanen geistlichen u n d weltlichen Standes unentgeltlich geführt, und es können n u r mässige Expeditionsgebühren angesetzt werden, daher auch ausser diesen Expeditionsgebühren weder von innländischen, noch von ausländischen Behörden Taxen oder Abgaben, von welcher A r t sie auch seyn mögen, erhoben werden können. VII.

Von den Dekanen

§31. Die Dekanate werden unter gemeinschaftlichem Einverständnisse der Regierung und bischöfl. Behörden m i t würdigen Pfarrern, welche auch i n Verwaltungsgeschäften geübt sind, besetzt. § 32. Die Dekane sind die unmittelbaren kirchl. Vorgesetzten der i n ihren Dekanatsbezirken angestellten Geistlichen. Sie haben über die geeigneten Gegenstände an die Regierungs- u n d bischöfl. Behörden zu berichten, und die ihnen von daher zugehenden Weisungen zu vollziehen. Eine eigene Instruction zeigt ihnen den Kreis ihrer Amtswirksamkeit vor. § 33. Eine der gesetzlichen Zahl der Domkapitularen gleiche Anzahl von Dekanen, durch die sämmtlichen Dekane der Diözese aus ihrer M i t t e gewählt, bildet m i t den Domkapitularen nach Bestimmung des § 19 das Wahlkollegium, und hat i n der daselbst festgesetzten Form bei der Wahl sowohl des Bischofs als auch der Domkapitularen mitzuwirken. VIII.

Von der Geistlichkeit

im

Allgemeinen

§ 34. Ein jeder der vereinten Staaten wird, wo dieses nicht bereits statt findet, f ü r die zweckmässige B i l d u n g der Candidaten des kath. geistlichen Standes dadurch sorgen, dass entweder eine kath. theologische Lehranstalt errichtet,

V. Die Frankfurter Kircheiipragmatik von 1820

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u n d als Facultät m i t der Landes-Universität vereinigt werde 4 , oder dass die Candidaten n ö t i g e n f a l l s aus dem allgemeinen katholischen Kirchenfond der Diözese unterstützt werden, u m eine auf diese A r t eingerichtete Universität i n der Provinz besuchen zu können. § 35. Die Candidaten des geistlichen Standes werden nach vollendeten dreijährigen theologischen Studien ein Jahr i m Priesterseminar zum Praktischen der Seelsorge ausgebildet, und zwar i n so weit unentgeltlich, als die i n Dotations-Urkunden f ü r die Seminarien ausgesetzten Summen hinreichen. § 36. I n das Seminar werden nur diejenigen Candidaten aufgenommen, w e l che i n einer durch die Staats- u n d bischöflichen Behörden gemeinschaftlich vorzunehmenden Prüfung gut bestanden und zur Erlangung des landesherrlichen Tischtitels, der ihnen unter obiger Voraussetzung ertheilt w i r d , w ü r d i g befunden worden sind. § 37. Der landesherrliche Tischtitel giebt die urkundliche Versicherung, daß i m eintretenden Falle der nicht verschuldeten Dienstunfähigkeit der dem geistlichen Stande angemessene Unterhalt wofür ein M i n i m u m von jährlich 3 bis 400 Gulden festgesetzt w i r d , so wie die besondere Vergütung f ü r K u r u n d Pflegkosten subsidiarisch werde geleistet werden. V o n dem Titulaten kann n u r ein billiger Ersatz gefordert werden, wenn er i n bessere Vermögensumstände kommt, oder i n der Folge eine Pfründe erhält, welche mehr als die Congrua abwirft. § 38. I n jeder Diözese w i r d jährlich von einer durch die Staats- u n d bischöfl. Behörden gemeinschaftlich anzuordnenden Commission eine Concursprüfung m i t denjenigen Geistlichen vorgenommen, welche zu einer Pfarrei, oder zu sonst einer Kirchenpfründe befördert zu werden wünschen. Z u dieser Prüfung werden n u r Geistliche zugelassen, welche wenigstens zwei Jahre lang i n der Seelsorge als Hülfspriester angestellt waren, u n d gute Zeugnisse ihrer V o r gesetzten über ihren Wandel vorlegen. § 39. Die i n Folge dieser Prüfung sich ergebende Classifikation w i r d bei k ü n f tigen Beförderungen der Geprüften berücksichtigt. § 40. Ebenso w i r d eine Classen-Eintheilung der Pfarreien und sonstigen K i r chenpfründen nach dem Grade ihrer Wichtigkeit u n d ihres Ertrags gefertigt, damit auch die Patrone, welche nur Diözesan-Geistliche präsentiren können, ihre Auswahl hiernach einzurichten vermögen. §41. K e i n Geistlicher kann zu gleicher Zeit 2 Kirchenpfründen, deren eine jede die Congrua erträgt, besitzen, von welcher A r t sie auch seyen, und unter welchem Vorbehalte es auch geschehen wolle. Ein jeder muss an der Spitze seiner Pfründe wohnen, u n d kann sich n u r m i t Erlaubniss auf einige Zeit von derselben entfernen. 4 Von den oberrheinischen Staaten hatte nur Baden eine alte katholischtheologische Fakultät, nämlich i n Freiburg (seit 1460). I n Württemberg wurde die katholisch-theologische Fakultät 1812 i n Ellwangen gegründet, 1817 nach Tübingen verlegt (oben S. 75). Vorübergehend bestanden katholisch-theologische Fakultäten i n Hessen (Gießen 1830- 59) und i n Kurhessen (Marburg 1830 - 33). Nassau besaß keine Universität mehr, daher auch keine Grundlage für eine katholisch-theologische Fakultät (die alte Universität Herborn war seit 1817 aufgelöst; an ihrer Stelle bestand nur das evang. Predigerseminar fort; dazu unten Nr. 294).

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9. Kap.: Die oberrheinische Kirchenprovinz

§ 42. K e i n Geistlicher kann ohne E i n w i l l i g u n g seines Landesherrn Würden, Pensionen, Orden oder Ehrentitel von Auswärtigen annehmen. § 43. Jeder Geistliche w i r d , bevor er die kirchliche I n s t i t u t i o n zu einer i h m verliehenen Kirchenstelle erhält, dem Oberhaupte des Staates den E i d der Treue ablegen, dem Bischof aber den canonischen Gehorsam geloben. §44. Der Staat gewährt den Geistlichen jede zur Erfüllung ihrer Berufsgeschäfte erforderliche gesetzliche Unterstützung, u n d schützt sie i n dem Genüsse der ihrer Amtswürde gebührenden Achtung und Auszeichnung. § 45. Den Geistlichen, so w i e den Weltlichen bleibt, wo immer ein Missbrauch der geistlichen Gewalt gegen sie statt findet, der Recurs an die Landesbehörde. IX. Vom

Kirchenvermögen

§ 46. Die Verwaltungsweise der für den bischöfl. Tisch, das Domkapitel u n d Seminar angewiesenen Dotationen, so wie des dem Erzbischöfe bestimmten Beitrags, w i r d jeder Staat nach seiner Verfassung u n d den hierüber bestehenden Vorschriften anordnen. § 47. Die Güter der kath. Kirchenpfründen so w i e alle allgemeine und besondere kirchl. Fonds werden unter Mitaufsicht des Bischofs i n ihrer Vollständigkeit erhalten, u n d können auf keine Weise zu andern als kath. kirchl. Zwecken verwendet werden. Die Congrua der Pfarrpfründen soll, wo diese weniger als 5 bis 600 Gulden ertragen, nach und nach auf diese Summe erhöhet w e r den. Die V e r w a l t u n g der niedern Kirchenpfründen w i r d i n den Händen der Nutznießer, welche sich hierbei nach den i n jedem Staate bestehenden V o r schriften zu richten haben, gelassen. § 48. I n jedem der vereinten Staaten w i r d , so bald es thunlich ist, ein allgemeiner kath. Kirchenfond gebildet, aus welchem solche kath. kirchl. Bedürfnisse aushülfsweise zu bestreiten sind, zu deren Befriedigung Niemand eine gesetzliche Verbindlichkeit hat, oder keine M i t t e l vorhanden sind.

N r . 108. Z w e i t e r Staatsvertrag der Oberrheinischen Vereinsstaaten v o m 8. Februar 1822 (E. Friedberg,

Der Staat u n d die Bischofswahlen i n Deutschland, 1874, Anhang S. 114 ff.)

§ 1. Die vereinten Staaten ertheilen der von Sr. päbstl. Heiligkeit unter dem 16. August 1821 erlassenen Bulle provida sollersque i n so ferne ihre B i l l i g u n g u n d Sanction, als sie m i t ihren auf die B i l d u n g der oberrheinischen Kirchenprovinz u n d die Begrenzung, Einrichtung u n d Ausstattung der dazu gehörigen fünf Bisthümer sich beziehenden Verfügungen u n d den desfalls gemeinschaftlich i n Rom gemachten Anträgen übereinstimmt, die päpstliche M i t w i r k u n g zum Vollzug derselben zusichert u n d die darin f ü r die Z u k u n f t vorbehaltenen Bestimmungen den Grundsätzen zu deren Aufrechthaltung die Regierungen sich vereinigt haben, nicht zuwider sind. § 2. Die i n Gemässheit der hier unter Ziffer 1 - 105 i n beglaubigter Abschrift vorliegenden Circumscriptions- u n d Dotationsurkunden beschriebenen u n d 5

Diese u n d weitere Anlagen des Vertrags sind hier weggelassen.

V. Die F r a n k f u r t e r K i r c h e p r a g m a t i k von 1820

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dotirten i n vorbenannter Bulle aufgeführten fünf Bisthümer Freiburg, Mainz, Fulda, Rottenburg u n d L i m b u r g bilden die oberrheinische Kirchenprovinz. §3. Die erzbischöfliche Würde ist auf den bischöflichen Stuhl zu Freiburg bleibend übertragen. Die dem Erzbischöfe bewilligte Zulage v o n 3014 fl., zu welcher Summe nach Massgabe der Dotationsurkunden 5 3 das B i s t h u m Freiburg 1400 fl., Rottenburg 864, Mainz 304, L i m b u r g 276, Fulda 170 jährlich beizulegen haben, w i r d i n halbjährlichen Raten an denselben unmittelbar eingesendet. § 4. Die vereinten Staaten werden die Fundationsinstrumente 5 b , welche die Bedingungen der Stiftungen der fünf Bisthümer enthalten, nach den unter Ziffer 2 anliegenden Formularen ausfertigen u n d beglaubigte Abschriften davon zu den gemeinschaftlichen Acten der Commission dahier hinterlegen lassen. §5. Die allgemeinen Bestimmungen des Fundationsinstrumentes u n d die unter Ziffer 12 anliegende Kirchenpragmatik 6 sollen i n der ganzen oberrheinischen Kirchenprovinz i n verbindlicher K r a f t aufrecht erhalten werden. Z u gleich behalten auch die Declaration an den Pabst u n d die Grundbestimmungen 7 etc. ihre i m Staatsvertrag v o m 7. October 18188 ausgesprochene V e r bindlichkeit, i n sofern nicht i n der Kirchenpragmatik und i n dem Fundationsinstrumente etwas anderes bestimmt ist. § 6. Die vereinten Staaten machen sich verbindlich, die verabredete K i r chenverfassung unmittelbar nach der Einweisung der ersten Bischöfe i n V o l l zug zu setzen, zu dem Ende die Fundationsinstrumente und die Kirchenpragmatik den Bischöfen u n d ihren Domcapiteln zu übergeben und die unter Ziffer 12 i m E n t w u r f anliegende landesherrliche Verordnung als allgemein giltig bekannt machen zu lassen. § 7. Bei der ersten Einrichtung werden die vereinten Staaten die päpstliche Bestätigung der Bischöfe n u r alsdann annehmen, wenn solche f ü r alle fünf Bisthümer der Provinz zugleich erfolgt, so wie sie sich überhaupt verbindlich machen, die kirchlichen Einrichtungen der Provinz n u r gleichzeitig i n Vollzug zu setzen. § 8. Diejenigen deutschen Regierungen, welche sich einem der vorerwähnten fünf Bisthümer bereits angeschlossen haben, oder noch anschliessen w e r den, soll der gegenwärtige Vertrag mitgetheilt werden, damit sie mittelst besonderer Accessions-Urkunde demselben seinem ganzen Inhalte nach beitreten. § 9. Z u m Behuf der gleichförmigen Einführung der verabredeten Kirchenverfassung i n der ganzen Kirchenprovinz, werden die vereinten Staaten ihre seither i n Frankfurt a. M. angeordnete Commission noch zur Zeit fortbestehen lassen. Die Wirksamkeit derselben erstreckt sich auf die diplomatischen V e r handlungen der vereinten Staaten sowohl unter sich als m i t dem päpstlichen Hofe. §10. Gegenwärtiger n u r einmal ausgefertigter Vertrag w i r d binnen kurzmöglichster Zeitfrist von allen contrahirenden Theilen ratificirt u n d m i t den 5a

Über die Dotationsurkunden siehe oben S. 251 A n m . 13. Uber die Fundations-Instrumente siehe unten Nr. 113. Oben Nr. 107. Oben S. 237 Anm. 8. Oben Nr. 105.

5b 6 7 8

266

9. Kap.: Die oberrheinische Kirchenprovinz

Ratifikations- u n d Accessions-Urkunden nebst den gemeinschaftlichen Commissions-Acten vorerst i n dem Archive der Kgl. Württemberg. Bundestagsgesandtschaft niedergelegt werden. Separatartikel

über die Ernennung

des Bischofs

Die zur Feststellung der katholisch-kirchlichen Einrichtungen i n Deutschland vereinten Bundesstaaten sind über folgende weitere Bestimmungen übereingekommen, welche bei der ersten Besetzung der fünf Bisthümer, so wie bei der Bildung der Domcapitel zur Anwendung kommen sollen. 1. Die Landesherren, i n deren Gebieten sich die bischöflichen Sitze befinden, werden sich, bevor sie sich über die i n Rom zu Bischöfen i n A n t r a g zu bringenden Subjecte entscheiden, von den Geistlichen ihres Landes auf beliebige Weise drei Geistliche, welche sie für das bischöfliche A m t geeignet erachten, namhaft machen lassen 9 . 2. Den zu Bischöfen ausersehenen Geistlichen w i r d m i t der Benachrichtigung hiervon zugleich eröffnet, dass sie die genaue Beobachtung u n d Vollziehung der Kirchenverfassung der Provinz vor ihrer Designation zuzusichern haben. Demzufolge w i r d ihnen das Fundationsinstrument und die Kirchenpragmatik von Bevollmächtigten der Regierung zur Einsicht und Kenntnissnahme mitgetheilt. Machen sie sich zur Beobachtung der darin festgesetzten Grundbestimmungen der Kirchenverfassung i n einem darüber abzuhaltenden Protokoll verbindlich und erklären sie sich zugleich bereit, die Geistlichen, welche zu Domherren bestimmt sind und über welche man m i t ihnen vorläufig übereingekommen ist, als solche zu instituiren, so erhalten sie die förmliche landesherrliche Designation und werden sofort i n Rom als Bischöfe in A n t r a g gebracht™. 3. Die zur Bildung der neuen Domcapitel bestimmten Mitglieder werden nach erfolgter Institution der Bischöfe die genaue Beobachtung und Vollziehung der Kirchenverfassung der Provinz zu Protokoll erklären und sie werden sodann von den Bischöfen instituirt. Dieser Separatartikel soll m i t dem oben benannten Vertrage gleiche K r a f t und Wirksamkeit haben, als wäre er demselben von Wort zu Wort einverleibt. Separatartikel

über die Ernennung

des Erzbischofs

Da die zur Feststellung der katholisch-kirchlichen Einrichtungen vereinten deutschen Bundesstaaten ein gemeinschaftliches Interesse haben, dass keine Person als Erzbischof aufgestellt werde, welche i n dieser Eigenschaft das zur Einführung u n d Aufrechthaltung der kirchlichen Provinzialverfassung erforderliche Vertrauen nicht gewährt, und der Grossherzogl. Badische Hof geneigt ist, i n dieser Beziehung den Wünschen der übrigen vereinten Höfe zu entsprechen, so machen sich Se. Kgl. H. der Grossherzog von Baden verbindlich, dass sowohl für das erste M a l als i n Z u k u n f t der erzbischöfliche Sitz m i t keiner 9

Dazu Anm. 10. A n die Stelle des hier i n Anspruch genommenen Designationsrechts trat i m weiteren Verlauf das oben erwähnte landesherrliche Ausschließungsrecht (Streichung unerwünschter Kandidaten von der Kandidatenliste). Uber dieses Listenverfahren unten Nr. 109, 110. 10

V I . Bulle A d dominici gregis custodiam und Breve Re sacra (1827)

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den übrigen Höfen, welche Bisthümer constituiren, unangenehmen Person besetzt werde. Wenn nach geschehener vertraulicher M i t t h e i l u n g hierüber von einem oder dem andern Hofe binnen drei Wochen keine m o t i v i r t e n Einwendungen gemacht werden, so soll es so angesehen werden, als fänden dergleichen nicht statt. Dieser Separatartikel soll m i t dem oben benannten Vertrage gleiche K r a f t und Wirksamheit haben, als wäre er demselben von Wort zu Wort einverleibt.

V I . D i e B u l l e A d d o m i n i c i gregis c u s t o d i a m u n d das B r e v e Re sacra (1827) Den Vereinbarungen des Frankfurter Vertrags von 1822 entsprechend (oben Nr. 108) nahmen die Regierungen das Recht in Anspruch, die Bischöfe der oberrheinischen Kirchenprovinz auf Grund von Dreiervorschlägen der Domkapitel zu designieren. Demgemäß bezeichnete nunmehr jeweils die Regierung, in deren Staatsgebiet ein Bischofssitz vorgesehen war, einen einzigen Kandidaten für den einzelnen Bischofsstuhl. Am 27. Februar 1823 erhob Kardinalstaatssekretär Consalvi gegen dieses Verfahren wie gegen die in Aussicht genommenen Kandidaten scharfen ProtestDer Note lag eine Liste mit 14 dem Papst genehmen Kandidaten für die fünf oberrheinischen Bischofssitze bei 2. Doch wiesen die Regierungen das damit eingeschlagene Verfahren in der gemeinsamen Note vom 3. Juni 1823 zurück 3. Langwierige Verhandlungen schlossen sich an. Erst als Papst Leo XII Λ im September 1823 sein Amt angetreten und Somaglia 5 zum Kardinalstaatssekretär berufen hatte, kamen die Verhandlungen zum Abschluß. In der Note vom 16. Juni 1S256 schlug Somaglia ein neues Verfahren zur Besetzung der Bischofsstühle vor. Mit der Note vom 4.17. September 1826' stimmten die vereinigten Regierungen dieser Regelung unter der Bedingung zu, daß sie nicht nur durch eine Bulle verkündet, sondern durch ein zusätzliches Breve an die Bischöfe und Kapitel verdeutlicht werde. Mit der Note vom 6. Januar 18278 erklärte Somaglia die Bereitschaft der Kurie, dieser Forderung zu entsprechen. Dieser Zusage gemäß erließ Papst Leo XII. am 11. April 1827 die Bulle „Ad dominici gregis custodiam" (Nr. 109), der am 28. Mai 1827 das Breve „Re sacra " (Nr. 110) folgte. Damit entstand ein neuer Modus der Bischofsernennung, das „oberrheinische SystemDie Bulle gewährte den Landesherren an Stelle des von ihnen zunächst geforderten Designationsrechts das Ausschließungsrecht. 1 Text: E. Friedberg, Der Staat und die Bischofswahlen i n Deutschland (1874) A n h a n g s . 117 ff. 2 Die Namen der Vorgeschlagenen bei I. v. Longner. a.a.O., S. 526. 3 Weitere Dokumente bei E. Friedberg, a.a.O., S. 124 ff. 4 Leo X I I . = Hannibal della Genga (1760 - 1829), Titularerzbischof von Tyrus; 1816 K a r d i n a l ; 1823 - 1829 Papst. 5 Giulio Maria della Somaglia (1744 - 1830), seit 1774 Sekretär an der K u r i e ; 1795 K a r d i n a l ; 1823 - 28 Kardinalstaatssekretär. 6 Text: I. v. Longner, a.a.O., S. 558 f. 7 Text: H. Brück, Die oberrheinische Kirchenprovinz (1868) S. 544 f. 8 Text: Arch. f. kath. Kirchenrecht, Bd. 21, 1869, S. 201 ff.

268

9.

ap. Die oberrheinische Kirchenprovinz

Das bedeutete: die mit dem Bischofswahlrecht ausgestatteten Domkapitel der fünf oberrheinischen Diözesen hatten dem Landesherrn vor der Wahl eine Kandidatenliste vorzulegen, aus der dieser die minder genehmen Kandidaten streichen konnte. Das Breve verpflichtete die Kapitel, sich durch Anfrage vor der Wahl zu versichern, daß gegen keinen der Kandidaten der Einwand der Minder genehmheit erhoben werde. Die Forderung der Landesherrn, daß auf keinen Fall eine ihnen minder genehme Persönlichkeit einen Bischofssitz einnehmen dürfe, erhielt auf diese Weise durch Bulle und Breve eine doppelte Garantie. Diese Regelung machte den Weg für die Besetzung der oberrheinischen Bischofsstühle frei. Erzbischof in Freiburg wurde Bernhard Boll 9; 10 Bischöfe wurden: in Rottenburg Johann Baptist v. Keller ; in Limburg Jakob Brand 11; in Fulda Johann Adam Rieger 12; in Mainz Joseph Anton (Vitus) Burg13. N r . 109. Bulle A d dominici gregis custodiam v o m 11. A p r i l 1827 (Lateinischer Text u n d deutsche Übersetzung: Badisches Regierungsblatt 1827 S. 233 ff.) Leo Bischof, Diener der Diener Gottes. Zum immerwährenden

Gedächtniß!

Die Röm. Päbste haben jederzeit m i t größter u n d ununterbrochener A n strengung sich bestrebt, zur Obhut der Herde des Herrn, H i r t e n aufzustellen, welche dieselbe sowohl durch V e r w a l t u n g des Gottesdienstes, als auch durch Verkündung des göttlichen Wortes auf den Wegen der Gerechtigkeit und des Heiles leiten, w o h l wissend, daß dieses ihnen, nach ihrer Amtspflicht, von dem obersten H i r t e n vorzüglich anbefohlen werde. I n dieser Absicht hat daher Unser Vorfahrer Pius V I I . , seligen Andenkens, m i t dem hohen Eifer, der I h n f ü r die Wohlfahrt der Kirche beseelte, Sich es 9 Bernhard Boll (1756 - 1836), w a r zunächst i m Jesuiten-, dann i m Benediktiner-Orden; nach der Säkularisation Professor der Philosophie an der U n i versität Freiburg; Münsterpfarrer daselbst; 1827 - 1836 Erzbischof. 10 Siehe oben S. 74 A n m . 3. 11 Jakob Brand (1776 - 1833), seit 1802 kath. Priester; Professor am Gymnasium Aschaffenburg; seit 1809 i m Pfarrdienst; 1817 nassauischer Schulinspektor; 1825 Vertreter der Geistlichkeit i m nassauischen Landtag; 1827 - 1833 Bischof von Limburg. 12 Johann Adam Rieger (1753 - 1831), seit 1778 kath. Priester; 1781 Hofprediger des Landgrafen Friedrich von Hessen i n Kassel; 1798 auch Kanonikus in A m ö neburg; 1808 Aumonier des Königs Jérome von Westfalen; 1823 vom Kurfürsten von Hessen zum Bischof von Fulda ernannt; aber erst 1828 präkonisiert; 1829 konsekriert. 13 Joseph Anton (Vitus) Burg (1768 - 1833), M i t g l i e d des Franziskaner-Ordens; lange i n der Seelsorge tätig; nach der Säkularisation Verwalter der badisch gewordenen Teile des Bistums Straßburg; 1827 Domdekan i n Freiburg; 1829 bis 1833 Bischof von Mainz. Er w a r maßgeblich beteiligt an den Verhandlungen über die Errichtung der oberrheinischen Kirchenprovinz, sowie auch an den Landesherrlichen Verordnungen von 1830 (unten Nr. 114), die von Papst Gregor X V I . verworfen wurden.

V I . Bulle A d dominici gregis custodiam und Breve Re sacra (1827)

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zur heiligsten Gewissenspflicht gemacht, eine aufmerksame Sorgfalt auf jene Verehrer des wahren Glaubens zu verwenden, welche v o n den Durchlauchtigsten Fürsten u n d Staaten Deutschlands, nämlich dem K ö n i g v o n W ü r t e m berg, dem Großherzog von Baden, dem Großherzog von Hessen, dem K u r fürsten von Hessen, dem Herzog von Nassau, der freien Stadt Frankfurt, dem Großherzog von Mecklenburg, den Herzogen von Sachsen, dem Herzog von O l denburg, dem Fürsten v o n Waldeck u n d den freien Hansestädten Lübeck und Bremen, beherrscht werden; und nachdem Derselbe alles reiflichst überlegt hatte, was der Sache am angemessensten war, hat Er dafür Sorge getragen, daß denselben Vorsteher der Kirchen zugetheilt werden; deswegen sind durch ein unterm 16. August 1821 ausgefertigtes apostolisches Schreiben, welches m i t den Worten anfängt: „Provida solersque" 1 4 der erzbischöfliche Sitz zu Freiburg u n d dessen vier Suffragansitze, nämlich zu Rottenburg, zu Mainz, zu L i m b u r g u n d zu Fulda, bestimmt worden, nachdem alles zu diesem Werke zweckdienlich beschlossen war, was i n Betreff der bischöfl. Einkünfte, der Capitelscollegien, der Seminarien, der Pfarreien, der Cathedralkirchen vorher festgesetzt werden mußte. Nunmehr sind Wir, m i t der gütigen Hülfe Gottes, der ein Vater des Lichts u n d der Urheber alles Trostes ist, bereits an dem, daß w i r diesen Sitzen bäldest ihre H i r t e n vorsetzen. A l l e i n es erübrigte noch Einiges, was i n gütlicher Vereinigung festzusetzen war, wodurch i n Z u k u n f t alle, vorzüglich i n Betreff der W a h l der Vorsteher, m i t füglicher Rücksicht auf die örtlichen Verhältnisse, Vorsorge gethan wäre, damit die Rechte des apostol. Stuhles über diesen Gegenstand unversehrt bestehen, und alles, was zu dem Ende daselbst geschehen, die allgemeine Z u stimmung für sich haben möge. Diesen Zweck haben W i r einzig vor Augen gehabt, u n d bei diesem höchst wichtigen u n d schwierigen Geschäfte dies einzig zu Herzen genommen, daß alles dasjenige beseitigt würde, wodurch der grosse Seelengewinn, der durch die Anordnungen der besagten Bulle vorbereitet wurde, noch gehemmt wird, und das dasjenige, was zum Besten der Religion festgesetzt worden war, endlich das gewünschte Ziel erreichen möge. Nachdem W i r daher alle einschlagende Verhältnisse einer Prüfung unterworfen, und solche Entschliessungen gefaßt hatten, die aus der Natur der Sache u n d allen ihren Umständen von selbst sich darboten, so haben W i r noch einige von Unseren ehrwürdigen Brüdern, den Cardinälen der heil. Rom. Kirche, einvernommen, und beschliessen u n d befehlen, nach erhaltener zuverlässiger Kenntniß und reiflichen Überlegung und m i t der Vollmacht der apostolischen Gewalt, was folgt: Erstens: So oft der erzbischöfl. oder ein bischöfl. Sitz erledigt seyn w i r d , w i r d das Capitel der betreffenden Cathedralkirche Sorge tragen, daß innerhalb eines Monats, vom Tage der Erledigung an gerechnet, die Landesfürsten des betreffenden Gebiets von dem Namen der zu dem Diöcesanclerus gehörigen Candidaten, welche dasselbe nach den canonischen Vorschriften w ü r d i g und tauglich erachtet, die erzbischöfl. oder bischöfl. Kirche f r o m m u n d weise zu regieren, i n Kenntniß gesetzt werden; wenn aber vielleicht einer von diesen 14

Oben Nr. 106.

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9. Kap.: Die oberrheinische Kirchenprovinz

Candidaten dem Landesfürsten minder angenehm seyn möchte, so w i r d das Capitel i h n aus dem Verzeichnisse streichen, n u r muß die übrig bleibende A n zahl der Candidaten noch hinreichend seyn, daß aus i h r der neue Vorsteher gewählt werden k ö n n e 1 5 ; dann aber w i r d das Capitel zur canonischen W a h l eines aus den noch übrigen Candidaten zum Erzbischof oder Bischof, nach den gewöhnlichen canonischen Formen, vorschreiten, und dafür Sorge tragen, daß die Urkunde über die W a h l i n authentischer Form innerhalb einer Monatsfrist dem Pabste vorgelegt werde. Zweitens: Die Bewerkstelligung des Informativprocesses über die Eigenschaften der Promovenden zum erzbischöflichen oder zu dem bischöflichen Stuhle w i r d von dem Pabste, i n Gemäßheit der Anweisung, welche auf Befehl des Pabstes Urban V I I I . , seligen Andenkens, herausgegeben worden i s t 1 6 , einem der Provinzialbischöfe oder einem i n Würde stehenden Geistlichen der betreffenden Diöcese übertragen werden; wenn der Pabst aus diesem vorgelegten Informativproceß ersieht, daß der Gewählte diejenigen Eigenschaften besitze, welche die canonischen Vorschriften an einem Bischof erfordern, so w i r d er denselben so bald als möglich, nach den bestehenden canonischen Formen, durch ein apostolisches Schreiben bestätigen. Drittens: Wenn aber entweder die Wahl nicht nach canonischen Regeln v o r genommen worden, oder der Gewählte nicht m i t den vorgedachten Gaben ausgerüstet befunden w i r d , so w i r d der Pabst dem Capitel aus besonderer Gnade gestatten, daß es, wie früher, zu einer neuen Wahl auf canonische Weise v o r schreiten könne. Viertens: Sowohl das Metropolitan-, als die Cathedral-Capitel werden für das erstemal auf folgende Weise gebildet werden: Nachdem der Erzbischof oder beziehungsweise der Bischof durch das Ansehen des heiligen Stuhles eingesetzt sind, so w i r d sie der Pabst ermächtigen, i n Seinem Namen zur Ernennung des Decans, der Canonici und der Vicarien des Capitels zu schreiten, und solchen die canonische Einsetzung zu ertheilen. I n der Folge aber, so oft das Decanat, ein Canonicat oder ein Vicariat erledigt wird, w i r d abwechslungsweise der Erzbischof und beziehungsweise der Bischof oder das betreffende Capitel innerhalb sechs Wochen, v o m Tage der Erledigung an, dem Landesfürsten vier Candidaten, welche die heiligen Weihen erhalten haben, und m i t den Eigenschaften begabt sind, welche die canonischen Vorschriften bei den Capitularen erfordern, vorlegen. Wenn aber vielleicht einer von diesen Candidaten dem Landesfürsten minder angenehm seyn sollte, so w i r d der Landesfürst dem Erzbischof oder Bischof oder beziehungsweise dem Capitel solches eröffnen lassen, damit jener aus dem Verzeichnisse gestrichen werde; dann aber w i r d der Erzbischof oder Bischof oder beziehungsweise das Capitel, u m das Decanat, ein Canonicat oder eine Präbende oder ein Vicariat zu besetzen, zur Ernennung 15 Dies bedeutete, daß die Liste noch mindestens die Namen zweier K a n d i daten enthalten mußte. K a m der Landesherr jedoch zu dem Ergebnis, daß alle Kandidaten oder alle außer einem minder genehm seien, konnte er die Liste als nicht ordnungsgemäß zurückgeben; es w a r dann eine neue Liste vorzulegen. Das Vetorecht des Landesherrn w a r durch die obige Bestimmung also nicht beschränkt. Dazu Verfassungsgeschichte, Bd. I, S. 438 f. 16 Oben S. 25 A n m . 15.

V I . Bulle A d dominici gregis custodiam und Breve Re sacra (1827)

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eines der übrigen Candidaten schreiten, welchem der Erzbischof oder Bischof die canonische Einsetzung ertheilen w i r d . Fünftens: I n dem erzbischöfl. oder bischöfl. Seminarium w i r d eine der Grösse und dem Bedürfnisse des Sprengeis entsprechende, nach dem Ermessen des Bischofs zu bestimmende Anzahl Cleriker unterhalten, und nach der V o r schrift der Decrete des Conciliums von Trient gebildet u n d erzogen werden. Sechstens: Der Verkehr m i t dem heil. Stuhle i n kirchl. Geschäften w i r d frei seyn, und der Erzbischof i n seiner Diöcese u n d kirchl. Provinz, w i e auch die Bischöfe, jeder i n der eigenen Diöcese, werden m i t vollem Rechte die bischöfl. Gerichtsbarkeit ausüben, welche ihnen nach den canonischen Vorschriften u n d der gegenwärtigen Kirchenverfassung zusteht. Ferner befehlen W i r ernstlich, daß dasjenige, was Wir, nach dem Innhalte des Gegenwärtigen, durch die K r a f t der apostol. Verordnung festsetzen, von den Vorstehern und Capiteln der gedachten Sitze i n allem, was zu ihnen steht, genau und pünktlich befolgt u n d festgehalten werden soll. Aber auch von den Durchlauchtigsten Fürsten erwarten W i r m i t zuverlässiger und freudiger Hoffnung, daß Sie, gemäß ihrer grossen und erhabenen und auf Beförderung der Glückseligkeit I h r e r Völker gerichteten Gesinnung, beherzigen, i n welchem Grade Unsere Nachgiebigkeit i n diesem ganzen Geschäfte dargethan worden ist, u n d täglich mehr Sich gegen Ihre cath. Unterthanen wohlwollend erzeigen, welche Sie Sich gewiß zu jeder Zeit durch Treue, Liebe und eifrigen Gehorsam innigst verbunden finden werden. W i r verordnen, daß die gegenwärtige Urkunde zu keiner Zeit, unter dem Vorwande einer Erschleichung durch verheimlichte Wahrheit und aufgedrungene Unwahrheit oder der Nichtigkeit, i n Zweifel gezogen, angefochten u n d angegriffen werden könne, sondern, daß sie allezeit fest, kräftig u n d w i r k s a m seyn und bleiben solle. Auch sollen nicht dawider seyn können die apostol. allgemeinen oder besonderen Bestimmungen u n d Anordnungen u n d Unsere und der apostol. Kanzlei Regeln, besonders jene, daß w o h l erworbene Rechte nicht aufzuheben, und alles übrige Entgegenstehende, wenn es auch speciell zu erwähnen seyn sollte; denn indem W i r alles dieses sammt und sonders also betrachtet haben wollen, als ob es ausdrücklich und wörtlich hier eingerückt wäre, so wollen W i r dasselbe (welches übrigens sonst ferner i n K r a f t bleiben soll) zu Bekräftigung des Vorstehenden speciell und ausdrücklich ausser W i r k samkeit gesetzt haben. W i r wollen überdies, daß den Abschriften der gegenwärtigen Urkunde, auch den Abdrücken, wenn sie jedoch von der Hand eines öffentlichen Notars unterschrieben, und m i t dem Siegel einer i n geistlicher Würde stehenden Person versehen sind, überall derselbe Glaube beigelegt werde, welcher gegenwärtiger Urschrift beigelegt werden würde, wenn sie ausgehändigt u n d vorgezeigt würde. Es soll daher Niemanden erlaubt seyn, diese Urkunde über Unsere Verleihung, Gutheissung, Aufhebung, Satzung, Bevollmächtigung u n d Willensäusserung zu entkräften oder i h r freventlich entgegenzuhandeln; wer aber solches zu t h u n sich herausnimmt, der wisse, daß er sich die Ungnade des allmächtigen Gottes u n d Seiner hl. Apostel Petrus u n d Paulus zuziehen werde.

9. Kap.: Die oberrheinische Kirchenprovinz

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N r . 110. Das Breve Re sacra v o m 28. M a i 1827 (E. Friedberg,

Der Staat u n d die Bischofswahlen i n Deutschland, 1874, S. 244 ff.) — Ubersetzung —

Schreiben Papst Leos XII. an den Dekan und die Kanoniker der erzbischöflichen Kirche zu Freiburg Nachdem die heilige Angelegenheit der dortigen Gegend entsprechend den örtlichen Bedingungen geordnet ist, haben W i r i n dem letzten Konsistorium den verehrungswürdigen Bruder Bernhard B o l l 1 7 als Erzbischof über Euch gesetzt. W i r haben i h m den A u f t r a g gegeben, daß er gemäß der Konstitution „Provida solersque" 1 8 unseres Vorgängers seligen Andenkens u n d ebenso entsprechend dem, was durch Unser Schreiben m i t dem Anfang „ A d dominici gregis custodiam" 1 9 festgesetzt wurde, Euer Kollegium errichte. Da W i r annehmen, daß er seine Pflicht bereits erfüllt hat, schreiben W i r Euch, daß I h r Euch bemühen sollt, der erweckten E r w a r t u n g angesichts der Schwere des Euch übertragenen Amts gerecht zu werden und den anderen durch Untadeligkeit des Lebenswandels u n d durch Eifer i n der Wahrnehmung der heiligen Pflichten voranzugehen. Da W i r Euch aber durch das erwähnte apostolische Schreiben das Vorrecht, Euren Vorsteher zu wählen, durch festbestimmte Gesetze übertragen haben, wollen W i r diese Ermahnung an Euch auch i m besonderen richten, auf daß I h r bei dieser so bedeutsamen Handlung die Ehre des allmächtigen Gottes, die Vorteile der Religion, das W o h l der Gläubigen und Euer ewiges Heil i n Eurem Herzen erwägt. I h r würdet nämlich — so sagen W i r m i t den tridentinischen Vätern — an fremden Sünden teilhaben, wenn I h r nicht sorgfältig darauf bedacht wäret, jeweils die nach Euerm U r t e i l Würdigsten und der Kirche Nützlichsten auszuwählen, u n d zwar nicht auf Grund von B i t t e n aus menschlicher Neigung oder nach auf Euch wirkenden Einflüsterungen parteiischer Werbung, sondern auf Grund der für sich selbst sprechenden Verdienste der Betreffenden. Da nun, wie aus der Ermahnung des Ivo von Chartres 2 0 hervorgeht, die Kirche dann blüht u n d Frucht bringt, wenn K ö n i g t u m u n d Priestertum sich verständigen, w i r d es zu Eurer Aufgabe gehören, diejenigen herauszuheben, v o n denen I h r v o r dem feierlichen Wahlakt wißt, daß sie — abgesehen von den übrigen durch das kirchliche Recht bestimmten Eigenschaften — sich darüber hinaus durch rühmenswerte Klugheit empfehlen und dem allergnädigsten Fürsten nicht minder genehm sind. Dies müßt I h r vor Augen haben, wenn I h r nun auch gemäß den i n Unserem selbigen Schreiben festgesetzten Bedingungen das Recht haben werdet, die 17 18 19 20

Oben Oben Oben Oben

S. 268 A n m . 9. Nr. 106. Nr. 109. S. 223 A n m . 4.

V I I . Vollzug der m i t der K u r i e getroffenen Vereinbarungen Mitglieder Eures Kollegiums zu wählen. W i r vertrauen fest darauf, daß I h r diesen Unseren Befehlen, die auch die Wünsche dieses ganzen Volkes sind, v o r behaltlos gehorchen werdet; W i r erwarten dies m i t Sicherheit von Eurer E h r erbietigkeit u n d Eurem Gehorsam Uns gegenüber; inzwischen erteilen W i r Euch, geliebte Söhne, von Herzen Unseren Segen.

V I I . Der staatliche Vollzug der mit der K u r i e getroffenen Vereinbarungen Die Frankfurter Vereins Staaten schlossen auf die Bulle „Ad dominici gregis custodiam" und des Breve „Re sacra " hin den Staatsvertrag vom 15. November 1827 (Nr. 111), mit dem sie den Vertrag vom 8. Februar 1822 (oben Nr. 108) den neuen Gegebenheiten anpaßten. Diesem dritten Vertrag gemäß bestätigten sie alsbald auch von ihrer Seite aus die Errichtung der oberrheinischen Diözesen durch die Publikation der beiden päpstlichen Bullen (Nr. 112). Außerdem setzten sie nunmehr die Fundations-Instrumente für die neuen Bistümer in Kraft (Nr. 113). Dagegen verzichteten sie darauf, den Bischöfen und Domkapiteln die Kirchenpragmatik von 1820 (oben Nr. 107) zuzustellen; allerdings bedeutete dies nicht, daß sie die Kirchenpragmatik in ihren entscheimdenden Punkten hätten fallen lassen 1.

N r . 111. D r i t t e r Staatsvertrag der Oberrheinischen Vereinsstaaten v o m 15. November 1827 (E. Friedberg,

Der Staat und die Bischofswahlen i n Deutschland, 1874, Anhang S. 159 ff.)

Änderungen

des Vertrags vom 8. Februar 1822 2

Zu Art. 1. Die Form der landesherrlichen Genehmigung der Bullen wurde geändert. Zu Art. 4. Die Form des Fundationsinstrumentes wurde verändert. Zu Art. 5. I n Ansehung der hier genannten Kirchenpragmatik 3 : soll es in Z u k u n f t ebenso gehalten werden, wie i n Ansehung der i n der eben diesem A r t i k e l bezeichneten Grundbestimmungen, dass sie nämlich w i e jene ihre fernere Gültigkeit nur i n so weit behalten, als nicht spätere gemeinschaftliche Beschlüsse eine andere Bestimmung getroffen haben. Zu Art. 6. Die Zustellung der Kirchenpragmatik an die Bischöfe und ihre Domcapitel soll i n Folge der wegen ihrer formellen Bestätigung dem päpstl. Stuhle gegebenen Zusicherung unterbleiben. Die i n diesem A r t i k e l erwähnte landesherrliche Verordnung ist nach dem neu redigirten diesem Protokoll unter Ziffer 3 angebogenen Formular zu erlassen. 1 2 3

Unten S. 279 f. Oben Nr. 108. Oben Nr. 107.

18 Huber, Staat und Kirche, 1. Bd.

274

9. Kap.: Die oberrheinisch

Kirchenprovinz

Zu Art. 7. Die Bestimmung dieses Artikels, wonach die vereinten Staaten die päpstl. Bestätigung der Bischöfe n u r alsdann, wenn solche für alle fünf Bisthümer der Provinz zugleich erfolge, annehmen, sowie überhaupt die kirchl. Einrichtungen der Provinz n u r gleichzeitig i n Vollziehung setzen zu wollen, sich verbindlich machen, w i r d , nachdem der Zweck dieser Bestimmung seit dem eingetretenen Verhältnisse weggefallen ist, einstimmig aufgehoben und jeder Regierung die Befugniss zurückgegeben, die Institution ihres Landesbischofs nicht an den Zeitpunkt zu binden, i n welchem die der übrigen erfolgen wird. Zum ersten

Separatartikel

§1. Die i n Absicht auf die erstmalige Designation der Bischöfe enthaltene Bestimmung, w i r d , nachdem diese Designation längst erfolgt ist, als erledigt betrachtet und fällt hinweg. Die i n § 2 und 3 enthaltenen Bestimmungen werden durch nachfolgende ersetzt: F ü r die Z u k u n f t haben neu designirte oder gewählte Bischöfe vor ihrer Einsetzung, desgleichen auch jedes einzelne Mitglied des Capitels vor seinem Eint r i t t e i n dasselbe, das Versprechen, sich nach den Bestimmungen des neu redigirten Fundations-Instrumentes zu achten, i m Wege einer den Regierungen überlassenen vertraulichen Verständigung abzugeben. Die Bischöfe und Capitel haben die Verpflichtung zu genauer Beobachtung und Vollziehung der Kirchenverfassung wie solche nunmehr sich darstellt. Die Sorge für eine Verbindlichmachung eines neu designirten Bischofes zu Beobachtung der i n dem päpstl. Breve an den Erzbischof von Freyburg und den Bischof zu L i m b u r g vom 31. M a i 18274 für die erstmalige Ernennung zu der Domcapitularstelle, sowie i n dem an die Domcapitel gerichteten Breve 5 f ü r die ihnen überlassene Wahl zu jener Stelle gegebenen Bestimmungen auch bei der den Bischöfen für die Z u k u n f t überlassenen alternativen Wahl zu der gedachten Stelle w i r d einer jeden Regierung anheim gegeben. Zum zweiten

Separatartikel

Die Bestimmungen dieses Artikels werden durch nachstehende ersetzt: Bei eintretender Erledigung des erzbischöfl. Stuhles und dessen Wiederbesetzung durch Wahl w i r d der Grossherzogl. Badische Hof die i h m i n diesem Falle vorzulegende Candidatenliste den übrigen Regierungen vertraulich m i t theilen und ohne der eingeräumten canonischen Wahlfreiheit des Capitels zu nahe treten zu wollen, diejenigen drei Candidaten, auf die der Grossherzogl. Hof sein bestimmtes Augenmerk bei der Wahl zu dem erledigten erzbischöfl. Stuhle w i r f t , i n der Liste oben an setzen. Wenn von den übrigen Regierungen binnen drei Wochen vom Empfang an, gegen die i n der Liste bezeichneten Personen keine m o t i v i r t e n Einwendungen gemacht werden, so soll es angesehen werden, als fänden dergleichen nicht statt. 4

I. v. Longner, Beiträge zur Geschichte der oberrheinischen Kirchenprovinz, 1863, S. 652. 5 Oben Nr. 110.

V I I . Vollzug der m i t der K u r i e getroffenen Vereinbarungen Der Erzbischof hat vor seiner Einsetzung für die übrigen Regierungen, w e l che Bisthümer constituiren, folgende Reversalien auszustellen: „Ich verspreche und schwöre (es folgen Namen u n d T i t e l des Landesherrn), bei den heiligen Evangelien Gottes, dass ich das m i r anvertraute A m t eines Metropolitan-Erzbischofs zur Beförderung des Seelenheils der K a t h o l i k e n i n der Provinz verwalten u n d nichts unternehmen werde, was auf irgend eine A r t zum Nachtheile der Rechte der Staaten oder der Bischöfe gereichen könnte." N r . 112. Landesherrliche Publikation der päpstlichen Bullen zur Errichtung des Erzbistums zu Freiburg v o m 16. Oktober 1827 (Badisches Staats- u n d Regierungsblatt 1827, S. 211)« Da die päbstliche Bulle vom 16. August 1821, welche m i t den Worten: „Provida solersque" und diejenige vom 11. A p r i l 1827, welche m i t den Worten: „ A d dominici gregis custodiam" beginnt, insoweit solche die Bildung der Oberrheinischen Kirchenprovinz, die Begrenzung, Ausstattung und Einrichtung der dazu gehörigen fünf Bisthümer m i t ihren Domcapiteln, so wie die Besetzung der erzbischöfflichen und bischöflichen Stühle u n d der Domstiftischen Präbenden zum Gegenstand haben, von Uns angenommen werden und Unsere landesherrliche Staatsgenehmigung erhalten, ohne daß jedoch aus denselben auf irgend eine Weise etwas abgeleitet, oder begründet werden kann, was Unsern Hoheitsrechten schaden, oder ihnen Eintrag t h u n könnte, oder den Landesgesetzen und Regierungsverordnungen, den erzbischöfflichen u n d b i schöflichen Rechten, oder den Rechten der evangelischen Confession und Kirche entgegen wäre, so w i r d solches hiermit unter dem Vorbehalte, daß wegen der Vollziehung weitere Anordnungen werden getroffen werden, zur Nachachtung bekannt gemacht.

N r . 113. Landesherrliche Fundations-Urkunde für die Erzdiözese Freiburg vom 16. Oktober 18277 (Urkunden des Erzbischöflichen Archivs, Freiburg, FB I a 2) Ludwig, von Gottes Gnaden Großherzog zu Baden, Herzog zu Zähringen, Landgraf zu Nellenburg, Graf zu Salem, Petershausen u n d Hanau etc. 6 Entsprechende landesherrliche Publikations-Instrumente: für Nassau v o m 9. Oktober 1827 (VB1. 63), für Württemberg vom 24. Oktober 1827 (Reg.Bl. 435), f ü r Kurhessen vom 31. August 1829 (GS 45), f ü r Hessen vom 12. Oktober 1829 (Reg.Bl. 433). 7 Entsprechende Fundations-Instrumente ergingen: für das B i s t u m Limburg am 27. November/7. Dezember 1827 (Text: Nass. VB1. 95); für das Bistum Rottenburg am 14. M a i 1828 (Text: A. L. Reyscher, Sammlung der Württemberg. Gesetze, Bd. 10, 1836, S. 1067 ff.); für das Bistum Fulda am 18. September 1829 (Text: F. Walter, Fontes Juris

1Ö"

276

9. Kap. : Die oberrheinische Kirchenprovinz

Die göttliche Vorsehung hat Unserem Großherzogthum eine große Zahl von Katholiken, welche früher verschiedenen Diöcesen angehörten, zugewandt, und die Regenten-Sorge f ü r die Befriedigung ihrer kirchlichen Bedürfnisse, besonders durch die Errichtung eines eigenen Landes-Bisthums, hat schon Unseren i n Gott ruhenden Regierungs-Vorfahrer und Neffen, des Großherzogs K a r l Liebden, bewogen, sich m i t mehreren Regierungen des deutschen Bundes zu vereinigen, u n d m i t ihnen i n dieser Beziehung überhaupt und insbesondere wegen Begründung einer neuen kirchlichen Provinz unter dem 7. Oktober 1818 einen Vertrag abzuschließen 8 . Zufolge dessen haben Wir, gleich bey Unserem Regierungsantritt, U n t e r handlungen m i t dem Oberhaupte der Katholischen Kirche eingeleitet und bis dahin fortgesetzt; diese hatten die päbstlichen Bullen vom 16. August 1821 „Provida solersque" u n d v o m 11. A p r i l 1827 „ A d Dominici gregis custodiam" zur Folge 9 , wodurch den gemeinschaftlichen Anträgen der vereinten Regierungen entsprochen, i n den Staaten derselben fünf Bisthümer errichtet und diese i n eine Kirchen-Provinz vereinigt werden, welcher der Bischof von Freiburg als Metropolitan-Erzbischof vorgesetzt wird. I n Gemäßheit dieser m i t dem Oberhaupte der Katholischen Kirche gepflogenen Unterhandlungen und eines weiteren, früher m i t den vereinigten Regierungen unterm 8. Februar 1822 wegen Vollziehung der gemeinschaftlich getroffenen Verabredungen abgeschlossenen Vertrages 1 0 wollen W i r f ü r Uns u n d Unsere Nachfolger zum Besten und zur vollkommenen Beruhigung der K a t h o l i k e n Unserer Lande hiemit und i n K r a f t dieser Urkunde ein LandesBisthum begründet, gestiftet u n d ausgestattet haben, so wie W i r hiemit dieses Landes-Bisthum dermaßen begründen, stiften und ausstatten, daß es alle die Theile Unserer Lande enthalte, welche i n der dessfalls ausgefertigten, dieser U r k u n d e beigeschlossenen Diöcesan-Beschreibung verzeichnet sind, so daß v o n n u n an auch die Katholiken, welche früher i n keinem Diöcesan-Verbande standen, diesem Landes-Bisthum, m i t Aufhebung aller A r t von kirchlicher Exemtion einzelner Personen oder ganzer Körperschaften, zugetheilt sind. Der Sitz des dem Landes-Bisthum vorstehenden Metropolitan-Erzbischofs ist i n Unserer Stadt Freiburg, wo die bisherige Münsterkirche zur heiligen Maria zur Erzbischöflichen Metropolitan-Kirche erhoben worden ist. Z u r bleibenden Begründung dieses Landes-Bisthums und seiner Anstalten haben W i r schon unterm 23. December 1820 die angeschlossene DotationsUrkunde ausfertigen lassen, welche m i t der Besetzung des Erzbischöflichen Stuhles i n volle Wirksamkeit e i n t r i t t 1 1 . . . Ecclesiastici, 1862, S. 353 ff.); für das Bistum Mainz am 28. November/21. Dezember 1829 (Text: Hess. RegBl. 1830, S. 5 ff.) ; 8 Oben Nr. 105. 9 Oben Nr. 106, 109. 10 Oben Nr. 108. 11 Es folgen Bestimmungen über die Ausstattung des Domdekans, der sechs Domkapitulare und der sechs Domkapläne m i t Wohnhäusern, des Erzbischöflichen Seminars m i t einem Seminargebäude, des Erzbischöflichen Generalvikariats m i t Diensträumen, des Erzbischofs, des Domdekans und der sechs Domkapitulare m i t Gärten. Die Ausstattung der kirchlichen Amtsinhaber und Einrichtungen m i t Einkünften aus der Staatskasse findet sich i n der erwähnten Dotations-Urkunde vom 23. Dezember 1820 (dazu oben Nr. 106, S. 251).

V I I . Vollzug der m i t der K u r i e getroffenen Vereinbarungen

2.77

A l l e Theile dieser Dotation, an Gebäuden, Grundstücken und Einkünften, sollen unter der Mitaufsicht des Erzbischofs i n ihrer Vollständigkeit erhalten werden, und sind auf keine Weise zu andern als zu katholisch kirchlichen Zwecken zu verwenden. Für die auf die Cameral-Ämter jährlich angewiesenen Einkünfte haften die Domanial-Güter dieser Ä m t e r als Unterpfand. W i r behalten aber Uns u n d Unseren Nachkommen vor, diese Einkünfte nach ihrem Werthe i n Grundeigent u m oder Einkünfte aus demselben umzuwandeln 1 2 . Die V e r w a l t u n g dieser Ausstattung w i r d nach den von Uns hierüber festzusetzenden Vorschriften geführt werden. Indem W i r durch diese Stiftung und Ausstattung des Landes-Bisthums Unsere vorzügliche Sorgfalt f ü r die Mitglieder der Katholischen Kirche Unseres Landes k u n d t h u n , u n d den bleibenden Zustand ihrer kirchlichen Einrichtungen begründen, setzen Wir, vermöge des Uns zustehenden obersthoheitlichen Schutz und Aufsichts-Hechts über die Kirche als Bedingungen obiger Stiftung fest: 1. Der Erzbischöfliche Stuhl w i r d durch die Wahl besetzt. Die Form derselben ist nachstehende: So oft der Erzbischöfliche Sitz zu Freiburg erledigt ist, hat das Capitel innerhalb eines Monats, vom Erledigungs-Tag an gerechnet, Uns ein V e r zeichnis derjenigen Diöcesan-Geistlichen vorzulegen, welche dasselbe für w ü r d i g und tauglich hält, der Kirche m i t Frömmigkeit und Weisheit vorzustehen. Sollten unter diesen Candidaten Uns minder angenehme Personen sich befinden, so w i r d das Capitel dieselben auf Unsere Erinnerung aus dem V e r zeichnisse streichen. Hierauf hat das Capitel zur W a h l des neuen Erzbischofs zu schreiten, wobei es verpflichtet ist, n u r eine solche Person zu wählen, von welcher es v o r dem feierlichen Wahlact sich die Gewissheit verschafft hat, daß dieselbe die v o r geschriebenen Eigenschaften besitze u n d Uns wohlgefällig sei. W i r behalten Uns vor, zu der Wahlhandlung einen Landesherrlichen Commissarius abzuordnen, ohne dessen Zustimmung die W a h l nicht verkündet noch irgend ein Schritt zu deren Vollziehung geschehen darf. Z u m Bischöfe kann n u r ein Geistlicher gewählt werden, welcher ein Deutscher von Geburt und Bürger Unseres Staates oder eines der Staaten ist, welche sich an Unser Landes-Bisthum angeschlossen haben. Nebst den vorgeschriebenen canonischen Eigenschaften ist erforderlich, daß derselbe entweder die Seelsorge, ein akademisches Lehramt oder sonst eine öffentliche Stelle m i t Verdienst u n d Auszeichnung verwaltet habe, so w i e auch der innländischen Staats- und Kirchengesetze und Einrichtungen k u n d i g sei. 2. Der gewählte Erzbischof w i r d alsbald nach der W a h l solche dem Oberhaupte der Katholischen Kirche anzeigen und u m die Bestätigung ansuchen. V o r der Consecration durch denjenigen Erzbischof oder Bischof, f ü r welchen die Landesherrliche Genehmigung zu diesem A k t ausgewirkt worden ist, hat Uns der Erzbischof nachstehenden Eid zu leisten: „Ich schwöre und verspreche bei den heiligen Evangelien Gottes Sr. K ö n i g lichen Hoheit dem Großherzog von Baden u n d Allerhöchstihren Nachfolgern, 12 Z u dieser Real-Dotation ist es weder i n Baden noch i n den übrigen oberrheinischen Staaten gekommen (dazu auch betreffend Bayern oben S. 172 Anm. 10, betreffend Preußen, S. 217 A n m . 17).

278

9. Kap.: Die oberrheinische Kirchenprovinz

so wie den Gesetzen des Staats Gehorsam und Treue. Ferner verspreche ich, kein Einverständnis zu unterhalten, an keiner B e r a t s c h l a g u n g Theil zu nehmen und weder i m I n n - noch i m Auslande Verbindungen einzugehen, welche die öffentliche Ruhe gefährden; vielmehr, wenn ich von irgend einem A n schlage zum Nachtheile des Staates, sei es i n meiner Diöcese oder anderswo, K u n d e erhalten sollte, solche Sr. Königlichen Hoheit zu eröffnen." 4. Nach erlangter Consecration t r i t t der Erzbischof i n die volle Ausübung der m i t dem Episcopat verbundenen Rechte und Pflichten, und W i r werden Sorge tragen, daß er hierin nicht n u r nicht gehindert, sondern vielmehr gegen alle äußere Beschränkungen kräftig geschützt werde. Zugleich aber werden w i r darüber wachen, daß der Erzbischof seine Amtswirksamkeit den Diöcesanen geistlichen oder weltlichen Standes unter keinem Vorwande versage. 5. Es dürfen keine kirchlichen Streitsachen der K a t h o l i k e n Unserer Lande ausserhalb der Kirchenprovinz u n d vor auswärtigen Richtern verhandelt oder etwa von diesen verhängte Straf-Erkenntnisse gegen Unsere katholischen Unterthanen ohne Unsere Genehmigung vollzogen werden. Ausserdem soll zur Erledigung aller, die Kirchenprovinz betreffenden V e r waltungs-Angelegenheiten, so oft es erforderlich ist, eine Synodal-Conferenz von Abgeordneten aus jeder der fünf Diöcesen statt haben. Die Bevollmächtigung u n d Instruirung des Abgeordneten aus Unserem Landes-Bisthum bleibt nach vorausgegangener Rücksprache und eingeholter landesherrlicher Genehmigung dem zeitigen Erzbischof überlassen. 6. So oft die Stelle eines Decans, eines Capitulars oder Caplans an der Metropolitan-Kirche zu Freiburg erledigt ist, hat der Erzbischof, abwechselnd m i t dem Capitel, innerhalb sechs Wochen, v o m Tage der Erledigung an, Uns aus der Diöcesan-Geistlichkeit ein Verzeichnis von vier Candidaten vorzulegen, welche die erforderlichen Eigenschaften zu den erledigten Stellen besitzen. Sollten unter diesen Candidaten Uns minder angenehme Personen sich befinden, so w i r d der Erzbischof respective das Capitel dieselben auf Unsere Erinnerung aus dem Verzeichnisse streichen. Hierauf hat der Erzbischof oder respective das Capitel zur Besetzung der erledigten Stelle zu schreiten, wobei sie verpflichtet sind, nur eine solche Person zu bestimmen, von welcher sie vorher sich die Gewißheit verschafft haben, daß dieselbe die erforderlichen Eigenschaften besitze, sich durch K l u g heit empfehle u n d Uns wohlgefällig sei. W i r behalten Uns vor, zu dieser Verhandlung einen besonderen Landesherrlichen Commissarius abzuordnen u n d der darauf erfolgten Ernennung Unsere Landesherrliche Bestätigung zu erteilen. Nachdem diese erfolgt ist, w i r d die Einsetzung i n den Kirchendienst von dem Erzbischofe vollzogen werden. 7. Z u r Stelle eines Domcapitularen können n u r Diöcesan-Geistliche gelangen, welche Priester, 30 Jahre alt und tadellosen Wandels sind, vorzügliche theologische Kenntnisse besitzen, ein akademisches Lehramt oder sonst eine öffentliche Stelle m i t Auszeichnung verwaltet haben, zugleich aber m i t der Landesverfassung genau bekannt sind. 8. Das Domcapitel der Metropolitankirche t r i t t i n den vollen Wirkungskreis der Presbyterien und bildet unter dem Erzbischofe die oberste Verwaltungs-

V i l i . Die Landesherrlichen Verordnungen über Kirchenhoheitsrecht

279

Behörde der Diöcese, sorgt auch auf gesetzliche Weise f ü r die Diöcesan-Verwaltung, wenn der Erzbischofs-Sitz gehindert oder erledigt ist. Der Decan führt die Direction, die Verwaltungsform ist collegialisch. 9. Taxen oder Abgaben, von welcher A r t sie auch sein und w i e sie auch Namen haben mögen, dürfen weder von innländischen noch ausländischen geistlichen Behörden erhoben werden. Die Erhebung von Expeditions-Gebühren hängt von Unserer Landesherrlichen Bestimmung ab. 10. I n der Oberrheinischen Kirchenprovinz ist die Metropolitan-Verfassung ihrer Bestimmung gemäß vollkommen wiederhergestellt und steht unter dem Gesammtschutze der vereinten Staaten. 11. I m Erledigungs- oder Hinderungsfalle des Erzbischöflichen Stuhles t r i t t der älteste Bischof der Provinz von Rechtswegen i n die Verwaltung der Metropolitan-Rechte und Verrichtungen ein, und das bestehende MetropolitanGericht w i r d von i h m bevollmächtigt. Zugleich haben W i r dafür gesorgt, daß die dem geistlichen Stande sich w i d menden Individuen ihre wissenschaftliche Bildung an der theologischen Facultät Unserer Landes-Universität i n Freiburg und die klerikalische Ausbildung i n dem dort gestifteten Erzbischöflichen Seminar, das der Aufsicht und Leitung des Erzbischofs untergeordnet ist, auf das zweckmäßigste erhalten. Auch werden W i r durch die Ertheilung der Tischtitel an die Auszuweihenden auf den Fall der nicht verschuldeten Dienstuntauglichkeit für dieselben sorgen. 12. I n das Seminar werden n u r diejenigen Candidaten aufgenommen, welche i n einer durch die Staats- und bischöflichen Behörden gemeinschaftlich vorzunehmenden Prüfung gut bestanden und zur Erlangung des Landesherrlichen Tischtitels, der ihnen unter obiger Voraussetzung ertheilt wird, w ü r d i g befunden worden sind. 13. N u r der Erzbischof und der Bisthums-Verweser stehen in allen, die kirchliche Verwaltung betreffenden Gegenständen i n freier Verbindung m i t dem Oberhaupte der Kirche; jedoch müssen dieselben die aus dem MetropolitanVerband hervorgehenden Verhältnisse jederzeit berücksichtigen. A l l e übrigen Diöcesan-Geistlichen haben sich i n allen kirchlichen Angelegenheiten lediglich nur an den Erzbischof zu wenden. Z u r Urkunde dessen so wie zur vollen Bekräftigung und genauen Vollziehung haben W i r gegenwärtige Stiftungsurkunde i n zwei gleichlautenden U r schriften fertigen und m i t Unserem größern Insiegel versehen lassen, auch beide eigenhändig unterschrieben, u n d eine Urschrift i n dem Staats-Archive, die andere i n dem Erzbischöflichen Archive hinterlegen lassen. Ludwig Frhr. v. Berstett

V I I I . Die Landesherrlichen Verordnungen über das staatliche Kirchenhoheitsrecht Nachdem bis 1829 alle oberrheinischen Bischofsstühle besetzt worden erließen die beteiligten Regierungen zur Sicherung der überlieferten 1

Siehe oben S. 268.

wareni, Staat-

280

9. Kap. : Die oberrheinische Kirchenprovinz

liehen Kirchenhoheitsrechte einseitige landesherrliche Verordnungen mit übereinstimmendem Wortlaut (Nr. 114), die die Grundgedanken der Kirchenpragmatik von 1820 übernahmen 2. Die Verordnungen behielten dem Landesherrn die „unveräußerlichen Majestätsrechte des Schutzes und der Oberaufsicht über die Kirche" in vollem Umfang vor. Die Mehrzahl der oberrheinischen Bischöfe erkannten die Verordnungen ohne Widerspruch an. Papst Pius VHIß dagegen tadelte in einem Schreiben an die Bischöfe vom 30. Juni 1830 (Nr. 115) diese bischöfliche Willfährigkeit. Aber nur der Fuldaer Bischof Rieger und das Fuldaer Domkapitel erhoben, der päpstlichen Weisung gemäß, formellen Protest (Nr. 116)4. Die Regierungen ließen sich dadurch jedoch nicht hindern, alsbald nach den in den Verordnungen niedergelegten Grundsätzen zu verfahrens. Auch in den oberrheinischen Staaten war das Staatskirchenrecht nun — nach dem Vorbild der napoleonischen Gesetze von 1801 β und des bayerischen Religionsedikt von 18W — durch einseitige „organische Artikel" ergänzt 8. N r . 114. Landesherrliche Verordnung des Großherzogs L u d w i g von Hessen, die Ausübung des oberhoheitlichen Schutz- und Aufsichts-Rechts über die katholische Landeskirche betreffend v o m 30. Januar 1830 (Hessisches Regierungsblatt S. 33)9 Durch Unser Edict v o m 12. October 1829 (Regierungsblatt Nr. 48.) haben W i r den beiden Päbstlichen Bullen „Provida solersque" vom 16. August 1821 und „ A d dominici gregis custodiam" vom 11. A p r i l 1827, die Bildung der oberrheinischen Kirchenprovinz, die Begränzung, Ausstattung und Einrichtung der dazu gehörigen fünf Bisthümer etc. betreffend, Unsere Genehmigung ertheilt. Nachdem nun, i n Folge der m i t dem Römischen Hofe getroffenen Abrede, die bischöflichen Stühle u n d Domcapitel dieser Kirchenprovinz vollständig besetzt und i n die Ausübung der ihnen zukommenden Befugnisse eingesetzt 2 Vergleichende Zusammenstellung der Kirchenpragmatik und der Landesherrlichen Verordnung bei I. v. Longner, Beiträge zur Geschichte der oberrheinischen Kirchenprovinz, 1863, S. 636 ff. 3 Pius VIII. = Francesco Saverio Castiaglioni (1761 - 1830) w a r Papst vom 31. März 1829 bis zu seinem Tod am 30. November 1830. 4 Dazu ferner die Vorstellung des Bischofs Rieger und des Domkapitels von Fulda an die Kurhessische Ständeversammlung vom 2. Januar 1831 (Text: A. v. Roskovàny, Monumenta catholica, Bd. I I , 1847, S. 442 ff.); die A n t w o r t der Ständeversammlung v o m 3. Januar 1831 (ebenda, S. 448 f.); die erneute V o r stellung des Bischofs und des Domkapitels an das Kurhessische Ministerium v o m 8. Januar 1831 (ebenda, S. 449 f.). 5 Dazu auch: Breve Papst Gregors X V I . an den Episkopat der oberrheinischen Kirchenprovinz v o m 4. Oktober 1833 (A. v. Roskovàny, a.a.O., S. 340 ff.); Note des Kardinalstaatssekretärs Bernetti an die Regierungen der oberrheinischen Kirchenprovinz vom 5. Oktober 1833 (E. Friedberg, Die Gränzen zwischen Staat u n d Kirche, 1872, S. 873ff.); Antwortnote der oberrheinischen Regierungen v o m 4. September 1834 (ebenda S. 875 ff.). β Oben S. 12 A n m . 6. 7 Oben Nr. 60. 8 Verfassungsgeschichte, Bd. I, S. 441 f. 9 Gleichlautende landesherrliche Verordnungen ergingen am selben Tag für Baden (Reg.Bl. 13 ff.), Württemberg (Reg.Bl. 81 ff.), Kurhessen (GS. 5 ff.) und Nassau (VB1.11 ff.).

V i l i . Die Landesherrlichen Verordnungen über Kirchenhoheitsrecht

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worden sind, so finden W i r Uns, zur Wahrung Unseres verfassungsmässigen Schutz- u n d Aufsichts-Rechts über die catholische Landeskirche, veranlaßt, i m Einverständnisse m i t den übrigen, bei der Oberrheinischen Kirchenprovinz mitbetheiligten Regierungen, zu verordnen, wie folgt: §1. Der catholischen Kirche steht das freie Bekenntniß ihres Glaubens und die öffentliche Ausübung ihres Cultus zu, und sie genießt auch i n dieser H i n sicht m i t den anderen, i m Staate öffentlich anerkannten christlichen Kirchengesellschaften gleiche Rechte. § 2. Der volle Genuß dieser Rechte steht allen catholischen Kirchengemeinden, so wie auch den einzelnen Catholiken zu, welche seither in keinem Diöcesanverbande standen. Es kann i n keinem der oben erwähnten Bisthümer irgend eine A r t von kirchlicher Exemtion k ü n f t i g stattfinden. § 3. Jeder Staat übt die i h m zustehenden unveräusserlichen Majestätsrechte des Schutzes und der Oberaufsicht über die Kirche i n ihrem vollen Umfange aus. §4. Die von dem Erzbischof, dem Bischof und den übrigen kirchlichen Behörden ausgehenden allgemeinen Anordnungen, Kreisschreiben an die Geistlichkeit und Diöcesanen, durch welche dieselben zu etwas verbunden werden sollen, so wie auch besondere Verfügungen von Wichtigkeit, unterliegen der Genehmigung des Staats und können n u r m i t der ausdrücklichen Staatsgenehmigung (Placet) k u n d gemacht oder erlassen werden. Auch solche allgemeine kirchlichen Anordnungen und öffentlichen Erlasse, welche rein geistliche Gegenstände betreffen, sind den Staatsbehörden zur Einsicht vorzulegen, und kann deren Kundmachung erst alsdann erfolgen, wenn dazu die Staatsbewilligung ertheilt worden ist. § 5. Alle Römischen Bullen, Breven und sonstigen Erlasse müssen, ehe sie k u n d gemacht und i n Anwendung gebracht werden, die landesherrliche Genehmigung erhalten, und selbst f ü r angenommene Bullen dauert ihre verbindende K r a f t und ihre Gültigkeit n u r so lange, als nicht i m Staate durch neuere Verordnungen etwas anderes eingeführt w i r d . Die Staatsgenehmigung ist aber nicht n u r für alle neu erscheinenden Päbstlichen Bullen und Constitutionen, sondern auch f ü r alle früheren Päbstlichen Anordnungen nothwendig, sobald davon Gebrauch gemacht werden w i l l . § 6. Eben so, wie die weltlichen Mitglieder der catholischen Kirche, stehen auch die Geistlichen, als Staatsgenossen, unter den Gesetzen und der Gerichtsbarkeit des Staats. § 7. Die Bisthümer Freiburg, Mainz, Fulda, Rottenburg und L i m b u r g stehen i n einem Metropolitanverbande und bilden die Oberrheinische Kirchenprovinz. Da die erzbischöfliche Würde auf den bischöflichen Stuhl zu Freiburg bleibend übertragen ist, so steht der dortige Bischof der Provinz als Erzbischof vor, und derselbe hat sich, bevor er i n seine Amtsverrichtungen eintritt, gegen die Regierungen der vereinten Staaten, in der Eigenschaft als Erzbischof, eidlich zu verpflichten. § 8. Die ihrer Bestimmung gemäs wieder hergestellte Metropolitanverfassung und die Ausübung der dem Erzbischof zukommenden Metropolitanrechte stehen unter dem Gesammtschutze der vereinten Staaten. § 9. Provinzialsynoden können nur m i t Genehmigung der vereinten Staaten, welche denselben Commissäre beiordnen, gehalten werden. Zu den abzuhal-

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tenden Synodalconferenzen w i r d der Erzbischof, so wie jeder Bischof, m i t Genehmigung der Regierungen, einen Bevollmächtigten absenden. § 10. I n keinem Falle können kirchliche Streitigkeiten der Catholiken ausserhalb der Provinz und vor auswärtigen Richtern verhandelt werden. Es w i r d daher in dieser Beziehung i n der Provinz die nöthige Einrichtung getroffen werden. §11. Die fünf Bisthümer der Oberrheinischen Kirchenprovinz sind, in Gemäsheit der festgesetzten Regel, gebildet, daß sich die Grenzen der Diöcesen auf die Grenzen der Staaten, für welche die Bisthümer errichtet sind, erstrecken. §12. Eine jede Diöcese w i r d i n Decanatsbezirke eingetheilt, deren Umfang, so viel thunlich, m i t jenem der Verwaltungsbezirke übereinstimmen soll. §13. Die Catholiken, welche seither i n keinem oder m i t einem Geistlichen anderer Confession i m Pfarrverbande standen, werden einer der im Bisthum bestehenden Pfarreien zugetheilt. § 14. Die bischöflichen Stühle i n der Provinz, so wie die Stellen der Domcapitularen, werden sämmtlich durch die nach der vorgeschriebenen Form v o r zunehmende W a h l besetzt. § 15. Z u m Bischof kann n u r ein Geistlicher gewählt werden, welcher ein Deutscher von Geburt und Staatsbürger des Staats, w o r i n n sich der erledigte Bischofssitz befindet, oder eines der Staaten ist, welche sich zu dieser Diöcese vereinigt haben. Nebst den vorgeschriebenen canonischen Eigenschaften ist erforderlich, daß derselbe entweder die Seelsorge, ein academisches Lehramt oder sonst eine öffentliche Stelle m i t Verdienst und Auszeichnung verwaltet habe, so wie auch der innländischen Staats- und Kirchen-Verfassung, der Gesetze u n d Einrichtungen kundig sey. §16. Der Gewählte hat sich alsbald nach der Wahl wegen der Confirmation an das Oberhaupt der Kirche zu wenden. V o r der Consecration legt derselbe, in der Eigenschaft als Bischof, den Eid der Treue und des Gehorsams i n die Hände des Landesherrn ab. §17. Nach erlangter Consecration t r i t t der Bischof in die volle Ausübung der m i t dem Episcopat verbundenen Rechte und Pflichten, und die Regierungen werden nicht zugeben, daß er darinn gehindert werde, vielmehr werden sie i h n k r ä f t i g dabei schützen. §18. Diöcesansynoden können v o m Bischof, wenn sie nöthig erachtet werden, n u r m i t Genehmigung des Landesherrn zusammen berufen und i m Beiseyn landesherrlicher Commissarien gehalten werden. Die darinn gefaßten Beschlüsse unterliegen der Staatsgenehmigung, nach Maasgabe der i n den §§ 4 und 5 festgesetzten Bestimungen. §19. N u r der Erzbischof, Bischof und der Bisthumsverweser stehen i n allen, die kirchliche V e r w a l t u n g betreffenden Gegenständen in freier Verbindung m i t dem Oberhaupte der Kirche, jedoch müssen dieselben die aus dem Metropolitanverbande hervorgehenden Verhältnisse jeder Zeit berücksichtigen. A l l e übrigen Diöcesangeistliche haben sich i n allen kirchlichen Angelegenheiten an den Erzbischof (Bischof) zu wenden. § 20. Z u Domcapitularstellen können nur Diöcesangeistliche gelangen, welche Priester, dreissig Jahre alt und tadellosen Wandels sind, vorzügliche theologische Kenntnisse besitzen, entweder die Seelsorge, ein academisches Lehramt

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oder sonst eine öffentliche Stelle m i t Auszeichnung verwaltet haben u n d m i t der Landesverfassung genau bekannt sind. §21. Das Domcapitel einer jeden Cathedralkirche t r i t t in den vollen W i r kungskreis der Presbyterien u n d bildet unter dem Bischof die oberste Verwaltungsbehörde der Diöcese; die Verwaltungsform ist collegialisch, der Decan führt die Direction. § 22. Taxen oder Abgaben, von welcher A r t sie auch seyn und w i e sie auch Namen haben mögen, dürfen weder von innländischen, noch ausländischen geistlichen Behörden erhoben werden. Die Erhebung von Expeditionsgebühren hängt i n jedem Staate von der landesherrlichen Bestimmung ab. § 23. Die Decanate werden unter gemeinschaftlichem Einverständnisse der Regierungs- und bischöflichen Behörden m i t würdigen Pfarrern, welche auch i n Verwaltungsgeschäften geübt sind, besetzt. § 24. Die Decane sind unmittelbare kirchliche Vorgesetzte der i n ihren Decanatsbezirken angestellten Geistlichen. Sie haben über die geeigneten Gegenstände an die Regierungs- und bischöflichen Behörden zu berichten und die ihnen von daher zugehenden Weisungen zu vollziehen. Eine eigene Instruction zeichnet ihnen den Kreis ihrer Amtswirksamkeit vor. § 25. E i n jeder der vereinten Staaten w i r d , wo dieses nicht bereits statt findet, für die zweckmässige Bildung der Candidaten des catholischen geistlichen Standes dadurch sorgen, daß entweder eine catholisch-theologische Lehranstalt errichtet und als Facultät m i t der Landesuniversität vereinigt werde, oder daß die Candidaten, nöthigen Falls, aus dem allgemeinen catholischen Kirchenfonds der Diöcese unterstützt werden, u m eine auf diese A r t eingerichtete Universität i n der Provinz besuchen zu können. § 26. Die Candidaten des geistlichen Standes werden, nach vollendeten theologischen Studien, i m Priesterseminar zum Practischen der Seelsorge ausgebildet, und zwar i n so weit unentgeltlich, als die i n den Dotationsurkunden für die Seminarien ausgesetzten Summen zureichen. § 27. I n das Seminar werden n u r diejenigen Candidaten aufgenommen, w e l che i n einer durch die Staats- und bischöflichen Behörden gemeinschaftlich vorzunehmenden Prüfung gut bestanden und zur Erlangung des landesherrlichen Tischtitels, der ihnen unter obiger Voraussetzung ertheilt w i r d , w ü r d i g befunden worden sind. § 28. Der landesherrliche Tischtitel giebt die urkundliche Versicherung, daß i m eintretenden Falle der nicht verschuldeten Dienstunfähigkeit der dem geistlichen Stande angemessene Unterhalt, wofür ein M i n i m u m von jährlich 300 bis 400 fl. festgesetzt w i r d , so wie die besondere Vergütung für K u r - und Pfleg-Kosten, subsidiarisch werde geleistet werden. Von dem Titulaten kann n u r dann ein billiger Ersatz gefordert werden, wenn er i n bessere Vermögensumstände kommt oder i n der Folge eine Pfründe erhält, welche mehr als die Congrua abwirft. § 29. I n jeder Diöcese w i r d jährlich von einer durch die Staats- und bischöflichen Behörden gemeinschaftlich anzuordnenden Commission eine Concursprüfung m i t denjenigen Geistlichen vorgenommen, welche zu einer Pfarrei oder sonst einer Kirchenpfründe befördert zu werden wünschen. Z u dieser

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Prüfung werden n u r Geistliche zugelassen, welche wenigstens zwei Jahre lang i n der Seelsorge als Hülfspriester angestellt waren und gute Zeugnisse ihrer Vorgesetzten über ihren Wandel vorlegen 1 0 . § 30. Die in Folge dieser Prüfung sich ergebende Classification w i r d bei künftigen Beförderungen des Geprüften berücksichtigt. §31. Eben so w i r d eine Klasseneintheilung der Pfarreien und sonstigen K i r chenpfründen, nach dem Grade ihrer Wichtigkeit und ihres Ertrags, gefertigt, damit auch die Patrone, welche nur Diöcesangeistliche präsentiren können, ihre Auswahl hiernach einzurichten vermögen. § 32. K e i n Geistlicher kann zu gleicher Zeit zwei Kirchenpfründen, deren eine jede die Congrua erträgt, besitzen, von welcher A r t sie auch seyen und unter welchem Vorwande es auch geschehen wolle. Ein jeder muß an dem Sitze seiner Pfründe wohnen und kann sich n u r m i t Erlaubniß auf einige Zeit vor derselben entfernen. § 33. K e i n Geistlicher kann, ohne E i n w i l l i g u n g seines Landesherrn, Würden, Pensionen, Orden oder Ehrentitel von Auswärtigen annehmen. § 34. Jeder Geistliche w i r d , bevor er die kirchliche Institution erhält, dem Oberhaupte des Staats den Eid der Treue ablegen, dem Bischof aber den canonischen Gehorsam geloben. §35. Der Staat gewährt den Geistlichen jede zur Erfüllung ihrer Berufsgeschäfte erforderliche gesetzliche Unterstützung und schützt sie i n dem Genüsse der ihrer Amtswürde gebührenden Achtung und Auszeichnung. § 36. Den Geistlichen, so wie den Weltlichen, bleibt, wo immer ein Mißbrauch der geistlichen Gewalt gegen sie statt findet, der Recurs an die Landesbehörden. § 37. Die Verwaltungsweise der für den bischöflichen Tisch, das Domcapitel und Seminar angewiesenen Dotationen, so wie des dem Erzbischof bestimmten Beitrags, w i r d jeder Staat nach seiner Verfassung und den hierüber bestehenden Vorschriften anordnen. § 38. Die Güter der catholischen Kirchenpfründen, so wie alle allgemeinen und besonderen kirchlichen Fonds, werden, unter Mitaufsicht des Bischofs, i n ihrer Vollständigkeit erhalten und können auf keine Weise zu anderen als catholischen kirchlichen Zwecken verwendet werden. Die Congrua der Pfarrpfründen soll, wo diese weniger als 500 bis 600 Gulden ertragen, nach und nach auf diese Summe erhöht werden. Die V e r w a l t u n g der niederen Kirchenpfründen w i r d i n den Händen der Nutzniesser, welche sich hierbei nach den i n jedem Staate bestehenden Vorschriften zu richten haben, gelassen. §39. I n jedem der vereinten Staaten w i r d , sobald es thunlich ist, ein allgemeiner catholischer Kirchenfonds gebildet, aus welchem solche catholischkirchlichen Bedürfnisse aushülfsweise zu bestreiten sind, zu deren Befriedigung Niemand eine gesetzliche Verbindlichkeit hat oder keine M i t t e l vorhanden sind. Nach vorstehenden Bestimmungen haben sich die Staats- und KirchenBehörden Unseres Großherzogthums gebührend zu achten.

10 Dazu Hessische Verordnung, die Besetzung der katholischen Pfarreien und geistlichen Benefizien betreffend vom 8. Februar 1830 (Reg.Bl. 49 f.).

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N r . 115. Breve Papst Pius V I I I . an die Bischöfe der oberrheinischen Kirchenprovinz vom 30. J u n i 1830 (lat. T e x t : F. Walter, Fontes juris ecclesiastici, 1862, S. 345 ff.; Ubersetzung: H. v. Kremer-Auenrode, Actenstücke, Bd. 1, S. 108 ff.) — Auszug — Vor nicht gar langer Zeit w a r zu Unseren Ohren die betrübende Kunde gelangt, dass die Feinde der katholischen Kirche gegen die gesunde Lehre, ja selbst gegen die Kirchenverfassung gar manche Neuerungen i n schlauem und nicht erfolglosem Bemühen in den genannten Gegenden der rheinischen Provinz herbeizuführen suchen. Solchen bis dahin unsicheren Gerüchten Glauben zu schenken, konnten W i r Uns anfangs vornehmlich darum nicht bestimmt finden, w e i l Uns durch Euch nichts gemeldet worden, deren ganz besondere A u f gabe es gewesen wäre, Uns von so hochbedeutsamen Thatsachen zu berichten, geschweige denn über das H e i l Euerer Diöcesen eifrig zu wachen, und nicht nur Irrthümer, sondern auch jegliche Gefahr und selbst Vermuthung eines I r r t h u m s zu verhüten. Doch zu tiefem Schmerze und zu gewiss nicht geringerer Verwunderung über Euer Verfahren ist durch den wahren Sachverhalt das Vergebliche Unserer Hoffnung klargelegt. Denn die Privatberichte werden nun auch durch öffentliche Mittheilungen, und zwar auf Grund sehr gewichtiger, zweifelloser Zeugnisse bestätiget, so dass sich i n Uns die unabweisliche Überzeugung geltend machte, es könnten die dort eingeführten, auf falschen und irrelehrerischen Grundlagen beruhenden Neuerungen, als der Lehre und den Geboten der Kirche Christi entgegen und offenbar auf das Verderben der Seelen berechnet, i n eben dieser Kirche nicht geduldet werden. Frei durch göttliche Bestimmung und keiner irdischen Herrschaft unterworfen ist die makellose Braut des unbefleckten Lammes Jesu Christi. Aber durch jene profanen Neuerungen w i r d sie schimpflicher und elendster Knechtschaft überantwortet, da der Laiengewalt die unumschränkte Vollmacht gegeben w i r d , Diöcesansynoden zu bestätigen oder zu verwerfen; die Diöcesen einzutheilen; die Candidaten des geistlichen Standes und der geistlichen Ä m t e r zu prüfen und aufzunehmen; i h r w i r d überdies die Leitung der religiösen wie der moralischen Zucht und Unterweisung zugetheilt; ja selbst die Seminarien und andere derartige i n was immer f ü r einer Beziehung zur geistlichen Herrschaft der Kirche stehende Anstalten, werden dem Gutdünken der Laien überliefert, während die Gläubigen am freien Verkehre m i t dem Oberhaupte der Kirche gehindert sind, da doch dieser Verkehr etwas dem Wesen der katholischen Kirchenverfassung selbst E i g e n t ü m l i c h e s ist und nicht gehemmt werden kann, ohne dass die Gläubigen des ihrer Seele nützlichen u n d nothwendigen Beistandes beraubt i n eine offenbare Gefahr für i h r ewiges Heil gestürzt werden. Aber hätten W i r doch den Trost gehabt, dass von Euch, kraft der Verpflichtung Eueres hochwichtigen Amtes, alle Sorgfalt darauf verwandt worden, die Euerer Obhut anvertrauten Gläubigen über die offenbaren I r r t h ü m e r jener Grundsätze zu belehren und vor den Ränken zu warnen, welche durch die Fassung derartiger Beschlüsse und Vorhaben bereitet wurden. Denn Euere Pflicht w a r es vornehmlich, eifrigst das zu bekräftigen, was der Apostel Paulus

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seinem Schüler Timotheus u n d i n seiner Person allen Bischöfen so nachdrücklich einprägt 1 1 . . . Euere Pflicht w a r es die Hirtenstimme zu erheben, so dass die Strafe der Irrgehenden zugleich zur Zügelung und zur Abschreckung der Schwankenden geworden wäre, nach den Worten desselben Apostels: Uberführe die Sündigen v o r der Menge, auf dass auch die A n d e r n Furcht erfülle. Endlich w a r es Euere Pflicht, dem Vorbilde der Apostel nachzustreben, welche denen, die ihnen Schweigen geboten, m i t evangelischem Freimuthe erwiderten: M a n muss Gott mehr gehorchen als den Menschen. Dagegen darf es nicht verhehlt bleiben, Ehrwürdige Brüder, wie schwere Besorgniss Unser Herz auch darum drückt, w e i l w i r vernommen haben, dass Einer aus Euerer Z a h l weit entfernt, die katholische Kirche und ihre Lehre dadurch zu vertheidigen, dass er sich den Neuerungen und I r r t h ü mern widersetzt und die seiner Sorge anvertrauten Gläubigen durch E r mahnungen u n d heilsame Vorschriften befestiget hätte, sogar diesen Neuerungen und den falschen und irrigen Grundsätzen durch Beifall und Beihülfe Ansehen und K r a f t zu verleihen kein Bedenken getragen habe1-'. Die Grösse der Sünde bewegt uns die Anschuldigung für falsch zu halten, denn zu sehr sträubt sich das Gemüth vor solch ehrenrührigem Verdachte über Euch, als dass W i r glauben könnten, irgend wer von Euch habe die Sache der Kirche Jesu Christi preisgeben können in so wichtigen Dingen wie die, in welchen die K r a f t und Wesenheit ihrer Verfassung l i e g t . . . Schon die Güte und Gerechtigkeit der Sache und die Sorge u m die Euerer H u t anvertrauten Schafe müssen Euch den M u t h verleihen, m i t welchem I h r die dem guten H i r t e n eigene Entschlossenheit für deren H e i l zeigen sollt; doch kommt zu Euerer Bestärkung auch noch das hinzu, dass die Sache, welche I h r vertheidigt, auf Vereinbarungen beruht, welche zwischen dem heiligen Stuhle und den Fürsten selbst eingegangen wurden; denn diese haben sich durch I h r öffentlich gegebenes Wort verpflichtet, dass sie in ihren Gebieten der katholischen Kirche die volle Freiheit gewähren würden, sowohl i n Betreff des Verkehrs der Gläubigen m i t dem höchsten Oberhaupt der Kirche i n kirchlichen Angelegenheiten, als auch i n Betreff des vollen Rechtes des Erzbischofs und der Bischöfe alle bischöfliche Jurisdiction nach den Vorschriften der geltenden Canones und nach den Satzungen der gegenwärtigen Kirchendisciplin auszuüben. Diess, hoffen Wir, werde genügen zur Erreichung des Zweckes, dass Ihr, wo immer i n so gewichtigen Dingen Verwerfliches gutgeheissen worden, für sofortigen Widerruf Sorge t r a g e t . . . U m den Zustand besagter Kirchen nach dem so viel Ärgerniss bereitenden Umschwung äusserst besorgt, erwarten W i r von Euch möglichst schleunige A n t w o r t , sei es, zur Tröstung für unseren Schmerz, eine m i t unseren W ü n schen übereinstimmende, sei es, was Gott verhüte, eine ungünstige, damit W i r jene Erschliessungen fassen können, welche die Pflicht des Apostolischen Amtes von Uns unbedingt fordert. I n dem gerechten Vertrauen auf Eueren Eifer i n der Ausführung der i m Herrn Euch gewordenen Rathschläge ertheilen W i r Euch den Apostolischen Segen. 11

Dazu die beiden Briefe des Paulus an Timotheus. Der päpstliche Tadel richtete sich i n erster Linie gegen den Bischof v. Keller, Rottenburg (dazu unten S. 522 ff.). 12

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N r . 116. Protest des Bischofs Rieger von Fulda gegen die Landesherrliche Verordnung über die staatliche Kirchenhoheit vom 30. August 1830 (A. v. Roskovàny, Monumenta Catholica Bd. 2, S. 306 ff.) Die Landesherrliche Verordnung vom 30. Januar 1. J., die Ausübung des oberhoheitlichen Schutz- und Aufsichtsrechtes über die kath. Kirche i n K u r hessen betreffend, ist den heiligsten Interessen u n d Gerechtsamen der kath. Kirche so sehr entgegen, dass sie uns gleich bei ihrem Erscheinen m i t tiefer Trauer erfüllte, und die bei M i t t h e i l u n g derselben gemachte Bemerkung uns nicht beruhigen konnte, dass durch die darin enthaltenen allgemeinen Bestimmungen die von Kurhessischer Seite bei der Fundation des Bisthums Fulda oder i n Beziehung auf dasselbe bereits getroffenen Einrichtungen 1 3 keine Änderung leiden sollen. Wie gegründet diese Unruhe und wie gerecht dieser Schmerz ist, haben w i r auch aus den mittlerweile eingezogenen Erkundigungen, aus den theilnehmenden Erklärungen Sachverständiger und gewissenhafter Männer i n öffentlichen Blättern, besonders aber aus dem durch eben diese Blätter bereits verbreiteten Urtheile des röm. Stuhles 1 4 vernommen, w e l ches jene Verordnung als unvereinbar m i t den Lehren, Grundsätzen und durch öffentliche Verträge neuerdings bestätigten Freiheiten und Rechten der kath. Kirche erklärt und höchst missbilligt hat. W i r dürfen daher nicht länger zögern, gegen die anstössigen oder doch einer beruhigenden Erläuterung bedürfenden Puncte jener Verordnung bei kurfürstl. Staatsministerium unsere Vorstellungen und Beschwerden vorzutragen, und bitten Hochdasselbe, unsere bisherige Zögerung nur als einen Beweis der Besonnenheit und reifen Überlegung anzusehen, w o m i t w i r dabei zu Werke gehen zu müssen für nöthig erachtet haben. Die fragliche Verordnung betrifft die Ausübung des oberhoheitlichen Schutz- und Aufsichtsrechtes über die kath. Kirche. Der Schutz muss jeder Verletzung der Rechte der Kirche und ihrer Glieder wehren, und das Aufsichtsrecht muss so beschränkt werden, dass es nicht Kirchenregierung werde. K e i nes von beiden ist hier der Fall. Z u r Begründung unserer Behauptung sey es uns vergönnt, jene Puncte der Verordnung auszuheben und zu beleuchten, welche m i t dem fernem Bestehen der kirchlichen Rechte der K a t h o l i k e n u n verträglich sind, und bei welchen dem Aufsichtsrechte eine solche Ausdehnung gegeben wird, dass es i n eine förmliche Kirchenregierung übergeht. 1. Schon der §4 der Verordnung, wonach sogar solche allgemeine kirchl. Anordnungen und öffentliche Erlasse, welche reingeistliche Gegenstände betreffen, der Staatsbehörde zur Einsicht vorzulegen sind, u n d ihre K u n d machung erst alsdann erfolgen soll, wenn dazu die Staatsbewilligung ertheilt ist, k r ä n k t die Freiheit und Selbständigkeit der Kirche, bringt sie i n ein allzu 13 Zu diesen für das Bistum Fulda getroffenen Anordnungen gehörten außer dem Fundations-Instrument v o m 18. September 1829 (F. Walter, Fontes juris ecclesiastici, 1862, S. 353 ff.) die Kurhessische Dienstvorschrift f ü r den landesherrlichen Bevollmächtigten bei dem Bisthum Fulda v o m 12. August 1829 (Bistumsarchiv Fulda Az. 001 - 01 Fasz. 23) sowie die Kurhessische Verordnung über die bischöfliche Gewalt vom 31. August 1829 (F. Walter, a.a.O., S. 351 ff.). Dazu auch oben S. 149 Anm. 5. 14 Oben Nr. 115.

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drückendes Subordinationsverhältniss zum Staate, hemmt den nöthigen und rechtmässigen Einfluss ihrer Vorsteher, macht ihre Anordnungen precär, weil ganz abhängig von der weltlichen Genehmigung, stellt die reine Kirchendisciplin, ja selbst die kath. Dogmatik unter das Richteramt des Staates, und ist ganz so gefasst, als unterlägen seiner Cognition selbst die reingeistlichen Gegenstände, indem nicht einmal die Versicherung beigefügt ist, dass jene Genehmigung, wenn die kirchl. Anordnungen nichts dem Staate Nachtheiliges i n sich fassen, werde ertheilt werden. Der Staat hat allerdings das Recht, einzuschreiten, wenn eine kirchl. Behörde ihre Gewalt zum Nachtheile des Staates oder der Einzelnen w i r k l i c h missbraucht. Ausser dem aber muss das W i r k e n der Kirche frei seyn, wenn sie als sittlichreligiöser Verein ihren hohen Zweck erreichen und selbst dem Staate nützlich werden soll. Das Misstrauen, welches jener § gegen sie ausspricht, und sie nicht verdient hat, ist nicht geeignet, Vertrauen zu erwecken, und jene Fessel, die man ihr, einem Delinquenten gleich, anlegt, halten sie bei jedem Schritte auf, und setzen i h r Ansehen herab. M a n lasse sie i h r eigenes Haus bestellen, und wehre i h r nur, in's Eigenthum des Fremden einzugreifen. 2. Der nach kath. Grundsätzen auf göttlicher Anordnung beruhende Primat w i r d § 5 der Verordnung von dem W i l l e n des Staates abhängig gemacht, und i n seinen wesentlichsten Rechten untergraben. Denn wenn kein päpstl. Erlass kundgemacht und i n Anwendung gebracht werden darf, ohne landesherrliche Genehmigung, so hängt es von dieser ab, ob das Oberhaupt der kath. Kirche seine wesentlichen Rechte ausüben, ob es Berichte einfordern, Abgeordnete senden, über die Vollziehung der Kirchensatzungen wachen, nachlässige K i r chenbeamte rügen, allgemeine Kirchenverordnungen und einstweilige E n t scheidungen i n Glaubenssachen geben, Versammlungen der Bischöfe berufen, Appellationen annehmen, überhaupt die i h m zuständigen Angelegenheiten besorgen darf oder nicht. Aber nach § 5 hängt von der landesherrlichen Genehmigung noch weit mehr ab. Wenn die Staatsregierung dem Oberhaupte der kath. Kirche i n den einzelnen vorkommenden Fällen die Ausübung obengenannter Rechte, die zugleich auf göttlichen Anordnungen beruhende Pflichten desselben sind, gestattet, u n d demnach die Erlasse, w o r i n allein jene Ausübung sich äussern darf, genehmigt hat; so soll vermöge desselben §5 der Staat i n einer neuern Verordnung etwas anderes einführen, und jene Genehmigung sogar wieder aufheben können! Es ist demnach das positive Kirchenrecht cassirt oder höchst precär und ungewiss; auf die weltliche Genehmigung, auf welche man bei dem entschiedenen Einflüsse so vieler Feinde der kath. Kirche i n so vielen Fällen nicht rechnen darf, lässt sich, wenn sie auch ertheilt worden ist, nicht einmal fest bauen; w i r müssen vielmehr gefasst darauf seyn, päpstliche i n der ganzen Kirche angenommene Verfügungen, welche eine Quelle des Kirchenrechts und eine Norm für das geistliche Leben und W i r k e n sind, plötzlich suspendirt, u n d ausser K r a f t gesetzt zu sehen, und i n den darnach geregelten fast täglichen Fällen weiss weder die bischöfl. Behörde noch die Geistlichkeit überhaupt, wo sie m i t Einholung der landesherrlichen Genehmigung zuerst anfangen und wo sie endigen, oder woran sie sich eigentlich halten sollen. Ja vermöge § 5 dieser Verordnung werden selbst die beiden m i t jener Genehmigung versehenen päpstl. Bullen „Provida solersque" und „ A d dominici gregis custodiam" n u r so lang verbindende K r a f t haben u n d gültig

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seyn, als i m Staate nicht etwas anderes eingeführt w i r d ! Der Staatsgewalt steht es also zu, die Ausstattung u n d Errichtung des Bisthums Fulda m i t seinem Capitel, u n d seine Verbindung m i t seinem Metropoliten u n d dem Papste bestehen zu lassen oder aufzuheben! U n d wenn dann f ü r alle früheren päpstl. Anordnungen, sobald davon Gebrauch gemacht werden w i l l , die landesherrliche Genehmigung nothwendig ist, die Bestimmungen der Concilien aber durch päpstliche Bullen publicirt worden sind: so folgt, dass es i n der W i l l k ü h r des Staates steht, die Kirchengesetze i n A n w e n d u n g bringen zu lassen, oder zu unterdrücken, dass somit die kath. Religion i n der oberrheinischen Kirchenprovinz n u r durch den W i l l e n der betreffenden Regierungen noch ferner, oder gar nicht mehr bestehen dürfe, u n d dass sie durch das oberhoheitliche Schutz u n d Aufsichtsrecht aus ihrem bisherigen Besitzstande gleichsam herausgeworfen, ihre Gesetzgebung, ihre Gebräuche und Einrichtungen, kurz i h r ganzes kirchliches Leben n u r als eine Vergünstigung des Staates zu betrachten habe. Übrigens sind die §§ 4 u n d 5 auch dem Inhalte der Bulle „ A d dominici gregis custodiam" pos. 6 entgegen, w e i l durch dieselben die Ausübung der bischöflichen Gerichtsbarkeit, welche nach den bestehenden kanonischen Vorschriften u n d der gegenwärtigen Verfassung der Kirche m i t vollem Rechte statt haben soll, und der Verkehr m i t dem heil. Stuhle, welcher i n kirchl. Geschäften als frei erklärt ist, wenigstens zu sehr beschränkt und hart beschweret werden. 3. Der § 19 ist dem vertragmässigen Zugeständnisse des freien Verkehrs m i t dem heil. Stuhle i n der Bulle v o m 11. A p r i l 1827, woran man sich vordersamst zu halten hat, sowie den Rechten der einzelnen K a t h o l i k e n ganz entgegen. Denn w e n n der Papst das höchste geistliche Oberhaupt der K a t h o l i k e n ist, so w i r d keinem derselben und noch weniger einem Diöcesangeistlichen m i t Recht verwehrt werden können, sich i n geeigneten Fällen (die, w e n n auch selten, doch durch besondere Umstände, j a durch Fehler und Nachlässigkeit ihrer unmittelbaren geistl. Obern selbst herbeigeführt werden können) von Pflicht und Gewissen getrieben, an den obersten H i r t e n der Kirche zu wenden, resp. ihren Recurs an i h n zu nehmen. Es k a n n keine kath. Kirche gedacht werden, wenn m i t ihren einzelnen Bischöfen aller Orten die höchste Instanz geschlossen wäre, nicht zu gedenken, dass dieses gegen die positiven Kirchensatzungen und die seit den ersten kirchl. Zeiten geltende Praxis anstossen würde. Es versteht sich hiebei von selbst, dass i n vorkommenden Fällen der ordnungsmässige Gang durch den Bischof u n d Erzbischof beobachtet, der Chicane, die sich bald entdeckt, kein Vorschub gegeben, und jederzeit die aus dem Metropolitanverbande hervorgehenden Verhältnisse berücksichtiget werden müssen. Besorgniss und Furcht vor etwaigem Missbrauch sind i n diesem Puncte unserer langjährigen Erfahrung gemäss, die keinen einzigen solchen F a l l dargeboten hat, ohne allen Grund, u n d die Fuldaische Diöcese hat von Rom nur Beweise von H u l d u n d rechtlicher Ordnung erhalten, nie Hinderung i n Ausübung kirchl. Rechte u n d Pflichten erlitten. Wenn aber vermöge § 19 der Bischof i n allen die kirchl. Verwaltung betreffenden Gegenständen i n freier Verbindung m i t dem Oberhaupte der Kirche steht: so vermögen w i r diese gerechte Anerkennung weder m i t § 5 noch m i t der Weisung an den landesherrlichen Bevollmächtigten zu vereinbaren, von allen bischöfl. Communicationen m i t dem päpstl. Stuhle, welche nicht etwa blos i n Beziehung auf die eigentliche Seelsorge oder auf die Dispensationen beabsichtiget werden möch19 Huber, Staat und Kirche, l. Bd.

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9. Kap. : Die oberrheinische Kirchenprovinz

ten, vorgängige Einsicht zu nehmen, u n d solche unter dem betreffenden Concepte zu bescheinigen. Wozu noch solche Fusseisen bei feierlicher Erklärung der Freiheit? Woher solches Misstrauen, solcher Verdacht, wo kein Grund dazu vorhanden ist? Kurfürstliches hohes Staatsministerium! Das sind unter andern bedenklichen die hauptsächlichsten Puncte der Verordnung vom 30. Januar 1830 — gegen welche w i r unsere Erläuterungen u n d Beschwerden i n schuldiger E h r furcht vorzutragen uns verpflichtet fühlen, die w i r zu gnädigster Aufnahme u n d gerechter Berücksichtigung empfehlen. W i r verkennen das mancherlei Gute nicht, welches i n jener Verordnung enthalten ist, u n d danken dafür im Namen der Katholiken, deren W o h l dabei beabsichtiget w i r d ; aber es kommen, w i e w i r gezeigt haben, mehrere Verfügungen darin vor, die sich m i t der Glaubenslehre, m i t der allgemeinen Disciplin, m i t der natürlichen und gesetzmässigen Freiheit, j a m i t dem Fortbestande der kath. Kirche i n der oberrheinischen Kirchenprovinz nicht vereinigen lassen. Diese Kirche w i r d darin durchgehends als eine Schöpfung, als ein Institut des Staates behandelt; die w e l t liche Gewalt mischt sich i n die Ausübung fast aller Rechte der geistlichen, nicht n u r i n den angeführten, sondern auch i n vielen andern Paragraphen; u n d es ist, wie schon unterm 10. Februar d. J. der Abgeordnete v. Hornstein i n der Kgl. w ü r t t . Ständeversammlung geäussert h a t 1 5 , nicht abzusehen, welche u n berechenbare Folgen eine Durchführung der i n dieser Verordnung ausgesprochenen Grundsätze hervorbringen müsse, neben welchen die verfassungsmässige freie Religionsausübung der K a t h o l i k e n nicht bestehen kann, vielmehr Gefahr läuft, vernichtet zu werden; da es n u r einer theils buchstäblichen, theils mehr oder weniger ausgedehnten Auslegung der einzelnen Sätze dieser Verordnung bedarf, u m die höchsten, die religiösen Interessen treugehorsamster Unterthanen zu gefährden u n d zu verletzen, u n d die landesherrliche Aufsicht i n förmliche Kirchenregierung, u n d das Schutzrecht i n Unterjochung zu verwandeln. Gegen die einzelnen Verfügungen dieser A r t , i n welchen man die von dem Papste u n d dem mitunterzeichneten Bischöfe verworfene sogenannte Frankfurter Kirchenpragmatik 1 6 wieder findet, müssen w i r , wie hiemit geschieht, förmlich u n d feierlich protestiren, u n d die dadurch tiefgekränkten Angelegenheiten unserer Kirche, unsern schweren Pflichten gemäss, i n Schutz nehmen, u n d u m Abänderung solcher Verfügungen die Gerechtigkeit und Milde des Staatsoberhauptes ehrfurchtsvollst anflehen. I m Bewußtsein, daß der Staatsregent allerdings befugt ist, den etwa eintretenden Missbrauch der Kirchengewalt u n d die daraus entstehenden Nachtheile abzuwehren, aber das Recht nicht haben kann, nothwendige u n d pflichtmässige Handlungen derselben von seinem Einflüsse u n d seiner Genehmigung abhängig zu machen; i m Gefühle, dass keines Bürgers Freiheit, wenn er nicht über Unrecht klagen soll, über die Gebühr beschränkt, u m so weniger jene einer moralischen Person, der Kirche, so hart bedrängt werden darf, die ohnehin zum öffentlichen Wohle so mannigfaltig u n d k r ä f t i g m i t w i r k t ; i n der Uberzeugung endlich, dass w i r bei der Reinheit u n d Redlichkeit unserer Gesinnungen nicht das geringste Misstrauen verdienen, u n d von den Grundsätzen u n d Anstalten der kath. Kirche f ü r den Staat nichts zu fürchten steht, tragen w i r freimüthig und ver15 16

Unten S. 520. Oben Nr. 107.

V i l i . Die Landesherrlichen Verordnungen über Kirchenhoheitsrecht

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trauensvoll jene Erinnerungen u n d Beschwerden vor, u n d bitten theils u m Abhülfe, theils u m beruhigende Erklärung. Es ist nicht unsere Privatsache, der es hier gilt, es ist das Interesse unserer ganzen Kirche, es ist die Beruhigung, die verfassungsmässige rechtliche u n d billige Behandlung ihrer Angehörigen, es ist die Bewahrung und freie Äusserung ihres kirchl. Lebens; es ist eben darum die Ruhe, die Ehre u n d der R u h m des Staates selbst, u m was es sich hier handelt.

Zehntes

Kapitel

D i e N e u o r d n u n g des k a t h o l i s c h e n Kirchenwesens in Hannover I . D i e hannoverschen Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl Das durch die Säkularisation um eine Reihe katholischer Gebietsteile erweiterte ehemalige Kurfürstentum Hannover war seit seiner Wiederherstellung (1813) und anschließenden Erhebung zum Königreich um die Neuordnung der katholischen Kirchenverhältnisse des Landes, insbesondere um die Reorganisation der Bistümer Hildesheim und Osnabrück , bemühtDer Fortbestand des Bistums Hildesheim, das 1803 an Preußen gefallen war und 1814/15 zu Hannover geschlagen wurde 2, war nicht umstritten; die geistliche Leitung lag nach wie vor in der Hand des ehemaligen Fürstbischofs Franz Egon von Fürstenbergz. Schwierig waren die Verhältnisse dagegen im Bistum Osnabrück 4. Das alte Hochstift Osnabrück stand seit dem Westfälischen Frieden abwechselnd unter der Regierung eines katholischen und eines evangelischen Bischofs („successio alternativa") 5. In den Zeiten, in denen ein evangelischer Landesherr das Geistliche Reichsfürstentum regierte, lagen die kirchlichen Funktionen in der Hand eines Generalvikars und eines Weihbischofs ; beide Ämter konnten getrennt, aber auch in einer Hand vereinigt sein. Der letzte katholische Fürstbischof war Clemens August, Herzog von Bayern (1728 - 1761 >>a. An seine Stelle als Landesherr des Hochstifts trat 1764 der protestantische Prinz Friedrich von Y o r k 6 . Die kirchlichen Funktionen oblagen seit 1795 dem Generalvikar und Weihbischof v. Gruben 7. 1 Dazu E. Hegel, Die kirchenpolitischen Beziehungen Hannovers, Sachsens u n d der norddeutschen Kleinstaaten zur römischen K u r i e 1800 - 1846 (1934) S. 52 ff. 2 Siehe Verfassungsgeschichte Bd. I S. 48, 578. 3 Siehe oben S. 213 A n m . 12. 4 Msgr. Beckschäfer, Beiträge zur Geschichte des Osnabrücker Weihbischofs Reichsfreiherrn von Gruben (1910). 5 A r t . X I I I § 1 Instrumentum Pacis Osnabrugense (1648). 5a Clemens August, Herzog von Bayern (1700 - 61), Sohn des Kurfürsten Maximilian II. Emanuel von Bayern; 1719 - 61 Bischof von Münster und Paderborn; 1723 - 61 Erzbischof von K ö l n ; 1724 - 61 Bischof von Hildesheim und 1728 - 61 Bischof von Osnabrück. Er vereinigte also fünf Bistümer i n seiner Hand („monsieur de cinq églises"). 6 Friedrich Herzog von York (1763 - 1827), zweiter Sohn des Königs Georg I I . von England und K u r f ü r s t e n von Hannover, i m Februar 1764 zum Bischof von Osnabrück gewählt, englischer General i n den Koalitionskriegen; er trat das B i s t u m 1802 an seinen Vater ab, der es gemäß den Bestimmungen des Reichsdeputationshauptschlusses m i t Hannover vereinigte.

I. Die hannoverschen Verhandlungen m i l dem Heiligen Stuhl

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Mit der Säkularisation trat Osnabrück in eine wechselvolle Entwicklung ein: 1802 - 1806 gehörte es zu Hannover (zuletzt unter französischer Besetzung), 1806 - 1807 zu Preußen, 1807 - 1810 zum Königreich Westfalen, 1810 - 1814 zum französischen Kaiserreich 8. Das Schicksal des von Gruben als Administrator verwalteten Bistums blieb dabei in der Schwebe ; zu der erstrebten Erhebung zum Landesbistum kam es nicht Napoleon ordnete 1813 zwar die Wiederherstellung des Domkapitels an; auch verfügte er eigenmächtig die Ernennung Grubens zum Bischof . Aber die Kurie erkannte diesen Übergriff der weltlichen Gewalt nicht als rechtsgültig an. So setzte Gruben nach der Wiederherstellung der hannoverschen Herrschaft 9 seine Funktionen als Administrator und Weihbischof des immer noch vakanten alten Hochstifts fort. Nach Kräften war er bemüht, den Fortbestand Osnabrücks als eines zweiten Landesbistums neben Hildesheim durchzusetzen. Um diese und andere Fragen auf dem Weg der Vereinbarung zu regeln, beauftragte die Regierung 1816 den Gesandten v. Ompteda 10, sich zu Verhandlungen über ein Landeskonkordat nach Rom zu begeben11. Zu seiner Unterstützung wurden ihm der Staats- und Kirchenrechtslehrer Leist 12 und der Legationssekretär Kestner^ zugeordnet. Die der Gesandtschaft mitgegebene Instruktion vom Januar 1817 (Nr. 117) enthielt die Weisung, insbesondere das Recht des Landesherrn zur Ernennung der Bischöfe von Hildesheim und Osnabrück zu verlangen 13a. Ompteda machte alsbald auf die Schwierigkeiten 7 Carl Clemens Reichsfreiherr v. Gruben (1764 -1827), seit 1788 kath. Priester; 1793 Substitut des Generalvikars von Osnabrück v. Vogelius; 1795 Generalvikar und Weihbischof von Osnabrück, Titularbischof von Parium (nicht von Paros! siehe unten S. 301); am 14. A p r i l 1813 von Napoleon zum Bischof von Osnabrück ernannt, aber von der K u r i e als solcher nicht anerkannt; als Administrator von Osnabrück 1824 zum Exekutor der Bulle Impensa Romanorum Pontificum ernannt; die i h m angebotene Transferierung i n das B i s t u m Hildesheim lehnte er ab. 8 Verfassungsgeschichte Bd. I, S. 66, 77, 78. 9 Ebenda S. 497, 578. 10 Friedrich Frhr. v. Ompteda (1772 - 1819), hann. Kammerherr; bis 1805 hann. Offizier; seit 1808 kgl. westfäl. Gesandter (zunächst i n Darmstadt u n d Frankfurt, 1813 i n Wien); nach der Wiederherstellung Hannovers u n d Wiederaufnahme i n den hann. Staatsdienst 1816 - 1819 hann. Gesandter beim Heil. Stuhl. 11 Schreiben des hann. Außendepartements an den Prinzregenten Georg vom 30. September 1816 (Text: E. Hegel, a.a.O., S. 54 f.). 12 Justus Christoph Leist (1770 - 1858), Jurist; Schüler Pütters i n Göttingen; 1795 ao. Professor, 1802 o. Professor des Staats- u n d Kirchenrechts daselbst; 1808 E i n t r i t t i n den kgl. westfäl. Staatsdienst; Staatsrat i n Kassel; 1809 als Nachfolger Johannes Müllers Generaldirektor des Unterrichtswesens daselbst; 1814 Wiederaufnahme i n den hann. Staatsdienst, zunächst als Klosteramtmann i n Ilfeld; 1817 Legationsrat an der hann. Gesandtschaft beim Heil. Stuhl; 1829 Kanzleidirektor i n Stade; 1837 erklärte er durch ein Rechtsgut achten für K ö n i g Ernst August die hann. Verfassung von 1833 für rechtsungültig; 1839 Vizepräsident des Oberappellationsgerichts Celle; 1855 Präsident des hann. Staatsgerichtshofs. 13 August Kestner (1777 - 1853), Sohn des hannoverschen Hofrats Johann Christian Kestner und der Charlotte geb. Buff (Wetzlar) ; Jurist i m hann. dipl. Dienst; seit 1871 Legationssekretär an der Gesandtschaft beim Heil. Stuhl; seit 1825 Legationsrat und bis 1849 hann. Geschäftsträger beim Heil. Stuhl; berühmter Kunstkenner und -Sammler; 1829 Mitgründer und seit 1838 Vorsitzender des Deutschen Archäologischen Instituts i n Rom.

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10. Kap.: Neuordnung des katholischen Kirchenwesens i n Hannover

aufmerksam, die der Durchsetzung dieses Anspruchs eines protestantischen Landesherrn entgegenstanden (Nr. 118). Die Kurie begründete ihren förmlichen und entschiedenen Widerspruch gegen die hannoversche Forderung in einer ausführlichen Note des Kardinalstaatssekretärs Consalvi 14. Darauf fand die hannoversche Regierung sich mit dem von der Kurie vorgeschlagenen Listenverfahren ab (Nr. 119)15. Gleichwohl kamen die Verhandlungen, die auf hannoverscher Seite nach Omptedas Tod (1819) der neue Gesandte v. Reden übernahm 1β, nur schleppend voran. Erst 1824 fanden sie ihren Abschluß

N r . 117. Instruktion für die nach R o m abgehende Gesandtschaft v o m Januar 1817 (E. Friedberg,

Der Staat u n d die Bischofswahlen i n Deutschland, 1874, Anhang S. 34 f.) — Auszug —

§2. Jeder Bischof w i r d von der Landesherrschaft ernannt und der päpstl. Confirmation präsentirt, worauf, sobald selbige erfolgt ist, durch päpstl. u n d landesherrliche Commissarien gemeinschaftlich die Investitur erfolgt. Sollte dieser A r t i k e l Anstoss finden, so k a n n man äussersten Falls nachgeben, dass die Bischöfe durch das Capitel des erledigten Stuhls unter Direct i o n eines landesherrlichen Commissarii erwählt werden. I n diesem Falle ist festzusetzen, dass ohne besondere landesherrliche Erlaubniss kein anderer erwählt werden könne, als ein Mitglied der beiden Capitel i m Königreiche. § 3. I m letztgedachten Falle muss der erwählte Bischof päpstl. Confirmation nachsuchen u n d diese k a n n nicht ohne A n f ü h r u n g der Ursachen verweigert werden. §4. Der von dem Papste confirmirte Bischof muss ausser der Huldigung einen Eid ableisten, der i n dem abzuschliessenden Concordate vorzuschreiben ist, u n d wobei der i n den Kaiserlich österreichischen Staaten übliche zur Norm dienen kann. § 5. Bei eintretender Sedisvacanz muß zu dem erledigten Stuhl binnen sechs Monaten nach dem Todesfall wieder präsentirt werden. Wenn solches unterbleibt, fällt die Ernennung dem päpstl. Stuhle zu.

13a Z u r Frage des Bischofs-Ernennungsrechts erstattete der Göttinger K i r chenhistoriker Gottlieb Jakob Planck (unten S. 526) der hann. Regierung zur Vorbereitung der Konkordatsverhandlungen ein Gutachten, dat. 22. Oktober 1816 (Text: E. Friedberg, Bischofswahlen, Anhang S. 28 ff.). 14 O. Mejer, Z u r Geschichte der römisch-deutschen Frage Bd. I I T e i l 2, S. 301 ff. 15 Oben S. 267 f. 16 Franz Ludwig Wilhelm v. Reden (1754 - 1831), hann. Kriegsrat; 1800 Gesandter i n Berlin; 1804 - 1806 Gesandter am Reichstag i n Regensburg; 1815 Gesandter i n Stuttgart u n d Karlsruhe; 1819 - 1825 Gesandter beim Heil. Stuhl; 1825 Gesandter i n B e r l i n u n d Dresden; 1828 hann. Staatsminister. 17 O. Mejer, a.a.O., Bd. I I T e i l 2 S. 117 ff., 241 ff.; Bd. I I I S. 62 ff., 237 ff.; E. Hegel, a.a.O., S. 52 ff.

I. Die hannoverschen Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl

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N r . 118. Depesche des Gesandten v. Ompteda an seine Regierung vom 9. J u n i 1817 (E. Friedberg, Der Staat und die Bischofswahlen i n Deutschland, 1874, Anhang S. 35 ff.) — Auszug — H i e r h i n gehört vornehmlich das schon so oft besprochene Hecht der bischöft. Ernennung. Dass i n Beziehung auf diesen P u n k t die von Ew. etc. m i r gnädigst ertheilte Instruction manchen Schwierigkeiten begegnen u n d vielleicht selbst einige Modificationen derselben unabwendbar sein dürften, ist schon i n früheren Berichten von m i r ehrerbietigst bemerkt worden. Die Schwierigkeit ber u h t hauptsächlich auf dem i n Rom festgehaltnen Princip, dass dem heil. Stuhl allein das Recht zustehe, die bischöfl. Sitze zu providiren, dass n u r i n Folge einer besonderen Concession einzelnen Fürsten dieses Recht delegirt werden könne, solches aber einem Protestant. Fürsten einzuräumen den Begriffen der kath. Kirche bestimmt zuwider u n d kein Beispiel dieser A r t jemals Statt gefunden habe noch denkbar sei. Dem Wunsche auch protestantischer Gouvernements bei solchen bischöfl. Ernennungen i n den vorkommenden Fällen sich jederzeit w i l l f ä h r i g zu bezeigen, u n d auf diese Weise dem Regenten die bestimmteste Theilnahme an der W a h l stillschweigend zu gestatten, findet man zwar kein Bedenken nachzugeben; allein diese Zusage zum Gegenstande einer förmlichen Stipulation zu machen, w i r d als unthunlich dargestellt. I m Jahre 1807 w a r dem Würtembergischen Gouvernement etwas Ähnliches i n einem geheimen A r t i k e l zwar eingeräumt, allein dieses Versprechen ist nachher zurückgenommen und die Convention nie ratificirt w o r d e n 1 8 . Was i n dieser Rücksicht i n den preussisch-polnischen Bisthümern, wo das Wahlrecht den Capiteln nicht zusteht, Statt findet, geschieht auch n u r durch stillschweigende Concession, nach welcher der Papst den ausgedrückten K g l . Wunsch zwar stets berücksichtigt hat 1 8 * 1 , allein ein Recht i n dieser Beziehung nie anerkennen, noch weniger vermöge einer Convention bestätigen würde. E i n gleiches Verhältniss besteht m i t Russland. M i t Österreich finden Bestimmungen nach Maassgabe der Provinzial-Verhältnisse Statt. I n Ungarn hat der Regent als Apostol. K ö n i g vorzügliche Attributionen. Portugal u n d Spanien haben vermöge besonderer päpstl. Vergünstigungen de jure das Ernennungsrecht; das damals allmächtige Frankreich aber bekam es i m letzten Concordat, n u r m i t der besonderen Clausel, dass, wenn jemals der erste Consul von anderer als kath. Religion sei, alsdann das Ernennungsrecht eo ipso cessire 19 . U n d so wie der Cardinal Consalvi u n d Monsignore Mazio m i r bereits vorläufig zu erkennen gegeben haben, dass dieses Recht durch den Buchstaben einer Convention einem protest. Fürsten zuzugestehen durchaus unmöglich sei, ebenso stimmt auch die Ansicht der erfahrensten und m i t den hiesigen Geschäften vertrautesten Personen, welche ich hierüber consultirt habe, darin überein, dass ein solches Verlangen allerdings i n Rom unerreichbar sein dürfte. Auch hat der Preussische Gesandte sich 18 18a 19

Oben S. 74. Dazu oben S. 203. Oben Nr. 2.

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10. Kap.: Neuordnung des katholischen Kirchenwesens i n Hannover

längst dieser Hoffnung begeben oder solche vielmehr nie genährt 2 0 ; der Niederländische Gesandte ist so ziemlich i n gleicher Überzeugung. Es fragt sich daher, wenn nach fortgesetzten ferneren Bemühungen die Absicht des § 2 der von E w etc. ertheilten Instruction i m Laufe der Negociation unerreichbar befunden wäre, ob alsdann die Intentionen des Gouvernements sich etwa dahin neigen würden, die Designation des Bischofs der W a h l des Capitels unter landesherrlicher Leitung m i t Vorbehalt des Vetos anheim zu stellen (welcher ErnennungsModus auch wahrscheinlich f ü r Preussen die N o r m werden dürfte), oder ob bei uns die Concurrenz der Capitel durchaus unzulässig geachtet wird, u n d die Landesherrschaft ohne Einmischung desselben die Präsentation des Bischofs sich ganz zu reserviren gedenkt? wo denn dahin zu trachten sein würde, m i n destens i n einem geheimen A r t i k e l das Versprechen der besondern Berücksichtigung eines solchen Vorschlags v o m heil. Stuhl zu erringen. N r . 119. Instruktion des Ministers G r a f Münster für den Gesandten v. Ompteda v o m 5. Januar 1818 (E. Friedberg, Der Staat u n d die Bischofswahlen i n Deutschland, 1874, Anhang S. 65 f.) — Auszug — 4. Was die Ernennung der Bischöfe anbetrifft, so ist unter den beiden v o r geschlagenen Wegen, den Einfluss der Landesherrschaft auf diese Ernennung zu sichern, der wünschenswerteste derjenige, welcher die W a h l den Capiteln (unter Leitung eines landesherrlichen Commissarii) überlässt, insofern dieselben gehalten werden, vor der W a h l eine Anzeige der Candidaten zu machen, damit die missfälligen ausgestrichen, und die Wahl nicht eher vorgenommen werden kann, als bis ein dem Landesherrn angenehmer Candidai angezeigt worden21. 5. A u f einen Termin, binnen welchem der Papst den präsentirten Candidaten präconisiren muss, ist nicht zu bestehen, da das eigene Interesse der päpstl. Curie es m i t sich bringt, dass die bischöfl. Stühle besetzt seien, u n d der Fall, da der Papst einem Candidaten insgeheim Bedingungen vorschriebe, ohne die er nicht zum Bischof ernannt werden solle, n u r i n dem Falle, wenn der Candidai ohnehin m i t dem Papste einverstanden ist, von Effect sein kann. Würde der Papst einem legitim Erwählten die Bestätigung aus gedachter Ursache verweigern, u n d dieser sich nicht i n das Ansinnen des Papstes fügen wollen, so k a n n dieser nichts ausrichten, da er nicht ohne Ursachen die Bestätigung verweigern, sondern n u r aufschieben kann. Dieses aber würde einen Scandal erregen, den der Papst selbst vermeiden muss . . . 7. I n Ansehung des Informativ-Processes über die präsentirten Candidaten der bischöfl. Würde w i r d nach dem Vorschlage der Gesandtschaft zu versuchen sein, ob eine Erklärung zu erhalten stehe, dass solcher allemal einer hierländischen Behörde aufgetragen werden solle. Wenn dieses nicht zu erhalten steht, so mag darüber hinausgegangen werden. 20 21

Oben S. 199. Über das hier akzeptierte Listenverfahren siehe oben S. 267 f.

I I . Die hannoversche Zirkumskriptionsbulle

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8. I n Ansehung der Consecration ist zu versuchen, ob es zu erhalten stehe, dass bestimmt zugestanden werde, sie solle durch einen Bischof und zwei Dignatarien geschehen. Wenn von päpstl. Seite darauf bestanden w i r d , dass dieser Modus als Regel den S. Canonibus zuwiderlaufe, so kann darunter nachgegeben werden, dass i n der Regel drei Bischöfe die Consecration verrichten müssen... 10. Da der päpstl. Hof die gemeinschaftliche Einsetzung des Bischofs für anstössig hält, so k a n n darunter nachgegeben werden, dass die Immission i n die Temporalien einseitig von der Landesregierung, nach erfolgter Consecration, geschehe.

I I . Die hannoversche Zirkumskriptionsbulle Mit der Sanktion König Georgs IV. (Nr. 120) trat die 1824 gemäß der staatlich-kirchlichen Übereinkunft von Papst Leo XII. erlassene Bulle Impensa Romanorum Pontificum (Nr. 121) in Kraft. Die Bulle erklärte die beiden Bistümer Hildesheim und Osnabrück zu exemten Landesbistümern und bestimmte ihren Umfang gemäß den hannoverschen Landesgrenzen neu. Der Staat stellte für beide Bistümer eine Realdotation in Aussicht, an deren Stelle es jedoch auf Dauer bei jährlichen staatlichen Geldleistungen blieb. Das Bistum Osnabrück behielt einstweilen den Status eines Generalvikariats, bis 1857 die Dotation sichergestellt war 1. Auch für Hildesheim wurde die Dotation erst 1864 abschließend geregelt 2. Bei der Sanktion der Bulle behielt der hannoversche König sich die Rechte der Kirchenhoheit (jura circa sacra) ausdrücklich vor; er beanspruchte also weiterhin das Placet und den Recursus ab abusu. Doch handhabte die Regierung diese R,echte großzügig. Zu schweren Konflikten zwischen dem Staat und der katholischen Kirche kam es ungeachtet der bischöflichen Proteste gegen die staatskirchenrechtlichen Vorschriften der Verfassungen von 1833 und 1840 nicht 3. Für die Bischofswahl führte die Bulle in beiden Bistümern das Listenwahlrecht ein. Nach dem Eintritt der Sedisvakanz durch den Tod des Bischofs von Hildesheim Franz Egon v. Fürstenberg (1825) wurden beide Bistümer zunächst durch den apostolischen Vikar Held verwaltet 4. 1829 wurde Godehard Joseph Osthaus neuer Bischof von Hildesheim 5; ihm folgte 1836 der Bischof Franz Ferdinand Fritz^K Beide waren auch Administratoren vonOsnabrück. Die eigentliche 1 Die Dotation f ü r Osnabrück k a m erst 1858 zustande; ihre Grundlage bildete der Grundsatzvertrag zur Bulle „Impensa Romanorum Pontificum" v o m 12. Januar/3. Februar 1857 (vgl. M. Bär, A b r i ß einer Verwaltungsgeschichte des Regierungsbezirks Osnabrück, in: Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens, Bd. V, 1901, S. 147; E. Hegel, a.a.O., S. 159). 2 Nämlich durch den Vertrag v o m 7./8. M a i 1864 (vgl. A. Bertram, Geschichte des Bistums Hildesheim, Bd. I I I , 1925, S. 273; E. Hegel, a.a.O., S. 159). 3 Dazu oben S. 163. 4 Johann Gottfried Held (1768 - 1828), seit 1793 kath. Priester; 1803 Pfarrer an St. N i k o l a i i n Hildesheim; seit 1813 Generalvikariats-Sekretär daselbst; 1827 - 1828 apostol. Provikar der Diözesen Hildesheim und Osnabrück.

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10. Kap.: Neuordnung des katholischen Kirchenwesens i n Hannover

Leitung des Bistums Osnabrück erhielt an Stelle des 1827 verstorbenen Frhr. v. Gruben der neue Generalvikar und Weihbischof Lüpke^. Erst nach dem Vollzug der Dotation für Osnabrück (1858) wurde die Administration der Diözese durch den jeweiligen Bischof von Hildesheim beendet und der Bischofsstuhl von Osnabrück zum ersten Mal seit 1761 — und zwar mit Paulus Melchers~< — wiederbesetzt.

N r . 120. Patent K ö n i g Georgs I V . über die Genehmigung der Bulle Impensa Romanorum Pontifìcum v o m 20. M a i 1824 (Hannoversche Gesetz-Sammlung 1824,1. Abt., S. 87) Nachdem W i r die von Seiner päbstlichen Heiligkeit unterm 26. März 1824 zu Rom erlassene Begrenzungs-Bulle der Diöcesen, welche m i t den Worten: „ i m pensa Romanorum Pontifìcum" anfängt, einer umständlichen u n d sorgfältigen Prüfung unterzogen u n d Uns überzeugt haben, daß dieselbe, ihrem wesentlichen Inhalte nach, m i t allen den Verhandlungen und Verabredungen v o l l kommen übereinstimme, welche m i t dem päpstlichen Stuhle, i n Beziehung auf die Einrichtung der Bisthümer u n d Capitel, deren Besetzung u n d Ausstattung, wie auch der Begrenzung der Diöcesen der katholischen Kirche i n Unserm Königreich Hannover statt gefunden haben: so verordnen Wir, wie folgt: 1. K r a f t Unserer Majestäts-Rechte ertheilen W i r den auf die vorher namhaft gemachten Gegenstände sich beziehenden Verfügungen der erwähnten päbstlichen Bulle Unsere Königliche Genehmigung, und es sollen demnach Alle, die es betrifft, jene Verfügungen als ein verbindliches Statut der katholischen Kirche i n Unserm Königreiche Hannover zu beobachten und zu befolgen haben. 2. Die Genehmigung vorgedachter Bulle w i r d , wie sich ohnehin versteht, nicht anders ertheilt, als unbeschadet Unsern Majestäts-Rechten und den Rechten Unserer Unterthanen Evangelischer Religion und der Evangelischen Kirchen i m Königreiche. 3. E i n Abdruck jener päbstlichen Bulle soll i n lateinischer sowohl, als deutscher Sprache diesem Unsern landesherrlichen Genehmigungs-Patente angehängt u n d i n die erste Abtheilung der Gesetz-Sammlung aufgenommen werden. 5 Godehard Joseph Osthaus (1768 - 1835), seit 1797 kath. Priester; 1815 - 1822 Rat i m kath. Konsistorium i n Hannover; 1822 Domkapitular, 1828 Domdechant i n Hildesheim; 1829 - 1835 Bischof von Hildesheim und Administrator von Osnabrück. 5a Franz Ferdinand Fritz (1772 - 1840), seit 1796 kath. Priester; 1812 Dompfarrer, 1828 Domkapitular, 1834 Generalvikar, 1835 Bistumsverweser und 1836 - 40 Bischof i n Osnabrück. 6 Anton Lüpke (1795 - 1855), Dompfarrer i n Osnabrück, 1827 (nach dem Tod von Gruben) Subdelegierter des apostolischen Vikars für Hildesheim und Osnabrück Held i m Bistum Osnabrück; 1829 Generalvikar u n d 1830 Weihbischof daselbst (bis zu seinem Tod). 7 Siehe Bd. I I .

I I . Die hannoversche Zirkumskriptionsbulle

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N r . 121. Zirkumskriptionsbulle Impensa R o m a n o r u m Pontificum v o m 26. März 1824 (Lateinischer und deutscher T e x t : Hannoversche Gesetz- Sammlung 1824, 1. Abt., S. 89) Leo Bischof, Knecht der Knechte Gottes, zu ewigem Gedächtnisse Die ausgezeichnete Sorgfalt der Römischen Päbste, w o m i t sie f ü r das Wohl der gesammten katholischen Kirche wachen, treibt sie an, alles das zu bereiten, wodurch für das Beste des gläubigen Volks gesorgt werden kann, dam i t dasselbe nach Verhältniß der Orte und Zeiten desto leichter zur Gottesverehrung u n d zu A l l e m dem hingezogen werde, welches zur Beförderung des ewigen Seelenheils dienlich zu seyn vermag. Daher waren deren eifrigste Bemühungen darauf stets gerichtet, daß der Heerde des H e r r n es nie an solchen H i r t e n fehle, welche sie auf heilsame Weiden führen und auf dem Pfade der Gerechtigkeit erhalten könnten. I. Die Erhaltung

der Bisthümer

Hildesheim

und Osnabrück

Dieses i n der That bezweckte insonderheit Unser Vorgänger, Pius V I I . , glorreichen Andenkens, als er, i n Folge der Sorgfalt, welche er zum Besten der Religion, wenn vorzüglich Gefahr f ü r sie zu besorgen war, eifrig anwandte, nach den schrecklichsten Unfällen der vorigen Zeiten für alle bischöflichen Sitze i n ganz Deutschland auf passende Weise zu sorgen sich angelegen seyn ließ u n d zugleich sein Nachdenken richtete auf zwei, durch A l t e r und Würde ausgezeichnete Kirchen, die Hildesheimsche und Osnabrücksche, welche ihren Ursprung aus Carls des Großen Zeiten herleiten und gegenwärtig i n den Grenzen des Königreichs Hannover sich befinden. Nachdem deshalb Unterhandlungen m i t dem Durchlauchtigsten Fürsten, Georg IV., Könige des vereinigten Reichs Großbritannien und Irland, wie auch Könige von Hannover und Herzoge v o n Braunschweig und Lüneburg Statt gefunden hatten, w a r der vorbelobte Pabst, nach Anhörung Einiger aus der M i t t e Unserer ehrwürdigen Brüder, Cardinäle der heiligen Römischen Kirche, der Meinung, es sey über das, bei einer so großen Umkehrung der Dinge sich darbietende, leichtere Auskunftsmittel zu berathschlagen, einzig u n d allein i n der Absicht, u m jene zwei bischöflichen Sitze m i t ihren Capiteln auf irgend eine A r t zu erhalten u n d f ü r sie auf die passendste Weise sowohl die Ausstattungen, als Sprengel zu bestimmen. Da n u n W i r , obschon ungleich an Verdiensten, durch die Fügungen der göttlichen Gnade zu dem höchsten Pontificate berufen worden sind 8 , so mußten W i r gleichfalls auf jenen Gegenstand Unsere eifrigen Bemühungen gerichtet seyn lassen, damit es nicht den Anschein gewänne, als ob W i r wegen jenes Theiles der katholischen Heerde weniger besorgt wären. Z w a r haben W i r sehr w o h l eingesehen, daß nicht wenig von der Strenge der heiligen Kirchensatzungen nachgelassen u n d Vieles der Lage u n d dem Verhältnisse der Orte, Zeiten u n d Personen, und andern solchen besondern Umständen habe nach8

Siehe oben S. 267 Anm. 4.

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10. Kap.: Neuordnung des katholischen Kirchenwesens i n Hannover

gegeben werden müssen; allein, da es sich besonders ziemet, i n der Vorgänger Fußtapfen zu treten u n d das zu Ende zu bringen, welches Pius V I I . , den der Tod daran verhinderte, durch die Macht seines apostolischen Amtes nicht mehr zu bekräftigen vermochte: so haben W i r f ü r nothwendig erachtet, i n dem Königreiche Hannover eine neue Einrichtung der Kirchen und Capitel und neue Grenzen der Kirchen-Sprengel, nach Vorschrift dessen, was vorbelobter Unser Vorgänger f ü r zulässig gehalten hatte, anzuordnen. II. Die Dotation

der beiden

Bisthümer

1. Hildesheim Derohalben, indem W i r als ausdrücklich erwähnt und von Wort zu Wort hier vorgebracht alles dasjenige betrachten, was die früheren Rechte, Privilegien und Vorrechte der vorher namhaft gemachten Kirchen und Capitel betrifft, W i r auch die Zustimmung aller derer, welche bei der Sache betheiligt sind, hiermit ergänzen, beschließen W i r , K r a f t apostolischer Machtvollkommenheit, nach vorgängiger gänzlicher Aufhebung, Erlöschung und Vernichtung des v o r i gen Bestandes vorbenannter Kirchen und Capitel, daß von jetzt an in Z u k u n f t das Capitel der Dom-Kirche zu Hildesheim n u r aus einer einzigen Würde, nämlich der Dechanei, aus sechs Canonicaten und vier Vicarien oder Pfründen bestehen solle. Die jährlichen Einkünfte des Bischofs sollen viertausend Thaler nach dem Conventions-Fuße, deren Erhebungsart nachher w i r d bestimmt werden, betragen; überdies soll demselben ein Haus zu einer anständigen Wohnung gegeben und, wenn ein solches nicht vorhanden seyn sollte, dafür gesorgt werden, daß er eins erhalte. A l s jährliches Einkommen werden angewiesen: dem Dechant des DomCapitels 1500 Thaler; den beiden ältern Canonicis, jedem 1400 Thaler; dem dritten u n d vierten Canonico, jedem 1000 Thaler; den beiden letztern Canonicis, jedem 800 Thaler; den vier Vicarien oder Pfründnern, jedem 400 Thaler; alles i n Conventions-Münze und auf die nachher zu bestimmende Weise zu erheben. Außerdem sollen der Dechant, jeder Canonicus und die beiden Vicarien, welche der Ordnung nach die ersten sind, Häuser erhalten, die einer jeden Pfründe derselben angewiesen werden. U m n u n aber gedachte Einkünfte zu begründen, hat vorerwähnter K ö n i g Georg das Versprechen ertheilt, binnen vier Jahre, von dem Tage des gegenwärtigen Briefes an gerechnet, dem Bischöfe und Capitel an Grundstücken, liegenden Gütern, Zehnten u n d Grundzinsen, i n der jedem Theile gebührenden Menge, so viel überweisen zu wollen, als erforderlich ist, u m die nach den obigen Bestimmungen jedem angewiesenen jährlichen Einkünfte, welche von jeglicher A r t der Belästigung gänzlich befreiet verabfolget werden sollen, vollständig berichtigen zu können. Indeß soll die Güter-Uberweisung zuvor durch den nachher namhaft gemachten Vollstrecker dieses Briefes der Beurtheilung des apostolischen Stuhles unterworfen werden, damit sie, nach angestellter sorgfältiger Prüfung, von demselben die erforderliche Bestätigung erhalte. Inzwischen aber sollen bis dahin, daß die Anweisung der Einkünfte i n Grundstücken, liegenden Gütern, Zehnten und Grundzinsen Statt finden w i r d , dem Bischöfe und Capitel die erwähnten Einnahmen jährlich aus dem K ö n i g lichen Schatze vollständig und frei i n baarem Gelde ausgezahlt werden.

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2. Osnabrück Was hingegen die Osnabrücksche Kirche anbetrifft, so soll, da die gegenwärtigen Zeit-Umstände es nicht erlauben, beide Kirchen auszustatten, eine neue Ausstattung der bischöflichen Tafel, des Capitels u n d Seminars des Bisthums Osnabrück so lange aufgeschoben bleiben, bis die dazu erforderlichen M i t t e l vorhanden sind, i n welchem Falle jene gleichfalls i n Grundstücken, liegenden Gütern, Zehnten u n d Grundzinsen geschehen soll. Auch soll alsdann der Bischof von Osnabrück, gerade wie der Bischof von Hildesheim, vorerwähnten Gütern erhalten; das Capitel, eben so w i e das Hildesheimsche, ein jährliches Einkommen von 4000 Thaler i n Conventions-Münze aus den aus derselben Anzahl von Canonicis u n d Vicarien bestehen, und gleiche j ä h r liche Einnahmen .sollen denselben angewiesen werden. Das bischöfliche Seminar soll so viele jährliche Einkünfte bekommen, als die Bedürfnisse u n d der Nutzen des Kirchensprengels erfordern 9 . So lange indeß die Ausstattung des Bisthums Osnabrück aufgeschoben bleibt, soll der Hildesheimschen bischöflichen Tafel eine jährliche Vermehrung der Einkünfte von 2000 Thaler, welche aus den i n dem Fürstenthum Osnabrück gelegenen geistlichen Gütern zu erheben sind, und auf gleiche Weise dem Dechant des Hildesheimschen Domcapitels eine jährliche Erhöhung seiner Einkünfte u m 300 Thaler angewiesen werden, welche Vermehrungen gleichw o h l n u r so lange Statt finden, als die vorgedachte Aufschiebung der Ausstattung des Bisthums Osnabrück fortdauert. Damit inzwischen der Osnabrücksche Kirchensprengel, welchem für jetzt aus den angeführten Gründen kein Bischof gegeben werden kann, einer rechtmäßigen geistlichen Regierung nicht beraubt sey, so befehlen Wir, daß der ehrwürdige Bruder Carl von Gruben, Bischof von Paros i n den Ländern der Ungläubigen und Suffragan derselben Osnabrückschen K i r c h e 1 0 , den Kirchensprengel selbst während seiner Lebenszeit zu regieren fortfahre. Nach dessen Absterben soll sodann der zeitige Bischof von Hildesheim 1 1 auch den Osnabrückschen Kirchensprengel, K r a f t der von dem Apostolischen Stuhle i h m jedesmal zu dem Ende besonders zu ertheilenden Vollmachten, verwalten und dazu einen General-Vicar f ü r die Spiritualien anstellen, welcher i n der Stadt Osnabrück seinen Sitz zu nehmen verpflichtet ist. Auch w i r d diesem GeneralVicar, w e n n nur derselbe w i r k l i c h w ü r d i g und tauglich befunden worden ist, von dem Römischen Pabste der T i t e l von irgend einer bischöflichen Kirche i n den Ländern der Ungläubigen, nachdem alles erforderliche deshalb beobachtet worden, i n der Absicht verliehen werden, damit er die Pontifical-Handlungen i n der Stadt selbst u n d i n dem Osnabrückschen Kirchen-Sprengel ausüben könne und möge. Deshalb soll auch demselben Osnabrückschen General-Vicar für seine und der bischöflichen Curie Ausstattung jährlich eine Summe von 3000 Thaler i n Conventions-Münze, deren Entrichtung von der gütigen Freigebigkeit des vorbelobten Durchlauchtigsten Königs zugesichert worden ist, ausgezahlt werden, wovon theils der Unterhalt des General-Vicars selbst, theils die jährliche Belohnung derjenigen Geistlichen, welche demselben bei seiner Amtsführung Beistand leisten, zu bestreiten seyn w i r d . 9

Siehe oben S. 297 A n m . 1. Siehe oben S. 292 f. A n m . 7. 11 Gemeint.ist: der jeweilige Bischof von Hildesheim.

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Bis dahin aber, daß die Umstände die Errichtung eines eigenen Osnabrück schen Seminars gestatten, sollen die Geistlichen dieses Kirchensprengels i n dem bischöflichen Seminar zu Hildesheim unterhalten u n d erzogen werden; weshalb demselben die Güter und Einkünfte, i n deren Besitze es sich gegenw ä r t i g befindet, ohne alle Schmälerung verbleiben sollen. Dasselbe gilt gleichfalls von den Gütern und Einkünften, welche i n den beiden Bisthümern Hildesheim und Osnabrück zur Erhaltung der Kirchen, Bestreitung der Kosten des Gottesdienstes und Bezahlung der Geistlichen bestimmt sind. III.

Die Bischofswahl

So oft n u n aber einer der vorbenannten bischöflichen Sitze zu Hildesheim u n d Osnabrück, welche beide auf alle zukünftigen Zeiten dem apostolischen Stuhle unmittelbar unterworfen seyn sollen, erlediget w i r d , soll das Capitel der erledigten Dom-Kirche dem Königlichen M i n i s t e r i u m eine Liste der aus der Geistlichkeit des ganzen Königreichs ausgesuchten Wahl-Candidaten binnen Monatsfrist, von dem Tage der entstandenen Erledigung an gerechnet, v o r legen. Jeder der Wahl-Candidaten soll wenigstens das 30. Lebensjahr zurückgelegt haben, m i t dem Landes-Indigenate versehen seyn, die Studien i n der Theologie u n d dem canonischen Rechte rühmlich vollendet und entweder die Seelsorge, oder das A m t eines Professors i n den Seminarien m i t Beifall ausgeübt, oder i n der V e r w a l t u n g kirchlicher Geschäfte sich ausgezeichnet haben, i n dem Besitze des besten Rufes sich befinden und seine Lehre und Sitten ohne allen Tadel seyn. Sollte der Regierung Dieser oder Jener von den auf der Listé sich befindenden Wahl-Candidaten weniger angenehm seyn, so soll i h n das Capital auf derselben ausstreichen; doch muß noch eine hinreichende Anzahl von Candidat e n 1 2 , aus welcher der neue Bischof erwählt werden kann, ü b r i g bleiben. A l s dann aber hat das Capitel zur canonischen E r w ä h l u n g eines der auf der Liste übrig gebliebenen Candidaten zum Bischöfe, m i t Beobachtung der bestehenden Vorschriften, zu schreiten u n d dafür Sorge zu tragen, daß die W a h l - U r k u n d e i n glaubwürdiger Form, binnen Monatsfrist an den Pabst eingesendet werde. Die Anstellung des Informativ-Processes über die Eigenschaften der zur Regierung der bischöflichen Kirchen des Königreichs Hannover zu Befördernden soll von dem Römischen Pabste entweder dem Bischöfe des andern nicht erledigten Stuhles, oder einem, m i t einer Kirchen-Würde bekleideten Geistlichen des Königreichs übertragen und, nach Vorschrift der von dem apostolischen Stuhle i n jedem einzelnen Falle zu überschickenden Dienstanweisung, vollzogen werden. Ersieht der Pabst aus den i h m vorgelegten Acten, daß der Erwählte m i t den nach der Bestimmung der heiligen Kirchen-Satzungen bei einem Bischöfe erforderlichen Eigenschaften w i r k l i c h begabt sey, so w i r d er i h m die Bestätigung sobald es irgend thunlich ist, dem bestehenden Gebrauche gemäß, durch einen apostolischen Brief ertheilen. 12 I n den Verhandlungen hatte Consalvi erklärt, daß als hinreichend die Zahl von mindestens zwei Kandidaten zu betrachten sei; sonst werde die Wahl durch das Kapitel zur Scheinwahl. Dazu auch oben S. 270 Anm. 15.

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Sollte hingegen entweder die W a h l keineswegs canonisch vollbracht seyn, oder sich ergeben, daß der Erwählte die vorher namhaft gemachten Eigenschaften nicht besitze: so wollen W i r dem Dom-Capitel aus besonderer V e r günstigung die Befugniß hiermit einräumen, zu einer neuen W a h l auf canonische Weise zu schreiten, wobei auf die vorher vorgeschriebene A r t zu verfahren ist. Der neue Bischof soll von dem andern bereits consecrirten Bischöfe des Königreichs, welcher dazu eine ausdrückliche Vollmacht von dem apostolischen Stuhle erhalten w i r d , consecrirt werden, u n d zwar unter Beistand von zwei andern Bischöfen, welche darum ersucht worden, i n deren Ermangelung aber von zwei infulirten Prälaten 1 3 oder, w e n n auch diese fehlen würden, von zwei m i t einer kirchlichen Würde versehenen Priestern aus der Geistlichkeit des Königreichs. I V . Die

Domkapitel

Unter die Anzahl der Capitularen sollen keine Andere aufgenommen w e r den, als solche, welche das Landes-Indigenat und die durch die heiligen KirchenSatzungen vorgeschriebenen Eigenschaften besitzen; ein A l t e r von wenigstens 30 Jahren haben, m i t der Priesterweihe versehen sind u n d i n der Ausübung der Seelsorge, oder i n der V e r w a l t u n g eines andern Kirchen-Amtes oder des Professorates i n dem bischöflichen Seminar sich auszeichneten. So oft eine Dechanei oder ein Canonicat oder Vicariat i n den Dom-Capiteln zur Erledigung kommt, sollen abwechselnd der Bischof und das Capitel binnen sechs Wochen, von Zeit der Erledigung an gerechnet, eine Liste von vier Candidaten, welche m i t den festgesetzten Eigenschaften begabt sind, dem Königlichen Ministerium übergeben. Sollte etwa irgend einer dieser Candidaten der Regierung weniger angenehm oder verdächtig seyn, so kann dieses beziehungsweise dem Bischöfe oder Capitel, sobald als möglich, i n der Absicht angezeiget werden, damit derselbe auf der Liste gestrichen werde. Hierauf aber muß der Bischof zur Verleihung der Dechanei, des Canonicates oder Vicariates, oder beziehungsweise das Capitel binnen vier Wochen zur Ernennung einer von der Regierung weder unangenehmen noch verdächtigen Personen schreiten, welcher sodann der Bischof die canonische Einsetzung ertheilen w i r d . V. Die

Zirkumskription

Indem W i r nunmehr übergehen zu einer neuen Grenzbestimmung der K i r chen-Sprengel, sowohl des Bisthumes Hildesheim, welches jetzt der ehrwürdige Bruder, Franz Egon von Fürstenberg, dessen gegenwärtiger Bischof, regieret, als des Bisthumes Osnabrück, welches, seit mehreren Jahren seines H i r t e n beraubt, von dem obenerwähnten Carl, Bischof von Paros u n d Suffragan derselben Osnabrückschen Kirche, vermöge der i h m ertheilten apostolischen Vollmachten, verwaltet w i r d : so beschließen Wir, nach vorgängiger Theilung, Veränderung u n d Trennung aller u n d jeder Städte, Länder u n d Pfarreien innerhalb der Grenzen des Königreichs Hannover von der Gerichtsbarkeit, Oberherrschaft und Gewalt aller u n d jeder Erzbischöfe, Bischöfe oder Ordina13 Prälaten, die bei liturgischen Handlungen die M i t r a zu tragen berechtigt und insoweit den Bischöfen gleichgestellt sind.

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rien und apostolischen Vicarien, daß gedachtes Königreich, wie es bereits Unser Vorgänger Pius V I I . bestimmt hatte, überhaupt in zwei Kirchensprengel, welche der L a u f des Flusses, Weser genannt, begrenzt u n d absondert, getheilt werde, dergestalt, daß die auf der rechten Seite desselben Flusses gelegenen Pfarreien zu der Hildesheimschen Diöces, die Pfarreien hingegen, welche auf dem linken Ufer der Weser sich befinden, zu der Osnabrückschen Diöces gerechnet werden sollen, und zwar i n nachfolgender Weise: 1. Hildesheim Den Hildesheimschen Kirchensprengel sollen zuvörderst folgende 55 Parochial-Kirchen, welche bereits zu demselben gehören, bilden, nämlich: Achtum, A d l u m , Ahrbergen, Groß-Algermissen, Asel, Bavenstedt, Bettmar, Bilderlahe, Bockenem, Bolzum, Borsum, Detfurth, Dingelbe, Dinklar, Dorstadt, GroßDüngen, Emmerke, Groß-Gießen, Grasdorf, Grauhoff, Gronau, Goslar, H a r sum, Heinig, die Dom-Pfarre, St. Godehard, St. Magdalene, St. Crucis, — welche letztere vier Pfarreien i n der Stadt Hildesheim sich befinden, — Hennekenrode, Himmelsthür, Hohenhameln, Hunnesrück, Itzum, Lamspringe, Liebenburg, Marienrode, Moritzberg, Ottbergen, Peine, Poppenburg, Ringelheim, Rinthe, Schladen, Söder, Söhre, Sorsum, Sottrum, Steinbrück, Vienenburg, GroßVörste, Westfeldt, Wiedelah, Winzenburg, Wöhle und Woldenberg. Außerdem folgende zwanzig Pfarreien u n d dreizehn Hülfs-Pfarreien, welche i n der Provinz Eichsfeld sich befinden, und vormals der alten Erzbischöflich-Mainzischen oder Regensburgischen Kirche unterworfen waren, gegenwärtig aber von dem ehrwürdigen Bruder Carl Friedrich v. Wendt, Bischöfe von Basinopel i n den Ländern der Ungläubigen und Suffragan der Hildesheimschen Kirche, als apostolischem Vicar verwaltet werden, nämlich, die Pfarrei Duderstadt m i t den drei Hülfs-Pfarreien Gerblingerode, Tiflingerode und Westerode; die Pfarreien Breitenberg und Desingerode m i t den beiden Hülfs-Pfarreien Werxhausen und Esplingerode, die Pfarreien Immingerode, Nesselröden, Seulingen, Seeburg und Bernshausen m i t der Hülfs-Pfarrei Germershausen; die Pfarreien Lindau, Bilshausen und Crebeck m i t der Hülfs-Pfarrei Bodensee; die Pfarreien W o l l brandshausen, Gieboldehausen, Rollshausen, Rüdershausen und Rhumspringe m i t der Hülfs-Pfarrei Hilkerode; die Pfarrei Fuhrbach m i t den beiden HülfsPfarreien Langenhagen und Brochthausen; die Pfarrei Oberfeld m i t der HülfsPfarrei Mingerode; die Pfarrei Northen m i t zwei Hülfs-Pfarreien; die Pfarrei Renshausen. Endlich die drei Pfarreien: Hannover, Göttingen und Celle, über welche der vorher namhaft gemachte Bischof von Hildesheim bis jetzt die geistliche Regierung als apostolischer Vicar der nordischen Missionen geführt hat. 2. Osnabrück Der Osnabrücksche Kirchensprengel soll aus folgenden Decanaten bestehen, nämlich: dem Decanate der Domkirche u n d der Stadt Osnabrück, welches sieben Pfarreien i n sich begreift, wovon zwei selbst i n der Stadt Osnabrück, die übrigen aber i n dem A m t e desselben Namens sich befinden, und deren Namen sind: Bellm, Bissendorf, Rülle, Schledehausen und Wallenhorst; dem Decanate Iburg, welches gleichfalls folgende sieben Pfarreien i n sich faßt, nämlich: Borgloh, Glandorf, Glane, Hagen, Iburg, Laer und ösede; dem Decanate

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Fürstenau, wozu folgende elf Pfarreien gehören, nämlich: Berge, Fürstenau, Merzen, Neuenkirchen, Schwagstorf, Boltlage, Alfhausen, A n k u m , Badbergen, Berssenbrück und Quakenbrück; dem Decanate Börden, welches folgende elf Pfarreien enthält, nämlich : Lage, Malgarten, Börden, Bomte, Hunteburg, Ostercappeln, St. Anne, Gesmold, Melle, Riemsloh, Wellingholthausen, ungleichen die innerhalb der Grenzen des Königreichs Hannover befindlichen Theile der beiden Pfarreien Damme und Neuenkirchen. Weiter aus dem Erzpresbyterate der Niedergrafschaft Lingen, wozu zwölf Pfarreien gehören, nämlich: Bawinkel, Beesten, Freren, Lengerich, Messingen, Schapen, Thuine, Baccum, Bramsche, Lingen, Plantlünne u n d Spelle. Desgleichen aus 27 i n dem Kreise Meppen enthaltenen u n d bis jetzt zu dem M ü n sterschen Kirchensprengel gehörenden Pfarreien, nämlich: Aschendorf, Bersen, Bokeloe, Börger, Dörpen, Emsbühren, Haren, Haselünne, Heede, Herzlake, Hesepe, Holte, Laten, Lorup, Meppen, Papenburg, der Hauptkirche nebst einer Hülfs-Pfarrei gleiches Namens; Rhede, Rüttenbrock, Steinbild, Sögel, Schepsdorf^ Salzbergen, Twist, Twistringen, Werlte u n d Wesuwe. Auch werden noch drei i n Ostfriesland befindliche und dem Münsterschen Kirchensprengel bis jetzt unterworfene Pfarreien hinzugefügt, nämlich: Emden, Leer und Norden. U n d endlich acht Pfarreien, welche i n der Grafschaft Bentheim liegen, gegenw ä r t i g i n weltlicher Hinsicht von dem Königreiche Hannover abhängen u n d bis jetzt von dem Bischöfe von Münster regieret worden sind, nämlich: Bentheim, Brandlecht, Emblichheim, Laarwalde oder Wolda, Nordhorn, Neuenhaus, Schüttdorf und Wietmarschen. VI.

Besitzeinweisung

Sämmtliche vorher namhaft gemachten Dekanate, Pfarreien u n d Orte, w e l che den Bischöfen von Hildesheim u n d Osnabrück zum Sprengel beigelegt worden, sammt deren Einwohnern beiderlei Geschlechtes, sowohl geistlichen, als weltlichen Standes, überweisen W i r den Kirchen und deren H i r t e n zu ewigen Zeiten, als Gebiet, Sprengel, Geistlichkeit u n d V o l k und unterwerfen sie ihnen i m Geistlichen vollkommen; daher dann auch, sobald gegenwärtiger Brief seinem ganzen Umfange nach w i r d zum Vollzuge gebracht worden seyn, alle Gerichtsbarkeit der vorigen Erzbischöfe, Ordinarien, Apostolischen Vicarien oder Administratoren über die erwähnten Orte, Decanate und Pfarreien gänzlich aufhören soll, wobei W i r zugleich erklären, daß sämmtliche V o l l machten i n den Orten und Theilen, welche ihrer Gerichtsbarkeit entzogen worden sind, fernerhin durchaus von keiner K r a f t und Wirksamkeit seyn sollen. U m überdies den Nutzen der Völker, welche, wie vorgedacht, den Bischöfen unterworfen werden, zu befördern, verfügen und befehlen Wir, daß alle u n d jede auf die abgetrennten und von Neuem einverleibten Kirchen u n d Orte sich beziehenden Beweisthümer aus den alten Canzleien ausgeliefert u n d den Canzleien derjenigen Kirchensprengel, welchen sie einverleibt worden, auf passende Weise übergeben und i n denselben beständig aufbewahrt werden sollen. M i t Rücksicht auf den Betrag der Einkünfte der bischöflichen Tafel der Hildesheimer Kirche, wollen Wir, dem Herkommen gemäß, daß dieselbe auf 756 Goldgulden des Cammersatzes geschätzt und diese Taxe i n den Büchern Unserer Apostolischen Cammer verzeichnet werde. 20 Huber, Staat und Kirche, 1. Bd.

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Was hingegen die bischöfliche Tafel der Kirche zu Osnabrück anbetrifft, so soll dieselbe, sobald deren Ausstattung, wie vorher angeführt worden, erfolgt seyn wird, herkömmlich auf 666 2 /$ Goldgulden geschätzt und gleichfalls diese Taxe i n die Bücher der apostolischen Cammer eingetragen werden. VII.

Vollzugsanordnung

Endlich, damit alle von Uns bisher gemachten Vorschriften gehörig zum Vollzug gebracht werden, bestimmen W i r den vorerwähnten Franz Egon Bischof von Hildesheim zum Vollzieher dieses apostolischen Briefes m i t allen und jeden dazu erforderlichen und dienlichen Vollmachten, damit derselbe, nach vorgängigen, i n rechtsgültiger Form zu vollziehenden Ausstattungen zur neuen Einrichtung einer jeden Kirche, wie auch ihres Capitels, desgleichen zur GrenzBestimmung ihres Sprengeis schreiten u n d überhaupt alles Übrige, wie v o r beschrieben, frei und erlaubter Weise ausrichten und anordnen könne und möge, als wozu W i r i h m hiermit Unser apostolisches Ansehen verliehen haben wollen. Ferner legen W i r ihm, dem Bischöfe Franz Egon, gleichfalls die Befugniß bei, zur vollständigen Vollziehung aller Gegenstände, zumal an solchen Orten, welche von seinem Aufenthaltsorte weit entfernt sind, eine oder mehrere Personen, die i n einer Kirchlichen Würde stehen, statt seiner m i t V o l l macht zu versehen. U n d er selbst sowohl, als jene Person oder Personen, welchen er, statt seiner Vollmacht w i r d ertheilt haben, sollen befugt seyn, frei und ungehindert über jede Einrede, welche bei Gelegenheit der V o l l ziehung auf irgend eine A r t gemacht werden dürfte, jedoch m i t Beobachtung der Förmlichkeiten des Rechtes, endlich, und m i t Verwerfung einer jeden Appellation, zu entscheiden. Außerdem machen W i r gedachtem Bischöfe Franz Egon hiermit ausdrücklich zur Pflicht, Abschriften von allen den Verhandlungen, welche sowohl er selbst, als die von i h m Bevollmächtigten, i n Beziehung auf die Vollstreckung des gegenwärtigen Briefes aufnehmen werden, binnen vier Monate, nach v o l l brachter Vollstreckung, i n glaubwürdiger Form an den apostolischen Stuhl zu überschicken, damit dieselben i n dem Archive der den Consistorial-Angelegenheiten vorgesetzten Versammlung, dem Herkommen gemäß, aufbewahrt werden. Es soll aber dieser Brief und Alles, was darin enthalten und festgesetzt worden, weder aus dem Grunde: w e i l Diese oder Jene, welche bei den vorbesagten Bestimmungen ein Recht haben oder dabei betheiligt sind, oder auch es erst i n Z u k u n f t auf irgend eine Weise zu seyn behaupten, — wes Standes, Ranges und Würden sie i m m e r h i n seyen, selbst, wenn sie verdienen möchten, ausdrücklich und namentlich hier aufgeführt zu werden, — darein nicht eingewilligt haben; oder w e i l Einige derselben zu den getroffenen Anordnungen keinesweges gerufen, oder auch überall nicht, oder doch nicht genugsam gehört worden sind, noch wegen irgend einer Verletzung, oder aus einem andern, i n den Rechten noch so begünstigten Grunde, Anscheine, Vorwande und Verfügung, selbst des geschlossenen canonischen Gesetzbuches, zu keiner Zeit wegen des Fehlers der Erschleichung oder Nichtigkeit, oder wegen des Mangels Unserer wahren Willensmeinung, oder der Zustimmung der Betheiligten, oder wegen irgend eines andern, noch so großen, oder wesentlichen, Gebrechens, w i e dieses immer ausgedacht werden möge; noch aus dem Grunde: w e i l bei

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dem Vorbesagten die Förmlichkeiten und andere vorschriftsmäßigen Erfordernisse nicht gehörig beobachtet oder erfüllt, oder w e i l die Ursachen, welche die Erlassung des gegenwärtigen Briefes bewirkten, nicht hinreichend angeführt, begründet und gerechtfertiget worden, jemals getadelt, angefochten oder sonst entkräftet, beschränkt oder i n Streit gezogen, oder wider denselben die Wiedereinsetzung i n den vorigen Stand, die Erlaubniß der Gegenvorstellung 1 4 , oder irgend ein anderes, auf Rechtsgründen oder Thatsachen beruhendes, Rechtsmittel zugelassen werden. Auch soll dieser Brief keineswegs unter den Verfügungen entgegenstehender Verordnungen, Widerrufe, Aufschiebungen, Beschränkungen, Aufhebungen, Abänderungen, Beschlüsse, allgemeiner und besonderer Erklärungen, auf w e l che A r t diese immer gemacht seyn mögen, begriffen werden, vielmehr davon beständig ausgenommen seyn und bleiben und als von Uns, K r a f t des Amtes päbstlicher Fürsorge m i t vollständiger Wissenschaft aus apostolischer Machtvollkommenheit gemacht und erlassen, sich fortdauernd einer vollständigen K r a f t u n d Gültigkeit zu erfreuen haben, zu seiner vollkommenen Wirksamkeit gelangen, und von Allen, welche er angeht, oder auf irgend eine Weise angehen wird, beständig und unverbrüchlich beobachtet werden, und den Bischöfen und Capiteln vorerwähnter Kirchen, wie auch andern, deren Vortheil derselbe betrifft, auf ewige Zeiten vollständigst zu statten kommen. Deshalb sollen dieselben wegen aller vorgedachten Bestimmungen, oder aus deren Veranlassung, von Niemanden, von welchem Ansehen er immer sey, auf irgend eine A r t beunruhiget, gestört oder gehindert werden, auch nicht gehalten seyn irgend Etwas, was i n diesem Briefe angeführt worden, zu beweisen oder w a h r zu machen, und dazu weder gerichtlich noch außergerichtlich gezwungen werden können. Sollte gleichwohl Jemand, von welchem Stande und Range er sey, darwider wissentlich oder unwissentlich etwas unternehmen, so soll dieses gänzlich fruchtlos, vergebens und nichtig seyn. Dem A l l e m sollen weder die Regeln: „daß ein wohlerworbenes Recht nicht aufzuheben", ingleichen, „daß bei vorzunehmenden Aufhebungen die Betheiligten zu hören," noch andere von Unsern und der apostolischen Canzlei Regeln entgegenstehen. Auch sollen darwider weder die Statuten der gedachten Kirchen, selbst wenn diese durch apostolische Bestätigung oder durch irgend ein anderes Ansehen bekräftiget v/ären, noch Gewohnheiten, selbst nicht u n vordenkliche, noch Privilegien, Indulte und Verleihungen, wären sie auch einer besonderen und namentlichen Erwähnung würdig, noch die allgemeinen und besonderen Verordnungen und Beschlüsse, welche von den Päbsten oder von den Synodal- und Provincial-Versammlungen oder den allgemeinen Concilien ausgegangen sind, angeführt werden können, welche W i r vielmehr sammt und sonders ihrem ganzen Inhalte und ihrer Form nach, wenn auch eine ausdrückliche oder namentliche Erwähnung, oder irgend ein anderer Ausdruck, 14 Ausgeschlossen ist hier, wie i n den Zirkumskriptionsbullen De salute animarum (oben Nr. 91) und Provida solersque (oben Nr. 106) das Rechtsmittel der aperitio oris. Während die Übersetzung dieses kirchenrechtlichen Begriffs i m amtlichen preußischen und oberrheinischen Text mißlungen ist, kommt die hannoversche Ubersetzung („Erlaubnis zur Gegenvorstellung") dem Sinn etwas näher. Richtiger ist: Erlaubnis zur richterlichen Überprüfung. Zur Begriffsentwicklung und -bedeutung ausführlich: R. Naz, Dictionnaire de droit canonique, Bd. 1 (1935) Sp. 633 ff.

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10. Kap.: Neuordnung des katholischen Kirchenwesens in Hannover

oder irgend eine andere besondere Form dazu erforderlich seyn möchte, gleich als ob deren I n h a l t von Wort zu Wort, nichts ausgelassen, hier eingerückt, und die darin bestimmte Form genau beobachtet wäre, hiemit vollständig besonders u n d ausdrücklich, insoweit dieses zur Vollstreckung alles Vorgedachten erforderlich w i r d , aufheben und f ü r aufgehoben erklären; wie dann dieses i n gleichem Maaße i n Ansehung alles Übrigen, welches dem Obigen entgegen steht, der Fall ist. Gleichfalls wollen Wir, daß den Abschriften dieses Unseres Briefes, selbst Abdrücken desselben, vorausgesetzt, daß sie m i t der Unterschrift eines öffentlichen Notars u n d dem Siegel einer i n einer Kirchen-Würde stehenden Person versehen sind, derselbe Glaube beigelegt werde, welche der Urschrift gebührt, sobald diese ausgehändiget oder vorgezeigt wird. Niemanden, w e r es auch seyn möge, ist es gestattet, diesen Brief Unserer Aufhebung, Erlöschung, Vernichtung, Theilung, Absonderung, Vereinigung, Grenz-Bestimmung, Zutheilung, Verstattung, Unterwerfung, Ergänzung, E r klärung, Abordnung, Beauftragung, Beschließung, Aufhebung und WillensE r k l ä r u n g anzufechten oder freventlich demselben entgegen zu handeln. Sollte gleichwohl Jemand dieses zu unternehmen wagen, so soll er wissen, daß er die Ungnade des allmächtigen Gottes und seiner heiligen Apostel Petrus und Paulus auf sich lade.

TeilC K o n f l i k t und Versöhnung i m preußischen Vormärz Elftes Kapitel D i e Mischehenfrage i n der K ö l n e r Kirchenprovinz I . Das preußische Mischehenrecht (1794 bis 1825) Der Anlaß des ersten großen Konflikts zwischen dem modernen Staat und der katholischen Kirche war, wie in zahlreichen anderen Ländern, so auch in Preußen die Behandlung der konfessionsverschiedenen Ehen. Die katholische Kirche, die solche Ehen aus dogmatischen Gründen verwarf, hatte sich im 18. Jahrhundert zu einer milderen Mischehenpraxis verstandenohne jedoch damit ihren grundsätzlichen Standpunkt zu revidieren. Der auf den konfessionellen Frieden bedachte Staat dagegen war um die Freiheit der Ehen von kirchlichen Behinderungen bemüht. Er entwickelte daher ein eigenes staatliches Mischehenrecht, wobei die Frage der konfessionellen Erziehung der Kinder aus gemischten Ehen im Vordergrund stand. Die grundlegenden staatlichen Bestimmungen 2 für diesen Bereich begannen in Preußen mit dem Allgemeinen Landrecht von 1794 (Nr. 122): es stellte die konfessionelle Erziehung der Kinder in die Entscheidung der Eltern; beim Fehlen einer vertraglichen Einigung waren Söhne in der Konfession des Vaters, Töchter in der der Mutter zu erziehen. König Friedrich Wilhelm III. änderte diese Vorschriften durch die Deklaration von 1803 (Nr. 123): alle Kinder aus konfessionell gemischten Ehen sollten hinfort im Bekenntnis des Vaters erzogen werden. Diese Deklaration besaß jedoch in den 1815 zu Preußen gekommenen Gebieten zunächst keine Gültigkeit: in den rheinischen Gebieten Preußens galt der Code Civil, der das Bestimmungsrecht über die Konfession der Kinder dem Vater zuwies; in den wieder oder neu zu Preußen gekommenen rechtsrheinischen Gebieten galt das unveränderte Allgemeine Landrecht3, wonach 1

Zu den kirchlichen Bestimmungen: Verfassungsgeschichte Bd. I I , S. 189 ff. Ebenda, Bd. I I , S. 185 ff. Das Allgemeine Landrecht wurde i n den wieder- oder neugewonnenen Gebieten durch eine Reihe von Kgl. Patenten der Jahre 1814 - 1825 eingeführt, so zuletzt durch das Patent vom 21. J u l i 1825 (GS 153) i n der Provinz Westfalen ( = Herzogtum Westphalen, Fürstentum Siegen, Grafschaften Wittgenstein-Wittgenstein u n d Wittgenstein-Berleburg). Dagegen blieb es i m H a u p t teil der Rheinprovinz bei der Geltung des Rheinischen Rechts (siehe oben S. 2 Anm. 1). 2

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11. Kap.: Die Mischehenfrage in der Kölner Kirchenprovinz

die Söhne in der Konfession des Vaters, die Töchter in der Konfession der Mutter zu erziehen waren. Die Kabinettsordre vom 6. April 1819 über die Behandlung der Mischehen (Nr. 124) hielt an diesem Rechtszustand fest 4. Erst nachdem Verhandlungen mit der Kurie über eine mildere Mischehenpraxis gescheitert waren, stellte die Kabinettsordre vom 17. August 1825 (Nr. 125) die Rechtseinheit im gesamten preußischen Staatsgebiet im Sinn der Deklaration von 1803 her*.

N r . 122. Mischehen-Recht des Allgemeinen Landrechts von 1794 (Teil II Titel 2) § 76. Sind die Aeltern verschiedenen Glaubensbekenntnissen zugethan, so müssen, bis nach zurückgelegtem Vierzehnten Jahre, die Söhne i n der Religion des Vaters, die Töchter aber i n dem Glaubensbekenntnisse der M u t t e r unterrichtet werden. § 77. Zu Abweichungen von diesen gesetzlichen Vorschriften kann Keines der Aeltern das Andere, auch nicht durch Verträge, verpflichten. § 78. So lange jedoch Aeltern über den ihren K i n d e r n zu ertheilenden Religionsunterricht einig sind, hat kein Dritter ein Recht, ihnen darin zu w i d e r sprechen. N r . 123. Deklaration K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . vom 21. November 1803 (Preußische Staatsschrift, 1838, Anhang S. 3) Se. Kgl. Maj. von Preußen . . . haben i n Erwägung gezogen, daß die V o r schrift des A.L.R.Thl. 2. Titl. 2 § 76, nach welcher bei Ehen zwischen Personen verschiedenen Glaubensbekenntnisses die Söhne i n der Religion des Vaters, die Töchter aber i n dem Glaubensbekenntnisse der Mutter, bis nach zurückgelegtem vierzehnten Jahre unterrichtet werden sollen, nur dazu diene, den Religions-Unterschied i n den Familien zu verewigen, u n d dadurch Spaltungen zu erzeugen, die nicht selten die Einigkeit unter den Familien-Gliedern zum großen Nachtheile derselben untergraben. Höchstdieselben setzen daher hierdurch allgemein fest: daß eheliche Kinder jedesmal i n der Religion des Vaters unterrichtet werden sollen, und daß zu 4 Gegenüber den Versuchen katholischer Geistlicher, vor der Trauung gemischter Ehen von dem nichtkatholischen T e i l das Versprechen der Erziehung des Kindes i n der katholischen Konfession zu erlangen, betonten auf Grund einer königlichen Weisung schon die Oberpräsidenten von Westfalen und der Rheinprovinz die Unvereinbarkeit dieses Vorgehens m i t den preußischen Regierungsgrundsätzen; so das Publikandum des Oberpräsidenten der Rheinprovinz v. Ingersleben vom 1. März 1819 (Text: Fr. H. J. Thesmar, Die Stellung des Staates u n d der evangelischen Kirche gegenüber der römischen K u r i e i n Sachen der gemischten Ehen, 1853, S. 24). 5 I n der Provinz Westfalen galten danach die §§ 76 - 78 I I 2 A L R und die Deklaration von 1803; i n der Rheinprovinz galt nur die Deklaration von 1803.

I. Das preußische Mischehenrecht (1794 bis 1825)

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Abweichungen dieser gesetzlichen Vorschrift kein Ehegatte den andern durch Verträge verpflichten dürfe. Übrigens verbleibt es auch fernerhin bei der Bestimmung des § 78 a.a.O. des allgemeinen Landrechts, nach welcher Niemand ein Recht hat, den Eltern zu widersprechen, so lange selbige über den ihren K i n d e r n zu ertheilenden Religions-Unterricht einig sind. S. königliche Majestät befehlen sämtlichen Landes-Justiz-Kollegien und Gerichten, insbesondere den Konsistorien und vormundschaftlichen Behörden, sich nach dieser Deklaration gebührend zu achten, und soll dieselbe gedruckt und zur allgemeinen Kenntniß gebracht werden. N r . 124. Kabinettsordre K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . an den Kultusminister v. Altenstein vom 6. A p r i l 1819 {A. v. Roskovàny, De matrimoniis mixtis, Bd. I I , 1842, S. 169 f.) Es ist i n den neuern Zeiten vielfach bei M i r darüber Beschwerde geführt w o r den, daß die Geistlichen kath. Confession der kirchl. Vollziehung der Ehen K a tholischer m i t Nichtkatholischen Schwierigkeiten i n den Weg legen, w e l che früher nicht i n Anregung gebracht worden sind. Es soll sogar versucht w o r den seyn, die Gewissen der i n solchen gemischten Ehen lebenden kath. Glaubensgenossen zu beunruhigen, was n u r dazu führen würde, den Frieden und die Einigkeit solcher Ehen auf eine unchristliche und nicht zu entschuldigende Weise zu stören. Die Herbeiführung solcher Beschwerden hat M e i n ernstliches M i ß fallen umso mehr erregen müssen, da sie i n dieselbe Zeit fällt, wo von der Herstellung der gestörten Verhältnisse der kath. Kirche in Meinen Staaten u n d von der Verbesserung ihrer äußern Lage so ernstlich die Rede ist, und alle hierzu erforderlichen Einleitungen getroffen werden. Es ist M e i n fester Wille, daß dergleichen Anmaßungen der kath. Geistlichen nicht geduldet werden sollen, die durch Veranlassung erneuerter Beschwerden n u r dahin führen könnten, daß die Ausführung jener f ü r die kath. Kirche wohlthätigen Plane gestört und aufgehalten würde. Ich fordere Sie daher auf, Alles zu beseitigen, wodurch Friede und Eintracht zwischen den verschiedenen Glaubensgenossen i n Meinen Staaten gestört werden könnte, und insbesondere die kath. Geistlichkeit ernstlich anzuweisen, daß sie ihrerseits Alles, was i n ihren K r ä f t e n steht, zur Erhaltung dieses friedlichen Verhältnisses beitrage. Sollten dessen ohngeachtet einzelne kath. Geistliche zu ähnlichen Beschwerden fernerhin gegründete Veranlassung geben, so erwarte Ich von Ihnen unverzügliche A n zeige des Schuldigen, indem Ich M i r besonders vorbehalte, solche des ihnen anvertrauten Amts unwürdige Geistliche ohne weiteres augenblicklich fortzuschaffen, auch den geistl. Oberen, zu dessen Diöces er gehört, nach dem Grade seiner Verschuldung, Mein Allerhöchstes Mißfallen auf das Ernstlichste fühlen zu lassen, und die empfindlichsten Maßregeln gegen i h n i n Anwendung zu bringen.

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11. Kap.: Die Mischehenfrage i n der Kölner Kirchenprovinz N r . 125. Kabinettsordre K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . an das Staatsministerium v o m 17. August 1825 (. A. ν. Roskoväny, De matrimoniis mixtis, Bd. I I , 1842, S. 173 f.)

I n den Hheinprovinzen und i n Westphalen dauert, w i e Ich vernehme, der M i ß brauch fort, daß katholische Geistliche von Verlobten verschiedener Confession das Versprechen verlangen, die aus der Ehe zu erwartenden Kinder, ohne Unterschied des Geschlechts, i n der katholischen Religion zu erziehen und dar ohne die Trauung nicht verrichten wollen. Ein solches Versprechen zu fordern, kann so wenig der katholischen, als i n dem umgekehrten Fall der evangelischen Geistlichkeit gestattet werden. I n den östlichen Provinzen der Monarchie gilt das Gesetz, daß eheliche K i n d e r ohne Unterschied des Geschlechts i n dem Glaubensbekenntnisse des Vaters erzogen werden (Deklaration vom 21. November 1803); i n diesen Theilen des Staats sind und werden ebenfalls gemischte Ehen geschlossen und von katholischen Geistlichen eingesegnet, und es waltet kein Grund ob, dasselbe Gesetz nicht auch i n den westlichen Provinzen geltend zu machen. Demgemäß verordne Ich hiermit, daß die Deklaration vom 21. November 1803 auch i n den Rhein- und Westphälischen Provinzen befolgt, u n d m i t dieser Ordre i n der Gesetzsammlung und i n den Amtsblättern der betreffenden Regierungen abgedruckt werden soll. Die zeither von den V e r lobten dieserhalb eingegangenen Verpflichtungen sind als unverbindlich anzusehen. Das Staatsministerium hat hierauf das Weitere zu verfügen.

I I . Die Mischehen - Verhandlungen der Regierung mit dem rheinischen Episkopat Die katholischen Bischöfe der vier westlichen Diözesen, Erzbischof Graf Spiegel, Köln 1, und seine Suffragane v. Hommer, Trier 2, Frhr. v. Ledebur, Paderborn*, und Kaspar Frhr. v. Droste-Vischering, Münster 4, fügten sich der Kabinetts-Ordre von 1825 nur äußerlich. Sie befahlen ihren Geistlichen zwar einerseits, sich jeder offenen Gesetzwidrigkeit zu enthalten, wiesen sie aber zugleich an, die katholische Trauung in der Regel abzulehnen, wenn nicht zumindest die katholische Braut die katholische Kinder er Ziehung freiwillig zusicherte. Die preußische Regierung konnte sich mit dieser Praxis nicht 1 Ferdinand August Graf Spiegel zum Desenberg und Canstein (1764 - 1835), seit 1793 Domherr, seit 1799 Domdechant i n Münster; 1813 von Kaiser Napoleon zum Bischof des damals zu Frankreich gehörenden Bistums Münster ernannt; jedoch von Papst Pius VII. nicht anerkannt; 1824 - 1835 Erzbischof von Köln. 2 Joseph v. Hommer (1760 - 1836), seit 1783 kath. Priester, 1802 Pfarrer i n Ehrenbreitstein; 1816 Kapitelsvikar f ü r den rechtsrheinischen Teil des Bistums T r i e r ; 1822 - 1836 Bischof von Trier. 3 Friedrich Clemens Frhr. v. Ledebur (1770 - 1841), seit 1795 kath. Priester; 1825 - 1841 Bischof von Paderborn. 4 Kaspar Maximilian Frhr. Droste zu Vischering (1770 - 1846), seit 1793 kath. Priester; 1795 Weihbischof, 1801 Kapitelsvikar, 1825 - 1846 Bischof von Münster.

I I . Die Mischehen-Verhandlungen der Regierung abfinden; doch forderte sie die ten zu berichten punkt für eigene

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suchte sie zunächst einen Konflikt zu vermeiden. Deshalb Bischöfe auf, der Kurie über die entstandenen Schwierigkei(Nr. 126, 127). Sie hoffte, auf diese Weise einen AnknüpfungsVerhandlungen mit Rom zu gewinnen*.

N r . 126. Schreiben K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . an die Bischöfe der Kölner Kirchenprovinz vom 28. Februar 1828 (A. v. Roskovàny, De matrimoniis mixtis, Bd. I I , 1842, S. 177 ff.) Ich habe nicht u m h i n gekonnt, von den Thatsachen, welche die Ausführung der Verordnung vom 17. August 1825 über die gemischten Ehen betreffen, Kenntniss zu nehmen, und daraus ersehen, dass Sie nicht glauben, die Ihnen untergebene Geistlichkeit anweisen zu können, die Trauung zu vollziehen, ohne eine Erklärung der Brautleute, dass sie ihre K i n d e r in der kath. Religion erziehen lassen wollen. Abgesehen davon, dass nach einer Einigung der B r a u t leute über diesen Punct u m so weniger gefragt werden sollte, als die Gesetze nicht ihnen über die zu erwartenden, sondern den Eheleuten für die heranwachsenden K i n d e r das Recht zugestehen, sich f r e i w i l l i g und ohne Begründung einer rechtlichen Verbindlichkeit für den Vater über die Erziehung zu vereinigen; so hatte Ich auch u m so mehr erwartet, dass die obige Bestimmung Seitens der kath. Geistlichkeit i n jenen Gegenden ihrem ganzen Umfange nach würde beobachtet werden, als in den östlichen Provinzen die Einsegnung solcher Ehen ohne Vorbehalt und Anstand vollzogen wird, auch selbst i n einem Theile der westlichen kath. Diöcesen dieses Verfahren längst besteht. Wenn es n u n allerdings M e i n fester und unveränderlicher Wille ist, daß jener Verfügung i m ganzen Umfange der Monarchie eben sowohl von Seiten der kath. als der evang. Geistlichkeit unbedingt nachgelebt werde: so w i l l Ich doch Ihnen, von dessen treuer Ergebenheit und gutem Willen zur Erhaltung der gesetzlichen Ordnung, sowie der Einigkeit der Familien nach K r ä f t e n mitzuwirken, Ich Mich gerne überzeugt halte, jetzt noch gestatten, die Scrupel v o l l ständig zu beseitigen, die Ihnen jener unbedingten Trauung entgegen zu stehen scheinen. Z u diesem Zwecke w i l l Ich Ihnen erlauben, sich deshalb an den Papst zu wenden, u m demselben die Lage der Sache klar und dringend vorzustellen, auch Meinem Minister-Residenten beim päpstl. Hofe befehlen, diese Vorstellungen aufs Kräftigste zu unterstützen. Indem ich einer baldigen und befriedigenden Erklärung des römischen Hofes entgegen zu sehen gegründete Hoffnung habe, w i l l Ich bis dahin diejenigen weitern Massregeln anstehen lassen, welche ohne diese Voraussetzung schon jetzt unvermeidlich sein w ü r den, u n d namentlich die Publication eines Strafgesetzes, welches die volle und unbedingte Ausführung der Cabinetsordre vom 17. August 1825 zu sichern bestimmt ist, falls unverhoffter Weise Meine gerechten Erwartungen nicht i n Erfüllung gehen sollten. 5 Die Bischöfe ließen das von der Regierung vorgeschlagene Schreiben i m März 1828 an die K u r i e abgehen; vgl. H. Schröers, Die Kölner Wirren, 1927, S. 122; Verfassungsgeschichte, Bd. I I , S. 195.

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11. Kap.: Die Mischehenfrage in der Kölner Kirchenprovinz

Dagegen versehe Ich Mich zu I h r e m Eifer und zu Ihrer Einsicht, dass diejenigen Unregelmäßigkeiten, welche selbst nach der Ihnen und den übrigen Bischöfen i n den westlichen Provinzen gemeinsamen Ansicht, m i t dem Bedenken wegen unbedingter Trauung keinen wesentlichen Zusammenhang haben, nach den Grundgesetzen Meiner Monarchie aber m i t der Erhaltung der bürgerlichen Ordnung und der Gewissensfreiheit unvereinbar sind, auch i n der Zwischenzeit nicht mehr vorkommen. Dahin gehört erstlich die Verweigerung des Aufgebots solcher Brautleute in den kath. Kirchen, und zweitens die Vorenthaltung der Absolution, wodurch der m i t evangelischem Ehegatten i n einer evangelisch eingesegneten Ehe lebende katholische Theil bestraft und dadurch sowohl dieser, als der evang. Ehegatte indirect zur Ablegung jenes Versprechens gezwungen werden soll. Ich kann und w i l l nicht zugeben, dass eine solche Störung des häuslichen Friedens fortdauere und ein so unerträglicher Gewissenszwang dem klaren Sinne des Gesetzes zum Trotze noch einen Augenblick länger geübt werde. Damit nun einerseits jede Erbitterung und unangenehme Reibung der Gemüther vermieden, anderseits auch dem Geistlichen unmöglich gemacht werde, sich der i n solchen Fällen unerlässlichen Forderung einer bündigen E r klärung, daß diese Vorenthaltung der Absolution keineswegs eine Folge jenes Schrittes sei, durch Vorschützung der Heiligkeit des Beichtsiegels zu entziehen und somit das Gesetz zu umgehen, und eine zu dessen Aufrechthaltung u n vermeidliche Massregel in ein gehässiges Licht zu stellen: so erwarte Ich von Ihnen, dass Sie, durchdrungen von der Nothwendigkeit, einem solchen Unfuge zu steuern, die i n Ihrem bischöflichen Amte liegenden M i t t e l ergreifen werden, demselben vorzubeugen, oder, wenn dergleichen vorgefallen sein sollte, es u n verzüglich abzustellen.

N r . 127. Schreiben des Kultusministers v. Altenstein an die Bischöfe der Kölner Kirchenprovinz vom 10. März 1828 ( A. v. Roskoväny, De matrimoniis mixtis, Bd. I I , 1842, S. 180 ff.) I n der Anlage beehre ich mich, Ew. ein Allerhöchstes Kabinets-Schreiben i n Betreff der gemischten Ehen zu übersenden. Bei Allem, was für die Herstellung der kath. Kirche am Rheine und i n Westphalen von Seiten des Staates während meiner Verwaltung geschehen ist, habe ich niemals von der Uberzeugung mich trennen können, dass ein erfolgreiches segenbringendes Zusammenwirken beider für den gemeinsamen Zweck menschlicher Wohlfahrt doch zuletzt abhängig sey von der Entfernung jener Hindernisse, die von Seiten der kath. Geistlichkeit jener Gegend den gemischten Ehen noch immer entgegengesetzt werden. I n dieser Betrachtung konnte ich mich versucht fühlen, die Mühe und den Aufwand, den die Herstellung der kath. Kirche dem Staate verursachte, für verloren zu achten, so lange jene Hindernisse noch beständen. Das Bedürfniss, oder vielmehr die Unvermeidlichkeit der gemischten Ehen für ein Reich von solcher Zusammensetzung, als der preussische Staat, ist so tief in den Elementen des häuslichen sowohl, als des bürgerlichen und des höhern

I I . Die Mischehen-Verhandlungen der Regierung

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politischen Lebens gegründet, und liegt so klar zu Tage, dass man dieselbe weder verkennen, noch auch, ohne sich den empfindlichsten Nachtheilen bloss zu stellen, über sie hinweggehen kann. Dieses hat seit der M i t t e des X V I . Jahrhunderts die Erfahrung überall und auf eine so unzweideutige Weise bewiesen, dass darüber unter den Kundigen kein Zweifel mehr obwaltet. Dieselbige Erfahrung verbürgt auch die Möglichkeit der Beseitigung jener Hindernisse, namentlich zeigt sich diess i n den östlichen Ländern der Monarchie, in den Provinzen Schlesien, Posen, und Preussen, selbst hier i n der Hauptstadt, wo dergleichen Hindernisse durchaus nicht mehr angetroffen werden. Man gewährt dort allerorten Aufgebot und Einsegnung gemischter Ehen, ohne dass nach der Religion, i n welcher die K i n d e r erzogen werden sollen, gefragt w i r d . Dieser Punct w i r d vielmehr als ein Gegenstand der Lehre, nicht der äusserlichen Kirchenzucht betrachtet werden, und bleibt dem Gewissen der B r a u t leute überlassen. Es gehört zu den unerhörtesten Dingen, dass einer kath. Frau die Absolution i m Beichtstuhle versagt worden, w e i l sie in Betreff der Religion ihrer K i n d e r sich dem Gesetze und W i l l e n des Mannes unterworfen, oder dass aus Anlass einer i n Betreff dieses Gegenstandes an sie ergangenen beichtväterlichen Ermahnung der eheliche Friede gestört worden wäre. I n a l l diesem Betrachte hat es sehr auffallen müssen, die kath. Geistlichkeit der rheinischen und westphälischen Länder i n diesem Stücke so überaus strenge und. wie es dem andern Religionstheile nothwendig vorkommen musste, so wenig duldsam zu finden. Ich für meinen Theil bin zwar weit entfernt, dasjenige zu verkennen, oder für gering zu achten, was sowohl von Ew. als von andern Bischöfen jener Gegend zur Linderung dieses drückenden Übels geschehen ist; allein dennoch liegt es zu Tage, dass diese wohlthätigen Massregeln dasselbe nicht von Grund aus zu heben vermochten. Se. Maj. der K ö n i g haben nach allerhöchstihrem erhabenen Berufe nicht u m h i n gekonnt, von dieser eben so wichtigen als dringenden Angelegenheit unmittelbar Kenntniss zu nehmen, wodurch die i n die Gesetzsammlung aufgenommene allerhöchste Kabinetsordre i n Betreff der gemischten Ehen vom 17. August 1825 wie auch das gegenwärtig an Ew. gerichtete allerh. Schreiben vom 28. v. M. veranlasst worden sind 6 . Es gereicht zu meiner großen Beruhigung, dass Se. Maj. die Fortdauer jener Hindernisse nicht einem Mangel guten Willens von Seiten der höheren Geistlichkeit beimessen, vielmehr sich überzeugt halten, dass diese nur aus Rücksichten auf das kanonische Recht sich für gebunden achte, i m Übrigen aber gern bereit sei, Alles beizutragen, was zur Beseitigung des Übels, und dadurch sowohl zur Befestigung der öffentlichen Ordnung, als des Familienfriedens gereichen kann. Se. Maj. haben keinen Grund zu zweifeln, dass nicht das Oberhaupt der kath. Kirche, der Papst, von gleichen Gesinnungen beseelt sei. Diese Annahme gründet sich nicht nur auf die Erweisung von Gerechtigkeit und Gnade, die Se. Maj. vor allen übrigen evang. Herrschern des deutschen Bundes der kath. Kirche in ihren Staaten habe angedeihen lassen, und i n deren Genüsse sich diese Kirche noch jetzt befindet; sondern es berechtigen dazu auch die ausdrücklichen Versicherungen des röm. Hofes selbst, der sich über diesen Gegenstand auf eine u n zweideutige Weise ausgesprochen hat. 6

Oben Nr. 125,126.

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11. Kap.: Die Mischehenfrage i n der Kölner Kirchenprovinz

Da nun i n Erwägung alles dessen Se. Maj. der K ö n i g allergnädigst geruht haben, nicht nur zu genehmigen, dass Ew. i n dieser Angelegenheit den päpstl. Stuhl u m Hülfe und Belehrung angehen möchten, sondern auch Allerhöchstihrem Ministerresidenten am röm. Hofe die kräftigste Unterstützung dieses Antrages zu gebieten, so kann ich auch Ew. zur schleunigen Ergreifung einer so heilsamen Massregel nur eben so dringend als ergebenst hierdurch auffordern. Es w i r d meines Bedenkens hauptsächlich darauf ankommen, dass dem päpstl. Stuhle die Lage dieser Angelegenheit nach ihren geschichtlichen M o menten klar auseinandergesetzt, und die Unerlässlichkeit einer baldigen A b hülfe selbst zum Heile der kath. Kirche und zur Sicherstellung ihrer zartesten Verhältnisse eindringlich vorgestellt werde. Hinsichtlich des dahin einzuschlagenden Weges könnten Ew. vielleicht sich verlegen fühlen, dem Papste bestimmte Vorschläge zu machen. Ich erachte diess auch vor der Hand u m so weniger für nöthig, als es wahrscheinlicher Weise zwischen den beiden Höfen selbst hierüber sogleich zur Verhandlung kommen w i r d . Vielmehr scheint m i r der Sache angemessen, dass für jetzt n u r die helfende V e r m i t t l u n g des Oberhauptes der kath. Kirche in allgemeinen Ausdrücken angesprochen, jedoch auf die freiere Observanz der östlichen Länder hingewiesen werde. Ich füge noch die ergebenste Bemerkung hinzu, dass, sowohl u m die gerechten Erwartungen Sr. Maj. des Königs zu befriedigen, als u m die Einleitungen nicht zu stören, die i n Betreff der bevorstehenden Abreise des Kgl. Ministerresidenten 7 nach Rom und der Eröffnung der Verhandlungen daselbst bereits getroffen sind, die Beschleunigung des an den Apostol. Stuhl von Ew. zu erstattenden Berichts sehr zu wünschen ist, wie auch das Kgl. Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten dringend empfohlen hat. Anlangend den Schluss des Kgl. Schreibens, so weiss ich, dass Ew. der darin ausgedrückten allerhöchsten E r w a r t u n g bereits zum Theile entsprochen haben, und so hege ich die feste Zuversicht, dass Sie dem übrigen Verlangen des Monarchen i n allen Wegen vollkommen Genüge leisten werden. Die Proklamationen der gemischten Ehen sind durchaus nicht länger zu entbehren, und hängen m i t dem Wesen der Ehe als Sacrament nicht so genau zusammen, dass sie nicht unbedenklich zugestanden werden können und müssen. Was insonderheit die Vorenthaltung der Lossprechung i m Beichtstuhle betrifft, so würde gewiss dem religiösen Sinne Sr. Maj. nichts so sehr zuwider seyn, als wenn es i n Folge des jetzt vorwaltenden Zwiespaltes über die gemischten Ehen, u m gegen jeden Theil gerecht zu seyn, dazu kommen müsste, den Beichtvätern Erklärungen abzufordern, die sie i n Betracht des Beichtsiegels vielleicht glaubten nicht geben zu dürfen. Ew. werden alles gern aufbieten, dass dergleichen Collisionen vorgebeugt, und dass, wo sie dennoch zum Ausbruche kommen möchten, ihnen baldigst vollständig gesteuert werde. Sie werden demgemäss gewiss keinen Anstand nehmen, die Dekane und Pfarrer Ihres Sprengeis m i t angemessenen Instructionen zu versehen. Ew. gefälliger A n t wort, so w i e dem an den Papst zu erstattenden Berichte sehe ich m i t Verlangen entgegen.

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Des Gesandten v. Bunsen (unten S. 317 Anm. 1).

I I I . Das erste Eingreifen der K u r i e in die rheinische Mischehenfrage

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I I I . Das erste Eingreifen der K u r i e i n die rheinische Mischehenfrage Da die von der preußischen Regierung eröffneten Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl nur schleppend vorankamen, wies König Friedrich Wilhelm III. seinen Gesandten in Rom v. Bunsen1 durch die Kabinettsordre vom 26. Oktober 1829 an, der Kurie eine Frist von sechs Monaten für die Beendigung der Verhandlungen zu setzen 2. Papst Pius V I I I . 3 , auch sonst zur Versöhnlichkeit geneigt, fand sich daraufhin bereit, der Regierung in einigen Punkten entgegenzukommen. Das von Kardinal Cappellari* entworfene Breve vom 25. März 1830 (Nr. 128) war von der Bereitschaft zur Verständigung bestimmt. Zwar verurteilte es grundsätzlich die Mischehen als dem natürlichen und göttlichen Gesetz" widerstreitend. Es verzichtete jedoch auf das Versprechen der katholischen Kindererziehung für die kirchliche Eheschließung. Ferner sollten auch Mischehen, die ohne die Assistenz eines katholischen Geistlichen geschlossen wurden, von nun an als kirchlich gültige Ehen betrachtet werden. Damit schuf das Breve ein kirchliches Sonderrecht für die westlichen Diözesen des preußischen Staatsgebiets. 1906/07 wurde dessen Geltung auf ganz Deutschland erstreckt^. Erst der Codex Juris Canonici (1917) führte in dieser Frage für Deutschland mit Wirkung vom 19. Mai 1918 das gemeine katholische Kirchenrecht wieder ein 6. Dem Breve vom 25. März folgte eine Instruktion des Kardinalstaatssekretärs Albani ' vom 27. März 1830 (Nr. 129), die den Bischöfen die Vollmacht erteilte, die vor dem Erlaß des Breve geschlossenen Mischehen nachträglich als kirchenrechtlich gültig anzuerkennen. N r . 128. Breve Papst Pius V I I I . an den Erzbischof von K ö l n und die Bischöfe von Trier, Paderborn und Münster vom 25. März 1830 (Lateinischer und deutscher T e x t : Römische Staatsschrift, 1837, S. 34 ff.) I n einem vor zwei Jahren an Unsern Vorgänger Leo X I I . glorreichen Andenkens gerichteten Schreiben® habt I h r die schwierige Lage genau geschildert, 1 Christian Carl Josias v. Bunsen (1791 - 1860), preuß. Diplomat; seit 1818 an der preuß. Gesandtschaft beim V a t i k a n ; als Nachfolger Niebuhrs 1824 - 1838 Gesandter daselbst; 1839 - 1845 Gesandter i n Bern; 1845 - 1854 Gesandter in London. 2 H. Bastgen, Die Verhandlungen zwischen dem Berliner Hof und dem Heiligen Stuhl über die konfessionell gemischten Ehen, 1936, S. 69 f. 3 Siehe oben S. 280 Anm. 3. 4 Gregor XVI. = Bartolommeo Cappellari (1765 - 1846); seit 1826 K a r d i n a l ; 1831 - 1846 Papst. 5 Durch die Konstitution Provida vom 18. Januar 1906 und das Dekret Ne temere vom 2. August 1907, beide von Papst Pius X. (Dazu „Staat und Kirche" Bd. III.) 6 F. X . Hecht, Die kirchliche Eheschließungsform i n Deutschland seit dem Jahre 1906 (Theologie und Glaube 22, 1930, S. 739 ff.). 7 Giuseppe Albani (1750 - 1834), seit 1801 Kardinal, 1829 - 1830 K a r d i n a l staatssekretär unter Papst Pius V I I I . * Oben S. 313.

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11. Kap.: Die Mischehenfrage in der Kölner Kirchenprovinz

ehrw. Brüder, w o r i n I h r Euch befindet, w e i l durch ein vor wenigen Jahren erlassenes Gesetz 9 verordnet worden, daß i n gemischten Ehen die K i n d e r beiderlei Geschlechts i n der Religion des Vaters, oder doch nach seiner W i l l kühr, erzogen werden sollen, und zugleich den Priestern untersagt wurde, von den, eine solche Ehe eingehenden Personen irgend ein Versprechen über den religiösen Unterricht der zu erzeugenden Nachkommenschaft zu fordern. Auch W i r hatten schon von jener Zeit her Theil an dem tiefen K u m m e r , von dem jener ausgezeichnete Papst wegen dieser Eurer Bedrängnisse, die jenes Schreiben umständlich entwickelte, ergriffen wurde. A l l e i n von noch schwererer Betrübniß werden W i r jetzt gedrückt, da es Unsrer Niedrigkeit durch u n erforschliche Fügung Gottes vorbehalten wurde, Euch jene A n t w o r t zu geben, die Unser Vorgänger, v o m Tode übereilt, nicht ertheilen konnte. Denn es ist diesem heil. Stuhle durchaus nicht erlaubt, Alles das zu gestatten, was I h r als zur Ausführung jenes Gesetzes i n Euren Gegenden erforderlich bezeichnet habet. Z w e i Dinge aber sind es, die uns nicht geringe Erquickung gewähren, nämlich Euer, ebenfalls i n dem vorgedachten Schreiben an Leo X I I . bewiesener Eifer sowohl, als auch jener der Euch untergebenen Priester, für Aufrechthaltung der Lehre der Kirche und Beobachtung ihrer Vorschriften; und die Gnade des durchlauchtigsten Königs von Preußen, der, wie ihr gleichfalls angedeutet, Euch gewissermaßen selbst angewiesen hat, diesem apostol. Stuhle den ganzen Zustand der Dinge offen darzulegen und über Eure Ä n g sten u m Rath zu fragen: denn hieraus schöpfen W i r m i t Recht das Vertrauen, daß nicht n u r I h r diesem Unsern Erlasse treulich nachkommen werdet, sondern auch des durchlauchtigsten Königs Majestät Euch nicht zürnen werde, wenn I h r derselben i n bürgerlichen Angelegenheiten von Herzen willfahret, in denen jedoch, welche nicht die bürgerlichen Wirkungen der Ehe angehen, sondern die Heiligkeit der Ehe selbst, und die religiösen Pflichten der Ehegatten betreffen, die heiligen Vorschriften der kath. Religion beobachtet. U m also der Sache näher zu kommen, so brauchen W i r Euch, Brüder, die I h r i n aller heiligen Wissenschaft w o h l erfahren seid, nicht zu belehren, welches das Verhalten der Kirche gegen die i n Frage befangenen gemischten Ehen sei. Es ist Euch daher nicht unbekannt, daß die Kirche selbst dergleichen Heirathen, die nicht geringe Schande und geistliche Gefahr m i t sich bringen, verabscheuet, und daß deßwegen dieser apostol. Stuhl immer m i t größtem und standhaftestem Eifer besorgt gewesen sei, daß die kanonischen Satzungen, welche jene Ehen verbieten, gewissenhaft beobachtet würden. Wenn man findet, daß die röm. Päpste zuweilen von dem heiligsten Verbote dieser Satzungen dispensirten, so haben sie dieß wahrlich nur u m wichtiger Ursache willen, und sehr ungern gethan, und pflegten ihren Dispensationen die ausdrückliche Bedingung beizufügen, daß der Ehe angemessene Bürgschaften vorangehen sollten, nicht allein, damit der katholische Ehegatte von dem akatholischen nicht verführt werden könne, ja vielmehr jener sich der Pflicht bewußt werde, diesen letztern nach seinen K r ä f t e n von dem I r r t h u m e zurückzubringen, sondern auch, damit die aus der Ehe hervorgehenden Kinder beiderlei Geschlechts durchaus in der Heiligkeit der kath. Religion erzogen würden. I h r wisset aber, ehrw. Brüder, daß alle diese Bürgschaften dahin abzielen, daß in diesem Punkte die 9

Oben Nr. 125.

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natürlichen und göttlichen Gesetze unversehrt erhalten werden; denn es ist ausgemacht, daß Katholiken, sowohl Männer als Frauen, welche Heirathen m i t Akatholiken dergestalt abschließen, daß sie sich, oder ihre künftige Nachkommenschaft der Gefahr der Verführung unbedachtsam aussetzen, nicht allein die kanonischen Satzungen verletzen, sondern auch geradezu und sehr schwer gegen das natürliche und göttliche Gesetz sündigen. Schon hieraus aber erkennt Ihr, daß auch W i r des schwersten Verbrechens vor Gott und der Kirche schuldig seyn würden, wenn W i r darein willigten, daß i n Betreff solcher i n jenen Gegenden einzugehenden Ehen von Euch oder von den Pfarrern Eurer Diözesen etwas geschähe, wodurch sie, wenn nicht m i t Worten, so doch durch die That selbst, ohne Unterschied gebilligt würden. Indem W i r daher jenen Euren Eifer, w o m i t I h r bisher bemüht wäret, die Eurer Obhut anvertrauten K a t h o l i k e n von gemischten Ehen abzuhalten, höchlichst loben, ermahnen W i r Euch inständig i n dem Herrn, auch fernerhin emsig hiernach zu trachten, i n aller Geduld und Belehrung, u m dereinst reichlichen Lohn für Eure Bemühungen i m H i m m e l zu empfangen. So oft also dem gemäß v o r nehmlich eine katholische Frau einen akatholischen M a n n heirathen w i l l , soll sie von dem Bischöfe oder Pfarrer sorgfältig belehrt werden, was die Canones über solche Heirathen entscheiden, und ernstlich an den schweren Frevel erinnert, dessen sie sich bei Gott schuldig mache, wenn sie es unternehme, dieselben zu verletzen; und vor A l l e m w i r d es zweckmäßig seyn, sie zu ermahnen, daß sie an jenes unumstößlich feststehende Dogma unsrer Religion gedenke, daß „außer dem wahren katholischen Glauben Niemand selig werden k a n n " 1 0 ; daraus soll sie erkennen, daß sie schon jetzt auf das grausamste gegen die K i n d e r verfährt, die sie von Gott erwartet, wenn sie eine solche Heirath eingeht, i n der, wie sie weiß, die Erziehung derselben in der W i l l k ü h r des akatholischen Mannes stehen wird. Diese heilsamen Ermahnungen werden auch, je nachdem es die Klugheit rathen wird, zu wiederholen seyn, besonders zu der Zeit, wenn man sieht, daß der Tag der Hochzeit nahe sei, und während durch die gewöhnlichen Verkündigungen über etwaige andere k a nonische Hindernisse der zu schließenden Ehe Erkundigung eingezogen w i r d . Wenn es sich ereignen sollte, daß diese väterlichen Bemühungen der geistlichen Hirten in einigen Fällen erfolglos wären, so w i r d man freilich davon abstehen müssen, die Katholiken durch namentlich gegen sie gerichtete Censuren zu bestrafen, damit nicht irgend ein Lärmen erregt werde, und der katholischen Sache noch ernstere Übel begegnen; anderseits aber soll der kath. Pfarrer nicht allein die hierauf zu Stande kommende Heirath m i t irgend einem heiligen Ritus zu beehren sich enthalten, sondern auch eines jeden Aktes, wodurch er sie zu billigen den Anschein gäbe 1 1 . I n dieser Hinsicht ist es an einigen Orten nur geduldet worden, daß Pfarrer, die sich gezwungen sehen, zur Abwendung schwerer Nachtheile von der katholischen Sache, bei der Abschließung dieser Heirathen zugegen zu seyn, zwar litten, daß (wenn nämlich kein anderes kanonisches Hinderniß i m Wege stand), sie i n ihrer 10

21).

11

Die Formel geht auf Cyprian,

Bischof von Karthago (f 258) zurück (Ep. 73,

Das Verbot der „aktiven Assistenz", insbesondere der kirchlichen E i n segnung einer gemischten Ehe, wurde damit erneuert. Doch blieb die Möglichkeit, Dispens von diesem Verbot zu erteilen, den Bischöfen offen.

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11. Kap.: Die Mischehenfrage in der Kölner Kirchenprovinz

Gegenwart geschlossen wurden, u m nach Anhörung der beiderseitigen E i n willigung, ihrer Amtspflicht gemäß den gültig geschehenen A k t i n das Eheregister einzutragen; allein sie hüteten sich stets, dergleichen unerlaubte Ehen ihrerseits durch irgend eine Handlung gutzuheißen, oder gar heilige Gebete u n d sonst einen kirchlichen Ritus dabei einzumischen 1 2 . Jetzt aber ist es an der Reihe, daß W i r i n Betreff derjenigen eine A n t w o r t ertheilen, die es wagen, gemischte Ehen, ohne Beiseyn des katholischen Pfarrers einzugehen. W i r haben über diesen Punkt also zu entscheiden für gut befunden, daß die Ärgernisse, welche aus dergleichen Heirathen, wie I h r gemeldet habet, entstehen, so viel als möglich abgewendet werden; daß ferner jene Katholiken, welche in einer, auf diese Weise eingegangenen Verbindung leben, leichter bewogen werden können, ihre Sünde durch heilsame Bußthränen zu sühnen; endlich, daß i n Z u k u n f t A l l e eine bestimmte Regel haben, nach welcher sie über die K r a f t der auf solche A r t abzuschließenden Ehen urtheilen mögen. Was jedoch jene Verbindungen betrifft, welche dort bis zur jetzigen Zeit ohne Beiseyn des Pfarrers eingegangen sind, so werden W i r Euch, Brüder, binnen Kurzem die nothwendigen Ermächtigungen ertheilen, kraft deren I h r den daraus entstandenen Übeln, wenigstens größtentheils, abhelfen könnet 12 *. F ü r jetzt aber wollen W i r und befehlen durch dieses Unser Schreiben, daß die gemischten Ehen, welche von nun an (nämlich vom 25. März 1830) i n Euern Diözesen ohne Beobachtung der vom Kirchenrathe von Trient vorgeschriebenen F o r m 1 3 geschlossen werden sollten, wenn ihnen kein anderes kanonisches trennendes Hinderniß i m Wege stehet, für gültige und wahre Ehen geachtet werden; so wie W i r denn aus Unsrer apostolischen Macht erklären und entscheiden, daß dieselben wahre und gültige Ehen seien, und soll dem nichts Widersprechendes entgegen stehen 1 4 . D a r u m sollen Katholiken, welche k ü n f t i g h i n auf diese Weise abschließen, wenn ihnen kein anderes k a nonisches trennendes Hinderniß i m Wege steht, von den geistlichen H i r t e n belehrt werden, daß sie eine wahre und gültige Ehe eingehen. Übrigens w i r d es Pflicht der Pfarrer seyn, alle Katholiken, besonders aber katholische Frauen, welche m i t akatholischen Männern zwar gültige, aber doch unerlaubte Ehen geschlossen haben, zu gelegner Zeit i n der Liebe Gottes und der Geduld Jesu Christi zu ermahnen, daß sie wegen des schweren Frevels, den sie geübt, Buße wirken, und ihren Obliegenheiten Genüge thun, vornehmlich jener, nach der sie stets gegen ihre K i n d e r verpflichtet bleiben, nämlich, für 12 Die „passive Assistenz" des Geistlichen bei der Eheschließung blieb damit gestattet; dies w a r auch unerläßlich, solange die bürgerliche Eheschließung v o r dem zuständigen Geistlichen zu erfolgen hatte, wie es vor der Einführung der „Zivilehe" (Eheschließung vor dem Standesbeamten) der Fall war. 12a Dazu die I n s t r u k t i o n Albanis vom 27. März 1830 (unten Nr. 129). 13 Nach dem tridentinischen Dekret Tametsi (sess. X X I V 1 : Super reformatione circa matrimonium) w a r die Gültigkeit der Ehe von der Eheschließung v o r dem zuständigen (katholischen) Geistlichen und zwei Zeugen abhängig. Da das Dekret n u r dort i n Geltung stand, wo es verkündet war, die Verkündung aber vielerorts unterblieben war, gab es seit dem T r i d e n t i n u m hinsichtlich des Eheschließungsrechts zwei unterschiedliche Rechtsgebiete: t r i dentinisches u n d nichttridentinisches Gebiet. 14 Die vor dem evangelischen Geistlichen oder — i m Bereich des Rheinischen Rechts — vor den Zivilbehörden geschlossenen gemischten Ehen wurden damit, entgegen der tridentinischen Regel, auch kirchlich als vollgültig anerkannt.

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die katholische Erziehung ihrer A l l e r nach K r ä f t e n und eifrig Sorge zu tragen. Hiernächst halten W i r es f ü r überflüssig, ehrwürd. Brüder, Euch anzueifern, daß I h r darauf achten möget, m i t wie großer Klugheit i n diesen Fällen zu Werke zu gehen sei, damit kein Haß gegen die kath. Religion erweckt werde; denn daß I h r dieß wisset, Brüder, ist Uns bekannt u n d gewiß. So handelt denn also, und die Pfarrer, von Euch ermahnt, mögen ebenfalls so handeln, daß A l l e sehen, wie die kath. Priester von keinem andern Geiste beseelt sind, als ihre Pflicht zu thun, u m i n dem, was die Religion angeht, die Vorschriften der Kirche zu halten; u n d daß sie von demselben Geiste geleitet werden, u m i n dem, was die bürgerliche Anordnung betrifft, die königlichen Gesetze nicht aus irgend knechtischer Furcht, sondern des Gewissens wegen zu beobachten. Es schmerzet Uns zwar sehr, daß W i r Euch aus den Bedrängnissen, i n denen I h r lebet, nicht gänzlich herausreißen konnten; allein lasset den M u t h nicht sinken. Der durchlauchtigste K ö n i g selbst, der einen geneigten W i l l e n gegen seine kath. Unterthanen feierlich k u n d gegeben, u n d bei andern Gelegenheiten durch die That selbst bewiesen hat, w i r d (wie W i r zuversichtlich hoffen) nicht dulden, daß I h r i n dieser Angelegenheit, welche geradezu Eure religiösen Pflichten berührt, länger beunruhigt werdet, sondern von Euren Ängsten vermöge seiner Gnade bewegt, u n d unsern Wünschen gleichfalls willfahrend, w i r d Er Euch gestatten, auch i n diesem Punkte die V o r schriften der kath. Religion frei zu beobachten u n d i n Ausübung zu bringen. Daß dieses glücklich geschehen möge, ist, wie W i r es durch unablässige Gebete thun, und nicht zweifeln, daß auch I h r es eifrig t h u n werdet, von Gott, i n dessen Händen die Herzen der Könige sind, inständig zu erbitten. I n z w i schen wollen Wir, daß der apostol. Segen, den W i r Euch, Brüder, so wie Eurer ganzen Geistlichkeit, und dem Eurer Sorgfalt anvertrauten gläubigen Volke auf das Liebevollste ertheilen, Euch von der ganz besondern Liebe Zeuge sei, m i t der W i r Euch umfangen.

N r . 129. Instruktion des Kardinalstaatssekretärs A l b a n i an den Erzbischof von K ö l n und die Bischöfe von Trier, Paderborn und Münster vom 27. März 1830 (A. v. Roskovàny , De matrimoniis mixtis, Bd. I I , 1842, S. 239 ff.) — Übersetzung i m Auszug — Der höchste Pontifex w i l l , daß durch diese I n s t r u k t i o n den oben genannten vier Bischöfen einiges Weitere mitgeteilt werde, was er hinsichtlich derselben Sachet zu gewähren oder zu dulden beschlossen hat. Was erstens die Ehen betrifft, die i n den vier Diözesen Köln, Trier, Paderborn und Münster bisher außerhalb der durch das tridentinische K o n z i l vorgeschriebenen F o r m eingegangen wurden, so hat Unser Heiligster Vater bereits durch sein Schreiben an die Bischöfe zu verstehen gegeben, daß er ihnen geeignete Vollmachten übertragen werde, damit sie die entstandenen Übel wenigstens zu einem großen Teil heilen können. Dabei nahm der höchste Pontifex, eingedenk der Tatsache, daß er der Stellvertreter Jesu Christi ist, der gekommen ist, u m zu suchen 15

nämlich der gemischten Ehen.

21 Huber, Staat und Kirche, l. Bd.

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11. Kap.: Die Mischehenfrage in der Kölner Kirchenprovinz

und selig zu machen, was verloren w a r ^ , auf die unglückliche Lage derjenigen K a t h o l i k e n Rücksicht, die i n einer Ehe leben, die vor Gott und der Kirche ungültig, vor den bürgerlichen Gesetzen des betreffenden Gebiets aber gültig ist, und für die es damit sehr schwierig geworden ist, wieder eine gute Frucht am Weinstock der Kirche zu werden. Von Barmherzigkeit bewegt, beschloß er, ihnen einen leichteren Weg zur U m k e h r zu öffnen. Deshalb w i r d dem Erzbischof von K ö l n und den Bischöfen von Trier, Paderborn und Münster durch diese I n s t r u k t i o n angezeigt, daß Seine Heiligkeit ihnen die notwendigen und geeigneten Vollmachten verleiht, als Beauftragte des Apostolischen Stuhls i n ihren Diözesen die Ehen, die bis zum Tag des Empfangs der vorliegenden I n s t r u k t i o n zwischen einem katholischen und einem nichtkatholischen Teil eingegangen wurden und die ungültig sind, w e i l bei ihrer Schließung die durch das tridentinische K o n z i l vorgeschriebene Form nicht eingehalten wurde, zu bestätigen und sogar von Grund auf zu heilen 1 7 . U n d da einige von diesen bisher geschlossenen gemischten Ehen dazu noch wegen anderer kanonischer Hindernisse, die ihnen entgegenstanden, ungültig sind, erteilt Unser Heiligster Vater den genannten vier Bischöfen zusätzlich die unumschränkte Vollmacht, daß jeder von ihnen als Beauftragter des Apostolischen Stuhls von diesen Hindernissen i n seiner Diözese befreien kann, soweit es sich u m solche Hindernisse handelt, von denen der Apostol. Stuhl wegen schwerwiegender Gründe bereits zu befreien pflegt und soweit diese Befreiung dazu dient, daß die gemischten Ehen, die dort bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt geschlossen wurden, geheilt werden. Diese Vollmacht überträgt Seine Heiligkeit diesen Bischöfen umso lieber, als er eine hohe Meinung von deren Tugend hat und fest darauf vertraut, daß sie von einer so weitreichenden Vollmacht m i t größter Klugheit Gebrauch machen werden. Darüber hinaus erklärt der höchste Pontifex, daß diese Bischöfe von all diesen Vollmachten auch dadurch Gebrauch machen können, daß sie diese an andere geeignete Geistliche delegieren. . . . Keineswegs aber dürfen auf diese A r t und Weise auch diejenigen Nachsicht erlangen, die i n Z u k u n f t gemischte und ungültige Ehen einzugehen wagen, w e i l die Mehrzahl von ihnen aus der Hoffnung auf eine leichte Heilung den M u t zur Sünde schöpfen würden. I m übrigen hat Se. Heiligkeit in dem an dieselben Bischöfe gerichteten Schreiben, .. schon erklärt, daß die gemischten Ehen, die i n den genannten vier Diözesen später 1 9 eingegangen w e r den, wahre und gültige Ehen sind, auch wenn sie nicht nach der durch das tridentinische K o n z i l vorgeschriebenen Form geschlossen werden, soweit ihnen nicht irgendein anderes kanonisches trennendes Hindernis entgegensteht 20 .

I V . Die Berliner Ü b e r e i n k u n f t Obwohl Papst Pius VIII. in dem Breve vom 25. März 1830 (oben Nr. 128) den Forderungen der Regierung weit entgegengekommen war, zögerte König Friedrich Wilhelm III. die Erteilung des Plazet für das Breve zunächst hinaus; 16 17 18 19 20

Lukas 19,10. „ i n radice sanare". Oben Nr. 128. d. h. nach dem 25. März 1830. Siehe oben S. 320 Anm. 4.

I V . Die Berliner Ubereinkunft

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er verhinderte damit dessen Weiterleitung an die Bischöfe der Kölner Kirchenprovinz. Durch die Kabinettsordre vom 27. Februar 18311 wies er den Gesandten v. Bunsen an, eine Revision des Breve zu erwirken. 1832 lehnte Papst Gregor XVI. 2, der als Kardinal das Breve von 1830 selbst verfaßt hatte, dieses Verlangen ab. Daraufhin stimmte der König einem älteren Vorschlag des Außenministers Bernstorff und des Kultusministers Altenstein zu, eine Abmilderung des Breve durch direkte Verhandlungen mit den vier rheinischen Bischöfen zu erwirken. Diese Verhandlungen wurden auf staatlicher Seite von dem Referenten für katholische Angelegenheiten im Kultusministerium Geheimrat Schmeddingz und dem Gesandten v. Bunsen geführt. Auf Grund eines Gutachtens, das der Kölner Domkapitular Nikolaus München 4 im Oktober 1832 vorlegte 5, willigte der Kölner Erzbischof Spiegel in eine „extravasive" Auslegung des päpstlichen Breve durch eine Übereinkunft zwischen dem preußischen Staat und den rheinischen Bischöfen ein. Die insgeheim geführten Verhandlungen kamen 1834 zum Abschluß 6. In der Berliner Übereinkunft vom 19. Juni 1834 (Nr. 130), die mit ihren Beilagen auf Entwürfe des Domkapitulars München zurückgeht, vereinbarten Spiegel und Bunsen das Verfahren, in dem das päpstliche Breve den Pfarrern der rheinischen Diözesen bekannt zu machen, sowie die Modifikationen, mit denen es zu befolgen sei. Im Juli 1834 schlossen sich die Bischöfe von Paderborn, Münster und Trier dem Abkommen an (Nr. 131). Im Herbst 1834 erließen die vier Bischöfe die vereinbarten Pastoralschreiben, mit denen sie die Pfarrer ihrer Diözesen von dem Breve in Kenntnis setzten (Nr. 132). Für auftretende Zweifelsfälle gaben die vier Bischöfe durch Instruktionen an ihre Generalvikare (Nr. 133) genauere Anweisungen. Das wichtigste in diesen Dokumenten enthaltene kirchliche Zugeständnis war die über das Breve von 1830 hinausgehende Begrenzung der Fälle, in denen die Beteiligung des katholischen Pfarrers an der kirchlichen Eheschließung auf die passive Assistenz beschränkt blieb. Das bedeutendste staatliche Entgegenkommen bestand in der Ankündigung, daß die Zivilehe im Gebiet des rheinischen Rechts möglichst bald durch die Rückkehr zur kirchlichen Eheschließung beseitigt werden solle. Die Übereinkunft, die bischöflichen Pastoralschreiben und die Instruktionen an die Generalvikare wurden der Kurie zunächst nicht mitgeteilt; erst 1836 erhielt die Kurie amtliche Kenntnis7.

1 H. Bastgen, Die Verhandlungen zwischen dem Berliner Hof und dem Heiligen Stuhl über die konfessionell gemischten Ehen, 1936, S. 120 f. 2 ObenS. 317 Anm. 4. 3 Johann Heinrich Schmedding (1774 - 1846), seit 1800 Professor der Rechte in Münster, seit 1803 zugleich Rat bei der Kriegs- und Domänenkammer daselbst; 1809 - 1846 Staatsrat und Referent für katholische Angelegenheiten zunächst i m preuß. Innenministerium, seit 1817 i m Kultusministerium. 4 Nikolaus München (1794 - 1881), kath. Theologe, 1826 Geheimsekretär des Erzbischofs Graf Spiegel i n K ö l n ; seit 1834 Domkapitular, seit 1863 Dompropst i n Köln. Siehe Verfassungsgeschichte Bd. I I S. 199. 5 Text: Nippold, PrJb 23, 1869, S. 443 ff. 6 Verfassungsgeschichte, Bd. I I , S. 199 f. 7 Z u r weiteren Behandlung der Ubereinkunft: unten S. 342 ff.; zu ihrer rechtlichen Beurteilung: Verfassungsgeschichte Bd. I I S. 200 ff.

21'

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11. Kap.: Die Mischehenfrage in der Kölner Kirchenprovinz

N r . 130. Ubereinkunft zwischen dem Erzbischof von K ö l n G r a f Spiegel und dem Gesandten F r h r . v. Bunsen über die Ausführung des päpstlichen Mischehen-Breve v o m 19. J u n i 1834 (Preußische Staatsschrift, 1838, Anhang S. 9 ff.) Nachdem Se. Majestät der K ö n i g die Unterzeichneten: den Erzbischof von K ö l n und königlichen w i r k l i c h e n geheimen Rath Spiegel zum Desenberg u n d den königlichen geheimen Legations-Rath u n d Minister-Residenten beim päpstlichen Hofe, Bunsen, Allerhöchst Selbst zu beauftragen geruht, Rücksprache zu nehmen über die A r t , wie eine den Gesetzen des Landes angemessene Ausführung des päpstlichen Antwortschreibens an die Bischöfe der westlichen Provinzen über die gemischten Ehen 8 eingeleitet und gesichert werden kann, u n d nachdem der königliche Minister-Resident hierüber die weitern Eröffnungen Sr. Majestät erhalten und demgemäß den Erzbischof von K ö l n zu Konferenzen über diesen Gegenstand eingeladen hat, so haben sich dieselben nach möglichst sorgfältigen Erwägungen der gegenseitigen Forderungen der kanonischen und bürgerlichen Gesetze und nach wiederholten Berathungen zu folgenden Punkten geeinigt: erstlich über die M i t t h e i l u n g des Breve an die Pfarrer der vier Sprengel (Art. 1 - 4), zweitens über die künftige Behandlung dieses Gegenstandes Seitens der Pfarrer und der Bischöfe (Art. 5 - 7 ) , drittens über den Gebrauch, welcher von der speziell an die Bischöfe erlassenen I n s t r u k t i o n zu machen seyn dürfte (Art. 8), viertens über die zur definitiven Ausführung nothwendig oder dringend wünschenswerth scheinenden Maßregeln (Art. 9 - 1 4 ) . Art. 1. Die M i t t h e i l u n g des apostolischen Breve an jeden einzelnen Pfarrer ist unerläßlich, u m alles Mißtrauen zu entfernen und den Gehorsam zu sichern. Sie w i r d Statt finden i n der üblichen Form eines Pastoralschreibens an die Pfarrer und Seelsorger, i n lateinischer Sprache. Art. 2. Der Grundsatz i n der Fassung dieses Pastoralschreibens der vier Bischöfe w i r d seyn, daß dasselbe den Worten nach verschieden, dem Inhalte nach gleich sei. Rücksichtlich des Inhalts w i r d dasselbe zuvörderst einen k u r zen einleitenden Eingang enthalten, m i t Andeutungen der Veranlassung und des Zweckes dieses Breve, dann das Breve selbst geben, endlich einen Schluß m i t einer i n allen vier Schreiben gleichlautenden Erklärung des Hauptgrundsatzes desselben, hinsichtlich der Trauungen und m i t verwahrenden Andeutungen hinsichtlich einiger mißverständlichen Punkte. Diese mißverständlichen Punkte sind folgende zwei: a) der Ausdruck des Breve: „Ehen, welche ohne Beobachtung der vom T r i dentinischen Concil vorgeschriebenen Form geschlossen sind," (matrimonia non servata forma concilii T r i d e n t i n i contracta) kann nach dem Inhalte des Breve selbst sowohl, als nach dem Sinne der bischöflichen Bittgesuche an den Papst, lediglich von gemischten vor einem evangelischen Pfarrer abgeschlosse8

Oben Nr. 128.

I V . Die Berliner Übereinkunft

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nen Ehen verstanden werden, worüber wegen der von einigen Theologen v o r gebrachten Bedenken eine besondere solvirende Erklärung nöthig wurde. Da aber eine wörtliche allgemeine Erklärung dieser Stelle, wonach sie auf die bloß vor den Civilstands-Beamten eingegangenen Verbindungen ausgedehnt würde, leicht zu bedenklichen Folgen führen könnte, so muß die richtige, beschränkende Erklärung i n das Pastoralschreiben aufgenommen werden. b) Dasselbe gilt i n einem noch höhern Grade von dem damit zusammenhängenden Ausdrucke des Breve über die Bestätigung (revalidatio) der i n Rede stehenden früher abgeschlossenen Ehen. Es könnte nach dem bloßen Wortsinne scheinen, als ob alle bisher von einem evangelischen Pfarrer eingesegneten gemischten Ehen einer solchen Revalidation bedürften. Diese Auslegung aber würde nicht allein gegen die allgemeine i n Deutschland vorherrschende u n d von den katholischen Ordinariaten durchgängig befolgte richtige Ansicht verstoßen, sondern auch ohne Noth eine unabsehbare Reihe von Schwierigkeiten aller A r t nach sich ziehen. Es ist also nothwendig, jene Revalidation einzig und allein auf diejenigen gemischten Ehen zu beschränken, welche ungeachtet eines trennenden Ehehindernisses vor einem evangelischen Pfarrer abgeschlossen worden sind. Art. 3. Nach diesen Grundsätzen sind die Schreiben der vier Bischöfe an ihre Pfarrer entworfen worden, welche hier unter A. 1 - 4 beiliegen 9 . Art. 4. Damit nicht böser Wille und Unverstand sich des päpstlichen Breve, wofür der päpstliche Hof ausdrücklich möglichste Geheimhaltung verlangt hat, und der Pastoralschreiben bemächtige, u m die Gemüther zu v e r w i r r e n : so scheint es zweckmäßig, jene Pastoralschreiben m i t einem besonderen Schreiben an die Dekane zu begleiten, w o r i n sie angewiesen werden, den Pfarrern die größte Vorsicht hinsichtlich dieser M i t t h e i l u n g zu empfehlen. Art. 5. Die Behandlung des Gegenstandes wird, nach dem i m Pastoralschreiben bemerklich gemachten Sinne des päpstlichen Breve den Pfarrern durchaus zu überlassen seyn: so nämlich, daß die Bischöfe keinen F a l l mehr ihrer speciellen Kenntnißnahme (cognitio episcopalis) vorbehalten. Dadurch aber ist die Leitung dieser Angelegenheit keineswegs der Behandlung der Bischöfe entzogen. Denn einige Pfarrer werden aus Mangel an Einsicht i n das Sachverhältniß u n d den wahren Inhalt des Breve, andere aus Ängstlichkeit A n fragen t h u n oder Fehlgriffe machen, welche Seitens der Partheien Beschwerden nach sich ziehen. Somit werden i n der ersten Zeit, bis die richtige Praxis sich festgesetzt hat und der I n h a l t des Breve ins Leben übergegangen ist, bischöfliche Entscheidungen veranlaßt werden. Art. 6. Damit n u n diese Entscheidungen gleichförmig seien, so scheint es nothwendig, daß die Bischöfe sich auch von vorn herein über die hiefür aufzustellenden Grundsätze einigen. Die zweckmäßigste Form scheint die einer gleichmäßigen I n s t r u k t i o n an die General-Vikariate, von welchen jene E n t scheidungen ausgehen müssen 1 0 . Diese I n s t r u k t i o n w i r d also eines Theils die praktischen Grundsätze aussprechen, wovon bei der Auslegung des Breve ausgegangen werden muß, andern Theils als Folgerung daraus, die M a x i m e n aufstellen, nach welchen 9 10

Nämlich die vereinbarten Pastoralschreiben (unten Nr. 132). Unten Nr. 133.

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11. Kap.: Die Mischehenfrage in der Kölner Kirchenprovinz

i n den kommenden einzelnen Fällen, so w e i t sich dieselben i m Allgemeinen angeben lassen, von Anfang bis zu Ende gehandelt und entschieden werden soll. Bei Abfassung einer solchen I n s t r u k t i o n werden folgende Ansichten des wahren Sinnes und Zweckes des päpstlichen Breve zum Grunde zu legen seyn. a) Die Canones u n d die mehr entwickelte Praxis sind zwar nicht aufgehoben u n d außer K r a f t gesetzt; allein es ist eine A r t von Dispensation erfolgt, ein Nachgeben (tolerantia) eingetreten. Hierdurch ist also die Disciplin gemildert u n d es kann hinfort nach dem Geiste der Canones u n d der kirchlichen Anforderungen so gehandelt werden, daß der Allerhöchsten Kabinetts-Ordre von 1825 genügt w i r d 1 1 . b) Nach diesem Grundsatze ist der Inhalt der einzelnen Stellen des Breve zu ermitteln u n d mildernd zu erklären. Insbesondere kann von Seiten der Bischöfe Alles zugelassen werden, was i n dem Breve nicht ausdrücklich untersagt, oder was, als zu beachten, bestimmt angegeben worden. c) Die Thätigkeit der Pfarrer besteht daher vorzüglich i n Belehrung und Ermahnung, i m Allgemeinen sowohl als i m Besondern i n den speciellen Fällen. d) M i t der speciellen Cognition hört auch die Ertheilung der Dispensation und der Erlaubniß, bei der Eheschließung zu assistiren (licentia assistendi matrimonio) auf. e) Von der Cautio, oder dem Versprechen rücksichtlich der Erziehung der K i n d e r i n der Religion des einen oder andern Ehetheils w i r d ganz Abstand genommen. Die religiöse Gesinnung des katholischen Theils i n Absicht auf Glaubenstreue und Pflichterfüllung bei der künftigen Kinder-Erziehung ist vorzüglich ins Auge zu fassen und darauf einzuwirken. U n d nach dieser Gesinnung, die m i t M i l d e i n jedem einzelnen Falle beurteilt werden muß, ist das ganze Verhalten einzurichten. f) Die Fälle, wo die assistentia passiva Statt finden soll, sind möglichst zu beschränken. Alles, was die Leichtfertigkeit nicht vermuthen läßt, oder sie doch i n der sittlichen Beurtheilung mildert, hebt den F a l l der assistentia passiva auf. Dahin gehören solche Umstände. welche auch bei andern Ehehindernissen eine mildere Behandlung und Dispensation begründen, als z. B. vorhergegangene Schwängerung, vorgerücktes A l t e r (aetas superadulta), Beilegung von Familienzwisten und dergleichen. I n allen Fällen, wo diese assistentia passiva nicht eintritt, werden die üblichen kirchlichen Feierlichkeiten vollzogen. Art. 7. Nach diesen Grundsätzen ist eine solche I n s t r u k t i o n entworfen w o r den, welche hier unter L i t . Β . vorliegt und demgemäß von jedem der Bischöfe an ihre General-Vikariate zu deren ausschließlichem Gebrauche zu erlassen seyn w i r d . Art. 8. Die besondere I n s t r u k t i o n vom 27. März 1830, welche den Bischöfen durch den päpstlichen Sekretär der Breven ertheilt w o r d e n 1 2 , ist n u r zur Kenntnißnahme der Bischöfe selbst bestimmt u n d geeignet: ihre Bekanntmachung ist daher weder nothwendig noch räthlich. F ü r ihre Auslegung steht 11 12

Oben Nr. 125. Oben Nr. 129.

I V . Die Berliner

bereinkunft

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der Grundsatz fest, daß sie nicht über den I n h a l t des päpstlichen Breve selbst hinausgehen kann, u n d daß i h r Zweck nur ist, den Bischöfen bei etwaniger V e r legenheit i n der Ausführung zu Hülfe zu kommen, da wo sie derselben zu bedürfen glauben, und zwar namentlich f ü r solche Fälle, die m i t trennenden Ehehindernissen verbunden sind. Insbesondere ist n u r noch zu bemerken, daß die bischöfliche Dispensation, i n den eben angeregten Fällen am geeignetsten den Partheien durch Vermittelung der Pfarrer zuzustellen seyn w i r d , da diese auch die Dispens-Gesuche zu besorgen pflegen. Art. 9. Was n u n endlich die Maßregeln betrifft, welche nöthig oder w ü n schenswerth seyn möchten, damit nach den bisher aufgestellten Grundsätzen eine mildere Praxis ins Leben trete, so scheint zuvörderst eine Berathung über die hier besprochenen Punkte m i t den K a p i t e l n weder nützlich noch nothwendig, da es sich u m die Ausführung einer päpstlichen Entscheidung handelt, welche auf ein ohne solche Berathung abgefaßtes u n d eingereichtes bischöfliches Schreiben erfolgt ist. W o h l aber ist eine definitive Verständigung m i t den Bischöfen durchaus nothwendig, damit aller Aufregung und V e r w i r r u n g der Gemüther von Anfang an vorgebeugt, und eine gleichmäßige Praxis nach dem Vorstehenden, gleichzeitig i n allen vier Diözesen eingeführt und gesichert werde. Art. 10. Dagegen scheinen Seitens der Staatsregierung drei Maßregeln höchst wesentlich, u m die ungestörte Ausführung des bisher Festgestellten, die B i l dung einer gleichmäßigen Praxis u n d die Förderung eines friedlichen V e r hältnisses beider Religionspartheien, zu sichern. Art. 11. Die erste und unverzüglich nothwendige Maßregel ist, daß den königlichen Regierungen ein umsichtiges und mildes Verfahren i n diesen Ehesachen dringend empfohlen, auch die Anweisung ertheilt werde, den evangelischen Pfarrern wiederholt einzuschärfen, ihre Wirksamkeit bei solchen Fällen auf Belehrung u n d Ermahnung zu beschränken, u n d sich keine Handlungen zu erlauben, denen man m i t Grund eine gehässige Deutung geben, und die nur erbittern könnten. Art. 12. Zweitens: Da f ü r die erste Zeit Fehlgriffe der einzelnen Pfarrer nicht zu vermeiden seyn werden und man auch auf entgegentretende böswillige Gesinnungen gefaßt seyn muß, so ist die möglichst schleunige Organisation der schon lange verheißenen geistlichen Gerichte i n den westlichen Provinzen, nach dem Vorbilde der i n den östlichen, auf Grund der königlichen Verordnung v o m Oktober 1796 13 bestehenden Praxis, unumgänglich nothwendig. N a mentlich gilt dieß f ü r die Behandlung der Pfarrer auf dem rechten Rheinufer, welche i n die Pfarr-Beneficien investirt sind (Benefiziaten), u n d daher nicht, wie die auf dem linken, von den Bischöfen versetzt werden können, noch w e n i ger suspendirt oder entsetzt, ohne gerichtliches Verfahren und U r t h e i l u n d Spruch. Art. 13. Drittens: Da die C i v i l - E h e n 1 4 nicht allein überhaupt zu mancherlei Unfug Veranlassung geben, und dem katholischen Volke sowohl, als der katho13

Siehe oben S. 53 Anm. 7. Die Zivilehe bestand i n Preußen damals, wie schon erwähnt, i n Gebiet des Rheinischen (ehemals französischen) Rechts. Die staatliche Zusage ihrer A b schaffung wurde m i t der Nichteinhaltung der Übereinkunft von 1834 durch die Kirche gegenstandslos. 14

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11. Kap.: Die Mischehenfrage in der Kölner Kirchenprovinz

lischen Geistlichkeit ein Gegenstand des Anstoßes sind, sondern da auch durch die jetzt eintretende Anerkennung der evangelischen Trauung Seitens der katholischen Kirche i n jenen Provinzen, und durch die Zulassung der katholischen Trauung i n den meisten Fällen, der Hauptgrund wegfällt, durch welche man diese aller deutschen Sitte sowohl als dem Landrecht ganz fremde E i n richtung vertheidigt hat: so scheint es dringend nothwendig, daß, wo möglich bald nach Begründung der neuen Praxis hinsichtlich der gemischten Ehen, die Gültigkeit der Ehe von der kirchlichen Trauung abhängig erklärt werde. Es würde zu diesem Zwecke vollkommen genügen, daß das Eintragen i n die Civilstands-Register m i t den gesetzlichen Folgen zwar beibehalten bliebe, aber erst nach der kirchlichen Trauung, binnen einer kurzen Frist, etwa von 8 Tagen höchstens, vorgenommen würde, die bloßen Civil-Ehen aber, welche so sehr zur Entsittlichung des Volkes beitragen, ganz und gar aufhören. Eine solche Maßregel würde alsdann bloß eine Ausdehnung der bereits auf dem rechten Rheinufer eingeführten Modifikation der französischen Gesetzgebung seyn, und dort gewiß eben so sehr einen guten Eindruck beim Volke hervorbringen u n d eben solche ersprießliche Folgen f ü r die religiöse Bildung des Volkes haben, als dieß hier der F a l l ist. F ü r den jetzigen Augenblick würde es genügen, daß die Absicht Sr. Majestät, diesen Zustand möglichst bald eintreten zu lassen, gegen die Bischöfe ausgesprochen werden könnte. Art. 14. Da die Geltendmachung der neuen Praxis nach der hier niedergelegten versöhnenden Auslegung u n d Anwendung des päpstlichen Breve, als wodurch allein der Widerspruch der kanonischen Vorschriften m i t den L a n desgesetzen gehoben werden kann, k a u m möglich seyn würde, wenn die Gesinnung der katholischen Einwohner der westlichen Provinzen sich dagegen erklärte, u n d da i n den Gemüthern derselben die Gefahr der Ehescheidung der Hauptgrund ihrer Besorgnisse u n d ihrer Abneigung gegen eheliche V e r b i n dungen m i t den Evangelischen ist: so würde eine Berücksichtigung der u n günstigen und harten Lage, w o r i n sich der katholische Theil dem evangelischen gegenüber i n dieser Beziehung befindet, (indem er, oft aus geringfügigen U r sachen, durch eine Scheidung seines Ehegatten beraubt w i r d , selbst aber für die Lebenszeit desselben gebunden bleibt), bei der dem Vernehmen nach bevorstehenden Revision der Ehescheidungs-Gesetzgebung 1 ^ ebenso b i l l i g seyn, als sie für die sichere Begründung der neuen Praxis sehr dringend wünschenswerth erscheint. Art. 15. Das vorstehende Ergebniß der Berathungen der Unterzeichneten w i r d unverzüglich Sr. Maj. dem Könige m i t dem allerunterthänigsten Antrage zu Allerhöchster Genehmigung und weiterer Veranlassung vorgelegt werden. Demgemäß ist die vorstehende Übereinkunft unter dem heutigen Datum abgeschlossen und eigenhändig unterzeichnet worden.

15 Die v o n den Ministern v. Kamptz u n d v. Savigny zwischen 1832 und 1848 erstrebte Reform des Ehescheidungsrechts k a m nicht zustande.

I V . Die Berliner Übereinkunft

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N r . 131. Beitritt der Bischöfe von Paderborn, Münster und T r i e r zur Berliner Übereinkunft i m J u l i 1834 (Preußische Staatsschrift, 1838, Anhang S. 13 f.) a) Paderborn Nachdem m i r von dem Hochwürdigsten Erzbischof von Köln, H e r r n Grafen Spiegel zum Desenberg und Canstein, die vorstehende Einigung m i t dem Königlichen Legations-Rathe u n d Minister-Residenten am päpstlichen Hofe, H e r r n Bunsen, über die Angelegenheit der gemischten Ehen vom 19. J u n i d. J. sammt allen darauf sprechenden Verhandlungen vorgelegt u n d k l a r auseinandergesetzt worden ist, u n d ich dieselbe i n reifliche Erwägung gezogen, insbesondere das apostolische Antwortschreiben v o m 25. März 1830 ernstlich geprüft habe; so trete ich dieser Einigung i n allen Punkten unbeschränkt bei und werde dieselbe zur Ausführung bringen, sobald m i r das erwähnte apostolische Schreiben, m i t der Landesherrlichen Genehmigung versehen, zugekommen seyn w i r d . Paderborn, heute den 5. J u l i 1834. Fr. Clemens, Bischof von Paderborn, Frhr. Ledebur b) Münster Nachdem m i r von dem Hochwürdigsten H e r r n Erzbischof von Köln, Grafen Spiegel zum Desenberg u n d Canstein die vorstehende Einigung m i t dem Königlichen Legations-Rathe und Minister-Residenten am päpstlichen Hofe, H e r r n Bunsen, über die Angelegenheit der gemischten Ehen v o m 19. J u n i dieses Jahres sammt allen darauf sprechenden Verhandlungen vorgelegt und klar auseinandergesetzt worden ist, u n d ich dieselbe i n reifliche Erwägung gezogen, insbesondere das apostolische Antwortschreiben vom 25. März 1830 ernstlich geprüft habe; so trete ich dieser Einigung i n allen Punkten unbeschränkt bei, und werde dieselbe zur Ausführung bringen, sobald m i r das erwähnte apostolische Schreiben, m i t der Landesherrlichen Genehmigung versehen, zugekommen seyn w i r d . Münster, den 10. J u l i 1834. Caspar Max, Bischof von Münster, Reichsfreiherr Droste zu Vischering c) Trier Der m i r vorgelegten zwischen dem Hochwürdigsten Erzbischof von Köln, H e r r n Grafen Spiegel zum Desenberg u n d Canstein, u n d dem Königlichen Legations-Rath u n d Minister-Residenten am päpstlichen Hofe, H e r r n Bunsen, über das apostolische Breve vom 25. März 1830, die Angelegenheiten der gemischten Ehen betreffend, und dessen Verständigung am 19. J u n i 1. J. zu Berlin getroffenen Übereinkunft trete ich, als m i t meinen Ansichten übereinstimmend, i n allen Punkten bei, und werde dieselbe zur Ausführung bringen,

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11. Kap.: Die Mischehenfrage in der Kölner Kirchenprovinz

sobald m i r das apostolische Breve m i t der Landesherrlichen Genehmigung zugekommen seyn w i r d . Coblenz, den 29. J u l i 1834. Joseph v. Hommer, Bischof zu Trier

N r . 132. Hirtenbrief des Erzbischofs von K ö l n Graf Spiegel an die Geistlichen seiner Diözese 1 6 vom 13. Oktober 1834 (Preußische Staatsschrift, 1838, S. 14 f.) — Ubersetzung i m Auszug — I h r kennt, geliebteste Söhne, die Schwierigkeiten, i n denen w i r uns bisher wegen der sogenannten Mischehen oder Ehen zwischen K a t h o l i k e n und Nichtkatholiken befanden. Das Gesetz unseres erhabensten und mächtigsten K ö nigs schreibt vor, daß die K i n d e r i n der Religion des Vaters oder wenigstens gemäß einer freien Übereinkunft der Eltern erzogen werden sollen, während die canones die K a t h o l i k e n enger binden und das, was i n der Kirche durch Gewohnheit eingeführt und festgelegt ist, strengere Forderungen stellt. Die Schwierigkeit ging n u n einerseits daraus hervor, daß i n den östlichen Diözesen des K ö n i g r e i c h s . . . die dort seit vielen Jahren üblichen Gepflogenheiten m i t dem, was bei uns gilt, nicht übereinstimmen, andererseits es aber nicht i n unserer Macht stand, die kirchliche Anordnung aufzuheben oder ihre Strenge zu mildern. Die großen Unannehmlichkeiten und Nöte, die daraus entstanden sind, habt i h r uns mitgeteilt.. I n dieser Sorge wandten w i r uns an den Heil. Stuhl, von dem allein w i r feste und verläßliche Weisung sowie H i l f e erhoffen konnten, u n d baten darum, daß er alle unsere Zweifel und Belastungen kraft seiner A u t o r i t ä t und Weisheit beseitige. W i r legten den Sachverhalt dem obersten Pontifex, als dem Stellvertreter unseres H e r r n Jesus Christus auf Erden einfach, wie er war, dar und unterwarfen i h n vollständig seinem U r t e i l zur endgültigen Entscheidung. M i t ähnlichen Bitten wandten sich auch unsere Mitbrüder, die verehrungswürdigen Bischöfe von Trier, Münster und Paderborn, ebenfalls an den Stuhl des Hl. Petrus. Folgendes erhielten w i r zur Antwort: [Es folgt das Breve v o m 26. März 1830 i m W o r t l a u t 1 7 ] I n dieser A n t w o r t haben w i r also, geliebteste Söhne, eine mildere E r k l ä rung und eine aus der Fülle der apostolischen Macht gegebene N o r m für unser Handeln, i n der auf den Frieden und die Ruhe der Kirche Rücksicht genommen ist. Wenn w i r diese ganz wie es sich gebührt befolgen, werden w i r i n unserem Gewissen sicher sein. Sie i n den einzelnen Fällen durchzuführen, überlassen w i r Euch i m Vertrauen auf Euren Glauben und Eure 16 Entsprechende Hirtenbriefe (Pastoralschreiben) richteten die Bischöfe von Paderborn, Münster u n d T r i e r vereinbarungsgemäß an ihre Geistlichen. 17 Oben Nr. 128.

I V . Die Berliner

bereinkunft

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Frömmigkeit, Mäßigung, Klugheit u n d umsichtige Zurückhaltung, verbunden m i t Geduld und Liebe. Eure vordringliche Sorge i n dieser Angelegenheit, so ermahnen w i r Euch, soll darin bestehen, daß die Gläubigen nicht erst zu dem Zeitpunkt, zu dem sie die Ehen eingehen wollen, an die Glaubenswahrheiten und an ihre Pflichten gemahnt werden, sondern daß sie vielmehr von Jugend an aufs gewissenhafteste und genaueste i n der kath. Religion unterrichtet werden, damit so feste Fundamente gelegt sind. Wenn die katholische Braut weiß, daß die Erziehung der K i n d e r i n der Verfügungsgewalt des nichtkatholischen Ehemannes liegen w i r d , daß diese i n einer nichtkatholischen Religion erzogen werden und dann dennoch, was Gott verhüten möge, i n unentschuldbarer Leichtfertigkeit ( = temeritas inexcusabilis) trotz Eurer Unterweisung und Ermahnung sich dazu entschließt, eine solche Ehe einzugehen, sollt i h r n u r eine, wie man es nennt und wie es das Apostolische Schreiben bezeichnet, passive Assistenz an einem angemessenen, aber nicht geweihten Ort leisten. Da schließlich, was die Mischehen angeht, die vor einem nichtkatholischen Pfarrer eingegangen w u r d e n — einzig für diese nämlich gilt die Weisung des Apostolischen Stuhls betreffend die Ehen, die ohne Wahrung der v o m tridentinischen K o n z i l vorgeschriebenen Form geschlossen sind — nun jeder Zweifel, ob sie vor Gott und der Kirche gültig und rechtskräftig seien, von uns genommen ist, müssen w i r Euch lediglich noch ermahnen, Uns über einzelne Ehen, die trotz des Vorliegens eines anderen kanonischen trennenden Ehehindernisses geschlossen wurden, zu berichten, damit sie von Grund auf geheilt werden. N r . 133. Instruktion des Erzbischofs von K ö l n Graf Spiegel an den Generalvikar H ü s g e n 1 8 vom 22. Oktober 183419 (Preußische Staatsschrift, 1838, S. 15 f.) I n dem Sinne des päpstl. Breves vom 25. März 1830 ist die Behandlung der gemischten Ehen durch das Rundschreiben vom 13. d. M. den Pfarrern überlassen worden. Diesemnach brauchen dieselben forthin nicht mehr über jeden einzelnen F a l l zuvor erst zu berichten, und hört an Seiten der geistlichen Behörde die Prüfung der Sachverhältnisse und die Ertheilung der Erlaubniß der ehelichen Einsegnung auf. Den Pfarrern giebt das päpstl. Breve und die ihnen i n dem Rundschreiben ertheilte Weisung die N o r m ihres Verhaltens; w e i l aber Zweifel über den wahren I n h a l t dieser Vorschriften, auch Fehlgriffe i n ihrer Behandlung vorkommen können, daher Anfragen oder Beschwerden veranlassen: so beauftrage ich das Hoch würdige General-Vicariat m i t der Erledigung derselben, wobei vorzüglich folgende Punkte i m Auge zu halten sind. 1. Die Kirchendisciplin i n Betreff der gemischten Ehen ist aus Rücksicht auf das allgemeine W o h l der Kirche vom apostol. Stuhle so gemildert worden, daß die Allerhöchste Kabinets-Ordre von 1825 20 über diesen Gegenstand be18 Johann Hüsgen (1769 - 1841), seit 1792 kath. Priester; seit 1825 Domkapitular u n d Generalvikar i n K ö l n ; 1837 - 1841 Kapitelsvikar. 19 Entsprechende Instruktionen richteten die Bischöfe von Münster, Paderborn u n d T r i e r vereinbarungsgemäß an ihre Generalvikare. 20 Oben Nr. 125.

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11. Kap.: Die Mischehenfrage in der Kölner Kirchenprovinz

folgt werden kann u n d die bisherigen Beschwernisse i n Behandlung dieser Sache möglichst beseitigt sind. Bei der Ausführung dieser gemilderten Disciplin muß außerdem i n jedem einzelnen Falle so gehandelt werden, ne, wie sich der Heilige Vater ausspricht, catholicae religioni creetur invidia. 2. Daher kann von Seiten der Pfarrgeistlichen nicht bloß Alles vorgenommen oder zugelassen werden, was i n dem Breve nicht ausdrücklich untersagt oder als zu beachten bestimmt ist; sondern die einzelnen Bestimmungen sind auch jedesmal mildernd zu erklären und anzuwenden. 3. Vor allem müssen sie sich liebevolle Belehrung und Ermahnung und gründlichen Religionsunterricht i m Allgemeinen sowohl als i m Besonderen ernstlich angelegen seyn lassen. Dadurch muß auf die religiöse Gesinnung des kath. Theils eingewirkt werden, so daß er geneigt und gestimmt w i r d nicht n u r seinem Glauben treu zu bleiben, sondern auch aus und nach diesem Glauben seine Pflichten i n Betreff der Kinder-Erziehung unter dem Beistande der göttlichen Gnade nach K r ä f t e n zu erfüllen. 4. U n d nach dieser Gesinnung ist der kath. Theil zu behandeln; sie selbst aber i n jedem Falle m i t Milde zu beurtheilen. 5. Diesemnach ist insbesondere von der Abnahme oder dem Abgeben des Versprechens rücksichtlich der Erziehung der K i n d e r i n der Religion des einen oder des andern Ehetheils Abstand zu nehmen. 6. Auch sind ferner die Fälle, w a n n die assistentia passiva Statt haben soll, möglichst zu beschränken. Denn sie selbst ist nicht nur etwas bisher ganz U n gewöhnliches, daher auffallend, sondern auch an sich etwas Gehässiges, was zu vermeiden ist: sie entfernt den kath. Theil n u r noch mehr von der Kirche, statt daß er durch Milde und die K r a f t des Gebets an sie sollte herangezogen werden; und außerdem könnten die i n dieser Weise eingegangenen Ehen unter dem Allgem. Landrechte als bürgerlich ungültige angefochten werden. Wenn der kath. Theil von der akatholischen Erziehung der (aller) K i n d e r gewiß ist. und bei dieser Gewißheit zugleich eine sträfliche Leichtfertigkeit aus Gleichgültigkeit gegen sein Religions-Bekenntniß und seine künftigen religiösen Elternpflichten, bei Eingehung der ehelichen Verbindung an den Tag giebt (se aut f u t u r a m sobolem periculo perversionis temere committat et tales contrahat nuptias, i n quibus sciat, flliorum educationem): so soll die assistentia passiva eintreten. Alles also, was die leichtfertige Gesinnung nicht vermuthen läßt, oder was sie doch in der moralischen Beurtheilung mildert, hebt den F a l l der assistentia passiva auf. Dahin gehören solche Umstände, welche auch bei andern verbotenen Ehen eine mildere Behandlung und Dispensation zu begründen pflegen; als z. B. voraufgegangene Schwängerung, aetas superadulta, Beilegung von Familienzwisten u. dergl. Diesemnach sind die Gewißheit von der akatholischen Kinder-Erziehung und zugleich die inexcusabilis temeritas in Absicht auf religiöse Gesinnungen die Bedingungen, unter welchen die assistentia passiva Statt haben soll. 7. Was den Ort betrifft, so kann sie i m Pfarrhause oder i n der Sakristei geleistet werden. Gebühren werden dafür nicht zu entrichten seyn. 8. Wo sich die Partheien die assistentia passiva nicht wollen gefallen lassen, sind ihnen, w i e bisher, die Bescheinigung über die geschehenen A u f rufe (proclamationes) u n d die testimoniales, d. h. die Bescheinigung der Frei-

V. Anerkennung der Berliner Übereinkunft durch Droste-Vischering

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heit (testimonium libertatis) und daß kein trennendes Ehehinderniß obwalte, auszustellen. 9. I n allen Fällen, wo die assistentia passiva nicht eintritt, werden die ü b l i chen kirchlichen Feierlichkeiten vorgenommen. 10. Je nach der größeren oder geringeren Strafbarkeit der Gesinnungen richtet sich auch die Behandlung des kath. Theiles i m Beichtstuhle, sowohl vor als nach der Vollziehung der ehelichen Verbindung und zwar jedes M a l in caritate et patientia Christi. 11. Den kath. Wöchnerinnen i n gemischten Ehen ist die Aussegnung niemals zu verweigern, w e i l die Verweigerung eine A r t von Censur wäre und die Tochter der Kirche nur noch mehr von ihr entfernen und ihren E i n w i r k u n g e n entziehen würde.

V. Die Anerkennung der Berliner Ü b e r e i n k u n f t durch den Weihbischof Clemens August Frhr. v. Droste-Vischering Am 2. August 1835 starb der Erzbischof Graf Spiegel, der an der Übereinkunft zwischen Staat und Kirche in der Mischehenfrage maßgeblich beteiligt gewesen war. Bei der Neubesetzung des erzbischöflichen Stuhls hatte der König das Recht, minder genehme Anwärter abzulehnen 1; faktisch nahm er ein darüber hinausgehendes Designationsrecht wahr. Der Referent für katholische Angelegenheiten im Kultusministerium Schmedding schlug als Nachfolger Spiegels den Weihbischof in Münster Clemens August Frhr. v. Droste-Vischering vor 2. Mit ihm hatte die preußische Regierung schon lebhafte Auseinandersetzungen gehabt. Deshalb hielt der Kultusminister v. Altenstein es für geboten, sich der Zustimmung Droste-Vischerings zur Berliner Übereinkunft in aller Form zu versichern. Im Auftrag der Regierung legte der Domkapitular Schmülling* dem Weihbischof die Frage nach seiner Haltung zu der Übereinkunft von 1834 vor; Droste-Vischering anwortete in dem Schreiben vom 5. September 1835 (Nr. 134), daß er sich zu der „gemäß dem Breve Papst Pius VIII." getroffenen Übereinkunft bekenne. Auf diesen versteckten Vorbehalt berief DrosteVischering sich später zur Begründung seines Widerstands gegen die Berliner Übereinkunft. Den genauen Wortlaut der Übereinkunft scheint er vor Abgabe seiner Erklärung mit Absicht nicht zur Kenntnis genommen zu haben; der Inhalt war ihm zweifellos vertraut 4. 1

Oben Nr. 92. Clemens August Frhr. v. Droste-Vischering (1773 - 1845), seit 1798 kath. Priester, Domkapitular in Münster; 1807 Generalvikar und Bistumsverweser daselbst; nach einem K o n f l i k t m i t der preuß. Regierung 1820 Amtsverzicht; 1827 Weihbischof unter seinem inzwischen zum Bischof v o n Münster erhobenen Bruder Kaspar Maximilian (oben S. 312 A n m . 4); 1836 Erzbischof von K ö l n ; 1837 Amtssuspension durch die Regierung; 1841 Verzicht auf die Amtsausübung zugunsten des Koadjutors v. Geissei. 3 Johann Heinrich Schmülling (1774 - 1851), seit 1801 kath. Priester; 1811 Direktor des Gymnasiums Braunsberg (Ostpr.); 1821 Prof. d. Philosophie am Lyceum Hosianum daselbst; 1827 Regens am Priesterseminar Münster; 1828 bis 1841 zugleich Regierungsschulrat daselbst; seit 1833 Domkapitular; seit 1836 auch Prof. d. Theologie an der Akademie i n Münster. 4 Verfassungsgeschichte Bd. I I S. 210 f. 2

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11. Kap.: Die Mischehenfrage i n der Kölner Kirchenprovinz N r . 134. Schreiben des Weihbischofs von Münster Clemens August F r h r . v. Droste-Vischering an den D o m k a p i t u l a r Schmülling vom 5. September 1835 (Preußische Staatsschrift, 1838, Anhang S. 19)

Ew. Hoch würden! werde es, glaube ich, angenehm seyn, w e n n ich Ihnen unser heutiges Gespräch über den I n h a l t des Schreibens Sr. Exc. des H e r r n Ministers 5 auch schriftlich zukommen lasse. Was zuerst das gute Vernehmen m i t den, bei den frühern Irrungen betheiligt gewesenen Behörden betrifft, so muß ich voraussetzen, daß Dieselben frei von Abneigungen gegen mich seyn, und da mein innigster Wunsch ist, m i t allen Menschen i n gutem Vernehmen zu stehen, u n d Freundlichkeit gegen Jeden m i r , wenn ich nicht irre, natürlich ist, so wüßte ich nicht, wie Störung des guten Vernehmens hätte Statt finden können. Was die Versuchungen der Streitlust betrifft, so ist solche m i r so zuwider, ich b i n so überzeugt, daß sie i m geradesten Widerspruche sey m i t den Lehren u n d m i t dem Geiste des Christenthums, bin so durchdrungen von dem W u n sche, m i t allen i m Frieden zu leben, liebe Frieden und Ruhe so sehr, daß die Furcht, ich möchte von jener Versuchung überwältiget werden, wenn sie, wider Vermuthen m i r nahen sollte, da ich i n dieser, wie i n jeder andern H i n sicht auf den Beistand Gottes hoffe, w o h l keine Berücksichtigung verdient. Überhaupt ist mein innigstes Verlangen, wenn ich irgendwo ein wirkliches B i s t h u m erlangen sollte, die letzten Jahre meines Lebens noch recht zum W o h l t h u n zu verwenden, u n d meine feste Überzeugung ist, daß dieses Verlangen n u r da vollständig erfüllet werden könne, wo die beiderseitigen Behörden, dem W i l l e n Gottes gemäß, harmonisch handeln. Was n u n die gemischten Ehen betrifft, so habe ich schon lange her sehnlich gewünscht, es möge sich ein Weg finden lassen, diesen so überaus schwierigen Gegenstand zu beseitigen, habe daher m i t Freuden die Erfüllung meines Wunsches vernommen, und Ew. Hochwürden wollen so gütig seyn, Sr. Exc. den H e r r n Minister zu versichern, daß ich mich w o h l hüten werde, jene, gemäß dem Breve v o m Papste Pius V I I I . darüber getroffene und i n den benannten vier Sprengein zur Vollziehung gekommene Vereinbarung nicht aufrecht zu halten, oder gar, w e n n solches thunlich wäre, anzugreifen oder umzustoßen, und daß ich dieselbe nach dem Geiste der Liebe, der Friedfertigkeit anwenden werde. Zuletzt wünschte ich, daß Ew. Hochwürden die Güte hätten, mich Sr. Exc. ganz gehorsamst zu empfehlen u n d meinen aufrichtigsten Dank darüber zu erkennen zu geben, daß Höchstderselbe m i r die Gelegenheit verschafft hat, meine Gesinnung hinsichtlich der vorliegenden Gegenstände, m i t völliger, m i r so angenehmer, Offenheit an den Tag zu legen.

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des Kultusministers v. Altenstein.

V I . Das Eingreifen der K u r i e i n die rheinische Mischehenfrage

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V I . Das erneute Eingreifen der K u r i e in die rheinische Mischehenfrage Der durch das päpstliche Breve von 1830 (oben Nr. 128) und die Berliner Übereinkunft von 1834 (oben Nr. 130) hergestellte Frieden zwischen Staat und Kirche wurde alsbald durch publizistische Attacken gefährdet. Im September 1835 erschien in Augsburg das anonyme „Rote Buch" 1 als erste Kampfschrift der ultramontanen Partei in Deutschland; es enthielt heftige Angriffe auf das Breve von 1830 und das Pastoralschreiben des Kölner Erzbischofs von 1834 (oben Nr. 132). Bald darauf trat das klerikale Lütticher „Journal historique et littéraire" mit der Behauptung an die Öffentlichkeit, es bestehe eine in Koblenz abgefaßte Instruktion des Kölner Erzbischofs Graf Spiegel an seine Suffraganbischöfe zum Vollzug des Breve , die von diesem erheblich abweiche. Der von dem Journal mitgeteilte Text entsprach in groben Zügen der Instruktion des Trierer Bischofs an seinen Generalvikar (dazu oben Nr. 133). Diese Nachricht nahm die Kurie, nachdem der neue Kardinalstaatssekretär Lambruschini 2 am 19. Januar 1836 sein Amt angetreten hatte, zum Anlaß weiterer diplomatischer Schritte. Der Staatssekretär verhandelte zunächst mündlich mit dem preußischen Gesandten v. Bunsen; dann richtete er an diesen am 15. März 1836 eine Note (Nr. 135), in der er nach der angeblichen geheimen Instruktion fragte. Bunsen antwortete am 15. April 1836 (Nr. 136), daß eine solche Instruktion nicht bestehe. So zutreffend die Auskunft war, daß eine Instruktion Spiegels an seine Suffraganbischöfe nicht existiere, so unaufrichtig und zugleich unklug war es, daß Bunsen die Gelegenheit nicht benutzte, die Kurie vom Bestehen der Instruktionen der vier Bischöfe an ihre Generalvikare in Kenntnis zu setzen. Immerhin ließ Bunsens Antwort erkennen, daß eine förmliche Übereinkunft zwischen dem Staat und den Bischöfen über die Mischehenfrage vorhanden sei 3 . N r . 135. Vertrauliche Note des Kardinalstaatssekretärs Lambruschini an den Gesandten v. Bunsen vom 15. März 1836 (Italienischer Text und deutsche Übersetzung: G. F. Η. Rheinwald, Acta historico-ecclesiastica, Jg. 1836, 1839, S. 321 ff.) — Auszug — Es ist nicht lange her, dass Se. Heiligkeit auf eine A r t , die füglich keinem Zweifel Raum lässt, i n Erfahrung gebracht, es wäre i n den westlichen Provinzen der preussischen Monarchie das Dasein einer geheimen M i t t h e i l u n g bekannt geworden, welche, w i e m a n sagt, von dem verstorbenen hochwürd. Grafen v. Spiegel, damaligem Erzbischofe von Köln, einige Monate vor seinem Tode i n Betreff der praktischen Ausübung des Breves Pius V I I I . , heiligen Gedächtnisses, vom 25. März 18304, so wie der darauf bezüglichen von dem 1 Beiträge zur Kirchengeschichte des 19. Jahrhunderts, 1835 (vgl. Verfassungsgeschichte Bd. I I , S. 211 f.). 2 Luigi Lambruschini (1776 - 1854), Bischof von Sabina, Erzbischof von Genua; 1831 K a r d i n a l ; 1836 - 1846 Kardinalstaatssekretär. 3 Verfassungsgeschichte, Bd. I I , S. 213 f.

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11. Kap.: Die Mischehenfrage in der Kölner Kirchenprovinz

damaligen Staatssekretär K a r d i n a l Albani, berühmten Andenkens, unterzeichneten I n s t r u k t i o n v o m 27. desselben Monats 5 , beide den wichtigen Gegenstand der Schliessung der gemischten Ehen betreffend, an die Bischöfe der Rheinlande erlassen worden sei. Diese geheime Mittheilung, welche den Zweck hat, den Sinn jener beiden Dokumente zu entstellen, deren wesentlichen I n h a l t zu verändern u n d die Grundsätze, worauf sie beruhen, zu zerstören, musste nothwendig die Aufmerksamkeit des heil. Vaters auf sich ziehen, der, gebunden durch die Pflichten seines apostolischen Amtes, nicht schweigen und die Gläubigen [nicht] enttäuschen [durfte], damit sie nicht dem heil. Stuhle eine Handlung zuschrieben, die nicht die seinige ist. U m die Natur u n d Unredlichkeit der gedachten, dem verstorb. Erzbischofe von K ö l n zugeschriebenen, geheimen M i t t h e i l u n g ins Licht zu stellen, glaubt der unterzeichnete Kardinal-Staatssekretär Ew. Exz. die Geschichte des erwähnten Breves von ihrem Anfange her ins Gedächtniss zurückrufen zu m ü s s e n . . . . Dies vorausgeschickt, bittet der unterzeichnete K a r d i n a l Ew. Exz., Ihrer Rechtlichkeit gemäss urtheilen zu wollen, ob die A r t i k e l der dem verstorb. Erzbischofe von K ö l n zugeschriebenen, und an die Bischöfe der Rheinlande gekommenen Instruktion, m i t den Aktenstücken des heil. Stuhles übereinstimmend seien oder nicht; oder ob sie nicht vielmehr böslicherweise darauf ausgehen, deren Sinn zu entstellen, und die Grundsätze, auf denen sie beruhen, zu zerstören. E i n einfacher u n d flüchtiger Blick auf die acht A r t i k e l , welche jene Instruktion bilden, genügt hiezu mehr als überflüssig. Weit entfernt, dem kgl. Edikt von 18256 unbedingt beizupflichten, w i r d i n dem päpstl. Breve ausdrücklich erklärt, dass es dem heil. Stuhle durchaus nicht erlaubt sei, alle jene Dinge zu gestatten, welche die Bischöfe zur Vollziehung jenes Gesetzes als erforderlich bezeichnet hatten. I m Gegentheil w i r d i n dem ersten der gedachten A r t i k e l der I n s t r u k t i o n nach dem, dem heil. Stuhle zugegangenen Texte ohne Rückhalt e r k l ä r t 7 : Apostolica Sedes disciplinam respectu m a t r i moniorum m i x t o r u m ita mitigavit, ut regio mandato de anno 1825, j u x t a quod proles i n religione patris educandae sunt, satisfieri possit, u n d damit der V o l l ziehung des kgl. Ediktes nichts i m Wege stehe, und die oben angeführten Ausdrücke des Breves keine Schwierigkeiten bieten möchten, w i r d i m zweiten A r t i k e l der I n s t r u k t i o n hinzugefügt, dass a Parochis non solum omnia Apostolicis litteris P i i V i l i , expresse non prohibita, vel ad observandum praescripta i n p r a x i exerceri queunt; sed etiam specialiter determinata gener a t i m sumenda sunt i n sensu laxiori, et leniori. Während . . . nach dem Geiste des Breves, und nach der K r a f t seiner eben so klaren als energischen Bestimmungen, von den Bischöfen und Pfarrern i n Betreff der Erziehung der K i n d e r i n den gemischten Ehen, alle jene Anstrengungen i n Ausübung gebracht w e r den sollen; w i r d i n der, i m Namen des Erzbischofs von K ö l n gegebenen I n s t r u k t i o n i m 3. und 4. A r t i k e l erklärt: dass pars catholica instructione et cohortatione ad implenda circa p r o l i u m educationem officia est lucranda, u n d 4

Oben Nr. 128. Oben Nr. 129. Oben Nr. 125. 7 Die folgenden angeblichen Zitate weichen v o m Wortlaut der „ I n s t r u k t i o n " (oben Nr. 133) mehrfach ab; auch i n der Sache sind sie nicht immer korrekt. Z u r Übersetzung der i m Folgenden i m Originalwortlaut wiedergegebenen Zitate siehe die Texte oben Nr. 128,129,133. 5

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V I . Das Eingreifen der K u r i e i n die rheinische M i s c h e h e n f r a g e 3 3 7 dass secundum hanc mentem cum parte catholica agendum et i n omnibus casibus j u d i c i u m ferendum est, i m 5. A r t i k e l aber w i r d sodann hinzugefügt: a postulatione seu praestolatione v o t i proles omnes educandi i n religione catholica omnino abstinendum est. Da m a n voraussah, das manches kath. Individuum, trotz der Ermahnungen des Bischofes u n d des Pfarrers, i n dem Entschlüsse verharren könne, sich m i t einer Person von verschiedener Kirche ehelich zu verbinden, ohne dass das Versprechen der Erziehung aller K i n d e r i n der kath. Religion vorangegangen wäre, so w a r d i n dem Breve des Papstes Pius V I I I . vorgeschrieben, dass i n einem solchen Falle der kath. Pfarrer non solum a nuptiis quae deinde fiant sacro quocunque r i t u honestandis, sed etiam a quovis actu, quo approbare illas videatur, u n d es w i r d n u r geduldet, dass er, nach vorhergegangenem gewöhnlichen Aufgebote, bei solcher Ehe zugegen sei m i t einer rein passiven Assistenz. Es kann demnächst nichts einleuchtender sein, als dass es i n dem Sinne u n d i n dem Geiste des Breves schlechterdings verboten sei, alle gemischten Ehen, welche ohne die nöthigen V o l l machten u n d Bürgschaften, u n d besonders ohne jene, welche die Erziehung der K i n d e r i n der kathol. Religion betrifft, m i t dem heiligen Ritus der kirchlichen Trauung zu beehren. Ungeachtet aber der K l a r h e i t dieser päpstl. Bestimmungen, werden i n der i n Frage stehenden I n s t r u k t i o n den Pfarrern geradezu entgegenstehende Anweisungen gegeben, indem man i m 6. A r t i k e l liest: assistentia passiva quantum fieri potest utpote extraordinaria, insolita, et odiosa restringenda, et tunc tandem praestanda est, si pars Catholica de educatione p r o l i u m i n confessione protestantica certe indifferentiam i n Religionem et erga Ecclesiam Catholicam, ac officia conjugalia de educatione prolium prodat. Alias si talis levitas praesumi nequeat vel excusari possit, assistentia passiva locum non habet, i d est : praestanda est benedictio nuptialis i n Ecclesia. I m 7. A r t i k e l aber w i r d hinzugesetzt: puerperis catholicis i n m a t r i moniis mixtis, quarum proles i n confessione protestantica educantur, et quae a Ministro protestante baptizatae sunt, benedictio nunquam deneganda est, quia talis denegatio qua censura habenda est. . . . Ew. Exz. werden . . . nicht anders als überrascht sein können, über die boshafte, ungerechte u n d beleidigende Erklärung, welche i m 8. und letzten A r t i k e l der oft citirten, an die Bischöfe der rheinischen Diözesen gerichteten I n s t r u k t i o n zu lesen ist, wo es heisst: litterae celsissimi Cardin. A l b a n i Breve P i i V i l i , de anno 1830 comitantes Parochis minime palam faciendae, ideo sunt reservatae et qua nullae declaratae. Der heil. Vater kann dem, was I h m von mehreren Seiten gemeldet worden, kaum Glauben beimessen, dass nämlich diese Entstellungen . . . das Resultat einer i n Coblenz gehaltenen Konferenz seien. Se. Heiligkeit appelliren auf die Rechtlichkeit Ew. Exz. und auf die volle Kenntniss, welche Dieselben von dieser Angelegenheit haben, u n d zweifeln nicht, dass Sie selbst die N o t w e n d i g keit erkennen werden, i n welcher sich der heil. Vater befinden würde, den ächten Text der v o m verstorbenen K a r d i n a l A l b a n i unterzeichneten I n s t r u k t i o n öffentlich bekannt zu machen, damit man den wahren Sinn derselben kennen lerne, und nicht dem heil. Stuhle eine Handlung zuschreiben könne, die nicht die seinige ist, u n d welche den wesentlichen I n h a l t der päpstl. Maassnahmen beeinträchtigt. . . . Nach Auseinandersetzung . . . darf der unterzeichnete Kardinal, zufolge der Befehle Sr. Heiligkeit, Ew. Exzellenz nicht v e r 22 Huber, Staat und Kirche, 1. Bd.

3 3 8 1 1 . Kap.: Die Mischehenfrage i n der Kölner Kirchenprovinz hehlen, dass der heil. Vater vorzüglich dem Mangel eines Repräsentanten i n B e r l i n 8 die schmerzliche Nothwendigkeit zuschreibt, i n der E r sich befindet, Sr. M a j . dergleichen Klagen vorzulegen, u n d u m schleunige Abhilfe nach so langer Zeit zu bitten; denn es unterliegt keinem Zweifel, dass, wenn der heil. S t u h l durch eine Person, die sein Vertrauen besitzt, von den Maassregeln, welche die Missverhältnisse hervorgebracht haben, über die man sich gegenw ä r t i g beklagt, bei Zeiten unterrichtet worden wäre, u n d so der Gerechtigkeit u n d B i l l i g k e i t Sr. M a j . von Preussen jene Erwägungen hätte vorstellen lassen können, welche das Oberhaupt der kath. Kirche nothwendig haben muss; Se. M a j . i n der Reinheit u n d Rechtlichkeit Ihres i n so hohem Grade edelmüthigen Charakters, nicht einen Augenblick gezögert haben würden, jeden Missstand zu entfernen, u n d wegen jener klugen Ermässigungen, welche die Umstände i n manchem besondern Falle hätten anrathen können, sich an den heil. Vater zu wenden. Daher haben Se. Heiligkeit, denen es i m hohen Grade am Herzen liegt, f ü r die Z u k u n f t jede Gelegenheit zu stets unangenehmen Beschwerden zu vermeiden, die Absicht, einen Gesandten an Se. Maj. zu senden. Da indessen Se. Heiligkeit nicht i m Stillschweigen verharren können, ohne an den Pflichten Ihres Amtes u n d der Stimme Ihres Gewissens einen V e r r a t h zu begehen, so legen Dieselben durch das Organ Ew. Exz. vertrauensv o l l I h r e gerechten Vorstellungen, i n Betreff der i n dieser Note erörterten Gegenstände, Sr. M a j . v o n Preussen vor, u n d hegen das feste Vertrauen, dieselben m i t dem glücklichsten Erfolge gekrönt zu sehen.

N r . 136. Note des Gesandten v. Bunsen an den Kardinalstaatssekretär Lambruschini v o m 15. A p r i l 1836 (Französischer T e x t : G. F. H. Rheinwald, Acta historico - ecclesiastica, Jg. 1836, S. 331 ff.) — Ubersetzung i m Auszug — . . . Der Unterzeichnete k a n n seiner verehrungswürdigsten Eminenz nicht verbergen, daß die Note 9 i h n gleich auf den ersten Blick sehr schmerzlich berührte. Die Beziehungen zwischen den beiden Höfen w u r d e n nach Ereignissen, deren m a n rühmend gedenkt, i n einem Geist der Versöhnung, sowie i n der gegenseitigen Uberzeugung wieder aufgenommen, daß das W o h l des Staates ebenso w i e dasjenige der Kirche eine möglichst vollkommene Ubereinstimmung wünschenswert machen. Alsbald w u r d e n diese Beziehungen gefestigt durch das glänzende Ergebnis der Verhandlungen: die Bulle De salute a n i m a r u m 1 0 . Wenn n u n diese Beziehungen, diese Verhandlungen u n d diese Vereinbarungen v o n beiden Seiten m i t Genugtuung betrachtet wurden, u n d w e n n namentlich der Heil. Stuhl bei mehreren Gelegenheiten ganz besonders seiner Befriedigung nicht n u r über den Geist der Versöhnung Ausdruck 8

Z u r Weigerung der preußischen Regierung, einen päpstlichen Nuntius i n B e r l i n zuzulassen, siehe oben S. 44 ff. β v o m 15. März 1836 (oben Nr. 135). 10 Oben Nr. 91.

V I . Das Eingreifen der K u r i e i n die rheinische Mischehenfrage

339

gab, den die Regierung Sr. Preuß. M a j . dabei bekundet hatte, sondern ebenso die Loyalität u n d Großzügigkeit anerkannte, m i t der die Ergebnisse der V e r einbarungen nacheinander i n die Tat umgesetzt wurden, dann müssen w i r uns ins Gedächtnis rufen, daß all diese zufriedenstellenden Resultate letzten Endes dem Vertrauen zu danken waren, das jede der beiden Seiten der Loyalität u n d dem guten W i l l e n der anderen entgegenbrachte. N u n w a r aber der Eindruck, den die erste Lektüre der Note Sr. verehrungswürdigsten Em. auf den Unterzeichneten machte, der, daß diese v o n einem grundsätzlichen Mißtrauen gegenüber den Beziehungen geleitet war, die doch dieselben geblieben sind, u n d von einer tiefen Skepsis gegenüber den Gefühlen u n d V e r fahrensweisen der Regierung Sr. M a j . des Königs, obwohl diese sich i n keiner Weise geändert hatten . . . Der Unterzeichnete zögert nicht, so deutlich, w i e es nur geht, zu erklären: Falls die Besorgnisse Sr. Heiligkeit begründet wären, u n d die Anklagen, die gegen die Regierung vor sie gebracht wurden, etwas anderes wären als ein Ausfluß der Unkenntnis, der Bosheit oder eines Fanatismus, der der Sache n u r gefährlich ist, die zu verteidigen er beansprucht, dann handelte es sich seitens der Regierung Sr. M a j . nicht n u r u m einen Fehler, sondern u m eine schreiende Ungerechtigkeit und u m eine Verletzung feierlicher Verpflichtungen . . . Der Unterzeichnete . . . hofft, daß der souveräne Pontifex i n seinen Ängsten und Sorgen einen angemessenen Trost i n der Gewißheit finden w i r d , daß jede Unruhe, die aus der väterlichen Sorge f ü r das Wohl der röm.-kath. Kirche i n Preußen erwächst, ganz unbegründet ist u n d der Dankbarkeit, die man so oft Sr. M a j . dem K ö n i g für seine Loyalität u n d Großzügigkeit bekundete, durch dauerhafte und überzeugende Tatsachen gerechtfertigt waren u n d noch s i n d . . . . Der Unterzeichnete k a n n m i t großer Genugtuung Sr. verehrungswürdigsten Em. erklären, daß die Existenz einer derartigen I n s t r u k t i o n 1 1 nicht allein moralisch unmöglich ist, sondern daß er die positive Gewißheit besitzt, daß diese angebliche I n s t r u k t i o n niemals existiert hat . . . Der Unterzeichnete muß deshalb zu allererst erklären, daß diese angebliche Tatsache angesichts des Charakters der Bischöfe moralisch unmöglich ist. Er kann dieser E r k l ä rung auch positiv hinzufügen, daß eine derartige I n s t r u k t i o n undenkbar ist, w e i l jeder von ihnen die I n s t r u k t i o n des Kardinals A l b a n i 1 2 kennt. Schließlich wäre sie i n jedem F a l l unmöglich, w e i l sie nicht existieren könnte, ohne daß die Regierung Sr. M a j . u n d folglich der Unterzeichnete davon i n Kenntnis gesetzt worden wäre . . . Die Regierung des Königs hat nichts zu verbergen u n d nichts zu fürchten: die Dokumente sind vorhanden, u m sowohl die Gerechtigkeit ihrer Gesetze als auch die maßvolle Zurückhaltung ihrer Forderungen u n d nicht zuletzt die Weisheit zu zeigen, m i t der sie die Auslegung u n d die Ausführung der päpstl. Breven ganz der reifen Erwägung u n d dem freien Gewissen der Bischöfe überlassen hat. Se. M a j . hatte auf G r u n d der Vorstellungen, m i t denen Se. Heiligkeit den Unterzeichneten beauftragt hatte, und den Wünschen gemäß, die er dem K ö n i g gegenüber i m Namen Sr. Heiligkeit geäußert hatte, beschlossen, seine endgültige Entscheidung über die Zulassung der B r e v e n 1 3 allein v o n der 11 12 13

22·

des Kölner Erzbischofs Graf Spiegel an seine Suffraganbischöfe. vom 27. März 1830 (oben Nr. 129). des Breve v o m 25. März 1830 u n d der I n s t r u k t i o n v o m 27. März 1830.

340

11. Kap.: Die Mischehenfrage i n der Kölner K i r c e n p r o v i n z

men Bericht erstatten w e r d e n 1 6 . . . Se. verehrungswürdigste Em. möge aus Erklärung der Bischöfe . . . darüber abhängig zu machen, inwieweit es möglich sei, diese durchzuführen, ohne die bestehenden Gesetze des Königreichs i n ihrem wesentlichen Gehalt zu verletzen u n d ohne der i n drei Vierteln der kath. Provinzen eingeführten Ordnung zu schaden . . . U m i n dieser Hinsicht die Absichten der Bischöfe kennenzulernen, wurde der Erzbischof von Köln, der i n seiner Eigenschaft als M i t g l i e d des gegenwärtigen Staatsrats eben i n B e r l i n weilte, nach seiner Meinung über die Zugeständnisse gefragt, die durch diese Stücke gemacht worden waren. Dieser Prälat erklärte der Regierung nach sorgfältiger Prüfung: 1. daß der I n h a l t der Breven der Ausführung der bürgerlichen Gesetze nicht entgegenstehe u n d sie deshalb publiziert u n d ausgeführt werden könnten, ohne daß es zu einem K o n f l i k t m i t diesen Gesetzen käme; 2. daß er es nach Regelung des unmittelbaren Konflikts, den Se. Maj., wie sie erklärte, nicht länger dulden wolle, f ü r seine Pflicht halte, hierin v o r Sr. M a j . darauf zu beharren, daß diese den Bischöfen einige Vorrechte zugestehe, die sie seit einiger Zeit f ü r ihre Kirchen gefordert hatten . . . ; 3. daß er, bevor er i n dieser Frage eine förmliche Verpflichtung eingehe, m i t seinen verehrungswürdigen Brüdern, den Bischöfen von Münster, Paderborn u n d Trier, verhandeln wolle. A u f Grund dieser Erklärung ließ Se. M a j . dem Erzbischof mitteilen, daß Se. Maj., w e n n die Breven i n diesem Sinn ausgeführt werden könnten, i n den rheinischen Provinzen die Bestimmungen des dort geltenden französischen Code c i v i l über die Z i v i l t r a u u n g aufheben wolle, und daß m a n darüber hinaus bei der vorbereitenden Revision der Gesetze über die Ehescheidung auf die Forderungen u n d Wünsche der Bischöfe zur Frage der gemischten Ehen Rücksicht nehmen wolle; schließlich daß die bischöfl. Jurisdiktion trotz der Bestimmungen des französischen Code civil i n Ubereinstimmung m i t der Bulle De salute animarum i n K r a f t gesetzt werden solle. Diese Zusagen des Souveräns erfüllten den Erzbischof m i t großer Dankbarkeit, u n d er begab sich daraufhin m i t den Originaldokumenten 1 4 nacheinander zu den Bischöfen von Münster, Paderborn u n d Trier. Der Unterzeichnete hatte den Auftrag, den Bericht des Erzbischofs über das Ergebnis der Unterredungen m i t jedem der Bischöfe entgegenzunehmen. Da die letzte dieser Unterredungen des Erzbischofs m i t jedem der Bischöfe Ende J u l i 1834 i n Koblenz stattfand 1 5 , nahm der Unterzeichnete i n dieser Stadt aus den Händen des Erzbischofs den Bericht, u m den es geht, entgegen. Dieser stellt die Dankbarkeit der Bischöfe und ihre übereinstimmenden Ansichten über die Ausführung der Breven fest... Der Unterzeichnete . . . k a n n Sr. verehrungswürdigsten Em. versichern, daß er selbst weder i n Koblenz noch anderswo an einer der Unterredungen teilgenommen hat, die die Bischöfe über diesen Gegenstand miteinander hatten. E r überläßt es ganz den Bischöfen, sich dazu gegenüber dem souveränen Pontifex zu äußern, w e n n sie i h m über den Erfolg der getroffenen Maßnah14 Das w a r eine offene M i t t e i l u n g der Tatsache, daß eine schriftliche Festlegung des Ergebnisses der Verhandlungen vorlag. 15 Oben S. 329 f.

V I . Das Eingreifen der K u r i e i n die rheinische M i s c h e h e n f r a g e 3 4 1 men Bericht erstatten werden 1 6 Se. verehrungswürdige Em. möge aus der Darstellung, die der Unterzeichnete gegeben hat, die nachstehenden Folgerungen entnehmen: 1. daß die Bischöfe v o m Erzbischof keine Instruktionen erhalten haben u n d keine erhalten konnten; 2. daß das Dokument, das man unter diesem T i t e l verbreitet hat, n u r i n der Einbildung oder Bosheit desjenigen existieren kann, der es bekannt gemacht hat. Der Unterzeichnete zweifelt nicht, daß die Bischöfe untereinander über die Prinzipien übereingekommen sind, nach denen sie die an sie herangetragenen zweifelhaften Fälle entscheiden wollen, damit nicht unterschiedliche Entscheidungen der bischöfl. A u t o r i t ä t u n d der Kirche schaden 17 . Es ist Sache der Bischöfe, darüber Sr. Heiligkeit Bericht zu erstatten u n d i h r zu beweisen, daß sie die I n s t r u k t i o n des Kardinals Albani, w i e sie ihnen vorliegt, kennen u n d verstanden haben, von der sie niemals denken oder sagen konnten, daß diese f ü r sie „qua nulla declarata" s e i . . .

16

Unten Nr. 137 - 140. Damit w a r von der Seite des preuß. Gesandten i n diplomatischer Sprache, aber doch hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, daß durch vereinbarte Anordnungen der vier Bischöfe die „Entscheidung zweifelhafter Fälle" geregelt u n d Vorsorge gegen „unterschiedliche Entscheidungen" getroffen war. Die K u r i e mußte daraus erkennen, daß es zwar keine I n s t r u k t i o n des Erzbischofs an die Bischöfe, w o h l aber einheitlich abgestimmte Regulative der v i e r Bischöfe f ü r die Ausführung des päpstlichen Breve von 1830 gab. 17

Zwölftes

Kapitel

Der Kölner Kirchenkonflikt I . D i e Berichte der rheinischen Bischöfe an Papst Gregor X V I . Die Kurie beantwortete Bunsens Note vom 15. April 1836 (oben Nr. 136) nicht unmittelbar. Vielmehr wartete sie die von Bunsen angekündigten Berichte der vier rheinischen Bischöfe ab. Um diese Berichte zu veranlassen, begab Schmedding als der zuständige Referent des Kultusministeriums sich auf eine Rundreise zu den vier Bischöfen. Er war an der Abfassung der Schreiben — abgesehen von dem Kölner Bericht — i n unterschiedlichem Maß auch unmittelbar beteiltigti. Alle vier Berichte (Nr. 137 - 140) wiesen darauf hin, daß das Breve von 1830 nur mit gewissen Modifikationen durchgeführt werde. Auch das Schreiben des Erzbischofs von Köln erklärte, daß den Vorschriften der Kurie nur , „soweit es unsere Umstände erlauben", Genüge geschehen werde (Nr. 138). Zum Nachteil für die Beziehungen zwischen der preußischen Regierung und der Kurie verzögerte sich die Übermittlung dieser Berichte nach Rom. Erst am 15. Januar 1837 konnte Bunsen sie der Kurie mit einer Begleitnote (unten Nr. 142) zustellen. Zu diesem Zeitpunkt war in Rom bereits auf direktem Wege ein zweites Schreiben des Trierer Bischofs v. Hommer eingegangen, das dieser auf dem Totenbett unterzeichnet hatte (Nr. 141). Es sprach einen förmlichen Widerruf seiner in der Mischehenfrage eingenommenen Haltung aus; es nahm dadurch den früher abgefaßten, aber erst später in Rom eingegangenen Berichten der vier Bischöfe nahezu alle Überzeugungskraft' 2. N r . 137. Schreiben des Bischofs von Münster Kaspar M a x i m i l i a n F r h r . v. Droste-Vischering an Papst Gregor X V I . v o m 15. September 1836 (G. F. H. Rheinwald,

Acta historico-ecclesiastica, Jg. 1836, S. 351 f.)

— Übersetzung i m Auszug — . . . Was aber i n der Öffentlichkeit über die I n s t r u k t i o n des Kardinals A l b a n i 8 verbreitet wurde — nämlich daß sie unterdrückt oder gefälscht u n d eine andere, v o n dem verstorbenen Kölner Erzbischof Graf Ferdinand August Spiegel verfaßte an ihre Stelle gesetzt worden sei — so sind dies Erfindungen von Leuten, die nichts zu t u n haben oder doch jedenfalls keine glaubwürdigen 1 2 8

Verfassungsgeschichte Bd. I I , S. 214. Ebenda, S. 215 f. Oben Nr. 129.

I. Die Berichte der rheinischen Bischöfe an Papst Gregor X V I .

343

Nachrichten besitzen. W i r Bischöfe hingegen mußten zu vermeiden suchen, daß auf die zu erwartenden Zweifel der Pfarrer unterschiedliche A n t w o r t e n gegeben würden, u n d der Friede, das Gut, dessen w i r am meisten bedurften, durch die Veröffentlichung der apostol. Schreiben entweder noch weiter h i n ausgeschoben würde oder ganz verloren ginge. Aus diesem G r u n d wurde einiges zwischen uns selbst, den Vorstehern der Kirche, u n d m i t den obersten Vertretern der staatlichen Instanzen vereinbart 4 , was anders nicht zu bewerkstelligen war. Der erhabenste K ö n i g versprach, er wolle dafür sorgen, daß der Mißstand der Eheschließung v o r der staatlichen Obrigkeit aufgehoben werde, eine Form der Eheschließung, die auf der anderen Seite des Rheins herrscht u n d ihre Wurzel i m französischen Recht hat 5 . Ja, es leuchtet sogar die Hoffnung auf, daß die Ehegerichtsbarkeit ganz an die Bischöfe zurückgegeben werde u n d das Ärgernis der Scheidungen aufhöre. Was aber die bei der Auslegung des Apostol. Breve entstehenden Zweifel der Pfarrer betrifft, konnten w i r angesichts der sachlichen u n d zeitlichen Bedingungen, w i e sie hier gegeben sind, lediglich darauf bestehen, daß, da die Erziehung der K i n d e r immer, auch w e n n eine Vereinbarung erfolgt sein sollte, i n der Bestimmungsmacht des nichtkatholischen Mannes bleibt, i n den einzelnen Fällen jeweils den guten Eigenschaften der Betreffenden, v o r allem aber der Gesinnung u n d Frömmigkeit der katholischen Frau i n rechter Weise Beachtung geschenkt werde. Daß diese Auffassung die einzig wahre ist, lehrt die Natur der Sache u n d bestätigt die tägliche Erfahrung. Deshalb b i n ich der Meinung, daß es unnütz u n d gefährlich ist, diese Frage der Mischehen erneut zur Erörterung zu stellen. Das Schreiben des Kardinals Albani, das allein an die Bischöfe gerichtet ist, haben w i r nicht veröffentlicht, w e i l es nicht der Gewohnheit entspricht, solche Schreiben kundzumachen.

N r . 138. Schreiben des Erzbischofs von K ö l n Clemens August F r h r . v. Droste-Vischering an Papst Gregor X V I . v o m 23. September 1836 (Übersetzung: Römische Staatsschrift, 1838, S. 125 ff.) — Auszug — Ich hoffe, Ew. Heiligkeit werden eine kurze Übersicht des Zustandes meines Erzbistums gnädig aufnehmen; ich glaube aber noch warten zu müssen, bis ich umständlicher zu berichten i m Stande bin. Einer Angelegenheit aber meinte ich schon jetzt E r w ä h n u n g t h u n zu müssen, da sie an sich selbst betrachtet von der höchsten Wichtigkeit u n d durch die Tagsblätter allgemein bekannt ist, die der gemischten Ehen. Ich glaube daher meinen Dank f ü r die den B i schöfen gemachte M i t t h e i l u n g des von Sr. Heiligkeit Papst Pius V I I I . i n dieser Angelegenheit erlassenen Breves u n d der damit verbundenen I n s t r u k t i o n an die Bischöfe zu den Füßen Ew. Heiligkeit niederlegen zu müssen; denn es w i r d 4 Die K u r i e erhielt m i t dieser M i t t e i l u n g eindeutige Kenntnis v o m Bestehen einer das Breve vom 25. März 1830 modifizierenden Übereinkunft zwischen den rheinischen Bischöfen u n d der preußischen Regierung. 5 Siehe oben S. 327 A n m . 14.

344

12. Kap.: Der Kölner Kirchenkonflikt

dadurch jene oft wiederholte u n d schädliche, der kath. Religion i n diesen Gegenden höchst gefährliche u n d die V e r w a l t u n g unserer Diözesen sehr erschwerende Uneinigkeit, i n so weit es die Verschiedenheit der Religion u n d die gegenwärtigen Verhältnisse erlauben, beseitigt. Auch glaube ich, Ew. Heiligkeit versichern zu müssen, daß ich m i t Gottes Beihülfe bemüht seyn werde, daß den Vorschriften, welche i n jenen Erlassen enthalten sind, so weit es unsere Umstände erlauben 6 , vollkommen Genüge geleistet u n d die m i r anvertraute Heerde auf den Weg des wahren Heils geleitet w e r d e . . .

N r . 139. Erstes Schreiben des Bischofs von Trier Joseph v. H o m m e r an Papst Gregor X V I . v o m 1. Oktober 1836 ( A. υ. Roskovàny, De matrimoniis mixtis, Bd. I I , 1842, S. 264 f.) — Übersetzung — Es mag sonderbar erscheinen, Heiligster Vater, daß ich f ü r die so große Hilfe, die der K ö l n e r Provinz durch das päpstliche Schreiben Pius V I I I . , des Pontifex Maximus ruhmreichen Angedenkens, v o m 25. März 1830 i n der Frage der gemischten Ehen? geleistet wurde, den schon längst geschuldeten Dank noch nicht abgestattet habe. Ich könnte zur Entschuldigung auf mein vorgerücktes A l t e r u n d meine K r a n k h e i t hinweisen, wenn nicht eine andere, schwerer wiegende Ursache vorläge: ich glaubte w a r t e n zu müssen, Heiligster Vater, bis ich nach gewonnener Erfahrung über die veränderte Lage i n dieser Angelegenheit berichten könnte. Sobald die politischen Hindernisse, die die Promulgation des Apostol. Breve verzögerten, beseitigt waren 8 , teilte ich dies den Pfarrern m i t ; ich ermahnte sie aufs nachdrücklichste, dessen I n h a l t i n Treue zur kirchl. Lehre genau auszuführen. Dies bezeugt ein Rundschreiben, von dem ich ein Exemplar demütigst beigefügt habe 9 . Bei der Lösung von Zweifelsfragen der Pfarrer wie bei der Behandlung der ganzen Angelegenheit habe ich mich so verhalten, daß ich so weit w i e möglich die nach dem W i l l e n Pius V I I I . dem Apostol. Breve beigefügte I n s t r u k t i o n des Kardinals A l b a n i berücksichtigte 1 0 . Wenn ich manchmal von deren Inhalt wegen der gegenwärtigen Schwierigkeiten einen Fingerbreit abweichen mußte, so geschah dies doch n u r selten und zögernd u n d n u r bei zwingender Notwendigkeit. Alles ist jetzt so geregelt, Heiligster Vater, daß zwar nicht sämtliche Schwierigkeiten beseitigt sind, derentwegen w i r den Heil. Apostol. Stuhl u m Hilfe gebeten haben; doch was m a n unbeschadet der Lehre i n der kath. Kirche zugestehen konnte, habe ich erlaubt. Ich erstatte hiermit dem Heil. Apostol. Stuhl und β Das w a r die unumwundene E r k l ä r u n g des Vollzugs der Bulle unter V o r behalt (oben S. 342). 7 Oben Nr. 128. 8 Oben S. 322 f. 9 Nämlich das Pastoralschreiben (oben Nr. 132), von dem die K u r i e damit amtliche Kenntnis erlangte. 10 Auch hier findet sich (mit den Worten: „so w e i t wie möglich") der i n dem Kölner Bericht formulierte Vorbehalt (oben Nr. 138).

I. Die Berichte der rheinischen Bischöfe an Papst Gregor X V I .

345

Dir, Heiligster Vater, Bericht, daß diese höchste Wohltat Anerkennung fand, u n d spreche f ü r diese meinen demütigsten Dank aus. Solange mein Leben dauert, w i l l ich, soviel ich kann, die kirchl. Lehre i n dieser Sache bewahren; ich werde nicht aufhören, die göttliche Hilfe zu erflehen, daß ich danach zu handeln vermag. Da i m übrigen der Ausgang dieser Angelegenheit v o r allem von den jeweiligen Umständen, besonders aber von der Sorgfalt u n d Umsicht der geweihten Priester abhängt, scheint es mir, Heiligster Vater, nicht vorteilhaft zu sein, über diese Sache erneut zu verhandeln; denn dies würde n u r neue V e r w i r r u n g stiften und schlimmere Übel als die, die w i r verhindern wollen, hervorrufen. Aber diese Frage stelle ich, Heiligster Vater, ganz Deinem U r t e i l anheim. Ich unterschreibe dies an dem Tag, an dem ich den allerheiligsten Leib des H e r r n als Wegzehrung empfangen habe, da ich von allem Irdischen, w e n n es Gott so gefällt, bald Abschied nehmen werde. Meine Herde vertraue ich, Heiligster Vater, demütigst Deiner Voraussicht u n d Fürsorge an u n d bitte u m den Apostolischen Segen.

N r . 140. Schreiben des Bischofs von Paderborn Friedrich Clemens F r h r . v. Ledebur an Papst Gregor X V I . vom 10. Oktober 1836 (G. F. H. Rheinwald , Acta historico-ecclesiastica, Jg. 1836, S. 352 ff.) — Übersetzung i m Auszug — . . . Da es Fälle gibt, i n denen zweifelhaft sein kann, ob es erlaubt sei, den priesterlichen Segen zu erteilen oder nicht, diese Fälle aber i n gleicher Weise entschieden werden sollten, k a m es darüber zwischen den Bischöfen zu einer Abmachung 1 1 . W i r hielten es für richtig, i n einzelnen Fällen dieser A r t die tatsächlichen Verdienste u n d Umstände, insbesondere aber die religiöse Gesinnung der kath. Frau sowie i h r Bestreben u n d ihre guten Vorsätze zur rechten Erziehung der K i n d e r i n gebührendem Maß zu berücksichtigen. Das Volk hat eine Abneigung gegen die sogenannte passive Assistenz, w e i l diese sich von der Form der Eheschließung vor der Zivilbehörde kaum unterscheidet. Den m i t einem nichtkatholischen M a n n verheirateten Frauen aber nach der Geburt eines Kindes die Aussegnung deshalb zu verweigern, w e i l ihre K i n d e r nicht zur Taufe durch die kath. Kirche gebracht worden sind, kann als Härte und als Widerspruch zu dem Geist der Milde, den das Apostol. Schreiben empfiehlt 1 2 , empfunden werden. . . .

11 M i t den Worten „de his . . . inter Episcopos actum est" gab auch der Bischof von Paderborn ausdrücklich das Bestehen einer das Breve modifizierenden Übereinkunft der Bischöfe zu. Er verschwieg allerdings, daß auch die Regierung an dieser Übereinkunft beteiligt war. 12 Nämlich das Breve v o m 25. März 1830 (oben Nr. 128).

346

12. Kap.: Der Kölner Kirchenkonflikt

N r . 141. Zweites Schreiben des Bischofs von T r i e r Joseph v. H o m m e r an Papst Gregor X V I . v o m 10. November 1836 (. A. ν. Roskovàny , De matrimoniis mixtis, Bd. I I , 1842, S. 267 ff.) — Übersetzung i m Auszug — 13

. . . Das . . . B r e v e wurde nicht veröffentlicht, w e i l er ( = d e r preußische König) zu der Auffassung kam, daß es seinen Ansichten u n d Anordnungen nicht gerecht werde. Nachdem drei Jahre verstrichen waren, rief endlich der mächtigste K ö n i g seinen Minister D. Bunsen aus Rom u n d l u d zugleich den Kölner Erzbischof ein, damit die Frage der gemischten Ehen seinen Vorstellungen gemäß geregelt werde. Jene drei, der K ö n i g selbst, der Erzbischof u n d der Minister Bunsen erledigten die Angelegenheit, ohne daß andere königl. Minister oder Bischöfe zur Beratung hinzugezogen worden wären — u n d zwar so, daß das apostol. Breve eine mildere Auslegung erhielt, als erlaubt gewesen wäre. . . . Nachdem die K o n v e n t i o n 1 4 abgeschlossen war, entsandte der K ö n i g den Erzbischof zusammen m i t seinem Sekretär D. München, K a p i t u l a r k a n o nikus i n Köln, u m bei den anderen Bischöfen — dem von Münster, dem von Paderborn u n d m i r selbst — die Bereitschaft zum Anschluß an jene Konvention zu schaffen. I m Eifer f ü r den Frieden und i n der Überzeugung, daß so größerer Schaden von der kath. Kirche abgewandt werden könne . . . , fand ich mich dazu bereit, dem Beispiel der Bischöfe von Münster und Paderborn zu folgen u n d dem Vereinbarten durch meine Unterschrift zuzustimmen 1 5 , ferner meinem V i k a r i a t nach dem Beispiel dieser Bischöfe die beiliegende I n s t r u k t i o n zu übergeben 1 6 , welche die Norm f ü r die Entscheidung von Fragen hinsichtlich gemischter Ehen darstellen sollte. Jetzt aber, da ich, von einer sehr schmerzlichen K r a n k h e i t ergriffen, i n Lebensgefahr schwebe, erkenne ich, durch die göttliche Gnade erleuchtet, klar, daß aus jenen Handlungen sehr schwere Übel f ü r die kath. Kirche entstehen werden und daß die Kanones und die Grundsätze der kath. Kirche durch sie verletzt sind. Soweit ich i n dieser Sache von höchstem Gewicht geirrt habe, widerrufe ich i n Bußfertigkeit f r e i w i l l i g und aus eigenem Antrieb . . , 1 7 .

I I . D i e Verhandlungen des Gesandten v. Bunsen mit der K u r i e (Januar/Februar 1837) Am 15. Januar 1837 übermittelte der preußische Gesandte in Rom Bunsen der Kurie die bischöflichen Berichte über die Regelung der Mischehenfrage mit einer Begleitnote (Nr. 142), in der er den 1834 erreichten Status quo als 13

v o m 25. März 1830 (oben Nr. 128). vom 19. J u n i 1834 (oben Nr. 130). am 29. J u l i 1834 (oben Nr. 131). 16 v o m 22. Oktober 1834 (oben Nr. 133). 17 Uber die Umstände, die zum Widerruf des Bischofs v. Hommer führten, siehe H. Schrörs (in: Theologie und Glaube, X I V , 1922, S. 257 ff.) u n d J. Heckel (in: Z. d. SavStiftg. f. Rechts-Gesch., Kan. Abt. 17, 1928, S. 559 ff.). 14

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endgültige Regelung bezeichnete. In seiner Antwort vom 3. Februar 1837 (Nr. 143) stützte der Kardinalstaatssekretär Lambruschini sich auf den Widerruf Hommers (oben Nr. 141), in dem er eine Bestätigung der in der Note vom 15. März 1836 (oben Nr. 135) enthaltenen Beschwerden sah. In seiner Note vom 14. Februar 1837 (Nr. 144) bestritt Bunsen diesen Zusammenhang: auch Hommers Widerruf habe erwiesen, daß eine Instruktion des Kölner Erzbischofs an seine Suffraganbischöfe niemals bestanden habe; die fälschlich dem Erzbischof zugeschriebene Instruktion weiche auch von der Instruktion der Bischöfe an ihre Generalvikare in entscheidenden Punkten ab. Die Kurie setzte nach dieser Antwort Bunsens den Notenwechsel nicht fort 1. Doch führte die Entwicklung in der Kölner Erzdiözese bald zum offenen Ausbruch des schwelenden Streits 2. N r . 142. Note des Gesandten v. Bunsen an den Kardinalstaatssekretär Lambruschini v o m 15. Januar 1837 (G. F. H. Rheinwald,

Acta historico-ecclesiastica, Jg. 1837, S. 560 ff.)

— Übersetzung i m Auszug — . . . Der Unterzeichnete k a n n sich nicht vorstellen, daß Se. Heiligkeit i n dem Inhalt und der vollständigen Übereinstimmung dieser Berichte 3 etwas anderes sehen kann als einen G r u n d des Trostes und der Freude. Denn Se. Heiligkeit persönlich k a n n man ohne Übertreibung als zweimaligen Urheber dieses Werks des Friedens und des Gewissens bezeichnen 4 . . . , eines Werks, das nach dem feierlichen Zeugnis der vier Bischöfe bereits so bedeutende Früchte getragen hat. Se. Heiligkeit möge geruhen festzustellen, daß die drei Bischöfe von Münster, T r i e r u n d Paderborn i n vollem Umfang alles bestätigt haben, was der Unterzeichnete i m voraus i n seiner vertraulichen Note v o m 15. A p r i l 5 zu sagen die Ehre hatte, u m m i t Nachdruck Vorwürfe zurückzuweisen, die gegenüber einem verstorbenen Prälaten 6 ebenso ungerecht sind, w i e gegenüber denen, die danach als Betrogene erscheinen mußten. Wenn der (jetzige) Erzbischof v o n K ö l n 7 über diesen historischen Vorgang nicht berichten konnte, so ist es umso bemerkenswerter, daß er es für seine Pflicht gehalten hat, bei dieser Gelegenheit seine vollkommene Zustimmung zum status quo auszudrücken, den er als fest gegeben vorgefunden h a t 8 und i n dem er nichts sieht, was der Aufrechthaltung der Lehre der Kirche entgegensteht. Durch diese Tatsachen u n d Erwägungen bestärkt, hat Se. Majestät den Unterzeichneten ausdrücklich beauftragt, eine ebenso einfache wie genaue 1

Verfassungsgeschichte, Bd. I I , S. 215 ff. Unten S. 352 f. Oben Nr. 137 - 140. 4 Papst Gregor XVI. hatte als K a r d i n a l Cappellari das Breve vom 25. März 1830 (oben Nr. 128) entworfen. 5 Oben Nr. 136. 6 dem Kölner Erzbischof Graf Spiegel. 7 nämlich Clemens August v. Droste-Vischering i n seinem Bericht vom 23. September 1836 (oben Nr. 138). 8 nämlich zu der Übereinkunft v o m 19. J u n i 1834 (oben Nr. 130). 2

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Erklärung abzugeben. Seine Majestät hat aus einem Bericht der Bischöfe über den I n h a l t ihrer Schreiben erfahren, daß diese i n ihren Erklärungen wie i n ihrem Verhalten einmütig sind und daß sie darüber hinaus schwere Konflikte befürchten, die eine allgemeine Erregung i n der (preußischen) Monarchie, i n Deutschland, i n ganz Europa hervorrufen könnten. Deshalb hat Seine Majestät beschlossen, die Bestimmungen Pius V I I . und den status quo, der durch deren Ausführung seitens der Bischöfe entstanden ist, als endgültige Regelung anzusehen. Indem sie v o n ihrer Seite vollständig auf m i l dernde Änderungen verzichtet, die sie m i t der Mehrheit ihrer Untertanen weiterhin f ü r wünschenswert und möglich hält, befiehlt Seine Majestät, indem sie vertrauensvoll entsprechendes Entgegenkommen Seiner Heiligkeit erwartet, dem Unterzeichneten, positiv, förmlich und unwiderruflich zu erklären, daß sie, Gott allein verantwortlich für die Ruhe i n ihrer Monarchie und die Aufrechthaltung der bestehenden Rechtsordnung, niemals einwilligen w i r d , die Angelegenheit der gemischten Ehen zum Gegenstand neuer Erörterungen zwischen ihrer Regierung u n d dem Heiligen Stuhl zu machen . . .

N r . 143. Note des Kardinalstaatssekretärs Lambruschini an den Gesandten v. Bunsen v o m 3. Februar 1837 (Italienischer Text u n d deutsche Ubersetzung: G. F. H. Rheinwald, Acta historico-ecclesiastica, Jg. 1837, S. 564 ff.) — Auszug — I m Beschlüsse zu der Note Ew. Exc. v o m 15. Januar empfing der Cardinal die von dem H e r r n Erzbischof von Cöln, von dem (jetzt verlebten) Bischöfe von Trier, u n d von den Bischöfen von Münster und Paderborn an Se. Heiligkeit gerichteten . . . Schreiben 9 . Der Heil. Vater geruhte dieselben m i t einem der Wichtigkeit der Sache und der schuldigen Rücksicht auf die Absender entsprechenden Interesse entgegen zu nehmen. Gewiss würde die Tröstung, welche sein väterliches Herz daraus geschöpft haben würde, sehr lebhaft gewesen sein, wenn er n u r auf der andern Seite alle Bangigkeit hätte ablegen können, rücksichtlich der Gegenstände, über welche die Regierung Sr. M a j . von Preussen die Erklärungen der gedachten Prälaten aus dem Grunde veranlasst hat, u m die Thatsachen zu beseitigen u n d die Beschwerdegründe zu entfernen, welche i n der von dem unterzeichneten Cardinal auf Befehl seines Souverain an Ew. Exc. am 15. März des vor. J. erlassenen N o t e 1 0 ausgedrückt sind. Da indess Se. Heiligkeit über den Fortbestand jener Gründe n u r zu sehr sich zu beklagen haben, so hat der I n h a l t jenes Schreibens auf sein Herz nicht den von Ew. verheissenen beruhigenden Eindruck hervorbringen k ö n nen. Der Cardinal-Staats-Secretär hat i n der Note vom 15. März unter A n d e r n den gerechten K u m m e r des Heil. Vaters geschildert, indem derselbe auf einem keinem vernünftigen Zweifel Raum gebenden Wege i n Erfahrung gebracht hat, dass man i n den westl. Provinzen der Preuss. Monarchie von der 9 10

Oben Nr. 137 - 140. Oben Nr. 135.

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Existenz einer geheimen Communication Kenntniss habe, welche, so sagt man, von dem Herrn Grafen Spiegel, damals Erzbischof von Cöln, einige Monate v o r seinem Tode hinsichtlich der practischen Ausführung des Breve Pius V I I I . heil. Andenkens v o m 15. März 1830 11 , u n d der darauf bezüglichen, von dem damaligen Staats-Secretär, dem verewigten Cardinal Albani, vollzogenen Instruction v o m 27. M ä r z 1 2 , beide den wichtigen P u n k t der gemischten Ehen betreffend, an die Bischöfe der Rheinprovinz erlassen sein sollte. Der StaatsSecretär gab zugleich zu erkennen, dass die gedachte Communication, da sie den Sinn des Breve von Pius V I I I . u n d der v o m Cardinal A l b a n i vollzogenen Instruction entstelle, i h r Wesen verändere u n d ihre Grundsätze zu nichte mache, von Sr. Heiligkeit als den Principien, Interessen und der Disciplin der Kirche gleich nachtheilig angesehen werde, also dass er sie unmöglich hätte m i t Stillschweigen übergehen können, ohne an den heiligen Pflichten seines apostol. Amtes einen V e r r a t h zu begehen. Z u m Beweise nun von dem w i r k lichen Dasein der dem vormaligen Erzbischof von Cöln zugeschriebenen Communication oder Instruction, zum Beweis von dem grossen Schaden, welcher der kath. Kirche hieraus zu erwachsen droht, haben Se. Heiligkeit ein Document i n Händen, welches, aus derselben Quelle fliessend, auch alle jene Criterien der Wahrheit u n d alle die Prärogative jener hohen Wichtigkeit i n sich vereinigt, welche Ew. i n I h r e r Note vom 15. Januar entwickelt haben. Es w e r den darin Sr. Maj. der K ö n i g von Preussen bei der Gediegenheit Ihrer P r i n cipien, der Redlichkeit I h r e r Gesinnungen, der Geradheit Ihres erhabenen Sinnes demselben die Gnade I h r e r Königlichen Beachtung nicht ganz versagen können. Das Document, auf welches man sich beruft, ist das Schreiben des kürzlich verstorbenen Bischofs von Trier 1 3 , welches der unterzeichnete Cardinal-Staats-Secretär E. E. i n Abschrift beizulegen sich beehrt u n d dessen Urschrift i n den Händen des Papstes ist. Ew. werden bei der Ihnen eigenen Einsicht dasselbe n u r anzusehen brauchen, u m die Unläugbarkeit der T h a t sache einer M i t t h e i l u n g des vormaligen Erzbischofs von Cöln an die Rheinischen Bischöfe und einer damit verbundenen Instruction an die betreffenden (General-)Vicariate, i n Bezug auf die practische Ausführung des Breve von Pius V I I I . und der v o m Cardinal A l b a n i vollzogenen Instruction, daraus zu entnehmen. Es genügt ferner der blos äusserliche Vergleich der dem Schreiben des verstorbenen Bischofs v. Hommer beigelegten A r t i k e l m i t jenen, aus welchen die Instruction bestand, die v o r mehreren Monaten i n irgend einem Journal erschien u n d zum T h e i l der Gegenstand der von dem Unterzeichneten an Ew. erlassenen Note v o m 15. März v. J. ausmachte, u m sich gleich auf den ersten Anblick v o n ihrer wesentlichen Ubereinstimmung zu überzeugen, gegen welche einige Verschiedenheit des Ausdrucks und Styls schwerlich etwas beweisen können. Endlich ist die offene Anerkenntniss der so schweren Nachtheile, welche der Disciplin u n d dem Heil der kath. Kirche aus der Weise drohen, das Breve Pius V I I I . auszuführen, welche m i t der, gemäss jener zwischen dem vormaligen Erzbischofe v o n Cöln und den Rheinischen Bischöfen getroffenen Verabredungen, an die General-Vicariate erlassenen Communication angenommen worden, i n dem Schreiben des verstorbenen 11 12 13

Oben Nr. 128. Oben Nr. 129. Oben Nr. 141.

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12. Kap.: Der Kölner Kirchenkonflikt

Bischofs v o n T r i e r so unzweideutig dargelegt, dass der Unterzeichnete sich dies unangenehme Geschäft einer weitläufigen Auseinandersetzung w o h l ersparen kann. Er fügt n u r noch bei, dass, w e n n diese Anerkennung . . . noch eine grössere K r a f t erhalten könnte, eine solche i h r gewiss aus dem Umstand erwachsen würde, dass sie von einem sonst ganz achtungswerthen Bischöfe, der eben i m Begriff stand v o r dem Richterstuhl des ewigen Richters zu erscheinen, nicht blos auf eine Mahnung des Gewissens, sondern i n Folge von Gewissensbissen, ausgesprochen wurde. Nach A l l e m diesen hat der CardinalStaats-Secretär nicht nöthig, Ew. aufzufordern, die Gerechtigkeit der i m Namen Sr. Heiligkeit bereits geschehenen Vorstellung über die Existenz einer, seinen Absichten entgegen stehenden, dem Geiste des Breve Pius V I I I . u n d der damit verbundenen Instruction des Cardinais A l b a n i fremden, die G r u n d sätze, Gesetze u n d das W o h l der kath. Kirche beeinträchtigenden Communication oder Instruction, anzuerkennen. Er k o m m t jedoch den Befehlen Sr. Heiligkeit nach und ersucht Ew. das beigeschlossene Aktenstück Sr. Maj. dem Könige zu Allerhöchster Kenntnissnahme vorzulegen. Beseelt von einem unbegrenzten Vertrauen auf die Lauterkeit des Sinnes u n d die unpartheiische Gerechtigkeit, welche dem erhabenen Monarchen eignen, zweifeln Sr. Heiligkeit keinen Augenblick, dass, w e n n der K ö n i g auf den Grund der Berichte der Bischöfe, durch das Organ Ew. Exc., förmlich erklären liess, er halte die Verordnungen des Breve Pius V I I I . i n dem Sinne der demselben Seitens der Bischöfe selbst gegebenen Ausführung, f ü r entscheidend, E r Sich bei der blossen Nachricht von dem obengedachten Aktenstück entschieden überzeugen müsste, dass Se. Heiligkeit aus ganz gleicher Ursache . . . sich ausser Stande sähen, dem Begehren einer ähnlichen Erklärung zu willfahren, u n d dass Sie, — i n dem Falle, den Bischöfen der westlichen Provinzen der Preuß. Monarchie Ihre Ansichten zu eröffnen — nothwendig die Weise misbilligen müssten, i n welcher dieselben die Bestimmungen des oft erwähnten Breve auszuführen gemeint haben, indem Se. Heiligkeit sie als verderblich ansehen f ü r die Grundsätze, Disciplin u n d das H e i l der kath. Kirche.

N r . 144. Note des Gesandten v. Bunsen an den Kardinalstaatssekretär Lambruschini v o m 14. Februar 1837 (G. F. H. Rheinwald,

Acta historico-ecclesiastica, Jg. 1837, S. 568 ff.)

— Übersetzung i m Auszug — . . . Die fraglichen Dokumente 1 * sind weit davon entfernt, die Haltung, die zunächst die Note v o m 15. A p r i l leSö 1 5 und dann die v o m 15. Januar lSS?^ i n dieser Angelegenheit eingenommen haben, i n irgendeinem Punkt zu ändern; sie bestätigen vielmehr i n bemerkenswerter Weise alles, was über den Charakter der Informationen gesagt wurde, die die Note Sr. Eminenz v o m 14 der Widerruf des Bischofs v. Hommer (oben Nr. 141) und die Note L a m bruschinis v o m 3. Februar 1837 (oben Nr. 143). 15 Oben Nr. 136. 16 Oben Nr. 142.

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15. März 1836 17 mitgeteilt hat . . . So w i r d es f ü r den Unterzeichneten leicht sein zu beweisen, daß Seine verehrungswürdigste Em. dadurch, daß Sie i h m den Brief des Bischofs von T r i e r m i t dem beigefügten Dokument zukommen ließ, einen neuen Beweis f ü r die volle Wahrheit ihrer Behauptungen i n die Hände der Regierung gelegt hat: einen i n seinem Gewicht umso höher einzuschätzenden Beweis, als er i n dem geheimen Schreiben eines Bischofs enthalten ist, der darin sein Bedauern über die A r t der Ausführung der päpstlichen Verfügungen ausgesprochen hat . . . Dieses geheime Schreiben enthüllt indessen kein Geheimnis, u n d zwar deshalb, w e i l es keines gibt, das der Vertreter Sr. Maj. v o n Preußen nicht bereits einem befreundeten H o f 1 8 mitgeteilt hätte, dem zusammen m i t der Regierung an der Aufrechthaltung der Ruhe und des Wohlbefindens der kath. Kirche i n Preußen gelegen ist . . . M i t Gewißheit w i r d die Regierung niemals die Instruktionen, welche die kath. Bischöfe der Monarchie an ihre Vikariate richten, entwerfen oder zurechtmachen. Deshalb konnte die Note v o m 15. A p r i l auch niemals das Ziel haben, i n irgendeine Erörterung über den I n h a l t dieser Instruktionen einzutreten, wohingegen sie deren Existenz aus eigenem A n t r i e b m i t voller Deutlichkeit anzeigte 1 8 a . Sie mußte indessen, obwohl sie die ganze Frage den Bischöfen überließ, Se. Em. darauf aufmerksam machen, daß der letzte A r t i k e l der angeblichen I n s t r u k t i o n des Erzbischofs m i t Sicherheit eine empörende Fälschung ist. Eben dieser A r t i k e l hatte mehr als alle andere Se. Heiligkeit tief beunruhigt. Er lautet: „Das Schreiben des erhabensten Kardinals Albani, welches das Breve Pius V I I I . v o m Jahr 1830 begleitet, darf den Pfarrern auf keinen Fall bekannt gemacht werden; es ist deshalb zurückbehalten u n d für nichtig erklärt worden." M a n sucht diesen A r t i k e l vergeblich i n dem Dokument, das dem geheimen Schreiben des Bischofs von T r i e r beigefügt ist; dieses ist deshalb auch i n diesem wichtigen P u n k t ein kostbares Zeugnis zugunsten der Note vom 15. A p r i l geworden . . . l ö . Dieser Bischof gibt zudem vorher selbst zu, daß er 1834 aus freien Stücken der Regelung der anderen Bischöfe zugestimmt hat — einer Regelung, die er dann ebenfalls aus freien Stücken während der zwei Jahre, die er noch lebte, ausgeführt hat. A m feierlichsten Tag seines Lebens, angesichts des Todes und diesen näher wähnend, als er war, zögerte er nicht, diese Wahrheit einzugestehen u n d davon dem souveränen Pontifex freie u n d ausdrückliche Rechenschaft abzulegen 2 0 . Eben dieser Prälat hat dann am V o r abend seines Todes, sechs Wochen nach dem D a t u m des offiziellen Schreibens, ein anderes Schreiben unterzeichnet, i n dem er sein Bedauern darüber äußert, daß er i n der Auslegung u n d Ausführung des Breve zu weit gegangen sei. Hierzu ist zu bemerken, daß dies sehr w o h l der F a l l sein kann, ohne daß dafür die I n s t r u k t i o n unbedingt die Ursache w a r : andere Bischöfe haben es weniger großzügig und weitherzig ausgelegt, als es der Verstorbene möglicherweise getan hat. Doch was auch immer die Bedeutung dieses persönlichen Umstandes f ü r den verstorbenen Bischof von T r i e r gewesen sein mag, i n dem 17

Oben Nr. 135. nämlich der Kurie. Dazu oben S. 341 A n m . 17. 19 I m Folgenden werden einzelne Textunterschiede zwischen der angeblichen struktion der Bischöfe an ihre Generalvikare erörtert. 20 Oben Nr. 139. 18

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12. Kap.: Der Kölner Kirchenkonflikt

erhabenen u n d wohlwollenden Geist Sr. Heiligkeit w i r d es sicherlich mehr als aufgewogen durch eine andere Tatsache, die m i t dem Namen des lebenden Erzbischofs von K ö l n verbunden ist. Dieser Prälat übernahm das A m t des Erzbischofs u n d Metropoliten zu K ö l n i n voller Kenntnis dieser I n s t r u k t i o n u n d der rechtlichen w i e der moralischen Bedeutung, die i h r seit zwei Jahren bei den kirchlichen Gerichten u n d i m öffentlichen Bewußtsein zuerkannt w i r d 2 1 . Er hat also offensichtlich geglaubt — sei es durch sie, sei es trotz ihrer — gewissenhaft seine Pflichten gegenüber Gott u n d dem souveränen Pontifex erfüllen zu können, u n d offensichtlich glaubt er es auch heute noch, nach einem Jahr der praktischen Erfahrung, u n d nachdem er aufgefordert w o r den ist, darüber an Se. Heiligkeit zu berichten . . . 2 2 .

I I I . Erzbischof Clemens August Frhr. v. Droste-Vischering und der K ö l n e r K o n f l i k t Obwohl der Erzbischof v. Droste-Vischering vor seiner Wahl die Verbindlichkeit der Berliner Konvention anerkannt hatte (oben Nr. 134), hatte er in seinem Bericht an die Kurie (oben Nr. 138) weder die Übereinkunft noch seine Anerkennung erwähnt. Dagegen gab der Gesandte v. Bunsen am Schluß seiner Note vom 14. Februar 1837 (oben Nr. 144) der Kurie die Anerkennung der Übereinkunft durch Droste-Vischering bekannt, eine für den Erzbischof kompromittierende, aber auch für die Kurie peinliche Enthüllung. Die Freigabe dieser bisher geheimgehaltenen Tatsache war die wohlberechnete staatliche Erwiderung auf die aggressive Haltung, die der Erzbischof entgegen seiner Zusage eingenommen hatte. Schon seit seinem Amtsantritt wurden Klagen darüber laut, daß in der Kölner Diözese eine Verschärfung der Mischehenpraxis stattgefunden habe. Der Oberpräsident der Rheinprovinz v. Bodelschwingh 1 empfahl dem Kölner Erzbischof daher, durch eine schriftliche Ermahnung des Aachener Stadtdekans Ciaessen, dessen rigoroses Vorgehen in der Mischehenfrage Anlaß zu Beschwerden gegeben hatte, für Klarheit zu sorgen. Droste-Vischerings Schreiben an Ciaessen vom 25. Dezember 1836 (Nr. 145) verschärfte jedoch die Lage, statt sie zu entspannen. Denn der Erzbischof räumte zwar das Bestehen der Übereinkunft vom 19. Juni 1834 ein; doch gab er ihr, unter Hervorhebung, daß sie in „Gemäßheit des Breve " geschlossen sei, eine restriktive Auslegung. Dieser Vorgang bildete den Ausgangspunkt des Kölner Kirchenstreits 2. Doch erlangte der Konflikt erst durch das Zusammentreffen mit der innerkirchlichen Auseinandersetzung um den Hermesianismus seine volle Schärfe. Schon als Bistumsverweser von Münster hatte Droste-Vischering sich gegen Georg Hermes, den Wortführer einer rationalistischen Richtung der katho21

Oben Nr. 134. Dazu die Vorbemerkung zum folgenden Abschnitt. Ernst v. Bodelschwingh (1794 - 1854), Jurist; seit 1817 i m preuß. Staatsdienst; 1831 - 1834 Regierungspräsident i n T r i e r ; 1834 - 1842 Oberpräsident der Rheinprovinz; 1842 - 1844 preuß. Finanzminister; 1844 - 1845 Kabinettsminister; 1845 - 1848 Innenminister; 1851 - 1854 Regierungspräsident i n Arnsberg. 2 Siehe unten S. 357. 22 1

I I I . Erzbischof Frhr. v. Droste-Vischering u n d der Kölner K o n f l i k t

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lischen Theologie, gewandt 3. In der Amtszeit des Erzbischofs Graf Spiegel hatte diese Theologie im Klerus der Kölner Erzdiözese zunächst eine große Anhängerschaft gefunden; nach Hermes' Tod (1831) jedoch ging die dogmenstrenge antirationalistische Richtung zum entschiedenen Angriff gegen die Hermesianer über. Das 1833 durch die Indexkongregation in Rom gegen die Irrtümer des Hermesianismus eingeleitete Verfahren fand mit dem päpstlichen Verdammungsdekret Dum acerbissimas vom 26. September 1835 seinen Abschluß 4. Die Kurie unterließ es, für dieses Dekret um das staatliche Plazet nachzusuchen; deshalb konnte es in Preußen nicht amtlich verkündet werden 4. Gleichwohl wurde es schnell in der Kölner Erzdiözese bekannt. Der Erzbischof berief sich in seinem Kampf gegen den Hermesianismus sogar in aller Form auf das mangels Publikation in Preußen unwirksame Dekret. Da andere Mittel, z. B. die Bücherzensur, nicht ausreichten, versuchte er, seinen Maßnahmen auf dem Weg über die Beichte Nachdruck zu geben. In einem Erlaß vom 12. Januar 1837 (Nr. 146) wies er die Beichtväter in Bonn an, auf entsprechende Fragen zu erklären, daß kein gläubiger Katholik die hermesianischen Schriften lesen und kein Theologe hermesianische Vorlesungen hören dürfe.

N r . 145. Schreiben des Erzbischofs v. Droste-Vischering an den Stadtdekan Ciaessen 5 über die gemischten Ehen v o m 25. Dezember 1836 (Preußische Staatsschrift, 1838, S. 19 f.) Der Herr Oberpräsident der Rheinprovinz meint, Ew. Hochwürden seyen nicht gehörig bekannt m i t der Sachenlage i n Beziehung auf die gemischten Ehen, u n d hat mich schon zweimal ersucht, Sie davon i n Kenntniß zu setzen. Die Lage n u n ist folgende: Das Breve Sr. Heiligkeit Pius V I I I . v o m 25. März 1830 ist Ihnen bekannt 8 . I n Gemäßheit dieses Breves und zur Erleichterung der Ausführung desselben ist dann eine Übereinkunft unter einer Seits meinem sei. H e r r n Vorfahren, dem Grafen Spiegel u n d andererseits dem Allergnädigst angeordneten M i n i ster-Residenten, Hern Bunsen, abgeschlossen, welche Übereinkunft von Sr. Maj. dem Könige Allergnädigst bestätigt worden ist 7 . I n dieser Übereinkunft w i r d auch bestimmt, daß eine I n s t r u k t i o n an die General-Vicariate erlassen werden solle, welches auch damals geschehen ist 8 . 3 Georg Hermes (1775 - 1831), kath. Theologe; seit 1807 Professor der Dogm a t i k i n Münster, seit 1820 i n Bonn, seit 1825 zugleich Domkapitular i n K ö l n ; er entwickelte die v o m kritischen Idealismus Kants bestimmte Theologie des „Hermesianismus". Seine Schriften wurden verworfen u n d indiziert durch das Verdammungsdekret Papst Gregors X V I . „ D u m acerbissimas" v o m 26. September 1835 (Text: Archiv f. Kath. Kirchenrecht, 1859, S. 654 ff.). 4 Dazu § 118 I I 11 A L R (oben Nr. 1). 5 Matthias Ciaessen (1784 - 1839), Dompropst u n d Stadtdekan i n Aachen, einer der eifrigsten Vorkämpfer der ultramontanen Bewegung i m Rheinland. 6 Oben Nr. 128. 7 Oben Nr. 130. 8 Oben Nr. 133.

23 Huber, Staat und Kirche, 1. Bd.

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12. Kap. : Der Kölner Kirchenkonflikt

I n dieser I n s t r u k t i o n heißt es unter andern: den katholischen Wöchnerinnen i n gemischten Ehen sey die Aussegnung niemals zu verweigern, w e i l die V e r weigerung eine A r t v o n Censur (hier scheint die I n s t r u k t i o n die Verweigerung der Aussegnung als unter jene Censuren gehörend zu nehmen, welche das Oberhaupt der Kirche i n folgenden Worten untersagt hat: t u m sane abstinendum erit a catholica eadem persona censuris i n i l l a m nominatim expressis corripienda ne tumultus aliquis excitetur etc. 9 ) wäre, u n d die Tochter der Kirche n u r noch mehr von i h r entfernen und ihren Einwirkungen entziehen würde. Was n u n diese Aussegnung betrifft: so kann, w i e Sie sehen, i n den gegenwärtigen Umständen die Aussegnung zwar nicht aus dem Grunde verweigert werden, w e i l die K a t h o l i k i n einen Protestanten geheirathet hat, noch w e i l sie die K i n d e r der Gefahr des Abfalls v o m Glauben aussetzt (wie der Papst sagt: non modo canonicas violat sanctiones, sed directe etiam gravissimeque i n naturalem ac d i v i n a m legem peccat 1 0 ). Aber i n jenen Fällen, wo die Aussegnung der Wöchnerinnen auch dann verweigert werden würde, wenn beide Eheleute katholisch wären, k a n n u n d muß sie auch bei gemischten Ehen verweigert werden. So z. B. muß die Aussegnung, wofern sie v o r der Taufe des Kindes begehrt wird, bis nach geschehener Taufe verweigert oder aufgeschoben werden. Ferner, wofern die Wöchnerin durch i h r v ö l l i g unkatholisches u n d öffentlich ärgerliches, gegen die kath. Kirche Trotz bekennendes Benehmen es dahin bringt, daß die Aussegnung einer solchen Person den K a t h o l i k e n u n d selbst den vernünftigen Protestanten zum Skandal gereichen, theils auch Spott v e r anlassen würde. Dann ist schon der F a l l eingetreten u n d dürfte noch öfter eintreten, daß die kath. Braut sich weigert, vielleicht durch ihren protest. Bräutigam, oder durch den Prediger zu dieser Weigerung bewogen, sich ihrem Pfarrer zum v o r schriftsmäßigen B r a u t - E x a m e n zu stellen, oder der protestantische Bräutigam fordert, dabei gegenwärtig zu seyn. Der Herr Ober-Präsident hat sogar schon von m i r verlangt, entweder das Braut-Examen ganz nachzulassen, oder es i n Gegenwart des protest. Bräutigams abhalten zu lassen, u n d n u n zuletzt hat Hochderselbe den Wunsch ausgesprochen, ich möchte die Pfarrer authorisiren, den Losschein 1 1 auch dann zu ertheilen, wenn die K a t h o l i k i n sich dem B r a u t Examen nicht stellt. So gern ich n u n dem H e r r n Ober-Präsidenten gefällig seyn wollte, so habe ich doch weder das Braut-Examen ganz nachlassen, noch die Gegenwart des protestantischen Bräutigams zugestehen können. Das letzte würde, wie jeder leicht einsehen w i r d , nur zu Zwistigkeiten u n d neuen Beschwerden führen, u n d durch gänzliche Nachlassung des Braut-Examens w ü r d e ich zugleich sowohl w i d e r die sehr bestimmte Verfügung des heiligen Vaters fehlen, als auch m i t der schon erwähnten I n s t r u k t i o n i n Widerspruch gerathen, indem daselbst folgende Worte stehen: 9 „so w i r d man freilich davon abstehen müssen, die Katholiken durch namentlich gegen sie gerichtete Censuren zu bestrafen, damit nicht Unruhe erregt werde". 10 der Betreffende „ w ü r d e nicht allein die kanonischen Satzungen verletzen, sondern auch geradezu u n d sehr schwer gegen das natürliche w i e das göttliche Gesetz sündigen". 11 Über den Begriff des „Losscheins" ( = Ledigscheins) unten S. 460 A n m . 7.

I I I . Erzbischof Frhr. v. Droste-Vischering u n d der Kölner K o n f l i k t

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„ V o r A l l e m müssen sie (die Pfarrgeistlichen) sich liebevolle Belehrung u n d gründlichen Religionsunterricht i m Allgemeinen sowohl als i m Besondern ernstlich angelegen seyn lassen. Dadurch muß auf die religiöse Gesinnung des kath. Theiles eingewirkt werden, so daß er geneigt und gestimmt w i r d , nicht nur seinem Glauben treu zu bleiben, sondern auch aus u n d nach diesem Glauben seine Pflichten i n Betreff der Kinder-Erziehung unter dem Beistande der göttlichen Gnade nach K r ä f t e n zu erfüllen." Was n u n die Authorisirung, den Losschein auch dann zu ertheilen, w e n n die K a t h o l i k i n sich dem Braut-Examen nicht stellt, betrifft, so versteht sich von selbst, daß ich dazu mich nicht i m Stande finde, unter andern schon deshalb nicht, w e i l gewiß sehr oft eben das Braut-Examen das M i t t e l ist, das zu ergründen, was i n dem Losschein bescheinigt werden soll. Es ist n u n auch schon zweimal der F a l l gewesen, daß ein Prediger die B r a u t leute getraut hat, ohne daß die K a t h o l i k i n einen Losschein erhalten hatte, u n d dieser F a l l könnte w o h l noch mehr eintreten. I n den Fällen nun, wo entweder die K a t h o l i k i n sich dem Braut-Examen überhaupt nicht stellt, oder nicht anders als i m Beiseyn ihres protest. B r ä u t i gams stellen w i l l , und da solches nicht gestattet werden kann, sich deshalb nicht stellt — u n d wo dann der Losschein Seitens des kath. Pfarrers nicht ertheilt werden darf — u n d wo der Prediger die Brautleute traut, ohne daß i h m ein Seitens des kath. Pfarrers ertheilter Losschein vorgezeigt ist, muß die Aussegnung verweigert werden, u n d zwar nicht, w e i l hier von gemischten Ehen die Rede ist, sondern w e i l i n ähnlichen Fällen die Aussegnung auch dann würde verweigert werden, w e n n beide Leute katholisch wären. Ich bemerke noch, daß i n jenen Fällen, wo eine gemischte Ehe nicht nach dem gewöhnlichen kath. Ritus i n der Kirche hat eingesegnet werden dürfen, die Aussegnung aber dennoch aus Liebe zum Frieden nicht verweigert w e r den kann, nothwendig dafür gesorgt werden müsse, daß dieser Aussegnung der Schein einer Approbation des, Seitens der K a t h o l i k i n , geschehenen u n erlaubten Schrittes, welchen Schein sie offenbar hat, möglichst genommen u n d überhaupt dem Ärgernisse möglichst gesteuert werde, deshalb u n d u m insbesondere der i n dem bewußten Breve, i n dessen Gemäßheit die m e h r erwähnte Ubereinkunft getroffen ist, enthaltenen Verfügung: Sed alia ex parte abstinere etiam catholicus Pastor debebit non solum a nuptiis, quae deinde fiant, sacro quocunque r i t u honestandis, sed etiam a quovis actu quo approbare illas v i d e a t u r . . . Sed caverent semper ab illicitis hujusmodi matrimoniis ullo suo actu approbandis, multoque magis a sacris precibus, et ab ecclesiastico quovis r i t u eisdem admiscendo 1 2 , zu genügen, muß der Pfarrer, oder sein Stellvertreter, welcher die Aussegnung verrichtet, i n actu u n d unmittelbar vor dem Beginnen der zur Aussegnung vorgeschriebenen Gebete, der kath. Frau laut u n d k l a r erklären, daß die vorzunehmende Aussegnung durchaus nicht die Bedeutung haben solle, als wolle die Kirche die v o n i h r eingegangene Ehe gutheißen, sondern es seyen n u r Gebete, welche die Kirche f ü r das H e i l ihrer Seele verrichtet. Ew. Hochwürden werden, denke ich, nach dem hier Gesagten m i t der Lage des vorliegenden Gegenstandes hinlänglich bekannt seyn. 12 „Anderseits aber soll der kath. Pfarrer sich nicht allein enthalten, die hierauf zustande kommende Heirat m i t irgend einem heil. Ritus zu beehren,

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12. Kap.: Der Kölner Kirchenkonflikt N r . 146. „Beichtväter-Erlaß" des Erzbischofs von K ö l n an die Geistlichen von Bonn v o m 12. Januar 1837 (G. F. H. Rheinwald,

Acta historico-ecclesiastica, Jg. 1837, S. 442)

Da ich vernommen, dass einige Beichtväter i n Bonn über die A n t w o r t , die sie zu geben haben, w e n n sie i m Beichtstuhl oder sonst gefragt werden, ob man die Schriften des sei. Professors Hermes lesen dürfe, u n d ob die Theologen jenen Vorlesungen beiwohnen dürfen, i n welchen die i n jenen Schriften enthaltenen Behauptungen vorgetragen werden, i n Zweifel sind: so beauftrage ich Ew. Hochwürden, allen Beichtvätern daselbst, auf die Weise, die Ihnen den Umständen gemäss u n d am passendsten scheint, i n meinem Namen bekannt zu machen: 1. dass keiner die Schriften des sei. Prof. Hermes, auch nicht die nach seinem Tode gedruckten, noch jene, welche zur Vertheidigung jener Schriften herausgekommen sind, noch geschriebene Hefte, welche jenen Schriften gemäss gefertigt sind, lesen dürfe; 2. dass kein Theolog Vorlesungen, deren Inhalt den obengenannten Schriften gemäss ist, beiwohnen dürfe; 3. was die bewußte päpstl. Verfügung wider die Schriften des Hermes bet r i f f t , so wollen Sie jenen, welche darüber i n Zweifel sind, oder gar nach hermesischer Weise den geraden Weg verlassend, ihren Ungehorsam durch die Einrede zu bemänteln suchen, daß jene päpstl. Verfügung nicht publicirt sei, m i t h i n nicht verbinde, zu bedenken geben: a) dass die Publikation doch w o h l keinen andern Zweck habe, als dass die Verfügung bekannt werde. Anders wäre es jedoch, wenn der Gesetzgeber die Publikation als conditio sine qua non der Verbindlichkeit vorschriebe, wie dieses der F a l l bei dem Gesetze des Kirchenrathes von Trident: „contra matrimonia clandestina" w a r 1 3 , b) dass aber den Hermesianern jene päpstl. Verfügung hinlänglich bekannt ist, zeigen ihre Schriften; oder m a n müsste einen Unterschied annehmen: unter bekannt sein, u m das Oberhaupt der Kirche zu verhöhnen, und unter bekannt sein, u m i n Demuth zu gehorchen, c) dass, wofern jene Entschuldigung w i r k l i c h entschuldigend wäre, die w e l t liche Macht es durchaus i n ihrer Macht hätte, die Wirksamkeit des vom Heilande angeordneten centri u n i t a t i s 1 4 v ö l l i g zu hemmen, was freilich den Hermesianern, wie allen Sektirern, die sich n u r vermittelst der weltlichen Gewalt, welche niemals i n Beziehung auf Gegenstände vorliegender A r t Richter sein kann, m i t h i n sobald sie T h e i l n i m m t , Parthei ist, halten können, nicht unlieb sein dürfte. sondern auch jeden A k t vermeiden, wodurch er sie zu billigen den Anschein gäbe . . . Sie (die Pfarrer) hüteten sich stets, dergleichen unerlaubte Ehen ihrerseits durch irgendeine Handlung gutzuheißen oder gar heilige Gebete oder sonst einen kirchlichen Ritus dabei einzumischen" (oben S. 319 f.). 13 Gemeint ist das tridentinische Dekret Tametsi (oben S. 320 Anm. 13). 14 Die päpstliche Gewalt als „ M i t t e l p u n k t der Einheit" ist ein immer wiederkehrender Topos der papalistischen Lehre.

I V . Das Eingreifen der Regierung i n den Kölner K o n f l i k t

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I V . Das Eingreifen der Regierung i n den K ö l n e r K o n f l i k t Das Vorgehen Droste-Vischerings in der Streitfrage der Gemischten Ehen wie sein Einschreiten gegen die hermesianischen Theologen der Universität Bonn war mit den staatlichen Pflichten des Erzbischofs unvereinbar. Daher sprach der Kultusminister v. Altenstein dem Erzbischof eine scharfe Rüge aus (Nr. 147). Droste-Vischering erwiderte, in beiden Fällen genüge er nur seinen kirchlichen Pflichten; in die Angelegenheiten des Staates greife er nicht ein (Nr. 148). Auf Droste-Vischerings Stellungnahme zur MischehenFrage ging Altenstein darauf nochmals in der Form eines Erlasses ein (Nr. 149). Die Auslegung, die der Erzbischof dem päpstlichen Breve von 1830 gegeben hatte, wies der Minister entschieden zurück. N r . 147. Schreiben des Kultusministers v. Altenstein an den Erzbischof von K ö l n v o m 12. Februar 1837 (G. F. H. Rheinwald,

Acta historico-ecclesiastica, Jg. 1837, S. 456 ff.)

Ew. Erzbischöfl. Hochwürden habe ich, w i e ich m i r schmeichle, bestätigt, welches Vertrauen ich i n I h r e n W i l l e n setze, das Beste der kath. Kirche zu befördern. Ich habe Ihnen dabei nicht verhehlt, welche Schwierigkeiten dieses i n Berücksichtigung besonderer Verhältnisse habe und wie sehr es daher bei Allem, was das Beste der Kirche erfordere, ebensowohl auf Richtigkeit des Ganges, als auf die Richtigkeit des Grundsatzes selbst ankomme. M i t gröster Offenheit habe ich Ew. meine Überzeugung ausgesprochen, dass hiervon lediglich eine f ü r den Staat hochwichtige, allein f ü r die Kirche nicht minder erhebliche Entscheidung abhänge, ob der Staat i m Stande sei, den Zweck der Kirche einträchtig u n d friedlich zu fördern, oder ob er sich genöthigt sehe, darauf zu verzichten, sie unter strenger Aufsicht zu halten u n d zu bekämpfen, nicht blos, wo sich i h m solche offenbar entgegensetze, sondern auch da, wo dieses n u r dereinst daraus hervorgehen dürfte. Es schmerzt mich, dass eine so kurze Erfahrung über Ew. V e r w a l t u n g mich schon i n die Gefahr gebracht hat, mich auf den letztern Standpunkt zurück zu ziehen; einen Standpunkt, von dessen Verderblichkeit Ew. selbst bei unsern Unterredungen überzeugt schienen. Ich habe das feste Vertrauen, dass dieser Zustand von Ihnen, ohne es zu beabsichtigen, herbeigeführt ist, da m i r I h r W o r t : dass Sie das friedliche Verhältniss nicht stören werden, nicht n u r dafür bürgt, dass es nicht i n I h r e r Absicht liege, sondern ich auch, soweit ich die Ehre habe Sie zu kennen, überzeugt bin, dass es gar nicht i n I h r e m Wesen liegt. U m so mehr halte ich mich verpflichtet, mich gegen Ew. m i t gröster Offenheit vertraulich über das zu äussern, was nach meiner Überzeugung die Veranlassung zu einer so schmerzlichen Erscheinung ist, u n d was sich so leicht i n anderer A r t gestalten lässt, aber auch diese Gestaltung erhalten muss, wenn nicht ein Übel herbeigeführt werden soll, v o n dessen Umfang f ü r die Kirche Sie gewiss, bei I h r e m m i t dem redlichsten W i l l e n befolgten Gang, keine A h n u n g haben. Ich w i l l vorerst annehmen, dass Ew. i m Materiellen aller der Punkte, welche die Sache i n obigen Zustand gebracht hat, vollkommen Recht hätten, was ich

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12. Kap.: Der Kölner K i r c h e n k o n f l i k t

w i r k l i c h nicht einmal v o m Standpunkte der kath. Kirche i n dieser Allgemeinheit zugeben kann, noch weniger v o m Standpunkte der Regierung aus, so b i n ich doch überzeugt, dass die A r t der Auffassung u n d Behandlung durchaus n u r einen K a m p f gegen solche hervorruft, u n d somit alles sogleich dahin bringt, wo alle K r ä f t e nicht mehr auf die Sache, sondern blos auf diesen K a m p f gerichtet werden. Soll die Sache selbst gefördert werden, so muss solche nicht durch äussere Autorität, sondern durch inneres Gewicht unterstützt werden, u n d das Bemühen aller derjenigen, welche darüber verhandeln sollen, muss darauf gerichtet sein, die Überzeugung von der Nothwendigkeit u n d Heilsamkeit f ü r den einen T h e i l u n d der Unschädlichkeit f ü r den andern Theil, wenigstens bei gehöriger Gestaltung, ja dass sogar auch dessen eignes Interesse die Förderung erfordere, zu begründen. Es ist zu diesem unerlässlich, alles, was dazu dienen kann, i n A n w e n d u n g zu bringen. Wenn ich n u n den Gang aller m i r vorliegenden, streitig gewordenen Sachen erwäge, so vermisse ich, dass Ew. m i t dem ersten Organ der Regierung zum Schutze der kath. Kirche, so w i e zur Wahrnehmung der Landesherrl. Rechte, dem H e r r n Oberpräsidenten, einem gegen Sie persönlich freundlich gesinnten, es m i t dem Wohle einer Kirche nicht leicht nehmenden Manne, keineswegs i n ein solches Verhältniss durch persönlichen Zusammentritt u n d vorläufige Verständigung getreten sind, so sehr Sie auch überzeugt sein mussten, dass er I h n e n m i t grösster Bereitwilligkeit entgegen kommen werde, u n d ich bedauere, dass Sie m i t m i r nicht vor der Abgabe der Erklärungen oder definitiven E i n schreitung communicirt haben, u m meine Vermittelung i n Anspruch zu nehmen. Es scheint m i r der von Ew. dagegen gewählte Gang, kurz u n d bestimmt, die A u t o r i t ä t der Verfügungen der kath. Kirche, als allein gültige Norm, aufzustellen, über deren A n w e n d u n g keine weitere Rede sein kann, als n o t wendige Folge, das Entgegenstellen der Bestimmungen der Staatsgesetze u n d das Verlangen unbedingter Unterordnung der Kirche hervorgerufen zu haben. D a m i t hat die Sache den P u n k t erreicht, auf dem alle diese Sachen jetzt stehen, A u t o r i t ä t gegen Autorität, u n d Gewalt gegen Gewalt. Meine Offenheit nöthigt mich aber, noch weiter zu gehen u n d mich auch über die Begründung I h r e r Ansichten und Ihres Ganges blos i m Standpunkte I h r e r Kirche zu äussern. Ew. nehmen, was Sie über einen Gegenstand von kirchl. Bestimmungen vorfinden, ganz buchstäblich; sollten Sie dieses, selbst aus dem Standpunkte der kath. Kirche, rechtfertigen können? Sollte w i r k l i c h die Absicht des heil. Vaters sein, die Vorschriften des Concils zu T r i e n t 1 jetzt unbedingt i n allen Punkten streng i n eine A n w e n d u n g zu bringen, die sie nie, vielleicht zu keiner Zeit, wenigstens nicht i n Deutschland, erhalten haben? Sollte w i r k l i c h dessen Absicht sein, eine Verfolgung gegen Hermes, seine Schriften u n d seine Schule zu veranlassen, u n d dazu sogar den Beichtstuhl zu benutzen 2 , und zwar so, dass den Schülern die Auflehnung gegen die Lehrer zur Pflicht gemacht w i r d , u n d somit jede Ordnung u n d Unterordnung aufgelöst wird? Ich k a n n mich nach dem, was m i r über die Behandlung dieser Sache selbst zu Rom bekannt ist, nicht davon überzeugen, dass dieses der W i l l e des Papstes sei. Der röm. Hof dürfte jetzt schon fühlen, dass er sich, w e n n auch nicht i n 1 2

Oben S. 320 A n m . 13. Oben Nr. 146.

I V . Das Eingreifen der Regierung i n den K ö l n e r K o n f l i k t

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der Sache, ungeachtet auch hierüber vielleicht schon Bedenken entstehen, doch wenigstens i n dem Gang der Sache vergriffen u n d es unterlassen hat, sich der M i t w i r k u n g der Regierung zu versichern oder sie wenigstens möglich zu machen. Es wünscht der röm. Hof sicher nicht, die Regierung zu nöthigen, hier ihren Schutz gegen Verfolgung, gegen eine Veranlassung zur A u f lehnung gegen die Ordnung u n d Unterordnung eintreten zu lassen. Ich bitte Ew. w o h l zu prüfen, was der heil. Vater v o n der Klugheit der Bischöfe, ihrer Kenntniss der Zeit u n d der Verhältnisse erwarten k a n n u n d sicher erwartete, u n d m i r zu vertrauen, dass ich das, was ich äussere, nicht blos nach allgemeinen Betrachtungen der Geschichte der kath. Kirche u n d der Einsicht über das, was ihren Erfolg sichert u n d dagegen den empfindlichsten Nachtheil f ü r solchen haben kann, schöpfe, sondern dass hier specielle Wahrnehmungen u n d Nachrichten diesen meinen vertraulichen Äusserungen zum Grunde liegen. Erlauben Sie m i r über diesen H a u p t p u n k t Ihres Einschreitens noch einige Bemerkungen. Es k a n n der Kirche unmöglich zum Heile dienen, w e n n Ew. der Wirksamkeit Ihres verewigten Amts-Vorgängers auf solche A r t factisch nicht blos entgegen treten, sondern über solche ein Verdammungs-Urtheil aussprechen. Das Schlimmste, was i n dieser Sache f ü r den Zweck, die Hermesische Lehre zu beseitigen, geschehen konnte, war, die Regierung zu nöthigen, gegen Schritte einzuschreiten, welche den Grundgesetzen des Staats entgegen sind, gegen Verfolgungen wegen des Glaubens. Ob der röm. Hof gewinnt, sich gegen die Hermesische Lehre auszusprechen, ob nicht eine der kath. Kirche noch w e i t gefährlichere Lehre, die sich gegen Erstere jetzt geltend macht, ohne auch einen Anführer u n d eigentlichen Wortführer zu haben, dadurch befördert w i r d , u n d w i e überhaupt i m Umschwung ernster wissenschaftlicher Förderungen das H e i l der kath. Kirche zu wahren ist, stelle ich ganz anheim; aber sicher k a n n es solchen nicht förderlich sein, die Regierungen zu nöthigen, w e n n auch nicht die Hermesische Lehre, doch die, welche leichth i n f ü r Anhänger derselben ausgegeben werden, gegen Verfolgung zu schützen und eine Auflösung der Zucht u n d Ordnung zu verhüten, welche stets von den gefährlichsten Folgen ist, mag auch der Zweck sein, welcher er wolle. A u f diesen P u n k t ist die Sache gebracht. So w i e alle Regierungs-Behörden u n d auch ich der Vorliebe des verewigten Erzbischofs f ü r die Hermesische Lehre, die er m i t echt frommen, einsichtsvollen Prälaten theilte, möglichst nachgegeben habe, so w ü r d e n diese Behörden u n d auch ich Ew. Abneigung gegen solche gleichfalls i n einer n u r irgend zulässigen Form u n d angemessenem Gang nachgegeben haben, u n d gewiss würde dadurch Ihre Absicht sichrer erreicht worden sein, als es jetzt der F a l l sein kann. Z u keiner Zeit hat i n kirchlichen Angelegenheiten dieser A r t ein gewaltsames Eingreifen dem Zweck entsprochen u n d i m Gegentheil beinahe jederzeit grössere, w e n n auch erst später zum Ausbruch gekommene Übel f ü r die Kirche hervorgerufen; i n unserer Zeit aber ist ein solches Einschreiten f ü r die Kirche doppelt bedenklich u n d dem Staate so verderblich, dass solcher zu der grössten Wachsamkeit verpflichtet ist. I r r e ich nicht sehr, so entspringt der jetzige Stand der Dinge, der mich zu so schmerzlichen Einschreitungen nöthigt, bei der besten Gesinnung, m i t der Ew. f ü r die Kirche nicht nur, sondern auch f ü r den Staat erfüllt sind, aus Mangel an Hülfe durch gewiegte, erfahrne u n d gewandte Geschäftsmänner.

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12. Kap.: Der Kölner Kirchenkonflikt

Alles liegt auf Ihnen allein, n i m m t I h r Gefühl i n Anspruch, lässt Ihnen keine Zeit, einzuleiten, vorzubereiten u n d beharrlich i n dem Grundsatze, die Bedingungen des Gelingens durch eine mildere Form m i t der Kunst herbeizuführen, die i n der kath. Kirche von jeher so ausgezeichneten Erfolg hatte. Ich bitte Ew., diese meine offene Äusserung freundlich, w i e sie erfolgt, i n ernstliche Erwägung zu nehmen, u n d finden Sie solche nicht ganz ungegründet, versichert zu sein, dass ich, wo ich Ihnen dabei zu Hülfe kommen kann, es f ü r meine heilige Pflicht halten werde, zu thun, was n u r möglich ist. Ich b i n überzeugt, dass Ew. sodann m i t weniger peinlichem Gefühl die Ihnen obliegende, allerdings schwere Last tragen u n d was Sie zum Besten der Kirche i n I h r e m ernsten Sinne für erforderlich halten, friedlich u n d sicherer erreichen werden. N r . 148. Schreiben des Erzbischofs v. Droste-Vischering an den Kultusminister v. Altenstein v o m 1. März 1837 (H. Schrörs, Die Kölner Wirren, 1927, S. 613 ff.) — Auszug — Euer Exz. geehrtes Schreiben v o m 12. v. M. ist m i r , was die freundliche Seite desselben betrifft, ein neuer, m i t dem aufrichtigsten Danke anerkannter Beweis jener geneigten Gesinnung gegen meine Person, von welcher Euer Exz. m i r schon so manchen Beweis gegeben haben. Was n u n zuvörderst meine Friedensliebe betrifft, so k a n n zuverlässig keiner mehr als ich den Frieden lieben. Wenn aber der Herr Oberpräsident nicht einm a l m i t dem zufrieden war, was i n der bewußten Ubereinkunft 3 zugestanden ist, und noch neue Zugeständnisse forderte, u n d ich dann als kath. Kirchenobrigkeit i n dieser kirchl. Angelegenheit erkläre, daß ich Zugeständnisse, welche über die Grenze jener Übereinkunft hinausgehen oder hinausgehen würden, nicht machen dürfe, w e i l ich solches v o r Gott, der unser aller Richter sei, nicht würde verantworten können, so begreife ich nicht, wie m a n m i t G r u n d sagen könne, ich sei der Friedensstörer. Daß noch über die Grenzen jener Übereinkunft hinaus Forderungen w ü r d e n gemacht werden, u n d solche Gelegenheit geben würden, mich als Friedensstörer zu betrachten, konnte ich nicht erwarten. Ew. Exz. ließen mich früher fragen, ob ich festhalten würde an der bewußten Übereinkunft die gemischten Ehen betreffend u n d bezeichneten diese Übereinkunft als in Gemäßheit des Breve von Pius VIII. abgeschlossen 4 . Euer Exz. wollten die Sache i m engsten Vertrauen behandelt wissen. Ich durfte also damals auch nicht einmal m i t meinem Bruder, dem Bischof von Münster 5 , darüber reden. I n dieser Lage konnte ich damals die Übereinkunft selbst nicht einsehen. Es bedurfte aber auch dieser Einsicht für mich nicht; denn die Bezeichnung in Gemäßheit des Breve von Pius V I I I . bürgte m i r dafür, daß ich daran fest3 4 5

Oben Nr. 130. Oben Nr. 134. Oben S. 312 A n m . 4.

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halten müsse, w e i l ich i m Kirchlichen dem Oberhaupte der Kirche Gehorsam schuldig bin. Ich erklärte deshalb, u n d zwar wohlbedacht, eben die Worte gebrauchend, ich würde an der gemäß dem päpstl. Breve getroffenen Ubereink u n f t festhalten. Ich mußte doch w o h l die Uberzeugung haben, daß n u n i n Hinsicht der gemischten Ehen alles abgemacht sei. U n d als m i r nachher, u n d zwar erst hier, die Übereinkunft zu Gesichte kam, u n d ich sähe, i n welchem Maße katholischerseits Zugeständnisse gemacht waren, mußte diese meine Überzeugung die größte Festigkeit gewinnen. Euer Exz. scheinen n u n meine oben erwähnte Erklärung, nicht über die Grenzen dieser Übereinkunft hinausgehen zu können, so bezeichnen zu w o l len, als habe ich dadurch die Sache auf den Kulminationspunkt des Zwiespalts gestellet. Ich habe aber nichts erkläret, als den Standpunkt festhalten zu wollen, auf welchen die bewußte Übereinkunft die Sache gestellet hat. Euer Exz. scheinen auch mein Benehmen m i t Entgegentreten seitens der Kirche gegen den Staat bezeichnen zu wollen. Aber es w a r j a nicht v o n einer Staatsangelegenheit, sondern von einer kirchl. Angelegenheit, von B r a u t examen die Rede. Die Kirche hat ja auch nichts m i t Staatsangelegenheiten zu t u n und w i l l damit nichts zu t u n haben. Wenn der Staat i m Weltlichen etwas verordnet, u n d eine Kirchenobrigkeit wollte den Versuch machen hindernd aufzutreten, so wäre das ein Entgegentreten der Kirche gegen den Staat zu nennen. Wenn aber eine Staatsbehörde i n einer kirchl. Angelegenheit von einer kath. Kirchenobrigkeit ein Zugeständnis wünschet, welches zu gewähren diese f ü r pflichtwidrig erkennet u n d deshalb nicht gewähren darf, so ist die Lage sehr verschieden. I n jenem Falle werden Euer Exz. mich immer als einen treugehorsamen Untertanen Sr. Maj. finden, u n d zwar als einen, welcher nach der Lehre der Kirche nicht aus Furcht v o r Strafe, sondern u m des Gewissens, u m Gottes w i l l e n g(.horchet, welcher seinen Landesherrn als den Stellvertreter Gottes i n weltlichen Dingen verehret. Was nun den Hermesianismus betrifft, so bedurfte und bedarf ich nicht des bewußten Päpstl. Breve, u m dem Hermesianismus abhold zu sein und das zu tun, was ich getan habe, und u m die feste Überzeugung zu haben, es sei f ü r mich strenge Pflicht, demselben möglichst Abstand zu halten und wenigstens die m i r anvertraute Diözese von diesem Unheil möglichst zu befreien . . . Als ich hierhin kam, habe ich anfangs i n der Sache nichts getan, als recht k l a r zu zeigen, daß der Hermesianismus an m i r keinen Protektor habe. U n d nachdem die Theologen, welche bis dahin w o h l nicht ohne Grund fürchteten, nicht recht voran kommen zu können, wenn sie nicht dem Hermesianismus huldigten, sich von meiner Gesinnung überzeugt hatten, verfehlte solches nicht seine gute Wirkung. Ich glaube auch, daß die Herren Professoren, wenn ihnen recht k l a r gewesen wäre, daß der Hermesianismus keine Protektion seitens der Staatsbehörden zu hoffen habe, sich würden still gehalten und gefüget haben, wo m a n dann hätte hoffen können, daß die Sache von selbst zerfallen werde. Daß solches geschehen werde, kann aber selbstredend nicht gehoffet werden, wenn wie bisher der Hermesianismus i n Bonn u n d dann auch noch i m hiesigen Seminar immer von neuem eingepropfet wird. Daß die Herren i n Bonn auf Protektion seitens der Staatsbehörden hofften, zeigte sich schon, als sie das letzte hier gedruckte Heft ihrer Zeitschrift, nicht

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12. Kap.: Der Kölner Kirchenkonflikt

wie bis dahin immer geschehen war, der geistlichen Obrigkeit zur Zensur einschickten. Ich forderte sie, w i e ich i n jedem solchen Falle würde getan haben, auf, sich darüber zu rechtfertigen. Sie beriefen sich auf eine Entscheidung des H e r r n Oberpräsidenten, worauf ich an sie verfügte, f ü r diesesmal ließ ich es dabei bewenden, jedoch i n dem festen Vertrauen, daß sie i n Z u k u n f t alle Schriften, welche Heligionsgegenstände betreffen, m i r zur Zensur einsenden würden, widrigenfalls ich i n die unangenehme Notwendigkeit versetzt werden würde, kirchliche Strafen zu verfügen. Sie antworteten, daß sie nachdrucksam u n d förmlich Verwahrung einlegten, wie gegen jede unrechtmäßige u n d ungesetzliche Strafe überhaupt, so auch gegen die eventuell angedrohten kirchlichen Strafen, u n d sie hätten sich zur Wahrung ihrer persönlichen Freiheit an ein hohes M i n i s t e r i u m gewendet. Hier zeigt sich schon der Geist des Ungehorsams u n d auf eine lächerliche Weise das Streben, als verfolgte Personen den Schutz eines hohen Ministeriums i n Anspruch nehmen zu können. I n diesem Geiste n u n ist i h r ganzes ferneres Benehmen. Ich erließ an den Inspektor Achterfeldt 6 die Verfügung, dafür zu sorgen, daß keiner der Repetenten u n d keiner der K o n v i k t u a l e n sich der gedruckten oder nicht gedruckten Schriften des Professor Hermes, die nach seinem Tode gedruckten m i t eingeschlossen, bediene. Durchaus nichts konnte die Herren abhalten zu gehorchen, als i h r eigensinniges Beharren auf ihrer Weigerung. Gehorsame Priester hätten jene Verfügung befolgt, u n d so wäre alles gut gewesen. Aber die Herren, i n ihrer Auflehnung wider ihre nächste geistliche Obrigkeit verharrend, fuhren fort, den Hermesianismus vorzutragen. Als n u n Theologen mich fragten, ob sie diese Schriften des Hermes lesen und den Vorlesungen, wo der Hermesianismus vorgetragen werde, beiwohnen dürften, antwortete ich bestimmt u n d zwar verneinend. U n d als ich vernahm, daß einige Beichtväter i n Bonn auf solche an sie seitens der Theologen gerichtete Fragen so, andere anders antworteten, u n d ersuchet wurde, dem ein Ende zu machen, instruierte ich die dasigen Beichtväter 7 , u m den sonst unvermeidlichen Gewissensbeunruhigungen zu begegnen, i n eben dem Sinne, wie ich an die Theologen geantwortet hatte. Auch habe ich zum Überfluß — denn es verstand sich von selbst — ausdrücklich bemerket, daß die K o n v i k t u a l e n sonst i n allem, wie es i m K o n v i k t Gebrauch, dem Inspektor gehorchen müßten. Bei Gelegenheit jener I n s t r u k t i o n an die Beichtväter habe ich des bewußten, seitens der Hermesianer i n ihren gedruckten, von der weltlichen Zensur approbierten, Schriften nicht zur Erbauung der K a t h o l i k e n mehr als gut erwähnten, i n vielen Zeitungen abgedruckten, Breves erwähnt. Aber ich denke, dies Dasein eines solchen Breve, und daß diesem Breve von Staatswegen das Exequatur nicht erteilet ist, w i l l m i r doch nicht untersagen, das zu tun, was ich bei meiner Überzeugung von der Flachheit u n d Geistlosigkeit, von der unchristlichen auf Vernunftstolz u n d Skeptizismus gebaueten u n d solches U n h e i l nährenden Tendenz des Hermesianismus, bei mei6 Der Hermesianer Johann Heinrich Achterfeldt (1788 - 1877), seit 1817 Professor i n Braunsberg, seit 1826 i n Bonn, seit 1827 Leiter des dortigen kath.-theol. K o n v i k t s ; er wurde nach der Verständigung zwischen Kirche u n d Staat 1843 von der Regierung seiner Amtspflichten enthoben. 7 Oben Nr. 146.

I V . Das Eingreifen der Regierung i n den Kölner K o n f l i k t

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ner Überzeugung, daß die Hermesianer Irrlehren verbreiten, zu t u n als K i r chenobrigkeit ohne irgend ein mahnendes Breve gebieterisch verpflichtet bin. Da nach unserer Lehre die Unfehlbarkeit dem einzelnen Bischof nicht v e r heißen ist, so kann meine Überzeugung m i t u n t e r unrichtig sein. I n dieser Hinsicht ist das Oberhaupt der Kirche mein Richter, dessen U r t e i l ich mich gänzlich unterwerfe. Bis dahin müssen die geistlichen Herren m i r folgen, wenn nicht eine völlige Auflösung aller Ordnung eintreten soll, w o m i t doch zuverlässig auch dem Staate nicht gedient wäre . . . E w Exz. drohen i n überaus scharfen Worten sogar m i t Bekämpfung der kath. Kirche. Darauf wollen Ew. Exz. m i r die Äußerung erlauben, daß ich zuviel der Gerechtigkeit u n d Weisheit unsers allergnädigsten Königs vertraue, als daß ich glauben könnte, Allerhöchst Derselbe werde zugeben, daß fünf M i l l i o n e n u n d 70 000 Allerhöchst Dessen treugehorsame kath. Untertanen, davon die Diözese K ö l n circa 1 000 000 befasset, auf diese möglichst empfindliche Weise gedrücket werden. Ew. Exz. erwähnen der Beschwernis meines Amtes. Schwer, sehr schwer ist mein A m t , aber nicht wegen der Vielheit der Geschäfte; das k a n n w o h l zu Zeiten das A m t lästig machen. Auch nicht als ob ich so unvernünftig wäre zu glauben, alles allein zu wissen und zu können; sehr v i e l laß ich durch andere besorgen... ; sondern der traurige Unfrieden, der m e i n Gemüt verwundet, der machet m i r mein A m t so schwer, ein Unfrieden, dem mein Gemüt umso mehr widerstrebet, je klarer ich erkenne, wie leicht es zu vermeiden wäre, wenn n u r den kath. Kirchenobrigkeiten die Wirksamkeit gelassen würde, die ihnen nötig ist, u m ihre Pflichten erfüllen zu können, wenn die Nichtkatholiken m i t dem zufrieden wären, was sie haben, und wenn nicht das Politische m i t dem Kirchlichen verwechselt würde. Ew. Exz. sind endlich so gütig, m i r Höchstdero Beistand anzubieten. I n Beziehung auf den Hermesianismus beschränken sich meine Wünsche darauf, daß es, u m die Hermesianer von ihrer Täuschung zu heilen, Ew. Exz. gefallen möge, recht k l a r auszusprechen, daß weder der Hermesianismus noch der Ungehorsam der hermesianischen Geistlichen i n kirchl. Dingen, wozu zuverlässig die Lehre der kath. Kirche gehöret, gegen ihre geistliche Obrigkeit, hier den Erzbischof, Protektion Anden werde . . .

N r . 149. E r l a ß des Kultusministers v. Altenstein an den Erzbischof v. Droste-Vischering v o m 13. März 1837 (Preußische Staatsschrift, 1838, S. 22) Der Ober-Präsident v. Bodelschwingh hat m i r die Verfügung i n Abschrift eingereicht, welche Ew. Erzbischöfl. Hochwürden unter dem 25. December v. J. an den Probst Ciaessen i n Ansehung der Aussegnung bei gemischten Ehen erlassen haben 8 . So wenig davon die Rede ist, für Fälle, wo katholische Eheleute die Aussegnung verlangen u n d diese aus kirchlichen Gründen versagt werden muß. eine Ausnahme f ü r gemischte Ehen in Anspruch zu nehmen, eben so 8

Oben Nr. 145.

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12. Kap.: Der Kölner Kirchenkonflikt

wenig läßt sich f ü r diese, als solche, eine Ausnahme, nämlich ein besonderes Verfahren, rechtfertigen. Die Stelle des päpstl. Breve, welche i n der Eingangs gedachten Verfügung angeführt worden, bezieht sich, wie keiner Erläuterung bedarf, auf die Trauung, und eine nachtheilige Auszeichnung, w i e die wiederholte Mißbilligung der Eingehung einer gemischten Ehe bei der Aussegnung enthält, ist nichts anderes als eine A r t Censur nach eingegangener gemischter Ehe, welche das päpstl. Breve ausdrücklich untersagt hat. M i t der Gewissenhaftigkeit, w o m i t Ew. Erzbischöfl. Hochwürden Sich pflichtmäßig an die I n s t r u k t i o n wegen Ausführung des päpstl. Breve halten zu wollen erklären, läßt sich eine nicht bloß m i t dem versöhnlichen, der kath. Kirche wesentlich Vortheil bringenden Geiste dieser Instruktion, sondern auch m i t dem päpstl. Breve i n unverkennbarem Widerspruche stehende Anordnung neuer Censuren nicht vereinigen. Z u der Einsicht u n d dem richtigen Takte Ew. Erzbischöfl. Hochwürden hege ich indeß das Vertrauen, daß Sie das Mißverhältniß i n der Sache erkennen und durch geeignete Einleitungen, deren Bestimmung ich Ihnen überlasse, Beschwerden vorbeugen werden, welche dem W i l l e n des Papstes geradezu entgegen, der kath. Kirche wesentlich Nachtheil zuziehen würden, ohne daß irgend ein Vortheil aus einer entgegengesetzten Behandlung der Sache erwachsen könnte.

V. Die Unterwerfung der Bonner Hermesianer und die achtzehn Thesen Droste-Vischerings Durch die Vorstellungen des Kultusministers v. Altenstein ließ DrosteVischering sich von seinen Maßnahmen gegen die Hermesianer nicht abbringen. Am 31. März 1837 verweigerte er dem Vorlesungsverzeichnis der Bonner katholisch-theologischen Fakultät für das Sommer semester 1837 die kirchliche ApprobationNoch einmal griff Altenstein in vermittelndem Sinn ein. Auf seine Veranlassung verpflichteten sich die Anhänger wie die Gegner des Hermesianismus vor dem Bonner Kurator v. Rehfues, jede Erwähnung der hermesianischen Schriften, jede Verteidigung oder Kritik der hermesianischen Theologie zu unterlassen (Nr. 150). Der Erzbischof gab sich jedoch damit nicht zufrieden. Er teilte den Bonner Theologie Studenten mit, daß ihnen nur die Teilnahme an den theologischen Vorlesungen von Klee 2 und den kirchenrechtlichen Vorlesungen von Walter 3 erlaubt sei. Die damit über die Fakultät verhängte Vorlesungssperre war mit den Statuten der Fakultät unvereinbar 4; vielmehr wäre der Erzbischof verpflichtet gewesen, im Fall eines 1 H. Schrörs, Die Kölner Wirren, 1927, S. 379, Anm. 623; zur Rechtsgrundlage dieser Entscheidung unten S. 444. 2 Heinrich Klee (1800 - 1840), kath. Theologe; 1825 Professor am Priesterseminar i n Mainz, 1829 an der kath.-theol. Fakultät i n Bonn, 1839 i n München; Vertreter der strengkirchlichen Richtung. 3 Ferdinand Walter (1794 - 1879), kath. Kirchenrechtler; seit 1819 Professor an der kath.-theol. Fakultät i n Bonn; Vertreter der antihermesianischen Richtung; 1848 M i t g l i e d der preuß. Nationalversammlung, 1849/50 der preuß. Ersten Kammer (gemäßigt konservativ). 4 U n t e n Nr. 196.

V. Die Unterwerfung der Bonner Hermesianer

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Konflikts mit der Fakultät den Kultusminister um Abhilfe zu bitten. Ebenso verstieß er gegen das staatliche Recht, als er den Studenten den Besuch des Priesterseminars in Köln untersagte und stattdessen theologische Kurse mit besonderen Lehrkräften im erzbischöflichen Palais einrichtete. Da die Anstellung des Lehrpersonals am Priesterseminar der staatlichen Bestätigung bedurfte, verbot der Oberpräsident von Bodelschwingh die Vorlesungen nichtautorisierter Aushilfskräfte 5. Schließlich durchbrach Droste-Vischering das geltende Kirchenrecht, indem er im Mai 1837 achtzehn Thesen gegen die hermesianischen Irrlehren aufstellte (Nr. 151). Er ordnete an, daß die Theologen seiner Diözese vor Empfang der Weihen oder der Approbation zur Verwaltung des Bußsakraments sich den achtzehn Thesen zu unterwerfen hätten. Damit beanspruchte der Erzbischof das Recht, verbindliche kirchliche Lehrsätze aufzustellen. Zugleich verwehrte er seinen Priestern in der 18. These die ihnen staatskirchenrechtlich zustehende Möglichkeit des recursus ab abusu 6.

N r . 150. Protokoll über eine Konferenz des Universitäts-Kurators v. Rehfues, Bonn, m i t den Professoren der Bonner Katholisch-theologischen F a k u l t ä t und weiteren katholischen Professoren der Bonner Universität wegen der hermesianischen Sache vom 21. A p r i l 1837 (Preußische Staatsschrift, 1838, Anhang S. 28 f.) I n Folge eines am 4. m. et a. curr. an den mitunterzeichneten Kgl. außerordentlichen Regierungs-Bevollmächtigten, Geheimen Regierungs-Rath v. Rehfues ergangenen Befehls Sr. Exc. des Herrn W i r k l . Geh. Staatsministers u n d Ministers der geistlichen, Unterrichts- u n d Medizinal-Angelegenheiten, Freiherrn v. Altenstein, hat derselbe heute die Professoren der katholischtheologischen Fakultät DD. Scholz, Achterfeldt, Klee, Braun u n d Vogelsang, den Professor der juristischen Fakultät Dr. Walter, u n d den Professor der medicinischen und philosophischen Fakultäten Dr. Windischmann, nebst dem Privat-Docenten i n der katholisch-theologischen Fakultät Dr. Hilgers und den Repetenten am Convictorio Schrammen u n d Weiler bei sich versammelt 7 u n d ihnen i m Namen u n d i m Auftrage des genannten hohen Chefs nachstehende Eröffnung gemacht: Wenn man auch augenblicklich darüber wegsehen wollte, daß das bekannte, päpstliche, gegen die Schriften des seligen Dr. Hermes gerichtete Breve 8 der Königlichen Staats-Regierung weder i n dem üblichen diplomatischen Wege, noch von einem inländischen geistlichen Obern zur Einsicht und staatsrecht5

Schrörs, a.a.O., S. 427 ff. Verfassungsgeschichte, Bd. I I , S. 225 f. Hermesianer waren: Johann Heinrich Achterfeldt, Joseph Braun, Heinrich Josef Vogelsang, Bernhard Josef Hilgers, Peter Anton Schrammen, Christian Josef Weiler. Hermesgegner waren: Heinrich Klee, Ferdinand Walter, Carl Josef Windischmann. Eine neutrale H a l t u n g nahm Johann Martin Scholz ein. Dazu Verfassungsgeschichte Bd. I I S. 188,189, 219. 8 Siehe oben S. 353 A n m . 4. 6

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12. Kap.: Der Kölner Kirchenkonflikt

liehen Prüfung vorgelegt worden ist; daher es nach ausdrücklicher Vorschrift der Gesetze: § 118 des Allgemeinen Landrechts I I . I I . 9 L o i x organiques v o m 26. Messidor I X . Tit. I. § l . 1 0 bis dahin weder publizirt noch vollzogen werden kann, noch überhaupt Jemand auf den G r u n d dieses Breves, bloß deshalb, w e i l er ein Schüler von H e r mes gewesen ist, oder dessen Schriften und System bis dahin vorgetragen hat, i n der Ausübung des i h m anvertrauten Amtes gehindert werden darf, so liegt doch sowohl i n derThatsache, daß besagtes Breve durch die öffentlichen Blätter zur Kenntniß des großen Publikums gekommen ist, als i n der Pflicht der Kgl. Staatsbehörde, die Ordnung aufrecht zu erhalten u n d die unerfahrene Jugend nicht einem blinden Partheiwesen Preis zu geben, die Notwendigkeit, vorzusehen: daß i n den Vorlesungen, Wiederholungen, Prüfungen, Disputationen, feierlichen Reden, kurz i n allen öffentlichen u n d geheimen Handlungen des akademischen Lehramts, wozu auch die Übungen i m Convictorium zu rechnen sind, jede Erwähnung der hier i n Rede stehenden Schriften des Dr. Hermes und der dieselben betreffenden päpstl. Censuren u n d Verbote vor der Hand gänzlich unterbleibe; so wie auch, daß alles Polemisiren f ü r oder wider das Hermessche System überhaupt oder einzelne charakteristische Lehrsätze desselben, ernstlich vermieden werde. Nachdem des H e r r n W i r k l . Geh. Staatsministers, Freiherrn v. Altenstein Excellenz die Nothwendigkeit dieses Benehmens, sowohl wegen der besonderen Ehrerbietung, welche diejenigen, die es angeht, dem apostol. Stuhle schuldig sind, als wegen ihrer Obliegenheit, den kirchl. Sinn der Jugend zu pflegen, mehrmals amtlich ausgesprochen u n d außeramtlich einschärfen lassen, so scheint es doch, daß m a n diesen ministeriellen Vorschriften, Ermahnungen und W i n k e n nicht überall gebührende Folge geleistet, vielmehr, daß der Parteikampf theils i m Geheimen, theils offen fortgesetzt worden ist, bis die Sachen zu den i n Stadt u n d L a n d ruchbar gewordenen Ungebührnissen gekommen sind, deren Zügelung u n d Unterdrückung gegenwärtig die vorzüglichste Sorge der Königlichen Staats-Regierung ausmacht. Des H e r r n W i r k l . Geh. Staatsministers, Freiherrn v. Altenstein Excellenz hat sich darauf bewogen gefunden, dem mitunterzeichneten außerordentlichen Regierungs-Bevollmächtigten zu befehlen, den vorgenannten Herren Professoren u n d Docenten zu eröffnen, w i e Se. Excellenz von denselben fordere und m i t Zuversicht erwarte: daß sie der E r w ä h n u n g der Hermesschen Schriften, so w i e auch deren V e r botes u n d der Polemik f ü r u n d wider das System oder einzelne unterscheidende Lehrsätze desselben, i n der Weise, wie zuvor gesagt ist, sich enthalten u n d durch Unterschrift des über diese Eröffnung aufzunehmenden Protokolls sich dazu anheischig machen; und fügt i n dem desfallsigen Reskripte noch ausdrücklich und wörtlich hinzu: Mag einer über das Verdammungsbreve u n d dessen Ursprung urtheilen, wie er w i l l , so muß er sich doch gestehen, daß jenes v o n m i r geforderte Verhalten 9 10

T e x t : oben Nr. 1. Oben S. 12 A n m . 6.

V. Die U n t e r w e r f u n g der Bonner Hermesianer

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durch die höchsten Rücksichten geboten u n d i m Wesen sowohl der religiösen als der rechtlichen Ordnung begründet ist. Sollte daher, w i d e r meine Erwartung, Jemand so hingerissen u n d verblendet seyn, daß er sich w e i gerte, sich zu einem solchen Verhalten zu verpflichten, so ermächtige ich Ew. hierdurch, denselben hierdurch zur E r k l ä r u n g aufzufordern, ob er sein A m t niederzulegen geneigt sey, u n d dabei zu erklären: daß w e r dieser meiner Vorschrift freventlich entgegenhandeln würde, die Suspension v o m Amte, u n d i m Vorgang ordnungsmäßiger Untersuchung, nachdrücklicher Ahndung, selbst nach Befund der Umstände Remotion zu gewärtigen habe 1 1 . Nachdem diese Eröffnung den Anwesenden deutlich vorgelesen worden ist, u n d sie auf desfallsige Aufforderung erklärt haben, daß sie Alles w o h l v e r standen, so gelobten sie, dem Inhalte der ihnen gemachten Eröffnung getreulich nachzuleben u n d haben diese Versicherung durch ihre eigenhändige Namensunterschrift bekräftigt. Scholz.

Achterfeldt. Windischmann.

Klee. Braun. Vogelsang. Walter. Hilgers. Schrammen. Weiler. Rehfues.

N r . 151. D i e „Achtzehn Thesen" des Erzbischofs v. Droste-Vischering gegen den Hermesianismus v o m M a i 1837 (G. F. H. Rheinwald,

A c t a historico-ecclesiastica, Jg. 1837, S. 461 ff.) — Übersetzung —

I. Ich glaube u n d bekenne, daß es ein verdammenswerter I r r t u m ist, w e n n jemand behauptet, daß m a n den positiven Zweifel zur Grundlage aller theoretischen Untersuchung machen m u ß ; denn dieser finstere u n d zum I r r t u m aller A r t führende Weg f ü h r t ab v o m königlichen Pfad, den die gesamte T r a dition u n d die heil. Väter bei der Auslegung u n d Verteidigung der Glaubenswahrheiten abgesteckt haben. I I . Ich glaube u n d bekenne, daß es ein verdammenswerter Versuch ist, w e n n jemand die Gnade des Glaubens, i n der sich die größte Barmherzigkeit Gottes gezeigt hat, verwerfen w i l l , u m aus dem positiven Zweifel, allein v o n der V e r n u n f t geführt, ein Fundament des Glaubens zu suchen, u n d zwar so, daß er, w e n n die V e r n u n f t den Glauben oder die Notwendigkeit des Glaubens nicht zu finden vermag, den Glauben überhaupt ablehnen kann. I I I . Ich glaube u n d bekenne, daß der Glaube ein Geschenk Gottes u n d ein Licht ist, das den Menschen erleuchtet, auf daß er m i t Festigkeit dem zustimmt u n d anhängt, was zu glauben durch Gott geoffenbart u n d uns v o n der Kirche vorgelegt ist. I V . Gänzlich verwerfe u n d verdamme ich jenen I r r t u m , der behauptet, die Vernunft sei die vorrangige N o r m u n d das einzige M i t t e l , durch welches der Mensch die Erkenntnis der übernatürlichen Wahrheiten erlangen kann. 11

Suspension ist die vorläufige, Remotion die endgültige Amtsenthebung.

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12. Kap. : Der Kölner Kirchenkonflikt

V. Ich glaube und bekenne, daß die Meinung i r r i g ist, die der menschlichen Vernunft i n Fragen des Glaubens die höchste A u t o r i t ä t der Lehre u n d des Urteils zuerkennt, daß vielmehr der Glaube die T ü r zu unserem H e i l ist, ohne die niemand i n diesem Leben Gott finden u n d anrufen, i h m dienen u n d gefallen kann, und daß es dem Glauben besonders eigentümlich ist, alle E r kenntnis zu binden i n den Gehorsam Christi. V I . Ich gelobe u n d verspreche, über die N a t u r des Glaubens u n d den K a n o n der Glaubensgegenstände — über die heil. Schrift, die Tradition, die Offenbarung u n d das Lehramt der Kirche — über die Gründe der Glaubwürdigkeit — über die Beweise, durch die man die Existenz Gottes darlegt u n d bestätigt — über Wesen, Heiligkeit, Gerechtigkeit u n d Freiheit Gottes selbst, sowie über Gott als Z i e l seines Wirkens, welches von den Theologen ad extra genannt w i r d , ferner über die Notwendigkeit der Gnade, über die Spendung der Gnade und der Gnadengaben, über den L o h n f ü r Verdienste u n d die Bestrafung des Bösen — über den Stand der Ureltern, die Ursünde und das V e r mögen des Menschen nach dem Sündenfall nichts anderes glauben, festhalten u n d lehren zu wollen als das, was die ganze kath. Kirche festhält u n d lehrt. V I I . Ich glaube u n d bekenne, daß alle Menschen wegen der Abstammung aller v o m Geschlecht Adams i m Stande der Erbsünde, die den Zustand der Schuld u n d der Strafwürdigkeit einschließt, geboren werden; ferner, daß diese Sünde, die nach ihrem Ursprung diesen Charakter besitzt, durch Zeugung, nicht durch Nachahmung auf alle übertragen u n d jedem Einzelnen eigentümlich ist, dann, daß neben dieser Ursünde, m i t i h r zusammen u n d m i t i h r auch die Begierde, die aus der Sünde stammt u n d zur Sünde neigt, auf alle übergegangen ist. V I I I . Was aber die Empfängnis der seligsten und unbefleckten Jungfrau Maria, der M u t t e r Gottes, betrifft, werde ich dem folgen, was darüber i n dem Dekret Papst Gregors X V . seligen Gedenkens aus dem Jahr 1622 m i t dem A n fang „Sanctissimus" u n d i n der Bulle des Papstes Alexander V I I . seligen Gedenkens m i t dem Anfang „Sollicitudo" festgestellt ist; durch dieses Schreiben w i r d erlaubt, öffentlich u n d privat zu lehren, daß die seligste Jungfrau Maria ohne Erbsünde empfangen worden sei; das Gegenteil jedoch, nämlich daß die seligste Jungfrau Maria m i t der Erbsünde empfangen wurde, öffentlich oder privat zu lehren oder zu behaupten, w i r d bei Strafe der E x k o m m u n i kation, die unmittelbar ohne weitere Erklärung w i r k s a m w i r d , untersagt 1 2 . Außerdem halte ich an dem fest, woran die Kirche festhält, nämlich daß die selige Jungfrau Maria i n ihrem ganzen Leben ohne Sünde, auch ohne läßliche, war. Ich gelobe, daß ich niemals weder privat noch öffentlich über die i m m e r währende Jungfräulichkeit der seligen Jungfrau Maria etwas anderes lehren w i l l als dies: daß der Herr Christus aus seiner M u t t e r geboren wurde, ohne daß ihre mütterliche Jungfräulichkeit auch n u r angetastet wurde; daß Jesus Christus aus dem Mutterleib ohne jede Verletzung der mütterlichen Jungfräulichkeit hervorging, u n d daß dies durch die K r a f t des heiligen Geistes 12 Z u m kirchlichen Dogma erhoben wurde die Lehre von der Unbefleckten Empfängnis Mariä erst durch Papst Pius IX. i n der Bulle „Ineffabilis Deus" vom 8. Dezember 1854 (Text: C. Mirbt, Quellen zur Geschichte des Papsttums, 5. Aufl. 1934, S. 362).

V. Die Unterwerfung der Bonner Hermesianer

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geschehen ist, der bei der Empfängnis u n d Geburt des Sohnes so bei der M u t t e r gegenwärtig war, daß er i h r sowohl die Fruchtbarkeit schenkte als auch die immerwährende Jungfräulichkeit bewahrte 1 3 . I X . Ich glaube u n d bekenne, daß der Mensch ohne die zuvorkommende E i n gebung des heiligen Geistes u n d ohne dessen Hilfe nicht so glauben, hoffen, lieben oder bereuen kann, w i e es notwendig ist, damit i h m die Gnade der Rechtfertigung zuteil werde. Ebenso glaube u n d bekenne ich, daß die göttliche Gnade durch Jesus Christus nicht lediglich dazu verliehen ist, daß der Mensch leichter gerecht leben u n d das ewige Leben verdienen kann, gleichsam als ob er beides auch durch den freien W i l l e n allein ohne Gnade, wenngleich dann allerdings n u r m i t Mühe und unter Schwierigkeiten, vollbringen könnte. X . Ich glaube u n d bekenne, daß ein jeder die Gerechtigkeit nach dem Maß empfängt, das der heilige Geist den Einzelnen zuteilt, w i e er w i l l , sowie nach der eigenen Disposition u n d M i t w i r k u n g eines jeden. Dann, daß das Bittgebet die Seele nicht n u r darauf vorbereitet, die Gaben Gottes zu empfangen, sondern daß es das v o m H e r r n Christus vorgeschriebene M i t t e l ist, durch welches Gott dazu bewegt w i r d zu geben, was w i r erbitten, w e n n n u r das, w o r u m w i r bitten, unserem H e i l nicht entgegensteht (Jak. 5, 16. 17. 18. — L u k . 11, 5 - 1 3 incl.). X I . Ich glaube und bekenne, daß w i r durch die uns innewohnende Gerechtigkeit Gottes, die uns v o n Gott durch das Verdienst Christi eingegeben ist, gerechtfertigt werden. X I I . Ich verwerfe u n d verdamme jenen I r r t u m , dem verfallen ist, w e r sagt, die Menschen w ü r d e n gerechtfertigt entweder allein durch die Zurechnung der Gerechtigkeit Christi oder allein durch die Vergebung der Sünden, ungeachtet der Gnade u n d der Liebe, welche i n ihren Herzen durch den heiligen Geist ausgegossen ist u n d ihnen dadurch innewohnt. (Und ebenso v e r u r teile ich, daß) die Gnade, durch die w i r gerechtfertigt werden, ausschließlich ein Gunsterweis Gottes sei. X I I I . Ich glaube u n d bekenne, daß die Prädestination ein bewundernswertes u n d anbetungswürdiges Geheimnis ist, das frommen u n d ergebenen Glauben fordert, nicht aber i n übertriebenem Wissensdrang durch die V e r nunft erforscht werden darf, worüber vielmehr n u r m i t der gebotenen Z u rückhaltung u n d n u r v o r Menschen reiferen Alters gesprochen werden soll. Ebenso glaube u n d bekenne ich, daß die Seligen i h r H e i l der Barmherzigkeit Gottes verdanken, daß aber dennoch die guten Werke, die sie durch die Gnade Gottes u n d das Verdienst Jesu Christi, dessen lebendige Glieder sie waren, auf Erden vollbracht haben, nicht i n dem Sinn Gaben Gottes sind, daß sie nicht auch ihre guten Verdienste wären. (Und ebenso bekenne ich), daß die Verdammten niemand außer sich selbst anklagen können. X I V . Ich glaube u n d bekenne, daß der Herr alles u m seiner selbst w i l l e n geschaffen hat, auch den Unfrommen zum Tag des Gerichts (Prov. 16, 4), u n d daß der Endzweck unserer Rechtfertigung i n Gottes u n d Christi Ehre u n d dem ewigen Leben besteht. 18 Dieses altkirchliche Dogma, das hier i n äußerster Schärfe zum Ausdruck gebracht ist, w i r d von seinen Verfechtern gestützt auf Matth. 1, 18; L u k . 1, 35. Die „virginitas in partu" läßt sich allerdings aus diesen neutestamentlidien Texten nicht ableiten.

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12. Kap.: Der Kölner Kirchenkonflikt

X V . Ich glaube u n d bekenne, daß nach dem Geist der Kirche die Buße bei der Beichte nicht n u r zum Schutz des neuen Lebens u n d als H e i l m i t t e l gegen die Schwäche, sondern auch als Strafe u n d Züchtigung für vergangene Sünden auferlegt w i r d . X V I . Ich glaube u n d bekenne, daß Gott aus der Gerechtigkeit, welche die strafende genannt w i r d , wegen der inneren Bosheit der Sünde die Bösen ewigen Strafen überantwortet. X V I I . Ich verspreche u n d gelobe, daß ich das Dekret des Heiligen Trienter Konzils, das zur Zucht leichtfertiger Geister bestimmt ist, aufs Genaueste beobachten w i l l : „daß niemand i m Vertrauen auf seine K l u g h e i t i n Sachen des Glaubens u n d der Sitte, die z u m Gebäude der christlichen Lehre gehören, die Heil. Schrift nach seinem Gutdünken verdrehe entgegen dem Sinn, den die heilige M u t t e r Kirche, deren Aufgabe es ist, über den wahren Sinn u n d die Auslegung der Heil. Schrift zu urteilen, festgehalten hat u n d festhält; ferner (daß niemand) es wage, die Heil. Schrift gegen den einmütigen Konsensus der Väter auszulegen, auch w e n n derartige Auslegungen nicht zur Kundgabe bestimmt sein sollten." 1 3 * X V I I I . Ich verspreche u n d gelobe meinem Erzbischof i n allem, was die Lehre u n d Disziplin betrifft, Ehrerbietung u n d Gehorsam, ohne allen inneren Vorbehalt; ich bekenne, daß ich gegen das U r t e i l meines Erzbischofs nach der Ordnung der kath. Hierarchie bei niemandem außer dem Papst als dem Oberhaupt der ganzen Kirche Berufung einlegen k a n n u n d d a r f 1 4 ; (ich bekenne,) daß der röm. Pontifex den Primat der Ehrenstellung u n d der Jurisd i k t i o n über die ganze Kirche innehat u n d daß er der Nachfolger des hl. Petrus, des Apostelfürsten, der wahre Stellvertreter Christi, das Oberhaupt der ganzen Kirche, der M i t t e l p u n k t der Einheit, der H i r t e der H i r t e n u n d sowohl Vater als auch Lehrer aller an Christus Glaubenden i s t 1 5 ; es w i r d immer meine feste Überzeugung sein u n d durch Wort u n d Tat werde ich bekennen, daß i h m i n der Person des hl. Petrus von Christus die volle Macht übergeben wurde, die Schafe u n d L ä m m e r zu w e i d e n 1 6 u n d die gesamte Kirche zu leiten u n d zu lenken; ich erkläre u n d gelobe, daß ich i n Sonderheit den Dekreten des Pontifex Maximus i n Sachen des Glaubens u n d der Sitten gehorchen muß und will. „ V o r Gott, der Herz u n d Nieren p r ü f t " (Apk. 2, 23), verspreche und gelobe ich, daß ich dies alles, was i n den oben aufgeschriebenen u n d eben vorgelesenen Thesen enthalten ist, m i t einfältigem Sinn beobachten, glauben u n d festhalten w i l l , niemals aber dagegen handeln oder streiten werde, oder Worte i n einem Sinn, der v o n der Grundbedeutung der einzelnen Worte u n d des Zusammenhangs abweicht, deuten u n d verdrehen w i l l . Nie werde ich solches weder öffentlich noch privat, weder mündlich noch schriftlich lehren. «a Zweites Dekret des Tridentinischen Konzils (sessio I V v o m 8. A p r i l 1546); T e x t : Mirbt-Aland, Quellen zur Geschichte des Papsttums, 6. A u f l . 1967, Bd. I, Nr. 844. 14 E r k l ä r t w i r d hier der Verzicht auf den recursus ab abusu. 15 Anerkannt w i r d hier der entschiedene Papalismus. 1β Joh. 21,15 ff.

V I . Der Höhepunkt des Kölner K o n f l i k t s

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V I . Der H ö h e p u n k t des K ö l n e r Konflikts Die Kurie wollte im Gegensatz zu dem Kölner Erzbischof die hermesische Sache nicht zum Anlaß einer offenen Kraftprobe zwischen Staat und Kirche werden lassen. Deshalb entsandte sie den Bischof Capaccini zu Verhandlungen nach Preußen, die in einem Kompromiß zwischen dem Bischof und der Regierung endeten 1. Bevor der Kompromiß jedoch die amtliche Bestätigung durch Droste-Vischering fand, brach der Mischehenkonflikt offen ausi damit wurde auch eine Verständigung in der Frage des Hermesianismus unmöglich. Nach dem Schreiben Droste-Vischerings an den Aachener Stadtdekan Ciaessen und den sich daran anschließenden Auseinandersetzungen (oben Nr. 145, 149) trat eine erneute Verschärfung in der Mischehenfrage ein. Das Lutti eher „Journal" 2 griff den Kölner Erzbischof in mehreren Veröffentlichungen scharf an, weil er in dem Schreiben an Ciaessen die Berliner Konvention von 1834 (oben Nr. 130) anerkannt habe. Dann aber erklärte ein Rechtfertigungsartikel im gleichen Blatt, der Kölner Erzbischof habe die preußische Regierung mit Klugheit hintergangen, indem er seine Zustimmung zur Konvention durch den Verweis auf den Vorrang des Breve von 1830 eingeschränkt habe (oben Nr. 134). Diese Lesart nötigte die Regierung, eine förmliche Klarstellung durch den Erzbischof zu verlangen. In ihrem Auftrag forderte der Regierungspräsident von Düsseldorf Graf Anton Stolberg 3 den Erzbischof am 17. September 1837 zur Abgabe einer beruhigenden Erklärung auf (Nr. 152). Inzwischen hatte sich jedoch die Kurie entschlossen, die Durchsetzung des Breve von 1830 im Kampf zu erzwingen. Auch Droste-Vischering beharrte in der Kölner Konferenz vom 17. September 1837 darauf, daß er sich zur Ausführung der Übereinkunft von 1834 nur „gemäß dem Breve " bereit erklären könne. Dagegen erläuterte der von Bunsen formulierte Procès verbal dieser Konferenz (Nr. 153) die Rechtslage dahin, daß das päpstliche Breve in Preußen nur innerhalb der Grenzen zu befolgen sei, die die auf Grund der Berliner Übereinkunft erlassene Instruktion der Bischöfe an die Generalvikare gezogen habe. Gegen den damit behaupteten Vorrang der Instruktion vor dem Breve verwahrte der Erzbischof sich jedoch mit Schärfe (Nr. 154). In Wahrheit sei umgekehrt die Instruktion nur insoweit zu befolgen, als sie mit dem Breve nicht in Widerspruch stehe. Angesichts der Unlösbarkeit des Streits um das Rangverhältnis des Breve von 1830 und der Übereinkunft von 1834 stellte Graf Stolberg das Scheitern der Verhandlungen fest: da ein Einvernehmen nicht zu erzielen war, schien der Regierung einseitiges Vorgehen nunmehr geboten (Nr. 155).

1 Francesco Cappaccini (1784 -1845), seit 1807 kath. Priester; 1829 Nuntius i n Den Haag; 1830 Internuntius i n München; seit 1831 an der K u r i e tätig; 1845 Kardinal. Über seine Verhandlungen i n Preußen: Verfassungsgeschichte, Bd. I I , S. 226. 2 Oben S. 335. 3 Anton Graf zu Stolberg-Wernigerode (1785 - 1854), bis 1815 preuß. Offizier; seit 1830 i m preuß. Verwaltungsdienst; 1834-1838 Regierungspräsident i n Düsseldorf; 1838 - 1840 Oberpräsident der Provinz Sachsen; 1840 Berater K ö n i g Friedrich Wilhelms I V . i n B e r l i n ; 1842- 1848 u n d 1851 - 5 4 Minister des kgl. Hauses.

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12. Kap. : Der Kölner Kirchenkonflikt N r . 152. Schreiben des Regierungsbevollmächtigten Graf A n t o n zu Stolberg an den Erzbischof v. Droste-Vischering v o m 17. September 1837 (Preußische Staatsschrift, 1838, S. 22 f.)

Die Äußerungen u n d Insinuationen des Journal de Liège und anderer Blätter, so w i e mehrere aus der Rheinprovinz eingegangene Gerüchte machen es dringend wünschenswerth, daß Se. Maj. der K ö n i g durch eine einfache u n d unumwundene E r k l ä r u n g Seitens Ew. Erzbischöfl. Hochwürden über die A u f rechthaltung der bestehenden Ordnung hinsichtlich der gemischten Ehen definitiv beruhigt werden. Z u diesem Zwecke haben Allerhöchstdieselben mich m i t dem entsprechenden Auftrage zu beehren geruht. Diesem gemäß erscheint es, nach den hierüber stattgefundenen Verabredungen, vollkommen genügend, daß Ew. Erzbischöfl. Hochwürden die Gewogenheit haben, m i r i n Erwiderung dieser vertraulichen Zeilen zu erklären, wie Ew. Erzbischöfl. Hochwürden fest entschlossen sind, nach dem Geiste der Ergebenheit gegen des Königs Majestät u n d nach der Liebe u n d dem Frieden, der Hochdieselben beseelt, die hinsichtlich der Ausführung des Breve Pius V I I I . i m Jahre 1834 an das General-Vicariat von K ö l n erlassene I n s t r u k t i o n unverbrüchlich auszuführen, u n d i n dem dadurch festgestellten Geschäftsgange nichts zu ändern 4 . Was den § 11 jener I n s t r u k t i o n 5 betrifft, so erkläre ich, nach den desfallsigen Äußerungen Ew. Erzbischöfl. Hochwürden gern, daß es nicht die Absicht ist, auf den Ausdruck jenes Paragraphen die Forderung der unbedingten Aussegnung zu begründen. Die nicht erfolgte kath. Trauung u n d der sträfliche Leichtsinn, welcher die Verweigerung derselben verursacht, k a n n auch hier v o m Pfarrer als G r u n d der Verweigerung angesehen werden, ohne daß er sich m i t jenem Paragraphen i n Widerspruch setzt. Die Entscheidung bleibt, w e n n die Wöchnerin Klage führen sollte, lediglich der gewissenhaften u n d versöhnlichen Entscheidung Ew. Erzbischöfl. Hochw ü r d e n überlassen. Damit n u n i n Z u k u n f t nicht unangenehme Mißverständnisse und Reibungen entstehen, so b i n ich Seitens Sr. M a j . des Königs ermächtigt, Ew. Erzbischöfl. Hoch würden auf jene Erklärung zu eröffnen, daß bei etwanigen Beschwerden über einen kath. Pfarrer des Erzstiftes, der kanonische Geschäftsgang, durch Rekurs der kath. Partei an das General-Vicariat, ausschließlich w i r d aufrechterhalten werden 6 . Es werden auch den Regierungs-Präsidenten die erforderlichen Weisungen i n diesem Sinne ertheilt werden. Demnach werden also i n Z u k u n f t durchaus keine Einschreitungen der C i v i l oder M i l i t a i r - B e h ö r d e n gegen etwaige zu Beschwerden veranlassende V e r 4 Die spätere Fassung der geforderten E r k l ä r u n g lautete: „die gemäß dem Breve Pius V I I I . u n d der I n s t r u k t i o n an das General-Vicariat von 1834 eingeführte Praxis bestehen zu lassen und i n dem dadurch festgestellten Geschäftsgange nicht zu ändern." (unten Nr. 153). 5 Oben Nr. 133. 6 Das bedeutete den staatlichen Verzicht auf den Recursus ab abusu i n dieser besonderen Frage.

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Weigerungen kath. Pfarrer mehr Statt finden. Namentlich w i r d auch die amtliche Einmischung der evang. Geistlichkeit i n der Behandlung dieses Gegenstandes aufhören. Se. Maj. gehen hierbei von dem festen Vertrauen aus, daß Ew. Erzbischöfl. Hochwürden durch zweckmäßige Belehrung der Hochdenenselben untergebenen Pfarrer jedem etwanigen Mißverständnisse der bestehenden Ordnung zuvorzukommen oder nöthigenfalls durch unverzügliche Einschreitung abzuhelfen bemüht seyn werden. I n der Uberzeugung, Ew. Erzbischöfl. Hochwürden wollen, nach der edlen Gradheit u n d Offenheit Ihres Charakters mich durch einige Zeilen recht bald i n Stand setzen, Se. M a j . den K ö n i g unsern allergnädigsten H e r r n über jenen Punkt zu beruhigen, benutze ich m i t Freuden die Veranlassung, Hochdenenselben die Versicherung wahrer Hochachtung auszusprechen. N r . 153. Procès verbal über die Kölner Konferenz v o m 17. September 1837 (Preußische Staatsschrift, 1838, S. 23 f.) Anwesend: der Erzbischof von K ö l n Frhr. v. Droste-Vischering, der preußische Gesandte beim V a t i k a n v. Bunsen, der preußische Regierungsbevollmächtigte Graf Stolberg. I. Die i n der gestrigen Unterredung besprochene Fassung der beruhigenden Erklärung, die des Königs Majestät von dem H e r r n Erzbischof v o n K ö l n verlangt, hat, nach meiner Ansicht, folgenden Sinn. Der H e r r Erzbischof fand Bedenken, die früher vorgeschlagene Fassung 7 anders zu genehmigen, als m i t dem Zusätze (vor „auszuführen"): „gemäß dem Breve". Es wurde hierauf bemerkt, daß dieser Zusatz entweder nichts sage, indem es sich, i m Geiste derjenigen, welche die I n s t r u k t i o n ehrlich annehmen, von selbst versteht, daß sie auf einer dem Geiste des Breve mindestens nicht widersprechenden Auslegung desselben beruhe, oder alles, was erklärt werden solle, aufhebe, i n sofern dadurch die Gültigkeit der I n s t r u k t i o n zerstört werden soll. I n diesem Falle würde die ganze Erklärung, die als beruhigend verlangt und gegeben w i r d , nichts sagen, denn es bedarf keiner Zusage, daß ein katholischer Bischof es f ü r seine Schuldigkeit halte, ein an i h n gerichtetes päpstliches Breve auszuführen, falls i h n die Landes-Gesetze nicht verhindern. Dieser Zusatz w a r also i n jeder Beziehung vollkommen unzulässig und wurde auch bei weiterer Besprechung leicht als solcher erkannt. I I . Es wurde hierauf bestimmt erklärt, aus welchen Gründen des Königs Majestät die Befolgung der I n s t r u k t i o n v o n dem H e r r n Erzbischof als conditio sine qua non seiner ferneren Amtsthätigkeit verlangen. 1. W e i l nach jeder juridischen und v o r irgend einem Gerichte gültigen Auslegung der Herr Erzbischof sich durch die an den H e r r n K a p i t u l a r Schmülling 7

Oben Nr. 152.

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schriftlich gegebene E r k l ä r u n g u n d Zusage 8 zu dieser Befolgung verpflichtet hat. Hierbei w i r d nicht i m Geringsten i n Zweifel gestellt, was der Herr Erzbischof bei dieser Gelegenheit erklärt: daß er damals weder die Convention noch die I n s t r u k t i o n gekannt, welche der Herr Staatsminister i h m namhaft gemacht und bezeichnet, u n d von deren Annahme der K ö n i g es, nach seiner Ansicht, abhangen lassen mußte, ob er den H e r r n Weihbischof dem K a p i t e l zur W a h l empfehlen sollte oder nicht. 2. W e i l die A n t w o r t auf das vertrauliche Schreiben des Ministers i n diesem Punkte nicht scheint anders verstanden werden zu können, als daß sie sage 9 : der Erzbischof wolle u n d könne durchaus nicht weiter gehen als die I n s t r u k tion, werde aber dieselbe auszuführen als seine Pflicht ansehen. 3. W e i l der Herr Staatsminister i n der Verfügung v o m 13. März 1837 10 bei Gelegenheit des Schreibens an den Domprobst Ciaessen 11 und der ganzen V e r handlung über die Aussegnung dem H e r r n Erzbischof seinen Glauben an die Gewissenhaftigkeit ausdrückt, „ w o m i t der Herr Erzbischof sich pflichtmäßig an die I n s t r u k t i o n halten zu wollen erkläre". Hätte n u n der Herr Staatsminister sich i n diesem Schlüsse geirrt; so mußte er erwarten, daß der Herr Erzbischof dagegen protestirte u n d i h n aus einer so bedenklichen Täuschung riß. Das Stillschweigen des Herrn Erzbischofs mußte also dem H e r r n Staatsminister als eine Anerkennung der Richtigkeit jenes Schlusses erscheinen und als Bestätigung jener Voraussetzung. 4. Es kann auch hiergegen nicht die Praxis angeführt werden; denn es liegt den Staats-Behörden kein F a l l vor, welcher ihnen bewiese, daß der Herr Erzbischof der I n s t r u k t i o n zuwider handle oder je gehandelt habe, i n sofern m a n die restringirende E r k l ä r u n g vom § 11, wovon allein die Regierung Kenntniß hat, nicht als eine Verletzung der I n s t r u k t i o n ansieht. W o h l aber sind Beweise, daß Pfarrer unbedenklich nach jener Auslegung entschieden haben. I I I . Hieraus ergab sich die praktische Nothwendigkeit, aber auch die große Schwierigkeit einer Fassung, welche einerseits dem bestimmten Befehle Seiner Majestät entspreche, andrerseits nicht das Gewissen des H e r r n Erzbischofs verletze. Ich schlug dazu die folgende Formel vor: die gemäß dem Breve und der I n s t r u k t i o n an das General-Vicariat v o n 1834 eingeführte Praxis bestehen zu lassen u n d an dem darauf begründeten Geschäftsgange nichts zu ändern. Der H e r r Erzbischof nahm diese Fassung an, ohne weitere Erklärung zu verlangen oder zu geben. I n welchem Sinne k a n n n u n allein diese Formel verstanden werden? Offenbar (nach der Ansicht wenigstens dessen, der sie vorschlug) n u r dies, daß der 8

Oben Nr. 134. I n dem benutzten Abdruck steht: „es sage". Doch gibt n u r : „sie (nämlich die A n t w o r t ) sage" einen Sinn. 10 Oben Nr. 149. 11 Oben Nr. 145. 9

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Ausdruck „gemäß dem Breve", nicht den durch „ u n d " damit verbundenen: „gemäß der Instruction an das General-Vicariat von 1834" aufhebe. Denn wenn dies der F a l l wäre, so wäre ja gerade dieser Zusatz eine Unwahrheit. Der Sinn ist also: daß i n der Ausführung der als Richtschnur geltenden Instruction immer die bestimmte Absicht vorwalten solle, diese Ausführung dem Breve so nahe zu halten, als es n u r irgend möglich sey. Die Instruction von 1834 läßt, w i e jede redliche und vernünftige Instruction, namentlich eine für so zarte Verhältnisse gegebene eine weitere u n d eine engere Auslegung zu. Das hinsichtlich des § 11 Besprochene giebt hierüber einen praktischen Belag. Offenbar aber gilt dies auch von dem Paragraphen, welcher die Zulässigkeit der Trauung bestimmt. Das steht fest, und damit fällt und steht die ganze Instruction: daß 1. die Trauung i n einigen Fällen Statt finde; 2. daß die Zulässigkeit nicht von dem formellen Versprechen der kath. Kinder-Erziehung abhängen solle. Ja was das Breve selbst betrifft, so w i r d es leicht seyn, demjenigen, der den ersten dieser beiden Punkte zugiebt, die Richtigkeit, w e i l Nothwendigkeit, des zweiten aus dem Breve selbst zu beweisen: denn es ist nie als v o n einer Bedingung von dem Bestehen auf dem Versprechen die Rede. Das Breve selbst geht vielmehr von dem ganz klaren Bewußtsein aus, daß ein solches formelles Versprechen weder gefordert, noch von Verlobten gegeben werden darf. Die ganze Unterhandlung begann m i t der Erklärung, daß der K ö n i g ein solches Eludiren des Gesetzes nie zugeben wolle, und das Breve spricht die zwingende Nothwendigkeit „großer Zugeständnisse" aus. Alles übrige war, ehe die Unterhandlungen begannen, schon, i m praktischen Status quo aller westlichen Provinzen enthalten u n d von den Bischöfen zugegeben, ohne alle päpstliche Concession. Diesen P u n k t aufzugeben, wäre also: 1. gegen den allein zulässigen Sinn der verlangten Erklärung; 2. gegen den Sinn und das Wesen der Instruction, u m deren Aufrechthaltung oder Vernichtung es sich handelt; 3. gegen den i n Rom wohlverstandenen praktischen Sinn u n d Zweck des Breve; 4. gegen das der ganzen Unterhandlung über das Breve und den Schreiben der vier Bischöfe zu Grunde liegende Königliche Wort u n d Gesetz. Es darf also als sich v o n selbst verstehend angesehen werden, daß jene Formel, weit entfernt, die Instruction als N o r m aufzuheben, vielmehr sie redlich anerkennt, jedoch eben so redlich zu erkennen giebt, daß der H e r r Erzbischof innerhalb der Grenzen dieser Instruction so streng als irgend möglich an das Breve zu halten entschlossen sey. E i n weiteres Eingehen auf das E i n zelne schien m i t Recht i n der Konferenz weder nöthig noch räthlich. Die Anerkennung des Inhaltes des v o m H e r r n Regierungs-Präsidenten Grafen zu Stolberg entworfenen u n d mitgetheilten Schreibens Seitens des Herrn Erzbischofs i m p l i c i r t also m i t Nothwendigkeit das Einverständniß m i t diesem Sinn der besprochenen Formel u n d ist insofern, für die E r f ü l l u n g des bestimmt ausgesprochen u n d unwiderruflichen K g l . Befehles, dem Wesen

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desselben nach genügend, aber auch das m i n i m u m , was die Annahme einer solchen Anerkennung rechtfertigen kann. Die vorstehende Recapitulation hat also nichts zum Zwecke, als die von des Königs Majestät Bevollmächtigten zu rechtfertigen und vor schwerer Verantwortlichkeit zu schützen u n d beruht keineswegs auf einem Mißtrauen i n die praktische Auslegung, welche der Herr Erzbischof der gedachten Formel zu geben gesonnen sey. Bunsen N r . 154. Schreiben des Erzbischofs v. Droste-Vischering an den Gesandten v. Bunsen v o m 18. September 1837 (Preußische Staatsschrift, 1838, Anhang S. 26) Den procés verbal gehorsamst zurücksendend, nehme ich die Freiheit, zu bemerken, daß ich vollkommen den Zweck desselben erkenne u n d achte, auf diese Weise aber die Sache m i r zu umständlich w i r d . Ganz einfach liegt die Sache w i e folgt: Z w e i Normen meiner Handlungsweise liegen vor: erstens das Breve, zweitens die Ubereinkunft, als deren Theil die Instruction zu betrachten ist. Die Praxis führe ich nicht an, w e i l sie auf 1 u n d 2 basirt. Die Übereinkunft resp. Instruction hat den Zweck, die Bestimmung, die Ausführung des päpstl. Breve zu erleichtern, aber nicht die, das päpstl. Breve u n w i r k s a m zu machen. Ich befolge demnach so v i e l möglich beide Normen, wo aber die Instruction nicht i n Einklang zu bringen ist m i t dem Breve, da richte ich mich nach dem Breve. Dieses u n d nichts Anderes verstehe ich unter den Worten: gemäß dem Breve u n d der Instruction. W i r d solches hinreichend befunden, so erkläre ich mich m i t der zurückkommenden Einlage einstimmig, auf welchen Fall ich m i r dieselbe gehorsamst zurückerbitte; widrigen Falls muß ich gehorsamst ersuchen, keine andere schriftliche oder mündliche Besprechungen über diesen Punkt mehr Statt finden zu lassen, denn ich k a n n und darf von der eben angeführten Form nicht abgehen; ich w i l l mich nicht i n den F a l l setzen, in welchen einer meiner confratres, eben i n Beziehung auf diesen Gegenstand gekommen ist, nämlich auf dem Todtenbette widerrufen zu müssen 1 2 , was ich i m Leben gethan habe. N r . 155. E r k l ä r u n g des Regierungsbevollmächtigten G r a f A n t o n zu Stolberg an den Erzbischof v. Droste-Vischering vom 18. September 1837 (Preußische Staatsschrift, 1838, Anhang S. 30) I n Gemäßheit des m i r von Ew. Erzbischöfl. Hochwürden zugekommenen Schreibens, m i t welchem Hochdieselben m i r meine Zuschrift v o m heutigen 1

en Nr. 1 .

V I I . Die Amtssuspension des Erzbischofs

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Tage, nebst dem procès verbal des Kgl. Gesandten, H e r r n Geheimen LegationsRath Bunsen, remittiren, sehe ich mich zu meinem größten Schmerz genöthigt, Ew. Erzbischöfl. Hoch würden hiermit zu erklären, daß danach jeder weitere Schritt von meiner Seite unmöglich geworden ist. Da Sr. Maj. dem Könige, nach Allerhöchstderen bestimmter Willenserklärung die weitere amtliche Wirksamkeit Ew. Erzbischöfl. Hochwürden innerhalb der Monarchie m i t der Verwerfung der Instruction von 1834 unvereinbar erscheint, so ist durch Hochdero Entscheidung auch zugleich nothwendig jede Verständigung über irgend eine andere Angelegenheit unmöglich und unnöthig geworden, welche Hochdero fortgesetzte Amtsthätigkeit auf eine längere Zeit voraussetzen würde. Aus diesem Grunde sehe ich mich also außer Stand, Ew. Erzbischöfl. Hochwürden das gestern besprochene Schreiben, hinsichtlich der Hermesischen Angelegenheit, u n d Hochdero Verhältniß zur Bonner Fakultät und zum Convictorium einzusenden, u n d es fallen also damit alle i n dieser Beziehung gemachten Verabredungen von selbst weg.

V I I . Die Amtssuspension des Erzbischofs von K ö l n Nach Beratungen der Regierung über die nach dem Scheitern der Kölner Verhandlungen zu treffenden Maßnahmen machte Altenstein dem Erzbischof durch den Erlaß vom 24. Oktober 1837 (Nr. 156) die amtliche Eröffnung, daß die Voraussetzungen seiner Amtstätigkeit hinfällig seien, wenn er sich nicht zur Revision seiner Einstellung bereitfinde. Droste-Vischering beharrte jedoch in seiner Antwort vom 31. Oktober 1837 (Nr. 157) auf seiner bisherigen Haltung. Zugleich gab er dem Klerus seiner Diözese und den Studenten des Priesterseminars den Erlaß des Ministers und seine Antwort bekannt. Durch diesen Schritt des Erzbischofs an die Öffentlichkeit sah die Regierung sich vollends genötigt, die angedrohten Maßnahmen zu ergreifen und die weitere Amtstätigkeit Droste-Vischerings zu verhindern. Durch Kabinettsordre vom 15. November 1837 1 befahl König Friedrich Wilhelm III. dem Kölner Erzbischof, seine Diözese zu verlassen und alle amtlichen Handlungen zu unterlassen; jeder amtliche Verkehr mit ihm wurde untersagt. Die mit dem Vollzug dieser Maßnahme beauftragten Minister des Kultus 2, der Justiz* und des Innern 4 gaben den Inhalt der Kabinettsordre in einem Publikandum vom selben Tag bekannt (Nr. 158). Gleichzeitig begründete der Kultusminister in einem Schreiben an das Kölner Domkapitel (Nr. 159) die Entscheidung der Regierung. Bei den gegen Droste-Vischering 1 Der I n h a l t der Kabinettsordre ist wiedergegeben i n dem nachfolgenden Publikandum vom gleichen Tag. 2 Karl Frhr. v. Altenstein (siehe oben S. 118 Anm. 4). 3 Karl Christoph Albert Heinrich v. Kamptz (1769 - 1849), Richter am Reichskammergericht (1805) und am preuß. Kammergericht (1811), dann i m preuß. Verwaltungsdienst; 1817 Direktor i m Polizeiministerium, 1824 zugleich i m Kultusministerium; 1832 - 1842 preuß. Gesetzgebungsminister; seit 1837 zugleich Justizminister für die Rheinlande. 4 Gustav Adolf Rochus v. Rochow (1792 - 1847), seit 1823 in der preuß. Staatsschuldenverwaltung, 1831 - 1834 Regierungspräsident i n Merseburg; 1834 - 1842 Innenminister; 1842 - 1847 Präsident des Staatsrats.

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beschlossenen Maßnahmen handelte es sich nicht um eine Amtsenthebung, die den staatlichen Stellen mit Sicherheit nicht zustand, sondern um eine Amtssuspension, bei der nach staatlicher Auffassung die kirchenrechtlichen Bestimmungen für den Fall der sedes impedita Anwendung zu finden hatten. Vollzogen wurde die Suspension durch den Oberpräsidenten v. Bodelschwingh unter Mitwirkung des Kölner Regierungspräsidenten Ruppenthal und des Kölner Oberbürgermeisters Steinberger (Nr. 160). Droste-Vischering erkannte den königlichen Befehl zum Verlassen seiner Diözese nicht an, fügte sich jedoch der Zwangsmaßnahme seiner Wegführung nach Minden. Eine eindeutige Rechtsgrundlage besaß dieser administrative Akt nicht. Auf das im damaligen Polizeirecht mitenthaltene Institut der Schutzhaft konnte die Regierung sich für diese kirchenpolitische Handlung schwerlich berufen. N r . 156. Erlaß des Kultusministers v. Altenstein an den Erzbischof v. Droste-Vischering v o m 24. Oktober 1837 (Preußische Staatsschrift, 1838, Anhang S. 30 f.) Se. M a j . der K ö n i g haben m i r durch Allerhöchste Kabinets-Ordre vom 17. d. M. zu befehlen geruht, Ew. Erzbischöfl. Hochwürden Folgendes zu eröffnen : Se. M a j . haben aus dem Berichte des Regierungs-Präsidenten Grafen zu Stolberg über den Erfolg der aus Allerhöchstem Auftrage m i t Ew. E. H. gepflogenen Besprechung zu I h r e m großen Befremden entnommen, i n welcher Weise Ew. E. H. sich erklärt, und daß Sie Sich zu einem Verfahren bekannt haben, welches sowohl Ihren eigenen früheren Zusagen, als bestimmten V o r schriften der Landesgesetze widerspricht. Wenn auch des Königs Majestät von mehreren Schritten, die Ew. E. H. i n der Hermesischen Angelegenheit m i t Nichtachtung der Landesgesetze und Verletzung aller vorgeschriebenen Formen Sich nachgesehen haben, deren Unzulässigkeit Sie jetzt selbst anzuerkennen scheinen, so weit es die Vergangenheit betrifft, huldreichst absehen w o l l ten: so können Allerhöchstdieselben doch nicht ohne unmittelbare und ernstliche A h n d u n g geschehen lassen, was Ew. E. H. nach dem vorliegenden Berichte außerdem jetzt noch zur Last fällt. Von jeher w a r Sr. K g l . Majestät landesväterliches Trachten, die zwischen Allerhöchst I h r e n evang. und kath. Unterthanen bestehenden Verhältnisse des Friedens und Wohlwollens aufrecht zu erhalten und jeglicher Störung dieser Eintracht möglichst vorzubeugen. I n dieser Gesinnung haben des Königs Majestät von I h r e m landesherrlichen Vorrecht bei dem D o m - K a p i t e l zu K ö l n zu Ew. E. H. Beförderung erst dann Gebrauch gemacht, als Sie durch eine schriftliche Versicherung bei Allerhöchstdenselben die zuversichtliche E r w a r tung begründet hatten, daß Sie die, von I h r e m Vorfahr entworfene, von den Bischöfen von Münster, Paderborn u n d Trier angenommene und i n Ausführung gebrachte I n s t r u k t i o n für die General-Vicariate zur Behandlung der gemischten Ehen, i m Geiste der Liebe und des Friedens auch Ihrerseits ausführen würden 5 . en Nr. 1 .

V I I . Die Amtssuspension des Erzbischofs

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N u n aber haben Ew. E. H. Ihre von des Königs Majestät auf Treue und Glauben angenommene Zusicherung nicht allein unerfüllt gelassen; vielmehr haben Sie das Vertrauen der Behörden, die an redlicher M i t w i r k u n g des Erzbischofs zur Erhaltung der bestehenden Praxis nicht zweifeln durften, i n so hohem Grade getäuscht, daß Sie i n vorkommenden Fällen die Pfarrer i m ganz entgegengesetzten Sinne dahin anwiesen: die kirchliche Trauung nur dann zu gewähren, wenn sich das Brautpaar zur Erziehung sämmtlicher K i n d e r i m kath. Glauben durch ein ausdrückliches Versprechen zuvor verpflichtet haben würde 6 . Nachdem der Präsident Graf zu Stolberg Ew. E. H. die ernstlichen Folgen v o r gestellt, die ein solches, den Gesetzen widerstreitendes Verfahren, wofern Sie dabei beharreten, unausbleiblich nach sich ziehen würde, haben Dieselben jede fernere Erörterung von der Hand gewiesen 7 . Demzufolge habe ich Ew. E. H. aus Allerhöchstem Auftrage zu erklären: daß, wofern Dieselben nicht ohne Zeitverlust auf geeignete Weise I h r e n Gehorsam gegen des Königs Majestät und die Landesgesetze bezeugen, indem Sie über das Vergangene eine befriedigende E r k l ä r u n g u n d zugleich das unzweideutige, jeden Rückhalt ausschließende Versprechen von sich geben: daß Sie die, bei dem A n t r i t t Ihres Amtes vorgefundene u n d selbst i n einigen Theilen des Erzbisthums bereits vor der Übereinkunft v o m Jahre 1834 bestandene Praxis, aufrichtig fortdauern lassen, m i t h i n , unter pflichtmäßiger Befolgung der Landesgesetze die, nach reiflicher Erwägung des päpstl. Breve von den Bischöfen den General-Vicariaten gegebene I n s t r u k t i o n ausführen wollen: so haben des Königs Majestät beschlossen, zur Aufrechthaltung Allerhöchst Ihres landesherrlichen Ansehens u n d zum Schirm der Gesetze sofort jene Maaßregeln eintreten zu lassen, deren unmittelbare Folge die Hemmung Ew. E. H. amtlichen Wirksamkeit seyn w i r d . Sollten Ew. E. H. durch Gewissenszweifel sich beengt und daher außer Stande fühlen, jenem Kgl. Verlangen, wie vorsteht, i n seinem ganzen U m fange nachzukommen: so ist darauf zwar zu bemerken: daß dergleichen an sich achtbare Beweggründe von der Beobachtung der Gesetze Niemanden freisprechen können. Ew. E. H. durften vielmehr das A m t nicht übernehmen, oder es nicht länger behalten, wenn Sie glaubten, es innerhalb der, durch die Gesetze vorgezeichneten Gränzen m i t ruhigem Gewissen nicht verwalten zu können. Indeß wollen des Königs Majestät für den hier erwähnten F a l l Ew. E. H. gestatten, das Erzbisthum niederzulegen, ohne daß wegen des V e r gangenen weiter eingeschritten werde. Da der Gegenstand dieser amtlichen Aufforderung nicht neu, vielmehr durch die vorangegangenen Besprechungen bereits erörtert worden ist: so darf ich voraussetzen, daß Ew. E. H. i m Stande sind, Ihre Entschließung bald zu fassen. Die Dringlichkeit der Sache verpflichtet mich, Ew. E. H. angelegentlich zu ersuchen, m i r Ihre Rückäußerung auf vorliegende Eröffnung i n einer Fassung, die ich Allerhöchsten Orts vorlegen kann, spätestens innerhalb einiger Tage zugehen zu lassen.

« Oben Nr. 145. 7 Oben Nr. 154.

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N r . 157. Schreiben des Erzbischofs v. Droste-Vischering an den Kultusminister v. Altenstein vom 31. Oktober 1837 (Preußische Staatsschrift, 1838, S. 32) A u f Ew. Exc. gefälliges Schreiben vom 24. 1. Mts. beehre ich mich gehorsamst zu erwiedern, daß ich nicht weiß, Veranlassung gegeben zu haben zu der Meinung, als erkennte ich selbst die Unzulässigkeit mehrerer von m i r i n der Hermesschen Angelegenheit gethanen Schritte an: die Sache ist rein kirchlich, da bloß von der Lehre die Rede ist. Was nun die gemischten Ehen betrifft, so erkläre ich hiermit wiederholt und zwar i m Einklänge m i t meiner, vor meiner W a h l Ew. Exc. eingesendeten vertraulichen schriftlichen E r k l ä r u n g 8 : daß ich in den Angelegenheiten der gemischten Ehen gemäß dem päpstl. Breve und der Seitens der Bischöfe an die General-Vicariate erlassenen Instruktion, und zwar so verfahren werde, daß ich, so viel thunlich, beiden folge, wo aber die I n s t r u k t i o n m i t dem päpstl. Breve nicht i n Einklang zu bringen ist, mich nach dem päpstl. Breve richte. Ich muß jedoch gehorsamst bemerken, daß i n meiner eben erwähnten, an Ew. Exc. vor meiner W a h l eingesendeten E r k l ä r u n g von der an die Vicariate erlassenen Instruction keine Rede war, auch nicht seyn konnte, da Ew. Exc. derselben nicht erwähnt hatten; und ferner, daß meiner vorstehenden E r klärung nicht Gewissens-Zweifel, sondern die feste Uberzeugung zum Grunde liege: K e i n Bischof dürfe eine Erklärung geben, welche m i t der angeführten i m Widerspruche ist. Ich darf übrigens nicht unterlassen, auch für mich die Gewissensfreiheit in Anspruch zu nehmen und die Rechte der kath. Kirche und die freie Ausübung der kath. Kirchengewalt zu verwahren, dabei auch gehorsamst zu bemerken, daß meine Verpflichtung gegen die Erzdiöcese und gegen die ganze Kirche m i r verbietet, sowohl meine Amtsverrichtungen einzustellen, als mein A m t niederzulegen. I n allen weltlichen Dingen b i n ich Sr. Maj. gehorsam, wie es einem treuen Unterthan geziemt.

N r . 158. P u b l i k a n d u m der Minister des Kultus, der Justiz und des I n n e r n v o m 15. November 1837 (Preußische Staatsschrift, 1838, S. 32 ff.) Der Erzbischof von Köln, Clemens August Frhr. Droste zu Vischering, hat bald nach dem A n t r i t t e seiner Würde die m i t derselben verbundene amtliche Wirksamkeit auf eine Weise auszuüben gesucht, welche, ganz unverträglich m i t den Grundgesetzen der Monarchie, von keinem anderen Bischof derselben in Anspruch genommen w i r d , auch i n keinem andern deutschen Lande zugelassen ist. en Nr. 1 .

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Se. M a j . der K ö n i g durfte ein solches Benehmen u m so weniger erwarten, als Allerhöchstdieselben i n den Rheinlanden die Herstellung der daselbst während der Fremdherrschaft i n tiefen Verfall gerathenen kath. Kirche Sich m i t besonderer Sorgfalt haben angelegen seyn lassen. Die Wiederherstellung der Kirchengewalt durch eine von allen Angehörigen der kath. Kirche dankbar aufgenommene Ubereinkunft m i t dem Papste 9 , die treue und gewissenhafte Ausführung derselben von Seiten der Staats-Behörden, die großen A n stalten für die B i l d u n g und Erziehung der kath. Bevölkerung und Geistlichkeit, das förderliche Zusammenwirken der Staats- und kirchl. Behörden mußten den Erzbischof auf das eindringlichste an seine Pflicht erinnern, daß er auch seiner Seits nichts verabsäumen dürfe, u m die freundlichen Verhältnisse, welche sich während des Laufes der letzten Jahrzehnde zwischen der Staatsund kath. Kirchengewalt gebildet hatten, und die er bei dem A n t r i t t e seiner Würde vorfand, i n ihrer gedeihlichen Entwicklung zu erhalten. Statt diese gerechte E r w a r t u n g zu erfüllen, welche er durch eine seiner W a h l vorausgegangene schriftliche Versicherung zu einem vollen Vertrauen befestigt hatte, setzte er sich m i t W i l l k ü h r über die Landesgesetze hinweg, verkannte das Kgl. Ansehen und brachte verwirrende Störung i n geordnete Verhältnisse. Da die zunächst auf Anordnung der höchsten Staatsbehörden angewandten, und sodann auf unmittelbaren Allerhöchsten Befehl wiederholten Versuche, den Erzbischof auf gütlichem Wege über die Schranken seiner Amtsbefugnisse zu verständigen, eben so fruchtlos gewesen sind, als die Warnungen über die unvermeidlichen ernsten Folgen seines fortgesetzten Widerstrebens gegen die bestehenden Gesetze, derselbe vielmehr erklärt hat, bei der A n w e n d u n g der von i h m aufgestellten Grundsätze, wie bisher, so auch ferner beharren zu wollen, zuletzt auch sich nicht gescheut, selbst Schritte zur Aufregung der Gemüther zu t h u n : so blieb unter diesen Umständen Se. M a j . dem Könige, indem Sie Sich aus Rücksicht auf die bestehenden freundschaftlichen V e r hältnisse m i t dem päpstl. Stuhle enthalten wollten, der Strenge der Gesetze auf das Verfahren des Erzbischofs Anwendung zu geben, zur Wahrung der Rechte Ihrer Krone, zur Abwendung verderblicher Störungen i n dem Gange der Verwaltung eines der wichtigsten Theile der öffentlichen Angelegenheiten, vorzüglich aber zur Aufrechthaltung des Friedens und der Eintracht unter I h r e n Unterthanen, für welchen Zweck die göttliche Vorsehung Ihre Bemühungen unausgesetzt gesegnet hat, kein anderes M i t t e l übrig, als wenigstens der Ausübung der amtlichen Wirksamkeit des genannten Prälaten i n aller und jeder Beziehung ein Ziel zu setzen. Zu dem Ende haben Allerhöchstdieselben mittelst Ordre v o m 15. d. M. anzuordnen geruht, daß der Erzbischof seinen Sprengel verlasse und außerhalb desselben seinen Wohnsitz nehme, das Metropolitan-Kapitel zu K ö l n aber unter M i t t h e i l u n g dieser Allerhöchsten Verfügung aufgefordert werde, nach den kanonischen Vorschriften diejenigen Maaßregeln einzuleiten u n d zu treffen, welche zur Aufrechthaltung des unentbehrlichen Geschäftsganges erforderlich und dem Zustande der eingetretenen Hemmung des erzbischöfl. Amtes angemessen sind, auch über diesen Vorgang an den päpstl. Stuhl, welcher von dem Gange der Ereignisse i n vollständiger Kenntniß erhalten 9 Nämlich die der Bulle „De salute animarum" zugrunde liegende Vereinbarung (oben Nr. 91).

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worden ist, m i t den i h m geeignet scheinenden Anträgen zur weiteren V e r anlassung unmittelbar zu berichten 1 0 . Jener Allerhöchste Befehl ist bereits vollzogen worden, u n d erwarten Se. M a j . u m so mehr die Zustimmung aller Wohlgesinnten u n d das Unterbleiben jedes Versuchs, sich den Allerhöchsten Befehlen entgegen zu setzen, als die bisherigen Erfahrungen des guten Sinnes, Gehorsams u n d Vertrauens zu der beruhigenden Hoffnung berechtigen, daß diese Maaßregel, zu welcher Se. M a j . n u r durch das Benehmen des Erzbischofs gezwungen worden sind, i n ihrem wahren Lichte von allen Unterthanen werde erkannt und durch nichts werde gestört werden, was als Auflehnung gegen die Allerhöchsten Befehle und Verletzung der Pflichten treuer Unterthanen, würde angesehen u n d gerügt werden müssen. Gleichzeitig haben Se. M a j . der K ö n i g mittelst der obgedachten Kabinets-Ordre zu bestimmen geruht: 1. Bis zur Herstellung einer geregelten kirchl. Verwaltung, welche die K g l . Regierung sich m i t aller Sorgfalt angelegen seyn lassen w i r d , sobald als möglich, unter Benehmen m i t dem päpstl. Stuhle, herbeizuführen, haben die kath. Unterthanen u n d alle, die es angeht, i n geistlichen und andern zu jener V e r w a l t u n g gehörigen Angelegenheiten, sich nach der zu erwartenden Bekanntmachung des Kapitels zu richten. 2. Jeder Geschäftsverkehr m i t dem Erzbischofe Clemens August Freiherrn Droste zu Vischering w i r d den Staats- u n d kirchl. Behörden, den Dekanen, Pfarrern u n d überhaupt allen Geistlichen u n d Laien, ohne Unterschied des Standes ernstlich untersagt. 3. Sollte der Erzbischof, der i h m deshalb gemachten Eröffnung entgegen, amtliche Handlungen vornehmen, oder Verfügungen u n d Entscheidungen ausgehen lassen, so sind diese, abgesehen von den ein solches Verfahren sonst treffenden Folgen, als nicht geschehen u n d völlig wirkungslos zu betrachten. 4. Derjenige, welcher dem Verbot des Geschäftsverkehrs m i t dem Erzbischof zuwider handelt (2.), soll, i n sofern auf seinen durch Übertretung des V e r bots bewiesenen Ungehorsam gegen die Befehle der höchsten Gewalt, nach den bestehenden Gesetzen, m i t Rücksicht auf die Umstände des besonderen Falles, nicht eine härtere Strafe i n A n w e n d u n g zu bringen ist, m i t einer Geldbuße bis 50 R t h l r . oder einer Gefängnißstrafe bis auf 6 Wochen belegt werden. M i t der Ausführung der Allerhöchsten Ordre beauftragt, machen w i r den I n h a l t derselben hierdurch zur Nachricht und Achtung öffentlich bekannt. Die Minister der geistlichen Angelegenheiten, v. Altenstein

10

U n t e n Nr. 162.

der Justiz, v. Kamptz

des I n n e r n u n d der Polizei. v. Rochow

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N r . 159. Schreiben des Kultusministers v. Altenstein an das D o m k a p i t e l zu K ö l n v o m 15. November 1837 (Preußische Staatsschrift, 1838, S. 34 ff.) Dem Hochwürdigen M e t r o p o l i t a n - K a p i t e l sind die Vorgänge nicht fremd geblieben, durch welche der Herr Erzbischof Freiherr Clemens August Droste zu Vischering der Kgl. Regierung i n immer steigendem Maße Anlaß zur U n zufriedenheit u n d zu ernsten Mahnungen gegeben hat. Es k a n n dem K a p i t e l nicht entgangen seyn, daß die von dem gemäßigten Benehmen u n d gesetzlichen Verfahren aller übrigen kath. Landesbischöfe so sehr abstechende Rücksichtslosigkeit jenes Prälaten gegen die bestehenden Gesetze und Verordnungen, seine Nichtachtung aller vorgeschriebenen und rechtlich bestehenden Formen und Einrichtungen, seine Eingriffe i n die Landesherrlichen Rechte u n d sein schrankenloses Einschreiten gegen Personen, welche die allgemeine Gerechtigkeit nicht erlaubt, seiner W i l l k ü h r zu überlassen, m i t unabweisbarer N o t h wendigkeit die Krise herbeiführen mußten, welche n u r die ausharrende Geduld u n d große L a n g m u t h einer milden Regierung, fast bis zur Auflösung aller Ordnung i m Lande, j a bis zur Gefährdung der öffentlichen Ruhe hat hinausschieben können. Indem ich m i r vorbehalte, diese beschwerenden Umstände m i t ihren Belegen unverzüglich Einem Hochwürdigen Metropolitan-Kapitel vollständig vorzulegen, w i l l ich hier n u r kurz an die erheblichsten Punkte erinnern, die dabei zur Sprache kommen. Bekannt u n d urkundlich festgestellt ist zuvörderst das einseitige u n d alle Form, w i e schon die N a t u r der Sache u n d die allgemeine Gerechtigkeit sie vorschreibt, entbehrende Einschreiten des H e r r n Erzbischofs gegen jene Professoren der Bonner Universität, welche i h m als Schüler u n d Freunde des verstorbenen Hermes mißfällig u n d verdächtig w a r e n 1 1 . Niemals ist es der Regierung i n den Sinn gekommen, weder die Hermesische Lehre i n Schutz zu nehmen, noch überhaupt sich i n jene Angelegenheit einzumischen, so w e i t sie eine reine Lehrfrage ist. So w i e sie davon schon früher durch die Berufung eines ausgezeichneten Lehrers, welcher jener Schule durchaus fremd w a r l l a , einen offenkundigen Beweis gegeben; so hat sie auch diesen Grundsatz, den sie nie verlassen w i r d , seit dem Erscheinen des päpstl. Verbotes der Hermesischen Schriften auf's unzweideutigste bethätigt. Ungeachtet das päpstl. Breve v o m 26. September 1835 12 ohne alles Vorwissen der Regierung ergangen u n d derselben nicht offiziell mitgetheilt war, daher auch von i h r offiziell n u r ignorirt werden konnte; so ist nichts desto weniger v o m Anfange an von i h r dafür gesorgt, daß die verbotenen Hermesischen Schriften auf der Universität beseitigt würden. I n diesem Sinne sind die ernstlichsten Verfügungen an die Professoren ergangen, auch von denselben, so w e i t der Regierung bekannt ist, gebührend beachtet w o r d e n 1 3 . A l l e i n dieses hat den H e r r n Erzbischof nicht zu 11

Oben Nr. 146. Nämlich der 1829 nach Bonn berufene Hermes-Gegner Heinrich (oben S. 364 A n m . 2). 12 Das Verdammungsurteil gegen Hermes (oben S. 353 A n m . 4). 13 Oben Nr. 150. l l a

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befriedigen vermocht. Trotz der freundlichen Aufforderung, die i h m deshalb zuging, ist er nicht einmal zu bewegen gewesen, jene Professoren vor sich zu lassen und ihnen zu erlauben, sich vor i h m durch mündliche Verantwortung, j a selbst Vorlegung ihrer Hefte zu rechtfertigen, oder seine Belehrung darüber zu empfangen. Eben so hartnäckig u n d eigensinnig wies er, i n der damals, u m die Störung des akademischen Unterrichts zu verhindern, m i t i h m gehaltenen amtlichen Besprechung, das, nach jener Weigerung u m so billigere Verlangen zurück, ihnen anderweitig bekannt zu machen, was er an ihrer Lehre zu tadeln finde u n d gebessert zu sehen wünsche. Ja, er verwarf selbst den Vorschlag, sich nach der i h m zustehenden Befugniß, durch Beaufsichtigung der Vorlesungen, den Besitz von Thatsachen zu verschaffen, auf welche h i n er der Regierung seine Beschwerden einreichen und die Entfernung jener Lehrer verlangen konnte. Vielmehr ist bekannt, wie er, m i t Nichtachtung aller vorgeschriebenen Formen u n d ohne A n f ü h r u n g irgend eines sachlichen G r u n des, selbst eingeschritten ist u n d eigenmächtig das Verbot der akademischen Vorlesungen verhängt hat. Die Wege, die er eingeschlagen, u m jenem Verbote Öffentlichkeit u n d Geltung zu verschaffen, sein Rundschreiben an die Beichtväter zu B o n n 1 4 , der Gebrauch oder vielmehr Mißbrauch, dem Beichtstuhl u n d Kanzel ausgesetzt waren, und die verderblichen Folgen dieser Vorgänge sind so offenkundig geworden, daß sie hier n u r angedeutet werden dürfen. Die Auflösung der Zucht, die Herabwürdigung der Lehrer, die Verspottung der Anordnungen der Obrigkeit, die Verödung des Convictoriums, die Störung des akademischen Unterrichts f ü r so viele zum Dienste der Kirche heranreifende Jünglinge — das sind Folgen, die vor aller Augen liegen. A l l e i n die weitere Folge der Zulassung einer solchen Handlungsweise w ü r d e so unvermeidlich die Zerstörung aller Universitäts-Bildung und die Verdrängung aller wissenschaftlichen Studien seyn, daß man k a u m zweifeln darf, es sey m i t jenem Verfahren von dem Erzbischofe hauptsächlich der Umsturz der deutschen Universitäts-Bildung, so w e i t an i h m lag, bezweckt worden. Es ist n u r daraus zu erklären, weshalb der Herr Erzbischof den durch eine Übereink u n f t zwischen seinem Amtsvorfahr u n d der Regierung geordneten, der erzbischöfl. Gewalt u n d geistl. Aufsicht jede billige Garantie gewährenden Geschäftsgang hinsichtlich jenes Convictoriums gänzlich unbeachtet ließ, und den Inspector desselben 15 aufs härteste behandelte, w e i l er i n den Schranken jener Ordnung geblieben war. Eben so k a n n es k a u m anders, denn als eine Fortsetzung desselben Verfahrens u n d eine Verfolgung desselben Planes betrachtet werden, w e n n der H e r r Erzbischof seitdem die von seinem A m t s vorfahr i m Einverständniß m i t der Regierung begründete, durch zehnjährige Erfahrung bewährte Einrichtung des erzbischöfl. Priester-Seminars umgestaltet hat, ohne dem Kgl. Unterrichts-Ministerium auch nur die geringste K e n n t niß davon zu geben 1 6 . U n d doch k a n n Niemand i n Abrede stellen, daß, abgesehen von dem ebenerwähnten Umstände, der Staat dabei betheiligt sey, w e n n die Zeit des vorgeschriebenen Aufenthaltes i m Seminar von einem Jahr auf zwei verlängert werde. Es ist hiernach nicht zu verwundern, w e n n er i n den letzten Tagen, nach den der Regierung zugekommenen Berichten 14 15 16

Oben Nr. 146. Den Inspektor Achterfeldt Oben S. 365.

(oben S. 362 A n m . 6).

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sämmtliche Lehrer des Seminars außer Thätigkeit gesetzt hat, ohne daß er m i r davon i m Geringsten Anzeige gemacht hätte. Eine nicht geringere Beschwerde hat der Herr Erzbischof zweitens dadurch begründet, daß er sich über die Vorschrift der Gesetze, nach welcher päpstl. Bullen und Breven, eben wie neue bischöfl. Verordnungen, n u r m i t Vorwissen und Genehmigung der Regierung vollziehbar sind u n d i m Lande verbindliche K r a f t erlangen 1 7 , ganz rücksichtslos hinausgesetzt hat. I n seinem obenerwähnten Rundschreiben an die Beichtväter zu Bonn sagt er m i t klaren Worten, daß Breven dogmatischen Inhalts der Staats-Genehmigung gar nicht bedürfen, und daß deren zu Rom vollzogene Publikation hinreiche, u m ihnen überall verbindliches Ansehen zu verschaffen. Diese Behauptung widerspricht schnurstracks den Gesetzen der Monarchie, dem Staatsrechte u n d der Praxis aller Deutschen Länder: einem Rechte und einer Praxis, die nicht n u r zur Sicherung der Staatsgewalt u n d zur Aufrechthaltung des allgemeinen Friedens, sondern auch zur Vermeidung schwererer Irrungen u n d Störungen innerhalb der kath. Kirche des Landes heilsam und u m so nothwendiger sind, als selbst Entscheidungen über die Lehre fast immer m i t factischen Verhältnissen zusammen hängen, und gerade, u m ihnen die geforderte Geltung zu verschaffen, i n der Ausführung m i t den Landesgesetzen vereinbarlich gemacht w e r den müssen. Wenn es also i n dem Bereiche der Kgl. Macht liegt, von dergleichen Entscheidungen, hinsichtlich ihrer verbindlichen K r a f t f ü r U n t e r thanen u n d Staatsbeamte, Einsicht zu fordern, so ist das Bestehen auf einem solchen Rechte keinesweges eine Einmischung i n die Lehre der Kirche, welche darin berührt seyn kann, sondern n u r die Aufrechthaltung der Grundbedingungen des Bestehens des Reiches. Es k o m m t auch i m vorliegenden Falle, außer dem oben angedeuteten Mangel offizieller M i t t h e i l u n g hinzu, daß k e i n kath. Bischof der Monarchie, j a der Herr Erzbischof selbst nicht, sich an die Regierung Behufs jener Publikation gewandt, u n d daß diese, soviel bekannt geworden, auch i n anderen Deutschen Ländern nicht stattgefunden hat. Ganz von derselben A r t und Tendenz ist drittens die i n den öffentlichen Blättern v i e l besprochene Aufstellung von achtzehn Sätzen 1 8 , welche den Priestern, die als Beichtväter zugelassen werden wollen, u n d anderen Geistlichen der erzbischöfl. Diöcese K ö l n als Bedingung ihrer Wirksamkeit zur Unterschrift von i h m vorgelegt werden sollten und w i r k l i c h vorgelegt worden sind. Die Aufstellung einer solchen neuen Bedingung ist offenbar eine neue Verordnung, welche als solche der Landesherrlichen Genehmigung bedarf. Sie greift ferner durch die bedingende K r a f t , welche der Unterschrift beigelegt wird, tief i n die Rechte Einzelner ein, und bedarf deshalb einer besondern Beachtung. Endlich aber enthält der achtzehnte A r t i k e l jener Thesen, wodurch auch i n Sachen der Disciplin jeder Rekurs gegen Mißbrauch der erzbischöfl. Gewalt an den Landesherrn unbedingt ausgeschlossen wird, einen u n m i t t e l baren Eingriff i n das Landesherrliche Recht, wie es i n allen Deutschen Landen u n d fast allen christlichen Staaten Europa's seit Jahrhunderten besteht.

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Das placetum regium: § 118 I I 11 A L R (oben Nr. 1); ferner oben S. 47 A n m . 10. 18 Oben Nr. 151. 25 Huber, Staat und Kirche, 1. Bd.

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Eine so bedeutende, so bedenkliche, so gesetzwidrige Anordnung w a r d aber von dem Herrn Erzbischof vorgenommen, ohne daß er der Regierung auch n u r eine Anzeige zu machen für gut befunden hätte. Nicht minder gesetzwidrig, u n d m i t noch beschwerenderen Umständen verbunden, ist endlich viertens das Verfahren des H. Erzbischof s hinsichtlich der gemischten Ehen gewesen, u n d es muß dieses Umstandes schon hier u m so ausführlicher Erwähnung geschehen, als der H. Erzbischof sich nicht gescheut hat, diesen Gegenstand m i t Verschweigung der wahren Sachlage als den eigentlichen Grund des i h m angedrohten Verfahrens der Regierung hervorzuheben, und dadurch die Gemüther aufzuregen: ein Benehmen, das u m so schwererer Verantwortlichkeit unterliegt, als darin schon an sich ein großer Mißbrauch der Kgl. Gnade enthalten ist. Es w a r nur W i r k u n g dieser von i h m als Schwäche ausgelegten Gnade und Nachsicht, daß nach der Abweisung der freundlichsten und zugleich ernstesten mündlichen Vorstellungen, die i h m i m Namen Se. Maj. des Königs selbst gemacht wurden, i h m nochmals eine schriftliche Abmahnung zugefertigt w u r d e 1 9 . Die H u l d des mildesten Monarchen wollte i h m noch eine Frist geben, sich zu bedenken: sie wollte i h m den Ausweg offen lassen, durch freiwillige Einstellung seiner Amtsthätigkeit allem Einschreiten wegen des Vergangenen zuvor zu kommen, oder auch sich Zeit zu erbitten, u m bei dem Oberhaupte seiner Kirche Belehrung zu suchen, was i h m unbedenklich gew ä h r t worden wäre, wenn er es verlangt hätte. I n undankbarer Verkennung dieser landesväterlichen Milde, hat er dagegen nach Empfang dieses Erlasses einen Religionshaß zu erregen gesucht, dessen Folgen er, bei der Aufregung der Gegenwart, gar nicht berechnen konnte. M i t welcher Entstellung der Wahrheit er dabei zu Werke gegangen, davon können urkundliche Thatsachen das unwiderleglichste Zeugniß ablegen. Hier genügt es zu sagen, daß er vor der Wahl, i n meinem Auftrage, gefragt wurde, ob er die zur Ausführung des päpstl. Breve vom 25. März 1830 hinsichtlich der gemischten Ehen von dem Erzbischofe von Köln, Grafen Spiegel zum Desenberg, vorgeschlagene, von des Königs Majestät genehmigte Einigung v o m 19. Junius 1834, welcher, auf Besprechung m i t jenem Prälaten, die Bischöfe von Paderborn, Münster und Trier beigetreten w a r e n 2 0 , annehmen und ausführen wolle. Es wurde i h m gesagt, daß es von dieser Erklärung abhängen werde, ob Se. Maj. Sich bewogen fühlen könnten, seine W a h l zuzulassen. Hierauf n u n hat der Herr Erzbischof folgende Erklärung von sich gegeben 2 1 : „daß er sich w o h l hüten werde, jene, gemäß dem Breve vom Papste Pius V I I I . darüber getroffene, und i n den benannten vier Sprengein zur Vollziehung gekommene Vereinbarung nicht aufrecht zu halten, oder gar, wenn solches thunlich wäre, anzugreifen oder umzustoßen, und daß er dieselbe nach dem Geiste der Liebe, der Friedfertigkeit anwenden werde". Diese Erklärung wurde von m i r Sr. Maj. dem Könige vorgelegt und von Allerhöchstdenenselben auf Treu und Glauben angenommen. E i n unter solchen Umständen gegebenes Versprechen hat der Erzbischof n u n nicht gehalten, ein m i t solchem Vertrauen v o m Landesherrn angenommenes Wort hat er gebrochen. Ob ein solches Benehmen dadurch könne entschuldigt w e r 19 20 21

Oben Nr. 152. Oben Nr. 130,131. Oben Nr. 134.

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den, daß er die Convention damals nicht gekannt, oder gar, daß er damit nicht die auf jene Einigung gegründete, u n d darin als integrirender T h e i l angeführte I n s t r u k t i o n an das General-Vicariat 2 2 zu halten versprochen habe — und beide nichtige Einwände hat der Erzbischof sich leider nicht gescheut v o r zubringen — das kann hier dem allgemeinen menschlichen Gefühle, das zu entscheiden kann dem Gewissen einer christlichen Bevölkerung ruhig überlassen werden. Fand er sich w i r k l i c h i n dem Falle, daß er jenes Versprechen abgelegt hatte, ohne die Aktenstücke, auf die es sich bezog, zu kennen, und fühlte er sich dadurch i m Gewissen gedrückt; so konnte er u m Erläuterungen über bedenkliche Punkte bitten, wie sie i h m w i r k l i c h i n jenen Besprechungen i n dem verflossenen Monat September zur befriedigenden Lösung aller von i h m vorgebrachten Bedenklichkeiten, von freien Stücken gegeben worden, oder er mußte eine Würde niederlegen, der er ohne Verletzung seines Gewissens nicht vorstehen zu dürfen glaubte. A l l e i n von dem allen hat er gerade das Gegentheil gethan. Nicht zufrieden damit, jenes Versprechen nicht zu halten, hat er vielmehr die Regierung i n dem Glauben bestärkt, daß er dasselbe als bindend anerkenne, während er i m Stillen die bei i h m u m Rath und E n t scheidung einkommenden Pfarrer nicht allein gegen die von i h m angenommene Instruktion, sondern auch gegen die Landesgesetze beschied, deren Conflikt m i t der strengeren Disciplin eines Theiles des jetzigen Erzstiftes durch weise Milderung zu heben, der offenbare Zweck der päpstl. Verfügungen war. Es w a r nach der Publikation jenes Breve niemals, weder an ihn, noch an einen der übrigen Bischöfe das Ansinnen gestellt, zuzulassen, daß die Trauung gemischter Ehen ohne Unterschied und ohne Prüfung solle zugestanden werden: vielmehr w a r die Entscheidung i n jedem einzelnen Falle der geistl. Behörde, jedoch m i t der Bedingung überlassen, daß die Zulassung nicht von dem A b geben eines förmlichen Versprechens über die Kinder-Erziehung Seitens der Verlobten abhängig gemacht würde, w e i l die Gesetze dieses nicht gestatten. Das Breve selbst fordert jenes Versprechen (sponsio) nicht, sondern schreibt Ermahnungen und daraus hervorgehende moralische Garantieen (cautiones) vor, deren Erwägung i m einzelnen Falle dem Pfarrer oder dem bischöfl. General-Vicariate anheim fällt. So w a r es i n dem Erzstifte bis zum A n t r i t t e der Amtsführung des H e r r n Erzbischofes i m Sommer 1836 23 , so w i r d es noch jetzt i n den drei benachbarten Sprengein gehalten. Der Herr Erzbischof hat also gegen sein Wort und gegen seine Pflicht, gegen die bestehenden Gesetze und Anordnungen gehandelt, und über seine Versuche, dieselben zu untergraben und umzustürzen, die Regierung nicht allein i m Dunkeln gehalten, sondern vielmehr sie i m entgegengesetzten Glauben bestärkt. Alles dieses steht durch Beläge fest, die nur aus höheren Rücksichten jetzt nicht zur allgemeinen Kenntniß gebracht werden. Wenn solche große und schwere Thatsachen, nach freventlicher Zurückweisung aller Abmahnung, u n d nach wiederholter schriftlicher E r k l ä r u n g des Erzbischofs, daß er bei seinem Verfahren beharren w o l l e 2 4 , schon an sich die Einschreitung der Landesherrlichen Macht gebieterisch hervorriefen; so durfte es auch nicht unbeachtet bleiben, daß diese ganze Handlungsweise des Erz22 23 24

25*

Oben Nr. 133. I n der Quelle irrtümlich: 1834. Oben Nr. 157.

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bischofs, nach unverkennbaren Spuren m i t dem feindseligen Einflüsse zweier revolutionairen Parteien zusammenhänge, welche die Gemüther aufzuregen, die Gewissen zu v e r w i r r e n suchen, u m ihre zerstörenden und weitgreifenden Pläne durchzusetzen 25 . So haben sich denn endlich, bei der Unerträglichkeit eines solchen Zustandes, und bei den immer ernster und drohender werdenden Folgen desselben, Se. Kgl. Maj. zu I h r e m großen Bedauern genöthigt gesehen, wenigstens so weit m i t der Ihnen von Gott verliehenen Landesherrlichen Macht einzuschreiten, daß dem Übel abgeholfen, u n d der Erzbischof i n die Unmöglichkeit versetzt werde, sein A m t zum Verderben des Staates zu gebrauchen. Demgemäß haben des Königs Majestät, i n Folge Allerhöchster KabinetsOrdre v o m heutigen Tage, den H e r r n Erzbischof bedeuten lassen: daß A l l e r höchstdieselben von n u n an die fernere Verwaltung seines erzbischöfl. Amtes i n I h r e m Reiche nicht gestatten. Der Prälat ist angewiesen worden, sich aller dahin einschlagenden amtlichen Handlungen zu enthalten, die erzbischöfl. Wohnung und den Sprengel sofort zu verlassen, und i n seiner Heimath die weiteren Bestimmungen Sr. M a j . abzuwarten. Sollte derselbe, ungeachtet dieses Allerhöchsten Verbots, i n der Ausübung seines Amtes fortfahren; so sind dessen Handlungen als ungeschehen zu betrachten, und es soll ihnen keine Folge oder W i r k u n g beigelegt werden. Das Hochwürdige Domkapitel w i r d von diesem Vorgange hiedurch i n K e n n t niß gesetzt, u m bei der nunmehr eingetretenen Hinderung des erzbischöfl. Stuhles diejenigen kanonischen Verfügungen zu treffen, die dem F a l l einer sedes impedita angemessen u n d geeignet sind, sowohl die innere Verwaltung der Diöcese augenblicklich aufrecht zu erhalten, als auch die Herstellung einer geordneten kirchlichen Regierung auf kanonischem Wege einzuleiten 2 6 . Des Königs Majestät versehen sich demnach zu der dem Metropolitan-Domkapitel beiwohnenden Weisheit, Kenntniß der Verhältnisse und pflichttreuen Gesinnung, daß Dasselbige nicht säumen werde, das hiernach Erforderliche alsbald zu beschließen und i n Ausführung zu bringen, an die Dekane und Pfarrer mittelst Umlaufschreiben die nöthigen Bekanntmachungen zu erlassen, auch dem päpstl. Stuhle über den ganzen Vorgang Bericht zu erstatten und dessen Weisheit die ferneren kanonischen Verfügungen anheim zu stellen. Das Königliche Ober-Präsidium w i r d dem Hochwürdigen Domkapitel bei der Vollziehung dieser seiner Obliegenheiten auf Ersuchen den angemessenen Beistand leisten. 25

Z u diesem V o r w u r f , es bestehe eine Verbindung zwischen dem Verhalten Droste-Vischerings u n d „zwei revolutionären Parteien" (gemeint die katholisch-hierarchische u n d die katholisch-revolutionäre Partei i n Belgien, die sich beide literarisch i n den Kölner K o n f l i k t eingemischt hatten) siehe Verfassungsgeschichte Bd. I I S. 234 ff. Uber die formelle Rücknahme dieses Vorwurfs bei der Verständigung zwischen Staat und Kirche: unten Nr. 195. 26 I m Unterschied zu der bei Absetzung des Bischofs eintretenden Sedisvakanz, die eine Neuwahl zur Folge hätte haben müssen, w i r d hier n u r der F a l l einer Suspension v o m A m t angenommen, die zur bloßen Verhinderung der Amtsausübung („sedes impedita") führt. Die angedeutete kirchenrechtliche Folge ist i n diesem Fall, daß das Domkapitel die Wahl eines Kapitelsvikars f ü r die Dauer der Amtsverhinderung vorzunehmen hat; bis zu dieser Wahl geht die Diözesangewalt ipso facto auf den Generalvikar (den alter ego des Bischofs) über.

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N r . 160. Protokoll über die Wegführung des Erzbischofs v. Droste-Vischering aus seinem Amtsbereich v o m 20. November 1837 (Preußische Staatsschrift, 1838, S. 38 f.) Verhandelt Köln, den 20. November 1837. Abends 6 Uhr. I n Folge Allerhöchsten Befehls Sr. M a j . des Königs, v o m 15. d. M., und darauf gegründete I n s t r u k t i o n des Kgl. M i n i s t e r i i der geistl. Angelegenheiten, hatte sich der unterzeichnete Königl. Ober-Präsident der Rheinprovinz 2 7 , i n Begleitung des H e r r n Regierungs-Präsidenten Ruppenthal 2 8 , des Ober-Bürgermeisters Steinberger 2 9 u n d des Regierungsraths B i r k 3 0 , i n die erzbischöfl. Curie begeben, u m dem H e r r n Erzbischof, Frh. Droste zu Vischering, diejenigen Eröffnungen zu machen, welche die allegirte Allerhöchste KabinetsOrdre vorschreibt. Dem H e r r n Erzbischof wurde zuerst das an den H e r r n Minister v. Altenstein gerichtete, dieser Verhandlung i m Original beigefügte Schreiben v o m 31. Oktober d. J. m i t der Aufforderung vorgelegt, sich darüber zu erklären, ob dasselbe von i h m sey und er sich zu dessen I n h a l t noch jetzt bekenne, oder dessen I n h a l t etwa zurücknehmen und nachträglich seine Unterwerfung unter die Befehle Sr. Maj. des Königs aussprechen wolle. Der Herr Erzbischof erwiderte hierauf: daß er das Schreiben als von i h m verfaßt anerkenne, bei dessen I n h a l t aber unwiderruflich beharren müsse. Hierauf wurde demselben die Eröffnung gemacht, daß Se. K g l . Majestät befohlen hätten, i h m k r a f t dieser Verhandlung anzukündigen, w i e er durch fortgesetzte Überschreitung seiner Amtsbefugnisse und durch gesetzwidrige Verfügungen, welche das Landesherrliche Ansehen gefährdet und Störung der bürgerlichen Ordnung herbeigeführt hätten, die Nothwendigkeit herbeigef ü h r t habe, ihm, kraft Landesherrlicher Machtvollkommenheit, die Ausübung seines erzbischöfl. Amtes zu untersagen und i h n aus der Kölnischen Diöcese zu entfernen. Der Herr Erzbischof, aufgefordert, sich diesem Allerhöchsten Befehle zu fügen, seine A m t s w i r k s a m k e i t einzustellen und nach Münster abzureisen, u m dort die weiteren Beschlüsse Sr. M a j . des Königs zu erwarten, erklärte, daß er das i h m anvertraute A m t weder f r e i w i l l i g niederlegen, noch auch die i h m anvertraute Heerde verlassen dürfe; die Befehle Sr. M a j . des 27

Oberpräsident Ernst v. Bodelschwingh (siehe oben S. 352 Anm. 1). Carl Ruppenthal (1777 - 1851), von der Wildenburg (Hunsrück) stammend; Dr. jur.; Generalprokurator am rhein. Appellationsgerichtshof i n K ö l n ; 1834 bis 1838 Regierungspräsident i n K ö l n ; dann Ministerialdirektor und Leiter der rhein. Justizangelegenheiten i m preuß. Justizministerium. 29 Johann Adolf Anton Steinberger (1777 - 1866), aus Dormagen stammend, Jurist; 1806 Notar i n Aachen, 1809 i n K ö l n ; 1823 - 48 Oberbürgermeister von K ö l n (1823 - 31 zugleich Präsident der Handelskammer). 30 Johann Baptist Birk (1804 - 1869), aus T r i e r stammend, Jurist; seit 1835 Regierungsrat u n d Justitiar beim Regierungspräsidium K ö l n ; 1843 Oberregierungsrat i n T r i e r ; 1848 - 1869 Stellvertreter des Regierungspräsidenten und Leiter der A b t e i l u n g I (Inneres) i n Köln. 28

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Königs i n weltlichen Dingen ehrend, könne er sie doch i n den bezeichneten Punkten nicht als bindend für sich betrachten, und nur der Gewalt weichen. A l l e demselben hierauf gemachten Vorhaltungen, namentlich daß Se. Maj. der K ö n i g dem päpstl. Stuhle unverzüglich die ganze Sache vorlegen lassen werde; daß es i h m freistehe, selbst i n beliebiger Weise an Se. Heiligkeit zu schreiben u n d der Beförderung dieses Schreibens gewiß seyn könne; daß er die Rechte der Kirche u n d seine eigenen durch jede beliebige Protestation wahren könne, vermochten seinen vorausgedrückten Entschluß nicht zu ändern, indem er vielmehr versicherte, dabei unerschütterlich zu beharren. Demnach wurde dem H e r r n Erzbischof, dem Allerhöchsten Befehle gemäß, eröffnet, daß er unverzüglich die Reise nach Minden, welchen Ort des Königs Majestät einstweilen zu seinem Aufenthalte bestimmt hätten, nöthigenfalls zwangsweise, antreten müsse, und erklärte derselbe hierauf, daß er bereit sey, sich i n diese Zwangsmaaßregel zu fügen. Da sich weiter nichts zu erinnern fand, wurde diese Verhandlung allseitig genehmigt und vollzogen, nachdem der Herr Erzbischof noch gebeten hatte, i h m Abschrift dieser Verhandlung mitzutheilen. Clemens August, Erzbischof v o n Köln. Ruppenthal.

Steinberger.

v. Bodelschwingh.

Birk.

V I I I . Das Domkapitel und die Amtssuspension des Erzbischofs

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V I I I . Das K ö l n e r D o m k a p i t e l und die Amtssuspension des Erzbischofs v. Droste-Vischering Das Kölner Domkapitel zeigte die Amtsentfernung des Erzbischofs, die ihm vom Oberpräsidenten am 21. November 1837 amtlich mitgeteilt wurde, unverzüglich dem Klerus der Erzdiözese (Nr. 161) wie dem Heiligen Stuhl (Nr. 162) an. Die in dem Schreiben an den Papst angekündigte Wahl eines Kapitelvikars fiel auf den Generalvikar Hüsgen 1. Vor allem durch diesen Wahlakt gab das Kapitel zu erkennen, daß es die Amtshinderung des Erzbischofs als dauernd ansah; bei einer nur vorübergehenden Verhinderung hätte Hüsgen schon in seiner Eigenschaft als Generalvikar die Weiterführung der Geschäfte übernehmen können. Überdies machte das Kapitel durch sein schnelles Handeln deutlich, daß es auch selbst gegenüber der Amtsführung Droste-Vischerings gewichtige Vorbehalte hegte und die Amtssuspension mit Erleichterung aufnahm 2. N r . 161. Erlaß des Kölner Domkapitels an den Klerus der Erzdiözese v o m 21. November 1837 (lateinischer T e x t : G. F. H. Rheinwald, Acta historico-ecclesiastica, Jg. 1837, S. 554 f.) — Übersetzung — Wir, Propst, Dekan und die Kapitularkanoniker der Kölner Metropolitankirche, den verehrungswürdigen und von uns i n Christus geliebten M i t b r ü dern, dem K a p i t e l der Kollegiatkirche i n Aachen, den Landdekanen, den Pfarrern und dem gesamten Klerus der Erzdiözese Köln. Gruß i m H e r r n ! Aus sehr schwerwiegenden Gründen, verehrungswürdige M i t b r ü d e r (schreiben w i r Euch) ! Unser verehrungswürdigster Erzbischof, Clemens August Freiherr v. Droste-Vischering, w e i l t weitab von seiner Erzdiözese und ist deshalb gehindert, für die Verwaltung der Kirche zu sorgen. Da somit der Erzbischöfl. Stuhl nun gleichsam vakant ist, muß das K a p i t e l aufgrund der i n cap. Si episcopus cap. 3 i n 6 to. de supplend. negligent, praelat. (1.8.) festgesetzten N o r m die Aufgaben i n geistlichen und zeitlichen Angelegenheiten wahrnehmen, w i e wenn der Bischofssitz durch einen Todesfall vakant wäre. Daß w i r daher diese Verwaltung heute übernommen haben, teilen w i r Euch durch dieses Schreiben m i t und beauftragen Euch, wegen der Regelung der einzelnen kirchl. Obliegenheiten an uns zu schreiben, bis Euch etwas anderes gemäß den kirchl. Gesetzen vorgeschrieben w i r d . Über die ganze Angelegenheit und die gegenwärtige Lage 1

Oben S. 331 A n m . 18. Z u r Frage der kirchenrechtlichen Zulässigkeit des v o m K a p i t e l gewählten Verfahrens vgl. vor allem die Schrift des Domkapitulars Nikolaus München, Das Metropolitan-Kapitel zu K ö l n i n seinem Rechte oder Verhalten desselben und seine Verhandlungen m i t dem Apostolischen Stuhle i n der Erzbischöflichen Sache (1838); ferner H. Schrörs, Die Kölner Wirren, S. 521 ff.; sowie Verfassungsgeschichte, Bd. I I , S. 239 f. 2

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12. Kap.: Der Kölner Kirchenkonflikt

der Erzdiözese werden w i r unverzüglich, w i e es sich gebührt u n d durch das Recht vorgeschrieben ist, ausführlich und sorgfältig dem Heil. Apostol. Stuhl berichten, dessen Aufgabe es ist, für die Bedürfnisse der Kirche Sorge zu tragen, u n d i h n demütigst bitten, uns zu raten und anzuordnen, was i h m als richtig erscheint. Die apostolischen Aufträge werden uns bald mitgeteilt w e r den, u n d Ihr, geliebteste Mitbrüder, werdet diese ebenso wie w i r i n ruhiger und gläubiger Gesinnung m i t uns zusammen erwarten. Dazu ermahnen w i r Euch i m Herrn. I h r werdet i n umsichtiger und kluger Überlegung u m der Liebe Gottes w i l l e n dafür sorgen, daß der Kirche und den öffentlichen Angelegenheiten kein Schaden entstehe u n d die Gläubigen nicht i n Unruhe oder Sorge versetzt werden. N r . 162. Bericht des K ö l n e r Domkapitels an Papst Gregor X V I . v o m 22. November 1837 (lat. T e x t : G. F. H. Rheinwald, Acta historico-ecclesiastica, Jg. 1837, S. 555 f.; dt. Übersetzung: Römische Staatsschrift, 1838, S. 230 ff.) Heiliger Vater! W i r werfen uns demüthigst zu den Füßen Ew. Heiligkeit, u m die schwierige Lage trauernd auseinanderzusetzen, i n welcher sich jetzt die kölnische Erzdiözese befindet, u n d u m i m tiefsten Gehorsam, wie sich es geziemt, die apostol. Rathschläge u n d Aufträge zu erbitten. Es ist nämlich ehegestern den 20. November unser hochwürdigster Erzbischof Clemens August, Frhr. v. Droste Vischering auf Befehl seiner kgl. Majestät plötzlich aus der Erzdiözese i n seine vaterländische Provinz abgeführt, u n d es ist i h m verboten worden, sich k ü n f t i g m i t der A d m i n i s t r a t i o n der Erzdiözese oder m i t irgend einem geistlichen Geschäfte i n derselben zu befassen. Gestern hat der Oberpräsident der Rheinprovinz, welcher zu Koblenz seinen Amtssitz hat, der hochwohlgeborne Herr Frhr. v. Bodelschwingh, auf besonderen kgl. Befehl, uns, die w i r i m Kapitel versammelt waren, den Verlauf der Sache vorgetragen, u n d den v o n Sr. Exc. dem H e r r n Baron v. Altenstein, kgl. Minister der geistl. Angelegenheiten, unter dem 15. November über diese A n gelegenheit und den zu fassenden Beschluß an Uns erlassenen Brief vorgelesen u n d übergeben 3 . Dieser Brief setzt kurz und bestimmt auseinander, w o r i n unser hochwürdigster Erzbischof seit der Übernahme der V e r w a l t u n g der Erzdiözese gegen die vaterländischen Gesetze und Staatsinstitute gefehlt, welche Gefahr er der öffentlichen Ruhe bereitet, und wie endlich unser allergnädigster K ö n i g zu seinem größten Schmerze sich i n der Nothwendigkeit befunden hätte, seine i h m von Gott anvertraute kgl. Gewalt wenigstens i n so w e i t zu gebrauchen, daß dem Übel begegnet u n d der Erzbischof gehindert werde, sein A m t zum Nachtheile des Staates zu verwalten. Nach dieser Auseinandersetzung wurde uns bedeutet, Se. M a j . erwarten, daß w i r i n Gemäßheit unserer Kenntniß der Sache u n d unserer rechtlichen und treuen Gesinnung ohne Verzug das verordnen u n d vollziehen würden, was i m F a l l einer sedes impedita sowohl zur Erledigung der laufenden kirchl. Geschäfte, als zur en Nr. 1 .

V I I I . Das Domkapitel und die Amtssuspension des Erzbischofs

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Wiederherstellung einer kanonisch-geordneten Administration der Erzdiözese, passend und rechtmäßig vorzunehmen ist, und daß w i r von dieser ganzen Angelegenheit den heil, apostol. Stuhl unterrichten und seiner Weisheit überlassen würden, was weiter i n Gemäßheit der kirchl. Gesetze anzuordnen sei. Was unser hochwürdigster Erzbischof gegen die vaterländischen Gesetze begangen, und aus welchen Ursachen er die Kgl. Gnade verloren hat, dieß zu untersuchen und zu beurtheilen ist nicht unsere Sache. Jedoch können w i r nicht verhehlen, daß w i r sein Betragen noch nicht i n allen Punkten haben billigen können. N u r Wenigen stand der Z u t r i t t zu i h m offen; er schien sehr vielen und zwar i m hohen Grade gelehrten und erfahrnen Männern zu mißtrauen und ihren Rath zu verachten, während er selbst schon wegen seines vorgerückten Alters der Administration einer so großen, i h m weniger bekannten Diözese allein k a u m gewachsen war. — Mehrere und besonders j ü n gere Priester behandelte er sehr unfreundlich u n d keineswegs kanonisch, und belästigte sie m i t der Unterschrift von Thesen, welche nicht alle m i t den von der Kirche definirten Lehren übereinstimmen 4 . — Manches, was früher, und besonders von seinem Vorgänger, frommen Gedächtnisses, zum Nutzen und zur Ehre der kath. Kirche völlig rechtmässig und mühsam gestiftet w a r 5 , suchte er zu stören, so daß die A r t und Weise seiner Verwaltung nicht den Eifer zu erbauen, sondern gleichsam den Anschein der Zerstörung verrieth. Dieß Alles haben w i r nicht ohne bittern Schmerz bemerkt, und würden es auch klagend an den heil, apostol. Stuhl berichtet haben, wenn uns nicht das A n sehen des Erzbischofs, unsere Ehrfurcht vor ihm, und die Hoffnung, er werde durch Erfahrung belehrt bessern Rathschlägen folgen, zurückgehalten hätte. I n dieser Lage der Dinge und da der erzbischöfl. Stuhl gleichsam vakant ist, haben w i r gestern die Administration der Erzdiözese nach der Vorschrift des Cap. Si episcopus. 3. de supplend. neglig. praelat. i n V I übernommen und dieses durch einen Brief der gesammten kölnischen Geistlichkeit bekannt gemacht, auch die Ermahnung hinzugefügt, daß A l l e m i t uns die apostol. Weisungen m i t ruhigem und vertrauensvollem Gemüthe erwarten, und umsichtig u n d k l u g und u m der Liebe Gottes w i l l e n Sorge tragen möchten, daß für die Kirche und den Staat kein Schaden entstehe, noch auch die Gemüther der Gläubigen aufgeregt oder beunruhigt würden. Zugleich haben w i r beschlossen, daß die Wahl eines Kapitularverwesers innerhalb 8 Tagen statt finden solle. Nach der Verrichtung dieses Geschäftes bitten w i r Ew. Heiligkeit, als den Vater der gesammten Kirche, demüthigst und ergebenst, nicht allein u m Bestätigung desselben, sondern auch uns i n einer so schwierigen Sache bald zu rathen, und das zu verordnen, was Ew. Heiligkeit angemessen erscheint. A u f das, was Ew. Heiligkeit befehlen w i r d , sind alle Gemüther gerichtet; es w i r d A l l e versöhnen u n d die öffentliche Ruhe befestigen. Denn A l l e sind von so kindlicher Ergebenheit, Ehrfurcht und Vertrauen zu Ew. Heiligkeit durchdrungen, daß sie uns allein nicht übertreffen, die w i r bis zum Tode verharren Ew. Heiligkeit gehorsamste Söhne und demüthigste Diener. Karl Frhr. ν . Beyer, Probst der Metropolitankirche. Dr. Hüsgen, Dechant. Dr. Schweizer, Domkapitular. Dr. Joh. Heinr. Filz, Domkapitular. Dr. Jos. Müller, Domkapitular. J. Jak. Iven, Domkapitular. Dr. Nik. München, Domkapitular. j?r. J. Lamb. Weitz, Domkapitular.

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I X . Die K u r i e und die Amtssuspension des Erzbischofs v. Droste-Vischering Papst Gregor XVI. erhob alsbald nach Empfang der Nachricht von der Amtssuspension Droste-Vischerings in der Allokution vom 10. Dezember 1837 schärfsten Protest gegen das Vorgehen der preußischen Regierung (Nr. 163). Er forderte nicht nur die volle Wiederherstellung der Amtsbefugnisse DrosteVischerings, sondern verurteilte zugleich die in den rheinischen Diözesen durch die Berliner Übereinkunft eingeführte Mischehenpraxis. Der Gesandte v. Bunsen erwiderte in seiner Note vom 17. Dezember 1837 (Nr. 164), die er noch auf der Reise von Berlin nach Rom verfaßte, auf die päpstliche Allokution ebenfalls in scharfer Form: wenn aus den Ausführungen des Papstes zu entnehmen sei, daß er über den Sachverhalt ein endgültiges Urteil gefällt habe, ohne weitere Erläuterungen und Informationen von Seiten der preußischen Regierung abzuwarten, so bedeute dies eine Kriegserklärung. Der Kardinalstaatssekretär Lambruschini verdeutlichte in seiner Antwortnote vom 25. Dezember mit entschiedenen Worten die Forderungen des Heiligen Stuhls (Nr. 165); Bunsen gab in seiner Replik vom 29. Dezember (Nr. 167) eine gewisse Verhandlungsbereitschaft seiner Regierung zu erkennen. Lambruschini jedoch brach am 2. Januar 1838 den Notenwechsel mit der Erklärung ab, der Papst verweigere jede weitere Antwort, solange der Kölner Erzbischof nicht sein Amt wieder ungehindert wahrnehmen könne (Nr. 168). Schon am vorhergehenden Tag hatte Bunsen in einem Bericht an seine Regierung vorgeschlagen, die Kölner Angelegenheit ohne Benehmen mit der Kurie nunmehr durch einseitige, allerdings entgegenkommende staatliche Maßnahmen zu regeln. In einem Votum zu diesem Bericht schlug der Minister v. Kamptz ein wesentlich schärferes Vorgehen in der Kölner Sache vor 1. Da Bunsens Stellung in Rom durch diese Entwicklung unhaltbar geworden war, rief die Regierung ihn am 28. April 1838 von seinem römischen Posten ab. Die interimistische Leitung der Gesandtschaft übernahm der Geschäftsträger v. Buch. Erst nach der Verständigung zwischen Kirche und Staat wurde dieser 1841 zum neuen Gesandten beim Vatikan ernannt 2.

4

Oben Nr. 151. Das w a r eine unverhüllte Anerkennung der Rechtmäßigkeit der Ubereink u n f t vom 19. J u n i 1834 (oben Nr. 130) durch das Domkapitel. 1 V o t u m vom 1. Januar 1838 (Text: Schrörs, Die Kölner Wirren, 1927, S. 623 ff.). Der Verfasser des nichtUnterzeichneten Votums k a n n nicht der Innenminister v. Rochow (wie Schrörs vermutet), sondern n u r der Justizminister v. Kamptz sein. Der Verfasser beruft sich nämlich auf Beobachtungen seiner „vierjährigen Tätigkeit am Rhein". Kamptz w a r 1805 - 1809 am Reichskammergericht i n Wetzlar, zuletzt m i t der A b w i c k l u n g beauftragt (oben S. 377). 2 Ludwig August v.Buch (1801 - 1845), preuß. Diplomat, 1838 - 1841 Geschäftsträger u n d 1841 - 1845 Gesandter beim Vatikan. 5

I X . K u r i e und Amtssuspension des Erzibischofs v. Droste-Vischering Ebenso entschieden wie Papst sich gegenüber dem warf die durch das Kapitel die es an der Amtsführung

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gegenüber der preußischen Regierung sprach der Metropolitankapitel von Köln aus (Nr. 166). Er vergetroffenen Maßnahmen und verurteilte die Kritik , des Erzbischofs geübt hatte*.

N r . 163. A l l o k u t i o n Papst Gregors X V I . i m Geheimen Konsistorium v o m 10. Dezember 1837 (Übersetzung: Römische Staatsschrift, 1838, S. 180 ff.) Ehrwürdige Brüder! Während W i r über die an verschiedenen Orten herabgekommenen u n d fast ganz darniederliegenden Angelegenheiten der Kirche von innigster B i t t e r keit ergriffen wurden, und, an einen Platz gestellt, auf dem es nicht genügt, über die Übel zu weinen, alle Sorgen u n d Gedanken darauf gerichtet hatten, die Nöthe Israels i n Gemäßheit der Uns v o n Gott verliehenen Macht zu heilen, ist plötzlich eine neue Ursache des Schmerzes hinzugetreten, die Uns, W i r bekennen es offen, u m so empfindlicher war, j e weniger W i r sie erwarten zu dürfen glaubten. Es k a n n Euch aber nicht unbekannt seyn, ehrw. Brüder, worauf sich dieses bezieht, u n d w a r u m W i r bedacht waren, eure Versammlung sofort hieher zu berufen. Denn es handelt sich nicht etwa u m eine verborgene u n d n u r aus Privatnachrichten entnommene, sondern u m eine bereits durch die öffentlichen Blätter zur Genüge verbreitete Angelegenheit. W i r beklagen Uns über die sehr schwere Beleidigung, welche neuerlich dem ehrwürdigen Bruder Clemens August, Bischöfe von Köln, zugefügt worden, der auf Kgl. Befehl an aller Ausübung der oberhirtlichen Gerichtsbarkeit v e r h i n dert, m i t Gewalt u n d großer Waffenrüstung 4 von seinem Sitze vertrieben, u n d an einen andern Ort verwiesen worden ist. Dieses so große Ungemach betraf i h n aber darum, w e i l er, zwar beständig bereit dem Kaiser zu geben was des Kaisers i s t 5 ; aber eingedenk seiner Pflicht, die Lehre u n d Disciplin der Kirche streng zu bewahren, sich Hinsichts der gemischten Ehen keine andre Richtschnur vorsetzte, als jene, welche i n dem an den Erzbischof u n d die Bischöfe des westlichen Theiles des Königreichs Preußen von Unserm Vorgänger Pius V I I I . seligen Andenkens, u n t e r m 25. März 1830 gerichteten Schreiben 6 , vorgezeichnet war. Es hatte aber dieser heil. S t u h l durch jenes Schreiben seine Nachsicht so weit erstreckt, daß man i m wahrsten Sinne sagen kann, sie habe diejenigen Gränzen erreicht, welche zu überschreiten geradezu Unrecht ist. I h r wisset gewiß, daß Unser gedachter Vorgänger dieser Maßregel der Güte w a h r haftig sehr ungern seine Zustimmung gegeben hat, u n d durch nichts Anders dazu gebracht worden ist, als durch die Nothwendigkeit, noch traurigere Übel zu verhüten, welche der Kirche u n d der kath. Geistlichkeit jener Gegenden aus den ihnen zugefügten Drohungen unausbleiblich erwachsen wären. Wer würde hierauf f ü r möglich halten, daß diese schon so nachgiebige, u n d von 3 4 5 β

Verfassungsgeschichte, Bd. I I , S. 242 f. Eine offenkundige rhetorische Übertreibung. L u k . 20, 25. Oben Nr. 128.

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dem Kgl. Gesandten i n Rom mehr als einmal angenommene päpstl. Erklärung i n einem Sinne angewendet werden würde, welcher die unerschütterlichen Grundsätze der kath. Kirche verderben und der Absicht dieses apostol. Stuhles gänzlich widerstreiten würde? Was aber Niemand sich vorstellen oder aussinnen könnte, was auch nur leichthin zu muthmaßen ein Verbrechen gewesen wäre, das ist auf arglistigen A n t r i e b der weltlichen Gewalt geschehen 7 . K a u m hatten W i r die Sache, nicht ohne die größte Betrübniß des Herzens, erfahren, so säumten W i r nicht, Unsere Beschwerden am gehörigen Orte anbringen zu lassen, und zugleich zu erklären, wie sehr W i r durch Unser apostol. A m t verpflichtet wären, die Gläubigen zu warnen, daß sie nicht glauben möchten, es sei Jenes von diesem heil. Stuhle ausgegangen, was derselbe gänzlich verabscheuet 8 . U n d als Uns dergestalt geantwortet war, als w e n n Unsere Klagen keinen Grund hätten 9 , k a m Uns ein Schreiben eines andern Bischofes aus den vorerwähnten Landen zu, der, i m Angesichte des Todes, und i m Begriffe dem ewigen Richter von seinem Haushalte Rechenschaft zu geben, Uns eine Abschrift einer von den Bischöfen auf Andringen der weltlichen Regierung erlassenen I n s t r u k t i o n übersandte, und umständlich anzeigte, er sähe durch die göttliche Gnade erleuchtet ein, daß daraus der Kirche überaus schwere Nachtheile hervorgehen würden, und ihre kanonischen Satzungen verletzt seien, und daß er den I r r t h u m , dem er beigepflichtet habe, m i t freiem W i l l e n und aus eigner Bewegung w i d e r r u f e 1 0 . W i r beeilten Uns hierauf sogleich, dem durchlauchtigsten Könige eine treue Abschrift jenes Aktenstückes zukommen, und es immer mehr bekannt werden zu lassen, daß W i r die von den erwähnten Bischöfen angewendete A r t der Auslegung des Breve Unsers Vorgängers, als den Grundsätzen und Vorschriften der Kirche widersprechend, ganz und gar v e r w ü r f e n 1 1 . I h r werdet hiernach leicht einsehen, ehrwürdige Brüder, daß W i r i n dieser Angelegenheit Unsre Pflicht auf keine Weise verabsäumet haben. Indessen (Wir sagen es trauernd, und ganz niedergedrückt von Schmerz) ward, Uns völlig unbewußt, und während W i r noch eine billige A n t w o r t auf diese Unsere Beschwerden u n d Erklärungen erwarteten, dem Erzbischofe von K ö l n angedeutet, daß er entweder jene von Uns verworfene Ausübung i n Betreff der gemischten Ehen anzunehmen, oder das erzbischöfl. A m t niederzulegen habe, wobei i h m zugleich die Entscheidung der Regierung eröffnet wurde, daß i h m widrigenfalls die oberhirtliche Jurisdiction völlig untersagt werden w ü r d e 1 2 . Als er darauf, wie es recht war, widerstand 1 3 , trug sich ohne Verzug, die Sache also zu, wie W i r sie am Eingange m i t Schaudern erzählt haben. U n d hierbei bedenket die A r t und Weise, wie man gegen Uns verfuhr: nicht eher als am ersten Tage des laufenden Monates kündigte der jetzige Geschäftsträger des Königreichs Preußen 1 4 an, daß dasjenige nächstens geschehen würde, oder i n demselben Augenblicke vorgenommen werden müßte, was bereits seit dem 21. des verflossenen Monats gethan und vollbracht war. Unter 7

Gemeint ist die Berliner Übereinkunft (oben Nr. 130). Oben Nr. 135. Oben Nr. 136. 10 Oben Nr. 141. 11 Oben Nr. 143. 12 Oben Nr. 147. 13 Oben Nr. 148. 14 Ludwig August v. Buch (oben S. 394 Anm. 2). 8

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so bewandten Umständen, ehrwürdige Brüder, glauben W i r es Gott, der Kirche und dem Amte, welchem W i r vorstehen, schuldig zu sein, daß W i r Unsre apostol. Stimme erheben, und die verletzte kirchliche Freiheit, die verachtete bischöfl. Würde, die usurpirte Gerichtsbarkeit, u n d die m i t Füßen getretenen Rechte der kath. Kirche und dieses heil. Stuhles, öffentlich i n Eurer Versammlung klagend zurückfordern. Während W i r aber dieses thun, wollen W i r zugleich dem i n jederlei Tugend ausgezeichneten Manne, dem Erzbischofe von Köln, das wohlverdiente Lob dafür ertheilen, daß er die Sache der Religion m i t so großer eigner Gefahr unüberwindlich verfochten hat. W i r ergreifen dann auch diese Veranlassung, um, was W i r i m Besonderen bisher zu t h u n nicht aufgehört haben, jetzt öffentlich und feierlich k u n d zu geben, daß W i r nemlich jegliche gegen den wahren Sinn der von Unserm Vorgänger erlassenen E r k l ä r u n g 1 5 i n dem Königreiche Preußen fälschlich eingeführte Praxis i n Betreff der gemischten Ehen gänzlich verwerfen. Übrigens können W i r bei den gegen die Braut des unbefleckten L a m m e s 1 6 täglich mehr hereinbrechenden Übeln nicht umhin, Euch, als Theilnehmer an Unsrer Verwaltung, u m Eurer ausnehmenden Gottesfurcht und Frömmigkeit w i l l e n dringend aufzufordern, dem Vater der Erbarmnisse inbrünstige Gebete i n Demuth m i t uns darzubringen, daß Er aus dem erhabenen Wohnsitze der H i m m e l gütig herabschaue auf den Weinstock, den seine Rechte gepflanzt h a t 1 7 , u n d einen lang anhaltenden Sturm von i h m gnädiglich abwende.

N r . 164. Note des Gesandten v. Bunsen an den Kardinalstaatssekretär Lambruschini vom 17. Dezember 1837 (franz. T e x t : G. F. H. Rheinwald, Acta historico-ecclesiastica, Jg. 1837, S. 575 ff.) — Übersetzung i m Auszug — . . . Se. Maj. beabsichtigte weder, irgendeinen A k t der Jurisdiktion vorzunehmen, noch irgendein Recht zu beanspruchen, den Erzbischof als solchen abzusetzen oder zu suspendieren 18 . I m Gegenteil hat der König, i n Achtung vor dem geheiligten Charakter der geistl. Funktionen n u r beabsichtigt, einen A k t der Selbstverteidigung zu üben, die, für alle i m Naturrecht begründet, in besonderem Maß dem göttlichen Rechte jeder Souveränität innewohnt. Se. Maj. hat deshalb geglaubt, daß ein solcher A k t an sich i n keiner Weise als A n g r i f f auf die Rechte des Episkopats und auf die des päpstl. Hofs i m besonderen eingeschätzt werden könnte, zumindest dann nicht, wenn man nicht als unmöglich unterstellt, daß ein Bischof der Regierung, deren Untergebener er ist, Anlaß bieten könnte, das i n Frage stehende Recht a u s z u ü b e n . . . D a r 15

Nämlich des Breve von 1830 (oben Nr. 128). Nämlich die Kirche. 17 Gleichfalls die Kirche. 18 Daß eine „Suspension" vorlag, ließ sich schwerlich bestreiten; denn die ausgesprochene Untersagung der Amtsausübung konnte nichts anderes bedeuten (siehe oben S. 378). 16

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12. Kap.: Der Kölner Kirchenkonflikt

über hinaus fand dieser Schritt, von dem dem Heil. Stuhl i m Voraus angekündigt worden war, daß er für die Sicherheit des Königreichs u n d die Ehre der Krone unausweichlich werden müßte, erst statt i n Folge des Beginns von U n ruhen, die eine ganze Provinz m i t einer Revolution bedrohten u n d die nach den einmütigen Berichten der Behörden direkt oder indirekt durch den Erzbischof oder seine angeblichen Freunde hervorgerufen w u r d e n 1 9 . Denn bis zum vergangenen 14. November hatte der K ö n i g noch nicht den Entschluß gefaßt, zu diesem Schritt überzugehen, ohne i h n dem röm. Hof noch einmal angekündigt und dessen wohlwollendes Eingreifen gefordert zu haben. Die Schritte des Erzbischofs und die Folgen derselben machten jeden Aufschub unmöglich. Dies sind die Gesichtspunkte, von denen Se. Maj. ausgehen mußte, als sie die W i r k u n g erwog, die diese Not-Maßnahme auf den röm. Hof ausüben könnte. Aus diesen Tatsachen ergibt s i c h . . . , daß der K ö n i g i n diesem A k t , zu dem er sich gezwungen sah, keinen Anlaß zum Bruch sehen konnte, sondern daß er i h n als einen Gegenstand sei es einer offiziellen, sei es einer vertraulichen freundschaftlichen Aussprache, betrachten m u ß t e . . . A l l diese Absichten beruhten indessen auf einer Grundvoraussetzung, daß nämlich der Heil. Stuhl sich vollständig über diese wichtige Angelegenheit unterrichten wollte, bevor er ein U r t e i l fällte, das i h m ein mächtiger Souverän überließ, als einen offensichtlichen Beweis dafür, daß i n geistl. Angelegenheiten nichts seinen Grundsätzen fremder ist als die Anwendung der Machtmittel der weltlichen G e w a l t . . . Die einzige praktische Frage ist, ob der A k t der A l l o k u t i o n nach der Absicht Sr. Heiligkeit ein derart endgültiges U r t e i l bereits darstellen oder zumindest i n definitiver Weise präjudizieren soll, sodaß dann die weitere Prüfung der Frage ausgeschlossen w ä r e , . . . oder ob der Heil. Stuhl sich dieser Sache noch einmal annehmen w i l l , indem er sich die Freiheit vorbehält, sie m i t der Unparteilichkeit zu prüfen, die Se. Maj. voraussetzte u n d was f ü r sie der Anlaß war, den genannten Vorschlag für die endgültige Regelung zu unterbreiten. Es scheint klar, daß i m ersten F a l l die Absicht des Königs unglücklicherweise durch einen nicht vorhergesehenen A k t durchkreuzt würde und daß infolgedessen der Heil. Stuhl, da er die Mitteilungen nicht entgegenzunehmen bereit ist, deren Überbringer der Unterzeichnete i m Namen des Königs ist, nach den Grundsätzen des Völkerrechts der Urheber der Feindseligkeiten wäre. Legt man diese Annahme zugrunde, so hätte der Heil. Stuhl durch diesen A k t zugleich die zwischen den beiden Höfen bestehenden freundschaftlichen Beziehungen brechen und die sich daraus ergebenden Konsequenzen auf sich nehmen wollen. Diese Schlußfolgerung erscheint ebenso natürlich und notwendig wie folgenschwer; doch der Unterzeichnete hat den Auftrag, dem Heil. Stuhl auch ausdrücklich zu erklären, daß die Weigerung, die i h m aufgetragenen diplomatischen Mitteilungen entgegenzunehmen, von Sr. M a j . als ein A k t der Feindseligkeit und als Entbindung von Seinen freundschaftlichen Absichten wie von Seinen früheren Verpflichtungen betrachtet werden müßte.

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Auch hier eine offensichtliche Übertreibung (dazu oben S. 388 A n m . 25).

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N r . 165. Note des Kardinalstaatssekretärs Lambruschini an den Gesandten v. Bunsen v o m 25. Dezember 1837 (Italienischer Text u n d deutsche Übersetzung: G. F. H. Rheinwald, Acta historico-ecclesiastica, Jg. 1837, S. 580 ff.) Der Cardinal-Staatssecretär empfing die Note, welche Ew. Exc. aus A n cona unter dem 17. d. M. an denselben gerichtet haben. Er sah es als seine Pflicht an, solche unverzüglich Sr. Heiligkeit vorzulegen und erhielt den Befehl, auf dieselbe Nachstehendes zu erwidern: Se. Heiligkeit, unser Herr, waren ungemein überrascht und tief betroffen, als Sie vernahmen, wie der Hochwürdige Erzbischof von Cöln verhaftet u n d seiner Heerde m i t Gewalt entrissen worden. Der heilige Vater würde eine unerlässliche Pflicht, die i h m sein apostol. A m t auflegt, versäumt haben, wenn er zu einer die Rechte der Kirche und die geheiligte Bischöfl. Würde so offenbar verletzenden Handlung geschwiegen hätte. Se. Heiligkeit waren aber noch von einem andern, nicht weniger erheblichen M o t i v veranlaßt zu sprechen, weil Stillschweigen von den Gläubigen nothwendig als Zustimmung zu der oben gedachten schweren Verletzung gedeutet worden wäre, und solches um so mehr, als die K a t h o l i k e n aus einigen Äußerungen der bei dieser Veranlassung von der Regierung publicirten Actenstücke, hätten entnehmen können, dass der heil. Stuhl daran betheiligt sei. Die Allocution des Papstes ist jedoch nichts anderes als eine öffentliche Erklärung gegen eine offenkundige T h a t sache, als eine feierliche Beschwerde gegen eine offenbare, ärgerliche Verletzung der heil. Rechte der Kirche. Jede andere Absicht, die man i h r unterschieben wollte, würde die W i r k u n g einer unbegründeten, beleidigenden Vermuthung sein. Die blosse Vergleichung des Datums der von der Preuß. Regierung getroffenen Massnahmen m i t jenen des heil. Stuhls, schliesst auch die entfernteste Vorstellung von Herausforderung seitens des Letzteren unzweifelhaft aus. Die standhafte Aufrechthaltung der öffentlichen Ruhe i n den Rheinprovinzen, die biedern Erklärungen treuer Unterthänigkeit, gegeben von einem Prälaten so feinen Gewissens 20 , die demselben i m Namen der Regierung bis zu dem Augenblick seiner A b f ü h r u n g gemachten Vorschläge, geben jedem verständigen Menschen klar zu erkennen, welches der wahre Beweggrund eines so gewaltsamen Entschlusses sei. Nach diesen Voraussetzungen kann der heil. Vater, überzeugt von der Gerechtigkeit seiner Beschwerde, und durch seine Pflichten gegen Gott u n d die Kirche streng gebunden, die schuldige Genugthuung für eine Beleidigung zu verlangen, welche nicht die Person eines seiner Prälaten allein, sondern die ganze kath. Welt schwer verletzt hat, eine Verhandlung nicht zulassen, so lange die Thatsache, welche die Veranlassung hierzu gab, fortbesteht. Se. Heiligkeit haben daher dem Unterzeichneten ausdrücklich befohlen, förmlich zu v e r langen, dass der Erzbischof von Cöln i n Freiheit gesetzt, und i n die V e r w a l t u n g seiner Erzdöcese wieder eingesetzt werde. Der heil. Vater hegt ein zu grosses Vertrauen i n die Gerechtigkeit Sr. M a j . des Königs von Preussen, als dass er 20

Der Erzbischof von Köln.

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12. Kap.: Der Kölner Kirchenkonflikt

zweifeln könnte an der geneigten Aufnahme seines Verlangens; u n d w i r d sich alsdann m i t Vergnügen i n dem Stande sehen, i n jene Mittheilungen, zu denen Ew. Exc. sich autorisirt nennen, weiter einzugehen. N r . 166. Schreiben Papst Gregors X V I . an das D o m k a p i t e l zu K ö l n v o m 26. Dezember 1837 (Ubersetzung: Römische Staatsschrift, 1838, S. 234 ff.) Geliebte Söhne, Gruß und apostolischen Segen. Z u dem bittersten Schmerze, den W i r jüngst wegen der schweren Beleidigungen erduldeten, welche dem ehrwürdigen Bruder Clemens August, Erzbischof von Köln, und zugleich der kath. Kirche und diesem heil. Stuhle zugefügt worden, ist durch Euer an Uns gerichtetes Schreiben vom 22. v. M . 2 1 gleichsam das Übermaß hinzugetreten. W i r konnten Uns wahrlich nicht genug wundern, daß Ihr, die I h r Eurem Bischöfe durch das heiligste Band verbunden wäret, u n d i h m von Amtswegen hülfreiche H a n d u n d Trost hättet bieten sollen, Euch sofort i n seine Ankläger verwandelt habt u n d aus Hausgenossen Feinde geworden seid, indem I h r vornehmlich zu der Zeit, da er u m des Schutzes der Religion und seines Amtes w i l l e n eine ungerechte Trübsal zu leiden gezwungen ist, den wider ihn getroffenen Anschlägen Eure Zustimmung gebet. Welche Tugend und Klugheit i n Verwaltung des heil. Amtes i h n immer auszeichnete, geht deutlich aus der öffentlichen Achtung hervor, die er sich nach der, noch dazu i n sehr schwierigen Zeiten verwalteten Stelle eines Kapitular-Verwesers der Diözese Münster e r w a r b 2 2 . Daher geschah es, daß er unter der Zustimmung und dem Beifall A l l e r an jene erzbischöfl. Kirche befördert wurde. Welche Rechtschaffenheit und Sorgfalt er aber bei Verwaltung derselben an den Tag gelegt, und w a r u m er nichts desto weniger einen Theil jener Geistlichkeit beleidigt hat, ist Uns gar w o h l bekannt; und darum durchschauen w i r auch, durch welche Ursachen getrieben und von w e l chen Grundsätzen geleitet, I h r Uns Böses von i h m geschrieben habt. W i r verhehlen dieserhalb gar nicht, daß das Verfahren, welches I h r beobachtet habet, Unserm Herzen u m so beschwerlicher war, je weniger dasselbe i n Betracht der Heiligkeit Eures Amtes zu erwarten war. Inzwischen wollen Wir, daß es einem Jeden von Euch bekannt sei, daß W i r nach vorhergegangener öffentlicher Beschwerde, von dem durchlauchtigsten Könige von Preußen die Rückkehr des ehrwürdigen Bruders Clemens August auf seinen Sitz gefordert haben 2 3 , u n d auf dessen B i l l i g k e i t vertrauend, einen der Gerechtigkeit u n d Unserm W i l l e n entsprechenden Ausgang baldigst erwarten. Übrigens wollen W i r aus der Ergebenheit u n d Ehrfurcht, welche I h r gegen Uns u n d diesen heil. Stuhl i n Eurem Briefe bekannt habet, die Überzeugung schöpfen, daß I h r hiefür solche Entschlüsse fassen werdet, daß dadurch die Unserm Herzen geschlagene Wunde gelindert werden könne. U n d hiermit ertheilen W i r Euch, geliebte Söhne, liebreichst Unsern apostol. Segen. 21

Oben Nr. 162. Über die Konflikte, i n die Clemens August v. Droste-Vischering als Bistumsverweser m i t der Regierung geraten war, siehe Verfassungsgeschichte Bd. I I S. 209. 23 Oben Nr. 163,165. 22

I X . K u r i e und Amtssuspension des Erzbischofs v. Droste-Vischering

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N r . 167. Note des Gesandten v. Bunsen an den Kardinalstaatssekretär Lambruschini vom 29. Dezember 1837 (franz. Text: G. F. H. Rheinwald, Acta historico-ecclesiastica, Jg. 1837, S. 582 ff.) — Übersetzung i m Auszug — . . . Der Unterzeichnete hatte in seiner Note aus Ancona 2 4 ausdrücklich erklärt, daß die Maßnahme der Regierung, die aufgrund dringlichster Notwendigkeit ergriffen worden ist, an sich n u r vorübergehende N a t u r besitzt; er k a n n deshalb i n diesem Entschluß keinen A k t sehen, der dem versöhnlichen Geist der Note Sr. Eminenz entgegengesetzt wäre; er beeilt sich, darauf i n demselben Sinn zu antworten. Wie es bis zum letzten Augenblick n u r von Sr. Em. dem Erzbischof abhing, i n seiner Stellung zu verbleiben, so w i r d es auch jetzt von i h m abhängen, diese wieder einzunehmen, soweit nicht weitere Ereignisse zu einer Änderung der Entscheidungen des Kgl. Hofs hinsichtlich dieses Gegenstands führen müßten. Es genügte, w e n n er hinsichtlich der Vergangenheit und vor allem hinsichtlich der schweren Gefahren, denen er die Sicherheit des Staates und den öffentlichen Frieden ausgesetzt hat, die notwendigen Erklärungen und für die Z u k u n f t die unumgänglich erforderlichen Garantien geben würde. Dann könnte er nach K ö l n zurückkehren und seine Tätigkeit vollständig wieder aufnehmen. Die Kgl. Regierung w i r d gewiß von ihrer Seite bei der Entgegennahme solcher Erklärungen stets und vor allem darauf bedacht sein, Se. Em. den Erzbischof zu überzeugen, daß es niemals darum ging, seinem Gewissen Gew a l t anzutun u n d von i h m Handlungen zu fordern, die er als seinen erzbischöfl. Pflichten entgegengesetzt ansieht, sondern allein darum, i h n daran zu hindern, die Gesetze zu verletzen, denen er Gehorsam geschworen hat, die Souveränität des Königs zu beeinträchtigen, dessen Untergebener er ist, und die öffentliche Ruhe zu stören, an deren Aufrechthaltung er m i t w i r k e n müßte. Der ruhige und geordnete Zustand der Diözese und die ungestörte F o r t setzung der einstweiligen V e r w a l t u n g durch das Metropolitankapitel werden natürlich von der Regierung als erste Voraussetzung für die Entgegennahme von Erklärungen betrachtet werden müssen, welcher A r t auch immer sie sein mögen. Denn es ist offensichtlich, daß ein gegenteiliger Zustand die Regierung dazu zwingen würde, i m Hinblick auf ihre Würde und den Frieden des Königreichs jede andere Erwägung hintanzusetzen . . . N r . 168. Note des Kardinalstaatssekretärs Lambruschini an den Gesandten v. Bunsen vom 2. Januar 1838 (Italienischer Text und deutsche Übersetzung: Römische Staatsschrift, 1838, S. 228 f.) Der Kardinal-Staatssekretär, nachdem er am 31. des verflossenen Monats Dezember die Note erhalten, welche Ew. Exz. unterm 29. an denselben ge24

Oben Nr. 164.

26 Huber, Staat und Kirche, 1. Bd.

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12. Kap.: Der Kölner K i r c h e n k o n f l i k t

richtet 2 5 , hatte sich pflichtgemäß beeilt, sie Sr. Heiligkeit vorzulegen und in Betreff derselben Ihre päpstl. Befehle einzuholen. Da die Sätze, welche i n der Note aufgestellt sind, die der unterzeichnete K a r dinal Ew. Exz. u n t e r m 25. des gedachten Monats zugefertigt h a t 2 0 , so bestimmt u n d k l a r sind, daß sie über i h r Verständniß gar keinen Zweifel zulassen, und da auch die Umstände stets dieselben bleiben werden, so lange nicht die bei jener Gelegenheit gethane förmliche Forderung vollkommen ausgeführt seyn w i r d : so hat der heil. Vater dafür gehalten, daß keine andre A n t w o r t Statt fände, ausser jene, Ew. Exz. auf die i n der obgedachten Note enthaltene Erklärung zu verweisen. Nachdem daher der unterzeichnete K a r d i n a l die Befehle Sr. Heiligkeit erfüllt hat, ergreift er diese Gelegenheit, u m Ew. Exz. die Gesinnungen seiner ausgezeichneten Hochachtung zu erneuern.

X . D e r R ü c k t r i t t der rheinischen Bischöfe von der Berliner Konvention Nach der Allokution Gregors XVI. vom 10. Dezember 1837 (oben Nr. 163) war an eine Aufrechterhaltung der Berliner Übereinkunft von 1834 (oben Nr. 130) durch die rheinische Kirche nicht mehr zu denken. Zu Beginn des Jahres 1838 traten deshalb die Bischöfe von Münster und Paderborn von der Übereinkunft zurück (Nr. 169, 170). Der Bischof v. Hommer, Trier, hatte bereits in seinem Schreiben vom 10. November 1836 (oben Nr. 141) den Rücktritt von der Berliner Übereinkunft gegenüber dem Papst erklärt. Das konnte zwar nicht als Aufkündigung gegenüber dem Staat gelten; diese wurde jedoch nachgeholt, indem der Bistumsverweser Günther 1 Ende Januar 1838 im Namen des Trierer Domkapitels gegenüber der Regierung Protest gegen die Berliner Konvention einlegte 2. Der Kultusminister v. Altenstein antwortete auf alle drei Schreiben durch den Erlaß vom 19. Februar 1838 (Nr. 171), der in aller Form darauf bestand, daß die Bischöfe weiterhin an die Berliner Konvention gebunden seien. Gleichwohl setzte sich nun die strengere Mischehenpraxis gemäß dem Breve von 1830 (oben Nr. 128) in den rheinischen Diözesen durch. In der Sachfrage ergab sich damit eine eindeutige Niederlage der Regierung 3.

N r . 169. Schreiben des Bischofs von Münster Kaspar M a x i m i l i a n v. Droste-Vischering an den Kultusminister v. Altenstein v o m 5. Januar 1838 (A. v. Roskoväny, De matrimoniis mixtis, t. I I , 1842, S. 327) Ew. Exc. halte ich mich verpflichtet, hierdurch gehorsamst anzuzeigen, dass ich mich auf den G r u n d der von Seiner Päpstl. Heiligkeit v o m 10. December 25

Oben Nr. 167. Oben Nr. 165. Wilhelm Arnold Günther (1763 - 1843), Generalvikar i n T r i e r ; 1836 - 1842 Bistumsverweser daselbst. 2 Schreiben v o m 28. Januar 1838 (Schrörs, Die Kölner Wirren, S. 553). 3 Verfassungsgeschichte, Bd. I I , S. 244 f. 26 1

X . Rücktritt der rheinischen Bischöfe von der Berliner Konvention

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v. J. an die Cardinale gehaltenen Anrede, w o r i n die am 19. J u n i 1834 i n Berlin getroffene Vereinbarung und die in Folge derselben von den Bischöfen an die General-Vicarien ertheilte Instruction hinsichtlich der Behandlung gemischter Ehen, ausdrücklich missbilliget wird, von n u n an besagte Vereinbarung nebst der erwähnten Instruction als aufgehoben betrachte, und das päpstl. Breve vom 25. März 1830 als einzige Richtschnur in Behandlung dieser Angelegenheiten gelten lassen kann, darf und werde.

N r . 170. Schreiben des Bischofs von Paderborn Klemens v. Ledebur an den Kultusminister v. Altenstein vom 10. Januar 1838 (A. v. Roskoväny, De matrimoniis mixtis, t. I I , 1842, S. 327 f.) Wenn gleich die in der Anrede vom 10. v. M. von Sr. Heiligkeit dem Papste ausgesprochene Erklärung über diejenige Vereinigung, welche i m J. 1834 über die Anwendung u n d A r t der Ausführung des unter dem 25. März 1830 erlassenen Breve i n Betreff der gemischten Ehen von den Bischöfen der westlichen Provinzen des preussischen Staates eingegangen wurde, nur durch die Zeitungen bekannt geworden ist: so ist die Veröffentlichung derselben der Sache nach i n vollem Masse eingetreten, und es w i r d bei herrschender Spannung nach wenigen Tagen, namentlich in Westphalen und Rheinland, keinen W i n kel mehr geben, w o h i n die A l l o k u t i o n vom 10. v. M. nicht gedrungen wäre. Eben so bekannt ist andrerseits die vielfach besprochene und beschriebene Vereinigung in Betreff des Verfahrens bei gemischten Ehen, und es besteht also i n diesem Augenblicke ein offener und notorischer Widerspruch zwischen der Erklärung des Oberhauptes der kath. Kirche und der von den betreffenden Bischöfen hinsichtlich des Verfahrens bei gemischten Ehen getroffenen Bestimmungen: ein Widerspruch, der nicht ohne den grössten Anstoss für die Angehörigen der bezüglichen Diöcesen fortdauern kann. Dieser Anstoss lässt sich aber nur dadurch wegräumen, dass die Vereinigung f ü r aufgehoben erklärt, und die Instruction, welche i n dieser Beziehung an das Generalvicariat erlassen ist, zurückgenommen wird. Ich sage: für aufgehoben erklärt; denn offenbar ist die Vereinigung der Sache nach durch die Erklärung des heil. Vaters w i r k l i c h aufgehoben. Die Vereinigung setzte fest, wie das Breve vom 25. März 1830 zu verstehen und auszuführen sei. Indem nun der päpstl. Stuhl, der ohne Widerrede vor allen Andern als authentischer Ausleger des von i h m selbst ausgegangenen Breve anzusehen ist, öffentlich erklärt hat, dass man das Breve verkehrt gedeutet, und demselben einen nicht intendirten Sinn unterlegt habe, so ist dadurch der Grund, worauf die Vereinigung gebaut war, zerstört. Ew. Exc. werden sich hiernach überzeugen, dass ich die i n Frage stehende Vereinigung nicht ferner aufrecht erhalten kann. Ich werde dieselbe demnach als aufgehoben betrachten, und eben darum auch die damit in Verbindung stehende dem Generalvicariate ertheilte Instruction nicht ferner ausführen lassen.

2b'

12. Kap.: Der Kölner Kirchenkonflikt

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N r . 171. Schreiben des Kultusministers v. Altenstein an die rheinischen Bischöfe v o m 19. Februar 1838 (A. v. Roskovàny, De matrimoniis mixtis, t. I I , 1842, S. 328 ff.) Se. Maj. der K ö n i g haben, bey Anlass der Missbilligung des, von einem der Herren Bischöfe der westlichen Provinzen angezeigten Rücktritts von der Ubereinkunft vom 19. J u n i 1834 i n Betreff der gemischten Ehen, i n der an mich und den Minister der auswärtigen Angelegenheiten gerichteten A l l e r höchsten Cabinetsordre vom 28. v. M. zu erklären geruht: bei der obigen A n zeige scheine nicht erwogen zu seyn, dass gemischte Ehen i n Deutschland dem päpstl. Stuhle nicht vorbehalten, sondern bischöfl. Verfügung unterworfen sind; dass vertragsmässige Verbindlichkeiten nicht einseitig aufgelöst werden; dass die A l l o k u t i o n keinen Befehl enthält, und, was die Hauptsache ist, dass die päpstl. Verordnung, dieselbe heisse wie sie wolle, in Sr. Maj. Landen nur m i t Vorwissen und Genehmigung der Regierung ausgeführt werden kann. Gesetze und Einrichtungen der Staaten würden übel geschirmt sein, wenn es nur einer i n Rom gesprochenen Rede, sie zu entkräften, bedürfe. Se. Maj. der K ö n i g werden einen solchen Grundsatz in Allenhöchstdero Landen nicht aufkommen lassen. Ich habe daher die Bischöfe und ihre Domkapitel auf die Verfügung des Allg. Landrechts Th. I I . Tit. 11. § 115 hinzuweisen 4 , und solchen zu eröffnen: dass Ihre Kgl. Majestät sie und ihre Amtsf olger den durch den Beitritt zur Übereinkunft vom 19. Juni 1834 übernommenen Verpflichtungen nicht enthebe. Anstatt diese Übereinkunft anmasslich für aufgehoben zu erklären, hätte angezeigt werden sollen, w o r i n ihr angeblicher Widerspruch m i t dem Breve Pius V I I I . vom 25. März 1830 bestehe, und wie letzteres künftig anzuwenden beabsichtigt werde. Es sei durchaus unrichtig, dass, wie von einigen Behörden angenommen zu werden scheine, den kath. Geistlichen des Rheinlandes und der Provinz Westphalen die Einsegnung gemischter Ehen durch Kabinetsordre vom 17. August 18255 unbedingt geboten werde. Vielmehr sei denselben nur untersagt, sich ein förmliches Versprechen über die Erziehung i n der kath. Religion geben zu wollen, oder brieflich vorlegen zu lassen, w e i l solches m i t den Gesetzen des Staats über die Erziehung der Kinder aus gemischten Ehen, und mit der gleichberechtigten Stellung der evang. Confession nicht vereinbar sein würde. Bescheidene Erkundigungen seien jedoch dem kath. Seelsorger nicht verboten, und glaube derselbe, die Trauung nicht vornehmen zu dürfen, so entscheide zwischen i h m und dem kath. Brauttheile, welcher allein darüber Beschwerde zu führen befugt ist, der Diöcesanbischof, bei dessen Ausspruch es dann sein unabänderliches Bewenden habe, ohne dass ein Verfahren bei den Staatsbehörden stattfinden soll. Es liege in dem eigenen, wohlverstandenen Interesse der Bischöfe, das letztere durch möglichst milde Auffassung des Breve vom 25. März 1830 i n Betreff der gemischten Ehen dem Geiste der diesen Gegenstand betreffenden Übereinkunft vom 19. J u n i 1834 treu bleiben, und diese ist es, die Se. Maj. von den Bischöfen erwarten, ohne übrigens i n der Auffassung einzelner Bestimmungen der zu jener Überein4 5

Oben Nr. 1. Oben Nr. 125.

I X . K u r i e und Amtssuspension des Erzbischofs v. Droste-Vischering

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k u n f t gehörigen Instruktion, die dem Gewissen der Bischöfe überlassen bleibt, dieselbigen einengen zu wollen. Indem ich Ew. Hochwürden die in dieser Erklärung enthaltene Allerh. W i l lensmeinung Sr. Maj. bekannt mache, zweifle ich nicht, dass Wohldieselben sich werden angelegen sein lassen, solcher i n pflichttreuer Gesinnung nachzuleben, wie auch die Ihnen untergebene Geistlichkeit zu einem m i t derselben übereinstimmenden Verfahren i n angemessener Weise zu veranlassen, zu ermahnen und anzuhalten. Insonderheit aber werden Ew. Hochwürden nicht gestatten, dass, wo etwa an einigen Orten der Diöcese ein milderes Verfahren bei der Einsegnung gemischter Ehen vorlängst begründet war, solches unter irgend einem Vorwande angetastet, und davon abgegangen werde.

Dreizehntes

Kapitel

D i e W i r r e n i m preußischen Osten I . Der Beginn des Konflikts i m Erzbistum Gnesen-Posen Die Auseinandersetzung über Geltung und Auslegung des Breve Papst Pius VIII. zur Mischehenfrage von 1830 (oben Nr. 128) dehnte sich notwendig auch auf die vier östlichen Diözesen Preußens ( Gnesen-Posen, Kulm, Ermland und Breslau) aus. Denn gerade hier hatte sich von Alters her eine mildere Mischehenpraxis entwickeltdiese war in vielen Teilen das Vorbild der für die westlichen Diözesen geschlossenen, von der Kurie aber verworfenen Konvention von 1834 (oben Nr. 130). Mit der Annullierung der Berliner Konvention war implicite auch die östliche Mischehenpraxis in Frage gestellt. Zwar war das Breve von 1830 nur an die Bischöfe der vier westlichen Diözesen gerichtet; der Kölner Konflikt betraf unmittelbar nur das rheinische Kirchengebiet. Doch spätestens in dem Zeitpunkt, in dem die Kurie die strikte Befolgung des Breve nicht mehr allein als Frage der Kirchenzucht , sondern des Gehorsams gegenüber einem Glaubenssatz bezeichnete, mußte der Konflikt auch auf den Bereich der östlichen Diözesen übergreifen. Denn Glaubenssätze beanspruchten in allen Diözesen dieselbe Gültigkeit-. Nach der Neuordnung der Kirchenverhältnisse in den preußischen Ostprovinzen durch die Bulle „De salute animarumtraten an die Spitze des Erzbistums Gnesen-Posen zunächst der Erzbischof Graf Gorczenski 4, dann der Erzbischof v. Wolicktf, sowie als dritter in der Reihe der Erzbischof v. Dunin*, der das besondere Vertrauen des Königs genoß. An der Spitze des zur Erzdiözese Gnesen-Posen gehörenden Suffraganbistums Kulm standen als erste Kirchenobere nach der Neuordnung die Bischöfe v. Mathyi und Sedlag 8. Die 1 Diese stützte sich auf die Benedictina, eine Anordnung Papst Benedikts XIV. vom 4. November 1741 (Text: Denzinger-Schönmetzer, Enchiridion Symbolorum, 34. Aufl., 1967, Nr. 2515) sowie auf weitere Vorschriften, die A b weichungen von den tridentinischen Bestimmungen über die Eheschließung zugelassen hatten (Verfassungsgeschichte Bd. I I , S. 190 f.). 2 Ebenda Bd. I I , S. 245 ff. 3 Oben Nr. 91. 4 Oben S. 206 A n m . 5. 5 Theophil v. Wolicki (1767 - 1829), Dompropst i n Gnesen, 1828/29 Erzbischof von Gnesen-Posen. 6 Martin v. Dunin (1774 - 1842), seit 1797 kath. Priester; Domherr i n Wraclaw e k ; 1815 Domkanzler i n Gnesen und Domkapitular i n Posen; 1829 - 1831 Erzbistumsverweser i n Gnesen-Posen; 1831 - 1842 Erzbischof daselbst. 7 Ignatius Stanislaus v. Mathy (1765 - 1832), kath. Priester; 1823 - 1832 Bischof von K u l m . 8 Anastasius Sedlag (1786 - 1856), kath. Priester; Schulrat; 1833 - 1856 Bischof von K u l m .

I. Der Beginn des K o n f l i k t s i m Erzbistum Gnesen-Posen

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beiden anderen östlichen Bistümer waren exemt (unmittelbar der Kurie unterstellt). An die Spitze von Ermland trat nach dem Tod des letzten Fürstbischofs Joseph Fürst v. Hohenzollern 9 der Bischof v. Hatten 10. Die Diözese Breslau erhielt neue Kirchenobere in den Fürstbischöfen v. Schimonsky 11 und v. Sedlnitzkyi-. Alle östlichen Bischöfe dieser ersten Epoche nach dem Inkrafttreten der Bulle De salute animarum waren um den Frieden zwischen Kirche und Staat bemüht. Doch wurden insbesondere Gnesen-Posen und Kulm bald in den entbrannten Konflikt einbezogen. Zwar hatte gerade Dunin als Erzbistumsverweser die überlieferte milde Mischehenpraxis der östlichen Diözesen, nach der gemischte Ehen auch ohne Zusicherungen der Brautleute mit kirchlichem Aufgebot und kirchlicher Einsegnung vollzogen wurden, durch ein Attest von 1830 bestätigt und gefestigt. Unter dem Eindruck des Kölner Konflikts aber änderte der Erzbischof seine Haltung. Zu Beginn des Jahres 1837 erbat er von der Regierung das Plazet für die Veröffentlichung des päpstlichen Breve von 1830 in den ihm unterstehenden Diözesen Gnesen-Posen und Kulm (Nr. 172). Der Kultusminister wies diesen Antrag alsbald zurück (Nr. 173). Doch erneuerte der Erzbischof, nunmehr gestützt auf ein Gutachten von Geistlichen seiner Diözesen, sein Verlangen (Nr. 174). Der Kultusminister gab am 2. Mai 1837 erneut einen ablehnenden Bescheid (Nr. 175). Darüber hinaus aber forderte er den Erzbischof zu einer befriedigenden Erklärung über seine Haltung in der Frage der gemischten Ehen auf (Nr. 176). Gleichzeitig wies er den Oberpräsidenten von Posen v. Flottwell 13 an, gegen Abweichungen des Klerus von der bisher gehandhabten Mischehenpraxis unverzüglich vorzugehen. An diesen Bescheid schloß sich ein längerer Schriftwechsel an, der jedoch zu keiner Annäherung der beiderseitigen Standpunkte führte 14. N r . 172. Eingabe des Erzbischofs v. D u n i n an den Kultusminister v. Altenstein vom 13. Januar 1837 (G. F. Ii. Rheinwald,

Acta historico-ecclesiastica, Jg. 1837, S. 585)

Das apostol. Breve Papst Pius V I I I . v o m 25. März 1830 i n Betreff der sogenannten gemischten Ehen ist i n Westphalen und i n den Rheinprovinzen 9

Siehe oben S. 205 Anm. 3. Andreas Stanislaus v. Hatten (1763 - 1841), kath. Priester; 1800 Domherr i n Frauenberg; 1801 Weihbischof von Ermland; 1837 - 1841 Bischof daselbst. 11 Christoph Emanuel ν. Schimonsky (oben S. 210 A n m . 6 b). 12 Leopold Graf v. Sedlnitzky (1787 - 1871), seit 1811 kath. Priester; bis 1823 Bistumsverweser i n Breslau; 1836 - 1840 Fürstbischof daselbst (1840 Amtsverzicht wegen K o n f l i k t m i t der Kurie); 1862 U b e r t r i t t zum Protestantismus. 13 Eduard v. Flottwell (1786 - 1865), Jurist; seit 1812 i m preuß. Verwaltungsdienst; 1825 Regierungspräsident i n Marienwerder; 1830 Oberpräsident i n Posen; 1840 Oberpräsident i n Sachsen; 1844 Finanzminister; 1846 Oberpräsident i n Westfalen, 1849 i n Ostpreußen, 1850 i n Brandenburg; 1858 Innenminister; 1859 - 1862 erneut Oberpräsident i n Brandenburg. 14 Schreiben Dunins an Altenstein vom 14. J u n i 1837 (Rheinwald, Acta historico-ecclesiastica, Jg. 1837, S. 593 ff.); Schreiben Altensteins an D u n i n vom 30. M a i und 10. J u l i 1837 (ebenda S. 597 f., 598 f.). 10

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13. Kap.: Die W i r r e n im preußischen Osten

publicirt und w i r d daselbst darnach verfahren. Dasselbe ist indessen auch i n den andern Theilen und überhaupt der gesammten kath. Geistlichkeit unseres Staates bekannt geworden, i n Folge dessen ich öfters m i t Anfragen angegangen wurde, ob u n d i n wiefern es in meiner Erzdiöcese zu beachten sei. Wegen Entscheidung dieser Anfragen befinde ich mich i n der größten Verlegenheit. Einerseits ist die Veröffentlichung des Breve i n meiner Erzdiöcese bis jetzt nicht veranlasst; andererseits drängt mich mein Gewissen, die i n demselben dargelegten Grundsätze des apostol. Stuhls nicht unbeachtet zu lassen; ich schwebe zwischen Staat und meinem kirchl. Oberhaupt i n peinigender Ungewissheit, ich muss dringend wünschen aus diesem Dilemma herausgerissen zu werden. — Desshalb b i n ich so frei, Ew. gehorsamst zu bitten, mich geneigtest zu belehren, ob das fragliche Breve nicht auch i n meiner Erzdiöcese publicirt, oder ob nicht wenigstens die m i r nachgeordnete Geistlichkeit von m i r angewiesen werden kann, nach den darin aufgestellten Grundsätzen zu verfahren? Da die Publikation und Beachtung des Breve i n Westphalen und den Rheinprovinzen nachgegeben ist, so glaube ich, dass dem auch hier nichts entgegen stehen dürfte. Hier und dort ist ein und derselbe Staat, hier u n d dort ein und dieselbe kath. Kirche. I n jenem und i n dieser ist durchgängige Einheit anerkannter Zweck. Sollte ich irren, so geruhen Ew. mich i n einer Weise zu belehren, die mein Gewissen zu beruhigen vermag. N r . 173. A n t w o r t des Kultusministers v. Altenstein an den Erzbischof v. D u n i n vom 30. Januar 1837 (G. F. H. Rheinwald,

Acta historico-ecclesiastica, Jg. 1837, S. 586 f.)

Ew. beehre ich mich auf die gefällige Anfrage vom 13. d. M. in Betreff der gemischten Ehen hierdurch ergebenst zu erwidern, dass das apostol. Breve Papst Pius V I I I . vom 25. März 1830, jenen Gegenstand betreffend, nur an den Erzbischof von Cöln u n d an die Bischöfe von Trier, Paderborn und Münster, als A n t w o r t auf besondere, von den genannten Prälaten an den Papst Leo X I I . 1828 gerichtete Schreiben, ergangen ist, wie schon der Eingang des Breve beweiset. Die Veranlassung jener bischöfl. Schreiben w a r keine andere, als dass i n ihren, zum Theil aus Bruchstücken fremder Diöcesen zusammengesetzten Sprengein die Behandlung der gemischten Ehen nicht gleich war, wobei sich überwiegend ein, auf Gewohnheit beruhendes Verfahren herausstellte, welches von dem in der erzbischöfl. Diöcese von Gnesen u n d Posen beobachteten Verfahren merklich abwich. Z u r Beseitigung der, aus diesem Unterschiede hervorgegangenen Konflicte hatte des Königs Maj. dem Erzbischof von Cöln und seinen 3 Suffraganen, den Bischöfen von M ü n ster, Paderborn u n d Trier, gestattet, sich an den apostol. Stuhl zu wenden. Die Annahme des Breve v o m 25. März 1830 von Seiten Sr. Maj. des Königs ist jedoch erst 1834 erfolgt. Ew. belieben hieraus gefälligst zu entnehmen, dass das erwähnte apostol. Breve Dero erzbischöfl. Diöcese nicht angeht. Da i n solcher notorisch die ehelichen Verbindungen unter Personen verschiedenen christlichen Glaubensbekenntnisses ohne Anstand eingesegnet werden, i n -

I. Der Beginn des Konflikts i m Erzbistum Gnesen-Posen

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dem man, was dabei zu erwägen ist, dem Gewissen der Betheiligten überlässt, so b i n ich weder befugt, noch geneigt, eine Änderung i n diesem Stücke nachzugeben. Ich vertraue vielmehr, dass Ew. die Übereinstimmung m i t den gesetzlichen und administrativen Principien des Staates, welche durch die, i n I h r e m und den übrigen östlichen Sprengein bisher observanzmässig bestandene geistl. Praxis vermittelt w i r d , unerschütterlich aufrecht erhalten werden, und ich würde es f ü r meine Schuldigkeit erachten, jeden Versuch hierunter etwas zu neuern, ernstlich zurückzuweisen und sofort zur A l l e r höchsten Kenntniss Sr. Kgl. Maj. zu bringen.

N r . 174. Eingabe des Erzbischofs v. D u n i n an den Kultusminister v. Altenstein vom 15. A p r i l 1837 (G. F. H. Rheinwald,

Acta historico-ecclesiastica, Jg. 1837, S. 587 f.)

Ew. Exc. geneigter Erlass vom 30. Januar d. J., die gemischten Ehen betreffend, gab m i r die Veranlassung, die hochwichtige Sache gründlich untersuchen zu lassen. — Der anliegende Bericht und Gutachten 1 * ist das Resultat der Untersuchung. Ich kann nicht umhin, mich den darin ausgeführten A n sichten anzuschliessen. Ew. Exc. b i n ich so frei dringend gehorsamst zu bitten: die Sache Sr. Maj. geneigtest vorzulegen und entweder die Publikation des hierauf bezüglichen Breve Pius V I I I . vom 25. März 1830 i n meiner Erzdiöcese geneigtest zu vermitteln, oder zu gestatten, dass ich den Gegenstand, unter Darlegung der Sachlage Sr. Heiligkeit zur Entscheidung vortrage. Anders ist die einmal erregte Gewissens-Unruhe nicht zu beschwichtigen.

N r . 175. A n t w o r t des Kultusministers v. Altenstein an den Erzbischof v. D u n i n vom 3. M a i 1837 (G. F. H. Rheinwald,

Acta historico-ecclesiastica, Jg. 1837, S. 592 f.)

Ew. etc. erwidere ich auf Ihre, die gemischten Ehen betreffende Vorstellung vom 15. A p r i l d. J., dass ich eine Aufhebung oder Schmälerung des, i n dem Umfange Ihrer Sprengel bestehenden, m i t dem Verfahren aller östlichen Bisthümer der Monarchie übereinstimmenden Gebrauchs: vermöge dessen dergleichen Ehen ohne Forderung eines Versprechens und ohne Nachweisung eines Übereinkommens i n Betreff der Erziehung der K i n d e r i m katholischen Glauben, von der katholischen Geistlichkeit aufgeboten und kirchlich eingesegnet werden, nicht zugeben, und daher auch die Publikation des an den Erzbischof von K ö l n und an die Bischöfe von Trier, Münster u n d Paderborn gerichteten, die gemischten Ehen betreffenden Breve Pius V I I I . vom 25. März 1830, welches Ew. Sprengel nicht berührt, weder gestatten, noch bei 15

Bei Rheinwald,

a.a.O., S. 588 ff.

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13. Kap.: Die W i r r e n i m preußischen Osten

des Königs Majestät i n A n t r a g bringen kann; vielmehr habe ich die Provinzialbehörden angewiesen 1 6 , jedem Versuche, der gemacht werden dürfte, den eben erwähnten Besitzstand zu verändern und die Gewährung des A u f gebots u n d die T r a u u n g von gewissen Versprechen abhängig zu machen, auf das nachdrücklichste entgegen zu treten. — Der Verfasser der von Ew. eingereichten Denkschrift 1 7 v e r r ä t h übrigens einen auffallenden Mangel sowohl an Kenntniss der diesen Gegenstand betreffenden Gesetze, als an Urtheilsk r a f t ; desto deutlicher aber lässt er ein der Regierung abholdes Gemüth durchblicken F ü r mich ist es genug, dass er das thatsächliche Bestehen des Gebrauchs, dessen ich oben erwähnt, u n d den ich i m Interesse der öffentlichen Ordnung und zur Aufrechthaltung des guten Vernehmens unter beiderlei Glaubensgenossen zu beschützen amtlich verpflichtet bin, nicht zu verabreden 1 8 gewagt hat. Die Richtigkeit dieser Thatsache, dass i n den Sprengein von Gnesen u n d Posen das Aufgebot u n d die Trauung gemischter Ehen an kein Versprechen gebunden sei, verbürgen m i r nicht allein die mündlichen, freiwilligen, m i r gemachten Eröffnungen der verewigten beiden Erzbischöfe Graf v. Gorczenski u n d v. Wolicki 19, sondern es würde m i r auch ein Leichtes sein, sie u r k u n d l i c h nachzuweisen 2 0 . Ich kann daher n u r wünschen, dass Ew. auf dem von Ihnen selbst u n d von den genannten beiden Ihrer Vorfahren betretenen Wege beharren, u n d jeden Versuch zur Beunruhigung der Gemüther u n d zur Störung des bisherigen Gebrauchs m i t I h r e m Ansehen kräftig unterdrücken. I m entgegengesetzten Falle würde ich mich verpflichtet halten, sofort an des Königs Majestät zu berichten und die ernstlichsten Remeduren i n Vorschlag zu bringen. Ich darf demnach Ew. ersuchen, mich i n Betreff dieses wichtigen Gegenstandes durch eine genügende E r k l ä r u n g zu beruhigen, und sehe I h r e r gefälligen Rückäusserung innerhalb 4 Wochen ergebenst entgegen.

I I . D i e Eingabe des Erzbischofs von Gnesen-Posen an den K ö n i g Nachdem der Briefwechsel mit dem Kultusminister ergebnislos verlaufen war, wandte der Erzbischof von Gnesen-Posen sich am 21. Oktober 1837 unmittelbar an den König (Nr. 176). Er forderte nun das staatliche Plazet nicht mehr zur Publikation des Breve Papst Pius VIII. von 1830, sondern zur Publikation der Enzyklika Papst Benedikts XIV. „Magnae nobis admirationis" vom 29. Juni 1748die für die früheren polnischen Bistümer ergangen war. Für den Fall, daß auch dieses Plazet verweigert werde, erbat er die Genehmigung, sich unmittelbar an den Papst wenden zu dürfen. Friedrich Wilhelm III. antwortete erst am 30. Dezember 1837 (Nr. 177), nachdem die Lage sich 16 Schreiben Altensteins an den Oberpräsidenten v. Flottwell vom 3. M a i 1837 (Text: Rheinwald, a.a.O., S. 599). 17 Oben S. 409 A n m . 15. 18 Das heißt: i n Abrede zu stellen. 19 Oben S. 206 A n m . 5, S. 406 A n m . 5. 20 Angabe dieser U r k u n d e n u n d Quellennachweis: Verfassungsgeschichte Bd. I I , S. 190 f. 1 T e x t : Gasparri, Codicis juris canonici fontes, Bd. 2 (1924) Nr. 387 (S. 146 ff.).

I I . Eingabe des Erzbischofs von Gnesen-Posen an den K ö n i g

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durch die Verhaftung des Kölner Erzbischofs Droste-Vischering und durch die Allokution Papst Gregors XVI. verschärft hatte. Der König lehnte beide Bitten des Erzbischofs ab und forderte, daß in Gnesen-Posen die bedingungslose Trauung konfessionsverschiedener Ehen aufrechterhalten werde. N r . 176. Immediatvorstellung des Erzbischofs v. D u n i n an K ö n i g Friedrich W i l h e l m I I I . v o m 21. Oktober 1837 (G. F. H. Rheinwald,

Acta historico-ecclesiastica, Jg. 1837, S. 599 ff.) — Auszug —

Ew. Kgl. Maj. sehe ich mich nothgedrungen, i n einer Angelegenheit allerunterthänigst zu behelligen, i n der ich von Allerhöchst Dero Ministerium der geistl. Angelegenheiten nicht Genugthuung zu erlangen vermag. Ich thue diesen Schritt m i t der Ehrerbietung, die Ew. kgl. Maj. meine Pflichttreue m i t innigster Uberzeugung zollt, und i n dem unbegränzten Vertrauen, das A l l e r höchst Dero Gerechtigkeit und Grossmuth i n den Herzen der von dem preussischen Zepter beschirmten Millionen so fest begründet haben. Die Angelegenheit betrifft die sogenannten gemischten Ehen, nämlich die Ehen zwischen Katholiken u n d Nichtkatholiken. I n dieser Hinsicht gilt in meinen Erzdiöcesen das Breve Benedicts X I V . an die Bischöfe Polens vom 29. J u n i 1748, w e l ches anhebt: „Magnae nobis admirationis" 2 , demgemäss i n Ubereinstimmung m i t den uralten Satzungen der kath. Kirche gemischte Ehen äussersten Falles n u r unter der Bedingung als statthaft erklärt werden: dass der kath. Theil sich verpflichte, den nicht katholischen m i t Anwendung aller seiner Kräfte in den Schoos der kath. Kirche zurückzuführen, und dass die in solchen Ehen erzeugten K i n d e r i n dem kath. Glauben erzogen werden. Dieses Breve ist bis jetzt durch keinen andern apostol. Ausspruch aufgehoben oder gemildert worden; es besteht noch für die Theile des ehemaligen Polens i n seiner ganzen Kraft. Ew. kgl. Maj. Gesetze stehen m i t diesen Grundsätzen der kath. Kirche nicht i m Einklänge. Das Allgemeine Landrecht schreibt Thl. I I . Tit. 2. § 76 vor, dass Söhne i n der Religion des Vaters, die Töchter i n der der M u t t e r zu erziehen sind 3 . Ew. kgl. Maj. Allerhöchste Kabinetsordre vom 21. November 18034 ändert diese Vorschrift dahin ab: dass sämmtliche Kinder der Religion des Vaters folgen sollen, falls die Eltern sich nicht über etwas Anderes geeinigt haben. M i t der Errichtung des Herzogthums Warschau i m Jahre 1807 verloren diese letztgedachten Vorschriften ihre Geltung i n den Diöcesen Gnesen und Posen, insofern diese dem Herzogthume Warschau einverleibt wurden. Der eingeführte Codex Napoleons betrachtete die Ehen als blossen bürgerlichen Vertrag; es blieb dem Gewissen der Contrahenten allein überlassen, die eingegangenen Ehen priesterlich einsegnen zu lassen. Die kath. Priester hatten dabei das obenerwähnte Breve Benedicts XIV., nach wie vor, zu beachten. Bei der Wiederbesitznahme i m Jahre 1815 haben Ew. kgl. M a j . - Oben S. 410 Anm. 1. Oben Nr. 122. 4 Oben Nr. 123.

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in dem A u f r u f an die Einwohner des Grossherzogthums Posen vom 15. M a i desselben Jahrs 5 feierlich auszusprechen geruhet: „Eure Religion soll aufrecht erhalten werden." Es folgt selbstredend daraus: die kath. Kirche soll hier i n ihrer ursprünglichen Reinheit und i n Ansehung ihrer Glaubenssitten und Disciplinarlehren unter ihrem sichtbaren Oberhaupte, dem Papste, unverletzt stehen und beschirmt werden. — Durch das Allerhöchste Patent vom 9. November 18166 ist i n das Grossherzogthum Posen das Allgemeine Preussische Landrecht nebst den dasselbe abändernden, ergänzenden und erläuternden Bestimmungen vom 1. März 1817 ab wieder eingeführt worden, und der Oberpräsident hat mich mittels Schreibens vom 24. September 1834 darauf aufmerksam gemacht, dass nunmehr die Allerhöchste Kabinetsordre vom 21. November 1803 wegen Erziehung der K i n d e r in gemischten Ehen wieder i n K r a f t getreten sei. Es konnte nicht ausbleiben, dass so viele Veränderungen Verwirrungen u n d Unsicherheit i n den Ansichten der kath. Geistlichkeit, zumal bei der Altersschwäche und dem Wechsel ihrer Oberhirten, über die gemischten Ehen, die hier noch selten eingegangen, hervorbrachten. Ja, es ist sogar vorgekommen, daß sie dieselben, ohne die kirchlich vorgeschriebene Bedingung, einsegneten. Unterdessen w a r d das, von dem Erzbischof von Cöln und dessen Suffraganbischöfen von Trier, Münster und Paderborn erlassene, das Verfahren der kath. Priester bei gemischten Ehen vorschreibende Breve Pius V I I I . vom 25. März 18307 durch öffentliche Druckschriften allgemein bekannt. Dasselbe überzeugte die kath. Geistlichkeit auch meiner Erzdiözesen, dass die uralte kath. Kirchenordnung über die gemischten Ehen von Seiten des apostol. Stuhls keine Abänderung erlitten habe, dass die hier stattgefundenen A b weichungen davon ein grober I r r t h u m , eine schwere Versündigung gegen Gott und sein heil. Wort, eine Verletzung des unabhängigen kath. Glaubens, i n Summa eine Gefährdung des Seelenheils der betheiligten Katholiken seien. Die dadurch aufgeregte Gewissenstreue und Pflichttreue gegen das Höchstc hienieden, gegen die heil. Religion, veranlasste unzählige schriftliche und mündliche Anfragen bei m i r von Seiten der hiesigen kath. Geistlichkeit, und mein eignes Gewissen und meine Rechtgläubigkeit, zu deren Verletzung nichts i n der Welt mich zu bestimmen vermag, brachten mich dahin, bei Ew. kgl. Maj. Ministerium der geistlichen Angelegenheiten den A n t r a g zu machen: „dass entweder das fragliche Breve auch i n meiner Erzdiöcese amtlich publizirt, oder aber m i r verstattet werde, die Sache, so wie sie sich hier gestaltet hat, dem apostol. Stuhle zur Entscheidung vortragen zu dürfen" 8 . Beides ist m i t einer Härte, ja unter Zufügung solcher persönlichen Verletzungen abgeschlagen worden, als ich i n meiner Stellung unter Ew. kgl. Maj. grossmächtiger Regierung nicht erwarten konnte, unter einer Regierung, wo völlige Gewissensfreiheit gesetzlich gesichert ist, wo beinahe die Hälfte der dem glorreichen Zepter Ew. Maj. unterworfenen Unterthanen den kath. Glauben bekennt, wo A l l e i n Allerhöchstdenselben einen Monarchen verehren, der sämmtliche Glaubensbekenntnisse i n seinem Reiche gleichförmig unparteiisch und vorurtheilsfrei beschützt, und keines verletzt wissen w i l l . 5 6 7 8

Text: Text: Oben Oben

Gesetz-Sammlung 1815 S. 47. ebenda 1816 S. 225. Nr. 128. Nr. 174.

I I . Eingabe des Erzbischofs von Gnesen-Posen an den K ö n i g

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Ew. kgl. Maj. Ministerium der geistlichen Angelegenheiten führt zur Rechtfertigung seines abschlägigen Bescheides an: 1. dass das Breve Pius V I I I . vom 25. März 1830 n u r an den Erzbischof von Cöln und die Bischöfe von Trier, Münster u n d Paderborn erlassen sei, m i t h i n meine Erzbisthümer nichts angehe; und 2. dass i n diesen durch V e r j ä h r u n g sich der Gebrauch constituirt habe, nach welchem gemischte Ehen ohne alle Bedingung von kath. Priestern eingesegnet werden. Ew. kgl. Maj. geruhen, m i r die allerunterthänigste Bemerkung allerhuldreichst zu vergönnen, dass ich als kath. Erzbischof mich über den Sinn und den Umfang apostol. Sendschreiben nicht von einem w e l t lichen und dazu noch akatholischen Ministerium belehren zu lassen habe; ich darf demselben in meinem Gewissen die Befugniss, apostol. Entscheidungen über die kathol. Glaubenssachen, über die priesterliche Administration der heil. Sakramente, wozu die Einsegnung der Ehe gehört, zu interpretiren, nicht einräumen. Ich habe meine aus der uralten unabänderlichen kath. Lehre fliessenden Normen, nach welchen ich apostol. Breven zu deuten gehalten bin. Meine Gewissenspflicht heischt, m i r darin nichts fremdes aufdringen zu lassen. Die ministerielle Behauptung wäre der gleich, dass des heil. Paulus apostol. Briefe an die Römer, Epheser, K o r i n t h e r etc. n u r diese und nicht die ganze Christenheit angingen. Das besagte Breve enthält nichts Neues; es wiederholt und erneuert n u r die uralte kath. Lehre über die gemischten Ehen, es betrifft und verpflichtet sonach die gesammte kath. C h r i s t e n h e i t . . . A l l e diese Gründe führen mich zu den Stufen Ew. kgl. Maj. erhabenen Throns, m i t der ehrfurchtsvollen Bitte: Allerhöchstdieselben mögen huldreichst zu verstatten geruhen, dass i n Betreff der einzugehenden gemischten Ehen i n den m i r übergebenen Erzdiöcesen Gnesen und Posen nach den Bestimmungen und Grundsätzen des anfangs angeführten, an die Erzbischofe und B i schöfe Polens erlassenen apostol. Breve Benedicts X I V . : „Magnae nobis admirationis", so nach wie vor, ohne Einmischung der weltlichen Behörden verfahren werde; oder dass ich diese Angelegenheit, so wie dieselbe sich hier gestaltet hat, dem apostol. Stuhle zur Entscheidung vorlegen darf, damit die Gewissensunruhe, die mich und die m i r untergeordnete kath. Geistlichkeit ängstigt, auf eine der kath. Kirche, der ich ewig treu zu bleiben für meine Gewissenspflicht halte, entsprechende Weise behoben werde. N r . 177. A n t w o r t K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . an den Erzbischof v. D u n i n vom 30. Dezember 1837 (G. F. H. Rheinwald,

Acta historico-ecclesiastica, Jg. 1837, 1840, S. 005 f.)

Ich finde mich auf Ew. gegen die Verfügung des Ministers der geistlichen A n gelegenheiten v. 10. J u l i d. J. unter dem 21. October geführte Beschwerde nicht bewogen, zu genehmigen, dass Sie etwas unternehmen, was den, i n allen östlichen Ländern der Monarchie bestehenden Gebrauch, gemäss welchem sogenannte gemischte Ehen ohne besondere Bedingungen durch Aufgebot und T r a u ung kirchlich vollzogen werden, zu beeinträchtigen geeignet ist. Vielmehr erwarte ich von Ihnen, dass Sie als Erzbischof bemühet sein werden, die Ihnen untergebene Geistlichkeit auf dem längst befolgten Wege der bestehenden Ord-

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nung zu erhalten, u n d zwar u m so mehr, als Sie selbst i n einer amtlichen von Ihnen als Kapitular-Verweser unter dem 20. Januar 1830 ausgestellten U r kunde das Dasein jenes löblichen Gebrauchs, ohne Hinzufügung irgend eines Bedenkens, bezeugt haben 9 . Ich k a n n daher nicht nachgeben, dass Sie die Verordnung Benedicts X I V . publiziren, oder sich u m Belehrung an den röm. Stuhl wenden, indem i n dieser längst geordneten Angelegenheit nichts mehr zu ordnen ist.

I I I . Anordnungen der Kirchenoberen der Erzdiözese Gnesen-Posen über die gemischten Ehen Der Generalvikar der Erzdiözese Gnesen-Posen Brodziszewski 1 richtete bereits am 6. September 1837 ein Rundschreiben an die Pfarrer der Erzdiözese, in dem er darauf hinwies, daß der Erzbischof in seiner Auseinandersetzung mit der Regierung die richtige Auffassung über die Mischehen vertrete-. Nachdem der Erzbischof auf seine Immediateingabe (oben Nr. 176) die abschlägige Antwort des Königs (oben Nr. 177) erhalten hatte, wandte er sich selbst in zwei Hirtenbriefen vom 30. Januar und vom 27. Februar 1838 an seinen Klerus (Nr. 178, 179). In beiden Schreiben verwarf er die bisherige mildere Mischehenpraxis. Die kirchliche Einsegnung von Mischehen beschränkte er ausdrücklich auf die Fälle, in denen die Brautleute die katholische Erziehung der Kinder zugesagt hatten. Priestern, die diese Anweisung übertraten, drohte der Erzbischof die Amtsenthebung an.

N r . 178. Hirtenbrief des Erzbischofs v. D u n i n über die gemischten Ehen vom 30. Januar 1838 (Ubersetzung: A. v. Roskoväny, De matrimoniis mixtis, t. I I , 1842, S. 349 if.)* — Auszug — Wenn eure vielfachen Anfragen i n Ansehung der sogenannten gemischten Ehen bisher ohne A n t w o r t geblieben sind, so ist dieses lediglich aus dem Grunde geschehen, w e i l ich, da ich die Verordnungen des weltlichen Gesetzgebers i n dieser Beziehung m i t den Grundsätzen unserer heil. Kirche i m Widerspruche sah, m i t allen K r ä f t e n dahin zuvor strebte, den Zustand dieser traurigen Collision aufzuheben, zur Schonung der Erzdiöces aber die Last und Schwierigkeit dieses Unternehmens, so wie die Unannehmlichkeiten der persönlichen Blosstellung, wie sich's geziemte, ganz allein übernehmend. Da 9

Angeführt i n dem Schreiben Altensteins an Dunin v o m 10. J u l i 1837 (Rheinwald, a.a.O., S. 598 f.). 1 Adalbert v. Brodziszewski (1779 - 1866), kath. Priester; Generalvikar i n Gnesen; 1838 - 1840 w a r i h m der Aufenthalt an seinem Amtssitz Gnesen verboten u n d statt dessen der Aufenthalt i n Posen auferlegt. 2 G. F. H. Rheinwald, Acta historico-ecclesiastica, Jg. 1837, S. 606 f. 3 Original polnisch; dazu die amtliche E r k l ä r u n g der preuß. Regierung vom 31. Dezember 1838 (Roskoväny, a.a.O., S. 384).

I I I . Anordnungen der Kirchenoberen über die gemischten Ehen

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jedoch die obwaltenden Hindernisse sich bis jetzt nicht haben beseitigen lassen, vielmehr eine neue K r a f t gewonnen zu haben scheinen, eure Anfragen dagegen aus beiden Erzdiöcesen immer häufiger werden, so sehe ich mich gezwungen, euch zu informiren, in der gerechten Besorgniss, dass nicht auf mein Gewissen die Missgriffe und Abweichungen von der Lehre der heil. Kirche zurückfallen möchten, welche i n der, meiner Leitung anvertrauten Abtheilung des Weinberges Christi, ein leeres Stillschweigen herbeyführen könnte. I h r werdet w o h l einsehen, geliebte Brüder, dass ich, als H i r t und Bischof verpflichtet, mich an die uralten und allgemeinen Grundsätze der kath. Kirche zu halten, über deren Aufrechthaltung ich K r a f t meiner Stellung zu wachen habe, eure Anfragen nicht anders beantworten kann, als indem ich mich auf die Grundsätze unserer heil. Religion beziehe u n d euch darauf verweise, welche nur allein i m Stande sind, euch eure unablässliche und unumstössliche Pflicht aufs Klarste und Genaueste vor die Augen zu stellen. Obschon diese Grundsätze euch jeder Theologe darbietet, so w i r d doch eine Erinnerung an dieselben durch eine kurze Darstellung derjenigen Anträge, welche ich durch ein ganzes Jahr theils bei dem Kgl. Ministerio geltend zu machen, theils endlich i n schuldiger Demuth und Ehrfurcht dem Throne vorzulegen bemüht war, nicht am unrechten Orte seyn 4 . . . I n obigen meinen Anträgen liegen euch, ehrwürdige Priester, die religiösen Gründe k l a r vor Augen, w o m i t ich bemüht war, der Regierung die B i l l i g k e i t unserer Vorstellungen darzulegen, welche dahin gehen, dass w i r nicht gezwungen werden möchten zur Segnung von solchen gemischten Ehen, bei welchen die Bedingung wegen Erziehung der K i n d e r i m kath. Glauben nicht vorangegangen ist, und dass solchen Trauungen nach Religionssitte zu assistiren einem kathol. Priester weder erlaubt gewesen, noch je erlaubt sein kann; indem selbiger als ein Verwalter Christi nur an gehörig Vorbereitete das Sacrament administriren darf. B i n ich aber auch so unglücklich gewesen, durch diese Gründe bisher den erwünschten Erfolg nicht erlangen zu können, so k a n n ich doch weder glauben, noch von euch Priestern erwarten, dass i h r i n diesen nemlichen hier entwickelten Gründen eure katholische, von Gott und der heil. Kirche euch auferlegte Pflicht nicht k l a r einsehen solltet, über deren Verabsäumung euch nichts vor Gott schützen würde. U m so mehr fällt euch jede Entschuldigung weg, u m so weniger vermöchtet i h r euch damit zu schützen, als hättet i h r keine hinlängliche Kenntniss von eurer Pflicht gehabt, als wäre diese Pflicht euch noch zweifelhaft oder nicht klar genug gewesen, oder euch und euren Kirchen bisher neu und ihre Ausübung nie oder nicht zureichend empfohlen worden; denn die Vorschriften über die Ehen solcher A r t sind uralt, allgemein, und l a u t 5 . . . So unzweifelhaft es daher feststeht, dass dieses unseren Vätern so hell lautende Gesetz die katholische Kirche i n der hiesigen Provinz nie w i d e r rufen hat, noch auch der Natur der Sache nach widerrufen konnte, so w a h r ist es auch, dass w i r bei so bewandten Umständen n u r aus Leichtsinn oder einem erdichteten V o r w a n d i n einer neuen Publication dieses Gesetzes dessen K r a f t 4 I m Folgenden stellt der Erzbischof den Gang der Verhandlungen m i t der preuß. Regierung i m Einzelnen dar (dazu die vorstehenden Dokumente). 5 Es folgt die nähere Darlegung der Mischehenpraxis i n den polnischen Diözesen i m 18. Jahrhundert.

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und Gültigkeit suchen wollten. Gestehen w i r lieber, dass, wenn Einige von uns in dieser Beziehung gefehlt und solche Ehen eingesegnet haben, solches aus grober Unkenntniss und vernachlässigter Lesung der Gesetze der allgemeinen Kirche, ja selbst der Diöcesan-Synoden, und wenn uns solche bekannt waren, aus blosser Schwäche wider unser Gewissen geschehen. Nichts kann uns vor Gott und unserem Gewissen von der Erfüllung uralter Pflichten unserer Religion entbinden. Daher kann ich, als Bischof und euer H i r t , meiner Stellung und meinem Beruf gemäss handelnd, nichts Neues hinzufügen, beschwöre euch vielmehr bloss, übet die alte, uralte, allgemeine Pflicht eurer Religion aus, u n d bei der gewissenhaften Erfüllung unserer Berufsobliegenheiten beten w i r inbrünstig zu Gott, dass er uns das huldvolle Herz unseres Monarchen zuwenden möge . . . So eben, als ich obiges Rundschreiben entworfen habe, ist m i r ein durchweg abschlägiger Bescheid von Sr. Maj. dem Könige vom 30. December v. J. zugegangen 6 , nach welchem m i r i n dieser Angelegenheit weder an den Apostol. Stuhl mich zu wenden, noch die Bulle Benedikts X I V . amtlich bekannt zu machen gestattet, vielmehr empfohlen w i r d , an dem (wie es darin heisst) löblichen Gebrauche — die sogenannten gemischten Ehen ohne besondere Bedingung wegen Erziehung der K i n d e r i m kath. Glauben durch Aufgebot und Trauung zu vollziehen — festzuhalten. Dieser Bescheid hat indessen meinen Vorsatz nicht geändert, indem ich mich nicht erkühnen kann, die Stellung und den Character eines Bischofs zu beflecken, mein Gewissen m i t Untreue zu belasten, die Einheit m i t dem Oberhaupte der Kirche abzubrechen u n d als Verräther, nicht aber als ein vom heil. Geiste bestellter Wächter von der Lehre der heil. Kirche abzuweichen, während aufs Neue die Stimme Gregors X V I . zu meinen Ohren dringt 7 , welche die widerrechtlich eingeführte, der kath. Kirchenlehre widerstreitende falsche Praxis i n Ansehung der gemischten Ehen i n der ganzen preussischen Monarchie verdammt. Nochmals werde ich mich daher dem Throne zu nahe wagen, indem ich nichts heimlich unternehmen w i l l , werde jedoch unumwunden erklären: dass das Reich Christi nicht von dieser Welt sey 8 , die Macht eines Bischofs aber vom heil. Geist komme; dass keine weltliche Gewalt mich zu einer meinem Gewissen widerstreitenden Handlung zu zwingen vermag; dass ich n u n nicht mehr nöthig habe, mich i n dieser Angelegenheit an den Apostol. Stuhl zu wenden, da ich dessen Stimme i n der ganzen preussischen Monarchie widerschallen höre, u n d mich n u r verpflichtet halte, anzuzeigen, wie ich, dem Beispiele so vieler heil. Bischöfe u n d unsers heil. Stanislaus folgend 9 , aus Gewissenspflicht den m i t der Landesregierung geführten Schriftwechsel i n gedrängter Kürze der Geistlichkeit mitgetheilt und selbige ermahnt habe, die Grundsätze der kath. Kirche aufrecht zu erhalten; gestehen w i l l ich zugleich, meine Person, mein Leben lägen i n der Hand meines Monarchen, man könne mich einkerkern, m i r allenfalls das Leben nehmen, aber mein Glaube sey göttlich, u n d diesen vermöchte m i r m i t Gottes Hilfe keine Macht zu nehmen. Denn ich w i l l , 6

Oben Nr. 177. A l l o k u t i o n vom 10. Dezember 1837 (oben Nr. 163). Joh. 18, 36. 9 Stanislaus (1030 - 1079), seit 1071 Bischof von K r a k a u ; Schutzpatron von Polen. 7

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wie ich lebe, i m Schoosse der röm.-kath. Kirche sterben; ich w i l l nicht Schisma gründen u n d m i t Treulosigkeit i n Religions- und Kirchensachen heucheln. Habe ich aber gefehlt, indem ich auf Verlangen i m Jahre 1830 als damaliger Kapitularverweser über das Bestehen der Praxis wegen unbedingter Trauung der gemischten Ehen ein Attest ausstellte 1 0 , worauf gerade der gedachte A l l e r höchste Bescheid basirt ist, so begründet j a dieses Attest keine Sanction f ü r eine solche falsche Praxis oder Missbrauch, wie selbige Se. Heiligkeit i n ihrer A l l o k u t i o n v o m 10. December v. J. benannt hat. Möge übrigens die Schuld davon über mein Haupt fallen, der ich jetzt Wahrheit schaue und nachdem ich den I r r t h u m eingesehen habe, w i d e r diese missbrauchsweise eingeführte Praxis öffentlich protestire; ja selbst i n diesem Falle dagegen protestili; haben würde, w e n n ich solche i m I r r t h u m begriffen der Geistlichkeit früher selbst anempfohlen hätte, was jedoch, Gott sei Dank, nicht geschehen; j a m i t Fénelon 1 1 würde ich selbst dasjenige verdammen, dem ich i n irriger Ansicht Lob und Beifall zollte. U m desto unbefangener muss ich daher diese falsche Praxis bei der w i d e r dieselbe erhobenen Stimme des Statthalters Christi öffentlich verdammen, als ich bei deren Einführung keinen A n t h e i l hatte; und ich warne euch, Brüder, hütet euch vor Verantwortlichkeit vor Gott und beharret i n dem Schoosse der heil. Mutter, der Kirche. N r . 179. Hirtenbrief des Erzbischofs v. D u n i n über die gemischten Ehen v o m 27. Februar 1838 (lat. T e x t : A. v. Roskovàny, De matrimoniis m i x t i s t. I I , S. 362 ff.) — Übersetzung — Ermahnt durch die A l l o k u t i o n des sichtbaren Hauptes unserer heil. Kirche Papst Gregor X V I . v o m 10. Dezember vergangenen Jahres 1 2 , die die i n dem ganzen Königreich Preußen zu Unrecht eingeführte Praxis i n der Behandlung der gemischten Ehen v e r w i r f t , sehen W i r uns durch unser Hirtenamt und durch das Gewissen gedrängt, Euch, verehrungswürdige Mitbrüder, das ins Gedächtnis zu rufen, was der Heil. Apostol. Stuhl durch den Stellvertreter Christi Benedikt X I V . sei. Andenkens i n Bezug auf eben diese gemischten Ehen angeordnet und f ü r alle Zeiten durch die Bulle „Magnae nobis admirationis" 1 3 v o m Jahre 1748 vorgeschrieben hat. Diese w a r an den Primas, die Erzbischofe und die Bischöfe des Königreichs Polen gerichtet und hat bestimmt, daß kein Katholik, der die Ehe m i t einer nichtkatholischen Frau — oder umgekehrt — schließen w i l l , zum Ehesakrament zugelassen werden soll, das durch den Segen oder einen anderen i m Rituale Romanum vorgeschriebenen kath. Ritus 10

Oben S. 414 Anm. 9. Frangois de Fénelon (1651 - 1715), seit 1695 Erzbischof von Cambrai. Seine „Explication des maximes des Saints sur la vie intérieure" (1697) wurde von Papst Innozenz X I I . 1699 verworfen, worauf Fénelon sich zum Widerruf bereitfand. 12 Oben Nr. 163. 13 Oben S. 410 Anm. 1. 11

27 Huber, Staat und Kirche, 1. Bd.

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vollzogen w i r d , wenn sie nicht vorher ein verläßliches Versprechen abgegeben haben, das besagt: 1. daß alle künftige Nachkommenschaft katholisch erzogen werden soll, 2. daß der katholische Teil vor jeder Gefahr des Abfalls vom Glauben sicher sein soll u n d 3. daß die Hoffnung besteht, den nichtkatholischen T e i l i n den Schoß der Kirche zurückzuführen. Daß dies der kath. Glaube ist, hat das neue Breve Pius V I I I . vom Jahre 1830 „Literis altero abhinc a n n o " 1 4 , das auf Bitten der Bischöfe des westlichen Teils des Königreichs Preußen erlassen wurde, bestätigt, indem es den Pfarrern nur unter eben diesen oben genannten Bedingungen gestattet, eine Ehe einzusegnen. U n d da, wie die traurige Erfahrung bezeugt, sehr viele Pfarrer an vielen Orten dieses Gesetz vergessen haben, darf es Euch nicht wundern, daß der Hirte, der vom Heil. Geist dazu eingesetzt ist, über das anvertraute Gut Christi zu wachen, i n Bitterkeit so viele Sakrilege beklagt, die i n der Verwaltung des Ehesakraments geschehen und f ü r die Z u k u n f t gegen die, die sie begehen, Strafen f ü r alle Zeiten verhängt, nicht zuletzt, damit diese die gegenwärtigen wie die künftigen H i r t e n der Seelen davon abhalten, das Sakrament U n w ü r digen unter Begehung eines Sakrilegs zu spenden. Demgemäß suspendiren w i r alle Priester i n unseren Erzdiözesen ipso facto von jedem Weihegrad, jeder Amtsbefugnis u n d jeder Pfründe, wenn sie es wagen, entgegen dem Geist und den Satzungen der Heil. Kirche gemischte Ehen, sei es eines K a t h o liken m i t einer Nichtkatholikin, sei es umgekehrt, nach kath. Ritus zu verbinden oder dazu auf irgendeine Weise ihre Zustimmung zu geben, ohne daß vorher der nichtkatholische T e i l m i t aller Sicherheit versprochen hat, daß alle aus dieser Ehe hervorgehenden K i n d e r i m kath. Glauben erzogen werden. Derselben Strafe unterwerfen w i r auch jeden Priester, der sich nicht nach K r ä f t e n bemüht, seiner Gemeinde einzuprägen, daß solche Ehen ganz und gar unerlaubt und von der Kirche streng untersagt sind.

I V . Die Einleitung des staatlichen Verfahrens gegen den Erzbischof von Gnesen-Posen In einer Immediateingabe vom 10. März 1838 (Nr. 180) gab der Erzbischof von Gnesen-Posen die von ihm in der Mischehenfrage getroffenen Anordnungen dem König bekannt. Die Regierung antwortete mit dem Beschluß, ein Gerichtsverfahren gegen Dunin zu eröffnen (Nr. 181). Der Versuch, den Erzbischof durch die Androhung dieses Verfahrens zum Widerruf zu bewegen, scheiterte. Darauf teilte ihm eine Depesche der drei Minister Altenstein, Rochow und Werther die Einleitung des Verfahreiis amtlich m i t (Nr. 182). Dunin bestritt in einem Schreiben an die drei Minister vom 9. Juli 1838 (Nr. 183) die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte in dieser Sache. Ein umfangreicher Briefwechsel über diese Streitfrage zwischen Dunin und dem Justizminister Mühler schloß sich an 1 . Schon durch eine Verfügung vom 24. Juni 1838 hatte der Kultusminister von Altenstein dem Klerus der Erzdiözese Gnesen-Posen jedes Abweichen 14 1

Oben Nr. 128. Texte: Zweite Römische Staatsschrift, S. 157 - 172.

IV. Einleitung des Verfahrens gegen den Erzbischof v. Dunin

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von der milden Mischehenpraxis untersagt 2. Durch eine zweite Verfügung erklärte der Kultusminister die Hirtenbriefe des Erzbischofs vom 30. Januar und 27. Februar (oben Nr. 178, 179) für ungültig (Nr. 184). Gegen diese staatlichen Eingriffe legten das Dekanat Posen am 21. J u l i 3 und der Klerus von Gnesen am 3. August 1838 4 Protest bei dem Oberpräsidenten v. Flottwell in Posen ein. N r . 180. Immediatvorstellung des Erzbischofs v. D u n i n an K ö n i g Friedrich W i l h e l m I I I . v o m 10. März 1838 (A. v. Roskovàny, De matrimoniis m i x t i s inter catholicos et protestantes, torn. I I , 1842, S. 364 ff.) Eingedenk meiner heil. Pflicht als treues M i t g l i e d des Staates, als gehorsamer Unterthan, u n d als Schüler Christi, habe ich es gewagt, mich unterm 21. October v. J. dem erhabenen Throne Ew. Kgl. Maj. zu nahen, und A l l e r höchstdenselben eine unterthänigste Vorstellung i n Betreff der gemischten Ehen i n tiefster Ehrfurcht zu Füssen zu legen 5 . Gequält von den peinigendsten Gewissensängsten bei dem Anblicke der durch die neuesten Anordnungen der weltlichen gesetzgebenden Gewalt bedroheten Grundsätze der kath. Religion, deren Erhaltung, gesetzlicher Schutz, und Vertheidigung uns feierlich zugesichert worden sind, nahm ich auf die ehrfurchtsvollste Weise meine Zuflucht zu der Gnade Ew. Maj., damit Allerhöchstdieselben die kath. Geistlichkeit nicht zwingen lassen möchten, die gemischten Ehen ohne jegliche Bedingung einzusegnen, oder m i r Allergnädigst zu gestatten geruheten, dass ich m i r darüber eine Instruction von dem apostol. Stuhle verschaffen könne. Das Rescript Ew. Majestät v o m 30. December v. J. G , welches weder das Eine noch das Andere bewilliget, sondern vielmehr befiehlt, dass ferner nach der i n dieser Provinz eingeführten Gewohnheit verfahren werden solle, hat mein Gemüth m i t dem tiefsten K u m m e r erfüllt, indem es m i r nur die W a h l z w i schen zwei Extremen lässt, entweder nämlich mich an die Anordnungen der weltlichen gesetzgebenden Gewalt zu halten, und so die unerschütterlichen Grundsätze der kath. Kirche zu verletzen, deren Hüter ich bin kraft meines Berufes und meiner Stellung i n der m i r übertragenen erzbischöfl. Diöcese; oder mich durch gewissenhafte Erfüllung der m i r von Gott durch den Stellvertreter Christi auferlegten heiligen Pflichten der Missbilligung meines verehrten Monarchen auszusetzen. Ich w i l l und darf Ew. Maj. nicht durch eine wiederholte Auseinandersetzung der A r t und Weise beschwerlich fallen, wie eine, den Verordnungen der kath. Kirche widerstreitende Praxis in Betreff der gemischten Ehen hie und da i n der Provinz Eingang gefunden habe; ich wage es jedoch ehrfurchtsvoll zu wiederholen, dass die Katholiken i n Dingen, welche das Gewissen angehen, 2 3 4 5 6

Text: Text: Text: Oben Oben

Amtsblatt Nr. 27 vom 3. J u l i 1838. A. v. Roskovàny, De matrimoniis mixtis, torn. IV, 1870, S. 370 ff. ebenda, tom. I I , 1842, S. 367 ff. Nr. 176. Nr. 177.

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13. Kap.: Die W i r r e n i m preußischen Osten

eine V e r j ä h r u n g nicht zulassen, sondern i m Gegentheile verpflichtet sind, den I r r t h u m abzulegen, sobald er sich k u n d gibt, u n d folglich jene Praxis u m so weniger fortbestehen kann, als sie von dem Stellvertreter Christi, dem sichtbaren Oberhaupte der kath. Kirche verworfen und verdammt worden ist. Eine fernere Ausübung derselben würde ein Schisma begründen, zu dem ich auf keine Weise die Hand bieten darf. Ich gehorche den Anordnungen des Nachfolgers Petri aus Pflicht und inniger Uberzeugung, und nichts k a n n mich jemals von der Einheit der kath. Kirche trennen; denn mein Glaube ist fest u n d unerschütterlich. Geruhen Ew. M a j . i n dem Innersten Allerhöchstihres landesväterlichen Herzens zu erwägen, ob bei der so laut verkündeten Stimme des Oberhauptes der kath. Kirche, und bei dem Antriebe meines Gewissens, das mich ermahnet, m i r etwas Anderes zu t h u n übrig blieb, als dem meiner Leitung übergebenen Clerus die Grundsätze dieser heil. Kirche ins Gedächtnis zurückzurufen, und i h m m i t der grössten Sorgfalt die treue und genaue Beobachtung derselben einzuschärfen 7 . Ja, ich habe es gethan, w e i l es eine Gewissenssache ist, denn das Reich Christi ist nicht von dieser Welt 8 . Ich lege m i t aller Ehrfurcht dieses mein Bekenntniss zu den Füssen Ew. Maj. nieder, u n d gehe meiner ferneren Bestimmung m i t der Ergebung eines Priesters entgegen, der erfreut ist i n seinem Gewissen über die Erfüllung seiner heiligen Pflicht. Verfügen Ew. M a j . über mein von den Jahren ergrautes Haupt. Die Ruhe meines Gewissens u n d der Friede meiner Seele sind gerettet.

N r . 181. Kabinettsordre K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . an die Staatsminister v. Altenstein, v. Rochow und v. W e r t h e r v o m 12. A p r i l 1833 (Zweite Römische Staatsschrift, 2. Abt., 1839, S. 115 f.) Der Erzbischof v. D u n i n zu Posen hat, wie Ich aus dem von ihm an Mich gerichteten Schreiben vom 10. v. M., so wie aus den, m i t I h r e m Berichte vom 29. v. M. eingereichten, hiebei wieder zurückerfolgenden Verhandlungen zu Meinem höchsten Befremden ersehen habe, sich herausgenommen, ohne alle Veranlassung die schon seit einer langen Reihe von Jahren i n seiner Erzdiözese bestehende und m i t den Landesgesetzen übereinstimmende Praxis, hinsichtlich der kirchl. Einsegnung gemischter Ehen, durch eine kirchl. Verordnung umzustoßen und sich dabei theils auf bloße päpstl. Äußerungen und auf Breven, welche weder an ihn, noch an seine Amtsvorgänger erlassen, theils auf eine ältere päpstl. Verordnung, deren Anwendung i n Meinen Staaten weder genehmigt worden, noch stattgefunden hat, zu beziehen8**. Er hat durch diese Anmaßung sowohl den Landesgesetzen, welche den Bischöfen den Erlaß solcher Verordnungen und die Publikation päpstl. Bestimmungen ohne die Genehmigung des Staates ausdrücklich verbieten, als Meinem i h m durch Meinen Befehl v o m 30. December v. J. kundgegebenen landesherrlichen W i l 7 8 8

Oben Nr. 178,179. Joh. 18, 36. a Nämlich auf die Enzyklika Benedikts XIV. vom 29. Juni 1748 (oben S. 410).

IV. Einleitung des Verfahrens gegen den Erzbischof v. D u n i n

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len zuwider gehandelt u n d dieses Vergehen noch besonders durch das seinem Hirtenbriefe i n polnischer Sprache beigefügte Umlaufschreiben verschärft, indem er darin seinen Geistlichen befiehlt, ihren Gemeinden bekannt zu machen, daß er sich bewogen gefunden, gegen meinen ausdrücklichen Befehl und gegen die Landesgesetze zu handeln, und sie dadurch ebenfalls zum Ungehorsam, so wie zur Auflehnung gegen die Gesetze des Staates aufzufordern u n d zugleich Haß und Erbitterung gegen die andern christlichen Religionsparteien zu erregen, nicht Anstand n i m m t . Der Erzbischof hat durch dieses Verfahren den M i r bei dem A n t r i t t e seines Amtes geleisteten Eid besonderer Treue und des Gehorsams verletzt und M i r dadurch eine wohlbegründete Veranlassung gegeben, i h m Meine landesherrliche Bestätigung wieder zu entziehen u n d sein ferneres E i n w i r k e n unmöglich zu machen. Bevor Ich indeß von dieser Meiner landesherrlichen Machtvollkommenheit Gebrauch mache, w i l l Ich, daß der Erzbischof wegen seiner Vergehung zur Untersuchung gezogen werde, damit er Zeit gewinne, seine Verirrungen zu erkennen und zugleich dasjenige geltend zu machen, was er etwa zu seiner Vertheidigung anzuführen vermöchte. Ich bestimme zugleich, daß die gerichtlichen U n t e r suchungsacten vor der Abfassung des Erkenntnisses M i r m i t I h r e m u n d dem Gutachten des Justizministers begleitet, vorgelegt werden, wobei Ich m i r , wenn der Erzbischof durch sein Benehmen während der Untersuchung M i r hierzu eine besondere Veranlassung geben sollte, vorbehalte, von Meinen landesherrlichen Rechten sofort Gebrauch zu machen. Was Ich an den Oberpräsidenten F l o t t w e l l erlassen habe, ersehen Sie aus der abschriftlichen Anlage. Von beiden haben Sie den Justizminister M ü h l e r zur eventuel nothwendigen Einschreitung i n Kenntniß zu setzen und Ich erwarte Bericht über den Erfolg der getroffenen Maaßregeln.

N r . 182. Erlaß des Kultusministers v. Altenstein vom 25. J u n i 1838 (Zweite Römische Staatsschrift, 2. Abt., 1839, S. 137 f.) Da der Erzbischof von Gnesen und Posen unter dem 27. Februar d. J. m i t Übertretung der Vorschriften des Allgemeinen Landrechts Theil I I , T i t . 11 §117 und 1189 auf verfassungswidrigem Wege, ohne Vorwissen und Genehmigung der Landesregierung, ja wider deren ausdrückliche Weisung, einen Befehl an die Pröbste, Pfarrer, Vikare und Priester seines Erzbisthums erlassen hat, w o r i n derselbe das bis dahin bestandene Verfahren i n Behandlung der gemischten Ehen aufhebt, indem er, unter Androhung harter Censuren, verbietet, dergleichen Ehen einzusegnen, wenn nicht zuvor die Erziehung aller Kinder i n der kath. Religion, die ungestörte Ausübung dieser Religion durch den kath. Brauttheil, und die Bekehrung des evang. Brauttheils bündigst v e r sprochen worden, so w i r d diese ungesetzliche Verfügung des genannten Erzbischofs hiermit von Regierungswegen für u n w i r k s a m erklärt. Es ist demnach dieselbe als nicht ergangen anzusehen und w i r d allen Geistlichen u n d Beamten bei Vermeidung einer nach den Umständen zu bemessenden Ord9

Oben Nr. 1.

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13. Kap.: Die W i r r e n i m preußischen Osten

nungsstrafe hierdurch untersagt, auf dieselbe Bezug zu nehmen, sie anzuwenden, oder zu veröffentlichen. I n Betreff der Erziehung der K i n d e r aus gemischten Ehen und des Verbots der Proselytenmacherei bleiben, wie sich von selbst versteht, die geltenden Gesetze u n d Verordnungen i n Kraft, so auch die landrechtliche Verfügung Theil I I , T i t . 11 §443, 444, wie es zu halten ist, wenn ein kath. Pfarrer eine nach den Landesgesetzen erlaubte Ehe wegen Mangels der Dispensation der geistlichen Oberen einzusegnen Bedenken t r ä g t 1 0 . Sollte einem Geistlichen der erzbischöfl. Diözese Gnesen u n d Posen wegen angeblicher Überschreitung des hier entkräfteten erzbischöfl. Befehls eine Ungelegenheit bereitet, oder eine Censur oder Strafe w i d e r ihn verhängt werden, so w i r d derselbe, auf desfallsiges Anrufen, sich des kräftigen Schutzes der Regierung gegen einen solchen Mißbrauch der geistlichen Amtsgewalt zu erfreuen haben. N r . 183. Depesche der Minister v. Altenstein, v. Rochow und v. W e r t h e r an den Erzbischof v. D u n i n v o m 25. Juni 1838 (Zweite Römische Staatsschrift, 2. Abt., 1839, S. 138) I n Folge uns unterm 21. d. Mts. zugegangener Allerhöchster Cabinetsordre, sind w i r verpflichtet, Euer Hochwohlgeboren u n d Hochwürden zu eröffnen, daß Se. Maj. Ihre i n dem Schreiben vom 30. v. Mts. enthaltene Erklärung nicht befriedigend gefunden haben. Denn ungeachtet aller Versicherungen von Unterwürfigkeit und Ergebenheit, verharren Sie i n der Aufrechthaltung der ohne Kgl. Bewilligung, und m i t Übertretung der Vorschriften des Allgemeinen Landrechts T h e i l I I , T i t . 11 §117 u n d I I S 1 1 von Ihnen eingeführten Neuerung i n Betreff der gemischten Ehen. W i r sind von gerechtem K u m m e r erfüllt, daß Sie durch die irrige Vorstellung, welche Sie sich über ihre Verhältnisse zur Regierung gebildet, die von der Allerhöchsten H u l d eingegebenen Absichten des Landesvaters vereitelt haben. W i r müssen Sie zu gleicher Zeit i n Kenntniß setzen, daß es Sr. Maj. gefallen hat, die Eröffnung der CriminalUntersuchung gegen Sie anzuordnen.

N r . 184. Schreiben des Erzbischofs v. D u n i n an die Minister v. Altenstein, v. Rochow und v. W e r t h e r vom 9. J u l i 1838 (Zweite Römische Staatsschrift, 2. Abt., 1839, S. 139 f.) Nach I n h a l t der M i t t h e i l u n g Ew. Excellenzen soll ich wegen meines Benehmens i n Betreff der gemischten Ehen einer Criminal-Untersuchung unterworfen werden. Ich halte es für meine Pflicht, hiermit ehrfurchtsvoll zu erklären, daß ich einen zu diesem Zwecke zu bestimmenden weltlichen Gerichtshof nicht als mein Forum anerkennen, und demselben keine Rechenschaft geben 10 11

Oben Nr. 1. Oben Nr. 1.

V. Kurie und Regierung im Gnesen-Posenschen Kirchenkonflikt

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werde. Ich habe i n einer rein religiösen und Gewissens-Angelegenheit gehandelt, welche die Verwaltung des Sakramentes der Ehe nach Vorschrift der ursprünglichen, unveränderlichen Lehre der kath. Kirche betrifft; u n d hierüber b i n ich nur Gott, und der auf Erden durch i h r sichtbares Oberhaupt, den heil. Vater i n Rom vertretenen ganzen kath. Kirche verantwortlich, nicht aber einem weltlichen Richter. Sobald m i r ein, nach dem kanonischen Rechte von dem heil, apostol. Stuhle bestelltes Gericht angezeigt wird, werde ich demselben über die Ausübung des m i r übertragenen apostol. Amtes Rechenschaft geben; nicht aber einem weltlichen Richter, dem es nicht zukommt, die von Christus seinen Aposteln und den röm. Päpsten übergebene geistliche Gewalt an sich zu nehmen. Das Allgemeine Landrecht schreibt, wie es sich gebührt, über diesen Punkt nicht vor, was die Katholiken und ihre Priester glauben sollen; es schützet vielmehr ihre Religion i n ihrer ganzen Reinheit; es stehet überall dem uralten, i n den Concilien der ganzen christl. Kirche gegebnen kanonischen Rechte nach, w e i l es die bestehenden heil. Rechte nicht aufhebt. Den Katholiken ist die Ausübung ihrer Religion i n der ganzen Ausdehnung, i n welcher ihre Väter sie ausgeübt haben, zugesichert, und dadurch eo ipso die hierarchische Verfassung der kath. Kirche anerkannt worden, die von derselben unzertrennlich ist; u n d die Bulle De salute animarum bestätiget alle Rechte, Ehren, Vorzüge und Freiheiten, welche den Erzbischöfen und Bischöfen zustehen. Ja, das Allgemeine Landrecht selbst verordnet, daß die kath. Geistlichen in Sachen der Religion und Kirchen-Disciplin, den geistl. Gerichten Rechenschaft zu geben hätten. F ü r den niederen Clerus bestehen die bischöfl. Gerichte, für die Bischöfe und Erzbischofe sind noch keine geistl. Gerichtshöfe angeordnet, und können von der weltlichen Macht nicht angeordnet werden; denn ihre Festsetzung stehet allein dem heil, apostol. Stuhle zu. Ich bitte Ew. Excellenzen ehrerbietig, diese meine Erklärung i n Güte zu erwägen. Es macht m i r den größten K u m m e r , daß ich gezwungen bin, dieselbe abzugeben.

V. D i e K u r i e und die preußische Regierung i m Gnesen-Posenschen Kirchenkonflikt Wie schon im Kölner Streit trat Papst Gregor XVI. im Gnesen-Posenschen Konflikt mit einer Allokution hervor (Nr. 185). Ihr war als Beilage eine ausführliche aktenmäßige Darstellung der Gnesen-Posenschen Vorgänge beigefügt. Die Regierung antwortete mit einer Erklärung vom 31. Dezember 1838 (Nr. 186). In deren Mittelpunkt stand die Verteidigung der staatlichen Kirchenhoheit, gegen die der Erzbischof in einer Reihe von Handlungen verstoßen habe. Dies gab der Kurie Anlaß, in einer Gegenerklärung vom 11. April 1839 (Nr. 187) das System der Unterordnung der Kirche unter den Staat, das die preußische Regierung anstrebe, entschieden zu verwerfen. Der grundsätzliche Charakter, der dem preußischen Mischehenkonflikt eignet, tritt in dieser römischen Erklärung besonders deutlich hervor. Der weitere Notenwechsel zwischen dem preußischen Geschäftsträger v. Buch und dem Kardinalstaatssekretär Lambruschini bewegte sich auf der gleichen Linie 1. 1

Note des Geschäftsträgers v. Buch v o m 9. Januar 1839; darauf erging die

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13. Kap.: Die W i r r e n i m preußischen Osten N r . 185. A l l o k u t i o n Papst Gregors X V I . vom 13. September 1838 (lat. T e x t : A. v. Roskoväny, De matrimoniis m i x t i s , t. I I , 1842, S. 371 ff.) — Ubersetzung i m Auszug —

. . . Was aber allgemein bekannt und auch Euch aufs beste vertraut ist, übergehen W i r hier m i t Schweigen. W i r müssen jedoch von der Bitterkeit reden, die Unser Herz wegen der immer noch unglücklichen Lage der kath. Sache i m Königreich Preußen bedrückt. I h r erinnert Euch, daß W i r Uns schon ein andermal- von diesem Ort aus über das sehr große Unrecht beklagt haben, das dem bischöfl. Stand, der A u t o rität u n d Freiheit der Kirche und Unserem auf göttlichem Recht beruhenden Primat durch die gewaltsame Vertreibung des ehrwürdigen Bruders Clemens August, des Erzbischofs von Köln, von seinem Sitz zugefügt worden war. I h r w i ß t außerdem, daß Wir, w i e es nötig war, durch einen nachdrücklichen Protest unverzüglich dessen Rückkehr von dem Allergnädigsten K ö n i g gefordert haben. Das Bedrückendste ist gewiß, daß Unsere Worte keinerlei Beacht u n g fanden u n d keineswegs die W i r k u n g erzielten, die man i n einer so überaus gerechten Sache vom Gerechtigkeitssinn des Königs erwarten durfte. Daß aber der Kirche Christi ohne Unterlaß neue Wunden durch die weltliche Macht zugefügt werden, treibt die Erbitterung auf den Höhepunkt. . . . Vor allem aber richtet Eure Aufmerksamkeit n u n auf die Ubergriffe, die i m östlichen T e i l des Königreichs Preußen nach einem langen und harten K a m p f m i t unserm ehrwürdigen M i t b r u d e r Martin, dem Erzbischof von Gnesen und Posen, stattfanden. Dieser berühmte Kirchenobere sah m i t großer Sorge, wie auf Grund der bürgerlichen Gesetze i n diesen Gegenden bei den gemischten Ehen eine Praxis eingerissen war, die der Lehre u n d der Ordnung der kath. Kirche ganz und gar widersprach. I n der Überzeugung, daß er dies nicht, ohne große Schuld auf sich zu laden, länger dulden könne, schrieb er zuerst mehrfach an den kgl. Minister; dann trat er durch ein von der Verantwortung seines Amts bestimmtes Schreiben an den K ö n i g selbst heran 3 . Nachdem er das Gewicht seiner Gründe und die Besorgtheit seines Herzens dargelegt hatte, bat er schließlich darum, daß i h m i n einer Sache, die allein i n den Bereich der kirchl. A u t o r i t ä t gehöre, erlaubt werde, entweder dafür zu sorgen, daß die Regel bewahrt werde, die durch das Schreiben Unseres Vorgängers Bened i k t X I V . v o m 29. J u n i 1748 den Bischöfen Polens mitgeteilt worden war 3 », oder aber die Meinung dieses Apostol. Stuhls einzuholen. Doch keines von beiden wurde ihm, obwohl doch beides n u r allzu gerecht gewesen wäre, gestattet... Inzwischen hatte jener erfahren, daß Wir, was W i r privat schon getan hatten, auch öffentlich i n Eurer Versammlung am 10. Dezember des vergangenen Antwortnote des Kardinalstaatssekretärs Lambruschini vom 18. M a i 1839 (bei E. Friedberg, Die Grundlagen der preußischen Kirchenpolitik unter Friedrich W i l h e l m IV., 1882, S. 65 ff.). 2 Oben Nr. 163. 3 Oben Nr. 172, 174, 176. 3a Oben S. 410 A n m . 1.

V. K u r i e und Regierung im Gnesen-Posenschen Kirchenkonflikt

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Jahres jegliche Praxis hinsichtlich der gemischten Ehen, die i n Preußen w i derrechtlich eingeführt worden war, verworfen hatten. Daraufhin glaubte er, auf keinen Fall mehr zögern zu dürfen. Er richtete ein Rundschreiben an den gesamten Klerus seiner Diözese, das unter Strafandrohung aufs Strengste untersagte, daß ein Priester eine derartige Ehe nach dem heiligen Ritus einsegne, ohne sich vorher der Bedingungen zu versichern, welche seit alters von diesem Heil. Stuhl vorgeschrieben sind 4 . B a l d darauf schrieb er erneut an den Allergnädigsten König, nicht ohne — wie es angemessen w a r — seine Unterwerfung u n d seinen Gehorsam i n den Angelegenheiten der bürgerlichen Ordnung ausführlich zu bekunden 5 . Nachdem er an die feierliche Verpflichtung des Königs erinnert hatte, die Rechte der kath. Religion unversehrt zu erhalten, erklärte er offen, daß es ihm, seit der Apostol. Stuhl seine Entscheidung öffentlich bekanntgegeben habe, nicht mehr möglich sei, davon auch n u r geringfügig abzuweichen, ohne sich der Anklage auszusetzen, die Einheit der Kirche i n schändlicher Weise verletzt zu haben. . . . A m darauffolgenden 25. J u n i wurde durch einen Erlaß des kgl. Ministeriums das Rundschreiben des Erzbischofs an den Klerus für ungültig und kraftlos erklärt . . . . Außerdem wurde jedem eine Strafe angedroht, der das Rundschreiben i n irgendeiner Weise zur Anwendung bringe; zugleich wurde demjenigen der Schutz der Regierung versprochen, der wegen der Nichtbeachtung des Rundschreibens bei der kirchl. A u t o r i t ä t Anstoß errege . . . W i r betrachten es als Aufgabe des heiligsten Amtes, das W i r wahrnehmen, die Forderungen, die w i r i n der vorausgegangenen A l l o k u t i o n 6 v o r Euch ausgesprochen haben, hier zu wiederholen und auch auf den der Kirche öffentlich zugefügten Schaden, von dem W i r gerade berichtet haben, m i t öffentlichem Widerspruch zu antworten . . . Eines aber tröstet Uns i n dieser größten Bitternis, nämlich die unbezwingliche K r a f t des Geistes, die der Erzbischof von Posen u n d Gnesen, i m Glauben dem Kölner Erzbischof nacheifernd, i n der Bekräftigung der Lehre u n d der Ordnung der kath. Kirche, die gemischten Ehen betreffend, bewiesen hat. Auch ist es nach Unserer Meinung unzweifelhaft, daß alle anderen Bischöfe i n beiden Teilen des Königreichs Preußen, eingedenk der Stellung, die sie innehaben, der Würde, m i t der sie ausgezeichnet sind, u n d des Eides, durch den sie sich bei ihrer feierlichen Amtseinsetzung verpflichtet haben, i n den verschiedenen Teilen des von ihnen wahrzunehmenden Amtes m i t Festigkeit ausführen werden, was m i t den Vorschriften der überlieferten Kanones und der apostol. Satzungen übereinstimmt. Ferner vertrauen W i r darauf, daß der Allergnädigste König, seinem hohen Sinn entsprechend, k ü n f t i g gerechtere Entschlüsse faßt, die kath. Kirche von ihren Gesetzen Gebrauch machen läßt und nicht duldet, daß jemand ihre Freiheit beeinträchtigt.

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Oben Nr. 178,179. Oben Nr. 180. Oben Nr. 163.

13. Kap.: Die Wirren im preußischen Osten

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N r . 186. E r k l ä r u n g der Regierung betreffend den Streit m i t dem Erzbischof v. D u n i n über die gemischten Ehen v o m 31. Dezember 1838 ( A. v. Roskoväny, De matrimoniis mixtis, torn. IV, 1870, S. 377 ff.) Die Kgl. Regierung hat aus der päpstl. Allocution vom 13. September d. J." sich überzeugen müssen, wie sehr der röm. Hof noch immer abgeneigt ist, auf dem Wege einer versöhnlichen und befriedigenden Verständigung die I r r u n gen auszugleichen, die in den Beziehungen der kath. Landesbischöfe zum Oberhaupte des Staates unlängst entstanden sind. Das . . . Dokument, welches durch den päpstl. Stuhl nicht allein den fremden Gesandtschaften zu Rom amtlich mitgetheilt worden, sondern auch gleichzeitig m i t besonderer Eile durch die öffentlichen Blätter des Auslandes verbreitet worden ist, enthält über neuere, durch die Allocution vom 10. December 18378 hauptsächlich hervorgerufene Vorgänge i n derErzdiöcese Posen und Gnesen eine Reihe von Angaben und Beschuldigungen, welchen theils eine unrichtige die Kenntniss der gesetzlichen Landesverfassung verläugnende Darstellung der Thatsachen, theils neben dem geflissentlichen Schweigen über die dem dortigen Erzbischofe bewiesene Kgl. Milde und Langmuth, das offene Bestreben zum Grunde liegt, die kirchl. Gew a l t auf eine, m i t den Rechten des Landesherrn unvereinbare Weise auszudehnen. Seit dem Erscheinen dieser neuen Allocution ist der öffentlichen M e i nung hinreichende Zeit verblieben, über die Anklagen des päpstl. Stuhles und über ihre Bedeutsamkeit sich ein U r t e i l zu bilden. Die Kgl. Regierung hat bis hieher m i t einer öffentlichen Widerlegung i n dieser höchst wichtigen Sache zögern zu müssen geglaubt, da i h r nicht alle Aussicht benommen war, sie auf anderem Wege zu beseitigen, wesshalb i h r die hierüber von neuem k u n d gethane unveränderte Mässigung ihres Verfahrens nur zum Vortheil ausgelegt werden kann. Da indess jene Aussicht unerfüllt geblieben ist, so kann sie sich jetzt i m Bewusstsein ihres entschiedenen Rechts und der Versöhnlichkeit ihrer Gesinnungen u m so freier über die Vorfälle aussprechen, aus welchen der röm. Hof einen neuen Anlass genommen hat, die unerfreuliche Spaltung zwischen dem Staat und der Kirche zu erweitern. Die i n der Beilage enthaltene aktenmäßige Darstellung der, durch ein gesetzwidriges Beginnen des Erzbischofs von Posen und Gnesen entstandenen Missverhältnisse w i r d genügen, u m alle Freunde der Mässigung, des Friedens und der bürgerlichen Ordnung, Alle, die der Stimme der Wahrheit zugänglich sind, i n der Überzeugung zu befestigen, dass die Kgl. Regierung i n ihrem Verfahren gegen einen Prälaten, der sich bald bis zur äussersten Gränze eines sträflichen Trotzes verirrt, bald eine verzagte Wankelmüthigkeit zur Schau trägt, nicht aus den Schranken ihrer gesetz- und verfassungsmässigen, den Majestätsrechten des Landes inhärirenden Befugnisse gewichen ist, dass sie dem u n gebührlichen Trotze n u r schonende Milde, dem Ungehorsam und der A n massung n u r die äusserste Langmuth, dem beharrlichen I r r t h u m nur zurechtweisende Nachsicht entgegengestellt hat, und dass sie nicht von den V o r w ü r fen betroffen wird, die gesetz- und herkömmliche Wirksamkeit der Geist7 8

Oben Nr. 185. Oben Nr. 163.

V. Kurie und Regierung im Gnesen-Posnschen Kirchenkonflikt

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lichkeit zu beschränken, das Verderben der Kirche zu bezwecken und die kath. Bevölkerung der Monarchie von dem Mittelpuncte ihrer kirchl. Einheit zu trennen: Vorwürfe der Allocution, die auch der Ungestüm einer leidenschaftlichen Sprache nicht entschuldigen darf. Die darin enthaltenen Grundsätze des röm. Hofes weiter zu erörtern und zu widerlegen, würde eine überflüssige Beschäftigung seyn. Sollte derselbe jemals die praktische Anwendung solcher Principien versuchen, sollte er die Grundlagen erschüttern wollen, auf welchen seit Jahrhunderten der Friede und die Eintracht zwischen dem Staat und der Kirche beruhen, so würde i h m das vereinigte Recht und die vereinigte K r a f t aller gleichbetheiligten Regierungen entgegentreten. Weit entfernt, Ähnliches zu besorgen, hält die Kgl. Regierung an der Hoffnung fest, dass die Zeit nicht entfernt seyn könne, den Oberhirten der kath. Kirche für die Stimme der Versöhnung und der Weisheit zu gewinnen. Sie w i l l , sie mag nicht glauben, dass der röm. Hof entschlossen sey, den theuer erworbenen Rechten der deutschen Staaten das Anerkenntniss und die W ü r digung, die sie von i h m zu fordern berechtigt sind, zu versagen; sie w i l l , sie mag nicht glauben, er werde jemals stillschweigend geschehen lassen oder gar billigen, dass die i n den kirchl. Angelegenheiten i h m untergeordneten Bischöfe und Priester die Fackel der Zwietracht am Altare anzünden, die Unterthanen zur Empörung anreizen, den Gesetzen Hohn sprechen, dem Landesherrn den gelobten Gehorsam verweigern und auf solchen Wegen das eigene f r ü h oder spät eintretende Verderben der Kirche vorbereiten. So geneigt aber die Kgl. Regierung ist, der Weisheit und der Erfahrung des röm. Hofes zu vertrauen, so bereitwillig sie stets zu jeder friedfertigen Verständigung die Hand bieten w i r d , so wahrhaft sie bedauert, dass es i h r bic jetzt nicht gelungen ist, i h n von der Grundlosigkeit seiner Beschuldigungen, von der Unzulässigkeit seiner Forderungen zu überzeugen; so kann und w i r d sie doch niemals auf Eines ihrer Rechte, auf Einen der Ansprüche verzichten, die der landesherrlichen A u t o r i t ä t i n Bezug auf die Geistlichkeit der kath. Kirche zustehen. Sie ist fern und w i r d immer fern bleiben jeder feindlichen oder übelwollenden Absicht gegen eine Kirche, deren Glauben sie ehrt, deren Freiheit sie anerkennt und schützt, so lange eine missverstandene Ausdehnung dieser Freiheit den Gesetzen und Einrichtungen des Staates nicht gefährlich zu werden droht. Gewissenhaft darf sich die Kgl. Regierung auf das unbestochene Zeugniss der Vergangenheit berufen. Wiewohl die Irrungen betrauernd, welche die wohlthätigen Formen einer Ordnung gefährden, w o r i n die Kirche selbst die Gewährleistung ihres Bestehens und ihres Gedeihens findet; w i e w o h l i n gerechtem U n w i l l e n über die Missdeutung ihrer Absichten, über die Verdächtigungen ihrer Gesinnungen, über die Entstellung ihres V e r fahrens, w i r d sie dennoch die bisher betretene Bahn der Mässigung nicht verlassen; sie w i r d Gerechtigkeit m i t Milde vereinigen, dem Irrenden Nachsicht, dem Reumüthigen Verzeihung gewähren, und n u r gegen den, der hartnäckig i n der Widersetzlichkeit verharrt, die obrigkeitliche Macht und die Strenge des Gesetzes walten lassen. I n der friedsamen Beschäftigung m i t dem Glücke der Unterthanen ist die Kgl. Regierung auch i n den gegenwärtigen Irrungen sich ihrer aufrichtigsten Geneigtheit bewusst, kein m i t der Ehre, der Unabhängigkeit und der Wohlfahrt des Staates vereinbares M i t t e l zur Herstellung eines friedlichen und freundschaftlichen Verhältnisses m i t dem röm. Hofe

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13. Kap.: Die Wirren im preußischen Osten

unversucht zu lassen. Aber keine Macht auf Erden vermag es, an der Behauptung ihres Ansehens u n d ihrer von Gott verliehenen Rechte sie zu h i n dern. Indem sie m i t unerschütterlicher Zuversicht auf die Gerechtigkeit ihrer Sache, unter dem erflehten Beistande der göttlichen Vorsehung sich des E r folges ihrer ernstlichen Bestrebungen zur Herstellung und Erhaltung eines friedlichen und gesetzmäßigen Zustandes i n den Angelegenheiten der kath. Kirche versichert hält, erinnert sie die dieser Kirche angehörigen Unterthanen des Staats, namentlich i n den neu- u n d wiedererworbenen Provinzen, an die Wohlthaten, die ihrer Kirche durch die Gnade und das unermüdete Wohlwollen ihres Landesherrn erwiesen sind, an den Unterschied des ehemaligen, unter den Stürmen der Zeit verwahrlosten, und des gegenwärtigen, durch die Segnungen einer christlichen Regierung herbeigeführten Zustandes ihrer Kirche. U m so mehr erwartet sie m i t Vertrauen auf die Dankbarkeit u n d die Treue ihrer kath. Unterthanen, dass sie, unverblendet und ungetäuscht von irrthümlichen, auf entstellten Thatsachen beruhenden Anklagen, der väterlichen Gesinnung und den reifen Beschlüssen ihres Landesherrn die Erledigung der obwaltenden Misshelligkeiten i n Gehorsam anheimgeben, und, seiner Gerechtigkeit u n d seiner versöhnlichen Neigung gewiss, der Herstellung eines friedfertigen Verhältnisses ruhig entgegensehen werden 0 .

N r . 187. E r k l ä r u n g des Heiligen Stuhls gegen die staatliche Kirchenhoheit vom 11. A p r i l 1839 (Ubersetzung: A. v. Roskoväny, Monumenta catholica, t. 2, 1847, S. 406 ff.) — Auszug — A m 31. December 1838 erschien i n der Berliner Staatszeitung eine später i n anderen Tageblättern neuerdings abgedruckte, von einer Denkschrift oder Erörterung begleitete Darstellung, durch welche die preussische Regierung eine öffentliche Widerlegung der päpstl. Allocution vom 13. September desselben Jahres zu liefern beabsichtigte, i n so weit letztere die neuen Unternehmungen gedachter Regierung gegen die unverletzlichen Rechte der kath. Kirche, und namentlich die unangenehmen Vorgänge m i t dem Erzbischofe von Gnesen und Posen zum Gegenstande hatte. Der heil. Stuhl kann den Inhalt der vorerwähnten Darstellung und Denkschrift theils wegen der Grundsätze, auf denen sie beruhen, theils i n Betreff der Thatsachen, welche darin k u n d gegeben werden, nicht m i t Stillschweigen übergehen. I n diesen beiden Schriften herrscht u n d w i r d als unbestreitbar aufgestellt ein Grundsatz, der den Ausgangs- und Mittelpunct bildet, aus welchem die ganze Reihe von Anforderungen und Behauptungen der Kgl. Regierung hergeleitet, und auf den sie wiederum zurückgeführt werden können; der Grundsatz nämlich der A b hängigkeit der Kirche von der Staatsgewalt i n Angelegenheiten der Religion 1 0 . 9 Es folgt als Beilage eine ausführliche Darstellung des Verfahrens der Regierung gegen den Erzbischof v. Dunin (vgl. die voranstehenden Dokumente). 10 Die anschließenden Ausführungen suchen Belege dafür beizubringen, daß der behauptete Grundsatz von der preuß. Regierung vertreten werde.

V. K u r i e und Regierung im Gnesen-Posenschen Kirchenkonflikt

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. .. Solche Grundsätze bilden nicht allein die Grundlage der von obgedachter Regierung bekannt gemachten Darstellung und Denkschrift, und werden darin als eben so viele, der Kgl. Würde inhärirende Befugnisse verkündiget; sondern es w i r d auch noch erklärt, dass jener Monarch niemals auf irgend eines derselben verzichten werde, und dass keine Macht auf Erden i m Stande wäre, i h n an der Behauptung derselben zu verhindern. Ja nicht zufrieden damit, i n den hier angedeuteten Grundsätzen die Norm u n d Richtschnur seines Regierungsverhaltens gegen die kath. Unterthanen i n ihren Verhältnissen m i t der Kirche aufzustellen, w i l l das preussische Cabinet ausserdem noch, dass i n der practischen Anwendung dieser Grundsätze, w i e es sich ausdrückt, die wohlthätigen Formen einer Ordnung erkannt werden sollen, i n welchen die Kirche selbst die Gewährleistung ihres Bestehens u n d ihres Gedeihens finde. Hierauf erk l ä r t dasselbe die Anklagen f ü r unbegründet, und die Forderungen f ü r unzulässig, von welchen i n den beiden Allocutionen des heil. Vaters an das heil. Collegium 1 1 die Rede ist, und scheuet sich nicht, ohne Rückhalt zu behaupten, dass dergleichen Forderungen auf nichts anderes gerichtet wären, als darauf, die kirchl. Gewalt auf eine m i t den Rechten des Landesherrn unvereinbare Weise auszudehnen, und die unerfreuliche Spaltung zwischen dem Staate und der Kirche immer mehr zu erweitern. Späterhin, gestützt auf die mehrerwähnten Grundsätze, geht die preussische Regierung i n ihrer Darstellung so weit, die kath. Bischöfe und Priester, welche i m Widerspruche m i t den Gesetzen der Monarchie die Gläubigen zum Gehorsam gegen die Gesetze der Kirche anmahnen und ihnen denselben einschärfen, öffentlich zu beschuldigen, als zündeten sie durch dieses i h r Verfahren am Altare die Fackel der Z w i e tracht an, als griffen sie ein i n die Ruhe der Gesellschaft, als reizten sie die Unterthanen zur Empörung auf, und bereiteten dadurch das Verderben der Kirche selbst vor, das, wie sie sich ausdrückt, f r ü h oder spät eintreten werde. Es kann dem heil. Stuhle i n der That nichts Neues seyn, aus dem Munde einer protestantischen Regierung den verdammlichen Grundsatz der A b hängigkeit der Kirche vom Staate zu vernehmen. Ja er fühlt sogar, wie v o l l kommen unnütz es seyn würde, denselben zu widerlegen, indem er zu gleicher Zeit die Beruhigung hat, sich auf den reinen Glauben und auf die standhaften gesunden Principien der kath. Bevölkerung jenes Königreichs verlassen zu können. Es geht jedoch aus der von dem preussischen Cabinete i n seiner Darstellung und Denkschrift gemachten Anwendung jenes Grundsatzes, aus dem Inbegriffe der i n denselben ausgesprochenen Principien, und aus der darin deutlich ausgedrückten Ansicht, sein practisches System i n Betreff der kath. Kirche nach diesen letzteren einrichten zu müssen, m i t aller Klarheit hervor, m i t wie grossem Rechte der heil. Vater i n seiner Allocution vom 13. September v. J. gegen die Unternehmungen der vorerwähnten Regierung, welche darauf abzielten, die kath. Bevölkerung der Monarchie von dem M i t t e l puncte der katholischen Einheit loszureissen, Einspruch gethan; u n d m i t w i e grossem Unrechte dagegen eben diese Regierung jene Einsprüche als solche rügt, die nicht einmal durch den Ungestüm einer leidenschaftlichen Sprache entschuldigt werden dürften. Denn es kann nach jenen Grundsätzen und Regeln ein solches System i n der That nicht befolgt werden, ohne ein offenbares, directes Bestreben, in der Kgl. Regierung den Mittelpunct der kirchl. Einheit 11

Oben Nr. 163, 185.

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13. Kap.: Die W i r r e n i m preußischen Osten

für den ganzen kath. Glauben des Königreichs aufzustellen, die kath. Bevölkerung Preussens von dem wahren und alleinigen Mittelpuncte der Einheit, welches der Röm. Papst ist, zu trennen, i n der Kirche eine neue, jener i h r von ihrem göttlichen Stifter gegebenen entgegengesetzte Verfassung einzuführen, m i t einem Worte, aus dem kath. Theile der Monarchie eine neue Kirche zu bilden, welche daher ganz anders als katholisch seyn würde, indem die N a t u r und die Form einer von Gott eingesetzten Kirche nicht von der Gewalt u n d den Plänen der Menschen abhängig ist, und die kath. Kirche nicht mehr bestehen kann, wo die Vorzüge und Rechte, m i t denen sie von ihrem Stifter bekleidet wurde, verändert und ausgeschlossen werden. Allerdings ist die kath. Kirche nach den Absichten der göttlichen Weisheit unzweifelhaft eine: u n d wie sehr sie auch i n der ganzen Welt ausgebreitet ist, sie bildet einen einzigen Schafstall, eine einzige vollkommene Gesellschaft, durch das Bekenntniss eines u n d desselben Glaubens, durch den Gebrauch derselben Sacramente, durch die Unterordnung unter eine und dieselbe heilige Regierungsgewalt. Es besteht daher i n der kath. Kirche eine wahrhafte Gewalt i n Gegenständen der Religion, eine Gewalt, die von jener andern, welche in bürgerlichen Dingen an der Spitze steht, durchaus verschieden ist; eine Gewalt, die die höchste ist i n ihrer A r t , und wesentlich unabhängig v o n aller irdischen Herrschaft; eine Gewalt, die als solche alle zu dem Zwecke ihrer Einsetzung nothwendigen Rechte i n sich vereinigen muss, und namentlich jene, Gesetze zu geben, zu richten und zu strafen . . . Wenn es indessen dem heil. Stuhle nicht unerwartet kommt, dass sich eine protestantische Regierung zu dem Grundsatze der Abhängigkeit der Kirche von dem Staate bekennt, so kann derselbe doch nicht anders als i m höchsten Grade überrascht u n d schmerzlich berührt seyn, dass ein solcher Grundsatz m i t allen den von dem preuss. Cabinete in der Darstellung und Denkschrift davon gemachten Anwendungen, i m Namen und durch das Ansehen eines Königs i n Wirksamkeit gesetzt werden soll, der mehr als fünf Millionen kath. Unterthanen unter seinem Scepter vereiniget, und der, als er i n den Staaten seines ältern oder neuern Besitzthumes die kath. Kirche festgestellt und ausgebreitet vorfand, sich auf die feierlichste Weise verpflichtet hat, dieselbe darin unangetastet und unverletzt nach den Grundsätzen, nach der Verfassung und der Form aufrecht zu erhalten, in der er sie gefunden h a t 1 2 , nicht aber nach jener, die er selbst ihr zu geben trachtet. U n d wahrhaftig, wenn einerseits die Katholiken i m Gewissen streng gehalten sind, i h r eigenes Benehmen m i t den wesentlichen Grundsätzen ihrer Kirche i n Einklang zu bringen, und wenn andererseits der preussische Monarch ihnen das Bekenntniss und die Ausübung desselben gewährleistet hat: kann es w o h l m i t der Gerechtigkeit, mit der Redlichkeit, m i t dem heiligen Worte Sr. Maj. übereinstimmen, dieselben zu verpflichten, gegen jene Grundsätze zu handeln, durch die Forderung, dass sie i n religiösen Gegenständen nicht die Gesetze der Kirche beobachten sollen, sondern jene des Königreichs; dass sie nicht den kirchl. H i r t e n und Oberen gehorchen sollen, sondern der weltlichen Regierung; dass sie die Bande absoluter, wesentlicher Abhängigkeit von ihrem Oberhaupte zerreissen, und m i t demselben ohne die Dazwischenkunft des Staates keinen Verkehr haben sollen? 12

Oben S. 412 Anm. 5.

VI. Das Straf urteil gegen den Erzbischof v. Dunin

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Es ist daher nicht der heil. Stuhl, der seine Gewalt auf eine m i t den Rechten des Landesherrn unverträgliche Weise ausdehnen w i l l . Es ist die preussische Regierung, die sich Rechte anmasst, welche der unabänderlichen Verfassung der Kirche, und selbst der Treue feierlicher Verträge widerstreben. Es ist nicht das Oberhaupt der kath. Kirche, welches i n andern Staaten die gesetzgebende Gewalt über den Umkreis seiner kirchlichen Befugnisse hinaus zu erstrecken trachtet. Es ist das preussische Cabinet, welches ihm das Recht der Gesetzgebung i n religiösen Angelegenheiten öffentlidi bestreitet, indem es nicht ansteht, i h n i n Rücksicht sogar auf den kath. Glauben und auf die kirchl. Angelegenheiten des Königreichs, als eine auswärtige Macht zu bezeichnen. Der heil. Vater thut nichts, als dass er die seinem göttlichen Primate wesentlich inwohnenden Rechte vertheidiget; Rechte, deren Unversehrtheit eifrig zu bewachen, u n d jede Verletzung und jeden A n g r i f f von ihnen abzuwehren, er streng gehalten ist; Rechte, die, während sie zum Vortheile der Kirche verliehen wurden, zu gleicher Zeit eben so viele Verpflichtungen sind, f ü r deren treue Erfüllung er Gott verantwortlich ist. Alles diess kann nicht bündiger die Gerechtigkeit der Einsprüche nachweisen, welche i n den beiden päpstlichen Allocutionen vom 10. December 1837 und vom 13. September 1838 ausgedrückt sind, so wie die Nothwendigkeit, w o r i n Se. Heiligkeit sich befinden, dieselben gegen alles dasjenige zu wiederholen, was i n der Darstellung und Denkschrift der preussischen Regierung Irrthümliches, und die Freiheit und Auctorität der Kirche Beleidigendes enthalten ist, zugleich aber feierlich zu erklären, dass wenn jene auf kein einziges ihrer angeblichen Rechte verzichten w i l l , Se. Heiligkeit noch viel weniger gegen irgend eine der heiligen Pflichten ihres Lehramtes und allgemeinen Apostolates zu fehlen des Willens sind.

V I . Das Strafurteil gegen den Erzbischof v. D u n i n u n d die Bemühungen u m die Beilegung des Konflikts Das Oberappellationsgericht Posen verurteilte den Erzbischof von Posen und Gnesen v. Dunin im Februar 1839 wegen Ungehorsams gegen die Staatsgesetze zum Amtsverlust und zu sechs Monaten FestungshaftGegen dieses Urteil — besonders gegen den staatlichen Machtanspruch, den Bischof mit der Strafe des Amtsverlustes belegen zu können — erhob Papst Gregor XVI. in der Allokution vom 8. Juli 1839 erneuten Protest (Nr. 188). Auf ein Gnadengesuch des Erzbischofs gewährte König Friedrich Wilhelm III. ihm Aufschub für die Strafe der Festungshaft unter der Bedingung, daß er bis zur Beilegung des Konflikts in Berlin verbleibe. Im Oktober 1839 ergriff Dunin jedoch mit Hilfe katholischer polnischer Edelleute die Flucht, um nach Posen zurückzukehren. Dort ließ die Regierung ihn verhaften und auf die Festung Kolberg abführen. Der Erzbischof richtete von Kolberg aus am 18. Oktober 1839 ein Schreiben an den König, in dem er ihn seiner Treue als 1

Z u r Rechtsproblematik des Vorgehens gegen D u n i n : Verfassungsgeschichte Bd. I I , S. 249 f.; zum gleichzeitigen Konflikt in Ermland, K u l m u n d Breslau: ebenda S. 248 f.

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13. Kap.: Die W i r r e n i m preußischen Osten

Untertan versicherte. In seiner Antwort vom folgenden Tag (Nr. 189) sprach Friedrich Wilhelm III. seine Freude über diese Bekundung vaterländischer Treue aus; er forderte den Erzbischof zu Vorschlägen über eine interimistische Regelung der kirchlichen Verhältnisse auf; er setzte hinzu, daß er jederzeit zur Beilegung des Konflikts bereit sei, falls „die Bedingungen erfüllt werden, welche auf Gesetz und ungestörter Observanz beruhen

N r . 188. A l l o k u t i o n Papst Gregors X V I . v o m 8. J u l i 1839 (lat. Text: A. v. Roskoväny, De matrimoniis mixtis, t. I I , 1842, S. 408 ff.) — Übersetzung i m Auszug — . . . I n gleicher Weise erheben W i r Widerspruch gegen alles, was ferner noch, sei es i n der Angelegenheit des Erzbischofs von Gnesen u n d Posen, sei es aus anderen Anlässen, zum Schaden der kath. Religion und gegen die Rechte der Kirche u n d dieses heil. Stuhls i m Königreich Preußen, welcher A r t auch immer es sein mag, geschehen ist. Schließlich beschweren W i r Uns namentlich u n d legen entschiedenen Einspruch gegen das U r t e i l ein, durch das die obengenannten weltlichen Richter über die geweihte Person des erwähnten Bischofs i n einer vorwiegend religiösen Angelegenheit zu richten u n d über i h n sogar die kirchl. Strafe der Absetzung zu verhängen gewagt haben. K r a f t Unserer Apostol. A u t o r i t ä t erklären u n d beschließen Wir, daß kein anderer als unser ehrwürdiger Bruder M a r t i n weiterhin der wahre und einzige Erzbischof der Kirchen von Gnesen u n d Posen ist und aufgrund dieses Urteilsspruchs kein einziges Recht verloren hat, da dieser kraft kanonischen u n d göttlichen Rechts ungültig ist. Deshalb schuldet man i h m in der Kirche von K u l m 2 i n den Fragen, die der Jurisdiktion des Metropoliten unterliegen, i n beiden Herden seiner Diözesen 3 aber i n allem, was zur Religion gehört u n d der bischöfl. A u t o r i t ä t unterstellt ist, wie vorher vollständigen Gehorsam. Vor allem aber erteilen w i r dem Erzbischof selbst wegen seines Eifers für die Religion und der unbesiegten Standhaftigkeit seines bischöfl. Geistes das höchste Lob, wie er es verdient hat, u n d beglückwünschen i h n sehr, da er für w ü r d i g befunden wurde, i m Namen Jesu Schmach zu erleiden . . .

N r . 189. Schreiben K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . an den Erzbischof v. D u n i n v o m 19. Oktober 1839 (E. Friedberg, Die Grundlagen der preußischen Kirchenpolitik unter Friedrich W i l h e l m I V , 1882, S. 69 ff.) Ich habe aus I h r e m Schreiben v o m 18. d. M. u n d aus mündlichen Äußerungen während I h r e r nothwendig gewordenen Entfernung aus Ihrer Diöcese 2 Das Bistum K u l m w a r Suffraganbistum des Erzbistums Gnesen-Posen (siehe oben Nr. 91). 3 I n den verbundenen Diözesen Gnesen u n d Posen.

V I . Das Strafurteil gegen den Erzbischof v. D u n i n

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m i t Vergnügen diejenigen Gesinnungen ersehen, die Sie i n Bezug auf Meine Person ausgesprochen haben, die sich denen getreuer Unterthanen anschließen, u n d die Ich gern nicht blos als geäußert, sondern als tief empfunden u n d gute Früchte versprechend, ansehen möchte. Ebenso habe Ich es bedauert, zu Maßregeln schreiten zu müssen, welche Sie genöthigt haben, den gegen ausdrückliches Verbot ergriffenen Wohnsitz sofort zu verlassen u n d Ihre Freiheit mehr als es bisher der F a l l war, zu beschränken. Ich zweifle aber keineswegs, daß Ew. Hochwürden selbst von der Nothwendigkeit dieser Maßregel überzeugt sind, u n d sie als eine unvermeidliche, durch Sie selbst veranlaßt, anerkennen werden. Sie werden wahrscheinlich sogar erwartet haben, daß Ich die ganze Strenge des Gesetzes gegen Sie würde obwalten u n d das durch richterlichen Spruch gegen Sie feststehende sofort wieder eintreten lassen; allein Sie wissen auch, daß ich gern den Weg der Schonung u n d Milde gehe, wenn ich glauben kann, daß er zu demselben Ziele führt, und Ich hoffe, Sie werden es dankbar anerkennen, daß dieser Weg bisher von M i r betreten worden ist. So verschieden auch unsere Ansichten i n anderen Beziehungen sein mögen, darin sind w i r ganz einverstanden, daß die Aufrechthaltung i n den Diöcesan-Verhältnissen höchst wünschenswerth ist, so wie denn auch der Wunsch, I h r e r Heerde den H i r t e n nicht zu entziehen, nur allein Ihre Flucht von B e r l i n motiviren, wenn auch nicht rechtfertigen kann. M i t Wohlgefallen habe ich vernommen, daß Sie bereits vortheilhaft auf diejenigen eingewirkt haben, welche sich ihrer geistlichen Function i n jetziger Zeit entziehen wollten, u n d Ich möchte dieser A r t von Wirksamkeit gern noch ein größeres Feld einräumen. Können Ew. Hochwürden einen Vorschlag machen, wie durch interimistische Stellvertretung oder Übertragung von Rechten, welche i n Ihrer hohen Stellung liegen, den kirchl. Bedürfnissen i n den Diöcesen Gnesen u n d Posen, während der Zeit genügt werden kann, wo Ich Ihre Abwesenheit von dort f ü r nöthig halte, so werden Sie mich bereit finden darauf einzugehen, I h n e n diese Wirksamkeit zu gestatten, u n d Ich darf voraussetzen, daß Sie auch i n dieser Maßregel n u r den Wunsch erkennen werden, die bisher nicht gestörte Ordnung auch fernerhin u n d bis zu diesem Augenblicke zu erhalten, wo die bisherigen Mißverständnisse aufhören w e r den, und Ihnen zugleich dadurch die Beruhigung zu gewähren, selbst i n der Abwesenheit aus Ihrer Diöcese noch fortgesetzt f ü r die Erhaltung der kirchlichen Ordnung u n d die Beruhigung der Gemüther gesorgt zu haben. Indem Ich Ew. Hochwürden hiermit auffordere, m i r diesen Vorschlag zu machen, füge ich noch das Versprechen hinzu, daß insofern Ich mich m i t demselben einverstanden erklären kann, Ich auch gern auf die E r f ü l l u n g Ihrer Wünsche, namentlich desjenigen eingehen werde, welcher die Versetzung nach einem Orte, an dem sich eine kath. Kirche befindet, betrifft. W i r d durch Bereitwilligkeit von I h r e r Seite der v o n M i r ausgesprochene Wunsch, der auch der Ihrige sein muß, erreicht, so halte Ich es nicht f ü r u n möglich, bald den Zeitpunkt zu erleben, i n welchem der jetzt unvermeidliche interimistische Zustand aufgehoben werden kann. M i r kann er n u r als ein wünschenswerther erscheinen, da der Friede von M i r nicht gestört worden ist, u n d ich gern zur Wiederherstellung des früheren Zustandes die Hand biete, insofern die Bedingungen erfüllt werden, welche auf Gesetz u n d ungestörter Observanz beruhen, u n d die ich aufrecht zu erhalten fest entschlossen bin. 20 Huber, Staat und Kirche, 1. Bd.

Vierzehntes

Kapitel

D e r preußische T h r o n w e c h s e l v o n 1 8 4 0 u n d d i e E r n e u e r u n g des F r i e d e n s zwischen K i r c h e u n d Staat I . Die Wiedereinsetzung des Erzbischofs von Gnesen-Posen v. D u n i n Die Regierungsübernahme durch Friedrich Wilhelm IV. 1 schuf die Voraussetzungen für die Beilegung der preußischen Kirchenkonflikte . Das Konzept des christlichen Staats, von dem der neue preußische König bestimmt war 2, legte es nahe, ja, machte es notwendig, eine Verständigung mit der katholischen Kirche herbeizuführen. Friedrich Wilhelm IV. war von vornherein zu einer Reihe prinzipieller Zugeständnisse bereit. Das erste Zeichen des kirchenpolitischen Wandels war die Wiedereinsetzung des Erzbischofs von Posen-Gnesvn v. Dunin in seine erzbischöflichen Funktionen. Am 24. Juli 1840 versicherte Dunin gegenüber König Friedrich Wilhelm IV., daß er den Treueid auch ihm gegenüber gewissenhaft halten und erfüllen wolle (Nr. 190). Daraufhin gestattete der König ihm die Rückkehr in seine Erzdiözese (Nr. 191). Mit einem Rundschreiben vom 27. August 1840 unterrichtete der Erzbischof seinen Klerus davon, daß er wieder in seine Amtsobliegenheiten eingetreten sei (Nr. 192). Zugleich wies er sie an, wie sie hinsichtlich der gemischten Ehen weiter zu verfahren hätten: den staatlichen Gesetzen gemäß sei auf das Versprechen der katholischen Kindererziehung zu verzichten, im übrigen aber jeder Anschein einer kirchlichen Billigung gemischter Ehen zu vermeiden. Damit war ein (vorher vereinbarter) Kompromiß zwischen den kirchlichen und den staatlichen Grundsätzen vollzogen.

N r . 190. Schreiben des Erzbischofs v. D u n i n an K ö n i g Friedrich W i l h e l m I V . v o m 24. J u l i 1840 (E. Friedberg, Die Grundlagen der preußischen Kirchenpolitik unter Friedrich W i l h e l m I V , 1882, S. 83 ff.) Ew. Majestät w o l l e n i n nachsichtiger Milde mir, dem durch schwere Fügung hart geprüften u n d niedergebeugten Greise Allergnädigst nicht versagen, die 1 M i t dem Tod K ö n i g Friedrich Wilhelms III. (7. J u n i 1840) trat sein ältester Sohn, K ö n i g Friedrich Wilhelm IV. (1795 - 1861), die Regierung an; er übte die Herrschaftsgewalt aus, bis seine geistige E r k r a n k u n g den E i n t r i t t der Stellvertretung (1857), dann der Regentschaft (1858) notwendig machte. 2 Verfassungsgeschichte, Bd. I I , S. 256 f.

I . Wiedereinsetzung des Erzbischofs von Gnesen-Posen v. D u n i n

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Gefühle des gerechtesten Schmerzes u n d der tiefsten Trauer, i n welche der Verlust des allgeliebten Monarchen, Ew. K g l . Majestät erhabenen Vaters, zugleich m i t allen getreuen Unterthanen auch mich versetzt hat, an A l l e r höchstdero Throne i n größter Unterthänigkeit niederlegen zu dürfen. Je i n n i ger u n d fester die Ehrfurcht u n d Anhänglichkeit war, welche mich gegen des hochseligen Königs Majestät immerdar und unter allen Umständen beseelte, u m so schmerzlicher b i n ich durch jenen m i r so unerwarteten Verlust erschüttert worden: zumal, da es m i r n u n nicht mehr verstattet ist, dem hohen Verewigten die Aufrichtigkeit meiner Gesinnungen u n d die Redlichkeit meines Willens zur Wiederaufhebung der zu meinem tiefsten Bedauern i n meinen Erzdiöcesen eingetretenen, dem Wohle der Kirche u n d des Staates gleich nachtheiligen Ubelstände nach meinen K r ä f t e n beizutragen, durch die That zu beweisen. N u r darin vermag ich i n dieser f ü r mich so drückenden Lage einigen Trost zu finden, daß der höchstselige Monarch an der Unwandelbarkeit meiner Treue niemals gezweifelt, u n d daß Allerhöchstderselbe m i r , w e n n ich vielleicht zu meinem höchsten Schmerze das Unglück gehabt haben sollte, von dem Drange der Umstände u n d meines beunruhigten Gewissens getrieben, m i r auf einen Augenblick das Mißfallen des erhabensten Herrschers zuzuziehen, doch noch vor wenig Monaten Worte Königlicher H u l d zugerufen hat 3 , die mein Herz auf's Neue m i t tiefster Dankbarkeit erfüllt u n d meinen gesunkenen M u t h zu freudiger Hoffnung emporgerichtet haben. Die Gefühle der Ehrfurcht u n d des unerschütterlichen Vertrauens gegen Ew. Kgl. Majestät Allerhöchste Person, von welchen ich von jeher durchdrungen gewesen bin, haben m i r die trostreiche Zuversicht erhalten, daß auch Ew. Kgl. Majestät, als Erbe des Thrones u n d der erhabenen Gesinnungen Allerhöchstdero Durchlauchtigsten H e r r n Vaters, einen huldreichen Blick auf mich und die I h r e m Könige u n d H e r r n i n treuster Unterthänigkeit u n d Liebe ergebenen kath. Unterthanen des Großherzogthums Posen zu werfen geruhen werden. Möge es m i r daher nicht versagt sein, die Gesinnungen der U n t e r würfigkeit und des Gehorsams, welche mich gegen Ew. Kgl. Majestät als meinen Allerhöchsten K ö n i g u n d Landesherrn beseelen, u n d bis zu meinem letzten Athemzuge nicht i n m i r ersterben werden, am Fuße des Thrones h u l d i gend hiermit niederlegen, u n d meinen unwandelbaren Vorsatz aussprechen zu dürfen, den Eid der Treue und Unterthänigkeit, welchen ich des höchstseligen Königs Majestät geleistet, auch Ew. Kgl. Majestät, als meinen Allergnädigsten Monarchen, gewissenhaft zu halten und erfüllen zu wollen. Seit mehr als fünfzehn Monaten lebe ich getrennt von der Heerde, deren geistl. Führung durch Gottes Rathschluß m i r anvertraut ist. Es beunruhigt u n d beugt mich auf das Tiefste, diejenigen, die verlassen zu müssen über mich verhängt war, der Leitung, deren sie so sehr bedürftig sind, beraubt und meinen Diöcesen die Wohlthat einer geordneten kirchl. Verwaltung, durch welche allein eine gedeihliche Zucht u n d ein Gott gefälliges Einvernehmen u n d Vertrauen unter Ew. Kgl. Majestät Unterthanen des Großherzogthums Posen erhalten werden kann, entzogen zu sehen. Noch größer würde mein Schmerz sein, w e n n es sich bestätigen sollte, daß einzelne Mitglieder der m i r untergebenen Geistlichkeit sich bei Gelegenheit des für des höchstseligen Königs Majestät verordneten Trauergeläutes eines ungebührlichen Beneh3

28*

Oben Nr. 189.

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14. Kap.: Die Erneuerung des Friedens zwischen Kirche und Staat

mens schuldig gemacht, und dadurch das gerechte Mißfallen Ew. Kgl. Majestät u n d den U n w i l l e n aller getreuen Unterthanen auf sich gezogen haben. Es ist mein heißester Wunsch, die wenigen Jahre, die m i r die Vorsehung vielleicht noch zu w i r k e n beschieden hat, bei der m i r anvertrauten Heerde, die m i r so innig am Herzen liegt, beschließen zu können. M e i n tägliches Gebet erfleht es von dem Allmächtigen, daß er diesem Wunsche Erhörung schenken, u n d eine erfreuliche Wendung meines Geschickes, die des höchstseligen Monarchen H u l d gewiß beabsichtigt hat, herbeiführen möge. Dieser erhabenste Monarch hat es nicht gewollt, daß ein kath. Pfarrer zur Einsegnung einer durch die Satzungen der kath. Kirche verbotenen gemischten Ehe solle gezwungen w e r den. Allerhöchstderselbe hat auch auszusprechen geruht, daß das Gewissen meiner Amtsbrüder, der Rheinisch-Westphälischen Bischöfe, nicht i n die Enge getrieben werden solle. Diese hohen Königlichen Worte enthalten auch für mich eine große Beruhigung. Ich halte mich überzeugt, daß Ew. Kgl. Majestät die i n denselben an den Tag gelegten Absichten auch m i r und den Pfarrern meiner Diöcesen Allerhuldreichst werden zu Statten kommen lassen, u n d lebe der festesten Zuversicht, daß bei Ausführung dieser von m i r m i t dem höchsten Danke anerkannten, auch m i t den Landesgesetzen i n vollkommenen Einklänge stehenden Absichten der kirchliche Friede, nach dem ich aus ganzem Herzen strebe, so wie ein erfreuliches Einvernehmen m i t Ew. Majestät Staatsregierung werde erhalten und vor aller verderblichen Störung bewahrt werden können. Geruhen demnach Ew. Kgl. Majestät der heißesten Bitte eines durch K u m mer u n d harte Schläge des Schicksals darniedergebeugten Greises ein gnädiges Gehör zu schenken, u n d mich aus der hiesigen Gefangenschaft, wie auch den zu Posen detinirten Offizial Brodziszewski 4 , Allerhuldreichst zu befreien. Ich versichere i n treuester u n d aufrichtigster Gesinnung, daß es m i r die theuerste Pflicht sein w i r d , mein geistliches H i r t e n - A m t nach besten K r ä f t e n dazu zu benutzen, den gestörten Frieden unter den verschiedenen ConfessionsVerwandten, und unter der Geistlichkeit u n d den Laien zu christlicher Liebe u n d Eintracht wieder herstellen zu helfen, u n d die ganze meiner Obsorge anvertraute Heerde, sowie die m i r untergebenen Geistlichen zu Gehorsam gegen Ew. Kgl. Majestät u n d zum Frieden zu ermahnen, u n d sie i n solchen durch göttliches u n d weltliches Gesetz gleich streng gebotenen Gesinnungen immerdar zu erhalten u n d zu befestigen. Meiner Heerde zurückgegeben, werde ich i m Verein m i t derselben nie ermüden, für Ew. Kgl. Majestät lange und beglückte Regierung bis zum letzten Athemzuge die innigsten Gebete und Segenswünsche zu dem Allmächtigen emporzusenden.

4 Der Generalvikar v o n Gnesen-Posen Adelbert v. Brodziszewski (oben S. 414 A n m . 1) hatte durch ein Rundschreiben an die Pfarrer der Erzdiözese v o m 6. September 1837 (Text: Rheinwald, a.a.O., 1837, S. 606 f.) die mildere Mischehenpraxis verworfen. I m Verlauf des Konflikts verbot die Regierung i h m den Aufenthalt i n Gnesen; sie schrieb i h m statt dessen den Aufenthalt i n Posen vor.

I. Wiedereinsetzung des Erzbischofs von Gnesen-Posen v. D u n i n

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N r . 191. A n t w o r t K ö n i g Friedrich Wilhelms I V . an den Erzbischof v. D u n i n vom 29. J u l i 1840 (E. Friedberg, Die Grundlagen der preußischen Kirchenpolitik unter Friedrich W i l h e l m IV., 1882, S. 87 f.) Durch das von Ew. Hochwürden unterm 24. d. Mts. an mich gerichtete Schreiben habe ich zu Meiner Genugthuung die Erklärung empfangen, daß Sie den Eid der Unterthänigkeit, der Treue u n d des Gehorsams, welchen Sie bei dem A n t r i t t e Ihres bischöfl. Amtes Sr. M a j , Meinem i n Gott ruhenden H e r r n Vater und Vorgänger i n der Regierung, geleistet haben, auch M i r , als I h r e m n u n mehrigen K ö n i g und Landesherrn, i n pflichtmäßiger Gesinnung fest u n d u n verbrüchlich zu halten geloben. Gleichzeitig habe ich gern von der i n I h r e m Schreiben ertheilten Versicherung Kenntniß genommen, daß Sie, f ü r den F a l l Ihre Rückkehr zu Ihrer bischöfl. V e r w a l t u n g erfolgen sollte, ernstlich entschlossen sind, I h r geistliches Hirtenamt zur Beförderung des Friedens und der Eintracht unter den verschiedenen Confessionen u n d zur Herstellung einer wohlgeordneten kirchl. V e r w a l t u n g zu benutzen. Es hat i n Ansehung der Mittel, welche zur Sicherung des kirchl. Friedens zu führen geeignet sind, eine Meinen Absichten entsprechende und zu Ihrer Beruhigung gereichende Verständigung stattgefunden, welche m i r das feste Vertrauen einflößt, daß die Aufrechthaltung des so wünschenswerthen allseitigen Einvernehmens fortan nicht weiter gefährdet sein werde. Ich habe Mich daher i n Ausführung der M i r bekannten huldreichen Willensmeinung Sr. M a j . des höchstseligen Königs, welche zu erfüllen M i r Pflicht ist, entschlossen, von der Vollstreckung des wider Sie ergangenen gerichtlichen Erkenntnisses abzusehen, u n d auf Ihre erneuerte Bitten I h r e Rückkehr i n Ihre Erzdiöcese zu bewilligen. Indem Ich demnach die Rückkehr i n Ihre bischöfl. Amtswirksamkeit Ihnen gestatte, erwarte Ich m i t festem Vertrauen, daß Sie nach K r ä f t e n bemüht sein werden, die i n I h r e m an Mich gerichteten Schreiben ausgedrückten Vorsätze, von deren Aufrichtigkeit Ich Mich überzeugt halten w i l l , i n pflichttreuer u n d gewissenhafter Gesinnung zur Ausführung zu bringen. Es w i r d mich freuen, durch die Bethätigung I h r e r gegen Mich ausgesprochenen Verheißungen Mich bald i n den Stand gesetzt zu sehen, Sie an Meinem Hoflager zu empfangen.

N r . 192. Rundschreiben des Erzbischofs v. D u n i n an den Klerus seiner Erzdiözese nach seiner Rückkehr ins A m t v o m 27. August 1840 (A. v. Roskoväny, De matrimoniis mixtis, t. I I , 1842, S. 420 ff.) — Übersetzung i m Auszug — . . . U m auf die Sache, die f ü r das Ereignis, an das W i r Uns erinnern, den G r u n d bildete, nämlich auf den Streit u m die gemischten Ehen näher einzugehen, schreiben W i r Euch das Folgende zur Beachtung. Da Euch durch das

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14. Kap. : Die Erneuerung des Friedens zwischen Kirche und Staat

bürgerliche Gesetz verboten ist, i n den Fällen solcher Ehen die Erfüllung der von unserer Kirche vorgeschriebenen Bedingungen sowohl hinsichtlich der katholischen Erziehung der erhofften Nachkommenschaft als auch hinsichtlich der Gefahren, die dem katholischen T e i l drohen, von den Verlobten zu fordern, u n d da diese, selbst w e n n sie erfüllt und anerkannt worden sind, wie erklärt wurde, keinerlei K r a f t u n d Gültigkeit haben, deshalb sollt Ihr, u m Schwierigkeiten u n d Unannehmlichkeiten zu vermeiden, i n die I h r , solange dieses Gesetz besteht, geraten könnt, und u m dem Gesetz u n d der Praxis der Kirche Geltung zu verschaffen, Eurerseits nichts tun, wodurch I h r den Anschein erweckt, diese Ehen v o n Seiten der Kirche zu billigen. W i r versäumen nicht, Euch zu versichern, daß I h r gemäß einer E r k l ä r u n g Seiner erhabensten Kgl. Majestät, die sie Uns mitgeteilt hat, u n d gemäß der Vorschrift des bürgerlichen Gesetzes (T. I I , Tit. 11, § 442) v ö l l i g freie H a n d habt 5 und nicht daran gehindert seid, derartigen Ehen, v o n denen W i r gesprochen haben, jede Assistenz 6 u n d jede religiöse Weihe zu verweigern, u n d daß es niemand erlaubt ist, von Euch Rechenschaft über die Gründe zu verlangen, die Euch zu diesem Widerstand bewogen haben. Darüber hinaus teilen W i r Euch mit, daß w i r m i t Z u s t i m m u n g Seiner Allergnädigsten Kgl. Majestät so bald w i e möglich dem Heiligen Apostolischen S t u h l berichten werden, w i e I h r nach Unserm W i l l e n bei den eben besprochenen Ehen vorgehen s o l l t . . .

I I . D i e Zulassung des freien Verkehrs der Bischöfe mit R o m u n d die Begrenzung des staatlichen Plazet Bald nach der Beilegung des Konflikts in der Erzdiözese Gnesen-Posen kam es zu einem staatlichen Zugeständnis von großer Tragweite. Durch ein Schreiben vom 1. Januar 1841 (Nr. 193) gab der neue Kultusminister v. Eichhorn 1 den Verkehr der katholischen Bischöfe mit Rom frei; ferner beschränkte er das Erfordernis des staatlichen Plazet auf diejenigen kirchlichen Anordnungen, die die staatlichen Interessen unmittelbar berührten. Damit waren zwei der am heftigsten umkämpften Streitpunkte der vorangegangenen Jahre beseitigt 2. Noch 1837 hatte die Regierung gegen die drei Trierer Domkapitulare Braun, Arnoldi und Müller, die sich in der Frage des Wahlverfahrens bei der Trierer Bischofswahl in einer Eingabe direkt an den Papst geioandt hatten, eine Ordnungsstrafe von je 50 Talern verhängt3. I n der Folgezeit hatte die Kurie 5

Oben Nr. 1. Gemeint w a r : die Verweigerung der aktiven Assistenz, d. h. der Eheschließung m i t kirchlicher Einsegnung sei statthaft; dagegen w a r die passive Assistenz des Geistlichen bei der Eheschließung, solange es keine Zivilehe gab, ein zwingendes staatliches Gebot, das der Erzbischof durch den Hinweis auf § 442 I I 11 A L R anerkannte. 1 Johann Albrecht Friedrich v. Eichhorn (1779 - 1856), seit 1800 i m preuß. Justizdienst (1810 Kammergerichtsrat); 1811 Syndikus der Universität Berlin; seit 1815 i m Auswärtigen A m t (Leiter der Abteilung f ü r deutsche Angelegenheiten); 1840 - 1848 preuß. Kultusminister. 2 Über die grundsätzliche Bedeutung des Verkehrsverbots u n d des Plazet i m überlieferten Staatskirchenrecht: Verfassungsgeschichte Bd. I S. 393, 397. 3 Dokumente dazu: G. F. Η. Rheinwald, Acta historico-ecclesiastica, Jg. 1837, S. 607 ff. β

I I . Die Zulassung des freien Verkehrs der Bischöfe m i t Rom

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sich immer wieder gegen das Erfordernis des staatlichen Plazet gewandt. Daß die preußische Regierung jedoch zu Konzessionen zunächst nicht bereit war, zeigt der Entwurf einer Verordnung, die Verhältnisse der katholischen Kirche betreffend, aus dem Jahr 1838 4. Er enthielt in der Hauptsache Bestimmungen, die den Verkehr der Bischöfe mit Rom und die Publikation kirchlicher Anordnungen regeln sollten, sowie schwere Strafandrohungen gegen die Übertretung dieser Bestimmungen. Mit Eichhorns Brief vom 1. Januar 1841 gab der preußische Staat diese Position preis. Das konservative Konzept des christlichen Staats führte gleich zu Beginn der Regierungszeit Friedrich Wilhelms IV. zu einer entscheidenden Liberalisierung des katholischen Staatskirchenrechts.

N r . 193. Schreiben des Kultusministers v. Eichhorn an die preußischen Bischöfe und Generalvikare v o m 1. Januar 1841 (Ministerialblatt f ü r die innere Verwaltung, 1841, S. 16) Se. Majestät der K ö n i g . . . haben zu beschließen geruht, daß i n allen geistlichen Angelegenheiten, wo das hierarchische Verhältniß zwischen den B i schöfen des Landes u n d ihrem geistlichen Oberhaupte zu gegenseitigen M i t theilungen Anlaß gibt, der diesfällige Verkehr m i t dem römischen S t u h l fortan frei von allen Beschränkungen stattfinden könne, u n d die Vermittelung desselben durch die Kgl. Behörden n u r i n den Fällen einzutreten habe, wo solche v o n den Bischöfen oder dem röm. Stuhle selbst nachgesucht werden sollte. Allerhöchstdieselben hegen das volle Vertrauen, daß bei diesem Verkehr die Bischöfe stets ihres, dem Landesherrn geleisteten Eides der Treue u n d des Gehorsams eingedenk seyn, u n d auch i n Absicht der Anwendung oder Ausführung von Erlassen, welche sie von dem röm. Stuhle erhalten, die Vorschriften der bestehenden Gesetze und Verfassung nie unbeachtet lassen werden. Demgemäß erwarten Se. M a j . von ihnen nicht n u r die jedesmalige Anzeige v o n dem Inhalte der Verhandlungen zwischen ihnen u n d Rom, sondern auch insbesondere, daß sie die an sie gelangenden Schreiben oder Erlasse des päpstl. Stuhls, welche nicht ausschließlich die Lehre betreffen, sondern zugleich den Staat u n d die bürgerlichen Verhältnisse, w e n n auch n u r mittelbar, berühren, ohne die vorangegangene Zustimmung der weltlichen Behörde weder v e r kündigen, noch sonst irgend i n Anwendung bringen. Dagegen w i r d die w e l t liche Behörde die Zustimmung überall bereitwillig ertheilen, wo die Bekanntmachung oder A n w e n d u n g jener Schreiben u n d Erlasse weder dem Staate noch den Rechten Einzelner nachtheilig ist. Es gereicht m i r zur besonderen Ehre, Ew. etc. von diesem königlichen Beschluß, dem Ausflusse des großartigsten Vertrauens, i n Kenntniß zu setzen. Se. M a j . haben keinen aufrichtigem Wunsch, als daß der n u n ganz freigegebene Verkehr ununterbrochen aufrecht erhalten u n d Allerhöchstdenselben nie durch Mißbrauch die Pflicht auferlegt werden möge, zu Maaßregeln zu4

Separatdruck m i t Motiven, o. J.

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14. Kap. : Die Erneuerung des Friedens zwischen Kirche und Staat

rückzukehren, welche die Erhaltung der Rechte Ihrer Krone und die landesväterliche Sorge f ü r das Wohl und den Frieden aller Ihrer Unterthanen als nothwendig erscheinen lassen könnte.

I I I . D i e Errichtung der katholischen Abteilung des preußischen Kultusministeriums Am 11. Januar 1841 ordnete König Friedrich des Kultusministers v. Eichhorn entsprechend, schen Abteilung im Kultusministerium an (Nr. Abteilung" des Ministeriums wurde damit in Katholische Abteilung geteilt. Beide Abteilungen die der entsprechenden Konfession angehörten, die Regierung zu erkennen, daß sie entschlossen dem preußischen Staat und der katholischen Grundlage zu stellen.

Wilhelm IV., einem Antrag die Errichtung einer katholi194). Die bisherige „Geistliche eine Evangelische und eine wurden jeweils mit Beamten, besetztAuch dadurch gab war, das Verhältnis zwischen Kirche auf eine veränderte

N r . 194. Kabinettsordre K ö n i g Friedrich Wilhelms I V . betreffend die Errichtung der Katholischen A b t e i l u n g des Kultusministeriums v o m 11. Januar 1841 (B. Frhr. v. Selchow, Der K a m p f u m das Posener Erzbistum 1865, 1923, S. 206 f.) Ich genehmige nach I h r e m Antrage vom 15. v. M., daß für die Bearbeitung der auf die Katholische Kirche sich beziehenden Angelegenheiten i n dem Ihrer Leitung anvertrauten M i n i s t e r i u m eine aus einem Director u n d zweien Räthen bestehende besondere Abtheilung i n dem Verhältnisse der anderen schon vorhandenen Abtheilungen gebildet werde. Z u m Director dieser Abtheilung ernenne Ich den Staats-Sekretair Geheimen Ober Justizrath v. Duesberg 2 unter der Voraussetzung, daß er die Funktionen des Staats-Sekretairs daneben fernerhin, wie bisher, versieht. Die erste Rathstelle bestimme ich dem Geheimen Ober Regierungsrath Schmedding 3 , dem ich zugleich den Charakter eines Wirklichen Geheimen Ober Regierungsraths u n d den Rang eines Rathes erster Klasse beilege. Die zweite Rathstelle verleihe Ich dem bisheri1 Selbstverständlich w a r die bisherige „Geistliche Abteilung", die für die evangelischen w i e die katholischen Kirchenangelegenheiten zuständig war, nicht n u r m i t evangelischen, sondern auch m i t katholischen Beamten besetzt gewesen. Referent f ü r katholische Angelegenheiten i n der „Geistlichen A b t e i lung" w a r schon i n den Konflikts jähren ein überzeugter K a t h o l i k — Geheimrat Schmedding — (siehe unten A n m . 3). 2 Franz v. Duesberg (1793 - 1872), seit 1816 i m preuß. Justizdienst; 1826 M i t glied der Gesetzgebungskommission; 1831 Vortr. Rat i m Justizministerium; 1836 M i t g l i e d des Staatsrats; 1837 Staatssekretär daselbst; 1841 - 1846 Direktor der „Katholischen Abteilung" des Kultusministeriums; 1846 - 1848 preuß. Finanzminister; 1850 - 1871 Oberpräsident von Westfalen. 3 Über Schmedding oben S. 323 A n m . 3. Er w a r 1841 - 46 Referent i n der Katholischen „ A b t e i l u n g " .

IV. Die Übereinkunft zwischen der K u r i e und der preußischen Regierung

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gen Landgerichtsrath A u l i k e 4 m i t dem Prädikat eines Geheimen Regierungsraths und dem Range eines Rathes dritter Klasse. Die auszufertigenden Bestallungen haben Sie zu Meiner Vollziehung einzureichen. Darüber, w a n n der p. v. Duesberg aus seiner gegenwärtigen Dienststellung bei dem J u s t i z - M i n i sterium für die Gesetz-Revision ausscheiden und die Direkton der neugebildeten Abtheilung übernehmen soll, haben Sie m i t dem Staatsminister v. K a m p t z 5 zu kommuniciren, den Ich von der dem p. v. Duesberg gegebenen anderweitigen Bestimmung i n Kenntnis gesetzt habe. Wegen der nöthigen Etatsveränderungen w i l l Ich Ihren weitern i n Gemeinschaft m i t dem FinanzMinister zu erstattenden Bericht erwarten. Vorläufig erkläre Ich Mich damit einverstanden, daß für den p. v. Duesberg neben dem für i h n als StaatsSekretair ausgesetzten Gehalte von 2 000 r/ eine Besoldung von 3 000 r/ etatsmäßig gemacht wird.

I V . Die Ubereinkunft zwischen der K u r i e und der preußischen Regierung vom 23./24. September 1841 Auch in der grundsätzlichen Streitfrage der Mischehenpraxis war die preußische Regierung nach dem Thronwechsel zur Verständigung bereit. Zwar beharrte sie darauf, daß die Geistlichen dem katholischen Teil konfessionsverschiedener Ehen weder das Versprechen der katholischen Kindererziehung, noch das Versprechen, sich um den Übertritt des akatholischen Teils zum katholischen Glauben zu bemühen, abfordern dürften. Doch war sie, wie schon im Fall Gnesen-Posennun auch allgemein gewillt, sich damit abzufinden, daß die Beteiligung des katholischen Geistlichen an der Eheschließung auf die passive Assistenz beschränkt werde, falls die Zusicherungen nicht freiwillig geleistet wurden. Sie gab damit die Berliner Übereinkunft von 1834 (oben Nr. 130) endgültig preis. Anders als im Fall Gnesen-Posen war die Regierung im Kölner Fall jedoch nicht gesonnen, der Rückkehr des Erzbischofs Droste-Vischering in sein Amt zuzustimmen. Der als Vermittler nach Rom entsandte Flügeladjutant des Königs Graf Brühl 2 erhielt deshalb den Auftrag, die Kurie von der Notwendigkeit einer anderen Lösung zu überzeugen. Die Verhandlungen wurden vor allem durch die Weigerung Droste-Vischerings zum freiwilligen Verzicht auf sein Amt erschwert3. Die Lösung, die in der Konvention vom 23.124. September 1841 gefunden wurde (Nr. 195), bestand darin, daß der bisherige Bischof von Speyer Johannes Geissei 4 durch den Papst zum Koadjutor von Köln cum futura successione ernannt und bis zum Eintritt der Nachfolge zum 4 Matthias Aulike (1807 - 1865), preuß. Jurist; seit 1839 i m Kultusminister i u m ; seit 1841 i n der „Katholischen A b t e i l u n g " ; 1846 - 1850 deren stellvertretender Leiter; 1850 - 1865 deren Leiter. 5 Über Kamptz oben S. 377 A n m . 3. 1 Siehe oben S. 438. 2 Friedrich Wilhelm Graf v. Brühl (1791 - 1859), Schwiegersohn Gneisenaus; zunächst österreichischer, seit 1828 preußischer Offizier; 1841 Oberst u n d F l ü geladjutant des Königs; 1850 verabschiedet (Generalleutnant). 3 Z u den Verhandlungen auch das Sieben-Punkte-Programm der K u r i e (E. Friedberg, Die Grundlagen der preußischen Kirchenpolitik unter Friedrich W i l h e l m IV., 1882, S. 40 f.), das die Basis der Verständigung bildete.

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14. Kap.: Die Erneuerung des Friedens zwischen Kirche und Staat

Administrator der Erzdiözese bestellt wurde 5. Nach Drostes Tod (1845) wurde Geissei vom Kölner Domkapitel zum Erzbischof gewählt, nachdem die Regierung ihn zur persona grata erklärt hatte. Die Übereinkunft vom 23.124. September 1841, mit der für fast 30 Jahre der Frieden zwischen der Kurie und dem preußischen Staat hergestellt wurde, besteht aus einer Note des Kardinalstaatssekretärs Lambruschini 6 an den preußischen Bevollmächtigten Graf Brühl sowie aus dessen entsprechender Antwortnote. Der folgende Abdruck ist auf die Antwortnote beschränkt. N r . 195. Note des preußischen Bevollmächtigten G r a f B r ü h l an den Kardinalstaatssekretär Lambruschini v o m 24. September 1841 (franz. T e x t : E. Friedberg, Die Grundlagen der preußischen Kirchenpolitik unter Friedrich W i l h e l m IV., 1882, S. 90 ff.) — Übersetzung — Der Unterzeichnete hat die Ehre, den Empfang der Note zu bestätigen, die Se. Em., der verehrungswürdigste Monsignore Kardinalstaatssekretär Sr. Heiligkeit, i h m am 23. dieses Monats zukommen ließ; er beeilt sich, darauf folgendes zu antworten: 1. Se. M a j . der K ö n i g erklärt sich i n Anbetracht der besonderen Umstände, i n denen der Erzbischof von K ö l n sich befindet, damit einverstanden, daß Se. Heiligkeit den Monsignore Geissei, Bischof v o n Speyer i n der bayerischen Pfalz, zum Koadjutor u n d zukünftigen Nachfolger des Erzbischofs, Monsignore Frhr. v. Droste, und zum Verwalter der Erzdiözese ernennt, ohne daß jedoch diese außerordentliche Ernennung einer Person, die nicht als Unterthan Sr. Maj. geboren ist oder dies nicht mehr ist, jemals als Beispiel i m Fall einer künftigen Ernennung zur Bischofswürde i m Herrschaftsbereich des Königs herangezogen werden darf 7 . 2. Monsignore Frhr. v. Droste wird, da er das Erzbistum von K ö l n beibehält, die Einkünfte behalten, die m i t dieser Würde verbunden sind, davon jedoch an seinen Koadjutor, den Verwalter der Erzdiözese, die jährliche Summe von 3 000 preußischen Talern abtreten. 3. Die Ernennung des Monsignore ν. Geissei zum Koadjutor und seine Einsetzung zum Verwalter der Erzdiözese von K ö l n w i r d kraft eines Breve Sr. Heiligkeit geschehen; diese w i r d i h m gleichzeitig i n Ubereinstimmung m i t 4 Johannes (v.) Geissei (1796 - 1864), kath. Priester; 1822 Domkapitular i n Speyer; 1836 Bischof daselbst; 1841 Koadjutor i n K ö l n ; 1845 - 1864 Erzbischof daselbst; 1850 Kardinal. 5 Durch die Einigung auf einen bereits geweihten Bischof als Koadjutor entfiel die Notwendigkeit zu dessen Bischofsweihe, zu der Droste-Vischering hätte i n K ö l n erscheinen müssen, wozu er sich jedoch keinesfalls bereitgefunden haben würde. A u f dem vereinbarten Weg wurde Droste-Vischering m i t E i n verständnis der K u r i e v o n der weiteren Amtsausübung ausgeschlossen. 6 Text i n italienischer Sprache: E. Friedberg, a.a.O., S. 88 ff. 7 Der vereinbarten Abweichung von der Bulle De salute animarum von 1821 (oben Nr. 91), die f ü r jeden preußischen Bischof die preußische Staatsangehörigkeit voraussetzte, w i r d damit jede präjudizielle Bedeutung abgesprochen.

V. Festigung des Status der katholisch-theologischen Fakultäten

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den kanonischen Satzungen alle bischöfl. Rechte zuerkennen, deren freie Ausübung i h m zustehen w i r d . 4. Sobald die neue V e r w a l t u n g der Erzdiözese eingerichtet (und gegen alle künftige Einflußnahme Sr. Em. des Erzbischofs gesichert) 8 sein w i r d , w i r d Se. Maj. der K ö n i g öffentlich erklären lassen: daß der gegen Monsignore ν. Droste erhobene i n der ministeriellen V e r öffentlichung v o m 20. November 1837 enthaltene Verdacht, wonach dieser an revolutionären Umtrieben teilgenommen haben soll, sich als vollständig u n begründet herausgestellt hat 9 . Durch dieselbe öffentliche Erklärung w i r d Sr. Em. dem Erzbischof die volle Freiheit gegeben werden, als Wohnsitz jeden beliebigen Ort zu wählen, der i h m zusagt, u n d sogar nach K ö l n zurückzukehren, u m dort soviel an religiösen Funktionen wahrzunehmen, w i e sein Gesundheitszustand i h m gestattet™. 5. Die Bischöfe der preußischen Monarchie mußten Sr. Heiligkeit mitteilen, daß Se. Maj. der K ö n i g es ablehne, ihnen den freien Verkehr m i t dem Heil. Stuhl zu gestatten; diese Frage k a n n indes als bereits gelöst betrachtet w e r den 1 1 . 6. Bei der W a h l der Bischöfe werden die Vorschriften der Bulle De salute animarum ebenso wie das darauf bezogene Breve Pius V I I . i n der ganzen M o narchie aufs sorgfältigste beachtet werden 1 2 . 7. Die A r t der Behandlung der gemischten Ehen w i r d allein von der E n t scheidung der Bischöfe abhängen; die Regierung w i r d sich jeder Einmischung enthalten. 8. Die Lehre von Hermes, die von Sr. Heiligkeit als dem kath. Dogma w i dersprechend verurteilt ist, w i r d durch die preußische Regierung nicht begünstigt werden^.

V. Die Festigung des Status der katholisch-theologischen Fakultäten i n Preußen Der Status der katholisch-theologischen Fakultäten war schon für das 19. Jahrhundert ein staatskirchenrechtliches Fundamentalproblem. Während es unbestritten war, daß die evangelischen Geistlichen an den Staatsuniversitäten auszubilden waren, beanspruchte die katholische Kirche unter Berufung auf die Beschlüsse des Konzils zu TrienU das Recht auf die Errich8 Die eingeklammerte Stelle wurde auf Wunsch des Kardinalstaatssekretärs i n der endgültigen Fassung ausgelassen, nachdem dieser die Erfüllung dieser Bedingung zugesichert hatte. 9 Dazu oben S. 388 A n m . 25. 10 Der Kardinalstaatssekretär sicherte zu, daß der Aufenthalt des Erzbischofs i n K ö l n n u r kurz sein werde; dem Besuch Droste-Vischerings i n K ö l n k a m nach der Absicht der Vertragschließenden n u r der Charakter einer symbolischen Wiedergutmachung zu. 11 Oben Nr. 193. 12 Oben Nr. 91, 92. 13 Oben Nr. 150. 1 Reformdekret vom 15. J u l i 1563 (Sessio X X I I I : De Reformatione, c. X V I I I ) ; T e x t : A. L. Richter, Canones et Decreta concilii Tridentini, 1853, S. 209 ff. Dazu

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14. Kap.: Die Erneuerung des Friedens zwischen Kirche und Staat

tung eigener Hochschulen zur Ausbildung ihrer Geistlichen. Dennoch gelang es während des 19. Jahrhunderts in allen deutschen Staaten, das Studium der katholischen Theologie an die staatlichen Hochschulen zu binden oder doch wenigstens die Gründung eigener kirchlicher Hochschulen von der staatlichen Genehmigung abhängig zu machen2. Auf der anderen Seite gelang es der katholischen Kirche, ihre Einflußrechte auf die Besetzung der Lehrstühle und den Lehrplan der katholisch-theologischen Fakultäten zu sichern 3; darüber hinaus gelang es ihr in Einzelfällen, die Gründung katholisch-theologischer Fakultäten an den Staatsuniversitäten zu vereiteln oder gleichwohl gegründete Fakultäten zum Erliegen zu bringen 4. In Preußen bestanden um die Mitte des 19. Jahrhunderts drei katholisch-theologische Fakultäten, nämlich an den Universitäten Breslau (gegründet 1811) und Bonn (gegründet 1818) sowie an der Akademie in Münster (gegründet 1818)* Λ. Ferner bestanden als staatliche philosophisch-theologische Hochschule die Akademie in Braunsberg, die der Ausbildung des Klerus für die Diözese Ermland diente § 1. Vorläufig könnten die bisherigen Inspektionen jede zu einer eigenen Synode gebildet werden. N u r diejenigen Veränderungen müssten gleich eintreten, welche das Zusammenschmelzen der reformirten Gemeine m i t den übrigen n o t h w e n d i g macht. Da sie aber doch theils zu ungleich, theils zu öftern Versammlungen nicht bequem geordnet sind, so hätten, sobald die K a p i t e l i n T h ä t i g k e i t sind, diese m i t den Provinzial-Commissarien sich zu einer bessern V e r t h e i l u n g zu vereinigen . . . § 2. Der Probst ist der Vorsteher der Synode. E r k a n n ein Pfarrer aus der Synode selbst oder auch aus einer benachbarten sein. § 3. A l l e Prediger, welche zur Synode gehören, versammeln sich j ä h r l i c h einmal i n dem Sitz der Probstei oder i n dem Hauptorte des Bezirks. Sitz u n d Stimme haben jedoch n u r diejenigen, welche bereits drei Jahre tadellos i m A m t e sind. A u c h bleibt das Stimmrecht eines Predigers suspendirt, so lange er i n einer disciplinarischen oder gerichtlichen Untersuchung befangen ist. J ü n gere Prediger sind als Zuhörer da, u n d auch die Candidaten zu einem gewissen T h e i l der Verhandlungen zuzulassen. § 4. A u f jeder V e r s a m m l u n g w i r d ein engerer Ausschuss gewählt, welcher bis zur nächsten Versammlung gemeinschaftlich m i t dem Probst die laufenden Angelegenheiten besorgt. §5. Jeder, welcher seine Studien vollendet hat, u n d sich dem geistlichen Stande w i d m e n w i l l , meldet sich bei dem Probst, i n dessen Synode er w o h n t , u n d lässt sich i n seine Liste eintragen. Jeder solcher Candidat hat j ä h r l i c h der Synode zwei wisenschaftlich theologische Aufsätze, auch zwei Predigten einzureichen, die eine mehr f ü r eine Stadt-, die andere mehr f ü r eine Landgemeine geeignet. A u c h hat er j ä h r l i c h zwei Predigten zu halten u n d die Zeugnisse zweier Prediger, welche sie gehört, darüber beizubringen. Die A r b e i t e n 5 Schleiermacher legte seine Vorstellungen über die Einrichtung der Synoden, zu denen jeweils alle Geistlichen eines Superindentatur-Bezirks zusammentreten sollten, i m A u f t r a g des Leiters der Kultussektion des Innenministeriums noch einmal nieder i n dem „ E n t w u r f einer Synodalordnung f ü r die protestantische Geistlichkeit i n sämtlichen Provinzen" v o m 2. Januar 1813 (Text: E. Foerster, a.a.O., Bd. 1, S. 306 ff.).

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18. Kap.: Die evangelischen Landeskirchen in Preußen 1801 - 1848

der Candidaten schreibt der Probst einem Synodalen zur Prüfung und Berichterstattung zu. § 6. A u f jeder Synodalversammlung werden die Candidaten jenen Berichten gemäss classificirt. Es existiren 4 Klassen: 1. Solche, welche sich als allgemein brauchbar auszeichnen und Hoffnung geben, i n der Kirche und in der gelehrten Welt hervorzuragen; 2. taugliche f ü r Stadtgemeinen; 3. taugliche für Landgemeinen; 4. solche, von denen noch nichts zu sagen ist. §15. Der Synodalbevollmächtigte der Regierung hat das Recht, den Sitzungen beizuwohnen, was i h m ordnungswidrig scheint, zu moniren und nach Befinden an den Provinzial-Commissarius zu berichten. Auch muss er sein v i d i unter die Verhandlungen setzen m i t Bemerken, ob er zugegen gewesen oder nicht. § 17. Wenn eine Probststelle erledigt ist, schlägt das K a p i t e l drei Subjecte vor, aus denen die Synode bei der nächsten Versammlung w ä h l t ; bis dahin ernennt das K a p i t e l einen Stellvertreter aus den Synodalen. § 18. Beschwerden über Prediger können sowohl die Ältesten als der Bevollmächtigte an die Synode oder den Ausschuss bringen, welche die Sache nach Beschaffenheit entweder schlichten oder an das Kapitel berichten . . . III. Von Bischöfen und

Kapiteln

§1. I n jeder Provinz besteht ein aus etwa sechs angesehenen Theologen zusammengesetztes K a p i t e l m i t einem Bischof als Vorsteher an seiner Spitze. Der Bischof aber kann nichts t h u n ohne sein Kapitel. §2. Die Bischöfe und Stiftsherren als die ausgezeichnetsten kirchlichen Corporationen müssen eines gewissen äussern Ansehens u n d eines sehr anständigen Auskommens sich erfreuen. § 3. Vortheilhaft wäre es, die Bischöfe m i t ihrem Kapitel nicht i n der Hauptstadt residiren zu lassen, sondern f ü r die Churmark etwa i n Brandenburg, für Pommern i n Cammin, für Preussen i n Marienwerder, für Schlesien i n Liegnitz. § 4. K e i n Bischof oder Stiftsherr darf zugleich Probst sein. § 5. Bischöfe und Stiftsherren werden theils aus Pfarrern, theils aus akademischen Theologen gewählt, müssen aber sämmtlich Doctoren der Theologie sein. § 6. Ausser den verschiedenen Stiftsherren könnte noch eine, wenn auch weniger reich dotirte Stelle an einen Auswärtigen vergeben werden, der dann bei entstehender Vakanz das Recht hätte einzurücken. § 7. Die Hauptkirche des Orts, wo der Bischof seinen Sitz hat, w i r d zur K a t h e dralkirche ernannt und der Gottesdienst darin i n Z u k u n f t n u r von dem Bischof und den Stiftsherren versehen, denen jedoch zu ihrer Unterstützung drei Vicarien beigegeben werden, die aus den ausgezeichnetsten Candidaten zu wählen sind . . . § 8. Sobald ein solcher Fonds vorhanden ist, daß dem Bischof u n d zwei Drittheilen der Stiftsherren i h r Einkommen gesichert ist, soll das K a p i t e l i n Thätigkeit gesetzt werden. Die ersten Ernennungen wären so zu bewerkstelligen, daß i n jeder zum Stift gehörigen Synode der Probst m i t seinem engeren Ausschuß vier qualificirte Subjekte vorschlägt. Aus diesen hätte der Minister m i t Zuziehung seines Kirchenrathes zwei zu erwählen. Dagegen

I. Schleiermachers Verfassungs Vorschlag von 1808

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schlüge er ebenfalls vier vor, aus denen die Pröbste m i t ihren Ausschüssen durch Stimmenmehrheit zwei zu erwählen hätten. § 9. U m den Bischof zu ernennen, schlägt das K a p i t e l drei qualificirte Subjekte m o t i v i r t vor, von denen aber n u r zwei aus seiner M i t t e sein dürfen. Nach dem Bericht des Ministers ernennt dann der K ö n i g aus diesen dreien den Bischof. §10. Wenn i n Z u k u n f t ein Stiftsherr zu ernennen ist, so schlagen die sämmtlichen Pröbste m i t ihren Ausschüssen ein Subject vor, die Stiftsherren selbst das zweite u n d der Bischof das dritte. Aus diesen dreien erwählt dann der Minister m i t Zuziehung seines Kirchenraths. §11. Die Stiftsherren wählen unter sich einen zum Dechanten, welcher bei Vakanzen und sonst der Stellvertreter des Bischofs ist. §12. Bischöfe und K a p i t e l haben i n Glaubenssachen nichts zu verordnen, u n d keine Lehrbestimmungen festzusetzen oder zu verwerfen: w o h l aber können sie jede leichtsinnige und leidenschaftliche Polemik ihrer Untergebenen disciplinarisch rügen. §13. H a l b j ä h r i g macht ein K a p i t u l a r eine Reise, zu welcher der Bischof i h m einen der Vicarien als Begleiter mitgiebt, in einen Theil des Stiftes, wohnt den vorfallenden Synodalversammlungen und Kirchenvisitationen bei, oder ordnet letztere, wo es nöthig sein möchte, auch außer der Ordnung an, und stattet über den Befund i m K a p i t e l Bericht ab. § 14. Nach diesen Berichten u n d den Synodalverhandlungen classificirt das K a p i t e l die Prediger nach ihrer verschiedenen Tauglichkeit, giebt oder versagt Zustimmung zu Versetzungsvorschlägen und vertheilt die erledigt werdenden wandelbaren Zulagen unter die verdienten und älteren . . . §15. Wenn Klagen über einen Prediger, seine Amtsführung oder seinen Wandel betreffend, es sei nun von der Synode oder von dem Bevollmächtigten durch den Provinzial-Commissarius an den bischöflichen Stuhl gebracht w e r den, so muß der Beklagte vorgeladen u n d die Sache muß untersucht werden. Der Bischof i n seinem K a p i t e l k a n n niedere disciplinarische Strafen, Suspension und Absetzung verhängen. Appellation findet von seinem Spruche nicht statt; sondern der Verurtheilte kann nur eine Nullitäts-Klage bei dem höchsten Gerichtshofe anstellen. Der Provinzial-Commissarius darf, und auf V e r langen des Beklagten muß er den Verhandlungen beiwohnen. §16. Jedes Kapitel hat unter seiner unmittelbaren Aufsicht ein hinreichend fundirtes Seminarium f ü r Elementarschullehrer. Es setzt die Lehrer dabei an, recipirt die Zöglinge und ertheilt ihnen, wenn sie auf Beförderung Anspruch machen, die nöthigen Zeugnisse. §17. Das Kapitel giebt seine Bemerkungen ab über die eingereichten Synodalverhandlungen, auf formalia, beurtheilt gutachtlich das Materiale u n d erläßt auch, wenn die Umstände es erfordern, über einzelne Gegenstände bestimmte Verordnungen. §18. Der Bischof kann m i t dem K a p i t e l zu jeder Zeit Hirtenbriefe und E r mahnungen an das ganze Bisthum oder an einzelne Synoden erlassen, welche erstere dann i n allen Kirchen abzulesen sind. §19. A l l e zehn Jahre hält das K a p i t e l eine allgemeine Revision des Cultus, stellt hie und da eingerissene oder längst bestandene abergläubige oder abfallende Gebräuche ab, bestimmt i m Allgemeinen f ü r das nächste Decennium

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die Form des Gottesdienstes i n den von jungen Predigern besetzten Kirchen, zeichnet aus, welche Synode die meisten Fortschritte gemacht hat i m Ritual und i m Gesang, und deutet die Gegenstände an, welche noch der meisten V e r besserung bedürfen. Einer ähnlichen Revision u n t e r w i r f t es auch das Elementarschulwesen. § 20. Die strengste Aufmerksamkeit wendet das Kapitel zu aller Zeit auf die Candidaten, verhütet durch genaue Nachfragen, denen immer genügt werden muß, die zu große Nachsicht der Synoden i n Beurtheilung derselben, läßt sich alle Vorschläge zur Beförderung derselben ins Predigeramt berichten und läßt sich nach Befinden vor der Genehmigung die Arbeiten der Vorgeschlagenen einsenden und sucht besonders durch seine bereisenden Mitglieder sich immer i n genauer Kenntnis von denselben zu erhalten. IV. Von der Oberaufsicht

des Staates auf das Kirchenwesen

§ 1. Sie ist einem Minister übertragen, der sich die Mitglieder seines Kirchenrathes wählt, und die Provinzial-Commissarien u n d Synodalbevollmächtigten ernennt, u m überall die Rechte des Staats wahrzunehmen und das Verfahren der K a p i t e l und Synoden zu controlliren. § 2. Der Kirchenrath soll eigentlich kein Collegium bilden, sondern die M i t glieder n u r von dem Minister, wie er es für gut findet, zu Rathe gezogen w e r den. Er müßte aber aus dreierlei Mitgliedern bestehen, aus Geistlichen, aus anderen Gelehrten, aus Finanzbeamten. § 3. Da derselbe Minister natürlich auch die Aufsicht über das römischkatholische Kirchenwesen haben w i r d , so müßte er geistliche Räthe von beiden Kirchen haben, die Gelehrten aber u n d Finanziellen könnten dieselben sein. §4. U m die nöthige Parität zu erhalten, wäre ferner w o h l gut, daß wenn der Minister der protestantischen Kirche zugethan ist, alsdann die katholische an einem selbst katholischen, dem Königlichen Hause zugethanen Prinzen einen Wortführer hätte, an den sich die Bischöfe wendeten u n d der bei dem Könige selbst zu intercediren das Recht hätte, wenn die Rechte der Kirche vernachlässigt oder gekränkt würden. Sollte der Minister je katholisch sein, so fände derselbe Fall statt f ü r die protestantische Kirche. §5. Sobald der Bevollmächtigte nöthig findet, sich m i t der Synode über einen Gegenstand i n Unterhaltung zu setzen, berichtet er es zugleich an den Provinzial-Commissarius, und dieser, w e n n er etwas bei dem K a p i t e l zu betreiben hat, berichtet es zugleich an den Minister. § 6. Der Minister hat den Bischöfen i m K a p i t e l nicht unmittelbar zu befehlen, sondern sie n u r zu erinnern. Die Instanz eines Bischofs, der sich wesentlicher Vergehungen i n seinem A m t e schuldig macht, könnte w o h l keine andere sein, als der K ö n i g i n seinem Staatsrathe. § 7. Geistliche als solche dürfen nicht ausgeschlossen sein von Ämtern, w e l che sich auf die Gemein- u n d Kreisverwaltung beziehen. Auch müssen sie wählbar sein i n die Provinzialversammlungen u n d die allgemeine Repräsentation 6 . 6 Schleiermachers Verfassungsentwurf fällt i n die Zeit des Kampfes der preußischen Reformer u m die Staatserneuerung, insbesondere die Einrichtung einer preußischen Nationalpräsentation. Wie die beiden letzten §§ des E n t wurfs erkennen lassen, stand Schleiermacher i n dieser Auseinandersetzung

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§ 8. W i r d eine Repräsentation i n zwei Häusern errichtet, so könnten die Bischöfe u n d vielleicht auch die Stiftsdechanten ihren Sitz i n dem Obern Hause haben. Übrigens w i r d w o h l die repräsentative Verfassung i n dieser Constitution der Kirche keine Änderung nöthig machen.

I I . D i e Gründung der Altpreußischen U n i o n Im Gegensatz zu Schleiermachers Verfassungsvorschlag führte die Reform der preußischen obersten Staatsbehörden (oben Nr. 23 - 25, 55 - 58) nicht zu größerer Selbständigkeit der Kirchenleitung, sondern zur Vereinigung des Kirchenregiments mit der staatlichen Kirchenhoheit in der Hand staatlicher Zentral- und Regionalbehörden. Dieser Schritt sollte eine anschließende Reform der evangelischen Kirchenverfassung ermöglichen 1. Im Ergebnis bereitete er jedoch zugleich die Festigung des landesherrlichen Kirchenregiments vor, zu der es nach 1815 kam 2. Während sich im preußischen Protestantismus in dieser Zeit die Stimmen mehrten, die eine Reform der Kirchenverfassung forderten3, dachte König Friedrich Wilhelm III. in erster Linie an die Herstellung der Union zwischen Lutheranern und Reformierten und die Vereinheitlichung der Liturgie. Die vom König im September 1814 eingesetzte Geistliche Kommission versuchte deshalb, die Verfassungsreform durch ihre Verknüpfung mit der Liturgiereform durchzusetzen. Bereits vor der Fertigstellung des Gutachtens der Geistlichen Kommission 4 hob die Regierung durch die Verordnung vom 30. April 1815 (oben Nr. 55) die 1808 eingerichteten Geistlichen und Schul-Deputationen bei den Provinzialregierungen wieder auf; sie setzte die Provinzial-Konsistorien an deren Stelle. Doch wurde damit keine selbständige kirchliche Konsistorialverfassung eingerichtet; vielmehr waren auch die Konsistorien Staatsbehörden, die für die evangelische Kirche sowohl die staatliche Kirchenauf sieht als auch das Kirchenregiment wahrnahmen. Die Kabinettsordre vom 27. Mai 1816 (Nr. 258), die teilweise dem Gutachten der Geistlichen Kommission, vornehmlich aber dem Bericht des Staatsministeriums über dieses Gutachten5 folgte, ergänzte dieses staatliche Kirchenregiment durch die Errichtung von Presbyterien in den Kirchengemeinden, sowie von Kreis- und Provinzialsynoden. Die Synoden setzten sich ausschließlich aus Geistlichen zusammen; sie stellten somit kaum mehr als evangelische Pastoralkonferenzen dar. Zudem verzichtete der König auf der Seite der Reformer. Dazu Verfassungsgeschichte, Bd. I, S. 290 ff., über Schleiermachers A n t e i l ebenda, S. 453. 1 Verfassungsgeschichte, Bd. I, S. 461. 2 Dazu E. Foerster, Die Entstehung der preußischen Landeskirche (1905 bis 1907); K . Holl, Die Bedeutung der großen Kriege f ü r das religiöse u n d kirchliche Leben innerhalb des deutschen Protestantismus (Ges. Aufsätze Bd. 3, 1928, S. 302 ff.). 3 E. Foerster, a.a.O., Bd. 1, S. 199 ff.; Verfassungsgeschichte, Bd. I, S. 472 f. 4 Text des Gutachtens der Geistlichen Kommission, die Verbesserung der Kirchenverfassung betreffend, v o m 6. J u n i 1815: E. Foerster, a.a.O., Bd. 1, S. 319 ff. 5 Text: E. Foerster, a.a.O., Bd. 1, S. 403 ff.

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darauf, die angekündigte Generalsynode ( i zu schaffen und auf diesem Weg die Einheit der preußischen Landeskirche mit Hilfe der Synodalverfassung herzustellen. Der Wirkungsbereich der Kreis- und Provinzialsynoden blieb in der Folgezeit begrenzt; die Presbyterien wurden bald wieder aufgehoben 7. Die Kabinettsordre vom 27. Mai 1816 eröffnete die Möglichkeit, daß reformierte und lutherische Geistliche sich in den Synoden vereinigten; sie drängte jedoch nicht auf den Zusammenschluß der Bekenntnisse. Durch die Kabinettsordre vom 27. Sept. 1817 (Nr. 259) dagegen proklamierte der König die Union; er rief die Gemeinde zugleich auf, das Jubiläum der Reformation als Beginn einer vereinigten evangelisch-christlichen Kirche in Preußen zu feiern; auch regte er an, diesen Neubeginn durch gemeinsame Abendmahls feiern am Reformationstag zu begeheil 8.

N r . 258. Kabinettsordre K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . betreffend die Verbesserung der evangelischen Kirchenverfassung in Preußen vom 27. Mai 1816 (E. Foerster, Die Entstehung der Preußischen Landeskirche, Bd. 1,1905, S. 423 ff.) — Auszug — A u f den Bericht v o m 9. Januar, w o m i t M i r das Gutachten der Geistlichen Commission: die Verbesserung der Kirchen-Verfassung betreffend 9 , eingereicht worden, eröffne Ich Ihnen: I. Daß Ich es allerdings gegründet finde, daß diese Verbesserung vorzüglich auf der Bildung würdiger Geistlichen beruhet. Es muß daher nicht allein, wie schon bis jetzt auf den Schulen und U n i v e r sitäten für den gründlichen Unterricht und die Reinheit der Sitten gesorgt und auch besonders darauf gesehen werden, daß auf den Schulen der Religions-Unterricht nicht versäumt und daß er durch Geistliche ertheilt werde, sondern es muß auch auf die Candidaten der Theologie, wenn sie die U n i v e r sität verlassen haben, mehr Aufmerksamkeit als bisher verwendet werden. Ich mache es daher nicht nur den Superintendenten und Synoden zur besonderen Pflicht, über die Candidaten des Predigtamtes i n ihren Kreisen, sowohl i n Ansehung des Lebenswandels als der praktischen Ausbildung die Aufsicht zu führen, sondern Ich w i l l auch, daß zu diesem wichtigen Zwecke geistliche Seminarien errichtet werden, i n welchen Candidaten, nachdem sie die U n i v e r sität verlassen haben, unter der Leitung würdiger Geistlichen zu vorzüglichen Seelsorgern ausgebildet werden sollen. Ich beauftrage deshalb den Minister 6 Die A n k ü n d i g u n g findet sich in einer Kabinettsordre vom 26. 11. 1816 (E. Foerster, a.a.O., Bd. 1, S. 255). 7 E. Foerster, a.a.O., Bd. 2, S. 1 ff. 8 Unabhängig von der Kabinettsordre faßte die Berliner Geistlichkeit unter Schleiermachers Vorsitz am 1. Oktober 1817 den Beschluß, das Reformationsfest durch eine gemeinsame Abendmahlsfeier zu begehen (E. Foerster, a.a.O., Bd. 1, S. 278 f.). 9 Oben S. 573 Anm. 4.

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des Innern, den Plan zu solchen Seminarien zunächst für Wittenberg zu entwerfen und M i r vorzulegen. . . . IV. I n Ansehung der Kirchen-Polizei habe Ich schon wegen der Feier der Sonn- u n d Festtage u n d der Beobachtung der erforderlichen Ruhe und Würde während des Gottesdienstes das Nöthige verordnet, worauf die Presbyterien zu wachen und die weltlichen Obrigkeiten zu halten haben. Die äußere Gewalt der Kirche i n Ansehung der Kirchenzucht kann jedoch nicht weiter, als das Landrecht sie bestimmt 1 0 , ausgedehnt werden. Sie muß sich auf Ermahnung und Belehrung und auf Abweisung derjenigen beschränken, die den Gottesdienst durch Spott, Hohn, Unruhe oder Unanständigkeiten stören, so lange sie hierin beharren. V. Die Kirchen-Verfassung betreffend, genehmige Ich 1) den Antrag, daß die Exemtionen der Civil-Personen von den Parochien aufgehoben werden, dagegen muß den Eingepfarrten, wenn sie sich bei dem Pfarrer ihrer Parochie gehörig melden u n d die Stollgebühren entrichten, das Dimissorium nicht verweigert werden, einzelne kirchliche Handlungen durch einen andern protestantischen Geistlichen, zu dem sie Vertrauen haben, verrichten zu lassen. Das Staats-Ministerium hat eine Verordnung, w o r i n die Vorschriften des Landrechtes hienach modificirt werden, zu entwerfen und M i r zur Vollziehung vorzulegen. I n Ansehung der Militär-Personen aber behält es bei dem M i l i t ä r Kirchen-Reglement 1 1 sein Verbleiben. 2) genehmige Ich, daß da, wo solches noch nicht stattfindet, i n jedem K i r c h spiele ein Presbyterium oder Kirchen-Collegium aus dem Geistlichen und dem Patron bei Patronats-Kirchen und einigen Gemeindegliedern bestellt werde, welche das Wohl u n d die Gerechtsame der Kirche wahrzunehmen haben, die Wahl- und Patronats-Rechte aber müssen da. wo sie gesetzlich feststehen, nach dem Gutachten der Commission unverändert bleiben. I n den Provinzen, wo diese Angelegenheit durch die vorigen Regierungen w i l l k ü r l i c h verändert worden ist, behalte ich M i r die Festsetzung vor, weshalb M i r nach gründlicher Prüfung dessen, was der Lage jeder Provinz am angemessensten sei, Bericht zu erstatten ist. 3) genehmige Ich, daß die protestantische Geistlichkeit jedes Kreises unter dem Vorsitze des Superintendenten eine Kreis-Synode bilde. Wenn die Geistlichen beider protestantischen Confessionen sich i n eine Synode vereinigen, so w i r d M i r dies zum Wohlgefallen gereichen, jedoch sollen sie keineswegs hiezu gezwungen werden. Die Bestimmung dieser Synoden ist: Beförderung fortschreitender Ausbildung der Geistlichkeit und eines würdigen Betragens derselben, weshalb ihnen auch die Handhabung der Disciplin über Geistliche und Candidaten des Predigtamtes durch Ermahnung, Zurechtweisung und, wo dies nicht genügt, Anzeige an die geistliche Behörde zustehen soll. Ferner Berathung der innern 10

Oben Nr. 1. Militair-Kirchen-Reglement vom 28. März 1811 ((GS. 170). Über seine Ablösung durch die M i l i t ä r - K i r c h e n - O r d n u n g vom 12. Februar 1832 unten Nr. 265. 11

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Angelegenheiten der Kirche zur Erhaltung der Einigkeit i n der Lehre und Liturgie, desgleichen die Aufsicht auf die Ausbildung der Candidaten u n d auf die Volksschulen, und insbesondere auf den Religions-Unterricht i n allen Schulen. Änderungen, welche die Kreis-Synoden i n den innern Angelegenheiten der Kirche nach ihrer Berathung f ü r nöthig achten, müssen durch die Superintendenten 4) i n die Provinzial-Synode zur Prüfung gebracht werden, welche i n jeder Provinz aus sämtlichen Superintendenten unter dem Vorsitze eines GeneralSuperintendenten gebildet werden u n d sich, nachdem es nöthig ist, ein- oder zweimal i m Jahre versammeln und die innern Angelegenheiten der Kirche der ganzen Provinz berathen soll. Ihre Beschlüsse müssen dem Consistono v o r gelegt, von diesem geprüft und m i t dessen gutachtlichen Bericht dem Ministerio des Innern zur Bestätigung eingesendet werden. Übrigens kann die i n V o r schlag gebrachte W a h l der Superintendenten nicht stattfinden, sondern es bleibt M i r deren Ernennung auf die Vorschläge der geistlichen Behörden wie bisher vorbehalten. Noch weniger k a n n 5) eine Besetzung der Consistorien durch W a h l geschehen. Es muß dieserhalb bei der durch Meine Verordnung vom 30. A p r i l v. J . 1 2 bestimmten Organisation bleiben, nach welcher die Consistorien unter den Ober-Präsidenten stehen u n d deren Mitglieder, sowie die der Geistlichen- und Schul-Commission, M i r von dem Ministerio vorgeschlagen werden sollen, und müssen sämtliche Regierungen f ü r die Beförderung des Wohles der Kirchen und Schulen und die Verwaltung der äußeren Angelegenheiten derselben verpflichtet bleiben, da die Erfahrung gelehrt hat, daß diese Verbindung m i t der allgemeinen V e r w a l t u n g heilsam ist, weshalb die Instruktionen dieser Behörden hiernach abzufassen sind. 6) Enthält das Gutachten der Commission keine hinreichenden Gründe, u m i n der Organisation Meiner obersten Staats-Behörden etwas zu ändern, und es muß daher bei den Bestimmungen, welche deshalb die Verordnung vom 27. Oktober 1810 und Meine Cabinets-Order vom 3. Juni 1814 festsetzt, sein Bewenden behalten. Es versteht sich übrigens von selbst, daß so wie Ich über Angelegenheiten des Glaubens nicht befehle, noch weniger der Minister des Innern darüber und über liturgische und andere innere Angelegenheiten des Cultus gegen die Meinung der Geistlichkeit einseitig entscheide und auch über die Anordnung des Religions-Unterrichtes auf Schulen und Universitäten die Geistlichen zu Rathe ziehe. . ..

N r . 259. Kabinettsordre K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . betreffend die Union der evangelischen Landeskirchen in Preußen vom 27. September 1817 (R. Marsson, Die preußische Union, 1923, S. 181 f.) Schon Meine, i n Gott ruhenden erleuchteten Vorfahren, der Kurfürst Johann Sigismund, der K u r f ü r s t Georg Wilhelm, der große Kurfürst, K ö n i g Friedrich I. Oben Nr. 55.

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und K ö n i g Friedrich W i l h e l m I. haben, wie die Geschichte Ihrer Regierung und Ihres Lebens beweiset, m i t frommem Ernst es sich angelegen sein lassen, die beiden getrennten protestantischen Kirchen, die reformierte und lutherische, zu einer evangelisch-christlichen i n I h r e m Lande zu vereinigen. I h r Andenken und Ihre heilsame Absicht ehrend, schließe Ich Mich gerne an Sie an, und wünsche ein Gott wohlgefälliges Werk, welches i n dem damaligen u n glücklichen Sekten-Geiste unüberwindliche Schwierigkeiten fand, unter dem Einflüsse eines bessern Geistes, welcher das Außerwesentliche beseitiget, und die Hauptsache i m Christentum, w o r i n beide Confessionen Eins sind, festhält, zur Ehre Gottes und zum H e i l der christlichen Kirche, i n Meinen Staaten zu Stande gebracht, und bei der bevorstehenden Säkular-Feier der Reformation damit den Anfang gemacht zu sehen! Eine solche wahrhaft religiöse Vereinigung der beiden, nur noch durch äußere Unterschiede getrennten protestantischen Kirchen ist dem großen Zwecke des Christentums gemäß; sie entspricht den ersten Absichten der Reformatoren; sie liegt i m Geiste des Protestantismus; sie befördert den kirchlichen Sinn; sie ist heilsam der häuslichen F r ö m migkeit; sie w i r d die Quelle vieler nützlichen, oft n u r durch den Unterschied der Konfession bisher gehemmten Verbesserungen in Kirchen und Schulen. Dieser heilsamen, schon so lange u n d auch jetzt wieder so laut gewünschten und so oft vergeblich versuchten Vereinigung, i n welcher die reformierte K i r che nicht zur lutherischen, und diese nicht zu jener übergehet, sondern beide Eine neu belebte, evangelisch-christliche Kirche i m Geiste ihres heiligen Stifters werden, stehet kein i n der Natur der Sache liegendes Hindernis mehr entgegen, sobald beide Teile n u r ernstlich u n d redlich i n wahrhaft christlichem Sinne sie wollen, und von diesem erzeugt, würde sie w ü r d i g den Dank aussprechen, welchen w i r der göttlichen Vorsehung für den unschätzbaren Segen der Reformation schuldig sind, und das Andenken ihrer großen Stifter i n der Fortsetzung ihres unsterblichen Werks, durch die Tat ehren. Aber so sehr Ich wünschen muß, daß die reformierte und lutherische Kirche i n Meinen Staaten diese Meine wohlgeprüfte Überzeugung m i t M i r teilen möge, so weit b i n Ich, ihre Rechte und Freiheit achtend, davon entfernt, sie aufdringen und i n dieser Angelegenheit etwas verfügen und bestimmen zu wollen. Auch hat diese Union n u r dann einen wahren Wert, wenn weder Überredung, noch Indifferentismus an i h r Teil haben, wenn sie aus der Freiheit eigener Uberzeugung rein hervorgehet, und sie nicht nur eine Vereinigung i n der äußeren Form ist, sondern i n der Einigkeit der Herzen, nach echt biblischen Grundsätzen ihre Wurzeln und Lebenskräfte hat. So wie Ich Selbst i n diesem Geiste das bevorstehende Säkularfest der Reformation i n der Vereinigung der bisherigen reformierten und lutherischen Hof- und Garnison-Gemeine Potsdam, zu einer evangelisch-christlichen Gemeine feiern, und m i t derselben das heilige Abendmahl genießen werde: so hoffe Ich, daß dies M e i n Eigenes Beispiel wohltuend auf alle protestantische Gemeinen i n Meinem Lande wirken, und eine allgemeine Nachfolge i m Geiste und i n der Wahrheit finden möge. Der weisen Leitung der Konsistorien, dem frommen Eifer der Geistlichen und ihrer Synoden überlasse Ich die äußere übereinstimmende Form der Vereinigung, überzeugt, daß die Gemeinen i n echt-christlichem Sinne dem gern folgen werden u n d daß überall, wo der Blick nur ernst und aufrichtig, ohne alle unlautere Neben-Absichten auf das 37 Huber. Staat und Kirche, l. I'.d.

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Wesentliche u n d die große heilige Sache selbst gerichtet ist, auch leicht die Form sich finden, u n d so das Äußere aus dem Innern, einfach, würdevoll und wahr von selbst hervorgehen w i r d . Möchte der verheißene Zeitpunkt nicht mehr ferne sein, w o unter Einem Gemeinschaftlichen Hirten, Alles i n Einem Glauben, i n Einer Liebe und i n Einer Hoffnung sich zu Einer Heerde bilden wird!

I I I . Der Agendenstreit Für Friedrich Wilhelm III. war der Wunsch, eine einheitliche Agende für alle evangelischen Gemeinden in Preußen einzuführen, der Kern aller Unionsbestrebungen; gerade dadurch aber gefährdete er die Verwirklichung der Union. Schon 1816 veröffentlichte der König eine von ihm selbst zusammengestellte Liturgie für den Predigtgottesdienstdie er in der Hof- und Garnisonkirche in Potsdam und in der Garnisonkirche in Berlin einführte. Auf der Grundlage verschiedener Vorarbeiten 2 schuf er die neue Agende, die er selbst als Wiederbelebung der reformatorischen Tradition verstand; er verkündete sie 1821 als „Kirchenagende für die Königlich Preußische Armee", 1822 als „Kirchenagende für die Hof- und Domkirche zu BerlinDas Ziel des Königs loar, alle Geistlichen zur freiwilligen Anerkennung und Einführung dieser neuen Agende zu bewegen; er sah also davon ab, der Agende durch Gesetzesform einen verpflichtenden Charakter beizulegen. Gleichwohl nahm der Landesherr faktisch ein ius liturgicum wahr. In der nun folgenden lebhaften Auseinandersetzung griff Schleiermacher den königlichen Akt am entschiedensten an 3 , während der Minister v. Kamptz ihn am nachdrücklichsten verteidigte 4. Der Kultusminister v. Altenstein 5 dagegen vertrat in einem Gutachten aus dem Jahr 1825 (Nr. 260) die vermittelnde Auffassung, daß dem König nur ein ius liturgicum negativum, also nur das Recht, liturgische Gebräuche auszuschließen oder abzuschaffen, zukomme; positive Vorschläge zur Gestaltung der Liturgie mache er lediglich als „Mitglied der Kirchengesellschaft", nicht kraft eines ihm als Landesherrn zukommenden ius liturgicum positivum. Altenstein war der Hoffnung, daß die Agende in absehbarer Zeit allgemein anerkannt würde und ältere gottesdienstliche Formen dann kraft des ius liturgicum negativum abgeschafft werden könnten. Der Widerstand gegen die königliche Agende war jedoch stärker; darauf fand auch Altenstein sich zu schärferen Maßnahmen bereit. Dies zeigte sich vor allem, als der Berliner Magistrat 1826 als Patron dem Konsistorium zwei Prediger zur Bestätigung 1 Liturgie für die Hof- und Garnison-Gemeinde zu Potsdam und für die Garnisonkirche i n B e r l i n (1816). Dazu Schleiermachers K r i t i k : Sämtliche Werke, I. Abt., Bd. 5, S. 191 ff. 2 E. Foerster, Die Entstehung der Preußischen Landeskirche, Bd. 1, S. 235 ff. 3 Pacificus Sincerus, Über das liturgische Recht evangelischer Landesfürsten. E i n theologisches Bedenken (Sämtl. Werke, I. Abt., Bd. 5, S. 477 ff.). 4 Über Kamptz oben S. 377 Anm. 3. Sein Gutachten ist zum größten Teil veröffentlicht in: A. v. Kamptz, Über das bischöfliche Recht i n der evangelischen Kirche i n Deutschland (Jahrbücher für die preußische Gesetzgebung 31, 1828, S. 25 ff.); dazu E. Foerster, a.a.O., Bd. 2, S. 83 f., 119 f. 5 ObenS. 118 A n m . 4.

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präsentierte, die die Einführung der Agende verweigerten 6. Das Konsistorium wie das Ministerium behandelten nun die Anerkennung der Agende als Voraussetzung für die Bestätigung der Geistlichen; damit nahmen sie de facto ein ius liturgicum positivum für den Landesherrn in Anspruch. Der Streit konnte erst beigelegt zoerden, als der König sich damit abfand, daß die Agende durch unterschiedliche Anhänge für die verschiedenen Provinzen modifiziert wurde 1. Sieht man vom Widerstand der schlesischen Altlutheranern ab (unten Nr. 268 - 270), so konnte der Agendenstreit am Ausgang der zwanziger Jahre endlich — mehr als ein Jahrzehnt nach der Veröffentlichung der ersten Agende aus der Hand des Königs — mit diesem Kompromiß beigelegt werden 8. N r . 260. Gutachten des Kultusministers v. Altenstein über das Rechtsverhältnis der liturgischen Angelegenheiten in Preußen von 1825 (E. Foerster, Die Entstehung der Preußischen Landeskirche, Bd. I I , 1907, S. 304 ff.) — Auszug — Seitdem in Preußen die neue Kirchen-Agende zum Gebrauch hingegeben und theilweise fortschreitend eingeführt worden ist, ist in dem Streit und Zweifel darüber: wo denn eigentlich das Recht der liturgischen Gesetzgebung beruhe? — ein solches Recht zum öfteren für die einzelnen Kirchengesellschaften i n Anspruch genommen worden, und es erscheint sehr erheblich, zu prüfen, i n wie weit dies m i t Erfolg geschehen kann? Die Sache läßt sich aber prüfen: nach schon bestehendem positivem Gesetz — dies ist nicht ausreichend — nach dem inneren Rechtsverhältniß — dies ist dergestalt entscheidend, daß soweit dasselbe m i t dem positiven Gesetz i n Widerspruch steht, letzteres einer nothwendigen Deklaration unterliegen wird. Das Preuß. allgemeine Landrecht enthält i m Th. 2 Tit. X I § 46 - 48 Folgendes 9 . . . Schon der Zusammenhang, w o r i n diese Verordnungen stehen und die Beziehung auf § 13 10 . .. zeigen, daß hier von w i r k l i c h liturgischen und nicht etwa blos polizeilichen Anordnungen 1 1 die Rede, und könnten hierüber noch 6 Es handelt sich u m den Prediger Pischon, der zu den zwölf Berliner Predigern gehörte, die sich unter Schleiermachers Führung gegen die Agende ausgesprochen hatten, und den Kadettenprediger Deibel (vgl. E. Foerster, a.a.O., Bd. 2, S. 165 ff. sowie die Dokumente, ebenda, S. 483 ff.). 7 E. Foerster, a.a.O., Bd. 2, bes. S. 198. 8 Verfassungsgeschichte, B d I, S. 467 ff. 9 §§ 46 - 48 I I 11 A L R : oben Nr. 1. 10 § 13 I I 11 A L R : ebenda. 11 „Polizeiliche Anordnungen" i m Sinn des alten Polizeibegriffs ( = Maßnahmen betreffend den guten Zustand des weltlichen Gemeinwesens) waren die liturgischen Anordnungen wegen ihres geistlichen Charakters nicht. Sie erhielten aber gemäß §48 I I 11 A L R durch die staatliche Genehmigung die gleiche K r a f t u n d Verbindlichkeit w i e Polizeigesetze (siehe oben Nr. 1, S. 5, Anm. 12). Altensteins Gutachten schlägt i m Folgenden vor, die Anwendbarkeit des § 48 auf liturgische Anordnungen durch eine „authentische Deklaration" des Königs — die i n Wahrheit den Charakter einer Gesetzänderung gehabt hätte — auszuschließen.

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18. Kap.: Die evangelischen Landeskirchen in Preußen 1801 - 1848

Zweifel obwalten, so w ü r d e n sich dieselben durch einen Blick i n die Materialien des Allgemeinen Landrechts (die bei dem Justiz-Ministerium aufbewahrten Verhandlungen über die Entwerfung desselben) v o n selbst erledigen, da die dort niedergelegten Diskussionen, aus welchen jene Gesetze hervorgegangen sind, eben ausdrücklich die religiösen Beziehungen zum Gegenstand gehabt haben. Einer wünschenswerthen Ubereinstimmung i n der liturgischen Einrichtung der evang. Gesamt-Kirche des Landes w i r d sich daher diese positive, gesetzliche Bestimmung i m m e r hemmend entgegenstellen, und w i l l m a n dem abhelfen, so w i r d nichts übrig bleiben, als auf verfassungsmäßigem Wege eine authentische Deklaration dahin zu erlassen : daß die i n den §§ 46 - 48 T i t . X I Th. 2 des Allgemeinen Landrechts den Kirchengesellschaften zugestandene Befugniß (wegen der äußeren Form und Feier des Gottesdienstes dienliche Ordnungen einzuführen) — auf l i t u r g i sche Anordnungen nicht zu beziehen s e i . . . Des Königs Majestät hat die neue Kirchen-Agende zum Zweck der allgemeinen E i n f ü h r u n g i m Lande hingegeben, ohne sie jedoch m i t positiver Gesetzeskraft auszustatten; u n d es dürfte w o h l dies der wahre Rechtszustand sein, der n u r zu einem segensreichen Ziel u n d Ende führen kann. V i e l glücklicher u n d sicherer als das Geltendmachen einer positiven l i t u r gischen Gewalt w i r d die doppelte Eigenschaft des evangelischen Fürsten als Oberhaupt des Staats u n d als M i t g l i e d der Kirchengesellschaft i n ihrem vereinten W i r k e n das heilige Werk der Kirchenverbesserung vollführen. Die Gleichstellung des liturgischen Rechtes m i t dem jus circa sacra würde, w e n n sie begründet wäre, die einwirkende K r a f t der evangelischen Fürsten eher schwächen als vermehren, indem sie dieselben m i t den nichtevangelischen gleichstellte, welchen letzteren es nicht innewohnen kann, das Heil der evangelischen Kirche zu berathen u n d bei ihren Bestimmungen hinsichts des Gottesdienstes v o r Augen zu haben, sondern einzig und allein die suprema inspectio i n bloßer weltlicher Beachtung des Staatswohls zu üben. N u r von dem glaubensverwandten Regenten kann das Gott dienende Volk m i t Vertrauen erwarten, daß f ü r i h n das W o h l der Kirche und des Staats gleichbedeutend sein werde, und n u r i h m kann es zukommen, nicht blos abwehrend u n d negativ als weltliches Oberhaupt, sondern auch anregend und fördernd als M i t g l i e d der Kirchengesellschaft i n die liturgischen Verhältnisse einzugehn. Aus dem Bündnis dieser beiden Qualitäten w i r d sich der m i t der Wiederherstellung oder Einführung des Bessern beabsichtigte Erfolg hinreichend sichern lassen. Denn wie dem Geringsten i n der Kirchen-Gemeine der Beruf kommen u n d das Recht nicht bestritten werden kann, seine Stimme i n Angelegenheiten der Kirche berathend u n d belehrend zu erheben, so w i r d i m glaubensverwandten Landesherrn dieser Beruf i m höchsten Maaße immer vorausgesetzt werden müssen, u n d die Befugniß außer Zweifel sein. Seine Rede, w e n n sie sich auch nicht i n Gesetzes-Form ergeht, hat das voraus, daß sie die Staats-Genehmigung i n sich trägt. — Hat er i n sich erkannt, daß die w e n n auch i n dem ursprünglichen Zustand der Kirche begründete W i l l k ü r u n d Abweichung i n den liturgischen Gebräuchen die Folgen äußert oder äußern kann, daß das allgemeine Band, welches die sämtlichen evangelischen Gemeinden des Landes zu einer einzigen i n christlicher Übereinstimmung zusammenhalten soll, sich u m ein Mehreres gelöst hat als es für das Heil der

IV. Die Fortbildung der Altpreußischen Union

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Kirche, und dadurch auch f ü r das Wohl des Staates zu wünschen, daß daher das Heil der Kirche wie das W o h l des Staats würde befördert werden durch eine neue allgemein geltende liturgische Norm, so darf er nicht, w i e der nicht evangelische Landesherr, die Anregung dazu erst aus der M i t t e der Gemeinde blos erwarten, sondern k a n n sie, da er selbst i n dieser M i t t e steht, auch selbst geben, und nichts k a n n i n Rechtsbeziehung verhindern, den neuen zum Gebrauch hingegebenen Ritus i n der V e r w a l t u n g zum Zweck der allgemeinen Annahme desselben ausschließlich von Staatswegen zu begünstigen u n d später oder früher, jenes durch Gewohnheit und eigenes Entwickeln, dieses durch einwirkendes sachverständiges Berathen, den Zeitpunkt herbeizuführen, wo i n der gerechtfertigten Voraussetzung des übereinstimmenden Sinnes der Gesammt-Gemeine des Landes das Altbestehende, soweit es dem Neueren widerstrebt, ex jure liturgico negativo aus dem Gebrauch gesetzt, u n d die neue Agende zu einer allgemeinen Landeskirchenordnung erhoben werden kann...

I V . Die Fortbildung der Altpreußischen U n i o n Gleichzeitig mit der Durchsetzung der Agende verstärkte König Friedrich durch die WiederWilhelm III. die episkopalen Elemente des Kirchenregiments einführung der Bischofswürde 1 und durch die Einsetzung von Generalsuperintendenten für alle Provinzen 2. Der König wollte die Kirchenverfassungsfrage, wie sich daran zeigte, nicht im synodalen, sondern im episkopalen Sinn lösen. Nachdem der Agendenstreit im allgemeinen beigelegt war, bot das Jubiläumsjahr des Augsburgischen Bekenntnisses 1830 eine Gelegenheit zu neuen Bemühungen um die Festigung der Union*. Durch die Kabinettsordre vom 1 Bereits 1816 waren der Oberhofprediger Friedrich Samuel Georg Sack (1738 - 1817) und der ostpreußische Generalsuperintendent Ludwig Ernst v. Borowsky (1740 - 1831) m i t dem Bischofstitel ausgezeichnet worden. 1817 erhielt auch der Hof- u n d Garnisonprediger Eylert (unten S. 615 A n m . 10) die Bischofswürde. 1823 forderte der K ö n i g einen Bericht über die Möglichkeiten zur „Wiederherstellung der Bischöfe i n der evangelischen Kirche" (E. Foerster, Die Entstehung der Preuß. Landeskirche, Bd. 2, S. 211). 1826 folgten weitere Bischofsernennungen. Nach 1828 wurde einzelnen General Superintendenten der Bischofsrang beigelegt. Borowsky wurde 1829 zum Erzbischof erhoben (ebenda, S. 223). 2 I n Ostpreußen, Pommern und Sachsen bestand das A m t des Generalsuperintendenten schon zuvor. F ü r die anderen Provinzen wurde es durch die Kabinettsordre v o m 7. Februar 1828 (E. Foerster, a.a.O., Bd. 2, S. 220) eingerichtet. 3 Vgl. Brief Altensteins an Schilden v o m 27. November 1829 (E. Foerster, a.a.O., S. 238): „Ich lasse jetzt die Sache der Union zu einem entscheidenden Schritt v o r bereiten. Es scheint m i r höchst wichtig, daß die Jubelfeier zur Übergabe der Augsburgischen Konfession die Richtung bekomme, daß die evangelische K i r che bei solcher sich durch die Ordnung ihrer wichtigsten Angelegenheiten verherrliche. Es w i r d dies ungleich würdiger u n d f ü r den Zweck wirksamer sein, als eine Richtung bloß zu neuem Streit m i t der katholischen Kirche, wozu viele hinneigen. Auch schon bei der Jubelfeier der Reformation haben des Königs Majestät die bessere Richtung durch die Anregung der U n i o n befördert. Jetzt darf n u r vollendet werden, was begonnen ist. Durch die neue Agende ist das Wichtigste schon geschehen."

18. Kap.: Die evangelischen Landeskirchen in Preußen 1801 - 184 30. April 1830 (Nr. 261) suchte der König die Bedenken gegen die Union, die sich aus der vermögensrechtlichen Lage der Gemeinden ergaben, auszuräumen. In den folgenden Jahren schloß sich eine große Zahl von Gemeinden der Union an 4 . Durch die Kabinettsordre vom 28. Februar 1834 (Nr. 262) stellte der König klar, daß der Beitritt zur Union in den freien Entschluß der Gemeinden gestellt sei und ihren Bekenntnis stand nicht berühre. N r . 261. Kabinettsordre König Friedrich Wilhelms I I I . an den Kultusminister von Altenstein betreffend den Vollzug der U n i o n v o m 30. A p r i l 1830 (Preußische Gesetz-Sammlung,

1830, S. 64)

Aus I h r e m Berichte vom 16. d. M. habe Ich ersehen, daß einzelne evangelische Gemeinden, ungeachtet die Union keinen Konfessions-Wechsel enthält, derselben beizutreten Bedenken tragen, w e i l sie befürchten, i n dem bisherigen Genüsse an die reformirte oder lutherische Konfession geknüpfter Stiftungen, Schenkungen oder auf andere Weise erworbener Vortheile nach Annahme der Union beeinträchtigt zu werden. Ich verordne deshalb, daß Niemand befugt seyn soll, einer reformirten oder lutherischen Gemeinde, imgleichen einer geistlichen oder weltlichen Kirchen- oder Schulstelle dergleichen Rechte aus einem von dem Beitritte zur Union hergenommenen Grunde vorzuenthalten oder zu entziehen. Sie haben diese Meine Bestimmung durch die Gesetzsammlung zur öffentlichen Kenntnis zu bringen. N r . 262. Kabinettsordre K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . an den Kultusminister von Altenstein betreffend Wesen und Zweck der U n i o n und Agende v o m 28. Februar 1834 (R. Marsson, Die preußische Union, 1923, S. 183 ff.) Es hat Mein gerechtes Mißfallen erregen müssen, daß von einigen Gegnern des kirchlichen Friedens der Versuch gemacht worden ist, durch die M i ß deutungen und unrichtigen Ansichten, i n welchen sie hinsichtlich des Wesens und des Zwecks der Union u n d Agende befangen sind, auch andere irre zu leiten. Z w a r läßt sich von der K r a f t der Wahrheit und dem gesunden Urteile so vieler Wohlunterrichteten hoffen, daß dieses unlautere Beginnen i m Ganzen erfolglos sein, u n d daß es durch die pünktliche Ausführung der Befehle, welche ich i n Meiner Ordre vom heutigen Tage, behufs der Beseitigung separatistischer Unordnungen I h n e n ertheilt habe 5 , gelingen werde, auch die Wenigen, die sich durch falsche Vorspiegelungen haben täuschen lassen, von ihrem Abwege zurückzubringen. Damit jedoch eine richtige Beurteilung der i n Rede stehenden Angelegenheit auch denen erleichtert werde, deren Bedenklich4 5

E. Forster, a.a.O., Bd. 2, S. 234 ff. Ebenda S. 286.

V. Der hallische Theologenstreit

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keiten aus Gewissensängstlichkeit entstehen, w i r d es zweckdienlich sein, daß die Hauptgrundsätze, nach welchen die Einführung der Agende u n d die Beförderung der U n i o n zu leiten, Ich Sie bei wiederholten Veranlassungen angewiesen habe, i m Zusammenhange bekannt gemacht werden. Die U n i o n bezweckt u n d bedeutet kein Aufgeben des bisherigen Glaubensbekenntnisses, auch ist die Autorität, welche die Bekenntnisschriften der beiden evangelischen Konfessionen bisher gehabt, durch sie nicht aufgehoben worden. Durch den B e i t r i t t zu i h r w i r d n u r der Geist der Mäßigung und Milde ausgedrückt, welcher die Verschiedenheit einzelner Lehrpunkte der andern K o n fession nicht mehr als den Grund gelten läßt, i h r die äußerliche kirchliche Gemeinschaft zu versagen. Der B e i t r i t t zur Union ist Sache des freien E n t schlusses, und es ist daher eine irrige Meinung, daß an die Einführung der erneuerten Agende notwendig auch der B e i t r i t t zur U n i o n geknüpft sei, oder indirekt durch sie b e w i r k t werde. Jene beruht auf den von M i r erlassenen Anordnungen 0 ; dieser geht nach Obigem aus der freien Entschließung eines Jeden hervor. Die Agende steht m i t der Union n u r insofern i m Zusammenhange, daß die darin vorgeschriebene Ordnung des Gottesdienstes und die für kirchliche Amtshandlungen aufgenommenen Formulare, w e i l sie schriftmäßig sind, ohne Anstoß und Beschwerde auch i n solchen Gemeinden, die aus beiderlei Konfessions-Verwandten bestehen, zu gemeinsamer Förderung christlicher Gottesfurcht und Gottseligkeit, i n Anwendung kommen können. Sie ist auch keineswegs bestimmt, i n der evangelischen Kirche an die Stelle der Bekenntnisschriften zu treten, oder diesen in gleicher Eigenschaft beigesellt zu werden, sondern hat lediglich den Zweck, für den öffentlichen Gottesdienst und die amtlichen Verrichtungen der Geistlichen eine dem Geiste der Bekenntnisschriften entsprechende Ordnung, die sich auf die A u t o rität der evangelischen Agenden aus den ersten Zeiten der Reformation gründet, festzustellen und alle schädliche W i l l k ü r und V e r w i r r u n g davon fern zu halten; m i t h i n ist das Begehren derer, welche aus Abneigung gegen die Union auch der Agende widerstreben, als unstatthaft, ernstlich und k r ä f t i g abzuweisen. Auch i n nicht unierten Kirchen muß der Gebrauch der Landes-Agende unter den f ü r jede Provinz besonders zugelassenen Modifikationen 7 stattfinden, am wenigsten aber — w e i l es am unchristlichsten sein würde — darf gestattet werden, daß die Feinde der Union, i m Gegensatz zu den Freunden derselben, als eine besondere Religionsgesellschaft sich konstituieren 8 . Ich beauftrage Sie, gegenwärtigen Erlaß durch die Regierungs-Amtsblätter zur öffentlichen Kenntnis zu bringen.

V . Der hallische Theologenstreit Das Jubiläum des Augsburgischen Bekenntnisses entfachte in Preußen einen lebhaften Streit um die Bekenntnisbindung der Geistlichen soioie insbesondere der Theologieprofessoren. Die von dem lutherisch-konf essionalistischen Theo6 Damit nahm der K ö n i g nunmehr auch selbst ein ius l i t u r g i c u m positivum i n Anspruch; siehe oben S. 578 f. 7 Oben S. 579. 8 Unten S. 605 f.

18. Kap.: Die evangelischen Landeskirchen in Preußen 1801 - 184 logen E. W. Hengstenberg 1 herausgegebene Evangelische Kirchenzeitung eröffnete durch einen Artikel von E. L. v. Gerlach 2 den Kampf gegen den theologischen Rationalismus3. Der Artikel richtete sich gegen die beiden in Halle lehrenden Theologieprofessoren Gesenius 4 und Wegscheidel. König Friedrich Wilhelm III. veranlaßte alsbald eine Untersuchung gegen die beschuldigten Theologen; diese beriefen sich auf ihre akademische Lehrfreiheit. Der König entschied durch Kabinettsordre vom 23. September 1830 (Nr. 263), daß von disziplinarischen Maßnahmen abzusehen sei; doch richtete die Entscheidung in zurückhaltender Form eine Mahnung an die theologischen Lehrer. Darüber hinaus forderte eine zweite, bis 1845 geheimgehaltene Kabinettsordre vom gleichen Tag (Nr. 264) den Kultusminister auf, künftig für eine Besetzung der theologischen Lehrstücke mit zuverlässigen Verfechtern des Augsburgischen Bekenntnisses zu sorgen. Auch die Wegberufung der weniger bekenntnistreuen preußischen Theologen an „ausländisched. h. nicht-preußische Universitäten sollte das Ministerium hinfort nicht zu verhindern suchen.

N r . 263. Kabinettsordre K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . an den Staatsminister v. Altenstein vom 23. September 1830 (J. Bachmann, Ernst W i l h e l m Hengstenberg, Bd. 2, 1880, S. 230 f.) Aus den i n I h r e m Berichte vom 8. v. Mtsß M i r angezeigten Resultaten der Untersuchung über die Beschuldigungen wider die Professoren und Doctoren der Theologie Wegscheider und Gesenius zu Halle habe Ich ersehen, daß die Lehrvorträge der beiden Professoren nicht „von der A r t sind", daß ein E i n schreiten der Regierung „hier an seinem Orte wäre". Ich gebe Ihnen anheim, demgemäß eine amtliche Erklärung zur Erledigung zu erlassen. Ohne übrigens auf die Verschiedenheit der dogmatischen Systeme in der Theologie entschei1 Ernst Wilhelm Hengstenberg (1802 - 1869), 1825 Privatdozent, 1826 außerordentlicher, 1828 ordentlicher Professor an der Berliner theologischen Fakultät. 2 Ernst Ludwig v. Gerlach (1795 - 1877), Jurist, seit 1842 Mitglied des Staatsrats, seit 1844 Präsident des Appellationsgerichts Magdeburg. 3 Der Rationalismus an der Universität Halle, in: Evg. Kirchenzeitung Nr. 5 und 6 vom 16. u n d 20. Januar 1830; abgedruckt bei J. Bachmann, E. W. Hengstenberg, Bd. 2, 1880, S. 183 ff.; vgl. Verfassungsgeschichte, Bd. I I , S. 277. 4 Wilhelm Gesenius (1786 - 1842), seit 1810 außerordentlicher, seit 1811 ordentlicher Professor des A l t e n Testaments i n Halle, gehörte zu den beliebtesten Lehrern dieser größten theologischen Fakultät in Preußen (880 Studenten der Theologie i m Jahre 1830). 5 Julius August Ludwig Wegscheider (1771 - 1849), w a r nach Hauslehrerund Repetententätigkeit seit 1806 Professor der Theologie und Philosophie i n Rinteln, seit 1810 Professor der Theologie in Halle; seine „Institutiones theologiae christianae dogmaticae", die 1815 zum ersten M a l erschienen, stellen die „Normaldogmatik" des Rationalismus dar. 6 Vgl. Altensteins Betrachtungen über den Zustand der evang. Kirche i n dem Preuß. Staate, in Beziehung auf Rechtgläubigkeit der Geistlichen und vorzüglich über die wegen der B i l d u n g dieser Geistlichen auf den Universitäten angeregten Bedenklichkeiten vom 10. August 1830 (E. Foerster, a.a.O., Bd. 2, S. 484 ff.).

V. Der hallische Theologenstreit

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dend einwirken zu wollen, erwarte Ich dennoch von allen Lehrern derselben eine würdige Behandlung des heiligen Gegenstandes und auch bei abweichenden Ansichten ein stetes Festhalten des Gesichtspunkts: daß durch ihre L e h r vorträge junge Theologen für die evangelische Kirche gebildet werden sollen. Diese Anforderung, die Ich an sämmtliche Lehrer der theologischen Wissenschaften zu machen Mich verpflichtet halte, haben Sie allen, die es angeht, zu erkennen zu geben und \'on Ihrer Seite ernstlich Sorge zu tragen, daß hiernach verfahren werde.

N r . 264. Weitere Kabinettsordre K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . an den Staatsminister v. Altenstein vom 23. September 1830 (J. Bachmann, Ernst W i l h e l m Hengstenberg, Bd. 2, 1880, S. 231 f.) Durch Meine heut an Sie erlassene Cabinetts-Ordre habe Ich auf Ihre A n träge über die Anklage wider die Professoren Wegscheider und Gesenius entschieden, kann Ihnen jedoch nicht verhehlen, daß, wenn Ich gleich weit entfernt bin, auf die theologischen Wissenschaften und auf den Unterricht in denselben durch directe Maßregeln der landesherrlichen Gewalt einen directen Einfluß auszuüben, Ich dennoch die Vorträge der Lehrer der evangelischen Kirche, die von deren Dogmen, als anerkannten Glaubenswahrheiten, wesentlich abweichen, für sehr bedenklich, und, bei der Empfänglichkeit jugendlicher Gemüther, für die Religiosität, deren ausschließende Beförderung und Verbreitung das Ziel der Bildung und die praktische Bestimmung junger Theologen sein soll, für sehr gefahrvoll halte. Ich kann Ihnen daher nicht dringend genug empfehlen, bei der W a h l der akademischen Lehrer theologischer Wissenschaften Ihre ganze Aufmerksamkeit auf diesen Gegenstand zu richten, und die ernstliche Sorge zu tragen, daß die Lehrstühle der Theologie auf unseren Universitäten zwar m i t wissenschaftlich gebildeten Männern, aber nur m i t solchen besetzt werden, von deren Anhänglichkeit an den Lehrbegriff der evangelischen Kirche i m Sinne der Augsburgischen Confession Sie hinreichende Überzeugung gewonnen haben; wodurch zugleich den Verirrungen des Separatismus und den Spaltungen i n der Kirche m i t dem sichersten Erfolge entgegengewirkt werden wird. Wenn es daher auch nicht Meine Absicht ist, die auf den Universitäten bereits angestellten Professoren der Theologie, deren Ansichten laut Schriften u n d ihren mündlichen Vorträgen m i t dem kirchlichen Lehrbegriffe nicht übereinstimmen, blos deshalb immediat von den Lehrstühlen zu entfernen, so giebt dies wenigstens i m Interesse des Staates keinen Anlaß, ihre Erhaltung zu begünstigen, falls ihnen eine Gelegenheit zu einer Verbesserung ihrer persönlichen Verhältnisse an auswärtigen Universitäten, oder sonst, dargeboten w i r d . Sie haben dies bei sich ereignenden Fällen, genauer als bisher, zu berücksichtigen.

18. Kap.: Die evangelischen Landeskirchen in Preußen 1801 - 184

V I . Die preußische Militär-Kirchenordnung von 1832 Zu den wichtigsten Aufgaben der Neugestaltung des Verhältnisses von Staat und Kirche zählte die Ordnung des Militärkirchemvesens. Einerseits war die Militärseelsorge in die Armee und damit in den unmittelbaren Bereich staatlicher Verfassung und Gestaltung einbezogen. Andererseits aber verstärkte sich seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts die Forderung, daß die Militärseelsorge enger als bisher an die Landeskirche gebunden und — im Zug der geforderten größeren Eigenständigkeit des gesamten Kirchenwesens — vom übermäßigen staatlichen Einfluß befreit werden müsse1. Die in der Reformzeit erlassene Allgemeine Kabinettsordre über das Militärkirchenwesen vom 30. Juni 1809 2 erhielt das Feldpredig er amt auch in Friedenszeiten aufrecht; dagegen hob sie das Amt des Feldpropsts und das Kriegskonsistorium, denen bis dahin die Leitung der Militärseelsorge in geistlichen Angelegenheiten obgelegen hatte, auf. Die Feldprediger wurden in den Fragen ihrer geistlichen Amtsführung somit den zivilen geistlichen Behörden unterstellt. Da diese jedoch zuvor durch die neue Behördenordnung von 1808 (oben Nr. 23 - 25) im staatskirchlichen Sinn umgestaltet worden waren, blieb die enge Bindung der Militärseelsorge an d.en Staat auch nach der Neuordnung der Militärkirchenverfassung erhalten. Das Militär-Kirchen-Reglement vom 28. März 18113 bestätigte die durch die Kabinettsordre von 1809 getroffenen Bestimmungen. Die Militär-Kirchen-Ordnung vom 12. Februar 1832 (Nr. 265) setzte wieder eine selbständige Leitung der Militärseelsorge durch die Erneuerung des Amts des evangelischen Feldpropstes ein. Ferner schuf sie durch die Einrichtung von Militäroberpfarrerstellen auch eigene militärkirchliche Dienstaufsichtsorgane auf der mittleren Ebene, auf der bisher die Superintendenten diese Aufgabe loahrgenommen hatten. Zugleich aber suchte sie die Bindung der Militärkirche an die Landeskirche in einigen Stücken aufrecht zu erhalten. So waren die Militäroberpfarrer kraft Amtes Mitglieder der Konsistorien. Bei der Einrichtung des Evangelischen Oberkirchenrats im Jahre 1850 4 erhielt auch der Feldpropst Sitz und Stimme in dieser obersten zivilkirchlichen Behörde. Seine unabhängige Stellung behielt er jedoch bei. Sie wurde 1867 noch dadurch verstärkt, daß er das Recht zur Berufung sämtlicher evangelischer Militärpfarrer erhielt λ». In den neuen preußischen Provinzen verfügte er ohnehin über alle konsistorialen Befugnisse in Bezug auf die Militärs e elsorge 6. Die Militär-Kirchen-Ordnung von 1832 enthielt Vorschriften für die evangelische wie für die katholische Militärseelsorge. Doch war das katholische Militärkirchenwesen zunächst nur unvollkommen entwickelt. Eigene katho1 Dazu J. Bleese, Die Militärseelsorge u n d die Trennung von Staat und Kirche (Diss. j u r . Hamburg 1969); H. Rudolph, Das evangelische Militärkirchenwesen i n Preußen. Die Entwicklung seiner Verfassung und Organisation i n Preußen vom Absolutismus bis zum Vorabend des 1. Weltkrieges (1973); W. Huber, Kirche und Öffentlichkeit (1973), Kap. I V . 2 T e x t : M i n ü t e f ü r das Militair-Oeconomie-Departement pro 1809, S. 146 ff. 3 GS 1811, S. 170 ff. 4 Siehe „Staat u n d Kirche", Bd. I I . 5 Allgemeine Kabinettsordre vom 29. Dezember 1867 (AB Bl. 1868, S. 2). 6 H. Rudolph, Das evangelische Militärkirchenwesen, S. 204 ff.

V I . Die preußische M i l i t ä r - K i r c h e n o r d n u n g von 1832

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lische Militär geistliche waren, wie zuvor, nach der Militär-Kirchen-Ordnung von 1832 nur für Kriegszeiten vorgesehen. Erst 1845 wurde in Preußen eine eigene katholische Militärseelsorge eingerichtet 7. Eine einheitliche Leitung des katholischen Militärkirchenwesens wurde erst 1849 mit der Einsetzung eines katholischen Feldprobstes geschaffen 8. Zunächst war das preußische Militärkirchenwesen somit eine vornehmlich protestantisch bestimmte Institution. Die Militär-Kirchen-Ordnung von 1832 bestimmte die Verfassungsgestalt der evangelischen Militärseelsorge in Preußen für die Dauer von siebzig Jahren. Erst 1902 wurde sie durch eine neue Evangelische Militär kirchliche Dienstordnung» abgelöst. N r . 265. Preußische M i l i t ä r - K i r c h e n - O r d n u n g vom 12. Februar 1832 (Preußische Gesetz-Sammlung 1832, S. 69 ff.) U m die kirchlichen Verhältnisse i n der Armee m i t den Veränderungen, welche seit dem Erscheinen des Militair-Kirchenreglements vom 28. März 1811 i n der Verfassung des Heeres Statt gefunden hat, i n Ubereinstimmung zu b r i n gen, und für die religiösen Bedürfnisse der Armee auf eine, ihrer gegenwärtigen Einrichtung entsprechende Weise zu sorgen, soll an die Stelle des erwähnten Reglements, nachstehende M i l i t a i r - K i r c h e n - O r d n u n g treten. I . Von der Militairgeistlichkeit § 1. Die Zahl der während des Krieges für die Armee, deren einzelne A b theilungen und i n den Festungen anzustellenden, evangelischen und katholischen Geistlichen, w i r d nach dem dann eintretenden Bedürfnisse bestimmt. I m Frieden ist die Anzahl der evangelischen Militairgeistlichen folgende: a) ein Feldprobst für die ganze Armee; b) bei jedem Armeekorps ein Militair-Oberprediger, und für jede der beiden Divisionen zwei Divisionsprediger. Bei denjenigen Armeekorps, wo die katholische Konfession i n Hinsicht der Seelenzahl überwiegend ist, w i r d jedoch das A m t des Oberpredigers einem der vier Divisionsprediger des Korps m i t übertragen, also kein eigener Oberprediger angestellt; c) eine Anzahl von Garnisonpredigern, nämlich einer i n jeder der drei Gouvernementsstädte (Berlin, Königsberg und Breslau), so wie i n denjenigen Festungen, wo entweder kein Militairprediger der unter b) bezeichneten Klassen sich befindet, und die Seelsorge für die Besatzung nicht einem evangelischen Ortsgeistlichen übertragen werden kann, oder wo die Rücksicht auf die religiösen Bedürfnisse der i n der Festung befindlichen Militair-Strafanstalten die Anstellung eines eigenen Festungs- oder Garnisonpredigers erfordert; endlich d) die Prediger einzelner M i l i t a i r - I n s t i t u t e , nämlich der Invalidenhäuser, der Kadettenkorps und des Militair-Waisenhauses. 7 Kabinettsordre vom 5. M a i 1845 (Text: H. Pohl, Die katholische M i l i t ä r seelsorge Preußens 1797 - 1888,1926, S. 130 f.). 8 Breve Papst Pius IX. v o m 24. Oktober 1849 (Text: ebenda S. 178 f.). Dazu auch J. Freisen, Das Militär-Kirchenrecht i n Heer und Marine des Deutschen Reiches (1913) S. 91 ff. Näheres: „Staat u n d Kirche" Bd. I I . 9 Herausgegeben von M. Richter (1903).

Γ)ο8

18. Kap.: Die evangelischen Landeskirchen in Preußen 1801 - 1843

§ 2. Die Bestimmung des Feldprobstes ist nicht blos für die Zeit des Krieges, wo er der Armee ins Feld zu folgen die Verpflichtung hat, sondern auch während des Friedens: a) die eines unmittelbaren Vorgesetzten der gesammten Militairgeistlichkeit; b) eines Vertreters der militairkirchlichen Interessen; c) eines Organs der, dem Militair-Kirchenwesen i n höherer Instanz vorgesetzten Ministerien der geistlichen Angelegenheiten und des Krieges, in Bezug auf die dasselbe betreffenden Gegenstände 10 . Soweit diese zum Ressort des erstgedachten Ministeriums gehören, n i m m t der Feldprobst in Friedenszeiten, als Referent oder Korreferent, an deren Bearbeitung Theil. Er muß in Folge seines amtlichen Berufs, auf Ausführung und Befolgung der, die m i l i t a i r kirchlichen Angelegenheiten betreffenden Vorschriften, auf die Tüchtigkeit der anzustellenden Militairgeistlichen, auf deren Amtsführung, so wie auf ihr sittliches Verhalten, seine sorgfältige Aufmerksamkeit richten, und, so wie einerseits sämmtliche Militairgeistliche seinen Aufforderungen zu genügen haben, so können sie auch andrerseits i n einzelnen Amtssachen, zu ihrer Belehrung und etwanigen Vertretung, Anträge und Anfragen an ihn richten, die er, nach Umständen, entweder unmittelbar beantworten, oder i m Departement der geistlichen Angelegenheiten zum Vortrage bringen wird. Er hat jedoch diesem auch i m ersten Falle von dem Inhalte seiner amtlichen Erlasse K e n n t niß zu geben. Während des Krieges gehen i n Bezug auf die kirchlichen V e r hältnisse der i m Felde stehenden Truppen, alle sonst den Konsistorien zustehenden Befugnisse und obliegenden Pflichten auf den Feldprobst über. Der jedesmalige Feldprobst versieht i n der Regel zugleich die F u n k t i o n eines Oberpredigers des Gardekorps. I n wiefern außerdem die Hof- und GarnisonPredigerstelle zu Potsdam i h m m i t übertragen seyn soll, bleibt, i m Fall deren Erledigung, der jedesmaligen Königlichen Bestimmung vorbehalten. Der Feldprobst ist, als solcher, n u r den Ministerien der geistlichen Angelegenheiten und des Krieges unmittelbar untergeordnet. § 3. Der Militair-Oberprediger eines Armeekorps ist dem Generalkommando desselben zugeordnet, bei dem er die militairkirchlichen Angelegenheiten des Armeekorps, soweit das Generalkommando i n militairischer Beziehung darauf Einfluß haben kann, zu vertreten, auch demselben, auf dessen Aufforderung, in den bei dem Generalkommando in Bezug auf jene Angelegenheiten, vorkommenden Geschäften, mündlich, oder den Umständen nach schriftlich, V o r trag zu machen hat. Zu den Divisionspredigern des Armeekorps, so wie zu den i n dessen Bezirk sich befindenden Garnison- und sonstigen Militairpredigern. steht er in dem Verhältnisse eines Superintendenten zu den Geistlichen seiner Diöcese. I n dem Konsistorio der Provinz hat er Sitz und Stimme und ist bei demselben Organ und Vertreter für alle, die militairkirchlichen Verhältnisse des Armeekorps betreffenden Angelegenheiten. Aus Vorstehendem ergiebt sich, daß die bisherige Unterordnung der M i l i tairgeistlichen unter die Superintendenten und die Aufsicht der letzteren über erstere aufhört. 10

Die gemeinsame Zuständigkeit des K u l t u s - und des Kriegsministers für Militärkirchensachen blieb bis 1919 erhalten.

V I . Die preußische M i l i t ä r - K i r c h e n o r d n u n g von 1832

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Von Seiten der Ministerien der geistlichen Angelegenheiten und des Krieges w i r d den Militair-Oberpredigern, zur Belehrung über ihre eigenthümlichen Amts-Obliegenheiten und Verhältnisse eine besondere Instruktion ertheilt werden. Beim Ausmarsche des Armeekorps in's Feld bleibt der Militair-Oberprediger am Sitze des Generalkommando's zurück, u m sämmtliche M i l i t a i r Kirchen- und Schulangelegenheiten i n der Provinz fortwährend zu beaufsichtigen und zu leiten. Seine Pflichten und Befugnisse i n Bezug auf die kirchlichen Angelegenheiten der in's Feld rückenden Truppentheile des Armeekorps und deren Geistliche werden, während dieser Zeit, einem der Divisionsprediger desselben, welcher zu diesem Behufe sich stets i m Hauptquartiere des Armeekorps befindet, vom Feldprobste übertragen. § 4. Eben so wie die Militair-Oberprediger den Generalkommando's, sind die Divisionsprediger den Divisonskommando's zugeordnet, und dieselben, i m Kriege sowohl als i m Frieden, zu begleiten verpflichtet, wogegen der Aufenthalt der Garnisonprediger bleibend, und von keinem Wechsel der Garnison abhängig ist. § 5. I n denjenigen Garnisonstädten, wo keiner der i m § 1 bezeichneten Militairgeistlichen angestellt, aber eine evangelische Civilgemeinde vorhanden ist, w i r d die Seelsorge f ü r den evangelischen Theil der Garnison einem evangelischen Civilgeistlichen des Orts übertragen, dem dann auch, in Bezug auf diese Seelsorge, alle Pflichten und Befugnisse eines Militairgeistlichen beziehungsweise obliegen und zustehen. A u f gleiche Weise und m i t denselben Wirkungen wird, i n denjenigen Garnisonorten, wo katholische Geistliche sich befinden, einem derselben die Seelsorge für die katholischen Militairpersonen der Besatzung übertragen . . . § 6. Einem M i l i t a i r - O b e r - oder Divisionsprediger ist nicht erlaubt, m i t Beibehaltung seiner militairischen Gemeinde, eine Stadt- oder Landpfarre anzunehmen. Veranlassen aber besondere Umstände zu Gunsten eines Garnison-Predigers einen A n t r a g dieser A r t , so muß das betreffende Konsistorium dazu die Genehmigung der Ministerien der geistlichen Angelegenheiten und des Krieges einholen. I I . Berufung und Anstellung der Militairgeistlichen § 7. Die Wahl und Ernennung zur Stelle des Feldprobstes, imgleichen zu der des Garnisonpredigers zu Berlin, bleibt, bei der Erledigung, ausschließlich der Königlichen Bestimmung vorbehalten. § 8. Eben so erfolgt die Ernennung zu den Militair-Oberprediger-Stellen durch Königliche Genehmigung, auf gemeinschaftlichen Vorschlag der Ministerien der geistlichen Angelegenheiten und des Krieges, welche dabei auf die ausgezeichneteren und verdienteren Divisions- und Garnisonprediger vorzugsweise Rücksicht zu nehmen haben . . . § 9. Die Besetzung der übrigen evangelischen Militair-Predigerstellen erfolgt dagegen in der A r t , daß das Konsistorium der Provinz ein, nach den §§ 13 und 14 dazu geeignetes I n d i v i d u u m aus den wahlfähigen Kandidaten des Predigeramts auswählt und dasselbe, nach gehaltener Probepredigt, vor der i h m zu übertragenden Militairgemeinde, und demnächst erfolgter Zustimmung des betreffenden Militairbefehlshabers (beziehungsweise des Divisionskomman-

18. Kap.: Die evangelischen Landeskirchen in Preußen 1801 - 184 deurs, des Gouverneurs, des Kommandanten etc.), unter Einsendung der P r ü fungs-Arbeiten, der Probepredigt und der Erklärung des Befehlshabers, dem Ministerio der geistlichen Angelegenheiten zur Bestätigung v o r s c h l ä g t . . . § 12. I m Kriege darf kein Militairgeistlicher eines mobilen Korps i m Falle einer anderweitigen Beförderung, seine Stelle bei der Armee, vor erhaltener Erlaubniß des Feldprobstes verlassen. I m Frieden ist es Pflicht des betreffenden Konsistoriums, bei Versetzung eines Militairpredigers gleichzeitig auch die Ernennung seines Nachfolgers zu veranlassen, indem der wirkliche Abgang des Versetzten nicht eher erfolgen darf, als bis dessen Nachfolger i n das A m t eingeführt worden ist. § 13. Bei A u s w a h l der als Militairgeistliche anzustellenden Individuen ist darauf zu sehen, daß sie nicht allein die nach den allgemeinen, auch bei ihnen zur Anwendung kommenden Vorschriften, zur Übernahme des Predigeramts erforderlichen Eigenschaften i n vorzüglichem Grade, sondern auch die außerdem, zur wirksamen Führung des A m t s als Militairprediger unentbehrlichen persönlichen Eigenschaften, namentlich die Gabe des freien Vortrages, besitzen und, i n sofern sie zur Klasse der i m § 1 unter b. und c. bezeichneten M i l i ta irgeistlichen gehören, die zur Ertragung der Beschwerden des Feldlebens erforderliche körperliche K r ä f t i g k e i t damit vereinigen. § 14. Außer der vor der gewöhnlichen geistlichen Examinations-Kommission als Prediger zu überstehenden Prüfung, müssen die zu Divisionspredigern bestimmten Geistlichen, i n Rücksicht auf die nach § 83 ihnen i n Bezug auf die Divisionsschulen obliegenden Pflichten, auch noch einer wissenschaftlichen Prüfung vor der wissenschaftlichen Examinations-Kommission, nach den darüber ertheilten besondern Vorschriften, sich unterwerfen, indem Niemand als Divisionsprediger angestellt werden darf, der nicht außer dem zur Erlangung des Wahlfähigkeits-Zeugnisses erforderlichen Examen pro Ministerio, auch die vorgedachte Prüfung bestanden und i n Folge derselben, von der P r ü fungskommission das Zeugniß völliger Tüchtigkeit zum Lehrer der i m § 83 bezeichneten Unterrichtsgegenstände erhalten hat, welches Zeugniß von dem Konsistorio, durch welches die Anstellung erfolgt, dem betreffenden M i l i t a i r befehlshaber jedesmal mitgetheilt werden muß. Bei Besetzung der Divisions-Predigerstellen ist daher vorzugsweise die Wahl auf solche Individuen zu richten, welche ihre Fähigkeiten i m Lehrfache schon als Lehrer an einem Gymnasio bewährt haben, vorausgesetzt, daß sie auch die zum geistlichen A m t e i n einer Militairgemeinde, erforderlichen Eigenschaften damit verbinden. § 15. Die i m vorstehenden § erwähnte wissenschaftliche Prüfung muß auch dann Statt finden, wenn ein Civilprediger als Divisionsprediger angestellt wird. § 16. I n Hinsicht der Vozirung und Ordinirung der evangelischen M i l i t a i r prediger, kommen die für die evangelischen Civilprediger vorhandenen V o r schriften zur Anwendung. Die förmliche Einführung der M i l i t a i r - O b e r p r e d i ger i n i h r A m t geschieht durch einen Deputirten des Konsistorii, die der ü b r i gen Militairprediger, i m Auftrage des Konsistorii, durch den betreffenden Militair-Oberprediger, bei den mobilen Truppen i m Kriege aber durch den nach § 3 dessen F u n k t i o n versehenden Divisionsprediger, auf Anweisung des Feldprobstes . . .

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§ 17. Was die bei den Feldlazarethen i m Kriege anzustellenden Prediger betrifft, so k a n n deren Einführung v o m Feldprobste, wenn er selbst sie zu verrichten durch Entfernung oder andere Umstände verhindert w i r d , einem andern Militairprediger übertragen, oder, wenn auch dazu keine Gelegenheit seyn sollte, der Prediger nach geschehener Ordinirung auf Requisition des Feldprobstes, von der Lazarethdirektion bei seiner Gemeinde und i n sein A m t eingeführt werden. § 18. F ü r die während des Krieges bei den mobilen Truppen anzustellenden, römisch-katholischen Militairgeistlichen kommen, i n Hinsicht ihrer Qualifikation und Vozirung, i m Allgemeinen die, i n Hinsicht der Besetzung der katholischen Civilpfarren, geltenden Grundsätze und Bestimmungen gleichfalls zur Anwendung. Die desfalls erforderlichen Einleitungen geschehen auf Veranlassung des M i n i s t e r i i der geistlichen Angelegenheiten, durch die betreffenden Konsistorien bei den bischöflichen Behörden. §19. Jeder neu angestellte, i m gleichen jeder i n ein anderes militairgeistliches A m t versetzte Militairprediger muß vor A n t r i t t desselben sich bei dem Militairbefehlshaber, dem er, i n Folge dieses Amtes, unmittelbar untergeordnet w i r d (siehe § 21), persönlich melden. § 20. Die nach § 5 m i t der Seelsorge für die evangelischen oder katholischen Militairpersonen einzelner Garnisonen zu beauftragenden Civilgeistlichen, werden von dem Konsistorio der Provinz (in Hinsicht der katholischen Geistlichen unter Konkurrenz der betreffenden bischöflichen Behörde), sorgfältig ausgewählt, und wenn sie diese Seelsorge zu übernehmen sich bereit erklärt haben, dem Ministerio der geistlichen Angelegenheiten zur Genehmigung vorgeschlagen. Ihrer besondern Vozirung und Introduzirung i n das A m t eines stellvertretenden Militairgeistlichen bedarf es jedoch eben so wenig, wie der i m § 15 bemerkten besondern Prüfung . . . I I I . Von den Dienstverhältnissen der Militairgeistlichen §21. Die Militairprediger sind, i n Hinsicht aller, sich unmittelbar auf die Ausübung ihrer geistlichen Amts-Obliegenheiten beziehenden Angelegenheiten den geistlichen Behörden (§ 24), i n allen sich zunächst auf ihre V e r hältnisse als Militairbeamte beziehenden Angelegenheiten aber dem, einem jeden von ihnen unmittelbar vorgesetzten Militairbefehlshaber, nämlich der Oberprediger dem kommandirenden General des Armeekorps, der DivisionsPrediger dem Divisionskommandeur, u n d der Garnisonprediger dem K o m mandanten, so wie, wenn am Orte ein Gouverneur vorhanden ist, diesem, mittelbar aber dem Vorgesetzten dieser Befehlshaber, untergeordnet. Aus Vorstehendem folgt, daß diejenigen Militair-Oberprediger, welche zugleich Divisionsprediger sind, i n einem doppelten Subordinationsverhältnisse sich befinden, nämlich als Oberprediger und als Divisionsprediger. Z u den Befehlshabern der einzelnen, ihre Gemeinde bildenden Truppentheile stehen dagegen die Militairgeistlichen i n keiner Hinsicht i n einem SubordinationsVerhältnisse. § 22. Der Militairvorgesetzte eines Militairgeistlichen ist nicht befugt, i h m in Absicht auf die eigentliche V e r w a l t u n g seiner geistlichen Amtgeschäfte Vorschriften zu ertheilen. Die A u t o r i t ä t des erstem beschränkt sich vielmehr i n kirchlichen und gottesdienstlichen Angelegenheiten auf Anordnungen für

18. Kap.: Die evangelischen Landeskirchen in Preußen 1801 - 184 die Militairgemeinde nach den bestehenden äußern kirchlichen Einrichtungen. Den von i h m in dieser Beziehung ausgehenden Anweisungen muß der M i l i tairgeistliche unweigerlich Folge leisten. § 23. Eben so hat er den von seinem Militairvorgesetzten, i n Bezug auf sein Verhältniß als Militairbeamter für nöthig erachteten Bestimmungen sich zu fügen, insonderheit auch i m Felde nach den, den Marsch, die Lagerung, die Verpflegung etc. betreffenden Anordnungen, soweit selbige i h n m i t angehen, genau sich zu richten. Von den Militair-Befehlshabern ist jedoch darauf zu sehen, daß die Militairgeistlichen, bei Anwendung solcher Vorschriften auf sie, und überhaupt i n ihren militairischen Verhältnissen, stets m i t den ihrem Amte schuldigen Rücksichten behandelt werden. § 24. I n allen geistlichen Amtsangelegenheiten, also i n allen, nicht das äußere militairdienstliche Verhältniß, sondern ihre Amtsführung als Prediger betreffenden, stehen die Divisions- und Garnisonprediger zunächst unter dem Oberprediger des Armeekorps, und, m i t diesem, sowohl unter dem K o n sistorio der Provinz, als auch unter dem Feldprobste, in höherer Instanz aber unter dem Ministerio der geistlichen Angelegenheiten. Insbesondere stehen die Militairprediger i n allen Angelegenheiten, welche auf die Ausübung und das Formelle des Militair-Gottesdienstes und die Beobachtung der darüber gegebenen Vorschriften Bezug haben, unter dem Feldprobste, dem es besonders obliegt, die Gleichförmigkeit i n der Ausübung des Militair-Gottesdienstes bei allen Armee-Korps zu bewirken. Zu den Provinzialregierungen befinden sich die Militair-Geistlichen von jetzt an i n keiner dienstlichen Beziehung, i n dem die militairkirchlichen Angelegenheiten, soweit sie bisher zum Ressort der erstem gehörten, ganz zu dem der Konsistorien übergehen. § 25. Daß die Militair-Oberprediger zu den ihnen untergeordneten Divisionsund Garnisonpredigern i n demselben Verhältnisse stehen, wie die Superintendenten zu den Predigern ihrer Diöcese. ist bereits i m § 3 bestimmt w o r den. Die Oberprediger haben daher auf die Amtsführung und den Wandel der ihnen untergeordneten Divisions- und Garnisonprediger sorgfältig zu wachen, sie in derselben A r t , wie für die Superintendenten, in Beziehung auf die Geistlichen ihres Sprengeis, vorgeschrieben ist, zu visitiren, ihre Kirchenbücher zu revidiren und jährlich eine gewissenhafte Konduitenliste über diese M i l i tairprediger dem Konsistorio vorzulegen, welches dieselbe m i t seinen Bemerkungen und seinem Urtheile über den Oberprediger begleitet, nicht allein an das Ministerium der geistlichen Angelegenheiten einsendet, wodurch sie zugleich zur Kenntniß des Feldprobstes gelangen, sondern auch den Provinzialregierungen, i n deren Bezirk die einzelnen Militairprediger sich befinden, in Rücksicht auf die, den erstem, nach § 107 obliegende Sorge für die Weiterbeförderung dieser Prediger zur Kenntnißnahme mittheilt. § 26. Jeder Divisions- und Garnisonprediger muß i n Friedenszeiten j ä h r lich, und zwar am Schlüsse des Jahres, einen genauen Bericht über seine A m t s führung und die besondern Angelegenheiten seiner Gemeinde an seinen OberPrediger erstatten, und Abschrift einer von i h m i n dem abgelaufenen Jahre gehaltenen Predigt, u n d eine wissenschaftliche Abhandlung seinem Berichte beischließen . . .

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I V . Von den Militairgemeinden A. Im

Allgemeinen

§ 34. Z u den Militairgemeinden überhaupt gehören: 1) sämmtliche i m aktiven Dienst befindliche Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten; 2) die m i t Inaktivitätsgehalt, Wartegeld oder Pension entlassenen Offiziere, so lange sie den Militairgerichtsstand behalten; 3) alle Militairbeamte u n d Militairhandwerker, welche, ihrer Bestimmung nach, den Truppen ins Feld und beim Garnison Wechsel folgen müssen; 4) die Festungsbeamten u n d die i n den Festungen angestellten M i l i t a i r Oekonomie-Beamten ; 5) die Zeughaus-Beamten, sowohl i n Festungen, als i n offenen Städten; 6) die Militair-Lazarethbeamten; 7) die Militair-Kirchendiener und Garnison-Schullehrer; 8) die Frauen sämmtlicher unter 1 bis 7 genannten Personen, und ihre K i n der, so lange letztere sich i m väterlichen Hause befinden. Die unter 2 bis 6 und 8 erwähnten Personen gehören jedoch n u r dann zu den Militairgemeinden, wenn an ihrem Aufenthaltsorte ein Militairprediger, oder ein m i t der Seelsorge f ü r das M i l i t a i r ausdrücklich beauftragter C i v i l Geistlicher sich befindet. § 35. A l l e ohne Pension oder Wartegeld entlassene Offiziere scheiden m i t dem Augenblicke ihrer Entlassung aus den Militairgemeinden. M i t dem Tode einer Militairperson treten deren W i t t w e und K i n d e r zur Civilgemeinde über. §36. Die Dienstboten der Militairpersonen gehören nur, w e n n sie ihrer Herrschaft ins Feld folgen, während dieser Zeit, zu den Militairgemeinden. §37. Die von der etatsmäßigen Friedensstärke des Heeres auf bestimmte Zeit Beurlaubten sind ohne Rücksicht auf den Ort ihres einstweiligen A u f enthalts, auch während der Dauer dieses Urlaubs, zur Gemeinde des Truppentheils, von welchem sie beurlaubt worden, zu rechnen; alle auf unbestimmte Zeit Beurlaubten, m i t h i n auch die zur Kriegsreserve Entlassenen, so wie die beurlaubten Individuen der Landwehr und des Trains, scheiden dagegen, wo sie sich auch befinden mögen, m i t dem Urlaube für die Dauer desselben, aus der Militairgemeinde. Die, nach erfolgter Aushebung u n d Vereidigung, einstweilen wieder i n ihre Heimath beurlaubten Rekruten des stehenden Heeres, gehen erst m i t dem Augenblicke ihrer w i r k l i c h erfolgenden Einstellung zur Militairgemeinde über. B. Gemeinde der einzelnen

Militairgeistlichen

§ 38. Zu der Gemeinde der beiden Prediger einer Division gehören, außer dem Personale des Divisionsstabes, sämmtliche Truppentheile der Division; zu der eines Militair-Oberpredigers, außer dem militairischen und BeamtenPersonale des Generalkommando's, alle nicht i m Divisionsverbande sich befindende Truppentheile des Armeekorps, also das Reserveregiment, die A r tillerie, Pioniere, Jäger oder Schützen, imgleichen die i m Bezirke des Armeekorps stationirte Land-Gendarmerie. 38 Huber, Staat und Kirche, 1. Bd.

18. Kap.: Die evangelischen Landeskirchen in Preußen 1801 - 184 Die Konfession der einzelnen I n d i v i d u e n ist auf diese Parochialverhältnisse von keinem Einflüsse. I n welcher A r t unter die beiden Prediger einer D i v i sion, die Gemeinde derselben und die dabei vorkommenden geistlichen A m t s Geschäfte vertheilt werden sollen, w i r d von dem Generalkommando u n d dem Konsistorio gemeinschaftlich, nach Maaßgabe der besondern Verhältnisse, bestimmt. Bei denjenigen Divisionen, wo einer der Divisionsprediger zugleich als Ober-Prediger des Armeekorps fungirt, ist dabei auf die i h m i n letzterer Eigenschaft zustehende Gemeinde Rücksicht zu nehmen. §39. Diese normalen Grenzen für den Parochialbezirk der M i l i t a i r - O b e r und Divisionsprediger kommen jedoch unbedingt nur dann zur Anwendung, wenn die zu demselben gehörenden Truppentheile entweder m i t an dem Garnison-Orte des betreffenden Militairpredigers sich befinden, oder an einem Orte stehen, wo weder ein Garnisonprediger, noch ein, nach § 5, m i t der Seelsorge für sie beauftragter Civilgeistlicher sich befindet, i n welchem Falle sie, vorausgesetzt, daß sie ganz oder theil weise aus evangelischen I n d i v i d u e n bestehen, von dem betreffenden Ober- oder Divisionsprediger zweimal i m Jahre zur Abhaltung des Gottesdienstes und der Kommunion, zu bereisen sind. Garnisoniren die beziehungsweise vom Stabe des General- oder DivisionsKommando's entfernten Truppentheile dagegen an einem Orte, wo entweder ein Militairprediger, oder ein m i t der Seelsorge für das M i l i t a i r beauftragter Civil-Geistlicher vorhanden ist, so werden sie, so lange dieses Dislokationsverhältniß dauert, zu dessen Gemeinde gerechnet, und der normale ParochieAnnexus m i t ihrem M i l i t a i r - O b e r - oder Divisionsprediger beschränkt, während dieser Zeit, sich auf die zum Behufe der Führung der Kirchenbücher, nach den §§ 41 u n d 42 zu machende Mittheilungen. § 40. Aus Vorstehendem schon ergiebt sich, daß zu der Gemeinde der Garnisonprediger, sowohl i n den Gouvernementstädten, als i n den Festungen, diejenigen daselbst garnisonirenden Truppentheile und einzelnen M i l i t a i r p e r sonen gehören, deren, nach den normalen Parochialgrenzen (§ 38), kompetenter Militairprediger nicht m i t am Orte sich befindet. Eben so gehören dazu auch sämmtliche am Orte wohnenden, nach § 34 den Militairgemeinden angehörenden Personen, welche, w e i l sie weder zu einem Truppentheile, noch zum Personale eines General- oder Divisionskommando's gehören, keinen eigenen M i litair-Prediger haben, so wie i n den Festungen das gesammte Festungspersonale, ungleichen sämmtliche Festungsgefangene. I n den Garnisonorten, wo kein Garnisonprediger vorhanden ist, aber ein Generalkommando sich befindet, hat der Oberprediger des Armeekorps, i n den detaschirten Divisionsquartieren der ältere der beiden Divisionsprediger, i n den übrigen Garnisonen aber, der m i t der Seelsorge für das M i l i t a i r beauftragte evangelische C i v i l geistliche die eben erwähnten Parochialrechte eines Garnisonpredigers. Die nach einem Orte kommandirten Militairpersonen sind zur Garnison desselben i n kirchlicher Beziehung n u r dann zu rechnen, wenn die Dauer des Kommando's auf wenigstens ein Jahr bestimmt ist; i m entgegengesetzten Falle bleiben sie i n ihrem frühern Parochialverhältnisse. §41. I n allen Garnisonen, wo nach § 5 einem katholischen Geistlichen die Seelsorge für die katholischen Individuen der Besatzung übertragen ist, übt derselbe i n Hinsicht derer, die Parochialrechte in derselben Zeit aus, wie i n Hinsicht der Civilmitglieder seiner Gemeinde.

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Bei den i n diesem militairischen Theile derselben von i h m zu verrichtenden Taufen und Trauungen, muß er jedoch nicht allein die i n der gegenwärtigen Militair-Kirchenordnung, i n Hinsicht dieser kirchlichen A k t e gegebenen V o r schriften gleichfalls beobachten, sondern auch, wenn am Orte ein evangelischer Militair-Geistlicher sich befindet, unmittelbar nach vollzogener Handlung, entgegengesetztenfalls aber am Schlüsse des Jahres, dem Militairgeistlichen, zu dessen Parochie die betreffenden Individuen, nach den i m § 38 enthaltenen Bestimmungen, gehören, durch abschriftliche M i t t h e i l u n g der, während des abgelaufenen Jahres, für diese i h m übertragene Militairgemeinde geführten Tauf- und Trauungsregister, denen auch eine Abschrift des Sterberegisters beizufügen ist, zum Behufe der Eintragung i n das Militairkirchenbuch, Anzeige machen. § 42. Eben diese jährliche M i t t h e i l u n g hat auch der für die detaschirten Garnisonen m i t der Seelsorge beauftragte evangelische Civilgeistliche, imgleichen jeder Garnisonprediger dem betreffenden M i l i t a i r - O b e r - oder Divisionsprediger i n Hinsicht der zu dessen Gemeinde gehörenden T r u p p e n - A b t h e i l u n gen zu machen. § 43. Da die Divisionsprediger beim Ausmarsche ihrer Division diese in's Feld zu begleiten verpflichtet sind, so werden während ihrer Abwesenheit alle i n der Garnison zurückbleibende Personen ihrer Gemeinde, bis zu ihrer Rückkehr, i n dem Garnison-Orte des nach § 3 zurückbleibenden M i l i t a i r Ober-Predigers zur Gemeinde desselben, i n den übrigen Garnisonen aber, wenn daselbst ein Garnisonprediger sich befindet, zu dessen Gemeinde gerechnet, und wo ein solcher nicht vorhanden ist, w i r d die einstweilige Seelsorge für sie nach § 5 einem der Ortsgeistlichen von dem Konsistorio übertragen. §44. Wenn Militairpersonen eine Taufe oder Trauung von einem andern Geistlichen als dem, zu dessen Gemeinde sie nach Vorstehendem gehören, verrichtet zu sehen wünschen, so bedürfen sie dazu eines Dimissoriale von Seiten ihres kompetenten Seelsorgers. Da eine solche Handlung jedoch allemal i n das Kirchenbuch der Militairgemeinde, welcher das betreffende I n d i v i d u u m angehört, eingetragen werden muß, so ist der sie verrichtende Geistliche, er mag vom M i l i t a i r oder C i v i l seyn, verpflichtet, zu diesem Behufe dem kompetenten Geistlichen, nach ihrer Vollziehung, davon sofort Anzeige zu machen. Sind Mitglieder einer Militairgemeinde i n Ansehung einer außerhalb ihres gewöhnlichen Garnison- oder Wohnortes vorzunehmenden geistlichen A m t s handlung von ihrem kompetenten Geistlichen d i m i t t i r t , so kann der M i l i t a i r geistliche des Orts, wo die Handlung vorgenommen werden soll, nicht verlangen, daß sie von i h m verrichtet werde, sondern diese darf daselbst, ohne daß dazu ein nochmaliges Dimissoriale von Seiten des letztern erforderlich ist, auch von einem Civilgeistlichen vollzogen werden. Der kompetente Militairgeistliche hat daher i n solchen Fällen sein Dimissoriale ganz allgemein, auf jeden zu der betreffenden Handlung berechtigten Geistlichen seiner Konfession auszustellen. § 45. Römisch-katholische Mitglieder der Militairgemeinden bedürfen, u m die sie betreffenden actus ministeriales von einem Geistlichen ihrer Konfession verrichten zu lassen, niemals eines Dimissoriale von dem evangelischen M i l i tairprediger, zu dessen Gemeinde sie, ihrem Dienstverhältnisse nach, gehören. 38'

18. Kap.: Die evangelischen Landeskirchen in Preußen 1801 - 184 Ist jedoch die Seelsorge f ü r sie, nach § 5 einem katholischen Civilgeistlichen übertragen worden, so darf eine solche Handlung von einem andern katholischen Civilgeistlichen nicht anders, als nach zuvor von Seiten des erstem erfolgten Dimissoriale, verrichtet werden. §46. Die den römischkatholischen Mitgliedern der Militairgemeinden zustehende Befugniß, alle sie betreffende geistliche Handlungen durch einen Geistlichen ihrer Konfession verrichten zu lassen, schließt indessen die Befugniß u n d Verpflichtung des evangelischen Militairpredigers, zu dessen Gemeinde sie nach den §§ 38 bis 40 gehören, w e n n sie es wünschen sollten, diese Handlung, vorausgesetzt, daß sie zu den auch i n der evangelischen Kirche vorkommenden gehört, nach dem Ritus derselben, zu verrichten, nicht aus. § 47. Eben so wenig, wie es einem Militairprediger erlaubt ist, geistliche Amtshandlungen bei Mitgliedern einer andern M i l i t a i r - oder Civilgemeinde, ohne Genehmigung des kompetenten Geistlichen vorzunehmen, eben so wenig darf dies von einem Civilgeistlichen bei Mitgliedern einer Militairgemeinde geschehen. Eines förmlichen Dimissoriale dazu bedarf es jedoch, sowohl für die M i l i t a i r - w i e f ü r die Civilgeistlichen, n u r bei Taufen u n d Trauungen. Hinsichts der übrigen geistlichen Amtshandlungen (der Beichte, des Abendmahls, ungleichen der Einsegnung der K i n d e r u n d ihrer Vorbereitung dazu), bei denen es, i n Folge besondern persönlichen Vertrauens oder anderer i n d i viduellen Rücksichten, den sie betreffenden Personen wünschenswerth seyn kann, sie von einem andern Geistlichen, als dem, zu dessen Gemeinde sie gehören, verrichten zu lassen, ist, wenn der letztere wider Vermuthen nicht geneigt seyn sollte, ausdrücklich oder stillschweigend darein zu willigen, das Konsistorium, auf den desfallsigen gehörig m o t i v i r t e n A n t r a g der die Handl u n g wünschenden M i l i t a i r - oder Civilperson, von dieser E i n w i l l i g u n g zu dispensiren befugt. Daß von der Nothwendigkeit eines Dimissoriale, oder einer Dispensation von Seiten des Konsistorii, die Fälle ausgenommen sind, wo Gefahr i m Verzuge ist, wie z. B. bei Sterbenden, versteht sich von selbst.

V. Von den Amtsgeschäften der Militairprediger § 49. Die Amtspflichten der Militairprediger beziehen sich theils auf die ihnen übertragene geistliche Seelsorge, theils auf die ihnen obliegende W i r k samkeit bei den Militair-Unterrichts-Anstalten. A. Geistliche

Amtspflichten

1. Militair-Gottesdienst § 50. I n ersterer Beziehung besteht das Hauptgeschäft der Militair-Prediger i n der A b h a l t u n g des Militair-Gottesdienstes, nach der f ü r die Armee vorgeschriebenen Liturgie. I n Friedenszeiten muß i n jeder Garnison, die einen eigenen Militair-Prediger hat, außer an den hohen kirchlichen Festtagen, der sonntägliche M i l i t a i r Gottesdienst so oft abgehalten werden, daß i m Laufe eines Monats alle T r u p pentheile der Garnison einmal daran Theil nehmen können. Die nach Maaß-

VI. Die preußische M i l i t ä r - K i r c h e n o r d n u n g von 1832

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gäbe der besondern Ortsverhältnisse i n dieser Hinsicht erforderlichen A n o r d nungen bleiben dem Ubereinkommen des Generalkommando's u n d des K o n sistorii der Provinz überlassen. § 51. Da, wo eine eigene Garnisonkirche sich befindet, w i r d diese, wie sich von selbst versteht, zum Militair-Gottesdienste benutzt, wo aber eine solche nicht vorhanden ist, eine Civilkirche des Orts von dem Konsistorio, i m E i n verständnisse m i t dem Generalkommando, dazu ermittelt, i n welcher dann, Falls der Raum es erlaubt, für die Garnison abgesonderte Plätze anzuweisen sind. Wo dagegen die räumlichen Verhältnisse dies nicht gestatten, ist der Militair-Gottesdienst zu einer dem Civil-Gottesdienste nicht zu nahen Stunde abzuhalten, damit nicht gegenseitige Störungen veranlaßt werden.

B. Amtsobliegenheiten der Militairprediger die Militair-Unterrichtsanstalten

in Bezug auf

1. Bei den Divisionsschulen § 83. Die M i l i t a i r - O b e r - u n d Divisionsprediger sind verpflichtet, bei den Divisionsschulen i n den Lehrgegenständen, welche nicht zu den r e i n - m i l i t a i rischen gehören, namentlich i n der Geschichte, Geographie, deutschen u n d französischen Sprache, so wie i n der Elementar-Mathematik, wöchentlich acht bis zehn Stunden Unterricht zu ertheilen, ohne dafür auf eine besondere V e r gütung Anspruch machen zu können. Z u ihrer A u f m u n t e r u n g w i r d ihnen jedoch, wie dies schon bisher geschehen, auch für den innerhalb dieser Stundenzahl von ihnen ertheilten Unterricht, wenn sie sich demselben m i t erfolgreichem Eifer widmen, von Zeit zu Zeit, auf den jedesmaligen Vorschlag des Divisionskommandeurs, eine verhältnißmäßige außerordentliche Gratifikation aus dem dazu disponiblen Fonds zu Theil werden. § 84. I n Bezug auf diesen Unterricht befinden die Militairprediger sich zu dem Divisionskommandeur u n d zu der Schuldirektion i n demselben V e r h ä l t nisse, wie alle übrigen Lehrer der Divisionsschule; sie haben daher die f ü r diese, nicht allein i n Bezug auf die Schulordnung, sondern auch auf Umfang, Plan und Methode des Unterrichts gegebenen Vorschriften gleichfalls zu befolgen. Bei Bestimmung der Unterrichtsstunden, sowohl i n Hinsicht des Gegenstandes, als der Zeit, sind jedoch die individuellen Wünsche der Prediger möglichst zu berücksichtigen, u n d daher von der Direktion diese Stunden m i t ihnen zu verabreden. Außer diesem Unterrichte sind die M i l i t a i r - O b e r - und Divisionsprediger auch verpflichtet, an der D i r e k t i o n der Divisionsschule Theil zu nehmen. § 85. Die Entfernung eines Militairpredigers aus diesen beiden Funktionen, des Lehrers und Mitdirektors der Divisionsschule, kann nicht anders als durch gemeinschaftliche Verfügung des Generalkommando's und des Konsistorii geschehen, und nur wenn, nach der pflichtmäßigen Überzeugung des D i v i sions-Kommandeurs, für das dienstliche Interesse Gefahr beim Verzuge seyn sollte, darf er den Prediger einstweilen von diesen Funktionen entbinden, muß aber sofort dem Generalkommando, zur weitern Veranlassung, Anzeige davon machen.

18. Kap.: Die evangelischen Landeskirchen in Preußen 1801 - 184 V I . Von den Dienst-Einkünften, Stolgebühren und der Weiterbeförderung der Militairgeistlichen C. Weiterbeförderung § 107. Da den M i l i t a i r p r e d i g e r n k ü n f t i g die Aussicht auf eine ehrenvolle Auszeichnung und eine bedeutende Verbesserung i n Hinsicht ihres Gehaltes durch Beförderung zu den Militair-Oberpredigerstellen offen steht, so ist zu erwarten, daß sie sich i h r e m wichtigen Berufe m i t u m so thätigerem und beharrlicherem Eifer w i d m e n werden. Diejenigen Divisions- und Garnisonprediger, denen diese Beförderung nicht zu T h e i l werden kann, imgleichen die Prediger der einzelnen M i l i t a i r - I n s t i t u t e , haben nacn zehn Jahren treuer A m t s führung und unbescholtenen Wandels, auf eine angemessene Versorgung durch eine gute Civilpredigerstelle Anspruch. Eben so können die M i l i t a i r Oberprediger, w e n n sie als solche zehn Jahre i m A m t e gestanden haben, auf ihre Versetzung i n eine erledigte Superintendentur antragen. Den Regierungen w i r d hierdurch zur Pflicht gemacht, bei Wiederbesetzung erledigter Superintendenturen u n d guter Civilpfarren, auf die gedachten Militairprediger, und auf die sie betreffenden Empfehlungen der Konsistorien, besondere Rücksicht zu nehmen, worauf das M i n i s t e r i u m der geistlichen Angelegenheiten seinerseits sorgfältig zu wachen hat. Von jeder beabsichtigten Berufung eines M i l i tairgeistlichen i n ein Civilamt hat die Regierung das betreffende Konsistorium zuvor i n Kenntniß zu setzen.

V I I I . Von den Militairkirchen und der Verwaltung ihres Vermögens § 113. Die eigentlichen M i l i t a i r - oder Garnisonkirchen sind Eigenthum des Staats, und stehen ausschließlich unter dem landesherrlichen Patronate; ihre Unterhaltung ist daher, da die Mitglieder der Militairgemeinde nicht zu Beiträgen dafür herangezogen werden dürfen, i n allen denjenigen Fällen, wo die Einkünfte des Kirchen-Aerariums nicht dazu ausreichen, auf Kosten des Staats zu bewirken. I n soweit die desfallsigen Ausgaben für einzelne Kirchen nicht bereits etatsmäßig fundirt sind, erfolgen selbige aus dem, besonders dafür gebildeten T i t e l des Militair-Etats, der nach dem wirklichen Bedürfnisse zu dotiren ist. Das Kriegsministerium, welches innerhalb der Vorschriften des Landrechts, die Oberaufsicht über die V e r w a l t u n g und Verwendung des Kirchenvermögens u n d der Kirchenrevenüen führt, hat jedoch die Pflicht, darauf zu achten, daß demselben diese Last n u r da aufgebürdet würde, wo die Einkünfte der einzelnen Garnisonkirchen nicht zur Bestreitung der Unterhaltungskosten ausreichen. § 119. Bei den Civilkirchen, welche von den Militairgemeinden benutzt w e r den, kann von einem Militairkirchen-Vermögen nur i n sofern die Rede seyn, als i n Folge des m i t der Civilgemeinde statt findenden Abkommens, die während des Militair-Gottesdienstes angestellten Sammlungen nicht dem KirchenAerario zufließen, oder observanzmäßig eine andere Bestimmung haben, sondern ausschließlich zum Besten der Militairgemeinde verwendet werden, in

V I I . Die Rheinisch-Westfälische Kirchenordnung von 1835

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welchem letztern Falle über deren V e r w a l t u n g und Verrechnung, nach Maaßgabe der Umstände, v o m Kriegsministerio zu bestimmen ist. Z u den persönlichen Parochiallasten und Beiträgen, von welcher A r t sie auch seyn mögen, dürfen übrigens die Mitglieder der Militairgemeinden, ohne Unterschied, ob sie an dem Civil-Gottesdienste Theil nehmen, oder für sie besonderer M i l i t a i r Gottesdienst i n der Civilkirche abgehalten w i r d , auf keinen F a l l herangezogen werden; vielmehr sind sie bei allen solchen, nach den allgemeinen Landesgesetzen von den Mitgliedern der Gemeinden persönlich zu leistenden Beiträgen, vom Militairfonds zu vertreten. § 120. Bei den dem M i l i t a i r u n d C i v i l m i t gleichen Befugnissen zur gottesdienstlichen Benutzung eingeräumten oder sogenannten Simultankirchen ist, wenn i n Folge dieses Simultaneums ein gemeinschaftliches Kirchenvermögen vorhanden ist, auch die V e r w a l t u n g desselben einem gemischten Kirchenkollegio zu übertragen und nach Maaßgabe der Umstände, wo solches noch nicht feststeht, von den Ministerien der geistlichen Angelegenheiten u n d des Krieges gemeinschaftlich zu bestimmen, ob die Revision und Dechargirung der Rechnungen der M i l i t a i r - V e r w a l t u n g , oder der betreffenden Regierung zufallen, und nur ein Exemplar der jedesmaligen Rechnung, nebst einer beglaubigten Abschrift des Abnahme-Protokolls, an die Intendantur des Armeekorps eingesandt werden soll. Die Ministerien der geistlichen u n d Unterrichts-Angelegenheiten u n d des Krieges, sind beauftragt, die vorstehende Militair-Kirchenordnung, statt des hierdurch aufgehobenen Militair-Kirchenreglements vom 28. März 1811, i n der ganzen Monarchie zur Ausführung zu bringen.

V I I . D i e Rheinisch-Westfälische Kirchenordnung von 1835 Die evangelischen Gemeinden im Rheinland und in Westfalen waren zwar zum Anschluß an die Union bereit; sie leisteten jedoch zu einem großen Teil der Einführung der Agende wie der episkopal-konsistorialen Umformung der Kirchenverfassung entschlossenen Widerstand. König Friedrich Wilhelm III. kam ihnen zunächst — im Rahmen der allgemeinen Beilegung des Agendenstreits 1 — i n der Agendenfrage entgegen, indem er in der „Agende für Rheinland und Westfalen" weitgehende modifizierende Zusätze gestattete 2. Im folgenden Jahr gelang auch die Lösung der in den beiden westlichen Provinzen besonders heiklen Kirchenverfassungsfrage. Durch die Kabinettsordre vom 5. März 1835 (Nr. 266) genehmigte der König die gemeinsame Kirchenordnung für Rheinland und Westfalen (Nr. 267), die presbyterial-synodale Elemente mit dem „episkopalen" Element — dem Amt des Generalsuperintendenten und der Einrichtung der Provinzialkonsistorien — verknüpfte. Die rheinisch-westfälische Kirchenordnung stellt das herausragende Beispiel eines konstruktiven Verfassungskompromisses im Bereich des evangelischen Kirchenverfassungsrechts dar3. 1

Oben S. 579. Kabinettsordre vom 19. A p r i l 1834 (Text: W. Göbell, Die rheinisch-westfälische Kirchenordung v o m 5. März 1835, Bd. 1,1948, S. 173). 3 Z u r Vorgeschichte u n d zur Interpretation v o r allem W. Göbell, a.a.O., Bd. 1 (1948), Bd. 2 (1954); ferner Verfassungsgeschichte, Bd. I I , S. 270 ff. Ausschließ2

18. Kap.: Die evangelischen Landeskirchen i n Preußen 1801 - 184 N r . 266. Kabinettsordre betreffend die Kirchenordnung für die evangelischen Gemeinden der Provinz Westphalen und der Rheinprovinz v o m 5. März 1835 (Kamptz, Annalen der preuß. inneren Staatsverwaltung, Bd. 19,1835, S. 104) W i r Friedrich W i l h e l m von Gottes Gnaden, K ö n i g von Preußen etc., t h u n k u n d und fügen hiemit zu wissen, daß, da sich das Bedürfniß herausgestellt hat, die evangelischen Gemeinden der Provinz Westphalen und der Rhein-Provinz durch eine gemeinschaftliche Kirchenordnung unter einander zu verbinden, W i r m i t Berücksichtigung der verschiedenen dort bisher geltenden Kirchenordnungen u n d der eingeholten Gutachten u n d Anträge der dortigen Synoden die nachfolgende Kirchenordnung f ü r alle Gemeinden beider evangelischen Konfessionen i n den dortigen Provinzen haben abfassen lassen. W i r ertheilen derselben m i t Aufhebung aller entgegengesetzten früheren Bestimmungen hierdurch Gesetzes-Kraft, u n d befehlen, daß dieselbe durch die Amtsblätter der Regierungen i n den beiden Provinzen bekannt gemacht werde. Des zu U r k u n d haben W i r diese Kirchenordnung höchsteigenhändig v o l l zogen und m i t Unserm Königlichen Insiegel versehen lassen. N r . 267. Kirchenordnung für die evangelischen Gemeinden der Provinz Westphalen und der Rheinprovinz v o m 5. März 1835 (Kamptz, Annalen der preuß. inneren Staatsverwaltung, Bd. 19,1835, S. 104 ff.) — Auszug — Erster

Abschnitt

Von den Ortsgemeinen, Presbyterien und den größeren Gemeine-Repräsentationen § 1. Jede evangelische Gemeine bildet nach ihrer örtlichen Begrenzung, w e l che durch Herkommen oder urkundlich bestimmt ist, eine Parochie. § 2. Der Wohnsitz i n der Parochie begründet die Einpfarrung und die daraus entstehenden Rechte und Verpflichtungen f ü r jeden evangelischen Glaubensgenossen . . . § 3. Die Pflichten eines Gemeine-Gliedes sind: 1. die Gnadenmittel der Kirche i n der Gemeine fleißig zu gebrauchen, 2. ein erbauliches Leben zu führen, 3. sich der bestehenden Kirchenordnung zu unterwerfen, und 4. die für die kirchlichen Bedürfnisse erforderlichen Beiträge zu leisten. Dagegen hat jedes M i t g l i e d der Gemeine A n t h e i l an allen kirchlichen Gnadenmitteln, Anstalten und Gerechtsamen derselben und Anspruch auf die lieh als Sieg des landesherrlichen Kirchenregiments betrachtet zu Unrecht diesen Kompromiß E. Foerster, Die Entstehung der Preußischen Landeskirche, Bd. 2, S. 236.

V I I . Die Rheinisch-Westfälische Kirchenordnung von 1835

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Dienste der Kirchen-Beamten. Jedes selbstständige und sonst qualificirte Gemeine-Glied kann zum Gliede des Presbyterii gewählt werden, u n d hat ein m i t t e l - oder unmittelbares Stimmrecht bei der W a h l der Pfarrer u n d anderen Kirchen-Beamten. § 4. Bei Kirchen, die keinen Patron haben, hat die Gemeine das Recht, ihre Geistlichen zu wählen. § 5. Jede Ortsgemeine w i r d i n ihren Gemeine-Angelegenheiten durch ein Presbyterium vertreten, bestehend aus dem Pfarrer oder den Pfarrern, aus Ältesten, Kirchenmeistern u n d Diaconen. § 6. Den Vorsitz i m Presbyterium führt der Prediger. Wo mehrere sind, altern i r t das Präsidium unter ihnen nach dem Herkommen, der Präses eröffnet und schließt die Verhandlungen m i t G e b e t . . . § 8. Die Mitglieder des Presbyterii werden m i t Ausnahme der Prediger auf vier Jahre i n kleinen Gemeinen, deren Seelenzahl nicht über 200 ist, von allen bei der Predigerwahl stimmfähigen Mitgliedern, u n d i n größern Gemeinen von dem Presbyterium u n d der größern Repräsentation der Gemeine (siehe § 18) unter Vorsitz des Pfarrers auf zwei Jahre g e w ä h l t . . . §10. Es dürfen n u r solche selbstständige Mitglieder der Gemeine zu M i t gliedern des Presbyteriums gewählt werden, welche einen ehrbaren L e benswandel führen und an dem öffentlichen Gottesdienste und heiligen Abendm a h l fleißig T h e i l nehmen . . . § 14. Z u dem Geschäftskreis des Orts-Presbyterii gehören: a) Die Handhabung der Kirchen-Disciplin i n der Gemeine, innerhalb der gesetzlichen Grenzen, b) die Einleitung zur W a h l des Predigers nach den Bestimmungen des W a h l reglements, c) es gebührt i h m die W a h l der untern Kirchen-Bedienten, die verfassungsmäßige Theilnahme an der W a h l der Elementar-Schullehrer u n d der § 8 bezeichnete A n t h e i l an der W a h l der Presbyter, d) die Aufnahme der vor i h m u n d der Gemeine durch den Prediger geprüften Confirmanden, e) nach der Bestimmung des § 2 die Ertheilung der Kirchenzeugnisse für die aus der Gemeine zu entlassenden Glieder, f) Sitz und Stimme i n der Kreis-Synode durch den Prediger und einen von dem Presbyterio deputirten Ältesten, g) die V e r w a l t u n g des Kirchen-Pfarr-, Schul- und A r m e n - V e r m ö g e n s . . . §18. Jede evangelische Gemeine, welche über 200 Seelen zählt, erhält außer dem Presbyterium eine größere Vertretung, welche gemeinschaftlich m i t dem Presbyterium a) die Prediger wählt, b) über die Veränderung i n der Substanz des Grundeigenthums der Gemeine, Erwerbung und Veräußerung desselben . . . berathet und beschließt, c) Gehälter u n d Gehaltszulagen für Kirchen-Beamte und Kirchendiener bestimmt, d) bei Unzulänglichkeit des kirchlichen Vermögens der Gemeine die Herbeischaffung der nöthigen Bedürfnisse beräth, nöthigenfalls die Umlage auf die Mitglieder der kirchlichen Gemeine, nach dem Verhältniß der von denselben

18. Kap.: Die evangelischen Landeskirchen in Preußen 1801 - 184 zu zahlenden directen Staats- und Communal-Steuern b e w i r k t und dieselbe der Regierung zur Vollziehung vorlegt. § 21. Wähler der Repräsentanten sind alle Gemeine-Glieder, welche das 24. Lebensjahr zurückgelegt haben, zu den Bedürfnissen der Gemeine, wo es erforderlich ist, concurriren, u n d a) entweder ein öffentliches A m t bekleiden, b) oder einem eigenen Geschäft vorstehen, c) oder eine eigene Haushaltung führen. § 22. Wählbar zu Repräsentanten sind diejenigen selbstständigen GemeineGlieder, welche das 24. Jahr zurückgelegt, einen unbescholtenen Ruf haben, ehrbaren Lebenswandel führen, u n d an dem Gottesdienste und heiligen Abendmahle fleißig T h e i l nehmen. § 23. Die Gemeine-Vertretung beschließt unter dem Vorsitz des Präses des Presbyterii durch Stimmen-Mehrheit gemeinschaftlich m i t dem Presbyterium über die von demselben zur Berathung vorgelegten Gegenstände... Das Presbyterium führt die gefaßten Beschlüsse aus . . . Zweiter Von der Kreis-Gemeine

Abschnitt und der Kreis-Synode

§ 34. Die Gesammtheit mehrerer Ortsgemeinen, welche ein gemeinsames Presbyterium haben, heißt Kreis-Gemeine. § 35. Dieses Presbyterium w i r d die Kreis-Synode genannt, und besteht aus den Pfarrern des Kreises und eben so vielen Deputirten-Ältesten, als Gemeinen zum Kreise gehören. § 36. Jeder Kreis-Synode ist ein von derselben aus Geistlichen gewähltes D i r e k t o r i u m vorgesetzt, welches aus dem Superintendenten, dem Assessor und dem Scriba b e s t e h t . . . § 37. Zu dem Geschäfts-Kreis der Kreis-Synode gehört: a) Berathung der Anträge der Kreis-Synode über alle kirchlichen Gegenstände, worüber die Beschlußnahme nach § 49 der Provinzial-Synode zusteht, b) die Aufsicht über die Pfarrer, Ort-Presbyterien, Candidaten, PfarrSchullehrer und Kirchendiener des Kreises, c) die Handhabung der Kirchen-Disciplin innerhalb der gesetzlichen Grenzen, d) die Aufsicht über die Verwaltung des Kirchen- und Armen-Vermögens aller Gemeinen des Kreises, e) die V e r w a l t u n g der Prediger-Witwen-Kasse des Kreises und der Synodal-Kasse, f) die Leitung der Wahlangelegenheiten der Pfarrer des Kreises, so wie die Ordination derselben und Introduction, g) die W a h l des Directorii der Synode und der Deputirten zur ProvinzialSynode. §38. Der Superintendent hat: 1. i n allen kirchlichen Angelegenheiten über Erhaltung und Ausführung der Kirchen-Ordnung u n d Synodal-Beschlüsse zu wachen und die Rechte der K i r che wahrzunehmen.

V I I . Die Rheinisch-Westfälische Kirchenordnung von 1835

603

2. Er f ü h r t die Aufsicht über die Presbyterien, über das Fortstudiren und die Führung der Candidaten des Kreises, wie auch über die A m t s - V e r w a l t u n g u n d den Lebenswandel der Geistlichen, Kirchenbedienten und Schullehrer, nach den Grundsätzen der Kirchenordnung. Er sucht Mißhelligkeiten, welche z w i schen den Gemeinen, Predigern, Presbyterien . . . entstehen, zu v e r m i t t e l n u n d auszugleichen und f ü h r t die Disciplinar-Untersuchungen gegen Geistliche, Kirchen-Bediente und Schullehrer und Presbyterien seines Kreises allein oder, i n so fern es der Zuziehung richterlicher Personen bedarf, m i t denselben gemeinschaftlich. 3. Er hält i n der Regel i n jeder Gemeine alle zwei Jahre die Kirchenvisitation nach der vorgeschriebenen Instruction . . . 4. Er ordnet die Geschäfte, welche bei einer vakanten Gemeine zu besorgen s i n d , . . . und besorgt 5. die Wahlangelegenheiten i n der Gemeine nach der vorgeschriebenen Ordnung, leitet die Prediger-Wahl, und verrichtet die Ordination und I n t r o duction der Geistlichen . . . 6. Er leitet die Synode bei ihrer V e r s a m m l u n g . . . und steht an der Spitze i n den von der Synode ernannten Kommissionen. 7. Er hat die Verordnungen der Behörden i n Ausführung zu bringen . . . 8. Er ist i n der Regel Schul-Inspector, oder es kommen doch alle die Schule betreffenden Angelegenheiten, wenn ein anderer Geistlicher m i t der Schulpflege beauftragt ist, an i h n und durch ihn an die Staats-Behörde, und von dieser durch i h n an die Schul-Inspectoren. Er ist hiernach das Organ sowohl der dem Kirchen- und Schulwesen vorgesetzten Königlichen Behörden als der Synoden 4 . . . . Dritter Von der Provinzial-Gemeine

Abschnitt und

Provinzial-Synode

§ 44. Die i n derselben Provinz zu einem kirchlichen Verband vereinigten Kreis-Gemeinen bilden die Provinzial-Gemeine. § 45. Die Provinzial-Gemeine hat ein Presbyterium, genannt ProvinzialSynode zur Besorgung der Angelegenheiten der Provinzial-Gemeine. Die Provinzial-Synode besteht aus dem Präses, Assessor, und Scriba, aus den Superintendenten der Provinz und aus geistlichen und weltlichen Deputirten der Kreis-Synoden. Jede Kreis-Synode w ä h l t dazu einen Pfarrer und einen Ä l t e sten aus dem Kreise. § 46. Das Präsidium der Provinzial-Synode besteht aus einem Geistlichen, welcher den T i t e l „Präses der Provinzial-Synode" führt, und einem geistlichen Substituten, welcher Assessor der Provinzial-Synode h e i ß t . . . 4 Geregelt ist hier das für das 19. Jahrhundert charakteristische System der „geistlichen Schulaufsicht". Das dem Superintendenten oder unter seiner Oberleitung den Ortsgeistlichen aufgetragene A m t der Schul-Inspection w a r ein staatliches Auftrags-Amt. Der Superintendent befand sich danach, wie § 38 Ziff. 8 k l a r hervorhebt, i n einer Doppelstellung: als Träger der Schulaufsicht w a r er Staatsorgan, i n seinen kirchlichen Funktionen w a r er Kirchenorgan (Organ der Synode). Dazu Verfassungsgeschichte, Bd. I, S. 282, Bd. I V , S. 878.

18. Kap.: Die evangelischen Landeskirchen i n Preußen 1801 - 184 § 47. Die Provinzial-Synode versammelt sich i n der Regel alle drei Jahre i n einer Stadt des Synodal-Bereichs nach W a h l der Synode. . . . § 49. Die Provinzial-Synode wacht über die Erhaltung der Reinheit der evangelischen Lehre i n Kirchen und Schulen, u n d der i n der Provinz geltenden Kirchen-Ordnung. Sie bringt ihre Beschwerden über Verletzung der kirchlichen Ordnung, über eingeschlichene Mißbräuche i m K i r c h - und Schulwesen, so wie über die F ü h rung von Geistlichen und Kirchen-Beamten und ihre desfallsigen Anträge an die betreffenden Staats-Behörden. Sie beräth die Anträge und Gutachten der Kreis-Synoden ihres Bereichs und faßt über die innern kirchlichen Angelegenheiten Beschlüsse. Die Beschlüsse der Provinzial-Synode treten aber erst dann i n K r a f t und Ausführung, wenn sie die Bestätigung der competenten Staatsbehörde erhalten h a b e n . . . 5 Siebenter Von der

Abschnitt

Schul-Aufsicht

§117. Die Erziehung der Jugend zur christlichen Erkenntniß und F r ö m m i g keit i n den Schulen steht unter der Aufsicht der Kirche, welche dieselbe über die Schulen der einzelnen Gemeinen durch den Ortspfarrer und über die Gesammtheit der Schulen des Kreises durch den Superintendenten f ü h r t 6 . Achter Von der

Abschnitt

Kirchen-Disciplin

§ 118. Der Pfarrer hat das Recht und die Verpflichtung, nicht allein i n seinen öffentlichen Vorträgen seine Gemeinde zu einem christlichen Leben zu ermahnen u n d vor herrschenden Lastern und unchristlichen Grundsätzen zu warnen, sondern auch die specielle Seelsorge zu üben u n d jedes einzelne GemeineGlied zu bitten, zu ermahnen und zu trösten. § 120. Über die Ausübung der Kirchenzucht i n der Gemeine w i r d nach näherer Berathung dieses Gegenstandes i n der Provinzial-Synode auf deren A n t r a g das Nähere festgesetzt werden. § 119. Auch die Ältesten haben das Recht und die Verpflichtung, durch Bitte und Ermahnung christliche Ordnung und einen frommen Wandel der Gemeine-Glieder zu fördern. § 121. Über die Prediger und Kirchen-Vorstände führt der Superintendent die Aufsicht, und ist verpflichtet, Jeden, wo er es nöthig findet, mündlich oder schriftlich zu ermahnen und zu warnen. 5 Es folgen: 4. Abschn.: Von der Erledigung, Wiederbesetzung u n d Vertretung des Pfarramts; 5. Abschn.: Von den Pflichten der Pfarrer; 6. Abschn.: V o n dem öffentl. Gottesdienst und anderen heiligen Handlungen. 8 Hier ist nicht von der den Geistlichen aufgetragenen staatlichen Schulaufsicht („Schul-Inspection") die Rede (dazu oben S. 603 Anm. 4), sondern von der der Kirche als solcher zustehenden Aufsicht über die Wahrung des christlichen Moments i m Schulwesen.

V i l i . Die schlesischen Altlutheraner

605

§ 122. Bei solchen Vergehungen, die noch keinen A n t r a g auf Suspension oder Amts-Entsetzung begründen, w i r d ein Verweis ertheilt, was n u r i n Folge eines Urtheils der Moderatoren geschehen kann. § 126. Bei Vergehungen, die einen A n t r a g auf Amts-Entsetzung begründen, macht das Directorium der Kreis-Synode den A n t r a g an das Königliche K o n sistorium. — Das Konsistorium ist berechtigt und verpflichtet, ex officio einzuschreiten, ohne den A n t r a g des Directoriums der Kreis-Synode abzuwarten 7 . . . . Dreizehnter Von der Staats-Aufsicht

Abschnitt über das Kirchen-Wesen

§ 148. Die Aufsichtsbehörden über das Kirchen-Wesen sind das M i n i s t e r i u m der Geistlichen Angelegenheiten, das Provinzial-Konsistorium u n d die Regierungen. Neben dem Konsistorio u n d den Regierungen beaufsichtigt i n jeder Provinz ein von dem Landesherrn ernannter Geistlicher, welcher dirigirendes Mitglied des Provinzial-Konsistoriums ist, unter dem T i t e l General-Superintendent, nach den i h m von dem M i n i s t e r i u m der Geistlichen Angelegenheiten ertheilten Instruktionen 8 , die Superintendentur-Sprengel der Provinz. Der General-Superintendent w o h n t den jedesmaligen Verhandlungen der Provinzial-Synode bei, u m die Rechte des Staats w a h r zu nehmen, und kann der Synode Anträge machen.

V I I I . Die echleeiechen Altlutheraner Nach der allgemeinen Beilegung des Agendenstreits 1 beschränkte der evangelische Kirchenkonflikt sich auf die Altlutheraner Schlesiens. Ihr Widerstand verstand sich als lutherische Ablehnung einer reformierten Überfremdung durch die Union; der Sache nach war er allerdings wesentlich das Ergebnis eines pietistischen Separatismus 2. Gegen den Führer der schlesischen Altlutheraner Scheibe1* verfügte der König 1830 die Suspension vom Pfarramt; 1832 folgte — einem Antrag Scheibeis entsprechend — seine Entlassung aus dem Pfarramt wie aus der Breslauer Professur. Die Abfallbewegung wurde durch solche Maßnahmen freilich nicht überwunden. Deshalb sah die Regierung sich zu schärferem Vorgehen veranlaßt. 7 Es folgen: 9. Abschn.: Von den Gehältern der Kirchenbeamten; 10. Abschn.: Von den untern Kirchenbeamten; 11. Abschn.: Von der Kirchenvisitation; 12. Abschn.: Von dem Kirchenvermögen. 8 Der I n h a l t der I n s t r u k t i o n ist wiedergegeben i m ersten Teil des Sendschreibens des Generalsuperintendenten der Provinz Westfalen u n d der Rheinprovinz Bischof Roß vom März 1836 (Text: W. Göbell, a.a.O., Bd. 2, S. 387 ff.). 1 Oben S. 579. 2 Dazu J. G. Scheibel, Aktenmäßige Geschichte der neuesten Unternehmung einer Union, 1834; E. Foerster, Die Entstehung der preußischen Landeskirche, Bd. 2, S. 251 ff.; Verfassungsgeschichte, Bd. I I , S. 272 ff. 3 Johann Gottfried Scheibel (1783 - 1843), seit 1807 Pfarrer i n Breslau, seit 1811 außerordentlicher, seit 1818 ordentlicher Professor der Theologie an der Universität daselbst.

18. Kap.: Die evangelischen Landeskirchen in Preußen 1801 - 184 Nachdem die Kabinettsordre vom 28. Februar 1834 (oben Nr. 262) die Annahme der Agende zur Pflicht der Geistlichen erklärt hatte, verbot die Kabinettsordre vom 9. März 1834 (Nr. 268) alle separatistischen religiösen Zusammenkünfte, die über den engeren Familien- und Hausbereich hinausgingen. Die königliche Deklaration vom selben Tag (Nr. 269) unterwarf die Vornahme von geistlichen Amtshandlungen durch separatistische Prediger, die die kirchliche Ordination zum geistlichen Amt nicht besaßen, den für Amtsanmaßungen geltenden Strafnormen des ALR. Die auf diese Strafnormen gestützten Regierung smaßnahmen reichten bis zur Inhaftierung amtsenthobener renitenter Geistlicher der Altlutheraner. Die Regierung gab diese Praxis nicht einmal auf, als einzelne Geistliche vor den zuständigen Gerichten Freisprüche erlangt hatten 4. Die Maßnahmen der Regierung steigerten den Widerstand der Gemeinden schließlich zur gewaltsamen Auflehnung. In Hönigen verschafften die Behörden an Weihnachten 1834 erst mit Hilfe des Militärs dem an Stelle eines abberufenen Geistlichen eingesetzten regierungstreuen Pfarrverweser Zugang zur Kirche 5. Die preußische Regierung ging bei ihren Maßnahmen davon aus, daß den schlesischen Separatisten das im ALR gewährleistete Recht der religiösen Vereinigungsfreiheit nur in der Form des Kirchenaustritts und des neuen Zusammenschlusses zu einer privatrechtlichen Religionsgesellschaft zustehe e. Auf die der alten Kirchengemeinde gehörenden kirchlichen Gebäude und Geräte hatte eine solche neue „geduldete Religionsgesellschaft" keinen Anspruch; auch besaß sie nicht das Recht zum Glockengeläut oder zu öffentlichen Feiern außerhalb ihres Versammlungsraums. Die renitenten Altlutheraner dagegen verstanden ihr Vereinigungsrecht als religiöses Selbstbestimmungsrecht innerhalb ihrer fortdauernden gemeindlichen Kirchenkorporation. Dieses Recht — das der Sache nach ein kirchengemeindliches jus reformandi bedeutet hätte — hielt die Regierung für unvereinbar mit dem geltenden Staatskirchenrecht. Selbst das Recht der Auswanderungsfreiheit räumte der König der altlutherischen Gemeinde nur nach langem Zögern ein (Nr. 270). Erst das Religionspatent vom 30. März 1847 (oben Nr. 198) gewährleistete religiösen Gruppen, die sich von einer öffentlich anerkannten Kirchengesellschaft zu trennen wünschten, ein korporatives Recht zur Verselbständigung unter Fortdauer bestimmter öffentlicher Vorrechte, wenn diese verselbständigte Religionsgesellschaft — wie die Altlutheraner — „in Hinsicht auf Lehre und Bekenntnis mit einer durch den Westfälischen Frieden in Deutschland anerkannten christlichen Religionspartei in wesentlicher Übereinstimmung" stand.

4 5 6

Verfassungsgeschichte, Bd. I I , S. 274. Vgl. die Dokumente bei E. Foerster, a.a.O., S. 518 ff. §§ 20 - 26 I I 11 A L R : oben Nr. 1.

V i l i . Die schlesischen Althitheraner

607

N r . 268. Kabinettsordre K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . an den Staatsminister ν. Altenstein, das Verbot von Zusammenkünften zu außerkirchlichen Religionsübungen betreffend v o m 9. März 1834 (Κ. Α. υ. Kamptz, Annalen der Preußischen innern Staatsverwaltung, 18, 1834, S. 76) Z u r Beseitigung der Zweifel, welche aus den §§ 7 und 10 Tit. 11 Thl. IV des Allgem. Landrechts, über die Grenze erlaubter außerkirchlicher Zusammenkünfte zu Religions-Übungen u n d die A h n d u n g ihrer Übertretung hergeleitet worden sind, erkläre Ich, daß zu dem häuslichen Gottesdienste n u r den Mitgliedern der Familie des Hausvaters u n d den bei i h m wohnenden, seiner Hauszucht unterworfenen Personen der Z u t r i t t gestattet, jede diese Grenze überschreitende Zusammenkunft zu außerkirchlichen Religions-Übungen aber, welche ohne obrigkeitliche bei dem Konsistorio der Provinz nachzusuchende Genehmigung erfolgt, verboten ist, u n d von den Regierungen i n Gemäßheit der ihnen durch den § 11 der Dienst-Instruktion v o m 23. Oktober 18178 beigelegten Befugniß, wo sie es nach vorgängiger Berathung m i t dem Konsistorio der Provinz für erforderlich halten, sowohl die Strafe der Theilnahme an solchen unerlaubten Zusammenkünften, als auch der Übertretung der bei Ertheilung der Erlaubniß von dem Konsistorio der Provinz vorgeschriebenen Bedingungen, festgesetzt u n d bekannt gemacht werden sollen. Diese Meine Bestimmung ist durch die Amtsblätter zur öffentlichen Kenntniß zu bringen.

N r . 269. Deklaration K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . an den Staatsminister v. Altenstein über die A n w e n d b a r k e i t der §§ 76 bis 79 T i t . 10 T e i l I I A L R auf die A n m a ß u n g geistlicher Amtshandlungen vom 9. März 1834 (Preußische Gesetz-Sammlung, 1834, S. 60) Z u r Erledigung der erhobenen Zweifel über die Anwendbarkeit der §§ 76 bis 79 Tit. 10 Thl. 2 des Allgemeinen Landrechts 9 auf die Anmaßung geistlicher 7

§§ 7,10 I I 11 A L R : oben Nr. 1. § 11 der Dienst-Instruktion v o m 23. Oktober 1817 (GS 248) gab den Regierungen die Befugnis, „ i h r e n Verfügungen n ö t i g e n f a l l s durch gesetzliche Zwangs- u n d Straf m i t t e l Nachdruck zu geben". Einer höheren Genehmigung bedurfte es dazu nicht, wenn das durchzuführende Verbot schon durch Gesetz feststand, i n diesem aber die Strafe noch nicht ausdrücklich bestimmt war. Die Strafandrohung seitens der Regierung mußte sich dann i n den Grenzen der §§ 35, 36 und 240 I I 20 A L R halten. 9 ALR 10 II §76: Niemand soll sich eigenmächtig der V e r w a l t u n g eines A m t s anmaßen, wozu er von der vorgesetzten Behörde nicht angewiesen worden. § 77. Wer dieses t h u t u n d vermöge eines solchen A m t s Handlungen v o r nimmt, zu welchen er nach den Gesetzen überhaupt nicht qualificirt ist, dessen Handlungen sind unkräftig. § 78. Mangelt es i h m nicht an den erforderlichen Eigenschaften zu Handlungen dieser A r t überhaupt: so können zwar seine Handlungen, zum Nach8

18. Kap.: Die evangelischen Landeskirchen in Preußen 1801 - 184 Amtshandlungen bestimme Ich hiermit, daß die § 79 I.e. angedrohete Geldbuße bis zu Fünfzig Thaler oder Gefängnißstrafe bis Sechs Wochen eintreten soll, wenn Personen, welche die Ordination zu einem geistlichen A m t e nicht erhalten haben, sich geistlicher Amtshandlungen anmaßen, insbesondere das heilige Abendmahl austheilen, die Konfirmation, eine Trauung oder Taufhandlung vornehmen, m i t alleiniger Ausnahme des Falles einer Noth-Taufe nach der gesetzlichen Bestimmung 1 0 . Sollte über die Noth-Taufe an einem Orte weder durch Observanz noch durch Provinzial-Kirchenordnung etwas festgestellt seyn, so hat das Provinzial-Konsistorium m i t Genehmigung des Ministeriums der geistlichen Angelegenheiten das Erforderliche anzuordnen u n d durch die Amtsblätter bekannt zu machen. Ich beauftrage Sie, vorstehende Bestimmungen durch die Gesetz-Sammlung zur öffentlichen Kenntniß zu bringen.

N r . 270. Kabinettsordres K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I . an die Staatsminister v. Altenstein und v. Rochow betreffend die Auswanderung der A l t l u t h e r a n e r ( E. Foerster, Die Entstehung der preußischen Landeskirche, Bd. 2, 1907, S. 308, 310) a) Kabinettsordre vom 2. Januar 1837 M i t dem i n I h r e m Berichte v o m 28. November v. Js. enthaltenen Antrage: daß den lutherischen Separatisten i n der Neumark, Schlesien, Großherzogtum Posen und i n Pommern die Auswanderung nicht gestattet werde, b i n Ich für jetzt, sowie m i t den von Ihnen angegebenen M o t i v e n der Verweigerung einverstanden; den letztern ist noch durch die Bedeutung Nachdruck zu geben, daß sie durch i h r Betragen verdient hätten, ihrem Schicksale preisgegeben zu werden, da sie den bisherigen belehrenden und ihren Wahn widerlegenden Ermahnungen kein Gehör gegeben und durch ihre Erklärungen bewiesen hätten, daß sie sich keiner Kirchenordnung unterwerfen, vielmehr derselben sich gänzlich entziehen wollten, welches nie werde gestattet werden. Dem Staat würde i h r Auswandern keinen Nachtheil bringen, aber f ü r die F a m i l i e n m i t glieder, welche aus Unverstand der Familienväter i n das i n fernen Weltteilen ihrer wartende Elend unbezweifelt m i t hineingezogen würden, müsse die landesväterliche M i l d e wachen und das Unglück von denen abwenden, die nicht selbständig handeln könnten und unschuldig genötigt werden sollten, das gefahrvolle Los ihrer Väter und Angehörigen zu teilen. theil der Parteyen, i n der Regel, und wo nicht besondere Gesetze ein Anderes vorschreiben, für nichtig nicht angesehen werden. § 79. Er hat aber, auch i n diesem Falle, nach Verhältniß des Grades seiner Schuld, bey der ungebührlichen Anmaßung des Amts; seiner aus den Umständen sich ergebenden unerlaubten Absicht dabey; und der aus der Anmaßung entstandenen schädlichen Folgen, wenn nicht besondere Gesetze die A h n d u n g näher bestimmen, w i l l k ü h r l i c h e Geld- oder Gefängnißstrafe v e r w i r k t . 10 ALR 10 II §451: Hat eine Noth-Taufe geschehen müssen: so muß dem ordentlichen Pfarrer davon unverzüglich Anzeige gemacht werden.

I X . Der Regierungswechsel von 1840

609

b) Kabinettsordre vom 2. September 1837 Ich genehmige Ihren Antrag, daß den Separatisten die Auswanderung unter Beobachtung der sonstigen gesetzlichen Bedingungen gestattet und ihnen dies durch eine zu Protokoll zu nehmende Eröffnung auf angemessene Weise unter nochmaliger Vorhaltung ihres Unrechtes von den Landräten bekannt gemacht werde.

I X . Der Regierungswechsel von 1840 u n d die evangelische Kirchenverfassungsfrage Der preußische Thronwechsel von 1840 1 führte auch im Bereich der evangelischen Kirchenverfassung zu einer veränderten staatlichen Haltung. König Friedrich Wilhelm IV. 2 war bestrebt, das überlieferte System der Staatskirche abzulösen durch den Übergang zum System einer unabhängigen evangelischen Gesamtkirche des preußischen Staatsgebiets 3. Auch das landesherrliche Kirchenregiment, das ihm als bloßes Not-Regiment galt, dachte er aufzuheben, sobald die Voraussetzungen geschaffen seien, um das Kirchenregiment in die „rechten Hände" zu legen. Sein Ziel war eine preußische Hochkirche mit bischöflicher Hierarchie und synodalen Beratungsorganen. Der erste Schritt zu diesem Ziel war die Berufung von Kreissynoden durch den Ministerialerlaß vom 10. Juli 1843*, der von der Überzeugung bestimmt war, daß eine erneuerte evangelische Kirche „nicht nur von Seiten des Kirchenregiments, sondern vornehmlich aus eigenem, innerem Leben und Antrieb geleitet sein will". Die wesensnotvjendige Verbundenheit des hierarchischen und des synodalen Prinzips war damit als Kern der Kirchenverfassungspolitik Friedrich Wilhelms IV. proklamiert. Vom gleichen Grundgedanken war die Behördenreform getragen, die der König mit der Verordnung vom 27. Juli 1845 (Nr. 271) verfügte. Unter Änderung der 1817/1825 geschaffenen Behördenverfassung^ leitete die Verordnung die Zuständigkeiten der Regierungen in evangelischen Kirchenangelegenheiten zum großen Teil auf die Konsistorien über. Für gemischte Angelegenheiten schrieb sie das Zusammenwirken von Regierungen und Konsistorien vor. Vorsitzende der Konsistorien waren nicht mehr von Amts wegen die Ob er Präsidenten; vielmehr waren die Vorsitzenden von nun an von Fall zu Fall besonders zu bestellen. Mit dieser Ämterreform leitete der König die Trennung der staatlichen und der kirchlichen Zuständigkeiten, die Verselbständigung der Konsistorien und ihre Verwandlung aus staatlichen in kirchliche Behörden ein. Damit war zugleich das organisatorische Fundament für die Entfaltung des synodalen Elementes der Kirchenverfassung (unten Nr. 272 - 274) wie für die Einsetzung eines kirchlichen Zentralorgans (unten Nr. 275, 276) gelegt. 1 2 3 4 5

Siehe oben Kap. 14. Siehe oben S. 434 Anm. 1. Verfassungsgeschichte, Bd. I I , S. 275 ff. Vgl. unten Nr. 272. Oben Nr. 55 - 58.

39 Huber, Staat und Kirche, 1. Bd.

18. Kap.: Die evangelischen Landeskirchen in Preußen 1801 - 184 N r . 271. Verordnung betreffend die Ressortverhältnisse der Provinzialbehörden für das evangelische Kirchenwesen v o m 27. J u n i 1845 (Preußische Gesetz-Sammlung, 1845, S. 440) W i r Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, K ö n i g von Preußen etc. etc. verordnen, zur Beseitigung der über die Ressortverhältnisse der Regierungen und der Konsistorien entstandenen Zweifel und zur Herstellung einer dem Bedürfniß entsprechenden Vertheilung der Geschäfte i n den evangelisch-kirchlichen Angelegenheiten, auf den A n t r a g Unseres Staatsministeriums, wie folgt: § 1. Die nach den Instruktionen für die Provinzialkonsistorien 6 und die Regierungen 7 v o m 23. Oktober 1817 und der Order vom 31. Dezember 18258 zum Geschäftskreise der Regierungen gehörigen Angelegenheiten der evangelischen Kirche gehen, soweit sie i n der gegenwärtigen Verordnung den Regierungen nicht besonders vorbehalten sind, an die Konsistorien über. Namentlich werden den letzteren überwiesen : 1. die Bestätigung der von Privatpatronen und Gemeinden zu geistlichen Stellen berufenen Personen; 2. die Einführung der Geistlichen ins A m t ; 3. die Bestätigung derjenigen von Privatpatronen und Gemeinden ernannten weltlichen Kirchenbedienten, welche nicht für die V e r w a l t u n g des kirchlichen Vermögens angestellt sind (§ 3 Nr. 6), sofern eine solche Bestätigung verfassungsmäßig erforderlich ist; 4. die Aufsicht über die amtliche und sittliche Führung der Geistlichen und der unter 3 erwähnten weltlichen Kirchenbedienten, sowie die damit verfassungsmäßig verbundenen Disziplinarbefugnisse, wozu auch die V e r f ü gung der Amtssuspension und der A n t r a g auf Remotion in denjenigen Fällen zu rechnen ist, i n welchen solche bisher den Regierungen zustand (KonsistorialI n s t r u k t i o n vom 23. Oktober 1817, § 2 Nr. 9). Die Ertheilung des Urlaubs für Geistliche erfolgt, soweit nicht die Superintendenten oder Generalsuperintendenten dazu nach den bestehenden gesetzlichen Vorschriften ermächtigt sind, durch den Vorsitzenden des Konsistoriums. Ist der Geistliche zugleich als Schulinspektor angestellt, so muß die Regierung hiervon i n Kenntniß gesetzt werden, damit diese auch ihrerseits wegen Bewilligung ces Urlaubs i n Beziehung auf das Schulamt das Erforderliche verfüge. I n wiefern den Regierungen fernerhin i n einzelnen Fällen eine Aufsicht und Disziplin über die Geistlichen gebührt, ist i n den §§ 3 u n d 4 bestimmt; 5. die Aufrechthaltung der Kirchenzucht innerhalb der durch die bestehenden Landesgesetze bestimmten Gränzen; 6. die Ertheilung von Dispensationen i n den bisher den Regierungen nachgelassenen Fällen (Konsistorial-Instruktion vom 23. Oktober 1817, § 2 Nr. 10); es bleibt jedoch den Konsistorien vorbehalten, diese Dispensationsbefugniß, wo sich ein besonderes Bedürfniß dazu ergiebt, den Superintendenten, unter Genehmigung des Ministers der geistlichen Angelegenheiten, zu delegiren. β 7 8

Oben Nr. 56. Oben Nr. 57. Oben Nr. 58.

I X . Der Regierungswechsel von 1840

611

§ 2. Bei den, dem landesherrlichen Patronat unterworfenen Kirchen w i r d das Ernennungsrecht zu den geistlichen Stellen, sowie zu den Stellen der i m § 1 unter 3 erwähnten weltlichen Kirchenbedienten, durch die Konsistorien i n K r a f t Unseres ihnen hierdurch ertheilten Auftrages ausgeübt. §3. Den Regierungen verbleibt : 1. die Regulirung des Interimistikums in streitigen Kirchen-, Pfarr- und Küsterbausachen ; 2. die Aufsicht über die Kirchenbücher; 3. die Sorge für die Anlegung und Unterhaltung der Kirchhöfe; 4. die Anordnung und Vollstreckung der zur Aufrechthaltung der äußern kirchlichen Ordnung erforderlichen polizeilichen Vorschriften; 5. die Aufsicht über das Vermögen der dem landesherrlichen Patronat nicht unterworfenen Kirchen, kirchlichen Stiftungen und Institute, sowie die Ausübung der landesherrlichen Aufsichts- u n d Verwaltungsrechte i n Ansehung des Vermögens der dem landesherrlichen Patronat unterworfenen Kirchen, kirchlichen Stiftungen und Institute; 6. die Ernennung oder Bestätigung der für die Verwaltung des kirchlichen Vermögens anzustellenden weltlichen Kirchenbedienten, sowie die Aufsicht über deren amtliche und sittliche F ü h r u n g und die damit verfassungsmäßig verbundenen Disziplinarbefugnisse. Wo über das Vorhandensein eines kirchlichen Bedürfnisses oder die Abmessung seines Umfangs Zweifel entstehen, ingleichem wo es sich u m die Verwendung der bei der Vermögensverwaltung einzelner Kirchen, kirchlichen Stiftungen und Institute (Nr. 5) sich ergebenden Überschüsse handelt, haben sich die Regierungen m i t den Konsistorien i n näheres Einvernehmen zu setzen. § 4. Den Regierungen verbleibt i n den ihnen vorbehaltenen Angelegenheiten (§ 3), sowie i n Beziehung auf das Schulwesen, die Befugniß, die Geistlichen ihres Bezirks durch Ermahnungen, Zurechtweisungen und Ordnungsstrafen zur Erfüllung ihrer Obliegenheiten anzuhalten. § 5. Z u m gemeinschaftlichen Geschäftskreise der Konsistorien u n d Regierungen gehören : 1. die Veränderung bestehender, sowie die Einführung neuer StolgebührenTaxen und 2. die Veränderung bestehender, sowie die Bildung neuer Pfarrbezirke. Jede dieser Behörden ist befugt, die dazu erforderlichen Einleitungen u n d Vorbereitungen m i t Hülfe ihrer Organe selbstständig zu treffen. Es muß aber vor der i n diesen Fällen allemal erforderlichen Berichterstattung an den M i nister der geistlichen Angelegenheiten die Erklärung der andern Behörde eingeholt werden. § 6. Der Vorsitz i n den Provinzialkonsistorien soll m i t dem A m t e der OberPräsidenten i n Z u k u n f t nicht von selbst und unmittelbar verbunden sein (Order vom 31. Dezember 1825 zu B. 1.: I n s t r u k t i o n für die Ober-Präsidenten von demselben Tage, § 3) 9 . W i r behalten Uns vielmehr vor, i n jedem einzelnen Falle wegen Ernennung des Vorsitzenden besonders zu bestimmen. § 7. Bei den Regierungen sollen zur M i t w i r k u n g bei Bearbeitung der das Kirchen- und Schulwesen betreffenden Angelegenheiten auch fernerhin geistliche Räthe angestellt werden. 9

39*

GS 1826, S. 1.

18. Kap.: Die evangelischen Landeskirchen in Preußen 1801 - 184 Die bei den Regierungen angestellten evangelisch-geistlichen Räthe sind zugleich Mitglieder u n d Organe des Konsistoriums (§ 46 der Regierungs-Instruktion vom 23. Oktober 1817) 10 u n d werden von diesem von Zeit zu Zeit, mindestens aber alle Jahre zweimal, einberufen, u m über solche Gegenstände zu berathen, welche für die Regierung und das Konsistorium von gemeinsamen Interessen sind. Auch sind die Konsistorien befugt, einen bei der Regierung angestellten geistlichen Rath m i t Genehmigung des Ministers der geistlichen Angelegenheiten auf längere oder kürzere Zeit in das Konsistorium zu ziehen, und an seiner Stelle ein M i t g l i e d des Konsistoriums i n die Regierung abzuordnen. § 8. Unsere Minister der geistlichen Angelegenheiten, des Innern und der Finanzen sind beauftragt, wegen Ausführung der gegenwärtigen Verordnung das Erforderliche anzuordnen, und den Zeitpunkt, m i t welchem dieselbe i n den einzelnen Provinzen i n Wirksamkeit treten soll, durch die Amtsblätter bekannt zu machen.

X . Die Generalsynode von 1846 König Friedrich Wilhelm IVA, der den Konflikt mit der katholischen Kirche behoben hatte, war zugleich bemüht, die evangelische Kirchenverfassungsfrage zu lösen. Er entwickelte selbst einen Kirchenverfassungsplan, der den Gedanken der Schriftgemäßheit der kirchlichen Ordnung mit dem Prinzip der apostolischen Legitimität vereinigte. Im Mittelpunkt seines Plans standen „apostolische Kirchend. h. Kirchen von übersichtlichem Umfang, die unter der Leitung von Bischöfen stehen sollten 2. Bevor der König einen derartigen Plan verwirklichen konnte, mußte er jedoch dem Drängen auf Berufung einer Generalsynode stattgeben. Zur Vorbereitung einer solchen Versammlung für ganz Preußen berief er 1843 Kreissynoden und 1844 Provinzialsynoden ein. 1846 schloß er die Berufung der Generalsynode an (Nr. 272), die an Pfingsten 1846 in Berlin zusammentrat. Sie hatte allerdings nur beratende, keine entscheidenden Befugnisse. Im Kern ihrer Beratungen stand einerseits die durch die Union aufgeworfene Bekenntnis fr age, andererseits die Kirchenverfassungsfrage. Zur Bekenntnisfrage, die insbesondere mit der Or dinationsverpflichtung der Geistlichen verknüpft war, legte die Erste Kommission der Synode, dem Vorschlag ihres Berichterstatters Nitzsch* folgend, eine Bekenntnisverpflichtung für das Ordinations formular vor (Nr. 273j 4. Das heftig umstrittene „Nitzschenum" verfiel jedoch der Ablehnung durch den König. Zur Kirchenverfassungsfrage unterbreitete die Zweite Kommission der Synode durch ihren 10

Oben Nr. 57. Oben S. 434 Anm. 1. J. Heckel, E i n Kirchenverfassungsentwurf Friedrich Wilhelms IV. von 1847 (in: Das blinde, undeutliche Wort,Kirche', 1964, S. 434 ff.). 3 Carl Immanuel Nitzsch (1787 - 1868), seit 1822 Professor der Theologie i n Bonn, 1838 Vizepräsident (Assessor) der rheinischen Provinzialsynode, 1847 Professor der Theologie i n Berlin, seit 1852 daneben Mitglied des preußischen Oberkirchenrats, 1855 zugleich Propst von St. Nikolai, 1864 - 1866 Superintendent; er gilt als Hauptvertreter der Vermittlungstheologie. 1

2

X . Die Generalsynode von 1846

613

Berichterstatter Fr. J. Stahl5 ein Gutachten, dessen wichtigsten Teil die „Hauptsätze" zur Frage der Kirchenverfassung (Nr. 274) bildeten. Sie waren von „Grundzügen einer Kirchenverfassung für die evangelische Kirche in den sechs östlichen Provinzen der Monarchie" begleitet. Die Kommission und — ihr folgend — auch die Generalsynode erstrebten eine Verbindung presbyterialer und synodaler Elemente mit konsistorialen Elementen in der kirchlichen Grundordnung. Diesen Vorschlag gutzuheißen, war Friedrich Wilhelm IV. nicht bereit. Daher blieb der Kirchenverfassungsentwurf der Generalsynode zunächst ohne Folgen. Die Generalsynode selbst wurde am 29. August 1846 vertagt und nicht wieder einberufen

N r . 272. Erlaß K ö n i g Friedrich Wilhelms I V . , die Berufung einer evangelischen Generalsynode betreffend v o n 1846 (Verhandlungen der evangelischen General-Synode zu Berlin vom 2. J u n i bis zum 29. August 1846, 1846, S. 1 ff.) Die Zustände der evangelischen Kirche des Landes haben bereits seit einer Reihe von Jahren die besondere Aufmerksamkeit ihrer erhabenen Schutzund Schirmherren auf sich gezogen. Schon i m Jahre 1802 erforderten des hochseligen Königs Majestät von der damaligen obersten Kirchen-Behörde des Landes, dem Ober-Konsistorium, ein umfassendes Gutachten „über die V e r besserung des Religionszustandes i n den Königlich Preußischen Ländern". Die in diesem Gutachten enthaltenen Vorschläge wurden auch, so weit es die damaligen Verhältnisse gestatten wollten, i n einzelnen Anordnungen mehrfach benutzt. Das Unglück des Jahres 1806 unterbrach die weitere Verfolgung jener Pläne. Nach der wieder errungenen Selbstständigkeit des Landes aber wurden auch die Bedürfnisse der Kirche neu ins Auge gefaßt. Eine besondere K o m m i s sion, aus den geachtetsten Geistlichen des Landes gebildet, wurde niedergesetzt und zu Vorschlägen aufgefordert über die kräftigere Belebung der Kirche i n allen ihren Beziehungen 7 . A n die Vorschläge dieser Kommission knüpfte sich die Wiederherstellung der Konsistorien als evangelische KirchenBehörden und die Einrichtung von Kreis- und Provinzial-Synoden m i t der Aussicht auf eine künftige allgemeine Landes-Synode als berathende Organe der Kirche 8 . Diese von des hochseligen Königs Majestät gehegten Pläne wurden nach dem Hingange des verewigten Monarchen von des jetzt regierenden 4 Gegenüber der hier wiedergegebenen Fassung, die den Verhandlungen der Generalsynode entnommen ist, stellt die Veröffentlichung bei C. I. Nitzsch, Urkundenbuch der evangelischen U n i o n (1853), S. 127 ff. eine u m die Teile I und I I verkürzte Form dar. 5 Friedrich Julius Stahl (1802 - 1861), Staatsrechtslehrer und Rechtsphilosoph; 1826 Privatdozent i n München, 1832 außerordentlicher Professor i n Erlangen, i m selben Jahr ordentlicher Professor i n Würzburg, 1834 i n Erlangen, 1840 in Berlin; 1852 - 1858 zugleich Mitglied des preußischen Oberkirchenrats. 6 Verfassungsgeschichte, Bd. I I , S. 280 f. 7 Oben S. 573. 8 Oben Nr. 55, 56, 258.

18. Kap.: Die evangelischen Landeskirchen i n Preußen 1801 - 184 Königs Majestät i n einem das wachsende Leben der evangelischen Kirche i n allen seinen Beziehungen umfassenden Geist aufgenommen u n d weiter gefördert. I m Jahre 1843 wurde eine besondere Berufung von Kreis-Synoden angeordnet, i n welchen, den bestehenden Einrichtungen gemäß, die Geistlichen der einzelnen Diözesen unter dem Vorsitze ihres Superintendenten über die Bedürfnisse der Kirche beriethen. Ihre Berufung erfolgte, wie der desfallsige Ministerial-Erlaß v o m 10. J u l i 1843 verkündet 9 , i n der Überzeugung, „daß die evangelische Kirche, wenn i h r wahrhaft und dauernd geholfen werden soll, nicht n u r von Seiten des Kirchenregiments geleitet, sondern vornehmlich aus eigenem, inneren Leben und A n t r i e b erbaut sein w i l l " , und i n der Anerkennung, daß vorzüglich die Synoden, „ w e n n auch zurZeit nur aus geistlichen M i t gliedern bestehend, als diejenigen kirchlichen Organe zu betrachten seien, von welchen die Vorschläge für eine bessere Gestaltung und Entwicklung der kirchlichen Verhältnisse angeregt und vorbereitet werden können". Diese KreisSynoden sind, der ihnen gestellten Aufgabe gemäß, bemüht gewesen, zunächst ein klares B i l d von dem Zustande der kirchlichen Gemeinde-Verhältnisse i n ihren Kreisen zu entwerfen, dann aber zu Vorschlägen übergegangen, wie und m i t welchen M i t t e l n eine Besserung der wahrgenommenen Mängel zu b e w i r ken sei. Treu dem Prinzip, eine Fortentwicklung der Kirche aus innerem Leben u n d Antrieb zu pflegen, wurden die Gutachten der Kreis-Synoden i n ihrer vollen Integrität bewahrt und der Verarbeitung auf einer höheren Stufe synodaler Berathung überwiesen. Dies geschah durch die am Schlüsse des Jahres 1844 zusammenberufenen Provinzial-Synoden. Als Theilnehmer an denselben wurden, nach dem Vorbilde früherer Vorgänge, zunächst die Superintendenten unter dem Vorsitze des General-Superintendenten eingeladen. U m aber noch eine breitere Basis der Berathung und eine Vertretung der verschiedenartigen Lehrkräfte der Kirche zu gewinnen, wurde, außer den Militair-Oberpredigern und Deputirten der theologischen Fakultäten der Landes-Universitäten, auch aus jeder Diözes ein von der Geistlichkeit des Kreises freigewählter Geistlicher zur Theilnahme berufen. Den Provinzial-Synoden wurde das gesammte Mater i a l der Kreis-Synodalverhandlungen zur Berathung überwiesen und neben der Begutachtung einzelner, der Beachtung besonders empfohlener Punkte ihnen die Freiheit gewährt, aus dem Kreise der Kreis-Synodal-Verhandlungen oder eigener Wahrnehmung alles dasjenige hervorzuheben, was sie nach ihrer gewissenhaften Überzeugung für nothwendig erachten würden. I n welcher Weise die Provinzial-Synoden ihre Aufgabe zu lösen bemüht gewesen, ist aus den öffentlich gedruckten Verhandlungen derselben zu ersehen. Der Gang der E n t w i c k l u n g ist i n diesem Wege so weit vorgeschritten, daß gegenw ä r t i g die Berufung einer allgemeinen Landes-Synode als der Schluß sich herausstellt, durch welchen die aus den unteren kirchlichen Kreisen heraufgestiegene Berathung i n ein Resultat zusammengefaßt u n d der Weisheit des obersten Schutz- und Schirmherrn der Kirche anheimgestellt werden kann. Des Königs Majestät haben bereits bei verschiedenen Gelegenheiten, und zuletzt i n den Landtags-Abschieden des vorigen Jahres, diese Ihre Allerhöchste Intention auszusprechen geruht. Gegenwärtig ist die definitive Allerhöchste Entscheidung erfolgt, u n d der Zusammentritt einer evangelischen General9 Über die Wiederbelebung der Kreissynoden i m preuß. Osten siehe J. Heckel, a.a.O., S. 440 f.

X . Die Generalsynode von 1846

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Synode für die ganze Monarchie w i r d unter dem Vorsitze des Ministers der geistlichen Angelegenheiten zu Pfingsten dieses Jahres i n der Hauptstadt des Landes stattfinden. Die Generalsynode w i r d nicht blos aus Abgeordneten der östlichen Provinzen der Monarchie, sondern auch der Rheinprovinz und der Provinz Westphalen gebildet sein, u n d so die Interessen und Bedürfnisse der evangelischen Kirche des ganzen Landes ins Auge fassen. A n der GeneralSynode werden Theil nehmen : I. A n geistlichen Mitgliedern: sämmtliche General-Superintendenten, der Vice-General-Superintendent der Rheinprovinz u n d der stellvertretende General-Superintendent des Markgrafthums Niederlausitz; der Bischof Dr. E y l e r t 1 0 , die vier Hof- und Dom-Prediger und der Feldprobst, letztere i n Betracht ihrer amtlichen Stellung zu dem M i n i s t e r i u m der geistlichen Angelegenheiten; ferner die sechs Assessoren u n d die sechs Scribä der letzten Provinzial-Synoden i n den östlichen Provinzen, die beiden Präsides u n d die beiden Assessoren der rheinischen u n d der westphälischen Provinzial-Synode, endlich sechs Professoren der Theologie von den sechs Landes-Universitäten, die durch die theologische Fakultät erwählt werden. I I . A n weltlichen Mitgliedern : die acht Präsidenten der Provinzial-Konsistorien, wobei den darunter befindlichen Ober-Präsidenten gestattet ist, falls ihre anderweitigen Amtsgeschäfte sie verhindern sollten, während der ganzen Dauer der Synodal-Versammlung gegenwärtig zu sein, sich ganz oder zeitweise durch ein anderes weltliches M i t g l i e d des Konsistoriums vertreten zu lassen; sechs evangelische Professoren des Rechts von den sechs Landes-Universitäten, welche von den evangelischen Gliedern der juristischen Fakultäten i n gleicher Weise, w i e die Professoren der Theologie von den theologischen Fakultäten, gewählt werden, wobei besondere Rücksicht auf die m i t dem kanonischen Recht vorzugsweise vertrauten Lehrer genommen werden w i r d ; endlich aus jeder der acht Provinzen der Monarchie noch drei L a i e n - M i t g l i e der, deren W a h l i n folgender Weise veranlaßt werden w i r d . I n jeder der sechs östlichen Provinzen der Monarchie werden der Ober-Präsident und der General-Superintendent gemeinsam achtzehn Personen bezeichnen, welche, als gottesfürchtige und kirchlich gesinnte Männer bekannt, eines besonderen V e r trauens als solche i n der Provinz genießen. Dies Verzeichniß w i r d jedem M i t gliede der letzten Provinzial-Synode mitgetheilt, u m durch Stimmzettel diejenigen Mitglieder daraus zu wählen, welche es f ü r die geeignetsten zur Theilnahme an der General-Synode erachtet. Der Ober-Präsident m i t dem General-Superintendenten haben nach den eingesandten Stimmzetteln diejenigen drei Personen zu designiren, welche die relative Stimmenmehrheit für sich haben; n ö t i g e n f a l l s aber aus denjenigen, f ü r welche hierbei etwa eine gleiche Stimmenzahl sich ergeben sollte, die zu wählen, welche ihnen selbst als die geeignetsten erscheinen. I n den beiden westlichen Provinzen sind die Männer des öffentlichen Vertrauens schon i n denjenigen Gemeinde-Ältesten gefunden, welche i n Folge der auf sie gefallenen W a h l an der letzten Provinzial-Synode Theil genommen haben. Es w i r d daher das Moderamen jeder der beiden Provinzial-Synoden aus diesen Männern drei Personen zur Gene10 Ruhlemann Friedrich Eylert (1770 - 1852), seit 1806 Hof- u n d Garnisonprediger i n Potsdam, 1817 m i t der Bischofswürde ausgezeichnet; er w a r der kirchenpolitische Vertraute K ö n i g Friedrich Wilhelms I I I .

18. Kap.: Die evangelischen Landeskirchen i n Preußen 1801 - 184 ral-Synode berufen, welche nach seinem Ermessen dazu vollkommen geeignet sind. Die General-Synode w i r d hiernach aus 75 Mitgliedern, und zwar möglichst zu gleichen Theilen, aus geistlichen und weltlichen bestehen. Den Vorsitz i n derselben haben des Königs Majestät dem Minister der geistlichen Angelegenheiten zu übertragen geruht 1 1 , m i t der Maßgabe, daß derselbe sich lediglich auf die formelle Leitung der Geschäfte beziehen w i r d , ohne eine Betheiligung an der A b s t i m m u n g selbst. Der Minister der geistlichen Angelegenheiten ist gleichzeitig beauftragt, die Geschäfts-Ordnung für die Synodal-Versammlungen und Arbeiten zu bestimmen. Der General-Synode bleibt es überlassen, aus ihrer M i t t e einen Vice-Präsidenten zu erwählen, der den Vorsitzenden i n Behinderungsfällen zu vertreten hat. Durch diese Zusammensetzung werden die Elemente der kirchenregimentlichen Erfahrung, der m i t der evangelischen Kirche i n Deutschland stets innig verbundenen Wissenschaft und der unmittelbaren Anschauung der Gemeinde-Verhältnisse, sowohl von geistlicher als von weltlicher Seite, zu den Berathungen der General-Synode herangebracht werden, u m aus deren Vereinigung ein reifes U r t h e i l über die Bedürfnisse der evangelischen Landeskirche nach allen Seiten h i n zu gewinnen. Der General-Synode w i r d das gesammte, i n den vorbereitenden Kreis- und Provinzial-Synoden entwickelte Material zur weiteren Verarbeitung überwiesen werden; es bleibt aber auch ihrem Ermessen freigestellt, andere Gegenstände, die sie dem Wohle der Kirche für heilsam erachtet, aufzunehmen und sich darüber auszusprechen.

N r . 273. Vorschlag der Ersten Kommission der General-Synode für die Bekenntnisverpflichtung der Geistlichen von 1846 (Verhandlungen der evangelischen General-Synode zu Berlin v o m 2. J u n i bis zum 29. August 1846,1846, 2. Abt., S. 82 ff.) I. Die Symbole, die i n der evangelischen Landeskirche Geltung haben 1 2 , sind: 1. die ökumenischen, nämlich das apostolische, Nicänische u n d Athanasianische Symbol, 2. die Augsburgische Confession, als das zugleich staatsrechtliche und überhaupt angesehenste Bekenntniß der deutschen evangelischen Kirche, und die sich darauf beziehende Märkische Confession, wobei die zweite Helvetische und die Französische Confession i n der Geltung anerkannt werden, welche sie bei einzelnen Gemeinen haben, 3. die beiden Katechismen Luthers und der Pfälzische oder Heidelberger Katechismus, 11

Nämlich dem Kultusminister v. Eichhorn (oben S. 438 A n m . 1). Dazu die Neuausgaben der Symbolischen Bücher: Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche (hrsg. v o m Dt. Ev. Kirchenausschuß, 5. Aufl. 1963); W. Niesei (Hg.), Bekenntnisschriften und Kirchenordnungen der nach Gottes Wort reformierten Kirche (2. Aufl. 1945). 12

X . Die Generalsynode von 1846

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4. diejenigen Schriften, i n welchen sich das Bekenntniß weiter entwickelt und erklärt hat, die Apologie der Augsburgischen Confession, und die Schmalkaldischen A r t i k e l , das Leipziger Gespräch und die Thorner Declaration. A u f die übrigen Symbole, i n sofern sie i n den verschiedenen Landestheilen Geltung haben, zu vociren, bleibt den Patronen und Gemeinden vorbehalten.

II. Die evangelische Kirche ist, wie i h r Name es darthut, i n dem Evangelio gegründet, und u m des göttlichen Wortes willen, an welches sie glaubt, und welches sie bewahrt, zur Freiheit von Satzung und Buchstaben berufen. Daher haben die Zeugnisse v o m Glauben, welche sie der Welt und sich gegeben, u n d durch die sie sich i n Ansehung aller H a u p t a r t i k e l i m Besitze einer schriftmäßigen öffentlichen Lehre weiß, ihre volle u n d beständige Geltung nur i n Zurückführung auf den Grund heiliger Schrift, und i m lebendigen Zusammenhange m i t dem Glauben der christlichen Gemeinde und m i t der theologischen Wissenschaft, welche von ihnen getragen w i r d , und ihnen zur Bewährung gereicht. Dessen ungeachtet hat das kirchliche Verfahren und amtliche Thun, und zwar i n dem Grade mehr, als es i m Namen der kirchlichen Gemeinschaft geschieht, den nächsten G r u n d seiner Berechtigung allezeit i n dem geltenden Bekenntnisse nachzuweisen; und eine Verleugnung und Aufhebung dieser symbolischen Bürgschaft der öffentlichen Lehre u n d persönlichen Lehrfreiheit kann weder auf dem Gebiete der lehramtlichen, noch der liturgischen oder der kirchenregimentlichen Thätigkeit zu Recht bestehen, namentlich und v o r züglich, wenn es entweder die Grundthatsachen und Grundwahrheiten des Heils i n Christo gilt, durch welche sich das Christenthum von andern Religionen unterscheidet, oder die Grundlehren der Heilsordnung, durch welche die evangelische Kirche der römischkatholischen gegenübersteht, oder die P r i n zipien der evangelischen Lehre und Kirchenordnung, k r a f t deren sie sich gegen Anarchie und schwärmerisches Sektenwesen verwahrt und geschützt hat. Obgleich die evangelische Kirche dieses Landes i n ihrer Einheit sich zu keinem Sondersymbole als solchem bekennet, so erkennet sie doch den einzelnen Gemeinen, deren ordnungsmäßig erklärter Wille es ist, das Recht zu, ihre Lehre, gottesdienstliche Übung, Sacramentsfeier und Disciplin i n Gemäßheit ihres besonderen Bekenntnisses fortzuführen, und die Geistlichen durch die Vocation darauf zu verpflichten; und dafern n u r die letztere ordnungsmäßig erfolgt ist, hat das Kirchenregiment mittels der Bestätigung und Einweisung diesem Verhältnisse Schutz u n d Gewähr zu ertheilen. Die zuvor gegebene Erklärung über das Ansehen der Bekenntnißschriften erstreckt sich demnach auch auf die Verbindlichkeiten, welche von den Geistlichen innerhalb solcher Gemeinen übernommen worden sind. Diese Berechtigung für dergleichen Gemeinen schließt aber die Pflicht ein, sich i n ihren Organen und auf dem Gebiete öffentlichen, amtlichen Lehrens und Handelns jeder K u n d gebung zu enthalten, durch welche die lutherische oder die reformirte Confession, oder die evangelische Union, oder die Landeskirche i m Allgemeinen, als schriftwidrig, unevangelisch, unchristlich dargestellt würde.

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18. Kap.: Die evangelischen Landeskirchen in Preußen 1801 - 1848 III.

Die evangelische Kirche dieses Landes, i n ihrer Einheit Pflegerin der evangelischen Union i n Lehre und Bekenntniß, gründet sich auf den einigen u n d übereinstimmenden Lehrinhalt der ganzen evangelisch-protestantischen Reformation und ihrer Bekenntnißschriften, behauptet diesen von jeher in irgend einer Weise anerkannten Consensus, und ist bestrebt, i h n immer vollkommener aufzuweisen u n d darzulegen. Dieser Consens begreift alle die Lehren i n sich, welche nach dem Zeugniß des göttlichen Wortes und der Reformation für christliche Glaubens-, Lebens- und Bekenntniß-Gemeinschaft grundlegend sind; und hat sich eine Erkenntniß und Darlegung desselben seit den Zeiten der Reformation i n den trefflichen Zeugnissen, namentlich i n dem Consensus von Sendomir v o m Jahre 1570, i n der darauf gegründeten kirchlichen Vereinigung der lutherischen u n d reformirten Evangelischen m i t den Böhmischen Brüdern i m Königreich Polen, i n der zu Genf i m Jahre 1581 herausgegebenen Harmonia Confessionium etc., i n der Confessio Marchica oder Sigismundi von 1614, und besonders i n dem Leipziger Gespräche vom Jahre 1631 zwischen Chursächsischen, Churbrandenburgischen u n d fürstlich Hessischen Theologen, fortgepflanzt 1 3 . Er besteht seinen Grundzügen nach i n Folgendem: Z u m Ersten i n dem Bekenntnisse, durch welches die Reformation ihre Ubereinstimmung m i t der alten apostolisch-christlichen Kirche behauptet, und sich von den Häresieen losgesagt hat, welche den geschichtlichen G r u n d und Charakter des Christenthums aufheben oder verändern, nämlich i n dem Bekenntnisse zu dem dreieinigen, ewigen, allwissenden und heiligen Gotte, dem Schöpfer und Erhalter der Welt, der sich uns als Vater, Sohn und heiliger Geist geoffenbart hat; so wie zu der Menschwerdung des eingebornen Sohnes Gottes in Jesu Christo, u n d zu den übrigen Thatsachen des Heils, auf welche die Apostel Predigt und Kirche gegründet haben, u n d die i n den Bekenntnissen der allgemeinen Christenheit bezeichnet sind. Zweitens i n dem einmüthig ausgesprochenen Grundsatze, daß jede Uberlieferung der Kirche an dem maaßgebenden Ansehen der kanonischen heiligen Schrift ihre Bedingung und Schranke habe; daß die Entscheidung der kirchlichen Lehrstreitigkeiten nicht auf dem Ausspruche eines unfehlbaren Lehramts, sondern auf der heiligen Schrift vermöge ihrer Zulänglichkeit und Deutlichkeit beruhe, u n d daß die Apokryphen des A l t e n Testaments, wenn gleich i h r Gebrauch i n beiden evangelischen Confessionen theilweise ein verschiedener ist, doch zu diesem Grunde der Lehren vom Glauben und den Geboten Gottes nicht gehören. Er bestehet ferner i n der Lehre, daß nicht durch den W i l l e n und nach der Ordnung Gottes, welcher kein Urheber des Bösen ist, sondern durch den eigenen W i l l e n der Creatur der Mensch i n Sünde gefallen, und daß er u m der Sünde w i l l e n verdammlich sei, daß derselbe natürliche Mensch aus eigner K r a f t zwar eine bürgerliche Gerechtigkeit sich zu verschaffen, aber nicht das göttliche Gesetz i n seinem Wesen zu erfüllen, oder sich Vergebung der Sünden bei Gott zu verdienen vermöge; daß die Barmherzigkeit Gottes dennoch das menschliche Geschlecht nicht verlassen, sondern sich an i h m auf mancherlei Weise, endlich durch die Sendung seines Sohnes i n die Welt bezeugt habe, 13

C. 1. Nitzsch, Urkundenbuch der Evangelischen Union (1853), S. 11 ff.

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welcher unsre Erlösung vollbracht hat als unser einiger M i t t l e r , und i n seiner hohenpriesterlichen Wirksamkeit jede andere ergänzende, oder sonst hinzukommende Genugthuung für die Sünde, i n seinem Königlichen A m t e aber jede menschliche Herrschaft über die Kirche ausschließe. Nicht minder ist die evangelische Kirche beider Seiten einverstanden i n der Lehre von der göttlichen Rechtfertigung des Sünders aus lauter Gnade durch den Glauben an Christi Versöhnung, u n d von den guten Werken, welche aus der Liebe hervorgehen als Früchte und Zeugnisse des lebendigen Glaubens, u n d u m des Gottes willen, der sie geboten hat, u n d dem zu Ehren sie geschehen, nothwendig sind. Aus diesen Sätzen erhellet die Ubereinstimmung i n der Lehre von der Buße, Wiedergeburt und täglichen Erneuerung. Dieser Consens besteht ferner i n den Erklärungen, welche die Reformation über die Unmöglichkeit von guten Werken, welche die Forderung des Gesetzes übersteigen, so wie über die nicht außerhalb, sondern innerhalb der natürlichen von Gott gestifteten Stände, der Ehe, des häuslichen und des bürgerlichen Lebens anzustrebende Vollkommenheit der Nachfolge Christi einstimmig abgegeben hat; ferner i n dem Bekenntnisse von der Kirche, von den Gnadenmitteln und den kirchlichen Ordnungen; daß die Kirche, deren Wahrheit an der Lauterkeit der Lehre, und der schriftmäßigen V e r w a l t u n g der Sacramente erkannt werde, zwar wesentlich die Gemeine der Heiligen oder Gläubigen sei, daß sie aber das Innere nicht richte, und von der Gesinnung u n d Würdigkeit der Verwaltenden die W i r k u n g der Gnadenmittel nicht abhängig mache, daß es i h r jedoch gebühre, durch Lehre u n d Pflege, so wie durch Zucht und Ordnung die Berufenen heranzubilden, und sich von Ärgernissen zu reinigen; daß das A m t der Predigt von göttlicher Stiftung u n d ordnungsmäßig zu bestellen sei, und daß eine von dem äußern Worte i n heiliger Schrift losgerissene Erleuchtung und Sendung keine Anerkennung finden könne; daß die Taufe und das heilige Abendmahl als die alleinigen sacramentlichen Stiftungen des Neuen Testaments bis auf die Z u k u n f t des H e r r n fortzusetzen seien; daß sie nicht durch die äußerliche Verrichtung, sondern kraft der Glauben weckenden und Glauben fordernden Verheißung H e i l und Segen wirken, und daß die Kirche Ordnungen des Gottesdienstes, der Sacramentsfeier, und Sitte, auch Armenpflege einzurichten habe, nur daß dergleichen Werke und Einrichtungen nicht gegen das Evangelium verstoßen, noch u m des Heiles der Seele w i l l e n für nöthig oder unveränderlich geachtet werden dürften ; endlich i n den Lehren von den zukünftigen Dingen, wie sie schon i n den Bekenntnissen allgemeiner Christenheit begriffen sind, und i n Allem, was zur Hoffnung auf Christum i n Kreuz u n d Leiden gehört, überhaupt in der Lehre vom christlichen Leben u n d seligen Sterben. Neben diesem die evangelische Kirchengemeinschaft tief begründenden Consensus besteht n u n zwar eine Verschiedenheit der Lehren von den Sacramenten überhaupt, insonderheit von dem heiligen Abendmahle, von der Beichte u n d dem A m t e der Schlüssel und von der Gnadenwahl, welche sich innerhalb der Reformation gebildet u n d in den Sondersymbolen mehr oder minder ausgedrückt hat; allein abgesehen davon, daß sie denjenigen deutschen Bekenntnissen, welche das ausgebreitetste Ansehen erlangt haben, in ihrer ganzen Schärfe nicht einwohnt, und daß sie großentheils i n eine Mannichfaltigkeit

18. Kap.: Die evangelischen Landeskirchen in Preußen 1801 - 184 theologischer Auslegung u n d christlicher Privatmeinung allmählig übergegangen ist, so läßt sich selbst i n diesen Lehren aus den Darlegungen des Dissensus, welche auf beiden Seiten Statt gefunden haben, von Neuem, und zwar schon nach Anleitung des Leipziger Gesprächs über die A r t i k e l des Augsburger Bekenntnisses und anderer Urkunden, ein bedeutender Consensus herausstellen, welcher auf Einheit i m Schriftgrunde hinweiset, und bereits jetzt unter V o r behalt weiterer Verständigung folgendermaaßen erklärt werden kann. Was nämlich die Lehre von der Gnadenwahl anlangt, so läßt es sich unzweideutig als Bekenntniß der Evangelischen Kirche erkennen, was i n folgenden Sätzen enthalten ist und die praktische Seite des Dogmas ausmacht: 1. Da es der i n Christus geoffenbarte Wille Gottes ist, daß der Sünder nicht sterbe, sondern lebe, nämlich daß er durch die Predigt vom Kreuze sich bekehren lasse und durch den Glauben selig werde, so ist der berufende Gnadenwille Gottes i n seiner Beziehung auf Alle, die das Evangelium hören, wahrhaft und ernstlich. 2. Diejenigen aber, welche k r ä f t i g berufen werden, dürfen es nicht ihrem Laufen oder Glaubensverdienste zuschreiben, sondern allein der Barmherzigkeit u n d W a h l ihres Gottes, daß er sie angenehm gemacht hat i n dem Geliebten, und diejenigen, welche das Heil nicht erlangen, haben es nicht der Ohnmacht des Evangeliums noch der Unwahrheit des Gnadenrufes, sondern ihrem Ungehorsam gegen das Evangelium und ihrem Widerstreben gegen den Geist der Gnade zuzuschreiben. 3. Welche aber durch den Glauben gerechtfertigt Frieden haben u n d Früchte der Gerechtigkeit, die sollen auch unter schweren Anfechtungen getrost sein, daß ihnen nicht bloß eine zeitliche und vergängliche Gnade widerfahren ist, da sie gläubig wurden, sondern ein ewiger Vorsatz und Rath der Liebe Gottes sich an ihnen offenbart hat, und sollen kraft dieses Trostes ihre Erwählung fest zu machen streben. I n Ansehung der Sacramente lehret dieselbe evangelische Kirche einhellig: 1. Christus, i n dessen Gemeinschaft das Heil ist, hat dieses uns erworben und eignet es uns zu. Die M i t t e l seiner Gnadenwirkung sind Predigt und B u n dessiegel. Das Gnadenbundessiegel ist ein zwiefaches, die Taufe und das heilige Abendmahl; jenes dient zur Begründung des Lebens i m Gnadenbunde m i t dem Heilande, dieses zur Erfüllung, Erneuerung und Vervollkommnung desselben. Das Gleiche i n Beiden ist, daß sie sind von Christus der Kirche verordnete verheißungsvolle und geheimnißreiche Handlungen, i n sein Wort gefaßt, durch welche der A n t h e i l an i h m und seinem Heile nicht allein abgebildet u n d dargeboten, sondern auch verbürgt und gewährt wird. Nicht der Glaube des Empfängers, sondern die Gnade des unsichtbaren Spenders w i r k e t diesen Segen, welchen nicht das Wollen oder Nichtwollen des sichtbaren Spenders verbürgen oder verkürzen kann, w o h l aber die Unbußfertigkeit und Heuchelei des Empfängers i n Unsegen und Gericht verwandelt. 2. Die Taufe ist die heilige Handlung der christlichen Kirche, durch welche die rechtfertigende und belebende Gemeinschaft des Erlösers i n dem Berufenen gestiftet w i r d , und da der Herr selbst uns geheißen, auch die K i n d e r zu i h m zu bringen, daß er sie segne und sein Heil ihnen zueigne, so darf und soll sie auch den Unmündigen ertheilt werden, die dadurch i n den Bereich seiner gnadenvollen W i r k u n g aufgenommen werden.

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3. Das heilige Abendmahl ist das Siegel und M i t t e l des persönlichen und gemeinsamen Gnadenbundes m i t dem Herrn, oder die i n der Einsetzung des gesegneten Brodtes und Kelches von Christus gestiftete wahre Gemeinschaft seines Leibes u n d Blutes, i n welcher er die Kräfte seines Lebens und die Segnungen seiner Erlösungen von Sünde und Tod also uns mittheilt, daß w i r den K a m p f gegen das Fleisch, die Welt und ihren Fürsten immer siegreicher bestehen mögen. Betreffend endlich die Beichte und das A m t der Schlüssel, erkennet sie an: Die Kirche hat i n den Aposteln Vollmacht empfangen, nicht n u r das Wort von der Versöhnung zur Buße zu predigen, sondern auch denjenigen, welche ihre Sünden bekennen und Gotte abbitten unter der Bedingung einer bußfertigen und gläubigen Gesinnung die Vergebung i m Namen Gottes zu sprechen, u n d denen es zu verweigern, welche öffentlich i n Lastern leben und weder ein Bekenntniß zur Buße, noch eine Frucht derselben zeigen. Eine hochwürdige General-Synode wolle beantragen, daß eine Sammlung der ad I. Nr. 1 - 4 genannten Bekenntnißschriften veranstaltet und herausgegeben werde.

N r . 274. Hauptsätze der Z w e i t e n Kommission der Generalsynode zur Frage der Kirchenverfassung von 1846 (Verhandlungen der evangelischen General-Synode zu B e r l i n vom 2. J u n i bis zum 29. August 1846, 1846, 2. Abt., S. 118 f.) § 1. Es mögen i n den östlichen Provinzen der Monarchie für die evangelische Landeskirche unter Beibehaltung der Consistorial-Verfassung presbyteriale und synodale Einrichtungen ausgebildet werden i n der Weise, wie folgt: Diese Fortbildung der Verfassung zu größerer Selbständigkeit der evangelischen Kirche hat die Absicht, das kirchliche Leben auf dem Boden des evangelischen Bekenntnisses zu fördern. § 2. Die weltlichen Mitglieder des Presbyteriums werden von der Gemeinde gewählt auf bindenden Vorschlag des Presbyteriums. I h r A m t ist auf bestimmte, nicht zu kurze Dauer. Wahlberechtigt sind alle selbständigen, unbescholtenen Hausväter, wählbar nur die, welche zugleich ihren kirchlichen Sinn durch Theilnahme an Gottesdienst und Abendmahl bewähren. (Vergi. Grundzüge Nr. 1 - 7.) 14 . § 3. Die Wirksamkeit des Presbyteriums umfaßt: Den Einfluß auf das christliche Leben der Gemeinde durch Aufsicht, Z u spräche, Mahnung, Zucht. Die Erhaltung der äußeren Ordnung beim Gottesdienst. Die Ausübung der Liebesthätigkeit der Gemeinde, namentlich die A r m e n und Krankenpflege. Die Vermögens-Verwaltung. Die Überwachung der Schule, namentlich des Schulbesuchs. 14 Die „Grundzüge" finden sich in den Verhandlungen der General-Synode, 2. Abt., S. 128 ff.

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18. Kap.: Die evangelischen Landeskirchen i n Preußen 1801 - 1848

Die rechtliche Stellvertretung der Gemeinde i n Abgabe der Stimme f ü r neue legislative Anordnungen u n d v o r Gericht. (Grundzüge Nr. 10.) §4. Der Pfarrer ist an die Beschlüsse des Presbyteriums i n dessen Geschäftskreis gebunden; i n seiner persönlichen Amtsthätigkeit, was Lehre, Seelsorge, Spendung der Sacramente u n d Vornahme der Actus Ministeriales betrifft, ist er von dem Presbyterium unabhängig, u n d haben die Ältesten n u r die Überwachung u n d geeignetenfalls die Anzeige an den Superintendenten. § 5. Der Gebrauch der Kirchen f ü r andere Handlungen, als die, welche zum Gottesdienst u n d den kirchlichen Erbauungsmitteln der evangelischen Kirche gehören, k a n n n u r durch das Presbyterium u n d das Consistorium gemeinsam verfügt werden. — Welche Handlungen außer den liturgisch vorgeschriebenen als zum Gottesdienst u n d den kirchlichen Erbauungsmitteln der evangelischen Kirche gehörig zu betrachten seien, bestimmt das Consistorium allein. § 6. Der Pfarrer u n d bezüglich das Presbyterium üben die Kirchenzucht i n der bestehenden gesetzlichen Grenze. Die Mahnung und Warnung erfolgt i n den geordneten Stufen zuerst durch den Pfarrer, dann durch das gesammte Presbyterium. — Findet der Pfarrer Bedenken, Jemanden zu den Sacramenten zuzulassen, so hat er die Sache i m Presbyterium vorzulegen. Wenn dieses sein Bedenken gegründet findet, so bedarf es keiner weiteren Anfrage bei der höheren Behörde, es bleibt aber dem von den Sacramenten Abgehaltenen der Recurs offen: zunächst an das Moderamen der Kreis-Synode, sodann an das Consistorium. Findet das Presbyterium das Bedenken des Pfarrers nicht gegründet, so steht es diesem frei, unter Einsendung des abweichenden Beschlusses des Presbyteriums die Vorbescheidung des Moderamens der KreisSynode, u n d wenn er sich bei dieser nicht begnügt, des Consistoriums einzuholen, nach der näheren Bestimmung des § 88 und § 90 des Thl. I I . Tit. 11. des Allgem. Landrechts 1 6 . § 7. Das jetzt keimende I n s t i t u t der Diaconie w i r d dadurch gewahrt, daß das Presbyterium außer den Diaconen, die Mitglieder desselben sind, noch Helfer (Hülfsdiaconen) m i t amtlichem Charakter annehmen kann, daß es ferner dem Pfarrer unbenommen bleibt, persönliche Gehülfen f ü r die Zwecke der Diaconie ohne amtlichen Charakter anzunehmen und zu entlassen, und daß die Wirksamkeit der freien christlichen Vereine ungehemmt ist. (Grundzüge Nr. 14.) § 8. Z u r Erleichterung des Pfarrers kann auf Anordnung des Presbyteriums und Zustimmung des Consistoriums ein Ältester m i t den äußeren Geschäften der pfarramtlichen V e r w a l t u n g betraut werden. Eben so können die äußerlichen Superintendenturgeschäfte durch das Consistorium dem weltlichen Assessor des Moderamens der Kreis-Synode übertragen werden. (Grundzüge Nr. 15 u n d Nr. 25) §9. Der Patron behält seine bisherigen Rechte auch der V e r w a l t u n g des Presbyteriums gegenüber, n u r statt der Ernennung selbständiger Verwalter des Kirchenvermögens (Kirchenvorsteher) ernennt er, falls er sich dies v o r behält, von nun an die Kirchmeister i m Presbyterium. — Er ist als Gemeindeglied ins Presbyterium wählbar, wenn er die W a h l annehmen w i l l .

1

ben

. 1.

X. Die Generalsynode von 1846

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§10. I n der Kreis-Synode sitzen alle selbstständigen Geistlichen des K i r chenkreises u n d für jedes Presbyterium ein weltliches Mitglied, das es hierfür wählt. I n der Provinzial-Synode sitzen alle Superintendenten der Provinz, es werden dazu noch ein geistliches u n d ein weltliches Mitglied von jeder Kreis-Synode gewählt. I n der Landes-Synode sitzen alle General-Superintendenten u n d Präsidenten der Consistorien; es werden dazu drei geistliche u n d drei weltliche Mitglieder von jeder Provinzial-Synode gewählt. Überdies ordnen die theologischen u n d juristischen Fakultäten, jede ein M i t g l i e d sowohl für die betreffende Provinzial- als f ü r die Landes-Synode ab. I n der Provinzial-Synode werden auch noch die theologischen Seminare u n d die Schullehrer-Seminare, so wie endlich die Gymnasien, vertreten, und i n der LandesSynode nehmen noch die vier Hofprediger Platz. (Grundzüge Nr. 20, 26 u n d 31) Die Kreis- u n d Provinzial-Synoden werden periodisch versammelt, die General-Synoden n u r bei besonderer Veranlassung. §11. Der Superintendent hat den Vorsitz i n der Kreis-Synode, der GeneralSuperintendent den Vorsitz i n der Provinzial-Synode. Beide erhalten i h r A m t auf Lebensdauer u n d werden v o m K ö n i g ernannt. Der Superintendent w i r d v o r der Ernennung der Kreis-Synode bezeichnet und deren Gutachten über i h n vernommen, ebenso der General-Superintendent der Provinzial-Synode. Den Präsidenten der General-Synode ernennt der König innerhalb oder außerhalb der Synode. Den Vice-Präsidenten oder resp. den Assessor wählen die Synoden selbst unter Bestätigung der Kirchen-Behörde. §12. Die Wirksamkeit der Kreis-Synode umfaßt: 1. den moralischen Einfluß durch die Besprechung der kirchlichen Angelegenheiten; 2. das Hecht der Anträge an das Consistorium und die Provinzial-Synode; 3. die Aufsicht neben der des Superintendenten, dazu das Recht, M i t t h e i l u n g v o m Superintendenten zu erhalten, u n d das Recht der Anzeige, der Beschwerde und des Strafantrags beim Consistorium; 4. die Disciplin i n geringem Grade, nämlich der Superintendent ertheilt die brüderliche Vermahnung, das Moderamen der Kreis-Synode, Mahnung und Verweise. Der Superintendent ist i n diesen Gegenständen an die Beschlüsse der KreisSynode gebunden, aber seine V e r w a l t u n g u n d Aufsicht als verantwortliches Organ des Consistoriums übt er von i h r unabhängig aus. Das Moderamen der Kreis-Synode erhält auch einen weltlichen Assessor. §13. Die Provinzial-Synode hat für den kirchlichen Zustand der Provinz: 1. die Aufsicht neben der des Consistoriums, diese ist w i r k s a m i n Anzeige, Beschwerde, Straf-Antrag beim Consistorium; 2. das Recht des Antrags f ü r neue Anordnungen. Sie faßt Beschlüsse über die kirchlichen Angelegenheiten, diese werden aber erst durch die Königliche Bestätigung zu kirchlichen Anordnungen; 3. das Gutachten f ü r Propositionen der Kirchenbehörde; 4. die Zustimmung, wenn die kirchliche Grundverfassung der Provinz geändert werden soll. Die Landes-Synode hat aber diese Rechte f ü r den kirchlichen Zustand der Landeskirche, insbesondere das Recht der Zustimmung, wenn eine Abände-

18. Kap.: Die evangelischen Landeskirchen in Preußen 1801 - 184 rung i n der Grundverfassung der Landeskirche i n Lehre, Cultus und organischen Einrichtungen getroffen werden soll. Der Landesfürst bleibt hiernach die anordnende Macht i n der Kirche, er kann sie aber für gewisse Gegenstände nur i m Einverständniß m i t der Synode ausüben. §14. Das Consistorium behält die gesammte Vollziehung, V e r w a l t u n g u n d Disciplin. Es versieht allein die Communication unter allen Organen der Kirche, durch dasselbe gelangen die Anträge der Kreis-Synode an die Provinzial-Synode u n d die Beschlüsse u n d Anträge der Provinzial-Synode an die oberste Kirchen-Behörde resp. den König. Es hat der V e r w a l t u n g des Presbyteriums gegenüber die Überwachung und bez. die Einschreitung oder Bescheidung, desgleichen f ü r die Kirchenzucht namentlich die Versagung der Sacramente, welche Pfarrer oder Presbyterium üben, hat es die letzte E n t scheidung entweder auf Anfrage oder auf Rekurs. Es ertheilt Verweise und Strafen nicht blos auf A n t r a g der Kreis- u n d Provinzial-Synode, sondern auch von Amtswegen, und sind i h m dazu namentlich alle Disciplinar-Entscheidungen des Moderamens der Kreis-Synode, auch die freisprechenden, einzusenden. (Grundzüge Nr. 23) N u r während eine Disciplinarverhandlung beim Moderamen der Kreis-Synode schwebt, darf es nicht selbst einschreiten. Doch hat die Provinzial-Synode i n folgenden zwei Stücken eine M i t w i r k u n g an der Verwaltung und Disciplin: 1. die Provinzial-Synode w ä h l t aus ihrer M i t t e Abgeordnete, welche an der Prüfung der Candidaten m i t Stimmrecht T h e i l nehmen; 2. wenn gegen einen Geistlichen wegen der Lehre oder wegen eines Verhaltens, das sich auf seine Ansicht von der Lehre gründet, ein Disciplinarverfahren eingeleitet w i r d , so darf das Consistorium das Endurtheil nicht fällen, ohne vorher ein Gutachten der Provinzial-Synode eingeholt zu haben. Die Provinzial-Synode w ä h l t zu diesem Zweck eine Commission aus ihrer Mitte, welche ein motivirtes Gutachten ausarbeitet u n d als Synodal-Gutachten abgiebt. Das Consistorium ist jedoch bei seinem Spruch an dieses Gutachten nicht gebunden. Die vorläufige Suspension ist dadurch nicht ausgeschlossen. §15. Es soll auch als oberste kirchliche Collegial-Behörde ein Ober-Consistor i u m gebildet werden, bestehend aus einem weltlichen Präsidenten und einer Anzahl geistlicher u n d weltlicher Räthe, sämmtlich vom Könige ernannt. Dasselbe bildet die oberste Instanz i n der Kirchendisciplin, und ist vom Minister der geistlichen Angelegenheiten bei allen allgemeinen Anordnungen i n Sachen der Lehre, Liturgie, Disciplin, u n d Verfassung der Kirche vorher gutachtlich zu vernehmen (Grundzüge Nr. 35). §16. F ü r die Mitglieder des Consistoriums u n d Ober-Consistoriums soll eine Form der Verpflichtung eingeführt werden, i n welcher deutlich sich kund giebt, daß sie Behörden der Kirche sind, den Normen u n d Zwecken der Kirche gebunden. §17. Diese Verfassung soll so bald als möglich u n d ausführbar ins Leben gerufen werden. Bei der Einführung derselben dürfen die gegenwärtig bereits bestellten K i r chenvorsteher nicht beseitigt werden, sondern sie treten f ü r die erste W a h l periode i n das neu zu errichtende Presbyterium ein, wenn sie nicht selbst darauf verzichten.

X I . Die Errichtung des evangelischen Oberkonsistoriums

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Die übrigen weltlichen Mitglieder des Presbyteriums werden das erstemal so gewählt, daß das Vorschlagsrecht, das i n der Folge dem Presbyterium zustehen w i r d , jetzt v o m Pfarrer, den Kirchenvorstehern und beim privatgutsherrlichen Patronat v o m Patron gemeinsam geübt w i r d . E i n vom Consistorium zu bestellender Commissar, als welcher auch der Superintendent, ja der Pfarrer selbst ernannt werden kann, leitet die Wahl, n i m m t an den Verhandlungen der Vorschlagsberechtigten Theil, ohne dadurch Stimmrecht zu erhalten, u n d berichtet an das Consistorium. Die das erstemal gewählten Ältesten unterliegen der Bestätigung des Consistoriums.

X I . D i e Errichtung des evangelischen Oberkonsistoriums Der einzige Beschluß der Generalsynode von 1846, den König Friedrich Wilhelm IV. vollzog, war der Vorschlag, als oberste kirchliche Verwaltungsbehörde ein evangelisches Oberkonsistorium einzurichten (oben Nr. 274). Für die Synode stand diese Anregung allerdings unter der Voraussetzung, daß der neuen kirchlichen Zentralbehörde die gleichzeitig vorgeschlagene permanente Generalsynode als Vertretungsorgan der Gemeinden und Provinzialkirchen gegenüberstehen würde. Der König jedoch nahm den Vorschlag zur Errichtung der Zentralbehörde isoliert auf. Mit der Verordnung vom 28. Januar 1848 (Nr. 275) verfügte er die Errichtung des Oberkonsistoriums, ohne die am 29. August 1846 vertagte Generalsynode erneut einzuberufen. Aber auch das Oberkonsistorium trat nicht in Funktion. Denn infolge der Revolutionsereignisse wurde, wie das Staatsministerium bereits am 15. April 1848 bekanntgab (Nr. 276), die Errichtung des Oberkonsistoriums widerrufen. Erst 1850 entstand mit dem Evangelischen Oberkirchenrat die geplante kirchliche ZentralbehördeGleichwohl war die Verordnung vom 28. Januar 1848 eine wichtige Stufe im Entwicklungsgang der evangelischen Kirchenverfassung.

N r . 275. Verordnung wegen Errichtung eines Evangelischen Ober-Konsistoriums vom 28. Januar 1848 (Preußische Gesetz-Sammlung 1848, S. 27) W i r Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, K ö n i g von Preußen . . . haben beschlossen, für die obere Leitung des evangelischen Kirchenwesens eine andere Einrichtung eintreten zu lassen, u n d verordnen zu diesem Zwecke, m i t Rücksicht auf die Vorschläge der i m Jahre 1846 versammelt gewesenen evangelischen General-Synode, nach dem Antrage Unseres Staatsministeriums, was folgt: §1. Es soll eine obere Kirchenbehörde für die evangelische Landeskirche unter dem Namen: „Evangelisches Ober-Konsistorium" i n Berlin errichtet werden. 1

Dazu „Staat und Kirche", Bd. I I .

40 Huber, Staat und Kirche, 1. Bd.

18. Kap.: Die evangelischen Landeskirchen in Preußen 1801 - 184 §2. Z u beständigen Mitgliedern des Ober-Konsistoriums werden W i r eine Anzahl von Männern evangelischen Bekenntnisses, geistlichen u n d weltlichen Standes berufen. §3. Z u r Berathung wichtiger Angelegenheiten sollen dieser Versammlung die Vorsitzenden der Provinzialkonsistorien u n d die Generalsuperintendenten hinzutreten. I n Verhinderungsfällen können die Vorsitzenden der Provinzialkonsistorien durch ein weltliches Mitglied, und die Generalsuperintendenten durch ein geistliches M i t g l i e d des Konsistoriums sich vertreten lassen. § 4. Den Vorsitz i m Ober-Konsistorium f ü h r t Unser Minister der geistlichen Angelegenheiten, i n dessen Vertretung ein von Uns zu ernennender VicePräsident. §5. Das Ober-Konsistorium bildet für alle evangelisch-kirchlichen Angelegenheiten, welche nach § 1 der Verordnung v o m 27. J u n i 18452 i n Verbindung m i t § 2 der Dienstinstruction für die Provinzialkonsistorien v o m 23. Oktober 18173 u n d L i t t r . B. Nr. 1 - 4 der Order v o m 31. Dezember 1825, betreffend eine Abänderung i n der bisherigen Organisation der Provinzial-Verwaltungsbehörden 4 dem amtlichen Wirkungskreise der Provinzialkonsistorien zugewiesen sind, die oberste kirchliche Behörde. I n Disziplinarangelegenheiten gehen zugleich die i n den Ordern v o m 12. A p r i l 18225 u n d vom 27. A p r i l 18306 dem Minister der geistlichen Angelegenheiten übertragenen Befugnisse auf das Ober-Konsistorium über. Dasselbe steht i n allen diesen Angelegenheiten m i t den Provinzialkonsistorien i n unmittelbarem amtlichen Verkehr, fordert von ihnen Bericht u n d entscheidet auf Anfragen und Rekursbeschwerden unmittelbar. Gegen diese Entscheidungen findet ein weiterer Rekurs an den Minister der geistlichen Angelegenheiten nicht statt. I n denjenigen Fällen, i n welchen es einer Berichterstattung an Uns, oder einer M i t w i r k u n g von Behörden anderer Ressorts bedarf, faßt das OberKonsistorium seine Vorschläge u n d Wünsche i n die Form von Gutachten oder Anträgen, u n d legt dieselben dem Minister der geistlichen Angelegenheiten zur weiteren Veranlassung vor. § 6. Eine Zusammenberufung der größeren Versammlung des Ober-Konsistoriums (§3) findet regelmäßig alle Jahr einmal statt; außerdem so oft es nach dem Ermessen des Vorsitzenden das Bedürfniß erheischt. A n diese größere Versammlung werden gewiesen: 1. alle Disziplinarsachen w i d e r Geistliche u n d Kandidaten, i n welchen i n erster Instanz auf Verlust des A m t s oder der Wahlfähigkeit, auf unfreiwillige Versetzung, oder auf Demeritirung erkannt ist; 2. der Vortrag der jährlichen Verwaltungsberichte der Provinzialkonsistorien u n d die Beschlußnahme über die daran sich knüpfenden Maaßnahmen u n d Anträge; 3. die schließliche Berathung über neue organische Einrichtungen für das evangelische Kirchenwesen. 2 3 4 5 6

Oben Nr. 271. Oben Nr. 56. Oben Nr. 58. GS 1822 S. 105. GS 1830 S. 81.

X I . Die Errichtung des evangelischen Oberkonsistoriums

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Der Vorsitzende ist befugt, auch andere, wichtige Gegenstände an die größere Versammlung zu verweisen. § 7. Die Beschlüsse des Ober-Konsistoriums erfolgen i n kollegialischer Form. I n Disziplinarsachen haben sich diejenigen Mitglieder, welche bei der Entscheidung i n erster Instanz m i t g e w i r k t haben, ihrer Stimme zu enthalten. §8. Unser Minister der geistlichen Angelegenheiten ist beauftragt, wegen Ausführung dieser Verordnung das Weitere zu veranlassen. N r . 276. Bekanntmachung des preußischen Staatsministeriums betreffend die Auflösung des Oberkonsistoriums v o m 15. A p r i l 1848 (Preußische Gesetz-Sammlung 1848, S. 114) Se. M a j . der K ö n i g haben auf den A n t r a g des Staatsministeriums die A l l e r höchste Sanktion dazu ertheilt, daß das durch Verordnung vom 28. Januar d. J. errichtete, bis jetzt jedoch nicht i n Wirksamkeit getretene Ober-Konsistorium wieder aufgelöst werde u n d die vor Errichtung desselben gültigen Bestimmungen über das Ressortverhältniß der Kirchenbehörden bis dahin wieder i n K r a f t treten, daß die neue Kirchenverfassung begründet ist. Das Staatsministerium bringt diese Allerhöchste Anordnung hierdurch zur öffentlichen Kenntniß. Die weiteren, die Ausführung derselben betreffenden Verfügungen werden durch den Minister der geistlichen Angelegenheiten erfolgen.

Neunzehntes Kapitel D i e evangelischen K i r c h e n i n B a y e r n I . Die E d i k t e über die Neuordnung der protestantischen Kirchenverfassung 1808-1809 In Bayern waren die drei nach dem Westfälischen Frieden gleichberechtigten Konfessionen durch die Verordnungen vom 26. August 1801 (oben Nr. 27) und vom 10. Januar 1803 1 gleichmäßig anerkannt worden. Im Zug der staatlichen Umgestaltung Deutschlands hatte die Zahl der Protestanten im bayerischen Staatsgebiet sich erheblich vermehrt. Dadurch sah König Max Joseph von Bayern sich veranlaßt, nicht nur für die staatliche Kirchenaufsicht, sondern auch für das Kirchenregiment der bayerischen Protestanten Sorge zu tragen. Obwohl selbst katholischer Konfession, betrachtete er sich auch als Inhaber des landesherrlichen Summepiskopats der evangelischen Landeskirchen des Staatsgebiets 2. Das Edikt vom 8. September 1808 (Nr. 277) setzte zur Ausübung des Kirchenregiments und der Kirchenaufsicht ein Generalkonsistorium als Sektion des Innenministeriums ein. Das Edikt vom 17. März 1809 (Nr. 278) bestimmte die General-Kreiskommissariate zu Mittelinstanzen in der Wahrnehmung der entsprechenden Rechte ; die Kreiskommissariate erhielten damit die Stellung von staatlichen Kirchenaufsichtsbehörden wie von evangelischen Generaldekanaten. In dieser zweiten Funktion waren ihnen zur Wahrnehmung der innerkirchlichen Aufgaben protestantische Kreiskirchenräte beigegeben. Die örtliche Kirchenverwaltung lag in der Hand der Distrikts-Dekanate. Die Geschäftstätigkeit dieser Behörden wurde geregelt durch die mit der Verordnung vom 8. September 1809 erlassene Konsistorialordnung (Nr. 279), die aus drei Teilen bestand: I. der Instruktion für das Generalkonstistorium, II. der Spezialinstruktion für die Generalkreiskommissariate in Beziehung auf das Kirchenwesen, III. der Spezialinstruktion für die Distriktsdekane. Sie blieb auch nach der Neuordnung der Kirchenbehörden von 1818 (unten Nr. 280) für die ganze Dauer des 19. Jahrhunderts in Kraft.

1

Oben S. 62 A n m . 2. Ebenso wie der K ö n i g von Sachsen (unten S. 698). Vgl. E. Friedberg, Das geltende Verfassungsrecht der evangelischen Landeskirchen in Deutschland und Österreich (1888), S. 115 ff. 2

I. Edikte über Neuordnung protestantischer Kirchjenverfassung

629

N r . 277. Organisches E d i k t , die A n o r d n u n g einer Sektion i n Kirchengegenständen bei d e m M i n i s t e r i u m des I n n e r n betreffend v o m 8. September 1808 (Bayerisches Regierungsblatt 1808, Sp. 2271 ff.) — Auszug — W i r haben beschlossen, die den Kirchensachen bei Unserm M i n i s t e r i u m des I n n e r n gewidmete eigene A b t h e i l u n g u n t e r der Benennung: Section der k i r c h lichen Gegenstände, u n t e r den hier näher ausgedrückten Bestimmungen zu bilden u n d beschließen demnach, w i e folgt. I. Formation Die Section der kirchlichen Gegenstände als eine besondere A b t h e i l u n g des Ministeriums des I n n e r n besteht aus dem Vorstande; zwei ordentlichen, einem katholischen u n d einem protestantischen ; zwei ausserordentlichen protestantischen Räthen, vorzüglich f ü r Consistorial-Geschäfte; einem expedirenden Secretär; zwei Kanzellisten, w o v o n der erste das besondere Protokoll des protestantischen Consistoriums f ü h r t ; . . . V. Der Wirkungskreis dieser A b t h e i l u n g befaßt i m Allgemeinen den V o r t r a g über alle Gegenstände, welche die äussere Kirchenpolizei 3 u n d die Aufrechth a l t u n g der darüber erlassenen oder noch zu erlassenden Gesetze, V e r o r d n u n gen u n d Reglements betreffen . . . V I . In Beziehung

auf die vereinigte

Staats - und

Kirchengewalt

1. I n dieser Beziehung bildet die Ministerialsection der kirchlichen A n g e legenheiten zugleich das General-Consistorium f ü r die i n dem Reiche öffentlich recipirten protestantischen Confessionen, u n d besorgt i n dieser Eigenschaft nicht n u r die Kirchen-Polizei, sondern alle aus dem obersten Episcopat, u n d der L e i t u n g der innern Kirchen-Angelegenheiten hervorgehenden Geschäfte. 2. Sie f ü h r t theils u n m i t t e l b a r , theils durch den General-Superintendenten u n d die Decane, die oberste Aufsicht über die Kirchen-Disciplin, v o n i h r gehen alle die E r h a l t u n g u n d Verbesserung derselben bezielenden allgemeinen A n ordnungen aus. 3. Das General-Consistorium wacht auf die Lehrvorträge der Geistlichen u n d der Schullehrer (in so w e i t diese m i t dem Religionsunterrichte sich befassen) u n d f ü h r t ein Verzeichniß über dieselben u n d deren B e n e h m e n . . . . 4. Die oberste L e i t u n g des Gottesdienstes, die B e w a h r u n g oder Verbesserung der L i t u r g i e u n d des Kirchenritus liegt i h m ob . 5. Die P r ü f u n g pro Ministerio u n d die Ziehung der hieraus hervorgehenden Resultate geschieht ausschließend bei dem Generalconsistorium nach der allgemeinen I n s t r u c t i o n über die theologischen Prüfungen, welche alsbald nach der Constituirung des Generalconsistoriums öffentlich bekannt gemacht w e r den soll. 3

Das heißt: die j u r a circa sacra.

630

19. Kap.: Die evangelischen Kirchen i n Bayern

6. Nach den Resultaten dieser Prüfungen schlägt das Generalconsistorium Uns die Candidaten zu den Pfarrstellen unmittelbar vor. 7. Unser Generalconsistorium hat sich übrigens vorzüglich angelegen sein zu lassen, die bereits angefangene Beschreibung des gesammten Kirchenwesens i n Unserm Königreiche zu vollenden . . . 8. Übrigens soll eine eigene Consistorialordnung den Geschäftskreis Unseres protestantischen General-Consistoriums u n d dessen übrige Verhältnisse näher festsetzen 4 ... N r . 278. Organisches Edikt, die Bildung der Mittelstellen für die protestantischen Kirchenangelegenheiten und ihre Verhältnisse zu dem bei dem M i n i s t e r i u m des I n n e r n angeordneten Generalkonsistorium betreffend v o m 17. März 1809 (Bayerisches Regierungsblatt 1809, Sp. 569 ff.) — Auszug — W i r haben durch das organische Edict v o m 8. September v. J. bei Unserem M i n i s t e r i u m des I n n e r n eine eigene Section f ü r die kirchlichen Gegenstände angeordnet, welcher i m § 6 desselben, i n Beziehung auf die vereinigte Staatsu n d Kirchengewalt, die Besorgung sowohl der Kirchenpolizei über die i n Unserem Reiche bestehenden protestantischen Confessionen, als aller aus dem obersten Episcopat u n d der L e i t u n g ihrer innern Kirchenangelegenheiten hervorgehenden Geschäfte aufgetragen ist. Damit die bei den vormaligen Landes-Directionen i n München, U l m , Bamberg, Amberg, dann bei der vormaligen Kriegs- und Domänenkammer i n Ansbach bestandenen u n d m i t denselben aufgelösten protestantischen Consistorien durch ein anderes zu dem allgemeinen Verwaltungsplane Unseres Königreiches passendes Mittelorgan ersetzt, u n d seine Verhältnisse näher bestimmt werden, unter welchen dasselbe i n seinen verschiedenen Beziehungen zu w i r k e n hat, so beschließen W i r , nachdem W i r Unsern geheimen Rath darüber vernommen haben, u n d verordnen, w i e folgt: §1. Die Kirchen-Staatspolizei gehört ohne Unterschied der Glaubens-Confessionen zur ordentlichen Geschäfts-Sphäre der General-Kreiscommissäre nach dem § 33 ihrer A m t s - I n s t r u c t i o n 5 . § 2. Die dahin gehörigen Gegenstände werden i n Gemäsheit dieser Instruct i o n v o n einem jeden derselben i n dem Gebiete seines Kreises w i e andere Zweige der Polizeigewalt nach Unserem Edicte« u n d übrigen Verordnungen über Religions- u n d Kirchenverhältnisse behandelt. § 3. I n Beziehung auf die Uns zustehende Epicopatsgewalt über die i n Unserem Reiche bestehenden protestantischen Kirchen constituiren W i r zugleich Unsere General-Kreiscommissariate, als die gesetzlichen Mittelorgane des bei Unserem M i n i s t e r i u m des I n n e r n angeordneten General-Consistoriums. 4

Unten Nr. 279. I n s t r u k t i o n f ü r die General-Kreis-Kommissäre v o m 17. J u l i 1808 (RegBl. 1649). β Dem Religionsedikt v o m 24. März 1809 (RegBl. S. 897 ff.). Dazu oben S. 69. 5

I. Edikte über Neuordnung protestantischer Kirchenverfassung

631

§4. I n dieser Eigenschaft übertragen W i r denselben durch diese besondere Vollmacht, nach dem unten näher bestimmten Verhältnisse zu dem Generalconsistorium, die Besorgung der protestantischen reinkirchlichen Gegenstände. Sie vertreten hiernach die Stellen der General-Decane oder Superintendenten. § 5. Damit aber Unsere protestantischen Unterthanen Sicherheit erhalten, daß ihre kirchlichen Angelegenheiten durch Räthe bearbeitet werden, welche nicht n u r zu ihrer Confession gehören, sondern welche zugleich die nöthigen Kenntnisse von ihren Religions-Systemen u n d ihren kirchlichen Verfassungen besitzen, so sollen denjenigen Kreiscommissären, welchen Rechte der protestantischen Kirchengewalt zur Ausübung aufgetragen sind, nach dem U m fange der ihnen angewiesenen Kirchendiözes ein oder mehrere Räthe der protestantischen Confession beigegeben werden, welche entweder schon bewährte Beweise ihrer theologischen Kenntnisse gegeben haben, oder von Unserem Generalconsistorium darüber geprüft worden sind. §6. Sie führen den T i t e l : „Kreis-Kirchenräthe", haben m i t den übrigen Kreisräthen gleichen Rang u n d tragen die nämliche Uniform, wo sie nicht nach einer ihnen allenfalls aufgetragenen geistlichen Verrichtung i n priesterlicher K l e i d u n g zu erscheinen haben. § 8. Wo es geschehen kann, soll die Stelle des Kreis-Kirchenrathes m i t der Stelle des protestantischen Kreis-Schulrathes vereiniget werden. § 9. Diese besondere Amtsvollmacht i n Beziehung auf protestantische K i r chengewalt ist n u r denjenigen Kreiscommissären ertheilt, i n deren Bezirken mehrere protestantische Decanate sich befinden; diejenigen Kreise, welche nur einige protestantische Gemeinden begreifen, die allenfalls n u r E i n Decanat bilden, werden i n ihren protestantischen kirchlichen Angelegenheiten einem der obigen nächstgelegenen Kreise zugetheilt. §10. Hienach werden die Generalcommissariate als Generaldecanate i n folgenden Kreisen erklärt: a) i m Mainkreise, b) i m Pegnizkreise, c) i m Rezatkreise, d) i m Oberdonaukreise, e) i m Lechkreise, dann f) wegen besonderen Rücksichten i m Isarkreise. §11. Die protestantischen Gemeinden des Nab- und Altmühlkreises werden dem Pegnizkreise, jene des Illerkreises dem Lechkreise, und jene des Salzach-, Unterdonau- und Regenkreises dem Isarkreise zugetheilt. §12. Der Geschäftskreis der genannten General-Commissariate als Stellvertreter der protestantischen General-Decanate erstreckt sich auf alle jene Gegenstände, welche v o r h i n der L e i t u n g der Provincial-Consistorien anvertraut waren, i n so ferne diese nicht nach der Analogie der den Wirkungskreis der General-Kreiscommissariate bestimmenden Grundsätze, oder nach den Vorschriften des organischen Edictes über die Bildung der Kirchen-Section 7 , bereits davon ausgenommen sind, oder i n der nach dem angeführten § 6, Nr. 8 bekannt zu machenden Consistorialordnung 8 noch werden ausgenommen werden. § 13. Unter dieser Beschränkung gehören zu ihrem Geschäftskreise 1. die Oberaufsicht 7 8

Oben Nr. 277. Unten Nr. 279.

632

19. Kap.: Die evangelischen Kirchen i n Bayern

a) auf den Religionsunterricht u n d die Bewachung der protestantischen Glaubenslehre, b) auf den Religionscultus u n d die vorgeschriebene Liturgie, c) auf die Befolgung der kirchlichen Verordnungen; 2. die besondere Aufsicht auf die Distrikts- oder Special-Decane und die Mediat-Consistorien ; 3. die Oberaufsicht über Pfarrer u n d Pfarramtscandidaten i n Rücksicht auf ihre Lehrvorträge, ihre Sittlichkeit u n d ihre geistliche Amtsführung überhaupt, über welche sie alljährlich die regelmäßigen Berichte der Distriktsdecane einzusammeln, Controle zu führen, u n d begutachtende Berichte zu erstatten haben; 4. Visitationen der ihnen untergeordneten Decanate, Pfarreien u n d Vicariate; jedoch ist hiezu jedesmal ein A u f t r a g Unsers Ministeriums des I n n e r n nach dem Antrage des General-Consistoriums, oder eine auf vorläufige Anfrage erfolgte Genehmigung desselben erforderlich; 5. Sammlung u n d begutachtende Einsendung der von den Specialdecanen vorzulegenden Pfarrberichte; 6. Vorschläge zur Verbesserung des religiösen Zustandes einzelner oder sämmtlicher Gemeinden des Kreises m i t besonderer Rücksicht auf Localverhältnisse; 7. die Untersuchung u n d Beilegung der Streitigkeiten zwischen Pfarrern u n d den Pfarrgenossen i n Gegenständen der Amtsführung, der Ausschließung von dem Gottesdienste, oder v o n den Sacramenten, oder w e n n keine gütliche Beilegung statt findet, gutachtliche Berichts-Erstattung an Unser M i n i s t e r i u m des Innern; 8. bei Erledigung eines Pfarramtes die Einsendung des Todtenberichts, A n zeige der Verhältnisse der erledigten Stelle u n d der Bewerber u m dieselbe i n Gemäßheit der Instruction über die Prüfung der protestantischen Pfarramtscandidaten und deren Beförderung (Regierungsblatt 1. J. St. X . S. 186); 9. Vollziehung der von dem General-Consistorium durch das Ministerium des I n n e r n ihnen zugehenden Aufträge oder Verordnungen, so wie die Erstattung der abgeforderten Berichte. 10. Dispensationen, zu deren Ertheilung sie durch die künftige Kirchenordnung werden authorisirt werden; 11. Investituren der Special-Decane, u n d 12. Ordination der Predigtamts-Candidaten nach Vorschrift der oben angeführten Instruction über die Prüfung u n d Beförderung der protestantischen Pfarramts-Candidaten. § 14. Die General-Commissariate sind i n ihrer Eigenschaft als GeneralDecanate aufsehende u n d vollziehende Organe des General-Consistoriums, u n d dadurch sind sie i m Allgemeinen beauftragt, alle Gebrechen, die sie i n der Kirchenverfassung wahrnehmen, zur Kenntniß des General-Consistoriums bei Unserem M i n i s t e r i u m des I n n e r n zu bringen, die Mittel, wie sie auf das zweckmäßigste gehoben werden können, vorzuschlagen u n d dafür zu sorgen, daß die bestehenden Gesetze u n d Ordnungen i n Ansehen erhalten, und die Zuwiderhandelnden gehörig zurecht gewiesen werden. § 15. I h r e unmittelbaren Organe sind: a) die Distrikts- oder Spezial-Decane, b) die Pfarrer.

I. Edikte über Neuordnung protestantischer Kirchenverfassung

633

§16. Jene haben 1. die unmittelbare Aufsicht auf Pfarrer u n d Vicarien, 2. die Visitation der Pfarren i n ihren Sprengein, 3. die Anordnung und Direction der nach der Kirchenordnung statt habenden Diözesan-Synoden, 4. Einsammlung u n d Beurtheilung der Übungsarbeiten der Pfarrer u n d ihre Einsendung an das General-Commissariat als General-Decanat, 5. die Anzeige der Todesfälle der ihrem Decanate untergebenen Geistlichen an das General-Kreiscommissariat, 6. Anordnung der interimistischen V e r w a l t u n g des Pfarramtes u n d einer regelmäßigen Übernahme der Pfarrregistratur, 7. Einführung u n d Investitur der Pfarrer, 8. Entscheidung minder bedeutender Streitigkeiten einzelner Gemeindeglieder wider ihre Pfarrer oder Vicarien nach Maßgabe der Kirchenordnung. §17. Die Pfarrer haben als Organe der Kirchenaufsicht a) die Localvollziehung der Kirchengesetze und Verordnungen, b) die Aufsicht auf die Beobachtung derselben, und der Kirchendisciplin, auf Religionscultus u n d Liturgie, c) die Aufsicht über den Religionsunterricht der Jugend, d) die Korrection der gegen Kirche oder Religion sich vergehenden und religiöses Ärgerniß gebenden Gemeindeglieder nach Vorschrift der Kirchenordnung, e) i n schwereren Fällen die Anzeige an das Special-Decanat, f) die Führung der Kirchenbücher, g) die Verbindlichkeit einer alljährlichen Berichts-Erstattung über alle Zweige ihrer Amtsführung. §18. I n der allgemeinen Kirchenordnung, welche nach dem organischen Edict über die Anordnung einer Section der kirchlichen Gegenstände § 6 Nr. 7 Uns vorzulegen ist 9 , w i r d der Geschäftskreis dieser sämmtlichen Mittelorgane seine genauere Bestimmung erhalten. §19. Der Geschäftsgang der General-Commissariate ist bei allen kirchlichstaatsrechtlich u n d kirchlich staatspolizeilichen Gegenständen, w i e solche i n dem Edicte über die äußeren Rechts-Verhältnisse Unserer Unterthanen i n Beziehung auf Religion und Kirchengesellschaften dargestellt sind, nach § I I der nämliche, w i e derselbe i n der allgemeinen Instruction vom 17. J u l i 1808 10 vorgeschrieben ist. §20. Da bei Geschäften dieser Categorie die General-Kreiscommissariate nicht als protestantische General-Decanate, sondern lediglich als landesfürstliche weltliche Behörden erscheinen u n d handeln, so verbleiben i n Beziehung auf diese die geographischen Gränzen eines jeden General-Kreiscommissariats unverändert, u n d die i m § X I ausgesprochene Zutheilung der protestantischen Gemeinden einiger Kreise zu andern allda bezeichneten hat hiebei nicht statt. §21. I n rein kirchlichen Gegenständen, welche unter der protestantischen Episcopatsgewalt begriffen sind, nämlich die protestantische Glaubenslehre, das innere Kirchenregiment u n d das Wesentliche der protestantischen L i t u r g i e 9

Unten Nr. 279. I n s t r u k t i o n für die General-Kreis-Kommissäre vom 17. J u l i 1808 (RegBl. 1649). 10

634

19. Kap.: Die evangelischen Kirchen in Bayern

betreffen, soll der General-Commissär die hierauf sich beziehenden geistlichen Functionen u n d den Vortrag allein dem protestantischen Kreis-Kirchenrathe überlassen, und bloß die Expedition der i h m vorgelegten Anträge verfügen. §22. Fände er dabei einen wichtigen, auf äussere Verhältnisse sich beziehenden Anstand, so k a n n er zwar die Expedition suspendiren; es liegt i h m aber ob, den Vortrag des Kreis-Kirchenraths m i t der Ausführung seiner Bedenken binnen acht Tagen an Unser Ministerium des Innern, welches das General-Consistorium darüber vornehmen w i r d , zur Fassung einer Entscheidung einzusenden. . . . N r . 279. Allerhöchste Verordnung über die Konsistorialordnung v o m 8. September 1809 (Bayerisches Regierungsblatt 1809, Sp. 1489 ff.) — Auszug — Nach der Konstitution Unseres Königreichs Baiern (Tit. V I I I . § 1) und der darin bestätigten Organisation Unserer Ministerien sollen die dem Staatsoberhaupte sowohl über die Kirchengesellschaften überhaupt zukommenden Rechte, als die i n Beziehung auf die protestantische Kirche aus der vereinigten Staats- und Kirchengewalt dem Regenten zustehenden besonderen Rechte von Unserm Ministerium des I n n e r n verwaltet, und nach den konstitutionellen Hauptgrundsätzen einer vollkommenen Gewissensfreiheit und völligen Gleichheit der Rechte aller Religionstheile (Tit. I. § 67 der K o n s t i t u t i o n und I. A b schnitt 1. K a p i t e l des Edikts v o m 24. März 1809) ausgeübt werden 1 1 . W i r haben hienach i n den organischen Edikten v o m 8. September 1808 und v o m 17. März 1809 12 m i t Aufhebung aller ehemals bestandenen Provinzialu n d Spezialkonsistorien bei Unserem Ministerium des I n n e r n eine eigene Sektion zur Besorgung der kirchlichen Angelegenheiten errichtet, und deren Formation, Wirkungskreis und Geschäftsgang i m Allgemeinen bestimmt. I n Beziehung auf die evangelische Kirche bildet diese Ministerialsektion das Generalkonsistorium, welchem f ü r die einzelnen Kreise mehrere Generalkreiskommissariate m i t den Distriktsdekanaten, als die gesetzlichen Mittelorgane, untergeordnet sind. Z u r näheren Festsetzung des Wirkungskreises und Geschäftsganges sowohl Unseres protestantischen Generalkonsistoriums, als dessen Mittelorganen, wurde eine nach Vorschrift des organischen Edikts vom 8. September 1808 (Abschnitt V I . § 8) bearbeitete Konsistorialordnung durch Unser Ministerium des I n n e r n Uns vorgelegt. Nachdem W i r Unsern geheimen Rath darüber vernommen haben, so ertheilen W i r den nachfolgenden Instruktionen unter Nr. I., II., I I I . Unsere Genehmigung u n d verordnen: daß dieselben sowohl von Unserem protestantischen Generalkonsistorium, als v o n allen demselben untergeordneten Organen als allgemeine Richtschnur i n ihren Geschäften u n d Verhältnissen genau befolgt werden. 11 12

Oben S. 69. Oben Nr. 277, 278.

I. Edikte über Neuordnung protestantischer Kirchenverfassung

635

Konsistorialordnung Nr. I. Instruction für das General-Konsistorium der protestantischen Gesammt-Gemeine des Königreichs Baiern Erster Abschnitt.

Allgemeine

Verhältnisse

des Generalkonsistoriums

§1. Die bei dem M i n i s t e r i u m des I n n e r n errichtete Sektion der Kirchenangelegenheiten ist f ü r die i n eine Gesammtgemeine vereinigten evangelischen Kirchengemeinen des ganzen Königreichs Bayern zur vorgesetzten Centraibehörde unter dem Namen: protestantisches Generalkonsistorium angeordnet u n d hat ihre Formation durch das organische E d i k t v o m 8. September 1808 i n den §§ 1, 2, 3 u n d 4 desselben erhalten. § 2. Die Ernennung des gesammten Personals behalten Se. Kgl. Majestät nach Vernehmung Ihres Ministeriums des I n n e r n sich unmittelbar vor. §3. Das Generalkonsistorium, als eine besondere Abtheilung der Sektion f ü r die kirchlichen Gegenstände, steht i n unmittelbarer Verbindung m i t dem M i n i s t e r i u m des I n n e r n u n d unter seiner obersten Leitung; es k a n n nach dem i h m vorgeschriebenen Geschäftsgange ohne desselben Vorwissen u n d Genehmigung keine Verfügung erlassen. § 4. Die dem Generalkonsistorium theils mittelbar, theils unmittelbar untergeordneten Organe sind, nach dem organischen Edikte über die B i l d u n g der Mittelstellen f ü r die protestantischen Kirchenangelegenheiten v o m 17. März 1809, u n d nach der Verordnung über die Prüfung der protestantischen Pfarramtskandidaten v o m 23. Januar 1809 die Generalkreiskommissariate, welchen nach § 10 des obigen Edikts eine besondere Amtsvollmacht i n Beziehung auf protestantische rein kirchliche Gegenstände ertheilt ist — die theologische P r ü fungskommission, die Distriktsdekanate u n d die Pfarrämter. § 5. Die spezielle Vollmacht des Generalkonsistoriums begreift nach dem § 6 des organischen Ediktes v o m 8. September 1808, i n der bemerkten Unterordnung die Ausübung aller Rechte, sowie die Leitung aller innern kirchlichen Angelegenheiten, welche aus der Vereinigung der Staats- und protestantischen Kirchengewalt fließen.

Zweiter I. Titel.

Abschnitt.

Wirkungskreis

des Generalkonsistoriums

Wirkungskreis des Generalkonsistoriums kirchlicher Ämter und Diener

in Rücksicht

A. Prüfung, Ordination und Charakterisierung der protestantischen Geistlichkeit §6. Das Generalkonsistorium veranstaltet f ü r alle diejenigen, welche sich dem Lehramte der evangelischen Kirche w i d m e n wollen, sogleich nach v o r schriftsmäßiger Beendigung ihrer Universitätsstudien, die Prüfung ihrer Tauglichkeit zur Aufnahme unter die Pfarramtskandidaten durch die zu dieser Absicht verordnete theologische Prüfungskommission u n d fertigt die A u f nahmsatteste f ü r die geprüften Kandidaten nach Vorschrift der I n s t r u k t i o n vom 23. Januar 1809 aus.

636

19. Kap.: Die evangelischen Kirchen in Bayern

§ 7. Es ertheilet für die zu Vikariaten bestimmten Kandidaten die B e w i l l i gung ihrer Ordination. § 8. Es n i m m t selbst m i t allen Pfarramtskandidaten, welche zu einer geistlichen Amtsstelle gelangen sollen, die Anstellungsprüfungen vor, u n d stellt die Attestate über die den Geprüften zugetheilte Befähigungsnote aus. §9. Nach den Resultaten der Aufnahms- und Anstellungsprüfung verfaßt das Generalkonsistorium eine charakterisirende Ubersicht sämmtlicher K a n didaten zum Behufe ihrer vorschriftmäßigen Anstellung. § 10. Es führt ein besonderes Verzeichniß über alle i m Amte stehenden Geistlichen, w o r i n dieselben nach ihrem Lebens- und Amtsalter, u n d nach ihrer Qualifikation gewissenhaft dargestellt werden. B. Anstellung

und Beförderung

der Geistlichen

§ 11. Es e n t w i r f t und berichtiget von Zeit zu Zeit die Klassifikation sämmtlicher protestantischer Pfarrstellen nach ihrem, durch genaue Konsignation auszumittelnden reinen Ertrage. §12. Bei jeder Erledigung einer geistlichen Amtsstelle w i r d von dem einschlägigen General-Kreiskommissariate an das Ministerium des Innern m i t dem Beisatze: „an die Kirchensektion als protestantisches Generalkonsistor i u m " Bericht erstattet, m i t Bemerkung der zur provisorischen Verwaltung der Stelle während des Nachsitzes der Relikten des verstorbenen Geistlichen oder bis zur Wiederbesetzung des Amtes getroffenen Maßregeln und der geschehenen Publikation der Erledigung i m Regierungsblatte. § 14. I n der zweiten Hälfte der Nachsitzzeit, oder wo kein Nachsitz statt findet, sechs Wochen nach geschehener Bekanntmachung der Vakanz w i r d von dem Generalkommissariate über die Verhältnisse der zu besetzenden Stelle und über die zur Anstellung oder Beförderung für dieselbe sich meldenden Kompetenten Bericht zu dem M i n i s t e r i u m des Innern, m i t dem vorschriftmäßigen Beisatze: „zur Kirchensektion als Generalkonsistorium", erstattet, m i t Beilegung der urschriftlichen Zeugnisse u n d Bittschriften der Konkurrenten. § 15. Das Generalkonsistorium w ä h l t aus der Zahl der letztern jederzeit den Würdigsten nach Vorschrift der Beförderungsordnung vom 23. Januar 1809 aus und schlägt denselben durch den Minister des Innern Seiner Majestät vor. Nach erhaltener Genehmigung des Vorschlages w i r d durch das Ministerium des Innern das Ernennungsdekret nebst der Vollmacht zur Ertheilung des Posseßbefehls, dann zur Verpflichtung und Einweisung i n das A m t an das Generalkreiskommissariat unter Allerhöchster Unterzeichnung ausgefertigt. C. Emeritirung und Pensionirung ihrer Wittwen

der Geistlichen und Versorgung

§16. Es macht i n jedem erforderlichen Falle die geeigneten Anträge zur Festsetzung der Pfarrbesoldungen, zur Emeritirung und Pensionirung hoch bejahrter, oder durch anhaltenden Krankheitszustand zum Dienste unfähiger und u m Entlassung bittender Geistlicher, so wie auch zur Unterstützung durch Zulagen für solche Pfarrer, welche eines Gehilfen bedürftig, und wegen geringen Einkommens denselben zu halten nicht i m Stande sind.

I. Edikte über Neuordnung protestantischer Kirchenverfassung D. Anstellung

der

637

Patronatsgeistlichen

§19. Auch alle Erledigungen mittelbarer Pfarreien, und die zur provisorischen Verwaltung derselben bis zur Wiederbesetzung getroffenen Anstalten, nebst der Verfügung über den Nachsitz müssen den Generalkreiskommissariaten angezeigt und durch diese mittels Berichts an das Ministerium des Innern zur Kenntniß des Generalkonsistoriums gebracht werden. §22. Uber den Präsentirten stellt das Generalkonsistorium sein Gutachten aus; nach eingeholter Allerhöchster Genehmigung der getroffenen Wahl w i r d an das Generalkommissariat durch das Ministerium des I n n e r n die Verfügung wegen des zu ertheilenden Posseßbefehls und der i m Königlichen Namen zu vollziehenden Verpflichtung und Einweisung des Mediatgeistlichen i n sein A m t ausgefertigt. E. Anstellung

von Feld- und

Garnisonspredigern

§23. Wenn f ü r die Königlichen Truppen Feldprediger, oder i n Festungen Garnisonsprediger anzustellen f ü r dienlich erachtet w i r d , so w i r d das Minister i u m des Innern, auf Ansinnen des K g l . geheimen Ministeriums des Kriegswesens, durch das Generalkonsistorium die dazu tauglichen Individuen auswählen, sie instruiren, verpflichten, u n d i n einzelnen Amtsverhältnissen auf ihre Berichte und Anfragen ihnen unmittelbare Anweisungen ertheilen lassen. F. Besetzung der

Dekanatsstellen

§ 24. Bei der Erledigung von Kreiskirchenrathsstellen und Distriktsdekanaten hat das Generalkonsistorium bei dem Ministerium des I n n e r n sogleich die geeigneten Anträge zur interimistischen Besorgung der Inspektionsgeschäfte durch den am meisten dazu qualifizirten Geistlichen des Kreises oder Distrikts zu machen, welcher dieselben bis zur Wiederbesetzung des Dekanats zu führen hat. § 25. Auch i m Falle der durch hohes A l t e r oder anhaltenden Krankheitszustand eines Dekans entstehenden Unfähigkeit desselben zur Führung seiner Inspektionsgeschäfte hat das Generalkonsistorium bei dem Ministerium des Innern die Einleitung zu treffen, damit durch dasselbe ein tauglicher V e r weser dieser Geschäfte angeordnet werde. § 26. Z u r Wiederbesetzung erledigter Dekanate hat das Generalkonsistor i u m vorzüglich durch Gelehrsamkeit, Amtstreue, Erfahrung, Geschäftsthätigkeit und musterhaftes Verhalten ausgezeichnete Geistliche i n Vorschlag zu bringen, und zugleich darauf zu sehen, daß die Distriktsdekane, wo es möglich ist, i n dem Sitze des Landgerichts oder dessen Nähe aufgestellt werden. G. Bestellung

weltlicher

und niederer

Kirchendiener

§27. Das Generalkonsistorium hat darauf zu achten, daß Kantorate, Organisten- und Kirchnerstellen bei unmittelbaren Pfarreien von den Generalkommissariaten, bei mittelbaren Pfarreien von den Patronen m i t tauglichen Subjekten besetzt werden. § 28. Besonders hat es dafür zu sorgen, daß zu den Kantoraten und Kirchnerstellen in der Regel nur Elementarschullehrer gewählt werden.

638 H. Aufsicht

19. Kap.: Die evangelischen Kirchen i n Bayern über die Geistlichen und andere

Kirchendiener

§ 29. Die gesammte protestantische Geistlichkeit, sowohl i n I m m e d i a t - als Mediatstellen steht, was ihre Amtsführung u n d ihren Lebenswandel betrifft, unter der Oberaufsicht des Generalkonsistoriums, u n d ist demselben über beides, wenn sie dazu aufgefordert wird, Rechenschaft zu geben, auch durch das Generalkonsistorium veranlaßten Verordnungen darüber bereitwillig zu befolgen, verbunden. §30. Das Generalkonsistorium übt diese Aufsicht theils unmittelbar, theils mittelbar durch die i h m untergeordneten Organe aus. § 31. Es sucht sich durch alle, i h m zu Gebote stehenden H i l f s m i t t e l zu überzeugen, ob die Geistlichen i n ihrer eigenen wissenschaftlichen Bildung u n d praktischen Vervollkommnung eifrig, i n ihrer Amtsführung gewissenhaft u n d treu, i n ihrem Verhalten gegen die Gemeine u n d i n ihrem Lebenswandel u n sträflich u n d musterhaft zu sein sich bemühen, u n d dadurch die Würde u n d Wirksamkeit ihres Amtes zu erhöhen suchen. §32. Die von den Geistlichen nach Vorschrift der Kirchenordnung einzuschickenden Jahresberichte über ihre Amtsführung u n d den Zustand ihrer Gemeinen, die von denselben zu liefernden Beantwortungen aufgegebener Synodalfragen u n d praktischer Aufsätze, die anzustellenden Synodalversammlungen, Lokalvisitationen und vorschriftmäßigen Konduitenlisten über K a n didaten, V i k a r i e n und Pfarrer benützt das Generalkonsistorium zu obigem Zwecke. § 33. Nach den sich daraus ergebenden Resultaten sollen die Belohnungen der durch Pflichttreue u n d Wohlverhalten sich auszeichnenden Geistlichen, nach Vorschrift der Beförderungsordnung zuerkannt werden. § 34. Dem Generalkommissariate, als Generaldekanate w i r d vorbehalten, aus administrativen u n d politischen Erwägungen auf die Versetzung von einer Pfarrei zur andern, ohne Rücksicht auf ihren höheren oder geringeren Ertrag bei dem Generalkonsistorium anzutragen, welches demnach diese Anträge zu würdigen, und dem Ministerium des Innern zur Veranlassung der Königlichen Beschlüsse vorzulegen hat. §35. Bei eintretendem Falle, daß Geistliche ihre Amtspflichten vernachlässigen, oder einen unanständigen Lebenswandel führen, oder andere Vergehungen zu Schulden bringen, k o m m t dem Generalkonsistorium zu, bei dem Ministerium des I n n e r n die geeigneten Anträge zur Rüge dieser Vergehungen zu machen, wobei dasselbe die verschiedenen Grade der Korrektion, m i t sorgfältiger Beobachtung ihrer Stufenfolge und genauer Angemessenheit zu dem Grade der Verschuldung der Geistlichen i n Anwendung zu bringen hat. §36. Die anzuwendenden Strafmittel bestehen, nach vorher fruchtlos geschehener Zurechtweisung, Warnung u n d Strafbedrohung, i n Geldstrafe, i n der Suspension von Amtsverrichtungen auf kürzere oder längere Zeit, i n der Suspension vom A m t e m i t Einziehung der Amtseinkünfte, i n der völligen Entsetzung v o m Pfarramte, und i n der gänzlichen Ausschließung vom geistlichen Stande 1 3 . 13 Diese Zuständigkeitsvorschriften wurden geändert durch den I I . Anhang zur I I . Verfassungsbeilage von 1818 (§§ 11, 19 e). Uber die dazu ergangenen Ministerialentschließungen siehe E. Friedberg, a.a.O., S. 303, Anm. 1.

I. Edikte über Neuordnung protestantischer Kirchenverfassung

639

§ 37. Das Generalkonsistorium soll auf das Gutachten des Generalkreiskommissariats als Generaldekanats auf die i n dem obigen § 36 bezeichnete geringere Strafe m i t Einschluß der Strafe der Suspension der Geistlichen vom A m t e und Gehalte, und nach einer durch dessen Mittelorgan gepflogenen U n tersuchung auf die Remotion und Ruheversetzung derselben durch das M i n i sterium des Innern bei Seiner Majestät dem Könige antragen. E i n solcher A n t r a g muß aber durch alle demselben zum Grunde liegenden Thatsachen hinreichend m o t i v i r t sein, und die Allerhöchste Entschließung muß darüber erwartet werden. § 38. Wenn zugleich die Entlassung ohne Pension- oder Ruhegehalt, die Degradation, oder die Nothwendigkeit einer noch schwereren Bestrafung i n Frage kommen würde, so werden Se. M a j . der K ö n i g die Sache an den Geheimen Rath verweisen, u n d dessen Gutachten vernehmen: Ob der Angeschuldete vor den Richter zu stellen, oder was sonst gegen i h n zu verfügen wäre. Überhaupt soll die Entlassung eines Geistlichen ohne Pension, oder die Degradation nie anders, als nach vorhergegangener richterlicher Untersuchung und Verurtheilung des Straffälligen statt finden. § 39. Auch die niederen u n d weltlichen Kirchendiener sind rücksichtlich ihrer Amtsgeschäfte u n d ihres Lebenswandels der Ober-Aufsicht des Generalkonsistoriums unterworfen, welches auch wegen ihrer Belohnung und Bestrafung die geeigneten Verfügungen zu erlassen hat. J. Bewilligung

von Heiraths-,

Urlaubs- und Reisegesuchen

§ 40. Die Gesuche der Geistlichkeit u m die Erlaubniß, sich zu verheirathen. müssen an das Ministerium des Innern gebracht werden; das darüber zu vernehmende Generalkonsistorium hat i n seinem Antrage u m so mehr die genaueste Rücksicht auf die über Heirathsbewilligung bestehenden Gesetze zu nehmen, als den hinterlassenen W i t t w e n der Geistlichen dadurch nach Errichtung einer Pfarr-Wittwen-Versorgungsanstalt zugleich Anspruch auf k ü n f t i gen Wittwengehalt ertheilt w i r d . §41. F ü r Kandidaten, V i k a r i e n u n d Substituten sollen gar keine Heirathsbewilligungen ertheilt werden, wenn sie über eine sichere hinreichende Subsistenz für eine Familie sich nicht ausweisen können. § 42. Weltliche niedere Kirchendiener haben zu ihrer Verheirathung die Bew i l l i g u n g bei den ihnen vorgesetzten Dekanaten u n d Landgerichten einzuholen. K. Mitwirkung

bei Besetzung theologischer

Lehrstellen

§ 44. Bei der Besetzung von protestantischen theologischen Lehrstellen an Universitäten w i r d das Kgl. geheime M i n i s t e r i u m des I n n e r n nebst der M i n i sterial-Studien-Sektion auch allezeit die Kirchensektion als protestantisches Generalkonsistorium m i t ihrem Gutachten vernehmen. II. Titel.

Wirkungskreis des Generalkonsistoriums in Rücksicht Handlungen, Gebräuche und Anstalten

L. Oberaufsicht

kirchlicher

über die Parochialverhältnisse

§ 45. Das Generalkonsistorium hat wegen Errichtung neuer protestantischer Gemeinden und Pfarreien, u n d wegen der ihnen zu ertheilenden Befugnisse

640

19. Kap.: Die evangelischen Kirchen in Bayern

und Rechte, so wie auch wegen der Bedingungen, unter welchen sie zu ertheilen sind, die erforderlichen Anträge zu machen. §46. I n Ansehung der schon bestehenden Gemeinden und Pfarreien hat es f ü r die schicklichste Eintheilung der Pfarrsprengel und Vertheilung der Pfarrgeschäfte, für die Vereinigung kleiner Gemeinden nahe benachbarter Orte zu einer Pfarrei, jedoch m i t sorgfältiger Berücksichtigung der Lokalrechte u n d L o k a l m i t t e l der einzelnen Ortsgemeinden, f ü r die bessere Dotirung geringer Pfarreien und Auffindung der dazu anzuwendenden H i l f s m i t t e l Sorge zu tragen. §47. Fälle, wo es auf Bestimmung der Verhältnisse a. zwischen katholischen und protestantischen Pfarreien, welche i n einem Orte m i t abgesonderten oder gemeinschaftlichen Kirchen nach dem Simultaneum bestehen, b. einzelner katholischer Einwohner einer protestantischen Pfarrei, oder einzelner protestantischer Einwohner i n einem katholischen Pfarrsprengel ankommt, wechselseitige, den Rechten beider Konfessionen unnachtheilige Purifikationen jener Verhältnisse — Verfügungen zur Erhaltung des guten Benehmens der verschiedenen Konfessionsverwandten u n d zur Verhütung aller gegenseitigen Eingriffe — eignen sich zu gemeinschaftlichen Geschäften der Kirchensektion. Dergleichen Gegenstände sollen, m i t Rücksicht auf das Edikt vom 24. März 1809 IV. Abschnitt 1. und 2. K a p i t e l i n ihrer vollen Versammlung reiflich berathen, und die Resultate der Abstimmungen dem Kgl. M i n i s t e r i u m des Innern und durch dieses sofort Sr. Maj. dem Könige zur Entschließung vorgelegt werden. §48. A u f gleiche Weise ist bei Bestimmung des Verhältnisses katholischer und protestantischer Pfarreien zu Ortseinwohnern, welche sich entweder nicht zu einer der recipirten christlichen Konfessionen, oder gar nicht zur christlichen Religion bekennen, nach den einschlägigen Vorschriften des oben angeführten Edikts zu verfahren. § 49. Die administrative Behandlung sowohl von Parochialstreitigkeiten, als überhaupt von Gegenständen streitiger kirchlicher Gerichtsbarkeit steht dem Generalkonsistorium zu. M. Aufnahme

neuer Mitglieder

in die evangelische

Kirchengemeinschaft

§ 50. Das Generalkonsistorium hat zu wachen, daß i n den Fällen, wo neue Mitglieder aus einer andern kirchlichen Konfession, oder aus einer andern nicht christlichen Religionspartei i n die protestantische Kirchengemeinschaft aufgenommen werden wollen, die i n dem Edikte vom 24. März 1809 i m I. A b schnitte 2. K a p i t e l enthaltenen Vorschriften genau beobachtet werden. N. Oberaufsicht

über die Lehre und den Kultus

§ 51. Sowohl i n Rücksicht des Innern, als des Äußern der protestantischen Religions- und Kirchenverfassung ist dem Generalkonsistorium die oberste Aufsicht und Leitung derselben, u n d die Ausübung der darauf Beziehung habenden Rechte der Staats- u n d Kirchengewalt bei dem Ministerium des Innern übertragen, u n d besonders demselben zur Pflicht gemacht, eine v o l l -

I. Edikte über Neuordnung protestantischer Kirchenverfassung

641

ständige Beschreibung des gesammten Kirchenwesens der protestantischen Gemeine zu verfassen, darauf eine den vernünftigen Forderungen der protestantischen Unterthanen des Königreichs entsprechende Verfassung ihrer Gesammtgemeine zu gründen, und diese i n einer allgemeinen Kirchenordnung zur Allerhöchsten Sanktion vorzulegen, sofort über die Aufrechthaltung dieser Kirchenordnung zu wachen u n d die von Zeit zu Zeit erforderlichen Veränderungen derselben i n Vorschlag zu bringen, auch über deren Vollzug in einzelnen Fällen zu entscheiden. § 52. Nach dieser Vollmacht führt das Generalkonsistorium die oberste A u f sicht über die Lehre und den K u l t u s der evangelischen Kirchengesellschaft. § 53. Besonders hat das Generalkonsistorium für die Erweiterung u n d V e r besserung des religiösen Jugendunterrichts zu sorgen, und zu diesem Zwecke theils über die Lehrvorträge sowohl i n Volks- als Studienschulen zu wachen, theils zu seinen Mittelorganen, als Kreiskirchenräthe und Distriktdekane v o r züglich solche Individuen i n Vorschlag zu bringen, welche durch Einsicht, Erfahrung und Thätigkeit i m Schulwesen sich auszeichnen. § 54. Eben deßwegen w i r d das Generalkonsistorium den kirchlichen Katechisationen seine besondere Aufmerksamkeit widmen, und Geistliche, welche diesen Theil ihrer Amtspflichten m i t besonderer Geschicklichkeit, Eifer und Erfolg erfüllen, auch zu besserer Beförderung empfehlen. § 55. Von den öffentlichen Lehrvorträgen der Geistlichen sucht sich das Generalkonsistorium theils unmittelbar, theils mittelbar i n Kenntniß zu setzen, und alle Hindernisse der Verbesserung und Wirksamkeit derselben zu entfernen. § 56. Die Ertheilung der erforderlichen Vorschriften über die zur Feier des Religionsbekenntnisses und würdigen Begehung der Religionshandlungen nöthigen Anstalten, die oberste Leitung des öffentlichen Religionskultus, die Verbesserung des Kirchengesanges, die zweckmäßige Auswahl der Predigttexte und biblischen Vorlesungen, der Liturgie und des Kirchenrituals, die Bestimmung des Alters der Katechumenen und ihrer Aufnahme i n die Gemeine erwachsener Christen durch die Konfirmation, die Veredelung der Beichtanstalt, der Tauf-, Konfirmations-, Trauungs- und Begräbnißfeier liegt dem Generalkonsistorium ob, u m durch alle angemessenen Mittel, die der kirchliche Verein darbietet, frommen Tugendsinn zu erwecken und zu beleben. § 57. Das Generalkonsistorium bestimmt die zum öffentlichen Unterrichte, zur kirchlichen Erbauung und bei der Feier der Religionshandlungen anzuwendenden Katechismen, Gesangbücher und liturgischen Schriften, u n d sorgt für deren zweckmäßige Einführung und fortschreitende Verbesserung. § 58. Die Bestimmung der Fest- und Feiertage, Abschaffung oder Verlegung der bestehenden und Anordnung neuer, wo es zweckmäßig ist, Festsetzung der Zahl und Zeit der öffentlichen Religionsversammlungen, die Genehmigung oder Aufhebung und Umgestaltung der bei einzelnen Gemeinden herkömmlichen Einrichtungen, und die Verfügung wegen zweckmäßiger Anordnung der Kirchengebäude, ihrer Verzierungen, der Kirchengeräthe und Kirchenkleidung der Geistlichen, w i r d von dem Generalkonsistorium sowohl i n der Kirchenordnung, als i n einzelnen besondern Fällen, unter Allerhöchster Genehmigung, durch besondere Vorschriften verordnet. e

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19. Kap.: Die evangelischen Kirchen in Bayern

§ 59. Die Anordnung außerordentlicher religiöser Feste und allgemeiner Kirchengebete, und die Bestimmung, i n wie ferne die bereits angeordneten Kirchenfeste m i t oder ohne Einstellung von Handarbeiten und bürgerlichen Gewerben begangen werden sollen, w i r d nach Allerhöchsten Befehlen durch das Generalkonsistorium i n Beziehung auf die evangelische Kirchengesellschaft verfügt. § 60. Die öffentlichen Bekanntmachungen von den Kirchenkanzeln erhalten, i n so lerne sie regelmäßige sind, und auf das Innere der Kirchen Verfassung sich beziehen, wie die Proklamationen der Brautleute, durch die Kirchenordnung in Übereinstimmung m i t den Gesetzen des Staates, ihre nähere Festsetzung. §61. Außerordentliche Publikationen von den Kirchenkanzeln, wenn dieselben bei einer allgemeinen Kgl. Verordnung für nöthig erachtet werden, sollen, nach geschehener K o m m u n i k a t i o n darüber von Seite des die Publikation verordnenden Ministeriums m i t dem Ministerium des Innern von letztern durch das General-Konsistorium in den evangelischen Kirchen anbefohlen werden, wenn nicht schon in der Verordnung selbst die Publikation von den Kanzeln verordnet ist. § 62. Die Dispensationsgesuche wegen verbotener Verwandtschaftsgrade von Brautleuten und wegen Erlaß der Proklamation derselben, sind an das Ministerium des Innern zur Kirchensektion als Generalkonsistorium zu richten und von demselben nach den bestehenden gesetzlichen Normen zu erledigen. § 63. A u f gleiche Weise steht demselben allein zu, Anträge zu ertheilender Dispensationen i n Ansehung der Zeit und des Orts der Taufe, des Alters der Konfirmanden, des Wechsels der Beichtverhältnisse, der Privatkommunion, der öffentlichen oder Haustrauung, der Trauung i m Auslande und der Beerdigungsfeier i n außerordentlichen Fällen von den i n der Kirchenordnung bestimmten Vorschriften bei dem Ministerium des Innern zu machen. § 64. Ehestreitigkeiten aber und Ehefälle überhaupt, wobei es nicht auf Belehrung und Aufrechthaltung der Kirchendisciplin ankömmt, sind von dem Ressort des Generalkonsistoriums ausgeschieden und gehören vor die C i v i l obrigkeit. § 65. Die Sorge für den Vollzug der Gesetze und Verträge über die religiöse Erziehung der K i n d e r aus gemischter Ehe nach dem Edikte vom 24. März 1809, I. Abschnitt 3. Kapitel, und die Erledigung der hierauf gegründeten Beschwerden, gehören zu den Geschäften der gesamten Kirchensektion, welche desfalls nach der § 46 ertheilten Vorschrift sich zu benehmen hat. O. Oberaufsicht

über die Disciplin

der Gemeinden

§ 66. Die Disziplinaraufsicht über die Gesammtgemeine der protestantischen Kirche übt das Generalkonsistorium durch die dazu geordneten Mittelorgane nach der denselben ertheilten Amtsinstruktion i n Gemäßheit des eben angeführten Edikts vom 24. März 1809 I I . Abschnitts 2. Kapitels aus. § 67. Z u gleichem Zwecke hat dasselbe auch über die Disciplin einzelner Kirchengemeinen die Oberaufsicht zu führen, und theils durch die Veranlassung der dahin gehörigen organischen Einrichtungen in den Gemeinen selbst, theils durch besondere Verfügungen i n einzelnen zur Anzeige kommenden Fällen, die nöthigen Vorkehrungen zur Erhaltung der Frömmigkeit und Sittlichkeit i n den Gemeinen zu treffen.

I. Edikte über Neuordnung protestantischer Kirchenverfassung

643

§ 68. Von dem Zustande der Gemeinen i n moralischer und religiöser Hinsicht w i r d das Generalkonsistorium auch durch die jährlich von allen Pfarrämtern einzusendenden A m t s - und Jahresberichte und durch die Berichte über die bei den vorschriftmäßigen Lokalvisitationen gemachten Bemerkungen sich unausgesetzt i n Kenntniß zu erhalten suchen. § 69. Wenn einzelne Mitglieder einer Gemeine oder ganze Gemeinen die Ordnung u n d den geziemenden Anstand der kirchlichen Versammlungen stören, oder der Erreichung der heilsamen Absicht des kirchlichen Vereins und öffentlichen K u l t u s sich geflissentlich widersetzen, so hat das Generalkonsistorium auf geschehene Anzeige zur Abstellung des öffentlichen Ärgernisses durch das Ministerium des Innern die geeignete Verfügung zu veranlassen, und sich dazu der M i t t e l der Kirchenzucht und des kirchlichen Strafrechtes durch Ermahnung, Warnung und temporelle Ausschließung aus der öffentlichen Kirchenversammlung zu bedienen. § 70. Sollte hingegen größere Bestrafung an Vermögen, Ehre und Leib der absichtlichen Ruhestörer der kirchlichen Ordnung nach den Gesetzen zu verfügen sein, so ist die Verfügung solcher Strafen an den zuständigen Richter zu verweisen. § 71. Von der nach dem Antrage des Generalkonsistoriums bei dem Minister i u m des Innern in letzter Instanz genehmigten Ausschließung aus der K i r chengemeine findet kein Rekurs an eine andere Behörde statt. P. Oberaufsicht

über die Führung

der Kirchenbücher

§ 72. Rücksichtlich der über alle kirchlichen Handlungen zu führenden K i r chenbücher hat das Generalkonsistorium ernstlich darauf zu achten, daß solche von allen Pfarrämtern nach den gesetzlichen Verordnungen gleichförmig, genau und vollständig geführt, bei jeder Erledigung und Verwesung einer Pfarrei i n sorgfältige Aufsicht genommen und sicherer Verwahrung übergeben, auch regelmäßig fortgesetzt werden. Es ist darauf auch bei den anzuordnenden Pfarrvisitationen und bei der Installation eines jeden Pfarrers von den Dekanaten die größte Aufmerksamkeit zu richten, und jeder Fall der Übertretung der sich darauf beziehenden Gesetze ungesäumt zur Anzeige bei dem Ministerium des Innern zu bringen, bei welchem das Generalkonsistorium der Wichtigkeit des Gegenstandes gemäß die geeignete A h n d u n g veranlassen wird. Q. Festsetzung der Stolgebühren § 73. Über die von Kirchenhandlungen und pfarramtlichen Geschäften zu beziehenden Stolgebühren hat das Generalkonsistorium ein allgemeines Regulativ zu verfassen und nach Allerhöchster Genehmigung desselben soll es zur Kenntniß aller Pfarrämter und Polizeibehörden gebracht, über dessen Beobachtung sorgfältig gewacht und in vorkommenden Ubertretungsfällen sollen auf den Antrag des Generalkonsistoriums die geeigneten Strafen verfügt werden.

19. Kap.: Die evangelischen Kirchen in Bayern

644 III. Titel. R. Bewahrung

Wirkungskreis des Generalkonsistoriums kirchlicher Rechte und Güter der Hoheitsrechte

in Rücksicht

in Kirchensachen

§ 74. Die Aufrechthaltung der Kgl. Hoheitsrechte i n Beziehung auf alle i n dem Königreiche bestehenden Kirchen, folglich auch i n Beziehung auf die evangelische Kirche, gehört zu dem gemeinschaftlichen Geschäftskreise der Kirchensektion; diese hat dasjenige, was denselben entgegen ist, nach den i n dem Kgl. Edikte deklarirten Grundsätzen i m Innern des Reiches sogleich selbst abzustellen. § 75. Wenn dabei auswärtige Verhältnisse einschlagen, so ist bei dem M i n i sterium des I n n e r n eine K o m m u n i k a t i o n m i t dem Königlichen geheimen Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten darüber zu veranlassen. S. Bewahrung

der Rechte der kirchlichen

Gemeinden und Kirchendiener

§ 78. A u f gleiche Weise hat das Generalkonsistorium darüber zu wachen, daß die protestantische Gesammtgemeine i m ungestörten Genüsse der nach der Konstitution des Reiches u n d dem Edikte v o m 24. März 1809 ihr zustehenden Gerechtsame i n Beziehung auf Freiheit des öffentlichen Gottesdienstes, auf Ausübung ihrer Kirchenrechte und auf den vollkommenen Genuß ihres Kirchenvermögens erhalten und geschützt werde. T. Oberaufsicht

über die Kirchengüter

§81. M i t der Ministerialsektion der Generaladministration des Stiftungsvermögens hat das Generalkonsistorium zugleich die Verpflichtung auf sich, über die ungeschwächte Erhaltung und zweckmäßige Verwendung des Vermögens der protestantischen Kirchen und Kirchenstiftungen des Reiches zu wachen. § 82. Besonders hat es darauf zu sehen, daß die für den K u l t u s der evangelischen Kirchen bestimmten nöthigen Ausgaben aus diesem Theile des Stiftungsvermögens bestritten, die dazu vorhandenen lokalen und allgemeinen Kirchenfonds etatsmäßig zu diesem Zwecke benützt und, wie es das Bedürfniß und die Würde des öffentlichen Gottesdienstes und der Unterhalt der zur Besorgung desselben angestellten Geistlichen und übrigen Kirchendiener erfordert, regelmäßig u n d ausschließlich verwendet werde. § 83. Es trägt daher das Generalkonsistorium durch seinen Vorstand dem geheimen Ministerium des Innern nach dem organischen Edikte vom 8. September 1808 seine Vorschläge über die Errichtung neuer Pfarreien und über die Einziehung oder bessere Dotirung von Pfarreien, deren Ertrag zur Unterhaltung eines Geistlichen unzureichend ist, vor, und veranlaßt, benehmlich m i t der geheimen Ministerialstiftungssektion die deshalb nöthigen Bauten oder Veränderungen der vorhandenen Kirchen- und Pfarrgebäude. Dritter

Abschnitt.

Geschäftsgang des Generalkonsistoriums

§87. Der Geschäftsgang des Generalkonsistoriums ist i n dem organischen Edikte v o m 8. September 1808 bereits bestimmt, welcher nach den Vorschriften über die Bildung der Sektionen bei dem Ministerium des Innern genau einzuhalten ist.

I. Edikte über Neuordnung protestantischer Kirchenverfassung

645

§88. Die dem Generalkonsistorium zur Führung seiner Geschäfte untergeordneten Organe sind § 4 angegeben. § 89. Die Generalkommissariate haben sich i n besonderer Beziehung auf den Wirkungskreis des Generalkonsistoriums nach der besondern unter Nr. I I hier beigefügten I n s t r u k t i o n zu richten. § 90. Für die theologische Prüfungskommission ist die nähere Anweisung i n der I n s t r u k t i o n über die Prüfung der protestantischen Pfarramtskandidaten und deren Beförderung v o m 23. Januar 1809 enthalten. § 91. Für die i n den einzelnen Landgerichtsbezirken zur kirchlichen Inspektion angeordneten Distriktsdekane gibt die unter Nr. I I I . hier beigefügte Spezialinstruktion die nähere Anweisung des Wirkungskreises und Geschäftsganges. § 92. Die Pflichten der einzelnen Pfarrämter werden durch die Kirchenordnung näher bestimmt.

Nr. I I . Special-Instruction für die General-Kreis-Kommissariate in Beziehung auf das Kirchenwesen der protestantischen Gesammt-Gemeine des Königreichs Baiern § 1. Die Generalkreiskommissariate, nach dem organischen Edikte v o m 17. März 1809 als die ersten m i t dem Ministerium des Innern u n d der bei demselben errichteten Kirchensektion als Generalkonsistorium der protestantischen Gesammtgemeine i m unmittelbaren Verhältniß stehenden Leitungsorgane der Kirchenregierung, haben theils unmittelbar, theils mittelbar über alle i n ihrem Kreise befindlichen Kirchengemeinen, Kirchendiener und Kirchenangelegenheiten die Oberaufsicht zu führen. § 2. Zu dem Geschäfte der Aufsicht über die Kirchenangelegenheiten sind denselben ein Kreiskirchenrath und mehrere Distriktsdekane untergeordnet, derer sie sich nach den i n dem obigen Edikte ausgeschiedenen Gegenständen als ihrer Organe bedienen. § 3. Es liegt den Generalkreiskommissariaten ob, die von dem Ministerium des Innern an sie auf A n t r a g des Generalkonsistoriums erlassenen allgemeinen und besonderen Vorschriften, Aufträge und Weisungen zu beobachten, ihre Bekanntmachung, so weit sie für die untergeordneten Organe gehört, zu besorgen, und über ihre Befolgung zu wachen. § 4. Sie haben über alle wichtigeren Kirchensachen, welche nicht nach bereits publizirten Verordnungen entschieden werden können, an das Minister i u m des Innern Bericht zu erstatten, u n d n u r i n dringenden Fällen, die eine schleunige Entschließung fordern, eine geeignete provisorische Verfügung zu treffen. § 5. Bei Erledigung einer Pfarrstelle Königlichen Patronats durch den Tod des Pfarrers hat das Generalkommissariat den Nachsitz der W i t t w e n u n d Relikten anzuordnen, f ü r die Bewahrung der Pfarrregistratur u n d Verwesung der Stelle die erforderlichen Verfügungen zu treffen und über die Vollziehung dieser Maßregeln an das Ministerium des Innern Bericht zu erstatten. §6. Jede Erledigung solcher Stellen, sie sei durch Absterben, Resignation, Emeritirung, Versetzung oder Absetzung des Geistlichen erfolgt, hat das

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19. Kap.: Die evangelischen Kirchen in Bayern

Generalkommissariat i m Regierungsblatte bekannt zu machen, die Bittschriften der Kompetenten u m die Stelle zu sammeln und dieselben i m Original m i t besonderm Berichte über die vakante Stelle, deren Verhältnisse und Ertrag u n d über die Ansprüche der Konkurrenten sechs Wochen vor dem Ende des Nachsitzes, oder, wo kein Nachsitz statt findet, sechs Wochen nach geschehener Bekanntmachung der Vakanz an das Ministerium des Innern einzuschicken. § 7. Bei Mediat- und Patronatstellen hat das Generalkommissariat die A n zeige der Erledigung und der zur provisorischen Verwaltung der Stelle vom Patron getroffenen Maßregeln zu empfangen u n d die von demselben i n der gesetzlichen Zeit und Form übergebene Präsentation m i t gutachtlichem Berichte an genanntes Ministerium zu befördern. § 8. Nach erfolgter Ernennung eines Pfarrers oder Genehmigung und Bestätigung eines von Patronen ernannten Geistlichen, hat das Generalkommissariat auf erhaltenen A u f t r a g die Bestallung oder den Posseßbefehl für denselben auszufertigen und für dessen Verpflichtung und Einführung ins A m t zu sorgen. § 9. Bei Erledigung von Kantoraten, Organisten- und Küsterstellen b e w i r k t das Generalkommissariat aus A u f t r a g des Generalkonsistoriums deren zweckmäßige Wiederbesetzung. §10. Bei andern Stellen des niedern Kirchendienstes hat es i n administrativer u n d polizeilicher Hinsicht f ü r deren Besetzung m i t tauglichen Subjekten nach gutachtlicher Vernehmung der Pfarrämter zu sorgen. §16. Die Erhaltung und vorschriftmäßige Verwendung des Kirchenvermögens hat das Generalkommissariat zu kontroliren. §17. A u f genaue Beobachtung der Kirchenordnung zu achten, und die ihm bekannt gewordenen Übertretungen derselben abzustellen. § 21. Der nach § V des organischen Edikts vom 17. März 1. Js. dem Generalkreiskommissär beigegebene Kreiskirchenrath hat unter der Leitung und i m Namen des Generalkreiskommissariats alle dem letztern i n Beziehung auf protestantische Kirchenangelegenheiten angewiesenen Geschäfte zu bearbeiten, dem Generalkommissär Vortrag darüber zu erstatten und die beschlossenen Expeditionen zu fertigen. § 22. Er ist besonders m i t der genauen Aufsicht auf die Lehre und den Kultus, deren Beförderungsmittel u n d die Hindernisse ihrer Vervollkommnung und Wirksamkeit, dann über die Amtsführung und den Lebenswandel der Geistlichen und anderer Kirchendiener, auch über den religiösen und moralischen Zustand der Kirchengemeinen des Kreises beauftragt. § 23. Er hat jährlich u m Ostern als Synodalaufgabe für die der Aufsicht des Generalkommissariats untergebene Geistlichkeit eine wissenschaftliche und eine praktische Frage zur Beantwortung vorzulegen, die bis Ende des Jahres auf diese Synodalfragen einlaufenden Antworten, welche von allen Geistlichen, die noch nicht über 60 Jahre alt, oder nicht durch Kapitelswürden davon dispensili; sind, sowie von allen V i k a r i e n und Kandidaten, die eine i n deutscher, die andere i n lateinischer Sprache geliefert werden müssen, zu censiren und diese Censur den Distriktsdekanaten zur Bekanntmachung an die Geistlichen jedesmal bei der Aufgabe neuer Fragen i m folgenden Jahre mitzutheilen, auch dieselbe m i t Beilegung der ausgezeichnetsten Arbeiten dieser A r t an das M i n i sterium des Innern einzuschicken.

I. Edikte über Neuordnung protestantischer Kirchenverfassung

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§24. Ebenso hat er die S y n o d a l - u n d Visitationsberichte der Distriktsdekanate und die Jahresberichte der Pfarrämter zu revidiren, und, m i t seinen Bemerkungen begleitet, an das Ministerium des Innern zum Generalkonsistorium zu übergeben. § 25. Auch kommt i h m zu, die Censur der von den Pfarrämtern einzuschikkenden Predigten, Dispositionen und anderer praktischen Aufsätze, worüber die Kirchenordnung nähere Vorschrift ertheilet, sorgfältig abzufassen, und die Resultate derselben theils den Distriktsdekanen zur Belehrung der Pfarrämter, theils dem Generalkonsistorium berichtlich mitzutheilen. § 26. Er hat die Installation der Distriktsdekane nach Vorschrift der Kirchenordnung zu verrichten, und bei dieser Gelegenheit besonders von dem Z u stande der Dekanatsregistraturen genaue Notiz zu nehmen. § 27. Die Ordination der zur Aufnahme geprüften und zu einem Vikariate bestellten Kandidaten hat er nach A u f t r a g des Generalkonsistoriums, m i t Z u ziehung der Stadtgeistlichen seines Wohnortes zu verrichten. § 28. Zu den erledigten Pfarreien hat er, wenn ein besonderer Vikarius zu ihrer Verwesung erforderlich ist, taugliche Kandidaten als Verweser dem Generalkreiskommissariate vorzuschlagen, auch sonst jede Anstellung von V i k a r i e n zu begutachten. § 29. I n erforderlichen Fällen werden i h m Lokalvisitationen einzelner Pfarrämter oder Distriktsdekanate aufgetragen. § 30. Uber die sämmtlichen Distriktsdekane des Kreises hat er nach ihrer i h m bekannt werdenden Gelehrsamkeit, Amtsführung, Dekanatsgeschäftsbesorgung und Lebenswandel, Konduitenlisten nach der i n der Kirchenordnung vorzuschreibenden Form zu führen und an das Generalkonsistorium durch das Generalkreiskommissariat einzuschicken. § 33. Er hat über alle, den Episkopal- und Patronatsrechten des Regenten zuwiderlaufenden Ereignisse durch das Generalkommissariat an das M i n i sterium des Innern zu berichten, und wo zur Verbesserung des Kirchenwesens überhaupt, oder in einzelnen Gegenständen sich Gelegenheit darbietet, die geeigneten Anträge dazu mittelst Generalkommissariatsberichts dem Minister i u m des Innern vorzulegen. Nr. I I I . Special-Instruction für die Distrikts-Dekane § 1. Z u r Ausübung der kirchl. Spezialaufsicht [innerhalb! der Gränzen eines, oder wenn darin nur wenige protestantische Pfarreien sich befinden, etlicher benachbarter Landgerichte werden Distrikts- oder Spezialdekane angeordnet, deren A m t m i t dem Besitze guter Pfarrstellen verbunden, und wo es thunlich ist, mit dem Amte des Distriktsschulinspektors in einer Person vereiniget, und über deren Ernennung besondere Allerhöchste Entschließung erfolgen wird. § 2. Sie stehen unter der Direktion des Generalkreiskommissariats. § 3. Die geistlichen und anderen Kirchendiener des Distrikts sind ihnen u n mittelbar untergeordnet und verpflichtet, ihnen auf jedesmaliges Verlangen von Amtsführung, Lehre und Wandel Rechenschaft zu geben. §4. Durch sie gelangt an die Geistlichen Alles, was von dem Generalkonsistorium oder von dem Generalkommissariate i n Kirchensachen erlassen oder verfügt wird.

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19. Kap.: Die evangelischen Kirchen in Bayern

§ 5. Wo es nöthig scheint, haben sie die Verfügung m i t Erläuterungen, Rathschlägen und Anweisungen f ü r einzelne Fälle zu begleiten, dann jedesmal f ü r die regelmäßige Insinuation derselben zu sorgen und die Atteste darüber zu sammeln. §6. Sie erstatten alle ihre Berichte, Gutachten und Vorschläge über das Kirchenwesen ihres Distrikts an das Generalkreiskommissariat und erhalten von demselben auch in dem Falle, wenn es an irgend ein einzelnes Pfarramt besondere Verfügung i n Kirchensachen erläßt, davon eine Abschrift zur Notiz. § 10. Der Distriktsdekan hat über die Vollziehung der das Kirchenwesen betreffenden Edikte, die Bewahrung der Episkopal- und Patronatsrechte des Regenten, die Beobachtung der Kirchenordnung i n seinem Distrikte zu wachen, u n d die Amtsführung und A u f f ü h r u n g der Geistlichen und anderen Kirchendiener, so wie das religiöse und moralische Verhaltender Gemeinen und die Beförderungsmittel oder Hindernisse der Reinheit und Wirksamkeit der Lehre und des K u l t u s zu beobachten. §11. Besonders soll er jede Gelegenheit benutzen, die i h m untergeordneten Individuen nach ihren Fähigkeiten, ihrer wissenschaftlichen und moralischen Bildung, ihrer Amtsthätigkeit und A u f f ü h r u n g genau kennen zu lernen, u m jedem nach seinem Bedürfnisse Rath und Anweisung geben zu können. §12. Z u dieser Absicht hat er i n jedem Jahre die Hälfte der Kirchensprengel seines Distriktes sorgfältig persönlich zu visitiren und die Bedürfnisse des Unterrichts und Kultus, die M i t t e l zu deren Befriedigung, das Verhalten des Pfarrers und der Gemeine gegen einander und deren wechselseitige Beschwerden, die Beschaffenheit der Pfarr-Registratur und der Kirchenbücher, überhaupt die ganze A r t der Beobachtung oder Vernachlässigung der Kirchenordnung zu untersuchen, darüber ein genaues Visitationsprotokoll abzufassen und m i t Beilegung desselben an das Königliche Generalkreiskommissariat Bericht zu erstatten. § 13. Die v o m Kreiskirchenrathe aufgegebenen Synodalfragen hat er seinen Kapitularen bekannt zu machen, die einlaufenden A n t w o r t e n durchzusehen und, m i t seinen Bemerkungen begleitet, an das Generalkommissariat einzuliefern, auch die darauf erfolgende Censur des Kreiskirchenrathes seinen Diözesanen mitzutheilen. § 14. A u f gleiche Weise hat er m i t den von den Geistlichen abzufassenden Jahresberichten und m i t den von ihnen einzuliefernden Predigten, Dispositionen und praktischen Aufsätzen zu verfahren. § 15. Jährlich einmal hat er alle Kapitularen und i m Distrikte sich aufhaltenden V i k a r i e n und Kandidaten zu einer Synode i m Wohnorte des Dekanats zu versammeln, welche m i t einer Predigt eines Diözesangeistlichen eröffnet und zu einem Vortrage des Dekans über einen wissenschaftlichen Gegenstand, zu Unterredungen darüber, zur Rekapitulation der i m Laufe des Jahres i m K i r chenwesen des Distrikts vorgefallenen wichtigeren Veränderungen und darüber ergangenen Verordnungen, zur Berathung über wichtige Amtsfälle und über die ökonomischen und literarischen Angelegenheiten des Kapitels, dann zur W a h l f ü r die etwa erledigten Stellen von Kapitelssenioren und K a m e r arien benutzt werden soll. §16. Protokoll u n d Bericht über die gehaltene Synode hat der Dekan an das Generalkommissariat einzuschicken und denselben die gehaltene Synodalpre-

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digt und die Jahresberichte der sämtlichen Pfarrämter beizulegen, auch seinen eigenen Jahresbericht über den Zustand des Kirchenwesens i m ganzen D i strikte und eine genaue unpartheiische Konduitenliste über alle Geistlichen, Vikarien und Kandidaten des Kapitels anzufügen. §18. Bei Erledigung einer Pfarrstelle hat er sogleich Anzeige zu machen und seine gutachtlichen Vorschläge wegen Verwesung der Stelle beizufügen, auch für die Verwahrung der Amtsregistratur zu sorgen. § 19. Die Installation der Geistlichen und die Verpflichtung der niederen Kirchendiener w i r d von ihm, nach der i n der Kirchenordnung vorgeschriebenen Form auf den vom Generalkommissariate deshalb zu ertheilenden Befehl v o l l zogen.

I I . Die Fortbildung der protestantischen Kirchenverfassung Der im Mai 1818 erlassenen neuen bayerischen Verfassung 1 war als erste Beilage das Religionsedikt angefügt (oben Nr. 60). Gleichzeitig wurde kraft landesherrlicher Gewalt auch die evangelische Kirchenverfassung neu geordnet. Das der Verfassung beigegebene „Edikt über die inneren kirchlichen Angelegenheiten der protestantischen Gesamtgemeinde in dem Königreiche" (Nr. 280) übertrug die Leitung der protestantischen Kirchensachen, unter Aufhebung des bisherigen, mit der Kirchensektion des Innenministeriums identischen Generalkonsistoriums, dem neugeschaffenen Oberkonsistorium. Ferner richtete das Edikt an Stelle der bisher als Mittelinstanzen zuständigen Generalkreiskommissariateneue kirchliche Mittelinstanzen, nämlich die Konsistorien in Ansbach, Bayreuth und Speyer, ein. Ihnen wurde 1838 das Dekanat München gleichgestellt 3. Das als eigene kirchliche Zentralbehörde errichtete Oberkonsistorium war zwar dem Innenministerium untergeordnet; doch war es in Ausübung des landesherrlichen Kirchenregiments der bloßen „Dien st auf sieht", also nicht der „Fachaufsicht" des Innenministeriums unterworfen; allerdings hatte es in den in § 19 aufgezählten Fragen über das Innenministerium die Entscheidung des Königs einzuholen 4. Die staatliche Kirchenaufsicht (jus circa sacra) lag nicht in den Händen des Oberkonsistoriums, sondern in denen des Innenministeriums ·\ Die damit geschaffenen Abhängigkeiten fielen weniger stark ins Gewicht, solange die bayerische Staatsregierung von den Maximen der Aufklärung bestimmt war. Unter dem klerikalen System A b e l 6 dagegen mußte es zu Konflikten kommen. Um den Einfluß des Innenministers Abel in 1

Dokumente Bd. 1, Nr. 51; Auszug oben Nr. 59. Oben Nr. 278. 3 Allerhöchste Entschließung vom 7. März 1838 (Döllinger, Verordnungen, Bd. V I I I , S. 1349). 4 Vgl. K. Rieker, Die rechtliche Stellung der evangelischen Kirche Deutschlands (1893) S. 364 f. Z u den anschließenden Auseinandersetzungen über die Stellung des Oberkonsistoriums: M. Simon, Evangelische Kirchengeschichte Bayerns (2. Aufl. 1952), S. 567. 5 Z u r Bearbeitung der evangelischen Kirchensachen wurde der Oberkirchenrat Ludwig Friedrich Schmidt (1764 - 1857), bisher theologisches Mitglied des Generalkonsistoriums, als Ministerialrat in das Innenministerium berufen. 6 Siehe oben S. 457. 2

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19. Kap.: Die evangelischen Kirchen in Bayern

protestantischen Kirchensachen auszuschalten, wurde nach den Krisen der vierziger Jahre mit Wirkung vom 1. Januar 1847 das selbständige Kultusministerium geschaffen 7, dem das Oberkonsistorium hinfort unterstellt war. Der erste Präsident des Oberkonsistoriums war der Frhr. v. Seckendorff (1818 - 1828)*; ihm folgte der strenge Lutheraner Friedrich v. Roth (1828 - 1848)». An dessen Stelle trat nach der Märzrevolution der Synodale Friedrich Christian Arnold (1848 - 1852) 10. Nach diesen drei Juristen kam das oberste kirchliche Amt 1852 zum ersten Mal an einen Theologen, nämlich an Adolf v. Harleß, der bis Ende 1878 Präsident des Oberkonsistoriums war 11.

N r . 280. E d i k t über die inneren kirchlichen Angelegenheiten der Protestantischen Gesammtgemeinde vom 26. M a i 1818 (Bayerisches Gesetzblatt 1818, S. 437 ff.) — Auszug — I. Verfassung des Protestantischen

Kirchen-Regiments

§1. Das oberste Episcopat und die daraus hervorgehende Leitung der Protestantischen innern Kirchen-Angelegenheiten soll k ü n f t i g durch ein selbständiges Ober-Consistorium ausgeübt werden, welches dem Staats-Ministerium des Innern unmittelbar untergeordnet ist. §2. Dasselbe besteht: a) aus einem Präsidenten des Protestantischen Glaubens-Bekenntnisses; b) aus vier geistlichen Ober-Consistorialräthen, unter welchen Einer der reformirten Religion ist; c) aus einem weltlichen Rathe; d) aus dem nothwendigen Unter-Personal, m i t Einschluß eines Rechnungsverständigen zur Super-Revision der Pfarr-Faßionen und der Rechnungen über die Pfarr-Unterstützungs- und Wittwen-Cassen. 7

Oben S. 472 ff. Carl August Frhr. v. Seckendorff (1774 - 1828), Jurist; 1800 Assessor am Reichskammergericht i n Wetzlar; seit 1806 i m bayer. Staatsdienst; 1807 Vizepräsident des Hofgerichts Bamberg, 1808 Präsident des Appellationsgerichts daselbst; 1817 Staatsrat; 1818 - 1828 Präsident des Oberkonsistoriums. 9 Carl Johann Friedrich (v.) Roth (1780 - 1852), Jurist; 1802 Rechtskonsulent der Stadt Nürnberg; 1806 Finanzrat des Pegnitzkreises daselbst; 1810 Oberfinanzrat i n München; 1817 Ministerialrat i m bayer. Finanzministerium; auf Grund seiner umfassenden Gelehrsamkeit seit 1813 Mitglied der bayer. A k a demie der Wissenschaften (1828 Herausgeber der Schriften Hamanns); 1828 bis 1848 Präsident des Oberkonsistoriums; Förderer der Erweckungsbewegung i n Bayern; entscheidend beteiligt an der Uberwindung des Rationalismus durch das strenge L u t h e r t u m i n der evang.-theol. Fakultät Erlangen. 10 Friedrich Christian (v.) Arnold (1786 - 1868), Jurist; 1841 Oberappellationsgerichtsrat i n München; Mitglied der Generalsynode; 1. A p r i l 1848 bis 1. Oktober 1852 Präsident des Oberkonsistoriums; Staatsrat; 1855 - 1859 Präsident des Appellationsgerichts Ansbach. 11 Siehe unten S. 656 A n m . 3. 8

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§ 3. Die Ober-Consistorialräthe haben den Rang der Centralräthe; die Gehalte und respective Functions-Zulagen des Gesammt-Personals werden auf die Staats-Casse übernommen. § 4. Statt der bisherigen General-Decanate 1 2 sollen drey Consistorien, i n Ansbach, Baireuth und für den Rheinkreis zu Speyer, errichtet werden. Diese sollen k ü n f t i g bestehen: a) aus einem Vorstande der Protestantischen Confession; diese Function soll dem Regierungs-Director, oder dem ältesten Regierungsrathe derselben Confession, übertragen werden ; b) aus zwey geistlichen und einem weltlichen Protestantischen Rathe, dann c) aus dem nothwendigen Unter-Personal. §5. Die Consistorial-Räthe haben den Rang der vormaligen Kreis-Kirchenräthe. Die Besoldungen und respective Functions-Zulagen des ConsistorialPersonals werden gleichfalls auf die Staats-Casse übernommen. §6. Die bisherige Verfassung der Districts-Decanate und Districts-SchulInspectionen, so wie der übrigen Mittelorgane w i r d beybehalten 1 3 . § 7. Z u r Handhabung der Kirchen-Verfassung soll i n jedem Decanate eine jährliche Visitation, u n d am Decanats-Sitze jährlich eine Diöcesan-Synode, dann alle vier Jahre eine allgemeine Synode am Sitze des Consistoriums, unter der Leitung eines Mitgliedes des Ober-Consistoriums, zur Berathung über innere Kirchenangelegenheiten, i n Gegenwart eines Königlichen Commissaire's, welcher jedoch an den Berathungen selbst keinen A n t h e i l zu nehmen hat, gehalten werden. §8. Die theologische Prüfungs-Commission für die Aufnahms-Prüfung der Protestantischen Pfarramts-Candidaten bleibt i n Ansbach m i t dem Consistor i u m daselbst, so wie i n Speyer m i t dem dortigen Consistorium für die Candidaten aus dem Rheinkreise, verbunden. Derselben sind auch die AnstellungsPrüfungen i n den jährlich auszuschreibenden Concurs-Terminen übertragen... IL Wirkungskreis untergeordneten

des Ober-Consistoriums Consistorien

und der diesem

§ 10. A l l e Gegenstände, welche die Aufrechthaltung der Religions-Edicte und der Verordnungen über die öffentlichen und bürgerlichen Verhältnisse der religiösen Gemeinden und Körperschaften; die Handhabung der gesetzlichen Gränzen zwischen weltlicher und geistlicher Gewalt; die Bewahrung und Vertretung der landesfürstlichen Rechte und Interessen i n Bezug auf die Kirchen aller Confessionen und deren Anstalten und Güter; die Handhabung der gesammten Religions- und der Kirchen-Policey i n allen Beziehungen, u n d besonders i n Rücksicht auf alle äußeren Handlungen der Kirchen-Gemeinden und ihrer Angehörigen betreffen, gehören zur Competenz der Kreis-Regierungen und des Staats-Ministeriums des Innern, nach den nähern Bestimmungen der hierüber erlassenen besondern Verordnung über die Formation und den Wirkungskreis der obersten Verwaltungs-Stellen i n den Kreisen vom 27. März 1817 14 , dann über den Geschäftskreis der Staats-Ministerien vom 15. A p r i l 18171*. 12 13 14 15

ObeivNr. 278. Oben Nr. 279 (Nr. I I I ) . RegBl. 1817 Sp. 233 ff. Reg.Bl. 1817 Sp. 330 ff.

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19. Kap.: Die evangelischen Kirchen i n Bayern

§11. Der Wirkungskreis des Ober-Consistoriums so wie der i h m untergeordneten Consistorien i n den Kreisen ist demnach beschränkt auf die Gegenstände der innern Kirchen-Policey, auf die Ausübung des m i t der Staatsgewalt verbundenen Episcopats und die Leitung der innern Kirchen-Angelegenheiten; es steht ihnen hiernach zu: die Aufsicht über Kirchen-Verfassung, Kirchen-Ordnung, Disciplin, Lehrvorträge, Amtsführung und Betragen der Geistlichen, Prüfung, Ordination, Anstellung und Beförderung der Candidaten, Ertheilung des Religions-Unterrichts i n den Schulen, Cultus, Liturgie und Ritual, Purificationen und Dismembrationen der Pfarreyen, Erledigung und Wiederbesetzung der Pfarrstellen und anderer Kirchendienste, Investitur der Geistlichen, Synodal- und Diöcesan-Verhältnisse, Dispensationen, PfarrW i t t w e n - und Pfarr-Pensions-Anstalten, Fatirung und Veränderung der Pfarr-Einkünfte . . . §12. I n Ansehung der V e r w a l t u n g des Stiftungs-Vermögens und der Oberaufsicht über die Erhaltung u n d zweckmäßige Verwendung des Vermögens der Protestantischen Kirchen und Kirchen-Stiftungen verbleibt es bey den bisherigen gesetzlichen Bestimmungen. §13. Dem Ober-Consistorium ist die Aufsicht über das Protestantischtheologische Studium auf der Universität Erlangen i n Ansehung der Lehren übertragen, auch w i r d bey Besetzung der theologischen Lehrstellen dasselbe m i t seinem Gutachten vernommen. § 14. Demselben, so wie den untern Consistorien in ihren Bezirken, verbleibt, wie schon i n den frühern Edicten verordnet war, die Aufsicht über den Protestantischen Religions-Unterricht i n den Schulen. Die Aufsicht und die Anordnungen über den übrigen Unterricht, sowohl i n den Volksschulen als Studien-Anstalten, gehören als ein Staats-Policey-Gegenstand lediglich zur Competenz der Regierungen und des Staats-Ministeriums des Innern, nach den darüber bestehenden gesetzlichen Einrichtungen. I n den Kreisen, in welchen die größere Mehrheit der Einwohner Protestantischer Confession ist, soll jedoch das Referat i n Schul-Angelegenheiten einem Rathe von dieser Confession übertragen, auch soll unter den Ober-Studienräthen jederzeit Einer von der Protestantischen Religion angestellt werden. III.

Verhältnisse des Ober-Consistoriums zu den untern und dieser zu den Regierungen und andern weltlichen

Consistorien, Behörden

§ 15. Die Consistorien behalten i n allen Beziehungen gegen das Ober-Consistorium dasselbe Verhältniß, i n welchem die zeitherigen General-Decanate zu den General-Consistorien gestellt waren. §16. Die Consistorien sind i n ihrem Wirkungskreise gegen die Regierungen als coordinirte Stellen zu betrachten, wonach sie sich wechselseitig gegen einander zu benehmen haben; i n Staats-, Policey- und andern nach dem Edicte über die äußern Rechts-Verhältnisse zur weltlichen Regierung gehörigen Gegenständen aber sind sie den Regierungen untergeben; diese haben jedoch i n ihren Ausfertigungen an dieselben sich jederzeit einer geziemenden Schreibart zu bedienen. §17. Den Consistorien sind i n Gegenständen ihres Wirkungskreises die Districts-Decanate und Pfarrer untergeordnet; Verfügungen an weltliche Behörden können sie nur durch die Regierung bewirken, welche ihnen zur U n -

I I I . Die bayerischen Protestanten im K a m p f um die Parität

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terstützung in der Ausübung ihrer Amts-Befugnisse nicht verweigert werden dürfen, so lange sie i n den gesetzlichen Schranken ihres Wirkungskreises verbleiben; auch werden die Landgerichte und übrigen Policey-Stellen hierdurch angewiesen, denselben hiezu jederzeit den erforderlichen Beystand zu leisten. IV. Verhältniße des Ober'Consistoriums zu dem Staats-Ministerium des Innern §18. Das Ober-Consistorium ist ein dem Staats-Ministerium des Innern unmittelbar untergeordnetes Collegium; es empfängt hiernach von demselben Aufträge und Befehle durch Rescripte und erstattet an dasselbe Berichte. §19. Dasselbe hat hiernach an genanntes Staats-Ministerium gutachtliche Berichte zu erstatten und durch dieses die Allerhöchste Entschließung zu erholen: a) I n allen Gegenständen neuer organischer kirchlicher Einrichtungen und allgemeiner Verordnungen; b) bey Anordnungen allgemeiner öffentlicher Gebete und außerordentlicher Kirchenfeste, oder Abschaffung bestehender Feste u n d Feyertage; c) in Fällen, wo es auf Bestimmung der Verhältnisse zwischen Katholischen und Protestantischen Pfarreyen und einzelner Einwohner verschiedener Glaubensbekenntnisse ankömmt, nach §§ 47 u. 48 der Consistorial-Ordnung 1 «, wohin insbesondere die Puriftcationen gemischter Pfarreyen gehören; d) bey Dispensations-Gesuchen wegen verbotener Verwandtschafts-Grade; e) über alle Anstellungen und Beförderungen in geistlichen Amtsstellen, Versetzungen, Degradationen, Suspensionen vom Amte, Pensionirungen, Entsetzungen oder Ausschließungen vom geistlichen A m t e ; f) bey Eintheilung der Pfarrsprengel und Errichtung neuer Pfarreyen, oder Vereinigung mehrerer Gemeinden i n eine Pfarrey; g) bey Anordnungen außerordentlicher Synodal-Versammlungen; h) über die Resultate gehaltener allgemeiner Synodal-Versammlungen; i) über die Annahme neuer Stiftungen zu kirchlichen Zwecken, m i t V o r behalt der Competenz der Kreis-Regierungen in Ansehung der administrativen Beziehungen; k) in Fällen, wo ein Benehmen m i t andern Staats-Ministerien erforderlich ist. Nebstdem hat dasselbe am Schluße eines jeden Jahres eine allgemeine Ubersicht des kirchlichen Zustandes der Protestantischen Gesammt-Gemeinden m i t den i m Laufe des Jahres darin vorgegangenen wichtigen Veränderungen mit gutachtlichen Bemerkungen vorzulegen 1 7 . . . .

I I I . D i e bayerischen Protestanten i m K a m p f u m die Parität Den Text des bayerischen Konkordats (oben Nr. 73) veröffentlichte die Kurie bereits im Dezember 1817. Er wurde deshalb auch in Bayern schon be16

Oben Nr. 279. Der anschließende Abschnitt V (§§ 20 - 29) betrifft den Geschäftsgang der kirchlichen Behörden. 17

19. Kap.: Die evangelischen Kirchen i n Bayern

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kannt, bevor die Regierung ihn amtlich verkündet hatte 1. Die bayerischen Protestanten sahen in dem Konkordat eine einseitige Bevorzugung der katholischen Kirche und eine Beeinträchtigung der seit Anfang des Jahrhunderts gewährleisteten Parität 2. Noch vor der amtlichen Verkündung des Konkordats erklärte König Max Joseph derartige Befürchtungen für unbegründet (Nr. 281). Die Entschließung des Königs vom 19. Januar 1822 (Nr. 282) bekräftigte die Zusicherung, daß die Rechte der Protestanten durch das Konkordat nicht beeinträchtigt würden. Allerdings hatte das Edikt vom 26. Mai 1818 (oben Nr. 280) dem bayerischen Protestantismus die Bezeichnung „Kirche" noch verweigert und statt dessen von der „protestantischen Gesamtgemeinde" gesprochen. Darin lag eine Zurücksetzung, die umso schwerer wog, als der katholische König die Rechte des landesherrlichen Summepiskopats für sich in Anspruch nahm. Der Erlaß vom 28. Oktober 1824 (N. 283) erkannte wenigstens, dem Grundsatz der Parität entsprechend, die Bezeichnung „Protestantische Kirche" an. N r . 281. Entscheidung K ö n i g M a x Josephs, die Verhältnisse der Protestantischen Gesammtgemeinde i m Königreiche betreffend vom 12. März 1818 (G. v. Döllinger,

Verordnungen, Bd. V I I I 3, S. 1273 f.)

Es sind Uns, theils durch die geeigneten Behörden, theils m i t Übergehung derselben unmittelbar, mehrere Vorstellungen der protestantischen Geistlichkeit zugekommen, i n welchen dieselbe auf den Grund eines lediglich durch öffentliche Blätter und noch nicht i m ordentlichen gesetzlichen Wege i h r bekannt gewordenen, m i t dem päbstl. Stuhle abgeschlossenen Concordats ihre Besorgnisse wegen der künftigen Rechtsverhältnisse ihrer Kirche ängstlich äußert. W i r erklären auch hiedurch zu euerer und der protestantischen Gesammtgemeinde Unseres Königreichs Beruhigung: daß W i r nicht nur alle in Beziehung auf ihre kirchlichen Verhältnisse erlassenen früheren Edicte und Verordnungen aufrecht erhalten, sondern auch denselben i n der bevorstehenden Verfassung des Reiches und den damit i n Verbindung stehenden « i n s t i t u tionellen Gesetzen gegen jeden Einfluß der katholischen Geistlichkeit eine vollkommene Sicherstellung verschaffen werden. Dagegen erwarten Wir, daß i m Vertrauen auf die bekannten, hierdurch bestätigten Grundsätze Unserer Regierung i n Religions-Angelegenheiten, alle weiteren Umtriebe und voreiligen Besorgnisse durch euere pflichtmäßige E i n w i r k u n g werden beseitigt werden. N r . 282. Entschließung K ö n i g M a x Josephs, betreffend das Konkordat vom 19. Januar 1822 (G. v. Döllinger,

Verordnungen, Bd. V I I I 1, S. 290)

W i r haben durch den Bericht des protestantischen Oberconsistoriums vom 27. v. M. u. J. die Besorgnisse erfahren, welche die Vollziehung des m i t dem 1 2

Oben S. 170. Oben S. 59.

I I I . Die bayerischen Protestanten i m K a m p f u m die Parität

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päbstlichen Stuhle abgeschlossenen Concordats bei Unsern protestantischen Staatsangehörigen veranlaßt habe: zur Beseitigung derselben und jeder w e i tern Mißverständnisse erklären W i r hierdurch: daß jenes Concordat und alle auf die Vollziehung desselben sich beziehenden Anordnungen, wie sich von selbst versteht, lediglich auf die katholische Kirche u n d die Staatsangehörigen der katholischen Religion sich erstrecken, und die verfassungsmäßigen Rechte der protestantischen Kirche und ihrer Glaubensgenossen nicht berühren, welche Wir, so wie sie durch die Verfassungsurkunde und i n den derselben beigefügten Edicten 3 garantirt sind, jederzeit aufrecht erhalten und keine Eingriffe i n dieselben gestattet werden, wornach Unsere sämmtlichen Stellen ohnehin angewiesen sind. Indem W i r Unserm protestantischen Oberconsistorium dieses hiedurch eröffnen, überlassen W i r demselben die i h m untergeordneten geistlichen Stellen und Behörden, bei welchen ähnliche Besorgnisse entstanden sein mögen, davon i n Kenntniß zu setzen. N r . 283. Erlaß K ö n i g M a x Josephs, die Petition der General-Synoden von Ansbach und B a y r e u t h betreffend vom 28. Oktober 1824 CG. v. Döllinger,

Verordnungen, Bd. V I I I 3, S. 1299 ff.) — Auszug —

I h r habt Uns i n euerm Bericht v o m 25. J u n i d. J. die verschiedenen Wünsche und Bitten vorgetragen, welche die i m verflossenen Jahre gehaltenen GeneralSynoden zu Ansbach und Bayreuth euch zur Vertretung übergeben haben. W i r haben dieselben i n reifliche Erwägung gezogen, und ertheilen euch nunmehr hierauf in dem Nachfolgenden Unsere Entschließung:... 13. Daß statt des Ausdruckes: „Protestantische Gesammt-Gerneinde i n Bayern" der passendere und würdigere: „Protestantische Kirche" i n allen öffentlichen Acten gebraucht werden solle, genehmigen W i r vollkommen, als der Analogie und der ausgesprochenen Gleichheit der Rechte der christlichen Confessionen gemäs. 15. Die Beschwerden über Proselytenmacherei katholischer Geistlichen anlangend, so bestehen hierüber bereits genügende Verordnungen, und Unsere Regierungen sind ernstlich angewiesen, wenn Fälle klagbar bei ihnen angebracht würden, wo katholische Geistliche oder Laien durch Zwang oder andere unerlaubte M i t t e l ihren Zweck zu erreichen suchen, dieses nach den Bestimmungen der Verfassungs-Urkunde strenge zu ahnden, und die Protestanten vor jeder Beunruhigung und vor Beeinträchtigung ihrer Glaubensfreiheit kräftigst zu schützen. 16. Wenn endlich i n einer Vorstellung der Ansbacher General-Synode, welche i h r Uns zur Berücksichtigung vorgelegt habt, auf einen wesentlichen Unterschied i n der Stellung der beiden christlichen Kirchen zu der Staatsgewalt aufmerksam gemacht, und eine Ungleichheit i n der Constituirung der 3

Oben Nr. 60, 280.

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19. Kap.: Die evangelischen Kirchen in Bayern

protestantischen Kirche behauptet wird, so habt i h r zu erwägen, daß dieser Unterschied i n der Sache selbst liegt, indem bei der Feststellung der katholischen Kirchenangelegenheiten nothwendig eine andere Verhandlungsart eintreten mußte, als bei der i n keinerlei auswärtigen Beziehungen stehenden, protestantischen Kirche des Königreiches. Indessen haben W i r nicht n u r bisher Unsern protestantischen Unterthanen die unzweideutigsten Beweise Unserer gleichen Sorgfalt für ihre religiösen Angelegenheiten gegeben, und ihnen gleichen Schutz widerfahren lassen; sondern W i r haben auch der protestantischen Kirche Unsers Reiches durch Unser Edict über die innern Kirchen-Angelegenheiten etc. 4 eine solche Stellung angewiesen, daß ihre Selbständigkeit vollkommen gesichert, und kein Grund zu Besorgnissen für die Z u k u n f t vorhanden ist. Zu ihrer größeren Beruhigung nehmen W i r überdies keinen Anstand, euch die feierliche Versicherung zu ertheilen, daß W i r i n den innern Kirchenangelegenheiten der Protestanten ohne M i t w i r k u n g Unsers protestantischen Oberconsistoriums, welches darüber die Meinung der General-Synoden nach Umständen einholen mag, niemals irgend eine Veränderung vornehmen, oder vorzunehmen gestatten werden . . .

I V . Der K a m p f u m den „Kniebeuge-Erlaß" Die bayerische Kirchenpolitik war seit 1837, dem Amtsantritt des Ministeriums Abel 1, von der Tendenz einer Klerikalisierung des öffentlichen Lebens bestimmt. Die Abelsche Politik des „katholischen Prinzips" stellte eine ernste Gefährdung für das bayerische Paritätssystem dar-. Das Symbol dieser Politik war der Kniebeuge-Erlaß des Kriegsministeriums vom 14. August 1838 (Nr. 284). Er verpflichtete auch die evangelischen Soldaten, bei katholischen Militärgottesdiensten, Fronleichnamsprozessionen und anderen Anlässen, zu denen das Allerheiligste an ihnen vorbeigetragen wurde, niederzuknien. Dieser Erlaß rief unter den bayerischen Protestanten einen Sturm der Entrüstung hervor. Der Präsident des Oberkonsistoriums v. Roth erhob nachdrücklich Einspruch, den der Staatsrat jedoch am 23. Dezember 1839 zurückwies. Besonders lebhaft griff der Theologe Adolf Harleß*, der spätere Präsident des Oberkonsistoriums, als Vertreter der Erlanger Universität im bayerischen Landtag den Kniebeug e-Erlaß an 4 . Durch erneute Vorstellungen 4

Oben Nr. 280. Oben S. 457. Oben S. 59, 653 f. 3 Adolf (v.) Harleß (1806 - 1879), seit 1833 Professor der Theologie i n Erlangen; 1845 als Konsistorialrat nach Bayreuth und damit i n einen eingeschränkten Wirkungsbereich versetzt; i m gleichen Jahr Professor der Theologie i n Leipzig; dort seit 1847 zugleich Pfarrer an St. Nikolai; 1850 Oberhofprediger, geistl. Vizepräsident des sächs. Landeskonsistoriums und Geh. Kirchenrat i m Kultusministerium i n Dresden (unten S. 698 Anm. 4). A u f Vorschlag des Ministerpräsidenten von der Pfordten ernannte K ö n i g Maximilian II. i h n 1852 zum Präsidenten des bayerischen Oberkonsistoriums; er übte dieses A m t bis kurz vor seinem Tod aus. 4 Vgl. Harleß' Auseinandersetzung m i t Döllinger über den Erlaß: (I. v. Döllinger), Die Frage von der Kniebeugung der Protestanten. Sendschreiben I 1

2

V. K a m p f u m Unterweisung minderjähriger Protestanten

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des Präsidenten v. Roth sah König Ludwig I. sich zunächst zu einzelnen Abmilderungen, am 12. Dezember 1845 schließlich zur Aufhebung des KniebeugeErlasses veranlaßt 5. N r . 284. Erlaß des bayerischen Kriegsministeriums betreffend die militärischen Ehrenbezeugungen bei katholischen Kultushandlungen v o m 14. August 1838 (G. Döllinger

- Fr. v. Strauß, Verordnungen, Bd. X X I I I , S. 63 ff.) — Auszug —

A u f Befehl Seiner Majestät des Königs. Se. M a j . der K ö n i g haben allergnädigst zu beschließen geruht, daß bei kath. Militärgottesdiensten während der Wandlung und beim Segen wieder niedergekniet werden soll, u n d daß 1. Hüte und Schirmmützen von Offizieren, Unteroffizieren u n d Soldaten i n allen dienstlichen u n d außerdienstlichen Verhältnissen, gottesdienstliche allein ausgenommen, als Ehrenbezeugung 6 nie abgenommen werden, sondern sich m i t diesen Kopfbedeckungen i n allen Fällen wie m i t dem Casquet auf dem Kopfe zu verhalten sei, u n d auch Unteroffiziere u n d Soldaten zu Pferd durch Anlegung der rechten Hand an den Schirm der Kopfbedeckung die Ehrenbezeugung zu erweisen haben; 2. daß die Ehrenbezeugung des Frontmachens n u r vor dem Hochwürdigsten, Ihren Kgl. Majestäten, Allerhöchst und Höchsten Personen zu geschehen habe, u n d diese Ehrenbezeugung auch von den Offizieren zu erweisen sei; 3. daß alle Ehrenbezeugungen auf eine Entfernung von 6 Schritten her- u n d eben so vielen hinwärts zu vollziehen seien, vor jenen Personen aber, vor welchen das Gewehr präsentirt w i r d , auf 12 Schritte geschultert, u n d auf 6 Schritte präsentirt w e r d e ? . . .

V. Der K a m p f u m die religiöse Unterweisung minderjähriger Protestanten durch katholische Geistliche Das „System Abel" gab den bayerischen Protestanten häufigen Anlaß, sich gegen eine Verletzung der konfessionellen Parität zur Wehr zu setzen. Ein Beispiel für solche Auseinandersetzungen war der Streit um die der Herbeiführung des Konfessionswechsels dienende religiöse Unterweisung minderjähriger Protestanten durch katholische Geistliche. Die Beschwerde gegen solu n d I I (1843); A. Harleß, Offene A n t w o r t an den anonymen Verfasser der zwei Sendschreiben (1843); I. v. Döllinger, Der Protestantismus i n Bayern und die Kniebeugung. Sendschreiben an Professor Harleß (1843). 5 M. Simon, Evangelische Kirchengeschichte Bayerns (2. Aufl. 1952), S. 610. 6 So i n dem bayerischen Erlaß, statt der sich später als korrekt durchsetzenden Schreibweise „Ehrenbezeigung". 7 Es folgen ins Einzelne gehende Dienstvorschriften über die verschiedenen A r t e n der Ehrenbezeigungen vor dem Allerheiligsten, beim Segen, bei Kirchenparaden, bei Fronleichnams-Prozessionen usf. 42 Huber, Staat und Kirche, 1. Bd.

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19. Kap.: Die evangelischen Kirchen in Bayern

chen Unterricht wies das Ministerium des Innern zunächst zurück (Nr. 285). Das Oberkonsistorium teilte den Erlaß unter Wiederholung seiner Bedenken den evangelischen Dekanaten mit (Nr. 286). Der Versuch, diese wie viele andere Beschwerden den General-Synoden von Bayreuth und Ansbach zur Beschlußfassung vorzulegen, scheiterte daran, daß der königliche Kommissar die Behandlung der entsprechenden Anträge auf den Synoden nicht genehmigtei. Darauf brachten die Mitglieder der General-Synoden entsprechende Beschwerden beim Oberkonsistorium ein. Auch diese Beschwerden wies die Allerhöchste Entschließung vom 26. April 1845 ab (Nr. 287). N r . 285. Entschließung des Innenministeriums an das Oberkonsistorium über den Religionswechsel M i n d e r j ä h r i g e r vom 5. November 1843 (K. Fürst zu Oettingen-W aller stein, Beiträge zu dem bayerischen Kirchen-Staatsrechte, 1846, S. 280) Dem kgl. protestantischen Oberkonsistorium w i r d auf den Bericht bezeichneten Betreffes v o m 14. Juny erwiedert, daß dem i n diesem Berichte gestellten Antrage, i n Ermangelung der gesetzlichen Begründung desselben, eine Folge u m so minder gegeben werden könne, als durch denselben der verfassungsmäßig gewährleisteten Gewissensfreiheit zu nahe getreten w i r d . N r . 286. Ausschreiben des Oberkonsistoriums zur Erläuterung der Ministerialentschließung v o m 5. November 1843 v o m 25. November 1843 (K. Fürst zu Oettingen-W aller stein, Beiträge zu dem bayerischen Kirchen-Staatsrechte, 1846, S. 280 ff.) A u f die Anzeige des protestantischen Dekanates N. N., daß der kath. Stiftsprediger N. N. dem v o n protestantischen Eltern hinterlassenen, bereits durch Konfirmation i n die protestantische Kirche aufgenommenen, jedoch noch minderjährigen N. N. regelmäßigen Unterricht i n der Lehre der römischkatholischen Kirche ertheilet, hat das kgl. Ober-Konsistorium die treffende kgl. Regierung hievon m i t dem Antrage i n Kenntniß gesetzt, den Stiftsprediger N. N. zur Verantwortung zu ziehen, u n d i h m unter Androhung geeigneter A h n d u n g die Ertheilung kath. Religionsunterrichtes an minderjährige Protestanten zu untersagen. A u f die von Seite der Kgl. Regierung gegebene ablehnende A n t w o r t legte die unterfertigte Stelle beschwerende Vorstellung unter Wiederholung der obigen Anträge an das Kgl. Ministerium des I n n e r n ein, wobei sie sich auf die nachstehenden Gründe stützte: 1. Pfarrer u n d Prediger sind lediglich f ü r ihre Kirche u n d Gemeinde bestellt; ihre geistliche Thätigkeit kann sich nicht auch auf andere Konfessionsbekenner erstrecken; 1

M. Simon, Evangelische Kirchengeschichte Bayerns (2. Aufl. 1952), S. 611.

V. K a m p f u m Unterweisung minderjähriger Protestanten

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2. der Unterricht i n der Religion gebührt n u r den dafür angestellten u n d von der Kirche approbirten Lehrern. Als Pfarrer oder Prediger an der kath. Kajetanskirche k a n n N. den Protestanten, w e i l zu einer andern Kirche gehörig, keinen Religionsunterricht ertheilen, und als Privatmann ermangelt i h m zu dieser Unterrichtsertheilung die spezielle Autorisation. 3. Die Absicht, w a r u m N. minderjährigen Protestanten Religionsunterricht ertheilt, k a n n n u r seyn, dieselben von ihrem Glauben abtrünnig zu machen, wie die königliche Regierung selbst dessen Verfahren als eine Vorbereitung zum Übertritte anerkannt hat, u n d diese Absicht ist bei dem genannten N. bereits so ziemlich erreicht. Durch solche, i n dieser Handlung bekundete, A b sicht greift er aber offenbar i n die Rechte der protestantischen Kirche auf ihre Angehörigen verletzend ein. 4. Derlei Bestrebungen, Proselytenmachen, und besonders aus der Klasse der Minderjährigen, können die unglückliche Folge nicht verfehlen, den i n neuerer Zeit so vielfältig bedrohten Frieden zwischen den verschiedenen Konfessionen gänzlich zu zerstören. Hierauf ist die i n Abschrift mitfolgende Ministerial-Entschließung v o m 5. d. ergangen, wovon dem etc. zur eigenen Kenntniß, sowie zur weitern V e r fügung an die untergebene protestantische Geistlichkeit hiermit Eröffnung gemacht w i r d , da der hierin ausgesprochene Grundsatz bei der verfassungsmäßigen Gleichheit der Rechte der römisch-katholischen und protestantischen Kirche nothwendigerweise gegenseitige Geltung behaupten muß. N r . 287. Entschließung K ö n i g Ludwigs I . an das Oberkonsistorium v o m 26. A p r i l 1845 (K. Fürst zu Oettingen-Wallerstein, Beiträge zu dem bayerischen Kirchen-Staatsrechte, 1846, S. 291 f.) I h r habt i n eurem Berichte vom 20. November 1844 die Beschwerden der Mitglieder der General-Synoden von Bayreuth u n d Ansbach wegen Beschränkung und Verletzung verfassungsmäßiger Rechte betreffend, auch jene Beschwerde euch angeeignet, und Uns vorgetragen, welche von den M i t g l i e dern der jüngsten General-Synode zu Ansbach gegen eine Entschließung Unseres Ministeriums des Innern v o m 5. November 1843 erhoben worden ist, i n welcher die Erlassung eines m i t Strafandrohungen begleiteten Verbots der Ertheilung verlangten religiösen Unterrichts durch Geistliche einer Kirche an minderjährige Mitglieder einer anderen Kirche abgelehnt worden ist. W i r haben nach Vernehmung Unseres Staatsrathes die Abweisung dieser Beschwerde beschlossen, nachdem durch ein solches Verbot die verfassungsgesetzlich jedem Einwohner des Königreichs gewährte vollkommene Gewissensfreiheit beeinträchtigt, der Kreis der Gegenstände, über welche ein M i n derjähriger Unterricht zu nehmen berechtigt ist, unzulässiger Weise beschränkt, i n die Erziehungsrechte der Eltern u n d Vormünder übergegriffen, den persönlichen Rechten des geistlichen Standes zu nahe getreten, u n d selbst der Grundsatz sanktionirt werden würde, daß der Geistliche einer christlichen Kirche eine unerlaubte u n d strafbare Handlung begehe, wenn er M i n d e r j ä h r i gen, die einer christlichen Kirche nicht angehören, Unterricht über die Wahrheiten des Christenthums ertheilt. 42*

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19. Kap.: Die evangelischen Kirchen i n Bayern

V I . Der K a m p f u m die Zuständigkeiten der Generalsynoden Den Generalsynoden von Ansbach und Bayreuth lagen im Jahr 1844 nicht weniger als 97 Anträge wegen der Einschränkungen vor, denen die Rechte der Protestanten in Bayern unterworfen seien. Die königlichen Kommissare jedoch verweigerten auch jetzt die Zustimmung zur Behandlung dieser Anträge auf den SynodenDie Rechtsgrundlagen für dieses Veto bildete das Edikt über die protestantischen Kirchenangelegenheiten vom 26. Mai 1818 (oben Nr. 280). Nach ihm stand den Synoden nur das Recht zur Behandlung der inneren kirchlichen Angelegenheiten (ius in sacra) zu. Die den Synoden 1844 vorgelegten Beschwerden aber betrafen nach Auffassung der königlichen Kommissare zum Teil gemischte Angelegenheiten (res mixtae), zum Teil Fragen der staatlichen Kirchenaufsicht (ius circa sacra). Der König bestätigte in der Entschließung vom 13. April 1845 (Nr. 288) diesen Standpunkt und wies die Beschwerden der protestantischen Synodalen gegen den Eingriff in die Rechte der Generalsynoden als einen Versuch, die Zuständigkeiten der Synoden auszudehnen, zurück. In weiteren Entschließungen vom 22. April und vom 29. April 1846 2 hielt König Ludwig I. entschieden an diesen Grundsätzen fest. Unter den dabei von der Seite des Königs vorgebrachten Gründen kam besoiideres Gewicht dem Argument zu, daß die von den Synodalen erstrebte Ausweitung ihrer Zuständigkeiten zur verfassungswidrigen Umwandlung des Konsistorialsy stems in das Presbyterialsystem führen werde.

N r . 288. Entschließung K ö n i g Ludwigs I., die Beschwerde der Mitglieder der Generalsynoden betreffend v o m 13. A p r i l 1845 (G. Döllinger

- Fr. v. Strauß, Verordnungen, Bd. X X I I I , S. 367 ff.) — Auszug —

A u f die Beschwerde, welche die Mitglieder der beiden jüngsten Generalsynoden zu Bayreuth u n d Ansbach über angebliche Beschränkung ihres verfassungsmäßigen Wirkungskreises i n zwei Vorstellungen v o m 6. September u n d 13. October v. Js. an Uns gebracht haben, u n d die theil weise auch von euch i n eurem Berichte v o m 20. November v. Js. vertreten worden ist, ertheilen W i r nach Vernehmung Unseres Staatsrathes nachstehende Entschließung: Das über die innern kirchlichen Angelegenheiten der protestantischen Gesammtgemeinde i m Königreiche Bayern unterm 26. M a i 1818 ergangene Verfassungsedict 3 hat i n dem § 7 den Wirkungskreis der allgemeinen Synoden k l a r und unzweifelhaft festgesetzt, u n d — während es zur Handhabung der Kirchenverfassung die jährliche Visitation der Decanate und die jährliche A b h a l t u n g von Diözesan-Synoden an den Decanatssitzen angeordnet, — zur Berathung über innere Kirchenangelegenheiten die Berufung allgemeiner Synoden am Sitze des Consistoriums von vier zu vier Jahren vorgeschrieben. ι M. Simon, Evangelische Kirchengeschichte Bayerns (2. Aufl. 1952), S. 610 f. Texte: G. Döllinger - Fr. v. Strauß, Verordnungen, Bd. X X I I I , S. 370 ff. 3 Oben Nr. 280.

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V I . Der K a m p f u m die Zuständigkeiten der Generalsynoden

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Was aber zu den innern Kirchenangelegenheiten zu zählen sey, darüber haben das Edict Beilage I I zur Verfassungsurkunde 4 i m §38, dann das oben angeführte Verfassungsedict über die innern kirchlichen Angelegenheiten der protestantischen Gesammtgemeinde i m Königreiche Bayern i m § 11 klare Bestimmung gegeben. I h r selbst habt i n dem von euch am 23. September 1822 über die zu haltende erste General-Synode erstatteten Berichte unter Ziffer I I I . 1 ausgesprochen u n d anerkannt: „daß das Gebiet der Kirchenangelegenheiten, m i t denen die Generalsynoden sich zu beschäftigen haben, auf das Bestimmteste durch das Edict über die äußern Rechtsverhältnisse der Einwohner des Königreiches i n Beziehung auf Religion u n d kirchliche Gesellschaften (Beil. I I . zur Verfassungs-Urkunde) § 38 bezeichnet sey." I h r habt eben daselbst unter Ziffer I I I . 4 m i t gleicher Bestimmtheit anerkannt, „daß, da die Generalsynoden m i t ihren eigentlichen Berathungen auf den Umfang der innern Kirchenangelegenheiten nach der Bestimmung des angeführten § 38 streng zu beschränken seien, es der kgl. allerhöchsten Genehmigung bedürfe, damit denselben gestattet sey, auch i n Ansehung vermischter m i t dem Interesse der Kirche verknüpfter Gegenstände, Wünsche, B i t t e n u n d Vorschläge einzelner Mitglieder anzunehmen u n d durch die Consistorialbehörden zur allerhöchsten Kenntniß zu bringen", u m welche Genehmigung daher i n jenem Berichte gebeten wurde. . . . Von diesen auf den Wortlaute der Verfassungsedicte gestützten u n d bis zu der jüngsten Generalsynode von keiner Seite bestrittenen, vielmehr v o n allen Seiten anerkannten Grundsätzen abzugehen, können W i r Uns u m so minder veranlaßt finden, als die Abänderung bestehender Verfassungsgesetze n u r auf dem durch die Staatsverfassung selbst Tit. X § 7 5 vorgezeichneten Wege statthaft erscheint. Es ist aber auch auf der andern Seite nicht minder Unser ernster u n d entschiedener Wille, daß den Generalsynoden der Wirkungskreis, welcher denselben durch die angeführten Verfassungsgesetze zugewiesen worden ist, ungeschmälert bewahrt, und ihren Berathungen innerhalb der verfassungsmäßigen Schranken die gebührende Freiheit belassen werde. Was insbesondere die Stellung des Kommissärs des Königs und jenes des Oberconsistoriums zu den Generalsynoden betrifft, so sind W i r auch i n dieser Beziehung die bestehenden verfassungsmäßigen Bestimmungen u n d die bis jetzt desfalls m i t allseitiger Anerkennung gehandhabten Grundsätze aufrecht zu halten, fest entschlossen. Dem Kommissär des Oberconsistoriums ist durch § 7 des Verfassungsedicts über die innern Kirchenangelegenheiten der protestantischen Gesammtgemeinde i m Königreiche Bayern die Leitung der Berathungen über innere K i r chenangelegenheiten übertragen. Der Kommissär des Königs aber hat nach eben diesem § 7, dann nach §§ 50, 51 u n d 57 das kgl. Oberaufsichtsrecht i n den Versammlungen der Generalsynoden zu üben, u n d ohne an den Berathungen selbst A n t h e i l zu nehmen, die 4 Oben Nr. 60. 5 Dokumente Bd. 1 Nr. 51.

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19. Kap.: Die evangelischen Kirchen i n Bayern

Beobachtung der Verfassungsgesetze zu überwachen, die Rechte des Königs zu wahren, u n d jedem Übergriffe alsbald Einhalt zu t h u n . . . Diese verfassungsmäßige Stellung der Commissäre des Königs bei den Generalsynoden u n d die damit verbundenen Befugnisse sind bis zu den j ü n g sten zu Bayreuth und Ansbach abgehaltenen Generalsynoden stets gleichförmig und unverändert aufrecht erhalten . . . worden, ohne daß von irgend einer Seite gegen das hierbei zu Grunde liegende verfassungsmäßige landesherrliche Recht auch n u r der leiseste Zweifel erhoben worden wäre. Auch i n dieser Beziehung sind W i r , die verfassungsmäßigen Rechte Unserer Krone unerschütterlich zu behaupten u n d zu handhaben, eben so fest entschlossen, als es Unser ernster W i l l e ist, daß durch Unsere zu den Generalsynoden abgeordneten Kommissäre diese Rechte i n keiner andern als i n einer verfassungsgemäßen Weise ausgeübt werden . . . W i r finden daher auch die von euch i n euerem Berichte vom 20. November v. Js. vorgeschlagene Abänderung des besagten § 15, durch welche die verfassungsmäßige Stellung des kgl. Kommissärs bei den Generalsynoden gänzlich verrückt, und die Ausübung des kgl. Oberaufsichtsrechtes bei demselben gelähmt u n d vernichtet werden würde, u m so weniger zur Berücksichtigung geeignet, als durch die Aufrechthaltung der verfassungsmäßigen Bestimmungen über den Wirkungskreis der Generalsynoden Beschwerden, Wünschen u n d Anträgen über Gegenstände, die nicht zu den innern Kirchenangelegenheiten gehören, wobei aber dennoch die Interessen der protestantischen Kirche betheiligt erscheinen, keineswegs der Weg zu dem Throne gesperrt, u n d deren Prüfung, Würdigung u n d Bescheidung abgeschnitten, sondern lediglich die Vertretung derselben auch als dem durch die Verfassungsgesetze hiefür angeordneten Organe vorbehalten, u n d der verfassungswidrigen Übertragung euerer Zuständigkeiten an die Generalsynoden und der Einführung einer Presbyterial-Verfassung auf verfassungswidrigem Wege entgegengetreten wird. I h r habt euch nach Unserer gegenwärtigen Entschließung nicht n u r selbst auf das Genaueste zu achten, sondern auch den Mitgliedern der beiden i m letztverflossenen Jahre zu Bayreuth und Ansbach versammelt gewesenen Generalsynoden darüber vollständige Eröffnung zugehen zu lassen, den M i t gliedern der Bayreuther Generalsynode insbesondere auszudrücken, wie W i r i n der Fassung u n d H a l t u n g ihrer Beschwerdevorstellung m i t Befriedigung treue u n d gewissenhafte Beobachtung der i n dem Unterthans-Verhältnisse gegenüber dem Landesfürsten begründeten Pflichten wahrgenommen haben, den Mitgliedern beider Synoden aber die beruhigende Versicherung zu geben, wie es Unser ernster u n d entschiedener Wille ist, daß dem landesherrlichen Oberaufsichtsrechte niemals eine den verfassungsmäßigen Rechten der Generalsynoden zu nahe tretende u n d den verfassungsmäßigen Wirkungskreis derselben beschränkende Anwendung gegeben werde.

V I I . Die pfälzische U n i o n Im Reformationsgedenkjahr 1817 entstanden in der bayerischen Rheinpfalz eine Reihe von örtlichen Unionen zwischen lutherischen und reformierten Ge-

V I I . Die pfälzische Union

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meinden 1. Sie alle drängten, bald mehr, bald weniger entschieden, auf eine Union für das ganze rheinpfälzische Gebiet. Das Konsistorium in Speyer 2 3 erließ 1818 einen Aufruf zur Abstimmung . Die überwältigende Mehrheit der Hausväter erklärte sich für die „Vereinigung in eine einzige christliche Gemeinde, in Ritus, Liturgie, Schulunterricht, Kirchenvermögen und Kirchenverfassung" 4. Die darauf von König Max Joseph berufene Generalsynode 5 beschloß, der plebiszitären Vorentscheidung der Kirchenmitglieder folgend, am 15. August 1818 eine Vereinigung sur künde, mit der die beiden protestantischen Konfessionen ihren Willen bekundeten, sich zur pfälzischen Unionskirche zusammenzuschließen. Der § 3 der Vereinigung sur künde bezeichnete das Neue Testament als einzige „Glaubensnorm" der Union; alle symbolischen Bücher erklärte er für „abgeschafft "β. Am 10. Oktober 1818 gab der König der Vereinigungsurkunde kraft seines landesherrlichen Summepiskopats die Bestätigung (Nr. 289). Den § 3 der Vereinigung surkunde nahm er von dieser Sanktion jedoch aus, nachdem das Oberkonsistorium München erklärt hatte, eine protestantisch-christliche Provinzialkirche habe nicht die Befugnis, die symbolischen Bücher für abgeschafft zu erklären; auch wenn diese nicht als „Glaubensgrund" gelten könnten, seien sie doch als „Lehrnorm" zu achten 7. 1 Dazu H. E. G. Paulus, Die Protestantisch-Evangelische unirte Kirche der Bairischen Pfalz (1840); Wand's Handbuch der Verfassung u n d V e r w a l t u n g der protestantisch-evangelisch-christlichen Kirche der Pfalz (3. Aufl. 1899); E. Mayer, Die Entstehungszeit der Pfälzischen Unionskirche (1918); ders., Pfälzische Kirchengeschichte (1939); J. Müller, Die Vorgeschichte der pfälzischen Union (1967). Die wichtigsten Dokumente auch bei G. Ruhbach (Hrsg.), K i r chenunionen i m 19. Jahrhundert (2. Aufl. 1968), S. 44 ff. 2 Das „Protestantische Consistorium f ü r den Rheinkreis" wurde errichtet durch die Kgl. Entschließung vom 24. Dezember 1817 (RegBl. 1818 Sp. 10). Es w a r eine Abteilung der Regierung des Rheinkreises und zugleich eine nachgeordnete Behörde des Oberkonsistoriums i n München (bis 1848). 3 Die A b s t i m m u n g wurde auf Grund königlicher Autorisation (mitgeteilt durch Entschließung des Generalkonsistoriums München vom 10. Januar 1818) angeordnet durch das Umschreiben des Konsistoriums Speyer v o m 2. Februar 1818 (Texte: Paulus, a.a.O., S. 108 ff., 114 ff.; Wand, a.a.O., S. 81 f., 83 ff.). 4 Die A b s t i m m u n g w a r der denkwürdige F a l l eines ersten Plebiszits auf deutschem Boden. Von den Mitgliedern der beiden Konfessionen stimmten 40 167 Hausväter f ü r und 539 Hausväter gegen die Vereinigung. 5 Allerhöchstes Reskript vom 11. J u n i 1818 (Text: Wand, a.a.O., S. 86 f.). 8 § 3 der Vereinigungsurkunde i. d. F. der Generalsynode von 1818 lautete (E. Mayer, Entstehungszeit, S. 14): „Die vereinigte protestantische evangelischchristliche Kirche erkennt außer dem Neuen Testament nichts anderes f ü r eine N o r m ihres Glaubens. Sie erklärt ferner, daß alle bisher bei den protestantisch-christlichen Konfessionen bestehenden oder von ihnen dafür gehaltenen symbolischen Bücher abgeschafft sein sollen, daß endlich die Kirchenagende und andere Religionsbücher, wenn sie die Grundsätze der protestantischen Kirche aussprechen, der Nachwelt nicht als unabänderliche N o r m des Glaubens dienen und die Gewissensfreiheit einzelner protestantisch-evangelischer Christen nicht beschränken sollen." 7 Erlaß des Oberkonsistoriums München vom Oktober 1818 (Text: E. Mayer, Entstehungszeit S. 40 f.; ders., Pfälz. Kirchengeschichte S. 246): „Es k a n n nicht in der Befugnis einer Provinzialkirche liegen, die symbolischen Schriften der Protestanten für abgeschafft zu erklären, solange diese Kirche noch eine protestantisch-christliche bleiben w i l l . U n d wenn jene Schriften auch nicht als Glaubensgrund gelten, so müssen sie doch als L e h r n o r m geachtet werden, wenn Einheit der Lehre erhalten werden und nicht jedem Religionslehrer

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19. Kap.: Die evangelischen Kirchen i n Bayern

Demgemäß setzte der König in die Vereinigungsurkunde eine vom Oberkonsistorium München vorgeschlagene „oktroyierte" Fassung des § 3 ein8. Die pfälzische Generalsynode sah in dieser Änderung einen unzulässigen Eingriff der staatlichen Kirchenbehörde in den innerkirchlichen Bereich. Der Konflikt wurde auf der Generalsynode 1821 äußerlich beigelegt. Die Generalsynode lehnte die oktroyierte Fassung des § 3 zwar ab, nahm aber eine Kompromißformel an9, der der König, wenn auch nicht ohne Bedenken, durch die Entschließung vom 20. Juni 1822 seine Bestätigung gab10. Der neugefaßte § 3 galt allerdings zunächst nur als Provisorium 11. Die Auseinandersetzungen über diese Kernfrage der Union dauerten noch lange an12. Doch bewahrte die pfälzische Vereinigung surkunde in der Fassung von 1821/22 (Nr. 290) auf Dauer ihren Bestand. In der umstrittenen Frage der symbolischen Bücher erkannte die Generalsynode von 1853 die Augustana variata (die Fassung des Augsburgischen Glaubensbekenntnisses von 1540) als Consensus der protestantischen Konfessionen der Pfalz an13. Mit der Herstellung der Union hatte die pfälzische evangelische Kirche sich als selbständige Landeskirche innerhalb Bayerns konstituiert. Gleichwohl blieb ihr leitendes Organ, das Konsistorium in Speyer, zunächst dem Oberkonsistorium in München unterstellt. Erst 1848 wurde das Konsistorium in Speyer aus dieser Unterordnung gelöst; es ressortierte nunmehr unmittelbar vom bayerischen Kultusministerium. gestattet sein soll, seine Ansichten für protestantisches Christentum zu geben. Überdies gehören zu den symbolischen Büchern die drei allgemeinen Symbole, welche Hauptlehren des Christentums ohne Auslegung u n d Erklärung enthalten u n d allen christlichen Konfessionen gemein sind. Die besonderen Bekenntnisschriften hingegen werden durch die Vereinigung n u r insofern abgeschafft, als sie das bisher unter beiden Konfessionen streitige enthalten . . 8 § 3 der Vereinigungsurkunde i. d. F. der kgl. Bestätigung v o m 10. Oktober 1818 (Text: G. v. Döllinger, Verordnungen V I I I 3, S. 1280 ff.): „Die protestantisch-evangelisch-christliche Kirche erkennt keinen andern Glaubensgrund als die heilige Schrift, erklärt aber zur Lehrnorm die allgemeinen Symbola u n d die beiden Confessionen gemeinschaftlichen symbolischen Bücher m i t Ausnahme der darin enthaltenen, unter beiden Confessionen bisher streitig gewesenen Punkte, nach den hier folgenden Bestimmungen:" [Es schließen sich an die § § 4 - 8 des Textes Nr. 290.] 9 § 3 der Vereinigungsurkunde i. d. F. von 1821: i m nachfolgenden Dokument Nr. 290. 10 Allerhöchste Entschließung v o m 20. J u n i 1822 (Text: G. v. Döllinger, Verordnungen, Bd. V I I I 3, S. 1383): „Wollen W i r zwar der vorgeschlagenen Fassung des dritten § der Vereinigungs-Urkunde, die symbolischen Bücher betreffend, Unsere Genehmigung nicht versagen, da die Mehrheit in Unserm Oberconsistorium dieselbe für genügend erklärt hat. Jedoch ist die GeneralSynode auf die Gefahr aufmerksam zu machen, welche daraus für die Einheit der Lehre entstehen könnte, wenn keine Lehrnorm gegeben und jedem Geistlichen freigestellt würde, die Glaubenswahrheiten nach eigner Ansicht der heiligen Schrift vorzutragen. Dieser Gefahr vorzubeugen, haben alle christliche Religionsgemeinschaften für nothwendig erkannt, die Hauptlehren des Christentums in ihren Bekenntnißschreiben niederzulegen, wie denn die allen christlichen Confessionen gemeinschaftlichen, und deshalb allgemein genannten, Symbola keinen andern Zweck haben sollten." 11 Erlaß des Oberkonsistoriums München vom J u l i 1822 (Text: E. Mayer, Entstehungszeit S. 64; ders., Pfälz. Kirchengeschichte S. 252). 12 Dazu Paulus, a.a.O., S. 3 ff.; E. Mayer, Entstehungszeit, S. 65 ff. 13 E. Mayer, ebenda, S. 174.

V I I . Die pfälzische U n i o n

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N r . 289. Bestätigung K ö n i g M a x Josephs, die pfälzische Vereinigungsurkunde betreffend v o m 10. Oktober 1818 (G. υ. Döllinger,

Verordnungen V I I I / 3 , S. 1280)

A u f den A n t r a g Unsers protestantischen General-Consistoriums 1 4 ertheilen W i r der von euch mittelst Berichts v o m 21. August d. Js. eingesandten V e r einigungs-Urkunde der beiden protestantischen Confessionen i m Rheinkreise die erbetene landesherrliche Bestättigung i n der A r t , daß dieselbe nach den von Uns genehmigten Erinnerungen Unsers General-Consistoriums abzufassen, und zur allgemeinen Kenntniß zu bringen ist. W i r erklären daher auf dieser Grundlage die Vereinigung der protestantischen Confessionen i m Rheinkreise für vollzogen u n d tragen euch auf, f ü r die Ausführung der gefaßten Beschlüße die geeigneten Vorkehrungen zu treffen. N r . 290. U r k u n d e der Vereinigung beider protestantischen Konfessionen i m Rheinkreise v o m 15. August 1818 i n der Fassung vom 13. September 1821 (H. E. G. Paulus, Die Protestantisch-Evangelische unirte Kirche der Bairischen Pfalz, 1840, S. 126 ff.) — Auszug — A. Allgemeine Bestimmungen §1. Inskünftige wollen die Protestanten des Rheinkreises fest und brüderlich vereiniget sein u n d bleiben als protestantisch-evangelisch-christliche Kirche. § 2. Sie erklären feierlich, daß der wirklichen Vereinigung beider Confessionen i n Lehre, Ritus, Kirchenvermögen u n d Kirchenverfassung durchaus nichts Wesentliches i m Wege stehe. §3. Die protestantisch-evangelisch-christliche Kirche hält die allgemeinen Symbole 1 5 und die bei den getrennten protestantischen Confessionen gebräuchlichen symbolischen Bücher i n gebührender Achtung, erkennt jedoch keinen andern Glaubensgrund noch L e h r n o r m als allein die heilige Schrift 1 5 ». I n das Symbolum apostolicum soll, u m die früherhin bestandenen Verschiedenheiten gänzlich zu beseitigen, das Wort allgemein aufgenommen und anstatt abgestiegen der Ausdruck niedergefahren gebraucht werden 1 6 . 14 Seit dem 26. M a i 1818 i n Wahrheit „Ober-Consistorium" genannt (oben Nr. 280). 15 „Allgemein" sind die drei ökumenischen Symbole: das Apostolische, das Nicänische und das Athanasianische Glaubensbekenntnis. 15a Z u r Entwicklungsgeschichte dieser Formel oben S. 663 (Anm. 6 - 8 ) . 16 I n das Apostolicum aufgenommen wurden somit die Formeln: „eine a l l gemeine christliche Kirche" und „niedergefahren zur Hölle".

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19. Kap.: Die evangelischen Kirchen in Bayern B. Kirchliche Lehre

§ 4. Die bisherigen streitigen Lehrpunkte sind, nach wohlerwogenen G r ü n den, durch eine den klaren Aussprüchen des Evangeliums gemäße Ansicht beseitigt worden. § 5. Diesem nach erklärt die protestantisch-evangelisch-christliche Kirche das heilige Abendmahl f ü r ein Fest des Gedächtnisses an Jesum, u n d der seligsten Vereinigung m i t dem f ü r die Menschen i n den Tod gegebenen, v o m Tode auferweckten, zu seinem u n d ihrem Vater aufgenommenen Erlöser derselben, der bei ihnen ist alle Tage bis an der Welt Ende. — Die Protestanten des Rheinkreises erklären sich dabei öffentlich f ü r seine Bekenner. Die Früchte einer frommen und dankvollen Feier dieses Gedächtnisses sind i n dem gläubigen Gemüthe des Christen: Schmerz über das Böse, Entschluß zu allem Guten, Überzeugung von der durch Christum erlangten V e r gebung der Sünde, Liebe zu den Brüdern, u n d Hoffnung auf ein ewiges Leben. § 6. Da die protestantisch-evangelisch-christliche Kirche m i t dem Worte Beichte keinen andern Begriff verbindet, als die i m 1. K o r i n t h . 11, V. 28 für nothwendig erkannte Selbstprüfung vor dem Genüsse des heiligen Abendmahls, u n d die alsdann den Gebesserten oder sich bessern wollenden Christen durch den Diener der Kirche aus dem Worte Gottes zugesicherte Vergebung der Sünden, so n i m m t dieselbe dafür den Ausdruck Vorbereitung an. § 7. Hinsichtlich der frühern kirchlichen Lehren von Prädestination und Gnadenwahl gründet die protestantisch-evangelisch-christliche Kirche auf die Worte des neuen Testaments 1. Joh. 4, V. 16, 1. Timoth. 2, V. 4, 5, 6 und 2. Petri 3, V. 9 ihre Überzeugung, daß Gott alle Menschen zur Seligkeit bestimmt hat u n d ihnen die M i t t e l nicht vorenthält, derselben theilhaftig zu werden. § 8. Die protestantisch-evangelisch-christliche Kirche n i m m t keine Nothtaufe an, beschränkt aber keineswegs die Freiheit christlicher Eltern, die Taufe ihrer neugeborenen Kinder, so v i e l nöthig, zu beschleunigen, jedesmal aber solche durch den ordentlichen Diener der Kirche verrichten zu lassen. C. Ritus und Liturgie D. Religiöser Schulunterricht §12. V o n n u n an w i r d bei Besetzung protestantischer Schulstellen durchaus nicht mehr auf den ehemaligen confessionellen Unterschied, sondern allein auf die Fähigkeiten, Kenntnisse, Geschicklichkeit und Würdigkeit der vorzuschlagenden Subjekte Rücksicht genommen. Der schrift- u n d vernunftmäßige Religions- u n d Sittenunterricht soll i n allen protestantisch-evangelisch-christlichen Schulen m i t großer Sorgfalt gepflegt u n d hauptsächlich von den Pfarrern selbst ertheilt werden. E i n gemeinschaftliches, zweckmäßiges Lehrbuch w i r d hiezu von den Schullehrern, nach besonderer Vorschrift, benützt u n d von den Pfarrern i n gehöriger Stufenfolge und hinlänglicher Zeit, vorzüglich i n den Ortsschulen, und auch nach Umständen i n den F i l i a l - O r t e n der Jugend erklärt u n d i n Herz und Gedächtniß eingedrückt.

V I I . Die pfälzische U n i o n

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Die kirchlichen Katechisationen sollen ernstlich gehalten werden, so v i e l die Umstände solches n u r immer erlauben. Der Unterricht i n den Sonntagsschulen ist besonders zur allgemeinen religiösen Fortbildung der erwachsenen Jugend zweckmäßig zu benützen. Das Gebet, der öffentliche Gottesdienst, u n d insbesondere der regelmäßige Kirchengesang, sind als eben so viele Kräftigungsmittel des religiösen Gefühls der thätigen u n d immer wachsamen Sorgfalt sämmtlicher Geistlichen d r i n gend empfohlen. V o n dem sittlichen u n d religiösen Zustande der Schulen soll dem Consistor i u m u n d den Diöcesan-Synoden alljährlich durch die Pfarrer u n d Inspectoren gewissenhafte Rechenschaft abgelegt werden. Hinsichtlich der den Schullehrern oder Kirchendienern aus geistlichen Gefällen zu verabreichenden Competenz soll die fundations- oder observanzmäßige N o r m auf's genaueste eingehalten werden. Es ist übrigens b i l l i g u n d gerecht, daß die besondere Dienstleistung auch besonders remunerirt werde, worüber demnach die Pfarrer als Ortsschul-Inspectoren bei Ausmittelung der Gehaltsbezüge der Schullehrer nach Befinden der Umstände zu wachen haben. Die übrigen Verhältnisse des Schulunterrichts sind i n den bereits bestehenden Schulverordnungen näher bestimmt worden. E. Kirchenvermögen §13. Das gesammte Kirchenvermögen beider bisher getrennt gewesenen Confessionen ist durch die Vereinigung ein gemeinschaftliches Gut geworden, das der protestantisch-evangelisch-christlichen Kirche gehört, jedoch ohne daß dadurch die Rechte der einzelnen Kirchengemeinden können verletzt werden. Dem gemäß bleibt einer jeden Kirchengemeinde ihr privatives Eigenthum, es mag bestehen i n Almosen, i n P f a r r w i t t h u m , i n Rechten und competenzmäßigen Ansprüchen pro rata an einer Kirchenschaffnei, oder w o r i n es immer wolle. N u r derjenige Geistliche und Kirchendiener kann daran participiren, welcher auf eine Stelle berufen ist, für die dieser Fonds bisher verwendet ward, noch immer verwendet w i r d u n d fundationsmäßig verwendet werden soll. Sollte sich nach vollständiger Befriedigung aller fundations- oder statusmäßigen Ausgaben ein wirklicher Überschuß ergeben, so soll solcher f ü r die dürftigste Gemeinde, welche v o r der französischen Regierungszeit darauf fundations-, conventions- oder observanzmäßig berechtiget war, verwendet werden. Sollte irgendwo eine als nützlich oder nothwendig erkannte neue Umschreibung eines Pfarrsprengels einen T h e i l der Einkünfte, er sei ein Haus, eine Kirche, oder auch ein Pfarrgut, zu anderweiter Disposition freistellen, so soll derselbe vorzugsweise zur Verbesserung der übrigen Kirchen u n d der protestantischen Schullehrer des nämlichen Ortes u n d der nämlichen Pfarrei i m besten Interesse der vereinigten Gemeinde verwendet werden. Überall, wo es nothwendig ist, gewisse Orte von einer Pfarrei zu trennen, und also ihren Sprengel einzuschränken oder zu verändern, kann dadurch der lebende Pfarrer keinen Nachtheil erleiden, sondern alle i h m dadurch entzogenen Einkünfte müssen ihm, nach gemachter Abschätzung, vollkommen vergütet werden . . .

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19. Kap.: Die evangelischen Kirchen in Bayern F. Kirchenverfassung

§ 14. Kirchenvorstand

oder Presbyterium

I n jeder Pfarrgemeinde befindet sich ein einziges Prebyterium, i n der Regel aus vier bis acht Mitgliedern bestehend, welche i n größern Pfarreien nach Anzahl der dazu gehörigen Orte vermehrt werden können. Die durch die Vereinigung hervorgebrachte größere Anzahl des gemeinschaftlichen Presbyteriums soll nach und nach auf obige Zahlen reducirt werden. Das Presbyterium ergänzt sich bei Erledigung einer Stelle selbst, indem die bestehenden Mitglieder, m i t Inbegriff des Pfarrers, ein anderes Gemeindeglied erwählen. N u r durchaus unbescholtene u n d religiös gesinnte Männer sollen i n die Presbyterien gewählt werden. Die Bestätigung der gewählten M i t glieder k o m m t den Inspektionen zu, und n u r bei Contestation der Wahl t r i t t die Berufung an das Consistorium zur Entscheidung ein. Das Presbyterium besorgt die Aufsicht über die Rechnungen und hat zur Befestigung des moralisch-religiösen Zustandes der Gemeinde beizutragen, weßwegen i h m die Befugniß zusteht, den Pfarrgenossen brüderliche Ermahnungen zu ertheilen u n d f ü r die Beförderung des religiösen Schulunterrichtes zu sorgen. Das Presbyterium schlägt dem Consistorium nicht blos den Kirchenrechner vor, sondern i h m stehet auch die jährliche Abhörung und gutachtliche Abschließung der Kirchenrechnungen zu. Dasselbe hat ein wachsames Auge auf die Erhaltung des Kirchenvermögens und der Kirchengebäude und sorgt für eine gerechte Austheilung des Almosens unter die Hilfsbedürftigen. Der Pfarrer ist beständiger Präses des Presbyteriums. I n einer Gemeinde, wo mehrere Pfarrer sind, steht der Vorsitz demjenigen zu, welchem Amtswürde und Dienstalter diesen Vorzug geben. Er beruft zu außerordentlichen Sitzungen u n d entscheidet bei Stimmengleichheit, so w i e er auch die Ordnung der Geschäfte festsetzt. § 15. Diöcesan-Synode Die Pfarreien einer Inspection machen den District einer Diösecan-Synode aus. Die Geistlichen der Inspection, so w i e eine Anzahl von weltlichen M i t g l i e dern, welche sich zu jenen w i e eins zu zwei verhalten und i m ganzen Sprengel gewählt werden, bilden diese Synode. Die Wahl der weltlichen Mitglieder findet Statt wie folgt: Jedes Presbyterium des Sprengeis schlägt drei Candidaten ausder Gesammtheit der Gemeinden vor, die Inspection begutachtet den Vorschlag, das Consistorium w ä h l t die Glieder der Synode u n d das Ober-Consistorium bestätiget sie. Die weltlichen Mitglieder haben das Recht, nach vier Jahren, ohne Gründe anzugeben, aus der Synode auszutreten. Die Ergänzung derselben geschieht nach der oben angezeigten Form. Die Synode versammelt sich gewöhnlich alle Jahre den ersten Montag nach der Pfingstwoche, u n d außerordentlich auf jedesmaliges Berufen der competenten Behörde. Der Inspector des Districts f ü h r t den Vorsitz, hat entscheidende Stimme, ordnet den Gang der Geschäfte, f ü h r t die Correspondenz, beruft zu den ordentlichen Sitzungen auf die bestimmte Zeit u n d hat allein das Recht, die außer-

V I I . Die pfälzische Union

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ordentlichen auf höhern A u f t r a g oder nach vorhergegangener höherer Genehmigung zu bewirken. Die Synode w ä h l t einen Secretär unter den geistlichen Mitgliedern. Das Archiv der Synode befindet sich i n der Behausung des Inspectors, bei welchem auch die Synoden gehalten werden, w e n n derselbe keinen andern schicklichen Ort dazu bestimmt. Die Synode hat über die Erhaltung des K i r chenvermögens zu wachen, sich über alle Vorschläge, welche i h r über V e r änderung, Einführung von Kirchen- u n d Schulbüchern und über andere Angelegenheiten von höherer Behörde gemacht werden mögen, unpartheiisch zu erklären, so wie überhaupt i n dieser Hinsicht geeignete Anträge zu machen. Ihre Rechte i n Bezug auf die Disciplin werden i n der Verordnung über die Kirchenzucht näher angegeben werden. §16. Consistorium Durch die Allerhöchsten Edicte u n d Verordnungen ist die Competenz des Consistoriums bereits genau bestimmt w o r d e n 1 7 . §17. Allgemeine

Synode

Die allgemeine Synode w i r d m i t Ausnahme des Vorstandes aus dem Inspector und einem Pfarrer und einem weltlichen Mitgliede eines jeden DiöcesanSynoden-Sprengels zusammengesetzt. Der Inspector ist von Amtswegen ein Mitglied derselben; der Pfarrer aber u n d das weltliche Mitglied werden durch die Diöcesan-Synode gewählt. Das darüber aufzusetzende Protocoll w i r d dem Consistorium i n Speyer zugeschickt. Der Secretär w i r d von den Mitgliedern unter den Geistlichen der Synode gewählt. I n der letzten Diöcesan-Synode, vor der Epoche jeder gewöhnlichen V e r sammlung der allgemeinen Synode, w i r d zu einer neuen W a h l geschritten. Die nämlichen Mitglieder sind immer wählbar. Die allgemeine Synode versammelt sich alle vier Jahre den ersten Sonntag des Monats September, so wie außerordentlich auf jede Aufforderung der competenten Behörde, sammt den Räthen des Consistoriums unter der Leitung eines Mitgliedes des Ober-Consistoriums und i n Gegenwart eines Königlichen Commissärs protestantischer Religion. Jedes M i t g l i e d erhält eine mäßige Reiseentschädigung u n d gleiche Taggelder. Die von der gegenwärtigen General-Synode festgesetzten u n d von Seiner Königlichen Majestät auf den A n t r a g des Ober-Consistoriums genehmigten Bestimmungen über Lehre, Ritus, Liturgie, religiösen Schulunterricht, Kirchenvermögen u n d Kirchenverfassung können auf keine A r t ohne die Zustimmung der künftigen Synode des Rheinkreises Abänderungen erleiden, noch denselben etwas Entgegenlaufendes verordnet werden. Der allgemeinen Synode steht es zu, Anträge über alle die Religion angehenden Gegenstände u n d Zweige des Cultus, so w i e über die V e r w a l t u n g des Kirchenvermögens an das Ober-Consistorium gelangen zu lassen. Bei Besetzung der erledigten Consistorial-Rathsstellen w i r d jederzeit das Consistorium m i t seinem Gutachten vernommen werden, wobei es jedoch der 17

Oben Nr. 277, 279.

19. Kap.: Die evangelischen Kirchen i n Bayern

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Generalsynode unbenommen bleiben soll, auch ihre Wünsche hierüber zu äußern. Die Archive der allgemeinen Synode werden auf der Canzlei des Consistoriums hinterlegt u n d ein Duplicat der Verhandlungen dem Vorstande u n d dem Königlichen Commissarius mitgeteilt. Die Sitzungen können ohne besondere eingeholte Genehmigung nicht über acht Tage dauern; sie fangen m i t einem feierlichen Gottesdienste an u n d enden damit. G. Kirchenzucht § 18. Disciplin

gegen Geistliche. Allgemeine

und besondere Verfügungen

Der allgemeinen Synode, dem Consistorium, den Inspectoren, sowie den Diöcesan-Synoden liegt es besonders ob, eine ernste Aufsicht über das Betragen der Geistlichen auszuüben und darüber zu wachen, daß ein strengsittliches u n d untadelhaftes Betragen die Beamten des geistlichen Standes auszeichne. I n Ansehung der von der höchsten geistlichen Behörde auszuübenden Oberaufsicht u n d der Disciplinar-Strafen gegen Geistliche werden die bereits hierüber bestehenden Verordnungen 1 8 , i n so weit solche nicht durch die später gegebene Constitution des Königreichs modificirt oder aufgehoben worden sind, ihre Anwendung finden. Der Districts-Inspector ist ermächtiget, bei leichteren Verstößen oder U n t e r lassungen i m Dienste den Geistlichen m i t brüderlichen Ermahnungen, m i t Verweisen, selbst m i t Androhung der Stellung vor die höhere Behörde zu bestrafen. Sind diese letzteren Behandlungen ohne Folge geblieben, so k a n n er i h n zur Ertheilung der censura f r a t r u m bescheiden, jedoch darf diese Strafe n u r i m Stillen u n d i n Gegenwart von zwei der ältesten Geistlichen, Diöcesan-SynodalMitgliedern, angewendet werden. Wenn diese Strafarten erschöpft sind, oder die zu bestrafende Handlung einen solchen Character der Schwere hat, daß sie nicht unter eine leichte Strafe subsumirt werden kann, so benachrichtigt der Inspector oder auch die Synode das Consistorium von diesem Falle, welches dann auf die vorgeschriebene Weise einzuschreiten hat. Wegen Fahrlässigkeit, Leichtsinnes, Unfleißes, Unsittlichkeit, Verletzung der Amtspflicht und anderer Handlungen, welche nicht durch die Strafgesetze als Vergehen bezeichnet sind, läßt das Consistorium dem Beschuldigten durch die Inspection Verweise geben, oder ladet denselben zu diesem Zwecke vor eine seiner Sitzungen, oder w i r d wegen der nöthigen Bestrafung die weitern Maßregeln i m Umfange seiner Competenz veranlassen. F ü r den Verurtheilten findet die Berufung an das Ober-Consistorium binnen 14 Tagen Statt. Hat das Consistorium eine dreimalige Disciplinar-Bestrafung i n Verweisen u n d Geldstrafen ausgesprochen, oder ist die Suspension von höherer Behörde verfügt worden, ohne daß der Bestrafte sich gebessert hätte, so k a n n nach einer weitern fruchtlos gebliebenen Ermahnung auf den A n t r a g des Consistoriums das Ober-Consistorium denselben m i t Dienstentlassung bestrafen oder i h n versetzen 1 9 . 18 19

Oben Nr. 277 - 279. Durch Beschluß der Generalsynode von 1825 wurden i n § 18 die Worte

V I I . Die pfälzische Union

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Erfordert es das W o h l einer Gemeinde, ihren Geistlichen zu versetzen, ohne daß dieses als Strafe ausgesprochen ist, so darf derselbe nicht i n dem Gesammtbezuge seines Gehalts beeinträchtigt werden. Gegen die Inspectoren w i r d auf die nämliche A r t durch das Consistorium verfahren. Die Geistlichen der Diöcesan-Synode sind befugt, ihre Beschwerden gegen den Inspector, entweder einzeln oder i n corpore, auf dem geeigneten Wege an das Consistorium zu bringen. §19. Kirchen-Disciplin in Bezug auf die protestantisch-evangelisch-christlichen Pfarrgenossen Die Strafen der Kirche gegen ihre Gläubigen können nicht i n das Gebiet des eigentlichen bürgerlichen Straf rechts übergehen; sie bestehen daher n u r i n reingeistlichen Anwendungen, als z. B. i n brüderlichen Ermahnungen, E n t fernung v o m heiligen Abendmahle, interimistischer Ausschließung aus der Kirchengemeinde u n d i n der Excommunication. Der Pfarrer darf einem jeden Kirchspielsgenossen angemessene Ermahnungen u n d Verweise geben, jedoch m i t Berücksichtigung der bestehenden A l l e r höchsten Edicte, besonders jenes vom 26. M a i 1818 20 . I m Falle, daß diese fruchtlos waren, ist der Fehlende v o r das Presbyterium zu stellen. Nach Beschaffenheit der Umstände k a n n das Presbyterium temporäre Ausschließung aus der Kirchengemeinschaft verhängen. Die Excommunication aber steht n u r dem Consistorium zu, vorbehaltlich der Berufung an das OberConsistorium. Uber die ausgesprochene Excommunication hat das Consistor i u m m i t Einsendung der Acten Bericht zu erstatten. § 20.

Kirchen-Visitationen

Die Kirchen-Visitationen sollen jährlich von dem Inspector vorgenommen werden. Sie sollen zum Gegenstande haben: a) den sittlichen u n d religiösen Zustand der Gemeinde zu erforschen; b) das Verhalten des Pfarrers, des Presbyteriums u n d der Kirchendiener i n Hinsicht ihrer Amtsführung u n d ihres sittlichen Betragens genau kennen zu lernen; c) sich über die zweckmäßige Einrichtung u n d die glücklichen Fortschritte des religiösen Schulunterrichts Rechenschaft ablegen zu lassen; d) die öconomische Lage der kirchlichen Gemeinde, den Zustand ihrer Güter u n d Gebäulichkeiten, so wie ihres Vermögens überhaupt sorgsam zu untersuchen; e) die Pfarr-Registratur u n d die Kirchenbücher einzusehen u n d zu deren Erhaltung das Nöthige anzuordnen. § 21. Eintheilung

der Diöcesen oder

Inspektionen

I n der Regel w i r d i n jedem Land-Commissariate des Rheinkreises eine I n spection errichtet oder beigehalten, insofern die Anzahl der Pfarreien nicht zu groß ist. „oder i h n versetzen" gestrichen (genehmigt durch kgl. Entschließung vom 16. M a i 1828; T e x t : G. v. Döllinger, Verordnungen, Bd. V I I I 3, S. 1394ff.). 20 Oben Nr. 280.

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19. Kap.: Die evangelischen Kirchen i n Bayern

I n letzterem Falle k a n n nach Umständen ein Land-Commissariat auch mehrere Inspectionen umfassen. Die Filialorte einer Pfarrei bleiben, der Regel nach, bei dem Hauptorte, w e n n sie auch i n einem andern Land-Commissariate gelegen sein sollten. Wo bei der neuen Eintheilung zwei Inspectoren i n einer Inspection sich befinden, werden dieselben f ü r ihre Lebenszeit beibehalten u n d können entweder die Geschäfte unter sich theilen oder sonst eine zweckdienliche Ubereinkunft treffen.

Zwanzigstes Kapitel D i e evangelischen K i r c h e n i n Südwest- u n d M i t t e l d e u t s c h l a n d I . Die badische U n i o n Schon seit dem Ende des 18. Jahrhunderts hatte J. N. F. Brauer, der seit 1792 an der Spitze des markgräflich badischen Kirchenrats stand 1, die Vereinigung von Lutheranern und Reformierten betrieben 2. Die Bestrebungen zur badischen Union wurden umso dringender, als 1803 die vorwiegend reformierte rechtsrheinische Pfalz zu der vorwiegend lutherischen Markgrafschaft kam$. 1807 wurde durch die Auflösung des reformierten Kirchenrats in Heidelberg und die Bildung eines gemeinsamen Oberkirchenrats für beide Konfessionen in Karlsruhe eine Verwaltungsunion geschaffen 4. Wie in Preußenin der RheinpfalzQ und in Hessen? gab dann auch in Baden das Reformations jähr 1817 den entscheidenden Anstoß zur konfessionellen Einigung 8. In manchen Gemeinden kam es zu einer Bewegung, die auf eine volle Bekenntnisunion drängte. Am 5. Juni 1819 erklärte Großherzog Ludwig 9 sich öffentlich für die Union 10. Die evangelische Kirchensektion einerseits und alsbald konstituierte Pfarr- und Provinzialsynoden andererseits übernahmen die Vorbereitung. Am 7. Juli 1820 berief der Großherzog eine Generalsynode ein, die paritätisch mit Lutheranern und Reformierten sowie zu gleichen Teilen mit weltlichen und geistlichen Mitgliedern besetzt war 11. Im Juli 1821 trat die Generalsynode zu1 Uber Nikolaus Brauer oben S. 77 Anm. 3; über den markgräflichen badischen Kirchenrat oben S. 77. 2 Vgl. J. N. F. Brauer, Gedanken über einen Kirchenverein beider protestantischer Religionsparteien (1803). 3 Oben Nr. 37, 38. 4 Oben Nr. 39. 5 Oben S. 574. 6 Oben S. 662 ff. 7 Unten S. 690 f. 8 Dazu K . Fr. Rinck, Erläuterungen der Evangelisch-Protestantischen K i r chenvereinigungsurkunde des Großherzogtums Baden (1827); K. B. Hundeshagen, Die Bekenntnißgrundlage der vereinigten evangelischen Kirche i m Großherzogthum Baden (1851); J. Bauer, Über die Vorgeschichte der Union i n Baden (1915); ders., Zur Geschichte des Bekenntnisstandes der vereinigten ev.-prot. Kirche i m Großherzogtum Baden (1915); ders., Die Union 1821 (1921); Fr. Kobe, Die badische Union (1937); W. Schwab, Die Vereinigte evangelischprotestantische Landeskirche Badens als besonderer T y p einer Unionskirche (1938); H. Erbacher (Hrsg.), Vereinigte Evangelische Landeskirche i n Baden 1821 - 1971 (1971). 9 Oben S. 484 Anm. 9. 10 H. Erbacher, a.a.O., S. 83. 11 Ebenda S. 11 f.

43 Huber, Staat und Kirche, 1. Bd.

674 20. Kap.: Die evangelischen Kirchen in Südwest- und Mitteldeutschland sammen, um die ihr vorgelegte Unionsurkunde zu beraten 12. Am 23. Juli 1821 erteilte Großherzog Ludwig der Unionsurkunde seine Sanktion (Nr. 291). Am 26. Juli unterzeichneten die Synodalen die Urkunde (Nr. 292). Die Union trat am Reformations sonntag des Jahres 1821 in Kraft 13. Der Unionsurkunde waren eine Reihe von Beilagen beigefügt: die die Fragen der Lehre und des Kultus regelnde Kirchenordnung, die Kirchenverfassung, die Kirchengemeinde-Ordnung samt der Verpflichtungsformel für die Kirchenältesten und der Wahlordnung, schließlich die Anordnung über das Kirchenvermögen 14. Durch die im Folgenden wiedergegebene Kirchenverfassung (Nr. 293) wurde die Presbyterialund Synodalverfassung — unter Beibehaltung der konsistorialen Verfassungselemente — für ganz Baden eingeführt. N r . 291. Sanktion Großherzog Ludwigs, die Vereinigung der beiden Evangelischen Kirchen in dem Großherzogtum Baden betreffend vom 23. J u l i 1821 (Evangelische Kirchenvereinigung i m Großherzogthum Baden nach ihren Haupturkunden und Dokumenten, 1821, S. 3 ff.) W i r haben Uns über den E n t w u r f einer Vereinigungsakte der zwei protestantischen Religionstheile Unserer Lande, nebst den dazu gehörigen A n lagen, Vortrag erstatten lassen, und ertheilen derselben Unsere Genehmigung m i t so größerem Wohlgefallen, als bei diesem wichtigen Schritte die Gewissensfreiheit gehörig beachtet ist, und für eine günstige Stimmung der Gemüther die wiederholte Versicherung vorliegt. Es bleibt hierbei nur noch die Bemerkung übrig, daß der unantastbare Grundsatz der Gewissensfreiheit auch auf die Nothtaufe auszudehnen sey. M i t inniger Freude, und nicht ohne große Hoffnungen für die Z u k u n f t haben W i r wahrgenommen, daß — zur Beglaubigung eines unbefangenen, blos auf Nutzen und Frommen i n Kirche und Staat gerichteten reinen Strebens — m i t der lang ersehnten kirchlichen Vereinigung zugleich ein gegenseitiger Austausch und eine Verbesserung bisheriger Kircheneinrichtungen Statt findet, und sich hieraus eine modificirte allgemeine Ordnung und Verfassung der n u n mehrigen Evangelisch Protestantischen K i r c h e 1 ^ entwickelt, welcher W i r — unter wenigen nähern Bestimmungen — Unsere Bestätigung nicht versagen können. Diese näheren Bestimmungen sind folgende: 1. Den Specialsynoden werden W i r einen Staatsdiener als Kommissär beigeben. 2. W i r würden nach dem vorgetragenen Wunsche gerne dabei stehen bleiben, daß die Generalsynode alle fünf Jahre statt haben solle. Da W i r jedoch einerseits die Nothwendigkeit erkennen, zur Förderung und Befestigung der neuen Ordnung längstens i n zwei Jahren die erste Generalsynode zu berufen, und 12

Ebenda S. 114 ff., 668 ff. Anordnung des Innenministeriums, evang. Kirchensektion vom 20. 9. 1821 (H. Erbacher, a.a.O., S. 41 ff.). 14 Die Beilagen sind vollständig abgedruckt bei H. Erbacher, a.a.O., S. 20 ff. 15 Unten Nr. 293. 13

I. Die badische Union

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außerordentliche Umstände und Veranlassungen ohnedieß ähnliche A b w e i chungen herbeiführen würden; und da anderseits noch zweifelhaft ist, ob von fünf zu fünf Jahren sich immer ein zureichender Stoff sammeln werde, so w e r den W i r Uns, ohne einen bestimmten Zeitraum ein für allemal zu bestimmen, hiebei lediglich von demjenigen leiten lassen, was Bedürfniß und Ordnung der Kirche nach dem Gutachten Unserer obersten Kirchenbehörde und insonderheit nach dem Inhalte der Uns stets vorzulegenden Specialsynodal-Protokolle jeweils erfordern mag. 3. Die Wahlmänner zum Behuf der Generalsynode sollen blos aus dem Kirchenältesten-Rath oder Presbyterium der Gemeinde genommen werden; eben so sind zu derselben als weltliche Deputirte n u r wählbar die Mitglieder sämmtlicher Presbyterien des Großherzogthums ohne Rücksicht auf die Diöcese. 4. Die Zahl dieser Deputirten soll sich zur Zahl der geistlichen Deputirten verhalten wie 1 zu 2. 5. Ein Mitglied der theologischen Fakultät zu Heidelberg werden W i r nach eigener Wahl zur Generalsynode jeweils berufen. 6. W i r empfehlen der Generalsynode eine zweckmäßige Anordnung der so wichtigen Schulkonvente, welche sodann m i t den Special- und Pfarrsynoden in einer Periode von 3 Jahren abwechseln könnten. Hiebei versichern W i r (ad § 4 des sub Beilage B. vorgelegten Entwurfs) 1 6 , daß die dermaligen Bestimmungen über das persönliche und Amtsverhältniß der Geistlichen einer Revision unterworfen, die deßfallsigen Wünsche und V o r schläge näher vernommen und geprüft, und nach Erfund zu einer angemessenen gesetzlichen Feststellung i m verfassungsmäßigen Wege gebracht werden sollen. Indem W i r nun erwarten, daß hiernach, und in einigen andern außerwesentlichen Punkten die Vereinigungsakte da, wo es vonnöthen, i m Einvernehmen m i t Unserer Regierungskommission geändert werde, können W i r den Wunsch nicht bergen, daß sich das Ganze nicht nur in kurzer und bündiger, sondern auch in allgemein verständlicher Fassung darstellen möge. Was w i r hier als Regent und Bischof der Evangelisch Protestantischen Kirche Unseres Großherzogthums aussprechen und genehmigen, soll durch die A n ordnungen Unserer geist- und weltlichen Behörden zum baldigen und genauen Vollzug kommen; und daß solches geschehe, und das Ganze zur Förderung des Christenthums und religiös sittlicher Gesinnung dienen möge, w i r d Uns eifrigste Regentensorge seyn. N r . 292. U r k u n d e über die Vereinigung beider Evangelischer Kirchen i m Großherzogtum Baden vom 26. J u l i 1821 (Evangelische Kirchenvereinigung i m Großherzogthum Baden nach ihren Haupturkunden und Dokumenten, 1821, S. 7 ff.) Gleich hochherzig und gleich begeistert für die Wahrheit, wie sie der Welt i m Evangelium offenbar geworden, trennten sich nichts destoweniger unsere 16

43*

Unten Nr. 293.

676 20. Kap.: Die evangelischen Kirchen in Südwest- und Mitteldeutschland frommen Vorfahren i n einer Hauptlehre desselben. So entstanden die evangelischlutherische und die evangelischreformirte Kirche. Jede von beiden hielt an ihrer Lehre fest, vertheidigte sie, und bestritt die ihr gegenüber befindliche; in jeder gewann allmählich der Ritus, die Verfassung und die innere Einrichtung der Kirche eine eigenthümliche Gestaltung. So erhielt sich die Trennung durch drei Jahrhunderte hindurch, doch u m schlang beide selbst i n dieser Trennung E i n Band, der Glaube an Jesus Christus und an seine ewige, den Menschen m i t Gott versöhnende Liebe; und E i n Geist w a r es, der beide belebte, der Geist freier Forschung in der unversiegbaren Quelle dieses Glaubens, in der heiligen Schrift. Und eben in diesem gemeinsamen Glauben und Geiste war von Anfang und blieb die Möglichkeit, aus der Trennung heraus zur Vereinigung und Einheit zu gelangen. Die Trennung selbst aber hatte die segenreiche Wirkung, daß bei fortgesetzten Forschungen, betreffend jene Hauptlehre, der Glaube an die Vereinigung des Menschen m i t Jesus Christus, dem Heiland der Welt, i m heiligen Abendm a h l immer bestimmter hervorgetreten, und die A r t und Weise dieser Vereinigung zu verstehen und zu begreifen jeder Versuch gemacht, und die Möglichkeit neuer Versuche erschöpft war. Das Anerkenntniß der Nothwendigkeit des Glaubens an die Vereinigung m i t Christus i m heiligen Abendmahle, und das Erkenntniß der Freiheit und Außerwesentlichkeit der Vorstellungen und Vorstellungsarten über das Wie derselben, ist w o h l für den wahren Grund zu achten, woraus in mehrern Gemeinden evangelischlutherischer und evangelischreformirter Konfession in unsern Tagen das Bedürfniß von Neuem und ergreifender als i n frühern Zeiten hervorging, den Unterschied zwischen den beiden Kirchen nicht ferner bestehen zu lassen, sondern sich zu Einer evangelisch protestantischen Kirche zu vereinigen. Auch i n den Großherzoglich Badischen Landen ist dieses Bedürfniß gefühlt und endlich i n lauten Wünschen k u n d und öffentlich geworden; und nachdem Se. Kgl. Hoheit Unser Gnädigster Landesherr und Bischof, von dem Geiste seines hochleuchtenden Ahnen, K a r l Friedrich, beseelt 17 , durch das höchste Reskript vom 7. J u l i vorigen Jahres 1 8 eine, die gesammte evangelische Landeskirche i n ihren Abgeordneten geist- und weltlichen Standes repräsentirende Generalsynode zur Berathung dieser Kirchenvereinigung in allen ihren Theilen auf den 2. J u l i dieses Jahres an den Sitz Höchstdero Regierung zu berufen h u l d reichst geruhet haben, so machten sich unterzeichnete Abgeordnete zur theuersten und heiligsten Pflicht, vordersamt die von der evangelischen obersten Kirchenbehörde vorbereiteten, und ihnen in einzelnen Entwürfen vorgelegten Materialien einer solchen Kirchenvereinigung in eben so vielen aus ihrer M i t t e gebildeten Kommissionen m i t aller, eines so wichtigen Gegenstandes würdigen Aufmerksamkeit und Unbefangenheit zu erwägen, und sind sodann i n den vollen Sitzungen der Generalsynode vom 10. 11. 12. 13. 14. 17. und 21. J u l i unter Gottes gnädigem Beistande über Folgendes unwiderruflich übereingekommen. 17 Karl Friedrich, Markgraf, dann Kurfürst, schließlich Großherzog von Baden (oben S. 77 A n m . 2), w a r der erste Förderer der badischen Union. 18 Oben S. 673 A n m . 11.

I. Die badische Union

677

§ 1. Beide bisher getrennten evangelisch protestantischen Kirchen i m Großherzogthum Baden bilden hinfort Eine vereinigte evangelisch protestantische Kirche, die alle evangelischen Kirchengemeinden in der Maße i n sich schließt, daß in derselben jetzt und i n Z u k u n f t keine Spaltung i n unirte und nicht unirte Kirchen statt finden kann und darf; sondern die evangelische Kirche des Landes nur Ein w o h l - und innig vereintes Ganzes darstellt. § 2. Diese vereinigte evangelisch protestantische Kirche legt den Bekenntnißschriften, welche späterhin m i t dem Namen symbolischer Bücher bezeichnet wurden, und noch vor der wirklichen Trennung i n der evangelischen Kirche erschienen sind, und unter diesen namentlich und ausdrücklich der Augsburgischen Konfession i m Allgemeinen, so wie den besondern Bekenntnißschriften der beiden bisherigen evangelischen Kirchen i m Großherzogthum Baden, dem Katechismus Luthers und dem Heidelberger Katechismus das ihnen bisher zuerkannte normative Ansehen auch ferner m i t voller A n e r kenntniß desselben in so fern und i n so weit bei, als durch jenes erstere muthige Bekenntniß vor Kaiser und Reich das zu Verlust gegangene Princip und Recht der freien Forschung in der heiligen Schrift, als der einzigen sichern Quelle des christlichen Glaubens und Wissens, wieder laut gefordert und behauptet, in diesen beiden Bekenntnißschriften aber faktisch angewendet w o r den, demnach in denselben die reine Grundlage des evangelischen Protestantismus zu suchen und zu finden ist 1 9 . § 3. Durch die geschehene Vereinigung hält sie sich m i t allen sowohl jetzt schon unirten, als noch getrennten evangelischreformirten und evangelischlutherischen Kirchen des Auslandes innigst verbunden, und erklärt sich für eintretend i n alle Rechte und Verbindlichkeiten der bisher getrennt gewesenen beiden evangelischen Kirchen. 19

Die Generalsynode von 1855 faßte zum § 2 folgenden Beschluß: „Die vereinigte evangelisch-protestantische Kirche i m Großherzogtum Baden gründet sich auf die Heilige Schrift A l t e n und Neuen Testaments als die alleinige Quelle und oberste Richtschnur ihres Glaubens, ihrer Lehre und ihres Lebens, und hält unter voller Anerkennung ihrer Geltung fest an den Bekenntnissen, welche sie ihrer Vereinigung zugrunde gelegt hat. Diese i n Geltung stehenden Bekenntnisse sind die noch vor der wirklichen Trennung i n der evang. Kirche erschienenen, unter diesen namentlich und ausdrücklich: die Augsburgische Konfession, als das gemeinsame Grundbekenntnis der evang. Kirche Deutschlands, sowie die besonderen Bekenntnisschriften der beiden früher getrennten evang. Konfessionen des Großherzogtums, der K a techismus Luthers und der Heidelberger Katechismus, i n ihrer übereinstimmenden Bezeugung der Grundlehren der Heiligen Schrift und des in den allgemeinen Bekenntnissen der ganzen Christenheit ausgesprochenen Glaubens. Indem bei dieser Bestimmung des Bekenntnisstandes der evangelischen L a n deskirche die Heilige Schrift als alleinige Quelle und oberste Richtschnur des Glaubens, der Lehre und des Lebens vorangestellt ist, w i r d eben dadurch zugleich i m Einklang m i t der ganzen evangelischen Kirche das Recht des freien Gebrauchs der Heiligen Schrift, sowie der i m Heiligen Geist gewissenhaft zu übenden Erforschung derselben anerkannt und für alle Glieder der Kirche, insbesondere aber für ihre m i t dem Lehramt betrauten Diener die Pflicht ausgesprochen, sich solcher Schriftforschung unausgesetzt zu befleißigen" (H. Erbacher, a.a.O., S. 15 f.).

678 20. Kap. : Die evangelischen Kirchen i n Südwest- und Mitteldeutschland § 4. U m zu einer solchen gründlichen Union zu gelangen, nahm die Generalsynode die Lehre, den Ritus, die Verfassung, die innere Anordnung und das Vermögensverhältniß beider Kirchen i n eine sorgsame Betrachtung, und suchte das i n jedem dieser Theile den verschiedenen Kirchen E i g e n t ü m l i c h e zu einem gemeinsamen Ganzen zu erheben. § 5. Lehre Indem sich i n den übrigen Punkten der Lehre der evangelischlutherischen u n d evangelischreformirten Kirche kein trennender Unterschied findet, so vereinigte sich die Generalsynode i n der Lehre von dem heiligen Abendmahl i n folgenden , dem Lehrbuch der vereinigten evangelisch protestantischen K i r che einzuschaltenden Sätzen, ohne jedoch damit i n Hinsicht der besondern V o r stellungen darin die Gewissen binden zu w o l l e n 2 0 : Frage 1. Was ist ein Sakrament? Antwort: Eine heilige und kirchliche Handlung, gestiftet von unserm Herrn und Heiland Jesus Christus, i n welcher uns unter sichtbaren Zeichen, unsichtbare Gnaden und Güter dargestellt und gegeben werden. Frage 2. Was ist das heilige Abendmahl? Antwort: Das Mahl, welches Jesus Christus am Abend vor seinem Leiden und Sterben zum Andenken an seinen Erlösungstod eingesetzt hat. Frage 3. Wie lauten die Worte der Einsetzung? Antwort: Matth. 26. V. 26. 28. Luc. 22. V. 19. 20. Unser Herr Jesus i n der Nacht, da er verrathen ward, nahm das Brod, dankte und brachs und gabs den Jüngern und sprach: Nehmet, esset, das ist mein Leib, der für euch gegeben w i r d ; das thut zu meinem Gedächtniß. Desselbigen gleichen auch den Kelch nach dem Abendmahle, dankte, gab ihnen den und sprach: t r i n k e t alle daraus, das ist der Kelch, das neue Testament in meinem Blute, das für euch vergossen w i r d , zur Vergebung der Sünden; das thut zu meinem Gedächtniß! Frage 4. Was empfangen w i r i n dem heiligen Abendmahle? Antwort: M i t Brod und Wein empfangen w i r den Leib und das Blut Christi zur Vereinigung m i t i h m unserm Herrn und Heiland nach 1. Cor. Χ . V. 16. „Das Brod, das w i r brechen, ist die Gemeinschaft." Frage 5. Welches sind also bey dem Abendmahl des H e r r n die sichtbaren Zeichen? Antwort: Brod und Wein, welche auch i n dem Genuße desselben Brod und Wein bleiben. 20 Der Generalsynode w a r ein vollständiger Unionskatechismus vorgelegt worden, der jedoch der Ablehnung durch die zuständige Kommission verfiel. M a n beschränkte sich deshalb auf die lehrhafte Behandlung des einzigen K o n troverspunkts, der Abendmahlslehre. M i t der einmütigen Verabschiedung dieses Paragraphen w a r der Grund für die Bekenntnisunion gelegt. Der erste vollständige Unionskatechismus erschien erst 1836 (H. Erbacher, a.a.O., S. 93 ff., 359 ff.).

I. Die badische Union

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Frage 6. Welches sind die unsichtbaren Gnaden und Güter i m heiligen Abendmahle? Antwort: Alles, was uns Jesus Christus durch sein Leben, Leiden und Sterben erworben hat, nämlich Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit. Frage 7. Wozu bewegt uns die würdige Theilnahme an dem heiligen Abendmahle? Antwort: Bey unsrer innigen Gemeinschaft m i t Christo dankbar gegen Gott zu seyn, und i n der Heiligung zu wachsen. Frage 8. Wie bereiten w i r uns zum würdigen Genuße des heiligen Mahles vor? Antwort: Dadurch, daß w i r uns sorgsam selber prüfen, uns unsrer Sünden wegen mißfallen, sie ernstlich bereuen, von Herzen die Gnade Gottes suchen, seinen Beistand zu unsrer Besserung erflehen, u n d gegen unsern Nächsten versöhnlich sind, wie w i r selbst der Versöhnung bedürfen. Das oben erwähnte, i n vollständiger Ausarbeitung der Glaubenslehren vorgelegte und von der dazu niedergesetzten Kommission begutachtete gemeinschaftliche Lehrbuch soll noch nach der von derselben gegebenen Anleitung binnen Jahresfrist vollendet, überarbeitet, von der Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg revidirt und zum Spätjahr des Jahres 1822 von der evangel. Ministerialsektion zum allgemeinen Gebrauch i n Kirchen und Schulen, beim Konfirmandenunterricht und den Sonntagskatechisationen für solange eingeführt werden, bis sich entweder bey nächster Generalsynode aus seiner Wirksamkeit i m V o l k w i r d ergeben haben, ob dasselbe der Idee eines Landeskatnchismus zugleich m i t der Eigenschaft einer Bekenntnißschrift entsprechen, oder ein anderer solcher Landeskatechismus auf den Grund der bisherigen, m i t Berücksichtigung des obigen Lehrbuchs ausgearbeitet u n d erschienen seyn w i r d . Während dieses Jahres mögen die i n den verschiedenen Landestheilen eingeführten Lehrbücher noch beybehalten werden. § 6. Kirchenordnung

und Liturgie

Wie i n den beyden evangelischen Kirchen bisher eine hier größere, dort geringere Verschiedenheit i m Kultus, i n der Liturgie u n d namentlich in der Verwaltung der heiligen Sakramente statt fand; so ist i n der vereinten evangelisch protestantischen Kirche die Gleichförmigkeit i m K u l t u s durch die sub. Lit. Α. beigefügte Kirchenordnung 2 1 hergestellt, welcher, so wie allen folgenden Beilagen dieser A k t e die Generalsynode volle K r a f t beilegt, als ob i h r I n halt wörtlich hier eingerückt wäre. I n Gemäßheit desselben findet bey der Feier des heiligen Abendmahls in der vereinten Kirche folgender Ritus statt: 1. Es w i r d weißes, i n längliche Stücke geschnittenes Brod von dem Geistlichen gebrochen und den K o m m u n i k a n t e n i n die Hand gereicht, so auch der Kelch. Nach diesem Ritus w i r d das heilige Abendmahl Erstmals an dem Tage der Vereinigung, und an den bestimmten Sonn- und Festtagen i n allen evangelischen Kirchen des Landes gehalten, wobei übrigens m i t möglichster Schonung der Gewissen nach Maßgabe der Kirchenordnung zu verfahren ist. 21

H. Erbacher, a.a.O., S. 20 ff.

680 20. Kap. : Die evangelischen Kirchen i n Südwest- und Mitteldeutschland 2. Bei der Darreichung des Brodes werden folgende Worte gebraucht. Christus spricht: „Nehmet h i n und esset, das ist mein Leib, der für euch gegeben wird, das t h u t zu meinem Gedächtniß." Luc. 22. 19. Bey der Darreichung des Kelches werden folgende Worte gebraucht. Christus spricht: „Nehmet h i n und t r i n k e t das ist der Kelch, das neue Testament i n meinem Blute, das für euch vergossen w i r d . " Luc. 22, 20. Wie auch die übrigen sämmtlichen Kirchenhandlungen auf gleiche Weise in i n der gesammten evangelisch protestantischen Landeskirche einzurichten Seyen, das spricht die Kirchenordnung aus; für jetzt werden die von der Generalsynode genehmigten Formularien, das heilige Abendmahl zu halten, i n der Kirche eingeführt, und diese i n der Folge der von der evangel. Ministerialsektion vorgelegten, binnen einem Jahre sorgsam zu prüfenden, und unter Theilnahme der Geistlichen des Landes zu Stande zu bringenden Agende einverleibt22. § 7. Da sich i n den beiden getrennten Kirchen i n dem Laufe der Zeiten nach der äußern Lage, i n welcher sie sich befanden, und dem innern Geiste, der i n ihnen w i r k t e , ganz von einander abweichende Verfassungen ausgebildet haben; so haben Se. Kgl. Hoheit unser Durchlauchtigster Großherzog mittelst Reskripts v o m 23. J u l i d. J . 2 3 gnädigst geruht, der vereinigten Evangelischen Landeskirche eine ihrer Stellung entsprechende Verfassung huldreichst zu geben, und durch solche ihre verschiedenen engern und weitern Verhältnisse des kirchlichen Verbandes zu ordnen, welche Kirchenverfassung zur G r u n d lage dieser Union gedient hat, und hier i n beglaubigter Abschrift beigelegt wird24. § 8.

Kirchen-Gemeinde-Ordnung

Auch i n der Anordnung des Kirchengemeinde-Wesens und der A r t u n d Weise, wie die Geistlichen und Kirchenvorstände das wichtige A m t der Kirchenzucht übten, waren die beiden evangelischen Gemeinden verschieden. Die unter Lit. C. anliegende Kirchengemeindeordnung 2 5 enthält die G r u n d sätze einer i m reinen evangelischen Geiste aufgefaßten Sittenleitung zu E r haltung und Förderung christlicher Ordnung in der Kirche, m i t steter H i n weisung auf den Geist, aus welchem ihre Vorschriften geflossen sind, und i n welchem sie gehandhabt werden sollen. § 9. Da endlich auch i n den Vermögensverhältnissen beider evangelischen Kirchen i n dem Großherzogthum Baden eine große Verschiedenheit statt fand; so hat die Generalsynode in dem, sub L i t . D., beigefügten Entwürfe über die Behandlung des allgemeinen und Lokalvermögens für Kirchen, Schulen und milden Stiftungen 2 6 , die Grundsätze ausgesprochen, welche deshalb allenthalben i n Anwendung zu bringen sind. § 10. Solcherweise einig in sich, und m i t allen Christen in der Welt befreundet, erfreut sich die evangelisch protestantische Kirche i m Großherzogthum Baden der Glaubens- und Gewissensfreiheit, nach welcher die großen Vorfahren strebten, und w o r i n sie sich entzweiten. 22 23 24 25 26

Die erste Unionsagende erschien 1836 (vgl. H. Erbacher, a.a.O., S. 267 ff.). Oben Nr. 291. U n t e n Nr. 293. H. Erbacher, a.a.O., S. 33 ff. Ebenda S. 38 ff.

I. Die badische Union

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Die Eifersucht, w o m i t sie und ihre Nachkommen sich einander gegenüber sahen, ist erloschen, die Ängstlichkeit, m i t der sie ihre Unterscheidungslehren bewachten, verschwunden, die Freiheit des Glaubens ist erreicht, und m i t i h r die Freiheit i m Glauben, und die durch kein Mißtrauen fortan zu störende Freudigkeit i n einem Gott gefälligen Leben. Staats-Minister Freiherr

v. Berckheim,

Evangel, lutherische geistliche Deputirte Hebel, Prälat und K i r c h e n r a t h 2 8

als Landesherrlicher Kommissarius 2 7 . Evangel, reformirte geistliche Deputirte Ewald, Ministerial- und K i r c h e n r a t h 2 9

[Es folgen rechts und links die Unterschriften der weiteren geistlichen, dann die der weltlichen Deputierten.]

N r . 293. Kirchenverfassung der Evangelisch-Protestantischen Kirche i m Großherzogtum Baden vom 16. August 1821 (Evangelische Kirchen Vereinigung i m Großherzogthum Baden nach ihren Haupturkunden und Dokumenten, 1821, S. 40 ff.) § 1. Die Evangelisch Protestantische Kirche i m Großherzogthum Baden, die i n Christus dem H e r r n das Haupt seiner großen Gemeinde verehrt, und in der heiligen Schrift die von aller menschlichen A u t o r i t ä t unabhängige Norm des christlichen Glaubens erkennt, hat als äußere Gemeinschaft die Rechte des Staatsoberhauptes zu erkennen und zu verehren, in deren Gemäßheit dasselbe nicht n u r von allen ihren Verhandlungen, Beschlüssen und Anordnungen Kenntniß zu nehmen, sondern auch denselben auf den verfassungsmäßigen Wegen die zu ihrer Vollziehung erforderliche Genehmigung zu ertheilen, oder wenn und in sofern sie m i t dem Staatswohl nicht vereinbarlich wären, zu versagen hat; dagegen kann sie aber auch erwarten, daß der Staat die zu seinem Wohl eben so unentbehrliche als gedeihliche Wirksamkeit der Kirche in seinen kräftigen Schutz nehmen und bestens wahren und fördern werde. § 2. Während sie also i n sich selber ein organisches Ganzes bildet, das, von seinen Urbestandtheilen ausgehend, die vereinzelte Wirksamkeit derselben i n immer größere umfassendere Kreise vereinigt, und bei jedem Schritte die 27

Siehe oben S. 146 A n m . 3. Johann Peter Hebel (1760 - 1826), der bekannte Dichter, w a r nach dem Studium der Theologie seit 1783 Lehrer am Pädagogium i n Lörrach, seit 1791 am Gymnasium i n Karlsruhe, seit 1798 Professor der Dogmatik und der hebräischen Sprache daselbst; 1805 Kirchenrat; 1808 Direktor des Gymnasiums; 1814 i n die evang. Sektion des Innenministeriums berufen; 1819 Prälat der evang.-luth. Landeskirche Badens, Mitglied der Generalsynode und der bad. Ersten Kammer. 29 Johann Ludwig Ewald (1748 - 1822), reformierter Theologe, seit 1783 Pfarrer i n Offenbach a. M., 1781 Generalsuperintendent i n Detmold, 1796 Pfarrer i n Bremen, 1805 Professor der Moral- und Pastoraltheologie i n Heidelberg, 1807 bis 1822 Ministerialrat u n d Kirchenrat i n Karlsruhe, auch Mitglied der evang. reform. Generalsynode (bis 1821). 28

682 20. Kap.: Die evangelischen Kirchen in Südwest- und Mitteldeutschland verhältnißmäßige Staatsaufsicht und M i t w i r k u n g i n sich aufnimmt, findet sie in dem evangelischen Regenten des Staats und zugleich ihrem obersten L a n desbischofe, der alle aus beiden Eigenschaften fließenden Rechte circa sacra ausübt, den letzten staats- und kirchenrechtlichen Vereinigungspunkt. § 3. Sie umfaßt alle einzelnen Evangelischen Pfarrgemeinden des Landes, deren jede einerseits eine für sich bestehende kirchliche Gemeinschaft m i t allen Befugnissen und Obliegenheiten derselben bildet, anderseits zugleich als Glied der gesammten Evangelischen Landeskirche erscheint, und m i t i h r gleiche Verfassung, gleiche Rechte und Pflichten hat. Jede dieser Gemeinden findet i n ihrem Kirchenältestenrathe, dessen Glieder sie nach freier Wahl und zu Folge einer besondern Wahlordnung ernennt, das Organ und M i t t e l zur V e r w a l t u n g der sittlichen, religiösen und kirchlichen Angelegenheiten, auf den Grund der allgemeinen Kirchenverfassung und Kirchenordnung. Diesem ist eine eigene Instruktion, genannt Kirchengemeinde-Ordnung von der gesammten Kirche unter höchster Sanction des Staatsoberhauptes als ein, dem Materiellen nach, integrirender Theil der Kirchenverfassung gegeben 30 . § 4. Über die Rechte und Pflichten der bei diesen Kirchengemeinden angestellten Pfarrer werden die bisher bestandenen Gesetze, nach einer neuen Revision, das Nähere bestimmen. § 5. Die Pfarrer und Kirchengemeindeältesten treten in nähere Verbindung unter sich durch die Special- und Generalsynode, bei welcher sie sich i m Namen der Kirche über die allgemeinsten und wichtigsten Angelegenheiten derselben aussprechen und berathen. § 6. Die Specialsynode, die sich i n der Regel am Wohnort des Dekans versammelt und alle Pfarrgemeinden eines Bezirks oder einer Diöcese umfaßt, besteht aus sämmtlichen Pfarrern dieses Bezirks, welche theils i n dieser Eigenschaft, theils als Glieder oder Vorsteher des Kirchenältestenraths erscheinen, und aus einer Deputation weltlicher Mitglieder der Kirchenvorstände in diesem Bezirk, welche stets die Hälfte der geistlichen Mitglieder betragen soll, nach Inhalt der Wahlordnung. Sie t r i t t alle 3 Jahre unter der Geschäftsleitung des Dekans zusammen, und ihr wohnt ein landesherrlicher Kommissarius bey. Die Befugnisse und Pflichten dieser Diöcesansynode spricht die Synodalordnung aus. § 7. Außer dieser Diöcesansynode w i r d alle 3 Jahre eine Pfarrsynode gehalten, welche die wissenschaftliche und sittliche Fortbildung der Geistlichkeit zum Zweck hat. Dieser auch unter der Leitung des Dekans zu haltenden Pfarrsynode wohnt kein Großherzoglicher Kommissär bei. § 8. Eben so findet alle 3 Jahre ein Schulkonvent statt, u m alle Gegenstände der für den Staat und die Kirche gleich wichtigen öffentlichen Erziehung zu berathen, und die wissenschaftliche und sittliche Ausbildung der Lehrer zu fördern. Der Dekan leitet das Geschäft, ein k o m m i t t i r t e r Staatsdiener wohnt solchem bei, und jeder Geistliche kann daran Theil nehmen. § 9. Die Generalsynode repräsentirt die gesammte Evangelische Landeskirche. A u f derselben erscheinen: 30

H. Erbacher, a.a.O., S. 33 ff.

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1. Aus der Landesgeistlichkeit von je zwei Diöcesen E i n Abgeordneter, durch jedesmalige freie W a h l dazu bestimmt, ohne Rücksicht, ob er i n diesem oder einem andern Theil des Landes wohne, Dekan sey oder nicht, i n Gemäßheit der i n der Wahlordnung enthaltenen Vorschriften. 2. Aus den weltlichen Kirchenvorständen, von je vier Diöcesen Ein Deputirter, der durch Wahlmänner, die aus dem Kirchenältestenrathe zu dem Zweck der Wahl eines Deputirten zur Generalsynode bestimmt sind, erwählt w i r d , und Glied eines Kirchengemeinderaths in dem Großherzogthum seyn muß. 3. Aus zwei geist- und weltlichen Gliedern der Evangelischen MinisterialKirchenbehörde. 4. Aus einem von Sr. Kgl. Hoheit zu ernennenden Gliede der theologischen Facultät zu Heidelberg. 5. Der ganzen Generalsynode präsidirt ein landesherrlicher Kommissarius. Die Generalsynode der vereinigten Evangelischen Kirche versammelt sich zum erstmal i m Jahr 1823, und i n der Folge so oft das Bedürfniß und die Ordnung der Kirche nach dem Gutachten der obersten Kirchenbehörde, und insonderheit nach dem Inhalte der Specialsynodal-Protokolle es erfordern mag, in der Residenz, als dem M i t t e l p u n k t e des Landes. Sie ordnet ihren Geschäftsgang nach eigenem Ermessen, führt ein doppeltes Protokoll über sämmtliche Verhandlungen, und legt nach vollendetem Geschäft ihre A k t e n in der Registratur der obersten Kirchenbehörde nieder. Nach erfolgter landesherrlicher Genehmigung werden die Beschlüsse durch einen Generalsynodal-Receß bekannt gemacht. § 10. Kompetenz und Auftrag derselben ist: a) Über Erhaltung der Kirchenverfassung, der darauf ruhenden Autonomie und würdigen Stellung der Kirche i m Einklang mit der Unionsakte i m Allgemeinen und Einzelnen zu wachen; b) Über die allgemeine Befolgung der Kirchenordnung zur Erhaltung w ü n s c h e n s w e r t e r Gleichheit der Landeskirche i n Lehre, Kultus, Disciplin und andern kirchlichen Anstalten, gedeihliches Aufsehen zu tragen; c) A u f das Amtsverhalten und Privatleben der Landesgeistlichkeit ein wachsames Auge zu richten, und i n geeignetem Wege zu verhüten, daß durch einzelne Glieder derselben weder das innere Wohl, noch die äußere Ehre der Kirche gefährdet, und das A m t der Geistlichen „verlästert werde". d) Nach den i m verflossenen Zeitraum gemachten Erfahrungen hat sie in reifliche Betrachtung zu ziehen, wie die Kirchenverfassung ins Leben eingegangen, und i n welchen Theilen sie etwa noch einer höhern Vollendung bedürftig seyn könne; ob u n d welche Modifikationen i n der Kirchenordnung nothwendig oder räthlich seyen; endlich ob und welche Wünsche in Verwaltung und Verwendung der allgemeinen und Lokalvermögen — die zwar unter höchster Staatsaufsicht der Kirche zusteht, deren A r t und Weise aber durch besondere organische Gesetze, die Verwaltungs- und Almosenordnung, näher bestimmt w i r d — so wie der besondern kirchlichen W i t t w e n - und Hülfskassen zur gedeihlichen Berücksichtigung kommen mögen, wobei immer die Rechnungen vorzulegen sind. e) Hat sie die von dem obersten Kirchenkollegium aus den Protokollen der Bezirkssynoden enthobenen, zu ihrer Berathung ausgesetzten und ihr nebst

684 20. Kap.: Die evangelischen Kirchen in Südwest- und Mitteldeutschland sämmtlichen Protokollen selbst mitzutheilenden Wünsche und Vorschläge, so wie f) die Ansichten, Erfahrungen und Wünsche ihrer Glieder, das gemeinsame Wohl der Evangelischen Kirche des Landes betreffend, zu vernehmen und deren V o r - und Anträge zu prüfen. g) Uber alles Vorstehende gemeinschaftliche Beschlüsse zu fassen, oder, wo die Sache dazu noch nicht geeignet wäre, gutachtliche Vorschläge zu berathen, und endlich h) über eines wie das andere durch die landesherrlichen Kommissarien die Regierung zur Resolution darüber zu veranlassen. §11. Z u r Handhabung der landesherrlichen und kirchenoberhäuptlichen Oberaufsicht, treten die Kirchen- und Schulvisitationen ein, welche erstere alle 2 Jahre, letztere hingegen alle Jahre i n jedem Kirchspiele, vordersamst i m Pfarrorte selbst von dem Dekan, als dazu beauftragten landesherrlichen oder oberbischöflichen Kommissarius gehalten werden, wo nicht für einzelne Orte eine Ausnahme auf 2 Jahre von der obersten Kirchenbehörde für gut befunden w i r d . Der Dekan untersucht den sittlichen, religiösen, kirchlichen, kirchenpolizeilichen und Schulzustand der Gemeinde, so wie den Bestand des kirchlichen Localfonds, u m zu sehen, ob i n allem, der bestehenden Kirchenverfassung, Kirchen- und Kirchengemeindeordnung gemäß, zum gemeinsamen Zwecke des Kirchen- und Staatswohls gehandelt werde. Er leitet, wo er Abweichungen davon findet, solches i n die gesetzlichen Wege, so weit seine amtliche Wirksamkeit reicht, geht i n andern Fällen, nach deren A r t und Befund, entweder die weltliche Amtshülfe oder die oberste Kirchenbehörde an, n i m m t alle Ergebnisse seiner Untersuchung zu Protokoll, befördert dieß an die höchste Kirchenbehörde — und macht deren Verfügung dem Pfarrer und Kirchenvorstande der einzelnen Gemeinden bekannt. E i n gleiches Verfahren findet bei der Visitation der Dekanatspfarrei statt, die von einem andern nach den bestehenden Verordnungen durch die evangelische Ministerial-Kirchensektion zu bestimmenden Geistlichen geschieht. Da der Dekan aber bei diesem Geschäfte nebst dem Staatsauftrag auch noch, dem Geiste der Kirchenverfassung gemäß, als erster Mitbruder seiner Diöcesan-Gemeinde erscheint, so werden ihm, u m darin das Wohlthätige einer alten Kircheneinrichtung, der sogenannten Klassenkonvente 3 1 , zu bewahren, in dieser Eigenschaft jedesmal zwei dem Orte der Visitation nahe, von der Synode auf 2 Jahre erwählte Pfarrer als Assistenten beigeordnet, m i t deren Z u t h u n der Dekan auf seine Amtsbrüder durch brüderlichen Zuspruch und freundliche Ermahnung wohlthätig zu w i r k e n sucht. § 12. Die Wirksamkeit des Dekans, — als Delegirten der obersten Kirchenbehörde, durch welche sie die i h r von dem Staatsoberhaupt anvertraute K i r chenaufsicht und Kirchenfürsorge übt — bei der Specialsynode, findet ihre genauere Bestimmung i n der Synodalordnung; bei der Generalsynode treten die aus der M i t t e der obersten Kirchenbehörde k o m m i t t i r t e n Mitglieder i n die Wahrnehmung der Pflichten, welche und so weit sie ihrer kommittirenden Stelle aus A u f t r a g des Staatsoberhauptes obliegen. Sie haben also dahin zu se31

D. h. der alten reformierten Pfarrkonvente.

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hen, daß weder der Staat durch die Kirche, noch diese durch jenen i n ihren beiderseitigen Verhältnissen benachtheiligt oder gefährdet werden, verbinden damit ihre eigene Theilnahme, als Selbstglieder der Kirche, an allen Berathungen der Generalsynode, und durch sie bieten sich Kirche und Staat die Hand zur Förderung und Bewahrung ihres gemeinsamen Zwecks und Wohls. § 13. M i t den Bestimmungen dieser Kirchenverfassung soll n u n die bisherige Gesetzgebung in kirchlichen Angelegenheiten vermittelst einer Revision in vollkommenen Einklang gebracht werden.

I I . Die U n i o n i m Herzogtum Nassau Die erste unierte Kirche in Deutschland, die sich auf ein ganzes Land erstreckte, war die 1817 begründete nassauische Union 1. Den Ausgangspunkt für die Unionsverhandlungen bildete ein Vorschlag der beiden Generalsuperintendenten Müller in Wiesbaden (lutherisch) und Gieße in Weilburg (reformiert) 2 an Herzog Wilhelm3. Zur Prüfung dieses Vorschlags berief der Herzog zum 5. August 1817 eine Generalsynode nach Idstein. Deren Bericht an den Landesherrn befürwortete die Union nachdrücklichDarauf erließ der Herzog am 11. August 1817 das Unionsedikt (Nr. 294). Die Unionsfeier wurde auf den 31. Oktober 1817 festgesetzt; ein Generalreskript der Landesregierung bestimmte den Ablauf der Feierlichkeiten 5. Ergänzend ergingen 1818 die Edikte über die äußeren Rechtsverhältnisse der unierten nassauischen Kirche 6 und über das theologische Seminar in Herborn 7. Diese erste Union fand ein weites Echo und wirkte beflügelnd auf Unionspläne in anderen deutschen Ländern. N r . 294. Unionsedikt des Herzogs W i l h e l m von Nassau vom 11. August 1817 (Nassauisches Verordnungsblatt, 1817, Nr. 10) W i r Wilhelm, von Gottes Gnaden, souveräner Herzog zu Nassau etc. etc. haben den A n t r a g unserer Generalsuperintendenten der evangelisch-lutherischen und der evangelisch-reformierten Kirchen Unsers Herzogtums, bei Gele1 Dazu: A. L. Heydenreich (Hrsg.), Actenstücke, die Vereinigung der evangelisch-lutherischen und reformierten Kirche i m Herzogthum Nassau betreffend (Archiv für alte und neue Kirchengeschichte, Bd. 4, Stück 1, 1818, S. 165 ff.); A. Adam, Die nassauische Union von 1817 (Jahrbuch der Kirchengeschichtlichen Vereinigung i n Hessen und Nassau 1, 1949, S. 35 ff.); H. Steitz, Die Unionsurkunden der Evangelischen Kirche i n Hessen und Nassau (Jahrbuch der Hessischen Kirchengeschichtlichen Vereinigung 11, 1960); die wichtigsten Dokumente auch bei G. Ruhbach, Kirchenunionen im 19. Jahrhundert (2. Aufl. 1968) S. 12 ff. 2 A n der Spitze der beiden protestantischen Konfessionen stand jeweils ein Generalsuperintendent. Deren gemeinsame Eingabe findet sich bei Adam, a.a.O., S. 221 ff.; Ruhbach, a.a.O., S. 12 f. 3 Oben S. 99 Anm. 5. 4 Adam, a.a.O., S. 260 ff.; Ruhbach, a.a.O., S. 13 ff. 5 Adam, a.a.O., S. 273 ff.; Ruhbach, a.a.O., S. 18 ff. 6 Landesherrliches Edikt, die äußern Verhältnisse der Evang. Christi. Kirche i m Herzogthum Nassau betreffend vom 8. A p r i l 1818 (in: Archiv f ü r alte und neue Kirchengesch., Bd. 5, Stück 2, 1822, S. 400 ff.).

686 20. Kap.: Die evangelischen Kirchen in Südwest- und Mitteldeutschland genheit der Säkularfeier des Reformationsfestes die äußere Vereinigung dieser beiden protestantischen Kirchen zu bewirken, durch eine aus allen Vorstehern Unserer gesamten protestantischen Geistlichkeit zusammengesetzten Generalsynode, wozu aus den verschiedensten geistlichen Inspektionsbezirken des Landes noch weiter eine gleiche Anzahl von Geistlichen berufen war, prüfen und begutachten lassen. Diese Versammlung hat sich i n ihrer übereinstimmenden Ansicht dahin vereinigt, daß keine zureichende Gründe vorliegen, eine Trennung der beiden protestantischen Kirchen fortdauern zu lassen. Von gleicher Uberzeugung bewogen, und i n Anerkennung des wesentlichen Charakters der protestantischen Kirche, welche auf den unerschütterlichen Grundpfeilern einer vollkommenen inneren Glaubensfreiheit und einer religiösen Verehrung der Lehren des Evangeliums neben völliger Unabhängigkeit von menschlichen Meinungen und Ansichten Anderer, also in gänzlicher E n t fernung von allem Gewissenszwang errichtet wurde, haben w i r beschlossen, dem Uns vorgelegten Gutachten der Generalsynode Unsere landesherrliche Bestätigung zu erteilen. W i r wollen demnach, daß die Verhandlungen derselben, soweit sie dieses Gutachten darstellen, zugleich m i t Unserm gegenwärtigen landesherrlichen Edikt und als Beilage zu demselben öffentlich bekanntgemacht werden 8 , und verordnen unter Beziehung auf deren Inhalt hierdurch, was nachfolgt: § 1. Es sind beide i n Unserm Herzogtum m i t völlig gleichen verfassungsmäßigen Rechten bisher rezipierte protestantische Landeskirchen zu einer einzigen vereinigt, welche den Namen der Evangelisch-christlichen führt. Die kirchliche Feier des Vereinigungsfestes w i r d am 31. Oktober d. J. m i t allgemeinen Rücksichten auf das folgenreiche Ereignis der Reformation in allen evangelisch-christlichen Kirchen Unsers Herzogtums nach den V o r schriften begangen, welche durch Unsere Landesregierung vorher noch besonders den Behörden mitgeteilt werden sollen. § 2. Die Pfarreien und geistlichen Inspektionsbezirke bleiben vorerst i n ihrem bisherigen Umfang bestehen, und werden k ü n f t i g da, wo den Umständen nach, und besonders i n natürlicher Folge der vollzogenen Kirchenvereinigung Veränderungen eintreten müssen, lediglich nach den Bedürfnissen der Bevölkerung m i t Rücksichten auf die Verhältnisse der Ortslage begrenzt. § 3. Einer jeden, aus allen evangelisch-christlichen Familien in einem K i r c h spiel oder Pfarreisprengel bestehenden Kirchengemeinde verbleibt ihr abgesondert eigentümliches Kirchengut, und da, wo in Gefolge der Bestimmungen i m vorhergehenden zweiten Paragraphen Begrenzungsabänderungen eintreten, w i r d der dadurch allenfalls zur Verfügung freigewordene Teil des gemeinheitlichen Kirchenvermögens ausschließlich zum Vorteil dieser Gemeinde, oder wenn sie desselben nicht bedarf, zum Vorteil des evangelischen K u l t u s mittelst Uberweisung zu dem evangelisch-christlichen Gesamtkirchengut verwendet. § 4. Die verschiedenen geistlichen Gesamtstiftungen werden nach vorausgegangener Ausscheidung aller dem öffentlichen Unterricht, der Armenpflege und 7 Landesherrliches Edikt, die Einrichtung des Seminariums zu Herborn für die evangelisch-christlichen Theologen betreffend vom 25. J u l i 1818 (ebenda S. 442 ff.). 8 Oben S. 685 Anm. 4.

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einzelnen Kirchengemeinden gehörigen Anteile zu einem evangelisch-christlichen Haupt- oder Gesamt-Kirchenfond vereinigt, woraus Stipendien für Studierende, welche sich dem Stand der evangelischen Religionslehre i m H e r zogtum Nassau gewidmet haben, sodann Pensionen und persönliche Gehaltszulagen für verdiente Geistliche und die erforderlichen Zuschüsse zur Besoldung der geistlichen Oberen entnommen, auch i n besonderen Fällen an bedürftige evangelisch-christliche Kirchengemeinden Unterstützungen zum Behuf ihres religiösen K u l t u s bewilligt werden. § 5. Die Oberaufsicht über sämtliche evangelisch-christliche Geistliche und Kirchen w i r d nach einer geographischen Abteilung zwischen den jetzt an der Spitze stehenden zwei Generalsuperintendenten der Geistlichkeit beider K o n fessionen geteilt, m i t der Bestimmung, daß sie i n der Person des Uberlebenden sich vereinigt. § 6. Das i n § 23 Unseres Edikts vom 24. März d. J. 9 bestätigte theologische Seminarium zu Herborn bleibt seiner Bestimmung nach zur letzten B i l d u n g der Kandidaten des evangelisch-christlichen Predigerstandes bestehen. § 7. I n allen evangelisch-christlichen Kirchengemeinden, wo die vormals kurpfälzische Kirchenordnung 1 0 nicht bereits eingeführt ist, w i r d dieselbe vom 31. Oktober an vorläufig und i n der A r t angenommen, daß von den Pfarrern nur bei den heiligen Handlungen der öffentlichen Taufe und der öffentlichen Austeilung des Abendmahls die darin enthaltende Liturgie buchstäblich beizubehalten ist, wohingegen alle übrige i n dieser Kirchenordnung enthaltenen Formularien zum beliebigen und freien Gebrauch ihnen empfohlen sind. Die gewöhnlichen Sonn'tagsevangelien werden, der vorgeschriebenen Ordnung gemäß, k ü n f t i g i n allen evangelisch-christlichen Kirchen des Landes nach einem Eingangsgebet, wie es die Kirchenagende vorschreibt, verlesen, das Predigen über frei gewählte Texte aber bleibt der eigenen A u s w a h l des Predigers i n der Regel überlassen, so wie es auch von seinem Gutfinden abhängt, welcher Ubersetzungsworte er bei dem Vorsprechen des Gebets des Herrn, dessen letzter Vortrag bei jedem Gottesdienst k ü n f t i g i n allen evangelisch-christlichen. Kirchen durch Läuten m i t einer Glocke zu begleiten ist, sich bedienen w i l l . Unsere Landesregierung beauftragen Wir, unverzüglich von einer eigens hierzu nach eingezogenem Gutachten der Generalsuperintendenten zu ernennenden Kommission eine neue Liturgie für die vereinigte evangelisch-christliche Kirche Unseres Herzogtums bearbeiten zu lassen, und Uns die Vorschläge derselben zugleich m i t ihren Gutachten über allgemeine Annahme eines angemessenen Religionslehrbuches zur weiteren Entscheidung vorzulegen. § 8. Zur Austeilung des heiligen Abendmahls werden, ebenfalls v o m 31. O k tober d. J. an, i n allen evangelisch-christlichen Kirchen Unseres Herzogtums größere Hostien (Brot) gebraucht, und bei der Darreichung an die K o m m u n i kanten gebrochen. Diese Form ist notwendig bei der K o n f i r m a t i o n junger Christen und bei 9 Landesherrliches Edikt, das gesamte Schulwesen des Herzogtums Nassau betreffend vom 24. März 1817 (nass. VB1. 1817 S. 47 ff.). Dazu auch das oben S. 686, Anm. 7 genannte Edikt über die Einrichtung des Seminars Herborn vom 25. J u l i 1818. 10 Kurpfälzische Kirchenordnung von 1724 (Nachdruck 1763).

688 20. Kap.: Die evangelischen Kirchen in Südwest- und Mitteldeutschland ihrer ersten Zulassung zum heiligen Abendmahl zu befolgen; den erwachsenen und nach dem bisherigen Kirchengebrauch einer oder der andern von den beiden i n dieser äußeren Form bis jetzt verschiedenen Konfessionen früher konfirmierten K o m m u n i k a n t e n aber w i r d das heilige Abendmahl i n dieser ihnen gewöhnlicheren Form von den Pfarrern öffentlich i n der Kirche oder auch in der Stille ihrer Wohnung administriert, wenn dieses von ihnen einzeln u n d nach vorgängiger Verständigung durch den kompetenten Pfarrer beharrlich verlangt werden sollte. § 9. A l l e nicht gemeinschaftlich zu verrichtende pfarramtliche Handlungen ohne Unterschied werden da, wo mehrere evangelisch-christliche Geistliche bei einer Gemeinde angestellt sind, nach einer wechselnden Reihenfolge verrichtet, u n d derjenige von ihnen, welcher durch diese Einrichtung etwas an seinen bisherigen Einkünften verlieren sollte, w i r d dafür, soviel seine Person angeht, genügend entschädigt. § 10. Vom 1. November d. J. an w i r d in allen evangelisch-christlichen K i r chengemeinden ein neues Kirchenbuch (Verzeichnis der Gebornen, der geschlossenen Ehen und der Sterbefälle) angefangen, und nach den von Unserer Landesregierung darüber zu erteilenden näheren Vorschriften fortgesetzt. Da, wo mehrere Geistliche bei einer vorhin gemischten, nun aber vereinigten K i r chengemeinde angestellt sind, w i r d das neue Kirchenbuch von dem Ältesten derselben zu führen übernommen. §11. Die Verkündung des gegenwärtigen Edikts an die gesamte evangelischchristliche Geistlichkeit Unsers Herzogtums soll durch den vorgesetzten I n spektor eines jeden Inspektionsbezirks i n einer von i h m zu versammelnden Spezialsynode geschehen, bei welcher Veranlassung von demselben über die angemessenste allenthalbige Vollziehung die etwa erforderlich scheinenden Belehrungen erteilt werden.

I I I . Die U n i o n i m Kurfürstentum Hessen In Kurhessen kam es schon bald nach der Wiederherstellung des Staatswesens auf dem Wiener Kongreß zur Vereinigung der beiden protestantischen Bekenntnisse in den vom Großherzogtum Frankfurt zu dem Kurstaat gekommenen Gebieten (Grafschaft Hanau, Fürstentum Ysenburg und Fürstentum Fulda). Die von der Synode von Hanau am 1. Juni 1818 beschlossenen Unionsartikel (Nr. 295) erhielten durch die Verordnung des Kurfürsten Wilhelm IΛ vom 4. Juli 1818 die landesherrliche SanktionMit ihr trat die „Hanauer Union" in Wirksamkeit. Zur Leitung der vereinigten „evangelischchristlichen Kirche" bestellte der Kurfürst als Inhaber des landesherrlichen Kirchenregiments das Konsistorium in Hanau. Auch in den übrigen („althessischen") Teilen des Kurfürstentums traten Unionsbestrebungen hervor, die sich der Förderung der Regierung erfreuten. Doch hielt die Mehrheit der beiden protestantischen Bekenntnisse hier zäh an der überlieferten Trennung fest. Nach Beginn der Regierungszeit des 1 Wilhelm I. (1743 - 1821), Regierungszeit 1785 - 1821; zunächst Landgraf (Wilhelm IX.); seit 1803 K u r f ü r s t ; 1806 - 1813 depossediert. 2 Landesherrliche Verordnung vom 4. J u l i 1818 (Kurhessische Gesetz-Sammlung 1817, S. 79 f.). Dazu C. Heuß, Die Hanauer Union (1918).

I I I . Die Union im K u r f ü r s t e n t u m Hessen

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Kurfürsten Wilhelm Ilß schuf der Ministerialrat Krafft 4 durch das Organisationsedikt vom 29. Juni 1821 eine einheitliche moderne Verwaltung für die althessischen und die neuerworbenen Landesteile. Zur Leitung der Kirchenverwaltung bestellte das Edikt dem Ministerium des Innern untergeordnete Konsistorien für die vier Provinzen Niederhessen, Oberhessen, Fulda und Hanau. Ferner ordnete das Ministerium die Umwandlung der reformierten theologischen Fakultät in Marburg in eine unierte evangelisch-theologische Fakultät an5. Hingegen gelang es erst später nach schweren Kämpfen, die Union auf ganz Kurhessen auszudehnen e.

N r . 295. A r t i k e l der Hanauer U n i o n v o m 1. J u n i 1818 (H. Heppe, Kirchengeschichte beider Hessen, 1876, Bd. 2, S.381) § 1. Beide protestantische Religionsteile i m Fürstentum Hanau, sodann der kurhessische A n t e i l am Fürstentum Ysenburg und i n dem Großherzogtum Fulda vereinigen sich von nun an zu einer einzigen Kirche unter dem Namen der evangelisch-christlichen. §2. Die Namen „lutherisch" und „reformiert" fallen daher k ü n f t i g hinweg; und es werden zur Bezeichnung der Gebäude und Anstalten, welche zeither einen dieser Namen führten, andere passendere Namen gewählt. § 3. Die Pfarreien und Schulen bleiben vorerst in ihrem bisherigen Bestand, und werden k ü n f t i g da, wo den Umständen nach und besonders i n natürlicher Folge der vollzogenen Kirchenvereinigung Veränderungen eintreten müßten, lediglich nach den Bedürfnissen der Seelsorge und der Bevölkerung m i t Rücksicht auf topographische Verhältnisse begrenzt und eingerichtet. § 4. Da wo mehrere evangelische Kirchen an Einem Orte sind, bleiben fürs Erste die Mitglieder einer jeden nach wie vor bei ihrer Kirche. § 5. Bei der Feier des heil. Abendmals w i r d k ü n f t i g i n der vereinten evangelischen Kirche gewöhnliches Waizenbrot ohne Sauerteig i n der F o r m länglicher Vierecke genommen und dasselbe gebrochen. Bei Austheilung des Brotes werden die Worte gebraucht: „Jesus sprach: nehmet h i n und eßet; das ist mein Leib, der für euch dahin gegeben wird. Solches thut zu meinem Gedächtnis"; und bei Darreichung des Kelches: „Jesus sprach: Das ist der Kelch des Neuen Testaments in meinem Blut, das für euch vergoßen w i r d zur V e r gebung der Sünden. Solches thut zu meinem Gedächtnis." 5 Wilhelm II. (1777 - 1847), Regierungszeit als K u r f ü r s t : 1821 - 1847; seit 1831 unter der Mitregentschaft seines Sohnes, des Kurprinzen Friedrich Wilhelm (1802 - 1875); dieser w a r K u r f ü r s t 1847 - 1866; er wurde 1866 von Preußen depossediert. 4 Friedrich Krafft (1777 - 1857), kurhessischer Jurist; seit 1800 bei der Regierung i n Kassel; seit 1811 Richter daselbst; 1814 Regierungsrat bei der wiederhergestellten kur hessischen Regierung; 1820 Oberappellationsgerichtsrat; 1821 - 26 Ministerialrat i m Innenministerium; 1826 als Obergerichtsdirektor nach Marburg versetzt. Später Regierungspräsident i n Sachsen-Meiningen; schließlich Minister daselbst. 5 Vgl. H. Heppe, Kirchengeschichte beider Hessen (1876) Bd. 2, S. 385 ff. 6 Siehe „Staat und Kirche" Bd. I I .

44 Huber, Staat und Kirche, 1. Bd.

6Ö0 20. Kap.: Die evangelischen Kirchen in Südwest- und Mitteldeutschland § 6. Bei dem Gebet des Herrn werden die i n der Bibelübersetzung des Dr. M a r t i n Luther Matth. 6, 9 - 1 3 vorkommenden Worte gebraucht. Beim letzten Aussprechen des Gebets w i r d geläutet. § 7. I m Übrigen w i r d bis zu anderweiter Einrichtung i n jeder Kirche die zeitherige Form des Gottesdienstes beibehalten. Das k ü n f t i g gemeinschaftliche evangelische Consistorium aber w i r d hiernächst und bald thunlichst die Einführung einer gleichförmigen Agende, sowie eines gemeinschaftlichen K a techismus und eines gemeinschaftlichen Gesangbuchs, auch die Verbeßerung der bestehenden Kirchenverfassung veranlaßen und bei der Ausführung die Prediger zuziehen. § 8. Denjenigen evangelischen Christen, die das heil. Abendmal nach desfallsiger vorheriger Belehrung ihrer Prediger dennoch nach der zeitlich gebräuchlichen A r t zu empfangen wünschen, w i r d solches u m der Gewißensfreiheit w i l l e n nach ihrem Verlangen entweder i n der Kirche besonders an hierzu zu bestimmenden, gewöhnlichen Sonntagen oder in der Stille ihrer Wohnungen auf die gewohnte ältere A r t dargereicht. Bei jungen Christen, die erst nach der Kirchenvereinigung i n die evangelische Gemeinde aufgenommen werden, verbleibt es jedoch bei der A r t . V verabredeten Form. § 9. A l l e geistlichen Fonds, Kirchen-Ärarien, Local- und Centrai-Stiftungen ohne alle Ausnahme bestehen fort, werden unter Oberaufsicht des gemeinschaftlichen evangelischen Consistoriums i n Hanau von den zeitherigen Behörden verwaltet und behalten nach wie vor die Eigenschaft geistlicher Güter und i n A l l e m die zeitherige Bestimmung. T r i t t bei vereinigten evangelischen Gemeinden die Erledigung einer überflüßigen Pfarr- oder Schulstelle ein, so w i r d der hierdurch disponibel w e r dende Fonds jeder A r t von dem gemeinschaftlichen Consistorio lediglich zur Verbeßerung der Pfarr- und Schulbesoldungen, und zwar zunächst und vorzüglich derjenigen Gemeinde, wo die Erledigung eingetreten ist, verwendet. I n Hinsicht desjenigen Vermögens der Kirchen außer Hanau, welches zeither zu Besoldungen nicht bestimmt war, w i r d die Verwendung zu kirchlichen Zwecken, doch so, daß die Kirche, von welcher der Fonds herkommt, immer vorzugsweise berücksichtigt werde, dem billigen und gewißenhaften Ermeßen des vereinigten Consistoriums überlaßen.

I V . Die U n i o n i m Großherzogtum Hessen Auch im Großherzogtum Hessen wurde der Wille zur evangelischen Union durch das Reformations jubiläum von 1817 belebt. Großherzog Ludwig ΙΛ war zwar dem Gedanken der Union besonders aufgeschlossen; doch lehnte er es ab, den Gemeinden die Vereinigung zu oktroyieren und beschränkte sich zunächst darauf, Unionsverhandlungen zwischen den Gemeinden zuzulassen. Diese begannen, insbesondere in Rheinhessen, bald nach dem Reformationsjubiläum. Am 2. Oktober 1822 bestätigte das großherzogliche Innenund Justizministerium die getroffenen Vereinbarungen und regte nachdrücklich die Vereinigung der verbliebenen lutherischen und reformierten Gemeinden an 1 Ludwig I. (1753 - 1830), Regierungszeit 1790 - 1830; bis 1806 Landgraf („Ludwig X"), dann Großherzog.

I V . Die U n i o n i m Großherzogtum Hessen

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(Nr. 296); zugleich setzte es einen unierten Kirchenrat für Rheinhessen ein. Da nicht alle Gemeinden sich zur Union entschlossen, bestanden fortan in der einen hessischen Landeskirche unierte, lutherische und reformierte Gemeinden nebeneinander. In Rheinhessen bildete sich eine Bekenntnisunion, während in Oberhessen und der Provinz Starkenburg eine „Verwaltungsund Gesinnungsunion" entstand 2. Die hessische Union stellte die Grundlage der Neuorganisation des hessischen Kirchenwesens dar. Großherzog Ludwig Ilß schuf mit dem Organisationsedikt vom 6. Juni 1832 (Nr. 297) eine zentrale kirchliche Oberbehörde, das Oberkonsistorium, das die „Leitung der evangelischen Kirchenvereinigungen", seien sie lutherisch, reformiert oder uniert, erhielt. Das Organisationsedikt regelte allein den konsistorialen Teil der Kirchenverfassung, in dem die Ausübung des Kirchenregiments mit der Wahrnehmung der Kirchenaufsicht gekoppelt war. Ihm trat das Edikt, die Organisation der Kirchenvorstände evangelischer und katholischer Konfession betreffend, vom gleichen Tag 4 zur Seite. Es bildete die Rechtsgrundlage für die Einrichtung von Kirchenvorständen in den einzelnen Gemeinden. Das Organisationsedikt wie das Edikt über die Kirchenvorstände gingen in das Verfassungsedikt vom 6. Januar 1874 ein 5.

N r . 296. Bekanntmachung des großherzoglich-hessischen Ministeriums des I n n e r n und der Justiz über die Vereinigung der protestantischen Konfessionen v o m 2. Oktober 1822 (Hessisches Regierungsblatt, S. 499 f.) — Auszug — Schon i m Jahre 1817 w a r an des Großherzogs K g l . Hoheit von Kirchenvorständen der beiden protestantischen Confessionen der Wunsch u m Vereinigung i n eine gemeinschaftliche evangelische Kirche gebracht worden, u n d schon damals hatten Allerhöchst dieselben aus der Überzeugung, daß eine solche Vereinigung zu einem gemeinsamen religiösen Bande f ü r die Religiosität, f ü r die Verbesserung des Kirchen- u n d Schulwesens u n d f ü r die sittliche Veredlung von segensreichen Folgen seyn müsse, aber auch n u r dann w a h r haft heilbringend seyn könne, wenn diese Vereinigung nicht durch eine obere H i n w i r k u n g oder Verfügung herbeigeführt werde, sondern aus der freien eigenen Überzeugung der Gesammtheit der kirchlichen Mitglieder hervorgehe, Sich dahin Landesväterlich auszusprechen geruht, daß Allerhöchst Sie einer 2 Dazu H. Heppe, a.a.O., Bd. 2; ferner J. G. Krätzinger, Die Kirchenvereinigung zwischen Reformierten und Lutheranern i n Rheinhessen (1872); W. Diehl, Die Vereinigung der beiden protestantischen Konfessionen i n Rheinhessen (1922); E. Eger - J. Friedrich, Kirchenrecht der evangelischen Kirche i m Großherzogtum Hessen, Bd. 1 (1914); W. Maurer, Bekenntnisstand u n d Bekenntnisentwicklung i n Hessen (1955). 3 Ludwig II. (1777 - 1848), Regierungszeit 1830 - 1848. 4 Hessische GS. 119 ff. 5 K. Eger - J. Friedrich, a.a.O., Bd. 1, S. 89 ff. Dazu „Staat u n d Kirche" Bd. I I .

44*

692 20. Kap.: Die evangelischen Kirchen in Südwest- und Mitteldeutschland solchen Vereinigung der beiden protestantischen Kirchengemeinden zu einer Confession, wenn sie aus bestimmt constatirter Überzeugung der sämmtlichen Glieder beider Kirchengemeinden zu Stande kommen sollte, die Landesherrliche Genehmigung nicht versagen würden. Seitdem haben die gesammten Kirchengemeinden beider protestantischen Confessionen i n der Provinz Rheinhessen nebst vielen andern dergleichen Gemeinheiten i n der Provinz Oberhessen ganz i n Übereinstimmung m i t der Allerhöchsten Intention Seiner Königlichen Hoheit, ihre Wünsche f ü r die Vereinigung zu einer gemeinsamen evangelischen Kirche ausgesprochen u n d m i t Anzeige ihrer Absicht u n d Übereinkunft u m die Landesherrliche gnädigste Bestätigung ihrer Vereinigung gebeten. Se. Kgl. Hoheit der Großherzog haben i n Folge Allerhöchstihrer früher ausgesprochenen Ansichten das Resultat der gemeinsamen Wünsche und Übereinstimmungen beider Confessionen m i t Landesväterlichem Wohlgefallen vernommen und nicht n u r die Vereinigung der beiden protestantischen Confessionen i n der Provinz Rheinhessen u n d i n mehreren kirchlichen Gemeinheiten i n der Provinz Oberhessen zu einer vereinten evangelisch christlichen Kirche Landesherrlich gnädigst bestätigt, sondern auch zu verfügen geruht, daß i n den noch nicht vereinigten Gemeinden, i n welchen beide protestantische Confessionen Religionsübung haben, f ü r die wünschenswerthe Vereinigung derselben nach den bisher m i t so glücklichem Erfolge beobachteten G r u n d sätzen gewirkt werden solle. Zugleich haben Se. Kgl. Hoheit der Großherzog f ü r die vereinigte evangelische Kirche der Provinz ein eigenes Kirchen-Raths-Colleg anzuordnen geruht . . . Der Allerhöchsten Intention gemäß hat sich dieser f ü r die Provinz Rheinhessen angeordnete Kirchenrath . . . am 28. v. M. constituirt und nunmehr den i h m zugewiesenen Geschäftskreis begonnen; was hierdurch zur allgemeinen Kenntniß, den betreffenden Behörden u n d dortigen evangelischen Gemeinheiten aber zur Bemessung u n d Nachachtung öffentlich bekannt gemacht wird.

N r . 297. E d i k t Großherzog Ludwigs I I . , die Organisation der Behörden für die evangelischen Kirchenangelegenheiten betreffend v o m 6. J u n i 1832 (Hessisches Regierungsblatt 1832, S. 387 ff.) — Auszug — U m mehr Gleichförmigkeit u n d Einfachheit i n der V e r w a l t u n g der evangelischen Kirchenangelegenheiten des Großherzogthums herbeizuführen und zugleich den Grund zu den Verbesserungen zu legen, welche eine sichere B ü r g schaft f ü r die segenvolle Wirksamkeit der Kirche u n d des geistlichen Standes gewähren, haben W i r verordnet u n d verordnen hiermit, vermöge des A r t . 73 der Verfassungsurkunde 8 , wie folgt: • Oben Nr. 66.

I V . Die Union i m Großherzogtum Hessen

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Art.l. Die V e r w a l t u n g der die evangelische (die lutherische, die reformirte und die durch gegenseitige Übereinkunft unirte Confession i n sich begreifende) Kirche Unseres Großherzogthums betreffenden Angelegenheiten ist, unter der obersten Leitung und Aufsicht Unseres Ministeriums des I n n e r n und der Justiz, folgenden Behörden übertragen: 1. einem Oberconsistorium, 2. drei Superintendenten, 3. den Kreisräthen, 4. den Decanen, 5. den Pfarrern und 6. den Kirchenvorständen. I. Von dem Oberconsistorium Art. 2. Das Oberconsistorium ist die Landesbehörde, welcher W i r , unter der unmittelbaren Leitung u n d Aufsicht Unseres Ministeriums des I n n e r n u n d der Justiz, die Verwaltung der landesherrlichen Rechte i n den die evangelische Kirche betreffenden Angelegenheiten u n d die Ausübung der evangelisch-kirchlichen Gewalt übertragen. Art. 3. Der Wirkungskreis des Oberconsistoriums erstreckt sich auf den ganzen Umfang des Großherzogthums. Es t r i t t i n das Verhältnis eines Landescollegs und hat seinen Sitz i n Unserer Residenz zu Darmstadt. Art. 4. Das Oberconsistorium besteht aus: 1. einem weltlichen Präsidenten evangelischer Confession, 2. folgenden odentlichen Mitgliedern: a) einem geistlichen Rathe, dem jedesmaligen Superintendenten der Provinz Starkenburg (Art. 7.), b) zwei weiteren geistlichen Räthen evangelischer Confession, c) zwei weltlichen Räthen evangelischer Confession, d) einem oder mehreren Assessoren von derselben Confession, i m Falle die Geschäfte die Anstellung solcher nöthig machen sollten, 3. dem erforderlichen Subalternpersonal. Ausserordentliche Mitglieder des Oberconsistoriums sind die jedesmaligen Superintendenten der Provinzen Oberhessen u n d Rheinhessen. Dieselben haben, auf erfolgte specielle Einladung des Oberconsistorialpräsidenten, an Berathung dieses Collegs über allgemeine organische Maasregeln u n d sonstige Gegenstände von allgemeinem Interesse und besonderer Wichtigkeit T h e i l zu nehmen und zu diesem Ende, nach der Bestimmung des Präsidenten, entweder den Sitzungen des Oberconsistoriums beizuwohnen oder ihre Ansichten schriftlich zu begründen. Es steht ihnen i n beiden Fällen eine entscheidende Stimme zu. Art. 5. Der Geschäftskreis des Oberconsistoriums umfaßt folgende Gegenstände: 1. Aufsicht über evangelischen Cultus, L i t u r g i e und Ritual, 2. Aufrechthaltung der Kirchenverfassung, Kirchenordnung und Disciplin, 3. allgemeine Organisationsangelegenheiten der evangelischen Kirche, 4. die Verhältnisse der evangelischen Kirche zu anderen Religionsgesellschaften i m Großherzogthume, 5. die Leitung der evangelischen Kirchenvereinigungen, 6. Handhabung und Wahrung der landesherrlichen Rechte und Interessen i n Bezug auf die evangelische Kirche und Gemeinden und alle hier einschlagende staatsrechtliche Verhältnisse,

694 20. Kap.: Die evangelischen Kirchen in Südwest- und Mitteldeutschland 7. Errichtung, Aufhebung u n d Dismembration von evangelischen Decanaten u n d Pfarreien, 8. Anordnung von Feiertagen, 9. die bisher den Kirchenräthen zugestandene Ertheilung von Dispensationen u n d Entscheidungen über etwaige Hecurse i n Bezug auf die nunmehr zum Ressort der Decane gehörige Ertheilung von Dispensationen wegen fehlenden Alters zur Confirmation, 10. Aufsicht über den evangelischen Religionsunterricht i n den Volksschulen, 11. Prüfung der Candidaten der evangelischen Theologie, 12. Anordnung der Ordination der evangelischen Geistlichen, 13. Erstattung der von i h m gefordert werdenden Gutachten über Besetzung der Decanats- und Pfarr-Stellen, über Emeritirungen und Pensionirungen der diese Stellen bekleidenden Diener u n d über Characterertheilungen an geistliche Diener, Ernennungen von Pfarrvicarien und Pfarramtsverwesern, E r nennung aller niederen Diener der Kirche u n d deren Entlassung, insofern diese niederen Stellen nicht als ständige Nebenämter der Schullehrer anzusehen sind, 14. alle Besoldungsangelegenheiten der evangelischen geistlichen Diener, 15. Beaufsichtigung aller, dem Oberconsistorium untergebenen geistlichen Diener u n d Pfarramtscandidaten hinsichtlich ihrer Amtsführung, ihrer Lehre, ihrer wissenschaftlichen Bildungsstufe und ihres sittlichen Lebens, so wie Beaufsichtigung der dem Oberconsistorium untergebenen Kirchenvorstände und niederen Diener der Kirche hinsichtlich ihrer Dienstführung; Disciplinargew a l t gegen dieselben, 16. die verordnungsmässig bisher den Kirchenrathscollegien zugestandene Oberaufsicht über richtige Führung der Kirchenbücher, 17. Urlaubsertheilung an die dem Oberconsistorium untergebenen geistlichen Diener, nach Maasgabe der hierüber bestehenden Vorschriften, 18. Beaufsichtigung u n d Leitung der V e r w a l t u n g der evangelischen K i r chenfonds, jedoch m i t Ausschluß des Rechnungsrevisionswesens, 19. Veräusserungen von Kirchenvermögen, 20. Annahme v o n Stiftungen zu kirchlichen Zwecken, 21. Ertheilung der Erlaubniß zu Collecten f ü r kirchliche Zwecke, 22. das geistliche Bauwesen, 23. Beaufsichtigung u n d Direction der geistlichen Wittwenkassen, 24. Erlassung von Regulativen, welche die Ausführung u n d detaillirtere A n w e n d u n g bestehender, die vorbemerkten Gegenstände betreffenden Gesetze u n d Verordnungen bezwecken und enthalten, nachdem solche Unserem M i n i s t e r i u m des Innern und der Justiz vorgelegt worden sind. Art. 6. Insoweit nicht durch die gleichzeitig m i t gegenwärtigem Edicte oder k ü n f t i g erscheinenden Verordnungen etwas abgeändert wird, hat das Oberconsistorium i n den i m A r t . 5 seinem Geschäftskreise zugewiesenen Gegenständen i n der Regel selbstständig zu entscheiden u n d n u r i n den Fällen, zum Zwecke der Entscheidung, an das Ministerium des I n n e r n und der Justiz zu berichten, i n welchen bisher die Kirchenrathscollegien dazu verbunden waren. A r t . 7. Die Ausführung der Anordnungen u n d Verfügungen des Oberconsistoriums i n den zu seiner Competenz gehörigen Fällen w i r d , ausser den

IV. Die Union i m Großherzogtum Hessen

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Superintendenten und Decanen, auch durch die Provinzialdirection zu Mainz und die Kreisräthe bewirkt. Es haben daher diese Behörden i n den geeigneten Fällen die Entschliessung des Oberconsistoriums einzuholen und darnach zu verfahren. I I . Von den

Superintendenten

Art. 8. F ü r eine jede der drei Provinzen 7 w i r d ein Superintendent eingesetzt. Art. 9. Die nächste u n d wichtigste Bestimmung der Superintendenten ist die Beaufsichtigung u n d Untersuchung der Amtsführung der Geistlichen. Sie treten m i t allen Angehörigen des geistlichen Standes, so wie m i t den Candidaten des Predigtamtes, i n ein unmittelbares amtliches Verhältniß; sie sollen sich das Vertrauen dieser ihrer Amtsuntergebenen zu erwerben suchen u n d auf dem Wege der Güte u n d zugleich mittelst ihres amtlichen Ansehens auf die wissenschaftliche Fortbildung u n d sittliche Veredelung ihrer Untergebenen einzuwirken bemüht seyn, allen, der Würde, dem Ansehen u n d der segenvollen Wirksamkeit des geistlichen Standes nachtheiligen Fehlern, Mängeln u n d Mißbräuchen nachdrücklichst entgegen wirken, etwaige Streitigkeiten der Geistlichen durch versöhnende M i t t e l auszugleichen suchen u n d überhaupt sich bestreben, den Zweck des evangelischen Pfarramtes möglichst zu fördern. Art. 10. Die besonderen Functionen der Superintendenten sind folgende: 1. Beobachtung des kirchlich-religiösen Zustandes der evangelischen Gemeinden, 2. Beaufsichtigung der religiösen Jugendbildung i n den Volksschulen, 3. Beaufsichtigung und Überwachung der Amtsführung, des sittlichen V e r haltens u n d der wissenschaftlichen Bildung der Geistlichen u n d Pfarramtscandidaten i n der Provinz, 4. Vornahme der kirchlichen Visitationen i n den evangelischen Pfarreien, 5. Visitation der Amtsführung der Decane, als solcher, 6. jährliche Erstattung eines Rechenschaftsberichts an das Oberconsistor i u m über den ganzen Umfang ihrer Amtsführung, insbesondere Darlegung ihrer Beobachtung über die Berufsthätigkeit u n d die moralischen Eigenschaften der Geistlichen, 7. Vollziehung der ihnen von dem Oberconsistorium ertheilt werdenden Aufträge, insbesondere: a) Vornahme der ihnen i n der Regel übertragen werdenden Ordinationen der Geistlichen, b) Amtseinweisungen der Geistlichen, c) Einweihung neuer Kirchen, d) Vollziehung der kirchlichen U n i o n der sich vereinigenden lutherischen und reformirten Religionsgemeinden mittelst eines feierlichen Gottesdienstes, e) Erstattung der von ihnen gefordert werdenden Berichte u n d Gutachten, namentlich über Beförderungs- u n d Anstellungs-Gesuche der Geistlichen u n d Pfarramtscandidaten. Art. 11. Die Superintendenten haben sich i n ihrer Correspondenz m i t den ihnen untergebenen Decanen und Geistlichen der F o r m von Befehlsschreiben zu bedienen. 7

Rheinhessen, Oberhessen, Starkenburg.

696 20. Kap.: Die evangelischen Kirchen i n Südwest- und Mitteldeutschland III. Von den Kreisräthen,

als Organen des Oberconsistoriums

Art. 12. Die Functionen der Kreisräthe i n Beziehung auf kirchliche Angelegenheiten sind durch andere Verordnungen näher bestimmt. I n der Provinz Rheinhessen gehören diese Functionen zu dem Wirkungskreise der Provinzialdirection zu Mainz. IV. Von den Decanen Art. 13. Jede der drei Provinzen des Großherzogthums w i r d i n evangelischkirchlicher Hinsicht i n Decanate eingetheilt 8 . Jedem Decanate w i r d ein Decan vorgesetzt, welcher von Uns aus der evangelischen Geistlichkeit des Decanats auf die Dauer von fünf Jahren ernannt w i r d , nach deren A b l a u f derselbe jedoch von Neuem auf fünf Jahre zu dieser Stelle berufen werden kann. Art. 14. Die gegenwärtige Eintheilung der Inspectoratsbezirke w i r d vor der H a n d f ü r die Decanate beibehalten. Die dermalen angestellten geistlichen Inspectoren oder deren Stellvertreter übernehmen provisorisch die i n diesem Edicte den Decanen zugewiesenen Functionen. Nach A b l a u f von sechs Monaten, von dem Tage an gerechnet, an welchem dieses Edict i n Wirksamkeit t r i t t , legen sie jedoch ihre Stellen nieder u n d ihre Functionen gehen alsdann auf die bis dahin neu ernannten Decane über. Art. 15. Die Decane bilden eines Theils zwischen dem Oberconsistorium u n d der evangelischen Geistlichkeit die Mittelbehörde, durch welche jenes i n der Regel, u n d insoweit dieß nicht durch die Kreisräthe geschieht, seine, die Administration der kirchlichen Angelegenheiten betreffenden Anordnungen i n Vollzug setzen läßt. Anderen Theils sind sie rücksichtlich der geistlichen A u f sicht innerhalb des Decanats die Stellvertreter der Superintendenten und haben diese i n Vollziehung der denselben zugewiesenen Functionen zu unterstützen. Art. 16. I. Als Mittelbehörde zwischen dem Oberconsistorium und der Geistlichkeit haben die Decane folgende Funktionen: 1. Verbindlichkeit, die Erlasse des Oberconsistoriums den Geistlichen des Decanats bekannt zu machen, über deren Vollziehung zu wachen u n d die an sie gelangenden Berichte der Geistlichen an das Oberconsistorium einzusenden, 2. Überwachung der Beobachtung und Aufrechthaltung der den Zustand der Kirche und die V e r w a l t u n g ihres Vermögens betreffenden Anordnungen bei den Geistlichen, 3. Anzeige von den interessanten kirchlichen Ereignissen i m Decanate an das Oberconsistorium, 4. Beachtung und Wahrung der landesherrlichen Rechte hinsichtlich der evangelischen Kirche, deßgleichen der Parochialrechte und der Interessen der einzelnen evangelischen Kirchengemeinden, Pfarreien, so wie der Geistlichen u n d anderen kirchlichen Diener, als solcher, 5. Besorgung der auf Ertheilung von Dispensationen Bezug habenden Geschäfte, insbesondere selbstständige Ertheilung der Dispensationen wegen fehlenden Alters zur Confirmation, 8

Dazu A m t s i n s t r u k t i o n f ü r die evangelischen Dekane v o m 15. J u n i 1832 (GS 136 ff.).

IV. Die Union i m Großherzogtum Hessen

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6. Überwachung und Mitbeaufsichtigung des Kircheninventariums, des Kirchen- und geistlichen Stiftungs-Vermögens der evangelischen Pfarreien des Decanats, 7. Versuch der V e r m i t t l u n g etwaiger Streitigkeiten der Geistlichen unter sich oder m i t ihren Gemeinden i n Bezug auf religiöse Gegenstände, 8. Anordnung einer provisorischen V e r w a l t u n g der Pfarrgeschäfte i m Falle der Erledigung von Pfarrstellen, bis zur Wiederbesetzung der Stelle oder E r nennung eines Vicars durch das Oberconsistorium, 9. Aufsicht über richtige F ü h r u n g der Kirchenbücher durch die Geistlichen, 10. Berichtserstattung wegen Besetzung niederer Kirchendienerstellen, insofern solche nicht als ständige Nebenämter der Schullehrer anzusehen sind, u n d Anordnung einer provisorischen V e r w a l t u n g solcher erledigten Stellen, 11. Besorgung der nach den bestehenden Verordnungen i n Bezug auf das geistliche Wittwenkassewesen den geistlichen Inspectoren seither obgelegenen Geschäfte, 12. Erledigung der ihnen etwa ertheilt werdenden Aufträge, insbesondere: a) Vornahme der ihnen aufgetragen werdenden Ordinationen u n d A m t s einweisungen der Geistlichen des Decanats, b) Einweihung neuer Kirchen, c) Vollziehung der kirchlichen U n i o n der sich vereinigenden lutherischen und reformirten Gemeinden ihres Decanats durch einen feierlichen Gottesdienst, d) Erstattung der von ihnen gefordert werdenden Berichte i m Allgemeinen. I I . Als Stellvertreter u n d Organe der Superintendenten haben die Decane folgende Functionen: 1. Beobachtung des kirchlich-religiös-sittlichen Zustandes der einzelnen evangelischen Gemeinden des Decanats, 2. Aufsicht über die religiöse Jugendbildung i n den Volksschulen des Decanats, 3. Beaufsichtigung der Amtsführung, des sittlichen Lebens und der wissenschaftlichen B i l d u n g der ihnen untergebenen Geistlichen u n d der i n ihrem Decanate sich aufhaltenden Pfarramtscandidaten, 4. Vornahme der ihnen von dem Oberconsistorium oder dem Superintendenten übertragen werdenden Kirchenvisitationen i n den evangelischen Pfarreien ihres Decanats, 5. jährliche Erstattung eines Rechenschaftsberichts über ihre, auf die genannten Gegenstände Bezug habende Amtsverwaltung an den Superintendenten, 6. Vollziehung der ihnen von dem Superintendenten ertheilt werdenden Aufträge und Erstattung der von demselben gefordert werdenden Berichte . . . V. Von den Pfarrern Art. 20. Die Pfarrer haben, als Organe der i n diesem Edicte genannten höheren kirchlichen Behörden, folgende Functionen: 1. Localvollziehung u n d Überwachung der Vollziehung der Kirchengesetze und Verordnungen u n d Befolgung der ihnen von dem Oberconsistorium, den Superintendenten und Decanen zugehenden Aufträge u n d Weisungen,

698 20. Kap.: Die evangelischen Kirchen i n Südwest- und Mitteldeutschland 2. 3. 4. 5.

Aufsicht über den evangelischen Religionsunterricht i n den Volksschulen, Führung der Kirchenbücher, Specialaufsicht über die kirchlichen und geistlichen Gebäude der Pfarrei, Aufsicht über die niederen Kirchendiener. Außerdem sind die Pfarrer Vorsitzende Mitglieder der Localkirchenvorstände. . . .

VI. Von den Kirchenvorständen Art. 22. Über die Organisation und den Wirkungskreis der Localkirchenvorstände erlassen W i r eine besondere Verordnung 9 . Art. 23. M i t der Ausführung dieses Edicts ist Unser Ministerium des Innern u n d der Justiz beauftragt, durch welches W i r auch den Zeitpunkt werden bestimmen lassen, von welchem an dasselbe i n Vollzug kommen soll, u n d es hört von da an die Wirksamkeit der protestantischen Kirchen- und Schulräthe der Provinzen Starkenburg u n d Oberhessen u n d des evangelischen Kirchenraths i n Mainz auf.

V . Die lutherische Landeskirche des Königreichs Sachsen Neben Bayern war Sachsen der zweite der deutschen Mittelstaaten, in denen die evangelische Landeskirche einem katholischen Landesherrn unterstellt war. Die Verfassung von 1831 (oben Nr. 69) übertrug das ius episcopale des sächsischen Königs über die evangelische Landeskirche an die Minister in Evangelicis Diese erließen am 10. April 1835 ein Organisationsedikt (Nr. 298). An die Spitze der kirchlichen Verwaltung trat das Landeskonsistorium in Dresden 2, dem die neu errichteten Kirchen- und Schuldeputationen bei den Kreisdirektionen unterstellt waren. Es bildete, in Unterordnung unter das Kultusministerium, die Mittelinstanz für die Ausübung des Kirchenregiments und der staatlichen Kirchenaufsicht. An seiner Spitze standen ein weltlicher Präsident 3 und ein geistlicher Vizepräsident 4. 9

Edikt, die Organisation der Kirchenvorstände evangelischer und k a t h o l i scher Konfession betreffend, v o m 6. J u n i 1832 (GS 119 ff.). 1 Ursprünglich gehörten alle sechs evangelischen Minister dem Kreis der Minister i n Evangelicis an. 1840 wurde der Kreis auf die vier Minister des Kultus, der Justiz, der Finanzen u n d des I n n e r n beschränkt. Der Aussenminister u n d der Kriegsminister schieden aus. 2 Das Landeskonsistorium i n Dresden trat m i t seiner Errichtung (1835) an die Stelle der beiden bis dahin bestehenden Konsistorien: des Oberkonsistoriums i n Dresden und des Konsistoriums i n Leipzig. 3 Erster Inhaber des Amts w a r Karl Gottlieb v. Weber (1773 - 1849), Jurist; Vizepräsident des Appellationsgerichts Dresden; 1831 Oberkonsistorialpräsident daselbst; 1835 - 1849 Präsident des Landeskonsistoriums. 4 Erster Inhaber des A m t s w a r Christoph Friedrich v. Ammon (1766 - 1850), protestantischer Theologe von umfassender Gelehrsamkeit; 1789 ao. Prof. der Philosophie i n Erlangen, 1790 ao. Prof. der Theologie daselbst; 1792 o. Prof. daselbst; 1794 i n Göttingen; 1804 wieder i n Erlangen; 1813 Oberhofprediger u n d Konsistorialrat i n Dresden; 1831 Mitglied des sächs. Staatsrats; 1835 - 1849 geistl. Vizepräsident des Landeskonsistoriums. Sein Nachfolger w a r Adolf v. Harleß (1850 - 1852); siehe oben S. 656 Anm. 3.

V. Die lutherische Landeskirche des Königreichs Sachsen

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Während die Minister in Evangelicis das königliche ius episcopale wahrnahmen, kam dem Kultusministerium die Oberaufsicht über die geistlichen Behörden aller Konfessionen zu. Die dadurch auftretenden Zuständigkeitsfragen klärte das durch die Verordnung vom 12. November 1837 vom König bestätigte Regulativ vom gleichen Tag (Nr. 299, 300). N r . 298. Verordnung betreffend die veränderte Organisation der evangelisch-lutherisch-kirchlichen Mittelbehörden v o m 10. A p r i l 1835 (Sächsisches Gesetz- u n d Verordnungsblatt 1835 S. 243 ff.) — Auszug — Nachdem bei Errichtung besondrer Regierungsbehörden i n verschiedenen Theilen des Landes, unter dem Namen der Kreisdirectionen f ü r gut befunden worden ist, auch i n Betreff der evangelischen Kirchen- u n d Schulsachen u n d den dahin gerechneten Angelegenheiten, jedoch unter Beachtung der Rücksichten, welche der kirchliche Zweck u n d die besondere Beschaffenheit der kirchlichen Angelegenheiten erfordern, eine ähnliche Veränderung eintreten zu lassen, so verordnen die i n Evangelicis beauftragten Staatsminister des Königreichs Sachsen, i m Einverständniß m i t der hierüber von den Ständen unter dem 29sten October vorigen Jahres abgegebenen gutachtlichen E r k l ä rung, hiermit w i e folgt: Die Kreisdirektionen

als kirchliche

Mittelbehörden

§1. Das Oberconsistorium zu Dresden und das Consistorium zu Leipzig werden aufgelöset und treten m i t dem 30. Juni 1835 außer Wirksamkeit. Die Geschäfte derselben gehen, m i t Ausnahme der Justizsachen . . . auf die neu errichteten Verwaltungsbehörden über. §2. I n dieser Hinsicht treten, i n so fern nicht unten § 10 bis m i t 15 etwas Anderes festgesetzt ist, an die Stelle der § 1 benannten Consistorien die Kreisdirectionen zu Dresden, Leipzig u n d Zwickau, u n d es gehen daher nicht allein 1. die äußeren Angelegenheiten der evangelischen Kirchen und Schulen, insbesondre die Aufsicht über das den Kirchen, Pfarreien, Schulen und andren zeither von den Consistorien beaufsichtigten geistlichen Stiftungen zugehörige Vermögen, die Anordnung zu Aufbringung der Parochiallasten, die Aufsicht über das Anhalten der K i n d e r zum Schulbesuch, und die gehörige Einbringung des Schulgelds, die Entscheidung der die Aufbringung der Parochiallasten betreffenden und sonst i n § 9 des Gesetzes über die Competenzverhältnisse z w i schen Justiz- und Verwaltungsbehörden angeführten Streitigkeiten, und die Ausübung der den Consistorien in Censurangelegenheiten zustehenden Befugnisse, sondern auch 2. die Aufsicht über den Gottesdienst, Erhaltung der Kirchenverfassung, Handhabung der Kirchendisciplin, die Sorge für gesetzliche Berufung der Kirchen- u n d Schuldiener und pflichtmäsige Verwaltung der ihnen anvertrauten Aemter, endlich die obere Leitung des Volksschulunterrichts überhaupt, auf diese Kreisdirectionen, eine jede i n dem betreffenden Bezirke, über.

700 20. Kap.: Die evangelischen Kirchen in Südwest- und Mitteldeutschland § 3. A l l e Angelegenheiten, welche das evangelische Kirchen- und Schulwesen, so wie die damit verbundenen geistlichen Stiftungen betreffen, sind bei den Kreisdirectionen i n der Regel durch eine besondre Abtheilung, welche aus dem Kreisdirector, einem weltlichen Rathe u n d wenigstens (§ 7) einem evangelisch-geistlichen Kirchen- und Schulrathe besteht, collegialisch zu bearbeiten. Ausgenommen von dieser Vorschrift sind bloß interlocutorische und andre minder wichtige, bloß Anwendung der bei den kirchlichen Behörden bereits bestehenden Grundsätze enthaltende Verfügungen, hinsichtlich w e l cher es dem Ermessen des Kreisdirectors, jedoch unter dessen Verantwortlichkeit, überlassen bleibt, solche entweder selbst oder durch einen der in diesem § erwähnten Räthe zur Erledigung zu bringen. § 4. Manche Sachen sind jedoch n u r i m Pleno der Kreisdirection zu berathen. Dahin gehören von den § 2 u n d 3 erwähnten Sachen: a) alle Recurse gegen Verfügungen und Entscheidungen der Unterbehörden, u n d andre unter den Begriff der streitigen Administrativ-Justizsachen fallende Angelegenheiten ; b) Disciplinarsachen gegen Geistliche und Schullehrer, i n so fern i n solchen eine Suspension oder Entfernung des Angeschuldigten vom A m t e i n Frage kommt; c) solche Angelegenheiten, welche m i t andren zur Entscheidung der Kreisdirection i n Pleno gehörigen Sachen i n Verbindung stehen ; d) alle allgemeine Kirchen- u n d Schuleinrichtungen, Vorbereitung neuer Gesetze, u n d Verfassungssachen u n d e) alle Sachen, welche sonst wegen ihrer besonderen Wichtigkeit der Kreisdirector ad Plenum zu bringen für gut findet. §5. Die i n § 3 bezeichnete A b t h e i l u n g der Kreisdirection f ü h r t den Namen: Kirchen- und Schuldeputation. Sie hält von Zeit zu Zeit regelmäsige Sitzungen, i n welchen der Kreisdirector, oder bei dessen Behinderung der weltliche Rath, den Vorsitz führt. Die hier beschlossenen Verfügungen werden jedoch nicht i m Namen gedachter Deputation, sondern der Kreisdirection erlassen, und von dem Kreisdirector vollzogen, w i e denn auch alle zum Geschäftskreis derselben gehörige Berichte und Eingaben an die Kreisdirection selbst zu richten s i n d . . . . § 7. Wegen des größeren Umfangs des Bezirks der Kreisdirectionen zu Dresden, Leipzig u n d Zwickau, u n d zu Vermeidung von Geschäftsstockungen, w i r d bei jeder der nurgedachten drei Kreisdirectionen neben dem § 3 erwähnten Kirchen- u n d Schulrathe, noch ein Geistlicher als Beisitzer angestellt werden, welcher 1. i n allen Fällen, w o der Kirchen- und Schulrath durch Revisionsreisen oder andere Ursachen verhindert ist, an den Geschäften T h e i l zu nehmen, dessen Stelle zu vertreten, und 2. an den i n § 4 unter b) u n d d) gedachten Berathungen i n der Plenarsitzung der Kreisdirection, sowohl 3. an den Sitzungen der Kirchen- und Schuldeputation, so fern darin wichtigere und nach dem Ermessen des Vorsitzenden f ü r den geistlichen Beirath besonders geeignete Berathungsangelegenheiten vorkommen, m i t Stimmrecht A n t h e i l zu nehmen, auch

V. Die lutherische Landeskirche des Königreichs Sachsen

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4. die Prüfungen, welche über Seminaristen, Schulamtscandidaten, und sonst, der Kreisdirection übertragen werden, m i t zu besorgen hat. § 8. Sämmtliche geistliche Räthe u n d Beisitzer der Kreisdirectionen werden von den i n Evangelicis beauftragten Staatsministern ernannt. Auch die weltlichen Räthe, welche die evangelischen Kirchen- u n d Schulsachen bearbeiten, sollen der evangelischen Confession angehören. Sollte aber der F a l l eintreten, daß der Kreisdirector einer andren als der evangelischen Confession zugethan wäre, so soll der Kirchen- u n d Schuldeputation anstatt seiner ein anderer evangelischer Rath beigegeben werden. . . . § 10. Die Leitung u n d Aufsicht über die gelehrten Schulen gehöret an u n d für sich nicht zurCompetenz der Kreisdirection. Es bleibt jedoch dem Ministerio des Cultus u n d öffentlichen Unterrichts vorbehalten, diese i n den das gelehrte Schulwesen betreffenden Sachen m i t besondren Aufträgen zu versehen. Das

Landes-Consistorium

§11. Da es hiernächst f ü r nöthig erachtet worden ist, nicht n u r f ü r gehörige Bestellung des geistlichen Amtes, die diesfalls erforderlichen Prüfungen, u n d für Beaufsichtigung der Candidaten des Predigtamts, sondern auch u n d v o r züglich f ü r die Wahrnehmung der innern Angelegenheiten der evangelischen Confession i n hiesigen Landen überhaupt u n d die reifliche gutachtliche Berathung derselben eine besondre das ganze L a n d umfassende evangelischgeistliche Mittelbehörde zu errichten, so t r i t t zu diesem Ende an die Stelle der § 1 aufgehobenen Consistorien ein i n der Residenzstadt Dresden seinen Sitz habendes Landesconsistorium, welches: a) aus einem weltlichen Director und b) vier ordentlichen geistlichen Räthen, nämlich dem Kirchen- und Schulrathe bei der Kreisdirection u n d drei dazu besonders zu ernennenden M i t gliedern der Hof- u n d Stadtgeistlichkeit zu Dresden, außerdem aber noch aus zwei außerordentlichen Beisitzern, welche i n den wichtigsten Angelegenheiten besonders einberufen, oder nach Befinden schriftlich m i t ihrer Ansicht gehört werden, nämlich einem Mitgliede der theologischen Facultät zu Leipzig, und einem Geistlichen v o n ausgezeichneter Befähigung aus einem andren Theile des Landes, bestehen soll. §12. I n Betreff der gehörigen Bestellung des geistlichen Amtes hat das Landesconsistorium 1. über sämmtliche Candidaten der Theologie und des Predigtamts, deren Qualification und Beschäftigung, insbesondere aber über die Predigercollegien und theologischen Bildungsvereine derselben, Aufsicht zu führen, 2. die nöthigen Prüfungen, u n d zwar a) die Wahlfähigkeitsprüfungen der Candidaten, b) die sogenannten Prüfungen pro munere der zu einem gewissen geistlichen Amte Designirten, u n d c) die Colloquien der Superintendenten vorzunehmen, und endlich 3. die bei Ersetzung eines geistlichen Amtes nach Erfolg oder Erlaß der Prüfung erforderlichen Verfügungen zur Probe, Ordination, Einweisung und Bestätigung des neuen Geistlichen zu erlassen . . . §13. Das Landesconsistorium soll m i t seinem Gutachten gehört werden: 1. w e n n allgemeine dogmatische oder liturgische Angelegenheiten in Frage kommen, namentlich

702 20. Kap.: Die evangelischen Kirchen in Südwest- und Mitteldeutschland a) Abschaffung, Einführung oder Verlegung kirchlicher Festtage oder Bußtage; b) allgemeine Einführung neuer Katechismen, Bekenntnisschriften, Religionsbücher, Gesangbücher, oder Aenderung u n d Vermehrung derselben; c) allgemeine Aenderungen i n den kirchlichen Gebräuchen und Formularen; d) A u s w a h l der vorzuschreibenden Predigttexte; und e) allgemeine Maasnehmungen i n Beziehung auf Conventikel und Secten ; 2. über wesentliche Aenderungen i n der Kirchenverfassung überhaupt, und 3. wenn wegen Ausstellungen gegen die Lehre eines designirten Geistlichen oder Schullehrers Widerspruch erhoben w i r d , oder der Fall vorliegt, daß aus dergleichen Ursachen die Dienstentfernung eines Geistlichen oder Schullehrers i n Frage k o m m t : u n d zwar ehe i n diesen Fällen die endliche Entschließung gefaßt und zur Ausführung gebracht w i r d . § 14. Außerdem bleibt es dem Ermessen des Ministerii des Cultus und öffentlichen Unterrichts vorbehalten, auch i n andren minder wichtigen Fällen, wenn solche besonders kirchliche Feiertage, Kirchengebräuche, Agende, Glaubenslehre oder Seelsorge an einzelnen Orten betreffen, bei sich ereignenden Z w e i feln oder Bedenken, vom Landesconsistorio sich gutachtlichen Bericht erstatten zu lassen. § 15. I n den § 12 erwähnten Angelegenheiten ist das Landesconsistorium befugt, m i t den betreffenden Kreisdirectionen zu communiciren, und innerhalb der Gränzen der i n gedachtem § bezeichneten Competenz an die Superintendenten zu verfügen. I n gleicher Beziehung haben auch die letzteren an dasselbe zu berichten, u n d insbesondere auch die i n den Generalverordnungen vom 19. December 1788, 13. Februar 1824 u n d 20. A p r i l 1833 vorgeschriebenen Candidatentabellen alljährlich bei demselben einzureichen, welches solche hierauf weiter zur Kenntniß des Ministerii des Cultus bringen w i r d . I n allen andren Sachen aber hat das Landesconsistorium, entweder auf Erfordern, oder auch ohne dieses, dafern es f ü r nöthig findet, auf bemerkte Gebrechen oder w ü n s c h e n s w e r t e Verbesserungen i m innern kirchlichen Leben aufmerksam zu machen, lediglich an das genannte Ministerium zu berichten, diesem seine gutachtliche Ansicht oder seine Anträge zu eröffnen, u n d dessen E n t schließung zu erwarten. Anordnungen jedoch welche i n Folge solcher Anträge erfolgen, werden durch die Kreisdirection zur Ausführung gebracht werden. Schulwesen §16. M i t den Prüfungen der Schullehrer, i n so weit solche nicht bei den Kreisdirectionen Statt finden, w i r d eine besondre Commission aus mehreren Sachverständigen v o m Schullehrerstande unter Leitung eines Mitglieds des Landesconsistorii, beauftragt werden. §17. Uber die Wirksamkeit der Kreisdirectionen i n Beziehung auf das Schulwesen werden i n dem Gesetze u n d der Verordnung, die Volksschulen betreffend, nähere Vorschriften ertheilt. . . .

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N r . 299. Verordnung, das Regulativ über die Ressortverhältnisse zwischen dem Ministerio des Cultus und öffentlichen Unterrichts und den in Evangelicis beauftragten Staatsministern betreffend v o m 12. November 1837 (Sächsisches Gesetz- u n d Verordnungsblatt, 1837, S. 103) Wir, Friedrich August, v o n Gottes Gnaden K ö n i g v o n Sachsen . . . haben f ü r angemessen befunden, über den Umfang u n d die Gegenstände des i n Unserer Verordnung vom 7. November 18315, § 4 sub E am Schlüsse, berührten Ressortverhältnisses zwischen Unserm Ministerio des Cultus und öffentlichen U n t e r richts u n d der nach § 41 der Verfassungsurkunde i n Evangelicis beauftragten Ministerialbehörde nähere Bestimmung zu treffen. W i r haben deshalb dem m i t Beirath Unserer getreuen Stände abgefaßten besonderen Regulative, wie solches i n der Beilage [Nr. 300] enthalten ist, Unsere Genehmigung ertheilt u n d lassen dasselbe zu Jedermanns Nachachtung hierdurch zur öffentlichen K e n n t niß gelangen.

N r . 300. Regulativ über die Ressortverhältnisse zwischen dem Ministerio des Cultus und öffentlichen Unterrichts und den in Evangelicis beauftragten Staatsministern v o m 12. November 1837 (Sächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1837, S. 104 ff.) Da gegenwärtig zu dem Geschäftskreise des M i n i s t e r i i des Cultus und öffentlichen Unterrichts, auf den G r u n d der Verordnung v o m 7. November 1831, die Errichtung der Ministerial-Departements betreffend 6 , folgende Gegenstände gewiesen sind, als: a) alle Angelegenheiten der Religion, der Kirchen u n d religiösen Anstalten, nach den i m § 57 der Verfassungsurkunde 7 enthaltenen Bestimmungen; b) die Wahrnehmung der nach § 60 der Verfassungsurkunde 7 dem Staate zustehenden Gerechtsame über alle Stiftungen, i n sofern sie nicht die V e r sorgung der A r m e n und K r a n k e n zum Zwecke haben, oder nach den Fundationsurkunden die Aufsicht andern Behörden zusteht; c) die Aufsicht über das Unterrichtswesen und demnach die Beaufsichtigung aller Erziehungs- u n d Bildungsanstalten u n d i n dieser Hinsicht auch bei denen, welche i n anderer Beziehung zum Ressort anderer Ministerial-Departements gewiesen sind; d) die Bestätigung der Vereine zu wissenschaftlichen Zwecken; endlich, nach der Verordnung v o m 20. December 18348, e) die Oberaufsicht über den Cultus u n d die Schulen der Juden; es jedoch angemessen erscheint, über das Verhältniß, i n welchem das gedachte M i n i s t e r i u m bei V e r w a l t u n g dieses Geschäftskreises zu den i n Evan5 6 7

Sächs. GVB1. 1831, S. 323 ff. Ebenda. Oben Nr. 69.

704 20. Kap.: Die evangelischen Kirchen in Südwest- und Mitteldeutschland gelicis beauftragten Staatsministern steht, m i t Berücksichtigung des i n der Nebeninstruction des vormaligen Geheimrathscollegii v o m 21. December 1697 zuerst ertheilten u n d nach § 41 der Verfassungsurkunde fernerhin M i t g l i e dern des Gesammtministerii evangelischer Confession zu ertheilenden K ö n i g lichen Auftrags i n Evangelicis, nähere Bestimmungen zu treffen, so werden diejenigen Geschäftsgegenstände, welche bei denselben von dem Ministerio des Cultus und öffentlichen Unterrichts zur Beschlußnahme i n Vortrag zu bringen sind, i m Folgenden andurch bezeichnet: a) Abweichungen v o n den evangelischen Kirchengesetzen, m i t Ausnahme der Dispensationen, i n soweit selbige schon nach der bisherigen Praxis üblich gewesen sind; b) die Aufhebung oder Verlegung von Festtagen, sowie die Anordnung ausserordentlicher B ü ß - oder Festtage i n allen evangelischen Kirchen; c) Gesetzentwürfe u n d Verordnungen, welche das evangelische Kirchenund Schulwesen i m Allgemeinen betreffen; d) die vorbereitenden Einleitungen zu solchen Verordnungen, i n sofern selbige durch v o n der gesammten Geistlichkeit, oder dem Schulstande zu erfordernde Gutachten, oder auch auf andere Weise die allgemeine A u f m e r k samkeit i m Lande erregen könnten; e) Veränderungen i n der Verfassung der evangelisch-geistlichen Ober- und Mittelbehörden, der Universität u n d der beiden Landesschulen; f) die Veräusserung Königlicher Patronatrechte über evangelische Kirchen, Schulen u n d Stiftungen; g) die Veräusserung v o n Grundeigenthum u n d nutzbaren Hechten evangelischer Kirchen, Schulen u n d Stiftungen, ausser dem Falle einer Grenzberichtigung; h) jede Veränderung einer evangelischen geistlichen oder Schulstiftung, zufolge welcher deren Vermögen oder Einkommen zu einem andern, als dem stiftungsmäsigen Zwecke verwendet werden soll ; i) die Grenz- u n d Hoheitsangelegenheiten; k) die Angelegenheiten des Hochstifts zu Meissen u n d des Collegiatstifts zu Würzen; 1) die Anordnung allgemeiner Visitationen der evangelischen Kirchen und Schulen; m) die Anordnung allgemeiner Collecten i n den evangelischen Kirchen; n) die Anstellung u n d Entlassung der Mitglieder des Landesconsistorii, der geistlichen Mitglieder der Kirchendirectionen, der Geistlichen an der evangelischen Hofkirche, der Superintendenten, der ordentlichen Professoren auf der Universität u n d der Hectoren auf den Landesschulen. Die Bestallungsdecrete f ü r die Mitglieder des Landesconsistorii u n d die Kirchen- u n d Schulräthe werden i m Namen Sr. Kgl. Majestät ausgefertigt, von Allerhöchstdenenselben vollzogen u n d von dem Minister des Cultus und öffentlichen Unterrichts contrasignirt, die Ausfertigung der übrigen aber er8 Verordnung, die Unterordnung des jüdischen K u l t u s und der jüdischen Schulen unter das M i n i s t e r i u m des K u l t u s und des öffentl. Unterrichts betreffend vom 20. Dezember 1834 (GVBl. 540).

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folgt i m Namen der „ v o n Sr. K g l . Majestät i n Evangelicis beauftragten Staatsminister" unter der Vollziehung ihres Vorsitzenden u n d des Ministers des Cultus. o) Die Recurse i n den zu dem Ressort des M i n i s t e r i i des Cultus u n d öffentlichen Unterrichts unmittelbar gehörigen reinen Administrativsachen, i n sofern selbiges darin die erste Entscheidung ertheilt hat u n d solche i n Folge des Recurses nicht abändern w i l l . Hier ist, daß die Sache den i n Evangelicis beauftragten Staatsministern v o r getragen worden sei, i n der Ausfertigung zu bemerken u n d letztere von dem Vorsitzenden derselben m i t zu unterzeichnen. p) Beschwerden gegen das M i n i s t e r i u m des Cultus u n d öffentlichen U n t e r richts sind, wenn sie Angelegenheiten betreffen, welche nach vorstehenden Bestimmungen sub a - ο zur Competenz der i n Evangelicis beauftragten Staatsminister gehören, bei denenselben, ausserdem aber bei dem Regenten u n m i t telbar anzubringen. Übrigens bleibt es sowohl dem Minister des Cultus u n d öffentlichen U n t e r richts, als auch den i n Evangelicis beauftragten Staatsministern unbenommen, auch i n andern, als den obigen Fällen, gegenseitig Mittheilungen zu machen, Auskunft zu erbitten u n d gemeinsame Berathungen zu veranlassen.