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German Pages 752 [1005] Year 2012
Erstmals liegt mit diesem Buch eine Gesamtdarstellung aller Bischofswahlen im Deutschen Reich zwischen Kulturkampf und Erstem Weltkrieg einschließlich der Weihbischofsernennungen vor. Auf der Basis sowohl der staatlichen Überlieferung als auch der kirchlichen Akten, insbesondere auch aus den Vatikanischen Archiven, ergeben sich zum Teil erstaunliche Einblicke in die Rekrutierungsmechanismen des Personals für die Besetzung der Bischofsstühle. Dabei liegt der Schwerpunkt auf den staatlichen Bemühungen, gegen den herrschenden Trend des vom Ultramontanismus geprägten katholischen Bevölkerungsteils und der überwiegenden Mehrheit im Klerus staatsloyale Kandidaten durchzusetzen. Dass dies im katholischen Bayern aufgrund der dort dem König vorbehaltenen Bischofsernennung eher gelang als in Preußen und den übrigen protestantischen Staaten, wo die Domkapitel den Bischof wählten, mag im ersten Augenblick überraschen, liegt aber auf der Hand. Allerdings bedeutete das Recht des Herrschers auf Ausschließung von Bischofskandidaten einen nicht zu unterschätzenden Eingriff in die Wahlfreiheit der Domkapitel und damit in die kirchliche Selbstbestimmung. Auch wenn es den Staatsbehörden seit dem Ende des Kulturkampfs letztlich nicht mehr gelang, ihre Favoriten durchzusetzen, beeinflussten sie die Neubesetzungsvorgänge vakanter Bischofsstühle massiv. Insbesondere an wichtigen Bischofssitzen, wie etwa Breslau und Köln, oder dort, wo Nationalitätenkonflikte hinzu traten, übten staatliche Instanzen erheblichen Druck auf die kirchliche Personalpolitik aus. Dieses von der bisherigen Forschung kaum beachtete Konfliktfeld zwischen Staat und katholischer Kirche blieb über die Ära des Kulturkampfes hinaus bis zum Kriegsbeginn 1914 virulent und erlaubt, das bisher vorherrschende Bild von der Anpassung der katholischen Kirche an Politik und Gesellschaft im Zeitalter des Wilhelminismus zumindest teilweise zu revidieren.
MICHAEL HIRSCHFELD
Die Bischofswahlen im Deutschen Reich 1887 bis 1914
MICHAEL HIRSCHFELD
Die Bischofswahlen im Deutschen Reich 1887 bis 1914
Ein Konfliktfeld zwischen Staat und katholischer Kirche zwischen dem Ende des Kulturkampfes und dem Ersten Weltkrieg ISBN 978-3-402-12963-0
Michael Hirschfeld Die Bischofswahlen im Deutschen Reich 1887 bis 1914
Michael Hirschfeld
Die Bischofswahlen im Deutschen Reich 1887 bis 1914 Ein Konfliktfeld zwischen Staat und katholischer Kirche vom Ende des Kulturkampfes bis zum Ersten Weltkrieg
Als Habilitationsschrift auf Empfehlung der Universität Vechta gedruckt mit freundlicher Unterstützung des Bischöflich Münsterschen Offizialats in Vechta, der Erzbistümer Bamberg und Paderborn, der Bistümer Augsburg, Mainz, Osnabrück, Fulda, Passau, Speyer und Würzburg sowie von Großdechant Prälat Franz Jung, Münster.
Umschlag-Abbildung: Karikatur von Gustav Brandt mit dem Titel „Aus dem Erzbistum Posen“ von 1890 aus: Zentrums-Album des Kladderadatsch 1870–1910, Berlin 1912, S. 154. Karte auf Vor- und Nachsatzpapier: „Die Bistümer und die anderen Jurisdiktionsbezirke im Deutschen Reich und im Großherzogtum Luxemburg um 1900“, aus: Erwin Gatz, Atlas zur Kirche in Geschichte und Gegenwart (Regensburg 2009), S. 266-267. Mit freundlicher Genehmigung des Verlages Schnell und Steiner, Regensburg.
Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detailliert bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar
© 2012 Aschendorff Verlag GmbH & Co. KG, Münster Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Die Vergütungsansprüche des § 54 Abs. 2 UrhG werden durch die Verwertungsgesellschaft Wort wahrgenommen. Gesamtherstellung: Aschendorff Druckzentrum, Münster, 2012 Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier ∞ ISBN 978-3-402-12963-0
Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Königreich Preußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Erzbistum Köln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Bistum Münster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Bistum Paderborn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Bistum Trier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 Bistum Hildesheim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 Bistum Osnabrück. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Bistum Fulda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 Bistum Limburg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Fürstbistum Breslau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Fürsterzbischöfliches Vikariat Glatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 Fürsterzbischöfliches Kommissariat Katscher (Branitz) . . . . . . . . . 375 Erzbistum Gnesen und Posen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 Bistum Ermland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 Bistum Kulm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 Preußische Feldpropstei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 Reichsland Elsass-Lothringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 Bistum Metz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 502 Bistum Straßburg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 544 Großherzogtum Baden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 573 Erzbistum Freiburg im Breisgau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 573
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inhalt
Großherzogtum Hessen-Darmstadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 625 Bistum Mainz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 625 Königreich Württemberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 649 Bistum Rottenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 649 Königreich Bayern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 661 Erzbistum München und Freising . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erzbistum Bamberg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bistum Augsburg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bistum Eichstätt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bistum Passau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bistum Regensburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bistum Speyer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bistum Würzburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Weihbischofsfrage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
668 685 703 721 724 735 740 746 750
Königreich Sachsen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 763 Apostolische Administratur des Bistums Meißen in den Lausitzen und Apostolisches Vikariat Sachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 763 Großherzogtum Oldenburg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 797 Bischöflich Münstersches Offizialat Vechta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 797 Resümee. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 805
Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bischofswahllisten der Domkapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wandel der staatlichen Zustimmung und Ablehnung von Bischofskandidaten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bischofswahlen / -ernennungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alphabetisches Register der Bischöfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
835 835 861 863 870
Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
873 967 973 991
Vorwort Am Anfang stand ein erster Besuch im Vatikanischen Geheimarchiv im März 2004. Er galt einem bisher in der Forschung vernachlässigten Thema der Beziehungen von Staat und katholischer Kirche im Kaiserreich: den Auseinandersetzungen um die Bischofsstuhlbesetzungen zwischen Kulturkampf und Erstem Weltkrieg. Von wenigen Ausnahmen abgesehen waren die schon länger zugänglichen vatikanischen Akten zu diesem Komplex nämlich noch nicht für die Forschung gehoben worden, was bei mehreren Rom-Besuchen nachgeholt wurde. Den Priesterkollegien an der deutschen Nationalkirche Santa Maria dell’Anima und am Campo Santo Teutonico im Schatten des Petersdoms und ihren bereits verstorbenen damaligen Rektoren Prälat Dr. Dr. Richard Mathes und Prälat Prof. Dr. Erwin Gatz gilt für die gastfreundliche Aufnahme während meiner römischen Archivaufenthalte ein herzlicher Dank. Gleiches gilt auch für meine Freunde Norbert Axmann M.A. in Berlin und Dr. Susanne und Dr. Stephan Voß in München, deren Gastlichkeit ich bei Archivaufenthalten in beiden Städten genießen konnte. Schließlich waren mehrfache Besuche im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes, im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz und im Bundesarchiv in Berlin sowie im Bayerischen Hauptstaatsarchiv in München notwendig, um die Vielzahl der dort vorhandenen Bestände zu den Bischofswahlen bzw. -ernennungen einzusehen. Von den zahlreichen Aufenthalten in weiteren staatlichen wie kirchlichen Archiven seien nur die entsprechenden Einrichtungen in Straßburg (Strasbourg) und Metz sowie in Allenstein (Olsztyn) und Breslau (Wrocław) erwähnt, um den notwendigen Radius der Forschungen zu verdeutlichen. Dass sich relevantes Material für meine Fragestellung in erster Linie in den staatlichen und nicht in den kirchlichen Archiven fand, gehört zu den nicht verwunderlichen, aber grundlegenden ersten Erkenntnissen auf dem langen Weg, den diese Studie genommen hat. Daher wurde auch von dem ursprünglichen Plan abgesehen, alle Bistumsarchive systematisch zu besuchen. Ohnehin stellte es eine Herausforderung dar, Akten aus 30 Archiven zu verarbeiten, und der Umstand, dass die Ernennungsvorgänge von 65 Bischöfen, sieben weiteren Jurisdiktionsträgern und 28 Weihbischöfen im Zentrum der Untersuchung stehen sollten, zog die Frage nach sich, wie einerseits eine ebenso vollständige wie übersichtliche Darstellung gewährleistet werden könnte, die auch Handbuchcharakter besitzen sollte, andererseits aber zwangsläufig auftretende Redundanzen möglichst vermieden werden könnten. Inwieweit dieses Problem in der Darstellung gelöst werden konn-
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vorwort
te, mag der Leser selbst beurteilen. In jedem Fall wurden zur Entlastung der Fußnoten biographische Angaben zu mehrfach bzw. in verschiedenen Bistümern als Bischofskandidaten ins Spiel gebrachten Geistlichen in aller Regel nur bei der ersten Erwähnung angeführt und die verwendeten Quellen und die benutzte Literatur in Kurzform angegeben, um sie im Anhang detailliert aufzuschlüsseln. Die Orthographie in den Quellen- und zeitgenössischen Literaturzitaten wurde der besseren Lesbarkeit halber an die heutige Rechtschreibung angepasst, während bei französischen und polnischen Orts- wie Personennamen in erster Linie die im Untersuchungszeitraum amtlich verwendete deutsche Bezeichnung benutzt wurde. Für steten Zuspruch, aber auch für die notwendigen Freiräume zur Arbeit an diesem Projekt während meiner sechsjährigen Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geschichte und historische Landesforschung (IGL) der damaligen Hochschule Vechta bin ich Prof. Dr. Joachim Kuropka sehr dankbar. Er fungierte auch als Vorsitzender der Habilitationskommission, die im Sommersemester 2011 die Annahme der unter dem Titel „Kulturkampf bis zum Krieg? Die Bischofswahlen in den Staaten des Deutschen Reiches als zentrales Konfliktfeld zwischen Staat und katholischer Kirche 1887–1914“ als Habilitationsschrift an der Universität Vechta eingereichten Studie empfahl. Auch fertigte Prof. Kuropka das Erstgutachten an. Für die weiteren Gutachten gilt mein Dank Prof. Dr. Hans-Georg Aschoff (Leibniz-Universität Hannover) und Prof. Dr. Stefan Samerski (Ludwig-Maximilians-Universität München). Wohlwollende kritische Hinweise, die in die vorliegende, leicht überarbeitete Fassung Eingang gefunden haben, verdanke ich nicht nur ihnen, sondern auch Prof. Dr. Alwin Hanschmidt (Vechta). Peter Sieve M.A., Archivar im Bischöflich Münsterschen Offizialat in Vechta, gehörte zu den ersten Lesern und gab ebenfalls wichtige Anregungen, die dem in statu nascendi befindlichen Manuskript zugute kamen. Bei der Bewältigung der nicht geringen Kosten für die Archivreisen und -kopien half die Kommission für Forschungs- und Nachwuchsförderung (KFN) der Universität Vechta mit finanziellen Mitteln im Rahmen einer Anschubfinanzierung. Die Veröffentlichung ermöglichte dann ein sehr großzügiger Druckkostenzuschuss des Bischöflich Münsterschen Offizialats in Vechta. Darüber hinaus trugen in erster Linie die Erzdiözesen Bamberg und Paderborn und die Diözesen Augsburg, Mainz und Osnabrück, aber auch die Diözesen Fulda, Passau, Speyer und Würzburg sowie nicht zuletzt der emeritierte Visitator für die Priester und Gläubigen aus der Grafschaft Glatz Großdechant Prälat Franz Jung (Münster) durch ihre Zuwendungen ein Erhebliches dazu
vorwort
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bei, dass die Finanzierung der Drucklegung dieses Bandes gesichert werden konnte. Den größten Dank schulde ich aber meiner Frau Andrea und unseren während der Arbeit an diesem umfangreichen Werk geborenen Söhnen Raphael und Benedikt, die auf manches, vor allem auf die Anwesenheit des Ehemanns und Vaters, in so vielen in Archiven und am Schreibtisch verbrachten Stunden verzichten mussten. Ihnen ist dieses Buch gewidmet, weil sie mir gezeigt haben, dass es einer guten familiären Erdung bedarf, um die Geduld zu bewahren, die nötig ist, um ein opulentes Werk wie das vorliegende Buch auch zu einem Abschluss zu bringen. Vechta, im Mai 2012 Michael Hirschfeld
Einleitung
A
m Morgen des 21. Juli 1891, „einem prächtigen Sommertage, öffneten sich die Pforten des Straßburger Münsters den Festgästen. Bald zeigten die ehrwürdigen Hallen ein Bild, das mir in seiner Mischung von geistlicher und weltlicher Pracht noch heute lebhaft vor Augen steht. Im hohen Chor auf der einen Seite die Geistlichen, auf der anderen die Vertreter der bürgerlichen und militärischen Behörden. Auf einer gold und rot ausgeschlagenen Tribüne neben der Geistlichkeit nahm der Fürst-Statthalter in seiner Galauniform seinen Sitz ein. … In der erhöhten Mitte vor dem Altar, umspielt vom gedämpften Sonnenlicht und milde beleuchtet vom Schein unzähliger Wachskerzen, die würdevollen Gestalten der Bischöfe in ihren Prunkgewändern, schwarze Soutanen und weiße Chorröcke neben den gold- und silbergestickten ordengeschmückten Uniformen der staatlichen Würdenträger … Wie wenige aber aus der andächtigen Menge ahnten etwas von den diplomatischen Kämpfen, die diesem feierlichen Akt hatten vorausgehen müssen.“1 Im Pathos der Zeit, aber treffend, wird hier von einem zeitgenössischen Beobachter gleich einem Gemälde die Würde und Pracht der kirchlichen Feierlichkeiten zur Weihe und Inthronisation eines neuen Bischofs in Straßburg geschildert. Kirche und Staat sind gleichermaßen vertreten. Und unweigerlich kommt dem Leser eine Schlüsselstelle aus dem Neuen Testament in Erinnerung. Jene Passage aus dem Markus- bzw. Matthäusevangelium, in welcher es heißt: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist“2. Lediglich der letzte Satz lässt bereits erahnen, dass es mit der Harmonie zwischen den beiden Gewalten Kirche und Staat zumindest in dem hier geschilderten Fallbeispiel offenbar nicht ganz so weit her war. Wenn allerdings Adolf Bertram (1859–1945), der nachmalige bekannte Vorsitzende der Fuldaer Bischofskonferenz, Fürsterzbischof von Breslau und Kardinal, anlässlich der weltlichen Feierlichkeiten im Anschluss an seine 1906 in Hildesheim erfolgte Bischofsweihe öffentlich formulierte: „Es ist des Kaisers ernster Wille, dass lebendige Harmonie zwischen der staatlichen und kirchlichen Autorität walte, dass staatliche und kirchliche Gewalten in allen gemeinsamen Aufgaben treu zusammenwirken zum Segen des Volkes, dass die lebenspendende Kraft der christlichen Religion alle irdischen Verhältnisse, alle Gebiete des gesellschaftlichen Lebens durchdringe
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Hutten-Czapski, Sechzig Jahre Politik und Gesellschaft, Bd. 1, S. 219f. Mk 12,17 u. Mt 22, 15–21.
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und befruchte“3, liegt darin weit mehr als eine captatio benevolentiae vor den anwesenden Staatsvertretern, sondern vielmehr ein klares Postulat der Symbiose beider großen Gewalten, geistlicher und weltlicher Macht, wobei letzterer ein deutliches Bemühen um Frieden zugesprochen wurde. Diplomatische Kämpfe oder treues Zusammenwirken in Eintracht? Wovon war das Verhältnis zwischen Staat und katholischer Kirche im Kaiserreich nun eigentlich bestimmt?
KIRCHLICHE PERSONENGESCHICHTE – URSACHEN FÜR DIE VERNACHLÄSSIGUNG EINES FORSCHUNGSFELDES
Z
u Beginn des 21. Jahrhunderts, in einer Zeit, in welcher Kirche und Religion für immer größere Bevölkerungsteile zu einer „Provinz des Lebens“4 geworden sind, wird sicherlich die Frage aufkommen, welche Relevanz denn die Ernennung eines Erzbischofs oder Bischofs zumeist fernab der Zentren der (weltlichen) Macht überhaupt haben dürfte. Oder konkret gefragt: Was tangierte einen Kölner, wer nun Bischof von Breslau werden dürfte und umgekehrt? Abgesehen davon, dass gerade Köln und Breslau die bedeutendsten Bischofssitze im damaligen Preußen waren, ist zu registrieren, dass die Bischofswahlen sich in einer heute kaum vorstellbaren Öffentlichkeit abspielten. „Nicht nur die Namen der Bischofskandidaten wurden wie selbstverständlich in der Tagespresse ohne Dementis der Betroffenen gehandelt. Die Wahl selbst war ein öffentliches Ereignis“5. Insofern berührte das zentrale Thema dieser Untersuchung zumindest in zeitgenössischer Sicht breite Bevölkerungsschichten. Außerdem absorbierte es in erheblichem Maße die Kontakte zwischen den unterschiedlichen Stufen der Bürokratie in den Staaten des Deutschen Reiches und der katholischen Kirche in erheblichem Ausmaß. Dass die zeitgenössische Diplomatie einen Großteil ihres Augenmerks auf die Beobachtung des StaatKirche-Verhältnisses verwendete, belegen exemplarisch die Erinnerungen des preußischen Gesandten in Baden, der über seine Tätigkeit in der Rückschau resümierte: „Einen breiten Raum nahm das spannungsreiche Verhältnis zwischen Staat und Kirche ein, das sich anlässlich der Besetzung des Freiburger Bischofsamtes in den Jahren 1886 und 1896/98 zuspitzte“6. Personalfragen standen außerdem im Mittelpunkt der diplomatischen Kontakte zwischen den deutschen Staaten und dem Heiligen Stuhl bzw. dessen Nuntiatur in München. 3
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Bericht über das Festmahl nach der Konsekration von Bischof Bertram, in: Hildesheimische Zeitung v. 16.8.1906. So Nipperdey, Religion und Gesellschaft, in: HZ, Bd. 246 (1988), S. 591. Brandt/Hengst, Geschichte des Erzbistums Paderborn, Bd. 3, S. 156f. Hier auch das folg. Zit. Kremer, Einleitung, in: Ders. (Bearb.), Das Großherzogtum Baden in der politischen Berichterstattung: Erster Teil, S. 28f.
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Reimund Haas hat daher bereits vor mehr als drei Jahrzehnten zu Recht darauf aufmerksam gemacht, dass im Staat-Kirche-Verhältnis einer „der wichtigsten und repräsentativsten Schnittpunkte der oftmals unterschiedlichen und sogar gegensätzlichen Interessen und politischen Bestrebungen … in der Person und Bestellung der Bischöfe“7 liegt. Immerhin beziehen sich in dem für die Bischofsernennungen in Bayern maßgeblichen Bayerischen Konkordat von 1817 „die am heftigsten umstrittenen Artikel … auf die Nominationsrechte des Königs bei der Besetzung der Bischofsstühle“8. Eine in den 1930er Jahren erschienene Sammlung von Bischofsbiographien trägt daher nicht zu Unrecht den Titel „Die Wächter der Kirche“ und stellt die Bedeutung des in der Nachfolge der Apostel stehenden Hirtenamtes der Bischöfe heraus, um zu dem Schluss zu gelangen: „Nicht Rom übt dieses Amt für den ganzen Erdkreis aus, sondern der Bischof über die ihm anvertrauten Gläubigen“9. Somit kommt den Bischöfen in der hierarchisch gegliederten katholischen Kirche die Aufgabe zu, „Träger der ordentlichen Gewalten der Apostel zur Fortsetzung der Wirksamkeit Christi in und vermittels seiner Kirche, aber stets nur in entsprechender Verbindung mit dem Nachfolger Petri“10, zu sein, also neben dem ius in sacra auch ein Stück weit das vom Landesherrn beanspruchte ius circa sacra auszuüben. Die Bischöfe sind folglich als pars pro toto dafür zu sehen, wie in einem postabsolutistischen Staat das Konfl iktpotenzial von Kirche und Staat zwischen den beiden Polen nachhaltiger staatlicher Bevormundung und Reklamierung der Freiheit der Kirche ausgetragen wurde. Ohnehin war ja „um 1900 Religion ein zentrales Thema öffentlicher kulturpolitischer Diskurse“11. So herausragend das Interesse der Zeitgenossen an der kirchlichen Personalpolitik über die katholische Bevölkerungsminorität hinaus war, so wenig ist dies nachhaltig in das historische Bewusstsein eingedrungen, weil es kaum Eingang in Überblicksdarstellungen oder biographische Sammlungen zum Kaiserreich gefunden hat12. Anders ist es nicht zu erklären, dass Hans-Ulrich Wehler in seiner das Wissen über diese Epoche prägenden „Deutschen Gesellschaftsgeschichte“ erklärt, die Bischofsernennungen seien „als exklusives Privileg Roms erklärt [worden], ohne die bisher üblichen Vorschläge 7
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Haas, Vorwort des Bearbeiters, in: Ders. (Hrsg.), Bastgen, Die Besetzung der Bischofssitze in Preußen, S. I. Listl, Die konkordatäre Entwicklung von 1817 bis 1988, in: Brandmüller, Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte, Bd. III, S. 427–463, hier S. 432. Speckner, Die Wächter der Kirche, S. 10. Krieg, Bischof, in: LThK1, Bd. 2 (1931), Sp. 372. Graf, Die Wiederkehr der Götter, S. 133. Symptomatisch erscheint die ansonsten gelungene Sammlung von Fröhlich (Hrsg.), Das Kaiserreich. Portrait einer Epoche in Biographien, wo kaum ein Katholik, schon lange aber kein Mitglied des Episkopats Eingang gefunden hat.
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des lokalen … Klerus zu berücksichtigen“13. Daraus resultiere, dass schon in den letzten Jahren vor der Reichsgründung von 1871 „die Bischofssitze mit romtreuen Geistlichen besetzt werden konnten“. Ganz offensichtlich keinerlei Beachtung hat Wehler dem Hinweis von Klaus Schatz beigemessen, dass „im ganzen 19. Jahrhundert … Bischofswahlen in Deutschland ganz entscheidend unter staatlichem Einfluss“14 gestanden haben. Gleiches gilt für die Feststellung des bedeutenden Staatskirchenrechtlers Ernst Rudolf Huber, dass die Jahrzehnte nach der Beilegung des Kulturkampfes zu Unrecht „als ereignisarm für das staatlich-kirchliche Verhältnis“15 angesehen werden. Vielmehr sei dieser Zeitraum „im katholischen … Bereich von einer Fülle gewichtiger Vorgänge bestimmt, deren Wirkungen weit über das Ende der Monarchie hinausreichen“. Immerhin hat auch Erwin Gatz schon 1980 darauf hingewiesen, dass „die Regierungen jener deutschen Bundesstaaten, die im Laufe des 19. Jahrhunderts die staatliche Kirchenhoheit abbauten, dennoch bis zum Ende der Monarchie auf die Besetzung kirchlicher Führungsstellen Einfluss genommen haben“16. Und Norbert Trippen kam zu dem Ergebnis, dass bei „der Beilegung des Kulturkampfes … die Wiederbesetzung der vielfach schon seit mehreren Jahren vakanten Bischofsstühle eines der schwierigsten Probleme“17 darstellte. Erst seit den Ereignissen des 11. September 2001 erleben nicht nur im weiteren Sinne religiöse Fragestellungen eine neue Konjunktur in den Medien wie auch in der wissenschaftlichen Diskussion, sondern dabei gilt auch das Hauptinteresse dem Verhältnis von Staat und Religion bzw. Kirchen18. Aus gegenwärtiger Warte einer säkularisierten Gesellschaft, in der die Kirchen und die Religion modernisierungskompatibel geworden sind19, richtet sich die Feststellung von einer Renaissance des Religiösen oder anders gewendet von einem Politisierungsschub der Religion 20 zwar in erster Linie auf den Islam und den im Namen dieser Religion begangenen Terrorismus. Zumindest sekundär wird auch das Verhältnis der christlichen Kirchen zum Staat hiervon berührt und erhält die Demarkationslinie zwischen liberalem, aufgeklärtem Staat und traditionellen Werten verhafteter Kirche einen neuen Diskussionsschub. Das 13 14 15 16
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Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3, S. 385. Hier auch das folg. Zit. Schatz, Zwischen Säkularisation und Zweitem Vatikanum, S. 48. Huber/Huber, Vorwort, in: Dies., Staat und Kirche, Bd. III, S. V. Hier auch das folg. Zit. Gatz, Kirchliche Personalpolitik und Nationalitätenprobleme im wilhelminischen Deutschland, in: AHP, Bd. 18 (1980), S. 353–381, hier S. 353. Trippen, Das Domkapitel und die Erzbischofswahlen in Köln, S. 37f. Vgl. z.B. (aus protestantischer Perspektive) Graf, Die Wiederkehr der Götter. Vgl. Große Kracht, Religion in der Demokratisierungsfalle?, in: GWU, Bd. 51 (2000), S. 140–154. Vgl. Willems/Minkenberg, Politik und Religion im Übergang – Tendenzen und Forschungsfragen am Beginn des 21. Jahrhunderts, in: Dies. (Hrsg.), Politik und Religion, S. 13–41, hier S. 13.
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öffentliche Interesse an der katholischen Kirche und ihrer Hierarchie ist seit der von den Medien breit rezipierten weiteren Öffnung der Vatikanischen Archive 2003 und zuletzt 2006 zudem enorm angestiegen. Nicht zuletzt die Wahl eines Deutschen auf den Stuhl Petri im April 2005 hat dem Interesse für das Papsttum und die Mechanismen der Ämterbesetzung in der katholischen Kirche entgegen der immer weiter fortschreitenden Säkularisierung der bundesdeutschen Gesellschaft Vorschub geleistet. So ist das Beziehungsgefüge von Nation und Religion neuerdings nicht von ungefähr als „ein zentrales Element europäischer Staatswirklichkeit der Neuzeit“21 apostrophiert worden. Der protestantische Theologe Friedrich Wilhelm Graf bemüht daher auch Max Weber, um von der „Gegenwart als … Epoche dramatischer Wertkonfl ikte“22 zu sprechen, „in denen Religion eine entscheidende Rolle spielt“.
ZUM DUALISMUS ZWISCHEN STAAT UND KIRCHE
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un geht es hier nicht um religionswissenschaftliche bzw. religionssoziologische Modelle, sondern um das Spannungsverhältnis der beiden Ordnungsmächte Staat und Kirche, dessen Geschichte in einem kurzen Überblick in Erinnerung gerufen und in den unterschiedlichen Epochen ausgelotet werden soll. Schließlich erwies sich stets die Koordination von Staat und Kirche als „von einer nie endenden Aktualität“23 für das christlich geprägte Europa. Gleichsam en passant sei hier auf die gemäß dem Lukasevangelium (Lk 22,38) ausgebildete Zwei-Schwerter-Lehre sowie an die für die mittelalterliche Welt grundlegende Zweigewaltentheorie von Papst Gelasius I. aus dem Jahre 496 erinnert. In letzterer heißt es: „Zwei sind es ja, … von denen diese Welt vornehmlich regiert wird, die geheiligte Autorität der Bischöfe und die königliche Gewalt“24. In gewisser Weise kehrt dieses Axiom in der Zwei-Reiche-Lehre Luthers wieder, die sich allerdings nicht in erster Linie von der Zwei-Schwerter-Theorie ableitet25. In der langen Geschichte der gegenseitigen Beziehungen von Staat und Kirche lässt sich grob skizziert ein steter Wechsel von identifi zierenden Tendenzen und differenzierenden Tendenzen ausmachen. Erwähnt sei an dieser Stelle nur der Wechsel vom absolutistischen Staatskirchentum zu einem Nebeneinander von ius circa sacra und ius in sacra, also einem Bereich des staatlichen Aufsichtsrechts gegenüber der Kirche und einem Bereich der innerkirchlichen Autonomie, in der 21
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Krumeich/Lehmann, Nation, Religion und Gewalt, in: Dies. (Hrsg.), „Gott mit uns“, S. 1–6, hier S. 1. Graf, Die Wiederkehr der Götter, S. 9. Raab, Kirche und Staat, S. 9. Ebd., S. 9 Vgl. neuerdings Manthey, Zwei Schwerter – Zwei Reiche.
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ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Trotz oder gerade wegen dieser Differenzierung und Autonomisierung beider Instanzen, die gegenseitig nur noch paktierend agierten, also Konkordate oder Konventionen abschlossen26, kam es zu den Kulturkämpfen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die nicht nur das Deutsche Reich, sondern zahlreiche andere europäische Staaten erfassten: so z.B. Österreich, die Schweiz, Belgien, Italien, Spanien und Frankreich 27. Folgende Stichworte kennzeichnen das Klima dieser Kulturkämpfe: „Der geistige und politische Liberalismus, die industrielle Welt, die Ausweitung und Modernisierung der Staatsgewalt und ihrer Bürokratie“28. Etwas zugespitzter formuliert steht auf der einen Seite der Zugriff des zunehmend säkularisierten Staates auf traditionell von der Kirche beanspruchte Bereiche wie Ehe und Familie, Erziehung und Schule. Auf der anderen Seite trat die katholische Kirche diesem Ansinnen, das sie als „Entzauberung der Welt“ (Max Weber) begriff, mit äußerster Vehemenz entgegen. Vor die grundsätzliche Loyalität zur staatlichen Macht trat als primäres Gebot des katholischen Christen, dem kirchlichen Lehramt Folge zu leisten. Die beiden Schlagwörter Staatsräson und Ultramontanismus, also die Ausrichtung der Katholiken auf den durch den Herrscher garantierten Staat einerseits sowie auf den Heiligen Stuhl in Rom jenseits der Alpen andererseits, markieren diese Polarisierung besonders deutlich.29
ZUR GESCHICHTE DER BISCHOFSWAHLEN – EIN EXKURS
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er Dualismus zwischen Kirche und Staat soll an dieser Stelle nur äußerst knapp anhand der historischen Entwicklung der Bischofswahlen vertieft werden, um den situativen Kontext besser erfassen zu können30.
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Vgl. Obermayer, Die Konkordate und Kirchenverträge im 19. und 20. Jahrhundert, in: Fuchs, Staat und Kirche im Wandel der Jahrhunderte, S. 166–183. Vgl. Clark/Kaiser (Hrsg.), Kulturkampf in Europa. Birke, Einleitung, in: Ders./Kluxen (Hrsg.), Kirche, Staat und Gesellschaft im 19. Jahrhundert, S. 9–12, hier S. 9. Vgl. Fuchs, Ultramontanismus und Staatsräson. Der Kulturkampf, in: Ders. (Hrsg.), Staat und Kirche, S. 184–200. Einen gut lesbaren, für breitere Kreise verfassten Überblick vermitteln Hartmann, Der Bischof, sowie äußerst knapp: Potz, Bischofsernennungen, in: Greshake (Hrsg.), Zur Frage der Bischofsernennungen, S. 17–50; Erkens, Die Bischofswahl im Spannungsfeld zwischen weltlicher und geistlicher Gewalt, in: Ders. (Hrsg.), Die früh- und hochmittelalterliche Bischofserhebung im europäischen Vergleich, S. 1–32, Schatz, Bischofswahlen, in: Stimmen der Zeit, Bd. 207 (1989), S. 291–307; Landersdorfer, Die Bestellung der Bischöfe in der Geschichte der katholischen Kirche, in: Münchener Theologische Zeitschrift, Bd. 41 (1990), S. 271–290; Becker, Das Problem der Bischofsernennungen in der Kirchengeschichte, in: Bracher u.a. (Hrsg.), Staat und Parteien, S. 255–274. Hierauf basiert auch der folgende historische Längsschnitt. Vgl. auch die rechtshistorischen Abschnitte der noch immer verwertbaren kirchenrechtlichen Dissertation von Kindermann, Das landesfürstliche Ernen-
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Schon bei der Ergänzung der Apostelschar standen zwei Kandidaten zur Disposition, von denen durch Losentscheid Matthias gewählt wurde31. Während in der frühen Kirche die Bischöfe als Nachfolger der Apostel von Klerus und Volk – ab clero et populo – „maßgeblich, aber auf recht mannigfache Art und Weise“32 kanonisch gewählt wurden33, setzte mit der Einführung des Staatskirchentums seit dem 4. Jahrhundert das Interesse der Herrscher an einer Mitwirkung bei der Bischofsernennung ein34. Bistümer wurden von geistlichen Verwaltungseinheiten insbesondere im Merowinger- und Karolingerreich zunehmend „zu reinen Vermögens- und Machtobjekten“35. Das Königtum verdrängte nicht nur allmählich das Wahlrecht des Volkes, sondern sicherte sich entsprechende Rechte zum einen bei der Neugründung von Diözesen und zum anderen insbesondere im Kontext der Etablierung des im Vergleich zu anderen Staaten einzigartigen, sogenannten ottonisch-salischen Reichskirchensystems des Heiligen Römischen Reiches im 10. Jahrhundert36. Um den Titel „Primas Germaniae“ rangen die Erzbischöfe von Magdeburg und Salzburg, wobei auch dieser bloße Ehrentitel nicht mehr als einen Spielball der Reichspolitik bedeutete37. Weil die Diözesen aufgrund des Zölibats der Bischöfe keine Dynastien ausbilden konnten und bei einer Sedisvakanz
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nungsrecht. Für das Mittelalter vgl. Brandt, Zwischen Wahl und Ernennung, in: Papsttum und Kirchenreform. Festschrift Schwaiger, S. 223–233; Ders., Fürstbischof und Weihbischof im Spätmittelalter, in: Brandmüller u.a. (Hrsg.), Ecclesia militans, S. 1–16. Vgl. Apg 1, 26, wo es heißt: „Sie legten Lose für sie ein, und das Los fiel auf Matthias“. Vgl. Kottje, Die Wahl der kirchlichen Amtsträger. Landersdorfer, Die Bestellung der Bischöfe, S. 274, wo verschiedene Formen der Bischofsernennung, unter Mitwirkung oder Akklamation des Volkes bzw. der Nachbarbischöfe erörtert werden. Vgl. 1. Korintherbrief, sowie Schnackenburg, Die Mitwirkung der Gemeinde durch Konsens und Wahl im Neuen Testament, in: Concilium, Bd. 8 (1972), S. 484–489, u. Stockmeier, Die Wahl des Bischofs durch Klerus und Volk in der frühen Kirche, in: Concilium, Bd. 16 (1980), S. 463–467. Vgl. Erkens, Bischofswahl, S. 8 u. 10; Voigt, Staat und Kirche von Konstantin dem Großen bis zum Ende der Karolingerzeit; Scheibelreiter, Der Bischof in merowingischer Zeit. Vgl. Nonn, Zwischen König, Hausmeier und Aristokratie – Die Bischofserhebung im spätmerowingisch-frühkarolingischen Frankenreich, in: Erkens, Die früh- und hochmittelalterliche Bischofserhebung, S. 33–58. Schieffer, Der geschichtliche Ort der ottonisch-salischen Reichskirchenpolitik, sowie die älteren Arbeiten von Ders., Der ottonische Reichsepiskopat zwischen Königtum und Adel, in: Frühmittelalterstudien, Bd. 23 (1989), S. 291–301; Santifaller, Zur Geschichte des ottonisch-salischen Reichskirchensystems; Köhler, Die ottonische Reichskirche, in: Adel und Kirche, S. 141–204, Finckenstein, Bischof und Reich; Zielinski, Der Reichsepiskopat in spätottonischer und salischer Zeit; u. Fleckenstein, Zum Begriff der ottonisch-salischen Reichskirche, in: Ders., Ordnungen und formende Kräfte des Mittelalters, S. 211–221. Vgl. Dopsch, Legatenwürde und Primat der Erzbischöfe von Salzburg, in: Fenske u.a. (Hrsg.), Institutionen, Kultur und Gesellschaft im Mittelalter, S. 265–283.
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folglich wieder an den König zurückfielen, wurden sie besonders üppig dotiert und stets mit treuen Gefolgsleuten besetzt38. Demgemäß besaßen die Bischöfe nicht allein geistliche Jurisdiktion über einen bestimmten Sprengel, sondern wurden ebenso als weltliche Herren etabliert. Folglich wurden sie zu Grundherren und erhielten zunehmend politische Macht übertragen. Gleichsam als Reaktion auf diese weltliche Instrumentalisierung der Kirche, bei der die nach Volk und König dritte konkurrierende Instanz bei der Bischofsbestellung, das Papsttum, außen vor blieb, ist der Investiturstreit anzusehen, jener mit Vehemenz geführte Kampf zwischen Sacerdotium und Imperium. Er nahm im „Dictatus papae“ Papst Gregors VII. 1075 seinen Ausgangspunkt und folgte dem Ruf nach der „libertas ecclesiae“39. Allein dem Papst war es demnach anheim gestellt, Bischöfe ab- und einzusetzen. Mit der Unterscheidung zwischen geistlicher und weltlicher Dimension des Bischofsamtes im Wormser Konkordat 1122 blieb die Einsetzung in das geistliche Amt dem Papst vorbehalten, das heißt, er vermochte seine Stellung als Primas durchzusetzen und in der Folge durch entsprechende Reservationen auszubauen 40. Das „Decretum Gratiani“ von etwa 1140 bot hierfür eine wichtige Rechtsgrundlage, indem es die Wahl dem Klerus und lediglich die darauf folgende Zustimmung dem Volk zuwies41. Parallel hierzu betrieben das 1. und 2. Laterankonzil 1123 und 1139 den Ausschluss des Volkes und der Gesamtheit des Klerus von der Wahl. Statt dessen kristallisierte sich seit dem frühen Mittelalter die an jeder Bischofskirche bestehende Priestergemeinschaft, das Domkapitel 42, als Wahlgremium der Bischöfe heraus, die seit den 1130er Jahren in der Rechtstheorie defi nitiv verankert war. Seit dem 4. Laterankonzil 1215 war das Domkapitel als alleinige Wahlkörperschaft fi xiert 43. Die Übertragung des Bischofswahlrechts vom Kirchenvolk auf eine bestimmte Klerikergruppe war schon längst gängige Praxis, als sie 1448 durch das als „Reichsgrundgesetz“44 bezeichnete Wiener Konkordat zwischen Papst Nikolaus V. und König Fried38
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Vgl. Weitlauff, Kaiser Otto I. und die Reichskirche, in: Ders. (Hrsg.), Bischof Ulrich von Augsburg, S. 21–50. Zur Freiheit der Kirche, insbes. im Frühmittelalter vgl. Hürten, „Libertas“ in der Patristik – „libertas episcopalis“ im Frühmittelalter, in: Archiv für Kulturgeschichte, Bd. 45 (1963), S. 1–14. Vgl. Schieffer, Die Entstehung des päpstlichen Investiturverbots; Keller, Die Investitur, in: Frühmittelalterstudien, Bd. 27 (1993), S. 51–86. Vgl. Gaudemet, Von der Bischofswahl zur Bischofsernennung, in: Concilium, Bd. 16 (1980), S. 468–472. Vgl. Schieffer, Die Entstehung von Domkapiteln in Deutschland; Ganzer, Die Beschränkung der Bischofswahl auf die Domkapitel in Theorie und Praxis des 12. und 13. Jahrhunderts, in: Ders., Kirche auf dem Weg durch die Zeit, S. 43–121. Vgl. Ganzer, Papsttum und Bistumsbesetzungen in der Zeit von Gregor IX. bis Bonifaz VIII., u. Ders., Zur Beschränkung der Bischofswahl auf die Domkapitel, in: ZSRG, Kan. Abt., Bd. 58 (1972), S. 166–197. Hartmann, Der Bischof, S. 28.
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rich III. in einen völkerrechtlichen Vertrag gebracht wurde45. Wenn dort auch das Wahlrecht der Domkapitel nicht expressis verbis genannt wurde, so schloss dies die Institutionalisierung dieses Modus keineswegs aus46. Dabei handelte es sich um eine Besonderheit in der Reichskirche des Heiligen Römischen Reiches, wo die „Domkapitel in den geistlichen Fürstentümern ein starkes und beherrschendes Instrument der Macht“47 wurden, das fest in den Händen des niederen Adels lag. Während der Heilige Stuhl sich in der Folge mit seinem im Wiener Konkordat ausdrücklich genannten reinen Bestätigungsrecht zufrieden gab, hatte er bereits in dessen Vorfeld begonnen, die Rolle besonders papsttreuer weltlicher Herrscher durch Verleihung der landesfürstlichen Nomination, der nominatio regia, zu stärken 48. Vor allem die Habsburger erlangten unter Friedrich III. (1440–1493) dieses Privileg schon im 15. Jahrhundert für eine Reihe von Bistümern in ihren Erblanden. Zeitlich parallel hierzu erhielt auch der Kurfürst von Brandenburg das Nominationsrecht für die drei Diözesen Brandenburg, Havelberg und Lebus zugestanden 49. Im Zeitalter der Konfessionalisierung entwickelten sich die Fürstbistümer der Reichskirche zu Sekundogenituren, also zu Versorgungsstellen für nachgeborene Söhne des Hochadels50. Nepotismus und Simonie waren aber nicht nur auf den Bischofsstühlen üblich, sondern beherrschten auch die Domkapitel, deren Pfründen fest in der Hand des niederen Adels, aber auch des Reichsadels bis hin zu den fürstlichen Dynastien lagen und auch hier eine wichtige Versorgungsinstitution darstellten51. „Über die Reichskirche stiegen Freiherren und Grafen zu geistlichen Fürsten auf, welche im Allgemeinen zu Kaiser und Reich als den Garanten ihrer politischen Existenz hielten“52. Das 45
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Vgl. ebd., u. Meyer, Das Wiener Konkordat von 1448, in: QFIAB, Bd. 66 (1986), S. 108– 152; Ders., Bischofswahl und päpstliche Provision nach dem Wiener Konkordat, in: RQ, Bd. 87 (1992), S. 124–135. Vgl. Meyer, Bischofswahl und päpstliche Provision, S. 134. Willi, Der Bischof als Seelsorger, S. 371. So erhielt Kaiser Friedrich III. 1446 die nominatio regia für Brixen, Gurk, Triest, Chur und Säben, später auch für seine neu gegründeten Bistümer Wien, Wiener Neustadt und Laibach (Ljubljana), sowie für Priben (Pedena) u. Trient. Vgl. Kindermann, S. 87f., Erkens, Bischofswahl, S. 4. Vgl. die ältere Arbeit von Hennig, Die Kirchenpolitik der älteren Hohenzollern in der Mark Brandenburg, u. Christ, Praesentia regis. Vgl. Reinhardt, Die hochadeligen Dynastien in der Reichskirche des 17. und des 18. Jahrhunderts, in: RQ, Bd. 83 (1988), S. 213–235; grundlegend auch Feine, Die Besetzung der Reichsbistümer vom Westfälischen Frieden bis zur Säkularisation. Vgl. Christ, Selbstverständnis und Rolle der Domkapitel in den geistlichen Territorien des alten Deutschen Reiches in der Frühneuzeit, in: ZHF, Bd. 16 (1989), S. 257–328; Hersche, Die deutschen Domkapitel im 17. und 18. Jahrhundert, Bd. 2, S 117–120, stellt heraus, dass die Bürgerlichen immerhin am Ende des Ancien Regime noch 10 % der Kanoniker stellten. Lill, Reichskirche – Säkularisation – Katholische Bewegung, in: Rauscher (Hrsg.), Der soziale und politische Katholizismus, S. 15–71, hier S. 16. Vgl. auch Greipl, Zur weltlichen
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Procedere einer Bischofswahl war in der Reichskirche der Frühen Neuzeit somit mehr und mehr zum Spielball der Interessen der großen Herrscherhäuser in München und Wien geworden53 und zudem durch das Konzil von Trient (1545–1563) in seiner geistlichen Bedeutung überhöht worden54. Wer einen Bischofsstuhl erlangen oder auch einen zweiten oder dritten in seiner Hand vereinigen wollte, erkaufte sich in der Regel das Wohlwollen des Domkapitels durch Versprechungen, die in sogenannten Wahlkapitulationen zusammengefasst waren55. Überhaupt waren Kumulationen von Bischofsstühlen nicht allein aus egoistischen, sondern aus reichspolitischen wie aus konfessionellen und dynastischen Interessen an der Tagesordnung56. Dies entsprach zwar nicht den kanonischen Vorschriften, wurde jedoch durch päpstliche Dispense, sogenannte Wählbarkeitsbreven, ermöglicht57. Letztlich pervertierte sich auf diese Weise die geistliche Territorialherrschaft selbst58 und die Wahlfreiheit der Domkapitel war faktisch durch Reichsgewalt, Territorialfürstentum und Papsttum eingeschränkt59. Pastorale Aufgaben wurden im Wesentlichen von den auf den Titel untergegangener Bistümer in Kleinasien und Nordafrika, also „in partibus infidelium“ (i.p.i.) [in den Ländern der Ungläubigen. Ge-
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Herrschaft der Fürstbischöfe in der Zeit vom Westfälischen Frieden bis zur Säkularisation, in: RQ, Bd. 83 (1988), S. 252–264. Vgl. Raab, Bischof und Fürst der Germania Sacra, in: Berglar/Engels (Hrsg.), Der Bischof in seiner Zeit, S. 315–348; Wolf, Simonie und Akklamation, in: RQ, Bd. 87 (1992), S. 99– 109; Kremer, Herkunft und Werdegang geistlicher Führungsschichten in den Reichsbistümern; Schraut, Die Bischofswahl im Alten Reich, in: Stollberg-Rilinger (Hrsg.), Vormoderne politische Verfahren, S. 119–137; u. Wolf, Präsenz und Präzedenz, in: Dartmann u.a. (Hrsg.), Technik und Symbolik vormoderner Wahlverfahren, S. 183–200. Vgl. Bernhard, Das Konzil von Trient und die Bischofswahl, in: Concilium, Bd. 16 (1980), S. 478–483. Zu den Wahlkapitulationen in der Frühneuzeit vgl. Vierhaus, Wahlkapitulationen in den geistlichen Staaten des Reiches im 18. Jahrhundert, in: Ders. (Hrsg.), Herrschaftsverträge, Wahlkapitulationen, Fundamentalgesetze, S. 205–219; Kißener, Ständemacht und Kirchenreform. Vgl. hierzu Reinhardt, Die Kumulation von Kirchenämtern in der deutschen Kirche der frühen Neuzeit, in: Weitlauff/Hausberger (Hrsg.), Papsttum und Kirchenreform, S. 489– 512, hier insbes. S. 506–512. Vgl. Feldkamp, Wählbarkeitsbreven für die Bischofskandidaten in der Germania Sacra, in: Fleckenstein u.a. (Hrsg.), Kirchengeschichte. Alte und neue Wege, Bd. 1, S. 91–103. Für die letzten Jahrzehnte vor der Säkularisation vgl. im Überblick Raab, Der reichskirchliche Episkopalismus von der Mitte des 17. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, u. Ders., Der Untergang der Reichskirche in der großen Säkularisation, in: Jedin (Hrsg.), Handbuch der Kirchengeschichte, Bd. V (1970), S. 477–507 u. S. 533–554; Becker, Die Reichskirche um 1800, in: Brauneder (Hrsg.), Heiliges Römisches Reich und moderne Staatlichkeit, S. 147–159, Andermann, Die geistlichen Staaten am Ende des Alten Reiches, in: HZ, Bd. 271 (2000), S. 593–619; Weitlauff, Von der Reichskirche zur Papstkirche. Revolution, Säkularisation, kirchliche Neuorganisation und Durchsetzung der papalistischen Doktrin, in: ZKG, Bd. 113 (2002), S. 355–402. Vgl. Christ, Selbstverständnis und Rolle der Domkapitel, S. 261.
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meint ist also ein untergegangenes Bistum in Vorderasien oder Nordafrika, Anm. d. Verf.], geweihten Weihbischöfen vollzogen60. Die Folge dieser Dekadenz der Reichskirche, die durch die Ideen der Aufklärung und der Französischen Revolution einen zusätzlichen Schub erhielt, war die Säkularisation zu Beginn des 19. Jahrhunderts61. Dabei gilt Thomas Nipperdeys berühmt gewordener Satz „Am Anfang war Napoleon“62 nicht nur in politisch-territorialer Hinsicht als Schlüssel für die deutsche Geschichte des 19. Jahrhunderts. Die damit ausgedrückten gewaltigen Veränderungen werden gerade auch in kirchlicher Perspektive sichtbar, fielen doch in dem durch Napoleon gekennzeichneten ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts zahlreiche Fürstabteien, insgesamt weit über 200 Klöster, vor allem aber auch die 23 Fürstbistümer im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation der Säkularisation zum Opfer63. „Mit dem Reichsdeputationshauptschluss beginnt in Deutschland der säkulare Staat“64, brachte Hans Maier die Tragweite dieses Ereignisses treffend auf den Punkt. Mit der auf dem Wiener Kongress 1815 endgültig besiegelten „Flurbereinigung“65, der Aufteilung der geistlichen Territorien unter zumeist evangelische weltliche Herrschaften, war dem Übergreifen des absolutistischen Staatskirchentums protestantischer Prägung auf die katholischen Diözesen Tür und Tor geöffnet66. So wenig bedeutsam die Folgen des Reichsdeputationshauptschlusses also für die seit dem Reformationszeitalter gemäß dem Bündnis von Thron und Altar durch den weltlichen Landesherrn in seiner gleichzeitigen Funktion als ober60
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Vgl. Hofmeister, Weihbischof, in: LThK2, Bd. 10 (1965), Sp. 980. Vgl. auch Jürgensmeier (Hrsg.), Weihbischöfe und Stifte. Neuerdings als Bibliographie auch Reudenbach, „Es war hier einmal ein Bischofssitz.“, in: Fleckenstein u.a. (Hrsg.), Kirchengeschichte. Alte und neue Wege, Bd. 1, S. 105–159. Aus der Fülle an Literatur zur Säkularisation, die insbesondere in Folge des Gedenkjahres 2003 erschienen ist, sei aufgrund seines terminologischen Zugangs genannt: Maier, Säkularisation. Schicksale eines Rechtsbegriffs im neuzeitlichen Europa, in: Schmid (Hrsg.), Die Säkularisation in Bayern, S. 1–28, auch Andermann (Hrsg.), Die geistlichen Staaten am Ende des Alten Reiches. Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800–1866, S. 11. Zur Vielzahl an großteils landesgeschichtlich akzentuierten Neuerscheinungen zum Jahr 1803 im Kontext des 200-jährigen Gedenkens 2003 vgl. den rezeptionskritischen Überblick von Andermann, Die geistlichen Staaten am Ende des Alten Reiches, in: HZ, Bd. 271 (2000), S. 593–619. Vgl. dazu auch Hanschmidt, Die Säkularisation von 1803 nach 200 Jahren, in: HJb, Bd. 129 (2009), S. 387–459. Maier, Was war Säkularisation und wie lief sie ab?, in: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche, Bd. 38 (2004), S. 7–30, hier S. 29. Maier, Säkularisation, S. 3. Die nationalliberale Historiographie des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts stellte die Säkularisation und ihre Folgen als Fortschritt der Geschichte dar. Erst in den letzten Jahrzehnten ist eine differenziertere Rezeption dieses Ereignisses zu konstatieren. Vgl. den Überblick zur Rezeptionsgeschichte der Säkularisation bei Weigand, Die Säkularisation von 1802/03, in: GWU, Bd. 54 (2003), S. 501–509.
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ster Bischof (summus episcopus) geleiteten evangelischen Kirchen waren67, so stellten sie für die katholische Bevölkerung, 3,2 Millionen Menschen auf 1.719 Quadratmeilen Fläche68, eine einschneidende Zäsur, ja „eine zutiefst traumatische Erfahrung“69 dar. Wenn auch hinsichtlich der Bistumsstruktur in den 1820er Jahren eine weitgehende „Rekonstruktion der katholischen Kirche in Deutschland“70 erfolgte und der Verlust weltlicher Kontrolle zu einer Erneuerung der geistlichen Dimension des Bischofsamtes führte, bildeten doch fortan nur noch die freilich 1866 mit dem Ende des Deutschen Bundes ausgeschiedene Habsburgermonarchie sowie das Herrscherhaus der Wittelsbacher als katholische Dynastien Schutzmächte. Alle außerhalb Bayerns gelegenen Diözesen unterstanden evangelischen Herrschern, sieht man einmal von den Wettinern ab, die als katholische Dynastie das lutherische Staatskirchentum Sachsens jedoch nicht antasten durften. Als Gegenbewegung zu der von Aufklärung und Französischer Revolution beeinflussten Staatsräson, in deren Mittelpunkt der omnipotente und omnikompetente Staat stand, erwuchs – und davon war ja schon kurz die Rede – innerhalb des Katholizismus der Ultramontanismus71, quasi als interne Emanzipation vom Vorwurf des Jesuitismus und Papismus. „Der Ultramontanismus in der deutschen Kirche bedeutete auch eine bestimmte Personalpolitik“72, wie die US-amerikanische Historikerin Margaret Lavinia Anderson aus ihrer internationalen Perspektive heraus zu Recht feststellte. Er wurde also repräsentiert in der kirchlichen Hierarchie. „Von der Reichskirche zur ‚Papstkirche‘“, wie sie Karl Hausberger charakterisierte, verlief die Entwicklung des deutschen Katholizismus im 19. Jahrhundert73. Damit adaptierte der deutsche Katholizismus gleichsam 67
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Vgl. passim für den Untersuchungszeitraum Lepp, Summus episcopus, in: Biefang/ Epkenhans (Hrsg.), Das politische Zeremoniell im Deutschen Kaiserreich, S. 77–114. Zu den in der Literatur z.T. widersprüchlichen Zahlen vgl. Müller, Die Säkularisation von 1803, in: Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte, Bd. III, S. 1–84, hier S. 2; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. I, S. 46; Raab, Der Untergang der Reichskirche in der großen Säkularisation, in: Jedin (Hrsg.), Handbuch der Kirchengeschichte, Bd. V (1970), S. 533–554, hier S. 550. Stickler, Reichskirche oder Landeskirchen?, in: HJb, Bd. 124 (2004), S. 261–289, hier S. 266. So Lutz, Die Sicht der päpstlichen Autorität im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts, in: Weinzierl (Hrsg.), Die päpstliche Autorität im katholischen Selbstverständnis des 19. und 20. Jahrhunderts, S. 15–32, hier S. 26. Vgl. hierzu Raab, Zur Geschichte und Bedeutung des Schlagwortes „ultramontan“, in: HJb, Bd. 81 (1962), S. 159–173; Buchheim, Ultramontanismus und Demokratie; Fuchs, Ultramontanismus und Staatsräson, in: Ders. (Hrsg.), Staat und Kirche im Wandel der Jahrhunderte, S. 184–200; Anderson, Die Grenzen der Säkularisierung. Zur Frage des katholischen Aufschwungs im Deutschland des 19. Jahrhunderts, in: Lehmann (Hrsg.), Säkularisierung, Dechristianisierung, Rechristianisierung im neuzeitlichen Europa, S. 194–222, hier insbes. S. 214f.; Weiß, Der Ultramontanismus, in: ZBLG, Bd. 41 (1978), S. 821–877; u. jetzt Fleckenstein/Schmiedl (Hrsg.), Ultramontanismus. Tendenzen der Forschung. Anderson, Die Grenzen der Säkularisierung, S. 214. Vgl. Hausberger, Von der Reichskirche zur „Papstkirche“?, in: Schmid (Hrsg.), Die Säku-
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den ihm entgegen wehenden antirömischen Affekt, der dadurch noch verstärkt wurde, dass „die kulturelle Führung und Gestaltung größtenteils an evangelische Staaten“74 fiel75. Die von vielen Zeitgenossen vertretene Ansicht, dass die kirchliche Hierarchie mit ihren Bischöfen, Weihbischöfen und Äbten „etwas Überholtes, Vergangenes“76 sei, verkehrte sich mittelfristig in ihr Gegenteil. Mit dieser geistesgeschichtlichen Bewegung einher ging die Neuumschreibung der Bistümer als rein geistliche Jurisdiktionsbezirke, ein Unterfangen, das erst nach dem Wiener Kongress und der endgültigen Neuordnung der Territorien beginnen konnte und sich über mehr als ein Jahrzehnt hinzog. Dieses Jahrzehnt wird auch als Konkordatsära bezeichnet. Weil im Deutschen Bund keine einvernehmliche Regelung erzielt werden konnte, übernahmen die Einzelstaaten separate Verhandlungen mit der Kurie. Diese gelangten zuerst im katholisch regierten Bayern zu einem Abschluss77, und zwar 1817 in Form eines Konkordats, das eine „Führungs- und Schrittmacherrolle“78 einnahm und die für das folgende Jahrzehnt kennzeichnende sogenannte Konkordatsära einleitete. Zu diesem Zeitpunkt waren im Deutschen Bund nur noch sechs Bischofsstühle, nämlich Eichstätt, Ermland, Hildesheim, Mainz, Paderborn und Passau, besetzt. Es folgten ab 1818 die nach dem Tagungsort benannten Frankfurter Konferenzen südwestdeutscher Staaten, die u.a. für Baden, Württemberg und die hessischen Staaten eine Regelung herbeiführen sollten79, wobei jedoch von einem Konkordat abgesehen wurde. Kennzeichnend für die Situation war auf der einen Seite das Streben des Papsttums nach dem Primat in den neu zu umschreibenden Bistümern80, also eines zentralen Einflusses, den die Adelskirche verweigert hatte. Stattdessen hatte die durch die katholische Erneuerung im Kontext des Trienter Konzils geprägte früh74
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larisation in Bayern 1803. Kulturbruch oder Modernisierung?, S. 272–298. Lill, Großdeutsch und Kleindeutsch, in: Rauscher (Hrsg.), Probleme des Konfessionalismus in Deutschland seit 1800, S. 29–47, hier S. 32. Vgl. für die gesellschaftliche Situation der Katholiken zu Beginn des 19. Jahrhunderts Raab, „Römling“, in: Altermatt/Garamvölgyi (Hrsg.), Innen- und Außenpolitik, S. 527–545. Maier, Säkularisation, S. 5. Vgl. hierzu zuletzt Stickler, Reichskirche oder Landeskirche?, S. 282f., u. Ammerich (Hrsg.), Das Bayerische Konkordat 1817. Detaillierter: Hausberger, Staat und Kirche nach der Säkularisation; Busley, Das königliche Nominationsrecht für die Bischöfe in Bayern, in: ZBLG, Bd. 56 (1993), S. 317–339. Als „Klassiker“ vgl. Bastgen, Bayern und der Heilige Stuhl in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, 2 Bde. Im Überblick vgl. Müller, Zwischen Säkularisation und Konkordat, in: Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte, Bd. III, S. 85–129, hier S. 114–129. Listl, Die konkordatäre Entwicklung von 1817 bis 1988, in: Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte, Bd. III, S. 427–463, hier S. 427. Vgl. Burkard, Staatskirche – Papstkirche – Bischofskirche. Vgl. u.a. Lutz, Die Sicht der päpstlichen Autorität im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts, in: Weinzierl (Hrsg.), Die päpstliche Autorität im katholischen Selbstverständnis des 19. und 20. Jahrhunderts, S. 15–32.
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neuzeitliche Reichskirche die freie kanonische Bischofswahl als ein Privileg der Domkapitel gepflegt81 und einen „gemäßigten Episkopalismus“82 praktiziert. Das Verhältnis des Episkopats zum Heiligen Stuhl war bis 1803 „wie schon im Mittelalter eher durch Distanz gekennzeichnet“83. Auf der anderen Seite stand die Vereinnahmung der Diözesen durch den aufklärerisch-protestantischen Staat als Landeskirchen im Sinne des Staatskirchentums. Demgemäß galt auch die katholische „Kirche als ein in den Staat integrierter Verein“84. In Bayern wurden durch das Konkordat von 1817/18 die beiden Kirchenprovinzen München-Freising und Bamberg mit den Suffraganbistümern Speyer, Würzburg und Eichstätt (zu Bamberg) sowie Augsburg, Passau und Regensburg (zu München und Freising) errichtet und dabei das Nominationsrecht der Bischöfe dem Monarchen unter Ausschaltung der Domkapitel zugebilligt85, wie es – cum grano salis – auch den Habsburgern in Österreich86 zustand. Dieses Privileg wurde im Übrigen in nahezu allen seit dem Napoleonischen Konkordat von 1801 bis in die 1860er Jahre hinein abgeschlossenen Staat-Kirche-Verträgen mit katholischen Ländern Europas, so neben Frankreich auch Spanien und Portugal, wie auch Lateinamerikas, gewährt87. Dem Haus Wittelsbach fühlte sich der Heilige Stuhl nicht zuletzt dadurch verpfl ichtet, dass Bayern im Zeitalter der Reformation und Gegenreformation eine zentrale Stütze der päpstlichen Politik bei der Erhaltung der geistlichen Territorien gewesen war, „allerdings unter dem faktischen Vorbehalt, dass Köln und ein Teil der übrigen reichskirchlichen Positionen sukzessive mit nachgeborenen Söhnen des Hauses [Wittelsbach] besetzt wurden“88. Ob allerdings „alle Könige … das Nominationsrecht mit hohem Verantwortungsbewusstsein geübt haben“89, wie Georg Schwaiger monar81
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Als „Klassiker“ zu dieser Thematik sei verwiesen auf Feine, Die Besetzung der Reichsbistümer vom Westfälischen Frieden bis zur Säkularisation 1648–1803. Vgl. Weitlauff, Von der Reichskirche zur „Papstkirche“, S. 375. Ebd., S. 376. Becker, Religiös-Politische Aspekte, S. 51. Die theoretischen Grundlagen dieses Verständnisses führen auf Samuel von Pufendorf und Georg Wilhelm Friedrich Hegel zurück. Vgl. noch immer die detaillierte Studie von Scharnagl, Das königliche Nominationsrecht für die Bistümer in Bayern 1817–1918, in: ZSRG, Kan. Abt., Bd. 17 (1928), S. 228–263, sowie Kraus, Ludwig I. und die Bayerischen Prälaten, in: AHC, Bd. 27/28 (1995), S. 857–873. Vgl. Strnad, Der Einfluss des Staates auf die Bischofswahlen im Kaiserreich Österreich, in: Ders., Dynast und Kirche, S. 631–676; sowie Hussarek, Zum Tatbestand des landesfürstlichen Nominations- und Bestätigungsrechts für die Bistümer Österreichs 1848–1918, in: ZSRG, Kan. Abt., Bd. 16 (1927), S. 181–252. Vgl. Schatz, „Es gibt keine katholischen Regierungen mehr“, in: Weitlauff/Hausberger (Hrsg.), Papsttum und Kirchenreform. Festschrift Schwaiger, S. 653–672, hier S. 654. Weitlauff, Von der Reichskirche zur „Papstkirche“, S. 372. Schwaiger, Das Erbe des 19. Jahrhunderts in der katholischen Kirche Bayerns, in: Ders. (Hrsg.), Das Erzbistum München und Freising in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft, S. 16–48, hier S. 18.
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chiefreundlich urteilte, wäre detaillierter zu überprüfen. Schließlich waren es nicht die Monarchen selbst, sondern die Staatsbürokratie, welche die zu nominierenden Bischofskandidaten auf das Tapet hob, so dass das Institut des herrscherlichen Nominationsrechtes – wie auf dem Ersten Vatikanum zu Recht herausgestellt – ad absurdum geführt wurde und „geschichtlich einen Anachronismus bildete“90. Die einseitigen Nachkorrekturen Bayerns wie der Frankfurter Vereinsstaaten von 1818 bzw. 1830 untermauerten den Anspruch der Staatshoheit über die katholischen geistlichen Angelegenheiten und bereiteten den Boden für ein Konfl iktpotenzial, das sich in den folgenden Jahrzehnten zu einem Kontinuum entwickeln sollte. Das zweite katholische Herrscherhaus im späteren Deutschen Reich, die Wettiner, regierte mit dem Königreich Sachsen ein weitestgehend protestantisches Land, in dem zum einen ein Apostolisches Vikariat für die verstreuten Diasporakatholiken, zum anderen eine Administratur des in der Reformation untergegangenen Bistums Meißen für die Lausitz bestand91. Beide kirchlichen Ämter wurden seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Personalunion von einem Geistlichen im Bischofsrang wahrgenommen, der vom König ernannt wurde. Offenbar handelte es sich um ein Gewohnheitsrecht, das infolge der Säkularisation nicht schriftlich fi xiert wurde92. Gemäß der Bulle „Provida sollersque“ von 1821 wurde die Oberrheinische Kirchenprovinz mit dem Metropolitansitz in Freiburg im Breisgau errichtet93. Sie umfasste für das Königreich Württemberg das Bistum Rottenburg, dazu die mit dem Großherzogtum Baden kongruente bzw. Hohenzollern-Sigmaringen einbeziehende Erzdiözese Freiburg, das für das Großherzogtum Hessen-Darmstadt eingerichtete Bistum Mainz, das für das Kurfürstentum Hessen(-Kassel) (Kurhessen) errichtete Bistum Fulda sowie jenes das Herzogtum Nassau und die Stadt Frankfurt/Main umschließende Bistum Limburg. Dieses Ergebnis konnte erst nach langen Auseinandersetzungen auf den Frankfurter Konferenzen94, an denen sich auch Vertreter der Großherzogtümer Mecklenburg-Schwerin und Oldenburg sowie der Herzogtümer Sachsen-Gotha und Sachsen-Altenburg, Sachsen-Hildburghausen usw., des Fürstentums Waldeck-Pyrmont und der Freien Hansestädte Bremen und Lübeck beteiligten, erzielt werden. Auseinandersetzungen rief in der Folge die Frage nach dem Nominationsrecht der Bischöfe hervor. Da der 90 91 92 93
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Schatz, „Es gibt keine katholischen Regierungen mehr“, in: Festschrift Schwaiger, S. 671. Vgl. Dittrich, Die Meissener Diözese unter der Kirchenpolitik der Landesherren. Vgl. Hartmann, Der Bischof, S. 52. Text von „Provida sollersque“ abgedruckt bei Huber/Huber, Staat und Kirche, Bd. I, S. 246–257. Vgl. Reinhardt, Von der Reichskirche zur Oberrheinischen Kirchenprovinz, in: Theologische Quartalsschrift, Bd. 158 (1978), S. 36–50; Hausberger, Die Errichtung der Oberrheinischen Kirchenprovinz, in: ZKG, Bd. 92 (1981), S. 269–289; Weitlauff, Staatskirchentum und Papstkirchentum im Widerstreit, in: ZKG, Bd. 112 (2001), S. 220–224. Hierzu vgl. Burkard, Staatskirche – Papstkirche – Bischofskirche.
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Vatikan sich weigerte, dieses den durchweg protestantischen Landesherren zuzugestehen, wurde das Wahlrecht gemäß der Bulle „Ad dominici gregis custodiam“ von 1827 den wieder errichteten Domkapiteln überlassen, die allerdings zuvor eine Liste zu erstellen hatten, aus welcher der Landesherr ihm minder genehme Personen streichen durfte. Wie auch bei der Neuzirkumskription in Preußen regelte die Bulle die äußeren Angelegenheiten, während ein zugehöriges Breve „Re Sacra“ die innerkirchlichen Verhältnisse ordnete95. Im Unterschied zu Preußen wurde die Mindergenehmheit hier sowohl in der Bulle als auch im Breve expressis verbis verankert96. Im ersten Artikel von „Ad dominici gregis custodiam“ war hinsichtlich der Bischofswahl festgelegt worden, dass innerhalb eines Monats nach Eintritt der Sedisvakanz eines bischöfl ichen Stuhls die Wahlliste vom Domkapitel aufzustellen und dem Landesherrn bekannt zu geben sei. Vor allem war hier bereits expressis verbis dem jeweiligen Landesherrn ein negatives Ausschließungsrecht ihm nicht genehmer Bischofskandidaten konzediert worden. Darüber hinaus konnte er bei Nichtakzeptanz die Aufstellung einer zweiten Wahlliste beim Domkapitel einfordern. Außerdem wurde das Recht auf die Kandidatur für das Bischofsamt auch jeweils nur auf Bischofskandidaten aus dem jeweils eigenen Diözesanklerus beschränkt, um keine fremden Staatsangehörigen ins Land zu holen97. Das noch bis 1837 in Personalunion mit England verbundene Königreich Hannover hatte bereits 1816 separate Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl eingeleitet, die eine Durchsetzung des landesherrlichen Nominationsprinzips zum Ziel hatten98. Gemäß der 1824 erlassenen Bulle „Impensa Romanorum Pontificum“99 verzichtete der protestantische König aus dem Welfenhaus aber auch hier auf die nominatio regia, und der Vorgang der Bischofswahl wurde in den beiden – als exemte Diözesen wiedererrichteten – Bistümern Hildesheim und Osnabrück „fast wortwörtlich“100 wie später in der Oberrheinischen
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Text von „Ad dominici gregis custodiam“ u. „Re sacra“ abgedruckt bei Huber/Huber, Staat und Kirche, Bd. I, S. 268–273. Vgl. Hartmann, Der Bischof, S. 49. Bei Gatz, Herkunft und Werdegang der Diözesanbischöfe, S. 280, heißt es lediglich etwas vage, dass die Regierungen der deutschen Mittelstaaten bemüht waren, einheimische Kandidaten zu gewinnen. Vgl. Aschoff, Das Verhältnis von Staat und katholischer Kirche im Königreich Hannover, sowie die noch immer einschlägige Studie von Hegel, Die kirchenpolitischen Beziehungen Hannovers, Sachsens und der norddeutschen Kleinstaaten. Text von „Impensa Romanorum Pontificum“ abgedruckt bei Huber/Huber, Staat und Kirche, Bd. I, S. 299–308. Hartmann, Der Bischof, S. 51.
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Kirchenprovinz festgelegt. Das Bistum Osnabrück wurde allerdings aufgrund von Auseinandersetzungen hinsichtlich seiner Dotation erst 1857 wieder besetzt. Als konkordatsfreies Gebiet ist das Reichsland Elsass-Lothringen anzusehen, da das hier seit 1801 geltende Napoleonische Konkordat nach der Eingliederung in das Deutsche Reich 1871 außer Kraft war und die beiden Diözesen Straßburg und Metz zudem exemte Bistümer wurden. Allerdings hatte schon das Konkordat von 1801 dem jeweiligen Staatsoberhaupt die Bischofsernennungen zugesprochen, und diese Praxis versuchte der preußische König nach dem Deutsch-Französischen Krieg aufrecht zu erhalten. In Preußen101, dem größten Einzelstaat des späteren (klein)deutschen Reiches, regelten die Zirkumskriptionsbulle „De salute animarum“ bzw. das päpstliche Breve „Quod de fidelium“102 vom 16. Juli 1821 das Verhältnis des Staates zur katholischen Kirche. In den hier neu umschriebenen acht Diözesen Ermland, Kulm, Gnesen-Posen, Breslau, Münster, Paderborn, Köln und Trier erhielten gemäß der päpstlichen Bulle die Domkapitel das Bischofswahlrecht. Als Wahlgremium der Bischöfe gilt ihnen daher ein besonderes Interesse. Wie den übrigen protestantischen Herrscherhäusern wurde auch den Hohenzollern lediglich ein negatives Ausschließungsrecht konzediert. Damit war den Domkapiteln – expressis verbis im Breve „Quod de fidelium“ – anheim gestellt, nur Bischöfe zu wählen, die „neben sonstigen vom Kirchenrechte festgesetzten Eigenschaften, auch noch durch den Vorzug der Klugheit sich empfehlen, und nicht minder Seiner Majestät dem König genehm sein werden“103. In der Theorie stellten demgemäß die Domkapitel bei Eintritt einer Sedisvakanz eine Liste mit geeigneten Kandidaten auf, die in der Regel sämtlich preußische Staatsbürger zu sein hatten, wobei der König auch „Ausländern“ das Plazet erteilen konnte. Der König konnte die ihm minder genehmen Personen streichen. In der Praxis bedeutete dies, dass ein königlicher Wahlkommissar, meist der zuständige Oberpräsident oder Regierungspräsident, bereits vorab einen oder mehrere genehme Kandidaten dem Domkapitel benannte, die auf die Liste gesetzt wurden, so dass nur noch eine Scheinwahl stattfand. Erst ab 1840, also unter König Friedrich Wilhelm IV., bürgerte sich das sogenannte Irische Listenverfahren oder auch Irische Veto ein, dessen Name von einem 1806 der englischen Regierung für Irland angebotenen, dort jedoch nicht zu101
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Vgl. zur Vorgeschichte Becker, Preußischer Staat und katholische Kirche (1786–1806), in: Festschrift Hürten, S. 383–397. Text von „De salute animarum“ und von „Quod de fidelium“ bei Huber/Huber, Staat und Kirche, Bd. I, S. 204–223. Ebd., S. 223. Hier auch die folgende Bestimmung über die Staatsangehörigkeit der Kandidaten. Lateinischer Text abgedruckt bei Friedberg, Der Staat und die Bischofswahlen in Deutschland, S. 244.
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stande gekommenen Wahlmodell stammt104. Das Irische Listenverfahren bedeutete, dass das Kapitel eine Liste mit mindestens sechs Namen einzureichen hatte, von denen der Monarch nur so viele ausschließen durfte, dass zwei oder drei Kandidaten – ein „Numerus sufficiens“ – übrig blieben, um dem Kapitel eine Wahl zu ermöglichen. Kurz gesagt handelte es sich also um einen Kompromiss zwischen Kapitelswahlrecht und nominatio regia, wie er in Preußen nur Gebrauchsrecht, im Bereich der Oberrheinischen Kirchenprovinz und Hannovers aber bereits normiert war. Im Rahmen der Vorbereitung des Ersten Vatikanischen Konzils wurden von verschiedenen Bischöfen Wünsche nach einer stärkeren staatlichen Zurückhaltung bei innerkirchlichen Personalfragen geäußert und mehrfach ein freies vatikanisches Ernennungsrecht unter besonderer Berücksichtigung einer Terna (Dreierliste) seitens der Bischöfe der Kirchenprovinz postuliert105. Über das Diskussionsstadium gingen diese Reformbestrebungen, deren geistiger Hintergrund nicht zuletzt der 1864 von Papst Pius IX. erlassene „Syllabus errorum“, jene Sammlung von 70 sogenannten Zeitirrtümern, bildete, nicht hinaus. Erschwerend hinzu trat das Fehlen einer eigenen diplomatischen Vertretung des Vatikans beim Reich bzw. bei Preußen, so dass alle Personalfragen über den beim Königreich Bayern akkreditierten Nuntius in München liefen, der im Übrigen erst seit 1874 zugleich die Obliegenheiten der zuvor der Wiener Nuntiatur zugeordneten, östlich der Elbe gelegenen Bistümer Preußens mit vertrat106. Wenn der Vatikan erst mit Inkrafttreten des neuen Codex Iuris Canonici (CIC) von 1917107 dezidiert das Recht der freien Bischofsernennung, der collatio libera, für sich in Anspruch nahm108 und zuvor in den Staaten des Deutschen Bundes bzw. Deutschen Reichs die hier skizzierten Formen starker Mitbestimmung bis hin zu ausschließlicher staatlicher Sanktionierung der Bischöfe akzeptierte, spielte hierbei nicht zuletzt der noch von Leo XIII. bekräftigte Grundsatz eine Rolle, dass die staatliche Gewalt von Gott verliehen wird109. Das zeitlich nahezu parallele Verschwinden zahlreicher Monarchien mit dem Ende des Ersten Weltkriegs beschleunigte die Akzeptanz dieser vatikanischen Linie zweifelsohne. Eine wichtige Zäsur auf diesem Weg hatte bereits das mahnende Schreiben des Kardinalstaatssekretärs Mariano Rampolla 104 105 106
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Vgl. Brück, Das irische Veto. Vgl. Schatz, „Es gibt keine katholischen Regierungen mehr“, S. 669f. Vgl. Instruktion v. Dezember 1874, zit. bei Gatz, Der preußisch-deutsche Kulturkampf, in: RQ, Bd. 73 (1978), S. 217–254, hier S. 241. Der CIC wurde von Papst Benedikt XV. am 27.5.1917 mit der Apostolischen Konstitution „Providentissima Mater Ecclesia“ promulgiert und trat am 19.5.1918 in Kraft. Hier heißt es in Can. 329 § 2: „Eos [episcopos] libere nominat Romanus Pontifex“. Vgl. Schatz, Der päpstliche Primat, S. 202. Vgl. Uertz, Vom Gottesrecht zum Menschenrecht.
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an die preußischen und oberrheinischen Bischöfe über die mangelnde Freiheit der Bischofswahlen vom Juli 1900 dargestellt110. Ein zunehmendes Interesse an der Einwirkung auf das Wahlergebnis entwickelte die Kurie erst im Kontext des sogenannten Modernismusstreits unter Pius X.111. Mit der päpstlichen Enzyklika „Pascendi dominici gregis“ vom 8. September 1907 war seitens des Heiligen Stuhls nicht nur ein gravierendes Konfliktpotenzial gegenüber der wissenschaftlichen Theologie insbesondere in Deutschland geschaffen worden, sondern jeder Bischofskandidat wurde künftig auf Sympathien gegenüber dem unter dem Sammelnamen Modernismus subsumierten Phänomen untersucht112. Ein ähnliches Kriterium für die kuriale Zustimmung wurde die Haltung episkopabler Priester zu rein konfessionellen oder aber interkonfessionellen christlichen Gewerkschaften im Gewerkschaftsstreit113.
GEGENWÄRTIGER FORSCHUNGSSTAND UND QUELLENLAGE
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m Jahr „1890 stand der deutsche Katholizismus vor einem Scheideweg. Der Kulturkampf war beendet“114. Diese These von einem abrupten Ende des Kulturkampfes, wie sie Klaus Schatz expressis verbis formulierte, zieht sich wie ein roter Faden durch nahezu alle einschlägigen Werke. Etwas zurückhaltender bewertete Hans-Michael Körner diese Zäsur, wenn er „die Phase der Konfrontation zwischen Staat und Kirche (seit den 1860er Jahren) allmählich von einer solchen der Verständigung und Kooperation abgelöst“115 sah und wenn er zumindest einschränkt, dass „es ein offizielles Kulturkampfende als effektive Zäsur eben nicht gibt“116. Noch in einer 2008 auf deutsch erschienenen grundlegenden Studie zum Verhältnis von Politik und Religion in Europa seit der Französischen Revolution ist zwar von einem allmählichen Abklingen des Kulturkampfes die Rede, dessen Ende jedoch mit den Friedensgesetzen von 1886/87 gleichgesetzt wird117. Die darauf folgenden Jahrzehnte erscheinen dort keiner Betrachtung wert. Wenn die kirchliche Personalpolitik als Spiegelbild der Beziehungen von Kurie und Landesherren nach dem Kulturkampf in der bisherigen Forschung kaum Beachtung gefunden hat, liegt dies am „mainstream“ der Katholizis110
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Vgl. Rampolla an die preußischen und oberrheinischen Bischöfe v. 20.7.1900, abgedruckt bei Huber/Huber, Staat und Kirche, Bd. III, S. 248–250, u. Wolf/Schepers (Hrsg.), „In wilder zügelloser Jagd nach Neuem“. Vgl. Lill, Der Kampf der römischen Kurie gegen den „praktischen“ Modernismus, hier S. 122f. Vgl. Trippen, Theologie und Lehramt im Konflikt. Vgl. Brack, Deutscher Episkopat und Gewerkschaftsstreit. Schatz, Zwischen Säkularisation und Zweitem Vatikanum, S. 173. Körner, Staat und Kirche in Bayern 1886–1918, S. 197. Ebd., S. 3. Vgl. Burleigh, Irdische Mächte, Göttliches Heil, S. 421.
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musforschung der letzten Jahrzehnte. Erst kürzlich wies Wolfram Pyta darauf hin, dass deren Blickwinkel primär dem politischen Katholizismus galt118, der durch eine „Fülle zumeist organisationsgeschichtlich ausgerichteter Studien und Quellensammlungen … als gut erforscht gelten darf“119. Damit einher geht eine Blickverengung auf diese parteipolitische Komponente. Insbesondere in zahlreichen gehaltvollen Bänden der von der Deutschen Bischofskonferenz 1962 eingerichteten „Kommission für Zeitgeschichte“ wurden das Zentrum und seine führenden Politiker, etwa Ludwig Windthorst, Georg von Hertling und Felix Porsch120, als pars pro toto des deutschen Katholizismus im Kaiserreich herausgestellt. So wertvoll diese Arbeiten im Einzelnen auch erscheinen, so sehr bergen sie im Hinblick auf die Positionierung des deutschen Katholizismus im Kaiserreich die Gefahr einer Gleichsetzung von katholischer Kirche und Zentrum. Einen breiteren Kirchenbegriff in Kontrastierung mit der Position des liberalen protestantischen Staates verfolgten in der Vergangenheit nur wenige Studien121. Auch Heinz Hürtens Überblicksdarstellung zur „Geschichte des deutschen Katholizismus“122 zeigt sich über weite Strecken als eine Geschichte der Zentrumspartei, die darüber hinaus lediglich katholischen Sozialinitiativen wie den Gesellen- und Arbeitervereinen sowie dem „Volksverein für das katholische Deutschland“ Raum gewährt. Das Handeln der Bischöfe wird demgemäß primär unter der Prämisse ihrer Haltung zum Zentrum und zum Sozialkatholizismus sowie später zur Gewerkschaftsfrage betrachtet. „Katholik und Politik“123 – um an einen Aufsatztitel anzuknüpfen – standen im Zentrum des Interesses der Forschung. Die durch ihre Hierarchie repräsentierte Kirche und noch mehr der Vatikan und seine Diplomatie traten in den Hintergrund, so dass die „kirchenpolitischen Auseinandersetzungen … zu einem Randphänomen schrumpf(t)en“124. Selbst der Ultramontanismus ist prosopographisch betrachtet bisher nur vereinzelt an der Basis eingehend untersucht worden125. Wenn er primär im 118
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Vgl. u.a. Lönne, Politischer Katholizismus im 19. und 20. Jahrhundert; Becker, Die Deutsche Zentrumspartei im Bismarckreich, in: Ders. (Hrsg.), Die Minderheit als Mitte, S. 9–45; Anderson, Windthorsts Erben, in: Becker/Morsey (Hrsg.), Christliche Demokratie in Europa, S. 69–90; Loth, Katholiken im Kaiserreich. Vgl. Pyta, Einleitung, in: Ders. u.a. (Hrsg.), Die Herausforderung der Diktaturen, S. 1–11, hier S. 7. Vgl. z.B. Anderson, Windthorst; Becker, Georg von Hertling; Leugers-Scherzberg, Porsch. Vgl. z.B. am Beispiel Badens Becker, Liberaler Staat und Kirche in der Ära von Reichsgründung und Kulturkampf. Vgl. Hürten, Kurze Geschichte des Deutschen Katholizismus. In dieser Linie auch Iserloh, Katholik und Politik im 19. und 20. Jahrhundert, in: Ders., Kirche – Ereignis und Institution. Aufsätze und Vorträge, Bd. I, S. 361–380. So das Urteil des ev. Kirchenhistorikers Gerhard Besier, in: Ders., Kirche, Politik und Gesellschaft im 19. Jahrhundert, S. 81. Vgl. hierzu die Regionalstudie von Götz von Olenhusen, Klerus und abweichendes Verhalten.
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Hinblick auf den politischen Katholizismus analysiert wurde126, war der Weg für die kirchlichen Phänomene in der Gesellschaft unwissend bis ablehnend gegenüber stehende „Bielefelder Schule“ Hans-Ulrich Wehlers nicht mehr weit, ihn als „neue Spielart des religiösen Fundamentalismus“127 und als bloßes Instrument der „päpstlichen Diktatur“ zu definieren. Kaum Gehör fand bislang Konrad Repgen, einer der Nestoren der bundesdeutschen Katholizismusforschung, als er anlässlich der 25–Jahrfeier der „Kommission für Zeitgeschichte“ 1987 an erster Stelle – und damit noch vor der an zweiter Stelle platzierten parteipolitischen Geschichte – das Verhältnis von Kirche und Staat128 als Forschungsdesiderat bezeichnete. Vor allem was den Kulturkampf anbetrifft, der schließlich eine „der bedeutsamsten geistigen Auseinandersetzungen im 19. Jahrhundert“129 gewesen ist, blieb es bei der 1970 von Rudolf Morsey konstatierten „Minusbilanz des historischen und kirchenhistorischen Forschungsstands in bezug auf unser Thema“130. Der Kulturkampf als Sattelzeit des hier zu behandelnden zeitlichen Abschnitts hat in der neueren Forschung zum Kaiserreich kaum mehr Beachtung gefunden131. Ja, eine moderne Darstellung gehört zu den Desideraten der Forschung, wie Ulrich von Hehl feststellte132. Etwas einsam steht der handliche 126
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Über die polemische Einlassung von Weber, Ultramontanismus als katholischer Fundamentalismus, in: Loth, Deutscher Katholizismus im Umbruch zur Moderne, S. 20–35, hinaus vgl. jetzt Fleckenstein/Schmiedl (Hrsg.), Ultramontanismus. Tendenzen der Forschung. Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3, S. 892. Hier auch das folg. Zit. Vgl. Repgen, 25 Jahre Kommission für Zeitgeschichte – ein Rückblick, in: von Hehl/Repgen (Hrsg.), Der deutsche Katholizismus in der zeitgeschichtlichen Forschung, S. 9–17, hier S. 17. Des Weiteren nennt er den Kirchenkampf in der NS-Zeit, die Emigration und die Nachkriegsgeschichte. Zur Forschungslage des deutschen Katholizismus vgl. Fleckenstein, Katholische Kirchengeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte, 135. Jg. (1999), S. 445–459; Lönne, Literaturbericht Katholizismus-Forschung, in: Geschichte und Gesellschaft, Bd. 26 (2000), S. 128–170; Ziemann, Der deutsche Katholizismus im späten 19. und im 20. Jahrhundert, in: Archiv für Sozialgeschichte, Bd. 40 (2000), S. 402–439. Vgl. auch von Hehl/Repgen (Hrsg.), Der deutsche Katholizismus in der zeitgeschichtlichen Forschung, sowie nicht zuletzt die im Internet einsehbare und laufend aktualisierte Bibliographie des Schwerter Arbeitskreises Katholizismusforschung. Becker, Religiös-Politische Aspekte des Kulturkampfs im 19. Jahrhundert, in: Rauscher (Hrsg.), Probleme des Konfessionalismus in Deutschland seit 1800, S. 49–69, hier S. 49. Morsey, Die Deutschen Katholiken und der Nationalstaat, in: HJb, Bd. 90 (1970), S. 31–70, hier S. 31; erneut abgedruckt bei Ritter (Hrsg.), Deutsche Parteien vor 1918, S. 270–298. Vgl. ebd.; Becker, Der Kulturkampf als europäisches und als deutsches Phänomen, in: HJb, Bd. 101 (1981), S. 422–446, u. zuletzt den Literaturbericht: Scholtyseck, Deutsches Kaiserreich 1871–1918, in: GWU, Bd. 54 (2003), S. 522–536; sowie Besier, Kirche, Politik und Gesellschaft im 19. Jahrhundert, S. 107–112. Vgl. jetzt auch Borutta, Antikatholizismus. So die Einschätzung bei von Hehl, Vom Honoratioren- zum Berufspolitiker?, in: Gall (Hrsg.), Regierung, Parlament und Öffentlichkeit im Zeitalter Bismarcks, S. 151–183, hier S. 153f.
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Quellenband da, den Rudolf Lill 1997 herausgegeben hat133, während dessen auf mehrere Bände projektierte und zeitlich bis 1887 vorgesehene Edition vatikanischer Akten zur Geschichte des Kulturkampfs im Pontifikat Leo XIII. nach dem Erscheinen des ersten Bandes 1970 lange nicht fortgeführt wurde134. Ansonsten gehört beispielsweise Lills konzise Darstellung der Thematik im „Handbuch der Kirchengeschichte“ sowie eine Reihe von Aufsätzen aus seiner Feder noch immer zur Grundlagenliteratur135. In ähnlicher Weise werden die zwar substanziellen, jedoch aus den 1960er und 1970er Jahren stammenden Aufsätze zum Kulturkampf von Rudolf Morsey136 sowie Winfried Becker noch immer hochgehalten, und auch neuere Beiträge zu dieser Thematik fokussieren den politischen Katholizismus in dieser Epoche137. Erst seit den 1980er Jahren ist eine Internationalisierung dieses Phänomens in der Forschung zu beobachten138, die inzwischen auch neue Ansätze hervorgebracht hat, während die Bischöfe mit ihren Biographien in der jüngsten prosopographischen Literatur zu dieser Epoche noch immer kaum präsent sind139, ja man noch immer weitgehend vergeblich nach quellengesättigten biographischen Studien über Exponenten des deutschen Episkopats im Kaiserreich sucht140. Stattdessen wurde seit Beginn der 1980er Jahre von der offiziellen Katholizismusforschung das Postulat von Urs Altermatt, den Katholizismus „von unten und innen“ zu erforschen141, wörtlich genommen, so dass zunehmend sozial- und mentalitätsgeschichtlich orientierte Studien entstanden. So begrüßenswert die konzeptionelle Weiterentwicklung auf eine Alltagsgeschichte 133 134
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Vgl. Lill (Hrsg.), Der Kulturkampf. Vgl. Lill, Vatikanische Akten zur Geschichte des deutschen Kulturkampfes, Bd. I. Hier, S. XI, wird der Editionsplan vorgestellt. Erst 2009 als Online-Version für die Jahre 1880– 1884 fortgesetzt. Vgl. Valente, Die Vatikanischen Akten. Vgl. Lill, Der Kulturkampf in Preußen und im Deutschen Reich, in: Jedin (Hrsg.), Handbuch der Kirchengeschichte, Bd. VI (1973), S. 30–48; Morsey. Der Kulturkampf, in: Rauscher (Hrsg.), Der soziale und politische Katholizismus. Entwicklungslinien in Deutschland, S. 72–109; Ders., Die Wende im Kulturkampf, in: QFIAB, Bd. 52 (1972), S. 657–730. Vgl. Morsey, Der Kulturkampf; Ders., Bismarck und der Kulturkampf, in: Archiv für Kulturgeschichte, Bd. 39 (1957), S. 232–267; Ders., Probleme der Kulturkampf-Forschung, in: HJb, Bd. 83 (1964), S. 217–245. Vgl. z.B. Becker, Katholische Kleriker im deutschen und bayerischen Kulturkampf, in: Seifert/Helm (Hrsg.), Recht und Religion im Alltagsleben, S. 147–174. Vgl. Becker, Der Kulturkampf als europäisches und als deutsches Phänomen, in: HJb, Bd. 101 (1981), S. 422–446; Lill/Traniello (Hrsg.), Der Kulturkampf in Italien und in den deutschsprachigen Ländern; jetzt Clark/Kaiser (Hrsg.), Kulturkampf in Europa im 19. Jahrhundert. Vgl. Fröhlich (Hrsg.), Das Kaiserreich. Als Sammelband vgl. Wolf (Hrsg.), Zwischen Wahrheit und Gehorsam (über Hefele). Darüber hinaus vgl. die knappe Kopp-Biographie von Aschoff, Kirchenfürst im Kaiserreich (über Kopp); sowie neuerdings Hinkel, Bertram. Vgl. Altermatt, Katholizismus und Moderne, S. 28.
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des religiösen Lebens hin erscheint142, die zudem die Werke zum politischen Katholizismus um hervorragende Arbeiten zur Entwicklung des katholischen Vereinswesens ergänzte, so unverständlich blieb die gleichzeitige Ausblendung überkommener Zugänge und Methoden. Altermatt war es dann auch, der die Konzentration katholischer Historiker auf die politische Geschichte und deren Organisationen nicht nur kritisch betrachtete, sondern auch unter Apologetikverdacht stellte143. Personen und Institutionen traten nunmehr allenfalls noch als Handlungsträger des allgewaltigen katholischen Milieus144 auf. Dieser der Soziologie entlehnte Terminus, der eigentlich zunächst als Systematisierungs- und Ordnungsmuster für die politischen Lager im Kaiserreich (und auch noch der Weimarer Republik) für die Geschichtswissenschaft nutzbar gemacht wurde, entwickelte sich zu einem Theorem für das auf der Mikround Mesoebene untersuchte politisch-gesellschaftlich-kulturelle Leben der Katholiken „von der Wiege bis zur Bahre“145. Der Katholizismus erwies sich dabei sehr schnell als „das Parademilieu der deutschen Gesellschaft“146. Zwar ist die anfängliche Euphorie dieses Ansatzes einer differenzierteren Bewertung gewichen147, jedoch dominiert er zweifelsohne nachhaltig die deutschsprachige Katholizismusforschung der Gegenwart. Die spektakuläre These Olaf Blaschkes vom „zweiten konfessionellen Zeitalter“148, das seit Beginn des 19. Jahrhunderts angebrochen und bis weit in das 20. Jahrhundert wirkmächtig gewesen sei, löste zwar Diskussionen aus, fand aber keine nachhaltige Wir142
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Aus protestantischer Warte propagierte Martin Greschat – mit Blick auf den Kirchenkampf der NS-Zeit – die Sozialgeschichte, weil sie „die Einbindung des individuellen Glaubens und seiner sozialen Wirklichkeit sowie die Einordnung der Kirchen samt ihren Organisationen und Gliederungen in die sie umgebende gesellschaftliche Realität“ bietet. Greschat, Die Bedeutung der Sozialgeschichte für die Kirchengeschichte, in: HZ, Bd. 256 (1993), S. 67–103, hier S. 74. Vgl. Altermatt, Bemerkungen zum Thema, in: von Hehl/Repgen (Hrsg.), Der deutsche Katholizismus in der zeitgeschichtlichen Forschung, S. 65–77, hier S. 66. Als grundlegend vgl. Klöcker, Das katholische Milieu, in: ZRG, Bd. 44 (1992), S. 241–262; AKKZG, Münster, Katholiken zwischen Tradition und Moderne, in: Westfälische Forschungen, Bd. 43 (1993), S. 588–654; Dies., Konfession und Cleavages im 19. Jahrhundert, in: HJb, Bd. 120 (2000), S. 358–395, u. in: Horstmann/Liedhegener (Hrsg.), Konfession, Milieu, Moderne, S. 97–143, sowie Doering-Manteuffel/Nowak (Hrsg.), Kirchliche Zeitgeschichte. So der Titel eines Bandes von Klöcker, Katholisch – von der Wiege bis zur Bahre. Lösche/Walter, Katholiken, Konservative und Liberale, in: Geschichte und Gesellschaft, Bd. 26 (2000), S. 471–492, hier S. 480. Vgl. z.B. Altermatt/Metzger, Milieu, Teilmilieus und Netzwerke, in: Altermatt (Hrsg.), Katholische Denk- und Lebenswelten, S. 15–36. Vgl. insbes. Blaschke, Das 19. Jahrhundert: Ein Zweites Konfessionelles Zeitalter?, in: Geschichte und Gesellschaft, Bd. 26 (2000), S. 38–75; Ders., Der „Dämon des Konfessionalismus“. Einführende Überlegungen, in: Ders. (Hrsg.), Konfessionen im Konflikt, S. 13–69, sowie Ders., Das Zweite Konfessionelle Zeitalter. Ein Deutungsangebot für Katholizismusund Sozialhistoriker, in: Horstmann/Liedhegener, Konfession, Milieu, Moderne, S. 27–78.
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kung149. So sehr die Katholiken in Politik und Gesellschaft immerhin auf diese Weise in den Gesichtskreis einer über die reine Kirchengeschichte hinausreichenden Historiographie getreten sind, so sehr sind sie auch zum Fallbeispiel innerhalb einer vom Primat der Kulturgeschichte dominierten Wissenschaft geworden, deren primäre Aufgabe darin besteht, dass sie den „Blick auf spezifische soziale Kollektive lenkt“150. Als besonders fest abgegrenztes Milieu ließen sie sich einerseits – so Hans-Ulrich Wehler – als „eine kompakte, ganz auf Selbstbehauptung in einer feindlichen Umwelt eingestimmte Subkultur“151 für eine zunehmend sozial- und mentalitätsgeschichtlich ausgerichtete historische Forschung glänzend erfassen. Andererseits empfanden Wehler und seine Adepten als Vertreter einer sozial-liberal orientierten Geschichtswissenschaft die Abgrenzung des katholischen Bevölkerungsteils eben gerade auch als ein Paradebeispiel für dessen Modernisierungsrückstand. Eine Ausnahme hinsichtlich prosopographisch ausgerichteter Katholizismusforschung bildete höchstens die NS-Zeit, für die das Staat-Kirche-Verhältnis dezidiert auf der Ebene der Handlungsträger untersucht wurde. Die Bischöfe der einzelnen Diözesen traten hier schon zuvor und auch noch weiterhin am deutlichsten in der neueren Forschung als agierende Personen auf152, während sie im Kaiserreich weitgehend auf ihre Rolle im Gewerkschaftsstreit153 oder im Ersten Weltkrieg154 reduziert wurden. Und auch die vielfältige Diözesangeschichtsschreibung hat sich nur am Rande dieser Thematik angenommen155. Offenbar spielen Bischofswahlen allerdings in den Monographien zur Bistumsgeschichte der einzelnen Diözesen eine, wenngleich unterschiedlich stark akzentuierte Rolle156. Deutlich erkennbar ist dabei eine Abkehr von personenzentrierten Darstellungen, die im Sinne des seit dem Zweiten Vatikanum gewandelten Verständnisses von Kirche als Gemeinschaft aller Gläubigen als antiquiert und hierarchisch betrachtet werden, so dass Christoph Kösters zu dem knappen Resultat kommt: „Diözesangeschichte als Geschichte der Bischöfe ist passé“157. 149
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Vgl. dazu als kritische Stimmen: Ribhegge, Nation und Konfession in Deutschland, in: Stimmen der Zeit, Bd. 221 (2003), S. 9–18; Kretschmann/Pahl, Ein „zweites konfessionelles Zeitalter“?, in: HZ, Bd. 276 (2003), S. 369–392. Zimmer, Nation und Religion, S. 619. Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3, S. 901. Vgl. Kuropka, Religion oder Politik? Zur Stellung der katholischen Kirche unter dem NS-Regime, in: Ders. (Hrsg.), Geistliche und Gestapo, S. 7–40, hier S. 8; Repgen, Die deutschen Bischöfe und der Zweite Weltkrieg, in: HJb, Bd. 115 (1995), S. 417–420. Vgl. z.B. Brack, Deutscher Episkopat und Gewerkschaftsstreit; Trippen, Theologie und Lehramt im Konflikt. Vgl. Scheidgen, Deutsche Bischöfe im Ersten Weltkrieg. Vgl. den Überblick von Gatz, Zum Stand der Diözesangeschichtsschreibung im deutschsprachigen Mitteleuropa, in: RQ, Bd. 97 (2002), S. 323–337. Vgl. im Überblick: Kösters, Kirchengeschichte im Wandel?, in: HJb, Bd. 123 (2003), S. 373–388. Ebd., S. 384.
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Dies mag eine Ursache dafür sein, dass auf der Ebene einzelner Diözesen fast ausschließlich ältere Arbeiten zum Thema Bischofsernennungen vorliegen. So ist es bei knappen „tours d’horizons“ geblieben, wie sie beispielsweise Anton Landersdorfer158 und Klaus Schatz159 gewagt haben. Mit den Breslauer Bischofswahlen beschäftigte sich zu Beginn der 1940er Jahre Hermann Hoffmann, tangierte dabei aber den Untersuchungszeitraum lediglich noch am Rande160. Zentraler sind die zu Beginn der 1970er Jahre fast zeitgleich publizierten Arbeiten von Norbert Trippen für Köln und von Friedrich Gerhard Hohmann für Paderborn161 sowie nicht zuletzt die Anfang der 1980er Jahre in der DDR erschienene Studie von Heinrich Meier für das Apostolische Vikariat Sachsen162, die sich allerdings nicht allein auf die Ernennungsvorgänge kapriziert. Eine von Engelbert Buxbaum angekündigte Untersuchung der bayerischen Bischofsernennungen ist bisher nicht erschienen163. Speziell zu den Hildesheimer Bischofswahlen liegt ein Aufsatz von Hans-Georg Aschoff vor164, und August-Hermann Leugers-Scherzberg nahm die Breslauer Bischofswahl Adolf Bertrams 1914 kurz in den Blick165. Schließlich hat Hans-Peter Fischer eine Monographie verfasst, welche u.a. die beiden Erzbischofswahlen des Jahres 1898 in Freiburg/Breisgau thematisiert166. Während letzterer Band bereits die relevanten vatikanischen Quellen einbezieht, basieren alle übrigen Studien lediglich auf den im Zeitraum ihres Entstehens, Anfang der 1970er Jahre, in der Bundesrepublik zugänglichen Beständen des Politischen Archivs des Auswärtigen Amtes (damals in Bonn) sowie der regionalen staatlichen und kirchlichen Archive, ohne die Gegenüberlieferung in den vatikanischen Archiven und zumeist auch nicht in den in der DDR schwer zugänglichen Beständen des preußischen Kultusministeriums einbeziehen zu können. Einmal stellt also die Multiperspektivität ein Desiderat der anson158
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Vgl. Landersdorfer, Die Bestellung der Bischöfe in der Geschichte der katholischen Kirche, in: Münchener Theologische Zeitschrift, Bd. 41 (1990), S. 271–290. Vgl. Schatz, Bischofswahlen. Geschichtliches und Theologisches, in: Stimmen der Zeit, Bd. 207 (1989), S. 291–307. Vgl. Hoffmann, Die Breslauer Bischofswahlen in preußischer Zeit, in: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens, Bd. 75 (1941), S. 157–224. Vgl. Trippen, Das Domkapitel und die Erzbischofswahlen in Köln; Hohmann, Domkapitel und Bischofswahlen in Paderborn, in: WZ, Bd. 121–123 (1971–1973). Vgl. Meier, Das Apostolische Vikariat in den Sächsischen Erblanden. Vgl. Buxbaum, Die kirchliche Personalpolitik Maximilians II., in: König Maximilian II. von Bayern, S. 151–161, hier S. 161 wird u.a. auf zwei Bände unter dem Arbeitstitel „Bayerische und vatikanische Bistumspolitik. Die königliche Ernennung und päpstliche Bestätigung des regierenden bayerischen Episkopates in der Epoche des Konkordats von 1817 (1817–1924)“ verwiesen. Diese Bände sind bis heute nicht publiziert. Vgl. Aschoff, Die Hildesheimer Bischofswahlen im 20. Jahrhundert, in: Die Diözese Hildesheim in Vergangenheit und Gegenwart, Bd. 48 (1980), S. 65–82. Leugers-Scherzberg, Die Wahl Adolf Bertrams zum Fürstbischof von Breslau im Jahr 1914, in: ASKG, Bd. 47/48 (1989/1990), S. 117–129. Vgl. Fischer, Die Freiburger Erzbischofswahlen 1898 und der Episkopat von Thomas Nörber.
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sten in der Regel quellengesättigten Arbeiten dar und lässt sie zwangsläufig latent in eine inhaltliche Nähe zur Position der preußischen Staatsbehörden geraten. Darüber hinaus sind diese Arbeiten zudem lediglich auf eine Diözese begrenzt, gehen also über den regionalen Kontext kaum hinaus, wenngleich etwa die untersuchten Kölner Erzbischofswahlen durchaus Signalwirkungen für das Verhältnis von Staat und katholischer Kirche in Preußen weit über die Bistumsgrenzen hinaus besaßen. Auf der Ebene eines deutschen Staates haben Werner Blessing und HansMichael Körner das Verhältnis von Staat und katholischer Kirche in Bayern – ebenso unter den Bedingungen der 1970er Jahre – gründlich untersucht und dabei auch die Bischofsernennungen tangiert167. Allerdings beschränkt sich Körner auf eine nur exemplarische Analyse von fünf bayerischen Bischofswahlen168 und lässt seine Darstellung der seinerzeit nur einseitigen Quellenlage geschuldet in „den Versuch einer Systematisierung der … staatlichen Erwartungen“169 münden. Nach der Öffnung zunächst der das Deutsche Reich im Pontifikat Pius’ XI. (1922–1939) betreffenden Akten 2003, schließlich aller Bestände aus diesem Papsttum 2006 galt das Forschungsinteresse dem Übergang von Weimarer Republik zum Nationalsozialismus170. Erschwerend tritt hinzu, dass im Vatikanischen Geheimarchiv (Archivio Segreto Vaticano, ASV) Bestände unterschiedlicher Behörden bzw. Provenienzen berücksichtigt werden müssen171. Zum einen sind für die Bischofsernennungen die im Archivio della Nunziatura di Monaco (ANM) befindlichen Korrespondenzen des Münchner Nuntius mit den Diözesen wie mit der römischen Zentrale von großem Wert. Zum anderen birgt das Archivio della Segretaria di Stato (SS) interessante Bestände. Schließlich ist auch ein Blick in die Nachlässe der Päpste Leo XIII. und Pius X. hilfreich. Gerade hinsichtlich Leos XIII. kommt hier die Schwierigkeit hinzu, dass der Papst kein Freund des Schriftlichen war und seine Weisungen in aller Regel mündlich erteilte172. Ein weitaus größerer Stellenwert ist hingegen den Beständen des Archivio 167 168
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Vgl. Blessing, Staat und Kirche in der Gesellschaft; Körner, Staat und Kirche in Bayern. München und Freising bzw. Bamberg 1889/90, Regensburg 1905/06, Speyer 1910/11 u. München-Freising 1917. Körner, Staat und Kirche in Bayern, S. 123. So z.B. Gatz, Zum Ringen um das Bischofswahlrecht in Deutschland, in: RQ, Bd. 100 (2005), S. 97–141. Zu den vatikanischen Archivbeständen vgl. Greipl, Die Bestände des Archivs der Münchner Nuntiatur in der Zeit von 1877 bis 1904, in: RQ, Bd. 78 (1983), S. 192–269; Das Archiv der Sacra Congregazione degli Affari Ecclesiastici Straordinari, in: RQ, Bd. 79 (1984), S. 255–262; Ders., Das Archiv der Münchener Nuntiatur in der Zeit von 1904–1934, in: QFIAB, Bd. 66 (1986), S. 402–406, u. neuerdings zu den gesetzlichen Bestimmungen Rahn, Wie „geheim“ kann das Vatikanische Geheimarchiv noch sein?, in: QFIAB, Bd. 87 (2007), S. 355–373. Vgl. Greipl, Die Geschichte des päpstlichen Staatssekretariats, S. 99.
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della Sacra Congregazione degli Affari Ecclesiastici Straordinari (AES) beizumessen, also dem Archiv des päpstlichen Außenministeriums, das nicht dem Vatikanischen Geheimarchiv eingegliedert ist173. Als Gegenüberlieferung sind die aussagekräftigen Berichte des preußischen und des Bayerischen Gesandten beim Heiligen Stuhl heranzuziehen, die im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes in Berlin zugänglich sind, sowie – Preußen betreffend – die Bestände des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem. Ergänzung finden sie durch die dorthin überführten Akten preußischer Ministerien, die nach dem Zweiten Weltkrieg im Deutschen Zentralarchiv in Merseburg gelagert waren. Sie waren bis zur Wende – wie erwähnt – für westdeutsche Historiker, zumal wenn sie sich mit kirchennahen Themen befassten, in der Regel nicht einsehbar. Dabei hatte ein Historiker bereits vor Jahrzehnten den damals nicht möglichen Zugriff auf die vatikanische Überlieferung massiv beklagt, der „für den weltlichen Gelehrten, der auf dem Grenzgebiet zwischen Staat und Kirche arbeitet, umso schmerzlicher [sei], als er … völlig von den staatlichen Quellen abhängig bleibt, sicher nicht zum Vorteil der Kirche“174. Dieses Desiderat des „audiatur et altera pars“ wurde allerdings seit Beginn der 1980er Jahre durch Öffnung der Akten aus den Pontifikaten von Leo XIII. und Pius X. für die Forschung behoben175, ohne dass sich ein wissenschaftliches Interesse an Darstellungen einzelner Bischofswahlen, von einer Gesamtdarstellung ganz zu schweigen, gezeigt hätte. Da der Breslauer Bischof auch über einen österreichischen Bistumsteil verfügte und sich die kaiserliche Regierung in Wien überhaupt für die Bischofsstuhlbesetzungen im Deutschen Reich interessierte, erweist sich ebenso das Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien als ergiebige Aktenquelle. Die Erschließung der Thematik ist jedoch nicht nur ein Problem der Archivrecherche zwischen Berlin und Rom. Die Schwierigkeit liegt zudem in der notwendigen Konsultation einer Vielzahl verschiedener Staatsarchive, in denen die oftmals sehr materialreichen Bestände der staatlichen Mittel- und Unterinstanzen, also Ober- bzw. Regierungspräsidien sowie Landratsämter, einsehbar sind. Weniger aufschlussreich und deshalb auch nur stichprobenhaft erfasst sind die Diözesanarchive, deren Bischofsnachlässe oftmals kaum relevantes Material für den Wahlvorgang enthalten. Was die bisher vorliegende Literatur anbetrifft, haben in jüngerer Vergangenheit signifikante Ereignisse aktueller Kirchenpolitik eine Rückbesinnung auch auf die Geschichte der Bischofswahlen nach sich gezogen. Gemeint ist die nicht 173
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Vgl. hierzu ebd., S. 94. Diese Kongregation wurde 1814 von Pius VII. quasi als Unterabteilung des Staatssekretariats gegründet. Franz-Willing, Die Bayerische Vatikangesandtschaft, S. 8. Vgl. Rahn, Wie „geheim“ kann das Vatikanische Geheimarchiv noch sein?, in: QFIAB, Bd. 87 (2007), S. 355–373.
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unumstritten gebliebene Kölner Erzbischofswahl 1988, gefolgt von dem Streit um den Churer Bischof Wolfgang Haas im selben Jahr. Deren Medienecho nutzten insbesondere Pastoraltheologen und Kirchenrechtler, um eine Fülle von Aufsätzen zur Thematik in Zeitschriften und Sammelbänden zu publizieren176. Wenn in diesem Kontext in der theologischen und kirchenpolitischen Tagesdiskussion viel Kritik an dem Vorgang geäußert und beispielsweise der Terminus von „Fallschirm-Bischöfen“177 aus Rom aufgegriffen wurde, interessierte die historische Dimension in der Regel nur als ein Aspekt oder wurde gar als Marginalie empfunden, während der Kern in der Frage der Mitwirkung der Ortskirche und ihrer Laien und Priester an der Bischofswahl diskutiert wurde178. Einen breiten interessierten, nicht aber unbedingt wissenschaftlich versierten Leserkreis sollte in diesem Kontext auch die kompakte Darstellung zu Bischofsamt und Bischofswahl von Gerhard Hartmann ansprechen179. Jenseits solcher modischer Trends hat sich seit mehr als drei Jahrzehnten Erwin Gatz, der bereits mit seiner dreibändigen Edition der Akten der Fuldaer Bischofskonferenz das Terrain erschlossen hat180, in einer Vielzahl von Beiträgen mit der Geschichte der Bischofswahlen im deutschsprachigen Raum und insbesondere in Preußen auseinander gesetzt181. Unverzichtbar für ein breites biographisches und statistisches Hintergrundwissen über den Episkopat im deutschsprachigen Raum sind zudem seine Lexika mit Biogrammen aller Bischöfe, Weihbischöfe und Generalvikare im deutschsprachigen Raum geworden182, welche wichtige und weithin beachtete Bausteine für eine Sozialgeschichte der Bischöfe lieferten183. 176
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Vgl. z.B. Primetseder, Bischofsernennungen, in: Körner/Aigner/Eichberger (Hrsg.), Bischofsbestellung. Mitwirkung der Ortskirche?, S. 61–81; Kaiser, Besetzung der Bischofsstühle, in: Archiv für katholisches Kirchenrecht, Bd. 158 (1990), S. 69–90; u. Greshake (Hrsg.), Zur Frage der Bischofsernennungen in der römisch-katholischen Kirche. Vgl. Fallschirm-Bischöfe aus Rom, in: Publik-Forum v. 7.4.1989, S. 39. Vgl. hierzu jetzt Willi, Der Bischof als Seelsorger in historischer, systematischer und praktischer Sicht. Vgl. Hartmann, Der Bischof. Zu den Bischofsernennungen im Kaiserreich vgl. jetzt auch Hirschfeld, "Kirchlich einwandfrei und Männer von zuverlässiger deutscher Gesinnung", in: HJb, Bd. 130 (2010) [2012], S. 299-324. Vgl. Gatz (Bearb.), Akten der Fuldaer Bischofskonferenz, 3 Bde. Hier seien nur die grundlegenden Beiträge von Gatz erwähnt: Die Bischofsernennungen in den deutschsprachigen Ländern, in: Theologisch-Praktische Quartalschrift, Bd. 136 (1988), S. 258–266; Domkapitel und Bischofswahlen in Preußen von 1821 bis 1945, in: RQ, Bd. 78 (1983), S. 101–126; Domkapitel und Bischofswahlen in den deutschsprachigen Ländern seit dem 19. Jahrhundert, in: Portmann-Tinguely (Hrsg.), Kirche, Staat und katholische Wissenschaft, S. 397–409. Vgl. Gatz, Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder; Ders., Herkunft und Werdegang der Diözesanbischöfe der deutschsprachigen Länder, in: RQ, Bd. 78 (1983), S. 270–282. Vgl. Gatz, Herkunft und Werdegang der Diözesanbischöfe der deutschsprachigen Länder; Ders., Die Bischöfe der Kirchenprovinzen Wien und Salzburg, in: AHP, Bd. 21
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Damit wurde ein Dammbruch in doppelter Hinsicht vollzogen: Zum einen hat Gatz durch seine luziden und konzisen Aufsätze zu einer Popularisierung der Thematik im besten Sinne beigetragen. Zum anderen wurde durch ihn ebenso eine Historisierung der Thematik vollzogen, da dieser Komplex zuvor im Wesentlichen von Kanonisten erschöpfend behandelt worden war184. Neben katholischen Kirchenrechtlern befassten sich in zeitgenössischer Warte nicht zuletzt ihre protestantischen Kollegen unter juristischem Blickwinkel mit den Wechselwirkungen von Staat und Bischofswahlen185. Dass für einen ihrer wichtigsten Vertreter, Emil Friedberg, das „Recht des Staates bei der Besetzung der bischöflichen Stühle … von wesentlichster Bedeutung“186 erschien, verwundert angesichts des protestantischen Verständnisses vom Staatskirchentum kaum. Einen besonderen Stellenwert nimmt die Stellung der Domkapitel in der kanonistischen Forschung ein. Hier fand die Thematik insbesondere bei Ulrich Stutz großes Interesse187. Weit über den geographischen Rahmen dieser Arbeit hinaus reicht die dem fürstlichen Ernennungsrecht gewidmete kanonistische Dissertation von Adolf Kindermann188. Dieser weitgehend negative Tatbestand bietet Anreiz und Anlass zugleich für einen übergreifenden Blick und eine vergleichende systematische Untersuchung der Situation in allen Diözesen des Deutschen Reiches. Nur auf diese Weise können einzelne Probleme vor Ort sinnvoll in größere Zusammenhänge eingebettet und in ihrer Tragweite bewertet werden. Ein Desiderat stellt insbesondere die Diplomatiegeschichte der katholischen Kirche dar, zu der nur ältere Arbeiten vorliegen189. Zur jüngeren Geschichte des Päpstlichen Staatssekretariats nach dem Ende des Kirchenstaates 1870 etwa gilt noch immer das Urteil von Egon Johannes Greipl, dass nämlich „unsere Kenntnis von der kurialen Zentralbehörde eher mangelhaft“190 ist. Zu den wenigen deutschsprachigen Spezialuntersuchungen gehören die Publi184
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(1983), S. 259–274. Vgl. Becker, Senatus episcopi. Die rechtliche Stellung der Domkapitel in Geschichte und Gegenwart, in: Jahres- und Tagungsberichte der Görres-Gesellschaft 1989, S. 33–54. Vgl. z.B. Friedberg, Der Staat und die Bischofswahlen in Deutschland; Stutz, Der neueste Stand des deutschen Bischofswahlrechtes. Friedberg, Der Staat und die Bischofswahlen in Deutschland, S. V. Zu Friedberg (1837– 1910) vgl. Erler, Friedberg, in: NDB, Bd. 5 (1961), S. 443f. Vgl. ebd., sowie Stutz, Über das Verfahren bei der Nomination auf Bischofsstühle, in: Sitzungsberichte der Preußischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 20 (1928), S. 229–246. Zu Stutz (1868–1938) vgl. Fuchs, Stutz, in: BBKL, Bd. 11 (1996), Sp. 151. Vgl. Kindermann, Das landesfürstliche Ernennungsrecht. So beispielsweise von Morsey, Die Deutschen Katholiken und der Nationalstaat, S. 278. Passim vgl. Graham, Vatican Diplomacy. Greipl, Die Geschichte des päpstlichen Staatssekretariats nach 1870, in: RQ, Bd. 84 (1989), S. 92–103, hier S. 92.
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kationen von Hans Philippi, Egon Johannes Greipl und Christoph Weber191, wobei insbesondere letztere einen Steinbruch bieten. Hinzu treten ältere Überblicksdarstellungen zur Geschichte der preußischen bzw. bayerischen Gesandtschaft beim Heiligen Stuhl192. Was die vom Vatikan beim Königreich Bayern unterhaltene Nuntiatur in München anbetrifft, die zugleich als offiziöses Organ im Kontakt mit den übrigen Staaten des Deutschen Reiches fungierte, liegen ebenso nur weitgehend ältere Studien vor193. Jene Diplomatiegeschichte, welche in der Profan- wie Kirchengeschichtsforschung seit den 1960er Jahren weitgehend an den Rand gedrängt worden ist194, wohl nicht zuletzt im Schlepptau der bereits seit Ende des Ersten Weltkriegs allmählich einsetzenden Ablösung des Primats der Außenpolitik195, wurde sukzessive durch die vorgenannten sozial- und kulturgeschichtlichen Fragestellungen, die einem Primat der Innenpolitik entsprechen, überlappt. Auch die versöhnlich erscheinende These von der Interdependenz196, der gegenseitigen Abhängigkeit und Durchdringung zwischen Innen- und Außenpolitik, scheint das Ungleichgewicht nicht ablösen zu können. Immerhin stellte Eckart Conze noch vor wenigen Jahren die Frage nach dem „Abschied von der Diplomatiegeschichte“197. Was Conze hinsichtlich der Geschichte der internationalen Beziehungen und damit sehr weit gefasst konstatierte, nämlich eine Fortdauer der „Skepsis von Sozial- oder Strukturhistorikern ... gerade auch, weil Außenpolitik und internationale Beziehungen über Jahrhunderte hinweg Domäne der tendenziell konservativen ... Diplomatiehistoriker gewesen ist“198, trifft – cum grano salis – auch auf die aktuelle Situation des Forschungsfeldes von Staat und katholischer Kirche in der Neuzeit zu, obgleich gerade der Katholizismus eine transnationale Größe darstellte, deren Reichweite über innerstaatliche Konflikte hinausging.
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Vgl. Weber, Quellen und Studien; Ders. (Hrsg.), Baumgarten, Die römische Kurie um 1900; sowie Philippi, Beiträge zur Geschichte der diplomatischen Beziehungen, in: HJb, Bd. 82 (1962), S. 219–262. Vgl. Franz-Willing, Die Bayerische Vatikangesandtschaft; Hanus, Die Preußische Vatikangesandtschaft. Vgl. Zittel, Die Vertretung des Hl. Stuhles in München, in: Der Mönch im Wappen, S. 419–494; Raiser, Bayerische Gesandte bei deutschen und ausländischen Regierungen, hier S. 47–67. So auch die Einschätzung bei Feldkamp, Goldhagens unwillige Kirche, S. 147. Der Begriff wurde von Wilhelm Dilthey in Anlehnung an Leopold von Ranke geprägt. Vgl. Altermatt/Garamvölgyi, Einleitung, in: Dies. (Hrsg.), Innen- und Außenpolitik, S. 17–24, hier S. 18. Vgl. ebd., S. 18f. Conze, Abschied von der Diplomatiegeschichte?, in: HJb, Bd. 116 (1996), S. 137–154, hier S. 137. Ebd., S. 137.
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WAS WIRD UNTERSUCHT? FRAGESTELLUNGEN
D
er Kulturkampf im Deutschen Reich und die zum Teil parallel, wie in Preußen, zum Teil aber eben auch zeitlich versetzt stattfindenden Kulturkämpfe in seinen einzelnen Staaten werden als Kulmination der Modernisierungskonflikte zwischen dem von Nationalisierung, Industrialisierung, Diversifizierung und vor allem Liberalisierung geprägten Staat und der aus dessen Sicht mit ihrem Ultramontanismus restaurativ agierenden katholischen Kirche angesehen. Ebbt dieser Konflikt Ende der 1880er Jahre gleichsam auf Null ab, wie die Geschichtsbücher mit Verweis auf das Jahr 1887 als Zäsur ihre Leser Glauben machen wollen? Zeichnete sich die Kirchenpolitik zwischen dem Ende des Kulturkampfes und dem Beginn des Ersten Weltkriegs wirklich zutreffend „durch relative Ereignislosigkeit“199 aus? Oder lässt sich von einer Prolongierung des Kulturkampfes bis zum Ersten Weltkrieg – natürlich mit sanfteren Methoden als in dessen „heißer Phase“ – sprechen, zumindest wenn man die staatliche Intervention in die Besetzung des höchsten Amtes in der katholischen Hierarchie, das Bischofsamt, als Messlatte nimmt? Um diese übergeordnete Frage eindeutig beantworten zu können, sind im Anschluss an die Untersuchung der Bischofsernennungen im Untersuchungszeitraum zunächst einige weitere Teilantworten notwendig, beispielsweise auf die untergeordnetere Frage nach dem Reüssieren betont kirchlicher oder betont staatsfreundlicher Bischofskandidaten. Welche Strategien – so muss zusammenfassend geklärt werden – wandten die Staatsbehörden, welche die – mit Ausnahme Bayerns – ja mit der Listenaufstellung und der Bischofswahl betrauten Domkapitel bei der Rekrutierung episkopabler Geistlicher an und wie erfolgreich waren sie letztlich damit? Gab es etwa nützliche Netzwerke oder auch Seilschaften, die Erfolg auf dem Weg zum Bischofshut garantierten200 bzw. welche Chancen besaßen dezidiert ultramontane oder staatsloyale Kleriker, einen Bischofsstuhl zu erringen? Von Bedeutung erscheint in diesem Kontext ebenso die Frage, ob sich das Interesse des Staates bei der Inszenierung der Bischofswahlen vornehmlich auf die „Vorposten“ des deutschen Katholizismus, die preußischen Bischofsstühle in Breslau und Köln und den bayerischen in München und Freising, richtete? Und wurde bei der Besetzung weniger bedeutender Diözesen möglicherweise nicht so genau hingeschaut? Welche Rolle hat Kaiser Wilhelm II., der als eine Integrationsfigur für die deutschen Katholiken gesehen wird, die ihm „in zunehmendem Maße enthu199 200
So für Bayern behauptet bei Körner, Staat und Kirche in Bayern, S. 204. Vgl. zu diesem Aspekt Karsten/von Thiessen, Nützliche Netzwerke und korrupte Seilschaften. Rudolf Morsey hat die Untersuchung dieser Querverbindungen zudem schon lange als Forschungsdesiderat bezeichnet. Vgl. Morsey, Die Deutschen Katholiken und der Nationalstaat, S. 278.
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siasmiert gegenüber“201 standen, in diesem Prozess gespielt202? Beschränkte sich seine Mitwirkung auf die Unterschriftsleistung unter die Liste der episkopablen Kandidaten oder befasste er sich persönlich näher mit einzelnen Personalia in den zur Besetzung anstehenden Bistümern? Welche staatlichen Instanzen auf den unterschiedlichen Ebenen waren außer dem Monarchen konkret am Ernennungsprozess beteiligt? Also wo lagen die Schaltstellen? Wie ist die Rolle der staatlichen Diplomatie zu bewerten? Wie wurde im innerkirchlichen Bereich auf die staatlichen Mitwirkungsansprüche an der Personalauswahl für die Bischofsstühle reagiert? Welches Interesse zeigten der Papst und der Kardinalstaatssekretär an den Neubesetzungen der Diözesen im Deutschen Reich. Wie lässt sich dabei die Rolle des vatikanischen Botschafters, des Apostolischen Nuntius in Bayern, definieren?203
FORSCHUNGSANSATZ
I
m Mittelpunkt der bisherigen parteien- und vereinszentrierten Forschung zum Katholizismus im Kaiserreich steht die These von der allmählichen Assimilation der Katholiken an dieses System. Als entscheidende Zäsur wird allgemein das Jahr 1887 angesehen, das Jahr der „Friedensgesetze“ zwischen Bismarck und Leo XIII. In seiner betont aus theologiegeschichtlicher Warte verfassten Überblicksdarstellung zum deutschen Katholizismus im 19. und 20. Jahrhundert setzt Klaus Schatz den „Frieden“ von 1887 zwar in Anführungsstriche und stellt heraus, dass es an „kulturkämpferischem Potential“204 weiterhin nicht gefehlt habe. Gleichzeitig betont er aber, dass der zwischen Staat und Kurie geschlossene Kompromiss sich in der Folge durchaus bewährt habe. Unbestritten ist der kräftige Aufschwung, den das kirchliche Leben der Katholiken durch Gründungen von Vereinen, sozialen Einrichtungen und Ordensniederlassungen gerade um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert genommen hat. Adolf M. Birke spricht davon, dass die „protestantischen Untertöne bei der Reichsgründung, der Vorwurf, die Katholiken seien reichsfeindlich sowie der Kulturkampf … zwar retardierend, aber nicht verhindernd
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Morsey, Die Deutschen Katholiken und der Nationalstaat zwischen Kulturkampf und Erstem Weltkrieg, hier S. 37. Zu einem solchen positiven Bild vgl. Strötz, Wilhelm II. und der Katholizismus, in: Samerski, Wilhelm II. und die Religion, S. 171–198. Von geringerem Interesse für die zu behandelnde Thematik erscheint zum einen das Procedere der jeder Bischofsernennung folgenden kanonischen Informativprozesse und zum anderen der exakte Ablauf der kirchlichen Inthronisations- bzw. Konsekrationsfeierlichkeiten selbst. Diese Vorgänge stehen daher folgerichtig nicht im Zentrum der Darstellung, sondern werden nur am Rande gestreift. Vgl. hierzu exemplarisch Ries, Der Informativprozess Johannes Geissels, in: AMRKG, Bd. 41 (1989), S. 295–317. Schatz, Zwischen Säkularisation und Zweitem Vatikanum, S. 138. Kritisch hierzu Besier, Kirche, Politik und Gesellschaft im 19. Jahrhundert, S. 77f.
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[auf deren gesellschaftliche Integration] gewirkt“ haben. Und Heinz Hürten sieht ebenfalls zu Recht ganz deutlich gerade in der Nach-Kulturkampfära bei den Katholiken einen „Ansporn, den eigenen Anteil an der Gestaltung der nationalen Ordnung kraftvoll wahrzunehmen und sich nicht in der Abwehr feindlicher Strömungen auf sich selbst zu beschränken“205. Für Thomas Nipperdey schließlich ist die Geschichte des Katholizismus im Kaiserreich „auch eine Geschichte seiner Nationalisierung“206 gewesen. Natürlich gab es im Untersuchungszeitraum keine strafrechtlichen Sanktionen des Staates gegen Bischöfe mehr und folglich im Gegenzug auch keine kollektiven Aktionen zivilen Ungehorsams der katholischen Bevölkerung. Dennoch mag es erlaubt sein, diese Erkenntnisse gleichsam gegen den Strich zu bürsten. Dabei geht es keineswegs darum, Katholizismus und Politik insgesamt, sondern eben Kirche und katholische Partei zu trennen und die katholische Kirche im Deutschen Reich kurz in der Struktur ihrer Hierarchie vorzustellen, konkret die im Untersuchungszeitraum 26 katholischen Jurisdiktionsbezirke, an deren Spitze ein Bischof oder Erzbischof steht. Mit zwölf Bistümern lag fast die Hälfte dieser Jurisdiktionsbezirke im an Fläche und Einwohnern größten deutschen Staat Preußen. Neben den Kirchenprovinzen Köln (mit den Suffraganbistümern Münster, Paderborn und Trier) und Gnesen-Posen (mit dem Suffraganbistum Kulm) sowie den exemten – also direkt der Kurie unterstellten – Diözesen Breslau und Ermland und zwei weiteren zu den österreichischen Erzdiözesen Prag (Grafschaft Glatz) bzw. Olmütz (Kommissariat Katscher) gehörigen Jurisdiktionsbezirken waren 1866 die Diözesen Hildesheim und Osnabrück im von Preußen annektierten Hannover sowie die Bistümer Fulda und Limburg im ebenfalls übernommenen Hessen-Kassel bzw. Hessen-Nassau hinzu gekommen. Blieben die beiden vormals hannoverschen Jurisdiktionsbezirke exemt, so gehörten die beiden letztgenannten weiterhin zur Oberrheinischen Kirchenprovinz mit dem Sitz in Freiburg/Breisgau. Mit dem nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1871 gewonnenen Reichsland Elsass-Lothringen gelangten zwei weitere Diözesen in den Einflussbereich Preußens. In Bayern, dem zweitgrößten deutschen Staat, befanden sich acht Diözesen in den beiden Kirchenprovinzen München und Freising (mit den Suffraganen Augsburg, Passau und Regensburg) sowie Bamberg (mit den Suffraganen Eichstätt, Speyer und Würzburg). Somit lagen 22 (einschließlich der beiden Jurisdiktionsbezirke auswärtiger Bischöfe sogar 24) von 26 (28) geistlichen Sprengeln in Preußen bzw. Bayern. Eine Sonderstellung nahmen lediglich die drei südwestdeutschen „Landesbistümer“ Mainz für das Großherzogtum Hessen-Darmstadt, Freiburg für das Großherzogtum Baden und Rottenburg für das Königreich Württemberg ein. Zum anderen betrifft dies das Apostolische Vikariat Sachsen und das als Apo205 206
Hürten, Kurze Geschichte des Deutschen Katholizismus, S. 174. Nipperdey, Deutsche Geschichte 1866–1918. Bd. 1, S. 456.
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stolische Administratur weiter bestehende Bistum Meißen, an deren Spitze in Personalunion ein Titularbischof mit Sitz in Bautzen stand. Im Blickpunkt stehen aber weniger die Bistümer selbst und auch nicht die Amtszeiten der einzelnen Bischöfe. Es geht um die „Karrieren in der Kirche“207, die „Wege auf den Bischofsthron“208, wobei nicht nur die erfolgreichen Bischofskandidaten, sondern alle staatlicherseits oder kirchlicherseits als episkopabel befundenen und auf Wahllisten gesetzten oder aber einfach nur in der Korrespondenz respektive in der Presse erwogenen Kandidaten einbezogen werden. Dass in diesem Kontext der Aspekt der Herkunft der potenziellen Amtsträger eine nicht unwesentliche Rolle spielt, diese Studie also einen dezidiert prosopographischen Zug besitzt209, bleibt evident. Allerdings würde es angesichts der gewaltigen quantitativen Dimension den Rahmen sprengen, diese sozialgeschichtliche Warte der Thematik210 dezidiert dahingehend einzubeziehen, dass Personengeschichte und Prägung aller Mitglieder der 25 Domkapitel im Deutschen Reich innerhalb einer Zeitspanne von rund drei Jahrzehnten untersucht werden könnten. Allein in den 12 preußischen Bistümern wären demnach 149 Domherrenstellen zu berücksichtigen, die im Untersuchungszeitraum durchschnittlich zweimal vergeben wurden. Ohnehin liegt das angestrebte Ziel dezidiert nicht in einer Kollektivbiographie im engeren Sinne des Wortes, zumal „es sich bei Biographie und Prosopographie um unterschiedliche Fragestellungen und Interessen [handelt], die beide nebeneinander ihre Berechtigung haben“211. Über die episcopabiles hinaus gilt die Aufmerksamkeit gleichwohl jenen Domherren und Ehrendomherren, die – gelegentlich auch im Verborgenen – an den zu untersuchenden Bischofswahlen und damit am Reüssieren oder Scheitern einzelner Kandidaten maßgeblich beteiligt waren. Somit verdankt diese Studie der insbesondere für die Frühneuzeit ausgeprägten Domkapitelforschung212 durchaus wichtige Hin207 208 209
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So der eingängige Titel bei: Papenheim, Karrieren in der Kirche. So der Titel der frühneuzeitlichen Studie von Rainald Becker. Vgl. Bulst, Zum Gegenstand und zur Methode von Prosopographie, in: Medieval lives and the historian: studies in medieval propography, S. 1–16, der auf die unterschiedliche Verwendung des Terminus verweist. Hier wird im Sinne von Bulst unter Prosopographie „die Erforschung des Einzelnen im Hinblick auf eine Gesamtheit, der er zuzurechnen ist“ (ebd., S. 4), verstanden. Vgl. hierzu Lill, Zur Geschichte des deutschen Episkopats im 19. und 20. Jhdt., in: MHE, Bd. 8 (1983), S. 459–474, wo die Erstellung eines Sozialprofils der Bischöfe als Desiderat angemahnt wird. Bulst, Zum Gegenstand und zur Methode von Prosopographie, S. 6. Vgl. Christ, Selbstverständnis und Rolle der Domkapitel in den geistlichen Territorien des alten deutschen Reiches. Hier zahlreiche Lit. zu den einzelnen Diözesen, sowie Hersche, Die deutschen Domkapitel im 17. und 18. Jahrhundert, u. Reinhardt, Die deutschen Domkapitel in der neueren Forschung. Für den Untersuchungszeitraum vgl. Groll, Das neue Augsburger Domkapitel.
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weise. Die Bedeutung dieser Wahlkörperschaft der Bischöfe für den Untersuchungszeitraum in ähnlich intensiver Weise in den Blick zu nehmen, wie dies in zahlreichen Studien für die Epoche zwischen Westfälischem Frieden und Ende des Ancien Regime geschehen ist, wäre ein interessantes Desiderat. Zweifelsohne gilt das Hauptaugenmerk den Diözesanbischöfen. Aber die Weihbischofsernennungen wurden schon allein deshalb mit einbezogen, weil die Alarmglocken der Staatsbehörden bei dem Wort Bischof schrillten, selbst wenn der zu Ernennende mit dem entsprechenden Präfix versehen war, das ihn nur zum Weihbischof machte213. Da die Bischofswahlen als Prüfstein des Staat-Kirche-Verhältnisses angesehen werden, kommt überdies den staatlichen Akteuren in diesem Prozess, also dem Beamtenapparat, eine wichtige Rolle zu214. Von den als Gutachter tätigen zuständigen Landräten und den Regierungspräsidenten über die Oberpräsidenten bis hin zu den beteiligten Ministern und zum Monarchen persönlich – um nur einmal die einbezogenen Instanzen der preußischen Verwaltung zu nennen – erfordern zahlreiche oftmals bedeutende Persönlichkeiten – die „großen Männer“ – der Geschichte des Kaiserreichs und deren Protektion bestimmter Kandidaten Aufmerksamkeit. Eine zentrale Rolle nehmen dabei die Oberpräsidenten ein, zumal sie in aller Regel als königliche Wahlkommissare eingesetzt, staatlichen Erfolg oder Misserfolg bei der kirchlichen Personalpolitik an erster Stelle steuern konnten. Gleiches gilt für die diplomatischen Vertreter der einzelnen deutschen Staaten untereinander und insbesondere beim Heiligen Stuhl, denen hinter den Kulissen eine wichtige Scharnierfunktion zukam. Personengeschichtliche Kenntnisse bezüglich der römischen Kurie und ihrer in den Ernennungsprozess einbezogenen Beamten unterschiedlichen Status sowie nicht zuletzt der jeweiligen Apostolischen Nuntien in München215 sind ebenfalls Voraussetzung für die angestrebte Synopse. Der Fokus ist also auf die Bischofsernennungen als zentrale Schnittstelle zwischen Kirche und Staat zu richten. Hier bricht sich wie in einem Brennglas das fundamentale Interesse beider Parteien. Der Vorgang der Bischofswahl und -ernennung spiegelt zugleich Institutionen- und Sozialgeschichte wider, nicht zuletzt ist er mit rechts- und verwaltungsgeschichtlichen und ebenso politik- und diplomatiegeschichtlichen sowie prosopographischen Aspekten verbunden.
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Vgl. zur Geschichte der Weihbischöfe passim Rupp, Der Titularepiskopat, u. Prüfer, Die Weihbischöfe in der katholischen Kirche. Vgl. Röhl, Beamtenpolitik im wilhelminischen Deutschland, in: Stürmer (Hrsg.), Das kaiserliche Deutschland, S. 287–311. Vgl. Weber, Quellen und Studien.
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ZEITLICHER RAHMEN
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er Untersuchungsbeginn lässt sich zeitlich im Grunde bereits mit dem Beginn des Kulturkampfes in Preußen bzw. im Deutschen Reich unmittelbar nach der Reichsgründung 1871 ansetzen, wobei der Kulturkampf gemäß dem Prinzip von Ursache und Wirkung als Sattelzeit betrachtet wird. Im Zentrum der Darstellung und Analyse steht gleichwohl jene Epoche, in der nach Erkenntnis von Hans-Michael Körner „die Phase der Konfrontation zwischen Staat und Kirche (seit den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts) allmählich von einer solchen der Verständigung und Kooperation abgelöst worden ist.“216 Als einschneidendes Ereignis wird das 2. Friedensgesetz von 1887 ebenso genommen wie der Regierungsbeginn Kaiser Wilhelms II. im Folgejahr. So dehnbar der zeitliche Rahmen am Beginn des Untersuchungszeitraums erscheint, so fest ist die Endzäsur mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges gesetzt. Dass nicht etwa der Zusammenbruch der Monarchie 1918 gewählt wurde, lässt sich mit der besonderen Bedeutung des Kriegsausbruchs als Epochenschwelle für die Staat-Kirche-Beziehung erklären217. 1914 jedenfalls bekam das Verhältnis von Katholiken und Nationalstaat gleichsam eine neue Qualität, denn damals stand „der deutsche Katholizismus eindeutig und emphatisch zur nationalen Sache und nahm am enthusiastischen Aufbruch der Nation vollen Anteil“218. Etwas emphatisch, aber zweifellos treffend konstatiert Horst Conrad: „Alle schweren politischen Differenzen der Jahre zuvor schienen aufgehoben in Erwartung einer machtvollen Neugeburt.“219 Über die Epochenschwelle von 1918 soll der Faden dieser Untersuchung nicht gespannt werden, zumal mit dem Ende der monarchischen Herrschaft in den deutschen Ländern eine zentrale Grundlage für das staatliche Streichungsrecht, aber auch für politische Ehrenrechte und Privilegien wegfiel. Zudem schuf der neue CIC von 1917 eine veränderte kirchenrechtliche Grundlage. Bereits der Ausbruch des Ersten Weltkriegs verdeckte gleichsam um des höheren Zieles eines deutschen Sieges willen, mögliche noch existierende Konfrontationslinien. Diese neue Qualität des Staat-Kirche-Verhältnisses lässt hier eine Zäsur geraten sein220.
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Körner, Staat und Kirche in Bayern, S. 197. Vgl. Krüger, Der Erste Weltkrieg als Epochenschwelle, in: Maier (Hrsg.), Wege in die Gewalt, S. 70–91. Nipperdey, Deutsche Geschichte 1866–1918, Bd. 1, S. 457. Conrad, Stand und Konfession, I, in: WZ, Bd. 158 (2008), S. 125–186, hier S. 177. So auch die Haltung bei Krüger, Der Erste Weltkrieg als Epochenschwelle, S. 70–91.
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RÄUMLICHER RAHMEN
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enngleich der Kulturkampf und damit auch die Frage nach der Dauer seines Abklingens – wie erwähnt – ein europäisches Phänomen darstellt, erfolgt eine räumliche Einschränkung des Untersuchungsgebiets auf das Deutsche Reich in den Grenzen von 1871, zumal dieses Staatsgebilde mit seinen 25 Kulturhoheit genießenden Einzelstaaten vielfältige Ansatzpunkte für unterschiedliche Ausprägungen des Staat-Kirche-Verhältnisses bietet. Eine Aufstellung der im Untersuchungszeitraum geltenden Konkordate und Konventionen zwischen dem Heiligen Stuhl und der jeweiligen Regierung, der kirchlichen Struktur, die 26 Diözesen aufweist, sowie der unterschiedlichen Formen von zeitlich versetzten Kulturkämpfen macht die immense Bandbreite der gegenseitigen Beziehungen deutlich. Sie spiegelt sich in den vier bereits aufgezeigten Rechtsgebieten hinsichtlich der Beziehungen von Staat und Kirche wider: nämlich Bayern, Preußen, dem ehemaligen, nunmehr auch zu Preußen gehörenden Staat Hannover sowie dem südwestdeutschen Raum (Baden, Hessen-Darmstadt und Württemberg). Hinzu kam das eine Sonderstellung einnehmende Reichsland Elsass-Lothringen. Gerade weil er heute zu Frankreich und Polen gehörende Territorien mit einbezieht, in denen sich damals durch den Geist der Nationalstaaten geschürte Konflikte Bahn brachen, reicht der Raum über rein nationale Bezüge hinaus, von der Rolle des Heiligen Stuhls in Rom einmal ganz abgesehen.
Königreich Preußen ERZBISTUM KÖLN
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achdem der Kölner Erzbischof bereits im Alten Reich den Rang eines der drei geistlichen Kurfürsten bekleidet hatte, stand auch das 1821 durch die Bulle „De salute animarum“ neu umschriebene Erzbistum in einer starken Traditionslinie als hervorgehobener kirchlicher Sprengel in Preußen. Das defi nitiv erst 1825 wieder errichtete Erzbistum erhielt ein 16 Mitglieder zählendes Domkapitel als Wahlgremium des Erzbischofs, das aus zwei Dignitäten (Dompropst und Domdechant) sowie zehn residierenden und vier Ehrendomkapitularen bestand1. Nicht zuletzt durch den „Kölner Kirchenstreit“ war der Erzbischof in den 1830er Jahren zur zeitgenössischen Identitäts- und Symbolfigur der deutschen Katholiken geworden 2. Sicherlich trug auch die mit diesem Ereignis verbundene Negativerfahrung für die Staatskirchenhoheit dazu bei, dass die Regierung nicht allein mit Argusaugen die Kölner Bischofswahlen überwachte und die Bischofskandidaten besonders gründlich durchleuchtete, sondern bemüht war, das Wahlrecht des Kapitels jedes Mal auf verschiedene Art und Weise zu beeinträchtigen. An die Schlüsselposition im preußischen Episkopat sollte eben nur ein dezidiert staatsloyaler Erzbischof gelangen. So gab es bereits mehrfach nach Eintritt einer Sedisvakanz, vor allem aber zwischen 1864 und 18663, massive und langwierige Konfl ikte zwischen Staat und Kirche um die Neubesetzung des erzbischöfl ichen Stuhls. Dennoch erwies sich der 1866 von Osnabrück nach Köln transferierte Erzbischof Paulus Ludolf Melchers4 als konsequenter Gegner der Kulturkampfgesetze, weshalb er 1874 sechs Monate im Kölner Gefängnis „Klingelpütz“ zubringen musste. Seit 1875 lebte er im niederländischen Exil in Maastricht und die Kompromisslösung zwischen Staat und Kirche sah beim Abbau der Kulturkampfgesetzgebung seine Rückkehr – ebenso wie die des zweiten preußischen Erzbischofs in Gnesen-Posen – nicht vor. Melchers 1 2
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Vgl. Trippen, Das Domkapitel und die Erzbischofswahlen, S. 4. Vgl. passim Lill, Die Beilegung der Kölner Wirren; Keinemann, Das Kölner Ereignis und die Kölner Wirren. Vgl. Schrörs, Die Kölner Erzbischofswahl. Zu Melchers (1813–1895), 1857 Bischof von Osnabrück, 1866 Erzbischof von Köln, vgl. Gatz, Melchers, in: Ders., Bischöfe, S. 493–497. Eine ausführliche Biographie von Melchers stellt ein Desiderat dar. Eine Überblicksdarstellung bieten Lill, Der Bischof zwischen Säkularisation und Kulturkampf, hier S. 386–392, sowie Hegel, Geschichte des Erzbistums Köln, Bd. 5, S. 80–85.
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verzichtete 1885 auf seine Erzdiözese und erhielt als Kompensation ein Kurienkardinalat in Rom. Gleichzeitig wurde in den Verhandlungen zwischen Berlin und der Kurie die Kölner Neubesetzung von der Gnesen-Posener Erzbischofsfrage mit dem Argument abgekoppelt, dass letztere schwerer zu lösen sei5. Nuntius Angelo di Pietro in München fand mit seinen Vorschlägen, entweder den Limburger Domdekan (und späteren Bischof) Karl Klein oder den Kölner Domkapitular Kaspar Anton Heuser6 als Erzbischof vorzusehen, kein Gehör. Auf der unter vollkommener Umgehung des Kapitelswahlrechts gewählten Verhandlungsebene zwischen Berlin und Rom ging es dann letztlich nur um die Frage, ob der Bischof von Fulda, Georg Kopp, oder der Bischof von Ermland, Philipp Krementz7, zum Zuge kommen sollten. Nicht zuletzt durch Einschalten von Zentrumspolitikern manifestierte sich eine breite Abwehr gegen den dezidiert staatsloyalen Kopp, so dass der bereits fast 66-jährige Krementz, der im Übrigen aus dem Rheinland stammte, am 30. Juli 1885 von Papst Leo XIII. zum Erzbischof ernannt wurde8.
Erzbischofswahl 1899 Angesichts von zunehmendem Alter und Krankheit des Erzbischofs Krementz begannen bereits Mitte der 1890er Jahre Spekulationen um seine Nachfolge. So wandte sich im Dezember 1894 der Oberpräsident der Rheinprovinz, Berthold Nasse9, an den Kölner Regierungspräsidenten Hugo Freiherr von Richthofen10, um ihm zu Ohren gekommenen Gerüchten nach5 6
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Vgl. hierzu ausführlich Verbeek, Die Kölner Bischofsfrage, S. 324–340. Zu Heuser (1822–1891), Dr. iur. can., 1854 Prof. am Priesterseminar, 1869 Domkapitular in Köln, 1886 auch Offizial, vgl. Handbuch des Erzbistums Köln, 26. Ausgabe 1966, Bd. I, S. 75. Zu Krementz (1819–1899, gebürtig aus Koblenz, vgl. Gatz, Krementz, in: Rheinische Lebensbilder, Bd. 6 (1961), S. 121–147, u. Ders., Krementz, Philipp, in: Ders., Bischöfe, S. 411–415. Vgl. Gatz, Zur Neubesetzung, hier insbes. S. 216f., u. Trippen, Das Domkapitel und die Erzbischofswahlen, S. 257f., wobei auf die genauen Umstände der Transferierung dort nicht näher eingegangen wird. Eine gut lesbare populäre Überblicksdarstellung der Episkopate von 1885 bis zum Zweiten Weltkrieg bietet Trippen, Der Bischof im Zeitalter der Industrialisierung. Zu Nasse (1831–1906), 1881 Regierungspräsident in Trier, 1888 Unterstaatssekretär im Preuß. Kultusministerium, 1890–1905 Oberpräsident der Rheinprovinz, vgl. Schwabe, Oberpräsidenten, S. 302, u. Romeyk, Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten, S. 646f. Zu Richthofen (1842–1904), 1894–1901 Regierungspräsident in Köln, dann Oberpräsident v. Ostpreußen, vgl. Romeyk, Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten, S. 690f., Klein, Die Kölner Regierungspräsidenten, S. 99–101, u. Bönisch, Köln und Preußen, S. 81f.
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zugehen, der mittlerweile 75 Jahre zählende Krementz wolle zurücktreten11. Der Adressat konnte die Gerüchte dann aber nach Einschalten des Kölner Oberbürgermeisters Wilhelm Becker entkräften. Diesem Gewährsmann hatte Krementz nämlich persönlich anvertraut, er wolle „sein Amt, solange ihm Gott die Kraft lasse, führen“12. Dennoch war die Diskussion um eine mögliche Nachfolge entbrannt, wobei als Auslöser der Tod des Generalvikars Friedrich Ludger Kleinheidt13 angesehen werden kann. Diese Zäsur nutzte der dezidiert staatsfreundliche Dompropst Franz Karl Berlage14, um eine Intrige zu spinnen. Gegenüber dem Breslauer Fürstbischof Georg Kardinal Kopp, in dem er einen Verbündeten wähnte, zumal er um dessen kritische Haltung zu Krementz wusste, streute Berlage die Information, der Erzbischof überlege, sich in Rom in Person des Weihbischofs Hermann Joseph Schmitz15 einen Koadjutor mit Nachfolgerecht zu erbitten16. Schmitz aber sei im Kapitel wenig beliebt und vor allem zu selbstbewusst. Damit hatte der Dompropst zwei Topoi über Schmitz in Umlauf gebracht, die auch in der Folge für alle weiteren Argumentationen bestimmend sein sollten: Eitelkeit und Einsamkeit. Denn Berlages Rechnung ging vollends auf, weil sich Kopp als Multiplikator der Invektive gegen Schmitz erwies und sogleich den Kultusminister informierte, wobei er die Machtfülle des Weihbischofs sicherlich übertrieben so beschrieb, dass „Schmitz … faktisch bereits Koadjutor“17 sei. Zudem machte der Breslauer Fürstbischof im März 1895 beim Auswärtigen Amt Front gegen eine Koadjutorie von Schmitz18. Und selbst in den regelmäßigen Gesprächen des römischen Prälaten Johannes von Montel19 mit dem dortigen preußischen Gesandten Otto von Bülow war die Aversion Kopps gegen Schmitz Thema, nachdem der Breslauer Kardinal auf Veranlassung aus Berlin in dieser Sache bei Montel aktiv geworden war. Als Ursache der 11 12
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Nasse an Richthofen v. 15.12.1894, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 16052. Richthofen an Nasse v. 2.1.1895, ebd. Zu Becker (1835–1924), 1886–1907 Oberbürgermeister v. Köln, vgl. Romeyk, Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten, S. 347. Zu Kleinheidt (1830–1894), Dr. theol., Priesterweihe 1852, 1866 Domkapitular, 1886 Generalvikar, vgl. Hegel, Kleinheidt, in: Gatz, Bischöfe, S. 387f. Zu Berlage (1835–1917), 1886 Dompropst in Köln, vgl. Hirschfeld, Berlage, in: BBKL, Bd. 29 (2008), Sp. 161–167; Ders., Berlage, Dr. theol. Franz Karl (Carl), in: Emsländische Geschichte, Bd. 14 (2007), S. 229–237, u. Ders., Der Kölner Dompropst Franz Carl Berlage als Kirchenpolitiker, in: OM, Bd. 113 (2008), S. 197–212. Zu Schmitz (1841–1899), dessen zweiter Vorname gelegentlich auch mit „f“ geschrieben wird u. der auch unter dem Pseudonym Fabricius publizierte, vgl. zuletzt DBE2, Bd. 9 (2008), S. 79; Schmitz-Valckenberg, Schmitz, in: LThK2, Bd. 9 (1964), Sp. 436; Hegel, Schmitz, in: Gatz, Bischöfe, S. 665f., sowie die hagiographische Schrift von Ficker, Schmitz. Vgl. Berlage an Kopp v. 30.11.1894, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2b. Kopp an Bosse v. 2.12.1894, ebd. Vgl. Kopp an Auswärtiges Amt v. 19.3.1895, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2a, R 3946. Zu Montel (1831–1910) vgl. Vareschi, Montel, in: NDB, Bd. 18 (1997), S. 48f.
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Abneigung machte Montel einen ähnlich gearteten Charakter, Ehrgeiz und Eitelkeit aus. Bülow hingegen äußerte – im Übrigen sehr vorsichtig – einen schwerwiegenderen Verdacht, wenn er dem Reichskanzler mitteilte: „Ohne dass Monsignore Montel es direkt ansprach, glaube ich doch seinen Worten den Ausdruck der Vermutung entnehmen zu können, als ob das Streben des Kardinals Kopp dahin ginge, dereinst Nachfolger des greisen KardinalErzbischofs von Köln und als solcher mit der Zeit vielleicht Primas von Deutschland zu werden, ein Plan, welcher durch die Ernennung des Herrn Schmitz zum Coadjutor cum spe succedendi [mit der Hoffnung auf Nachfolge, Anm. d. Verf.] natürlich vereitelt werden würde“20. Die innerbehördliche Kommunikation war offenbar nicht so weit gediehen. Sonst wäre dem Vatikan-Gesandten bekannt gewesen, dass Kopp persönlich keine Ambitionen besaß, vom Osten in den Westen Deutschlands zu wechseln, sondern seine Mission vielmehr darin sah, einen staatsloyal gesinnten Erzbischof in Köln zu installieren. Und einen solchen hatte er dem preußischen Kultusminister Robert Bosse21 bereits Anfang Dezember 1894 in der Person des Kölner Diözesanpriesters und Bischofs von Paderborn Hubert Theophil Simar22 vorgestellt23. Intern war in Berlin schon zu diesem Zeitpunkt deutlich, dass der Paderborner Oberhirte „für uns der erwünschteste Nachfolger für den Kardinal Krementz auf dem erzbischöfl ichen Stuhle in Köln sein würde“24. Da aber der von Montel auf Ersuchen Kopps in der Kölner Koadjutorfrage angesprochene Papst Leo XIII. erstaunt reagierte und darauf hinwies, dass Krementz weiter amtieren würde, zumal er Unterstützung von zwei Weihbischöfen habe, war die Angelegenheit vorerst vom Tisch 25. Der rheinische Oberpräsident Nasse forderte zur selben Zeit bei seinem Kollegen in Münster unter Hinweis auf das täglich erwartete Ableben des Kardinals Krementz die Wahlakten der Paderborner Bischofswahl von 1891 an 26 und zeigte ein Interesse an den damals auf der dortigen Wahlliste verzeichneten Kölner Priestern Hubert Simar und Antonius Fischer. Dass der Kultusminister wenige Tage später alle preußischen Oberpräsidenten aufforderte, für höhere Stellen geeignete Geistliche aus ihren Provinzen zu melden, war offensichtlich auch auf die Kölner Situation gemünzt27. Einfluss auf die Regierungsbehörden versuchte zumindest indirekt auch der publizistisch um-
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Bülow an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 19.3.1895, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2 a. Zu Bosse vgl. Bussmann, Bosse, in: NDB, Bd. 2 (1955), S. 484. Zu Simar vgl. ausführlich das Kap. Paderborn in diesem Band. Vgl. Kopp an Bosse v. 2.12.1894, in: GStA PK I. HA Rep. 76 IV. Sekt. 1a Nr. 1. Bosse an Auswärtiges Amt v. 5.12.1894, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2b. Vgl. Trippen, Das Domkapitel und die Erzbischofswahlen, S. 284. Vgl, Nasse an Studt v. 1.11.1891, in: GStA PK I. HA Rep. 76 IV. Sekt. 1a Nr. 1. So vermutet Knopp, Kirchliche Personalpolitik, S. 168.
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triebige Freiburger Kirchenhistoriker Franz Xaver Kraus28 auszuüben, der im November 1897 eine Denkschrift vorlegte, in welcher er die ultramontane und intransigente Haltung der Kölner Erzbischöfe Melchers und Krementz beklagte und die Regierung dahingehend unter Druck setzte, doch bei Eintritt der nächsten Sedisvakanz unbedingt für einen irenischen, also friedliebenden Erzbischof zu sorgen 29. Reichskanzler Chlodwig Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst zitiert im Übrigen in seinen Memoiren ein „Promemoria“ von Franz Xaver Kraus. Hierin bezichtigte der staatsloyale Freiburger Kirchenhistoriker die letzten beiden Erzbischöfe Melchers und Krementz der „gänzliche(n) Unfähigkeit“, da sie weder den Ausbruch noch die Beendigung des Kulturkampfes propagiert hätten. Dieses Verhalten sei „eine der größten Kalamitäten …, welche unser nationales Leben seit dreißig Jahren betroffen hat“. Kurz und gut ging es Kraus mit seiner Eingabe darum, einen ultramontanen Erzbischof unbedingt zu verhindern. Mit seiner Schwarz-Weiß-Malerei wollte er zum einen einen geistig hochstehenden Geistlichen für den Erzbischofsstuhl gewinnen, zum anderen aber insbesondere jemanden, der „mit kräftiger Hand den deutschen Katholizismus wieder von der Bahn einer das gesamte nationale Leben schädigenden politischen Agitation zu einem gesunden religiössittlichen Leben zurückführen“ würde. Köln brauche also eine Restauration liberaler Ideen, wie sie in Freiburg durch geschickte Vorbereitung der badischen Regierung erfolgreich in die Wege geleitet worden sei. Dennoch stand der Reichskanzler weiterhin in unmittelbarer Korrespondenz mit Kraus, der ihn beispielsweise im September 1898 davor warnte, auf Stimmen zu hören, die den Prinzen Max von Sachsen30 als Erzbischof nach Köln lancieren wollten. Als Verdachtsmoment reichte dem in Catholica ja aufgrund seiner Herkunft eigentlich bewanderten Hohenlohe-Schillingsfürst die Tatsache, dass der Sachsenprinz „in dem jesuitischen Seminar in Eichstätt gebildet“31 worden sei. Immerhin gab kein geringerer als Kraus dem Reichskanzler ein, die Kölner Bischofsfrage sei „eine Angelegenheit, welche für Preußen und Deutschland von kaum geringerer Bedeutung ist als die bevorstehende Papstwahl“32.
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Zu Kraus (1840–1901), Prof. f. Kirchengeschichte in Freiburg/Breisgau, vgl. Graf, Kraus; u. Schiel, Kraus, in: NDB, Bd. 12 (1980), S. 684f.; sowie ausführlich Weiß, Der Modernismus in Deutschland, S. 122–133. Vgl. Promemoria v. Franz Xaver Kraus v. 7.11.1897, zit. bei Trippen, Das Domkapitel und die Erzbischofswahlen, S. 285f., u. abgedruckt bei Hohenlohe-Schillingsfürst, Denkwürdigkeiten der Reichskanzlerzeit, S. 402–404. Hier auch die folg. Zit. Zu Max von Sachsen vgl. das Kap. Mainz in diesem Band. Eintrag Hohenlohe v. 29.9.1898, in: Ders., Denkwürdigkeiten der Reichskanzlerzeit, S. 461. Kraus an Hohenlohe v. 20.5.1899, abgedruckt ebd., S. 503.
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Wohl vor diesem Hintergrund zog der Reichskanzler Informationen über Philipp von Arenberg33 ein. Letztgenannter war ein Bruder des Reichstagsabgeordneten und Kaiservertrauten Franz von Arenberg34. Auf den ersten Blick schien er von seinen familiären Voraussetzungen her für Köln zu passen. Außerdem hatte er nach einem Jurastudium zunächst als Richter im Staatsdienst gearbeitet, bevor er Priester wurde. Doch nach dem Urteil des preußischen Gesandten in München, Anton Graf von Monts35, sei er allein schon durch seine Tätigkeit als Domherr in Eichstätt, der Hochburg des Ultramontanismus in Bayern, nicht über den Verdacht erhaben, ein Exponent der Intransigenten zu sein36. Dass man ihn staatlicherseits für einen äußerst klugen Parteigänger Roms hielt, kommt in den Erinnerungen Bernhard von Bülows so zum Ausdruck: „Philipp Arenberg war ein Kind Gottes. Einfältig in den Augen frivoler Weltleute, aber sehr weise im Sinne der Bergpredigt. Das Ewige stand ihm höher als das Zeitliche“37. Aber Papst Leo XIII. blieb in der Kölner Neubesetzungsfrage ebenso nicht untätig, nachdem auch an seine Ohren die Nachricht vom baldigen Tod des Kardinals Krementz gelangt war. Bei einer Audienz des preußischen Vatikangesandten Otto von Bülow38 im Oktober 1897 brachte er nämlich den Namen des Bischofs von Münster, Hermann Dingelstad39, als eines geeigneten Kandidaten für Köln ins Gespräch 40. Als Bülow seinen Mittelsmann Prälat von Montel auf diese Personalie ansprach, reagierte dieser bestürzt. Dingelstad sei, wie er fälschlich behauptete, „Westfale (er war in Wirklichkeit gebürtiger Niederrheiner) und als solcher dickköpfig und schwerfällig“. Dagegen sei Bischof Simar von Paderborn von ganz anderem Naturell. Zudem unterstütze Kardinal Kopp dessen Kandidatur. Er, Montel selbst, hingegen favorisiere Kopp. Zwar wäre der Breslauer Posten besser dotiert, die Kölner Position aber besser angesehen, so dass eine Transferierung durchaus eine Ansehenssteigerung zur Folge habe.
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Zu Philipp von Arenberg (1848–1906), 1880 Priesterweihe in Eichstätt, 1890 Diözesanpräses der Gesellenvereine, 1896 Domkapitular in Eichstätt, 1883 Ehrendomherr in Namur, Päpstl. Geheimkämmerer, vgl. Neu, Die Arenberger und das Arenberger Land, Bd. 5, S. 137f, u. Strötz, Das Eichstätter Domkapitel, S. 262–264. Zu Franz von Arenberg (1849–1907) vgl. Haunfelder, Reichstagsabgeordnete der Deutschen Zentrumspartei, S. 121. Zu Monts (1852–1930), 1895–1902 preußischer Gesandter in München, vgl. Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes, Bd. 3, S. 287f., u. Thimme, Monts. Vgl. Monts an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 28.11.1897, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2b. Bülow, Denkwürdigkeiten, Bd. 4, S. 275. Zu Otto von Bülow vgl. Hanus, Die Preußische Vatikangesandtschaft, S. 382-389. Zu Dingelstad vgl. das Kap. Münster in diesem Band. So berichtete Bülow Reichskanzler Hohenlohe-Schillingsfürst am 11.11.1897, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2a. 3946. Hier auch das folg. Zit.
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Am 6. Mai 1899 starb nun Kardinal Krementz, und noch am selben Tag wies Oberpräsident Nasse beim Kultusminister auf die herausragende Bedeutung gerade des Kölner Erzbischofsstuhls für die gesamte preußische Monarchie hin. „Es würde deshalb von großem politischem Interesse sein, wenn es gelänge, das hervorragende Kirchenamt ohne Konfl ikt mit dem Domkapitel durch einen versöhnlich gesinnten Geistlichen wieder zu besetzen“41. Nasse scheute also mit Blick auf die vergangenen Bischofswahlen in Köln deutlich die Auseinandersetzung und plädierte zu diesem Zweck dafür, schon vorab ein fait accompli zu schaffen. Jedenfalls legte der Oberpräsident seiner vorgesetzten Behörde nahe, umgehend vertrauliche Gespräche mit dem Kapitel zu beginnen und zu diesem Zweck alsbald einen Wahlkommissar zu bestellen sowie diesen mit weitreichenden Vollmachten auszustatten. Auf diese Weise könne man bei raschem Handeln einer ohne Absprache stattfi ndenden Listenaufstellung des Kapitels zuvorkommen. Nasse stand bei dieser Mahnung zu ebenso zügigem wie diplomatisch geschicktem Vorgehen noch die negative Reaktion in der Presse über das Verhalten der Regierung bei der wenige Monate zurückliegenden Bischofswahl in Osnabrück vor Augen 42. Wenn das Oberpräsidium daraufhin vom Kultusminister lediglich ersucht wurde, „nach Möglichkeit [zu] verhindern, dass Personen in ernstere Frage kommen, welche eine ersprießliche Wirksamkeit auf dem erzbischöflichen Sitze nicht erhoffen lassen“43, der Posten des königlichen Wahlkommissars aber dem Kölner Regierungspräsidenten von Richthofen zuteil wurde, lag dies an der inständigen Bitte Nasses, ihm aus Gesundheitsrücksichten nicht diese Aufgabe zu übertragen. Möglicherweise geschah dies auch in dem Wissen darum, dass die Würde des Wahlkommissars im Fall des Kölner Erzstuhles eine Bürde darstellte. Immerhin hatte man von Berlin aus innerhalb einer Woche nach dem Tod des Kardinals den Wahlkommissar ernannt, gleichzeitig aber auch verfügt, alle Korrespondenz zwischen Köln und Berlin weiterhin über den Oberpräsidenten in Koblenz laufen zu lassen. Richthofen jedoch zeigte sich schnell von seiner Aufgabe ernüchtert. Er sehe im Grunde keinen Hebel, um wirkungsvoll Staatskandidaten den Domherren schmackhaft zu machen. Einzig der Dompropst sei für entsprechende Vorschläge offen. „Dr. Berlage ist wohl für seine Person geneigt, Direktiven, die ihm staatlicherseits gegeben werden, evtl. Folge zu leisten, doch ist dies bedeutungslos, da er keinen Einfluss im Kapitel besitzt“44. Immerhin konzedierte Oberpräsident Nasse dem Regierungspräsidenten in der Rückschau, erfolgreich darauf hingewirkt zu haben, dass der Bischof von Trier, Michael 41
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Nasse an Studt v. 6.5.1899, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 15924, u. in: GStAPK Berlin I. HA Rep. 76 IV Sekt. 1a Abt. I. Vgl. das Kap. Osnabrück in diesem Band. Kultusminister an Nasse v. 17.5.1899, in: LHA Koblenz, Best. 493, Nr. 15924. Richthofen an Rheinbaben v. 20.5.1899, ebd.
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Felix Korum 45, nicht in die Kapitelwahlliste Eingang fand 46. Die umgehend erfolgte Wahl des bisherigen Generalvikars Peter Kreutzwald 47 zum Kapitularvikar stieß staatlicherseits auf keine Bedenken 48. Angeblich beschäftigte die Kölner Erzbischofswahl von 1899 den ZentrumsReichstagsabgeordneten und Münchner Philosophieprofessor Georg von Hertling 49 „kaum weniger als die preußische Regierung“50. Zumindest erwähnte er in einem privaten Brief an seine Gattin, dass die Angelegenheit bei einer Unterredung mit Reichskanzler Hohenlohe-Schillingsfürst zur Sprache gekommen sei und diesem „augenblicklich die Kölner Erzbischofswahl sehr am Herzen“ liege. „Hier wünscht man sich sehr, dass Simar gewählt werde; ich wünsche es natürlich auch im Interesse der Sache, befürchte aber, dass die Domherren stutzig werden, wenn der Wunsch der Regierungskreise verlautet …“. In Hertling hatte die Regierung also einen deutlichen Fürsprecher für ihren Favoriten Simar, der in diesem Sinne noch einmal schriftlich bei Reichskanzler Hohenlohe-Schillingsfürst intervenierte und von diesem daraufhin die Zusicherung erhielt, dass „Seine Majestät unter keinen Umständen der Wahl des Bischofs von Münster zum Erzbischof von Köln zustimmen wird. Ich kann mir wohl denken, dass in Rom eine „Suhse“ [offenbar ist eine Transuse, also ein träger Mensch, gemeint. Anm. d. Verf.] wie D[ingelstad] bequem und genehm wäre. Wir haben aber schon genug von der Sorte …“51. Wie stark Hertling mit Simar verbunden war, zeigt auch das Bekenntnis des Zentrumspolitikers, mit dem Bischof „in den meisten Fragen einerlei Meinung [gewesen zu sein] und wenn dies einmal nicht zutraf, war ich immer geneigt, mich der seinen zu akkomodieren. Er war ganz gewiss streng kirchlich gesinnt, und doch so gar kein engherziger Eiferer“52. Hertling ließ dabei also auch durchblicken, weshalb ihm Simar so sympathisch war. Er erschien dem Münchner Philosophieprofessor ganz offensichtlich als Idealbild eines Bischofs, der geistig hochstehend war und vor allem eine natürliche Art des Umgangs sowohl 45 46
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Zu Korum vgl. das Kap. Trier sowie das Kap. Straßburg in diesem Band. So Nasse an Kultusministerium v. 8.6.1899, in: GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 IV Sekt. 1a Abt. I. Zu Kreutzwald (1850–1918), Priesterweihe 1876, seit 1894 Generalvikar in Köln, vgl. Hecker, S 210–212; Hegel, Kreutzwald, Peter, in: Gatz, Bischöfe, S. 415f. Vgl. Kreutzwald an Nasse v. 8.5.1899 u. Einverständniserklärung des Kultusministers v. 17.5.1899, in: LHA Koblenz, Best. 403, 15924. Zu Hertling (1843–1919), Dr. phil., 1882 Professor in München, 1875–1912 MdR, 1912– 1917 bayerischer Ministerpräsident, vgl. Becker, Hertling, Bd. I; Haunfelder, Reichstagsabgeordnete der Deutschen Zentrumspartei, S. 179f. Hertling an seine Gattin v. Mai 1899, zit. bei Hertling, Erinnerungen aus meinem Leben, Zweiter Band, S. 246. Hier auch die folg. Zit. Hohenlohe-Schillingsfürst an Hertling v. 26.5.1899, zit. ebd., S. 246. Ebd., S. 293f. Auf die Freundschaft von Hertling und Simar geht auch Schmitz, Simar, S. 14, ein.
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mit den staatlichen Instanzen als auch mit der Kurie bewahrt hatte, ohne vor beiden Instanzen vor Devotheit und Unterordnungsgeist einerseits bzw. dezidierter Abgrenzung andererseits zu erstarren. Georg von Hertling fungierte jedoch nicht allein für die Berliner Regierung als Mittelsmann, dessen Sensorium für Catholica sie nutzte. Ebenso diente der Zentrumspolitiker dem Interimsverwalter der Münchner Nuntiatur, Sebastiano Nicotra53, als Informant. Letzterer berichtete Kardinalstaatssekretär Rampolla erstmals Anfang Juni 1899 über eine Begegnung mit Graf Hertling, der ihm – wie er sich ausdrückte – „notizie importanti riguardo la Sede vacante di Colonia“54 mitgeteilt habe. Demnach habe das Metropolitankapitel die Bischöfe von Paderborn und Münster, den staatlicherseits ernannten Domkapitular Professor Karl Hespers55 und zwei weitere Geistliche nominiert. Laut Hertling solle dagegen Weihbischof Hermann Joseph Schmitz nicht aufgestellt werden. Von einem möglichen Wechsel des Kardinals Kopp von Breslau nach Köln war im Übrigen keine Rede mehr, vielleicht nicht zuletzt deshalb, weil er bereits anlässlich der Begräbnisfeierlichkeiten für Krementz sein mangelndes Interesse an einer neuen Herausforderung deutlich signalisiert hatte56. Am 23. Mai 1899 traten die Domherren zusammen und beschlossen zunächst fünf Namen auf die Wahlliste zu setzen. In einem ersten Wahlgang wurden Dingelstad, Fischer, Simar und Schmitz nominiert, in einem zweiten Wahlgang darüber hinaus Bischof Paul Wilhelm Keppler von Rottenburg57. Im ersten Moment verwunderlich erscheint die klare Nomination von Weihbischof Schmitz, der offenbar doch nicht, wie Dompropst Berlage noch einige Jahre zuvor der Regierung begreiflich zu machen versucht hatte, eine isolierte Position im Kapitel einnahm. Wenn mit Keppler ein nichtpreußischer Staatsangehöriger nominiert wurde, erscheint dies einerseits ungewöhnlich, andererseits war dies in Preußen gemäß dem Breve „Quod de fidelium“ bei königlichem Plazet ja durchaus möglich. Interessanter erscheint die Beantwortung der Fra53
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Zu Nicotra (1855–1929), 1878 Priester, 1896 Auditor an der Münchner Nuntiatur, während deren Vakanz v. Mai 1899–Januar 1900 Geschäftsträger, vgl. Greipl, Die Bestände des Archivs der Münchner Nuntiatur, S. 247. Nicotra an Rampolla v. 8.6.1899, in: ASV AES Anno 1899, pos. 1495, fasc. 792, Entwurf, in: ASV ANM, busta 190. Zu Hespers (1846–1915), aus Lank/Kreis Krefeld, Priesterweihe 1870, Religions- und Oberlehrer am städtischen Realgymnasium in Köln, 1896 Domkapitular, Ehrendomherr v. Carthago, vgl. Charakterisierung der preußischen Domherren 1898, in: LHA Koblenz, Best 403, Nr. 15992. Hespers geriet ins Gespräch, weil er sich als Mitglied des Kolonialrates hervorgetan hatte. So Trippen, Domkapitel und Erzbischofswahlen, S. 301, mit Hinweis auf eine Aufzeichnung von Karl Bachem. Vgl. Wahlprotokoll v. 23.5.1899, in: Historisches Archiv des Erzbistums Köln, A III 4. Die Liste wurde noch am selben Tag von Berlage an Richthofen gesandt. Zu Keppler (1852–1926) vgl. ausführlich im Kap. Rottenburg dieses Bandes.
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ge, wie denn das Metropolitankapitel überhaupt auf Keppler gekommen war, zumal er bisher keine näheren Beziehungen zum Rheinland gehabt hatte. Mit ziemlicher Sicherheit hatte hierbei Franz Xaver Kraus seine Hand im Spiel, der sich erstens ja schon seit Jahren intensiv für die Kölner Erzbischofsfrage interessierte und zweitens mit Dompropst Berlage ebenso in Kontakt stand wie mit Keppler, der in Freiburg über Jahre sein durchaus geschätzter Kollege an der Universität gewesen war58. Da Berlage ja auch den Kontakt des Kapitels zu Keppler herstellte, erscheint es denkbar, dass der Dompropst ihn auf die Liste lancierte. Aufgrund des guten Leumunds, welchen der Rottenburger Oberhirte als Theologieprofessor weit über Südwestdeutschland hinaus genoss, wird es nicht schwer gefallen sein, eine Mehrheit im Kapitel für seine Aufstellung als Kandidat zu gewinnen. In ihrer konkreten Zusammensetzung muss die Kandidatenliste für die Regierung allerdings schon eine Überraschung dargestellt haben, denn sonst wäre der Oberpräsident beispielsweise den Fingerzeigen auf den Benediktinerabt von Maria Laach, Willibrord Benzler OSB59, sowie den Dompropst von Trier, Franz Jakob Scheuffgen60, nicht nachgegangen und hätte über diese Geistlichen Auskünfte eingeholt61. Auch das ja teilweise über Hertling an die Kurie kolportierte Resultat der Gespräche von Richthofen mit verschiedenen Kapitelsmitgliedern im Vorfeld der Wahl wies ja neben Simar, Fischer, Schmitz und Dingelstad auf Domkapitular Hespers, den in Bonn als Kirchenhistoriker lehrenden Professor Heinrich Schrörs62, den aus der Kölner Erzdiözese stammenden, aber in Münster als Professor für christliche Gesellschaftslehre wirkenden Franz Hitze63 und den bereits von Kraus erwähnten Prinzen Max von Sachsen, also auf vier vom Kapitel letztlich überhaupt nicht aufgestellte Geistliche, hin. Für den Regierungspräsidenten war das Ergebnis der Vorwahl des Kapitels dann auch nur ein sprechender Beleg für die Unzuverlässigkeit und Doppelzüngigkeit der Domherren, die ihm eben gern alles Mögliche erzählt, bloß nur nicht ihre wirklichen Pläne offen gelegt hätten64. Mit welch gespaltener Zunge nicht zuletzt der staatliche Hauptexponent im Metropolitankapitel, 58 59
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Vgl. auch Trippen, Domkapitel und Erzbischofswahlen, S. 306f. Zu Benzler (1853–1921), 1893 Abt von Maria Laach, 1901 Bischof von Metz, vgl. Gatz, Benzler, in: Ders., Bischöfe, S. 35–38; Häger, Benzler, in: BBKL, Bd. 15 (1999), Sp. 120– 124; u. v.a. das Kap. Metz in diesem Band. Zu Scheuffgen (1842–1907), seit 1886 Dompropst in Trier, vgl. das Kap. Metz in diesem Band. Vgl. Nasse an Regierungspräsidium Koblenz u. Regierungspräsidium Trier v. 195.1899, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 15924. Zu Schrörs (1852–1928), seit 1886 Prof. für Kirchengeschichte in Bonn, vgl. Franzen, Schrörs, in: LThK2, Bd. 9 (1964), Sp. 497; Borengässer, Schrörs, in: BBKL, Bd. 15 (1999), Sp. 1259–1264. Zu Hitze (1851–1921), seit 1893 Prof. in Münster, vgl. Hegel, Geschichte der KatholischTheologischen Fakultät, Bd. 2, S. 30f. Vgl. Richthofen an Nasse v. 22.5.1899, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 15924.
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Dompropst Berlage, agierte, beweist sein Hinweis an den Wahlkommissar, die Listenplätze für die beiden Weihbischöfe Fischer und Schmitz stellten lediglich „einen Akt der Courtoisie“65 dar.
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ntonius Fischer66 war 1840 als fünftes von zehn Kindern eines Volksschullehrers in Jülich geboren worden. Nach Besuch des Gymnasiums seiner Heimatstadt sowie Abitur am Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in Köln hatte er in Bonn und Münster Theologie studiert, 1863 in Köln die Priesterweihe erhalten und eine provisorische Stelle als geistlicher Religionslehrer am Burg-Gymnasium in Essen angetreten. Erst nachdem er 1878 die Staatsprüfung abgelegt hatte, erhielt er eine feste Anstellung für die Fächer Religion, Hebräisch, Geschichte und Geographie. Außerdem durfte er in der Mittelstufe Griechisch unterrichten. 1883 zum Oberlehrer ernannt, strebte Antonius Fischer noch in vorgerücktem Alter eine wissenschaftliche Karriere an. Jedenfalls promovierte er nicht nur 1884 in Tübingen zum Dr. theol.67, sondern bewarb sich auch auf einen Lehrstuhl in Bonn. Anlässlich dieser Bewerbung war Fischer erstmals in den Fokus des Kultusministers Gustav Goßler68 geraten, der das Anliegen abschlägig beschied, da Fischer seiner Meinung nach zum einen wissenschaftlich nicht sehr viel vorzuweisen hatte, zum anderen aber gegen seine Berufung nach Bonn Einspruch von altkatholischen Fakultätstheologen erhoben worden war69. Im November 1888 wurde Dr. Fischer zunächst als Domkapitular nach Köln geholt und dort im Februar 1889 gleichzeitig zum Weihbischof ernannt70. Fischer war in der Vergangenheit mehrfach widersprüchlich beurteilt worden. Einerseits wurde ihm staatlicherseits vorgehalten, Geheimdelegat von Erzbischof Melchers während des Kulturkampfes gewesen zu sein, obgleich er nur als eine Art Subdelegat des eigentlichen Geheimdelegaten Kleinheidt fungiert hatte71. Seine Ernennung zum Weihbischof bedauerte etwa der Kölner Regierungspräsident vor dem Hintergrund, dass Fischer auch weiterhin eine Marionette von Melchers gewesen sei, der von Rom aus über ihn Einfluss auf die Kölner Regierungsgeschäfte sichern wollte. Das alles roch sehr nach einer Verschwörungstheorie, belegt aber gut, inwieweit einst bestehende 65 66 67
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Berlage an Richthofen v. 23.5.1899, ebd. Zu Fischer vgl. Hegel, Fischer, Antonius, in: Gatz, Bischöfe, S. 192–194. Vgl. Antonius Fischer, De salute infidelium. Commentatio ad theologiam apologeticam pertinens, Diss. theol. Tübingen 1886. Die Arbeit ist nicht publiziert. Zu Goßler (1838–1902), 1881–1891 preuß. Kultusminister, anschließend Oberpräsident v. Westpreußen, vgl. Skalweit, Goßler, in: NDB, Bd. 6 (1964), S. 650f. Vgl. Goßler an Bismarck v. 7.12.1888, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2b. Vgl. den Unterabschnitt Weihbischofsernennungen in diesem Kap. Vgl. die Charakterisierung Fischers durch Richthofen v. 3.6.1889, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 15924. Vgl. auch Trippen, Das Domkapitel und die Erzbischofswahlen, S. 261f., der vorsichtig über Fischer und andere Priester von „dem Ruf, Geheimdelegaten des verbannten Erzbischofs gewesen zu sein“, sprach. Vgl. auch ebd., S. 275.
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Verbindungslinien und Kontakte – wie zwischen Fischer und Melchers – sich dauerhaft in den Köpfen der Regierungsbeamten einprägten und durch Konstruktion geheimer Verbindungen nachhaltig stilisiert wurden. Andererseits wurde – beispielsweise seitens des Provinzialschulkollegiums – Antonius Fischers tolerante Haltung in der Schule hervorgehoben, wo er sich immer wieder aufgeschlossen gegenüber Protestanten gezeigt habe. Auch deshalb sei er als Kandidat bei den Bischofswahlen in Münster 1889 und in Osnabrück 1898 nicht von der Liste gestrichen worden. Wenn es seitens des Oberpräsidenten hieß, er sei „zwar zur Leitung einer kleineren Diözese geeignet und befähigt, ob aber seine einfache Persönlichkeit gerade für die so herausragende Kölner Stelle besonders passt, kann bezweifelt werden“72, bezog sich dies eindeutig auf eine Einschätzung des Regierungspräsidenten von Osnabrück. Der hatte den Topos von der mangelnden Eignung des Kölner Weihbischofs anlässlich von dessen Kandidatur in Osnabrück geprägt73. Schon bei seiner ersten Kandidatur in Münster war aber auch darauf hingewiesen worden, dass Fischer jegliche Verwaltungserfahrung fehle. In Paderborn war er 1891 zwar aufgestellt, aber zur minder genehmen Person erklärt worden, weil man ihm nicht so recht die Führung der Diözese zutraute74. Der Kölner Regierungspräsident tat sich angesichts der, wie er sie beschrieb, verschlossenen Art Fischers schwer, eine konkrete Beurteilung seiner Persönlichkeit abzugeben. Einerseits würde er als Erzbischof „unzweifelhaft auf strengere Kirchenzucht halten“75 und vertrete einen „streng kirchlichen und in dieser Richtung etwas engherzigen Standpunkt“. Andererseits sei er dezidiert patriotisch gesinnt. Insgesamt sei „sein Urteil über kirchliche und politische Dinge im Laufe der Zeit jedenfalls ruhiger und milder geworden, so dass er jetzt wohl kaum mehr als ein Mann der äußersten ultramontanen und unversöhnlichen Richtung bezeichnet werden“ könne. Dennoch sprach sich der Regierungspräsident gegen Fischers Kandidatur aus, weil diesem „die unumgänglich notwendige Geschäftsgewandtheit, Charakterfestigkeit und Energie“ fehlten.
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ie hohe Wertschätzung, der sich der Bischof von Münster, Hermann Dingelstad76, bei Leo XIII. erfreute, ist bereits thematisiert worden. Anlässlich seiner Listenplatzierung in Köln charakterisierte ihn der angefragte westfälische Oberpräsident Konrad Studt77 als „eine unselbständige, der mystischen Richtung zugekehrte, in kirchenpolitischen und weltlichen Dingen 72
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Nasse an Kultusministerium v. 8.6.1899, in: GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 IV Sekt. 1a Abt. I. Vgl. das Kap. Osnabrück in diesem Band. Vgl. das Kap. Paderborn in diesem Band. Sydow an Nasse v. 3.6.1899, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 15924. Zu Dingelstads bisherigem Curriculum vitae vgl. das Kap. Münster in diesem Band. Zu Studt (1838–1921) vgl. Schwabe, Oberpräsidenten, S. 304f., Wegmann, S. 338f.
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ganz dem Einflusse seiner Räte zugängliche Persönlichkeit“78. Studt störte sich vornehmlich daran, dass Dingelstad in seinen Entscheidungen wankelmütig sei und die eigentlichen Entscheidungen von seiner dezidiert ultramontanen Entourage im Kapitel gefällt würden. Zudem sei er – wie sich an der Einführung des „Ewigen Gebets“ beispielhaft belegen lasse – zu stark den überirdischen Dingen zugeneigt. Das Abhängigkeitsverhältnis Dingelstads wurde vor allem damit begründet, dass er durch den Einfluss des als schroff ultramontan gekennzeichneten Domkapitulars und Zentrumsabgeordneten im Reichstag Clemens Perger79 in Amt und Würden gekommen sei. Unter Abwägung aller Aspekte plädierte der westfälische Oberpräsident allerdings dafür, Dingelstad auf der Wahlliste zu belassen. Als Grund gab er an, dass Dingelstad persönlich äußerst friedfertig und letztlich ein Opfer seiner Umgebung sei. Was Direktiven aus Rom anginge, habe er diesen – wie jeder andere Bischof auch – Folge zu leisten. Schließlich sei allein die fehlende innere Größe für die Bekleidung eines so bedeutenden Bischofsstuhls wie Köln kein Argument für die Mindergenehmsetzung.
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aul Wilhelm von Keppler80, der zu diesem Zeitpunkt erst ein Jahr als Bischof von Rottenburg amtierte, war im Vorfeld zweimal von Dompropst Berlage in seiner Bischofsstadt aufgesucht worden, um ihn für eine Kandidatur in Köln zu gewinnen. Obwohl sich Keppler bereits im Vorfeld entschieden gegen eine Transferierung gewehrt hatte81, war er nominiert worden. Im Zusammenhang mit seiner Kandidatur in Köln wurde insbesondere seine Eigenschaft als populärer Wissenschaftler und exzellenter Kanzelredner hervorgehoben. Ein entsprechend positives Zeugnis stellte ihm beispielsweise der preußische Gesandte in Baden aus82. Auch der preußische Gesandte in Württemberg konnte trotz der erst kurzen Wirksamkeit Kepplers in Rottenburg diesen streng kirchlich gesinnten Bischof als friedvollen Menschen nur loben. Der preußische Kultusminister zeigte sich überzeugt, dass Keppler „zu den friedfertigen Naturen zu rechnen [sei] … und bestrebt sei, unter möglichster Vermeidung von Misshelligkeiten dem Staate zu geben, was des Staates ist“83. Informationen wurden nicht vom Regierungspräsidenten, sondern direkt aus Berlin auf diplomatischem Weg eingeholt.
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Studt an Bosse v. 29.6.1899, in: GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 IV Sekt. 1a Abt. I. Zu Perger (1816–1910) vgl. das Kap. Münster in diesem Band. Zu Kepplers Lebenslauf vgl. das Kap. Rottenburg in diesem Band. Vgl. Donders, Keppler, S. 80f. In dieser ausführlichen Biographie Kepplers wird der Listenplatz Kepplers nicht eigens erwähnt. Vgl. Eisendecher an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 8.6.1899, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2b. Bosse an Wilhelm II., Entwurf v. Juli 1899, in: GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 IV Sekt. 1a Abt. I.
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ermann Joseph Schmitz, Jahrgang 1841, aus einer ebenso angesehenen wie wohlhabenden Familie eines Kölner Weingroßhändlers stammend, hatte das Marzellen-Gymnasium in seiner Heimatstadt absolviert und anschließend in Bonn und Innsbruck Theologie studiert. In Innsbruck hatte er auch seinen ersten, den theologischen Doktorhut erworben. Nach der 1866 in Köln empfangenen Priesterweihe hatte er zwei Jahre als Kaplan an der deutschen Nationalkirche Santa Maria dell’Anima in Rom gewirkt84 und in dieser Zeit an der Sapienza seine Promotion in Kirchenrecht geschrieben. Nach einer Aushilfstätigkeit in seiner Heimatdiözese hatte Schmitz 1868 eine Kaplanstelle an St. Andreas in Düsseldorf erhalten. Seine ambivalente Bewertung durch die staatlichen Instanzen setzt bereits damit ein, dass er einerseits den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 als Feldgeistlicher mitgemacht und das Eiserne Kreuz II. Klasse erhalten hatte, andererseits aber auch 1872 bei der Gründungsversammlung des „Vereins deutscher Katholiken“ in Mainz als Redner gegen das Jesuitengesetz aufgetreten war. Schmitz, der sich bereits als Kaplan in Düsseldorf als einer der Initiatoren des Augustinus-Vereins zur Förderung der katholischen Presse einen Namen gemacht hatte85, war 1886 als Bewerber um eine Professur für Kirchenrecht in Bonn nicht zum Zuge gekommen86. Im selben Jahr wurde er als Oberpfarrer nach St. Dionysius in Krefeld (28.000 Katholiken) berufen und trat auch dort deutlich öffentlich für Ludwig Windthorst und das Zentrum ein – so etwa durch ein Huldigungsschreiben anlässlich der sog. Septennatswahlen 1887. Wenn der in seinem Auftreten als weltmännisch gekennzeichnete Schmitz 1897 dennoch mit dem Roten-Adler-Orden III. Klasse ausgezeichnet wurde87, spielte hierfür sein Bemühen um Konnex mit der Regierung sowie um Toleranz gegenüber den Protestanten eine Rolle, das anlässlich seiner Kandidatur für den Erzbischofsstuhl allerdings als Opportunismus kritisiert wurde. Schon bei der letzten Charakterisierung der preußischen Domkapitel 1898 war der 1893 zum Domkapitular und im selben Jahr zum Weihbischof ernannte Hermann Joseph Schmitz als „klug und berechnend“88 beurteilt worden. „Maßlosigkeit ist die Haupttriebfeder seines Verhaltens und aller seiner Handlungen. Unzuverlässig im höchsten Grade“, hatte ihm der Oberpräsident damals ins Stammbuch geschrieben, ihm aber attestiert, dass er sich „wahrscheinlich aus Zweckmäßigkeitsrücksichten im Zweifel bei einer Bischofswahl auf die staatsfreundliche Seite stellen“ würde. Ganz anders lautete der Grundtenor des Oberpräsidenten auf eine Anfrage des badischen Staatsministers Nokk über Schmitz 1898. Der Kölner Weih84 85 86 87 88
Vgl. Gatz, Rom als Studienplatz deutscher Kleriker, S. 197. Vgl. Cardauns, Aus dem Leben eines deutschen Redakteurs, S. 107. Vgl. Gutachten, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 15843. Vgl. LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 16055. Charakterisierung des Kölner Metropolitankapitels 1898, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 15992. Hier auch das folg. Zit.
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bischof verfüge nicht allein über einen außergewöhnlichen Arbeitseifer, er habe auch seinen Willen verschiedentlich unter Beweis gestellt, „seinen Einfluss zur Herbeiführung des Friedens zwischen Staat und Kirche geltend zu machen“89. Zwar fand der intransigente Charakterzug von Schmitz durchaus Erwähnung, wurde aber sofort damit abgetan, dass dieser auf Unterstellungen beruhe, die nicht verifizierbar seien. So stellte Nasse dezidiert in Abrede, dass „seine Reden nicht der Ausdruck seiner Überzeugung, sondern in kluger Weise darauf berechnet seien, auf maßgebende Stellen Eindruck zu machen, um ihm den Zugang zu höheren kirchlichen Ämtern zu eröffnen, welche sein Ehrgeiz und eine vielfach zu Tage tretende Eitelkeit ihn erstreben ließen“. Auch bescheinigte er ihm cum grano salis vaterländisch und patriotisch gesinnt zu sein. Die Vermutung liegt nicht ganz fern, dass die preußische Regierung Schmitz gern losgeworden wäre, denn die Anfrage aus Karlsruhe fiel in die Zeit der Sedisvakanz des erzbischöflichen Stuhles in Freiburg. Für den Oberpräsidenten der Rheinprovinz war Schmitz ein Mann, „der von Eitelkeit erfüllt ist und dessen Streben darauf gerichtet ist, unter allen Umständen einen Bischofsstuhl zu erlangen“90. Dass sein Ruf als – „insbesondere bei der Frauenwelt“91, wie der Kultusminister gegenüber dem Kaiser nicht zu erwähnen vergaß – äußerst beliebter, weil sehr umtriebiger und kluger Geistlicher innerkirchlich über die Kölner Bistumsgrenzen hinausreichte, wurde erstmals 1898 so recht deutlich, als Schmitz von einem Limburger Geistlichen dem Heiligen Stuhl als geeigneter Bischof von Limburg vorgeschlagen worden war92, ohne dass dieser Vorschlag nähere Würdigung gefunden hätte. Von Seiten eines Krefelder Laien stammt auch ein recht pathetisch gehaltener Bittbrief an Leo XIII., in welchem dieser „eine mehr als dreizehnjährige Beobachtung seines Lebens und Wirkens“93 geltend machte, um die Verdienste von Schmitz als Seelsorger in Krefeld aufzuzählen und ihn als würdigsten Kandidaten für den erzbischöflichen Stuhl zu preisen, bei dessen Besteigung durch Schmitz „ein Jubelsturm durch die ganze Erzdiözese Köln gehe(n) würde“. So sehr es sich dabei um die individuelle Handlung eines Einzelnen handelte, so bezeichnend steht diese Supplik auch für die Sympathien, derer sich Schmitz in der Erzdiözese erfreute. Der Düsseldorfer Regierungspräsident gestand Schmitz ohne Neid zu, dass er „es meisterhaft verstehe, in seinen gelegentlichen öffentlichen Reden die besondere Friedfertigkeit der katholischen Kirche und ihre Toleranz zum Ausdruck zu bringen“94. Hermann 89 90
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Nasse an Nokk v. 10.1.1898, ebd. Nasse an Kultusministerium v. 8.6.1899, in: GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 IV Sekt. 1a Abt. I. Bosse an Wilhelm II., Entwurf v. Juli 1899, ebd. Vgl. das Kap. Limburg in diesem Band. W. Schaack, Krefeld, an Leo XIII. v. 10.6.1899, in: ASV AES, Anno 1899, pos. 1495, fasc. 792. Hier auch das folg. Zit. So zitiert von Sydows gegenüber Nasse v. 3.6.1899, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 15924.
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Cardauns95, Historiker und leitender Redakteur des Zentrumsorgans „Kölnische Volkszeitung“, vermutete, Schmitz sei unter „allen deutschen Bischöfen des 19. Jahrhunderts … vielleicht das größte Original; kein Denker, kein Gelehrter, aber ein vielseitiger, leicht beweglicher Geist und eine überschäumende Kraftnatur, deren Tatendrang von einer robusten Gesundheit unterstützt wurde“96, gewesen. Schmitz galt als schroff, aufbrausend und äußerst direkt in seinen Worten, was manche vor den Kopf stieß.
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ubert Theophil Simar war nicht nur als Kölner Diözesanpriester, sondern insbesondere als Professor der Katholisch-Theologischen Fakultät in Bonn bei Kapitel und Klerus ein Begriff, auch wenn er bereits acht Jahre als Bischof in Paderborn wirkte. Zudem hatte er sich durch seine publizistische wie wissenschaftliche Tätigkeit als „Mann des Ausgleiches“97 etabliert. Dass Simar in diesem Sinne auch in Paderborn gewirkt hatte, wollte der Oberpräsident von Westfalen daran festmachen, dass die „namentlich bei dem Festmahl am Geburtstage Seiner Majestät des Kaisers und Königs gehaltenen Reden … auch in den letzten Jahren würdig, taktvoll und von loyaler Gesinnung erfüllt gewesen“98 seien. Neben diesem doch reichlich formalen Aspekt der punktuell beobachteten Kaisertreue führte er für Simars engen Konnex mit der Regierung an, dieser sei deren Wünschen nach Versetzung politisch missliebiger Geistlicher gern nachgekommen und habe sich gegenüber Protestanten immer tolerant gezeigt. Vor allem aber sei er den Bitten der polnischen Minderheit im Ruhrgebiet nach polnischer Seelsorge entschieden entgegen getreten und habe keine Wahlempfehlungen zugunsten der katholischen Zentrumspartei abgegeben. Insofern konnte es auch nicht verwundern, dass Simar während seines Paderborner Episkopates mit zwei preußischen Orden, dem Kronenorden II. Klasse (1893) und dem Roten Adlerorden II. Klasse (1898) ausgezeichnet worden war99. Oberpräsident Nasse stellte ihm dann auch gegenüber Wilhelm II. ein überaus positives Urteil aus, indem er Simars Vorzüge detailliert darlegte, die übrigen Kandidaten aber nur kurz ansprach, ohne einen von ihnen als „persona minus grata“ zu bezeichnen, um letztlich zu der Conclusio zu gelangen, „dass der Bischof Dr. Simar vor ihnen den Vorzug verdient“100.
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Zu Cardauns (1847–1925) vgl. Löhr, Hermann Cardauns, in: Aretz u.a. (Hrsg.), Zeitgeschichte in Lebensbildern, Bd. 10 (2001), S. 27–40. Cardauns, Aus dem Leben eines deutschen Redakteurs, S. 128. Franzen, Die Katholisch-Theologische Fakultät Bonn, S. 73. Studt an Nasse v. 24.5.1899, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 15924. Vgl. ebenso das Schreiben Studts an Bosse v. 3.6.1899, in: GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 IV Sekt. 1a Abt. I. Vgl. Schmitz, Simar, S. 62. Nasse an Wilhelm II. v. 25.5.1899, in: GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 IV Sekt. 1a Abt. I.
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In seinem zusammenfassenden Urteil vom 8. Juni 1899 schloss sich Oberpräsident Berthold Nasse lediglich dem Plädoyer des Kölner Regierungspräsidenten an, wenn er in scharfem Ton gegen Schmitz Stellung nahm und für dessen Mindergenehmerklärung plädierte101. Alle anderen Kandidaten hielt er für mehr oder weniger geeignet, wobei das Hauptaugenmerk wie gesagt Simar galt, dem mit gebührendem Abstand Dingelstad und Fischer folgten. Dabei erscheint es schon auffällig, dass Nasse über den Rottenburger Bischof Keppler überhaupt gar kein Urteil fällte. Der Hinweis, dass er ihm nicht bekannt sei, traf natürlich auch auf andere Kandidaten zu und stellt insofern auch kein Argument dar, als gewöhnlich von den zuständigen Behörden detaillierte Informationen eingeholt wurden, was bei Keppler offensichtlich nicht erfolgte. Auffällig erscheint auch die dringende Bitte des Oberpräsidenten, doch wenigstens drei Kandidaten auf der Liste zu belassen, um das Metropolitankapitel nicht zu provozieren, ggf. selbständig weitere Kandidaten zu ergänzen. Der Heilige Stuhl hing zu diesem Zeitpunkt dem Geschehen deutlich hinterher, stützte er sich doch zunächst – wie bereits erwähnt – auf den Baron von Hertling, der ja nur eine fehlerhafte Kandidatenliste gemeldet hatte. Hertling hatte dem Kurienvertreter in München ebenso zu berichten gewusst, dass die Sympathien des Kaisers für Abt Willibrord Benzler OSB von Maria Laach von Klerus und Gläubigen nicht geteilt würden102. Nicotra warnte Rampolla aber auch zugleich davor, dass – wie er von einer vertrauenswürdigen dritten Person erfahren habe – Hertling sich nicht ganz uneigennützig als Vermittler in der Bischofsstuhlbesetzung angeboten habe. Der Zentrumspolitiker sei nämlich ebenso wie Kardinal Kopp ein Verfechter der Kandidatur des Paderborner Bischofs Simar für Köln, obwohl er dies im Gespräch nicht zu erkennen gegeben habe. Kardinalstaatssekretär Rampolla äußerte deutliches Interesse an Auskünften über die Listenzusammenstellung in Köln und berichtete nach München, dass der Papst insbesondere mit Freude („con piacere“) die Kandidatur von Hermann Dingelstad zur Kenntnis genommen habe103. Gleichzeitig habe sich Leo XIII. aber realistisch hinsichtlich von Einwirkungsmöglichkeiten des Heiligen Stuhles gezeigt, die es nicht geben dürfe, weil dadurch das freie Kapitelswahlrecht beschnitten würde. Erst Mitte Juni 1899 hatte der Nuntiaturverwalter in München, Sebastiano Nicotra, die genaue Zusammensetzung der Wahlliste in Erfahrung bringen können104. Seine Gewährsleute waren Weihbischof Hermann Joseph Schmitz 101 102
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Vgl. Nasse an Kultusministerium v. 8.6.1899, ebd. Zur nostalgischen Verbundenheit des Kaisers mit den Benediktinern, insbesondere mit deren Kloster Maria Laach, vgl. Hoffmann, Kaiser Wilhelm II. und der Benediktinerorden, in: ZKG, Bd. 106 (1995), S. 363–384. Vgl. Rampolla an Nicotra v. 12.6.1899, in: ASV ANM, busta 190. Vgl. Nicotra an Rampolla v. 16.6.1899, in: ASV AES Anno 1899, pos. 1495, fasc. 792; Entwurf in: ASV ANM, busta 190. Hier ist von “Filippo Principe d’Arenberg“ die Rede.
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und der am kaiserlichen Hof in Berlin verkehrende katholische Prinz Franz von Arenberg. Schmitz war es dabei augenscheinlich sehr peinlich, dass das Metropolitankapitel seinem Vorschlag, die Wahlliste nach ihrer Verabschiedung auch der Nuntiatur einzureichen, nicht gefolgt war105. Gleichzeitig nutzte er die Gelegenheit des Kontakts mit dem päpstlichen Vertreter in München dazu, um darauf aufmerksam zu machen, dass der Paderborner Bischof Simar allein auf staatlichen Druck hin in die Liste aufgenommen worden sei. Selbst wenn man berücksichtigt, dass Schmitz durch Weitergabe dieses Internums der Verärgerung über seine auf diese Weise gesunkenen eigenen Chancen auf Erlangung des erzbischöflichen Stuhles Luft machen wollte, erscheint es doch wichtiger, dass so die Sensibilität Nicotras für eventuelle Missstände bei der Wahl geweckt wurde. Angesichts des ihm vom Prinzen Arenberg detailliert zugetragenen Streits innerhalb des Staatsministeriums wagte Nicotra die Prognose, dass sich verschiedene Fraktionen gegenseitig blockieren würden und eine Wahl gar nicht stattfinden könnte. Genauer gesagt, würde Bosse Simar, Reichskanzler Hohenlohe-Schillingsfürst Schmitz und der Kaiser nach wie vor den vom Kapitel allerdings gar nicht mit einem Listenplatz gewürdigten Maria Laacher Abt Benzler bevorzugen. Bei Schmitz sei das Problem, dass er keinen großen Rückhalt im Kapitel besitze, weil er gegen dessen Mehrheitswillen in das Wahlgremium aufgenommen worden sei. Wie wichtig die Staatsbehörden eine mögliche Kandidatur von Benzler nahmen, belegt eine vom Oberpräsidenten in Koblenz beim zuständigen Landrat in Mayen in Auftrag gegebene Charakterisierung des Benediktinerabtes. Letzterem schien es ein Rätsel zu sein, wie dieser „sowohl auf dem Parquet, bei der Tafel wie auch in der Zelle sich als sicherer, gewandter Mann von Taktgefühl“106 präsentierende Mönch „die kaiserliche Gnade in besonders huldvoller Form auf seine Person“ zu lenken vermochte. Allein die Tatsache, dass Benzler sein Theologiestudium an der von Jesuiten geführten Fakultät in Innsbruck absolviert habe, deutete für den Berichterstatter auf eine intransigente Haltung hin. Auffällig erscheint, dass der Landrat objektive Gründe für eine Mindergenehmheit des Benediktinerabtes nicht zu nennen vermochte. Statt dessen hob er auf die mangelnde Eignung eines in der Abgeschlossenheit einer Mönchszelle lebenden Benediktiners für die Leitung der wichtigsten Diözese Preußens ab, legte aber zugleich auch dar, dass Klerus und Gläubige die Wahl Benzlers aufgrund seiner Beliebtheit sicherlich begrüßen würden. Und noch in den folgenden Monaten beschäftigte die Personalie des Abtes die Behörden, beispielsweise hinsichtlich der Frage, ob er angesichts seiner wäh-
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Gemeint ist aber sicherlich nicht der gleichnamige Eichstätter Domkapitular, sondern der MdR Franz von Arenberg. Vgl. Schmitz an Nicotra v. 15.6.1899, in: ASV ANM, busta 190. Landrat in Mayen an Nasse v. 5.6.1899, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 15924. Hier auch das folg. Zit.
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rend des Kulturkampfes erfolgten Ausreise nach Österreich noch preußischer Staatsbürger sei107. Am 4. Juli 1899 fragte Oberpräsident Studt aus Münster beim Kultusminister an, ob die Zeitungsberichte wahr seien, denen zufolge die Regierung das Domkapitel umgehe und direkt mit der Kurie einen Bischofskandidaten aushandeln würde108. Wenn Studt darauf hinwies, dass in der westfälischen Bevölkerung eine große Spannung herrsche, weil beide Bischöfe der Provinz auf der Liste stünden, warnte er indirekt vor einer Torpedierung des Kapitelswahlrechts. Kardinal Kopp bemühte sich in diesem Kontext, den Interimsverwalter der Nuntiatur in München davon zu überzeugen, dass sowohl die Regierung als auch der Kaiser keineswegs eine Aufhebung des Kapitelswahlrechts bezwecken würden109. Für Kultusminister Robert Bosse waren Dingelstad und Schmitz klar zu streichen. Erstgenannter mache in Münster eine schwache Figur, sein Wunsch nach Versöhnung zwischen Staat und Kirche sei nur ein Lippenbekenntnis. Er müsse beanstandet werden, „auch wenn der Papst durch die Ablehnung … nicht eben angenehm berührt sein wird“110. Schmitz werde – so musste er zugeben – möglicherweise zu Unrecht verdächtigt, nicht ganz staatsloyal zu sein. Entscheidend war aber seine Doppelzüngigkeit, einerseits staatlichen Interessen nach dem Mund zu reden, andererseits aber nicht entsprechend zu handeln. Außerdem sei auch Kardinal Kopp entschieden gegen seine Kandidatur. Auf diese Weise könne der kirchlichen Forderung nach einer Dreierliste, die nach seiner Ansicht keineswegs zwingend vorgegeben war, Genüge geleistet werden. Kaiser Wilhelm II., dem der Kultusminister die Sache in einem 65 Seiten (sic!) umfassenden Bericht bis ins kleinste Detail erläuterte111, sprach sich dafür aus, nur die Bischöfe Keppler und Simar für gratissima zu erklären, allenfalls noch Fischer, um die Terna zu ermöglichen. Dingelstad war ihm von Bosse trotz der Sympathien, welche der Oberpräsident für ihn ausgedrückt hatte, recht ausgiebig negativ geschildert worden. Dem Kölner Weihbischof Fischer war auch der Kultusminister nicht ablehnend gegenüber eingestellt, obgleich er einwandte, dass dieser für die Verwaltungsarbeit ungeeignet sei. Relevant für seine Beurteilung erschien Goßler auch seine bereits dreimalige Listenkandidatur in Münster, Paderborn und Osnabrück, wobei Fischer nur in Paderborn 107
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Vgl. Regierungspräsident v. Hövel, Koblenz, an Nasse v. 4.10.1899, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 15924. Demnach hatte Benzler nach seiner Rückkehr 1887 erneut die preußische Staatsangehörigkeit beantragt. Vgl. Studt an Bosse v. 4.7.1899, in: GStA PK, Berlin, I. HA Rep. 76 IV Sekt. 1a. Abt. I. Vgl. Nicotra an Rampolla v. 31.7.1899, in: ASV AES Anno 1899, pos. 1495, fasc. 792. Entwurf des Berichts von Bosse an Wilhelm II. v. Juli 1899, in: GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 IV Sekt. 1a Abt. I. Vgl. ebd.
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beanstandet worden war. Im Kultusministerium wurde jedenfalls ernsthaft die Frage eruiert, ob nicht zwei auf der Liste zu belassende Kandidaten für die Wahl genügen würden. Dass einer von ihnen, nämlich Paul Wilhelm Keppler, nicht einmal preußischer Staatsangehöriger war, interessierte in diesem Fall auf einmal gar nicht mehr. Weil er schließlich auch Reichsangehöriger sei, erweise er sich genauso geeignet wie preußische Staatsbürger112. Kurz, mit Genehmigung des Monarchen war auch er, so sahen es die Bestimmungen ja vor, als Bischof wählbar. Bestärkung erhielt Bosse durch den badischen Gesandten in Berlin Eugen von Jagemann, der ihm durch den Hinweis den Rücken stärkte, dass ihm gegenüber Kardinalstaatssekretär Rampolla im Vorfeld der Freiburger Erzbischofswahl 1898 einen solchen Fall für zulässig erklärt habe113. Als Kultusminister Bosse die Kölner Wahlfrage auf der Sitzung des Staatsministerium am 10. Juli 1899 zur Sprache brachte, kritisierte er, das Kapitel habe „in etwas überstürzter Art … fünf Kandidaten nominiert“114. Für den schleppenden Fortgang der Angelegenheit machte er Erkrankungen des Oberpräsidenten Nasse wie ebenso des Regierungspräsidenten von Richthofen geltend. Die Wahl sei so kompliziert, weil „namentlich in dem Kölner Domkapitel … die Verhältnisse zur Zeit so verworren [seien], dass sich der Ausfall der Wahl gar nicht vorhersehen lasse“115. Ausführlich diskutiert wurde die Frage nach den vorzunehmenden Streichungen, wobei nur Einigkeit dahingehend erzielt wurde, dass nicht alle fünf Kandidaten angenommen werden könnten. Aber ob beispielsweise Schmitz weniger gefährlich sei als Fischer, darüber schieden sich die Geister. Insbesondere herrschte keine Einigkeit über die Frage, ob, um in der Zentrumspresse sich artikulierenden Protesten gegen eine zu starke staatliche Einwirkung auf die Wahl Einhalt zu gebieten, nicht vielleicht doch auf Streichungen verzichtet werden sollte. Reichskanzler von HohenloheSchillingsfürst war jedoch in seiner Funktion als Minister der Auswärtigen Angelegenheiten „unter gar keinen Umständen“116 bereit, Dingelstad durchkommen zu lassen. „Unter gar keinen Umständen“: Das notierte er an den Rand eines Schreibens des Vatikangesandten von Rotenhan, der aus Rom berichtete, er habe aus Kölner Kapitelskreisen erfahren, dass Dingelstads Wahl schon jetzt gesichert sei, wenn er nur auf der Liste verbleibe. Ausschlaggebend für dieses unmissverständliche Plädoyer wird nicht zuletzt die Meldung Rotenhans gewesen sein, derzufolge „die Jesuiten und ihr Kardinal Steinhuber 112 113
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Vgl. Bosse an Wilhelm II., Entwurf v. Juli 1899, ebd. Vgl. Aktennotiz Bosses v. 27.6.1899, in: ebd. Zu Jagemann vgl. das Kap. Freiburg in diesem Band. Protokoll der Sitzung des Staatsministeriums v. 10.7.1899, in: GStA PK Berlin III. HA, kath. Kirche Nr. 7, Nr. 1379. Bosse auf der Sitzung des Staatsministeriums v. 10.7.1899, ebd. Notiz v. Hohenlohe-Schillingsfürst auf einem Schreiben Rotenhans an ihn v. 10.6.1899, in: GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 IV Sekt. 1a Abt. I.
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für Bischof Dingelstad mit aller Macht arbeiten“117. Das Problem lag in der Furcht der Regierung vor Protesten der Kurie sowie der Zentrumspartei, sobald nur eine Zweierliste nach Köln zurückgegeben würde. Wie Hohenlohe-Schillingsfürst seinem Tagebuch anvertraute, habe Kultusminister Bosse bei der ersten Beratung der Liste vor dem Staatsministerium in seiner Abwesenheit mit Rücksicht auf das Zentrum gefordert, möglichst wenige der fünf Listenkandidaten zu streichen. Weil er selbst mit diesem Vorgehen nicht einverstanden war, forderte er daraufhin eine erneute Behandlung dieses Punktes in seiner Anwesenheit. Ganz deutlich zeigte sich hier der Einfluss von Kraus auf den Reichskanzler. Wenn Hohenlohe zudem ultimative Schreiben, wie etwa aus der Feder des Münchner Benediktinerpaters und Kraus-Freundes Odilo Rottmanner OSB118 erhielt, die in der Diktion von Kraus das „ultramontan-demokratische Element“ beklagten, das sich in den letzten beiden Episkopaten in Köln eingeschlichen habe, dann wurde er zunehmend unter Druck gesetzt, für eine ganz neue Linie in Köln Sorge zu tragen. Dagegen wandte sich der Staatssekretär im Auswärtigen Amt Bernhard von Bülow119 „aus politischen Gründen“ deutlich gegen eine Streichung von Listenkandidaten120. Bülow war, wie der Nuntiaturverwalter Nicotra dem Kardinalstaatssekretär nach Rom zu berichten wusste, eng mit dem Prinzen Franz von Arenberg befreundet121, jenem bereits erwähnten Informanten der Kurie in der Reichshauptstadt. Deshalb ist nicht von der Hand zu weisen, dass möglicherweise Arenberg Bülow zu diesem Schritt gedrängt hatte. Bischof Dingelstad habe einerseits genügend Beweise seiner patriotischen Gesinnung gegeben. Andererseits sei zu bedenken, dass Papst Leo XIII. seine Beanstandung als Affront auffassen würde. Nachdem Weihbischof Schmitz eine Amputation des rechten Beins über sich habe ergehen lassen müssen, komme er ohnehin nicht mehr ernsthaft als neuer Erzbischof in Frage, weshalb man ihn auf der Liste als Zählkandidaten stehen lassen könne. Diese Intervention zeigt nicht nur die Uneinigkeit der Regierungsstellen, sondern gibt zudem auch ein 117
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Rotenhan an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 10.6.1899, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 15924. Zu Rottmanner (1841–1907), Benediktiner in St. Bonifaz in München, 1892 Dr. theol., Augustinus-Forscher, der bei Kraus, Tagebücher, S. 404 u. 433, als dessen Freund Erwähnung findet, vgl. Reinhardt, Rottmanner, in: LThK2, Bd. 9 (1964), Sp. 72; u. ausführlich Weiß, Der Modernismus in Deutschland, S. 151–169. Zu Bülow (1849–1929), 1897–1900 Staatssekretär im Auswärtigen Amt, später 1900–1909 Reichskanzler u. preußischer Ministerpräsident, vgl. Zimmermann, Bülow, in: NDB, Bd. 2 (1955), S. 729–732. Vgl. Bülow an Bosse v. 29.7.1899, in: GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 IV Sekt. 1a Abt. I. „Il Principe d´Arenberg … ha una grande influenza sul Governo per la sua intima amicitia col Conte de Bülow, Ministeri degli Esteri, …“ Nicotra an Rampolla v. 10.9.1899, in: ASV AES Anno 1899, pos. 1495, fasc. 792.
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beredtes Zeugnis von der Willkürlichkeit der Gewichtung von Bischofskandidaten als personae gratae oder non gratae. Inzwischen hatte sogar Dompropst Franz Karl Berlage Verbindung mit der Nuntiatur in München gesucht, weil er angesichts des herannahenden Endes der Dreimonatsfrist zunehmend befürchtete, die Regierung werde diese verstreichen lassen, um einen Grund zum Übergehen der Domherren zu erhalten122. Der Interimsverwalter der Nuntiatur wandte sich daraufhin vertraulich an Kopp, den er bat, seinen großen Einfluss bei der Regierung dazu zu benutzen, ein befürchtetes Platzen der Liste unbedingt zu verhindern123. Der Heilige Stuhl bzw. der Papst selbst würden sich deshalb nicht direkt einmischen, weil sie jeden Anschein vermeiden wollten, die freie Wahl des Metropolitankapitels in Frage zu stellen. Dass der Breslauer Fürstbischof genau in die Vorgänge eingeweiht und über die Absichten der Regierung exzellent informiert war, geht aus seiner postwendenden Antwort hervor. Kopp brauchte sich gar nicht erst in Berlin zu erkundigen, er war sich sicher, dass „le gouvernement prussien n’a point de désir de priver le Chapitre du droit d’élection et Sa Majesté l’Empereur n’aime pas du tout a empêcher le Chapitre de proceder a l’élection canonique“124. Wenn Nicotra in diesem Kontext erstmals direkte Fühlung mit dem Metropolitankapitel aufnahm und darum bat, der Form halber eine Verlängerung der kanonischen Wahlfrist beim Heiligen Vater zu beantragen, was dann auch erfolgte, trat er somit eher in seiner Rolle als Vermittler auf und nicht als Parteigänger des Papstes125. Einen Wendepunkt in den Personalauseinandersetzungen stellte der überraschende Tod von Weihbischof Schmitz am 21. August 1899 dar, den die katholische Presse als „durchaus originell in Wort und Handeln, impulsiv, geistig beweglich, ein echtes Kölner Kind im guten Sinne des Wortes“126 würdigte. Für Nuntiaturverweser Nicotra stellte sich die Situation nunmehr so dar, als wenn jetzt die Kapitelsmehrheit für den Rottenburger Bischof Keppler stimmen würde127. Auch Rampolla zeigte sich davon überzeugt, dass Keppler der geeignete neue Erzbischof sei und hoffte, dass die Regierung nichts gegen ihn einwenden würde128. Doch wenige Wochen später wusste man auch in Rom, dass Keppler sich vehement gegen seine Wahl sträubte, weil er meinte, als Württemberger 122
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Vgl. Berlage an Nuntiatur v. 22.7.1899, ebd., u. Entwurf des Schreibens v. Nicotra an Rampolla v. 25.7.1899, in: ASV ANM, busta 190. Vgl. Nicotra an Kopp v. 28.7.1899, ebd. Kopp an Nicotra v. 29.7.1899, ebd. Trippen, Das Domkapitel und die Erzbischofswahlen, S. 310, geht in Unkenntnis der vatikanischen Akten davon aus, dass mit diesem Briefwechsel die Beschäftigung mit der Wahlfrage in Nuntiatur und Kurie erst begonnen habe. Vgl. Nachruf, in: Kölnische Volkszeitung v. 22.8.1899, Erstes Blatt. Vgl. Nicotra an Rampolla v. 22.8.1899, in: ASV AES Anno 1899, pos. 1495, fasc. 792. Vgl. Rampolla an Nicotra v. 26.8.1899, in: ASV ANM, busta 190.
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im Rheinland nicht akzeptiert zu werden und zudem nicht als Kompromisskandidat zum Zuge kommen wollte129. Dennoch machte Prinz Arenberg in der Nuntiatur keinen Hehl daraus, dass „je serais heureux si la candidature de cet éminent prélat pouvait rencontrer les suffrages du Chapitre“130. Nicotra schien auf jeden Fall sehr enttäuscht darüber, dass auch diese Alternative sich zerschlagen hatte, wie er auch aus dem Wechsel an der Spitze des Kultusministeriums, wo der Oberpräsident von Westfalen, Konrad Studt, Anfang September 1899 an die Stelle von Robert Bosse getreten war, nur eine Verzögerung der Kölner Wahlangelegenheit befürchtete. Die pessimistischen Nachrichten aus München veranlassten den Kardinalstaatssekretär zum raschen Handeln. Er wies Nicotra umgehend an, beim preußischen Gesandten in Bayern, Graf Monts, den Namen des Trierer Bischofs Michael Felix Korum ins Spiel zu bringen131. Korum musste seitens der Kurie aufgrund seiner streng kirchlichen Haltung ein wünschenswerter Kandidat für einen so bedeutsamen Bischofsstuhl wie Köln sein. Jedoch schienen dem Heiligen Stuhl seine Chancen, von der Regierung akzeptiert zu werden, lange Zeit äußerst gering. Gerade jetzt wollte Rampolla von dritter Seite zugetragen bekommen haben, dass sich die staatliche Abneigung gegen Korum deutlich vermindert habe132. Letztlich war dieser Demarche aber dennoch kein Erfolg beschieden, da der eingeschaltete preußische Gesandte in München Schwierigkeiten darin sah, Korum als Nachrücker für den verstorbenen Weihbischof Schmitz auf die Liste zu bringen, zumal der Bischof von Trier einer der intransigentesten Prälaten in ganz Deutschland sei. Gegen seine Kandidatur in Köln spreche außerdem auch seine geringe Akzeptanz beim Großteil der preußischen Bischöfe, insbesondere aber bei Kardinal Kopp. Prinz Arenberg, den Nicotra ebenfalls für eine Kandidatur Korums einzunehmen versucht hatte133, bekräftigte dann nach Rückgabe der Liste an das Metropolitankapitel noch einmal gegenüber Nicotra, dass Korum seiner Einschätzung nach keine Chance gehabt hätte, gewählt zu werden, selbst wenn die Regierung ihr Plazet zu seiner nachträglichen Kandidatur gegeben hätte134. Das Staatsministerium hatte die Lösung der Kölner Probleme als so dringlich erachtet, dass es sie bei seiner Sitzung am 15. August 1899 erneut auf die Tagesordnung setzte, obwohl der Kultusminister abwesend war. Dessen Stellvertreter stellte als neuen Aspekt eine Kompensierung der Reduzierung auf zwei Wahlkandidaten durch Zusage der Erhebung Aachens zum eigenen Bistum vor135. 129 130 131
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Vgl. Nicotra an Rampolla v. 5.9.1899, in: ASV AES, Anno 1899, pos. 1495, fasc. 792. Arenberg an Nicotra v. 11.9.1899, ebd. Vgl. Rampolla an Nicotra v. 7.9.1899, in: ASV ANM, busta 190, u. Bericht Nicotras v. 10.9.1899, in: ASV AES Anno 1899, pos. 1495, fasc. 792. Vgl. Rampolla an Nicotra v. 7.9.1899, in: ASV ANM, busta 190. Vgl. Nicotra an Arenberg v. 9.9.1899 u. dessen Antwort v. 11.9.1899, in: ASV ANM, busta 190. Vgl. Arenberg an Nicotra v. 11.9.1899, in: ASV AES, Anno 1899, pos. 1495, fasc. 792. Vgl. Protokoll der Sitzung des Staatsministeriums v. 15.8.1899, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2b.
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Als das Staatsministerium am 9. September 1899 erneut und nunmehr vollständig zusammentrat, konnte der ausstehende Konsens schon deshalb erzielt werden, weil Schmitz mittlerweile verstorben war und der neue Kultusminister Studt noch einmal energisch darauf hingewiesen hatte, dass Dingelstad eine „Marionette in den Händen der mit Rom eng zusammenhängenden westfälischen Katholikenführer, des Weihbischofs Graf von Galen, des Domkapitulars Perger, usw.“136 sei. Insofern wurde eine Dreierliste aus Simar, Keppler und Fischer sanktioniert. Wie sehr man aber fürchtete, Simar könne nicht gewählt werden, belegt der an den Wahlkommissar weitergereichte Beschluss, dieser möge auf alle Domherren dahingehend mündlich einwirken, dass diese ihre Stimme an Simar zu geben hätten, was Richthofen auch getreu in die Tat umsetzte. Weil in einer Bischofswahlfrage letztlich nichts so recht geheim blieb, machte sich die Regierung mit diesem Handeln deutlich angreifbar. Dabei ist der Vorwurf der Erpressung wohl zu hoch gegriffen, zumal anzunehmen ist, dass Simar wohl „auch ohne die massiven Beeinflussungsversuche des königlichen Wahlkommissars auf einzelne Domkapitulare“137 die Wahl für sich entschieden hätte. Hartnäckig hielten sich in der Öffentlichkeit Gerüchte, die Liste würde in Berlin kassiert, eine Rückgabe an das Kapitel sei nicht vorgesehen, somit also das Kapitelswahlrecht auch nicht auszuüben. Franz von Arenberg versicherte Ende Juni 1899 Nicotra, dass er denke, die Entscheidung bei Hofe werde bald fallen, nachdem die Überprüfung der Kandidaten sehr lange Zeit in Anspruch genommen habe138. Einen Monat später warb auch Kardinal Kopp bei Nicotra um Verständnis für die lange Wartezeit bis zur Wahl139. Er versicherte, dass es der preußischen Regierung nicht darum gehe, das Metropolitankapitel seines Wahlrechtes zu berauben. Die Rückgabe der Liste an die Domherren sei nur noch eine Frage der Zeit. Und wenn jetzt bereits deutlich werde, dass Bischof Dingelstad von Münster nicht das Vertrauen des Staates besitze, dann liege dies allein daran, dass man ihn in Berlin nicht für fähig halte, eine so große Diözese wie Köln zu leiten. Dem Nuntius musste ein Schreiben dieses Inhalts merkwürdig anmuten, zeigte sich der Breslauer Fürstbischof doch als williger Unterstützer der Staatsinteressen, indem er diese nicht nur vor möglicher vatikanischer Kritik in Schutz nahm, sondern auch als intimer Kenner der Streichungspläne, weil ihm die Mindergenehmheit Dingelstads vorab bekannt war. Wenn Kopp die staatliche Argumentation von der mangelnden geistigen Fähigkeit des studierten geistlichen Gymnasiallehrers Dingelstad zur Führung der Erzdiözese Köln bereitwillig aufgriff, trug er mit zur Verschleierungstak136
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Protokoll der Sitzung des Staatsministeriums v. 9.9.1899, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 5101, III. HA kath. Kirche Nr. 7, Nr. 1379. So Trippen, Der Bischof im Zeitalter der Industrialisierung, S. 402. Arenberg an Nuntius v. 30.6.1899, in: ASV ANM, busta 190. Vgl. Kopp an Nuntius v,. 29.7.1899, ebd.
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tik des Staates bei, der – wie Kopp sicherlich sehr wohl durchschaut hatte – den Bischof von Münster aufgrund seiner klar ultramontanen kirchenpolitischen Position keinesfalls in Köln sehen wollte. Nuntiaturverwalter Nicotra zumindest hatte schon Mitte Juni dem Kardinalstaatssekretär mitgeteilt, dass diejenigen Kräfte, die Simars Kandidatur beförderten, gleichzeitig bemüht seien, Dingelstad schlecht zu machen. Nicotra hob Dingelstads „qualita eminenti“140 hervor, erklärte die Aversion gegen Dingelstad aber zugleich damit, dass er Westfale sei und daher über einen „carattere duro, freddo e tutto differente dalla vivacita e flessibilita di carattere degli abitanti del Rheno“ verfüge. Abgesehen von der bereits erwähnten Tatsache, dass Dingelstad von Herkunft Niederrheiner war und keineswegs Westfale, griff die holzschnittartige Charakteristik sicher auch ein wenig zu kurz. Vor allem aber lag in den Mentalitätsunterschieden zwischen Rheinland und Westfalen ja keineswegs der wahre Ablehnungsgrund von Hermann Dingelstad. Als die Terna am 9. Oktober 1899 nach Köln zurückgegeben wurde141, hatte es Regierungspräsident Hugo von Richthofen schon insofern leicht, die Kapitelsmitglieder auf Bischof Simar einzuschwören, weil Paul Wilhelm Keppler so vehement gegen seine eigene Wahl Stellung bezogen hatte und Weihbischof Fischer als dritter Kandidat bekanntlich über einige Defizite im Auftreten verfügte und zudem wohl überzeugt werden konnte, seine eigenen Ambitionen – wenn auch nicht öffentlich, so doch unter der Hand – zurückzustellen. Der Staatsfavorit Hubert Simar hingegen war als Kölner Diözesanpriester den Domherren ebenso vertraut wie er als langjähriger Professor an der Bonner Katholisch-Theologischen Fakultät auch der Ausbilder der meisten von ihnen gewesen war142. Insofern traf bei der Wahl der glückliche Umstand zu, dass die staatliche persona grata auch eine kirchliche persona grata war. Entsprechend verlief die Wahl selbst, bei der auf Simar 11, auf Fischer drei Stimmen entfielen, während ein leerer 15. Stimmzettel, wie Norbert Trippen vermutet, von Fischer stammen könnte143. Die Wahl zog eine Vielzahl an Presseberichten nach sich, obgleich der rheinische Oberpräsident im Vorfeld darauf hingewiesen hatte, dass die Namen der genehmen Kandidaten besser mündlich dem Dompropst mitzuteilen seien, weil er meinte, „auf diese Weise würde vielleicht ein Bekanntwerden der Entscheidung und der sich daran anknüpfenden Erörterungen in der 140
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Nuntius an Rampolla v. 16.6.1899, in: ASV AES, Anno 1899, pos. 1495, fasc. 792. Hier auch das folg. Zit. Vgl. Richthofen an Metropolitankapitel, in: Historisches Archiv des Erzbistums Köln, Metropolitankapitel A III 4. Vgl. Franzen, Die Katholisch-Theologische Fakultät Bonn, S. 72–74. Vgl. Protokoll der Bischofswahl v. 23.10.1899, in: Historisches Archiv des Erzbistums Köln, Metropolitankapitel A III 4, sowie Trippen, Das Domkapitel und die Erzbischofswahlen, S. 326.
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Presse vermieden werden“144. Über den zum Wahltag auserkorenen 23. Oktober 1899 erfuhr die Nuntiatur in München nur über ihre Kontakte zu Arenberg. Allerdings erfüllte sowohl Dompropst Berlage als auch Kapitularvikar Kreutzwald das Nicotra gegebene Versprechen, den Wahlausgang umgehend telegraphisch nach München zu melden145. Nicotra fühlte sich angesichts des Ergebnisses nur in seiner Vorahnung bestätigt, dass das Kapitel sich zum willigen Helfer der Wünsche der Regierung gemacht habe. Simars Wahl sei ein abgekartetes Spiel und letztlich eine Farce gewesen, hielt er sich gegenüber Rampolla mit seiner Negativeinschätzung nicht zurück146. Unter anderem kritisierte er die seines Erachtens unrühmliche Haltung Hertlings, der, wo er nur konnte, Simar protegiert habe, sowie die Haltung der Presse, die unabhängig von der Couleur lange Elogen auf Simar publiziert habe und so die öffentliche Erwartungshaltung beeinflusst habe. Doch die zwischen den Zeilen deutlich erkennbare Intention des Interimsverwalters der Nuntiatur, den Heiligen Stuhl zu einer Intervention gegen die Wahl Simars zu bewegen, stieß in Rom auf wenig Gegenliebe. Der Heilige Vater könne schlecht auf bloße Verdachtsmomente und schriftliche Äußerungen hin eingreifen. Dahinter stand letztlich ein bewusstes Ignorieren von Unregelmäßigkeiten, das auch als Dissimulieren bezeichnet wird, um keine diplomatischen Schwierigkeiten mit Preußen hervorzurufen. Dass Simar offiziell nicht hätte gewählt, sondern nur postuliert werden dürfen, weil er ja bereits Bischof einer Diözese war, wurde wohl zu recht als kanonistische Spitzfindigkeit abgetan147. Aber der umtriebige Nicotra hatte mittlerweile im Wahlregulativ des Metropolitankapitels eine definitiv belegbare Schwachstelle gefunden148. Demnach hatte laut dem aktuellen Kölner Regulativ der königliche Wahlkommissar nach erfolgter Wahl die Erlaubnis zur Promulgation, also zur öffentlichen Bekanntgabe des Namens des Gewählten, zu erteilen. So war es in der in der Presse veröffentlichten Wahlordnung zu lesen149 und so wurde es auch letztlich durchgeführt. Wenn Nicotra also mit Akribie Unregelmäßigkeiten bei der Kölner Erzbischofswahl nachging und eine im Vergleich zu den regulären Münchner Nuntien vor und nach ihm vehemente streng kirchliche Linie vertrat, ist dies allein vor dem 144
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Nasse an Kultusministerium v. 8.6.1899, in: GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 IV Sekt. 1a Abt. I. Vgl. Telegramme über die Wahl Simars v. Berlage und Kreutzwald an Nicotra v. 24.10.1899, in: ASV ANM, busta 190. Nicotra an Rampolla v. 26.10.1899, ebd. Vgl. zum Folgenden auch die Antwort Rampollas v. 30.10.1899, ebd. Trippen, Das Domkapitel und die Erzbischofswahlen, S. 332, geht hier fehl in der Annahme, dass Nicotra „die Vorzüge Simars für den Kölner Stuhl herausgestellt“ habe. Die von ihm zitierte positive Einschätzung Simars v. 11.11.1900 stammt vom neuen Nuntius Sambucetti. Vgl. Rotenhan an Auswärtiges Amt v. 28.11.1899, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2b. Vgl. Nicotra an Rampolla v. 20.10. u. 19.11.1899, in: ASV ANM, busta 190. Vgl. Ordnung zur Wahl eines Erzbischofs von Köln, in: Kölnische Volkszeitung v. 17.10.1899, Abendausgabe.
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Hintergrund, dass er ja nur als Interimsverwalter installiert war, durchaus sehr bemerkenswert. Nicht zuletzt deshalb wurde ihm in einem anderen Zusammenhang staatlicherseits vorgeworfen, dass er sich „ebenso sehr als politischer Agitator wie als päpstlicher Diplomat geriert“150. Nachdem die Nuntiatur in Rom genauestens über den Ablauf des Wahlaktes Bericht erstattet hatte151, wobei die hierzu erschienenen Zeitungsberichte als Quelle dienten, wurde binnen acht Tagen bereits der kanonische Prozess für den neu erwählten Erzbischof eingeleitet. Wie fern man in der päpstlichen diplomatischen Vertretung in München allerdings den Geschehnissen in Köln stand, wird daran deutlich, dass die Probleme, welche der erwählte Bischof bereitete, dort gar nicht wahrgenommen wurden. Bischof Simar zögerte nämlich, die Wahl auch anzunehmen, weil er sich den Aufgaben in Köln nicht gewachsen fühle. Seinem Freund und Protegé Georg von Hertling hatte er schon im Vorfeld anvertraut, dass für ihn ein gravierendes Hindernis die gleichberechtigte Tätigkeit altkatholischer Professoren an der KatholischTheologischen Fakultät in Bonn darstelle152. Trotz flehentlicher Bitten seitens des Kölner Kapitels um Zusage – man befürchtete wohl zu Recht in der rheinischen Bischofsstadt einen Eklat – , ließ sich Simar lange bitten. Er wollte die Entscheidung dem Papst überlassen, dessen Willen allein er bereit war, sich zu beugen. Währenddessen hatte der beunruhigte Kultusminister Studt bereits Zugeständnisse in Aussicht gestellt, wenn er bekräftigte, an der seit Ende des Kulturkampfes geübten Praxis, nur römisch-katholische Theologen zu berufen, festhalten zu wollen. Das war nicht mehr als die Erhaltung des status quo, weshalb Norbert Trippen zu Recht andere Ursachen in Simars Zögern, nach Köln zu wechseln, vermutet153. Möglicherweise wollte der Paderborner Bischof ein deutliches Plazet des Papstes hören, um den potenziellen Vorwurf zu entkräften, er sei als Marionette der Regierung durch eine Scheinwahl auf den Kölner Erzstuhl gelangt. Andererseits musste es Kardinalstaatssekretär Rampolla durchaus verwundern, dass Simar in seiner Gewissensnot überhaupt keine Abstimmung mit dem Heiligen Stuhl gesucht hatte154. Am 1. Dezember 1899 teilte Nicotra auf Anweisung des Kardinalstaatssekretärs Simar mit, dass Leo XIII. auf seiner Transferierung von Paderborn nach Köln 150
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So der bayerische Ministerpräsident Crailsheim an den bayerischen Vatikangesandten Cetto v. 29.6.1902, in: BHStA München Ges PS 867. Vgl. Nicotra an Rampolla v. 26.10.1899, in: ASV AES, Anno 1899, pos. 1495, fasc. 792. In dieser Frage hatte es in den zurückliegenden Jahren bereits starke Auseinandersetzungen innerhalb der Kath.-Theol. Fakultät Bonn gegeben, die Simar als früherem Mitglied der Fakultät offenbar in sehr unliebsamer Erinnerung waren. Vgl. Simar an Hertling v. 10.10.1899, in, Hertling, Erinnerungen aus meinem Leben, Bd. 2, S. 247. Vgl. Trippen, Das Domkapitel und die Erzbischofswahlen, S. 330. Vgl. Rotenhan an Auswärtiges Amt betr. Unterredung mit Rampolla, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2b.
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bestehe und die Präkonisation alsbald erfolgen werde, was dann am 14. Dezember auch geschah155. Gemäß dem Mottto „Roma locuta causa finita“ war die Angelegenheit beendet. Obgleich Erzbischof Simar am 20. Februar 1900 „ohne Misston von irgendeiner Seite“156 im Kölner Dom inthronisiert wurde, sollten die Vorgänge um seine Wahl dahingehend ein Nachspiel haben, dass Kardinalstaatssekretär Rampolla am 20. Juli 1900 eine Instruktion an alle preußischen, oberrheinischen und hannoverschen Bischöfe, also den deutschen Episkopat außerhalb Bayerns, richtete157, in welcher er die Wahlfreiheit der Bischöfe durch die Kapitel herausstellte. Alle Domherren wurden ermahnt, dafür Sorge zu tragen, dass die protestantischen Staatsoberhäupter nur begrenzt von ihrem negativen Ausschließungsrecht Gebrauch machten. Expressis verbis wurde aber die Rolle des staatlichen Wahlkommissars kritisiert. Es sei nicht zu dulden, dass der Wahlkommissar dem Domkapitel nach dessen Mitteilung des Wahlresultats eine Zustimmung gebe, welche den Anschein einer staatlichen Legitimation erwecken würde. Das letzte Plazet würde schließlich der Papst mit der Präkonisation erteilen, weshalb es auch unstatthaft sei, den Wahlakt mit einem Te Deum zu beschließen. Ein direkter Bezug zur Wahl Simars in Köln ist deutlich zu erkennen, war aber nicht expressis verbis formuliert, weshalb sich ebenfalls die Domkapitel in Köln, Paderborn und Mainz, wo in den vergangenen Monaten Bischofswahlen stattgefunden hatten, getroffen fühlen mussten158. Dass dieser Zusammenhang vom preußischen Vatikangesandten Rotenhan nicht bemerkt wurde, ja die Instruktion dort überhaupt nicht wahrgenommen worden war, zeigt seine rein geschäftsmäßige Berichterstattung über Simars Rombesuch im Herbst 1900159. Noch deutlicher wird dies durch ein von diesem fast zwei Jahre später an Reichskanzler von Bülow gerichtetes Schreiben, in welchem er die vatikanische Instruktion als vollkommene Novität pries, von der er erst „gestern ein Exemplar … im Geheimen“160 erhalten habe. Erst vom Auswärtigen Amt musste er sich darüber aufklären lassen, dass man dort zwar nicht amtlich von der Kurie informiert worden sei, jedoch durch Lektüre der „Kölnischen Volkszeitung“, in welcher der Erlass Rampollas im September 1901 wortgetreu abgedruckt war, über dessen Inhalt informiert worden sei. Unter Umständen konnte – wie dieses Beispiel belegt – die Regierung in Berlin besser über die vatikanische Diplomatie 155 156 157
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Vgl. Schreiben des vatikanisches Staatssekretariats v. 14.9.1899, in: ASV ANM, busta 190. Trippen, Das Domkapitel und die Erzbischofswahlen, S. 336. Der Text der Instruktion findet sich bei Huber/Huber, Staat und Kirche, Bd. I, S. 222f. Vgl. hierzu auch Trippen, Das Domkapitel und die Erzbischofswahlen, S. 337–346. Vgl. Trippen, Das Domkapitel und die Erzbischofswahlen, S. 338. Vgl. ebd., S. 340. Rotenhan an Bülow v. 13.6.1902, in: PA AA Preußen 2, Nr. 1c.
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Bescheid wissen als deren Vertreter in Rom. Dass der Erlass nicht offiziell mitgeteilt worden war, verschaffte der Regierung in den Augen von Kultusminister Studt Spielraum, um in Bedarfsfällen dagegen zu argumentieren161. Außerdem war zumindest das Auswärtige Amt durch Berichte des Gesandten von Rotenhan seit Ende April 1900 darüber in Kenntnis gesetzt, dass der Papst die Meinung vertrete, die Wahl Simars sei auf Druck der Regierung zustande gekommen162. Eigentlicher Favorit der Majorität des Metropolitankapitels sei Weihbischof Antonius Fischer gewesen. Daraus lässt sich schließen: So sehr Kardinalstaatssekretär Rampolla also nach unten hin den Münchner Nuntiaturverwalter Nicotra ausgebremst hatte, so hatte er doch nach oben hin dessen Bedenken gegen den Wahlvorgang an Leo XIII. weitergegeben. Erzbischof Simar selbst litt, wie er dem seit Januar 1900 amtierenden neuen Münchner Nuntius Cesare Sambucetti163 bei einem Besuch in der Nuntiatur im Herbst 1900 offenbarte, sehr unter den Diskussionen um seine Wahl164. Damit hatte er bei seinem Adressaten ins Schwarze getroffen. Ganz im Gegensatz zu Nicotra, den Simar wohl als die Ursache seiner Misere ansehen musste, war Sambucetti gegenüber der deutschen Regierung „freundlich gesinnt“165. Er stand auf dem Standpunkt, dass Simar aufgrund seiner großen Erfahrung, seines energischen Charakters und seiner friedlichen Haltung gegenüber der Regierung doch der Idealtypus für die Besetzung des Kölner Erzbischofsstuhles sei166. Vor allem aber erinnerte er Rampolla daran, dass Simar in der Zeit des Exils von Erzbischof Melchers während des Kulturkampfes von kirchlicher Seite als Erzbischofskandidat erstmals überhaupt ins Spiel gebracht worden sei167. Es entspreche nicht einer einheitlichen Linie, ihn jetzt vollkommen abzulehnen. Zudem werde es der Situation nicht gerecht, wenn Simar für die Streichung Dingelstads verantwortlich erklärt werde. Dennoch blieb sicherlich mehr als eine „Spur von Ungnade“168 der Kurie zurück, wenn 161
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In diesem Sinne berichtete Studt an Nasse am 9.7.1902 ebenso wie das Auswärtige Amt an Rotenhan v. 20.6.1902, in: PA AA Preußen 2, Nr. 1c. Vgl. Rotenhan an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 27.4.1900, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2b. Zu Sambucetti (1838–1911), dessen Münchner Nuntiatur von Januar 1900 bis Oktober 1901 nur ein Intermezzo darstellte, vgl. de Marchi, Le Nunziature Apostoliche, S. 58; Weber, Quellen und Studien, S. 293, Anm. 187; Greipl, Die Bestände des Archivs der Münchner Nuntiatur, in: RQ, Bd. 78 (1983), S. 192–269, hier S. 257f. Vgl. Sambucetti an Rampolla v. 11.11.1900, in: ASV ANM, busta 198. Leo XIII. hatte öffentlich geäußert, dass es in Köln bei der Wahl zu staatlichen Unregelmäßigkeiten gekommen sei. Vgl. Rotenhan an Auswärtiges Amt v. 27.4.1900, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2b. Greipl, Die Bestände des Archivs der Münchner Nuntiatur, S. 258. Vgl. ebd. Vgl. dazu die Ausführungen bei Trippen, Das Domkapitel und die Erzbischofswahlen, S. 259f. Demnach war Simar aus Kapitelskreisen genannt worden und staatlicherseits umgehend überprüft worden. Trippen, Das Domkapitel und die Erzbischofswahlen, S. 343.
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man bedenkt, dass Simar im Gegensatz zu seinen Vorgängern nicht in den Kardinalsstand erhoben wurde.
Erzbischofswahl 1902/1903 Erzbischof Hubert Simar verstarb nach nicht einmal dreijährigem Episkopat am 24. Mai 1902 für alle Beteiligten sehr plötzlich an einer Lungenentzündung. Noch am selben Tag wies Oberpräsident Nasse den Kultusminister darauf hin, dass die Entsendung eines Wahlkommissars ebenso dringlich sei wie die Verhinderung einer Transferierung des Trierer Bischofs Michael Felix Korum nach Köln169. Angesichts der deutlichen Überraschung der Regierungsstellen über die notwendige Neubesetzung, für die keinerlei Vorbereitungen im Hintergrund getroffen worden waren, verwundert es ein wenig, dass Nasse bereits am Todestag Simars einen möglichen Nachfolger in petto hatte, und zwar Simars Nachfolger auf dem Paderborner Bischofsstuhl Wilhelm Schneider170, dem in dem eilends vom westfälischen Oberpräsidenten angeforderten Gutachten auch beschieden wurde, ein staatstreuer Geistlicher zu sein171. Außerdem verabredete er sich Anfang Juni mit Dompropst Berlage in Köln, der gegenüber dem Oberpräsidenten nur Vermutungen über mögliche Bischofskandidaten äußerte. Demnach werde in der Volksmeinung Prinz Max von Sachsen als neuer Erzbischof genannt, während Klerus und Adel in Teilen den Weihbischof Antonius Fischer, in anderen Teilen den erneut zum Kapitularvikar gewählten bisherigen Generalvikar Peter Kreutzwald oder die Domkapitulare Karl Hespers oder Alexander Schnütgen172 bevorzugten. Weiterhin würden die Namen von Bischof Wilhelm Schneider von Paderborn, Professor Joseph Mausbach in Münster und Seminarpräfekt Peter Joseph Lausberg in Köln genannt, während „Bischof Benzler und Bischof Voß von Osnabrück zur Zeit als Kandidaten nicht in Betracht kommen“173. Berlage machte keinen Hehl daraus, dass er Mausbach positiv bewertete, dieser aber keinerlei Chance habe. Auch Schneider, den er bei weitem bevorzuge, sei im Metropolitankapitel nicht mehrheitsfähig. Dagegen würden Lausberg und auch Weihbischof Fischer Qualitäten besitzen. Im Nachgang erwähnte er zudem eine mögliche Kandidatur des Domkapitulars Philipp von Arenberg in Eichstätt. Insgesamt zeigte sich Berlage nicht nur pessimistisch, sondern vollzog auch eine Wen169 170 171 172
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Vgl. Nasse an Kultusministerium v. 24.5.1902, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 15925. Zu Schneider vgl. das Kap. Paderborn in diesem Band. Vgl. v.d. Recke an Nasse v. 26.5.1902, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 15925. Zu Schnütgen (1843–1918), seit 1887 Domkapitular in Köln, Kunstkenner, vgl. Küppers, Schnütgen, in: LThK2, Bd. 9 (1964), Sp. 443, u. Aring, Schnütgen, in: BBKL, Bd. 15 (1999), Sp. 1858f. Berlage an Nasse v. 2.6.1902, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 15925. Vgl. auch den Bericht Nasses an das Kultusministerium v. 3.6.1902, ebd.
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dung um 180 Grad. Hatte er drei Jahre zuvor noch die Nuntiatur um Hilfe gebeten, damit dem Kapitel die Wahlrechte nicht entzogen würden, so plädierte er jetzt offen für eine Umgehung der Domherren und einen Verzicht auf das Kapitelswahlrecht, um „einen echt deutschen, treuen, intelligenten Mann“174 nach Köln zu bekommen. Seitens des Kapitularvikars Kreutzwald, den Nasse ebenfalls konsultierte, wurden Weihbischof Fischer, Domkapitular Hespers sowie der in Bonn als Dogmatiker lehrende Professor Gerhard Esser als aussichtsreiche Listenkandidaten genannt, zu Schneider äußerte er sich auf Nachfrage nur verhalten, so dass Nasse eine Vorstellung davon bekam, weshalb Berlage den Bischof von Paderborn nicht als aussichtsreichen Listenkandidaten beschrieben hatte. Dennoch kursierte der Name von Wilhelm Schneider auch im Vatikan, ebenso wie jene der Weihbischöfe Joseph Müller und Antonius Fischer, wie der preußische Gesandte am Heiligen Stuhl nach Berlin meldete175. Für die Haltung im Kölner Klerus ist vielleicht eine Passage aus einem Brief des Direktors des Bonner Theologenkonvikts Collegium Albertinum, Franz Xaver Kaufmann, repräsentativ, in der es hieß: „Über den Nachfolger Simars hört man noch nichts Bestimmtes. Es wird natürlich viel kombiniert und geschwätzt“176. Wie Rotenhan in Erfahrung gebracht haben wollte, favorisierte der Papst persönlich jedoch eine Transferierung Korums oder Dingelstads nach Köln. Gerade dies wollte Kultusminister Konrad Studt bereits vor Aufstellung der Wahlliste verhindert sehen. Dingelstad sei doch ohnehin seit seiner Streichung bei der letzten Wahl 1899 desavouiert, schrieb er in einer dem Reichskanzler überreichten Stellungnahme zum weiteren Vorgehen in der Wahlangelegenheit177. Korum habe sich durch sein gesamtes Verhalten als Bischof von Trier ohnehin so unmöglich gemacht, dass es leicht sei, ihn dem Wählergremium wie auch dem Heiligen Vater gegenüber als untragbar für Köln darzustellen. Kopfzerbrechen bereitete dem Minister keineswegs eine mögliche Aufstellung des stets ambivalent beurteilten Weihbischofs Fischer oder anderer Mitglieder des Metropolitankapitels. Sie alle schienen ihm im Vergleich zu Dingelstad und Korum zu vernachlässigende Größen zu sein. Verhindert wissen wollte er vornehmlich eine mögliche Kandidatur des Prinzen Max von Sachsen. Seine Direktive nach Koblenz war es, den Prinzen auf keinen Fall auf die Liste gelangen zu lassen, weil die Regierung in eine „unerwünschte, ja peinliche Lage … kommen würde, wenn sie ein Mitglied eines der deutschen Fürstenhäuser offiziell als einen minder genehmen Kandidaten bezeichnen müsste“178. Als weiteres Argument verwendete Studt die 174 175 176 177 178
Ebd. Vgl. Rotenhan an Bülow v. 5.6.1902, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2b. Brief Kaufmanns, o.D., zit. nach Pastor, Stiftspropst Franz Xaver Kaufmann, S. 21. Vgl. Weisungen Studts an Bülow v. 6.6.1902, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2b. Kultusministerium an Nasse v. 10.6.1902, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 15925.
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auch in ähnlichen Fällen gegenüber dem Prinzen herangezogene Begründung, er sei für ein Bischofsamt noch zu jung. Der Eichstätter Domherr Prinz Philipp von Arenberg sei nicht zu einer Kandidatur bereit, während Bischof Benzler in Metz unabkömmlich sei. Hier hatte Studt ganz klar Angst davor, dass der erst im Vorjahr beigelegte Konflikt in der lothringischen Diözese durch eine rasche Versetzung von Benzler wieder neu entfacht werden könnte. Aber auch Wilhelm II. zeigte sich ausnahmsweise einmal einsichtig: „Bischof Benzler kann ich nicht nach Köln versetzen; er ist erst zu kurz Bischof in Metz“179, soll er im Sommer 1902 auf dem Stiftungsfest des Studentencorps „Borussia“ in Bonn geäußert haben. Es lag sicherlich an der an dieser wie an anderen Stellen öffentlich geäußerten Bewunderung des Monarchen für die Benediktiner, dass Benzlers Nachfolger als Abt von Maria Laach, Fidelis von Stotzingen180, in der Presse als heißer Kandidat für Köln gehandelt wurde, bis sich beispielsweise die katholische „Germania“ zu einem Dementi genötigt sah181. Der Versuch des Oberpräsidenten, mit Hilfe Berlages schon vorab die Kandidatenliste zu erfahren, scheiterte auf voller Linie. Das Bemühen des Dompropstes, von seinen Mitkapitularen auf einer vorbereitenden Sitzung des Kapitels Namen ihrer Favoriten zu erkunden, kommentierten sie allesamt mit Schweigen182. Positiv wurde in Berlin darum allein eine Information Rotenhans aus Rom aufgenommen, derzufolge sich die Kurie nicht näher involvieren wolle und gegenüber Max von Sachsen sogar so skeptisch eingestellt sei, dass selbst dessen beabsichtigte Ernennung zum Päpstlichen Hausprälaten bisher nicht erfolgt sei183. Schon vor der Wahlsitzung des Metropolitankapitels am 20. Juni 1902 hatte man sich darauf geeinigt, nur fünf bis sechs Namen auf die Liste zu setzen. Nominiert wurde dann laut Wahlprotokoll von den 15 anwesenden Domherren im 1. Wahlgang Weihbischof Fischer mit 14 Stimmen. Der Osnabrücker Bischof Hubertus Voß bekam 13 Stimmen, für Kapitularvikar Kreutzwald votierten 12 Kapitulare und für den Domherrn Joseph Müller neun184. Im 2. Wahlgang setzten sich Professor Gerhard Esser aus Bonn, und der MönchenGladbacher Pfarrer Laurenz Krichel mit jeweils neun Stimmen durch, nicht aber Bischof Wilhelm Schneider. Darüber verbreitete Berlage später bei der 179
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Zit. nach einer Erinnerung von Karl Bachem bei Trippen, Das Domkapitel und die Erzbischofswahlen, S. 360. Zu Stotzingen (1871–1947) vgl. Haering, Fidelis von Stotzingen, in: Häußling/Sander (Hrsg.), Laacher Lesebuch, S. 240–246. Vgl. Germania v. 17.10.1902. Berlage selbst stellte seinen Misserfolg gegenüber Nasse am 13.6.1902, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 15925, allerdings so dar, als sei das Kapitel deshalb so wenig kooperativ gewesen, weil er bei der Besetzung der Domherrenstellen kein Mitspracherecht gehabt habe. Vgl. Rotenhan an Bülow v. 11.6.1902, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2b. Vgl. hierzu Protokoll der Sitzung des Metropolitankapitels v. 20.6.1902, u. Fischer an Nuntiatur v. 23.6.1902, in: ASV ANM, busta 191, pos. X.
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Regierung, dass dieser mit dem Argument, allzu staatsnah zu sein, kaum Zustimmung gefunden habe185. Wie auch nicht geheim bleiben sollte, hatte Kapitularvikar Peter Kreutzwald gegen diese Kandidatur Front gemacht, Die Liste wurde am Folgetag in der Reihenfolge der Stimmenzahl – und nicht alphabetisch – beim Oberpräsidenten in Koblenz eingereicht.
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ntonius Fischer beurteilte seine Chancen, diesmal zum Zuge zu kommen, eher gering. Wie er Anfang September 1902 die Münchner Nuntiatur wissen ließ, habe Dompropst Berlage im Metropolitankapitel verbreitet, dass die protestantischen Honoratioren Kölns einschließlich des Regierungspräsidenten und des Oberbürgermeisters ebenso wie Parlamentarier sich für eine Ernennung von Kapitularvikar Kreutzwald zum neuen Erzbischof stark machen würden. Deshalb werde er vermutlich aus Gründen der Taktik von der Liste gestrichen186. Regierungspräsident Max von Balan187 jedoch sah keinen ausreichenden Grund für die Beanstandung des Weihbischofs, zumal er zum einen seit seiner letzten Kandidatur 1899, bei der er ja auch persona grata gewesen war, keine Auffälligkeiten im Verhältnis mit der Regierung gezeigt habe188. Insofern wirkte sich das damals zur Bereithaltung einer Dreierliste ausgestellte Plazet für Fischer bei seiner zweiten Kandidatur in Köln positiv aus. Zum anderen müsse er konzedieren, dass Fischer doch unter den Listenkandidaten trotz seiner persönlichen Schwächen der Angenehmste sei. Zur Gretchenfrage für die Genehmheit Fischers wurde seine Fakultäts- und Konviktspolitik. Dass alle Priesteramtskandidaten des Erzbistums, die an der Katholisch-Theologischen Fakultät in Bonn studierten, seit Beginn der 1890er Jahre im neu errichteten Theologenkonvikt Collegium Albertinum leben mussten, war nach staatlicher Erkenntnis vornehmlich auf den Einfluss Fischers zurückzuführen189. Durch die kasernierte Konviktserziehung aber befürchtete die Regierung eine noch striktere Abschottung der angehenden Kleriker von der Außenwelt und damit einhergehend einen Ultramontanisierungsschub. Oberpräsident Nasse hatte daher den Auftrag aus Berlin erhalten, bei Fischer zu eruieren, wie flexibel seine Haltung hinsichtlich einer engeren Kooperation zwischen Theologenkonvikt und theologischer Fakultät wäre. Wie wenig im Geheimen dieses Vier-Augen-Gespräch bleiben sollte, wenn bereits sechs Tage danach in der „Germania“ zu lesen war, Fischer und Nasse hätten sich getroffen, wirft ein bezeichnendes Licht auf den Enthüllungsjournalismus, wie es ihn schon zu dieser Zeit gab. 185
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Vgl. Berlage an Nass v. 27.7.1902, u. an Studt v. 1.8.1902, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 15925. Vgl. Fischer an Nuntiatur v. 3.9.1902, in: ASV ANM, busta 191, pos. X. Zu Balan (1849–1905), seit 1901 Regierungspräsident in Köln, vgl. Romeyk, Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten, S. 340. Vgl. Balan an Nasse v. 1.7.1899, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 15924. Vgl. Trippen, Zur Geschichte des Collegium Albertinum, S. 220.
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er Bischof von Osnabrück, Hubert Voß190, Jahrgang 1841 und seit vier Jahren Oberhirt dieser Diözese, erhielt sehr positive Rückmeldungen seitens des zuständigen Oberpräsidenten von Hannover, Konstantin Graf von Stolberg-Wernigerode, der ihn gleich gegenüber dem Kultusminister als einen „ruhigen und verständigen Mann, von welchem man auch annehmen kann, dass er von Herzen friedfertig und ebenso den konfessionellen Frieden zu wahren aufrichtig bestrebt ist“191, lobte. Als der Minister diese Äußerung nach Koblenz weiterreichte, notierte er begleitend, er empfinde die Beurteilung „vielleicht etwas zu optimistisch“192.
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eter Kreutzwald, 1850 in Kommern im Kreis Euskirchen geboren, legte in Neuß sein Abitur ab und verpflichtete sich während seines Bonner Theologiestudiums im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 als Krankenpfleger, studierte anschließend zunächst Jura in Löwen und Berlin und wurde 1873 mit einer kirchenrechtlichen Arbeit in Freiburg/Breisgau promoviert193. Eine 1875 in Bonn beabsichtigte Habilitation scheiterte194 und war neben dem Kulturkampf wohl ausschlaggebend dafür, dass Kreutzwald sich wieder der Theologie zuwandte. Schon 1876 erhielt er die Priesterweihe, wegen des Kulturkampfes in Eichstätt. Seinen im Vergleich zu anderen Priestern seiner Zeit breiten Bildungshintergrund erweiterte Kreutzwald während eines Aufenthaltes im Priesterkolleg am Campo Santo Teutonico in Rom durch kirchenrechtliche Studien195. 1879 nach Köln zurückgekehrt, verbrachte er die folgenden Jahre des Kulturkampfes als Hilfsgeistlicher in seiner Heimatpfarrei Kommern, bevor ihm 1886 die Professur für Kirchenrecht am wiedereröffneten Priesterseminar in Köln übertragen wurde. 1892 wurde Kreutzwald die Aufgabe des Offizials im Erzbistum Köln übertragen. Zwei Jahre später ernannte ihn Kardinal Krementz zu seinem Generalvikar und verlieh ihm kurze Zeit darauf durch bischöfliche Nomination ein Kanonikat. Kirchlicherseits war er schon 1892 durch Ernennung zum Päpstlichen Geheimkämmerer geehrt worden. Peter Kreutzwald war zudem schon einmal 1899 nach dem Tod von Erzbischof Krementz zum Kapitularvikar gewählt worden, ebenso nach dem Tod Erzbischof Simars 1902. Bei der letzten staatlichen Charakte190 191 192 193
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Zu Voß vgl. ausführlich das Kap. Osnabrück in diesem Band. Stolberg an Studt v. 28.6.1902, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 15925. Studt an Nasse v. 2.7.1902, ebd. Vgl. Peter Kreutzwald, Da canonica iuris consuetudinarii praescriptione, Diss. iur. can. Freiburg 1873. Bei Hecker, S. 210, ist hingegen von einer juristischen Promotion in Berlin die Rede. Eine Information, die auch Eduard Hegel, Kreutzwald, Peter, in: Gatz, Bischöfe, S. 415, ungeprüft übernahm. Trippen, Das Domkapitel und die Erzbischofswahlen, S. 379, Anm. 63, weist darauf hin, dass entgegen früheren Behauptungen das Scheitern der Habilitation nicht mit seiner ultramontanen Einstellung zu begründen ist. Vgl. Gatz, Rom als Studienplatz deutscher Kleriker, S. 176.
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risierung der Domherren 1898 war ihm unterstellt worden, „starr ultramontan, doch vorsichtiger Weise in politischer Hinsicht bisher nicht besonders hervorgetreten“196 zu sein. Die Negativkennzeichnung wurde dadurch untermauert, dass auf sein Scheitern bei der Erlangung einer theologischen Professur in Bonn verwiesen wurde. Wenn selbst die dortige KatholischTheologische Fakultät Kreutzwald abgelehnt habe, dann müsse er schon – so die Schlussfolgerung – ein extrem ultramontaner Geistlicher sein. Gleichwohl gab auch Regierungspräsident von Balan zu, dass Kreutzwald eben nicht dem Typus eines Wissenschaftlers entspreche, sondern eher ein umtriebiger Verwaltungsorganisator sei197. Damit hatte er implizit deutlich gemacht, dass der Generalvikar einfach die Voraussetzungen für eine Professorenlaufbahn an der Universität nicht mitbrachte. Ein Aspekt, der ja auch schon bei der gescheiterten Habilitation Jahrzehnte zuvor zum Tragen gekommen war.
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oseph Müller198 war 1845 in Sievernich im Kreis Düren als Sohn eines Volksschullehrers zur Welt gekommen. Das Gymnasium besuchte er zunächst in Erkelenz, dann in Köln, wo er auch das Abitur ablegte. Nach dem in Münster und Bonn absolvierten Theologiestudium hatte er 1869 in Köln die Priesterweihe erhalten. Obwohl er aus Krankheitsgründen sieben Jahre lang nur als Assistent im Generalvikariat eingesetzt war und lediglich aushilfsweise in der Seelsorge der Minoritenkirche mitwirkte, stellte sich Müller im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 als Feldgeistlicher bzw. Krankenpfleger zur Verfügung199. 1876 wurde er dann Religions- und – nach Absolvieren des Staatsexamens – auch Oberlehrer am Apostelgymnasium in Köln. In dieser Funktion erhielt er den für Gymnasiallehrer im Kaiserreich möglichen Titel eines Professors. Im Oktober 1898 war Müller zwar durch königliche Nomination in das Metropolitankapitel gelangt und in einer Charakteristik der Domkapitulare hieß es seitens des Oberpräsidenten auch: „Sein Patriotismus und seine loyale Gesinnung stehen außer Zweifel“200. Zugleich wurden aber auch Zweifel an Müllers Durchsetzungsfähigkeit geäußert, die auf seine „weiche Persönlichkeit“ zurückgeführt wurden. So hob auch der Kölner Regierungspräsident in seinem aktuellen Gutachten Müllers „große Gutherzigkeit“201 besonders hervor.
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Charakteristik der preußischen Domherren 1898, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 15992. Vgl. Balan an Nasse v. 1.7.1899, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 15924. Zu Müller vgl. Hegel, in: Gatz, Bischöfe, u. Kosch, Das katholische Deutschland, S. 3120. Vgl. Brandt/Häger, Biographisches Lexikon der katholischen Militärseelsorge Deutschlands, S. 553. Charakteristik der preußischen Domherren 1898, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 15992. Hier auch das folg. Zit. Balan an Nasse v. 1.7.1899, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 15924.
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erhard Esser202, 1860 in Ophoven im Kreis Heinsberg geboren und während des Kulturkampfes 1883 in Roermond zum Priester geweiht, hatte als Kaplan in Essen/Ruhr begonnen und war 1887 Repetent im Bonner Collegium Albertinum geworden. 1892 in Würzburg, wo er Schüler des damals sehr bedeutenden Dogmatikers Franz Hettinger war, zum Dr. theol. promoviert203, war Esser seit 1898 Professor für Dogmatik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Bonner Universität. Wie der dortige Universitätskurator auf Anfrage berichtete, sei Esser keineswegs eine überragende Professorenpersönlichkeit. Er habe außer seiner Dissertation nichts veröffentlicht und sei insgesamt noch zu jung, um Erzbischof zu werden204. Dass hinter diesen Ablehnungsgründen eine intransigente Haltung Essers steckte, die sich aber nicht exakt verifizieren ließ, liegt auf der Hand, zumal genauere Erkundigung des Regierungspräsidenten von Balan vor Ort in Bonn, wo Esser auch öffentlich als Redner hervortrat, ergaben, dass er durchaus großes Ansehen in der Gesellschaft genoss205. Für eine gleichzeitig deutlich nationalbewusste Einstellung spricht sicherlich auch, dass Esser zu Beginn des Ersten Weltkrieges zu den 93 Gelehrten gehörte, die in einem öffentlichen Aufruf die nationale Bedeutung des Krieges unterstrichen206. Wohl nicht zuletzt deshalb hatte ihn der Regierungspräsident in der turnusgemäßen Aufstellung für höhere Aufgaben qualifizierter Geistlicher erwähnt207.
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arl Laurenz Joseph Krichel208 war 1842 in Aachen geboren worden und hatte nach dem in Bonn und Tübingen erfolgten Theologiestudium 1865 die Priesterweihe in Köln erhalten. Nach Kaplansjahren in Krefeld und Viersen war er 1886 zunächst in Anrath, sechs Jahre darauf an St. Mariä Himmelfahrt in Mönchengladbach Pfarrer geworden. Im Rahmen der drei Wochen nach dem Tod Simars ergangenen Nachweisung geeigneter Kandidaten für das Bischofsamt durch die Ober- bzw. Regierungspräsidenten209 hatte der Düsseldorfer Regierungspräsident Hans Dietrich von Holleuffer210 Krichel als
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Zu Esser, der 1923 als Päpstlicher Hausprälat starb, vgl. Junglas, Esser, in: LThK2, Bd. 3 (1959), Sp. 1114, u. Totenzettel, in: www.effeld.eu/sub1/dokument/pfarrchr/07.htm. (letzter Aufruf: 14.12.2011). Vgl. passim Gerhard Esser, Die Seelenlehre Tertullians, Paderborn 1893; Walter, Dozenten und Graduierte, S. 465. Vgl. Rottenburg an Nasse v. 27.6.1902, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 15925. Vgl. Gutachten von Oberbürgermeister Spiritus, Bonn, an Balan v. 27.6.1899, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 15924. Vgl. vom Brocke, Wissenschaft und Militarismus, in: Calder u.a. (Hrsg.), Wilamowitz nach 50 Jahren, S. 649–719, hier S. 718. Vgl. Balan an Nasse v. 27.7.1902, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 15844. Zu Krichel, der 1909 auch Ehrendomherr in Köln werden sollte u. 1922 starb, vgl. Heßdörffer, Festschrift, u. Trippen, Das Domkapitel und die Erzbischofswahlen, S. 372, Anm. 45. Vgl. Kultusminister an die Ober- bzw. Regierungspräsidenten v. 14.6.1902, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 15844. Zu v. Holleuffer (1855–1902), seit 1899 Regierungspräsident in Düsseldorf, vgl. Romeyk,
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episkopablen Kandidaten benannt211. Vorausgegangen war aber seine Aufnahme in die Wahlliste des Kölner Metropolitankapitels und seine anschließende Überprüfung durch den Oberpräsidenten. In diesem Zusammenhang hatte ihn Bürgermeister Piecq von Mönchengladbach als ernsten und agilen Seelsorger gewürdigt. Krichel habe sich besonders dem sozialen Gebiet verschrieben und in seiner Wirkungsstadt einen katholischen Dienstmädchenverein gegründet212. Zudem habe er die katholischen Gesellen- und Handwerkervereine stark gefördert. Zu Gute gehalten wurde ihm, dass er selbst wie auch der Klerus vor Ort sich politisch sehr zurückgehalten hätten. Oberpräsident Berthold Nasse fasste alle ihm zugegangenen Informationen über die sechs Kapitelskandidaten dahingehend zusammen, dass Bischof Voß die höchste Aufmerksamkeit verdiene, gefolgt von Fischer und Esser. Insgesamt aber zeigte er sich enttäuscht über die Listenzusammensetzung, die doch viele seiner Ansicht auch subalterne Kandidaten enthalte. Berlages anfänglich geäußerten Vorschlag, die Liste platzen zu lassen, um direkt mit dem Heiligen Stuhl zu verhandeln, hielt er aber auch nicht für eine passende Alternative. Einerseits fürchtete er den Aufschrei des Kapitels und der Presse. Andererseits hatte er sicherlich im Hinterkopf, dass der Papst auf Korum oder Dingelstad spekulierte. Und angesichts dieser Option war der Regierung natürlich ein nicht so prononciert auftretender Kölner Weihbischof oder Domherr als neuer Oberhirte weitaus angenehmer. So zum Beispiel Kreutzwald, von dem aus Rom die Nachricht kam, dass Leo XIII. auf seine Wahl hoffe. Zudem unternahm Nasse einen Einwirkungsversuch bei Weihbischof Fischer, den er erfolgreich unter Druck setzte, für den Fall seiner Wahl einerseits die vom verstorbenen Erzbischof Simar getroffenen Personalveränderungen in der Leitung des Bonner Theologenkonvikts Albertinum nicht anzutasten und andererseits die universitäre Priesterausbildung in Bonn beizubehalten, obgleich die Ausrichtung des Theologenkonvikts in starkem Kontrast zu den Einstellungen der Professorenschaft der Katholisch-Theologischen Fakultät stand213. Zwischenzeitlich versuchte Wahlkommissar Nasse noch einmal die Stimmungslage der einzelnen Kapitelsmitglieder hinsichtlich ihrer Favoriten zu eruieren, vor allem aber unternahm er den Versuch, nachträglich doch noch Bischof Schneider auf die Liste zu lancieren214, erzielte dabei jedoch offensichtlich wenig Erfolg215. 211
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Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten, S. 541f. Vgl. v. Holleufer an Nasse v. 20.9.1902, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 15844, zit. nach Knopp, Kirchliche Personalpolitik, S. 171. Vgl. Knopp, Kirchliche Personalpolitik, S. 172. Vgl. Trippen, Das Domkapitel und die Erzbischofswahlen, S. 394–398. Vgl. hierzu ebd., S. 387. So berichtete der Kölner Domvikar Hütten der Nuntiatur am 19.8.1902, in: ASV ANM, busta 191, pos. X.
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Dem Nuntius war von einem gewissen Jac[ob] Schmitz nicht nur die Listenzusammenstellung mitgeteilt worden, sondern auch jeder Kandidat einer Bewertung unterzogen worden. Dabei schnitten Kapitularvikar Kreutzwald und Pfarrer Krichel als „très bon choix“ am besten ab. „Il a beaucoup des sympathies chez les prêtres et les laiques“216, hieß es hier werbend über Kreutzwald, während Krichel als „aimée par tout le monde aussi chez les protestants“ charakterisiert wurde. Diesem Urteil hatte sich auch der Kölner Domvikar Georg Hütten angeschlossen, der gleichfalls Kontakt zur Münchner Nuntiatur aufnahm und dort zum einen Kreutzwald und Krichel als beste Kandidaten lobte, zum anderen aber auch Weihbischof Fischer als ungeeignet bezeichnete217. Parallel zeigte die Kurie erstmals deutlich, dass sie durchaus ein Interesse am Wahlausgang hatte und unabhängig vom Metropolitankapitel ihre Kandidaten zu lancieren versuchte. War Kardinal Kopp bisher in der Regel von den Regierungsstellen eingespannt worden, um bei der Kurie zu vermitteln, so nutzte jetzt der Vatikan dessen diplomatische Fähigkeiten, um ihn darauf anzusetzen, bei Wilhelm II. positiv für die Kandidatur Korums und Dingelstads zu wirken. Dass der Breslauer Kardinal mit der ihm angebotenen Mission gegenüber Montel nicht hinter dem Berg hielt, der ja bekanntlich regelmäßig mit dem preußischen Gesandten plauderte, beweist die Kenntnis Rotenhans von diesem Plan218. Dass Kopp von sich aus in dieser Angelegenheit in Berlin aktiv geworden wäre, lässt sich hingegen den Akten nicht entnehmen. Er verhielt sich lange Zeit passiv und sprach sich erst auf Nachfrage Rotenhans und Montels, die ihn im September 1902 auf seiner Sommerresidenz in ÖsterreichischSchlesien besuchten, positiv gegenüber einer Kandidatur Korums in Köln aus, sah aber keinerlei Chancen, diesen bei Bülow und Wilhelm II. in irgendeiner Form als gratissima erklärt zu bekommen219. Die lange Verweildauer der Liste bei der Regierung erregte in Kölner Kleruskreisen Misstrauen, das auch der Kurie nicht verborgen blieb. So wandte sich einer der Domvikare, möglicherweise Georg Hütten, am 19. August 1902, fünf Tage vor dem Ablauf der Dreimonatsfrist, an die Nuntiatur und gab seinem Pessimismus Ausdruck220. In Köln rechne niemand mehr damit, dass die Liste noch zurückkomme. Vielmehr sei zu erwarten, dass die Angelegenheit ohne Mitwirkung des Kapitels direkt zwischen Berlin und Rom entschieden werde. Von der Regierungsseite werde Professor Esser als Favorit gehandelt. In Klerus und Bevölkerung sei die Sympathie für Pfarrer Krichel zu spüren. Auch wenn Weihbischof Fischer zwei Wochen später nach München meldete, nach Erkundigungen des Dompropstes Berlage in Berlin sei es 216 217 218 219 220
Jac. Schmitz (?) an Nuntiatur v. 23.6.1902, ebd. Vgl. Hütten an Nuntiatur v. 21.6.1902, ebd. Vgl. Rotenhan an Auswärtiges Amt v. 23.6.1902, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2b. Vgl. Rotenhan an Auswärtiges Amt v. 12.9.1902, ebd. Vgl. Domvikar G Hütten (?) an Nuntiatur v. 19.8.1902, in: ASV ANM, busta 191, pos. X.
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„irrig“ zu glauben, die Liste sei geplatzt221, musste sich beim Heiligen Stuhl das Bild staatlichen Drucks in der Wahlfrage verfestigen, zumal die Nuntiatur auch einen Bericht aus der katholischen Presse über staatliche Repressionen im Wahlverlauf umgehend dem Kardinalstaatssekretär vorlegte222. Immerhin gewährte Rampolla eine Aufschiebung der Wahlfrist bis zum 1. November 1902223, welche dann Mitte Oktober noch einmal bis zum Jahresende verlängert wurde. Ein Problem zwischen Kirche und Staat war vor der Wahl ebenso zu lösen: Inwiefern sollte der ja nur den Kapiteln und nicht der Regierung zugegangene Rampolla-Erlass vom Juli 1900 berücksichtigt werden? Dompropst Berlages Vorschlag, der staatliche Kommissar solle während des Hochamts und der Wahl selbst außerhalb des Domes warten und wenn das Ergebnis feststehe, solle er im Stillen informiert werden, stieß bei Oberpräsident Nasse nicht auf Zustimmung224. Das Metropolitankapitel stellte schließlich fest, dass in älteren Wahlordnungen die strittige Promulgationserlaubnis des Wahlkommissars gar nicht ausdrücklich erwähnt worden war. Folglich telegraphierte Berlage dem Oberpräsidenten, die alte Ordnung sei wiederhergestellt225, woraufhin sein Adressat natürlich meinte, die Promulgation könne erfolgen wie 1899 bei der Wahl Simars geschehen. Als ihm dann die gedruckte Wahlordnung vorlag, musste er erkennen, dass dort die Bitte an den Kommissar wie auch das abschließende Te Deum fehlten. Oberpräsident Nasse musste sich natürlich auch persönlich beleidigt fühlen, wurde doch auf eine Ehrbezeugung gegenüber seiner Person – und so musste er es wohl empfinden – verzichtet. Berlage redete sich damit heraus, dass der Wahlkommissar doch im Kapitelsaal in Gegenwart des Metropolitankapitels die Erlaubnis zur Verkündigung der Wahl geben könne. Damit machte er sich einmal mehr als doppelzüngig bei der Regierung unbeliebt, hatte aber letztlich trickreich den Sieg davon getragen, denn angesichts der rechtlichen Spielräume im Protokollablauf einer Bischofswahl besaß diese keinen Hebel mehr, ihren eigenen Willen durchzusetzen. Zudem drängte die Zeit, und eine Verschiebung des anberaumten Wahltermins hätte in Presse und Öffentlichkeit, die ohnehin gerade die Kölner Wahl äußerst sensibel beobachteten, zu Protesten geführt, an deren Ende die Regierung dann doch befürchten musste, den Kürzeren zu ziehen oder zumindest einen großen Imageschaden davonzutragen. 221 222
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Vgl. Fischer an Nuntiatur v. 3.9.1902, ebd. Vgl. Nuntiatur an Rampolla v. 25.8.1902 unter Bezugnahme auf einen Artikel der “Kölnischen Volkszeitung”, in: ASV ANM, busta 191, pos. X. Vgl. Rampolla an Metropolitankapitel Köln v. 22. u. 24.8.1902, zit. nach Trippen, Das Domkapitel und die Erzbischofswahlen, S. 388. Vgl. Nasse an Kultusministerium v. 27.8.1902, Entwurf, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 15926. Vgl. Telegramm Berlages an Nasse v. 6.11.1902, ebd.
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Grosso modo betrachtet handelte es sich um rein technische Fragen des Ablaufs, wobei deutlich wird, welch großen Stellenwert symbolische Handlungen für die breite Öffentlichkeit besaßen. Denn letztlich ging es ja der kirchlichen Seite, der sich in diesem Fall ein so staatsnaher Kopf wie Dompropst Berlage beugte, im Wesentlichen nur darum, gegenüber den Gläubigen den Eindruck zu vermeiden, der neu erwählte Erzbischof müsse vor seiner Verkündung noch coram publico die Erlaubnis des königlichen Kommissars erlangen, und für dieses rein weltliche Plazet würde dann noch mit einem „Großer Gott, wir loben Dich“ gedankt. Als aus Berlin die Wahlliste am 21. Oktober 1902 nach fast fünf Monaten der Beratung bei staatlichen Stellen zurückgegeben wurde226, waren zwei Listenmitglieder, nämlich Kapitularvikar Kreutzwald und Professor Esser, zu personae minus gratae erklärt worden. Prinz Franz von Arenberg soll dazu den Kommentar abgegeben haben, dass Kreutzwald auf Initiative des Kardinals Kopp gestrichen worden sei227. Wie Norbert Trippen richtig anmerkt, dürfte aber vornehmlich die Intrige des Kapitularvikars gegen Bischof Schneider Auslöser gewesen sein, während Essers Streichung doch auch vom Informanten aus Berlin nicht so recht schlüssig erklärt werden konnte. Schließlich war gerade Esser innerkirchlich als Regierungsfavorit gehandelt worden. Die Favoritenrolle kam dabei – so ließ Studt den Oberpräsidenten wissen – Bischof Voß zu, dessen Wahl dem Dompropst gegenüber als erwünscht bezeichnet werden sollte. Berlage vermutete daraufhin gegenüber Nasse, dass Voß nur fünf Stimmen auf sich vereinigen würde. Auf Fischer hingegen würden voraussichtlich neun, auf Müller eventuell auch einige Stimmen entfallen. Wie spekulativ diese Schätzung war und wie wenig der Dompropst die wahren Interessen der Kapitelsmitglieder kannte, belegt der Ausgang der Wahl am 6. November 1902. Schon im ersten Wahlgang entfielen auf Fischer 13 Stimmen. Je eine Stimme bekamen Voß und Müller. Norbert Trippen analysiert diese Verteilung so: „Da Fischer sich selbst nicht wählen durfte und Müller unmittelbar nach seiner Inthronisation zum Domdechanten ernannte und zum Weihbischof bestellen ließ, ist anzunehmen, dass Fischer die eine Stimme für Müller abgab; wer Voß wählte – Berlage oder Kreutzwald? – wird sich kaum sicher aussagen lassen“228. In der katholischen Presse war große Erleichterung zu spüren, weil das Kapitelswahlrecht nicht umgangen worden und Fischer ja in der Vergangenheit schon öffentlich als aussichtsreicher Kandidat gehandelt worden war229. 226 227
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Vgl. Studt an Nasse v. 21.10.1902, ebd. Vgl. Notiz v. Karl Bachem v. 6.11.1902, zit. nach Trippen, Das Domkapitel und die Erzbischofswahlen, S. 402. Trippen, Das Domkapitel und die Erzbischofswahlen, S. 408f. Vgl. Germania v. 7.11.1902.
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Dem erwählten Erzbischof war es sehr darum zu tun, rasch die päpstliche Bestätigung zu erlangen, weshalb er nicht den üblichen Weg der Mitteilung seiner Wahl durch das Kapitel abwartete, sondern sogleich selbst Kontakt mit Nuntius Giuseppe Macchi230 aufnahm. Letzterer zeigte sich auch weder überrascht noch unglücklich über den Wahlausgang und gab zudem seiner Überzeugung Ausdruck, dass die Zufriedenheit auch auf Seiten des Heiligen Vaters sei231. Obgleich der Nuntius bereits drei Tage später den Kardinalstaatssekretär vom Wahlausgang informierte und ihm das Wahlprotokoll des Metropolitankapitels mitschickte232 und obwohl Rampolla sich darüber befriedigt zeigte, dass die Domherren seinen Erlass vom 20. Juli 1900 gebührend berücksichtigt hätten233, dauerte es bis zum 14. Februar 1903, um die päpstliche Bestätigung zu erhalten. Sie wurde durch Breve erteilt, da kein Konsistorium stattfand234. Als Antonius Fischer im Berliner Schloss vor Wilhelm II. am 11. März 1903 den Eid ablegte, bekannte er, er „verehre Ew. Majestät in tiefster Seele als den erhabenen Herrscher, dem das Wohl aller seiner Untertanen, auch – ich freue mich, es aussprechen zu können – seiner katholischen Untertanen am Herzen liegt“235. Damit hatte der neue Kölner Erzbischof eine deutliche Brücke zwischen Katholiken und Kaiserreich gebaut und seinen irenischen Absichten alle Ehre gemacht. Acht Tage darauf erfolgte dann die Inthronisation im Kölner Dom. Bezeichnend für die Übertriebenheit, mit welcher der neue Erzbischof staatlicherseits zum „Friedensfürsten“ stilisiert wurde, erscheint die Reaktion im „Evangelischen Gemeindebote[n] aus Köln“. Dort wurde den katholischen Mitchristen die Freude über den neuen Oberhirten keineswegs abgesprochen, der Wirbel um die staatliche Irenik aber durchaus kritisch betrachtet. „Wenn aber der Königliche Wahlkommissar sich darüber hinaus noch veranlasst gesehen hat, auch uns Evangelische in die Bewunderung und Verehrung dieses „Friedensfürsten“ hineinzuziehen, der mehr wie einmal unserer evangelischen Kirche vor aller Welt die größten Beschimpfungen zugerufen hat, so muss man dagegen protestieren“236.
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Zu Macchi (1845–1906), 1902–1904 Nuntius in München, anschließend Nuntius in Lissabon, vgl. de Marchi, Le Nunziature Apostoliche, S. 58; Greipl, Die Bestände des Archivs der Münchner Nuntiatur, in: RQ, Bd. 78 (1983), S. 192–269, hier S. 262f. Vgl. Macchi an Fischer v. 10.11.1902, in: ASV ANM busta 200. Vgl. Macchi an Rampolla v. 9.11.1902, ebd. Vgl. Rampolla an Macchi v. 13.11.1902, ebd. Vgl. Rampolla an Macchi v. 27.1.1903, ebd. Ansprache von Erzbischof Fischer bei seiner Eidesleistung am 11.3.1903 im Schloss zu Berlin, abgedruckt bei Schmitz, Antonius Kardinal Fischer, S. 85f, hier S. 85. Evangelischer Gemeindebote aus Köln v. 16.11.1902, S. 656.
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Erzbischofswahl 1912 Erzbischof Antonius Fischer, der bereits wenige Monate nach seiner Inthronisation, und zwar im Juni 1903, auch zum Kardinal kreiert worden war, starb am 30. Juli 1912 mit 72 Jahren während eines Kuraufenthaltes in Bad Neuenahr. Oberpräsident Georg Freiherr von Rheinbaben237 wurde bereits kurz nach seiner Beerdigung hinsichtlich der Nachfolge aktiv. Ein konstruktives Gespräch über potentielle Kandidaten des Kapitels sei im Rahmen der Beisetzungsfeierlichkeiten leider nicht möglich gewesen, meldete er dem Kultusminister August von Trott zu Solz nach Berlin238. Der langjährige staatliche Gewährsmann, Dompropst Berlage, war inzwischen alt und krank. Zudem hatte die Regierung ja auch mehrfach erfahren müssen, dass er niemals über Einfluss auf seine Mitkapitulare verfügt hatte. Als einziger episkopabler Bischofskandidat galt im Kapitel offenbar der schon zweimal nominierte Weihbischof Joseph Müller. Angesichts seines vorgerückten Alters von 67 Jahren mochte ihn der Oberpräsident gar nicht empfehlen. Gleichzeitig erinnerte er sich daran, dass ihn Berlage vor einiger Zeit empfehlend auf den neuen Bischof von Münster, Felix von Hartmann239, hingewiesen habe, der allerdings so gar keine Affinität zum Rheinland besitze. Aus der Erzdiözese Köln sei einzig und allein Franz Xaver Kaufmann240 zu empfehlen, der allerdings erst kurz zuvor als Stiftspropst in Aachen eingeführt worden sei. Der Kölner Zentrumspolitiker Karl Trimborn241 hatte Rheinbaben dann noch auf den in Münster lehrenden, aber dem Kölner Klerus angehörenden Moraltheologen Joseph Mausbach als intellektuellen Kandidaten aufmerksam gemacht, der ja bereits bei der letzten Erzbischofswahl zehn Jahre zuvor im Gespräch gewesen war. Schließlich hatte Trimborn auch auf den Bischof von Paderborn, Karl Joseph Schulte, hingewiesen, dessen Trauerpredigt für Kardinal Fischer dem Oberpräsidenten positiv im Gedächtnis haften geblieben war. Rheinbaben erfragte von seinem Amtskollegen in Münster Informationen über Hartmann, Schulte sowie Mausbach242. Als Rheinbaben dem Kultusmi237
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Zu Rheinbaben (1855–1921), 1910–1918 Oberpräsident der Rheinprovinz, vgl. Schwabe, Oberpräsidenten, S. 355, u. Romeyk, Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten, S. 689f. Vgl. Rheinbaben an Trott zu Solz v. 5.8.1912, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 16002. Zu von Hartmann (1851–1919) vgl. Dr. Felix von Hartmann. Ein Lebensbild; Dieninghoff, Hartmann; Lill, Hartmann, in: LThK2, Bd. 5 (1960), Sp. 21; Hegel, Hartmann, in: Gatz, Bischöfe, S. 286–289; Bautz, in: BBKL, Bd. 2 (1977), S. 577; Plum, Hartmann, in: NDB, Bd. 7 (1966), S. 741f.; Schröer, Bischöfe, S. 288–291. Zu Kaufmann (1862–1920), Dr. iur. can. (Anima, Rom), seit 1912 Stiftspropst in Aachen, vgl. Pastor, Stiftspropst Dr. Franz Kaufmann. Zu Trimborn (1854–1921), Rechtsanwalt in Köln, MdR 1896–1918 u. ab 1919; MdA 1896– 1918, vgl. Haunfelder, Reichstagsabgeordnete der Deutschen Zentrumspartei, S. 273f. Vgl. Rheinbaben an Ratibor-Corvey v. 4.8.1912, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 16002.
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nister August von Trott zu Solz243 die Namen mitteilte, wies er auch auf das im Erzbistum Köln geplante Benediktinerkloster Siegburg244 hin, dessen Konvent möglicherweise einen geeigneten Kandidaten bieten könne. Hier spielte der Oberpräsident auf die Vorliebe des Kaisers für den Benediktinerorden an, die 1901 zur Ernennung des Abtes von Maria Laach zum Bischof von Metz geführt hatte245. Trott zu Solz sprang darauf jedoch nicht so recht an. „Ob die Benediktiner-Niederlassung in Siegburg bei der Wahl des Erzbischofs ins Gewicht fallen könnte, ist mir doch ein wenig zweifelhaft“246, schrieb er. Für den Kultusminister war Stiftspropst Kaufmann in Aachen der Favorit247. Kaufmann, ein Sohn des früheren Oberbürgermeisters von Bonn, sei absolut staatstreu und besitze zudem zwei Brüder, die in Staatsdiensten stehen würden, ließ er den Oberpräsidenten wissen. Doch war er – dann allerdings in zweiter Linie – ebenso offen für eine Transferierung amtierender Bischöfe nach Köln und erwähnte neben Schulte und von Hartmann auch den Hildesheimer Oberhirten Adolf Bertram. Insbesondere Schultes Persönlichkeit sei „geradezu stimmend“248, wenngleich er noch sehr jung sei. Hartmann hingegen schien dem Kultusminister etwas undurchsichtig. Es gebe Gerüchte über dessen mangelnde Staatsloyalität, die aber nicht verifizierbar seien. Er selbst könne nur Gutes berichten. So stamme von Hartmann aus guten Familienverhältnissen und habe sich gegenüber den Staatsbehörden blendend eingeführt. Bertram schien ihm „eine irenische, aber doch charaktervolle und zielbewusste Persönlichkeit, klug und nicht ohne Ehrgeiz zu sein“. Selbst bei Mausbach störte ihn weder dessen politische Aktivität im Zentrum noch die Tatsache, dass mit Felix Porsch und Karl Trimborn gerade zwei bekannte Exponenten des politischen Katholizismus auf den Münsteraner Professor aufmerksam gemacht hatten. Die Kandidatendiskussionen zwischen Koblenz und Berlin waren der Öffentlichkeit nicht verborgen geblieben. Die sich auf entsprechende Gerüchte stürzende liberale Presse meldete jedenfalls bereits nach kurzer Zeit die von Rheinbaben überlegten Namen, ergänzt durch weitere potenzielle Kandidaten. Zumindest berichtete Ende August 1912 Nuntius Frühwirth dem Kardi-
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Zu von Trott zu Solz vgl. Schwabe (Hrsg.), Die preußischen Oberpräsidenten, S. 305 u. 333. In Siegburg wurde seit 1910 die Errichtung eines Benediktinerklosters geplant, das letztlich erst 1914 den Betrieb aufnahm. Vgl. Hegel, Rückkehr der Benediktiner, S. 17–48, hier S. 28–30. Vgl. hierzu das Kap. Metz in diesem Band. Trott zu Solz an Rheinbaben v. 5.8.1912, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 16002. Bei Trippen, Das Domkapitel und die Erzbischofswahlen, S. 429, entsteht hingegen der Eindruck, als ob gerade Kaufmann beim Kultusminister nicht gern gesehen gewesen wäre. Trott zu Solz an Rheinbaben v. 5.8.1912, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 16002.
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nalstaatssekretär Merry del Val249, es würden die Bischöfe Karl Josef Schulte von Paderborn, Paul Wilhelm Keppler von Rottenburg, Felix von Hartmann von Münster, der Kölner Weihbischof Joseph Müller, der Aachener Stiftspropst Franz Xaver Kaufmann, Joseph Mausbach250 aus Münster und nicht zuletzt der Rota-Auditor Monsignore Franz Xaver Heiner251 genannt. Heiner, der aus der Diözese Paderborn stammte, Sohn eines evangelischen Landwirts war und als Kanonist Karriere am obersten geistlichen Gerichtshof der katholischen Kirche gemacht hatte, war 1908 schon einmal in das Blickfeld einer breiteren Öffentlichkeit geraten, als er als Kandidat für ein deutsches Kurienkardinalat in Rom gehandelt worden war252. In diesem Kontext hatte die liberale Presse ihn als „einen der lautesten Parteigänger der römischen Kurie“253 verunglimpft. Der Kölner Regierungspräsident hegte den Verdacht, Heiner habe sich aus Eitelkeit selbst als möglichen Kandidaten in die Presse gebracht254. Ein interessantes Phänomen der Selbstbewerbung, das aber in dieser Form nicht zu überprüfen ist. Unwahrscheinlicher erscheint die These, dass er von der Kurie in das Rennen geschickt worden sei, zumal Heiners Name dort in der entsprechenden Korrespondenz gar nicht auftaucht. Kultusminister Trott zu Solz legte sich auf Schulte, Bertram und von Hartmann als Favoriten fest und hielt darüber auch Wilhelm II. Vortrag, was in dieser Direktheit der Konfrontation mit einer Bischofsstuhlbesetzung schon außergewöhnlich erscheint. Allerdings handelte es sich dabei um einen Schachzug des Ministers, der „verhüten [wollte], dass nicht Seiner Majestät von dritter Seite eine Persönlichkeit benannt wird“255. Offensichtlich befürchtete Trott zu Solz, dass der Kaiser möglicherweise entschlossen sein würde, den Abt von Stotzingen oder einen anderen Benediktiner zu bevorzugen. Wie sehr Trott zu Solz die Personalangelegenheit in Köln beschäftigte, belegt ein Schreiben aus einem Kuraufenthalt in Meran, in welchem er dem Oberpräsidenten noch einmal seine Position deutlich machte, das Domkapitel bei dieser Erzbischofswahl möglichst nicht zu umgehen. Allenfalls gegen die Kandidatur des Weihbischofs Müller müsse man seiner Ansicht nach etwas unternehmen. Wohlgemerkt, Müller war ihm nicht etwa zu politisch aktiv oder zu dezidiert romtreu, sondern schlicht zu farblos. Und „ein Erzbischof, 249 250
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Vgl. Frühwirth an Merry del Val v. 26.8.1912, in: ASV SS Anno 1913, rubr. 255, fasc. 1. Zu Mausbach (1861–1931), seit 1892 Prof. für Moraltheologie in Münster, vgl. Hegel, Geschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster, Bd. 2, S. 48–51. Zu Heiner (1849–1919), 1887 Professor für Kirchenrecht in Paderborn, 1889 desgl. in Freiburg/Breisgau, u. zugleich am obersten vatikanischen Gerichtshof, der Rota, tätig, vgl. Fink, Heiner, in: NDB, Bd. 8 (1969), S. 301f.; Hilling, Heiner, in: LThK2, Bd. 5 (1960), Sp. 174; BBKL, Bd. 2 (1990), Sp. 666f.; u. zuletzt Zapp, Heiner, in: LThK3, Bd. 4 (1995), Sp. 1370. Vgl. BArch Berlin-Lichterfelde, R 5101, 22237. Die Post v. 27.3.1908. Vgl. Steinmeister an Rheinbaben v. 22.8.1912, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 16002. Notiz Rheinbabens v. 8.8.1912, ebd.
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der in Rom nichts vermag, verliert für uns an Wert“256. Jedenfalls betraute er Oberpräsident von Rheinbaben, der am 7. August offiziell seine Ernennung zum Wahlkommissar erhalte hatte, mit der Sensibilisierung der Domherren für die als gratissima empfundenen Kandidaten, damit diese Eingang in die Wahlliste finden sollten. Dazu war dann auch noch reichlich Zeit, da die entscheidende Wahlsitzung des Metropolitankapitels erst am 3. September 1912 stattfand257. Die 16 stimmberechtigten Domherren beschlossen, erneut sechs Namen auf die Wahlliste zu setzen, wobei gleich im ersten Wahlgang deutliche Mehrheiten von jeweils 16 Stimmen für die Bischöfe von Paderborn und Hildesheim, Schulte und Bertram, 15 für den Fuldaer Bischof Schmitt, 12 für den Apostolischen Vikar von Sachsen Bischof Schaefer, 10 für Weihbischof Müller und neun für Bischof von Hartmann von Münster erzielt wurden. Es folgten auf unberücksichtigten Plätzen Kreutzwald, Mausbach, Hespers, der Rottenburger Bischof Paul Wilhelm Keppler und ein Pfarrer namens Franz Xaver Sasse aus Düsseldorf.
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oseph Mausbach, über den Oberpräsident von Rheinbaben noch vor der endgültigen Listenaufstellung Auskünfte bei seinem westfälischen Amtskollegen von Ratibor und Corvey eingeholt hatte258, war damit durchgefallen: Ohnehin hatte der Oberpräsident von Westfalen Mausbach, der seit 1892 die Professur für Moraltheologie und Apologetik in Münster bekleidete, zwar als führenden Theologen der Katholisch-Theologischen Fakultät in Münster gewürdigt und als äußerst umtriebig gekennzeichnet. Er selbst müsse die positive Grundeinschätzung allerdings ein wenig revidieren. Wenn Mausbach einerseits den Antimodernisteneid in einer Broschüre verteidigt, sich andererseits aber für die Befreiung der Theologieprofessoren von diesem Eid eingesetzt habe, sei dies nur ein Beleg für seinen Opportunismus. Trotz nicht verifizierbarer politischer Betätigung verneinte Ratibor-Corvey Mausbachs Eignung für den erzbischöflichen Stuhl in Köln und fühlte sich in diesem Urteil durch die Stellungnahme des Münsteraner Regierungspräsidenten Alfred von Gescher259 bestätigt, der zwar dessen Persönlichkeit schätzte, sie aber nicht für den Kölner Erzbischofsstuhl geeignet empfand260. 256 257
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Trott zu Solz an Rheinbaben v. 21.8.1912, ebd. Vgl. Protokoll der Kapitelsitzung v. 3.9.1912, in: Historisches Archiv des Erzbistums Köln, MK-A III 6. Dort lautete die Reihenfolge Müller, Hartmann, Schäfer, Schulte, Bertram, Schmitt. Vgl. Ratibor-Corvey an Rheinbaben v. 18.8.1912, auf dessen Anfrage v. 4.8.1912, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 16002. Zu Gescher (1844–1932), 1897–1909 Regierungspräsident in Münster, vgl. Romeyk, Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten, S. 466f., Wegmann, S. 275f.; Haunfelder, Die münsterischen Regierungspräsidenten des 20. Jahrhunderts, S. 11–13; u. ders., Die konservativen Abgeordneten des Deutschen Reichstags 1871–1918, S. 104. Vgl. Gescher an Ratibor-Corvey v. 27.8.1912, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 16002.
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benso wenig Berücksichtigung fand der von Regierungspräsident Otto von Steinmeister261 kurz vor der Listenaufstellung als episkopabel genannte Bischof von Speyer, Michael von Faulhaber262. Noch am Tag ihrer Verabschiedung wurde die Sechserliste vom Dompropst in der Reihenfolge der Stimmenanteile, also nicht alphabetisch sortiert, an den Oberpräsidenten weiter gereicht263.
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er Paderborner Bischof Karl Josef Schulte erhielt seitens des für seine Charakterisierung zuständigen westfälischen Oberpräsidenten eine äußerst positive Beurteilung. Schulte sei „ein ehrlicher, offener und vertrauenswürdiger Charakter. Er besitzt Tatkraft und hat ohne Zweifel das redliche Bemühen, sich in wichtigen Angelegenheiten eine eigene Ansicht zu bilden“264. So habe er trotz seiner jungen Jahre bereits eine geschickte Hand bei der Polenseelsorge im Ruhrgebiet bewiesen, immer die Übereinstimmung mit der Regierung gesucht und nicht zuletzt im Gewerkschaftsstreit für die Akzeptanz der Köln-Mönchengladbacher Richtung beim Heiligen Stuhl geworben. Seine Kölner Kandidatur muss er zunächst mit gemischten Gefühlen gesehen haben, war Schulte doch als Theologiestudent in Bonn wegen eines unerlaubten Gasthausbesuches vom Direktor des Theologenkonvikts relegiert worden und hatte sein Ziel, Priester zu werden, in der Nachbardiözese Paderborn erreichen müssen.
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dolf Bertram265 bekam aufgrund seines friedlichen Wirkens als Bischof von Hildesheim ein großes Lob des Kultusministers. Auch wenn er im Auftreten nicht so beeindruckend sei, wurde er als kluge und strebsame Persönlichkeit betrachtet.
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loys Schaefer266 eilte offensichtlich der Ruf voraus, ein dem Staat genehmer Bischof zu sein. Jedenfalls genügte dem Auswärtigen Amt eine kurze Anfrage in Dresden, ob dieses Urteil noch zutreffe. Und in der Tat bestätigte der sächsische Außenminister Graf Vitzthum, dass es „sehr schwer sein [würde], einen ebenso hervorragend tüchtigen wie loyalen Nachfolger zu finden“267, wie es Schaefer sei.
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Zu Steinmeister (1860–1937), 1905–1917 Regierungspräsident in Köln, vgl. Romeyk, Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten, S. 767. Vgl. Steinmeister an Rheinbaben v. 13.8.1912, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 16002. Vgl. Berlage an Rheinbaben v. 3.9.1912, ebd. Ratibor-Corvey an Rheinbaben v. 18.8.1912, ebd. Zum Curriculum vitae von Bertram vgl. das Kap. Hildesheim in diesem Band. Zum Curriculum vitae von Schaefer vgl. das Kap. Sachsen in diesem Band. Vitzthum an den preuß. Gesandten in Dresden v. 17.9.1912, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2b.
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oseph Müller war gleichsam Dauerkandidat auf den Kölner Wahllisten, ohne dass sich an seiner Charakterisierung durch die Staatsbehörden etwas änderte. Seine prinzipielle Loyalität zu Kaiser und Reich stand außer Frage und erlaubte seine Streichung von der Liste nicht. Gleichwohl gehörten ihm keineswegs die Sympathien des Kultusministers, der erwog, Müller zum Verzicht zu bewegen268.
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ei Joseph Damian Schmitt269 ist zu erwähnen, dass er der einzige der nominierten Kandidaten war, der seine theologische Ausbildung im römischen Collegium Germanicum erhalten hatte. War dies lange Zeit in Preußen mit einem Stigma in den Augen der Behörden behaftet gewesen, so hatte es dem 1858 in Marbach bei Hünfeld geborenen Geistlichen den Weg auf den 1906 bestiegenen Bischofsstuhl seiner Heimatdiözese Fulda nicht verbaut.
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elix von Hartmann, der erst im Vorjahr zum Bischof von Münster ernannt worden war, wurde seitens des westfälischen Oberpräsidenten von Ratibor-Corvey prinzipiell negativ als nur bedingt geeignet charakterisiert270. Letzterer wollte „die Frage nach einer Gewähr von Hartmanns für eine loyale, patriotische und friedfertige Wirksamkeit als Kölner Erzbischof unentschieden lassen“. Gleichwohl habe er sich in seiner kurzen Amtszeit als Bischof sehr staatsloyal verhalten. Erfreut zeigte sich der Oberpräsident über seine Haltung im schwelenden Gewerkschaftsstreit. Hier habe von Hartmann für die Köln-Mönchengladbacher Richtung Partei ergriffen. Mit dieser Angabe unterlag der Berichterstatter einem Irrtum, war doch Hartmann zu diesem Zeitpunkt ein wenngleich gemäßigter Repräsentant der Berliner Richtung. Trotzdem gefiel Ratibor-Corvey seine Haltung nicht so recht, wozu auch die Volksmissionen durch Angehörige des Jesuitenordens beitrugen. Das Wirken der Patres war gemäß einem noch bis 1917 geltenden Kulturkampfgesetz im Deutschen Reich verboten, wurde aber vom Bischof von Münster unterstützt.
Wie der Regierungspräsident nach Koblenz meldete, war die Listenaufstellung „ruhig und glatt verlaufen“271. Oberpräsident von Rheinbaben in Koblenz zeigte sich erfreut und zufrieden über das Wahlergebnis des Kapitels272. Den Verzicht auf Mausbach könne man gut verschmerzen und die für die Regierungsbehörden überraschende Kandidatur von Bischof Schmitt sei ebenso akzeptabel. Allerdings schien eine Wahl Hartmanns angesichts der vergleichsweise geringen 268 269 270
271 272
Vgl. Trott zu Solz an Rheinbaben v. 21.8.1912, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 16002, Zu Schmitt vgl. das Kap. Fulda in diesem Band. Vgl. Ratibor-Corvey an Rheinbaben v. 18.8.1912, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 16002. Hier auch das folg. Zit. Steinmeister an Rheinbaben v. 3.9.1912, ebd. Vgl. Rheinbaben an Trott zu Solz v. 5.9.1912, ebd.
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Stimmenzahl bei der Listenerstellung fraglich, und Rheinbaben wurde zudem von Berlage in der Befürchtung bestärkt, dass eine Majorität für Weihbischof Müller zustande käme273. Letztlich entschieden sich aber Regierungspräsident und Oberpräsident Ende September bei einem Treffen mit dem Kultusminister in Berlin, als Zeichen für die loyale Listenaufstellung des Kapitels alle Kandidaten ungehindert passieren zu lassen274. Überhaupt nichts hielt der Kultusminister von dem sich als Bischofsmacher dezidiert staatsloyaler Haltung verstehenden Dompropst Berlage. Er sei „leider völlig verbrannt [Zeitgenössische Redewendung. Dahinter steht die Vorstellung, dass ein Kandidat nicht mehr berücksichtigt werden könne, wenn er einmal abgelehnt worden sei. Anm. d. Verf.], steht mit dem Kapitel schlecht“275, echauffierte er sich gegenüber dem Oberpräsidenten. Kardinal Kopp informierte bereits drei Tage nach der Listenaufstellung Kardinalstaatssekretär Merry del Val direkt über die einzelnen Kandidaten und machte aus seiner Unzufriedenheit über die Listenzusammensetzung keinen Hehl276. Sowohl Schulte als auch Bertram und Schaefer, also die drei Erstplatzierten, seien im schwelenden Gewerkschaftsstreit als Vertreter der KölnMönchengladbacher Richtung hervorgetreten, die eine interkonfessionelle Organisation der katholischen Arbeiter anstrebten. Josef Damian Schmitt sei als Bischof von Fulda zweifellos am rechten Platz, in Köln jedoch überfordert, so dass im Grunde nur Hartmann das benötigte Format besitze. Kopp zeigte sich allerdings pessimistisch, dass dieser gewählt würde. Zwar sei Hartmann auch der Favorit des Kaisers, jedoch würde der Kultusminister Bertram oder auch Schulte bevorzugen. Als weniger intensiv erwies sich der Kontakt zwischen dem Metropolitankapitel und der Nuntiatur in München. Nuntius Andreas Frühwirth jedenfalls erfuhr erst aus der Presse den Termin der anberaumten Bischofswahl, informierte den Kardinalstaatssekretär darüber277 und ermahnte gleichzeitig Dompropst Dr. Berlage, zur umgehenden Bekanntgabe des Namens des Erwählten278. Aus der Nebenbemerkung Frühwirths, bei der Meldung nicht wiederum eine Verzögerung eintreten zu lassen, lässt sich ablesen, dass die innerkirchliche Kommunikation zwischen Köln und München nicht reibungslos verlief. Wie Merry del Val in Rom „très confidentiel“ erfuhr, hatten die Kölner Domherren bewusst die Wahlvorbereitungen sehr im Geheimen ge273 274 275 276 277
278
Vgl. Berlage an Rheinbaben v. 6.9.1912, ebd. Vgl. Trippen, Das Domkapitel und die Erzbischofswahlen, S. 443f. Trott zu Solz an Rheinbaben v. 5.8.1912, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 16002. Vgl. Kopp an Merry del Val v. 6.9.1912, in: ASV AES, Anno 1913, 255, fasc. 1 Vgl. Frühwirth an Merry del Val v. 21.10.1912 unter Verweis auf einen Bericht der „Kölnischen Volkszeitung“. In: ASV ANM 266. Auch Merry del Val an Frühwirth v. 28.10.1912, ebd. Vgl. Frühwirth an Berlage v. 21.10.1912, ebd.
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troffen, weil sie Angst davor hatten, die Kurie mit ihrer Liste nicht zufrieden stellen zu können279. Innerhalb einer Rekordzeit von fünf Wochen erhielt das Kapitel die Liste zurück und fand dort – wohl zur allgemeinen Überraschung – keinen der Kandidaten beanstandet. Mit Bertram und Schulte standen ja auch zwei klare Anhänger der von der Regierung unterstützten Köln-Mönchengladbacher Richtung auf der Liste, denen gute Chancen ausgerechnet wurden. Und ein dezidierter Exponent der Berliner Richtung, den man hätte eliminiert sehen wollen, befand sich gar nicht auf der Wahlliste. Noch am 5. September, also zu einem Zeitpunkt, an dem die Liste schon feststand, aber noch nicht in Rom bekannt war, ließ Kardinalstaatssekretär Merry del Val alle Presseinformationen über die sechs im Vorfeld als Kandidaten gehandelten Geistlichen Müller, Schulte, Keppler, Heiner, Mausbach und Kaufmann zusammenfassen und versah sie mit knappen Kommentaren. Demnach war Weihbischof Müller für Rom ein zu weicher Charakter, Bischof Schulte trete zu kämpferisch für die Köln-Mönchengladbacher Richtung im Gewerkschaftsstreit ein, Bischof Keppler sei nur anfangs erwähnt gewesen und würde aufgrund seiner öffentlich erklärten Abneigung, Württemberg zu verlassen, nicht mehr als Kandidat gehandelt. Professor Heiner könnte nun als Kompensation den Kölner Stuhl erhalten, zumal er ja bereits als Kurienkardinal gehandelt worden sei. Insgesamt würden ihm aber keine großen Chancen eingeräumt. Mausbach sei ein geistiger Kopf der Kölner Richtung, der scharfe Attacken gegen die Berliner Richtung geritten habe. Gleichwohl würde die Regierung gegen ihn nicht protestieren. Kaufmann hingegen sei einfach unbekannt. Auch wenn nur zwei der sechs vom Kardinalstaatssekretär analysierten Kandidaten tatsächlich auf der Liste standen – Müller und Schulte nämlich –, sind die Charakterisierungen allesamt sehr aufschlussreich für den Blickwinkel Merry del Vals bzw. der Kurie: Nicht mehr der möglichen politischen Genehmheit seitens der Regierung gehörte das Augenmerk, sondern der Haltung in Gewerkschaftsstreit und Modernismus-Frage. Wer dabei der als moderner und polyglotter angesehenen Kölner Richtung angehörte oder zuneigte, war per se schon suspekt. Gerade in Köln erschien der Kurie dieses Problem virulent, weil der verstorbene Kardinal Fischer der kritisch beäugten Richtung nahe gestanden hatte. Deshalb stellte Kardinalstaatssekretär Merry del Val auch mit Datum vom 11. September 1912 dem Breslauer Kardinal Kopp als Wunsch des Papstes vor Augen, dass mit Bischof von Hartmann ein Exponent der Berlin-Trierer Richtung gewählt würde. War ein solch dezidierter Wunsch des Papstes, wenngleich nicht unmittelbar ausgedrückt, schon ein Novum in der Geschichte der Bischofswahlen, so gab Kopp diese Direktive natürlich überaus gern an Dom279
Aktennotiz, in: ASV SS Anno 1913, rubr. 255, fasc. 1.
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propst Berlage – verständlicherweise unter dem Siegel der Verschwiegenheit – weiter280, weil er selbst dieser konservativen Richtung angehörte. Dass gerade Berlage der Adressat war, passte zudem exzellent, gehörte er ja auch zu denjenigen, welche Hartmanns Wahl positiv gegenüber standen. Dem Oberpräsidenten blieb diese wirklich geheime Aktion verborgen. Als der Dompropst am Wahltag, dem 29. Oktober 1912, allerdings erst nach dem ersten Wahlgang, den päpstlichen Wunsch verlas, war Rheinbaben ja gemäß dem Protokoll nicht zugegen. Dem Wunsch Pius’ X. kam zwar entgegen, dass noch unmittelbar vor dem Wahlakt Bischof Karl Joseph Schulte einen Appell an das Metropolitankapitel gerichtet hatte, ihn nicht zu wählen, da er in Paderborn bleiben wolle281. Aber im ersten Wahlgang war Müller mit acht Stimmen vor Hartmann mit sieben und Bertram mit einer Stimme führend. Insofern wird das Verlesen des kurialen Wunsches den Ausschlag dafür gegeben haben, dass im 2. Wahlgang Hartmann neun Domherren hinter sich hatte, Müller jedoch nur sieben282. Aber auch diese Beeinflussung des Domkapitels – im Vergleich zur Wahl von 1899 diesmal aus Rom – blieb nicht lange das vertrauliche Geheimnis, das sie eigentlich sein sollte. Ob der unterlegene Weihbischof Joseph Müller seinen Unmut auf diese Weise herausließ, lässt sich nicht belegen. Jedenfalls muss einer der Domherren die Presse nachträglich umgehend informiert haben. Denn schon am Folgetag war in der „Frankfurter Zeitung“ eine deutliche Spitze gegen Pius X. zu lesen, der durch seine Intervention den Wahlausgang im letzten Moment zugunsten der integralen Berliner Richtung entschieden habe. Kardinal Kopp war vielleicht aufgrund dieser Misstöne bereits am Tag nach der Wahl bemüht, gegenüber Nuntius Frühwirth auf die erfreuten und positiven Kommentare der Zeitungen über den Wahlausgang hinzuweisen283. Von Überraschung oder kühler Gratulation, wie sie aus den Reaktionen im Rheinland sprach, fand sich darin keine Spur. Zugleich legte er Erzbischof Frühwirth nahe, er solle doch bitte im Namen des Heiligen Vaters einige Worte der Zufriedenheit über den Wahlausgang nach Köln senden. Letzterer zitierte dann auch brav gegenüber dem Kardinalstaatssekretär mit Befriedigung Kommentare der liberalen wie der konservativen Presse, die sich grosso modo sehr erleichtert gezeigt hätten, das nicht etwa Weihbischof Müller oder ein anderer dezidierter Exponent der Köln-Mönchengladbacher Richtung das Rennen ge-
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Vgl. Kopp an Berlage v. 20.9.1912, in: Historisches Archiv des Erzbistums Köln, MK-A III 6. Hierzu auch ausführlicher Trippen, Das Domkapitel und die Erzbischofswahlen, S. 448. So berichtete Rheinbaben im Nachgang der Wahl dem Kultusminister, und zwar am 30.10.1912, zit. bei Trippen, Das Domkapitel und die Erzbischofswahlen, S. 450f. Vgl. Protokoll der Bischofswahl v. 29.10.1912, in: Historisches Archiv des Erzbistums Köln MK-A III 6. Vgl. Kopp an Frühwirth v. 30.10.1912, in: ASV SS Anno 1913, pos. 255, fasc. 1.
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macht habe284. Erstaunlich sei zu beobachten, dass sie um diesen Preis den Erfolg eines in Rom ausgebildeten Priesters, wie von Hartmann, unterstützten. Der neu gewählte Bischof habe die in ihn in Münster gesetzten Hoffnungen voll erfüllt, so dass er die Transferierung nur empfehlen könne und nur noch auf die Zustimmung warte, den Kanonischen Prozess zu eröffnen285. Von der vorhergegangenen Verärgerung des Nuntius, vom Termin der Bischofswahl wiederum erst aus der Presse erfahren zu haben, war nichts mehr zu spüren286. Was die Benachrichtigung der Nuntiatur anging, folgte Dompropst Berlage der Bitte von Erzbischof Frühwirth und meldete die Wahl von Hartmanns noch am Wahltag via Telegramm nach München. Dort zeigte sich Frühwirth sehr zufrieden mit dem Ergebnis. An Merry del Val schrieb er am Folgetag, der neue Erzbischof habe in Münster in der kurzen Zeit seiner dortigen Wirksamkeit große Hoffnungen erfüllt und verwies im Übrigen auf die Berichte anlässlich von dessen Bischofswahl in Münster im Vorjahr, denen er nichts hinzufügen könne287. Zugleich schwang ein wenig Unzufriedenheit darüber mit, dass das Metropolitankapitel das Wahlprotokoll bisher nicht übersandt habe. Seine Aufgabe, dem Heiligen Stuhl detailliertere Informationen über den Wahlakt zukommen zu lassen, konnte der Nuntius auch deshalb nicht so recht erfüllen. Daher beschränkte er sich – nachdem auch das Wahlprotokoll eingetroffen war – auf die Auswertung von Stimmungsberichten aus der Presse. In den katholischen Zeitungen sei die Wahl von Hartmanns mit Befriedigung zur Kenntnis genommen worden, während die liberale Presse den Kölner Weihbischof Joseph Müller favorisiert habe und in den konservativen Organen der Akzent auf die Verhinderung eines in Rom ausgebildeten ultramontanen Theologen gelegt worden sei288. Auch im Vatikan war man sich wohl nicht zuletzt Dank der Berichterstattung des Nuntius nachhaltig sicher, dass die Wahl von Hartmanns der richtige Schritt für Köln gewesen war. Umgehend wurde vom Kardinalstaatssekretär das Plazet zur Aufnahme des Kanonischen Prozesses erteilt, den Frühwirth mit geschwindem Tempo einzuleiten bemüht war289. Wie eilig es ihm war, lässt sich daran ablesen, dass Frühwirth Pius X. ersuchte, Erzbischof von Hartmann bereits in dem drei Wochen später, am 2. Dezember anberaumten nächsten Konsistorium das Pallium verleihen zu wollen. Gerade die kirchenpolitische Richtung Hartmanns stieß in Rom auf Wohlgefallen. Wie beispielsweise der bayerische Gesandte beim Heiligen Stuhl, 284 285 286 287 288 289
Vgl. Frühwirth an Merry del Val v. 3.11.1912, ebd. Vgl. Frühwirth an Merry del Val v. 30.10.1912, ebd. Vgl. Frühwirth an Merry del Val v. 21.10.1912, ebd. Frühwirth an Merry del Val v. 30.10.1912, in: ASV ANM 266. Vgl. Frühwirth an Merry del Val v. 3.11.1912, ebd. Vgl. Merry del Val an Frühwirth v. 10.11.1912 u. Frühwirth an v. Hartmann v. 11.11.1912, ebd.
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Otto von Ritter zu Groenesteyn290, im Juni 1914, also noch kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges, seiner Regierung berichtete, habe sich Kardinalstaatssekretär Merry del Val ihm gegenüber äußerst lobend über den Erzbischof von Köln ausgesprochen. Hartmann, der inzwischen auch zum Kardinal kreiert worden war, werde „hoch angerechnet, dass er betreffend die Gewerkschaftsfrage dem Heiligen Stuhl in der Theorie vollkommen recht gibt und nur für die Notwendigkeiten eingetreten ist, sich in der Praxis mit den nun einmal bestehenden Verhältnissen so gut als möglich und so weit der Glaube dadurch nicht gefährdet wird, abzufinden“291. Lediglich der Papst selbst ließ durch Merry del Val seiner Überzeugung Ausdruck verleihen, dass im Wahlprotokoll nicht von einer Wahl, sondern lediglich von einer Postulation von Hartmanns die Rede sein könne, da es um die Transferierung eines bereits einmal erwählten Bischofs gehe292. Trotz dieses kritischen Einwurfs, der aber sicherlich eher als kirchenrechtliche bzw. interpretatorische Nuance anzusehen ist, wurde der Kanonische Informativprozess so rasch abgeschlossen, dass Hartmanns Präkonisation tatsächlich noch am 2. Dezember 1912 erfolgen konnte293. Die Inthronisation erfolgte am 9. April 1913 und blieb letztlich „ohne einen Anflug von Misstrauen staatlicherseits“294. Der einzige, der dem abgekarteten Spiel seiner Transferierung von Münster nach Köln beinahe noch einen Strich durch die Rechnung gemacht hätte, war Felix von Hartmann selbst. Wie sein damaliger Geheimsekretär Carl Berghaus berichtet, war Hartmann im Vorfeld der Wahl so verzweifelt, dass er eigens Papst Pius X. in Rom aufsuchen wollte, um diesen zu ersuchen, seine Wahl zu verhindern295. Dass der Papst, der das Anliegen wohl ahnte, ihm die Reise verbot, hat Hartmann tief getroffen. Dem Heiligen Vater ging es aber sicherlich auch darum, den Bischof von Münster im Augenblick des Wahlaktes vor Ort in Deutschland zu wissen. Nach der Wahl suchte Hartmann seinen Arzt auf, ließ sich ein Attest ausstellen, dass er den Strapazen des Kölner Erzbischofsamtes nicht gewachsen sei und schickte dies über den aus Münster stammenden, in der Nähe von Rom wirkenden Franziskanerbischof Bernhard Josef Döbbing an Pius X.296. Verständlicherweise wurde auch dieser in der Retrospektive durchaus originell wirkende Versuch, die neue Verantwortung nicht auf sich nehmen zu müssen, vom Papst abschlägig beschieden. 290
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Zu Ritter zu Groenesteyn vgl. die Kap. über die Bischofsernennungen in Bayern in diesem Band. Ritter zu Groenesteyn an Bayerisches Ministerium des Äußeren v. 12.6.1914, in: BHStA München, MA 99408. Vgl. Merry del Val an Frühwirth v. 12.11.1912, in: ASV ANM 266. Vgl. dazu auch das Schreiben Frühwirths an v. Hartmann v. 26.11.1912, ebd. Trippen, Das Domkapitel und die Erzbischofswahlen, S. 459. Vgl. Berghaus, Erinnerungen, S. 30. Vgl. ebd., S. 33.
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Weihbischöfe in Köln Weihbischofsernennung 1889 Weil der seit 1854 amtierende Kölner Weihbischof Johann Anton Friedrich Baudri297 über 80 Jahre zählte und körperlich nicht mehr in der Lage war, seinen Amtspflichten nachzukommen, hielt Erzbischof Krementz nach einem geeigneten zweiten Weihbischof und zugleich Nachfolger Ausschau. Die Kandidatur seines ersten Favoriten, des einflussreichen Domkapitulars Kaspar Anton Heuser, wusste der staatsloyale Dompropst Berlage zu hintertreiben. Sichtlich erregt teilte er Anfang April 1888 dem Kultusminister mit, Baudri habe ihm von den Absichten des Erzbischofs Kenntnis gegeben. Heuser sei ein äußerst gefährlicher Exponent der extrem ultramontanen Richtung im Metropolitankapitel und deshalb unbedingt zu verhindern. Der umgehend aus Berlin eingeschaltete Preußische Vatikangesandte Kurd von Schlözer298 hatte zwar vom Kardinalstaatssekretär noch nichts über eine bevorstehende Ernennung Heusers vernommen, erfuhr jedoch von Montel, dass diesen kürzlich ein Kölner Priester in der Weihbischofsfrage aufgesucht habe, der die vatikanische Bereitschaft zur Ernennung Heusers zum Weihbischof sondieren sollte299. Wie sehr Krementz selbst von dieser Personalie überzeugt war, zeigt sich daran, dass er seinem geistlichen Unterhändler zu verstehen gegeben hatte, dass einzig und allein Heuser Weihbischof werden solle. Noch bevor sich andeutende staatliche Maßnahmen gegen Heuser, dessen steigenden Einfluss auf den Erzbischof die Regierung schlicht und einfach fürchtete, zum Tragen kamen, hatte dieser offensichtlich von sich aus auf das Bischofsamt verzichtet, angeblich weil er sich öffentlichen Auftritten und Ansprachen nicht gewachsen fühlte300. Auch der Ersatzkandidat von Krementz, der Generalpräses der Gesellenvereine (Kolpingsfamilien) Sebastian Georg Schaeffer301, erwies sich nicht als haltbarer Kandidat für das Weihbischofsamt. Auffällig erscheint, dass auch dieser potenzielle Kandidat umgehend – möglicherweise wiederum durch Berlage – in Berlin bekannt und einer Überprüfung unterzogen wurde, ohne dass der Erzbischof über seine Pläne mit einem Regierungsvertreter gesprochen hatte. 297 298
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Zu Baudri vgl. Hegel, Baudri, in: Gatz, Bischöfe, S. 27f. Zu Schlözer (1822–1894), 1882–1892 preußischer Gesandter am Heiligen Stuhl, vgl. DBE, Bd. 8 (2007), S. 918; Curtius, Schlözer, in: ADB, Bd. 54 (1908), S. 47–54; u. Hanus, Die preußische Vatikangesandtschaft, S. 319–381. Vgl. Schlözer an Bismarck v. 22.4.1888, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2b. Vgl. auch Trippen, Das Domkapitel und die Erzbischofswahlen, S. 271f. Vgl. Schlözer an Bismarck v. 26.4.1888, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2b. Zu Schaeffer (1828–1901), der 1891 Domkapitular wurde, vgl. Schweitzer, Schaeffer; u. Trippen, Das Domkapitel und die Erzbischofswahlen, S 273, Anm. 66.
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Mitte Juni 1888 wusste Kultusminister Gustav Goßler dann auch dem Oberpräsidenten der Rheinprovinz, der in die Kandidatensuche offensichtlich bisher noch gar nicht involviert gewesen war, unter dem Siegel der Verschwiegenheit mitzuteilen, dass „die Absicht besteht, für die Diözese Köln einen zweiten Weihbischof zu bestellen“302. Erzbischof Krementz habe in Rom den an St. Gereon in Köln tätigen Kaplan Heinrich Schumacher303 vorgeschlagen. Vollkommen neu war hingegen, dass Krementz auch Goßler in Berlin informiert habe. Obgleich er sich gegen diese Vorgehensweise unter Verweis auf „De salute animarum“, wo eine Zustimmung der Regierung zu Weihbischofsernennungen überhaupt nicht verankert war, gewehrt hatte, war es der – sicherlich von der noch nachwirkenden Kulturkampferfahrung bedingte – ausdrückliche Wunsch Leos XIII. gewesen, den Personalvorschlag für einen zweiten Weihbischof vorab dem Kultusminister zu unterbreiten304. Daraufhin habe man aus Berlin eine Stellungnahme des Kölner Regierungspräsidenten Ludwig (Chlodwig) von Sydow305 angefordert. Letzterer hatte zwar eingestehen müssen, dass Schumacher öffentlich nicht hervorgetreten sei, jedoch konnte er glaubhaft versichern, dass der Geistliche „im Klerus als ultramontaner Agitator bekannt“306 und sein Haus „eine Sammelstelle der agitatorischen Bestrebungen“ sei. Schumacher schien sowohl dem Kultusminister als auch dem Oberpräsidenten daraufhin nicht tragbar. Ende November 1888 meldete sich Erzbischof Krementz dann beim Oberpräsidenten mit der Nachricht, er habe einen neuen Weihbischofskandidaten nach Rom gemeldet, und zwar den geistlichen Religionslehrer in Essen, Antonius Fischer, der auch vom Papst bereits bestätigt worden sei. Ganz offensichtlich wähnte er sich bei diesem neuen Vorschlag schon deshalb so erfolgssicher, dass er auf eine Vorabmeldung an die Regierung verzichtete, weil Fischer kurz zuvor ohne staatliche Beanstandung in das Metropolitankapitel aufgenommen worden war307. Überhaupt ging es Krementz offenbar in erster Linie darum, dass der Oberpräsident beim Königlichen Provinzialschulkollegium für eine rasche – am besten noch vor Weihnachten zu erfolgende – Dispensierung Fischers von seiner Lehrertätigkeit sorgen sollte. Zur selben Zeit hatte man im Kultusministerium aus der Zeitung von der bevorstehenden Präkonisation Fischers erfahren und fragte in Koblenz nach, ob dort eine 302 303
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Goßler an Bardeleben v. 14.6.1888, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 7480. Zu Schumacher (1834– ?), seit 1887 Pfarrverwalter in Köln St. Gereon vgl. ebd., S. 273, Anm. 67. Vgl. dazu Trippen, Das Domkapitel und die Erzbischofswahlen, S. 273. Zu Sydow (1824–1907), 1884–1894 Regierungspräsident in Köln, vgl. Romeyk, Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten, S. 778, Klein, Die Kölner Regierungspräsidenten, S. 98f., u. Bönisch, Köln und Preußen, S. 80f. Sydow an Oberpräsidium v. 2.6.1888, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 7480. Hier auch das folg. Zit. Vgl. Krementz an Bardeleben v. 16.11.1888, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 16055.
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vorherige Anzeige des Erzbischofs eingegangen sei. In großer Eile versuchte nun Oberpräsident Moritz von Bardeleben308 an Informationen über die kirchenpolitische und politische Einstellung von Fischer zu gelangen. Schließlich lag innerhalb kürzester Frist eine Stellungnahme des Essener Landrates August Freiherr von Hövel309 vor, welche sehr ambivalent ausfiel und sich zudem auf zahlreiche Gerüchte berief, deren Wahrheitsgehalt nicht überprüft worden war. Die Ansichten über Fischers politische Haltung gingen auseinander. „Während die meisten ihn als den ultramontanen Agitationen fern stehend bezeichneten, galt er bei anderen als reges Glied der ultramontanen Partei. Es wird behauptet, dass er der Verfasser einer Reihe von vielfach nicht gerade in friedliebendem Tone gehaltenen Leitartikeln der „Essener Volkszeitung“ sei, und die Jesuiten sich für seine Ernennung zum Professor [in Bonn. Anm. d. Verf.] interessiert hätten“310. Wie sehr hier Wahrheit und antikatholisches Ressentiment vermengt wurden, zeigt sich daran, dass Fischer – wie bereits dargelegt – in der Tat eine Professur in Bonn erhalten sollte, aber ebenso wegen seiner negativen Haltung gegenüber den Altkatholiken vom Kultusminister abgelehnt worden war, wie auch aufgrund seines geringen wissenschaftlichen Oeuvres. Obwohl der Bericht des Landrats außerdem Fischers Auftreten ebenso wie seine gesellschaftlichen Formen und nicht zuletzt sein rhetorisches Talent negativ klassifizierte, wurde er letztlich nicht beanstandet. Es ist anzunehmen, dass man sich im Kultusministerium durchaus darüber im Klaren war, dass eine Minus-Grata-Erklärung für den Papst keineswegs bindend gewesen wäre. Neben den Sympathien, denen sich Antonius Fischer bei Kardinal Kopp, welcher seine Professurbewerbung unterstützt hatte, erfreute, dürfte auch seine Beteuerung eine Rolle gespielt haben, ein friedliches Miteinander von Staat und Kirche zu wollen. Schließlich wird es der Regierung sicherlich sehr darum zu tun gewesen sein, nach dem Scheitern der Kandidatur von Heinrich Schumacher nunmehr in der Besetzung der Weihbischofsstelle öffentlich Erfolg melden zu können. Außerdem erwies es sich als äußerst kluger Schachzug des Erzbischofs, einen gerade als Domkapitular legitimierten Geistlichen zur Ernennung vorzuschlagen, über den in der Kürze der Zeit kaum ein neuer, die Ablehnung rechtfertigender Grund vorliegen konnte. Und dass es eben „nur“ um einen Weihbischofsposten ging, spielte sicherlich auch dafür eine Rolle, dass vom Kultusministerium aus bereits nach wenigen Tagen trotz der offensichtlichen Ungereimtheiten in Fischers politischem Engagement das Plazet erteilt und darüber hinaus der Bitte des Erzbischofs um Entlassung aus 308
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Zu Bardeleben (1814–1890), 1872–1889 Oberpräsident der Rheinprovinz, vgl. Schwabe (Hrsg.), Die preußischen Oberpräsidenten, S. 297. Zu Hövel (1842–1917), 1870–1899 Landrat in Essen, dann Regierungspräsident in Köln, vgl. Romeyk, Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten, S. 535. Hövel an Sydow v. 2.12.1888, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 7480.
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dem Schuldienst entsprochen wurde311. Fischer selbst hatte derweil bereits am 21. November 1888 bei Nuntius Ruffo Scilla das Glaubensbekenntnis zur Eröffnung des Kanonischen Prozesses abgelegt312. Am 14. Februar 1889 sprach Papst Leo XIII. dann seine Ernennung zum Titularbischof von Juliopolis in Bithynien und Weihbischof in Köln aus und am 1. Mai fand der Ernennungsprozess mit der Konsekration im Kölner Dom durch Erzbischof Krementz ein Ende.
Weihbischofsernennung 1893 Als am 29. Juni 1893 Weihbischof Baudri mit beinahe 90 Jahren in Köln verstorben war, entschloss sich Erzbischof Krementz, umgehend erneut um einen zweiten Weihbischof nachzusuchen. Sein Favorit war der Oberpfarrer Hermann Joseph Schmitz in Krefeld, dem er gleichsam antizipierend am 5. August 1893 ein bischöfliches Kanonikat am Kölner Dom verlieh. Das Muster der Weihbischofsbestellung war also das gleiche wie vier Jahre zuvor, als Weihbischof Fischer ja auch im unmittelbaren Vorfeld seiner Ernennung eine Stelle als Domkapitular erhalten hatte. Etwas erstaunt meldete Anfang September 1893 der preußische Gesandte beim Heiligen Stuhl dem Auswärtigen Amt, dass „gutem Vernehmen nach im nächsten Konsistorium an Stelle des verstorbenen Weihbischofs Baudri der Stadtpfarrer Hermann Joseph Schmitz in Krefeld zum Weihbischof für das Erzbistum Köln präkonisiert werden wird. Wie mir mitgeteilt wird, soll derselbe patriotisch gesinnt und persona grata in Berlin sein“313. Dennoch war man im Auswärtigen Amt nicht begeistert, sozusagen inoffiziell von der Ernennung, die zu diesem Zeitpunkt im Übrigen bereits am 25. August stattgefunden hatte, zu erfahren. Entgegen den Bestimmungen erwartete man eine vorherige Anzeige der Kurie entweder bei der Regierung oder beim Gesandten in Rom und sah die Vorgänge bei der letzten Weihbischofsernennung für Köln 1888/89 als Präzedenzfall an. Wenn der neue Vatikan-Gesandte Otto von Bülow daraufhin bei Kardinalstaatssekretär Rampolla die Angelegenheit zur Sprache bringen ließ, beruhte dies ausdrücklich nicht auf persönlicher Verstimmung, übergangen worden zu sein, sondern geschah auf Aufforderung des Auswärtigen Amtes in Berlin314. Rampolla jedenfalls stellte sich auf den Standpunkt, die Ernennung der Weihbischöfe sei „ein kirchliches Internum“315, das lediglich dann einer vorherigen Absprache mit dem Staat be311 312 313
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Vgl. Kultusministerium an Bardeleben v. 7.12.1888, ebd. Vgl. Schmitz, Antonius Kardinal Fischer, S. 73. Gesandtschaft beim Heiligen Stuhl an Auswärtiges Amt v. 8.9.1893, in: PA AA Preußen 2, Nr. 1c R 3932. Vgl. Auswärtiges Amt an Rotenhan v. 27.9.1893, in: PA AA Preußen 2, Nr. 1c. Bülow an Caprivi v. 14.10.1893, ebd. Hier auch das folg. Zit.
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dürfe, wenn die Dotation des Amtes nicht gesichert sei. Natürlich sei es nicht verboten, wenn ein Bischof, der einen Weihbischof in Rom erbeten habe, diese Information der Regierung zukommen lasse. Damit hatte der Kardinalstaatssekretär deutlich gemacht, dass es sich um eine Kann-Bestimmung, nicht aber um eine Soll- oder Muss-Bestimmung handelte. Dennoch beschäftigte das Thema die preußische Diplomatie noch geraume Zeit. „Die Frage, ob wir ein Recht haben, die Ernennung eines Weihbischofs von unserer Zustimmung abhängig zu machen, wird je nach dem Standpunkt, den man bei der Auslegung der Bulle „De salute animarum“ einnimmt, verschieden beurteilt. Hinschius316 z.B. bejaht die Frage“, berichtete Bülow nach längerem Studium der aktuellen staatskirchenrechtlichen Literatur nach Berlin. Im Auswärtigen Amt sah man jetzt den „schwarzen Peter“ einmal mehr bei Rampolla. Während nämlich der Papst früher das Gespräch durchaus gesucht habe, folge der Kardinalstaatssekretär jetzt seinen ganz eigenen Intentionen. Im Übrigen sei die Regierung mit einer mündlichen Vorabinformation voll und ganz zufrieden317. Quintessenz einer erneuten Demarche des Gesandten beim Kardinalstaatssekretär war die Zusicherung Rampollas, sich künftig vor Weihbischofsbestellungen seitens der Kurie „mündlich und freundschaftlich“ mit der Regierung ins Benehmen zu setzen318. Im Kultusministerium war die beabsichtigte Ernennung von Hermann Joseph Schmitz zum Weihbischof bereits Mitte August durch Presseberichte bekannt geworden. Daraufhin hatte man beim Koblenzer Oberpräsidenten Informationen über dessen Persönlichkeit eingefordert, die in staatlichen Augen beruhigend wirken musste. Obgleich Schmitz ein klarer Verfechter kirchlicher Rechte sei, lehne er „diejenigen Kampfmittel, welche sonst wohl bei dem niederen Klerus übel vermerkt werden“319, ab. Kurz, Schmitz war ein strengkirchlicher Priester, der sich aber nicht der Publizistik oder der Agitation auf außerkirchlichen Versammlungen bediente. Erst unter dem 1. Dezember 1893 informierte Krementz das Kultusministerium über die erfolgte Ernennung von Schmitz320. Wenige Tage darauf begründete er die Notwendigkeit eines zweiten Weihbischofs mit der Zunahme der Katholikenzahlen im Erzbistum, die seit Erlass der Bulle „De salute animarum“ von 800.000 auf zwei Millionen gestiegen sei321.
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Zu Hinschius (1835–1898), einem in Kiel u. Berlin lehrenden protestantischen Kirchenrechtler, vgl. Liermann, Hinschius, in: NDB, Bd. 9 (1972), S. 190f. Vgl. Marschall v. Bieberstein an Bülow v. 30.11.1893, in: PA AA Preußen 2, Nr. 1c. Vgl. Bülow an Auswärtiges Amt v. 19.12.1893, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 5101, 21795. Oberbürgermeister v. Krefeld an Nasse v. 25.8.1893 u. Nasse an Kultusministerium v. 26.8.1893, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 16054. Krementz an Bosse v. 1.12.1893, in: PA AA Preußen 2, Nr. 1c. Krementz an Nasse v. 4.12.1893, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 7480.
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Weihbischofsernennung 1903 Bereits zwei Wochen vor seiner am 19. März 1903 erfolgten Inthronisation als neuer Erzbischof von Köln äußerte Antonius Fischer gegenüber dem Münchner Nuntius Macchi die Bitte um einen Nachfolger als Weihbischof322. Wenn Fischer sich gerade einen seiner Konkurrenten um den erzbischöflichen Stuhl, den Domkapitular Joseph Müller, als Weihbischof aussuchte, hatte dies seinen Grund wohl nicht allein in gegenseitiger Sympathie, sondern zuerst in der Tatsache, dass Müller fünf Jahre zuvor auf Vorschlag der Regierung als Domherr installiert worden und somit die Hürden einer staatlichen Überprüfung bereits übersprungen hatte. Zudem war der 58-jährige als Kandidat bei der Erzbischofswahl unbeanstandet geblieben. Eine Verzögerung trat zunächst lediglich dadurch ein, dass Fischer – ob bewusst oder unabsichtlich sei dahingestellt – die Ernennungsbitte an den Nuntius hatte gelangen lassen und aus München erst darauf hingewiesen werden musste, dass es notwendig sei, sich in dieser Frage unmittelbar an den Papst zu wenden323. Kardinalstaatssekretär Rampolla zeigte sich zunächst vorsichtig, wenn er eine wohlwollende Erklärung der Regierung zur Genehmheit Müllers erwartete324. Erst als der Erzbischof das Plazet der Regierung aus Berlin nach München gemeldet hatte, zeigte sich Macchi dahingehend zufrieden, dass er den kanonischen Prozess für den neuen Weihbischof einleitete325. 1903 hatte ihm Erzbischof Fischer die Dignität des Domdechanten verliehen. Papst Leo XIII. ernannte ihn am 30. April 1903 per Breve zum Titularbischof von Sarepta und Weihbischof in Köln326. Am 7. Juni spendete ihm Erzbischof Fischer die Bischofsweihe. Keinen Erfolg hatte er sowohl mit dem mit der Weihbischofsernennung Müllers verknüpften Vorhaben, von der großen Erzdiözese Köln ein Bistum Aachen abzutrennen, das bis zum Preußenkonkordat 1929 auf sich warten lassen sollte. Ebenso wenig ließ sich Fischers mit der Bestellung von Weihbischof Müller verknüpftes Anliegen der Ernennung eines zweiten Generalvikars realisieren. Dieser zweite Generalvikar sollte nämlich Joseph Müller in Personalunion sein.
Weihbischofsernennung 1914 Peter Joseph Lausberg327 wurde 1852 in Hoengen im Kreis Aachen als Sohn eines Grubenbeamten und Postverwalters geboren. Zunächst besuchte er die 322 323 324 325 326 327
Vgl. Fischer an Macchi v. 26.2.1903, in: ASV ANM busta 200. Vgl. Macchi an Fischer v. 4.3.1903, ebd. Vgl. Rampolla an Macchi v. 14.3.1903 u. ders. an Fischer v. 14.3.1903, ebd. Vgl. Macchi an Fischer v. 2.4.1903, ebd. Die Nomination kündigte Rampolla Macchi am 22.4.1903 per Telegramm an, ebd. Zu Lausberg vgl. Hegel, Lausberg, in: Gatz, Bischöfe, S. 524; u. Hecker, S. 229f.
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Domschule in Aachen, dann das Gymnasium in Neuß, wo er auch das Abitur ablegte. Zwar studierte er in Münster, trat dann aber in das Priesterseminar seiner Heimatdiözese Köln ein, wo er 1875 die Priesterweihe erhielt. Aufgrund des Kulturkampfes musste er seinen priesterlichen Dienst im Ausland, und zwar als Kaplan in Fourons (Voeren) in der Nachbardiözese Lüttich, beginnen. Ab 1880 wirkte er als Lehrer an zwei Ordensschulen in Theux. Erst 1888 kehrte Lausberg nach Köln zurück und fungierte in der Folge als Domvikar und Kanzlist am Generalvikariat. 1893 erhielt er die Pfarrei St. Mariä Empfängnis in Düsseldorf. Erzbischof Simar betraute ihn 1900 mit der bedeutenden Funktion des Regens des Kölner Priesterseminars, wo er sich durch besondere Güte das Vertrauen der Priesteramtskandidaten erwarb. 1907 erhielt er den Titel eines Dr. theol. h.c. 1914 avancierte er zum Domherrn und wurde am 1. Mai zum Titularbischof von Thyatira in Lydien und Weihbischof in Köln ernannt. Als Lausbergs Bischofsernennung den Staatsorganen zu Gehör kam, kam im Auswärtigen Amt noch einmal die Opposition gegen diese Form der Ernennung hoch. Doch der Vatikangesandte von Mühlberg ließ die Berliner Politik ganz deutlich wissen, dass er keinen Erfolg in einer neuerlichen Beschwerde beim Heiligen Stuhl sehe. Angesichts der „Zähigkeit, mit der die Kurie ihre begründeten und vermeintlichen Gerechtsame … zu wahren beflissen ist“328, sei es unsicher, ob der Kardinalstaatssekretär ein Versprechen zur vorherigen Bekanntgabe des Kandidaten abgeben würde. Und selbst wenn eine entsprechende Demarche erfolgreich verlaufe, sei es doch fraglich ob er sich in Zukunft daran gebunden halten wolle. Offenbar fühlte er sich genötigt, das Auswärtige Amt darüber aufzuklären, dass es beim Vatikan mit klaren Vereinbarungen nicht weiter käme und keineswegs die Hoffnung hegen dürfe, die Kurie sei eine diplomatisch leicht in Schach zu haltende Institution. Mit deutlicher Anspielung auf die Haltung des engen politischen Verbündeten Österreich-Ungarn am Vorabend des Ersten Weltkriegs nahm er seinem Adressaten jeden Wind aus den Segeln, wenn er schloss: „In einem Punkte ähnelt die Kurie vollständig den politischen Auslandsmächten: nur die Macht imponiert ihr“.
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Mühlberg an Auswärtiges Amt v. 19.6.1914, in: PA AA Preußen 2, Nr. 1c. Hier auch das folg. Zit.
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ei den beiden in der preußischen Provinz Westfalen durch die Bulle „De salute animarum“ neu umschriebenen Jurisdiktionsbezirken ist an alphabetisch erster Stelle das auf den Beginn des 9. Jahrhunderts zurückgehende Bistum Münster zu nennen1. Bedenkt man, dass Münster bis zur Säkularisation das nach Salzburg flächenmäßig größte geistliche Territorium des Alten Reiches war, wird die Bedeutung des dortigen Bischofssitzes nicht allein innerhalb der Reichskirche deutlich. Wenn die neu umschriebene Diözese auch mit dem an Hannover gefallenen und dem Bistum Osnabrück zugeordneten Emsland ein traditionelles Hinterland verloren hatte, so erhielt sie neben dem Münsterland bisher kölnische Gebiete im heutigen Ruhrgebiet (Vest Recklinghausen), vor allem aber den unteren Niederrhein um Kleve. Das 1821 ebenfalls der Jurisdiktion des Bischofs von Münster unterstellte Großherzogtum Oldenburg errichtete 1830 eine eigene, Münster unterstellte Kirchenbehörde, deren Leiter im Rang eines Münsteraner Generalvikars, hier Offizials, standen, und einer gesonderten Betrachtung bedürfen. 1823 wurde das Domkapitel wieder eingerichtet, das aus zwei Dignitäten (Dompropst und Domdechant) sowie acht residierenden und vier nichtresidierenden Domherren bestand2. Ab 1830 kamen noch zwei nichtresidierende Kanonikate für Oldenburg hinzu, von denen eines stets vom Bischöflich Münsterschen Offizial in Vechta bekleidet wurde. Während des Kulturkampfes zeigte sich der seit 1870 amtierende Bischof Johann Bernard Brinkmann3 als energischer Widersacher der Kulturkampfgesetze und erfuhr dabei massive Unterstützung durch die katholische Bevölkerung, bei der sich die seit Beginn des 19. Jahrhunderts verfestigte Aversion gegen die Zugehörigkeit zu Preußen bei dieser Gelegenheit noch einmal entlud. Pfändungen des Bischofs, Verurteilungen zu Geldstrafen und schließlich Inhaftierung des Oberhirten ließen den Volkszorn hochkochen, so dass der Eindruck wohl nicht ganz falsch war, dass in Münster der Kulturkampf als „Krieg bis aufs Messer“4 ausgefochten wurde. Dem zum „Bekennerbischof“ stilisierten Johann Bernard Brinkmann war schließlich im Februar 1884 bei der Rückkehr 1
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Zum Bistum Münster vgl. als Überblick Merveldt, Münster, in: Gatz, Die Bistümer und ihre Pfarreien, S. 486–497, u. Gatz, Bistum Münster, in: Ders., Die Bistümer der deutschsprachigen Länder, S. 530–546. Vgl. Schröer, Domkapitel. Zu den Bischofswahlen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vgl. auch Haas, Domkapitel und Bischofsstuhlbesetzungen. Zu Brinkmann vgl. Hegel, Brinkmann, Johann Bernard, in: Gatz, Bischöfe, S. 73f.; Merveldt, … und der Bekennerbischof Brinkmann, in: Schröer (Hrsg.), Das Domkapitel zu Münster, S. 205–249; In Cruce Salus; Schröer, Brinkmann, in: Ders., Bischöfe, S. 271–280. Gründer, „Krieg bis auf’s Messer“, in: Jakobi (Hrsg.), Geschichte der Stadt Münster, Bd. 2, S. 131–165.
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aus einem neunjährigen Exil in den Niederlanden5 ein triumphaler Empfang in seiner Bischofsstadt bereitet worden. Sein Bischöfl icher Kaplan erinnerte sich, dass „die Begeisterung, womit man allerwärts den aus dem Exil zurückgekehrten Bekenner empfi ng, alles [übertraf], was ich je gesehen, und … sich kaum beschreiben“6 ließe.
Bischofswahl 1889 Nur fünf Jahre später starb Bischof Brinkmann am 13. April 1889 im Alter von 76 Jahren plötzlich während der Vorbereitungen zur Feier seines Goldenen Priesterjubiläums. Weil er sich während des Kulturkampfes so stark exponiert hatte, war der Erwartungsdruck aus Berlin besonders groß, in der entfernten westfälischen Provinzhauptstadt nunmehr endlich einen preußenfreundlichen Bischof zu installieren7. Dass das Domkapitel umgehend nach Eintreten der Sedisvakanz Brinkmanns langjähriges „alter ego“, den Generalvikar Joseph Giese8, zum Kapitularvikar gewählt hatte, ließ Kultusminister Gustav Goßler befürchten, „dass dieser herrschsüchtige Prälat sich die Wege zum bischöfl ichen Stuhle ebnet“9. Daher wandte er sich umgehend an den Oberpräsidenten Robert von Hagemeister10, und bat diesen, „mit allem Nachdruck danach zu streben …, dass erstens die Bischofswahl bald vollzogen werde, [und] zweitens auf eine der Regierung möglichst genehme Persönlichkeit falle“. Zu diesem Zweck verlangte er, rasche Auskunft über mögliche Kandidaten des Domkapitels sowie über staatlich genehme Personen zu erhalten. Er selbst zog neben Dompropst Matthias Parmet den Domherrn und Professor für Kirchenrecht an der Akademie in Münster Johann Philipp Hartmann in Betracht11. Außerdem brachte er die beiden Dompröpste Johann 5 6 7
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Über das Exil, das Brinkmann zuletzt in Houthem verbrachte, vgl. Schürmann, Brinkmann. Ebd., S. 254. Vgl. zu dieser Bischofswahl auch Hirschfeld, „Die Münsterische Bistumsangelegenheit …“, in: JOM 2009, S. 69–101. Zu Giese vgl. Gatz, Bischöfe, S. 247; Helmert, Die Domkapitulare seit 1823, S. 378f.; Schröer, Bischöfe, S. 384. Vgl. Goßler an Hagemeister v. 20.4.1889, in: StAMS OP 1938,3. Hier auch die folg. Zit. Zu Hagemeister (1827–1902), 1883–1889 Oberpräsident von Westfalen, vgl. Wegmann, S. 277f.; u. Schwabe, Die preußischen Oberpräsidenten, S. 300. Zu Parmet (1833–1917), 1867–1884 Militärpfarrer in Berlin, 1870–1872 auch Generalvikar des Feldpropstes, 1884 Dompropst in Münster, vgl. Helmert, Domkapitulare, S. 383; Brandt, Parmet, in: Gatz, Bischöfe, S. 552, u. Brandt/Häger, Biographisches Lexikon der katholischen Militärseelsorge Deutschlands, S. 595. Zu Hartmann, einem gebürtigen Eichsfelder, Dr. iur., der 1875 mit der Arbeit „De iustitia divina disputatio dogmatica“ in Freiburg/Breisgau auch zum Dr. theol. promovierte, 1874 Prof. für Kirchenrecht in Münster, 1884 Domkapitular wurde, vgl. Helmert, Die Domkapitulare seit 1823, S. 383; sowie Hegel, Geschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät, Bd. I, S. 574, u. Bd. II, S. 26; sowie Hegel, Theologieprofessoren als Mitglieder des münsterischen Domkapitels,
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Kayser in Breslau und Franz Karl Berlage12 in Köln ins Gespräch, die „der Staatsregierung hochwillkommen“ seien. Beide entsprachen dem Prototyp des staatsloyalen Geistlichen, dem sie auch die Verleihung ihrer Stellen zu verdanken hatten. Berlage, der aus Salzbergen im südlichen Emsland stammte, war allerdings nicht – wie Goßler behauptete – Priester der Diözese Münster, sondern gehörte dem Osnabrücker Klerus an. Über eine Tätigkeit als Oberschulrat in Straßburg war er 1886 zunächst als Dompropst nach Trier, kurz darauf nach Köln gelangt. Kayser, gebürtig aus Geseke und Priester der Diözese Paderborn, hatte sich als Direktor des Lehrerseminars in Büren und dann als königlicher Provinzialschulrat in Danzig aus staatlicher Sicht so sehr bewährt, dass er auf die Dompropstei in Breslau befördert worden und gleichzeitig zum Honorarprofessor an der dortigen Katholisch-Theologischen Fakultät avanciert war. In ultramontanen Kreisen in Münster hatte sein Name aber deshalb einen schlechten Klang, weil er 1874 von der Regierung auf die Dompropstei befördert werden sollte, wogegen sich Bischof Brinkmann massiv und letztlich erfolgreich zur Wehr gesetzt hatte13. Wie Hagemeister am 23. April nach Berlin meldete, zeigte sich das Domkapitel mit Ausnahme des als staatsloyal eingeschätzten Domherrn Professor Hartmann sehr zurückhaltend, was Äußerungen über in Erwägung gezogene Bischofskandidaten anbetraf. Die Bemerkung des Oberpräsidenten, dass kaum ein nicht dem Münsteraner Klerus angehörender Geistlicher auf die Liste des Kapitels gelangen könnte, da „die kirchlichen Kreise von früher bestrebt gewesen sind, alle auswärtigen Elemente von der Diözese und insbesondere von den leitenden Stellen … auszuschließen“14, blieb dann einerseits auch im Bereich der Vermutung. Andererseits wollte Hagemeister auf diese Weise offenbar seinem Vorgesetzten deutlich machen, dass Berlage und Kayser in Münster keine Chance hätten, das Wohlwollen des Domkapitels zu erlangen. Als sichere Listenkandidaten sah der Oberpräsident in erster Linie den Kapitularvikar Giese, Domkapitular Maximilian Gereon Graf von Galen15 und Dompropst Parmet an. Allein aus Höfl ichkeit würde das Kapitel vermutlich seine Mitglieder Weihbischof Franz Wilhelm Cramer16, Peter van
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in: Schröer (Hrsg.), Monasterium, S. 567–577, hier S. 574f. Zu Berlage vgl. die Angaben im Kap. Köln. Zu Kayser vgl. das Kap. Paderborn in diesem Band. Vgl. Lebenslauf Kayser o.D., in: PA AA Preußen 2, Nr. 2e. Hagemeister an Goßler v. 23.4.1889, ebd. Hier auch das folg. Zit. Zu Maximilian Gereon von Galen (1832–1908) vgl. Gatz, Bischöfe, S. 227; Hirschfeld, Maximilian Gereon v. Galen, in: JOM, Bd. 55 (2006), S. 66–92; u. Ders., Galen, Maximilian Gereon, in: BBKL, Bd. 25 (2005), Sp. 473–478; sowie zuletzt Ders., Ultramontane oder Staatskatholiken? Die Familie von Galen in Oldenburg und Preußen. Zu Cramer (1815–1903) vgl. Helmert, Domkapitulare, S. 375–377; Gatz, Bischöfe, S. 106, u. Schröer, Bischöfe, S. 362.
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de Loo17 und Clemens Perger18 als Kandidaten benennen, ohne dass es diese favorisieren würde. Aus dem niederen Klerus seien zudem Landdechant Franz Brüel in Geldern und Pfarrer Joseph van Ackeren aus dem Wallfahrtsort Kevelaer mögliche Kandidaten19. Während Hagemeister die beiden niederrheinischen Priester Brüel und van Ackeren sowie Kapitularvikar Giese klar als Vertreter der ultramontanen Partei im Katholizismus bezeichnete, charakterisierte er von Galen aufgrund dessen langjähriger Tätigkeit als Kaplan und Begleiter des Mainzer Bischofs Wilhelm Emmanuel Freiherr von Ketteler als Persönlichkeit „von hochultramontaner Gesinnung“ und mit „hochkirchlichen Gesinnungen“, deren Wahl „weniger erfreuliche Consequenzen für die preuss[ische] Regierung nach sich ziehen“ würde. Demgegenüber schien ihm Dompropst Parmet geeigneter. Zwar habe dieser sich mittlerweile der ultramontanen Partei angeschlossen und sei mit Kapitularvikar Giese befreundet, was in den Augen des Oberpräsidenten jedoch eher ein taktischer Zug gewesen sei, „um bei der demnächstigen Bischofswahl sich die Chancen nicht zu verderben“. Als früherer Militärpfarrer in Berlin und zeitweiliger Generalvikar des preußischen Feldpropstes habe Parmet aber auch in Münster gute Verbindungen zu höheren Militärkreisen gehalten und mehrfach beeindruckende Reden bei Abnahme des Fahneneides gehalten. Während es sich bei Weihbischof Cramer und Domkapitular van de Loo um vornehmlich auf rein kirchlichem Gebiet tätige Geistliche handle, sei anzunehmen, dass der als Reichstagsabgeordneter des Zentrums wirkende Domherr Perger von vornherein persona minus grata bei der Regierung sei. Angesichts dieser, für die Durchsetzung eines dezidiert staatsfreundlichen Kandidaten wenig aussichtsreichen Vorabinformationen aus dem Oberpräsidium von Westfalen war Kultusminister Goßler zu einem entschiedenen Vorgehen entschlossen. Sein Hauptanliegen war es, die Dompröpste Berlage und Kayser auf die Münsteraner Liste zu lancieren. Um sein Ziel zu erreichen, ging er mehrgleisig vor.
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Zu van de Loo, seit 1884 Domkapitular, seit 1886 Regens, vgl. Helmert, Die Domkapitulare seit 1823, S. 381. Für den westfälischen Priesterdichter Augustin Wibbelt (1862–1947) war er „ein frommer, väterlich guter und sehr ruhiger Herr“. Wibbelt, Der versunkene Garten, S. 163. Zu Perger (1816–1910), der 1849–1884 Lehrer auf der Gaesdonck gewesen war, 1874–1877 MdA u. 1877–1892 MdR, u. seit 1884 dem Kapitel in Münster angehörte, vgl. Helmert, Die Domkapitulare seit 1823, S. 381f.; Haunfelder, Reichstagsabgeordnete der Deutschen Zentrumspartei, S. 227; Mann, Biographisches Handbuch für das Preußische Abgeordnetenhaus, S. 297; sowie Stenmans, Perger und Brunn, in: Gaesdoncker Blätter 1960, S. 4–10, u. die Charakterisierung durch Kultusminister Bosse v. 9.4.1897, in: StAMS, OP 1939,4. Zu van Ackeren, seit 1863 Pfarrer in Kevelaer, später 1892 auch Ehrendomherr in Münster, vgl. Helmert, Die Domkapitulare seit 1823, S. 433.
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Einerseits informierte er den mittlerweile auch zum staatlichen Wahlkommissar ernannten 20 Oberpräsidenten von Westfalen darüber, dass die bisher praktizierte Form des irischen Listenverfahrens rechtlich keineswegs verankert sei, weshalb der König nicht an eine Liste des Kapitels gebunden sei, sondern vielmehr jeden ihm schriftlich oder mündlich benannten Kandidaten nominieren könne. Selbstverständlich sei er auch befugt, bei Akzeptierung einer Liste gegen alle dort verzeichneten Kandidaten sein Veto einzulegen. Zur Bekräftigung legte Goßler eine entsprechende Instruktion bei, die 1881, also zu Hochzeiten des Kulturkampfes, an den Breslauer Oberpräsidenten ergangen war, als der dortige Bischofsstuhl neu besetzt werden sollte. Dort war als möglicher Ausweg außerdem von einer Suspendierung des Kapitelswahlrechts zugunsten direkter Verhandlungen zwischen preußischer Regierung und römischer Kurie die Rede. Andererseits schaltete er Ende April 1889 Bismarck ein21, der in seiner Eigenschaft als Staatssekretär des Auswärtigen Amtes bei Kurd von Schlözer, dem preußischen Gesandten beim Heiligen Stuhl, in der Münsteraner Besetzungsfrage antichambrieren sollte. Vor allem war der Rat des erfahrenen Diplomaten Schlözer gefragt, ob „es taktisch richtiger ist, zunächst die Vorschlagsliste des Domkapitels abzuwarten“22, oder ob der Kurie bereits vorab die Dompröpste Kayser und Berlage als personae gratissimae benannt werden sollten. Dass der Kultusminister zur letzteren Möglichkeit tendierte, lag an seiner Befürchtung; dass, falls „Kayser und Berlage nicht auf die Liste gesetzt werden, … diese in den Augen der Kurie diskreditiert und als spätere Kandidaten verbraucht“23 sein könnten. Zudem eruierte er, inwieweit „eine Kombination der Posener Seminarfrage mit der Münsteraner Bischofswahl … notwendig“24 sei. Goßler erwog also schon zu diesem Zeitpunkt, die staatliche Erlaubnis zur Wiedereröffnung des im Kulturkampf geschlossenen Priesterseminars in Posen25 von Konzessionen des Heiligen Stuhls bei der Personalauswahl für Münster abhängig zu machen. Schlözer hingegen riet zum Abwarten, ob und inwieweit die Listenkandidaten wirklich „für uns unannehmbar sind. Dann erst dürfte Leo XIII. vertraulich … von unseren Ansichten zu unterrichten sein. Kardinalstaatssekretär Rampolla muss möglichst beiseite gelassen werden, da er dem Papst gegenüber unsere Zurückweisung der Kandidatenliste als einen neuen Beweis für unsere kirchenfeindliche Gesinnung benutzen, dabei aber im Geheimen alles aufbieten würde, um die Vakanz in Münster unabsehbar zu verlängern“26. 20 21 22 23 24 25
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Vgl. Ernennungsschreiben Goßlers v. 14.5.1889, in: StAMS, OP 1938,3. Goßler an Bismarck v. 27.4.1889, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2e. Auswärtiges Amt an Schlözer v. 4.5.1889, ebd. So eine Vorlage aus dem Kultusministerium v. 3.5.1889, ebd. Goßler am 3.5.1889, ebd. Vgl. Anfragen Goßlers bei Bismarck v. 27.4. u. 28.5.1889, ebd. Zu Posen vgl. Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, v.a. aber das Kap. Gnesen-Posen in diesem Band. Schlözer an Auswärtiges Amt v. 7.5.1889, ebd.
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Der dritte Weg des Ministers lag in der Einbeziehung des staatsfreundlichen Breslauer Oberhirten Georg Kopp27, der ihm umgehend antwortete und denselben Ratschlag wie Schlözer erteilte. Auch wenn es ihm sicher zu sein schien, dass die Kapitelsliste „nur oder fast nur inakzeptable Personen enthalten wird; allein dieses gäbe dann die Veranlassung, mit Rom direkt in Verbindung zu treten“28. In den Augen des Fürstbischofs habe selbst Johann Philipp Hartmann, „den ich als Landsmann kenne [beide stammten aus dem Eichsfeld, Anm. d. Verf.], keinen zuverlässigen Charakter und wäre höchstens das kleinste Übel“. Seinen Dompropst Kayser dagegen empfahl er für die angesichts der Altersschwäche von Bischof Franz Kaspar Drobe29 bald zu erwartende Neubesetzung in dessen Heimatbistum Paderborn zu reservieren. Überhaupt legte er der Regierung nahe, nicht bei Berlage und Kayser stehen zu bleiben, obgleich diese als Westfalen gute Chancen hätten, bei der Bevölkerung Anerkennung zu fi nden. Vielmehr sei es an der Zeit, weitere staatsloyale Kandidaten namhaft zu machen und die Initiative aus Berlin zu ergreifen. Den Mangel an Alternativvorschlägen hatte auch schon Bismarck beklagt, der sich letztlich dem Rat Schlözers und Kopps anschloss, erst bei Vorliegen der Liste weitere Schritte in der Kurie zu unternehmen. So hatte der Reichskanzler sein deutliches Missfallen über das Fehlen eines uneingeschränkt zu unterstützenden Regierungskandidaten in Münster dadurch ausgedrückt, dass er an den Rand der entsprechenden Mitteilung des Kultusministers notierte: „Das ist ein Fehler“30. Dass derweil Oberpräsident von Hagemeister die insinuierte Einflussnahme auf die Entscheidung des Domkapitels nicht gelang, belegt die Zusammensetzung der Kandidatenliste, auf der weder Berlage noch Kayser auftauchten. Zudem enthielt die Liste lediglich zwei von ihm vermutete Namen, nämlich Giese und Cramer, darüber hinaus aber drei staatlicherseits bisher überhaupt nicht in Erwägung gezogene Geistliche. Dabei handelte es sich um den Trierer Weihbischof Heinrich Feiten, den Kölner Weihbischof Antonius Fischer sowie den Vechtaer Gymnasiallehrer Hermann Dingelstad. Wie überrascht Hagemeister über diese Zusammensetzung gewesen sein muss, belegt nicht 27
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Zu Kopps Staatsloyalität vgl. Morsey, Kopp. Kirchenfürst oder „Staatsbischof“?, in: Wichmann-Jahrbuch, Bd. 21–23 (1967), S. 42–65; Aschoff, Kirchenfürst im Kaiserreich, u. zuletzt Hirschfeld, Die Auseinandersetzungen um die Kardinalserhebung, in: ASKG, Bd. 63 (2005), S. 75–92. Kopp an Goßler v.1.5.1889 in Beantwortung von dessen Anfrage v. 30.4.1889, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2e. Zu Drobe vgl. das Kapitel Paderborn in diesem Band. Randnotiz Bismarcks auf dem Schreiben Goßlers an Bismarck v. 27.4.1889, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2e.
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zuletzt die Tatsache, dass er in vorauseilendem Gehorsam bereits beim Oberpräsidenten der Rheinprovinz in Koblenz Erkundigungen über die von ihm auf der Liste vermuteten niederrheinischen Pfarrer Brüel und van Ackeren eingeholt hatte31. Nun aber standen drei Münsteraner Diözesanpriestern zwei angeblich im Kapitel gar nicht in Frage kommende „auswärtige Elemente“ gegenüber. Da das Domkapitel die Liste zudem direkt nach Berlin gesandt hatte, fühlte sich der Oberpräsident in seiner Eigenschaft als Wahlkommissar übergangen und beklagte sich bei den Domherren32, die sich ihrerseits darauf beriefen, „lediglich dem stets hier üblich gewesenen Brauche“33 gefolgt zu sein. So habe man auch bei der letzten Bischofswahl 1870 die Liste unmittelbar an den König weitergeleitet, ohne dass dieses Procedere Beschwerden nach sich gezogen habe. Gemäß früheren Wahlakten, die man ausführlich studiert habe, sei die Aufgabe des Wahlkommissars auf die Teilnahme an dem noch ausstehenden Wahlakt beschränkt, an dessen Vortag er sein Beglaubigungsschreiben zu überreichen habe. Am Tag der Ausfertigung dieser Antwort war der Oberpräsident aber bereits durch den vormaligen Regierungspräsidenten von Ostpreußen Konrad Studt abgelöst worden. Während offiziell ein Bergarbeiterstreik im Ruhrgebiet, mit dessen Beilegung Hagemeister überfordert gewesen sei, als Grund für dessen plötzlichen Abgang angegeben wurde, meldete zumindest die katholische Presse Zweifel an dieser Version an. Vielmehr sei Hagemeister Opfer seiner kirchenfreundlichen Haltung in der Bischofswahlfrage geworden. Aus den Quellen lässt sich zwar kein Beleg dafür erbringen, dass der Oberpräsident – wie der „Münsterische Anzeiger“ und der „Westfälische Merkur“ behaupteten – sich für eine Rückgabe der Kapitelliste ohne Streichungen ausgesprochen habe. Jedoch lassen sich aus dem Briefwechsel Hagemeisters mit Kultusminister Goßler durchaus unterschiedliche kirchenpolitische Optionen erkennen. Der Hinweis des Ministers, dass die Kapitelliste nicht bindend für die Entscheidung in Berlin sei, bedeutete einen deutlichen Hinweis Richtung Oberpräsident, die aus Berlin benannten Dompröpste Kayser und Berlage eigenmächtig der Liste hinzuzufügen. Indem Hagemeister diesem Ansinnen nicht Folge leistete, war er selbst zur „persona minus grata“ geworden, so dass dem zeitgenössischen Pressefazit beigepfl ichtet werden kann, dass nämlich die „Behandlung der kirchenpolitischen Dinge der wesentlichste oder doch einer der wesentlichen Gründe des Abgangs war“34. Für die These von einer zu milden Haltung Hagemeisters in kirchenpolitischen Fragen spricht auch die Tatsache, dass er noch am 31
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Vgl. Hagemeister an Bardeleben v. 24.4.1889 u. dessen Antwort v. 24.5.1889, in: LHA Koblenz, Abt. 403, Nr. 15802. Hagemeister an Domkapitel v. 27.5.1889, Entwurf, in: StAMS, OP 1938,3. Domkapitel an Hagemeister v. 29.5.1889, ebd. Münsterischer Anzeiger v. 1889, o.D.
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Vortag des Todes von Bischof Brinkmann für diesen die Verleihung eines staatlichen Ordens in Berlin zu erwirken versucht hatte35. Obgleich noch der alte Oberpräsident unmittelbar nach Bekanntwerden der Liste bei den Regierungspräsidenten in Düsseldorf und Trier sowie bei der Großherzoglichen Regierung in Oldenburg um „möglichst schleunige, baldige, vertrauliche Mitteilung“36 über Herkunft und Bildungsgang, insbesondere aber über die „politische und kirchenpolitische Stellung“ der nicht in Münster lebenden Bischofskandidaten Fischer, Feiten bzw. Dingelstad nachgesucht hatte, vergingen vier Wochen, bevor Oberpräsident Studt die Ergebnisse der Auskünfte für Kultusminister Goßler in Berlin wie folgt zusammenfassen konnte37:
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eihbischof Franz Wilhelm Cramer, der 1815 in Oelde im östlichen Münsterland geboren war und über das Progymnasium in Warendorf auf das Paulinum in Münster gelangt war, hatte nach Abitur und Studium in Münster dort 1839 die Priesterweihe erhalten. Nach seelsorglicher Tätigkeit, u.a. als Pfarrdechant in Dülmen, hatte Cramer 20 Jahre als Regens das Priesterseminar in Münster geleitet, bevor er 1884 Weihbischof und zugleich Offizial und Domdechant geworden war. Aus der von ihm verfassten Vielzahl religiös-erbaulicher Bücher und Aufsätze, die Studt detailliert aufl istete, zog dieser den Schluss, dass „der ausschließliche Wirkungsbereich des Cramer sich auf dem Gebiete der Seelsorge bewegt“. Da er in Verwaltungsfragen vollkommen unerfahren sei, bestehe die Gefahr, dass er diese wieder dem vormaligen Generalvikar Giese anvertrauen würde, der dadurch eine übergroße Machtfülle erhalten würde.
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ermann Dingelstad38 war 1835 als Sohn eines Ackerbauern und Töpfers in Bracht-Alst im Kreis Kempen am Niederrhein geboren worden. Er gehörte zu den ersten Schülern des 1849 errichteten Bischöfl ichen Gymnasium Augustinianum auf der Gaesdonck bei Goch, an das er nach dem Theologiestudium und der 1859 in Münster erhaltenen Priesterweihe als geistlicher Lehrer für Deutsch, Französisch, Griechisch, Hebräisch und
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Vgl. das nicht mehr abgesandte Schreiben Hagemeister an Goßler v. 12.4.1889, in: StAMS, OP 1938,3. Den äußeren Anlass bildete das anstehende 50-jährige Priesterjubiläum des Bischofs. Wortlaut des Erkundigungsschreibens Hagemeisters an die genannten Stellen v. 27.5.1889, ebd. Hier auch das folg. Zit. Vgl. Studt an Goßler v. 29.6.1889, ebd. Hier auch die folg. Zit. Zu Dingelstad (1835–1911) vgl. zuletzt Sowade, Dingelstad, in: Der katholische Klerus im Oldenburger Land, S. 244–250; Hirschfeld, Dingelstad, in BBKL, Bd. 25 (2005), Sp. 294– 299, sowie von Merveldt, Dr. Hermann Dingelstad, in: Heimatbuch des Kreises Viersen 1981, S. 33–52; Hegel, Dingelstad, in: Gatz, Bischöfe, S. 132–134; Schröer, Dingelstad, in: Ders., Die Bischöfe von Münster, S. 281–287, u. DBE2, Bd. 2 (2005), S. 636.
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Mathematik zurückkehrte – unterbrochen von einem erneuten Studienaufenthalt in Münster, bei dem er das Staatsexamen als Gymnasiallehrer ablegte und zum Doktor der Philosophie promovierte. Bedingt durch die Aufhebung der Gaesdonck im Kulturkampf hatte er seine Stellung verloren und einen Sohn der Grafen von Hoensbroch auf Schloss Haag bei Geldern 1875 als Erzieher nach Vechta begleitet, wo dieser auf dem von keinerlei staatlichen Reglements betroffenen Großherzoglich Oldenburgischen katholischen Gymnasium Antonianum sein Abitur ablegte. Dingelstad erlangte hier zunächst die Stelle eines wissenschaftlichen Hilfslehrers und wurde 1885 ordentlicher Gymnasiallehrer39. Ein Jahr zuvor war er von der KatholischTheologischen Fakultät der Akademie in Münster gegenüber dem Kultusminister als „der tüchtigste geistliche Gymnasiallehrer der Diözese Münster“40 apostrophiert und für einen neu zu besetzenden Lehrstuhl für Apologetik und Allgemeine Moraltheologie in Vorschlag gebracht worden. Dass Dingelstad die Professur nicht erhielt, lag aber wohl vordringlich daran, dass er im Gegensatz zu anderen Kandidaten für diese Stelle außer Rezensionen kaum wissenschaftliche Veröffentlichungen vorzuweisen hatte. Dem Oberpräsidenten bot Dingelstads Persönlichkeit ein ambivalentes Bild. Während Gewährsleute des Düsseldorfer Regierungspräsidenten, die ihn von der Gaesdonck her kannten, ihm „eine durchaus loyale und patriotische Haltung und eine auf Frieden gerichtete Wirksamkeit“41 zutrauten, lobte das Department der Kirchen und Schulen im Großherzoglich Oldenburgischen Staatsministerium zwar die Tüchtigkeit Dingelstads als Lehrer und seinen Eifer als Philologe, sah in seiner Person aber keine Gewähr für eine „friedfertige Wirksamkeit“, da er dem Ultramontanismus zugeneigt sei, weshalb man ihn auch nicht zum Gymnasialdirektor gemacht habe42. Äußerst befremdet zeigte sich außerdem der preußische Gesandte in Oldenburg, Philipp Graf zu Eulenburg 43, ein enger Vertrauter Wilhelms II., nach einem kurzen Besuch in Vechta. Das katholische Gymnasium würde als intellektuelle Speerspitze des Katholizismus in der Region einen verderblichen Einfluss ausüben, weshalb es „den evangelischen Beamten Oldenburgs … ein Dorn im Auge“44 sei. Dies liege insbesondere an den Lehrern, unter denen „unzweifelhaft der hervorragendste Dr. Dingelstad“ sei. Dieser würde sich 39 40
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Vgl. den entsprechenden Schriftverkehr, in: StAOL, Best. 160,2, Nr. 2761 u. Best. 166,3. Kath.-Theol. Fakultät Münster an Kultusministerium v. 14.6.1884. Zit. nach Hegel, Geschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster, Bd. 1, S. 344. So Kreisschulinspektor Kentenich, Mönchengladbach, unter Berufung auf den mit Dingelstad bekannten Düsseldorfer Gymnasialdirektor Schweikert an Regierungspräsident v. Berlepsch v. 31.5.1889, Abschrift, in: StAMS, OP 1938,3. Vgl. Oldenburgisches Staatsministerium an Studt v. 3.6.1889, ebd. Zu Eulenburg (1847–1921), der 1888–1890 Gesandter in Oldenburg u. 1894–1902 Botschafter in Wien war, vgl. Bußmann, Eulenburg, Philipp v., in: NDB, Bd. 4 (1959), S. 681– 683; Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes, Bd. 1, S. 533f. Eulenburg an Bismarck v. 31.5.1889, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2e.
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mit ganzer Hingabe seinem Beruf widmen, weshalb er auch keine Zeit gefunden habe, während der fünfjährigen Amtszeit des evangelischen Amtshauptmannes überhaupt dessen Bekanntschaft zu machen. Verwunderlich erschien dem Oberpräsidenten insbesondere, dass ein „selbst in katholischen Kreisen wenig bekannter Mann in nicht belangreicher Stellung für die bischöfl iche Würde in einer so bedeutenden Diözese wie Münster ins Auge gefasst worden ist“45. Dies erklärte er sich damit, dass Dingelstad ganz offensichtlich von dem Domkapitular Clemens Perger, der selbst für eine Kandidatur zu alt sei, protegiert worden sei. Perger habe nämlich in seiner Eigenschaft als Lehrer auf der Gaesdonck bereits den Schüler Hermann Dingelstad dort gefördert und später als Lehrer an das Bischöfliche Gymnasium zurückgeholt. Schon weil Dingelstad für den Fall seiner Wahl komplett unter dem Einfluss dieses Zentrumsprälaten – Perger gehörte auch dem Reichstag an – stehen würde, sei er zur „persona minus grata“ zu erklären.
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einrich Feiten 46, der erste der beiden von auswärts stammenden Kandidaten, war ebenfalls Jahrgang 1835 und gleichfalls 1859 zum Priester geweiht worden. Sein berufl icher Weg hatte ihn über Gymnasium und Priesterseminar in seiner heimatlichen Bischofsstadt Trier u.a. als Pfarrer und Dechant nach Fraulautern geführt, bevor er 1884 Domkapitular und drei Jahre später Weihbischof in Trier geworden war. Da er sich während des Kulturkampfes öffentlich für die Wahl katholischer Abgeordneter eingesetzt hatte, war er von Bismarck als „regierungsfeindlicher, bei den Wahlen hetzender, mit Franzosen via Metz conspirierender Gesinnungsgenosse des Hetzkaplans Dasbach ... und … mechanisches Instrument [des ultramontanen Bischofs Michael Felix] Korum“47 charakterisiert oder besser gesagt abqualifiziert worden. Mit diesem Urteil hatte die preußische Regierung vergeblich Feitens Ernennung zum Weihbischof in Trier zu verhindern versucht. In der aktuellen Besetzungsfrage hatte der Trierer Regierungspräsident außerdem dessen „Zurückhaltung bei patriotischen Festen, insbesondere am Geburtstag Seiner Majestät, des Kaisers und Königs“48, als Beleg für die mangelnde staatsloyale Haltung des Weihbischofs angeführt.
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er Lehrersohn Antonius Fischer hatte ebenso wie Hermann Dingelstad das Staatsexamen abgelegt und war zwei Jahrzehnte als Gymnasiallehrer in Essen tätig gewesen. 1886 hatte er zudem den theologischen Doktor-
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Studt an Goßler v. 29.6.1889, in: StAMS, OP 1938,3. Zu Feiten (1835–1888) vgl. Thomas, Feiten, in: Gatz, Bischöfe, S. 184; u. Seibrich, Weihbischöfe des Bistums Trier, S. 216–221; sowie Weber, Kirchliche Politik zwischen Rom, Berlin und Trier, S. 174–179; nicht zuletzt aber das Kap. Trier in diesem Band. Zit. nach Seibrich, Weihbischöfe, S. 220. Regierungspräsident in Trier an Goßler v. 26.7.1887, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2e.
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titel in Tübingen erlangt. Erst am 1. Mai 1889, also wenige Wochen zuvor, hatte er in Köln die Bischofsweihe als Weihbischof dieser Erzdiözese erhalten. Zu Fischer hieß es einerseits seitens des rheinischen Provinzialschulkollegiums, er habe sich während seiner langjährigen Schultätigkeit gegenüber den Protestanten stets tolerant gezeigt, während der Kölner Regierungspräsident Zeugnisse beibrachte, die Fischer als „Anhänger der extrem ultramontanen Partei“ bezeichneten, weil er von dem mittlerweile als Kurienkardinal in Rom tätigen Erzbischof Paulus Melchers gefördert worden sei 49. In den Augen des Oberpräsidenten enthielt letzteres Urteil „mehr Behauptungen wie Tatsachen“50. Bedenklicher stimmte ihn Fischers Mangel an Erfahrung in der bischöfl ichen Verwaltung sowie seine fehlende Kenntnis der spezifischen Gegebenheiten in Münster, weshalb auch er auf Giese als Generalvikar angewiesen sein würde.
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etztgenannter aber erschien Konrad Studt besonders ungeeignet. Joseph Giese, 1827 in Münster geboren, aus dem alteingesessenen Bürgertum der Bischofsstadt stammend51, wies in seiner Vita alle Eigenschaften eines episkopablen Kandidaten auf. Er hatte nach dem am Paulinum abgelegten Abitur in seiner Heimatstadt Theologie studiert und 1850 die Priesterweihe erhalten. Anschließend folgte ein Aufbaustudium in Kirchenrecht in Rom, wo er in dieser Zeit Kaplan des deutschen Kollegs am Campo Santo Teutonico war. Als Domkapitular, seit 1867, und als Generalvikar, seit 1871, konnte er zudem auf mehrere Jahrzehnte an Erfahrungen in der Bistumsverwaltung zurückgreifen. Darüber hinaus hatte Giese auch zu verschiedenen theologischen Fragen publizistisch Stellung bezogen. Studt störte sich allerdings massiv an Gieses intransigenter Haltung. So habe er bisher im Hintergrund die Fäden für die ultramontane Ausrichtung des Bischofs und der gesamten Diözese gezogen und massiven Einfluss auf die katholische Presse ausgeübt. Nun aber sei er „von dem lebhaftesten Ehrgeize beseelt, … die Macht der katholischen Kirche zum Gipfel zu erheben“52, was unbedingt zu verhindern sei. Ein sprichwörtliches Haar in der Suppe versuchte der Kultusminister in der Mitwirkung der beiden oldenburgischen Ehrendomkapitulare an der Zusammenstellung der Kapitelsliste zu finden. So bat er den Oberpräsidenten, die Wahlberechtigung des Bischöflich Münsterschen Offizials in Vechta, Anton Stukenborg53, sowie des Löninger Pfarrers und Dechanten Johannes 49 50 51 52 53
Vgl. Regierungspräsident in Köln, an Studt v. 30.5.1889, ebd. Studt an Goßler v. 29.6.1889, in: StAMS, OP 1938, 3. Vgl. Steinbicker, Giese, in: Deutsches Familienarchiv, Bd. 10 (1983), S. 243–248. Studt an Goßler v. 29.6.1889, in: StAMS, OP 1938, 3. Zu Stukenborg, (1830–1890), seit 1888 Offizial in Vechta u. Ehrendomherr, vgl. Helmert, Die Domkapitulare seit 1823, S. 431, u. Ameskamp, Stukenborg, in: Der katholische Klerus im Oldenburger Land, S. 514–516, sowie das Kapitel Oldenburg in diesem Band.
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Schrandt54 zu überprüfen55. Wie Studt nach eingehenden Recherchen antwortete, sei ihm deren Beteiligung an der Kandidatenaufstellung am 22. Mai anfangs gleichfalls „nicht unzweifelhaft“ erschienen. In einem ausführlichen Exposé erläuterte er der vorgesetzten Behörde die Entstehungsgenese der beiden Ehrenkanonikate. So hatte der preußische König Friedrich Wilhelm III. 1827 durch Kabinettsordre dem oldenburgischen Großherzog deren Einrichtung ausdrücklich erlaubt56. Und zwar sollten die beiden oldenburgischen Domherrenstellen an den Bischöfl ichen Offizial in Vechta sowie den ältesten Dechanten vergeben werden, was nochmals in dem 1837 abgeschlossenen Staatsvertrag zwischen Oldenburg und Preußen verankert sei. Allerdings habe das Bistum Münster sich vertraglich verpfl ichtet, die Neubesetzung jedes Mal dem Oberpräsidium in Münster amtlich anzuzeigen, was jedoch im Falle des 1887 ernannten Schrandt und des 1888 ernannten Stukenborg schlicht versäumt worden sei. Der Hintergrund lag natürlich darin, dass die Zahl der ultramontan gesinnten Domherren eingeschränkt werden sollte, zumal der oldenburgische Minister Günter Jansen57 die beiden oldenburgischen Delegierten im Domkapitel als „Männer von feindlicher Gesinnung und gemäßigte Jesuiten“58 bezeichnet hatte. Da dem Domkapitel aber nur der Vorwurf der versäumten Meldepflicht gemacht werden könne, werde die Wahlberechtigung der oldenburgischen Ehrendomherren wohl anerkannt werden müssen, teilte der Oberpräsident schließlich kleinlaut nach Berlin mit.59 Dass das öffentliche Interesse an der Neubesetzung des Münsteraner Bischofsstuhls weit über die Grenzen des Bistums hinausreichte, lässt sich an der zahlreichen Berichterstattung in der überregionalen Presse ablesen. Bereits Ende April 1889 nahm sich die nationalliberale „Magdeburger Zeitung“ des Themas an, indem sie Joseph Giese, Matthias Parmet und Maximilian Gereon Graf von Galen als Favoriten des Domkapitels in eine breitere Öffentlichkeit brachte.60 Dagegen beschränkte sich das führende Zentrumsorgan „Germania“ aus Berlin zu diesem Zeitpunkt noch ausdrücklich auf die „Mahnung, Zurückhaltung in solchen Personalfragen zu üben“61. 54
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Zu Schrandt (1809–1887), seit 1864 Pfarrer von Löningen, 1887 Ehrendomherr, vgl. Helmert, Die Domkapitulare seit 1823, S. 431f., u. Hachmöller, Schrandt, in: Der katholische Klerus im Oldenburger Land, S. 485–487. Goßler an Hagemeister v. 28.5.1889, in: StAMS, OP 1938,3. Detailliert hierzu Haas, Domkapitel und Bischofsstuhlbesetzungen, S. 508–527. Jansen über preuß. Gesandten in Oldenburg an Bismarck v. 24.6.1889, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2e. Zu Jansen vgl. Friedl, Jansen, in: Biographisches Handbuch zur Geschichte des Landes Oldenburg, S. 346–349. So die Auskunft Schlözers an Bismarck v. 24.6.1889, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2e. Studt an Goßler v. 29.6.1889, in: StAMS, OP 1938,3. Vgl. Magdeburger Zeitung v. 30.4.1889, wo allerdings fälschlich von Bernard (statt Max) von Galen die Rede war. Germania v. 3.5.1889.
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Neuen Stoff erhielt die Bistumsbesetzung in Münster im Juni 1889 durch einen Bericht der in Essen erscheinenden nationalliberalen „Rheinisch-Westfälischen Zeitung“, die unter Berufung auf Berliner Regierungskreise wissen wollte, dass Kaiser Wilhelm II. alle auf der Kapitelliste enthaltenen Kandidaten zu personae minus gratae erklärt habe. Und aus dieser Behauptung wurde der Schluss gezogen, „dass das Münsterer Domkapitel noch immer von einer Art Kampfstimmung gegen die preußische Regierung beseelt sei“62. In den folgenden Wochen griffen die Zeitungen nahezu aller politischer Couleur in Preußen die Bischofswahl in Münster als Thema auf. Exemplarisch sei nur auf die katholische „Germania“ hingewiesen. Das Zentrumsorgan machte unter der ihre Leser aufrüttelnden Überschrift „Die Münstersche Bistumsangelegenheit steht schlimm“63 auf die Folgen einer vollkommen von der Regierung kassierten Kapitelliste aufmerksam, die nur in direkten Verhandlungen zwischen Kultusministerium in Berlin und Kurie in Rom unter Ausschaltung des Domkapitels liegen könnten. Ironisch wurde bemerkt, dass die Regierung „schon so viele Kandidaten auf die Liste des Domkapitels gesetzt [habe], dass man sämtliche preußischen Bistümer mit Bischöfen versehen könnte und noch einige übrig blieben“64. Die Berichterstattung in den „Neuen Westpreußischen Mitteilungen“ aus Marienwerder spiegelt hingegen den Tenor der liberalen Presse gut wider, wenn hier ein neues Aufflammen des Kulturkampfes befürchtet und das Handeln der Regierung entschieden verteidigt wurde, schließlich müsse es doch darum gehen, „die Wahl eines ultramontanen Heißsporns zu verhindern“65. Andere Blätter wiederum wollten mit Bestimmtheit wissen, dass Dompropst Kayser aus Breslau der Favorit der Regierung sei, den diese in jedem Fall durchzusetzen gewillt sei66. Nur die katholische Presse distanzierte sich von dem die veröffentlichte Meinung beherrschenden Grundsatz des Vorrangs der politischen Zweckmäßigkeit vor der Einhaltung der Verträge und bisherigen Gepflogenheiten im Staat-Kirche-Verhältnis. „Danach würden alle fünf Kandidaten als personae minus gratae zu bezeichnen sein“67. Mit diesem vernichtenden Urteil schloss am 30. Juni 1889 der westfälische Oberpräsident Studt seine ausführliche Charakterisierung der vom Domkapitel als episkopabel benannten Geistlichen gegenüber dem Kultusministerium in Berlin. Studt, der damit ganz offensichtlich die Erwartungen Goßlers erfüllte, zumal er kurz darauf auch offi ziell in Nachfolge 62 63 64 65 66
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Hannoverscher Courier v. 2.7.1889. Germania v. 28.6.1889. Germania v. 29.6.1889. Neue Westpreußische Mitteilungen v. 25.7.1889. Vgl. Germania v. 3.8.1889 unter Berufung auf Berichte des Rheinischen Courier u. der Berliner Börsen-Zeitung. Studt an Goßler v. 29.6.1889, in: StAMS, OP 1938,3.
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Hagemeisters zum Wahlkommissar bestellt wurde68, warnte gleichzeitig vor Unruhe in der Bevölkerung des Bistums, falls diese komplette Negativeinschätzung öffentlich bekannt würde. Deshalb sei es vermutlich klüger, den ohnehin bejahrten Weihbischof Cramer auf der Liste zu belassen, weil dieser „den Eindruck eines loyalen Charakters“69 mache, und auf eine ergänzende Kandidatur von Dompropst Parmet und Domkapitular Professor Hartmann hinzuwirken. Während letzterer durch Intellekt und vermittelndes Auftreten besteche und außerdem „die beste Gewähr für Wahrung der staatlichen Interessen“ bieten würde, wäre es zur Erhaltung des Friedens unter den Bistumsangehörigen ebenso zu überlegen, einen einheimischen Geistlichen auf den bischöfl ichen Stuhl zu setzen. Wie sehr Parmet als staatlicher Bischofskandidat aufgebaut werden sollte, belegt nicht zuletzt die Bemühung der Regierung, diesem den fehlenden theologischen Doktorgrad zu verschaffen70. In der Konsequenz dieses vernichtenden Urteils fühlte sich Goßler „umso mehr in den Stand gesetzt“ 71, bei Bismarck für ein Junktim der Münsteraner Bischofsfrage mit der Neueröffnung des Priesterseminars in Posen, aber auch mit der Aufhebung von Relikten des Kulturkampfs, wie des Einspruchsrechts des Staates bei der dauernden Übertragung eines Pfarramts72, einzutreten und direkte Verhandlungen mit der Kurie anzustreben, da keiner der fünf Kandidaten „vermöge der Gesamtentwicklung seiner Persönlichkeit eine Garantie dafür bietet, dass er in dem bischöflichen Amte eine loyale, patriotische und friedfertige Wirksamkeit entfalten würde“. Bismarcks schroffe Randbemerkungen auf dem Schreiben deuten zunächst einmal auf eine diametral andere Haltung hin. Was die Kontaktaufnahme mit dem Heiligen Stuhl anbetraf, setzte er ein „lieber nicht“ hinzu. Hinsichtlich der fehlenden Garantie für Staatsloyalität bemerkte er lakonisch, die könne „der Papst auch nicht“ gewährleisten. Bismarcks Skepsis gegenüber den Plänen seines Ministers hatte einerseits einen handfesten außenpolitischen Hintergrund. Leo XIII. sei angesichts der engen Beziehungen des Deutschen Reichs zu Italien überaus unzufrieden und schließe sich in seiner Politik zunehmend an Frankreich an, weshalb es angelegen erscheine, die vorgeschlagenen „Kompensationsobjekte“ aufzusparen und nicht als Joker in der Münsteraner Bischofsfrage einzusetzen73. Andererseits fand Bismarck nach laut eigenem Bekunden gründlichem 68 69 70
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Vgl. Goßler an Studt v. 7.7.1889, ebd. Studt an Goßler v. 29.6.1889. ebd. Vgl. Schiel, Sdralek, S. 162, Brief Sdraleks an Franz Xaver Kraus v. 4.8.1884. Demnach war der damals in Münster lehrende Kirchenhistoriker Max Sdralek um Hilfe bei der Beschaffung des Doktortitels für Parmet angegangen worden. Goßler an Bismarck v. 10.7.1889, ebd. Hier auch die folg. Zit. Gemäß dem 2. Friedensgesetz v. 29.4.1887 wurde die kirchliche Meldepflicht neu ernannter Pfarrverwalter aufgehoben. Dauerhaft ernannte Pfarrer mussten aber weiterhin der Regierung gemeldet werden. Vgl. Gesetz betr. Abänderung der kirchenpolitischen Gesetze v. 29.4.1887, in: Lill, Kulturkampf, S. 119–121. Vgl. Bismarck an Goßler v. 16.7.1889, in: StAMS, OP 1938,3. Hier auch das folg. Zit.
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Studium der Akten „in den Personalien der Kandidaten Cramer, Dingelstad, Feiten und Fischer kaum Anhaltspunkte, die ich durch Herrn von Schlözer in Rom gegen diese … geltend machen könnte“. Dingelstad und Fischer besäßen sogar den Vorzug, dass sie durch Ablegung des Staatsexamens ein für Bischofskandidaten in Preußen staatlicherseits erwünschtes Universitätsstudium aufzuweisen hätten74. Aus Gründen der Diplomatie plädierte Bismarck also, „auch wenn wir auf diesem Wege zu keinem staatlich idealen Bischof kommen“, für eine Gewährung des Kapitelwahlrechts. Letztendlich traf das Staatsministerium dann auch Ende Juli 1889 die Entscheidung, das Wahlrecht des Domkapitels nicht auszusetzen und Wilhelm II. zu bitten, drei Kandidaten, nämlich Cramer, Dingelstad und Fischer, auf der Liste zu belassen, dagegen aber Feiten und Giese zu streichen.75 Hinter diesem Entschluss, den der Monarch am 1. August umsetzte76, stand die Überlegung des Kultusministers, dass die Domherren voraussichtlich den bereits 74-jährigen Weihbischof Cramer wählen würden, der als das kleinste Übel angesehen wurde.77 Dass die Entscheidung so eilig getroffen wurde, dass für deren Herbeiführung eigens einige Minister aus dem Sommerurlaub nach Berlin zurückgerufen werden mussten, lag wohl an der bereits abgelaufenen Dreimonatsfrist, innerhalb derer das Kapitel eigentlich zur Wahl hätte schreiten sollen. Darüber hinaus mag die mittlerweile offensiv gewordene Haltung der katholischen Presse die Dringlichkeit der Angelegenheit forciert haben. Das Berliner Zentrumsorgan „Germania“ hatte seine Leser nämlich am 23. Juli darüber informiert, dass die ja schon seit Ende Juni durch die katholische Presse geisternden Gerüchte78 über eine Fühlungnahme des preußischen Gesandten von Schlözer mit dem Heiligen Stuhl über bei einer Streichung sämtlicher Listenkandidaten notwendige unmittelbare Verhandlungen mit dem preußischen Staat nun aus zuverlässigen römischen Quellen bestätigt worden seien79. Erst nachdem Rom hierzu kein Plazet gegeben habe, habe man in Berlin den ursprünglichen Plan fallen gelassen. Nach derzeitiger Kenntnis auch der vatikanischen Akten liegen zumindest keine schriftlichen Quellen über eine solche Demarche Schlözers vor. Allerdings hätte ein solcher Handel zwischen Berlin und Rom dem nach Eingang 74
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In § 4 und 5 des Gesetzes über die Vorbildung und Anstellung von Geistlichen v. 11.5.1873 hatte Preußen das Universitätsstudium zur Verpflichtung erklärt. Diese Bestimmung wurde aber im sog. 1. Friedensgesetz v. 21.5.1886 aufgehoben. Vgl. Lill, Kulturkampf, S. 87 u. 116f. Vgl. Protokoll einer vertraulichen Besprechung des Staatsministeriums v. 27.7.1889, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2e. Abgedruckt, in: Spenkuch, Protokolle des Preußischen Staatsministeriums, Bd. 7, S. 265f. Ordre Wilhelm II. v. 1.8.1889, Abschrift, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2e. So bereits der Tenor eines Briefes von Goßler an Bismarck v. 10.7.1889, ebd. Vgl. Kölnische Volkszeitung v. 28.6.1889. Vgl. Germania v. 23.7.1889 unter Berufung auf ein „Privattelegramm aus Rom“, Westfälischer Merkur v. 31.7.1889.
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der ausschließlich negativen Stellungnahmen des Oberpräsidenten Studt zur Wahlliste neuerlich gehegten Wunsch des Kultusministers entsprochen, direkt mit Rom zu verhandeln. Außerdem übertrieb die katholische Presse keineswegs, wenn sie der preußischen Regierung die Schaffung eines Präzedenzfalles vorwarf. Das der Regierung zugestandene negative Ausschließungsrecht solle in ein positives Vorschlagsrecht umgewandelt werden, wobei die Bistumsbesetzungen quasi unter das Staatspatronat gestellt werden und „die Nachfolger der Apostel auf den preußischen Bischofsstühlen zu päpstlich approbierten Staatsbeamten“80 gemacht werden sollten. Weil sie auf diese Weise unter Druck gesetzt worden war, entschloss sich die Regierung möglicherweise, die reduzierte Wahlliste unmittelbar vor dem Wahlakt dem Kardinalstaatssekretär mitzuteilen81. Umso überraschender erschien es, dass am 15. August im Beisein des Wahlkommissars Oberpräsident Studt die Wahl auf Hermann Dingelstad fiel, und zwar mit der überaus deutlichen Mehrheit von 12 zu zwei Stimmen – zwei Domherrenstellen waren unbesetzt –, wie einer Ende 1889 erstellten staatlichen Charakterisierung aller Münsteraner Domherren zu entnehmen ist82. Wenn dort eigens verzeichnet wurde, wer dem Vechtaer Gymnasiallehrer seine Stimme gab, diente dies der Regierung gleichzeitig als Beweis für die mangelnde Staatsloyalität der Dingelstad-Anhänger und damit der überwältigenden Mehrheit des Domkapitels. In Dingelstads Wirkungsort Vechta durchzog „die Freudenkunde alle Straßen der Stadt und [rief] überall eine hochgradige, freudige Erregung hervor“83. Am 10. September 1889 beschloss die Ratsversammlung, den geistlichen Lehrer zum ersten Ehrenbürger der Stadt zu ernennen84 und bei seinem Abschied aus der Stadt vor der Bischofsweihe wurde er mit einem zweiten Fackelzug geehrt, der von einem eigens einberufenen Festkomitee organisiert worden war85. In Berlin dagegen löste die Nachricht vom Wahlausgang Betroffenheit aus. Kultusminister Goßler schrieb noch am selben Tag an Bismarck, dass „es den Gegnern der Wahl des Weihbischofs Dr. Kramer [sic!] unter Führung des Domkapitulars Perger in den letzten Tagen vor der Wahl gelungen [sei], einige schwankende Elemente, darunter auch den Kapitularvikar Giese, zu sich herüberzuziehen. Auch soll sich der Einfluss des Abgeordneten Dr. Windthorst 80 81
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Westfälischer Merkur v. 26.7.1889. Vgl. preußische Gesandtschaft an Rampolla v. 14.8.1889, in: ASV AES Germania Anno 1889, pos. 1347, fasc. 760. Charakterisierungen aller preußischen Domkapitulare von Januar 1890, in: PA AA Preußen 2 Nr. 2. Nicht für Dingelstad stimmten demnach Parmet u. Hartmann. Vechtaer Zeitung v. 16.8.1889. Vgl. Kopie des Protokolls der Ratsversammlung v. 10.9.1889, in: StAOL, Best. 262–11, Nr. 28. Vgl. Neue Zeitung v. 11.2.1890.
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auf die Wahl geltend gemacht haben.“86 Als „Bischofsmacher“ war also ganz offensichtlich Dingelstads lebenslanger Protektor Clemens Perger hervorgetreten. Jedenfalls wusste der Kultusminister sich im Oktober 1889 noch einmal eigens darüber zu ereifern, dass der Zentrumsführer Ludwig Windthorst87, dessen Sekretär Perger gewesen war, im Vorfeld der Wahl zweimal nach Münster gereist sei, um offenbar im Kapitel Stimmung für den von Perger auf die Liste gebrachten Dingelstad zu machen.88 Zusätzlich günstig wirkte sich offenbar auch die hohe Zahl an Oldenburgern unter den Wählern aus89. So standen nicht nur die beiden nichtresidierenden Domherren aus Oldenburg, Offizial Stukenborg aus Vechta und Pfarrer Schrandt, hinter Dingelstad, sondern auch der von der Burg Dinklage stammende Domkapitular Maximilian Gereon von Galen und der aus Vechta gebürtige Anton Tappehorn90, Pfarrer in Vreden im Westmünsterland. Landsmannschaftlich musste sich der gleichfalls vom Niederrhein stammende Domkapitular van de Loo mit Dingelstad verbunden fühlen, zumal beide Schüler der Gaesdonck – und dort Ziehkinder Pergers – gewesen waren. In der konservativen protestantischen „Kreuz-Zeitung“ gab der CatholicaExperte, ein gebürtiger Oldenburger, seiner Verwunderung über den gewählten Kandidaten unmissverständlich Ausdruck, indem er einen Vergleich aus dem militärischen Sektor wählte. Die Wahl Dingelstads, der doch nach seinen Erkundigungen höchstens dritter oder vierter Lehrer am Vechtaer Gymnasium sein dürfte, sei so, als „wenn ein Premier-Leutnant mit einem Schlage zum kommandierenden General eines Armeekorps avancierte“91. Bei Papst Leo XIII. stieß die Wahl Dingelstads dagegen augenscheinlich auf große Zufriedenheit. Jedenfalls hob der Papst die Rolle der preußischen Regierung in diesem Besetzungsfall mündlich lobend hervor, nachdem er bereits im Vorfeld den Gesandten von Schlözer hatte wissen lassen, dass die Münstersche Bistumsbesetzung eine ihn „sehr interessierende Nachricht“92 sei. Für dieses positive Echo aus dem Vatikan waren womöglich zwei Schreiben 86 87
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Goßler an Bismarck v. 15.8.1889, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2e. Zu Windthorst (1812–1891), Jurist, 1867–1891 MdR, vgl. Haunfelder, Reichstagsabgeordnete der Deutschen Zentrumspartei, S. 284f., u. passim Aschoff, Rechtsstaatlichkeit und Emanzipation. Goßler an Bismarck v. 18.10.1889, ebd. Hans Schlömer stellte erstmals die Frage, ob die Oldenburger im Domkapitel den Ausschlag zugunsten Dingelstads gegeben hätten. Vgl. Schlömer, Als der neue Bischof aus Vechta kam, in: Kirche und Leben Oldenburg v. 16.3.1980. Zu Tappehorn (1823–1907) vgl. Helmert, Domkapitulare, S. 429–431; Heitmann, Tappehorn, in: Der katholische Klerus im Oldenburger Land, S. 516–519; u. Elling, Tappehorn. Kreuz-Zeitung v. 16.8.1889. So Schlözer an Auswärtiges Amt v. 10.8.1889, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2e.
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verantwortlich, welche den Heiligen Vater im Vorfeld der Bischofswahl erreicht hatten. Zum einen war Leo XIII. – möglicherweise aus westfälischen Adelskreisen, die auch Bismarck vor Streichung der Liste warnten93 – darauf hingewiesen worden, dass für den Fall einer Ausschließung des Domkapitels von der Wahl energischer Widerstand aus der Bevölkerung des Bistums zu erwarten sei94. Dieser Brief, in dem Schlözer eine Verschwörung der zu diesem Zeitpunkt in Preußen verbotenen Jesuiten witterte, war offensichtlich geeignet, in Rom die Angst vor einer Wiederaufnahme des Kulturkampfs zu schüren. Zum anderen musste aber die Tatsache, dass die preußische Regierung unmittelbar vor dem Wahlakt Kardinalstaatssekretär Rampolla über die Listenzusammensetzung informierte95, als staatlicher Versuch der Annäherung erscheinen. Dass dieser Vertrauensbeweis vom Heiligen Stuhl nicht expressis verbis gewürdigt wurde, was zu einer diplomatischen Verstimmung in Berlin führte, lag an dem Dilemma, in das den Heiligen Vater eine positive Reaktion gebracht hätte. Denn so froh er über die Abwendung der drohenden Suspendierung des Kapitelswahlrechts auch war, so unglücklich musste er über die in der staatlichen Mitteilung enthaltene Streichung der Kandidaten Giese und Feiten sein. Zwar dulde der Vatikan das Ausschließungsrecht des preußischen Königs stillschweigend, werde es jedoch rechtlich keineswegs anerkennen, gab Kardinalstaatssekretär Rampolla auf konkrete Nachfrage Schlözers zu verstehen96. Aus einer schriftlichen Antwort aber könne eine Akzeptanz dieser Praxis abgelesen werden, was nicht im Sinne Roms sei. Nun ist nicht mit Bestimmtheit zu sagen, ob die preußische Regierung einen solchen Präzedenzfall bewusst gesucht hatte. Allerdings zeigte sich Kultusminister Goßler diplomatisch verschnupft und reagierte zunächst gar nicht auf das Angebot des Heiligen Stuhls, zur Beschleunigung des Amtsantritts von Dingelstad eine zeitlich vor dem nächsten Konsistorium, das erst am 31. Dezember 1889 stattfand, liegende Präkonisation des neuen Bischofs zu vollziehen97. Schließlich ließ er nach Rom melden, dass die Sache aus seiner Sicht nicht so eilig wäre98, weshalb sich der Amtsantritt des Neuen Oberhirten noch einmal verzögerte, so dass der Bischofsstuhl erst nach 10 Monaten der Sedisvakanz am 24. Februar 1890 wieder besetzt war.
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Vgl. Freiherr von Ketteler, Eringerfeld bei Geseke, an Bismarck v. 1.7.1889, ebd. Zit. in einem Schreiben Schlözers an Bismarck v. 10.11.1889, ebd. Vgl. v. Reichenau an Rampolla v. 14.8.1889, in: ASV AES, Germania Anno 1889 pos. 1347 fasc. 760. Vgl. Schlözer an Bismarck v. 10.11.1889, in: PA AA Preußen 2, Nr.2e. Schlözer an Goßler v. 31.8.1889, ebd. Vgl. hierzu auch Rampolla an Nuntius v. 28.8.1889, in: ASV ANM 173. Hier auch die am 28.9. u. 5.10.1889 von Dingelstad an die Nuntiatur gesandten Zeugnisse. Die Akten des kanonischen Prozesses finden sich in ASV ANM 240. Goßler an Schlözer v. 8.10.1889, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2e.
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Immerhin war die an diesem Tag im Dom zu Münster durch den Kölner Erzbischof Philippus Krementz vollzogene Konsekration und Inthronisation von Hermann Dingelstad ein neuerlicher Anlass zur intensiven Beobachtung durch staatliche Stellen. Die Tatsache, dass Dingelstad bei dem an die vierstündige Zeremonie im Dom anschließenden Essen entgegen vorher dem Oberpräsidenten gemachter Zusage seinen Toast nicht zuerst auf den Kaiser und dann auf den Papst ausbrachte, sondern die Reihenfolge darauf noch einmal umkehrte, störte den Regierungsbeobachter zwar, wobei ihm jedoch dieser aus seiner Sicht bewusste Faux-pas „zu weiteren Erörterungen umso wenig Anlass [gab], als die Feierlichkeiten sonst keinen Anstoß erregten“99.
Bischofswahl 1911 Bischof Hermann Dingelstad hatte sich in seiner mehr als 20-jährigen Amtszeit als Bischof von Münster als Exponent des Ultramontanismus im preußischen Episkopat etabliert. Dadurch hatte er sich auf der einen Seite in den Augen der intransigenten Kölner Kapitelsmehrheit für eine weitere Karriere als Erzbischof von Köln qualifiziert, wo er 1899 auf die Wahlliste gelangt, aber beanstandet worden war100. Dingelstad verstarb am 6. März 1911 „nach kaum achttägiger Krankheit“101, und damit plötzlich und unerwartet. Staatlicherseits war man im Moment der Sedisvakanz allerdings nicht ganz unvorbereitet, da auch in Münster zwischenzeitlich mehrfach auf Geheiß des Ministeriums der geistlichen Angelegenheiten Personalien episkopabler Priester gesammelt worden waren102. 1898 hatte der erst sieben Monate im Amt befindliche Regierungspräsident Alfred Gescher allein den Akademieprofessor der Moraltheologie Joseph Mausbach als „einen Geistlichen, dessen Geeignetheit zum Bischofsamte nach jeder Richtung hin ich auf Grund persönlicher Wahrnehmungen“103 bezeugen kann, empfohlen. Mausbach sei aufgrund seiner wissenschaftlichen Fähigkeiten und seiner vaterländischen Gesinnung eine überaus geeignete Persönlichkeit. Der als Informant der Regierung fungierende Dompropst Matthias Parmet hatte zudem Generalvikar Ludwig von Noel104, den an der Akademie lehrenden Professor Winand Fell105 sowie 99 100 101
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Studt an Auswärtiges Amt v. 25.2.1890, ebd. Vgl. das Kap. Köln in diesem Band. So der Wortlaut in der Todesanzeige. Vgl. DA Münster AA I A 37. Der Bischof starb an einem infolge eines Unterleibsleidens aufgetretenen Darmverschluss. Vgl. die Erlasse des Kultusministers v. 3.11.1897 u. v. 14.6.1902, in: StAMS, OP 1987. Gescher an Studt v. 20.2.1898, in: StAMS, OP 1987. Zu Noel (1833–1905), 1890 Domkapitular, seit 1894 Generalvikar in Münster, vgl. Gatz, Bischöfe, S. 536, u. Helmert, Die residierenden Domkapitulare seit 1823, S. 384. Zu Fell (1837–1908), seit 1886 Prof. für Altes Testament in Münster, vgl. Hegel, Geschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster, Bd. 2, S. 19f.
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den Pfarrer der von Münsteraner Priestern betreuten Berliner Gemeinde St. Matthias in Schöneberg, Theodor Kappenberg106, namhaft gemacht, den der Regierungspräsident persönlich kennen gelernt und von ihm „einen in jeder Hinsicht vorzüglichen Eindruck“107 gewonnen hatte. In den Augen des Oberpräsidenten Konrad Studt konnten aus dem Bistum Münster staatlicherseits allein Mausbach und Kappenberg als episkopabel eingestuft werden, wobei er empfahl, über letzteren in Berlin „noch nähere Erkundigungen einziehen zu lassen, ehe er auf die Liste der Bischofskandidaten gesetzt wird“108. Noch am Todestag des Bischofs trat das Domkapitel zusammen und wählte Dingelstads bisherigen Generalvikar, den Domdechanten Felix von Hartmann, zum Kapitularvikar109. Obgleich dieser den Regierungsbehörden als Exponent des ultramontanen Flügels im Domkapitel bekannt war, sprach sich Kultusminister August von Trott zu Solz umgehend bei Kaiser Wilhelm II. dafür aus, den Kapitularvikar von der Ablegung des vorgeschriebenen Eides zu dispensieren. Hartmann sei „wohlhabend, kenntnisreich und von guten Umgangsformen“110, weshalb „keine ausreichenden Gründe vorliegen, von der Gepflogenheit abzuweichen“. Überhaupt herrschte offenbar unter den Katholiken des Bistums Münster die Auffassung, dass von Hartmann „in erster Linie dafür in Betracht kommen würde, den verwaisten Stuhl in Münster zu besteigen“111. Als die residierenden Domkapitulare am 15. März 1911 in der Dompropstei zusammentraten, um sich „auf die Wahl der Kandidaten, welche Seiner Majestät, dem Könige für die Wiederbesetzung des bischöflichen Stuhles in Vorschlag gebracht werden sollten“, vorzubereiten, wurde vorbehaltlich der Zustimmung der erst zur Vorwahl selbst einzuladenden Ehrendomherren die Zahl der zu wählenden Kandidaten auf fünf Personen festgelegt. Inwieweit bei der Vorwahl am 22. März 1911 auch die Namen der staatlicherseits im Vorfeld diskutierten Geistlichen Mausbach und Kappenberg eine Rolle spielten, lässt sich dem Protokoll nicht entnehmen. Fakt ist, dass folgende fünf Priester die absolute Mehrheit der Stimmen erzielten, wobei die Reihenfolge offenbar bewusst alphabetisch gewählt wurde und nicht der Höhe der Stimmenzahl entsprach: Professor Dr. Karl Böckenhoff, ein in Straßburg lehrender Kirchenrechtler, der aber Priester des Bistums Münster war, Kapitularvikar und Domdechant Felix von Hartmann, der Direktor des
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Zu Kappenberg vgl. den Abschnitt Weihbischöfe in diesem Kapitel. Gescher an Studt v. 20.2.1898, in: StAMS, OP 1987. Studt an Goßler v. 8.11.1898, ebd. Vgl. Protokoll der Sitzung des Domkapitels v. 6.3.1911, in: DA Münster AA I A 37. Trott zu Solz an Wilhelm II. v. 9.3.1911, zit. bei Berghaus, Erinnerungen, S. 10. Hier auch das folg. Zit. Vgl. auch Ratibor-Corvey an Domkapitel v. 23.3.1911, in: DA Münster AA I A 37. Dr. Felix von Hartmann. Ein Lebensbild, S. 8.
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Bischöflichen Gymnasiums Gaesdonck am Niederrhein, Dr. Franz Hartmann, der Weihbischof und Domkapitular Everhard Illigens und der Direktor des bischöflichen Schülerkonvikts Collegium Ludgerianum in Münster Johannes Poggenburg. Einer der Ehrendomkapitulare, der Landdechant Matthias Lorenz112 aus Dorsten, hatte im Vorfeld beklagt, er finde es „nicht ersichtlich, ob man einen anderen Herrn für die Wahl bevollmächtigen kann oder auch selbst Namen einsenden kann, die man für das hohe Amt würdig hält“113. Letzteren Vorschlag setzte er zwar nicht in die Tat um, delegierte jedoch seine Stimme ebenso wie zwei weitere aus Alters- bzw. Krankheitsgründen verhinderte residierende Domherren, darunter Dompropst Parmet114. Wie eilig es das Kapitel mit dem Einreichen der Liste hatte, zeigt sich daran, dass bereits zu Beginn der Sitzung „das in mundo vorliegende Schreiben an Seine Majestät, mit welchem die Kandidatenliste übersandt werden soll“115, verlesen und die fünf aus der Vorwahl hervorgegangenen Kandidatennamen nur noch anschließend rasch an der entsprechenden, frei gelassenen Stelle eingesetzt wurden, so dass die Liste noch am selben Tag zur Post gehen konnte.
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arl Böckenhoff116 war mit erst 41 Jahren der jüngste unter den fünf Listenkandidaten des münsterischen Domkapitels. 1870 in Schermbeck bei Wesel als Sohn eines Brennereibesitzers geboren, hatte er seine Gymnasiallaufbahn in Dorsten begonnen, am Paulinum in Münster sein Abitur abgelegt und 1894 die Priesterweihe empfangen. Nach drei Vikarsjahren in Dolberg bei Ahlen erhielt Böckenhoff Studienurlaub, der ihn 1897 an das deutsche Priesterkolleg an der Anima in Rom zu kirchenrechtlichen Studien führte117. Nachdem er in Rom 1900 den Doktor iuris canonici erworben hatte, studierte er noch zwei Semester Jura in Berlin. Böckenhoff erlangte bereits im Folgejahr 1901 in Münster den theologischen Doktorgrad118, um sich schon 1902 ebenfalls in Münster zu habilitieren119. Zudem war er 1901 zum Domvikar und 1903 zum Vikar an der St.-Ludgeri-Kirche in Münster bestellt worden120. 1905 wurde er 112
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Zu Lorenz (1833–1913), seit 1902 Ehrendomherr, vgl. Helmert, Die Domkapitulare seit 1823, S. 433. Lorenz an Domkapitel v. 17.3.1911, in: DA Münster AA I A 37. Parmet überließ seine Stimme dem Domherrn Schmidt, Hartmann gab sie an Rüping u. Lorenz an Greving. Vgl. Protokoll der Kapitelsitzung v. 22.3.1911, ebd. Ebd. Zu Böckenhoff vgl. Priesterkartei, in: DA Münster, wo es heißt: „erscheint 1911 als Kandidat für den Bischofsstuhl in Münster“. Hegel, Geschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät, Bd. 2, S. 104; Flatten, Böckenhoff, in: LThK2, Bd. 2 (1958), Sp. 551f. Böckenhoff starb bereits 1917 in Straßburg u. wurde in Münster beigesetzt. Vgl. Gatz, Rom als Studienplatz deutscher Kleriker, S. 183. Der Titel lautete „De inviduitate matrimonii“. Vgl. Hegel, Geschichte der KatholischTheologischen Fakultät Münster, Bd. 2, S. 168. Laut Priesterkartei im DA Münster erfolgte die Habilitation erst am 30.4.1903. Zur Tätigkeit als Domvikar vgl. Bramkamp, Domvikare, S. 448, hier fälschlich Bückenhoff.
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außerordentlicher, drei Jahre darauf ordentlicher Professor für Kirchenrecht an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Straßburg. Laut einer vom Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten in Berlin eingeholten Auskunft beim Statthalter von Elsass-Lothringen war er dort in politischer Hinsicht überhaupt nicht hervorgetreten. Der Straßburger Regierungsbeamte verwies lediglich auf die Begründung seiner Berufung nach Straßburg, in der Böckenhoff „allseitig sowohl als ein kenntnisreicher Gelehrter wie auch als eine angenehme und ansprechende Persönlichkeit“121 bezeichnet worden sei, und erwähnte dessen aktuellste Publikation, die sich mit dem Verhältnis von katholischer Kirche und Staat beschäftige. Unter Verweis auf einen entsprechenden Satz aus dem „Syllabus errorum“ Pius’ IX. von 1864 bekräftigte Böckenhoff darin das Recht des Papstes auf Ernennung der Bischöfe. Wenn er dem Staat auch „ein großes und berechtigtes Interesse“ konzedierte, „mit welchen Persönlichkeiten die Kirchenämter, besonders die einflussreicheren innerhalb des Landes, besetzt werden, … ergibt sich aber für ihn kein Anspruch auf ein eigenes, von kirchlicher Verleihung unabhängiges Recht zur Mitwirkung bei der Ämterbesetzung, geschweige denn zur selbständigen, eigenmächtigen Besetzung kirchlicher Stellen“122. Insgesamt legte Böckenhoff ein klares Plädoyer dafür ab, „Souveränität neben Souveränität“123 stehen zu lassen, kritisierte also jegliches Hineinreden staatlicher Behörden in die Bischofsernennungen.
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elix von Hartmann, der bereits im Vorfeld vom Königlichen Staatsministerium als Kapitularvikar akzeptiert worden war124, stammte trotz seines adeligen Namens aus einer ursprünglich in Paderborn ansässigen katholischen Justizbeamtenfamilie, die Ende des 18. Jahrhunderts vom dortigen Fürstbischof das Prädikat „von“ für treue Dienste verliehen bekommen hatte. Bezeichnend für die tiefe Verwurzelung im deutschen Katholizismus des 19. Jahrhunderts erscheint, dass ein Vetter seines Vaters, Hermann von Mallinckrodt125, zu den Pioniergestalten im politischen Katholizismus gehörte, während seine Cousine Pauline von Mallinckrodt als Gründerin der Kongregation der Schwestern von der Christlichen Liebe126 ihren Platz im Geschichtsbuch erhielt. Felix von Hartmann wurde 1851 in Münster als Sohn aus der zweiten Ehe des königlich preußischen Oberregierungsrates Albert von Hart121
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Statthalter Elsass-Lothringen an Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten v. 5.4.1911, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2e. Böckenhoff, Katholische Kirche und moderner Staat, S. 67. Hier auch das folg. Zit. Ebd., S. 74. Vgl. Gescher an Hartmann v. 23.3.1911, in: StAMS, RP Münster, Nr. 17199. Zu Hermann von Mallinckrodt (1821–1874) vgl. Backs, Mallinckrodt, in: NDB, Bd. 15 (1987), Sp. 735. Zu Pauline von Mallinckrodt (1817–1881) vgl. Gatz, Mallinckrodt, in: NDB, Bd. 15 (1987), Sp. 735f.
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mann geboren. Während eine Schwester später Generaloberin der regulierten Chorfrauen vom hl. Augustinus in Berlaymont/Belgien wurde, machte sein Stiefbruder Julian Wolfgang als Regierungspräsident in Aachen Karriere in der preußischen Verwaltung127. Nach Schulbesuch am Paulinum Münster und an der Gaesdonck in Goch, wo er Schüler seines späteren Vorgängers im Bischofsamt Hermann Dingelstad sowie des nachmaligen Domherrn Clemens Perger war, legte von Hartmann sein Abitur als Externer in Münster ab. Dem dortigen Theologiestudium folgte 1874 die Priesterweihe, anschließend wechselte der junge Geistliche als Kaplan an das deutsche Priesterkolleg Santa Maria dell ’Anima in Rom, wo er am Collegium Sant Apollinare bereits 1877 zum Doktor des Kirchenrechts promoviert wurde128. Aufgrund des Kulturkampfes kehrte von Hartmann erst 1884 in sein Heimatbistum zurück, um eine Kaplanstelle in Havixbeck zu übernehmen129 und 1889 in gleicher Eigenschaft nach Emmerich St. Aldegundis zu wechseln. Schon im Folgejahr erregte der junge Geistliche die Aufmerksamkeit des preußischen Kultusministers Goßler, der aus der Zentrumspresse Kenntnis davon erlangt hatte, dass Bischof Dingelstad Hartmann zu seinem Sekretär ernannt habe. Offensichtlich hielt man von Hartmann in Berlin für einen dezidierten Ultramontanen. Jedenfalls erscheint es erstaunlich, dass sich Goßler selbst der doch eigentlich sekundären Personalie annahm und deren Richtigkeit umgehend vom Münsteraner Oberpräsidenten prüfen sowie sich Kenntnis über die kirchenpolitische Haltung des neuen Bischofssekretärs geben ließ130. Oberpräsident Studt zog dann auch umgehend Erkundigungen über Hartmann ein, die ergaben, dass dieser „sehr wohlhabend und von guten Formen“131 sei, vor allem aber gelte er „als ein ruhig denkender Mann und soll sich politisch nicht bemerkbar gemacht haben“. Nach Rücksprache mit dem Regierungspräsidenten in Düsseldorf, der sich wiederum beim Bürgermeister von Emmerich erkundigt hatte, ergab sich zudem, dass von Hartmann „kränklich und … schon aus diesem Grunde eine Beteiligung desselben an der gegenwärtigen Wahlagitation nicht zu erwarten sein“132 werde. In einem zeitgenössischen Lebensbild hieß es über den jungen Geistlichen: „Gewandtes Auftreten, sicherer Takt, Liebenswürdigkeit 127
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Zu Julian Wolfgang von Hartmann (1842–1916), 1890 Regierungspräsident in Aurich, 1892–1907 desgl. in Aachen, vgl. Romeyk, Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten, S. 507f. Vgl. Gatz, Rom als Studienplatz deutscher Kleriker, S. 188. Nach Angaben des Curriculum vitae seines Freundes Peter Hüls v. 10.6.1911, in: ASV ANM 266, war Hartmann bereits seit 1880 in Havixbeck tätig. So auch Dr. Felix von Hartmann. Ein Lebensbild, S. 6. Folgt man dem Schreiben des Düsseldorfer Regierungspräsidenten an den Oberpräsidenten von Westfalen v. 21.2.1890, in: StAMS OP, 1939, 4, hatte Hartmann seinen Dienst in Havixbeck im Mai 1882 angetreten. Vgl. Goßler an Studt v. 11.2.1890, in: StAMS, OP 1939,4. Studt an Goßler v. 12.2.1890, ebd. Hier auch das folg. Zit. Regierungspräsident von der Recke, Düsseldorf, an Oberpräsident von Westfalen v. 21.2.1890, ebd.
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im Umgang, tiefe Frömmigkeit und reiches Wissen, besonders auf dem Gebiete des Kirchenrechtes, ließen diesen vorzüglich geeignet erscheinen, eine solche Vertrauensstellung einzunehmen“133. Bereits im Zuge einer Vakanz im Domkapitel im Januar 1894, einem Monat mit staatlichem Besetzungsrecht, hatte der Münsteraner Oberbürgermeister Karl Windthorst beim Regierungspräsidenten an erster Stelle von Hartmann als geeigneten Kandidaten in Vorschlag gebracht. Aber der Ober- wie der Regierungspräsident sahen in ihm einen Exponenten des Bischofs und verweigerten die staatliche Genehmigung. Als Hartmann, der 1894 Geistlicher Rat und drei Jahre später Offizialatsrat geworden war134, 1903 erneut Kandidat einer königlicherseits zu vergebenden Domherrenstelle in Münster war, kam Regierungspräsident Gescher zu dem Urteil, dass „nach den Erkundigungen, die ich in unauffälliger Weise eingezogen habe, … Felix von Hartmann wenigstens in letzter Zeit eine Haltung eingenommen hat, die keineswegs als schroff zu bezeichnen ist“135. Als Indiz nannte er eine Missbilligung des ultramontanen Standpunktes des Trierer Bischofs Michael Felix Korum durch Hartmann. Dass Hartmann in Berlin zu diesem Zeitpunkt nicht unbedingt persona grata war, ließ zwischen den Zeilen bereits das Genehmigungsschreiben des Kultusministeriums an Bischof Dingelstad erkennen. Dort war nämlich davon die Rede, dass der Staat keine Verpflichtung sehe, grundsätzlich dem Seminarregens zugleich die Domherrenwürde zuzugestehen, in diesem Fall aber ausnahmsweise „den mir durch den Herrn Oberpräsidenten übermittelten persönlichen Wünschen Euer Bischöflichen Hochwürden entgegen zu kommen“136. Dem Oberpräsidenten teilte der Kultusminister dann auch gleichzeitig mit, dass er von der staatlichen Genehmheit Hartmanns durchaus nicht überzeugt sei, sondern nur aus diplomatischen Gründen der Bitte des Bischofs entsprochen habe. Hintergrund war die gleichzeitige Vakanz einer Domherrenstelle bischöflicher Nomination, deren Besetzung mit Hartmann oder mit einem dezidiert ultramontanen Kandidaten man in Berlin offensichtlich für den Fall einer Ablehnung befürchtete137. Wie nahe Felix von Hartmann Bischof Dingelstad stand, zeigte sich daran, dass dieser ihn nach dem Tod Ludwig von Noels im Oktober 1905 zum Generalvikar ernannte und ihm 1910 die in bischöflicher Hand befindliche Dignität des Domdechanten verlieh138. In der antiultramontanen Presse war dann auch zu lesen, dass Hartmann „wegen seines Einflusses auf die Verwaltung im 133 134 135 136 137
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Dr. Felix von Hartmann. Ein Lebensbild, S. 6. Vgl. ebd., S. 7. Gescher an von der Recke v. 31.3.1903, in: StAMS, OP 1939,4. Goßler an von der Recke v. 29.7.1903, ebd. Vgl. ebd. Die Verleihung des Kanonikats durch den preußischen König an Hartmann erfolgte am 21.9.1903. Vgl. StAMS, OP 1939,5. Vgl. Dingelstad an von der Recke v. 19.6.1910, in: StAMS, OP 1939,3.
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Volksmunde ‚der Erzbischof‘ genannt“139 werde. Im Fall des Dogmatikprofessors Franz Seraph Renz140, der 1907 von der Katholisch Theologischen Fakultät in Münster nach Breslau wechseln musste, soll insbesondere „Hartmanns Einfluss“141 maßgeblich gewesen sein. Päpstlicherseits war er zum Geheimkämmerer und 1908 zum Apostolischen Protonotar ernannt worden. Wilhelm II. hatte ihm Anfang 1911 den Roten Adlerorden IV. Klasse verliehen.
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ranz Hartmann142 war 1866 in Amelsbüren bei Münster geboren worden, hatte das Jesuitenkolleg Stella Matutina in Feldkirch/Vorarlberg besucht und seine schulische Ausbildung in Vechta mit dem Abitur abgeschlossen143, bevor er sein Theologiestudium in Münster begann. Als Alumne des Collegium Germanicum in Rom, dem er von 1886 bis 1893 angehörte144, wurde er dort 1892 zum Priester geweiht und erhielt nach der Rückkehr in seine Heimatdiözese Münster im Folgejahr seine erste Anstellung als Präfekt am Theologenkonvikt Collegium Ludgerianum145, die er bis 1897 wahrnahm. Nach einer Zeit ohne Aufgabe wurde Hartmann 1898 Geistlicher Oberlehrer am Collegium Augustinianum, der Gaesdonck bei Goch, im niederrheinischen Bistumsteil, wo er 1909 zum Direktor avancierte und im Folgejahr auch die Leitung des dortigen Hilfspriesterseminars übernahm.
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verhard Illigens146 war 1851 in Münster geboren worden, hatte 1869 am Traditionsgymnasium Paulinum mit dem Abitur abgeschlossen und war nach Studien in Münster dort 1874 zum Priester geweiht worden. Wegen des Kulturkampfes erhielt er zunächst nur eine Stelle im oldenburgischen Bistumsteil als Hausgeistlicher auf Gut Füchtel bei Vechta und 1876 als Vikar in Lohne. 1882 wechselte er in die Diaspora nach Bant bei Wilhelmshaven. Auf drei Jahre als Kanonikus (Kaplan) in Borken im Westmünsterland folgte
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Rheinisch-Westfälische Zeitung v. 6.3.1909. Zu Renz (1860–1916), Priester des Bistums Augsburg, vgl. Hegel, Geschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster, Bd. 2, S. 71f.; Weiß, Der Modernismus in Deutschland, S. 399, Anm. 85; u. Hausberger, Renz, Franz Seraph, in: BBKL, Bd. 8 (1994), Sp. 51–53. Schröer, Hartmann, S. 290; u. Trippen, Theologie und Lehramt im Konflikt, S. 203. Zu Hartmann vgl. DA Münster Priesterkartei. Hier heißt es: „Kandidat für den Bischofsstuhl zu Münster 1911“. Vgl. Festschrift Antonianum Vechta, S. 159. Vgl. Schmidt, Das Collegium Germanicum und die Germaniker, S. 329. Vgl. Löffler, Ludgerianum, S. 48. Zu Illigens vgl. Helmert, Die residierenden Domkapitulare, S. 389; Gatz, Bischöfe, S. 339, Schröer, Die Bischöfe von Münster, S. 363, u. Wittstadt, Der münsterische Domkapitular und Weihbischof Everhard Illigens (1851–1914) und die soziale Frage, in: Schröer, Domkapitel, S. 264–280, sowie DA Münster, Priesterkartei. Hier findet sich der Zusatz: „Kandidat für den Bischofsstuhl zu Münster 1911“.
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1890 der Schritt in die Nordischen Missionen als Pfarrer in Lübeck147, wo er durch eine Reihe von kirchenhistorischen Publikationen hervortrat148. Nach einem Jahrzehnt in Lübeck kehrte Illigens in seine Heimatdiözese zurück, wo er kurze Zeit als Pfarrdechant in Werne amtierte, bevor er 1903 zum Regens des Priesterseminars ernannt wurde. Illigens hatte sich bereits als Pfarrdechant in Werne „immer als Mann mit warmem Herzen und praktischem Verstand erwiesen, [als] ein Mann von gutem Äußeren und vornehmen Formen, der die Welt kennengelernt hat“149. So jedenfalls hatte ihn der zuständige Landrat des Kreises Lüdinghausen, Wilhelm Graf von Wedel150, aus der gemeinsamen Kuratoriumsarbeit im St.-Vinzenz-Stift im Gedächtnis. Über seine Tätigkeit in Borken wusste der dortige Landrat zu berichten, dass Illigens sich in politischen Fragen zurückgehalten habe, und stellte als Charakteristikum sein „großes Verständnis für die sozialpolitische Gesetzgebung“151 heraus. Anlässlich seiner Ernennung zum Weihbischof war Illigens im März 1909 in der „Rheinisch-Westfälischen Zeitung“ als sogenannter 1874er gekennzeichnet worden. Damit wurden Angehörige der ultramontanen Richtung im Münsteraner Domkapitel bezeichnet, zu denen die liberale Presse auch den durch königliche Nomination in dieses Gremium gelangten Professor Peter Hüls152, den Münsteraner Stadtdechanten Bernard Hugenroth153 sowie Generalvikar Felix von Hartmann zählte. Wie wenig gründlich man recherchiert hatte, zeigt sich daran, dass Hüls dem Weihejahrgang 1876 angehörte154, also keineswegs „1874er“ war. Speziell wurde Illigens vorgeworfen, eine „besondere Qualifikation zu seiner Stellung … nicht bewiesen, im Gegenteil … durch mehrere Missgriffe dargetan [zu haben], dass er den an ihn zu stellenden An147
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Vgl. demnächst Hirschfeld, Priester aus dem Bistum Münster in den Nordischen Missionen, in: Beiträge und Mitteilungen des Vereins für Katholische Kirchengeschichte in Hamburg und Schleswig-Holstein, Bd. 9 (in Vorbereitung). Vgl. passim Everhard Illigens, Der Glaube der Väter, dargestellt in den kirchlichen Altertümern Lübecks, Paderborn 1895; Ders., Geschichte der Lübeckischen Kirche von 1530 bis 1896, Paderborn 1896; Ders., Nachrichten über die römisch-katholische Pfarrgemeinde Lübeck aus dem Jahre 1898, Paderborn 1898; Bearbeiter von: Anton Tappehorn, Anleitung zur Verwaltung des hl. Bußsakramentes, Dülmen 51908. Wedel an von der Recke v. 17.5.1903, in: StAMS, OP 2005. Zu Wedel (1837–1912), 1875–1905 Landrat in Lüdinghausen, vgl. Wegmann, S. 344. So Zitat im Bericht von Gescher an von der Recke v. 3.6.1903, in: StAMS, OP 2005. Zu Hüls (1850–1918), Priesterweihe 1876 in Regensburg für Münster, Prof. für Pastoraltheologie in Münster, seit 1894 Domkapitular u. Domprediger, 1909 Päpstl. Hausprälat, vgl. Helmert, Die Domkapitulare seit 1823, S. 385; Anger, Hüls, in: BBKL, Bd. 22 (2003), Sp. 578–585; u. DA Münster, Priesterkartei. Zu Hugenroth (1849–1909), Priesterweihe 1874 in Münster, 1893 Präses des Collegium Ludgerianum, 1896 Pfarrer in Münster St. Lamberti, 1905 zugl. Stadtdechant, vgl. DA Münster, Priesterkartei; u. Löffler, Ludgerianum, S. 47. Vgl. ebd. Demnach war Hüls 1876 in Regensburg zum Priester geweiht worden.
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forderungen nicht gewachsen ist“155. Als Ausdruck der schroffen Haltung von Illigens wurde in der liberalen Presse empfunden, dass „Herr Illigens … auf den wirklichen oder auch auf den markierten Feind los[geht], wie der alte Blücher“. Dass es sich dabei nicht allein um eine Übertreibung handelte, zeigt eine Bemerkung des Domkapitulars Wilhelm Eberhard Schwarz, der Illigens bescheinigte, „wie man zu sagen pflegt, mit dem Kopf durch die Wand“156 gewollt zu haben.
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ohannes Poggenburg157, der 1862 als Sohn eines Landwirtes in Ostbevern geboren worden war, hatte sein Abitur am Paulinum in Münster abgelegt, nach dem Theologiestudium dort 1889 die Priesterweihe erhalten und für einen Priester des westfälischen Bistums typische Stationen in der Seelsorge sowie kirchlichen Vereinsarbeit absolviert: Kaplan in Bocholt, 1898 Pfarrrektor in Duisburg-Untermeiderich, 1902 Diözesanpräses der katholischen Jugendvereine. Seit Ostern 1906 war Poggenburg Präses des Bischöflichen Konvikts Collegium Ludgerianum in Münster, in einer Zeit, als „das Ludgerianum seine größte Blütezeit“158 erlebte. Einem damaligen Konviktoristen erschien er „als ein strenger und wortkarger Präses, der sehr auf Zucht und Ordnung im Hause bedacht war“159, ein anderer erinnerte sich an ihn als einen „etwas ernsten, aber liebevoll sorgenden Mann“160. In der Öffentlichkeit begann im Übrigen „ein großes Rätselraten um die Frage, welche Personen auf der Liste standen“161. Das war für preußische Bischofswahlen keineswegs ungewöhnlich. Ungewöhnlich war nur, dass es offensichtlich keinerlei Indiskretionen gab, wodurch die Liste bald allgemein bekannt wurde. Vielmehr wurden nur die Namen des Kapitularvikars von Hartmann sowie des Präses Johannes Poggenburg in der Bevölkerung durchgängig kolportiert. Der damalige Bischöfliche Kaplan Carl Berghaus vertrat in der Retrospektive die Meinung, von Hartmann habe „offenbar dafür gesorgt, dass Poggenburg auf die Liste kam, damit dieser gewählt würde, wenn von Hartmann vom König gestrichen würde“. Vor dem Hintergrund der für die Neuwahl maßgeblichen Bestimmungen des Päpstlichen Breves „Quod de fidelium“ von 1821, die eine Wahl inner155 156 157
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Rheinisch-Westfälische Zeitung v. 6.3.1909. Hier auch das folg. Zit. So Schwarz an Nuntius Frühwirth v. 12.3.1914, in: ASV ANM, busta 266. Zu Poggenburg vgl. Helmert, Die Domkapitulare seit 1823, S. 392f., Hegel, Poggenburg, in: Gatz, Bischöfe, S. 566f.; Schröer, Poggenburg, in: Ders., Die Bischöfe von Münster, Münster 1993, S. 292–297 (erneut abgedruckt bei Ders., Brauchtum und Geschichte, S. 373–381). Löffler, Ludgerianum, S. 47. Wilhelm Gillmann, Aus Kriegs- und Friedenszeiten 1911–1916, in: Löffler, Ludgerianum, S. 141–154, hier S. 142. Erinnerungen von Pfr. Joseph Wilmes, ebd., S. 140. Erinnerungen Berghaus, S. 11. Hier auch das folg. Zit.
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halb von drei Monaten vorsahen, wandte sich Kapitularvikar von Hartmann an Papst Pius X. mit der Bitte, von dieser Frist die Wochen und Tage abzuziehen, in denen die zu erstellende Liste in Händen der Regierung sei. Dort wäre es beinahe jedes Mal zu „occulti intrighi“162 gekommen, welche eine Rückgabe der Liste an das Kapitel verzögert hätten, so dass die Wahl nicht fristgemäß habe stattfinden können. Der daraufhin von Kardinalstaatssekretär Merry del Val um Rat hinsichtlich bestehender Schwierigkeiten mit der Regierung gefragte Nuntius Frühwirth in München riet dagegen zur Besonnenheit. Bevor der Heilige Stuhl in irgendeiner Weise tätig werde, solle er zunächst den Fortgang der Ereignisse beobachten. Hintergrund der Besorgnis von Hartmanns war ganz offensichtlich die Befürchtung, dass sich die Neubesetzung zeitlich verzögern könnte. Was das Domkapitel anbetraf, so hatte die nationalliberale Presse, vor allem die „Rheinisch-Westfälische Zeitung“ und die „Kölnische Zeitung“, im Vorfeld beklagt, dass das Wahlgremium sich in Münster „in zwei scharf getrennte Lager, in das Lager der vom König und der vom Bischof ernannten Domherren“163 gespalten habe und dass „die übermächtige Partei der Ultras“, also die romtreuen Intransigenten, dort das Sagen hätte. „Die Gegensätze in Münster … traten besonders hervor, als … ein neuer Bischof gewählt werden musste“164, erinnerte sich ein Zeitzeuge an die Wahl von 1911. Auf romtreuer Seite wurde etwa im „Westfälischen Merkur“ gegen die „Hetzartikel“ der liberalen Presse gewettert. Die staatsloyale Fraktion war auch durch die altersbedingte Kränklichkeit des Dompropstes Parmet geschwächt, der weder an den Kapitelsitzungen noch an der Vorwahl und Wahl des neuen Bischofs teilnehmen konnte. Nun scheint es auf den ersten Blick so, als wenn Hartmanns Vorahnung, dass die Liste platzen könnte, übertrieben gewesen sei. Und als der vom König zum Wahlkommissar bestellte westfälische Oberpräsident Karl Egon Prinz von Ratibor-Corvey165 am 27. Mai 1911, gut zwei Monate nach Eingang der Kapitelliste, dem Dompropst Nachricht gab, dass die Liste in Berlin vollkommen unbeanstandet geblieben sei166, war das Domkapitel wohl so überrascht, dass niemand daran dachte, den Nuntius in München in Kenntnis zu 162
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Hartmann an Pius X. Zit. nach dem Schreiben Merry del Vals an Frühwirth v. 28.3.1911, in: ASV ANM, busta 265. Rheinisch-Westfälische Zeitung v. 26.1.1909. Hier auch das folg. Zit. Erinnerungen Berghaus, S. 10. Zur Kommissarsbestellung des Oberpräsidenten vgl. dessen Schreiben an das Domkapitel v. 1.4.1911, in: DA Münster AA I A 37. Zu Ratibor-Corvey (1860–1931), 1911–1919 Oberpräsident von Westfalen, vgl. Schwabe, Oberpräsidenten, S. 303; Neubach, Schlesischer katholischer Adel, S. 170–172; u. Hubatsch, Grundriss zur deutschen Verwaltungsgeschichte, Bd. 8, S. 41. Vgl. Ratibor-Corvey an Parmet v. 27.5.1911, in: DA Münster AA I A 37. Hier auch eine Abschrift des Genehmheitsschreibens Wilhelms II. v. 24.5.1911.
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setzen. Zudem lag die Repräsentation dieses Gremiums aufgrund der Altersschwäche des Dompropstes ja ohnehin allein in den Händen des Domdechanten von Hartmann. Frühwirth erfuhr erst am 30. Mai aus Zeitungsmeldungen, dass Wilhelm II. mit Ordre vom 24. Mai keinen der fünf Listenkandidaten des Kapitels beanstandet hatte. Dies erstaunte in München wohl nicht zuletzt mit Blick auf den Kandidaten Franz Hartmann, der ja sowohl als Jesuitenschüler in Feldkirch als auch als Absolvent des römischen Germanicum einen Bildungsweg aufwies, der in den Jahren und Jahrzehnten zuvor schon per se zum Ausschluss aus der Wahlliste geführt hätte, ohne dass die persönlichen Qualitäten und Qualifikationen des Kandidaten näher geprüft worden wären167. Nuntius Frühwirth erbat von Kapitularvikar von Hartmann aber insbesondere deshalb eine Bestätigung der Richtigkeit dieser Nachricht168, weil damit „meines Erachtens der Grund für die von Euer Gnaden dem Heiligen Stuhl erbetene Verlängerung zur Vornahme der Bischofswahl“ entfalle, zumal die Entscheidung aus Berlin eine Woche vor Ablauf der Dreimonatsfrist öffentlich bekannt geworden war. Von Domkapitular Hüls aus Münster, der als Gewährsmann der Nuntiatur fungierte, wusste Frühwirth zu diesem Zeitpunkt bereits, dass ein Grund für die späte staatliche Zustimmung darin zu liegen schien, dass irgendeiner der Kandidaten, dessen Name aber unausgesprochen blieb, sich die Gegnerschaft einer kleinen Gruppe modernistische Tendenzen begrüßender intellektueller Katholiken zugezogen hatte, die höheren Orts Protest eingelegt hätten169. Wenn Hüls dann auch im Auftrag des Kapitularvikars von Hartmann die Bitte des Nuntius um Bestätigung der Zeitungsmeldungen beantwortete, zeigt dies aber zugleich, dass Hartmann von den Kontakten seines Mitbruders aus den Reihen der „1874er“ zu Frühwirth informiert war. Hüls nahm dann auch den Kapitularvikar dahingehend in Schutz, dass dieser es wohl angesichts der Fülle seiner derzeitigen Aufgaben schlicht übersehen habe, die Nuntiatur über die Rückkehr der Liste zu informieren, so dass es sich um ein bedauerliches Versehen handle170. Wenn Hüls davon abgesehen hatte, dem Nuntius bloß durch das angeforderte Telegramm zu antworten, sondern ein ausführliches Schreiben formulierte, verband er damit offenbar die Absicht, seiner Zufriedenheit darüber Ausdruck zu verleihen, dass „das Treiben einer Handvoll bitterer Gegner der bisherigen Leitung des Bistums, die in der liberalen Presse Stimmung gegen die Kandidatenliste des Domkapitels zu machen suchten, keinen Erfolg gehabt hat, indem die vorgelegte Liste ganz unbeanstandet zurückgelangt ist“. Hüls konnte seine Schadenfreude nicht ganz verhehlen, wenn er 167
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Vgl. dazu Becker, Päpstliche Kaderschmiede?, in: Schwinges (Hrsg.), Universität, Religion und Kirchen, S. 29–50. Vgl. Frühwirth an v. Hartmann v. 30.5.1911, ebd., Abschrift, in: ASV ANM, busta 266. Hier auch das folg. Zit. Vgl. Frühwirth an Merry del Val v. 30.5.1911, ebd. Vgl. Hüls an Frühwirth v. 1.6.1911, ebd. Hier auch die folg. Zit.
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gegenüber dem Nuntius von den Intrigen einer Reihe intellektueller Katholiken gegen die Liste als einem „Fiasko“ sprach, dass diese Gruppe „um ihren Einfluss gebracht“ habe. Wenn Hartmann sich die Chance entgehen ließ, Frühwirth eigenhändig zu antworten, mag dies zudem den Hintergrund gehabt haben, dass, wie Hüls es dem Nuntius anvertraute, „die allgemeine Vermutung dahin (geht), dass der Herr Kapitularvikar … gewählt werde, der in der Tat wohl der Allergeeignetste sein möchte, sich freilich mit allen Kräften gegen die Übernahme dieser Bürde wehrt“. Weder Hüls noch der Nuntius bzw. der Heilige Stuhl hatten demgemäß davon Kenntnis, dass es sich bei dem inkriminierten Kandidaten, gegen den aus der Bevölkerung heraus opponiert worden sei, um niemanden anderes als den Favoriten Felix von Hartmann gehandelt hatte. Und zwar hatte den Kultusminister eine Petition mit Hunderten von Unterschriften aus Münster erreicht, die für eine Mindergenehmerklärung des Kapitularvikars votierten. Als Hintergrund lässt sich die in den Vorjahren die Gemüter der Öffentlichkeit in Münster erhitzende Diskussion um eine Schrift des Münsteraner Rechtsassessors Adolf ten Hompel vermuten, von der behauptet wurde, sie sei von dem Domvikar Hermann Kerkhey verfasst worden, der „fraglos ein Verfechter der neuen Ideen war“171. Ausgangspunkt der Bestrebungen war eine sogenannte Kulturgesellschaft (Index-Liga), die 1907 in Münster von mehreren Laien unter Führung ten Hompels gegründet worden war und in einer Petition an Papst Pius X. eine Revision der strengen Indexbestimmungen gefordert hatte172. Von Hartmann, so war in Münster bekannt, hatte dafür gesorgt, dass der alte Bischof Dingelstad dieses Büchlein bei der Indexkongregation in Rom anzeigte und seine Verurteilung als modernistische Schrift erreichte. In Teilen des Bildungsbürgertums wurde dem Generalvikar dieses Verhalten zutiefst verübelt, während seine Bewunderer in ihm jetzt erst recht den „Mittelpunkt der damals unter allen Umständen Romtreuen“173 erblickten. Wenn sich auch dieses Gesuch in den Akten nicht mehr auffinden ließ (bereits Berghaus hatte in den 1960er Jahren vergeblich danach suchen lassen), bestätigte Kultusminister von Trott zu Solz dem ihn aufsuchenden Kommandierenden General in Münster, von Einem, dessen Existenz. Von Einem, der bereits im Auftrag des Monarchen als Abgesandter der Staatsregierung an den Beisetzungsfeierlichkeiten für Bischof Dingelstad teilgenommen hatte, vertraute sich in der Retrospektive dem Bischöflichen Kaplan Berghaus dahingehend an, dass er von der Gräfin Hella von Galen, einer Tochter des be171
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So Berghaus, Erinnerungen, S. 6. Zu Kerkhey (1866–1927), der 1892 als Germaniker in Rom geweiht worden war u. Dr. theol. sowie seit 1896 Domvikar in Münster war, vgl. DA Münster, Priesterkartei, u. Bramkamp, Domvikare, S. 448, sowie Schmidt, Das Collegium Germanicum in Rom und die Germaniker, S. 332. Vgl. hierzu Trippen, Theologie und Lehramt im Konflikt, S. 51–67; u. jetzt auch Busemann, „Diese Laien aus Münster!“, in: RJKG, Bd. 28 (2009), S. 165–184. Berghaus, Erinnerungen, S. 7.
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kannten Münsteraner Bankiers von Olfers, aufgesucht worden sei174. Sie habe ihm erklärt, dass verschiedene Münsteraner Persönlichkeiten sich in Berlin für eine Erklärung von Hartmanns zur persona minus grata verwendet hätten, und habe ihn gebeten, bei den höchsten Regierungsstellen zu antichambrieren und für eine Belassung von Hartmanns auf der Liste einzutreten. Von Einem, der von der staatstreuen Haltung des Kapitularvikars überzeugt war, ließ sich willig als Mittelsmann benutzen, reiste nach Berlin und sprach zunächst direkt bei Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg vor, der ihn aber an den Kultusminister verwies, den er ganz offenbar von der patriotischen Gesinnung von Hartmanns überzeugen konnte. „Ob die Gegner von Hartmanns nur beim Kultusminister oder auch beim König „gearbeitet“ haben, um dessen Streichung zu erreichen, weiß ich nicht. Von Hartmann war fest überzeugt, dass auch ein einflussreicher Zentrumsmann gegen ihn intrigiert habe“, erinnerte sich der Sekretär Berghaus. Dem Münsteraner Kapitularvikar kam auch zugute, dass er „ein Bruder des früheren Regierungspräsidenten in Aachen [sein Halbbruder Julian von Hartmann, Anm. d. Verf.] und mit verschiedenen katholischen Familien des rheinischen und westfälischen Adels verwandt“ war. So hieß es in dem Gutachten des Kultusministers: „Er wird von allen Seiten als eine korrekte, selbständige Persönlichkeit von gewandten, konzilianten Umgangsformen geschildert. Der Kardinal Kopp, welcher ihn als einen königstreuen, patriotischen Mann im Jahre 1903 für die landesherrliche Ernennung zum Domherrn empfohlen hatte, ist auch jetzt für ihn warm eingetreten.“175 Nachdem das umgehend einberufene Kapitel als Wahltag den Pfingstdienstag, 6. Juni 1911 festgelegt hatte und auch der Oberpräsident dieser Planung zugestimmt hatte176, konnte die Wahl ohne Verzögerungen durchgeführt werden. Bezeichnend erscheint dabei, dass der Wahltag, an dessen Vorabend der Wahlkommissar dem Kapitel das kaiserliche Beglaubigungsschreiben als Wahlkommissar vorlegte, genau auf den Tag des Ablaufs der Dreimonatsfrist seit dem Tod des bisherigen Bischofs fiel. Erneut hatten dazu die bereits erwähnten alten Domherren Parmet, Johann Philipp Hartmann und Matthias Lorenz ihre Stimmen an die oben genannten Domherren Schmidt, Rüping und Greving delegiert. Bedauerlicherweise lassen sich aus dem Wahlprotokoll keine Rückschlüsse über das konkrete Wahlverhalten der Domherren ziehen. Somit ist lediglich bekannt, dass der Favorit Felix von Hartmann eine absolute Mehrheit erzielte. 174
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Berghaus bezeugt in seinen Erinnerungen, S. 16, ein Gespräch mit Hella von Galen u. datiert es auf den 18.2.1912. Von Trott zu Solz v. 1911, zit. bei Berghaus, Erinnerungen, S. 12. Das Plazet des Oberpräsidenten zu diesem Wahltermin erfolgte auf Nachfrage des Kapitels umgehend am 28.5.1911. Vgl. Schreiben, in: DA AA I A 37.
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Obgleich Frühwirths Informant Professor Hüls den Wahlausgang ja schon prognostiziert hatte, unternahm der Nuntius erst nach Eingang des Telegramms vom Erfolg Hartmanns weitere Schritte, um für die Kurie einen Lebenslauf des erwählten Oberhirten zusammenzustellen177. Als Zeuge diente ihm hierfür zum einen der vormalige Münsteraner Theologieprofessor und nunmehrige Bischof von Ermland, Augustinus Bludau178, in dessen Augen Hartmann zunächst „ein frommer, sittenreiner, gut kirchlich gesinnter Priester [sei], der dem apostolischen Stuhle in aller Ehrfurcht stets treu ergeben gewesen ist“179. Vermag man etwas zwischen den Zeilen zu lesen, so fällt auf, dass Bludau seinem Empfinden Ausdruck gab, dass Hartmann, der „bei dem hochseligen Herrn Bischof eine ganz besondere Vertrauensstellung“ eingenommen habe, überkorrekt die römischen Vorstellungen in Münster durchzusetzen bestrebt war und sich von daher auch zahlreiche Feinde gemacht habe. Wenn Hartmann als Geistlicher Rat noch „gewisse Härte und Schroffheiten im Verkehr“ gezeigt habe, hätte er diese in seiner Amtszeit als Generalvikar in ein freundliches Wesen verwandelt. Summa summarum zweifelte Bischof Bludau „nicht im geringsten daran, dass seine Wahl zum Bischofe der Diözese des hl. Ludgerus eine überaus glückliche ist und der Erwählte eine Zierde des preußischen Episkopates sein“ werde. Zum anderen zog der Nuntius auch seinen Münsteraner Gewährsmann Peter Hüls als Zeugen heran, der aus gemeinsamer Schulzeit auf der Gaesdonck mit Hartmann befreundet war, bei dieser Gelegenheit den Wunsch „der beschleunigten apostolischen Bestätigung der Wahl“180 äußerte und interessanterweise u.a. darauf abhob, dass Felix von Hartmann „ein beträchtliches Vermögen in Grund- und Hausbesitz und Kapitalien“ besitze. Insbesondere aber würdigte er in geradezu überschäumender Begeisterung seine „Arbeitskraft allerersten Ranges“ sowie eine „peinliche Gerechtigkeitsliebe“ und kritisierte lediglich, dass Hartmann „sich in seinem Pflichteifer geradezu aufreibt, so dass ihm in dieser Hinsicht von allen seinen Freunden ständig und namentlich nach jetzt erfolgter Wahl zum Bischof auf das Ernstlichste angeraten wird und werden muss, sich etwas mehr zu schonen“. Für den Nuntius waren diese beiden Zeugnisse nur noch eine Bestätigung, um bei Pius X. die Konfirmation und die Genehmigung zum Beginn des Kanonischen Prozesses zu erwirken181. Nachdem aber das auf üblichem Weg über den Rektor der Anima, Msgr. Lohninger, an die römische Konsistorialkongregation gesandte Original des Wahlprotokolls zwischenzeitlich verschwunden war und dessen Übersendung von Kardinalstaatssekretär 177 178 179
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Vgl. Frühwirth an Merry del Val v. 7.6.1911, ebd. Zu Bludau, der von 1895 bis 1909 in Münster lehrte, vgl. das Kap. Ermland in diesem Band. Bludau an Frühwirth v. 10.6.1911, auf das Anschreiben v. 8.6., in: ASV ANM, busta 266. Hier auch die folg. Zit. Hüls an Frühwirth v. 10.6.1911, ebd. Hier auch die folg. Zit. Vgl. Frühwirth an Merry del Val v. 19.6.1911, ebd.
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Merry del Val als Voraussetzung für die päpstliche Konfirmation angemahnt worden war182 , erfolgte am 27. Juli die päpstliche Bestätigung. Dass die Konsekration und Inthronisation durch Erzbischof Antonius Kardinal Fischer von Köln erst am 26. Oktober 1911 stattfinden konnte, lag an dem logistischen Problem, dass den zahlreichen Alumnen der bischöflichen Konvikte und Seminare, die an der Feier mitzuwirken hatten, „nicht füglich zugemutet werden konnte, dass sie mitten in ihren Ferien die Reise nach Münster machen“183. Der Konsekration und Inthronisation durch Kardinal Fischer war am Vortag die staatliche Vereidigung im Schloss zu Münster vorangegangen, nachdem der Oberpräsident bereits am 27. September den Eingang der landesherrlichen Anerkennung von Hartmanns mitgeteilt hatte184. Hartmann wurde zugleich von der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster mit der theologischen Ehrendoktorwürde ausgezeichnet, wie es bereits bei seinen Vorgängern Brinkmann und Dingelstad üblich gewesen war185. Somit fand eine Tradition ihre Fortsetzung, den fehlenden theologischen Doktorgrad auf diese Weise zu kompensieren. Über den unterlegenen Kandidaten Poggenburg ist im Übrigen überliefert, dass er von seinen Internatsschülern im Ludgerianum ein Schweinchen übergeben bekam, damit er bei der nächsten Bischofswahl „mehr Schwein“ habe186. Clemens August von Galen, der spätere „Löwe von Münster“, wies in seiner Haus- und Familienchronik darauf hin, dass die Tatsache, dass „die Wahl des vortrefflichen Felix von Hartmann zum Bischof von Münster im Jahre 1911 in der ganzen Diözese einstimmigen Jubel auslöste, … nicht zum wenigsten das Verdienst“ seines Bruders, des Reichstagsabgeordneten Friedrich von Galen187 gewesen sei. Letzterer habe „in einer Rede im Gesellenhause in Münster die unterirdischen, ehrenrührigen Treibereien gegen den verdienten Generalvikar freimütig aufgedeckt und in vornehmer, aber scharfer Form öffentlich zurückgewiesen“188.
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Vgl. Merry del Val an Frühwirth v. 23.6.1911 u. Hartmann an Frühwirth v. 27.6.1911, ebd. So Hüls an Frühwirth v. 10.6.1911, ebd. Vgl. Ratibor-Corvey an Domkapitel v. 27.9.1911, in: DA Münster AA I A 37. Diese Auszeichnung erfolgte am 28.6.1911. Vgl. Dr. Felix von Hartmann. Ein Lebensbild, S. 9; Hegel, Geschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster, Bd. 2, S. 210. Schröer, Das „neue“ Domkapitel 1823–1973, in: Ders., Die Kirche von Münster im Wandel der Zeit, S. 218–228, hier S. 224f., vergisst in der Reihe der Ehrenpromotionen Hermann Dingelstad. Vgl. Erinnerungen von Pfr. Joseph Wilmes, in: Löffler, Ludgerianum, S. 140. Zu Friedrich v. Galen (1865–1918), 1907–1918 MdR, vgl. jetzt Hirschfeld, Glaube und Adelsstand, in: JOM 2012, S. 49–72. Clemens August v. Galen, Haus- und Familienchronik, Berlin 1925 (masch.), S. 64.
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Bischofswahl 1913 Nach nur gut einjährigem Episkopat teilte Bischof Felix von Hartmann dem Domkapitel in Münster zwei Tage vor Weihnachten des Jahres 1912 mit, dass er als Erzbischof nach Köln wechseln werde189. Wenn von Hartmann, der bereits Ende Oktober vom Kölner Metropolitankapitel zum Nachfolger des verstorbenen Erzbischofs Antonius Kardinal Fischer gewählt worden war und Anfang Dezember bereits seine Translation aus Rom erhalten hatte, erst verspätet das Domkapitel in Münster informierte, lag dies an seinem eigenen Widerstreben, dieser Wahl Folge zu leisten. Wie sich sein Bischöflicher Kaplan Carl Berghaus, der von Hartmann nach Köln begleiten sollte, erinnert, habe der Bischof in seiner Not eine private Wallfahrt nach Telgte unternommen190. Dabei habe von Hartmann den Plan gefasst, sich einen Krankenschein ausstellen zu lassen, demgemäß ihn gesundheitliche Gründe an dem Wechsel hindern würden. Über den aus Münster stammenden, in der Nähe von Rom tätigen Franziskanerbischof Bernhard Josef Döbbing191, einen Vertrauten des Papstes, ließ er diesen Pius X. zukommen, der das Gesuch jedoch ablehnte. Am 2. Januar 1913 kamen alle residierenden Mitglieder des Kapitels zusammen, um über das weitere Procedere zu beraten. Dabei wurde die Vorwahl auf den 9. Januar terminiert und festgelegt, dass wiederum nur fünf Namen auf die Liste zu bringen seien192. An diesem Vorwahltag hatten Dompropst Parmet den Domherrn Schmidt und der Ehrendomherr Landdechant Ludwig Uppenkamp aus Burgsteinfurt den Domherrn Hasenkamp mit ihrer Stimme versehen. Auf die noch am Tag der Vorwahl an den Kultusminister in Berlin eingereichte Liste kamen Professor Franz Diekamp, Domkapitular Hugo Greving, der Direktor der Gaesdonck, Dr. Franz Hartmann, der bisherige Generalvikar Johannes Poggenburg sowie der Pfarrer von St. Matthias in Berlin Franz Sprünken. Ganz offensichtlich hatte das Kapitel bei der Weitergabe der Liste erneut die alphabetische Reihenfolge gewählt, so dass nicht davon auszugehen ist, dass etwa Diekamp intern die meisten und Sprünken die wenigsten Stimmen erzielt hatte. Wie schon ein gutes Jahr zuvor waren erneut nur Angehörige des Diözesanklerus auf die Liste gelangt, wobei nur Franz Hartmann und Poggenburg gleichsam erneut ins Rennen geschickt wurden, während Professor Böckenhoff und Weihbischof Illigens keine Berücksichtigung mehr fanden. Letzterer war allerdings zu diesem Zeitpunkt bereits schwer erkrankt, so dass er möglicherweise deshalb von sich aus auf eine mögliche Kandidatur verzichtete. 189 190 191
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Vgl. hierzu ausführlicher das Kap. Köln in diesem Band. Vgl. Berghaus, Erinnerungen, S. 30. Zu Döbbing, der Bischof von Nepi und Sutri war, vgl. Hardick, Döbbing. Pastor, Tagebücher – Erinnerungen – Briefe, S. 563, bezeichnete ihn als „ein sehr geistvoller Mann“. Vgl. Protokoll der Kapitelsitzung v. 2.1.1913, in: DA Münster AA I A 38.
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ranz Diekamp193 war 1864 in Geldern im niederrheinischen Teil des Bistums Münster geboren worden und hatte das Gymnasium Paulinum in Münster besucht, sein Studium dann in Münster und Eichstätt absolviert, wo er – wegen des Kulturkampfes – 1887 die Priesterweihe empfing. Nach kurzer Kaplanszeit in Kamp am Niederrhein wurde Diekamp 1889 Repetent am Theologenkonvikt Collegium Borromaeum in Münster. Während dieser Zeit promovierte er 1895 zum Doktor der Theologie194 unternahm anschließend eine Studienreise nach München und Italien und wurde 1897 als Kaplan an St. Ludgeri in Münster eingesetzt. Im Folgejahr habilitierte er sich für Patrologie und Dogmengeschichte und erhielt schließlich 1902 eine planmäßige außerordentliche Professur für Kirchen- und Dogmengeschichte, Patrologie und christliche Archäologie in Münster. Zwei Jahre später wurde der Gelehrte persönlicher Ordinarius und 1907 dann ordentlicher Professor für Dogmatik. Im akademischen Jahr 1910/11 bekleidete er zudem das Amt des Rector magnificus der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. Über die wissenschaftliche Welt hinaus erlangte er durch seine „Dogmatik nach den Grundsätzen des hl. Thomas“, deren erster von drei Bänden 1911 erschienen war, weithin Bekanntheit. Allerdings verkörperte Diekamp den Typus „des stillen und in sich gekehrten Gelehrten“195, der eine größere Öffentlichkeit stets scheute.
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ugo Greving196 war 1851 in Stadtlohn geboren und hatte 1874 in Münster die Priesterweihe erhalten. Nach einer Tätigkeit als Hausgeistlicher auf Haus Egelborg bei Legden wirkte er als Kaplan in den Pfarreien Riesenbeck und Beckum St. Stephanus, bevor ihm 1891 die Aufgabe des Rektors an der im Bereich der Lamberti-Pfarre in Münster errichteten Behelfskirche St. Josef an der Hammer Straße übertragen wurde. 1898 wurde er dort erster Pfarrer und erwarb sich Verdienste um den Kirchenneubau. 1909 berief Bischof Dingelstad Greving zum Regens des Bischöflichen Priesterseminars und
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Zu Diekamp vgl. Bautz, Diekamp, in: BBKL, Bd. 1 (1990), Sp. 1290; Jüssen, Diekamp, in: LThK2, Bd. 3 (1959), Sp. 376; Hegel, Geschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster, Bd. 2, S. 13f., Ders., Theologieprofessoren, S. 575f., Helmert, Die Domkapitulare seit 1823, S. 402f., sowie DA Münster, Priesterkartei. Dort ist seine Kandidatur bei der Bischofswahl nicht vermerkt. Diekamp wurde 1921 Prälat, 1924 Domkapitular u. 1933 emeritiert. Er starb 1943. Vgl. passim Diekamp, Die Gotteslehre des hl. Gregor von Nyssa. Weitere Veröffentlichungen Diekamps sind bei Hegel, Geschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster, Bd. 2, S. 13f., aufgeführt. Hegel, Theologieprofessoren, S. 576. Zu Greving, der im November 1913 Generalvikariatsrat wurde, 1924 eine Straßenbenennung innerhalb seiner ehemaligen Pfarrei St. Josef erhielt (Grevingstraße) u. 1925 Dr. theol. h.c. in Münster wurde, 1933 auf das Regentenamt verzichtete u. im selben Jahr in Münster starb, vgl. DA Münster Priesterkartei, wo die Bischofskandidatur nicht vermerkt ist, u. Helmert, Die Domkapitulare seit 1823, S. 392.
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ein Jahr später zum Domkapitular. Greving war auch Päpstlicher Hausprälat und Träger des Roten Adlerordens IV. Klasse. Er stand dezidiert auf der romtreuen Seite des Domkapitels.
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ranz Sprünken197 war 1867 als Landwirtssohn in Straelen am Niederrhein geboren worden, hatte in Emmerich das Abitur abgelegt, in Münster Theologie studiert und dort 1892 die Priesterweihe erhalten. Seine Kaplansjahre verbrachte er in Geldern und vor allem im Marienwallfahrtsort Kevelaer in seiner niederrheinischen Heimat. Im November 1909 hatte ihm Bischof Dingelstad die aufgrund einer Stiftung stets von einem Münsteraner zu übernehmende Pfarrstelle an St. Matthias in Berlin-Schöneberg übertragen, so dass er auf diese Weise auch mit dem einflussreichen Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz und Fürstbischof von Breslau Georg Kardinal Kopp als für die Reichshauptstadt zuständigem Oberhirten in Berührung kam.
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ohannes Poggenburg hatte im Dezember 1911 die Domherrenstelle von Hartmanns durch dessen bischöfliche Nomination erhalten198 und war zum Generalvikar ernannt worden. Außerdem hatte er durch das staatliche Plazet zu seiner Wahl zum Kapitularvikar eine wichtige Hürde hinsichtlich der staatlichen Akzeptierung übersprungen199. Das Domkapitel hatte mit der Aufstellung und Einreichung der Liste gleichsam in vorauseilendem Gehorsam gehandelt, wenn es den Bischofsstuhl von Münster angesichts der anstehenden Transferierung von Hartmanns nach Köln bereits als erledigt ansah. Am 23. Januar 1912 gab Oberpräsident von Ratibor-Corvey dem Gremium einen kaiserlichen Erlass vom Vortag zur Kenntnis, wonach „die Allerhöchste Entscheidung über die Genehmhaltung der aufgestellten Kandidatenliste erst dann beantragt werden könne, wenn der bischöfliche Stuhl zu Münster durch Erteilung der landesherrlichen Anerkennung an den zum Erzbischof von Köln gewählten Herrn Bischof Dr. von Hartmann erledigt sei“200. Das war zweifelsohne eine Spitzfindigkeit, zumal von Hartmann kurz darauf die entsprechende landesherrliche Anerkennung erhielt. Dennoch wollte Kultusminister von Trott zu Solz am 13. Februar 197
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Zu Sprünken vgl. Schütte, Auftrag und Weg. 100 Jahre Priester aus dem Bistum Münster in Berlin, S. 21, Helmert, Die Domkapitulare seit 1823, S. 411 u. 439, DA Münster, Priesterkartei, wo allerdings Sprünkens Bischofskandidatur nicht erwähnt ist. Sprünken wurde 1919 Pfarrer in Emmerich St. Aldegundis, 1926 zugleich Dechant u. 1932 Ehrendomherr in Münster, gest. 1948. Vgl. Hartmann an Ratibor-Corvey v. 21.12.1911, in: StAMS, OP 1939, 5. Die Installation erfolgte am 30.12.1911. Vgl. Regierungspräsident in Münster an Poggenburg v. 29.3.1913, in: StAMS, RP Münster, Nr. 17199. Erlass Wilhelms II. v. 22.1.1913, in: DA Münster AA I A 38.
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1913 vom Kapitel wissen, ob es an der eingereichten Liste, die nun zum Zuge kommen könnte, festhalten oder gar eine neue Liste einreichen wolle. Bereits die schriftlichen Stellungnahmen einiger aufgrund von Kur- bzw. Urlaubsaufenthalten außerhalb von Münster weilender Domherren zeigten aber, dass man an der Liste festzuhalten gedachte, was dann auch auf einer eigens einberufenen Kapitelsitzung beschlossen wurde201. Zwar hatte das Ministerium nichts dagegen einzuwenden gehabt, dass der Heilige Stuhl Bischof von Hartmann beauftragt hatte, die Münsteraner Bischofstätigkeit bis zur endgültigen Übersiedlung nach Köln als Diözesanadministrator weiterzuführen. Vielmehr war es Hartmann selbst, der das Kapitel dazu anregte, auf der erwähnten Sitzung vom 19. Februar bereits einen Kapitularvikar in der Person des bisherigen Generalvikars Johannes Poggenburg zu wählen, um eine „Stockung in der Diözesanverwaltung“202 zu vermeiden. Entsprechend ließen sich die Regierungsstellen bis Ende März 1913 Zeit, die Wahl des Kapitularvikars unter Dispensierung von dem obligatorischen Eid zu genehmigen203. Da der offenbar von Natur aus skeptische Hartmann ähnlich wie bei der vorangegangenen Neubesetzung auch diesmal die Befürchtung hegte, dass es zu Kontroversen im Staat-Kirche-Verhältnis kommen könne, suchte er wiederum in Rom vorab darum nach, die Dreimonatsfrist zur Neuwahl zu erhöhen204. Als offizielle Begründung gab er an, dass aufgrund seines erst für den 3. April (letztlich wurde von Hartmann erst am 19. April 1913 in Köln inthronisiert) geplanten Wechsels auf den Metropolitansitz zuvor ohnehin kein Wahltermin zustande kommen würde. Tatsächlich wandte sich Oberpräsident von Ratibor-Corvey auch erst am Tag der Kölner Amtseinführung von Hartmanns, eben am 19. April 1913, an das Münsteraner Domkapitel, um ihm die vier Tage zuvor getroffene Entscheidung des Monarchen bekannt zu geben, dass er den Domkapitular Hugo Greving zur „persona minus grata“ erklärt, die übrigen vier Listenkandidaten aber unbeanstandet gelassen habe205. Bis zum Wahltag vergingen darauf noch einige Wochen, bevor das Kapitel am 7. Mai 1913, „ich glaube einstimmig“206, wie das Kapitelsmitglied Peter 201
202 203 204 205
206
Vgl. Protokoll der Kapitelsitzung v. 19.2.1913, ebd. Weihbischof Illigens, der zur Kur in Bad Wildungen weilte, hatte am 16.2. das Festhalten an der alten Liste beschworen und darauf gedrungen, auch die Ehrendomherren zu der anberaumten Sitzung einzuladen. Von Hartmann an Domkapitel v. 16.2.1913, ebd. Vgl. Oberpräsidium an Domkapitel v. 29.3.1913, ebd. Über diesen Schritt informierte v. Hartmann das Domkapitel in einem Brief v. 6.2.1913, ebd. Vgl. Ratibor-Corvey an Domkapitel v. 19.4.1913, ebd. Hier auch eine Abschrift des kaiserlichen Erlasses v. 15.4.1913. Hüls an Nuntiatur v. 10.5.1913, in: ASV ANM 266. Das Wahlprotokoll v. 7.5.1913, in: DA Münster AA I A 38, gibt über die Stimmverteilung bei der Wahl keine Auskunft. Lediglich Dompropst Parmet, der Domkapitular Friedrich Schmidt, und Ehrendomherr Uppenkamp, der Domkapitular Heinrich Hasenkamp delegiert hatte, waren der Wahl aus Altersgründen ferngeblieben.
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Hüls später etwas merkwürdig unbestimmt schrieb, den Kapitularvikar Johannes Poggenburg zum neuen Bischof von Münster wählte. Wie der Informant des Nuntius glaubte, hätten die Staatsbehörden anstelle Poggenburgs „lieber einen Mann gesehen, der bisher mehr nach außen und in der breiten Öffentlichkeit hervorgetreten“207 ist. Bereits vom 9. Mai 1913 datiert die erste der von der Nuntiatur angeforderten, vor dem Hintergrund von Modernismuskrise und Gewerkschaftsstreit inzwischen üblichen Charakterisierungen, und zwar aus der Feder des vormaligen Bischofs von Hartmann, der seinem designierten Nachfolger bescheinigte, nach der Priesterweihe „17 Jahre lang mit großem Eifer in der Seelsorge tätig“208 gewesen zu sein. Insbesondere vertrat der Kölner Erzbischof die Ansicht, dass Poggenburg, der sich „durch einen scharfen Verstand, sichere theologische Kenntnisse und nicht geringe Geschäftsgewandtheit, vor allem aber durch gediegene Frömmigkeit und warme aufrichtige Liebe zur heil[igen] Kirche und zum Apostolischen Stuhle“ auszeichne, bereits bei der letzten Bischofswahl 1911 zum Zuge gekommen wäre, „falls die Regierung meinen Namen als den einer persona Regi minus grata von der Liste gestrichen hätte“. Der erneut um ein Gutachten gebeten Domkapitular Hüls hob Poggenburgs Einsatz in der Arbeiterseelsorge in Duisburg-Untermeiderich hervor, wo dieser „viel Eifer und Geschick in der Behandlung der schwer zu behandelnden männlichen Jugend durch Gründung und Leitung von sogenannten Jugendvereinen“209 gezeigt habe, und resümierte: „Ein lauterer Kopf, ein frommer Priester, ein kluger Kopf, ein beliebter Lehrer – so kenne ich Herrn Poggenburg aus näherem Umgange seit Jahren“. Erzbischof von Hartmann hatte bei der Nuntiatur um Beschleunigung der päpstlichen Präkonisation gebeten und als Grund angeführt, dass „der Herr Weihbischof Illigens schwer krank ist und daher Pontifikalfunktionen, insbesondere Firmungen, kaum vornehmen kann“210. Diese Bitte scheint in München und Rom Wirkung gezeigt zu haben. Bei Domkapitular Hüls erbat die Nuntiatur diesmal sogleich eine Abschrift des Wahlprotokolls, um für den Fall des Verlusts des Originals – wie ja bei der Wahl 1911 in Rom geschehen – eine Verzögerung der päpstlichen Bestätigung zu vermeiden211. Und Kardinalstaatssekretär Merry del Val ließ den Nuntius schon am 16. Mai, also neun Tage nach dem Wahlakt, wissen, dass der Heilige Vater die Bestätigung der Wahl in Aussicht gestellt habe212. Obwohl die päpstliche Bestätigung am 4. Juli 207 208 209 210 211
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So die Ansicht von Hüls gegenüber der Nuntiatur. Hartmann an Frühwirth v. 9.5.1913, in: ASV ANM 266. Hier auch das folg. Zit. Hüls an Nuntiatur v. 10.5.1913, ebd. Hartmann an Frühwirth v. 9.5.1913, ebd. Vgl. Nuntiatur an Hüls v. 9.5.1913, ebd. Das Protokoll wurde am 17.5.1913 nach München gesandt, findet sich aber nicht in den Nuntiaturakten. Merry del Val an Frühwirth v. 16.5.1913 u. Frühwirth an Dompropst Parmet v. 16.5.1913, ebd.
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erfolgte und Erzbischof von Hartmann nochmals bei der Nuntiatur darauf hingewiesen hatte, dass „es im Interesse meiner früheren Diözese Münster dringend wünschenswert erscheint, dass der erwählte Bischof sich bald nach seiner Bestätigung durch den Hl. Vater konsekrieren lässt“, vergingen ebenso wie schon zwei Jahre zuvor wieder die Semesterferien an den bischöflichen Studienanstalten, bis am 16. Oktober, nach Wiederaufnahme des Schuljahres bzw. Semesters, die Konsekration und Inthronisation Johannes Poggenburgs durchgeführt wurde. Auch die landesherrliche Anerkennung des Oberhirten datierte erst vom 1. Oktober 1913213. Wie auch schon sein Vorgänger von Hartmann erhielt er an diesem Tag der Weihe zugleich die Ehrendoktorwürde der Katholisch-Theologischen Fakultät in Münster verliehen214.
Weihbischöfe in Münster Weihbischofsernennung 1895 Die 1884 erfolgte Ernennung des Weihbischofs Franz Wilhelm Cramer war vorab mit der Regierung abgesprochen und von dem zurückgekehrten Bischof Brinkmann erwünscht, „dem er als Freund von Jugend auf nahe gestanden“215 hatte. Wie später Bischof Dingelstad ausführte, habe Brinkmann gefürchtet, „dadurch ein Präjudiz geschaffen“ 216 zu haben, „auf das sich die Regierung in künftigen Fällen berufe werde, um auf die Wahl des Weihbischofs Einfluss zu üben, während ihr ein solcher Einfluss nach der Bulle „De salute animarum“ in keiner Weise zustehe“. Genau diese Befürchtung traf bei den nach offizieller Beendigung des Kulturkampfes erfolgten Weihbischofsernennungen allerorten in Preußen zu. Die Regierung monierte stets die fehlende Vorab-Anzeige des gewünschten Kandidaten. Offenbar um entsprechende Schwierigkeiten zu vermeiden, aber auch weil er um die Mindergenehmheit seines Kandidaten in Regierungskreisen wusste, hielt Bischof Dingelstad die 1895 an den Heiligen Stuhl gerichtete Bitte um einen zweiten Weihbischof geheim. Da Franz Wilhelm Cramer das 80. Lebensjahr vollendet hatte, schien ihm ein weiterer Auxiliar hilfreich und er erbat sich den staatlicherseits als schroff ultramontan betrachteten Domkapitular Maximilian Gereon Graf von Galen, dessen Ernennung Leo XIII. am 16. Juli 1895 vollzog217. Drei Dinge erscheinen an dieser Ernennung zumindest ungewöhnlich. Erstens er213 214
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217
Vgl. DA Münster AA I A 38. Die Verleihung erfolgte am 16.10.1913. Vgl. Hegel, Geschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät in Münster, Bd. 2, S. 210. Schürmann, Johann Bernard Brinkmann, S. 255. So Dingelstad anlässlich der Ernennung des Weihbischofs Illigens gegenüber Nuntius Frühwirth am 25.1.1909, in: ASV ANM, busta 266. Hier auch das folg. Zit. Vgl. Hirschfeld, Weihbischof von Galen als Zielscheibe, S. 77.
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hielt der neue Münsteraner Weihbischof seine Bischofsweihe nicht im Dom zu Münster, sondern in Rom – eine Parallele weist lediglich die Weihe des Limburger Bischofs Karl Klein auf, die 1886 ebenfalls in der Ewigen Stadt vollzogen wurde218. Fand letztere in der deutschen Nationalkirche Santa Maria dell’Anima statt, so wurde Galen in deutlich intimerem Rahmen in der Hauskapelle des Collegium Germanicum konsekriert. Zweitens spendete Bischof Dingelstad die Weihe nicht persönlich, wie es sonst bei Weihbischöfen üblich ist, dass nämlich der Diözesanbischof die Hand auflegt. Drittens – und darin liegt womöglich der Grund für die Delegierung der Spendung des Weihesakramentes – fand die Bischofsweihe von Maximilian Gereon von Galen bereits knapp zehn Tage nach seiner Ernennung statt. Am 25. Juli 1895 weihte ihn Kurienkardinal Serafino Vanutelli219, und erst in diesen Tagen erfuhren sowohl Kardinal Krementz in Köln als auch die Presse von der Personalie. Bei Galens Rückkehr nach Münster war zwar am Bischöflichen Palais eigens geflaggt worden, eine Begrüßungsfeier fand aber auf Wunsch des neuen Weihbischofs nicht statt. Sicherlich kann darüber spekuliert werden, ob der Grund primär in der Bescheidenheit Galens zu suchen ist oder aber bewusst jegliches Aufsehen um seine Person vermieden werden sollte, um der Regierung keinen Grund zur Beschwerde zu geben. Als Dingelstad die neue Funktion Galens schließlich nachträglich dem Kultusministerium in Berlin meldete220, dem Oberpräsidenten war sie fünf Tage vor der Konsekration bekannt geworden221, gab es aber dennoch ein Nachspiel. Vor allem der preußische Gesandte im Vatikan fühlte sich übergangen und das Ministerium nutzte die Gelegenheit, um auf der seiner Ansicht nach versäumten vorherigen Anzeigepflicht des Bischofs zu insistieren. Letztlich liefen die Klagen, aber mangels einer rechtlichen Grundlage ins Leere und dienten nur dazu, die Unzufriedenheit des Kultusministers über die Personalauswahl Dingelstads zu artikulieren. Ein entsprechendes Ziel verfolgte auch eine Beschwerde des oldenburgischen Bevollmächtigten beim Bundesrat in Berlin, Wilhelm Selkmann222. Konkret stieß dieser sich an der für die Delegierung eines Münsteraner Weihbischofs zur Firmspendung im oldenburgischen Bistumsteil üblichen Anzeige von Bischof Dingelstad, er werde Galen „demnächst als meinen Stellvertreter in den Bischöflichen Pontifikalhandlungen nach dem oldenburgischen Teile 218 219
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222
Vgl. hierzu das Kap. Limburg in diesem Band. Zu Vanutelli (1834–1915), Apostolischer Nuntius in Österreich, 1887 Kurienkardinal in Rom, vgl. Weber, Quellen und Studien, S. 417–420. Vgl. Dingelstad an Kultusministerium v. 19.8.1895, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2e. Vgl. Studt an Regierungspräsident in Münster v. 21.7.1895, in: StAMS, RP Münster, Nr. 17205. Zu Selkmann (1818–1913) vgl. Friedl, Selkmann, in: Biographisches Handbuch zur Geschichte des Landes Oldenburg, S. 666–667; u. jetzt Wyrsch, Selkmann, in: Zumholz/ Hirschfeld/Deux, Biographien und Bilder aus 575 Jahren Cloppenburger Stadtgeschichte, S. 580–583.
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des Bistums … entsenden“223. Hierin sah er – bewusst oder unbewusst – eine Kompetenzausdehnung für Maximilian Gereon von Galen, der, wie Selkmann unterstellte, auf diesem Wege besondere Machtbefugnisse in Oldenburg erhalten solle. Dahinter steckte nicht nur die Furcht vor dem ultramontanen Weihbischof, sondern ebenso das Wissen um dessen am Einspruch der oldenburgischen Regierung gescheiterte Ernennung zum Bischöflichen Offizial für Oldenburg mehr als zwei Jahrzehnte zuvor224. Allerdings gelang es Selkmann nicht, das Interesse der Staatsregierung für sein Anliegen zu wecken. In Oldenburg wollte man in der inkriminierten Firmspendungsvollmacht für Galen keine Bedenken sehen und berief sich – zu Recht – darauf, dass bereits früher bei der Sendung von Münsteraner Weihbischöfen zur Firmspendung ähnlich gehandelt worden sei225. Dass in Galens Ernennungsurkunde im Gegensatz zu Cramer und früheren Weihbischöfen nur die Verleihung eines Bistums „in partibus infidelium“ angesprochen ist, nicht jedoch die „deputatio in Suffraganeum Monasteriensem“, also die Ernennung zum Weihbischof in Münster, war offenbar kein gezielter Schachzug der Kurie um gegenüber der Regierung die Argumentationslinie fahren zu können, Galen sei ja offiziell lediglich Titularbischof eines untergegangenen Bistums. Wie aus einem späteren Schreiben von Bischof Dingelstad hervorgeht, lag der eigentliche Grund in der Tatsache, dass Weihbischof Cramer zu diesem Zeitpunkt noch lebte, man aber keinen zweiten Weihbischof in Münster offiziell ausweisen wollte226.
Weihbischofsernennung 1908/1909 Schon wenige Wochen nach dem am 5. November 1908 erfolgten Tod des Weihbischofs Maximilian Gereon von Galen wandte sich der mittlerweile 73-jährige Bischof Dingelstad unmittelbar nach Rom, um die Ernennung des Regens und Domkapitulars Everhard Illigens zum Weihbischof zu erbitten. Obgleich Dingelstad dem Heiligen Stuhl versichert hatte, dass Illigens „ha sempre dato ottimo saggio di piéta, di prudenza, di dottrina“227, ersuchte Kardinalstaatssekretär Merry del Val Nuntius Frühwirth um exakte Informationen über den Kandidaten. Hintergrund für diese Vorsicht war der schwelende Modernismus- und Gewerkschaftsstreit. Erzbischof Frühwirth gelang es, wie 223 224
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Vgl. Selkmann an Oldenburgisches Staatsministerium v. 24.8.1895, in: StAOL, Best. 134, 519. Vgl. die Korrespondenz zur vorgesehenen Ernennung Galens zum Offizial 1872/73, in: StAOL, Best. 134, 520. Abgedruckt bei Hirschfeld, Weihbischof von Galen als Zielscheibe, S. 88–92. Vgl. Oldenburgisches Staatsministerium an Selkmann v. 30.8.1895, in: StAOL, Best. 134, 519. Vgl. Dingelstad an Frühwirth v. 29.1.1889, ebd. Merry del Val an Frühwirth v. 21.12.1908, in: ASV ANM, busta 266.
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er in großer Ausführlichkeit nach Rom mitteilte228, zunächst mit dem bekannten Münchner Jesuitenpater und Redakteur der „Stimmen aus Maria Laach“, P. Josef Blötzer SJ229, einer „persona di grande prudenza“, über Illigens zu sprechen. Blötzer hatte sich vor längerer Zeit mit Illigens unterhalten und diesen als Menschen von gerechtesten Vorstellungen insbesondere bezüglich der Lehre und der Erziehung des Klerus kennen gelernt. Neben dem Jesuitenpater Clemens Blume SJ230, der aus Billerbeck bei Münster stammte, habe ihm vor allem der in Trier tätige und aus Amelsbüren bei Münster gebürtige Jesuitenpater Hubert Hartmann SJ231 als Gewährsperson weitergeholfen, der sich in einem auf Englisch gehaltenen Schreiben als „an intimate friend“232 von Illigens bezeichnete, mit dem er seit dem 12. Lebensjahr durch die gemeinsame Jugend in Münster in Kontakt stehe. Insbesondere nahm Hartmann seinen Jugendfreund gegen den Vorwurf eines etwaigen Modernismus in Schutz („Of modernisme there is no trace in him.“) und erwähnte, dass Illigens vielmehr gegen den „Kulturbund“ von Münster im Dom öffentlich Stellung bezogen habe, was dessen Mitglieder als Denunziation empfunden hätten. Dass er als Regens nicht ganz seine exzellenten Qualitäten entfalten konnte, habe daran gelegen, dass zahlreiche Seminaristen von den modernistischen Thesen des inzwischen nach Breslau versetzten Dogmatikers Franz Seraph Renz beeindruckt gewesen seien und dass Illigens möglicherweise auf zu autoritäre Weise dagegen Stellung bezogen habe233. Dennoch habe er sich stets als „model to his pupils“ bewährt. Lediglich in der Gewerkschaftsfrage wollte Hartmann seinem alten Freund nicht beipflichten, da Illigens ein dezidierter Anhänger der Mönchengladbacher Richtung, also der interkonfessionellen Gewerkschaften, sei. Summa summarum wertete Nuntius Frühwirth den Befund als positiv und als den aus Münster gekommenen Informationen Dingelstads nicht widersprechend. Der Kardinalstaatssekretär zeigte sich erfreut über „le accurate e favorevoli notizie“234, wollte die Ernennung aber erst auf den Weg bringen, wenn geklärt wäre, ob analog zur Ernennung des verstorbenen Weihbischofs von Galen ohne vorherige Fühlungnahme mit den Staatsbehörden vorzugehen sei oder ob diese über die beabsichtigte Ernennung vorab in Kenntnis zu setzen seien. Merry del Val tendierte dazu, in jedem Fall „ogni possibile questione e difficolta coll’autorità governativa“ zu vermeiden, woraufhin der 228 229
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Vgl. Frühwirth an Merry del Val v. 29.12.1908, ebd. Hier auch das folg. Zit. Zu Blötzer (1849–1910), einem gebürtigen Schweizer, der in München als „Schriftsteller“ lebte, vgl. freundl. Hinweis von Dr. Clemens Brodkorb, Archiv der deutschen Provinz der SJ, München, v. 26.9.2008. Zu Blume (1862–1932) vgl. ebenso die Angaben von Dr. Brodkorb. Zu Hartmann (1849–1927), der der Residenz in Luxemburg angehörte, aber in Trier als Präses der Marianischen Kongregation wirkte, vgl. ebenso die Angaben von Dr. Brodkorb. Hartmann an Frühwirth v. 26.12.1908, in ASV ANM, busta 266. Zum Fall Renz in Münster vgl. Trippen, Theologie und Lehramt im Konflikt, S. 159f. Merry del Val an Frühwirth v. 7.1.1909, in: ASV ANM, busta 266. Hier auch das folg. Zit.
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Nuntius ihn zu beruhigen versuchte, dass es nicht nötig sei, zuerst die Regierung zu informieren und der Heilige Stuhl ähnlich wie im Fall der Ernennung Galens verfahren könne235. Wenn der Kardinalstaatssekretär gleichwohl von einer „cosa senza dubbio molto delicato“236 sprach, betraf dies nicht Illigens selbst, sondern die im Vergleich zur Nuntiatur bei der Kurie ganz offenbar wesentlich größeren Skrupel vor einer nur irgendwie gearteten Verstimmung der preußischen Regierung. Auf die daraufhin von der Nuntiatur an Bischof Dingelstad gerichtete Anfrage, „ob von Seite [sic!] der hohen Regierung vielleicht irgend eine Einwendung zu gewärtigen ist, falls die Ernennung des genannten Domkapitulars zum Weihbischof nicht vorher mit ihr vereinbart worden ist“237, konnte der Bischof umgehend alle in Rom gehegten Bedenken zerstreuen, indem er mitteilte, bereits vor Erbitten von Illigens als Weihbischof diese Personalie dem Oberpräsidenten von der Recke mündlich erörtert zu haben238. Dingelstad machte keinen Hehl aus seiner Ablehnung einer verpflichtenden vorherigen Meldung bei der Regierung, empfahl aber dem Heiligen Stuhl, „lediglich aus Courtoisie die preußische Regierung wissen zu lassen, ich hätte nach vorgängigem Benehmen mit dem Oberpräsidenten der Provinz Westfalen den Heiligen Vater gebeten, den Domkapitular Illigens zum Weihbischof für die Diözese Münster zu ernennen“. Das war ein Plädoyer für Pragmatismus in der Ernennungsfrage von Weihbischöfen, der letztlich aber Pius X. zu weit ging. Da ja der Bischof schon vorab mündlich nachgefragt habe, sei ein Kontakt des Heiligen Stuhls mit der Regierung nicht mehr notwendig und im Übrigen der Kanonische Prozess für Illigens sofort einzuleiten239. Letztlich war es also das „Machtwort“ des Papstes, dass die Zögerlichkeit Merry del Vals beendete. Am 12. Februar bereits benannte Illigens Zeugen für seinen Prozess. Illigens erhielt am 28. Februar 1909 die Ernennung zum Titularbischof von Germanicia, und Weihbischof in Münster und wurde am 28. März 1909 durch Bischof Dingelstad im Dom zu Münster konsekriert. Auffällig erscheint, dass Illigens ähnlich wie sein direkter Vorgänger von Galen nicht mit der Ehrendoktorwürde der Theologischen Fakultät in Münster ausgezeichnet wurde, die etwa den früheren Weihbischöfen Johannes Bossmann und Franz Wilhelm Cramer zuteil geworden war240.
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Vgl. Frühwirth an Merry del Val v. 11.1.1909, ebd. So Merry del Val an Frühwirth v. 18.1.1909, ebd. Frühwirth an Dingelstad v. 21.1.1909, ebd. Vgl. Dingelstad an Frühwirth v. 25.1.1909, ebd. Hier auch das folg. Zit. Vgl. Merry del Val an Frühwirth v. 6.2.1909, ebd. Vgl. Hegel, Geschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster, Bd. 2, S. 207f. wo die Ehrenpromotion Bossmanns für 1869 u. Cramers für 1884 vermerkt ist. Erstere erwähnt Schröer, Das „neue“ Domkapitel, S. 225, gar nicht.
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Weihbischofsernennung 1914 Nach dem Tod von Weihbischof Illigens am 2. Januar 1914, der aufgrund seiner schon die Bischofswahl von Johannes Poggenburg ein Jahr zuvor überschattenden Krankheit nicht überraschend kam, erbat sich der Bischof beim Heiligen Stuhl mit Theodor Kappenberg241 einen neuen Weihbischof. Diese Bitte wirft zunächst einige Fragen auf, da Kappenberg zum einen bereits im 66. Lebensjahr stand, also drei Jahre älter als der verstorbene Illigens war, zum anderen erst kurz zuvor auf staatliche Nomination zum Domherrn in Münster bestellt worden war. Bischof Poggenburg hatte zudem weder in seinem Studium noch in seinen bisherigen Tätigkeitsfeldern eine nähere Berührung mit Kappenberg gehabt, der 1848 in Nordkirchen als Sohn eines Landwirtes und Schmiedemeisters geboren wurde242. Kappenberg hatte zunächst die Rektoratschule in Lüdinghausen besucht, dann sein Abitur am Paulinum in Münster absolviert und auf der dortigen Akademie studiert. 1873 zum Priester geweiht, war er während des Kulturkampfes als Erzieher und Hausgeistlicher der Familie von Landsberg-Velen auf der Burg Gemen tätig gewesen, ab 1884 als Vikar in Ostenfelde im Kreis Warendorf. Eine biographische Parallele zu seinem Vorgänger Weihbischof Illigens stellte es dar, dass auch Kappenberg im Jahrzehnt zwischen 1890 und 1900 die Diasporapastoral außerhalb des Bistums Münster kennen gelernt hatte, und zwar in der Reichshauptstadt Berlin, wohin das Bistum Münster seit 1868 stets Priester in die Pfarrei St. Matthias in Schöneberg entsandte243. Von dieser Pfarrei, in der er für den Bau einer großen neuen Kirche sowie eines Kranken- und Waisenhauses sorgte, wechselte Kappenberg 1900 „in Folge eines Halsleidens“244 zunächst nach Buldern bei Dülmen, um vier Jahre darauf die Pfarrei St. Martini in Wesel zu übernehmen. Obwohl Kappenberg bereits das 65. Lebensjahr vollendet hatte, hatte er sich im Oktober 1913 um die freigewordene Domherrenstelle von Bischof Poggenburg beworben. Wenngleich diese Position in einem bischöflichen Monat vakant geworden war, hatte das Oberpräsidium von Westfalen unter Verweis auf eine 1905 zwischen dem Heiligen Stuhl und Preußen getroffene Vereinbarung, gemäß der bei Ernennung eines Domherrn zum Bischof dessen Kanonikat unabhängig vom Monat der eintretenden Vakanz abwechselnd von Regierung und Bischof zu besetzen sei, die Neubesetzung an sich gezogen. Da Bischof von Hartmann seine eigene Stelle selbst verliehen hatte, sah sich jetzt die Regierung am Zuge. Obgleich Kappenberg seine Bewerbung mit dem auf Ausgleich zwischen beiden großen gesellschaftlichen Ordnungsmächten aus241
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Zu Kappenberg vgl. Helmert, Die residierenden Domkapitulare, S. 393; Schröer, Die Bischöfe von Münster, S. 363; Gatz, Bischöfe, S. 363, DA Münster, Priesterkartei. Vgl. zu den detaillierten Stationen seiner Vita das Schreiben des Landrats von Coesfeld an den Regierungspräsidenten in Münster v. 20.9.1902, in: StAMS, OP 1987. Vgl. Schütte, Auftrag und Weg, S. 18. Landrat von Coesfeld an Gescher v. 20.9.1902, in: StAMS, OP 1987.
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gerichteten Bemerken schloss, dass ich „gewillt bin, dem Staat und der Kirche in stets gleicher Treue zu dienen“245, zeigte sich der Oberpräsident angesichts von vier weiteren Bewerbungen246 nicht besonders angetan von dessen Qualifikation. Auch die Tatsache, dass der um Auskunft gebetene, für den derzeitigen niederrheinischen Wirkungsort Kappenbergs zuständige Oberpräsident in Koblenz ihm ein bislang einwandfreies politisches und kirchenpolitisches Verhalten attestierte und hervorhob, Kappenberg sei ein „Mann von königstreuer Gesinnung und genießt in katholischen Kreisen ein sehr hohes Ansehen“247, beeindruckte im westfälischen Oberpräsidium keinesfalls. Dass Kappenberg dort ja 15 Jahre zuvor bereits einmal seitens des Regierungspräsidenten als „ein sehr geeigneter Bischofskandidat“248 bezeichnet und mit der Maßgabe weiterer Überprüfung nach Berlin weitergemeldet worden war249, schien man in der Behörde vergessen zu haben oder vergessen zu wollen. Denkbar erscheint es jedenfalls, dass Oberpräsident von Ratibor-Corvey diese in den Akten festgehaltene Charakterisierung bewusst zurückhielt, um Kappenberg zu verhindern. Alle Angaben über den Weseler Geistlichen seien zu allgemein gehalten, befand er jedenfalls in seinem Bericht an den Kultusminister in Berlin und empfahl klar die Nomination des Dogmatikprofessors Franz Diekamp, wenngleich ihm Kappenberg „von einem Mitgliede des hiesigen Domkapitels … besonders warm empfohlen worden [sei], und zwar mit dem Hinweise, Kappenberg habe die energische Fürsprache des Kardinals Kopp für sich, der ihn aus seiner Berliner Zeit hoch schätze“250. Dem einflussreichen Fürstbischof von Breslau und Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz war der Münsteraner Priester während seiner zehnjährigen Tätigkeit in Berlin-Schöneberg, also als Seelsorger in dessen Bistum, mehrfach begegnet. Aus der in dieser Zeit erlangten Wertschätzung in Breslau resultiert auch der ihm kurz vor seiner Rückkehr nach Westfalen verliehene Titel eines Fürstbischöflichen Geistlichen Rates. Gleichwohl versuchte Kultusminister von Trott zu Solz den Anschein einer höheren Protektion des Weseler Pfarrers in Abrede zu stellen, wenn er die Münsteraner Oberbehörde wissen ließ, der Kardinal habe „bei Übersendung des Gesuchs bemerkt, dass Kappenberg während seiner Tätigkeit in Berlin ein einwandfreier Geistlicher gewesen sei, von einer besonderen Befürwortung aber abgesehen, da es sich um die Stelle
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Kappenberg an Ratibor-Corvey v. 16.10.1913, in: StAMS, OP 1939,5. Zudem beworben hatten sich Prof. Dr. Franz Diekamp, Pfarrer Klemens Meistermann, Wilhelmshaven, Strafanstaltspfarrer August Cromme, Herford, u. Direktor Bernhard Nienhaus, Münster. Rheinbaben an Ratibor-Corvey v. 4.11.1913, in: StAMS, OP 1939,5. Gescher an Studt v. 20.2.1898, in: StAMS, OP 1987. Vgl. Ratibor-Corvey an Trott zu Solz v. 8.11.1898, ebd. Hier wurde eine weitere Überprüfung der politischen und kirchenpolitischen Position Kappenbergs angeregt. Ratibor-Corvey an Trott zu Solz v. 14.11.1913, in: StAMS, OP 1939,5.
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und den Priester einer anderen Diözese handele“251. Das entsprach zweifelsohne der Wahrheit, denn selbstverständlich wollte Fürstbischof Kopp nicht den Anschein erwecken, sich in fremde Diözesanangelegenheiten, und zu denen gehörte ja die Besetzung des Domkapitels, einzumischen. Außerdem war der Anstoß zu seiner Ernennung definitiv nicht von Kopp ausgegangen, sondern Kappenberg war vielmehr „von dem Herrn Geheimen Oberregierungsrat Dr. Freusberg, einem ehemaligen Pfarrkinde, aufs Beste dem Herrn Kultusminister empfohlen“252 worden. Letztlich gelang ihm aber auf diplomatischem Wege so doch ein nicht unbeträchtlicher Einfluss, weil der Minister nicht dem Vorschlag des Oberpräsidenten Folge leistete. Vielmehr wurde die Ernennung Diekamps zum Domherren in Berlin mit der Begründung abgelehnt, dass bereits ein Professor der Katholisch-Theologischen Fakultät im Domkapitel sitze, was laut den Satzungen genüge, Kappenberg dagegen von allen fünf Bewerbern „am meisten eine selbständige Haltung gegenüber der in dem Kapitel gegenwärtig herrschenden Richtung erwarten“253 lasse, so dass er von Wilhelm II. am 20. Dezember 1913 auf die Stelle nominiert wurde. Wenn Kappenberg, der bereits 1895 den Roten Adlerorden IV. Klasse erhalten hatte, nun auch auf Bischof Poggenburg einen so unmittelbar positiven Eindruck gemacht haben muss, dass dieser seinen neuen, staatlicherseits nicht in Münster, sondern in Berlin „gemachten“ Domherren bereits vor der erst am 26. März 1914 offiziell erfolgten Verleihung der Kapitelstelle als Weihbischof beim Heiligen Stuhl in Rom in Vorschlag brachte, so hatte doch letztlich der nicht in allen Einzelheiten zu bestimmende Einfluss Kopps ein Stück weit diesem neuen Bischof zum Durchbruch verholfen. Kardinalstaatssekretär Merry del Val äußerte zuvor allerdings gegenüber dem Nuntius die Sorge, ob Kappenberg angesichts seines vorgerückten Alters mittelfristig eine große Hilfe für Bischof Poggenburg in einer so ausgedehnten Diözese wie Münster sein würde254. Der von der Nuntiatur um Einschätzung von Kappenbergs Persönlichkeit, insbesondere aber seines Gesundheitszustandes gebetene Domkapitular Wilhelm Eberhard Schwarz255 aus Münster hielt ihn jedoch „zu dem Amte eines Weihbischofs … im höchsten Grade geeignet“256 und verwies u.a. auf den reichen Ertrag von Kappenbergs Berliner Jahren. „Ich kann diese bedeutenden Resultate um so besser einschätzen, als ich selbst damals in Berlin 251 252
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Trott zu Solz an Ratibor-Corvey v. 20.11.1913, ebd. Schwarz an Nuntiatur v. 12.3.1914, in: ASV ANM, busta 266. Bei Freusberg handelte es sich um den Vater des späteren Bischöflichen Kommissars und Paderborner Weihbischofs in Erfurt, Dr. Josef Freusberg. Vgl. Pilvousek, Freusberg, in: Gatz, Bischöfe 1945–2001, S. 175f.; u. Müller-Enbergs u.a., Wer war wer in der DDR?, S. 224. Trott zu Solz an Ratibor-Corvey v. 20.11.1913, in: StAMS, OP 1939,5. Vgl. Kappenberg an Frühwirth v. 7.3.1914, in: ASV ANM, busta 266. Zu Schwarz (1855–1923), seit 1906 Domkapitular, vgl. DA Münster, Priesterkartei; u. Helmert, Die residierenden Domkapitulare seit 1823, S. 387f. Schwarz an Nuntiatur v. 12.3.1914, in: ASV ANM, busta 266.
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angestellt war und sich alles unter meinen Augen vollzog“257. Zudem sei Kappenberg „durchaus gesund“ und würde bei verantwortlicher Handhabung seiner Firm- und Visitationstermine durchaus eine Vielzahl von Jahren das Amt gut wahrnehmen können. Ganz anders lautete die vom Nuntius bei seinem Intimus Domkapitular Peter Hüls eingeholte Auskunft. Demnach galt Kappenberg zwar ohne Zweifel als vorzüglicher Geistlicher, der seiner Zeit als Propst an St. Hedwig in Berlin gehandelt worden sei, aber – wie Hüls vermutete – wegen seiner Zugehörigkeit zum Münsteraner Diözesanklerus nicht von Kardinal Kopp mit diesem Amt betraut worden sein könnte258. Gesundheitlich habe er jedoch „arge Bedenken … betreffs der Gesundheit und körperlichen Fähigkeit des Herrn Kappenberg für die Obliegenheiten eines Weihbischofs“. Gerade weil dieser nicht mehr auf der Höhe sei, habe er sich auf die Domherrenstelle in Münster, quasi als eine Art Alterssitz, beworben. Als Beleg fügte Hüls einen Brief des Pfarrers von Kappenbergs Nachbargemeinde St. Mariä Himmelfahrt in Wesel, Gerhard Evers259, bei, der unter Berufung auf Kappenbergs eigene Erzählungen berichtete, der designierte Weihbischof klage noch immer über seine Halsprobleme, die er sich in der neu erbauten St.-Matthias-Kirche in Berlin eingehandelt haben wollte und derentwegen er nach Westfalen zurückgekehrt sei. Vielleicht spielte für die Entscheidung der vatikanischen Zustimmung eine nicht ganz unbedeutende Rolle, dass Domkapitular Hüls Verständnis für die Entscheidung Bischof Poggenburgs zu erwecken versucht hatte, die im Grunde einen geschickten Schachzug darstelle. So unverständlich es zunächst wirken müsse, wenn der neue Bischof sich einen staatlich bestellten Domherren, den er nicht favorisiert habe und bisher persönlich gar nicht näher kenne, als Weihbischof erbitte, so leicht erklärlich sei dies, wenn man bedenke, dass Poggenburg auf diese Weise Einfluss auf das Kanonikat Kappenbergs gewinne. Befördere er den neuen Weihbischof, wie bisher üblich, in Personalunion zum Domdechanten und vollziehe er diesen Schritt in einem bischöflichen Monat, so stehe ihm die Neubesetzung der Stelle zu und er könne einen jüngeren Priester seiner Wahl an das Generalvikariat holen, während Kappenberg als Weihbischof kirchenpolitisch ohnehin wenig Einfluss habe, weil er ständig zu Firmungen und Visitationen im Bistum unterwegs sei. Schenkt man dieser These von Hüls Glauben, so würde sich die Frage nach Poggenburgs Motivation für die Weihbischofserhebung Kappenbergs dahingehend erklären, dass letzterer schlicht nach oben gelobt werden sollte. Möglicherweise spielte auch eine Rolle, dass Kappenberg ja durch seine staatliche Protektion bei der Er257
258 259
Schwarz war 1889–1896 Kaplan an St. Matthias Schöneberg u. 1896–1906 1. Kuratus an St. Ludgerus. Vgl. Schütte, Auftrag und Weg, S. 18. Hüls an Nuntius v. 16.3.1914, in: ASV ANM, busta 266. Zu Evers (1842–1915), Priesterweihe 1869 in Münster, seit 1893 Pfarrer in Wesel St. Mariä Himmelfahrt, vgl. DA Münster Priesterkartei.
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langung des Münsterschen Kanonikats als persona grata in Berlin angesehen werden musste. Zumindest erscheint es interessant, dass weder der Bischof noch die Nuntiatur oder gar die Kurie in diesem Fall einen Anlass sahen, sich über mögliche staatliche Bedenken gegen die Personalie auszutauschen, wie es noch fünf Jahre zuvor bei der Ernennung des Weihbischofs Illigens der Fall gewesen war. Demnach war man im Kultusministerium in Berlin auch zutiefst erstaunt, als Kappenberg „in einem Gesuche um Gewährung eines höheren Gehalts bemerkt(e), dass er vom Bischofe zum Weihbischofe designiert sei und dass auch der Papst diese Berufung prinzipiell bereits genehmigt habe“260. Insofern brachte der neue Weihbischof in der Berliner Ministerialbürokratie selbst einen Stein ins Rollen, der das Staat-Kirche-Verhältnis zumindest ein wenig erschütterte. Nachdem nämlich die Personalie auch dem Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten unbekannt war, wurde der preußische Gesandte beim Heiligen Stuhl Mühlberg bei Kardinalstaatssekretär Merry del Val vorstellig und zeigte sich indigniert, dass dieser „nichts Bestimmtes über den Vorgang wissen und sich nur dunkel erinnern [wollte], dass der Nuntius Frühwirth bei der Kurie wegen Kappenberg angefragt hätte und dieser dem Papst unbedenklich erschienen“261 sei. Mühlberg sah den „bestehenden Usus“ verletzt und empfahl seiner vorgesetzten Behörde in Berlin, „dem Domherrn Kappenberg wie auch anderen Klerikern in ähnlichen Fällen ein höheres Gehalt nicht eher zu gewähren, als bis die Kurie die Zusage erfüllt hat … Mehr als die vorhergegangenen Pontifikate ist das jetzige Regime unter Ausnutzung der Zeitumstände beflissen, diese Grundlagen zum Schaden der Staatsgewalt auszudehnen und zu stärken“. Damit hatte die Personalie des neuen Münsteraner Weihbischofs, die in das Vorfeld des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs fiel, letztlich – gemeinsam mit der erst aus der Presse zur Kenntnis der Behörden gelangten Ernennung des Kölner Weihbischofs Lausberg262 – ein negatives Bild in den Augen der Staatsbehörden zur Folge. Wenn man sich dort auf pekuniäre Sanktionen beschränkte, lag dies sicherlich nicht zuletzt daran, dass die Stellungnahme aus Rom am 1. Mai 1914 erfolgte und die offizielle Präkonisation durch den neuen Papst Benedikt XV. erst am 22. Januar 1915 erfolgte263, Kappenberg aber bereits am 27. April offiziell seine Ernennung zum Titularbischof von Sozopolis und Weihbischof in Münster erhalten hatte und bereits vier Wochen später, am 24. Mai 1914 die Bischofsweihe durch Bischof Poggenburg empfangen sollte. Erst im Anschluss teilte letzterer die Personalie Kappenberg dem Oberpräsidenten mit. Damit hielt er sich an bisherige Gepflogenheiten, erst nach vollzogener Weihe den Vorgang den Staatsbehörden offenzulegen, wie der Bischof dem Oberpräsidenten bereits Anfang Mai mit260 261 262 263
Kultusministerium an Auswärtiges Amt v. 21.4.1914, in: PA AA Preußen 2, Nr. 1c, Bd. 3. So Mühlberg an Auswärtiges Amt v. 1.5.1914, ebd. Hier auch die folg. Zit. Vgl. hierzu das Kap. Köln in diesem Band. Vgl. die Angabe in der Kleruskarteikarte Kappenberg, in: DA Münster.
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geteilt hatte264. Eine Unterrichtungspflicht der Regierung habe seinerseits – so Poggenburg damals – schon deshalb nicht bestanden, weil er Domkapitular Kappenberg lediglich als Weihbischof in Vorschlag gebracht habe.
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Vgl. Ratibor-Corvey an Kultusministerium v. 2.5.1914, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 5101, 21795.
BISTUM PADERBORN
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aderborn war im Rahmen der Neuumschreibung der Diözesen in Preußen 1821 als zweites westfälisches Landesbistum nicht nur für das Territorium des früheren Hochstifts Paderborn errichtet worden1. Hinzu gekommen war die geistliche Zuständigkeit für die Regierungsbezirke Minden und Arnsberg der preußischen Provinz Westfalen. Des Weiteren war der Bischof auch Oberhirte der Katholiken im Regierungsbezirk Erfurt der preußischen Provinz Sachsen, zu dem das Obereichsfeld gehörte, und ständiger Verwalter der katholischen Diasporagemeinden in den Regierungsbezirken Magdeburg und Merseburg der Provinz Sachsen, dazu nach und nach auch in den thüringischen Fürstentümern sowie im Herzogtum Anhalt geworden 2. Flächenmäßig war Paderborn damit hinter Breslau das zweitgrößte deutsche Bistum und mit Ausnahme des alten Hochstiftes, des ehemals kurkölnischen Sauerlands sowie des Obereichsfeldes eine reine Diasporadiözese. Für das Domkapitel waren gemäß der Bulle „De salute animarum“ von 1821 zwei Dignitäten (Dompropst und Domdechant) sowie acht residierende Domherrenstellen und vier Stellen für nichtresidierende Domherren vorgesehen3. Das Bischofswahlrecht lag also in der Hand von 14 Domkapitularen. Während des Kulturkampfes hatte der seit 1856 amtierende Bischof Konrad Martin 4 durch eine kompromisslose Haltung gegenüber der staatlichen Gesetzgebung den besonderen Zorn der Behörden auf sich gezogen, gleichzeitig aber eine starke Popularität bei den katholischen Christen seines Bistums erlangt. Martin, der als einer von wenigen preußischen Bischöfen auf dem Ersten Vatikanischen Konzil das Infallibilitätsdogma klar unterstützt hatte, war zu einem Idol für die Freiheitsrechte der Kirche in Preußen geworden und wirkte über seinen Tod im belgischen Exil 1879 hinaus als „Bekennerbischof“ in der Bevölkerung nach. Sein Episkopat hatte damit auch zwangsläufig die öffentliche Wahrnehmung Paderborns als bedeutender preußischer bzw. deutscher Bischofssitz gestärkt und musste ein besonderes Interesse der Staatsbehörden an der Besetzungsfrage hervorrufen. Trotz der konfl iktträchtigen Erfahrungen in diesem ostwestfälischen Bischofssitz war es 1882 gelungen, den Bischofsstuhl erneut zu besetzen. Franz Kaspar Drobe5, der unter Aufhebung des Kapitelwahlrechts von 1 2 3
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Vgl. Gatz, Paderborn, in: Ders., Die Bistümer und ihre Pfarreien, S. 509–521. Vgl. Brandt/Hengst, Geschichte des Erzbistums Paderborn, Bd. 3, S. 22–27. Zum Domkapitel vgl. Brandt/Hengst, Geschichte des Erzbistums Paderborn, Bd. 3, S. 154–160. Zu Martin vgl. Gatz, Bischöfe, S. 478–481, Brandt/Hengst, Die Bischöfe und Erzbischöfe von Paderborn, S. 304–312. Zu Drobe vgl. Gatz, Bischöfe, S. 142–144, Brandt/Hengst, Die Bischöfe und Erzbischöfe von Paderborn, S. 313–316; Dies., Geschichte des Erzbistums Paderborn, Bd. 3, S. 133.
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Papst Leo XIII. zum Bischof ernannt wurde, fuhr im Staat-Kirche-Verhältnis einen ambivalenten Kurs. Einerseits war er während des Kulturkampfs nicht hervorgetreten und hatte vielmehr das ihm seit 1864 anvertraute Amt des Offi zials still und zurückhaltend wahrgenommen. Auch hatte er die Bereitschaft gezeigt, Zugeständnisse an die Regierung zu machen. Andererseits unterhielt er nicht nur gute Beziehungen zu ultramontan gesinnten Mitbrüdern, sondern berief gegen Ende seines Episkopats 1889 sogar einen von ihnen, Franz Xaver Schulte 6, zu seinem Generalvikar. Vornehmlich weil Drobe aus Alters- und Krankheitsgründen in seiner Wirksamkeit zunehmend eingeschränkt wurde, erhielt Schulte seit Ende der 1880er Jahre mehr Gewicht, indem er den Bischof zum Beispiel auf den jährlichen Versammlungen der preußischen Bischöfe in Fulda vertrat.
Bischofswahl 1891 Bischof Drobe starb am 7. März 1891 mit 83 Jahren. Aufgrund seines langen Krankenlagers hatte sich staatlicherseits im Vorfeld schon geraume Zeit die Frage nach einem Koadjutor gestellt. Die Gesamtsituation des Bistums erregte deutlich das Missfallen des preußischen Kultusministers Gustav Goßler, der im Mai 1889 an Reichskanzler Otto von Bismarck schrieb, der einzige Verbindungsmann zur Regierung im Kapitel, der bisherige Generalvikar Johann Georg Berhorst7, sei verrückt – offenbar litt er an Demenz. Darüber hinaus sei das Domkapitel überaltert und daher die gesamte Verwaltung in einem völlig desolaten Zustand. Deshalb sei die Ernennung eines Koadjutorbischofs geboten, zumal ja auch Weihbischof Joseph Freusberg alt und krank sei. Die staatliche Befürchtung ging daher dahin, wie Goßler es ausdrückte, dass der neue Generalvikar Schulte Koadjutor werden könnte, der allerdings nicht zu akzeptieren sei. Schulte war 1833 in Kallenhardt im Sauerland als Sohn eines Rentmeisters geboren worden, 1857 in Paderborn zum Priester geweiht, brachte auch den erforderlichen Doktorgrad mit, da er nach seiner Ernennung zum Professor der Philosophie und Geschichte an der Philosophisch-Theologischen Lehranstalt in Paderborn 1867 in Freiburg/ Breisgau zum Dr. theol. promoviert worden war8. Während der Schließung des Studiums im Kulturkampf amtierte er als Pfarrer in Erwitte und kehrte nach der Wiedereröffnung der Lehranstalt 1887 nach Paderborn zurück, wo er den Lehrstuhl für Kirchengeschichte übernahm. Schulte war „ein überaus selbständiger und etwas draufgängerischer Charakter, dazu großer 6
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Zu Schulte vgl. Liese, Necrologium, S. 502f.; Liese, Schulte, in: LThK1, Bd. 9 (1937), Sp. 353; Gatz, Schulte, in: Ders., Bischöfe, S. 679; u. Drobner, Die Professoren der Kirchengeschichte, S. 412–414. Zu Berhorst vgl. Gatz, S. 39f, u. Liese, Necrologium, S. 113. Vgl. Müller, Fünfhundert Jahre Theologische Promotion, S. 131.
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Schulpolitiker.“9 An seiner Stelle plädierte Goßler für eine Ernennung des aus dem Bistum Paderborn stammenden Breslauer Dompropstes Johann Kayser, des in Erfurt tätigen Prälaten Moritz Oppermann oder des Paderborner Domherrn und Dompfarrers Heinrich Tellers zum Koadjutor. Offenbar sah er darin die Chance, einen staatsloyalen Geistlichen auf den ja in nicht allzu langer Zeit sicherlich frei werdenden Bischofsstuhl gelangen zu lassen.
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ohann (Baptist) Wilhelm Kayser10 war 1826 in Geseke als Sohn eines Müllers geboren worden, hatte das Gymnasium in Paderborn abgeschlossen und ab 1847 Theologie und Philosophie in Münster und Bonn studiert. In Bonn hatte er 1851 auch den Dr. phil. erlangt11 und war im Folgejahr in Paderborn zum Priester geweiht worden. Anschließend war Kayser zum weiteren Studium des Faches Geschichte nach Breslau beurlaubt worden, bevor er 1854 als Professor für Geschichte und Philologie nach Paderborn zurückgekehrt war und seine Lehrtätigkeit am dortigen Seminar aufgenommen hatte. Dass Kayser nicht allein wissenschaftlich als Hymnologe sehr umtriebig war, belegt sein politisches Engagement, das ihn 1867 als Abgeordneten für den Wahlkreis Warburg-Höxter in den Reichstag des Norddeutschen Bundes führte12. 1869 wechselte er als Direktor an das Lehrerseminar in Büren bei Paderborn und machte sich dort als staatsloyaler Schulmann im Kulturkampf offenbar bei den Behörden beliebt. 1878 folgte jedenfalls die Ernennung zum Provinzial-Schulrat in Danzig und fünf Jahre später wurde ihm staatlicherseits die Dignität des Dompropstes in Breslau verliehen. Johann Baptist Kayser war bereits 1885 im Ermland, 1889 in Münster und 1890 in Gnesen-Posen als staatlicher Wunschkandidat für den Bischofsstuhl genannt worden13, hatte aber aufgrund seiner dezidiert staatsfreundlichen Haltung keine Chance gehabt, eine Mehrheit der Kapitelstimmen bei den Vorwahlen zu erzielen. Dass der zeitgenössische Paderborner Priesterbiograph Wilhelm Liese ihn sehr positiv charakterisierte und zudem mit keiner Silbe erwähnte, dass Kayser politisch auf dem Ticket der konservativen Reichspartei fuhr, mag der Tatsache geschuldet sein, dass Kayser sein Vermögen später zur Errichtung des Theologenkonvikts Leoninum stiftete und sich damit auch in streng kirchlichen Kreisen ein ehrendes Andenken sicherte14. 9 10
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So beschreibt ihn Liese, Schneider, S. 63f. Zu Kayser (1826–1895) vgl. Drobner, Die Professoren der Kirchengeschichte, S. 432–434; Liese, Necrologium, S. 301f; Kosch, Das katholische Deutschland, S. 2044; Drobner, Kayser, in: BBKL, Bd. 23 (2004), Sp. 776–778; Kleineidam, Die Katholisch-Theologische Fakultät, S. 161. Der Titel von Kaysers Diss. lautet: De argumentis, quibus Deum esse probatur, Diss. phil., Bonn 1851. Vgl. Haunfelder/Pollmann, Reichstag des Norddeutschen Bundes 1867–1870, S. 425. Vgl. die Kap. Ermland, Münster u. Gnesen-Posen in diesem Band. Vgl. Liese, Necrologium, S. 301.
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einrich Tellers15 wurde 1835 in Braunsrath im Kreis Heinsberg am Niederrhein geboren. Nach dem in Neuß abgelegten Abitur studierte er in Bonn Theologie und erhielt in seiner Heimaterzdiözese Köln 1859 die Priesterweihe. Nach Jahren als Schulvikar in Wipperfürth hatte er sich als Rektor der Staatlichen Erziehungsanstalt für verwahrloste Kinder im ehemaligen Prämonstratenserkloster Steinfeld in der Eifel die Aufmerksamkeit der Regierungsstellen als staatsloyaler Geistlicher erworben. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg wurde er mit der Leitung des Lehrerseminars in Straßburg betraut. Nachdem dies 1874 simultanisiert worden war, hatte ihn der Oberpräsident für eine unter Staatspatronat stehende Pfarrei präsentiert, und zwar in Wattenscheid. Auf diese Weise war der Kölner Diözesanpriester Tellers in das Bistum Paderborn gelangt, wo er 1887 auf ein Kanonikat aufrückte und Dompfarrer wurde. 1890 hatte ihm Bischof Drobe den Ehrentitel eines Geistlichen Rates verliehen. In der allgemeinen Charakterisierung der preußischen Domherren von 1890 war er als „das zuverlässigste Mitglied des Domkapitels“16 bezeichnet worden.
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oritz Oppermann17 stammte aus der mitteldeutschen Diaspora des Bistums, genauer gesagt aus Nordhausen, wo er 1835 als Sohn eines Barbiers und Heilgehilfen geboren wurde. Nach der 1861 in Paderborn erhaltenen Priesterweihe war er Hausgeistlicher in Wewer. In Erfurt war er ab 1871 Pfarrer an St. Severi, dann an St. Crucis gewesen. Kultusminister Goßler hatte ihn 1888 für das Amt des Propstes und Fürstbischöflichen Delegaten in Berlin im Blick. Dabei spielte sicher nicht zuletzt eine Rolle, dass Oppermann ein Vetter von Kardinal Kopp war. Und Kopp versuchte auch die Koadjutorfrage in Paderborn zu forcieren, indem er beispielsweise im November 1889 den preußischen Gesandten beim Heiligen Stuhl, Schlözer, auf die „Fürsorge für Paderborn, da Bischof Drobe absolut unfähig und Domkapitular Schulte zum Schrecken der Diözese und der Regierung gegenwärtig Alleinherrscher ist“18, hinwies. Wenn die Koadjutorangelegenheit nicht konkretisiert wurde, lag dies möglicherweise auch an den westfälischen Behörden, welche die Situation keineswegs als so dramatisch betrachteten. So gab sich der Oberpräsident auf Anfrage aus Berlin ganz überrascht, weil „in dem geschäftlichen Verkehr des bischöflichen Stuhles zu
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Zu Tellers, der 1897 starb, vgl. Hohmann, Domkapitel und Bischofwahlen in Paderborn II, S. 252f.; Liese, Necrologium, S. 542f. Hier wird sein Vorname – fälschlich – mit Karl Theodor angegeben. Charakteristik der preußischen Domkapitel v. Januar 1890, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2. Zu Oppermann, der 1890 Domherr in Paderborn wurde u. 1898 starb, vgl. Liese, Necrologium, S. 412f. Kopp an Schlözer v. 30.11.1889. in: StAMS, OP 1931.
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Paderborn mit dem Oberpräsidium hierselbst … bisher bemerkenswerte Unregelmäßigkeiten nicht vorgekommen [seien], namentlich auch nicht in dem letzten halben Jahre“19. Und der Regierungspräsident in Minden beklagte, dass nach einem Ohnmachtsanfall Drobes „übertriebene Gerüchte dahin verbreitet [worden seien], dass derselbe sehr krank sei und bald sterben werde“20. Die spezifische Paderborner Problematik eines überalterten Kapitels wurde dann auch bei der Wahl eines Kapitularvikars virulent. So stellte Oberpräsident Konrad Studt in seinem Bericht an Kultusminister von Zedlitz fest, dass der bisherige Generalvikar Schulte die Übernahme der Interimsverwaltung „mit Entschiedenheit abgelehnt hatte“21, auch der in der letzten staatlichen Charakteristik im Vorjahr als „glaubenseifrig, aber kirchenpolitisch nicht hervortretend“22 bezeichnete Domkapitular Christian Stamm23 habe wegen Altersgebrechen abgesagt, weshalb Domherr Franz Friedrich Meyer24 gleichsam als „dritte Wahl“ zum Verweser der Diözese bestimmt worden sei. Da letzterer das Etikett „politisch nicht bemerkbar geworden“ erhalten hatte, sah der Oberpräsident keinerlei Veranlassung, Kritik an dieser Kapitelsentscheidung zu üben oder gar die bereits in Preußen obligatorisch gewordene Entbindung der Kapitularvikare von dem für sie im Kulturkampf vorgeschriebenen Eid zu verweigern25. Trotz der schwierigen Personalsituation im höheren Klerus des Bistums insinuierte Oberpräsident Studt in Berlin, dass die Regierung wohl nicht auf direkte Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl setzen, sondern die Kapitelliste abwarten werde. Nachdrücklich wies er darauf hin, dass eine Ausschließung des Domkapitels von der Wahl schon deshalb zu vermeiden sei, da die Haltung der Domherren „eine korrekte und vielfach den Intentionen der … Staatsregierung entgegenkommend“26 gewesen sei. Selbst dem vom früheren Kultusminister Goßler als allzu ultramontan abgelehnten bisherigen Generalvikar Schulte schrieb er eine konziliante Haltung zu. Gleichzeitig war es seine Absicht, möglicherweise in Berlin bestehende Illusionen zu zer19 20 21 22
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Hagemeister an Kultusminister v. 9.5.1889, in: StAMS, OP 1930, 2. Regierungspräsident in Minden an Hagemeister v. 5.7.1889, ebd. Studt an Zedlitz v. 13.3.1891, in: StAMS, OP 1930,3. Charakteristik der preußischen Domkapitel v. Januar 1890, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2. Hier auch das folg. Zit. Zu Stamm (1837–1920), gebürtiger Paderborner, Priesterweihe 1862, dem langjährigen Bischöflichen Kaplan von Konrad Martin, seit 1885 Domkapitular, vgl. Liese, Necrologium, S. 525f. Zu Meyer (1834–1892), geboren in Brakel, Priesterweihe 1859 in Paderborn, dort 1872 Prokurator am Priesterseminar, dann Gefängnisseelsorger, 1884 Domkapitular, 1892 Generalvikar, vgl. Liese, Necrologium, S. 383. Bei Gatz, Bischöfe, sucht man Meyer hingegen vergeblich. Die Erlassung vom Eid wurde Meyer am 24.3.1891 in einem Schreiben von Zedlitz an Studt mitgeteilt, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2g. Studt an Zedlitz v. 13.3.1891, in: StAMS, OP 1930, 3.
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streuen, dass der staatsloyale Dompropst und frühere Militärpfarrer Wilhelm Stuckmann27 Aussichten haben könnte, auf die Kapitelliste zu gelangen. Bei der internen Vorwahl – so vermutete Studt – würde er lediglich seitens seiner Mitkapitulare Tellers und Oppermann und gegebenenfalls durch den Ehrendomkapitular Propst Christian Kroll28 aus Arnsberg Unterstützung erfahren. Wenn der Oberpräsident als Gründe angab, dass Stuckmann einerseits im Diözesanklerus von Paderborn fremd sei, andererseits aber auch mangels Intellektualität keinen geistigen Einfluss zu gewinnen vermochte, schwang darin eine deutliche Kritik an der staatlichen Personalpolitik mit, die in der Regel sich patriotisch gebärdende Militärpfarrer mit Dompropsteien belohnte, ohne auf deren landsmannschaftliche Herkunft oder auch deren geistige Qualitäten genügend zu achten. Allein aus dieser Warte eines hohen Staatsdieners betrachtet, erscheint es folglich zu kurz gegriffen, Stuckmann wie auch die übrigen „königlichen“ Dompröpste als „treukirchliche Persönlichkeiten“29 zu apostrophieren. Als die Bischofsstuhlbesetzung dann wirklich virulent wurde, schaltete sich der Kölner Erzbischof Philipp Krementz als zuständiger Metropolit ein. Bereits anlässlich der von ihm vollzogenen Beisetzung von Bischof Drobe hatte er das Kapitel auf für die Nachfolge geeignete Kölner Priester hingewiesen. Wie Studt am 13. März 1891 an Zedlitz berichtete, hatten sich die Domherren verpflichtet, sowohl den Kölner Weihbischof Antonius Fischer als auch den Bonner Theologieprofessor Hubert Theophil Simar auf die Liste zu setzen30. Und der Paderborner Landrat Walther Jentzsch31 vermutete, dass Weihbischof Augustinus Gockel und Kapitularvikar Schulte auf jeden Fall aufgestellt würden32. Schulte werde allgemein als Favorit gehandelt, habe aber derzeit gesundheitliche Probleme, die eine Kur in Karlsbad erforderlich machten. Am 24. März wusste der Landrat auch von einer möglichen Berücksichtigung des an der Gaukirche St. Ulrich in Paderborn tätigen Propstes Franz Josef Nacke sowie eines ungenannt bleibenden Franziskanerpaters zu berichten33. 27
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Zu Stuckmann (1828–1894), geboren in Bislich bei Wesel, Priesterweihe 1856 in Münster, 1864 Militärpfarrer in Hannover, 1868–70 auch MdA (Konservative), 1885 Militäroberpfarrer in Berlin, 1890 Dompropst in Paderborn, vgl. Brandt/Häger, Biographisches Lexikon der katholischen Militärseelsorge Deutschlands, S. 821, u. Liese, Necrologium, S. 537f.; Mann, Biographisches Handbuch für das Preußische Abgeordnetenhaus, S. 380 (ohne Vornamen u. biographische Angaben); Althaus, Die Paderborner Dompröpste, in: Ders. (Hrsg.), Saluti hominum providendo, S. 595–618, hier S. 611–614. Zu Kroll (1816–1900), Regierungs- und Schulrat in Arnsberg, dann Propst ebd., vgl. Liese, Necrologium, S. 336. Brandt/Hengst, Geschichte des Erzbistums Paderborn, Bd. 3, S. 159. Vgl. Studt an Zedlitz v. 13.3.1891, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2g. Zu Jentzsch (1833–1916), 1876–1904 Landrat in Paderborn, vgl. Wegmann, S. 292f. Vgl. Jentzsch an Studt v. 18.3.1891, in: StAMS, OP 1930,3. Vgl. Jentzsch an Studt v. 24.3.1891, ebd. Nacke (1828–1916) war seit 1868 Pfarrer (Propst) an der Gaukirche in Paderborn, zuvor Prof. für Naturwissenschaften an der Phil.-Theol.
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Zumindest die letzteren Vermutungen des Staatsbeamten gingen ins Leere, denn das am selben Tag zusammentretende Domkapitel wählte in einem ersten Wahlgang die beiden aus Köln empfohlenen – und vom Kapitularvikar unterstützten – Geistlichen Simar und Fischer sowie Weihbischof Gockel, in einem zweiten Wahlgang fanden zudem der Mindener Domvikar und Diözesanpräses der Gesellenvereine im Bistum Paderborn, Wilhelm Bergmann, sowie Dompfarrer Heinrich Tellers Aufnahme in die Liste. Letztere wurde noch am selben Tag direkt dem Kultusminister übersandt, und zwar alphabetisch geordnet. Die Monatsfrist zur Listenaufstellung, die zwar nicht schriftlich verankert, jedoch Brauch gewesen war, wurde damit eingehalten. Dass der Oberpräsident den Listeninhalt erst aus Berlin erfuhr, lag daran, dass die Regierung ihn erst nach Eingang der Liste zum Wahlkommissar bestellte34. Wenn nur ein amtierender Domherr aufgestellt worden war, so lag dies an der vollständigen Überalterung des Kapitels, in dem außer Tellers nur noch der bisherige Generalvikar Schulte und natürlich Stuckmann, welcher aber an einem Nierenleiden litt, in episkopablem Alter standen. Dass sich Dompropst Stuckmann, ein Staatskatholik ersten Ranges, der, wo er nur konnte, gegen die Kandidaten opponierte, nicht auf der Liste fand, war Kultusminister von Zedlitz überhaupt nicht recht. Wahrscheinlich bedingt durch die Elogen, welche Oberpräsident Studt auf den vormaligen Generalvikar ausgebracht hatte, hätte er doch am liebsten Franz Xaver Schulte als Bischof gesehen und zeigte sich jetzt gegenüber dem Staatsministerium unsicher darüber, wer nun der eigentliche Favorit des Kapitels sei. Dabei hatte ihn Studt bereits darauf hingewiesen, dass Schulte „dem Kapitel zu bestimmen gedenke, ihn nicht auf die Kandidatenliste zu bringen“35. Allerdings hatte er den Eindruck, dass dieser Rückzug nicht allein auf Gesundheitsrücksichten basierte, sondern auch aus der Angst resultierte, für minder genehm erklärt und damit als einer der führenden Kleriker im Bistum düpiert zu werden. Das Trachten des westfälischen Oberpräsidenten war also darauf ausgerichtet, als sechsten Kandidaten Franz Xaver Schulte, der 1890 noch die Dignität des Domdechanten erhalten hatte, der Liste hinzuzufügen oder aber in direkten Verhandlungen zwischen Regierung und Heiligem Stuhl auf eine Ernennung von Dompropst Stuckmann zum neuen Bischof hinzuwirken36.
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Akademie, später auch Päpstlicher Ehrenprälat u. Ehrenbürger der Stadt Paderborn. Vgl. Brandt/Hengst, Die Gaukirche St. Ulrich, S. 52–54, u. Liese, Necrologium, S. 400f. Hier wird als Vorname Franz Johann angegeben. Vgl. Wilhelm II. an Zedlitz v. 31.3.1891, u. Studt an Domkapitel v. 6.4.1891, in: StAMS, OP 1930, 3. Studt an Zedlitz v. 13.3.1891, ebd. Vgl. Studt an Zedlitz v. 13.3. u. 24.4.1891, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2g.
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ilhelm Bergmann37, der in der bistumsgeschichtlichen Literatur als „Wunschkandidat des Domkapitels“38 bezeichnet wird und auch die höchste Stimmenzahl bei der internen Vorwahl erhalten hatte, war wohl der einzige Listenkandidat, der nur Kaplan war. 1833 in Weiberg bei Warburg als Sohn eines Lehrers und Küsters geboren, hatte er zunächst in Warburg die Schule besucht, dann 1852 in Paderborn mit dem Abitur abgeschlossen und dort auch Theologie studiert sowie 1857 die Priesterweihe erhalten. Nach kurzer Zeit als Kaplan in Bökendorf war der junge Geistliche 1858 als Schulvikar in die Diasporastadt Minden gelangt und hatte dort nachhaltig Fuß gefasst, insbesondere durch sein Engagement beim Aufbau des katholischen Vereinswesens. Nicht von ungefähr hatte er auch 1884 als Nebenamt den Posten des Diözesanpräses der katholischen Gesellenvereine im Bistum Paderborn erhalten. Der in der aktuellen Ernennungsfrage um Rat gebetene Landrat Alexander von Oheimb39 in Minden äußerte sich negativ hinsichtlich einer loyalen Gesinnung Bergmanns40. Für den Oberpräsidenten Studt hingegen war Bergmann allein aufgrund seiner Führungsposition im kirchlichen Vereinswesen – das ja ein wenig „quer“ zur kirchlichen Hierarchie stand – keineswegs so eindeutig festzulegen und als persona grata zu bezeichnen.
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ntonius Fischer41, 1840 als Sohn eines Volksschullehrers in Jülich im Rheinland geboren, hatte nach dem in Köln abgelegten Abitur in Münster und Bonn Theologie studiert. 1863 in Köln zum Priester geweiht, hatte Fischer im Folgejahr auch das Examen für den höheren Schuldienst bestanden und danach ein Vierteljahrhundert als geistlicher Religionslehrer im staatlichen Schuldienst am Burg-Gymnasium in Essen gewirkt, bevor er erst im Vorjahr 1889 in Köln Weihbischof geworden war. Mittlerweile hatte er schon auf der Bischofswahlliste in Münster gestanden. Weil er dort persona grata gewesen war, hatte ihn Erzbischof Krementz überhaupt für Paderborn avisiert. Dabei war Fischers Kandidatur in Münster bereits auf erhebliche Kritik von Regierungsstellen gestoßen. Der Kölner Regierungspräsident Chlodwig von Sydow verzichtete dann auch auf eine aktuelle Beurteilung des seiner Meinung nach „auf dem äußersten Flügel der Unversöhnlichen“42 stehenden Weihbischofs. Er legte einfach sein dem westfälischen Oberpräsidenten in puncto Münsteraner Bischofsstuhlbesetzung 1889 geschicktes Urteil in Abschrift bei, in dem Fischer 37
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Zu Bergmann (1833–1906), der 1893 Propst in Minden u. Päpstlicher Geheimkämmerer werden sollte, vgl. Liese, Necrologium, S. 113; Brandt/Hengst, Victrix Mindensis Ecclesia, S. 105; u. Brandt/Häger, Biographisches Lexikon der katholischen Militärseelsorge Deutschlands, S. 63. Brandt/Hengst, Geschichte des Erzbistums Paderborn, Bd. 3, S. 133. Zu von Oheimb (1820–1903), 1870–1892 Landrat in Minden, vgl. Wegmann, S. 312f. Vgl. v. Oheimb an Studt v. 18.4.1891, in: StAMS OP 1931,3. Zu Fischer vgl. das Kap. Köln in diesem Band. Sydow an Hagemeister v. 30.5.1889, in StAMS, OP 1938,3.
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als Günstling des früheren Kölner Erzbischofs und nunmehrigen Kurienkardinals Paulus Melchers, eines Exponenten des Ultramontanismus in Preußen, hingestellt worden war43. Dieses Urteil basierte auf der Tatsache, dass Fischer im Auftrag von Melchers während des Kulturkampfes als Geheimdelegat für den rechtsrheinischen Teil der Erzdiözese Köln fungiert hatte und nun angeblich durch vatikanische Direktive dem Kapitel in Münster aufgezwungen worden sei. Dass Fischer von Erzbischof Krementz den Paderborner Domherren „vorgesetzt“ worden war, konnte die staatliche Vorstellung einer römischen Direktive nur verstärken, zumal Sydow anfügte, Melchers habe auch bei dem Paderborner Listenplatz für Fischer seine Hand im Spiele gehabt. Dem Kölner Regierungspräsidenten fehlte es im Übrigen an Verständnis für das Lebensideal eines katholischen Geistlichen, wenn er Fischer bescheinigte, „einer von der Welt abgeschlossenen, asketischen Geistes- und Lebensrichtung“ anzugehören und sich in der Öffentlichkeit „unbeholfen und linkisch“ zu benehmen. Wenn Fischer dennoch nicht zur „persona minus grata“ erklärt wurde, lag dies sicher nicht zuletzt an der Intervention des staatsloyalen Dompropstes Stuckmann, der den Oberpräsidenten seine Sympathien für den Kölner Weihbischof hatte wissen lassen44. Diese rührten aus der rein innerkirchlich, ja liturgisch zu begründenden Gegnerschaft des Generalvikars Franz Xaver Schulte zu Fischer. Während letzterer in Paderborn für eine würdige Liturgie sorgen wolle, stehe Schulte für den alten Schlendrian. Ohne dem Dompropst etwas Falsches zu unterstellen, wird man doch konstatieren müssen, dass es ihm wohl nicht in erster Linie um die Verbesserung der Liturgie zu tun war, wenn er ein solches Anliegen gerade Studt vortrug. Stattdessen wollte Stuckmann Fischer gegen Schulte ausspielen, was natürlich nicht funktionierte, wenn der Kölner Kandidat von der Liste gestrichen werden sollte. Studt konnte und wollte zu diesen rein innerkatholischen Fragen natürlich keine Stellung beziehen und sah wohl auch, dass die persönliche Antipathie des Dompropstes gegen den Generalvikar kein veritables Argument darstellte. Wenn der westfälische Oberpräsident dennoch für die Belassung von Weihbischof Fischer auf der Liste plädierte, begründet er dies damit, dass Fischer 1889 in Münster eben auch das Plazet erhalten hatte und seitdem keine neuen Vorkommnisse zu verzeichnen seien, welche eine Ablehnung hätten rechtfertigen können.
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ugustinus Gockel45 kam aus einem höheren Beamtenhaushalt. Sein Vater war jahrzehntelang Amtmann in Büren, wo der spätere Paderborner Weihbischof 1830 geboren wurde. Nach dem Abitur am Theodorianum in Pa43
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Vgl. Sydow an Studt v. 17.4.1891, in: StAMS, OP 1931,3, desgl. auch Sydow an Nasse v. 17.4.1891, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 15843. Vgl. Stuckmann an Studt v. u. Studt an Zedlitz v. 24.4.1891, ebd. Zu Gockel vgl. Brandt/Hengst, Die Weihbischöfe in Paderborn, S. 155–158, Brandt/ Häger, Biographisches Lexikon der katholischen Militärseelsorge Deutschlands, S. 249, u. Gatz, Bischöfe, S. 250, sowie Liese, Necrologium, S. 215.
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derborn trat er gleichsam in die Fußstapfen seines älteren Bruders Ferdinand Gockel (1822–1897), der Priester geworden war. Dem Theologiestudium in Löwen, Tübingen und Paderborn und der 1853 in Paderborn empfangenen Priesterweihe folgten Jahre als Seelsorger in Warburg und in der lippischen Diaspora in Detmold. Seit 1869 als Pfarrer und Landdechant in Warstein tätig, wurde Gockel dort trotz Zentrumszugehörigkeit als konzilianter Geistlicher gerühmt. Dafür, dass Gockel in den Fokus der staatlichen Wahrnehmung geriet, spielte möglicherweise eine Rolle, dass sein Bruder Joseph Gockel dem preußischen Provinziallandtag angehört hatte46. Oberpräsident Studt hatte aus wohlunterrichteten Kapitelkreisen – nämlich von Dompropst Wilhelm Stuckmann – erfahren, dass Gockel wegen seiner Eitelkeit nicht auf die Stimmenmajorität des Kapitels hoffen könne. Ganz offensichtlich schien Gockel von seiner bischöflichen Würde sehr stark durchdrungen und musste diesen hervorgehobenen Rang gegenüber seinen Mitkapitularen deutlich zum Ausdruck bringen. Staatlicherseits wurde er als politisch und kirchenpolitisch bisher nicht hervorgetretener Geistlicher günstig beurteilt47. Auch hatte es bei der Neubesetzung der Stelle des Weihbischofs in Paderborn im Vorjahr gegen seine Person keine Bedenken gegeben. Ja, Studt meinte, sogar Augustinus Gockels patriotische Haltung aus der Predigt des Weihbischofs im Requiem für Bischof Drobe ablesen zu können. Etwas weit hergeholt erscheint hingegen die Vermutung, die Tatsache, dass die Bischofsweihe Gockels in Köln stattgefunden habe, deute darauf hin, dass er in eine höhere Position gebracht werden sollte48.
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ompfarrer Heinrich Tellers wurde insbesondere vom Paderborner Landrat Jentzsch gefördert, der bei ihm die Distanz von ultramontanen Bestrebungen, ein würdiges Auftreten und gute Umgangsformen hervorhob49. Auch Landeshauptmann Overweg konnte nur Gutes über Tellers berichten, der noch dem Paderborner Presbyteriologen Wilhelm Liese als „tücht[iger] Schulmann“50 in Erinnerung blieb. Oberpräsident Studt schätzte die Situation jedoch dahingehend ein, dass Tellers keinerlei Chance habe, die erforderliche Stimmenmehrheit im Kapitel auf sich zu vereinigen51.
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Zu Joseph Gockel (1819–1898), Ökonom in Büren, 1866–1870 im Provinziallandtag, vgl. Mann, Biographisches Handbuch für das Preußische Abgeordnetenhaus, S. 146. Vgl. Charakterisierung der preußischen Domkapitel v. 1890, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2. So vermuten es Brandt/Hengst, Die Weihbischöfe in Paderborn, S. 155, ohne allerdings einen stichhaltigen Beweis zu liefern. Vgl. Jentzsch an Studt v. 18.4.1891, in: StAMS, OP 1931,3. Liese, Necrologium, S. 543. Vgl. Studt an Zedlitz v. 13.3.1891, in: StAMS, OP 1930, 3, u. PA AA Preußen 2, Nr. 2g.
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ubert Theophil Simar52 war 1835 in Eupen im heutigen Ostbelgien als Kaufmannssohn geboren, nach dem frühen Tod des Vaters von einem Lehrer namens Franz Stark, dem zweiten Mann seiner Mutter, erzogen worden und hatte das Gymnasium in Düren absolviert. Simar folgte dem Vorbild seines älteren Bruders Gottfried und studierte Theologie in Bonn, München und Münster, bevor er 1859 in Köln die Priesterweihe erhielt. Nur kurze Zeit war Simar Kaplan in Dietkirchen bei Bonn, bevor er Repetent im Bonner Theologenkonvikt wurde und sich rasch an der dortigen Universität für neutestamentliche Exegese 1860 habilitierte, nachdem er erst zwei Jahre zuvor das Lizentiat der Theologie in Münster abgeschlossen hatte53. 1864 zum außerordentlichen Professor für systematische Theologie bestellt, machte er sich vor allem durch Herausgabe eines Standardwerkes zur katholischen Moraltheologie einen Namen54. 1867 verlieh ihm die Theologische Fakultät in Münster den Doktor honoris causa55. Im Zuge der Unfehlbarkeitsdiskussion während des Ersten Vatikanums legte er eine dezidiert ultramontane Haltung an den Tag, indem er entgegen der Mehrheit seiner Kollegen die Annahme des Dogmas nicht verweigerte. 1880 erhielt Simar dann eine ordentliche Professur für Dogmatik und Apologetik in Bonn und schuf auch auf diesem Gebiet ein zeitgenössisches Standardwerk56. Der Kölner Regierungspräsident von Sydow wusste zu berichten, dass Simar sowohl bei seinen Kollegen als auch bei seinen Studenten „als wenig bedeutender Lehrer gilt“57 und auch insgesamt keine ausgeprägte Persönlichkeit, sondern vielmehr ein schwacher Charakter sei. Der von Kultusminister von Zedlitz über Simars politische und kirchenpolitische Haltung befragte Kurator der Bonner Universität hielt Simar für wissenschaftlich nicht gerade innovativ. Auch mache er im gesellschaftlichen Umgang keine überragende Figur und erscheine auch nicht als besonders durchsetzungsfähig. Obgleich der Theologieprofessor grundsätzlich ein konzilianter Charakter sei und insofern keine staatsfeindlichen Bestrebungen erwarten lasse, sei es umgekehrt fraglich, ob er sein Entgegenkommen gegenüber staatlichen Wünschen innerhalb der Bistumsleitung überhaupt durchzusetzen vermöge58. Aber solche Überlegungen im Konjunktiv waren nicht die Sache des Oberpräsidenten. Studt resümierte gegenüber Kultusminister Zedlitz, Befürchtungen irgendwelcher Art seien kein Argument gegen Simar, der durchaus Listenkandidat bleiben solle, zumal er ja auch die 52
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Zu Simar vgl. Schmitz, Simar; Brandt/Hengst, Die Bischöfe und Erzbischöfe von Paderborn, S. 317–320. Der Titel der Lizentiatsarbeit lautete: De sacramentorum efficitate ex opere operato, 1858. Vgl. Hegel, Geschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster, Bd. 2, S. 155. Vgl. passim Hubert Simar, Lehrbuch der katholischen Moraltheologie, Freiburg 1867 (31893). Zu Simars Bedeutung für die Wissenschaft vgl. Bernards, Simar, in: Bonner Gelehrte, S. 57–66. Vgl. Hegel, Geschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster, Bd. 2, S. 206. Vgl. passim Simar, Lehrbuch der Dogmatik, 2 Bde., Freiburg 1879 (41899). Sydow an Nasse v. 17.4.1891, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 15843. Vgl. Kurator Gandtner, Universität Bonn, an Zedlitz v. 14.4.1891, in: StAMS, OP 1930, 3.
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Chance biete, als Außenstehender Entscheidungen unabhängig von verkrusteten Strukturen zu treffen. Immerhin hatte er bereits sowohl kirchlicherseits als auch staatlicherseits Ehrungen erhalten, nämlich den Roten Adlerorden IV. Klasse (1884) und die Würde eines Päpstlichen Hausprälaten (1887). Wie die Wahl ausgehen würde, wenn gemäß seinem Vorschlag alle Kandidaten das Plazet erhielten und wählbar sein würden, vermochte Oberpräsident Konrad Studt nicht zu prophezeien. Fischer und Simar schienen ihm ebenso wie Bergmann gute Chancen zu haben, das Rennen um den Paderborner Bischofsstuhl für sich zu entscheiden. Dass Zedlitz sich vor diesem Hintergrund ziemlich unschlüssig zu sein schien, ob er den Vorschlägen des Oberpräsidenten denn nun folgen sollte oder nicht, zeigt sich an seiner Überlegung, Studt persönlich einzubestellen, um die Sache eingehender zu besprechen59. Ob nun eigene Erkundigungen oder auch ein Gespräch mit dem früheren Kultusminister Gustav Goßler letztlich ausschlaggebend gewesen waren, ist nicht mehr eindeutig zu klären. Jedenfalls schlug Zedlitz dem Staatsministerium am 15. Mai 1891 vor, Bergmann und auch Fischer von der Liste zu streichen: Ein Vorschlag, den sowohl die Ministerrunde durchwinkte60 als auch Wilhelm II. am 4. Juni sanktionierte61. Dahinter steckte wohl die Überlegung, dass Tellers und auch Gockel als einheimische und zugleich kapitelinterne Kandidaten nicht die Majorität der Stimmen erzielen könnten und damit automatisch die Wahl auf Simar fallen müsse. Mittlerweile war die dreimonatige Wahlfrist für den neuen Bischof beinahe abgelaufen und die katholische „Germania“ gab bereits Befürchtungen Ausdruck, die Regierung werde diese Frist verstreichen lassen, um das Domkapitel auszuschalten und letztlich direkt mit dem Heiligen Stuhl zu verhandeln62. Mit deutlicher Drohgebärde nach Berlin wurde in diesem Pressebericht, der nach Ansicht von Friedrich Gerhard Hohmann „wohl aus der Kanzlei Schultes“63 in Paderborn lanciert worden sei, erklärt, dass das katholische Volk im Bistum sich ein solches Vorgehen nicht gefallen lassen werde und ein neuer Kulturkampf am Horizont heranschwebe. Letztlich lief zwar die Wahlfrist am 7. Juni ab und der Wahlakt war erst auf den 25. Juni angesetzt, Schulte erlitt zwischenzeitlich einen Schlaganfall, an dessen Folgen er am 21. Juni mit noch nicht 58 Jahren starb, so dass von dieser Seite keine Gegenwehr mehr erfolgte. Am Wahltag war dann sein Kanonikat verwaist, während der bereits 88-jährige Domherr Heinrich Schul59
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Dieses Vorhaben geht aus einem späteren Schreiben von Zedlitz an Studt v. 4.6.1891 hervor, ebd. Vgl. Protokoll der Sitzung des Staatsministeriums v. 15.5.1891, in: Spenkuch, Die Protokolle des Preußischen Staatsministeriums, Bd. 8/1, S. 84. Vgl. ebd. Vgl. Germania v. 3.6.1891. Hohmann, Domkapitel und Bischofswahlen in Paderborn II, S. 276. Hohmann bezieht sich dabei auf ein Schreiben Schlözers an Caprivi v. 18.6.1891, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2g.
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te seine Stimme delegierte. Oberpräsident Studt, der ja anlässlich der Wahlzeremonien die Staatsmacht repräsentierte, aber eben nicht am eigentlichen Wahlakt teilnehmen durfte, erfuhr dann nicht einmal durch seinen Intimus Dompropst Stuckmann das exakte Ergebnis der Stimmenverteilung. „Auf Gockel sollen nur wenige Stimmen gefallen sein“64, meldete er etwas vage dem Kultusminister nach Berlin, um freudig zu bekunden, dass eben das Gros der Domherren Simar ihr Vertrauen geschenkt habe. Wenn bis zur Präkonisation durch Papst Leo XIII. am 17. Dezember 1891 beinahe ein halbes Jahr verging, lag dies an der sichtlichen Zurückhaltung, mit welcher der Heilige Vater die Wahl des Bonner Theologieprofessors aufnahm. Gegenüber Kurienkardinal Paulus Melchers soll er geäußert haben, es wären mehrere Beschwerden über die Wahl Simars an ihn gelangt, wobei keineswegs Unregelmäßigkeiten beim Wahlakt beklagt wurden, sondern die Persönlichkeit des neu erwählten Paderborner Bischofs als einerseits zu einseitig der Wissenschaft verbunden, andererseits zu staatsnah beschrieben worden sei. Wer nun konkret hinter diesen Vorwürfen gegen Simar im Vatikan steckte, ließe sich mit Blick auf die „Partei“ des verstorbenen Domherrn Franz Xaver Schulte nur erahnen. Selbst Schlözer, der ja jeden Klatsch und Tratsch im Vatikan zu eruieren suchte, konnte Caprivi nur pauschal „von den Jesuiten und deren Gesinnungsgenossen“65 berichten, welche an der Verzögerung die Schuld tragen würden. Während Leo XIII. sich einerseits darüber bewusst war, dass er gegen die erfolgte Wahl Simars nichts Wirksames mehr ausrichten konnte, ohne erhebliche diplomatische Verwicklungen auszulösen, blieb doch ein gehöriges Misstrauen gegen Simar bestehen. Als der am 14. Februar 1892 königlich bestätigte neue Bischof sich nämlich im Kopf seines ersten Hirtenbriefes zugleich als Administrator des Apostolischen Vikariates Anhalt präsentierte – eine Zusatzaufgabe, welche den Paderborner Bischöfen seit 1868 zuteil wurde –, ließ ihn der Papst durch den Münchner Nuntius dahingehend zurechtweisen, dass er zunächst seine Ernennungsurkunde abzuwarten habe66. Möglicherweise hatte in Rom und München gestört, dass Simars am 25. Februar 1892 durch Erzbischof Krementz erfolgte Konsekration im Dom zu Paderborn von sichtbaren Bekundungen der Staatstreue begleitet wurde, wie sie „in der Geschichte der Paderborner Kirchenfeste noch nicht dagewesen“67 waren. Und zwar war der Dom in seinem Inneren mit preußischem und deutschem Wappen sowie Fahnen in den preußischen Farben ausgeschmückt. Und in seinem Trinkspruch bei der weltlichen Feier nach der Bischofsweihe hob der neue Bischof Hubert Simar an erster Stelle den Kaiser und erst an zweiter Stelle den Papst hervor68. 64 65
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Studt an Zedlitz v. 26.6.1891, in: StAMS, OP 1930, 3. Schlözer an Caprivi v. 5.8.1891, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2g. Vgl. auch Hohmann, Domkapitel und Bischofswahlen in Paderborn II, S. 278f. Vgl. Trippen, Das Domkapitel und die Erzbischofswahlen in Köln, S. 341. So Hohmann, Domkapitel und Bischofswahlen in Paderborn II, S. 280. Vgl. Westfälisches Volksblatt v. 29.2.1892.
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Bischofswahl 1899/1900 Nach der am 24. Oktober 1899 erfolgten Wahl von Hubert Simar zum Erzbischof von Köln nahm dieser noch bis zum 14. Februar des Folgejahres die Bistumsverwaltung wahr. Am 15. Februar 1900 wählte das Domkapitel den bisherigen Generalvikar Heinrich Wigger69 und nicht seinen einstigen Kontrahenten bei der Bischofswahl Augustinus Gockel, dem Simar die Dignität des Domdechanten verliehen hatte, zum Kapitularvikar. Wigger war als bereits 65-jähriger langjähriger Pfarrseelsorger in Hörde 1892 von Bischof Simar zum Generalvikar ernannt worden und zählte nunmehr schon 72 Jahre. Dass er das staatliche Plazet erlangt hätte, belegte das positive Urteil des Oberpräsidenten anlässlich seiner Bestellung zum Generalvikar, die er als „eine vom Standpunkte des staatlichen Interesses günstige“70 ansah. Verständlich ist, dass wie üblich auf Antrag des Oberpräsidenten die Befreiung des Kapitularvikars vom Eid erfolgte. Schon einen Tag nach der Wahl Wiggers zum Kapitularvikar, am 16. Februar 1900, trat das Kapitel zur Aufstellung der Wahlliste zusammen71. Von den acht Jahre zuvor aufgestellten Kandidaten schaffte es allein Weihbischof Augustinus Gockel erneut. Der inzwischen zum Propst in Minden avancierte Wilhelm Bergmann fand ebenso wie der Kölner Weihbischof Fischer diesmal allein deshalb keine Berücksichtigung mehr, weil beide schon einmal zu personae minus gratae erklärt worden waren und das Kapitel eine Wiederholung befürchtete. Allerdings war Propst Bergmann im Vorjahr auf die Wahlliste des Domkapitels im benachbarten Osnabrück gelangt und dort staatlicherseits nicht beanstandet worden72, weshalb er durchaus diesmal auch in seiner Heimatdiözese Chancen hätte haben können. Domkapitular Tellers hingegen war 1897 verstorben. Mit den Domherren Wilhelm Schneider und Heinrich Wigger sowie Wilhelm Leineweber und Theodor Niggemeyer waren vier vollkommen neue Kandidaten ins Spiel gekommen. Auffällig erscheint dabei, dass diesmal nur Paderborner Diözesanpriester Eingang in die Liste fanden, wobei drei Mitgliedern des Domkapitels, darunter beiden Dignitäten, zwei außerhalb der Bistumszentrale tätige Geistliche, nämlich ein Schulmann und ein Gemeindepfarrer aus der Diaspora, gegenüber standen. Wenn Friedrich Gerhard Hohmann die Auswahl des letztgenannten als „das übliche Zugeständnis an das Eichsfeld“, die Geburtsregion von Pfarrer Leineweber, bezeichnete, scheint dies etwas übertrieben zu sein. Zwar war auch der „Bekennerbischof“ Konrad Martin von Geburt Eichsfelder gewesen, aber beispielsweise bei der 69
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Zu Wigger vgl. Gatz, Wigger, in: Ders., Bischöfe, S. 817; Liese, Necrologium, S. 581f.; Brandt/Hengst, Geschichte des Erzbistums Paderborn, Bd. 3, S. 145f.; sowie Olschewski, Wigger, in: Haas (Hrsg.), Christen an der Ruhr, Bd. 4, S. 38–54. Studt an Bosse v. 12.11.1892, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2g. Vgl. Domkapitel Paderborn an von der Recke v. 16.2.1900, in: StAMS, OP 1930,4. Vgl. hierzu das Kap. Osnabrück in diesem Band.
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Wahl 1891 hatte die Berücksichtigung eines Eichsfelders keine Rolle gespielt und bei der folgenden Wahl 1909 stand zwar ein gebürtiger Eichsfelder auf der Liste73, der aber gar nicht in dieser tief katholischen Bistumsregion aufgewachsen war. Waren die drei Domherren Gockel, Schneider und Wigger bereits bei der Aufnahme ins Kapitel durch die Maschinerie des staatlichen Bewertungsprozesses gelaufen, mussten über Leineweber und Niggemeyer erst Informationen gesammelt werden. Nicht nominiert wurde der aus Hemer im Bistum Paderborn stammende Benediktinerabt von Maria Laach, Willibrord Benzler OSB, der in der Öffentlichkeit als Kandidat gehandelt worden war.
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eihbischof Augustinus Gockel war mit mittlerweile fast 70 Jahren der älteste der Kandidaten und stellte wohl nicht zuletzt deshalb keine größere Überraschung in staatlichen Augen dar, weil er bereits 1891 aufgestellt worden war. Obwohl die Staatsbehörden sich zwischenzeitlich in ihrem Eindruck bestätigt sahen, dass Gockel reichlich arrogant sei, ergaben sich keine Anhaltspunkte für mangelnden Patriotismus. Zudem war er ja auch bisher „persona grata“ gewesen.
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ilhelm Leineweber74, ein gebürtiger Eichsfelder aus Steinbach, Jahrgang 1839, Sohn eines Landwirts, hatte in Heiligenstadt 1860 das Abitur erlangt, sein Theologiestudium in Münster, Bonn und Paderborn absolviert und dort 1865 die Priesterweihe erhalten. Anschließend war er in der sächsischen Diaspora des Bistums Kaplan in Magdeburg und seit 1887 Pfarrer in Witterda gewesen. Innovativ hervorgetreten war Leineweber 1867 durch die Gründung eines „Kirchenblattes für die Provinz Sachsen“, das er fünf Jahre lang verlegte und redaktionell verantwortete, bis es im Kulturkampf einging75.
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heodor Niggemeyer76 hatte das Licht der Welt 1844 in Scherfede bei Warburg erblickt. Auch er war Landwirtssohn, hatte nach dem in Paderborn 1862 abgelegten Abitur nicht nur dort Theologie, sondern zudem in Münster zusätzlich Latein und Griechisch studiert und dieses Studium sowohl 1870 mit dem Examen für das höhere Lehramt abgeschlossen, als auch im Vorjahr auch noch den Dr. phil. erworben77. Nach der 1867 in Paderborn empfangenen Priesterweihe war Niggemeyer als geistlicher Gymnasiallehrer 1870 am Theodorianum angefangen und 1894 Direktor des Gymnasiums in Brilon geworden. 73
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Gemeint ist der Apostolische Vikar von Sachsen, Bischof Aloys Schaefer, geboren in Dingelstädt. Zu Leineweber, der bis zu seinem Tod 1911 Pfarrer in Witterda blieb, vgl. Liese, Necrologium, S. 349. Vgl. ebd. Zu Niggemeyer, der bis zu seiner Pensionierung 1910 Direktor in Brilon blieb, u. 1917 in Paderborn starb, vgl. Liese, Necrologium, S. 407. Vgl. Niggemeyer, De Alcmane, poeta Laconico, Diss. phil., Münster 1869.
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Staatlicherseits hatte er den Titel Professor, kirchlicherseits den Titel Geistlicher Rat erhalten. Der zuständige Provinzialschulrat Hechelmann bewertete ihn als staatsloyalen und patriotischen Geistlichen78. Positiv registriert wurden Feinheiten im öffentlichen Auftreten, wie z.B. die Tatsache, dass Niggemeyer in Brilon gelegentlich des letzten Geburtstags Wilhelms II. einen Toast auf den Monarchen ausgebracht habe. Daher fand auch der Oberpräsident gegenüber dem Kultusminister keinen Grund, den geistlichen Schulmann als minder genehm bezeichnen zu lassen. Allenfalls missfiel ihm, dass Niggemeyer eben seinen priesterlichen Dienst bisher ausschließlich in der Schule zugebracht habe und keinerlei Erfahrungen in der Bistumsverwaltung mitbringe.
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ilhelm Schneider79, der 1847 als Sohn eines Bauern und Leinewebers in Gerlingen bei Olpe im Hochsauerland geboren war, legte als Konviktorist in Paderborn 1868 sein Abitur ab. Sein Theologiestudium absolvierte er in Paderborn, Bonn80 und Innsbruck. Da der junge Theologe gesundheitlich angeschlagen war, kehrte er anschließend nicht in das Paderborner Priesterseminar zurück, sondern blieb in Österreich. Daher erhielt er auch nicht in Paderborn, sondern 1872 in Feldkirch durch den dort ansässigen Weihbischof von Brixen die Priesterweihe. In seine Heimatdiözese zurückgekehrt wirkte Schneider als Hauslehrer bei der Familie von Papen auf Lohe bei Werl. Anlässlich einer Audienz bei Pius IX. erhielt der junge Priester 1874 die Würde eines Päpstlichen Geheimkämmerers. Da ihm viel Zeit blieb, begann Wilhelm Schneider sich sowohl als religiöser Schriftsteller für breitere Volksschichten einen Namen zu machen als auch wissenschaftlichen Neigungen nachzugehen. Im selben Jahr 1879, in dem sein bekanntestes Werk „Das andere Leben“ (1879), das bis 1923 16 Auflagen erleben sollte81 und in dem Gedanken über die christliche Vorstellung vom Leben nach dem Tod zusammengetragen waren, erschien, erlangte er bei einer erneuten Romreise den theologischen Doktorgrad der Päpstlichen Universität Gregoriana82. Ausweis seiner Staatsnähe gibt ein im Juni 1879 im „Westfälischen Volksblatt“ publiziertes Lobgedicht auf das deutsche Kaiserpaar Wilhelm I. und Augusta anlässlich dessen Goldener Hochzeit, in welchem bezeichnenderweise u.a. „Die Einheit zwischen Volk und Throne“83 beschworen wurde. Nachdem sich der Kulturkampf etwas 78 79
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Vgl. Hechelmann an von der Recke v. 11.3.1900, in: StAMS, OP 1930,4. Zu Schneider vgl. zuletzt DBE2, Bd. 9 (2008), S. 85; Schmalor/Häger, Schneider. Hier auch ein Verzeichnis seiner Publikationen, S. 197–202; Gatz, Schneider; Brandt/Hengst, Die Bischöfe und Erzbischöfe von Paderborn, S. 321–326; u. Madey, Schneider, in: BBKL, Bd. 9 (1995), Sp. 568f. Hier wurde er 1869 bei der CV-Verbindung Ripuaria recipiert. Vgl. Bischöfe, Äbte und Pröpste aus dem CV und ÖCV, S. 107–109. Vgl. passim Wilhelm Schneider, Das andere Leben. Ernst und Trost der christlichen Weltund Lebensanschauung, Paderborn 161923. Vgl. Liese, Schneider, S. 52. Westfälisches Volksblatt v. 11.6.1879, abgedruckt bei Schmalor/Häger, In Wahrheit und
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beruhigt hatte, erhielt Schneider 1882 eine Stelle als Oberlehrer am Lehrerseminar in Rüthen. Wenn er 1886 an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen unter Vorlage seiner bisherigen wissenschaftlichen Veröffentlichungen, also kumulativ, noch einmal zum Dr. theol. promoviert wurde, zeigt dies das Bestreben Schneiders, auch staatlicherseits als Wissenschaftler Anerkennung, möglicherweise einen Lehrstuhl zu erhalten, zumal der römische Doktorgrad in Deutschland abschätzig beurteilt wurde. Es gibt auch Hinweise darauf, dass von Regierungsseite schon damals seine Berufung an die theologische Fakultät der Akademie in Münster geplant war. Für seine schließlich erfolgte Berufung zum Professor für Moraltheologie und Ethik an der 1887 wieder eröffneten bischöflichen Philosophisch-Theologischen Lehranstalt in Paderborn84 hätte der römische Dr. theol. jedenfalls ausgereicht. Und als Schneider 1892 einen Ruf aus Münster erhielt85, lehnte er ihn womöglich deshalb ab, weil auf ihn bereits eine königliche Nomination zum Domherrn in Paderborn wartete86. Wie günstig die staatlichen Urteile über Schneider, der zugleich als Präses des Theologenkonvikts fungierte, lauteten, belegt die Tatsache, dass er 1894 die staatlich zu besetzende Dignität des Dompropstes in Paderborn erhielt87, obgleich ein prononciert staatsloyaler Militärpfarrer zu seinen Konkurrenten zählte88. Hier machte sich die Protektion durch Bischof Simar einmal mehr bemerkbar, der Schneider – wie der Kultusminister es formulierte – „jetzt in einem an mich gerichteten Schreiben zur Verleihung der erledigten Dompropsteistelle warm empfohlen“89 hatte. Ein Jahr zuvor hatte Papst Leo XIII. ihm die Würde eines Päpstlichen Hausprälaten verliehen. Kurz zuvor war ein aus dem Kultusministerium heraus gemachter Versuch, Schneider als Kandidat für den neu zu besetzenden Bischofsstuhl in Fulda zu empfehlen, gescheitert90. Wenn nicht für diesen Karrieresprung, so doch zumindest für die Dompropstei hatte ihn Bischof Simar stark gefördert, dem Schneider so eng verbunden war, dass sein Spitzname „Hofschneider“91 daher rühren soll. Passen würde er aber ebenso zu Schneiders engem Verhältnis zu den Regierungsstellen, dass exemplarisch aus einem Dankesbrief an den damaligen Oberpräsidenten von Westfalen abzulesen ist. Gelegentlich der Bestellung zum Domkapitular war es Schneider nämlich „eine sehr angenehme 84 85 86 87
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Gerechtigkeit, S. 170. Vgl. Bruch, Sittlichkeit und Religion, in: Theologie und Glaube, Bd. 50 (1960), S. 401–419. Vgl. Hegel, Geschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster, Bd. I, S. 348. Vgl. Simar an Studt v. 3.4.1892, in: StAMS, OP 1931, 3. Vgl. Althaus, Die Paderborner Dompröpste, in: Ders. (Hrsg.), Saluti hominum providendo, hier S. 614–618. Gemeint ist Militärpfarrer Antonius Scher aus Mülhausen/Elsass, der sich später vergeblich um den Bischofsstuhl in Metz bemühte. Vgl. das Kapitel Metz in diesem Band. Vgl. auch Liese, Schneider, S. 67. Kultusminister an Studt v. 6.8.1894, in: StAMS, OP 1930, 3. Vgl. das Kap. Fulda in diesem Band. Vgl. Hohmann, Domkapitel und Bischofswahlen in Paderborn III, S. 223.
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Pflicht“92 Konrad Studt „für das große Wohlwollen in dieser Angelegenheit … meinen ehrerbietigsten und innigsten Dank auszusprechen“. Er werde „stets mit allen Kräften bestrebt sein, des Vertrauens, durch welches Ew. Exzellenz mich auszuzeichnen und zu erfreuen die Güte gehabt haben, mich würdig zu erzeigen“. Im Übrigen war Schneider über wissenschaftliche Kontakte mit dem im Vorjahr zum Bischof von Rottenburg gewählten vormaligen Tübinger bzw. Freiburger Moraltheologen Paul Wilhelm Keppler in nähere Berührung gekommen und pflegte mit diesem eine enge Freundschaft. Noch 1899 hatte er als Nachfolger Kepplers auf dessen Lehrstuhl in Freiburg wechseln sollen, was für seine wissenschaftliche Reputation spricht, und hatte vier Jahre zuvor wohl auch deutliche Fürsprecher für eine Berufung nach Breslau in der Nachfolge des verstorbenen Dompropstes und Professors Johann Baptist Kayser gehabt93. Dass Keppler bei seinem ersten Rombesuch als neuer Bischof, im März 1900, bei einem Gespräch mit dem preußischen Gesandten von Rotenhan Schneider für Paderborn empfahl und diese Empfehlung im Bericht Rotenhans94 die nachhaltige Aufmerksamkeit des Kaisers fand, trug neben den die staatlichen Charakteristika durchziehenden Elogen über die „gewandten gesellschaftlichen Formen“95 Schneiders nicht unerheblich dazu bei, sein Bild einer persona gratissima zu verfestigen. So betonte auch Oberpräsident Eberhard von der Recke96 in seinem Gutachten für den Kultusminister97, Schneider habe die bei der Ernennung zum Dompropst in ihn gesetzten Hoffnungen des Staates durchaus erfüllt und sei mit Abstand der geeigneteste der fünf Listenkandidaten. Zudem sei er Parteigänger des bisherigen staatsloyalen Bischofs Simar gewesen, der die Kandidatur Schneiders sicher begrüßen würde. Konrad Studt wollte aber wohl ganz sicher gehen, wandte sich direkt an Simar und ließ sich vom nunmehrigen Kölner Erzbischof dessen Parteinahme für Schneider noch einmal persönlich bestätigen98. „Genau dasselbe [also die Eignung Schneiders, Anm. d. Verf.] sagten nämlich Dr. Simar und Freiherr von Hertling“99, notierte er an den Rand des ihm aus Rom zugegangenen Schreibens.
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Schneider an Studt v. 29.8.1892, in: StAMS, OP 1931,3. Vgl. Liese, Schneider, S. 70f. „Für Paderborn besonders geeignet nannte er den Dompropst Dr. Schneider daselbst“. Rotenhan an Hohenlohe v. 15.3.1900, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2. So von der Recke an Studt v. 20.3.1891, in: StAMS, OP 1930,4. Zu von der Recke von der Horst (1847–1911), 1895 Innenminister, 1899–1911 Oberpräsident v. Westfalen, vgl. Wegmann, S. 318f. Vgl. von der Recke an Studt v. 20.3.1891, in: StAMS, OP 1930,4. Vgl. Simar an Studt v. 3.4.1892, in: StAMS, OP 1931,3. Randnotiz auf dem Schreiben Rotenhans an Hohenlohe v. 15.3.1900.
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Keine Rolle spielte mehr, dass Schneider im Kulturkampf mehrfach in das Visier der Staatsbehörden geraten war, einmal als er 1874 auf einer polizeilich nicht genehmigten Versammlung in Wenden bei Olpe eine Rede gehalten hatte und deshalb zu einer (kleinen) Geldstrafe verurteilt worden war, das andere mal im Folgejahr wegen unerlaubten öffentlichen Messelesens100.
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einrich Wigger war 1827 in Sendschotten bei Drolshagen im Sauerland als Sohn eines Händlers geboren worden, hatte in Paderborn 1849 Abitur gemacht und nach dem Theologiestudium 1853 dort die Priesterweihe erhalten und jahrzehntelang als Pfarrer in Hörde bei Dortmund an der Basis der Seelsorge, noch dazu unter den schwierigen Bedingungen der zuwandernden Industriearbeiterschaft im Ruhrgebiet, gestanden. 1892 von Bischof Simar als Domkapitular und Generalvikar nach Paderborn geholt, war ihm im Folgejahr die höchste Prälatenwürde eines Apostolischen Protonotars verliehen worden. In den Akten der Staatsbehörden war er nicht zuletzt deshalb positiv registriert worden, weil er anlässlich einer Stichwahl bei den Reichstagswahlen von 1890 zwischen dem sozialdemokratischen und dem konservativen Kandidaten die Katholiken zur Unterstützung des letzteren aufgerufen hatte101. Ebenso musste Eindruck machen, dass ihn die Presse anlässlich seines Weggangs aus Hörde als eine Persönlichkeit gekennzeichnet hatte, die sich „durch liebenswürdigen persönlichen Verkehr mit jedermann“102 auszeichne. Solche versöhnlichen Töne habe er auch als Generalvikar stets an den Tag gelegt. Allenfalls sein fortgeschrittenes Alter von bereits 72 Jahren könne die Domherren von seiner Wahl abhalten, resümierte der Oberpräsident gegenüber Studt.
Bezeichnend für die Wichtigkeit und Sensibilität, welche die Staatsbehörden der Bischofswahl zumaßen, erscheint es, wenn der rheinische Oberpräsident den Polizeipräsidenten von Köln sowie den Oberbürgermeister von Essen anwies, auf die Berichterstattung von zwei dort erscheinenden überregionalen Zeitungen „auf eine die Diskretion sicherstellende Art und Weise einzuwirken“103. Mindestens eines der beiden liberalen Blätter zeigte auf Nachfrage überhaupt gar kein Interesse, die Angelegenheit zu thematisieren. Allenfalls wenn sie einen Kandidaten „als Fanatiker zu bekämpfen müssen glaubt“, würde die Redaktion einschreiten, und dies bezog sich namentlich auf den Bischof von Trier, Michael Felix Korum, den badischen Zentrumsführer Theodor Wacker104 und den elsässischen Reichstagsabgeordneten und 100 101 102 103
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Auf diese Begebenheit rekurriert Liese, Schneider, S. 53f. Vgl. Hohmann, Domkapitel und Bischofswahlen, III, S. 216. Hörder Volksblatt v. 22.4.1892. Nasse an Polizeipräsident in Köln v. 2.3.1900 u. Antwort v. 3.3.1900, u. Nasse an von der Recke v. 8.3.1900, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 15802. Dabei handelte es sich um die „Rheinisch-Westfälische Zeitung“ und die „Kölnische Zeitung“. Zu Wacker vgl. das Kap. Freiburg in diesem Band.
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Priester Emil Wetterle105, also als besonders regierungskritisch und vor allem auf politisch-publizistischem Terrain hervorgetretene Geistliche, die in Paderborn überhaupt nicht im Entferntesten zur Disposition standen. Ganz offensichtlich hatte man zumindest vage Hinweise darauf, dass gegen die Kandidatur Schneiders massiv intrigiert wurde. Einen Beleg hierfür bietet ein Schreiben des Pfarrers von Westenholz im Bistum Paderborn, August Dissen106, der den Nuntius am 1. März davon in Kenntnis setze, es lägen „Tatsachen dafür vor“107 und es sei im gesamten Bistum bekannt, dass die preußische Regierung für den Dompropst „agitiert“. Intention des Schreibens war es ganz offensichtlich, den Heiligen Stuhl zum Einschreiten gegen eine mögliche Wahl Schneiders zu bewegen. Zur Begründung gab der Geistliche an, Professor Schneider besitze zum einen keinerlei praktische Erfahrungen in der Seelsorge, zum anderen nehme der Klerus seine Publikationen, beispielsweise ein Buch über den Aberglauben108, nicht ernst. Schließlich sei er wissenschaftlich keineswegs so versiert, wie es sich für einen Theologieprofessor gehöre, was sich an der Verlegenheit ablesen lasse, mit der er auf Fragen der Theologiestudenten vornehmlich zu moraltheologischen Problemen reagiere. Dass zumindest dieser Kritikpunkt des Paderborner Diözesanpriesters einer Überprüfung nicht standhalten konnte, belegt nicht allein das umfängliche Schriftenverzeichnis des Theologieprofessors, sondern ebenso die Tatsache, dass Wilhelm Schneider im Jahre 1900 ein 600 Seiten starkes moraltheologisches Standardwerk publizierte109, dem noch fast ein Jahrhundert später konzediert wurde, dass es bemerkenswerte Ausführungen enthalte110. Möglicherweise war es aber gerade das von Schneider verfochtene Prinzip der sogenannten autonomen Moral, das als für die damalige Zeit zu modern erschien und auf Widerspruch stieß. Wahrscheinlich war Nuntius Sambucetti zu diesem Zeitpunkt überhaupt erstmals mit der Paderborner Kandidatenfrage konfrontiert worden, denn erst einige Wochen später teilte das Domkapitel ihm die Kandidatenliste mit111. Das Gesamtvotum des Oberpräsidenten von der Recke am 20. März 1900 lief also, wenngleich verhalten formuliert, auf eine Akzeptierung aller fünf 105
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Zu Wetterle (1861–1931), 1898–1914 MdR, vgl. Haunfelder, Reichstagsabgeordnete der Deutschen Zentrumspartei, S. 282f. Zu Dissen (1843–1906), 1882 Pfarrer in Schildesche, 1897 Pfarrer in Westenholz, 1904 Pfarrer in Iggenhausen, vgl. Liese, Necrologium, S. 161. Dissen, Westenholz, an Nuntius v. 1.3.1900, in: ASV ANM busta 197, pos. 11. Hier auch das folg. Zit. Gemeint sein könnte Schneider, Der neuere Geisterglaube. Tatsachen, Täuschungen und Theorien, Paderborn 1882. Vgl. Schmalor/Häger, In Wahrheit und Gerechtigkeit, S. 199. Vgl. passim Schneider, Göttliche Weltordnung und religionslose Sittlichkeit. Zeitgemäße Erörterungen, Paderborn 1900, VII+600 Seiten. Vgl. Wolbert, Christliche Moral und religionslose Sittlichkeit, hier insbes. S. 585. Vgl. Kapitularvikar Wigger an Nuntiatur v 19.3.1900, in: ASV ANM busta 197, pos. 11.
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Kandidaten hinaus112. Diesen Wunsch hatte auch Nuntius Sambucetti geäußert, nachdem ihm Wigger am 19. März Kenntnis von der Kandidatenliste gegeben hatte. Dies geschah erst auf ausdrückliche Anfrage seitens des Nuntius113. Auf das deutliche Interesse des Heiligen Stuhls an der Frage, wer den Bischofsstuhl besteigen würde, weist zudem die vertrauliche Bitte des Vatikandiplomaten hin, ihn über die Verdienste der einzelnen Kandidaten, über die zu erwartende Reaktion der Regierung und nicht zuletzt über mögliche Kapitelsfavoriten zu informieren114. Die Anmerkung Wiggers, dass er selbst zwar auf dem letzten Platz stehe, aber erklärt habe, eine auf ihn fallende Wahl niemals anzunehmen115, kommentierte der Nuntius nicht eigens. Obgleich der Kapitularvikar hinzugefügt hatte, dass das Kapitel über die Liste Stillschweigen vereinbart habe, berichtete beispielsweise die katholische „Germania“, dass darin neben Wigger, Weihbischof Augustinus Gockel, Dompropst Schneider und zwei weitere außerhalb Paderborns tätige Diözesanpriester stehen würden, nämlich Gymnasialdirektor Niggemeyer, Brilon, und Pfarrer Leineweber, Witterda. Von diesen seien die letzteren beiden staatlich für minder genehm erklärt worden. Dies entsprach jedoch nicht den Tatsachen. Vielmehr beanstandete Wilhelm II. am 18. April 1900 Leineweber und Weihbischof Gockel, während Gymnasialdirektor Niggemeyer ebenso wie Wigger und Schneider auf der Liste verblieb, also ein Dreiervorschlag zurückgereicht wurde, aus dem das Domkapitel die Auswahl zu treffen hatte. Zur Diskretion im Vorfeld der Bischofswahlen wäre noch anzumerken, dass auch der zum königlichen Wahlkommissar bestellte Oberpräsident von der Recke schon vor dem Wahlakt Kenntnis von Wiggers Kandidaturverzicht aus Altersgründen bekommen hatte. Am 10. Mai 1900 traten dann alle 14 Kapitelsmitglieder zusammen und wählten Domkapitular und Professor Dr. Wilhelm Schneider mit 11 von 14 Stimmen zum neuen Bischof, während auf Theodor Niggemeyer zwei Stimmen entfielen116. Ob ein unbeschriebener Zettel, wie Hohmann vermutet, auf eine Enthaltung Schneiders hinweist117, lässt sich nicht belegen. Denkbar wäre auch, dass beispielsweise einer der Domherren seinen Unmut über die Terna auf diese Weise zum Ausdruck bringen wollte oder einer der beiden anderen Kandidaten, also Wigger oder Niggemeyer, sich auf diese Weise eines Votums enthielt. Daraus, dass Nuntius Sambucetti zwei Tage nach der erfolgten Wahl Kardinalstaatssekretär Mariano Rampolla über das Ergebnis informierte und aus112 113 114 115
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Vgl. von der Recke an Goßler v. 21.3.1891, ebd. Vgl. Sambucetti an Wigger v. 8.3.1900, ebd. Vgl. Sambucetti an Wigger v. 22.3.1900, ebd. „Ultimo loco Wigger nominatus capitulo declaravit, se electionem propter aetatem (LXXII annos natus) numquam accepturum.“ Wigger an Sambucetti v. 19.3.1900, ebd. Vgl. Protokoll der Bischofswahl v. 10.5.1900, in: StAMS, OP 1931,4. Vgl. Hohmann, Domkapitel und Bischofswahlen in Paderborn III, S. 242.
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führlich auf die Vorgeschichte rekurrierte, wird deutlich, dass der Heilige Stuhl bis zu diesem Zeitpunkt weder darüber informiert worden war, dass zwei der fünf Listenkandidaten in Berlin „personae non gratae“ gewesen waren, noch die Charakterzüge der drei stehen gebliebenen Kandidaten kannte. Der Nuntius hob nämlich im Einzelnen darauf ab, dass für ihn sowohl Gockel als auch Schneider und Wigger prinzipiell geeignet gewesen seien, jedoch einschränkend angeführt werden müsse, dass Wigger seine Mitkapitulare vorab gebeten habe, von seiner Wahl aus Altersgründen abzusehen. Gockel hingegen bleibe „quanto alla intelligenza e all’istruzione“118 ein wenig zurück. Ohne Zweifel sei deshalb Wilhelm Schneider der geeigneteste Kandidat gewesen. Es liegt nahe, dass der Nuntius jener o.g. aus Paderborner Kleruskreisen kommenden Denunziation Schneiders als unfähiger Wissenschaftler dezidiert entgegen treten wollte, wenn er bei Rampolla nicht nur in extenso dessen Curriculum vitae vorstellte, sondern auch bemerkte: „Mons[ignore] Schneider gode una grande riputazione in tutta la Germania per le imposanti opera che ha stampato sia sulla Teologia Morale, sia su questioni filosofiche o apologetiche, come p. e. contro lo spiritismo, il darwinismo, ecc.”. Schneider habe mit seinen Büchern gegen Aberglauben und Darwinismus, so lobte Sambucetti, dem Kampf gegen die Feinde der Kirche einen guten Dienst erwiesen. Zudem sei er beliebt bei Klerus und Gläubigen des Bistums Paderborn, so dass kein Zweifel am Gelingen seines Episkopates bestehe. Offenbar zeigten diese Elogen auf Wilhelm Schneider in Rom ihre Wirkung, denn bereits am 22. Mai teilte Rampolla dem Nuntius mit, dass der Heilige Vater der Eröffnung des kanonischen Prozesses zugestimmt habe119. Und vom 25. Juni, also einen guten Monat später, ist die päpstliche Präkonisation datiert. Nachdem Kaiser Wilhelm II. ihm am 30. Juli das landesherrliche Plazet ausgestellt hatte, erfolgte die Konsekration des 53-jährigen neuen Diözesanbischofs am Fest Mariä Himmelfahrt, dem 15. August 1900, durch Erzbischof Simar in Paderborn. Am Vortag hatte Schneider in die Hand des Oberpräsidenten den obligatorischen Eid abgelegt. Positiv goutiert wurde ebenfalls die – „für Kontinuität in der Leitung des Bistums“120 sorgende – Bestellung Schneiders zum Apostolischen Vikar für die Katholiken im Herzogtum Anhalt seitens des dortigen Staatsministeriums121. Gleichzeitig machte Sambucetti keinen Hehl aus seinem Ärger über die Trägheit des Domkapitels, welches es nicht für nötig gehalten habe, ihm Kenntnis vom Wahlausgang zu geben. Stattdessen habe er seine Informationen aus der Presse beziehen müssen, die ausführlich über die Wahl Schneiders berichtet habe. Tatsächlich hatte ihn das Kapitel – ob wissentlich oder unwissentlich sei dahingestellt – übergangen und den Heiligen Stuhl un118 119 120 121
Nuntius an Rampolla v. 12.5.1900, in: ASV ANM, busta 197, pos. 11. Vgl. Rampolla an Sambucetti v. 22.5.1900, ebd. Brandt/Hengst, Geschichte des Erzbistums Paderborn, Bd. 3, S. 135. Herzoglich Anhaltisches Staatsministerium an Sambucetti v. 5.12.1900, in: ASV ANM, busta 197, pos. 11.
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mittelbar in Kenntnis gesetzt122 , so dass er das Wahlprotokoll von sich aus anfordern musste123. Bezeichnend erscheint zudem der rasche Vorstoß des designierten Bischofs Schneider, der noch vor seiner Weihe und Inthronisation unmittelbar beim Kultusminister die Ernennung Wiggers auf die nunmehr freie Dignität des Dompropstes erbat124. Bei der von dem Kirchenrechtler Joseph Freisen125 in seiner 1916 publizierten „Verfassungsgeschichte der katholischen Kirche Deutschlands in der Neuzeit“ geäußerten These, der Oberpräsident habe das Kapitel vor der Wahl darauf hingewiesen, dass es Schneider zu wählen habe, weil Wigger wie auch Niggemeyer ohnehin ablehnen würden126, dürfte es sich jedoch um eine postume Rache dieses Wissenschaftlers an seinem früheren Bischof und Kontrahenten an der Paderborner Hochschule Wilhelm Schneider gehandelt haben. Ganz offensichtlich hatte sich Freisen in Paderborn „durch allerlei unnütze Treibereien, auch gegen den Bischof [Schneider, Anm. d. Verf.] als Theologieprofessor völlig unmöglich gemacht“127 und war aus diesem Grund 1905 nach Würzburg gewechselt. Während Wigger, der 1908 starb, sich dazu nicht mehr äußern konnte, widersprach Niggemeyer dieser Annahme vehement. In einer renommierten kirchenrechtlichen Zeitschrift wurde Freisen außerdem in diesem Punkt vorgeworfen, die Gesetze wissenschaftlichen Arbeitens missachtet zu haben128.
Bischofswahl 1909/1910 Dass Bischof Schneider den in ihn staatlicherseits gesetzten Hoffnungen, „ein irenischer und volkstümlicher Bischof“129 zu sein, alle Ehre machte, zeigte sich nach dem Tod seines Vorgängers und Freundes Erzbischof Simar in Köln 1902. Der Oberpräsident der Rheinprovinz sah in der Translation eines Paderborner Bischofs offensichtlich ein gelungenes Experiment und hätte 122 123 124
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Vgl. ASV AES Germania Anno 1900, pos. 1508, fasc. 796. Vgl. Nuntius an Wigger v. 12.5.1900, in: ASV ANM, busta 197, pos. 11. Dies äußerte Studt gegenüber von der Recke am 28.7.1900, in: StAMS, OP 1931,4. Vgl. auch von der Recke an Kultusminister vom selben Tag, ebd. Wigger wurde dann auch vom Kaiser unter dem 7.11.1900 zum Dompropst ernannt. Die Installierung erfolgte erst am 25.5.1901, während er im Oktober 1901 als Generalvikar ausschied. Vgl. Olschewski, Wigger, in: Haas (Hrsg.), Christen an der Ruhr, Bd. 4, S. 38–54. Zu Freisen (1853–1932), 1892 Prof. für Kirchenrecht in Paderborn, 1905 in Würzburg, vgl. Rösser, Freisen, in: LThK2, Bd. 4 (1960), Sp. 350f.; Mörsdorf, Freisen, in: NDB, Bd. 5 (1961), Sp. 399. Vgl. Freisen, Verfassungsgeschichte, S. 30, Anm. 2. Liese, Schneider, S. 91. Vgl. die Rezension von Freisens Werk aus der Feder von Ludwig Kaas, in: ZSRG, Kan. Abt., Bd. 6 (1916), S. 451–465, hier S. 458. Häger, Einführung Schneider, S. 30.
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dies gern wiederholt, also Schneider nach Köln geholt130. Insbesondere dessen „Polenpolitik“, d.h. die Versetzung polnischstämmiger Priester in den sächsischen Diasporateil der Diözese und einheimischer westfälischer Priester in die Ruhrgebietsgemeinden, hatte in staatlichen Augen Eindruck gemacht131. Gerade deshalb aber wollte man Schneider in der Nachbarprovinz Westfalen auch nicht gern verlieren, wie der Stellvertreter des Oberpräsidenten deutlich machte132. Staatlicherseits verfolgte man daher Pläne von Staatskatholiken, wie des Kölner Dompropstes Franz Karl Berlage, der klar für die Transferierung Schneiders nach Köln und des Kölner Weihbischofs Fischer an dessen Stelle nach Paderborn plädierte133, nicht weiter. Umso stärker wog der plötzliche Tod von Bischof Wilhelm Schneider mit noch nicht 62 Jahren am 31. August 1909 in den Augen der Staatsbehörden, zumal diese keine Veranlassung gesehen hatten, sich vorab größere Gedanken über potenzielle Nachfolgekandidaten zu machen. Interessanterweise hatte der Bischof von Paderborn auch beim Heiligen Stuhl in hohem Ansehen gestanden, ja war in Rom sogar im Vorjahr anlässlich einer schweren Erkrankung des Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz Kardinal Kopp für dessen Nachfolge gehandelt worden134. Ebenso hatte ihn der Kölner Erzbischof Antonius Kardinal Fischer Ende 1907 für ein deutsches Kardinalat an der Kurie in Nachfolge des verstorbenen Jesuiten Andreas Steinhuber in Vorschlag gebracht135. Bei dieser Gelegenheit war noch einmal deutlich geworden, dass der Episkopatsvorsitzende Kopp nicht besonders viel von Schneider hielt, obgleich dieser ja im Grunde seiner staatsloyalen Linie entsprach: „Nützen wird uns der Bischof Schneider nicht viel; ob er in den Kongregationen arbeiten kann, hängt von seiner Kenntnis des Italienischen ab. In Paderborn kümmert er sich um die Verwaltung wenig …“. So umtriebig Schneider also war, so wenig schien ihm die Kärrnerarbeit des Administrativen zu liegen. Geht man davon aus, dass Kopp nicht übertrieben hatte, so lässt seine Charakterisierung den Schluss zu, dass für den Staat eben der Primat der Staatstreue und des nach außen zur Schau gestellten Patriotismus galt und die innere Behördenführung nachrangig war. Diesem Eindruck entspricht es, wenn Wilhelm Schneider noch im August 1909 an einem Eucharistischen Kongress in 130
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Vgl. Hohmann, Domkapitel und Bischofswahlen in Paderborn III, S. 246f. Vgl. auch Trippen, Das Domkapitel und die Erzbischofswahlen in Köln. Vgl. Brandt/Häger, Die Bischöfe und Erzbischöfe von Paderborn, S. 324. Vgl. v. Viebahn an Nasse v. 26.5.1902, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 15925. Vgl. Berlage an Nasse v. 3.6.1902, ebd. Vgl. Legationssekretär von Bergen an Bethmann-Hollweg v. 3.9.1909, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2g. Grundlage war ein überschwänglicher Nachruf auf Schneider im Mailänder Corriere della Sera“. Vgl. Bayerische Gesandtschaft beim Heiligen Stuhl an Ministerium des Auswärtigen in München v. 3.1.1908, in: BHStA München MK 38949. Hier auch das folg. Zit. Schneider wurde schließlich 1908 Päpstlicher Thronassistent.
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Köln ebenso teilgenommen hatte wie an einem Besuch des Kaiserpaares auf der Hohensyburg bei Dortmund. Bei diesen Aktivitäten hatte er sich dann eine Bronchitis zugezogen, die sich zu einer Lungenentzündung ausweitete und zu seinem Ableben führte. Zum Kapitularvikar wurde der bisherige Generalvikar Joseph Schnitz136 gewählt, der seit 1908 auch die höchste Dignität des Dompropstes bekleidete. Weil er diese wichtigste Staatsstelle im Bistum bekleidete, war er natürlich automatisch persona grata, bat jedoch das Kapitel, aus Gesundheitsgründen von seiner Aufstellung abzusehen. Ob es dann nur ein „Gebot der Höflichkeit“ war, grundsätzlich keinen Domherren auf die Liste zu setzen, der ihm dann in der Hierarchie hätte überlegen sein können, oder ob das hohe Alter des Gros der Domherren hierzu den Ausschlag gab, lässt sich wohl nicht mehr definitiv klären. Denkbar wäre ja auch, dass nach einem Kapitelsmitglied (Schneider) jetzt einmal wieder eine Persönlichkeit von außen den Bischofsstuhl besteigen sollte. Auffällig erscheint dabei, dass drei der wiederum fünf am 20. September 1909 benannten Listenkandidaten Wissenschaftler waren, nämlich die beiden an der Theologischen Lehranstalt in Paderborn tätigen Professoren Bernhard Funke und Karl Joseph Schulte sowie der früher in Straßburg und Breslau lehrende Aloys Schaefer. Bis auf Schaefer, der allerdings im östlichen Bistumsteil geboren war und inzwischen als Apostolischer Vikar für Sachsen im Bischofsrang in Dresden wirkte, wurden wieder einmal nur Paderborner Diözesanpriester berücksichtigt. Als besonders aussichtsreicher Kandidat galt in Kleruskreisen offenbar Bernhard Funke137.
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as Problem bei Bischof Aloys Schaefer138 lag darin, dass der preußische Gesandte in Dresden, Hans Prinz zu Hohenlohe-Öhringen139, ihn zwar überaus lobte, aber seine Abberufung aus der sächsischen Residenzstadt als potenzielles Desaster bezeichnete140. Dass Schaefer durchaus Ambitionen besaß, den Paderborner Bischofsstuhl zu besteigen, legt ein eigens vor der Wahl der westfälischen Bischofsstadt abgestatteter Besuch nahe, bei dem er offensichtlich vergeblich versuchte, eine Majorität der Domherren auf sich einzuschwören141. 136
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Zu Schnitz (1847–1912), geboren in Elsen bei Paderborn, Priesterweihe 1872, 1897 Domkapitular, 1901–1912 Generalvikar, 1908 Dompropst, 1910 Ehrenbürger von Elsen, vgl. Bäumer, Schnitz; Liese, Necrologium, S. 488f; Brandt/Hengst, Geschichte des Erzbistums Paderborn, Bd. 3, S. 146. Vgl. Richter, Das Leokonvikt, S. 33. Zu Schaefer vgl. das Kap. Sachsen in diesem Band. Zu Hohenlohe-Öhringen (1858–1945), 1906–1911 preußischer Gesandter in Dresden, vgl. Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes, Bd. 2, S. 345f. Vgl. Hohenlohe-Öhringen an Bethmann-Hollweg v. 13.10.1909, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2g. Dies berichtete zumindest von der Recke an Trott zu Solz v. 6.12.1909, in: StAMS, OP 1930,4.
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ernhard Funke142 wurde 1863 in Soest geboren und hatte seine besondere Prägung während des aufgrund des Kulturkampfes bei den Jesuiten in Innsbruck absolvierten Theologiestudiums erhalten. 1889 in Paderborn zum Priester geweiht, hatte er die geistliche Schullaufbahn eingeschlagen. Von einer Tätigkeit an der Rektoratsschule in Witten/Ruhr war er als Repetent für Dogmatik und Philosophie an das Leoninum nach Paderborn gelangt, bevor er 1899 das Direktorat am Leoninum erhalten hatte. Zudem war er 1903 zum Professor für Philosophie an der Lehranstalt ernannt worden143. „Seine Pädagogik war für damalige Zeiten sehr fortschrittlich und lässt sich mit dem Wort Selbsterziehung umschreiben“144. Hinter diesen Zeilen steckt – vornehm umschrieben – gleichzeitig ein Keim der Kritik an Funke, der eben nicht nur mit Sensibilität und Empathie seinen Studenten begegnete, sondern ihnen in seiner Gutmütigkeit auch nicht immer mit genügender Autorität entgegenzutreten vermochte. Als ehemaliger Kollege des verstorbenen Bischofs Schneider an der Theologischen Lehranstalt hatte er eine direkte Nähe zu ihm gehabt. Diese direkte Beziehung schien dem Mindener Regierungspräsidenten Francis Kruse145 zu genügen, um Funke „als sympathische Persönlichkeit“146 zu charakterisieren. Es war dann wohl eher einer Intrige von Dompropst Schnitz geschuldet, der Karl Joseph Schulte deutlich favorisierte, wenn der Oberpräsident nach Berlin meldete, Funke genieße nicht das volle Vertrauen des Kapitels, weil er Intrigen gegen Bischof Schneider gesponnen habe. Funke selbst schätzte seinen „Kontrahenten“ Schulte über die gebotene Kollegialität hinaus sehr147.
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einrich Münstermann148 war 1861 in Oberense (Möhne)geboren worden und hatte nach dem in Brilon abgelegten Abitur, dem in Würzburg, Münster und Innsbruck absolvierten Theologiestudium und der 1886 erhaltenen Priesterweihe als Vikar in Boele bei Hagen und Soest gewirkt. 1892 als Pastor nach Boele zurückgekehrt, hatte er erst im Vorjahr 1908 die bedeutendere Stelle des Propstes in Werl übernommen. Als der Arnsberger Regierungspräsident über ihn Auskunft erteilen sollte, suchte er Münstermann persönlich auf, um schließlich zu einem positiven Ur142
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Zu Funke, der bis 1919 Konviktsdirektor blieb und 1933 starb, keine Verzeichnung bei Liese, Necrologium. Vgl. aber Höfer, Leoninum, S. 61–64 u. 101. Vgl. Drobner, Die Professoren der Theologischen Fakultät Paderborn, S. 422 u. 427. Richter, Das Leokonvikt als Spiegelbild der Kirche, S. 28. Zu Kruse (1854–1930), 1903–1909 Regierungspräsident in Minden, vgl. Wegmann, S. 299f. Kruse an von der Recke v. 8.11.1909, in: StAMS OP 1930,4. So die Aussage von Prof. Joseph Mausbach, Münster, erwähnt bei Hüls an Frühwirth v. 5.12.1909, in: ASV ANM busta 267. Zu Münstermann (1861–1934), 1931 Geistl. Rat h.c., vgl. http://www.westfälische-biographien.de/biographien/person/615 (letzter Aufruf 19.11.2011). Bei Liese, Necrologium, ist Münstermann nicht verzeichnet, da er zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Bandes noch am Leben war.
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teil über den Propst zu gelangen, das sich mit der Einschätzung des zuständigen Landrats in Lippstadt deckte149.
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arl Joseph Schulte150 war 1871 auf Haus Valbert in Oedingen/Kreis Meschede (heute Stadtteil von Lennestadt/Kreis Olpe) als Sohn eines Gutspächters geboren worden. Nachdem der Vater Verwaltungsbeamter der Firma Krupp geworden war, zog die Familie 1872 nach Essen. Dadurch gehörte er zum Erzbistum Köln, für das er nach dem 1891 in Essen abgelegten Abitur sein Theologiestudium in Bonn begann. Wegen eines unerlaubten Gasthausbesuches wurde der junge Priesteramtskandidat von seinem Bonner Konviktsdirektor als Kölner Student entlassen151 und setzte das Studium in Münster fort. Anschließend landete Karl Joseph Schulte erfolgreich in seiner Geburtsdiözese Paderborn, deren Bischof Hubert Simar ihn als Kandidaten aufnahm und ihm 1895 die Priesterweihe erteilte. Nah Vikarsjahren in Witten/Ruhr promovierte er 1903 während einer Tätigkeit als Repetent am Paderborner Theologenkonvikt Collegium Leoninum in Tübingen bei dem Dogmatiker und Apologetiker Paul von Schanz zum Dr. theol.152. Apologetik (Fundamentaltheologie) und Kirchenrecht waren dann auch die Fächer, die der junge Theologe und Wissenschaftler zuerst als Dozent, seit 1903 (Apologetik) bzw. 1905 (Kirchenrecht) als Professor am Priesterseminar in Paderborn lehrte. Nicht von Nachteil war für Schulte sicher auch, dass sein früherer Religionslehrer am Burggymnasium in Essen153, Antonius Fischer, inzwischen als Erzbischof von Köln an der Spitze der auch für Paderborn zuständigen Kirchenprovinz stand. Mit Kardinal Fischer war sich Schulte auch in seiner Unterstützung der interkonfessionellen Gewerkschaften im schwelenden Gewerkschaftsstreit einig. Und diese Position fand ebenfalls Sympathie bei den Regierungsstellen. Negativ schlug dort lediglich ein Vortrag zu Buche, in welchem Schulte im November 1908 im Saal des Bürgervereins in Paderborn den Antimodernistenkurs des Heiligen Stuhls bekräftigt hatte154. Für den Regierungspräsidenten in Minden, der sich auf eine Pressemeldung über dieses Referat bezog, stellte diese als streng kirchlich eingestufte Haltung solange kein Problem dar, wie Schulte sie in seiner Eigenschaft als Wissenschaftler vertrete. Bei einem Bischof dagegen sei ein solch eingeschränkter Blickwinkel kein
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Vgl. Regierungspräsident von der Bake an Oberpräsident von der Recke v. 15.10.1909, in: StAMS, OP 1930,4. Zu Schulte vgl. von Hehl, Schulte, in: Gatz, Bischöfe, S. 680–682; Ders., Schulte, in: Rheinische Lebensbilder, Bd. 9 (1982), S. 261–274; Borengässer, Schulte, in: BBKL, Bd. 9 (1995), Sp. 1118–1123; In obsequium Christi. Der Hinweis von Hehls, dass eine moderne Biographie Schultes ein Desiderat darstellt, gilt noch immer. Vgl. Trippen, Zur Geschichte des Collegium Albertinum in Bonn, S. 190f. Der Titel der Diss. lautet: Theodoret von Cyrus als Apologet u. wurde 1904 gedruckt. Auf diese Verbindung weist Trippen, Domkapitel und Erzbischofswahlen, S. 428, hin. Vgl. ebd., S. 437.
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Qualitätsmerkmal. Hinzu komme das jugendliche Alter Schultes, der mit 38 Jahren der mit Abstand jüngste der fünf Kandidaten war. Doch dabei handelte es sich nur um ein Scheinargument. Kurz gesagt, schien Kruse ein streng antimodernistisch eingestellter Bischofskandidat nicht tragbar. Wie überrascht Oberpräsident von der Recke über dieses Urteil war, lässt sich daraus ersehen, dass er den Paderborner Landrat Friedrich von Laer155 darauf ansetzte, die vermeintliche Beweisgrundlage des Regierungspräsidenten, den besagten Zeitungsbericht, ausfindig zu machen, was aber deshalb ohne Erfolg blieb, weil der inkriminierte Vortrag von Schulte bereits im November 1908 gehalten worden war, der Landrat aber nur die zurückliegenden Wochen recherchierte. Womöglich wollte von Laer den Artikel auch gar nicht finden, war er es doch gewesen, der den sprichwörtlichen Stein über diesen Vortrag ins Rollen gebracht hatte156. Fündiger war Dompropst Schnitz, der den Artikel bald darauf nach Münster einsandte, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem Vortrag um einen „Ausrutscher“ gehandelt habe, der Verhandlungsgeschick und Takt von Schulte keineswegs in den Schatten stelle. Schließlich habe allein Schulte vor allen anderen Kandidaten die Gabe, „auf einen größeren Hörerkreis fesselnd und gewinnend einzuwirken“157. Dass Schulte seit Beginn seiner wissenschaftlichen Arbeit mit dem elsässischen Kirchenhistoriker Albert Ehrhard in näherem Kontakt stand158, der im Rufe eines modernistischen Theologen stand, war den staatlichen Behörden offenbar ebenso unbekannt wie sie als Zeitgenossen nicht erfassten, was in der Retrospektive unbestritten zu sein scheint, dass nämlich Schulte im „Gewerkschaftsstreit der deutschen Katholiken eine ganz zentrale Rolle gespielt“159 hat.
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udwig Hagemann160 wurde 1859 in Frohnhausen bei Warburg geboren, legte das Abitur mitten im Kulturkampf am Theodorianum in Paderborn ab und studiert anschließend Theologie in Innsbruck und Eichstätt. 1886 erfolgte die Priesterweihe in Paderborn, anschließend Kaplansjahre in Dortmund und als Domvikar in Paderborn, bis er 1892 die Altstadtpfarrei in Warburg erhielt. Für Regierungspräsident Kruse war er als diplomatisch gesinnter Geistlicher prinzipiell geeignet, doch vermisste er bei Hagemann ein größeres Engagement, so dass er ihn quasi als Zählkandidaten auf der Liste stehen lassen wollte161.
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Zu v. Laer (1864–1951), 1903–1934 Landrat in Paderborn, vgl. Wegmann, S. 301. Vgl. Hohmann, Domkapitel und Bischofswahlen in Paderborn III, S. 256. Schnitz an von der Recke v. 4.11.1909, in: StAMS, OP 1930,4. Schulte dankte Ehrhard im Vorwort seiner Diss. „für wohlwollendes Interesse und manchen wertvollen Wink“. Vgl. auch In Obsequium Christi, S. 32. So die Aussage von Loth, Bischof Karl Joseph Schulte, S. 345. Zu Hagemann (1859–1941), der später Propst in Niedermarsberg war, vgl. Liese, Necrologium, S. 125. Vgl. Kruse an von der Recke v. 23.10.1909, in: StAMS, OP 1930,4.
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Oberpräsident von der Recke wand sich dann in seinem Bericht an Kultusminister von Trott zu Solz etwas162. Wenn eben Schulte als zu streng kirchlich gestrichen werden sollte, müsste dies auch für Funke als Opponenten gegen den staatsloyalen Bischof Schneider gelten. Allerdings seien beide durchaus veritable Kandidaten. In Berlin las man dann auch wohl aus den Kommentaren aus Westfalen heraus, dass sich keine überzeugenden Argumente gegen irgendeinen der fünf auf der Liste platzierten Geistlichen würden finden lassen. Folgerichtig wurde die Gesamtliste am 20. November 1900 durch Wilhelm II. sanktioniert. Vor allem auf Drängen des Kultusministers war diese vergleichsweise rasche Entscheidung zurückzuführen. Trott zu Solz war es darum zu tun, unbedingt die Ende November ablaufende Dreimonatsfrist bis zur Neuwahl einzuhalten, was dann exakt gelang. Am 30. November 1909 traten die 13 Domherren zusammen und wählten in kurzer Sitzung einstimmig Professor Dr. Karl Joseph Schulte einstimmig zum neuen Bischof von Paderborn163, der sich zunächst gegen dieses Votum sperrte, obgleich er nicht ganz überrascht sein konnte. Denn ihm war bereits im Vorfeld seitens des Kapitels deutlich gemacht worden, dass er die Stimmenmehrheit auf sich vereinigen würde. Auch die Presseberichte erwecken den Anschein, als sei Schultes Wahl abzusehen gewesen. Als Überraschung wurde lediglich gewertet, dass ein Geistlicher mit erst 38 Jahren bereits zur Bischofswürde gelangen konnte, worin ein Ausweis der besonderen Befähigung Schultes gesehen wurde164. Nuntius Frühwirth war es bereits im Vorfeld augenscheinlich sehr darum zu tun, hinsichtlich der päpstlichen Präkonisation „eine unliebsame Verzögerung, wie sie für die Diözese Ermland stattfand“165, zu verhindern. Dies gab er jedenfalls als Grund an, weshalb er zwei Tage vor der Bischofswahl bei Kapitularvikar Schnitz dringlich um umgehende Mitteilung des Erwählten nachsuchte. Angesichts der Modernismusdebatte war der Nuntius natürlich angewiesen, innerkirchlich alle neu gewählten Bischöfe auf ihre theologische Haltung zu überprüfen, wodurch sich die Zeitspanne zwischen Wahlakt und Präkonisation automatisch vergrößern musste. Gewährsmann von Erzbischof Frühwirth war in diesem Fall wieder einmal der an der KatholischTheologischen Fakultät der Universität Münster lehrende Pastoraltheologe Peter Hüls166, der jedoch bedauerte, „dass es mir nicht möglich ist, Euer Exzellenz mit so eingehenden Angaben zu dienen, wie es mir in anderen Fällen
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Vgl. von der Recke an Trott zu Solz v. 8.11.1909, ebd. Vgl. Domkapitel an von der Recke v. 30.11.1909, Wahlprotokoll, ebd. Vgl. Westfälischer Merkur v. 1.12.1909 unter Berufung auf einen Art. des „Westfälischen Volksblatts“. Frühwirth an Kapitularvikar Schnitz v. 28.11.1909, in: ASV ANM, busta 267. In der Diözese Ermland waren 1908/09 zwischen der Wahl des Bischofs Augustinus Bludau und der päpstlichen Bestätigung fast fünf Monate vergangen. Vgl. das Kap. Ermland in diesem Band. Zu Hüls vgl. das Kap. Münster in diesem Band.
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gelang“167. Allerdings hatte Hüls keine Mühe gescheut, mit seinen Fakultätskollegen Joseph Mausbach und Joseph Greving168 zwei Zeugen aufzubieten. Der Moraltheologe Mausbach, bei dem Schulte in Münster zwei Semester studiert hatte, lobte ihn als „braven Priester und tüchtigen Gelehrten“169, und der Kirchenhistoriker Greving, dem Schulte durch gemeinsame Studienjahre in Bonn bekannt war, bescheinigte dem erwählten Bischof nicht allein, „ein körperlich ansehnlicher, gesunder, kräftiger Mann“170, sondern zugleich „durchaus korrekt in Glaube und Lehre“ zu sein. Es drängt sich dabei der Verdacht auf, dass es dem Nuntius weniger um die Beschleunigung der Präkonisation zu tun war als vielmehr um eine stärkere Einbeziehung der Kurie in das Wahlgeschehen selbst. Als Kapitularvikar Schnitz nämlich das erbetene Wahlprotokoll nach München eingesandt hatte, zeigte sich der von Erzbischof Frühwirth darüber informierte Kardinalstaatssekretär Merry del Val zutiefst enttäuscht. Zum einen – so ließ er den Nuntius nach Paderborn melden – bemängelte er, dass dort gar nicht die Namen aller ursprünglich vom Kapitel benannten Kandidaten aufgeführt seien – auch ein Zeichen dafür, dass es dem Staatssekretär nicht in den Sinn kam, dass die Regierung in diesem Fall eben gar keinen Kandidaten gestrichen hatte. Zum anderen inkriminierte er das Fehlen eines Hinweises sowohl auf die Verlesung des päpstlichen Schreibens über die Bischofswahlen vom Juli 1900 als auch auf die Tatsache, dass die Wahl erst nach Eintreffen der päpstlichen Bestätigung ihre kirchenrechtliche Gültigkeit erlange. Wenn die Antwort von Schnitz dann auch sehr kurz angebunden ausfiel, spricht dies für dessen Verärgerung, zumal er zwar für künftige Wahlen versprach, sich ganz und gar an die Vorschriften zu halten, sich aber für den aktuellen Fall damit rechtfertigte, „nichts unterlassen zu haben, was bei diesem wichtigen Akte vorgeschrieben und erforderlich ist“171. Bis zur Ausstellung der päpstlichen Bestätigung am 7. Februar 1910 vergingen dann noch gut zwei Monate sowie weitere drei Wochen bis zur landesherrlichen Anerkennung, so dass die Konsekrations- und Inthronisationsfeierlichkeiten durch Antonius Kardinal Fischer aus Köln am 19. März 1910, dem Namenstag des neuen Bischofs, im Paderborner Dom stattfinden konnten. Überschattet wurde die Bischofsweihe von schweren Vorwürfen von Teilen der polnischen Presse in der östlichen preußischen Provinz Posen, die Schulte einer antipolnischen Haltung bezichtigte, was im Kultusministerium sensibel registriert wurde. Registriert wurde dort auch ein im „Dziennik Poznański“ als Reaktion auf diese Vorwürfe erschienener Beitrag, in welchem Schulte in 167 168
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Hüls an Frühwirth v. 5.12.1909, in: ASV ANM, busta 267. Zu Greving (1868–1919), 1909–1917 Prof. in Münster, dann in Bonn, vgl. Hegel, Geschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster, Bd. 2, S. 25. Mausbach an Frühwirth v. 5.12.1909, in: ASV ANM, busta 267. Greving an Frühwirth v. 5.12.1909, ebd. Schnitz an Frühwirth v. 20.12.1909, in: ASV ANM, busta 267.
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Schutz genommen wurde. Sicherlich wurden die Vorwürfe gegen die vermeintlich harte Hand des neuen Bischofs in der Polenseelsorge in Berlin mit Freude registriert. Zumindest wurde im Kultusministerium dem im Herbst 1910 von Regierungspräsidenten in Minden gestellten Antrag, Bischof Schulte den Roten Adlerorden III. Klasse zu verleihen, umgehend stattgegeben. Der Regierungspräsident hatte sich in seiner Begründung darauf berufen, dass Schultes politisches wie kirchenpolitisches Verhalten „völlig einwandfrei“172 gewesen sei. Der Vorwurf der Versetzung polnischer Geistlicher aus dem Ruhrgebietsanteil der Diözese Paderborn treffe auf ihn gar nicht zu, weil er erst wenige Wochen im Amt sei, die Versetzungen jedoch schon längere Zeit zurücklägen173. Dass Bischof Schulte bereits zwei Jahre später in das Kandidatenkarussell für den bedeutenden Erzbischofsstuhl in Köln geriet und ihm in diesem Zusammenhang vom westfälischen Oberpräsidenten Prinz Ratibor-Corvey attestiert wurde, „die volle Gewähr für eine loyale, patriotische Amtsführung“174 zu bieten, kann im Nachhinein als Bestärkung des Durchsetzungsvermögens der Pro-Schulte-Fraktion im preußischen Staatsapparat gewertet werden.
Weihbischöfe in Paderborn Weihbischofsernennung 1889/1890 Nach dem Tod des Weihbischofs Joseph Freusberg175, der am 14. November 1889 mit 83 Jahren nach 35-jähriger Wahrnehmung dieser Aufgabe starb, erbat sich Bischof Drobe in Rom mit dem Domkapitular Augustinus Gockel einen neuen Auxiliarbischof. Offensichtlich ohne weitere Erkundigungen über Gockel einzuziehen, vollzog Leo XIII. am 2. Mai 1890 die Ernennung des 60-jährigen Geistlichen zum Titularbischof von Azotus und Weihbischof in Paderborn. Obwohl Bischof Drobe durch seinen Generalvikar Schulte am 25. Mai, also gut drei Wochen nach der erfolgten Bischofsernennung, das Kultusministerium informieren ließ, zog die Ernennung ein Nachspiel nach sich. Dabei ging es nicht um die Person Gockels, gegen welche Kultusminister Goßler keinen Grund sah, Bedenken zu erheben. Vielmehr war es ihm um die seines Erachtens fehlende vorherige Rücksprache des Heiligen Stuhls mit der 172
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Antrag des Regierungspräsidiums Minden v. 19.9.1910, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 5101, 22234. Vgl. Ignatz Zninski, Der neuernannte Bischof in Paderborn und die Polen, in: Dziennik Poznański v. 13.4.1910. Ratibor-Corvey an Rheinbaben v. 18.8.1912, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 16002. Zu Freusberg vgl. Hengst, Freusberg; Brandt/Hengst, Weihbischöfe, S. 150–154; Liese, Necrologium, S. 200; u. Althaus, Die Paderborner Dompröpste, in: Saluti hominem providendo, hier S. 607–611.
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Regierung zu tun176. Wie sich herausgestellt habe, sei entgegen der 1884 im Fall von Weihbischofsernennungen in Münster und im Ermland geübten Gepflogenheit nicht einmal der preußische Gesandte beim Vatikan vorab über diese Personalie informiert worden, von einer vorherigen Mitteilung an die Regierung, wie sie 1887 und 1888 in Trier und Köln ergangen sei, einmal ganz zu schweigen. Im Kultusministerium war also der ja neuralgische Punkt der in den Staat-Kirche-Verträgen nicht verankerten Mitwirkung an den Weihbischofsernennungen wieder einmal sauer aufgestoßen. Letztlich musste Goßler klar sein, dass er die Kurie nicht zur vorherigen Absprache der Weihbischofsernennungen zu zwingen vermochte. Ziel und Zweck dieses Vorstoßes war es dann wohl auch vielmehr, Schlözer dahingehend zu sensibilisieren, dass er sich im Vorfeld auch über potenzielle Weihbischöfe eher kundig mache. Möglicherweise sah der Gesandte darin einen Affront. Jedenfalls hielt er es nicht für nötig zu reagieren, so dass der Staatssekretär im Auswärtigen Amt Bernhard von Bülow einige Jahre später anlässlich einer Durchsicht des Vorgangs reichlich verwundert notierte: „Weshalb der hohe Erlass vom 27.6.1890 (Weihbischofsernennung in Paderborn) seiner Zeit unerledigt und unbeantwortet geblieben ist, darüber fehlt es in den Akten an jeglichen Anhaltspunkten.“177 Während Freusberg während des Kulturkampfes 1879 den theologischen Ehrendoktor in Münster erhalten hatte178, konnte Gockel darauf verweisen, dass ihm die Universität Löwen nach seiner Weihbischofsernennung den Dr. theol. h.c. verliehen habe. Dass Gockels Bischofsweihe am 22. Juni 1890 nicht in Paderborn, sondern im Kölner Dom stattfand, lag schlicht und einfach an der Altersschwäche von Bischof Drobe, der die Zeremonie nicht mehr selbst vollziehen konnte, so dass der Erzbischof von Köln, Philipp Krementz, als Konsekrator einsprang.
Weihbischofsernennung 1912 Weihbischof Gockel hatte sich aufgrund seines freundlichen Auftretens und seines Einsatzes großer Popularität erfreut, die auch in der Verleihung der Ehrenbürgerschaften von Paderborn und Büren anlässlich seines Goldenen Priesterjubiläums 1903 Ausdruck fand179. Gockel, der bereits 1908 erblindet war und seinen Aufgaben nicht mehr nachgehen konnte180, starb am 11. Mai 1912 in Paderborn. 176
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Vgl. Goßler an Caprivi v. 24.6.1890, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2g u. in BArch BerlinLichterfelde, R 5101, 21795. Notiz Bülows v. 14.10.1893, ebd. Vgl. Hegel, Geschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster, Bd. 2, S. 207; u. Althaus, Die Paderborner Dompröpste, hier S. 611. Vgl. Liese, Necrologium, S. 215. Vgl. Gatz, Gockel.
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Bischof Karl Joseph Schulte muss die Pläne für seine Nachfolge bereits vorbereitet haben. Jedenfalls informierte er am 19. Mai 1912 den Pfarrer und Dechanten von Dessau in Anhalt, Heinrich Hähling von Lanzenauer181, darüber, dass schon Bischof Schneider ihn als Weihbischof erwogen habe und er nun diese Absicht umsetzen wolle. Zugleich solle Hähling die Dignität des Domdechanten in Paderborn erhalten. Dieser war 1861 in der zum Bistum Trier gehörenden Stadt Koblenz als Sohn eines Königlich preußischen Steuerrates geboren worden. Aufgewachsen war er in Arnsberg, wodurch er zum Bistum Paderborn gehörte. Nach dem 1879 in Arnsberg abgelegten Abitur hatte Hähling von Lanzenauer sein Theologiestudium aufgrund des Kulturkampfs in Innsbruck und Eichstätt absolviert und 1883 in Paderborn die Priesterweihe erhalten. Nach einer kurzen Zeit als Hausgeistlicher in Böddeken verbrachte er seine Kaplansjahre im westlichen Bistumsteil, und zwar in Etteln und in Atteln. 1890 kam er als Vikar nach Horn bei Erwitte, zwei Jahre später in den sächsischen Diasporateil der Diözese, wo Hähling von Lanzenauer sich Erfahrungen als Pfarrverwalter in Gardelegen und dann als Pfarrer in Oschersleben erwarb. 1895 wurde er erster Direktor des neu erbauten Bischöflichen Theologenkonvikts Collegium Leoninum in der Bischofsstadt Paderborn182. Diese Spitzenposition hat er „mit übergroßer Strenge“183 wahrgenommen und das Prinzip des Konviktszwangs besonders vertreten. Darin lag wohl auch der Grund dafür, dass Hähling bereits nach vier Jahren abberufen wurde und 1899 die Pfarrei Bigge, „die damals als die bestdotierte der ganzen Diözese galt“184, erhielt. Dass er aber keineswegs geneigt war, sich auf seiner guten Pfründe für den Rest seiner priesterlichen Tätigkeit bequem auszuruhen, zeigt der fünf Jahre später, 1904, erfolgte Wechsel als Pfarrer und Dechant in die anhaltinische Residenzstadt Dessau185. Aufgefallen war er natürlich bereits allein wegen seines Namens – die Familie entstammte österreichischem Briefadel –, aber auch weil sein jüngerer Bruder Alois ebenfalls Priester geworden war und als Propst in Dortmund eine wichtige Position im Klerus der Diözese bekleidete186. Dass Bischof Schulte ihm besondere Wertschätzung zukommen ließ, zeigte sich an der am 18. Juli 1912 erfolgten Verleihung der Dignität des Domdechanten. 181
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Zu Hähling von Lanzenauer vgl. Liese, Necrologium, S. 234f.; Gatz, Bischöfe, S. 276, Brandt/Hengst, Die Weihbischöfe in Paderborn, S. 159–162, u. Brandt/Häger, Biographisches Lexikon der katholischen Militärseelsorge Deutschlands, S. 282. Vgl. Höfer, Collegium Leoninum, u. Lehrmann, Auf dem Weg zum priesterlichen Dienst, hier S. 26 u. 174. Gatz, Hähling von Lanzenauer. Höfer, Collegium Leoninum, S. 60. Bei Gatz, Hähling von Lanzenauer wird diese Station in seinem priesterlichen Lebensweg nicht genannt. Zu Alois Hähling von Lanzenauer (1867–1929), seit 1921 Propst in Duderstadt, vgl. Westfälische Biographien, Online-Ausgabe (letzter Aufruf 19.11.2011).
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Am 5. August 1912 wurde Heinrich Hähling von Lanzenauer dann durch Papst Pius X. zum Titularbischof von Delco und Weihbischof in Paderborn ernannt und erhielt seine Bischofsweihe am 24. Oktober 1912 im Paderborner Dom durch Bischof Schulte. Wie seine Vorgänger als Weihbischöfe wurde auch er mit einem theologischen Ehrendoktorat geehrt, und zwar noch im selben Jahr seitens der Katholisch-Theologischen Fakultät in Innsbruck187, wo er ja während des Kulturkampfes einen Teil seiner Studien verbracht hatte.
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Vgl. Liese, Necrologium, S. 234.
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n der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte sich gerade das älteste deutsche Bistum Trier, das neben kleineren Einsprengseln anderer Territorialherren die beiden Regierungsbezirke Koblenz und Trier in der preußischen Rheinprovinz umfasste1, zu einem Zentrum der Auseinandersetzungen zwischen preußischem Staat und katholischer Kirche im Hinblick auf die Bischofsstuhlbesetzungen entwickelt2. Vor diesem Hintergrund erstaunt die Tatsache, dass Trier während des Kulturkampfes als erstes preußisches Bistum nach fünfjähriger Sedisvakanz, während der die Diözese durch Geheimdelegaten3 geleitet worden war, 1881 wieder einen Bischof erhalten hatte, dessen Weihe allerdings zur Vorsicht noch in Rom vollzogen wurde4. Für das Selbstbewusstsein des deutschen Katholizismus im Kulturkampf bedeutete dies sicher einen „der Silberstreifen am Horizont“5. Unter Umgehung des Kapitelwahlrechts hatte der Heili1 2
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Vgl. Persch, Bistum Trier, in: Gatz, Die Bistümer der deutschsprachigen Länder, S. 717–734. So blieb der Bischofsstuhl nach dem Tod Josef von Hommers 1836 sechs Jahre lang unbesetzt. Zwar konnte die erste Streitfrage, ob der königliche Wahlkommissar oder aber das Domkapitel den Wahltag festsetzen sollten, durch Nachgeben des Kapitels geklärt werden. Offen blieb jedoch, auf welche Weise das Kapitel die staatliche Genehmheit des zu wählenden Kandidaten erkunden musste. Konkret gesprochen ging es um die Interpretation des Breves „Quod de fidelium“ von 1821, eine Frage, in der die Kurie eine ambivalente Haltung einnahm. Der Wahlkommissar beharrte auf seiner Meinung, er habe den zum Bischof gewählten Wilhelm Arnoldi als „minus grata“ bezeichnet, das Kapitel behauptete Gegenteiliges. Letztlich sanktionierte der Papst Arnoldis Resignation und ermöglichte eine Neuwahl, aus der wiederum Arnoldi hervorging, der nun, 1842, auch staatlicherseits akzeptiert wurde. Vgl. Keinemann, Die Trierer Bischofswahlen (1836–1842); Bastgen, Die Besetzung der Bischofssitze in Preußen, S. 45–97; u. Schneider, Geschichte des Bistums Trier, Bd. 4. 1864 erregte die Streichung des Weihbischofs Matthias Eberhard von der Kapitelliste Unmut, drei Jahre später wurde Eberhard dann als persona grata bezeichnet und gewählt. Vgl. Reichert, Die Bischofskandidatur Matthias Eberhards 1864 und 1867. Als Geheimdelegaten fungierten der bisherige Generalvikar Philipp de Lorenzi sowie die Domherren Peter Alexander Reuß u. Karl Henke, wobei Reuß an erster Stelle stand. Vgl. Weber, Kirchliche Politik, S. 20–22; u. ergänzt um weitere vatikanische Quellen: Gatz, Der preußisch-deutsche Kulturkampf in den Verhandlungen der Kongregation für die außerordentlichen kirchlichen Angelegenheiten, S. 246–250. Korums Konsekration zum Bischof fand am 14.8.1881 in der französischen Kirche S. Trinita dei Monti in Rom durch Kardinal Raffaele Monaco la Valletta statt. Vgl. Weber, Kirchliche Politik, S. 54, u. Embach, Korum, S. 148. Ausführlich hierzu auch Treitz, Korum; u. Weber, Briefe und Akten zur Trierer Bistumsbesetzung im Jahre 1881, in: RQ, Bd. 69 (1974), S. 68–116. Schiel, Trierer Bischofskandidatur von Korum und Kraus, S. 159. Die bei Haas (Hrsg. u. Bearb.), P. Beda Bastgen, Die Besetzung der Bischofssitze in Preußen, München 1978, S. III, Anm. 9, angekündigte Dissertation von Hermann-Josef Bartels über die Trierer Bischofswahlen ist nie erschienen.
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ge Stuhl auf Vorschlag Leos XIII. selbst sich mit der preußischen Regierung darauf geeinigt, den Straßburger Dompfarrer Michael Felix Korum6 zum Bischof zu ernennen. Wenn der Kirchenrechtler und Zentrumspolitiker Ludwig Kaas diese Personalie in der Retrospektive eines sonst durch Sachlichkeit charakterisierten Lexikonartikels als „in Deutschland ganz unerwartet“ kennzeichnete, scheint das lange nachwirkende Erstaunen über diese Entscheidung durch, denn Korum hatte an der von Jesuiten geleiteten Katholisch-Theologischen Fakultät in Innsbruck studiert und bewahrte „seinen Lehrern, den Vätern der Gesellschaft Jesu, … sein ganzes Leben eine innige Zuneigung“7. Bischof Korum, der früh zum Professor für Kirchengeschichte, Hebräisch, Dogmatik und Exegese am Straßburger Priesterseminar aufgerückt war, 1872 als französischsprachiger Domprediger am Straßburger Münster eingesetzt wurde und dort seit 1880 auch das Dompfarramt bekleidete, hatte sich bereits in seiner Elsässer Heimat als Anhänger der ultramontanen Richtung im Straßburger Klerus bemerkbar gemacht und verfocht diesen Kurs in seinem 40 Jahre währenden Trierer Episkopat mit Nachdruck. Die immer wieder Erstaunen hervorrufende Frage, weshalb Korum angesichts dieser politischen Konstellationen überhaupt zum Zuge kommen konnte, ist von der Forschung bereits ausführlich diskutiert und zu beantworten versucht worden8. Dass diese Personalie noch nach Jahren staatlicherseits mit äußerster Kritik betrachtet wurde, belegt die Beobachtung eines Staatsvertreters aus dem Jahre 1885, dass Domdechant Philipp de Lorenzi9 „in geradezu höhnischer Weise in einer Gesellschaft erklärt [habe], durch die Besetzung des hiesigen bischöfl ichen Stuhles mit dem Bischof Korum habe der heilige Geist die preußische Regierung hinter das Licht geführt“10. Ebenso sprach Bismarck noch Jahre nach seiner Entlassung als Reichskanzlers von einem Fehler, der ihm auf Anraten des Reichsstatthalters in Elsass-Lothringen, Edwin von Manteuffel, mit der Protektion Korums unterlaufen sei11. Aber auch im Trierer 6
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Zu Korum (1840–1921), der in Wickerschweier/Elsass geboren wurde u. in Colmar aufwuchs, vgl. Thomas, in: Gatz, Bischöfe, S. 406–409; Embach, Korum, in: Die Bischöfe von Trier seit 1802, S. 141–168 (mit Bibliographie); Treitz, Korum; u. Weber, Kirchliche Politik. Treitz, Korum, S. 9. Vgl. Weber, Kirchliche Politik, S. 43–58; Ders., Briefe und Akten zur Trierer Bistumsbesetzung 1881. Offenbar war Bismarck vor allem daran gelegen, Kraus nirgendwo zum Zuge kommen zu lassen, da dieser das besondere Vertrauen der mit ihm rivalisierenden Kaiserin Augusta genoss. Zu de Lorenzi (1818–1898), 1868–1876 Generalvikar; 1881 staatlich nicht anerkannter Kapitularvikar, 1884 Domdechant, 1887 Offizial, vgl. Thomas, de Lorenzi, in: Gatz, Bischöfe, S. 460; u. Trierer Biographisches Lexikon, S. 273. Polizeikommissar Lenz an Nasse v. 8.5.1885, in: LHA Koblenz, Best. 442, Nr. 9650. Vgl. Andreas (Hrsg.), Bismarck. Die gesammelten Werke, Bd. 9: Gespräche, Berlin 1926, S. 314f. Dazu auch Hohenlohe-Schillingsfürst, Denkwürdigkeiten; Kraus, Tagebücher.
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Klerus war Korum bis zu seiner Ernennung unbekannt12. Frühe energische Widersacher, wie der zu den Exponenten des Staatskatholizismus in Preußen gehörende Dompropst Karl Josef Holzer13, der den aus Trier stammenden Kirchenhistoriker Franz Xaver Kraus als Bischofskandidaten protegiert hatte und von den Bischöfen seiner Zeit allgemein nur als den „römischen Kaplänen“14 sprach, hatten das Nachsehen. Wenn Trier im Vergleich zu allen übrigen Bistümern des Deutschen Reiches im Untersuchungszeitraum hinsichtlich der Personalpolitik beinahe eine Oase der Ruhe blieb, lag dies in erster Linie an dem 40 Jahre währenden und die hier zu betrachtende Periode umfassenden Episkopat Korums15. Diese „longue durée“ einer Amtszeit führt ebenso dazu, dass in Trier als einzigem Bistum im Deutschen Reich während des Untersuchungszeitraums keine Bischofswahl stattfand. Allerdings sind drei Weihbischofsernennungen anzuzeigen, die im Folgenden näher untersucht werden sollen.
Weihbischofsernennung 1887 Seit alters her verfügte Trier als eine der drei mit der Kurwürde versehenen deutschen Diözesen über das Institut eines Weihbischofs. Noch während des Kulturkampfes verstarb 1884 der Amtsinhaber Johann Jakob Kraft16, der zugleich ein bedeutender Pastoraltheologe gewesen war. Erst am 31. Januar 1887 schlug Bischof Korum Leo XIII. die Ernennung eines neuen Weihbischofs in Person des Trierer Domherren Heinrich Feiten vor17. Schlözer telegraphierte am 18. April 1887 nach Berlin, Korum wolle „seinen Domherrn Feiten zum Weihbischof ernennen. Leo XIII. wird diese Wahl 12 13
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Vgl. Embach, Korum, S. 148. Zu Holzer (1800–1880), der 1846 von Kardinal von Geissel für den Bischofsstuhl in Münster vorgeschlagen worden war u. von 1867–1874 MdR (Freikonservative), seit 1878 auch MdH war, vgl. Hegel, Dompropst Karl Josef Holzer; Persch, Karl Josef Holzer; Schwarz, MdR, S. 354. Holzer an Kraus am 16.7.1874, in: Schiel, Im Spannungsfeld von Kirche und Politik. Franz Xaver Kraus, S. 25. Vgl. zu der Kandidatur von Kraus in Trier ebd., S. 45–48. Korum starb 1921 als Päpstlicher Thronassistent, Comes Romanus, Inhaber des Päpstlichen Palliums, des preuß. Kronenordens I. Klasse mit Stern, des Roten Adlerordens II. Klasse mit Stern. Zudem war er Ehrenkomtur des Großherzoglich Oldenburgischen Haus- und Verdienstordens mit Stern u. Komtur des Souveränen Malteser-Ritterordens. Vgl. zu den Auszeichnungen: LHA Koblenz, Best. 442, Nr. 9647. Zu Kraft (1808–1884), seit 1868 Weihbischof in Trier, vgl. Thomas, Kraft, in: Gatz, Bischöfe, S. 411; u. Der Trierer Weltklerus, S. 192. Korum an Jacobini v. 31.1.1887, in: ASV AES, pos. 1309, fasc. 749. Erste Erkenntnisse zu dieser Ernennung bei Weber, Kirchliche Politik, S. 174–177. Zu Feiten vgl. das Kap. Münster u. Trierer Biographisches Lexikon, S. 111.
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nicht genehmigen, bevor er nicht weiß, dass dieselbe uns genehm [ist]“18. Die erbetene „schleunigste Auskunft“ über den von Korum benannten Kandidaten fiel dann überaus negativ aus. Feiten sei – so antwortete Bismarck noch am selben Tag – „ein regierungsfeindlicher, bei den Wahlen hetzender, mit Franzosen via Metz konspirierender Gesinnungsgenosse des Hetzkaplans Dasbach, in dessen Blatt er schreibt“19. Bismarck war sich bewusst, dass die Regierung keine Berechtigung besaß, Feitens Ernennung zu verhindern, nannte aber unverfroren seinen Favoriten, den Trierer Domkapitular Laurentius Meurer20. Wie kam der Reichskanzler zu seiner dezidiert negativen Stellungnahme? Ganz offenbar hatte er sich ein im Mai 1885 vom Trierer Regierungspräsidenten Berthold Nasse21 übermitteltes Gutachten über Feiten zu eigen gemacht. Diese Charakteristik Feitens war im Auftrag von Oberbürgermeister Carl de Nys22 von dem Polizeikommissar Lenz verfasst worden und in gekürzter Form an die jeweils nächsthöheren Staatsbehörden weitergeleitet worden23. Demnach konnte der 1835 in Bengel im Kreis Wittlich als Sohn einfacher Landleute geborene Feiten seine Laufbahn nur durch Vermittlung des für Bengel zuständigen Pfarrers von Springiersbach einschlagen, der den begabten Jungen „zu dem niedrigsten Pensionspreise von 25 Talern jährlich im hiesigen Bischöfl ichen Knaben-Konvikt“24 unterbrachte. Lenz schien nicht so recht von Feitens besonderer Eignung überzeugt zu sein, wenn er vermerkte, dass dieser 1855 in Trier sein Abitur abgelegt habe, „ohne sich auch nur im Geringsten während seiner Gymnasialstudien ausgezeichnet zu haben“. Auch während seiner Studienjahre im Priesterseminar habe er „in die Reihe der gewöhnlichen Alumnen“ gehört. Zwar habe er sich in seiner Kaplanszeit in Mayen zugleich als Religionslehrer in der Schule bewährt, jedoch sei die 1866 erfolgte Ernennung zum Pfarrer in Fraulautern keineswegs als beson18 19 20
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Schlözer an Bismarck v. 18.4.1887, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2i. Bismarck an Schlözer v. 18.4.1887, ebd. Zu Meurer (1818–1894), geweiht 1843 in Trier, Krankenhauspfarrer in Koblenz, 1884 durch königliche Ernennung Domherr in Trier. Vgl. Hegel, Dompropst Karl Josef Holzer, S. 159; u. Der Trierer Weltklerus, S. 230. Zum Domkapitel allgemein im Überblick vgl. Persch, 175 Jahre Trierer Domkapitel. Nasse (1831–1906), war 1881–1888 Regierungspräsident in Trier, später Oberpräsident der Rheinprovinz. Vgl. Romeyk, Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten, S. 646f.; sowie Schiel, Die Trierer Oberbürgermeister, in: Kurtrierisches Jahrbuch, Bd. 7 (1957), S. 80–134, hier S. 127–134. Zu de Nys (1833–1907), einem kath. Beamten, der von 1862–1904 Oberbürgermeister von Trier war, vgl. die Kurzbiographie in: Scharwath, Eine staatliche „Nachweisung“, S. 346, u. bei Romeyk, Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten, S. 659f. Vgl. Nasse an Bardeleben v. 13.5.1885, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2i. Lenz an de Nys v. 7.5.1885, veröffentlicht bei Scharwath, Die Geheim-Acta, S. 192–195, u. de Nys gleichlautend an Nasse v. 8.5.1885, in: LHA Koblenz, Best. 442, Nr. 9650. Hier auch die folg. Zit.
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dere Gunst des Bischofs zu interpretieren, da es sich um eine unbedeutende Gemeinde, eine typische Erstlingspfarre, handele. Vor Ort habe sich Feiten keine besonderen Verdienste erworben und sei vielmehr gemäß Auskunft des Bürgermeisters von Fraulautern 1878 staatlicherseits aus dem schulischen Religionsunterricht entfernt und von seiner Aufgabe als Lokalschulinspektor entbunden worden. Stattdessen „verstand er es, so ganz willenlos sich dem damaligen genügsam bekannten Generalvikar de Lorenzi hinzugeben, dessen Richtung er vollständig annahm“ und der ihn Ende 1884 in das Domkapitel „eingeschmuggelt“ habe, um die gleichzeitige Ernennung des Bischöfl ichen Sekretärs Ägidius Ditscheid25 zum Domherrn vor dem Klerus rechtfertigen zu können. Dompropst Karl Josef Holzer, der im Übrigen „eine recht zwielichtige, aus seiner Sicht letztendlich jedoch nicht erfolgreiche Personalpolitik“26 verfolgte, habe daher beide Ernennungen als „ein[en] Hohn, den man dem Domkapitel ins Angesicht schleudere“, bezeichnet27. Feiten wird hier also als gleichsam unbedarftes Opfer des ultramontanen höheren Klerus angesehen, dem jeglicher Hang zu einer höheren wissenschaftlichen Qualifikation fehle. Dass er 1881 überhaupt Dechant geworden sei, habe er demnach auch nur dem Zufall zu verdanken. Weil der bisherige Amtsinhaber in Saarlouis altersschwach gewesen sei und da Feiten aufgrund seiner geringen seelsorglichen Belastungen dessen Geschäfte interimsmäßig geführt habe, sei er in diese Position hineingerutscht. Kritisch wurde zum einen auch der enge Kontakt des Geistlichen zu einem aus der Diözese Metz stammenden Confrater in Wallerfangen gesehen, den der Informant als Ausweis einer frankophilen Haltung Feitens interpretiert sehen wollte28. Zum anderen hatte Feiten die Presseerzeugnisse von Kaplan Georg Friedrich Dasbach 29 weiterempfohlen. Insgesamt sah er in der Personalie Feiten den Plan des Generalvikars erfüllt, „durch die Verschiebung ganz bedeutungsloser und unfähiger bzw. sehr gefügiger und unselbständiger Männer dieses Werk der Regierung gegenüber fortzusetzen“30. 25
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Zu Ditscheid (1840–1915), Dr. theol., geweiht 1865 Trier, 1867 Bischöflicher Kaplan, 1885 Domkapitular, 1892 Dompfarrer ebd., vgl. Der Trierer Weltklerus, S. 95; Weber, Briefe und Akten, S. 115, Anm. 93; u. Trierer Biographisches Lexikon, S. 83f. Ditscheid trat durch eine Biographie des Trierer „Kulturkampfbischofs“ Matthias Eberhard hervor. Vgl. passim Aegidius Ditscheid, Matthias Eberhard, Bischof von Trier, im Kulturkampf, Trier 2 1911. Embach, Korum, S. 147. Vgl. zu dieser Position Holzers Weber, Kirchliche Politik, S. 110. Dabei handelte es sich um den in Metz geweihten und 1872 in Wallerfangen eingesetzten Pfarrer Karl Johann Petry. Vgl. Fontaine, Feiten, S. 54. Zu Dasbach (1846–1907), Germaniker, geweiht 1871, 1890 MdA, 1898 MdR, vgl. Schmidt, Collegium Germanicum, S. 325; Haunfelder, Reichstagsabgeordnete der Deutschen Zentrumspartei, S. 142f.; Fohrmann, Trierer Kulturkampfpublizistik; u. Trierer Biographisches Lexikon, S. 75f. Lenz an de Nys v. 7.5.1885, in: LHA Koblenz, Best. 442, Nr. 9650.
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Diese durchweg negative Charakterisierung wirft in der retrospektiven Betrachtung im ersten Moment kein besonders günstiges Licht auf Heinrich Feiten. Allerdings muss man sich verdeutlichen, dass die Abwertung ultramontaner Geistlicher in der staatlichen Sicht Methode hatte und stets kritisch zu betrachten ist. Insofern ist auch zu hinterfragen, ob die folgende, aus dem Studium der staatlichen Akten gezogene These von Christoph Weber überhaupt uneingeschränkt Geltung beanspruchen kann: Demnach „weisen die königlichen Domherren in Trier … eine bedeutendere geistige Physiognomie auf als die bischöfl ichen, bei denen Anciennität und treue Dienste eine wichtigere Rolle spielten“31. Von dieser Position aus ist es auch nicht weit zu der Kennzeichnung von Ditscheid und Feiten als den „beiden unbedeutenden Männern“32, deren Karriere sich nicht so recht schlüssig erklären lasse. Immerhin hatte der Bürgermeister von Feitens langjährigem Wirkungsort Fraulautern im Kontext der anstehenden Weihbischofsernennung zugeben müssen, dass Feiten „doch sicherlich der klügste und gescheiteste unter den Priestern des Dekanates Saarlouis“33 gewesen sei. Das hörte sich schon ungleich differenzierter an, als die Auskunft des in Berlin gleichsam aus der Schublade gezogenen Gutachtens von 1885, das ja erst vor dem Hintergrund der Erwägung Korums, Feiten zum Weihbischof machen zu wollen, seine Bedeutung erhalten hatte. Sicherlich war Feiten kein ausgewiesener Wissenschaftler wie sein Vorgänger als Weihbischof Johann Jakob Kraft, aber er repräsentierte auch nicht exemplarisch die Gruppe der überaus strengkirchlich gesonnenen „Presskapläne“ vom Schlage eines Dasbach, so sehr er im Allgemeinen schon seinen Gläubigen in Fraulautern dessen Zeitschriften und Zeitungen zur Lektüre empfohlen hatte. Vielmehr stand Heinrich Feiten stellvertretend für eine „mehr praktisch und seelsorglich orientierte Generation“34. Und mit dieser Haltung fand er in dem während seiner dortigen Pfarrertätigkeit von 2.000 auf 3.000 Gemeindemitglieder wachsenden Industriedorf Fraulautern entsprechende Herausforderungen. Die steigende Zahl an Arbeiterfamilien, der hohe Anteil an Frauen- und Kinderarbeit sowie die immense Zahl von 25 Gastwirtschaften, die als Vergnügungsstätten gleichsam ein Gegenprogramm zum religiösen Leben boten35, brachten Probleme einer industrialisierten Gesellschaft mit sich, denen der Geistliche sich zu stellen hatte. Der in den Fall staatlicherseits eingeschaltete Wiener Nuntius Luigi Galimberti bestärkte Bismarck darin, auf Meurer als Weihbischof zu beharren. Wenn aus Berlin dennoch auf diesem Kandidaten nicht weiter insi31 32 33
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So Weber, Kirchliche Politik, S. 68. Ebd., S. 110. Bürgermeister Warlimont an de Nys v. 7.5.1887, in: Stadtarchiv Trier, 18, 246, zit. nach Weber, Kirchliche Politik, S. 176. Seibrich, Feiten, S. 216. Zur Situation in Fraulautern vgl. Fontaine, Feiten, S. 45f.
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stiert wurde, lag dies an den Nachforschungen des preußischen Gesandten beim Heiligen Stuhl Kurd von Schlözer, die einen schlechten Gesundheitszustand des 69-jährigen Meurer ergaben. Im Übrigen galt letzterer als klarer Parteigänger des staatsloyalen Dompropstes Holzer galt36 und bereits dessen Kaplan in Koblenz gewesen war. Währenddessen wollte der preußische Gesandte beim Heiligen Stuhl herausgefunden haben, dass „der Domherr Feiten in vielen Kreisen des Bistums Trier nicht etwa für einen Feind der Kgl. Regierung, sondern gerade im Gegenteil für einen Freund derselben und für einen guten Patriarchen gelte, der von jeher seine Anhänglichkeit an Preußen auf alle Art bestätigt habe“37. Wie vorsichtig Leo XIII. in dieser angesichts einer Weihbischofsernennung ja eigentlich sekundären Personalfrage agierte, zeigte sich daran, dass der Papst sich gemäß Auskunft Galimbertis einverstanden zeigte, auch einen anderen als Feiten zum Weihbischof zu ernennen38. Ganz offensichtlich wollte er die laufenden Verhandlungen zur Beilegung des Kulturkampfes nicht durch eine zu einem Affront Anlass gebende Personalentscheidung gefährden. Zumindest wurde Prälat de Montel damit betraut, gegenüber Korum die Benennung eines neuen Kandidaten anzuregen, gegen den keinerlei politische Bedenken vorlägen. Genau damit stachelte er den Ehrgeiz des Bischofs, kein Jota von seinem Entschluss abzuweichen, erst an. Korum beharrte auf der kirchlichen Freiheit der Ernennung von Weihbischöfen und wies zudem darauf hin, dass sich Feiten politisch nicht desavouiert habe39. Gleichzeitig legte er dem Kultusministerium ein betont devot gehaltenes Schreiben Feitens vor, in welchem dieser bekannte, „von Jugend auf … stete Liebe und Treue im Herzen gehegt [zu haben] für König und Vaterland“40. Dies beweise allein die Tatsache, dass sein Vater in der 1848er Revolution die Sache des Königs gegen umstürzlerische Ideen standhaft verteidigt habe. Als Pfarrer in Fraulautern habe er seine Gläubigen während des Deutsch-Französischen Kriegs 1870/71 zur Treue für Deutschland ermuntert und sein Pfarrhaus nach der Schlacht bei Gravelotte als Lazarett zur Verfügung gestellt sowie sich selbst in der Verwundetenpflege aktiv betätigt 41, wofür er eine kaiserliche Verdienstmedaille für Pfl ichttreue im Krieg erhalten habe. Kultusminister Goßler reichte diesen Brief, den Feiten „zum Beweise seiner staatsfreundlichen und patriotischen Gesinnung“42 ab36 37 38
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Vgl. ebd., S. 161. Schlözer an Bismarck v. 7.7.1887, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2i. Vgl. hierzu Weber, Kirchliche Politik, S. 175, der allerdings keine entsprechenden Dokumente nachweist. Vgl. Korum an Montel v. 25.5.1887, zit. nach ebd., S. 175. Abschrift in LHA Koblenz, Best. 442, Nr. 9650. Durch diese Tat verankerte Feiten sich nachdrücklich im kollektiven Bewusstsein der Bevölkerung. Vgl. Fontaine, Heinrich Feiten, S. 47f., u. Görgen, Ein herrliches Beispiel opferbereiter Vaterlandsliebe, in: Ders., Ausgewählte Geschichten und Sagen von der Saar, Trier 1904, S. 48f. Goßler an Nasse v. 19.7.1887, in: LHA Koblenz, Best. 442, RP Trier 9650.
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gefasst habe, dem Regierungspräsidenten Nasse weiter und bat darum, „sich gefälligst eingehend dazu zu äußern“. Wenn Goßler bei dieser Gelegenheit erwähnte, dass sich Feiten kürzlich in Rom aufgehalten habe, sprach daraus die Befürchtung, dass dort bereits ein fait accompli geschaffen worden sei. Gleichzeitig ersuchte der Minister um Informationen, inwieweit ihm zugetragene Gerüchte der Wahrheit entsprächen, dass es um die Gesundheit des von Galimberti als staatsfreundlichere Alternative zu Feiten ins Gespräch gebrachten Domkapitulars Meurer schlecht bestellt sei. Regierungspräsident Nasse hatte keinen Erfolg damit, die Argumente Feitens näherhin zu überprüfen. Konnte sich an die Haltung von Feitens Vater 40 Jahre zuvor niemand vor Ort mehr erinnern, so mochte auch der eilig angefragte Bürgermeister von Fraulautern zur Stellung Feitens 1870/71 schon deshalb keine Auskunft zu geben, weil er erst einige Jahre später in den Ort gekommen war43. Wenn Feitens Handeln als Lazarettgeistlicher mittlerweile so sehr im kollektiven Bewusstsein verankert war, dass es Anfang des 20. Jahrhunderts Eingang in eine regionale Sammlung von Geschichten und Sagen finden konnte44, spricht dies dafür, dass der Bürgermeister des Ortes dieses Ereignis herunterspielen wollte. Daher beließ es Nasse gegenüber dem Minister, eine grundsätzlich patriotische Haltung des Trierer Klerus im Deutsch-Französischen Krieg zu bestätigen. Dass er sich nunmehr überhaupt – ganz anders als zwei Jahre zuvor – sehr differenziert zur Person Feitens äußerte, lag an seiner wiederum einen abwägenderen Grundton anschlagenden Vorlage, die der inzwischen zum Polizeiinspektor avancierte Lenz im Auftrag des Oberbürgermeisters gefertigt hatte45. Zumindest seit Feiten als Domherr in Trier installiert sei, hieß es dort jetzt, habe er sich weder im ultramontanen noch im patriotischen Sinne öffentlich geäußert. So waren keine vaterländischen Bekundungen anlässlich von Staatsfeiertagen zu belegen 46. Als Beleg führte Nasse den Zentrumswahlaufruf zur letzten Reichstagswahl an, den Feiten nicht mit unterzeichnet habe. „Ob Herr Feiten sich überhaupt an der letzten Reichstagswahl beteiligt, d.h. seine Stimme abgegeben hat, ist augenblicklich nicht festzustellen, da die Wahllisten sich zur Zeit in Berlin befi nden und der Wahlvorsteher des betreffenden Wahlbezirks sich seiner Person nicht erinnert“47, versuchte der Oberpräsident das Wahlverhalten des Kandidaten als Gradmesser anzubringen. Auch wenn Nasse nur vermuten konnte, dass 43 44 45
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Vgl. Bürgermeister Warlimont an Nasse v. 24.7.1887, ebd. Vgl. Görgen. Vgl. Polizeiinspektor Lenz an de Nys v. 24.7.1889, auszugsweise abgedruckt bei Scharwath, Die Geheim-Acta, S. 194f., sowie de Nys an Nasse vom selben Tag, in: LHA Koblenz, Best. 442, RP Trier 9650. Die Wichtigkeit dieses Aspekts patriotischer Gesinnung als Gradmesser hebt Weber, Kirchliche Politik, S. 176, hervor. Nasse an Goßler v. 24.7.1887, in: LHA Koblenz, Best. 442, RP Trier 9650. Hier auch das folg. Zit.
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Feiten sicherlich dem Zentrum seine Stimme gegeben haben würde, machten die erfolglos eingezogenen Erkundigungen deutlich, dass den Behörden das Wahlgeheimnis nicht viel galt, wenn es darum ging, eine mögliche persona non grata zu enttarnen. Wenn der Regierungspräsident zudem an Feitens Predigten im Trierer Dom nichts zu beanstanden hatte, lässt dies den Rückschluss zu, dass zumindest die Gottesdienste der Domherren regelmäßig überwacht wurden. Dass Nasse dennoch nicht mit größerer Verve gegen die Weihbischofsernennung Feitens zu agieren versuchte, lag aber in der von seinem Gewährsmann bei der Trierer Polizei übernommenen und nunmehr wiederholten Einschätzung, dass dieser lediglich eine subalterne Person und damit für den Staat ungefährlich sei. Jedenfalls betonte er gegenüber dem Minister nachdrücklich, dass Feiten „ein gefügiges Werkzeug ist, und als solches wird er unter guter Leitung gut sein, unter schlechter Leitung schlecht, d.h. im politischen Sinne“. Insofern konnte auch ein verleumderischer Brief, den ein Fraulauterner Lehrer, der ehemals Seminarist im Trierer Priesterseminar gewesen war und einen Groll auf Feiten hegte, an das Kultusministerium sandte, die Ernennung zum Weihbischof nicht aufhalten 48. Mittlerweile hatte der neue Kardinalstaatssekretär Rampolla sich in die Angelegenheit eingeschaltet und in Absprache mit Korum Feiten nach Rom zitiert, wo er Anfang Juli 1887 von Leo XIII. empfangen und unter die Lupe genommen wurde49. Wenn auch die genauen Umstände nicht im Einzelnen mehr eruiert werden können, so ist doch durch das Einschalten des neuen Kardinalstaatssekretärs, der ein Sympathisant Feitens war, eine Wandlung eingetreten, die sich auch dadurch bemerkbar machte, dass der Heilige Stuhl fortan keine weiteren diplomatischen Gespräche mit Preußen unternahm, sondern Leo XIII. am 20. September 1887 Feiten zum Titularbischof von Amyzon bei Milet (Kleinasien) und Weihbischof in Trier ernannte. Dass der neue Trierer Auxiliarbischof gegenüber dem Heiligen Vater auch persönlich einen guten Eindruck gemacht haben muss, liegt auf der Hand. Nachdem auch der Unterstaatssekretär Graf Berchem dem Kanzler mitgeteilt hatte, dass Feiten zwar ein dezidierter Parteigänger Korums, aber die Personalie letztlich doch nicht von so durchschlagender Bedeutung sei, dass man auf einer Revision bestehen müsse50, zerschlug Bismarck gleichsam den gordischen Knoten. Er verfügte, dass „die gegen Ernennung des Domherrn Feiten anfänglich erhobenen Bedenken nicht weiter zu betonen“51 seien. Eine Ursache für das von oberster Stelle verordnete staatliche Einlenken gegen48
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Dieser Brief wurde in den Akten nicht gefunden. Er wird aber bei Fontaine, Feiten, S. 54 erwähnt, ohne dass eine Quelle angegeben wird. Vgl. Schlözer an Bismarck v. 7.7.1887, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2i. Vgl. Berchem an Bismarck v. 14.8.1887, ebd. Bismarck v. 15.8.1887, ebd.
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über dem Wunsch Korums mag auch darin zu sehen sein, dass „in der Diözese Trier … der Bestand an regierungsfreundlichen Priestern besonders gering, wesentlich geringer als in der Erzdiözese Köln“52 war. Weil Feiten von der preußischen Bürokratie letztlich „durchgewunken“ wurde, ist zu konstatieren, dass die Skrupel letztlich doch auch auf der vatikanischen Seite lagen, die eine möglichst wenig Aufsehen erregende Konsekrationsfeierlichkeit zur Bedingung machte. Darin spiegelt sich einmal mehr die Vorsichtigkeit Leos XIII. wider, trotz der klar verankerten Rechtsposition der Kirche, die Weihbischöfe frei zu ernennen, den Staatsbehörden bloß keine Gelegenheit zum Anstoßnehmen zu geben. Obgleich die unmittelbare Kulturkampferfahrung zeitlich noch viel näher lag als bei der acht Jahre später erfolgten Ernennung des staatlicherseits unliebsamen Maximilian Gereon Graf von Galen zum Weihbischof in Münster53, fand die Bischofsweihe Feitens keineswegs – wie bei Galen, dem Limburger Bischof Klein oder im Vorfeld ja auch im Falle Korums – fern der Öffentlichkeit hinter den Mauern einer Kirche Roms statt, sondern Bischof Michael Felix Korum konsekrierte ihn zwei Monate später in aller Öffentlichkeit – übrigens in Gegenwart des Regierungspräsidenten Nasse – im Trierer Dom. Dies ist ein sprechender Beleg dafür, dass „von einer Majorisierung des Trierer Domkapitels durch staatliche Interessen … nicht die Rede sein [kann], im Gegenteil“54. Wie sehr Korums offensiver Kurs dann letztlich auch in Berlin goutiert wurde, zeigt eine nachträgliche Äußerung Goßlers, der gegenüber Bismarck überaus erfreut darüber sprach, dass „Korum bei Gelegenheit der kürzlich erfolgten Weihe des Weihbischofs Feiten die sozialen Beziehungen zu den weltlichen Behörden, welche er seit Jahren eingestellt hatte, wieder aufgenommen hat“55. Wie wenig sich allerdings die (unteren) Staatsbehörden in Trier und Koblenz von der Harmlosigkeit Feitens hatten überzeugen lassen, zeigte sich, als der Trierer Weihbischof zwei Jahre später vom Domkapitel in Münster auf die Bischofswahlliste gesetzt wurde und die wiederum aus der Schublade der Aktenschränke gezogene Negativcharakterisierung Feitens dazu führte, dass er von Wilhelm II. zur „persona minus grata“ erklärt wurde56.
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Weber, Kirchliche Politik, S. 68. Vgl. das Kap. Münster in diesem Band. Geschichte des Bistums Trier, Bd. 5, S. 87. Goßler an Bismarck v. 9.12.1887, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2i. Vgl. dazu ausführlich das Kap. Münster in diesem Band, sowie Hirschfeld, „Die Münsterische Bistumsangelegenheit …“, S. 83 u. 89f. Bischof Korum hatte Feiten allerdings positiv beurteilt. Vgl. Fontaine, Feiten, S. 54.
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Weihbischofsernennung 1893 Nach dem frühen Tod von Weihbischof Heinrich Feiten, der bereits am 17. Februar 1892 an den Folgen eines Schlaganfalls starb, hob Oberpräsident Nasse, der mit Trier aus seiner dortigen Zeit als Regierungspräsident vertraut war, in seinem Kondolenzschreiben dessen „milde, versöhnliche Gesinnung“57 hervor, was aber sicherlich in erster Linie ein aus Pietätsgründen zu erklärender Kotau gegenüber dem Verstorbenen gewesen ist. Doch fiel die von Bischof Michael Felix Korum anlässlich eines Besuchs bei Leo XIII. im Herbst 1893 geäußerte Bitte um einen neuen Weihbischof für das Bistum Trier in die zu diplomatischen Querelen ausgeartete Diskussion zwischen Berlin und Rom, ob die Ernennung eines Weihbischofs zuvor der Regierung anzuzeigen sei, wie es der Heilige Stuhl im Falle des Straßburger Weihbischofs Karl Marbach 1891, aber auch einmalig bei der Bestellung des Kölner Weihbischofs Hermann Joseph Schmitz 1893 gehandhabt hatte. Wie der Gesandte von Bülow dem Reichskanzler und Ministerpräsidenten Caprivi nach einer Audienz bei Kardinalstaatssekretär Rampolla berichtete, habe der Heilige Stuhl zugesichert, künftig vor einer Weihbischofsbestellung die preußische Regierung „amicalement et confidentiellement“58 zu informieren. Und dieses Procedere werde erstmals hinsichtlich der „gegen Ostern“ 1894 zu erwartenden Ernennung eines neuen Weihbischofs für das Bistum Trier greifen. Konkret bedeutete dies, dass die Personalie des neuen Trierer Auxiliars vorab aus Rom nach Berlin gemeldet werden sollte, allerdings damit kein Recht der Staatsregierung verbunden sein sollte, diese anzufechten. Weniger erbaut zeigte sich der Gesandte vom Auftreten Korums, in dem er „ganz den klugen, gewandten und höfl ichen, aber eben nicht großes Zutrauen einflößenden Prälaten gefunden [habe], als welcher er mir geschildert worden war“59. Außerdem habe der Trierer Bischof hinsichtlich der Weihbischofsfrage „Wert darauf gelegt, sich wegen der Wahl eines Nachfolgers mit der Curia in mündliches Einvernehmen zu setzen“. Damit war deutlich, dass Korum vor erfolgter Rücksprache mit Rampolla keinen Namen nennen würde. Dass der Bischof von Trier in Personalangelegenheiten offensiv vorging, zeigt sich auch daran, dass er seit 1889 dem Trierer Regierungspräsidenten jährlich den neuesten Schematismus des Bistums persönlich übersandte60, gleichsam als Erleichterung für die Personalrecherchen der Regierung anlässlich der Besetzung höherer kirchlicher Stellen. 57 58 59 60
Nasse an Korum v. 18.2.1892, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 7497. Bülow an Caprivi v. 28.12.1893, in: PA AA Preußen 2 Nr. 1c. Bülow ? an Caprivi v. 27.10.1893, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2i. Hier auch das folg. Zit. Vgl. Korum an Nasse v. 28.2.1889 u. ähnlich lautende Schreiben in den Folgejahren, in: LHA Koblenz, Best. 442, Nr. 9650.
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Konkret hatte Korum bei seinem Rom-Besuch im Oktober 1893 den Trierer Seminardirektor Carl Schrod61 als Weihbischof vorgeschlagen, mit dem ihn ein „überaus herzliches, mitbrüderliches-priesterliches, mitmenschlichesfamiliäres Verhältnis verband“62. Am 13. Februar 1894 wusste der preußische Gesandte beim Heiligen Stuhl, Otto von Bülow, nach Berlin mitzuteilen, Schrod solle zum neuen Weihbischof in Trier ernannt werden63, was dann Kardinalstaatssekretär Rampolla am Folgetag gegenüber Bischof Korum als Faktum bezeichnete, da der Papst der Ernennung bereits zugestimmt habe und der Informativprozess einzuleiten sei64. Schrod war 1841 in Bickendorf im Kreis Bitburg als Sohn eines noch vor seiner Geburt verstorbenen Landwirts65 und dessen aus einer verarmten lothringischen Adelsfamilie stammenden Gattin geboren worden. Nach mehreren Umzügen – u.a. zu einem begüterten Großonkel nach Rammelfangen – landeten Mutter und Sohn im westfälischen Recklinghausen, wo Carl Schrod das Abitur ablegte. Das Theologiestudium absolvierte er dann aber für seine Heimatdiözese Trier, wo er 1864 auch die Priesterweihe erhielt. Nach Kaplansjahren an St. Antonius in Trier, in denen er bereits als Organisator und Gastgeber einer deutschlandweiten Generalversammlung der katholischen Gesellenvereine hervorgetreten war66, hatte er 1867 die im Entstehen begriffene Pfarrei Ensdorf bei Saarlouis übernommen, deren erster Pfarrer Schrod im Folgejahr wurde. Dort hatte er nicht nur die nähere Bekanntschaft mit seinem späteren Vorgänger als Weihbischof Heinrich Feiten gemacht, der im benachbarten Fraulautern wirkte, sondern auch „gemeinsam mit Feiten die hier von Jesuiten durchgeführten Gemeindemissionen [ge]fördert“67. 1872 war er durch seine Ernennung zum Professor für Pastoraltheologie und Liturgik am Trierer Priesterseminar in die Theologenausbildung gewechselt. Ausschlaggebend für diesen Schritt war eine Reihe von Veröffentlichungen, die der junge Geistliche neben seiner pastoralen Arbeit vorgelegt hatte68. Die Arbeit an entsprechenden, eher literarischen, für breite Bevölkerungskreise gedachten Broschüren konnte Schrod während der Schließungszeit des Seminars zwischen 1873 und 1886 61
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Zu Schrod (1841–1914) vgl. Thomas, Schrod, in: Gatz, Bischöfe, S. 676; Seibrich, Weihbischöfe, S. 222–227. Schell, Schrod, S. 20. Vgl. Bülow an Caprivi v. 13.2.1894, ebd Vgl. Schell, Schrod, S. 14. Gemäß Schell, Schrod, S. 3, verlor er den Vater als 3-jähriger. Vgl. Seibrich, Weihbischöfe, S. 222. Rönz, Der Trierer Diözesanklerus im 19. Jahrhundert, Bd. 2, S. 987. Vgl. passim Schrod (Hrsg.), Ignacio de Loyola. Scientillae Ignatianae, Trier 1868; Ders., Angelus Custos. Ein Gebetbuch, Saarlouis 1867; Ders., Deklamationsbüchlein für Katholische Gesellenvereine, Trier 1866; Ders., Die geistliche Rose. Ein Unterrichtungs- und Andachtsbüchlein für Verehrer des Rosenkranzes, Einsiedeln 1873; Ders., Kerngebete. Ein Taschen- und Reisegebetbuch, Saarlouis 21904. Eine Bibliographie findet sich bei Schell, Schrod, S. 23–31 u. S. 179–192.
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tatkräftig fortsetzen. Nach der Wiedereröffnung des Seminars 1886 nahm er dort seine Vorlesungstätigkeit wieder auf und wurde von Bischof Korum zugleich mit den Aufgaben eines Subregens betraut. In jüngster Vergangenheit war er durch seine Mitarbeit an den Trierer Eigenteilen des Missale und Rituale hervorgetreten und hatte an der Neugestaltung des Trierer Diözesangesangbuches mitgewirkt69. Wie aber fielen die von Minister Bosse nach Bekanntwerden der beabsichtigten Weihbischofsernennung vom Trierer Regierungspräsidenten Adolf von Heppe70 erbetenen näheren Informationen über dessen kirchenpolitische und politische Haltung aus71. Der wiederum eingeschaltete Trierer Oberbürgermeister Carl de Nys hob hervor, dass Schrod mütterlicherseits aus der adeligen lothringischen Familie Dusartz de Vigneulle72 stammte. Und in der Tatsache, dass Schrods adeliger Großonkel eine von der Geistlichkeit kritisch gesehene Stiftung am Realgymnasium in Rammelfangen errichtet habe, wollte de Nys einen ersten hierarchiekritischen Gedanken in der Familie erkannt haben. Vor allem aber verwies er auf Schrods einsichtige Haltung anlässlich der Aufhebung des Trierer Priesterseminars im Kulturkampf. Im Gegensatz zu den übrigen Professoren habe er den Anordnungen der Staatsmacht Folge geleistet und sich an der gewaltsamen Rückkehraktion der übrigen Professorenschaft am 9. März 1874 nicht beteiligt73. Dass er Zentrumswähler sei, schmälerte für den Oberbürgermeister nicht dessen Verdienst, da ein katholischer Geistlicher – wie er vermerkte – kaum eine andere Partei wählen könne. Entscheidend sei vielmehr, dass Subregens Schrod niemals aktiv politisch hervorgetreten sei. „Seine jetzige Ernennung zum Domkapitular wird wahrscheinlich und hoffentlich der Vorläufer seiner Ernennung zum Weihbischof sein, denn [es] ist kaum hier eine geeignetere Persönlichkeit für dieselbe“74. Ganz im Gegensatz zu dem verstorbenen Weihbischof Feiten galt Schrod den Behörden vor Ort als „ein ruhiger, friedlicher, aber auch ein gescheiter und tüchtiger Mensch“, eben weil er sich offensichtlich nicht vor den Karren der ultramontanen Bewegung im Kulturkampf hatte spannen lassen. Denn promoviert und im größeren Sinne wissenschaftlich arriviert war er keineswegs. Nicht zuletzt angesichts dieses Urteils hob Oberbürgermeister de Nys in einer der alle fünf Jahre obligatorischen staatlichen Aufstellungen für höhere Aufga69
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Vgl. Seibrich, Schrod, in: Ders., Weihbischöfe, S. 225f.; Rönz, Der Trierer Diözesanklerus im 19. Jahrhundert, S. 727. Zu v. Heppe (1836–1899), 1890–1899 Regierungspräsident in Trier, vgl. Romeyk, Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten, S. 523. Vgl. Bosse an v. Heppe v. 18.2.1894, in: LHA Koblenz, Best. 442, Nr. 9650. Vgl. de Nys an v. Heppe v. 20.2.1894, ebd. So Reichert, Ein Augenzeugenbericht über die Schließung des Trierer Priesterseminars, S. 134. De Nys an v. Heppe v. 20.2.1894, in: LHA Koblenz, Best. 442, Nr. 9650. Hier auch das folg. Zit.
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ben geeigneter Geistlicher im Jahre 1902 an erster Stelle Weihbischof Schrod als für das Amt eines Diözesanbischofs geeigneten Kandidaten hervor, ohne dass der Trierer Regierungspräsident diesen Namen allerdings dem Oberpräsidenten in Koblenz weitermeldete75. Zu diesem Zeitpunkt war der Geistliche bereits am 17. Februar 1894 durch bischöfl iche Nomination mit einem Kanonikat am Dom versehen worden, hatte am 17. April 1894 von Papst Leo XIII. die Ernennung zum Titularbischof von Basilinopolis (Erzbistum Nikomedia/Kleinasien) und Weihbischof in Trier erhalten und war nur wenige Wochen später, am 6. Mai 1894, durch Bischof Korum in Trier konsekriert worden. Darüber hinaus war Schrod 1896 zugleich Offizial geworden und zwei Jahre darauf zudem Domdechant. Alles in allem genommen lässt sich die Haltung Schrods während des Kulturkampfes bis heute nicht eindeutig klären, wohl auch weil – wie Franz Rudolf Reichert schon vor Jahrzehnten bemerkte – „eine Darstellung der Auswirkungen an der Basis“76 fehlt. Dass er einerseits die Relegierung von seinem Professorenamt als einziger Betroffener widerstandslos hingenommen haben soll, andererseits aber im Vorfeld auf einer Kundgebung des radikal ultramontanen „Mainzer Vereins“ eine Rede mit einem Hoch auf den Papst gehalten hatte77, passt nicht so recht zusammen. Auch die Tatsache, dass Schrod die folgenden sechs Jahre in England, Belgien und Luxemburg lebte und sich u.a. in der deutschen Auswandererseelsorge in Antwerpen betätigte78, um 1880 ohne Aufgaben nach Trier zurückzukehren, spricht für seine dezidiert strengkirchliche Haltung. Wäre Schrod der Fraktion der „Staatskatholiken“ zuzurechnen gewesen, hätte er bis zur Wiedereröffnung des Seminars 1886 mit der Protektion der Regierung rechnen können und wäre nicht unbedingt ins Exil gegangen. Bezeichnend erscheint auch, dass Schrod in dem detaillierten staatlichen Bericht des Oberbürgermeisters an den Regierungspräsidenten über die Seminarschließung überhaupt keine Erwähnung fand79, was der – aus staatlicher Sicht – positiven Rolle, die de Nys ihm in der Retrospektive zusprach, widerspricht. Denkbar erscheint, dass de Nys, der ja selbst katholisch war, aus Sympathie gegenüber Schrod dessen Curriculum vitae schönte. Die gegenteilige Haltung des Trierer Stadtoberhaupts zur Person Heinrich Feitens widerspricht allerdings einer Generalisierung der von Alfred Scharwath aufgestellten – für dessen Untersuchungsjahr 1902 wohl auch zutreffenden – These von einer aus seiner 75 76 77
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Vgl. Scharwath, Eine staatliche „Nachweisung“, S. 338f. u. S. 345. Reichert, Das Trierer Priesterseminar im Kulturkampf, S. 65. Die inkriminierte Rede hielt Schrod am 1.12.1872 in Ehrang bei Trier. Vgl. Bericht über „das Verhalten der Lehrer am hiesigen Priesterseminar“ v. 11.8.1873, abgedruckt bei Reichert, Das Trierer Priesterseminar im Kulturkampf, S. 75–79, hier S. 77. So Schell, S. 12. Auf den Bericht des Oberbürgermeisters v. 9.3.1874 verweist Scharwath, Eine staatliche „Nachweisung“, S. 339, Anm. 29, ohne jedoch daraus einen konkreten Schluss zu ziehen.
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Konfession abzuleitenden Kirchennähe von Carl de Nys, der „soweit ihm das als katholischer Staatsbeamter möglich war, jede negative Kritik an … Geistlichen vermieden“80 habe. Diese These lässt sich anlässlich einer neuerlichen Charakterisierung Schrods 1898 durchaus verifizieren. Wieder einmal sollten für höhere Regierungsstellen die für ein Bischofsamt geeigneten Kandidaten zusammengestellt werden, wobei es um eine konkrete Anfrage des badischen Ministeriums aus Karlsruhe ging, ob Schrod nicht für den vakanten Freiburger Erzbischofssitz in Frage käme81. In diesem Zusammenhang plädierte der Oberbürgermeister dezidiert für Weihbischof Schrod82 und erregte dadurch den entschiedenen Widerspruch des Regierungspräsidenten von Heppe. Letzterer zog die beiden regierungsfreundlichen Domherren Franz Jakob Scheuffgen83 und Johann Christian Lager84 ins Vertrauen. Dabei stellte sich heraus, dass Schrod keineswegs aus rein seelsorglichen Erwägungen während des Kulturkampfes in Belgien geweilt hatte, sondern von dort aus die Vermögensverwaltung des Priesterseminars in Trier geleitet hatte. Wenn auch von Heppe dem Weihbischof bei dieser Gelegenheit attestierte, ein „frommer, überzeugungstreuer Katholik“85 zu sein, der „still und zurückgezogen“ lebe und seiner Tätigkeit durch Firm- und Visitationsreisen gewissenhaft nachkomme, so hielt er ihn als Diözesanbischof dennoch für vollkommen ungeeignet, weil es ihm „abgesehen von seiner kirchenpolitischen Richtung an jeder Selbständigkeit des Geistes und an jener Vornehmheit des Auftretens, die man von einem Bischof verlangen muss“, fehle. Scheuffgen und Lager hatten ihre Denunziation natürlich subtil angelegt, wenn sie die mangelnde Gewandtheit Schrods als Hauptkriterium anlegten. Aber allein die Tatsache, dass der Regierungspräsident die Argumentation der Gegner des Weihbischofs vollständig für seinen Bericht übernahm, gibt ein beredtes Zeugnis von der Konkurrenz zwischen dem katholischen Stadtoberhaupt und dem protestantischen Regierungspräsidenten. Der Oberpräsident hielt sich etwas zurück, wenn er nach Karlsruhe meldete, Weihbischof Schrod sei ein treuer und gewissenhafter Kleriker, allerdings ein Anhänger der Zentrumspartei, der in der Linie seines Bischofs Korum stehe, mit dem Unterschied allerdings, dass er nicht agitatorisch tätig sei86.
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Scharwath, Eine staatliche „Nachweisung“, S. 344. Vgl. badisches Ministerium an Nasse v. 7.6.1898, in: LHA Koblenz, Best. 403, 15843. Vgl. auch das Kapitel Freiburg in diesem Band. De Nys an v. Heppe v. 8.12.1897, in: Stadtarchiv Trier. Vgl. zu Scheuffgen das Kap. Metz in diesem Band. Vgl. zu Lager (1838–1927), Dr. theol., geweiht 1863, 1887 Domkapitular in Trier: Scharwath, Eine staatliche „Nachweisung“, S. 340f.; u. Trierer Biographisches Lexikon, S. 246; sowie Brandt/Häger, Biographisches Lexikon der katholischen Militärseelsorge, S. 456. Heppe an Nasse v. 11.1.1898, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 15843. Hier auch die folg. Zit. Vgl. Nasse an Badisches Staatsministerium v. 13.6.1898, ebd.
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Auch in der Nachfolgefrage des 1899 verstorbenen Metzer Bischofs Franz Ludwig Fleck spielte Schrod anfänglich zeitweise eine Rolle. Ausgelöst wurden die Spekulationen um seine Person wohl dadurch, dass er als des Französischen mächtiger Weihbischof der Nachbardiözese während der zwei Jahre dauernden Sedisvakanz mehrfach Firmreisen im Bistum Metz unternahm87.
Weihbischofsernennung 1915 Noch 1915, als Bischof Korum nach dem am Karfreitag, 10. April 1914 erfolgten Tod von Weihbischof Schrod88 über Nuntius Frühwirth in Rom den Pfarrer von Neunkirchen/Saar, Antonius Mönch89, als neuen Weihbischof erbat, musste es ein gewichtiges Argument darstellen, dass der neue Hilfsbischof zugleich die vakante Dignität des Domdekans zuerkannt bekommen sollte, „um leben zu können“90. Es mag an den besonderen Umständen des Kriegszustandes gelegen haben, aber selbst die Tatsache, dass Mönch, der 1870 als zweitjüngstes von acht Kindern einer Lehrerfamilie in Niederholzweiler/Kreis Ahrweiler geboren wurde, sein Studium als Alumne des Collegium Germanicum an der Gregoriana in Rom absolviert hatte, dort 1897 zum Priester geweiht worden war und mit dem üblichen zweifachen römischen Doktor in die Heimat zurückgekehrt war, rief diesmal keinerlei Bedenken der staatlichen Behörden hervor. Überhaupt informierte nun Bischof Korum selbst die staatlichen Behörden, und zwar erst knapp zwei Monate, nachdem Papst Benedikt XV. Mönch am 1. Juli 1915 zum Titularbischof von Polystylus in Thrakien und Weihbischof in Trier ernannt hatte91. Der vom Oberpräsidenten befragte Regierungspräsident Constanz von Baltz92 hatte daraufhin Mönch als „eine sehr gewandte Persönlichkeit“ bezeichnet, die während ihrer seelsorglichen Tätigkeit „jede Reibung mit den anderen Konfessionen vermieden und sich auch stets mit den weltlichen Behörden gut zu stellen gesucht [habe], so dass er allgemein sehr hoch geschätzt worden ist“93. Wie gering das Interesse an der Personalie in Koblenz selbst war, belegt der 87 88
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Vgl. Seibrich, Weihbischöfe, S. 227; u. das Kap. Metz in diesem Band. Schrod hatte bereits seit 1913 aus Gesundheitsgründen keine Firmreisen mehr unternehmen können. Vgl. Schell, Schrod, S. 19. Zu Mönch (1870–1935) vgl. Gatz, Mönch; Persch, Mönch; u. Trierer Biographisches Lexikon, S. 301. Korum an Frühwirth v. 21.4.1915, in: ASV ANM busta 265. Vgl. zur Domkapitularsernennung allgemein auch Persch, Mönch, S. 113. Korum an Rheinbaben v. 27.8.1915, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 16026. Zu v. Baltz (1854–1918), 1908–1918 Regierungspräsident in Trier, vgl. Romeyk, Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten, S. 341f.; u. Trierer Biographisches Lexikon, S. 13. Baltz an Rheinbaben v. 2.9.1915, ebd.
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Kommentar des Oberpräsidenten, ihm selbst sei Mönch unbekannt94. Ohnehin meldete er seine Erkenntnisse erst zwei Tage vor der am 21. September 1915 im Trierer Dom erfolgten Bischofsweihe von Antonius Mönch. „Durchleuchtet“ wurde der Weihbischofskandidat angesichts des noch immer herrschenden Gewerkschaftsstreits, in dem ja sein Bischof Michael Felix Korum als Kopf der konservativen Berlin-Trierer Richtung eine exponierte Stellung einnahm95, in erster Linie von kirchlichen Stellen. So bescheinigte ihm der von Frühwirth ins Vertrauen gezogene Jesuitenpater Krose, dass Mönch „ein musterhafter, sehr seeleneifriger Priester ist, und dass er zwar sehr entschieden auf dem Standpunkt der „Berliner“ [also der Berliner Richtung im Gewerkschaftsstreit. Anm. d. Verf.] steht, aber in den traurigen Streitigkeiten doch keine schroffe Stellung eingenommen hat, die für seine amtliche Tätigkeit hinderlich sein würde“96. Dass Mönch in späterer nationalsozialistischer Diktion Halbjude war, weil seine Mutter als Jugendliche zur katholischen Kirche konvertiert war97, spielte zu diesem Zeitpunkt keine Rolle, ja wurde in den damaligen Lebensläufen Mönchs weder von kirchlicher noch von staatlicher Seite einer Erwähnung für nötig befunden.
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Vgl. Rheinbaben an Kultusministerium v. 19.9.1915, ebd. Vgl. Embach, Korum, S. 161–165. Krose an Frühwirth v. 1.5.1915, in: ASV ANM busta 265. Vgl. Persch, Mönch, S. 105.
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as norddeutsche Bistum Hildesheim war vor allem durch seine Diasporasituation gekennzeichnet. Wer hier den Bischofsstuhl bestieg, musste nicht nur mit kleinen Katholikenzahlen auf großer Fläche zurechtkommen, sondern geriet auch zwangsläufig in näheren Kontakt mit der protestantischen Mehrheitskonfession. Für den östlich der Weser gelegenen Teil des Königreichs Hannover war die in das 9. Jahrhundert zurückreichende Diözese 1824 durch die Bulle „Impensa Romanorum Pontificum“ neu umschrieben worden. 10 Jahre später war ihr darüber hinaus das Territorium des Herzogtums Braunschweig angegliedert worden. Auf einer Fläche von 32.000 qkm lebten zwischen Blumenthal und Nienburg im Westen, Helmstedt im Osten sowie Harburg im Norden und Hannoversch Münden im Süden um 1900 rund 160.000 Katholiken, weniger als 10 % der Gesamtbevölkerung, die in 105 Pfarreien und 30 weiteren Seelsorgebezirken von 207 Diözesan- und neun Ordenspriestern betreut wurden1. Seine Bedeutung zog das Bistum also in erster Linie aus seiner immensen Fläche, nicht hingegen aus der Katholikenzahl, wonach es zu den kleinsten deutschen Diözesen gehörte. 1828 war das siebenköpfige Domkapitel, das aus dem Domdekan als Dignität und sechs Domkapitularen besteht, wieder errichtet worden 2. Während der Zugehörigkeit zum Königreich Hannover (bis 1866) war das Staat-Kirche-Verhältnis zum einen durch eine rechtliche Gleichstellung von Katholiken und protestantischer Mehrheitskonfession gekennzeichnet. Zum anderen tangierte die staatlicherseits beanspruchte Kirchenhoheit aber auch den Entfaltungsraum der katholischen Kirche nicht unerheblich3. Auf den ersten Blick erstaunlich erscheint es, dass nach dem Übergang an Preußen hier ebenso wie im zweiten bisher hannoverschen Bistum Osnabrück der Konfl ikt zwischen Bischof und Regierung im Kulturkampf nicht in der Absetzung der Bischöfe eskalierte. Der seit 1871 amtierende Bischof Daniel Wilhelm Sommerwerck (genannt Jacobi)4 spielte „eine singuläre Rolle unter dem Episkopat“5. Er verstand es, einen konzilianten Kurs gegenüber dem Staat zu führen, der maßgeblich auch von seinem Generalvikar Georg Kopp bestimmt wurde. Kopp 1
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Zu den Zahlen vgl. Aschoff, Hildesheim, in: Gatz, Die Bistümer und ihre Pfarreien, S. 368–378, hier S. 378. Vgl. Gatz, Bischöfliche Einheitsfront im Kulturkampf?, in: HJb, Bd. 92 (1972), S. 391– 403, hier S. 393. Vgl. hierzu ausführlich Aschoff, Das Verhältnis von Staat und katholischer Kirche im Königreich Hannover; u. Ders., Der Kulturkampf in der Provinz Hannover, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte, Bd. 115 (1979), S. 15–67. Zu Sommerwerck, der nach seinem Stiefvater auch den Namen Jacobi führte, vgl. Aschoff, Sommerwerck, in: Gatz, Bischöfe, S. 712–714. Gatz, Bischöfliche Einheitsfront im Kulturkampf?, in: HJb, Bd. 92 (1972), S. 392.
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legte durch sein Auftreten in Hildesheim den Grundstein für seine spätere Karriere als Bischof von Fulda, vor allem aber als Fürstbischof von Breslau und Vorsitzender der Fuldaer Bischofskonferenz. Ihm gehörte nicht nur die besondere Gunst des Staates, sondern er sollte seine exponierte Stellung an der Spitze des deutschen Episkopates in der Folge auch nutzen, um auf die Personalpolitik in seiner Heimatdiözese Einfluss zu nehmen. Sommerwerck, der erst am 18. Dezember 1905 im 85. Lebensjahr starb, blieb auch über den Kulturkampf hinaus ein dezidiert staatsloyaler Bischof, was die preußische Regierung einerseits durch Verleihung des Königlichen Kronenordens I. Klasse, andererseits aber auch durch die Berufung in das Preußische Herrenhaus anerkannte. Gemäß den in „Impensa Romanorum Pontificum“ getroffenen Regeln hatte das Domkapitel bei Eintritt einer Sedisvakanz auf dem bischöfl ichen Stuhl – wie auch in Preußen – eine Liste bei der Regierung einzureichen, von der staatlicherseits allerdings ausdrücklich nur so viele Personen beanstandet werden konnten, dass eine wirkliche Wahl auch möglich blieb. Konkret war dies natürlich Auslegungssache, aber bedeutete schon, dass mindestens zwei, wenn nicht drei Kandidaten zur Wahl stehen sollten.
Bischofswahl 1905/1906 Am 19. Dezember 1905, einen Tag nach dem Tod des langjährigen Bischofs Sommerwerck, wählte das Kapitel den bisherigen Generalvikar und Domkapitular Adolf Bertram zum Kapitularvikar 7. Bei den Staatsbehörden in Hannover und Berlin erregte der neue Kapitularvikar dadurch eine gewisse Verwunderung, dass er zwar seine Wahl beim Oberpräsidenten in Hannover, Richard Wentzel8, anzeigte, entgegen den in Preußen bisher üblichen Gepflogenheiten jedoch nicht expressis verbis um Dispens von dem seit der Kulturkampfgesetzgebung vorgeschriebenen Eid für Kapitularvikare ersuchte9. Wenn Oberpräsident Wentzel dem Kultusminister nahe legte, die Anzeige Bertrams einfach als Dispensantrag anzusehen und von Weiterungen abzusehen, spielte dabei eine Sympathie für den Kapitularvikar möglicherweise 6
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Zu den Bischofswahlen in Hildesheim vgl. bisher einen Aufsatz von Aschoff, Die Hildesheimer Bischofswahlen, in: Die Diözese Hildesheim in Vergangenheit und Gegenwart, Bd. 48 (1980), S. 65–82; sowie zur Bischofswahl 1905/06 das entsprechende Kap. bei Hinkel, Bertram, S. 54–59. Vgl. Domkapitel Hildesheim an Wentzel v. 19.12.1905, in: NHStA Hannover, OP Hann 122a, Nr. 3754. Vgl. auch Aschoff, Adolf Bertram als Generalvikar und Bischof von Hildesheim. Zu Wentzel (1850–1916), 1902–1914 Oberpräsident in Hannover, vgl. Barmeyer, Die hannoverschen Oberpräsidenten, in: Schwabe (Hrsg.), Die preußischen Oberpräsidenten, S. 137–181, hier S. 160–162. Vgl. Bertram an Wentzel v. 26.12.1905, in: NHStA Hannover, OP Hann 122a, Nr. 3754.
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bereits eine Rolle10. Wentzel verschwieg gleichwohl nicht, dass Adolf Bertram von seinem Vorgänger Rudolf von Bennigsen11 1893 sowohl als Domvikars- als auch als Domkapitelskandidat zur persona minus grata erklärt worden war, führte aber gleichzeitig an, dass er ein Jahr darauf, 1894, wegen seiner Zurückhaltung in politischen Fragen staatlicherseits akzeptiert worden sei. Darüber hinaus war Wentzel am Vorabend der Beisetzung von Bischof Sommerwerck von Kardinal Kopp, den er hinsichtlich eines Nachfolgers konsultiert hatte, bereits auf Bertram als aussichtsreichsten Kandidaten eingeschworen worden12. Letzterer sei nicht nur die rechte Hand des verstorbenen Bischofs gewesen, sondern von diesem auch als Koadjutor vorgesehen gewesen13. Offenbar um gleich mit offenen Karten zu spielen, hatte der Kardinal den Oberpräsidenten auch auf Bertrams Sprachbehinderung hingewiesen, die er als „kleine nervöse Störung“14 abgetan hatte. Fürstbischof Kopp hatte neben Bertram aber auch auf die Domkapitulare Steinmann und Krebs als weitere episkopable Kandidaten aufmerksam gemacht. Aber der Hildesheimer Regierungspräsident „nahm nach der mündlichen Stellungnahme des Kardinals Kopp an, dass der Domkapitular Bertram gewählt werden wird, da ich nach meiner Kenntnis der Verhältnisse den Koppschen Einfluss im Domkapitel für ausschlaggebend halte“. Ebenso wie der Oberpräsident hatte auch er, der aus direkter Kenntnis der Situation vor Ort urteilen konnte, nichts gegen Bertram als künftigen Bischof einzuwenden. Gleichzeitig ließ er aber auch deutlich spüren, dass ihm eine Wahl des Domkapitulars Krebs zum Bischof noch angenehmer wäre. Den einige Jahre zuvor im Rahmen der regelmäßigen Namhaftmachungen für höhere Stellen geeigneter Geistlicher von ihm genannten Propst von Duderstadt, Rudolf Bank15, brachte er hingegen nicht in Vorschlag. Wie stark der Oberpräsident aber schon auf Bertram fi xiert war, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass er seine Ernennung zum staatlichen Wahlkommissar am 8. Januar 190616 umgehend dazu benutzte, Bertram seinen Besuch zwecks Vorbereitung der Wahl anzukündigen. Als letzterer sich verwundert zeigte, weshalb gerade er und nicht – wie in solchen Fällen denkbar – der qua Amt mit der Wahlvorbereitung betraute Domdechant Heinrich 10 11
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Vgl. Wentzel an Studt v. 2.1.1906, ebd. Zu Bennigsen (1824–1902), 1888–1897 Oberpräsident von Hannover, vgl. Barmeyer, Die hannoverschen Oberpräsidenten, in: Schwabe (Hrsg.), Die preußischen Oberpräsidenten, hier S. 152–156. Vgl. Aktennotiz des Regierungsrates Nobiling v. 8.1.1906, in: NHStA Hannover, OP Hann 122a, Nr. 3754. Vgl. ebd. Regierungspräsident Hildesheim an Oberpräsident von Hannover v. 28.12.1897, in: NHStA Hannover, OP Hann 122a, Nr. 3699. Zu Bank, geb. 1853, geweiht 1876, seit 1893 Propst in Duderstadt, vgl. Regierungspräsident Hildesheim an Oberpräsident v. 28.12.1897, in: NHStA Hannover, OP Hann 122a, Nr. 3699. Vgl. Wentzel an Domkapitel v. 8.1.1906, in: BA Hildesheim Domkapitel 57.
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Heise17 aufgesucht werden sollte, machte der Oberpräsident schlicht beiden seine Aufwartung. Immerhin wollte Wentzel aus diesen beiden Besuchen die Zusicherung mitgenommen haben, dass ausschließlich Mitglieder des Hildesheimer Kapitels und damit weder andere Geistliche des Bistums noch auswärtige Priester als Kandidaten aufgestellt würden18. Staatlicherseits wurde diese Nachricht schon deshalb mit Beruhigung aufgenommen, weil die Hildesheimer Domherren cum grano salis in den regelmäßigen staatlichen Charakteristika als staatsloyal bis unpolitisch bewertet worden waren19. Da Kopp sich stark für Bertram eingesetzt habe, hege er keinen Zweifel daran, dass dieser auch gewählt würde, zumal er glaube, dass „Bertram die Bedenken, welche er selbst gegen seine Kandidatur wohl gehabt hat, im entscheidenden Augenblick nicht aufrecht erhalten wird“, ließ Wentzel den Kultusminister in Berlin wissen. In einem Postskriptum fügte er dann sichtlich zufrieden an, dass Kopp ihm gerade mitgeteilt habe, Bertram habe seine Bedenken fallen gelassen und die Domherren würden wirklich nur Kandidaten aus eigenen Reihen aufstellen. Daraus lässt sich schließen, dass der Breslauer Fürstbischof in der Bischofswahlangelegenheit seine Autorität beim Kapitel geltend gemacht hatte und vor allem auch Kapitularvikar Bertram nachdrücklich ermuntert hatte, die Wahl anzunehmen, falls sie auf ihn fallen sollte20. In der Realität sollte es dann allerdings ein wenig anders kommen als Heise und Bertram, aber auch Kopp dem Oberpräsidenten versichert hatten. Als die am 7. Januar 1906 von Domdechant Heise benachrichtigten Kapitelsmitglieder am 11. Januar zu ihrer entscheidenden Sitzung zusammentraten21, beschloss die Mehrheit vorab, sechs Listenplätze zu vergeben. Da von den sieben anwesenden Kapitelsmitgliedern jedoch zwei, nämlich Domdechant Heise und der Domkapitular Otto Wieker22, aus Altersgründen – beide standen bereits im 72. Lebensjahr – um Nichtberücksichtigung baten, war es zwangsläufig die Folge, dass einer der Kandidaten von außerhalb genommen werden musste. Im Übrigen machten die Domherren keinen Hehl daraus, dass sie Bertram favorisierten, setzten sie ihn doch an die erste Stelle der nicht alphabetisch geordneten Liste23. Nach Bertram kam Domkapitular Friedrich Christoph Beelte gefolgt von seinen Kapitelskollegen Conrad Steinmann, 17
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Zu Heise (1834–1915), der seit 1887 Domherr war u. 1905 die Dignität des Domdechanten übernahm, vgl. Aschoff, Die Hildesheimer Bischofswahlen, S. 80, Anm. 9. Vgl. Wentzel an Studt v. 10.1.1906, in: NHStA Hannover, OP Hann 122a, Nr. 3754. Hier auch das folg. Zit. Vgl. ebd., Listen der für höhere Aufgaben geeigneten Geistlichen. Diese durchaus schlüssige These, für die aber ein Nachweis in den Akten fehlt, vertritt Aschoff, Die Hildesheimer Bischofswahlen, S. 69. Vgl. Domdechant an Domkapitel v. 7.1.1906, in: BA Hildesheim Domkapitel 57. Zu Wieker (1834–1925), der seit 1899 Domherr in Hildesheim war, vgl. Aschoff, Die Hildesheimer Bischofswahlen, S. 80, Anm. 13. Vgl. Wahlliste v. 11.1.1906, in: BA Hildesheim Domkapitel 57, u. in: NHStA Hannover, OP Hann 122a, Nr. 3754.
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Bernhard Krebs und Joseph Graen. Auf dem letzten Platz nominierten die Kapitelsmitglieder dann den Pfarrer von St. Clemens in Hannover, Wilhelm Schreiber. Neben letzterem als verdientem Pfarrseelsorger in einer Diasporagroßstadt standen also mehrere bischöfl iche Verwaltungsbeamte mit mehr oder weniger starken pastoralen Vorerfahrungen, ein geistlicher Gymnasialdirektor sowie ein zumindest nebenamtlich als Schulrat wirkender Geistlicher zur Wahl.
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dolf Bertram 24 war 1859 in Hildesheim als Sohn eines gelernten Webers, der als Kaufmann in der Bischofsstadt ein Bettengeschäft bzw. einen Tuchladen betrieb, geboren worden, wo er mit vier Geschwistern aufwuchs. Von klein auf war er durch einen Sprachfehler behindert. Nach dem am Gymnasium Josephinum in seiner Heimatstadt abgelegten Abitur – zu seinen dortigen Lehrern zählte auch sein nunmehriger Mitbewerber um den Bischofsstuhl Friedrich Christoph Beelte, der Bertrams Firmpate war,25 – absolvierte Bertram sein Theologiestudium wegen des Kulturkampfes in Würzburg, wo er 1881 auch die Priesterweihe erhielt. Dass er zunächst nicht wie beabsichtigt in Kirchenrecht promovierte, lag am Einfluss seines Würzburger Kirchengeschichtsdozenten, des späteren Kurienkardinals Joseph Hergenröther, der ihn für die Kirchengeschichte begeistert hatte. Nach der 1882 – Bertram hatte sich zwischenzeitlich auch in Innsbruck aufgehalten – in Würzburg abgeschlossenen theologischen Dissertation mit einer Arbeit über die christologischen Anschauungen des ostkirchlichen Lehrers und Bischofs Theodoret von Cyros26 wechselte er aber dennoch an das Theologenkonvikt der Anima in Rom und promovierte an der juristischen Fakultät der Gregoriana in kürzester Frist in Kirchenrecht27. 1884 in sein Heimatbistum zurückgekehrt, wurde Bertram nicht in der Pfarrseelsorge eingesetzt, sondern als „Hilfsarbeiter“ im Generalvikariat eingestellt. 1889 erhielt er den Rang eines Assessors, sieben Jahre darauf den eines Generalvikariatsrates. Zudem fungierte er seit 1886 als Dombibliothekar28. Dass er mit diesen Aufgaben 24
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Zu Bertram vgl. Stasiewski, Bertram, in: Gatz, Bischöfe, S. 43–47, Aschoff, Adolf Bertram als Generalvikar und Bischof, in: Die Diözese Hildesheim in Vergangenheit und Gegenwart, Bd. 52 (1984), S. 116–130; Scharf-Wrede, Adolf Bertram in seiner Hildesheimer Zeit, in: ASKG, Bd. 54 (1996), S. 235–265; u. jetzt Hinkel, Bertram. Vgl. Scharf-Wrede, Adolf Bertram in seiner Hildesheimer Zeit, S. 238. Vgl. Adolf Bertram, Theodoreti, episcopi Cyrensis, doctrina christologica, quam ex eius operibus composuit, Rom 1883. Vgl. hierzu Siegmund, Adolf Kardinal Bertram und die Wissenschaft, in: Kaps (Hrsg.), Erinnerungen an Adolf Kardinal Bertram, S. 35–45, hier S. 36. Vgl. Gatz, Rom als Studienplatz deutscher Kleriker, in: RQ, Bd. 86 (1991), S. 160–201, hier S. 183; u. ausführlicher Scharf-Wrede, Adolf Bertram in seiner Hildesheimer Zeit, S. 240f. Vgl. Scharf-Wrede, Dr. Adolf Bertram. Bibliothekar und Archivar, in: ASKG, Bd. 63 (2005), S. 93–103.
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nicht ausgefüllt war, zeigt sich daran, dass Bertram noch gleichsam nebenher eine Fülle wissenschaftlicher Publikationen vorlegte, von denen eine mehrbändige „Geschichte des Bistums Hildesheim“ die wohl bedeutendste ist29. Eine schon 1887 geplante Ernennung zum Domvikar wurde staatlicherseits mit der Begründung abgelehnt, dass Bertram das hierfür notwendige 30. Lebensjahr noch nicht vollendet habe30. Als Bischof Sommerwerck ihn – wie bereits erwähnt – 1893 erneut für eine vakante Domvikarie, bald darauf aber auch für eine Domherrenstelle bei der Regierung in Vorschlag brachte, wurde Bertram von Wilhelm II. als einziger abgelehnt, weil er in dem Verdacht der Nähe zur Welfenpartei stehe31. An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass seit der Annexion Hannovers durch Preußen die auf eine Wiedererrichtung Hannovers als selbständiger Staat ausgerichtete Welfenpartei mit dem Zentrum in der antipreußischen Politik solidarisch war, dass also hier ein gemeinsamer Gegner trotz konfessioneller Unterschiede zusammenschweißte. Dass sowohl der Hildesheimer Regierungspräsident Hugo Schultz als auch der hannoversche Oberpräsident von Bennigsen entsprechende Gerüchte entschieden zurückgewiesen und sich für Bertram ausgesprochen hatten, fruchtete in diesem Fall nicht. Der Breslauer Kardinal Kopp soll daraufhin eigens in Berlin gegen diese Entscheidung protestiert haben32. Als Bischof Sommerwerck jedenfalls bald darauf erneut eine Domvikarie zu besetzen hatte, fand Bertram umgehend auch das Plazet in Berlin. Offenbar hatte man im Kultusministerium kein Verdachtsmoment gegen den umtriebigen Generalvikariatsassessor erhärten können. Außerdem wollte man den staatstreuen Bischof nicht enttäuschen33. Für Adolf Bertram bedeutete dies das Entrebillet zu einer im Folgejahr zur Neubesetzung anstehenden Domherrenstelle, die ihm am 9. Dezember 1894 zuerkannt wurde. Obgleich er in einer staatlichen Charakterisierung 1905 als „an der Rede gehindert“ gekennzeichnet wurde, war Bertram mittlerweile längst zur bestimmenden Figur in der Hildesheimer Bistumsleitung aufgestiegen. Sowohl Alter und Krankheit des Bischofs als auch des Generalvikars Friedrich Hugo34 wiesen ihm eine große Machtfülle zu. Dass er nach dem Tod Hugos im März 1905 Generalvikar wurde, stellte insofern keine Überraschung dar. 29
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Vgl. Luber, Schrifttum, in: Stasiewski (Hrsg.), Adolf Kardinal Bertram, Teil 2, S. 1–87; sowie Siegmund, Adolf Kardinal Bertram und die Wissenschaft. Von der Bistumsgeschichte Bertrams erschien der 1. Band 1899, der 2. u. der 3. Band erst in seiner Breslauer Zeit 1916 bzw. 1925. Vgl. Scharf-Wrede, Adolf Bertram in seiner Hildesheimer Zeit, S. 247. Vgl. Wilhelm II. an Bosse v. 27.3.1893, Abschrift, in: BA Hildesheim B 5259, zit. nach Schreiber, Deutschland und Österreich, S. 126. So weiß Schreiber, Deutschland und Österreich, S. 126, zu berichten. Vgl. Aschoff, Adolf Bertram als Generalvikar und Bischof von Hildesheim, S. 22. Zu Hugo (1827–1905), seit 1889 Generalvikar in Hildesheim, vgl. Aschoff, Hugo, in: Gatz, Bischöfe, S. 335.
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Bertram konnte sich inzwischen zudem der Gunst Wilhelms II. sicher sein, seit er den Monarchen und seine Gattin anlässlich eines Besuches in Hildesheim im Oktober 1900 durch den Dom und seine Kunstschätze geführt hatte. In dankbarer Erinnerung an diese ihn offensichtlich nachdrücklich beeindruckende Begegnung hatte der Kaiser Bertram den Roten Adlerorden IV. Klasse verliehen35.
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riedrich Christoph Beelte36 wurde 1839 in Groß Düngen bei Hildesheim geboren und verbrachte Schulzeit und Studium in der Bischofsstadt. Nach der 1863 dort empfangenen Priesterweihe wirkte er Jahrzehnte lang am Gymnasium Josephinum, zunächst als Religionslehrer und nach einem in Göttingen absolvierten Zusatzstudium ab 1871 als Gymnasiallehrer. 1888 zum Oberlehrer und fünf Jahre darauf zum Professor ernannt, amtierte Beelte seit 1895 als dessen Direktor. Schon 1893 zum Domvikar ernannt, erhielt der geistliche Schulmann, der Generationen von katholischen Schülern geprägt hatte, drei Jahre später ein Kanonikat am Dom.
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onrad Steinmann37, geboren 1852 in Harsum im Stift Hildesheim, hatte 1875 die Priesterweihe erhalten und, wie in der Kulturkampfzeit üblich, zunächst nur im Ausland Anstellung gefunden, und zwar als Kaplan und Privatlehrer in Belgien. 1890 konnte er in seine Heimat zurückkehren, wurde zunächst Pastor in Ruthe, dann in Groß Förste und 1903 Domkapitular sowie Generalvikariatsrat.
B
ernhard Krebs38 wurde 1845 in Duderstadt im Untereichsfeld geboren und besuchte dort Bürgerschule und Progymnasium, bevor er auf das Josephinum in Hildesheim wechselte. Über das dort 1864 abgelegte Abitur und das Studium an der dortigen theologischen Fakultät erhielt er 1868 in Hildesheim die Priesterweihe. Nach Kaplansjahren in Hannover, Stade und Harburg gelangte er 1886 als Pfarrer nach Goslar und fünf Jahre darauf nach Hildesheim St. Godehard. 1898 wurde er zugleich zum Schulrat bei der Regierung ernannt, was er sicherlich seiner 1902 im Rahmen einer Aufstellung für höhere Ämter geeigneter Geistlicher vermerkten patriotischen Gesinnung zu verdanken hatte. Darüber hinaus wurde ihm staatlicherseits „praktisches
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Der Kaiserbesuch in Hildesheim fand am 31.10.1900 statt. Vgl. Hildesheimische Zeitung v. 27.5.1914. Zu Beelte, der 1911 starb, vgl. Gerlach/Seeland, Josephinum, Bd. 1, S. 204–209. Zu Steinmann, der 1916 Domdechant wurde, 1925 die höchste Prälatenwürde eines Apostolischen Protonotars erhielt u. 1929 starb, vgl. Aschoff, Die Hildesheimer Bischofswahlen, S. 80, Anm. 30. Zu Krebs, der 1919 starb, vgl. das Curriculum vitae, in: NHStA Hannover, OP Hann 122a , u. Aschoff, Die Hildesheimer Bischofswahlen, S. 80, Anm. 31.
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Geschick und feiner Takt“39 bescheinigt. Und bei der Charakterisierung 1905 hieß es sogar, dass er aus „vollem Verständnis für die staatlichen Interessen der Schulverwaltung“40 handeln würde, weshalb es den Behörden auch leicht fiel, seiner im selben Jahr noch von Bischof Sommerwerck betriebenen Aufnahme ins Domkapitel zuzustimmen.
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oseph Graen 41 war 1843 in Hildesheim zur Welt gekommen, hatte dort das Abitur abgelegt und die Fakultät besucht. Nach der 1866 empfangenen Priesterweihe hatte er eine gewöhnliche Seelsorgelaufbahn vorzuweisen. Er war Kaplan in Duderstadt und Dingelbe, Pfarrer in Hönnersum und seit 1886 an Heilig Kreuz in Hildesheim gewesen, bevor er 1905 in das Domkapitel aufgenommen wurde.
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ilhelm Schreiber42 war 1848 als Sohn einer kleinbürgerlichen Familie in Hildesheim geboren worden. Nach der 1870 in seiner Geburtsstadt erhaltenen Priesterweihe hatte er als Kaplan in der Diaspora der Provinzhauptstadt Hannover begonnen, wo Schreiber 1882 die Pfarrverwaltung übernahm und zwei Jahre später Pfarrer wurde. Als die St.-Clemens-Kirche 1894 zur Propstei erhoben wurde, erhielt er den Rang eines Propstes und bekleidete seit dem Folgejahr auch das Amt eines Dechanten. In einer Charakterisierung für höhere Stellen geeigneter Geistlicher hatte der Oberpräsident auf Empfehlung des Regierungspräsidenten 1898 geschrieben, dass Schreiber in den langen Jahren in Hannover sehr tatkräftig den Bau neuer katholischer Kirchen gefördert hätte und überdies bei den Gläubigen sehr beliebt sei. Der Regierungspräsident in Hannover hatte ihn 1898 anlässlich der turnusmäßigen Erhebung für höhere Stellen geeigneter Geistlicher zwar als einzigen geeigneten Kandidaten seines Regierungsbezirks genannt 43. Seine Vereinsarbeit im Gesellenverein (Kolping) wurde bei dieser Gelegenheit als Kampf gegen den Sozialismus interpretiert. Jedoch war zugleich deutliche Kritik daran geübt worden, dass Schreiber ein „Ärgernis“ für die lutherische Geistlichkeit bereitet habe, indem er ein aus einer Mischehe hervorgegangenes Kind katholisch getauft habe. Bereits einige Jahre zuvor war er gegenüber dem Kultusministerium als dezidierter Ultramontaner abqualifi ziert worden 44. Andererseits war Schreiber, den 39
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Charakterisierung für höhere Stellen geeigneter Geistlicher durch den Regierungspräsidenten von Hildesheim v. 28.7.1902, in: NHStA Hannover, OP Hann 122a, Nr. 3669. Charakterisierung v. 8.3.1905, ebd. Zu Graen vgl. Aschoff, Die Hildesheimer Bischofswahlen, S. 80, Anm. 37. Zu Schreiber vgl. Aschoff, Um des Menschen willen, S. 76f. Charakterisierung für höhere Stellen geeigneter Geistlicher durch den Regierungspräsidenten von Hildesheim v. 1898, in: NHStA Hannover, OP Hann 122a, Nr. 3669. Hier auch das folg. Zit. Vgl. Bennigsen an Kultusminister v. 11.5.1894, zit. nach ebd., S. 77.
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Hans-Georg Aschoff „ohne Zweifel zu den herausragendsten Geistlichen der Stadt Hannover“45 zählt, schon zweimal als Domkapitelskandidat nominiert worden, ohne zwar zum Zuge zu kommen, jedoch auch ohne staatlich beanstandet zu werden. Dass das Erstaunen des Oberpräsidenten über die sechste Listenposition groß war, lässt sich vorstellen. Das Konzept für seinen Bericht an Kultusminister Konrad Studt lässt erkennen, dass er eben verabredungsgemäß nur Domherren auf der Liste vorzufi nden meinte und daher im Vorfeld über alle sieben Mitglieder des Kapitels ausführliche Informationen eingeholt hatte46. Heise und Wieker musste er durchstreichen und eilends beim Hildesheimer Regierungspräsidenten Informationen über den Hannoveraner Propst Schreiber einholen. Obwohl diese nicht eben günstig ausfielen und Wentzel die Vorzüge Bertrams klar und mit ausführlichen Kommentaren herausgehoben hatte, während die übrigen Kandidaten wesentlich knappere Würdigungen erhielten, wies er den Kultusminister dezidiert darauf hin, dass Schreiber beim Kapitel sicherlich eine Chance habe. Nur so wollte er sich diesen Überraschungskandidaten überhaupt erklären. Hinter seiner dezidierten Ablehnung Schreibers steckte aber sicherlich auch die deutliche Enttäuschung über den Wortbruch, dessen „Bauernopfer“ Schreiber sein sollte. So jedenfalls wäre es zu erklären, dass der sich selbst als gemäßigt konservativ einstufende, im Gegensatz zu nahezu allen Kollegen in der herausgehobenen Position eines preußischen Oberpräsidenten aus bürgerlichem Haus stammende Wentzel es auf die Streichung Schreibers von der Liste anlegte. In der Presse kursierten derweil die Namen des Kapitularvikars Bertram und des Braunschweiger Dechanten Karl Grube als Bischofskandidaten 47, ein Beleg dafür, dass über die wirkliche Listenzusammensetzung keine exakten Informationen an die Öffentlichkeit drangen. Kardinal Kopp sah offenbar inzwischen weniger ein Problem darin, dass sein Favorit Adolf Bertram nicht das staatliche Plazet erhalten würde oder aber gar keine Mehrheit im Kapitel erhalten würde, als vielmehr in der vatikanischen Bestätigung. Zumindest legte er Mitte Februar der Kongregation Pro negotiis ecclesiasticis der Kurie überaus ausführlich den „corporalis defectus“48 des Bischofskandidaten dar und bat um Auskunft, ob Bertram trotz seiner Behinderungen akzeptiert würde. Kardinalstaatssekretär Raffaele Merry del Val reagierte zunächst skeptisch und versuchte die Wahl eines 45 46 47 48
Ebd., S. 76. Vgl, Entwurf des Schreiben v. Wentzel an Studt, in: NHStA Hannover, OP Hann 122a, Nr. 3754. Vgl. Hildesheimer Kurier v. 9.3.1906. Kopp an Sacra Congregatio pro negotiis ecclesiasticis v. 17.2.1906, in: ASV AES pos. 1559, fasc. 825.
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gesunden Kandidaten nahezulegen 49. Erst auf Insistieren Kopps hin, wurde dem „laudatus sacerdos Bertram“50 die Fähigkeit zugebilligt, ein Bistum zu leiten. Im Domkapitel selbst hingegen machte man sich ganz offensichtlich keinerlei Gedanken darüber, dass Bertram wegen seiner gesundheitlichen Schwächen nicht akzeptiert werden könnte. Diese Unbeschwertheit vor Ort spricht für die in der neueren Bertram-Rezeption vertretene These, der spätere Bischof sei nicht wegen seines Sprachfehlers von der Pfarrseelsorge ferngehalten worden, wie lange Zeit vermutet, sondern aufgrund seiner kirchenrechtlichen Spezialausbildung, die ihn für eine kirchliche Verwaltungslaufbahn prädestinierte51. Immerhin war er der einzige promovierte Theologe auf der Liste. Die Tatsache, dass man sich bei der Kapitelsitzung auf die Regelung von Formalien für das Wahlprocedere beschränkte, deutete darauf hin. Konkret ging es um die Besetzung der Position eines Apostolischen Notars bei der Wahl, die, wie der Name schon sagt, vom Heiligen Stuhl erfolgen musste. Am 29. März 1906 erhielt das Domkapitel dann vom Oberpräsidenten die Nachricht, dass Wilhelm II. acht Tage zuvor keinen der Kandidaten beanstandet habe52. Ganz offenbar sah man in Berlin angesichts der starken Führungsrolle Bertrams in der Kandidatenriege keine Veranlassung, eines der übrigen Listenmitglieder zu streichen, auch nicht Schreiber, der auf dem letzten Platz gestanden hatte und zudem bisher keinen Grund zur Beanstandung gegeben hatte. Nach Abstimmung mit dem Oberpräsidenten wurde der Wahltag auf den 26. April festgelegt. Am Wahlakt nahmen der Domdechant und alle sechs Domherren teil, wobei fünf Stimmen für den Favoriten Bertram abgegeben wurden und je eine auf die Zweit- bzw. Drittplatzierten Friedrich Christoph Beelte und Conrad Steinmann entfielen. Eine hundertprozentige Unterstützung hatte Bertram also nicht. Noch in den Presseberichten anlässlich seiner Konsekration war von dem Zweifeln und Zögern des Erwählten die Rede, der sich offenbar zunächst zierte, sein Ja zu sagen53. So ganz sicher, wie Kardinal Kopp dem Oberpräsidenten Wentzel versichert hatte, war die Bereitschaft Bertrams zur Übernahme des Bischofsamtes also nun auch nicht. Insgesamt hatte der Breslauer Fürstbischof somit auch geblufft, 49 50
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Vgl. Merry del Val an Kopp v. 3.3.1906, ebd. Sacra Congregatio pro negotiis ecclesiasticis an Kopp v. 10.3.1906, u. Merry del Val an Kopp v. 14.3.1906, ebd. Die These des Verwaltungsfachmanns vertrat auch Thomas-Scharf-Wrede im Gespräch mit dem Verf. am 1.10.2009. Hans-Georg Aschoff hingegen glaubt, dass Bertram wegen seiner Behinderung nicht in der Pastoral eingesetzt wurde. Vgl. Ders., Adolf Bertram als Generalvikar und Bischof von Hildesheim, S. 20f. Vgl. Wentzel an Domkapitel Hildesheim v. 29.3.1906, in: BA Hildesheim Domkapitel 57. Vgl. Hildesheimische Zeitung v. 16.8.1906.
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was sich ja auch an der prophezeiten Wahlliste, die letztlich anders aussah, ablesen lässt. Oberpräsident Wentzel konnte sich dennoch zufrieden zeigen und lobte gegenüber dem Kultusminister in erster Linie den neuerwählten Bischof Bertram, der „in jeder Hinsicht bemüht [gewesen sei], meinen Wünschen entgegenzukommen“54. Mit der Meldung des Wahlergebnisses nach Rom ließ sich Domdechant Heise einige Tage Zeit55, zumal ja Kardinal Kopp dort ohnehin bereits den Weg für Bertram bereitet hatte. Bülow erhielt dann auch sogleich Nachricht von Rotenhan, dass der Papst die Wahl Bertrams umgehend bestätigt habe, weil er sicher gewesen sei, dass er sowohl der Regierung als auch Kopp genehm sei56. Am 12. Juni 1906 erfolgte die Präkonisation durch Papst Pius X.57 Am Folgetag bereits erbat Bertram beim Oberpräsidium die landesherrliche Anerkennung, die ihm am 10. Juli zuteil wurde. Dass Bertram am Hochfest Mariä Himmelfahrt, am 15. August 1906, im Hildesheimer Dom durch Kardinal Kopp die Bischofsweihe erhielt58, erscheint daher nur konsequent, hatte er seinen besonderen Förderer doch kurz zuvor gegenüber Pius X. als jemanden bezeichnet, „quique semper paterna amicitia me prosecutus est“59. Und bei seiner Ansprache zum Festessen nach der Bischofsweihe bezeichnete der neue Bischof den Episkopatsvorsitzenden Kardinal Kopp auch öffentlich als seinen „väterlichen Freund“ und stellte sich damit in den Augen der anwesenden Staatsvertreter dezidiert in die staatsloyale Traditionslinie des in Berlin hoch geschätzten Breslauer Fürstbischofs. Auch folgte er nach anfänglichem Zögern bereitwillig der vorherigen Instruktion durch den Kultusminister, dass nämlich die „Person Seiner Majestät … natürlich nicht nur bei dem Hoch, sondern in der Rede überhaupt an erster Stelle zu erwähnen“60 sei. Dieses Verhalten war nicht nur der sanften Drohung des Referenten des Oberpräsidiums geschuldet, die Staatsvertreter würden anderenfalls der weltlichen Feier fernbleiben. Sie passte vor allem auch in die Gesamtlinie, welche das Domkapitel anlässlich der Konsekrations- und Inthronisationsfeierlichkeiten vorgegeben hatte. Dass nämlich der Oberpräsident ebenso wie bei der Wahl auch bei der Konsekration am Hauptportal des Hildesheimer Doms vom Domkapitel empfangen werden und auf einem hervorgehobenen Ehrensitz im Chorraum Platz nehmen sollte, schien gera54 55
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Wentzel an Bertram v. 1.5.1906, in: NHStA Hannover, OP Hann 122a, Nr. 3754. Vgl. Heise an Merry del Val v. 1.5.1906, in: BA Hildesheim Domkapitel 57. Heise versah dieses Schreiben mit einer Kurzvita Bertrams. Vgl. Rotenhan an Bülow v. 10.5.1906, in: PA AA Preußen 2, Nr. 20, R 4013. Vgl. Urkunde v. Pius X. v. 22.6.1906, in: BA Hildesheim Domkapitel 57. Vgl. Programm der Bischofsweihe 1906, ebd. Bertram an Pius X. v. 7.7.1906, in: BA Hildesheim Bischöfliche Kurie VI 2a (295). Studt an Wentzel v. 10.2.1906, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 5101, 24011.
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de dem bürgerlichen Amtsinhaber Wentzel zu viel der Staatsrepräsentation während einer kirchlichen Feierlichkeit61. Von einer politischen Lagerbildung im Kapitel, wie sie nach dessen Restituierung in der Endphase des Kulturkampfes hervorgetreten war62, konnte jetzt keine Rede mehr sein.
Bischofswahl 1914/1915 Mit Schreiben vom 9. Juni 1914 setzte Bischof Bertram das Domkapitel offiziell von seiner gut zehn Tage zuvor erfolgten Wahl zum Fürstbischof von Breslau in Kenntnis63, nachdem die lokale Presse Ende Mai schon ausführlich über seine Translation berichtet hatte64. Diese Wahl stand in einer Kontinuitätslinie, war doch auch der verstorbene Breslauer Kardinal Georg Kopp Priester des Bistums Hildesheim gewesen. Dass Bertram das Format besaß, aus dem kleinen Diasporabistum Hildesheim in eine größere Diözese zu wechseln, war bereits zwei Jahre zuvor deutlich geworden, als er staatlicherseits für den bedeutendsten preußischen Bischofsstuhl in Köln favorisiert worden und dort auch auf die Liste des Domkapitels gelangt war65. Da Bischof Bertram nach der am 8. September 1914 erfolgten päpstlichen Präkonisation bis zur Inthronisation in Breslau vom Heiligen Stuhl weiterhin zum Apostolischen Administrator der Diözese Hildesheim bestellt worden war66 und die Besitzübernahme in Breslau sich aufgrund des gerade begonnenen Ersten Weltkrieges verzögerte, wurde die Neubesetzungsfrage erst mit der Einführung als Fürstbischof in Breslau am 27. Oktober 1914 überhaupt virulent67. Zwei Tage später wählte das Kapitel den bisherigen Generalvikar Johannes Hagemann zum Kapitularvikar68, der auch den üblichen staatlichen Dispens von der Eidablegung erhielt69. Am 12. November traten die sieben Hildesheimer Domherren zur Aufstellung der Wahlliste zusammen, wobei sie sich zu Beginn darauf einigten, dieses Mal nicht sechs, sondern nur vier Listenplätze zu besetzen70. Ein Grund hierfür könnte gewesen sein, dass nicht genügend für kompetent ge61 62
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Wentzel an Studt v. 30.6.1906, ebd. Vgl. Aschoff, Der Kulturkampf in der Provinz Hannover, S. 59, wo für die Zeit um 1887 von einer staatsloyalen und einer ultramontanen Fraktion im Kapitel die Rede ist. Vgl. Bertram an Domkapitel Hildesheim v. 9.6.1914, in: BA Hildesheim Domkapitel 55. Vgl. z.B. Hildesheimische Zeitung v. 27.5.1914. Vgl. das Kap. Köln in diesem Band. Vgl. Bertram an Domkapitel v. 7.10.1914, in: BA Hildesheim Domkapitel 55. Vgl. Oberpräsident an Bertram v. 20.10.1914 u. Bertram an Oberpräsident v. 27.10.1914, in: BA Hildesheim Bischöfliche Kurie VI 2a (295). Vgl. Oberpräsident Hannover an Kultusminister v. 29.10. u. 5.11.1914, in: BArch BerlinLichterfelde, R 5101, 22226. Vgl. Kultusminister an Hagemann v. 16.11.1914, ebd. Vgl. Protokoll der Kapitelsitzung v. 12.11.1914, in: BA Hildesheim D 2b, XVI.
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haltene Kandidaten zur Verfügung standen. Darauf deutet auch hin, dass ein auswärtiger Geistlicher, nämlich der Regens des Fuldaer Priesterseminars Christian Schreiber, benannt wurde, allerdings erst im zweiten Wahlgang. Obgleich die Kapitulare einstimmig für den Hildesheimer Regens Joseph Ernst und den Duderstädter Gymnasialprofessor Augustin Hölscher votiert hatten und Kapitularvikar Hagemann zumindest ein Domherr seine Stimme verweigerte, wurde Hagemann an die Spitze der Liste gesetzt.
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ohannes Hagemann71 wurde 1859 in Worpswede bei Bremen, der späteren Künstlerkolonie, geboren, legte im westfälischen Rheine das Abitur ab und studierte in Münster und Dillingen Theologie. 1881 erhielt er in Dillingen die Priesterweihe für das Bistum Hildesheim und sammelte seine ersten seelsorglichen Erfahrungen in Wessobrunn, bevor er 1884 im Bistum Hildesheim als Kaplan in Algermissen tätig werden konnte. Hagemann war 1890 als Mitarbeiter in das Hildesheimer Generalvikariat gelangt und hatte dort vielfältige Verwaltungserfahrungen sammeln können. 1906 war er von Bischof Bertram zum Generalvikar ernannt und zugleich für das Domkapitel nominiert worden und dabei staatlicherseits unbeanstandet geblieben. 1914 hatte ihm Wilhelm II. den Roten Adlerorden IV. Klasse verliehen72. Der Regierungspräsident hatte ihn gegenüber dem Oberpräsidenten als „durchaus königstreu, geschäftsgewandt und von milden Gesinnungen“73 gelobt.
J
oseph Ernst74 wurde 1863 als Sohn eines Gutsbesitzers in Algermissen im Stift Hildesheim geboren. Nach dem Abitur am Josephinum in Hildesheim trat er in die Fußstapfen von zwei älteren Brüdern, die ebenfalls Priester wurden75, und studierte wegen der Schließung der Hildesheimer Fakultät – wie auch schon Adolf Bertram – in Würzburg Theologie und nicht in Dillingen/Donau, das für das Gros der Hildesheimer Theologen zum Studienort geworden war. Erst für die praktische Ausbildung wechselte er nach Dillingen, wo Ernst 1886 die Priesterweihe erhielt. Als Kaplan in Celle trat er durch Gründung eines Katholischen Arbeitervereins hervor, bevor er von 1889 bis 1891 – ebenso wie einige Jahre zuvor Bertram – als Kaplan an der Anima in Rom wirkte und am Collegium Thomas von Aquin in thomistischer Theologie promovierte76. 71
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Zu Hagemann vgl. Aschoff, Hagemann, in: Gatz, Bischöfe, S. 278; Aschoff, Adolf Bertram als Generalvikar und Bischof, S. 123. Vgl. Kultusminister an Wilhelm II. v. 11.11.1914, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 5101, 22226. Fromme an Windheim v. 23.11.1914, in: NHStA Hannover, OP Hann 122a, Nr. 94b. Zu Ernst vgl. Aschoff, Ernst, in: Gatz, Bischöfe, S. 175f. In statu nascendi befindet sich eine Diss. über den Episkopat von Ernst von Julia Carolin Boes. Johannes Ernst (1860–1917), Pfarrer in Vienenburg 1894 u. Groß Giesen 1913, u. Konrad Ernst (1866–1934), 1903 Oberlehrer am Josephinum, 1911–1929 dessen Direktor. Vgl. Gerlach/Seeland, Josephinum, Bd. 2, S. 2f. Vgl. Gatz, Rom als Studienplatz deutscher Kleriker im 19. Jahrhundert, S. 186.
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Nach der Rückkehr begann er am Hildesheimer Priesterseminar zu dozieren und promovierte zudem 1896 in Würzburg noch zum Dr. theol77. Vier Jahre später erhielt er den Titel Professor. 1901 wurde er zugleich zum Domprediger ernannt. Dass gerade Bischof Bertram in den umfänglich gebildeten Theologen ein besonderes Vertrauen setzte, zeigt sich daran, dass er Joseph Ernst kurz nach seiner Bischofsweihe die wichtige Funktion des Regens im Hildesheimer Priesterseminar übertrug78. Überdies war Ernst seit 1912 auch Diözesanpräses der Katholischen Arbeitervereine und Exponent des Volksvereins für das katholische Deutschland im Bistum.
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ugustin Hölscher 79 wurde 1866 in Westerode bei Duderstadt geboren und erhielt 1890 in Hildesheim die Priesterweihe. Anschließend absolvierte er ein Zusatzstudium für das höhere Lehramt in den Fächern Mathematik und Naturwissenschaften in Göttingen. 1895 begann er seine Aufgabe als geistlicher Lehrer als Hilfslehrer am Realgymnasium in Osnabrück, vier Jahre später wechselte Hölscher nach Bocholt als Oberlehrer und in dieser Eigenschaft 1904 an das Hildesheimer Josephinum. Seit 1906 wirkte er mit dem Titel Professor am neu errichteten Gymnasium in Duderstadt, half dort auch am Lyzeum der Ursulinen aus und veröffentlichte zu naturwissenschaftlichen Themen in heimatkundlichen Periodika. Regierungspräsident Fromme würdigte seine Predigten und hob seinen Einsatz in der Schule hervor.
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hristian Schreiber80 wurde 1872 in Somborn bei Gelnhausen in Hessen geboren. Er stammte aus einer Handwerkerfamilie, der Vater war Schreinermeister, und ging den seiner Zeit üblichen Weg des begabten Jungen aus einfachen Familienverhältnissen. Vom örtlichen Kaplan wurde Schreiber durch Lateinunterricht auf den Besuch des Gymnasiums und Konviktes in der zuständigen Bischofsstadt Fulda vorbereitet. Nach dem Abitur vollzog sich der Übergang ins Priesterseminar nahezu nahtlos. Weil er besonders begabt war, wurde er zum Weiterstudium an das Collegium Germanicum bzw. die Gregoriana-Universität in Rom geschickt, wo er nach der 1898 erhaltenen Priesterweihe im Folgejahr mit dem üblichen Dr. theol. et phil. abschloss. Mit der Rückkehr nach Fulda fand sich der erst 27-jährige als Professor für Philosophie am dortigen Priesterseminar wieder. Als dessen Regens und Profes77
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Vgl. Joseph Ernst, Die Lehre des hl. Paschasius Radbertus von der Eucharistie, Freiburg/ Breisgau 1896, u. Walter, Dozenten und Graduierte, S. 468. Vgl. Aschoff, Adolf Bertram als Generalvikar und Bischof von Hildesheim, S. 122. Bertram war mit der Arbeit des bisherigen Regens Heinrich Heise sehr unzufrieden. Vgl. May, Der Domkapitular Adolf Bertram als Referent für die Theologiestudierenden, hier S. 159. Zu Hölscher, der 1918 starb, vgl. Aschoff, Die Hildesheimer Bischofswahlen, S. 81, Anm. 56, u. Gerlach/Seeland, Josephinum, Bd. 1, S. 210f. Zu Schreiber, der 1921 Bischof von Meißen, 1930 Bischof von Berlin wurde u. dort 1933 starb, vgl. Clauss/Gatz, Schreiber, in: Gatz, Bischöfe, S. 672–675.
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sor für Dogmatik, Apologetik und Homiletik Joseph Damian Schmitt 1907 neuer Bischof von Fulda wurde, übernahm Schreiber die Nachfolge. Trotz oder gerade wegen dieser frühen Ämterfülle in wissenschaftlicher und pastoraler Ausbildung des Priesternachwuchses war Schreiber „kein origineller Kopf und erst recht kein Forscher“81. Der vom hannoverschen Oberpräsidenten um Auskunft gebetene Oberpräsident von Hessen-Nassau fand Schreiber durchaus patriotisch und, zumal politisch nie hervorgetreten, durchaus geeignet82. Dass Christian Schreiber mit dem Etikett des Germanikers behaftet war, das in der Regel in staatlichen Augen als Signum besonders strenger Kirchlichkeit angesehen wurde und gewöhnlich zum Ausschluss von Bischofswahllisten führte, spielte interessanterweise keine Rolle. Einen besonderen Einfluss auf seine eigene Nachfolge sprachen die Staatsbehörden Bischof Adolf Bertram zu. Er selbst zeigte sich gerührt, auch ein wenig überrascht, wenn er dem Kultusminister „ehrerbietig für das … mir geschenkte Vertrauen“83 dankte. Zwar gab Bertram zu, dass der Regens des Fuldaer Priesterseminars Christian Schreiber „der talentierteste“ der Listenkandidaten sein dürfte. Aber mit dem Hinweis, dass er ihn nicht gut genug kenne, lenkte er das Augenmerk auf die drei Hildesheimer Kandidaten, für die er „in unbefangener Würdigung der staatlicherseits zu vertretenden Interessen“ meinte einstehen zu können. Professor Hölscher sei als geistlicher Gymnasiallehrer „mit seltener Umsicht und Liebe“ aktiv, wobei ihm allerdings jegliche Erfahrung auf dem Verwaltungssektor fehle. Dass er neben der Schultätigkeit keinerlei politische oder sozialpolitische Tätigkeit entfaltet habe, sprach allerdings eher für ihn. Dem Generalvikar Hagemann attestierte Bertram keinen besonderen Intellekt, wohl aber eine treue Pfl ichterfüllung in der Verwaltung. Eindeutiger Favorit des Fürstbischofs von Breslau war aber der Seminarregens Ernst, ein „milder und reifer Charakter. Er ist der einzige Geistliche, mit dem ich in allen bedeutsamen kirchlichen und sozialen Fragen mit rückhaltloser Offenheit verkehrt habe, weil er das verständigste Urteil über die modernen Bewegungen hatte“. Damit artikulierte Bertram nicht nur seine persönliche Sympathie für Joseph Ernst, sondern wies ihn auch als seinen dezidierten Parteigänger im Gewerkschaftsstreit aus. Wenn er den Minister abschließend darum bat, möglichen Denunziationen aus untergeordneten Stellen keinen Glauben zu schenken, so weist dies auf die Furcht des Fürstbischofs hin, dass sein Kandidat auf diese Weise „verbrannt“ werden könnte. Denn nur Ernst hatte in den innerkirchlichen Auseinandersetzungen der Zeit so dezidiert Position bezogen, dass eine Intrige gegen ihn – etwa von Sympathisanten der Berliner Richtung im Gewerkschafts81 82 83
Ebd., S. 673. Vgl. Hengstenberg an Windheim v. 2.12.1914 in: NHStA Hannover, OP Hann. 122a, Nr. 94b. Bertram an Kultusministerium v. 25.11.1914, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 5101, 2226. Hier auch die folg. Zit.
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streit – denkbar gewesen wäre. Im Bistum Hildesheim musste er seiner Zeit als moderner, innovativer Seelsorger gelten, der sich beispielsweise für die Lösung der Sozialen Frage interessierte und durch sein Engagement für die Katholischen Arbeitervereine zum Exponenten einer kirchlichen Arbeiterpastoral geworden war. Mit diesen Initiativen lag er auf der Linie Bertrams, der ihn nach seiner Bischofsweihe als Regens an das Priesterseminar geholt hatte. Eine Art geistiger Verwandtschaft zwischen beiden nahezu gleichaltrigen Geistlichen lässt sich auch aus der Prägung durch die Würzburger Theologenschule erkennen. Für den am 23. November 1914 zum Wahlkommissar bestellten Oberpräsidenten Ludwig von Windheim84 bestanden nach diesen ausnahmslos positiven Ergebnissen der staatlichen „Durchleuchtung“ der Kandidaten keine Zweifel daran, dass alle Kandidaten das Vertrauen der Staatsmacht besitzen würden85. Kultusminister von Trott zu Solz hatte nichts einzuwenden und ließ Wilhelm II. eine Woche vor Weihnachten wissen, dass alle Listenmitglieder ihm sowohl vom Oberpräsidenten als auch von einem kirchlichen Vertrauensmann als Angehörige der friedliebenden Richtung im Klerus zur Annahme empfohlen worden seien86. Noch am 22. Dezember gab der Kaiser sein Plazet, das umgehend vom Kultusministerium dem Domkapitel weitergereicht wurde. Bis zum Wahltag des Domkapitels, dem 10. Februar 1915, vergingen dann noch einige Wochen. Das Rennen um den Bischofshut machte – wie erwartet – Regens Joseph Ernst, auf den fünf Stimmen entfielen, während zwei Wähler dem Gymnasialprofessor Hölscher ihr Votum gaben87. Am Ersten Weihnachtstag 1914 hatte sich Bertram noch dem Apostolischen Nuntius in München, Erzbischof Andreas Frühwirth88, als Informant in der Neubesetzungsfrage empfohlen. „Ist Eurer Exzellenz die Liste der Kandidaten für den Hildesheimer Stuhl bekannt?“89, fragte er in dem offensichtlichen Glauben an, dass die Namen der Kandidaten noch nicht bis zur Nuntiatur durchgedrungen seien und empfahl auch hier insbesondere die drei Hildesheimer Listenkandidaten, ohne etwa Joseph Ernst hervorzuheben. Ziel und Zweck dieser Demarche konnte es natürlich nicht sein, direkten Einfluss auf die Wahlentscheidung auszuüben, zumal der Nuntius bzw. Heilige Stuhl eben keinen Einfluss auf die Gestalt der endgültigen Liste besaß. Angesichts 84
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Zu Windheim (1857–1935), 1914–1917 Oberpräsident von Hannover, vgl. das Kap. Fulda in diesem Band. Vgl. Windheim an Trott zu Solz v. 6.12.1914, in: NHStA Hannover Hann 122a, XVII, 94b. Vgl. Kultusminister an Wilhelm II. v. 18.12.1914, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 5101, 22226. Vgl. Protokoll der Bischofswahl v. 10.2.1915, in: BA Hildesheim D 2b, XVI. Zu Frühwirth (1845–1933) , Dominikaner, 1907–1915 Nuntius in München, dann Kurienkardinal, vgl. de Marchi, Le Nunzie Apostoliche, S. 58f.; u. Walz, Frühwirth. Bertram an Frühwirth v. 25.12.1914, in: ASV ANM busta 265.
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der vor dem Hintergrund der Modernismus-Krise und des Gewerkschaftsstreites im Vatikan herrschenden Vorsicht gegenüber in seinen Augen allzu liberalen Bischofskandidaten, kann der Vorstoß Bertrams dagegen als deutliches Entwarnungszeichen in dieser Hinsicht gelten. Immerhin kam Nuntius Frühwirth nach der erfolgten Wahl von Ernst auf das Angebot des Breslauer Fürstbischofs zurück und bat ihn sowie Kapitularvikar Hagemann um eine Einschätzung der theologischen Linie des Neuerwählten. Dass Hagemanns Votum vergleichsweise knapp und nüchtern ausfiel, dürfte wohl nicht primär daran gelegen haben, dass – wie er entschuldigend einwandte – „ein Schreibkrampf mir seit Jahren den Gebrauch der Feder sehr erschwert“90. Stattdessen dürfte hierfür auch ursächlich gewesen sein, dass er mit Joseph Ernst um den Bischofsstuhl konkurriert hatte. Für Fürstbischof Bertram dagegen waren der Neuerwählte sowie seine zwei geistlichen Brüder „wahre Musterpriester“91. Für den bisherigen Regens gelte zudem, dass „nicht der leiseste Hauch von Modernismus … ihm anhaftend“ sei. Ein Vorteil für seine bischöfl iche Amtsführung liege zudem in der aus der Tätigkeit als Leiter des Priesterseminars resultierenden exzellenten Kenntnis des Hildesheimer Klerus. Wie nicht anders zu erwarten, hatte Kardinalstaatssekretär Pietro Gasparri gegen den neuen Bischof keine Einwendungen geltend zu machen92 und stellte bereits Anfang März 1915 die päpstliche Präkonisation in Aussicht. Als diese gut zwei Monate später noch immer nicht in Hildesheim eingetroffen war, vermutete der designierte Bischof politische Hintergründe. Bereits nach der erfolgten Wahl hatte das Kapitel Probleme gehabt, aufgrund des Ersten Weltkriegs direkten Kontakt mit der Kurie aufzunehmen. „Die italienische Kriegserklärung wird den Verkehr des Heiligen Vaters mit Deutschland noch mehr erschweren, wenn nicht ganz unmöglich machen“93, befürchtete Ernst gegenüber Erzbischof Frühwirth. Es hat den Anschein, dass ihm die Verzögerung auch gegenüber der Regierung peinlich war, ja in Hannover und Berlin den Eindruck hervorrufen könnte, dass die Kurie gegen seine Person Einwände haben könnte. Noch größer war die Enttäuschung bei Joseph Ernst, als er im Juli 1915 endlich die Ernennungsbulle enthielt, diese sich jedoch fälschlich auf die im „altpreußischen“ Gebiet, nicht jedoch im ehemaligen Königreich Hannover geltende Bulle „De salute animarum“ bezog. Umgehend drängte er auf Korrektur, da seine „Lage … jetzt noch peinlicher als vor Empfang der Bullen“ sei und er den Staatsbehörden auf diese Weise nur einen Grund zur Ablehnung bieten würde. Der Nuntius ließ den Fehler von der Kurie korrigieren. Dennoch verzögerte sich die von Fürstbischof Bertram vollzogene Konsekration auf den 26. September 1915. 90 91 92 93
Hagemann an Frühwirth v. 18.2.1915, ebd. Bertram an Frühwirth v. 17.2.1915, ebd. Hier auch das folg. Zit. Vgl. Gasparri an Frühwirth v. 9.3.1915, ebd. Ernst an Frühwirth v. 14.7.1915, ebd. Hier auch das folg. Zit. Vgl. auch Frühwirth an Sacra Congregazione Concistoriale v. 26.7.1915, ebd.
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ie Situation der Bischöfe von Osnabrück war zum einen durch die einzigartige Bikonfessionalität dieser Diözese im Zeitraum zwischen dem Westfälischen Frieden und der Säkularisation bestimmt1. Zum anderen war das Verhältnis von Staat und Kirche durch die verspätete Wiedererrichtung des Bistums nach der Mitte des 19. Jahrhunderts gekennzeichnet. Rein rechtlich gesehen umfasste die Diözese in neuer Umschreibung mit der Bulle „Impensa Romanorum Pontificum“ von 1824 den westlich der Weser gelegenen Teil des Königreiches Hannover. Das ebenso wie Hildesheim exemte, also direkt dem Heiligen Stuhl unterstellte Bistum wurde aber erst 1857 dotiert und daraufhin sowohl der Bischofsstuhl als auch das – ebenso wie in Hildesheim – aus einer Dignität (Domdechant) und sechs Domherren bestehende Dom kapitel besetzt2.
Nach dem Übergang an Preußen verliefen die konfl iktreichen Jahre zwischen 1871 und 1887 in Osnabrück vergleichsweise ruhig3, da es Bischof Johann Heinrich Beckmann 4 durch geschicktes Taktieren gegenüber den Staatsbehörden verstand, größere Konflikte zu vermeiden. Strategische Erwägungen standen nach dessen Tod 1878 hinter der Ernennung des bisherigen Generalvikars Bernhard Höting zum Ökonom der Diözese5. Dass Höting 1882 unter Umgehung des Domkapitels direkt von Papst Leo XIII. zum neuen Bischof ernannt worden war, hatte seine Ursache darin, dass das Kapitel ohnehin nur noch aus zwei Domherren bestand, von denen einer Höting war, und dass eine reguläre Wahl kaum durchführbar gewesen wäre. Selbstverständlich spielte hier auch das Interesse beider Seiten eine Rolle, Konfl iktsituationen möglichst zu vermeiden. Zudem hatte sich Höting als Parteigänger des Staates erwiesen und war insofern persona gratissima bei der Regierung. 1
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Vgl. als Überblicksdarstellung Aschoff/Gatz/Seegrün, Bistum Osnabrück und Apostolisches Vikariat der Nordischen Missionen, in: Gatz, Die Bistümer der deutschsprachigen Länder, S. 547–565. Vgl. passim Jäger, „Wohl tobet um die Mauern“. Vgl. die Überblicksdarstellungen von Aschoff, Der Kulturkampf in der Provinz Hannover, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte, Bd. 115 (1979), S. 15–69; Ders., Das Bistum Osnabrück im 19. Jahrhundert, in: Zur Geschichte der Diözese Osnabrück, S. 75–90; sowie den Beitrag von Jäkel, Bischof Johann Heinrich Beckmann, in: OM, Bd. 96 (1991), S. 101–128. Zu Beckmann (1803–1878), seit 1866 Bischof von Osnabrück, vgl. Holtmann, Beckmann, in: Gatz, Bischöfe, S. 30–33; Holtmann, Domkapitel, S. 44–47; u. Hehemann, Handbuch, S. 25. Zu Höting (1821–1898) vgl. bisher lediglich Wolfgang Seegrün, Höting, Johann Bernhard, in: Gatz, Bischöfe, S. 313–316, sowie Holtmann, Domkapitel, S. 66f., u. Hehemann, Biographisches Lexikon Osnabrück, S. 135f.
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Wie sehr sich der neue Bischof in den ersten Amtsjahren an der Spitze der Diözese wandelte, belegt exemplarisch eine vom preußischen Kultusminister Gustav Goßler 1887 für Bismarck erstellte Charakterisierung aller preußischen Oberhirten. Hierin wurde Höting eben nicht mehr als „friedfertig“, sondern als „zweifelhaft“ eingeschätzt, da er „leider dem Einfluss von Köln, Münster und Windthorst sich immer weniger gewachsen“6 zeige. Einen Beleg für diese Neubewertung bot neben rein praktischen Erfahrungen im StaatKirche-Verhältnis sicherlich ebenso ein Bericht des Zentrumsorgans „Germania“, in dem mit unverhohlener Genugtuung festgestellt worden war, dass die Staatsbehörden Höting zu überzeugen versucht hätten, „er möge seine hohe Autorität für die Zentrumsgegner einsetzen und den Abgeordneten Dr. Windthorst in Meppen schlagen helfen, was natürlich der Herr Bischof zurückwies“7. Hinzu trat später noch eine selbst das Ministerium in Berlin auf den Plan rufende „Saumseligkeit“8 des greisen Bischofs Höting in der Erledigung der Bistumsgeschäfte sowie eine staatlicherseits konstatierte „Missstimmung des Bischofs gegen das Domkapitel“. Zwar hatte die Regierung 1883 bei der Installierung des neuen Domkapitels, auf eine Berufung staatsloyaler Domherren geachtet, für deren Gesinnung sich der Bischof hatte eigens verbürgen müssen. Allerdings lag das Recht zur Domherrenernennung in Osnabrück seit 1883 abwechselnd beim Bischof und beim Kapitel9 und nicht wie in den schon vor 1866 preußischen Nachbardiözesen nur in den geraden Monaten beim Bischof und dafür in den ungeraden, sogenannten päpstlichen Monaten beim preußischen König. Weil dem Osnabrücker Kapitel somit „eine stärkere Rolle bei der personellen Selbsterhaltung“10 zukam, war der staatliche Einfluss hier de jure vergleichsweise gering. Wohl vornehmlich deshalb hatte sich die Zusammensetzung des Bischofswahlgremiums nach mehreren Todesfällen in den folgenden Jahren stark verändert. Beispielsweise war der auf Grund seiner Staatsloyalität im Kulturkampf auf preußischen Druck hin in das Kapitel aufgenommene Osnabrücker Pfarrvikar Antonius Thiele11 bereits 1890 gestorben. 6
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Goßler an Bismarck v. 3.8.1887 angesichts der Neubesetzung des Fuldaer Bischofsstuhls, ediert bei Gatz, Zur Neubesetzung, in: RQ, Bd. 71 (1976), S. 78–112, hier S. 105–107. Germania v. 18.2.1887, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2f. Kultusministerium an Oberpräsident v. 15.4.1898, in: NHStA Hannover, OP Hann 122a, Nr. 3781. Hier auch das folg. Zit. Der Konflikt zwischen Bischof und Domkapitel resultierte vor allem aus dessen autoritärem Führungsstil. Vgl. Seegrün, Höting, S. 316. Zuvor hatte die Zuwahl von Domherren – seit der Wiedererrichtung des Bistums 1857/58 – stets allein beim Kapitel gelegen. Vgl. Holtmann, Domkapitel, S. 31. Im Gegensatz zu den (alt)preußischen Diözesen durften in den zuvor hannoverschen Bistümern Hildesheim und Osnabrück nur Landeskinder in die Domkapitel aufgenommen werden. Vgl. Burkard, Zum Wandel der Domkapitel, in: RQ, Bd. 99 (2004), S. 133–161, hier S. 149f. So ebd., S. 150. Zu Thiele (1805–1890) vgl. Holtmann, Domkapitel, S. 76f.
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Und als Bischof Höting am 21. Oktober 1898 auf dem Weg zum Ad-limina-Besuch beim Papst in Venedig gleichfalls verstarb12, gehörte dem Domkapitel mit Heinrich Joseph Meurer13 nur noch einer der 1883 ernannten Domherren an. Obgleich Meurer zugleich als nebenamtlicher Militärpfarrer in der Bischofsstadt akzeptiert wurde, hieß es in einer kurz vor dem Tod des Bischofs erstellten staatlichen Charakterisierung aller Domkapitulare in den beiden Diözesen der Provinz Hannover, er sei „von strenger Richtung und dabei sehr entschieden“14. Über den 1891 ernannten früheren Sögeler Pfarrer Prälat Lambert Pohlmann15, den die Kapitulare am 27. Oktober zum Kapitularvikar wählten16, wurde verlautet, er sei ein ausgleichender, wenngleich nicht unpolitischer Charakter. Der 1893 in das Domkapitel berufene Dompfarrer und Osnabrücker Stadtdechant Gerhard Hermann Kitzero17 und der langjährige Pfarrer in Plantlünne, Caspar Ludwig Schriever18, wurden als loyale und angenehme Persönlichkeiten bezeichnet. Als letzte waren 1894 bzw. 1895 Domdechant Johann Gerhard Schoo19, zuvor Pfarrer in Alfhausen („sehr extrem und dabei zugleich voll rücksichtslos“), der Regens des Priesterseminars, Karl Joseph Müller20 („in keiner Beziehung irgendwie hervorgetreten“), sowie der Hamburger Pfarrer Franz Gerhard Harling21 in das Gremium eingetreten. Allein Harling wurde uneingeschränkt positiv als Mann „von ungewöhnlicher Begabung und Willenskraft, dabei von frischem lebendigem Geist, vielseitiger Bildung und
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Höting war offenbar den Strapazen der weiten Reise nicht mehr gewachsen, zumal er bereits seit 1894 aus gesundheitlichen Gründen der Fuldaer Bischofskonferenz ferngeblieben war. Vgl. hierzu Gatz, Akten der Fuldaer Bischofskonferenz 1888–1899, S. LXXIIf. Dem Regierungspräsidenten übermittelte das Domkapitel die Todesnachricht am 24.10.1898. Vgl. StAOS, Rep 430, Dep. 400, Nr. 1744. An das Kultusministerium gelangte die Todesnachricht erst mit Schreiben des Oberpräsidenten von Hannover v. 9.11.1898. Vgl. NHStA Hannover, OP Hann 122a, Nr. 3781. Zu Meurer (1814–1901), seit 1883 Domkapitular, vgl. Holtmann, Domkapitel, S. 82f. So die Charakterisierung im geheimen Verzeichnis der Mitglieder der Domkapitel in der Provinz Hannover von 1898, in: NHStA Hannover, OP Hann 122a, Nr. 3699, S. 84. Hier auch die folg. Gutachten. Zu Pohlmann (1823–1914) vgl. Holtmann, Domkapitel, S. 89f.; u. Holtmann, Pohlmann, in Gatz, Bischöfe, S. 567. Dessen Wahl zum Kapitularvikar zeigte das Domkapitel am 29.10.1898 dem Regierungspräsidenten an. Vgl. StAOS, Rep 430, Dez. 400 Nr. 1743. Vgl. Protokoll der Sitzung des Domkapitels v. 27.10.1898, in: BAOS 03–28–06–01. Zu Kitzero (1830–1900) vgl. Holtmann, Domkapitel, S. 94f. Zu Schriever (1832–1905) vgl. ebd., S. 92f., u. Hehemann, Handbuch, S. 267. Zu Schoo (1830–1907) vgl. Holtmann, Domkapitel, S. 96f. Zu Müller (1840–1921) vgl. ebd., S. 98f., u. Schmitt, Das Bischöfliche Priesterseminar zu Osnabrück, S. 52f. Zu Harling (1855–1919), 1897/98 auch Regens des Priesterseminars, 1907–1918 Generalvikar, vgl. Holtmann, Domkapitel, S. 100f.; Holtmann, Harling, in: Gatz, Bischöfe, S. 284f.; u. Schmitt, Priesterseminar, S. 53.
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angenehmen Umgangsformen“22 beschrieben. Als einziger Domherr fand er sich außerdem in einer neben der in bestimmtem Turnus üblichen kommentierten Aufstellung aller Domherrn von den Oberpräsidenten beim Ministerium für die geistlichen Angelegenheiten einzureichenden Liste für höhere Aufgaben geeigneter Kleriker. Insgesamt waren es neun Geistlichen aus der Provinz Hannover, deren Namen der Oberpräsident in Folge eines entsprechenden ministeriellen Erlasses im Februar 1898 nach Berlin gemeldet hatte. Im Fall von Osnabrück spielte wohl eine Rolle, dass das „Invaliditäts-Symptom bei dem jetzigen Bischof immer deutlicher zu Tage“ trat, die staatlichen Behörden also hier mit einer baldigen Neubesetzung des Bischofsstuhls rechnen mussten und entsprechende Vorkehrungen zu treffen bemüht waren. Bei seinen Informationen stützte sich der Oberpräsident Konstantin Graf zu Stolberg-Wernigerode23 wesentlich auf die Einschätzung des Osnabrücker Regierungspräsidenten Gustav Stüve24, der Harling für grundsätzlich geeignet hielt, ihm aber noch nicht die erforderliche Reife für die bischöfliche Würde bescheinigen mochte25. Die übrigen von Stüve als episkopabel bezeichneten Diözesangeistlichen, fast ausschließlich verdiente Landpfarrer, waren mehr oder weniger Makulatur auf der Liste. Vielmehr empfahl er wärmstens den aus dem emsländischen Salzbergen stammenden und dem Osnabrücker Diözesanklerus angehörenden Kölner Dompropst Franz Karl Berlage26, der „der einzige unter den mir bekannten Geistlichen ist, welche ich unbedenklich geeignet erachte, einen Bischofssitz einzunehmen“27. Berlage hatte sich als Domvikar in Osnabrück während des Kulturkampfes durch staatsloyales Verhalten das Vertrauen der Regierungsbehörden erworben, war 1880 zum Regierungsschulrat in Straßburg avanciert und 1886 durch königliche Nomination auf die Spitzenposition im Kölner Metropolitankapitels gelangt. Im ersten Jahrzehnt nach Beendigung des Kulturkampfes gehörte er neben dem aus Geseke im Bistum Paderborn stammenden Breslauer Dompropst Johann Kayser, der zudem 1886 in Breslau und 1890 in Gnesen-Posen gehandelt wurde, zu den immer wieder – allerdings vergeblich – staatlich lancierten Kandidaten für verschiedenste preußische Diözesen. Vor diesem Hintergrund ist 22
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Stolberg-Wernigerode an Bosse v. 25.2.1898, in: NHStA Hannover, OP Hann 122a, Nr. 3699. Hier auch das folg. Zit. Der Oberpräsident reagierte damit auf einen Erlass des Kultusministeriums v. 31.11.1897. Erstmals wurde eine entsprechende Liste 1882 in Auftrag gegeben. Zu Stolberg-Wernigerode (1843–1905), 1898–1902 Oberpräsident von Hannover, vgl. Barmeyer, Die hannoverschen Oberpräsidenten 1867–1933, in: Schwabe, Die Oberpräsidenten, S. 137–181, hier insbes. S. 156.-160, u. S. 324. Das folg. Zit. ebd., S. 157. Zu Stüve (1833–1911), 1887–1911 Regierungspräsident in Osnabrück, vgl. Hehemann, Handbuch, S. 281f. Vgl. Stüve an Stolberg-Wernigerode v. 8.12.1897, in: NHStA Hannover, OP Hann 122a, Nr. 3699. Hier auch das folg. Zit. Zu Berlage (1835–1917) vgl. das Kap. Köln in diesem Band. Stolberg-Wernigerode an Bosse v. 25.2.1898, in: NHStA Hannover, OP Hann 122a, Nr. 3699.
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Stüves Überzeugung zu verstehen, „dass dieser geistig und wissenschaftlich hochstehende, in größeren Verhältnissen erfahrene Mann, von dessen loyaler Gesinnung ich noch vor kurzem neuen Beweis gehabt habe, in erster Linie ins Auge zu fassen sein müsste, wenn es sich demnächst um die Neubesetzung des Bischöfl ichen Stuhls handeln sollte“28. Der Name Berlages fand sich jedoch keineswegs in der am 17. November 1898 vom vollständig versammelten Domkapitel nach „eingehender Beratung“29 einstimmig aufgestellten Liste. Diese enthielt die Namen von fünf Kandidaten, die „ausnahmslos aus anderen Bistümern stammten“30, nämlich: Wilhelm Bergmann, Antonius Fischer, Maximilian Gereon Graf von Galen, Franz Richter und Hubert Voß. Die Reihenfolge spiegelte keineswegs die Rangfolge der Kandidaten wider, sondern entsprach schlicht und einfach dem Alphabet31. Weder der in Regierungskreisen als „besonderer Vertrauensmann“32 des verstorbenen Bischofs Höting angesehene Domkapitular Harling noch der staatlicherseits favorisierte Kölner Dompropst Berlage hatten also seitens der Domherren Berücksichtigung gefunden, statt dessen kamen drei der fünf Kandidaten aus der Nachbardiözese Münster. Obwohl die Liste des Kapitels innerhalb des vorgesehenen Zeitraums von einem Monat aufgestellt und „unverzüglich“ – wie ausdrücklich im Protokoll vermerkt – an den preußischen Kultusminister Robert Bosse weitergeleitet sowie das Protokoll dem Oberpräsidenten von Hannover übersandt worden war, sollten beinahe fünf Monate vergehen, bis das Domkapitel am 12. April 1899 den Wahlakt vollziehen konnte. Bevor die Stationen und Positionen staatlichen Handelns nach Einreichen der Wahlliste nachgezeichnet werden, erscheint es opportun, sich kurz mit dem Curriculum vitae der fünf Kandidaten vertraut zu machen:
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er 55-jährige Mindener Dompropst Wilhelm Bergmann33 verfügte durch sein Amt als Diözesanpräses der katholischen Gesellenvereine im Bistum Paderborn über einen hohen Bekanntheitsgrad. Bereits bei der Bischofswahl in Paderborn 1891 war er als „Wunschkandidat des Domkapitels“34 auf der dortigen Liste gewesen, hatte aber aus Sicht des zuständigen Landrats „keine Beweise einer Gesinnung gegeben, welche zu der Hoffnung berech28 29 30 31
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Stüve an Stolberg-Wernigerode v. 8.12.1897, in: ebd. Protokoll der Sitzung des Domkapitels v. 17.11.1898, in: BAOS 03–28–06–01. Seegrün, Voß, Heinrich Hubert Aloysius, in: Gatz, Bischöfe, S. 781–783, hier S. 782. Ebd., S. 782, heißt es, die Kandidatenliste habe „an letzter Stelle Voß“ enthalten. Eine alphabetische Reihung hatte aber z.B. auch das Paderborner Domkapitel 1891 vorgenommen. Vgl. Hohmann, Domkapitel und Bischofswahlen II, S. 270. So Stolberg-Wernigerode an Bosse v. 25.2.1898, in: NHStA Hannover, OP Hann 122a, Nr. 3699. Diese Charakterisierung trifft auch für das Verhältnis Harlings zu den folgenden Bischöfen Voß und Berning zu, denen er als Generalvikar diente. Zu Bergmann (1833–1906) vgl. das Kap. Paderborn in diesem Band. So die Wertung bei Brandt/Hengst, Geschichte des Erzbistums Paderborn: 3. Bd., S. 133.
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tige, dass er im bischöfl ichen Amte eine loyale, patriotische und friedfertige Gesinnung entfalten werde“35. Dagegen hatte der Oberpräsident von Westfalen ihn als durchaus staatsfreundlichen und im Umgang mit den Behörden gewandten Geistlichen eingeschätzt. Dennoch war Bergmann letztlich zur minder genehmen Person erklärt worden36.
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ntonius Fischer37 war nach 25-jähriger Tätigkeit als geistlicher Religionslehrer bzw. Studienrat in Essen 1888 Domkapitular und im Folgejahr Weihbischof in Köln geworden. 1895 hatte ihm Kardinal Krementz zudem die Dignität des Domdechanten verliehen. Aufgrund seiner ausdrücklich erwähnten Loyalität zum Staat war er als Bischofskandidat bereits 1889 in Münster auf der Liste des Domkapitels gewesen und nicht gestrichen worden, hingegen 1891 in Paderborn beanstandet worden38. Während das rheinische Provinzial-Schulkollegium sich „anerkennend über dessen Verhalten während seiner Lehrtätigkeit in Essen und seine gemäßigte Haltung den Anhängern der anderen Konfession gegenüber ausspricht, hält ihn der von mir ebenfalls befragte Regierungspräsident von Köln für einen Anhänger der extrem ultramontanen Partei, welcher nur durch die Protektion des früheren Erzbischofs, jetzigen Kardinals Dr. Melchers ... in seine jetzige Würde gekommen ist“39 – so hatte Studt im Vorfeld der Münsteraner Bischofswahl an das Ministerium der geistlichen Angelegenheiten gemeldet. Damit galt Fischer keineswegs als politisch unbedenklicher Geistlicher, was sich auch in der staatlichen Charakteristik aller preußischen Domherrn von 1890 niederschlug, in der er negativ beurteilt wurde40. Im Hintergrund spielten dabei nicht zuletzt Vermutungen aus Regierungskreisen eine Rolle, nach denen er während der Verbannung des Kölner Erzbischofs Melchers im Kulturkampf als Geheimdelegat fungiert habe41.
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er bereits 66-jährige Münsteraner Weihbischof Maximilian Gereon Graf von Galen 42, 1832 in Münster geboren und auf der Burg Dinklage
So der Mindener Landrat von Oheimb an Studt v. 18.4.1891, in: StAMS OP Nr. 1930, 3. Vgl. Hohmann, Domkapitel und Bischofswahlen II, S. 273. Zu Fischer vgl. das Kap. Köln in diesem Band. Vgl. hierzu die Kap. Münster und Paderborn in diesem Band. Hagemeister an Goßler v. 30.6.1889, in: StAMS OP Nr. 1938,3. Der Kölner Regierungspräsident Clodwig von Sydow hatte gegenüber Hagemeister am 30.5.1889 sogar von Fischer als einem Anhänger der „extremsten ultramontanen Partei“ gesprochen. Vgl. Trippen, Domkapitel und Bischofswahlen, S. 274. Melchers war im Kulturkampf ins Exil gegangen und hatte später auf das Bistum verzichtet, um als Kurienkardinal in Rom zu wirken. Vgl. Gatz, Melchers, Paulus, in: Ders. Bischöfe, S. 493–497. Verzeichnis der Mitglieder der Metropolitan- und Domkapitel in Preußen v. Januar 1890, in: PA AA Preußen 2 Nr. 2. Publiziert bei Gatz, Domkapitel und Bischofswahlen, S. 111–125. Vgl. Trippen, Domkapitel und Bischofswahlen, S. 261f. Zu Maximilian Gereon von Galen vgl. das Kap. Münster in diesem Band.
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in Oldenburg aufgewachsen, war wesentlich durch seinen Onkel, den sozialpolitisch aktiven Bischof von Mainz, Wilhelm Emmanuel Freiherr von Ketteler, geprägt worden. Durch die verwandtschaftliche und persönliche Nähe zu dieser Führungsgestalt des deutschen Episkopats, aber auch durch seine eigene tiefe Spiritualität war Galen schon 1865 innerhalb des Kölner Metropolitankapitels als möglicher Kandidat für den dortigen Erzbischofsstuhl im Gespräch gewesen. 1872 hatte ihn sein Heimatbischof Johann Bernard Brinkmann von Münster als Bischöfl ichen Offizial für Oldenburg vorgesehen, aber nicht die notwendige Zustimmung des Großherzogs erlangt. Ebenso war er 1877 als Kandidat des Domkapitels für die Nachfolge Kettelers in Mainz nicht zum Zuge gekommen, da die Liste geplatzt war. Nicht zuletzt hatte die Ernennung des als „schroff ultramontan und staatsfeindlich“43 gekennzeichneten Adeligen zum Weihbischof in Münster 1895 zu diplomatischen Verstimmungen zwischen Staat und Kirche Anlass gegeben. Als einziger auswärtiger Kandidat war er zudem nur wenige Monate vor der Osnabrücker Sedisvakanz vom Limburger Domkapitel aufgestellt und war am 23. Mai 1898 insbesondere auf Einwirken des westfälischen Oberpräsidenten Konrad Studt zur „persona minus grata“ erklärt worden, da in dessen Augen „ein dem staatlichen Interesse weniger entsprechender Bewerber um einen katholischen Bischofsstuhl in Preußen kaum zu finden sein dürfte“44. In Osnabrück gelangte Galen auf die Liste, weil er sich dort bei Firm- und Visitationsreisen in Vertretung des altersschwachen Bischofs Höting Anerkennung erworben hatte45.
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ranz Richter46 und Hubert Voß47 hatten im Gegensatz zu den drei zuvor genannten Kandidaten noch nie auf der Liste eines Domkapitels gestanden und waren primär in der Seelsorge zu Hause. Während der 53-jährige Richter sich zunächst als Kaplan in Duisburg und Redakteur des dortigen Zentrumsorgans „Duisburger Volkszeitung“ und schließlich seit 1892 als Pfarrer der großen Stadtpfarrei Bocholt einen Namen gemacht hatte, war der 57 Jahre alte Voß nach langjähriger Tätigkeit als Domvikar und Domprediger in Münster sowie praktischen Erfahrungen in der Pastoral als Pfarrer an St. Dionysius in Rheine 1891 zum Regens des Priesterseminars in Münster avanciert. Als er im 43 44
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Verzeichnis der Mitglieder der Metropolitan- und Domkapitel. So Studt an den für Limburg zuständigen Oberpräsidenten von Hessen-Nassau v. 18.3.1898, in: StAMS OP Nr. 1922. Vgl. Seegrün, Höting, S. 316. Zu Richter (1845–1930), der zeitlebens in Bocholt blieb u. dort seit 1912 auch Dechant, seit 1922 zudem Ehrendomherr in Münster war, vgl. Helmert, Die residierenden Domkapitulare, in: Schröer (Hrsg.), Das Domkapitel zu Münster 1823–1973, S. 423–510, hier S. 437f. Zu Voß vgl. bisher Seegrün, Voß; Hehemann, Handbuch, S. 303; u. Helmert, Domkapitulare, S. 384, sowie Lassalle (Hrsg.), 1200 Jahre Paulinum in Münster 797-1997, Münster 1997, S. 214.
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Folgejahr auch zum Domkapitular ernannt werden sollte, beurteilte ihn der Regierungspräsident gegenüber dem Oberpräsidenten als in politischer wie kirchenpolitischer Hinsicht „stets tadellos“48. In der Bistumsleitung hatte er die Aufgaben eines Diözesandirektors des Vereins der heiligen Familie sowie eines Diözesanpräses des Bonifatiusvereins übernommen. Da vier der fünf Kandidaten auf der Liste des Domkapitels aus der Provinz Westfalen stammten, bat der Oberpräsident von Hannover am 19. November bei seinem Kollegen in Münster „um eine möglichst sofortige Auskunft über die Verhältnisse der genannten Geistlichen“49. Wie eilig ihm die Angelegenheit war, zeigt sich daran, dass er weniger als zwei Wochen später unter Hinweis darauf, dass „nach den gesetzlichen Bestimmungen die Wiederbesetzung des bischöflichen Stuhls nach Möglichkeit beschleunigt werden soll“50, um möglichst rasche Antwort nachsuchte. Studt indessen entschuldigte sein Schweigen in dieser Angelegenheit mit dem Zeitaufwand für die „Einziehung neuer vertraulicher Erkundigungen über einzelne der Bischofskandidaten“51, nach deren Abschluss er keinen der Kandidaten als „besonders empfehlenswert“ bezeichnen könne und insbesondere die Streichung von Maximilian Gereon von Galen sowie Franz Richter als „dringend ratsam“ erachte. Was Galen anging, machte sich der Oberpräsident von Westfalen gar nicht erst die Mühe, viele Worte zu verlieren, sondern sandte einfach das wenige Monate zuvor hinsichtlich der Limburger Bischofswahl angefertigte vernichtende Gutachten in Abschrift nach Hannover. Dagegen stellte er in seinem Plädoyer vornehmlich Propst Bergmann als den „staatlicherseits annehmbarsten“ Kandidaten heraus, gefolgt von Regens Voß, den er auch noch für akzeptabel hielt. Für letzteren sprach in den Augen des Oberpräsidenten von Westfalen in erster Linie, dass er „öffentlich, insonderheit politisch, niemals hervorgetreten“ sei. Kritisch merkte er aber auch zu Hubert Voß an, dieser habe nach seiner Ernennung zum Domherrn in Münster entgegen dem herrschenden Brauch keinen Antrittsbesuch beim Oberpräsidenten gemacht und bei ihm selbst überdies anlässlich einer späteren zufälligen Begegnung keinen besonders repräsentativen Eindruck hinterlassen. Über seine politische Haltung sei es „schwer eine zuverlässige Auskunft zu geben“, zumal er von engeren Bekannten als „ein weicher, fremdem Einflusse leicht zugänglicher Charakter“ beschrieben würde. Dementsprechend prognostizierte Studt, dass Voß als Bischof von Osnabrück ähnlich „weltabgewandt und einer gewissen mystischen Richtung zugeneigt“ auftreten und dabei kirchenpolitische Fragen weitge48
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Regierungspräsident Schwarzenburg, Münster an Studt v. 5.5.1892, in: StAMS OP Nr. 1939,4. Stolberg-Wernigerode an Studt v. 19.11.1898, in: StAMS OP Nr. 1922. Stolberg-Wernigerode an Studt v. 30.11.1898, ebd. Studt an Stolberg-Wernigerode v. 4.12.1898, ebd. Hier auch die folg. Zit.
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hend seinen Beratern überlassen würde, wie es bereits bei seinem Heimatbischof Hermann Dingelstad in Münster zu beobachten sei. Im Gegensatz dazu stand die ultramontane Haltung Bergmanns für ihn einerseits gar nicht zur Diskussion. Andererseits habe dieser sich aber als nebenamtlicher Militärseelsorger in Minden verdient gemacht und sei als weit über die katholische Gemeinde in Minden hinaus angesehene Persönlichkeit nur aufgrund eines Einspruchs des zuständigen Landrats nach dem Kulturkampf nicht wieder als Militärpfarrer eingesetzt worden. Studt verwies zudem auf seinen Einsatz für Bergmann bei der Paderborner Bischofswahl 1891, als er sich dezidiert, aber vergeblich gegen dessen Streichung gewandt habe. Seither habe sich Bergmann, so Studt, noch eindeutiger als staatlich zuverlässige Persönlichkeit erwiesen, so dass ihn inzwischen auch der Mindener Regierungspräsident als moderaten Menschen charakterisiert habe. Bergmann sei seinem „ganzen überaus gewinnenden und heiteren Wesen nach ... stets geneigt ... einen Mittelweg einzuschlagen“, wenngleich er diesem weiterhin nicht für ein Bischofsamt geeignet erscheine. Diese Einschränkung versuchte Studt unter Verweis auf ein Gespräch mit einem geistlichen Vertrauensmann aus Minden zu entkräften, der dem Dompropst bescheinigt habe, „auch in seiner Gesinnung weit versöhnlicher geworden“ zu sein. Weshalb Studt angesichts der Monita seiner Beamtenkollegen gerade Bergmann bevorzugte und ihm in seinem umfangreichen Bericht den mit Abstand größten Raum zubilligte, erklärte er seinem Adressaten erst am Schluss seines Exposés ein wenig deutlicher. Der unschätzbare Vorzug des Paderborner Diözesanpriesters sei es nämlich, dass er „nicht aus der Münsterischen Tinte“ komme. Ganz offensichtlich war es Studt primär darum zu tun, um jeden Preis die Wahl eines Angehörigen des Münsteraner Klerus zu vermeiden, der sich in eine Linie mit dem dortigen Bischof Dingelstad und der als stark ultramontan angesehenen Mehrheit des Domkapitels stellen könnte. Diese Stoßrichtung wird auch daran deutlich, dass der Oberpräsident von Westfalen über den Kandidaten Franz Richter weitaus ungünstiger urteilte, obwohl dieser lediglich in einem lokal begrenzten Rechtsstreit zwischen seiner Kirchengemeinde und den Staatsbehörden um den Besitz eines Schulgebäudes in Bocholt dezidiert für die kirchlichen Rechte eingetreten war und für Konfliktstoff gesorgt hatte. Allein diese Marginalie gab Studt Anlass zu der Befürchtung, Richter werde als Bischof über den Bereich der Vermögensverwaltung hinaus diplomatisch unkluge Entscheidungen treffen. Ob zu diesem Urteil zudem Richters Engagement als „Presskaplan“ im Ruhrgebiet während der Hochphase des Kulturkampfs beigetragen hat, lässt sich aus dieser Quelle nicht entnehmen. Als weiterer Gutachter war der rheinische Oberpräsident Berthold Nasse im Falle von Weihbischof Fischer herangezogen worden, der sich in seiner
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Stellungnahme vom 22. November 1898 im Wesentlichen auf das Urteil des Kölner Regierungspräsidenten Hugo Freiherr von Richthofen stützte. Dieser hatte dem Weihbischof zwar bescheinigt, dass er „in seiner äußeren Erscheinung und in den Formen etwas unbeholfen und linkisch“ 52 daher komme, jedoch an „seinem Patriotismus ... nicht zu zweifeln“ sei, Wenn es aus Köln weiter hieß, Fischer sei „ungeeignet, eine größere und schwierigere Diözese zu leiten“, könne aber für die Osnabrücker Liste unbeanstandet bleiben, so drängt sich der Eindruck auf, man wollte ihn dort staatlicherseits loswerden. Dafür spricht nicht allein das zu diesem Zeitpunkt ständig erwartete Ableben des greisen Kölner Kardinals Philipp Krementz53, in dessen Nachfolge nach Informationen aus Kapitelskreisen auch Fischer gute Chancen eingeräumt wurden, sondern auch der ansonsten kaum verständliche Sinneswandel in der Charakterisierung seiner politischen und kirchenpolitischen Haltung seitens der Regierungsbehörden vom negativ beurteilten extremsten Ultramontanen zum vaterlandstreuen Kleriker mit Hang zum unabhängigen Urteil. Bezeichnend für eine entgegen bisherigen Erkenntnissen54 durchaus politische Haltung innerhalb des Osnabrücker Domkapitels erscheint auch der Hinweis des westfälischen Oberpräsidenten auf die teilweise welfische Gesinnung55 des Wahlgremiums, die Kultusminister Bosse einige Wochen später bei den Oberpräsidenten sowohl in Münster als auch in Hannover zu der Nachfrage veranlasste, „um welche Domherren es sich dabei handelt und was ihnen, zumal nach der bezeichneten Richtung hin, über sie bekannt geworden ist“56. Oberpräsident Studt erteilte daraufhin die Auskunft, dass er diese Information von einem geistlichen Vertrauensmann habe, der wiederum nach einer Unterredung mit Mitgliedern des Domkapitels zu dieser Erkenntnis gelangt sei. Interessant erscheint in diesem Kontext, dass Studt den Namen seines Informanten mit der Begründung nicht preiszugeben bereit war, dass dieser „nicht als Denunziant ... erscheinen“57 solle. In Wirklichkeit war es ihm wohl darum zu tun, eine direkte Informationsquelle im Münsteraner Klerus zu behalten und diese nicht mit dem Ministerium zu teilen. 52
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Nasse an Stolberg-Wernigerode v. 22.11.1898, in: NHStA Hannover, OP Hann 122a, Nr. 3782. Hier auch das folg. Zit. Zu dem Schreiben Richthofens an Nasse vgl. Trippen, Domkapitel und Bischofswahlen, S. 300 u. 304. Vgl. hierzu das Kap. Köln in diesem Band. Vgl. Aschoff, Kulturkampf, S. 59, wo die Situation in Osnabrück als politisch weniger brisant als in Hildesheim angesehen wird. Die Katholiken im ehemaligen Königreich Hannover fühlten sich nach 1866 mit den Anhängern des Welfenhauses in ihrer antipreußischen Haltung eng verbunden. Vgl. Aschoff, Kulturkampf, S. 16–18. Bosse an Studt v. 13.2.1899, in StAMS OP Nr. 1922, u. in NHStA Hannover, OP Hann 122a, Nr. 3782. Studt an Bosse v. 22.2.1899, in: StAMS OP Nr. 1922.
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Der Presse hingegen blieben die offensichtlichen Schwierigkeiten bei der staatlichen Bewertung der Kandidatenliste nicht verborgen. Zumindest deuteten dies die katholischen Zeitungen aus der Tatsache, dass „über die Sachlage vollständiges Schweigen“58 herrsche und das Domkapitel auch zwei Monate nach Einreichen seiner Liste noch nicht zur Wahl schreiten könne. Auf diesem Wege erfuhr die Öffentlichkeit auch die Namen der vermeintlichen Kandidaten59, wobei alle wirklich auf der Liste stehenden Personen sowie der Kölner Weihbischof Hermann Joseph Schmitz60 und der frühere Osnabrücker Domkapitular und nunmehrige Apostolische Vikar von Dänemark, Bischof Johannes von Euch61, genannt wurden. Darüber hinaus führte der lange Zeitraum der Sedisvakanz zwischen dem Tod des alten und der Ernennung des neuen Bischofs in der Presse zu Spekulationen darüber, „dass die Kandidatenliste, welche das Domkapitel sicherlich rechtzeitig eingereicht hat, in Berlin beanstandet sein muss und Weiterungen hervorgerufen hat“62. Als der Kultusminister den Oberpräsidenten vor dem Hintergrund der bevorstehenden Wahl um eine aktuelle Einschätzung der einzelnen Kapitelsmitglieder in politischer und kirchenpolitischer Hinsicht bat, antwortete dieser ausweichend und ohne einzelne Namen zu nennen, dass „es sehr schwierig ist, ein eingehendes und zuverlässiges Urteil über sie abzugeben, zumal sie sehr vorsichtig sind und nach außen niemals agitatorisch auftreten“63. Insgesamt sei aber die Mehrheit der Osnabrücker Domherren ultramontan ausgerichtet. Vom 6. März 1899 datiert dann das Schreiben Kaiser Wilhelms II., in dem entsprechend dem Votum der beiden als Gutachter fungierenden Oberpräsidenten Weihbischof Maximilian Gereon Graf von Galen und Pfarrer Franz Richter zu personae minus gratae erklärt, Dompropst Bergmann, Weihbischof Fischer und Regens Voß dagegen als genehm bezeichnet wurden64, so dass gemäß der bisherigen Praxis in Preußen das Domkapitel die Wahl aus drei Kandidaten hatte. Unter diesem Datum wurde ebenso entsprechend den Gepflogenheiten in Preußen der zuständige Oberpräsident von Hannover offiziell zum königlichen Wahlkommissar ernannt. Nachdem Stolberg-Wernigerode die reduzierte Liste am 15. März dem Domkapitel vertraulich mitge58
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Nordstern, Twistringer Sonntagsblatt v. 20.12.1898, in: BAOS, Personalakte Bischof Hubert Voß. Vgl. Rheinisch-Westfälische Zeitung v. 25.2.1899, in: StAMS, OP Nr. 1922. Zu Schmitz (1841–1899) vgl. das Kap. Köln in diesem Band. Zu von Euch (1834–1922), seit 1892 Apostolischer Vikar von Dänemark u. Titularbischof, vgl. Holtmann, Domkapitel, S. 85f. Nordstern. Twistringer Sonntagsblatt v. 20.12.1898, in: BAOS Personalakte Bischof Hubert Voß. Stolberg-Wernigerode an Bosse v. 1.3.1899, in: NHStA Hannover, OP Hann 122a, Nr. 3699. Schreiben Wilhelms II. v. 6.3.1899, durch Kultusminister Bosse an Stolberg-Wernigerode mitgeteilt am 11.3.1899, in: NHStA Hannover, OP Hann 122a, Nr. 3782.
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teilt hatte65, legte das Wahlgremium den 12. April 1899 als Wahltag fest. Wie sehr auch der offizielle Wahlakt staatlich gelenkt worden ist, zeigt dessen minutiöse Planung durch den Oberpräsidenten, die vom Regierungspräsidium auszuführen war. Beispielsweise war das Regierungspräsidium angewiesen, ein Namensverzeichnis aller insgesamt 28 Regierungsvertreter anzufertigen, welche den Oberpräsidenten anlässlich des Wahlaktes begleiteten, sowie einen genauen Sitzplan für das Mittagessen nach dem Wahlakt zu erstellen66. Das gedruckte Programm zur Bischofswahl enthielt 17 Tagesordnungspunkte67, darunter den Empfang des Wahlkommissars und der ihn begleitenden Regierungsbeamten durch das Domkapitel am Portal des Doms, deren gemeinsamen Einzug in das Gotteshaus durch ein Spalier der Mitglieder katholischer Vereine und des Klerus und den darauf folgenden Wahlakt im Kapitelsaal, in dem Stolberg-Wernigerode von einem „um eine Stufe erhöhter Ehrensitz“ aus mit einer Rede die Domherren auf die Wahl einstimmte, bevor diese hinter verschlossenen Türen die eigentliche Wahl durchführten. Die Proklamation des zum Bischof gewählten Kandidaten Hubert Voß in Gegenwart des Oberpräsidenten erfolgte bereits unmittelbar nach dem Wahlakt68 im Dom, woran sich in Abwesenheit des Erwählten eine zweiteilige Wahlfeier anschloss, bei der zunächst das Domkapitel den geistlichen Würdenträgern sowie dem Wahlkommissar und seiner Entourage im Bischöflichen Palais ein Frühstück servierte, bevor der Wahlkommissar seinerseits zu einem großen Festessen bat. Ziel und Zweck dieses weltlichen Teils des Wahlaktes war es, das Zusammenwirken von kirchlicher und weltlicher Macht zu dokumentieren, nämlich jene „guten Beziehungen, welche zwischen Sr. Majestät dem Kaiser und Könige und Sr. Heiligkeit dem Papst bestehen und welche in neuerer Zeit durch herzliche Kundgebungen besonderen Ausdruck gefunden haben“69 – wie Oberpräsident Stolberg-Wernigerode in seinem Toast formulierte. Vergingen nun bis zur Präkonisation durch Papst Leo XIII. am 19. Juni 1899 noch zwei Monate, so konnten die Feierlichkeiten der Konsekration und Inthronisation in Osnabrück erst am 8. Oktober 1899 – fast auf den Tag genau ein Jahr nach dem Tod von Bischof Höting – stattfinden. Den Grund für diese Verzögerung legte Voß, den die Nachricht von der Wahl bei einem Besuch in Dorsten telegraphisch erreicht hatte, Anfang August in einem privaten Brief dar. Er „warte noch immer vergebens auf die allerhöchste Anerkennung meiner Präkonisation, ohne welche ich die Verwaltung der Diözese Osnabrück nicht übernehmen“70 kann. Bescheiden unterschrieb der designierte Bischof 65 66 67 68
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Stolberg-Wernigerode an Domkapitel Osnabrück v. 15.3.1899, ebd. Diese Pläne finden sich in: StAOS Rep. 430, Dez.400 Nr. 1744. Programm und Regulativ abgedruckt, in: Gedenk-Blätter, S. 7–11. Hier auch das folg. Zit. Seit 1900 wurde die Proklamation erst nach der Bestätigung durch den Heiligen Stuhl vollzogen. Vgl. Trippen, Domkapitel und Bischofswahlen, S. 337f. Stolberg-Wernigerode am 12.4.1899, zit. in: Gedenk-Blätter, S. 12. Voß an Quaink v. 9.8.1899, in: BAOS Personalakte Quaink.
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von Osnabrück mit „Voß, Regens“. Mit dem entsprechenden Plazet des preußischen Königs vom 23. August waren die Vorbedingungen für die Weihe erfüllt, welche durch Bischof Hermann Dingelstad von Münster wiederum in Gegenwart des Oberpräsidenten vollzogen wurde71. Als Mitkonsekratoren fungierten die aus dem Bistum stammenden Apostolischen Vikare in Dänemark und Schweden, die Bischöfe Johannes von Euch und Albert Bitter. Der in dieser kirchlichen Feier wiederum sichtbar demonstrierte Schulterschluss zwischen Kirche und Staat spiegelte sich auch im weltlichen Programm wider, als Bischof Dingelstad in seiner Rede den Festtag der Bischofsweihe als „ein Geschenk so der Krone Preußens wie des Heiligen Stuhls“72 bezeichnete. Und Bischof Voß schien schon in einer seiner ersten Amtshandlungen den in ihn gesetzten staatlichen Hoffnungen zu entsprechen, als er in seiner Ansprache betonte, es sei „Pflicht des Bischofs, in derselben Weise die Interessen des Staates und der Kirche im Auge zu behalten“73. Nur eine Frage der Kontinuität war es im Übrigen, dass Voß zugleich das Apostolische Vikariat für die Nordischen Missionen und die Präfektur Schleswig-Holstein übertragen erhielt74. Wie sehr man aus staatlicher Sicht die Osnabrücker Wahl von 1898/99 als Musterbeispiel ansah, zeigt die Tatsache, dass der rheinische Oberpräsident Berthold Nasse angesichts der anstehenden Neubesetzung des erzbischöflichen Stuhls in Köln nach ernstlicher Erkrankung von Kardinal Krementz 1899 beim Oberpräsidenten von Hannover die Osnabrücker Wahlakten anforderte75. Aber erst nachdem der Kölner Erzbischofsstuhl drei Jahre später erneut vakant geworden war und der Bischof von Osnabrück für die Neubesetzung genannt wurde, geriet Hubert Voß noch einmal intensiver in das Blickfeld der Staatsbehörden76. Übrigens war es gerade nicht der Kölner Dompropst Berlage, der seinen „Heimatbischof“ für den bedeutenden Erzbischofsstuhl vorab favorisiert hatte77. Erst als er nach Aufstellung der Liste des Metropolitankapitels der staatlichen Sympathien für Voß gewahr wurde, hielt er nun „Voß für 71
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Vgl. Programm der Konsekration und Inthronisation von Bischof Voß, in: Gedenk-Blätter, S. 25–28. Bereits am 30.5.1899 hatte Voß die Ehrendoktorwürde der Kath.-Theol. Fakultät Münster verliehen bekommen. Vgl. Hegel, Geschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster, Bd. 2, S. 209. Gedenk-Blätter, S. 41. Hierüber auch ein positiver Bericht Stolberg-Wernigerodes an Studt v. 10.10.1899, in: PA AA Preußen 2 Nr. 2f. Gedenk-Blätter, S. 42f. Die Ernennung durch die Propaganda-Kongregation erfolgte am 30.8.1899. Die kaiserliche Bestätigung erfolgte am 6.10.1899 vgl. NHStA Hannover, OP Hann 122a, Nr. 3781. Dies geschah sicherlich nicht nur, weil es sich um die bisher letzte preußische Bischofswahl handelte, wie Trippen, Domkapitel und Bischofswahlen, S. 294, darlegt. Ebd., S. 365–368; sowie Hegel, Das Erzbistum Köln zwischen der Restauration des 19. Jahrhunderts und der Restauration des 20. Jahrhunderts, S. 94. So Berlage an Nasse v. 2.6.1902, zit. nach Trippen, Domkapitel und Bischofswahlen, S. 364f.
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den geeignetsten“78 Kandidaten. Hintergrund war die Tatsache, dass ein Kopfan-Kopf-Rennen mit dem Kölner Weihbischof und Domdechanten Antonius Fischer erwartet wurde, der ja bereits 1899 in Osnabrück gemeinsam mit Hubert Voß auf der Kandidatenliste gestanden hatte. Für Voß hatte der hannoversche Oberpräsident Stimmung gemacht, der dem Kultusminister schrieb, der „Bischof Voß ... [habe] von seinem ersten Auftreten in Osnabrück an bis zum heutigen Tage stets das Bestreben gehabt, den Staatsbehörden loyal und offen zu begegnen“79. Stolberg-Wernigerode hob sowohl die persönliche Liebenswürdigkeit des Oberhirten als auch sein allgemeines Ansehen bei Priestern und Gläubigen der Diözese hervor und beurteilte Voß insgesamt als „einen ruhigen und verständigen Mann, von welchem man auch annehmen kann, dass er von Herzen friedfertig und ebenso den konfessionellen Frieden zu wahren aufrichtig bestrebt ist“. Obwohl Kultusminister Studt bekannte, dass „die Wahl des Bischofs Voß in erster Linie der Staatsregierung erwünscht sein würde“80, zeigte er sich in seinem Plädoyer doch auch mit Fischer einverstanden, der als Kölner Diözesanpriester und langjähriger Weihbischof natürlich über einen „Heimvorteil“ verfügte, dort bereits 1899 Favorit gewesen war und auf den schließlich am 6. November 1902 die Wahl des Metropolitankapitels fiel.
Bischofswahl 1914 Wenn der Tod von Bischof Voß am 3. März 1914 in der katholischen Bevölkerung der Diözese Osnabrück als deutliche Zäsur angesehen wurde, verstärkte diesen Eindruck das fast gleichzeitige Ableben des langjährigen Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz, des Breslauer Fürstbischofs Georg Kardinal Kopp. Die örtliche Presse sprach jedenfalls von einer „eigenartige(n) Duplizität der Ereignisse“81. Eingehende Kondolenzadressen der Staatsbehörden, in denen beispielsweise Regierungspräsident Richard von Bötticher82 bedauerte, in Bischof Voß „den liebenswürdigsten edlen Menschen, mit dem zu verkehren eine herzliche Freude war“83, verloren zu haben, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass das fundamentale Interesse der Regierung der Einwirkung auf die Wahl des Nachfolgers galt. So bat der hannoversche Ober-
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So Kultusminister Studt an Oberpräsident Nasse v. 26.6.1902, zit. nach ebd., S. 376. Stolberg-Wernigerode an Studt v. 6.7.1902, in: NHStA Hannover, OP Hann 122a, Nr. 3699. Hier auch das folg. Zit. Studt an Nasse v. 21.10.1902, in: Trippen, Domkapitel und Bischofswahlen, S. 402. Nachruf für Voß, in: Osnabrücker Volkszeitung v. 3.3.1914. Kardinal Kopp starb am 4.3.1914 in Troppau. Vgl. Gatz, Kopp, in: Ders., Bischöfe, S. 400–404, hier S. 403. Zu Bötticher (1855–1934), 1909–1917 Regierungspräsident in Osnabrück, vgl. Hehemann, Handbuch, S. 38. Bötticher an Domkapitel v. 4.3.1914, in: StAOS Rep 430, Dep 400 Nr. 1744.
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präsident Richard von Wentzel84 bereits vor seiner offiziellen Ernennung zum königlichen Wahlkommissar die Osnabrücker Regierungsbehörde „soweit es in unauffälliger Weise geschehen kann, vertraulich alsbald Erkundigungen darüber einzuziehen, wer seitens des dortigen Domkapitels für die Wahl als Bischof voraussichtlich in Aussicht gebracht werden wird“85. Vor allem sollte mitgeteilt werden, welche der möglichen Kandidaten „als personae gratae für eine etwaige Wahl zum Bischof bestimmt werden können“. Durch einen ungenannt bleibenden Vertrauensmann brachte der Regierungspräsident daraufhin in Erfahrung, dass folgende vier Kandidaten seitens des Domkapitels für die einzureichende Liste im Gespräch seien, und zwar der Domkapitular und bisherige Generalvikar Franz Gerhard Harling, der Domkapitular Augustinus Lohmeyer, der Meppener Religionslehrer Wilhelm Berning sowie der Münsteraner Theologieprofessor Joseph Mausbach. Allerdings wies Stüve darauf hin, dass es sich bei diesen Namen „vorerst nur um Mutmaßungen“86 handle. Das Domkapitel zählte zu diesem Zeitpunkt nur sechs Mitglieder, da Lambert Pohlmann am 2. Februar 1914 verstorben war. Nur zwei Kapitulare hatten bereits an der Wahl von 1899 mitgewirkt, nämlich Franz Gerhard Harling, den das Kapitel noch am 3. März in einer außerordentlichen Sitzung mit vier zu zwei Stimmen zum Kapitularvikar wählte87, und Karl Joseph Müller, der zwar Zentrumsmitglied war, jedoch im Vorfeld seiner Ernennung zum Domdechanten 1908 staatlicherseits eine loyale Gesinnung attestiert bekommen hatte88. 1901 war der Direktor des Bischöflichen Lehrerseminars Dr. h.c. Heinrich Degen89 in das Gremium eingetreten, den Regierungspräsident Stüve bereits gegenüber dem Oberpräsidenten als episkopabel bezeichnet hatte, da er „ungewöhnlich begabt und wissenschaftlich tüchtig, von lebhaftem Temperament und eifrig in seinem Beruf“90 sei. Der ausschlaggebende Punkt für die überaus positive staatliche Beurteilung lag aber wohl in der Tatsache, dass Degen sich als Schulexperte des Bistums staatlichen Bestrebungen keineswegs widersetzt hatte und auch nach der Verstaatlichung des Lehrerseminars dort als Direktor im Amt geblieben war. 1906 war der bisherige Domvikar Johannes Rhotert91, zwei Jahre später der Wallenhorster Pfarrer und Land84
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Wentzel wurde erst zum 1.10.1914 durch Ludwig von Windheim abgelöst, den Aschoff, Hildesheimer Bischofswahlen, S. 71, bereits im Frühjahr 1914 als Oberpräsident amtieren lässt. Wentzel an Bötticher v. 9.3.1914, in: StAOS Rep 430 Dez 400 Nr. 1745. Hier auch das folg. Zit. Die Ernennung zum Wahlkommissar erfolgte am 13.3.1914. Bötticher an Wentzel v. 12.3.1914, ebd. Vgl. Protokoll der außerordentlichen Kapitelsitzung v. 3.3.1914, in: BAOS 03–28–06–01. Stüve an Stolberg-Wernigerode v. 12.2.1908, in: StAOS Rep 430 Dez 400 Nr. 1746. Zu Degen (1847–1917) vgl. Holtmann, Domkapitel und Bischofswahlen, S. 103–105. Verzeichnis der für höhere Stellen geeigneten Priester v. 3.8.1902, in: NHStA Hannover, OP Hann 122a Nr. 3699. Zu Rhotert (1847–1925) vgl. Holtmann, Domkapitel, S. 106f., u. Hehemann, Handbuch, S. 241.
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dechant Carl Franksmann92, der politisch „entschieden dem linken Flügel der Zentrumspartei zuzurechnen“93 war, sowie Regens Augustinus Lohmeyer, der als „von gut patriotischer Gesinnung, politisch aber nicht hervorgetreten“ galt, hinzugekommen. Tatsächlich fanden sich auf der am 25. März 1914 vom Domkapitel beschlossenen und sofort nach Hannover weitergeleiteten Liste nur die Namen Bernings und Lohmeyers, ergänzt um drei den Staatsbehörden vorab offenbar nicht bekannte Kandidaten. Insgesamt las sich die Liste wie folgt: Nikolaus Hilling, Wilhelm Berning, Heinrich Hähling von Lanzenauer, Karl Schmitt, Augustinus Lohmeyer. Interessant erscheint an dieser Liste auf den ersten Blick, dass die hier aufgeführten fünf Kandidaten nicht wie 1898 in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt wurden, sondern nach ihrer Stimmenzahl innerhalb des Domkapitels94.
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a bei der Vorwahl des Kapitels sechs Stimmen auf Hilling, je fünf auf Berning und Hähling von Lanzenauer und je vier auf Lohmeyer und Schmitt entfallen waren, favorisierte die Mehrheit der Kapitulare den 43-jährigen Kirchenrechtler Nikolaus Hilling95, der 1871 in Niederlangen bei Lathen im Emsland geboren war und drei Doktortitel in Theologie, Philosophie und Recht erworben hatte. Nach kirchenrechtlichen Studien am Campo Santo Teutonico im Vatikan96 war er kurzzeitig als Pastor in Georgsmarienhütte tätig gewesen, bevor er 1906 eine außerordentliche und sechs Jahre später eine ordentliche Professur für Kirchenrecht an der Katholisch-theologischen Fakultät der Bonner Universität erlangt hatte. 1913 war ihm die Herausgeberschaft des bedeutendsten Periodikums in seinem Fach, des „Archiv für katholisches Kirchenrecht“ übertragen worden.
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ilhelm Berning97, mit erst 37 Jahren der mit Abstand jüngste Kandidat, stammte aus Lingen, wo er 1877 geboren war und auch das Abitur
Zu Franksmann (1841–1920), seit 1887 Pfarrer u. später auch Dechant in Wallenhorst, vgl. Holtmann, Domkapitel, S. 110f. So Stüve an Stolberg-Wernigerode am 12.2.1908, in: StAOS Rep 430 Dez 400 Nr. 1746. Hier auch das folg. Zit. So erhielten Hilling 6, Berning u. Hähling von Lanzenauer je 5 u. Schmitt u. Lohmeyer je 4 Stimmen. Zuvor hatte das Kapitel am 21.3.1914 beschlossen, nicht mehr als fünf Personen auf die Liste zu setzen. Vgl. Protokoll der Sitzung des Domkapitels v. 25.3.1914, in: BAOS 03–28–06–01. Zu Hilling vgl. Mörsdorf, Hilling, in: NDB, Bd. 9 (1972), S. 159; Bautz, Hilling, in: BBKL, Bd. II (1990), Sp. 868; u. zuletzt Albers/Lensing, Hilling, in: Emsländische Geschichte, Bd. 15 (2008), S. 374–396. Vgl. Gatz, Rom als Studienplatz deutscher Kleriker, S. 175. Zu Berning vgl. bisher Bautz, Berning, in: BBKL, Bd. I (1975), Sp. 541; Seegrün, Wilhelm Berning (1877–1955). Ein Lebensbild, in: OM, Bd. 79 (1972), S. 79–92; Recker/Seegrün, Berning, Wilhelm, in: Gatz, Bischöfe 1945–2001, S. 422–427 (erweiterte Fassung des Art.
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abgelegt hatte. Er hatte nicht allein in Münster, sondern auch in Breslau studiert und sich insbesondere den orientalischen Sprachen und den Sozialwissenschaften zugewandt98. Außerdem war Berning in Münster mit einer Arbeit über „Die Einsetzung der hl. Eucharistie in ihrer ursprünglichen Form nach den Berichten des Neuen Testaments“ zum Dr. theol. promoviert worden99. Zudem hatte er das Staatsexamen für den höheren Schuldienst abgelegt und wirkte seit 1901 als geistlicher Lehrer für Religion, Hebräisch und Geschichte am Gymnasium in Meppen sowie ab 1904 zusätzlich an der Lehrerinnenbildungsanstalt der Ursulinen in Haselünne. In Meppen hatte er sich neben der Schultätigkeit für die sozialen Belange aufgeschlossen gezeigt und hatte zu den Gründern des Katholischen Arbeitervereins gehört, dessen Präses er geworden war. 1909 gehörte er zu den Kandidaten der Katholisch-Theologischen Fakultät in Münster für die Neubesetzung des Lehrstuhls für Neues Testament seines zum Bischof von Ermland ernannten Doktorvaters Augustinus Bludau100.
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er aus Bad Laer gebürtige Regens des Osnabrücker Priesterseminars August Lohmeyer101, Jahrgang 1853, der nach Studium in Münster und Würzburg 1878 in Osnabrück die Priesterweihe erhalten hatte, war ab 1885 als Kaplan in Altona und seit 1888 als Pfarrer in Neumünster mit Diasporaerfahrungen versehen, seit 1898 in der Priesterausbildung und zudem als Militärpfarrer in Osnabrück tätig. Den Tod Bischof Hötings hatte er als dessen Begleiter auf dem Weg zum Ad-Limina-Besuch in Rom miterlebt.
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einrich Hähling von Lanzenauer102, der 1861 in Koblenz geboren, aber in Arnsberg im Sauerland aufgewachsen war, hatte reiche Seelsorgserfahrungen in der sächsischen Diaspora seines Bistums Paderborn, u.a. in Dessau/Anhalt, gesammelt, und war überdies einige Jahre Direktor des neuen Theologenkonvikts Collegium Leoninum in Paderborn gewesen, bevor er 1912 Weihbischof und zugleich Domdechant in Paderborn geworden war.
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in vergleichsweise unbeschriebenes Blatt war zu diesem Zeitpunkt der 42-jährige Carl Schmitt103, der aus Hamburg stammte, Jahrgang 1872 war,
v. W. Seegrün, in: Gatz, Bischöfe, S. 40–43); Recker, Wem wollt ihr glauben?; Recker, Wilhelm Berning, in: Emsländische Geschichte, Bd. 6 (1997), S. 135–141. Vgl. Recker, Wem wollt ihr glauben?, S. 135, u. Seegrün, Berning, S. 79. Vgl. passim Wilhelm Berning, Die Einsetzung der hl. Eucharistie in ihrer ursprünglichen Form nach den Berichten des Neuen Testaments. Diss. theol. Münster 1901. Vgl. Hegel, Geschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster, Bd. 2, S. 168. Vgl. ebd., Bd. 1, S. 402. Zu Lohmeyer, der 1918 starb, vgl. Holtmann, Domkapitel, S. 108f.; u. Holtmann, Lohmeyer, in: Gatz, Bischöfe, S. 460. Zu Hähling von Lanzenauer (1861–1925) vgl. das Kap. Paderborn in diesem Band. Zu Schmitt (1872–1942) vgl. Holtmann, Domkapitel, S. 122f.
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bis zur Auflösung des Bischöflichen Lehrerseminars in Osnabrück 1907 dort unterrichtet hatte, anschließend Rektor am Marienhospital geworden war und 1912 als Oberlehrer an die Angela-Schule der Ursulinen nach Haste gewechselt war. Jedenfalls war er dem Osnabrücker Landrat Johann Ernst Freiherr von Wangenheim104 gänzlich unbekannt105. Das Interesse der Regierungsbehörde hatte sich bereits 1906 im Vorfeld der Besetzung einer Domvikarsstelle auf ihn gelenkt, als es hieß, er sei „in politischer und kirchenpolitischer Hinsicht nie hervorgetreten. Er lebt sehr eingezogen und scheint nur dem Studium zu obliegen“106. Schon zwei Tage nach Aufstellung der Liste bat Oberpräsident von Wentzel den Regierungspräsidenten in Osnabrück um „schleunige, eingehende Äußerung über die Personalien, den Bildungsgang und die politische und kirchenpolitische Haltung der Kandidaten Berning, Schmitt und Lohmeyer“107. Gleichzeitig forderte er bei Georg Freiherr von Rheinbaben, dem Oberpräsidenten der Rheinprovinz, ein Gutachten über Nikolaus Hilling an. Von der aus Osnabrück an die zuständigen Landräte weiter delegierten Informationspflicht machte der Meppener Landrat Behnes am ausgiebigsten Gebrauch, der den in seinem Kreis wirkenden Kandidaten Wilhelm Berning mit besonderem Nachdruck empfahl. Berning sei „ein vielseitig gebildeter Mann, der große Befähigung mit vielem Wissen verbindet. ... Er ist ein kluger, ruhig überlegender Mann, der sowohl aus Milde als auch aus Klugheit es vermeiden würde, die durch die Toleranz gebotenen Grenzen zu verlassen.“108 Seine Herkunft aus der gemischtkonfessionellen Stadt Lingen wie auch seine zahlreichen Auslandsreisen sah Behnes als Gewähr dafür, dass er „auch anderen Konfessionen gegenüber einen ... konzilianten Standpunkt einnehmen würde“, zumal Berning eloquent sei und ein gewandtes Auftreten besitze. Wenn Berning auch mit Sicherheit politisch dem Zentrum nahe stehe, lasse er es dennoch an Loyalität gegenüber Kaiser und Reich nicht fehlen. Negativ vermerkte der Landrat lediglich die fehlende pastorale Praxis des Kandidaten, da er bisher nur in der Schule gewirkt habe. Gegenüber diesem Urteil nahm sich die Persönlichkeit des ebenfalls im Schuldienst tätigen Kandidaten Carl Schmitt äußerst blass aus. Während er dem für dessen aktuelle Wirkungsstätte in Haste zuständigen Landrat des Kreises Osnabrück „völlig unbekannt“ war, hieß es seitens des ergänzend um Charakterisierung gebetenen Osnabrücker Oberbürgermeisters, Schmitt „lebt vollständig zurückgezogen und widmet sich seinen wissenschaftlichen 104
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Zu Wangenheim (1860–1931), 1902–1917 Landrat in Osnabrück, vgl. Hehemann, Handbuch, S. 306. Wangenheim an v. Bötticher v. 1.4.1914, in: StAOS Rep 430 Dez 400 Nr. 1744. Stellungnahme des Oberbürgermeisters von Osnabrück v. 21.4.1906, in: StAOS Rep 430, Dez. 400 Nr. 1746. Wentzel an Bötticher v. 27.3.1914, in: StAOS Rep 430, Dez. 400 Nr. 1745. Behnes an Bötticher v. 1.4.1914, ebd. Hier auch die folg. Zit.
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Bestrebungen. An die Öffentlichkeit ist er bislang nicht getreten. Er ist auch ein unbeschriebenes Blatt“. Obgleich ihm vor diesem Hintergrund auch keine ultramontane Gesinnung unterstellt werden konnte, wurde bereits in diesen, vom Regierungspräsidenten unverblümt nach Hannover weitergegebenen Worten die mangelnde qualitative Eignung dieses Kandidaten herausgestellt. Wie richtungweisend die Einschätzung der Landräte bzw. Oberbürgermeister war, zeigt sich im Gutachten des Osnabrücker Stadtoberhaupts über den Regens Lohmeyer, das Regierungspräsident von Bötticher ebenfalls wortwörtlich in seinem Plädoyer gegenüber dem Oberpräsidenten übernahm, zumal er offenbar mit dem Oberbürgermeister in diesem Punkt vollständig übereinstimmte. Letzterer hatte Lohmeyer als einen „Gegner scharfer Maßnahmen und immer bereit, einen vermittelnden Weg zu finden“109, charakterisiert. Ein Beispiel dafür, dass die kirchliche Personalpolitik aber durchaus auch auf der Ebene der Regierungspräsidenten gesteuert wurde, ist in der Tatsache zu sehen, dass der Osnabrücker Regierungspräsident in seinem die Einzelgutachten zusammenfassenden Bericht an den Oberpräsidenten hinsichtlich des Kandidaten Berning zum einen die Elogen des Landrats aus Meppen wortwörtlich übernahm, zum anderen aber dessen Einschränkung hinsichtlich der mangelnden Erfahrungen Bernings in der Pfarrseelsorge ersatzlos strich110. Offensichtlich war der Meppener Geistliche, von dem Landrat Behnes geschrieben hatte, er „habe schon seit einigen Jahren angenommen, dass der Oberlehrer Dr. Berning sich einmal sehr für das Amt des Bischofs eignen werde“111, auch der Wunschkandidat von Böttichers. Inwieweit von staatlicher Seite gegenüber dem Domkapitel eine Empfehlung ausgesprochen wurde, die nach der raschen Genehmerklärung aller fünf Kandidaten durch den preußischen König für den 26. Mai 1914 anberaumte Wahl auf den Meppener Oberlehrer fallen zu lassen, lässt sich nicht mehr verifizieren. Offensichtlich wirkte aber gerade die „ausgleichende Persönlichkeit“ des Regierungspräsidenten von Bötticher mäßigend auf das weitere Procedere ein, so dass diesmal keiner der Kandidaten gestrichen wurde112. Aus den Quellen lässt sich lediglich ersehen, dass der Verlauf des Wahlaktes dem von 1899 entsprach, wobei das Programm noch detaillierter ausgearbeitet war113. Beispielsweise wurde die Ordnung beim Auszug der geistlichen und weltlichen Würdenträger aus dem Dom nach dem Eröffnungshochamt genau vorgeschrieben. Auch wurde die feierliche Proklamation nun nicht mehr 109 110 111 112
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Rissmüller an Bötticher v. 3.4.1914 u. Bötticher an Wentzel v. 7.4.1914, ebd. Vgl. Bötticher an Wentzel v. 7.4.1914, ebd. Behnes an Bötticher v. 1.4.1914, ebd. Vgl. Wentzel an Bötticher v. 3.5.1914, ebd. Ebenso war 1910 in Paderborn die gesamte Liste genehmigt worden. Vgl. das Kap. Paderborn in diesem Band. Vgl. Programm der zu Osnabrück am 26. Mai 1914 stattfindenden Bischofswahl, in: BAOS: Personalakte Bischof Wilhelm Berning.
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durch das „Te Deum“ abgeschlossen, sondern durch das Lied „Fest soll mein Taufbund immer stehn“114. Während die regionale Presse ausführlich über den öffentlichen Teil des Wahlakts berichtete und Schüler wie Kollegen des Meppener Gymnasiums dem neuen Bischof mit einem Fackelzug huldigten115, erregte die Wahl eines über die Diözese hinaus weithin unbekannten, erst 37 Jahre alten Kandidaten, der noch über Jahre das jüngste Mitglied der Fuldaer Bischofskonferenz bleiben sollte, auf höherer kirchlicher Ebene Aufsehen. Zumindest erkundigte sich der Apostolische Nuntius in München, Erzbischof Andreas Frühwirth, streng vertraulich bei dem ihm offensichtlich persönlich bekannten Superior des Maristenklosters in Meppen, P. Anton Steffen SM116, bei Konviktspräses Hermann Huismann117 in Meppen sowie beim Bischof von Hildesheim, Adolf Bertram, nach der kirchlichen Einstellung Bernings. Der angefragte Hausobere konnte den Nuntius aber sogleich dahingehend beruhigen, dass der ihm gut bekannte „Dr. Berning, unser episcopus electus, ... stets echt katholisch und römisch in seinem Lehramt gewesen“118 sei. Nachdem ein Lehrer des Meppener Gymnasiums die Lehre Darwins vertreten habe, habe Berning „sofort dagegen protestiert, und ziemlich scharf“, wie der Maristenpater berichtete, der sich geehrt fühlte, „Ew. Erzb. Gnaden diese guten Aufklärungen geben zu können“. Huismann hob einerseits die theologische Bildung und andererseits die pädagogische Qualifikation Bernings hervor, der „s[einer] Z[eit] bereitwilligst den Eid gegen den Modernismus geleistet“119 habe. Bischof Bertram kannte Berning zwar zu diesem Zeitpunkt noch nicht persönlich, glaubte aber nach Erkundigungen bei einem ungenannt bleibenden Vertrauensmann ebenso sagen zu können, dass der neu gewählte Osnabrücker Oberhirte „von seiner Studienzeit her sich stets durch makellosen Wandel und tief religiöse Gesinnung ausgezeichnet“120 habe. Zudem sei er „allen modernistischen Richtungen abhold“. Wie auch Huismann hatte Bertram damit wohl den entscheidenden Punkt angesprochen, ging es doch vor dem Hintergrund des römischen Kampfes gegen den Modernismus und angesichts des Gewerkschaftsstreits darum, die Haltung des neu erwählten Bischofs zu diesen Fragen auszuloten121. 114
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Vgl. Erlass Rampollas v. 20.7.1900, in: Archiv für katholisches Kirchenrecht, Bd. 81 (1901), S. 525ff. Vgl. auch Trippen, Domkapitel und Erzbischofswahlen, S. 337–346. Vgl. Münsterischer Anzeiger v. 28.5.1914, in: ASV ANM 267. Zu Steffen, 1908–1920 Hausoberer des Maristenklosters Meppen und Leiter des Gymnasium Josephinum, vgl. Berlage, Handbuch des Bistums Osnabrück, S. 119 u. 159. Huismann, wurde 1908 als Germaniker in Rom zum Priester geweiht u. starb 1935 als Geistl. Studienrat in Osnabrück. Vgl. ebd., S. 674. Superior P. Steffen SM, Meppen, an Frühwirth v. 3.6.1914, in: ASV ANM 267. Hier auch die folg. Zit. Huismann an Frühwirth v. 4.6.1914, ebd. Bertram an Frühwirth v. 3.6.1914, ebd. Hier auch das folg. Zit. Während Berning offenbar in der Modernismus-Frage sehr auf der Kurienlinie lag, hatte er sich im Gewerkschaftsstreit für die Öffnung katholischer Arbeitervereine zu den interkon-
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Nachdem Berning am 14. Juli 1914 die päpstliche Bestätigung erhalten hatte, erfolgte unter dem 15. September auch die Bestellung zum Apostolischen Provikar der Norddeutschen Missionen und zum Apostolischen Präfekten für Schleswig-Holstein durch die Kongregation Propaganda Fide. Die Konsekration fand durch den bereits zum Fürstbischof von Breslau ernannten Hildesheimer Oberhirten Adolf Bertram am 29. September statt, wobei Bischof Johannes Poggenburg und Weihbischof Theodor Kappenberg aus Münster als Mitkonsekratoren fungierten. Anders als seinen beiden Vorgängern, die unmittelbar nach ihrer Ernennung 1882 bzw. 1899 den Ehrendoktortitel der Katholisch-Theologischen Fakultät in Münster verliehen bekommen hatten122, wurde Berning diese Ehrung am Tag seiner Bischofsweihe durch Bischof Bertram, dem 29. September 1914, nicht zuteil. Möglicherweise trug hierzu auch der Kriegszustand bei, weswegen ohnehin „auf jede weltliche Festlichkeit verzichtet“123 wurde und entgegen dem bisherigen Brauch anstelle einer Festschrift nur ein Gedenkblatt zum Weihetag erschien124.
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fessionellen Gewerkschaften ausgesprochen. Vgl. Recker, Wem wollt ihr glauben?, S. 19. Vgl. Hegel, Geschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster, Bd. 2, S. 207 u. 209. Seegrün, Berning, S. 80. Vgl. Gedenkblatt zur Erinnerung an die Konsekration und Inthronisation des hochwürdigsten Herrn Bischofs Dr. Wilhelm Berning am 29.9.1914, Osnabrück 1914, in: BAOS Personalakte Bischof Wilhelm Berning.
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ls infolge des deutsch-österreichischen Krieges 1866 Hessen-Kassel, Hessen-Nassau und die Stadt Frankfurt/Main von Preußen annektiert wurden, wo sie die Provinz Hessen-Nassau mit Sitz des Oberpräsidenten in Kassel bildeten, vergrößerte sich das preußische Staatsgebiet um zwei Bistümer: Fulda und Limburg. Allerdings verblieben sie bis zum Preußenkonkordat 1929, also im gesamten Untersuchungszeitraum, innerhalb der Oberrheinischen Kirchenprovinz, waren also dem außerhalb Preußens sitzenden Erzbischof von Freiburg/Breisgau als zuständigem Metropoliten unterstellt. Zudem galten in diesen beiden Diözesen bei Bischofsbestellungen weiterhin die bisherigen rechtlichen Grundsätze, wie sie in der am 11. April 1827 rechtskräftig gewordenen Bulle „Ad dominici gregis custodiam“ und in dem Breve „Re sacra“ vom 28. Mai 1827 für die südwestdeutschen Staaten verbindlich geworden waren1. Das 1752 aus der traditionsreichen Benediktinerabtei Fulda2 hervorgegangene gleichnamige Bistum war im selben Jahr wie die „alt)preußischen Diözesen, nämlich 1821, als Landesbistum für Kurhessen (Sitz in Kassel) durch die Zirkumskriptionsbulle „Provida sollersque“ neu umschrieben worden3. Neben der Dignität des Domdekans bestanden in Fulda vier Domherrenstellen. Hier wie auch in den anderen Diözesen der Oberrheinischen Kirchenprovinz hatte das Domkapitel als oberste Verwaltungsbehörde weitaus stärkere Rechte als in den (alt)preußischen Diözesen 4, insbesondere weil dort staatlicherseits eine kollegiale Bistumsleitung unter Vorsitz des Domdekans und unter Verzicht auf das Amt des Generalvikars impliziert war5.
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Texte der Bullen u. des Breve bei Huber/Huber, Bd. I, S. 268–273. Während die Bulle Grundlage im staatlichen Bereich war, hatte das Breve einen rein innerkirchlichen Charakter. Vgl. Hartmann, Der Bischof, S. 49. Vgl. Raab, Das Fürstbistum Fulda; Jäger, Fulda (1816–1831/33); Zuber, Staat und Kirche im Wandel. Zur Fuldaer Bistumsgeschichte vgl. im Überblick Gatz, Bistum Fulda, in: Ders. (Hrsg.), Die Bistümer der deutschsprachigen Länder, S. 287–299, zu den Fuldaer Bischöfen vgl. die populäre Überblicksdarstellung v. Leinweber, Die Fuldaer Äbte und Bischöfe. Vgl. Verordnung des Kurfürsten von Hessen u. des Herzogs v. Nassau v. 30.1.1830, Abschrift, in: GStA PK, II. HA Ministerium des Äußeren, Abt. I, Nr. 11176. Vgl. auch Burkard, Zum Wandel der Domkapitel, in: RQ, Bd. 99 (2004), S. 133–161, hier S. 154f.; u. Wolf, Das Domkapitel als Bischöfliches Ordinariat?, in: RJKG, Bd. 15 (1996), S. 173–197. Diese Auffassung vertrat in Nachfolge der Territorialherren von Hessen-Nassau der preuß. Oberpräsident noch 1884. In der Praxis wurde sie aber nicht länger realisiert. Vgl. Wolf, Generalvikar oder Domdekan?, in: Hainz (Hrsg.), Festschrift Bischof Kamphaus, S. 251–265, hier S. 263f.
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Der langjährige Bischof Christoph Florentius Kött6, der die Annexion Kurhessens durch Preußen 1866 ursprünglich begrüßt hatte, war in der ersten Phase des Kulturkampfes 1873 zu 1.200 Mark Geldstrafe respektive drei Monaten Gefängnis verurteilt worden. Als er kurz danach starb, war sein Nachlass gepfändet worden. Die Erwähnung allein dieser, den Bischof betreffenden Maßnahmen weist bereits darauf hin, dass der Kulturkampf im „neupreußischen“ Bistum Fulda mit besonderer Härte geführt wurde. Wenn es gerade hier zu Beginn der 1880er Jahre zu einer deutlichen Entspannung der Konfrontation zwischen Staat und katholischer Kirche kam, war für diesen neuen Kurs zum einen der 1881 zum Oberpräsidenten von Hessen-Nassau ernannte frühere preußische Innenminister Graf Botho von Eulenburg verantwortlich7. Zum anderen lag dies aber deutlich an der Neubesetzung des Bischofsstuhles. 1881 war nämlich der Hildesheimer Generalvikar Georg Kopp8 nach direkten Verhandlungen der preußischen Regierung mit dem Heiligen Stuhl als Kompromisskandidat9 auf den Fuldaer Bischofsstuhl gebracht und damit die achtjährige Sedisvakanz, die von Domkapitular Konrad Hahne bzw. Domdechant Karl Kalb als Bistumsverwalter überbrückt worden war, beendet worden10. Damit war Fulda die – nach Trier – zweite preußische Diözese, die wieder einen Oberhirten erhalten hatte. Eine Kapitelswahl war schon deshalb nicht möglich gewesen, weil das Domkapitel bis auf einen Domherrn zu diesem Zeitpunkt ausgestorben war. Bischof Kopp machte sein Bistum geradezu zum Prototyp und Vorreiter der Entspannung. Nur kurz sei in diesem Kontext erwähnt, dass 1882 das Domkapitel neu konstituiert und das Bischöfl iche Konvikt wieder eingerichtet wurde. 1886 folgte die Wiedereröffnung des Priesterseminars, das seit Dezember 1874 geschlossen gewesen war11. Die staatliche Gunst, die der diplomatisch auftretende Bischof Kopp genoss, führte nicht nur 1884 zu seiner Berufung in den Preußischen Staatsrat und zwei Jahre darauf in das Preußische Herrenhaus, sondern ließ ihn auch zur zentralen Figur in der Beilegung des Kulturkampfes werden. Als zeitlich parallel mit den Friedensgesetzen 1886/87 das wichtige 6 7
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Zu Kött (1801–1873) vgl. Hengst, Kött, in: Gatz, Bischöfe, S. 395f. Vgl. Vonderau, Geschichte der Seelsorge, S. 50. Zu Eulenburg (1831–1912), der 1878–1881 preuß. Innenminister, 1881–1892 Oberpräsident in Kassel u. anschließend bis 1894 preuß. Ministerpräsident war, vgl. Schütz, Die Oberpräsidenten, S. 299; Born, Eulenburg, in: NDB, Bd. 4 (1959), S. 680f., u. Klein, Leitende Beamte, S. 118f. Zu Kopp vgl. insbes. das Kap. Breslau in diesem Band. Während Kultusminister Goßler den Freiburger Kirchenhistoriker Franz Xaver Kraus favorisiert hatte, war Kardinalstaatssekretär Jacobini für den Trierer Kirchenrechtler und Kirchenhistoriker Peter Alexander Reuß eingetreten. Eulenburg kannte Kopp aus seiner Tätigkeit als Oberpräsident von Hannover. Vgl. Aschoff, Kopp, S. 39. Zur Ernennung Kopps 1881 vgl. Jestaedt, Kulturkampf, S. 168–173; u. ausführlich Aschoff, Kopp, S. 37–45. Vgl. Vonderau, Das Fuldaer Priesterseminar in der Zeit des Kulturkampfes, in: AMRKG, Bd. 51 (1999), S. 141–168; u. Hilpisch, Geschichte des Fuldaer Priesterseminars, S. 22–24.
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Fürstbistum Breslau neu zu besetzen war, verdichteten sich bald Gerüchte, dass eine Transferierung Kopps in die schlesische Provinzhauptstadt bevorstehe, zumal der preußische Kultusminister bereits im Kontext von Kopps Ernennung in Fulda intern erkennen lassen hatte, dass dessen Karriere nicht in Fulda enden würde12 und letzterer 1885 in Köln und 1886 in Freiburg bereits als potenzieller Erzbischof gehandelt worden war13. Die breitere Öffentlichkeit wurde auf diese erste Neubesetzungsfrage eines preußischen Bistums nach offi zieller Beendigung des Kulturkampfes am 24. Juni 1887 durch eine Meldung der nationalliberalen „Kölnischen Zeitung“ aufmerksam. Das Organ berichtete unter Berufung auf gut unterrichtete kirchliche Kreise über die bevorstehende Ernennung des Mainzer Domkapitulars Wilhelm Thoms14 zum Bischof von Fulda15. Dieser sei als Dompfarrer in Mainz während des Kulturkampfes um Ausgleich bemüht gewesen, besitze nicht nur die Unterstützung Kopps, sondern sei auch von diesem vorgeschlagen worden. Bischof Kopp hatte aus dem Fuldaer Klerus einzig den Geistlichen Rat Philipp Engel in Fulda als episkopabel bezeichnet, der aber aus staatlicher Sicht nicht weiter in Erscheinung getreten war, insgesamt aber die Rekrutierung seines Nachfolgers aus einer fremden Diözese empfohlen und dabei auf Thoms verwiesen. Thoms war 1826 als Sohn eines Seidenwäschers in der katholischen Diaspora der Stadt Hannover geboren worden und zum Theologiestudium an die damalige Katholisch-Theologische Fakultät in Gießen gegangen, die sich durch eine besondere Staatsnähe auszeichnete16. In Limburg 1849 zum Priester geweiht, war er wegen des im Bistum Mainz herrschenden Priestermangels dort inkardiniert worden, kurze Zeit später zum Domkaplan und 1855 bereits zum Verwalter, drei Jahre später dann zum Pfarrer am Mainzer Dom avanciert, wo er „namentlich als Prediger“ ein allgemein anerkanntes pastorales Wirken entfaltet hatte. Seit 1886 gehörte Thoms auch dem dortigen Domkapitel an. Mit dieser Personalie war allerdings ein Präzedenzfall geschaffen, da gemäß der Bulle „Ad Dominici gregis custodiam“ eigentlich nur Fuldaer Diözesanpriester auf die Liste gelangen durften. Obgleich Kultusminister Goßler von den Gerüchten um Thoms offenbar aus der Zeitung erfuhr, wandte er sich einige Wochen später an Bismarck, um diesen zu bitten, „die Großherzoglich hessische Regierung zu einer vertraulichen Äußerung über Thoms“ 17 zu bewegen. Dass der preußische Kultusminister dem Rat von Bischof Kopp so blindlings vertraute, lag sicherlich an der betont staatsloyalen Haltung des früheren Fuldaer Bischofs, 12
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Vgl. Morsey, Kirchenfürst oder „Staatsbischof“?, in: Wichmann-Jahrbuch, Bd. 21–23 (1967–1969), S. 42–65, hier S. 45. Vgl. hierzu die Kap. Köln u. Freiburg in diesem Band. Zu Thoms (1826–1892) vgl. Rommel, Demut und Standesbewusstsein, S. 156. Vgl. Kölnische Zeitung v. 24.6.1887. Vgl. Scharfenecker, Die Katholisch-Theologische Fakultät Gießen, S. 657. Goßler an Bismarck v. 23.7.1887, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2c.
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von dem Friedrich von Holstein 1885 in seinem Tagebuch notiert hatte, dass er „von den deutschen Bischöfen derjenige [sei], welcher jederzeit bereit war, seine ganze Stellung einzusetzen, um in Rom für eine Annäherung an die Staatsregierung zu wirken“18. Goßler hatte deshalb auch Kopps Erhebung auf den erzbischöflichen Stuhl in Köln 1885 betrieben, war dabei am Widerspruch Wilhelms I. gescheitert. Bereits am Folgetag versuchte der Kanzler und preußische Ministerpräsident, in Darmstadt „die politische und außenpolitische Haltung“19 dieses höheren Geistlichen zu eruieren. Laut Auskunft des hessischen Ministers des Großherzoglichen Hauses und des Äußern, Jakob Finger20, hätte er „ in Übereinstimmung mit sehr vielen Katholiken des Landes in erster Linie Herrn Thoms für den Bischofssitz in Mainz in Vorschlag gebracht“21. Die Kurie habe gegen diesen Vorschlag allerdings geltend gemacht, dass Thoms, der erst jetzt in das Domkapitel aufgenommen worden sei, als einfacher Pfarrer nicht die entsprechende Verwaltungserfahrung mitbringe, um eine Diözese zu führen. Wie sich der ebenfalls von Bismarck hinzugezogene preußische Gesandte in Hessen, Rudolf Le Maistre22, erinnerte, sei der wahre Grund für den Gegenwind, der Thoms im Vorjahr seitens des Heiligen Stuhls entgegengekommen sei, wohl „die Befürchtung gewesen …, dass derselbe bei seinem bekannten konzilianten Charakter sich in den … bevorstehenden Verhandlungen über die Revision der Hessischen Kirchengesetzgebung der Regierung gegenüber allzu nachgiebig zeigen möchte“23. Tatsächlich hatte der zu diesem Zeitpunkt 61-jährige, frisch ernannte Domkapitular offenbar – wie schon Finger vermerkte – „bei Bischof von Ketteler keinen guten Stand gehabt“24. Goßler zeigte sich anfangs von der Eignung Thoms überzeugt, war sich aber zugleich sicher, dass dieser niemals vom Domkapitel auf die Liste gesetzt werden würde. Zwar seien – wie er Bismarck ausführlich wissen ließ – drei der fünf Domherren, nämlich Domdechant Karl Kalb, Johannes Erb und Wilhelm Kleespieß, staatsloyal und die Minorität der beiden Kapitelsmitglieder Komp und Braun ultramontan gesinnt. Jedoch sei die Mehrheit einflusslos, während Komp die Fäden zu ziehen versuche. Selbst wenn letzterer für sich also keine Majorität im Kapitel erreiche, wäre doch zu befürchten, dass er einen wenig tatkräftigen Kandidaten unterstützen würde, um selbst im Hintergrund die 18 19 20
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Eintrag v. 27.8.1885, in: Rich/Fisher, Die geheimen Papiere Friedrich von Holsteins, S. 257. Goßler an Regierung in Darmstadt v. 24.7.1887, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2c. Zu Finger (1825–1904), 1872–1896 Staatsminister, vgl. Franz, Minister von Hessen-Darmstadt, in: Schwabe (Hrsg.), Die Regierungen der deutschen Mittel- und Kleinstaaten, S. 295–303, hier S. 297. Finger an Bismarck v. 28.7.1887, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2c. Zu Le Maistre (1835–1903), 1885–1887 preuß. Gesandter in Darmstadt, anschließend in Athen, vgl. Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes, Bd. 3, S. 47f. Le Maistre an Bismarck v. 27.8.1887, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2c. Finger an Bismarck v. 28.7.1887, ebd.
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Fäden zu ziehen. Komp sei zudem bereits zweimal, nämlich 1873 und 1881, vom Domkapitel auf die Liste gesetzt und von der Regierung daraufhin zur persona minus grata erklärt worden. In der Konsequenz erhob der Minister die Forderung, eine dem Staat genehme Lösung der Personalfrage durch Umgehung des Kapitelswahlrechts zu ermöglichen. Dabei ging es ihm nicht allein um „die Besetzung des an und für sich nicht bedeutenden Stuhles mit einem wohlgesinnten Mann“25, sondern um die Arithmetik im preußischen Episkopat. Denn wie er Bismarck auseinanderlegte, gebe es in Preußen derzeit nur fünf friedfertige Bischöfe, neben Kopp Wilhelm Sommerwerck in Hildesheim, Karl Klein in Limburg, Leo Redner in Kulm und Andreas Thiel von Ermland. Dagegen würden vier dezidiert ultramontane Oberhirten stehen, und zwar Erzbischof Krementz in Köln und die Bischöfe Brinkmann (Münster), Korum (Trier) und Drobe (Paderborn). Zweifelhaft seien Höting (Osnabrück) und Dinder (Gnesen-Posen). Wenn Fulda einen intransigenten Bischof bekäme, so seine Befürchtung, dann wären zudem auch die Nachbarbischöfe in Limburg und Hildesheim gefährdet. Die Neubesetzung in Fulda stellte für Gustav Goßler folglich eine Nagelprobe für die Erhaltung einer staatsloyalen Majorität im Episkopat dar und besaß somit exemplarischen Charakter für die Zukunft der Staat-Kirche-Beziehungen. Gegenüber Bismarck verfehlte dieses Szenario jedoch deutlich seine Wirkung. Obgleich der Kanzler im Vorjahr bei der Besetzung des Limburger Bischofsstuhles direkte Verhandlungen mit Rom gesucht hatte – was Goßler wohl in Fulda ebenso vorschwebte, ohne dass er dies expressis verbis formuliert hätte –, wollte er keine Demarche in Rom wagen und berief sich darauf, „in den geistlichen Personalien nicht Bescheid“26 zu wissen. Ausschlaggebend für diese Ausrede, und das war es wohl zweifelsohne, erwies sich wohl nicht zuletzt die Tatsache, dass der Favorit des Kultusministers durch eine Eingabe des Hildesheimer Bischofs Sommerwerck diskreditiert wurde, die Thoms nicht nur Charakterschwäche vorwarf, sondern ihm auch unterstellte, „eine Liaison gehabt [zu haben], aus welcher ein Kind entsprossen“27 sei, weshalb er aus dem Priesterseminar in Hildesheim relegiert worden und in Mainz Priester geworden sei. Unter diesen Umständen „können wir für Thoms in Rom nicht eintreten“, vermerkte nicht nur Bismarck, der sich zudem pessimistisch hinsichtlich eines Erfolgs direkter Verhandlungen in Rom zeigte, nachdem Thoms dort bereits in der Mainzer Bischofsstuhlbesetzung minus grata gewesen sei. Darüber hinaus bemerkte der Kanzler zu Recht, dass es dem Kultusminister an einem konkreten Personalvorschlag fehle, „welchen
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Goßler an Bismarck v. 3.8.1887, ebd. Notiz Bismarcks am Rand v. Goßlers Schreiben v. 3.8.1887, in der es auch hieß: „ich kann mir daraus keine Ansicht bilden, …“, ebd. Sommerwerck an Goßler v. 5.8.1887, ebd.
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er in Rom, bzw. via Galimberti28 befürworten lassen könnte“29. Auch Bischof Kopp schwenkte angesichts der in Frage gestellten moralischen Integrität des Staatskandidaten auf den Geistlichen Rat Philipp Engel um, während Goßler als neuen Favoriten den Breslauer Dompropst Johann Kayser30 präsentierte, den er aber am liebsten für Münster oder Paderborn in petto halten wollte. Erstmals fiel gleichsam in einem Nebensatz des Kultusministers aufgrund der durch die Diskreditierung von Thoms veränderten Situation der Name des Limburger Ehrendomherrs und Wiesbadener Pfarrers Joseph Weyland31. Kopp war entschlossen, die Diözese Fulda auch nach seiner am 10. August 1887 offiziell verkündeten Translation nach Breslau in Personalunion als Administrator zu leiten, bis die schwierige Nachfolgefrage geklärt sein würde32. Wie der preußische Gesandte beim Heiligen Stuhl, Kurd von Schlözer, am 14. September 1887 an Bismarck schrieb, habe Kopp mittlerweile eine entsprechende Bitte an den Papst gerichtet33. Dass der neue Breslauer Oberhirte zumindest das Plazet des Kardinalstaatssekretärs für diese Personalunion haben sollte, zeigte ein in die Presse gegebenes Schreiben Jacobinis an Kopp, in dem dieser letzteren gegen den von der Zentrumspresse geäußerten Vorwurf staatlicher Indienstnahme bei der Beilegung des Kulturkampfs in Schutz genommen hatte34. Parallel hierzu teilte Kopp persönlich dem Oberpräsidenten in Kassel in klarer Diktion mit, dass „ich nach Anordnung des päpstlichen Stuhles die Administration des Bistums Fulda bis zur Einsetzung eines Nachfolgers fortführen soll, und dass daher weder die Wahl eines Kapitularvikars noch vorerst eine Änderung in der Diözesanverwaltung stattfinden wird“35. Mit diesem Schachzug verband der designierte Breslauer Bischof ganz offenbar die Inten28
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Gemeint ist Luigi Galimberti (1836–1896), 1887–1893 Nuntius in Wien, u. Vertrauensmann Bismarcks bei der Kurie, vgl. Weber, Quellen und Studien, S. 160–166. So ließ Bismarck am 10.8.1873 an Goßler mitteilen. PA AA Preußen 2, Nr. 2c. Zu Kayser (1826–1895), seit 1883 Dompropst in Breslau, vgl. das Kap. Münster in diesem Band. Vgl. Goßler an Bismarck v. 3.8.1887. Postscriptum zu diesem Schreiben, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2c. Gemäß Dekret der römischen Bischofskongregation (Sacra Congregatio Episcoporum et Regularium) v. 14.12.1624 ging die Bistumsleitung auf das Domkapitel über, sobald ein Bischof das päpstliche Translationsschreiben in Händen hielt. Vgl. den Hinweis bei Gatz, Zur Neubesetzung, S. 238, Anm. 108. Vgl. Schlözer an Bismarck v. 14.9.1887, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2c. Bismarck ließ mitteilen, dass er gegen diesen Plan nichts einzuwenden habe. Das Plazet Leos XIII. zur Weiterführung der Amtsgeschäfte in Fulda bis zur endgültigen Übersiedlung nach Breslau geht auch aus einem Schreiben Kopps an das Staatssekretariat v. 19.9.1887 hervor, in: ASV AES pos. 1293, fasc. 743. Vgl. Jacobini an Kopp v. 4.12.1886, mit deutscher Übersetzung abgedruckt in der Fuldaer Zeitung v. 14.1.1887. Ein heftiger Streit zwischen Zentrumspresse und liberaler Presse entzündete sich darauf an der Übersetzung des lateinischen Schreibens. Kopp an Eulenburg v. 15.9.1887, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1629.
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tion, persönlichen Einfluss auf die Wahl seines Nachfolgers auszuüben. Jedenfalls drängte er am 19. September gegenüber dem päpstlichen Staatssekretariat darauf, dass rasch die Frage geklärt werden müsse, ob der Heilige Stuhl eine Kapitelswahl zulassen oder aber der Heilige Vater sich selbst das Ernennungsrecht vorzubehalten gedenke36. Da er am 15. Oktober 1887 nach Breslau abreisen werde, wolle er „presto conosca le intenzioni della Santa Sede“. Mit dieser Demarche verband Kopp gleichzeitig und sicherlich nicht unabsichtlich den Hinweis, dass der Heilige Stuhl als potenziellen Nachfolger nicht den Domkapitular Komp in Aussicht nehme, da dieser trotz seines großen Einflusses und seiner bedeutenden Stellung im Bistum staatlicherseits nicht eben wohlgelitten sei. Alternativ legte Kopp der kirchlichen Zentrale in Rom nahe, dass entgegen den bisherigen Gepflogenheiten aufgrund der besonderen Umstände auch nicht dem Fuldaer Diözesanklerus angehörige auswärtige Kandidaten in Betracht zu ziehen seien. Es ist stark anzunehmen, dass Kopp auf diese Weise den Kandidatenkreis erhöhen und eine Wahl des sehr populären Komp verhindern wollte. Wie sehr man im Staatssekretariat in diesem Moment auf Georg Kopp hörte, beweist die Tatsache, dass noch am selben Tag von dort die Weisung an das Domkapitel erging, für die Wahlliste auch geeignete Geistliche aus anderen Diözesen in Betracht zu ziehen37. Bischof Kopp ließ es sich dann auch nicht nehmen, in seiner Aufforderung an das Domkapitel, seine Liste baldmöglichst beim Oberpräsidenten in Kassel einzureichen, noch einmal dezidiert darauf hinzuweisen, „bei der Auswahl der Kandidaten sich jedoch nicht auf den Diözesanklerus zu beschränken“38. Welche Bedeutung ein auswärtiger Kandidat nun gewinnen sollte, zeigte sich an einem Schreiben des Kardinalstaatssekretärs Rampolla an das Fuldaer Domkapitel vom 19. September 1887, in dem letzteres ausnahmsweise legitimiert wurde, auch Nichtdiözesanpriester als Kandidaten zu küren39. So fand sich nicht allein der Limburger Diözesanpriester Weyland auf der am 26. September 1887 vom Domkapitel aufgestellten Wahlliste, sondern ebenso der Mainzer Domkapitular Professor Johann Baptist Holzammer neben den Namen der Domherren Georg Ignaz Komp, Wilhelm Kleespieß, Karl Braun sowie des Dechanten Heinrich Fidelis Müller in Kassel40. Eine deutliche Gewichtung der einzelnen Listenkandidaten erfolgte auch für die Regierung sichtbar darin, dass die Namen nicht alphabetisch sortiert wurden, sondern nach Stimmenzahl bei der Vorwahl geordnet wurden. 36
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Vgl. Kopp an Staatssekretariat v. 19.9.1887, in: ASV AES, pos. 1293, fasc. 743. Hier auch das folg. Zit. Weisung Rampollas v. 19.9.1887, erwähnt im Schreiben des Domkapitels an Eulenburg v. 26.9.1887, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1629. Kopp an Domkapitel Fulda v. 20.9.1887, in: BA Fulda, BGV Fasz. 3b. Vgl. Rampolla an Domkapitel Fulda v. 19.9.1887, ebd. Vgl. Domkapitel Fulda an Goßler v. 26.9.1887, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1629. Abschrift, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2c.
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Bereits acht Tage zuvor hatte Oberpräsident zu Eulenburg in einem vertraulichen Brief an Kultusminister Goßler u.a. den Domkapitular Hermann Breitung und den Dompräbendaten Andreas Schick als mögliche Kandidaten genannt41. Breitung war 1884 als Herausgeber des Gesang- und Gebetbuches für Schüler höherer Lehranstalten „Jubilemus Deo“ einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden42. Noch am Tag nach der Aufstellung der Wahlliste forderte das Ministerium Unterlagen über Breitung und Schick an, während über die anderen eventuell relevanten Kandidaten Material vorliege43.
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er 1835 in Fulda geborene Karl Braun44 war als Alumne des römischen Collegium Germanicum 1858 zum Priester geweiht worden45, hatte nach der in Würzburg 1868 erfolgten Promotion zum Doktor beider Rechte in der Fuldaer Diözesanverwaltung Karriere gemacht und war 1886 Professor für Kirchenrecht am neueröffneten Priesterseminar geworden. In kirchlichen Kreisen galt er als „ein hervorragender Kanonist und hatte ein ausgebreitetes Wissen bezüglich des alten wie des neuen Kirchenrechtes“46 und war 1882 in das Domkapitel aufgerückt. Als er bei der Aufstellung der Wahlliste 1873 – obgleich zu diesem Zeitpunkt noch kein Kapitelsmitglied – in seiner Eigenschaft als Dompräbendat ohne Stimmberechtigung hinzugezogen worden war, hatte dies den Einspruch des damaligen Kultusministers Adalbert Falk hervorgerufen47. Als einer von fünf Kandidaten auf der Wahlliste war er zudem zur „persona minus grata“ erklärt worden48. Auf einer im Zuge der Neubesetzung des Fuldaer Bischofsstuhls infolge der Lockerung der Kulturkampfgesetzgebung 1881 staatlicherseits erstellten Liste für höhere kirchliche Stellungen geeigneter Geistlicher hatte sich überraschenderweise auch Braun befunden49. Oberpräsident zu Eulenburg hatte ihn darauf „als das gefährlichste Element im Domkapitel“50 bezeichnet.
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ohann Baptist Holzammer51 war 1828 in der Bischofsstadt Mainz geboren worden und hatte sein Theologiestudium zunächst an der Fakultät in GieVgl. Eulenburg an Goßler v. 18.9.1887, ebd. Vgl. Festschrift Parzeller, S. 107. Goßler an Eulenburg v. 27.9.1887, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1629. Zu Braun (1835–1898) vgl. Leimbach, Priesterfreunde, S. 76f.; u. Hilpisch, Geschichte des Fuldaer Priesterseminars, S. 27. Vgl. Schmidt, Das Collegium Germanicum in Rom und die Germaniker, S. 323. Dort wird der Aufenthalt Brauns allerdings auf die Jahre 1849–1856 terminiert, was nicht angehen kann. Hilpisch, Geschichte des Fuldaer Priesterseminars, S. 27. Dies bestätigt Gutberlet, Eine Selbstbiographie, S. 137. Vgl. Jestaedt, Kulturkampf, S. 88, Anm. 16. Vgl. Hilpisch, Konrad Hahne, S. 76. Vgl. Jestaedt, Kulturkampf, S. 168. Eulenburg an Goßler v. 28.9.1887, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1630. Zu Holzammer, der 1890 Regens in Mainz wurde und dort 1903 verstarb, vgl. Scharfen-
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ßen sowie in Tübingen, dann am neu eröffneten Seminar in seiner Heimatstadt absolviert. 1852 erhielt er in Mainz die Priesterweihe und genoss trotz seiner anfänglichen Prägung durch die staatsnahe Gießener Fakultät das Vertrauen Bischofs Kettelers, der ihm nach Assistentenjahren bereits als 29-jähriger die Professur für die Fächer Altes Testament und Pastoral am Mainzer Priesterseminar übertrug. Dabei war Holzammer keineswegs promoviert und kompensierte diesen Makel für eine wissenschaftliche Karriere erst 1865, als ihm die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Wien ein Ehrendoktorat verlieh. Nach Schließung des Seminars im Kulturkampf wirkte er als Volksmissionar in verschiedensten Gemeinden des Bistums Mainz und gehörte 1877 zu den Kandidaten des Kapitels für die Nachfolge Kettelers, die vom Staat allesamt abgelehnt worden waren52. Seit 1874 Dompräbendat, war er 1886 ins Domkapitel aufgenommen worden. Zudem fungierte Holzammer als geistlicher Leiter des Instituts der Englischen Fräulein in Mainz. Nicht nur als langjähriger Kollege am Priesterseminar stand er dem amtierenden Mainzer Bischof Professor Paul Leopold Haffner nahe, sondern die beiden geistlichen Wissenschaftler verband seit ihrer gemeinsamen Studienzeit in Tübingen eine Freundschaft53.
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ilhelm Kleespieß, der 1828 im bayerischen Frammersdorf geboren war und 1851 in Würzburg die Priesterweihe erhalten hatte, wirkte als Pfarrer in Bad Orb, das infolge des Krieges von 1866 von Bayern an Preußen abgetreten werden musste. Nachdem 1871 die Bistumsgrenzen dieser veränderten politischen Situation angepasst worden waren, trat er in den Klerus des Bistums Fulda über. Seit 1882 hatte er eine Domherrenstelle in Fulda inne. Er war bereits nach dem Tod Bischof Kötts 1873 auf der Liste gewesen und als einziger neben dem Bistumsverweser Konrad Hahne nicht staatlich beanstandet worden54. Allerdings war das Domkapitel damals aufgrund der staatlichen Repressionen gar nicht erst zur Wahl geschritten, nachdem der Monarch gemäß dem Breve „Re sacra“ von 1827 die Aufstellung einer neuen, zweiten Liste verlangt hatte. Als 1881 die Bistumsbesetzung auf direktem Verhandlungswege zwischen preußischer Regierung und Heiligem Stuhl erfolgte, war Kleespieß auf Anfrage von Kultusminister Goßler vom Regierungspräsidenten als „begabter und besonnener Mann, gläubig, aber nicht ultramontan“55 gelobt wor-
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ecker, Die Katholisch-Theologische Fakultät Gießen, S. 635; 175 Jahre Bischöfliches Priesterseminar, S. 267; Lauchert, Holzammer, in: LThK, Bd. 5 (1933), Sp. 122. Vgl. Lenhart, Moufangs Ablehnung als Kapitelsvikar, in: AMRKG, Bd. 19 (1967), S. 157– 191, hier S. 172 u. 177. Vgl. Lenhart, Haffner, in: Jahrbuch für das Bistum Mainz, Bd. 8 (1958–1960), S. 11–117, hier S. 16. Vgl. Hilpisch, Konrad Hahne, in: Fuldaer Geschichtsblätter, Bd. 44 (1968), S. 72–80, hier S. 76. Regierungspräsident in Kassel an Goßler v. 5.9.1881, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1088. Vgl. auch Jestaedt, Kulturkampf, S. 168f.
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den. In seinem abschließenden Urteil bemängelte Goßler zwar, dass ihm „die erforderliche Urbanität der Umgangsformen“56 fehle, stufte ihn aber als friedliebenden Geistlichen ein, der „auch geistig nicht unbedeutend“ sei und in Bad Orb „zu den unter fast ausschließlich katholischer Bevölkerung in der Diaspora lebenden Evangelischen die freundlichsten Beziehungen unterhielt“.
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eorg Ignaz Komp57 war 1828 als jüngstes von sieben Kindern eines aus Fulda stammenden Bezirksarztes im unterfränkischen Hammelburg geboren worden und demnach eigentlich Würzburger Diözesan. Da aber seine Heimatstadt vor der Säkularisation zum Stift bzw. Bistum Fulda gehört hatte und vor allem da sein Onkel Heinrich Komp58 (1765–1846) Fuldaer Priester und Regens des dortigen Priesterseminars war, lag es nahe, dass er in den Dienst der Nachbardiözese eintrat. Ein besonderer Dorn im Auge der Staatsregierung waren fünf Studienjahre, die Komp seit 1850 in Rom als Alumne des von Jesuiten geführten Collegium Germanicum et Hungaricum verbrachte59. In Rom erlangte er 1853 auch die Priesterweihe. Schon in sehr jungen Jahren erhielt der nach der damals bei den „Römern“ nahezu obligatorischen Promotion zum Dr. theol. et phil. am Collegium Romanum nach Deutschland zurückgekehrte Geistliche dann verantwortliche Stellen als Professor der Dogmatik, Moral und neutestamentlichen Exegese am Priesterseminar in Fulda und vor allem die Stellung des Regens, die ihm Bischof Kopp 1886 nach der Wiedereröffnung des Priesterseminars erneut übertrug. Insgesamt hatte er damit – die Schließungszeit des Seminars eingerechnet – bereits mehr als ein Vierteljahrhundert das Amt des Regens bekleidet. Wenn Stephan Hilpisch ihn aus der Retrospektive „zweifellos die bedeutendste Persönlichkeit des Professorenkollegiums zu der damaligen Zeit“60 nannte, begründete er dies mit Komps im Vergleich zu den übrigen Seminarprofessoren reichhaltigem wissenschaftlichen Schaffen61. Welchen Radius sein wissenschaftliches Oeuvre auch über Fulda hinaus erreichte, zeigt exemplarisch seine positive Erwähnung in den Tagebüchern des bedeutenden Papsthistorikers Ludwig 56 57
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Goßler an Bismarck v. 30.9.1887, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2c. Zu Komp vgl. Hengst, Komp, in: Gatz, Bischöfe, S. 399f.; Leinweber, Die Fuldaer Äbte und Bischöfe, S. 176f.; sowie Leimbach, Priesterfreunde, S. 44–52. Vgl. die von dem österreichischen Feldbischof Johann Michael Leonhard stammende lateinische Schrift: In memoriam Henrici Komp, 1847; Hilpisch, Geschichte des Fuldaer Priesterseminars, S. 13; u. Vonderau, Geschichte der Seelsorge, S. 93. Vgl. Schmidt, Collegium Germanicum und die Germaniker, S. 333; u. Allmang, Fuldaer Germaniker, S. 174, sowie Steinhuber, Geschichte des Kollegium Germanicum Hungarikum, Bd. 2, S. 484f. Hilpisch, Geschichte des Fuldaer Priesterseminars, S. 25. Vgl. passim u.a. Georg Ignaz Komp, Die zweite Schule Fuldas und das päpstliche Seminar, Fulda 1877; Ders., Fürstabt Johann Bernhard Schreck von Schweinsberg, Fulda 1878, sowie zahlreiche Aufsätze.
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von Pastor62, dem Komp „über die Fuldaer Gegenreformation Wichtiges mitteilte“63. Das Bischöfliche Ordinariat in Würzburg entließ ihn 1855, also unmittelbar nach der Rückkehr aus Rom, auf eigenen Wunsch aus dem dortigen Diözesanverband, und drei Jahre später bat Komp auch um das kurhessische Indigenat64. 1882 wurde er unter Bischof Kopp zum Domkapitular ernannt. Da Georg Ignaz Komp quasi der geistliche Führer des Zentrums in Fulda war, hatte der Kultusminister ihn als „fanatischen Anhänger der schroffsten ultramontanen Richtung“ bezeichnet. Insbesondere wurde Komp nachgetragen, dass er als Regens eine staatliche Revision des Priesterseminars verhindert habe und die Ausbildung der Fuldaer Priesteramtskandidaten zu Anhängern des Ultramontanismus favorisiere65. Daher sei er zweimal, nämlich 1873 und 1881, als Kandidat in Fulda für minder genehm erklärt und ein drittes Mal bei der Neubesetzung des Erzbischöflichen Stuhls in Freiburg 1882 abgelehnt worden66. Auch in Limburg, wo ihn Papst Leo XIII. 1886 am Beginn direkter Verhandlungen mit der preußischen Regierung als Kandidat benannt hatte, hatte der Kultusminister ihn als intransigenten Geistlichen zurückgewiesen67. Dagegen hatten Komp, wie ein zeitgenössischer Biograph zu berichten weiß, bereits während des Episkopats Kött „Klerus und Volk … allgemein als den künftigen Bischof von Fulda bezeichnet“68. Dazu passt auch, dass sein Zeitgenosse Konstantin Gutberlet Komp als einen „Mann wie zum Herrschen geboren“69 charakterisierte. 1881 war Komp auf der Regierungsliste für höhere Stellen geeigneter Geistlicher verzeichnet und vom preußischen Gesandten beim Heiligen Stuhl ins Gespräch gebracht, wobei sich Goßler energisch gegen ihn aussprach70. Dass der staatsfreundliche Bischof Kopp ihn im selben Jahr als Domkapitular in Fulda vorgeschlagen und Komp staatlicherseits unbeanstandet geblieben war, erklärte Goßler als taktischen Schachzug. Komp sei eben unzweifelhaft einer der bedeutendsten Geistlichen des Bistums, den Kopp durch die Beförderung „einigermaßen paralysieren zu können“ glaubte. 62
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Zu Pastor (1854–1928), Kirchenhistoriker in Innsbruck und Rom, vgl. Strnad, Pastor, in: NDB, Bd. 20 (2001), S. 94–96. Pastor, Tagebücher–Briefe–Erinnerungen, S. 90 (Tagebucheintrag v. 22.10.1876) u. erneut S. 96 (Tagebucheintrag v. 23.12.1876). Ebd., S. 316, berichtet Pastor am 15.5.1898 schmerzlich vom plötzlichen Tod „meines lieben Freundes Georg Ignaz Komp“. Vgl. die entsprechenden Urkunden u. Schreiben in: BA Fulda, Personalakte Komp. Vgl. Vonderau, Geschichte der Seelsorge, S. 171. Vgl. auch das Kap. Freiburg in diesem Band. Zur Wahlliste 1873 vgl. Hilpisch, Konrad Hahne, S. 76, Jestaedt, Kulturkampf, S. 89f. Vgl. Schatz, Drei Limburger Bischofswahlen, in: AMRKG, Bd. 30 (1978), S. 191–213, hier S. 210. Meister, Lebensbild, S. 14. Gutberlet, Eine Selbstbiographie, S. 136. Vgl. Jestaedt, Kulturkampf, S. 168f.
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einrich Fidelis Müller71, übrigens ein Vetter Komps72, war 1837 in Fulda geboren und 1859 in seiner Heimatstadt zum Priester geweiht worden. Er wirkte nach Kaplansjahren in Dermbach als Pfarrverweser und dann als Pfarrer in Bockenheim bei Frankfurt. 1873 hatte er die weitläufige Diasporagemeinde Kassel übernommen73. Auch wenn diese Kirchengemeinde aus Fuldaer Warte gesehen weniger bedeutsam war, so hatte sie doch aus Regierungssicht eine herausgehobene Stellung, da in der vormaligen landgräflichen Residenzstadt Kassel nunmehr der zuständige preußische Oberpräsidenten von Hessen-Nassau saß, so dass die Stellung des katholischen Pfarrers unweigerlich mit einer gewissen Repräsentationsfunktion für die katholische Kirche insgesamt versehen war. Einerseits hatte Müller sich als friedliebender Geistlicher hervorgetan und als Musikkenner vornehmlich der Komposition geistlicher Lieder und Oratorien gewidmet, so etwa als Schöpfer eines Sängergrußes zum Einzug des staatsloyalen Bischofs Kopp 188174. Andererseits hatte er gegen die in seiner Pfarrei Kassel besonders rigiden Kulturkampfmaßnahmen massiven Protest eingelegt – die Geistlichen sollten ihre angeblich staatseigenen Wohnungen verlassen – und sich dadurch in den Augen der Regierung unbeliebt gemacht.
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oseph Weyland75, der zu diesem Zeitpunkt bereits 61 Jahre alt war, erblickte 1826 als Sohn eines Dachdeckermeisters in Hadamar bei Limburg das Licht der Welt. In einer kinderreichen Familie aufgewachsen, hatte er nach Besuch der Lateinschule und des Gymnasiums in Weilburg parallel zu dem staatlicherseits favorisierten Mainzer Domherrn Wilhelm Thoms die Gießener theologische Fakultät besucht76 und war bereits als 22-jähriger Priester des Bistums Limburg geworden. 1861, also mit 35 Jahren, hatte er die Stadtpfarrei St. Bonifatius in der damaligen nassauischen Residenzstadt Wiesbaden übertragen bekommen. Fünf Jahre später wurde er zum Geistlichen Rat und außerordentlichen Mitglied des Bischöflichen Ordinariats in Limburg ernannt. In Wiesbaden hatte er den Konflikt mit der preußischen Regierung nicht gescheut, nachdem diese 1875 den Altkatholiken die katholische Kirche zur Mitbenutzung zugewiesen hatten. Die katholische Gemeinde zog aus St. Bonifatius aus und feierte den Gottesdienst fortan im Gemeindesaal, bis die 71 72 73 74
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Zu Müller vgl. Leimbach, Priesterfreunde, S. 55–59. Vgl. Gutberlet, Eine Selbstbiographie, S. 73. Vgl. Stoff, Die Katholiken in Kassel, S. 83. Vgl. Regierungspräsident in Kassel an Eulenburg v. 22.12.1881, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1629. Zu Weyland vgl. Hengst, Weyland, in: Gatz, Bischöfe, S. 812f.; Hilpisch, Die Bischöfe von Fulda, S. 33f.; u. Leinweber, Die Fuldaer Äbte und Bischöfe, S. 174–176; Renkhoff, Nassauische Biographie, S. 426f.; sowie zuletzt Fuchs, Weyland, in: BBKL, Bd. 27 (2007), Sp. 1534–1536. Vgl. Scharfenecker, Die Katholisch-Theologische Fakultät Gießen, S. 660.
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Regierung 1886 einlenkte. Im Gegensatz zu anderen Geistlichen in ähnlichen Auseinandersetzungen hatte ihm dieser Konflikt nicht geschadet. Kirchlicherseits 1882 mit der Würde eines Päpstlichen Hausprälaten ausgezeichnet, hatte ihm Wilhelm I. 1887 den Roten Adler-Orden IV. Klasse verliehen, nachdem Weyland bereits 1872 den Königlichen Kronenorden IV. Klasse mit dem roten Kreuz erhalten hatte. In den Augen des Wiesbadener Regierungspräsidenten war er „eine stattliche Persönlichkeit von würdiger Haltung und angenehmen Umgangsformen“ und gehöre „zu den bedeutendsten Geistlichen der Diözese Limburg“77, in der er im Vorjahr als aussichtsreicher Kandidat für das Bischofsamt gehandelt worden war78. Während das ablehnende Urteil des Kultusministers über Komp und Braun, den er als im Windschatten Komps stehend betrachtete, sogleich feststand, ließ sich über Holzammer so recht keine eindeutige Auskunft erzielen. Weder Oberpräsident Eulenburg noch Fürstbischof Kopp konnten zu seiner Person Auskunft erteilen79. Allerdings empfahl Eulenburg, ihn vorsichtshalber ganz einfach auch für minder genehm zu erklären80. Denn allein die Nachricht Kopps, dass dieser Kandidat auf Vorschlag von Komp aufgenommen wurde, ließ den Minister zu der Ansicht gelangen, dass Holzammer Komps „Gesinnungsgenosse … und daher umso mehr abzulehnen sein“81 dürfte. Überhaupt schlug der frühere Fuldaer Bischof Kopp die Streichung aller drei Namen vor, um auf diese Weise die Wahl auf Weyland fallen zu lassen. Falls Komp auf der Liste bleibe, würde dieser einstimmig gewählt werden. „Derselbe ist der angesehenste Geistliche der Diözese, besitzt Geschick und Verwaltungstalent, hat das Vertrauen in sehr weiten Kreisen durch ganz Deutschland und in Rom“82, begründete der neue Fürstbischof von Breslau seine Prognose. Auffällig ist der positive Gesamteindruck, den Georg Kopp aus sechs Jahren Zusammenarbeit von Professor Komp gewonnen hatte. Obwohl auch er letzteren als Anhänger der sogenannten strengkirchlichen Richtung im Klerus einordnete, sprach er ihm doch Konzilianz und Integrationsfähigkeit zu. Goßler jedenfalls zeigte sich entsetzt von dieser positiven Einschätzung Komps, die er bei Bismarck als rein taktischen Zug Bischof Kopps interpretierte. Dem vormaligen Fuldaer Oberhirten sei es lediglich darum gegangen, „sein Gewissen zu salvieren und nötigenfalls in Rom darauf hinweisen zu können, dass er seinerseits es an Nichts habe fehlen lassen, um Komp bei uns annehmbar zu machen“83. Goßler und Bismarck waren sich schließlich darüber einig, dass vor allem Komp 77 78 79 80 81 82 83
Regierungspräsident Wurmb an Eulenburg v. 29.9.1887, in: StAMR, Best. 150, Nr. 1630. Vgl. Goßler an Bismarck v. 30.6.1886, in: PA AA, Preußen 2, Nr. 2d. Vgl. Lucanus an Bismarck v. 30.9.1887, ebd. Eulenburg an Goßler v. 28.9.1887, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1630. Lucanus an Bismarck v. 30.9.1887, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2c. Kopp an Goßler v. 2.10.1887, ebd. Goßler an Bismarck v. 30.9.1887, ebd.
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persona minus grata sei84. Letztlich empfahl das Staatsministerium dem Monarchen zudem auch Braun und Holzammer von der Liste zu streichen, so dass Weyland als Nichtdiözesan zum Zuge kommen könnte. Im Zuge der Mitteilung über die mindergenehmen Kandidaten an den Oberpräsidenten Eulenburg gab Goßler dann auch ganz unverblümt seiner „Hoffnung Ausdruck …, dass es dem Einflusse des Fürstbischofe [gemeint war Georg Kopp] gelingen wird, die Wahl auf den Stadtpfarrer Weyland in Wiesbaden zu lenken“85. Insofern handelte Kopp sicherlich zu einem Gutteil auf Anweisung der Staatsbehörden, als er gegenüber dem Domkapitel sein Interesse bekundete, durch persönliche Anwesenheit bei der Wahl auf das Ergebnis zugunsten Weylands hinzuwirken86. Ebenso machte er gegenüber Domdechant Kalb keinen Hehl daraus, dass der Oberpräsident ihn ersucht habe, „dringend die Wahl auf den Stadtpfarrer Weyland zu lenken. Bei all seiner Verehrung für die andern beiden Kandidaten glaubt er jedoch aus persönlicher Kenntnis versichern zu können, dass jene Wahl der Diözese Fulda am meisten zum Segen und Nutzen gereichen würde“87. Der amtierende Fuldaer Diözesanadministrator meinte, dieses Urteil zum einen deshalb stützen zu müssen, weil das Bistum auf das Wohlwollen des Staates angewiesen sei und weil zum anderen Weyland ein Mann sei, „gegen dessen kirchliche Korrektheit auch nicht das geringste Bedenken erhoben werden kann“. In Berlin ging man gemäß einer Information Kopps davon aus, dass das Domkapitel in Fulda am 10. Oktober in Anwesenheit des Administrators und nunmehrigen Fürstbischofs von Breslau zur Wahl schreiten würde. Möglicherweise wollte das Kapitel aber eine direkte Einflussnahme des vormaligen Bischofs vermeiden, jedenfalls erklärte es „die Vornahme der Wahl während des Dortseins von Bischof Kopp für unangänglich …, weil der Feierlichkeit erst observanzmäßig wenigstens 14 Tage öffentliche Gebete vorangehen müssten“88, wie Goßler mit dem Vermerk „Geheim“ Bismarck wissen ließ. Dass zumindest der Kultusminister in diesem Hinauszögern eine Taktik sah, „durch Gewinn von Zeit die Erwartungen der Staatsregierung zu bekämpfen“, liegt auf der Hand. Letztlich fand der Wahlakt gut drei Wochen später, am 4. November 1887, statt, nachdem sich Kopp am 9. Oktober offiziell in Fulda verabschiedet hatte. Der von Kopp favorisierte Weyland fand unter den drei verbliebenen Listenkandidaten die Mehrheit im Kapitel. Es könne „wohl nicht zweifelhaft sein, 84 85 86 87
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Vgl. Bismarck an Goßler v. 1.10.1887, ebd. Goßler an Eulenburg v. 5.10.1887, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1629. Vgl. Goßler an Bismarck v. 30.9.1887, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2c. Kopp an den Domdechanten v. 7.10.1887, in: BA Fulda, BGV Fasz. 3b. Hier auch das folg. Zit. Goßler an Bismarck v. 10.10.1887, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2c. Hier auch das folg. Zit.
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dass er [Weyland, Anm. d. Verf.] die Bestätigung des Papstes finden wird“89, prognostizierte der von Eulenburg über den Wahlausgang sogleich telegraphisch in Kenntnis gesetzte Goßler noch am selben Tag gegenüber Bismarck. Weniger begeistert reagierte Weyland selbst, der „keine Ahnung davon [hatte], dass sich sein Name auf der Kandidatenliste befand, dass er überhaupt bei der Besetzung des Fuldaer Bischofsstuhls in Frage kam. Umso größer war seine Bestürzung, als er in Ausübung einer Lieblingstätigkeit, des Erstkommunikanten-Unterrichtes, von der Nachricht … durch Überreichung mehrerer Telegramme überrascht wurde“90. Es bedurfte erst der Überredungskunst seines Limburger Oberhirten, Bischof Karl Klein, den Weyland am 6. November in seiner Entscheidungsnot aufsuchte, um seine Bedenken zu zerstreuen. Klein hatte ihm auseinandergesetzt, dass er seine Bischofswahl als Willen Gottes betrachten müsse, dem es Folge zu leisten gelte91. Dass der Heilige Stuhl sich zu der Fuldaer Personalentscheidung zunächst in Schweigen hüllte, lag nach Mutmaßung Goßlers daran, dass über Weyland in Rom keine Informationen vorlägen. So habe Kardinalstaatssekretär Rampolla diesen gegenüber Kopp fälschlich als Fuldaer Domherrn bezeichnet, obgleich Weyland Limburger Priester und dort Ehrendomkapitular sei92. Der Gesandte Schlözer hingegen erklärte die noch ausstehende Stellungnahme Roms zum einen damit, dass das Domkapitel erst zehn Tage nach der Wahl überhaupt das Resultat nach Rom gemeldet habe93. Zum anderen habe „die Wahl des Pfarrers Weyland zum Bischof von Fulda nach allen Seiten hin – wie es scheint – befriedigt und … den Papst in hohem Grade erfreut“94. Die Kurie bereite daher mit Nachdruck die Präkonisation des Neuernannten im Konsistorium vom 25. November 1887 vor. Dadurch solle ein „neuer Beweis für den Eifer geliefert werden …, mit welchem die Curia bedacht ist, alle kirchlichen Angelegenheiten in Deutschland rasch und zur Zufriedenheit der Kaiserlichen Regierung zu erledigen“. Tatsächlich hatte sich das Domkapitel Zeit gelassen, bevor es nach sechs – und nicht wie staatlicherseits behauptet nach 10 Tagen – am 10. November ein ausführliches Wahlprotokoll an den Nuntius in München geschickt hatte, in dem es auch die päpstliche Konfirmation der Wahl erbeten hatte95. Insbesondere aber hatte sich Rampolla über Weyland wirklich uninformiert gezeigt 89 90 91
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Goßler an Bismarck v. 4.11.1887, ebd. So N.N., Zur Erinnerung an H.H. Dr. Joseph Weyland, S. 18; u. Hilpisch, Bischöfe, S. 95. Vgl. das Schreiben Kleins an den Fuldaer Domdechanten v. 7.11.1887, in: BA Fulda, BGV, Fasz. 3b. So Goßler an Bismarck v. 21.11.1887, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2c. Vgl. Schlözer an Bismarck v. 30.11.1887, ebd. Schlözer an Bismarck v. 22.11.1887, ebd. Hier auch das folg. Zit. Vgl. Domkapitel Fulda an Nuntius v. 10.11.1887, in: ASV AES 1317, fasc. 752.
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und sich sowohl bei Nuntius Luigi Ruffo Scilla96 als auch bei Fürstbischof Kopp in Breslau nach der Persönlichkeit Weylands erkundigt. Ruffo Scilla, der erst seit einigen Wochen im Amt war, hatte ihn daraufhin darüber aufgeklärt, dass der neue Fuldaer Bischof bislang Gemeindepfarrer in Wiesbaden im Bistum Limburg gewesen und mit dem Limburger Bischof Karl Klein befreundet sei97, aber als Mann von außergewöhnlichen Sitten, klug und gewandt, kurz, sehr geeignet sei und alle Vorzüge besitze, die notwendig seien, um die Diözese Fulda zu leiten. Vor allem wies er beim Heiligen Stuhl darauf hin, dass Weyland die Hochschätzung und das Wohlwollen Kaiser Wilhelms I. genieße, weil er diesen während dessen Kuraufenthalten in Wiesbaden eingeladen hatte. Überzeugen musste in Rom aber wohl vornehmlich der Hinweis, dass alle katholischen Zeitungen unabhängig von ihrer Richtung die Wahl Weylands begrüßt hätten. Jedenfalls wurde der erwählte Bischof bereits gut zehn Tage nach dem lobenden Schreiben des Nuntius, am 25. November 1887, vom Papst präkonisiert, legte die entsprechende Urkunde aber erst Anfang Januar 1888 der Regierung vor und informierte diese zugleich darüber, dass Erzbischof Johannes Christian Roos von Freiburg am 25. Januar 1888 die Konsekration im Fuldaer Dom vorzunehmen gedenke. Weder in Kassel noch in Berlin schien in diesem Moment irgendein Grund dafür zu sprechen, den Abschluss der Bischofsstuhlbesetzung zu verzögern98. Innerhalb weniger Tage erhielt Weyland die „Allerhöchste Anerkennung“ sowie die gleichfalls erbetene Erlaubnis, den staatlichen Eid unmittelbar vor der Konsekration in Fulda in die Hand des Oberpräsidenten abzulegen99. Während die staatlichen Behörden während des Kulturkampfs, so etwa bei der Weihe des Trierer Bischofs Korum 1881, nur am Festessen teilnahmen, beteiligte sich der Oberpräsident in Fulda an den gesamten Feierlichkeiten der Konsekration und Inthronisation von Bischof Weyland100. Gegenüber dem Kultusministerium hob er anschließend hervor, dass die Beteiligung an der Konsekration „nicht so stark als vor sechs Jahren“101 gewesen sei. Einen besonders positiven Eindruck hinterließ bei Oberpräsident zu Eulenburg die erste Predigt des neuen Oberhirten, in welcher dieser deutlich machte, dass „die Liebe zur Kirche die Grundlage für die Liebe zum Vaterlande und für gottesfürchtige Haushaltungen die feste Stütze des Staates sei“. 96
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Zu Luigi Ruffo di Calabria dei Principe di Scilla (1840–1895), 1887–1889 Nuntius in München, 1891 Kurienkardinal, vgl. Weber, Quellen und Studien, S. 345, Anm. 285; u. de Marchi, Le Nunziature Apostoliche, S. 57. Vgl. Nuntius an Rampolla v. 19.11.1887, in: ASV AES 1317, fasc. 752. Vgl. Eulenburg an Goßler v. 9.1.1888, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1629. Vgl. Goßler an Eulenburg v. 13.1.1888 u. Eulenburg an Weyland v. 14.1.1888, ebd. Vgl. hierzu den Bericht in der Germania v. 29.1.1888. Bericht Eulenburgs an Goßler v. 26.1.1888, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1629. Hier auch das folg. Zit.
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Bischofswahl 1894 Letztlich hatte Weyland, der am 11. Januar 1894 in Fulda an den Folgen eines zwei Wochen zuvor erlittenen Schlaganfalls starb, nach Auskunft des preußischen Gesandten Schlözer bei seinem Vatikan-Besuch im Mai 1889 „den Eindruck eines zuverlässigen und pflichtgetreuen Mannes gemacht“102. Der nach Eintritt der Sedisvakanz vom Oberpräsidium mit Tuchfühlung zum Domkapitel beauftragte Fuldaer Landrat Max Fliedner103 enthielt sich der Spekulationen über die Nachfolge und erklärte dem Oberpräsidenten lang und breit, dass nach seiner Kenntnis das Domkapitel sich zwar exakt an die Bestimmungen der Bulle „Ad dominici gregis custodiam“ von 1827 halten würde, ihm jedoch vorab noch keine Listenkandidaten bekannt geworden seien. Eine im „Fuldaer Tageblatt“ abgedruckte Liste beruhe „lediglich auf nicht sehr glücklicher Kombination und entbehrt nach den von mir angestellten Ermittlungen jeder tatkräftigen Funktion“104. Staatlicherseits war offenbar eine Kandidatur des Paderborner Theologieprofessors Wilhelm Schneider105 erwogen worden, des späteren Bischofs von Paderborn106. Möglicherweise hatte ihn der äußerst staatsnahe Bischof von Paderborn, Hubert Theophil Simar, in Berlin ins Gespräch gebracht. Am 8. Februar 1894 verabschiedete das Kapitel die Wahlliste, welche keineswegs diesen Gelehrten aus der Nachbardiözese, sondern mit den Namen der Domherren Professor Dr. Karl Braun, Philipp Engel und Regens Professor Dr. Georg Ignaz Komp in Fulda sowie von Dechant Heinrich Fidelis Müller in Amöneburg und Professor Andreas Schick in Fulda nur Fuldaer Diözesanpriester enthielt. Vier der fünf Kandidaten waren demnach Angehörige von Domkapitel bzw. Priesterseminar und bekleideten damit Leitungsfunktionen in der Diözese, während einer dem Seelsorgsklerus entnommen war. Keine Berücksichtigung in der noch am selben Tag an den Oberpräsidenten in Kassel versandten Wahlliste hatten Domdechant Karl Kalb und der Domherr Johannes Erb gefunden, beides in staatlichen Augen „würdige Persönlichkeit[en] von gemäßigter und versöhnlicher Richtung“107. Allerdings zählte Erb bereits 82 Jahre und Kalb hatte das 80. Lebensjahr vollendet. Letzterer war zudem bereits so hinfällig, dass er den Wahltermin gar nicht mehr erlebte, da er am 14. Februar 102 103
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Schlözer an Auswärtiges Amt v. 16.5.1887, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2c. Zu Fliedner (1843–1925), 1891–1894 Landrat in Fulda, dann Oberregierungsrat in Kassel, vgl. Klein, Leitende Beamte, S. 120f. Landrat von Fulda an Magdeburg v. 29.1.1894, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1630. Zu Schneider vgl. das Kap. Paderborn in diesem Band. Vgl. Unterstaatssekretär v. Weyrauch an den Oberpräsidenten von Westfalen v. 6.8.1894, in: StAMS OP, Nr. 1931 III. Vgl. dazu Hohmann, Domkapitel und Bischofswahlen in Paderborn III, S. 223. Verzeichnis der Mitglieder der Metropolitan- und Domkapitel in Preußen v. 1890, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2, S. 27.
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1894 starb108. Auf diese Weise waren alle körperlich und geistig hierfür in Frage kommenden Kapitulare zugleich Kandidaten, was den Argwohn des Landrats erregte109. Und in der liberalen Presse wurde parallel daran Kritik geübt, dass sich auf diese Weise ein „kleinlicher Diözesanpatriotismus des Klerus “110 herausbilden würde. Offenbar war eine Ausnahmegenehmigung zur Aufstellung diözesanfremder Kandidaten wie 1887 diesmal von keiner Seite beantragt worden. Professor Schick und Dechant Müller hatten bei der Listenaufstellung je vier Stimmen, Braun und Komp je drei Stimmen und Engel eine Stimme verbuchen können. Dennoch wurde die Liste, anders als bei der Wahl von 1887, in alphabetischer Reihenfolge an die Regierung weitergereicht111.
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eorg Ignaz Komp war in den letzten Jahren des Episkopats von Bischof Weyland zum stellvertretenden Generalvikar aufgerückt und nach Eintritt der Sedisvakanz von den Kapitelsmitgliedern zum Kapitularvikar gewählt worden112. Zudem fungierte er schon mehr als eine Generation lang, nämlich 33 Jahre, als Seminarregens. Interessant erscheint vornehmlich, dass die Personalie Komp, der sowohl 1873 als auch 1881 und 1887 in Fulda noch unbedingte Persona minus grata beim Reichskanzler und preußischen Ministerpräsidenten sowie beim Kultusminister gewesen war, jetzt eine klare Bewertungsveränderung in der staatlichen Charakterisierung erfuhr. Noch 1890 hatte das staatliche Urteil ihn zusammenfassend zwar als „klug und gebildet, aber der schroffen Richtung zugehörig und in dieser Richtung tätig“113 negativ beschieden. Vier Jahre später aber wurde Komp auf einmal nicht mehr beanstandet. Während Karl Hengst vermutete, dieser Wandel in der Beurteilung sei in erster Linie dem Einfluss von Bischof Kopp zu verdanken, der ja während seines Episkopats Komp tatkräftig gefördert hatte114, geben die Quellen Anlass zu einer differenzierteren Beantwortung dieser Frage. Zum einen erscheint hier eine Stellungnahme des vormaligen Fuldaer Landrats und nunmehrigen Konsistorialpräses der evangelischen Kirche in Kassel, Friedrich von Trott zu Solz115, wichtig. Zwar charakterisierte Trott zu Solz alle vier in Fulda ansässigen und ihm von 108 109
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Vgl. Hilpisch, Die Wahl des Fuldaer Bischofs Komp, S. 55f. Vgl. Fliedner an Magdeburg v. 13.2.1894 mit kritischen Bemerkungen zur Wahlfähigkeit Erbs und Kalbs. Preußische Neue Zeitung v. 8.2.1894. Vgl. Domkapitel an Oberpräsidium v. 8.2.1894, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1630. Vgl. Komp an Magdeburg v. 15.1. u. 23.1.1894, mit der Bitte um Dispensation vom Bistumsverwesereid, ebd. Verzeichnis der Mitglieder der Metropolitan- und Domkapitel in Preußen v. 1889, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2, S. 27. Vgl. Hengst, Komp, in: Gatz, Bischöfe, S. 400. Zu Trott zu Solz (1835–1894), 1883–1891 Landrat in Fulda, seither Konsistorialpräses, 1878–1882 MdA, vgl. Mann, Biographisches Handbuch für das Preußische Abgeordnetenhaus, S. 390, u. Klein, Leitende Beamte, S. 226.
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daher bekannten Kandidaten, jedoch legte er ein besonderes Augenmerk auf Komp, den er in seiner Landratszeit für ein heimliches Mitglied des Jesuitenordens gehalten habe116. Inzwischen aber frage er sich, weshalb dieser Mann, der „in seiner äußeren Erscheinung der geborene Bischof“ sei, weil er über ein imponierendes Auftreten und gute gesellschaftliche Umgangsformen verfüge, nicht bereits bei der letzten Wahl Bischof geworden sei. Nach Meinung des amtierenden Landrats Fliedner müsste „die preußische Staatsregierung das größte Interesse daran haben, dass eine schwache Persönlichkeit, selbst wenn sie nach ihrer Vergangenheit als noch so friedfertig eingestellt wird, den bischöflichen Stuhl in Fulda nicht besteigt“117. Die Garantie eines starken Bischofs, welcher der Zentrumspartei eigenständig gegenüber stehen könne, weise von den Kandidaten auf der Wahlliste des Domkapitels aber nur Georg Ignaz Komp auf. In weitschweifigen Worten legte er der Regierung die Vorzüge eines Episkopats von Komp dar. Zweifelsohne sei dieser ein treuer Anhänger der römischen Kurie, aber zugleich staatsloyal. Im Gegensatz zu allen übrigen Kandidaten – Fliedner „würde hierfür jede Garantie übernehmen“ – hätte er außerdem den weitesten Blick und die beste Fähigkeit, zwischen Staat und Kirche zu vermitteln. Im Übrigen besitze Komp einen starken Ehrgeiz, „der ihn für Gunstbezeugungen der Staatsregierung nicht unempfänglich“ mache.
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arl Braun hatte sich während der Amtszeit des Landrats von Trott zu Solz nicht weiter hervorgetan118. Und auch dessen Nachfolger Landrat Fliedner vermochte nichts Konkretes über die politische und kirchenpolitische Haltung dieses Geistlichen zu ermitteln, so dass sich seine Ausführungen auf die Gutmütigkeit und durch Krankheit bedingte Schwäche Brauns konzentrierten119. In dem Verzeichnis aller preußischen Domherren von 1890 war Braun als „weniger bedeutend als Dr. Komp, aber ebenso schroff und weniger weltklug“120 charakterisiert worden.
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hilipp Engel121 war 1830 in der Bischofsstadt Fulda zur Welt gekommen und 1853 dort zum Priester geweiht worden. Er hatte nach der Priesterweihe auch nur in seiner Heimatstadt gewirkt, als Kaplan an der Stadtpfarrkirche, als Lehrer am Knabenseminar, Dompräbendat und seit 1869 als Professor für Kirchengeschichte und Homiletik am Priesterseminar. Nach
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Trott zu Solz an Magdeburg v. 10.2.1894, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1630. Fliedner an Magdeburg v. 13.2.1894, ebd. Hier auch die folg. Zit. Trott zu Solz an Magdeburg v. 10.2.1894, ebd. Vgl. Fliedner an Magdeburg v. 13.2.1894, ebd. Verzeichnis der Mitglieder der Metropolitan- und Domkapitel in Preußen v. 1890, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2, S. 27. Zu Engel vgl. Hengst, Engel, in: Gatz, Bischöfe, S. 172, u. Leimbach, Priesterfreunde, S. 13–16, sowie Hilpisch, Geschichte des Fuldaer Priesterseminars, S. 26f.
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der Wiedererrichtung des Seminars 1886 vertrat er dort die Fächer Homiletik und Pastoral sowie später auch Pädagogik. 1889 war er in das Domkapitel aufgerückt, und es hatte über ihn in dem im selben Jahr erstellten staatlichen Verzeichnis der Domherren geheißen, dass er „in politischer und kirchenpolitischer Beziehung zu Bedenken keinen Anlass“122 geben würde. In den Augen des vormaligen Landrats von Trott zu Solz war Engel „ein vorzüglicher Redner, sonst aber bestimmt äußerlich von wenig einnehmender Gestalt“123. Diesen Eindruck bestätigte Fliedner, der ihn als „schwachen Bischof, der sich durch ultramontanen Einfluss leicht zur Stellungnahme gegen die Staatsregierung beeinflussen ließe“124, charakterisierte.
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ndreas Schick125 wurde als Sohn eines Landwirts 1834 in Erfurtshausen im Kreis Kirchhain geboren und 1857 in Fulda zum Priester geweiht. Er begann seine geistliche Tätigkeit als Lehrer für Latein, Griechisch, Deutsch und Geschichte am Knabenseminar und war zugleich Bischöflicher Sekretär bei Bischof Kött. Nach der 1874 erfolgten Schließung des Priesterseminars, dessen Subregens Schick seit 1867 gewesen war, widmete er sich der Abfassung religiöser Schriften126 und gründete 1884 mit dem „Bonifatiusboten“ eine Kirchenzeitung für das Bistum Fulda. Über diese Tätigkeit heißt es, er habe „fast jede Nummer handschriftlich geschrieben. Jede Nummer war seine Originalarbeit und trug ganz das Gepräge seiner Persönlichkeit“127. Den „Bonifatiusboten“ machte Schick trotz seiner – im Gegensatz zur „Fuldaer Zeitung“128 primär seelsorglichen Ausrichtung – zu einem Organ der Zentrumspartei und reiste zudem vor Reichstags- und Landtagswahlen quer durch das Bistum, um bei Wahlversammlungen in programmatischen Reden für die Partei des politischen Katholizismus zu werben129. Seit 1886 fungierte Schick als Dompräbendat in Fulda sowie als Professor für Moral und Pastoral am Priesterseminar. In der katholischen Öffentlichkeit der Bischofsstadt soll er wegen des für ihn besonders wichtigen Bußsakramentes auch der „Beichtschick“ genannt worden sein130. 122
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Verzeichnis der Mitglieder der Metropolitan- und Domkapitel in Preußen v. 1890, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2, S. 27. Trott zu Solz an Magdeburg v. 10.2.1894, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1630. Fliedner an Magdeburg v. 13.2.1894, ebd. Zu Schick (1834–1898) vgl. Leimbach, Priesterfreunde, S. 59–65; sowie Hilpisch, Geschichte des Fuldaer Priesterseminars, S. 25f.. Vgl. u.a. Andreas Schick, Kurze Anleitung zur Verwaltung des Bußsakramentes; Lebensbild der Scholastika Endert. Festschrift Parzeller, S. 11. Vgl. zum „Bonifatiusboten“ auch Vonderau, Geschichte der Seelsorge, S. 308f. Kath. Zeitung, die während des Kulturkampfs von Priestern und Laien gegründet worden war. Vgl. Leinweber/Wostratzky, Bistum Fulda, S. 40; Festschrift Parzeller sowie Boekamp, Die Geschichte der Fuldaer Zeitung. Vgl. Nau, Schick, S. 96–100; u. Vonderau, Geschichte der Seelsorge, S. 160f. Vgl. Hilpisch, Geschichte des Fuldaer Priesterseminars, S. 26.
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Für Trott zu Solz war Schick „ein sehr gescheiter und wissenschaftlich gebildeter Herr“131, mit dem er aber „manchen Kampf zu bestehen hatte“, der aus der von Schick im „Bonifatiusboten“ öffentlich betonten ultramontanen Haltung resultiert habe. Sprach aus diesen Worten noch ein Stück weit vornehme Zurückhaltung aus der zeitlichen Distanz zum Kulturkampf, so äußerte sich Landrat Fliedner unmissverständlich ablehnend über diesen Kandidaten. Es sei ihm „unerfindlich“, wie Schick überhaupt auf die Liste aufgenommen worden sei, es sei denn als bewusste Provokation der Staatsbehörden, bei denen er trotz gewisser Zurückhaltung in letzter Zeit als Agitator gegen den gegenwärtigen Staat hervorgetreten sei. Gemäß Empfehlung Fliedners sollte Schick aufgrund seines Zentrums-Engagements in jedem Fall als minder genehm bezeichnet werden, während er bei Braun und Engel die Entscheidung der Regierung antrug und bei Komp um Überprüfung bat, ob dessen Haltung wirklich noch im Widerspruch zur Staatsregierung stehe. Oberpräsident Eduard Magdeburg132 meldete daraufhin an das Kultusministerium in Berlin, dass Engel und Müller in jedem Fall genehm seien. Gleiches müsse auch für Braun gelten, über den „neue Nachrichten nicht ungünstig lauten“133. Was nun aber Professor Komp anbetraf, erwähnte er die positiv ausgefallenen Berichte von Trott zu Solz’ und Fliedners, wollte aber eine Bewertung nicht vornehmen. Lediglich in Schick sah er deutlich eine minder genehme Person. Über die Behandlung der Fuldaer Bischofsfrage auf der Sitzung des preußischen Staatsministeriums am 29. März 1894 hieß es im Protokoll ganz lapidar: „Drei Kandidaten sind genehm. Professor Georg Komp kommt vor allem in Betracht“134. Diese entscheidende Wendung zugunsten Komps ist wohl in erster Linie einem geheimen Treffen des Kultusministers Bosse mit Komp zu verdanken, das in Eisenach stattfand135. Offenbar hatte der Minister letzte Zweifel an einer Eignung des Fuldaer Regens für das Bischofsamt durch eine persönliche Inaugenscheinnahme ausräumen wollen und sich anschließend von Komp überzeugt gezeigt. Die von Wilhelm II. am 15. April offiziell zu „personae minus gratae“ erklärten Kandidaten waren Karl Braun und Andre131
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Trott zu Solz an Magdeburg v. 10.2.1894, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1630. Hier auch das folg. Zit. Zu Magdeburg (1844–1932), 1892–1898 Oberpräsident von Hessen-Nassau, vgl. Schütz, Die Oberpräsidenten, S. 301, u. Klein, Leitende Beamte, S. 168f. Magdeburg an Bosse v. 16.2.1894, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1630. Protokoll des Staatsministeriums v. 29.3.1894, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2c; abgedruckt bei Spenkuch, Protokolle des Staatsministeriums, Bd. 8/1, S. 153. Über dieses Gespräch informiert lediglich ein Briefwechsel Bosses mit dem badischen Diplomaten Eugen von Jagemann, in welchem er sich erfreut zeigte, dass das Eisenacher Treffen „in keiner Weise bekannt geworden sei und so ein guter Rückschluss auf die Verschwiegenheit und das Wesen des Erwählten gegeben“ gewesen sei. So Jagemann an Brauer v. 17.11.1894, ediert bei Großherzog Friedrich I. von Baden und die Reichspolitik, Bd. 3, S. 370f.
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as Schick136, worüber das Domkapitel fünf Tage später durch Oberpräsident Magdeburg unterrichtet wurde. Seiner Einladung zum Wahlakt am 27. April 1894 fügte Domdekan Erb an, dass „auf die etwa nicht erscheinenden [Domherren] keinerlei Rücksicht genommen, vielmehr auch ohne dieselben zur Durchführung des Wahlaktes vorgeschritten werden wird“137. Wie üblich ließ sich Kultusminister Bosse telegraphisch sogleich informieren und erteilte Caprivi umgehend Auskunft über den Ausgang der Wahl138. Von den vier Kapitularen wählten drei Komp, eine Stimme – wie es heißt, war es die von Komp – wurde dem Dechanten Heinrich Fidelis Müller gegeben139. Umgehend teilte Erb der Nuntiatur die Wahl Komps mit140. Am 10. Mai 1894 ließ Kardinal Kopp den Münchner Nuntius Andrea Aiuti141 wissen, dass „Komp a été élu ce que tout le monde avait attendu et le Saint Père a désiré depuis longtemps“142. Die Regierung hätte „déja´donné son consentement“. Diesen Hinweis nutzte Aiuti um dem Breslauer Fürstbischof dafür zu danken, dass er ihn schon bei der Aufstellung der Liste auf dem Laufenden gehalten habe. In höflicher Diktion bat er Kopp um Verzeihung dafür, dass er bisher auf dessen Schreiben nicht geantwortet habe. Er sei in letzter Zeit müde und indisponiert gewesen, schließe sich aber hinsichtlich der Bewertung des Wahlausgangs dem Kardinal auf ganzer Linie an143. Bereits zwei Tage zuvor hatte Kardinalstaatssekretär Rampolla den Nuntius angewiesen, den kanonischen Relativprozess „subito“ zu vollziehen, da der Heilige Vater Komp bereits im nächsten Konsistorium zu präkonisieren gedenke144. In der Tat erfolgte die päpstliche Bestätigung bereits am 21. Mai 1894. Nachdem der designierte Bischof danach unmittelbar bei der Nuntiatur in München um eine zügige Einleitung des bischöflichen Informativprozesses ersucht und dem Nuntiaturauditor Leoni die erforderlichen Unterlagen eingereicht hatte145, konnte er am 25. Juli 1894 durch Erzbischof Johannes Chri136
137 138 139 140 141
142 143 144 145
„Dass sie [die Regierung, Anm. d. Verf.] den kämpferischen Andreas Schick ablehnte, ist begreiflich“, bemerkte noch 1964 Hilpisch. Ders., Die Wahl des Fuldaer Bischofs Georg Ignaz Komp, S. 56, Anm. 8. Erb an Domkapitel v. 23.4.1894, in: BA Fulda, Personalakte Komp. Vgl. Bosse an Caprivi v. 27.4.1894, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2c. Vgl. Hilpisch, Die Wahl des Fuldaer Bischofs Georg Ignaz Komp, S. 57. Vgl. Erb an Aiuti v. 17.4.1894, in: ASV ANM 182. Zu Aiuti (1849–1905), 1893–1896 Nuntius in München, dann Nuntius in Lissabon, 1903 Kurienkardinal, vgl. de Marchi, Le Nunziature Apostoliche, S. 57; Greipl, Die Bestände des Archivs der Münchner Nuntiatur, in: RQ, Bd. 78 (1983), S. 192–269, hier S. 240f. Kopp an Aiuti v. 10.5.1894, in: ASV ANM 182. Vgl. auch Leoni an Komp v. 26.5.1894, ebd. Aiuti an Kopp v. 12.5.1894, Entwurf ebd. Rampolla an Nuntius v. 8.5.1894, ebd. Vgl. Komp an Nuntiatur v. 23.5.1894, ebd. Hier auch Leoni an Komp v. 26.5.1894 u. weitere Briefwechsel.
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stian Roos von Freiburg konsekriert werden146. Diesmal ergriff Oberpräsident Magdeburg die Initiative und schlug vor, die Abnahme des vorgeschriebenen Eides unmittelbar vor der Konsekration vorzunehmen147. Wie ein zeitgenössischer Biograph Komps urteilte, war „bei Volk und Klerus der Jubel [groß], als der „neue Kurs“ [Anspielung auf die Politik Kaiser Wilhelms II., welche den „alten Kurs“ Bismarcks abgelöst hatte, Anm. des Verf.] die alten, grundlosen Vorurteile gegen seine Person aufgegeben hatte“148. Verschiedene Indizien deuten darauf hin, dass Komp zumindest das Bemühen zeigte, sich den staatlichen Erwartungen gemäß zu verhalten. Als Fingerzeig ist hier nicht nur ein Gutachten bei der Neubesetzung einer Domherrenstelle 1895 zu verstehen, als der Bischof einem der Kandidaten attestierte, er habe sich „von politischen Agitatoren ferngehalten“149. Insbesondere aber die Tatsache, dass er die Bestellung des Domherrn Philipp Engel zu seinem Generalvikar bei der Regierung zur Anzeige brachte, was seine Vorgänger unterlassen hatten, wurde in Berlin aufmerksam registriert und von Kultusminister Bosse als Haltung übermäßiger Pflichterfüllung Komps gegenüber den Behörden gedeutet150. Immerhin wurde der knapp 70-jährige Fuldaer Bischof im März 1898 vom Metropolitankapitel in Freiburg zum Nachfolger des verstorbenen Erzbischofs Roos gewählt, was Remigius Bäumer als „feierlichen Ausdruck“ für ein „stets … ersprießliches Zusammenwirken“151 zwischen der Metropolie und dem nunmehr ja schon mehr als ein Vierteljahrhundert zu Preußen gehörenden Suffraganbistum Fulda ansah. Da er jedoch bereits auf der Reise an seinen neuen Wirkungsort, wo er am 12. Mai 1898 inthronisiert werden sollte, bei einem Besuch des Mainzer Bischofs Haffner starb, konnte er an seinem neuen Wirkungsort keine Akzente mehr setzen.
Bischofswahl 1898 Der mittlerweile vom Domkapitel zum Kapitularvikar gewählte bisherige Generalvikar Philipp Engel erregte dadurch das Missfallen des Kultusministeriums, dass er sein Gesuch um Anerkennung seiner Wahl bereits als Kapitularvikar unterzeichnete152. 146
147 148 149 150
151 152
Bei Hilpisch, Die Bischöfe von Fulda, S. 36, wird das Weihejahr Komps fälschlich mit 1895 angegeben und Jakob Roos als Konsekrator benannt. Magdeburg an Komp v. 25.7.1894, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1630. Meister, Lebensbild Komp, S. 14. So Komp über den Kandidaten Lechleitner am 25.5.1895, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1706. Vgl. Jagemann an Brauer v. 17.11.1894, ediert in: Großherzog Friedrich I. von Baden und die Reichspolitik, Bd. 3, S. 370f. Bäumer, Errichtung der mitteldeutschen Kirchenprovinz, S. 604. Vgl. Bosse an Oberpräsidium Kassel v. 18.5.1898, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1630.
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Am 22. April 1898 wurde vom Domkapitel unter Leitung des Domdechanten Karl Braun die Wahlliste aufgestellt153, wobei einer der Domherren, Hermann Breitung, aus Krankheitsgründen nicht an diesem Akt teilnehmen konnte und seine Stimme dem Domkapitular Müller delegiert hatte. Die Liste enthielt schließlich die Domherren Dr. Wilhelm Arenhold, Karl Braun und Philipp Engel, den Dompfarrer Adalbert Endert, den Regens des Priesterseminars Joseph Damian Schmitt sowie den Dechanten Carl Helfrich aus Bockenheim, nicht aber den mittlerweile zum Domkapitular avancierten Dechanten Heinrich Fidelis Müller, der bei den beiden vorangegangenen Bischofswahlen 1887 und 1894 Kandidat gewesen war und beide Male auch das Plazet des Monarchen erlangt hatte154 und in Regierungsaugen nach wie vor als ein „wissenschaftlich gebildeter, friedliebender Geistlicher von loyaler Gesinnung“155 galt. Auch auf eine Aufstellung des Professors Andreas Schick hatte das Kapitel diesmal verzichtet. Ausschlaggebend hierfür war wohl nicht dessen Gesundheitszustand – Schick verstarb am 1. Oktober 1898 – als vielmehr die Tatsache, dass er nicht allein bei der Wahl 1894 zur „persona minus grata“ erklärt worden, sondern inzwischen auch zweimal von der Regierung als Kandidat für eine Domherrenstelle abgelehnt worden war, obgleich der Kasseler Regierungspräsident beim zweiten Besetzungsversuch 1896 dem Oberpräsidenten gemeldet hatte, dass Schick in seiner Amtszeit „nicht agitatorisch gegen die Staatsregierung hervorgetreten ist“156. Einen Versuch Bischof Komps, das notwendige Plazet der Regierung durch Bestellung Schicks zum Ehrendomkapitular zu umgehen, rief sogar Kultusminister Bosse auf den Plan, der den Bischof darauf hingewiesen hatte, dass Ehrendomherren in den Diözesen der Oberrheinischen Kirchenprovinz nicht vorgesehen seien157. Dennoch setzte Komp die Verleihung der Honorarkapitularswürde für Schick durch158. Das Schema der Listenzusammensetzung war im Übrigen gleich geblieben. Wie schon bei der vorangegangenen Wahl 1894 waren primär die rüstigen Kapitelsmitglieder berücksichtigt worden, dazu ein in der Priesterausbildung tätiger Geistlicher und letztlich wiederum ein Repräsentant des Seelsorgeklerus. Erneut wurden die Kandidaten alphabetisch geordnet nach Kassel gemeldet, so dass die Regierung keinen Aufschluss darüber 153 154
155
156
157
158
Vgl. Liste v. 22.4.1898, ebd. Müller hatte bei der Listenaufstellung nur eine Stimme (sein eigene?) verbuchen können. Vgl. Protokoll der Kapitelsitzung v. 22.4.1898, in: BA Fulda. Er wurde 1902 Domdechant und verstarb 1905. Charakterisierung der Fuldaer Domherren von ca. 1895, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1706. Müller wurde 1902 Domdechant. Regierungspräsident Kassel an Magdeburg v. 5.10.1896, ebd. Schick war bei der Besetzung des Kanonikats von Bischof Komp 1894 u. erneut 1896 auf Gegenwehr im Oberpräsidium gestoßen. Vgl. Bosse an Komp v. 9.4.1897, ebd. Dazu auch der Bericht in der „Germania“ v. 28.3.1897. Schick starb bereits am 1.10.1898 als Dompräbendat (u. Ehrendomherr) in Fulda. Vgl. Vonderau, Geschichte der Seelsorge, S. 519.
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erhielt, welche Kandidaten das besondere Vertrauen der Kapitelsmehrheit genossen.
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ilhelm Arenhold159, der erstmals auf der Liste platziert worden war, hatte schon durch die Tatsache, dass er von 1865 bis 1870 Alumne des Collegium Germanicum et Hungaricum in Rom gewesen war160, einen schlechten Stand bei den Regierungsbehörden. Der 1845 in Amöneburg geborene Geistliche hatte in Rom in Theologie und Philosophie promoviert und war zunächst Dozent für Philosophie am Priesterseminar in Fulda geworden. Nach dessen Schließung im Kulturkampf arbeitete er zum einen in der Pfarrseelsorge, zum anderen trat er als Mitbegründer und Schriftleiter der ultramontanen „Fuldaer Zeitung“, des führenden Organs des politischen Katholizismus im Fuldaer Land, in die Öffentlichkeit161. Nach zwei Jahren als Pfarrer in Mackenzell erhielt er 1886 die Pfarrei Großauheim im Kreis Hanau. 1895 wurde Arenhold von Bischof Komp als Professor für Neutestamentliche Exegese und Dogmatik an das Priesterseminar in Fulda zurückgerufen und 1897 zudem in das Domkapitel aufgenommen. Seine Karriere verdankte der 1869 durch Kardinal Reisach in Rom zum Priester geweihte Germaniker seiner überragenden Doktordisputation, die er während des Ersten Vatikanischen Konzils 1870 in Gegenwart von 50 Kardinälen und Bischöfen, darunter dem von Pius IX. entsandten Kardinalstaatssekretär Antonelli, hielt162. Dadurch war auch der Papst auf das hoffnungsvolle theologische Nachwuchstalent aufmerksam geworden und hatte Arenhold persönlich empfangen163. In der jüngsten staatlichen Charakterisierung der Fuldaer Domherren von 1895 war er trotz seiner römischen Prägung als ein „kluger Geistlicher, der bei den Reichstagswahlen in loyalster Weise mit den staatlichen Organen vorgegangen und daher … mit dem Roten Adlerorden IV. Klasse begnadigt worden“164 sei, bezeichnet worden. Zuvor hatte der zuständige Landrat von Hanau, Karl von Oertzen165, ihn 1894 für die Verleihung des Roten Adler-Ordens mit der Begründung vorgeschlagen, dass Arenhold sich „in patriotischem und gemeinnützigem Sinn“166 betätige und „eine der geistig bedeutendsten Persönlichkeiten des niederen Klerus der Diözese Fulda“ sei. 159
160 161 162
163 164 165
166
Zu Arenhold (1845–1921) vgl. Hengst, Arenhold, in: Gatz, Bischöfe, S. 13; Leimbach, Priesterfreunde, S. 3–5; Hilpisch, Geschichte des Fuldaer Priesterseminars, S. 34. Vgl. Schmidt, Collegium Germanicum, S. 322; Allmang, Fuldaer Germaniker, S. 174. Vgl. Festschrift Parzeller, S. 9. Steinhuber, Geschichte des Kollegium Germanicum Hungarikum, Bd. 2, S. 466, bezeichnete Arenholds Promotion als „glänzendste Disputation“ des 19. Jahrhunderts. Vgl. Allmang, Fuldaer Germaniker, S. 174. Charakterisierung der Fuldaer Domherren ca. 1895, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1706. Zu v. Oertzen (1844–1914), 1889–1895 Landrat in Hanau, vgl. Klein, Leitende Beamte, S. 184f. Oertzen an Magdeburg v. 26.2.1894, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1607. Hier auch das folg. Zit.
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Demgegenüber hob der Fuldaer Landrat Fliedner in seinem Gutachten anlässlich der Bischofskandidatur hervor, dass Arenhold „die Redaktion der Fuldaer Zeitung in regierungsfeindlichster und gehässigster Weise geführt“167 habe und „als einer der verbissensten und unduldsamsten Priester der Diözese“ bekannt sei. Insbesondere machte er den Geistlichen dafür verantwortlich, dass Fulda nicht den erhofften Sitz eines Landgerichts erhalten habe, da Arenholds Organ durch einen „verbissenen und aufreizenden Ton den Ausschlag gegen Fulda herbeigeführt“ habe. Darüber hinaus habe er antijudaistische Artikel über Ritualmorde von Juden in seiner Zeitung publiziert, worüber sich der Provinzialrabbiner beim Bischof beschwert habe. Dem Vernehmen nach sollen dieser Vorfall und die Uneinsichtigkeit Arenholds zu dessen Ablösung als geistlicher Redakteur und Versetzung nach Großauheim geführt haben. Die diametral entgegengesetzte Haltung des früheren Hanauer Landrates in der Beurteilung Arenholds führte der Oberpräsident darauf zurück, dass ersterer von der Abwehrhaltung des Geistlichen gegenüber den Sozialdemokraten angetan gewesen sei. Daher sei Arenhold „unbedingt“ als minder genehm zu bezeichnen.
D
agegen war Karl Braun, eben noch in der allgemeinen Charakterisierung der Domkapitulare als „Geistlicher, der der schroffen Richtung angehört“168, eingestuft, vom Fuldaer Landrat aktuell wegen seiner politischen Abstinenz als „Mann von gemäßigter Gesinnung und entgegenkommendem Auftreten“ positiv beurteilt worden. Bereits wenige Monate nach der letzten Bischofswahl 1894, bei der seine Persönlichkeit ja den strengen staatlichen Kriterien nicht hatte Stand halten können, war er im Zuge der Neubesetzung der Domdechantenstelle als genehm bezeichnet worden, ohne dass er letztlich diese Pfründe erhalten hatte169.
A
dalbert Endert170 wurde 1850 in Setzelbach bei Rasdorf im damaligen Kreis Hünfeld geboren und verlor seinen Vater, einen Steinhauer, der nebenher eine kleine Landwirtschaft betrieb, schon im ersten Lebensjahr. Der Name seiner Familie hatte im katholischen Milieu des Bistums Fulda der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen guten Klang. Denn Adalbert Enderts einzige Schwester, die unter dem Ordensnamen Maria Scholastika in das Benediktinerinnenkloster in Fulda eingetreten und 1875 mit nur 27 Jahren
167
168 169 170
Landrat v. Fulda an Regierungspräsident Kassel v. 5.5.1898, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1630. Hier auch die folg. Zit. Charakterisierung der Fuldaer Domherren ca. 1895, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1706. Vgl. Magdeburg an Domkapitel Fulda v. 9.10.1894, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1073. Zu Endert vgl. Hengst, Endert, in: Gatz, Bischöfe, S. 168f., Hilpisch, Die Bischöfe von Fulda, S. 37f., u. Leinweber, Fuldaer Äbte und Bischöfe, S. 177–179, sowie die sehr deskriptive theol. Diplomarbeit von Oswald, Adalbert Endert (zur Wahl hier S. 39–41). Eine Zusammenfassung bietet Oswald, Endert, in: AMRKG, Bd. 44 (1992), S. 217–257.
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verstorben war, ging der Ruf der Heiligkeit voraus171. 1873 noch von Bischof Kött zum Priester geweiht, betreute er von seiner ersten seelsorglichen Station als Kaplan an der Fuldaer Stadtpfarrkirche aus auch die Filiale Horas. 1885 zog Endert in dieses Dorf und wurde drei Jahre später zum Pfarrer ernannt. 1893 kehrte er als Dompfarrer und Stadtdechant nach Fulda zurück. Bereits im darauf folgenden Jahr hatte er sich in den Bürgerausschuss der Stadt wählen lassen172. Zudem fungierte Endert als Superior der Barmherzigen Schwestern sowie als Subkustos der Domkirche. Der Landrat hielt ihn für „innerlich … ganz besonders streng katholisch. Sein dienstliches und persönliches Auftreten nach außen hin ist aber gemäßigt, versöhnlich und entgegenkommend“173. Trotz dieser Ambivalenz in Enderts Charakter befand der Landrat ihn als geeignet für den Bischofsstuhl.
K
apitularvikar Philipp Engel hatte seit 1894 als Generalvikar von Bischof Komp fungiert. Bereits als Komp seine Ernennung staatlicherseits anzeigte, hatte es geheißen, dass diese Wahl den Behörden genehm sei174. Und in der jüngsten Regierungscharakteristik der Domherren stand lapidar, Engel gebe „in politischer und kirchenpolitischer Beziehung zu Bedenken keine Veranlassung“175. Wenn der Landrat ihn in seinem aktuellen Kommentar zu den Listenkandidaten als „freundlichen alten Herrn, aber ziemlich kränklich und nervös“, bezeichnete, so klingt dies einerseits etwas despektierlich. Aber gerade weil Engel ihm offenbar als vollkommen harmlos erschien und gegen seine Genehmheit nur seine leichte Erregbarkeit sprach, hatte er andererseits keine Bedenken diesen in die Kategorie der staatlich genehmen Kandidaten einzuordnen, wie es auch schon bei der Bischofswahl 1894 sowie bei der Neubesetzung der Domdechantenstelle im selben Jahr geschehen war176.
C
arl Helfrich, 1838 in Rüdigheim bei Amöneburg im damaligen Kreis Kirchhain geboren177, 1861 in Fulda zum Priester geweiht, hatte seinen priesterlichen Dienst als Lehrer am bischöflichen Klerikalseminar in Fulda
171 172
173 174
175 176 177
Vgl. passim Andreas Schick, Scholastika Endert. Vgl. Endert an Generalvikariat Fulda v. 14.9.1894, in: BA Fulda, Personalakte Endert. Im Generalvikariat hatte man keine Einwendungen, sondern zeigte sich froh über die Repräsentanz des Klerus in den städtischen Gremien. Fliedner an Regierungspräsident in Kassel v. 5.5.1898, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1630. Vgl. Jagemann an Brauer v. 17.11.1894, ediert in: Großherzog Friedrich I. von Baden und die Reichspolitik, Bd. 3, S. 370f. Charakterisierung der Fuldaer Domherren ca. 1895, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1706. Vgl. Magdeburg an Domkapitel Fulda v. 9.10.1894, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1073. Zu Helfrich (1838–1902) vgl. Angaben im Bericht des Landrats von Fulda v. 5.5.1898. Bei Hilpisch, Die Wahl der Bischöfe Endert und Schmitt, S. 82, Anm. 5, wird als Geburtsort Helfrichs dagegen Neustadt/Hessen angegeben.
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begonnen, war seit 1873 als Pfarrer in Bockenheim178 tätig und 1887 zugleich zum Dechanten des Landkapitels Hanau ernannt worden. Über ihn hatte der Kasseler Oberpräsident beim Regierungspräsidenten in Wiesbaden um Äußerung nachgesucht179. Letzterer befragte den Polizeipräsidenten in Frankfurt/Main, der Helfrich durchaus ein positives Zeugnis ausstellte, ohne aber überdurchschnittliche Qualitäten zu benennen. Der Bockenheimer Pfarrer sei gesund, kräftig und eifrig als Seelsorger. Gegenüber Protestanten verhalte er sich tolerant, so dass er unter ihnen auch Anerkennung finde. Zudem sei er politisch nicht hervorgetreten und habe vielmehr seine patriotische Gesinnung öffentlich wiederholt in seinen am Sedantag gehaltenen Ansprachen gezeigt180. Eine andere Charakterisierung Helfrichs hob hervor, dass er „während des Kulturkampfes wegen unbeauftragter Ausübung des Gottesdienstes bestraft, … sich dann längere Zeit im Ausland (Frankreich) aufgehalten“181 habe. Politisch sei er wenig hervorgetreten und habe eine zurückhaltende und gemäßigte Haltung an den Tag gelegt. Zu diesem positiven staatlichen Urteil passte es auch, dass Pfarrer Helfrich zwei Jahre später als Kandidat für die Besetzung einer Domherrenstelle in Fulda nicht beanstandet wurde182.
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oseph Damian Schmitt183 hatte in seiner Biographie gleich zwei Analogien zu Bischof Komp aufzuweisen. Zum einen war er dessen – fast – unmittelbarer Nachfolger als Regens des Fuldaer Priesterseminars184, zum anderen konnte er auf eine römische Ausbildung zurückblicken. Als Germaniker hatte er während des Kulturkampfes von 1876 bis 1883 in Rom studiert185 sowie dort 1882 die Priesterweihe empfangen, war mit dem obligatorischen römischen Dr. theol. et phil. nach zwei Kaplansjahren in Belgien 1887 nach Fulda zurückgekehrt, wo 178
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Seit 1930 ist Bockenheim, inzwischen ein Stadtteil von Frankfurt/M., an die Diözese Limburg abgetreten. Vgl. Aktennotiz v. 22.4.1898, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1630. Regierungspräsident Wiesbaden an Oberpräsident Kassel v. 4.5.1898, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1630. Ebd. auch die Charakterisierung v. 5.5.1898. Bericht des Polizeipräsidenten v. Frankfurt v. 3.5.1898, in: HHStA Wiesbaden, Abt. 405, Nr. 12642. Charakterisierung Helfrichs, o.D., in: StAMR, Best. 165, Nr. 5279. Vgl. Zedlitz-Trützschler an Regierungspräsident Wiesbaden v. 3.9.1900, in: HHStA Wiesbaden, Abt. 405, 12690. Zu Schmitt vgl. zuletzt DBE2, Bd. 9 (2008), S. 73; Hengst, Schmitt, in: Gatz, Bischöfe, S. 663f., Hilpisch, Die Bischöfe von Fulda, S. 39f.; u. Leinweber, Fuldaer Äbte und Bischöfe, S. 179–181. Nichts über die Wahl Schmitts findet sich bei Scheler, Gratiae et veritati, in: Sanctificatio nostra, Bd. 7 (1939), S. 261–271. Sehr deskriptiv ist die theologische Diplomarbeit von Möller, Schmitt (hier zur Bischofswahl nur S. 18–20). Eine Zusammenfassung bietet Möller, Schmitt, in: AMRKG, Bd. 49 (1997), S. 211–257. Zwischenzeitlich war 1894/95 Heinrich Josef Hillenbrand Regens, der plötzlich verstarb. Vgl. Hilpisch, Geschichte des Fuldaer Priesterseminars, S. 26. Vgl. Schmidt, Das Collegium Germanicum und die Germaniker, S. 341; u. Allmang, Fuldaer Germaniker, S. 174. Schmitt studierte von 1876–1883 in Rom.
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er nach wenigen Kaplansjahren an der Stadtpfarrkirche 1889 bereits 31-jährig Professor für Neutestamentliche Exegese, Liturgik und Homiletik am Priesterseminar wurde. Überdiözesan machte er sich als Mitarbeiter des bekannten Fuldaer Philosophieprofessors Konstantin Gutberlet bei der Herausgabe des „Philosophischen Jahrbuchs“ der Görres-Gesellschaft einen Namen186. Schmitt, der 1858 in Marbach bei Hünfeld als Sohn eines Gast- und Landwirts geboren wurde, erhielt entscheidende Prägungen im Pfarrhaus seines geistlichen Onkels Pfarrer Peter Gnau in Hofbieber, in das die Familie nach dem frühen Tod des Vaters übersiedelte. Seit 1889 bekleidete er eine Professur für Philosophie am Fuldaer Priesterseminar, sechs Jahre später wurde er hier auch Regens. Am 2. Juli 1898 wurden Arenhold und Braun in Berlin zu „personae minus gratae“ erklärt, womit drei der fünf Listenkandidaten unbeanstandet geblieben waren und eine entsprechende Wahl möglich erschien. Nachdem die Entscheidung des Kaisers und Königs erst am 11. Juli in Fulda bekannt geworden war187, fand der Wahlakt eine Woche darauf, am 18. Juli 1898188, statt. Domkapitular Breitung übertrug seine Stimme dem Domdekan. Adalbert Endert wurde einstimmig zum Bischof von Fulda gewählt189. Nachdem Papst Leo XIII. Endert am 31. August präkonisiert hatte, ließ Wilhelm II. sich mit der Anerkennung bis zum 5. Oktober, also mehr als einen Monat, Zeit190. Am 28. Oktober 1898 erfolgte die Konsekration durch Kardinal Kopp von Breslau, obgleich die Genehmigung des Großherzogs von Sachsen-Weimar-Eisenach, dessen Territorium ebenso zum Bistum Fulda gehörte, erst am 30. November 1898 erfolgte191. Mit Endert, den Stephan Hilpisch als „schlichten Pfarrer im bischöflichen Amt“192 bezeichnete, hatte sich das Domkapitel für einen Mann der pastoralen Praxis entschieden. Eine über das reguläre Theologiestudium hinausreichende wissenschaftliche Bildung hatte er nicht aufzuweisen und den eigentlich für Bischöfe geforderten Doktorgrad erhielt Endert erst wenige Wochen vor seinem Tod 1906 von der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg/Breisgau in Form einer Ehrendoktorwürde verliehen193. 186 187
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Vgl. Festschrift Parzeller, S. 11. Der Kultusminister teilte die Entscheidung mit Datum v. 9.7.1898 dem Oberpräsidenten mit. Schreiben in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1630. Bei Hilpisch, Die Wahl der Bischöfe Endert und Schmitt, S. 82, wird fälschlich der 15. Juli 1898 als Wahltag angegeben. Vgl. Abschrift des Wahlprotokolls v. 18.7.1898, in: BA Fulda. Schreiben Wilhelms II. über die Anerkennung der Präkonisation v. 5.10.1898, abgedruckt bei Hilpisch, Die Wahl der Bischöfe Endert und Schmitt, S. 82f. Vgl. Großherzog von Sachsen-Weimar an Oberpräsidium in Kassel v. 30.11.1898, in: BA Fulda, Personalakt Endert. Hilpisch, Die Bischöfe von Fulda, S. 98. Vgl. Oswald, Endert, S. 242. Bei Müller, Fünfhundert Jahre Theologische Promotion, sind
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Bischofswahl 1906 Nachdem Bischof Endert, der zum Ordensfest im Januar 1901 den königlichen Kronen-Orden II. Klasse und zum Ordensfest 1905 den Roten AdlerOrden II. Klasse erhalten hatte194, am 17. Juli 1906 mit noch nicht 56 Jahren in Fulda verstorben war195, bat Domdechant Wilhelm Arenhold die Kapitelsmitglieder knapp vier Wochen später, am 10. August, zur Aufstellung der Kandidatenliste, die damit innerhalb der vorgesehenen Monatsfrist vorschriftsmäßig erfolgte. Die fünf Domherren setzten aus den eigenen Reihen den zum Kapitularvikar bestimmten Domdekan Dr. Arenhold196 und die Kapitelsmitglieder Herbener und Stoff auf die Liste, dazu Regens Dr. Schmitt, Pfarrer Cajetan Bott aus Bockenheim, den Direktor der Strafanstalt in Steinfeld/Eifel, Georg Adam Rhiel, und Prof. Dr. Viktor Thielemann. Arenhold hatte vier, Schmitt ebenfalls vier, Stoff drei, Rhiel und Bott je fünf, Thielemann drei und Herbener vier Stimmen erhalten. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Listen fanden jetzt somit sieben Kandidaten, darunter nur drei Domherren hierauf Platz. Erneut wurde die Liste in alphabetischer Reihenfolge der Regierung eingereicht. Nicht mehr als Listenkandidat platziert wurde der bereits 71-jährige Kirchenrechtler Karl Braun, dem zudem bei allen drei vorhergegangenen Bischofswahlen das staatliche Plazet versagt worden war197. Ebenso wenig fand der über die Diözese hinaus bekannte Philosophieprofessor am Priesterseminar Konstantin Gutberlet Berücksichtigung, obgleich er seit 1900 dem Kapitel angehörte198. Der noch 1902 in der Antwort auf einen Runderlass des preußischen Kultusministers vom Frankfurter Polizeipräsidenten als „patriotisch gesinnter Mann“199 bezeichnete Dechant Carl Helfrich aus Frankfurt-Bockenheim war mittlerweile verstorben. Damit war das Domkapitel selbstverständlich erneut der Vorgabe gefolgt, nur Fuldaer Diözesanpriester zu benennen. Schon daher ist es unwahrscheinlich, dass die Domherren erwogen hatten, den Prinzen Max von Sachsen auf die Liste zu setzen, auch wenn dem Regierungspräsidenten in Kassel dies „von beachtenswerter Seite“200 mit194 195
196 197
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die Ehrenpromotionen leider nicht aufgeführt. Vgl. Bistumsarchiv Fulda, Personalakt Endert, u. Oswald, Endert, S. 242. Bei Hengst, Endert, S. 169, wird fälschlich Bad Orb als Todesort angegeben, weil Endert erst kurz zuvor von einer dort durchgeführten Kur zurückgekehrt war. Vgl. Domkapitel an Windheim v. 18.7.1906, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1630. Braun starb 1909 u. nicht – wie bei Hilpisch, Geschichte des Fuldaer Priesterseminars, S. 27, fälschlich vermerkt – bereits 1898. Zu Gutberlet (1837–1928), der 1856–1862 als Germaniker in Rom studiert hatte, vgl. Erben-Grütz, Gutberlet, in: BBKL, Bd. 25 (2005), Sp. 517–525; Hilpisch, Geschichte des Fuldaer Priesterseminars, S. 28–30, u. Schmidt, Das Collegium Germanicum und die Germaniker, S. 328; auch Gutberlet, Eine Selbstbiographie. Polizeipräsident Frankfurt/Main an Regierungspräsident Wiesbaden v. 28.7.1902, in: HHStA WI, Abt. 405, 12690. Helfrich starb noch 1902. Bernstorff an Windheim v. 1.9.1906, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1630. Hier auch das folg.
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geteilt worden war. Die Benennung des – im staatlichen Jargon formuliert – als schroff ultramontan geltenden Prinzen aus dem Geschlecht der Wettiner hätte – so der ungenannt bleibende Informant – lediglich taktische Gründe gehabt, um die Behörden von einer Beanstandung weiterer, eventuell streichungsgefährdeter Kandidaten abzuhalten. Interessant erscheint, dass zumindest im Regierungspräsidium zudem das Gebot der Beschränkung der Kandidaten auf den Diözesanklerus unbekannt zu sein schien, da man „hier gehofft [hatte], dass auf der Kandidatenliste auch Geistliche von besonderer Tüchtigkeit stehen [würden], die nicht aus der Diözese stammen“. Eine gewisse Kompensation konnte der Gefängnispfarrer Rhiel bieten, der im Erzbistum Köln, also außerhalb, amtierte.
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ilhelm Arenhold, der 1898 bereits „persona minus grata“ gewesen war, hatte seine Stellung in der Bistumsleitung mittlerweile ausbauen können, nachdem er 1902 Generalvikar von Bischof Endert geworden war. Er sei „sehr begabt, ehrgeizig, ohne besondere Umgangsformen“201, fasste der Regierungspräsident sein aktuelles Urteil zusammen. Nach dem Tod des Bischofs hatte ihn das Kapitel für die Zeit der Sedisvakanz zum Kapitularvikar gewählt, wogegen staatlicherseits keine Bedenken geltend gemacht worden waren.202 Im Zuge der Neubesetzung der Domdechantenstelle im Jahre 1900 hatte Oberpräsident Robert von Zedlitz-Trützschler ihn jedoch noch als „unduldsamen, der schärfsten Richtung des Ultramontanismus huldigenden Priester“203 abqualifiziert und abgelehnt. Zwei Jahre später fand er erneut nicht das Wohlwollen der Regierung und wurde erst im dritten Anlauf 1905 – die Domdechanei war erneut durch Tod des Inhabers vakant geworden – ohne staatliche Beanstandung mit dieser Würde versehen204, „zumal [er] Mitglied des Domkapitels und inzwischen auch Generalvikar geworden war“205. Als Bischof war Arenhold in den Augen des Regierungspräsidenten Percy Graf von Bernstorff206 jedoch weiterhin ungeeignet. Bernstorff berief sich dabei auf mündliche Auskünfte des Fuldaer Landrats Gustav Springorum207, der aus katholischen Kreisen in der Bischofsstadt sogar die direkte Aufforderung erhalten haben wollte, für eine Mindergenehmheit Arenholds zu sorgen, da „seine Wahl zum Bischof für den kirchlichen Frieden und für das Wohl der Diözese 201 202 203 204
205 206
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Zit. Bernstorff an Windheim v. 1.9.1906, ebd. Vgl. Hengst, Arenhold, in: Gatz, Bischöfe, S. 13. Zedlitz-Trützschler v. 23.4.1900, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1706. Vgl. hierzu die Schriftwechsel ebd. Bei Hengst, Arenhold, wird die Domdechantenernennung dagegen fälschlich auf das Jahr 1902 datiert. Bernstorff an Windheim v. 1.9.1906, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1630. Zu Bernstorff (1858–1930), 1905–1919 Regierungspräsident in Kassel, vgl. Klein, Leitende Beamte, S. 95f. Zu Springorum (1862–1927), 1903–1912 Landrat in Fulda, dann Oberregierungsrat in Wiesbaden, vgl. Klein, Leitende Beamte, S. 216f.
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verhängnisvoll sein müsse“208. „Sein Eintritt ins Domkapitel war nicht allen Mitgliedern dieses Kollegiums s[einer] Z[ei]t genehm“, wies der Landrat darauf hin, dass die Opposition gegen Arenhold vornehmlich aus dem Domkapitel selbst kam. Dass das Votum der Domherren für seine Aufnahme in die Liste gegen diese These sprach, daran verschwendete er keinen Gedanken. Stattdessen argumentierte Bernstorff, dass dessen Wahl zum Bischof „bei den Diözesanen nur wenig Freude und bei den Nichtkatholiken in Erinnerung an die früheren Verhältnisse und Vorkommnisse Verstimmung hervorrufen“ würde. Offenbar spielte dabei noch immer Arenholds Tätigkeit als Redakteur der „Fuldaer Zeitung“ während der Hochphase des Kulturkampfs eine Rolle, als dieses Organ „stark regierungsfeindlich“209 gewesen sei. Insbesondere hielt ihm der Landrat diesmal nicht antisemitische Hetze vor, sondern beklagte, dass Arenhold durch einen scharfen Artikel in dieser Zeitung dafür gesorgt habe, dass im Preußischen Abgeordnetenhaus die Entscheidung für den Sitz des Landgerichtes zwischen Fulda und Hanau zugunsten der letzteren Stadt ausgefallen sei. Die bereits bei Arenholds Kandidatur 1898 zu seinen Gunsten angeführte positive Beurteilung durch den Landrat von Hanau hingegen habe ihren Grund darin, dass er als Pfarrer von Großauheim „mit einigen anderen gemäßigten Zentrumsmitgliedern bei der Reichstagswahl im Sommer 1893 den konservativen Kandidaten für Hanau-Gelnhausen durch einen Wahlaufruf und auf andere Weise unter schwierigsten Verhältnissen unterstützt und durch sein treues Festhalten an dieser Kandidatur gegen die Absichten der Parteileitung und der Fuldaer Zeitung zum Wahlsiege erheblich beigetragen habe“210. Die Auszeichnung mit dem Roten Adlerorden sei demnach eine Gegenleistung für dieses staatsfreundliche Verhalten in parteipolitischer Hinsicht gewesen.
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ajetan Bott211 war 1860 in Dittlofrod bei Eiterfeld im Kreis Hünfeld als Sohn eines Landwirts geboren und 1884 in Fulda zum Priester geweiht worden. Als Kaplan wirkte er u.a. in der Residenzstadt Weimar, in Borkenhain sowie als Kuratus in Ferkenhain am Main. 1895 war er zum Pfarrer in Großauheim/Kreis Hanau avanciert. Seit 1903 bekleidete er die Pfarrstelle in Bockenheim, einem Vorort der ehemaligen Reichsstadt Frankfurt am Main. Politisch war er nicht hervorgetreten und war bereits bei der Besetzung von Domherrenstellen in Fulda nominiert und nicht beanstandet worden212.
208
209 210 211 212
So Bernstorff an Windheim v. 1.9.1906, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1630. Hier auch das folg. Zit. Springorum an Bernstorff v. 28.8.1906, ebd. Bernstorff an Windheim v. 1.9.1906, ebd. Zu Bott (1860–1931) vgl. Möller, Bischof Joseph Damian Schmitt, S. 221, Anm. 54. Vgl. Windheim an Studt v. 27.9.1906, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1630.
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oseph Herbener213, 1848 in Bauerbach bei Marburg geborene und 1871 in Fulda zum Priester geweiht, gelangte zum ersten Mal auf die Liste. Ab 1871 hatte er als Pfarrer in Oberufhausen und ab 1897 als Stadtpfarrer, Dechant und Kreisschulinspektor in Hünfeld gewirkt, bevor er 1903 in das Domkapitel berufen wurde. Nach Auskunft des Fuldaer Landrats hatte für den Fall der Erklärung Arenholds zur Persona minus grata Herbener die besten Chancen, das Rennen für sich zu entscheiden. „Es könne jedoch eine sichere Vorhersage nicht gemacht werden“214. Jedenfalls habe sich Herbener nie erkennbar auf das politische Parkett vorgewagt. Er wurde daher „als tolerant und verständig im Verhalten gegenüber Andersdenkenden“ bezeichnet sowie als ebenso tüchtig wie „von einfachem Wesen“ dargestellt. Kurz gesagt, handelte es sich bei diesem Kandidaten ganz offensichtlich um einen praktisch begabten Pfarrseelsorger, der keinen Hang zur Theorie und Wissenschaft besaß. Der Landrat von Hünfeld, Wolf von Trotha215, wusste jedoch zu ergänzen, dass sich Herbener in seiner Gemeinde Hünfeld „keiner großen Beliebtheit erfreut“ habe, wofür er dessen Strenge und Schroffheit im Auftreten verantwortlich machte. Außerdem habe Herbener die Beziehungen zu den Protestanten vor Ort nicht gerade gefördert. Der Regierungspräsident verschwieg diese negativen Persönlichkeitsaspekte nicht, war aber sichtlich bemüht, Herbener dahingehend in ein positives Licht zu rücken, dass dieser weder genehm noch ungenehm sei.
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inzig der auf der Liste enthaltene Name Georg Adam Rhiel gab den staatlichen Behörden Rätsel auf. Da er im Gegensatz zu allen übrigen Kandidaten weder als Domherr oder in einer anderen herausgehobenen Funktion in Fulda noch im Bistum selbst tätig war, mussten sich die Regierungsstellen erst mühsam Informationen über seine Person zusammenholen. Rhiel war 1859 in Erfurtshausen im Kreis Kirchhain als Sohn eines Landwirts geboren worden und hatte von 1884 bis 1892 als Kaplan in Hanau fungiert. Obgleich er als Strafanstaltspfarrer im staatlichen Dienst tätig war und außerdem dem Fuldaer Klerus angehörte, konnte Regierungspräsident Bernstorff keine Informationen zu seiner Person beitragen. Oberpräsident Ludwig Windheim216 wandte sich daher unmittelbar an das Domkapitel und fragte dort an, „wo die als gegenwärtiger Aufenthaltsort des Direktors Wilhelm Rhiel genannte Ortschaft Steinfeld gelegen ist“217. Nachdem er von Domdechant Arenhold die Auskunft erhalten hatte, dass es sich dabei um die „Königliche Erziehungsanstalt 213 214 215 216
217
Zu Herbener (1848–1924) vgl. Möller, Bischof Joseph Damian Schmitt, S. 220, Anm. 52. Bernstorff an Wundheim v. 1.9.1906, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1630. Zu v. Trotha (1863–1943), 1901–1911 Landrat in Hünfeld, vgl. Klein, Leitende Beamte, S. 224f. Zu Windheim (1857–1935), 1903–1907 Oberpräsident v. Hessen-Nassau, anschließend desgl. in Ostpreußen u. in Hannover, vgl. Schütz, Die Oberpräsidenten, S. 306, u. Klein, Leitende Beamte, S. 237f. Windheim an Domkapitel v. 13.8.1906, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1630.
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für Zwangszöglinge katholischer Konfession“ in Steinfeld im Kreis Schleiden (Eifel) handelte, wandte er sich an den zuständigen Regierungspräsidenten in Aachen218. Letzterer bescheinigte Rhiel, dass dieser seit 1900 als Direktor der Erziehungsanstalt wirke und in der Erziehung der verwahrlosten Jugend seine Lebensaufgabe gefunden habe219. Politisch sei er nicht hervorgetreten und in kirchenpolitischer Hinsicht auch keineswegs auf dem ultramontanen Flügel des Klerus angesiedelt. Persönlich sei Rhiel „ein ruhiger Mann von vornehmer Denkart mit angenehmen, aber nicht sonderlich gewandten Umgangsformen“. Das Oberpräsidium ließ zudem vom Landrat in Hanau Auskunft über eventuelle Auffälligkeiten während Rhiels dortiger Kaplanszeit in der Endphase des Kulturkampfs einholen, die ebenso ohne Beanstandung ausfielen220. Erst von Domdechant Arenhold wurde Windheim letztlich darauf hingewiesen, dass Rhiel zuvor Strafanstaltspfarrer in Preungesheim, einem Vorort von Frankfurt am Main, gewesen sei und erst seit kurzem in Steinfeld wirke221. Inzwischen hatte auch das Regierungspräsidium in Kassel herausgefunden, dass man Rhiel offenbar mit dem früher als Kaplan in Burghain tätigen nunmehrigen Stadtpfarrer in Fulda, Franz Rhiel, verwechselt habe222, der sich auch publizistisch in der als regionales Zentrumsorgan geltenden „Fuldaer Zeitung“ betätigt hatte223.
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eopold Matthias Elias Stoff224 war in Bonn 1846 als Landwirtssohn geboren worden, aber 1871 in Limburg zum Priester geweiht worden. Zunächst Kaplan in Montabaur, Wiesbaden (1871) und Kiedrich im Rheingau (1872) gelangte er über eine Stelle als Gefängnis- und Irrenhauspfarrer in Eberbach-Eichberg (seit 1873) 1891 als Pfarrer und Dechant in die ehemalige hessische Residenzstadt Kassel und damit in die Diözese Fulda. Dort hatte er sich wie bereits im Rheingau historischen Forschungen gewidmet und eine Geschichte der Kasseler Diasporagemeinde publiziert225. Erst kurz vor dem Tod von Bischof Endert war er im Juni 1906 zum Domkapitular in Fulda ernannt worden, nachdem ihm bereits in einer staatlichen Beurteilung
218 219 220 221
222 223 224
225
Windheim an Regierungspräsident in Aachen v. 21.8.1906, ebd. Vgl. Regierungspräsident in Aachen an Windheim v. 31.8.1906, ebd. Hier auch das folg. Zit. Vgl. Landrat in Hanau an Windheim v. 24.8.1906, ebd. Vgl. Arenhold an Windheim v. 18.8.1906, ebd. Bei Vonderau, Geschichte der Seelsorge, S. 485, wird die Amtszeit Rhiels in Preungesheim daher offenbar falsch mit den Jahren 1905–ca. 1910 angegeben. Vgl. Bernstorff an Windheim v. 1.9.1906, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1630. Vgl. Vonderau, Geschichte der Seelsorge, S. 307, Anm. 624. Zu Stoff vgl. Möller, Bischof Joseph Damian Schmitt, S. 220f., Anm. 53 u. Leimbach, Priesterfreunde, S. 69–72. Vgl. Stoff, Die Katholiken in Kassel. Außerdem veröffentlichte er u.a. Diplomatische Geschichte der Abtei Eberbach im Rheingau von 1331–1803, Wiesbaden 1886, Der katholische Küster, Mainz 21895.
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von 1902 Königstreue bescheinigt worden war226. Aktuell beurteilte ihn der Kasseler Regierungspräsident nach wie vor aufgrund seiner „versöhnliche[n] Natur“227 positiv und hob außerdem Stoffs Verwaltungskenntnisse hervor. Allerdings sei er „nicht nur wegen seiner mangelhaften Predigten, sondern auch weil seine gesellschaftlichen Umgangsformen Manches vermissen ließen“ im katholischen Bildungsbürgertum der früheren Residenzstadt unbeliebt gewesen. Letztlich sei er aufgrund seiner ambivalenten Beurteilung innerhalb der Kasseler Diasporagemeinde dort „weggelobt“ worden. Allein deshalb sei davon auszugehen, dass Domkapitular Stoff seitens des Kapitels kaum als ein ernsthafter Kandidat gehandelt werden dürfte.
V
iktor Thielemann228 war 1867 in Volkmarsen geboren und 1895 (nach anderen Angaben 1892) zum Priester geweiht. Bereits nach einem Jahr in der Pfarrseelsorge in Borkenheim, Hünfeld und Jena wurde er Assistent am Priesterseminar, promovierte 1898 in Freiburg/Breisgau zum Doktor der Theologie229 und dozierte anschließend in Moral und Volkswirtschaft am Fuldaer Priesterseminar, zudem bekleidete er seit 1900 das Amt des Superiors der Fuldaer Vinzentinerinnen. Der Regierungspräsident hatte an ihm sein mit 39 Jahren noch zu jugendliches Alter sowie seinen nicht stabilen Gesundheitszustand zu kritisieren. Außerdem sei Thielemann politisch oder kirchenpolitisch überhaupt nicht hervorgetreten. Die Information, dass er als Germaniker in Rom studiert habe, beruht wohl auf einer Verwechslung mit dem 1838 gleichfalls in Volkmarsen geborenen Dr. Theodor Thielemann, der seit 1871 als Pfarrer in Margartenhaun wirkte230. Landrat Eugen Roth231 von Schlüchtern brachte nachträglich weiterhin gegen Thielemann vor, dieser habe, wie er „jetzt mit Bestimmtheit sagen könne, … die Konversion der Landgräfin Anna von Hessen, insbesondere die Erteilung des Unterrichts, geleitet“232. 226
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Vgl. Charakteristik des Oberpräsidenten über Stoff v. 18.8.1902, in: HStAMR, Best. 165, Nr. 5279. Bernstorff an Windheim v. 1.9.1906, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1630. Hier auch das folg. Zit. Zu Thielemann (1867–1944), der 1921 Domkapitular u. 1941 Domdechant in Fulda wurde, vgl. Möller, Joseph Damian Schmitt, S. 219, Anm. 43, sowie Hilpisch, Geschichte des Fuldaer Priesterseminars, S. 34.. Viktor Thielemann, Das Erbrecht in seiner rechtlichen und sittlichen Grundlage, Diss. theol. Freiburg/Br. 1898. Vgl. Müller, Fünfhundert Jahre Theologische Promotion, S. 111. Bei Schmidt, Das Collegium Germanicum und die Germaniker, wird nur Theodor Thielemann aufgeführt, dessen Vita bei Vonderau, Geschichte der Seelsorge, S. 109, Anm. 146, kurz nachgezeichnet wird. Viktor Thielemann war demnach kein Germaniker. Zu Roth (1833–1909), 1880–1904 Landrat in Schlüchtern, vgl. Klein, Leitende Beamte, S. 198f. Springorum an Windheim v. 18.9.1906, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1630. Zur Konversion der Gräfin, einer gebürtigen Prinzessin von Preußen, verfasste Wilhelm II. einen scharfen Brief mit antikatholischen Ressentiments, dessen Inhalt auf Vermittlung Kardinal Kopps vor der Öffentlichkeit zurückgehalten wurde. Vgl. den Tagebucheintrag des Papsthistorikers Ludwig von Pastor v. 9.5.1902, in: Ders., Tagebücher – Briefe – Erinnerungen, S. 389–391.
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Aber selbst dieser nachgeschobene, letztlich aber nicht hieb- und stichfest bewiesene Vorwurf der Proselytenmacherei konnte die höheren staatlichen Instanzen nicht gegen Thielemanns Kandidatur einnehmen. Letzterer Vorwurf traf ja zudem auch auf Joseph Damian Schmitt zu, der im Herbst 1898 auf Vorschlag von Bischof Endert in das Fuldaer Domkapitel aufgenommen worden war233. Im Mai 1902 hatte ihn der vormalige Regierungspräsident gleich in zweifacher Weise beim Oberpräsidenten angeschwärzt. Zum einen gelte Schmitt „im allgemeinen als Verfasser des Hirtenbriefes über die Ehe, der im Jahre 1901 in den weitesten Kreisen Aufsehen und Unwillen erregt hat“ 234. Zum zweiten wurde auch Schmitt vorgeworfen, er sei maßgeblich an der Konversion der Landgräfin Anna von Hessen beteiligt gewesen. Insofern bescheinigte ihm das Regierungspräsidium 1906, dass die „früher günstige Beurteilung seiner Persönlichkeit … in den letzten 5 Jahren … etwas zweifelhaft geworden“ sei und führte zur Begründung erneut die 1902 geäußerten Vorhaltungen an, und zwar wiederum ohne hiefür stichhaltige Beweise beibringen zu können. Ansonsten sei Schmitt „sehr fleißig, gewissenhaft“, wobei letzterer Charakterzug in staatlichen Augen etwas zu deutlich hervortrat, so dass er als „Buchstabenmensch“ tituliert wurde. Letztlich gab sich der Regierungspräsident der Hoffnung hin, dass Schmitt aufgrund seines hohen Anspruchs, den er an andere stellte, ohnehin nicht das Vertrauen der Kapitelsmehrheit gewinnen würde. Der Oberpräsident schloss sich in seinem erst auf Anfrage des Kultusministeriums, welches das Verfahren zu beschleunigen suchte235, nach Berlin gesandten Plädoyer dahingehend dem Standpunkt des Regierungspräsidiums an, dass er „nach reiflicher Überlegung“, die möglicherweise seine zögerliche Weiterleitung der Wahlliste nach Berlin erklärt, Bott, Herbener, Rhiel, Stoff sowie Schmitt nicht beanstandete236. Gleichzeitig empfahl er jedoch neben Arenhold, dessen staatsfeindliche Haltung er unter Heranziehung aller ihm vorliegenden Gutachten auf zehn Seiten noch einmal überaus ausführlich darlegte, ebenso Thielemann zur persona minus grata zu erklären. Dabei verwundert ein wenig, dass Oberpräsident Windheim im Gegensatz zu den Vorlagen Bernstorffs die vermeintliche Ausbildung Thielemanns auf dem römischen Collegium Germanicum als Kriterium hervorhob, das gegen dessen „Selbständigkeit und Freiheit des Handelns“ sprechen würde. Bei Joseph Damian Schmitt hingegen erwähnte er dessen Promotion „nach 7-jährigem Studium an der gregorianischen Universität zu Rom“ nur beiläufig. Offensichtlich hielt er aber Schmitt 233 234 235 236
Vgl. Endert an Windheim v. 14.11.1898, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1706. Bernstorff an Windheim v. 1.9.1906, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1630. Hier auch die folg. Zit. Vgl. Studt an Windheim v. 22.9.1906, ebd. Windheim an Studt v. 27.9.1906, ebd. Hier auch das folg. Zit. Zuvor hatte das Kultusministerium am 22.9.1906 beim Oberpräsidenten angefragt, ob dort bereits eine Wahlliste eingegangen sei.
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für willensstärker, einen eigenen Kurs einzuschlagen, als den gesundheitlich beeinträchtigten und recht jungen Professor Thielemann. Jedenfalls schrieb er der vorgesetzten Behörde gleichsam ins Stammbuch, dass es „im dringendsten Interesse des Staates [liegen müsse], dass der Bischofsstuhl in Fulda von einer starken Persönlichkeit eingenommen wird, bei der nicht die Gefahr besteht, dass sie dem bedeutenden Einflusse des Generalvikars Arenhold sich willenlos hingibt“. In Berlin verfehlte aber nicht allein die schwach ausgeprägte Argumentation gegen Thielemann, sondern auch die in allen Einzelheiten ausgebreiteten Einwände gegen Arenhold ihre Wirkung. Allerdings nahm die Behandlung der Frage einen nicht unerheblichen Zeitraum in Anspruch, was sowohl in der katholischen Presse der Bischofsstadt bereits öffentlich moniert wurde237 als auch zu einer Anfrage eines Domkapitulars bei Landrat Springorum führte. Wie letzterer dem Oberpräsidium mitteilte, sei man „vergrimmt“ über die lange Dauer der Listenprüfung und hege „beim Domkapitel auch die Befürchtung, dass schließlich ohne seine Mitwirkung die Neubesetzung unmittelbar von Rom aus erfolge. … Es soll mit der Möglichkeit gerechnet werden müssen, dass Kardinal Kopp-Breslau aus Gesundheits- und anderen Rücksichten den Wunsch hege, als Bischof hierher zurückzukehren“238. Landrat Springorum nutzte den Kontakt zu dem sich beklagenden Domherren zugleich dazu, um ein Stimmungsbild des Domkapitels zu erheben, demgemäß das Wahlgremium für den Fall der Nichtbeanstandung der Liste keineswegs einen gemeinsamen Favoriten besaß. Die Verärgerung in Fulda überschnitt sich zeitlich mit der bereits am 7. Dezember 1906 erfolgten Freigabe der gesamten Liste durch Wilhelm II. Von dieser Entscheidung unterrichtete der Kultusminister das Oberpräsidium aber erst mit Verzögerung. Mehr als fünf Monate der Vakanz lagen hinter dem Fuldaer Bischofssitz, als das Kapitel am 29. Dezember 1906 zur Wahl zusammentrat. Über deren Ausgang waren sich die Regierungsbehörden ziemlich unklar, „zumal gerade die Bischofswahl hier in Fulda schon wiederholt, selbst für die Nächstbeteiligten, Überraschungen gebracht hat“239. Mit Joseph Damian Schmitt wurde zum ersten Mal im Untersuchungszeitraum ein Germaniker Bischof einer preußischen Diözese. Und zwar erhielt er drei Stimmen, während je eine Stimme auf Domdechant Arenhold und Professor Thielemann entfiel240, womit deutlich 237
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Vgl. Fuldaer Zeitung v. 13.12.1906, wo beklagt wurde, dass bereits vier Monate seit Einreichen der Liste des Domkapitels verstrichen seien, ohne dass eine Antwort aus Berlin bekannt geworden sei. Springorum an Windheim v. 13.12.1906, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 1630. So im Bericht Bernstorffs an Windheim v. 1.9.1906, ebd. Vgl. Hilpisch, Die Wahl der Bischöfe Endert und Schmitt, S. 84, u. Möller, Bischof Joseph Damian Schmitt, S. 221.
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ist, wie knapp die Mehrheit für ihn war. Nuntius Carlo Caputo241 konnte in seiner Nachricht an den Kardinalstaatssekretär seine Freude darüber nicht verbergen, dass ein „antico alumno Collegio Germanico persona degnissima“242 in Berlin gewesen sein sollte. Zudem wies er in Rom darauf hin, dass Schmitt nicht nur eine große Zahl von Priestern des Bistums als Regens geprägt habe, sondern zugleich auch quasi alle preußischen Bischöfe kenne, weil diese während ihrer jährlichen Konferenz in Fulda stets seine Gäste im Priesterseminar gewesen seien243. Knapp zwei Monate vergingen, bis Papst Pius X. Schmitt am 23. Februar 1907 präkonisierte, nachdem das Domkapitel bereits unmittelbar nach der Wahl das „Instrumentum electionis“ bei der Nuntiatur eingereicht hatte244. Allerdings hatte der Nuntius entsprechenden Druck in Rom gemacht, um die Bischofsweihe Schmitts dahingehend zu beschleunigen, dass dieser bereits den „solenne funzione della prossima Settamana Santa“245 vorstehen könne. Die Konsekration am 19. März 1907 vollzogen weder der zuständige Freiburger Metropolit noch der sich für seine frühere Diözese in besonderem Maße zuständig fühlende Bischofskonferenz-Vorsitzende Kardinal Kopp aus Breslau, sondern der Nachbarbischof Dominikus Willi aus Limburg, weil der eigentlich mit der Weihespendung beauftragte Metropolit der Oberrheinischen Kirchenprovinz, Erzbischof Thomas Nörber von Freiburg, aus Gesundheitsgründen abgesagt hatte246. Obwohl Schmitt staatlicherseits als das kleinste Übel der Kandidatenliste mehr geduldet als gewünscht worden war, entsprach seine Amtsführung dann durchaus den Vorstellungen der Regierungsbehörden. Im Kontext der Verleihung des Königlichen Kronenordens 2. Klasse an den Bischof von Fulda hatte Oberpräsident Wilhelm Hengstenberg247 1908 dessen „erfolgreiche amtliche Tätigkeit und staatstreue Gesinnung“248 hervorgehoben. 1913 hatte es noch anlässlich der Auszeichnung mit dem Roten Adlerorden II. Klasse über Schmitt geheißen, er sei eine „sympathische, bescheidene und wahrhaft fromme Persönlichkeit von zweifelsohne loyaler Gesinnung“249. Kurz darauf geriet er in das Visier der Regierung, weil er die Abhaltung von
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Zu Caputo (1843–1908), 1904–1906 Nuntius in München, vgl. de Marchi, Le Nunziature Apostoliche, S. 58. Caputo an Merry del Val v. 29.10.1906, in: ASV ANM, pos. 1565, fasc. 833. Vgl. Caputo an Merry del Val v. 31.12.1906, ebd. Vgl. Arenhold an Caputo v. 1.1.1907, ebd. Caputo an Merry del Val v. 9.2.1907, ebd. Vgl. Möller, Bischof Joseph Damian Schmitt, S. 222. Zu Hengstenberg (1853–1927), 1907–1917 Oberpräsident v. Hessen-Nassau, vgl. Schütz, Die Oberpräsidenten, S. 300; u. Klein, Leitende Beamte, S. 138f. Hengstenberg an Holle v. 16.11.1908, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 5101, 2224. Hengstenberg an Trott zu Solz v. 7.10.1913, ebd.
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Volksmissionen durch Jesuiten in seiner Diözese zugelassen hatte250. Endgültig suspekt wurde der Fuldaer Bischofs den Staatsbehörden im Kontext der Neubesetzung des wichtigen Breslauer Bischofsstuhls, dessen bisheriger Inhaber Kopp ja auch aus Fulda in die schlesische Stadt gewechselt war251. Offensichtlich hatte Bischof Schmitt im Vorfeld nicht allein als Ratgeber des Heiligen Stuhls fungiert, sondern war von diesem auch als aussichtsreicher Kandidat für eine Transferierung nach Breslau gehandelt worden. Dass Schmitt nicht zum Zuge kam, war nicht allein eine Folge des rigiden Eingreifens der Staatsmacht in den Besetzungsprozess, sondern lag ebenso an der fehlenden Hausmacht Schmitts im Breslauer Domkapitel, das ihn gar nicht erst auf die Wahlliste setzte.
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Vgl. Erlass des Kultusministers v. 9.12.1913; u. Bericht Hengstenberg an Kultusminister v. 19.2.1914, ebd. Vgl. das Kap. Breslau in diesem Band.
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emeinsam mit Fulda 1866 preußisch geworden, unterschied sich der Bischofsstuhl in Limburg dadurch, dass er eine typische Frucht des Staatskirchentums nach der Säkularisation darstellt. Aus rechtsrheinischen Teilen der historischen Bistümer Trier, Mainz und Köln wurde infolge der Frankfurter Konferenzen 1827 diese Diözese als Landesbistum für das flächenmäßig kleine Herzogtum (Hessen)-Nassau gebildet1. Da die Katholikenzahl in der Freien Stadt Frankfurt am Main für einen eigenen Bischof zu gering war, beteiligte sie sich aktiv an der Errichtung des neuen Bistums2. Als repräsentativer Sitz war, fernab der Hauptstadt Wiesbaden, die ehemalige Stiftskirche St. Georg in Limburg an der Lahn ausgewählt worden. Das Domkapitel als Bischofswahlgremium bestand aus dem Domdekan und fünf Kapitularen, wobei hiervon zunächst drei, nach dem Übergang an Preußen schließlich nur noch einer, nämlich der Stadtpfarrer von Frankfurt, nichtresidierend war3. War das Staat-Kirche-Verhältnis im Bistum Limburg schon durch den „Nassauischen Kirchenstreit“ (1853–1861) negativ geprägt, wurde das Bistumsterritorium nach dem Übergang Hessen-Nassaus und Frankfurts an Preußen 1866 insbesondere durch den Kulturkampf belastet. Der sehr volkstümliche langjährige Bischof Peter Joseph Blum hatte sich nach heftigen Konfl ikten 1876 in die Emigration auf Schloss Haid in Böhmen begeben, wo er als Gast des Fürsten Karl von Löwenstein lebte, und war nach seiner Rückkehr im Dezember 1883 triumphal in Frankfurt und Limburg empfangen worden 4. Auf die beiden Bischofsstuhlbesetzungen in den Jahren 1885 und 1886 soll im Folgenden zwar eingegangen werden, weil sie an der Schwelle zur Beilegung des Kulturkampfes stattfanden und für die nachfolgenden Bischofswahlen in Limburg von Bedeutung sind. Da sie jedoch zeitlich vor dem als Zäsur gewählten zweiten Friedensgesetz anzusiedeln sind, vor allem aber be1
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Vgl. Kloft, Limburg – ein Bistum der oberrheinischen Kirchenprovinz, in: Rödel/Schwerdtfeger (Hrsg.), Zerfall und Wiederbeginn, S. 465–487. Zum Konstruktcharakter des Bistums vgl. Arnold, Bistumsjubiläen und Identitätsstiftung. Vgl. zur Bistumsgeschichte im Überblick Schatz, Limburg, in: Gatz, Die Bistümer und ihre Pfarreien, S. 421–430; u. Burkard u.a. Bistum Limburg, in: Gatz, Die Bistümer der deutschsprachigen Länder, S. 423–443. Vgl. Weier, Das Bischöfliche Kommissariat Frankfurt am Main, in: AMRKG, Bd. 7 (1955), S. 191–218. Vgl. Burkard, Zum Wandel der Domkapitel, in: RQ, Bd. 99 (2004), S. 133–161, hier S. 144f. Bis 1868 waren auch die Pfarrstellen in Eltville und Dietkirchen mit einer Limburger Domherrenstelle verbunden. Vgl. u.a. Die ausführliche Beschreibung des Empfangs bei Höhler, Geschichte des Bistums Limburg, S. 364f.
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reits durch Erwin Gatz5 und – was die Wahl 1886 betrifft – zudem auch von Klaus Schatz6 umfangreicher aufgearbeitet worden sind, mag in diesen beiden Fällen eine knappere Darstellung genügen.
Bischofswahlen 1885 und 1886 Nach dem Tod von Bischof Blum, der am 30. Dezember 1884 nach einem mehr als 42-jährigen Episkopat verstarb, hatte das Domkapitel, das seit der 1868 unter Preußen erfolgten Redotation aus dem Domdekan und fünf residierenden Domherren sowie dem Frankfurter Stadtpfarrer als Ehrendomherrn bestand7, am 12. Januar 1885 alle seine Mitglieder auf die Wahlliste gesetzt. Domdekan Karl Klein, Matthias Höhler, Karl Walter, Julius Eiffler, Hermann Gerlach, Ernst August Münzenberger und Johannes Christian Roos8. Keine realistische Chance hatten dezidierte Anhänger der ultramontanen Richtung, wie etwa der langjährige Privatsekretär Blums Matthias Höhler, der den Bischof in das Exil begleitet hatte, und der Stadtpfarrer in Frankfurt/Main Ernst August Münzenberger9, die beide innerhalb kürzester Frist zu „personae minus gratae“ erklärt wurden. Dass die Wahl am 19. Februar 1885 auf Johannes Christian Roos10 und nicht auf den als langjähriger Generalvikar und Interimsverwalter in der Bistumsleitung versierteren, vor allem aber von den Staatsbehörden favorisierten Karl Klein fiel, führte der preußische Kultusminister Gustav Goßler in der Retrospektive auf „die Intrigen des Domherrn Höhler, eines glatten Germanikers à la Franz“11 [gemeint war der Breslauer Domkapitular und Zentrumspolitiker Adolph Franz, Anm. d. Verf.] zurück. Zumindest bedeutete das Ergebnis den Versuch eines Kompromisses, denn der 1828 in Kamp geborene, 1853 zum Priester geweihte Roos war einerseits als ehemaliger Sekretär Blums auch dessen Ziehkind. Andererseits galt er, der das Amt des Regens 5
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Vgl. Gatz; Zur Neubesetzung der Bistümer Limburg und Fulda, in: RQ, Bd. 71 (1976), S. 78–112. Vgl. Schatz, Drei Limburger Bischofswahlen, in: AMRKG, Bd. 30 (1978), S. 191–213, hier S. 207–213. Gemäß der Bulle „Provida sollersque“ v. 1821 bestanden alle Kapitel der Oberrheinischen Kirchenprovinz nur aus einer Dignität (Domdekan). Vgl. Domkapitel Limburg an Eulenburg v. 12.1.1885, Abschrift, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 2339. Zu Münzenberger, geb. 1833 in Düsseldorf, 1856 Priesterweihe in Köln, 1868 Subregens u. im Folgejahr Regens in Limburg, 1871 Stadtpfarrer in Frankfurt, gest. 1890, vgl. Schatz, Drei Limburger Bischofswahlen, S. 208, Anm. 64; u. Paulus, Berufung, Besoldung und Abgang, in: AMRKG, Bd. 14 (1962), S. 239–257, hier S. 241. Die Präkonisation erfolgte am 27.3., die staatliche Anerkennung am 5.5., die Konsekration am 17.5.1885. Goßler an Bismarck v. 30.6.1886, zit. bei Weber, Kirchliche Politik, S. 145, Anm. 21.
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am Priesterseminar innehatte, als „gemäßigter und konzilianter Vertreter der Partei Höhlers“12. Höhler verstand es zudem auch, den Makel der fehlenden Promotion von Roos dadurch zu beheben, dass er für diesen einen theologischen Ehrendoktor der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom initiierte13. So verwundert es auch nicht, dass Höhler in seiner Diözesangeschichte von dem „allgemein beliebten Stadtpfarrer … Roos“14 sprach, dessen Wahl „von Klerus und Volk freudig begrüßt wurde“. Insofern erscheint es auch ein wenig zu pauschal geurteilt, wenn die bereits am 2. Juni 1886 erfolgte Transferierung von Johannes Christian Roos auf den zuständigen Metropolitansitz Freiburg damit begründet wurde, dass er „auf keine kirchenpolitische Richtung festgelegt“15 gewesen sei. Offensichtlich um den sehr umtriebigen ultramontanen Domkapitular Höhler, der im Vorjahr in der Tat hinter den Kulissen die Weichen dafür gestellt hatte, dass nicht Klein, sondern Roos gewählt worden war, zu eliminieren16, schlug die Regierung nunmehr den Weg direkter Verhandlungen mit Rom ein. Papst Leo XIII. hoffte auf diesem Wege wohl, der Kurie genehme Kandidaten durchsetzen zu können und schlug den Fuldaer Domkapitular und Seminarregens Georg Ignaz Komp17 ebenso wie den Hilfsgeistlichen Anton Abt aus Königstein sowie den am Lehrerseminar in Montabaur tätigen Religionslehrer Adam Keller vor. Kultusminister Goßler hingegen sah den bei der Wahl 1885 nicht zum Zuge gekommenen Karl Klein als geeignetesten Kandidaten an, zeigte aber auch Interesse an einer Kandidatur des Wiesbadener Stadtpfarrers Joseph Weyland18, der dann ja im Folgejahr den Bischofsstuhl im benachbarten Fulda besteigen sollte19. Während der neue Erzbischof parallel die Administration des Bistums Limburg weiterführte20, wurde dem Domkapitel am 15. September 1886 mit Schreiben aus dem päpstlichen Staatssekretariat ausnahmsweise das Wahlrecht entzogen 21. Nachdem am 25. September die Ernennung Kleins vollzogen wurde, kam drei Wochen später, am 15. Oktober, die Bestätigung durch Papst Leo XIII.22 Möglicher12 13 14 15
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Schatz, Drei Limburger Bischofswahlen, S. 209. Vgl. Gatz, Zur Neubesetzung der Bistümer Fulda und Limburg, S. 82. Höhler, Das Bistum Limburg, S. 154. Hier auch das folg. Zit. Gatz, Roos, in: Ders., Bischöfe, hier S. 629. Zur Wahl von Roos in Freiburg vgl. das Kap. Freiburg in diesem Band. Vgl. hierzu die Argumentation bei Gatz, Zur Neubesetzung der Bistümer Fulda und Limburg, S. 82. Zu Komp vgl. das Kap. Fulda in diesem Band. Vgl. Goßler an Bismarck v. 30.6.1886, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2d. Vgl. hierzu das Kap. Fulda in diesem Band. Jacobini an Roos v. 12.8.1886 u. Kultusministerium an Regierungspräsident Wiesbaden v. 20.9.1886, in: HHStA WI, Abt. 405, 19318. Vgl. Substitut des Kardinalstaatssekretariats an Domdekan Klein v. 15.9.1886, Abschrift ebd. Gemäß den Memoiren des damaligen Legationssekretärs der preuß. Gesandtschaft beim Hl. Stuhl, Anton Graf von Monts, will dieser den Weg für die Zustimmung des Papstes
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weise um seine Anhänglichkeit an den Heiligen Stuhl auch nach außen hin unter Beweis zu stellen und nicht als Staatsbischof apostrophiert zu werden, aber auch um einer öffentlichen Bischofsweihe in Limburg zu entgehen, reiste Klein nach Rom und erhielt dort am 4. November 1886 in der deutschen Nationalkirche Santa Maria dell’Anima durch den vormaligen Kölner Erzbischof und nunmehrigen Kurienkardinal Paulus Melchers die Bischofsweihe. Allerdings fand in Limburg am 6. Dezember eine Inthronisationsfeier statt.
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ischof Karl Klein 23 war 1819 als Sohn eines Oberpostamtssekretärs in Frankfurt am Main geboren worden und hatte das Gymnasium in Regensburg absolviert, wo er in dieser Zeit bei Verwandten wohnte. Nach dem in München und Freiburg erfolgten Theologiestudium – den für einen Bischof erwünschten Doktorgrad hatte Klein bereits als Diakon 1841 in Freiburg im Breisgau erlangt24 – war er 1841 in Mainz zum Priester seiner Heimatdiözese Limburg geweiht worden. Nach Kaplansjahren in Wiesbaden und Frankfurt hatte ihn Bischof Blum 1843 zu seinem Sekretär gemacht sowie 1852 zum Generalvikar. Bereits drei Jahre zuvor war Karl Klein in das Domkapitel aufgestiegen. 1869 hatte er um Demissionierung als Generalvikar nachgesucht, weil er diese Tätigkeit zeitlich nicht mehr mit seinem Mandat als fraktionsloser Abgeordneter im Preußischen Abgeordnetenhaus vereinbaren konnte25. Seit 1871 bekleidete Klein hier durch Wahl des Kapitels die Dignität des Domdekans26. Aber er war nicht allein von Peter Joseph Blum protegiert worden, sondern hatte zudem über Jahrzehnte als dessen kirchenpolitischer Vordenker insbesondere während des „Nassauischen Kirchenstreits“ gewirkt. Wegen seiner zu dieser Zeit dezidiert ultramontanen Position war er 1864 auch bei der Bischofswahl in Trier staatlicherseits gestrichen worden
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zu Klein geebnet haben. Vgl. Monts, Erinnerungen und Gedanken, S. 84. Hierzu auch Krethlow-Benziger, Glanz und Elend der Diplomatie, S. 270. Zu Klein vgl. Schatz, Klein, in: Gatz, Bischöfe, S. 384–386; Stenske, Klein, in: BBKL, Bd. 3 (1992), Sp. 1591f.; Renkhoff, Nassauische Biographie, S. 205; Gatz, Klein, in: NDB, Bd. 11 (1977), S. 743f. Karl Klein, Über das Wesen und die Fortpflanzung der Erbsünde, Diss. theol. Freiburg/ Br. 1841. Vgl. Müller, Fünfhundert Jahre Theologische Promotion, S. 97. Klein gehörte dem Abgeordnetenhaus von 1867–1870 an. Vgl. Mann, Biographisches Handbuch für das Preußische Abgeordnetenhaus, S. 215. Bei Becker, Die Domdekane von Limburg, in: AMRKG, Bd. 22 (1970), S. 211–226, hier S. 220, heißt es dagegen fälschlich, Klein sei Zentrumsabgeordneter gewesen. Die Domdekane wurden gemäß der Bulle „Ad Dominici gregis custodiam“ von 1827 im Wechsel vom Bischof u. vom Domkapitel ernannt. Zuvor hatte die ernennende Instanz der Regierung eine Liste mit vier Kandidaten vorzulegen, die entsprechend den Bischofswahllisten in personae gratae u. minus gratae qualifiziert wurden. Vgl. Becker, Die Domdekane von Limburg, S. 213 u. 219–221.
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(offiziell weil Klein als Nassauer „Ausländer“ in Preußen war)27. Dass er während des Exils von Bischof Blum gemeinsam mit Domkapitular Gerlach die Verwaltung des Bistums geleitet hatte28, führte in der Retrospektive zu der Einschätzung, er habe der Diözese „unschätzbare Dienste“29 erwiesen. Allerdings war Klein seit Beginn der 1880er Jahre auf einen konzilianten Kurs des Miteinanders von Staat und Kirche eingeschwenkt und hatte sich der Linie des Bischofs von Fulda, Georg Kopp, angeschlossen30. Dafür spricht nicht zuletzt, mit welcher Begeisterung Bismarck eine Ansprache Leos XIII. an Bischof Klein zur Veröffentlichung empfahl31. Auch der Kultusminister zeigte sich mit der Personalentscheidung im Nachhinein sehr zufrieden. So habe die Huldigung des neuen Limburger Oberhirten bei Kaiser Wilhelm I. „sichtlich auf Seine Majestät einen angenehmen Eindruck“32 gemacht. Vor allem habe Klein aus Klugheit negative Bemerkungen des Kaisers über den verstorbenen Bischof Blum nicht kommentiert.
Die Koadjutorfrage 1888 Wohl vor dem Hintergrund der hier und an anderen Stellen dezidiert zur Schau gestellten staatsloyalen Haltung Kleins, der „Concordia inter Imperium et Sacerdotium“, ist ein Bericht des Zentrumsorgans „Germania“ zu verstehen, in welchem im Oktober 1888 unter Berufung auf „katholische Blätter“ (sic!) gemeldet wurde, der Vatikan beabsichtige den Domkapitular Georg Hilpisch zum Koadjutor mit dem Recht der Nachfolge zu ernennen33. Hilpisch – in dem Bericht wurde der Name fälschlich „Hilposch“ geschrieben – war im Urteil der staatlichen Charakteristik des Limburger Kapitels als neben Domdekan Karl Walter einziger Domherr mit dem Prädikat „gemäßigt und friedfertig“34 belegt worden. Der vermeintliche neue Koadjutor war 1846 in Simmern bei Neuhäusel geboren worden, aber in der Kreisstadt Montabaur aufgewachsen, wo sein Vater als Lehrer tätig war. Nach dem Abitur in Hadamar und Studienjahren in Mainz und Münster (nach anderen Angaben Mainz und Würzburg) empfi ng er 1868 in Limburg die Priesterweihe. 27
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Vgl. Reichert, Die Bischofskandidatur Matthias Eberhards 1864 und 1867, in: Kurtrierisches Jahrbuch, Bd. 21 (1981), S. 270–284, hier S. 271. Vgl. Becker, Die Limburger Domdekane, S. 221. Höhler, Geschichte des Bistums Limburg, S. 349. Vgl. Gatz, Zur Neubesetzung der Bistümer Limburg und Fulda, S. 81. Vgl. Beschluss des Staatsministeriums v. 14.11.1886, abgedruckt bei Spenkuch, Protokolle des Staatsministeriums, Bd. 7, S. 205. Goßler an Bismarck v. 14.1.1887, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2d. Vgl. Germania v. 13.10.1888. Zu Hilpisch (1846–1915) vgl. Renkhoff, Nassauische Biographie, S. 179; Schatz, Hilpisch, in: Gatz, Bischöfe, S. 308. Verzeichnis der Mitglieder der Metropolitan- und Domkapitel in Preußen v. 1890, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2, S. 29.
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Die erste Kaplansstelle führte ihn zu Stadtpfarrer Joseph Weyland, dem späteren Bischof von Fulda, nach Wiesbaden St. Bonifatius. 1871 kam Hilpisch als Chorrektor nach Kiedrich und 1884 als Seelsorger in die beiden aufgrund des Kulturkampfes vakanten Pfarreien Nentershausen und Niedererbach. Im Oktober 1886 als Pfarrer nach Höchst bei Frankfurt berufen, erhielt Hilpisch bereits ein dreiviertel Jahr später ein Kanonikat in Limburg. Es ist unschwer vorzustellen, dass diese vermeintliche Demarche des Vatikan ein Jahr nach dem letzten Friedensgesetz Preußens höchste Regierungskreise in Berlin in helle Aufregung versetzte. Kultusminister Goßler zog sogleich den Breslauer Fürstbischof Georg Kopp zu Rate, der aber bemerkte, die Limburger Koadjutorfrage sei „entweder eine Bosheit gegen Klein oder ein Fehler – in jedem Fall von ultramontaner Seite angebracht, um Klein zu ärgern“35. In seiner Annahme, die Meldung sei eine Intrige der Ultramontanen, um Klein vorzeitig Machtbefugnisse zu entziehen, lag der kirchliche Regierungsinformant aber wohl falsch. Dass „kirchliche Behörden die Anregung dazu [zur Bestellung eines Koadjutors] geben und ohne zwingendste Not der Verhältnisse dabei mitwirken können, befremdet“36, kommentierte die „Germania“ nicht ohne Grund und sah darin einen für den Ultramontanismus abträglichen Schachzug handelte. Schließlich musste die Öffentlichkeit den Eindruck gewinnen, als ob der Papst – nachdem er schon zwei Jahre zuvor das Wahlrecht des Kapitels ausgehebelt hatte – nun endgültig auf dasselbe Procedere wie die Staatsbehörden verfallen wäre. In einem Leserbrief „aus der Diözese Limburg“, den die „Germania“ abdruckte, wurde zudem darauf hingewiesen, dass Bischof Klein zwar 69 Jahre zähle, jedoch keinen Koadjutor benötige, weil er „ein Herr von unverwüstlicher Arbeitskraft, wie nimmer müdem, regstem Arbeitseifer“ sei, eine These, die sich nicht zuletzt – um nur ein Beispiel zu nennen – durch Kleins erfolgreichen Einsatz für die 1887 erfolgte Wiedereröffnung des Priesterseminars in Limburg verifi zieren lässt37. In der Presse hingegen wurde das Gerücht weiter genährt und Klein selbst als Urheber der Koadjutorbestellung genannt, während das Domkapitel solchen Plänen ablehnend gegenüber stehe, da es damit sein Wahlrecht nach Eintreten der nächsten Sedisvakanz verwirkt habe. „Die Aufregung in der Diözese ist eine hochgradige“38, meldete die „Germania“ wohl nicht zuletzt deshalb, weil von Seiten des Bischofs keinerlei Stellungnahme erfolgte. Karl Klein aber verfolgte die Taktik, zu den Vorgängen zu schweigen, wie er dem offenbar vom Kultusminister zur weiteren Klärung der Angelegenheit eingeschalteten Fürstbischof Kopp erklärte. Als letzterer sich nach dem 35 36 37 38
Kopp an Goßler v. 11.10.1888, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2d. Germania v. 17.10.1888. Hier auch das folg. Zit. Vgl. Gatz, Priesterausbildungsstätten, S. 126. Germania v. 27.10.1888.
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Wahrheitsgehalt des Gerüchtes erkundigte, antwortete ihm der Limburger Bischof, dass „die Zeitungsnachrichten auf nichts beruhen als auf einer absolut aus der Luft gegriffenen Erfi ndung eines boshaften Feindes des Herrn Domherrn Hilpisch“39. Ähnlich äußerte er sich auch auf Anfrage des Oberpräsidenten von Hessen-Nassau. „Niemand hat bisher eine Ahnung, wer der dunkle Ehrenmann ist und warum er seine Sensationsnachricht zu einer Zeit publizierte, wo ich fort und fort, bald da, bald dort anstrengende Funktionen jeder Art mit größter Leichtigkeit verrichtete“40. Auf Nachfrage des Domkapitels bezeichnete Klein die gesamte Koadjutorfrage als „Erfi ndung“41. Auch der zweimal zur Berichterstattung gebetene Landrat Friedrich Rabe42 von Limburg teilte gegenüber Regierungspräsident Lothar von Wurmb43 den Eindruck, dass die gesamte Diskussion „wohl allen durchaus überraschend gekommen ist und außer den zunächst Beteiligten bis heute niemand weiß, ob sie wahr ist oder nicht“44. Dass durch die katholische Presse Hilpisch desavouiert werden sollte, bilde sich Bischof Klein nur ein, bemerkte Kultusminister Goßler abschließend gegenüber Bismarck. In Wahrheit richte sich die Intrige gegen den Bischof selbst. Mit dieser Erkenntnis mag der Minister durchaus richtig gelegen haben, die Aktion hingegen pauschal als Kampagne der „ultramontanen Parteileitung“45 zu deklarieren, war aber mit Sicherheit zu kurz gegriffen. Der mit dieser Negativvokabel gemeinte Heilige Stuhl hatte zu diesem Zeitpunkt jedenfalls weder ein Interesse daran, in der öffentlichen Wahrnehmung in das Fahrwasser staatlicher Praktiken bei der Bischofsstuhlbesetzung zu geraten, noch den mühsam errungenen Kompromiss im Staat-Kirche-Verhältnis auszuhebeln.
Bischofswahl 1898 Nachdem Bischof Karl Klein am 6. Februar 1898 im Alter von 79 Jahren verstorben war, entsandte Kaiser Wilhelm II. den Oberpräsidenten von Hessen-Nassau, Eduard von Magdeburg, zu den Beisetzungsfeierlichkeiten nach Limburg. Damit habe „Seine Majestät das königstreue und patriotische Verhalten des verewigten Bischofs“46 noch einmal würdigen wollen, kommentierte Kultusminister Bosse diese Ehre gegenüber dem Reichskanzler und 39 40 41 42 43 44 45 46
Klein an Kopp v. 29.10.1888, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2d. Klein an Eulenburg v. 30.10.1888, ebd. So zitierte ihn der Rheinische Kurier v. 31.10.1888. Zu Rabe (1840–1906), 1886–1905 Landrat in Limburg, vgl. Klein, Leitende Beamte, S. 190f. Zu v. Wurmb (1824–1890), seit 1872 Regierungspräsident in Wiesbaden, vgl. ebd., S. 241f. Rabe an v. Wurmb v. 21.10.1888, in: HHStA WI, Abt. 411, Nr. 1445. Goßler an Bismarck v. 16.11.1888, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2d. Goßler an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 3.3.1898, ebd. Gemäß Ordre v. 29.1.1870 war der König nur bei der Beisetzung von Kardinälen in besonderer Weise zu vertreten.
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Außenminister Hohenlohe-Schillingsfürst. Gleichzeitig ließ das Auswärtige Amt bei der Gesandtschaft am Heiligen Stuhl anfragen, „ob bezüglich der Wiederbesetzung … irgendwelche Initiativen der Kurie beabsichtigt werden“47. Aus diesem Schritt lässt sich die in Berlin gehegte Befürchtung erahnen, dass man in Rom nach dem Episkopat des staatsfreundlichen Karl Klein einen Kurswechsel an der Bistumsspitze herbeiführen wollte, wozu der Gesandte Otto von Bülow jedoch keine Anhaltspunkte liefern konnte und meldete, dass der Vatikan „in der Angelegenheit einen lediglich abwartenden Standpunkt einnehmen“48 wollte. Inwieweit es tatsächlich staatlicherseits intensivere Bemühungen gab, eine absolute persona grata auf die Liste zu lancieren, lässt sich in der Retrospektive nicht mehr eruieren. Allerdings soll der Mainzer Domkapitular und Kunsthistoriker Prälat Friedrich Schneider49 in Erwägung gezogen worden sein, obgleich er ja – entgegen den Regeln für die Limburger Bischofsstuhlbesetzung – Ausländer, nämlich hessen-darmstädtischer Bürger, war50. Auf die Wahlliste gelangt, wie es Anton Philipp Brück behauptet, ist er jedenfalls nicht. Dass Kleins Episkopat nicht allein auf seine Staatstreue reduziert werden kann bzw. diese zumindest in seinen letzten Bischofsjahren einer differenzierteren Position wich, belegt der gute persönliche Kontakt einer zutiefst ultramontan eingestellten Persönlichkeit, wie des aus dem Bistum Limburg stammenden Papsthistorikers Ludwig von Pastor, der nicht nur aus Pietät „Trauer über den Tod des guten Bischofs Klein von Limburg, meines treuen Gönners“51, empfand, sondern sich von diesem auch mehrfach protegiert sah. Auf der am 28. Februar 1898 vom Domkapitel der Regierung eingereichten Wahlliste fand sich die große Zahl von 10 Namen52, und zwar Domdekan Walter und die Domkapitulare Hilpisch, Höhler und Tripp, der zum Kapitularvikar gewählte Julius Eiffler sowie die Ehrendomherren Bahl und Keller, der Abt von Marienstatt, Dominikus Willi, und der Weihbischof in Münster, Maximilian Gereon Graf von Galen, als einziger nicht dem Diözesanklerus von Limburg angehörender bzw. innerhalb der Grenzen des Bistums tätiger Kandidat. 47
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Auswärtiges Amt an Gesandtschaft Päpstlicher Stuhl v. 15.2.1898, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2d. Antwort Bülows v. 22.2.1898, ebd. Bülow an Hohenlohe v. 22.2.1898, ebd. Zu Schneider vgl. ausführlich im Kap. Mainz in diesem Band. Vgl. Brück, Schneider, S. 171, wo fälschlich behauptet wird, Schneider habe einen Listenplatz gehabt. Eine Limburger Kandidatur Schneiders entnimmt Brück einem Brief des Historikers Martin Spahn an Schneider. Pastor, Tagebücher – Briefe – Erinnerungen, S. 313. Vgl. auch die Einträge v. 19.4.1895 (S. 278, Besuch bei Klein) u. v. 10.6.1896 (S. 294: „Der Erzbischof Roos von Freiburg und Bischof Klein von Limburg interessierten sich ebenfalls für mich“). Domkapitel Limburg an Kultusministerium v. 28.2.1898, in: HStAMR, Best. 150, 2339.
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Offenbar als unmittelbare Reaktion auf die Liste richtete der Kronberger Pfarrer Monsignore Hermann Eickerling53 bereits am Folgetag einen separaten Personalvorschlag unmittelbar an den Heiligen Stuhl. Darin empfahl der selbst aus Köln stammende Geistliche den dortigen Weihbischof HermannJoseph Schmitz54 als geeigneten Kandidaten. Zum einen könne Schmitz durch sein soziales Profil die zunehmend der Sozialdemokratie zuneigende und wachsende Industriearbeiterschaft wieder in die Kirche integrieren, zum anderen tue die Wahl eines auswärtigen Geistlichen zum Bischof der jungen Diözese gut, die bisher nur Bischöfe aus den Reihen des Diözesanklerus gehabt habe. Ohne konkrete Belege anzuführen, bezichtigte er das Domkapitel des Nepotismus. Inwieweit Eickerling dabei bewusst war, dass die Reduzierung der Bischofskandidaten auf Limburger Diözesanangehörige eine staatliche Bedingung und keine Vorgabe des Domkapitels war, muss offen bleiben55. Interessant erscheint diese ohne Antwort aus Rom bleibende Demarche eines Pfarrgeistlichen allein deshalb, weil sie auf die Gefahr einer geistigen Enge verwies, die eine Beschränkung auf die episkopabel erscheinenden Domherren mit sich bringen musste.
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hristian Bahl56, geboren 1838 als Sohn eines Zollaufsehers in Sessenhausen im Westerwald und nach dem in Innsbruck absolvierten Theologiestudium 1864 in Limburg zum Priester geweiht, hatte als Kaplan in Limburg und ab 1869 – nach dem in Bonn abgelegten Staatsexamen für Deutsch und Latein – als Religions- und ordentlicher Lehrer an der dortigen höheren Bürgerschule gewirkt. Nebenher hatte er sich wissenschaftlich betätigt und Urkunden zur mittelalterlichen Stadtgeschichte Limburgs ediert57. Seit 1891 bekleidete er die wichtige Aufgabe des Stadtpfarrers in Frankfurt/Main und war damit zugleich Ehrendomherr und Geistlicher Rat in Limburg58. Der Polizeipräsident in Frankfurt gab zwar unumwunden zu, dass er „wenig Gelegenheit gehabt [habe], mit ihm zusammenzutreffen“59. Jedoch sei Bahl als „strammer Ultramontaner“, der sich 1887 öffentlich gegen den Septennat ausgesprochen habe, „unbedingt als persona minus grata“ zu bezeichnen. Der erst wenige Wochen amtierende Regierungspräsident Richard Wentzel60 53
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Zu Eickerling (1853–1915), geboren in Köln, Priesterweihe in Rom, seit 1887 im Bistum Limburg u. dort seit 1893 Pfarrer in Kronberg, vgl. DA Limburg, Priesterkartei, u. Katholisches Leben in Kronberg, Kronberg 1977, S. 93. Zu Schmitz vgl. das Kap. Köln in diesem Band. Vgl. Eickerling an Heiligen Stuhl v. 1.3.1898, in: ASV AES Germania pos. 1472. Zu Bahl vgl. DA Limburg, Personalkartei, u. Crone, Bahl, in: Die Frankfurter Stadtpfarrer, S. 22f. Bahl starb 1901. Vgl. passim Bahl, Beiträge zur Geschichte Limburgs. Vgl. Weier, S. 43. Polizeipräsident Frankfurt an Wentzel v. 6.4.1898, in: HHStA WI, Abt. 405, Nr. 12642. Zu Wentzel (1850–1916), 1898–1902 Regierungspräsident in Wiesbaden, dann Oberpräsident in Hannover, vgl. Klein, Leitende Beamte, S. 235.
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wollte zudem wissen, dass Bahl das besondere Vertrauen von Bischof Klein genossen habe, der erst dessen Berufung nach Frankfurt betrieben habe, später aber von ihm enttäuscht gewesen sei, „wie mir von Katholiken mitgeteilt worden ist“61. Als Grund führte er an, dass Bahl „größeren Verhältnissen in keiner Weise gewachsen [sei] und in katholischen Kreisen und zumal bei der Geistlichkeit wenig Ansehen“ besitze. Offenbar war Bahl in Frankfurt recht autoritär aufgetreten und hatte Klerus und Gläubige in zwei Lager gespalten, da es ihm „an Friedfertigkeit und Takt“ fehlte und damit „seine gesellschaftlichen Formen“ nicht dem staatlichen Comment entsprachen. Wenn er dennoch auf die Wahlliste gesetzt worden sei, habe er dies in den Augen des Polizeipräsidenten lediglich der Gepflogenheit in Limburg zu verdanken, möglichst alle Mitglieder des Kapitels zu nominieren.
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ulius Eiffler62 war 1835 in Marienrachdorf im Kreis Montabaur geboren worden und hatte nach dem in Bonn und Würzburg absolvierten Theologiestudium als 23-jähriger 1858 die Priesterweihe in Limburg erhalten. Nach vierjähriger Tätigkeit in der bischöfl ichen Kanzlei wurde er Bischöfl icher Kaplan von Peter Joseph Blum und 1870 Domvikar in Limburg. Nach seiner Rückkehr aus dem Exil berief ihn Bischof Blum 1884 in das Domkapitel. Eiffler war im Folgejahr als Bischofskandidat auf die Liste des Kapitels gelangt und nicht staatlicherseits beanstandet worden. Gleichwohl hatte er in der staatlichen Beurteilung der Domherren in Preußen von 1890 als leicht zu beeinflussender Charakter eher negativ abgeschnitten63. Diese kritische Beurteilung wiederholte sich nicht mehr. Vielmehr hob der Limburger Landrat Rabe Eifflers hohes Ansehen in der Bevölkerung und seine versöhnliche Haltung gegenüber den Behörden hervor, verwies aber zugleich auf einen Bericht des früheren Landrats Nasse von 1869, demgemäß Eiffler „ein unterrichteter, stiller Mann sei, der wohl in Folge seiner Kränklichkeit ein sehr zurückgezogenes Leben führe“64. Auch die Tatsache, dass er vom Domkapitel zum Kapitularvikar gewählt und als solcher die staatliche Anerkennung erlangt hatte, sprach für eine positive Beurteilung von Staats wegen. Während für Rabe Eiffler als Bischof allein wegen seiner gesundheitlichen Probleme nicht in Frage kam, hob der Regierungspräsident im Entwurf seines Schreibens an den Oberpräsidenten auf dessen beträchtliches Alter ab, dass ihn für „minus grata“ plädieren ließ. Beim Redigieren seines Votums wurde ihm dann offenbar bewusst, dass er damit kein schlagkräftiges Argument gefunden hatte, zumal Domherr Tripp ebenfalls 63 Jahre, Weihbischof von Galen 66 Jahre und Domdekan Walter bereits mehr als 70 Jahre zählte. 61 62 63 64
Wentzel an Magdeburg v. 9.4.1898, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 2339. Hier auch das folg. Zit. Zu Eiffler vgl. das Curriculum vitae ebd. Vgl. Verzeichnis der Mitglieder der preußischen Domkapitel, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2. Rabe an Regierungspräsident Wiesbaden v. 31.12.1897, in: HHStA WI, Abt. 405, Nr. 12690.
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Jedenfalls strich er diese Passage in seinem Entwurf wieder und sprach sich für Eiffler aus. Wenn er lediglich in einem Nebensatz anfügte, dass dieser etwas kränklich sei, war dies wohl eine Untertreibung, denn Eiffler sollte die Bischofswahl letztlich nur um gut vier Monate überleben65.
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ls wie gesagt einziger auswärtiger Priester fand sich Weihbischof Maximilian Gereon Graf von Galen66 aus Münster auf der Liste. Über ihn informierte Kultusminister Bosse den Oberpräsidenten von Hessen-Nassau dahingehend, dass Galen als schroff ultramontan und staatsfeindlich bekannt sei. Daher sei es notwendig, ein besonders eingehendes Gutachten bei seinem westfälischen Amtskollegen in Münster einzuholen67. Der westfälische Oberpräsident Konrad Studt bescheinigte Galen zwar, „ein einsiedlerisches, asketisches Leben“ 68 zu führen und nach seiner Erhebung zum Weihbischof einen Antrittsbesuch bei ihm gemacht zu haben. Jedoch stehe er vollkommen auf der ultramontanen Linie seines Bruders, des Zentrumsabgeordneten im Reichstag Ferdinand Heribert Graf von Galen69. Deutlich habe er seine mangelnde patriotische Gesinnung in der mehrfachen Ablehnung einer Beteiligung des Domkapitels an staatlichen Feiern zum Ausdruck gebracht, stattdessen trage er „in seiner äußeren Haltung eine den überirdischen Dingen zugewandte Sinnesart zur Schau“. Bezeichnend für die vollkommen negative Einschätzung Galens im Oberpräsidium für Westfalen erscheint zudem, dass Konrad Studt nicht allein auf die Beigabe des angeforderten Curriculum vitae und des Bildungsganges verzichtete, sondern statt dessen nur pauschal formulierte, „dass ein dem staatlichen Interesse weniger entsprechender Bewerber um einen katholischen Bischofsstuhl in Preußen schwer zu finden sein dürfte“. Damit war Galen für Limburg inakzeptabel.
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eorg Hilpisch hatte während seiner seelsorglichen Tätigkeit in Kiedrich Kontakt zu dem späteren Limburger Landrat Friedrich Rabe bekommen, woraus eine fast freundschaftliche Beziehung erwachsen war, die Rabe überaus positiv von diesem Kandidaten berichten ließ. Offenbar hatte die im Herbst 1888 von der katholischen Presse lancierte Meldung, dass der Heili-
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Eiffler starb am 13.10.1898. Vgl. DA Limburg, Priesterkartei. Zu Galen vgl. Hirschfeld, Galen, Maximilian Gereon von, in: BBKL, Bd. 25 (2005), Sp. 473–478; Ders., Weihbischof Maximilian Gereon Graf von Galen als Zielscheibe, hier S. 80. Vgl. Bosse an Magdeburg v. 5.3.1898, in: StAMR, Best. 150, Nr. 2339; u. Magdeburg an Studt v. 8.3.1898, in: StAMS, OP 1922. Studt an Magdeburg v. 18.3.1898, Entwurf, in: StAMS, OP 1922; Original, in: StAMR, Best. 150, Nr. 2339. Hier auch die folg. Zit. Zu Ferdinand Heribert v. Galen u. dessen politischem Wirken vgl. Hirschfeld, Galen, Ferdinand Heribert von, in: BBKL, Bd. 31 (2010), Sp. 477–481; Ders., Glaube und Adelsstand, in: JOM 2012, S. 49–72.
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ge Stuhl bzw. Bischof Klein Hilpisch als Koadjutor ausersehen habe, seiner Stellung in staatlichen Augen noch gehoben. Schon 1890 hatte ihn die Gesamtbeurteilung der preußischen Domherren mit dem Prädikat „gemäßigt und friedfertig“70 bedacht. Jedenfalls sprach Landrat Rabe im Vorfeld der Bischofswahl 1898 mit großem Lob über den 52-jährigen Domherrn, auf den „die geforderten Bedingungen sämtlich zu[treffen]“71 würden. Auch Regierungspräsident Wentzel stimmte dieser Charakterisierung zu und plädierte dafür, Hilpisch unbedingt als persona grata zu deklarieren. Keine Rolle spielte für ihn dabei, dass Hilpisch eine theologische Promotion fehlte72. 1899 stand er gemeinsam mit Wilhelm Tripp, Heinrich Lala, die beide ebensowenig beanstandet wurden, und Matthias Höhler, der staatlicherseits abgelehnt wurde, auf der Liste für die Neubesetzung der Domdekanstelle73, auf die ihn das Kapitel letztlich wählte74. Seine besondere Verbundenheit für den verstorbenen Bischof Klein hatte Hilpisch auch dadurch für eine breite Öffentlichkeit bekundet, dass er schon zu dessen Lebzeiten eine populäre Biographie des Oberhirten verfasst hatte, die nach dem Tod Kleins zur Gedenkschrift wurde und fünf Auflagen erlebte75.
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atthias Höhler76, gebürtiger Westerwälder aus Montabaur und Jahrgang 1847, hatte seit 1865 als Alumne des Collegium Germanicum in Rom studiert77, dort 1871 die Priesterweihe empfangen und den üblichen theologischen und philosophischen Doktorgrad erworben78. Nach der Rückkehr nach Deutschland hatte er wie bereits erwähnt als Bischöflicher Kaplan bei Peter Joseph Blum fungiert und diesen in sein böhmisches Exil auf Schloss Haid begleitet. Nach Beginn des Episkopates von Bischof Klein, dessen Ernennung er massiv zu hintertreiben bzw. verhindern gesucht hatte, war Höhler in der Bistumsleitung in den Hintergrund getreten. 1890 gehegte Avancen, auf die Wahlliste für den Bischofsstuhl in Straßburg zu gelangen, die insbesondere 70 71
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Verzeichnis der Mitglieder der preußischen Domkapitel v. 1890, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2. Rabe an Regierungspräsident Wiesbaden v. 31.12.1897, in: HHStA WI, Abt. 405, Nr. 12690. Hilpisch wurde erst 1913 mit 57 Jahren – offensichtlich ohne Einreichen einer Dissertationsschrift – an der Kath.-Theol. Fakultät in Freiburg/Breisgau zum Dr. theol. promoviert. Vgl. Müller, Fünfhundert Jahre Theologische Promotion, S. 120. Vgl. Zedlitz-Trützschler an Wentzel v. 27.4.1899, in: HHStA WI, Abt. 405, Nr. 12690. Vgl. Becker, Die Domdekane von Limburg, S. 222. Vgl. Hilpisch, Klein. Zu Höhler, der 1913–1920 Generalvikar in Limburg war, vgl. Kosch, Das katholische Deutschland, Bd. I, S. 1636; Schatz, Höhler, in: Gatz, Bischöfe, S. 312f.; Renkhoff, Nassauische Biographie, S. 183. Vgl. Schmidt, Das Collegium Germanicum und die Germaniker, S. 330. Alle Germaniker, die promovierten, schlossen bis zu einer 1931 durchgeführten Studienreform ihr römisches Studium mit dem Dr. theol. et phil. ab. Vgl. auch Steinhuber, Geschichte des Kollegium Germanicum Hungarikum, Bd. 2, S. 477.
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vom Heiligen Stuhl unterstützt wurden, erfüllten sich nicht79, obgleich ihn der Trierer Bischof Michael Felix Korum dorthin zu lancieren suchte und Höhler der erklärte Favorit von Papst Leo XIII. gewesen war80. Daher hatte er seine Kräfte nach innen gerichtet und sich auf kirchenhistorische Studien beschränkt. In der staatlichen Charakteristik der preußischen Domherren 1890 war er als „klug, gewandt, der schroffen Richtung angehörig“81 bezeichnet worden. Dass er seine theologischen Studien in Rom absolviert hatte, war der Staatsregierung anlässlich der von Bischof Blum im April 1884 betriebenen Aufnahme Höhlers in das Domkapitel zunächst verborgen geblieben. Erst einige Monate später hatte dann der Oberpräsident von Hessen-Nassau „in unauffälliger Weise“82 Nachforschungen anstellen lassen, ob Höhler Jesuiten-Zögling sei, was ihm aus Limburg mit der Ergänzung bestätigt wurde, dass Höhler sogar den „Dr. romanus“ gemacht habe83. Zwar sei Höhler „nicht offen als Agitator für ultramontane Angelegenheiten aufgetreten, allerdings wurde ihm noch immer vorgehalten, Bischof Blum in dessen Exil in Böhmen begleitet zu haben. Deshalb war er auch bei der Bischofswahl 1885, nachdem sich der Kultusminister zuvor expressis verbis nach seinem Curriculum vitae erkundigt hatte, zur persona minus grata erklärt worden. Landrat Rabe hob durchaus hervor, dass Höhler „neben … Hilpisch das bedeutendste Mitglied des Limburger Domkapitels“84 sei und erwähnte als Beleg dessen umfangreiches wissenschaftliches und schriftstellerisches Werk. Außerdem habe er bereits als 30-jähriger erstmals auf einer Wahlliste gestanden. Keine Erwähnung fand in diesem Zusammenhang in den Akten, dass Matthias Höhler 1890 päpstlicher Favorit Leos XIII. für den Bischofsstuhl in Straßburg gewesen war85. Auch wenn Höhler im Kontakt mit staatlichen Stellen immer ausgesucht höflich gewesen sei, ja „von illoyaler Gesinnung keine Beweise gegeben“86 habe, erneuerte der Limburger Landrat die Zweifel an seiner Genehmheit, die er einerseits auf dessen energisches und umtriebiges Auftreten und andererseits auf seine Ausbildung bei den Jesuiten schob.
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Davon berichtet Gatz, Zur Neubesetzung, S. 84f. Vgl. Hutten-Czapski, Sechzig Jahre Politik und Gesellschaft, Bd. I, S. 204–210. Näheres zu dieser Kandidatur im Kapitel Straßburg in diesem Band. Verzeichnis der Mitglieder der Metropolitan- und Domkapitel in Preußen, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2, S. 29. Oberpräsident an Landrat Limburg v. 11.6.1884, in: HHStA WI, Abt. 411, Nr. 1445. Landrat Limburg an Oberpräsident v. 16.6.1884, ebd. Rabe an Regierungspräsident Wiesbaden v. 31.12.1897, in: HHStA WI, Abt. 405, Nr. 12690. Vgl. hierzu das Kap. Straßburg in diesem Band. Rabe an Regierungspräsident Wiesbaden v. 31.12.1897, in: HHStA WI, Abt. 405, Nr. 12690.
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dam Keller87, Stadtpfarrer in Wiesbaden, war 1839 in Horbach geboren und 1862 in Limburg zum Priester geweiht worden. Zuvor hatte Keller in Hadamar sein Abitur abgelegt und in Würzburg Theologie studiert. Sein priesterlicher Dienst führte ihn als Bischöflicher Kaplan nach Limburg und als Religionslehrer nach Eltville sowie 1869 nach Montabaur. 1884 erhielt er die Pfarrstelle in Weiskirchen und hatte 1885 zu den drei vom Heiligen Stuhl der Regierung für die unter Umgehung des Domkapitels vereinbarte Neubesetzung des Bischofsstuhles vorgeschlagenen Kandidaten gehört. Obgleich Bischof Kopp ihn der Regierung in diesem Kontext empfohlen hatte, kennzeichnete ihn Kultusminister Goßler gegenüber Bismarck als „unbeschriebenes Blatt, und die, welche ihn näher kennen, trauen ihm nicht“88. 1888 kam Keller als Stadtpfarrer nach Wiesbaden St. Bonifatius, wo ihm mit der Erhebung in den Rang eines Päpstlichen Hausprälaten, dem Roten Adlerorden IV. Klasse und dem österreichischen Franz-Josefs-Orden sowohl kirchliche als auch weltliche Auszeichnungen zuteil wurden. Bereits im Vorfeld hatte Oberpräsident Magdeburg eine gewisse Präferenz für Keller erkennen lassen, indem er sich in Wiesbaden verwundert erkundigte, weshalb dieser in der aktuellsten Liste für höhere Stellen geeigneter Priester keine Aufnahme gefunden habe89. Gemäß den dortigen Akten hatte sich der Polizeipräsident in seiner Charakteristik zwar nicht eingehend negativ über Keller ausgesprochen, diesen aber auch nicht empfohlen90. Der Regierungspräsident kam nicht umhin, dessen „hervorragende geistliche Befähigung“ zu loben, sah aber einen Wandel in Kellers Verhalten. Letzterer habe gegenüber den Staatsbehörden „lange Zeit … den Eindruck eines staatsfreundlichen Geistlichen“ gemacht, weshalb er auch 1895 bei der Besetzung einer Limburger Domherrenstelle als Kandidat staatlicherseits nicht beanstandet worden sei. Insbesondere wurde hier auf Kellers Gesprächsbereitschaft hinsichtlich der Lösung des Konflikts mit den Altkatholiken um die Nutzung der Pfarrkirche St. Bonifatius angespielt. Anlässlich der Neubesetzung einer Rektorenstelle an einer Wiesbadener Schule habe er aber hinter dem Rücken der Behörde die Ernennung eines Staatskatholiken zu verhindern versucht. Daher schloss sich der Regierungspräsident dem Fazit des Polizeipräsidenten an, wonach es „sehr zweifelhaft [erscheint], ob es richtig sein würde, ihn als genehm zu bezeichnen“.
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Zu Keller, der 1911 starb, vgl. Gatz, Zur Neubesetzung, S. 97, u. DA Limburg, Personalkartei. Goßler an Bismarck v. 1.8.1886, in: PA AA, Preußen 2 Nr. 2d. Magdeburg an Wentzel v. 15.2.1898, in: HHStA WI, Abt. 405, 12642. Vgl. Wentzel an Magdeburg v. 25.2.1898, ebd.
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einrich Lala91 war 1838 in Hillscheid geboren, nach dem Theologiestudium in Mainz und Würzburg 1862 in Limburg zum Priester geweiht worden und hatte seinen Dienst kurzzeitig als Bischöflicher Kaplan begonnen, um dann sieben Jahre als Zeremoniar an der Domkirche zu fungieren. Von 1871 bis zur Aufhebung 1876 fungierte er als Regens des Priesterseminars. Bei der Bischofswahl 1885 war er als mindergenehm bezeichnet worden, u.a. weil er sich einer staatlichen Revision des Limburger Priesterseminars 1876 widersetzt und in früheren Jahren den Eintritt in den Jesuitenorden erwogen hatte. Möglicherweise stand seine Versetzung als Pfarrer nach Hofheim im selben Jahr mit Lalas ultramontaner Haltung im Kulturkampf in Zusammenhang. Jedenfalls trat er diesen Seelsorgeposten nicht an, sondern blieb in Limburg, wo er die Leitung des wieder eröffneten Priesterseminars übernahm. Bischof Klein gelang es 1895, Lalas Berufung in das Domkapitel durchzusetzen, indem er darauf verwies, dass dieser im vergangenen Jahrzehnt „auf friedliche und anspruchslose Weise sich durch seelsorgerisch frommes Wirken verdient und allgemein beliebt gemacht“92 habe. In diesem Kontext hatte der vom Regierungspräsidium um Stellungnahme gebetene Landrat geschrieben: „Handelte es sich um die Besetzung des Bischofsstuhles, so würde ich glauben, diese Frage unbedingt verneinen zu müssen, als Domkapitular aber dürfte Lala zumal bei der jetzigen Zusammensetzung des Domkapitels und unter dem Bischof Dr. Klein, der ja die volle Garantie für ihn übernehmen will, bei seinem schon vorgerückten Lebensalter wohl kaum noch viel schaden können“93. Im Zuge der Bischofswahl plädierte der Landrat ohne Anführen weiterer und aktueller Gründe auf Mindergenehmheit94. Dem Regierungspräsidenten genügte dies offensichtlich nicht, so dass er in seiner Zusammenfassung an den Oberpräsidenten gegen Lala vorbrachte, dieser sei „nie im Pfarrdienste tätig gewesen“ und sei zudem „in seinen Anschauungen auch bei Katholiken als schroff und starr, streng gegen sich und gegen andere“95 bekannt.
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ilhelm Tripp96 war 1835 in Hadamar geboren und nach Studium in Würzburg und Mainz 1859 in Limburg zum Priester geweiht worden. Seine Kaplansjahre hatte er in Eltville, Schlossborn und Oberlahnstein sowie in Wiesbaden verbracht, wo er ab 1868 als Religionslehrer am Gymnasium
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Zu Lala (1838–1909) vgl. DA Limburg, Personalkartei u. Schematismen; u. Paulus, Berufung, Besoldung und Abgang, in: AMRKG, Bd. 14 (1962), S. 239–257, hier S. 244. Lala blieb bis 1906 Regens. Klein an Tepper-Lasky v. 28.3.1895, in: HHStA Wiesbaden, Abt. 411, 1445. Antwort des RP v. 29.3.1895, ebd. Rabe an Tepper-Lasky v. 4.4.1895, ebd. Rabe an Tepper-Lasky v. 31.12.1897, in: HHStA Wiesbaden, Abt. 405, 12690. Wentzel an Magdeburg v. 9.4.1898, in: StAMR, Best. 150, Nr. 2339. Zu Tripp (1835–1916) vgl. DA Limburg, Priesterkartei.
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gewirkt hatte. Nach 16 Jahren als Pfarrer in Oberursel wurde er 1887 Stadtpfarrer und zugleich Domherr in Limburg. Schon in der unmittelbaren Folge des Kulturkampfs hatte Tripp aus staatlicher Sicht „in politischer und kirchenpolitischer Hinsicht nie zu Bedenken Anlass gegeben“97. Landrat Rabe hob hervor, dass der Dompfarrer zum einen loyal gegenüber dem Staat auftrete, zum anderen aber auch in der katholischen Bevölkerung ein großes Vertrauen genieße. Da er sich „durch einen besonders friedliebenden Charakter“ auszeichne, erschien er dem Limburger Landrat als geeigneter Bischofskandidat98. Regierungspräsident Wentzel fügte zu seinen Ungunsten an, dass er 1890 bei einer Versammlung in Limburg öffentlich für eine Aufhebung des Verbots der Jesuiten Stellung bezogen habe, ohne jedoch der vorgesetzten Behörde direkt eine Ablehnung Tripps vorzuschlagen99.
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arl Walter100 war als Sohn eines Maurermeisters101 1827 in Cransberg im Kreis Usingen geboren worden und hatte das Gymnasium in Weilburg absolviert. Bevor er 1852 die Priesterweihe in Limburg erhielt, hatte ihn sein Theologiestudium nach Gießen und München geführt. Ohne Erfahrungen in der praktischen Seelsorge als Kaplan gemacht zu haben, erhielt er sogleich die Stelle eines Lehrers für klassische Sprachen an der Realschule in Limburg. 1858 avancierte er zum 2. Regens des Bischöflichen Konvikts in Hadamar, und sechs Jahre später trat Walter nach einer kurzen Pfarradministration in Hillscheid als Sekretär in das Bischöfliche Ordinariat in Limburg ein, wo er bald darauf zum Ordinariatsassessor und 1869 zum Wirklichen Geistlichen Rat bestellt wurde. Im selben Jahr sollte er bereits auf ein vakantes Kanonikat berufen werden, was aber am Einspruch der Staatsbehörde scheiterte. Als ihn das Domkapitel drei Jahre später erneut auf die Wahlliste setzte, wurde er akzeptiert, da er „sich in der Zwischenzeit als ein stiller, besonnener Mann geführt“102 habe. Genauer gesagt hatte sich Walter aus dem öffentlichen und politischen Leben vollkommen zurückgezogen und sich ausschließlich seinen administrativen Aufgaben im Ordinariat gewidmet. Deshalb wurde er 1885 auch nicht von der Wahlliste für die Bischofswahl gestrichen. Dass das Kapitel ihn im Folgejahr zum Domdekan wählte und Bischof Klein sich Walter zudem zu seinem Generalvikar auserkor, obwohl er „ohne Gewandtheit im
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Verzeichnis der Mitglieder der preußischen Domkapitel v. 1890, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2. Vgl. Rabe an Tepper-Lasky v. 31.12.1897, in: HHStA WI, Abt. 405, 12690. Gleichwohl war auch Tripp 1890 in das Visier der Staatsbehörden geraten, nachdem er auf einer öffentlichen Versammlung „mit Entschiedenheit für die Aufhebung des Jesuitengesetzes eingetreten“ war. Kultusministerium an Regierungspräsident Wiesbaden v. 17.1.1891, in: HHStA WI, Abt. 405, 12642. Zu Walter (1827–1899) vgl. Becker, Die Domdekane von Limburg, S. 221f. So ebd., S. 221. Im Expose Wentzels v. 9.4.1898, in: HHStA WI, Abt. 405, 12642, wird der Beruf des Vaters mit Landwirt angegeben. Regierungspräsident Wiesbaden 1872, zit. nach Wentzel an Magdeburg v. 9.4.1898, ebd.
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Verkehr“103 war, lag in den Augen des Limburger Landrats daran, dass Walter Kleins einziger wirklicher Gefolgsmann unter den Domkapitularen war. Obgleich Walter in der staatlichen Charakteristik aller preußischen Domherren 1890 als „würdige Persönlichkeit von gemäßigter und versöhnlicher Richtung“104 positiv beurteilt worden war, woran auch knapp ein Jahrzehnt später kein Zweifel bestand, plädierte der Landrat dafür, ihn zur „persona minus grata“ zu erklären. Der Regierungspräsident nahm diese Argumentation auf und schrieb in seiner Zusammenfassung über Walter nach Kassel, dass der Limburger Domdekan einen „arkadischen Lebenswandel“ führe … an Jahren alt sei und für wenig praktisch, ängstlich und etwas menschenscheu“105 gelte. Für eine Mindergenehmheit schien ihm dies jedoch nicht zu reichen und der positive Eindruck der Staatsloyalität zu überwiegen.
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ominikus Willi OCist.106 war 1844 als Sohn eines in Diensten des Königs von Neapel stehenden Hauptmanns in Ems, rätisch Domat, in Graubünden geboren und auf die Vornamen Martin Carl getauft worden. Erst als die Eltern ihn zu einer befreundeten Professorenfamilie in die Kantonshauptstadt Chur brachten, erlernte er die deutsche Sprache. Als 11-jähriger gelangte er in das Gymnasium des Benediktinerklosters Einsiedeln, schwankte als Jugendlicher zwischen Soldatenstand und Priestertum, entschied sich aber nach dem frühen Tod der Mutter, Geistlicher zu werden107. 1861, mit 17 Jahren, trat Willi in das Zisterzienserkloster Wettingen ein, dessen Mönche sieben Jahre zuvor in Mehrerau bei Bregenz eine neue Heimat gefunden hatten. Nach der 1867 in Feldkirch empfangenen Priesterweihe war er zunächst als Präfekt, bald als Rektor an der Stiftsschule tätig. Das Vertrauen des seit 1878 amtierenden Abtes Maurus Kalkum, der gemeinsam mit Willi in Mehrerau eingetreten und das Noviziat absolviert hatte, berief ihn zu dessen Stellvertreter (Prior). Als die Abtei Wettingen-Mehrerau 1888 in Marienstatt im Westerwald (Diözese Limburg) eine Filiale errichtete, wurde P. Dominikus hier erster Prior und zwei Jahre darauf bereits als erster Abt benediziert. Sein besonderes Augenmerk gehörte der Ordensgeschichte der Zisterzienser, über die Willi insbesondere während seiner Zeit in Mehrerau, aber auch noch als Abt von Marienstatt eine Reihe von wissenschaftlichen Abhandlungen veröffentlichte108. 103 104
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Rabe an Wentzel v. 31.12.1897, in: HHStA WI, Abt. 405, 12690. Verzeichnis der Mitglieder der Metropolitan- und Domkapitel in Preußen 1890, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2. Wentzel an Bosse v. 9.4.1898, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 2339. Zu Willi vgl. Schatz, Willi, in: Gatz, Bischöfe, S. 817f.; Renkhoff, Nassauische Biographie, S. 430; u. Nachruf, in: Kölnische Volkszeitung, Abendausgabe v. 6.1.1913. Ein Vetter, Balthasar Willi OSB, hatte ebenfalls die Schule in Einsiedeln besucht, war dort als P. Kaspar Benediktiner geworden u. starb 1879 als Bischof von Chur. Vgl. Gatz, Willi, Kaspar, in: Ders., Bischöfe, S. 818f. Vgl. Hilpisch, Willi, S. 28 u. Gatz, Bischöfe, S. 818: Die oberdeutsche und schweizerische Zisterzienserkongregation, 1879; Art. Wettingen-Mehrerau, Lichtenthal, Mariastern,
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Anlässlich der 1897 erfolgten letzten Umfrage an die Landräte bezüglich für höhere Stellen geeigneter Geistlicher hatte der zuständige Landrat des Oberwesterwaldkreises in Marienberg selbst niemanden zu empfehlen gehabt, jedoch darauf verwiesen, dass „mein Amtsvorgänger [Landrat Schlosser, Anm. d. Verf.] große Stücke auf den Abt des Zisterzienserklosters zu Marienstatt gehalten hat“109. Nach dem zusammenfassenden Urteil des Wiesbadener Regierungspräsidenten habe dieser sich „bisher als ein feingebildeter Mann mit weitem Blick, von weltmännischem Wesen und von liebenswürdigen Umgangsformen gezeigt“110 Als Gründungsabt von Marienstatt sei er „ängstlich bemüht“ gewesen, allen Anforderungen des Staates zu folgen. Gegen seine Erklärung zur „persona grata“ spreche allenfalls, dass Willi „geborener Reichsausländer und erst mit der Wiederzulassung des Ordens in Preußen, weil er musste, preußischer Staatsangehöriger geworden ist“. Kein letztlich gravierendes Hindernis bedeutete für die Regierungsstellen neben diesem Mangel an Patriotismus auch die Tatsache, dass Deutsch nicht die Muttersprache des Schweizers war, sondern dass Willi als Rätoromane aus einer „welschen“ Familie stammte. Den Tenor seines Urteils hatte der Wiesbadener Regierungspräsident fast wörtlich von der Einschätzung des Oberpräsidenten von Hannover übernommen, dem Abt Willi „bei häufigen Begegnungen … stets als ein fein gebildeter Mann mit weitem Blick und von weltmännischem Wesen und liebenswürdigen Umgangsformen bekannt geworden“111 war. Landrat Rabe von Limburg empfahl dem Regierungspräsidenten, als Gradmesser für die Genehmheitsentscheidung die Beteiligung an patriotischen Feiern zum Geburtstag Kaiser Wilhelms II. heranzuziehen. Demgemäß müsse man Walter und Hilpisch den Vorzug geben, weil sie sich regelmäßig beteiligt hätten, Tripp, Anton Abt und Eiffler gelegentlich, Höhler und Lala dagegen nie112. Maximilian Gereon von Galen war wohl aufgrund seiner vorhergegangenen Negativcharakterisierungen schon von vornherein ein aussichtsloser Kandidat.
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in: Sebastian Brunner, Zisterzienserbuch, 1881; Die Wettingerhäuser in Zürich, 1885; Des Klosters Wettingen Gütererwerbungen im Gebiete des Kantons Zürich, 1887; Album Wettigense. Verzeichnis der Mitglieder des exemten und konsistorialen Zisterzienser-Stiftes BMV de Maria stella zu Wettingen-Mehrerau 1227–1892, Limburg 1892 (21904); Erinnerungen an Maurus Kalkum, Abt des exemten und konsistorialen Stiftes Wettingen, Bregenz 1893; Baugeschichtliches über das Kloster Wettingen, 1894; Des Klosters Wettingen Gütererwerbungen im Gebiete des Kantons Zürich, o.O.o.J.; Päpste, Kardinäle und Bischöfe aus dem Zisterzienserorden, Bregenz 1912; Zur Geschichte des Klosters Wettingen-Mehrerau. Wahl, Benediktion und Tod der Äbte, Bregenz 1912. Landrat von Marienberg an Regierungspräsident in Wiesbaden v. 11.12.1897, aufgrund des Schreibens des Kultusministers v. 3.11.1897, in: HHStA WI, Abt. 405, Nr. 12690. Wentzel an Magdeburg v. 9.4.1898, in: StAMR, Best. 150, Nr. 2339. Hier auch das folg. Zit. Regierungsrat Schlosser, Hannover, an Wentzel v. 6.4.1898, in: HHStA WI, Abt. 405, Nr. 12642. Vgl. Rabe an Wentzel v. 31.12.1897, in: HHStA WI, Abt. 405, Nr. 12690.
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Dass die Limburger Domherren ihn überhaupt auf die Liste genommen hatten, muss verwundern, zumal er 1889 auch in seinem Heimatbistum Münster zwar staatlicherseits als Kandidat vermutet worden war, aber offensichtlich weil seine Kandidatur aussichtslos erschien, gar nicht auf der Liste auftauchte113. Dass Oberpräsident Magdeburg kein besonderes Interesse daran verspürte, sich intensiver mit den Charakterisierungen der Listenkandidaten auseinanderzusetzen, geht aus einer eine Woche nach Eingang der Liste erlassenen Anordnung an das Regierungspräsidium hervor, nach welcher der „Bericht über sämtliche Kandidaten …, auch soweit Vorberichte in Frage kommen, derartig zu fassen [sei], dass derselbe unmittelbar bei dem Seiner Majestät, dem Kaiser und Könige, zu erstattenden Immediatberichte Verwendung finden kann“114. Als aber nach einem Monat der Abschlussbericht aus Wiesbaden mit einer prägnanten Charakterisierung aller Kandidaten noch immer auf sich warten ließ, mahnte Magdeburg dessen Einreichen als dringlich an115. Vier Tage später hielt er die ausführlichen Plädoyers des Regierungspräsidenten in Händen116, die er in der Tat nur noch kürzte, um dem Kultusminister Walter, Eiffler, Hilpisch und Willi als „personae gratae“ zu empfehlen. Gleiches galt seines Erachtens auch für Wilhelm Tripp, dessen Plädoyer für die Jesuiten der Oberpräsident als „Ausrutscher“ wertete, während sein gesamtes Persönlichkeitsbild durchaus staatskonform sei, und – was angesichts der Stellungnahmen aus Frankfurt und Wiesbaden verwundern muss –, für den Frankfurter Stadtpfarrer Bahl, obgleich dieser in den Augen des Regierungspräsidenten als polarisierende Kraft innerhalb wie außerhalb der Kirche keineswegs episkopabel erschienen war. Eindeutiger Favorit Magdeburgs war aber Abt Dominikus Willi. Die kritischen Anmerkungen des Regierungspräsidenten meldete er einfach nicht nach Berlin weiter und deutete stattdessen Willis Schweizer Herkunft als Ausweis „von weltmännischem Wesen“, das Offenheit gegenüber Staat und Gesellschaft signalisiere. Umso eindeutiger sprach sich Magdeburg andererseits gegen den ursprünglich von ihm aufmerksam beobachteten Adam Keller aus, der den Verkehr mit den Staatsbehörden in Wiesbaden „in bedenklichster Weise gestört“ habe. Am 9. Juni ließ Regierungspräsident Richard Wentzel den Limburger Landrat Rabe bereits „unter dem Siegel der Verschwiegenheit“117 die Namen der in Berlin gestrichenen Kandidaten wissen. Dem positiven Votums Magdeburgs für Bahl hatte man sich dort beispielsweise nicht anschließen können und durch vom 6. Juni datierte Allerhöchste Ordre von den neun Kandidaten 113
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Vgl. Hirschfeld, „Die Münsterische Bistumsangelegenheit …“, in: JOM, Bd. 58 (2009), S. 69–101. Magdeburg an Wentzel v. 5.3.1898, in: HHStA WI, Abt. 405, Nr. 12642. Magdeburg an Wentzel v. 6.4.1898, ebd. Vgl. Wentzel an Magdeburg v. 9.4.1898, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 2339. Wentzel an Rabe v. 9.6.1898, in: HHStA WI, Abt. 411, Nr. 1445.
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fünf zu genehmen Personen erklärte, nämlich Domdekan Walter, die Domkapitulare Eiffler, Hilpisch und Tripp sowie Abt Willi. Sein Plazet verweigerte Wilhelm II. erneut Matthias Höhler sowie Domkapitular Lala und den beiden Stadtpfarrern Bahl und Keller, nicht zuletzt aber Weihbischof von Galen aus Münster. Am 15. Juni 1898 trat das Domkapitel in Limburg zusammen und wählte Abt Dominikus Willi O.Cist. zum neuen Oberhirten der Diözese. Entweder der Unkenntnis des Telegraphenbeamten oder der Eile der Domherren ist es wohl zuzuschreiben, dass in dem unmittelbar nach dem Wahlakt an den Regierungspräsidenten der Vorschrift gemäß gerichteten Telegramm von Willi als dem neuen „Bischoff“118 (sic!) die Rede war. Schenkt man der Chronik der Zisterzienser Glauben, so kam die Wahl Willis keineswegs überraschend, da es sich um ein „seit Jahren von Klerus und Volk der Diözese Limburg vorausgesehenes und seit dem Tode des Bischofs Dr. Karl Klein auch erwartetes Ereignis“119 handelte. Gemäß dem Urteil von Klaus Schatz verdankte Willi seinen Erfolg der Tatsache, dass er „eine willkommene Kontrastfigur zum vorherigen Bischof“ darstellte, während Hilpisch für eine Fortsetzung des staatsnahen und zudem primär auf die Verwaltung ausgerichteten Kurses von Karl Klein stand120. Ergänzend wäre als ausschlaggebendes Argument für das deutliche Votum des Kapitels zugunsten von Willi hinzuzufügen, dass dieser als Ordensmann außerhalb des etablierten Tableaus an höheren Weltpriestern in Limburg stand und insofern zu Recht als „Kompromisskandidat“121 zwischen staatstreuen und ultramontanen Kräften bezeichnet werden kann. Eiffler, Walter und Tripp hingegen waren allein aufgrund ihres Alters sowie ihrer geringeren Tatkräftigkeit kaum dafür prädestiniert, als Favoriten in die Wahl hineinzugehen. Gleichwohl stellte es innerhalb Preußens schon einen Präzedenzfall dar, dass ein Ordensmann einen Bischofsstuhl bestieg, während dies in Bayern nicht unüblich war. Als Speerspitze gegen „schädliche Orden“ wie die Jesuiten gedacht, hatte Bismarck die Niederlassung der Zisterzienser in Marienstatt in der Endphase des Kulturkampfes genehmigt, zumal dieser Orden sich im Mittelalter große Verdienste um die landwirtschaftliche Erschließung der Mark Brandenburg erworben hatte122. Insofern störte es offenbar staatliche Stellen auch keineswegs, dass Willi „als Bischof die einfache Lebensweise des Ordensmannes beibehielt und nach wie vor den Zisterzienserhabit trug“123. 118 119 120 121 122
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Telegramm des Domkapitels an Wentzel v. 15.6.1898, in: HHStA WI, Abt. 405, Nr. 12642. Cist. Chron. 1898, S. 219, zit. nach 1888–1988. 100 Jahre Wiederbesiedlung Marienstatt, S. 118. Vgl. Schatz, Geschichte des Bistums Limburg, S. 197, u. ders. Dominikus Willi als Bischof. Burkard u.a., Bistum Limburg, S. 428. Vgl. Protokoll des Staatsministeriums v. 10.3.1888, abgedruckt bei Spenkuch, Protokolle des Staatsministeriums, Bd. 7, S. 225f. Schatz, Willi, S. 818.
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Willi selbst musste zunächst bei Generalabt Leopold Wackarz in Stift Hohenfurth in Böhmen um Erlaubnis zur Annahme der Wahl ersuchen124, während der Makel der ihm fehlenden Promotion durch die Verleihung der Ehrendoktorwürde der Katholisch-Theologischen Fakultät in Münster ausgeglichen wurde125. Nachdem als Tag der Konsekration das Fest Mariä Geburt, der 8. September 1898, ausgewählt worden war, gab Kultusminister Bosse dahingehend sein Plazet, dass er Seiner Majestät „darüber Vortrag gehalten“ habe und die landesherrliche Anerkennung termingerecht in Aussicht gestellt worden sei126. Die staatliche Vereidigung fand im unmittelbaren Vorfeld der Konsekration in Limburg statt, nach der Bischof Willi sichtlich bemüht war, unter Beweis zu stellen, dass er „bisher in allen Treuen seine Untertanenpflicht erfüllte“127. Dabei wies er in seiner Ansprache beim Festessen auf den Fluss Rhein hin, „der trotz seiner nicht deutschen Geburt, Erziehung und Bildung dennoch als der eigentlich deutsche Strom in Sage, Sang und Geschichte so innig mit dem deutschen Wesen verwachsen ist“. Der Rhein diente somit als Metapher für die Grundhaltung des an dessen Oberlauf geborenen Oberhirten128. Deutliches Signal für das schwierige Miteinander war ein mühsam vermitteltes Zusammentreffen des neuen Bischofs mit Kultusminister Bosse. Angeregt wurde dieser Gedankenaustausch von Domkapitular Hilpisch, den Willi zu seinem Generalvikar gemacht hatte. Hilpisch hatte im Vorfeld in Berlin angeregt, ein Treffen mit dem Landrat und dem Bischof zu arrangieren. Als Bosse dann in Limburg anlangte, empfingen ihn nur Hilpisch und Landrat Rabe am Bahnhof. Auch zu einem in Hilpischs Domherrenkurie stattfindenden Kaffeetrinken erschien Willi nicht und begründete dies damit, die Presse bekäme dadurch unnötigen Zündstoff. Stattdessen zog der Limburger Oberhirte es vor, den Minister nach seiner Abreise am Folgetag ein Stück auf der Zugfahrt zu begleiten. Trotz dieser Anlaufschwierigkeiten schien die Begegnung den Kultusminister tief beeindruckt zu haben. „Er war sehr menschlich, sehr herzlich, sehr entgegenkommend, mild und loyal in seinen Auffassungen. Wir schieden als gute Freunde“129, vertraute er euphorisch seinem Tagebuch an. Offenbar war diese Begegnung auch die Grundlage dafür, dass Bosse im Folgejahr unmittelbar im Limburger Bischöflichen Palais empfangen wurde130. 124 125
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Vgl. Hilpisch, Willi, S. 25. Vgl. Hegel, Geschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster, Bd. 2, S. 209; u. Hilpisch, Willi, S. 26. Vgl. Bosse an Magdeburg v. 27.8.1898, in: HStAMR, Best. 150, Nr. 2338. Die Anerkennungsurkunde datiert v. 29.8.198 u. wurde am 3.9. vom Kultusminister an das Oberpräsidium gesandt. Die Festansprache ist abgedruckt in der Germania v. 10.9.1898. Hier auch das folg. Zit. Vgl. auch Waldecker, Ehrenpforten, Blumen und Fahnen, in: AMRKG, Bd. 61 (2009), S. 253–288, hier S. 265–267. GStA PK, Tagebuch Bosse, Nr. 8: Eintrag v. 23.6.1898. Vgl. ebd., Eintrag v. 8.6.1899.
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Bischofswahl 1913 Bischof Dominikus Willi hatte sich im Gewerkschaftsstreit sehr früh dezidiert auf die Seite der Berlin-Trierer Richtung gestellt und, wie er 1902 in einem Brief an den damaligen Fuldaer Regens und späteren Bischof Joseph Damian Schmitt dargelegt hatte, in der Gewerkschaftsfrage „nichts anderes als eine Nebenströmung des Reformkatholizismus“131 und einen Vorboten der Sozialdemokratie gesehen. Später hatte er jedoch einen moderateren Kurs verfolgt und auch den interkonfessionellen Gewerkschaften Freiraum gelassen132. Nicht nur Kultusminister Bosse hatte sich gelegentlich eines Besuchs in Limburg darüber mokiert, dass Dominikus Willi „mehr Mönch als Bischof“133 sei und für die Verwaltungsgeschäfte der Diözese wenig Interesse zeige. Auch im Domkapitel wurde der Episkopat Willis in der Retrospektive kritisch gesehen. „Die Amtsverwaltung des verstorbenen H. Bischofs war keine glückliche; wir Wähler hatten uns in ihm getäuscht“134, bedauerte beispielsweise der einflussreiche Matthias Höhler. Damit war schon die Richtung angezeigt, in welche die Majorität des Kapitels bei der Aufstellung der Wahlliste für einen Nachfolger des am 6. Januar 1913 im 69. Lebensjahr nach mehrmonatiger Erkrankung verstorbenen Bischofs ihre Blicke lenkte. Gesucht wurde aus der Erfahrung heraus diesmal kein frommer Ordensgeistlicher, der sich weiterhin der „vita contemplativa“ verpflichtet fühlte, gesucht wurde ebenso wenig ein primär pastorale Anliegen aufgreifender Oberhirte, sondern ein entscheidungsfreudiger Kopf, der in Verwaltungs- und Finanzfragen eingearbeitet war. Daher fiel der Blick des Kapitels auf den Domherrn Dr. Augustinus Kilian, der nicht nur promovierter Kirchenrechtler war, sondern auch seit mehr als einem Jahrzehnt im Ordinariat zunächst das Referat für Rechnungswesen, dann für Personal und Ordensangelegenheiten geleitet hatte135. Bei der Aufstellung der Wahlliste hatte Stadtpfarrer und Domkapitular Wilhelm Tripp, den der Limburger Landrat Rabe 1902 „trotz seines fortgeschrittenen Lebensalters noch für einen in Betracht kommenden Anwärter für das Bischöfliche Amt“136 gehalten hatte, seine Kollegen gebeten, aufgrund seines Alters von 77 Jahren von einer Kandidatur absehen zu wollen. Kapitularvikar Hilpisch, der 1899 auf Vorschlag des Domkapitels auf die Dignität des Domdekans aufgerückt war und im Folgejahr den Rang eines Päpstlichen Hausprälaten erhalten hatte137, stand bei seinen Kollegen im Dom131 132 133 134 135 136 137
Willi an Schmitt v. 11.12.1902, in: BA Fulda, Personalakte Schmitt. Vgl. Schatz, Dominikus Willi als Bischof, S. 144. GStA PK, Tagebuch Bosse, Nr. 8, Eintrag v. 8.6.1899. So Höhler gegenüber Nuntius Frühwirth am 25.5.1913, in: ASV ANM 265. Vgl. Becker, Kilian, S. 178. Notiz des Regierungspräsidenten Wiesbaden, in: HHStA WI, Abt. 405, 12642. Vgl. Becker, Die Domdekane von Limburg, S. 214 u. S. 222f.
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kapitel in dem Ruf, ein integrer Priester zu sein, der aber mehr in der äußeren Repräsentation des Bistums zu glänzen als die Verwaltung zu führen verstand. Domkapitular Höhler bemerkte in diesem Kontext, dass Hilpisch „die Geschäfte derart verschleppte und in Unordnung brachte, dass unter seinen Kollegen … eine wahre Verbitterung gegen ihn Platz griff und man dem Bischof die ernsthaftesten Unterstellungen machte, ihn seines Amtes zu entheben“138. Dass diese Vorwürfe keine Einzelmeinung darstellten, lässt sich daran ablesen, dass Hilpisch am 8. Januar 1913 erst nach sechs Wahlgängen als Kapitularvikar bestimmt wurde139. Insofern war es wohl nicht nur Hilpischs Alter – er war mittlerweile 67 Jahre –, das die Domherren von dessen Nomination absehen ließ. Dass Hilpisch erst und gerade 1913 – im Übrigen ohne Dissertationsschrift – den für ein Bischofsamt als Quasi-Voraussetzung geltenden theologischen Doktorgrad erwarb, mag sein Interesse am Bischofshut nahelegen140. Der Nomination durch das Kapitel hatte ein fehlender Doktorhut aber bekanntlich 1899 keinen Abbruch getan. Ebenso war für das Fehlen des Namens von Domkapitular Dr. Matthias Höhler auf der Wahlliste sicherlich neben dessen Alter – 66 Jahre – die Tatsache ausschlaggebend, dass er bei allen Gelegenheiten staatlicher Charakterisierungen in den vergangenen Jahrzehnten stets als persona minus grata bezeichnet worden war, obwohl der damalige Kultusminister Bosse anlässlich eines Besuchs in Limburg im Juli 1899 von ihm „einen sehr günstigen Eindruck … empfangen“141 hatte. Zuletzt war ihm bei einer zwischenzeitlichen Beurteilung potentiell episkopabler Geistlicher nochmals seine Ausbildung auf dem römischen Germanicum sowie sein Fernbleiben bei den jährlichen patriotischen Feierlichkeiten zum Kaisergeburtstag vorgeworfen worden142. Höhler selbst, der inzwischen u.a. eine umfassende Limburger Bistumsgeschichte verfasst hatte143, hingegen kokettierte später gegenüber dem Nuntius damit, „freilich nur mit allerknappster Hut der Liste entronnen“ zu sein, woraus entweder eine gute Portion „understatement“ oder aber Selbstschmeichelei sprach. So fanden in die am 27. Januar 1913 aufgestellte und abgesandte Wahlliste drei Domkapitulare, Dr. Matthäus Göbel, Dr. Augustinus Kilian und Jakob 138 139 140
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Höhler an Frühwirth v. 25.5.1913, in: ASV ANM 265. Vgl. Becker, Kilian, S. 178. Vgl. Müller, Fünfhundert Jahre Theologische Promotion, S. 120. Diese These findet sich im Übrigen bei Burkard, Eltville – seine (geistlichen) Söhne und Stiefväter, S. 21. „Ein feingebildeter, form- und geschäftsgewandter Mann, ohne allen Zweifel der klügste, selbständigste und bedeutendste von allen Dreien“ verglich er Höhler mit Bischof Willi und Domkapitular Hilpisch. GStA PK, Tagebuch Bosse, Nr. 8: Eintrag v. 8.6.1899. Vgl. Notiz des Regierungspräsidenten Wiesbaden v. 23.11.1902, in: HHStA WI, Abt. 405, Nr. 12642. Vgl. Höhler, Geschichte des Bistums Limburg.
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Strieth, sowie drei Pfarrseelsorger, nämlich der Pfarrer von Bad Ems, Damian Kunst, der Pfarrer von Wiesbaden Maria Hilf, Dr. Antonius Hilfrich, und der Pfarrer von Frankfurt St. Bernardus, Dr. Joseph Quirmbach, Aufnahme. Allerdings hatte einer der drei nominierten Gemeindeseelsorger bereits engere Kontakte zum Gravitätszentrum der Diözese, weil er zeitweilig im Priesterseminar in Limburg tätig gewesen war. Nicht mehr berücksichtigt wurde Stadtpfarrer Adam Keller von Wiesbaden, der zwar 1898 mindergenehm erklärt worden war, mittlerweile aber als politisch gemäßigt und patriotisch gesonnener Geistlicher wieder die Gnade der Staatsbehörden gefunden hatte144.
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atthäus Göbel145 war 1862 in Winkel (heute Oestrich-Winkel) im Rheingau als Sohn eines Schneidermeisters geboren worden. Er hatte nach dem in Montabaur abgelegten Abitur sein Theologiestudium in Bonn und Dillingen absolviert, wo er – wegen des Kulturkampfes – auch 1884 die Priesterweihe erhalten hatte. Danach in sein Heimatbistum zurückgekehrt, führten Göbels Kaplansjahre nach Höchst und Hadamar. 1893 wurde er Subregens am Priesterseminar in Limburg und sechs Jahre später durch bischöfliche Verleihung in das Domkapitel aufgenommen. Zudem betätigte er sich als Diözesanpräses der Gesellenvereine (Kolping). Unter den Persönlichkeiten, die für ein höheres kirchliches Amt in Frage kämen, hatte der Limburger Landrat 1902 bereits auch Matthäus Göbel genannt146. Allerdings hatte damals der Regierungspräsident Front gegen ihn gemacht: Göbel sei mit 40 Jahren noch zu jung147. Auch sei er erst zu kurz in seinem Amt und mache sich im gesellschaftlichen Leben Limburgs überhaupt nicht bemerkbar. In der letztgenannten Tatsache, dass Göbel sich staatlicherseits weder in die Partei der dezidiert ultramontanen Geistlichen, noch in die Gruppe der staatsfreundlichen Kleriker einsortieren ließ, lag wahrscheinlich der Hauptgrund für die abweisende Haltung in Wiesbaden.
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ntonius Hilfrich148, Jahrgang 1873, stammte aus einer kinderreichen Landwirtsfamilie in Lindenholzhausen bei Limburg. Nach dem Abitur in Montabaur absolvierte er sein Theologiestudium von 1892 bis 1899 als
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Vgl. Polizeipräsident Wiesbaden an Regierungspräsident Wiesbaden v. 13.10.1902, in: HHStA WI, Abt. 405, Nr. 12690. Zu Göbel (1862–1948), der 1920–1947 Generalvikar u. seit 1928 auch Domdekan in Limburg war, vgl. Schatz, Göbel, in: Gatz, Bischöfe, S. 251; Renkhoff, Nassauische Biographie, S. 124; u. Becker, Die Domdekane von Limburg, S. 223f. Vgl. Rabe an Wentzel v. 30.7.1902, in: HHStA WI, Abt. 411, Nr. 1445. Vgl. Notiz in Regierungspräsident Wiesbaden v. 23.11.1902, in: HHStA WI, Abt. 405, 12642. Zu Hilfrich, der 1930 Weihbischof mit dem Recht der Nachfolge von Bischof Kilian und im selben Jahr Bischof werden sollte (gest. 1947), vgl. Schatz, Hilfrich, in: Gatz, Bischöfe, S. 306f.
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Alumne des Collegium Germanicum in Rom149, wurde dort 1898 zum Priester geweiht und kehrte – wie üblich als Dr. theol. et phil. – im Folgejahr in seine Heimatdiözese zurück. In seiner priesterlichen Laufbahn als Kaplan in Weilburg und am Frankfurter Dom sowie als Regens des Bischöflichen Konvikts in Hadamar profitierte er nicht zuletzt vom guten Namen seines älteren Bruders Joseph Anton Hilfrich, dessen hervorragende Studienleistungen in Rom Papst Leo XIII. bewogen haben sollen, auch ihm das Studium als Germaniker zu ermöglichen150. Letzterer hatte ebenso die römische Ausbildung absolviert und genoss dennoch Sympathien in Regierungskreisen. Jedenfalls war er als Stadtpfarrer von Frankfurt bereits gut ein Jahrzehnt zuvor von den städtischen Behörden gegenüber dem Regierungspräsidenten für höhere Aufgaben empfohlen worden151. Möglicherweise erhofften sich die Kapitelsmitglieder, dass der Bonus dieses bereits 1909 an einer Lungenentzündung verstorbenen Geistlichen nun auf den seit 1911 mit dem Aufbau der jungen Pfarrgemeinde Maria Hilf in Wiesbaden beauftragten Antonius Hilfrich übergehen würde.
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ugustinus Kilian152 wurde 1856 als Sohn einer altansässigen Handwerkerfamilie in Eltville im Rheingau geboren. Der als Schuhmachermeister tätige Vater starb bereits 1858, und die Mutter heiratete zwei Jahre darauf den evangelischen Heinrich Dittmann, der die Werkstatt übernahm. Als Schüler des Bischöflichen Konvikts in Hadamar legte Kilian am dortigen Gymnasium 1877 gemeinsam mit dem späteren Gründungsdirektor des Deutschen Caritasverbands, Lorenz Werthmann, das Abitur ab153. Wegen des Kulturkampfes musste er zum Theologiestudium nach Münster und München ausweichen und konnte anschließend auch nicht nach Limburg zurückkehren, sondern trat in das Priesterseminar in Freising ein, wo ihn der München-Freisinger Erzbischof Antonius Steichele 1881 zum Priester weihte. Seine erste priesterliche Tätigkeit führte Kilian als Kooperator nach Bad Reichenhall an die Seite von Pfarrer von Lechner, des späteren Münchner Dompropstes154. Außerdem konnte Kilian seine kirchenrechtliche Dissertation in Rom abschließen und war am Kolleg der deutschen Nationalkirche Santa Maria dell’Anima als Kap149 150
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Vgl. Schmidt, Das Collegium Germanicum und die Germaniker, S. 330. So Crone, in: Die Frankfurter Stadtpfarrer, S. 24. Zu Joseph Anton Hilfrich (1866–1909), der von 1885–1892 Germaniker war, u. seit 1902 als Stadtpfarrer von Frankfurt/Main wirkte, vgl. auch DA Limburg, Priesterkartei, u. Schematismen, sowie Weier, Das Bischöfliche Kommissariat Frankfurt, S. 217, u. Schmidt, Das Collegium Germanicum und die Germaniker, S. 330. Vgl. Notiz in Regierungspräsident Wiesbaden v. 23.11.1902, in: HHStA WI, Abt. 405, Nr. 12642. Zu Kilian vgl. Schatz, Kilian, in: Gatz, Bischöfe, S. 381–383; Becker, Kilian, in: AMRKG, Bd. 29 (1977), S. 175–190; u. Renkhoff, Nassauische Biographie, S. 202. Vgl. Becker, Kilian, S. 175. Zu Lechner vgl. das Kapitel Bayern in diesem Band.
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lan tätig155. Nachdem Bischof Blum aus seinem Exil wieder nach Limburg zurückgekehrt war, konnte auch Augustinus Kilian in den seelsorglichen Dienst seines Heimatbistums eintreten. Als Kaplan am Limburger Dom erhielt er 1884 schon in sehr jungen Jahren eine exponierte Stellung, zumal seine Vorgesetzten, die Limburger Stadtpfarrer, stets in Personalunion dem Domkapitel angehörten. Stadtpfarrer Johann Christian Roos beispielsweise wurde zudem kurz darauf Bischof und schließlich Erzbischof von Freiburg. 1890 wechselte Kilian als geistlicher Religionslehrer an das Gymnasium in Montabaur und legte parallel in Münster das Oberlehrerexamen in den Fächern Religion und Hebräisch sowie zusätzlich für die Mittelstufe in Deutsch ab. Als der Wiesbadener Regierungspräsident im November 1897 bei allen Landräten des Bezirks nach katholischen Geistlichen anfragte, die sich aus staatlicher Sicht für höhere Stellen eigneten, brachte der Landrat von Montabaur Kilian ins Gespräch, den er als „sehr begabter und wissenschaftlich regsamer Herr von sympathischen Formen“156 beschrieb. Nachdem dann ein Jahr später eine Domherrenstelle in Limburg durch Wahl des Kapitels zu besetzen war, brachte letzteres auch den Montabaurer Oberlehrer auf die Liste157, und zwar an erster Stelle. Der nunmehr um ausführliche Stellungnahme gebetene Landrat attestierte ihm, „ein fein gebildeter Mann und geistreicher Prediger“158 zu sein. Für Kilian sprach staatlicherseits bereits zu diesem Zeitpunkt, dass er sich parteipolitisch überhaupt nicht betätigt hatte. Dagegen gefiel dem Landrat außerordentlich, dass Kilian sich „mit der sozialpolitischen Gesetzgebung beschäftigt und Vorträge über die Altersund Invaliditätsversicherung gehalten“ hatte. Anlässlich einer erneuten Aufstellung für höhere Aufgaben geeigneter Kleriker 1902 lebte Kilian dann ja bereits im Bezirk des Landrats Rabe von Limburg, der ihn auf Nachfrage aus dem Regierungspräsidium nicht empfahl, weil er ihn für zu jung hielt. Dennoch könne er bei Kilian nur dessen Tüchtigkeit und sein Bestreben, gut mit den staatlichen Behörden zusammenzuarbeiten, loben159.
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amian Kunst160 stammte aus kleinen Verhältnissen in Montabaur im Westerwald, wo er 1867 als Sohn eines Buchbinders geboren wurde. Nach der
Vgl. Gatz, Rom als Studienplatz deutscher Kleriker, S. 190. Landrat Dr. Schmidt, Montabaur, an Regierungspräsident Wiesbaden v. 8.1.1898, in: HHStA WI 405, Nr. 12690. Das Schreiben war eine Reaktion auf die Anfrage des Regierungspräsidenten v. 15.11.1897, alle kath. Geistlichen zu benennen, die sich für höhere Stellen eigneten. Ausführlich über die Wahl zum Domkapitular vgl. Becker, Kilian, S. 177f. Landrat Dr. Schmidt an Regierungspräsident Wiesbaden v. 24.11.1898, in: HHStA WI, Abt. 405, Nr. 12642. Hier auch das folg. Zit. Vgl. Notiz im Regierungspräsidium Wiesbaden v. 23.11.1902, ebd. Dagegen hervorgehoben bei Rabe an Wentzel v. 30.7.1902, ebd., Abt. 411, Nr. 1445. Zu Kunst, der 1944 als Päpstlicher Ehrenkämmerer (Msgr.) starb u. 1938 mit dem NSRegime in Konflikt geriet, vgl. DA Limburg, Priesterkartei, u. von Hehl, Priester unter Hitlers Terror, S. 837.
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bereits mit 22 Jahren 1889 in Limburg empfangenen Priesterweihe verbrachte er die Kaplansjahre in Lorch, Bad Ems, am Frankfurter Dom (1891–1894) und in Assmannshausen. Als Regens in Hadamar und Subregens in Limburg sammelte Kunst Erfahrungen in der Heranbildung des Klerus, bevor er 1906 die Pfarrei Bad Ems übernahm. Drei Jahre später war er von Bischof Willi dem Frankfurter Magistrat als neuer Stadtpfarrer vorgeschlagen, von diesem aber abgelehnt worden161. Dieses in der Geschichte der katholischen Stadtpfarrei in Frankfurt einmalige Misstrauensvotum ließ Kunst beim Regierungspräsidenten als persona minus grata für den Bischofsstuhl erscheinen.
J
oseph Quirmbach162 war 1873 in Wirges im Westerwald als Landwirtssohn geboren worden und hatte nach der 1896 in Limburg erhaltenen Priesterweihe als Kaplan in Limburg und Wiesbaden Maria Hilf gewirkt. Von seiner dritten Kaplanstelle am Frankfurter Dom aus war ihm 1907 das Amt des Rektors an der neu errichteten St.-Bernardus-Kirche übertragen worden. Insofern erschien er insbesondere angesichts seiner intimen Kenntnisse der Großstadtseelsorge und seiner Vertrautheit mit dem Aufbau einer neuen Gemeinde als innovativer Kandidat, wobei ihm jegliche Erfahrung in administrativen Dingen fehlte.
J
akob Strieth163 hatte 1867 – ebenso wie sein Mitkandidat Matthäus Göbel – in Winkel im Rheingau das Licht der Welt erblickt, und zwar als Sohn eines Schmiedes und Schlossers. Als 23-jähriger erhielt er 1890 in Limburg die Priesterweihe. Nach Aushilfen war er acht Jahre Kaplan in Frankfurt St. Leonhard, bevor er 1899 als Sekretär in die Ordinariatskanzlei und Domvikar nach Limburg kam. Nach vierjähriger Tätigkeit als Pfarrer in WiesbadenBiebrich wurde er 1909 zum Domkapitular in Limburg und zum Wirklichen Geistlichen Rat ernannt. Schon 1902 hatte sich eine weniger vorsichtige, insgesamt tolerantere Linie hinsichtlich der Bewertung von episkopablen Geistlichen bemerkbar gemacht, wenn es etwa hieß, dass „die Personalfrage bei Auswahl der Kandidaten für Bischofssitze nicht überschätzt werden [dürfe], da jeder Geistliche mit der Ernennung zum Bischof der Repräsentant eines Systems“164 werde. Kurz gesagt, war es die Erkenntnis eines Regierungsbeamten, dass die Richtung einer Diözese vom Domkapitel vorgegeben werde und nicht von der Autorität eines 161 162
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Vgl. Natale, in : Die Frankfurter Stadtpfarrer, S. 27. Zu Quirmbach, der 1926 als Pfarrer von St. Bernardus Frankfurt verstarb, vgl. DA Limburg, Priesterkartei u. Schematismen. Zu Strieth, der 1943 als Päpstlicher Hausprälat in Limburg starb, vgl. DA Limburg, Priesterkartei u. Schematismen. Notiz in Regierungspräsident Wiesbaden, in: HHStA WI, Abt. 405, Nr. 12642.
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Bischofs. Vor diesem Hintergrund war es dann auch kein Tabubruch mehr, einen Germaniker, wie den bereits erwähnten Frankfurter Stadtpfarrer Dr. Joseph Anton Hilfrich, in die staatliche Personaldiskussion mit einzubeziehen. Dass bei der Bischofswahl 1913 in Regierungskreisen die Vorbehalte vornehmlich gegen Angehörige des Limburger Domkapitels dennoch weiterhin stark waren, zeigt die am 18. April 1913 aus Berlin zunächst an das Kasseler Oberpräsidium zurückgesandte Liste. Darin waren zwei der drei nominierten Domherren, nämlich Göbel und Strieth, abgelehnt und nur Domkapitular Kilian auf der Liste belassen worden. Von den drei Pfarrgeistlichen waren dagegen zwei, nämlich Hilfrich und Quirmbach, akzeptiert worden. Wenn darunter sogar ein Germaniker war, zeigt dies allerdings, dass staatlicherseits zumindest dieses Pauschalverdikt fallengelassen worden war. Als am 13. Mai 1913 das Kapitel zur Entscheidung zusammentrat, gaben von den sechs Wählern vier ihre Stimme Augustinus Kilian. Kilian selbst soll für Hilfrich gestimmt haben, während Kapitularvikar Hilpisch seine Stimme Quirmbach gegeben hat165. Augrund ihrer fehlenden Nähe zur Bischöflichen Verwaltungsspitze in Limburg waren beide „fast nur Verlegenheitskandidaten“166, so dass Kilian den ihm zugekommenen „Domkapitelsbonus“ auszunutzen verstand. Das Domkapitel sandte umgehend ein lateinisches „Instrumentum electionis“ an die Münchner Nuntiatur, von der aus bereits am Folgetag das päpstliche Staatssekretariat über den Wahlausgang in Kenntnis gesetzt wurde167. Angesichts der noch immer aktuellen Modernismus-Diskussion gehörte es inzwischen ebenso zu den Aufgaben der Nuntiatur, die Persönlichkeit des erwählten Bischofs auf eine etwaige modernistische Haltung zu prüfen. Im Falle Kilians kam der päpstlichen diplomatischen Vertretung die Tatsache entgegen, dass in dessen Curriculum – ebenso wie in den Pressemeldungen – nicht nur die römischen Studienjahre des hervorgehoben wurden, sondern auch dessen aus dieser Zeit heraus resultierende Bekanntschaft mit dem Hildesheimer Bischof Adolf Bertram Erwähnung fand, während der gleichfalls vom Priesterkolleg der Anima her mit Kilian bekannte Kardinal Franz Xaver Nagl168, Fürsterzbischof von Wien, kurze Zeit zuvor verstorben war. Nuntius Frühwirth wandte sich wohl deshalb an Bertram, der umgehend berichtete, er habe während der gemeinsamen zwei Jahre an der Anima „mit Kilian mehr verkehrt als mit anderen Kaplänen“169, weil beide mit dem nunmehrigen Jesui165 166 167
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So berichtete Hilpisch an Frühwirth am 24.5.1913, in: ASV ANM 265. So Höhler gegenüber Frühwirth am 25.5.1913, ebd. Vgl. Instrumentum electionis v. 13.5.1913 u. Nuntiatur München an Merry del Val v. 14.5.1913, ebd. Zu Nagl (1855–1913), seit 1911 Fürsterzbischof von Wien, vgl. Hartmann, Nagl, in: Gatz, Bischöfe, S. 526–528. Bertram an Frühwirth v. 16.5.1913 auf das Schreiben des Nuntius v. 15.5.1913, in: ASV
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tengeneral Franz Xaver Wernz SJ170 den gleichen akademischen Lehrer gehabt und zudem viele gemeinsame Ausflüge unternommen hätten. Daher könne er Kilian als glaubenseifrigen Priester empfehlen, der nach allem, was er in den letzten Jahrzehnten von ihm gehört habe, auch nach seiner Rückkehr in sein Heimatbistum Limburg seine guten „Eigenschaften bewahrt und in segensreicher Arbeit zu weiterer Vollendung geführt“ habe. Parallel hatte der Nuntius auch den Abt von Marienstatt und Nachfolger des verstorbenen Bischofs Willi, Conradus Kolb171, um Auskunft gebeten. Letzterer beteuerte, Kilian seit dessen Erwählung zum Domkapitular in Limburg 1899 persönlich zu kennen und „nie etwas über ihn gehört [zu haben], dass er in rebus fidei et morum zu beanstanden wäre“172. Er merkte lediglich an, dass auf Dauer ein Ärgernis daraus erwachsen könne, dass der designierte Bischof seinen protestantischen Stiefvater in seinem Haushalt aufgenommen habe. Was die zu erwartende Haltung Kilians hinsichtlich der von seinem Vorgänger Willi betriebenen Einrichtung eines theologischen Studiums in Limburg angehe, stehe er diesem Plan wie andere Domherren auch ablehnend gegenüber. In eine prekäre Lage wurde der neue Limburger Bischof lediglich durch den dritten Informanten der Nuntiatur, den Limburger Kapitularvikar Georg Hilpisch gebracht. Hilpisch unterstellte dem designierten Bischof eine nähere und unziemliche Bekanntschaft mit einer Frau, und zwar mit der Schwester eines priesterlichen Freundes in Frankfurt am Main, zu unterhalten173. Ohne einen konkreten Namen zu nennen, erwähnte Hilpisch, dass Kilian mit dieser Dame nicht nur lange Spaziergänge und Ausflüge unternommen, sondern auch eine Theateraufführung besucht habe. Auch seien sie gemeinsam in einem Badeort gesehen worden. Von seinem Wissen über diese Beziehung habe er, Hilpisch, drei Kollegen im Domkapitel, nämlich Wilhelm Tripp, Matthias Höhler und Matthäus Göbel, vor der Wahl in Kenntnis gesetzt und diesen gegenüber seine Befürchtung geäußert, dass Kilian erstens unwürdig sein könnte, die Bischofswürde zu erlangen. Zweitens könnte die Gefahr bestehen, dass kirchenfeindliche liberale oder sozialistische Kreise dieses nähere Verhältnis Kilians zum Anlass nehmen würden, einen Skandal zu entfachen, welcher der katholischen Kirche zum Nachteil gereichen könnte. Trotz dieser Warnung sei er letztlich – wie er offen bekannte – der einzige gewesen, der Augustinus Kilian nicht seine Stimme gegeben habe.
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ANM 265. Hier auch das folg. Zit. Zu Wernz (1842–1914), 1882 Prof. für Kirchenrecht an der Gregoriana in Rom, 1906 General der SJ, vgl. Mosiek, Art. Wernz, in: LThK2, Bd. 10 (1965), Sp. 1057f. Zu Kolb (1852–1918), seit 1898 Abt, vgl. 1888–1988: 100 Jahre Wiederbesiedlung Marienstatt, S. 120–125. Staatlicherseits war Kolb keine „persona grata“ wie aus einem Schreiben des zuständigen Landrats von Marienburg an Wentzel v. 4.10.1902, in: HHStA WI, Abt. 405, Nr. 12690, hervorgeht. Kolb an Frühwirth v. 18.5.1913, in: ASV ANM 265. Vgl. Hilpisch an Frühwirth v. 19.5.1913, ebd.
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Wie wichtig es Hilpisch erschien, dass seine als „streng vertraulich“ gekennzeichneten Vorwürfe auch in Rom in allen Einzelheiten zur Kenntnis genommen wurden, lässt sich daraus ersehen, dass er diese in lateinischer Sprache formulierte174. Zumindest lässt dies den Schluss zu, dass er möglichen Verständnisfehlern auf diese Weise gleich vorzubeugen gedachte. Umgehend erstellte die Nuntiatur einen Fragenkatalog zu diesem Problemfeld, den sie sowohl Hilpisch als auch den drei von ihm vorab ins Benehmen gesetzten Domherren Tripp, Göbel und Höhler sowie dem Frankfurter Stadtpfarrer Ludwig Abt175 übersandte, ohne den Namen des Informanten preiszugeben. Hierin sollten die Adressaten darüber wahrheitsgemäß Auskunft geben, ob sie 1. von der Freundschaft Kilians mit der Schwester eines Limburger Diözesangeistlichen vor der Wahl Kenntnis besaßen, 2. Bedenken gegen die Wahl gehabt hätten und 3. in welchem Verhältnis sie selbst zu Kilian stehen würden. Als erster beantwortete Stadtpfarrer Ludwig Abt den Fragenkatalog, indem er dem Nuntius offenbarte, hinter der vermeintlichen Freundin des designierten Bischofs verberge sich niemand anderes als seine Schwester Anna Abt, eine ausgebildete Lehrerin, die seit 1885 seinem Bruder, dem Limburger Domkapitular und Dompfarrer Anton Abt den Haushalt geführt habe176. Augustinus Kilian habe während seiner Limburger Kaplanszeit in diesem Haushalt gelebt und sei seither mit Anna Abt freundschaftlich verbunden, was aber „stets von dem höchsten sittlichen Ernste getragen“ worden sei. Dies könne er auch deshalb beurteilen, weil seine Schwester Anna nach dem Tod ihres Bruders Anton seit nunmehr 18 Jahren ihm den Haushalt führe und er zudem mit Augustinus Kilian eng befreundet sei. Insofern habe er von dessen Kontakt mit Anna Abt selbstverständlich vor der Wahl gewusst. Da er diese aber „für vollkommen einwandfrei, für die korrektesten und edelsten halte“, habe er nicht die geringsten Bedenken gegen die Bischofserhebung geltend zu machen. Als Beleg dafür, dass das vermeintliche „Paar“ Kilian-Abt „wohl freundschaftlich, aber durchaus nicht vertraut miteinander“ verkehrte, führte der Frankfurter Stadtpfarrer die Tatsache an, dass „sie sich nie mit Vornamen und mit „du“, sondern stets mit ihren Titeln einander anreden“. Georg Hilpisch bekräftigte zwar seinen Vorwurf, dass „der Genannte schon seit zwei Jahrzehnten und etwas länger eine manchmal auffällige und Anstoß erregende Freundschaft mit … Fräulein Anna Abt unterhält“177, vermochte 174 175
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Immerhin war die Muttersprache des amtierenden Nuntius Frühwirth Deutsch. Zu Ludwig Abt (1851–1921), seit 1909 Stadtpfarrer in Frankfurt, vgl. Natale, in: Die Frankfurter Stadtpfarrer, S. 26f. Vgl. Abt an Frühwirth v. 22.5.1913, in: ASV ANM 265. Hier auch die folg. Zit. Zu Anton Abt (1841–1895), geb. in Seelenberg, Priesterweihe 1864, seit 1885 Stadtpfarrer u. Domkapitular, seit 1887 nur noch Domkapitular in Limburg, der 1883 staatlicherseits als Domherrenkandidat bemängelt worden war, vgl. Schatz, Drei Limburger Bischöfe, S. 210, Anm. 76; Gatz, Zur Neubesetzung, S. 81; sowie Renkhoff, Nassauische Biographie, S. 2. Hilpisch an Frühwirth v. 24.5.1913, in: ASV ANM 265. Hier auch das folg. Zit.
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aber erneut keine Beweise vorzulegen. Selbst der Hinweis auf einen „vor einigen Jahren … in einem Frankfurter Blatte“ erschienenen Artikel, „den manche als Andeutung der häufigen Besuche bei Fräulein Abt … auffassten“, blieb vage, da Hilpisch zum einen selbst von einer bloßen Andeutung sprach und zum anderen auch zugab, den besagten Artikel nicht persönlich gelesen, sondern nur davon gehört zu haben. Dass die von ihm eingeweihten drei Domherren sämtlich dennoch ihre Stimme auf Kilian hatten entfallen lassen, sah Hilpisch in der geringen Kandidatenauswahl begründet. Kilian sei eben auch deshalb Favorit geworden, weil er als einziger Domherr nicht gestrichen worden war. Offensichtlich war dem Kapitularvikar bewusst, dass er einer Beweispflicht nicht würde genügen können. Jedenfalls schlug er Frühwirth vor, der Heilige Stuhl möge Kilian eidlich beschwören lassen, nicht gegen den Zölibat verstoßen zu haben. Sollte der Erwählte diesen Eid leisten, tue Rom Gut daran, ihn als Bischof zu präkonisieren, um die Ehre der Kirche zu retten, zumal Kilian in Verwaltungsangelegenheiten gewandt und erfahren sei. Auch in den Augen des Domherrn Höhler war Kilian der einzige ernstzunehmende Kandidat unter den auf der Liste verbliebenen Geistlichen. Gleichwohl habe er im Vorfeld zweierlei persönliche Bedenken gegen Kilian gehabt. Erstens dessen Gallen- und Gichtleiden und zweitens dessen Beziehung zu Fräulein Abt. Während ersteres Bedenken sich durch den seit Jahren guten Gesundheitszustand zerstreut habe, sei auch der zweite Punkt letztlich für ihn kein Grund gewesen, Kilian nicht seine Stimme zu geben, da es doch natürlich sei, dass sich zwischen einem Kaplan und der Haushälterin in einem Pfarrhaus „eine gegenseitige natürliche Anziehungskraft“ entwickle. Anstoß erregend habe er diese Sympathie – nur darum handle es sich – niemals empfunden. Domkapitular Tripp stellte unmissverständlich klar, von dem Vorwurf gegen Kilian erstmals durch Hilpisch kurz vor der Wahl erfahren zu haben. Außerdem halte er den „darin angedeuteten Verdacht eines sittlich anstößigen Verhältnisses zwischen den in Frage stehenden Personen für umso unbegründeter als er von einer Seite kommt, die an der Bischofswahl ein persönliches Interesse hat“178. Das war ein klarer Seitenhieb auf Hilpisch, den nicht nur Tripp insgeheim als Urheber der Denunziation Kilians entlarvt hatte. – Auch Höhler und Domkapitular Göbel gaben zu Protokoll, dass ihnen Hilpisch vor dem Wahlakt „ungefähr dasselbe mitteilte, was bei der Apostolischen Nuntiatur angezeigt worden ist“179. Tripp jedoch brachte als einziger Befragter auf den Punkt, dass es sich um ein aus „invidia clericalis“ gestreutes Gerücht handele, da Hilpisch „selbst am liebsten Bischof von Limburg geworden“ wäre. Nachdem er aber nicht auf die Liste gelangt sei und nach den Streichungen der Regierung die Wahl auf Kilian hinauszulaufen schien, habe er offenbar befürchtet, zudem seine unter Bischof 178 179
Tripp an Frühwirth v. 24.5.1913, ebd. Göbel an Frühwirth v. 25.5.1913, ebd. Ähnlich der Wortlaut bei Höhler.
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Willi erlangte Machtposition als zweiter Mann des Bistums zu verlieren, da Kilian im Vergleich zu seinem Vorgänger selbst ein erfahrener Verwaltungsmann war und seine administrativen Fähigkeiten nicht mehr benötigen würde. Für Nuntius Frühwirth war damit wohl deutlich, dass es sich bei den Anschuldigungen Hilpischs um eine „Denunziation“ 180 – dieses Wort hatte Ludwig Abt bereits in seiner Antwort gebraucht – handelte, mochte der Kontakt Augustinus Kilians zu Anna Abt auch die Grenzen der damals üblichen Konventionen im öffentlichen Umgang eines Geistlichen mit dem weiblichen Geschlecht überschritten haben. Seine Kollegen im Domkapitel, die ihn ja auch – wie Ludwig Abt betonte – „beinahe einstimmig“ zum Bischof gewählt hatten, waren von seiner persönlichen Integrität überzeugt. Zudem blieben die Vorwürfe ohne konkrete Beweise, die Hilpisch nicht beibringen konnte, im Bereich der Vermutung. Schlüssig erscheint zudem die These, dass der Kapitularvikar aus der sog. invidia clericalis heraus agierte. Obwohl Hilpisch aus der Warte der staatlichen Behörden genehm war, nutzte er deren Gunst augenscheinlich nicht aus, um auch dort gegen die Wahl von Augustinus Kilian zu intervenieren. Nun ließe sich nur darüber spekulieren, inwieweit seine Denunziation beim Regierungs- bzw. Oberpräsidenten auf Gehör gestoßen wäre. In jedem Fall hätten die Behörden die Angelegenheit schon deshalb untersuchen müssen, weil nur sittlich einwandfreie Kleriker für das Bischofsamt qualifiziert waren. Nachdem die päpstliche Präkonisation am 4. Juni 1913 erfolgt war, versuchte Domdekan Hilpisch nicht mehr offensichtlich dem weiteren Procedere Steine in den Weg zu legen, wohl aber zeigte er sich dahingehend als Steigbügelhalter der Staatsbehörden, dass er beim Nuntius um eine Verzögerung des Informativprozesses nachsuchte, damit der Konsekrationstermin nicht in die urlaubsbedingte Abwesenheit des Oberpräsidenten falle181. Fünf Tage nach Erteilung der landesherrlichen Anerkennung erhielt Augustinus Kilian am 8. September 1913 durch Erzbischof Thomas Nörber von Freiburg die Konsekration im Limburger Dom182.
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Ludwig Abt an Nuntius v. 22.5.1913, ebd. Vgl. Hilpisch an Frühwirth v. 3.6.1913, ebd. Vgl. Waldecker, Ehrenpforten, Blumen und Fahnen, hier S. 267–271.
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ür die preußische Provinz Schlesien mit Ausnahme der Grafschaft Glatz und des Distrikts Katscher1 und Teile Brandenburgs war durch die Bulle „De salute animarum“ 1821 Breslau als exemte Diözese neu umschrieben worden 2. Nach wie vor gehörte auch der in den Schlesischen Kriegen Mitte des 18. Jahrhunderts österreichisch gebliebene Teil Schlesiens, das Kronland Österreichisch-Schlesien, zu diesem Jurisdiktionsbezirk. Hier verfügte der Bischof mit Schloss Johannesberg bei Jauernig nicht nur über eine großzügige Sommerresidenz, sondern auch über ausgedehnte Besitzungen, die es ihm erlaubten, als einziger in Preußen ansässiger Oberhirte den Titel eines Fürstbischofs zu führen. Dadurch war der Fürstbischof zugleich Mitglied des schlesischen Landtags in Troppau sowie des österreichischen Herrenhauses. Weil zu Breslau auch der die preußische bzw. Reichshauptstadt Berlin3 umfassende größte Teil Brandenburg und die Provinz Pommern als Delegaturbezirk Brandenburg-Pommern gehörten, handelte es sich um die an Fläche größte Diözese im gesamten deutschsprachigen Raum und die an Einwohnerzahlen nach Köln zweitgrößte Diözese nicht nur Preußens bzw. des Deutschen Reiches, sondern der Welt 4. Sie zählte 1902 gut 2,6 Millionen Katholiken, den Delegaturbezirk Brandenburg-Pommern nicht eingerechnet5. Fürstbischof Heinrich Förster6 hatte während des Kulturkampfes, und zwar bereits bevor er im Oktober 1875 staatlich abgesetzt worden war, seinen Sitz in seine Sommerresidenz im österreichischen Bistumsteil verlegt 7. Nach dem Tod dieses langjährigen Oberhirten, dessen Wertschätzung Papst Pius
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Vgl. daher die separaten Kurzbeiträge zu Glatz und Katscher/Branitz in diesem Band. Zur Diözese Breslau vgl. im Überblick Gatz, Breslau, in: Die Bistümer und ihre Pfarreien, S. 218–233, u. Gatz/Bendel, (Erz-)Bistum Breslau, in: Gatz, Die Bistümer der deutschsprachigen Länder, S. 120–140. Vgl. hierzu Jablonski, Geschichte des fürstbischöflichen Delegaturbezirks Brandenburg, u. Stasiewski, Die katholische Kirche im Bereich des Bistums Berlin. Einen exzellenten zeitgenössischen Einblick in die Bistumsstruktur von Breslau gibt der 1883 von Fürstbischof Herzog anlässlich seines Ad-limina-Besuchs in Rom vorgelegte Bericht: Ediert von Strnad, Relatio Status Ecclesiae Wratislaviensis, in: ASKG, Bd. 28 (1970), S. 183–215, hier S. 190–215. Vgl. Gatz, Breslau, in: Ders., Die Bistümer und ihre Pfarreien, S. 233. Zu Förster (1799–1881) vgl. Gatz, Förster, in: Ders., Bischöfe, S. 200–203; Stasiewski, Förster, in: NDB, Bd. 5 (1961), S. 278f. Zum Kulturkampf in Schlesien, der nur unzureichend aufgearbeitet ist, vgl. Köhler, Die katholische Kirche, in: Menzel (Hrsg.), Geschichte Schlesiens, Bd. 3, S. 165–251, hier S. 223–229; Andree, Der Kulturkampf in Schlesien, in: ASKG, Bd. 53 (1995), S. 151–168; Mai, Folgen des „Kulturkampfes“, in: ASKG, Bd. 59 (2001), S. 229–246; Bein, Der Kulturkampf und seine Auswirkungen in Schlesien, in: Ders. (Hrsg.), Schlesien in der Wilhelminischen Ära, S. 14–18.
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IX. durch Verleihung des persönlichen Palliums bekräftigt hatte8, reichte das Breslauer Kapitel zwar 1881 eine Liste ein, die u.a. auch den Propst an St. Hedwig in Berlin und Fürstbischöfl ichen Delegaten Robert Herzog9 enthalten hatte. Die preußische Regierung entschloss sich allerdings unter Umgehung des Domkapitels in direkte Verhandlungen mit der römischen Kurie einzutreten, aus denen Herzog als neuer Fürstbischof hervorging, dem aber nur eine kurze Amtszeit beschieden sein sollte.
Bischofswahl 1887 Als Fürstbischof Herzog bereits am 26. Dezember 1886 mit 63 Jahren gestorben war, wählte das Domkapitel Weihbischof Hermann Gleich zum Kapitularvikar, der diese Aufgabe bereits in der vier Jahre zurückliegenden letzten Sedisvakanz wahrgenommen hatte10. Wenn die preußische Regierung in der Folge besonders vehement für die Ernennung eines ihr genehmen Bischofs eintrat, so lag dies nicht nur an der Bedeutung des schlesischen Bischofsstuhles. Vielmehr hatte Fürstbischof Herzog in Breslau keineswegs den in ihn staatlicherseits gesetzten Hoffnungen entsprochen. Reichskanzler Otto von Bismarck soll jedenfalls zutiefst enttäuscht geäußert haben, dass „ein Mann, den wir fünfzehn Jahre hier in Berlin als Propst gehabt haben und als durchaus friedliebend gekannt haben, nachdem er Fürstbischof von Breslau geworden [war], uns von allen die größten Schwierigkeiten gemacht hat“11. Reichlich frustriert soll der Kanzler sich gegenüber dem Zentrumspolitiker Georg von Hertling geäußert haben: „Dieser Fall … beweise eklatant, wie wenig Wert für den Staat die vorherige Anzeige habe. Niemals könne man wissen, wie ein Geistlicher … sich nach der Berufung entwickeln werde“12. Die in seinen Augen äußerst negative Entwicklung des verstorbenen Fürstbischofs hatte ihre Ursache in der Person des Domkapitulars Adolph Franz13. 8
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Vgl. Strnad, Die Verleihung des erzbischöflichen Palliums an Fürstbischof Heinrich Förster, in: ASKG, Bd. 31 (1973), S. 187–200. Zu Herzog (1823–1886) vgl. Gatz, Herzog, in: Ders., Bischöfe, S. 305f.; Pater, Słownik biograficzny, S. 132f; Strnad, Relatio Status ecclesiae Wratislaviensis, hier S. 187f.; Samulski, Der Anteil des Berliner Delegaturbezirkes, in: Wichmann-Jahrbuch, Bd. 4–6 (1933), S. 88–97, hier S. 91. Vgl. Stasiewski, Gleich, in: Gatz, Bischöfe, S. 249f., hier S. 250. Nur überaus kursorisch ist die Bischofswahl 1887 bei Negwer/Engelbert, Geschichte des Breslauer Domkapitels, S. 131f., behandelt worden. Hertling, Erinnerungen aus meinem Leben, Zweiter Band, S. 33. Ähnlich äußert sich auch Ballhausen, Bismarck-Erinnerungen, S. 238. Ebd., S. 34. Zu Franz vgl. Mann, Biographisches Handbuch für das Preußische Abgeordnetenhaus, S. 607; Negwer/Engelbert, Geschichte des Breslauer Domkapitel, S. 287f.; Haunfelder, Reichstagsabgeordnete der Deutschen Zentrumspartei, S. 156f.; Neubach, Schlesische
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Franz war einer der „maßgeblichen Kirchenpolitiker in Schlesien und ganz Ostdeutschland“14 und galt als „eigentlicher Leiter der Diözese Breslau unter Fürstbischof Herzog“. Er hatte beispielsweise drei Wochen vor dem Tod Herzogs eine erneute Demarche im Vatikan unternommen, indem er im Auftrag Herzogs dem Weihbischof Gleich alle wesentlichen Fakultäten eines Diözesanbischofs delegiert hatte15. Wenn sich der preußische Kultusminister Gustav Goßler einmal bei Bismarck darüber beklagt hatte, „welche Früchte das Germanicum zeitigt“16, bezog er dies u.a. konkret auf den dort ausgebildeten Adolph Franz.
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chon bald wurde der Bischof von Fulda, Georg Kopp17, als möglicher staatlich akzeptierter Kandidat für Breslau genannt. Kopp war 1837 in Duderstadt im zu Hannover gehörenden Untereichsfeld als Sohn eines Leinenwebers geboren worden, hatte das Gymnasium Josephinum in der Bischofsstadt Hildesheim absolviert und dort 1862 auch die Priesterweihe erhalten. Nach wenigen Jahren als Kaplan und Religionslehrer in Hennecken rode18 war er 1866 zunächst als „Hilfsarbeiter“ an das Hildesheimer Generalvikariat berufen worden. 1868 zum Assessor aufgerückt, hatte Bischof Sommerwerck den erst 35jährigen Kopp 1872 zu seinem Generalvikar und zugleich zum Domkapitular ernannt. 1881 war er aufgrund seiner Staatsloyalität Bischof von Fulda geworden19. Und schon vor seiner dortigen Bischofsweihe hatte Kultusminister Goßler in einer Sitzung des Staatsministeriums darauf hingewiesen, dass Kopp sogar für einen bedeutenderen Bischofsstuhl geeignet sei20. Insofern war seine Transferierung nach Breslau oder Köln schon damals ventiliert worden. Gegen eine Nominierung für Köln 1885 hatte aber Bismarck dezidiert plädiert, während er ihn schon kurze Zeit darauf angesichts der Krankheit von Fürstbischof Herzog für Breslau in Aussicht nahm. Letzteres zeigte sich auch im Mai 1886 an der Ablehnung von Avancen der badischen Regierung, Kopp auf den erzbischöflichen Stuhl in Freiburg zu
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Geistliche als Reichstagsabgeordnete, in: ASKG, Bd. 26 (1968), S. 251–278, hier S. 256f.; Ders., Parteien und Politiker in Oberschlesien zur Bismarckzeit, S. 223–225. Franz zog sich unter dem Episkopat Kopps vollständig aus der Diözese zurück u. widmete sich liturgiewissenschaftlicher Forschung. Er starb 1916 in Baden-Baden. So die Bewertung von Weber, Kirchliche Politik, S. 88, Anm. 21. Hier auch das folg. Zit. Vgl. Franz an Jacobini v. 4.12.1886, in: ASV AES Germania 1886/87, pos. 1293, fasc. 743. Goßler an Bismarck v. 1.8.1886, in: PA AA Preußen 2, Nr. 1. Zu Kopp vgl. Aschoff, Kopp, Morsey, Kirchenfürst oder „Staatsbischof“?, in: WichmannJahrbuch, Bd. 21–23 (1967–1969), S. 42–65; Gatz, Kopp, in: Ders., Bischöfe, S. 400–404; u. Galos, Kopp, in: Pater, Słownik biograficzny, S. 188–192. Vgl. Aschoff, Kopp, S. 25. Vgl. hierzu ausführlicher das Kap. Fulda in diesem Band. Vgl. Protokoll der Sitzung des Staatsministeriums v. 20.12.1881, zit. nach Morsey, Kirchenfürst oder „Staatsbischof“?, S. 45.
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transferieren 21, wobei sicherlich auch ein gewichtiges Argument darstellte, dass man in Berlin Kopp nicht aus Preußen fortlassen wollte. In jedem Fall war Kopp selbst seit Oktober 1886 durch eine vertrauliche Anfrage Goßlers von der Absicht informiert, ihn als Koadjutor nach Breslau zu senden 22. In seiner Antwort stimmte der Fuldaer Oberhirte diesem Plan zwar zu, gab aber zu bedenken, dass er sich auch gern für die Nachfolge des altersschwachen Bischofs Drobe in Paderborn bereithalte. So vermeldete dann auch die „Germania“, es sei „aus bester Quelle“23 zu hören, dass die Regierung Kopps Transferierung in die schlesische Bischofsstadt nicht länger protegiere, weil man „diesen Oberhirten für Paderborn in petto zu halten“ wünsche24. Außerdem wurde Bischof Kopp gerade in diesen Wochen seitens der Zentrumspresse zum einen wegen angeblicher zentrumskritischer Äußerungen im Rahmen einer Firmungsreise im Dekanat Bochum (Bistum Paderborn) heftiger Kritik ausgesetzt25. Zum anderen wurde die sogenannte Fuldaer Konviktsaffäre in der katholischen Presse genüsslich ausgewälzt. Kopp hatte einen Kasseler Schulrat zu einem privaten Besuch des von ihm 1882 ohne ausdrückliche staatliche Genehmigung errichteten Bischöfl ichen Konvikts eingeladen, den letztlich der Konviktsleiter unterband, um den Anschein einer staatlichen Revision, die eine Anerkennung der Maigesetze bedeutet hätte, zu vermeiden 26. In der liberalen Presse wurde ein Komplott gegen Kopp vermutet, dessen Urheber man insoweit entlarvt zu haben meinte, um sagen zu können, „dass sie Geistliche in hohen Ämtern sind und dass die Jesuiten die Hand im Spiel haben“27. Scharf kritisiert wurde dort ebenfalls, dass „kein einziger Bischof etwas unternommen [habe], um den mitunter geradezu unflätigen Verlästerungen ein Ziel zu setzen“. Letztlich sei es Kopps Feinden gelungen, dessen Ernennung zum Koadjutor des schwerkranken Breslauer Bischofs Herzog zu verhindern und die Integrität des Bischofs zu beschädigen. Wenn dieser Bericht nur halb den Tatsachen entsprach, lag dies an dem Eingreifen des staatsfreundlichen römischen Kardinals Luigi Galimberti 28, der umgehend mit päpstlicher Zustimmung eine Art von Loyalitätserklärung Leos XIII. gegenüber Kopp formulierte, ein Schreiben, das „Dr. Kopp – falls 21
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Vgl. Aschoff, Kopp, S. 65, wo sehr knapp die Umstände der Breslauer Bischofswahl 1886/87 gestreift werden. Vgl. hierzu und zum Folgenden Morsey, Kirchenfürst oder „Staatsbischof“?, S. 47; u. ebenso die Korrespondenz in ASV AES Germania 1886/87, pos. 1293, fasc. 743. Germania v. 21.11.1886. Hier auch das folg. Zit. Kopp hatte am 23.10.1886 gegenüber Goßler geäußert, dass er gern den Paderborner Bischofsstuhl besteigen würde. Vgl. Morsey, Probleme der Kulturkampf-Forschung, in: HJb, Bd. 83 (1963), S. 217–245, hier S. 237. In Paderborn hat er sich dann nach Eintritt der Sedisvakanz 1891 aber weder persönlich bemüht, noch war er dort im Gespräch. Vgl. hierzu auch Schlözer an Bismarck v. 25.11.1886, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2c. Vgl. Aschoff, Kopp, S. 43f. Kölnische Zeitung v. 6.12.1886. Hier auch das folg. Zit. Zu Galimberti (1836–1896) vgl. das Kap. Gnesen-Posen in diesem Band.
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dieser es wünschen sollte – … veröffentlichen könne“29. Ob den Fuldaer Oberhirten wirklich in erster Linie seine Solidarität mit dem Heiligen Vater – wie er gegenüber Kultusminister Goßler betonte – oder aber eher noch sein politisches Kalkül, das um eine mögliche Düpierung des Papstes wusste, von der anfänglichen Zustimmung zur Publikation dieser Ergebenheitsadresse abgehalten hat, lässt sich nicht mehr eruieren. Genau genommen musste es Kopp auch nicht um einen Pressewirbel um seine Beziehung zum Heiligen Stuhl zu tun sein, sondern darum, der Staatsregierung in Berlin glaubhaft zu versichern, dass ihm das päpstliche Anerkennungsschreiben auch wirklich zugegangen sei30. Dieser Schachzug traf allerdings nicht auf die Gegenliebe Goßlers, dem auch Bismarck darin zustimmte, dass die päpstliche Adresse an Kopp in die Öffentlichkeit gelangen müsse, um – zumindest wurde dies als Grund angegeben – die Integrität des Bischofs im Preußischen Herrenhaus, dem er erst seit 1886 angehörte, zu heben31. So wurde nach direkter Erkundigung Schlözers bei Galimberti, der gern seine Zustimmung erteilte, das Anerkennungsschreiben Mitte Januar 1887 in deutscher und lateinischer Sprache publiziert32. Die „Germania“ wertete die Veröffentlichung dann auch prompt als geschickten Schachzug Kopps, der auf diese Weise seine Romtreue deutlich herausgestellt und seine Chancen erhöht habe, vom Breslauer Domkapitel auf die Liste gesetzt zu werden33. Dass die Kurie von den Absichten, die Bismarck mit Kopp hegte, informiert wurde, ist ein Werk des Zentrumspolitikers Georg Arbogast Freiherr von Franckenstein34, der die bereits in Kopps Zeit als Generalvikar in Hildesheim offen zutage tretende ablehnende Haltung gegenüber dem Zentrum äußerst kritisch bewertete und in zwei Briefen Mitte und Ende Oktober 1886 den Münchner Nuntius Angelo Di Pietro35 von diesem Vorhaben verständigte, wobei der zweite Brief an Kardinalstaatssekretär Lodovico Jacobini weitergeleitet werden sollte und mit den Worten endete, dass „die Ernennung des Bischofs von Fulda zum Koadjutor für Breslau ein Unglück für Schlesien und eine Niederlage für das Zentrum wäre“36. Darüber hinaus hatte Franckenstein zwischenzeitlich auch direkt an Jacobini geschrieben und diesen vor 29
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Schlözer an Bismarck v. 25.11.1886, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2c. Am 7.12.1886 ließ Schlözer den Kanzler wissen, dass dieses Schreiben „das Werk Galimbertis gewesen“ sei. Ebd. Vgl. Goßler an Bismarck v. 3.1.1887, ebd. Vgl. Bismarck an Schlözer v. 5.1.1887, ebd. Vgl. Fuldaer Zeitung v. 14.1.1887. Vgl. Germania v. 21.1.1887. Zu Franckenstein (1825–1890) vgl. von Aretin, Franckenstein, u. Haunfelder, Reichstagsabgeordnete der Deutschen Zentrumspartei, S. 154f. Zu Di Pietro (1828–1914), 1882–1887 Nuntius in Bayern, vgl. Greipl, Die Bestände des Archivs der Münchner Nuntiatur, in: RQ, Bd. 78 (1983), S. 192–269, hier S. 217f.; de Marchi, Le Nunziature Apostoliche, S. 57. Franckenstein an di Pietro v. 31.10.1886, zit. bei von Aretin, Franckenstein, S. 231.
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Kopp gewarnt37. Außerdem versuchte der erkrankte Fürstbischof Herzog die staatlichen Pläne ebenso zu durchkreuzen wie das „ganze Elend einer Wahl durch das Domkapitel“38 zu verhindern, indem er selbst einen Koadjutor cum iure successionis in Rom erbat. Ein erster schriftlich geäußerter Antrag auf einen Koadjutor war im Sommer 1886 von Leo XIII. abschlägig beschieden worden, weil in vatikanischen Augen der vom Fürstbischof in Aussicht genommene Weihbischof Hermann Gleich in Berlin persona minus grata sei. Um sein Anliegen beim Papst deutlicher zur Sprache bringen zu können, bediente Herzog sich schließlich der in dieser Zeit gängigen Methode einer „geheimen Mission“39, das heißt eines Emissärs, der direkt im Vatikan vorsprechen sollte. Diese Rolle übernahm der oberschlesische Kohlenmagnat, Großgrundbesitzer und Zentrumspolitiker Franz Graf von Ballestrem 40. Der spätere Reichstagspräsident gehörte nicht nur zu dieser Zeit zu den bedeutendsten katholischen Politikern Schlesiens, sondern hatte bereits Erfahrungen mit „geheimen Missionen“. Denn Ballestrem war schon 1881 – damals gemeinsam mit Friedrich Graf von Praschma 41 – vom Breslauer Domkapitel mit einer Reise zu Leo XIII. beauftragt worden, um dort nach dem Tod Fürstbischof Försters geeignete Kandidaten für den Bischofsstuhl in Vorschlag zu bringen 42. Auch diesmal handelte Ballestrem, wenn nicht im Auftrag des Kapitels, so doch in der Meinung von dessen Mehrheit 43, wie sich daran zeigt, dass er sich vor seiner Abreise ebenso bei Weihbischof Hermann Gleich „abmeldete und seine Instruktionen in Empfang nahm“44 wie von Domkapitular 37
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Vgl. Franckenstein an Jacobini v. 23.10.1886, in: ASV AES Germania Anno 1886/87, pos. 1293, fasc. 743. Dieser Brief war Aretin, Franckenstein, unbekannt. So Tagebuch Ballestrem v. 5.11.1886, abgedruckt bei Neubach, Die geheime Mission des schlesischen Grafen Franz von Ballestrem, in: ASKG, Bd. 58 (2000), S. 279–319, hier S. 291. Beispielsweise wurde der staatsloyale Freiburger Theologieprofessor Franx Xaver Kraus 1895/96 staatlicherseits nach Rom entsandt, um angesichts des erwarteten Ablebens von Papst Leo XIII. vor Ort zu sein. Vgl. Hoffmann, Franz Xaver Kraus und Breslau, in: ASKG, Bd. 17 (1959), S. 273–288, hier S. 285. Zu Ballestrem (1834–1910), 1872–1893 u. 1898–1907 MdR, 1892–1903 MdA, 1903 MdH, vgl. Mann, Biographisches Handbuch für das Preußische Abgeordnetenhaus, S. 60; Haunfelder, Reichstagsabgeordnete der Deutschen Zentrumspartei, S. 125; Ehren, Ballestrem; Webersinn, Zwölf Laien in der Kulturkampfgalerie (Schluss), in: ASKG, Bd. 29 (1971), S. 141–156, hier S. 143–145; Neubach, Die geheime Mission des schlesischen Grafen Franz von Ballestrem; Ders., Ballestrem, in: Lexikon der christlichen Demokratie, S. 186. Mit Spannung erwartet werden darf die seit vielen Jahren von Dr. Helmut Neubach (Zornheim bei Mainz) vorbereitete Edition des Tagebuches von Ballestrem, deren Erscheinen schon mehrfach verschoben wurde. Zu Praschma (1833–1909) vgl. Haunfelder, Reichstagsabgeordnete der Deutschen Zentrumspartei, S. 233; u. DBE, Bd. 8 (2007), S. 56. Vgl. zu der Reise von 1881 demnächst Neubach, Tagebuch Ballestrem. Vgl. zur Haltung des Kapitels Neubach, Das Breslauer Domkapitel im Urteil der preußischen Regierung, in: ASKG, Bd. 50 (1993), S. 237–244. Tagebuch Ballestrem v. 28.10.1886, abgedruckt bei Neubach, Die geheime Mission des schlesischen Grafen Franz von Ballestrem, S. 285.
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Adolph Franz die von Fürstbischof Herzog an den Papst gerichteten Briefe erhielt. Damit ist deutlich, dass es wohl insbesondere Franz als Intimus Herzogs war, der hinter der Formulierung der Briefe sowie der ganzen Reise stand. Denn der Fürstbischof selbst war infolge einer Gehirnerweichung zunehmend nicht mehr bei klarem Verstand. Zudem war Ballestrem – was eine wichtige Voraussetzung für die Geheimmission darstellte – so begütert, dass er die Reise auf eigene Kosten unternehmen konnte. Vor allem aber verfügte er neben in der politischen Betätigung geschulten diplomatischen Fähigkeiten und Menschenkenntnis über die notwendigen Sprachkenntnisse, um den kirchlichen Autoritäten in Rom angemessen begegnen zu können, also „auf französisch den Zweck meiner Sendung“45 darlegen zu können. Tatsächlich verschaffte ihm die erste Begegnung mit Kardinalstaatssekretär Jacobini, bei der er den Inhalt der beiden bischöfl ichen Schreiben bereits erörterte, sowohl den Eindruck eines „wohlwollenden Eingehen(s) auf die Wünsche des Fürstbischofs“46 als auch die Zusage einer baldigen Privataudienz bei Leo XIII. Außerdem erfuhr er von Jacobini, „dass bis jetzt seitens der preußischen Regierung beim Päpstlichen Stuhl keine Schritte wegen der Gestellung eines Koadjutors in Breslau geschehen seien“47. Bei einem zweiten Besuch gab sich der Kardinalstaatssekretär jedoch vorsichtiger, was Ballestrems Anliegen anbetraf. „Er meinte, es träfe sich sehr unglücklich, dass die Besetzung des Koadjutorpostens in Breslau mit den bevorstehenden kirchenpolitischen Verhandlungen wegen definitiver Revision der Maigesetze zusammenträfe. Wenn man der Regierung einen von ihr vorgeschlagenen Kandidaten scharf abschlüge, z. Bsp. Msgr. Kopp, so könnte dies einen ungünstigen Rückschlag bei den Verhandlungen davontragen“48. Kurzum plädierte Jacobini nun für eine Vertagung der Koadjutorfrage, um in den für ihn übergeordneten Verhandlungen um die Aufhebung der Kulturkampfgesetze kein fait accompli zu schaffen. Diese Haltung traf Ballestrem auch bei Leo XIII. an, der sich überzeugt gab, „selbst zur Wiederherstellung der weltlichen Herrschaft [also des Kirchenstaats, Anm. d. Verf.] unter Umständen auf den Beistand des Fürsten Bismarck“49 rechnen zu können. Die Beziehungen zum Deutschen Reich keineswegs zu trüben, war also auch Hauptanliegen des Heiligen Vaters, weshalb er hinsichtlich des erbetenen Koadjutors für Breslau passiv zu bleiben gewillt war. „Attendre“, was so viel bedeutet, wie die Frage nicht anrühren, „bis die Hauptfrage, die Revision der Maigesetze, erledigt sei“, notierte der schlesische Emissär nüchtern in seinem Tagebuch. Und auf das Insistieren Ballestrems hin versicherte Leo XIII., dass er diese Linie gleichwohl auch gegenüber einem ähnlichen Ansinnen der Berliner Regierung in der Koadju45 46 47 48 49
Eintrag v. 7.11.1886, ebd., S. 293. Eintrag v. 3.11.1886, abgedruckt ebd., S. 289. Ebd., S. 290. Eintrag v. 5.11.1886, ebd., S. 291. Eintrag v. 7.11.1886, ebd., S. 295. Hier auch die folg. Zit.
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torfrage verfolgen werde. Damit fühlte sich der Zentrumspolitiker „im Detail geschlagen“, konnte aber Leo XIII. immerhin noch entlocken, dass dieser Kopp noch nie in Rom gesehen habe und ihn nicht ohne Not nach Breslau transferieren, sondern in Fulda bleiben lassen wolle. Selbst seine intensivste Drohung, die Ballestrem gegenüber Jacobini artikuliert hatte, „dass meine Freunde und ich, die die Leitung der katholischen Partei in Schlesien hätten, falls Kopp Bischof von Breslau würde, unsere Tätigkeit sofort einstellen würden“50, zog im Vatikan ebenso wenig Konsequenzen nach sich wie der Appell des Grafen, dass die bisherige Treue des Großteils von Klerus und katholischen Gläubigen in Schlesien zum Heiligen Stuhl durch einen gouvernementalen Bischof deutlichen Schaden nehmen könnte. Immerhin zeigte sich Ballestrem dahingehend zufrieden, dass der Papst alle als ungeeignet charakterisierten potenziellen Kandidaten ähnlich kritisch betrachte und „dass man daher … vorläufig beruhigt sein kann“51. Natürlich blieb die als „geheime Mission“ geplante Unternehmung alles andere als lange geheim. Schon am 7. November 1886, also an demselben Tag, an dem Ballestrem seine Papstaudienz hatte, war der preußische Vatikangesandte Kurd von Schlözer darüber unterrichtet, dass „Graf Ballestrem … hier in geheimer Mission angekommen [ist], um den Papst zu bewegen, dass er nicht den Bischof Kopp zum Koadjutor in Breslau ernennen möge“52. Zudem wollte Schlözer wissen, dass Leo XIII. über diese Demarche „sehr verstimmt“ sei, weil er den Besuch als Einmischung in die vatikanischen Angelegenheiten empfinde. Dass der Gewährsmann des Gesandten, wahrscheinlich Prälat Montel, nicht so ganz richtig informiert war, zeigte sich allerdings daran, dass er weitergegeben hatte, der Heilige Vater wolle Ballestrem gar nicht empfangen, obgleich letzterer ja bei seinem Antichambrieren bei Jacobini einen völlig anderen Eindruck gewonnen hatte und der Kardinalstaatssekretär ihn sogar entgegen dem üblichen Procedere persönlich bei Leo XIII. angemeldet hatte. Bismarck jedenfalls äußerte sich über Schlözers Kenntnisstand erfreut. Dem Kanzler war es „sehr erwünscht, wenn der Papst dabei beharrte, weil Ballestrem zu den leidenschaftlichsten Gegnern der Regierung und des Friedens gehört; er ist in Lemberg polnisch erzogen und wird von dem Domherrn Franz unterstützt“53. Drei Tage nach Rückkehr des Grafen wusste Schlözer dann Berlin zu informieren, dass die Papstaudienz stattgefunden habe. Zwar schien Ballestrems 50
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So Ballestrem in seinem Mémoire v. 7.11.1886, in: ASV AES Germania Anno 1886/87, pos. 1293, fasc. 743: „Si les catholiques en Silesie sont encore pour la plus grande part fidèles a l’église et des fils obéissants du Saint Siege, on doit cela en grande partie a l’établissement d´un reseau d’associations catholiques embrassant toutes les branches de la vie réligieuse et politique et sociale…” Tagebuch Ballestrem, Eintrag vom 7.11.1886, S. 297. Schlözer an Bismarck v. 7.11.1886, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2a. Hier auch das folg. Zit. Bismarck an Schlözer v. 18.11.1886, ebd.
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Liste der für Breslau empfohlenen Kandidaten nicht zu ihm durchgedrungen zu sein, wohl aber wusste er, dass „in dem Schreiben, des Dr. Herzog – d.h. des Domherrn Franz –, welches der Graf nach Rom brachte, … Weihbischof Gleich als Koadjutor erbeten“54 war. Die Informationsquelle Schlözers lag offensichtlich in der Person des staatsloyalen Breslauer Dompropstes und Professors Johann (Baptist) Wilhelm Kayser55, in dem das Kapitel einen ausgemachten Denunzianten besaß. Kayser hatte beispielsweise Kultusminister Goßler am 3. November 1886 wissen lassen, dass der Fürstbischof den Papst schriftlich um Ernennung eines Koadjutors gebeten habe56. Ganz offenbar war es wohl auch Kayser, der nun verbreitet hatte, dass die „Mission Ballestrem … völlig misslungen“ sei. Die konservative preußische Presse griff diese Niederlage des Zentrums begierig auf57, während die Zentrumspresse sich bemühte, sachlich über den Misserfolg der Romfahrt Ballestrems zu berichten und dabei die ehrbaren Absichten des Reisenden gebührend herauszustellen58. Dass das Zentrum gegen Kopps Versetzung nach Breslau so massiv vorging, hatte nicht allein mit dessen gestörtem Verhältnis zum politischen Arm des deutschen Katholizismus zu tun. Vor allem hegten Windthorst und seine Parlamentarierkollegen die Befürchtung, dass Kopp sich mit der in Schlesien relativ starken Gruppe von „Hofkatholiken“ unter Führung des Grafen Fred von Frankenberg verbünden würde. Daher wehte auch der Wind bei Windthorsts gegenüber Bischof Korum von Trier geäußerter Befürchtung, „von bekannter Seite wird alles aufgeboten werden, um den Bischof Kopp zum Fürstbischof von Breslau zu machen. Es wäre das ein Unglück für die Kirche in Deutschland und selbst in Österreich“59. Doch schon die Mission Ballestrems hatte gezeigt, dass „die Kurie auch gegen den Widerstand des Zentrums entschlossen war, auf die Wünsche Bismarcks einzugehen“60. Auch innerhalb des deutschen Episkopats riefen die Meldungen über einen eventuellen Wechsel Kopps auf den wichtigen Breslauer Bischofsstuhl Befürchtungen hervor. Der ultramontan eingestellte Trierer Bischof Michael Felix Korum etwa beklagte gegenüber dem Kardinalstaatssekretär, Bischof Kopp habe „ohne Verständigung mit seinen Amtsbrüdern die Berufung zum Herrenhause angenommen“61. Damit sei er der erste preußische Bischof in diesem Jahrhundert, der diese „gefährliche Ehre“ nicht verweigert habe. 54 55 56 57 58 59
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Schlözer an Bismarck v. 21.11.1886, ebd. Zu Kayser (1826–1895) vgl. das Kap. Paderborn in diesem Band. Kayser an Goßler v. 3.11.1886, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2a. Vgl. Die Post v. 6.12.1887. Hier auch das vorherige Zit. Vgl. Germania v. 7.2.1887. Windthorst an Korum v. 27.12.1886, in: Iserloh, Unbeachtete Quellen, S. 182, zit. bei Gottschalk, Georg Kardinal Kopp im Urteil seiner Zeitgenossen, S. 101. Leugers-Scherzberg, Felix Porsch, S. 32. Zit. nach Treitz, Korum, bei Gottschalk, Georg Kardinal Kopp im Urteil seiner Zeitgenossen, in: ASKG, Bd. 43 (1985), S. 75–146, hier S. 103. Hier auch das folg. Zit.
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Während der eine der beiden bereits erwähnten Briefe Herzogs die Bitte um einen Koadjutor enthielt, beinhaltete der andere ein Begleitschreiben zum Peterspfennig, den der bischöfl iche Emissär gleichfalls dem Papst überbringen durfte62. Zentraler für das angestrebte Anliegen erwies sich ein von Ballestrem selbst am Tag der Papstaudienz angefertigtes Memorandum über die ungeeigneten und die geeigneten Bischofskandidaten für Breslau, das er dem Papst übergeben konnte, „da es mir so schien, als ob es beim Staatssekretär leicht verlegt werden könnte“63. In dieser Denkschrift, die Ballestrem erst nach dem Tod Herzogs, nämlich Ende Dezember 1886, in Abschrift auch an den Kardinalstaatssekretär sandte64, bezeichnete er im Namen des Fürstbischofs fünf Geistliche als „personnes non qualificés“, nämlich Kopp, Dompropst Kayser, den Posener Dompropst Gustav Wanjura65, den Fürstbischöfl ichen Delegaten in Berlin Propst Johann Baptist Assmann66 sowie den Breslauer Domherrn Josef Sockel67. An erster Stelle der ungeeigneten Bischofskandidaten stand also der Fuldaer Bischof, dem Ballestrem konkret vorwarf, durch seine Staatsnähe im Kulturkampf die großen Massen der einfachen katholischen Gläubigen dem Staat entfremdet und den Versuch unternommen zu haben, die katholische Kirche dem Protestantismus anzunähern. Dompropst Kayser bezeichnete er nicht nur als Staatsbeamten, der während des gesamten Kulturkampfes stets gegen das Zentrum agitiert habe, sondern zugleich als „agent du gouvernement prussien“, der ein inniges Verhältnis zum Oberpräsidenten unterhalte. Deshalb sei seine Bischofsernennung ein Unglück für das Bistum und für ganz Preußen, vor allem würde sie die Einheit und Harmonie des Episkopats grundlegend zerstören. Wanjura verdächtigte Ballestrem sogar als „chasseur de mitre“ (Mitrajäger), der sein Ziel mithilfe des Einflusses seiner an hervorragenden Stellen in Schlesien tätigen Brüder, die beide Staatskatholiken seien, zu erreichen versuche. Propst Assmann hingegen sei ein taktloser ehemaliger Militärgeistlicher, dem es sowohl an theologischer Bildung als auch an Verwaltungserfahrung fehle. Überhaupt noch nicht in die öffentliche Diskussion geraten war bis zu diesem Zeitpunkt Josef Sockel68, der 1832 in Ziegenhals geboren und 1855 in Breslau zum Priester 62
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Neubach, Die geheime Mission, kennt den Inhalt dieser Briefe nicht und mutmaßt darüber, wer wohl auf der dem Papst überbrachten Liste gestanden haben könnte. Die Namen der Kandidaten finden sich in ASV AES Germania 1886/87, pos. 1293, fasc. 743. Neubach, Die geheime Mission, S. 297f. Vgl. Ballestrem an Kardinalstaatssekretär v. 29.12.1886, in: ASV AES Germania 1886/87, pos. 1293, fasc. 743. Zu Wanjura vgl. das Kap. Gnesen-Posen in diesem Band. Zu Assmann vgl. das Kap. Ermland in diesem Band. Vgl. Mémoire Ballestrems v. 7.11.1886, in: ASV AES Germania 1886/87, pos. 1293, fasc. 743. Dieses Memorandum wurde in der Forschung bisher nicht berücksichtigt bzw. ausgewertet. Zu Sockel (1832–1891), seit März 1886 residierender Domkapitular, vgl. Negwer/Engelbert, Geschichte des Breslauer Domkapitels, S. 129, 134 u. 288f.
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geweiht worden war. Nach Jahren als Informator in Bad Warmbrunn hatte er ab 1859 mehr als zwei Jahrzehnte als Religionslehrer in Gleiwitz gewirkt, bevor er 1882 die Stadtpfarrei St. Mauritius in der Bischofsstadt erhalten hatte. Er war erst im März 1886 in das Kapitel gelangt, Domprediger und Generalvikariatsrat geworden und wurde in der historiographischen Rückschau als „ein emsiger Arbeiter im Generalvikariat“69 gekennzeichnet. In den Augen Ballestrems war Sockel ein Protegee des Dompropstes Kayser, dem er seine Domherrenstelle verdanke. Obgleich er „malade de corps et incapable d’esprit“ sei und deshalb vernünftigerweise niemand ihm einen Bischofshut verpassen würde, sei nicht auszuschließen, dass Kayser ihn weiterhin fördern würde. Noch 1890 sollte er in der staatlichen Charakteristik aller preußischen Domherren als „bislang immer … zuverlässig“70 gelobt werden. Als qualifizierte Kandidaten für die Nachfolge des Fürstbischofs kennzeichnete Ballestrem zum einen Weihbischof Hermann Gleich, zum anderen den Domkapitular Robert Spiske. Gleich sei nicht nur „l’ami et le conseiller intime“71 des Fürstbischofs Förster gewesen, sondern habe auch dem gegenwärtigen Fürstbischof als erfahrener Verwaltungsmann zur Seite gestanden. Zudem genieße er das Vertrauen des Klerus und der Gläubigen in der Diözese. Gerade die Tatsache, dass er staatlicherseits als „persona minus grata“ bezeichnet worden sei, garantiere seine Unabhängigkeit gegenüber der Regierung. Zwar sei er bereits 71 Jahre alt und hege gerade nicht den Wunsch, das Koadjutorenamt zu übernehmen. Aber dem Willen des Heiligen Stuhls sei er dann doch bereit sich zu beugen. Robert Spiske72 war mit 65 Jahren ebenfalls bereits in vorgerücktem Alter. 1821 in Lissa bei Breslau als Sohn eines aus Braunau in Böhmen zugewanderten Schuhmachermeisters geboren und 1847 zum Priester geweiht, hatte er sich neben seiner Seelsorgstätigkeit als Kuratus an der Breslauer Sandkirche und seit 1864 als Pfarrer von St. Dorothea insbesondere als karitativ aktiver Geistlicher einen Namen gemacht, auf den die Gründung der Kongregation der Hedwigschwestern zurückgeht. Schon 1859 war er – mit erst 38 Jahren – zum Päpstlichen Geheimkämmerer (Monsignore) ernannt worden. Zum katholischen Adel Schlesiens pflegte er nähere Verbindungen, die 1880 die Ernennung zum Magistralkaplan des Malteser-Ritterordens nach sich zogen73. 1882 war er von Fürstbischof Herzog, der ihm von gemeinsamen Studienzeiten her verbunden war, durch bischöfliche Nomination in das Domkapitel berufen worden. Ballestrem kennzeichnete ihn als einen begehrten Beichtvater 69 70 71
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Ebd., S. 129. Charakteristik aller preußischen Domherren v. Januar 1890, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2. Vgl. Ballestrem an Kardinalstaatssekretär v. 29.12.1886, in: ASV AES Germania 1886/87, pos. 1293, fasc. 743. Zu Spiske, der noch während der Breslauer Sedisvakanz im März 1887 den ersten von drei Schlaganfällen erlitt, vgl. Wittig, Spiske; Meer, Spiske, in: Schlesische Priesterbilder; Negwer/Engelbert, Geschichte des Breslauer Domkapitels, S. 289. Vgl. Wittig, Spiske, S. 48f.
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und exzellenten Prediger, der sich großer Beliebtheit erfreue und ein wahrhaft apostolischer Bischof werden würde. Wie sehr Spiskes Ruf über die Grenzen Breslaus und Schlesiens hinausreichte, belegt ein ihm angetragener Ruf an die Universität in Dorpat, den er jedoch auf Wunsch von Fürstbischof Förster ausgeschlagen hatte74. Für den Fall, dass die Regierung sowohl Gleich als auch Spiske ablehnen würde, wäre nach Meinung Ballestrems auch Paul Schylla75 tragbar. Der 1829 in Klein Woitsdorf im Kreis Groß Wartenberg geborene und 1852 zum Priester geweihte Geistliche war ein typischer preußischer geistlicher Schulbeamter. Über eine Station als Seminardirektor in Peiskretscham in Oberschlesien 1864 avancierte er vier Jahre später zum Regierungs- und Schulrat in Marienwerder, um 1871 in gleicher Eigenschaft nach Oppeln, in seine Heimat, zurückzukehren. Anfang 1886 hatte die Zentrumszeitung „Germania“ seinen Namen im Zusammenhang mit der Neubesetzung des erzbischöflichen Stuhls in Gnesen-Posen ins Gespräch gebracht76. Ungeachtet der Tatsache, dass Schylla ein „fonctionnair du gouvernement“ sei, hielt Ballestrem den mit dem Roten Adler-Orden IV. Klasse ausgezeichneten Geistlichen dennoch für geeignet, weil er in Verwaltungsangelegenheiten gut unterrichtet sei. Ballestrems Memorandum enthielt zweifelsohne idealistische Motive, die mit dem realpolitischen Kurs des Heiligen Stuhls schon auf den ersten Blick kaum in Einklang zu bringen waren. Der deutlich als Favorit der ultramontanen Kapitelsmehrheit herausgestellte Hermann Gleich war bei Licht betrachtet schon aufgrund seiner mehrfach erwiesenen staatlichen Mindergenehmheit nicht durchsetzungsfähig, und dessen fortgeschrittenes Alter mochte den Papst wohl kaum überzeugen, seinetwegen in mögliche diplomatische Schwierigkeiten zu geraten. Dass die Verdienste des zeitplatzierten Domherren Spiske weniger im politisch-gesellschaftlichen als im pastoralkaritativen Bereich lagen, ließ sich nicht verhehlen. Zudem zählte auch er bereits 65 Jahre und sollte nicht mehr sehr lange zu leben haben77. Einer der staatlichen Favoriten für den bedeutenden Breslauer Bischofsstuhl musste der 1886 wegen seiner fehlenden Polnischkenntnisse in GnesenPosen nicht durchzusetzende Berliner Propst und Fürstbischöfliche Delegat für Brandenburg und Pommern Johann Baptist Assmann sein. Allerdings bremste Kultusminister Goßler entsprechende Bestrebungen, da er Assmann als Kandidaten für das wieder zu errichtende Amt des preußischen Feldpropstes (Militärbischofs) in petto halten wollte78. 74 75
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Vgl. Meer, Spiske, S. 9. Zu Schylla vgl. Neubach, Schlesische Kandidaten für den erzbischöflichen Stuhl, in: Stasiewski (Hrsg.), Beiträge zur schlesischen Kirchengeschichte, S. 452–473, hier S. 470f. Vgl. ebd., sowie das Kap. Gnesen-Posen in diesem Band. Spiske starb bereits im März 1888. Vgl. Goßler an Bismarck v. 15.2.1887, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2a. Näheres im Kap. Militärbischöfe in diesem Band.
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In der staatsnahen Presse wurde neben Kopp bereits Ende 1886 Dompropst Kayser als Favorit für den bischöfl ichen Stuhl gehandelt79, während „viele Diözesanen mit der Erwählung von Adolph Franz gerechnet“80 haben sollen. Am 20. Januar 1887 trat das Domkapitel mit seinen 12 residierenden und sechs nichtresidierenden Domherren vollständig zur Aufstellung der Wahlliste zusammen81. Aufgestellt und bald darauf der Regierung in alphabetischer Reihenfolge gemeldet wurden der Münsteraner Generalvikar Joseph Giese, Weihbischof Hermann Gleich, der Glatzer Großdechant Ernst Hoffmann, Domkapitular Dr. Franz Lorinser sowie Erzpriester Heinrich Marx, Miechowitz bei Beuthen, und Geistlicher Rat Karl Nippel in Neustadt O/S. Mit Hermann Gleich und Franz Lorinser, einem „der hervorragendsten Mitglieder, die das Kapitel je gehabt hat“82, waren damit zwei residierende Domherren auf die Liste gelangt. Hinzu trat mit dem Glatzer Großdechanten Hoffmann ein nichtresidierendes Mitglied des Kapitels. Als Schlesier konnte Hoffmann kaum als Auswärtiger gelten, eine Rolle, die allein Generalvikar Giese zukam, denn die beiden letztgenannten Kandidaten Marx und Nippel repräsentierten als gestandene Pfarrseelsorger großer Pfarreien zugleich den oberschlesischen Bistumsteil. Da sich das Kapitel zuvor geeinigt hatte, nur die sechs Kandidaten auf die Liste zu setzen, welche die meisten Stimmen erzielt hatten, blieben Bischof Kopp von Fulda (2 Stimmen), aber auch der Erzabt der Benediktinerabtei Beuron Maurus Wolter OSB83 (2 Stimmen) und Dompropst Kayser (3 Stimmen) unberücksichtigt.
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oseph Giese84 hatte sich als deutlicher Gegner der preußischen Kulturkampfgesetzgebung weit über die Grenzen des Bistums Münster, dessen Generalvikar er 1871 geworden war, einen Namen gemacht. Der 1827 in Münster geborene Sohn einer altansässigen Bürgerfamilie besaß im Übrigen alle Anlagen, um dem staatlicherseits verbreiteten Klischee eines intransigenten höheren Klerikers zu entsprechen. Giese war zwar kein Zögling des Jesuitenkollegs Collegium Germanicum, gleichwohl hatte er aber als junger Kaplan einige Jahre im Priesterkolleg des Campo Santo Teutonico in der Ewigen Stadt zugebracht und Studien im Kirchenrecht absolviert85.
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So berichtete die Germania v. 31.12.1886. Zumindest fasst Schreiber, Deutschland und Österreich, S. 125, die Stimmung unter den schlesischen Katholiken so zusammen. Vgl. Hoffmann, Die Breslauer Bischofswahlen in preußischer Zeit, S. 222. So die Wertung von Negwer/Engelbert, Geschichte des Breslauer Domkapitels, S. 134. Zu Wolter (1825–1890), 1868 Abt, 1884 Erzabt von Beuron, vgl. Engelmann, Wolter, in: LThK2, Bd. 10 (1965), Sp. 1220f. Zu Giese vgl. das Kap. Münster in diesem Band. Vgl. Gatz, Rom als Studienplatz deutscher Kleriker, S. 174.
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ermann Gleich86, der 1881/82 als Kapitularvikar fungiert hatte, war 1875 vor dem Hintergrund des Exils von Fürstbischof Heinrich Förster als Weihbischof erbeten worden und von diesem in der Pfarrkirche von Jauernig in Österreichisch-Schlesien zum Titularbischof von Mallo geweiht worden87. Er zählte zu diesem Zeitpunkt bereits 60 Jahre, war 1815 in Laskowitz im Kreis Rosenberg (O/S) geboren und 1838 in Breslau zum Priester geweiht worden.Nach Kaplansjahren in Namslau und Oppeln gelangte er über die Pfarrei Tillowitz im Kreis Falkenberg 1851 als Stadtpfarrer nach Oppeln, wo er 1855 auch das Amt eines Fürstbischöfl ichen Kommissars für Oberschlesien übernahm. 1862 als Domkapitular nach Breslau gewechselt, bekleidete er dort bald zahlreiche Ämter in der Bistumsleitung. 1881 zum Domdechanten ernannt, hatte Gleich zwei Jahre darauf den theologischen Ehrendoktor der Akademie in Münster erhalten.
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rnst Hoffmann88 wurde 1840 in Ebersdorf im Kreis Habelschwerdt als Sohn eines Schneiders geboren. Nachdem ihn der Dorfkaplan auf den Besuch der höheren Schule vorbereitet hatte, besuchte er Gymnasium und Konvikt in Glatz, studierte anschließend in Breslau, wo er 1863 auch die Priesterweihe erhielt. In Neurode erhielt er seine erste Kaplansstelle und wurde dort 1868 zugleich zum 2. Dekanatssekretär ernannt, nachdem sein Pfarrer Franz Brand zusätzlich die Aufgabe des Großdechanten und fürsterzbischöfl ichen Vikars der Grafschaft Glatz übernommen hatte. Als der Großdechant 1878 starb und das Amt aufgrund des Kulturkampfes zunächst unbesetzt blieb, führte Hoffmann interimistisch die Geschäfte. Weil er das vakante Amt mit solcher Intensität, Pfl ichterfüllung und auch Diplomatie ausfüllte, wünschten sich die Staatsbehörden rasch eine reguläre Neubesetzung mit seiner Person. Jedoch gab der Prager Fürsterzbischof Friedrich von Schwarzenberg zunächst einem wesentlich älteren Geistlichen den Vorzug, während Hoffmann nur die Pfarrei Neurode verwaltete. Erst bei einer im Juli 1883 erneut eingetretenen Vakanz kam Hoffmann in Prag zum Zuge. Die landesherrliche Genehmigung zur Ernennung war ihm ohne Umschweife trotz des schwelenden Kulturkampfes erteilt worden89. Zudem wurde er – ebenso wie seine Vorgänger – zugleich Ehrendomherr in Breslau90. Dass
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Zu Gleich (1815–1900) vgl. Stasiewski, Gleich, in: Gatz, Bischöfe, S. 249f., Pater, Słownik biograficzny, S. 115, Negwer/Engelbert, Geschichte des Breslauer Domkapitels, S. 285f. Vgl. Negwer/Engelbert, Geschichte des Breslauer Domkapitels, S. 126. Zu Hoffmann (1840–1889) vgl. Staude, Hoffmannia; Stasiewski, Hoffmann, in: Gatz, Bischöfe, S. 317; Hirschfeld, Die Ernennung der Großdechanten, in: ASKG, Bd. 65 (2007), S. 181–197, hier S. 186–189; u. Negwer/Engelbert, Geschichte des Breslauer Domkapitels, S. 301. Vgl. Oberpräsident an Fürsterzbischof Schwarzenberg v. Prag v. 6.10.1883, in: GStA PK HA III I, Nr. 11136. Vgl. Negwer/Engelbert, Geschichte des Breslauer Domkapitels, S. 301.
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das Kapitel ihn bei der Bischofswahl 1886/87 nominierte, erschien insofern nicht ungewöhnlich, dass bereits einmal in der Mitte des 19. Jahrhundert mit Joseph Knauer ein Glatzer Großdechant sogar erfolgreich als Fürstbischofskandidat in Breslau reüssiert hatte91. Zudem war ihm wohl über die Berge der Grafschaft Glatz der Ruf vorausgeeilt, er sei „als Großdechant und Pfarrer allen alles, oder strebte wenigstens mit aller Energie dieses zu werden und zu sein“92. Protegiert wurde er von dem Breslauer Domherrn Adolph Franz, der ihn dem Nuntius als integre, gelehrte und in kirchlichen Fragen versierte Persönlichkeit empfahl, jedoch zugleich nicht verschwieg, dass Hoffmann nicht gerade persona grata bei der Regierung sei93. In der Grafschaft Glatz selbst wurden die Chancen Hoffmanns auf den Bischofsstuhl wohl aus Lokalpatriotismus heraus etwas zu euphorisch gesehen. Hoffmann habe „unter den damaligen Kandidaten entschieden mit die sicherste Anwartschaft auf das Fürst-Bistum Breslau“94 gehabt – so hob Hoffmanns Freund, Nachfolger im Neuroder Pfarramt und Biograph Augustin Staude hervor – , wenn nicht die ganze Liste geplatzt wäre. Auch habe die Bevölkerung schon mit Furcht der „wahrscheinliche(n) Wahl“ Hoffmanns entgegen gesehen, weil er eben in seiner Heimat außerordentlich beliebt war.
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ranz Lorinser95 war 1821 in Berlin als Sohn eines aus Böhmen stammenden katholischen Mediziners und Privatdozenten an der dortigen Universität sowie seiner evangelischen Frau geboren und zunächst evangelisch getauft worden. Noch bevor der Vater 1825 als Regierungs- und Medizinalrat nach Oppeln wechselte, konvertierten Frau und Sohn zur katholischen Kirche. Ihm selbst ist dann auch seine Geburt in der protestantischen Reichshauptstadt „oft als eine Art Ironie des Schicksals vorgekommen; denn ich fühlte in mir auch nicht eine Faser von einem echten Berliner, bin vielmehr eine durchaus süddeutsch geartete und süddeutsch empfindende Natur“96. Natürlich spielte bei einem solch starken Bekenntnis die Abgrenzung des Konvertiten von den Keimzellen der Reformation sicherlich eine Rolle. Nach dem in Oppeln abgelegten Abitur studierte Lorinser Theologie in Breslau und als Alumne des Collegium Romanum in Rom, wo er 1843 auch die Priester weihe 91
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Großdechant Josef Knauer (1764–1844), Pfarrer in Habelschwerdt, war 1841 zum Fürstbischof von Breslau gewählt worden. Vgl. Gatz, Knauer, in: Ders., Bischöfe, S. 392f. Staude, Hoffmannia, S. 51. Vgl. Franz an Nuntius di Pietro v. 31.1.1887, in: ASV AES Germania 1886/87, pos. 1293, fasc. 743. Staude, Hoffmannia, S. 52. Hier auch das folg. Zit. Zu Lorinser (1821–1893), vgl. ders., Aus meinem Leben, 2 Bde., Wysocki, Lorinser, in: BBKL, Bd. 31 (2010); Nowack, Lorinser, in: Ders. (Hrsg.), Schlesische Priesterbilder, S. 75–94; Schramm, Lorinser, in: LThK2, Bd. 6 (1961), Schmidt, Lorinser, in: LThK3, Bd. 6 (1997), Sp. 1054f., Sp. 1145f.; Negwer/Engelbert, Geschichte des Breslauer Domkapitels, S. 134 u. 286; u. Samulski, Der Anteil des Berliner Delegaturbezirkes, S. 96. Lorinser, Aus meinem Leben, Bd. 1, S. 2.
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erhielt97. Im Folgejahr in München zum Dr. theol. promoviert98, sammelte er erste seelsorgliche Erfahrungen als Kaplan an der Kirche St. Maria auf dem Sande in Breslau. Fürstbischof Melchior von Diepenbrock holte ihn 1849 als Spiritual ins Alumnat99. Neben seiner Tätigkeit in der Priesterausbildung übernahm er 1852 die Redaktion des Schlesischen Kirchenblattes100. Lorinsers vielfältige wissenschaftliche Interessen zeigen sich zum einen in seiner Tätigkeit als Übersetzer des spanischen Dichters Calderon, zum anderen in seinem Bemühen, Naturwissenschaft und Glaube in einem achtbändigen Werk zusammenzubringen101. Zudem unternahm er zahlreiche Reisen nach Spanien und Österreich, deren Erinnerungen er publizierte. Später sammelte Lorinser, der mit Weihbischof Hermann Gleich befreundet war102, ab 1858 Erfahrungen in der praktischen Seelsorge als Pfarrer in Breslau St. Matthias. 1869 war er durch bischöfl iche Ernennung Domkapitular geworden und begleitete Fürstbischof Heinrich Förster als theologischer Beistand zum Ersten Vatikanum nach Rom. Dass er sich in diesem Kontext als entschiedener Verfechter des Infallibilitätsdogmas erwies, das ja von der Majorität des deutschen Episkopats abgelehnt worden war, erhöhte sicherlich nicht seine Sympathien in der staatlichen Beurteilung. In der Bistumsverwaltung nahm Lorinser vorwiegend ökonomische Aufgaben wahr, so etwa als magister fabricae der Domkirche. Staatlicherseits politisch wie kirchenpolitisch unzuverlässig charakterisiert, lebte er in der kirchlichen Historiographie als „ein vorbildlicher Priester, ein Gelehrter und Schriftsteller hohen Ranges“103 weiter, ja wurde noch überschwänglicher „zu den geistig bedeutendsten Priestern nicht nur unserer Diözese, sondern Deutschlands“104 gezählt.
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einrich Marx105, der 1835 als Sohn eines Tischlers in Antonia in der Pfarrei Sczedrzik bei Malapane im Kreis Oppeln in Oberschlesien geboren worden war und nach dem Abitur in Oppeln und dem Studium in 97
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Bei Schmidt, Das Collegium Germanicum und die Germaniker, findet er allerdings keine Erwähnung. Vgl. Lorinser, De charactere sacramentali commentarii, Oppeln 1844. Vgl. Hoffmann, Die Geschichte des Breslauer Alumnats, S. 250f. Hier auch eine Bibliographie seiner Werke. Diese Zeitung war 1835 gegründet worden. Vgl. Negwer/Engelbert, Geschichte des Breslauer Domkapitels, S. 88. Vgl. passim Franz Lorinser, Das Buch der Natur. Entwurf einer kosmologischen Theodizee, 8 Bde., Regensburg 1876–1880. Vgl. Nowack, Lorinser, in: Ders. (Hrsg.), Schlesische Priesterbilder, hier S. 94. Negwer/Engelbert, Geschichte des Breslauer Domkapitels, S. 108. Nowack, Lorinser, in: Ders. (Hrsg.), Schlesische Priesterbilder, hier S. 75. Zu Marx vgl. Gatz, Marx, in: Ders., Bischöfe, S. 484, Pater, Słownik biograficzny, S. 260; Brzoska, Bischöfe der katholischen Kirche aus Oberschlesien, hier S. 45f.; Samulski, Die Breslauer Weihbischöfe, in: Schlesisches Priesterjahrbuch, Bd. II/IV (1962/63), S. 79–109, hier S. 95; Kosch, Das katholische Deutschland, Bd. II, Sp. 2811.
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Breslau dort 1858 die Priesterweihe erhalten hatte, war ein Jahrzehnt als Kaplan in Grzendzin bei Cosel tätig, übernahm 1868 als Pfarrer die Gemeinde Kujau in Nachbarschaft zum Schloss Moschen der Industriellenfamilie von Tiele-Winckler. Der Protestant Tiele-Winckler muss in dieser Zeit den Geistlichen schätzen gelernt haben, jedenfalls präsentierte er ihn nur zwei Jahre später als Pfarrer für die unter seinem Patronat stehende Pfarrei Miechowitz bei Beuthen (O/S). Über den wachsenden Industrieort hinaus muss sein pastorales Wirken eine große Ausstrahlungskraft besessen haben. Dass seine Kandidatur für den erzbischöfl ichen Stuhl in Gnesen-Posen 1885/86 scheiterte, hatte mehrere Ursachen106. Aus staatlicher Sicht war dieser Vorschlag dem als Haupt der ultramontanen Fraktion in Breslau angesehenen Domkapitular Adolph Franz zu verdanken. Auch wenn Fürstbischof Herzog der Kurie die Nomination von Marx empfohlen hatte, meinten staatliche Stellen dahinter den Einfluss des ihnen verhassten Domherren zu erkennen, während der Heilige Stuhl die passive Haltung von Marx während des Kulturkampfs kritisierte. Dass sich Marx mittlerweile zwischen die Stühle der beiden großen Mächte gestellt hatte, was seiner Karriere nicht förderlich war, zeigen die widersprüchlichen Aussagen über sein Wirken in Miechowitz. Während er dem Vatikan zu wenig als dezidiert kirchlich gesinnte Persönlichkeit hervorgetreten war, zeigte sich sein Patronatsherr von Tiele-Winckler über das politische Engagement von Marx für die Zentrumspartei und seine positive Haltung gegenüber der polnischen Sprache, in der er Unterricht erteilt habe, verärgert.
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arl Nippel107 wurde 1823 in Neustadt in Oberschlesien als Sohn eines Schmiedemeisters geboren, legte das Abitur in Neisse ab und studierte in Breslau Theologie, wo er 1849 auch zum Priester geweiht wurde. Seine Kaplanszeit verbrachte er in Striegau und an St. Dorothea in Breslau (1852), um noch im selben Jahr Religionslehrer und Administrator in Oels sowie 1855 dort Pfarrer zu werden. 1863 wählte ihn der über das Patronat verfügende Stadtrat seiner Heimatstadt Neustadt unter neun Bewerbern zum Pfarrer in dieser oberschlesischen Kreisstadt108. Hier wurde er zugleich Erzpriester und Militärseelsorger. Das vatikanische Interesse an der Bischofsstuhlbesetzung wurde im Übrigen in erster Linie von Kardinalstaatssekretär Jacobini wachgehalten, während man in der Nuntiatur in München lediglich die Presseberichte über die erfolgte Listenaufstellung verfolgt hatte. Zwar zeigte sich auch Jacobini wenig informiert, wenn er Ende Januar 1887 bei Nuntius Di Pietro um Informationen über die Wahl des neuen Breslauer Fürstbischofs nachsuchte 106
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Vgl. hierzu Neubach, Schlesische Kandidaten auf dem erzbischöflichen Stuhl von Gnesen-Posen, S. 467–469. Zu Nippel vgl. Weltzel, Geschichte der Stadt Neustadt in Oberschlesien, S. 641–643. Vgl. ebd.
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und sein Adressat ihn darüber aufklären musste, dass eine Wahl noch gar nicht stattgefunden habe109. Jedoch konnte di Pietro ad hoc auch nur aus den Zeitungsquellen die Zahl von sechs Kandidaten benennen, ohne diese namhaft machen zu können, zumal geltend gemacht werde, „che i Capitolari si sono obbligati a stretto segreto“110. Erst aus einer Nachfrage bei Domkapitular Franz, der dem Nuntius umgehend die Wahlliste überließ111, war man in Rom nicht nur über die Namen informiert, die sich hinter dem Sextett der Kandidaten verbargen. Außerdem hatte Domkapitular Franz die Gelegenheit genutzt, um nicht nur zu betonen, dass „omnes viri dignitissimi sunt et apud clerum et populum summa gaudent auctoritate“, sondern die einzelnen Listenkandidaten noch einmal knapp zu würdigen. Weihbischof Gleich sei ein sehr verdienter Geistlicher, der, wenn er auch nicht die Zustimmung des Staates besitze, so doch stets die Rechte der Kirche und des Heiligen Stuhls verteidigt habe. Domkapitular Lorinser wurde als „pius et doctus sacerdos“ gekennzeichnet, der sich vor dem Staat nicht fürchte. Großdechant Hoffmann sei in kirchlichen Verwaltungsfragen versiert und vor allem keine persona minus grata in Berlin. Joseph Giese habe sich als exzellenter Verwaltungsfachmann große Verdienste erworben und sei ein hervorragender Anwalt für die Freiheitsrechte der Kirche, der den Staat nicht fürchte. Auch Marx und Nippel seien gestandene Seelsorger, während die geringe Akzeptanz des Fuldaer Bischofs Kopp im Breslauer Kapitel, die diesen gar nicht erst auf die Liste gebracht habe, ein Zeichen für dessen geringe Eignung für den neu zu besetzenden Posten sei. Dompropst Dr. Kayser hingegen stehe bedauerlicherweise „non in acie catholica“ [nicht in der katholischen Schlachtreihe; Anm. d. Verf.], weshalb auch er kein überzeugendes Votum im Kapitel erhalten habe. Dass Franz Bischof Kopp und Kayser noch einmal expressis verbis hervorhob, weist auf die Intention dieses Schreibens hin, die der strengkirchlich gesinnte Domherr auch explizit als seine und der Mehrheit des Kapitels entsprechende Hoffnung artikulierte, dass nämlich, falls die Regierung die Liste platzen lasse, das Kapitel noch einmal einbezogen werde und eine neue Liste erstellen könne. Dass Jacobini davon ausging, dass der Name des Fuldaer Bischofs Kopp auf der Liste enthalten sei, lässt sich aus seiner Aufforderung an den Nuntius schließen, bei Bischof Sommerwerck in Hildesheim, dem Heimatbischof von Georg Kopp, Informationen über diesen einzuholen112. Di Pietro selbst war offensichtlich aus Rom mit keiner Silbe darüber unterrichtet worden, dass Kopp der Staatsfavorit für den vakanten schlesischen Bischofssitz war. 109
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Vgl. Jacobini an di Pietro v. 28.1.1887 u. dessen Antwort v. 30.1.1887, in: ASV AES Germania 1886/87, pos. 1293, fasc. 743. Di Pietro an Jacobini v. 30.1.1887, ebd. Vgl. Franz an di Pietro v. 31.1.1887, Kopie, ebd. Hier auch die folg. Zit. Vgl. di Pietro an Jacobini v. 30.1.1887, wo er ein am selben Tag abgegangenes Schreiben an Sommerwerck erwähnt.
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Noch als der Nuntius das „di propria mano“ [von eigener Hand, Anm. d. Verf.] von Sommerwerck angefertigte Gutachten über Kopp weiterleitete, konnte er nur die Vermutung äußern, dass das Interesse des Kardinalstaatssekretärs an Kopp in Beziehung mit der Bischofsstuhlbesetzung in Breslau stehen könnte. Bei aller diplomatischen Höfl ichkeit, die der Nuntius zeigte, bleibt jedoch nicht verborgen, dass er die Eloge des Hildesheimer Bischofs auf seinen ehemaligen Generalvikar kritisch betrachtete und sicherlich nicht ohne Hintergedanken Jacobini an die Äußerungen von Domkapitular Adolph Franz über Kopp zu erinnern wagte113. Tatsächlich hatte Sommerwerck, der Kopp im Übrigen auch 1881 in Fulda zum Bischof geweiht hatte114, diesen als äußerst tatkräftigen und friedvollen Geistlichen hoch gelobt: „In his omnibus muneribus gerendis exspectationem et voluntatem meam plane explevit, nam non solum officia spiritualia et saecularia dioecesis meae diligentissime et dexterrime gessit, …“115. Nach Beginn des Kulturkampfes habe er als Hildesheimer Generalvikar „maxima cum fide et pietate a partibus meis stetit“. Dass Sommerwerck ein entscheidender Wegbereiter für den weiteren Aufstieg Kopps war, belegt ein Brief an Kopp vom November 1888, den letzterer dem Kultusministerium und dem Auswärtigen Amt zugänglich machte. Darin berichtete der Bischof von Hildesheim im Nachgang einer Audienz bei Leo XIII., „über den Episc[opus] Wratislav[iensis] ließ seine Heiligkeit sich sehr günstig aus“116. Dass Kopp diese schmeichelhafte Bemerkung mit entsprechender Absicht den Berliner Ministerien zukommen ließ, wird durch den selbstgefälligen Kommentar unterstrichen: „Er [gemeint ist Sommerwerck, Anm. d. Verf.] war gut instruiert – aber der Hl. Vater auch, wie es scheint“117. Der intime Kenner der vatikanischen Angelegenheiten in Rom, Prälat Johannes Montel, bestätigte im Übrigen gelegentlich gegenüber dem preußischen Gesandten am Heiligen Stuhl, Kopp besitze „neben vielen ausgezeichneten Eigenschaften einen großen Ehrgeiz und eine nicht minder große Eitelkeit“118. Mitte Februar 1887 wusste die „Germania“ zu berichten, die Kapitelliste sei „nun doch refusirt (sic!) worden, denn es bestätigt sich, dass sämtliche Kandidaten von der Regierung gestrichen wurden. Es dürfte zur Aufstellung einer zweiten Liste geschritten werden“119.
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Vgl. di Pietro an Jacobini v. 13.2.1887, ebd. Vgl. Aschoff, Kopp, S. 40. Die Konsekration fand am 27.12.1881 im Dom zu Fulda statt. Sommerwerck an Nuntiatur v. 7.2.1887, in: ASV AES Germania 1886/87, pos. 1293, fasc. 743. Hier auch das folg. Zit. Sommerwerck an Kopp v. 29.11.1888, Abschrift, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2a. Kopp an Goßler v. 2.12.1888, ebd. Bülow an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 19.3.1895, ebd. Germania v. 16.2.1887.
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Die „Germania“ aber und auch die liberale „Magdeburger Zeitung“ kamen im April 1887 mit der Neuigkeit, der Straßburger Bischofskoadjutor Peter Paul Stumpf120 solle nach Breslau transferiert werden121. Auch im Auswärtigen Amt in Berlin wurde diese Personalie mit Aufmerksamkeit registriert, was darauf hinweist, wie emsig man dort bemüht war, einen Ersatzkandidaten für Breslau zu fi nden, den man in Rom präsentieren konnte. Tatsächlich habe sich Stumpf in der jüngsten Vergangenheit – so hieß es in einer internen Stellungnahme des Ministeriums – „korrekter benommen als seine Confratres in Deutschland“122. Allerdings habe er einen elsässischen Geistlichen, der sich gegen den Septennat [siebenjähriger Militärhaushalt, Anm. d. Verf.] gewandt hatte, nur getadelt, nicht aber weitere Maßnahmen ergriffen, was zu dem Schluss führe, dass „dem gelehrten Koadjutor jeder Einfluss auf seine Diözesangeistlichkeit abgeht“. Nicht zuletzt Bismarck äußerte sich kritisch zu dieser Meldung und bezeichnete Stumpf als „zu unselbständig und [er] würde gleich seinem Vorgänger von Franz [gemeint ist Domkapitular Adolph Franz, Anm. d. Verf.] mit den in Schlesien unter Leitung des letzteren besonders papstfreundlichen Provinzial-Hetzblättern beherrscht werden“123. Schlözer ließ den Münchner Nuntius wissen, dass „cette nouvelle [also die Kandidatur Stumpfs] a inquieté beaucoup le Prince de Bismarck“124. Gerade vor diesem Hintergrund gab der Kanzler seiner Hoffnung über eine Einigung mit Leo XIII. hinsichtlich des als „digne et excellent“ gekennzeichneten Kopp Ausdruck. Es stellt sich die Frage, inwieweit es sich bei dem ins Spiel gebrachten Stumpf nur um eine – wie der katholische „Moniteur du Rome“ kritisch zu der angeblichen Transferierung vermerkte – „de ces tactiques dont la presse allemande est coutumiére“125, also eine der in der deutschen Presse üblichen taktischen Manöver, handelte, oder ob in preußischen Regierungskreisen Stumpf als ernstzunehmender Kandidat für Breslau erwogen worden war. Nachdem die „Kölnische Zeitung“ schon zum Dementi geschritten war, ruderte auch die „Schlesische Volkszeitung“ zurück, bemerkte aber, „ein reines Phantasiegebilde“ sei diese Personalie nun auch wiederum nicht. Im Staatsministerium muss die Enttäuschung über die vom Domkapitel eingereichte Liste groß gewesen sein. Der damalige Landwirtschaftsminister Robert Freiherr Lucius von Ballhausen126, ein Katholik, echauffierte 120
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Zu Stumpf (1822–1890), 1881 Koadjutor in Straßburg, 1887 Bischof ebd., vgl. Gatz, Stumpf, in: Ders., Bischöfe, S. 750–752, sowie das Kap. Straßburg in diesem Band. Vgl. Magdeburger Zeitung (Datum unbekannt) u. Bericht in der Germania v. 22.4.1887. Kommentar im Auswärtigen Amt v. 21.4.1887, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2a. Hier auch das folg. Zit. Notiz Bismarcks v. 24.4.1887, ebd. Schlözer an di Pietro v. (o.D.) 1887, in: ASV AES Germania 1886/87, pos. 1293, fasc. 743. Moniteur du Rome v. 23.4.1887. Zu Lucius von Ballhausen (1835–1914), Dr. med., 1870–1881 MdR, , MdA; 1895 Mitglied
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sich jedenfalls noch in seinen Jahrzehnte später publizierten „Bismarck-Erinnerungen“ darüber, dass die „vom Breslauer Kapitel aufgestellte Liste … nur unannehmbare Namen enthielt“127 und die Furcht groß gewesen sei, dass „nicht Kopp oder Kayser, sondern eine Kreatur von Franz Fürstbischof von Breslau wird“. Dass Kopp in Regierungskreisen aber zugleich in dem Ruf stand, sich sowohl beim Staat als auch beim Vatikan durch anpassungsbereites Verhalten eine geeignete Ausgangsposition zu verschaffen und daher nicht wohlgelitten war, belegt ein Hinweis des Bismarck-Sohnes Herbert, Staatssekretär im Auswärtigen Amt. In einem Brief an seinen Bruder Wilhelm von Bismarck forderte er ihn dezidiert auf, Kopp beim Reichskanzler zu denunzieren: „Kopp ist nicht nur ein Schlappian und Quängler, sondern will sich in Rom Liebkind machen, um das reiche Breslau zu bekommen. Es wird wohl ganz gut sein, wenn Du über ihn an Papa schreibst“128. Und die Baronin von Spitzemberg äußerte sich in ihrem als wichtige Quelle zum Alltag bei Hofe im Kaiserreich bekannten Tagebuch enttäuscht über Kopp, der „weder bedeutend noch angenehm aussieht“129. Tatsächlich war er von kleiner Statur, verstand es aber dies durch ein vornehmes Auftreten zu überspielen130. Am 13. Mai 1887 berichtete Kurd von Schlözer sichtlich erfreut über ein Gespräch mit Montel. Letzterer hatte am Vortag „mit Leo XIII. über Breslau konferiert“, wie der preußische Gesandte am Heiligen Stuhl wohl etwas zu bedeutungsschwanger schrieb. Einerseits sehe der Papst keine Alternative zu Kopp, andererseits zögere er noch. Montel habe ihm ein Schreiben Bismarcks in dieser Angelegenheit angekündigt, woraufhin der Heilige Vater „endlich erklärt [habe], er werde nach Eingang der Antwort Euer Durchlaucht auf sein Schreiben sich entscheiden, ob er selbst den Fürstbischof ernennen könne“131. Ein neues Gerücht in der Personaldiskussion brachte die „Schlesische Volkszeitung“ an die Öffentlichkeit, die zu berichten wusste, dass „von gewisser Seite auch der derzeitige Breslauer Kapitelsvikar Weihbischof Dr. Gleich ernsthaft als Kandidat genannt“132 werde. Franz Graf von Ballestrem notierte jedenfalls am 9. Juni 1887 in seinem Tagebuch: „Ich erhielt einen Brief von Windthorst, in welchem er mir schreibt, dass die Nachricht der Ernennung des hochw. Bischofs Kopp von Fulda zum Fürstbischof von Bres-
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des Preußischen Herrenhauses, 1879–1890 preuß. Landwirtschaftsminister, vgl. Born, Lucius von Ballhausen, in: NDB, Bd. 15 (1987), S. 278f. Ballhausen, Bismarck-Erinnerungen, S. 368. Hier auch das folg. Zit. Bussmann (Hrsg.), Herbert von Bismarck, S. 434. Vierhaus (Hrsg.), Tagebuch der Baronin Spitzenberg, S. 229. Hildegard von Spitzemberg geb. Varnbühler verfasste ein aussagekräftiges Tagebuch, vgl. DBE, Bd. 9 (2008), S. 559. Vgl. Morsey, Kirchenfürst oder „Staatsbischof“?, S. 44. Schlözer an Bismarck v. 13.5.1887, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2a. Hier zit. nach einem Bericht der Germania v. 19.5.1887.
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lau zur Zeit unrichtig ist. Diese Ernennung wäre bis jetzt in Rom noch nicht ernstlich diskutiert worden. Dagegen verlaute, wenn auch nicht sicher, dass der Oberpräsident von Westfalen sich gutachtlich darüber zu äußern gehabt hätte, ob der Prälat Giese, Generalvikar der Diözese, eine geeignete Persönlichkeit für Breslau sei. Nach meiner Ansicht ja!“133 Ebenfalls im Juni 1887 wurde im Berliner Auswärtigen Amt ein Junktim zwischen der päpstlichen Zustimmung zur Ernennung Kopps für Breslau durch den Papst auf der einen und der staatlichen Genehmigung zur Wiedereröffnung des im Kulturkampf geschlossenen Priesterseminars in Kulm auf der anderen Seite erwogen. Tatsache ist jedenfalls, dass Bismarck die Wiedereröffnung des Seminars verfügte, unmittelbar nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass Leo XIII. den Brief, in dem er dem Kapitel das Wahlrecht entzog, nach Breslau abgesandt hatte134. Und zwar erhielt das Breslauer Kapitel am 14. Juni von dem neuen Kardinalstaatssekretär Mariano Rampolla die Mitteilung, dass Leo XIII. den Vorschlag des Kapitels nicht habe berücksichtigen können und statt dessen den Bischof von Fulda Georg Kopp zum Fürstbischof von Breslau ernannt habe, was auch auf den Wunsch einiger deutscher Bischöfe hin geschehen sei. Nach langem Zaudern hatte sich Leo XIII. also entschieden, in Breslau ebenso wie zuvor bei den Bistumsbesetzungen in Kulm und Limburg zu verfahren und die Liste zu übergehen135. Dies war natürlich Wasser auf die Mühlen der staatsloyalen Domherren, wie des Dompropstes Kayser, der die Wahlliste ohnehin abfällig als „politische Demonstration für Windthorst“136 abgetan hatte. Am 30. Juni 1887 meldete Schlözer dann dem Auswärtigen Amt quasi Vollzug. Er sei vom Kardinalstaatssekretär dahingehend benachrichtigt worden, dass Leo XIII. die Versetzung Kopps nun ausgesprochen habe137. Bis zur offiziellen Präkonisation durch päpstliches Breve vom 9. August 1887 war es nun nur noch ein kleiner Schritt. Von nicht unerheblicher Sorge war ganz offensichtlich die preußische Haltung gegenüber Österreich-Ungarn erfüllt. Zumindest ließ Bismarck den deutschen Botschafter in Wien, Heinrich VII. Prinz Reuß138, bei der k.u.k. Regierung dahingehend intervenieren, ihr Einverständnis zu der Ernennung 133
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Tagebuch Ballestrem. Dr. Helmut Neubach gilt der Dank des Verf. für die freundliche Übermittlung des hier zit. Abschnittes in seinem Brief v. 6.1.2009. Vgl. Aktennotiz in PA AA Preußen 2, Nr. 2a v. 16.6.1887. Insofern trifft es nicht ganz zu, wenn Morsey, Kirchenfürst oder „Staatsbischof“?, S. 48, behauptet, dass Leo XIII. sich bis August 1887 Zeit für seine Entscheidung gelassen habe. In Wirklichkeit war diese Entscheidung schon im Juni gefallen, nur das päpstliche Breve wurde erst im August erlassen. Zit. bei Morsey, Kirchenfürst oder „Staatsbischof“?, S. 48. Vgl. Schlözer an Auswärtiges Amt v. 30.6.1887, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2a. Zu Reuß (1825-1906), 1878-1894 Botschafter in Wien, vgl. Biographisches Handbuch des deutschen auswärtigen Dienstes, Bd. 3, S. 631f.
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Kopps zu geben. Widersprüchlich erschien dabei, dass zugleich expressis verbis festgehalten wurde, dass die österreichische Regierung ohnehin keinerlei Einfluss auf die Breslauer Bischofsstuhlbesetzung habe139. Dabei nahm der Breslauer Fürstbischof aufgrund seines österreichischen Bistumsanteils in der dortigen Kirchenpolitik eine nicht ganz unwichtige Funktion wahr. Auch wenn die Zuständigkeit der Wiener Nuntiatur für die östlich der Elbe gelegenen vier preußischen Diözesen seit 1874 an die Münchner Vatikan-Vertretung abgegeben worden war140, fand der Kanonische Informativprozess für Georg Kopp in Wien bei Nuntius Luigi Galimberti statt. Der Grund lag allerdings nicht etwa in der Tatsache, dass der Breslauer Fürstbischof ja auch über einen österreichischen Bistumsteil, das sog. Österreichische Schlesien, gebot, sondern dass der neue Nuntius in München Ruffo Scilla141 noch nicht eingetroffen, die dortige Nuntiatur also verwaist war, Leo XIII. aber die Sache rasch beendet sehen wollte142. In Berlin wurde dies wohl zunächst mit Sorge betrachtet, jedenfalls wurde der deutsche Botschafter angewiesen, das Gespräch mit Nuntius Galimberti zu suchen, dann aber mit Erleichtern registriert, dass Galimberti „den Bischof Dr. Kopp in jeder Beziehung hochachte und schätze und sich sehr über seine Berufung auf den Bischofssitz in Breslau freue. Er hege nur ein Bedenken und dies sei, dass Dr. Kopp sich leicht von ihm gegenübertretenden schwierigen Verhältnissen entmutigen und beeinflussen“143 lasse. Der von Bismarck informierte Kultusminister Goßler hingegen war bemüht, diese vermeintliche Schwäche des neuen Fürstbischofs herunterzuspielen. Kopp sei darüber „vollständig unterrichtet, unterschätzt sie nicht, ist aber fest entschlossen, sie allmählich zu überwinden.“144 Überhaupt schien der Kultusminister sich gar nicht darüber im Klaren zu sein, dass nicht Wien, sondern München die Personalangelegenheiten der preußischen Diözesen bearbeitete. Als nämlich der neue Nuntius Ruffo-Scilla Fürstbischof Kopp anwies, ihm „von allen wichtigen Vorkommnissen, namentlich von seiner Korrespondenz mit Rom … Nachricht zu geben“145, hatte Kopp sich bedeckt gehalten und dieses Ansinnen Goßler mitgeteilt, der sich in Unkenntnis der Gegebenheiten darüber erregte, dass „dieses Vorgehen des neuen Nuntius um so mehr auffallen [müsse], als die Bischöfe der alten Landesteile Preußens (rechts der Elbe), also von Breslau, Gnesen-Posen, Kulm und Ermland, an den Nuntius in Wien gewiesen sind“. 139 140 141
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Vgl. HHStA Wien, PA XI 229. Vgl. Gatz, Die Kongregation für die außerordentlichen kirchlichen Angelegenheiten, S. 241. Zu Luigi Ruffo di Calabria de Principi di Scilla (1840–1895), der am 25.8.1887 seinen Dienst in München aufnahm, dort bis April 1889 amtierte, u. 1891 Kardinal wurde, vgl. Weber, Quellen und Studien, S. 345, Anm. 285, u. Greipl, Die Bestände des Archivs der Münchner Nuntiatur, in: RQ, Bd. 78 (1983), S. 192–269, hier S. 229f. Vgl. die Korrespondenzen in: PA AA Preußen 2, Nr. 2a. Kaiserlich deutsche Botschaft in Wien an Bismarck v. 27.7.1887, ebd. Goßler an Bismarck v. 2.8.1887, ebd. Goßler an Bismarck v. 20.10.1887, ebd. Hier auch das folg. Zit.
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Der Kopp bereits in Fulda anhaftende Makel der fehlenden, aber für einen Bischof eigentlich erforderlichen theologischen Promotion wurde umgehend durch Verleihung der Ehrendoktorwürde der Katholisch-Theologischen Fakultät der Akademie in Münster kompensiert146. Die Bedeutung, die auf Regierungsseite Kopps Vereidigung zugebilligt wurde147, zeigt sich zunächst einmal daran, dass nicht der zuständige Oberpräsident Otto von Seydewitz148 diesen Akt in Breslau vollzog, sondern dass er gleichsam auf die höchste Stufe der Staatshierarchie gehoben und am 18. Oktober 1887 im „Geschäftsgebäude des Ministeriums der geistlichen Angelegenheiten Unter den Linden“ in Berlin vollzogen wurde, wahrscheinlich nicht zuletzt deshalb, weil es – wie es in der Presse hieß – „seit einer Reihe von Jahren der erste Fall der Art“149 in Preußen war. Des Weiteren hebt die Anwesenheit zahlreicher Zeugen, nämlich des Unterstaatssekretärs Dr. Lucanus, der drei Ministerialdirektoren Dr. Greiff, Dr. Barkhausen und de la Croix, sowie der drei Geheimen Oberregierungsräte Bahlmann, Dr. Bartsch und Dr. Esser, die Bedeutung des Aktes. Zudem nahm auch die protestantische Presse entsprechenden Anteil an der Handlung und goutierte das Verhalten Kopps dahingehend, dass „der feierliche Akt … bei den Anwesenden einen tiefen Eindruck [hinterließ] und von ihnen … als ein neues Unterpfand des Friedens zwischen Staat und katholischer Kirche“150 angesehen wurde. Immerhin hatte die „Germania“ dahingehend gut Wetter gemacht, dass sie Kopp aufgrund seiner Herkunft als „Mann aus dem Volke“151 bezeichnete. Schenkt man den staatlichen Beobachtungen Glauben, dann entbrannte nach Bekanntgabe des neuen Fürstbischofs im Breslauer Domkapitel ein Wettstreit. „Die Herren Franz, Gleich, Dittrich152 bemühen sich wetteifernd um 146
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Sdralek an Kraus v. 31.10.1887: „Fürstbischof Kopp, dem es peinlich war, stets Doktor genannt zu werden ohne es zu sein, hat sich hier [in Münster. Anm. d. Verf.] hon[oris] c[ausa] promovieren lassen“. Schiel, Max Sdralek im Bannkreis von Franz Xaver Kraus, Teil 2, S. 184f., in: ASKG, Bd. 36 (1978), S. 159–203, hier S. 185; u. Hegel, Geschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät, Bd. 2, S. 208. Vgl. Abschrift des Protokolls der Vereidigung Kopps v. 18.10.1887, in: StAMR, Best. 150, Nr. 1630. Zu Seydewitz (1818–1898), 1879–1894 Oberpräsident in Breslau, vgl. Neubach, Seydewitz, in: Sammeln – Erforschen – Bewahren, S. 310–316; Neubach, Oberpräsidenten von Schlesien, in: Schwabe (Hrsg.), Die preußischen Oberpräsidenten, S. 119–136, hier S. 130f.; sowie Neubach, Die Verwaltung Schlesiens, in: Heinrich u.a. (Hrsg.), Verwaltungsgeschichte Ostdeutschlands, S. 877–941, hier S. 882f.; u. Schwarz, MdR, S. 464. Norddeutsche Allgemeine Zeitung v. 19.10.1887. Die Eidesleistung gegenüber dem österreichischen Staat vollzog Kopp am 18.11.1887 direkt vor Kaiser Franz Josef I. in Wien. Vgl. Reuß an Auswärtiges Amt v. 18.11.1887, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2a. So der Wortlaut in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung v. 19.10.1887. Germania v. 25.6.1887. Ein Domherr namens Dittrich ist zu dieser Zeit in Breslau nicht nachgewiesen. Möglicherweise ist der ermländische Domkapitular Franz Dittrich gemeint.
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die Gunst des neuen Fürstbischofs, bieten ihre Dienste in jeder Richtung an, treten namentlich auch mit finanziellen Angeboten hervor.“153 Kritik löste die Entscheidung des neuen Fürstbischofs aus, erneut Weihbischof Gleich zum Generalvikar zu ernennen. Goßler sah darin einen Wortbruch, weil Kopp vertraulich zugesagt habe, niemanden aus der „Koalition FranzDittrich“ zu wählen154. Allerdings hatte Kopp auf Anraten des staatsloyalen Dompropstes Johann Baptist Kayser entsprechend gehandelt155. Im Vatikan blieb Kopp dennoch für die Dauer seines Episkopates eine staatsloyale Persönlichkeit, die sich der besonderen Gunst Wilhelms II. erfreute, dabei aber gleichzeitig in dem Ruf stand, „das besondere Wohlwollen des Papstes [zu besitzen], der ihn schon öfters nach Rom rief. Auch die Kardinäle Rampolla und Ledóchowski scheinen sehr für ihn eingenommen zu sein“156, zitierte Ludwig von Pastor beispielsweise 1893 in seinem Tagebuch aus einem ihm aus Rom zugegangenen Brief, wobei diese Einschätzung zumindest hinsichtlich Rampollas nicht auf Gegenseitigkeit beruhte. Denn im Nachgang zum ersten Besuch Wilhelms II. im Vatikan 1888 hatte Kopp in einem Brief an Kultusminister Goßler hinsichtlich des Kardinalstaatssekretärs bekannt, „für mich ist der Eindruck, den dieser Mann auf mich gemacht hat, unvergesslich. Er ist unser wahrer Feind, der alles gegen uns mobil macht, was mobil zu machen ist“157.
Bischofswahl 1914158 Kardinal Kopp war im Frühjahr 1909 während einer Firmreise in Oberschlesien erstmals so schwer erkrankt, dass Oberpräsident Robert von ZedlitzTrützschler159 bereits aufgeregt den Kultusminister informierte. Er habe den Eindruck, dass „die Krise im Anzuge ist und dass höchste Gefahr eines ungünstigen Ausgangs besteht“160, schrieb er nach Berlin und wies darauf hin, 153 154 155 156 157 158
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So Goßler an Bismarck v. 11.7.1887, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2a. Vgl. Goßler an Bismarck v. 31.10.1887, ebd. Vgl. Kayser an Goßler v. 25.10.1887, ebd. Pastor, Tagebücher – Briefe – Erinnerungen, S. 255. Kopp an Goßler v. 2.12.1888, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2a. Zu dieser Wahl vgl. bisher den lediglich auf Akten des Erzbischöflichen Archivs Breslau basierenden Aufsatz von Leugers-Scherzberg, Die Wahl Adolf Bertrams. Allein aus der Literatur gearbeitet und ohne kritischen Ansatz ist der Abschnitt „Die Wahl zum Fürstbischof von Breslau“ bei Marschall, Adolf Kardinal Bertram, S. 42–45. Vgl. jetzt auch Hinkel, Bertram, S. 78–89; sowie Hirschfeld, Staatskatholik oder Ultramontaner?, in: ASKG, Bd. 68 (2010), S. 17–35 Zu Zedlitz-Trützschler (1837–1914) vgl. DBE2, Bd. 10 (2008), S. 808; u. Neubach, ZedlitzTrützschler, in: Jeserich/Neuhaus (Hrsg.), Persönlichkeiten der Verwaltung, S. 228–233. Zedlitz-Trützschler an Kultusministerium v. 26.5.1909, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 5101, 21795. Hier auch das folg. Zit.
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dass es notwendig sei, sich im Ministerium baldmöglichst Gedanken über geeignete Nachfolgekandidaten zu machen. Für die Interimsverwaltung sah er Dompropst Arthur König161 sowie die beiden Domherren Theodor Stiller162 und Max Sdralek als potenzielle Kapitelsvikare an, wobei letzterer seines Erachtens schon deshalb kaum zum Zuge kommen würde, weil er „im Verdacht des Modernismus steht“163. Da der Kardinal wieder vollständig genas, wurde diese Anregung aus Breslau in Berlin nicht weiter beachtet. Virulent wurde die Nachfolgefrage erst am 4. März 1914, als Kopp in Troppau an den Folgen einer Lungenentzündung verstarb164. Damit war nicht nur das neben Köln wichtigste und vor allem an Fläche größte Bistum Preußens vakant geworden. Es war auch ein fast drei Jahrzehnte währender und Kontinuität bedeutender Episkopat zu Ende gegangen und mit Georg Kopp ein Bischof zu ersetzen, der in einem zeitgenössischen Nachruf als Garant für die „concordia sacerdotii et imperii“165 bezeichnet wurde. In der Wahrnehmung späterer Historiker hatte sich Kopp „zum beherrschenden Kirchenpolitiker seiner Zeit“166 entwickelt, der „für einen Bischof in Deutschland an der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert ohne Beispiel“167 gewesen ist. Dieser Bedeutung entsprach auch die Aufmerksamkeit, die dem Ableben dieses Bischofs in der Presse aller Couleur zuteil wurde. Wie die katholische „Kölnische Volkszeitung“ schrieb, habe „seit langer Zeit … der Tod eines deutschen Kirchenfürsten keine solche Teilnahme in allen Teilen des Volkes bewirkt, wie das Hinscheiden des Kardinals und Fürstbischofs Kopp“168 und über die Beisetzungsfeierlichkeiten in Breslau hieß es: „Nur mühsam konnten die Ordner dem gewaltigen Ansturm der Massen widerstehen“169. Dabei galt wohl für die kollektive Wahrnehmung Kopps, dass – wie es in einem zeitgenössischen Nachruf dezent hieß – die 161
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Zu König (1843–1921), 1873 Dr. theol. in Freiburg/Br., Religionslehrer in Neisse, 1882 Prof. für Dogmatik in Breslau, 1897 desgl. für Pastoraltheologie, 1898/99 Rector magnificus der Universität Breslau, 1900 Dompropst, vgl. Kleineidam, Die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Breslau, S. 138; Negwer/Engelbert, Geschichte des Breslauer Domkapitels, S. 290, u. Samulski, Theologische Promotionen, S. 426. Hartelt, Piontek, S. 26, bezeichnete ihn als einen „Praktiker, der mitten im kirchlichen Leben stand“. Zu Stiller (1833–1920), seit 1892 Domkapitular, 1905–1914 zugl. Generalvikar, seit 1911 Domdechant, vgl. Samulski, Stiller, in: Gatz, Bischöfe, S. 740; u. Negwer/Engelbert, Geschichte des Breslauer Domkapitels, S. 289. Zedlitz-Trützschler an Kultusministerium v. 26.5.1909, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 5101, 21795. Zum Tod und der Beisetzung Kopps vgl. ausführlich Gottschalk, Georg Kopp im Urteil seiner Zeitgenossen, in: ASKG, Bd. 43 (1985), S. 75–146, hier S. 134–142. Reaktionen des Vatikans und des Nuntius in Form von Beileidstelegrammen, in: ASV ANM 265. Nachruf, in: Hochland, Bd. 11 (1914), S. 237–240. So das Urteil bei Leugers-Scherzberg, Felix Porsch, S. 32. Scholz, Georg Kardinal Kopp, in: Stasiewski (Hrsg.), Beiträge zur schlesischen Kirchengeschichte, S. 511–529, hier S. 511. Kölnische Volkszeitung v. 4.3.1914, 1. Blatt, Mittags-Ausgabe. Kölnische Volkszeitung v. 10.3.1914, Abend-Ausgabe.
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„von ihm ausgegangenen Einflüsse … nur höchst selten in die Öffentlichkeit getreten“170 sind. Bereits drei Tage darauf wählte das Domkapitel in Breslau den Domkapitular Joseph Klose zum Kapitelsvikar171. Während der Beisetzungsfeierlichkeiten für Kardinal Kopp kursierte das Gerücht, als Nachfolger seien der langjährige Geheimsekretär des Verstorbenen, Prälat Johannes Steinmann172, einerseits und andererseits der Hildesheimer Bischof Adolf Bertram , der ja schon 1912 auf der Wahlliste des Kölner Metropolitankapitels für diesen wichtigen Bischofssitz gestanden hatte173, im Gespräch174. Johannes Steinmann war ebenso wie seine beiden jüngeren Brüder von Kopp aus dem Bistum Hildesheim nach Schlesien geholt worden. Alle drei geistlichen Brüder sollten im deutschen Klerus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Übrigen eine hervorgehobene Rolle spielen175. Johannes, 1870 in Hannover geboren, als Germaniker in Rom (1887–1894)176 1893 zum Priester geweiht und zum Dr. theol. et phil. promoviert, war von Kopp 1894 zu seinem Geheimsekretär ernannt worden. Wie sehr der Fürstbischof Steinmann schätzte, wird nicht allein in der 1904 erfolgten Aufnahme ins Domkapitel und gleichzeitigen Ernennung zum Direktor des Theologenkonvikts deutlich, sondern auch in der Tatsache, dass Kopp ihn 1911 sogar als möglichen Kurienkardinal ins Gespräch brachte177. Vor allem aber stand Johannes Steinmann in gutem Kontakt mit dem kommandierenden General in Breslau, 170
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Nippold, Kardinal Kopp, in: Zeitschrift für wissenschaftliche Theologie, Bd. 52 (1910), S. 28–257, hier S. 240. Zu Klose (1841–1916) vgl. Samulski, Klose, in: Gatz, Bischöfe, S. 391. Vgl. überaus knapp zur Bischofswahl 1914: Negwer/Engelbert, Geschichte des Breslauer Domkapitels, S. 166f. u. 290. Zu Johannes Steinmann (1870–1940), Dr. theol. et phil., der 1920–1925 Domdechant war u. dann an der Deutschen Botschaft in Rom wirkte, wo er schon 1921 Konsultor geworden war, vgl. Negwer/Engelbert, Geschichte des Breslauer Domkapitels, S. 290f.; Madey, Steinmann, in: BBKL, Bd. 10 (1995), Sp. 1315f.; u. Samerski, Der geistliche Konsultor der deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl, in: RQ, Bd. 86 (1991), S. 261–278, hier insbes. S. 270. Vgl. Trippen, Das Domkapitel und die Erzbischofswahlen in Köln, S. 422 u. 429f.; Aschoff, Die Hildesheimer Bischofswahlen im 20. Jahrhundert, S. 70. Vgl. Strachwitz, Eines Priesters Weg durch die Zeitenwende, S. 104. Zu Paul Steinmann (1871–1937), Dr. iur. can., geweiht 1896, 1907 Pfarrer bzw. Propst in Stettin, 1930 Dompropst u. 1931 Generalvikar des Bistums Berlin, vgl. Clauss, Steinmann, in: Gatz, Bischöfe, S. 738. Zu Alfons Steinmann (1880–1936), Dr. theol., geweiht 1904, 1909–1935 Prof. für Neues Testament in Braunsberg, vgl. Schmitt, Steinmann, in: BBKL, Bd. 10 (1995), Sp. 1312–1315. Vgl. Schmidt, Das Collegium Germanicum und die Germaniker, S. 343, Jungnitz, Breslauer Germaniker, S. 382. Vgl. Kopp an Bethmann-Hollweg v. 12.12.1911, in: PA AA, Päpstlicher Stuhl 3, Nr. 2. Zit. bei Philippi, Kronkardinalat oder Nationalkardinalat, in: HJb, Bd. 80 (1960), S. 185–217, hier S. 200.
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Bernhard III. Herzog von Sachsen-Meiningen, der zugleich ein Schwager des Kaisers war178. Der Papsthistoriker Ludwig von Pastor vertraute bereits am 11. März 1914 seinem Tagebuch an, neben Bischof Bertram von Hildesheim werde der AbtPrimas der Benediktiner in Rom Fidelis von Stotzingen OSB179 als Kandidat genannt180. Letzterer brachte zwei wichtige Voraussetzungen der Eignung für ein solches Amt mit. Zum einen war der 1871 in Steißlingen nahe dem Bodensee geborene Ordensmann „Angehöriger einer alten reichsfreiherrlichen Familie“181. Sein Vater gehörte zu den Gründern der Zentrumspartei in Baden182. Zum anderen gehörte er dem von Kaiser Wilhelm II. verehrten Benediktinerorden an, dessen Kloster Maria Laach sich dessen besonderer Gunst erfreute. Schließlich war der dortige Abt Willibrord Benzler OSB 1901 auf den Bischofsstuhl in Metz erhoben worden183. Von Stotzingen, der 1890 in die Benediktinerabtei Beuron eingetreten war und sein Theologiestudium in Rom mit dem obligatorischen Doktorgrad in Theologie und Philosophie abgeschlossen sowie 1897 dort die Priesterweihe empfangen hatte, war als erst 30-jähriger 1901 vom Maria Laacher Konvent zum Nachfolger Benzlers gewählt worden, wo er in liturgischer wie in baulicher Hinsicht erfolgreich wirkte. Im Mai 1913 hatte ihn der Äbtekongress zunächst zum Koadjutor des Abt-Primas der Internationalen Benediktinerkonföderation in Rom gewählt, dessen Nachfolge er wenige Monate später antrat. Zugleich amtierte Stotzingen als Abt des Klosters San Anselmo in der Ewigen Stadt und war in der Folge im deutschen Pressewald als Kandidat für ein deutsches Kurienkardinalat gehandelt worden184. Die Gunst des Reichskanzlers Theobald von Bethmann Hollweg in seiner Eigenschaft als preußischer Ministerpräsident und Außenminister gehörte noch vor Adolf Bertram deutlich dem Bischof von Paderborn, Karl Joseph Schulte185. Hatte Schulte im Vorfeld der Neubesetzung in dieser westfälischen Diözese fünf Jahre zuvor oberflächlichen staatlichen Beobachtern noch als Verfechter des Integralismus gegolten, so war er seit seiner Bischofsweihe als schärfster Kritiker von Kardinal Kopp innerhalb des preußischen Episkopats im Gewerkschaftsstreit hervorgetreten186. Wenn der Kanzler ihn daher am liebsten nach Breslau transferiert gesehen hätte, so lag darin die Intention, 178 179
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Vgl. Schreiber, Deutschland und Österreich, S. 126. In keinem Biogramm wird angesprochen, dass Stotzingen als Bischofskandidat in Breslau im Gespräch war. Pastor, Tagebücher – Briefe – Erinnerungen, S. 595. Eintrag v. 11.3.1914. Haering, Fidelis von Stotzingen, S. 241. Vgl. Eberle, Abbot Primate Fidelis von Stotzingen, S. 101. Vgl. hierzu ausführlich das Kap. Metz in diesem Band. Vgl. BArch Berlin-Lichterfelde, R 5101, 22237. Bei Philippi, Kronkardinalat oder Nationalkardinalat, wird er hingegen nicht erwähnt. Zu Schulte vgl. das Kap. Paderborn in diesem Band. Vgl. Loth, Bischof Karl Joseph Schulte, in: WZ, Bd. 142 (1992), S. 345–360, hier S. 353–359.
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in der schlesischen Bischofsstadt eine vollkommene Kehrtwende in der Gewerkschaftsfrage einzuleiten. Kurzum sah man im Staatsministerium mit der Breslauer Sedisvakanz die Gelegenheit gekommen, der Berliner Richtung im Gewerkschaftsstreit den Todesstoß zu versetzen, indem einfach ein Vorkämpfer der Kölner Richtung dorthin gesetzt würde. Als der preußische Vatikangesandte, Otto von Mühlberg187, weisungsgemäß die – in den Augen seiner Regierung – hervorgehobene Bedeutung der Breslauer Personalie dem Kardinalstaatssekretär Raffaele Merry del Val auseinandersetzte188, reagierte dieser einerseits abwehrend, er wisse nichts über die Wahlvorbereitungen. Andererseits ließ er sich vom preußischen Gesandten entlocken, dass er bereits mit dem Fuldaer Bischof Joseph Damian Schmitt189 über die Breslauer Bischofsstuhlbesetzung gesprochen hatte. Mühlberg registrierte diese Information mit Erstaunen, da Schmitt seines Wissens seit dem Tod Kopps gar nicht in Rom gewesen war. Ihm war jedoch klar, dass entscheidende Kreise in der Kurie Schmitt als künftigen Fürstbischof von Breslau favorisierten. Ende März 1914 wartete Kultusminister August von Trott zu Solz mit einer neuen Nachricht auf, dass zum einen der bekannte christliche Archäologe in Rom, Josef Wilpert190, zum anderen der als Pfarrer in Mons/Belgien tätige Ferdinand Prinz von Croy als Kandidaten gehandelt würden. Der Deutschbelgier Msgr. Croy war von Friedrich Graf von Praschma gegenüber dem Staatssekretär im Auswärtigen Amt Gottlieb Freiherr von Jagow191 als Kandidat ins Gespräch gebracht worden192. Außerdem war er als „von Rom entsandter Begleiter des Kardinals von Kopp bei der Überbringung der Glückwünsche des Papstes zum Regierungsjubiläum Seiner Majestät“ 1913 aufgetreten.
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Zu Mühlberg (1843–1934), 1908–1919 preuß. Gesandter beim Vatikan, vgl. Hanus, Die Preußische Vatikangesandtschaft, S. 398–405; u. Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes, Bd. 3, S. 294f. Vgl. hierzu Mühlberg an Bethmann Hollweg v. 20.3.1914, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2a. Zu Schmitt, seit 1907 Bischof von Fulda, vgl. das Kap. Fulda in diesem Band. Zu Wilpert vgl. Kielbasa, Wilpert, in: Hirschfeld u.a. (Hrsg.), Schlesische Kirche in Lebensbildern, Bd. 7, S. 362–369. Zu Jagow (1863–1935), 1909 Botschafter in Rom, 1913–1916 Staatssekretär bzw. Staatsminister im Auswärtigen Amt, vgl. Seier, Jagow, in: NDB, Bd. 10 (1974), S. 299f.; Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes, Bd. 2, S. 415f. Notiz v. Jagows v. 7.3.1914, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2a: „Mir sagte heute Graf Praschma – bekanntlich ein großer Gegner Oppersdorffs – ob nicht Msgr. Croy ein geeigneter Kandidat für Breslau wäre. Ich habe mich auf keine Erörterung eingelassen, nur bemerkt, dass Croy nicht ganz Deutscher, sondern halber Belgier sei. Croy hat momentan eine Pfarre in Belgien, war, ehe er Priester wurde, Leutnant bei den Gardejägern und … spricht fließend italienisch.“ Hier auch das folg. Zit. Vgl. auch Praschma an Porsch v. 5.4.1914, zit. nach Leugers-Scherzberg, Felix Porsch, S. 190.
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Wilpert wurde als „ein feinsinniger Gelehrter“193 gewürdigt. Insgesamt schien von Trott zu Solz beide als potenzielle Kandidaten ernst zu nehmen, zumal er den Wunsch äußerte, Mühlberg mit der Sammlung von Informationen über sie zu betrauen. Der preußische Gesandte im Vatikan schien ihm schon deswegen geeignet, weil Croy lange Zeit in Rom gelebte habe und Wilpert ohnehin seinen Lebensmittelpunkt in der Ewigen Stadt habe. Wie der bayerische Vatikangesandte Otto von Ritter zu Groenesteyn194 seiner Regierung anvertraute, seien aber weder Wilpert noch Croy personae gratae in Berlin. Letzterer werde von Exponenten des politischen Katholizismus bevorzugt195. Josef Wilpert kam für die preußische Regierung demnach nicht in Frage, „weil er sich seit Jahren nur den Wissenschaften gewidmet hat und der Politik gänzlich ferne steht“196. Als sein Protektor ist der preußische Vatikangesandte Mühlberg anzunehmen, wenn man sich vor Augen ruft, dass dieser in der vorausgegangenen jahrelangen Diskussion um einen deutschen Kurienkardinal in Rom dem Reichskanzler bereits einmal Wilperts Nomination nahe gelegt hatte197. „Wilpert ist gut deutsch gesinnt, besitzt in kirchlichen Fragen einen weiteren Gesichtskreis und kennt durch seinen langen Aufenthalt in Rom die Verhältnisse der Kurie und ist ein lauterer Charakter“198, hatte Mühlberg von dem Archäologen und Priester geschwärmt, dabei aber durchaus auch die einseitige Wissenschaftsverhaftung dieses Gelehrten nicht ausgeblendet. Croy hingegen sei im Ausland tätig. Während in der Presse die unterschiedlichsten Kandidatennamen kursierten, galt das Interesse des Münchner Nuntius Andreas Frühwirth einer möglichen Aufteilung des Bistums. Auslöser für ein entsprechendes Schreiben an Kardinalstaatssekretär Merry del Val bildeten Zeitungsberichte über im österreichischen Bistumsteil von Breslau bestehende Bestrebungen einer Loslösung von der Mutterdiözese unter Forderung eines eigenen Bischofs199. Einmal abgesehen davon, dass Frühwirth als Österreicher diese Bemühungen offensichtlich sympathisch waren, fällt auf, dass er bei Merry del Val mit keinem Wort die wirtschaftliche Bedeutung Österreichisch-Schlesiens mit sei193 194
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Kultusminister an Auswärtiges Amt v. 29.3.1914, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2a. Zu Ritter zu Groenesteyn (1864–1940), 1909–1934 bayerischer Gesandter beim Heiligen Stuhl, vgl. DBE2, Bd. 8 (2007), S. 450. Vgl. Ritter zu Groenesteyn an Ministerium des Auswärtigen in München v. 11.4.1914, in: BHStA München, MA 99408. So Ritter an Ministerium des Auswärtigen München v. 18.4.1914, in: BHStA München, Ges PS 917. Vgl. Kopp an Bethmann Hollweg v. 11.12.1911, in: PA AA Päpstlicher Stuhl 3, Nr. 2. Zit. bei Philippi, Kronkardinalat oder Nationalkardinalat, in: HJb, Bd. 80 (1960), S. 185–217, hier S. 200. Mühlberg an Bethmann Hollweg v. 7.1.1912, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 5101, 22237. Vgl. Frühwirth an Merry del Val v. 10.3.1914, in: ASV SS, Anno 1914, rubr. 255, fasc. 1. Hier auch das folg. Zit.
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nem reichen bischöflichen Grundbesitz, von dem der Breslauer Oberhirte schließlich seinen – im Deutschen Reich einzigartigen – Titel eines Fürstbischofs ableitete, erwähnte. Vielmehr waren ihm die Separationsbestrebungen Anlass, über eine Abtrennung des Delegaturbezirkes Brandenburg-Pommern nachzudenken. Wenn nämlich Österreichisch-Schlesien mit nur 363.000 Katholiken selbständig werden könne, müsse dies für Brandenburg-Pommern mit immerhin 443.000 katholischen Gläubigen ebenso gelten, wie Frühwirth vorrechnete. Breslau selbst könne noch etwa 2,5 Millionen Katholiken behalten und wäre damit weiterhin eine große Diözese. Jedenfalls „sarebbe cosa bona che un Vescovo risidiesse nell’ ampia Metropoli“, machte der Nuntius aus seiner Intention, die Beziehungen zwischen Staat und katholischer Kirche durch die Existenz eines Bischofs in Berlin zu verbessern, keinen Hehl. Am 13. April 1914 informierte der Breslauer Zentrumspolitiker und Vorsitzende der Partei in Schlesien Felix Porsch200 Dompropst Arthur König über eine Unterredung mit Kultusminister von Trott zu Solz und schlug diesem ein Gespräch mit dem Minister vor, welches König allerdings sogleich ablehnte201. Ganz offensichtlich sah der durchaus staatsloyale Dompropst in dieser Demarche Porschs einen Versuch der Einflussnahme auf die Entscheidung des Kapitels. Immerhin ließ er den sich als Mittelsmann anbietenden Breslauer Zentrumspolitiker wissen, dass das Domkapitel Anfang April zur Aufstellung der Wahlliste zusammentreten werde. Auch die österreichische Regierung musste größtes Interesse an der Neubesetzung des „infolge der Ausdehnung seines Sprengels bis über unsere Grenzen hinaus auch mit unseren kirchlichen Interessen verknüpften fürstbischöflichen Sitzes Breslau“202 haben, wie der österreichische Vatikanbotschafter Johannes von Schönburg-Hartenstein203 dem k.u.k. Außenminister Leopold Freiherr von Berchtold204 darlegte. Dass letzterer dieser Ansicht durchaus zustimmte, belegt die Tatsache, dass er den Gesandten umgehend anwies, der „Frage der Wiederbesetzung des Bistums Breslau … höchste Aufmerksamkeit zu schenken“205. Wie der k.u.k. Kultusminister Max von Hussarek206 die deutsche 200
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Zu Porsch (1853–1930) vgl. Leugers-Scherzberg, Felix Porsch, sowie Webersinn, Zwölf Laien in der Kulturkampfgalerie (Schluss), S. 150–152. Bei Leugers-Scherzberg, Porsch, wird fälschlich der 13.3.1914 genannt. Vgl. Porsch an König v. 13.4.1914 u. König an Porsch v. 14.4.1914, in: AAW I A 25 a96. Vgl. dazu auch Leugers-Scherzberg, Felix Porsch, S. 189f. Schönburg an Berchtold v. 12.3.1914, in: HHStA Wien, PA XL, Interna Liasse LX/25. Zu Schönburg-Hartenstein (1864–1937), 1911–1919 österreichischer Botschafter beim Heiligen Stuhl, vgl. DBE2, Bd. 9 (2008), S. 145. Zu Berchtold (1863–1942), 1912–1915 österreichischer Außenminister, vgl. Reiswitz, Berchtold, in: NDB, Bd. 2 (1955), S. 65f. Berchtold an Schönburg v. 18.3.1914, ebd. Zu Hussarek (1865–1936), 1911–1917 österreichischer Kultusminister, 1918 Minister-
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Botschaft in Wien wissen ließ, gab es Befürchtungen, dass ÖsterreichischSchlesien von Breslau gelöst werden könnte, was aufgrund des dortigen Slawisierungsdrucks unbedingt zu vermeiden sei. Die österreichische Regierung lege daher Wert auf eine Aufrechterhaltung des Status quo und wünsche sich einen Bischof von der Denkrichtung Kopps, der „in den Traditionen seines Vorgängers weiter arbeite und, wie dieser, mit Geschick und Sorgfalt die Beziehungen zu seinen österreichischen Diözesanen und deren Interessen pflege“207. Diese Haltung korrespondierte mit einem Bericht des langjährigen deutschen Botschafters in Wien, Heinrich VII. Prinz Reuß. Dieser hatte 1891 seine Regierung von der Zufriedenheit der österreichischen Regierung mit Kopp informiert. Demnach spielte Kopp nicht nur auf politischer Ebene als Mitglied des Österreichischen Herrenhauses, des Landtags von Österreichisch-Schlesien in Troppau und stellvertretender Landeshauptmann, sondern auch innerkirchlich als Mitglied der Österreichischen Bischofskonferenz eine „bedeutende Rolle“208. Konkret wurde aus Wien eine Kandidatur von Kopps langjährigem Sekretär Johannes Steinmann vorgeschlagen, womit man offensichtlich die Traditionslinie Kopps gewahrt sehen wollte, während man den in der Presse genannten Prinzen Max von Sachsen nicht als ernsthaften Kandidaten bezeichnen könne209. Die größten Chancen wurden in der Metropole der k.u.k-Monarchie letztlich Adolf Bertram eingeräumt und diese Personalie auch deshalb positiv goutiert, weil Bertram sich gemäß einem beim k.u.k. Generalkonsul in Hamburg eingeholten Bericht „besondere Verdienste um die Pastorierung unserer Saisonarbeiter in der ihm unterstellten Diözese und um die Errichtung der Franz-Joseph-Kirche in Harburg erworben“210 habe. Wie Schönburg-Hartenstein in Rom beobachtete, wich die anfängliche Eile der Neubesetzung der Gemächlichkeit, nachdem sich abgezeichnet hatte, dass die Liste neu zu kreierender Kardinäle bereits feststand211. Seiner Ansicht nach wäre bei einer rascheren Wahlentscheidung in Breslau der neue Oberhirte umgehend noch in den Kardinalsstand erhoben worden212. Zudem vermutete er, dass der Kölner Kardinal Felix von Hartmann, der das Vertrauen 207 208
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präsident, vgl. Plöchl, Hussarek, in: NDB, Bd. 10 (1974), S. 86f. Botschafter in Wien an Bethmann Hollweg v. 9.3.1914, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2a. Reuß an Kultusministerium in Berlin v. 10.11.1891, in: GStA PK, zit. bei Morsey, Kirchenfürst oder „Staatsbischof“, S. 43, Anm. 14. Vgl. Tschirschky u. Bögendorff an Bethmann Hollweg v. 9.3.1914, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2a, secr. K.u.K. Generalkonsul in Hamburg an Auswärtiges Amt v. 31.3.1914, in: HHStA Wien, PA XL, Interna Liasse LX/25. Die genannte Kirche in Harburg war 1913 mit finanzieller Unterstützung des österreichischen Kaisers Franz Josef I. errichtet worden und hatte daher ihren Namen erhalten. Vgl. Schönburg an Berchtold v. 21.4.1914, ebd. Hier auch das folg. Zit. Vgl. Schönburg an k.u.k. Außenministerium Wien v. 5.5.1914, in: HHStA Wien, PA XI 252. Hier auch das folg. Zit. Demnach sei die Kardinalserhebung des München-Freisinger Erzbischofs Bettinger nur eine Verlegenheitslösung gewesen.
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der Regierung besitze, in der Personalangelegenheit ein gewichtiges Wörtchen mitzureden habe, wie auch Kardinal Kopp bei der letzten Neubesetzung in Köln, „wie in eingeweihten Kreisen allgemein bekannt“, entscheidend zugunsten Hartmanns gewirkt habe. Erstaunlich schien dem österreichischen Gesandten, dass die Staatsregierung offenbar eine freie Kapitelswahl zulassen wolle, und er vermutete dahinter gleich den taktischen Schachzug, sich auf diese Weise aus dem Gewerkschaftsstreit herauszuhalten und durch die „den Streit zwischen Berliner und Kölner Richtung so nahe tangierende Besetzungsfrage wenigstens einen Teil der Verantwortlichkeit … auf das Breslauer Kapitel abwälzen“213 zu können. Die Riege der potenziellen Bischofskandidaten erweiterte er dann auch sogleich um den Bischof von Speyer Michael von Faulhaber, von dem er zu berichten wusste, dass er „ein ungewöhnlich begabter Mann sei und dass er dem Kanzler in Berlin durch einige von ihm gehaltene ausgezeichnete Reden aufgefallen sei“214. Das „sehr auffallende Interesse, das der österreichisch-ungarische Botschafter an der Wiederbesetzung des Breslauer Postens nimmt“, wurde durchaus bemerkt und gab in deutschen Diplomatenkreisen Anlass zu der Vermutung, Wien wolle mögliche Personalquerelen dazu nutzen, die Abtrennung des österreichischen Bistumsteils von Breslau zu forcieren. Wie verkehrt man damit lag, zeigt einmal mehr die schon fast in Hysterie ausartende Angst des Berliner Auswärtigen Amtes vor Störmanövern gegen seine Kirchenpolitik. Noch bevor Kaiser Wilhelm II. unter dem 1. Mai 1914 den Oberpräsidenten von Schlesien, Hans von Guenther215, offiziell zum Wahlkommissar bestellte, nicht ohne die übliche Ermahnung auszusprechen, für die Wahl eines fähigen und zugleich der Krone treu ergebenen Geistlichen zu sorgen216, war Guenther von sich aus aktiv geworden. Als sich designiert fühlender Kommissar für die Bischofswahl bewog er das Kapitel, „ihm die Namen der in Aussicht genommenen Kandidaten vertraulich mitzuteilen, bevor eine offizielle Liste eingereicht würde. Es liege der Regierung alles daran, dass das Kapitel zur Wahl käme, andererseits aber auch, dass der Regierung das Odium erspart bleibe, Namen offiziell streichen zu müssen“217. Dieses Angebot einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zeitigte durchaus Erfolg. 213
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Schönburg an k.u.k. Außeministerium Wien v. 27.3.1914, in: HHStA Wien, PA XL, Interna Liasse LX/25. Hier auch das folg. Zit. Dies beobachtete Ritter v. Groenesteyn. Ders. an Ministerium des Auswärtigen München v. 15.4.1914, in: BHStA München, Ges PS 917. Hier auch die folg. Zit. Zu Faulhaber vgl. das Kap. Speyer in diesem Band. Zu Guenther (1864–1934) vgl. Schwabe, Oberpräsidenten, S. 299. Vgl. Wilhelm II. an Domkapitel Breslau v. 1.5.1914, in: AAW I A25 a 96, u. in: ASV ANM, pos. 265, fasc. 1. Guenther ermahnte das Kapitel, einen Mann zu wählen, der „wahre Frömmigkeit, reichste Gaben des Herzens und des Verstandes mit allgemeiner christlicher Bruderliebe und Duldsamkeit“ verbinde. Ders. an Kapitel Breslau o.D. Hier auch das folg. Zit. Guenther an Domkapitel, zit. nach Kleineidam an Frühwirth v. 2.7.1914, in: AAW I A 25.
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Als das Kapitel am 7. April 1914 zur Aufstellung der Wahlliste zusammentrat, erreichte im ersten Wahlgang zwar nur Weihbischof Karl Augustin mit 12 von 17 Stimmen eine Zweidrittelmehrheit218. Während in Staatsbehörden und Öffentlichkeit nahezu ausschließlich Persönlichkeiten als episkopabel erwähnt bzw. diskutiert wurden, die nicht aus Schlesien stammten oder bisher im Fürstbistum Breslau tätig waren, traf damit das Domkapitel ein klares Votum für einen Breslauer Diözesanpriester als neuen Oberhirten. Dies entsprach der bereits im Kontext der Bischofswahl 1887 erfolgten späteren Einschätzung, dass wohl durch die bisher meist von außen gekommenen Bischöfe „sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Schlesien mehr und mehr die Auffassung [durchsetzte], man müsse eben einen Oberhirten aus dem einheimischen Klerus wählen“219. Diese Haltung hatte möglicherweise ein „wahrscheinlich aus der Feder des Breslauer Universitätsprofessors und Kirchenrechtlers Franz Triebs stammender“220 Artikel beeinflusst, der in der Zentrumszeitung „Germania“ erschienen war. Unter der Überschrift „Sentire cum Silesiacis“ war dort ein Schlesier als Bischof gefordert worden, was die ultramontane Fraktion innerhalb des Kapitels als Autoritätsargument gegenüber einem staatlich propagierten auswärtigen Bischofskandidaten benutzen konnte. Unter den neun von insgesamt 17 genannten Kandidaten, welche in den 2. Wahlgang keinen Eingang mehr fanden, war im Übrigen auch der Staatsfavorit Karl Joseph Schulte, dem nur ein Domherr seine Stimme gegeben hatte. Dass nun gerade Schulte, über dessen Favoritenrolle für die Berliner Regierung auch der österreichische Gesandte im Vatikan Schönburg seine Regierung vorab nicht im Unklaren gelassen hatte221, in Bausch und Bogen durchgefallen war, lag wohl auch daran, dass „dieser Name in Rom speziell für Breslau sehr wenig Anklang findet, weil sich Schulte gerade in allerletzter Zeit in einer die Kölner und Berliner Richtung betreffenden ziemlich erhitzten Kontroverse mit Kardinal Kopp befunden hat und daher in diesem Streite bereits eine allzu prononcierte Stellung einnimmt, was man ja, angesichts der in Deutschland über diesen Streit bereits bestehenden Aufregung, geradezu vermeiden möchte“222. Mit dem sicherlich objektiveren Blick des auswärtigen Beobachters hatte Schönburg erfasst, dass Schultes positive Haltung gegenüber der interkonfessionell orientierten Köln-Mönchengladbacher Richtung im Ge218
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Vgl. Protokoll der Aufstellung der Wahlliste des Breslauer Domkapitels v. 7.4.1914, in: AAW I A25a96. Diesen Vorgang referiert auch Leugers-Scherzberg, Die Wahl Adolf Bertrams. Schreiber, Deutschland und Österreich, S. 124. Ebd., S. 125. Marschall, Adolf Kardinal Bertram, in: Stasiewski, Bertram, S. 42. Zu Triebs (1864–1942) vgl. Kleineidam, Die Katholisch-Theologische Fakultät, S. 156. Vgl. Schönburg an Berchtold v. 2.6.1914, in: HHStA Wien, PA XL, LX/25, wo es hieß: „Dass die preußische Regierung gerne Schulte, gegenwärtig Paderborn, als Bischof in Breslau sehen würde, glaube ich in meiner Berichterstattung … erwähnt zu haben“. Ebd.
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werkschaftsstreit ihn zur persona non grata sowohl der staatsloyalen als auch der ultramontanen Fraktion im Breslauer Kapitel gemacht hatte223. Wilfried Loth vermutete daher, dass ein Listenplatz für Schulte „ein zu starkes Signal zu sein [schien], vielleicht auch ein zu provokatives“224. Wegen zu geringer Unterstützung durchgefallen waren auch Rudolf Buchwald225 (3), Karl Kleineidam226 und Johannes Nikel227 (je 2) sowie Ferdinand von Croy, Ganczarski228, Weihbischof Wilhelm Kloske229 von Gnesen, Prof. Dr. Karl Lux230 aus Münster und Pfarrer Reimann aus Frankenstein. Im 2. Wahlgang gelangte jedoch Bischof Adolf Bertram von Hildesheim an die zweite Position, der nach Stimmenzahl angeordneten Wahlliste. Wenn er 12 Stimmen (1. Wahlgang: 7) auf sich zog, machte sich offensichtlich bezahlt, dass er nicht so vehement wie Schulte im Gewerkschaftsstreit Position gegen Kopp bezogen hatte. Dass er ein „Ziehsohn“ des verstorbenen Fürstbischofs war, der nachhaltig Bertrams Aufstieg in der gemeinsamen Heimatdiözese Hildesheim begleitet hatte, verstärkte mit Sicherheit das Votum des Kapitels für ihn. Auf den Hildesheimer Ordinarius folgten Kapitularvikar Joseph Klose 10 (7), die Kanoniker Augustinus Herbig (8) und Anton Bergel (5) jeweils 9 und den Pfarrer Glowatzki von Wyssoka bei Rosenberg acht (7) Stimmen. Da sich die Domherren zuvor geeinigt hatten (überprüfen), nur sechs Kandidaten auf die Liste zu nehmen, fielen Dompropst Dr. Arthur König und Domkapitular Dr. Johannes Steinmann mit jeweils sieben Stimmen (1. Wahlgang 7 und 8 Stimmen) ebenso durch wie Bischof Joseph Damian Schmitt von Fulda mit sechs (4), die beiden Erzpriester Alfons Blaeschke231 aus Liegnitz mit vier (4) und Paul Ganse232 aus Waldenburg mit drei (4) Stimmen. Folglich fand sich der 55-jährige Bertram als einziger Nicht-Schlesier auf der Wahlliste wieder. 223
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Kopp selbst „hegte – seine mehrfachen Beteuerungen stützen diese These – keinen persönlichen Groll gegen seinen Paderborner Amtsbruder“. So Heitzer, Kardinal Kopp und der Gewerkschaftsstreit, S. 243. Loth, Bischof Karl Joseph Schulte, S. 359. Zu Buchwald (1858–1933), Dr. theol., 1913 Domkapitular, 1925 Domdechant, seit 1920 auch Honorarprof., vgl. Negwer/Engelbert, Geschichte des Breslauer Domkapitels, S. 291f. Zu Kleineidam (1848–1924), 1905–1920 Propst u. Fürstbischöflicher Delegat in Berlin, Ehrendomherr in Breslau, dort 1911 Dr. theol. h.c., vgl. Gatz, Kleineidam, in: Ders., Bischöfe, S. 387; Jablonski, Geschichte des Delegaturbezirks. Zu Nikel (1863–1924), Dr, theol., seit 1900 Prof. für Altes Testament, seit 1914 auch Domkapitular, vgl. ebd., S. 292. Zu Ganczarski ließen sich keine Daten finden. Zu Kloske vgl. das Kap. Gnesen-Posen in diesem Band. Zu Lux (1872–1931), einem gebürtigen Schlesier, seit 1910 Prof. für Kirchenrecht in Münster, vgl. Hegel, Geschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät, Bd. 2, S. 48. Zu Blaeschke (1870–1950), 1909 Pfarrer u. Erzpriester in Liegnitz, 1915 Domkapitular, 1916 Generalvikar, 1924 Dompropst in Breslau, vgl. Gottschalk, Schlesische Priesterbilder, Bd. 5, S. 37–42. Zu Ganse (1863–1928), 1897 Pfarrer u. 1901 Erzpriester in Waldenburg, 1918 zugleich Ehrendomkapitular in Breslau, vgl. Gottschalk, Schlesische Priesterbilder, Bd. 5, S. 72–75.
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dolf Bertram233, der seit 1906 amtierende Bischof von Hildesheim, war im Jahr seiner Bischofsernennung anlässlich des Silbernen Bischofsjubiläums von Kardinal Kopp und zuletzt zu dessen Beisetzungsfeierlichkeiten in Breslau gewesen234.
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nton Bergel235 war 1855 in Breslau geboren worden, hatte nach der 1879 erhaltenen Priesterweihe in Kirchenrecht an der Gregoriana promoviert und war als Kaplan an der Anima tätig gewesen236. Anschließend wirkte er über Jahrzehnte in der Pfarrseelsorge seines Heimatbistums, und zwar seit 1888 als Kuratus an St. Matthias in Breslau, seit 1899 als Pfarrer an St. Heinrich. Als einziger „schlichter“ Gemeindepfarrer wurde er 1904 von Kardinal Kopp in eine Bistumskommission zur Ausarbeitung von Vorschlägen für eine Neukodifizierung des Kirchenrechts berufen237. Am 1. Februar 1912 war er als residierender Domherr installiert worden.
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ugustinus Herbig238, ein 1846 in Stephansdorf im Kreis Neisse geborener Oberschlesier, war Sohn eines Lehrers. Nach dem 1864 in Neisse abgelegten Abitur, begann er das Theologiestudium in Breslau und wurde ein Jahr später an das Collegium Germanicum nach Rom entsandt239, das er mit dem dort weitgehend üblichen Dr. theol. et phil. abschloss. Ein Jahr nach der 1871 erhaltenen Priesterweihe in die Heimat zurückgekehrt, war Herbig als Kaplan in Liebenthal tätig, wo er 1879 und 1881 als Kandidat für den Reichstag im Wahlkreis Löwenberg antrat240. 1883 kam er als Kaplan nach Jauer, wo er vier Jahre später die Pfarrstelle übernahm. Bereits seit 1888 zugleich Erzpriester (Dechant) wurde Herbig 1894 als Domkapitular in Breslau installiert. Es folgten Stationen als Direktor des Theologenkonvikts (1895), Rektor des Alumnats (1904)241 und schließlich Offizial (1909). Einer größeren Öffentlichkeit war er dadurch bekannt geworden, dass er vor dem Pontifikalrequiem für den Verstorbenen Kardinal Kopp die Trauerpredigt gehalten hatte242. Der mittlerweile 68-jährige Herbig, der im Übrigen nur noch ein gutes Jahr zu leben ha-
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Zu Bertram vgl. das Kap. Hildesheim in diesem Band. Vgl. Negwer, Erinnerungen an Kardinal Bertram, S. 3. Zu Bergel (1855–1923) vgl. Negwer/Engelbert, Geschichte des Breslauer Domkapitels, S. 312. Nach dem Tod Herbigs 1915 wurde er im Januar 1916 Offizial des Bistums. Vgl. Gatz, Rom als Studienplatz deutscher Kleriker, S. 182. Demnach hielt sich Bergel 1880 in Rom zur Promotion auf. Vgl. Negwer/Engelbert, Geschichte des Breslauer Domkapitels, S. 139. Zu Herbig (1846–1915) vgl. Negwer/Engelbert, Geschichte des Breslauer Domkapitels, S. 289f., Hoffmann, Die Geschichte des Breslauer Alumnats, S. 245f. Vgl. Schmidt, Das Collegium Germanicum und die Germaniker, S. 329. Vgl. Neubach, Schlesische Geistliche als Reichstagsabgeordnete, S. 276. Vgl. Hoffmann, Die Geschichte des Breslauer Alumnats, S. 245f. Vgl. Kölnische Volkszeitung v. 10.3.1914, Abend-Ausgabe, wo die Predigt Herbigs abgedruckt wurde.
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ben sollte243, galt als kluger Kopf, der aber zu den Alumnen zu gütig war und im Allgemeinen nur „Papa Herbig“ genannt wurde244.
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oseph Klose war 1841 in Frankenstein geboren worden, hatte das Gymnasium in Glatz absolviert und in Breslau Theologie studiert. Nach der 1865 erhaltenen Priesterweihe war er kurze Zeit Alumnatssenior gewesen und hatte dann fast zwei Jahrzehnte als Kaplan in Neustadt (O/S) verbracht. 1884 kam er in den Marienwallfahrtsort Wartha, wurde dort zwei Jahre später Pfarrer und wechselte 1890 als Pfarrer nach Falkenberg (O/S), 1903 kam er als Domherr nach Breslau, wo er in der kirchlichen Wahrnehmung als „ruhiger, besonnener, kluger und frommer Priester“245 beschrieben wurde.
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oseph Glowatzki246 war mit fast 67 Jahren der älteste aufgestellte Kandidat und zudem der einzige, der nicht im Dunstkreis des Breslauer Doms angesiedelt war. Vielmehr war er offensichtlich als Exponent des politischen Katholizismus in Schlesien auf die Wahlliste gelangt. 1847 in Leschnitz am Annaberg, dem oberschlesischen Wallfahrtsheiligtum, geboren, legte er in Gleiwitz das Abitur ab und begann zunächst eine Tätigkeit bei der Oberpostdirektion in Oppeln. Nach einem Jahr stieg er in das Theologiestudium in Breslau ein, das ihn 1870 zur Priesterweihe führte. In Goschütz (Kreis Groß Wartenberg) sowie in Biskupitz verbrachte Glowatzki Kaplansjahre, wobei er die letztere Gemeinde nach dem Tode des Pfarrers 1876 aufgrund des Kulturkampfes acht Jahre lang als Administrator leitete. 1884 wechselte er nach Wyssoka am Annaberg, also in die unmittelbare Nähe seines Heimatortes, um dort die Pfarrverwaltung zu übernehmen und 1888 Pfarrer sowie im Folgejahr zugleich Erzpriester des Archipresbyterats (Dekanats) Groß Strehlitz zu werden. 1902 hatte er außerdem die Ernennung zum Fürstbischöflichen Kommissar für Oberschlesien erhalten. 1890 hatte er darüber hinaus die Aufgabe eines Kurators (geistlichen Begleiters) der in Poremba am Annaberg angesiedelten Ordensgemeinschaft der Mägde Mariens247 übernommen. Zudem engagierte sich Glowatzki politisch für das Zentrum, für das er seit 1898 viermal in Folge den Reichstagswahlkreis Oppeln 3 (Groß Strehlitz-Cosel) erobert hatte248, und seit 1899 auch ein Mandat im Preußischen Abgeordnetenhaus für
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Herbig starb am 30.12.1915, nachdem er kurz zuvor noch zum Apostolischen Protonotar ernannt worden war. Vgl. Hartelt, Piontek, S. 30. Ebd., S. 166. Zu Glowatzki (1847–1936), 1920 Päpstlicher Hausprälat, vgl. Sabisch, Glowatzki, in: Schlesische Priesterbilder, Bd. 5, S. 59–63. Die Mägde Mariens wurden 1850 von dem Priester Eduard von Bojanowski in Posen gegründet. Vgl. Haunfelder, Reichstagsabgeordnete der Deutschen Zentrumspartei, S. 165.
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den Wahlkreis Oppeln 3 (Groß Strehlitz, Lublinitz) bekleidete249. Ein späterer Biograph schilderte Glowatzki als „uneigennützigen Mann von aufrichtiger Bescheidenheit“250. Dass Glowatzki den Typus des Politklerikers verkörperte, zeigt nicht zuletzt die Tatsache, dass er seit 1907 dem Vorstand der Reichstagsfraktion des Zentrums angehörte. Schon im Vorfeld hatten auswärtige Beobachter der Szenerie keinen Zweifel daran gehegt, dass die Regierung „auch im vorliegenden Fall entschlossen sein [soll], von … ihrem Ablehnungsrecht [der gesamten Wahlliste] Gebrauch zu machen“251. Dompropst König sah sich wohl auch nicht zuletzt deshalb veranlasst, den Oberpräsidenten mündlich über die Listenzusammensetzung in Kenntnis zu setzen. In Rom hatte man Kenntnis von der Zusammensetzung der Wahlliste, und zwar, wie der preußische Gesandte im Nachhinein eruierte, nicht auf offiziellem Weg über das Domkapitel erlangt. Vielmehr hatte einer der Domherren die Liste über einen Mittelsmann nach Rom gelangen lassen252. Dies belegt ein Bericht des bayerischen Vatikangesandte Ritter zu Groenesteyn, der „streng vertraulich erfahren“253 haben wollte, als Mühlberg „im Vatikan Schritte getan [habe], um den Kardinalstaatssekretär und dadurch den Heiligen Vater für eine Kandidatur des Bischofs Schulte von Paderborn für den Breslauer Bischofssitz zu gewinnen“254, sei ihm von Merry del Val bereits sachkundig entgegnet worden, Schulte stehe doch gar nicht auf der Liste des Kapitels. Am 19. April 1914 telegraphierte Mühlberg aus Rom an das Auswärtige Amt: „Die Kandidatur Schultes gibt dem Kardinalstaatssekretär zu denken“255. Konkret stand dahinter die Befürchtung Merry del Vals, dass Schulte im Gewerkschaftsstreit zu stark hervorgetreten sei256. Nach Einschätzung des Gesandten bevorzuge die Kurie Abt-Primas Fidelis von Stotzingen als eher neutrale, weil politisch nicht hervorgetretene Persönlichkeit. „Dass … Stotzingen, wie es in einigen Zeitungen hieß, von Berlin gewünscht würde, glaube ich nicht“257, meldete der bayerische Gesandte im Vatikan umgehend 249 250 251
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Vgl. Mann, Biographisches Handbuch für das Preußische Abgeordnetenhaus, S. 146. Sabisch, Glowatzki, S. 62. Bayerischer Gesandter in Berlin an Ministerium des Auswärtigen München v. 11.4.1914, in: BHStA München, MA 99408. So berichtete Mühlberg dem Auswärtigen Amt v. 19.4.1914, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2a. Ritter zu Groenesteyn an Ministerium des Auswärtigen München v. 18.4.1914, in: BHStA München, Ges PS 917. Hier auch das folg. Zit. Ebd. Mühlberg an Auswärtiges Amt v. 19.4.1914, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2a. Schulte hatte sich als Exponent der Köln-Mönchengladbacher Richtung seit Ende 1912 deutlich gegen Kopp exponiert. Vgl. Brack, Deutscher Episkopat und Gewerkschaftsstreit, S. 362–426. Ritter v. Groenesteyn an Ministerium des Auswärtigen München v. 25.4.1914, in: BHStA
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nach München. Zum einen schien ihm diese Variante nicht das Wohlgefallen der deutschen Benediktiner zu finden, die erst unlängst den früheren Abt von Maria Laach mit Mühe als Abt-Primas der Internationalen BenediktinerKonföderation in Rom durchgesetzt hätten und ihren dadurch entstandenen Einfluss an der Kurie nicht preisgeben würden. Wohl auch deshalb nützte es Stotzingen nichts, dass Kaiser Wilhelm II., der ja wie gesagt ein Bewunderer benediktinischen Lebens war, durch mehrfache Besuche seine Verbundenheit mit der Abtei Maria Laach bekundet hatte und dass – wie es Luke Eberle nahezu poetisch formulierte – „the imperial favor rested upon the lakeside abbey“258. Obgleich Mühlberg betonte, er habe sogleich die Vorzüge Schultes hervorgehoben, sei „die Gesinnung Merry del Vals … dadurch gekennzeichnet, dass ein von ihm gewünschte[r] Kandidat der Bischof Schmitt von Fulda ist, der sofort nach dem Tode Kopps nach Rom eilte“259. Reichskanzler von Bethmann Hollweg schien entsetzt zu sein. Jedenfalls reagierte er reichlich emotional, wenn er Stotzingen und Schmitt umgehend abtat. Ersterer sei „als Mönch gänzlich ungeeignet“260 und letzterer ebenso wenig akzeptabel, wobei in Berlin offenbar in erster Linie der Konnex Schmitts mit vatikanischen Stellen suspekt erschien, der ihn in Regierungskreisen rasch in den Stallgeruch eines päpstlichen Favoriten gebracht hatte. Gleichzeitig offerierte der Kanzler folgenden Plan A. Sollte Schulte nicht auf der Kapitelliste stehen, wohl aber Bertram, so seien alle übrigen Kandidaten bis auf Bertram zu streichen, „den ich für akzeptabel halte“. Sollte auch Bertram nicht auf der Liste verzeichnet sein, müsse der Plan B erfolgen, nach Rückgabe der Gesamtliste auf direktem Verhandlungswege mit Rom und unter Ausschaltung des Kapitels Schulte durchzusetzen. Etwas verwirrend erscheint es, dass der Kanzler überhaupt noch von einem Plan B sprach, da zu diesem Zeitpunkt der Inhalt der Kapitelliste in Berlin bereits bekannt sein musste. Bethmann Hollweg schien also allein Bertram oder Schulte akzeptabel zu sein. Würde Wilhelm II. aber bis auf den Bischof von Hildesheim alle übrigen Kandidaten zu personae minus gratae erklären, wäre nur eine Scheinwahl möglich. Würde die Liste komplett als inakzeptabel bezeichnet, wäre Bertram als Kandidat „verbrannt“ gewesen. Seinen absoluten Wunschkandidaten Schulte auf direktem Verhandlungswege mit dem Heiligen Stuhl durchzusetzen, empfand der Kanzler wohl auch deshalb als zu gefährlich, weil der Bischof von Paderborn in Rom eben nicht als persona gratissima angesehen war. Tatsächlich war dem Domkapitel durch Oberpräsident von Guenther inzwischen ein Ultimatum gestellt worden. Es gebe – so berichtete jedenfalls der selbst bei der Aufstellung durchgefallene Berliner Propst Karl Kleineidam 258
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München, Ges PS 917. Eberle, Abbot Primate Fidelis von Stotzingen, in: The American Benedictine Review 4/1953, S. 101–114, hier S. 104. Mühlberg an Auswärtiges Amt v. 19.4.1914, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2a. Bethmann Hollweg an Mühlberg v. 20.4.1914, ebd. Hier auch das folg. Zit.
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– „nur drei Möglichkeiten“261: Entweder würde das Domkapitel die Liste offiziell einreichen. In diesem Fall würde er garantieren, dass nur ein Name nicht gestrichen würde, womit eine Wahl ausgeschlossen wäre. Die zweite Variante liege darin, dass zwar die Liste eingereicht würde, allerdings mit einem Begleitschreiben, in dem der Wille zum Ausdruck gebracht würde, Bertram wählen zu wollen. Eine dritte Alternative bestehe darin, dass das Domkapitel seiner Sechserliste einfach die Namen von Bischof Karl Joseph Schulte und des Apostolischen Vikars in Sachsen, Bischof Aloys Schaefer262, hinzufüge. Dabei handele es sich nur um Alibikandidaten, um die Existenz der Liste zu retten. Denn die Regierung werde nur Bertram, Schulte und Schaefer zu „personae gratae“ erklären, die übrigen aber streichen. Nach längeren Diskussionen soll das Breslauer Domkapitel entschieden haben, sich intern auf Bertram festzulegen und dies auch nach außen hin der Regierung gegenüber zu bekunden. In der Konsequenz reichte es die Wahlliste auch gar nicht mehr offiziell beim Wahlkommissar ein, sondern gab sie nur dem Oberpräsidenten zur Kenntnis. An der Fokussierung der Regierung auf Bertram dürfte der maßgebliche schlesische Zentrumspolitikers Felix Porsch nicht unbeteiligt gewesen sein. Seine Unterstützung wird Bertram schon deshalb sicher gewesen sein, weil ihm dieser – anders als Kopp – als Exponent des politischen Katholizismus erschien und in der Gewerkschaftsfrage näher war263. Porsch war es zudem auch, der am 4. Mai den bayerischen Ministerpräsidenten Georg von Hertling vertraulich darüber informierte, dass die Zustimmung des sich zur Zeit auf Korfu aufhaltenden Kaisers zur Ernennung Bertrams bald erwartet werde264. Vor allem aber soll Porsch den mit ihm befreundeten Oberpräsidenten der Rheinprovinz Georg Freiherr von Rheinbaben von der Richtigkeit dieser Personalentscheidung dahingehend überzeugt haben, dass dieser „bei einem Fest im Neuen Palais in Potsdam … dem Kaiser die Wahl von Bertram lebhaft empfohlen hatte“265. Ebenso habe eine Aussprache zwischen einem nicht genannten Mitglied der Zentrumsfraktion im Preußischen Abgeordnetenhaus und Regierungsvertretern stattgefunden, bei der Einvernehmen über die Genehmheit Bertrams festgestellt worden sei266.
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Kleineidam an Nuntius Frühwirth v. 2.7.1914, in: AAW I A 25b 175. Zu Schaefer (1853–1914), der 1895–1903 Prof. für Neues Testament in Breslau gewesen war u. seit 1906 als Apostolischer Vikar im Bischofsrang in Dresden amtierte, vgl. das Kap. Sachsen in diesem Band. Zu dieser Motivlage äußert sich Leugers-Scherzberg, Felix Porsch, S. 192, nur sehr knapp. Vgl. aber Hinkel, Bertram, S. 80. Vgl. Porsch an Hertling v. 4.5.1914, in: Nachlass Hertling, bei Leugers-Scherzberg, Felix Porsch, S. 191. Schreiber, Deutschland und Österreich, S. 127. Vgl. ebd., S. 126.
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Ob die Presse, welche alle Kandidaten derweil weidlich diskutierte, aus Regierungskreisen von den Listennamen in Kenntnis gesetzt worden war, oder aus Kapitelskreisen darüber erfuhr, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. In jedem Fall wurde der Boden für unterschiedlichste Spekulationen genährt, die auch Eingang in das diplomatische Tagesgeschehen fanden. Wie der bayerische Gesandte in Berlin seiner Regierung in München mitteilte, würden in verschiedenen Zeitungen Berichte über eine in Berlin eingegangene Liste stehen, die allerdings nicht der Wahrheit entsprächen267. Nach einem Bericht aus der österreichischen Botschaft in Berlin war man in Wien schließlich der Ansicht, die Liste des Kapitels habe nur einen einzigen Namen enthalten268. Im Grunde genommen war diese Information ja richtig, nur existierte ja offiziell gar keine Liste, sondern das Domkapitel wählte am 27. Mai 1914 Adolf Bertram zum neuen Oberhirten von Breslau269. Doch schon beim Festessen, das der über den Ausgang hochzufriedene Oberpräsident von Guenther am gleichen Abend zu Ehren des erwählten Bischofs veranstaltete, erfasste den Gastgeber Missstimmung ob zahlreicher Absagen von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens270. Die Ursache lag wohl darin, dass es zu diesem Zeitpunkt zweifelhaft erschien, ob Bertram das Amt überhaupt annehmen werde. Der bayerische Vatikangesandte Ritter zu Groenesteyn jedenfalls hatte ein Reüssieren Bertrams damit abgetan, dass dieser „aus Gesundheitsgründen gebeten habe, von ihm abzusehen“271. Kultusminister von Trott zu Solz zeigte sich nun bemüht, in Diplomatenkreisen unter Anspielung auf Bertrams Sprachbehinderung zu versichern, er glaube nicht, „dass dieser unbedeutende Mangel gegenüber dem übereinstimmenden Wunsch des Breslauer Kapitels und der preußischen Regierung für die Entschlüsse des Bischofs ausschlaggebend sein wird“272. Auf diese Weise wurde zum einen der feste Wille der Regierung manifestiert, dass Bertram zusagen werde. Dieser Erwartungsdruck aus Berlin ließ nach Ansicht Ritter zu Groenesteyns darauf schließen, dass „der Wunsch der preußischen Regierung, den Bischof von Paderborn gewählt zu sehen, auf nicht zu überwindende Schwierigkeiten stößt“273. Zum anderen wurde damit 267
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Vgl. Bayerischer Gesandter an Ministerium des Auswärtigen in München v. 11.4.1914, in: BHStA München, MA 99408. Vgl. k.u.k. Botschafter in Berlin an Berchtold v. 28.4.1914, in: HHStA Wien PA XL Interna Liasse, LX/25. Vgl. Negwer/Engelbert, Geschichte des Breslauer Domkapitels, S. 168. Vgl. die Bemerkungen des Redakteurs der Schlesischen Volkszeitung, Andreas Manner, an Dompropst König v. 27.5.1914, in: AAW NL Bertram a 96, zit. nach Leugers-Scherzberg, Felix Porsch, S. 191. Ritter zu Groenesteyn an Ministerium des Auswärtigen München v. 18.4.1914, in: BHStA München, Ges PS 917. Bayerischer Gesandter in Berlin an Ministerium des Auswärtigen München v. 13.5.1914, in: BHStA München, MA 99408. Ritter zu Groenesteyn an Ministerium des Auswärtigen München v. 6.5.1914, in: ebd.
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– sicherlich nicht ganz unbewusst – der interessierten Öffentlichkeit eine Einvernehmlichkeit zwischen Kapitel und Regierung signalisiert, die ja nicht den Tatsachen entsprach. Vielleicht wollte der Minister aber auch von zwischenzeitlichen Zweifeln der Regierung an der Integrität Bertrams ablenken. Der preußische Vatikangesandte Mühlberg wollte nämlich bei einem Besuch in Baden Baden erfahren haben, dass der dort lebende frühere Breslauer Domherr Adolph Franz unmittelbar nach Ernennung Bertrams mit diesem Kontakt gesucht habe, woraus die sicher übertriebene Befürchtung resultierte, „der neue Fürstbischof [könne] in die Hände dieses intriganten Mannes fallen“274. Den Regierungen in München und Wien blieb also nicht verborgen, dass Bertram im Grunde nur zweite Wahl war, weil Bischof Schulte von Paderborn nicht durchsetzbar erschien, während es der Kurie ebenso wenig gelang, Bischof Schmitt von Fulda nach Breslau zu transferieren275. Das deutliche Votum innerhalb des Domkapitels für Weihbischof Augustin hingegen stieß in der Kurie deshalb auf Missfallen, weil dieser bereits in fortgeschrittenem Alter stand276, wie überhaupt Kardinalstaatssekretär Merry del Val darüber enttäuscht war, dass „das Breslauer Domkapitel … keine der Bedeutung des dortigen Bischofssitzes entsprechende Persönlichkeit auf die Vorschlagsliste gesetzt habe“277. In Rom war man demnach der Ansicht, dass für Breslau kein gewöhnlicher Domherr, sondern ein von außen kommender, bereits als Bischof erfahrener Kandidat notwendig sei. Im Auswärtigen Amt in Wien sorgte die erst verspätet durch den Wiener Nuntius Erzbischof Raffaele Scapinelli278 zur Kenntnis gelangte Ernennung Bertrams zum Breslauer Fürstbischof für einige Aufregung279. Im Ministerium war man politisch „verschnupft“, weil frühere Bischofsernennungen in Bres274 275
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Mühlberg an Bethmann Hollweg v. 24.9.1914, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2a. Ritter zu Groenesteyn formulierte gegenüber dem Ministerium des Auswärtigen am 6.5.1914: „Der Kandidat der Kurie für Breslau scheint der Bischof von Fulda gewesen zu sein.“ BHStA München, MA 99408. Laut der Aussage Montels war man „im Vatikan erstaunt, die Wahl auf so bejahrte Herren fallen zu sehen“. So berichtete Ritter dem Ministerium des Auswärtigen München am 18.4.1918 unter Bezugnahme auf Augustin und einen zweiten älteren Weihbischof. Bei letzterem könnte es sich um Wilhelm Kloske aus Gnesen gehandelt haben, der ja aber über den 1. Wahlgang gar nicht hinaus gelangt war, in: BHStA München, Ges PS 917. Dies berichtete der bayerische Gesandte v. Ritter an das Ministerium des Auswärtigen in München am 25.4.1914, ebd. Zu Scapinelli Di Leguigno (1858–1935), 1912–1915 Nuntius in Wien, dann Kurienkardinal, vgl. Squicciarini, Nunzi apostolici a Vienna, S. 244–246; Squicciarini, Die Apostolischen Nuntien in Wien, in: Paarhammer/Rinnerthaler (Hrsg.), Österreich und der Heilige Stuhl im 19. und 20. Jahrhundert, S. 23–34. Vgl. Scapinelli an Außenminister Berchtold v. 5.8.1914, in: HHStA Wien PA XL, Interna Liasse LX /25.
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lau, wie man im Fall von Robert Herzog 1882 sicher zu eruieren wusste, stets vor erfolgter Präkonisierung in Wien angezeigt worden waren. Allerdings war der k.u.k. Minister des Äußeren, Berchtold, keineswegs von der Personalie überrascht, da ihm der österreichische Gesandte beim Heiligen Stuhl Schönburg bereits am 2. Juni 1914 die Wahl Bertrams mitgeteilt hatte280, sich aber nicht sicher gewesen war, ob der Erwählte zusagen würde, da er „gesundheitlich keine starke Konstitution besitzt und … ihn ein nervöser Sprachfehler zeitweise hindert, gewisse Zeremonien (z.B. Firmungen) selbst vorzunehmen“. Zwar könne der Heilige Vater Bertram zur Einwilligung der Transferierung nach Breslau verpflichten, „wie dies ja in ähnlichen Fällen in mehr oder weniger eindringlicher und daher für den betreffenden Kandidaten bindender Form oft geschieht“. Laut Auskunft des Kardinalstaatssekretärs habe es Pius X. jedoch abgelehnt, in solch massiver Form auf Bertram einzuwirken, weshalb dieser auch die Freiheit besitze, abzusagen. Für diesen Fall seien direkte Verhandlungen der preußischen Regierung mit dem Heiligen Stuhl unter Umgehung des Domkapitels in Aussicht genommen, die sich nach den Informationen Schönburgs auf die Bischöfe Schulte, Schmitt und Abt-Primas Fidelis von Stotzingen konzentrieren könnten. Bertram selbst wandte sich am 29. Mai 1914 an Pius X., um diesem seine Unentschlossenheit hinsichtlich der Annahme der Wahl kundzugeben281. Als Frage muss dabei offen bleiben, ob „davon auszugehen [ist], dass er schon vor der Wahl darüber orientiert war, dass und auf welche Weise er in Breslau gewählt würde“282. Über die Beweggründe gibt es verschiedene Deutungen. Diese beginnen mit dem Hinweis, dass Bertram „seine Heimatstadt (er nannte sie bisweilen „die teure Vaterstadt“) sehr liebte und ihm die Trennung schwerfiel“283, und führt über die Vermutung, er habe angesichts der Umstände seiner Wahl einen schweren Neuanfang in Breslau als Schreckensbild vor Augen gehabt. Jedenfalls mag es angehen, dass ihn die anstehende Entscheidung zutiefst bedrückte, wie sein langjähriger Diener erzählte. Wenn es aber darum geht, die Gefahren des im Osten des Deutschen Reiches anfänglich besonders deutlich spürbaren Ersten Weltkrieges als möglichen Ablehnungsgrund in Erwägung zu ziehen, betreten die Spekulationen allmählich das Reich der Legende, brach doch der Krieg erst aus, nachdem sich der Hildesheimer Bischof bereits definitiv für den Wechsel entschieden hatte. 280 281
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Vgl. Schönburg an Berchtold v. 2.6.1914, ebd. Hier auch die folg. Zit. Vgl. den entsprechenden Hinweis des Breslauer Dompropstes König gegenüber Frühwirth v. 5.6.1914, in: ASV ANM busta 265. So die Ansicht von Leugers-Scherzberg. Die Wahl Adolf Bertrams, S. 124, auch Ders., Felix Porsch, S. 191. Ganse, Adolf Kardinal Bertram, S. 534. Hier auch die folg. Gründe für die mögliche Ablehnung der Transferierung nach Breslau.
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Bertram informierte nämlich am 9. Juni sowohl den Nuntius284 als auch das Hildesheimer Domkapitel von der erfolgten Wahl in Breslau und gab sein Einverständnis zu deren Annahme. Wie schwer ihm diese Entscheidung gefallen sein muss, wird erkennbar, wenn es dort hieß: „Nach langer ernster Erwägung habe ich der Wahl des Domkapitels in Breslau mich gefügt, …, wenn Se. Heiligkeit die geschehene Wahl für ratsam halten sollte“. Wie wenig die Wahl Bertrams im Breslauer Diözesanklerus auf Zustimmung stieß, illustriert exemplarisch der Tagebucheintrag des damaligen Pfarrers von Köslin in Pommern und späteren Domkapitulars, Kapitelsvikars und Bischofs Ferdinand Piontek, der gleichzeitig die Grundstimmung unter seinen Mitbrüdern wiedergibt. „Man hatte es geahnt – aber die Nachricht kam uns nicht gerade erwünscht – warum hat man unter den vielen Priestern der Breslauer Diözese keinen geeigneten gefunden?“285 Sprach aus diesen Zeilen des weitab der Bischofsstadt wirkenden Diasporaseelsorgers primär ein starker Diözesan-Patriotismus, der von den politischen Hintergründen der Wahl weit entfernt war, so drang doch bald die Kunde in die Öffentlichkeit, einer der Domherren habe einen Wahlzettel mit dem Satz „Non eligo, quia non est electio“286 abgegeben, was tatsächlich den Tatsachen entsprach. 17 der 18 stimmberechtigten Domherren hatten allerdings einen Namen auf den Zettel geschrieben, wobei sich 15 für Bertram, zwei für Weihbischof Augustin ausgesprochen hatten287. Möglicherweise handelte es sich bei dem Protestwähler um den bereits erwähnten Berliner Propst und Ehrendomherrn Karl Kleineidam. Vielleicht hatte dieser sich Hoffnungen gemacht, selbst auf die Liste zu gelangen und nunmehr aus verletzter Eitelkeit heraus eine Intrige gesponnen. Kleineidam war es jedenfalls, der seinem Unmut Luft machte und am 2. Juli 1914 bei Nuntius Frühwirth in München gegen die Wahl Bertrams protestierte. Er halte die Wahl „für unkanonisch und ungültig“288, weil eben die Regierung bereits vorab dezidiert Bertram als einzigen ihr genehmen Kandidaten deklariert habe. Der Berliner Delegat und Propst sah in diesem Vorgehen nicht nur einen Widerspruch zum Kapitelwahlrecht, sondern vor allem auch einen Präzedenzfall für andere Diözesen. Sollte der Heilige Stuhl Bertram präkonisieren, komme dies einer Akzeptanz des staatlichen Procedere gleich und sei geeignet, die Kurie in Misskredit zu 284 285
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Vgl. Bertram an Frühwirth v. 9.6.1914, in: ASV ANM busta 265. Hier auch das folg. Zit. Tagebuch Piontek. Eintrag v. 27.5.1914, zit. nach Hartelt, Piontek, S. 108. Hier auch Näheres zu Piontek (1878–1963), 1910 Pfarrer in Köslin, 1921 Domkapitular in Breslau, 1945 Kapitelsvikar, 1959 Bischof. Ich habe nicht gewählt, weil dies keine Wahl ist. Diese Begebenheit berichtet bereits Negwer/Engelbert, Geschichte des Breslauer Domkapitels, S. 167. Vgl. Wahlprotokoll o.D. (wohl v. 27.5.1914), in: AAW I A 25a96. Kleineidam an Frühwirth v. 2.7.1914, in: AAW I A 25. Wie eine Randnotiz belegt, wurde dieses Schreiben offenbar im „Nachlass des Redakteurs J. F. Neise“ gefunden.
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bringen. Zudem sei dem erwählten Hildesheimer Bischof die pastorale Situation in Schlesien vollkommen unbekannt. Auch das Argument des Sprachfehlers fand sich hier wieder. Dass der anonyme Vorwurf gegen den Wahlablauf in der Kurie nicht direkt in den Papierkorb wanderte, sondern durchaus Beachtung fand, geht aus einem Bericht des bayerischen Gesandten Ritter zu Groenesteyn hervor, der am 14. Juli 1914 nach München schrieb: „Es scheint gegen die erfolgte Wahl Bertrams zum Bischof von Breslau intrigiert zu werden, indem auf Unregelmäßigkeiten hingewiesen wird, die bei der Wahl vorgekommen sein sollen. Der Vatikan ist mit der Untersuchung befasst, damit der eventuell gemachte Fehler … vom Papste saniert werden könne“289. Wenn von einer Intrige ausgegangen wurde, die gegen Bertram gesponnen worden sei, spielte der bayerische Diplomat möglicherweise auf eine im Mai 1914 erfolgte Demarche des Barons Franz von Savigny290 an, der als Haupt der „Berliner Richtung“ im Zentrum bei dem als Gegner des Modernismus hervorgetretenen Kurienkardinal Louis Billot SJ291 gegen Bertrams Kandidatur für Breslau Stellung bezog. Allerdings war diese Eingabe im Vatikan dilatorisch behandelt worden, denn als Billot Papst Pius X. den Sachverhalt vortrug, dankte dieser lediglich für die Information.292 Wie der preußische Gesandte aus Rom berichtete, begrüßte der Papst nach wie vor „die Wahl Bertrams zum Fürstbischof von Breslau … als eine gute“293, während Kardinalstaatssekretär Merry del Val die Zusage des Hildesheimer Oberhirten zum Transfer nach Breslau weniger positiv aufgenommen haben soll294. Dass selbst dieser erklärte Kritiker, in dessen Augen Bertram „trop faible de santé et peut-être aussi de caractère“ war, klein beigab, lag wohl daran, dass er den Fehler des Vatikans erkannt, aber kein Interesse daran hatte, ihn durch ein Eingreifen öffentlich zu machen, ja eventuell einen Skandal herbeizuführen. Daher sprach selbst der Kardinalstaatssekretär „die Hoffnung aus, dass es dem Heiligen Vater möglich sein werde, ohne einen den Rechten der Kirche nachteiligen Präzedenzfall zu schaffen, die beanstandeten Unregel289
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Ritter zu Groenesteyn an Ministerium des Auswärtigen München v. 14.7.1914, in: BHStA München, MA 99408. Zu Savigny (1859–1917), einem Neffen des Mitbegründers der Zentrumspartei, Carl Friedrich von Savigny, der Kammergerichts-Assessor war, vgl. Brack, Deutscher Episkopat und Gewerkschaftsstreit, S. 6, Anm. 18. Zur Haltung von Billot (1846–1931), 1911 Kardinal, vgl. Engel-Janosi, Österreich-Ungarn und der Vatikan, in: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs, Bd. 5 (1952), S. 278– 301, hier S. 297. „Il Santo Padre vivamente la ringrazia.“ Korrespondenz Pius’ X. Mai 1914, in: ASV Archivio Pio X., zit. nach Findbuch: Dieguez, L’Archivio Particolare di Pio X., S. 182f. Mühlberg an Auswärtiges Amt v. 19.9.1914, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2a. Vgl. Schönburg an Berchtold v. 12.6.1914, in: HHStA Wien, PA XL, Interna Liasse LX/25. Hier auch das folg. Zit.„Kardinal Merry del Val schien darüber, wie nach allen früher berichteten Informationen kaum anders zu erwarten, nicht sonderlich erfreut“.
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mäßigkeiten zu sanieren, nachdem sich nun einmal der Heilige Stuhl mit der Preußischen Regierung über die Wahl des Bischofs Bertram geeinigt habe.“295 Bertram selbst zeigte sich am 24. Juli 1914 in einem Brief an Felix Porsch darüber verwundert, dass einerseits Nuntius Frühwirth ihm bestätigt habe, die Wahl in Breslau sei rechtmäßig erfolgt296. Andererseits habe die „Hildesheimische Volkszeitung“ von ihm eine Stellungnahme zu folgender Nachricht erbeten: „Breslau, 20. Juli. Der Heilige Stuhl hat die Wahl des Breslauer Domkapitels als unkanonisch verworfen und Bischof Bertram aus eigener Machtvollkommenheit zum Fürstbischof von Breslau ernannt“297. Bertram informierte sofort auch Dompropst König in Breslau von der Anfrage, „damit er nicht Mangel an Diskretion bei mir vermutet“. König gestand daraufhin gegenüber Nuntius Frühwirth die Unregelmäßigkeiten bei der Wahl „schriftlich diskret“298 ein. Grosso modo bestätigte er darin den in dem anonymen Brief öffentlich gemachten Zwang, den die Regierung durch den Oberpräsidenten auf das Domkapitel ausgeübt habe. Bertram sei eben gleichsam „cum spe“ auf die Liste gesetzt worden, die nach Einschätzung des Dompropstes einen provisorischen Charakter besessen habe. Von einer Wahl der Kandidaten zu sprechen, vermied er zugunsten der Sprachregelung von einer entworfenen Liste, welche „durch den zu den weiteren Verhandlungen beauftragten Dompropst (sic!) privatim dem Herrn Oberpräsidenten“ übermittelt worden sei. Tatsächlich habe Guenther dem Kapitel die bereits erwähnten drei Wege zur Lösung des Konflikts vorgeschlagen, wobei König gegenüber dem Nuntius nicht die Namen der gewünschten Ergänzungskandidaten im Falle einer Wahl der zweiten Variante, also Schulte und Schaefer, erwähnte, sondern als Forderung des Oberpräsidenten benannte, „dieser Liste noch einige Namen, eventuell von Bischöfen“, hinzuzufügen. Wenn sich das Kapitel für die dritte Möglichkeit, also die Anfrage bei der Regierung, ob der Kandidat Bertram genehm sei, wenn auf ihn eine Majorität der Stimmen entfalle, geeinigt habe, so sei dieser Beschluss in Anwesenheit aller Wahlberechtigten gemeinsam getroffen worden. Außerdem habe eine Probeabstimmung ergeben, dass „Bischof Bertram bei der definitiven Wahl eine ganz überwältigende Majorität haben würde“. Die Wahl selbst sei dann am 27. Mai nach den kanonischen Bestimmungen abgelaufen und wenn im Wahlprotokoll eben die Liste selbst nicht 295
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Ritter zu Groenesteyn an Ministerium des Auswärtigen München v. 18.7.1914, in: BHStA München, MA 99408. Diese Bestätigung soll am 18.7.1914 erfolgte sein. Vgl. Leugers-Scherzberg, Die Wahl Adolf Bertrams, S. 123, ohne einen Beleg zu bringen. Zit. nach Bertram an Porsch v. 24.7.1914, in: AAW Nachlass Porsch IV 22. Hier auch das folg. Zit. Aus dem Nachlass Porsch war nach dessen Tod 1931 dessen Korrespondenz mit den Breslauer Bischöfen in das Erzbischöfliche Diözesanarchiv gelangt. König an Frühwirth v. 31.7.1914, in: ASV ANM 265. Hier auch das folg. Zit. Eine italienische Übersetzung dieses Schreibens, Entwurf ebd., reichte Frühwirth offenbar nach Rom weiter.
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auftauche, sei dies auch kein rechtliches Hindernis, da „eine solche … von den rechtlichen Bestimmungen zur Wahl überhaupt nicht gefordert [werde], wenn das Domkapitel sich vorher über die Genehmheit des etwaigen Kandidaten irgendwie Sicherheit verschafft hat“. Dass nun einer der Domherren die Wahl boykottiert habe, stellte der Dompropst als Handeln eines Einzelnen hin, das keine Allgemeingültigkeit beanspruchen könne, wie er überhaupt bemüht war, gegenüber Erzbischof Frühwirth die Einigkeit des Domkapitels zu unterstreichen und jeglichen Vorwurf, allein gehandelt zu haben, ad absurdum zu stellen. Wohl zu diesem Zweck setzte König als Absender seiner Rechtfertigungsschrift „Das Domkapitel zum hl. Johannes“ ein, von dem er insinuierte, dass es „mit tiefer Trauer“ vernommen habe, dem Heiligen Vater sei „die Würde und Freiheit des Domkapitels nicht genügend gewahrt“ erschienen. Die weiteren Schritte der Ernennung und Amtsübernahme Bertrams erfolgten dann – nach Überwindung des weltpolitischen Schocks des Kriegsausbruches – in durchaus üblichem Rahmen: am 8. September 1914 die Präkonisierung in Rom, am 27. Oktober das Eintreffen in Breslau und am Folgetag die Inthronisation in der dortigen Kathedrale. Abschließend erscheint es jedoch notwendig, kurz der Frage nachzugehen, ob die Intention der staatlichen Protegierung Bertrams darin zu sehen ist, „einen Schlussstrich unter die Ära Kopp [zu] setzen“299, wie August Hermann Leugers-Scherzberg nachzuweisen versucht hat. Auf den ersten Blick spricht einiges dafür, dieser These zuzustimmen, zumal sich Bertram bis zu diesem Zeitpunkt eben nicht als „homo politicus“ hervorgetan hatte, wie sein Vorgänger Kopp, sondern vielmehr seinen Schwerpunkt auf pastorale Initiativen gelegt hatte300. Außerdem stand Bertram im Gegensatz zu seinem Vorgänger im Gewerkschaftsstreit der Kölner Richtung nahe, wenngleich der damalige Bischofssekretär in Breslau Josef Negwer in der Retrospektive vermutete, dass „seine gemäßigte Haltung im Streit zwischen den christlichen Gewerkschaften und den Berliner Fachabteilungen … für ihn eingenommen“301 habe. Obwohl Bertram im Unterschied zum Paderborner Bischof Schulte nicht zu deren maßgeblichen Exponenten im deutschen Episkopat gehörte302, ist zu vermuten, dass Kopp in dieser Auseinandersetzung auch wohl ihn angegriffen hat303. 299
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Leugers-Scherzberg, Die Wahl Adolf Bertrams, S. 120, zeigt sich als entschiedener Verfechter dieser These. Vgl. die Interpretation von Volk, Adolf Kardinal Bertram, S. 276. Negwer, Erinnerungen an Kardinal Bertram, S. 3f. Negwer (1882–1964) war von 1911– 1916 zunächst bei Kopp, dann auch bei Bertram Geheimsekretär. Vgl. Negwer/Engelbert, Geschichte des Breslauer Domkapitels, S. 294. Vgl. Heitzer, Kardinal Kopp und der Gewerkschaftsstreit, S. 197–201; Brack, Deutscher Episkopat und Gewerkschaftsstreit, S. 432. So die etwas vage Formulierung bei Heitzer, Kardinal Kopp und der Gewerkschaftsstreit, S. 225.
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Darüber hinaus gibt die Tatsache zu denken, dass Kopps Kurs im Staat-KircheVerhältnis wenn er auch gegen Ende durch dessen starre Haltung im Gewerkschaftsstreit getrübt gewesen sein mag, grosso modo bei Kaiser Wilhelm II. und in Regierungskreisen auf großes Wohlwollen stieß. Allein die weit gestreute Informations- und Vermittlungstätigkeit in kirchlichen Personalangelegenheiten, die sich auf alle preußischen Diözesen und darüber hinaus erstreckte, hatte Kardinal Kopp zweifellos zu einem gefragten Informanten gerade Berlins gemacht. Rudolf Morsey urteilte darüber, „Kopps Einfluss … [sei] so ungewöhnlich groß [gewesen], wie ihn seitdem in Deutschland kein Bischof wieder zu erlangen vermochte“304. In der Retrospektive hatte Wilhelm II. über den Fürstbischof von Breslau geschrieben: „Besonders eng war ich zeitlebens mit … Kopp verbunden. Er hat mir immer loyal gedient, mein Verhältnis zu ihm war durchaus vertrauensvoll. Wertvoll für mich war seine Vermittlung mit dem Vatikan, bei dem er großes Ansehen genoss, obgleich er durchaus den deutschen Standpunkt wahrte“305. Die Intention der Regierung musste daher darauf gerichtet sein, in dieser Frage Kontinuität zu schaffen, zumal – wie das Fallbeispiel Breslau 1914 zeigt – das staatliche Interesse an einer Mitwirkung bei den Bischofsernennungen keineswegs abgenommen hatte. Schließlich ist auch das Argument nicht zu verkennen, Kopp, der als früherer Hildesheimer Generalvikar noch immer gute Beziehungen in sein Heimatbistum unterhielt, habe selbst gegenüber der Regierung Bertram „als seinen Nachfolger empfohlen“306. Dem entspricht auch der Eindruck des Bischofssekretärs Negwer, der bei Bertram bedingt durch die „streng sachliche Art, sein Eingehen auf das Kleinste, seinen praktischen Sinn (…) vieles von der Art des Kardinals Kopp“307 wiederfand. Sieht man einmal von den per se mit einem Amts- und zugleich Generationswechsel verbundenen Veränderungen ab, überwiegt bei der Bischofswahl von 1914 klar die Kontinuität vor der Zäsur.
Weihbischofsbestellungen Angesichts der gewaltigen räumlichen Ausdehnung des Bistums Breslau einschließlich seines Delegaturbezirkes Brandenburg-Pommern war hier ständig ein Weihbischof tätig. Da die meisten Fürstbischöfe der polnischen Sprache nicht mächtig waren, lag in ihrer Beherrschung ein Qualitätsmerkmal für einen Weihbischof, um den Anliegen der autochthonen Bevölkerung Im Zuge des preußischen Kulturkampfes vermehrten sich im österreichischen Bistumsanteil die Bestrebungen einer Abtrennung von Breslau. Zumindest aber wurde vom dortigen Klerus ein eigener Weihbischof gefordert. Diesem Ansinnen 304 305 306 307
Morsey, Kirchenfürst oder „Staatsbischof“, S. 42. Wilhelm II., Ereignisse und Gestalten, S. 176. Schreiber, Deutschland und Österreich, S. 123. Negwer, Erinnerungen an Kardinal Bertram, S. 5.
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war 1883 mit der Ernennung des Breslauer Generalvikars für Teschen Franz Sniegon zum zweiten Breslauer Weihbischof mit Sitz in Teschen308 und Titularbischof von Tanes in Ägypten nachgekommen worden. Nach dem Tod Sniegons 1894 wurde jedoch kein neuer zweiter Weihbischof mehr ernannt.
Weihbischofsernennung 1900 Der langjährige Weihbischof Hermann Gleich, der 1887 Bischofsfavorit der Majorität des Metropolitankapitels gewesen war, verzichtete 1895 „fast 80-jährig und kränklich“ zunächst nur auf die Funktion des Generalvikars und unternahm weiterhin Firmreisen, bis zu seinem Tod am 6. April 1900. Schon drei Wochen später wandte sich Kardinal Kopp an Papst Leo XIII., um mit der Todesmitteilung zugleich den Breslauer Domkapitular Heinrich Marx als neuen Weihbischof vorzuschlagen309. Marx sei körperlich und geistig gesund und zudem ein würdiger Priester. Ein weiteres wichtiges Kriterium, das Marx erfüllte, war eine gute Kenntnis der polnischen Sprache, wobei er sich nicht als Exponent der nationalpolnischen Bewegung hervorgetan hatte. Zudem benötige die Diözese mit ihren „certena millia fidelium“ dringend einen neuen Weihbischof. Obgleich sich Staat und katholische Kirche noch Mitte der 1880er Jahre in dem Punkt einig gewesen waren, dass Marx nicht episkopabel sei, so hatten sich eineinhalb Jahrzehnte später die Akzente verschoben. Marx, den der Breslauer Bistumshistoriker Joseph Jungnitz als „einen der gelehrtesten Pfarrer Oberschlesiens“310 bezeichnete, war auch Erzpriester und Kommissarius von Pleß und wurde 1892 in das Breslauer Domkapitel berufen311, das ihn zuvor bei der Bischofswahl 1887 auf die – letztlich geplatzte – Liste gesetzt hatte. Erstaunlicherweise informierte Kardinalsstaatssekretär Rampolla noch am selben Tag, an dem Kopp beim Papst Marx als Weihbischof erbeten hatte, den Münchner Nuntius Cesare Sambucetti darüber, dass Leo XIII. der Bitte Folge zu leisten gedenke und er Kopp direkt diese Nachricht mitgeteilt habe312. Diese Eile bedeutet, dass weder in München noch im Vatikan die Personalie von Marx näher geprüft wurde. Am 24. Juni 1900, dem Tag der Konsekration von Marx, wandte sich überdies der preußische Vatikangesandte von Rotenhan von sichtlicher Überraschung gekennzeichnet an Hohenlohe-Schillingsfürst mit der Nachricht, dass Kardinal Kopp „wegen Arbeits-Überlastung [um] 308
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Vgl. Dziatzko, Die kirchenrechtliche Stellung des Generalvikars, in: Archiv für katholisches Kirchenrecht, Bd. 45 (1884), S. 141–155. Zu Sniegon (1809–1891) vgl. Samulski, Sniegon, in: Gatz, Bischöfe, S. 710f. Vgl. Kopp an Leo XIII. v. 28.4.1900, in: ASV ANM, sc. 197, pos. 12. Jungnitz, Weihbischöfe, S. 432. Vgl. Negwer/Engelbert, Geschichte des Breslauer Domkapitels, S. 289. Vgl. Rampolla an Nuntius v. 28.4.1900, in: ASV ANM, sc. 197, pos. 12.
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beschleunigte Ernennung“313 eines Weihbischofs nachgesucht habe, die durch päpstliches Breve erfolgt sei. Nun habe aber der Heilige Stuhl 1893 zugesagt, dass er vor der Ernennung von Weihbischöfen in Preußen künftig mündliche Rücksprache mit der Regierung halten werde. Mit ihm, Rotenhan, habe ein solcher Austausch nicht stattgefunden, weshalb er Rampolla auf dieses Versäumnis anzusprechen gedenke, es sei denn, der Heilige Stuhl habe ohne sein Wissen mit dem Kultusminister oder dem Oberpräsidenten vorab gesprochen. Trotz der überaus schnell vollzogenen Ernennung stellte sich aber auf Nachfrage bei Kultusminister Studt heraus, dass Kardinal Kopp die Personalie Marx am 10. April dem Breslauer Oberpräsidenten, „welcher Bedenken gegen den p[arochus] Marx nicht geltend zu machen hatte“, zur Kenntnis gegeben hatte314. Papst Leo XIII. ernannte Domkapitular Marx am 11. Juni 1900 zum Titularbischof von Colossae und Weihbischof in Breslau315, und schon 14 Tage später, am 24. Juni, erhielt er im Dom zu Breslau durch Fürstbischof Kardinal Kopp die Bischofsweihe, bei der – ein Bezugspunkt zu seiner verhinderten Erhebung zum Erzbischof von Gnesen-Posen – der Posener Weihbischof Eduard Likowski als einer der beiden Mitkonsekratoren fungierte. Vier Tage später wählte das Domkapitel Heinrich Marx zum Domdechanten. Eine Promotion war für Auxiliarbischöfe nicht erforderlich, gleichwohl wurde Marx vier Jahre später ein Ehrendoktorat der Katholisch-Theologischen Fakultät in Breslau verliehen316.
Weihbischofsernennung 1910 Weihbischof Heinrich Marx starb am 28. August 1911 mit 76 Jahren. Doch bereits mehr als zwei Jahre zuvor hatte der Breslauer Oberpräsident von Zedlitz-Trützschler nach Berlin gemeldet, dieser sei „ein fast völlig gebrochener Mann, der nur in beschränktestem Maße noch aktionsfähig“317 sei. Somit war den Staatsbehörden bereits deutlich, dass über kurz oder lang ein neuer Weihbischof ernannt würde. Offenbar gab es aber aufgrund der loyalen Zusammenarbeit Kardinal Kopps mit der Regierung weder in Breslau noch in Berlin Befürchtungen, von einem Nachfolger für Marx überrascht zu werden. Tatsächlich wandte sich Kardinal Kopp unmittelbar nach der Rückkehr aus 313 314 315
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Rotenhan an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 24.6.1900, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2a. Studt an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 10.7.1900, ebd. Mehrere Briefe hinsichtlich des Kanonischen Prozesses für Marx v. Mai 1900 finden sich in ASV ANM, sc. 197, pos. 12. Vgl. Brzoska, Bischöfe, S. 45. Zedlitz-Trützschler an Kultusministerium v. 26.5.1909, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 5101, 21795.
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seinem Sommeraufenthalt 1909 auf Schloss Johannesberg an den schlesischen Oberpräsidenten und wies zum einen auf die Tatsache hin, dass Marx seit 1905 gesundheitlich eingeschränkt und inzwischen schwer krank sei318. Zum anderen machte er darauf aufmerksam, dass er selbst auf Rat seiner Ärzte nach einer Erkrankung319 kürzer treten müsse. Deshalb habe er vor, beim Heiligen Stuhl mit dem Ehrendomkapitular Karl Augustin320 einen weiteren Weihbischof zu erbitten321. Wie der Oberpräsident dem Kultusminister mitteilte, sei ihm Augustin vom Fürstbischof als „ein in jeder Beziehung würdiger Priester, maß- und taktvoll sowie durch Erscheinung und geistige Veranlagung für das Amt geeignet“ charakterisiert worden. Der gewünschte Weihbischof zeichne sich zudem durch Beherrschung der polnischen Sprache und gleichzeitige patriotische Veranlagung aus. Zedlitz-Trützschler zeigte sich einerseits angetan von der Höflichkeit Kopps, seinen Kandidaten anzuzeigen, obgleich er dies ja gar nicht tun müsse, andererseits hatte er selbst Augustin gelegentlich einer Feier in Augenschein nehmen und „nur günstige Eindrücke von seiner Person und seiner Wirkungsweise erhalten“322. Im Kultusministerium war man darüber hinaus erfreut darüber, dass Augustin mehrfach staatlicherseits geehrt worden war, und zwar mit dem Roten Adler-Orden IV. Klasse und dem Kronenorden III. Klasse323. Zur Welt gekommen war Augustin 1847 in Polnisch-Olbersdorf im Kreis Neustadt (O/S) als Landwirtssohn. Nach dem Schulbesuch in Leobschütz und Neisse sowie dem Theologiestudium in Breslau war er dort 1874 durch Fürstbischof Förster zum Priester geweiht worden. Ohne je in der Pfarrseelsorge tätig gewesen zu sein, hatte Augustin sein Priesterleben im Bischöflichen Ordinariat verbracht, als Sekretär, Assessor und ab 1888 als Ordinariatsrat. 1904 hatte der Fürstbischof ihn zum Ehrendomherrn berufen324. Aber erst unter dem Datum des 10. März 1910 ernannte Papst Pius X. Karl Augustin zum Titularbischof von Diocaesarea in Galiläa und Weihbischof in Breslau. Dass Kardinal Kopp auf die Hilfe Augustins bei der Vornahme von Firmungen und Pontifikalhandlungen vergleichsweise lange warten musste, „obschon der betreffende Kandidat in jeder Hinsicht geeignet sein soll und er ihn auf das Wärmste empfahl“325, rief die Aufmerksamkeit des österreichischen 318 319
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Vgl. Zedlitz-Trützschler an Kultusministerium v. 30.10.1909, ebd. Kopp war im Frühjahr 1909 während einer Firmreise in Oberschlesien schwer erkrankt. Vgl. Zedlitz-Trützschler an Kultusministerium v. 26.5.1909, ebd. Zu Augustin (1847–1919) vgl. Stasiewski, Augustin, in: Gatz, Bischöfe, S. 20; Brzoska, Bischöfe, S. 46; Abmeier, Zur Biographie des Breslauer Weihbischofs Augustin, in: Oberschlesisches Jahrbuch, Bd. 9 (1993), S. 129–138. Vgl. Kopp an Frühwirth (o.D.) 1910, in: ASV ANM, busta 265 Zedlitz-Trützschler an Kultusministerium v. 30.10.1909, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 5101, 21795. Vgl. Zedlitz-Trützschler an Auswärtiges Amt v. 2.11.1909, ebd. Vgl. Negwer/Engelbert, Geschichte des Breslauer Domkapitels, S. 291. Sceczsen an Aehrenthal v. 21.4.1910, in: HHStA Wien, PA XI 250. Hier auch das folg. Zit.
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Gesandten beim Heiligen Stuhl hervor. Wie dieser ganz offenbar von Prälat Montel erfahren hatte, war Kopp über das vatikanische Zögern bei der Weihbischofsernennung und die ihm zugetragene Information, die Kurie habe den Kölner Erzbischof Antonius Kardinal Fischer in dieser Personalfrage konsultiert, so erbost, dass er gedroht habe „Wenn die Dinge so weitergehen, so lege ich alle meine Ämter nieder und ziehe mich in ein Kloster zurück, denn unter solchen Umständen ist es für mich unmöglich, hier gedeihlich zu wirken“. In der österreichischen Gesandtschaft bot die Breslauer Weihbischofsernennung somit Anlass zu der Vermutung, dass Kopps Stern im Vatikan am Sinken sei, während dem Kölner Kardinal Fischer ein umso größeres Vertrauen entgegen gebracht werde. Tatsächlich hatte die zuständige vatikanische Kongregation sich an Nuntius Frühwirth gewandt, um diesen offenbar vor dem Hintergrund des schwelenden Gewerkschaftsstreits sowie der Modernismusfrage um „informazioni opportune circa la qualita, che rendano degno il candidato dell onore e dell officio, a cui dovrebbe essere elevato“326. Frühwirth wiederum holte das angeforderte Gutachten bei dem Kölner Dominikanerpater Augustinus Maria Keller OP ein, der Augustin seit fast 30 Jahren zu kennen versicherte und ihn als Anhänger der „Berliner Richtung“ in sozialen Fragen klassifizierte, allerdings nicht ohne anzufügen, dass er „vermutlich nicht hinreichend in denselben orientiert ist“327. Überhaupt sei Augustin kein intellektueller Geistlicher, dafür aber in Verwaltungsangelegenheiten durchaus gewandt und vor allem fromm und bescheiden, weshalb er die Weihbischofstätigkeit gut wahrnehmen könne. Zu diesem Zeitpunkt hatte allerdings die Presse bereits die Personalie von der Weihbischofsernennung Augustins an die Öffentlichkeit gebracht328. Am 25. April 1910 erhielt dieser die Bischofsweihe durch Kardinal Kopp, der ähnlich wie bei seinem Vorgänger, allerdings bereits nach einem Jahr, die Ehrendoktorwürde der Katholisch-Theologischen Fakultät in Breslau folgte329.
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Sacra congregatio consistorialis an Frühwirth v. 18.2.1910, in: ASV ANM, busta 265. P. Augustinus Keller OP an Frühwirth v. 23.2.1910, ebd. Vgl. Schlesische Zeitung v. 25.1.1910. Die Verleihung des Dr. theol. h.c. erfolgte anlässlich der 100–Jahrfeier der Universität am 3.8.1911. Augustin, der im Dezember 1911 residierender Domherr wurde u. 1913 den Roten Adlerorden III. Klasse erhielt, starb 1919.
FÜRSTERZBISCHÖFLICHES VIKARIAT GLATZ
A
n der Peripherie der preußischen Provinz Schlesien ist ein kleiner Appendix nicht zu vergessen. Die Grafschaft Glatz, ein historisch zu Böhmen gehörendes, im 18. Jahrhundert aber gemeinsam mit Schlesien zu Preußen gekommenes Gebiet, das kirchlich Teil der Erzdiözese Prag blieb1. Dass für die um 1900 etwa 165.000 Katholiken, die in den drei Kreisen Glatz, Habelschwerdt und Neurode über 61 Kirchengemeinden verfügten 2, ein „ausländischer“ Bischof als geistliches Oberhaupt fungierte, war den Behörden in Breslau und Berlin ein Dorn im Auge3. Um die Staatskirchenhoheit durchzusetzen, versuchte die preußische Regierung die Selbständigkeit und Unabhängigkeit dieses kirchlichen Sprengels von Prag zu vergrößern. Ein Mittel dazu war die Institution eines fürsterzbischöfl ichen Vikars, den der Prager Erzbischof schon in habsburgischer Zeit stets als Vikar eines ausländischen Erzbischofs (Vicarius Archiepiscopalis foraneus) installiert hatte und der in Personalunion nunmehr staatlicherseits als Königlicher Dechant eingesetzt wurde, wobei das letztendliche Ernennungsrecht strittig blieb4. Obwohl immer wieder betont wurde, dass beide Funktionen nicht aneinander gebunden seien, wurden die Ämter nur in Personalunion vergeben. Ausgewählt wurde immer ein erfahrener Pfarrer, der zugleich seine bisherigen Aufgaben in der Gemeindeseelsorge beibehielt und lediglich ein mit dem Wechsel des Amtsinhabers von einem Ort zum nächsten wanderndes Sekretariat zur Unterstützung erhielt. Um die staatliche Komponente dieses Amtes in ihrer Bedeutung zu steigern, hatte die Regierung 1810 den einmaligen Titel eines Großdechanten geschaffen5. Kirchlicherseits wurde damals bemängelt, dass dieser Titel keinen Hinweis auf die staatliche Einsetzung zulasse. In seiner Funktion als erzbischöfl icher Vikar wurde der Großdechant 1857 durch päpstliches Breve dahingehend in seiner symbolischen Autorität gestärkt, dass ihm die Privilegien zum Tragen von Mitra und Brustkreuz
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Vgl. im Überblick Gatz, Grafschaft Glatz, in: Ders. (Hrsg.), Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder, S. 300–303; Jung (Hrsg.), Auf dem Weg durch die Jahrhunderte; Herzig/Ruchniewicz, Geschichte des Glatzer Landes; u. zuletzt Meißner/Hirschfeld (Hrsg.), Die Grafschaft Glatz 1918–1946. Vgl. Gatz, Glatz, in: Ders. (Hrsg.), Die Bistümer und ihre Pfarreien, S. 335. Vgl. Hirschfeld, Die Prager Fürsterzbischöfe und die Grafschaft Glatz, in: AGG-Mitteilungen, Bd. 7 (2008), S. 24–42. Vgl. Volkmer, Geschichte der Dechanten, S. 55f.; Hirschfeld, Die Ernennung der Großdechanten, in: ASKG, Bd. 65 (2007), S. 181–197; u. Ders., 200 Jahre Großdechant, in: AGG-Mitteilungen, Bd. 9 (2010), S. 49–55. Vgl. Ungrad, Die Großdechanten der Grafschaft Glatz, in: Bartsch (Hrsg.), Die Grafschaft Glatz, Bd. V, S. 83–103.
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(Inful und Pektorale) verliehen wurden6. Durch die Zirkumskriptionsbulle „De salute animarum“ war 1821 schon festgelegt worden, dass der jeweilige Amtsinhaber dem Breslauer Domkapitel als Ehrendomherr angehören sollte7. Im Jahr 1869 war Franz Brand8, Pfarrer in Neurode, sowohl in das Vikars- als auch in das Großdechantenamt von Fürsterzbischof Friedrich von Schwarzenberg9 eingesetzt worden, nachdem dieser zuvor das Plazet König Wilhelms I. eingeholt hatte. Da es die erste Ernennung seit Inkrafttreten der für die Belange der katholischen Kirche besonders aufgeschlossenen Preußischen Verfassung von 1850 war, nach der die Kirchen ihre Angelegenheiten selbständig zu ordnen hatten, vermutet Franz Volkmer hier begründet einen Zusammenhang10. Gleichwohl bildete weiterhin § 138, Teil II, Titel 11 des Allgemeinen Landrechts von 1794, demgemäß ein auswärtiger Bischof in Kirchensachen keine gesetzgebende Macht besaß11 – und daher zunächst in Berlin die Zustimmung einholen musste –, die Grundlage für den Ernennungsvorgang. Als am 1. Juni 1878 Großdechant Brand im 72. Lebensjahr verstarb, stand der Kulturkampf in Preußen auf seinem Höhepunkt und hatte auch die Grafschaft Glatz erfasst12. Brand selbst war aufgrund der sogenannten Maigesetze von 1873 in Konflikt mit dem Staat geraten, aber in seinem Amt belassen worden. Offenbar hatte man staatlicherseits befürchtet, eine Relegierung des Großdechanten würde den Einfluss des Erzbischofs in der Grafschaft Glatz verstärken, weshalb der schlesische Oberpräsident in Breslau auch eine zügige Neubesetzung empfohlen hatte. Allein seitens der Kirche wurden diese Pläne ausgebremst, weil die Staatsdotationen für das Amt einbehalten worden waren. Erst nach erneuter Zahlung der staatlichen Leistungen zeigte der Erzbischof von Prag 1881 wieder Interesse, an einer Neubesetzung mitzuwirken. Nach einem Intermezzo mit dem bereits bejahrten Pfarrer Franz Nitschke an der Spitze des Vikariats fungierte seit 1883 der bisherige Generalvikariatssekretär Kaplan Ernst Hoffmann13 als Großdechant. 6
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Vgl. Jung, Die Kirchengeschichte der Grafschaft Glatz von 1840–1940, in: Herzig (Hrsg.), Glaciographia Nova, S. 254. Vgl. Negwer/Engelbert, Geschichte des Breslauer Domkapitels, S. 47. Vgl. Stasiewski, Brand, Franz, in: Gatz, Bischöfe, S. 69; Volkmer, Geschichte der Dechanten, S. 140–147; Ungrad, S. 93. Vgl. Gatz, Schwarzenberg, Friedrich Fürst zu, in: Ders., Bischöfe, S. 686–692. Vgl. Volkmer, Geschichte der Dechanten, S. 143f. Zum Allgemeinen Landrecht von 1794 vgl. Huber/Huber, Staat und Kirche, Bd. I, S. 3-11, hier S. 9. Eine Untersuchung zum Kulturkampf in der Grafschaft Glatz stellt ein Desiderat dar. Die bisher bekannten Vorgänge sind neuerdings zusammengefasst bei Hirschfeld, Katholische Lebenswelt zwischen Kulturkampf und Vertreibung (1870–1946), in: Jung (Hrsg.), Auf dem Weg durch die Jahrhunderte, S. 127–154, hier S. 127–129. Zu Hoffmann vgl. das Kap. Breslau in diesem Band.
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Wenn dieser knapp zwei Monate später ohne Umstände die landesherrliche Genehmigung erhielt14, lässt sich daraus ersehen, dass gegen seine Person – wahrscheinlich aufgrund seiner immer wieder von allen Seiten betonten besonderen Umsichtigkeit – keine staatlichen Einwände vorlagen. Kultusminister von Puttkamer verband die staatliche Zustimmung sogar mit dem Wunsch, dass der neue Großdechant zugleich die vakante Pfarrei Neurode erhalte, die unter dem Patronat des Grafen Wilhelm von Magnis auf Eckersdorf stand15. Dass Ernst Hoffmann als überaus fähiger Geistlicher galt, blieb auch nicht verborgen. Bei der Bischofswahl 1886 fand sich mit ihm zum zweiten Mal in der Geschichte ein Glatzer fürsterzbischöflicher Vikar auf der Wahlliste, die das Kapitel bei der Regierung einreichte. Der Breslauer Domkapitular Dr. Adolph Franz charakterisierte Hoffmann in diesem Zusammenhang gegenüber dem Apostolischen Nuntius in München als besonders integre, gelehrte und in kirchlichen Angelegenheiten beschlagene Persönlichkeit, hegte aber offenbar Zweifel, ob Hoffmann „persona gratissima“ der Regierung sei, wenn er in doppelter Verneinung schrieb: „Apud Gubernium huiusque non ingratus est.“16 [Beim Staat ist dieser nicht ungenehm, Anm. d. Verf.]. Jedoch kam der Pfarrer von Neurode weder in Breslau zum Zuge, noch war ihm ein langes Wirken in der Grafschaft beschieden, da er bereits im Juni 1889 noch nicht 50-jährig starb. Nunmehr schlug der seit 1885 amtierende Prager Fürsterzbischof Franz von Schönborn den Pfarrer von Niederhannsdorf Dr. Ernst Mandel17 in Berlin vor18, von dem Kultusminister Gustav Goßler am 25. September 1889 Bismarck mitteilte, dass er „nach den von mir bei den Provinzialbehörden eingezogenen Erkundigungen ... zwar kein hervorragender, aber ein geschäftskundiger Geistlicher“19 sei. Was trotz dieser doch ein wenig einschränkenden Bewertung den Ausschlag dafür gab, dass Wilhelm II. zu der Ernennung sein Einverständnis erteilte, war die anschließende Bemerkung, dass Mandels „politische und kirchenpolitische Haltung zu einem Bedenken keinen Anlass gab“. Vielleicht spielte aber auch eine Rolle, dass der im Gegensatz zu den meisten anderen Grafschafter Priestern promovierte Mandel seinen Doktortitel bei dem Münchner Kirchenhistoriker und später als Gegner des Unfehlbarkeitsdogmas exkommunizierten und zur zeitweiligen Ikone der Altkatholiken stilisierten Johann Ignaz von Döllinger erworben hatte, und zwar mit einer 14
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Hoffmann wurde am 29.7.1883 von Schwarzenberg präsentiert und erhielt am 6.10.1883 das staatliche Plazet. Vgl. GStA PK HA III, I, Nr. 11136. Die Präsentation erfolgte am 31.12.1883. Vgl. Volkmer, Geschichte der Dechanten, S. 152. Franz an Nuntius di Pietro v. 31.1.1887, in: ASV AES, pos. 1293, fasc. 743. Die Kandidatur Hoffmanns wird bei Volkmer, Geschichte der Dechanten, S. 153, kurz erwähnt. Zu Mandel vgl. Gatz, Mandel, Ernst, in: Ders., Bischöfe, S. 471; Ungrad, Die Großdechanten, S. 94f.; Hirschfeld, Die Ernennung der Großdechanten, S. 189f. Vgl. Schönborn an Goßler v. 15.9.1889, in: GStA PK HA III, I, Nr. 11136. Goßler an Bismarck v. 25.9.1889, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2p. Hier auch das folg. Zit.
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Studie über den Luther-Freund Johann von Staupitz20. Ernst Mandel war zu diesem Zeitpunkt 48 Jahre alt. 1841 in Neuweistritz bei Habelschwerdt geboren, hatte er zunächst in Glatz, dann in Breslau das Gymnasium besucht. 1867 war Mandel in München, wo er sein in Breslau begonnenes Theologiestudium fortsetzte, für seine Grafschafter Heimat zum Priester geweiht worden. Erfahrungen in der Pfarrseelsorge sammelte er als Kaplan in den Grafschafter Pfarreien Wölfelsdorf, Schönfeld und Rengersdorf, war wie erwähnt kurzzeitig Sekretär des Großdechanten, bevor er 1884 als Pfarrer nach Niederhannsdorf ging. Seine Ernennung zum Großdechanten und fürsterzbischöflichen Vikar datiert vom 25. Oktober 1889. In einer vom preußischen Außenministerium an alle Oberpräsidien versandten Auflistung der preußischen Domkapitulare einschließlich ihrer Charaktermerkmale hieß es 1890 zu Mandel, er sei „noch zu wenig hervorgetreten, um Beweise von der ihm nachgerühmten Versöhnlichkeit seines Charakters abzulegen“21. Damit ist zugleich deutlich, worum es den preußischen Staats- und Regierungsstellen auch nach der offiziellen Beilegung des Kulturkampfes selbst oder gerade in der peripheren Grafschaft Glatz vordringlich zu tun war: nämlich um die Besetzung der Leitungsfunktionen in der kirchlichen Hierarchie mit versöhnlichen oder – wie es häufig im zeitgenössischen Sprachgebrauch hieß – „friedfertigen“ Geistlichen. Das heißt, es sollten Priester sein, die Distanz zum politischen Katholizismus hielten und nicht bedingungslos ultramontan waren. Diesen staatlichen Vorgaben entsprach ganz offensichtlich auch der Habelschwerdter Pfarrer Wilhelm Hohaus22, der von Fürsterzbischof Leo von Skrbensky in der Nachfolge des mit noch nicht einmal 60 Jahren am 18. Januar 1901 plötzlich an einem Schlaganfall verstorbenen Ernst Mandel ernannt wurde. Hohaus wurde 1844 in Niederhannsdorf geboren, hat das Abitur in Glatz abgelegt und anschließend sein Theologiestudium in Breslau absolviert. Nach der 1869 erhaltenen Priesterweihe hatte er in Freiburg/Breisgau weiterstudiert und war dort 1871 mit einer Dissertation über „Die clementinische Liturgie im 8. Buch der apostolischen Constitutionen“ zum Dr. theol. promoviert worden23. Es folgten Kaplansjahre in Ludwigsdorf und Reinerz. Als Religionslehrer am Lehrerseminar in Habelschwerdt ab 1882 und anschließend am Glatzer Gymnasium und zugleich als Regens des dortigen Konviktes hatte er sich mit regionalgeschichtlichen Veröffentlichungen einen guten Namen ge20 21 22
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Vgl. Volkmer, Geschichte der Dechanten, S. 154. Liste der preußischen Domherren v. Januar 1890, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2. Zu Hohaus vgl. Gatz, Hohaus, in: Ders., Bischöfe, S. 319f.; u. Hirschfeld, Die Ernennung der Großdechanten, S. 190f. Vgl. Samulski, Theologische Promotionen schlesischer Priester, in: Stasiewski (Hrsg.), Beiträge zur schlesischen Kirchengeschichte, S. 416–441, hier S. 433.
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macht24 und galt als „geistreicher Mann, gewissenhaft in der Amtsführung“25. 1889 kam er als Pfarrer nach Habelschwerdt26. Da sich zu seiner Ernennung keine Materialien in den konsultierten Archiven finden, lässt sich daraus schließen, dass er wohl zu keiner staatlichen Beanstandung Anlass gab. Nachdem Großdechant Hohaus, der die Titel eines Päpstlichen Hausprälaten und Apostolischen Protonotars erhielt, am 1. Weihnachtstag 1909 „plötzlich vom Tode ereilt und am 28. Dezember darauf mit den verdienten Erweisen der Ehre zur Erde bestattet“27 worden war, erfuhr das Berliner Kultusministerium vom Breslauer Fürstbischof Kopp, der ja als besonders staatsloyal galt, schon vorab von der beabsichtigten Ernennung des bereits 75-jährigen Pfarrers von Grafenort, Edmund Scholz28, zum Nachfolger. So konnte es bereits vor der fürsterzbischöflichen Nominierung, die am 14. Februar 1910 erfolgte – nämlich am 4. Januar – beim Oberpräsidium in Breslau darum ersuchen, „umgehend über den Lebensgang und die politische und kirchenpolitische Haltung des Pfarrers Scholz ... zu berichten“29. Aus der Breslauer Staatsbehörde wurde daraufhin in nüchternem Stil gemeldet, dass Scholz ein staatlich zuverlässiger Geistlicher sei, der gute Umgangsformen besitze, als Kunstkenner gelte, große Reisen unternommen habe und – neben der Abfassung von Gebetbüchern – auch hierüber publiziert habe30. Wesentlich detaillierter nahm sich das der Nomination beigefügte Schreiben des Fürsterzbischofs von Skrbensky aus, das insbesondere zwei im Vorjahr erfolgte Ehrungen vermerkte, die dem Oberpräsidium offenbar entgangen waren. Jedenfalls beklagte sich das Ministerium nunmehr beim Oberpräsidenten, dass von dort nur die Verleihung des Roten Adlerordens IV. Klasse, nicht aber des Königlichen Kronenordens III. Klasse sowie der Ehrendoktorwürde der Katholisch-Theologischen Fakultät Breslau an Scholz anlässlich seines Goldenen Priesterjubiläums im Vorjahr31 gemeldet worden seien, und bat „um gefällige 24
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So war er – gemeinsam mit Franz Volkmer – Herausgeber der „Vierteljahresschrift für Geschichte und Heimatkunde der Grafschaft Glatz“, die von 1881 bis 1891 in 10 Bänden in Habelschwerdt erschien, sowie der gleichfalls in Habelschwerdt von 1883 bis 1891 in 5 Bänden publizierten „Geschichtsquellen der Grafschaft Glatz“. Außerdem: Führer durch Reinerz und die schönsten Partien der Umgegend, Glatz 1881; Die Heuscheuer, die wilden Löcher und der Stern, ebd. 1882. Berger, Eine Übersicht über die Pfarreien, S. 28. Vgl. Volkmer, Geschichte der Stadt Habelschwerdt, S. 247. Fürsterzbischof Skrbensky an Wilhelm II. v. 10.2.1910, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 5101, 21951. Zu Scholz vgl. Gatz, Scholz, Edmund, in: Ders., Bischöfe, S. 670. Kultusministerium an Oberpräsidium Breslau v. 4.1.1910, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 5101, 21951. Vgl. Oberpräsidium Breslau an Kultusministerium v. 10.1.1910, ebd. Eine Bibliographie findet sich bei Gatz, Scholz, S. 670. Vgl. hierzu auch Eintrag in der Glatzer Pfarrchronik v. 1.7.1909, in: Pohl (Hrsg.), 40 Jahre Kirchengeschichte der Grafschaft Glatz, S. 44.
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erneute Prüfung, ob nicht etwa noch weiteres, für die Beurteilung des Pfarrers Scholz in Frage kommendes Material vorhanden ist, welches in dem Personalbogen nicht berücksichtigt ist“32. Daraufhin merkte der Oberpräsident an, dass Scholz während der Erkrankung des Großdechanten Hohaus, unter dem „die Günstlinge bevorzugt“33 worden seien, bereits als dessen Stellvertreter fungiert habe, durch Gerechtigkeitsliebe und Toleranz hervorgetreten sei und zudem im Klerus hohes Ansehen besitze. Nicht zuletzt sei unter seiner Führung eine Sanierung der Finanzen – um die sich der Historiker Hohaus wohl nur sehr unzureichend gekümmert hatte – eingeleitet worden. Die Gewissenhaftigkeit des Kultusministeriums in der Erfassung aller Einzelheiten im Lebensweg des Kandidaten ist schon bemerkenswert, vor allem vor dem Hintergrund, dass keinerlei Zweifel daran bestanden, dass Scholz den Ansprüchen eines friedliebenden Geistlichen entsprechen würde, so dass er am 21. März 1910 die landesherrliche Genehmigung erhielt. Übrigens wurde der Titel Großdechant im Kontext dieser Ernennung vom Prager Fürsterzbischof erstmals ohne den Zusatz „Fürsterzbischöflicher Vikar“ verwendet. Scholz war 1835 in Friedersdorf bei Bad Reinerz zur Welt gekommen und hatte mit dem Abitur in Glatz und dem anschließenden Theologiestudium in Breslau den üblichen Weg des Priesternachwuchses der Grafschaft genommen. Nach der Priesterweihe 1859 engagierte er sich auf seiner ersten und einzigen Kaplanstelle in Habelschwerdt für die Gründung einer Rektoratschule, deren Leitung Scholz übernahm. Seit 1885 wirkte er dann als Pfarrer in Grafenort und trat auch hier weiterhin durch eifrige Publikation zahlreicher religiös-erbaulicher Schriften hervor.
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Kultusministerium an Oberpräsidium Breslau v. 19.2.1910, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 5101, 21951. Oberpräsidium an Kultusministerium v. 2.3.1910, ebd.
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benso wie die Grafschaft Glatz ist mit dem Distrikt Katscher ein weiterer Jurisdiktionsbezirk in der preußischen Provinz Schlesien kurz zu berücksichtigen, der nach dem Übergang dieses Gebietes an Preußen 1742 kirchlich weiterhin zu einem ausländischen Bistum gehörte, in diesem Fall zum Erzbistum Olmütz2. Weil die preußische Regierung entsprechenden Druck ausübte, einen kirchlichen Ansprechpartner für diesen Bezirk mit (1757) 27 Pfarreien und 2 Lokalien innerhalb der eigenen Staatsgrenzen zu besitzen, wurde seit 1751 einer der Gemeindepfarrer gleichzeitig vom Olmützer Erzbischof zu seinem Vikar ernannt. Im Unterschied zum Glatzer Vikar erhielt der Erzbischöfl iche Vikar des Distrikts Katscher im Rahmen der Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse zu Beginn des 19. Jahrhunderts weder einen Sondertitel noch ein ständiges Ehrenkanonikat am Breslauer Dom. Schon daraus lässt sich schließen, dass dem Erzbischöfl ichen Vikar, der für (1891) 131.000 Katholiken in 47 Kirchengemeinden zuständig war, staatlicherseits keine größere Bedeutung zugebilligt wurde. Der Kulturkampf wirkte sich allerdings auch in diesem an der Peripherie Preußens und des Deutschen Reichs gelegenen Jurisdiktionsbezirk dahingehend aus, dass nach dem Tod des seit 1848 über mehr als ein Vierteljahrhundert hinweg als Kommissar fungierenden Pfarrers von Gröbnig im Kreis Leobschütz, Karl Ullrich3, im Mai 1875 für sieben Jahre keine Nachfolger ernannt wurde.
Ernennung des Kommissars 1893 Der 1882 eingesetzte Fürsterzbischöfliche Kommissar Anton Richtarsky4, Pfarrer von Bauerwitz, starb am 29. April 1893 im 71. Lebensjahr. Es dauerte einige Monate, bis sich Kultusminister Bosse im Oktober 1893 gegenüber Ministerpräsident Caprivi positiv über den vom Fürsterzbischof als Nachfolger vorgeschlagenen Pfarrer von Katscher Robert Sterz5 aussprach und um Erteilung der landesherrlichen Genehmigung für die Ernennung zum Kommissar bat6. 1 2
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Der Distrikt Katscher ist seit 1924 unter dem Namen Generalvikariat Branitz bekannt. Vgl. Gatz, Katscher, in: Ders. Die Bistümer und ihre Pfarreien, S. 386–388; u. Ders. Distrikt Katscher, in: Ders., Die Bistümer der deutschsprachigen Länder, S. 116–119. Zu Ullrich (1801–1875) vgl. Gatz, Ullrich, Karl, in: Ders., Bischöfe, S. 768. Zu Richtarsky vgl. Gatz, Richtarsky, Anton, in: Ders., Bischöfe, S. 616. Zu Sterz vgl. Gatz, Sterz, Robert, in: Ders., Bischöfe, S. 739; u. Komarek, Distrikt Katscher, S. 28–31. Vgl. Bosse an Caprivi v. 27.10.1893, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2q, 4017.
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Der zu diesem Zeitpunkt 64-jährige Robert Sterz war 1829 in Bauerwitz geboren und 1854 in Breslau zum Priester geweiht worden. Kooperatorenbzw. Kaplansjahre führten ihn u.a. nach Katscher. Als Administrator der Pfarrei Soppau war er 1874 aus Preußen ausgewiesen worden, weil er gegen die Maigesetze verstoßen hatte, und hatte im österreichischen Bistumsteil als Expeditor am Konsistorium in Olmütz gearbeitet7. 1882 zurückgekehrt, hatte Sterz die Pfarrei Bladen, vier Jahre später, im Dezember 1886, die wichtigste Pfarrei Katscher erhalten. Von mangelnder patriotischer Haltung war bei ihm keineswegs die Rede. Vielmehr drängt sich der Eindruck auf, dass die Neubesetzung der Kommissariatsleitung für die Regierung nur eine Formalität darstellte. Die Aufmerksamkeit der Staatsbehörden galt eher der Besetzung des erzbischöfl ichen Stuhles in Olmütz. Mit Argwohn und Sorge wurde der Erfolg der tschechischen Nationalbewegung beobachtet und ein Überschwappen auf die teilweise mährisch sprechende Bevölkerung in den Grenzpfarreien des Distrikts Katscher befürchtet. So stand Erzbischof Theodor Kohn unter Beobachtung, seit er 1897 wegen „slawischer Gesinnung“8 erstmals auffällig geworden war. Zwei Jahre später hielt es Oberpräsident von Hatzfeldt für nötig, einen Bericht des Landrates von Ratibor an das Auswärtige Amt in Berlin weiterzuleiten, in welchem beklagt wurde, dass „die schon früher von mir hervorgehobene deutschfeindliche Haltung des Herrn Erzbischofs Cohn in Olmütz auch anlässlich der letzten Landtagswahlen im preußischen Anteil der Diözese Olmütz sich geltend gemacht hat“9. Eine staatliche Einflussnahme etwa auf diplomatischem Weg auf den Bündnispartner Österreich war im Fall von Olmütz eben nicht möglich, weil hier „das traditionelle, aus dem Mittelalter überkommene Wahlrecht des Kapitels weiterhin erhalten“10 geblieben war. Dies zeigte sich besonders deutlich, als Papst Pius X. im Mai 1904 unter Umgehung des in Olmütz traditionell bestehenden Kapitelwahlrechtes11 den Bischof von Brünn, Franz Salesius Bauer, nach Olmütz transferierte und Reichskanzler von Bülow daraufhin den preußischen Vatikangesandten von Rotenhan einschaltete. Obgleich letzterer mit seinem Vertrauensmann Msgr. von Montel Kontakt aufnahm und auch riet, dass Kardinal Kopp als Vermittler eingesetzt werden könnte12, der sich beim Papst und beim Kardi7
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Vgl. hierzu ausführlicher Seppelt, Der Kulturkampf im preußischen Anteil, in: ASKG, Bd. 1 (1936), S. 213–232. Vgl. Lichnowsky an Auswärtiges Amt v. 30.7.1897, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2q. Landrat von Ratibor an Oberpräsident Hatzfeldt v. 20.12.1899, ebd. Strnad, Der Einfluss des Staats auf die Bischofswahlen in Österreich, in: Ders., Dynast und Kirche, S. 631–676, hier S. 642. Zum Kapitelswahlrecht in Olmütz vgl. Matzke, Die Olmützer Erzbischöfe, u. Hartmann, Die Bischofswahlen. Vgl. Rotenhan an Bülow v. 8.4.1904, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2q.
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nalstaatssekretär gegen Bauer verwenden sollte, erfolgte dessen Ernennung. Letztlich war die preußische Regierung also machtlos, und nachdem Bauer auch von Kaiser Wilhelm II. dann in Audienz empfangen worden war, hieß es im entsprechenden Bericht nur noch lapidar: „Sein Eintreten für tschechisch-nationale Zwecke und Einführung tschechischer Predigten in deutschen Gemeinden ist bekannt“13.
Ernennung des Kommissars 1906/1907 Aus Altersgründen legte der Fürsterzbischöfl iche Kommissar Robert Sterz am 1. Oktober 1906 mit 77 Jahren die Leitung des Kommissariats Katscher nieder, blieb aber Pfarrer in Katscher14. Noch im Vorjahr hatte er die Würde eines Päpstlichen Hausprälaten erhalten15, staatlicherseits war er mit dem Roten Adler-Orden IV. Klasse sowie dem Königlichen Kronenorden III. Klasse ausgezeichnet worden. Bereits im Juli 1906 hatte Erzbischof Bauer bei der Regierung um Zustimmung zur Ernennung des bereits 63 Jahre zählenden Pfarrers von Deutsch Krawarn Ignaz Maiß zum neuen Kommissar nachgesucht. Ignaz Maiß16 wurde 1843 in Krotfeld bei Katscher geboren, legte am Leobschützer Gymnasium das Abitur ab und erhielt nach dem in Breslau absolvierten Theologiestudium 1868 dort die Priesterweihe auf den Titel der Erzdiözese Olmütz. Nach Jahren als Kooperator in verschiedenen Pfarreien des Distrikts (Bauerwitz, Poßnitz und Piltsch) kam er 1883 nach Deutsch Krawarn, zunächst als Pfarrverwalter, dann als Pfarrer. Dort wurde ihm nachgesagt, eine willenstarke Persönlichkeit und auch äußerlich imposante Erscheinung gewesen zu sein, weshalb er für die Leitungsfunktion des Kommissariats prädestiniert erschien. Obgleich Maiß „während des Kulturkampfes wiederholt wegen Verstoßes gegen die Maigesetze angeklagt“17 gewesen war, wurden seiner Ernennung staatlicherseits keine Steine in den Weg gelegt. Nachdem er am 17. Januar 1907 von Erzbischof Bauer offiziell zum Fürsterzbischöfl ichen Kommissar ernannt werden konnte, übertrug dieser ihm ein gutes halbes Jahr später auch die zentrale Pfarrei Katscher18, so dass Maiß auch hier die Nachfolge von Robert Sterz antrat. 13 14
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Bericht über den Besuch Bauers bei Wilhelm II. v. 4.11.1905, ebd. Sterz gab 1907 auch die Pfarrei Katscher auf und starb 1909. Vgl. Komarek, Distrikt Katscher, S. 30f. Vgl. ebd., S. 30. Zu Maiß vgl. Gatz, Maiß, Ignaz, in: Ders., Bischöfe, S. 470; u. Komarek, Distrikt Katscher, S. 31–33. Seppelt, Der Kulturkampf im preußischen Anteil, S. 223f. Maiß wurde am 8.10.1907 Administrator u. am 18.12.1907 Pfarrer in Katscher. Vgl. Komarek, Distrikt Katscher, S. 31.
ERZBISTUM GNESEN UND POSEN*
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olitik „sollte ein Bischof überhaupt nicht treiben. Bischof ist Hirte, Seelenhirte, soll es wenigstens sein. Eine einzige politische Tätigkeit liegt dem Bischof wie jedem Priester ob: die der Aussöhnung. Nicht germanisieren, nicht polonisieren, sondern aussöhnen, der Bevölkerung den Hass gegen die deutsche Regierung aus dem Herzen nehmen und die Regierung beeinflussen, das Volk verständig und duldsam zu regieren, danach würde ich streben“1. Diese Kritik des aus dem zweisprachigen Oberschlesien stammenden Priesters, Juristen und Schriftstellers Hyacinth Graf von Strachwitz an den Erzbischöfen von Gnesen-Posen zwischen der Neuumschreibung dieses Jurisdiktionsbezirks in Preußen 1821 und der Angliederung an den wieder entstehenden polnischen Staat 1918 führt zugleich die tiefere Problematik der katholischen Oberhirten dieser mit der preußischen Provinz Posen 2 kongruenten Erzdiözese vor Augen. Die Staat-Kirche-Konflikte im Preußen des 19. Jahrhunderts wie die Kölner Wirren und vor allem der Kulturkampf wirkten hier doppelt eruptiv, weil sie nicht nur die kritische Distanz der Katholiken zum Staat wachsen ließen, sondern im Schlepptau die Hinwendung zu der in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts massiv an Boden gewinnenden polnischen Nationalbewegung mit sich brachten3. Ohnehin gehörte in der Provinz Posen (1905) nur 11 % der deutschen Minderheit der katholischen Kirche an 4, *
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In den Quellen und in der Literatur werden Vornamen ebenso wie Ortsnamen aus dem hier behandelten Bereich teilweise auf deutsch, teilweise auf polnisch angegeben. Zugunsten einer besseren Lesbarkeit wurde für alle Vornamen nur die deutsche Version gewählt. Bei den Ortsnamen wurde neben der deutschen Bezeichnung in Klammern die polnische Bezeichnung hinzugefügt, damit die Orte auch auf heutigen Karten zu verifizieren sind. Lediglich dort, wo kein deutscher Ortsname bekannt oder gebräuchlich war, wurde allein der polnische Ortsname angegeben. Strachwitz, Eines Priesters Weg durch die Zeitenwende, S. 98. Zur Struktur der Provinz Posen vgl. den Überblick von Unruh, Provinz (Großherzogtum) Posen, in: Heinrich u.a. (Hrsg.), Verwaltungsgeschichte Ostdeutschlands, S. 363–442. Zum Verhältnis von Kirche und Staat im preußischen Osten im 19. Jh. allgemein vgl. als neueste Synthese den Forschungsbericht von Schattkowsky, Kirche und Nation im 19. Jahrhundert, in: ZfO, Bd. 54 (2005), S. 527–563, der allerdings primär auf Westpreußen, also die Diözese Kulm, rekurriert. Eine konzise Synthese der deutschen wie auch polnischen Literatur bietet Matwiejczyk, Nation und Konfession in Großpolen, hier S. 130–132. Als ältere Darstellung ist zu nennen Hauser, Polen und Dänen im Deutschen Reich, in: Schieder/Deuerlein (Hrsg.), Reichsgründung 1870/71, S. 291–318. Vgl. Jakóbczyk (Hrsg.), Dzieje Wielkopolski, Bd. 2: 1793–1918, S. 362f.; Becker, Windthorst und die Polen, in: HJb, Bd. 128 (2008), S. 277–324, hier S. 283, Anm. 15. Zur Problematik der Sprachen und einer entsprechenden Statistik vgl. Belszyt, Sprachliche Minderheiten, aber auch die kritische Rezension hierzu v. Hirschfeld, in: ZGAE, Bd. 50 (2002), S. 280–282, sowie Gatz, Polen in Schlesien und in den preußischen Ostprovinzen, in: Ders. (Hrsg.), Kirche und Muttersprache, S. 129–150, hier S. 144f.
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und 88 % des Klerus der Erzdiözese Gnesen-Posen bestand (1888) aus Polen5, während das absolute Gros der (1888) 1,9 Millionen Katholiken unter 755.000 Nichtkatholiken6 polnischer Nationalität war, so dass der Kulturkampf im Verein mit der polnischen Nationalbewegung einer Entwicklung Vorschub zu leisten schien, die mit der ebenso pauschalen wie unzutreffenden Gleichsetzung „deutsch = evangelisch, polnisch = katholisch“ einhergeht 7. Die durch die preußische Politik geschwächte Stellung eines deutschsprachigen Katholizismus im Erzbistum Gnesen-Posen musste sich zwangsläufig auch hinsichtlich der Tatsache bemerkbar machen, dass die Einflussnahme der Regierung in Berlin darauf ausgerichtet war, das in der Bulle „De salute animarum“ 1821 neu umschriebene Erzbistum mit einem Deutschen zu besetzen, der aber zugleich nicht nur exzellente Kenntnisse des Polnischen besitzen, sondern auch die Integrationskraft aufweisen sollte, neben den Interessen der Regierung auch den Interessen der polnischen Katholiken nachkommen zu können8. Dass dieses Aufgabenprofi l der Quadratur eines Kreises gleichkam, lässt sich bereits aus den um 1850 in Berlin erörterten Plänen ersehen, den erzbischöfl ichen Sitz in die preußische Hauptstadt zu verlegen9. Noch in der ersten Hälfte der 1860er Jahre hatte Otto von Bismarck entsprechende Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl verfolgt. Die Erzbischofswahl 1865, aus der Mieczysław Halka Graf von Ledóchowski10, bisher päpstlicher Nuntius in Brüssel, hervorging, hatte den Konfl ikt um die Nationalität eines neuen Inhabers des erzbischöfl ichen Stuhles bereits massiv virulent werden lassen11. Insofern war hier ein erhebliches Konfl iktpotenzial schon 5
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So die Berechnung von Bystrzycki, Duchowieństwo KoŚcioła, S. 13f. Zit. nach Janus, Zur nationalen Identität katholischer Priester, in: Linek/Struve (Hrsg.), Nationalismus und Identität, S. 87–98, hier S. 90. Zu den Zahlen vgl. Art. Posen, in: Wetzer und Weltes Kirchenlexikon, Bd. VII (21891), S. 892f., sowie Matwiejczyk, Nation und Konfession in Großpolen, S. 114. Vgl. auch Neubach, Großherzogtum und Provinz Posen, in: Rogall, Land der großen Ströme, S. 193–233. Bezeichnend erscheint, dass Gnesen-Posen – ebenso wie Kulm – bei Gatz, Die Bistümer und ihre Pfarreien, S. 336–345 (Zygmunt Zieliński), als Diözese „in den deutschsprachigen Ländern“ vorgestellt wird, nicht mehr allerdings in dem 2005 erschienenen Nachfolgeband von Gatz, Die Bistümer der deutschsprachigen Länder. Zu Posener Erzbischöfen in preußischer Zeit im konzisen Überblick vgl. Neubach, Die Erzbischöfe von Gnesen-Posen, in: Europäische Begegnung, Bd. 6 (1966), S. 264–269. Vgl. Steuer, Die Wahl des Nuntius Grafen Miecislaus Ledóchowski, in: Deutsche wissenschaftliche Zeitschrift für Polen, Bd. 36 (1939), S. 115–126, hier S. 117. Zu Ledóchowski vgl. Gatz, Ledóchowski, in: Ders., Bischöfe, S. 437–440; Zieliński, Ledóchowski, in: Na stolicy, S. 193–228. Zu weiterer Literatur über ihn und die weiteren, im Folgenden genannten Erzbischöfe vgl. auch Lenort, Uwaga o historiografii, hier S. 75–79; sowie zuletzt Śmigiel, Słownik biograficzny, S. 315–321. Vgl. Steuer, Die Wahl des Nuntius Grafen Miecislaus Ledóchowski. Zum Verhältnis von kath. Kirche und preuß. Staat vor dem Kulturkampf vgl. Matusik, Die polnischen Katholiken und der preußische Staat.
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vor dem Kulturkampf vorhanden, zumal – wie Zygmunt Zieliński vorsichtig, aber nicht ohne Hintersinn formulierte – das „kirchliche Leben in der Provinz Posen … seinen eigenen Charakter“12 aufwies. Der Kulturkampf besaß hier einen doppelten Stellenwert, vor allem da „neben den religiösen und den ideologisch-weltanschaulichen Motiven … noch die nationalpolnischen zu nennen“13 sind, die ihm eine besondere Dynamik verliehen. Konkret ist von den massiven preußischen Germanisierungsbestrebungen im Zusammenhang mit dem Ansiedlungsgesetz 1886 zu sprechen, etwa das Verbot polnischsprachigen Religionsunterrichts in den Volksschulen, welche dem Dissens eine zusätzliche Schärfe gaben14. Ebenso erschwerend für eine in der eingangs zitierten Passage der Memoiren des Grafen Hyacinth von Strachwitz wohl nicht zuletzt aus der Retrospektive heraus etwas sehr idealistisch eingeschätzte Mittlerfunktion des erzbischöfl ichen Stuhls wirkte sich aus, dass „der katholische Klerus eine wichtige Rolle als organisierter politischer Gegner der Regierung in den sprachenpolitischen Auseinandersetzungen“15 einnahm und der staatlicherseits unternommene Versuch, bereits den Theologiestudenten einen über das polnisch geprägte Umfeld Posens hinausreichenden und zugleich universitären Horizont beispielsweise durch Einrichtung eines Konvikts an der Universität Breslau zu bieten, scheiterte16. Infolge dessen waren die „geistlichen Reichstagsabgeordneten … in den polnischen Fraktionen im Reichstag und im Preußischen Abgeordnetenhaus zahlreich vertreten und spielten eine bedeutende Rolle“17. Zudem stieg aber auch die Zahl der polnischen Geistlichen im Gnesen-Posener Diözesanklerus insbesondere nach Ende der Repressalien des Kulturkampfes innerhalb von zwei Jahrzehnten um 30 % an. Umgekehrt formuliert sank von 1841 bis 1918 der Anteil der deutschen Priester von 17,4 % auf 15 %18, so dass sie „eine der zahlreichsten und aktivsten Gruppen der polnischen Intelligenz“19 bilde12
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Zieliński, Der Kulturkampf in der Provinz Posen, in: HJb, Bd. 116 (1996), S. 137–154, hier S. 449. Ebd., S. 450. Vgl. hierzu passim Trzeciakowski, The Kulturkampf in Prussian Poland. Vgl. hierzu u.a. Neubach, Die Ausweisungen von Polen und Juden aus Preußen; u. Balzer, Die preußische Polenpolitik. Glück, Die preußisch-polnische Sprachenpolitik, S. 184. Inwieweit man mit Glück, ebd., allerdings davon sprechen kann, dass das Grundmovens des Posener Klerus darin lag, seine „ideologische Herrschaft über die preußisch-polnische Gesellschaft zu erhalten“, muss doch in Frage gestellt werden. Vgl. Laubert, Die geplante Errichtung eines Konvikts, in: Deutsche wissenschaftliche Zeitschrift für Polen, Bd. 11 (1927), S. 54–99. Kotowski, Polnische Kultur und nationale Selbstbehauptung in Preußen, in: Arnold u.a. (Hrsg.), Preußische Landesgeschichte, S. 75–83, hier S. 80. Vgl. Gatz, Polen in Schlesien und in den preußischen Ostprovinzen, S. 145. Exemplarisch hierzu vgl. die Erfahrungen des deutschen Priesters Albert Steuer, der wegen fehlender polnischer Sprachkenntnisse beinahe nicht Aufnahme im Posener Priesterseminar gefunden hätte. Vgl. Krzoska (Hrsg.), Erinnerungen Albert Steuer, S. 35. Molik, Der Einfluss der preußischen Politik, in: Nitsche (Hrsg.), Preußen in der Provinz,
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ten, kurz eine Entwicklung in Gang setzten, der die preußische Regierung mit ihrer Politik einer Transferierung deutscher Kleriker auf von ihr zu besetzende Domherrenstellen nicht Stand zu halten vermochte. In den durchweg protestantischen Berliner Regierungskreisen wurde jedenfalls ernsthaft eine Verschwörungstheorie bezüglich der polnischen und deutschen Katholiken vertreten. Der Geheime Legationsrat Ludwig von Raschdau20 sprach beispielsweise über „eine geheime Verbindung mit vornehmen deutschen katholischen Kreisen“21. Hinzu kam, dass die Gnesener Erzbischöfe seit 1416 den Titel Primas Poloniae trugen und die Krönung der polnischen Könige vollzogen hatten 22. Weil die 1821 neu umschriebene preußische Diözese nicht in dieser Tradition stehen sollte, hatte man den Sitz nach Posen verlegt, Gnesen aber als ersten Namensbestandteil beibehalten. Allerdings durfte die Bezeichnung Primas Poloniae bis 1918 nicht offiziell verwendet werden, denn „it was the duty of the Primate to act as Interrex during an interregnum“23. Und gerade dieser Bedeutung sollte der Erzbischofsstuhl entkleidet werden 24. Gleichwohl ließ sich damit die besondere Tradition des Gnesen-Posener Erzbischofsstuhls für die Identität des von der europäischen Landkarte verschwundenen Polen in den Köpfen der polnischen Mehrheitsbevölkerung nicht ausmerzen, dessen Metropoliten Harry Kenneth Rosenthal als „the Polish community’s most prominent spokesman and it’s visible head“25 bezeichnete. Dieser Symbolkraft war sich zum Beispiel der Posener Oberpräsident Wilhelm von Waldow-Reitzenstein 26 anlässlich der 1906 eingetretenen Sedisvakanz des Erzbischofsstuhles deutlich bewusst. Nach seiner aktuellen Erfahrung sei dies zwar eine „Fiktion“, jedoch sei die in polnischen „Presseartikeln zu Tage tretende Anschauung, dass der Erzbischof von Posen zugleich Primas von Polen und die katholische Kirche die Vertreterin der polnisch-nationalen Interessen sei, … in der polnischen Bevölkerung tief eingewurzelt 20
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S. 63–79, hier S. 76. Zu Raschdau (1849–1943), 1885–1894 im Auswärtigen Amt, dann Gesandter in Weimar, zeitweilig auch in Lissabon, Publizist und Historiker, vgl. Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes, Bd. 3, S. 572–574; DBE2, Bd. 8 (1998), S. 144; u. Krethlow-Benziger, Glanz und Elend der Diplomatie, S. 555. So hebt Raschdau hervor. Ders., Unter Bismarck und Caprivi, S. 10f. Vgl. hierzu Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. XLVIII, Anm. 162. Trzeciakowski, The Prussian State and the Catholic Church, S. 623. Vgl. auch Banaszak, Prymasostwo polskie, in: Na stolicy, hier S. 41–44. Rosenthal, The Election of Archbishop Stablewski, in: Slawic Review, Bd. 28 (1969), S. 265–275, hier S. 265. Zu Waldow-Reitzenstein (1856–1937), Landrat in Fischhausen/Ostpr. u. Niederbarnim, Regierungspräsident in Königsberg, 1903 Oberpräsident v. Posen, 1911 Oberpräsident v. Pommern, 1917 Preuß. Staatskommissar für Volksernährung, Staatsminister, vgl. von der Groeben, Landräte in Ostpreußen, S. 116, u. von Unruh, Provinz (Großherzogtum) Posen, S. 404f, sowie Schütz, Die Oberpräsidenten, S. 305.
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und wird ihr von den polnischen Agitatoren immer wieder ins Gedächtnis zurückgerufen“27. In der deutschen Presse wurde das Wiederaufleben der Primasidee sowohl „dem Eifer eines Ledóchowski“28 als auch „der Unachtsamkeit Preußens und Österreichs“ zugeschrieben. Kontrovers wurde daher im staatlichen Apparat auch diskutiert, inwieweit eine Aufhebung der Personalunion von Gnesen und Posen eine Schwächung des Primasgedankens mit sich bringen würde. Ebenso wurde von 1904 bis 1906 mit Genehmigung Wilhelms II. erfolglos die Lösung des Suffraganbistums Kulm von der Kirchenprovinz Posen betrieben, um dies nicht länger dem vermeintlichen Sog des polnischen Nationalismus in Posen auszusetzen 29. Alle diese Bemühungen trugen aber nicht dazu bei, Posen als „Zentrum des Polentums im Staat der Hohenzollern“30 zu schwächen. Schließlich waren durch die Bulle „De salute animarum“ – auch dies ein Spezifikum innerhalb Preußen, aber auch weit darüber hinaus – getrennte Domkapitel und Ordinariate in Posen und Gnesen errichtet, also eine Doppelstruktur geschaffen worden. Während in Posen neben zwei Dignitäten (Propst und Dekan) acht Domherrenstellen – der allen (alt)preußischen Diözesen gewährten personellen Ausstattung entsprechend – eingerichtet wurden, verfügte Gnesen nur über eine Dignität (Propst) und sechs Kapitulare31. Hinzu traten für Posen vier Ehrendomherrenstellen, die nur mit (Land)Dekanen beider Erzbistümer besetzt werden konnten. Weil sich also ein mehrfaches Konfl iktpotenzial wie in einem Fokus an diesem Bischofsstuhl brach, wurde seine Besetzung nicht nur aus staatlicher Warte mit überaus großer Aufmerksamkeit betrieben, wie sich aus der Vielzahl der hierzu überlieferten Akten ersehen lässt, sondern Gnesen-Posen erwies sich im Untersuchungszeitraum nicht zuletzt auch aus vatikanischer Sicht als ein „importabele sede“32. Auch in der Forschung, die aus deutscher, polnischer und ebenso aus angloamerikanischer Sicht die Nationalitätenproblematik in der preußischen Provinz Posen sehr breit rezipiert hat, wird von dem „all-important Archbishopic of Gniezno-Poznan“33 gesprochen. 27
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So Waldow an Studt v. 5.2.1907, in PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 240–252, hier S. 243. Zur Gnesen-Posener Erzbischofswahl, in: Allgemeine Zeitung v. 11.2.1907. Vgl. zu den Bestrebungen der Lösung des Suffraganverhältnisses von Kulm zu PosenGnesen Mitter, Die Haltung der Kurie, in: Jahrbuch für Geschichte, Bd. 29 (1984), S. 199– 226, hier S. 209–212; u. die Dokumente bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 205–227. Matusik, Die polnischen Katholiken und der preußische Staat, in: Forum für osteuropäische Ideen- und Zeitgeschichte, Bd. 2 (1998), S. 275–299, hier S. 277. Vgl. Steuer, Deutsche Domherren, in: Deutsche wissenschaftliche Zeitschrift für Polen, Bd. 13 (1928), S. 110–127, hier S. 110; u. auch die tabellarische Aufstellung bei Burkard, Zum Wandel der Domkapitel, in: RQ, Bd. 99 (2004), S. 133–161, hier S. 144. So die Bewertung Agliardis gegenüber Rampolla am 26.8.1891, in: ASV AES Germania Anno 1891, pos. 1383, fasc. 769. So z.B. bei Kaminski, Polish Publicists, S. 73.
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Erzbischof von Ledóchowski war im Kulturkampf in besonderem Maße für die Wahrung der kirchlichen Rechte eingetreten und deshalb zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden, die er im Gefängnis von Ostrowo verbüßt hatte. Im April 1874 vom staatlichen Gerichtshof für kirchliche Angelegenheiten abgesetzt, war er 1875 noch als Häftling von Pius IX. zum Kardinal erhoben worden und im Folgejahr – nach Haftende aus Preußen ausgewiesen – über Krakau nach Rom ausgereist. Der aus seiner Erzdiözese stammende, in den preußischen diplomatischen Dienst aufgestiegene polnische Katholik Bogdan Graf von Hutten-Czapski34 sah in Ledóchowski eine Persönlichkeit, die den Krieg „envers et contre tous“35 wollte. Dass seine Rückkehr ebenso wie die des zweiten preußischen Metropoliten, des Kölner Erzbischofs Paulus Melchers, aus staatlicher Warte nicht erwünscht war, hatte die Verhandlungen um Beendigung des Kulturkampfes vor ein schwieriges Problem gestellt. Gnesen-Posen war seit 1876 von sieben Geheimdelegaten verwaltet worden36. Nachdem Papst Leo XIII. im Februar 1885 den Verzicht Ledóchowskis erlaubt hatte, zog sich die Suche nach einem geeigneten Nachfolger mehr als ein Jahr lang hin37, zumal Ledóchowski immer wieder seinen Aufenthalt an der Kurie nutzte, um zugunsten eines polnischen Nachfolgers bei Leo XIII. zu antichambrieren. Weder die päpstlichen Favoriten polnischer Nationalität, 12 an der Zahl38, noch die anfänglich genannten Re34
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Zu Hutten-Czapski (1851–1937), gebürtig aus Smogulec/Provinz Posen seit 1885 Mitglied des Preußischen Herrenhauses, vgl. DBE2, Bd. 5 (2006), S. 222; u. Krethlow-Benziger, Glanz und Elend der Diplomatie, S. 543. Hutten-Czapski „berührte alle Verhältnisse meiner Heimatprovinz und ihre politischen, nationalen und kirchlichen Probleme aufs engste“. Ders., Sechzig Jahre Politik und Gesellschaft, Bd. I, S. 188. Vornehmlich war es ihm nach eigenen Worten darum zu tun, „den verhängnisvollen Gegensatz zwischen Kirche und Staat, den beiden großen Mächten, denen ich verbunden war, überwinden oder wenigstens mildern zu helfen“. Vgl. ebd., S. 67, wobei die Bedeutung Hutten-Czapskis in diesem Prozess sicherlich nicht überschätzt werden darf. Ebd., S. 77. Dabei handelte es sich zunächst (für Gnesen) um Weihbischof Cybichowski, Domkapitular Kraus und Subregens Andrzejewicz und (für Posen) um Dechant Grandke, die Domherren Dorszewski u. Klupp sowie Regens Likowski. Später wurden weitere Geistliche parallel zu Geheimdelegaten bestellt. Vgl. Gatz, Der preußisch-deutsche Kulturkampf in den Verhandlungen der Kongregation für die außerordentlichen kirchlichen Angelegenheiten, hier S. 228–232. Die Bischofsstuhlbesetzung von 1885/86 wird hier nur in groben Zügen geschildert, zumal die außerhalb des Untersuchungszeitraums lag. Ausführlich dazu: Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. XXVI–XXXI, sowie Gatz, Zur Neubesetzung der (Erz) bistümer Köln, Ermland und Gnesen-Posen, in: Rheinische Vierteljahrsblätter, Bd. 37 (1973), S. 207–243, hier S. 225–234. An erster Stelle nannte Leo XIII. den Grafen Alfred von Poninski. Dann aber auch den Geheimdelegaten Ledóchowskis während dessen Exils, den Posener Domherrn Vitalis Maryanski (1835–1895), sowie den Prinzen Edmund Radziwill (1842–1895). Vgl. Neubach, Schlesische Kandidaten, S. 459. Schließlich waren auch die beiden schlesischen Priester Alexander Tatzel (1835–1900) u. Leopold Nerlich (1829–1895) im Gespräch.
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gierungskandidaten, darunter an erster Stelle der Dompropst in Pelplin, Gustav Wanjura, wurden vom jeweils anderen Verhandlungspartner als geeignet akzeptiert. Erst der Königsberger Propst und Ehrendomherr in Frauenburg Julius Dinder39, der neben dem Propst an St. Hedwig in Berlin und späteren preußischen Feldpropst Johann Baptist Assmann und dem Breslauer Weihbischof Heinrich Marx in die engere Wahl der Kompromisskandidaten gelangt war, kam letztlich zum Zuge. Er wurde am 2. März 1886 in Rom präkonisiert und erhielt am 30. Mai durch Fürstbischof Robert Herzog im Breslauer Dom, nicht in Gnesen oder Posen, die Bischofsweihe40. Dinder, der 1830 als Sohn eines Schneidermeisters im ermländischen Rößel zur Welt gekommen war und nach seiner Priesterweihe 1856 als Kaplan in polnischsprachigen Pfarreien des südlichen Ermlands pastorale Erfahrungen gesammelt hatte, fand das Plazet beider Seiten, obgleich staatliche Recherchen ergeben hatten, dass er weder die administrativen Voraussetzungen für die Führung eines so schwierigen Bistums mit sich brachte, noch – nach langjähriger Arbeit in der Provinzhauptstadt Königsberg – der polnischen Sprache richtig mächtig war41. Aber er hatte in verschiedenen Situationen ein staatsloyales Verhalten zur Schau gestellt. In Posen wurde die Bestellung Dinders als Affront verstanden, zumal ja auch das Wahlrecht des Kapitels ausgesetzt worden war42. Dinder selbst war sich der Vorbehalte gegen seine Person bewusst, die sich unter anderem in der Vorsprache einer polnischen Delegation bei Papst Leo XIII. Ausdruck verschafften, die ein Junktim zwischen der Amtsübernahme des neuen Metropoliten und der Wiedereröffnung der beiden Priesterseminare in Gnesen und Posen gefordert hatte43. Dem Papst musste sich nicht zuletzt durch diesen Vorfall bedingt der nachhaltige und anlässlich des Besuches Wilhelms II. in Rom 1888 expressis verbis ausgesprochene Eindruck festsetzen, dass er mit der Ernennung Dinders der preußischen Regierung einen überaus großen Gefallen getan und einen Vorteil verschafft hätte44. Dinder wiederum war sich seiner diffizilen Lage bewusst, die ihm bereits unmittelbar nach seiner Ernennung zum Bischof vor Augen geführt wurde, 39
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Zu Dinder vgl. Neubach, Dinder, in: Jahrbuch Weichsel-Warthe, Bd. 11 (1965), S. 74–79; Gatz, Dinder, in: Ders., Bischöfe, S. 131f.; Raczkowski, Dinder, in: Na stolicy, S. 229–242; Kopiczko, Duchowieństwo, S. 52f.; Brandt/Häger, Biographisches Lexikon der katholischen Militärseelsorge Deutschlands, S. 147, sowie Śmigiel, Słownik biograficzny, S. 321–325. Zu Dinders Informativprozess vgl. Wojtkowski, Proces. Hutten-Czapski, Sechzig Jahre Politik und Gesellschaft, Bd. I, S. 191, vermerkt zwar: „Dinder war rein deutsch, beherrschte aber das Polnische“. Allerdings waren seine Sprachkenntnisse offenbar eher bescheidener Natur. Jedoch waren von den 10 Stellen in Posen nur noch drei, von den sieben Stellen in Gnesen nur noch vier besetzt. Vgl. Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. XXX. Allerdings hatte die Delegation das Anliegen nur schriftlich bei Leo XIII. einreichen können u. keine Audienz erlangt. Darüber berichtete Schlözer Bismarck am 9.5.1886, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 7f. Raschdau, Unter Bismarck und Caprivi, S. 45, erwähnt diese Haltung.
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als polnische Domherren ihn ersuchten, er möge sich durch Ledóchowski in Rom zum Bischof weihen lassen. Dass er sich in Breslau konsekrieren ließ, ging dann aber auf eine Weisung des Papstes zurück, die offenbar das Ziel verfolgte, jeglicher Vereinnahmung zu entgehen 45. Mit seiner Haltung, es den deutschen Behörden, der katholischen deutschen Minderheit und der polnischen Majorität recht zu machen, geriet Julius Dinder dann aber vollends zwischen die Mühlen polnischer und deutscher Interessen. Dennoch war er in den Augen Bismarcks als unfähiger Deutscher noch eine bessere Wahl als ein fähiger polnischer Geistlicher46. Hinsichtlich des unglücklichen Episkopats ist auch von deutscher Seite in der Retrospektive ganz ungeniert von der „Oktroyierung eines Deutschen“47 gesprochen worden.
Erzbischofswahl 1890/189148 Sowohl in kirchlichen als auch in staatlichen Kreisen hatte man sich Gedanken um den Kurs Dinders gemacht, jedoch nicht näher über mögliche Nachfolger nachgedacht, zumal der Tod des Erzbischofs am 30. Mai 1890 nach einer schweren Magen- und Darmblutung plötzlich kam 49. Dennoch war Dinder infolge einer schweren Zuckerkrankheit bereits zuvor nahezu erblindet50 und daher in seiner Handlungsfähigkeit erheblich eingeschränkt gewesen. Immerhin war es ihm 1889 noch gelungen, das als vermeintlicher Hort polnisch-nationalistischer Umtriebe im Kulturkampf geschlossene Priesterseminar in Posen wiederzueröffnen51. 45
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Vgl. Schlözer an Bismarck v. 9.5.1886, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 7f., hier S. 7. So sinngemäß am 26.12.1889 Cuno v. Rantzau, preuß. Gesandter in München, an Auswärtiges Amt, in: Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. IL u. Dok. 56. Rivinius, Bemühungen um Errichtung einer Personalpfarrei, in: Haas u.a. (Hrsg.), Im Gedächtnis der Kirche neu erwachen, S. 325–344, hier S. 328. Einen knappen Überblick über diese Wahl unter Einbeziehung der von Gatz edierten Akten des Auswärtigen Amtes einerseits sowie der Akten im damaligen Deutschen Zentralarchiv der DDR in Merseburg andererseits legte Rosenthal, The Election of Archbishop Stablewski, vor. Diesen Stand referiert unter Einbeziehung der Aktenedition von Gatz u. polnischer Lit. auch Grabowski, Deutscher und polnischer Nationalismus, S. 35–40. Die Akten des Oberpräsidiums Posen hingegen sind 1945 verbrannt. Vgl. hierzu den entsprechenden Hinweis bei Śmigiel, Stablewski, S. 210. Dompropst Wanjura bezeichnete Dinders Tod gegenüber Zedlitz als „völlig überraschend“. Vgl. Zedlitz an Goßler v. 1.6.1890, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 108–111, hier S. 108. So Gatz, Zur Neubesetzung der (Erz)bistümer Köln, Ermland und Gnesen-Posen, S. 234. Vgl. Rivinius, Der deutsch-polnische Nationalitäten- und Konfessionskonflikt, in: HJb, Bd. 124 (2004), S. 291–338, hier S. 314–338, u. Zieliński, Gnesen und Posen, in: Gatz, Priesterausbildungsstätten, S. 89–91. Das separate Priesterseminar in Gnesen war bereits 1888 neu eröffnet worden.
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Wenn Dinders Herz nicht, wie bei den Gnesen-Posener Metropoliten traditionell üblich, am Grab des heiligen Adalbert in Gnesen separat bestattet wurde, sondern im Leichnam verblieben in Posen, wurde dies als sinnfälliges Zeichen für die Abneigung gedeutet, die im polnischen Klerus gegenüber diesem Erzbischof geherrscht habe52. Natürlich konnte man die kurz zuvor erstellte staatliche Kurzcharakteristik aller preußischen Domherren für die beiden Kapitel in Posen und Gnesen heranziehen. Doch ein erster Blick auf die aus unzähligen Detailinformationen der einzelnen Instanzen von unten nach oben subsumierten und demnach konzise und oft auch überspitzt formulierten Wertungen zeigte, dass alle deutschen oder als deutsch gesinnt bekannten Domkapitulare schwache und einflusslose Figuren oder aber zu alt und gebrechlich waren, als dass ihnen die Behörden Episkopabilität, zumindest in der schwierigen Situation der Erzdiözese, bescheinigen mochten53. Durchaus ohne Erfolg hatte die preußische Regierung zwischenzeitlich demnach versucht, die Zahl der deutschen Domkapitulare durch auswärtige Kandidaten in den staatlichen Besetzungsmonaten zu erhöhen. So war auch der wegen seiner kunsthistorischen Studien in der Gunst von Kaiser Friedrich III. und seiner Gemahlin, der „Kaiserin Friedrich“, stehende Mainzer Priester und Kunstkenner Friedrich Schneider, und damit nicht einmal ein preußischer „Inländer“, für das Gnesener Kapitel vorgesehen54. Da selbst in Berlin eingesehen wurde, dass ein episkopabler Kandidat als conditio sine qua non (gute) polnische Sprachkenntnisse aufweisen müsse, lag es nahe – wie schon fünf Jahre zuvor – unter dem zweisprachigen Klerus im oberschlesischen Teil des Fürstbistums Breslau bzw. der Diözesen West- und Ostpreußens, Kulm und Ermland, zu suchen. Die Dompropstei in Posen beispielsweise war 1887 mit dem deutschen Oberschlesier Gustav Wanjura besetzt worden. Die Posener Bischofsstuhlbesetzung stellte somit „the fi rst serious test of the two-and-one-half-month-old Caprivi government´s intentions toward the Poles“55 dar. Dennoch hatte Kultusminister Goßler umgehend drei Kandidaten an der Hand, nämlich Dompropst Wanjura, den Kulmer Bischof Leo
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Offiziell wurde dieses Vorgehen damit begründet, dass Dinder aufgrund seines plötzlichen Todes kein entsprechendes Testament hinterlassen hatte. Vgl. die kritische Stellungnahme von Zedlitz an Goßler v. 1.6.1890, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 108–111, hier S. 108. Über den Domherrn Maryański hieß es z.B. „Hoffnungslos krank, …“. Vgl. Verzeichnis der Mitglieder der Metropolitan- und Domkapitel in Preußen v. Januar 1890, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2. Zu Schneider (1836–1907) vgl. das Kap. Mainz in diesem Band. Rosenthal, The Election of Archbishop Stablewski, S. 266.
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Redner56 und den Oppelner Schulrat Paul Schylla57. Ein vierter, der Dompropst in Breslau, Johann Kayser, sollte in petto gehalten werden.
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ustav Wanjura58 war immerhin in der vorgenannten Kurzcharakterisierung aller preußischen Kapitelsmitglieder als „Deutscher von Geburt und Gesinnung, in nationaler und politischer Beziehung zuverlässig, aber völlig ohne Einfluss und nicht befähigt, sich solchen zu verschaffen“59, bezeichnet worden. Der deutsche Posener Domkapitular Albert Steuer charakterisierte ihn als „hochbegabte(n) Mann“60, wohl weil der 1827 in Stollarzowitz bei Tarnowitz in Oberschlesien als Sohn eines Ökonomiebeamten geborene Wanjura, der 1851 die Priesterweihe in Breslau erhalten hatte, schon als 35-jähriger Direktor des Lehrerseminars in Peiskretscham geworden war. Damit hatte er die Affinität zum Staatsdienst gefunden, die ihn 1864 zum Regierungs- und Schulrat in Marienwerder und 1868 in Danzig avancieren ließ. 1882 hatte er durch königliche Verleihung die Dompropstei in Pelplin erhalten. Die für diesen Posten verlangte theologische oder kirchenrechtliche Promotion erlangte er im Folgejahr bei Franz Xaver Kraus in Freiburg/ Breisgau nur durch die Protektion seines Vetters, des gleichfalls sehr staatsloyalen Kirchenhistorikers und Kraus-Schülers Max Sdralek61. Allerdings hatte er weniger als Wissenschaftler von sich reden gemacht als vielmehr als Bearbeiter von Schulbüchern für den Religionsunterricht62. Schon von seiner Biographie her erschien Wanjura als typischer Staatskatholik, der im Staatsdienst Karriere gemacht hatte. 1884 bereits soll er Favorit Bismarcks für GnesenPosen gewesen sein63. 1886 war seine von der Regierung betriebene Erhebung 56 57
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Zu Redners Curriculum vitae vgl. das Kap. Kulm in diesem Band. Vgl. Goßler an Zedlitz-Trützschler v. 31.5.1890, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 105–107, hier S. 106. Zu Wanjura, der 1911 als Dompropst in Posen starb, vgl. Neubach, Schlesische Kandidaten für den erzbischöflichen Stuhl in Gnesen-Posen, S. 458–462; Pater, in: Ders., Duchowieństwo, S. 453; Steuer, Deutsche Domherren, S. 113f. Verzeichnis der Mitglieder der Metropolitan- und Domkapitel in Preußen 1890, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2. Steuer, Deutsche Domherren, S. 113. Vgl. Schiel, Max Sdralek im Bannkreis von Franz Xaver Kraus, Teil 1, in: ASKG, Bd. 35 (1977), S. 239–284, hier S. 253, u. die ebd., S. 278–284, abgedruckten aufschlussreichen Briefwechsel v. Sdralek u. Kraus, sowie Müller, Fünfhundert Jahre Theologische Promotion, S. 106; u. Samulski, Theologische Promotionen schlesischer Priester, in: Stasiewski (Hrsg.), Beiträge zur schlesischen Kirchengeschichte, S. 416–441, hier S. 434. Bei Müller heißt es ohne nähere Spezifizierung lediglich, Wanjura sei „Verfasser pädagogischer u. katechetischer Schriften“. So von Carl Barthels Schulpädagogik, 51873, u. dessen Biblischer Geschichte, 111873. Sdralek hatte dazu an Kraus am 26.12.1884 geschrieben: „Eben lese ich in den Tagesblättern, dass mein l(ieber) Vetter, der Dr. theol. Friburgensis Gustav Wanjura, der einzige Kandidat ist, den Bismarck für den Posener Erzstuhl vorschlägt“. Zit. nach Schiel, Max Sdralek im Bannkreis von Franz Xaver Kraus, Teil 2, in: ASKG, Bd. 36 (1978), S. 159–203, hier S. 167.
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auf den Bischofsstuhl im benachbarten Pelplin gescheitert64. Mit den Wanjura damals von Kultusminister Goßler bescheinigten Polnischkenntnissen war es im Übrigen auch nicht so weit her65. Seine Berufung in die engere Bistumsverwaltung 1888 war vom Oberpräsidenten positiv goutiert worden66. Auch stellte er in dessen Augen wohl einen Ausbund an Treue zum preußischen Staat dar, ließ aber jegliche Durchsetzungsfähigkeit vermissen, weshalb er als ungeeignet für die zu besetzende Position erschien.
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aul Schylla67 wurde 1829 in Klein-Woitsdorf im Kreis Groß Wartenberg geboren und 1852 in Breslau zum Priester geweiht. Sein priesterlicher Weg führte ihn ebenfalls in den Bildungssektor, wo er 1864 Nachfolger Wanjuras als Seminardirektor in Peiskretscham (O/S) und – nach drei Jahren als Regierungs- und Schulrat in Marienwerder/Westpreußen – 1871 in gleicher Eigenschaft nach Oppeln kam. Zeugt schon diese Karriere im staatlichen Dienst von der staatsloyalen Haltung dieses Geistlichen, so muss sich Schylla auch in der Praxis als Verfechter der deutschen Unterrichtssprache in der Schule des zweisprachigen Gebietes bewährt haben. Denn Kultusminister Goßler hatte den mit dem Roten Adlerorden IV. Klasse ausgezeichneten Geistlichen bereits 1885/86 für den Posener Erzbischofsstuhl in Betracht gezogen68. Allein der Oberpräsident hielt Schylla, „den ich gern als Dompropst hier sehen würde, … für den Erzbischofsstuhl zu alt, auch für die hiesigen Verhältnisse nicht genügend formgewandt“69.
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berpräsident Robert von Zedlitz-Trützschler, Goßler wie auch der preußische Gesandte beim Heiligen Stuhl Schlözer bevorzugten Bischof Leo Redner für die schwierige Mission in Posen70. Auch der deutsche „Agent“ im Vatikan Monsignore Johannes von Montel71 sprach sich für diesen aus, wie Schlözer dem Reichskanzler zum Ausdruck brachte72. Leo Redner,
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Zu Wanjuras Kandidatur in Pelplin vgl. das Kap. Kulm in diesem Band. Vgl. Goßler an Bismarck v. 12.5.1886, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2n, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 8–13, hier S. 9. Wanjura wurde 1888 in das Erzbischöfliche Generalkonsistorium berufen. Vgl. Zedlitz an Goßler v. 22.6.1888, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 69f. Zu Schylla vgl. Neubach, Schlesische Kandidaten, S. 470–472, u. das Kap. Breslau in diesem Band. Vgl. ebd., S. 470f. Zedlitz-Trützschler an Goßler v. 1.6.1890, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 108–111, hier S. 111. Diese Bevorzugung Redners wird dadurch, dass die Namen der übrigen Staatskandidaten unerwähnt blieben, bei Rosenthal, The Election of Archbishop Stablewski, S. 266f., besonders deutlich. Zu Montel (1831–1910) vgl. das Kap. Köln in diesem Band. Vgl. Schlözer an Caprivi v. 1.6.1890, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz,
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Jahrgang 1828 und gebürtig aus Neuenburg an der Weichsel, konnte schon auf bischöfl iche Erfahrungen in der Nachbardiözese Kulm mit gemischtsprachiger Bevölkerung verweisen, wo er 1886 von Goßler als Kandidat vorgeschlagen worden war 73. Außerdem hatte er teilweise polnische Vorfahren aufzubieten. Da sich die preußischen Instanzen darin einig waren, dass der Heilige Stuhl staatlicherseits vorgebrachte Namen aus Prinzip ablehnen würde, beschloss man, den Namen Redner nicht nach Rom dringen zu lassen, sondern zu hoffen, dass Leo XIII. selbst auf diese Idee kommen würde74. Stattdessen wollte man dem Vatikan den Namen des Breslauer Dompropstes und Honorarprofessors Johann Kayser, eines ausgesuchten Staatskatholiken, melden. Zedlitz-Trützschler warnte im Übrigen davor, dem Kapitel das ihm zustehende Wahlrecht überhaupt zu gewähren75.
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ei Kayser 76, Jahrgang 1826, handelte es sich im Vergleich zu den aus deutsch-polnischen Grenzgebieten in Westpreußen (Redner) bzw. Oberschlesien (Wanjura, Schylla) stammenden anderen Staatsfavoriten um einen mit der Nationalitätsproblematik bisher wenig konfrontierten Westfalen. Als Provinzialschulrat in Danzig wurde er 1878 Kollege von Gustav Wanjura und kam zugleich erstmals mit dem Osten Preußens in Berührung. 1883 wurde Kayser durch staatliche Nomination Dompropst in Breslau, nachdem er zuvor in gleicher Eigenschaft „aus persönlichen Gründen nicht nach Pelplin gehen mochte“.77 Ähnlich wie Wanjura in Pelplin mangelte es ihm ebenso an der zur Erlangung der Dompropstei vorgeschriebenen theologischen oder kirchenrechtlichen Promotion, weshalb sich Max Sdralek ebenfalls für seine theologische Promotion bei seinem väterlichen Freund und Doktorvater Franz Xaver Kraus in Freiburg/Breisgau einsetzte. „Da Dr. K. Hymnolog[e] ist, so dürfte ja seine Promotion nicht schwerfallen“78, redete er die Problematik einer solchen Gefälligkeitspromotion klein. Kayser kompensierte den Makel dann aber nicht in Freiburg, sondern mit einem Ehrendoktorat in Münster 79. Immerhin wurde er 1886 in Breslau zum ordentlichen Honorarprofessor ernannt, was in der Retrospektive damit begründet wurde, dass Kayser „sich durch wertvolle hymnologische Studien einen Namen gemacht“80 habe. 1885 wurde er in Berlin für die Position des
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Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 107. Vgl. das Kap. Kulm in diesem Band. Vgl. Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. L. Vgl. Zedlitz an Goßler v. 1.6.1890, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2n. Zu Kayser (1826–1895) vgl. das Kap. Paderborn in diesem Band. So Sdralek an Kraus v. 29.4.1883, in: Schiel, Max Sdralek im Bannkreis von Franz Xaver Kraus, Teil 1, S. 278–281, hier S. 279. Sdralek an Kraus v. 29.4.1883, abgedruckt ebd., S. 280. Vgl. Hegel, Geschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster, Bd. 2, S. 208. Nikel, Die katholisch-theologische Fakultät, S. 135.
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Bischofs von Ermland ins Gespräch gebracht, was den Zentrumsführer Ludwig Windthorst zu der Äußerung verleitete, Kayser würde ein „reiner Staatsbischof“81 werden. Welch negative Resonanz der Breslauer Dompropst in höchsten vatikanischen Kreisen hervorrief, zeigte sich, als anlässlich der geheimen Mission des oberschlesischen Zentrumspolitikers Franz Graf von Ballestrem im November 1886 gegenüber Kardinalstaatssekretär Jacobini die Rede auf Kayser kam, von dem Jacobini sagte: „Après nos relations Kayser est impossible pour toujours et partout“82. Obgleich zumindest Kultusminister Goßler mit einer längeren Vakanzzeit rechnete, womit das Gewicht der zu wählenden Kapitularvikare – einer für Posen, einer für Gnesen – zunehmen würde, sperrte er sich nicht gegen die von den beiden Domkapiteln bestellten Bistumsverweser Eduard Likowski (für Posen) und Karl Kraus83 (für Gnesen). Zwar hatte er sich unmittelbar nach Eingang der Nachricht vom Tod Dinders noch gegenüber Zedlitz-Trützschler dafür ausgesprochen, die „Einsetzung eines erträglichen Kapitularvikars“84 zu forcieren, da er mit einer längeren Sedisvakanz rechnete. Letztlich jedoch gab er klein bei, obwohl der gebürtige Oberschlesier Kraus, obschon Deutscher, als „unzuverlässig und ohne Bedeutung“85 abqualifiziert und Likowski als „staatsfeindlich im höchsten Maße“ bewertet worden war. Gerade Likowski war in den preußischen Regierungsstellen als Favorit der Polen verrufen. Gleichwohl hatten die staatlichen Stellen nicht umhin gekonnt, in ihm „das hervorragendste Mitglied des Kapitels, von großer Begabung, umfassender Bildung und maßgebendem Einfluss“ zu sehen. Zudem war ja der Bistumsverwesereid von 1874 noch immer in Kraft. Das Kultusministerium wollte den beiden neuen Kapitularvikaren jedoch auf Empfehlung des Oberpräsidenten keine Steine in den Weg legen, obgleich sie zu den 1874 während der Inhaftierung Ledóchowskis bestellten Geheimdelegaten gehört hatten, und dispensierte sie – wie auch in allen anderen Fällen seit Lockerung der Kulturkampfgesetzgebung geschehen – umgehend von diesem Eid. Allerdings ließ Goßler diese Entscheidung vom Staatsministerium absegnen, das diesen Schritt einstimmig sanktionierte86. Erwin Gatz ver81
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Windthorst an Peter Alexander Reuß, in: BA Trier, Nachlass Reuß, zit. nach Neubach, Die geheime Mission, in: ASKG, Bd. 58 (2000), S. 279–319, hier S. 311. So Ballestrem, Tagebuch v. 7.11.1886, abgedruckt ebd., S. 302. Zu Kraus (1820–1901), geweiht 1846, seit 1867 durch königliche Nomination Domkapitular in Gnesen, 1890/91 Kapitularvikar ebd., vgl. Steuer, Deutsche Domherren, S. 122f., Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. LI; Brandt/Häger, Biographisches Lexikon zur katholischen Militärseelsorge Deutschlands, S. 435. Goßler an Zedlitz-Trützschler v. 31.5.1890, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 105–107, hier S. 106. Verzeichnis der Metropolitan- und Domkapitel in Preußen 1890, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2, hier auch die folg. Zit. Vgl. Protokoll des Staatsministeriums v. 5.6.1890, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abge-
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mutet, dass dies aus Taktik geschah, um die beiden Metropolitankapitel nicht von vornherein gegen die Regierung aufzubringen und Zeit für die Suche nach einem geeigneten Bischofskandidaten, vor allem aber nach der günstigsten Taktik zu dessen Durchsetzung, zu gewinnen. Die Sorge der Regierung lag in der Person des seit 1887 amtierenden Kardinalstaatssekretärs Mariano Rampolla begründet, der dort als polenfreundlicher Intransigent galt87. Folglich sollte Rampolla möglichst umgangen und Papst Leo XIII. direkt mit der Besetzungsfrage konfrontiert werden, und zwar unter Verweis auf Leo Redner als den einzigen geeigneten Kandidaten. Den diplomatischen Kontakt sollte der Apostolische Nuntius in Wien, Erzbischof Luigi Galimberti88, herstellen, der sich zudem eigenständig für eine entsprechende Mission bereit erklärt hatte. Würde man mit diesem Vorstoß auch den Münchner Nuntius Antonio Agliardi düpieren, so ließe sich damit argumentieren, dass ohnehin bis 1874 die Wiener Nuntiatur traditionell für die Angelegenheiten der ostelbischen Bistümer Preußens zuständig war89. Möglicherweise vermochte erst Kardinal Kopp der Regierung begreiflich zu machen, dass nicht Rampolla, sondern Leo XIII. die polonophile Gestalt an der Spitze des Vatikans war. „Für die Polen und ihre Klagen habe ich bei dem Kardinalstaatssekretär keinerlei Sympathien entdeckt, … das Gegenteil habe ich aus dem Munde des Papstes gehört“90, schrieb er nach einem Besuch im Vatikan 1896 an das Auswärtige Amt. In der Sitzung des Preußischen Staatsministeriums vom 5. Juni 1890 wurde jedenfalls nochmals betont, dass Ledóchowski „nicht zurückrufbar und Weihbischof Eduard Likowski als Pole zu verhindern“91 sei, weshalb dem Heiligen Stuhl die Transferierung des Kulmer Bischofs Leo Redner nach Posen vorgeschlagen werden solle.
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druckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 111–113, hier S. 112. Zu Rampollas Haltung, insbesondere bei der Posener Erzbischofsstuhlbesetzung 1891, vgl. Rill, Zur Neuorientierung der päpstlichen Politik, in: RHM, Bd. 28 (1986), S. 353–364. Zu Rampollas kirchenpolitischer Haltung allgemein vgl. noch immer Claar, Kardinal Rampolla als Staatssekretär und Papstwerber, in: Europäische Gespräche, Bd. 9 (1929), S. 465–482. Zu Galimberti (1836–1896), 1887 Nuntius in Wien, vgl. Weber, Quellen und Studien, S. 160–166; u. Squicciarini, Die Apostolischen Nuntien in Wien, in: Paarhammer/Rinnerthaler (Hrsg.), Österreich und der Heilige Stuhl, S. 23–34. Vgl. Gatz, Der preußisch-deutsche Kulturkampf, S. 241. Bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. LIII, wird die Zuständigkeit für die ostelbischen Diözesen hingegen als zwischen Wien und München fließend charakterisiert. Kopp an Auswärtiges Amt v. 25.2.1896, in: GStA PK, Rep. 76, I. Sekt., 28 A, Nr. 15. Vgl. hierzu auch Galos, Miedzy Berlinem a Watykanem, in: Sobótka, Bd. 21 (1976), S. 335– 342, hier S. 338f. Protokoll der Sitzung v. 5.6.1890, in: Die Protokolle des Preußischen Staatsministeriums, Bd. 8/1, S. 58f.
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Wie viel Wert auf die überaus knappen und in ihrer Diktion damit auch überspitzten staatlichen Charakterisierungen der Domherren gelegt wurde, zeigt nicht zuletzt die Bitte des preußischen Gesandten im Vatikan, Schlözer, dass es „gegenwärtig … für mich von großem Interesse sein [würde], wenn ich baldmöglichst nur die Liste der gnesen-posenschen Domherren mit Bemerkungen über deren Persönlichkeit und Stellung zur königlichen Regierung erlangen könnte“92. Aber auch die Domkapitel von Gnesen und Posen blieben derweil nicht untätig, um die Besetzungsfrage zu forcieren. Mitte Juni 1890 reiste erstmals ein Vertreter zu Leo XIII., zu dem ihm Ledóchowski Zugang verschafft hatte. Dieser erhielt die Zusicherung, dass der Heilige Vater einen deutschen Kandidaten nicht akzeptieren würde. Später suchten zwei weitere Vertreter des Gnesen-Posener Klerus den Papst auf. Ähnlich lauteten auch die Nachrichten, welche Schlözer aus Rom nach Berlin sandte. Demnach besaß der nunmehrige Kurienkardinal Ledóchowski nicht nur beim Papst großen Einfluss, sondern stand auch bei Kardinalstaatssekretär Rampolla hoch im Kurs. Wie der preußische Gesandte wörtlich an Reichskanzler Caprivi schrieb, fi nde Ledóchowski „an dem Kardinal Rampolla einen Gehilfen, welcher unter jeder Bedingung allen seinen Plänen bereitwilligst Vorschub leisten wird“93. Kopps Einfluss bei Leo XIII. dagegen sei derzeit schlecht, so dass Schlözer eine pessimistische Haltung in der Neubesetzungsfrage an den Tag legte. Insbesondere missfiel dem Gesandten, dass der bereits vier Jahre zuvor als Staatskandidat gehandelte nunmehrige preußische Feldpropst Johann Baptist Assmann wegen seiner fehlenden Polnischkenntnisse nicht in Frage gekommen sei. Gerüchte, nach denen Likowski nur mit einer knappen Mehrheit vom Posener Kapitel zum Kapitularvikar gewählt worden sei, bargen für Schlözer jedoch den Hoffnungsschimmer, dass es dem Vertrauensmann der Regierung, Dompropst Wanjura, doch gelingen könnte, Bischof Redner auf der Liste zu platzieren. Eine direkte Einwirkung des Papstes auf die Listenaufstellung schien ihm dagegen unrealistisch94, womit sich die pragmatische Herangehensweise des preußischen Gesandten wieder einmal zeigte. Der Regierung in Berlin musste sich dieser Eindruck auch durch die Konsultation Galimbertis bestätigen, der sich dahingehend äußerte, dass „die Umgebung Leos XIII. jetzt fast nur noch aus Intransigenten“95 bestehe. Galimberti empfahl daher, sich ruhig zu verhalten, die Kapitelliste abzuwarten und nachdem diese aller Voraussicht nach nur minder genehme Personen enthalten würde, den Zugzwang des Vatikans zur Neubesetzung zu nutzen, um diesem dann 92 93
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Schlözer an Auswärtiges Amt v. 1.6.1890, in: PA AA, Preußen 2 Nr. 2. Schlözer an Caprivi v. 15./16.6.1890, in: PA AA, Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 115f., hier S. 115. Vgl. Schlözer an Caprivi v. 21.6.1890, ebd., S. 117. Monts an Caprivi v. 25.6.1890, ebd., S. 119.
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ganz konkret Leo Redner vorzuschlagen. Letzteren könne Leo XIII. dann auch nicht ablehnen, weil er ihn für Kulm persönlich vorgeschlagen habe. Redner sei somit der geborene Kompromisskandidat, der den beiderseitigen Wünschen entspreche, wobei das einzige Problem eben darin zu sehen sei, dass die Metropolitankapitel ihn nicht auf ihre Liste aufgenommen hätten. Die Personalangelegenheit gleichsam auszusitzen, lag aber dem Regierungsapparat nicht so sehr, wie aus einer Denkschrift aus dem Auswärtigen Amt hervorgeht, welche eine „außerordentliche Mission an den Papst“96 in Vorschlag brachte, denn: „Die Sache selbst ist einer außerordentlichen Anstrengung wert“. Konkret wurde vorgeschlagen, eine angesehene katholische, aber gleichwohl das Vertrauen der preußischen Regierung genießende Persönlichkeit an den Heiligen Stuhl zu entsenden, welche die Dringlichkeit der Lage deutlich machen und Leo XIII. eventuell in einem anderen Punkt Konzessionen anbieten sollte, falls er bereit wäre, Redner zum Erzbischof von Gnesen-Posen zu erheben. Konkrete Namen wurden nicht genannt. Ganz offensichtlich traute man in Berlin eine solche delikate Mission dem Gesandten von Schlözer nicht zu und schenkte auch dessen Einschätzung, dass noch keine Eile geboten sei, weil die beiden Metropolitankapitel den vorgeschriebenen Dreimonatszeitraum zur Listenaufstellung voll ausnutzen und erst Ende August überhaupt zusammentreten würden, nicht so recht Glauben. Jedenfalls drang das Auswärtige Amt am 1. Juli 1890 darauf, dass Leo XIII., „da die Wahl des Kapitels in allernächster Zeit zu erwarten ist“97, schleunigst unter Umgehung Rampollas sowohl von Montel als auch vom Münchner Nuntius Agliardi und ebenso vom Wiener Nuntius Galimberti auf den Regierungswunsch, Redner in Posen zu sehen, hingewiesen würde. Zwei Tage darauf signalisierte der 1. Sekretär der Deutschen Botschaft in Wien, Anton Graf von Monts98, jedoch, dass zum einen Galimberti eine offizielle Einmischung in die Posener Frage und damit eine Überschreitung seines Amtsbereiches abgelehnt habe. Zum anderen sei es angesichts der aktuellen Nachricht, die Liste sei am Vortag in Posen aufgestellt worden, „wohl aussichtslos und zu spät …, eine Wahl von Bischof Redner im regelrechten Wege durchzusetzen“99. Tatsächlich hatte am 2. Juli 1890 die entscheidende Kapitelsitzung stattgefunden, bei der eine Sechserliste aufgestellt worden war, welche die Namen des Prinzen Edmund Radziwill, des Kapitularvikars Eduard Likowski, des Gnesener Domherrn und Regens Antonius Andrzejewicz, des Gnesener Domdechanten Kasimir Dorszewski, des Professors Ignaz Warmiński und des Offizials Johann Łukowski enthielt. Nicht auf dieser Liste fand sich der Name des Ledóchowski-Vertrauten Domkapitu96 97 98
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Denkschrift Kaysers v. 26.6.1890, ebd., S. 120–122, hier S. 120. Das folg. Zit. ebd., S. 121. Auswärtiges Amt an Lindenau v. 1.7.1890, ebd., S. 123–125, hier S. 125. Monts war 1886–1890 1. Sekretär der Deutschen Botschaft in Wien, vgl. Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes, Bd. 3, S. 287f. Monts an Caprivi v. 3.7.1890, ebd., S. 125f., hier S. 126.
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lar Vitalis Maryański100, wobei hier wohl weniger die Rücksichtnahme auf dessen Unannehmbarkeit auf staatlicher Seite, als vielmehr dessen schlechter Gesundheitszustand die Domherren von einer Kandidatur hatte Abstand nehmen lassen. Trotz dieses staatlicherseits einerseits offenbar so schnell nicht erwarteten Handelns der Domherren und gerade wegen der andererseits nunmehr gewonnenen Versicherung, dass wirklich alle Listenkandidaten Polen und damit eine Ablehnung der kompletten Liste nur noch eine Formsache sein würde, entschloss sich Galimberti unter Berücksichtigung aller erdenklichen Vorsichtsmaßnahmen, Leo XIII. briefl ich – an Rampolla vorbei – auf Redner einzustimmen, ohne sich aus dieser Aktion große Hoffnungen zu machen101. Hatte sich das Auswärtige Amt durch die dreifach an den Heiligen Vater herangetragene Bitte erhofft, dass die Personalie Redner einen entsprechenden Stellenwert bei Leo XIII. erhalte, wirkte sich schließlich die Vielzahl beschrittener Kanäle kontraproduktiv aus. Rampolla blieb die staatliche Favorisierung des Bischofs von Kulm keineswegs verborgen. Im Gegensatz zu Nuntius Galimberti in Wien ließ sich nämlich der Münchner Nuntius Agliardi zwar vor den Karren der preußischen Diplomatie spannen, umging aber keineswegs Rampolla, sondern leitete die von ihm erbetene Eingabe dem üblichen Geschäftsverkehr folgend über den Schreibtisch des Kardinalstaatssekretärs102. Rampolla aber bekräftigte deutlich das Kapitelswahlrecht und ließ über Schlözer nach Berlin übermitteln, dass er die direkt vom Papst vorgenommene Ernennung Dinders vier Jahre zuvor keinesfalls als Präzedenzfall anzusehen bereit war103. Überhaupt erkannte der preußische Gesandte in Agliardi den eigentlichen Hintertreiber der Berliner Diplomatie, weil dieser die zu ihm durchgesickerten Nachrichten, die preußische Regierung fürchte den Einfluss des Kardinals Ledóchowski auf die Posener Bischofsfrage, eins zu eins an den Papst weitergegeben habe. Daraufhin habe Leo XIII. nun definitiv erklärt, Rom könne dem Wunsch nach einem Deutschen als Erzbischof keinesfalls nachkommen.
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ntonius Andrzejewicz, der Gnesener Domherr, der 1887 zum Weihbischof ernannt worden war104, erblickte 1837 in Kotowiecko bei Pleszew
Zu Maryański (1835–1885), 1871 durch erzbischöfliche Nomination Domkapitular in Posen, 1877 Geheimdelegat des im Exil befindlichen Erzbischof Ledóchowski, 1885 bereits als Kandidat des Heiligen Stuhls für den Erzbischofsstuhl von Bismarck abgelehnt, vgl. Neubach, Schlesische Kandidaten, S. 460. Vgl. hierzu den bereits zit. Brief von Monts an Caprivi v. 3.7.1890, der ein Eintreffen von Galimbertis Schreiben beim Papst für den 7.7.1890 avisierte. Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 125f., hier S. 126. Dies berichtete Schlözer Caprivi am 10.7.1890, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 127f., hier S. 127. Rampolla an Schlözer v. 12.7.1890, ebd., S. 128f. Zu Andrzejewicz vgl. ausführlicher auch den Abschnitt Weihbischöfe in diesem Kap.
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das Licht der Welt. Über das Mariengymnasium in Posen gelangte er zum Abitur und zum Studium der Theologie in Posen, wo er 1860 die Priesterweihe erhielt. Kaplansjahre führten Andrzejewicz, dessen Onkel Johannes Chrysostomos Janiszewski105 als Weihbischof in Posen während des Kulturkampfes von der preußischen Regierung seines Amtes enthoben sowie des Landes verwiesen worden war, und 1887 lediglich als Privatmann aus dem Krakauer Exil nach Gnesen zurückkehren durfte, nach Tremessen (Trzemeszno) sowie nach St. Laurentius in Gnesen. 1867 avancierte er zum Professor und Subregens am Gnesener Priesterseminar, war nach dessen Schließung während des Kulturkampfs erneut in der Pfarrseelsorge tätig, um 1886 durch bischöfl iche Verleihung Domherr in Gnesen, zwei Jahre darauf Regens des dortigen, wieder eröffneten Priesterseminars und 1890 Weihbischof zu werden. Er hatte in der staatlichen Kurzcharakteristik von Anfang 1890 eine Bestnote erzielt, wenn es dort unter Verwendung ausschließlich positiver Attribute hieß, er sei „das hervorragendste Mitglied des Kapitels, unterrichtet, fleißig, tadellosen Rufes, maßvoll“106. Dass Andrzejewicz zu den sieben 1874 ernannten Geheimdelegaten des verwaisten Erzbistums gehört hatte107, spielte dabei ganz offensichtlich keine Rolle mehr.
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udem hatte das Metropolitankapitel den Prinzen Edmund Radziwill108 nominiert, der aus einem polnischen Adelsgeschlecht stammte und dessen Tante Elise Radziwill eine Jugendliebe Kaiser Wilhelms I. gewesen war. 1842 im böhmischen Teplitz geboren, wo seine Mutter, eine geborene von Clairy und Aldringen, zu Hause war, wuchs er in der preußischen Metropole Berlin auf, wo sein Vater als Generalmajor in preußischen Diensten stand und die Familie einen engen Kontakt zur Herrscherfamilie der Hohenzollern unterhielt109. Nachdem Radziwill das Französische Gymnasium absolviert hatte, studierte er Theologie in Bonn, Tübingen und seit 1866 in Breslau, das ja aufgrund seines Berliner Wohnsitzes sein Heimatbistum war, in welchem er im Folgejahr u.a. gemeinsam mit den beiden später im Zentrum und dessen Presse führende Positionen einnehmenden Kursgenossen Adolph Franz und 105 106
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Zu Janiszewski (1818–1891) vgl. Grot, Janiszewski, in: Gatz, Bischöfe, S. 346–348. Verzeichnis der Mitglieder der Metropolitan- und Domkapitel v. Januar 1890, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2. Vgl. Gatz, Der preußisch-deutsche Kulturkampf, S. 230f. Zu Radziwill vgl. Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. LIII, Anm. 201, Neubach, Polnische Geistliche im Deutschen Reichstag, in: Haustein u.a. (Hrsg.), Ostmitteleuropa, S. 266–282, hier S. 272–274; Ders., Radziwill, in: ASKG, Bd. 65 (2007), S. 11–147; Pater, Radziwill, in: Ders., Duchowieństwo, S. 343f., Haunfelder, Reichstagsabgeordnete der Deutschen Zentrumspartei, S. 237 u. 96 (Foto). Sowohl sein Vater Boguslaw Radziwill (1809–1873) als auch sein Bruder Ferdinand Radziwill (1834–1926) gehörten dem Preußischen Herrenhaus an. Ferdinand war 1874–1918 zugleich MdR (Polenpartei). Vgl. Schwarz, MdR, S. 431.
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Paul Majunke110 zum Priester geweiht wurde. Als der Prinz, obgleich noch immer Vikar in Ostrowo, 1881 vom Kulmer Bischof von der Marwitz als Koadjutor mit Nachfolgerecht vorgeschlagen worden war, hatte sich Bismarck dahingehend geäußert, dass dieser seiner Ansicht nach zwar eine kampflustige Natur, jedoch intellektuell eher beschränkten Geistes war111. Das war ein deutliches Votum, das auch Wilhelm I. nicht übergehen konnte, und das wohl nicht zuletzt durch die gleichzeitige Platzierung des Prinzen auf dem ersten Platz der Breslauer Wahlliste zustande gekommen war112. Goßler wies jedenfalls Caprivi – nach Studium der Akten – darauf hin, dass der Prinz bereits 1881 in Breslau zur Persona minus grata erklärt worden war113. Was er nicht eigens erwähnte, war, dass Radziwill 1884, nunmehr päpstlicherseits für Gnesen-Posen ins Spiel gebracht114, von Bismarck in Bausch und Bogen abgelehnt worden war. Der Reichskanzler hatte sich damals so geäußert, eher Ledóchowski zurückholen zu wollen, „weil dieser wenigstens ein kluger Pole ist“115, als Radziwill zu befürworten. Schon 1868 hatte der staatsloyale Kirchenhistoriker Franz Xaver Kraus im Übrigen seinem Tagebuch anvertraut, „E[dmund] von Radziwill …, der mich besuchte und dessen Neigung ich mir glaube durch brüderliche Teilnahme an seinem Unglück erworben zu haben … ist krank, Skrupelant, Gott weiß was, und hat seit seiner Priesterweihe vor einem Jahre nur zweimal die hl. Messe gelesen“116. Freundlicher urteilte Bogdan von Hutten-Czapski über ihn als „einen edlen, aber weltfremden Menschen“117. Zu diesen Eindrücken passt es, dass der Prinz erst 1869, zwei Jahre nach der Priesterweihe, eine Seelsorgestelle, und zwar als Kaplan in Bad Warmbrunn, erhalten hatte, um bereits im Folgejahr als Feldgeistlicher freiwillig in den Deutsch-Französischen Krieg zu ziehen118. Schwer krank kann er aufgrund dieser aufreibenden Tätigkeit wohl nicht gewesen sein. 1871 wechselte er dann in die Erzdiözese Posen als Vikar nach Ostrowo, in dessen Nähe sich das Schloss Antonin der Radziwill-Familie befi ndet. Mehr zufällig erlangte er hier überregionale Bekanntheit, nachdem Erzbischof Ledóchowski 1874 110
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Zu Majunke (1842–1899) vgl. Haunfelder, Reichstagsabgeordnete der Deutschen Zentrumspartei, S. 211f. Vgl. Bismarck an Clemens August Busch v. 2.12.1881, in: Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. LXXVII. Vgl. Hoffmann, Die Breslauer Bischofswahlen in preußischer Zeit, in: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens, Bd. 75 (1941), S. 157–224, hier S. 219. Vgl. Neubach, Radziwill, S. 142. Vgl. Lill, Die Wende im Kulturkampf, S. 671. Bismarck, Gesammelte Werke, Bd. 6, Berlin 1935, S. 239. Kraus, Tagebücher, S. 266, zit. bei Hoffmann, Franz Xaver Kraus und Breslau, in: ASKG, Bd. 17 (1959), S. 273–288, hier S. 275. Hutten-Czapski, Sechzig Jahre Politik und Gesellschaft, Bd. I, S. 199. Vgl. Brandt/Häger, Biographisches Lexikon der katholischen Militärseelsorge Deutschlands, S. 634f.
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im Gefängnis von Ostrowo inhaftiert und vom Ortsgeistlichen Radziwill in dieser Zeit geistlich begleitet wurde, der somit als dessen Geheimsekretär fungierte. Als Ausdruck des engen Verhältnisses zwischen Ledóchowski und Radziwill musste in der Öffentlichkeit auch angesehen werden, dass der Prinz den Erzbischof nach dem Ende von dessen zweijähriger Haft 1876 persönlich mit in das Exil nach Rom begleitete. Hieraus nun schließen zu wollen, dass Radziwill ein nationalbewusster Pole sei oder sich angesichts der Kulturkampferfahrungen zu einem solchen „bekehrt“ habe, wäre weit gefehlt. Statt dessen engagierte sich Radziwill parallel zu seinem Einsatz für Ledóchowski für das Zentrum und kandidierte im Januar 1874 – wie Helmut Neubach vermutet, möglicherweise mit Hilfe seiner vormaligen Breslauer Kurskollegen Majunke und Franz119 – auf Zentrumsticket für den oberschlesischen Wahlkreis Beuthen-Tarnowitz, den er eroberte und in der Folge zehn Jahre lang in Berlin vertrat120. Die Ambivalenz, die in dieser germanisierten polnischen Aristokratenfamilie angesichts des sich verstärkenden Nationalismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts spürbar wird, lässt sich auch daran gut erkennen, dass Edmund Radziwills Bruder Ferdinand Radziwill im selben Jahr 1874 auf der polnischen Liste kandidierte121 und von 1879 bis zum Zusammenbruch der Monarchie 1918 Vorsitzender der polnischen Reichstagsfraktion sein sollte122. Wenn Radziwill beispielsweise 1875 einen Antrag in den Reichstag einbrachte, der von prominenten Fraktionskollegen wie Ludwig Windthorst unterstützt wurde und der bei abweichender Schreibweise von Namen die zweisprachige Eintragung in die Standesamtsregister vorschreiben sollte123, zeigt ihn dies als Mittelsmann zwischen Zentrum und polnischer Fraktion im Reichstag. Einen ersten Ausweis seines trotz polnischer Wurzeln nationalen deutschen Bewusstseins bieten seine allein in deutscher Sprache abgefassten Publikationen, angefangen mit einem Buch über „Die kirchliche Autorität und das moderne Bewusstsein“124, über die Beschreibung einer 1876 unternommenen Reise in das als Marienerscheinungsort in der zeitgenössischen Öffentlichkeit für Furore sorgende Marpingen im Saarland125, bis hin zu einer die Kulturkampfereignisse unter dem Titel „Canossa oder Damascus“ diskutierenden Broschüre126, bei deren Inhalt es sich „eher um ein Sammelsurium 119 120 121 122 123 124 125
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Vgl. Neubach, Prinz Edmund Radziwill, S. 122f. Vgl. Neubach, Polnische Geistliche im Deutschen Reichstag, S. 272–274. Vgl. Neubach, Prinz Edmund Radziwill, S. 125. Vgl. Kotowski, Zwischen Staatsräson und Vaterlandsliebe, S. 87. Vgl. ebd., S. 95. Vgl. Radziwill, Die kirchliche Autorität und das moderne Bewusstsein, Breslau 1872. Vgl. passim Prinz Edmund Radziwill, Ein Besuch in Marpingen, Berlin 21877. Dazu auch Neubach, Prinz Edmund Radziwill, S. 130–132. Prinz Edmund Radziwill, Canossa oder Damascus, Berlin 1878, 21879, poln. Übersetzung Poznan 1878.
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von sehr unterschiedlichen Themen handelt, über die sich der Autor ohne ein vorher festgelegtes Konzept ausgelassen hat“127. Summa summarum handelte es sich bei Radziwill also um eine zwar äußerst umtriebige – auch für den Bischofsstuhl in Straßburg war er im Gespräch128 –, aber letztlich schwierige, ja geradezu schillernde Persönlichkeit.
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asimir Dorszewski129, 1826 in Powidz/Provinz Posen geboren, absolvierte das Gymnasium in Tremessen (Trzemeszno), studierte Theologie in Posen und Münster, wo er 1850 mit dem Lizentiat abschloss130. Nach der im selben Jahr in Gnesen empfangenen Priesterweihe avancierte der erst 24-jährige bereits zum Professor für Neues Testament am Posener Priesterseminar. 1854 wurde er Propst in Ryszewko in der Erzdiözese Gnesen und ab 1863 zugleich Dekan von Rogowo. 1869 zum Propst in Mogilno bestellt, wechselte Dorszewski noch im selben Jahr als Domherr, Domprediger und Konsistorialrat nach Posen. Seine Ernennung zum Domdekan durch Erzbischof Dinder fand 1886 das Wohlwollen der Staatsbehörden, weil Dorszewski sich während des Kulturkampfs nicht exponiert hatte. Obgleich er zu den 1874 bestellten Geheimdelegaten gehört hatte131, hatte es in der maßgeblichen staatlichen Kurzcharakteristik von 1890 über ihn geheißen, dass er „friedliebend und ohne Neigung zur Intrigue“132, dabei aber „unbedeutend und einflusslos“ sei. Da Dorszewski aber als Erster Rat Vizepräses des Erzbischöfl ichen Generalkonsistoriums war133, fällt es schwer an seine Einflusslosigkeit zu glauben.
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ohann Nepomuk Łukowski134 1846 in Ostrowo geboren, hatte das Gymnasium seiner Heimatstadt besucht, als Alumne des Collegium Polonicum in Rom studiert. Mit dem Doktortitel in beiden Rechten, den er 1872 am Kol127 128
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So die zutreffende Bewertung von Neubach, Prinz Edmund Radziwill, S. 118. So erinnerte sich jedenfalls Hutten-Czapski, Sechzig Jahre Politik und Gesellschaft, Bd. I, S. 199. Zu Dorszewski, der 1915 in Gnesen starb, vgl. Grot, Dorszewski, in: Gatz, Bischöfe, S. 140f.; u. Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 33, Anm. 59. Vgl. Hegel, Geschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster, Bd. 2, S. 154. Das Thema der Lizentiatsarbeit lautete De sacrificiis cruentis veteris legis. 1910 erhielt Dorszewski in Münster zudem den Dr. theol. h.c. Vgl. ebd., S. 210. Vgl. Gatz, Der preußisch-deutsche Kulturkampf in den Verhandlungen der Kongregation für die außerordentlichen kirchlichen Angelegenheiten, S. 230f. Verzeichnis der Mitglieder der Metropolitan- und Domkapitel in Preußen von Januar 1890, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2. Vgl. Zedlitz an Goßler v. 22.6.1888, wo diese Tatsache erwähnt wird, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 69f., hier S. 69. Zu Łukowski, der 1892 als Oratorianer nach Tarnów/Österreichisch Galizien, ging und 1904 starb, vgl. Grot, Łukowski, in: Gatz, Bischöfe, S. 464f., Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. XLVII, Anm. 159.
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leg San Apollinare erworben hatte, war er in seine Heimatdiözese zurückgekehrt und in Posen im Januar 1873 zum Priester geweiht worden. Während der kulturkampfbedingten Schließung des Gnesener Priesterseminars, an dem der junge Geistliche als Repetent wirkte, betätigte er sich journalistisch sowie als Geheimdelegat Erzbischof Ledóchowskis für den Gnesener Sprengel. 1887 kehrte er als Spiritual und Professor für Kirchenrecht an das neu eröffnete Priesterseminar zurück, 1888 wurde Łukowski Pfarrer in St. Michael Gnesen, vor allem aber Generalvikar und Offizial. Bei dieser Gelegenheit hatte ihn Oberpräsident von Zedlitz „durch und durch Pole“135 genannt. Dass er auf die „Entfernung des Offizials Lukowski aus Gnesen großes Gewicht legte“136, verwundert daher nicht.
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gnaz Warminski137 war 1850 in Zirke geboren und 1873 zum Priester geweiht worden. Als 1888 ein Regens für das wieder zu eröffnende Posener Priesterseminar gesucht wurde, kam auch Warminski ins Gespräch, wobei Kultusminister Goßler jedoch von ihm deshalb Abstand nahm, weil seine „Gesinnung … nicht zweifelsfrei“138 sei. Immerhin erhielt der promovierte Theologe 1889 eine Professur für Dogmatik am Seminar. Ihm sollte im Übrigen später seitens der nationalpolnischen radikalen Presse verübelt werden, dass er einen Spendenaufruf für die Errichtung eines Denkmals von Kaiser Wilhelm I. unterzeichnete und die Gläubigen zu entsprechenden Gaben ermunterte139. Im Preußischen Staatsministerium stieß diese Listenzusammensetzung in der Kabinettssitzung vom 5. August 1890 auf große Enttäuschung, insbesondere weil der Staatsfavorit Leo Redner fehlte. Überhaupt habe das Kapitel „nur ultramontane, intransigente Polen vorgeschlagen“140. Reichskanzler Caprivi selbst titulierte die Listenmitglieder als „Polen schroffster Richtung“. Bereits im Vorfeld der Kabinettssitzung hatte der Kultusminister dem Reichskanzler die doppelte Problematik der sowohl ultramontanen, aber auch zugleich polnisch-nationalen Einstellung sämtlicher sechs Listenkandidaten mitgeteilt.
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Zedlitz an Goßler v. 26.5.1888, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h. So Zedlitz an Wilamowitz-Möllendorff v. 1.12.1891, ebd., abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 152–154, hier S. 154, wo der Kultusminister den Plan erwog, dass Łukowski die Pfarrei Inowrocław (Hohensalza) übernehmen könne. Zu Warmiński (1850–1909) vgl. ebd., S. IL, Anm. 166, u. S. LIII u. LXV; u. Kantale, Warminski, in: Kronika Miasta Poznańia, Bd. 9 (1931), S. 378–388, u. Bd. 10 (1932), S. 70–85 u. 225. Goßler an Bismarck v. 28.6.1888, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt ebd., S. 70–73, hier S. 71. Vgl. Müller, Nationalpolnische Presse, S. 67f. Protokoll der Sitzung des Staatsministeriums v. 5.8.1890, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 63. Hier auch das folg. Zit.
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Zwar verständigte man sich darauf, die gesamte Liste als minder genehm zu deklarieren, was am 13. August 1890 auch geschah141, und auf direktem Verhandlungswege mit dem Heiligen Stuhl zu einer Neubesetzung des vakanten Stuhles zu gelangen. Dabei sollte Bischof Redner – wie schon im Juni 1890 vom Staatsministerium beschlossen142 – als staatlicher Favorit gehandelt werden. Der Öffentlichkeit blieben die hinter der ersten Liste stehenden Namen nicht lange verborgen, da sie bereits Ende August 1890 vom „Kuryer Poznański“ wie auch von der katholischen „Germania“ identifiziert wurden143. Letztlich sollte alternativ die Einreichung einer zweiten Kapitelsliste erlaubt werden. Der ja als Vertrauensmann Berlins in dieser Causa agierende Wiener Nuntius Galimberti ließ Caprivi mitteilen, dass Leo XIII. das Ausschöpfen der Möglichkeit einer zweiten Liste begrüßen würde, deren Erfolg aber bezweifle und daher bei Misslingen dieses Versuchs bereit wäre, in direkte Verhandlungen einzuwilligen144. Wenn Caprivi auf diese Linie einschwenkte, lag dies an dem neuen Kurs, den er in der preußischen Polenpolitik einleitete und der später als „sog. Versöhnungsära zwischen Deutschen und Polen“145 in die Geschichte eingehen sollte. Zwischenzeitlich hatte die Diskussion über die Posener Erzbischofsfrage nahezu alle großen Zeitungen im Deutschen Reich auf den Plan gerufen. Für die protestantisch-konservative „Kreuzzeitung“ war sie Anlass für eine seit September 1890 erscheinende ganze Reihe von Artikeln, die unter der Überschrift „Ein Wörtchen über unsere Polen“ standen146. Darin wurden Vor- und Nachteile eines deutschen oder polnischen Oberhirten über Wochen diskutiert. Als erstaunliches Ergebnis lässt sich festhalten, dass selbst in diesem nationalpreußischen Organ letztlich ein staatsloyaler Pole mit Eignung für die bischöfl ichen Aufgaben einem subalternen deutschen Kandidaten vorgezogen wurde. Die Zentrumszeitung „Germania“ wies auf die Gefahr eines Schismas hin, wenn durch Zurückweisung der Kapitelliste grundsätzlich die Ernennung eines Polen zum Erzbischof entgegen den Mehrheitsverhältnissen unter der katholischen Bevölkerung der Erzdiözesen negiert würde147. Die führende polnische Zeitung der Region, der „Kuryer Poznański“, die auch als „das Sprachrohr der Posener erzbischöfl ichen Kurie“148 galt, sah 141 142
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Vgl. ebd., S. LV. Vgl. Protokoll der Sitzung des Staatsministeriums v. 5.6.1890, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt ebd., S. 111–113, hier S. 113. Vgl. Kuryer Poznański v. 26.8.1890 u. Germania v. 27.8.1890. Ratibor an Caprivi v. 26.11.1890, zit. nach Rosenthal, The Election of Archbishop Stablewski, S. 268. Neubach, Der Gnesen-Posener Erzbischof Florian v. Stablewski, in: Kenez u.a. (Hrsg.), Beiträge zur deutsch-polnischen Nachbarschaft, S. 113–123, hier S. 120. Vgl. Kreuz-Zeitung v. 19.9., 24.9., 10.10. u. schließlich 17.11.1890. Vgl. Germania v. 17.11.1891. So urteilt jedenfalls Müller, Nationalpolnische Presse, S. 60.
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die Hauptursache der antipolnischen Linie in Berlin bei Kultusminister von Goßler, der ein Relikt der Bismarck-Ära sei und sich weigere auf den neuen Kurs umzuschwenken149. Offen forderte die polnische Presse in der Folge Goßlers Demissionierung. Neben dem Kultusminister galt die zum Teil beißende Kritik der polnischen Medien dem Staatsfavoriten für den Bischofsstuhl Leo Redner150. Der Oberpräsident von Westpreußen, Adolf Hilmar von Leipziger151, sah darin gegenüber Goßler eine Kampagne, die dazu dienen sollte, den Ruf Redners nachdrücklich zu schädigen152. Intern hatte bereits im Juli der Breslauer Fürsterzbischof Kopp einen neuen Akzent in die festgefahren scheinende Besetzungsfrage gebracht, indem er Goßler nahe legte, pragmatisch an die Lösung der Angelegenheit heranzugehen. „An sich dürfte es der Staatsregierung doch einerlei sein, welcher Nation von Geburt der künftige Erzbischof angehört“153, hatte er nach Berlin geschrieben und deutlich gemacht, dass ein Pole, der den preußischen Staat achte und akzeptiere, sich vor allem aber auf seine geistlichen Belange konzentriere, ohne politisch aktiv zu werden, doch ein gutes Lösungsmodell darstelle. Welche Auswirkungen die Verstimmung in preußischen Staatskreisen über die Posener Erzbischofsfrage auf das Staat-Kirche-Verhältnis in Preußen insgesamt besaß, lässt sich an verschiedenen Beispielen aufzeigen. Als der Fürsterzbischof von Prag im Oktober 1890 eine Reise zu einer Kirchweihe und Firmspendung in seinen preußischen Bistumsteil, die zur Provinz Schlesien gehörige Grafschaft Glatz, beabsichtigte, intervenierte der deutsche Botschafter in Wien, Heinrich VII. Prinz Reuß, beim Auswärtigen Amt dahingehend, dass man diese Reise angesichts der „wenig friedliche(n) Stellung, welche bedauerlicherweise die Kurie der Posener Erzbischofswahl gegenüber eingenommen habe“154, doch nicht einfach genehmigen könne. Wenngleich die beiden Kapitel auf ihr Wahlrecht verzichtet hatten, hatten sie gleichzeitig Papst Leo XIII. drei Kandidaten ihrer Wahl benannt, die gleichsam als Verhandlungsmasse in die diplomatischen Überlegungen zwischen Rom und Berlin Eingang fi nden sollten. Der Papst griff diesen Vorschlag umgehend auf und nannte Wilhelm II. am 15. Dezember 1890 die drei Favoriten des Kapitels, nämlich neben dem bisherigen Listenkandidaten Radziwill, Alfred Poninski und Kasimir Szoldrski. Bereits zwei Tage später wusste 149
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Vgl. Kuryer Poznański v. 11.9.1890. Dieser Aspekt auch bei Kaminski, Polish Publicists, S. 74f. Vgl. z.B. Gazeta Torunska v. 4.9.1890. Zu Leipziger (1825–1891), seit 1888 Oberpräsident v. Westpreußen, vgl. Schwabe, Oberpräsidenten, S. 320. Vgl. Leipziger an Goßler v. 16.9.1890, in: GStA PK HA III MdA I Nr. 11204. Kopp an Goßler v. 18.7.1890, ebd. Reuß an Caprivi v. 2.9.1890, in: PA AA, R 4015.
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auch Schlözer die Namen zu berichten. Insofern kann nicht, wie in der bisherigen Literatur, etwa bei TedKaminski, zu lesen ist, davon die Rede sein, dass „from mid-August 1890 to September 1891 virtually no progress was made in the matter of a new archbishop“155. Überhaupt nicht thematisiert wurde in den staatlichen Akten die Tatsache, dass Prinz Edmund Radziwill zum Zeitpunkt der Diskussionen um seine Eignung als Erzbischofskandidat für Gnesen-Posen bereits die kontemplative Lebensform gewählt hatte und er am 24. Oktober 1890 als Pater Benedikt OSB die ewige Profess in der Abtei Beuron abgelegt hatte156, womit es doch fraglich schien, ob er das selbst gewählte Klosterleben für das Erzbischofsamt wieder aufgegeben hätte, Zumindest Kultusminister Goßler muss diese veränderte Situation bewusst gewesen sein, hatte er doch anlässlich eines Besuches in Beuron im August 1890 im Gespräch mit dem Erzabt auch die Personalie Radziwill berührt. Jedenfalls wurde Radziwill sogleich in Berlin abgelehnt.
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lfred von Poniński157, Jahrgang 1840, war Spross einer vornehmen polnischen Adelsfamilie. Nur zwei Jahre lang besuchte er das Mariengymnasium in Posen, bevor er seine Ausbildung an Jesuitenkollegien in Namur und Brüssel erhielt, ohne ein in Preußen anerkanntes Reifezeugnis zu erhalten. Dem Studium in Posen und am Gnesener Priesterseminar folgte 1865 die Priesterweihe. Ein anschließender Studienaufenthalt in München brachte keinen weiteren Abschluss, vielmehr wurde Poninski bereits im Folgejahr in der Pastoral seiner Heimatdiözese eingesetzt, wo er zur Aushilfe in Obersitzko und schließlich als Domvikar in Posen wirkte. Bereits seit 1868 bekleidete er die Propstei in Koscielec, die zuvor von Weihbischof Janiszewski geleitet worden war. Sicherlich aufgrund seiner hochadeligen Abstammung verlieh ihm Papst Pius IX. während des Ersten Vatikanums die Würde eines Päpstlichen Kammerherrn. Nach dem Urteil des Oberpräsidenten handelte es sich bei von Poniński „äußerlich [um] keine hervortretende Persönlichkeit. Bei zwei allerdings nur flüchtigen Begegnungen mit ihm machte er auf mich den Eindruck eines milden, wohlwollenden und ruhigen Mannes in gereiften Jahren. Dagegen schien ihm der Stempel geistiger Bedeutsamkeit nicht aufgeprägt.“158 Zedlitz konnte keinen Beleg dafür bringen, aber ihm schien das Gerücht glaubhaft, dass Poninski eine Marionette des Wreschener Propstes von Stablewski sei, der seine Kandidatur vermittelt habe, weil er unter 155 156 157
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Kaminski, Polish Publicists, S. 74. Vgl. Neubach, Radziwill, S. 142–145. Zu Poniński vgl. Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. LVI, Anm. 216; u. Zedlitz an Goßler v. 5.1.1891, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 137–140. Zedlitz an Goßler v. 5.1.1891, ebd.
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einem Erzbischof von Poniński zum einen die Hoffnung besitze, im Hintergrund die Fäden zu ziehen, zum anderen aber dessen Propstei in Koscielec selbst einnehmen zu können. Interessanterweise fügte er nicht an, dass Poninski 1883 bereits „persona minus grata“ der Regierung gewesen war, obgleich ihn Leo XIII. damals als episkopabel bevorzugt hatte. Stattdessen lief die Argumentationslinie des Oberpräsidenten dahin, dass man von diesem Kandidaten eine eigenständige Führung des bischöfl ichen Amtes nicht erwarten könne. Rein formal lasse sich jedoch weder vom Gesichtspunkt des Lebenswandels her noch von der Warte einer politischen Betätigung Grundsätzliches gegen Poninski einwenden.
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asimir Szołdrski159 war Jahrgang 1843 und stammte ebenso wie Poninski aus einer Adelsfamilie der Provinz Posen, die eine große Zahl Gutsbesitzer, Offiziere und Geistliche stellte. Nach dem Studium in Posen und der Priesterweihe 1867 wurde er an den Dom berufen, promovierte in Kirchenrecht und erwarb zudem das Lizentiat der Theologie. Nach den Erkundigungen Goßlers bei Zedlitz stellte sich heraus, dass die staatlichen Akten über Szoldrski nichts hergaben. Der Oberpräsident hatte ihn lediglich bei der Beisetzung Erzbischof Dinders als Prediger erlebt und konnte sich nur auf das Urteil des staatsloyalen Dompropstes Gustav Wanjura stützen, der ihn „als einen äußerlich zurückhaltenden, aber geistig sehr regsamen Mann von umfassender theologischer Bildung und guter rhetorischer Begabung“160 geschildert habe. Möglicherweise stecke hinter seiner Kandidatur der Weihbischof Likowski als „sein besonderer Gönner“. Ansonsten vermochte sich Zedlitz nur in vagen Äußerungen darüber ergehen, dass zwei Familienmitglieder in preußischen Regimentern gedient hätten, die später beide „völlig in das polnisch-nationale Lager übergegangen und … sogar teilweise agitatorisch hervorgetreten sein“ sollen. Genauere Belege konnte er allerdings nicht erbringen, wie er auch konzedieren musste, dass Szołdrski sich sowohl eines untadeligen Lebenswandels erfreute als auch politisch ein unbeschriebenes Blatt war, so dass auch gegen seine Kandidatur im Prinzip nichts einzuwenden sei. Im Februar 1891 lässt sich nach Beobachtungen Ludwig von Raschdaus eine deutliche Wandlung in der Polenpolitik der Regierung abzeichnen. „Caprivis Gedanke war, die Polen zwar nicht zu germanisieren, wohl aber zu guten Preußen zu machen, ein Plan, mit dem sich schon viele gefühlvolle Seelen getragen hatten“161, formulierte er in seinen Erinnerungen und ließ damit auch keinen Zweifel daran, dass er diese Entwicklung äußerst kritisch betrachtete und zum Scheitern verurteilt sah. Von dem ähnlich denkenden Ministerial159 160
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Zu Szołdrski, der 1904 verstarb, vgl. ebd., S. LVI, Anm. 217. Zedlitz an Goßler v. 5.1.1891, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 137–140, hier S. 139. Hier auch die folg. Zit. Raschdau, Unter Bismarck und Caprivi, S. 207.
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direktor Kügler im Kultusministerium wie auch von Kultusminister Goßler erfuhr Raschdau in diesen Tagen von der Absicht des Kanzlers, den Reichstagsabgeordneten Florian Oksza von Stablewski zum Erzbischof zu machen. Wie kam es aber genau dazu? In der Sitzung des Staatsministeriums vom 1. März 1891 brachte Caprivi die Angelegenheit aufs Tapet, indem er sich befremdet über die Stagnation äußerte und Kritik am angeblich passiven Verhalten Goßlers übte, der neun Tage später zurücktrat und durch keinen anderen als den Posener Oberpräsidenten Robert von Zedlitz-Trützschler ersetzt wurde, dem wiederum in Posen der Landrat Hugo von Wilamowitz-Moellendorff als Oberpräsident folgte, „beides Männer, die im Caprivischen Fahrwasser zu segeln bereit schienen“162, wie Raschdau kritisch kommentierte. Die Tatsache, dass ein preußischer Kultusminister über eine Bischofspersonalie stürzte und durch den leitenden Staatsbeamten des inkriminierten Bistums ersetzt wurde, verdeutlicht einmal mehr, wie hochrangig die Posener Causa in der preußisch-deutschen Innenpolitik der beginnenden Caprivi-Ära anzusiedeln ist. Wenn ab diesem Zeitpunkt auch von einer Transferierung des Kulmer Bischofs Redner nach Posen in Regierungskreisen keine Rede mehr war, lag dies daran, dass dessen „star presumably had set with Goßler’s resignation“163. Außerdem hatte Caprivi als neuen Favoriten nicht etwa Stablewski, sondern Eduard Likowski in die Ministerrunde eingebracht. Wie sehr der Reichskanzler mittlerweile von der Besetzung des Posener Erzbischofsstuhls mit einem Polen beseelt war, zeigt seine Reaktion auf eine ihm von Raschdau vorgelegte Eingabe, die sich „genau auf unser Aktenmaterial stützte und diesen Priester [also Likowski, Anm. d. Verf.] als eine durchaus staatsfeindliche und gefährliche Persönlichkeit schilderte“164: Dies könne seine Auffassung nicht revidieren, gab Caprivi demnach zurück. Anfang März 1891 wusste Schlözer aus Rom zu berichten, dass Leo XIII. von Ledóchowski dahingehend eingenommen sei, dass er dessen Hoffnung auf eine Genehmheitserklärung Wilhelms II. für Alfred von Poniński stark teile165. Dagegen sei dem Papst von den polnischen Kreisen an der Kurie Bischof Redner als aufgrund zu geringer Polnischkenntnisse ungeeignet dargestellt worden. Der preußische Gesandte, der offenbar nicht wusste, dass der Plan einer Transferierung des Kulmer Oberhirten nach Posen damit unabhängig voneinander sowohl in Berlin als auch in Rom zu Grabe getra162
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Raschdau, Unter Bismarck und Caprivi, S. 209. Zu Wilamowitz (1840–1905), 1891–1899 Oberpräsident von Posen, vgl. Schütz, Die Oberpräsidenten, S. 305, u. von Unruh, Provinz (Großherzogtum) Posen, S. 404. Rosenthal, The Election of Archbishop Stablewski, S. 272. Raschdau, Unter Bismarck und Caprivi, S. 209. Vgl. Schlözer an Auswärtiges Amt v. 4.3.1891, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 141.
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gen worden war, schlug dem Auswärtigen Amt vor, kurzum Poninski und Szołdrski zu personae non gratae zu erklären, um dem Heiligen Vater zu verdeutlichen, dass man auf einen deutschen Erzbischof, und dabei meinte er, ohne den Namen expressis verbis zu nennen, Redner, zwingend bestehe. Letzteren Vorschlag griff das Auswärtige Amt sogleich auf und ließ Wilhelm II. persönlich bei Leo XIII. gegen Poniński und Szołdrski opponieren166. Allerdings schwamm Schlözer mit seiner Einschätzung, Ledóchowski steuere sowohl die Kapitularvikare Likowski und Kraus als auch die polnischen Parlamentarier in Berlin von Rom aus fern, indem er diesen einen preußenfreundlichen Kurs diktiere, um die Chancen auf einen polnischen Erzbischof zu erhöhen167, alles andere als im politischen „mainstream“ der Ära Caprivi. Jedenfalls wollte einer polnisch-vatikanischen Verschwörung zugunsten Poninskis niemand mehr so recht Glauben schenken. Wenn auch zunächst der Staatssekretär im Auswärtigen Amt Adolf Freiherr Marschall von Bieberstein168 den Gesandten veranlasst hatte, die Kandidatur Redners als staatliche Zielsetzung an der Kurie aufrecht zu erhalten169, so stand doch die These Schlözers gegen die Aussage Likowskis, der gegenüber dem Auswärtigen Amt bekannte, „er habe keinen Verkehr mit dem Kardinal Ledóchowski“170. Wenn der Gesandte daraufhin die Vermutung äußerte, die Korrespondenz zwischen dem früheren Posener Metropoliten und dem Weihbischof gehe eben über Mittelsmänner und es sei „doch klar, dass das Auge des Kardinals stets auf ihn [Likowski] gerichtet bleibt“171, konnte dies Marschall von Bieberstein kaum überzeugen. Ein dem Kultusministerium übermittelter Vorschlag des Kapitularvikars der elsässischen Diözese Straßburg, den Freiburger Erzbischof Johannes Christian Roos nach Posen zu transferieren, um eine vollkommen von außen kommende, zudem in der Leitung einer großen Diözese erfahrene Persönlichkeit an die Spitze zu stellen, stieß offenbar auf keine Resonanz in Berlin172. Im April 1891 äußerte Kultusminister von Zedlitz-Trützschler gelegentlich einer Besprechung in Berlin, dass „ein Strohmann das Allerschlimmste 166 167
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Vgl. Wilhelm II. an Leo XIII. v. 22.3.1891, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h. Vgl. Schlözer an Caprivi v. 11.3.1891, ebd., abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 142f. Zu Marschall von Bieberstein (1842–1912), 1890–1897 Staatssekretär bzw. Staatsminister im Auswärtigen Amt, vgl. Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes, Bd. 3, S. 186f. Vgl. Marschall an Schlözer v. 10.4.1891, ebd., Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 143f. Hier das folg. Zit., S. 144. Likowski an Auswärtiges Amt v. 18.5.1891, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h. Schlözer an Caprivi v. 26.4.1891, ebd., abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 144f., hier S. 145. Vgl. Kapitularvikar Straub, Straßburg, an Kultusministerium. Erwähnt bei Seydler, Hohenlohe-Schillingsfürst, S. 141f. Aus den eingesehenen Akten heraus konnte dieser Vorschlag nicht verifiziert werden.
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sein würde“173. Das hieß, in Berlin wollte man einen bloßen Repräsentanten, hinter dem andere als „Macher“ steckten, dezidiert vermeiden. Gegenüber Hutten-Czapski, mit dem er kurze Zeit später die – zweite – Kandidatenliste besprach, äußerte der Minister, nur Likowski und Stablewski seien überhaupt annehmbar174, obgleich ihre engen Kontakte zu Kurienkardinal Ledóchowski ihm ein Dorn im Auge blieben. Zedlitz suchte nun umgehend das Gespräch mit dem Breslauer Fürstbischof Georg Kopp, der Likowskis Qualitäten rühmte175. Für den Fall, dass die Regierung den amtierenden Kapitularvikar akzeptieren würde, bot dieser seine Vermittlerdienste an. Vor allem versprach der Breslauer Oberhirte, Likowski dazu zu bewegen, Garantien gegenüber der Regierung zu unterschreiben, falls diese gewünscht würden. Aus Rom berichtete Schlözer derweil, sowohl Leo XIII. als auch sein Kardinalstaatssekretär wie auch der Kurienkardinal Ledóchowski rechneten fest mit der Ernennung Likowskis176. Und nach einem Urlaub in der Heiligen Stadt wusste Unterstaatssekretär von Rotenhan Ende Juni 1891 in Berlin zu berichten, er habe privat mit dem Kardinal Mocenni gesprochen, der keinen Zweifel daran hegte, dass die Berufung eines Polen nach Posen communis opinio von Caprivi, Zedlitz und dem Finanzminister von Miquel sei177. Aber der Kultusminister blieb skeptisch und wurde erst nachdenklicher, als der Führer der polnischen Fraktion im Reichstag, Josef Kóscielski178, ihn im August 1891 auf die für die Regierung wichtigen Stimmen der polnischen Abgeordneten hinwies und dabei gleichsam als Ultimatum das dringende Bedürfnis eines polnischen Erzbischofs artikulierte179. Offenbar war es auch KoŚcielski, der „spiritus movens der ‚Hofpartei‘“180, der auf seinen Abgeordnetenkollegen und Freund Florian Oksza von Stablewski181 als episkopablen Geistlichen aufmerksam machte. Stablewski war wohl – nach den von Raschdau beschriebenen internen Diskussionen im Ministerium – erstmals im Februar 1891 von der „Germania“ als möglicher Kandidat positiv hervorgehoben worden. Auch Stablewskis Biograph Kazimierz Śmigiel kommt zu dem Schluss, dass die Kandidatur für den erzbischöfl ichen Stuhl 173 174 175
176 177 178
179 180 181
Hutten-Czapski, Sechzig Jahre Politik und Gesellschaft, Bd. I, S. 192. Vgl. ebd., S. 193. Vgl. Bericht v. Zedlitz v. 13.5.1891 über die am Vortag geführte Unterredung, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 5101, 21795. Vgl. Schlözer zit. nach Raschdau, Unter Bismarck und Caprivi, S. 210. Vgl. ebd., S. 211. Zu KoŚcielski (1845–1911), Gutsbesitzer in Szarley u. Karczyn, 1881 MdH, 1884–1894 MdR, vgl. Galos, Jozef Koscielski (1845–1911), in: Polski Ślownik Biograficzny, Bd. 14 (1968/69), S. 420–424; Schwarz, MdR, S. 375. Vgl. KoŚcielski an Caprivi v. 22.8.1891, in: in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 5101, 21795. So die Einstufung von Kotowski, Zwischen Staatsräson und Vaterlandsliebe, S. 194. Zu Stablewski vgl. Pietrzak, Stablewski, in: Na stolicy, S. 243–272; Gatz, Stablewski, in: Ders., Bischöfe, S. 726f.; zuletzt Śmigiel, Słownik biograficzny, S. 325–331; Nowacki, Archidiecezja, S. 120f.
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„unerwartet“182 kam. Dass Stablewski letztlich das Rennen um den Posener Erzbischofsstuhl für sich entschied, ist nur mit einem ganzen Bündel von Argumenten zu erklären: Ausschlaggebend für die Entscheidung der Regierung für ihn erwies sich sicherlich in allererster Linie, dass trotz der langwierigen Suche kein besser geeigneter Kandidat ausfi ndig gemacht werden konnte. Insofern stellte Stablewski die klassische Kompromisslösung dar. Eine Charakterisierung des Geistlichen aus der Feder des bedeutenden Philologen Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff183, eines Bruders des Posener Oberpräsidenten, gibt eine vielleicht etwas verkürzte, wenngleich treffende Antwort auf die Frage nach den Qualitäten Stablewskis, wenn es dort heißt: „Er hatte wirklich nicht das Zeug zum Rädelsführer und Aufständler, war froh, seinen guten Ungarnwein zu trinken und in Ruhe künstlerischen Neigungen zu folgen“184. Kurz gesagt, Stablewski scheute Konfl ikte und ruhte weitgehend in sich selbst, gemäß dem Prinzip „my house is my castle“. In den Aufgeregtheiten der deutsch-polnischen Konfl ikte und im Nachgang des Kulturkampfes musste ein solch ruhender Pol das Gefallen der Staatsbehörden fi nden. Nicht zuletzt der Zentrumsführer im Reichstag, Ludwig Windthorst, schätzte Stablewski durchaus185.
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as Erstaunliche bei dieser Personalie ist, dass Florian von Stablewski, der nie auf einer Wahlliste eines Domkapitels stand, wie das Gros der politisch aktiven Geistlichen der Provinz aus einer Adelsfamilie stammte, die schon über Generationen nationalpolnisch gesinnt gewesen war. Sein Vater kämpfte in napoleonischer Zeit für ein unabhängiges Polen, mehrere Onkel waren am polnischen Aufstand von 1830 beteiligt. Daher verwundert es auch nicht, dass der 1841 in Fraustadt (Wschowa) geborene Stablewski in Posen und Tremessen Gymnasien besuchte, die über geheime polnische Schülerzirkel verfügten, denen er auch nachweislich angehörte186. Aber diese Vorgeschichte wurde von der Staatsregierung möglicherweise als verjährte Jugendsünde außer Betracht gelassen. Stablewski absolvierte sein Theologiestudium in Posen und seit 1863 in München, wo er 1866 im Fach Kirchengeschichte promovierte187. Im selben Jahr in Posen zum Priester geweiht, begann er den seelsorglichen Dienst als Vikar und Gymnasiallehrer 182 183
184 185 186
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Śmigiel, Florian Stablewski, S. 212. Zur Bischofsernennung vgl. ebd., S. 73–91. Zu Ulrich von Wilamowitz-Moellendorf (1848–1931), klassischer Philologe, vgl. DBE2, Bd. 10 (2008), S. 622f. Wilamowitz-Moellendorff, Erinnerungen, S. 31. Vgl. Becker, Windthorst und die Polen, S. 296. Zu diesen Angaben vgl. Janus, Zur nationalen Identität katholischer Priester, S. 91, unter Verweis auf die Stablewski-Biographie von Śmigiel. Vgl. passim Floryan Stablewski, Der heilige Kirchenvater Petrus von Ravenna Chrysologus, Posen 1871.
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in Schrimm und wurde dort 1873 wegen Verstoßes gegen die Kulturkampfgesetze aus der Schule relegiert. Daraufhin erhielt Stablewski die Propstei in Wreschen verliehen, eine Gemeinde, in der er in den folgenden knapp 20 Jahren seelsorglich tätig war, sozial-karitatives Engagement entfaltete und einen Kirchenumbau durchführte. Stablewski, der im selben Jahr mit der Würde eines Päpstlichen Geheimkämmerers ausgezeichnet wurde, hatte sich in den 14 Jahren seiner Zugehörigkeit zum Preußischen Abgeordnetenhaus (1876– 1890)188 für die polnische Nationalbewegung exponiert, wovon die Vielzahl seiner Äußerungen (80 Reden, 4 Anträge, 3 Interpellationen und 17 persönliche Anmerkungen) in diesem Parlament Ausdruck gibt189. 1890 war er von Leo XIII. mit der höchsten Prälatenwürde eines Apostolischen Protonotars geehrt worden190. Die Entscheidung Berlins für die Ernennung eines Polen zum Erzbischof hatte darüber hinaus einen handfesten außenpolitischen Grund. Nach der Nichtverlängerung des von Bismarck 1887 abgeschlossenen Rückversicherungsvertrags mit dem Russischen Reich und vor dem Hintergrund handelsund zollpolitischer Auseinandersetzungen erreichten die deutsch-russischen Beziehungen am Beginn der Kanzlerschaft Caprivis einen Tiefpunkt191. Daher war die Reichsregierung bemüht, die im Reich lebenden Polen gerade vor dem Hintergrund panslawistischer Bestrebungen als potenzielle Verbündete gegen Russland zu gewinnen und ihnen Zugeständnisse zu machen. Hatte Bismarck bis zum Ende seiner Kanzlerschaft „besonders allergisch … gegenüber denjenigen polnischen Geistlichen, die ein politisches Mandat angenommen hatten“192, reagiert, da sie in seinen Augen „Polonismus und Katholizismus vermischten und ihre priesterliche Stellung zu politischen Umtrieben missbrauchten“193, wurde im Kanzleramt nun positiv registriert, dass Stablewski mit seinen übrigen Kollegen der polnischen Fraktion im Reichstag am 25. Juni 1891 eine die Treue zum Kaiser und Reich beschwörende Kundgebung veranstaltet hatte. Hatte der „eiserne Kanzler“ nach einer dreitägigen Polendebatte im Preußischen Abgeordnetenhaus Ende Januar 1886 noch voller Entrüstung Stablewski als einen der beiden „leidenschaftlichsten polnischen Redner im Landtag wie im Reichstag“194 apostrophiert, wurde von Caprivi eine Rede Stablewskis, die er am 27. September 1891 auf 188 189
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Vgl. Mann, Biographisches Handbuch für das Preußische Abgeordnetenhaus, S. 372. 97 Äußerungen Stablewskis im Abgeordnetenhaus zählt Śmigiel, Florian Stablewski, S. 70–72, auf. Vgl. Nowacki, Archidiecezja Poznańska, S. 121. Vgl. Weitowitz, Deutsche Politik und Handelspolitik unter Reichskanzler von Caprivi, hier insbes. S. 228–299. Neubach, Polnische Geistliche im Deutschen Reichstag, S. 266. So Bismarck am 2.12.1881 an Unterstaatssekretär C. A. Busch, zit. nach Bismarck, Gesammelte Werke, Bd. 6, Berlin 1935, S. 239. Neubach, Die Ausweisungen von Polen und Juden, S. 106–119.
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einem Katholikentag Posens und Westpreußens in Thorn hielt, diametral anders wahrgenommen. In dieser Thorner Rede hatte der Priester und Parlamentarier einerseits Kaiser Wilhelm II. als Verteidiger christlicher Werte gelobt, andererseits Russland aufgrund seiner gegenwärtigen Außenpolitik als Feindbild des Deutschen Reiches beschworen und damit Zedlitz beeindruckt195. Unter Bismarck und Goßler, so ist die berechtigte Annahme, wäre Stablewski nicht zum Zuge gekommen, zumal der „eiserne Kanzler“ ihn unter den „leidenschaftlichsten polnischen Redner[n] im Landtag wie im Reichstag“196 eigens erwähnt hatte. Natürlich spielte auch der neue Posener Oberpräsident Hugo von Wilamowitz-Moellendorff eine Rolle, dem Rosenthal bescheinigte „sympathetic toward the Poles“197 zu sein. Ein nationalkonservativ eingestellter Zeitzeuge sah die Situation ungleich drastischer, dass nämlich „der Posener Oberpräsident alle Segel auf[setzte], um munter in dem polnischen Strome zu schwimmen“198. Ausschlaggebend für das staatliche Plazet war wohl nicht zuletzt eine Reihe von Konzessionen, die der designierte Erzbischof am 26. Oktober 1891 gegenüber der Regierung machte. So versprach Stablewski beispielsweise per Eid, „der Staatsregierung in ihren auf die Festigung des Reiches und auf die Wohlfahrt aller seiner Angehörigen gerichteten Bestrebungen treu und förderlich zur Seite zu stehen“199, wie im Oberpräsidium protokollarisch festgehalten wurde. Zuvor hatte Caprivi am 18. Oktober 1891 bei Schlözer darum nachgesucht, „auf Allerhöchsten Befehl sofort eine Privataudienz beim Papste zu erwirken“200, um das Entgegenkommen Wilhelms II. zu signalisieren, Stablewski zu akzeptieren. Als „gewisses Äquivalent“ wollte er gleichzeitig gesehen haben, dass 1. die Berufung von Dozenten an das Posener Priesterseminar von staatlicher Zustimmung abhängig werden sollte und 2. ein Deutscher als Weihbischof in Posen ernannt würde. Als Wunsch, aber nicht als Bedingung, wurde 3. angefügt, dass Fürstbischof Kopp die Kardinalswürde erhalten sollte201. Dabei hatte man in Berlin augenscheinlich übersehen, dass die Abhängigkeit der Ernennung neuer Professoren am Priesterseminar bereits conditio sine qua non für dessen Wiedereröffnung 1889 gewesen war, die sich durch die anfängliche Weigerung von Erzbischof Dinder, nicht nur hinsichtlich der ersten Profes195
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197 198 199 200
201
Vgl. Hutten-Czapski, Sechzig Jahre Politik und Gesellschaft, Bd. I, S. 193; u. Müller, Nationalpolnische Presse, S. 47–50. Hierzu gehöre „der Dr. der Theologie und Propst und Päpstliche Geheimkämmerer Stablewski“. PA AA Preußen 2, Nr. 1. Rosenthal, The Election of Archbishop Stablewski, S. 270. Raschdau, Unter Bismarck und Caprivi, S. 213. Zusagen von Stablewskis v. 26.10.1891, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 5101, 21795. Caprivi an Schlözer v. 18.10.1891, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 146. Hier auch das folg. Zit. Vgl. Caprivi an Schlözer v. 18.10.1891, ebd. Sinngemäß zit. bei Raschdau, Unter Bismarck und Caprivi, S. 211. Zur Kardinalserhebung Kopps vgl. Hirschfeld, Die Auseinandersetzungen um die Kardinalserhebung, in: ASKG, Bd. 63 (2005), S. 75–92.
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soren, sondern auch in Zukunft das staatliche Plazet vorab einzuholen, sogar verzögert hatte202. Leo XIII. akzeptierte die Entscheidung für Stablewski als „hochherzige Lösung“203, wie Schlözer schon zwei Tage darauf zum Beweis der schleunigen Erfüllung seines Auftrags nach Berlin mitteilte. Wahrscheinlich hatten die Unterredungen des Münchner Nuntius mit dem dortigen preußischen Gesandten Cuno Graf von Rantzau im August 1891 den Weg zu dieser Akzeptanz geebnet. Die als Kompensationsobjekt genannte Kardinalserhebung Kopps schien dem Papst – Schlözers Eindruck zu Folge – zwar nicht unsympathisch, allerdings von verschiedenen Faktoren abhängig, deren zunächst erforderliche Prüfung eine Garantie zum aktuellen Zeitpunkt nicht möglich erscheinen lasse. Der Gesandte insistierte vor allem auf der Generalvikarsfrage, in welche Leo XIII. dann doch einzugreifen versprach, nachdem er sich des grundsätzlichen Einverständnisses von Kardinal Ledóchowski mit einem deutschen „alter ego“ Stablewskis versichert hatte. Die stärkere Bedeutung einer Einwirkung des Kurienkardinals auf die Haltung des neuen Posener Oberhirten erkennend, ersuchte der Papst Ledóchowski persönlich dieses Anliegen bei Stablewski zur Sprache zu bringen 204. Nicht zuletzt stand man in Berlin sichtlich unter Druck, die Sedisvakanz baldmöglichst zu beenden 205. Vor dem Hintergrund dieses Zugzwanges musste das ursprünglich gesteckte Ziel eines bestimmten Bischofstypus zunehmend aufgegeben werden. Dieses Erklärungsmuster verwendete jedenfalls Nuntius Antonio Agliardi gegenüber Kardinalstaatssekretär Rampolla. Gleichzeitig sei es aber auch Bedingung des Kaisers gewesen, dass der neue Oberhirte für das Priesterseminar in Posen nur dem Staat genehme Professoren ernenne und sich zudem „in riguarda al gran numero di Tedeschi Cattolici nella medesima diocesi“ einen deutschen Generalvikar suche206. Eine gewichtige Rolle bei dieser Nervosität der Staatsregierung spielte die parallele Sedisvakanz des unter nationalpolitischen Auspizien ebenso delikaten Bischofssitzes im elsässischen Straßburg207. Inwieweit das Zugeständnis eines polnischen Oberhirten für Posen als Kompensation für die Tatsache anzusehen ist, dass mit Adolf Fritzen am 1. Juni 1891 ein Deutscher und zudem einer der beiden Favoriten der Regierung den Straßburger Bischofsstuhl
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Vgl. Rivinius, Der deutsch-polnische Nationalitäten- und Konfessionskonflikt, S. 318. So Schlözer an Caprivi v. 20.10.1891, ebd., abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 147f., hier S. 147. Vgl. die Mitteilung Schlözers an Caprivi v. 25.10.1891, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 149. Über die an der Kurie in dieser Angelegenheit herrschende Unruhe informierte Reichenau den Kanzler am 5.8.1891, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt ebd., S. 145. Vgl. Agliardi an Rampolla o. D. 1891, in: ASV AES Germania, pos. 1391, fasc. 770. Vgl. Trzeciakowski, Church and State, S. 631.
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für sich entschieden hatte, wäre zu diskutieren 208. In jedem Fall ist die beinahe ähnlich komplizierte Straßburger Besetzungsgeschichte angesichts der weiten Entfernung zwischen beiden Bischofssitzen in der Wahrnehmung der polnischen Öffentlichkeit sicherlich nicht als ernsthafte Vergleichsmöglichkeit betrachtet worden. Die Rolle Kaiser Wilhelms II. in dieser langwierigen Besetzungsfrage scheint einerseits passiv gewesen zu sein. Schenkt man Ludwig von Raschdau Glauben, so war dem Monarchen deutlich gemacht worden, „die polnische Bevölkerung habe ein verbrieftes Recht darauf, dass ein Pole zu dieser Würde berufen werde“209. Das klingt allerdings reichlich naiv und ist möglicherweise eine als Stilmittel genutzte bewusste Übertreibung des Diplomaten, der auf diese Weise seine eigene Rolle bei der „Aufklärung“ des Kaisers in der Retrospektive in ein positives Licht zu rücken meinte. Gemäß Raschdaus Erinnerung soll Wilhelm II. in der Folge für die Thematik dahingehend sensibilisiert gewesen sein, dass er gegenüber Kopp und mit Blick auf den Heiligen Stuhl geäußert habe: „Man glaube wohl, … jetzt könne man sich gegenüber dem neuen Kurse alles erlauben“. Andererseits wollte der Kaiser die Zustimmung zur Ernennung Stablewskis mit einem Junktim verknüpfen. Jedenfalls trug Caprivi dem Gesandten Schlözer auf, „Seiner Heiligkeit ganz vertraulich [zu] bemerken, dass Seine Majestät die Verleihung des Kardinalshutes an Fürstbischof Kopp gern sähe und gegenwärtig auf die Erfüllung dieses Wunsches umso mehr Wert lege, als die Ernennung eines Polen zum Erzbischof von Posen die deutsche Bevölkerung sehr unangenehm berühren und letztere in der Ernennung eines deutschen Kardinals ein gewisses Äquivalent dafür finden werde“210. Die Idee, die Lösung der Posener Frage mit der Erlangung des „Roten Hutes“ für den staatsloyalen Breslauer Fürstbischof zu verbinden, stammte aber ganz offensichtlich von Galimberti, der auf diese Weise einen Hebel zur Handhabung des Problems gefunden zu haben meinte, Kopps Kardinalat gegenüber der staatlicherseits nicht gewünschten Erhebung des Kölner Erzbischofs Philipp Krementz zum Kardinal zu legitimieren 211. Die positive Haltung der preußischen Regierungsspitze gegenüber der getroffenen Personalentscheidung wurde durch die Einschätzung WilamowitzMoellendorffs untermauert, bei dem Stablewski am 28. November 1891 einen Antrittsbesuch machte. Der Oberpräsident berichtete darüber dem Kultus208
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Diese These findet sich bei Trzeciakowski, Polityka polskich, S. 101f., u. wird z.B. bei Śmigiel, Stablewski, S. 77 aufgegriffen. Raschdau, Unter Bismarck und Caprivi, S. 184. Hier auch das folg. Zit. Caprivi an Schlözer v. 18.10.1891, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2 h, auch abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 146. Letztlich wurden Kopp und Krementz 1893 gemeinsam zu Kardinälen kreiert. Vgl. hierzu ausführlicher Hirschfeld, Die Auseinandersetzungen um die Kardinalserhebung, hier S. 78f.
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minister, dass „Stablewski, der mir übrigens seit längerer Zeit näher bekannt ist, in durchaus entgegenkommender rückhaltloser Weise auftrat und wiederholt aussprach, dass er die großen Schwierigkeiten seiner Stellung wesentlich bei seinen polnischen Landsleuten fi nden würde, auch schon gefunden habe“212. Damit war schon angedeutet, dass ein Konfl iktpotenzial zwar zwischen dem neuen Metropoliten und der Majorität seiner ihm unterstellten Gläubigen, nicht aber mit der Regierung zu erwarten sein würde. Selbst die Tatsache, dass Stablewski entgegen den Erwartungen und dem nachdrücklich betriebenen Wunsch der Staatsbehörden eben keinen Deutschen zum Generalvikar in Posen machen, sondern das „alter ego“ seines Vorgängers, Weihbischof Likowski, erneut in diese Funktion zu berufen gedachte, erregte nicht das Missfallen des Oberpräsidenten. Dieser schien die Argumentation Stablewskis mittragen zu wollen, das Generalvikariat in gewissem Sinne als Kompensation für die nicht erfolgte Ernennung zum Erzbischof, über die Likowski „stark verstimmt“ war, anzusehen. Dagegen erregte sich Kultusminister von Zedlitz stark darüber, dass der designierte Erzbischof „in seinen Dispositionen eine mir nicht ganz gerechtfertigt erscheinende Eilfertigkeit zeigt und bezüglich der Personalien ein Entgegenkommen seitens der Staatsregierung erwartet, das in der Situation nicht begründet ist“ 213. Vor allem wollte er ein „staatliches Interesse, den bisherigen Weihbischof Likowski aus seiner Verstimmung herauszuheben, … nicht … erkennen“.214 Der Ansicht des Ministers nach hatte sich nämlich Likowski in seiner Amtsführung als Kapitularvikar keineswegs so verdient gemacht, dass er mit einer gut dotierten Pfründe belohnt werden müsste. Überhaupt beklagte Zedlitz einen übertriebenen Aktionismus seitens des noch gar nicht ernannten Erzbischofs und hegte die Vermutung, dass Stablewski „durch die Einwirkungen der unerwartet eingetretenen Erfüllung seiner kühnsten Hoffnungen etwas nervös überreizt … sein“215 könnte. Deshalb sei es notwendig, die Vielzahl seiner Wünsche genau zu überprüfen, nicht blindlings allen nachzugeben, sondern vielmehr bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu betonen, dass er Amt und Würden der Gunst des Staates verdanke. Nachdem die päpstliche Ernennung am 14. Dezember 1891 erfolgt war, legte Stablewski am 14. Januar 1892 direkt in die Hände Wilhelms II. den vorgeschriebenen bischöflichen Eid ab. Dass mit dieser Zeremonie nicht der Oberpräsident in Posen betraut wurde, lag nicht in erster Linie an der spezifischen Problematik dieses Bischofsstuhles, sondern daran, dass Gnesen-Posen als Erzbistum neben Köln und dem Fürstbistum Breslau ein hervorgehobener 212
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Wilamowitz-Moellendorff an Zedlitz v. 29.11.1891, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 150–152, hier S. 151. Zedlitz-Trützschler an Wilamowitz-Moellendorff v. 1.12.1891, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 152–154, hier S. 152. Ebd., S. 153. Ebd., S. 154.
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Rang unter den 14 preußischen Diözesen zukam. Immerhin konnte auch die Bischofsweihe jetzt wieder in Posen stattfinden, nachdem Stablewskis Vorgänger Dinder aus Angst vor polnisch-nationalistischen Übergriffen in Breslau konsekriert worden war216. Damit war gewissermaßen „die erste Etappe jener herzlichen „Entente“ zwischen der [preußischen, Anm. d. Verf.] Krone und den Polen“217 eingeleitet worden. In der nationalpolnischen Presse der Provinz, insbesondere im „Oredownik“, wurde Stablewski spätestens jetzt als einer der Köpfe der „Hof- oder Versöhnungspartei“ verhöhnt und „mit übelwollendster Kritik verfolgt“218. Sein 15-jähriger Episkopat sollte immer wieder mehr oder weniger deutlich von dem Vorwurf dezidiert nationalpolnischer Kreise begleitet sein, ihr Landsmann habe seine polnische Identität mit seinem öffentlichen Kotau vor dem Kaiser und der preußischen Regierung aus „purer Streberei nach dem Posener Bischofsstuhl“219 verraten. Aber auch Kultusminister von Zedlitz-Trützschler war sehr rasch über die Amtsführung Stablewskis enttäuscht, insbesondere was die Wahl von Weihbischof Eduard Likowski als Generalvikar anging. Intern sprach er dem Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Marschall von Bieberstein, die Hauptschuld an der seines Erachtens verfehlten Personalentscheidung zugunsten Stablewskis zu, weil dieser zwar auf Weisung des Kanzlers gehandelt, aber das Kultusministerium in die Entscheidung nicht mit einbezogen habe220. Insofern trug die Posener Erzbischofsernennung einen gravierenden Teil dazu bei, dass Reichskanzler Caprivi – wie es ein Anhänger der Bismarckschen Polenpolitik ausdrückte – „ein gut Teil seines politischen Rufes in weiten nationalen Kreisen verspielt“221 hatte.
Suche nach einem geeigneten Nachfolger Stablewskis 1900 bis 1906 Nachdem sich seit 1899 Meldungen über ein schweres Herzleiden des Erzbischofs von Stablewski verbreitet hatten, gewann die Öffentlichkeit den Eindruck, als wenn mit seinem baldigen Tod gerechnet werden müsste. Auf höchster politischer Ebene in Berlin wurde daraufhin in der Sitzung des Preußischen Staatsministeriums vom 22. Juni 1900 thematisiert, „dass in Anbetracht des Gesundheitszustandes des Erzbischofs von Stablewski mit der 216 217 218 219
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Vgl. Neubach, Dinder, S. 76. Der Konsekrator war Fürstbischof (nicht Erzbischof) Herzog. Müller, Nationalpolnische Presse, S. 49. Vgl. ebd., S. 46–82. Zit. ebd., S. 47. So wörtlich (übersetzt) im Oredownik v. 19.11.1899, zit. nach Müller, Nationalpolnische Presse, S. 52. Vgl. zur Haltung des Erzbischofs zur Nationalitätenfrage auch Neubach, Der Gnesen-Posener Erzbischof v. Stablewski und seine Stellung zur polnischen Bewegung. Vgl. hierzu Raschdau, Unter Bismarck und Caprivi, S. 211f. Ebd., S. 214.
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Wahrscheinlichkeit einer baldigen Erledigung des erzbischöflichen Stuhles von Gnesen und Posen gerechnet werden müsse“222. Kultusminister Studt ersuchte um ein Meinungsbild, ob bei der Neubesetzung einem Polen oder einem Deutschen der Vorzug gegeben werden solle. Kritisch resümierte er, dass einerseits seit der Neuzirkumskription der Doppelerzdiözese Anfang des 19. Jahrhunderts nur Polen vom Domkapitel gewählt worden seien und andererseits der einzige Deutsche, den der Heilige Stuhl auf Wunsch der Regierung benannt habe, „der Entwicklung des Deutschtums nichts geholfen“ habe. Obwohl der noch amtierende polnische Erzbischof nach dem Eindruck Studts „in den letzten Jahren … politisch recht unbequem geworden“ sei, weil er „fanatische polnische Geistliche in die Grenzdistrikte gesetzt und dadurch dazu beigetragen habe, manche deutsche Katholiken in das polnische Lager zu treiben“, empfand der Kultusminister einen polnischen Geistlichen in Posen grundsätzlich „besser am Platze“, zumal wohl nur ein solcher die Zustimmung der Majorität des Domkapitels erlangen würde, wie er in realistischer Einschätzung der Lage bekannte. Sehr hervorgetreten sei immer wieder der Propst Ludwig von JaŻdŻewski, der seiner Meinung nach trotz eines in den letzten Jahren zu beobachtenden loyaleren Verhaltens zum Staat „werde trotzdem aber kaum akzeptiert werden können“. Auch der Heilige Stuhl würde einem Deutschen wohl nur zustimmen, wenn staatlicherseits Zugeständnisse gemacht würden. Das Staatsministerium, in welchem nicht von allen Mitgliedern die Argumentation Studts geteilt wurde, beauftragte den Kultusminister, gemeinsam mit dem Oberpräsidenten geeignete Kandidaten namhaft zu machen, um bei Eintreten der Sedisvakanz sofort eine Riege episkopabler Kleriker bereithalten zu können. Bis zu diesem Zeitpunkt, so kam die Ministerkonferenz überein, sollte die Frage dilatorisch behandelt werden. Im November 1903 griff der Reichskanzler und preußische Ministerpräsident Bernhard von Bülow auf Anregung seines Referenten Klemeth die Angelegenheit dennoch wieder auf, nachdem ihm Nachricht vom bevorstehenden Ableben des Erzbischofs zugegangen war. Er bemühte sich, die Nachfolgefrage direkt mit dem Heiligen Stuhl zu regeln. Und nachdem sich der neue Oberpräsident in Posen, Wilhelm von Waldow-Reitzenstein „in Übereinstimmung mit meinem Herrn Amtsvorgänger [Oberpräsident von Bitter, Anm. d. Verf.] dahin ausgesprochen [hatte], dass für die Staatsregierung nur ein Erzbischof deutscher Nationalität in Betracht kommen könne“223, machte der Kanzler die Posener Frage „zu einem Politikum ersten Ranges“224. Zur Realisierung des 222
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Sitzungsprotokoll des preuß. Staatsministeriums v. 22.6.1900, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 43 890 u. in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 183–185. Hier auch die folg. Zit. Waldow an Studt v. 18.11.1903, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 5101, 21795. Philippi, Beiträge zur Geschichte der diplomatischen Beziehungen, in: HJb, Bd. 82 (1963), S. 219–262, hier S. 245.
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Planes schien es ihm zentral, die Zusicherung des Vatikans für die Ernennung eines Deutschen zum Nachfolger Stablewskis zu gewinnen. Zu diesem Zweck sandte er im Januar 1904 den bayerischen Zentrumspolitiker Georg Freiherr von Hertling in dieser Angelegenheit inoffiziell als Mittelmann nach Rom225. Zwar sollte Hertling offenbar auch im Auftrag des Reichskanzlers die Chancen auf die Errichtung einer Reichsnuntiatur in Berlin ausloten, jedoch enthielt die Instruktion, die auch den preußischen Gesandten beim Heiligen Stuhl von der Reise unterrichtete, neben der Gewinnung eines geeigneten, sprich der preußischen Regierung genehmen deutschen Nachfolgers für den deutschen Apostolischen Vikar im chinesischen Süd-Chantung als zweiten Auftrag die Posen-Frage. Um die neugierig über den Sinn und Zweck von Hertlings Romreise spekulierende Presse zu besänftigen, wurde offiziell angegeben, dass der Philosophieprofessor Hertling Aufgaben im Preußischen Historischen Institut in Rom, dessen Beirat er angehörte, wahrnehme226. Irritationen musste diese Visite bei der preußischen Gesandtschaft am Vatikan auslösen, zumal Bülow Hertling erlaubt hatte, ihm „direkt zu schreiben, ohne die Vermittlung des Herrn Gesandten in Anspruch zu nehmen“227. Es ist also nicht von der Hand zu weisen, dass der Kanzler den Vatikangesandten umgehen wollte. Bülow musste sich in der Bedeutung dieser Mission auch durch den Wechsel auf dem Stuhl Petri von Leo XIII. zu Pius X. im Vorjahr bestärkt sehen. Immerhin hob Hertling gegenüber dem Kanzler „die markante Verschiedenheit, die Ihn [Pius X. Anm. d. Verf.] von seinem Vorgänger trennt“228, hervor. Zwar war es ihm recht bald gelungen, eine Audienz bei Pius X. zu erhalten und ebenso Kardinalstaatssekretär Raffaele Merry del Val sowie die Kardinäle Agliardi, Aiuti, Ferrata, Gotti und Rampolla aufzusuchen, die Posener Erzbischofsfrage konnte oder wollte er dabei jedoch zunächst nicht anbringen. Wenn Hertling in seinem ersten Bericht an den Reichskanzler vom 15. Januar 1904 etwas nebulös schrieb, „nach früheren Erfahrungen“ zweifle er nicht daran, dass „die Kurie bei eintretender Sedisvakanz in Posen für die Wünsche und Auffassungen der Preußischen Regierung volles Verständnis haben werde“, weist dies darauf hin, dass er noch keine Gelegenheit hatte, dieses Anliegen überhaupt vorzutragen. Zwei Wochen später konnte der preußische Emissär allerdings mitteilen, er habe bei Merry del Val dieses Thema angeschnitten, dessen „besondere Schwierigkeiten ihm nicht fremd zu sein schie225
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Vgl. ebd., S. 245–262. Leider brechen Hertlings „Erinnerungen aus meinem Leben“ 1903 ab, so dass seine eigene Sicht über diese Romreise nicht einbezogen werden kann. Über diese offizielle Begründung informierte Bülow am 21.1.1904 Wilhelm II. Vgl. Philippi, Beiträge zur Geschichte der diplomatischen Beziehungen, S. 249. So Hertling an Bülow v. 5.2.1904, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Philippi, Beiträge zur Geschichte der diplomatischen Beziehungen, S. 254f., hier S. 254. Hertling an Reichskanzler Bülow v. 15.1.1904, in: PA AA Päpstl. Stuhl 24, abgedruckt bei Philippi, Beiträge zur Geschichte der diplomatischen Beziehungen, S. 251–253, hier S. 252. Hier auch die folg. Zit.
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nen. Er zeigte sich erfreut darüber, dass dieselbe [Frage] schon jetzt in Betracht gezogen und dadurch der heilige Stuhl instand gesetzt werde, rechtzeitig eine günstige Lösung vorzubereiten“. Bedenkt man den Erfolgsdruck, unter dem Hertling stand, der immerhin auf Staatskosten „mit fünf Damen“ über Wochen in einem guten Hotel (Hotel d’Angleterre) der italienischen Hauptstadt logierte, waren das natürlich der Courtoisie geschuldete Höflichkeitsbezeugungen. Denn auch Hertling musste einräumen, dass der Kardinalstaatssekretär keine Zugeständnisse machte und es „nur als ein notwendiges Erfordernis [bezeichnete], dass der zu Erwählende der polnischen Sprache mächtig sei“. Im Übrigen handelte es sich ja auch lediglich um eine private Auskunft Merry del Vals, da ja Hertling nicht in offizieller Mission reiste. Nachdem letzterer dann Mitte April 1904, ohne weitere Neuigkeiten in der Posener Angelegenheit im Gepäck zu haben, wieder nach Deutschland zurückgekehrt war, zog Kultusminister Studt auf Betreiben Bülows Kardinal Kopp zu Rate. Der Breslauer Fürstbischof hatte bereits im Vorfeld Hertling einen „Charakterzug … zur Selbstgefälligkeit und zur Empfänglichkeit für Schmeicheleien“229 vorgehalten, den er jetzt durch dessen im Grunde genommen erfolglose Mission bestätigt sah. Zumindest hatte Kopp nunmehr einen Grund, um der Regierung zu raten, Hertling nicht weiter mit der Posener Erzbischofsfrage zu betrauen, da er ihn „weder als einen geschickten Unterhändler noch als einen hinreichend verschwiegenen Mann [ansehe]; überdies läge ihm die Kenntnis der preußischen Verhältnisse und insbesondere in den gemischtsprachigen Landesteilen des Ostens zu fern“230. Wenn Kopp sich gleichzeitig selbst beim Kultusminister als Mittelsmann in dieser Frage anbot, deren Lösung er aber bis zum Ableben Stablewskis aufzuschieben empfahl, wird die Konkurrenz erkennbar, die der Bischof in dem bayerischen Zentrumspolitiker witterte. Bülow konfrontierte das preußischen Staatsministerium am 2. Juli 1904 erneut mit der Personalie Gnesen-Posen. Allgemein erwartete die Ministerrunde weiterhin, dass im Fall des Eintritts der Sedisvakanz die beiden Metropolitankapitel eine Liste vorlegen würden, welche „wahrscheinlich nur nationalpolnische Geistliche enthalten [würde], die für die Regierung unannehmbar seien“231. Versuche man aber eine Besetzung durch direkte Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl zu erreichen, drohe ebenso Ungemach. Denn in Rom werde man sich gemäß mündlichen Auskünften Hertlings einem deutschen Kandidaten „energisch widersetzen“, selbst wenn dieser sehr gute Polnischkenntnisse besitze. Deshalb regte Kultusminister Studt an, „erforderlichenfalls einige Kompensationsobjekte zur Hand [zu] haben“, um einen deutschen Kandidaten durchzusetzen. Als der Staatsminister von Posadowsky 229
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So wird Kopp zit. bei Philippi, Beiträge zur Geschichte der diplomatischen Beziehungen, S. 246. Studt an Bülow v. 27.4.1904, in: PA AA Päpstl. Stuhl 24. Protokoll der Sitzung des Staatsministeriums v. 2.7.1904, in: Zilch (Bearb.), Die Protokolle des Preußischen Staatsministeriums, Bd. 9, S. 238. Hier auch die folg. Zit.
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Zweifel daran äußerte, ob es gelingen würde, einen geeigneten deutschen Kandidaten zu finden, der sich nicht vom polnischen Klerus majorisieren lasse, erwähnte Studt zwei Namen, machte aber sogleich die Einschränkung, dass diese beiden Geistlichen „einstweilen nach wiederholter Anhörung der Oberpräsidenten von Posen, Westpreußen und Schlesien“ von ihm als geeignet angesehen würden. Ganz sicher schien sich der Kultusminister also nicht zu sein, als er eine Kandidatur des Breslauer Domkapitulars und Kirchenhistorikers Max Sdralek232 und des Pfarrers von St. Nikolai in Danzig und Kulmer Ehrendomkapitulars Franz Scharmer233 befürwortete. Während Scharmers Vorzüge bzw. Schattenseiten offenbar keiner intensiven Diskussion unterzogen wurden, erschien Sdralek wohl zunächst deshalb geeignet, weil er als gebürtiger Oberschlesier zweisprachig war und somit „in seinem Wesen slavische Lebhaftigkeit und deutsche Konsequenz“234 miteinander verband. 1855 in Woschczytz im Kreis Pleß in Oberschlesien als Sohn eines polnischstämmigen Lehrers und Organisten und seiner deutschstämmigen Frau geboren, hatte er zunächst in Gleiwitz das Gymnasium besucht, dann aber am traditionsreichen katholischen Matthiasgymnasium in Breslau das Abitur abgelegt. Das Theologiestudium führte ihn nicht nur an die heimatliche theologische Fakultät in Breslau, sondern – wegen des Kulturkampfs – auch nach Freiburg im Breisgau, wo er 1880 in St. Peter im Schwarzwald die Priesterweihe erhielt. Entscheidend für Sdraleks geistige Prägung innerhalb des deutschen Katholizismus wurde aber seine Begegnung mit dem staatsloyalen Kirchenhistoriker Franz Xaver Kraus235, bei dem er kurz vor der Priesterweihe auch promoviert worden war236. Das gute Verhältnis mit Kraus belegt auch die Tatsache, dass dieser dem jungen Geistlichen und Kirchenhistoriker ein Forschungsstipendium verschaffte, mit dessen Hilfe Sdralek sich bereits zwei Jahre später für Kirchengeschichte in Breslau habilitieren konnte. 1884 erhielt er eine Professur 232
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Zu Sdralek (1855–1913), der 1909 einen Schlaganfall erlitt, vgl. Gottschalk, Sdralek, in: LThK2, Bd. 9 (1964), Sp. 389; Hausberger, Sdralek, in: BBKL, Bd. 9 (1995), Sp. 1264–1267; Weitlauff, Sdralek, in: NDB, Bd. 24 (2010), S. 103; Neubach, Schlesische Kandidaten für den erzbischöflichen Stuhl von Gnesen-Posen, S. 473; Kleineidam, Katholisch-Theologische Fakultät Breslau, S. 97 u. 152f; Gottschalk, Sdralek; u. Janusz Wycislo, in: Pater, Duchowieństwo, S. 370; sowie Schiel, Max Sdralek im Bannkreis von Franz Xaver Kraus; u. Bendel, Max Sdralek und die Breslauer kirchenhistorische Schule, in: ASKG, Bd. 55 (1997), S. 11–37. Weder Schiel noch Bendel erwähnen hingegen Sdraleks Posener Avancen. Zu Scharmer (1849–1917), geweiht 1873 in Pelplin, 1881 Pfr. in Altschottland, 1891 Pfr. in Danzig St. Nikolai, 1904 Ehrendomherr, 1905 residierender Domkapitular in Pelplin, 1909 Generalvikar u. Offizial, vgl. Schmauch, Scharmer, in: APB 1967, S. 598; u. Piszcz, Scharmer, in: Gatz, Bischöfe, S. 650. So Schiel, Max Sdralek im Bannkreis von Franz-Xaver Kraus, Teil 1, S. 241. Vgl. ebd. Vgl. passim Max Sdralek, Hinkmars von Reims kanonistisches Gutachten über die Ehescheidung des Königs Lothar II. Ein Beitrag zur Kirchen-, Staats- und Rechtsgeschichte des IX. Jahrhunderts, Freiburg/Br. 1881. Vgl. hierzu Müller, Fünfhundert Jahre Theologische Promotion, S. 105; u. Samulski, Theologische Promotionen schlesischer Priester, S. 431.
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für Kirchengeschichte an der Akademie in Münster237, um 12 Jahre später nach Breslau zurückzukehren. Ende 1900 wurde er außerdem auf das „sogenannte Professorenkanonikat“238 im Domkapitel berufen. Zum Zeitpunkt der Ventilierung seiner Person amtierte er zugleich als Rector magnificus der gesamten Universität. Über Sdraleks Tätigkeit in Münster hatte der dortige Oberpräsident 1898 geurteilt, dieser habe nicht nur in wissenschaftlicher Hinsicht „einen wohlbegründeten Ruf“239 genossen, sondern sei zudem auch „die Hauptstütze der reichs- und königstreuen Richtung innerhalb der hiesigen theologischen Fakultät“ gewesen. Der Zorn der Ultramontanen in Münster gegen den Professor sei sogar so weit gegangen, dass diese ihn bei seinem Heimatbischof Kardinal Kopp denunziert hätten, der Sdralek daraufhin einen Aufenthalt in Italien empfohlen habe240. Dass Kopp dennoch der Berufung Sdraleks auf den Kirchengeschichtslehrstuhl in Breslau nicht entgegengetreten war, wertete der Oberpräsident als Beweis der wiedererlangten Gunst des Kardinals. Auch wenn Sdralek politisch nicht aufgefallen sei, gehöre er „aber zweifellos zu den loyalsten und nationalgesinntesten Geistlichen unter dem deutschen katholischen Klerus“. Der Kirchenhistoriker selbst beklagte den „rabiaten Ultramontanismus der Westfalen“241 und machte immer wieder seine Unzufriedenheit mit der strengkirchlichen Mehrheit im Münsteraner Klerus und in der westfälischen Bevölkerung deutlich242, der er den „formloseren schlesischen Ultramontanismus“ bei weitem vorziehe. Zu dieser Haltung passt es, dass sich Sdralek öffentlich als glühender preußischer Patriot zeigte, wie etwa in seiner als Rektor der Akademie in Münster anlässlich des Todes von Kaiser Wilhelm I. 1888 gehaltenen Rede sichtbar wurde243. Dennoch sah sich Sdralek nicht in der Gunst des Breslauer Fürstbischofs Kopp stehen, der nach seiner Meinung seine Rückkehr nach Breslau hintertrieben hatte, weil er „von irgend einer Seite gegen mich als Schlesier mit einem unüberwindlichen Argwohn erfüllt worden“244 sei. Dass der Bischof ihn nach der Übernahme des Breslauer 237 238 239 240
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Vgl. Hegel, Geschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster, Bd. 2, S. 88f. Schiel, Max Sdralek im Bannkreis von Franz Xaver Kraus, Teil 1, S. 255. Studt an Kultusminister v. 8.11.1898, in: StAMS, OP 1987. Hier auch das folg. Zit. Offiziell unternahm Sdralek Forschungsreisen in Italien. Vgl. Bendel, Max Sdralek und die Breslauer kirchenhistorische Schule, S. 15. Wibbelt, Der versunkene Garten, S. 158, schrieb dazu: „Sdralek … erregte in Münsterschen Pastorenkreisen Aufsehen und Widerspruch durch seine freimütigen Ausführungen …“. Sdralek an Kraus v. 8.7.1884, in: Schiel, Max Sdralek im Bannkreis von Franz Xaver Kraus, Teil 2, S. 159. Hier auch das folg. Zit. So etwa anlässlich eines von Paul Maria Baumgarten 1889 ergangenen Angebots an die neue Kath. Universität in Washington D.C. (USA) zu wechseln. Vgl. Schiel, Max Sdralek im Bannkreis von Franz-Xaver Kraus, Teil 1, S. 249. Hier auch das folg. Zit. Vgl. auch Bendel, Max Sdralek und die Breslauer kirchenhistorische Schule, S. 15. Diese Rede wurde umgehend gedruckt und erfuhr daher weitere Verbreitung. Vgl. Sdralek, Deutschlands und Europas Trauer beim Tode Kaiser Wilhelms I. Sdralek an Kraus v. 2.12.1891, in: Schiel, Max Sdralek im Bannkreis von Franz Xaver
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Lehrstuhls 1896 jedenfalls nur mit Vorlesungen in kirchengeschichtlichen Nebenfächern betraut hatte245, spricht für die kontinuierliche Distanz zwischen Oberhirt und Gelehrtem. Umgekehrt fiel die kritische Haltung des Kirchenhistorikers gegenüber der kirchlichen Obrigkeit seinen Studenten durchaus auf, wie die Erinnerungen des späteren Breslauer Generalvikars Josef Negwer belegen, der sich erinnerte, dass Sdralek es „sich nicht versagen konnte, hie und da bissige Bemerkungen gegen das Kirchenregime einzuflechten, was uns zu einem starken Kritizismus verleitete“246. In der Diskussion kam seitens des Finanzministers auch der Vorschlag auf, es „wäre besser, den erzbischöflichen Stuhl von Gnesen-Posen Jahre lang unbesetzt zu lassen, als in die Ernennung eines polnischen Erzbischofs einzuwilligen“247. Ministerpräsident von Bülow legte Wert auf die Unterstützung etwaiger Regierungskandidaten durch den Breslauer Fürstbischof Kopp, dem ohnehin in der preußischen Polenpolitik eine „Schlüsselstellung“248 als Mittelsmann zum Vatikan zukam. Der Beschluss des Staatsministeriums lautete: „Es soll auf die Wahl eines Deutschen … entscheidendes Gewicht gelegt werden, was mittels Erhöhung der Dotationen der Domkapitel zur Kompensation in Rom wohl durchsetzbar ist. Nur ein deutscher, der polnischen Sprache mächtiger Kandidat kann vielleicht … der fortgesetzten Polonisierung des Klerus … Einhalt gebieten“249, beschied das Ministerium. Das Augenmerk des Ministerpräsidenten wie auch des von diesem stets in alle Überlegungen mit einbezogenen Kardinals Kopp lag auf dem in Beuthen (Oberschlesien) tätigen Pfarrer Reinhold Schirmeisen250, einem deutsch gesinnten tatkräftigen Gemeindeseelsorger251. Im Hintergrund stand dabei offensichtlich eine bereits 1884 vom Oppelner Regierungspräsidenten und vom schlesischen Oberpräsidenten erwogene Kandidatur dieses Priesters für Gnesen-Posen252. Doch Schirmeisen, der die neu errichtete Pfar245 246 247
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Kraus, Teil 2, S. 192f, hier S. 192. Vgl. Sdralek an Kraus v. 20.12.1896, ebd., S. 196f. So Negwer, Lebenserinnerungen, zit. nach Hartelt, Piontek, S. 24f. Protokoll der Sitzung des Preuß. Staatsministeriums v. 2.7.1904, zit. nach Zilch (Bearb.), Die Protokolle des Preußischen Staatsministeriums, Bd. 9, S. 238. So Mitter, Die Haltung der Kurie zur Verschärfung der preußischen Polenpolitik, S. 201. Vgl. zu diesem Aspekt auch Galos, Miedzy Berlinem a Watykanem. Sitzungsprotokoll des preuß. Staatsministeriums v. 2.7.1904, abgedruckt bei Zilch (Bearb.), Die Protokolle des Preußischen Staatsministeriums 1817–1934/38, Bd. 9, S. 238f. Vgl. Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. LXVII, u. Notiz Studts v. 12.11.1904, in: GStA PK Nachlass Studt. Schirmeisen (1842–1912), war seit 1888 Pfarrer an der neu errichteten zweiten Beuthener Pfarrei St. Trinitas. Vgl. Neubach, Schirmeisen, u. Jozef Pater, in: Mieczysław Pater, Duchowieństwo, S. 367f. Neubach, Schirmeisen, S. 215f., weist darauf hin, dass die Belege für diese erste Kandidatur Schirmeisens dürftig sind.
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rei St. Trinitas in Beuthen aufgebaut hatte, winkte schon gleich ab. Der Name Schirmeisen wurde aber noch weiterhin von allen Beteiligten unter dem Siegel der Verschwiegenheit gehandelt. Er schwebte auch noch im Raum, als sich der preußische Vatikangesandte Wolfram von Rotenhan in einer Audienz am 19. Oktober 1904 bei Pius X. „ausführlich in befohlener Weise über Nachfolger Stablewskis“253 erkundigte und vom Heiligen Vater erfuhr, dass dieser bisher keinen Favoriten hatte und zudem auf dem Standpunkt stehe, „nur im Einverständnis mit uns vorgehen und nur einen uns genehmen Bischof ernennen“ zu wollen. Damit hatte sich Pius X. recht weit aus dem Fenster gelehnt und relativierte seine Aussage umgehend, indem er dem preußischen Gesandten erklärte, erst mit dem Kardinalstaatssekretär Rücksprache halten zu wollen. Dennoch zeigte sich Rotenhan dahingehend zufrieden, dass die Virulenz dieser Personalie in der Kurie angesprochen und bekannt gemacht und dass dort eine grundsätzliche Gesprächsbereitschaft erkennbar sei. So erwähnte auch Kopp bei seinem Vatikan-Besuch Ende November 1904 gegenüber Papst wie auch Kardinalstaatssekretär nur, dass er einen geeigneten Nachfolger für Stablewski in petto habe, nannte aber nicht den Namen Schirmeisen254. Für Kopp lag darin ganz offensichtlich eine Vorsichtsmaßnahme, wollte er doch zum einen seinen Favoriten nicht durch zu frühes Preisgeben „verbrennen“, zum anderen aber fürchtete der Breslauer Fürstbischof den auch nach dem Tod Ledóchowskis seiner Meinung nach herrschenden Einfluss polnischer Kleriker auf die Kurie. Weniger relevant erscheint dagegen das von Kopp gegenüber Rotenhan ebenfalls angegebene Argument, er müsse erst noch erkunden, ob Schirmeisen neben „Wasserpolnisch“ auch ausreichend des Hochpolnischen mächtig sei255. Schließlich war er ja soweit gerüstet, sofort bei Ableben Stablewskis den Namen Schirmeisen in Rom preiszugeben. Bülow betraute in der Folge Rotenhan damit, bei der Kurie die preußische Position nahe zu bringen. Gerade deshalb riet er der Regierung, die Neubesetzung mit Geduld anzugehen. Ein Grund, weshalb Bülow dennoch vorpreschte und von Rotenhan beim Kardinalstaatssekretär antichambrieren ließ, lag in der aktuellen politischen Gemengelage des Vatikans. Studt jedenfalls sah die Situation als sehr günstig für die Durchsetzung preußisch-deutscher Interessen an, weil die Kurie genau zu diesem Zeitpunkt in Auseinandersetzungen mit der die Trennung von Staat und Kirche proklamierenden französischen Regierung stand256. Somit fiel Frankreich als die noch bis zum Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 traditionelle Schutzmacht des Heiligen Stuhls nunmehr komplett aus und war nach Meinung der preußisch-deutschen Diplomatie auf gute Kontakte zu den übrigen europäischen Großmächten angewiesen. 253
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So Rotenhan an Bülow v. 20.10.1904, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 203. Hier auch das folg. Zit. Vgl. den Bericht Rotenhans an Bülow v. 9.12.1904, ebd., S. 203f. Vgl. ebd., S. 204. Vgl. Notiz Studts v. 12.11.1904, in: GStA PK, Nachlass Studt.
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Innenpolitisch sah die preußische Regierung Handlungsbedarf angesichts der seit der Ernennung des vormaligen Oberpräsidenten Konrad Studt zum preußischen Kultusminister 1899 verstärkten Maßnahmen zur Abschaffung des polnischsprachigen Religionsunterrichts in den Volksschulen, die zu Konflikten führten257. Die Germanisierung des Bildungswesens hatte 1901 im Wreschener Schulstreik ihren ersten Höhepunkt gefunden. Als die Eltern der betroffenen Schüler in der Kleinstadt Wreschen mit Streiks reagiert und die preußischen Behörden als Abschreckungsmaßnahmen rigide Strafen verhängt hatten, waren insbesondere zahlreiche katholische Geistliche als Fürsprecher der polnischen Eltern hervorgetreten. Dennoch erwies sich die letztlich Ende 1905 erlangte Zusage des Vatikans, einen Deutschen auf dem Posener Erzbischofsstuhl prinzipiell gutzuheißen258, als Pyrrhus-Sieg. Reichskanzler und Ministerpräsident Bülow hatte schon Anfang dieses Jahres erkannt, dass „das gegenwärtige Interim noch lange dauern [könne], da Erzbischof von Stablewski sich zeitweise immer wieder erholt“259. Als die Sache nämlich ein knappes Jahr später dann wirklich akut wurde, hatte sich die Kurie, wohl nicht zuletzt auch bedingt durch eine Veränderung der politischen Großwetterlage, eines Besseren besonnen.
Eine nicht stattgefundene Erzbischofswahl 1906 Als Erzbischof von Stablewski am 24. November 1906 im Alter von 65 Jahren verstarb, war der Zeitpunkt für eine rasche Neubesetzung des erzbischöflichen Stuhls aber auch innenpolitisch denkbar ungünstig. Die Sedisvakanz in Posen ging nämlich zeitlich einher mit der seit Ostern 1906 an über 200 Volksschulen der Provinz durchgesetzten Einführung eines rein deutschsprachigen Religionsunterrichts260. Hatte diese konzertierte Aktion der Staatsbehörden im Sommerhalbjahr bereits zu ersten Boykottmaßnahmen in einzelnen Schulen geführt, so war exakt einen Monat vor Stablewskis Tod ein allgemeiner Schulstreik ausgebrochen, an dem sich eine Woche später bereits mehr als 40.000 Schüler in 654 Schulen beteiligt hatten261. In den Augen eines Beobachters stand sogar „zu befürchten, dass er sich zu einem neuen Kulturkampf auswachsen und auch die guten Beziehungen zwischen [dem] Vatikan und Berlin
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Vgl. zu diesem Komplex detailliert Balzer, Die preußische Polenpolitik, S. 166–170. Vgl. hierzu Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. LXVIII. Bülow an Rotenhan v. 10.1.1905, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 204f., hier S. 205. Zum Posener Schulstreik 1906/07 vgl. Korth, Die preußische Schulpolitik, dort zur Haltung Stablewskis, S. 125–136, Glück, Die preußisch-polnische Sprachenpolitik, S. 302– 317; sowie Balzer, Die preußische Polenpolitik, insbes. S. 172–174. Vgl. Balzer, Die preußische Polenpolitik, S. 175.
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stören würde“262. In konservativ-preußischer Sichtweise handelte es sich bei dieser Aktion um eine keineswegs religiös, sondern vielmehr nationalpolnisch motivierte Aktion, die von „polnischen Hetzkaplänen“ angeführt wurde. Gerade weil Stablewski in dieser kritischen Situation noch kurz vor seinem Tod in einem Hirtenbrief263 erneut die Problematik des Religionsunterrichts thematisiert und damit die nationalkonservative, teilweise auch die liberale Presse gegen sich aufgebracht hatte, war die Position des Erzbischofs als solche noch einmal verstärkt in den Konflikt mit hineingezogen worden. In den Augen des Oberpräsidenten von Waldow, der sich bereits als Regierungspräsident in Königsberg als Sympathisant des Ostmarken-Vereins erwiesen hatte264, hatte sich Stablewski daher mit zunehmender Amtsdauer „desto mehr unter das Joch des intransigenten Polentums [ge]beugt und schließlich alle kirchlichen Fragen unter dem Gesichtswinkel des Primas von Polen betrachtet und entschieden“265. Damit habe er sich diametral von seinen im Oktober 1891 gegebenen Zusagen der Reichs- und Kaisertreue entfernt. Wie stark die staatliche Gunst gegenüber Stablewski gesunken war, zeigte sich exemplarisch an dessen misslungenem Versuch, in das preußische Herrenhaus aufgenommen zu werden. An der Vereitelung dieses Planes, den Stablewski mit einer dadurch gegebenen Erweiterung seines Einflusses auf die polnischen Mitglieder des Herrenhauses begründet hatte, war im Übrigen der Breslauer Kardinal Kopp nicht unschuldig, der diese Berufung abschlägig beschied und seinen Posener Amtsbruder der Eitelkeit bezichtigte266. Weihbischof Eduard Likowski, der zum Kapitularvikar für Posen gewählt worden war, ließ auch den Kardinalstaatssekretär über die aktuelle Problematik in der Schulfrage nicht im Unklaren und hatte damit ein veritables Argument zur Hand, um in Rom die Schwierigkeit der Situation zu verdeutlichen267. Dass Likowski, dem immerhin noch im Januar 1905 von Bülow selbst vorgeworfen worden war, „ein leidenschaftlicher und schroffer Vertreter nationalpolnischer Tendenzen“268 zu sein, den üblich gewordenen Erlass vom vorgeschriebenen Eid erhielt, den Likowski „offensichtlich sehr erfreut“ zur Kenntnis nahm, wie Waldow berichtete, war Kardinal Kopp zu verdanken, welcher der Regierung geraten hatte, hier jedenfalls keine Steine in den Weg zu 262 263
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Hutten-Czapski, Sechzig Jahre Politik und Gesellschaft, Bd. I, S. 505. Hirtenbrief Stablewskis v. 8.10.1906, abgedruckt bei Glück, Die preußisch-polnische Sprachenpolitik, S. 411–413. Vgl. von Unruh, Provinz (Großherzogtum) Posen, S. 405. Waldow an Studt v. 5.2.1907, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 43, 890. Vgl. Kopp an Bülow v. 17.1.1899, in: PA AA Italien 87, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 182f. Vgl. Likowski an Merry del Val v. 4.12.1906, in: ASV AES Germania, pos. 1565–1571, fasc. 833. Bülow an Rotenhan v. 10.1.1905, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 204f., hier S. 204.
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legen269. Kopp zeigte sich davon überzeugt, dass „Likowski den guten Willen hat, selbst friedlich zu wirken und in diesem Sinne auch den Gnesener Vikar zu beeinflussen“270. Bei letzterem handelte es sich um Kasimir Dorszewski, der 1890 Listenkandidat gewesen war. Immerhin hatten die Staatsbehörden dem bereits kurz vor seiner Ernennung zum Erzbischof geäußerten Wunsch Stablewskis entsprochen, diesem die ja staatlich zu vergebende Dompropstei in Gnesen zu verleihen, um damit den Weg von Weihbischof Likowski auf die Domdechanei in Posen frei zu machen271. Angesichts seines hohen Alters von 80 Jahren wurden Dorszewski jedoch staatlicherseits keine Ambitionen mehr nachgesagt, nach der Mitra zu schielen. Außerdem war er in den Augen Kardinal Kopps nur ein „Werkzeug“ in den Händen des machtbewussten Posener Kapitularvikars Likowski. Die Kontaktaufnahme mit dem Breslauer Oberhirten hatte Kultusminister Studt angeregt, der den Reichskanzler darauf hingewiesen hatte, dass der preußische Gesandte beim Heiligen Stuhl den gegenwärtigen Besuch Kardinal Kopps in Rom doch dazu nutzen solle, um gleich eine Strategie des Vorgehens gegenüber der Kurie zu entwickeln. Wenn wohl auch kaum verhindert werden könnte, dass Kopp möglicherweise – diese Ankündigung von 1904 hatte der Kultusminister den Akten entnommen – den in petto gehaltenen Namen seines Favoriten Reinhold Schirmeisen nunmehr dem Papst mitteilen würde, so habe doch der Gesandte tunlichst davon zu lassen, diesen oder einen anderen Kandidatennamen ins Gespräch zu bringen. Vielmehr sei gemäß einem Rat Kopps zunächst die Wahlliste der beiden Metropolitankapitel abzuwarten, es sei denn, dieser empfehle ein anderes Vorgehen. Aus diesem Schreiben ist zweierlei zu ersehen: Zum einen hatten Staat und Kardinal sich in den vergangenen zwei Jahren ganz offensichtlich nicht erneut über die Kandidatur des Oberschlesiers Schirmeisen verständigt, die möglicherweise gar nicht mehr aktuell sein könnte. Zum anderen dokumentiert die Tatsache, dass Studt das staatliche Handeln von Kopps Vorschlag abhängig machen wollte, eine Unsicherheit, wie denn nun (aus staatlicher Sicht) am günstigsten vorzugehen wäre, um das Ziel eines des Polnischen mächtigen deutschen Erzbischofs auch wirklich zu erreichen. Noch weiter gingen einige Mitglieder des Staatsministeriums, welche offen die Auffassung vertraten, dass Likowski doch ein genehmer Kandidat für den Posener Stuhl sei272. Eine Auffassung, der auch 269
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Vgl. Mitter, Zur Haltung der Kurie, S. 222. Er bezieht sich auf ein Schreiben Kopps an Bülow v. 10.12.1906, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 239f. Waldow an Kultusministerium v. 2.12.1906, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 43, 890, u. in PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 237. Vgl. Wilamowitz-Möllendorff an Zedlitz-Trützschler v. 29.11.1891, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 150–152, hier S. 150f. Vgl. ebd., S. 236.
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der in Catholica immer wieder um Rat gefragte Bogdan von Hutten-Czapski beipflichtete273. Der am 7. Dezember 1906 von Wilhelm II. zum Wahlkommissar bestellte Oberpräsident von Waldow274 bekräftigte noch einmal seinen einige Jahre zuvor zu Protokoll gegebenen Standpunkt in einer 27 Seiten umfassenden Stellungnahme275. Demnach käme nur ein Kandidat deutscher Nationalität für den erzbischöflichen Stuhl in Frage. Geradezu beschwörend appellierte Waldow an den Kultusminister, die Regierung müsse „unverrückbar das Ziel vor Augen haben, dem Andrängen des Polentums entgegenzuarbeiten und den schützenden Damm immer weiter vorzuschieben, um der mit allen Mitteln zu unterstützenden Entwickelung des Deutschtums gesicherte Bahn zu schaffen“276. Am selben Tag teilte Rotenhan aus Rom mit, dass Montel wohl an ein Nachgeben der Kurie hinsichtlich eines deutschen Erzbischofs glaube, er jedoch nach einem Gespräch mit Merry del Val diesen Eindruck nicht gewinnen konnte. Unter Hinweis auf die zugespitzte Lage der Polen in Preußen sei der Kardinalstaatssekretär nicht mehr zu Konzessionen bereit277. Am 16. Januar 1907 stellten die vereinigten Metropolitankapitel von Posen und Gnesen eine Wahlliste auf, für die auf Weihbischof Likowski 20 Stimmen, den Domkapitular Kloske 17, den Dekan von Poninski 16, den Kanonikus Jedzink 15, den Kanonikus Echaust 13 und den Pfarrer JaŻdŻewski 12 Stimmen entfallen waren278. Diese Rangfolge wurde offenbar durch eine ganz bewusste Indiskretion von Dompropst Wanjura bereits wenige Wochen später auch dem Posener Oberpräsidenten bekannt, nachdem beispielsweise die Berliner Presse gemeldet hatte, die Kapitelsliste enthalte die Namen des Weihbischofs Likowski, des Dompropstes Wanjura sowie des Domherrn Kloske. Jedenfalls wurde die Regierungsbehörde nicht darüber im Unklaren gelassen, dass die deutschen Domherren eigentlich die Vereinbarung getroffen hätten, sowohl Sdralek als auch Wanjura auf die Liste zu setzen. Dieser Plan sei zum einen daran gescheitert, dass „die Gnesener Domherren Kretschmer und 273
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Vgl. Hutten-Czapski an Staatsministerium v. 27.12.1906, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 43, 890. Vgl. hierzu Studt an Bülow v. 26.11.1906, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 235. Vgl. das umfängliche Exposé Waldows an den Kultusminister v. 5.2.1907, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 43, 890. Waldow an Studt v. 5.2.1907, ebd.. Vgl. Rotenhan an Bülow v. 7.12.1906, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 238f. Vgl. Dorszewski an Kultusministerium v. 16.1.1907, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 43, 890. Diese Stimmverteilung bei der Listenzusammenstellung bei Hemmerling, Walka rzadu, in: Roczniki historyczne, Bd. XXVI (1960), S. 195–224, hier S. 199; u. bei Nowacki, Archidiecezja Poznańska, S. 121.
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Göbel die Abmachungen nicht innegehalten und Wanjura und Sdralek nicht gewählt haben“279. Zum anderen hatte sich der Ehrendomherr Martin Friske der Wahl ferngehalten und seine Stimme Kapitularvikar Likowski übertragen. Waldow schien nicht so recht davon überzeugt, dass Friske wegen seines Alters und seiner Gesundheit nicht erschienen war, sondern sah darin in erster Linie einen Vorwand, um dem Dilemma zu entkommen, wie ihm auch bewusst wurde, dass es mit der Solidarität unter den nominell deutschen Mitgliedern der beiden Metropolitankapitel nicht so ganz weit her war. Da aber Sdralek nur auf neun und der noch eher auf ein „Heimspiel“ zählende, schon auf der Liste von 1890 stehende Wanjura gar nur auf acht Stimmen gekommen war, zuvor aber die Kapitel beschlossen hatten, nur die sechs Kandidaten mit den meisten Stimmen auf die Wahlliste zu setzen, gingen die beiden staatlichen Favoriten leer aus. Angesichts des regen Interesses der überregionalen Presse an der Posener Kandidatenfrage, blieben die Namen der beiden staatlich bevorzugten Kandidaten einer breiten Öffentlichkeit über die Konfessionsgrenzen hinaus nicht verborgen. Hyacinth von Strachwitz, der später selbst als Kandidat für Gnesen-Posen gehandelt werden sollte, berichtet im Übrigen in seinen Erinnerungen über die freudige Anteilnahme der Breslauer Theologiestudenten an dem vermeintlichen Aufstieg ihres Professors Sdralek in der kirchlichen Hierarchie. Dass dieser nicht zum Zuge kam, enttäuschte ihn sichtlich, und er vermutete, dass er „Rom nicht genehm war, da er in seiner Eigenschaft als Geschichtsprofessor modernen Ideen als zu leicht zugänglich galt“280. Folgt man der Interpretation von Kardinal Kopp, hatte Sdralek sich jedoch durch eine national-patriotische „Rede bei der Enthüllung des Bismarckdenkmals auf dem Zobten [Berg in der Nähe von Breslau, dem eine mythische Bedeutung für die Geschichte Schlesiens zugeschrieben wird, Anm. d. Verf.], die an sich völlig einwandfrei war, den höchsten Zorn der polnischen Patrioten zugezogen und wird in deren Hetzblättern als ganz unannehmbar verschrien“281. Jedenfalls maß Kopp dessen Kandidatur für Gnesen-Posen keine Erfolgschancen mehr zu. Um dem Eindruck mangelnder Förderung geeigneter deutscher Kandidaten seitens des Oberpräsidiums vorzubeugen, wies Waldow gegenüber dem Kultusministerium auf das grundsätzliche Problem eines Mangels an deutschen Geistlichen in den vereinigten Erzbistümern hin und rechtfertigte die Bemühungen seiner Behörde um Abhilfe damit, dass in den vergangenen Jahren „das dem Staate bei Besetzung erledigter Domherrenstellen zustehende Nominati279
280 281
Waldow an Studt v. 5.2.1907, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 43, 890, u. in PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 240–252. Zu Leo Kretschmer (1851–1930) u. Romanus Göbel (1836–1914) vgl. ebd., Anm. 1 u. 2. Strachwitz, Eines Priesters Weg durch die Zeitenwende, S. 98. Kopp an Kultusminister v. 23.7.1907, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 43, 890.
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onsrecht … konsequent im deutsch-nationalen Sinne ausgeübt worden“282 sei. Doch nun sollen in alphabetischer Reihenfolge die einzelnen Kandidaten kurz vorgestellt werden:
J
ulian Echaust283 war 1839 in Nekla bei Wreschen (Wrzesnia), Kreis Schroda, geboren worden, hatte das Gymnasium in Tremessen (Trzemeszno) absolviert und nach dem Studium in Posen 1864 dort die Priesterweihe erhalten. Nach Kaplansjahren in Ostrowo wirkte er fast ein Vierteljahrhundert als Pfarrer in Skrzebowo im Kreis Odolanow. 1891 wurde er Pfarrer in Ostrowo und rückte mitten aus der praktischen Seelsorgearbeit, bei der er sich in der Vereinsbetreuung und publizistisch hervorgetan hatte, 1893 in das Domkapitel in Posen auf. Offensichtlich genoss er das besondere Vertrauen Likowskis, der ihn 1906 zum Generalvikar ernannte.
L
udwig von JaŻdŻewski284 war in der Bischofsstadt Posen 1838 als Sohn einer Adelsfamilie geboren worden und hatte nach dem am dortigen Mariengymnasium abgelegten Abitur am Priesterseminar seiner Heimatstadt das Theologiestudium begonnen. Letzteres setzte er in München fort, von wo aus er 1861 als Dr. theol. nach Posen zurückkehrte. Nach der im selben Jahr in Posen erlangten Priesterweihe war von JaŻdŻewski kurzzeitig als Religionslehrer in Posen und Krotoschin eingesetzt, um bereits 1862 Domprediger an der Kathedrale und Professor am Geistlichen Seminar im zu Russisch Polen gehörenden Warschau zu werden. Vermutlich im Kontext des polnischen Aufstands von 1863 brach er zu Auslandsreisen, insbesondere nach Rom, auf um drei Jahre später zurückzukehren und die Stelle eines Propstes in Zduny bei Krotoschin – nahe der Grenze zu Schlesien – zu übernehmen. 1872 gelangte JaŻdŻewski bei einer Nachwahl für den Wahlkreis Krotoschin in den Reichstag, wo er „schnell zu einem der führenden Parlamentarier der beiden polnischen Fraktionen in Berlin“285 avancierte. Dabei machte ihn nicht nur sein rhetorisches Geschick, sondern auch seine journalistische Umtriebigkeit, die ihn auch im Ausland als Vorkämpfer des Polentums hervortreten ließ, in den Augen der Regierung zu einem gefürchteten Mann. Außerdem gehörte er über Jahrzehnte dem Preußischen Abgeordnetenhaus an286. Als Anfang 282 283
284
285 286
Waldow an Studt v. 5.2.1907, ebd. Zu Echaust (1839–1909), vgl. Grot, in: Gatz, Bischöfe, S. 157f., u. Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. LXXI, Anm. 318. Zu von JaŻdŻewski, der 1911 als MdR in Berlin starb, vgl. Neubach, Polnische Geistliche im Deutschen Reichstag, S. 268–271; Schwarz, MdR, S. 360; u. Mann, Biographisches Handbuch für das Preußische Abgeordnetenhaus, S. 199f. In den letzten beiden Biogrammen wird JaŻdŻewski als „Prof.“ bezeichnet. Neubach, Polnische Geistliche im Deutschen Reichstag, S. 268. Er war 1873–1911 MdA. Vgl. Mann, Biographisches Handbuch für das Preußische Abgeordnetenhaus, S. 199f.
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Oktober 1886 sowohl die Posener Lokalpresse als auch die „Germania“ vermeldeten, JaŻdŻewski werde von Erzbischof Dinder zum Propst an St. Adalbert in Posen ernannt, rief dies den entschiedenen Widerspruch des Posener Oberpräsidenten hervor, der „den Erzbischof darauf aufmerksam [machte], dass der vorgenannte Geistliche als Mitglied des Abgeordnetenhauses und des Reichstages … in ganz unqualifizierbarer Weise … stets auch mit besonderer Schärfe die polnisch-nationalen Ziele vertreten habe“287. Weil man also staatlicherseits befürchtete, durch eine zentrale Position könne JaŻdŻewskis nationalpolnischer Einfluss auf die Bevölkerung nur noch zunehmen, beugte sich Dinder dieser Intervention und verzichtete auf die Ernennung. Außerdem wirkte er 1887 dahingehend auf den adeligen polnischen Geistlichen ein, dass dieser sein bei der Reichstagswahl in jenem Jahr erneut gewonnenes Mandat niederlegte288. Hintergrund war der massive öffentliche Widerspruch JaŻdŻewskis gegen das durch Erlass des Kultusministers Goßler vom 7. September 1887 verfügte Verbot des polnischen Unterrichts in den Volksschulen289. Der Dissens zwischen beiden Geistlichen dürfte durch das öffentlich kolportierte Bonmot JaŻdŻewskis „Den Dinder holt der Schinder“290 wenn nicht ausgelöst, so doch stark befördert worden sein. Erst 1890 konnte er als Propst nach Schroda wechseln und wieder ein Reichstagsmandat annehmen, um sofort wiederum in harscher Manier gegen die preußische Polenpolitik im Parlament, insbesondere gegen die Schulpolitik, zu agieren291. In den folgenden Jahren unter dem Episkopat Stablewskis, mit dem er nicht übereinstimmte, opponierte JaŻdŻewski heftig gegen dessen Amtsführung. Diese Feindschaft war offenbar nicht allein politisch motiviert, sondern besaß auch Ursachen im persönlichen Bereich, weil JaŻdŻewski 1891 – wie erwähnt – gern selbst als Nachfolger Dinders Erzbischof geworden wäre292. Dass er sich erst loyaler zur Posener Kurie und zum Staat verhielt, als Stablewskis schwere Erkrankung eine baldige Nachfolge erahnen ließ, zu der sich von JaŻdŻewski offenbar weiterhin berufen fühlte, scheint eine nicht der Realität entsprechende Behauptung seiner Gegner zu sein. Denn beispielsweise hatte der Posener Oberpräsident kurz nach der Ernennung Stablewskis zum Erzbischof 1891 beobachtet, dass letzterer zu JaŻdŻewski „neuerdings freundliche Beziehungen hergestellt [habe] und beabsichtigt, für denselben in Rom eine Auszeich287
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292
Zedlitz an Goßler v. 9.10.1886, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 31–34, hier S. 33. Vgl. Neubach, Polnische Geistliche im Deutschen Reichstag, S. 270. Vgl. Korth, Die preußische Schulpolitik, S. 46f. Zit. bei Neubach, Dinder, S. 76. JaŻdŻewski blieb bis 1907 MdR. Vgl. Schwarz, MdR, S. 360. Die Invektiven richteten sich v.a. gegen das Ansiedlungsgesetz und gegen den deutschen Schulunterricht. Vgl. hierzu insbes. Kaminski, Polish Publicists, S. 95–99, u. Korth, Die preußische Schulpolitik, S. 76–82. Inwieweit er wirklich als konkreter Gegenkandidat zu Stablewski gehandelt wurde, wie Kotowski, Zwischen Staatsräson und Vaterlandsliebe, S. 116, Anm. 22, ohne Quellenangabe behauptet, ließ sich nicht eruieren.
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nung zu erwirken“293. Denn immerhin hatte sich JaŻdŻewski gleichwohl schon seit der Entspannungsphase im deutsch-polnischen Konflikt während der Kanzlerschaft Caprivis zu Beginn der 1890er Jahre den Zorn des erstarkenden radikalen Flügels der nationalpolnischen Bewegung zugezogen. Zumindest wurde er von deren Presseorgan, dem „Oredownik“, der „Hofpartei“294, also jener Gruppe zwar dezidiert polnischer, aber Kompromisse mit dem preußischen Staat suchender, zumeist Adeliger und höherer Kleriker zugerechnet und damit des Verrats nationaler Interessen gescholten295. Und als die polnische Fraktion im Reichstag 1897 dem Flottenseptennat ihre Zustimmung erteilte, hatte sich JaŻdŻewski als deren Wortführer betätigt296. Glaubt man den Beobachtungen des Oberpräsidenten von Wilamowitz-Moellendorff, dann gingen die Versuche zur Bereinigung des Verhältnisses mit dem Erzbischof einseitig vom letzteren aus und die Ernennung zum Päpstlichen Hausprälaten war als ein solches „Friedensangebot“ aufzufassen297.
P
aul Anton Jedzink298, 1851 in Braunsberg im Ermland als Paul Gedzing299 geboren, war der Sohn eines aus Galizien eingewanderten Schneidermeisters und einer Deutschen. Er studierte nach dem 1870 am Gymnasium seiner Heimatstadt abgelegten Abitur am dortigen Seminar Theologie für sein Heimatbistum Ermland und erhielt 1874 in Frauenburg die Priesterweihe. Anschließend setzte er seine Studien für drei Semester an der Akademie in Münster fort, wo er 1876 das Lizentiat erwarb300. Da er wegen des Kulturkampfs keine Tätigkeit in seinem Heimatbistum aufnehmen konnte, wirkte Jedzink fünf Jahre als Missionsgeistlicher in Helsingfors/Finnland, wodurch sein geistiger Horizont zweifelsohne erweitert wurde, und bekleidete kurzzeitig verschiedenen Kaplansstellen seines Heimatbistums (Elditten, Liebstadt und Marienburg), bevor er 1883 Kuratus und Religionslehrer am Gymnasium
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So Wilamowitz-Möllendorff an Zedlitz v. 29.11.1891, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 150–152, hier S. 151. Ausführlicheres zur „Hofpartei“ bei Mitter, Die Haltung der Kurie, S. 199; u. bei Kotowski, Zwischen Staatsräson und Vaterlandsliebe, S. 110–118. Vgl. Müller, Nationalpolnische Presse, S. 59, wo JaŻdŻewski als Angehöriger der „Versöhnler-Fraktion“ im Reichstag namentlich erwähnt wird. Vgl. ebd., S. 68. Vgl. Wilamowitz-Möllendorff an Bosse v. 7.4.1896, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 158–162, hier S. 161. Zu Jedzink (1851–1918), der 1915 Weihbischof in Posen wurde, vgl. Grot, Jedzink, in: Gatz, Bischöfe, S. 350; Steuer, Deutsche Domherren, S. 115f.; ergänzend Buchholz, Ermländer als Domherren von Posen und Gnesen, in: Unsere Ermländische Heimat 11/1928, S. 41f., hier S. 42; Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. XLIII, Anm. 129; Samulski, Jedzink, in: APB, Bd. 1 (1941), S. 300 f.; Kosch, Das katholische Deutschland, Bd. 2, S. 1879, u. neuerdings auch DBE2, Bd. 5 (2006), S. 314, u. Kopiczko, Duchowieństwo, S. 121. Vgl. Kopiczko, Duchowienstwo, S. 121. Vgl. Hegel, Geschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster, Bd. 2, S. 162. Der Titel der Lizentiatsarbeit lautete „De tribus consiliis evangelicis“.
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in Hohenstein wurde. Jedzink war in dieser Diasporagemeinde, in der er für den Bau einer Kirche, eines Pfarrhauses und einer katholischen Volksschule sorgte301, in den Blick des Regierungspräsidenten geraten, der ihn als für höhere Aufgaben qualifiziert erachtete. Als 1888 durch königliche Nomination ein Kanonikat in Posen besetzt werden musste, griff die Regierung auf Jedzink zurück, der damit seinem ermländischen Landsmann Erzbischof Julius Dinder in die benachbarte Diözese folgte. Im Folgejahr hatte er die Regentie des wiedereröffneten Priesterseminars sowie die dortige Professur für Moraltheologie nicht zuletzt deshalb erhalten, weil die Regierung mehrere von Dinder vorgeschlagene Kandidaten, darunter Weihbischof Likowski, abgelehnt hatte und Jedzink „seiner unzweifelhaft deutschen Gesinnung wegen die meiste Garantie“302 bot. Literarisch trat er durch die Broschüre „Der Christ“ hervor303, eine Antwort auf eine von dem Divisionspfarrer Theophil von Krzesinski304 veröffentlichte Broschüre „Der Jude“, in welcher er die antijudaistische Haltung Krzesinskis konterkarierte. Zudem übertrug er die in polnischer Sprache erschienene Monographie von Weihbischof Eduard Likowski über die Union von Brest ins Deutsche305. Zugleich war Paul Jedzink Seelsorger der deutschen Katholiken in Posen und zelebrierte häufig deren Messen in der Franziskanerkirche306. Insofern würdigt ihn auch Albert Steuer als einen Geistlichen, der eine „vorbildliche tiefe Frömmigkeit und strenge Gerechtigkeitsliebe, die bisweilen auch ins Herbe überging“307, ausstrahlte. 1897 wurde er zum Päpstlichen Hausprälaten ernannt308. 1899 hatte ihm die KatholischTheologische Fakultät in Münster aus Anlass des Silbernen Priesterjubiläums die Würde eines Dr. theol. h.c. verliehen309. Überhaupt galt sein Studium in Münster dem Kultusminister als ein Beweis für seine deutsche Gesinnung310. Allerdings war Münster im Kaiserreich eine beliebte Station für das Studium 301 302
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Vgl. Samulski, Jedzink, S. 300. Goßler an Bismarck v. 28.6.1888, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 70–73, hier S. 71. Vgl. Paul Jedzink, Der Christ, eine Entgegnung auf die von einem Geistlichen der Erzdiözese Gnesen-Posen verfasste Broschüre, die den Titel führt „Der Jude“, Posen 1892 (bei Gatz, Jedzink, S. 350, fälschlich 1852). Zu Krzesinski (1861–1916), Priester des Bistums Ermland, seit 1901 Militärpfarrer in Magdeburg u. Königsberg, vgl. Brandt/Häger, Biographisches Lexikon der Katholischen Militärseelsorge Deutschlands, S. 444; u. Kopiczko, Duchowienstwo, S. 154f. Vgl. passim Eduard Likowski, Die ruthenisch-römische Kirchenvereinigung genannt Union zu Brest, übersetzt von Paul Jedzink, Freiburg/Breisgau 1904. Vgl. Buchholz, S. 42. Steuer, Deutsche Domherren, S. 115. Vgl. Buchholz, S. 42. Vgl. Hegel, Geschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster, Bd. 2, S. 209, sowie Steuer, Deutsche Domherren, S. 116. Bei Samulski, Jedzink, in: APB, Bd. 1 (1941), S. 300, heißt es etwas missverständlich: „Er war … Dr. der Theologie von Münster.“ So äußerte sich Goßler gegenüber Bismarck am 28.6.1888, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 69–73, hier S. 71.
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von Priesteramtskandidaten aus den Diözesen im Nordosten Preußens311. Ursprünglich mit dem Ansinnen, die Zahl der deutschfreundlichen Domherren zu erhöhen, nach Posen berufen, versuchte Jedzink in der Praxis zwischen Deutschen und Polen ausgleichend zu agieren und gründete den St.-JosephsVerein katholischer Lehrer der Erzdiözese Gnesen und Posen312. Den staatlichen Stellen war in der Kurzbeschreibung der Domherren von 1890 seine Nähe zu Erzbischof Dinder ein Dorn im Auge, zumal Jedzink „schwach nach Charakter und Bildung“313 sei. Dompropst Wanjura hatte dann auch angesichts der Erzbischofswahl 1890/91 gegenüber dem Oberpräsidenten Jedzinks Standhaftigkeit, den deutschen Anliegen Folge zu leisten, bezweifelt314 und letztlich auch Fürstbischof Kopp davon überzeugen können, dass dieser „vollständig in den Händen der Polen“315 sei. Womöglich im Wissen um Jedzinks weichen Charakter soll er von maßgeblichen polnischen Geistlichen als Kompromisskandidat der Erzbischofswahl 1890 aufgebaut worden sein. Jedenfalls hatte ein staatsloyaler Professorenkollege dieses Gerücht dem Oberpräsidenten gemeldet, um seiner Überzeugung Ausdruck zu verleihen, dass ein Erzbischof Jedzink „bestenfalls ein Dinder II sein, wahrscheinlich aber im Laufe der Zeit völlig in das polnisch-nationale Fahrwasser übergehen werde“316. Allerdings konnte sich Zedlitz-Trützschler damals des Eindrucks nicht erwehren, dass es sich um eine reine Profilierungsmaßnahme des Informanten gehandelt habe. Definitiv als Kandidat war Domkapitular Jedzink lediglich bei der Kulmer Bischofswahl 1898 vom dortigen Kapitel ins Rennen geschickt worden, aber keine „persona grata“ der Regierung gewesen317.
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ilhelm Kloske318 wurde 1852 in Klein Nimsdorf, einem zur Pfarrei Gieraltowitz im Kreis Cosel gehörenden oberschlesischen Dorf geboren. Zdisław Grot klassifiziert ihn als „Sohn polnischsprachiger Eltern“ und bescheinigt dem in Leobschütz maturierten Breslauer Theologiestudenten die Mitwirkung am polnischen Studentenleben. Wegen des Kulturkampfs erhielt Kloske 1877 in Prag die Priesterweihe. Für seine polnische Affinität spricht zumindest die Tatsache, dass der Neupriester sich von einer polnischen Adels-
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Vgl. Krzoska, Einleitung, in: Ders. (Hrsg.), Erinnerungen Albert Steuer, S. 7–11, hier S. 9. Vgl. Samulski, Jedzink, in: APB, Bd. 1 (1941), S. 300. Verzeichnis der Metropolitan- und Domkapitel in Preußen v. Januar 1890, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2. Vgl. Zedlitz an Goßler v. 1.6.1890, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 108–111, hier S. 109. So Kopp an Goßler v. 15.7.1890, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt ebd., S. 131– 133, hier S. 132. So Zedlitz an Goßler v. 7.6.1890 unter Berufung auf ein Gespräch mit dem Posener Seminarprofessor Englert vom selben Tag, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt ebd., S. 113f. Vgl. hierzu das Kap. Kulm in diesem Band. Zu Kloske vgl. Brzoska, Bischöfe der katholischen Kirche aus Oberschlesien, S. 47, Grot, Kloske, in: Gatz, Bischöfe, S. 391f.
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familie in Dienst nehmen ließ. Umso erstaunlicher wirkt es aber, dass Kloske sich als Kaplan an St. Michael in Berlin so deutschgesinnt verhalten haben muss, dass die preußische Regierung ihn 1888 im Rahmen eines Programms zur Entsendung national deutsch orientierter geistlicher Religionslehrer an das Mariengymnasium in Posen sandte. 1900 zum Geistlichen Rat ernannte, kam Kloske nach einem Intermezzo als Benefiziat in Jaksice bei Hohensalza (Inowrocław) 1903 durch königliche Nomination ins Gnesener Metropolitankapitel und wurde zugleich Domprediger sowie Rektor des Pastoralseminars.
E
duard Likowski319, 1836 in Wreschen (Wrzesnia) geboren, hatte nach Absolvierung des Gymnasiums in Ostrowo und des Mariengymnasiums in Posen (1854–57) wie eine ganze Reihe angehender Geistlicher aus der östlichsten Provinz Preußens nicht nur in Posen, sondern auch in Münster Theologie studiert. 1861, nach der in Posen erfolgten Priesterweihe, wirkte der junge Lizentiat320 zunächst als Katechet am Mariengymnasium Posen, bevor er am dortigen Priesterseminar 1865 die Professur für Kirchengeschichte und Kirchenrecht erhielt. Dass er im Folgejahr in Münster zum Doktor der Theologie promoviert worden sein soll321, lässt sich allerdings anhand der Promotionsliste nicht verifizieren. Gleichzeitig Regens des Seminars (seit 1867) zeichnete ihn ein enges Vertrauensverhältnis zu Erzbischof Ledóchowski aus, den er als dessen Konzilstheologe zum Ersten Vatikanum nach Rom begleitete. Auch erhielt er die Würde eines Päpstlichen Hausprälaten. Nach Schließung des Seminars 1873 zog er sich – 1874 sogar wegen Verstoßes gegen die Kulturkampfgesetze kurzzeitig inhaftiert – auf das Feld wissenschaftlicher Arbeit zurück. 1886 von Erzbischof Dinder zum Generalvikar ernannt, durch bischöfliche Verleihung ins Posener Domkapitel aufgenommen und zugleich zum Personalchef bestellt, wurde Likowski im selben Jahr zudem in Münster ehrenhalber zum Dr. theol. promoviert322 und im Folgejahr Weihbischof in Posen323. 1888 hatte er zu den Favoriten Dinders für die Besetzung der Position des Regens des wieder zu eröffnenden Priesterseminars in Posen gehört, war jedoch bei der Regierung nicht durchzusetzen324. Erzbischof Stablewski, der genau wusste, dass er selbst nur ein Verlegenheitskandidat war und 319
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Zu Likowski vgl. Gatz, Likowski, in: Ders., Bischöfe, S. 448–450; Śmigiel, Likowski, in: Na stolicy, S. 273–292; Nowacki, Archidiecezja Poznańska, S. 121f., sowie zuletzt Ders., Slownik biograficzny, S. 331–335. Vgl. Hegel, Geschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster, Bd. 2, S. 156. Ein Thema der Lizentiatsarbeit ist hier nicht angegeben. Vgl. Gatz, Likowski, in: Ders., Bischöfe, S. 448, wo dies behauptet wird. Vgl. Hegel, Geschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster, Bd. 2, S. 208. Vgl. hierzu den Abschnitt Weihbischöfe in diesem Kapitel. Vgl. Goßler an Bismarck v. 28.6.1888, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 69–73, hier S. 71.
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dass eigentlich Likowski die Führungsrolle im Erzbistum zukam, bestellte ihn 1892 gleichwohl erneut zum Generalvikar. Obgleich das Verhältnis beider Geistlicher auch in der Folgezeit distanziert blieb, verlieh der Erzbischof ihm trotz der bereits angesprochenen Gegenwehr des Kultusministers von Zedlitz-Trützschler 1893 die Dignität des Domdechanten in Posen. Zudem wurde er Vizepräsident des Ordinariats und Prosynodalrichter325. In wissenschaftlicher Hinsicht war Eduard Likowski zudem durch eine Reihe kirchenhistorischer Veröffentlichungen in polnischer Sprache hervorgetreten, die sich vornehmlich mit der Union von Brest 1596 bzw. der ukrainisch-katholischen Kirche und dem katholisch-orthodoxen Verhältnis beschäftigten326. Während des Episkopats von Stablewski stellte nach staatlicher Beobachtung die wissenschaftliche Arbeit ein Rückzugsfeld für ihn dar327. Auch in der preußisch-deutschen Öffentlichkeit herrschte ein einseitiges Bild über Likowski vor, das durch nationalistische Veröffentlichungen geprägt war. So wurde beispielsweise in einem 1897 in Berlin erschienenen umfangreichen Buch der Weihbischof als „spiritus rector der auf der Dominsel zu Tage tretenden polnischen Propaganda“328 bezeichnet. Gleichzeitig waren sich die beurteilenden Staatsbeamten einig darüber, dass er „bekanntlich der bedeutendste und einflussreichste Geistliche der Erzdiözese“329 sei.
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as Alfred von Poniński betraf, hatte dieser seit seiner Kandidatur bei der letzten Erzbischofswahl 1890/91 keine Veränderung seiner Stellung erfahren, sieht man einmal davon ab, dass der seelsorgliche Einsatz dieses Geistlichen mit der Verleihung des Prälatentitels sowie der Berufung zum Ehrendomherrn durch Erzbischof Stablewski besonders gewürdigt worden war. Mit 66 Jahren schien er allerdings mittlerweile für die Position des Erzbischofs schon recht alt zu sein. Betrachtet man die Curricula vitae der Listenkandidaten so fällt auf, dass alle bis auf den Oberschlesier Wilhelm Kloske aus der Provinz Posen stammten und am dortigen Priesterseminar studiert hatten.
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Vgl. Bericht des Bayerischen Gesandten in Berlin an das Bayerische Ministerium des Äußeren v. 24.6.1909, in: BHStA München, MA 848. Vgl. passim u.a.: Edward Likowski, Unia brzeska, Posen 1896 (übersetzt von Paul Jedzink unter dem Titel: Die ruthenisch-römische Kirchenvereinigung, genannt Union zu Brest, Freiburg 1904). Vgl. etwa die Bemerkung des Oberpräsidenten gegenüber Kultusminister Bosse v. 7.4.1886, dass Likowski sich „mehr und mehr ausschließlich wissenschaftlichen Arbeiten hingegeben“ habe. In: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 158–162, hier S. 161. Fink, Der Kampf um die Ostmark, S. 237. So Wilamowitz-Moellendorff an Bosse am 7.4.1886, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 158–162, hier S. 161.
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Für den Posener Oberpräsidenten schieden vier der sechs Kandidaten, nämlich Likowski, von Poninski, Echaust und JaŻdŻewski, grundsätzlich aus, weil sie Polen seien330. Sein Urteil über Kapitularvikar und Weihbischof Likowski fasste er dahingehend zusammen, dass dieser wohl „ein Mann von hervorragender Begabung und gründlicher, vielseitiger Bildung“331 sei, der zudem bedingt durch seine langjährige Erfahrung in der Bistumsverwaltung „eine maßgebende und achtunggebietende Stellung in der katholischen Geistlichkeit und Bevölkerung der Provinz“ einnehme. Allerdings sei nicht zu erwarten, dass er seinen deutlich zur Schau gestellten ultramontanen und ebenso wenig seinen polnisch-nationalen Standpunkt je aufgeben werde. Den amtierenden Generalvikar Echaust hingegen apostrophierte Waldow als „Nationalpole“, weil dieser deutsche Priester, die sich geweigert hatten, die Litanei von Maria als „Königin der Krone Polens“ zu beten, als taktlos abqualifiziert habe. Als gefährlich wollte er den 67-jährigen Echaust jedoch schon deshalb nicht einstufen, weil dieser fast erblindet sei. Bei Poniński reichte ihm die Tatsache, dass dieser „aus einer der angesehendsten polnischen Familien“ stammte, zur Ablehnung aus. Bei JaŻdŻewski missfiel ihm, dass dieser nicht nur in der Pfarrseelsorge, sondern insbesondere in seiner Eigenschaft als Reichstagsabgeordneter Exponent nationalpolnischer Interessen gewesen sei. Paul Jedzink hingegen erschien ihm „unannehmbar, da er, wenngleich von Geburt Deutscher, jetzt vollständig auf polnischem Boden und unter polnischem Einfluss stehe“. Ein solcher „schwacher, energieloser Charakter“, der es nicht einmal vermocht habe, in seiner Eigenschaft als Regens des Posener Priesterseminars dort einen deutschen Geist durchzusetzen, würde eben auch nicht die Gewähr bieten können, die Interessen des Deutschtums in der Diözese zu verankern. Somit sei nur noch Kloske als persona grata zu bezeichnen, bei dessen alleiniger Belassung auf der Liste die beiden Metropolitankapitel allerdings zu Recht das Fehlen einer Wahlmöglichkeit beklagen würden. Die Möglichkeit einer Rückgabe der Liste an die Kapitel mit dem Ziel der Ergänzung um weitere Kandidaten tat Waldow als „zwecklos“ ab, wobei die Frage offen bleiben muss, ob nicht auf diesem Wege die intern unterlegenen deutschen Kandidaten Sdralek und Wanjura nachträglich zum Zuge gekommen und somit eine Dreierliste ermöglicht worden wäre. Es entsteht der Eindruck, als wenn diese Option vom Oberpräsidenten bewusst verdrängt wurde. Nicht ganz schlüssig ist, weshalb es ihm als einziger gangbarer Weg erschien, direkte Verhandlungen mit dem Vatikan aufzunehmen, wie es ja im Fall der Erzbischofsstuhlbesetzung mit Julius Dinder 1886 geschehen war. Eine Theorie könnte lauten, dass Waldow, der ja „einer der prononciertesten Vertreter eines 330
331
Vgl. Waldow an Studt v. 5.2.1907, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 43, 890. Hier auch das folg. Zit. Charakteristik der sechs Listenkandidaten v. 1907, o.D., ebd. Hier auch die folg. Angaben u. Zit.
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schärferen antipolnischen Kurses“332 war, in diesem Procedere die bestmögliche Garantie erkannte, um wirklich den ihm genehm erscheinenden Kloske durchzusetzen. Dem widerspricht jedoch die Tatsache, dass er ein abschließendes Urteil über diesen Kandidaten nach Berlin verwies, weil er sich selbst nicht sicher schien, „ob sein [also Wilhelm Kloskes, Anm. d. Verf.] nationales Empfinden und deutsches Staatsbewusstsein so ausgeprägt ist, dass ihm die Staatsregierung in nationalen Fragen volles Vertrauen schenken kann und ob er die nötige Festigkeit besitzen wird, um den polnischen Klerus im Zaume zu halten“ 333. Insofern erschien Kloske dem Oberpräsidenten letztlich doch nur als zweite Wahl, falls nicht ein anderer Kandidat, der am besten von außerhalb kommen sollte, gefunden würde. Waldow drängte also auf einen deutschen Erzbischof hin, um die Regierung von dem Vorwurf freizusprechen, „wieder in den alten Fehler der Politik des Schwankens verfallen“ zu sein. Gleichwohl sah er auch die Probleme, denen ein deutscher Amtsinhaber in einem polnisch dominierten kirchlichen Umfeld unweigerlich ausgesetzt sein musste, warnte aber in Berlin davor, jeglichen deutschen Kandidaten mit dem Episkopat Dinders zu vergleichen. Letzterer sei „ein durchaus schwacher Charakter, der sich von vornherein selbst zur Einflusslosigkeit verurteilte“, gewesen. In jedem Fall – so sein Postulat – müsse der neue Erzbischof einen über die dem Erzbischof von Stablewski 1891 abgenommenen Versprechungen hinausreichenden Katalog an Zusicherungen gegenüber dem Staat akzeptieren. Waldow ging so weit, dass er einen dezidierten Verpflichtungskatalog gleich ausformulierte und dem Kultusminister als Vorschlag beifügte334. Was nun Wilhelm Kloske anbetraf, so mochte der Oberpräsident das Vertrauen, welches die deutschen Domherren in ihn setzten, dass er nämlich ein deutliches Gegengewicht zu dem versierten Weihbischof Likowski bilden würde, nicht so recht zu teilen. Er störte sich dabei nicht nur daran, dass ihm Kloske „von kleiner Figur und in seinem Auftreten nicht besonders gewandt“ erschien. Vielmehr stützte von Waldow seine Bedenken zum einen auf das Gerücht, die Mutter des gebürtigen Oberschlesiers sei Polin gewesen und in seiner Verwandtschaft werde viel Polnisch gesprochen. Dezidierte Belege für diese Vorhaltungen vermochte er aber dem Kultusministerium nicht zu liefern, was er mit der persönlichen Zurückhaltung und Zurückgezogenheit dieses Kandidaten begründete. Auch das zum anderen angeführte Urteil des Direktors am Posener Mariengymnasium, der Kloske dort als Religionslehrer erlebt hatte, und demzufolge er nicht ganz national zuverlässig erschienen sei, entbehrte konkreter Beweise für diesen Verdacht. Einziger detaillierter Fingerzeig blieb das Schreiben eines Posener Amtsrichters namens Wolff, gerich332 333 334
So Mitter, Zur Haltung der Kurie, S. 214. Waldow an Studt v. 5.2.1907, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 43, 890. Hier auch die folg. Zit. Vgl. Waldow an Studt v. 5.2.1907, ebd. Hier auch das folg. Zit.
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tet an den dortigen Polizeipräsidenten, in welchem der Absender sich darauf berief, in „einem Berliner Illustrierten Blatt“ von einer bevorstehenden Erhebung Kloskes auf den erzbischöflichen Stuhl gelesen zu haben. Daraufhin habe er sich verpflichtet gefühlt, darauf hinzuweisen, dass Kloske „ebenso wenig Deutscher [sei], wie er Pole ist. Es fehlt ihm jedes Verständnis für nationale Gesinnung“335. Stattdessen zeichne er sich durch „blinden Glaubenseifer, … Engherzigkeit und Starrköpfigkeit“ aus. Bei diesem Urteil bezog sich Wolff auf Eindrücke, die er mehr als ein Jahrzehnt zuvor als Schüler Kloskes am Mariengymnasium gesammelt haben wollte. So sehr sich Waldow auf diese individuelle Aussage stützte, so wenig scheint ihm der Absender näher bekannt gewesen zu sein. Jedenfalls sprach er gegenüber dem Kultusminister etwas distanziert von dem Brief „eines Amtsrichters Wolff hier“, den er dann aber als Beweisstück in Abschrift beilegte. Zeitlich parallel drangen im Februar 1907 „auf dem Wege unkontrollierbarer Gerüchte“336 auch die Namen einiger Listenkandidaten in die Öffentlichkeit, wobei sich die Presse dahingehend enttäuscht gab, dass „denn auch in diesen Meldungen kein Name enthalten [sei], der nicht schon vor dem Zusammentritt des Wahlkörpers in der Presse aufgetaucht wäre“. Anfang Juni 1907 drängte der Kultusminister bei Ministerpräsident und Reichskanzler von Bülow dahin, die Posener Neubesetzungsfrage als Junktim mit der Kulmer Bischofsernennung von 1898 zu verbinden. Weil damals die preußische Regierung letztlich dem vatikanischen Interesse den Vortritt gelassen habe, sei jetzt der Heilige Stuhl an der Reihe, seine Interessen zurückzustellen337. Neue Schubkraft erhielt die Bischofsstuhlbesetzung Ende August 1907 durch eine Demarche des neuen preußischen Kultusministers Ludwig Holle338 bei Bülow. Letzterer habe gegenüber seinem Vorgänger geltend gemacht, die Fortführung der Angelegenheit von einer Beendigung des Schulstreiks abhängig zu machen. Nun sei diese Auseinandersetzung „bis auf wenige unbedeutende Reste erloschen“339, so dass er sich erlaubt habe, die Wiederbesetzung von Gnesen-Posen zu beschleunigen. Da er der Meinung sei, dass dem Kardinal Kopp bei der Lösung der Probleme eine Schlüsselrolle zukomme, habe er den Ministerialdirektor Hermann von Chappuis340 in dessen Sommerresidenz Schloss Johannesberg bei Jauernig entsandt. Immerhin notierte Bülow „bene“ 335 336 337
338 339 340
Wolff an Polizeipräsident Posen o. D. Hier auch das folg. Zit. Allgemeine Zeitung, München, v. 11.2.1907. Hier auch das folg. Zit. Vgl. Studt an Bülow v. 1.6.1907, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2n, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 252. Zu Holle vgl. Lüdicke, Die preußischen Kultusminister, S. 112. Studt an Bülow v. 31.8.1907, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 43, 890. Zu Chappuis (1855–1925), einem gebürtigen Schlesier, war seit 1903 Ministerialdirektor im Kultusministerium, später Unterstaatssekretär, vgl. DBE2, Bd. 2 (2005), S. 317.
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und „richtig“ am Rand des Schreibens, was darauf hindeutet, dass er das Vorgehen billigte, das primär der Einholung eines Rates diente, ob man aus Berlin noch einmal in Posen wegen einer zweiten Liste anfragen oder direkte Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl einleiten solle. Kopp gab dann dem Emissär von Chappuis gegenüber zu bedenken, dass gemäß seinem Ermessen die Kapitel auch in einem zweiten Wahlgang keine staatlicherseits zu akzeptierenden Kandidaten benennen würden. In Rom empfehle es sich erst aktiv zu werden, wenn die Regierung einen wirklich geeigneten Kandidaten gefunden habe, der sich ggf. ultimativ durchsetzen lasse. Er könne sich noch einmal umhören, doch auf Anhieb sei ihm kein passender Kandidat bekannt. Kopp war mittlerweile von Prälat Montel darüber informiert worden, dass Papst Pius X. die Posener Angelegenheit vom Tisch haben wolle und von der Eignung Likowskis für diese Aufgabe überzeugt sei. Da dem Breslauer Oberhirten die staatliche Nichtbeanstandung von dessen Wahl zum Kapitularvikar zu verdanken sei, setze der Heilige Vater jetzt auf Kopps Einfluss in Berlin, um Likowski der Regierung schmackhaft zu machen. Der Vorsitzende der Fuldaer Bischofskonferenz hielt es nicht nur für opportun, diese Stoßrichtung der päpstlichen Diplomatie beim Kultusminister zu offenbaren. Seine Klugheit und sein diplomatisches Geschick traten dadurch zu Tage, dass Kopp in diesem Brief tunlichst vermied, persönlich zu diesem römischen Ansinnen Stellung zu beziehen. Auch von Chappuis verärgerte er sichtlich mit der Ankündigung, die Kandidatur Likowskis direkt beim Kaiser zur Sprache zu bringen, weshalb Chappuis offenbar allen Ernstes davon überzeugt schien, dass Kopp auf der Seite des Posener Kapitularvikars stehe341. Damit hatte der Fürstbischof aber sein Ziel erreicht, nämlich die staatliche Ablehnung Likowskis expressis verbis genannt zu bekommen, mit der er einen möglichen vatikanischen Auftrag umgehend ablehnen konnte. Wenn er lediglich anmerkte, er habe vom Heiligen Vater noch keinen offiziellen Auftrag zur Vermittlung Likowskis für den vakanten Erzbischofsstuhl erhalten, insinuierte er dem Kultusminister, dass staatlicherseits ein Handeln geboten erscheine. Erst gegenüber von Bülow warnte Kopp einen Monat später dezidiert vor einer staatlichen Zustimmung zu Likowski342. Nach seinen – Kopps – Erkundigungen habe sich Likowski zwar seit dem Tod Erzbischof von Stablewskis in politischer Hinsicht sehr zurückgehalten und während des laufenden Schulstreiks zur Mäßigung aufgerufen, was ihm Anfeindungen aus dem polnischen Lager eingebracht habe. Dass sich mit Likowski „eine erhebliche Umwandlung vollzogen“ habe, ließ bei Kopp nicht etwa dessen Eignung für das Erzbischofsamt steigen, sondern er fühlte sich stattdessen in der Ansicht bestätigt, dass der Weihbischof keinen festen Charakter aufweise. 341 342
Vgl. Bericht v. Chappuis, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 43, 890. Vgl. auch das Schreiben Kopps an Bülow v. 24.8.1907, ebd. Hier auch das folg. Zit.
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Nicht nur an Weihbischof Likowski, auch an Oberpräsident von Waldow ließ Kopp kein gutes Haar. Die Ursache für die verfahrene kirchliche Situation in Posen liege eben nicht nur einseitig darin, dass die brauchbaren Geistlichen vor Ort sämtlich den nationalpolnischen Umtrieben huldigten. Waldow habe ein seltenes Geschick, Irritationen auszulösen, weshalb er, Kopp, nicht glaube, „dass er am Platze ist“343. Das war natürlich ein deutlicher Affront gegen den Oberpräsidenten. So rechte Alternativen mochte der Breslauer Oberhirte der Regierung aber auch nicht zu bieten. Der von ihm sechs Jahre zuvor empfohlene und nunmehr nochmals in Erwägung gezogene Pfarrer von St. Trinitas in Beuthen O/S, Reinhold Schirmeisen, den er erneut angefragt habe, habe von sich aus die dringende Bitte geäußert, von seiner Person abzusehen, da er sich mit 65 Jahren zu alt fühle, um den schwierigen Posten in Posen zu übernehmen344. Dass dieser Geistliche „rundweg abgelehnt“ habe, erklärte sich Kopp einerseits damit, dass er von den mit ihm gehegten größeren Plänen von einem geistlichen Mitbruder erfahren habe, der seinerseits durch eine Indiskretion des Regierungspräsidenten von Oppeln von der Personalie Schirmeisen Kenntnis erlangt hatte. Andererseits meinte der Kardinal eher noch, dass „Schirmeisen sich den Schwierigkeiten der neuen Stelle nicht gewachsen fühlt“. Und der ihm von einem Posener Gewährsmann empfohlene Alfred von Poniński, der im dortigen Klerus und an der Kurie Sympathien genieße, sei ihm schon vor Jahren als energielos geschildert worden, was sich „wohl mit zunehmendem Alter nicht zum Besseren geändert haben“ dürfte, wie Kopp süffisant anmerkte. Chappuis hielt Poninski schon deshalb für ungeeignet, weil dieser sowohl 1887 in Breslau als auch 1891 in Gnesen-Posen „persona non grata“ gewesen sei, und informierte Kopp darüber, dass stattdessen ein Franziskanerpater Nazarius Sasse345 in das Visier der Staatsbehörden geraten sei. Dabei handele es sich um einen gebürtigen Rheinländer, der Polnisch spreche und vom Oberpräsidenten der Rheinprovinz Clemens August Freiherr von Schorlemer-Lieser vorgeschlagen worden sei. Kopp tat diese potenzielle Kandidatur zwar umgehend ab, weil „ein armer Franziskaner den stolzen Polen wenig imponieren würde“346 und Sasse selbst als Person im deutschen Katholizismus zu unbedeutend sei. In Wirklichkeit hatte der „bekannte katholische Rektor Schütz aus Köln“347, ein Redakteur der Rheinisch-Westfälischen-Zeitung, Pater Nazarius beim Oberpräsidenten ins Gespräch gebracht und in 343 344
345
346 347
Kopp an Holle v. 23.7.1907, ebd. Vgl. ebd. unter Bezugnahme auf einen Brief Schirmeisens an ihn v. 16.7.1907, ebd. Hier auch die folg. Zit. Zu Sasse (1869–1945), Priesterweihe 1893 in Paderborn, vgl. Totenbuch der Kölnischen Franziskanerprovinz, Bd. VI, o.J., S. 124. Freundliche Mitteilung des Archivs der Kölnischen Franziskanerprovinz in Mönchengladbach v. 24.2.2009. Kopp an Holle v. 23.7.1907, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 43, 890. Holle an Auswärtiges Amt v. 17.9.1908, ebd. Hier auch das folg. Zit.
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diesem Blatt „unter dem Decknamen Spectator moderatus zwei Artikel veröffentlicht, in denen deutlich auf den gedachten Pater als allseitig genehmen Bischofskandidaten hingewiesen wurde“, wie der Kultusminister Holle zu berichten wusste. Wer war Jakob Hubert Schütz, der bereits im Kontext der Metzer Bischofsstuhlbesetzung 1901 durch eine eigenmächtige Rom-Mission hervorgetreten war348, bei der er sich als staatsloyaler Mittelsmann geriert und die Aufmerksamkeit des Papstes und höchster Kurienkreise auf sich gezogen hatte? 1852 in Meisburg in der Eifel geboren349, hatte er 1876 während des Kulturkampfes die Priesterweihe in Luxemburg erhalten und auch die dortige Staatsbürgerschaft angenommen. Nach einem Jahrzehnt seelsorglicher Tätigkeit in Luxemburg und kürzeren Stationen in Cham und Lüttich wirkte er ab 1888 für ein knappes Jahrzehnt als Pfarrer in Kurtscheid/Eifel, bevor er 1897 in Köln-Ehrenfeld eine Rektoratsschule gründete, die unter seiner Leitung stand. Schütz war offenbar eine umtriebige Persönlichkeit, worauf nicht nur sein mehrfacher Tätigkeitswechsel, sondern auch seine breitgefächerte publizistische Tätigkeit, die von populärwissenschaftlichen theologischen Werken bis hin zu einer Vielzahl aus seiner Feder stammender Dramen reicht. Kultusminister Holle nahm im Übrigen im September 1908 noch einmal dezidiert und ausführlich gegenüber Wilhelm II. zur personellen Situation in Posen Stellung. Dabei referierte er allerdings nur das Ergebnis von Studts Ermittlungen, ohne ein aktuelles respektive eigenständiges Urteil anzufügen. Vielmehr bekräftigte er die damalige Entscheidung, die offizielle Zurückweisung der Wahlliste aufzuschieben und gemäß der Prämisse Kardinal Kopps zu handeln, der „eine dilatorische Behandlung der Frage [für] zweckmäßig und geboten“350 halte. Hintergrund sei auch die Vorsicht und Zurückhaltung Pius’ X., der jeden Anschein vermeiden wolle, er vernachlässige oder verrate gar die Anliegen des polnischen Klerus in Posen. Den konkreten Anlass für diese Rechtfertigung des bisherigen staatlichen Nichthandels in der Posener Personalfrage bot ein kritischer Artikel in dem Zentrumsorgan „Schlesische Volkszeitung“, in dem die Ablehnung der Wahlliste durch den Monarchen gefordert wurde, um den Weg für eine zweite Liste freizumachen, die – so war sich die Zeitung sicher – angesichts einer mittlerweile zu verzeichnenden Mehrheit deutscher Domherren in Gnesen und Posen der Regierung genehme deutsche Kandidaten enthalten würde351. Holle versicherte nun dem Kaiser, dass die deutsche Majorität nominell bereits bei Aufstellung der Liste gegeben 348 349
350
351
Vgl. auch das Kap. Metz in diesem Band. Zu Schütz (1852–1936) vgl. Marson, Schütz, in: Luxemburger Autorenlexikon (www. autorenlexikon.lu, letzter Aufruf: 13.1.2012). Holle an Wilhelm II. v. September 1908, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 253–256. Vgl. „Wie steht es mit der Besetzung des Erzbischöflichen Stuhles in Posen?“, in: Schlesische Volkszeitung o. D. (August) 1908.
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gewesen sei und trotzdem keine adäquaten Persönlichkeiten auf die Liste habe gelangen lassen. Zudem betonte er, dass sowohl Kopp als auch das Auswärtige Amt und nicht zuletzt er selbst weiterhin den bisherigen diplomatischen Kurs verfechte, „den Eintritt einer für die polnischen Aspirationen minder günstigen Lage im Vatikan abwarten zu sollen“352. Immerhin sah sich der Fürstbischof dadurch aber gleichzeitig auf die Idee gebracht, seinen Blick einerseits auf deutsche Geistliche außerhalb der Grenzgebiete zu Polen auszudehnen, die über gute Polnischkenntnisse verfügten, und andererseits sein Augenmerk auf Ordenspriester zu richten. Der bereits genannte P. Nazarius Sasse OFM war ein Beispiel für diese Ausweitung des Personaltableaus. Als Wilhelm II. Kardinal Kopp am 22. August 1907 eine Audienz gewährte, lenkte der Vorsitzende der Fuldaer Bischofskonferenz – seinen eigenen Angaben zufolge – das Interesse des Monarchen auf einen Angehörigen des von Wilhelm II. besonders bewunderten Benediktinerordens, und zwar auf einen Pater Coekoll aus dem Kloster Emaus bei Prag353. Wie schon zuvor Chappuis gegenüber legte Kopp dem Monarchen nahe, durch Gründung einiger Benediktinerklöster in der Provinz Posen dem neuen Erzbischof Rückhalt zu verschaffen und den Klerus mit Hilfe deutscher Ordensleute zu germanisieren. Zwar kam Kopp der Vorschlag eines Benediktiners für den Gnesen-Posener Erzbischofssitz in diesem Moment wohl recht unpassend, weil der von Wilhelm II. sechs Jahre zuvor für den Metzer Bischofsstuhl protegierte Benediktinerabt von Maria Laach Willibrord Benzler wegen seiner auch auf die Anliegen der französischsprachigen Bevölkerung in Lothringen eingehenden Art in Regierungskreisen Missfallen auslöste. Er erhielt aber dennoch den Auftrag, dieser Spur nachzugehen. Kopp erbat daraufhin bei dem deutschen Prager Weihbischof Wenzel Frind354 nähere Auskünfte über Coekoll. Immerhin beschäftigte das Curriculum vitae des Prager Ordenspriesters im Herbst 1907 sogar die Reichskanzlei, die über den kaiserlichen Geschäftsträger in Wien darüber Auskunft erhielt, das Coekoll in Bayern geboren und der tschechischen Sprache mächtig sei. Der Kultusminister ließ darauf umgehend von Bülow persönlich darauf hinweisen, dass Tschechisch nicht ausreiche und Coekoll auch Polnisch können müsse, um überhaupt ernsthaft für Posen in Frage zu kommen355. Diese Voraussetzung brachte der Benediktiner zwar durchaus mit, wie der erneut in die schwebende Angelegenheit einbezo352 353 354
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Holle an Wilhelm II. v. ..9.1908, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h. Bemühungen, nähere Angaben zum Curriculum vitae Coekolls zu ermitteln, schlugen fehl. Zu Frind (1843–1932), seit 1901 Weihbischof in Prag, vgl. passim Huber, Weihbischof Dr. Wenzel Frind (1843–1932), in: Archiv für Kirchengeschichte von Böhmen-Mähren-Schlesien, Bd. III (1973), S. 281–319. Vgl. Studt an Bülow v. 17.10.1907, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 43, 890. Coekoll war demnach 1863 in Schulen geboren, wobei die preuß. Regierung zunächst fälschlich vermutete, dass es sich um den gleichnamigen Ort in Ostpreußen handelte.
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gene Kardinal Kopp dem Kultusminister bei einer mündlichen Unterredung versicherte. Jedoch legte der Fürstbischof keine Eile an den Tag, um diese Personalie weiter zu befördern, weil er – wie Holle dem Kanzler mitteilte – „nach wie vor auf dem Standpunkt [stehe], dass die Staatsregierung gut täte, die weitere Entwicklung in Ruhe abzuwarten“356. Mit seinem diplomatischen Geschick verstand es Kopp, die Kandidatur von Weihbischof Likowski endgültig von der Tagesordnung in Berlin und Rom zu bekommen. Dem Kaiser legte er nachdrücklich in den Mund, dass dieser sich dezidiert gegen Likowski aussprach, und Pius X. teilte er daraufhin vertraulich mit, nach Rücksprache mit Wilhelm II. halte er dessen „Kandidatur für indiskutabel“, womit die letzten Hoffnungen des Posener Weihbischofs, den erzbischöflichen Stuhl besteigen zu können vorerst zerstoben waren. Dabei kam dem Fürstbischof von Breslau natürlich zu Hilfe, dass die polnische Partei am Heiligen Stuhl seit dem Tod von Kardinal Ledóchowski 1902 erheblich an Einfluss verloren hatte. Hilfreich war für ihn auch die in manchen Punkten fast schon grotesk anmutende Naivität staatlicher Stellen in kirchlichen Personalia. So hatte sich doch Chappuis bei Kopp gelegentlich seines Besuches auf Schloss Johannesberg allen Ernstes erkundigt, „ob es überhaupt möglich ist, einen Laien, wie den Grafen Hutten-Czapski, als Erzbischof in Aussicht zu nehmen“357. Obgleich in der Provinz Posen am 22. Oktober 1907 die letzten Schüler den Streik abgebrochen hatten358, wurde die Erzbischofsfrage auch weiterhin dilatorisch behandelt, was ein interessierter Beobachter wie Hutten-Czapski schlichtweg für falsch hielt359. Deswegen greift auch nicht länger das von Armin Mitter vorgebrachte Argument, die Neubesetzungsfrage sei deshalb sekundär geworden, „weil man in erster Linie den Schulstreik zu beenden suchte“360. Vielmehr lag die Ursache für das fehlende staatliche Handeln sicherlich nicht zuletzt an der zutiefst negativen Bewertung der Situation seitens des Oberpräsidenten. Für von Waldow stand nämlich fest, dass angesichts der propolnischen Berichterstattung der Presse die „polnische Bevölkerung … jetzt so aufsässig [sei], dass auch ein polnischer Erzbischof, der sich der Staatsregierung entgegenkommend zeigt, auf den schroffsten Widerstand bei dem Klerus stößt“361. Man hatte ganz schlicht den in der Fülle von Diskussionen zwischen den einzelnen staatlichen Behörden immer wieder neu verlangten „Mann von eiserner Energie und unbeugsamer Selbstständigkeit“ nirgendwo finden können. 356 357 358 359 360 361
So Holle an Bülow v. 26.11.1907, ebd. Bericht v. Chappuis, ebd. Vgl. Balzer, Die preußische Polenpolitik, S. 179. Vgl. Hutten-Czapski, Sechzig Jahre Politik und Gesellschaft, Bd. I, S. 507f. Mitter, Zur Haltung der Kurie, S. 222. Waldow an Studt v. 5.2.1907, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 43, 890. Hier auch das folgende Zit.
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In und außerhalb der Provinz Posen wurde die ungeklärte Nachfolge des Erzbischofs von Stablewski als Politikum gesehen, zumal die beiden Kapitel auf ihren Listenvorschlag nie eine Antwort aus Berlin erhielten. Das heißt, die Wahlliste vom Januar 1907 schwebte weiterhin im Raum, ohne dass ein offizielles Schreiben des Monarchen darüber aufklärte, was bald jeder interessierte Zeitgenosse wusste, dass nämlich keiner der Kandidaten dem preußischen König genehm war. Dieser Schwebezustand rief verschiedene selbsternannte Mittelsmänner auf den Plan. Nur am Rande sei erwähnt, dass der bereits in anderem Kontext genannte, u.a. durch eine antijudaistische Broschüre hervorgetretene Divisionspfarrer Theophil von Krzesinski in Magdeburg von zwei Stellen als für den erzbischöflichen Stuhl geeignet vorgeschlagen wurde362, woraufhin Minister Holle notierte, dieser sei „nicht einwandfrei“. Zwei massive Vorstöße von gewichtigen Persönlichkeiten seien hier stellvertretend erwähnt. So berichtete Kapitularvikar Likowski im November 1907 dem Kardinal Kopp, es sei „ein Herr von Sperber-Grauden, Mitglied des Herrenhauses, mit einem sonderbaren Vorschlag“363 zu ihm gekommen. Und zwar solle er, Likowski, einen Kopp genehmen Kandidaten benennen, dem die Regierung in diesem Fall die Zustimmung erteilen würde. Offenbar handelte der Initiator nicht im Auftrag Dritter, zumal er nach Erkundigungen Likowskis „keine Beziehungen zum Hofe und zum Ministerium habe“. Auch wenn die Naivität von Hugo von Sperber-Grauden ein wenig verwundern mag, scheint es ihm einzig und allein darum gegangen zu sein, jenen eben trotz eifrigen Bemühens staatlicher wie kirchlicher Kreise nirgendwo aufzutreibenden Kompromisskandidaten, den alle Seiten akzeptieren konnten, zu finden. Mit einer ungewöhnlich erscheinenden Hartnäckigkeit verfolgte zudem der bereits erwähnte Kölner geistliche Rektor Jakob Hubert Schütz seinen Plan, den Franziskanerpater Nazarius Sasse im Gespräch zu halten. Obgleich staatlicherseits – entsprechend Kopps rascher Ablehnung im Sommer 1907 – das Interesse an dessen Person über erste Personalermittlungen hinaus nicht weitergeführt und rasch erloschen war und der rheinische Oberpräsident von Schorlemer-Lieser Schütz ermahnt hatte, seine entsprechenden Pressekommentare einzustellen, bis die Personalie gegebenenfalls spruchreif sei, hatte Schütz neu auftauchende Personalspekulationen um die Neubesetzung von Posen dazu ausgenutzt, um noch mehrfach den 1869 als Alexander Sasse in Mönchengladbach geborenen, in Remagen stationierten und über die Polenseelsorge im Ruhrgebiet mit der polnischen Sprache und Mentalität vertrauten Franziskaner der Leserschaft der „Rheinisch-Westfälischen Zeitung“ als Kompromisskandidaten zu empfehlen. Tatsächlich war Pater Nazarius 362
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Die Vorschläge kamen von einem pensionierten Landrat Krell und von einem Mann aus Berlin. Vgl. ebd. Likowski an Kopp v. 18.11.1907, Abschrift, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 43, 890.
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durch Veröffentlichung einer kurzen polnischen Grammatik für Geistliche hervorgetreten, die zwei Auflagen erlebte, während ein von ihm gleichfalls publizierter polnisch-deutscher Beichtspiegel sogar innerhalb von vier Jahren vier Auflagen verzeichnete364. Auch kam ihm in gewisser Weise eine Pionierrolle zu, 1895 als erster Franziskaner hauptamtlicher Polenseelsorger für das Ruhrgebiet im neuen Franziskanerkloster in Dortmund geworden zu sein. In der Praxis zeigte sich allerdings, dass Sasse über so geringe Sprachkenntnisse verfügte, dass er bereits nach einem halben Jahr in das Kloster auf dem oberschlesischen Annaberg versetzt wurde, um erst einmal richtig Polnisch zu lernen365. Obgleich der Aufenthalt so erfolgreich war, dass Pater Nazarius im Jahre 1900 im gesamten nordwestdeutschen Raum bis hinein in das Gebiet der Nordischen Missionen als Polenseelsorger unterwegs war366, ist kritisch zu hinterfragen, inwieweit er nur ein Alibi-Kandidat war, den Schütz dazu benutzte, sich interessant zu machen. Immerhin wandte dieser sich im September 1907 unmittelbar an Kardinalstaatssekretär Merry del Val in Rom, dem er sich als Experte in deutschen Catholica vorstellte367. Darüber hinaus wies er im Vatikan auf seine inoffizielle diplomatische Mission anlässlich der Bischofsstuhlbesetzung in Metz 1901, bei der er – so die Behauptung von Schütz – maßgeblich an der Durchsetzung von Willibrord Benzler als Bischof mitgewirkt habe368. Angesichts dieser Vorreden, die keineswegs vermuten ließen, dass sich hinter dem Absender ein doch niederer Kleriker verbarg, verbreitete sich Schütz mit ähnlich deutlichem Selbstbewusstsein über „seinen“ Erzbischofskandidaten für Posen Nazarius Sasse. Obgleich Schütz ja bereits wusste, dass ein staatliches Interesse an dem Franziskanerpater überhaupt nicht bestand, pries er Pater Sasse als den Kompromisskandidaten schlechthin an, eben als „le seul candidat possible, puisque ce candidat-la est agréable au gouvernement et au peuple et au clergé polonais“369. Wie sehr sich Schütz darin verstiegen hatte, dass Pater Nazarius „le seul homme digne et capable d’occuper le siège archiépiscopal de GnesenPosen“ sei, zeigte sich an zwei weiteren Interventionen, die er in dieser pri364
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Vgl. passim Nazarius Sasse, Kurze polnische Grammatik für Geistliche, Paderborn 1904 (21910), u. Polnisch-deutscher Beichtspiegel. Ein Hilfsbüchlein für Geistliche, Paderborn 1905 (41909). Vgl. hierzu Brüggemann, Bibliographie der Brüder, S. 142f., worin insgesamt 19 Monographien und 16 Artikel Sasses verzeichnet sind. Vgl. Humberg, Die Franziskaner und die seelsorgliche Betreuung, in: Das Münster am Hellweg, Bd. 41 (1988), S. 108–175, hier S. 125. Eine Tabelle ebd., S. 135, zeigt für 1900 Tätigkeiten im gesamten nordwestdeutschen Raum zwischen Essen und Kiel auf. Vgl. Schütz an Merry del Val v. 10.9.1907, in: ASV AES Germania, pos. 1569, fasc. 833. Vgl. das Kapitel Bischofswahlen in Metz, wo auch auf Schütz’ Privataudienz bei Leo XIII. im August 1901 rekurriert wird. Vgl. Schütz an Merry del Val v. 10.9.1907, in: ASV AES Germania, pos. 1569, fasc. 833.
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vaten Mission beim Kardinalstaatssekretär unternahm370. Wie aber war Schütz überhaupt auf den Ordensmann gekommen? Folgt man seinen immer stärker ins Detail gehenden Petitionen an Merry del Val, so hielt er die Franziskaner für den bei den Polen beliebtesten Orden und hatte daher im Kölner Franziskanerkloster nach einem des Polnischen mächtigen Pater gefragt, woraufhin er an Nazarius Sasse verwiesen worden sei371. Als Schütz im Juni 1908 in die Reichskanzlei und zu Kultusminister Holle zitiert wurde, stellte er dies gegenüber dem Kardinalstaatssekretär so dar, als sei er per Telegramm nach Berlin beordert worden, weil man dort dringend seinen Rat hinsichtlich des Paters Nazarius erwarte372. Die Annahme, dass man dort „très content“ über sein Tun und Handeln sei, verkehrte die Dinge geradezu ins Gegenteil. Denn Schütz wurde in Berlin nicht belobigt, sondern gemaßregelt. Da nützte es ihm auch nichts mehr, dass er sein Insistieren auf dem Franziskanerpater damit rechtfertigte, dass er „dem traurigen Zustand in Gnesen-Posen, doppelt traurig für Kirche und Staat“373, ein Ende bereiten wolle und seine Demarche mit seiner inoffizielle staatlich vergüteten Mission während der Metzer Sedisvakanz 1901 zu begründen versuchte. In der Korrespondenz, die zwischen Kultusminister und Reichskanzlei über seine Person geführt wurde, lassen sich Anzeichen dafür erkennen, dass Schütz, der noch im Oktober 1907 eine Summe von 1.000 Mark an staatlicher Unterstützung durch den Staatssekretär des Innern erhalten hatte, möglicherweise die Staatsstellen unter Druck gesetzt, wenn nicht erpresst hatte, er werde nur nach Geldzahlungen seine Kommentare einstellen und seine Interventionen beim Heiligen Stuhl beenden. Diese These erscheint auch mit dem in der Zentrumszeitung „Germania“ erhobenen Postulat kompatibel, dass „dem ebenso übereifrigen wie unberufenen Bischofsmacher das Handwerk gründlich gelegt werde“374. Kultusminister Holle stellte sich dann auch gegenüber der Reichskanzlei ganz hinter diese Forderung und beklagte, „wie wenig vertrauenswürdig und taktvoll“375 Schütz sei.
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Vgl. Schütz an Merry del Val v. 12.6.1908, ebd., wo er von seiner dritten Demarche in Rom spricht. Der zweite Brief war in den Akten des ASV AES nicht mehr zu finden. Vgl. Schütz an Merry del Val v. 12.6.1908, ebd. Vgl. den handschriftlichen Zusatz von Schütz zu dessen Schreiben an Merry del Val v. 12.6.1908: „Ayant été appelé par un télégramme à Berlin, j´ai donné au bureau de chanceler de l’Empire et au ministre des cultes des informations sur le P. Nazarius.“ Schütz an den Chef der Reichskanzlei, Unterstaatssekretär von Loebell, v. 13.6.1908, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 43, 890. Germania v. 4.9.1908. Holle an Reichskanzlei, o.D., in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 43, 890.
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Bei diesem „Rektor a.D.“ handelte es sich ganz augenscheinlich nicht allein um einen umtriebigen Geistlichen und Journalisten, der aus Staatsnähe heraus seinen publizistischen Einfluss dazu nutzte, um staatsloyale Bischofskandidaten in eine breite Öffentlichkeit zu lancieren. Vielmehr verbarg sich hinter Schütz ein Geheimagent der preußischen Staatsregierung in Sachen kirchlicher Personalpolitik376, der sich – nachdem er in der Neubesetzung der lothringischen Diözese Metz ein willkommener Helfershelfer gewesen war – nunmehr ganz offensichtlich auf das Abstellgleis verfrachtet und mit Zensur belegt fühlte. Besonders empörend fand der Kultusminister, dass Schütz um der Aufrechterhaltung seines Kandidaten willen, den staatlicherseits 1908 neu ins Rennen um die nunmehr schon zwei Jahre vakante Erzdiözese geschickten Divisionspfarrer Franz Sander377 diskreditiert habe, indem er diese Personalie in der „Rheinisch-Westfälischen Zeitung“ als Affront gegen die Interessen der Polen in der Provinz Posen bewertete. Tatsächlich spiegelt sich in Sanders Persönlichkeit und Lebenslauf der Prototyp eines Staatskatholiken wider. Als Sohn eines Majors im Großen Generalstab 1862 in der damaligen Hauptstadt des Deutschen Bundes Frankfurt/Main geboren, war er zwar während des Kulturkampfes zunächst Jesuit geworden, hatte den Orden aber 1898, fünf Jahre nach der Priesterweihe, wieder verlassen und war nach kurzer Zeit als Seelsorger im Bistum Limburg in die Militärseelsorge gewechselt. Nach Teilnahme an der China-Expedition zur Bekämpfung des Boxeraufstands 1900 kam er als Militärseelsorger zur 28. Division in Straßburg, wo er von den Kommandierenden Generälen „aufs wärmste empfohlen“, auf den Kultusminister „einen äußerst entschlossenen und zielbewussten Eindruck“ machte. Besonders beeindruckte den Minister Sanders Entschluss, ein Kanonikat in Gnesen zu übernehmen. Als ihm das Idoneitätszeugnis durch den nunmehrigen Kapitularvikar Dorszewski verweigert worden sei, weil er kein Polnisch spreche, habe Sander einen Studienurlaub in Krakau genommen. „Dass er trotz seines vorgeschrittenen Alters diese Sprache vollkommen erlernen wird, bezweifelt er bei seiner Begabung für neuere Sprachen – er beherrscht das Französische und Englische völlig – nicht.“378 Studt teilte ganz offensichtlich dieses Selbstbewusstsein des 46-jährigen Divisionspfarrers und schien auch überhaupt nicht misstrauisch, dass Sander möglicherweise eine „Marktlücke“ im deutschen Klerus entdeckt und aus Karrieregründen seine Liebe zum Polnischen entwickelt haben könnte. Statt dessen vertraute er blind dem Urteil von Kardinal Kopp, dass Sander nach einer Bewährung in nationaler wie 376
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Dieser Aspekt wird in dem Kurzbiogramm von Marson, in: www.autorenlexikon.lu nicht berücksichtigt. Zu Sander (1862-1945) vgl. Schmauch, Sander, in: APB, Bd. 2 (1967), S. 589; Steuer, Deutsche Domherren, S. 125f., u. Brandt/Häger, Biographisches Lexikon der katholischen Militärseelsorge Deutschlands, S. 682f.; sowie Samerski, Der geistliche Konsultor der deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl, in: RQ, Bd. 86 (1991), S. 261–278, hier S. 265. Kultusministerium an Auswärtiges Amt v. 17.9.1908, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 43, 890.
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kirchlicher Hinsicht „wohl bei einer späteren Besetzung des Erzbischöflichen Stuhles als Kandidat in Frage kommen“ würde. Äußerst kritisch wurde die mögliche Nomination des Militärpfarrers von Nuntius Frühwirth betrachtet, der hierzu gegenüber Merry del Val Stellung bezog379. Im Übrigen fielen im Verkehr der Berliner Behörden auch die Namen von schlesisch-böhmischen Adeligen, welche den geistlichen Stand gewählt hatten. Hier machte es der „Adelskonnex“ offenbar möglich, dass eine Kandidatur erwogen wurde. Bei diesen potenziellen Adelskandidaten handelte es sich um Carl von Hohenlohe-Langenburg und Hyacinth Graf Strachwitz.
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er Olmützer Domkapitular Prinz Carl von Hohenlohe-Langenburg380 war 1868 auf Schloss Rothenhaus in Böhmen geboren und Absolvent des von Jesuiten geleiteten Seminars in Innsbruck. Von Kardinal Schönborn in Prag zum Priester geweiht, hatte Hohenlohe-Langenburg anschließend die päpstliche Diplomatenschule Accademia di Nobili in Rom absolviert und war 1893 als Ehrenkammerherr des Papstes nach Habelschwerdt in den preußischen Anteil des Erzbistums Prag gekommen, um dort eine Kaplansstelle zu übernehmen. 1903 kehrte er in seine österreichisch-böhmische Heimat zurück, wurde Propst in Kremsier und dann Domherr in Olmütz. In der Reichskanzlei in Berlin hatte man ermittelt, dass der Prinz deshalb als Kompromisskandidat geeignet sein könnte, weil er freundschaftliche Verbindungen zu kirchlichen und staatlichen Exponenten unterhalte. So hatte er gemeinsam mit Kardinalstaatssekretär Merry del Val die Diplomatenschule besucht und war mit dem in preußischen Diensten stehenden Grafen von Bassewitz befreundet. Auch der ehemalige Staatssekretär Kardinal Rampolla habe sich 1909 positiv hinsichtlich Hohenlohe ausgesprochen. Zudem sei er mit der Familie von Kaiserin Auguste Viktoria verwandt.
H
yacinth von Strachwitz381 war 1879 in Gleiwitz in Oberschlesien in eine gemischtkonfessionelle Familie hineingeboren worden. In Gleiwitz, wo der Vater als preußischer Landrat wirkte, und auf dem Familiengut Kaminietz aufgewachsen, schloss er zunächst ein Jurastudium ab und fasste während des Referendariates den Entschluss, Priester zu werden. Weil er während der als Breslauer Priesteramtskandidat in Innsbruck absolvierten Studien einen Roman über die gesellschaftlichen Verhältnisse in Schlesien publizierte, in welchem er den katholischen Adel porträtierte, zog er sich dessen Zorn
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Vgl. Frühwirth an Merry del Val v. 1909, in: ASV SS Anno 1914, 255. Vgl. Comte de Chorzelle an Kultusminister, o.D., in BArch Berlin-Lichterfelde, R 43, 890. Zu Strachwitz, der 1957 in Bad Tölz starb, vgl. Brandt/Häger, Biographisches Lexikon der katholischen Militärseelsorge Deutschlands, S. 815. Die Mutter war eine geborene Gräfin von Hohenthal aus Dölkau bei Leipzig. Vgl. Strachwitz, Eines Priesters Weg durch die Zeitenwende, S. 8.
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zu. Kardinal Kopp verfügte daraufhin, dass Strachwitz seine Studien in Trier abschließen solle, wo er auch 1911 die Priesterweihe empfing. Nach ersten Kaplansjahren in Bad Kreuznach war er 1913 in seine Heimatdiözese Breslau zurückgekehrt und als Kaplan an St. Michael in Berlin eingesetzt worden, wo Strachwitz als Adeliger nähere Kontakte zu Hofkreisen knüpfte. U.a. erregte er auch die Aufmerksamkeit des in der Reichshauptstadt im Ruhestand lebenden früheren schlesischen Oberpräsidenten Robert von Zedlitz-Trützschler382, der mit seinem Vater befreundet gewesen war. Bei einem Essen will er von einem Ministerialrat aus dem preußischen Kultusministerium über seine Sicht der Posener Angelegenheit intensiv ausgefragt worden und später im Vertrauen darauf hingewiesen worden sein, dass er als Regierungskandidat für diesen erzbischöflichen Stuhl im Gespräch sei. Einerseits erschien es Strachwitz „unerträglich, auf den Krücken der Protektion evangelischer Verwandter die Leiter der Hierarchie emporzusteigen“, andererseits fühlte der vergleichsweise junge Adelige sich angesichts der ihm vor Augen stehenden Aufgabe durchaus geschmeichelt. Da er im zweisprachigen Gebiet Oberschlesiens groß geworden war, meinte er dieser Aufgabe gewachsen zu sein. Schenkt man seinen autobiographischen Aufzeichnungen Glauben, so kam er nicht zum Zuge, weil ihm die Regierung seine „unbedingte Anhängerschaft an die Berliner Richtung“ im Gewerkschaftsstreit verargt habe. Auch ein Besuch des neuen Reichskanzlers und preußischen Ministerpräsidenten Theobald von Bethmann Hollweg bei Papst Pius X. im März 1910 brachte keinen Durchbruch in der Bischofsfrage. Obgleich der Kanzler nicht vorhatte, dieses Dauerthema zur Sprache zu bringen, wurde er vom Papst damit konfrontiert, der ihn direkt fragte, ob sich denn nicht ein dem Staat wohlgesonnener polnischer Geistlicher für diesen Posten finden würde383. Am besten wäre es, wenn ein „Kopp“ nach Posen geschickt werden könnte. Bethmann Hollweg habe versucht, eine ausweichende Antwort zu geben. „Die Sache bleibt vorläufig in suspenso [in der Schwebe, Anm. d. Verf.]. Ihre Lösung hängt wohl lediglich davon ab, ob sich ein geeigneter Kandidat findet“384, vermutete der preußische Gesandte beim Heiligen Stuhl Otto von Mühlberg dann auch in diesem Zusammenhang.
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Vgl. ebd., S. 94f. Hier auch die folg. Zit. Vgl. Montel an Kopp v. 23.3.1910, zit. nach Galos, Miedzy Berlinem a Watykanem, S. 341, Anm. 34. Mühlberg an Hutten-Czapski v. 4.1910, zit. bei Hutten-Czapski, Sechzig Jahre Politik und Gesellschaft, Bd. II, S. 40.
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Der österreichische Vatikangesandte Nikolaus Szecsen de Temerin385 glaubte unter Berufung auf den ja aus Österreich stammenden Münchner Nuntius Andreas Frühwirth glaubhaft in Erfahrung gebracht zu haben, man sei „sowohl in Berlin wie im Vatikan zur Überzeugung gelangt, dass derzeit ein diesbezügliches Einverständnis nicht erreicht werden kann“386 und habe bei dem Vatikanbesuch des Reichskanzlers „von beiden Seiten eine ohnehin zwecklose Diskussion der Angelegenheit“ vermieden. Über die besondere Informiertheit dieses ausländischen Diplomaten hinaus, fällt an diesem Bericht auf, welch spürbares internationales Interesse die schwebende Erzbischofsangelegenheit zumindest bei Deutschlands Bündnispartner Österreich-Ungarn hervorrief, zumal letzterer ja im Gegensatz zu dem die Staatsgrenzen übergreifenden Fürstbistum Breslau in Gnesen-Posen eigentlich gar keine unmittelbaren Interessen besaß. Im Dezember 1911 zeigte sich Kultusminister von Trott zu Solz darüber beunruhigt, dass Zeitungsmeldungen von einer beabsichtigten Erhebung Likowskis zum Titularerzbischof berichtet hätten387. Es sei – so hatten die Catholica-Experten des Ministeriums eigens recherchiert – noch nie dagewesen, dass ein Weihbischof diese Würde erhalten hätte. Weil dieser Vorgang in den Akten ohne Resonanz blieb, ist davon auszugehen, dass auch dieses eine der vielen Enten und Spekulationen war, die nach kurzer Zeit ein Dementi erhielten und mit denen die Presse immer wieder die Diskussion um die festgefahrene Erzbischofsernennung bzw. um die mittlerweile schon seit vielen Jahren gehandelte Person Likowskis neu entfachte. Wie sehr die Spekulationen gleichsam ins Kraut schossen, zeigt eine Vermutung des Regierungspräsidenten von Aachen anlässlich einer vom rheinischen Oberpräsidenten erbetenen Charakterisierung des geistlichen Sohnes des sächsischen Königs, Prinz Max von Sachsen388. Obgleich es um eine geplante Berufung des in Freiburg/Schweiz lehrenden Prinzen an das Erzbischöfliche Priesterseminar in Köln ging, schloss der Berichterstatter aus der Information, Max von Sachsen betreibe „z. Zt. sehr fleißig das Studium der polnischen Sprache“389, dass der seit Ende der 1890er Jahre mehrfach als ultramontaner Favorit auf Wahllisten gesetzte oder aber zumindest intern gehandelte Hochadelige sich anschicke, den erzbischöflichen Stuhl in Gnesen-Posen zu besteigen. 385
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Zu Szecsen (1857–1926), 1901–1910 österreichischer Botschafter am Heiligen Stuhl, vgl. Claar, Kardinal Rampolla als Staatssekretär und Papstwerber, in: Europäische Gespräche, Bd. 9 (1929), S. 465–482, hier S. 481. Szecsen an k.u.k. Außenminister Graf Aehrenthal v. 17.4.1910, in: HHStA Wien, PA XI 250. Hier auch das folg. Zit. Vgl. Trott zu Solz an Oberpräsident v. Schwartzkopff v. 8.12.1911, ebd. Zur Vita Max von Sachsens vgl. ausführlich das Kap. Sachsen in diesem Band. Regierungspräsident in Aachen an Rheinbaben v. 11.5.1912, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 16057. Max von Sachsen galt in Sprachen als sehr gewandt. Vgl. Baumer, Prinz Max von Sachsen, in: Jahrbuch für Volkskunde NF, Bd. 7 (1984), S. 97–114, hier S. 103.
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Erzbischofsernennung 1914 Folgt man den Erinnerungen Hutten-Czapskis, so sprach sich Kaiser Wilhelm II. unmittelbar vor der Kriegserklärung an Russland, nämlich am 31. Juli 1914, überraschend für Weihbischof Eduard Likowski als Metropoliten in Posen aus390. Einige Tage darauf erwog auch Bethmann Hollweg in einer Aktennotiz die Wahl des bisher in Berlin ungeliebten polnischen Kapitularvikars und Weihbischofs. Dass er sich wegen Urlaubs des preußischen Gesandten von Mühlberg umgehend an den bayerischen Gesandten beim Heiligen Stuhl, Otto Freiherr von Ritter zu Groenesteyn, mit der Bitte um Amtshilfe wandte, belegt die Dringlichkeit, mit der aus Berlin zum Auftakt des Ersten Weltkrieges die Besetzung des Posener Erzbischofsstuhles betrieben wurde. Auch von einer Kompensation für dieses Zugeständnis, etwa in Form eines deutschen Generalvikars, war in der aktuellen Situation keine Rede mehr. Der bayerische Gesandte zeigte sich unmittelbar nach der Audienz bei Kardinalstaatssekretär Merry del Val siegessicher, Er glaube, dass „der Papst Likowski zum Erzbischof ernennen wird, obwohl er nicht anzuerkennen scheint, dass das Wahlrecht des Kapitels erloschen sei. Man will offenbar in diesem Augenblicke der Preußischen Regierung keine Schwierigkeiten machen, sondern ihr im Gegenteil helfen“391. Immerhin hatte ein preußisch staatsloyaler Beobachter noch im März 1914 anlässlich der Beisetzungsfeierlichkeiten für den im März 1914 verstorbenen Episkopatsvorsitzenden und Breslauer Kardinal Kopp unter den vielen Bischöfen im Trauerzug bemerkt, dass „der würdigste unter ihnen, dem Aussehen nach, der Weihbischof von Posen und Gnesen, von Likowski“392, gewesen sei. Das mag als oberflächliche Bemerkung abgetan werden, zeigt aber welche Äußerlichkeiten in der Personalrekrutierung eben auch eine Rolle spielen konnten. Kurz nach Kriegsausbruch ließ dann Ritter zu Groenesteyn, das Auswärtige Amt in Berlin wissen, dass der Papst die Sedisvakanz in Gnesen-Posen beendet sehen wolle und einer Ernennung Likowskis zum Erzbischof zustimme393. Möglicherweise spielte hierbei auch eine Rolle, dass Pius X. quasi auf dem Totenbett lag und nur wenige Tage nach der am 13. August 1914 erfolgten Präkonisation verstarb. Welche Bedeutung diesem Vorgang international gesehen zukam, zeigt das Interesse der österreichischen Regierung, die sich von ihrem Vatikange390 391
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Vgl. Hutten-Czapski, Sechzig Jahre Politik und Gesellschaft, Bd. II, S. 145. Ritter zu Groenesteyn an Ministerium des Auswärtigen Bayern v. 7.8.1914, in: BHStA München, MA 99408. Strachwitz, Eines Priesters Weg durch die Zeitenwende, S. 103. Vgl. Ritter zu Groenesteyn an Auswärtiges Amt in chriffriertem Telegramm v. 8.8.1914, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 256.
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sandten bestätigen ließ, dass Likowski „ein Mann von Energie und großer Autorität“394 sei, dessen Ernennung „in polnischen Kreisen allgemein befriedigt“. Kritisch wurde hier das hohe Alter des neuen Oberhirten gesehen, das an eine baldige Neubesetzung oder die Bestellung eines Koadjutors denken lasse, während die Opposition der „radikalen polnischen Elemente“ gegen Likowski keinen Grund zur Besorgnis gab, da sie nur als nicht mehrheitsfähige Randgruppe betrachtet wurde. Nach acht Jahren ging damit die längste Vakanz auf diesem Bischofsstuhl zu Ende395, wenngleich Gnesen-Posen ja bereits nach der Ausweisung Ledóchowskis 1876 quasi zehn Jahre verwaist gewesen war und bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine fünfjährige Sedisvakanz verzeichnet hatte.
Erzbischofsernennung 1915 Nur noch perspektivisch soll die Aussetzung des Wahlrechts nach dem baldigen Tod von Erzbischof Likowski – er verstarb am 21. Februar 1915 – Erwähnung finden. Papst Benedikt XV. ersuchte am 4. März 1915 die Regierung in Berlin, die Ernennung des Erzbischofs unter Umgehung des Kapitels auf direktem Wege mit der Regierung auszuhandeln, wobei der preußische Gesandte von Mühlberg zugleich den Posener Generalvikar Edmund Dalbor als vatikanischen Favoriten bezeichnete396. Kultusminister Trott zu Solz bewog Bethmann Hollweg, diesem Angebot zuzustimmen, da „die Angelegenheit, wie der Papst mit Recht bemerkt, … auf diese Weise am schnellsten zu erledigen“397 sei. Möglicherweise stand dem Minister auch noch die Niederlage der „deutschen“ Fraktion der beiden Metropolitankapitel im Jahr 1906/07 vor Augen, als trotz nominell deutscher Mehrheit kein staatlich genehmer Kandidat auf die Liste gelangt war. Zumindest überzeugt es nicht so recht, wenn er ins Gespräch brachte, man solle beim Heiligen Vater doch geltend machen, dass die deutschen Domherren in den Kapiteln in der Mehrheit seien. Es ging also vielmehr darum, zu verdeutlichen, dass, wenn also das Kapitelswahlrecht preisgegeben werde, der Regierung ein umso größeres Mitspracherecht zugestanden werden müsse398. Dass sich der Kultusminister positiv hinsichtlich des polnischen Geistlichen Edmund Dalbor399 aussprach, ist in jedem Fall als Zu394
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398 399
Österreichischer Botschafter am Vatikan an Berchtold v. 23.9.1914, in: HHStA Wien, PA XL, Rom-Vatikan IV I, Fasc. 16. Hier auch das folg. Zit. Vgl. Kumor, Nominations, S. 42. Vgl. Mühlberg an Auswärtiges Amt v. 4.3.1915, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h secr. Trott zu Solz an Bethmann Hollweg v. 9.3.1915, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 257f., hier S. 257. Vgl. auch Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. LXXIV. Zu Dalbor vgl. Gatz, Dalbor, in: Ders., Bischöfe, S. 114f.; Stasiewski, Dalbor, in: LThK2,
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geständnis an die kriegsbedingte Situation zu sehen, in der ein Überlaufen der polnischen Katholiken zum russischen Gegner mit allen Mitteln verhindert werden sollte. Insofern stellte Dalbor das „Zuckerbrot“ der Regierung dar, der akzeptabel war, weil er sich politisch „stets sehr zurückgehalten“400 habe. Die Sorgen der Regierung waren zu diesem Zeitpunkt ganz andere, so dass es durchaus bezeichnend erscheint, wenn es im Protokoll der Ministersitzung lakonisch hieß: „Das Staatsministerium war mit den getroffenen Maßnahmen einverstanden.“ Das Vorgehen erregte auch außerhalb Preußens Erstaunen. So meldete etwa der bayerische Gesandte beim Heiligen Stuhl seiner Regierung in München dass Dalbor von der preußischen Regierung akzeptiert worden sei, obgleich er Favorit des Vatikans und Pole sei. Preußen habe sich lediglich ausbedungen, dass Dalbor einen Deutschen zum Generalvikar ernenne401. Präkonisiert wurde Erzbischof Dalbor am 30. Juni 1915, am 11. September erlangte er die Anerkennung des Landesherrn und am 20. September erfolgte in Posen seine Konsekration durch den Kölner Erzbischof Felix von Hartmann. So zügig konnte unter dem Druck der politischen Verhältnisse ein problematischer Sprengel neu besetzt werden.
Weihbischofsernennungen De iure besaß das Erzbistum während des Episkopates von Erzbischof Julius Dinder noch einen Weihbischof mit dem seit 1871 amtierenden Johannes Janiszewski402. Dieser stand in dem Ruf, ein Haupt der polnischen Nationalbewegung in Preußen zu sein, seit er 1848 an der Frankfurter Nationalversamlung teilgenommen und zudem Slawenkongresse besucht hatte403. Im Kulturkampf war er 1874 verhaftet, dann aus Preußen ausgewiesen worden und hatte sich in Krakau und Rom aufgehalten. Kultusminister Goßler hatte sich 1886 „wegen seines Verhältnisses zu Ledóchowski, welchen er bei der slawischen Pilgerfahrt als Primas von Polen gefeiert hat“404, gegen eine Re-
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Bd. 3 (1959), Sp. 126; Aleksandrowicz, Dalbor, in: Na stolicy, S. 293–318; sowie zuletzt Śmigiel, Słownik biograficzny, S. 335–340. So die Bewertung im Protokoll des Staatsministeriums v. 8.5.1915, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 263f. Hier auch das folg. Zit. Vgl. Ritter zu Groenesteyn an Ministerium des Äußeren München v. 5.4.1915, in: BHStA München, MA 99408. Zu Janiszewski (1818–1891) vgl. Grot, Janiszewski, in: Gatz, Bischöfe, S. 346–348; Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. XXX, Anm. 40. Neubach, Prinz Edmund Radziwill, S. 124, Anm. 58, bezeichnete ihn „als der erste polnische Politkleriker“. Goßler an Bismarck v. 5.6.1886, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 18f.
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habilitierung Janiszewskis ausgesprochen. So durfte der inzwischen 68 Jahre zählende Weihbischof zwar in die Erzdiözese zurückkehren, wobei ihm jedoch untersagt wurde, seine bischöflichen Funktionen wahrzunehmen. Ausgestattet mit einer dem Welfenfonds entnommenen staatlichen Pension verbrachte Janiszewski die folgenden Jahre bis zu seinem Tod am 11. Oktober 1891 in Gnesen und betätigte sich schriftstellerisch. Was seine Nachfolge anbetraf, zeigte sich Erzbischof Dinder sehr vorsichtig, indem er im Februar 1887 dem Oberpräsidenten in Posen mitteilte, dass er beim Heiligen Stuhl die Erhebung des Posener Generalvikars und Domherrn Eduard Likowski zum Weihbischof erbeten habe405. Da Likowski aus staatlicher Sicht den Makel besitzen musste, bereits der Konzilstheologe Ledóchowskis auf dem Ersten Vatikanum gewesen zu sein, lag es nahe, dass Bedenken gegen ihn geäußert worden wären. Vielleicht lag es daran, dass Likowski sich der Protektion des deutschen Erzbischofs erfreute, der ihn zu seinem Generalvikar gemacht und ihm gleichzeitig ein Kanonikat in Posen verliehen hatte, oder daran, dass Likowski zudem 1886 gemeinsam mit dem neu ernannten Erzbischof Dinder durch ein Ehrendoktorat der Katholisch-Theologischen Fakultät in Münster geehrt worden war406. Jedenfalls wollte der Kultusminister nicht einschreiten. Und auch Oberpräsident von Zedlitz-Trützschler pflichtete ihm schließlich bei, dass ein „ausreichender Grund zur Erhebung des Einspruchs nicht vorliegt“407. Aber genau an dem Tag, an dem die Behörden sich darüber einig geworden waren, am 17. März 1887, wurde die Ernennung Likowskis zum Titularbischof von Aureliopolis und Weihbischof in Posen bereits von Leo XIII. vollzogen, und am 1. Mai 1887 nahm Dinder die Konsekration in Posen vor. Nach diesem Erfolg verfuhr Dinder bei der Ernennung eines neuen Weihbischofs für Gnesen – Josef Cybichowski408, der dieses Amt seit 1867 bekleidet hatte, war am 6. März 1887 gestorben – analog. Im Dezember 1887 informierte der Erzbischof den Oberpräsidenten mündlich darüber, dass er seinen Generalvikar in Gnesen, den Domkapitular Johann Ignaz Korytkowski409, bei Papst Leo XIII. als Weihbischof erbeten habe. Korytkowski war 1824 in Gnesen geboren, hatte sein Abitur am Gymnasium in Tremessen (Trzemesno) abgelegt sowie sein in Posen begonnenes Theologiestudium in Münster mit dem Lizentiat abgeschlossen410. 1851 zum Priester geweiht, war er nach Vikarsjahren Pfarrer in Trzcinica bei Kempen (Kepno) geworden, bevor er 1871 als Domherr nach Gnesen gelangt und in die Bistumsverwaltung aufgerückt war. Dass Korytkowski als Geheimdelegat Ledóchowskis im Kulturkampf 405
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Vgl. zu dieser und den folgenden Weihbischofsernennungen den Bericht des Kultusministeriums an Caprivi v. 24.6.1890, in: BArch Berlin-Lichterfelde R 5101, 21795. Vgl. Hegel, Geschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster, Bd. 2, S. 208. Zedlitz-Trützschler an Goßler v. 17.3.1887, in: GStA PK HA III MdA I Nr. 11204. Zu Cybichowski vgl. Grot, Cybichowski, in: Gatz, Bischöfe, S. 108. Zu Korytkowski vgl. Grot, Korytkowski, ebd., S. 409f. Vgl. Hegel, Geschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster, Bd. 2, S. 154.
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zeitweilig das Erzbistum Gnesen verwaltet und deshalb auch zu einer neunmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt worden war, führte ebenso wenig zu staatlichem Einschreiten. Allerdings starb der bereits zum Titularbischof von Hermopolis und Weihbischof in Gnesen ernannte Johann Ignaz Korytkowski vor seiner Bischofsweihe, und zwar am 14. Mai 1888. Der Oberpräsident befürchtete wohl, dass er angesichts des offiziell beendeten Kulturkampfes bei der Nachfolgefrage von Korytkowski übergangen werden könnte. Jedenfalls wurde er im September 1889 von sich aus aktiv und fragte Erzbischof Julius Dinder, ob dieser bereits eine Personalie in petto habe. Dinder antwortete bei dieser mündlichen Unterredung, er erwäge die Ernennung des Regens in Gnesen Antonius Andrzejewicz als Weihbischof zu beantragen411. Andrzejewicz war 1837 in Kotowiecko bei Pleschen (Pleszew) geboren worden, hatte in Posen Theologie studiert sowie dort 1860 die Priesterweihe erhalten und lange Zeit – unterbrochen durch den Kulturkampf – als Professor und Subregens in Gnesen gewirkt. 1885 war er mit der Würde eines Päpstlichen Geheimkämmerers (Prälat) ausgestattet worden. 1886 hatte Erzbischof Dinder ihm ein bischöfliches Kanonikat in Gnesen verliehen und Andrzejewicz zwei Jahre darauf die Leitung des Priesterseminars übertragen. Staatlicherseits erhielt der Erzbischof unmittelbar die Nachricht, dass keine Bedenken vorliegen würden, wobei die Tatsache, dass der vorzeitig pensionierte Weihbischof Janiszewski der Onkel von Andrzejewicz war, offenbar in diesem Moment nicht schwer wog oder aber im Oberpräsidium übersehen worden war. Erstaunlicherweise hatte der Erzbischof also – obgleich ja eine staatliche Mitwirkung bei Weihbischofsernennungen – nicht vorgesehen war, aus dieser Warte ein rasches Plazet erhalten. Wenn Dinder dennoch erst am 6. März 1890 bei Papst Leo XIII. die Ernennung von Antonius Andrzejewicz zu seinem Weihbischof in Gnesen erbat und darauf verwies, dass die Nomination bisher durch „variis difficultatibus obstructa erat“412, bezog sich dies nicht auf einen staatlichen Einspruch. Vielmehr hatte das Gnesener Metropolitankapitel einen alten Anspruch geltend gemacht, den neuen Weihbischof aus seinen Reihen zu bestimmen, und Dinder drei Kandidaten namhaft gemacht. Der Erzbischof musste sich offenbar vor dem Kapitel erst rechtfertigen, dass er zwar eines seiner Mitglieder, nämlich Andrzejewicz, in Rom vorzuschlagen gedenke, jedoch wie überall üblich selbst seinen Weihbischof aussuchen wolle und sich nicht an die Kapitelsvorschläge gebunden fühle. Andrzejewicz schilderte er dem Papst als Mann mit Lebenserfahrung, von guten Sitten und in Wissenschaft und Lehre erfahren. Eigens hob er auch hervor, dass die Regierung gegen ihn keine Einwände habe. Darüber hinaus gab er dem Oberpräsidenten bald darauf Nachricht von der offiziell in Rom eingereichten Bitte um einen Weihbischof. Kardinalstaatssekretär Rampolla jedoch zeigte sich im 411
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Zu Andrzejewicz (1837-1907) vgl. Grot, Andrzejewicz, in: Gatz, Bischöfe, S. 10. Vgl. Dinder an Leo XIII. v. 6.3.1890, in: ASV AES Germania 1889/1890, pos. 1366, fasc. 764. Dinder an Leo XIII. v. 6.3.1890, ebd.
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Bewusstsein der komplizierten Personalfragen in Gnesen und Posen trotz der Entwarnung des Erzbischofs überaus vorsichtig und ließ sich von Kurienkardinal Ledóchowski zunächst bestätigen, dass Regens Andrzejewicz sich „per una esemplare pieta, una condotta illibata“413 auszeichne. Dinder habe eine ausgezeichnete Wahl getroffen. Der Kardinalstaatssekretär hegte angesichts dieses positiven Zeugnisses wohl die Befürchtung, dass ein von dem ehemaligen dezidiert polnischen Erzbischof Ledóchowski so nachhaltig positiv bewerteter Kandidat kaum „persona grata“ bei der preußischen Regierung sein könne. Parallel kam hinzu, dass der Fall doch begann, Aufsehen im Kultusministerium zu erregen, weil ein Referent Präzedenzfälle aus anderen Diözesen vor Augen hatte, in denen die römische Kurie die staatliche Zustimmung erbeten hatte414. Dass in Gnesen keine Abweichung von der bisherigen Praxis vorlag, war ihm nicht bewusst oder er wollte es nicht wissen. Zur Besänftigung trug die Erkenntnis bei, dass der Weihbischof in Gnesen „zugleich geborener Pfarrer zu Znin“ sei, also aus den Pfründen dieser von Hilfsgeistlichen verwalteten Pfarrei seinen Lebensunterhalt bestreiten konnte. Auf den Gedanken, dass der zu ernennende Weihbischof außerdem durch seine Pfründe als Domherr finanziell abgesichert war, kam man in Berlin nicht oder wollte diesen Aspekt auch nicht berücksichtigen. Erzbischof Dinder jedenfalls versicherte Anfang April noch einmal nach Rom, dass die Regierung ihr Plazet zu Andrzejewicz gegeben habe und im Übrigen ohnehin kein Mitspracherecht bei der Ernennung von Weihbischöfen besitze415. Gleichzeitig zeigte er sich gegenüber Rampolla über die Bedenken erstaunt und wies auf die ohne Probleme erfolgte Ernennung eines Weihbischofs in Posen drei Jahre zuvor hin. Wenn Kapitularvikar Likowski den Oberpräsidenten von Zedlitz-Trützschler wenige Wochen später nochmals von der bevorstehenden Weihbischofsernennung in Kenntnis setzte, diente dies sicherlich auch zur Beruhigung der Staatsstellen. Vor allem aber wollte er nach dem inzwischen erfolgten Tod Dinders deutlich herausstellen, dass die auf diesen zurückgehende Personalie des Weihbischofs dadurch keineswegs hinfällig wäre. Dass dennoch der am 23. Juni 1890 publizierten päpstlichen Ernennung von Antonius Andrzejewicz zum Titularbischof von Philomelium und Weihbischof in Gnesen weitere Steine staatlicherseits in den Weg gelegt wurden, obgleich oder gerade weil das Hauptaugenmerk der Regierung auf der Neubesetzung des Erzbischofsstuhles ruhte, hatte sicherlich auch damit zu tun, dass der neuernannte Weihbischof darauf bestand, dass sein Onkel Weihbischof Janiszewski als Mitkonsekrator an seiner Bischofsweihe beteiligt sein sollte. Ein solcher öffentlicher Auftritt Janiszewskis könnte nach Auffassung des Kultusministers 413 414
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Ledóchowski an Rampolla v. 25.3.1890, auf dessen Schreiben v. 24.3.1890, ebd. Kultusministerium an Auswärtiges Amt v. 5.4.1890, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, Abschrift, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 5101, 21795. Vgl. Dinder an Rampolla v. 9.4.1890, ebd.
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Goßler „als ein Hohn gegen die Maßregeln des Staats aufgefasst werden … und der nationalpolnischen Bewegung einen Stützpunkt mehr zu geben geeignet sein“416. Folglich wurde der Oberpräsident aus Berlin ersucht, „mit bewährter Umsicht“ die Beteiligung des emeritierten Weihbischofs an der Bischofsweihe zu verhindern. Andrzejewicz jedenfalls wurde am 3. August 1890 im Gnesener Dom durch Bischof Leo Redner von Kulm konsekriert. Nachdem Weihbischof Andrzejewicz am 15. September 1907 während einer Volksmission in Zabartowo plötzlich verstorben war417, geriet die Ernennung eines neuen Weihbischofs erneut in den Sog schwelender Auseinandersetzungen um einen neuen Erzbischof in der Doppeldiözese. Vor allem aber die Sedisvakanz des erzbischöflichen Stuhls, dessen Inhaber ja bekanntlich die Weihbischöfe letztlich nach seinem Gusto aussuchte, wirkte sich negativ auf die Neubesetzung aus. Als im Herbst 1909 in der Presse darüber spekuliert wurde, dass der kurz zuvor zum Domkapitular ernannte frühere Professor am Priesterseminar und jetzige Generalvikar in Gnesen Ignaz Goczkowski418 Weihbischof werden sollte, ereiferte sich Kultusminister von Trott zu Solz bei Bethmann Hollweg: „ Es wäre im höchsten Grade unerwünscht, wenn in der Diözese Gnesen, an deren Spitze schon ein mit größtem Fanatismus nur polnische Interessen wahrnehmender Verweser [gemeint war Likowski, Anm. d. Verf.] steht, nun noch ein entschieden polnisch gesinnter Weihbischof eingesetzt würde“419. Inwiefern das Auswärtige Amt bzw. der Kanzler als dessen Chef der Forderung, nachdrücklich beim Heiligen Stuhl gegen Goczkowskis Ernennung einzuwirken, letztlich Folge leisteten, lässt sich nicht ersehen. Fehlende Quellen lassen darauf schließen, dass die Angelegenheit nicht weiter verfolgt wurde. Möglicherweise hatte sich auch herausgestellt, dass an der beabsichtigten Ernennung gar nichts dran war, wie es so häufig bei den unzähligen Vermutungen über bischöfliche Personalia in der Presse des Kaiserreichs der Fall war. In Gnesen war 1910 der dortige Domkapitular Wilhelm Kloske als Weihbischof vorgesehen, der seit 1908 auch als Offizial fungierte. Mühlberg ließ das Kultusministerium in Berlin aber Ende des Jahres wissen, dass die Ernennung noch Zeit brauche, da in der Kurie erst noch die Akten über Kloske durchgearbeitet werden müssten420. Der Gesandte Mühlberg bremste am 6. Dezember 1910 dahingehend, dass zunächst der Lebenslauf in Rom durchgesehen werden müsse, wozu noch etwa drei Wochen in der Kurie benötigt würden421. 416
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Kultusministerium an Zedlitz-Trützschler v. 17.7.1890, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 5101, 21795. Vgl. Grot, Andrzejewicz, in: Gatz, Bischöfe, S. 10. Zu Goczkowski (1843–1922) vgl. Grot, Goczkowski, in: Gatz, Bischöfe, S. 251. Trott zu Solz an Bethmann- Hollweg v. 16.11.1909, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 5101 21795. Vgl. Mühlberg an Kultusministerium v. 6.12.1910, ebd. Vgl. Mühlberg an Holle v. 6.12.1910, ebd.
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Tatsächlich erfolgte unter dem Datum vom 29. Dezember 1910 Kloskes Ernennung zum Titularbischof von Theodosiopolis und Weihbischof in Gnesen. Die Bischofsweihe spendete ihm Kapitularvikar Weihbischof Likowski am 11. Februar 1911 in Gnesen. In seiner schlesischen Heimat erinnerte man sich noch 1914 an den immerhin schon Jahrzehnte außerhalb wirkenden Geistlichen, als im ersten Wahlgang der Breslauer Bischofswahl eine Stimme auf ihn entfiel, die aber nicht ausreichte, um den Gnesener Auxiliarbischof in die zweite Runde gelangen zu lassen422.
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Vgl. das Kap. Breslau in diesem Band sowie AAW I A 25 a 96.
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n Folge der Neuumschreibung der preußischen Bistümer 1821 blieb die Diözese Ermland exemt, also direkt dem Heiligen Stuhl unterstellt2. Allerdings wurde ihr Bistumsterritorium über das eigentliche Ermland, die vier nach der Reformation katholisch gebliebenen und als geistliches Territorium erst 1772 zu Preußen gelangten ostpreußischen Kreise Allenstein, Frauenburg, Heilsberg und Rößel, hinaus, auf die preußische Provinz Ostpreußen sowie Teile Westpreußens (Marienwerder) ausgedehnt3. Residenz des Bischofs4 war bis 1836 die als Exklave außerhalb des Bistumsgebietes gelegene Zisterzienserabtei Oliva bei Danzig, anschließend Frauenburg, wo das aus zwei Dignitäten (Dompropst und Domdekan) sowie acht residierenden und vier Ehrendomherren bestehende Domkapitel5 ohnehin seinen Sitz hatte.
Bischofsernennung 1885/1886 Am 30. Juli 1885 transferierte der Heilige Stuhl den langjährigen Bischof von Ermland, Philipp Krementz,6 auf den erzbischöfl ichen Sitz in Köln, beließ ihm aber gleichzeitig bis zur Einführung eines Nachfolgers die Aufgabe eines Apostolischen Administrators von Ermland, so dass das Domkapitel keinen Kapitularvikar zu wählen brauchte. Trotz seiner strikt ultramontanen Ausrichtung war der gebürtige Rheinländer Krementz im Kulturkampf glimpfl ich davongekommen7 und nun sogar durch die Beförderung auf den wichtigsten preußischen Bischofsstuhl belohnt worden. Als Ursache für diese „Vorzugsbehandlung“ wird die besondere Gunst der Kaiserin Augusta angenommen, der er sich erfreute.8 Möglicherweise spielte dieser Bonus auch 1
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Vgl. als Vorarbeit zu diesem Kap.: Hirschfeld, Bischofswahlen und Nationalitätenfrage, in: ZGAE, Bd. 52 (2007), S. 143–171. Zu der in das 15./16.Jahrhundert zurückreichenden Tradition Ermlands als exemter Diözese vgl. jetzt Karp, Universalkirche und kirchlicher Partikularismus in Ostmitteleuropa. In: Reiche und Territorien in Ostmitteleuropa, S. 209–226, hier S. 212–220. Vgl. zur Diözese Ermland im Überblick Gatz, Ermland, in: Ders., Die Bistümer und ihre Pfarreien, S. 289–298; u. Ders., Bistum Ermland, in: Ders., Die Bistümer der deutschsprachigen Länder, S. 241–252. Zum Verhältnis zu Preußen vgl. Karp, Ermland und Preußen im 19. Jahrhundert, in: ZGAE, Bd. 42 (1983), S. 14–32. Zu den Bischofswahlen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts vgl. Eichhorn, Geschichte der ermländischen Bischofswahlen, in: ZGAE, Bd. 1 (1860), S. 93–210. Vgl. zum ermländischen Domkapitel auch Wojtkowski, Dzieje Kapituły Warmińskiej; u. Słownik Biograficzny Kapituły Warmińskiej. Zu Krementz (1819–1899) vgl. das Kap. Köln in diesem Band. Vgl. als Spezialuntersuchung noch immer Dittrich, Der Kulturkampf im Ermlande. Gatz, Krementz, in: Ders., Bischöfe, S. 413. Krementz hatte das Domkapitel in Frauen-
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eine Rolle, als Bismarck die Gefahr der Wahl eines polnischen Geistlichen zum neuen Bischof von Ermland mit der nicht von besonderer historischer Kenntnis zeugenden schroffen Bemerkung zurückwies: „Pole unmöglich und nie dagewesen“9. Diese Unkenntnis, die außer Acht ließ, dass das polnische Nationalgefühl unter den zu etwa einem Drittel polnischsprachigen Ermländern10 seit den 1870er Jahren im Ansteigen begriffen war, ließ ihn persönlich für eine Freigabe der Wahl durch das Domkapitel eintreten. Immerhin sank der Anteil polnischsprachiger Katholiken, der im gesamten Diözesangebiet nur etwa 4 % der Gesamtbevölkerung ausmachte, bedingt durch die preußische Germanisierungspolitik stetig und wurde 1890 auf rund ein Viertel aller Katholiken geschätzt11. Andere Kräfte innerhalb der preußischen Staatsregierung hingegen wollten die Nachfolge von Bischof Krementz in direkten Verhandlungen mit der Kurie klären und den als „Staatskatholiken“ geltenden Breslauer Dompropst Johann Baptist Kayser durchsetzen.12 Auch der in Berlin tätige Militäroberpfarrer Wilhelm Stuckmann13, der aus dem Bistum Münster stammte, war in Regierungskreisen so sehr im Gespräch, dass Ludwig Windthorst vor ihm als „Staatsbischof“ warnte14. Zwischenzeitlich empfahl der preußische Gesandte beim Heiligen Stuhl, Kurd von Schlözer, die Berücksichtigung des Fürstbischöflichen Delegaten in Berlin und Propstes an St. Hedwig, Johann Baptist Assmann, oder des im Ermland geborenen Professors der Kirchengeschichte an der Katholisch-Theologischen Fakultät in Breslau, Hugo Laemmer.15 Offenbar sollte auf diesem Wege eine mögliche
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burg am 5.6.1885 mit spürbarer Wehmut über seine Transferierung nach Köln in Kenntnis gesetzt, von der der Kardinalstaatssekretär trotz seiner diesem am 22.4. schriftlich mitgeteilten Bedenken nicht absehen wolle. Vgl. Protokoll der außerordentlichen Kapitelsitzung vom 5.6.1885; in: AAWO AK I B 20/XIII. Notiz Bismarcks vom 5.7.1885, zitiert nach Karp, Bischof Andreas Thiel und die Sprachenfrage im südlichen Ermland, in: ZGAE, Bd. 37 (1974), S. 57–116, hier S. 71. Während bei Gatz, Akten preußischer Bischöfe, die ermländische Bischofsernennung von 1885/86 nicht thematisiert wird, findet sie auf Basis der Akten des Auswärtigen Amtes Darstellung bei Gatz, Zur Neubesetzung der (Erz)bistümer Köln, Ermland und Gnesen-Posen 1885/86, in: Rheinische Vierteljahrsblätter, Bd. 37 (1973), S. 207–243. Gatz, Polen in Schlesien, in: Ders. (Hrsg.), Kirche und Muttersprache, S. 129–150, hier S. 139. Hiernach schwankt der Anteil der polnischsprachigen Bevölkerung im Ermland zwischen 30 % und 50 %. Vgl. Karp, Bischof Andreas Thiel und die Sprachenfrage im südlichen Ermland, S. 59–61. Zu diesen Bemühungen liegen keine detaillierten Quellen vor. Zum Personalvorschlag Kayser vgl. Gatz, Zur Neubesetzung der (Erz)bistümer Köln, Ermland und Gnesen-Posen, S. 221. Zu Kayser (1826–1895), seit 1883 Dompropst in Breslau, vgl. insbes. das Kap. Paderborn in diesem Band. Zu Stuckmann (1828–1894) vgl. das Kap. Paderborn in diesem Band. Windthorst am 3.10.1885 gegenüber dem Kölner Domkapitular Kaspar Anton Heuser. Vgl. Gatz, Zur Neubesetzung der (Erz)bistümer Köln, Ermland und Gnesen-Posen, S. 211. Schlözer an Bismarck vom 1.7.1885, in: PA AA Italien Nr. 63. Zu Assmann (1833–1903) vgl. Brandt/Häger, Biographisches Lexikon der katholischen Militärseelsorge Deutsch-
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Konfrontation vorab vermieden werden, wie sie parallel in Limburg geschah, wo die Domherren sich nach dem Zugeständnis der Wahl geweigert hatten, den staatlich bevorzugten Kandidaten zu wählen.16 Ähnlich wie im Falle der Limburger Neubesetzungen soll auch die Besetzung des ermländischen Bischofsstuhl 1885/86 nicht ausgespart bleiben, auch wenn sie streng genommen außerhalb des Untersuchungszeitraums liegt. Nachdem auf staatlicher Seite das Augenmerk auf den Frauenburger Domkapitular und bisherigen Generalvikar Andreas Thiel gefallen war, wurde nicht nur die preußische Verwaltungshierarchie – vom Landrat über den Regierungspräsidenten bis zum Oberpräsidenten – bemüht, um Informationen über Thiel zu erhalten. Gleichzeitig wurde auch beim Domkapitel vorgefühlt, welche Chancen dieser Kandidat denn habe. Wenn Kardinalstaatssekretär Ludovico Jacobini gegenüber Bischof Krementz Ende September 1885 bekräftigte, dass die Regierung das freie Wahlrecht für den Fall anerkenne, in dem die Sedisvakanz durch eine Transferierung des bisherigen Bischofs eintrete17, und der Oberpräsident der Provinz Ostpreußen, Albrecht von Schlieckmann18, dieses Vorgehen kurz darauf zunächst „sub silentio“19 bestätigen ließ, mag dieser Sinneswandel durch das vorab signalisierte Plazet des Kapitels für Thiel als Bischofskandidaten bedingt gewesen sein. In jedem Fall fand Thiel in von Schlieckmann einen einflussreichen Förderer, und dem Domkapitel wurde das Bischofswahlrecht letztlich nicht entzogen. Tatsächlich erlangte Thiel in dem zu diesem Zeitpunkt aus acht residierenden Domherren und drei Ehrendomherren 20 bestehenden Kapitel bei der Aufstellung der auf fünf Positionen festgelegten Kandidatenliste die meisten Stimmen 21. Da die Domherren beschlossen hatten, ihre Liste nicht alphabetisch zu gliedern, stand Thiel damit an erster Stelle der am selben Tag der Regierung eingereichten Liste. Gefolgt wurde er von Regens Ludwig Hoppe. Auf hinteren Listenplätzen fanden dort zudem mit Joseph Grunenberg und – nach einem zweiten Wahlgang – Eduard Stock zwei verdiente Pfarrseelsorger
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lands, S. 22f.; u. Brandt, Assmann, in: Gatz, Bischöfe, S. 17f. Zu Laemmer (1835–1918), einem Konvertiten, vgl. Kleineidam, Die Katholisch-Theologische Fakultät Breslau, S. 74–76. Das Limburger Domkapitel wollte Matthias Höhler wählen, der Staat Karl Klein als Bischof sehen. Vgl. das Kap. Limburg in diesem Band. Jacobini an Krementz vom 30.9.1885, in: AAWO, AK I B 20/XIII. Die preußische Regierung hatte hierzu durch den Gesandten von Schlözer am 24.9. ihr Plazet gegeben. Vgl. Gatz, Zur Neubesetzung der (Erz)bistümer Köln, Ermland und Gnesen-Posen, S. 221. Zu v. Schlieckmann (1835–1891), seit 1882 Oberpräsident in Königsberg, vgl. Schwabe, Die preußischen Oberpräsidenten, S. 321. Zu den Oberpräsidenten und Regierungspräsidenten vgl. auch von der Groeben, Provinz Ostpreußen, in: Heinrich u.a. (Hrsg.), Verwaltungsgeschichte Ostdeutschlands, S. 145–238, hier S. 154f., u. S. 156f. Oberpräsidium Ostpreußen an Domkapitel v. 5.10.1885, in: AAWO, AK I B 20/XIII. Ein Ehrenkanonikat war zum Zeitpunkt der Bischofswahl vakant. Vgl. hierzu u. zum Folgenden Protokoll der Kapitelsitzung v. 13.10.1885, in: AAWO, AK I B 20/XIII.
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Platz. Außerdem wurde Domkapitular Johannes Wien auf die Liste gesetzt. Auffällig erscheint das hohe Alter der Nominierten, die zwischen 59 und 66 Jahre zählten.
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er zu diesem Zeitpunkt 59-jährige, also jüngste Kandidat Andreas Thiel22 war 1826 als Sohn eines Kleinbauern und Tagelöhners in Lokau, Kreis Rößel, zur Welt gekommen und auf Veranlassung des Dorfschullehrers auf die höhere Schule geschickt worden. Über das Progymnasium in Rößel führte ihn sein Weg auf das Gymnasium in Braunsberg, wo er 1845 das Abitur ablegte. Dem dort absolvierten Theologiestudium folgte die Priesterweihe 1849 in Frauenburg. Nur kurz währte seine Tätigkeit in der Pfarrseelsorge, bevor der junge Geistliche 1851 zum Weiterstudium in Breslau freigestellt wurde, das Thiel zwei Jahre darauf mit dem Lizentiat in Theologie abschloss23. Parallel habilitierte er sich in Kirchengeschichte und Kirchenrecht in Braunsberg, wurde an der dortigen Priesterausbildungsstätte, dem Lyceum Hosianum, Dozent sowie 1855 außerordentlicher und drei Jahre später ordentlicher Professor. Erst 1859 promovierte er auch, und zwar in Breslau24. Andreas Thiel gehörte 1856 zu den Mitbegründern des Historischen Vereins für Ermland und verfasste diverse Abhandlungen zur Geschichte seiner Heimat. Ein Beleg für die wissenschaftliche Reputation, welche Thiel über die regionalgeschichtliche Forschung zum Ermland hinaus genoss, stellt exemplarisch die Tatsache dar, dass der bisher allein erschienene erste Band einer Sammlung von Papstbriefen 25 von keinem geringerem als dem Nestor der Kirchengeschichtsforschung Franz Xaver Kraus positiv rezensiert wurde26. 1870 wurde Andreas Thiel in das Domkapitel berufen und war im Folgejahr Generalvikar geworden. Damit verfügte er sowohl im wissenschaftlichen Bereich als auch in der Bistumsverwaltung über einschlägige Erfahrungen. Obgleich der als unterste Instanz befragte Braunsberger Landrat Oberg „Beweise eigener friedfertiger, patriotischer und loyaler Gesinnung des Thiel“27 nicht feststellen konnte und diesen zudem als Streber und herrschsüchtigen Menschen negativ charakterisierte, verwendete sich der Oberpräsident nachhaltig für den aus der sozialen Unterschicht stammenden
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Zu Thiel (1826–1908) vgl. Karp, Thiel, in: Gatz, Bischöfe, S. 757; Kopiczko, Duchowieństwo, S. 293f.; Clauss, Bischof Andreas Thiel, in: ZGAE, Bd. 41 (1981), S. 7–30. Vgl. Nikel, Die katholisch-theologische Fakultät [Breslau], S. 162. Vgl. passim Andreas Thiel, De Nicolao Papa I commentationes duae historico-canonicae, Braunsberg 1859. Vgl. passim Andreas Thiel (Hrsg.), Epistolae Romanorum pontificum, Braunsberg 1868. Und zwar im „Theologischen Literaturblatt“, 3 (1868), Sp. 319–322. Vgl. Schiel, Max Sdralek im Bannkreis von Franz Xaver Kraus, Teil 1, in: ASKG, Bd. 35 (1977), S. 239–284, hier S. 274f. So Studt an v. Schlieckmann vom 31.8.1885, zit. nach Karp, Bischof Thiel und die Sprachenfrage, S. 74.
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Andreas Thiel 28, den auch Bischof Krementz als seinen Nachfolger sympathisch fand 29.
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udwig Hoppe30, Jahrgang 1821 und gebürtig aus Seeburg, hatte die Gymnasien in Rößel und Braunsberg besucht und war 1845 in Frauenburg zum Priester geweiht worden. Während seiner Tätigkeit als Subregens des Priesterseminars in Braunsberg 1854/55 hatte er sich ein Jahr zu Weiterstudien in Rom aufgehalten. 1860 wurde Hoppe in Freiburg zum Dr. theol. promoviert31. 1867 avancierte er zum Regens des Priesterseminars und bekleidete ab 1869 zugleich eine ordentliche Professur für Pastoraltheologie am Hosianum. Zudem wurde er im selben Jahr Domkapitular. 1884 hatte ihn Bischof Krementz auserkoren, als Weihbischof im Ermland zu fungieren, woraus jedoch angesichts der Transferierung des Bischofs nichts mehr wurde32. Vielleicht spielte bei der geplanten Weihbischofsernennung eine Rolle, dass Hoppe staatlicherseits als moderater Geistlicher angesehen wurde, Für den Braunsberger Landrat gehörte er zumindest „nicht zu den Heißspornen des Ultramontanismus“33.
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oseph Grunenberg34 hatte 1823 bei Heilsberg das Licht der Welt erblickt und 1843 das Braunsberger Gymnasium mit dem Abitur verlassen. Nach dem ebendort absolvierten Theologiestudium 1847 zum Priester geweiht, hatte Grunenberg 14 Jahre in der Pfarrseelsorge gearbeitet, bevor ihm 1861 die Aufgabe des Kuratus im Mutterhaus der Katharinerinnen in Braunsberg übertragen wurde. 1882 wurde er dann Pfarrer in Groß Lichtenau bei Marienburg und drei Jahre darauf auch Dekan des Dekanates Neuteich. Er war der Regierung schon deshalb genehm, weil er dem polnischen Element im Ermland distanziert gegenüber stand und politisch überhaupt als abstinent galt.
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Vgl. Schlieckmann an Goßler v. 14.9.1885, zit. nach ebd., S. 75. Dies geht aus einem Brief von Krementz an Kurienkardinal Paulus Melchers vom 12.10.1885 hervor, den Gatz, Zur Neubesetzung der (Erz)bistümer Köln, Ermland und Gnesen-Posen, S. 222, als Beleg anführt. Da Thiel als Generalvikar das „alter ego“ von Krementz gewesen war, überrascht dessen Sympathie nicht. Allerdings scheint die Einschätzung, dass „Krementz´ Kandidatur für diese Aufgabe längst feststand“ (ebd., S. 222), ein wenig übertrieben. Zumindest ist nicht nachzuweisen, ob und inwiefern Krementz Thiel vor Aufstellung der Wahlliste des Domkapitels bereits protegiert hatte. Zu Hoppe (1821–1885) vgl. APB, Bd. 1 (1941), S. 289; Gatz, Zur Neubesetzung der (Erz) bistümer Köln, Ermland und Gnesen-Posen, S. 223, Anm. 68, Karp, Bischof Andreas Thiel und die Sprachenfrage, S. 77f.; u. Kopiczko, Duchowieństwo, S. 113. Das Thema der Dissertation lautete: Graecorum et orientalium Epiklesis, quid sibi velit et eius cum canone romano quae sit ratio. Vgl. passim Ludwig Hoppe, Die Epiklesis der griechischen und orientalischen Liturgien und der römische Consekrationskanon, Schaffhausen 1864. Vgl. Karp, Bischof Andreas Thiel und die Sprachenfrage, S. 77. Oberg an Studt v. 20.1.1885, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2c. Zu Grunenberg (1823–1895), der 1891 Ehrendomherr in Frauenburg wurde, vgl. Karp, Bischof Andreas Thiel und die Sprachenfrage, S. 78; u. Kopiczko, Duchowieństwo, S. 90.
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it seinen 66 Jahren war Erzpriester Eduard Stock35 der älteste der Kapitelskandidaten für den vakanten Bischofsstuhl. 1819 in Bartenstein geboren, hatte er die übliche Laufbahn eines ermländischen Theologen – Gym nasium und Hochschulstudium in Braunsberg – durchlaufen. Nach der Priesterweihe 1843 folgten Kaplansjahre in seiner Heimatstadt Bartenstein sowie eine Tätigkeiten als Pfarrer, die ihn u.a. nach Wartenberg führten. Seit 1869 zugleich Erzpriester, erreichte Stock 1883 durch königliche Nomination die Berufung als Ehrendomherr in das Frauenburger Domkapitel. Er galt der Regierung als polyglotter Geistlicher, zumal er in den 1860er Jahren sechs Jahre den Wahlkreis Allenstein-Rößel im Preußischen Abgeordnetenhaus vertreten hatte.
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ohannes Wien36 war 1820 in Medien im Kreis Heilsberg geboren und hatte sein Theologiestudium in Breslau und Braunsberg absolviert. Nach der 1847 empfangenen Priesterweihe begann er seinen Dienst in Schule und Erziehung als Religionslehrer am Gymnasium und Präfekt im Knabenkonvikt in Braunsberg. 1859 wurde Johannes Wien Pfarrer in Tolksdorf37, um sieben Jahre später auf die größere Pfarrei Marienburg zu wechseln. Nachdem ihm bereits 1868/69 ein Ehrenkanonikat verliehen worden war, wurde Wien 1882 durch königliche Nomination ins Kapitel berufen. Seine staatliche Zuverlässigkeit war bereits 1872 durch Verleihung des Roten Adler-Ordens IV. Klasse zum Tragen gekommen. 1884 hatte Bischof Krementz ihm den Titel eines Geistlichen Rates verliehen. Im Vergleich zu anderen Diözesen erscheint es ungewöhnlich, dass keiner der Kandidaten vom König zur minder genehmen Person erklärt wurde.38 Wie der Oberpräsident über die am 15. Dezember 1885 stattgefundene Bischofswahl nach Berlin berichtete, wurden sieben Stimmen für Thiel, fünf Stimmen für Wien und eine für Grunenberg abgegeben39. Regens Hoppe war zwischenzeitlich schwer erkrankt und verstarb am 24. Dezember 1885. Von Schlieckmann fügte zur Bekräftigung nochmals hinzu, dass „der Gewählte nach allgemeinem Urteil eine gründliche und umfassende Bildung mit großer Arbeitskraft verbindet und dass er bei dem ermländischen Klerus, aus welchem er hervor-
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Zu Stock (1819–1889), der als MdA (1862–1870) politisch bei den Konservativen tätig war, vgl. ebd., S. 278 f.; Mann, Biographisches Handbuch für das Preußische Abgeordnetenhaus, S. 376. Zu Wien (1820–1888) vgl. Poschmann, Wien, in: Gatz, Bischöfe, S. 813; u. Kopiczko, Duchowieństwo, S. 315. Bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. LXXVII, Anm. 17, heißt es fälschlich Folksdorf. Schlieckmann an Domkapitel v. 25.11.1885, in: AAWO, AK I B 20/XIII. Vgl. Protokoll der Bischofswahl v. 15.12.1885, ebd.
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gegangen ist, in hohem Ansehen steht“40. Diese Überzeugung herrschte auch nach der am 2. März 1886 ausgesprochenen landesherrlichen Anerkennung41 und der am 9. Mai durch den früheren Feldpropst der Preußischen Armee, Franz Adolf Namszanowski 42, vollzogenen Konsekration weiterhin nachhaltig bei den preußischen Behörden. So empfahl der Gesandte von Schlözer den neuen Bischof von Ermland als Kandidaten für den vakanten Erzbischofssitz in Gnesen-Posen.43 Und in einer von Kultusminister Goßler im August 1887 Bismarck vorgelegten Liste des Episkopats charakterisierte dieser vier Bischöfe als unfriedfertig, zwei als zweifelhaft und fünf als friedfertig, zu denen auch Thiel zählte.44
Bischofswahl 1908 Als der ermländische Bischofsstuhl nach dem Tod von Bischof Thiel am 17. Juli 1908 neu besetzt wurde, war keiner der vom Domkapitel aufgestellten Kandidaten Gegenstand von Diskussionen oder wurde zur „persona minus grata“ erklärt. Allerdings dauerte es mehr als drei Monate, bis die Regierung dem Kapitel die Liste zurückgab, die am 21. August 1908, nach einer außerordentlichen Kapitelsitzung, mit folgenden fünf Namen, in „der festen Überzeugung, dass dieselben ihrem König und Herrn wie der Kirche treu ergeben sind“45, dem Ministerium eingereicht worden war: 1. Domkapitular und Weihbischof Eduard Herrmann, 2. Dompropst Franz Dittrich, 3. Domkapitular und Prof. Dr. Julius Marquardt, 4. Domkapitular Anton Matern (alle in Frauenburg) und 5. Prof. Dr. Augustinus Bludau (Münster).46 Die Zahl von fünf Kandidaten war im Vergleich zur Wahl von 1886 gleich geblieben. Dass Marquardt und Matern dabei keineswegs ernsthafte Kandidaten waren, zeigt deren Widerstand gegen die Aufnahme in die Liste. Während Marquardt trotz seiner erst 59 Jahre ein ärztliches Attest vorlegte, erklärte Matern sei40
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Schlieckmann an Ministerium des Äußeren in Berlin v. 31.12.1885, in: GStA PK, HA III, MdA I Nr. 11158: Bistum Ermland. Diese Stimmverteilung fehlt in der ausführlichen Studie von Gatz, Zur Neubesetzung der (Erz)bistümer Köln, Ermland und Gnesen-Posen. Goßler an Domkapitel v. 6.3.1886, in: AAWO, AK I/B 20/XIII. Zu Namszanowski (1820–1900), 1866 Feldpropst der Preußischen Armee, 1868 Titularbischof v. Agathopolis, 1872 suspendiert, 1896 Domkapitular und bischöfliche Funktionen in Frauenburg, vgl. Brandt, Namszanowski, Franz Adolf, in: Gatz, Bischöfe, S. 528 f.; Brandt/Häger, Biographisches Lexikon der katholischen Militärseelsorge Deutschlands, S. 561; Kopiczko, Duchowienstwo, S. 192. Schlözer an Bismarck vom 9.1.1886, in: PA AA, Italien, Bd. 66. Vgl. Gatz, Zur Neubesetzung der (Erz)bistümer Köln, Ermland und Gnesen-Posen, in: Rheinische Vierteljahrsblätter, Bd. 37 (1973), S. 207–243, hier S. 227. Vgl. Goßler an Bismarck vom 3.8.1887, in: PA AA, Preußen 2, Nr. 2c. Vgl. Domkapitel an Kultusministerium v. 21.8.1908, ebd. Vgl. Liste v. 20.8.1908, in: AAWO, AK I B 20/XV.
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nen Mitbrüdern, er sei dem Amt nicht gewachsen.47 Bezeichnend erscheint, dass das Domkapitel sich hiervon nicht beeindrucken ließ, sondern an beiden Kandidaturen festhielt, weil „bei Fehlen der genannten Herrn auf der Liste Schwierigkeiten seitens der Regierung entstehen könnten“. Insofern fällt der erneut hohe Altersdurchschnitt der Kandidaten auf, von dem nur Professor Bludau und in gewisser Weise auch Marquardt eine Ausnahme bildeten.
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duard Herrmann 48 wurde 1836 in Schönfelde in der Pfarrei Schönbrück im Kreis Allenstein als Sohne einer Landwirtsfamilie geboren. Damit stammte er aus dem ethnisch gemischten südlichen Teil des Ermlands, was neben der deutsche und polnische Mitglieder zählenden eigenen Familie dazu führte, dass Herrmann beide Sprachen gleichermaßen beherrschte. Nach dem Besuch des Progymnasiums in Hohenstein und dem Abitur in Braunsberg studierte er am dortigen Hosianum Theologie. Eduard Herrmann erhielt 1859 in Frauenburg die Priesterweihe und wurde nach einer ersten Kaplanstelle in Stuhm 1861 in die Diaspora des Bistums geschickt, wo er zunächst als Kaplan in Königsberg, dann als Kurat in Insterburg wirkte. 1869 wurde ihm die ermländische Pfarrei Bischofsburg im Kreis Rößel übertragen, wo Herrmann sich als agiler Pfarrseelsorger bewährte. Im Zuge des Hineinschwappens der nationalpolnischen Bewegung in das Ermland entschloss sich Herrmann 1893 zu einer Kandidatur für das Preußische Abgeordnetenhaus, dem er für zwei Legislaturperioden als Zentrumsabgeordneter angehörte. Hier trat er auch öffentlich als Gegner der zunehmenden staatlichen Germanisierungspolitik auf. Dass Herrmann 1898 auf der zweiten Wahlliste in Kulm staatlicherseits beanstandet worden war, wundert vor diesem Hintergrund nicht. Allerdings handelte es sich um ein abgekartetes Spiel, bei dem der zu wählende Bischof bereits feststand, so dass die Mindergenehmheitserklärung doch stark pro forma war. Schließlich kandidierte Herrmann 1898 erfolgreich gegen den nationalpolnischen Kulmer Priester Anton von Wolszlegier (Wollschläger) für den Reichstag 49, kam im selben Jahr durch bischöfl iche Nomination auf ein Kanonikat im ermländischen Domkapitel und wurde schließlich auf Anregung von Bischof Thiel – und gegen mancherlei unten noch separat zu schildernde staatliche Widerstände – 1901 zum Weihbischof bestellt50.
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Vgl. Protokoll der Kapitelsitzung v. 20.8.1908, ebd. Hier auch das folg. Zit. Zu Herrmann vgl. Karp, Herrmann, in: Gatz, Bischöfe, S. 304; Hirschfeld, Herrmann, in: BBKL, Bd. 24 (2005), Sp. 828–833; Hirschfeld, Die Konflikte um die Ernennung, in: ZGAE, Bd. 51 (2005), S. 55–69. Vgl. auch den Abschnitt Weihbischofsernennung in diesem Kapitel. Vgl. Haunfelder, Reichstagsabgeordnete der Deutschen Zentrumspartei, S. 179. Zu Wolszlegier (1853–1922), Dr. theol., 1893–98 MdR (Polenpartei), später auch Vorsitzender des Wahlkomitees der polnischen Minderheit, vgl. Bahr, Wolszlegier, in: APB, Bd. 3 (1969), S. 824. Vgl. hierzu ausführlicher den Abschnitt Weihbischofsernennung in diesem Kap.
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er Kapitelsvikar Franz Dittrich51, geboren 1839 in Rokitten, Pfarrei Kiwitten bei Heilsberg, hatte Gymnasium und Hochschule in Braunsberg bis zur 1863 erhaltenen Priesterweihe durchlaufen. Als Kaplan des deutschen Priesterkollegs an Santa Maria dell’Anima in Rom setzte er sein Studium fort52, um es in München mit dem theologischen Doktorat abzuschließen53. Für die Laufbahn eines Dozenten für Kirchengeschichte am Braunsberger Hosianum vorgesehen, wurde er dort nach seiner Rückkehr umgehend Professor, zunächst für Kirchengeschichte, bald darauf auch noch für Kirchenrecht. Außerdem habilitierte er sich 186954 und übernahm Führungsfunktionen im historischen und politischen Bereich, und zwar als Vorsitzender des „Historischen Vereins für Ermland“ ebenso wie als preußischer Landtagsabgeordneter (ab 1893). 1903 verlieh ihm der König zudem die Dignität des Dompropstes. Von ihm hieß es aus dem Kultusministerium, er solle „sehr extreme Bahnen wandeln“55. Jedenfalls hatte er 1898 an einer Festschrift zum zehnjährigen Regierungsjubiläum Kaiser Wilhelms II. mitgewirkt und dort in einem Beitrag über den „Kaiser und die Kirche“56 die Beziehungen des Monarchen zur katholischen Kirche als überaus eng beschrieben.
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ulius Marquardt57 war 1849 in Plastwich geboren und hatte mit erst 22 Jahren nach dem Durchlaufen des üblichen Ausbildungsweges für angehende Theologen in Braunsberg die Priesterweihe erhalten. Seine priesterlichen Stationen in der ermländischen Heimat waren unterbrochen von einem zweijährigen Weiterstudium in Münster, das Marquardt 1874 mit dem lic. theol. abschloss58. Damit besaß er die Voraussetzung, um sich in Braunsberg zu habilitieren. Seine theologische Dissertation hingegen schloss Marquardt erst 1881 ab. Durch königliche Nomination gelangte der 1882 zum Professor für Patristik und Moraltheologie ernannte Julius Marquardt 1900 auf eine Domherrenstelle in Frauenburg. 51
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Zu Dittrich (1839–1915) vgl. Kopiczko, Duchowienstwo, S. 53f.; Fleischer, Dompropst Dr. Franz Dittrich, in: ZGAE, Bd. 19 (1916), S. 409–438; Buchholz, Dittrich, in: APB, Bd. 1 (1941), S. 135. Vgl. Gatz, Rom als Studienplatz deutscher Kleriker im 19. Jahrhundert, in: RQ, Bd. 86 (1991), S. 160–201, hier S. 184. Vgl. passim Franz Dittrich, De Dionysio Magno Alexandrino, Diss theol., München 1865. Vgl. passim Franz Dittrich, Observationes quaedam de ordine naturali et morali, Braunsberg 1869. Althoff an Sdralek, zit. bei Sdralek an Kraus v. 12.11.1887, abgedruckt in: Schiel, Max Sdralek, der Begründer der Breslauer Kirchengeschichtsschule, S. 185f., hier S. 186. Dittrich, Der Kaiser und die Kirche, in: Büxenstein (Hrsg.), Unser Kaiser, S. 237–243. Zu Marquardt (1849–1932) vgl. Kopiczko, Duchowieństwo, S. 178f.; Kosch, Das katholische Deutschland, S. 2798. Das Thema der Lizentiatsarbeit lautete: De doctrina dogmatica S. Cyrilli Hierosolymitani. Vgl. Hegel, Geschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster, Bd. 2, S. 162.
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nton Matern59 wurde 1842 in Mingainen geboren, erhielt 1866 in Frauenburg die Priesterweihe und schlug eine Laufbahn als geistlicher Lehrer am Gymnasium in Braunsberg ein, wo er seit 1890 auch das Amt des Erzpriesters bekleidete. Durch königliche Nomination gelangte er 1898 zunächst auf ein Ehrenkanonikat, 1905 auf die Stelle eines residierenden Domherrn in Frauenburg.
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ugustinus Bludau60 war zwar als einziger Kandidat außerhalb des Bistums tätig, aber aus Guttstadt stammender Priester des Bistums Ermland. Der 1862 geborene und 1887 zum Priester geweihte Sohn eines Schneiders hatte einige Jahre später in Münster promoviert61, war dort auf einen Lehrstuhl für neutestamentliche Exegese gelangt und für eine Amtsperiode zugleich Rektor der Akademie in Münster gewesen. Bereits bei dieser Berufung war er vom Kurator der Akademie (und späteren Universität) Münster als „ruhig denkender, nicht in extrem kirchenpolitischen Anschauungen befangener Mann“62 charakterisiert worden. Das Ausbleiben jeglicher Probleme – die Liste wurde am 28. Oktober über den Oberpräsidenten ohne Streichungen zurückgegeben – zog am 26. November 1908 einen Wahlakt des Domkapitels nach sich, in dem auf Bludau neun, auf Dittrich vier Stimmen und auf Marquardt eine Stimme entfiel63. Dass Bludau erst nach der päpstlichen Bestätigung am 12. April 1909 – und nicht bereits unmittelbar nach der Wahl – durch den Wahlkommissar bestätigt und proklamiert werden konnte, lag an einer 1900 durch Erlass des Kardinalstaatssekretärs Mariano Rampolla erfolgten Änderung der Wahlordnung.64 Dass zwischen Wahl und Proklamation aber fast fünf Monate vergingen, war schlicht und ergreifend ein Fehler der vatikanischen Bürokratie. Nach erfolgter Wahl hatte das ermländische Domkapitel das Protokoll über den als Agenten für eine Reihe preußischer Bistümer fungierenden Rektor der deutschen Nationalkirche Santa Maria dell’Anima in Rom, Joseph Lohninger65, an die Kurie bringen lassen und sich drei Monate später bei diesem nochmals rück59 60
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Zu Matern (1842–1920) vgl. Kopiczko, Duchowienstwo, S. 180. Zu Bludau vgl. Meinertz, Bludau, in: Westfälische Lebensbilder, Bd. 2, Münster 1931, S. 180–196. Hegel, Geschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster, Bd. 2, S. 8 f. Schmauch, Bludau, Augustinus, in: LThK2, Bd. 2 (1958) Sp. 536; Bautz, Bludau, in: BBKL, Bd. 1 (1990) Sp. 628 f.; Triller, Bludau, in: Gatz, Bischöfe, S. 56–58 (Lit.). Vgl. passim Augustinus Bludau, De Alexandrinae interpretationis libri Danielis indole critica et hermeneutica, Diss. theol. Münster 1891, veröffentlicht in deutscher Übersetzung, Freiburg/Br. 1897. Zit. nach Meinertz, Bludau, S. 182. Protokoll der Bischofswahl v. 26.11.1908, in: AAWO AK I B20/XV. Gatz, Domkapitel und Bischofswahlen, S. 106. Zu Lohninger (1866–1926) vgl. Lenzenweger, Sancta Maria de Anima, S. 101–127. Zu der Agententätigkeit der Animarektoren für deutschsprachige Diözesen vgl. ebd., S. 97.
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versichert, dass er das wichtige Dokument auch wirklich weitergereicht hatte, da aus dem Vatikan noch immer keine Bestätigung vorlag.66 Anfang März 1909 erst erhielt der Münchner Nuntius Andreas Frühwirth vom ermländischen Domkapitel ein Duplikat des Wahlprotokolls und versprach, „die Angelegenheit der Bestätigung [Bludaus] in Rom zu beschleunigen“67. Zudem zog er jetzt sowohl beim Regens des Bischöflichen Priesterseminars in Münster, dem designierten Weihbischof Everhard Illigens68, als auch bei Bludaus Kollegen an der Theologischen Fakultät, Domkapitular und Professor Peter Hüls69, Informationen über den Erwählten ein. Das Interesse des Nuntius war hierbei nicht allein auf ein für den von ihm durchzuführenden Informativprozess notwendiges Curriculum vitae gerichtet, sondern vor dem Hintergrund des schwelenden Modernismusstreites auch auf eine nunmehr zur gängigen Praxis werdenden Abfrage der Haltung des Kandidaten zu diesem Thema. Doch in dieser Hinsicht konnte Professor Hüls den Nuntius dahingehend beruhigen, dass Bludau „stets katholisch gelebt und stets in der Reinheit des katholischen Glaubens geblieben“70 sei, was er bei Gesprächen über den Modernismus sowie den umstrittenen Theologen Herman Schell gemerkt habe.71 Somit wurde die Neubesetzung des ermländischen Bischofsstuhls allenfalls von der Saumseligkeit der vatikanischen Kurie überschattet, die monatelang auf die päpstliche Bestätigungsbulle warten ließ. Wie ein Referent des Ministeriums der geistlichen Angelegenheiten dem Auswärtigen Amt schließlich mitteilte, sei „dies, wie ich vertraulich höre, darauf zurückzuführen, dass die Wahlakten versehentlich einer für diese Angelegenheiten nicht zuständigen Kongregation zugegangen und dort wochenlang liegen geblieben waren, bis man von Frauenburg aus an die Sache erinnerte“72. Offenbar wusste man in Rom auch nicht so genau, zu welchem der deutschen Staaten die Diözese Ermland gehörte. Jedenfalls bezog sich das Ernennungsdekret Pius’ X. auf die für die südwestdeutschen Staaten geltende Bulle „Ad dominici gregis custodiam“, so dass der Informant im Ministerium nicht zu Unrecht schloss, dass „die diese Angelegenheit augenblicklich bearbeitenden Prälaten die sonst so gerühmte Geschäftsgewandtheit der kurialen Beamten etwas vermissen lassen“. Dieser 66 67
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Frühwirth an Staatssekretariat v. 6.3.1909, in: ASV ANM 265 4. Frühwirth an Domkapitel Ermland v. 5.3.1909 als Antwort auf einen Brief des Kapitels v 2.3.1909, in: AAWO, AK I B 20/XV. Vgl. auch Domkapitel Ermland an Frühwirth v. 24.3.1909, in: ASV ANM 265 4. Frühwirth an Illigens v. 6.3.1909, in: ASV ANM 265 4. Illigens war am 28.2.1909 zum Weihbischof in Münster ernannt worden. Vgl. Red.[aktion], Illigens, in: Gatz, Bischöfe, S. 339. Vgl. Frühwirth an Hüls v. 6.3.1909, in: ASV ANM 265 4. Hüls an Frühwirth v. 8.3.1909, ebd. Bludau wurde hier als „Mann von durchaus ernstem, ruhigem, entschiedenem Charakter“ bezeichnet. Frühwirth übermittelte die Informationen von Hüls in gleicher Ausführlichkeit am 15.3.1909 dem Päpstlichen Staatssekretariat, ebd. Mumm an Reichsministerium des Äußeren v. 26.5.1909, in: PA AA, Preußen 2 Nr. 2m. Hier auch das folg. Zit.
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Lapsus wurde im Übrigen auch vom preußischen Gesandten beim Heiligen Stuhl mit unverhohlener Schadenfreude aufgegriffen, um Reichskanzler und Außenminister Bernhard von Bülow auf die vermeintliche Doppelzüngigkeit der Kurie hinzuweisen, die sich einerseits „mit so pedantischer Hartnäckigkeit an alte Formeln“73 klammere, diese aber selbst verwechsele.
Weihbischofsernennung 1901 Zwar hatte das Bistum Ermland offiziell seit dem Tod von Anton Frenzel74 1873 keinen Hilfsbischof mehr besessen. Jedoch hatte Bischof Andreas Thiel 1896 den zurückgezogen in der ehemaligen Zisterzienserabtei Oliva lebenden vormaligen Militärbischof Franz Adolf Namszanowski zunächst in das ermländische Domkapitel in Frauenburg berufen und kurz darauf beim Heiligen Stuhl als Weihbischof erbeten75, ohne dessen staatliche Genehmheit zu prüfen. Wenn Thiel dieses Vorgehen mit seinem vorgerückten Alter von 70 Jahren und dem sich verschlechternden eigenen Gesundheitszustand begründete, mutet dies gleichwohl etwas merkwürdig an, da der erbetene Helfer im bischöflichen Amt bereits 76 Jahre zählte, sich nach Auskunft Thiels aber noch „robusto valuetudine gaudet“. Obgleich Namszanowski ja, wie erwähnt, 1886 auf der Wahlliste des Kulmer Domkapitels gestanden und von Bismarck zur persona minus grata erklärt worden war, ist zumindest bisher kein Hinweis auf staatlichen Einspruch bekannt. Dafür mag nicht unmaßgeblich sein, dass der Münchner Nuntius angewiesen wurde, den früheren Feldpropst zwar zur Unterstützung Thiels offiziell zu beauftragen, diesen jedoch nicht zum Weihbischof im Ermland zu ernennen.76 Der Disput zwischen Staat und Kurie über eine Vorabinformation bei der Bestellung von Weihbischöfen entzündete sich erst im Frühjahr 1901, als der mittlerweile 75-jährige Bischof Thiel sich den Domkapitular Eduard Herrmann als Weihbischof erbat.77 Nachdem die Kurie im Vorjahr bei der Ernennung eines neuen Weihbischofs in Breslau die Vorabinformation der Regierung durch den preußischen Gesandten beim Heiligen Stuhl erfolgreich unterlassen hatte, suchte sie im Fall Herrmann auf doppelte Weise vorsichtig die Haltung Preußens zu erkunden. Einerseits wurde der Münchner Nuntius
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Mühlberg an Bülow v. 21.6.1909, ebd. Zu Frenzel (1790–1873) vgl. Samulski, Frenzel, in: Gatz, Bischöfe, S. 209. Thiel an Sacra Congregazione degli Affari Ecclesiastici Straordinari v. 15.12.1896, in: ASV AES, Germania, pos. 1462, fasc. 781. Hier auch das folgende Zitat. Nuntius an Thiel v. 31.12.1896, ebd. Hirschfeld, Die Konflikte um die Ernennung von Weihbischof Eduard Herrmann, in: ZGAE, Bd. 51 (2005), S. 55–69. Im Folgenden werden die in diesem Aufsatz breit dargestellten Vorgänge knapp zusammengefasst.
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Cesare Sambucetti gebeten, „accurate informazioni“78 darüber einzuholen, ob Herrmann persona grata sei. Andererseits wurde auch der Münchner Philosophieprofessor und Zentrumspolitiker Georg von Hertling als Mittelsmann eingeschaltet, um die Lage bei Kultusminister Konrad Studt zu sondieren.79 Auf Regierungsseite informierte man sich daraufhin insbesondere beim Landrat von Allenstein, in dessen Bezirk Herrmann jahrzehntelang als Pfarrer in dem zu zwei Dritteln polnischsprachigen Bischofsburg tätig gewesen war, über dessen Haltung. Von dort aus hieß es, Herrmann sei zwar grundsätzlich staatsloyal, habe aber in der Seelsorge eine propolnische Haltung eingenommen. Vornehmlich im Hinblick auf seine Chancen, Nachfolger des bereits alten Bischofs Thiel zu werden, sei seine Erhebung zum Weihbischof abzulehnen. Dieses Urteil machte sich der Kultusminister nicht nur zu eigen, sondern gab es auch an den preußischen Gesandten beim Heiligen Stuhl weiter, der sich über die unter seiner Übergehung erfolgte Kontaktaufnahme des Vatikans verstimmt zeigte, was seine Einstellung in dieser Causa trübte. Ohne Kenntnis dieser Vorgänge hatte zwischenzeitlich Nuntius Sambucetti beim Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz, Fürstbischof Kopp von Breslau, die Lage sondiert. Und nachdem der in allen kirchlichen Personalfragen in Preußen stets in enger Fühlungnahme mit der Regierung agierende Kopp Eduard Herrmann als „un prêtre d’une rare valeur qui aime à prier et à méditer“80 gelobt und dessen Vertrauensverhältnis zum Bischof und zu den Gläubigen hervorgehoben hatte, gab er rasch grünes Licht in Rom, wo der kanonische Prozess der Ernennung bereits eingeleitet worden war. Dass Kopp sich verschätzt hatte, erfuhr Kardinalstaatssekretär Rampolla durch den preußischen Gesandten persönlich, woraufhin die Kurie zum einen auf die Rechtsposition der freien Ernennung von Weihbischöfen verwies und zum anderen die positive Haltung Kopps in dieser Frage hervorhob. Der Nachdrücklichkeit des staatsnahen Breslauer Fürstbischofs sowie einer persönlichen Vorsprache Thiels, der stets „die regierungsfreundliche Kirchenpolitik Kopps unterstützt“81 hatte, in dieser Frage aber ebenso auf seiner Position beharrte, war es wohl allein zu verdanken, dass die Regierung ihre Bedenken zurücknahm. Bedingung hierfür war aber, dass Herrmann vor seiner am 30. August 1901 erfolgten Ernennung zum Weihbischof in Ermland eine Loyalitätserklärung abgeben musste, dass er die „nationalpolnischen Bestrebungen und Agitationen durchaus missbillige“, um „Ermland vor dem agitatorischen Wesen zu schützen und demselben die schönen Zeiten der inneren
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Rampolla an Sambucetti v. 20.5.1901, in: ASV ANM 197, pos. XII. Hertling an Studt v. 22.5.1901, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2m, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, Nr. 101, S. 186. Kopp an Sambucetti v. 12.6.1901, ASV ANM 197, pos. XII. Karp, Ermland und Preußen, S. 21.
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Ruhe und des friedlichen Zusammenlebens zu erhalten“82. Eduard Herrmanns Konsekration erfolgte am 24. November 1901 im Dom zu Frauenburg.
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Erklärung Herrmanns v. 18.8.1901, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2m, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, Nr. 112, S. 201.
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as traditionsreiche Bistum Kulm1 wurde 1821 in der Bulle „De salute animarum“ für die preußische Provinz Westpreußen neu umschrieben2. Der Bischofssitz und das aus 14 Mitgliedern, nämlich zwei Dignitäten (Dompropst und Domdekan) sowie acht residierenden und vier nichtresidierenden Domherren, bestehende Domkapitel3 wurden drei Jahre später nach Pelplin verlegt. Diese säkularisierte Zisterzienserabtei lag abseits der Provinzhauptstadt Danzig, aber geographisch günstig in der Mitte des Bistums. Seither hatte nur einmal, und zwar 1856, eine freie Bischofswahl stattgefunden, bei der allerdings der Staatsfavorit, Johannes Nepomuk von der Marwitz4, das Rennen für sich entschied. Wenngleich er deutscher Herkunft war, sank die Zustimmung der Staatsbehörden zu seiner Amtsführung, je mehr die nationalpolnische Bewegung unter den Katholiken an Boden gewann. Allerdings war mehr als zwei Drittel von ihnen polnischer Nationalität, so dass es für den Bischof der Quadratur des Kreises gleichkam, beide Interessensphären zufrieden zu stellen. Immerhin gingen die Staatsbehörden während des Kulturkampfes gegen von der Marwitz im Gegensatz zu den meisten übrigen preußischen Bischöfen, so etwa auch in Gnesen-Posen und Breslau, vergleichsweise vorsichtig vor. Er wurde nicht ins Exil gedrängt, obwohl er wegen Verstoßes gegen die staatliche Gesetzgebung auch Geldstrafen erhielt, die durch Pfändungen seines Mobiliars eingelöst wurden5. Als der greise Bischof jedoch 1881 die Bitte um einen Koadjutor in der Person des aus einer polnischen Adelsfamilie stammenden, aber in Berlin aufgewachsenen Prinzen Edmund von Radziwill6 äußerte, waren sich Oberpräsident und Kultusminister dahingehend einig, dass eine Kehrtwende an der Bistumsspitze erfolgen müsse, also nur ein Geistlicher deutscher Herkunft mit klar erkennbarer patriotischer Gesinnung für die Nachfolge in Frage käme. Im Rahmen der dann behördenintern aufkommenden Diskussion über geeignete Kandidaten kristallisierten sich die Namen der beiden entschiedensten Staatskatholiken im Bistum Kulm heraus, nämlich der in Danzig *
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Um eine bessere Lesbarkeit zu gewährleisten, wurden Vornamen von Personen nur in ihrer deutschen Version wiedergegeben, Ortsnamen hingegen sowohl auf deutsch als auch (in Klammern) auf polnisch genannt. Vgl. auch zu diesem Kap. die Vorarbeit des Verf.: Hirschfeld, Bischofswahlen und Nationalitätenfrage vom Kulturkampf bis zum Ersten Weltkrieg, in: ZGAE, Bd. 52 (2007), S. 143–171. Vgl. Gatz, Kulm, in: Ders., Die Bistümer und ihre Pfarreien, S. 402–409. Zum ersten Domkapitel von 1824 vgl. Panske, Personalien der Mitglieder des Culmer Domkapitels, in: ZGAE, Bd. 25 (1935), S. 187–224. Zu von der Marwitz (1795–1886) vgl. Piszcz, Marwitz, in: Gatz, Bischöfe, S. 482–484. Gatz, Polen in Schlesien, in: Ders. (Hrsg.), Kirche und Muttersprache, S. 129–150, hier S. 133, sowie detaillierter zu den Konflikten der beiden Bischöfe: Dettmer, Die ost- und westpreußischen Verwaltungsbehörden im Kulturkampf, S. 62–70. Zu Radziwill (1842–1895) vgl. die Kap. Gnesen-Posen und Breslau in diesem Band.
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tätigen Schulräte Gustav Wanjura und Johann Kayser, der eine Priester des Bistums Breslau, der andere Priester des Bistums Paderborn. Favorit des Kultusministers war allerdings der Pfarrer von Marienburg und Ehrendomherr in Frauenburg Johannes Wien. Entgegen den staatlichen Beteuerungen, welche Wien gute Polnischkenntnisse zusprachen, verstand es Kardinalstaatssekretär Jacobini nachzuweisen, dass der Staatsfavorit über nur marginale Kenntnisse dieser Sprache verfügte, deren Beherrschung für einen künftigen Bischof von Kulm eine conditio sine qua non darstellte. Die von Jacobini im Gegenzug als potenzielle Koadjutoren bezeichneten Pfarrer Julian von Pobłocki (Kulm) und Johannes Trepnau (Neukirch) wurden im Umkehrschluss mit den Epitheta des Ultramontanen und zugleich Polen abqualifiziert. So blockierten sich Kirche und Staat in der Nachfolgediskussion einerseits gegenseitig, während andererseits noch gar kein akuter Handlungsbedarf vorherrschte, weil Bischof von der Marwitz noch eine Reihe von Jahren amtierte.
Bischofsernennung 1886 Als der Bischof am 29. März 1886 nach einem fast 30 Jahre dauernden Episkopat im hohen Alter von fast 91 Jahren starb, war die Problematik dann plötzlich sehr virulent geworden. Ähnlich wie für das Nachbarbistum Ermland geschehen, das ja beinahe zeitgleich vakant gewordne war, soll auch hier diese Bischofsstuhlbesetzung näher betrachtet werden, obwohl der Untersuchungszeitraum der Studie erst 1887 beginnt. Geschlagene vier Wochen, bis zum 29. April, brauchte das Domkapitel, um eine Wahlliste mit sechs Kandidaten aufzustellen, wobei mit Ausnahme des auf den dritten Platz gelangten früheren Feldpropstes der preußischen Armee, Bischof Franz Adolph Namszanowski, nur Kulmer Domherren zum Zuge kamen. Immerhin hatten die Domherren einen der Lieblingskandidaten des preußischen Kultusministers Goßler, Dompropst Wanjura, an die erste Position gesetzt, diesen allerdings nicht zum Kapitularvikar gewählt, sondern den Domkapitular Leo Redner mit dieser Aufgabe beauftragt.
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ustav Wanjura7, ein gebürtiger Oberschlesier, war in der staatlichen Schulaufsicht aufgestiegen. Seine Karriere im staatlichen Fahrwasser prädestinierte ihn in den Augen Goßlers für einen Bischofshut, zumal ihm als Oberschlesier per se eine Affinität zur polnischen Sprache nachgesagt wurde und ihm der Kultusminister deren ausreichende Kenntnisse bescheinigte8.
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Zu Wanjura (1827–1911) vgl. das Kapitel Gnesen-Posen in diesem Band. Vgl. Goßler an Bismarck v. 12.5.1886, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2n, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 8–13, hier S. 9.
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rminius von Bielicki9, Jahrgang 1833, Pfarrer in Mszano, seit 1883 Domkapitular in Pelplin, wurde in der staatlichen Charakterisierung aller preußischen Domherren 1890 wegen seiner polnischen Gesinnung negativ akzentuiert, wenngleich ihm eine herausragende Begabung zugesprochen wurde.
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ranz Adolph Namszanowski10 wurde 1820 in der westpreußischen Provinzhauptstadt Danzig als Sohn eines Barbiers geboren und hatte in Kulm das Abitur abgelegt. Weshalb er nach dem Theologiestudium in Breslau nicht in Pelplin, sondern im benachbarten Braunsberg in das Priesterseminar eintrat, ließ sich nicht eruieren. Jedenfalls wurde er 1846 in Frauenburg für das Bistum Ermland zum Priester geweiht. Nach Kaplansjahren hatte er als Pfarrer zunächst (ab 1854) in Groß Ramsau und seit 1861 als Propst in Königsberg gewirkt. 1866 war er zum Feldpropst der Preußischen Armee ernannt worden und hatte nach der kirchenrechtlichen Einrichtung des Militärbistums (Feldpropstei) zwei Jahre später in Frauenburg die Bischofsweihe (Titularbischof von Agathopolis) erhalten. Zu Beginn des Kulturkampfs war Bischof Namszanowski 1872 staatlicherseits suspendiert und im Folgejahr in den Ruhestand versetzt worden. Seither hatte er sich nach Oliva bei Danzig zurückgezogen. Der Kultusminister urteilte über Namszanowski weiterhin negativ. Dieser sei nicht nur „wegen Verletzung seiner militäramtlichen Pflichten […] einstweilen in den Ruhestand versetzt worden“11, sondern habe seither auch jeglichen Impetus, ein Bischofsamt auszufüllen, verloren.
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ulius von Pradzyński, Jahrgang 1818, 1844 in Pelplin zum Priester geweiht, hatte durch Zusatzstudien in Münster und Freiburg/Breisgau den lic. theol. erworben. Als Pfarrer in Neuenburg/Weichsel war er bereits bei der Bischofswahl von 1856 wegen nationalpolnischer Bestrebungen beanstandet worden. Diese Negativkennzeichnung wurde auch nach Jahrzehnten noch aufrecht erhalten, wenn es über den 1870 zum Domdechanten in Pelplin ernannten Geistlichen hieß, er sei „polnisch gesinnt, ohne agitatorisch hervorzutreten, im übrigen bedeutungslos“.12
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ohannes Trepnau13 war 1835 in Bobau bei Preußisch Stargard zur Welt gekommen. Er hatte das Gymnasium in Konitz absolviert und am Priesterseminar in Pelplin Theologie studiert, wo 1858 auch seine Priesterweihe stattfand. Nach verschiedenen Kaplanstellen wurde er 1869 Pfarrer und De9
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Zu Bielicki (1833–1905) vgl. Verzeichnis der Mitglieder der Metropolitan- und Domkapitel in Preußen (1890), in: PA AA, Preußen 2 2/1. Zu Namszanowski vgl. das Kap. Ermland in diesem Band. Goßler an Bismarck v. 12.5.1886, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2n, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 11. Charakterisierung aller preußischen Domkapitel v. Januar 1890, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2. Zu Trepnau (1835–1906) vgl. Piszcz, Trepnau, Johannes, in: Gatz, Bischöfe, S. 764.
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kan in Neukirch bei Pelplin, bevor er 1883 durch bischöfliche Nomination ein Kanonikat in Pelplin erlangte.
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nton Klingenberg14 war 1814 in Kulm als Sohn eines Gymnasialdirektors geboren und hatte in Konitz das Abitur abgelegt. Dem anschließenden Theologiestudium in Breslau folgte 1840 die Priesterweihe in Pelplin. Bereits wenige Jahre später avancierte der noch nicht 30 Jahre zählende Geistliche zum Pfarrer in Löbau, wurde bald darauf zugleich Dekan und 1858 von Bischof von der Marwitz auf ein Ehrenkanonikat berufen. Seit Anfang 1869 fungierte er als dessen Generalvikar. In der Kaiser Wilhelm I. vorgelegten Charakterisierung Goßlers wurde er als „intimster Berater“15 des verstorbenen Bischofs beschrieben. Negativ wurde Klingenberg zum einen vorgehalten, dass er zwar Sohn einer deutschen Protestantin sei, jedoch trotz seines deutschen Namens sich als Pole geriere. Zum anderen war sein propolnisches Engagement im Kontext der Revolution von 1848 sowie als Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses in den 1850er Jahren im Kultusministerium auch nach mehr als drei Jahrzehnten noch ein Dorn im Auge. Klingenberg war außerdem vier Jahre vorher als Koadjutor für den altersschwachen Bischof von der Marwitz abgelehnt worden. Noch einige Jahre später sollte Klingenberg in einem staatlichen Verzeichnis der Domherren als „durchaus unzuverlässig und polnisch gesinnt; dabei geschäftskundig und leistungsfähig“16 pauschal abqualifiziert werden. Das Urteil des Kultusministers Gustav Goßler stand sehr rasch fest. Mit dem Oberpräsidenten in Danzig, Ernst von Ernsthausen17, sei er der Meinung, dass lediglich der an erster Stelle vorgeschlagene Dompropst Wanjura als „Mann von zuverlässiger deutscher Gesinnung“ für den Kulmer Bischofsstuhl geeignet sei. Insbesondere Bielicki, Pradzynski und Trepnau wären aufgrund ihrer polnischen Nationalität vollkommen ungeeignet. Da aber bei Streichung von fünf der sechs Kandidaten keine Wahl mehr möglich sei, plädiere er dafür, die Ernennung Wanjuras direkt beim Heiligen Stuhl durchzusetzen. Nachdem das Staatsministerium dieser Ansicht zugestimmt hatte und Kaiser Wilhelm I. ebenfalls seinen Segen gegeben hatte18, wurde Schlözer mit der Aufnahme entsprechender Verhandlungen im Vatikan beauftragt. Das Päpstliche Staatssekretariat hingegen ließ nach Berlin mitteilen, dass Leo XIII. nicht zu ei14 15 16
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Zu Klingenberg (1814–1895) vgl. Piszcz, Klingenberg, in: Gatz, Bischöfe, S. 391. Goßler an Wilhelm I. v. 12.5.1886, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2n. Geheimes Verzeichnis der Mitglieder der Metropolitan- und Domkapitel in Preußen v. Januar 1890, in: PA AA, Preußen 2, Nr. 2. Zu v. Ernsthausen (1827–1894), Oberpräsident von Westpreußen 1879–1888, vgl. Neubach, Die Oberpräsidenten der Provinz Westpreußen, in: ZfO, Bd. 33 (1984) S. 415–424, hier S. 417f. Vgl. Allerhöchste Ordre v. 15.5.1886, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2n.
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ner Suspension des Kapitelswahlrechts bereit sei und im Übrigen Wanjura als unannehmbar empfinde.19 Kardinalstaatssekretär Jacobini versuchte die prekäre Situation zu retten. Angesichts des zu diesem Zeitpunkt vorherrschenden Entspannungskurses zwischen Staat und Kirche und des Abbaus der Kulturkampfgesetzgebung in Preußen mochte er aber ganz augenscheinlich auch nicht auf der Kapitelsliste beharren. Vielmehr fragte er Schlözer, „ob wir vielleicht geneigt sein würden, zwei neue Kandidaten konfidentiell hierher namhaft zu machen, welche wir als zuverlässig für den Kulmer Bischofsstuhl betrachten“20. Wie dringlich sich die Regierung dieses Vorschlags annahm, zeigt die Tatsache, dass bereits innerhalb weniger Tage Kultusminister Goßler dem preußischen Ministerpräsidenten von Bismarck zwei alternative Kandidaten für Kulm vorschlug.21 Dabei handelte es sich um den bereits als Vertreter des altersschwachen Bischofs von der Marwitz zur Teilnahme an der Fuldaer Bischofskonferenz delegierten Domkapitular und nunmehrigen Kapitularvikar Leo Redner, der „in katholischen Kreisen verdientes Ansehen“ genieße, sowie den Dekan Ludwig Lück, der als „ein Geistlicher von hervorragender Bildung, lebhaften Geistes und regen wissenschaftlichen Interesses“ apostrophiert wurde. Die Schwierigkeit lag nun ganz offensichtlich darin, die Domherren in Pelplin zur Erstellung einer Liste mit den Namen dieser beiden Geistlichen sowie des Dompropstes Wanjura zu bewegen. Wie von Schlözer nach Berlin berichtete, erwog der Heilige Stuhl zunächst verschiedene Möglichkeiten der Beeinflussung des Kapitels. Der Kultusminister schien dazu bereit zu sein, die ihm aus Rom gebotene Chance zu ergreifen. Zumindest informierte er Bismarck über die Lebensläufe Redners und Lücks. In Berlin war darauf nur bekannt geworden, dass der Kardinalstaatssekretär nach einer Möglichkeit suche, das Pelpliner Domkapitel entsprechend zu instruieren. Am 6. Juli 1886 ließ Schlözer dann den Reichskanzler wissen, dass die vatikanische Diplomatie eine Kehrtwendung gemacht und entschieden habe, die Besetzungsfrage doch zwischen Regierung und Vatikan zu klären. Hintergrund war offenbar der päpstliche Wunsch nach einer raschen und möglichst unkomplizierten Neubesetzung. Eine echte Wahl – wie gelegentlich behauptet22 – fand im Gegensatz zur Nachbardiözese Ermland 1886 in Pelplin auch deshalb nicht statt, weil die erheblichen öffentlichen Diskussionen im benachbarten Posen um die von der polnischen Mehrheit als Provokation aufgefasste Ernennung eines deutschen Erzbischofs dem entgegen standen. Dort war der Königsberger Propst Juli19
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Wanjura war bereits Regierungskandidat bei der Neubesetzung von Gnesen-Posen 1885/86 gewesen, aber vom Papst abgelehnt worden. Vgl. das Kap. Gnesen-Posen in diesem Band. Schlözer an Bismarck v. 20.5.1886, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2n, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 15f., hier S. 16. Goßler an Bismarck v. 29.5.1886, ebd., S. 16f. Hier auch die folg. Zit. Gatz, Kirchliche Personalpolitik und Nationalitätenprobleme im Wilhelminischen Deutschland, in: AHP, Bd. 18 (1980), S. 353–381, hier S. 359.
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us Dinder am 8. Juni inthronisiert worden. Zwar war Dinder ebenso unter Umgehung der Domherrenschaft in Übereinkommen des Vatikans und der Staatsregierung bestimmt worden, jedoch befürchtete Leo XIII., dass in Pelplin die polnischen Domkapitulare die Wahl stören und damit die Wiederbesetzung in die Länge ziehen könnten. Obwohl die Domherren am 4. Juni mit der Wahl Redners zum Kapitularvikar schon ein deutliches Zeichen in die von Kurie und Regierung gewünschte Richtung gesetzt hatten, gab es polnischerseits eben auch Kritik an diesem Favoriten der preußischen Regierung.23 Dies zeigte nicht zuletzt die Reise des dem Preußischen Abgeordnetenhaus angehörenden Domkapitulars Anton Neubauer24 nach Rom. Neubauer, der „trotz seines deutschen Familiennamens […] ein eifriger Agitator für die polnischen Belange in Westpreußen“25 war, versuchte dort – nicht zuletzt über den polnischen Kurienkardinal Wladimir Graf Czacki – gegen die Ernennung Redners zu intrigieren.26 Wesentliches Argument Neubauers war, dass Redner der polnischen Sprache nicht mächtig sei. Tatsächlich hatte der 1828 in Neuenburg/Weichsel als Sohn eines Lehrers und seiner evangelischen Frau geborene Leo Redner27 mehr als 20 Jahre in der nahezu rein deutschsprachigen westpreußischen Provinzhauptstadt Danzig als Pfarrer, Gymnasiallehrer und zugleich Redakteur eines deutschsprachigen Kirchenblattes gewirkt. Sein Vater hatte den Nachnamen eingedeutscht. Nach dem in Kulm abgelegten Abitur studierte er in Breslau und Pelplin Theologie. Noch bevor er 1853 dort die Priesterweihe erhielt, erlangte Redner in Breslau den Grad eines Lizentiaten der Theologie28. Nach Jahren als Religionslehrer in Konitz wirkte Redner ab 1860 als Pfarrer an der Königlichen Kapelle in Danzig. In dieser Zeit verlieh ihm die Katholisch-Theologische Fakultät in Freiburg/Breisgau 1861 den theologischen Doktorgrad29. Im Rahmen der kirchlicherseits vorgeschlagenen, von der Regierung dann realisierten Neubesetzung der im Kulturkampf vakant gewordenen Domherrenstellen durch den Monarchen wurde Leo Redner 1882 in das Pelpliner Kapitel aufgenommen. 23 24
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Goßler an Bismarck v. 23.7.1886, in: PA AA, Preußen 2 Nr. 2n. Zu Neubauer (1842–1915), geboren in Liebenau bei Pelplin, lic. theol., Professor und Spiritual am Priesterseminar in Pelplin sowie seit 1882 Domkapitular, 1886–1903 MdA, 1898–1903 MdR (Polenpartei), vgl. Neubach, Polnische Geistliche im Deutschen Reichstag 1871–1918, hier S. 275 f.; Schwarz, MdR, S. 412; Mann, Biographisches Handbuch für das Preußische Abgeordnetenhaus, S. 282. Neubach, Polnische Geistliche im Deutschen Reichstag, S. 275. Schlözer an Bismarck vom 28.7.1886, in: PA AA, Preußen 2 Nr. 2n. Zu Redner (1828–1898) vgl. Piszcz, Redner, in: Gatz, Bischöfe, S. 601f; Wolf-Dahm, Redner, in: BBKL, Bd. 7 (1994), Sp. 1464–1467. Und zwar am 6.8.1852 mit der Arbeit „De purgatorio“. Vgl. Nikel, Die katholisch-theologische Fakultät [Breslau], S. 162. Vgl. Müller, Fünfhundert Jahre Theologische Promotion an der Universität Freiburg i. Br., S. 99.
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Nachdem der Vorwurf Neubauers aber sowohl in der Kurie als auch bei den Regierungsbehörden dahingehend entkräftet werden konnte, dass der Favorit für das Bischofsamt „wenn auch nicht geläufig, doch hinlänglich das Polnische spreche“30, stand der am 19. November 1886 vollzogenen päpstlichen Ernennung von Leo Redner nichts mehr im Wege. Die Bischofsweihe erhielt er aus den Händen des Metropoliten Julius Dinder am 9. Januar 1887 in Pelplin. Der neue Oberhirte des Bistums Kulm erfreute sich im Übrigen so sehr der staatlichen Gunst, dass es der Oberpräsident von Posen 1890 „für einen großen Gewinn erachten [wollte], wenn Bischof Redner hierher versetzt werden könnte“31. Somit war an die Stelle des zwar deutschen, aber aus Regierungssicht der Polenfrage gegenüber allzu offenen Bischofs von der Marwitz in Pelplin ein genehmer Oberhirte getreten, wie ihn Kultusminister Goßler im Vorfeld dringend gefordert hatte.32
Bischofswahl 1898 Lässt sich die große Vorsicht im gegenseitigen Umgang von staatlichen und kirchlichen Behörden bei der Bischofsernennung von 1886 mit der zu diesem Zeitpunkt im Abbau befindlichen Kulturkampfgesetzgebung begründen, so stellte die Neubesetzung des Bischofsstuhles 1898, also elf Jahre nach dem zweiten Friedensgesetz, das Staat-Kirche–Verhältnis vor neue Herausforderungen. Nachdem Bischof Leo Redner am 1. April im Alter von 70 Jahren verstorben war, wählte das Domkapitel nach einer Woche den bisherigen Generalvikar Klemens Lüdtke zum Kapitularvikar und reichte am 3. Mai eine Liste für die Nachfolge ein. Sie umfasste wie schon 1886 sechs Positionen und enthielt an erster Stelle den bereits zwölf Jahre zuvor durchgefallenen Domherrn Arminius von Bielicki, darüber hinaus aber lediglich bisher noch nicht auf die Liste gelangte Geistliche. Wie schon der Oberpräsident von Westpreußen, Gustav Goßler, erklärte auch das Kultusministerium den Kapitularvikar Lüdtke zum Favoriten, da „seine Gesinnung … deutsch und zuverlässig, sein Charakter ein hochachtbarer“33 sei. Klemens Martin Lüdtke34 wurde 1841 in Klein Nakel (Nakielni) bei Deutsch 30 31
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So Schlözer an Bismarck v. 30.7. bzw. 1./2.8.1886, in PA AA Preußen 2, Nr. 2n. Zedlitz-Trützschler an Goßler v. 1.6.1890, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h. Die Kandidatur Redners für Gnesen-Posen zerschlug sich später. Vgl. auch das Kap. Gnesen-Posen in diesem Band. Vgl. die noch zu Lebzeiten des Bischofs von der Marwitz erstellte Denkschrift Goßlers vom 23.5.1885, in: Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, Nr. 1, S. 1–7. Von der Recke an Wilhelm II. v. 21.6.1898, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2n, zit. nach Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 170–174, hier S. 171. Zu Lüdtke (1841–1909) vgl. Piszcz, Lüdtke, in: Gatz, Bischöfe, S. 461.
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Krone geboren, schloss in Deutsch Krone das Gymnasium mit dem Abitur ab, studierte in Pelplin und Münster, wo er 1865 auch das theologische Lizentiat erwarb35, und erhielt im selben Jahr die Priesterweihe. Als Religions- und Oberlehrer am Gymnasium in Konitz verlieh ihm die Katholisch-Theologische Fakultät in Münster 1874 den Ehrendoktor36. 1886 durch königliche Nomination zum Domherren avanciert und kurze Zeit danach von Bischof Redner zu seinem Generalvikar bestellt, hatte Lüdtke es verstanden, das Vertrauen der Regierungsstellen über Jahrzehnte hinweg zu erhalten. Von den übrigen Kandidaten wurde dort lediglich dem Feldpropst der Preußischen Armee, Bischof Johann Baptist Assmann37, „eine loyale und friedliebende Haltung“ bescheinigt. Zur Streichung wurden dem Monarchen dagegen am 21. Juni der immer noch „zweifellos“ als „ein ganz entschiedener Anhänger des Polentums“ charakterisierte Pelpliner Domkapitular Arminius von Bielicki – er war ja 1886 bereits minder genehm gewesen – sowie der zwar durch königliche Ordre in das Posener Domkapitel gelangte, jedoch schon 1890 als „schwach nach Charakter und Bildung“ bezeichnete nachmalige Posener Weihbischof Paul Jedzink38 empfohlen. Der aus der ermländischen Hochschulstadt Braunsberg stemmende Jedzink, Jahrgang 1851, hatte als Pfarrer in Hohenstein auf die staatlich geförderte Germanisierung gesetzt und war daher als Kandidat des Monarchen Domherr und schließlich zugleich Regens in Posen geworden. Zu den weiterhin nominierten Pfarrgeistlichen Tretowski und Konitzer, der Anfang der 1860er Jahre Militärpfarrer in Posen gewesen war39, hieß es in der Entscheidungsvorlage für Wilhelm II., der eine sei „Mitglied des polnischen Kreiswahlkomitees und eifriger Besucher der polnischen Wahlversammlungen“, der andere habe sich politisch nicht hervorgewagt und sei in Verwaltungsfragen überdies „äußerst saumselig“. Nachdem Wilhelm II. am 23. Juni dem Vorschlag des Kultusministers gefolgt war und die Liste lediglich mit den Namen Lüdtke und Assmann nach Pelplin zurückgeschickt hatte, wandte sich Domdechant Trepnau im Auftrag des Kapitels an das Päpstliche Staatssekretariat und bat um Anweisungen.40 Obgleich das Kapitel sehr bald nach dem Tode Redners die Liste erstellt habe, sei diese zum einen erst wenige Tage vor Ablauf der im Breve „Quod de fidelium“ von 1821 festgelegten Dreimonatsfrist für die Neuwahl eines Bischofs 35
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Vgl. Hegel, Geschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster, Bd. 2, S. 158. Das Thema der Lizentiatsarbeit lautete „De hominis natura et scientia naturali, praecipue secundum S. Augustinum et S. Thomam“. Vgl. ebd., S. 207. Zu Assmann vgl. v.a. das Kap. Ermland in diesem Band. Zu Jedzink vgl. das Kap. Gnesen-Posen in diesem Band. Vgl. Brandt/Häger, Biographisches Lexikon der Katholischen Militärseelsorge Deutschlands, S. 422. Nähere biographische Angaben waren nicht zu ermitteln. Vgl. Trepnau an Staatssekretariat v. 27.6.1898, in: ASV AES Germania, pos. 1479, fasc. 786.
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aus Berlin zurückgekommen. Zum anderen enthalte diese nur noch zwei Namen, was dem seit den 1840er Jahren befolgten sog. Irischen Wahlmodus widerspreche, demgemäß die Liste wenigstens drei Namen enthalten müsse. Auf dieser Praxis habe die Kurie im Übrigen anlässlich der Kölner Erzbischofswahl 1865 eindeutig bestanden.41 Ganz offensichtlich hat für diese Demarche auch eine Rolle gespielt, dass „die polnische Partei des Domkapitels unter der Hand – […] gegen Herrn Assmann eifrig Stimmung“42 machte, wie sich in der Folge herausstellte. Aus dem Staatssekretariat wurde nun der Apostolische Nuntius in Bayern, Benedetto Lorenzelli, gebeten, „opportuni informazioni sul merito die due candidati in discorso“43 zu liefern und Lösungsvorschläge für den Fall zu unterbreiten. Lorenzelli informierte daraufhin die Kurie zunächst ausführlicher über die sechs ursprünglich auf der Liste befi ndlichen Kandidaten, rechtfertigte deren teilweise polnische Gesinnung mit den Mehrheitsverhältnissen in der Diözese Kulm, die eine halbe Million polnischer Katholiken, aber nur 150.000 deutsche Katholiken zähle, und hob hervor, dass insbesondere Oberpräsident Goßler die starke Reduzierung der Liste zuzuschreiben sei.44 Der Münchner Nuntius stellte zwar dem Heiligen Stuhl anheim, das Kapitel aus den zwei übrig gebliebenen Kandidaten wählen zu lassen, bevorzugte aber zwei andere Lösungen. Entweder sei wie 1886 ein neuer Bischof auf direktem Verhandlungswege zwischen Berlin und Rom zu bestellen. Für diesen Fall lenkte Lorenzelli das Augenmerk auf den ermländischen Generalvikar Augustin Kolberg 45, der „persona grata“ bei Goßler sei. Oder aber es sei alternativ eine zweite Liste einzureichen, die mehrere der Regierung genehme Namen enthalte. Mit der staatlichen Genehmheit Kolbergs war es jedoch eine Sache für sich. Der bereits 63-jährige, aus Tolkemit gebürtige Geistliche hatte nach Kaplansjahren in seiner Heimatdiözese nicht nur durch ein kirchenrechtliches Promotionsstudium in Rom einen ultramontanen Einschlag erhalten, er hatte sich während des Kulturkampfs politisch exponiert, ja als Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses sowie des Reichstags46 und als Vor41
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Trepnau bezog sich hier auf ein Schreiben des Nuntius in München an das Kölner Metropolitankapitel v. 26.9.1865. Vgl. dazu Trippen, Das Domkapitel und die Erzbischofswahlen in Köln, S. 234f. So Preußische Gesandtschaft in Rom an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 29.7.1898, in: Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 177f., hier S. 178, mit Bezug auf einen Informanten, wahrscheinlich de Montel. Staatssekretariat an Nuntius v. 9.7.1898, in: ASV AES Germania, pos. 1479, fasc. 786. Vgl. Nuntius an Staatssekretariat. ohne Datum, ebd. Zu Kolberg (1835–1909), Dr. iur. can., der 1890 allerdings als „klug und gewandt, aber wohl ganz ultramontan“ bezeichnet worden war, vgl. Poschmann, Kolberg, in: Gatz, Bischöfe, S. 398f.; Kopiczko, Duchowieństwo, S. 140; Kolberg, Kolberg, in: ZGAE, Bd. 17 (1910), S. 464–477. Kolberg war 1877–1885 MdA u. 1881–1884 MdR. Vgl. Mann, Biographisches Handbuch
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kämpfer des katholischen Vereinswesens einen Namen gemacht. Folglich war er auch durch bischöfl iche Nomination überhaupt ins Domkapitel gelangt. Vom 15. Juli 1898 datiert eine Eingabe des Kurienkardinals Andreas Steinhuber47, eines Jesuiten, der lange Jahre Rektor des Collegium Germanicum in Rom gewesen war. Steinhuber hatte von einem Germaniker, der Kulmer Diözesanpriester war und nunmehr als Pfarrer in Danzig wirkte, den Vorschlag erhalten, der Vatikan möge sich für die Ernennung des Pelpliner Regens Augustinus Rosentreter zum Bischof von Kulm einsetzen. Diese Empfehlung, der sich der Kurienkardinal anschloss, korrespondierte mit dem Wunsch des Oberpräsidenten Goßler, der seinerseits ebenfalls Rosentreter ins Gespräch brachte. Jedenfalls geht dies aus einem bereits vom 9. Juli datierenden Schreiben des Kultusministers Bosse an den Reichskanzler und preußischen Ministerpräsidenten Hohenlohe-Schillingsfürst hervor.48 Inwieweit beide Vorschläge angesprochen waren, um Regierung und Kurie parallel auf Rosentreter einzustimmen, muss Spekulation bleiben. Interessant ist jedoch, dass der Pelpliner Regens noch von einer dritten Seite favorisiert wurde, und zwar von dem Metropoliten Florian von Stablewski.49 Dieser bezeichnete zugleich die beiden staatlich akzeptierten Kandidaten Assmann und Lüdtke als schwache Charaktere. Inzwischen machte sich Kultusminister Bosse nachhaltig für Lüdtke stark, den er als „einen für die Königliche Staatsregierung nach allen Richtungen hin genehmen Kandidaten“50 empfahl. Darüber hinaus wies er gegenüber dem Ministerpräsidenten die Vorwürfe des Domkapitels strikt zurück. Weder die Dreimonatsfrist der Wahl noch die Bedingung einer Terna seien schriftlich mit der Kurie vereinbart. Da die Bistumsgeschäfte bei Kapitularvikar Lüdtke in den besten Händen seien, empfahl er in der Diskussion nicht nachzugeben, sondern diesen staatlichen Standpunkt nachhaltig zu vertreten. Rückhalt erhielt Bosse auch durch den staatsloyalen Breslauer Fürstbischof Georg Kardinal Kopp, der in „Lüdtke den einzigen zuverlässigen Anwärter“51 sah und gegen Rosentreter und alle übrigen Personalvorschläge opponierte.
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für das Preußische Abgeordnetenhaus, S. 225; u. Haunfelder, Reichstagsabgeordnete der Deutschen Zentrumspartei, S. 194. Steinhuber an Staatssekretariat v. 15.7.1898, in: ASV AES, Germania, pos. 1479, fasc. 786. Steinhuber (1825–1907) war 1867–1890 Rektor des Collegium Germanicum und seit 1894 Kurienkardinal. Vgl. Schneider, Steinhuber, in: LThK2, Bd. 9 (1964), Sp. 1034. Vgl. Bosse an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 9.7.1898, in: Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, Nr. 93, S. 174–176, hier S. 175. Vgl. Stablewski an Nuntius v. 22.7.1898, in: ASV AES Germania, pos. 1479, fasc. 786. Zu Stablewski vgl. das Kap. Gnesen-Posen in diesem Band. Bosse an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 9.7.1898, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2n. So Preußische Gesandtschaft an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 25.7.1898, ebd., hier zit. nach Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 177.
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Nuntius Lorenzelli hingegen zeigte sich gegenüber Kardinalstaatssekretär Mariano Rampolla davon überzeugt, dass es am günstigsten sei, an der Terna festzuhalten und mit der Regierung über die Möglichkeit einer zweiten Liste zu verhandeln.52 Sollte die Personalentscheidung unter Umgehung des Pelpliner Kapitels fallen oder dieses zwischen Lüdtke und Assmann wählen müssen, sei bloß den Germanisierungsbestrebungen Preußens Raum gegeben, und der Heilige Stuhl stünde zudem bei der polnischen Mehrheit des Klerus und der Gläubigen im Bistum Kulm im Ruf einer antipolnischen Haltung. Wichtig erschien dem Nuntius zudem, dass ihm die neue Liste zum gleichen Zeitpunkt wie der Regierung zugänglich gemacht werde und er nicht – wie bei verschiedenen zurückliegenden Neubesetzungen der Fall – erst aus der Presse von der erfolgten Wahl erfahre. Die katholische Presse hatte mittlerweile die Kulmer Angelegenheit breit thematisiert und den Vorwurf „ministerieller Bevormundungspolitik und kleinlich-geheimrätlicher Behandlung“53 erhoben. Mit beißender Ironie wurde hier die zweite Kulmer Liste kritisiert. Die Personalakten der Kandidaten würden „aufs Sorgfältigste studiert, vielleicht sogar bis zu den Schutzmanns-Berichten aus den Kaplansjahren des Kandidaten, nicht selten machen auch ganz unberufene Staatsretter ihre Meinung gegen einen oder mehrere Kandidaten geltend“. Der katholischen Leserschaft wurde also klar vor Augen gestellt, dass das gesamte Listenstreichungsverfahren doch eigentlich eine reine Schikane und von Willkür sowie Zufälligkeiten abhängig sei. Nachdem Rampolla den Nuntius angewiesen hatte, das Domkapitel um Erstellung einer zweiten Liste zu ersuchen und gleichzeitig bei der Regierung auszukundschaften, ob Rosentreter dort persona grata sei, unternahm dieser eine „démarche confidentielle et amicale“ beim preußischen Gesandten in München, Anton Graf von Monts.54 Diesen ungewöhnlichen diplomatischen Weg habe Lorenzelli gewählt, „um ganz unauffällig zu einer Verständigung mit uns zu gelangen“, wie Monts dem preußischen Ministerpräsidenten nach Berlin schrieb. Widerwillig stimmte nun auch der Kultusminister der neuen Liste sowie der Kandidatur Rosentreters zu, unterließ aber nicht die Bemerkung, dass dieses Vorgehen nicht zum Präzedenzfall werden dürfe.55 Auf dieser zweiten Liste fanden sich neben Rosentreter und den beiden auf der ersten Liste unbeanstandet gebliebenen Kandidaten Lüdtke und Assmann sowohl zwei schlesische Priester, der Breslauer Generalvikar Dr. Fer-
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Vgl. Nuntius an Staatssekretariat v. 24.7.1898, in: ASV AES Germania, pos. 1479, fasc. 786. Kölnische Volkszeitung v. 25.9.1898. Hier auch das folg. Zit. Vgl. Monts an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 1.8.1898, in: Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 178f. Hier auch das folgende Zitat. Bosse an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 10.8.1898, ebd., S. 179f.
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dinand Speil56 und der spätere Breslauer Weihbischof Heinrich Marx57, als auch der ermländische Domherr Eduard Herrmann58.
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ugustinus Rosentreter59 war 1844 als Sohn einer Landwirtsfamilie in Abrau bei Konitz geboren worden. Nach dem Abitur in Konitz wählte er den Weg in das Pelpliner Priesterseminar, den nach ihm auch noch zwei seiner Brüder gehen sollten. Wie bei den Kulmer Theologen seinerzeit üblich, verbrachte Rosentreter auch einige Semester in Bonn und in Münster, wo er 1869 das Lizentiat der Theologie erwarb60. 1870 erhielt er in Pelplin die Priesterweihe und wurde – auch ohne Promotion – bald Professor für Exegese am Pelpliner Priesterseminar. Dessen Schließung im Kulturkampf nutzte Rosentreter zu ausgedehnten Reisen nach Rom und ins Heilige Land. Seine weitere Karriere gewann erst Auftrieb, als er 1885 zunächst Leiter des katholischen Lehrerseminars in Berent und zwei Jahre darauf schließlich wiederum Professor am nunmehr neu eröffneten Priesterseminar, gleichzeitig aber auch Regens wurde. Den theologischen Doktorgrad erlangte Augustinus Rosentreter jedoch nur ehrenhalber, und zwar anlässlich seines silbernen Dozentenjubiläums im März 1896 in Münster61. Kultusminister Bosse wirkte auf Wilhelm II. ein, alle Kandidaten mit Ausnahme Herrmanns zu „personae gratae“ zu erklären, was am 9. November 1898 geschah.62 Dass diese Liste vor dem Hintergrund des übereinstimmenden Eintretens von Staat und Kirche für Regens Rosentreter aber nur Kosmetik war, zeigt die Tatsache, dass Feldpropst Assmann sowie die beiden Breslauer Domherren keine Stimme erhielten. Wenn von den 14 Stimmberechtigten im Kapitel bei der Wahl am 22. Dezember 1898 neun für Rosentreter und fünf für Lüdtke votierten, so war letzterer wohl nur deshalb nicht leer ausgegangen, um ihm „Anerkennung auszudrücken“63, wie der Oberpräsident vermutete. Der – ja besonders staatsloyal gesinnte – Dompropst habe ihm vertraulich zu verstehen gegeben, dass „materiell betrachtet – die Wahl des Dr. Rosentreter einstimmig erfolgt sei“. Zudem seien designierter Bischof und früherer Gene56
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Zu Speil (1835–1907), 1892 Domkapitular, 1895–1905 zugleich Generalvikar, der Deutsch und Polnisch sprach, vgl. Samulski, Speil, in: Gatz, Bischöfe, S. 715f. Zu Marx (1835–1911) vgl. das Kap. Breslau in diesem Band. Zu Herrmann (1836–1916) vgl. das Kap. Ermland in diesem Band. Zu Rosentreter vgl. Wolf-Dahm, Rosentreter, in: BBKL, Bd. 8 (1994), Sp. 695–698; Piszcz, Rosentreter, in: Gatz, Bischöfe, S. 630–632. Der Titel der Lizentiatsarbeit lautete „De tribus versibus primis cap. undecimi S. Pauli ad Hebraeos“. Vgl. Hegel, Geschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster, Bd. 2, S. 160. Vgl. ebd., S. 209. Vgl. Wilhelm II. an Bosse v. 9.11.1898, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2m. Goßler an Bosse v. 23.12.1898, in: Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, Nr. 98, S. 80–182, hier S. 181. Hier auch das folgende Zitat.
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ralvikar eng befreundet, so dass für ein friedliches Miteinander in der künftigen Bistumsspitze gesorgt sei. Einen Präzedenzfall für die Staat-Kirche-Beziehungen lieferte die Ernennung von Augustinus Rosentreter zum Bischof noch in anderer Hinsicht. Als der neue Bischof, die durch seine Nomination vakant gewordene Domherrenstelle im Pelpliner Kapitel neu besetzen wollte, weil sie seiner Ansicht nach in einem ungeraden, also päpstlichen Monat frei geworden war, erntete er staatliche Gegenwehr. Die Auffassungen schieden sich darin, ob das Datum der Nomination oder der Inthronisation als Stichdatum gelten sollte. Staatlicherseits wurde festgestellt, dass seit 1882 die Aushändigung der königlichen Ernennungsurkunde als Stichtag angesehen wurde64. Verhandlungen mit der Kurie führten zu dem beiderseits akzeptierten Kompromiss, dass in allen Fällen, in denen ein residierender Domherr zum Bischof gewählt wurde, alternierend Staat und Bischof das Neubesetzungsrecht von dessen Kapitelsitz wahrnehmen sollten65.
Weihbischofsernennungen In der Diözese Kulm hatte es stets auch einen Weihbischof gegeben. Nach dem Tod von Georg Jeschke66 1881 blieb diese Position nicht zuletzt wegen der damals aktuellen Diskussionen um die Bestellung eines Koadjutors vakant. Als Bischof Redner 1886 den Domkapitular Johannes Trepnau als Weihbischof erbeten hatte, war er am hartnäckigen Widerstand der Staatsregierung gescheitert. Zuvor war Trepnau ja im Übrigen auch als Kapitelskandidat auf der Wahlliste beanstandet worden. Anlässlich der Charakterisierung aller preußischen Domherren 1890 hatte er ein zwar negatives, aber durchaus ambivalentes Urteil erhalten, indem seine Begabung wie auch sein Auftreten positiv goutiert, seine ultramontane Gesinnung gepaart mit polnischer Gesinnung jedoch kritisiert wurde67. Knapp zwei Jahrzehnte später, am 22. September 1905, teilte die preußische Gesandtschaft beim Heiligen Stuhl dem Minister des Auswärtigen mit, Papst Pius X. habe kürzlich dem Wunsch Rosentreters entsprochen und Trepnau zum Weihbischof in Kulm ernannt.68 Das entsprach zwar nicht ganz den Tatsachen, weil Trepnau erst am 3. Oktober 1905 die päpstliche Ernennung zum Titularbischof von Flavias und 64
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Vgl. Kultusministerium an Auswärtiges Amt v. 25.4.1905, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 5101, 21795. Vgl. Auswärtiges Amt und Kultusministerium an Wilhelm II. v. 2.7.1904, ebd. Zu Jeschke (1808–1881), seit 1856 Weihbischof, vgl. Piszcz, Jeschke, in: Gatz, Bischöfe, S. 351. Vgl. Charakterisierung aller preußischen Domherren v. 1890, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2. Preußische Gesandtschaft an Minister der Auswärtigen Angelegenheiten v. 22.9.1905, PA AA, Preußen 2 Nr. 2n.
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Weihbischof in Kulm erhielt. In der Gesandtschaft zeigte man sich dennoch konsterniert, da dieser Vorgang erst nachträglich durch den Unterstaatssekretär Monsignore Giacomo della Chiesa, den späteren Papst Benedikt XV., mitgeteilt worden war und erkundigte sich im Ministerium, ob die Kurie nicht an das Versprechen einer vorherigen Anfrage zu erinnern sei. Erst im November 1905 informierte Kultusminister Studt den Gesandten darüber, dass der Kulmer Bischof im Vorfeld der Ernennung Trepnaus den Oberpräsidenten in Danzig benachrichtigt habe69, die Regierung also informiert gewesen sei und dem Vorschlag Rosentreters nichts entgegengesetzt habe. Der Kulmer Bischof habe in Trepnau einen Weihbischof mit starkem Rückhalt bei der mehrheitlich polnischen Bevölkerung des Bistums gesucht und gefunden, der zugleich einen moderaten Kurs gegenüber der Regierung fahre. Zwar sei ihm bewusst – so der Kultusminister –, dass der designierte Weihbischof nicht „persona grata“ sei, da sein deutscher Name darüber hinwegtäusche, dass die deutschen Vorfahren Trepnaus mehrfach polnische Frauen geheiratet hätten und er selbst sein Studium teilweise dem „Verein zur Unterstützung der polnisch lernenden Jugend“ zu verdanken habe. Aber angesichts des Fehlens geeigneterer Kandidaten müsse er die Ansicht des Oberpräsidenten bekräftigen, dass „gegenwärtig eine für den Staat günstigere Wahl als die Trepnaus nicht wohl möglich war“. Außerdem habe sich Bischof Rosentreter ganz gemäß den Gesetzen verhalten. Schließlich sei schlicht und einfach momentan kein besserer Kandidat vorhanden. Offensichtlich um diese Ansicht zu unterstreichen, nahm Studt eine Charakterisierung aller Kulmer Domherren vor, da für die Aufgabe eines Weihbischofs in erster Linie Mitglieder des Domkapitels in Frage kämen. Der Dompropst Stangert könne „bei seiner körperlichen Beschaffenheit und seinem Alter eine nutzbringende Wirksamkeit kaum mehr entfalten“, der an sich geeignete Generalvikar Lüdtke sowie der Regens des Priesterseminars Schwanitz hätten schon genügend Aufgaben, Domkapitular von der Marwitz sei krank und zudem zu polenfreundlich, während Domherr Neubauer gar als „ein entschiedener und tatkräftiger Anhänger der polnischen Partei“ gelte. Somit sei nur noch Trepnau übrig geblieben, zumal zwei weitere Domherren bereits im Greisenalter standen und eine Stelle zu diesem Zeitpunkt nicht besetzt war. Die seitenlange Rechtfertigung des Kultusministers führt seine grundsätzliche Unzufriedenheit mit der Entscheidung vor Augen, für die offenbar nur die Tatsache sprach, dass der neue Kulmer Weihbischof sich über Jahre hinweg nicht mehr als Förderer der polnischen Aktivitäten aus dem Fenster gelehnt hatte.
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Vgl. Studt an preußische Gesandtschaft in Rom v. 11.11.1905, ebd. Hier auch die folg. Zit.
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Da Weihbischof Trepnau bereits ein halbes Jahr nach der Weihe im Alter von 71 Jahren verstarb, präsentierte Bischof Rosentreter bald darauf den als Germaniker während des Kulturkampfes in Rom zum Priester geweihten Jakob Klunder 70 als neuen Weihbischof, dessen Bestellung allerdings keine Verwirrungen im Staat-Kirche-Verhältnis nach sich zog. Möglicherweise spielte dabei auch eine Rolle, , dass der 1849 in Kóslinka bei Tuchel geborene Klunder nach seiner Priesterweihe 1876 acht Jahre lang in der bayerischen Diözese Augsburg gewirkt hatte, dadurch also stärker deutsch sozialisiert worden war, ehe er in sein Heimatbistum zurückkehren konnte.
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Zu Klunder, geb. 1849 in Kóslinka bei Tuchel, geweiht 1876 in Rom, 1889 Pfarrer in Thorn St. Marien, 1905 Domkapitular in Pelplin, 1907 Weihbischof, gest. 1927, vgl. Piszcz, Klunder, in: Gatz, Bischöfe, S. 392. Bei Schmidt, Das Collegium Germanicum und die Germaniker, sucht man ihn freilich umsonst.
PREUSSISCHE FELDPROPSTEI
I
n einer Darstellung und Analyse der Bischofswahlen im Deutschen Reich darf auch eine Position nicht fehlen, die zum einen auf den ersten Blick gar nicht als bischöflicher Natur erkennbar ist, zum anderen keinem regionalen Territorialprinzip folgt. Gemeint ist das Amt des hauptamtlichen Feldpropstes der preußischen Armee, der bistumsübergreifend für ganz Preußen und später auch darüber hinaus für die sogenannte kategoriale Seelsorge an den Soldaten und ihren Familien zuständig war. Nach einem Provisorium, während dessen seit 1849 die (Erz)bischöfe von Breslau bzw. Köln in Personalunion das Amt des preußischen Armeebischofs übernommen hatten, dem der jeweilige Feldpropst untergeordnet war1, wurde die Feldpropstei nach Verhandlungen Preußens mit dem Heiligen Stuhl durch das päpstliche Breve „In hac beatissimi“ vom 22. Mai 1868 verselbständigt2. Damals gestand die Kurie der preußischen Regierung offiziell zu, dass die Ernennung des Feldpropstes entsprechend der Besetzung der Dompropst-Stellen in den preußischen Kapiteln erfolgen sollte. Das heißt, gemäß dem Vorschlag des Monarchen teilte die preußische Gesandtschaft beim Heiligen Stuhl der Kurie den Namen eines staatlich forcierten Kandidaten für dieses Amt zunächst mündlich mit. Die Kurie prüfte darauf, ob der Vorgeschlagene die kirchenrechtlichen Voraussetzungen besitze. Wenn ja, zeigte der Gesandte den Namen des Kandidaten nunmehr schriftlich beim Kardinalstaatssekretär an, der sein Plazet gab. Bevor dem Kandidaten dann die staatliche Ernennungsurkunde ausgestellt wurde, hatte der Papst diesem die Würde eines Titularbischofs eines Bistums „in partibus infidelium“ zu verleihen. Dieses Ernennungsprocedere verdeutlicht bereits den in ihm enthaltenen Konfliktstoff zwischen Staat und katholischer Kirche. Einerseits erscheint es im ersten Augenblick legitim, wenn die preußische Regierung in einem so intimen, weil für die Verteidigung des Staates konstitutiven Bereich wie der Militärseelsorge ein alleiniges Vorschlagsrecht beanspruchte. Andererseits hatte bereits der Mainzer Bischof Wilhelm Emmanuel Freiherr von Ketteler (1811– 1877) im Kontext der Diskussionen um die Errichtung der Feldpropstei kritisch angemerkt, dass alle Kandidaten für dieses Amt automatisch „bevorzugte personae gratae des Staates“3 seien. Der Kulturkampf sollte schließlich ekla1
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Vgl. Vogt, Religion im Militär, S. 86–96, der im Übrigen einen guten Einblick in die Militärseelsorge im Kaiserreich insgesamt bietet. Der Titel katholischer Feldpropst taucht erstmals für den das preußische Herr im Bayerischen Erbfolgekrieg 1778/79 begleitenden kath. Geistlichen auf. Vgl. Freisen, Das Militär-Kirchenrecht, S. 286. Vgl. zu den Verhandlungen Pohl, Die katholische Militärseelsorge, S. 212–239. Das Breve ist abgedruckt, ebd., S. 229–235. Zum grundsätzlichen Ernennungsprocedere vgl. auch Vogt, Religion im Militär, S. 91f. So die Formulierung von Vogt, Religion im Militär, S. 95.
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tant dazu beitragen, dass sich für die Militärseelsorge nahezu ausschließlich staatsloyale Geistliche meldeten und sich die Befürchtung Kettelers nicht nur bewahrheitete, sondern auch dahingehend verschärfte, dass die Vorbehalte im deutschen Episkopat und Klerus gegenüber der Militärseelsorge zunahmen. Nachdem sich aber der erste selbständige Feldpropst Bischof Franz Adolf Namszanowski4 im Kulturkampf staatlichen Avancen nicht gebeugt hatte, indem er in scharfer Form die weitere Abhaltung des katholischen Militärgottesdienstes in der Simultankirche St. Pantaleon in Köln untersagt hatte, weil diese auch von den Altkatholiken genutzt wurde und zudem die Amtsenthebung gegen einen Militärpfarrer verfügte, der sich dem Unfehlbarkeitsdogma nicht unterwerfen wollte, enthoben ihn Kultusminister Falk und Kriegsminister Roon im Mai 1872 seines Amtes5. Während noch ein staatliches Disziplinarverfahren gegen Namszanowski lief, wurde die Feldpropstei durch Kabinettsordre Wilhelms I. vom 15. März 1873 aufgehoben6. Die Regierung nahm fortan den Standpunkt ein, dass die katholischen Militärpfarrer ihr unterstellt seien und staatlicherseits ernannt würden, wogegen die Bischöfe die Position vertraten, dass die Aufsicht über die Militärseelsorge dem jeweiligen Ortsbischof delegiert sei und sich diese Warte 1874 auch durch das Breve „Allatae sunt“ von Papst Pius IX. bestätigen ließen7. Konsequenzen folgten in der Hochphase des Kulturkampfes jedoch nicht.
Wiederherstellung und Neubesetzung der Feldpropstei 1888
Z
wischenzeitliche Überlegungen auf staatlicher Seite, den früheren Militärgeneralvikar und nunmehrigen Divisionspfarrer Matthias Parmet8 mit der Interimsverwaltung der Feldpropstei zu beauftragen, zerschlugen sich, zumal Parmet 1884 auf die Dompropstei in Münster wechselte. Ende Februar 1886 wurde die Frage dann auf einer Sitzung des Preußischen Staatsministeriums dergestalt thematisiert, dass die Wiederbesetzung der im Staatshaushalt verankerten Stelle des Feldpropstes prinzipiell beschlossen wurde, die Rehabilitierung von Bischof Namszanowski aber kontrovers diskutiert wurde. Insbesondere Bismarck plädierte gegen die Wiedereinsetzung des früheren Amtsinhabers. Konkret wurde gegen Namszanowski angeführt, dass er zum einen aufgrund der mehr als ein Jahrzehnt zurückliegenden Vorfälle keine
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Zu Namszanowski (1820–1900) vgl. die Kap. Ermland u. Kulm in diesem Band. Dokumente zur Suspension Namszanowskis in Huber/Huber, Staat und Kirche, Bd. II, S. 550–556. Über den Vorgang selbst vgl. ausführlich Pohl, Die katholische Militärseelsorge, S. 350–355. Vgl. Güsgen, Die Katholische Militärseelsorge in Deutschland, S. 32, u. Gatz, Der preußisch-deutsche Kulturkampf, in: RQ, Bd. 73 (1978), S. 217–254, hier S. 253f. Vgl. Pohl, Die katholische Militärseelsorge, S. 356–358. Zu Parmet vgl. das Kap. Münster in diesem Band.
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Gewähr mehr für ein loyales Zusammenwirken mit dem Staat bieten würde. Zum anderen wurden sein mittlerweile fortgeschrittenes Alter sowie seine durch den Namen Namszanowski deutlich werdende polnische Herkunft als Ablehnungsgründe vorgebracht, wobei dies natürlich nur Scheinargumente waren. Wenn Namszanowski, der sich zwischenzeitlich nach Oliva bei Danzig zurückgezogen hatte, im Mai 1886 die Konsekration des neuen Bischofs von Ermland, Andreas Thiel, vornehmen konnte9 und überhaupt in dieser Diözese bischöfliche Funktionen vollzog, war dies ein auch den Behörden nicht verborgen bleibendes Zeichen seiner Rüstigkeit. Kaiser Wilhelm I. verknüpfte dann mit Erlass vom 24. April 1886 die staatliche Bereitschaft zur Wiederaufnahme der Tätigkeit eines katholischen Feldpropstes mit dem Ultimatum, den abgesetzten Feldpropst Namszanowski nicht wieder einzusetzen. Bald darauf unterbreitete der preußische Gesandte beim Heiligen Stuhl, Kurd von Schlözer, im Auftrag seiner Regierung dieses Junktim dem Kardinalstaatssekretär. Dieser bestand daraufhin darauf, dass als conditio sine qua non ein Verzicht Namszanowskis vorliegen müsse. Erst als Ende 1887 klar war, dass Bischof Namszanowski eine neue Aufgabe erhalten sollte10, ohne dass dem Postulat des Kardinalstaatssekretärs nach einem förmlichen Verzicht Folge geleistet worden wäre, war der Weg für die Neubesetzung der preußischen Feldpropstei frei. Dass der Vatikan in seinem Entgegenkommen einen wichtigen Baustein zur Befriedung des Kulturkampfes sah, machte er in der Folge auch gegenüber der preußischen Regierung deutlich, so etwa in der Gratulation zur Amtsübernahme des neuen Kaisers Friedrich III. Hierin insinuierte er die Bereitschaft zu Konzessionen, indem er exemplarisch auf die den Regierungsforderungen entgegen kommende Haltung hinsichtlich der Neubesetzung der Feldpropstei verwies11. Während aber die vatikanische Bürokratie sehr lange brauchte, um diesen Weg der Zugeständnisse einzuschlagen, möglicherweise auch die Lösung der Militärbischofsfrage ein wenig hinauszuzögern beabsichtigte, herrschten in Berlin bereits klare Personalvorstellungen. Als nämlich angesichts der Sedisvakanz des Breslauer Bischofsstuhles Anfang 1887 der Berliner Propst Johann Baptist Assmann12 vom Oberpräsidenten aus Breslau als potenzieller Kandidat für dieses Bistum in Vorschlag gebracht wurde, wehrte Kultusminister Goßler ab, weil dieser – wie er Bismarck schrieb – „von dem Herrn Kriegsminister und mir als katholischer Feldpropst in Aussicht genommen [ist], falls 9
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Vgl. das Kap. Ermland in diesem Band, u. Brandt/Häger, Biographisches Lexikon der katholischen Militärseelsorge Deutschlands, S. 561. Letztlich erhielt Namszanowski aber erst mit Verleihung einer Domherrenstelle in Frauenburg 1896 eine reguläre neue Tätigkeit. Außerdem erbat ihn Bischof Thiel als Weihbischof. Vgl. Thiel an Rampolla v. 15.12.1896, in: ASV AES Germania, Anno 1896, pos. 1462, fasc. 781. Vgl. Pohl, Die katholische Militärseelsorge, S. 373. Zu Assmann vgl. das Kap. Ermland in diesem Band.
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dem Projekte der Wiedererrichtung einer katholischen Feldpropstei weiterer Fortgang gegeben werden sollte“13. Der Staatskandidat für das Amt des Feldpropstes war 1833 in Branitz im oberschlesischen Kreis Leobschütz, in dem zu Preußen gehörigen Teil der mährischen Erzdiözese Olmütz, als Sohn eines Gastwirtes geboren worden. Nach dem in Leobschütz abgelegten Abitur begann Assmann zunächst ein philologisches Studium in Breslau14, wechselte aber bald zur Theologie über. 1860 in Katscher für das Erzbistum Olmütz zum Priester geweiht, verbrachte er seine Kaplansjahre in Katscher. Dort erhielt er bereits Einblick in die Problematik des Staat-Kirche-Verhältnisses, da sein Pfarrer Karl Ullrich zugleich als Vertreter des Olmützer Erzbischofs in dessen zu Preußen gehörigem Bistumsteil amtierte15. 1864 stellte Assmann sich der Militärseelsorge als Feldgeistlicher im Deutsch-Dänischen Krieg zur Verfügung und gelangte in der Folge als Divisionspfarrer zunächst in Kolberg in Pommern zum Einsatz, wo er zugleich die kleine Zivilgemeinde mit betreute. Drei Jahre später wurde er hauptamtlicher Divisionspfarrer in Neisse in seiner oberschlesischen Heimat, nachdem er ebenfalls am Krieg 1866 als Feldgeistlicher mitgewirkt hatte. 1870/71 nahm er in gleicher Eigenschaft am Deutsch-Französischen Krieg teil, hatte sich also durch seine seelsorgliche Unterstützung in allen drei sogenannten Einigungskriegen auch aus staatlicher Sicht Meriten erworben. Weil Johann Baptist Assmann sich auch im Kulturkampf nicht öffentlich gegen die staatliche Gesetzgebung ausgesprochen hatte und zudem aus seiner Kolberger Zeit über Diasporaerfahrungen verfügte, wurde er 1882 von Fürstbischof Herzog zu dessen Delegaten in Brandenburg und Pommern sowie zum Propst an St. Hedwig in Berlin berufen und zugleich als Ehrendomherr in das Breslauer Domkapitel aufgenommen16. Als erster und damit führender katholischer Geistlicher in der Reichshauptstadt musste Assmann den Regierungskreisen auffallen: Loyale und friedliebende Haltung sowie taktvolles Auftreten, Diplomatie und Organisationsgeschick wurden ihm von allen Seiten als Charakteristika zugeschrieben17. Möglicherweise spielte auch die gute Figur eine Rolle, die der Propst bei den Eröffnungsgottesdiensten der Reichstage für die katholischen Parlamentarier in St. Hedwig, gemacht hatte18. 13 14
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Goßler an Bismarck v. 15.2.1887, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2a. Vgl. Baumgarten, Der katholische Feldpropst, in: Ders./Schlecht (Bearb.), Die katholische Kirche unserer Zeit, S. 230f. Dabei handelte es sich um Karl Ullrich (1801–1875), seit 1848 Fürsterzbischöflicher Kommissar u. Pfr. in Katscher, vgl. Gatz, Ullrich, in: Ders., Bischöfe, S. 768; u. das Kap. Katscher in diesem Band. Vgl. hierzu Negwer/Engelbert, Geschichte des Breslauer Domkapitels, S. 129 u. 301. Eine kurz zuvor erfolgte Verleihung der Pfarrei St. Mauritius in Breslau wurde rückgängig gemacht. Vgl. N.N. v. 14.2.1888. Vgl. von der Recke an Wilhelm II. v. 21.6.1898, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2n, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 170–174, hier S. 171. Vgl. Vogt, Religion im Militär, S. 180.
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Kultusminister Goßler jedenfalls behagte Propst Assmann sehr, so dass er ihn schon im März 1884 gegenüber Bismarck als episkopable Persönlichkeit nannte19 und ihn dem Kanzler Anfang 1886 als einen der Regierungsfavoriten für die Neubesetzung des aufgrund der polnischen Majorität delikaten Gnesen-Posener Erzbischofsstuhls vorschlug20. Dass der Kultusminister von diesem Plan bald darauf Abstand nahm, lag an den fehlenden polnischen Sprachkenntnissen des gebürtigen Oberschlesiers21. Zudem hatte er einen den staatlichen Anliegen gegenüber anpassungsfähiger erscheinenden Kandidaten für Gnesen-Posen gefunden. Außerdem wurde sein Name im Kontext der Neubesetzung des Bischofsstuhls von Ermland genannt22. Im Gegensatz zu den Diözesanbischöfen besaß Johann Baptist Assmann als Feldpropst zwar keine Territorialgewalt, war jedoch – gemäß dem nunmehr wieder in Kraft gesetzten Breve von 1868 – exemt, das heißt dem Heiligen Stuhl direkt unterstellt23. Seinen Sitz hatte er an der St.-Johannes-Garnisonkirche in Berlin-Kreuzberg. Konkret gesprochen, besaß er die Personalgewalt nicht nur über die dem Militär angehörenden Geistlichen, sondern war auch für alle Soldaten sowie deren Angehörige zuständig24. Zudem gehörte er auch der Fuldaer Bischofskonferenz an. Darüber hinaus erweiterte sich, entgegen dem eigentlichen Titel und ohne dass hierüber eine Vereinbarung erzielt worden wäre, Assmanns Tätigkeitsbereich nach 1871 auf das gesamte Deutsche Reich. Auch wenn in Bayern gemäß päpstlichem Breve „Super Cathedram Principis Apostolorum“ von 1841 der jeweilige Erzbischof von München und Freising in Personalunion exemter Feldpropst der bayerischen Armee sein sollte25, ist diese Regelung bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges nicht zur Anwendung gekommen. „Im deutschen Militärkirchenwesen übte die preußische Militärseelsorge den beherrschenden Einfluss aus“26, was nicht zuletzt 19
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Vgl. Neubach, Schlesische Kandidaten für den erzbischöflichen Stuhl von Gnesen-Posen, in: Stasiewski (Hrsg.), Beiträge zur schlesischen Kirchengeschichte, S. 452–473, hier S. 466. Vgl. Gatz, Zur Neubesetzung der (Erz)bistümer Köln,Ermland und Gnesen-Posen, in: Rheinische Vierteljahrsblätter, Bd. 37 (1973), S. 207–243, hier S. 229f. Vgl. Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. XXVIII. Vgl. auch Neubach, Schlesische Kandidaten für den erzbischöflichen Stuhl von Gnesen-Posen, S. 466f, u. das Kap. Gnesen-Posen in diesem Band. Vgl. Neubach, Schlesische Kandidaten für den erzbischöflichen Stuhl von Gnesen-Posen, S. 467. Vgl. Linneborn, Rechtliches zur preußischen Militärseelsorge, in: Theologie und Glaube, Bd. 7 (1915), S. 529–544. Inwieweit die dem Feldpropst unterstellten Katholiken parallel noch der Jurisdiktion ihres Ortsbischofs unterstanden, wie ebd., S. 534, behauptet wird, kann und soll hier nicht geklärt werden. Vgl. Vogt, Religion im Militär, S. 145f.; Güsgen, Die Katholische Militärseelsorge in Deutschland, S. 34f. Vogt, Religion im Militär, S. 32.
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daran erkennbar wurde, dass die 1904 offiziell erfolgte Ausdehnung des Zuständigkeitsbereichs auf die Marine die gesamte kaiserliche Marine betraf und auch in offizieller Diktion nicht auf Preußen beschränkt blieb. Jedoch blieb der Feldpropst weiterhin dem preußischen Kriegsministerium zugeordnet, wobei sich auch das Kultusministerium für die Besetzung dieser Position interessierte. Als höherer Militärbeamter stand er im Offiziersrang eines Oberst. Offiziell wurde Propst Assmann dem Monarchen am 14. Februar 1888 als Kandidat für die preußische Feldpropstei benannt, womit sich Wilhelm I. zwei Tage später einverstanden erklärte27. Damit war der Weg für die am 1. Juni 1888 von Leo XIII. vollzogene Ernennung zum Titularbischof von Philadelphia in Lydien geebnet. Unter dem 24. Oktober 1888 erfolgte dann die offizielle staatliche Ernennung zum Feldpropst der preußischen Armee mit einer mit den vor dem Kulturkampf ausgestellten Ernennungsurkunden identischen Urkunde28, nachdem Johann Baptist Assmann gut eine Woche zuvor, am 15. Oktober, in der St.-Hedwig-Kirche in Berlin durch Fürstbischof Georg Kopp die Bischofsweihe erhalten hatte. Parallel verlieh ihm die Katholisch-Theologische Fakultät Breslau unter dem 10. Oktober 1888 den Titel eines Doktors ehrenhalber, womit auch die für einen Bischof formalrechtliche Voraussetzung einer theologischen oder kirchenrechtlichen Dissertation gegeben war29. Zehn Tage nach der Ernennung gaben Kultusminister Goßler und Kriegsminister Paul Bronsart von Schellendorf30 allen preußischen Jurisdiktionsträgern in einem gemeinsamen Erlass davon Kenntnis31. Vier Tage zuvor hatte Assmann im Beisein dieser beiden Minister seinen Eid abgelegt32. Obgleich der neue Feldpropst in der Endphase des Kulturkampfes die besondere Gunst der Regierung besessen hatte und in seiner Amtszeit die Zahl der Militär- und Marinepfarreien in Preußen von 38 auf 58 ausbauen konnte33, sollte die Feldpropstei für ihn die letzte Stufe seiner geistlichen Karriere darstellen. 1890 hatte ihn Schlözer bereits in seinen Vorüberlegungen für die Neubesetzung des Erzbistums Gnesen-Posen fallen gelassen, weil Assmann dort ja bereits vier Jahre zuvor aufgrund mangelnder Sprachkennt27 28 29
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Vgl. Pohl, Die katholische Militärseelsorge, S. 373. Vgl. ebd., S. 373 u. 238. Vgl. Baumgarten, Der Feldpropst für die kgl. Preußische Armee, in: Ders./Schlecht (Bearb.), Die Katholische Kirche unserer Zeit, S. 229–233, hier S. 230. Zu Bronsart von Schellendorf (1832–1891), 1883–1889 preuß. Kriegsminister, vgl. Bußmann, Bronsart, in: NDB, Bd. 2 (1955), S. 636f. Gemeinsamer Erlass v. 5.11.188, abgedruckt bei Huber/Huber, Staat und Kirche, Bd. II, S. 887f. Die Eidesformel findet sich bei Pohl, Die katholische Militärseelsorge, S. 374. Vgl. Brandt/Häger, Biographisches Lexikon der katholischen Militärseelsorge Deutschlands, S. 23.
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nisse zurückgewiesen worden war34. Und der in diese Neubesetzungsfrage eingeschaltete Breslauer Fürstbischof Kopp gab Kultusminister Goßler zu verstehen, er sei von Domkapitular Adolph Franz dahingehend unter Druck gesetzt worden, dass „wenn Assmann für Posen ernstlich in Frage komme, … man gegen ihn vorliegendes Material zu verwerten nicht länger säumen“35 würde. Unabhängig davon zeigte sich Kopp vom Armeebischof auch wenig überzeugt, weil „sein stürmisches, unüberlegtes Wesen, sein Schwanken und hastiges Zugreifen … denselben bald in die Hände der Polen liefern“ würde. Das bisherige Bild von „enger Zusammenarbeit mit Kopp“36 muss daher korrigiert werden. Umgekehrt wurde Assmanns Kandidatur auch von polnischen Kreisen bekämpft, nachdem sie dort ruchbar geworden war37. Eher ein Zugeständnis an die Regierung war auch seine Aufnahme in die Wahlliste des Pelpliner Domkapitels für den Bischofsstuhl von Kulm 1898 gewesen, wo Assmann ebenso wenig gerngesehen war und letztlich bei der Wahl keine einzige Stimme erhielt38.
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ür die Staatsbehörden stand eine Neubesetzung des Militärbischofsamtes bereits vor dem Tod von Feldpropst Assmann am 27. Mai 1903 in Ahrweiler39 auf der Tagesordnung. So hatte sich der Kultusminister schon zwei Monate zuvor dagegen ausgesprochen, dem Feldpropst den ihm gemäß seiner Dienstzeit zustehenden Titel Wirklicher Geheimer Rat mit dem Prädikat Exzellenz zu verleihen40. Als Grund wurde dessen „Geisteskrankheit“ – offensichtlich war Assmann demenzkrank – angegeben, die ganz offenbar die staatlichen Stellen dazu führte, ihn fallen zu lassen. Immerhin war man in Berlin mit der Amtsführung des Feldpropstes lange Zeit sehr zufrieden gewesen, was sich an der Ernennung zum Rat 1. Klasse 1891 ablesen lässt. Anders sah es im Vatikan aus. Nachdem Nuntius Giuseppe Macchi dem Kardinalstaatssekretär das Ableben des Militärbischofs gemeldet hatte, zeigte 34
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Vgl. Schlözer an Caprivi v. 15./16.6.1890, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 115f, hier S. 115. Kopp an Goßler v. 15.7.1890, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 131–133, hier S. 132. So die These von Hans-Jürgen Brandt. Vgl. Brandt, Assmann, in: Gatz, Bischöfe, S. 17. Vgl. Schlözer an Caprivi v. 11.3.1891, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2h, abgedruckt bei Gatz, Akten zur preußischen Kirchenpolitik, S. 142f., hier S. 143. Vgl. Hirschfeld, Bischofswahlen und Nationalitätenfrage, in: ZGAE, Bd. 52 (2007), S. 143–171, hier S. 156–160, sowie das Kap. Kulm in diesem Band. Assmann starb während eines Kuraufenthaltes in Folge eines Schlaganfalls und hinzugetretener Lungenentzündung. Er wurde in seiner Heimatpfarrkirche in Branitz neben dem Hochaltar beigesetzt. Vgl. Vogt, Religion im Militär, S. 181f.
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er sich verunsichert, was jetzt zu tun sei und wandte sich deshalb an Kardinal Kopp41. Dass zeitweilig der oberschlesische Pfarrer Reinhold Schirmeisen42 als Kandidat für das Amt des Feldpropstes gegolten hatte43, der ja ohnehin ein mehrfacher Staatsfavorit für Bischofsstühle gewesen war, schien zum Nuntius bzw. ins Staatssekretariat nicht durchgedrungen zu sein. Fürstbischof Kopp wies jedenfalls zum einen darauf hin, dass die Kurie in der Neubesetzungsfrage eine passive Rolle einnehme und das Vorschlagsrecht bei der Regierung liege. Zum anderen empfahl er den 1901 von Assmann zum Militärgeneralvikar bestellten Heinrich Vollmar. Vollmar habe seine Aufgabe „con diligenza e prudenza“44 ausgefüllt. Gemäß der erst im Vorjahr erlassenen Katholischen militärkirchlichen Dienstordnung war er im Übrigen automatisch als Interimsverwalter eingesetzt45. Der Breslauer Fürstbischof entledigte sich auf diese Weise mit Diplomatie der Aufgabe, die Haltung des Heiligen Stuhls gegenüber Vollmar zu erkunden. Wenn dieser Vorstoß zunächst einige Monate ohne Resonanz blieb und Vollmar selbst schließlich über Macchi in Rom eine Reaktion anmahnte und dabei anmerkte, dass sein Tätigkeitsbereich zugleich die katholische Marine auf Reichsebene einschließe46, lag dies am Wechsel im Staatssekretariat von Kardinal Rampolla zu Kardinal Merry del Val. Nachdem kurz darauf die Gesandtschaft beim Heiligen Stuhl bei Merry del Val offiziell Vollmar als neuen Armeebischof in Vorschlag gebracht hatte47, gab es „nessuna difficolta“48 in der vatikanischen Bestätigung. Unter dem 9. November 1903 erfolgte die päpstliche Präkonisation als Titularbischof von Pergamon. Am 26. Januar 1904 ernannt Wilhelm II. Heinrich Vollmar zum Feldpropst der preußischen Armee, und zwei Wochen darauf, am 10. Februar 1904, nahm Kardinal Kopp die Konsekration in St. Johannes in Berlin-Kreuzberg vor. Eine Besonderheit dieses Tages lag darin, dass der Militärkirchenchor eine von Vollmar selbst komponierte Messe aufführte49. Den Makel der fehlenden theologischen oder kirchenrechtlichen Promotion 41 42
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Vgl. Macchi an Rampolla v. 29.5.1903 u. Macchi an Kopp v. 4.6.1903, in: ASV ANM 200. Zu Schirmeisen vgl. Neubach, Der Beuthener Pfarrer Reinhold Schirmeisen, in: ASKG, Bd. 62 (2004), S. 207–222; u. Brandt/Häger, Biographisches Lexikon der katholischen Militärseelsorge Deutschlands, S. 707. Vgl. Neubach, Der Beuthener Pfarrer Reinhold Schirmeisen, S. 220. Schirmeisen wurde mehrfach für den Erzbischofsstuhl in Gnesen-Posen gehandelt, vgl. dieses Kap. in diesem Band. Kopp an Macchi v. 8.6.1903, in: ASV ANM 200. Vgl. § 9 der Katholischen militärkirchlichen Dienstordnung v. 17.10.1902, abgedruckt bei Huber/Huber, Staat und Kirche, Bd. III, S. 228f., hier S. 228. Vgl. Macchi an Merry del Val v. 31.8.1903, in: ASV AES Germania, Anno 1903/04, pos. 154, fasc. 816. Flotow an Merry del Val v. 10.9.1903, ebd. Merry del Val an Flotow v. 18.9.1903, ebd. Vgl. Brandt/Häger, Biographisches Lexikon der Katholischen Militärseelsorge Deutschlands, S. 861.
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hingegen glich erst die Verleihung der Ehrendoktorwürde der KatholischTheologischen Fakultät der Universität Breslau im Februar 1906 aus50. Erstmals so recht in das Blickfeld der höheren Staatsbehörden war Heinrich Vollmar51 im Herbst 1890 geraten. Damals hatte der gerade neu ernannte Paderborner Dompropst Wilhelm Stuckmann52, ein Staatskatholik und im Übrigen bisheriger Militäroberpfarrer, seinen früheren Kollegen Vollmar für die Besetzung einer landesherrlich zu verleihenden Domherrenstelle in Paderborn ins Gespräch gebracht. Zwar zeigte sich der zuständige Oberpräsident Studt von diesem Vorstoß, „die loyalen Elemente im Domkapitel zu stärken“53, sehr angetan. Wenn er allenfalls als Hindernis ansah, dass es erwünscht sei, einen Paderborner Diözesanpriester auf diese Stelle zu bringen, weist dies darauf hin, dass er nicht gründlich die Personalien Vollmars recherchiert hatte. Dieser war nämlich nicht nur Priester dieses Bistums, sondern sogar 1839 in der Bischofsstadt als Sohn eines Kaufmanns zur Welt gekommen und in der dortigen Marktkirche St. Pankratius und Franziskus Xaverius getauft worden. Nach dem am örtlichen Traditionsgymnasium Theodorianum abgelegten Abitur studierte er an der Lehranstalt seiner Heimatstadt Theologie und erhielt 1863 dort die Priesterweihe54. Nach einer Kaplansstelle in Gütersloh war Vollmar 1868 in die Militärseelsorge gegangen und wirkte mittlerweile in Königsberg, wo ihm der gleichfalls befragte Oberpräsident die Eigenschaft zusprach, dass er „namentlich Energie und Vollständigkeit genug besitze, um sich von den Einflüssen extrem-ultramontaner Richtung freizuhalten“55. Positiv wurde gesehen, dass Vollmar im Deutsch-Französischen Krieg Feldgeistlicher gewesen war, an der Einschließung von Metz teilgenommen und mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet worden war. Jedoch wandte der Kultusminister Bedenken ein, weil Vollmar als Divisionspfarrer der 16. Infanteriedivision in Trier während des Kulturkampfs vor Soldaten so klar den ultramontan katholischen Standpunkt vertreten habe, dass er 1876 nach Altona versetzt worden sei. Auch auf einem 1882 in Metz angetretenen weiteren Posten als Militärpfarrer habe er sich „schon im nächsten Jahre … unmöglich“ gemacht. Goßler bezichtigte den daraufhin nach Rendsburg versetzten Vollmar des „kirchlichen 50
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Bei Vogt, Religion im Militär, S. 736, Anm. 54, heißt es: „Zeit und Ort der Promotion … sind unbekannt“. Zu Vollmar (1839–1915) vgl. Brandt/Häger, Biographisches Lexikon der katholischen Militärseelsorge Deutschlands, S. 860–863; Brandt, in: Gatz, Bischöfe, S. 780f., Liese, Necrologium Paderbornense, S. 558. Zu Stuckmann (1828–1894) vgl. die Kap. Münster u. Paderborn in diesem Band. Studt an Goßler v. 28.10.1890, Entwurf, in: StAMS, OP 1931,3. Auch sein Bruder Andreas Vollmar wurde Geistlicher. Vgl. Liese, Necrologium Paderbornense, S. 557. Goßler an Studt v. 5.11.1890, in: StAMS, OP 1931, 3. Hier auch die folg. Zit.
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Übereifer(s)“. Von einer Berufung in das Paderborner Domkapitel hatte der westfälische Oberpräsident daraufhin Abstand genommen56. Seine weitere Karriere in der Militärseelsorge führte Heinrich Vollmar 1887 nach Graudenz in Westpreußen, wo er vier Jahre später den Titel eines Militäroberpfarrers erhielt, zwei Jahre darauf nach Königsberg, dann nach Hannover und schließlich 1894 nach St. Michael in Berlin. Im Oktober 1901 bestellte ihn Feldpropst Bischof Assmann zu seinem Feldgeneralvikar. Zuvor war er bereits mit der Herausgabe eines Soldaten-Gebetbuches hervorgetreten, das die Militärangehörigen „mit den Waffen des Glaubens“57 ausrüsten sollte.
Militärbischofsernennung 1913
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eldpropst Heinrich Vollmar, dessen Episkopat durch einen „dezidiert pastoralen Kurs“58 bestimmt war und der auch durch publizistische Aktivitäten die Breitenwirkung der katholischen Militärseelsorge in der Öffentlichkeit zu verstärken versuchte59, trat 1913 in den Ruhestand und zog nach Köln. Kaiser Wilhelm II. ordnete an, Vollmar „unter Bezeigung der besonderen Zufriedenheit mit seiner Dienstführung“60 zu verabschieden. Ähnlich wie er selbst von Feldpropst Assmann als Nachfolger aufgebaut worden war, vielleicht aber noch systematischer, war Bischof Vollmar darangegangen, für seine Nachfolge zu sorgen61. So vermerkte er 1911 auf einem Beurteilungsblatt des Militäroberpfarrers Heinrich Joeppen mit Bleistift, dass er ihn für seine Nachfolge sehr geeignet finde62. Joeppen63 wurde 1853 in Hüls bei Krefeld als Sohn eines Handlungsgehilfen bzw. Geschäftsführers geboren64. Von der Rektoratsschule seines Heimat56 57
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Vgl. Studt an Goßler v. 18.11.1890, ebd. Vgl. passim Heinrich Vollmar, Der katholische Soldat, ausgerüstet mit den Waffen des Glaubens, ein Gebetbüchlein für Kriegs- und Friedenszeiten, Einsiedeln 1887. Brandt, Vollmar, in: Gatz, Bischöfe, S. 780f., hier S. 781. Vgl. passim Heinrich Vollmar, Katholisches Militär-Gebet- und Gesangbuch, Berlin o.J. (1906); ders., Seelsorgliche Vorbereitung junger Männer auf den Soldatenstand. Erweiterter Separatabdruck aus der Zeitschrift „Theologie und Glaube“, Paderborn 1909. Zit. nach Vogt, Religion im Militär, S. 736, Anm. 54. Vgl. ebd, S. 830. So ebd, S. 829, Anm. 81. Zu Joeppen, der 1920 in den Ruhestand trat, in seine Heimat Hüls zog u. dort 1927 starb. Zunächst auf dem Friedhof beigesetzt, wurde er 1931 in ein Ehrengrab in der Pfarrkirche St. Cyriakus umgebettet. Vgl. Lilla, Joeppen, in: Heimatbuch des Kreises Viersen, Bd. 52 (2000), S. 53–78, hier S. 70–78; Brandt/Häger, Biographisches Lexikon der katholischen Militärseelsorge Deutschlands, S. 369f.; Brandt, Joeppen, in: Gatz, Bischöfe, S. 352; Güsgen, Die katholische Militärseelsorge in Deutschland, S. 47f. u. S. 295, sowie DA Münster: Karteikarte Joeppen, in: Kleruskartei. Die Angaben zum Beruf des Vaters auf der Kleruskarteikarte im DA Münster widersprechen sich. Möglicherweise avancierte der Vater später zum Geschäftsführer.
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ortes wechselte er auf das wenige Jahre vor seiner Geburt neu errichtete Bischöfliche Konvikt und Gymnasium für den niederrheinischen Bistumsteil seiner Heimatdiözese Münster, das Collegium Augustinianum auf der Gaesdonck in Goch. Nach dem 1871 am Paulinum in Münster abgelegten Abitur folgte das Theologiestudium an der Akademie in Münster. Dass er 1875 die Priesterweihe in Osnabrück, und zwar „in aller Heimlichkeit im Dom“65, empfing, lag daran, dass Bischof Brinkmann von Münster amtsenthoben war. Zudem fand Joeppen aufgrund der Kulturkampfgesetzgebung in seiner Heimatdiözese keine Anstellung und wurde – auf welchem Wege, das war bisher nicht zu eruieren – Erzieher in der Familie des bekannten Zentrumspolitikers und Reichstagsabgeordneten Georg Arbogast Freiherr von Franckenstein66 auf Schloss Ullstadt in Franken. Zugleich promovierte er 1886 an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Münchner Universität67. Anschließend berief sein Heimatbischof Johann Bernard Brinkmann Joeppen zum Kaplan der Überwasserkirche in Münster sowie zum Repetenten des nebenan liegenden Priesterseminars. Offenbar war Joeppen schon in dieser Zeit sehr auf sein Auftreten bedacht. Augustin Wibbelt, der westfälische Priesterdichter, der ihn als Seminarist erlebte, charakterisierte Joeppen als schneidig und darauf bedacht, „uns nebenbei in den gesellschaftlichen Formen zu bilden“68. Seit 1891 nahm Joeppen zudem eine wichtige publizistische Funktion als Herausgeber des Pastoralblattes für die Diözese Münster wahr, die er bis 1910 ausfüllte. In den staatlichen Blick geriet er allerdings vordringlich aufgrund seiner Tätigkeit als Garnisonpfarrer in Wesel seit Februar 1894, wo er nicht allein durch seine große Statur, sondern auch durch seine Predigten, seine persönliche Nähe zu den Offizieren und patriotische Gesinnung auffiel und aus Sicht des Garnisonskommandeurs für höhere Aufgaben geeignet erschien69. Eine solche Charakteristik erhielten zweifellos auch andere Militärgeistliche, zumal auf diesem Sektor der Pastoral ja in aller Regel besonders staatsloyal gesinnte Priester tätig waren. Für Joeppens weitere Karriere war es vielmehr bestimmend, dass er in Wesel das Vertrauen des zuständigen Landrats von Rees, Alfred Gescher, gewann, der kurze Zeit später zum Regierungspräsidenten in Münster avancierte und Joeppen aus dieser gehobenen Position heraus 1898 erstmals für eine staatlich zu besetzende Domherrenstelle in Münster „in er-
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Lilla, Joeppen, S. 54. Zu Franckenstein vgl. Aretin, Franckenstein. Vgl. passim Heinrich Joeppen, De iuramenta licentia [Die sittliche Erlaubtheit des Eides], Diss. theol. München 1886, erschienen München 1887. Joeppen war seit 1884 in München immatrikuliert. Wibbelt, Der versunkene Garten, S. 163. Vgl. den Qualifikationsbericht des Garnisonskommandeurs Oberst Freiherr von Werthern v. 1.1.1896, zit. bei Lilla, Joeppen, S. 56.
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ster Linie“70 als geeigneten Kandidaten empfahl, und zwar wörtlich als „wissenschaftlich tüchtiger, eifriger Geistlicher, als ein in katholischen Kreisen und im Klerus angesehener Seelsorger von vorteilhafter äußerer Erscheinung und guten Umgangsformen“. Als konkretes Argument führte Gescher Joeppens Kontroverse mit Zentrumspolitikern im Reichstagswahlkampf 1893 (es muss wohl heißen 1898, da Joeppen 1893 noch gar nicht in Wesel war. Anm. d. Verf.) an, in dessen Folge „die Erregung gegen seine Person in den links stehenden Zentrumskreisen zum Fanatismus gesteigert“ gewesen sei. 1900 startete ein weiterer Versuch, Heinrich Joeppen eine landesherrlich zu verleihende Domkapitularstelle zu verleihen, dieses Mal in Paderborn71. Auch 1903 war er dem Regierungspräsidenten in Düsseldorf sehr genehm, um eine Domherrenstelle in Münster zu übernehmen72. Als 1905 dann wieder ein entsprechendes Kanonikat in Münster zu besetzen war, hob Regierungspräsident Gescher hervor, Joeppen halte „neuerdings in den Kasernen zur Hebung des Patriotismus sehr nützlich wirkende Vorträge“73. Er habe in Wesel „mit viel Eifer und Geschick sich um das religiöse und sittliche Leben der Soldaten bemüht und dabei anerkannte Erfolge erzielt“. Dass er jedoch erneut nicht zum Zuge kam, lag möglicherweise daran, dass der neue Feldpropst Vollmar zwar der Charakterisierung nichts entgegen setzte, sie jedoch auch nicht zu bestätigen vermochte, da er Joeppen nicht persönlich kannte74. Auch musste es dem Oberpräsidenten auffallen, dass der Regierungspräsident stets eine nahezu gleich lautende Charakterisierung vorbrachte. Immerhin konnte Joeppen im Juli 1908 nach Münster wechseln, zwar nicht als Domherr, so doch als Divisionspfarrer der 13. Division, nachdem sich der Feldpropst versichert hatte, dass er „ungemein rührig“ sei. Als er dann Ende desselben Jahres nochmals als Kandidat für ein Kanonikat in Münster in den Fokus der Staatsbehörden geriet, setzte sich der Düsseldorfer Regierungspräsident Arthur Schreiber nachdrücklich für ihn ein, denn Joeppen walte „seines Amtes mit großem Pflichtgefühl und frei von kirchlicher Gehässigkeit. Politisch ist er nicht hervorgetreten. Seiner Gesinnung nach ist er konservativ“75. Als Zeichen des Vorrangs der Staatsloyalität vor der Treue zur katholischen Kirche führte er an, dass Joeppen als Militärpfarrer in Wesel den Kommandanten darüber aufgeklärt habe, dass die für die Benutzung der katholischen Kirche zu Soldatengottesdiensten gezahlte Miete viel zu hoch sei. Angesichts 70
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Gescher an Studt v. 20.2.1898, in: StAMS, OP 1987. Hier auch die folg. Zit. Diese und die folgenden Quellen zu Joeppen aus dem StAMS hat Lilla, Joeppen, nicht berücksichtigt. Vgl. Regierungspräsident Düsseldorf an von der Recke v. 22.10.1900, in: StAMS, OP 1931, 4. Vgl. Regierungspräsident Düsseldorf an Nasse v. 14.4.1903, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 15844, u. Nasse an v.d. Recke v. 20.4.1903, in: StAMS, OP 1939, 4. Regierungspräsident Münster an von der Recke v. 10.10.1905, in: StAMS, RP Münster, Nr. 17225. Hier auch das folg. Zit. Vgl. Vollmar am 20.11.1905, zit. nach Lilla, Joeppen, S. 56. Schreiber an Schorlemer-Lieser v. 28.8.1908, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 16925.
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dieser nachdrücklichen Empfehlung äußerte sich der Regierungspräsident sehr verwundert darüber, dass ihm „von zwei durchaus vertrauenswürdigen Seiten versichert worden [sei], dass auch der Divisionspfarrer Joeppen, wenn er zum Domkapitular ernannt werden sollte, sich der Richtung von Hartmanns anschließen werde“76. Mit dem Namen des Domkapitulars und späteren Bischofs von Münster bzw. Erzbischofs von Köln Felix von Hartmann war die ultramontane, intransigente Richtung im Münsteraner Domkapitel bezeichnet, und an eine Hinwendung Joeppens in diese Richtung mochte der Regierungsbeamte gar nicht glauben. Es liegt also der Verdacht nahe, dass Joeppen auch durch bewusst gestreute Zweifel an seiner Staatsloyalität von einem staatlich forcierten Aufstieg in die Domgeistlichkeit ferngehalten werden sollte, während eine bischöfliche Verleihung eines Kanonikats ohnehin nie zur Diskussion stand. Möglicherweise spielte bei dieser verzögerten Karriere eine Rolle, dass selbst in Generalskreisen neben einer positiven Grundeinschätzung Joeppens auch die Bemerkung anzutreffen war, die Diktion von Joeppens Predigten beruhe „auf einfacher, nüchterner Grundlage“77. Selbst der mehrfach betonte Hinweis, Joeppen sei „eine angenehme Erscheinung und bewegt sich mit vielem Takt in der Gesellschaft“78, half zunächst nicht für die weitere geistliche Karriere. In der Hierarchie der Militärseelsorge stieg er im September 1910 zum Militäroberpfarrer des VI. Armeekorps in Breslau mit gleicher Zuständigkeit für das V. Armeekorps in Posen auf79. Auch verlieh ihm der preußische Monarch den Roten Adlerorden IV. Klasse sowie den Königlichen Kronenorden III. Klasse. Der Ernennung zum Titularbischof von Cisamus auf Kreta durch Papst Pius X. am 27. Oktober 1913 folgte gut einen Monat später, am 6. Dezember, die päpstliche Bestätigung der angefragten Ernennung zum Feldpropst. Am 13. Januar 1914 wurde Joeppen darauf durch Kaiser Wilhelm II. offiziell zum Feldpropst der preußischen Armee80, der Kaiserlichen Marine und der deutschen kaiserlichen Schutztruppen ernannt. Am 22. März 1914 durch Erzbischof Felix von Hartmann aus Köln in der Garnisonkirche St. Johannes Baptist in Berlin-Kreuzberg konsekriert, sollte er die Militärseelsorge während des Ersten Weltkriegs verantworten81.
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Regierungspräsident in Münster an von der Recke v. 23.12.1908, in: StAMS, OP 1939,5. So der Kommandierende General des Breslauer Armeekorps, von Pritzelwitz, zit. nach Lilla, Joeppen, S. 58. Schreiber an Schorlemer-Lieser v. 28.8.1908, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 16925. Vgl. Lilla, Joeppen, S. 57. Lilla, Joeppen, S. 58, behauptet hingegen, das Datum dieser Ernennung sei nicht zu ermitteln. Vgl. Scheidgen, Deutsche Bischöfe im Ersten Weltkrieg, S. 133–136.
Reichsland Elsass-Lothringen*
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ine besondere Eigenheit bescherte die Rechtslage den Bischofsernennungen in dem nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 vom Deutschen Reich annektierten Elsass-Lothringen1, den bisherigen französischen Départements Bas-Rhin, Haut-Rhin und de la Moselle, welche kirchlicherseits die beiden Diözesen Straßburg und Metz bildeten2. Die Bedeutung der Diözese Straßburg war schon während der Zugehörigkeit zu Frankreich daran abzulesen, dass sie der hinsichtlich der Katholikenzahl zweitgrößte Jurisdiktionsbezirk – nach Cambrai – war und nach 1871 im Deutschen Reich zu den größten und reichsten Bistümern zählte3. Hatten in Straßburg und Metz im Alten Reich zunächst ebenso die Domkapitel das Bischofswahlrecht inne gehabt, verloren sie dies in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts im Zuge der Integration in den französischen Staatsverband. Gemäß dem Französischen Konkordat4 von 1516 ernannte nunmehr der König von Frankreich auch hier die Bischöfe. Ganz in dieser Traditionslinie sicherte das 1801 von Napoleon I. Bonaparte noch als Erster Konsul geschlossene sogenannte Napoleonische Konkordat dem jeweiligen Staatsoberhaupt, unabhängig von der Staatsform, die Nomination der Bischöfe zu, so lange es Katholik war. Dem Papst kam die Vornahme der kanonischen Einsetzung zu (vgl. Artikel 4 und 5). Die gemäß Artikel 11 des Konkordates von den Bischöfen einzurichtenden Domkapitel besaßen demnach keine Einwirkungsmöglichkeit auf die Bischofsernennungen. Seit 1822 unterstanden beide Diözesen zudem dem Metropolitansitz in BesanÇon als Suffraganbistümer. Der Friedensschluss von Frankfurt/Main, der 1871 den Deutsch-Französischen Krieg beendete, stellte nicht nur in Aussicht, in absehbarer Zeit die Ausgliederung von Straßburg *
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Aus Gründen einer besseren Lesbarkeit werden die in den Quellen wie in der Literatur teilweise auf deutsch, teilweise auf französisch angegebenen Vornamen von Elsässern und Lothringern sowie Ortsnamen durchgehend auf deutsch wiedergegeben und französische Versionen nur in Klammern angefügt. Ausnahmen bilden nicht gebräuchliche deutsche Versionen von Vor- bzw. Ortsnamen. Vgl. im Überblick Hartmann, Das Reichsland Elsass-Lothringen, in: Hubatsch, Grundriss zur deutschen Verwaltungsgeschichte. Zu den Bistümern Straßburg u. Metz im Überblick vgl. Scheidgen, Metz; u. Ders., Straßburg, in: Gatz, Die Bistümer und ihre Pfarreien, S. 465–472 u. S. 596–605. Zum Themenfeld Nationalitätenfrage und katholische Kirche vgl. Gatz, Franzosen, in: Ders. (Hrsg.), Kirche und Muttersprache, S. 157–162. Vgl. Muller, Dieu est catholique et alsacien, S. 5. Vgl. Hartmann, Der Bischof, S. 29.
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und Metz aus dem Metropolitanverband von BesanÇon herbeizuführen – dies geschah 1874, indem sie für exemt erklärt wurden – , sondern präjudizierte ebenso eine Anpassung der Diözesangrenzen an die neuen politischen Grenzen, die ebenfalls 1874 durchgeführt wurde. Keine Erwähnung fand hier allerdings die Frage der Bischofsnomination. Wenn es in einer Überblicksdarstellung lapidar heißt: „1871 ging dieses Recht an den deutschen Kaiser über“5, entspricht dies aus der Retrospektive gesehen zwar durchaus der letztlich durchgesetzten Praxis. Da das Nominationsrecht jedoch gemäß Artikel 17 des Napoleonischen Konkordates nur für katholische Staatsoberhäupter gelten sollte, standen deutscher Kaiser und Reichsregierung vor einem Problem. Sollten sie das völkerrechtliche Prinzip durchsetzen, dass ein völkerrechtlicher Vertrag durch das Ausscheiden aus dem Staatsverband, mit dem er abgeschlossen war, automatisch erlischt, das Französische Konkordat also seine Geltung in Elsass-Lothringen verlieren müsste? Auch seitens der Kurie gab es durch Kardinalstaatssekretär Giacomo Antonelli zuerst Unterstützung für diese Haltung, dass im Grunde das Konkordat von 1801 für Elsass-Lothringen hinfällig war6. Obgleich das Reichsland also streng rechtlich gesehen als konkordatsfreies Gebiet zu bezeichnen wäre7, wurde das Konkordat von 1801 dennoch in der Praxis stillschweigend weiter angewandt8, ja war bereits während des Deutsch-Französischen Krieges im September 1870 von der preußischen Regierung sanktioniert worden9. Dahinter steckten natürlich politische Absichten, zumal das Konkordat von 1801 im Großen und Ganzen mit der Auffassung Preußens vom Staat-Kirche-Verhältnis kongruent war und insbesondere das Nominationsrecht für die Bischöfe durch das Staatsoberhaupt dem staatskirchlichen Denken auch in Berlin durchaus entsprach. Insofern ist es verständlich, dass gerade staatlicherseits einer möglichen Ausweitung des Geltungsbereichs der Bulle „De salute animarum“ auf Elsass-Lothringen eine Absage erteilt wurde10. Während die beiden 1871 amtierenden Bischöfe und ihre Diözesanverwaltungen die „Theorie des Fortbestandes des Konkordats [von 1801] als bindender Vertrag“11 eindeutig vertraten, indem sie sich auf den Standpunkt stellten, das Konkordat sei Landesgesetz und existiere als solches auch im deutschen Reichsland Elsass-Lothringen fort, bestand die vatikani5 6
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Scheidgen, Metz, S. 469. Vgl. Thiele, Die deutsche Regierung und das Konkordat im Elsass, in: Archiv für elsässische Kirchengeschichte, Bd. 2 (1927), S. 349–366, hier S. 363f. Vgl. Hartmann, Der Bischof, S. 53. Dort wird insinuiert, dass Elsass-Lothringen wirklich als konkordatsfrei angesehen worden sei. Allerdings bemühten sich preußische Regierungskreise nach Kräften das Konkordat anzugreifen. Vgl. auch Thiele, Die deutsche Regierung und das Konkordat im Elsass nach 1870. Das Elsass von 1870 bis 1932, III. Bd., S. 363–370. Vgl. ebd., S. 376, u. Erler, Das Napoleonische Konkordat, in: Archiv für katholisches Kirchenrecht, Bd. 122 (1942), S. 237–278, hier S. 239f. Vgl. auch Erler, Das Napoleonische Konkordat, S. 265. Ebd., S. 42.
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sche Diplomatie auf der prinzipiellen Hinfälligkeit des Konkordates, erkannte es aber bis zur Vereinbarung eines neuen Staat-Kirche-Vertrags (zu der es nie kam) als weiterhin bindend an. Auch wenn die gemäß Artikel 17 verpflichtende Nomination der Bischöfe durch ein katholisches Staatsoberhaupt nicht mehr gegeben sei, stelle dieser Makel doch nicht den Gesamtcharakter des Konkordats in Frage. Kurz gesagt sollten hinsichtlich der Bischofsnomination Sonderregelungen im gegenseitigen Einverständnis getroffen werden, was allein auf diplomatischem Parkett Konflikte zwischen Berlin und dem Vatikan, aber auch zwischen dem Monarchen und der Ebene des Statthalters des Deutschen Reiches in Straßburg schon vorprogrammierte. Überhaupt nicht geregelt war die Ernennung von Koadjutorbischöfen mit Nachfolgerecht und von Weihbischöfen, wodurch sich ein zusätzliches Problemfeld ergeben sollte. Erschwerend hinzu trat die Nationalitätenproblematik, im Elsass gaben 1900 rund 94 %, in Lothringen nur 70 % der Bevölkerung Deutsch als ihre Muttersprache an12, durch welche sich die Besetzungen der kirchlichen Führungspositionen in Elsass-Lothringen – ähnlich wie in Posen und Westpreußen – angesichts der Frage, ob ein sogenannter Altdeutscher oder ein Einheimischer, der möglicherweise allzu frankophil gesonnen war, die Bischofswürde bekleiden könne, zu einem neuralgischen Punkt im Staat-Kirche-Verhältnis entwickelten13.
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Vgl. Gatz, Franzosen, S. 158. Gatz schwächt die Problematik ab, wenn er von „latenten Krisenherden des Kaiserreiches“ spricht. Ders., Kirchliche Personalpolitik und Nationalitätenprobleme, in: AHP, Bd. 18 (1980), S. 353–381, hier S. 354.
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bgleich der 1871 amtierende Metzer Bischof Paul-Georges Dupont des Loges14 gebürtig aus Rennes in der Bretagne stammte, aus der Schule von St. Sulpice15 in Paris hervorgegangen war und wie auch der Großteil des Klerus stark in der französischen Tradition stand, erregte seine bereits 1842 begonnene Amtsführung keinen Anstoß bei den neuen deutschen Regierungsstellen. Geschickt hatte er es verstanden, einerseits gegen eine rasche Germanisierung Stellung zu beziehen, so etwa gemeinsam mit dem Gros der Reichstagsabgeordneten des Reichslandes 187416, andererseits aber auch die regionalen Traditionen Lothringens zu betonen und die Härten des Übergangs von Frankreich an Deutschland zu mildern. Immerhin wurde das Gebiet des Bistums von der deutsch-französischen Sprachgrenze zerschnitten. Von Dupont des Loges wurde kolportiert, der Statthalter des Reichslands Edwin von Manteuffel17 habe über ihn gesagt: „Alle Achtung vor dem Bischof von Metz, das ist ein echter Kirchenfürst!“18 Allein seinem Alter war es geschuldet, dass der mittlerweile 76-jährige Oberhirte sich 1880 darum bemühte, den Straßburger Münsterpfarrer Michael Felix Korum als Koadjutor zu erhalten19. „Schon drei Jahre und länger bin ich, sind wir auf der Suche: ein Deutscher ist unmöglich. Metz hat niemanden, und Sie sind der einzige, der aus Straßburg in Frage kommen kann“20, hatte Korum der französische Dominikaner P. Maria Dominikus Souaillard OP beschworen, diesem Ansinnen unbedingt Folge zu leisten. Auch der Statthalter des Reichslandes war in den Plan vorab eingeweiht worden. Allein am entschiedenen Einspruch Korums, der sich – glaubt man seinem Biographen Jakob Treitz – nicht würdig genug fühlte und anklingen ließ, dass er sich den Verhältnissen in Metz nicht gewachsen sehe21, scheiterte dieser Versuch. Letztlich hatte Dupont des Loges seinen Generalvi14
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Zu Dupont des Loges vgl. Reibel, Dupont des Loges, in: LThK2, Bd. 3 (1959), Sp. 608f.; Gatz, Dupont des Loges, in: Ders., Bischöfe, S. 151–154. Zur Weltpriesterkongregation der Sulpizianer vgl. I. Noye, Sulpizianer, in: LThK2, Bd. 9 (1964), Sp. 1162. Dupont des Loges war als Individualkandidat des politischen Katholizismus 1874–1877 MdR. Vgl. Haunfelder, Reichstagsabgeordnete der Deutschen Zentrumspartei, S. 147; Schwarz, MdR, S. 300. Zu den Statthaltern und deren Funktion vgl. im Überblick Rehm, Reichsland Elsass-Lothringen. So Bischof Korum von Trier bei der Beisetzung des Metzer Bischofs. Vgl. Treitz, Korum, S. 19. Zu Manteuffel vgl. Sachse, Die Kirchenpolitik, in: Elsass-Lothringisches Jahrbuch, Bd. 5 (1926), S. 146–171. Vgl. Treitz, Korum, S. 19–25. Demnach geschah dies auf Vermittlung des Dominikanerpaters Maria Dominikus Souaillard OP. Souaillard an Korum v. 13.8.1880, zit. bei Treitz, Korum, S. 24f., hier S. 24. Ebd., S. 19f., wird ein Brief von Korum an Dupont des Loges v. 4.8.1880 zitiert. Hinzu kam die anstehende Berufung Korums zum Münsterpfarrer in Straßburg.
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kar Franz Ludwig Fleck22, einen einheimischen Elsässer, als Koadjutor erbeten. Fleck war Lehrersohn aus Niederbronn, Jahrgang 1824, und folgte in der Berufung zum Priestertum seinen beiden älteren Brüdern, Joseph und Theodor. Während ersterer als Professor am Metzer Priesterseminar wirkte, trat letzterer in die Gesellschaft Jesu (Jesuiten) ein. Franz Ludwig studierte nach Besuch des Knabenseminars in Bitsch (Bitche) in Metz und wurde dort 1848 zum Priester geweiht. Es folgten Stationen als Vikar in Boulay, Aumonier in Rustroff, Pfarrer in Busendorf (Bouzonville) und ab 1867 in Metz St. Martin. 1875 wurde der begeisterte Anhänger des Ultramontanismus Ehrendomherr, 1876 Bischöflicher Sekretär unter Verzicht auf seine Pfarrei. Bevor Kaiser Wilhelm I. sein Plazet zu dieser Personalie gab, war möglicherweise zunächst der staatsloyale Freiburger Kirchenhistoriker Franz Xaver Kraus um Rat gefragt worden. Jedenfalls behauptete Kraus, dass Flecks Ernennung zum Generalvikar 1879 „wesentlich von dem Berichte abhing, welchen ich über ihn geben konnte. Ich kannte ihn leider zu wenig, um unbedingt für ihn einstehen zu können; ich glaube indessen, ihm eher genützt als geschadet zu haben“23. Das Problem der gemäß dem Napoleonischen Konkordat nicht erlaubten Nomination durch ein protestantisches Staatsoberhaupt war hier, wie bei der parallel erfolgten Ernennung eines Koadjutors im benachbarten Straßburg24, dadurch geregelt worden, dass nicht der Kaiser, sondern die Reichsregierung die Personalvorschläge beim Heiligen Stuhl einreichte25. Nach dessen Plazet erteilte der Kaiser dem Kandidaten die Erlaubnis, die kanonische Institution beim Papst zu erbitten. Franz Ludwig Fleck wurde am 13. Mai 1881 zum Titularbischof von Sion und Koadjutor in Metz ernannt und am 25. Juli 1881 von Bischof Dupont des Loges in St. Vinzenz zu Metz konsekriert. Als Bischof Dupont des Loges am 18. August 1886 in Metz verstarb, wurde sein Episkopat in der deutschen Presse sehr positiv resümiert. So war in einem Nachruf in der „Trierischen Landeszeitung“ davon die Rede, dass er, „voll und ganz Franzose, … aus einer der edelsten Familien Frankreichs, die die Lilien im Wappen führte, wie das französische Königshaus“26, gewesen sei. Dafür, dass der Metzer Bischof, wie es in diesem Nachruf hieß, auch nach dem Übergang Elsass-Lothringens an das Deutsche Reich 1871 seine Hinneigung zu Frankreich „nicht wie ein Kleid abgelegt hat“, hatte er in der deutschen katholischen Presse also sogar Verständnis geerntet, obgleich er beispielsweise die Priesterausbildung auf dem Grand Seminaire in Metz 1865 französischen Sulpizianern anvertraut hatte und der Blick des Klerus nicht zuletzt deshalb immer nach Paris gerichtet blieb. Gerade dies erwies sich in der Folge als Stein des Anstoßes für die deutschen Regierungsstellen, die unter massivem Druck 22 23 24 25 26
Zu Fleck vgl. Monseigneur Fleck; Gatz, Fleck, in: Ders., Bischöfe, S. 194–196. Eintrag v. 26.3.1879, in: Kraus, Tagebücher, S. 396. Vgl. das Kap. Straßburg in diesem Band. Vgl. Das Elsass von 1870–1932, III. Bd., S. 381. Trierische Landeszeitung v. 20.8. 1886. Hier auch das folg. Zit.
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1890 den Abzug der Sulpizianer aus Metz erreichten. Gemäß einem in diesem Kontext von dem langjährigen Professor für Altphilologie an der Reichsuniversität Straßburg, Wilhelm Studemund27, erstellten Gutachten hatte Bischof Fleck „keinen sympathischen Eindruck gemacht. Obwohl er aus dem Elsass gebürtig und das Deutsche zu sprechen imstande ist“28, benehme er sich wie ein französischer Geistlicher. Diese Beobachtung mag eine Momentaufnahme und nicht unbedingt repräsentativ sein, sie verdeutlicht jedoch die Problematik, dass ein aus dem ja weitaus stärker als Lothringen deutsch geprägten Elsass stammender Oberhirte nicht unbedingt regierungsfreundlicher sein musste als ein originär französischer Bischof.
Bischofswahl 1901 Schon bevor Bischof Fleck 1897 ernsthaft erkrankte29, hatte es immer wieder Pressespekulationen um seine Nachfolge gegeben. Ausgelöst hatte er sie letztlich selbst, weil er nach einer schweren Bronchitis im Juli 1895 bei Papst Leo XIII. um einen Koadjutor gebeten hatte30. Der Heilige Vater wollte jedoch nur einen Weihbischof, um sich auf diese Weise des möglichen staatlichen Vorwurfs der eigenmächtigen Sicherung der Nachfolge in Metz zu entledigen. Bischof Fleck verständigte sich in der Folge mit Bischof Korum von Trier hinsichtlich potenzieller Kandidaten und schaltete den Ministerialrat Hamm ein, um einer Meldung staatlich mindergenehmer Kandidaten nach Rom vorzubeugen. Offensichtlich waren auf diese Weise Weihbischof Karl (Charles) Marbach in Straßburg und der Pfarrer von Colmar, Stephan (Etienne) Frey, bereits Ende 1895 in das Blickfeld geraten, jedenfalls wurden ihre Namen bald auch in der Presse erwähnt. Bald darauf drang aber an der Basis des Klerus, so etwa zu Pfarrer Frey, durch, die Regierung habe vor, den Tod Flecks abzuwarten, um dann Marbach auf den Metzer Bischofsstuhl zu setzen und den aus dem Elsass stammenden Kirchendiplomaten Franz Zorn von Bulach als Koadjutor von Bischof Adolf Fritzen in Straßburg zu installieren31. Allerdings ist ein unterschiedliches Begriffsverständnis des Wortes 27
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Zu Studemund (1843–1889), klassischer Philologe, 1872 Prof. in Straßburg, 1885 desgl. in Breslau, vgl. Sachse, Die Kirchenpolitik, S. 156f.; Cohn, Studemund, in: ADB, Bd. 36 (1893), S. 721–731; u. DBE, Bd. 9 (2008), S. 801. Studemund an Goßler v. 15.8.1887, zit. nach Gatz, Kirchliche Personalpolitik und Nationalitätenprobleme, S. 363. Den Beginn von Flecks Erkrankung datiert Rudt de Collenberg, La nomination de Mgr. Zorn de Bulach, in: Archives de l’Eglise d’Alsace, Bd. 46 (1987), S. 309–336, hier S. 314, auf dieses Jahr. Vgl. Favrot, Le gouvernement allemand et le clergé catholique lorrain, S. 81, die sich auf einen Brief Flecks an Korum v. 10.11.1895, in: BA Trier, Nachlass Korum, bezieht. Vgl. Kannegieser, Frey, S. 180. Zu Franz Zorn von Bulach vgl. Gatz, Zorn von Bulach, in: Ders., Bischöfe, S. 841f, u. Mueller/Uberfill.
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Koadjutor zu berücksichtigen, das zwar im Deutschen einen Weihbischof mit dem automatischen Recht der Nachfolge auf dem Bischofsstuhl meint, während es im Französischen ein Synonym für Weihbischof ist. Die Kandidatensuche der Regierung war aber durchaus nicht allein auf Zorn von Bulach fi xiert, sondern breiter angelegt. So hatte der preußische Kultusminister Robert Bosse zu Jahresbeginn 1896 beim Trierer Regierungspräsidium hinsichtlich der Qualitäten des dortigen Dompropstes und vormaligen Direktors des Kleinen Seminars in Monteningen (Montigny) bei Metz, Franz Jakob Scheuffgen32, angefragt und auch eine überaus positive Antwort erhalten33. Der als dezidiert episkopabel angesehene Scheuffgen war bereits 1888, gelegentlich staatlicher Erwägungen, von Straßburg ein Bistum Colmar abzuteilen, vom damaligen Statthalter und nunmehrigen Reichskanzler und preußischen Ministerpräsidenten Chlodwig von Hohenlohe-Schillingsfürst als möglicher Bischof genannt worden34. Im konkreten Besetzungsfall erschien er keineswegs mehr als staatlicher Favorit, weil er „zu frei in seinem Auftreten“35 sei. In das Gesichtsfeld der Behörden war er durch seinen Kontakt zu Wilhelm II. geraten, welcher Scheuffgen bei Besuchen auf seinem Gut Urville bei Metz gern als Gesprächspartner einlud. Auch eine in Berlin zeitweilig ventilierte Kandidatur des früheren Oberschulrates in Straßburg und nunmehrigen Dompropstes in Köln, Franz Karl Berlage36, wurde mit Hinsicht auf dessen fortgeschrittenes Alter – Berlage war 64 Jahre alt – nicht weiter verfolgt. Lediglich die konservative „Kreuz-Zeitung“ interpretierte eine besonders freundliche Geste des Kaisers gegenüber Berlage bei einer Audienz im Herbst 1900 als Zeichen für seine Wertschätzung bei Hofe, die ihn zu einem ernstzunehmenden Kandidaten für den Bischofsstuhl in Metz mache37. Durch Intervention des Großherzogs Friedrich I. von Baden kam der Militärpfarrer Antonius Scher38, der sich bei ihm offensichtlich selbst in Vorschlag gebracht hatte, ins Gespräch39. Für Schers starkes Karrierebewusstsein spricht, dass ihm nachgesagt wurde, „ein großer Freund von Würden und 32
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Zu Scheuffgen (1842–1913), Dr. phil., 1878 Direktor in Montigny, 1886 Dompropst in Trier, vgl. Kammer, Die Dompröpste der Trierer Kathedrale, in: Heimat- und Volkskalender für das Jahr 1955, S. 67–72, hier S. 68; Brandt/Häger, Biographisches Lexikon der katholischen Militärseelsorge Deutschlands, S. 703; u. Weber, Kirchliche Politik, S. 109–113. Vgl. Heppe an Bosse v. 9.1.1896, zit. nach Gatz, Kirchliche Personalpolitik und Nationalitätenprobleme, S. 372. Vgl. Muller, Dieu est catholique et alsacien, S. 159. Gatz, Kirchliche Personalpolitik und Nationalitätenprobleme, S. 373. Ebd. auch zur erwogenen Kandidatur Berlages. Zu Berlage vgl. das Kap. Köln in diesem Band. Vgl. Kreuz-Zeitung v. 30.10.1900. Zu Scher vgl. Kammer, Die Dompröpste von Trier, S. 70; u. Brandt/Häger, Biographisches Lexikon der katholischen Militärseelsorge Deutschlands, S. 701. Vgl. Favrot, Le gouvernement allemand et le clergé catholique lorrain, S. 81.
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Auszeichnungen“40 zu sein. Scher, der 1842 in Saarlouis im Bistum Trier geboren wurde, hatte teilweise in Metz studiert, was schon deshalb verwundert, weil letzteres damals noch zu Frankreich gehörte. Jedenfalls wurde er 1868 in Metz zum Priester geweiht, wirkte zwei Jahre als Vikar in Diedenhofen (Thionville) und stellte sich nach dem deutschen Einmarsch 1870 als Truppenseelsorger für die Deutschen zur Verfügung. Nach weiteren zwei Jahren als Pfarrverwalter in Benst in Lothringen trat er in die Militärseelsorge ein und wirkte vornehmlich in Mülhausen als Divisionspfarrer. Nach seinem Wechsel nach Hannover 1897 erhielt Scher, der sich drei Jahre zuvor vergeblich um die Dompropstei in Paderborn beworben hatte41, den Rang eines Militär-Oberpfarrers. Außerdem erhielt er die höchsten Prälatenwürden eines Päpstlichen Hausprälaten und eines Apostolischen Protonotars verliehen und hatte im Übrigen während seiner Zeit als Militärpfarrer 1896 in Freiburg im Breisgau den akademischen Grad eines Dr. theol. erworben 42. Als im Sommer 1899 mit dem baldigen Tod von Bischof Fleck gerechnet wurde, tauchte in der Lokalpresse wieder der Name Zorn von Bulach als potenzieller Nachfolger auf. In frankophilen Presseorganen wurde diese mögliche Personalie scharf kritisiert. Hintergrund war die Tatsache, dass Zorns Vater als Kammerherr der Kaiserin Eugenie am französischen Hof fungiert hatte, aber mit seiner auf Schloss Osthaus bei Gerstheim im Elsass ansässigen Familie seit 1871 zum treuen Untertanen der Hohenzollernmonarchie mutiert war. „La famille“, so urteilt Wipertus Rudt de Collenberg, „était convaincue que ‚le gouvernement‘ était ‚son instrument‘ pour le bien d’Alsace et que seule la famille savait ce qu’était ce bien“43. Ihr geistlicher Spross war Kaiser Wilhelm II. anlässlich eines Balles in Straßburg vorgestellt worden, der an dem jungen Franz Zorn von Bulach Gefallen gefunden hatte. Ob der Monarch selbst den Anstoß gegeben hatte, ob der mit der Familie Zorn von Bulach gut bekannte Reichskanzler Hohenlohe-Schillingsfürst, seine Hände im Spiel hatte? Wie der Name des Kirchendiplomaten in die Presse gelangte, lässt sich nicht mehr exakt nachvollziehen. Franz Zorn von Bulach war 1858 in Straßburg geboren und hatte erst als 14-jähriger Deutsch gelernt. Nach dem in seiner Heimatstadt absolvierten Jurastudium trat er dann in den deutschen Staatsdienst ein, und zwar als Sekretär im Berliner Auswärtigen Amt, wo er Bismarck positiv auffiel. 1885 hatte er sich entschlossen Geistlicher zu werden, zuerst das Straßburger Seminar besucht und dann in Eichstätt studiert. Nach der Priesterweihe in Straßburg 1891 – er gehörte dort zum ersten von Bischof Adolf Fritzen 40 41
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Kammel, Die Dompröpste von Trier, S. 70. Vgl. Hohmann, Domkapitel und Bischofswahlen in Paderborn, Teil 3, in: WZ, Bd. 123 (1973), S. 215–263, hier S. 223f. Vgl. passim Antonius Scher, De universale propagatione originalis peccati, Freiburg 1896. Vgl. Müller, Fünfhundert Jahre Theologische Promotion, S. 110. Rudt de Collenberg, La nomination de Mgr. Zorn de Bulach, S. 316.
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geweihten Kursus44 – konnte er sein Studium in Rom an der Accademia dei Nobili Ecclesiastici fortsetzen, einer kirchlichen Elitehochschule. Er promovierte in Theologie und Kirchenrecht, absolvierte Praktika bei verschiedenen Kongregationen in Rom und begann seine kirchendiplomatische Karriere 1897 als Nuntiatursekretär in Madrid. In seiner kurzen Tätigkeit hatte er bereits einige staatliche Ordensauszeichnungen erhalten45 und war 1897 von Leo XIII. zum Päpstlichen Geheimkämmerer (Monsignore) ernannt worden. Im Sommer 1899 erhielt Zorn von Bulach gelegentlich eines Rom-Aufenthaltes eine Privataudienz bei Leo XIII., bei der er dezidiert die Haltung des Papstes hinsichtlich der Möglichkeit erfragte, dass der Kaiser ihn auf den Bischofsstuhl in Metz setzen würde46. Der Heilige Vater reagierte ablehnend. Nicht etwa deshalb, weil er den elsässischen Adeligen nicht schätzte, sondern weil er ihn für eine höhere Laufbahn im diplomatischen Dienst vorgesehen hatte. Zur selben Zeit ließ sich dann ein lothringischer Prälat namens Bombardier de Saulnes von Kardinalstaatssekretär Rampolla empfangen und machte seinem Unmut über die Kandidatur Bulachs Luft. Stattdessen plädierte er dafür, den Bischof von Trier, Michael Felix Korum, nach Metz zu transferieren. Alternativ schlug er vier elsässische Priester als Bischofskandidaten für Metz vor47, und zwar den Domkapitular Stoeffler in Straßburg, der auch Direktor des Bischöflichen Gymnasiums war, den Generalvikar in Straßburg Theodor Schmitt48, den bereits 1891 als Kandidat für Straßburg gehandelten Pfarrer von Colmar Stephan Frey sowie den Theologieprofessor am Priesterseminar und Domkapitular in Straßburg Julian Joder49. Bischof Franz Ludwig Fleck starb am 27. Oktober 1899 nach 13-jährigem Episkopat im Alter von 75 Jahren, und der „Lorrain“ kommentierte dieses Ereignis als „la fin d’un régime“50. Fleck hatte Mitte September in einem Brief an alle Geistlichen seiner Diözese seine unheilbare Krankheit öffentlich gemacht und auch den Geschäftsträger der Münchner Nuntiatur Sebastiano Nicotra – die Nuntiatur war zu diesem Zeitpunkt unbesetzt – von seinem bevorstehen44
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Ebd., S. 317, heißt es dagegen, Bulach sei vom Trierer Bischof Korum in Rom zum Priester geweiht worden. Vgl. Zorn von Bulach an Generalvikariat Straßburg v. 24.10.1901, in: ADS 1 VP 193, wo 1. der Orden der Krone von Siam, 2. das Großoffizierskreuz des Ordens Karls III. von Spanien Erwähnung fanden. Über den Inhalt der Privataudienz unterrichtet ein späterer Brief Rampollas, der auch zugegen war, verarbeitet bei Rudt de Collenberg, La nomination de Mgr. Zorn de Bulach, S. 320. Vgl. ebd., wo der letztgenannte Kandidat fälschlich als Goder oder Toder bezeichnet wurde. Zu Schmitt (1839–1903) vgl. Gatz, Schmitt, in: Ders., Bischöfe, S. 663. Zu Joder (1850–1904), Dr. iur. can., der 1903 Generalvikar werden sollte, vgl. Gatz, Joder, in: Ders., Bischöfe, S. 352. Le Lorrain v. 31.10.1899.
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den Tod unterrichtet51. Insofern lag es für Nicotra auf der Hand, unmittelbar nachdem er aus der Presse vom Tod Flecks erfahren hatte, dem Generalvikar Peter Karst52 – er und der zweite Generalvikar Johann Peter Weislinger53 waren zu Kapitularvikaren gewählt und auch von Wilhelm II. bestätigt worden54 – sowohl zu kondolieren als auch unter dem Siegel der Verschwiegenheit anzufragen, welche „sujèts capables“55 er aus dem Bistum Metz, dem Bistum Straßburg oder auch aus anderen Bistümern für geeignet halte, um die Nachfolge anzutreten. So unbedarft sich Nicotra hier gab, so sehr hatte er durchaus im Vorfeld bereits die Lage sondiert. Denn dem Kardinalstaatssekretär Rampolla schrieb er noch am selben Tag, Metz habe keine würdigen Kandidaten für die Nachfolge zu bieten, aber im benachbarten Straßburg gäbe es durchaus episkopable Geistliche56. Für nähere Informationen stehe er gern zur Verfügung. Rampolla wies seinen Geschäftsträger in München daraufhin umgehend an, insbesondere bei dem aus dem Elsass stammenden und zwei Jahrzehnte zuvor ja auch schon einmal als Koadjutor in Metz gehandelten Bischof Korum in Trier Informationen über vier potentielle Kandidaten einzuholen. Dabei handelte es sich um jene vier Straßburger Diözesanpriester, die der Abbé Bombardier de Saulnes bei seinem Besuch in Rom im Sommer dem Kardinalstaatssekretär empfohlen hatte, nämlich 1. Domkapitular Stoeffler, 2. Generalvikar Schmitt, 3. Stephan Frey, Pfarrer in Colmar und 4. Julian Joder, Domkapitular und Bischöflicher Sekretär57. Da es ausschließlich Straßburger Diözesangeistliche waren, wandte sich der Geschäftsträger der Nuntiatur neben Korum zeitgleich auch an den zuständigen Bischof Adolf Fritzen von Straßburg und noch einmal an Kapitularvikar Karst58. Allerdings stockte der Informationsfluss zunächst, weil Korum nicht antwortete und von Nicotra mehrfach um Informationen gebeten werden musste59. Während Karst keinen der Geistlichen näher kannte, also auch nicht zweckdienlich sein konnte, stimmten Fritzen und Korum darin überein, dass Frey sehr geeignet für den vakanten Posten sei60. Nicotra zeigte 51 52
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Vgl. Korrespondenz Nicotras mit Generalvikar Karst ab 16.9.1899, in: ASV ANM 190. Zu Karst (1827–1911), 1882–1906 Generalvikar in Metz, vgl. Gatz, Karst, in: Ders., Bischöfe, S. 363. Zu Weislinger (1843–1908), 1895 Generalvikar, 1899–1901 Kapitularvikar, vgl. Gatz, Weislinger, in: Ders., Bischöfe, S. 803. Vgl. Wilhelm II. an Domkapitel Metz v. 6.11.1899, in: Archives départementales de la Moselle 29J917. Nicotra an Karst v. 3.1.1899, in: ASV ANM 190. Vgl. Nicotra an Rampolla v. 31.10.1899, ebd. Vgl. Rampolla an Nicotra v. 4.11.1899, ebd. Vgl. hierzu auch Treitz, Korum, S. 270. Vgl. die gleichlautenden Briefe von Nicotra an Karst, Korum u. Fritzen v. 6.11.1899, ebd. Ohne genaue Quellenhinweise ist dieser Vorgang kurz angesprochen bei Rudt de Collenberg, La nomination de Mgr. Zorn de Bulach, S. 321. So berichtete Nicotra an Rampolla v. 15.11.1899, in: ASV ANM 190. Vgl. Nicotra an Rampolla v. 27.11.1899, ebd.
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sich im Übrigen gegenüber Korum äußerst dankbar für den Vorschlag61. Er hoffe sehr, dass Papst Leo XIII. sich für den Pfarrer Frey entscheide. Da Metz ja aufgrund der Nationalitätenproblematik ein etwas schwieriger Bischofsstuhl sei, wäre Frey aufgrund seiner Klugheit und seines Taktes dort gut am Platze. Die Personalfrage verkomplizierte sich dadurch nicht unwesentlich, dass Bombardier de Saulnes nicht der einzige Geistliche blieb, der in der Metzer Bischofsfrage an den Kardinalstaatssekretär herantrat. So machte der Straßburger Domkapitular Franz Mosser bei Rampolla Stimmung für Zorn von Bulach, indem er die gegen diesen erhobenen Vorwürfe als Intrige bezeichnete, die von einem in Rom sehr einflussreichen elsässischen Prälaten betrieben werde62. Der Pfarrer von Saarburg und Reichstagsabgeordnete, Peter Kuechly63, sprach sich für den Direktor des Kleinen Seminars in Bitsch, Ernst Lamberton64, aus. Als Elsässer seien Weihbischof Karl Marbach oder der Reichstagsabgeordnete Pfarrer Landolin Winterer65 genehm. Sollte die Kurie einen Altdeutschen bevorzugen, käme der Prinz Max von Sachsen in Frage66. Ähnlich kam auch der Metzer Seminardirektor Heinrich Nigetiet67, und damit ein „altdeutscher“ Geistlicher, ins Gespräch. Selbst der Abt der Benediktinerabtei St. Maur de Granfeuil im französischen Département Maine et Loire, Edouard de Coetlosquet OSB68, schaltete sich im November 1899 ein, indem er Rampolla mitteilte, der lothringische Klerus würde einen einheimischen Bischof vor einem Altdeutschen bevorzugen, weil er von letzterem eine Protestantisierung befürchte. Zunächst sei der Colmarer Pfarrer Stephan Frey in Betracht zu ziehen, des Weiteren aber auch Regens Ott und der Bischof Korum von Trier69. Und einige Monate später, im 61
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Vgl. hierzu u. zum Folgenden Lorenzelli an Korum v. 28.11.1899, ebd., sowie das Dankesschreiben v. Rampolla an Nicotra v. 2.12.1899. Vgl. Mosser an Rampolla v. 2.12.1899, ebd., erwähnt bei Rudt de Collenberg, La nomination de Mgr. Zorn de Bulach, S. 321. Zu Kuechly (1836–1908), seit 1888 Pfarrer und Erzpriester in Saarburg, Ehrendomherr in Metz, 1890–1903 MdR, vgl. Haunfelder, Reichstagsabgeordnete der Deutschen Zentrumspartei, S. 197; Schwarz, MdR, S. 379. Zu Lamberton (geb. 1851) vgl. Favrot, Le gouvernement allemand et le clergé catholique lorrain, S. 176; Hamant. Le petit séminaire de Metz-Montigny, S. 225f. Zu Winterer (1832–1911), 1874–1903 zugl. MdR, 1908 Apostolischer Protonotar, vgl. Haunfelder, Reichstagsabgeordnete der Deutschen Zentrumspartei, S. 285; Schwarz, MdR, S. 500, u. Cetty, Winterer; Baechler, Winterer, in: Nouveau dictionnaire de biographie alsacienne, Bd. 40 (2002), S. 4269–4271; Knittel, Winterer, in: Ders., Elsässer Priestergestalten, S. 15–31. Vgl. Kuechly an Rampolla v. 21.11.1899, in: ASV ANM 190. Vgl. zu Nigetiet (1839–1913), einem Paderborner Diözesanpriester, Liese, Necrologium, S. 406. Zu Coetlosquet, einem gebürtigen Lothringer, vgl. [Collin], Benzler, S. 86. Vgl. Coetlosquet an Rampolla v. 23.11.1899, in: ASV SS Anno 1899, 200. Hier auch das folg. Zit.
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Februar 1900, ließ er über die Pariser Nuntiatur den Münchner Nuntius Sambucetti „confidentiel“ wissen, dass er nach längerem Schweigen doch seiner Sorge über den Fortgang der Metzer Bischofsstuhlbesetzung Ausdruck geben wolle70. Für diese Aufgabe sei ein Geistlicher notwendig, der unabhängigen Charakters sei und die Rechte der Kirche wie die katholischen Interessen verfolgen würde. Nach seinen neuesten Informationen seien vier Geistliche Persönlichkeiten, die im Elsass großes Vertrauen genießen würden und nicht nur Deutsch sprächen, sondern auch im Deutschen Reich studiert hätten. Allen gemeinsam sei, dass sie die deutsche Regierung akzeptieren würden, ohne sich in irgendeiner Weise in die Politik einzumischen. Dabei handele es sich um folgende elsässische Priester: 1. Generalvikar Schmitt, 2. Stoeffler, 3. den Regens Joseph Ott, der dem 1890 verstorbenen Straßburger Bischof Stumpf nahe gestanden habe71, sowie 4. Stephan Frey. Erstaunlich erscheint, dass beim Nuntius der gegenüber Rampolla an erster Stelle genannte Pfarrer Frey erst an vierter und letzter Position Erwähnung fand. Im Übrigen handelte es sich bei dieser Vorschlagsliste nahezu – Ott bildet eine Ausnahme – um dieselben Namen, die auch Pfarrer Bombardier de Saulnes in Vorschlag gebracht hatte. Im Grunde kaprizierten sich alle an den Heiligen Stuhl herangetragenen Vorschläge also auf Elsässer, auf Geistliche der Diözese Straßburg, und berücksichtigten keinen einzigen Metzer Diözesanpriester. Womöglich lag dies daran, dass es in Lothringen wirklich keinen dem Kaiser genehmen Kandidaten gab, wie der frühere Reichstagsabgeordnete Johannes Peter Colbus72 dem Kardinalstaatssekretär versicherte. Die beiden in der Öffentlichkeit genannten Metzer Priester Theodor Wagner, Direktor von St. Arnoud, und Heinrich Mangés, Pfarrer von Saargemünd, kämen jedenfalls keinesfalls in Frage. Dagegen seien Marbach und Frey geeignete episcopabili. Hinzu trat ein Argument, dass schon in einer Unterredung des Statthalters mit Bischof Fleck etwa ein Jahr vor dessen Tod zum Tragen gekommen war, als es um die Nachfolgefrage ging73. Fleck hatte damals der Auffassung zugestimmt, dass es im lothringischen Klerus keinen Konsenskandidaten gäbe und vielmehr alle irgendwie hervorgetretenen Bistumsgeistlichen eine auch innerkirchliche Opposition hervorrufen würden. 70
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Vgl. Coetlosquet an Sambucetti v. 19.2.1900, in: ASV ANM 197, XII. Ein vorangegangenes Anschreiben des Nuntius ließ sich dort nicht finden. Vgl. Hutten-Czapski, Sechzig Jahre Politik und Gesellschaft, S. 199. Zu Ott (1849–1906), 1882 Sekretär v. Bischof Stumpf, 1889 Prof. für Kirchenrecht und Pastoral am Priesterseminar, seit 1894 Ehrendomkapitular, vgl. Muller, Mgr. Stumpf, S. 7, Anm. 2. Zu Colbus (1834–1916), bei Rudt de Collenberg, La nomination de Mgr. Zorn de Bulach, fälschlich Colbur, 1893–1898 MdR, 1870–1901 Pfarrer in Neunkirchen bei Saargemünd, vgl. Haunfelder, Reichstagsabgeordnete der Deutschen Zentrumspartei, S. 141; Schwarz, MdR, S. 289. Vgl. den Hinweis bei Muller, Dieu est catholique et alsacien, S. 195, über ein entsprechendes Gespräch zwischen Fleck und Hohenlohe-Langenburg.
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Außerdem wagte Militärpfarrer Antonius Scher jetzt den Schritt nach vorn. Nachdem in seinem Fall der Großherzog von Baden als Fürsprecher keinen Erfolg gezeitigt hatte, probierte er es unmittelbar beim Statthalter von Elsass-Lothringen Hermann Fürst zu Hohenlohe-Langenburg74. Ein solcher Vorstoß war zwar bei freiwerdenden Domherrenstellen in Preußen seiner Zeit absolut üblich, nicht aber bei vakanten Bischofsstühlen, und muss schon deshalb scheel angesehen gewesen sein. Innerhalb der Generalität warb der Generalleutnant und Divisionskommandeur von Gayl in Hannover um Unterstützung für Scher, indem er zwar bekannte, Scher sei in Hannover in pastoraler Hinsicht kaum aufgefallen. „Nur die Persönlichkeit tritt als eine sehr weltgewandte, kluge, energische, praktische und vielseitig interessierte hervor“75. Dies habe auch der Großherzog von Baden bei einer früheren Gelegenheit betont. Dass der Militärgeistliche „zu gleicher Zeit an verschiedene Türen angeklopft“76 habe bzw. anklopfen ließ, sei „nicht sehr rücksichtsvoll“, wie Hohenlohe-Langenburg dem Großherzog bedeutete. Auch von Gayl hatte einwenden müssen, dass Scher zwar in Mülhausen im Elsass „besonders an seinem Platz“77 gewesen sei, in „dem Streben, sich nützlich zu machen, … vielleicht sogar zu weit gegangen [sei], so dass er vor zwei Jahren nach Hannover versetzt wurde“. Und Reichskanzler von Hohenlohe-Schillingsfürst ließ Schers Unterstützer in der Generalität Ende November 1899 recht lapidar wissen, dass die Regierung in der Metzer Kandidatenfrage bereits anders disponiert habe78. Überhaupt fand der Statthalter Zorn von Bulach viel geeigneter, weil „er ein durchaus vornehm denkender und allgemein gebildeter Priester ist, weit über dem Niveau der Geistlichkeit im Lande stehend“. Dennoch sah auch Hohenlohe-Langenburg die Problematik der mangelnden Akzeptanz seines Favoriten in den Reihen des lothringischen Klerus und nicht zuletzt der Gläubigen. Selbst Scher als Metzer Priester konnte nicht den – auch staatlicherseits – gewünschten Rückhalt vorweisen. Aber eine Alternative fiel der Straßburger Regierungsbehörde auch nicht ein. Der einheimische Klerus habe keine geeigneten Kandidaten zu bieten, und der elsässische Pfarrer Landolin Winterer bot zwar aus Straßburger Sicht die notwendige Anlage, schied aber bereits daher grundsätzlich aus, weil der Statthalter in ihm einen 74
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Zu Hohenlohe-Langenburg (1832–1913), 1894–1907 Statthalter, vgl. Eissele, HohenloheLangenburg; Richter, Hohenlohe-Langenburg, in: NDB, Bd. 9 (1972), S. 491f.; u. Haunfelder, Die konservativen Abgeordneten des Deutschen Reichstages, S. 134f. Von Gayl an den Kommandierenden General von Stünzner v. 8.11.1899, Abschrift in: PA AA, EL 3. Hohenlohe-Langenburg an Friedrich I. von Baden v. 21.11.1899, in: Fuchs (Hrsg.), Großherzog Friedrich I. von Baden und die Reichspolitik, Bd. 4, S. 204f., hier S. 204. Hier auch das folg. Zit. Von Gayl an v. Stünzner v. 8.11.1899, in: PA AA, EL 3. Hier auch das folg. Zit. So berichtete der General im Generalkommando des 10. Armee-Korps am 19.7.1901 an das Auswärtige Amt, ebd. Hier auch das folg. Zit.
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Exponenten des politischen Katholizismus sah. Schon deshalb war er als ein Favorit von Bischof Räß 1880 nicht als dessen Koadjutor in Straßburg in Frage gekommen79. Winterer war zwar zu diesem Zeitpunkt bereits seit einem Vierteljahrhundert und damit länger als jeder andere Mandatsträger aus dem Reichsland Mitglied des Reichstages, aber er galt als „Befürworter individualistischer Vertretung politischer Interessen“80. 1832 in Obersulzbach als Sohn eines Webers geboren worden, zählte er außerdem bereits 67 Jahre. Nach dem Besuch des Kleinen Seminars in La-Chapelle-sous-Rougemont und des Priesterseminars in Straßburg hatte er 1856 dort die Priesterweihe erhalten. Nach Vikarsjahren in Bitschweiler bei Thann und in Colmar war er 1866 als Pfarrer nach Gebweiler und 1871 in gleicher Eigenschaft nach Mülhausen gekommen und war dort in konfessioneller Gemengelage zu einem wichtigen politischen Exponenten geworden, der sich publizistisch betätigte und 1890 zudem eine eigene Zeitung zur öffentlichen Vertretung seiner Lobby geschaffen hatte81. Die große Anzahl an vorgeschlagenen Kandidaten fand im Übrigen vor den kritischen Augen des lothringischen Bezirkspräsidenten Hans Freiherr von Hammerstein-Loxten keine Gnade82. Prinz Max von Sachsen sei absolut zu jung und von seiner Persönlichkeit her kaum geeignet, die Integration Lothringens in das Deutsche Reich voranzutreiben. Dem Militärpfarrer Antonius Scher fehle es an „envergure“. Scheuffgen sei ein exzellenter Kenner der politisch-religiösen Situation im Reichsland, zudem kaisertreu, aber alkoholabhängig. Nigetiet vertrete eine zu radikale Position, was die Trennung von Kirche und Schule anbetreffe und sei vor allem mit dem Zentrum zerstritten. Karst verfüge über ungeheure Kenntnisse in der Bistumsverwaltung von Metz, sei aber aufgrund seiner Bauernschläue nicht so recht einzuschätzen und deswegen kein verlässlicher Partner für die Regierung. Marbach schließlich verfüge über keinerlei Sympathien im Bistum Metz und sei auch insgesamt zu skrupulös. Kurzum: selbst die staatsloyalen Priester wurden abqualifiziert. Natürlich steckte dahinter auch System, denn der Bezirkspräsident favorisierte offen die Kandidatur Zorn von Bulachs, der „von allen Kandidaten … am meisten die politischen Interessen des Reiches verkörpere“. Wenige Wochen vor dem Tod von Bischof Fleck wusste dann die preußische Gesandtschaft im Vatikan dem Auswärtigen Amt zu berichten, dass gegen Zorn von Bulach verschiedentlich interveniert werde83. 79 80 81
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Vgl. Muller, Dieu est catholique et alsacien, S. 130. Haunfelder, Reichstagsabgeordnete der Deutschen Zentrumspartei, S. 285. Die mehrfach staatlicherseits kurzzeitig verbotene Zeitung erschien unter wechselnden Titeln, so etwa auch als „Mülhauser Volksblatt“. Vgl. Cetty, Winterer, S. 110. Vgl. zum Folgenden Hammerstein an den kaiserlichen Kabinettschef Lucanus v. 22.11.1899, zit. nach Favrot, Le gouvernement allemand et le clergé catholique lorrain, S. 84f. Hier auch die folg. Zit. Vgl. Bülow an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 30.9.1899, zit. nach Gatz, Kirchliche Perso-
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Am 30. Oktober 1899, also drei Tage nach Eintritt der Sedisvakanz in Metz, sah sich der Bruder des Kirchendiplomaten Hugo Zorn von Bulach84, Unterstaatssekretär im Ministerium für Elsass-Lothringen, genötigt, gegenüber Reichskanzler von Hohenlohe-Schillingsfürst zur Nachfolgefrage in Metz ausführlich Stellung zu beziehen. Dabei warnte er vor der in Straßburg mit Adolf Fritzen gewählten Variante, einen „Alt-Deutschen“ einzusetzen. „Eine zweite Puppe durch unbekannte Schnüre gezogen, das kann doch nicht der Wunsch sein“85, appellierte er an den Kanzler und hielt ebenso die Idee, einen „verkappten Protestler“ zu nehmen für einen Kotau vor den französischen Kräften. Stattdessen wies er auf den langen, erfolgreichen Episkopat von Bischof Dupont des Loges hin, der als Adeliger die Situation in Metz stark geprägt habe. In seiner Kontinuitätslinie wäre Metz mit einem adeligen Bischof gut bedient, der eine starke Autorität besitze. „Denn die Demokratisierung des Klerus, die Zügellosigkeit, die wir hier in der Diözese Straßburg wahrnehmen, sind ja traurige Zustände, die der katholischen Religion nur schaden, und das Prinzip der Autorität untergraben“. Wenn der Unterstaatssekretär also die Forderung aufstellte, dass „Zucht, Disziplin …. wieder beigebracht werden“ müsse, so bezog er dies auf die innerkirchlichen Zustände, hatte aber gleichzeitig die Intention, auf einen den staatlichen Interessen wohlwollend gesinnten Bischof hinzuwirken. Alle diese Eigenschaften sah er in seinem Bruder, dem Prälaten Franz Zorn von Bulach, verwirklicht. Mag es vielleicht ein wenig vermessen anmuten, den eigenen Bruder gegenüber der Reichsregierung zu protegieren, so entsprach diese Demarche der bevorzugten Stellung, welche die Familie Zorn von Bulach innerhalb kurzer Zeit in den Augen der Hohenzollernmonarchie in der Region gewonnen hatte. Nur wenige Tage nach dem Vorstoß Hugo Zorn von Bulachs wusste auch schon der Geschäftsträger der Münchner Nuntiatur Nicotra zu berichten, „in Madrid bei der Nuntiatur sei der uditore Zorn von Bulach, der ein sehr guter Nachfolger von Fleck sein würde“86. Auch der Nuntius in Spanien, Giuseppe Nava87 und sein Nachfolger Aristide Rinaldini88 unterstützten die Bischofsernennung Zorns in Metz deutlich. Wie der preußische Gesandte in München, Anton Graf von Monts, an Reichskanzler Bernhard von Bülow in 84
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nalpolitik und Nationalitätenprobleme, S. 372. Zu Hugo Zorn von Bulach (1851–1921), 1881–1887 u. 1890–1898 MdR (Protestpartei), 1895 Unterstaatssekretär, 1909–1914 Staatssekretär, vgl. Schwarz, MdR, S. 506; Favrot, Le gouvernement allemand et le clergé catholique lorrain, S. 19. Hugo Zorn von Bulach an Hohenlohe v. 30.10.1899, in: Hohenlohe-Schillingsfürst, Denkwürdigkeiten der Reichskanzlerzeit, S. 536f. Hier auch die folg. Zit. Monts an Bülow v. 2.11.1899, abgedruckt bei Monts, Erinnerungen und Gedanken, S. 390f., hier S. 391. Zu Nava (1846–1928), 1896 Nuntius in Madrid, 1899 Kardinal, vgl. catholic-hierarchy.org [Aufruf: 9.10.2009]. Zu Rinaldini (1844–1920), 1899 Nuntius in Madrid, 1907 Kardinal, vgl. catholic-hierarchy.org [Aufruf. 9.10.2009].
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Berlin schrieb, habe Nicotra den Eindruck erweckt, als sei man in Rom mit Zorn sehr einverstanden. Es hatte also zunächst den Anschein, als könnten sich Staat und Kirche leichterdings auf einen in beiderseitigem diplomatischem Dienst erfahrenen Kandidaten einigen, der überdies die Bedingung erfüllte, als Elsässer quasi Einheimischer zu sein und damit bilingual. Mitte Januar 1900 berichtete die „Kölnische Volkszeitung“, der Papst habe die Nomination Zorn von Bulachs akzeptiert89. Da es sich um ein katholisches Presseorgan handelte, erregte diese Nachricht einiges Aufsehen, zumal sie zu einer Breitseite gegen die französische Zeitung „Messin“ genutzt wurde, wenn es dort expressis verbis hieß: „Die sehr durchsichtige … Stimmungsmache … gegen den neuen Herrn Bischof … hat also diesmal Nichts genützt und das Blatt wird sich wohl oder übel mit der vollendeten Tatsache abfinden müssen“. Aber mit dem „neuen Herrn Bischof“ war es noch keineswegs so weit, die Nachricht musste dementiert werden und gab der französischen Presse letztlich Aufwind. Dies gipfelte in der Behauptung, Bulach sei „ein Schandfleck der Christenheit … Er sollte Bischof von Metz werden, wird es aber nicht. Man weiß nicht, was man mit ihm anfangen, wo man ihn verbergen soll“90. Je hartnäckiger sich Gerüchte um die bereits erfolgte oder noch anstehende Ernennung Bulachs hielten – eine Metzer katholische Zeitung ging noch Mitte April 1900 ernsthaft davon aus, Leo XIII. werde den adeligen Kirchendiplomaten im nächsten Konsistorium zum neuen Bischof ernennen91 – , desto vehementer fiel die Gegenwehr aus Frankreich aus. Zorn von Bulach ließ sich also zu nationalistischen Zwecken missbrauchen. Soweit gingen die elsässischen katholischen Zeitungen, wie beispielsweise der „Elsässer Kurier“, zwar nicht, jedoch brachten auch sie Vorbehalte in die Öffentlichkeit, die sich allerdings nicht gegen den Kandidaten, sondern gegen die mangelnde Sympathie richteten, welche die Familie Zorn von Bulach in der Region genieße92. Nach der Beobachtung des österreichischen Botschafters beim Heiligen Stuhl hatten die Verhandlungen zwischen Rom und Berlin „namentlich auf deutscher Seite einen sehr gereizten Charakter angenommen“93. Es sei in deutschen Regierungskreisen das Wort gefallen, „Papst Leos Pontifikat habe unter dem Zeichen der Versöhnung dem Kulturkampf ein Ende gemacht, es sei nun zu fürchten, dass derselbe im Unfrieden mit Deutschland beschlossen werde. Im Vatikan, wo man alles hört und erfährt, ist man darüber natürlich sehr verletzt.“ Negativ schlug wohl vor allem zu Buche, dass der dortige preußische 89
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Kölnische Volkszeitung v. 15.1.1900. Dieser und die folgenden Zeitungsausschnitte, in: Archives départementales de la Moselle 7AL62. Libre parole v. 24.1.1900. Vgl. Metzer katholisches Volksblatt v. 15.4.1900. Vgl. die Hinweise bei Muller, Dieu est catholique et alsacien, S. 197. Österreichische Botschaft beim Heiligen Stuhl an Ministerium des Auswärtigen in Wien v. 26.6.1900, in: HHStA Wien, PA XI, 240. Hier auch das folg. Zit.
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Gesandte Wolfram Freiherr von Rotenhan94 gegenüber Rampolla die Kandidatur Zorn von Bulachs als Sieg des Vatikans über die preußische Diplomatie dargestellt hatte, weil Zorn ja im päpstlichen diplomatischen Dienst stand. Gerade Rampolla sprach sich dezidiert gegen diese Personalie aus, während der Papst ihr im Grunde positiv gegenüber stand. Interessant erscheint, dass auch im Metzer Diözesanklerus durchaus Sympathien für Zorn von Bulach herrschten. So hatte sich kein geringerer als der wegen seiner antideutschen Haltung auf staatlichen Druck als Generalvikar abberufene Domkapitular und Domdechant Heinrich Willeumier95 beim Kardinalstaatssekretär für Zorn von Bulach eingesetzt96, während ihn der Chefredakteur des „Lorrain“, Henri Collin, neben Teilen der elsass-lothringischen Presse zum einen als Überläufer brandmarkte, zum anderen als persönlichen Freund Wilhelms II. diffamierte, der nur eine gezielte Germanisierung Lothringens betreiben wolle97. Collin hatte auch die Benediktiner der Intrigen gegen Zorn von Bulach bezichtigt98. Wohl sicherlich nicht ganz unbewusst sprach Leo XIII. anlässlich einer Audienz für Walter Freiherr von Loe99 im April 1900 die Metzer Frage nicht an, obgleich sein Besucher diese gern thematisiert hätte100, sein Anliegen aber letztlich nur bei Kardinal Ledóchowski los wurde, dessen Zustimmung zu Zorn von Bulach ihm ein Hoffnungsschimmer für die staatlichen Avancen zu sein schien. Insgesamt zeigte sich Loe aber hinsichtlich einer baldigen Neubesetzung von Metz gegenüber Großherzog Friedrich I. von Baden pessimistisch. Er habe „den Eindruck, dass … ein augenblicklicher Erfolg nicht erreichbar scheint“101. Unter dem 6. August 1900 meldete der österreichische Gesandte beim Heiligen Stuhl nach Wien, die Metzer Bischofsfrage sei noch immer nicht befriedigend gelöst. Der Vatikan sei bemüht, die Situation zu bereinigen, indem er eine Ernennung Zorn von Bulachs zum Weihbischof in Köln oder aber auch in Metz erwäge102. Tatsächlich hatte Nuntius Cesare Sambucetti bereits 94
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Zu Rotenhan (1845–1908) vgl. Hanus, Die Preußische Vatikangesandtschaft, S. 390–397; Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes, Bd. 3, S. 729f. Zu Willeumier (1844–1915), 1881–1895 Generalvikar in Metz, vgl. Gatz, Willeumier, in: Ders., Bischöfe, S. 817. Vgl. Willeumier an Rampolla v. 10.2.1900, zit. nach Gatz, Kirchliche Personalpolitik und Nationalitätenprobleme, S. 374f. Die zentrale Rolle der Pressekampagnen gegen Zorn von Bulach betont Rudt de Collenberg, La nomination de Mgr. Zorn de Bulach, S. 318f. Vgl. Collin an Rampolla v. 21.3.1900, in: ASV ANM 198, I. Zu Loe (1828–1908), als erster Katholik Kommandierender General, 1901 MdH, 1905 Generalfeldmarschall, vgl. Stumpf, Loe, in: NDB, Bd. 15 (1987), S. 14f. Loe an Friedrich I. von Baden v. 29.4.1900, in: Fuchs (Hrsg.), Großherzog Friedrich I. von Baden, Bd. 4, S. 241–243. Ebd., S. 242. Österreichischer Botschafter beim Hl. Stuhl an Regierung in Wien v. 6.8.1900, in: HHStA Wien, PAXI, 240.
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zu Beginn des Jahres 1900 den Plan erwogen, den gordischen Knoten um die stockenden Besetzungsverhandlungen dadurch zu zerschlagen, dass er Zorn von Bulach aus dem Blickfeld für Metz nehmen wollte. Denn in einem Punkt waren sich Regierung und Kirche ja einig: sie wollten einen Elsässer auf den Metzer Bischofsstuhl bringen. So unterbreitete der Nuntius dem Kardinalstaatssekretär den vertraulichen Vorschlag, den elsässischen Kirchendiplomaten schlicht in der vatikanischen Diplomatie „hochzuloben“. Genauer gesagt sollte Zorn von Bulach anstelle von Nicotra zum Auditor (Uditore) an der Münchner Nuntiatur ernannt werden, eine Idee, welche Rampolla nicht unangenehm war, so dass er Sambucetti beauftragte, beim bayerischen Minister des Auswärtigen und Ministerpräsidenten Crailsheim vorstellig zu werden, ob diese Personalentscheidung genehm sein würde103. Der Nuntius suchte daraufhin persönlich das Gespräch mit dem Regierungschef. Auf dessen Anfrage beim bayerischen Gesandten in Rom, Anton Freiherr von Cetto, zeigte letzterer sich reichlich überrascht. Rampolla habe nämlich bisher weder von einer Versetzung Nicotras noch von der Berufung Zorn von Bulachs gesprochen und sich auch auf vorsichtige Andeutungen seinerseits hin nichts über diesen Plan entlocken lassen104. Lediglich mit seiner Meinung, dass Bulach für die Bischofswürde in Metz noch nicht genügend Potenzial mitbringe, habe der Kardinalstaatssekretär nicht hinter dem Berg gehalten. Allerdings habe er, so Cetto, von dem preußischen Gesandten von Rotenhan gehört, dass Reichskanzler Hohenlohe-Schillingsfürst eine Versetzung Bulachs nach München vor Abschluss der Bischofsstuhlbesetzung in Metz scharf missbilligen würde. Von der bayerischen Regierung erhielt der Nuntius aber nicht diese Hintergrundinformation, sondern nur die Antwort, dass Zorn von Bulach als Bischof von Metz ausersehen sei, weshalb er sich an Hohenlohe-Schillingsfürst wenden solle. Wenn sich die bayerische Regierung gegen die Transferierung Zorn von Bulachs nach München aussprach, so spielte für diese Entscheidung auch die Warnung Cettos eine Rolle, der Kardinalstaatssekretär wolle diesen partout nicht in Metz sehen, weil dieser den frankophilen Kräften im Reichsland missliebig sei, jedoch Rampollas „ganzes politisches und diplomatisches Wirken auf die Erzielung und Bewahrung eines engen Anschlusses an Frankreich gerichtet“ sei. Kanzler und Kaiser insistierten jedoch darauf, dass der Kirchendiplomat für Metz vorgesehen wäre, eine Position, die mit der eines Auditors nicht zu vergleichen sei105. Rampolla äußerte gegenüber Cetto schließlich, die Ernennung Zorn von Bulachs zum Uditore in München sei nicht mehr als „ein vages Projekt“106 und die Anfrage 103 104
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Vgl. Rampolla an Sambucetti v. 31.1.1900, in: ASV ANM 198, I. Vgl. Cetto an Crailsheim v. 24.2.1900, in: BHStA München, Ges. PS 867. Hier auch das folg. Zit. Vgl. hierzu Rudt de Collenberg, La nomination de Mgr. Zorn de Bulach, S. 323. So Cetto an Crailsheim v. 19.3.1900, in: BHStA München, Ges. PS 867. Hier auch das folg. Zit.
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Sambucettis habe nur den Zweck gehabt, einen möglichen staatlichen Einspruch in Erfahrung zu bringen. Ja er bestritt sogar nachdrücklich, dass die Transferierung des Kirchendiplomaten nach München in irgendeinem Zusammenhang mit der Metzer Bischofsstuhlbesetzung stehe. „Es könne ja ein in München verwendeter Uditore ebenso gut zur Würde eines Bischofs von Metz erhoben werden als ein in Madrid funktionierender Sekretär“. Natürlich war das „vage Projekt“ bereits durchaus konkret, und es wird deutlich erkennbar, dass Rampolla durch sein Zurückrudern einen sich andeutenden neuerlichen Riss im Staat-Kirche-Verhältnis rasch kitten wollte. Wie sehr der Nuntius aber dennoch daran interessiert war, das Problem der Kandidatur Zorns von Bulachs für Metz aus dem Weg zu räumen, zeigt sich daran, dass er umgehend einen anderen Plan zu dessen Eliminierung aus Metz entwickelte. Sambucetti machte Rampolla auf den vakanten Posten eines Weihbischofs in Köln aufmerksam107. Köln sei nicht nur eine sehr bedeutende Diözese, sondern benötige auch dringend wieder einen zweiten Weihbischof in Nachfolge des verstorbenen Hermann-Joseph Schmitz108. Konkret schlug der Münchner Nuntius dem Kardinalstaatssekretär vor, den neuen Kölner Erzbischof Hubert Simar davon zu überzeugen, beim Heiligen Vater einen Weihbischof in der Person Zorn von Bulachs anzufordern. Wäre letzterer erst einmal in Köln installiert, könne er auch bei der nächsten Sedisvakanz zum Erzbischof aufrücken. Dass mit diesem Plan die Problematik der Unterbringung von Zorn von Bulach nur aufgeschoben, jedoch für die Kurie keineswegs beseitigt gewesen wäre, liegt auf der Hand. Zumindest war ja anzunehmen, dass die preußische Regierung diesen wirklich bei nächster Gelegenheit als Erzbischof auf dem bedeutenden Kölner Posten hätte durchsetzen wollen, was Sambucetti in der verfahrenen Situation der Metzer Bischofsernennung offenbar völlig egal zu sein schien. Oberstes Ziel war es ganz offensichtlich, Zorns weitere Kandidatur in der lothringischen Bischofsstadt zu verhindern. Der Kardinalstaatssekretär hielt sich gleichwohl bedeckt. Er müsse zunächst dem Heiligen Vater Bericht erstatten, bremste er den Eifer Sambucettis, nicht ohne ihn für seine vertraulichen Überlegungen und seine „accuratezza“109 zu loben. Erst die staatliche Weigerung, Zorn von Bulach für Köln zu akzeptieren, lenkte den Blick auf eine Weihbischofsernennung in Metz, wenngleich es diesen Posten dort bisher gar nicht gegeben hatte110. Im Februar 1900 wandte sich der Vorsitzende der Fuldaer Bischofskonferenz, der Breslauer Kardinal Georg Kopp, an Korum, um dessen Ansicht über eine Kandidatur des Benediktiners Willibrord Benzler OSB111, Abt von Maria 107 108 109 110 111
Vgl. Sambucetti an Rampolla v. 15.2.1900, in: ASV ANM 198. Zu Schmitz vgl. das Kap. Köln in diesem Band. Rampolla an Sambucetti v. 28.3.1900, in: ASV ANM 198. Vgl. Muller, Dieu est catholique et alsacien, S. 198f. Zu Benzler vgl. Hilpisch, Benzler, in: LThK2, Bd. 2 (1958), Sp. 210; Gatz, Benzler, in:
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Laach, zu erfahren. Insbesondere interessierte ihn, ob Benzler der französischen Sprache mächtig sei. Benzler war 1853 in Niederhemer im Sauerland als ältestes von fünf Kindern eines Gastwirts geboren worden. Nach dem in Münster abgelegten Abitur begann er ein Theologiestudium in Innsbruck, trat 1874 als Novize in die Benediktinerabtei Beuron in Hohenzollern (Erzbistum Freiburg) ein, nachdem er bei den Jesuiten abgelehnt worden war, legte dort zwei Jahre darauf seine Profess ab und erhielt die Priesterweihe. Aufgrund des Kulturkampfes verbrachte der junge Benediktinermönch die folgenden Jahre in Prag und Seckau/Steiermark, dort seit 1883 als Prior, um 1887 gleichfalls als Prior nach Beuron zurückzukehren. 1893 siedelte er als erster Abt in die von Beuron als Neugründung errichtete Abtei Maria Laach im Rheinland über. Wie war Kopp auf Benzler gekommen? Zum einen war ihm natürlich die besondere Wertschätzung, welche Kaiser Wilhelm II. für den Benediktinerorden und speziell für dessen Beuroner Kongregation hegte, bekannt112. Schließlich hatte der Monarch den Söhnen des heiligen Benedikt nicht nur 1898 anlässlich seiner Palästinareise ein Grundstück zur Errichtung einer Abtei in Jerusalem geschenkt113, sondern bereits mehrfach die Abtei Maria Laach besucht. 1900 war Abt Willibrord vom Kaiser zur Teilnahme an der Grundsteinlegung der Dormitio-Abtei nach Jerusalem delegiert worden. Der Breslauer Fürstbischof war sich aber möglicherweise auch der Sympathien des Münchner Nuntius Benedetto Lorenzelli für den Benediktinerorden bewusst, die 1897/98 zu Tage getreten waren, als Lorenzelli in den Auseinandersetzungen zwischen der badischen Staatsregierung und dem Freiburger Metropolitankapitel um die Neubesetzung des Freiburger Erzbischofsstuhls nachdrücklich, aber vergeblich den ebenfalls zur Beuroner Benediktinerkongregation gehörenden Abt von Seckau in der Steiermark, Ildefons Schober OSB, protegiert hatte114. Dass Benzler bei der Neubesetzung des Bischofsstuhls seiner Heimatdiözese Paderborn 1899 zeitweilig im Gespräch gewesen sein soll115, lässt sich anhand der Akten bisher nicht verifi zieren. Für die Neubesetzung des Erzbistums Köln war er im selben Jahr jedoch von Wilhelm II. als episkopable Persönlichkeit erwähnt worden116.
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Ders., Bischöfe, S. 35–38; Häger, Benzler, in: BBKL, Bd. 15 (1999), Sp. 120–124; Benzler, Erinnerungen aus meinem Leben. Vgl. Hoffmann, Kaiser Wilhelm II. und der Benediktinerorden, in: ZKG, Bd. 106 (1995), S. 363–384; Strötz, Wilhelm II. und der Katholizismus, in: Samerski (Hrsg.), Wilhelm II. und die Religion, S. 171–198, hier S. 188–190. Vgl. Gatz, Katholische Auslandsarbeit, in: RQ, Bd. 73 (1978), S. 23–46, hier S. 23. Vgl. hierzu das Kap. Freiburg in diesem Band. Vgl. Der Schlüssel 1/1964, S. 1. In den Akten fanden sich keine diesbezüglichen Hinweise. Vgl. Trippen, Das Domkapitel und die Erzbischofswahlen in Köln, S. 297, u. das Kap. Köln in diesem Band.
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Als Kopp dann auch die Stimmung Wilhelms II. hinsichtlich einer Kandidatur Benzlers vorsichtig erkunden ließ, lauteten die ersten entsprechenden Nachrichten aus Berlin negativ: „Seine Majestät glauben z. Zt. noch immer, nicht auf Zorn von Bulach verzichten zu können“117. Dass selbst Kopp die Persönlichkeit des Benediktiners nicht so recht geläufig zu sein schien, wird dadurch belegt, dass er von dem „Abt Denzler“ sprach. Immerhin hatte von Rotenhan bereits Anfang März 1901 den Staatssekretär von Bülow wissen lassen, Kardinal Kopp habe gegenüber dem Prälaten Montel geäußert, „er habe in Berlin gefunden, dass man nicht mehr so fest an Zorn von Bulach halte, er glaube, Seine Majestät werde dahin zu bringen sein, eine andere ihm sympathische Persönlichkeit anzunehmen“118. Und eben in diesem Kontext wurde „Denzler“ genannt. Wie Rotenhan über den – wie er meinte, ohne Wissen und hinter dem Rücken Kopps – äußerst gesprächsfreudigen Montel des Weiteren erfahren haben wollte, habe Leo XIII. sich an der Kandidatur des Abtes von Maria Laach sehr interessiert gezeigt und sowohl bei Montel als auch beim Abt von Sant Anselmo in Rom Erkundigungen über Benzler, insbesondere über dessen Kenntnis der französischen Sprache, einzuholen versucht. Dass beide Adressaten in diesem Punkt nicht weiterhelfen konnten, wertete der preußische Gesandte nicht gerade als Zeichen dafür, dass Benzler eine ernstzunehmendere Persönlichkeit sei und resümierte daher auch, dass „mir die Hoffnungen des Kardinals Kopp etwas optimistisch erschienen“. Derweil wandte sich Rampolla an den Abtprimas der Benediktiner in Rom, Hildebrand d’Hemptinne OSB119, der ihm Auskunft darüber gab, dass Benzler Französisch spreche und in dieser Sprache bereits Vorträge gehalten habe120. Mit der Nomination seines Ordensbruders für den vakanten Metzer Bischofsstuhl zeigte er sich im Übrigen einverstanden. Daraufhin ermächtigte die Kurie Kopp, mit der preußischen Regierung offiziell Verhandlungen hinsichtlich der Ernennung des Benediktinerabtes aufzunehmen, woraus zu schließen ist, dass Leo XIII. erstens auf Kopp vertraute und zweitens vorab lediglich die französische Sprachbefähigung Benzlers positiv geklärt haben wollte. Dass Benzler „doch des Französischen noch nicht so mächtig ist, als wir angenommen haben“121, gestand der Breslauer Fürstbischof dem Reichskanzler erst Monate später ein, nachdem Regierung und Kaiser der Ernennung des Abtes von Maria Laach zum Bischof 117 118 119
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N.N. aus Auswärtigem Amt an Kopp v. 25.3.1901, in: PA AA, EL 3. Rotenhan an Bülow v. 2.3.1901, ebd. Hier auch das folg. Zit. Zu d’Hemptinne (1849–1913), gebürtig aus Belgien, 1890 dort Abt von Maredsous, 1893 Abtprimas in Rom, vgl. Ebele, Hemptinne, in: The American Benedictine Review, Bd. 9/3 (1958), S. 164–178; de Moreau, Hemptinne; Luislampe, Hemptinne, in: LThK3, Bd. 4 (1995), Sp. 1419. Bei Rudt de Collenberg, La nomination de Mgr. Zorn de Bulach, S. 328, wird der Abt-Primas fälschlich als Hillebrand benannt. Vgl. d’Hemptinne an Rampolla v. 3.3.1901, in: ASV SS Anno 1902, 255, 3, vgl. auch Telegramm Rotenhans an Auswärtiges Amt v. 21.3.1901. Rotenhan bezog seine Informationen von Montel. In: PA AA, EL 3. Kopp an Bülow v. 10.7.1901, ebd.
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von Metz schon längst zugestimmt hatten. Letztlich lässt sich aber nicht mehr definitiv klären, ob Kopp wirklich erst zu diesem späteren Zeitpunkt von den eben nicht so ausgeprägten Französischkenntnissen seines Protagonisten erfahren hatte, oder ob er diesen möglichen Makel an der Eignung Benzlers für Metz bewusst verschwiegen bzw. in ein positives Licht gerückt hatte. Ende April 1900 wies Abt de Coetlosquet Nuntius Sambucetti darüber hinaus darauf hin, dass der Regierungskandidat – den Namen Zorn von Bulach nahm er nicht in den Mund – aus einer Familie stamme, die nicht für seine politische Unabhängigkeit als Bischof garantiere122. Es mag Zufall sein, dass Coetlosquet dieses Schreiben nicht direkt nach München sandte, sondern über die Pariser Nuntiatur weiterleiten ließ. Aber möglicherweise fürchtete er, dass seine kritische Intervention auf dem äußerst schwierigen deutschfranzösischen Parkett bei Bekanntwerden negative Folgen haben könnte. Darauf deutet auch die Tatsache hin, dass er – aufgrund eigener Erkrankung – seinen ebenfalls der Abtei St. Maur angehörenden Bruder Jean zur Nuntiatur nach München entsandte. Nuntius Sambucetti stellte in einer Note an den Kardinalstaatssekretär daraufhin fest, dass in katholischen Kreisen eine Nomination des Staatskandidaten – auch er erwähnte den Namen Zorn von Bulach mit keinem Wort – Befürchtungen auslösen würde123. Das Problem sei nicht eine mangelnde Frömmigkeit oder Würde Zorn von Bulachs. Stattdessen fehle es ihm an wissenschaftlicher Bildung, an Intelligenz und vor allem sei seine Familie in Elsass-Lothringen nicht besonders gut angesehen. Gleichzeitig fügte er eine Liste fünf vertraulich vorgeschlagener Kandidaten für den vakanten Bischofsstuhl bei, auf der an erster Stelle Generalvikar Schmitt, an zweiter Stelle Stoeffler, die ihm am würdigsten erschienen, an dritter Stelle Regens Ott und zuletzt Frey und Joder standen. Im Grunde war es also die Liste vom November 1899, lediglich ergänzt um den von dem Benediktinerabt aus Saint Maur genannten Ott und in der Reihenfolge etwas verändert, indem Schmitt vor Staffler an die Spitze gerückt war. In der Folge griff auch der Bruder des Abtes de Coetlosquet in die schwebende Angelegenheit ein, indem er Bischof Korum von Trier als ersten Favoriten bezeichnete124. Wenn dessen Translation allerdings zu schwierig erscheine, so gebe es im Elsass eine größere Zahl würdiger Priester. Dass einer dieser Geistlichen zum Zuge käme, erschien dem französischen Benediktiner sicher. Denn „si les Allemands cherchent à faire accepter leur domination par les populations annexés, ils y assiveront plus sûrement en les traitant avec bienveillance, et en évitant de les blesser dans leurs sentiments les plus légitimes“. Der Abt von St. Maur war so nachhaltig an dem Fall interessiert, dass er dann sogar aus der Rekonvaleszenz in der Bretagne meldete, mittlerweile würde auch 122 123 124
Vgl. Edouard de Coetlosquet an Sambucetti v. 27.4.1900, in: ASV ANM 197. Vgl. Note rélatif a l’élection de l’évêque de Metz, ebd. Jean de Coetlosquet an Sambucetti v. 15.9.1900, ebd. Hier auch das folg. Zit.
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eine Kandidatur des Metzer Pfarrers und Ehrendomherrn Johannes Michael Delles125 erwogen126. Als zeitweiliger Reichstagsabgeordneter stand Delles bei Abt de Coetlosquet nicht gerade hoch im Kurs. Jedenfalls meinte er, vor dieser Kandidatur warnen zu müssen, da sie keine unabhängige Verteidigung allein der kirchlichen Interessen in Lothringen garantiere. Ebenso gehörte Domkapitular Willeumier aus Metz zu den erklärten Gegnern von Delles, zumal dieser sich selbst in Vorschlag gebracht hatte127. Tatsächlich war Delles im Juni 1900 im Rahmen einer Wallfahrt der lothringischen Katholiken in Rom gewesen. Nach einer Lesart hatte er sich bei Rampolla von sich aus um die Nachfolge von Bischof Fleck in Metz beworben und war auch vom Papst empfangen worden. Nach anderer Lesart war er Teil einer Delegation, die bei Leo XIII. mit der Intention vorsprach, persönlich gegen die Ernennung Zorn von Bulachs zum Bischof von Metz Stellung zu nehmen. Bei dieser Gelegenheit habe der Papst nach einem Alternativvorschlag gefragt. Die Audienzteilnehmer seien daraufhin erstaunt gewesen, bis der Chefredakteur des „Lorrain“, Henri Collin, den Namen Delles in den Raum geworfen habe, den der Papst sofort akzeptiert habe128. Da man sich in der Kurie noch immer nicht schlüssig war, welchen der zahlreichen elsässischen Kandidaten man letztlich bevorzugen sollte und gleichsam auf einen deus ex machina wartete, nahm man Delles stillschweigend in die Schar der zu berücksichtigenden episcopabili auf und schien seine Kandidatur auch noch im Sommer und Herbst 1900 ernsthaft zu betreiben129. Zumindest wusste die Presse auch alsbald die Öffentlichkeit von dieser Bewerbung zu unterrichten130. Und je länger sich die Sedisvakanz hinzog, desto abenteuerlicher wurden die von der Presse verbreiteten Kandidaturen. So meldete beispielsweise zu Beginn des Jahres 1901 die überregionale Presse, der Bamberger Domkapitular Franz Xaver Schädler sei der Auserwählte131. Auffällig erscheint zudem die häufige Nennung des Pfarrers Frey für den Bischofsstuhl in Metz. Anfang August 1900 hieß es dann sogar in einer Zeitung, Hohenlohe-Schillingsfürst habe Zorn von Bulachs Kandidatur ad acta 125
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Zu Delles (1840–1918), 1872–1884 Domprediger in Metz, seither dort Pfarrer u. 1893 auch Ehrendomkapitular, 1889–1893 MdR, vgl. Haunfelder, Reichstagsabgeordnete der Deutschen Zentrumspartei, S. 144; Schwarz, MdR, S. 294. Vgl. Edouard de Coetlosquet an Sambucetti v. 9.10.1900, in: ASV ANM 197, pos. XII. Vgl. Willeumier an Rampolla v. 29.11.1900, in: ASV SS Anno 1902, 255, 3. Diese Interpretation der Vorgänge bei der Papstaudienz basiert auf Erinnerungen des Pfarrers Thilbaut, die in der Metzer Zeitung v. 2.12.1912 veröffentlicht wurden. Vgl. Archives départementales de la Moselle 29J592. Vgl. Rudt de Collenberg, La nomination de Mgr. Zorn de Bulach, S. 326. Vgl. Luxemburger Wort v. 6.8.1900. Allgemeine Zeitung v. 3.2.1901. Zu Schädler (1852–1913) vgl. das Kap. Speyer in diesem Band.
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gelegt und konzentriere sich auf Frey, mit dem sein als Bürgermeister von Colmar amtierender Sohn in enger Verbindung stehe132. Aber die Verschleppung der Neubesetzung lag ganz im Sinne der staatlichen Seite. So verriet beispielsweise der preußische Vatikangesandte von Rotenhan seinem dortigen bayerischen Kollegen Cetto, dass es die Intention der Reichsregierung sei, die „Verhandlungen … in die Länge zu ziehen und den Heiligen Stuhl allmählich umzustimmen“133, sprich zur Akzeptanz Zorn von Bulachs zu bewegen. Dies belegt auch der bezeichnende Ausspruch Wilhelms II. gegenüber dem deutsche Botschafter in Madrid Joseph von Radowitz134, der sich ja nachdrücklich für ihn einsetzte: „Bulach wird Bischof von Metz! Ich kann warten …“135. Zwischenzeitlich wollte der Straßburger Weihbischof Karl Marbach aus sicherer Quelle in Erfahrung gebracht haben, dass staatlicherseits beabsichtigt sei, Zorn von Bulach mit seinem Weihbischofsposten zu versehen, ihn selbst aber zum Bischof von Metz zu erheben136. Bei Kardinalstaatssekretär Mariano Rampolla wandte er ein, dass der Papst möglicherweise den zweiten Teil dieses Vorschlags bedauern würde, da er selbst bereits im 60. Lebensjahr stehe und gesundheitlich so angeschlagen sei, dass sein Episkopat in Metz nicht von langer Dauer sein würde. Zudem wies er auf die Probleme hin, die ihn in Metz erwarten würden. Zum einen sei die Diözese sehr groß, zum anderen sei eine Menge Verwaltungsarbeit aufgrund der langen Krankheit des bisherigen Bischofs liegen geblieben. Schließlich spielte er – ohne dessen Namen expressis verbis zu nennen – auf einen der beiden früheren Generalvikare und nunmehrigen Kapitularvikare an, dessen Neffe zudem Sekretär des Bischofs gewesen sei. Dieser jedenfalls habe als langjährige rechte Hand von Bischof Fleck eine sehr dominante Stellung im Bistum erlangt, die es einem von außen kommenden neuen Bischof nicht leicht mache. Zu guter Letzt meinte Marbach, er arbeite gut mit Bischof Fritzen zusammen und nehme zahlreiche Verwaltungs-, Firmungs- und Visitationsaufgaben im Bistum Straßburg wahr. Kurz und gut wäre er trotz aller Treue zum Heiligen Stuhl nicht bereit, Bischof der Nachbardiözese zu werden. Und wenn der Staat ihm für den Fall seiner Demission eine Pension verweigern würde, hoffe er auf die Gna132
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So „Le Messin“ v. 3.8.1900. Offenbar war Alexander von Hohenlohe-Schillingsfürst (1862–1924) gemeint, der von 1898–1906 als Bezirkspräsident des Oberelsass in Colmar amtierte. Vgl. Stalmann, Der ‚rote Prinz‘, in: Jahrbuch für Württembergische Landesgeschichte, Bd. 63 (2004), S. 271–308. Cetto an Crailsheim v. 19.3.1900, in: BHStA München, Ges. PS 867. Zu Radowitz (1839–1912), 1892–1908 deutscher Botschafter in Madrid, vgl. Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes, Bd. 3, S. 552f. Der Katholik war 1892–1908 deutscher Botschafter in Spanien. Wilhelm II. an Radowitz v. 11.12.1900, zit. nach Favrot, Le gouvernement allemand et le clergé catholique lorrain, S. 103. Vgl. Marbach an Rampolla v. 28.1.1901, in: ASV SS Anno 1902, 255, fasc. 3.
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de Gottes, ihm eine Stelle zu geben, auf der er sich noch ein wenig nützlich machen könne. Der Kardinalstaatssekretär beruhigte ihn umgehend, dass die Kurie keinerlei Öffnung gegenüber etwaigen staatlichen Wünschen beabsichtige137. Parallel schaltete sich auch Bischof Fritzen in die Metzer Besetzungsfrage ein. Wenn staatlicherseits der Wunsch bestehe, Franz Zorn von Bulach eine zentrale Funktion in der kirchlichen Hierarchie des Reichslandes zukommen zu lassen, sich seine Nomination für Metz aber offensichtlich nicht realisieren lasse, so sei er – so der Straßburger Bischof an Rampolla – bereit, Zorn von Bulach eine Domherrenstelle an seiner Kathedrale zu verleihen138. Damit würden einerseits die staatlichen Ansprüche zufrieden gestellt, andererseits dem Papst die Chance einer Neubesetzung in Metz gegeben. In der Kurie herrschte daraufhin Erleichterung. Rampolla war offenbar zufrieden, durch dieses Angebot gleichsam einen gordischen Knoten zerschlagen zu haben, und genehmigte dem Straßburger Bischof „con piacere“139 die Durchführung dieses Experiments. Fritzen, den Kardinal Kopp als „schwankenden Charakter“140 bezeichnete, kritisierte außerdem gegenüber dem Auswärtigen Amt die erwogene Transferierung Marbachs nach Metz. Offensichtlich meinte Fritzen, er müsse in Berlin angesichts fehlender Staatsloyalität seines Auxiliars, dessen Beigabe er von Beginn an als Zumutung empfand141, eine Warnung aussprechen. Offiziell begründete er seine Sorge aber damit, dass „Marbach selbst … auch durchaus nicht Bischof zu werden [wünsche], da er zu leidend sei, um eine so schwere Aufgabe zu übernehmen“142. Es fällt schwer zu glauben, Fritzen könne so naiv gewesen sein zu meinen, dass Marbach in Berlin für den Metzer Bischofsstuhl ernsthaft in Erwägung gezogen worden sei. Möglicherweise war er aber auch als Nachbarbischof innerhalb des Reichslandes Elsass-Lothringen nur neugierig, den Stand der Angelegenheit zu erfahren. Denn indem der Statthalter ihn beruhigte, teilte er Fritzen zugleich mit, der Kaiser halte nach aktuellstem Kenntnisstand an der Kandidatur Zorn von Bulachs fest, „zumal das Domkapitel in Metz dessen Wahl dringend wünsche“143. Bereits im Januar 1901 hatte die Bischofsstuhlbesetzung in Lothringen einen erneuten Vorstoß durch Kopp erfahren, der bei der Reichsregierung die bei Leo XIII. herrschende Ablehnung Zorn von Bulachs noch einmal dezidiert 137 138 139 140 141 142 143
Rampolla an Marbach v. 2.2.1901, ebd. Vgl. Fritzen an Rampolla v. 30.1.1901, ebd. Rampolla an Fritzen v. 4.2.1901, ebd. Kopp an Auswärtiges Amt v. 4.6.1901, ebd. Vgl. Jost, Marbach, S. 61–63. Fritzen an Auswärtiges Amt v. 27.3.1901, in: PA AA, EL 3. Hohenlohe-Langenburg an Fritzen v. 9.3.1901, ebd.
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zur Sprache brachte. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass in diesem Konfliktfall Abt Willibrord Benzler als unbeschriebenes Blatt in dem Besetzungskonflikt gleichsam versöhnend wirken könne144. Er sei einerseits wissenschaftlich gebildet, ja habe „in seinem Orden selbst Dogmatik vorgetragen“. Andererseits sei er zwar treu deutsch und kaiserlich gesinnt, habe sich aber gerade aufgrund seiner vita contemplativa im Orden von jeglichen politischen Äußerungen ferngehalten. Außerdem sei er, „von einigen Finessen“ abgesehen, in Schrift und Ausdruck im Französischen perfekt. So sehr Kopp den Abt von Maria Laach auch in Berlin als geeigneten Kandidaten für Metz anpries, so unterließ er es auch nicht als Bedenken anzufügen, dass der frankophile Bevölkerungsteil ihn nicht unbedingt freudig begrüßen würde. Diese Hürde versuchte er aber als Herausforderung zu verkaufen, nämlich dahingehend, dass sich gerade bei „Denzler“ zeigen werde, wie gewichtig der französische Flügel in der Kurie denn wirklich sei. Dass Benzler gerade praktische pastorale Erfahrungen in Kirchengemeinden fehlten, schien Kopp nicht davon abzuhalten, genau diesen Mangel bei Zorn von Bulach als Grund für die Ablehnung seiner Kandidatur durch den Heiligen Stuhl nahezubringen. Ob nun Kopp diesen Vorbehalt parallel der Presse zutrug, ist nicht mehr zu eruieren. Jedenfalls fand nicht allein die „Germania“ Interesse daran, diesen Hinderungsgrund für eine vatikanische Zustimmung zu Zorn von Bulach publik zu machen145. Während Rotenhan noch Anfang März die von Kopp auf Benzler gesetzten Hoffnungen „etwas optimistisch erschienen“146 waren, zeigte er sich wenige Monate später davon überzeugt, dass der Kardinal diese Kandidatur auch mit Energie durchzubringen versuchen werde, und zwar mit Hilfe des Prälaten Montel.147 Als Ausgleich schwebte dem Breslauer Oberhirten vor, Zorn von Bulach in Rom ebenso wie Montel als Rotaauditor zu etablieren, in erster Linie aber zu einem staatlichen Informanten in kirchlichen Personalfragen aufzubauen, um nicht mehr auf den mittlerweile 70-jährigen Österreicher Montel angewiesen zu sein148. Im Auswärtigen Amt war man der Meinung, dass die Rom-Mission des Zentrumspolitikers Georg Freiherr von Hertling im April 1901 zu einer Lösung des Konflikts um die Bischofsstuhlbesetzung beitragen könne. Hauptzweck der Reise sollten Unterhandlungen über die seit 1898 gleichfalls schwebende Frage einer Katholisch-Theologischen Fakultät an der zu gründenden Reichs144 145 146 147 148
Vgl. Kopp an Auswärtiges Amt v. 10.3.1901, ebd. Hier auch die folg. Zit. Vgl. Germania v. 9.3.1901 u. dazu Berliner Tageblatt v. 11.3.1901. Rotenhan an Auswärtiges Amt v. 3.3.1901, in: PA AA, EL 3. So der Tenor des Schreibens von Rotenhan an Bülow v. 16.5.1901, ebd. Vgl. Gatz, Kirchliche Personalpolitik und Nationalitätenprobleme, S. 376.
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universität in Straßburg sein149. Gerade partikularistische und französisch orientierte kirchliche Kreise im Reichsland sahen in dieser in die staatliche Universität integrierten Fakultät ein Zeichen der Germanisierung, während die bisherige Priesterausbildung in Diözesanseminaren in kirchlicher Regie zum einen die elsässische bzw. lothringische Identität garantiere und zum anderen die Priesterausbildung von staatlichen Reglementierungen freihalte150. Tatsächlich war die Theologenausbildung ganz an französischen Vorbildern orientiert151. Die Kurie hatte weniger gegen die Fakultätserrichtung einzuwenden, sondern wollte das Recht der kirchlichen Präsentation der Theologieprofessoren zugestanden wissen. Zwar habe Hertling – wie Bülow den Statthalter Hohenlohe-Langenburg vertraulich wissen ließ – weder ein Mandat der Regierung, diese Angelegenheit offiziell zu verhandeln, noch sei er beauftragt, die Bischofsstuhlbesetzung voranzutreiben. Aber er würde die Metzer Personalangelegenheit im Vatikan zumindest zur Sprache bringen und man könne staatlicherseits auf die dortige Reaktion durchaus gespannt sein152. Hertling selbst war sich seiner delikaten Mission bewusst und schwankte – folgt man seinem nach der Rückkehr nach München abgefassten Bericht an Bernhard von Bülow – stark, ob er ein Junktim von Straßburg und der Metzer Besetzungsfrage anbringen sollte oder nicht. Gegenüber Rampolla habe er sich daher auf die Fakultätsfrage in Straßburg beschränkt, bei Monsignore Giacomo della Chiesa, dem späteren Papst Benedikt XV., hingegen erwähnt, „wie sehr es den Kaiser verstimmen müsse, zweimal bei seinen in bester Absicht gemachten Vorschlägen in Rom auf Widerstand gestoßen zu sein“153. Unter dem Einfluss Montels hatte er also die schwebende Bischofsfrage nicht expressis verbis thematisiert154. Da der Vatikan in der Straßburger Frage Verhandlungsbereitschaft signalisiert habe, legte Hertling dem Kanzler nahe, dass Wilhelm II. von sich aus auf die Kandidatur Zorns verzichten solle. Wenn nämlich der Metzer Bischofsstuhl im päpstlichen Sinne besetzt werden würde, sei anzunehmen, dass sich der Spielraum des Staates bei der Fakultätsfrage zweifelsohne vergrößern würde. Während Hertling bei Bülow aus seiner Unzufriedenheit über den mangelnden Erfolg der Mission keinen Hehl machte, 149
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Kurzinformation und Dokumente zu dieser Frage bei Huber/Huber, Staat und Kirche, Bd. III, S. 185–189. Vgl. Gatz, Die Vorverhandlungen zur Gründung, in: RQ, Bd. 77 (1982), S. 86–129. 1903 nahm die Kath.-Theol. Fakultät den Betrieb auf, nachdem die Kurie erreicht hatte, dass 1. die Priesterausbildung für Lothringen weiterhin auf dem Grand Seminaire in Metz erfolgte und 2. das Grand Seminaire in Straßburg für die praktische Phase der Priesterausbildung bestehen blieb. Die Konvention zwischen Hl. Stuhl u. Dt. Reich über die Fakultätserrichtung v. 5.12.1902, bei Huber/Huber, Staat und Kirche, Bd. III, S. 188f. Vgl. Gatz, Kirchliche Personalpolitik und Nationalitätenprobleme, S. 360. Vgl. Bülow an Hohenlohe v. 31.3.1901, in: PA AA, EL 3. Hertling an Bülow v. 29.4.1901, ebd. Vgl. Gatz, Die Vorverhandlungen zur Gründung, S. 108.
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zeigte sich der Kanzler über das „so taktvolle und einsichtige Verhalten“155 des Zentrumspolitikers im Vatikan begeistert, womit aus seiner Sicht der Zweck der Reise erreicht worden sei. Mittlerweile hatte Wilhelm II. seine Bedenken gegenüber Benzler Schritt für Schritt aufgegeben. So telegrafierte von Rotenhan am 1. Mai 1901 an das Auswärtige Amt, er habe den Eindruck, dass der Kaiser dem Abt von Maria Laach gegenüber nicht abgeneigt sei156. Und nur eine Woche später teilte der im Auswärtigen Amt tätige Geheime Rat Friedrich Holstein157 den kaiserlichen Entschluss, auf Zorn von Bulachs Kandidatur zu verzichten, nach Rom mit. „Seine Majestät will nunmehr den Abt von Maria Laach als Bischof von Metz annehmen, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass für den bedauernswerten Zorn von Bulach durch Ernennung desselben zum Weihbischof und Koadjutor in Straßburg gesorgt wird. Zorn von Bulach einfach fallen zu lassen, würde Seiner Majestät unkaiserlich erscheinen“158. Wilhelm II. hatte also augenscheinlich starke Gewissensbisse, seinen Favoriten aufzugeben und hielt eine Kompensation für eine conditio sine qua non. Die anfängliche Überlegung im Auswärtigen Amt, Zorn mit dem Posten eines Weihbischofs in Metz abzufinden, bekam bald durch die Erkenntnis einen Dämpfer, dass es diese Position im Bistum Metz bisher gar nicht gegeben hatte159. Überhaupt kam hierfür – neben dem anfangs auch genannten Köln160 – nur Straßburg in Frage, wo seit 1891 eben Karl Marbach das Weihbischofsamt bekleidete. Darüber hinaus wollte der Kaiser seinen „Rückzieher“, sein Einlenken zu einem Junktim mit der Straßburger Fakultätsfrage nutzen. Wenn der Vatikan denn besondere Wünsche an einen neuen Bischof in Metz stelle und er Entgegenkommen zeige, dann solle doch bitteschön die Kurie auch in der Errichtung der theologischen Fakultät Beweglichkeit beweisen. Diesen Kurs eines Junktims wollte der Statthalter Hohenlohe-Langenburg hingegen nicht unbedingt mittragen161. Am 5. Juni 1901 wusste Rotenhan aus Rom dem Auswärtigen Amt zu berichten, Benzler sei dem Heiligen Vater genehm, Zorn von Bulach solle Weihbischof in Straßburg und zu diesem Zweck der dortige Weihbischof Marbach in gleicher Eigenschaft nach Metz transferiert werden. Von einer möglichen Koadjutorie für Zorn wolle Leo XIII. hingegen nichts wissen. Im Übrigen 155 156 157
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Bülow an Hertling v. 8.5.1901, in: PA AA, EL 3. Vgl. Rotenhan an Bülow v. 1.5.1901. ebd. Zu Holstein (1837–1909), 1876–1906 im Auswärtigen Amt tätig, vgl. Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes, Bd. 2, S. 358f.; Richter, Holstein, in: NDB, Bd. 9 (1972), S. 550–552. Holstein an Rotenhan v. 8.5.1901, in: PA AA, EL 3. Vgl. Richthofen v. 3.5.1901, ebd. So Radowitz an Bülow v. 17.6.1901, ebd. Vgl. Hohenlohe an Auswärtiges Amt v. 18.6.1901, ebd.
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würde Kopp im Hintergrund die Fäden ziehen. Tatsächlich wandte sich der Breslauer Fürstbischof unmittelbar an Bülow mit dem Hinweis, dass Marbach staatlicherseits schriftlich zugesichert werden müsse, dass er in Metz genauso gestellt sein würde wie in Straßburg. Bischof Fritzen dürfte über die Transferierung seines ungeliebten Weihbischofs im Grunde froh gewesen sein. Allein gegenüber Marbach selbst stellte er diesen „Coup“ als einen Kompromiss zwischen Berlin und dem Vatikan dar, den auch alle seine Proteste nicht hätten aufhalten können162. Allein der Kaiser wollte Zorn von Bulachs Kandidatur aus zwei Gründen nicht so recht fallen lassen: Zum einen habe er sich persönlich überaus stark für diese Personalie eingesetzt und stehe bei ihm im Wort, zum anderen habe er dem Metzer Domkapitel versprochen, dass dieser als neuer Bischof komme163. Kopp sollte hier die sprichwörtlichen Kastanien aus dem Feuer holen und wandte sich unter Mithilfe Korums sowohl an das Kapitel als auch an Zorn von Bulach selbst, wobei sich herausstellte, dass die Domherren nie eine entsprechende Zusage des Monarchen erhalten hatten. Um dessen Resignation aus freien Stücken zu gewährleisten, schrieb Kopp an seine Schwester, die Gräfin Jeanne von Andlau, Gattin des badischen Hofmarschalls, in Karlsruhe164. Sie möge auf ihren Bruder einwirken, damit dieser „die absolute Unmöglichkeit“ gewahr werde, im Vatikan als Bischof von Metz akzeptiert zu werden. Daher sei es ein Beitrag „zur Wahrung des Friedens“ zwischen Staat und Kirche, wenn Zorn von Bulach von sich aus auf die Kandidatur verzichte. Trotz oder gerade wegen dieses Verhaltens war ihm der Dank aus dem Auswärtigen Amt sicher. Wie der Geheime Rat Holstein am 25. März nach Breslau schrieb, sei man im Ministerium für das ausgleichende Eingreifen des Kardinals sehr dankbar165. Gleichzeitig war man sich bewusst, dass Zorn von Bulach eben mit Macht nicht durchzusetzen sei. Jedenfalls bat Holstein Kopp, „noch etwa einen anderen Kandidaten namhaft zu machen“, während der Reichskanzler selbst mit der Nomination Benzlers sehr einverstanden war166. Mitte Mai vertrat Kopp dann die preußische Regierungslinie gegenüber Rampolla, also die Transferierung von Marbach nach Metz, damit Zorn Weihbischof in Straßburg werden kann. Rampolla wollte nur unter der Prä162
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Vgl. Fritzen an Marbach v. 22.6.1891, abgedruckt bei Jost, Marbach, S. 67f. Dieses Schreiben erreichte den Weihbischof während einer Firmreise in Schirmeck. Vgl. Rudt de Collenberg, La nomination de Mgr. Zorn de Bulach, S. 328. Vgl. Kaiserliche Botschaft in Madrid, an Bülow v. 8.4.1901 unter Berufung auf die Korrespondenz zwischen Kopp und der Gräfin von Andlau, in: PA AA, EL 3. Hier auch die folg. Zit. Vgl. Holstein an Kopp v. 25.3.1901, ebd. Hier auch das folg. Zit. Vgl. Rudt de Collenberg, La nomination de Mgr. Zorn de Bulach, S. 328.
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misse zustimmen, dass Marbach sich mit seiner Versetzung einverstanden erklärte167. Bülow sah dennoch den entscheidenden Durchbruch mit dem Schreiben des Kardinalstaatssekretärs erreicht. „Für das Zustandekommen des darin skizzierten Kompromisses bin ich meinerseits gern bereit, mit allem Eifer einzutreten“168, ließ er den Breslauer Kardinal Kopp wissen, dessen „überaus geschicktes Vorgehen“ er ausdrücklich lobte und für den Erfolg der Verhandlungen verantwortlich machte. Für das Procedere habe Kopp „das Programm mit meisterhafter Klarheit vorgezeichnet“. Die deutlichen Elogen auf Kopp zielten ganz offensichtlich darauf, dass dieser in Rom dezidiert auf die staatlichen Zugeständnisse hinweisen sollte. „Nachdem wir wegen Metz nachgeben, haben wir ein Recht auf solches Entgegenkommen der Kurie wegen der Fakultät“, zeigte sich Bülow kampfeslustig. In der Berliner Behörde hatte man sich gleichsam doppelt absichern wollen und den bei Hofe verkehrenden katholischen Prinzen Franz von Arenberg169 ausersehen, gegenüber dem Bruder des Bischofs Fritzen, dem Reichstagsabgeordneten Aloys Fritzen170, nachdrücklich um Sympathie für diese Personalentscheidungen nachzusuchen, die im Interesse des weiteren Einvernehmens von Staat und Kirche im Reichsland seien171. Auch wenn der Statthalter für den künftigen Weihbischof Zorn das automatische Nachfolgerecht, also einen Weihbischof mit Sukzession, verfechte, sollte Arenberg diesen Aspekt jedoch nicht ansprechen, da Fritzen hierin unweigerlich eine Schwächung seiner eigenen Stellung als Diözesanbischof sehen müsse. Inzwischen hatte Zorn von Bulach gegenüber Bülow von sich aus auf seine Metzer Kandidatur verzichtet172. Mit Hilfe seines Chefs in Madrid, des Nuntius Rinaldini, und des dortigen deutschen Botschafters von Radowitz hatte er bis zuletzt vehement darum gekämpft, Bischof von Metz zu werden. Er hatte sich im Übrigen in seine Bischofsnomination übermäßig hineingesteigert, dass er den Anfeindungen der Presse mehr Aufmerksamkeit schenkte, als sie verdienten173.
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Vgl. Rampolla an Kopp v. 1.6.1901, in: PA AA, EL 3. Bülow an Kopp v. 19.6.1901, ebd. Hier auch die folg. Zit. Zu Arenberg (1849–1907) vgl. das Kap. Köln in diesem Band. Zu Aloys Fritzen (1840–1916), Verwaltungsjurist, 1881–1887 u. 1889–1912 MdR, 1890– 1903 zugleich MdL, vgl. Haunfelder, Reichstagsabgeordnete der Deutschen Zentrumspartei, S. 158; Schwarz, MdR, S. 316. Vgl. Notiz Bülows v. 18.6.1901, in: PA AA, EL 3. Vgl. Zorn an Bülow v. 17.6.1901, ebd. So die schlüssig erscheinende Interpretation von Rudt de Collenberg, La nomination de Mgr. Zorn de Bulach, S. 325.
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Tatsächlich hatte Zorn von Bulach die Konsequenzen gezogen und bekannt gegeben, für den Metzer Bischofsstuhl nicht länger zur Verfügung zu stehen, „weil das Wohl der Diözese Metz und die guten Beziehungen zwischen dem mächtigen Deutschen Reich und dem Vatikan mir mehr am Herzen liegen als mein eigenes Interesse“174. Insgesamt hatten „les attaques et critiques privées et officielles s’adresserons plus à la famille qu’au prélat lui-même“175. Er ließ sich sogar von seinem Posten an der Madrider Nuntiatur beurlauben. Wie ein an der dortigen Kaiserlich deutschen Botschaft tätiger Diplomat dem Kanzler nach Berlin mitteilte, führe die Resignation Zorn von Bulachs dazu, dass der Regens des Straßburger Priesterseminars, Kanonikus Ott, „der aber ganz unter dem Einflusse der französischen Gruppe stehe“176, gute Chancen auf den Metzer Bischofsstuhl bekäme. Nun war das Personal der deutschen Botschaft in Spanien wohl kaum mit den Interna episkopabler Geistlicher in Elsass-Lothringen vertraut, weshalb der Verdacht nicht von der Hand zu weisen ist, dass in Berlin Angst vor einem französischen oder zumindest frankophilen Bischof geschürt und damit ein Festhalten an der Person Zorns provoziert werden sollte. Denkbar erscheint dies vor allem, weil von Radowitz als Gönner des Nuntiatursekretärs galt. Radowitz war es auch, der den Reichskanzler auf den Stimmungswechsel Leos XIII. hinsichtlich Zorns hinwies177. Unter dem Einfluss Rampollas und der Jesuiten sei der Heilige Vater von einem Gönner zu einem persönlichen Gegner Zorns mutiert. Dass der Madrider Nuntiatursekretär zudem in seiner Bischofskandidatur inzwischen keinerlei Rückhalt seitens seines Chefs, des Nuntius Rinaldini, mehr erhalte, erklärte der deutsche Botschafter mit dessen Bestreben, nicht den Unmut Rampollas auf sich zu ziehen. Am 23. Juni 1901 meldete der „Lorrain“ in Metz – offenbar als erste Zeitung –, dass die preußische Regierung in Rom „avec une certaine insistance“178 die Kandidatur Benzlers betreibe, und die „Kölnische Volkszeitung“ räumte dem Abt von Maria Laach angesichts der dieser Abtei und den Benediktinern geltenden Sympathie des Kaisers durchaus gute Chancen ein179. Daher dürfte Benzler aus der Presse von seiner Kandidatur für Metz erfahren haben, zumal Kopp seinen Favoriten erst am 25. Juni in Hildesheim persönlich von dem Vorhaben in Kenntnis setzte180. Schenkt man Vorarbeiten für eine BenzlerBiographie aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg Glauben, so war der Abt jedoch über die Einladung Kopps nach Hildesheim sehr erstaunt und ahnte 174 175 176 177 178 179 180
Zorn von Bulach an Bülow v. 16.4.1901, in: PA AA, EL 3. Rudt de Collenberg, La nomination de Mgr. Zorn de Bulach, S. 315. Von der Marwitz an Bülow v. 16.4.1901, in: PA AA, EL 3. Vgl. Radowitz an Bülow v. 17.6.1901, ebd. Le Lorrain v. 23.6.1901, zit. bei [Collin], Benzler, S. 7. Kölnische Volkszeitung v. 27.6.1901. Vgl. Bihlmeyer, in: Benzler, Erinnerungen aus meinem Leben, S. 135f.
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nicht, dass dieses Treffen das Ende eines Kräftemessens zwischen Staat und Kirche markierte181. Zuvor hatte Wilhelm II., wie Kopp am 15. Mai 1901 der Kurie mitteilte, die Kandidatur Zorn von Bulachs offiziell aufgegeben und der Nomination Benzlers sein Einverständnis erteilt, allerdings unter der Bedingung, dass ersterer Weihbischof in Straßburg werde182. Und gerade diese kaiserliche Bedingung sollte als conditio sine qua non eine neue Runde in den Auseinandersetzungen zwischen Staat und Kirche im Reichsland einleiten. Wie Bülow dem Statthalter von Hohenlohe-Langenburg nach Straßburg schrieb, habe Seine Majestät bei seinem letzten Besuch in Maria Laach einen durchaus guten Eindruck von Benzler erhalten183. An seine Zustimmung zu dessen Kandidatur knüpfe er allerdings die beiden bereits bekannten Bedingungen. Zum einen müsse Zorn „in angemessener Weise entschädigt werden“, was durch den Posten eines Weihbischofs in Straßburg erfüllt wäre. Zum anderen erwarte er vatikanische Zugeständnisse bei der Straßburger Fakultätsfrage. Der Kaiser rekurrierte mit letzterem Junktim deutlich auf die Empfehlungen Hertlings, hatte aber in dessen Augen Zeit und Spielräume gegenüber der Kurie verschenkt, weil er den selbst gewählten Verzicht Zorns abgewartet hatte, statt von sich aus auf dessen Kandidatur zu verzichten. Sichtlich überrascht registrierte der Reichskanzler zudem, dass die Kurie sich „sehr befriedigt und ganz bereit gezeigt [habe], auf das … Arrangement einzugehen“. Bülow war sich bewusst, dass sich hierbei neuerliche Probleme auftun könnten. Er wies den Statthalter nicht allein an, beide Straßburger Bischöfe von der Notwendigkeit dieses Schrittes zu überzeugen, sondern gab Hohenlohe-Langenburg außerdem Tipps, wie er sich dabei zu verhalten habe. Bei Fritzens „schwankendem Charakter wird es nötig werden, ihm gegenüber fest zuzugreifen und ihn sofort durch ein schriftliches Einverständnis festzumachen“. Aloys Fritzen wurde gleichzeitig auch von seinem bischöflichen Bruder aus Straßburg ins Vertrauen gezogen. Im Gespräch mit Hohenlohe-Langenburg habe er, Adolf Fritzen, nämlich versichert, „dass ich für meine Person im Interesse der Sache keine Schwierigkeiten machen würde, obschon es mir außerordentlich schmerzlich sein würde, mich von meinem jetzigen Weihbischof trennen zu müssen“184. Das Problem liege eher auf der Seite Marbachs, der sich seiner Ansicht nach einer Transferierung nach Metz widersetzen würde. 181
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Vgl. französische Aufzeichnungen über die Vita Benzlers, in: Archives départementales de la Moselle 29J936. Vgl. Kopp an Rampolla v. 15.5.1901, in: ASV SS Anno 1902, 255, 3. Vgl. Bülow an Hohenlohe-Langenburg v. 19.6.1901,in: PA AA, EL 3. Hier auch die folg. Zit. Adolf Fritzen an MdR Aloys Fritzen v. 23.6.1901, ebd.
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Bei näherem Nachdenken seien ihm aber doch gehörige Zweifel an seiner Zustimmung zu den in Berlin und Rom gemachten Plänen gekommen, als deren Bauernopfer er Marbach empfinde. Konkret benutzte er seinen politisch aktiven Bruder dazu, einen Beschwerdebrief an das Auswärtige Amt weiterzubefördern. Hierin brachte Adolf Fritzen nicht nur zum Ausdruck, dass die Versetzung Marbachs „in dem jetzigen Stadium der Angelegenheit nicht notwendig, auch nicht geschickt und zart“185, sei, sondern er legte auch dar, dass der kaiserlich protegierte Zorn von Bulach bei Aufnahme seiner Straßburger Tätigkeit aufgrund der Umstände schon in der Öffentlichkeit diskreditiert sei. Mit dieser Argumentation ging es Fritzen wohl weniger darum, Zorn von Bulach vor einem unangenehmen Start in der elsässischen Hauptstadt zu bewahren. Vielmehr wollte er damit Kaiser und Kanzler, die ja ihren Protagonisten bereits in Metz untragbar gemacht hatten, Gewissensbisse bereiten. Fritzen war also einerseits wirklich intensiv mit dem Protest gegen die Zwangstransferierung seines Weihbischofs Marbach beschäftigt, die ihn offenbar stark bedrückte. Jedenfalls scheint es nicht nur Heuchelei gewesen zu sein, die ihn bewog, Marbach anzuvertrauen, ihm habe das Gespräch mit dem Statthalter eine schlaflose Nacht bereitet186. Andererseits hatte er bei seiner Unterredung mit dem Statthalter das aus Berlin geforderte schriftliche Einverständnis zu dem Kompromiss zwischen Staat und Kurie unterzeichnet, was Bülow Kardinal Kopp mit deutlicher Befriedigung wissen ließ187. Dass Marbach selbst sich noch nicht geäußert hatte, beunruhigte den Reichskanzler augenscheinlich nicht sonderlich, da der Weihbischof unterwegs auf Firmungsreise war. Vielmehr veranlasste ihn Fritzens Beschwerdebrief, den Breslauer Kardinal bei der Kurie darauf drängen zu lassen, dass der Kompromiss bald umgesetzt würde. Fritzen müsse deutlich gemacht werden, so Bülow, dass die Transferierung des Straßburger Weihbischofs ein Anliegen des Heiligen Stuhls sei und sich Fritzen dem Willen des Papstes und nicht etwa der Regierung zu beugen habe. Das Argument des Bischofs von Straßburg, der dortige Weihbischofsposten sei aufgrund der Causa Marbach keine gute Startposition für Zorn von Bulach, versuchte der Kanzler gleichsam umzudrehen. Der neue Weihbischof müsse eben im Vergleich zu seinem Vorgänger gestärkt werden, wenn schon nicht durch eine Koadjutorie, so doch durch über die Obliegenheiten eines Auxiliars hinausgehende Kompetenzen. Die Koadjutoridee griff dann auch eine allerdings erst wenige Tage vor Fällung der endgültigen Entscheidung den Nuntius in München erreichende Petition des Christlich Sozialen Vereins „Fedelta“ (Treue) auf, in der Marbachs Argument seiner geschwächten Gesundheit dahingehend konterkariert wurde, dass man eben einen Kandidaten benötige, der bei guter Gesundheit 185 186 187
Fritzen an Auswärtiges Amt o.D., ebd. Vgl. Fritzen an Marbach v. 25.6.1891, abgedruckt bei Jost, Marbach, S. 70f. Vgl. Bülow an Kopp v. 27.6.1901, in: PA AA, EL 3.
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sei188. Und dieser „coadjuteur robuste“ war kein anderer als der mit 43 Jahren noch jugendlicher wirkende, ja so auch in der Presse bezeichnete Franz Zorn von Bulach. Der „Fedelta“-Vorsitzende zeichnete dann auch zugleich als Präsident des Dritten Ordens, um erwähnen zu können, dass diesem auch der Bruder des designierten Weihbischofs, Unterstaatssekretär Hugo Zorn von Bulach angehöre, wie überhaupt die gesamte Familie überaus fromm sei. Weihbischof Marbach selbst wollte nach Rückkehr von seinen Firmungsreisen weder seine Zustimmung zu der beabsichtigten Transferierung noch eine Ablehnung geben189. Wie dieser dem Auswärtigen Amt meldete, warte Marbach auf eine Order seitens des Heiligen Stuhls, die er ihm gegenüber als allein maßgeblich erklärt habe. Dass Marbach angeführt habe, die Tatsache der angeordneten Transferierung würde seiner Autorität in Metz ebenso abträglich sein wie die Akzeptanz seines Nachfolgers in Straßburg erschweren, entspreche der Argumentation Fritzens und sei ganz offensichtlich von diesem insinuiert worden. „Sachlich ist die Ansicht meines Erachtens völlig unzutreffend. Wenn der Klerus nicht aufgestachelt wird, so wird er sich nicht rühren“, tat der Staatssekretär die Bedenken ab. Die Bedenken gegen Zorn von Bulachs Akzeptanz in Straßburg hätten hingegen eine soziale Ursache. Als Angehöriger des einheimischen Adels sei er bei dem durchweg aus kleinen Verhältnissen aufgestiegenen höheren Klerus des Bistums unbeliebt. Auf einen weiteren Vorstoß des vom Statthalter als Unterhändler beauftragten Kurators der Straßburger Universität, Hamm, hin, zog sich Marbach auf die Position zurück, seine Entscheidung von der Persönlichkeit des neuen Metzer Bischofs abhängig zu machen, dem er ja unterstehen würde190. In jedem Fall wolle er der Weisung des Papstes Folge leisten. Während Kurator Hamm den Eindruck gewonnen hatte, dass von Marbach „keine Opposition gegen die in Aussicht genommene Regelung“ zu erwarten sei, geriet das Auswärtige Amt nach einem parallel dort eingegangenen Schreiben des Unterstaatssekretärs Hugo Zorn von Bulach in Sorge, denn letzterer hegte die Befürchtung, die der Kandidatur seines Bruders entgegenwirkenden Kräfte in Klerus und Kurie würden aus der Unentschlossenheit Marbachs Kapital schlagen und auf diese Weise versuchen, die von Berlin und Rom beschlossene Regelung im letzten Moment noch zu torpedieren. Obgleich man sich in Berlin über die Wahrscheinlichkeit neuer Intrigen unsicher war, schenkte man jedem Fingerzeig „ernste Aufmerksamkeit“ und sah umso dringlicher ein rasches Handeln des Vatikans für nötig an, so dass auch aus diesem Grund seitens des Auswärtigen Amtes nochmals bei Kardinal Kopp in Breslau insistiert wurde.
188 189 190
Christlich Sozialer Verein „Fedelta“ an Sambucetti v. 20.8.1901, in: ASV ANM 197, pos. XII. Vgl. Puttkamer an Auswärtiges Amt v. 26.6.1901, in: PA AA, EL 3. Hier auch das folg. Zit. Vgl. Auswärtiges Amt an Kopp v. 5.7.1901, ebd. Hier auch die folg. Zit.
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Letzterer konnte nicht ohne Stolz berichten, dass Rampolla mittlerweile „in dem von uns gewünschten Sinne“191 an Fritzen und an Marbach eine Aufforderung geschickt habe, in den Plan einzuwilligen. Vor diesem Hintergrund legte der Vorsitzende der Fuldaer Bischofskonferenz dem Kanzler nahe, bei den beiden Straßburger Bischöfen „auf die schleunige Abgabe einer schriftlichen Erklärung zu dringen. Lautet dieselbe zustimmend, so ist die Sache fertig“, zeigte sich Kopp bereits ein wenig genervt von der steten Verzögerung der Angelegenheit, die, wie er deutlich machte, eben nicht an Leo XIII. liege, zumal „Seine Heiligkeit die Erfüllung der modifizierten Wünsche Seiner Majestät des Kaisers mit fast fieberhafter Eile betreibt“. Tatsächlich hatte Kopp dem Kardinalstaatssekretär in einem Tonfall geschrieben, der ein Scheitern des Staat-Kirche-Kompromisses für Metz andeutete. Abt Benzler hege Zweifel ob seiner Eignung für diese Aufgabe, Fritzen schwanke noch immer, ob er dem Tausch der Weihbischöfe zustimmen solle und Marbach sei strikt gegen seine Transferierung nach Metz. Zumindest hinsichtlich der Haltung Benzlers dürfte der Breslauer Kardinal etwas übertrieben haben, aber sein Alarmsignal verfehlte durchaus nicht seine Wirkung, wenn Rampolla am 10. Juli 1901 Fritzen und Marbach mitteilte, der Heilige Vater wünsche die bekannten Personalveränderungen ausdrücklich. Damit hatte sich der Kardinalstaatssekretär durch das diplomatische Geschick Kopps ganz im Sinne Bülows und des Auswärtigen Amtes verhalten. Unter dem gleichen Datum versicherte Rampolla auch Abt Benzler die Zuneigung des Heiligen Vaters, der ihm seinen besonderen Segen erteilen ließe und zuerst einen Weihbischof, ein Hinweis auf Marbach, in Aussicht stellte192. Dass der Vatikangesandte Rotenhan in diesen Plan keineswegs eingeweiht war, wie er ebenso wenig diesen Schachzug durchschaute, zeigt sein geheimer Bericht an Bülow, er habe von Monsignore Montel gehört, Kopp sehe, dass sich „der Ausführung … der Ernennung des Abtes Benzler zum Bischof von Metz noch Schwierigkeiten entgegenstellten“193. Der Reichskanzler notierte dann auch lapidar an den Rand dieses „ad acta“ zu legenden Berichtes, die Mitteilungen des Gesandten gehörten „einer früheren, jetzt überwundenen Phase der Angelegenheit an“. Wie sehr sich Bülow durch die vatikanische Steilvorlage in Zugzwang gesetzt fühlte und ein rasches fait accompli in Metz im Interesse der Regierung ansah, belegt sein Verzicht auf das Junktim zwischen der Metzer Bischofsfrage und der Straßburger Fakultätsfrage. War die Lösung der letzteren noch im April als eine Vorbedingung für die Neubesetzung des Bischofsstuhls betrachtet worden, so gelangte der Kanzler jetzt zu der Einsicht, dass es notwendig sei, „die Straßburger Angelegenheit aus den Verhandlungen … in Metz völlig auszuscheiden“194. 191 192 193 194
Kopp an Bülow v. 10.7.1901, ebd. Hier auch das folg. Zit. Vgl. Rampolla an Benzler, in: Archives départementales de La Moselle 29J259. Rotenhan an Bülow v. 12.7.1901, in: PA AA EL 3. Hier auch die folg. Notiz. Bülow an Hohenlohe-Langenburg v. 16.7.1901, ebd.
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Bülows Augenmerk gehörte nunmehr der raschen schriftlichen Zustimmung Marbachs und dem rückhaltlosen Bekenntnis Fritzens zu seiner gegebenen Zustimmung, die der Statthalter Hohenlohe-Langenburg einholen sollte. Letzterer reichte die Bitte bei Wilhelm II. ein, Benzler als „persona grata“ für Metz zu bezeichnen. Dabei handelte es sich natürlich nur um eine Formalie, die sich an das Streichungsrecht des Monarchen in den preußischen Diözesen anlehnte. Tatsächlich stand mit Antonius Scher ein Kandidat erneut in den Startlöchern, der sich bereits zwei Jahre zuvor vergeblich in Position gebracht hatte. Wenn Scher im Juli 1901 noch einmal die Generalität seines Armee-Korps für seine Interessen vor den Karren spannen konnte, lag dies daran, dass er „in Erfahrung gebracht haben [wollte], dass in der letzten Zeit von der zur Besetzung der fraglichen Stelle in Aussicht genommenen Persönlichkeit Abstand genommen worden sei“195. Dass Zorn von Bulach aus dem Rennen war, interpretierte der forsche Militäroberpfarrer also als Chance, um erneut durchzustarten. Weihbischof Marbach blieb stur und wollte sich selbst dem Willen Leos XIII. nicht beugen, womit er das dezidierte Missfallen Kopps erregte, der sich über seinen Mitbruder im Bischofsamt schon erstaunlich abträglich äußerte, wenn er gegenüber Bülow dessen Gründe als „so fadenscheinig, dass sich die wahre Gesinnung sehr leicht erkennen lässt“196, bezeichnete. Noch deutlicher wird die Intention des Breslauer Bischofs, um keinen Preis seine in Berlin durch den diplomatischen Coup erlangten Sympathien zu verspielen, wenn er dem Reichskanzler nahe legte, Marbachs „Kaltstellung“ zu betreiben und die „Quertreibereien“ aus Straßburg unverzüglich zu beseitigen. Damit wurde der vorzeitige Ruhestand des Straßburger Weihbischofs maßgeblich durch einen Mitbruder im Bischofsamt betrieben. Bülow jedenfalls wies Hohenlohe-Langenburg am 18. Juli 1901 an, „Marbach durch Pensionierung unschädlich zu machen“197. Sowohl in der deutsch- als auch in der französischsprachigen Presse wurde die Transferierung Marbachs zu dessen Unbehagen intensiv diskutiert. Die „Münchner Neuesten Nachrichten“ brachten am 23. Juli 1901 einen umfänglichen Artikel zur Metzer Bischofsfrage, die sie deutlich als Politikum bezeichneten. Weil Marbach seinen Platz in Straßburg zwangsweise räumen müsse, war nun auch öffentlich von einer „Kaltstellung“198 des Weihbischofs die Rede, der als „ebenso klug wie ener195
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198
General der Kavallerie von Stünzner beim General-Kommando des 10. Armee-Korps an Bülow v. 19.7.1901, ebd. Kopp an Bülow v. 16.7.1901, ebd. Hier auch die folg. Zit. Bülow an Hohenlohe-Langenburg v. 18.7.1901, zit. nach Gatz, Kirchliche Personalpolitik und Nationalitätenprobleme, S. 380. Münchner Neueste Nachrichten v. 23.7.1901. Hier auch die folg. Zit. Hierzu auch die Kommentare in Der Elsässische Volksbote v. 24.7.1901. Diese und die folgenden Zeitungsartikel gesammelt, in: ASV SS Anno 1902, 255, 3.
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gisch und ehrgeizig“ gekennzeichnet wurde und längst der eigentliche Leiter der Diözese sei. Gleichzeitig wurde hier der Episkopat Fritzens als schwach und konturlos abgetan. Die Ernennung Zorns zum neuen Straßburger Weihbischof hingegen wurde mit Blick auf seine jugendliche Frische als ein „vom deutschen Standpunkt sehr freudig zu begrüßender Systemwechsel“ bezeichnet, der designierte neue Weihbischof mit folgender Eloge versehen: „Groß, schlank, in seinem Diplomatenkopf hat er ein aristokratisches Äußeres im besten Sinne, das Aussehen eines vornehmen Kirchenfürsten“. Insbesondere als Reaktion hierauf waren einheimische Zeitungen, wie etwa die „Post“ in Straßburg oder „Der Elsässische Volksbote“ darum bemüht, von einem „peinlichen Eindruck“199 zu sprechen und die Wogen zu glätten, indem sie in der Versetzung eine ehrenvolle Aufgabe sahen, die Marbach von Papst und Kaiser angetragen werden solle, weil er als Kenner der Situation im Reichsland dem neuen, von außerhalb des Reichslandes kommenden Bischof Benzler ein guter und wichtiger Ratgeber sein könne200. „Einen Prälaten, der im 60. Lebensjahr steht, aus bescheidenen Verhältnissen herausgewachsen, sich durch Intelligenz und Studium, Arbeitskraft und Klugheit in seiner Heimatdiözese als Lehrer, Seelsorger, Weihbischof eine reiche Erfahrung gesammelt, in allen Lebenslagen der Kirche und dem Vaterland in treuer Hingabe gedient hat, der durch seine Bescheidenheit und Klugheit entgegenstehende Hindernisse zu beseitigen und schwierige Klippen mit Geschick zu umschiffen wusste, einen Mann, zu dem Laien und Klerus gleiches Vertrauen haben – ohne zwingenden Grund aus alten und liebgewordenen Verhältnissen herausreißen, um ihn in einer fremden Diözese als Weihbischof sein Leben von vorn beginnen zu lassen, das heißt nicht einen Vertrauensbeweis geben, d.h. … ihn zum Opfer eines diplomatischen Kompromisses machen …“201. Marbach selbst sah alles andere als den insinuierten „Vertrauensbeweis“ in seiner Versetzung und fühlte sich in diesen Juliwochen 1901 von der Kurie allein gelassen. Er ließ seine Resignation auch Rampolla in zwar höflichem, jedoch durchaus indigniertem Tonfall wissen ließ202. Letzterer redete sich damit heraus, dass „Le Saint Père n’a pas dit son dernier mot“203. Mittlerweile richtete der Klerus der Stadt Straßburg eine Ergebenheitsadresse an Bischof Fritzen und Weihbischof Marbach, in der er sich von den Auslassungen in den „Münchner Neuesten Nachrichten“ scharf distanzierte204.
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Der Elsässische Volksbote v. 25.7.1901. Vgl. Straßburger Post v. 26.7.1901 Der Elsässische Volksbote v. 25.7.1901. Vgl. Marbach an Rampolla v. 18.7.1901, in: ASV SS Anno 1902, 255, 3. Rampolla an Marbach v. 22.7.1901, ebd. Vgl. Der Elsässische Volksbote v. 26.7.1901.
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Bischof Fritzen beugte sich dem Wunsch Leos XIII. und teilte am 25. Juli 1901 dem Auswärtigen Amt mit, den Fortgang der Weihbischofsfrage „ganz in die Hand des Heiligen Stuhles zu legen“205. Der Papst hingegen war überaus unzufrieden, wie Rotenhan nach einer Audienz am 28. Juli berichtete206. Die Tatsache, dass der Metzer Stuhl noch immer nicht definitiv besetzt sei, ärgere ihn ebenso wie die Tatsache, dass Marbach abserviert werden musste. Am selben Tag meldete die „Straßburger Post“ seine angestrebte Demission als große Überraschung207. Marbach selbst fühlte sich daraufhin genötigt, in einem Leserbrief für die Öffentlichkeit klarzustellen, dass „ich bis jetzt zu keiner Stunde die erwähnte Versetzung anzunehmen gesonnen war“208. Rotenhan bestätigte dem Auswärtigen Amt, dass Weihbischofsversetzungen selten vorkämen und Metz eine weniger bedeutende Diözese als Straßburg sei. „Übrigens würde man, wenn Marbach auf Rücktritt besteht, ihn bei Pensionierung wahrscheinlich zum Titularerzbischof ernennen“209. Dies trat allerdings nicht ein, zumal sich Hohenlohe-Langenburg beim Auswärtigen Amt dezidiert gegen die Verleihung der Erzbischofswürde an Marbach aussprach210. So sehr Kopp auch dahin wirkte, dass Marbach für seinen „Ungehorsam“ gegenüber dem Heiligen Stuhl mit dem persönlichen Titel eines Erzbischofs belohnt würde, so wenig zeigte sich Leo XIII. geneigt, diesem Ansinnen Folge zu leisten. Vielmehr sah die Kurie in Marbach einen Querulanten, der höheren politischen Erwägungen im Wege stand. Wie wenig Rampolla das durch die vorzeitige Demission in der Öffentlichkeit doch nicht unerheblich ramponierte Ansehen eines katholischen Weihbischofs kümmerte und wie wenig ihm das weitere Wohl des bisherigen Straßburger Auxiliars am Herzen lag, zeigt ein Dankesschreiben des Kardinalstaatssekretärs an den Breslauer Kardinal Kopp für seine Vermittlerdienste, worin allein das „bon résultat de l´affaire“211 hervorgehoben wurde. Während die katholische Kirche zweifelsohne Schaden genommen hatte, ohne dies zugeben zu wollen, hatte die Regierung in Berlin allen Grund zur Freude. Daher wundert es auch nicht, dass der preußische Gesandte Otto von Bülow den Auftrag erhielt, dem Kardinalstaatssekretär ausdrücklich für „cette aimable communication“212 zu danken, auch wenn die „communication“ im Fall Metz eben zwei Jahre gedauert hatte. Problematisch erwies sich aber auch die Haltung Marbachs selbst, der zunächst standhaft die Verleihung eines Erzbistums in partibus infidelium 205 206 207 208 209 210 211 212
Fritzen an Auswärtiges Amt v. 25.7.1901, in: PA AA, EL 3. Vgl. Rotenhan an Bülow v. 28.7.1901, ebd. Vgl. Straßburger Post v. 28.7.1901. Zuschrift Marbachs v. 28.7.1901, in: Straßburger Post v. 29.7.1901. Rotenhan an Auswärtiges Amt v. 19.7.1901, in: PA AA, EL 3. Vgl. Hohenlohe an Auswärtiges Amt v. 30.7.1901, ebd. Rampolla an Kopp v. 11.8.1901, in: ASV SS Anno 1902, 255, 3. Bülow an Rampolla v. 12.8.1901, ebd.
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ablehnte, sich zwischenzeitlich doch einverstanden erklärte, um den Titel schließlich wiederum zu verweigern. In der elsässischen Presse wurde der Rücktritt Marbachs deutlich als Politikum gewertet. „Wie soll das enden? Werden in Zukunft Bischöfe der Einsatz sein für kirchenpolitische Launen dieses oder jenes Faktors im Staatsleben?“213 Solche oder ähnliche rhetorische Fragen ließen den Volkszorn hochkochen, zumal Marbachs zehnjährige Tätigkeit als Weihbischof ausdrücklich gelobt wurde. Auch die alternative Überlegung, den vorzeitig mit erst 60 Jahren der Kirchenpolitik geopferten Marbach mit dem Titel eines Päpstlichen Thronassistenten zufrieden zu stellen, scheitert, und zwar weil sie beim Unterstaatssekretär della Chiesa „kein Entgegenkommen“214 gefunden hatte. Nachdem der Straßburger Weihbischof am 16. August 1901 mit Wirkung vom Folgetag endgültig seinen Amtsverzicht erklärte215, spielte für diese definitive Entscheidung sicherlich auch die Haltung der Presse eine Rolle, in der Marbach deutlich als Bauernopfer gesehen wurde. Preußen wollte Marbach wohl ein Ruhegehalt gewähren, verband damit allerdings den Wunsch, dass er das Bistum Straßburg verlasse, um keinen Einfluss auf den elsässischen Klerus mehr ausüben zu können. Tatsächlich empfahl ihm die Kurie, sich künftig in Straßburger Diözesanangelegenheiten zurückzuhalten und seinen Wohnsitz aus der Bischofsstadt zu verlegen. Der resignierte Weihbischof zog sich in der Folge in seinen Geburtsort Weißenburg zurück, wo er sich ausschließlich literarischen Tätigkeiten widmete216. Zorn von Bulach selbst war von seiner Kompensation mit dem Straßburger Weihbischofsposten trotz seines ausdrücklich erklärten Verzichts auf Metz nicht so recht angetan, wie sich aus seiner Aussage ablesen lässt, er werde diese Pflichten in „den dem Wirken eines Weihbischofs gesetzten engen Grenzen“217 wahrnehmen. Die Tatsache, dass ihm aus Rom das Nachfolgerecht in Straßburg verweigert wurde, mochte der Statthalter nicht recht akzeptieren und verlangte Verhandlungen mit Bischof Fritzen. Auch gegenüber dem Reichskanzler betonte er am 1. August noch einmal, er erachte das Sukzessionsrecht „als wesentlich“ für Zorn. In einem internen Papier des Auswärtigen Amtes für den Kanzler machte ein dortiger Beamter daraufhin seinem Unmut über den 213 214
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Der Elsässische Volksbote v. 17.8.1901. So formulierte es der Bericht der preußischen Gesandtschaft in Rom an das Auswärtige Amt v. 17.8.1901, in: PA AA EL 3. Vgl. Marbach an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 16.8.1901, in: Archives départementales du Bas Rhin, ASC, F). Der Brief ist reproduziert bei Muller, Dieu est catholique et alsacien, S. 203. Vgl. Muller, Dieu est catholique et alsacien, S. 204. So berichtete jedenfalls das Auswärtige Amt am 29.6.1901 dem Statthalter, in: PA AA, EL 3.
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Statthalter Luft, der dadurch nur „neue Komplikationen“218 in die Causa hineintrage. Wenn Hohenlohe-Langenburg in den nächsten Tagen beim Kanzler vorspreche, solle dieser unbedingt zu verstehen geben, dass die Regierung mit der „Beseitigung“ Marbachs vollauf beschäftigt sei und es für inopportun halte, einen neuen Diskussionspunkt im Staat-Kirche-Verhältnis zu entfachen, der in jedem Fall zu einer weiteren Verzögerung führen würde. Nicht vergessen werden darf auch die dezidierte Haltung Benzlers in der Weihbischofsfrage. Der Benediktinerabt war sich wohl bewusst, dass er nur „zweite Wahl“ des Kaisers für Metz gewesen war und fürchtete angesichts der vehementen Proteste Marbachs, der Heilige Stuhl würde diesen in Straßburg belassen und Zorn von Bulach zum Weihbischof in Metz ernennen, ihm also die „erste Wahl“ als „Aufpasser“ zur Seite stellen. Es scheint nachvollziehbar, dass er eine solche Eventualität unbedingt vermeiden wollte und sich daher am 5. August an Rampolla wandte219. In der preußischen Vatikangesandtschaft trat im August 1901 der Geistliche Jakob Hubert Schütz220 auf den Plan, angeblich um in offiziöser Mission bedeutenden Persönlichkeiten im Vatikan die Augen über die Intrigen in der Metzer Bischofswahlangelegenheit zu öffnen221. Den Angaben von Schütz zu Folge kämpfe der Metzer Seminardirektor Heinrich Nigetiet führend gegen die Ernennung Benzlers, wobei nicht der Nationalitätenkonflikt, sondern die verletzte persönliche Eitelkeit Nigetiets, der sich selbst Hoffnungen auf die Mitra gemacht habe, ursächlich sei. Der an der preußischen Vatikangesandtschaft tätige Legationsrat Hans von Flotow222 hielt Schütz, der sich für mehrere Wochen im Campo Santo Teutonico eingemietet hatte, für eine undurchsichtige Figur, die eigenmächtig handle, weil sie „nur den Ehrgeiz hat, die Hand im politischen Spiele zu haben“223. Tatsächlich handelte es sich bei Schütz, der auch für die liberale „Kölnische Zeitung“ publizistisch tätig war, um einen Trittbrettfahrer, der sich angesichts der Dauer der Metzer Bischofsfrage durch einen eigenen Beitrag bei den Staatsbehörden beliebt zu machen gedachte. Im Übrigen sollte er einige Jahre später angesichts des noch länger andauernden Konflikts um die Wiederbesetzung des Erzbischofsstuhles in Gnesen-Posen erneut mit noch größerer Vehemenz und Selbstüberschätzung ungefragt als selbsternann218 219 220
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Vorlage für Bülow v. 8.8.1901, ebd. Hier auch das folg. Zit. Benzler an Rampolla v. 5.8.1901, in: ASV SS Anno 1902, 255, 1. Zu Schütz, der Luxemburger Diözesanpriester war, vgl. das Kap. Gnesen-Posen in diesem Band. Vgl. Flotow an Bülow v. 7.8.1901, in: ASV SS Anno 1902, 255,1. Bei Rudt de Collenberg, La nomination de Mgr. Zorn de Bulach, S. 326, wird diese Intervention fälschlich in das Jahr 1900 terminiert. Zu Flotow (1862–1935), 1900–1904 an der preuß. Gesandtschaft beim Hl. Stuhl tätig, später u.a. 1913–15 deutscher Botschafter in Rom, vgl. Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes, Bd. 1, S. 572f. Flotow an Bülow v. 7.8.1901, in: ASV SS Anno 1902, 255,1.
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ter „Bischofsmacher“ auf den Plan treten224. Mag Schütz also auch ein aus eigenem Karrierebewusstsein handelnder Individualist gewesen sein, der aus einer diplomatisch verfahren erscheinenden und das stete Interesse der Presse beanspruchenden Situation persönliches Kapital schlagen wollte – Flotow nahm an, er wolle in Straßburg Schulrat werden – so gelang es ihm immerhin, von Leo XIII. in Privataudienz empfangen zu werden225. Der dort von Schütz vorgebrachte Vorschlag, für Marbach nach dem Vorbild des zu Breslau gehörigen Delegaturbezirkes Brandenburg-Pommern einen separaten Bereich innerhalb des Bistums Straßburg, etwa mit Sitz in Colmar, zu schaffen226, fand angeblich – der Berichterstatter Flotow hegte hier klare Zweifel – päpstliche Zustimmung unter der Prämisse, dass diese Lösung staatlicherseits vorgeschlagen würde. Wenn Bülow am Rand der entsprechenden Mitteilung aus der preußischen Vatikangesandtschaft notierte, Colmar sei „zu nah“ an Straßburg, verrät dies nicht nur die Überraschung des Reichskanzlers über eine solche Möglichkeit der Kompensation für den Weihbischof, sondern auch die fehlende Zustimmung für das Unterfangen von Schütz. Zudem hatte Schütz dem Heiligen Vater in seinem „Rapport“ nahegelegt, angesichts der langen Sedisvakanz in Metz, das preußische Bischofswahlsystem auch im Reichsland Elsass-Lothringen einzuführen sowie Metz dem Erzbistum Köln und Straßburg dem Erzbistum Freiburg als Suffragane unterzuordnen oder aber eine eigene Kirchenprovinz mit Straßburg als Erzbistum und – neben Metz – einem neuen Bistum Colmar als Suffraganen zu errichten. Nun war aber auch dem Kanzler schnell klar, dass Schütz ein selbsternannter Diplomat war, bei dem – wie Flotow es resümierte –, „das Bestreben, eine politische Rolle zu spielen, … unverkennbar“227 ist. Auch aus der deutschen Öffentlichkeit erhielt die Regierung Gegenwind, wenn beispielsweise die rhetorische Frage gestellt wurde: „Sollte die Regierung gegenüber den vatikanischen Ansprüchen wirklich weich geworden sein?“228 „Die Staatsregierung hat doch am Ende in Bezug auf die Besetzung des Bistums Metz vor den Schreiern und Hetzern die Segel gestrichen, obwohl gegen Bulach nichts Tatsächliches vorlag, was ihn vom Besteigen des Metzer Bischofsstuhls hätte ausschließen müssen. Nachdem aber die Staatsregierung in Bezug auf Metz ihren Kandidaten fallen lassen hat, war es das Mindeste, dass sie in Straßburg wenigstens ihren Willen durchsetzte“229. 224 225
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Vgl. das Kap. Gnesen-Posen in diesem Band. Vgl. Flotow an Bülow v. 15.8.1901, in: ASV SS Anno 1902, 255,1. Schütz hatte über die Papstaudienz detailliert bei Flotow berichtet. Vgl. auch den „Rapport“ , den Schütz sowohl Leo XIII. als auch Rampolla vorlegte. Vgl. J. H. Schütz, Rapport désiré par sa Sainteté Leon XIII. et le cardinal Rampolla sur les diocèses de Metz et de Strasbourg après mes audiences privées le 14 aout 1901, findet sich ebenso in: PA AA, EL 3 wie in ASV SS Anno 1902, 255,1. Flotow an Bülow v. 15.8.1901, in: ASV SS Anno 1902, 255,1. So die Tägliche Rundschau v. 28.6.1901. Münchner Allgemeine Zeitung v. 31.8.1901.
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Dagegen begrüßte die französische Presse im Reichsland die Verhinderung Zorns als Metzer Bischof: Der Statthalter Hohenlohe-Langenburg drang nun darauf, dass die Ernennungen Benzlers für Metz und Zorns für den Weihbischofsposten in Straßburg parallel in Rom vollzogen werden sollten. Damit wollten Regierung und Kaiser in der Öffentlichkeit die Gleichrangigkeit beider neuernannter Bischöfe zum Ausdruck bringen. Während die Kurie am 27. August 1901 endgültig von einer Verleihung eines Titularerzbistums an Marbach absah, ernannte sie unter dem gleichen Datum Abt Willibrord Benzler zum Bischof von Metz und Franz Zorn von Bulach zum Weihbischof in Straßburg und Titularbischof von Erythrea230. Gerade letztere Personalie gab Anlass zu Befürchtungen, die Wogen der Empörung in Teilen der Presse könnten wieder hochschlagen. So zeigte sich beispielsweise die „Kölnische Zeitung“ skeptisch, ob die von der katholischen „Germania“ ausgesprochene Hoffnung, „dass nun auch die unwürdige Hetze ein Ende finden werde, die namentlich gegen den Zorn von Bulach in gewissen elsässischen Kreisen angefacht worden sei“231, nicht ein Trugschluss wäre. Die Ernennung Benzlers wurde dagegen gerade in der regierungsnahen Presse sehr positiv kommentiert, wobei die besondere Gunst, welche die Benediktiner in den Augen Wilhelms II. genossen, sowie die mehrfachen Visiten des Kaisers in der Abtei Maria Laach Hervorhebung fanden. Während Benzlers Bischofsweihe für die Kathedrale in Metz vorgesehen war, wurde die Konsekration Zorn von Bulachs in Rom avisiert. Übrigens wurde im Kontext der Bischofsernennung von Seiten der Kurie deutlich gemacht, dass in Rom das Napoleonische Konkordat für Elsass-Lothringen nicht als bindend angesehen werde, weil es einen katholischen Herrscher voraussetze, was in Preußen nicht gegeben sei232. Was nun die Haltung des Vatikans anging, traf eine Aussage Bernhard von Bülows den Kern, der noch als Staatssekretär 1897 im Anschluss an einen Vatikanbesuch seine Einschätzung gegenüber Wilhelm II. so zusammengefasst hatte: „Aber die Kurie, die eminent politisch ist, kann lavieren und temporisieren; sie kennt den Begriff des modus vivendi, und es lässt sich auch bei prinzipieller Gegnerschaft manches mit ihr erreichen“233.
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An 27.8.1901 informierte Rampolla Sambucetti u. forderte ihn auf, den kanonischen Informativprozess anzustrengen, in: ASV ANM 197, pos. XII. Ebenso teilte er Benzler ganz offiziell die päpstliche Ernennung mit. Vgl. Archives départementales de la Moselle 29J259. Dort hieß es u.a.: „Les accords sont pris avec le gouvernement; tout est arrangé; de sorte qu’il ne vous reste que de vous adresser a Mgr. le Nonce de Munich pour le procès canonique”. Kölnische Zeitung v. 30.8.1901. Vgl. Flotow an Bülow v. 29.8.1901, in: PA AA, EL 3. Bülow an Wilhelm II. v. 16.11.1897, abgedruckt bei Hohenlohe-Schillingsfürst, Denkwürdigkeiten der Reichskanzlerzeit, S. 404–407, hier S. 406.
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Als Willibrord Benzler durch Korum am 28. Oktober 1901 in Gegenwart des Statthalters in der Kathedrale zu Metz zum Bischof geweiht wurde234, war die katholische Presse bemüht, den erreichten Konsens von Staat und Kirche hervorzuheben: „Wenn die Interessenverschiedenheit, die diesmal bei der Besetzung des Metzer Bischofsstuhles sich geltend machte und die Verständigung erschwerte, nunmehr in vollem Einverständnis glücklich zum Austrag gekommen ist, so war das vor allem das persönliche Verdienst der Träger der höchsten Gewalten, die in ihrer bewährten Friedensliebe ein auf gegenseitiger Hochachtung beruhendes Entgegenkommen bewiesen haben“235. Indes entstanden neue öffentliche Diskussionen um die hervorgehobene Eidesleistung, die für Benzler gemeinsam mit Zorn von Bulach nicht etwa vor dem Statthalter in Straßburg, sondern unmittelbar vor Wilhelm II. im Neuen Palais in Potsdam und darüber hinaus in Gegenwart des Reichskanzlers Bernhard von Bülow und des Statthalter erfolgte236. Bereits im Kontext der Ernennung von Bischof Fritzen und Weihbischof Marbach in Straßburg zehn Jahre zuvor hatte es ja in der Intention Wilhelms II. gelegen, deren Vereidigung selbst vorzunehmen, wozu es damals aber letztlich dann doch nicht gekommen war237. Hatte die für preußische bzw. deutsche Verhältnisse ungewöhnliche Vereidigung eines Weihbischofs durch den Monarchen 1891 noch für Verwirrung und Diskussionen gesorgt, so wurde nunmehr über diesen Punkt nicht mehr gestritten. Selbstverständlich goutierte die staatstreue Presse diese besondere Eidesleistung einerseits. Andererseits kamen ihr bald Zweifel, ob Benzler denn nach deutschem oder französischem Recht den Eid geschworen habe. Eine eindeutige Auskunft schien nicht zu bekommen sein. Und als dann kolportiert würde, Benzler habe den Eid auf den Monarchen geschworen, weil das Napoleonische Konkordat von 1801 dies so vorsehe, war dies ein gefundenes Fressen für die antikatholische Presse238. Dass ein deutscher Bischof den Eid nach der Formel des „Erbfeindes“ Frankreich geschworen haben sollte, schien schon verwerflich. Dass er zudem aber auch noch gemäß der französischen Formel gelobt haben sollte, „die Ketzer, Schismatiker und alle, die dem Papste, unserm Herrn, widerstreben“, zu verfolgen, schien ein noch größerer Affront zu sein. Demnach hätte Benzler einerseits Wilhelm II. Treue geschworen, sich andererseits aber zugleich indirekt gegen ihn aufgelehnt, indem er die Bekämpfung der reformatorischen Kirchen gelobt hätte. Wenn auch schon auf den ersten Blick die Ambivalenz, ja sogar Schizophrenie dieser Argumentationslinie aufscheint, denn welcher protestantische Monarch hätte einen solchen Passus durchgehen lassen, so fußte diese Kritik am Eid des Metzer Bischofs doch über den antifranzösischen Affekt hinaus auf dem im 234 235 236 237 238
Zum Abschluss des kanonischen Informativprozesses vgl. auch ASV ANM 197, XII. Kölnische Volkszeitung v. 29.10.1901. Vgl. Le Lorrain v. 26. u. 28.10.1901, abgedruckt bei [Collin], Benzler, S. 24–26. Vgl. hierzu auch das Kap. Straßburg in diesem Band. Vgl. Reichsbote v. 1.11.1901.
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nichtkatholischen Milieu weit verbreiteten Topos der Bigotterie der Katholiken. Auf der einen Seite dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist, auf der anderen Seite einen Eid offensichtlich mit Füßen zu treten, das entsprach genau dem protestantischen Vorurteil gegenüber „der“ katholischen Mentalität. Im Ministerium der geistlichen Angelegenheiten in Berlin fand diese Erregung Aufmerksamkeit. Der zuständige Referent war sich allerdings auch nicht ganz sicher, wenn er an den Rand des Zeitungsartikels notierte: „Jetzt, wo ElsassLothringen deutsches Reichsland, der Landesherr (Kaiser) also Protestant ist, wird wohl die fragliche Stelle fortgelassen worden“239 sein. Bereits am Tag der Bischofsweihe hatte Benzler in der Metzer Kathedrale zuerst auf Französisch, dann auf Deutsch zu den Gläubigen gepredigt. Durch seine „tiefe, verinnerlichte, von seinem Ordensleben gespeiste Frömmigkeit“240 wirkte er im Alltag allerdings sehr glaubhaft und authentisch und erhielt in seinem Bistum in der Folge viel Zustimmung, auch von erbitterten Gegnern seiner Kandidatur. Dabei schaffte er es, „persona gratissima“ bei Kaiser und Regierung zu bleiben. Dass für Bischof Willibrord Benzler angesichts dieser allseitigen Zustimmung die lothringische Diözese Metz kein bloßes Sprungbrett seiner Karriere blieb, lag einzig und allein daran, dass man in Berlin ein solch „dickes Intrigengespinst“241 wie seine dortige Wahl unbedingt verhindern wollte. Als nach dem Tod des Kölner Erzbischofs Simar 1902 Gerüchte aufkamen, Benzler habe Chancen auf den rheinischen Metropolitansitz zu wechseln, drängte Kultusminister Nasse sofort darauf, dass die Regierungsbehörden es unbedingt verhindern müssten, dass dieser auf die Wahlliste gelange242. Zorn von Bulachs Bischofsweihe wurde am 3. November 1901 durch den ihm lange bekannten Jesuitenkardinal Francesco Satolli SJ243 in Rom vollzogen. Auch nach seiner Rückkehr nach Deutschland wurde er von der Kurie mit Argusaugen verfolgt. Großes Missfallen erregte gerade in Rom auch die unmittelbare Vereidigung durch den Kaiser. In Deutschland sei es eigentlich üblich, dass nur Diözesanbischöfe in die Hände des Monarchen den Eid ablegten, in der Regel würden in Preußen aber die Oberpräsidenten selbst bei diesen den Eid abnehmen, nicht der Kaiser und König, echauffierte sich Nuntius Sambucetti gegenüber dem Kardinalstaatssekretär244. Wenn in diesem Fall 239 240
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Notiz v. 11.11.1901, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 5101, 22327. Häger, „Eine ausgezeichnete Werbung für das Ideal benediktinischen Lebens“, in: Erbe und Auftrag, Bd. 80 (2004), S. 269–290, hier S. 272. Dieser Aufsatz würdigt die Bemühungen um eine Seligsprechung Benzlers. Berliner Tageblatt v. 1.8.1901. Nasse an Studt v. 10.6.1902, in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 15925. Zu Satolli (1839–1910), seit 1895 Kurienkardinal, vgl. Weber, Quellen und Studien, S. 509, Anm. 41. Vgl. Sambucetti an Rampolla v. 5.12. u. 18.12.1901, in: ASV ANM 191.
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anderes gehandelt worden wäre, mutmaßte er, liege dies vielleicht daran, dass die preußische Regierung in Elsass-Lothringen ihre Autorität in besonderer Weise geltend machen wolle. Die katholische „Germania“ meldete zudem, dass der neue Straßburger Weihbischof anschließend nach Breslau weitergefahren sei, um Kardinal Kopp seine Aufwartung zu machen245. Tatsächlich war das vatikanische Misstrauen nicht ganz unberechtigt, hatten doch preußische Regierungskreise im Geheimen auch weiterhin große Pläne mit dem Straßburger Weihbischof. Wie der bayerische Gesandte beim Heiligen Stuhl vor dem Hintergrund der in den Jahren vor dem Ersten Weltkriegs immer wieder in der Presse geführten Diskussionen über einen deutschen Kurienkardinal „im allerstrengsten Vertrauen“ erfahren haben wollte, hege „Preußen … im verschwiegendsten Winkel seines Herzens die Hoffnung, den Bischof Zorn von Bulach dereinst als Kurienkardinal nach Rom ziehen zu sehen.“246 Darin wurde Berlin im Übrigen vom Episkopatsvorsitzenden Kardinal Kopp gegenüber dem Reichskanzler unterstützt. Der Straßburger Weihbischof erfüllte seiner Ansicht nach genau die Kriterien eines Kurienkardinals, „wenn er nicht ganz versagen soll“247. Tatsächlich wurde diese Personalie bald darauf auch in die überregionale Presse lanciert248, blieb dort aber eine Gerüchtemeldung unter vielen über einen deutschen Kurienkardinal, der bis zum Kriegsausbruch nicht ernannt wurde.
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Germania v. 5.12.1901. Cetto an Ministerium des Auswärtigen in München v. 6.9.1913, in: BHStA München, MK 38949. Kopp an Bethmann Hollweg v. 11.12.1911, in: PA AA Päpstlicher Stuhl 3, Nr. 2. Ein deutscher Kurienkardinal müsste demnach folgende Bedingungen erfüllen: „des Italienischen vollkommen mächtig sein, in der kirchlichen Verwaltung Kenntnisse haben wie auch im kanonischen Recht, kirchlich korrekt und diplomatisch gewandt sein“. Auch zit. bei Philippi, Kronkardinalat oder Nationalkardinalat, in: HJb, Bd. 80 (1960), S. 185–217, hier S. 200. Vgl. Leipziger Neueste Nachrichten v. 4.11.1913.
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ie schon im Bistum Metz spielte auch bei den Neubesetzungen des Bistums Straßburg der aus dieser Diözese stammende Michael Felix Korum mehrfach eine Rolle. 1880 wurde der damalige Münsterpfarrer in Straßburg von der Schwester des Reichsstatthalters Edwin von Manteuffel bei Papst Leo XIII. als Koadjutor des damals bereits 87-jährigen Straßburger Bischofs Andreas Räß249 ins Gespräch gebracht, wegen seiner pro-französischen Haltung allerdings nicht von Statthalter von Manteuffel selbst favorisiert250. Räß, der seit 1842 den Stuhl des heiligen Arbogast bekleidete und der zuvor Regens des Mainzer Priesterseminars gewesen war, wurde bei Klerus und Gläubigen einerseits „eine zu große Konnivenz“251 gegenüber der deutschen Regierung nachgesagt, die sich an seinem Wirken als Reichstagsabgeordneter des Wahlkreises Schlettstadt entzündete252. Andererseits wurde positiv goutiert, dass er „seit dem 14. Jahrhundert der erste Elsässer auf dem Straßburger Bischofsstuhl“253 war und als geistige Größe seiner Zeit galt254. Spätestens seit seiner Einmischung in den badischen Kulturkampf der Jahre 1845 bis 1856 ging ihm zudem der Ruf eines Ultramontanen der ersten Stunde voraus255. Für die staatlichen Behörden musste aber entscheidend sein, dass Räß nach dem politischen Wechsel von 1871 wenigstens auf dem kirchlichen Sektor eine Kontinuität garantierte. Offenbar wirkte die Bestellung eines Koadjutors mit dem Recht der Nachfolge im benachbarten Metz als Initialzündung für einen gleichen Schritt in Straßburg, wobei Räß im Gegensatz zu seinem Metzer Mitbischof keineswegs in Sorge um seine Nachfolge war und sich selbst für rüstig genug hielt, auch im hohen Alter noch die Diözese allein zu leiten. Die Annahme eines Koadjutors geschah daher nur auf Druck der Kurie bzw. 249
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Zu Räß (1794–1887) vgl. Lenhart, Räß, in: LThK2, Bd. 8 (1963), Sp. 996; Gatz, Räß, in: Ders., Bischöfe, S. 584–590, Haller, Raess, in: Nouveau dictionnaire de biographie alsacienne, Bd. 30 (1997), S. 3075–3077; u. Epp, Mgr. A. Raess. Vgl. Embach, Korum, S. 145, u. Treitz, Korum, S. 28f. Demnach war Korum die Demarche von Fräulein von Manteuffel, die obschon evangelischer Konfession, häufig Korums Messen im Münster besuchte, eher peinlich. Zur Straßburger Koadjutorfrage 1881 vgl. auch zusammenfassend Muller, Dieu est catholique et alsacien, S. 128–133. So Treitz, Korum, S. 27. Räß war 1874 bis 1877 zugleich MdR (Zentrum). Vgl. Haunfelder, Reichstagsabgeordnete der deutschen Zentrumspartei, S. 237; Schwarz, MdR, S. 431, u. Epp, Raess, S. 163–170, sowie Muller, Dieu est catholique et alsacien, S. 117f. Gatz, Räß, S. 587. Vgl. hierzu Pfleger, Bischof Andreas Räß und Friedrich von Hurter, in: Archiv für elsässische Kirchengeschichte, Bd. 3 (1928), S. 311–322. Räß stand aber nicht nur mit dem Historiker von Hurter, sondern auch mit Döllinger, Luise Hensel, der gräflichen Familie von Stolberg und anderen Geistesgrößen seiner Zeit in regem Briefkontakt. Vgl. Epp, La médiation de l´évêque de Strasbourg.
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des Nuntius in München256. Letzterer legte Bischof Räß nahe, entweder den Münsterpfarrer Michael Felix Korum oder den Pfarrer von Mülhausen, Landolin Winterer, zu benennen. Doch Räß betonte, weder den einen noch den anderen Geistlichen je in Erwägung gezogen zu haben. In Wirklichkeit war ihm Winterer durchaus angenehm, doch wusste der greise Bischof, dass dieser aufgrund seines politischen Engagements nicht das Plazet der Regierung erhalten würde. Als aus Regierungskreisen durchsickerte, dort sei der Militärkaplan Adolf Joseph Hauptmann257 Favorit, manifestierte sich im elsässischen Klerus die Forderung nach einem einheimischen Koadjutor. Dieses in einem Brief an Räß aufgestellte Postulat sollte eine Grundmaxime auch für weitere Bischofsstuhlbesetzungen darstellen. In diesem Fall untermauerte die Denkschrift eines aus dem Elsass stammenden, an der französischen Gesandtschaft beim Heiligen Stuhl wirkenden Geistlichen namens Joseph Guthlin diese Linie. Nachdem gerade unter dem Einfluss Guthlins in Rom die Namen des gleichnamigen Neffen des amtierenden Bischofs, Simon Räß, Pfarrer in Rosheim, des kaiserlichen Oberschulrates in Straßburg, Franz Karl Berlage, und eines aus Köln stammenden Geistlichen namens Kaiser, der als Bischofssekretär in Nizza Erfahrungen im französischen Sprachraum gesammelt hatte, bald wieder fallengelassen wurden, kaprizierte man sich in der Kurie auf die drei Politkleriker Winterer, Jakob Ignatius Simonis258 und Joseph Guerber, bei denen man aber sofort davon ausging, dass sie der Reichsregierung zu politisch seien. Bei Guerber war es womöglich auch sein Wesenszug eines „gefürchteten Polemiker(s)“259, der ihn wenig attraktiv für den Posten erscheinen ließ. Dagegen fand man in Rom unter dem Einfluss des Abbé Guthlin mit Peter-Paul Stumpf260 einen in kirchlichen Verwaltungsdingen erfahrenen Geistlichen, den die Regierung zudem als Generalvikar akzeptiert hatte, so dass davon auszugehen war, dass er auch als Koadjutor genehm sein müsste. 256
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Vgl. Treitz, Korum, S. 27. Zur Koadjutorfrage in Straßburg 1880/81 vgl. dort ausführlich S. 19–34. Auf Grundlage der vatikanischen Akten der AES behandelt diesen Aspekt ausgiebig Ciampani, Die Elsässer Katholiken und der Heilige Stuhl, in: Ara/Kolb (Hrsg.), Grenzregionen im Zeitalter der Nationalismen, S. 115–152. Zu Hauptmann (1835–1885), der Paderborner Priester war u. ab 1871 als Garnisonpfarrer in Metz wirkte, vgl. Brandt/Häger, Biographisches Lexikon der katholischen Militärseelsorge Deutschlands, S. 297, sowie Liese, Necrologium, S. 246 (mit unvollständigen biographischen Angaben). Zu Simonis (1831–1903), 1874–1898 MdR, vgl. Haunfelder, Reichstagsabgeordnete der Deutschen Zentrumspartei, S. 261; Schwarz, MdR, S. 466. Vgl. zu den elsässischen Politklerikern auch Baechler, Le clergé catholique alsacien et la politique, in: Revue d´Alsace, Bd. 111 (1985), S. 125–148. Brauner (Hrsg.), Briefe von Joseph Guerber, in: Archiv für elsässische Kirchengeschichte, Bd. 8 (1933), S. 371–448, hier S. 373. Zu Stumpf vgl. Treitz, Korum, S. 29, Anm. 1; Gatz, Stumpf, in: Ders., Bischöfe, S. 750– 752; u. Muller, Mgr. Pierre Paul Stumpf, enfant d’Eguisheim sowie Ders., Stumpf, in: Nouveau dictionnaire de biographie alsacienne, Bd. 36 (2000), S. 3816.
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Bischof Räß wiederum unterstützte sein „alter ego“ Peter Paul Stumpf offenbar nach außen hin nur deshalb, weil er sich nicht den Zorn des Statthalters zuziehen wollte und wusste, dass Stumpf bei Manteuffel „persona grata“ war, zu dem dieser „fast herzliche Beziehungen“261 unterhielt. Peter Paul Stumpf war 1822 in Egisheim bei Colmar im Oberelsass geboren worden und das 13. Kind eines Amtsdieners, der zudem früh verstarb, so dass Stumpf als Halbwaise „in äußerst bescheidenen Verhältnissen“262 aufwuchs. 1847 zum Priester geweiht, war an seinem priesterlichen Lebensweg eine gewisse Unstetigkeit auffällig, die sich daran abzeichnete, dass er 1852 nach fünf Kaplansjahren in Molsheim bzw. am Straßburger Münster aus dem Diözesanklerus ausschied, um in die Kongregation der Väter vom Heiligen Geist (Spiritaner)263 einzutreten, die er aber 1864 – gut ein Jahrzehnt später – nach ordensinternen Auseinandersetzungen wieder verließ, um erneut Straßburger Bistumspriester zu werden. Zwischenzeitlich hatte er 1855 in Rom die akademischen Grade eines Dr. theol. und Dr. iur. can. erworben. Bischof Räß hatte ihm aufgrund seiner Erfahrung als Leiter des Französischen Seminars in Rom die Aufgabe des Seminarregens in Straßburg übertragen und berief ihn 1866 zudem zum Domkapitular. Stumpf war, durch seine römischen Jahre bedingt, streng ultramontan ausgerichtet. Das Vertrauen von Räß ließ ihn außerdem 1876 zum Generalvikar avancieren. Doch gab Stumpf dieses Amt vier Jahre später wieder ab, wofür Differenzen mit dem Bischof verantwortlich waren, die später auch seine Amtszeit als Koadjutor durchziehen sollten. Neben Stumpf hätte nach dem Willen der Kurie in zweiter Linie Münsterpfarrer Michael Felix Korum als Koadjutor Berücksichtigung finden, der aber ähnlich wie zuvor in Metz nach Bekanntwerden dieses Plans darum bat, von seiner Person abzusehen und auf Stumpf zu rekurrieren264. Obwohl Räß die Ernennung seines Generalvikars zum Koadjutor in den folgenden Wochen noch verschiedentlich zu hintertreiben versuchte, weil er a) am liebsten überhaupt keinen Koadjutor gehabt hätte und b) persönliche Vorbehalte gegen Stumpf hatte265, erhielt dieser am 13. Mai 1881 seine Ernennung zum Titularbischof von Caesaropolis und Koadjutor mit dem Recht der Nachfolge, übrigens am gleichen Tag wie auch im benachbarten Metz Franz Ludwig Fleck. Er empfing am 24. August 1881 im Straßburger Münster durch den aus der Schweiz ausgewiesenen Genfer Weihbischof und späteren Kardinal Gaspard Mermillod266 die Bischofsweihe. Gegen den Widerstand des alten Bischofs wurde Stumpf 1883 durch päpstli261 262 263 264 265 266
Gatz, Stumpf, S. 751. Ebd., S. 750. Eine 1703 in Paris gegründete Kongregation. Vgl. LThK2, Bd. 5 (1960), Sp. 114. Vgl. Ciampani, Die Elsässer Katholiken und der Heilige Stuhl, S. 141, Anm. 82. Vgl. Muller, Dieu est catholique et alsacien, S. 137. Zu Mermillod vgl. Python, Mermillod, in: Gatz, Bischöfe, S. 501–504.
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ches Breve die gesamte Bistumsverwaltung übergeben267, so dass der Tod von Räß, der nach 45-jährigem Episkopat am 17. November 1887 starb, Stumpf automatisch zum Oberhirten des Bistums werden ließ. Seine feierliche Inthronisation am 4. Dezember 1887 markierte also keine Zäsur mehr. Allerdings war der neue Oberhirte zu diesem Zeitpunkt bereits herzkrank, so dass sein Episkopat von vornherein als Intermezzo betrachtet wurde. Folgt man den Aussagen des lange Jahre an der Straßburger Universität lehrenden Altphilologen Wilhelm Studemund, dann war Bischof Stumpf nicht nur vor 1871 frankophil gewesen, sondern hatte diese Haltung auch nach dem DeutschFranzösischen Krieg zunächst noch beibehalten, um sein Fähnlein dann nach dem Wind zu richten und die Nähe der deutschen Regierungsstellen zu suchen268. Seine konziliante Natur habe diesen Wandel erleichtert. Ein anderer dezidiert staatsnaher Beobachter, der als Adjutant des Statthalters in Straßburg wirkende Bogdan von Hutten-Czapski269, hatte „den Eindruck eines ganz besonders ehrlichen Menschen gemacht, der zwar mit der großen Welt wenig vertraut, ja geradezu weltfremd war, aber das redliche Bestreben hatte, mit der deutschen Regierung und insbesondere dem Statthalter zusammenzuarbeiten, öfter freilich von seinen Domherrn elsässischer Herkunft daran gehindert wurde“270.
Bischofsernennung 1890/1891 Am 8. August 1890 teilte Stumpfs Sekretär dem Nuntius in München mit, dass sich das tückische Herzleiden des Bischofs verschlimmert habe271, zwei Tage später war der Bischof tot. Bereits einen Tag darauf wählte das Kapitel wie üblich zwei Domherren zu Kapitularvikaren, nämlich Alexander Straub272 und Theodor Schmitt273. Die breite Öffentlichkeit wurde in die Suche nach einem neuen Bischof durch immer neue Informationen der katholischen Presse einbezogen274. Als erste wurden Domkapitular Leo Dacheux und Regens Joseph Ott genannt275, später auch die beiden Kapitularvikare Straub und Schmitt, dazu Ott, Dacheux 267 268
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Dies geschah durch Breve v. 3.2.1883. Vgl. Studemund an Goßler v. 15.8.1887, zit. nach Gatz, Kirchliche Personalpolitik und Nationalitätenprobleme, S. 362. Zu Hutten-Czapski (1851–1937), 1885–1890 Adjutant des Statthalters von Elsass-Lothringen, vgl. das Kap. Gnesen-Posen in diesem Band. Hutten-Czapski, Sechzig Jahre Politik und Gesellschaft, Bd. 1, S. 198. Vgl. Sekretär Horber an Nuntius v. 8.8.1890, in: ASV ANM 174. Zu Straub (1825–1891), einem gebürtigen Straßburger, der 1876 Domherr geworden war, vgl. Gatz, Straub, in: Ders., Bischöfe, S. 744f. Vgl. zur Wahl der Kapitularvikare Muller, Dieu est catholique et alsacien, S. 160. So Kannengieser, Frey, S. 109. Vgl. Muller, Dieu est catholique et alsacien, S. 165.
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und Marbach sowie der Pfarrer von St. Joseph in Mülhausen, Heinrich Cetty. Interessanterweise war es bei allen unterschiedlichen Personalspekulationen communis opinio, dass nur ein Elsässer Nachfolger des verstorbenen Bischofs Stumpf werden könne. Von einem der maßgeblichen elsässischen Politkleriker, nämlich von dem bereits erwähnten Simonis wurde der Pfarrer von St. Martin in Colmar, Stephan Frey276, ins Gespräch gebracht. Er sei geeignet nicht nur aufgrund seines jugendlichen Alters, sondern auch weil er die Wissenschaften kenne und als Domvikar am Straßburger Münster tätig gewesen sei. Anlässlich seiner Ernennung zum Pfarrer von Colmar habe es keine Schwierigkeiten seitens der Regierung gegeben, was der Bittsteller als Zeichen für die staatliche Genehmheit Freys auslegte. Nur im Nebensatz gab Pfarrer Simonis seiner Befürchtung Ausdruck, dass die Regierung der Diözese einen Altdeutschen als Bischof aufdrücken werde, um eben Frey als Elsässer dagegen zu setzen, der schließlich alle „qualités voulues“277 besitze. Frey war 1846 in Bischoffsheim im Unterelsass als Sohn eines Schneiders geboren und über das Kleine und Große Seminar in Straßburg zu Abitur und Theologiestudium sowie zur 1870 erhaltenen Priesterweihe gelangt. Frey, der sich in seinen Vikarsjahren in Rappoltsweiler (Ribeauvillé), vor allem aber in Straßburg durch den Kulturkampf bedingt zunehmend publizistisch engagiert hatte, war 1878 zum Professor für Dogmatik am Priesterseminar in Straßburg ernannt worden, bevor er 1889 die bedeutende Pfarrei Colmar mit mehr als 20.000 Katholiken, „l’un des postes les plus importantes du diocèse“278, wie es in einem vom Nuntius von einem Informanten erbetenen kurzen Curriculum vitae hieß, erhalten hatte. Dass er über diese beachtliche priesterliche Karriere hinaus eine sehr anerkannte Priesterpersönlichkeit seiner Epoche im Bistum Straßburg war, zeigt nicht allein diese Charakterisierung, in der Freys Intelligenz und sein Einsatz überaus positiv beschrieben wurden. Er sei „un homme, qui n’est accessible qu’à des motifs élevés et sa vertu est au dessus de tout éloge“. Eine ganze Reihe von Briefen, die Frey Ende 1890 sowohl von Mitbrüdern als auch von Laien aus verschiedenen Teilen des Bistums zugingen und deren einheitlicher Tenor der Wunsch nach einer baldigen Bischofsernennung des Pfarrers von Colmar war279, sind Ausdruck seiner allgemein empfundenen besonderen Popularität. Claude Muller brachte dies auf den Nenner, dass „Les témoignages de sympathies affluent en cette fin d’année 276 277
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Zu Frey (1846–1915) vgl. das Kap. Metz in diesem Band. Simonis an Agliardi v. 19.9.1890, in: ASV ANM 174. Letzterer sagte am 22.9.1890 zu, den Vorschlag in Betracht ziehen zu wollen, wies aber auch auf die schwierige Situation des Bistums hin. Müller Simonis an Agliardi v. 26.1.1890, in: ASV ANM 174. Hier auch das folg. Zit. Abgedruckt bei Kannengieser, Frey, S. 111–113.
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chez le chanoine Frey“280. Natürlich wurde Frey von der einheimischen Presse auch deshalb auf den Schild gehoben, um dem Argument entgegenzuwirken, dass man unbedingt einen altdeutschen Bischof benötige. Noch größere Sympathien gehörten in den Zeitungen einer möglichen Rückkehr des Trierer Bischofs Michael Felix Korum281. Da Korum zwar 1881 staatlicherseits für den Trierer Bischofsstuhl sanktioniert worden war, sich dort aber keineswegs nach dem Geschmack der Regierung verhalten hatte, sondern zur Führungsfigur des strikt ultramontanen Flügels im Episkopat geworden war, war nicht zu erwarten, dass seine Transferierung in seine Heimatdiözese von staatlicher Seite befördert würde. Dabei mehrten sich in der Nuntiatur Stimmen, so etwa die eines Pfarrers Hartmann von Runzenheim, der nach München schrieb, der Einfluss des Bischofs von Trier wachse im Elsass von Tag zu Tag282. Aber darüber hinaus gebe es eben auch eine Reihe weiterer bedeutender Männer im Bistumsklerus. Hartmann nannte hier zunächst die drei Reichstagsabgeordneten Simonis, Guerber und Winterer283. Da diese aber realistischerweise keine Chance der staatlichen Akzeptierung besäßen, müsse die Kurie auf andere Kandidaten zurückgreifen. Er warnte Nuntius Antonio Agliardi dezidiert vor den Ratgebern und engsten Mitarbeitern des verstorbenen Bischofs Stumpf, insbesondere vor dessen Generalvikar Apollinaris Freyburger284. Und im selben Atemzug empfahl Pfarrer Hartmann zum einen Dacheux und zum anderen Marbach. Leo Dacheux, der zu diesem Zeitpunkt 55 Jahre zählte, war 1835 in der Bischofsstadt Straßburg als Sohn eines Architekten geboren worden, stammte also aus einem bürgerlichen Haus. Als Priester arbeitete er im Ministerium, war Pfarrer in Neudorf, einem Vorort von Straßburg, und schließlich Professor am Priesterseminar und von 1881 bis 1889 dessen Regens. Er sei der würdigste Priester des Bistums, der sich stets als Deutscher bezeichne, aber im Herzen Franzose sei, was ihn für die Aufgabe geeignet mache. Da aber eine positive Weiterentwicklung des Bistums zweifelsohne nur möglich sei, wenn ein altdeutscher Bischof an der Spitze stehe, der gute Kontakte zur Regierung pflege, sah Hartmann einen aus dem Reich kommenden Bischof als wesentlich realistischer an, dem dann eben ein elsässischer Koadjutor oder Weihbischof, etwa Dacheux, zur Seite gestellt werden sollte. Zu diesem Zeitpunkt war der Name Dacheux bereits durch die französische Presse einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht worden. Denn am 13. August hatte die in Paris erscheinende „La défense“ im Kontext der Spekulationen um die Neubesetzung des 280 281 282 283
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Muller, Dieu est catholique et alsacien, S. 171. Vgl. Der Elsässer, zit. bei Treitz, Korum, S. 34, Anm. 1. Vgl. Hartmann, Runzenheim, an Agliardi v. 29.9.1890, in: ASV ANM 174. Alle drei verfolgten innerhalb des Zentrums einen regionalistischen Kurs. Vgl. Aschoff, Priester als Parteipolitiker, in: RQ, Bd. 104 (2009), S. 257–285, hier S. 273. Zu Freyburger (1813–1901), 1880–1890 Generalvikar, vgl. Gatz, Freyburger, in: Ders., Bischöfe, S. 210.
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Straßburger Bischofsstuhles die Regenten von Priesterseminaren als geborene Bischofskandidaten bezeichnet285. In der Folge wurde Dacheux dort als „un esprit distingué, un savant écrivain“286 hervorgehoben. Dacheux wurde auch von dem durch den Heiligen Stuhl vertraulich um Mithilfe bei der Suche nach einem geeigneten Bischof gebetenen Mülhauser Pfarrer Landolin Winterer in erster Linie empfohlen287. Und Nuntius Agliardi hatte sein Augenmerk in dieser Phase ebenso auf Dacheux wie auf Frey gerichtet. Zumindest ließ er sich über beide ausführlichere biographische Informationen zukommen, aus denen u.a. hervorging, dass Dacheux weniger populär als Frey sei288. Folgt man den Memoiren Hutten-Czapskis, dann hatte Dacheux aber auch zahlreiche Feinde im elsässischen Klerus, die „durch Presseartikel über den Bankrott seines Bruders, des Straßburger Architekten und Erbauers der heute noch so genannten Dacheuxhäuser, Stimmung gegen ihn zu machen“289 versuchten. In der deutschen Presse hingegen wurde im Herbst 1890 der Mainzer Geistliche Friedrich Schneider als Kandidat für Straßburg genannt290. Schneider hatte sich als Kunsthistoriker nicht zuletzt am preußischen Königshof einen Namen gemacht und galt als staatsloyaler Priester, der zudem den Vorzug besaß, auch der französischen Sprache mächtig zu sein. Übrigens war er zur selben Zeit für den gleichfalls vakanten Erzbischofsstuhl von Gnesen-Posen im Gespräch291. Ebenfalls von der Presse in die Diskussion gebracht wurde die Kandidatur des bereits für den Posener Erzbischofsstuhls erwogenen Prinzen Edmund Radziwill292, der mittlerweile der Benediktinerabtei Beuron beigetreten war und daher im südwestdeutschen Raum ansässig geworden war, Aus nicht mehr zuzuordnender, möglicherweise anonymer Quelle in Rom erreichte Agliardi ein Hinweis auf den in Mülhausen wirkenden Divisionspfarrer Antonius Scher293. Einerseits Altdeutscher, andererseits des Französischen durch seine Herkunft im Grenzgebiet zu Lothringen von Kindheit an mächtig, schien der Garnisonpfarrer ein interessanter Kandidat zu sein, zumal sein Weg in die Militärseelsorge bereits auf eine staatsloyale Gesinnung hindeutet. Schers namenlos bleibender Protektor – vielleicht war es der Großherzog von Baden, der sich ein Jahrzehnt später für ihn stark machte, als der 285 286 287 288 289 290
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Vgl. La défense v. 13.8.1890. La défense v. 27.8.1890. Vgl. Jost, Marbach, S. 49f. Vgl. Paul Müller Simonis an Agliardi v. 16.1.1890, in: ASV ANM 174. Hutten-Czapski, Sechzig Jahre Politik und Gesellschaft, Bd. 1, S. 198f. Und zwar im Rheinischen Kurier. Vgl. Brück, Schneider, in: AMRKG, Bd. 9 (1957), S. 166–192, hier S. 171. Zu Schneider vgl. das Kap. Mainz in diesem Band. Vgl. das Kap. Gnesen-Posen in diesem Band. Zu Radziwill vgl. das Kap. Gnesen-Posen in diesem Band. Zu seiner Kandidatur in Straßburg vgl. Hutten-Czapski, Sechzig Jahre Politik und Gesellschaft, Bd. 1, S. 199. Zu Scher (1842–1913) vgl. das Kap. Metz in diesem Band.
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Metzer Bischofssitz zu vergeben war – führte dann auch noch expressis verbis die in zwei Jahrzehnten erworbene Kenntnis von Land und Leuten im Elsass, eine sprachliche Begabung, die Scher nicht nur des Deutschen und Französischen, sondern auch des Italienischen habe mächtig werden lassen, sowie eine Reihe preußischer Orden als Kennzeichen für die Eignung an. Dass der Münchner Nuntius, bei dem viele Fäden zusammenliefen, bei Rampolla nahezu auf Unverständnis stieß, als er ihm von einem Besuch des Statthalters von Elsass-Lothringen, Chlodwig Fürst von Hohenlohe-Schillingsfürst294, in der Nuntiatur berichtete, liegt auf der Hand. Als Staatskatholik und Bruder des in Rom isoliert von den vatikanischen Entscheidungen lebenden Kurienkardinals Gustav Adolf von Hohenlohe-Schillingsfürst295 genoss er per se nicht das Vertrauen des strengkirchlich gesinnten Kardinalstaatssekretärs. Der Bevölkerung sei es doch gleich, ob der neue Bischof nun französischer oder deutscher Nationalität sei, versuchte Rampolla die Bedeutung der Angelegenheit herunterzuspielen296. Die Tatsache, dass nach dem Protestanten von Manteuffel seit 1885 ein Katholik die wichtige Position des Statthalters im Reichsland einnahm, war also nicht dazu geeignet, eine gemeinsame Grundlage im Staat-Kirche-Verhältnis zu schaffen. Den intensivsten Einfluss versuchte hingegen ein Laie, der seit 1867 als Inhaber der örtlichen Herder-Buchhandlung in Straßburg ansässige Peter Bachmann297, bei der Münchner Nuntiatur in der Neubesetzungsfrage geltend zu machen. Zwischen Ende Oktober und Weihnachten 1890 richtete er fünf Briefe in dieser Angelegenheit an Agliardi, welche letzterer stets mit einem freundlichen, aber unverbindlichen Dank kommentierte. Aufhänger für den Beginn der somit eher einseitigen, zur Einschätzung der Situation in Straßburg allerdings durchaus hilfreichen und interessanten Korrespondenz bildete offensichtlich der bereits erwähnte Presseartikel in „La défense“, dessen antideutsche Stoßrichtung Bachmann beklagte298. Ziel dieser Kampagnen sei es, einen deutschen Bischofskandidaten in der Bevölkerung unmöglich zu machen. Gerade deshalb sei es notwendig, einen deutschen Geistlichen, der alle diese Intrigen nicht kenne, nach Straßburg zu senden. Geeignet sei der Limburger 294
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Zu Hohenlohe-Schillingsfürsts Amtszeit als Statthalter in Elsass-Lothringen vgl. Seydler, Hohenlohe-Schillingsfürst; vgl. auch Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes, Bd. 2, S. 347f. Zu Kardinal Hohenlohe (1823–1896) vgl. Fink, Kardinal Hohenlohe und das römische Milieu, in: Schmidt/Schwaiger, Kirchen und Liberalismus im 19. Jahrhundert, S. 164–172; Wolf, „Die liebenswürdigste aller Eminenzen“, in: RQ, Bd. 90 (1995), S. 110–136; Ders., Gustav Adolf zu Hohenlohe-Schillingsfürst, in: Lebensbilder aus Baden-Württemberg, Bd. 18 (1994), S. 350–375; Böing, Gustav Adolf Hohenlohe, in: LThK2, Bd. 5 (1960), Sp. 431; Richter, Gustav Adolf Hohenlohe, in: NDB, Bd. 9 (1972), S. 490f. Vgl. Rampolla an Agliardi v. 16.10.1890, in: ASV ANM 174. Zu Bachmann konnten keine weiteren Informationen eingeholt werden. Vgl. Bachmann an Agliardi v. 26.10.1890, in: ASV ANM 174.
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Domkapitular Matthias Höhler299, der seiner Meinung nach alle notwendigen Qualitäten besitze, um die Nachfolge von Bischof Stumpf in Straßburg anzutreten. Wie er von dem im Kultusministerium tätigen Ministerialrat Hamm vernommen habe, würde Höhler auch staatlicherseits akzeptiert. Wenn also, was durchaus im Bereich des Möglichen liege, der Statthalter in Rom drei Kandidaten namhaft machen würde, solle die Kurie auf den Limburger Domherrn rekurrieren. Der ebenfalls staatlicherseits favorisierte Kölner Dompropst Berlage besitze nicht die Sympathien des Klerus und sei daher von den durchaus für einen deutschen Bischof offenen elsässischen Geistlichen zu vernachlässigen. Überhaupt blieb es auch in der Folge ein wesentliches Motiv Bachmanns, dass laut seinen Erkundigungen in hohen Klerikerkreisen der Bischofsstadt ein Altdeutscher als Bischof notwendig erachtet werde, um Ordnung zu schaffen300. Höhlers Name wurde also nicht erst in einem Brief des Papstes an den deutschen Kaiser vom 15. Dezember 1890, auf den noch näher einzugehen sein wird, erstmals in dieser Besetzungsfrage genannt301, sondern seine Kandidatur war bereits im Vorfeld im preußischen Kultusministerium bekannt. Wesentlich mehr Gewicht als auf die ausführlichen Stellungnahmen des Laien Bachmann legte Nuntius Agliardi augenscheinlich auf die Hinweise des Politklerikers Simonis. Als dieser ihm nämlich aus Paris mitteilte, er habe von einem Freund im Elsass erfahren, dass dort in einer Zeitung an erster Stelle Dacheux, danach Frey und schließlich ein gewisser Erhard302 als Bischofskandidaten genannt worden seien303, gab er dies umfänglich an den Kardinalstaatssekretär weiter und evozierte dabei den Eindruck, diese Meldung habe in allen elsässischen Zeitungen gestanden304. Dass sein Informant erhebliche Bedenken gegen Erhard hegte, der als 16-jähriger zur katholischen Kirche konvertiert sei und durchaus Qualitäten besitze, aber sehr unpopulär sei, fand auf diese Weise ebenso seinen Weg in den Vatikan. Simonis unverhohlene Zustimmung zu einer Kandidatur von Stephan Frey hingegen, von der der Geistliche und Reichstagsabgeordnete behauptete, sie auf den Weg und in aller Munde gebracht zu haben, behielt der Nuntius für sich. Weitaus interessanter musste für Erzbischof Agliardi ohnehin sein, was ihm Bachmann am 21. November 1890 über die Regierungsaktivitäten berichtete und was dieser wohl von seinem Intimus im Ministerium, dem Ministeri299
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Zu Höhler (1847–1920) vgl. das Kap. Limburg in diesem Band. Ein ausführliches Curriculum vitae Höhlers fügte Bachmann seinem Brief an. Vgl. z.B. Bachmann an Agliardi v. 26.11.1890, in: ASV ANM 174. Davon geht Gatz, Kirchliche Personalpolitik und Nationalitätenprobleme, S. 368, ohne Kenntnis der vatikanischen Akten aus. Ganz offenbar handelte es sich hierbei nicht um den später im Modernismusstreit hervorgetretenen Kirchenhistoriker Prof. Albert Ehrhard, der obgleich ebenfalls Elsässer, zu diesem Zeitpunkt erst 28 Jahre alt war. Simonis an Agliardi v. 19.11.1890, in: ASV ANM 174. Vgl. Agliardi an Rampolla o.D., ebd.
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alrat Hamm, erfahren hatte305. Demnach werde staatlicherseits Adolf Fritzen und an zweiter Stelle der Freiburger Kirchenhistoriker Professor Franz Xaver Kraus favorisiert, den Hohenlohe-Schillingsfürst besonders schätze, obwohl er ja mehrfach als Bischofskandidat gescheitert war306. Hamm hatte sich im Auftrag des Ministeriums bereits am 4. Juli 1890, also bereits gut vier Wochen vor dem Tod von Bischof Stumpf, an Fritzen gewandt, um ihn als Kandidaten für den Straßburger Bischofsstuhl zu gewinnen307. An diesem antizipierenden Handeln ist schon erkennbar, dass es der Regierungsseite darum ging, für den Fall der Sedisvakanz einen passenden Kandidaten in der Hinterhand zu haben.
A
dolf Fritzen308 war 1838 als erster von vier Söhnen eines Architekten in Kleve im niederrheinischen Teil des Bistums Münster geboren worden. Geprägt wurde er durch den Besuch des Bischöflichen Konvikts Collegium Augustinianum (Gaesdonck) in Goch, wo ein Onkel als Lehrer wirkte309. Nach dem 1858 am Paulinum in Münster abgelegten Abitur – die Gaesdonck hatte keine Berechtigung zur Abnahme der Reifeprüfung – studierte er zunächst zwei Semester in Tübingen, dann in Münster Theologie. 1862 in Münster zum Priester geweiht, promovierte Fritzen im Rahmen eines anschließenden Philologie- und Geschichtsstudium in Berlin und Bonn310 1865 zum Dr. phil.311, um im Winter 1866 das Examen für den höheren Schuldienst anzuschließen und als geistlicher Gymnasiallehrer an der Gaesdonck zu wirken. In Bonn freundete er sich dabei mit dem späteren Münsteraner Bischof Hermann Dingelstad an, der sich parallel für den höheren Schuldienst qualifizierte312. Da die Gaesdonck im Kulturkampf geschlossen wurde, wechselte Fritzen 1874 auf Vermittlung des Münsteraner Generalvikariates als Hauslehrer und Hofkaplan zur Familie des Kronprinzen Georg von Sachsen nach Dresden. Dort nicht nur Deutsch und Geschichte zu unterrichten, son-
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Vgl. Bachmann an Agliardi v. 21.11.1890, ebd. Hier auch die folg. Zit. Zur Kandidatur von Kraus in Straßburg 1890/91 vgl. Graf, Kraus, S. 82–87. Vgl. Archives départementales du Bas Rhin, 1VP/PP 26, u. Muller, Dieu est catholique et alsacien, S. 164f. Zu Fritzen vgl. Wendling, Fritzen, LThK2, Bd. 4 (1960), Sp. 393; Gatz, Fritzen, in: Ders., Bischöfe, S. 219–221; Epp, Fritzen, in: Nouveau dictionnaire de biographie alsacienne, Bd. 2 (1988), S. 1065f. Es handelte sich um Dr. Franz Ebben, einen Bruder seiner Mutter. Vgl. Wendling, Fritzen, S. 8. In dieser Zeit engagierte Fritzen sich zudem an allen seinen Studienorten im katholischen Verbindungswesen. Vgl. Koß, Fritzen, in: Biographisches Lexikon des KV, 1. Teil, S. 32– 34; u. Wendling, Fritzen, S. 11. Vgl. passim Adolf Fritzen, De Cassandri ejusque sociorum studiis irenicis. Commentatio historica, Diss. Phil. Münster 1865. Eine Arbeit über den Ireniker Georg Cassander (1513–1566). Vgl. dazu Koß, Fritzen. Vgl. Wendling, Fritzen, S. 11.
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dern sich in höchsten Gesellschaftskreisen zu bewegen, entsprach dem Typus Fritzens, dem „ein gewisses vornehmes Wesen“313 nachgesagt wurde. Dass er nachhaltig auf die Erziehung der Prinzen einwirkte, zeigt sich ja auch daran, dass Prinz Max von Sachsen den geistlichen Beruf wählte und zu den immer wieder von ultramontaner Seite genannten und von den Zeitungen begierig kolportierten Bischofskandidaten des Kaiserreichs zählte. 1887 warb Fritzen Bischof Fleck dort ab, als Leiter des Kleinen Seminars in Monteningen (Montigny) bei Metz314, einer Zubringeranstalt für das Straßburger Priesterseminar. Dieses Amt hatten vor ihm auf staatlichen Druck hin bereits Altdeutsche bekleidet. Nachdem der letzte Direktor Franz Jakob Scheuffgen staatlicherseits zum Dompropst in Trier ernannt worden war, hatte sich erkennen lassen, dass die Aufgabe in Montigny ein gewisses Karrieresprungbrett darstellte. Fritzen jedenfalls fasste über seine Tätigkeit in der Ausbildung angehender Priesteramtskandidaten rasch in Elsass-Lothringen Fuß. Dass man ihn dort durchaus längerfristig binden wollte, zeigte sich, als Fritzen 1890 einen der Söhne der königlichen Familie aus Sachsen auf dessen Wunsch auf einer längeren Orientreise nach Ägypten und Palästina begleitete. Prompt verlieh ihm die Regierung in Straßburg den Titel eines Professors315. Kirchlicherseits hatte ihn Bischof Fleck zum Ehrendomherrn an der Kathedrale in Metz ernannt. Was nun aber die Anfrage Hamms anbetraf, schien Fritzen zunächst sehr erstaunt zu sein. Jedenfalls bat er erst um Bedenkzeit und holte sich bei seinem Freund Dingelstad in Münster Rat. Weil letzterer Fritzen gut zuredete, stellte sich der Seminardirektor aus Montigny schließlich zur Disposition des Staates. Die Information Hamms bezog sich aber auch auf eine Unterredung des Statthalters Hohenlohe-Schillingsfürst mit Reichskanzler Leo von Caprivi am 10. November 1890 in Berlin. Wohl kaum ahnend, dass der Inhalt dieses Gespräches alsbald der Kurie bekannt werden könnte, vermerkte Hohenlohe am Folgetag erfreut, Caprivi sei „in der Bischofsfrage (also der Nachfolgeregelung Stumpfs in Straßburg, Anm. d. Verf.) sehr unbefangen. Er ist in allem mit mir einverstanden, will auch einen deutschen Bischof, will nichts von Korum wissen, der im Kultusministerium Freunde zu haben scheint, und erwartet meine Vorschläge“316. Hohenlohe-Schillingsfürst empfand doppelten Grund zur Freude. Zum einen schien ihm die Durchsetzung seines Favoriten, des von Agliardis Informanten als zweite Wahl bezeichneten Kraus, in greifbare Nähe gerückt zu sein. Eine Ernennung von Kraus zum Bischof wäre für den Statthalter ein wichtiger Baustein zur Erreichung seines wichtigen Zieles, der Gründung einer Katholisch-Theologischen Fakultät in Straßburg, gewesen, zumal der Freiburger Kirchenhistoriker Hohenlohe-Schillingsfürst in dieser 313 314 315 316
Ebd., S. 14. Vgl. Hamant, Le Petit Séminaire de Metz-Montigny 1808–1900, S. 170 u. 218f. Vgl. ebd., S. 172. Hohenlohe-Schillingsfürst, Denkwürdigkeiten, Bd. 2, S. 471.
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Frage bereits seit längerem beriet317. Gegenüber Fritzen hingegen bestanden seinerseits anfänglich Bedenken derart, dass „er ein Mann kleinen Formats sei, nicht von der geistigen Höhe, die für einen Bischof von Straßburg verlangt werden müsse“318. Zum anderen hatte die Reichsregierung damit offiziell die weitere Verhandlung der Angelegenheit auf die Ebene des Reichslandes delegiert, also in die Hände des Statthalters gelegt. Ein Novum, da doch die Besetzung der elsasslothringischen Bischofsstühle auf diplomatischem Wege zwischen Berlin und Rom und nicht zwischen Straßburg und Rom erfolgen sollte. Bei dieser Delegation der Angelegenheit auf die „Provinzebene“ spielte nicht allein die seit den Reichstagswahlen von 1887 auf staatlicher Seite gewonnene Erkenntnis eine Rolle, dass „der elsass-lothringische Klerus nicht freiwillig für den Reichsgedanken zu gewinnen war“319. Vielmehr mussten die Zügel angezogen und gleichsam mit härteren Bandagen gekämpft werden, wozu die Beendigung der Priesterbildung nach französischem Muster auf Seminaren und deren Verlagerung an eine Universität gehörte, ein Vorhaben, das natürlich nur von einem vom „deutschen“ System begeisterten altdeutschen Bischof realisiert werden konnte. Viel zentraler war der Punkt, dass der preußische Monarch und deutsche Kaiser als Protestant ja gemäß den Bedingungen des Napoleonischen Konkordates gar nicht offiziell nominationsberechtigt war, da dies einem katholischen Staatsoberhaupt egal welcher Staatsform vorbehalten war. Wie bedeutsam im Vorfeld die Rolle des Ministerialrats Hamm auf staatlicher Seite gewesen war, zeigt nicht zuletzt die Tatsache, dass die Idee, einen altdeutschen Bischof, nämlich möglichst Adolf Fritzen, und zugleich einen einheimischen Weihbischof für Straßburg zu ernennen, von ihm stammte320. Dem Statthalter schien dieser Vorschlag so einleuchtend, dass er ihn am 11. Oktober 1890 gegenüber dem Kaiser aufgriff321, der die weitere Verfolgung der Kandidatur Fritzens guthieß. Zwei Tage zuvor hatte Hohenlohe-Schillingsfürst Großherzog Friedrich I. von Baden darüber in Kenntnis gesetzt, dass „ich mit Prof. Kraus in Freiburg über die Wiederbesetzung des Straßburger Bischofssitzes gesprochen habe“. Dieser würde zwar lieber auf seinem Freiburger Ordinariat bleiben, sei aber doch bereit „das Opfer zu bringen“, „seine Stelle in Freiburg mit dem mühevollen und schwierigen Posten eines Bischofs von Straßburg zu vertauschen“322. Erst mit dem Einverständnis des badischen Landesherrn wollte Hohenlohe die Kan317 318 319 320 321 322
Vgl. zu diesem Aspekt Seydler, Hohenlohe-Schillingsfürst, S. 140. So Hutten-Czapski, Sechzig Jahre Politik und Gesellschaft, Bd. 1, S. 203. So Gatz, Die Vorverhandlungen zur Gründung, S. 87. Vgl. Entwurf Hamms o.D., in: Archives départementales du Bas Rhin 1VP/PP 26. Vgl. Hohenlohe-Schillingsfürst an Wilhelm II. v. 11.10.1891, ebd. Hohenlohe-Schillingsfürst an Großherzog Friedrich v. Baden v. 9.11.1890, in: Fuchs (Hrsg.), Großherzog Friedrich I. von Baden und die Reichspolitik, Bd. 3, S. 28f.
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didatur von Kraus höheren Orts forcieren. Wie Kraus selbst am Folgetag in seinem Tagebuch notierte, seien Friedrich I. und der badische Staatsminister Wilhelm Nokk durchaus mit diesem Plan einverstanden, dessen Realisierung „ein Ereignis von so außerordentlicher Bedeutung [sei], dass jede andere Erwägung davor zurücktreten müsse“323. Wie sehr Hohenlohe-Schillingsfürst von dem Gedanken durchdrungen war, im Alleingang den passenden Kandidaten für Straßburg durchzubringen, zeigen mehrere Schreiben des badischen Gesandten in Berlin Arthur von Brauer324 an den badischen Staatsminister Ludwig Karl Friedrich Turban325, in denen beklagt wurde, dass „weder das Auswärtige Amt noch Herr von Goßler vom Stand der Straßburger Bischofswahl das geringste wissen“326. Stattdessen würde der Statthalter unmittelbar mit dem Kaiser verhandeln, der es auch nicht für nötig halte, das Kultusministerium und das Außenministerium zu unterrichten. Fatal erweise sich diese mangelnde Transparenz angesichts der Tatsache, dass „der elsass-lothringische Klerus sich noch immer als ein Glied der französischen Kirche betrachtet und dass seine Verbindungen und Verzweigungen weit über die Vogesen hinüberreichen, während er mit seinen Amtsgenossen diesseits des Rheins wenig Fühlung sucht“. Falsch unterrichtet zeigte sich Brauer lediglich dahingehend, dass Caprivi ja durchaus in die Angelegenheit einbezogen war und letztlich Hohenlohe-Schillingsfürst durch seine Unentschlossenheit freie Hand in der Rekrutierung eines passenden Kandidaten gelassen hatte. Unter Berufung auf das Zentrumsorgan „Kölnische Volkszeitung“ wusste aber auch die elsässische Presse bald die breite Öffentlichkeit davon in Kenntnis zu setzen, dass die Berlin-Reise des Statthalters dem Ziel gedient habe, die Regelung der Bischofsstuhlbesetzung an sich zu ziehen, nachdem bereits mehrere Staatsfavoriten feststehen würden und in der Reichshauptstadt gebilligt worden seien. Namen wurden zunächst nicht genannt, wohl aber deutlich gemacht, „dass keine der zahlreichen, bisher von den Zeitungen aufgestellten Kandidaturen zutrifft“327. Wie sehr die Spekulationen ins Kraut schossen, zeigt die in der in München erschienenden „Allgemeinen Zeitung“ aufgestellte Behauptung, Militärpfarrer Antonius Scher sei der einzige Staatskan323 324
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Eintrag v. 10.11.1890, in: Kraus Tagebücher, S. 567f. Zu Brauer (1845–1926), zunächst in preußischen Diensten im Auswärtigen Amt, 1890 badischer Gesandter in Berlin, 1893–1905 Minister des Großherzoglichen Hauses in Karlsruhe, vgl. Biographisches Handbuch des deutschen auswärtigen Dienstes, Bd. 1, S. 260f., u. Leiser, Die Minister des Großherzogtums Baden, S. 221. Zu Turban (1821–1898), 1876–1893 badischer Staatsminister, vgl. Leiser, Die Minister des Großherzogtums Baden, S. 228. Brauer an Turban v. 29.11.1890 unter Rückbezug auf ein weiteres Schreiben v. 10.11.1890, in: Fuchs (Hrsg.), Großherzog Friedrich I. von Baden und die Reichspolitik, Bd. 3, S. 33f., hier S. 33. Das folg. Zit., ebd., S. 34. Der Elsässer v. 26.11.1890, unter Berufung auf die Kölnische Volkszeitung v. 25.11.1890.
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didat328, während in der Zentrumspresse wie auch in den Lokalzeitungen des Reichslandes parallel Fritzen als chancenreichster Kandidat gehandelt wurde, gefolgt von Scher und Kraus329. Claude Muller fasste dies in der Retrospektive dahingehend treffend zusammen, dass „début décembre 1890 la candidature d’Adolf Fritzen est de plus en plus soutenue“330. Und Bischof Korum von Trier nahm gegenüber dem Domherrn Joseph Ott durchaus kritisch die Rolle der Presse in den Blick, welche durch das ständige Debattieren über episkopable Geistliche die Rolle des heiligen Geistes eingenommen habe331. Matthias Höhler erschien, so war wie gesagt der Eindruck Bachmanns, in Regierungskreisen zu ultramontan gesinnt, käme aber ersatzweise in Frage, wenn der Heilige Stuhl sowohl Kraus als auch Fritzen ablehne. Tatsächlich war der Limburger Domkapitular ja in seiner Heimatdiözese sowohl 1885 als auch 1886 als Bischofskandidat abgelehnt worden und der Sondergesandte des Statthalters in Rom, Hutten-Czapski, sollte noch in seinen Memoiren unkritisch schreiben: „Höhler war Jesuitenzögling und hatte noch kürzlich in einer Broschüre jesuitischen Anschauungen gehuldigt, auch ihre Rückkehr verfochten. Er stand ferner in Zusammenhang mit den extremen und deutschfeindlichen Elsässer Kreisen“332. Das alles mag der Straßburger Buchhändler Bachmann nicht unbedingt gewusst haben. Im Weiteren machte letzterer seinem Adressaten in München Ende November 1890 deutlich, dass weder Fritzen noch Kraus seiner Ansicht nach geeignet seien, „le vaste diocèse de Strasbourg“ mit neuem Leben zu erfüllen. Insbesondere warnte der Informant vor Fritzen, dessen Kandidatur Bischof Hermann Dingelstad von Münster massiv beim Heiligen Stuhl betreibe333, der aber keinerlei Erfahrung in administrativen Fragen einer Diözese mitbringe und sich als Altphilologe bisher ausschließlich mit antiken griechischen und lateinischen Autoren und deren Werken beschäftigt habe. Stattdessen solle Agliardi bei der Kurie den Weg für Höhler ebnen. Wenn der Limburger Domherr aus Rom vorgeschlagen würde, so versicherte Bachmann, wäre er „persona grata“ in Berlin. Höhler selbst schien diese Werbung für seine Person höchst unangenehm. Jedenfalls wandte er sich in einem umfangreichen, fast ausschweifend zu nennenden Brief an Erzbischof Agliardi, um inständig darum zu bitten, von seiner Nomination Abstand zu nehmen334. Selbstverständlich stehe es seiner Ansicht nach dem 328 329
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Vgl. Allgemeine Zeitung v. 27.11.1890. Vgl. Kölnische Volkszeitung v. 25.11.1890, Le Lorrain v. 30.11.1890 u. Metzer Presse v. 3.12.1890. Muller, Dieu est catholique et alsacien, S. 170. Vgl. Korum an Ott v. 13.1.1891, in: ASV AES 253, zit. nach Muller, Dieu est catholique et alsacien, S. 173. Hutten-Czapski, Sechzig Jahre Politik und Gesellschaft, S. 207. Vgl. Bachmann an Nuntius v. 11.11.1890, in: ASV ANM 174. Vgl. Höhler an Agliardi v. 26.11.1890, ebd.
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Heiligen Stuhl frei, eine Entscheidung zu treffen. Als Absolvent des römischen Collegium Germanicum fühle er sich zudem zu besonderem Gehorsam gegenüber dem Heiligen Stuhl verpflichtet. Ein wenig hat es dabei den Anschein, als wenn der Limburger Domkapitular hinter der Fassade der behaupteten Demut und Unwürdigkeit für diesen Posten die damit verbundenen Konflikte scheuen würde. Bachmann empfahl sich als Pragmatiker, der durchaus Sympathien für einen Elsässer auf dem Straßburger Bischofsstuhl erkennen ließ, diesem Wunsch aber keine Erfolgsaussichten beimaß. Insofern interpretierte er die Zeitungsmeldungen über eine Kandidatur des Colmarer Pfarrers Stephan Frey, so sehr sie von Klerus und Gläubigen im Bistum auch begrüßt würde, als unrealistisch, auch wenn er Frey als den nach Korum fähigsten elsässischen Priester etikettierte. Später bestätigte Bachmann seinem Adressaten, dass Hamm ihm versichert habe, Frey werde staatlicherseits niemals akzeptiert, wohl aber der Kapitularvikar Straub. Bachmann riet aber sogleich von Straub ab, der seit Jahren kränklich sei und daher auch kaum in Erscheinung trete, die Verwaltung aber fast gänzlich dem zweiten Kapitularvikar Schmitt überlassen habe. Die Überlegung, Straub zum Bischof zu machen und ihm sogleich einen Altdeutschen als Koadjutor mit Nachfolgerecht zur Seite zu stellen, blieb aber offensichtlich in den Kinderschuhen stecken. Kurze Zeit später wurden dann die Staatskandidaturen von Adolf Fritzen335 sowie Franz Xaver Kraus über die Presse öffentlich. Zu Fritzen schrieb der „Lorrain“, dass „ce candidat, pour des motifs que nous n’avons pas à approfondir, pourrait bien être préferé à tous les autres“336, wie er aus privater, aber absolut sicherer Quelle erfahren haben wollte. Dabei hatte es durchaus politische Komplikationen gegeben. Wie der Nuntius über seinen Informanten Bachmann erfuhr, hatte dessen Gewährsmann Hamm von ungeahnten Schwierigkeiten berichtet, die der Regierung seitens der Reichstagsfraktion des Zentrums bezüglich der Nomination von Fritzen bereitet würden. In Berlin habe es großes Erstaunen ausgelöst, dass der Düsseldorfer Landesrat und Reichstagsabgeordnete Aloys Fritzen, versuche, die Bischofsernennung seines eigenen Bruders zu verhindern, weil dieser ihm zu gouvernemental sei337. Möglicherweise hatte Bachmann aber dessen Unzufriedenheit mit der staatlich protegierten Kirchenkarriere seines Bruders nur als Vorwand genommen und aufgebauscht, um den Nuntius und damit die Kurie gegen Adolf Fritzen einzunehmen. Er habe mit zahlreichen Priestern und Laien gesprochen, die den Direktor des Kleinen Seminars in Montigny persönlich kennen würden, ließ Bachmann nämlich Agliardi wissen, und alle Befragten hätten „sans exception, s’accordent à dire que se serait un grand malheur s’il deverrait 335 336 337
Vgl. Kölnische Volkszeitung v. 27.11.1890. Le Lorrain v. 20.11.1890. Vgl. Bachmann an Agliardi v. 14.12.1890, in: ASV ANM 174. Hier auch das folg. Zit.
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évêque“. Damit stand er aber nicht allein da. Vielmehr hatte auch ein elsässischer Ministerialbeamter verlauten lassen, dass es wohl kaum einen Menschen gebe, der weniger für ein Amt geeignet sei, als Fritzen für den Straßburger Bischofsstuhl. Hinzu kam außerdem, dass in der Presse berichtet wurde, Fritzen sei nicht Herr der Situation in Montigny, wo er es nicht schaffe, seine Schüler entsprechend zu disziplinieren. Alle diese Negativurteile konnte und mochte Agliardi natürlich nicht hinter dem Berg halten, als Rampolla bei ihm dringend exakte Informationen über Fritzen anforderte338. Immerhin deutete die Anfrage aus dem Vatikan darauf hin, dass im Staatssekretariat die Personalie erörtert wurde. Agliardi versuchte jetzt, die Notbremse zu ziehen, indem er dem Kardinalstaatssekretär die für sich sprechendsten Mosaiksteine der Negativinformationen über Fritzen zukommen ließ. Bachmann bemühte sich parallel darum, Agliardi nahezulegen, dass Höhler eben gegen seinen Willen vom Heiligen Vater genötigt werden müsse, nach Straßburg zu gehen. Dies sei der einzige Ausweg, um die Peinlichkeit der Ernennung Fritzens noch zu stoppen. Wie auch immer der Nuntius zur Personalie Fritzen nach den diversen Beeinflussungsversuchen stand: Schlözer wusste der Regierung unter Verweis auf Agliardi zu Jahresbeginn 1891 zu berichten, dass „der gesamte deutsche Episkopat – vielleicht Bischof Korum ausgenommen – den Direktor Fritzen als Bischof in Straßburg zu sehen wünsche“339. Und zu Weihnachten 1890 bezeichnete die Zuschrift eines Mitbruders an den Colmarer Pfarrer Frey Fritzen als dessen „rude concurrent“340. Letzte Bedenken gegen Fritzen gingen dann von Wilhelm II. aus, weshalb der bereits erwähnte Hutten-Czapski nach Rom entsandt wurde, wo er vom 14. Dezember 1890 bis Anfang Januar 1891 in der Straßburger Bischofsfrage verhandelte.341 Der polnischstämmige Hutten-Czapski war als früherer Adjutant des Statthalters von Manteuffel mit der Situation in Elsass-Lothringen vertraut und darüber hinaus ein Intimus von Hohenlohe-Schillingsfürst342, der ihn am 11. November 1890 nach Berlin einbestellt hatte, um ihn in Gegenwart Caprivis und nach Beseitigung von dessen Einwendungen gegen die Entsendung eines aktiven Offiziers mit dieser Mission zu betrauen343. Der zu diesem Zeitpunkt in Kassel stationierte Berufssoldat Hutten-Czapski war außerdem ein Parteigänger von Franz Xaver Kraus, den er als „meinen Freund“344 bezeich338 339 340 341
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Vgl. Rampolla an Agliardi v. 19.12.1890, ebd. Telegramm Schlözers an Auswärtiges Amt v. 1.1.1891, in: PA AA, EL 3. Abbé W. an Frey v. 24.12.1890, in: Kannengieser, Frey, S. 111. Zu diesem Auftrag Hutten-Czapskis vgl. die Zeitungsberichte von Paul Bourson, Les mémoires du Comte de Czapski. Comment Mgr. Fritzen fut nommé Evêque de Strasbourg, in: Archives départementales du Bas-Rhin, 1VP/PP 26. In seinen Memoiren bezeichnet Hutten-Czapski Hohenlohe-Schillingsfürst als seinen „Gönner“. Hutten-Czapski, Sechzig Jahre Politik und Gesellschaft, S. 69. Vgl. Gatz, Kirchliche Personalpolitik und Nationalitätenprobleme, S. 368; u. insbesondere Hutten-Czapski, Sechzig Jahre Politik und Gesellschaft, Bd. 1, S. 198. Hutten-Czapski, Sechzig Jahre Politik und Gesellschaft, Bd. 1, S. 188.
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nete und von dem er schwärmte: „Jede Stunde Zusammenseins mit ihm – und wie viele habe ich in jahrzehntelanger Freundschaft mit ihm erlebt – brachte Genuss“345. Mag bei diesem Urteil auch die retrospektive Verklärung eine Rolle gespielt haben, Hutten-Czapski war von der Persönlichkeit des Freiburger Kirchenhistorikers fasziniert. In den präzisen Instruktionen, die er vom Reichskanzler am 12. Dezember 1890 erhielt, hieß es dann auch, es sei in erster Linie Kraus, an zweiter Stelle Fritzen zu favorisieren. Als inakzeptabel seien gegenüber den Kurienbehörden die im Vorfeld in der Öffentlichkeit als episkopabel genannten elsässischen Geistlichen Winterer, Guerber, Simonis, Ott, Cetty, Frey, Erhard und Scher ebenso zu bezeichnen wie insbesondere der Trierer Bischof Korum und nicht zuletzt Höhler aus Limburg346. Im Gegenzug für einen altdeutschen Bischof sei ein dem elsässischen Klerus zu entnehmender Weihbischof zu konzedieren, der auch am gleichen Tag wie der Bischof ernannt werden könnte. Dabei sei Leo Dacheux vor Alexander Straub der Vorzug zu geben und die als Bischöfe abzulehnenden Kandidaten sämtlich zu verweigern. Hat Hutten-Czapski seine eigene Erinnerung nicht getrogen, so galt seine persönliche Vorliebe für den Bischofsstuhl dem aus dem Elsass stammenden Trierer Bischof Michael Felix Korum, dessen Qualitäten er in der Retrospektive rühmte347. In Rom jedenfalls vertrat er aber die offizielle Linie. Zumindest bekräftigte er in der Retrospektive, er habe mit dem Statthalter „in ständiger Fühlung … gestanden und streng nach seinen Weisungen gehandelt“348. Wie Hutten-Czapski dort von Rampolla erfuhr, bevorzugte Leo XIII. Höhler als Bischof und Frey oder aber fakultativ Marbach als Weihbischof. Sichtlich amüsiert berichtete der Sondergesandte davon, dass der Kardinalstaatssekretär ihm gegenüber immer in punkto Höhler von „Herrn Ockler (sic) aus Limburg“ gesprochen habe, weil er das „H“ wegließ und aus dem „e“ ein „c“ gelesen hatte349. Was Kraus anging, hatte Leo XIII. angeblich – jedenfalls berichtete Hutten-Czapski dies Kraus in der Retrospektive – „die größte Achtung und Anerkennung“350 und „nur Rücksichten auf die extremen Parteien“ ließen ihn der Kandidatur ablehnend gegenüber stehen. Dennoch war sich der Kirchenhistoriker sicher, „dass man, wenigstens unter diesem Papst und solange die jetzigen Verhältnisse währen, mich nie zu einem Bistum zulassen würde“351. 345 346
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351
Ebd., S. 200. Diese Namen nennt auch Wackenheim, Les Evêques de Strasbourg, S. 179. Im Wortlaut findet sich die Instruktion v. 12.12.1890 bei Hutten-Czapski, Sechzig Jahre Politik und Gesellschaft, Bd. 1, S. 202f. Ebd., S. 199. Ebd., S. 215. Ebd., S. 205f. Hutten-Czapski an Kraus v. 10.3.1891, abgedruckt bei Fuchs (Hrsg.), Großherzog Friedrich I. von Baden und die Reichspolitik, Bd. 3, S. 55f. hier S. 55. Hier auch das folg. Zit. Eintrag v. 11.1.1891, in: Kraus, Tagebücher, S. 571.
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Der Erfolg dieser Sondermission wurde jedoch überschattet von einem Brief Leos XIII. an Wilhelm II. vom 15. Dezember 1890, in welchem dieser die Möglichkeit eines Junktims der Straßburger mit der Gnesen-Posener Bischofsstuhlbesetzung offen ließ352 und noch einmal Korum als seinen Favoriten nannte. Weil der Kaiser diesen jedoch nicht akzeptieren würde, habe er sich nun auf Domkapitular Höhler kapriziert, in zweiter Linie würde er aber auch Fritzen gutheißen353. Für die Bevorzugung Höhlers machte der Heilige Vater dessen Würdigkeit sowie pastoralen Erfahrungen geltend, wobei es mit letzteren auch nicht weiter her war als bei Fritzen. Angesichts dieser päpstlichen Vorschläge ist die Auffassung zu relativieren, Freys Nomination habe kurz bevor gestanden und nur noch der Unterschrift Leos XIII. bedurft, als Kaiser Wilhelm II. sein Veto eingelegt und damit die Ernennung eines Elsässers zum Bischof verhindert habe354. Frey war auch seitens des Heiligen Stuhles lediglich als Weihbischof im Gespräch. Erwin Gatz stellt zu Recht heraus, dass die Tatsache, dass Leo XIII. in seinem soeben genannten Schreiben an den deutschen Kaiser auch die Weihbischofsfrage berührte, indem er in erster Linie Marbach, aber fakultativ Frey hierfür vorschlug, widersprüchlich erscheint, da der Heilige Stuhl deutlich auf dem Standpunkt stand, Weihbischöfe selbständig ernennen zu können355. Das in Straßburg gemachte Zugeständnis zeigt somit die Bedeutung, die Leo XIII. einer raschen gütlichen Einigung in der Bischofsernennungsfrage beimaß. Nicht ganz ernst zu nehmen zu sein scheint die Selbstbewerbung des Kapitularvikars Alexander Straub für den Straßburger Bischofsstuhl, die dieser zusammen mit einem Vorschlag zur Neuumschreibung der Bistümer im Südwesten des deutschen Reiches bei Hohenlohe-Schillingsfürst einreichte356. Wenn Straub eine Ausdehnung des Straßburger Sprengels auf Mittelbaden empfahl, wogegen das benachbarte Erzbistum Freiburg als Ausgleich das Oberelsass erhalten sollte, musste dies zwangsläufig eine Germanisierung der katholischen Kirche im Elsass nach sich ziehen. Eine von den lokalen deutschen Behörden 1888 geführte interne Diskussion um eine Aufwertung Straßburgs durch Erhebung zum Erzbistum unter gleichzeitiger Bildung eines Bistums Colmar für das Oberelsass war über dieses Stadium nicht hinausgekommen357. Insofern meinte er sich der Sympathien des Statthalters gewiss zu 352
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Für Gnesen-Posen schlug er Alfred Poniński oder Kasimir Szołdrski als Kandidaten vor. Vgl. das Kap. Gnesen-Posen in diesem Band. Vgl. Leo XIII. an Wilhelm II. v. 15.12.1890, zit, nach Gatz, Kirchliche Personalpolitik und Nationalitätenprobleme, S. 369f. Abgedruckt ist der Brief bei Hutten-Czapski, Sechzig Jahre Politik und Gesellschaft, Bd. 1, S. 209f. Vgl. Kannengieser, Frey, S. 116. Vgl. Gatz, Kirchliche Personalpolitik und Nationalitätenprobleme, S. 369. Vgl. Seydler, Hohenlohe-Schillingsfürst, S. 141f. In den konsultierten Akten konnten keine Hinweise dazu ermittelt werden. Vgl. Muller, Dieu est catholique et alsacien, S. 154f.
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sein, zumal er auch noch eine Transferierung des Freiburger Erzbischofs Johann Christian Roos358 auf den vakanten Gnesen-Posener Erzbischofsstuhl vorschlug. Hohenlohe-Schillingsfürst sah diesen Plan allein hinsichtlich eines Einverständnisses der badischen Regierung schon deshalb als unrealisierbar an, weil damit die im Zeitalter des Staatskirchentums geschaffene Kongruenz der Landes- und Bistumsgrenzen aufgehoben worden wäre. Immerhin sollte der Name Straub aber bei der Ernennung eines Weihbischofs eine Rolle spielen. Leo XIII. schien Ende 1890 noch immer unschlüssig zu sein, ob er Höhler oder Fritzen den Vorzug geben sollte. Zumindest deutet die Anforderung eines entsprechenden Gutachtens bei einer „geheimen Kardinal-Kommission“359, wie Schlözer dem Auswärtigen Amt berichtete, auf diese Unsicherheit hin, die durch das salomonische Urteil, beide Kandidaten seien geeignet, die päpstliche Entscheidung nicht gerade zu befördern half. Wie unsicher man sich in Berlin trotz des vatikanischen Einverständnisses mit Fritzen an der Jahreswende 1890/91 noch war, ob es gelingen würde, Fritzen durchzudrücken, zeigt ein weiterer diplomatischer Schachzug. Und zwar schaltete die Regierung den Breslauer Fürstbischof Georg Kopp ein, der gegenüber Monsignore de Montel noch einmal auf den dringenden Regierungswunsch der Berücksichtigung von Fritzen zu verweisen hatte. Dass so viel Druck durchaus kontraproduktiv sein könne, zumal Fritzen ja ohnehin bereits das Plazet des Papstes besitze, machte Montel dem preußischen Gesandten rasch deutlich, der auch ganz der Meinung war, man müsse jetzt erst einmal abwarten und nicht von allen Seiten her Druck ausüben360. Ganz gegenteiliger Meinung war allerdings der Statthalter von Elsass-Lothringen, der sich umgehend bei Caprivi darüber beschwerte, dass die Reaktion Leos XIII. den Anliegen aus Berlin „nicht völlig entspricht, insofern darin die Vorschläge für die Besetzung der Bistümer Posen und Straßburg nicht in direkten Konnex gebracht sind … und dem Domherrn Höhler der Vorzug erteilt wird“361. Auf welche Problematik wollte Hohenlohe-Schillingsfürst den Reichskanzler aufmerksam machen? Das staatlich implizierte Junktim mit der parallelen Besetzungsfrage im Erzbistum Posen war vom Papst zwar nicht abgelehnt, aber auch nicht für bindend erklärt worden. Gleichzeitig wirkte Rampolla dahin, dass die Voraussetzung für die Besetzung Gnesen-Posens mit einem dem Vatikan genehmen Kandidaten allein von dem Zugeständnis eines altdeutschen Bischofs für Straßburg – diese Voraussetzung erfüllte ja auch Höhler – abhängig sei. Außerdem schilderte 358 359 360
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Zu Roos vgl. das Kap. Freiburg in diesem Band. Schlözer an Auswärtiges Amt v. 1.1.1891, in: PA AA, EL 3. Vgl. ebd. unter Bezug auf ein am 31.12.1890 in Rom eingetroffenes Schreiben Kopps an Montel. Hohenlohe-Schillingsfürst an Caprivi v. 2.1.1891 unter Bezugnahme auf ein Schreiben Leos XIII. an Wilhelm II. v. 22.12.1890, ebd. Hier auch das folg. Zit.
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er das Szenario einer „Intrige, deren Fäden unter der Beihilfe einheimischer Geistlicher und des Erzbischofs von Freiburg von dem Bischof von Trier geleitet“ würde. Dass der Freiburger Metropolit Roos zuvor Bischof von Höhlers Heimatdiözese Limburg gewesen war, bestärkte den Statthalter in der Vermutung eines gegen Fritzen gerichteten Komplotts. Hinzu kam natürlich sein über den Unterhändler Hutten-Czapski gewonnenes Wissen über die deutlich ablehnende Einstellung Rampollas zu Fritzen, dessen „priesterlichen Tugenden … leider eine große Schwäche des Charakters gegenüber stände“362, so die Haltung des Kardinalstaatssekretärs. Daher entwarf Hohenlohe-Schillingsfürst einen Brief, den Schlözer unter Umgehung Rampollas an Leo XIII. weitergeben sollte. Darin wurden staatliche Bedenken gegen Höhler geltend gemacht, um in der Konsequenz Fritzen als einzigen Kandidaten zu belassen. Zudem wollte er gleichsam das Pferd von hinten aufzäumen, indem er über den Kanzler den Kaiser bewegen wollte, schon jetzt die Erlaubnis zur kanonischen Institution für Fritzen zu erteilen. Schlözer hingegen fand die Zustimmung Caprivis, wenn er argumentierte, dass die Straßburger Wahlfrage bisher zwischen den beiden Souveränen in Rom und Berlin verhandelt worden sei und es daher nicht opportun erscheine, wenn sich der Statthalter einmische. Schlözer hatte die Schwäche des Papstes für schmeichelnde Worte der Mächtigen seiner Zeit deutlich entlarvt. Zur Bekräftigung seiner Argumentation führte der preußische Gesandte beim Heiligen Stuhl an, dass „der Statthalter schon seit 1869 wie später auch seine Brüder, der Kurienkardinal und der Herzog von Ratibor363, bei Leo XIII. unbeliebt geworden sind“. Der durchaus erkennbare interne Disput über das weitere Handeln der staatlichen Diplomatie lässt die Ungeduld erkennbar werden, welche der Statthalter in Straßburg an den Tag legte, aber auch die sicherlich deutlichen Befürchtungen, dass er letztlich den Kürzeren ziehen könnte. Hohenlohe-Schillingsfürst argumentierte jetzt so, dass gerade durch die günstige Situation der Kandidatur Fritzens schnellstmöglich beim Papst interveniert werden müsse, wozu im Übrigen auch Hutten-Czapski geraten habe364. Und wenn Schlözer eben seinen Brief an den Heiligen Vater nicht übergeben wolle, so solle er doch diesem wenigstens mündlich die Angelegenheit nahe bringen. Als Zugeständnis des Staates sei die von Hutten-Czapski ermittelte vatikanische Absicht zu nutzen, einen einheimischen Geistlichen gleichzeitig als Weihbischof einzusetzen. Nach Ansicht des Statthalters bot für diesen Posten der amtierende Kapitularvikar Straub „mehr Garantien“ als Marbach. Er schlug daher vor, Schlözer solle zunächst Straub in Vorschlag bringen und, falls dieser nicht positiv goutiert werde, dann eben Marbachs Namen nennen. Dass der Statthalter parallel auch den noch in Rom weilenden Hutten-Czapski gebeten hatte, 362 363
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Bericht Hutten-Czapskis an Hohenlohe-Schillingsfürst, v. 9.1.1891, ebd. Schlözer bezog sich hier auf den als Kurienkardinal in Rom lebenden Gustav Adolf Hohenlohe u. den in Oberschlesien begüterten Viktor Hohenlohe (1818–1893), MdH 1854–1893. Vgl. hierzu u. zum Folgenden Hohenlohe an Caprivi v. 5.1.1891, in: PA AA, EL 3.
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in der Causa Fritzen beim Papst vorzusprechen, gab dann offensichtlich für Caprivi den Anlass, allein Schlözer mit den weiteren Verhandlungen zu betrauen365. Hutten-Czapski musste sich auf ein Abstellgleis gedrängt sehen, nachdem seine Mission ja von Reichskanzler Caprivi nur mit einigen Bauschmerzen und Überredung genehmigt worden war. Dass der preußische Offizier sowohl polnischer als auch katholischer Herkunft war, verschaffte seinen Gegnern zudem leichtes Spiel, ihn als „fanatischer Pole und Jesuit“366 zu verunglimpfen, der nur ein gefügiges Werkzeug in den Händen des Papstes sei. Seine Romreise implizierte eine Zurückdrängung Schlözers, von dem Hohenlohe-Schillingsfürst offenbar befürchtet hatte, er würde die reichsländischen Interessen nicht genügend berücksichtigen367. Womöglich deshalb verbreitete Hutten-Czapski sich über die Erkenntnisse seiner Rom-Mission nicht nur in seinen späteren Memoiren sehr ausführlich, sondern ließ sich auch von Großherzog Friedrich I. von Baden in Karlsruhe zur Berichterstattung empfangen368. Hier wie dort ließ er kein gutes Haar an Schlözer, der „durch die Subalternen, mit welchen er kneipt, … den Klatsch des Vatikans“369 erfahren würde. Dies aber sei nicht genug, um einen wirklichen Einfluss Preußens bzw. des Deutschen Reiches auf die vatikanische Politik auszuüben, zumal „die maßgeblichen Persönlichkeiten … ihn nicht au sérieux“ nähmen. Dieser Eindruck korrespondiert im Übrigen mit der von Franz Xaver Kraus zu Papier gebrachten Einschätzung Schlözers durch Lord Acton. Dieser scheine „weder von seiner literarischen, noch von seiner diplomatischen Bedeutung, namentlich für diese Richtung, übermäßig [viel] zu halten“370. Jedoch hatte Caprivi die Rechnung ohne Leo XIII. gemacht, der bei Bekanntwerden der Demission Hutten-Czapskis diesen zu einer Privataudienz zu sich bat. Wenn HuttenCzapski diese Begegnung in seinem Bericht als großen Erfolg beschrieb, weil der Papst ihn „als alten Bekannten“ begrüßt und sich an seine letzte erfolgreiche Vatikan-Mission erinnert habe, dürfte dabei auch ein Stück Selbstinsze365
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Vgl. die Mitteilung Hutten-Czapskis an Hohenlohe v. 9.1.1891, ebd. Demnach war Hutten-Czapski am 6.1. ein v. 4.1.1891 datierender Erlass zugegangen, wonach „meine vertrauliche Mission beendigt sei“. Dies ist abgedruckt bei Hutten-Czapski, Sechzig Jahre Politik und Gesellschaft, Bd. 1, S. 212. Dort, S. 216, wird der Legationsrat im Auswärtigen Amt, Ludwig von Raschdau, als Urheber, der abrupten Beendigung von Hutten-Czapskis Mission genannt. So zit. ebd., S. 220. Vgl. ebd., S. 201f. Vgl. Nokk an Kraus v. 15.1.1891, wo nur von einer „hohen Persönlichkeit“ die Rede war, hinter der sich aber Hutten-Czapski verbarg, in: Fuchs (Hrsg.), Großherzog Friedrich I. von Baden und die Reichspolitik, Bd. 3, S. 38. Hutten-Czapski berichtete Kraus im Übrigen am 10.3.1891 ausführlich über die Audienz, abgedruckt, in: Sechzig Jahre Politik und Gesellschaft, Bd. 1, S. 217–219. So Hutten-Czapski gegenüber Kraus am 10.3.1891, ebd. Hier auch das folg. Zit. Eintrag v. 8.3.1882, in: Kraus, Tagebücher, S. 444.
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nierung eine Rolle gespielt haben. Jedenfalls gab er Hohenlohe lang und breit die ihm vom Heiligen Vater geäußerte Überzeugung wieder, dass Höhler aufgrund seiner theologischen Bildung und der ihm eigenen Energie eigentlich der richtige Mann für Straßburg sei371. Fritzen dagegen besitze nicht nur einen schwachen Charakter, sondern sei auch in seiner wissenschaftlichen Bildung rein philologisch ausgewiesen, nicht aber theologisch. Zudem habe er nie Erfahrungen in der praktischen Seelsorge gesammelt. Wenn aber nun Wilhelm II. unbedingt Fritzen auf dem Straßburger Bischofsstuhl sitzen sehen wolle, dann solle er dies dezidiert artikulieren. Als Wilhelm II. daraufhin unmittelbar reagierte – Schlözer hatte dieses Allerhöchste Schreiben direkt dem Papst in die Hände zu geben – zeigte sich Leo XIII. den staatlichen Erwartungen gemäß überaus geschmeichelt über diesen Zug des Kaisers, dessen besondere Aufmerksamkeit und dessen Interesse für den Heiligen Stuhl er gegenüber Montel ausführlich lobte und bekräftigte, er habe keinerlei Bedenken gegen die Ernennung Fritzens372, über den er während eines Rom-Aufenthaltes des Metzer Bischofs Fleck bereits Informationen eingeholt hatte373. Fritzen selbst drängte ganz offensichtlich nicht gerade nach der bischöflichen Würde. Auch wenn das understatement des unwürdigen Dieners, der sich zunächst ziert, dann aber im Gehorsam gegenüber dem Papst doch akzeptiert, zu den typischen Reaktionsmustern eines Bischofskandidaten seiner Zeit gehörte, hatte Fritzen offenbar erhebliche Zweifel an seiner Eignung. Zumindest ließ er sich zum einen von Bischof Dingelstad, mit dem er in Münster in einem Haus gewohnt hatte374 und der ihn ja auch protegiert hatte, gut zureden und teilte zum anderen dem Prinzen Georg von Sachsen mit, dass er von sich aus „keinen Schritt zur Beförderung meiner Kandidatur tun“375 würde. Möglicherweise spielte die gesundheitliche Indisponiertheit Fritzens, der seit seiner Orientreise 1890 an einem Halsleiden litt376, bei dieser Grundskepsis eine Rolle. Dass sich Leo XIII. nur etwas widerwillig dem kaiserlichen Willen beugte, zeigt eine Unterredung Schlözers mit dem Papst am 14. Januar 1891. Demnach war Leo auf den Wunsch Wilhelms II. hin bereit, Fritzen zu akzeptieren. „Berichte, die ihm früher über Fritzen zugekommen seien, hätten ihn freilich zu der Ansicht bewogen, dass derselbe nicht tatkräftig genug und somit nicht hinreichend beschäftigt sei, um eine so eigentümliche Diözese …. zu leiten“377. 371
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Hutten-Czapski gibt auch in Sechzig Jahre Politik und Gesellschaft, Bd. 1, S. 213f. die Ansprache des Papstes an ihn wieder. Vgl. Schlözer an Caprivi v. 14.1.1891, in: PA AA, EL 3. Dies weiß Wendling, Fritzen, S. 18, zu berichten. In den vatikanischen Akten fand sich hierzu kein Hinweis. Vgl. ebd., S. 11. Fritzen an Georg von Sachsen v. 18.11.1890, zit. nach ebd., S. 18. Vgl. ebd. Schlözer an Caprivi v. 14.1.1891, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 2929.
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Kurz zuvor hatte Kraus den badischen Minister Nokk über das Scheitern seiner Kandidatur informiert. Seine Enttäuschung über den in seinen Augen dem „Hass der Jesuitenpartei“378 zuzuschreibenden Misserfolg versuchte er durch eine Eloge auf die ihm sichere Gunst des Großherzogs zu überspielen, unter dessen Ägide er gern weiter in Baden tätig bleibe. Wie tief Kraus die Niederlage für den staatsloyalen Katholizismus empfand und dahinter eine Verschwörungstaktik vermutete, wird in seiner Bemerkung deutlich, dass „auch diesesmal Berlin einem überaus geschickt angelegten Strategem zum Opfer gefallen ist“379. Immerhin war Prälat Montel, der langjährige kuriale Verbindungsmann zu den preußischen Gesandten beim Vatikan, in der Rückschau der Ansicht, Kraus habe die bald darauf erfolgte Abberufung Schlözers als Gesandter maßgeblich zu verantworten380. Unter dem 14. Januar 1891 gab Rampolla dem Nuntius die Entscheidung Leos XIII. bekannt, Fritzen zum Bischof und Marbach zum Weihbischof in Straßburg zu ernennen381. Damit war der Plan einer quasi Doppelspitze mit einem altdeutschen Oberhirten und einem einheimischen Auxiliar erfüllt. Wie überrascht Agliardi allerdings von der Ernennung Marbachs war, zeigt sehr deutlich seine sogleich nach Rom geäußerte Bitte, den Namen des Weihbischofs doch zu wiederholen, da er auf dem Telegramm nicht zu entziffern sei382. Die große Verwirrung bei Agliardi, der bis zuletzt die Domkapitulare Dacheux oder auch Sattler als mögliche Weihbischöfe favorisiert hatte, verdeutlichen zudem Briefe an Rampolla und der Entwurf eines Schreibens an den Statthalter Hohenlohe-Schillingsfürst, in welchem die Namen Dacheux und Sattler durchgestrichen und durch Marbach ersetzt sind383. Beim Reichskanzler hingegen traf die päpstliche Entscheidung auf große Zustimmung, ja er sprach gegenüber dem Nuntius von einer „solution conforme aux veux de Sa Majesté l‘Empereur et aux miennes“384. Am 1. Juni 1891 erfolgte die päpstliche Präkonisation Fritzens zum Bischof von Straßburg, die in seinem neuen Bistum „fut acueilli avec une froideur glaciale“385. Vier Tage später wurde auch Weihbischof Marbach präkonisiert. Und am 21. Juli 1891 erfolgte die Konsekration beider Bischöfe durch den Nachbarbischof von Metz, Franz-Ludwig Fleck, im Straßburger Münster. Als 378
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Kraus an Nokk v. 8.1.1891, in: Fuchs (Hrsg.), Großherzog Friedrich I. von Baden und die Reichspolitik, Bd. 3, S. 38. Kraus an Nokk v. 25.1.1891, ebd., S. 39. Vgl. Curtius, Schloezer, S. 139. Vgl. Telegramm Rampollas an Agliardi v. 14.1.1891, in: ASV ANM 174. Vgl. Agliardi an Rampolla o.D. (15.1.1891), ebd. Vgl. Entwurf eines Schreibens v. Agliardi an Hohenlohe v. 15.1.1891, ebd. Hohenlohe-Schillingsfürst an Agliardi v. 21.1.1891, in: ebd. So Kannengieser, Frey, S. 110.
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Weihetag war als Reminiszenz an die Tradition der elsässischen Diözese der Gedenktag des ersten Straßburger Bischofs, des hl. Arbogast, gewählt worden. Wie bedeutsam die Neubesetzung des Straßburger Bischofsstuhles in staatlichen Augen war, zeigte sich in der Besonderheit, dass Fritzen – und zugleich auch der neue Weihbischof Marbach – den Eid nach dem Willen Kaiser Wilhelms II. direkt in die Hände des Monarchen ablegen sollten. Wie der kaiserliche Kabinettschef Lucanus am 8. Juni 1891 dem Statthalter nach Straßburg schrieb, sei es in Preußen üblich, dass Erzbischöfe und Fürstbischöfe den Eid in die Hände des Kultusministers und Bischöfe vor dem zuständigen Oberpräsidenten ablegten386. Weihbischöfe hingegen würden in Preußen gar nicht als staatliche Bischöfe angesehen, weshalb sie gar nicht vereidigt würden. Kurz gesagt, schien es dem Kabinettschef überaus bemerkenswert, welche Vorzugsbehandlung der Kaiser den beiden neuen Bischöfen angedeihen lassen wollte. Natürlich steckte dahinter der Gedanke, die kirchlichen Oberhirten in dem ethnisch schwierigen Randgebiet des Reiches stärker an die Person des Monarchen zu binden, vor allem aber in der Bevölkerung die Verpflichtung gegenüber dem Staatsoberhaupt deutlich zu machen. Hohenlohe-Schillingsfürst jedenfalls war von diesem Gedanken sehr angetan und verstand ihn als Auszeichnung. Wenn auch Weihbischof Marbach vereidigt werden sollte, so betrachtete er dies als Vorsichtsmaßnahme, um der deutschfeindlichen Fraktion im Elsass keine Angriffsfläche zu bieten. Daher sei es geboten, Marbach genauso zu behandeln wie Fritzen387. Nur weil sich die kanonische Institution der beiden Bischöfe verzögerte, wies Wilhelm II. schließlich den Statthalter an, die Vereidigung in seinem Namen vorzunehmen, was am 19. Juli 1891 geschah388. Fritzen vollbrachte in der Folge das Kunststück, sowohl bei der elsässischen Bevölkerung hoch im Kurs zu stehen als auch die Interessen des Statthalters nicht zu enttäuschen. Eine angesichts der Sedisvakanz des benachbarten Erzbischofsstuhls in Freiburg 1896 aus Zentrumskreisen verbreitete Nachricht, „die badische Regierung sei mit dem Vatikan darüber einig geworden, einen der Herren Bischöfe in Straßburg [also Bischof Fritzen oder Weihbischof Marbach, Anm. d. Verf.] auf den erzbischöflichen Stuhl von Freiburg erheben zu lassen“389, blieb ein Gerücht. Das Wohlwollen Pius’ X. ließ Fritzen 1905 zum Päpstlichen Thronassistenten erheben390. Zwar dauerte die Behebung der Sedisvakanz der Jahre 1890/91 in der elsässischen Bischofsstadt nicht so lange wie zehn Jahre später im benachbarten Metz, verglichen mit anderen 386
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Vgl. Lucanus an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 8.6.1891, in: Archives départementales du Bas Rhin F 9. Vgl. Hohenlohe-Schillingsfürst an Lucanus v. 12.6.1891, ebd. Zur Vereidigung vgl. auch Muller, Dieu est catholique et alsacien, S. 178–182. Jagemann an Brauer v. 14.12.1896, abgedruckt bei Fuchs (Hrsg.), Großherzog Friedrich I. von Baden und die Reichspolitik, Bd. 3, S. 578. Vgl. Wendling, Fritzen, S. 35.
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Diözesen in Preußen gestaltete sie sich jedoch wesentlich komplizierter, so dass wohl kaum davon gesprochen werden kann, dass – wie Erwin Gatz es ausdrückte – „trotz der an sich delikaten Situation eine rasche Neubesetzung erfolgt“391 sei.
Weihbischöfe Nicht ganz ohne Stolz berichtete ein Beamter des Statthalters in der Retrospektive: „Zu französischer Zeit gab es in der Diözese Straßburg keinen Weihbischof, da diese Einrichtung in Frankreich nicht üblich ist. Erst im Jahre 1891 wurde für diese Diözese hauptsächlich mit Rücksicht auf ihre große Ausdehnung der erste Weihbischof bestellt.“392 Insofern handelte es sich um eine Einrichtung, die vielleicht aus Stolz über ihre Etablierung in deutscher Zeit vom Statthalter bereits nach knapp zwei Jahrzehnten „als eine dauernde“ bezeichnet wurde. Anders als in anderen Teilen Preußens gab es hier auch von Beginn an keine Diskussionen um die Dotierung dieses Hilfsbischofspostens in der elsässischen Bischofsstadt. Vielmehr wurde der Weihbischof aus der Staatskasse alimentiert und war nicht auf eine Domherrenpfründe festgelegt393. Virulent wurde die Weihbischofsfrage – und dies sei hier nur kurz wiederholt – aufgrund der Diskussion, ob nach Eintritt der Sedisvakanz 1890 ein Altdeutscher oder ein Elsässer den Bischofsstuhl besteigen sollte. Ein von Staat und Kurie schließlich als praktikabel angesehenes Modell sah als Ergänzung zu einem aus dem Reich stammenden Bischof einen einheimischen Weihbischof vor, wobei aufgrund der Vakanz des Bischofsstuhls die Benennung geeigneter Geistlicher in diesem Fall auch zwischen Regierung und Vatikan verhandelt wurde. Nur kurz sei das vom Kontext der Bischofsernennung nicht unmittelbar zu trennende Procedere hier noch einmal nachgezeichnet. Als Kardinalstaatssekretär Rampolla gegenüber Schlözer den Namen des Pfarrers Stephan Frey als geeignetem Weihbischof nannte, reagierte der Gesandte umgehend ablehnend, seine Regierung werde Frey „unter keiner Bedingung zulassen“ und plädiere statt dessen für Alexander Straub, einen der beiden Kapitularvikare. Dieser wiederum war Rampolla „nicht praktisch genug durchgebildet“394 und in seinen Interessen zu sehr auf die christliche Archäologie beschränkt. In Wirklichkeit sah man ihn in Rom „als allzu regierungsfreundlich“395 an. Nachdem 391
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So das – lediglich auf Kenntnis der Akten im PA AA, EL 3 fußende – Urteil von Gatz, Kirchliche Personalpolitik und Nationalitätenprobleme, S. 367. Statthalter an Min. des Äußeren in Bayern v. 8.5.1909, in: BHStA München, MA 848 u. MK 38980. Vgl. ebd. Schlözer an Caprivi v. 14.1.1891, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 5101, 2929. Treitz, Korum, S. 32, Anm. 1.
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daraufhin seitens der Kurie der Straßburger Münsterpfarrer Karl Marbach ins Gespräch gebracht worden war, stimmte Schlözer ohne Bedenken zu. Wie der Gesandte gegenüber Caprivi erklärte, schien ihm die Weihbischofs-Frage angesichts der schwelenden Bischofsernennung nicht bedeutsam genug, um auf einem dezidiert staatlich genehmen Kandidaten zu insistieren. In Wirklichkeit hatte Leo XIII. seine Zustimmung zur Personalie Fritzens als Bischof aber ja von einem elsässischen Weihbischof abhängig gemacht. Gleichwohl stieß auch diese Entscheidung im Klerus des Bistums Straßburg nicht auf ungeteilte Zustimmung. Normalerweise suche sich der Bischof seinen Weihbischof aus und nicht der Papst, hieß es hierzu beispielsweise396. Dass Nuntius Agliardi von der Tatsache, dass Marbach den Weihbischofsposten bekleiden sollte, in höchstem Maße überrascht war und dies in seiner Korrespondenz auch nicht verbergen konnte oder gar zu verbergen suchte, ist bereits deutlich geworden. Vielleicht ahnte der designierte Weihbischof auch selbst, dass er gemeinhin nicht als erste Wahl galt. Jedenfalls gab er sich auf die Benachrichtigung durch den Nuntius durchaus zögerlich, ob er dieses Amt überhaupt annehmen könne. Nachdem der Kardinalstaatssekretär Marbach über Agliardi zu verstehen gegeben hatte, dass er sich dem Willen des Heiligen Vaters zu beugen habe und umgehend sein Einverständnis schriftlich niederlegen müsse397, suchte Marbach den Rat sowohl seines neuen Oberhirten Adolf Fritzen als auch des Metzer Bischofs Fleck. Obgleich beide ihm ebenso nahe legten, er müsse sich der Entscheidung aus Rom unterwerfen, stellte Marbach die endgültige Entscheidung demonstrativ in das Ermessen des Heiligen Stuhls398. Sollte man in Rom einen würdigeren Weihbischof finden könne, sei er gern bereit sich zurückzuziehen. Welche Motive steckten hinter diesen Skrupeln Marbachs? Zweifelsohne kann hier die psychische Disposition des Geistlichen nicht analysiert werden. Offenbar gehörte es ein Stück weit zu seinem Wesen, sich nicht exponieren zu wollen. Aber ein weiterer Grund könnte in der Person seines neuen Vorgesetzten Fritzen gelegen haben, dessen Negativbeurteilung in der Presse Marbach je zwangsläufig hatte verfolgen müssen. Dass er bei seinem Besuch in Montigny von Fritzen freundlich empfangen wurde und in ihm „un prêtre très pieux, d’une grande droiture et d´une affectueuse cordialité“ erkannte, ließ zumindest seine Bereitschaft, den Weihbischofsposten anzunehmen, deutlich steigen. Mit spürbarer Erleichterung telegraphierte Agliardi daher am 29. Januar 1891 an den Kardinalstaatssekretär „Il noto Ecclesiastico finalmente accetta di essere Vescovo Ausiliare“399. Wie Schlözer, der inzwischen auch Kenntnis von Marbachs Ablehnung erhalten hatte, dem Auswärtigen Amt mitteilte, habe „Msgr. Agliardi … ja doch Befehl erhalten, Marbach im 396 397 398 399
Rossé an Frey v. 27.1.1891, zit. bei Kannengieser, Frey, S. 117f., hier S. 117. Vgl. Rampolla an Agliardi v. 21.1. u. Agliardi an Marbach v. 27.1.1891, in: ASV ANM 174. Vgl. Marbach an Agliardi v. 30.1.1891, ebd. Hier auch das folg. Zit. Telegramm v. Agliardi an Rampolla v. 29.1.1891, ebd.
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Namen des Papstes wissen zu lassen, dass er die Stelle des Weihbischofs jedenfalls annehmen müsse“400. Im Übrigen hatte Wilhelm II. bereits per Verordnung vom 4. Januar 1891 Marbach ermächtigt, ein Titularbistum zu erhalten, um bald als Weihbischof in Straßburg wirken zu können401. Zwei weitere Gründe verzögerten die offizielle Ernennung Marbachs zum Weihbischof in Straßburg. Zum einen die Querelen um die Ablegung des Bischofseides, der von Marbach ebenso wie von Bischof Fritzen gemäß Artikel VI des Französischen Konkordats von 1801 verlangt wurde402. Damit war ein Präzedenzfall geschaffen, da einerseits seit der Zugehörigkeit Elsass-Lothringens zum Deutschen Reich noch kein Bischof diesen Eid geschworen hatte, zumal die beiden seither ernannten Weihbischöfe mit Nachfolgerecht in Straßburg und Metz, Stumpf und Fleck, nicht als Präzedenzfall dienen konnten, da beide zugleich zu Koadjutoren cum iure successionis der damaligen Bischöfe ernannt worden waren. Andererseits schworen in Preußen die Weihbischöfe keinen Eid, weil sie in erster Linie römische Titularbischöfe und nicht Inhaber staatlich dotierter Diözesen waren. Wie Marbach dem Nuntius am 18. Februar 1891 mitteilte, sei er bereit, den verlangten Eid nach der französischen Formel abzulegen, wolle aber zuvor das Einverständnis des Heiligen Stuhles einholen403. Tatsächlich zeigte sich Rampolla nicht einverstanden, da ihm das Konkordat von 1801 die Ernennung von Weihbischöfen nicht ausdrücklich einzubeziehen schien und es notwendig sei, dass die Regierung im Vorfeld die notwendigen Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl aufnehme404. Marbach aber wurde im Ministerium auf die französische Praxis verwiesen, nach der auch Weihbischöfe den Eid schworen405. Zwar sei es korrekt, dass die Auxiliare im Konkordat von 1801 nicht eigens verpflichtet würden, den Eid abzulegen, da sie jedoch gegenüber dem Staat die gleichen Funktionen (z.B. Pontifikalhandlungen) wahrnehmen würden wie die Diözesanbischöfe, sei es nur konsequent, sie in der Praxis gleich zu behandeln. Wie Marbach am 9. Mai 1891 dem Kardinalstaatssekretär schrieb, fühle die Regierung in Berlin sich zwar als Erbe Frankreichs und bestehe auf der Weitergeltung des Napoleonischen Konkordats, verstehe aber nicht, dass ein Weihbischof eben kein residierender Bischof sei 406 Auf seine Anfrage nach Berlin habe er die ausweichende Antwort erhalten, sich zunächst nach Rom 400 401
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Schlözer an Auswärtiges Amt v. 28.1.1891, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 2929. Verordnung Wilhelms II. betr. Ernennung Marbachs zum Weihbischof, in: Archives départementales du Bas-Rhin VP 192. Vgl. zu diesem Aspekt auch Muller, Dieu est catholique et alsacien, S. 178–182. Marbach an Agliardi v. 19.2.1891, in: ASV ANM 174. Hier auch die Übersetzung v. Agliardi an Rampolla v. 19.2.1891 „… pero ta rattanosi di un primo caso e non sembrando compresi nel Concordato del 1801 i Vescovi ausiliari, e necessario che il Governo prenda autoriormente i necessarii accordi colla S. Sede”. Rampolla an Agliardi v. 23.2.1891, ebd. Vgl. Marbach an Agliardi v. 4.3.1891, ebd. Vgl. Marbach an Rampolla v. 9.5.1891, in: ASV AES, pos. 1391, fasc. 770.
bistum strassburg
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wenden zu wollen. Letztlich hatte der Kardinalstaatssekretär abzuwägen, ob der Präzedenzfall bedeutend genug war, um ihn bis zum letzten auszufechten oder aber aus politischen Gründen einzulenken, wobei er sich für letztere Alternative entschied407. Die mehrere Monate dauernde Korrespondenz zwischen Rampolla, dem Münchner Nuntius und der Apostolischen Kanzlei (Kardinal Mertel) ist ein sprechender Beleg für die herrschende Rechtsunsicherheit über die Interpretation des Konkordats von 1801. Zum anderen hatte sich Leo XIII. entschieden, neben Marbach zugleich den neuen Erzbischof von Gnesen-Posen bekannt zu geben, wo sich die Entscheidung hinzog. Da half es auch nicht, dass der Statthalter Hohenlohe-Schillingsfürst Ende April aus Straßburg eine Beschleunigung des Verfahrens anmahnte408, denn erst am 4. Juni erfolgte die Präkonisation Marbachs in Rom, und am 19. Juli legte er gemeinsam mit Adolf Fritzen vor Statthalter Hohenlohe und Staatssekretär von Puttkamer den Eid gemäß dem Französischen Konkordat dann ab409. Karl Marbach410 war 1841 in Weißenburg im nördlichen Elsass in einfachen Verhältnissen als Sohn eines „cordonniers“ zur Welt gekommen und in seiner Kindheit von zarter Gesundheit. Da er bereits als 22-jähriger die notwendigen theologischen Studien absolviert hatte, arbeitete er ein Jahr als Hauslehrer, bis er das kanonisch vorgeschriebene Alter erreicht hatte und 1864 in Straßburg die Priesterweihe empfangen konnte. Er war nach einigen Vikarsjahren in Colmar und Türckheim 1867 als Lehrer für Deutsch, dann für Geschichte an das Kleine Seminar in der Bischofsstadt gewechselt411. 1870 kam er als Professor für Kirchengeschichte, später auch für Archäologie an das Priesterseminar in Straßburg. Eine ihm zugedachte Tätigkeit als Nuntiatursekretär in Luzern zerschlug sich wieder412. Nach kurzen Intermezzi als Pfarrer in Gerstheim (1879) und Kantonalpfarrer in Schirmeck (1880) rückte er 1881 für den 407
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Vgl. Rampolla an Agliardi v. 30.5.1891 als Antwort auf den Briefe Marbachs an Rampolla v. 9.5.1891, in: ASV ANM 174. Rampolla erhielt die abwägende Stellungnahme am 1.6.1891 vom Nuntius übersandt. Vgl. Hohenlohe-Schillingsfürst an Nuntiatur v. 29.4.1891, ebd. „Ich schwöre und verspreche zu Gott auf die heiligen Evangelien, Seiner Majestät, dem deutschen Kaiser, Treue und Gehorsam zu wahren. Ich verspreche auch, weder im Inlande noch im Auslande ein Einverständnis zu pflegen, einer Beratung beizuwohnen oder eine Verbindung zu unterhalten, welche der öffentlichen Sicherheit gefährlich sein könnte; und sollte ich innerhalb der Diözese oder anderswo etwas zu einem Anschlage zum Nachteil des Staates erfahren, so werde ich es zur Kenntnis der Regierung bringen“. Text des Eides, in: Archives départementales du Bas-Rhin VP 192. Protokoll, ebd. Zu Marbach (1841–1916) vgl. Gatz, Marbach, in: Ders., Bischöfe, S. 475, Jost, Marbach u. Muller, Marbach, in: Nouveau dictionnaire de biographie alsacienne, Bd. 25 (1995), S. 2515f.. Vgl. zu dieser Wirkungsstation Brauner, Weihbischof Marbach als Professor, in: Archiv für elsässische Kirchengeschichte, Bd. 9 (1934), S. 363–374. Vgl. Archives départementales du Bas Rhin 1VP/PP 32.
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reichsland elsass-lothringen
zum Bischof von Trier ernannten Michael Felix Korum als Münsterpfarrer in Straßburg nach. Sein geistlicher Mentor war der Vikar in Hagenau und Gründer der Zeitung „Volksfreund“, Joseph Guerber413. Dort publizierte Marbach bereits in jungen Jahren Gedichte, so dass auf diese Weise ein näherer Kontakt entstand414, hatte aber im Vergleich zum scharfzüngigen Guerber eine „mehr als sanfte, fast schüchterne Natur, die immer mit sich selbst und über ihr Verhältnis zu anderen ins Klare zu kommen suchte“415. Inwieweit die langwierige Korrespondenz Marbachs mit dem Heiligen Stuhl und den Regierungsbehörden um die Form seines Amtseides auch aus einer persönlichen Scheu vor der Last der auf ihn zukommenden Aufgaben resultierte, lässt sich nur vermuten. Zumindest die Reaktion der Lokalpresse auf die Ernennung Marbachs lässt einen solchen Schluss nahe legen, wenn es dort u.a. hieß: „Nur einer teilte die Freude nicht. Derjenige, welchen sie zunächst betraf. Im Gehorsam beugte er sich – erst nach einem dritten Schreiben des päpstlichen Nuntius – dem Willen des Heiligen Vaters“416. Als 1893 im Kontext von Weihbischofsernennungen in Trier und Köln, die ohne vorherige Anzeige bei der preußischen Regierung vollzogen worden waren, der preußische Gesandte beim Heiligen Stuhl von Rotenhan sich im Auftrag seiner Regierung bei Kardinalstaatssekretär Rampolla beschwerte, kam die Rede auch auf die Ernennung des Weihbischofs Marbach in Straßburg. Diese Personalie führte Rotenhan nämlich als Beleg für eine vorherige Verständigung zwischen Regierung und Kurie an. Rampolla entgegnete daraufhin, dass das Vorgehen in Straßburg eine Ausnahme gewesen sei, „was bei der Eigenartigkeit der Verhältnisse im Reichsland begreiflich erscheine“417. Aus welchen Motiven Marbach 1901 mit erst 60 Jahren zum Rücktritt gezwungen wurde, ist an anderer Stelle bereits detailliert dargelegt worden418. In einer Rückschau hieß es: „Sein zartes Befinden hat gewiss sehr unter dieser Behandlung gelitten, aber er ertrug sie würdig und gottergeben, lebte äußerst zurückgezogen, nur mit liturgischen Arbeiten beschäftigt“419. Die Weihbischofstätigkeit von Franz Zorn von Bulach in Straßburg ist ohnehin nur als Folge von dessen bereits ausführlich dargelegter gescheiterter Kandidatur für den benachbarten Bischofsstuhl von Metz zu betrachten. 413
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Vgl. Jost, Marbach, S. 22. Zu Guerber (1824–1909), geboren in Weissenburg, Studium in Bonn, Priesterweihe 1848, 1871–1873 Superior des Kleinen Seminars in Zillisheim, 1872 auch Ehrendomherr in Straßburg, 1858–1873 Redakteur des „Straßburger Volksfreund“, 1874–1898 MdR, vgl. Cetty, Guerber; u. Haunfelder, Reichstagsabgeordnete der Deutschen Zentrumspartei, S. 170, sowie Schwarz, MdR, S. 332. Vgl. Brauner, Briefe von Joseph Guerber an den jungen Carl Marbach. Ebd., S. 375. Elsässischer Volksfreund v. 14.6.1891. Bülow an Caprivi v. 14.10.1893, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 5101, 3932. Vgl. das Kap. Metz in diesem Band. Brauner, Briefe von Joseph Guerber an den jungen Carl Marbach, S. 377.
Großherzogtum Baden ERZBISTUM FREIBURG IM BREISGAU
F
reiburg war als Erzbistum ein Kunstprodukt1. Im Sinne des Staatskirchentums war die Kongruenz der Bistums- mit den Landesgrenzen eine Forderung gewesen, von der auch Baden die im Reichsdeputationshauptschluss als Verpflichtung übernommene Wiederherstellung der kirchlichen Hierarchie abhängig machte. Die Zugehörigkeit der katholischen Untertanen, die immerhin 60 % der Bevölkerung ausmachten, zu außerhalb Badens gelegenen Bistümern wie Würzburg, Mainz, Speyer und Worms sollte gemäß dem politischen Willen der Vergangenheit angehören. Auf den nach ihrem Tagungsort „Frankfurter Konferenzen“ genannten Verhandlungen zwischen den zumeist südwestdeutschen Mittelstaaten und dem Heiligen Stuhl kam Baden insofern eine Schlüsselposition zu, als es unter den teilnehmenden Ländern dasjenige mit dem größten Katholikenanteil war. Deshalb erhielt es die Führungsposition in der neu zu errichtenden Oberrheinischen Kirchenprovinz, nämlich den Metropolitansitz2. Weil aus rein politischem Kalkül – der mächtige Generalvikar Ignaz von Wessenberg sollte ausgeschaltet werden – auch das traditionsreiche Bistum Konstanz, dessen Sitz auf badischem Gebiet lag, zerschlagen werden sollte, brauchte man einen neuen Erzbischofssitz. Freiburg war gewählt worden, weil hier einerseits mit dem historischen Münster eine repräsentative Bischofskirche zur Verfügung stand, andererseits aber auch bereits eine traditionsreiche Katholisch-Theologische Fakultät existierte. 1821 wurde durch die päpstliche Bulle „Provida sollersque“ dann das Erzbistum Freiburg für das Großherzogtum Baden sowie die – 1849 an Preußen gelangten – Fürstentümer Hohenzollern-Sigmaringen und Hohenzollern-Hechingen umschrieben3. Gleichzeitig wurde festgelegt, dass das Metropolitankapitel aus einer Dignität (Dekan) und nur sechs Domherren – für eine Erzdiözese gemessen an preußischen und bayerischen Verhältnissen nicht gerade viel – bestehen sollte. 1
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Zur Bistumsgeschichte im Überblick vgl. Braun, Freiburg, in: Gatz, Die Bistümer und ihre Pfarreien, S. 311–322, u. Braun u.a., Erzbistum Freiburg, in: Gatz, Die Bistümer der deutschsprachigen Länder, S. 268–286; u. neuerdings Smolinsky, Geschichte des Erzbistums Freiburg. Zur Bistumserrichtung vgl. Smolinsky, Der lange Weg bis zum Erzbistum Freiburg, in: Jürgensmeier (Hrsg.), Zerfall und Wiederbeginn, S. 415–426. Vgl. Ammerich, Neuorganisation der katholischen Kirche in Südwestdeutschland, in: Ders./Gut (Hrsg.), Zwischen „Staatsanstalt“ und Selbstbestimmung, S. 11–26. Vgl. Zirkumskriptionsbulle „Provida sollersque“ v. 16.8.1821, abgedruckt bei Huber/ Huber, Staat und Kirche, Bd. I, S. 246–257.
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Im Jahre 1900 unterstanden 1,1 Millionen Katholiken mit 1.200 Geistlichen in rund 850 Kirchengemeinden dem Erzbischof von Freiburg4. Im kleinen preußischen Hohenzollern waren sogar 95 % der Bevölkerung katholisch. Die im Frankfurter Vertrag von 1822 getroffene Vereinbarung der Regierungen von Baden, Württemberg, Hessen-Darmstadt, Hessen-Nassau und Hessen-Kassel die Bischöfe in den Diözesen der Oberrheinischen Kirchenprovinz aus einer Terna des jeweiligen Domkapitels selbständig zu designieren, führte zu Protesten der Kurie. Nach langwierigen Verhandlungen wurde schließlich 1827 in der Nachfolgebulle „Ad dominici gregis custodiam“ sowie dem päpstlichen Breve „Re sacra“ ein spezielles „Oberrheinisches System“5 der Bischofswahl sanktioniert. Das von den Landesherren postulierte positive Ernennungsrecht wurde darin durch ein negatives Ausschließungsrecht ersetzt. Konkret hieß dies, dass die Domkapitel eine Wahlliste erstellten. Diese durfte nur Personen enthalten, welche das badische Indigenat besaßen. Die Liste wurde dem Monarchen geschickt, der daraus ihm mindergenehme Kandidaten streichen konnte. Zwar musste „die übrig bleibende Anzahl der Kandidaten noch hinreichend sein, dass aus ihr der neue Vorsteher gewählt werden könne“6. Jedoch verstand der Landesherr unter dieser Bedingung, dass – sobald er nur einen Listenkandidaten für akzeptabel hielt, also von einer Wahl nicht mehr die Rede sein konnte – das Kapitel eine neue Liste einzureichen hatte. In „Re sacra“ wurde noch einmal dezidiert die Notwendigkeit betont, dass das Kapitel vor dem Wahlakt bei der Regierung anzufragen habe, ob der zu wählende Kandidat denn wirklich „persona grata“ sei. Erst jetzt wurden die Bischofsstühle in Freiburg, aber auch in Rottenburg, Mainz, Limburg und Fulda, besetzt. Die Besetzung der Domherrenstellen einschließlich der Dignität des Dekans wurde abwechselnd dem Bischof und dem Kapitel übertragen, die jeweils eine Kandidatenliste bei der zuständigen Regierung einzureichen hatten, aus der mindergenehme Geistliche gestrichen werden konnten. Gleichwohl sollte die Interpretation des vereinbarten Vorgehens bei Bischofsstuhlbesetzungen in der Folge zu mannigfachen Irritationen und schweren Kontroversen im Staat-Kirche-Verhältnis führen. Weiterhin in Geltung blieb die in dem Vertrag von 1822 getroffene Vereinbarung, dass bei jeder künftigen Besetzung des Metropolitansitzes auch die Regierungen der zur Oberrheinischen Kirchenprovinz gehörenden Staaten eingeschaltet werden mussten. Die badische Regierung hatte also den Regierungen in Berlin, Darmstadt, Stuttgart und – bis 1866 – auch in Kassel und Wiesbaden die Liste des Metropolitankapitels unter entsprechender Rangplatzierung ihrer Favoriten zukommen zu lassen, woraufhin dort eine zeitlich begrenzte Einspruchsfrist gegen einzelne Listenkandi4 5
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Vgl. Braun, Freiburg, S. 322, u. Bissinger, Die Erzdiözese Freiburg. So Huber/Huber, Staat und Kirche, Bd. I, S. 267. Der Text von „Ad dominici gregis custodiam“ bzw. „Re sacra“ ebd., S. 268–273. Ad dominici gregis custodiam, hier zit. nach ebd., hier S. 270.
erzbistum freiburg im breisgau
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daten bestand. In einer ergänzenden Vereinbarung von 1827 war festgehalten worden, dass die badische Regierung die ihr vom Metropolitankapitel eingereichte Kandidatenliste vor der Rückgabe auch an die Regierungen der Bestandteile der Staaten, die am Erzbistum Anteile haben, zu senden hatte. Auch dabei sollten die in Karlsruhe favorisierten drei Kandidaten in absteigender Reihenfolge an die Spitze der Liste gesetzt werden. So weit gegen diese Personen innerhalb einer Frist von drei Wochen keine Einwendungen eingegangen seien, habe die badische Regierung davon auszugehen, dass ihre Liste akzeptiert worden sei. Virulent wurde das Zusammenwirken von Staat und Kirche in diesem neuralgischen Punkt insbesondere während des Kulturkampfes in Baden7, der – durch das Kirchengesetz von 1860 eingeläutet – dem preußisch-deutschen Kulturkampf zeitlich vorausging. Ganz konkret ist kurz auf die bereits 1868 – mit dem Tod des Erzbischofs Hermann von Vicari8 – eingetretene und 14 Jahre währende Sedisvakanz des Freiburger Erzbischofsstuhls zu rekurrieren9, die „in ungewöhnlichem Maße die Aufmerksamkeit der politischen und kirchlichen Öffentlichkeit erregte“10. Mit Ausnahme des Domherrn Johann Baptist Orbin waren alle anderen sieben vom Kapitel benannten Kandidaten staatlicherseits gestrichen worden. War die Regierung zu diesem weitreichenden Schritt überhaupt befugt und hatte das Kapitel jetzt die Pflicht, eine neue Liste aufzustellen? Diese Fragen stellte sich damals die ultramontane Minorität des Kapitels. Sie vertrat den Standpunkt, dass bei acht Kandidaten mindestens drei staatlich genehm sein müssten und konnte sich auf vatikanische Unterstützung in dem Punkt berufen, dass dort Front gegen eine erneute Liste des Kapitels gemacht wurde11. Letztlich konnte die Regierung für sich reklamieren, dass im Kapitel das Breve „Re sacra“ bewusst oder unbewusst übersehen worden war, obgleich dies eine Vollzugsordnung der Bulle darstellte, und auch erneute Listeneinreichungen 1873 und 1874 führten nicht zum Ziel der Beendigung der Sedisvakanz. Da sie für das weitere Verhältnis von Staat und katholischer Kirche in Baden konstitutiv erscheint, wurde die Neubesetzung des erzbischöflichen Stuhls 1886 in die Untersuchung mit aufgenommen.
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Vgl. als Überblick die Monographie von Becker, Liberaler Staat und Kirche, sowie die Aufsätze von Bäumer, Der Kulturkampf in Baden, in: Sauer (Hrsg.), Gestalten und Ereignisse, S. 101–126; u. von Dorneich, Der Kirchenkampf in Baden, in: FDA, Bd. 94 (1974), S. 547–588. Zu Vicari (1773–1868), 1843–1868 Erzbischof von Freiburg, vgl. Braun, Vicari. Vgl. die Dokumente bei Huber/Huber, Staat und Kirche, Bd. II, S. 259–265. So die Bewertung von Becker, Zum Ringen um die Nachfolge, in: FDA, Bd. 88 (1968), S. 380–427, hier S. 380. Vgl. hierzu ausführlich ebd., S. 383f.
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Erzbischofswahl 1886 „Vor einigen Tagen ist der Erzbischof gestorben. Ein wohlwollender und braver Mann ist mit ihm hingeschieden, aber auch ein recht ruhmloses und unbedeutendes Pontifikat.“12 So kommentierte der wohl prominenteste Staatskatholik seiner Zeit, der in Freiburg lehrende Kirchenhistoriker Franz Xaver Kraus, lakonisch den Tod des dortigen Erzbischofs Johann Baptist Orbin13 am 8. April 1886. Orbin war im Übrigen vier Jahre zuvor nur durch eine Scheinwahl auf den Bischofsstuhl gekommen14. Zwar war er einstimmig von den Domherren aus einer Fünferliste gewählt worden, von der nur zwei Kandidaten staatlicherseits gestrichen worden waren15, jedoch war er vorher als Favorit der großherzoglichen Regierung von Rom sanktioniert worden, was dem Kapitel bekannt war. Ursprünglich dem aufgeklärten Katholizismus verbunden und daher als einziger der acht Kandidaten der 1868 eingereichten Bischofswahlliste des Metropolitankapitels staatlich akzeptiert16, hatte Orbin allerdings während des Kulturkampfes „sich der strengkirchlichen Richtung in unverkennbarer Weise genähert“17. In der Presse war diskutiert worden, ob statt eines Weihbischofs nicht besser ein Koadjutor mit Nachfolgerecht hätte ernannt werden sollen18. Als Name schwebte der des Kirchenhistorikers Kraus im Raum, zumal dieser weithin als episkopabel galt, aber bislang weder in Freiburg noch in seiner Heimatdiözese Trier zum Zuge gekommen war19. Insbesondere Großherzog Friedrich I.20 favorisierte Kraus, der bereits seit Ende der 1870er Jahre verschiedentlich als Kandidat für den damals bereits seit einem Jahrzehnt unbesetzten Erzbischofsstuhl genannt worden war21. 12 13
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Kraus, Tagebücher, S. 502: Eintrag v. 12.4.1886. Zu Orbin (1806–1886) vgl. Müller, Orbin, in: LThK2, Bd. 7 (1962), Sp. 1196; Gatz, Orbin, in: Ders., Bischöfe, S. 546f. Vgl. zur Wahl Orbins 1882 Ott, in: ZGO, Bd. 111 (1963), S. 580, Großmann, Die Besetzung der höheren Kirchenämter, S. 377–379; Braun, Hermann von Vicari, S. 334–338. Als mindergenehm waren Pfarrer Maximilian Gereon von Galen in Mainz u. Regens Georg Ignaz Komp in Fulda erklärt worden. Vgl. Großmann, Die Besetzung der höheren Kirchenämter, S. 378. Die ausländischen Kandidaten waren damals als nicht wählbar bezeichnet worden. Vgl. Huber/Huber, Staat und Kirche, Bd. II, S. 259, Anm. 2. So das Urteil von Lauer, Geschichte der katholischen Kirche im Großherzogtum Baden, S. 327. Vgl. Jagemann, Fünfundsiebzig Jahre des Erlebens und Erfahrens, S. 93. Vgl. Schiel, Im Spannungsfeld von Kirche und Politik, S. 48. Zu Friedrich I. von Baden (1826–1907), Schwiegersohn Kaiser Wilhelm I., seit 1856 Großherzog von Baden, vgl. Zier, Friedrich I. von Baden, in: NDB, Bd. 5 (1961), S. 490–492. Vgl. Aldenkirchen an Kraus v. 10.9.1879, zit. nach Schiel, Im Spannungsfeld von Kirche und Politik, S. 46.
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Das Kapitel wählte am 10. April 1886 den Domdekan Karl Weickum22 zum Kapitularvikar, der grosso modo das Vertrauen der Regierung besaß23. Zuvor hatte die Regierung dem Kapitel erklärt, lediglich die Wahl eines der jüngeren Kapitelsmitglieder (Rudolf, Boulanger, Knecht) würde ihr Missfallen erregen24. Der preußische Gesandte in Karlsruhe, Karl von Eisendecher25, vermutete, dass die Kurie auf die strengkirchlichen Geistlichen Knecht oder Schmitt zusteuern würde26.
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er Sasbacher Pfarrer und Reichstagsabgeordnete Franz Xaver Lender27 erwies sich als weiterer staatlicher Günstling, der aber vom Papst abgelehnt wurde28. Lender, 1830 in Konstanz geboren und 1853 in Freiburg/ Breisgau zum Priester geweiht, hatte sich nicht nur als Gründer eines privaten Gymnasialkonvikts und einer Schule (sogenannte Lendersche Anstalt) in seiner Pfarrei Sasbach einen Namen gemacht, sondern war auf badischer Landes- und Reichsebene als Politiker hervorgetreten. 1873 hatte ihn das Metropolitankapitel auf eine staatlicherseits angeforderte Wahlliste gesetzt. Wenn er auch als Reichstagsabgeordneter kontinuierlich die Politik des Zentrums vertrat, so versuchte er in der Zweiten Kammer in Baden zunehmend Kompromisse zu schließen, um den Staat-Kirche-Konflikt zu überwinden. Lenders Intention, durch Entgegenkommen gegenüber staatlichen Interessen zu einem modus vivendi zu gelangen, ließ ihn in den Augen der ultramontanen Mehrheit nicht nur innerhalb seiner Landtagsfraktion zunehmend verdächtig erscheinen. Insbesondere nachdem er 1886 die Zentrumszeitungen angegriffen hatte, verdächtigten ihn letztere, „er habe das Verdikt über die katholische Presse nur ausgesprochen, um aus der Hand der Regierung die erzbischöfliche Würde zu erlangen“29. Aber auch durchaus staatsloyale Beobachter wie der preußische Gesandte in Karlsruhe sahen es als realistisch an, dass Lender „wegen seines 22 23
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Zu Weickum vgl. Gatz, Bischöfe, S. 799f., u. Nachruf, in: FDA, Bd. 41 (1900), S. 278f. Vgl. Eisendecher an Bismarck v. 10.4.1886, in: Kremer, Das Großherzogtum Baden in der politischen Berichterstattung, S. 303. Vgl. Aktennotiz Joos u. Nokk v. 19.4.1886 bei Fuchs, Großherzog Friedrich I. von Baden und die Reichspolitik, Bd. 4, S. 410f. Zu Eisendecher (1841–1934), 1884–1919 preußischer Gesandter in Baden, vgl. Kremer, Das Großherzogtum Baden in der politischen Berichterstattung, S. 20–28; Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes, Bd. 1, S. 500f. Vgl. Eisendecher an Bismarck v. 31.3.1886, in: PA AA Baden Nr. 32, Bd. 2. Zit. nach Kremer, Das Großherzogtum Baden in der politischen Berichterstattung, S. 302. Zu Lender (1830–1913), 1853 Priester, 1872 Pfarrer in Sasbach, 1871–1913 MdR, 1869– 1870 u. 1871–1887 MdL, vgl. Nachruf, in: FDA, Bd. 44 (1916), S. 33–37; Dor, Lender; Haunfelder, Reichstagsabgeordnete der Deutschen Zentrumspartei, S. 203; u. Dorneich, Lender, in: LThK2, Bd. 6 (1961), Sp. 943, sowie jetzt Engehausen, Lender, in: BBKL, Bd. 30 (2009), Sp. 872–876. Vgl. Kraus, Tagebücher: Eintrag v. 7.8.1886. Dor, Lender, S. 163.
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Auftretens in der Kammer zunächst als ausgeschlossen angesehen werden“30 müsse. Allerdings fehlte ihm auch eine wissenschaftliche Qualifikation, die Lender erst 1898 durch Verleihung der Ehrendoktorwürde der Theologischen Fakultät in Freiburg erlangen sollte31. Eine päpstliche Anerkennung erlangte er zudem erst 1901 mit der Würde eines Päpstlichen Hausprälaten.
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ichtigster Favorit der Regierung war aber Georg Kopp, der 1881 als erster preußischer Geistlicher während des Kulturkampfes wieder einen Bischofsstuhl, und zwar in Fulda, bestiegen hatte. Von Kopp war bekannt, dass er im Gegensatz zu Kraus eher das Plazet des Papstes erhalten würde32. Angesichts der mit Kraus und Lender verbundenen Probleme legte sich die Staatsregierung also auf einen „Ausländer“ fest. Übrigens ließen staatliche Beobachter kein gutes Haar an vermeintlichen ultramontanen episcopabiles: Besonders starkes Interesse an der Freiburger Personalfrage zeigte der preußische Gesandte von Eisendecher, was angesichts der räumlichen Distanz zwischen Berlin und der südwestdeutschen Bischofsstadt wohl zunächst erstaunt. Aber einerseits betraf die Neubesetzung des Metropolitansitzes ja auch preußische Untertanen in Hohenzollern und Teilen Hessens. Laut Staatsvertrag von 1822 sowie einer Vereinbarung von 1827 hatte die badische Regierung nach Erhalt der Kapitelsliste auch in Berlin nach etwaigen mindergenehmen Kandidaten anzufragen, andererseits war Freiburg als Metropolitansitz eines von nur fünf herausgehobenen Bistümern im Deutschen Reich. Wer hier Erzbischof wurde, der hatte zudem andererseits auch ein gewisses Mitspracherecht in den Suffraganbistümern, darunter in den beiden seit 1866 zu Preußen gehörenden Diözesen Fulda und Limburg. Außerdem war Großherzog Friedrich I. als Schwiegersohn Kaiser Wilhelms I. mit der Hohenzollernmonarchie familiär eng verbunden.
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er badische Diplomat Eugen von Jagemann33, der bereits 1885 im Vorfeld des Heidelberger Universitätsjubiläums eine Vatikanmission erfüllt hatte34, wurde vorsichtshalber nach Rom entsandt, „da man aus Freiburg eine nicht befriedigende Liste erwartete“35. Er sollte als Geheimer Agent im Namen von Großherzog Friedrich I. dafür Sorge tragen, dass „ein Mann bedeu30
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Eisendecher an Bismarck v. 31.3.1886, in: Kremer, Das Großherzogtum Baden in der politischen Berichterstattung, S. 302. Vgl. Dor, Lender, S. 75. Vgl. Eisendecher an Bismarck v. 11.5.1886, in: Kremer, Das Großherzogtum Baden in der politischen Berichterstattung, S. 303–306, hier S. 303. Zu Jagemann (1849–1926), 1893–1898 badischer Gesandter in Berlin, vgl. Krebs, Jagemann, in: NDB, Bd. 10 (1974), S. 293f. Damals ging es um eine leihweise Überlassung von Beständen aus der im Dreißigjährigen Krieg nach Rom verbrachten Heidelberger Palatina-Bibliothek. Jagemann, Fünfundsiebzig Jahre des Erlebens und Erfahrens, S. 95. Hier auch das folg. Zit.
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tender Kapazität und Selbständigkeit“ ernannt werde. Im Gepäck führte von Jagemann die Namen Kopp und Lender36. Ziel dieser Mission war es ausdrücklich, eben nicht direkten Druck auf das Metropolitankapitel in Freiburg auszuüben, sondern gleich an höchster Stelle anzusetzen, um den Papst auf staatlicherseits genehme Kandidaten zu stoßen. Immerhin erhielt Jagemann, der „in Rom mit großer Zuvorkommenheit aufgenommen und zweimal vom Papste empfangen“37 wurde, dahingehend Gewissheit über die römische Haltung zu dem vielfachen Bischofsfavoriten Franz Xaver Kraus. „Für einen Bischofsstuhl tauge er nicht, aber man könne ihm den Prälatentitel oder sonst etwas geben“38, habe sich Leo XIII. vernehmen lassen, wie Kultusminister Franz Wilhelm Nokk39 dem Großherzog mitteilte. Hinzu kam, dass Kraus mittlerweile auch in badischen Staatskreisen mächtige Feinde hatte, die gegen ihn intrigierten, so etwa seinen früheren Freund Reinhold Baumstark40, der gegenüber Friedrich I. dezidiert den Standpunkt vertrat, Kraus hasse den Papst und den Vatikan und sei daher keinesfalls geeignet, um das Staatsziel loyaler Bischöfe durchzusetzen41. Mit Kopp hingegen habe sich Leo XIII. gegenüber Jagemann „nach anfänglichem Zögern schließlich einverstanden“42 erklärt. Das Problem lag nun jedoch darin, dass die preußische Regierung Kopp bereits für die Nachfolge des schwer erkrankten Fürstbischofs von Breslau Robert Herzog in petto hatte. Eisendecher kam die unangenehme Aufgabe zu, zwischen Karlsruhe und Berlin zu vermitteln und letztlich aus höheren politischen Erwägungen im Vatikan zu erwirken, dass dort von einer Favorisierung Kopps abgesehen wurde. Erzbischof Spolverini reiste erneut als römischer Emissär nach Freiburg, um dem Domkapitel mitzuteilen, dass Kopp aufgrund eines Vetos der preußischen Regierung nicht gewählt werden sollte. Selbst die Argumentation Nokks, Kopp bleibe doch aufgrund des hohenzollerischen Bistumsanteils von Freiburg zugleich preußischer Bischof, selbst wenn er nach Freiburg transferiert werde, könne also seinen Sitz im Preußischen Herrenhaus behalten und außerdem als Erzbischof mehr bewirken als ein „einfacher“ Bischof, zog letztlich nicht43. 36 37
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Vgl. ebd., S. 96. Eisendecher an Bismarck v. 11.5.1886, zit. bei Kremer, Das Großherzogtum Baden in der politischen Berichterstattung , S. 304. Nokk an Friedrich I. v. 23.4.1886, zit. nach Schiel, Im Spannungsfeld von Kirche und Politik, S. 51. Zu Nokk (1832–1903), selbst Katholik, 1881–1901 Kultusminister u. ab 1893 zugleich Staatsminister vgl. Lieser, Minister, S. 225; Merz, Nokk, in: NDB, Bd. 19 (1999), S. 325f. Zu Baumstark (1831–1900), einem zur kath. Kirche konvertierten Politiker u. Publizisten, der sich als Bismarck-Anhänger zeigte, vgl. Müller, Baumstark, in: NDB, Bd. 1 (1953), S. 669. Vgl. Graf, Kraus, S. 32f. Nokk an Friedrich I. v. 23.4.1886, zit. nach Schiel, Im Spannungsfeld von Kirche und Politik, S. 51. Vgl. Nokk an Eisendecher, zit. bei Kremer, Das Großherzogtum Baden in der politischen Berichterstattung , S. 304.
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Die am 5. Mai 1886 eingereichte Liste des Kapitels enthielt dann neben Kopp die Bischöfe Roos von Limburg und Leonrod von Eichstätt sowie den Fuldaer Seminarregens Georg Ignaz Komp als auswärtige Kandidaten sowie die beiden Domherren Knecht und Rudolf, den Subregens Schmitt und den im hohenzollerischen Bistumsteil als geistlicher Gymnasiallehrer wirkenden Theodor Dreher als badische Landeskinder. Die vier letztgenannten Kandidaten bedürfen zunächst eines kurzen Blicks in ihre Vita.
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heodor Dreher44 war 1836 in Krauchenwies, der Sommerresidenz der Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen, als Sohn einer kinderreichen Arztfamilie geboren worden. Geprägt von einem Onkel, der Geistlicher war, studierte er nach Absolvierung des Gymnasiums in Hechingen bei Sigmaringen Theologie in Tübingen, München und Freiburg. 1860 erhielt Dreher in St. Peter die Priesterweihe für sein Heimaterzbistum Freiburg. Einem Vikarsjahr in Ostrach folgten drei Jahre als Oberkaplan in Haigerloch, während denen der junge Geistliche zugleich die Zeit fand, in 1863 Tübingen zum Dr. phil. zu promovieren45. Mittlerweile war Erzbischof von Vicari auf den talentierten Geistlichen aufmerksam geworden und vermittelte ihm 1864 eine Kaplanstelle im Priesterkolleg an der deutschen Nationalkirche Santa Maria dell’Anima in Rom46. Nach der Rückkehr im Folgejahr und einer Zwischenstation als Pfarrverweser in Trochtelfingen gelangte er 1866 als Gymnasialoberlehrer nach Hechingen, wo er bald als „ein ausgezeichneter Religionslehrer, voll tiefer Wissenschaft, Gemüt, Wärme und Begeisterung, womit er Sinn und Herz der Schüler gewinnt und festhält“47, gelobt wurde. Besonders trat Dreher, der 1873 in Freiburg auch noch den Dr. theol. erwarb48, durch katechetische Veröffentlichungen hervor, die auch in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Weite Verbreitung erfuhr etwa sein „Lehrbuch der katholischen Religion für Obergymnasien“, das seit 1878 27 Auflagen fand. Dreher erregte dadurch die Aufmerksamkeit des Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen, der ihn zur religiösen Unterweisung seiner Söhne engagierte.
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Zu Dreher (1836–1916), der 1893 unter Erzbischof Roos zum Domkapitular in Freiburg ernannt wurde, vgl. insbesondere Rösch, Domkapitular Dr. Theodor Dreher, in: FDA, Bd. 44 (1916), S. VII–XX. Der Titel dieser philologischen Arbeit lautete: Die vierte Sure des Koran, übersetzt, erläutert und mit Anmerkungen begleitet. Vgl. Gatz, Rom als Studienplatz deutscher Kleriker, in: RQ, Bd. 86 (1991), S. 160–201, hier S. 185. Zeugnis v. 6.4.1867, zit. nach Rösch, Dreher, S. XII. Der Titel der unpublizierten Diss. lautete: Die heilige Eucharistie als Sakrament.
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riedrich Justus Knecht49 war 1839 in Bruchsal als Sohn eines evangelischen Schneidermeisters geboren, gemäß der Konfession seines Vaters evangelisch getauft worden und erst als 16-jähriger 1855 zur katholischen Kirche, der Konfession seiner Mutter, übergetreten. Nach dem am Lyzeum in Rastatt abgelegten Abitur studierte er in Freiburg Theologie, wurde 1862 in St. Peter zum Priester geweiht. Schon als Vikar in Durmersheim, Rastatt und Freiburg St. Martin entfaltete er sein großes Interesse für den Religionsunterricht bzw. die Katechese, zu deren Weiterentwicklung Knecht zahlreiche Veröffentlichungen vorlegte, u.a. eine Schulbibel und einen Kommentar zur biblischen Geschichte, der 25 Auflagen erlebte50. Nach einem Intermezzo als Repetitor im Freiburger Erzbischöflichen Knabenseminar wurde er 1864 mit dem Aufbau einer Diasporagemeinde in Emmendingen beauftragt, bevor er zwei Jahre später die Pfarrei Buchholz übernahm. Weitere der nach wenigen Jahren wechselnden priesterlichen Stationen von Friedrich Justus Knecht waren Gengenbach, Seelbach, Reichenbach bei Lahr, Erlach und Schuttertal. 1878 erlangte er den Grad eines Doktors der Theologie an der KatholischTheologischen Fakultät der Universität Tübingen. Schon bevor er 1882 aufgrund einer vom damaligen päpstlichen Mittelsmann Internuntius Spolverini mit der badischen Regierung getroffenen Abmachung als Domkapitular in die Erzbischofsstadt berufen worden war – seine Ernennung war eine Kompensation für die vatikanische Zustimmung zur Ernennung Orbins zum Erzbischof –, hatte Knecht als Ultramontaner den kritischen Blick der Regierung auf sich gezogen, so etwa als Redner auf den Deutschen Katholikentagen 1875 in Freiburg und 1880 in Konstanz, wo er vor dem Hintergrund des Kulturkampfes vor einer breiten Öffentlichkeit für die Freiheit der Kirche eintrat.
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erdinand Rudolf51, 1835 in Ichenheim geboren und 1858 zum Priester geweiht, war nach Jahren als Vikar in Hemsbach, Königheim und Hardheim 1862 Pfarrverweser in Höpfingen geworden. In der Folge wechselte er jährlich seine Stelle: als Geistlicher Lehrer am Gymnasium in Heidelberg, Verweser in Gengenbach und Offenburg, bevor er 1866 Repetitor am Erzbischöflichen Konvikt in Freiburg wurde. Es folgten zwei Pfarrstellen, und zwar 1874 in Wyhl und 1880 in Radolfzell am Bodensee. Erst kurz vor Aufstellung der Liste überhaupt zum Freiburger Domherren ernannt, gehörte er neben Knecht, Leonrod und Schmitt zu den in den Augen des Gesandten Eisendecher „ab49
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Zu Knecht vgl. Gatz, Bischöfe, S. 393f., u. Siebler, Knecht, sowie Padberg, Knecht, in: LThK2, Bd. 6 (1961), Sp. 355f., u. Frick, Knecht, in: LThK3, Bd. 6 (1997), Sp. 154; Braun, Knecht, in: Dictionnaire d’histoire, Sp. 340f. Vgl. u.a. Knecht, Kurze biblische Geschichte für die unteren Schuljahre der katholischen Volksschule, 1882, u. Ders., Praktischer Kommentar zur Biblischen Geschichte, 1882 (251925). Zu Rudolf, der 1903 Päpstlicher Hausprälat u. 1908 Dr. theol. h.c. wurde, 1912 verstarb, vgl. Nachruf, in: FDA, Bd. 44 (1916), S. 22f.
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solut inakzeptablen Vorschlägen“52, weil er „politisch absolut farblos und unerfahren, auch ohne jede Kenntnis der Freiburger Geschäfte“53 erschien. Wie der staatsloyale Professor Cornelius Krieg seinem Kollegen Heinrich Schrörs schrieb, sei Rudolf ein guter Freund des intransigenten Domherrn Knecht, der auch seine Aufnahme ins Metropolitankapitel betreibe54. Im seelsorglichen Bereich war er allerdings als Verfasser einer größeren Zahl aszetisch-erbaulicher Schriften hervorgetreten.
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akob Schmitt55 war 1834 in Tauberbischofsheim geboren worden und hatte nach anfänglichem Theologiestudium in Freiburg als Alumne des römischen Collegium Germanicum 1857 in Rom die Priesterweihe erlangt. Anschließend verbrachte er ein Jahr des Weiterstudiums im Priesterkolleg der Anima in Rom, promovierte in Theologie und wurde nach der Rückkehr in seine Heimaterzdiözese Freiburg 1858 als Repetitor am Priesterseminar in St. Peter eingesetzt. 1884 rückte er zum Subregens auf. Zudem engagierte Schmitt sich im badischen Zentrum, dessen Zentralkomitee er angehörte. Einen weit über die Diözesangrenzen hinaus reichenden Ruf erwarb er sich aber durch seine zahlreichen katechetischen und theologischen Bücher und Aufsätze. Dass diese Dimension des badischen Priesterausbilders Schmitt, der als Exponent einer anerkannten katechetischen Methodik noch in den 1960er Jahren Aufnahme in das Standardwerk „Lexikon für Theologie und Kirche“ fand, für eine staatliche Beanstandung oder Nichtbeanstandung als doch nicht unwichtiges Kriterium überhaupt keine Rolle spielte, erscheint schon bezeichnend. Ein Paradebeispiel für die Schablonenhaftigkeit der staatlichen Beurteilung ist daher die abfällige Äußerung des preußischen Gesandte Eisendecher über den „tiefschwarzen Jakob Schmitt“, der mehrfach vergeblich in das Metropolitankapitel habe gebracht werden sollen56. Bezeichnend erschien ihm die Bemerkung des publizistisch aktiven Freiburger Pfarrers Heinrich Hansjakob, der geäußert hatte, wenn Schmitt in Betracht gezogen würde, sei ihm Bischof Korum, der ja als Ultramontaner par excellence galt, doch lieber57. 52
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Eisendecher an Bismarck v. 11.5.1886, in: PA AA Baden, Nr. 32, Bd. 3, abgedruckt bei Kremer, Das Großherzogtum Baden in der politischen Berichterstattung, S. 303–306, hier S. 304. Eisendecher an Bismarck v. 29.5.1886, ebd., abgedruckt bei Kremer, Das Großherzogtum Baden in der politischen Berichterstattung, S. 309. Vgl. Krieg an Schrörs v. 4.1.1887, abgedruckt bei Kraft, Briefwechsel Krieg – Schrörs, in: FDA, Bd. 112 (1993), S. 133–254, hier S. 153f. Zu Schmitt, der 1902 Päpstlicher Hausprälat wurde u. 1915 starb, vgl. Gruber, Schmitt, in: LThK2, Bd. 9 (1964), Sp. 436; Nachruf, in: FDA, Bd. 44 (1916), S. 67–69; Gatz, Rom als Studienplatz deutscher Kleriker, S. 197; u. Götz von Olenhusen, Klerus, S. 414, Anm. 97. Bei Schmidt, Das Collegium Germanicum und die Germaniker, findet er keine Erwähnung. Vgl. Eisendecher an Bismarck v. 31.3.1886, in: PA AA Baden Nr. 32, Bd. 2, zit. nach Kremer, Das Großherzogtum Baden in der politischen Berichterstattung, S. 302. Vgl. Eisendecher an Bismarck v. 18.5.1886, zit. ebd., S. 306f.
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Interessanterweise hatten die Domherren gleich drei residierende Bischöfe, darunter mit Georg Kopp von Fulda und Johannes Christian Roos von Limburg gleich zwei Suffraganbischöfe der Oberrheinischen Kirchenprovinz, auf die Liste gesetzt, nachdem sie sich zuvor bei der Regierung in Karlsruhe darüber versichert hatten, dass auch Kandidaten, die nicht badische Staatsangehörige waren, dort platziert werden durften, solange sie Deutsche seien58. Außerdem brachte das Kapitel in Erfahrung, dass Nokk die Nichtbeanstandung von mindestens drei der sieben Kandidaten in Aussicht gestellt habe. Gefährdet seien wohl zunächst Knecht, eventuell auch Subregens Schmitt und Dreher. Letztlich wurde das aus Berlin eingelegte Veto gegen eine Transferierung Kopps dennoch seitens der badischen Staatsregierung nicht offiziell aufgegriffen. Dies mag daran gelegen haben, dass Kopp von sich aus bereits gegenüber dem Kapitel darum gebeten hatte, von seiner Wahl abzusehen, da er „der einzige preußische Bischof sei, zu dem der Fürst Bismarck und die preußische Regierung noch ein Pünktchen Vertrauen hat“59. Darüber hinaus war sich die preußische Regierung wohl aber auch sicher, dass Kopps Nomination ohnehin in Rom bereits verhindert war, nachdem Schlözer bei der Kurie entsprechend interveniert hatte. Tatsächlich hatte ja auch Kardinalstaatssekretär Jacobini persönlich nach Karlsruhe mitgeteilt, dass der Heilige Vater Kopp entgegen seinen Äußerungen gegenüber Jagemann nicht für Freiburg akzeptieren würde60. Der wichtigste Grund für die nominelle Nichtbeanstandung des Fuldaer Bischofs seitens der preußischen Regierung lag aber darin, dass anderenfalls nur zwei „personae gratae“, nämlich Dreher und Roos, auf der Liste verblieben wären, was den Einspruch des Kapitels hätte hervorrufen können. Zeitweilige Überlegungen, anstelle von Kopp den Domkapitular Rudolf zu akzeptieren, waren im Staatsministerium verworfen worden. Sozusagen als zweite Wahl kaprizierte sich Nokk daraufhin auf den Limburger Bischof Roos, für den er danach trachtete, gegenüber Spolverini „eine gewisse Vorliebe … zu bekunden“61. Als die Wahlliste am 29. Mai 1886 aus Karlsruhe zurückgegeben wurde, waren dann sowohl die Bischöfe Kopp und Leonrod als auch Knecht und Rudolf als „personae minus gratae“ bezeichnet, nicht aber Subregens Schmitt62. Letzterer sollte als Kompensation für die Zustimmung der Kurie zu Roos auf der Liste verbleiben und für ein Kanonikat in Aussicht genommen werden. Knecht aber war auch insbesondere von dem zu konsultierenden preußischen Kultusminister Robert Bosse als absolut ultramontane Priestergestalt „minus grata“ erklärt worden63. 58 59
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Vgl. Kultusministerium an Metropolitankapitel v. 3.5.1886, in: EAF, OR I/12. Kopp an Metropolitankapitel Freiburg v. 26. u. 29.5.1886, in: EAF, OR I/12 zit. nach Großmann, Die Besetzung der höheren Kirchenämter, S. 384. Jacobini an Ministerium v. 18.5.1886, in: GLA Karlsruhe III/189. Nokk an Großherzog Friedrich I. v. 23.5.1886, in: ebd., zit. nach Großmann, Die Besetzung der höheren Kirchenämter, S. 385. Entschließung des Staatsministeriums v. 29.5.1886, in: EAF, OR I/12. Vgl. Nosse an Auswärtiges Amt v. 21.5.1886, in: PA AA Baden, Nr. 32.
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ohannes Christian Roos64 war 1826 in Kamp am Rhein zur Welt gekommen. Der Sohn eines Winzers legte in Weilburg das Abitur ab, studierte in München und Bonn Theologie und wurde 1853 in seinem Heimatbistum Limburg zum Priester geweiht. Nach Kaplansjahren in Sachsenhausen bei Frankfurt am Main und Oberlahnstein sowie einer 1856 begonnenen Tätigkeit als Pfarrverweser in Hochheim am Main holte ihn Bischof Peter Josef Blum 1860 als Bischöflichen Kaplan nach Limburg. In der Bistumsleitung machte Roos in der Folge rasch Karriere als Subregens (1864) bzw. Regens (1868) des Priesterseminars sowie als vom Kapitel gewählter Domkapitular und zugleich Dompfarrer (1869). Seine Wertschätzung im Limburger Domkapitel bestätigt seine Wahl zum Bischof nach dem Tode Blums am 19. Februar 1885. Am 17. Mai 1885 hatte ihn Erzbischof Orbin als zuständiger Metropolit im Limburger Dom zum Bischof geweiht. Da ihm eine weitergehende wissenschaftliche Qualifikation fehlte, erhielt Roos im Jahr seiner Bischofsernennung den Ehrendoktortitel der Päpstlichen Universität Gregoriana. Weil Roos „auf keine kirchenpolitische Richtung festgelegt war“65 kam er in Limburg trotz des noch nicht offiziell beendeten Kulturkampfs zum Zuge und wurde auch für Freiburg von der Regierung in Karlsruhe nicht beanstandet. Kraus bezeichnete ihn als „den sehr unschuldigen Bischof von Limburg“66. Wie sich Anton Graf Monts später erinnerte, sei Roos eben der preußischen Regierung nicht genehm gewesen, weshalb man ihn nach Freiburg abgeschoben habe67. Roos selbst sträubte sich zunächst gegen den Wechsel auf den Metropolitansitz und musste von Kardinalstaatssekretär Jacobini überzeugt werden, dem Votum des Freiburger Kapitels und dem Willen des Heiligen Vaters Gehorsam zu leisten. Am 21. September 1886 erfolgte seine Inthronisation im Freiburger Münster durch Bischof Haffner von Mainz. Ein Kennzeichen für die Erleichterung, welche in Regierungskreisen über die Wahl von Roos herrschte, ist in der kurze Zeit später dem Metropolitankapitel erteilten Erlaubnis zu sehen, den als intransigent geltenden Subregens Dr. Schmitt auf ein vakantes Kanonikat zu setzen. Wie Eisendecher im Nachgang an Bismarck schrieb, war entgegen kursierenden Gerüchten Roos „im Gegenteil, abgesehen von Bischof Kopp, der bevorzugte Regierungskandidat und in Anbetracht seiner Eigenschaft als Bischof genehmer als Dreher“68. Auch in katholischen Intellektuellenkreisen wurde die Ernennung positiv aufgenommen und wurde mit entsprechenden Hoffnungen begleitet, wie beispielsweise aus einem Brief des Bonner Kirchenhistorikers Heinrich Schrörs an den Freiburger Pastoraltheologen Cornelius Krieg abzulesen ist: „Möge die Re64 65 66 67 68
Zu Roos vgl. LThK2, Bd. 9 (1964), Sp. 38f.; Gatz, Roos, in: Ders., Bischöfe, S. 628–630. So das Urteil von Gatz, Roos, S. 629. Kraus, Tagebücher, S. 504: Eintrag v. 7.8.1886. Vgl. Thimme (Hrsg.), Erinnerungen des Grafen Monts, S. 489. Eisendecher an Bismarck v. 28.7.1886, zit. bei Kremer, Das Großherzogtum Baden in der politischen Berichterstattung , S. 314.
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gierung des neuen Kirchenfürsten eine entsprechend glückliche sein! Badens Volk u[nd] Klerus verdienen es, endlich ruhigere Tage zu versehen“69.
Erzbischofswahl 1896–189870 Erzbischof Johannes Christian Roos, der 1888 unter Verweis auf den Abbau der Kulturkampfgesetze in Preußen und im Deutschen Reich sowie im benachbarten Hessen-Darmstadt eine weitere Verbesserung des Staat-KircheVerhältnisses in Baden erreicht hatte71 und 1889 das Theologenkonvikt in Freiburg hatte wiedereröffnen können, starb am 2. Oktober 1896 an einer Herzerkrankung. Der inzwischen als badischer Gesandter in der Reichshauptstadt Berlin tätige Eugen von Jagemann urteilte über den zu Ende gegangenen Episkopat: „Das Verhältnis der Freiburger Kurie zur Karlsruher Regierung war unerfreulich, ohne dass Streitigkeiten selbst ausgebrochen waren“72. Umgehend informierte Minister Nokk das Metropolitankapitel telegraphisch darüber, dass die Regierung der freien Wahl eines Kapitularvikars nichts entgegenstelle73. Damit war einerseits eine Verbesserung gegenüber der letzten Sedisvakanz 1886 eingetreten, bei der ja staatlicherseits lediglich die älteren Domherren als gratissima für die Aufgabe des Bistumsverwesers bezeichnet worden waren. Andererseits war dem Metropolitankapitel ein Blankoscheck erteilt worden, theoretisch jedes Mitglied als Interimsverwalter zu bestimmen, auch den staatlicherseits immer wieder kritisch betrachteten, weil als ultramontan bekannten Weihbischof und Domdekan Friedrich Justus Knecht. Nicht ohne eine Portion Ironie hatte Knecht nach seiner am 24. Oktober erfolgten Wahl zum Kapitularvikar gegenüber Nokk davon gesprochen, dass „das erzbischöfliche Domkapitel soeben meine Knechtschaft“74 gewählt hat. Als Weiterung sollten die Domherren aus dieser raschen und ungefragten sowie bisher unüblichen Konzession aus Karlsruhe ableiten, dass auch bei Aufstellung der 69 70
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Schrörs an Krieg v. 3.10.1886, abgedruckt bei Kraft, Briefwechsel Krieg – Schrörs, S. 148f. Über die beiden Bischofswahlen 1898 und ihre Vorgeschichte informiert sehr detailreich die Dissertation von Fischer, Die Freiburger Erzbischofswahlen 1898, in der zwar die Literatur wie auch – erstmals – die vatikanischen Quellen ausgewertet werden, nicht aber die Bestände im Politische Archiv des Auswärtigen Amtes und das Bundesarchiv in Berlin. Erstmals wurde diese Bischofswahl dezidiert behandelt bei Bachem, Bd. 8, S. 130–138, bei Braun, Kirche im liberalen Bürgerstaat, in: Smolinsky (Hrsg.), Geschichte der Erzdiözese Freiburg, Bd. 1, S. 121–210, hingegen finden sich nur sehr marginale Hinweise zu den Konflikten um die Bischofswahlen. Vgl. Dorneich, Der Kirchenkampf in Baden, S. 587f. Jagemann, Fünfundsiebzig Jahre des Erlebens und Erfahrens, S. 202. Vgl. Nokk an Domdekan Knecht v. 22.10.1896, in: EAF, OR I/12. Knecht an Nokk v. 24.10.1896, in: GLA Karlsruhe 235/12893, zit. nach Fischer, Die Freiburger Erzbischofswahlen 1898, S. 21.
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Kandidatenliste jedes Kapitelsmitglied genehm sei75. Folglich hatte der Staatsminister auch gegen Knecht anfänglich keine Einwände geltend zu machen76. Andererseits bedeutete das Telegramm aus Karlsruhe aber auch ein Signal dafür, dass staatlicherseits die kirchliche Personalpolitik genau registriert wurde und das Szenario eines staatlichen Eingriffs zumindest auch diesmal als theoretische Möglichkeit vor Augen gestellt werden sollte. Im Metropolitankapitel sah man daher dieses Telegramm ebenso einerseits als Gefahr für die Garantie des Prinzips der Wahlfreiheit an. Zumindest notierte der Domkapitular Gutmann in seinem Tagebuch, „der Wahl des Weihbischofs Knecht sollten Hindernisse in den Weg gelegt werden; denn wenn man den Dingen einfach den Lauf ließ, so war es klar, dass gerade auf ihn die Wahl fallen müsste“77. Auch Kardinalstaatssekretär Mariano Rampolla sah offensichtlich Gefahr im Verzuge. Zumindest versicherte er dem Kapitel ausdrücklich, dass sein Wahlrecht nicht geschmälert werden sollte. Gleichzeitig legte er ihm aber auch nahe, nur Kandidaten aufzustellen, von denen abzusehen sei, dass sie die staatliche Zustimmung finden würden. Um keine Angriffsfläche zu bieten, sei es zudem opportun, bald zu handeln. Obwohl der in Rom-Missionen erfahrene badische Diplomat Eugen von Jagemann – für ihn war es bereits die vierte Rom-Reise in staatlichen Diensten nach 1885, 1886 und der Vertretung Badens beim Goldenen Priesterjubiläum Leos XIII. 188778 – mittlerweile seit drei Jahren sein Heimatland als Gesandter in der Reichshauptstadt Berlin vertrat, wurde er angesichts der Freiburger Sedisvakanz am 24. Oktober 1896 erneut nach Rom gesandt. Dass diese staatliche Intervention beim Heiligen Stuhl bereits drei Wochen nach dem Tod des Erzbischofs Roos und exakt am Tag der Wahl Knechts zum Kapitularvikar begann, erscheint bezeichnend für die Eile, die in Karlsruhe an den Tag gelegt wurde. Ein zeitgenössischer Beobachter erklärte sie mit der Nervosität der Staatsregierung79. Ein Beleg für die Hast der Regierung lässt sich auch darin erkennen, dass Jagemann zum einen erst einige Tage nach dem Beginn seiner Reise eine an den Kardinalstaatssekretär gerichtete Adresse des Staats- und Kultusministers Nokk nachgesandt bekam80. Zum anderen wartete man in Karlsruhe nicht die Genesung des erkrankten Großherzogs Friedrich I. ab, so dass Jagemann ebenfalls ohne ein durchaus beabsichtigtes großherzogliches Handschreiben seine Romreise antrat81. 75 76 77 78 79 80
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So argumentierte Knecht gegenüber Aiuti am 4.11.1896, in: ASV SS rubr. 255, fasc. 1. Vgl. die Argumentation bei Fischer, Die Freiburger Erzbischofswahlen 1898, S. 21. Tagebuch Gutmann, S. 11. Eintrag v. 2.11.1896 Zu letzterem Ereignis vgl. Jagemann, Fünfundsiebzig Jahre des Erlebens und Erfahrens, S. 97f. Vgl. Stezenbach, Nörber, S. 12. Diese Adresse v. 29.10.1896 im Wortlaut bei Fischer, Die Freiburger Erzbischofswahlen 1898, S. 22. Vgl. Jagemann, Fünfundsiebzig Jahre des Erlebens und Erfahrens, S. 203. Dazu jetzt auch Gröber, Römisches Tagebuch, S. 339
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Selbst über dieser Sedisvakanz schwebte für ultramontane Kreise das Schreckgespenst einer Ernennung von Kraus zum Erzbischof. Zumindest machten sie im Erzbistum gegen eine solche Eventualität so massiv Front, dass offenbar Kraus sich herausgefordert sah, selbst anonym in der „Allgemeinen Zeitung“ darauf zu verweisen, dass „Professor Kraus seit vier Jahren durch Gelenkleiden schwer getroffen ist und sicher für den Rest seiner Tage keinen anderen Wunsch als den nach Ruhe haben kann“82. Über die traditionellen familiären wie territorialen Verbindungen und Verflechtungen zwischen Preußen und dem deutschen Südwesten hinaus spielte bei dieser Bischofsstuhlbesetzung im Auswärtigen Amt in Berlin die angesichts von Alter und Krankheit des Kölner Metropoliten Erzbischof Philipp Krementz anstehende Neubesetzung des dortigen Erzstuhles mit hinein. Dies wird nicht zuletzt durch einen Bericht des preußischen Vatikangesandten Otto von Bülow, der sich ebenso wie schon sein Vorgänger mangels eigener badischer Vertretung beim Heiligen Stuhl auch für die Interessen des Großherzogtums mitverantwortlich fühlte, deutlich, in welchem er die reale Sedisvakanz in Freiburg und die anstehende in Köln als eine aktuelle kirchenpolitische Frage bezeichnete, zumal „beide Themata durch eine Personenfrage ineinander übergreifen“83. Über die derzeitige Situation der katholischen Kirche im Großherzogtum Baden, die er Zeit seines dortigen Wirkens ja bereits mit besonderem Interesse verfolgte, fand der preußische Gesandte in Karlsruhe Karl von Eisendecher dabei keine besonders schmeichelhaften Worte. So sei der Klerus weitgehend strengkirchlich ausgerichtet: „Die Herren schwärmen für die Römische Weltkirche und wollen keinerlei nationale oder die Welt des heiligen Stuhles beschränkende Rechte gelten lassen“84. Vornehmlich Weihbischof und Domdekan Knecht trachtete nach Einschätzung Eisendechers sehr danach, Bischof zu werden, mutmaßte er gegenüber Reichskanzler Chlodwig von Hohenlohe-Schillingsfürst85. Ein „Intrigant gefährlicher Sorte und echter Jesuit“86 schien ihm zudem der bisherige erzbischöfliche Hofkaplan Lorenz Werthmann87 zu sein. 1858 in Geisenheim im 82
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Allgemeine Zeitung v. (o.D.) 1896, zit. bei Schiel, Im Spannungsfeld von Kirche und Politik, S. 53. So Bülow an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 28.7.1897, in: PA AA, Baden Nr. 32, Bd. Die „Personenfrage“ betraf den Paderborner Bischof Hubert Simar. Eisendecher an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 5.3.1897, in: PA AA Baden Nr. 32, Nr. 1, Bd. 3, bei Kremer, Das Großherzogtum Baden in der politischen Berichterstattung , Bd. 1, S. 653–655, hier S. 654. Vgl. Eisendecher an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 10.10.1896, ebd., abgedruckt bei Kremer, Das Großherzogtum Baden in der politischen Berichterstattung , Bd. 1, S. 636. Diese Charakterisierung Montels griff Eisendecher am 9.4.1897 gegenüber HohenloheSchillingsfürst auf. Vgl. PA AA Baden Nr. 32, Bd. 1, 3, u. Kremer, Das Großherzogtum Baden in der politischen Berichterstattung , S. 656. Zu Werthmann (1858–1921), der 1897 Gründungspräsident des Deutschen Caritasverban-
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Rheingau geboren, verdankte dieser Geistliche den Beinamen eines Jesuiten seiner Ausbildung am von Angehörigen dieses Ordens geführten römischen Collegium Germanicum. In Rom hatte er auch 1883 die Priesterweihe empfangen und war nach Rückkehr in seine Heimatdiözese Limburg zum Bischöflichen Kaplan ernannt worden. Erzbischof Roos hatte ihn dann 1886 mit nach Freiburg gebracht, was staatlicherseits damals sogar als Zeichen der Unabhängigkeit des neuen Oberhirten vom ultramontanen Freiburger Domklerus begrüßt worden war88. In Freiburg war Werthmann dann insbesondere während der Krankheit von Roos zu einer zentralen Figur in der Bistumsleitung geworden. Folglich kam es nicht von ungefähr, dass gerade ihm als Intimus des verstorbenen Oberhirten Ambitionen auf dessen Nachfolge nachgesagt wurden. Wenn Eisendecher allerdings glaubte, dass Werthmann gern in sein Heimatbistum zurückkehren würde, hatte er übersehen, dass der Hofkaplan und nachmalige Gründungspräsident des Deutschen Caritasverbandes sich bereits 1888 in das Erzbistum Freiburg hatte inkardinieren lassen89. Eugen von Jagemann, der sich zuvor von Franz Xaver Kraus über die Gepflogenheiten in den vatikanischen Behörden hatte instruieren lassen90, beklagte dann auch bei seinem Eintreffen in Rom, dass von „der Kapitelseite auch gearbeitet worden“91 sei, und zwar vom Hofkaplan Werthmann, „der in Kardinal Steinhuber92 einen mächtigen Gönner besaß“. Dem badischen Agenten ging es laut eigenem Bekunden nicht darum, einen bestimmten Kandidaten durchzusetzen, sondern eine insgesamt genehme Liste zu erreichen, vor allem aber Weihbischof Knecht als neuen Erzbischof zu vereiteln. Insgesamt bewertete Jagemann seine Mission gleichwohl positiv, da sich die „Nokksche Politik, durch sofortige offene Aussprache in Rom über die wirklichen badischen Verhältnisse [hinweg gesetzt hätte], der Notwendigkeit zuvorzukommen, das man mit dem Kapitel einen Konflikt auszutragen hätte“93. Immerhin hatte er in Rom den Tipp bekommen, den diplomatisch äußerst versierten Breslauer Fürstbischof Kopp einzuschalten, was dann auch geschah. Inwieweit beim Kapitel sehr schnell etwas über die Mission Jagemanns durchsickerte oder aber ob Knecht und Werthmann angesichts dieses ja wie erwähnt schon mehrfach in den vergangenen Jahren angewandten diplomatischen Instruments der badischen Staatsregierung diesen Versuch der Ein-
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des war, vgl. Manderscheid; Hilpert, Werthmann, in: BBKL, Bd. 13 (1998), Sp. 890–895, u. Eder, Werthmann, in: LThK3 , Bd. 10 (2001), Sp. 111. Vgl. Eisendecher an Bismarck v. 18.9.1886, abgedruckt bei Kremer, Das Großherzogtum Baden in der politischen Berichterstattung , S. 315. So der Hinweis bei Fischer, Die Freiburger Erzbischofswahlen 1898, S. 20. Vgl. Kraus, Tagebücher, S. 678: Eintrag v. 3.11.1896. Ebd., S. 203. Hier auch das folg. Zit. Der Jesuit Andreas Steinhuber (1825–1907), 1867–1880 Rektor des Germanicum, 1894 Kardinal, vgl. Koch, Steinhuber, in: LThK, Bd. 1 (1930), Sp. 793. Kraus, Tagebücher, S. 204: Eintrag v. 3.11.1896.
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flussnahme ohnehin antizipierten, ist wohl nicht mehr ganz eindeutig zu klären94. Insofern kann es auch ein prophylaktischer Schachzug von Weihbischof Knecht gewesen sein, dass er Namens des Metropolitankapitels seine Wahl zum Kapitularvikar umgehend direkt dem Kardinalstaatssekretär anzeigte – üblich wäre lediglich eine Anzeige beim Nuntius in München gewesen – und gleichzeitig der Befürchtung Ausdruck gab, aus Karlsruhe würde man eventuell auf direkte Verhandlungen mit Rom setzen und das Kapitel seines Wahlrechts zu berauben versuchen95. Rampolla hingegen zeigte sich gegenüber jeglichem Zweifel erhaben, dass das Kapitelswahlrecht angetastet werden könnte. Die Domkapitulare sollten sich bemühen, dem Großherzog genehme Kandidaten auf die Liste zu setzen und diese zügig einzureichen, instruierte er den Domdekan im Gegenzug96. Nachdem der Termin der Listenaufstellung bereits für den 3. November 1896 anberaumt war, erhielt Kapitularvikar Knecht die plötzliche Aufforderung, sich exakt an diesem Tag bei Nuntius Andrea Aiuti in München einzufinden, der ihn dringlich zu sprechen wünsche. Wie aus Aiutis Rückmeldung nach Rom zu ersehen ist, entsprach dieses Treffen einem Wunsch des Kardinalstaatssekretärs97. Rampolla waren angesichts einer Unterredung mit dem inzwischen bei ihm eingetroffenen Unterhändler von Jagemann doch Bedenken gekommen, dass seitens des Kapitels eine staatliches Missfallen auslösende Liste eingereicht werden könnte. Bezeichnend für die Intention des Kapitularvikars erscheint es, die Kandidatenaufstellung im Metropolitankapitel gemäß Plan durchzuführen und damit dem Ansinnen des Nuntius nicht den eigentlich üblichen Gehorsam zu leisten. Obgleich Knecht sich wohl hat denken können, dass Aiuti eine römische Instruktion weiterzugeben hatte, entsandte er den ihm in der kirchenpolitischen Richtung eng verbundenen „Hofkaplan“ Werthmann nach München, worin ein Indiz für den unbedingten Willen zu sehen sein mag, ohne Beeinflussung von außen eine Liste zu erstellen. Insofern verfehlte auch die Empfehlung Aiutis, mindestens sechs Namen aufzunehmen und den Freiburger Ordinarius für Moraltheologie Paul Wilhelm Keppler neben Knecht und dem Domkapitular Schmitt in erster Linie zu berücksichtigen, ihre gedachte Wirkung auf das Kapitel. Zudem hatte Lorenz Werthmann sicherlich in Absprache mit Knecht die Episkopabilität des Domherrn Gutmann hervorgehoben. Zeitlich genau parallel zu dem Münchner Gespräch stellte das Metropolitankapitel eine Liste mit fünf Kandidaten auf98. Darunter waren allein drei Mitglieder aus den eigenen Reihen, nämlich neben Domdekan Friedrich Ju94
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Vgl. auch die schlüssigen Thesen von Fischer hierzu, in: Ders., Die Freiburger Erzbischofswahlen 1898, S. 23 u. 24, Anm. 74. Vgl. Metropolitankapitel Freiburg an Rampolla v. 24.10.1896, in: ASV SS, rubr. 255, fasc. 1. Vgl. Rampolla an Knecht v. 28.10.1896, ebd. Vgl. Aiuti an Rampolla v. 4.11.1896, in: ASV ANM 182. Vgl. Protokoll der Kapitelsitzung v. 3.11.1896, in: EAF, OR I/12a.
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stus Knecht die Domherren Joseph Gutmann und Jakob Schmitt. Die anderen beiden Kandidaten Anton Knörzer und Friedrich Werber lassen sich unter die Rubrik verdienter Pfarrseelsorger fassen. Auffällig erscheint die Tatsache, dass im Vergleich zur Wahlliste von 1886 dieses Mal keine nichtbadischen Staatsangehörigen nominiert wurden. Ob das Kapitel dabei einer entsprechenden Option aus dem Diözesanklerus folgte99, oder aber schlicht keine Konkurrenz zu dem als Favoriten gehandelten Weihbischof Knecht aufkommen lassen wollte, muss offen bleiben.
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oseph Gutmann100 wurde 1842 in Biengen geboren und erhielt 1865 die Priesterweihe in St. Peter bei Freiburg. Nach einer Vikarzeit in Überlingen und in Neuenburg sowie Tätigkeit als Hauslehrer in Nenzingen kam er 1867 als Pfarrverweser nach Stadelhofen, 1871 nach Liel und im Folgejahr nach Gottmadingen sowie 1879 nach Kürzell, um in der Folge rasch über Warmbach und Inzlingen nach Untersimonswald zu wechseln. 1885 wurde Gutmann in Freiburg zum Dr. theol. promoviert101 und übernahm 1889 die Pfarrei Merzhausen. Zwei Jahre später avancierte er zum Domkapitular in Freiburg und war dort bis 1894 zugleich Dompfarrer. Als Mitbegründer und Diözesanpräses der katholischen Arbeitervereine im Erzbistum war Gutmann ebenso über den lokalen Bereich hinaus hervorgetreten wie als Mitglied des Zentralkomitees der badischen Zentrumspartei. In einem Nachruf wurde hervorgehoben, dass er „mit einer außergewöhnlichen Energie und Arbeitskraft scharfen Verstand und eine gründliche Kenntnis der sozialen Fragen verband“102.
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rneut auf der Liste war Friedrich Justus Knecht verzeichnet, der inzwischen nicht nur 1893 die Würde eines Päpstlichen Geheimkämmerers (Monsignore) erlangt hatte, sondern zum Weihbischof avanciert war und zudem das Amt des Offizials bekleidete, also allein aufgrund seiner Aufgaben in der Verwaltung eine maßgebliche Figur in der Bistumsleitung war. Als gewisse staatliche Referenz vor seiner Person muss es wohl angesehen werden, dass er staatlicherseits anlässlich der 1896 erfolgten Vakanz der Domdekanstelle nicht zur „persona minus grata“ erklärt worden war und von Erzbischof Roos noch kurz vor dessen Tod diese Dignität verliehen erhielt. Der preußische Gesandte Eisendecher hatte Knecht in Berlin als „die Säule des Intransigententums im Domkapitel“103 bezeichnet.
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So behauptet jedenfalls Gutmann, Tagebuch, S. 12. Eintrag v. 3.11.1896. Zu Gutmann (1842–1900) vgl. Nachruf, in: FDA, Bd. 34 (1906), S. 3f. Vgl. Müller, Fünfhundert Jahre Theologische Promotion, S. 107. Der Titel der in der Zeitschrift Katholik, Jg. 1884, publizierten Diss. lautete: Der Fortschritt in der katholischen Glaubenslehre. Nachruf Gutmann, in: FDA, Bd. 34 (1906), S. 4. Eisendecher an Bismarck v. 25.12.1889, abgedruckt bei Kremer, Das Großherzogtum Baden in der politischen Berichterstattung, S. 437–439, hier S. 438.
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nton Knörzer104 wurde 1843 in Ebenheid bei Rauenberg als Sohn eines Landwirtes geboren. Mithilfe von Franziskanern in Miltenberg auf den Lyzeumsbesuch in Wertheim vorbereitet, studierte er Theologie in Freiburg und erhielt 1867 die Priesterweihe. Als Vikar bzw. Pfarrverweser in Waibstadt (nach 1870) geriet er wegen Unterlassens des vorgeschriebenen Gebetes für den deutschen Kaiser und den Großherzog in das Visier des Innenministers Jolly. 1875 wechselte er als Pfarrverweser nach Leutershausen und wurde fünf Jahre darauf Pfarrer in Kuppenheim. Auch wenn er bis zu diesem Zeitpunkt lediglich als Landpfarrer tätig war105, hatte er doch eine intensive Wirksamkeit auf sozialem Gebiet und im kirchlichen Vereinswesen entfaltet, die ihn in der Bischofsstadt hatte bekannt werden lassen. Der zuständige Landeskommissär charakterisierte ihn dann auch auf Anfrage aus dem Ministerium als „Mann von großer geistiger Begabung. ... In kirchenpolitischer Hinsicht vermeidet er zwar unnötigerweise hervorzutreten; er gilt aber dafür, durchaus von streng klerikaler Anschauung erfüllt und in dieser Richtung sowohl in der Presse als in sonstiger Weise tätig zu sein“106. In Karlsruhe musste besonders positiv wahrgenommen werden, dass „seine Stellung dem Hof gegenüber taktvoll und ruhig, grundsatzfest und würdig“107 war.
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akob Schmitt, der ja wie beschrieben gleichsam im Freudentaumel der Staatsregierung über die Erzbischofswahl von Roos 1886 als Domkapitular Akzeptanz gefunden hatte, war inzwischen auch zum Regens des Priesterseminars in St. Peter avanciert. Laut Eisendecher war Schmitt allerdings „ein unabhängiger Charakter, … aber in gewissen fixen Ideen befangen“108. Positiver urteilte Kraus über ihn als den eigentlichen Kopf der Verwaltung der Erzdiözese, der wesentlich klüger als Knecht sei109.
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riedrich Wilhelm Werber110 wurde 1843 in Ettenheim, einem Städtchen in Mittelbaden, als Sohn eines Gerbermeisters geboren. Über die Höhe-
Zu Knörzer (1843–1919) vgl. Hundsnurscher, Knörzer; u. Nachruf, in: FDA, Bd. 49 (1921), S. 46f. Erst 1900 wechselte Knörzer – nach einer Zwischenstation in Heddesheim – als Stadtpfarrer und Dekan an die Hauptkirche St. Stephan in der Residenzstadt Karlsruhe u. wurde 1902 zugleich Ehrendomherr in Freiburg. Vgl. ebd. Geh. Oberregierungsrat Becker an Ministerium v. 6.12.1896, in: GLA Karlsruhe 235/12893. Nachruf Knörzer, in: FDA, Bd. 49 (1921), S. 47. Eisendecher an Hohenlohe v. 27.10.1896, in: PA AA Baden, Nr. 32, Nr. 1, Bd. 2, abgedruckt bei Kremer, Das Großherzogtum Baden in der politischen Berichterstattung, S. 640–642, hier S. 641. Vgl. Eisendecher an Hohenlohe v. 29.10.1896, abgedruckt bei Kremer, Das Großherzogtum Baden in der politischen Berichterstattung, S. 642. Zu Werber (1843–1920), der 1902 mit dem Titel Geistl. Rat ausgezeichnet wurde u. 1919 in den Ruhestand trat und in Hegne lebte, vgl. Nachruf, in: FDA, Bd. 49 (1921), S. 64f., Götz, Werber, in: Badische Biographien, NF, Bd. 3 (1990), S. 287–289; u. Götz, Stotzingen
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re Bürgerschule seines Heimatortes und das Gymnasium in Freiburg kam er zum Theologiestudium und erhielt 1866 in St. Peter die Priesterweihe. Die Kaplansjahre führten Werber nach Bleichheim, Waldshut, wo er journalistische Erfahrungen bei der katholischen Zeitung „Der Trompeter von Säckingen“ sammelte, und 1870 nach Radolfzell am Bodensee. Dort machte er sich einen Namen weit über sein Wirkungsfeld als Gemeindeseelsorger hinaus, durch die Redaktion der ultramontanen katholischen Zeitung „Freie Stimme“, eine Aufgabe, die Friedrich Werber auch beibehielt, nachdem ihm 1879, wegen des Kulturkampfes endgültig erst 1887, die Pfarrstelle in Radolfzell übertragen worden war. Schon in Waldshut hatte er sich als Reaktion auf die staatlichen Kulturkampfmaßnahmen publizistisch bestätigt und war von der liberalen Presse als „Hetzkaplan“ beschimpft worden. In Radolfzell steigerte er die Abonnentenzahl der von ihm redigierten katholischen Zeitung innerhalb eines Vierteljahrhunderts von rund 2.100 auf 6.600. 1879 hatte ihn Papst Leo XIII. in Privataudienz als „gravis defensor ecclesiae“ gewürdigt, eine Anerkennung, die 1890 durch die Ernennung zum Päpstlichen Geheimkämmerer (Monsignore) auch eine äußere Form erhielt. Kurz gesagt war Werber, der sich auch selbst in der Retrospektive als „Ultramontaner jenseits der Berge“ bezeichnete, dezidiert romtreu. Immerhin wartete das Kapitel vor Übersendung der Liste nach Karlsruhe zunächst die Rückkehr Werthmanns aus München ab, sandte aber am Folgetag, also am 4. November 1896, die Liste an das Kultusministerium, ohne die Kandidatenzahl gemäß den Empfehlungen des Nuntius zu erhöhen und beispielsweise Keppler zusätzlich zu berücksichtigen111. Folgt man den Aufzeichnungen von Domkapitular Gutmann, der ja selbst unter den Kandidaten war, dann fürchtete man zum einen eine zu starke Abhängigkeit des Württembergers Paul Wilhelm Keppler von der katholischen Linie des Hauses Württemberg, zum anderen und insbesondere aber dessen engere Beziehung zu seinem Fakultätskollegen Franz Xaver Kraus112, der ja, was in Kapitelskreisen nicht verborgen bleiben konnte, auch in diese Wahl beeinflussend einzugreifen trachtete. Die von Rudolf Reinhardt unter Berufung auf Kepplers Tübinger Kollegenkreise angeführte Begründung, Keppler sei auf Grund jesuitischer Prägung nicht aufgestellt worden, entbehrt angesichts der strengkirchlichen Haltung im Metropolitankapitel wohl der Grundlage113. Gleichzeitig rechtfertigte Knecht gegenüber dem Nuntius dieses Vorgehen mit dem Argument,
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und Werber, in: Hegau, Bd. 38 (1981), S. 127–132. Außerdem gab Werber selbst in dem Artikel Ein Ultramontaner diesseits der Berge, o.J. (1920), über sein Leben Auskunft. Vgl. Domkapitel an Ministerium des Kultus v. 4.11.1896, in: GLA Karlsruhe 235/12893 v. 4.11.1896, u. Werthmann an Kapitel v. 4.11.1896, in: EAF, OR I/12a. Vgl. Tagebuch Gutmann, S. 13. Eintrag v. 4.11.1896. Vgl. Reinhardt, Tübinger Professoren, in: Theologische Quartalschrift, Bd. 159 (1970), S. 160–166, hier S. 166, Anm. 2.
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dass zumindest die drei Domkapitulare auf der Liste „personae gratae“ in Karlsruhe sein müssten, da sie ja auch für die Wahl des Kapitularvikars in Frage gekommen seien und hob die bei der Bestellung des Kapitularvikars erlebte Offenheit der Regierung hervor114. Außerdem würde jede Listenergänzung oder Schwankung von der Regierung als Uneinigkeit ausgelegt. Schließlich sei das Kapitel nicht gewillt, und das machte Friedrich Justus Knecht ganz deutlich, auf sein Wahlrecht zu verzichten. Der Kapitularvikar und Weihbischof nutzte die Gelegenheit auch, um sich für die Nichtaufnahme von Professor Paul Wilhelm Keppler auf die Wahlliste zu rechtfertigen. Er pflege einfach einen zu engen Konnex mit dem „noto liberale“ Franz Xaver Kraus, der in Karlsruhe alle Hebel in Bewegung gesetzt habe, um den Einfluss des Metropolitankapitels auf die Wahl zu minimieren. Zudem habe Keppler niemals eine politische Position bezogen. Erzbischof Aiuti zeigte sich in diesem Moment als bloßes Scharnier zwischen Freiburg und Rom, wenn er die Argumente des Kapitularvikars nicht nur unkommentiert und vor allen Dingen umgehend an Rampolla weiterreichte, sondern außerdem positiv verstärkte. Die beiden Kapitelskandidaten Gutmann und Schmitt seien politisch unbeleckt und „eccelenti persone“ 115. Vor allem aber Kapitularvikar Knecht, so schwärmte er, sei ein „egregio prelato“ und besitze die notwendige „altezza della posizione, per la sua qualitá e per la sua istruzione“. Letzteren würden auch die katholischen Zeitungen als Wunschkandidaten feiern. Knörzer und Werber hingegen könne er nicht beurteilen. Mittlerweile hatte der Großherzog ein Empfehlungsschreiben aufsetzen lassen, in dem keinerlei staatlicher Wunschkandidat namentlich benannt wurde, sondern ausschließlich die Bitte um einen „dignitaire ecclésiastique“116, die Wahl eines „prélat, qui possederait la confiance de Votre Sainteté ainsi que la Mienne“, ausgesprochen wurde. Dieses Schreiben traf noch so rechtzeitig in Rom ein, dass von Jagemann, der insgesamt mehr als vier Wochen in Rom verweilte, es bei seiner Papstaudienz am 9. November 1896 vorlegen konnte. Ob der Verzicht auf einen dezidierten Wunschkandidaten wirklich der Tatsache geschuldet war, dass der Großherzog sich aufgrund seiner Erkrankung überhaupt nicht näher mit der Thematik hatte befassen können, wie es Jagemann Leo XIII. erklärte, oder ob es sich dabei um einen bewussten Schachzug handelte, um dem Heiligen Vater die prinzipielle Offenheit der Staatsregierung in dieser kirchlichen Personalentscheidung zu signalisieren, muss Spekulation bleiben. Wie der preußische Gesandte von Eisendecher in Karlsruhe erfahren haben wollte, habe sich der Papst dem von Jagemann vorgetragenen Anliegen gegenüber aufgeschlossen gezeigt, sogar die Ergänzung der Liste – wie sie ja auch schon zuvor von Aiuti dem Metropolitankapitel angeraten worden war 114 115 116
Vgl. Knecht an Aiuti v. 4.11.1896, in: ASV ANM 182. Hier auch das folg. Zit. So Aiuti an Rampolla v. 6.11.1896, ebd. Allerhöchstes Schreiben Friedrichs I. von Baden v. 4.11.1896, abgedruckt bei Fischer, Die Freiburger Erzbischofswahlen 1898, S. 29, Anm. 102.
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– in Aussicht gestellt, jedoch ebenso betont, dass der Heilige Stuhl in dieser Hinsicht dem Kapitel keine Weisungen erteilen könne117. Jagemann hatte im Übrigen auch vorgebracht, seine Regierung sei enttäuscht darüber, dass diesmal nur fünf Namen auf der Liste stehen würden, darunter einige, die bereits zehn Jahre zuvor als minder genehm beschieden worden seien. Wie Minister Nokk später dem preußischen Gesandten in Karlsruhe deutlich machte, habe Jagemann in Rom ausdrücklich nur einen der Listenkandidaten als persona gratissima bezeichnet und nicht, wie im Staatssekretariat in der Folge lange Zeit angenommen worden sei, zwei der Kapitelskandidaten118. Dies bezog sich wohl vornehmlich auf den als dezidiert ultramontan geltenden Weihbischof Knecht und den Domkapitular Schmitt. Die Kurie war aber sichtlich nicht gewillt, einen Konfrontationskurs zu fahren, und verzichtete darauf, anzumerken, dass in der Vergangenheit zwei Mal, und zwar sowohl bei der Wahl 1882 sowie anlässlich der zwischenzeitlichen Listeneinreichung 1874, eine Fünferliste vorgelegt und keineswegs beanstandet worden war. Auf Anweisung der Kurie119 griff Nuntius Aiuti erneut vermittelnd ein und empfahl dem Metropolitankapitel, die Liste zu ergänzen, um den Handlungsspielraum der Regierung zu erweitern120. Wohlgemerkt handelte es sich dabei um eine Empfehlung, nicht aber um eine Anweisung seitens des Heiligen Stuhls. Innerhalb des Kapitels lehnte man diesen Vorschlag jedoch deswegen ab, weil er einen Präzedenzfall heraufbeschwören könnte. Bezeichnend dafür, dass die Freiburger Domherren – und hier in erster Linie der für das Metropolitankapitel handelnde Domdekan und Kapitularvikar Knecht – den Nuntius offenbar nicht so recht als weisungsberechtigten Partner akzeptieren mochten, erscheint es, wenn das umgehende Rechtfertigungsschreiben mit der Ablehnung einer Listenergänzung eben direkt an Kardinalstaatssekretär Rampolla gerichtet wurde121. Schon in diesem Brief war eine Ersetzung des Listenkandidaten Domkapitular Schmitt, der aus Gesundheitsgründen ohnehin nicht zur Disposition stehen würde, durch einen anderen Geistlichen als denkbar bezeichnet worden122, ohne dass dieses Angebot auf Resonanz gestoßen wäre. Interessanterweise bemühte sich jetzt Aiuti, obwohl oder gerade weil er aus Freiburg ignoriert wurde, eigenständig um Lösungsmöglichkeiten, indem er dem Kardinalstaatssekretär vorschlug, als Nichtdiözesanangehörige die Suf117
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Vgl. Eisendecher an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 12.11.1896, in: Kremer, Das Großherzogtum Baden in der politischen Berichterstattung , Bd. 1, S. 645f. Vgl. Eisendecher an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 30.1.1898, in: PA AA Baden, Nr. 24. Vgl. Telegramm Rampollas an Aiuti v. 10.11.1896, in welchem das Missfallen des Großherzogs über die eingereichte Liste thematisiert wurde, in: ASV ANM 182. Vgl. Aiuti an Metropolitankapitel v. 11.11.1896, in: EAF, OR I/12a, Entwurf, in: ASV ANM 182. Metropolitankapitel an Rampolla v. 13.11.1896, in: ASV SS, rubr. 255, fasc. 1. Hierauf verweist Großmann, S. 390, Anm. 287. Vgl. auch Fischer, Die Freiburger Erzbischofswahlen 1898, S. 41.
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fraganbischöfe Georg Ignaz Komp von Fulda und Karl Klein von Limburg, dazu aber auch den Kölner Weihbischof Hermann-Joseph Schmitz in Betracht zu ziehen123. Diese Initiative aus München war also gleichsam eine Schützenhilfe für die Intentionen aus Karlsruhe, stieß aber in Rom auf Zurückhaltung124. Hinzu kam, dass Aiuti kurze Zeit später als Nuntius durch Benedetto Lorenzelli125 abgelöst wurde. Eisendecher hatte auch den Zentrumsprälaten Lender auf der Liste vermutet, von vornherein aber ausgeschlossen, dass er der Favorit des Metropolitankapitels wäre126. Dass sich die Freiburger Bischofsstuhlbesetzung hinauszögerte, lag an der passiven Haltung der Regierung, die sich in Schweigen hüllte und die Liste einfach nicht an das Kapitel zurückgab. Wie Eisendecher nach Berlin mitteilte, war es durchaus Absicht, in Karlsruhe keine Eile an den Tag zu legen, die Personalfrage aber gewissermaßen auszureizen, zumal anders als ein Jahrzehnt zuvor keine staatlich genehmen Mittelsmänner mehr greifbar seien127. Offensichtlich spielte bei dieser Taktik der Tipp von Kraus eine Rolle, man solle in Karlsruhe einfach abwarten, bis in Rom ein neuer Papst regiere, der einen offeneren Kurs gegenüber staatlichen Interessen fahre als Leo XIII. Letztlich lag Kraus mit dieser Intention dahingehend falsch, dass der seiner Einschätzung nach kurz vor dem Tod stehende 86-jährige Heilige Vater noch sieben Jahre leben und regieren sollte. Dass das Metropolitankapitel diesen Grund für die Passivität in Karlsruhe an Leo XIII. meldete, kann man ihm angesichts seiner Verärgerung über den Stillstand in der wichtigen Personalangelegenheit keineswegs verdenken. Allerdings verfehlte die Nachricht das geplante Ziel, den Papst zu einem Ultimatum an die Regierung zu bringen und für den Fall des Verstreichens der Frist das Kapitel zu autorisieren, die Liste als genehm anzusehen und zur Wahl zu schreiten128. Die Regierung zog sich schließlich mit der Bemerkung aus der Affäre, der Großherzog sei erkrankt und außerdem seien Stellungnahmen der Regierungen zu den einzelnen Kandidaten nicht rechtzeitig eingetroffen. Dass man in Karlsruhe in Wahrheit vornehmlich einen weiteren Erfolg der Verhandlungen Jagemanns mit der Kurie abwarten wollte, wurde verschwiegen. 123
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Vgl. Aiuti an Rampolla v. 14.11.1896, in: ASV SS, rubr. 255, fasc. 1 u. Entwurf, in: ASV ANM, busta 182, pos. XIV. Vgl. Rampolla an Aiuti v. 16.11.1896, ebd. Zu Lorenzelli (1853–1915), 1896–1899 Nuntius in München, anschließend Nuntius in Paris, 1907 Kurienkardinal, vgl. de Marchi, Le Nunziature Apostoliche, S. 58, u. Greipl, Die Bestände der Münchner Nuntiatur, in: RQ, Bd. 78 (1983), S. 192–269, hier S. 247. Vgl. Eisendecher an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 27.10.1896, in: PA AA Baden, Nr. 32, Nr. 1, Bd. 2, abgedruckt bei Kremer, Das Großherzogtum Baden in der politischen Berichterstattung, S. 640–642, hier S. 641. Vgl. Eisendecher an Hohenlohe v. 27.10.1896, ebd. So schreibt Gutmann, Tagebuch, S. 23. Eintrag v. 2.1.1887.
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Als Staatskandidat war zu diesem Zeitpunkt ebenso der Freiburger Pastoraltheologe Professor Cornelius Krieg129 im Gespräch. 1838 in Weisenbach im Murgtal geboren, hatte er in Rastatt sein Abitur abgelegt und in Freiburg zunächst Philologie, dann Theologie studiert. Nach der 1866 erfolgten Priesterweihe und Vikarstätigkeiten in Hilsbach, Ersingen und Wiesenthal absolvierte Krieg ab 1868 ein Philologiestudium in Bonn, um nach Ablegen des Staatsexamens Lehrer, bald darauf auch Direktor einer Geistlichen Bildungsanstalt in Breisach zu werden. Weil diese Schule im Kulturkampf schließen musste, nutzte er die neben einer seelsorglichen Tätigkeit in Gesingen verbleibende Zeit, um in Heidelberg zum Dr. phil. zu promovieren130. Nach drei Jahren als Pfarrer in Ebnet bei Freiburg widmete sich Cornelius Krieg einer theologischen Promotion, die er 1880 in Freiburg abschließen konnte131. Dort wurde ihm daraufhin auch ohne Habilitation die venia legendi erteilt und er lehrte nicht nur Pastoraltheologie und Pädagogik an der Katholisch-Theologischen Fakultät, sondern rückte nach einigen Schwierigkeiten 1888 auch auf die entsprechende ordentliche Professur auf. Dass er staatlicherseits „persona grata“ war, bezeugt die Verleihung des Kommandeurkreuzes II. Klasse des Zähringer Löwenordens. Im Dezember 1896 unternahm dann der Großherzog selbst einen Vorstoß, indem er erstmals eine Präferenz erkennen ließ, und zwar für den Bischof von Straßburg, Adolf Fritzen. In Berliner Zentrumskreisen wurde wohl in diesem Zusammenhang kolportiert, Fritzen oder sein Weihbischof Marbach würden nach Freiburg transferiert und Weihbischof Knecht käme im Gegenzug nach Straßburg132. In Rom, wohin Nuntius Andrea Aiuti bereits einen Tag nach der Listenaufstellung hierüber Mitteilung gemacht hatte133, wurde derweil von dem früheren Münchner und mittlerweile Wiener Nuntius Antonio Agliardi der frühere Erzbischof von Bukarest, Otto Zardetti134, ins Spiel gebracht. Zardetti, ein gebürtiger Schweizer aus St. Gallen, Jahrgang 1847, war 1876 Domkapitular seines Heimatbistums geworden, fünf Jahre darauf allerdings in die USA gegangen, um Professor am Priesterseminar in Milwaukee zu werden. 1889 hatte ihn Papst Leo XIII. zum Bischof der amerikanischen Diözese St. Eland im 129 130
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Zu Krieg vgl. Kraft, Briefwechsel Krieg-Schrörs, hier insbes. S. 134–137. Die philosophische Promotionsschrift von Krieg trägt den Titel: De servitute ex iure gentium, Heidelberg 1876. Vgl. Müller, Fünfhundert Jahre Theologische Promotion, S. 105. Der Titel der theol. Diss. lautete: Die theologische Erkenntnislehre des hl. Chrysostomus. Vgl. Jagemann an Brauer v. 14.12.1896, abgedruckt bei Fuchs, Großherzog Friedrich I. von Baden und die Reichspolitik, Bd. 3, S. 578. Vgl. Aiuti an Rampolla v. 4.11.1896. Entwurf, in: ASV ANM, busta 182, pos. XIV. Zu Zardetti, der 1902 verstarb, vgl. DBE2, Bd. 10 (2008), S. 800.
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Bundesstaat Minnesota ernannt und 1894 als Erzbischof in die rumänische Hauptstadt Bukarest transferiert. Nicht zuletzt die Tatsache, dass Zardetti dort bereits nach einjähriger Amtszeit resigniert hatte und mit dem Titel eines Titularerzbischofs von Mocissus versehen als Kanonikus an der Basilika Santa Maria Maggiore in Rom lebte, deutet auf eine schillernde Persönlichkeit hin, der gesamte Lebenslauf ist von Brüchen durchzogen. In Karlsruhe hatte bereits im Dezember 1896 der katholische Fürst Karl von Hohenzollern-Sigmaringen für Zardetti Werbung gemacht135 und diesem offenbar eine Kur in Erlenbad im Schwarzwald vermittelt, während der er den Zentrums-Reichstagsabgeordneten Dekan Lender im nahen Sasbach besuchte136. Otto von Bülow berichtete nach Berlin, dass Agliardi ihm gegenüber geradezu für Zardetti geworben habe. „Die deutschfreundliche Gesinnung …, seine gemäßigte kirchliche Richtung und seine milde, doch zugleich feste Haltung ließen denselben in seinen (Agliardis) Augen für den Freiburger erzbischöflichen Stuhl ganz besonders geeignet erscheinen. Eine ebenso günstige Ansicht über diesen Prälaten hege der König Carl von Rumänien …“137. Letzterer war im Übrigen ein Prinz aus dem Haus Hohenzollern-Sigmaringen und somit ursprünglich ein Freiburger Diözesanangehöriger gewesen, wodurch sich seine Aufgeschlossenheit für diese doch aus Bukarester Sicht geographisch recht weit entfernte Personalangelegenheit erklären lassen wird. Grundsätzlich zeigte sich der Gesandte von dem Vorschlag nicht zuletzt deshalb angetan, weil Agliardi als früherer Nuntius in München Land und Leute kannte. Auf das von Bülow dennoch geäußerte Bedenken – sein Gewährsmann Prälat de Montel hielt Zardetti keinesfalls für geeignet – , dass Zardetti, der als freiheitsliebender Schweizer mit langjährigem USA-Aufenthalt doch republikanisch geprägt sein müsste, denn überhaupt fähig sei, sich in einer Monarchie zurecht zu finden, führte Kardinal Agliardi an, dass Zardetti „am rumänischen Hofe … persona gratissima“ gewesen sei. Die ausschlaggebende aktive Rolle in der Besetzungsfrage nahm aber Kultusund Staatsminister Nokk ein, dessen Haltung zu Kapitularvikar Knecht im Laufe des Jahres 1896 einen Wandel erfahren hatte. Hatte sich Nokk anfänglich den Weihbischof noch als neuen Erzbischof vorstellen können, so suchte er spätestens zum Jahreswechsel – vielleicht auch angesichts der Erkenntnis, dass Jagemann in Rom „so gut wie nichts erreicht“138 hatte und seine Mission keinerlei Früchte hinsichtlich einer Erweiterung der Liste zu zeigen schien – die Liste zu torpedieren. Nur so ist es zu erklären, dass ihm am 5. Januar 1897 erstmals einfiel, einen Formfehler konstatieren zu müssen, weil das Metro135 136
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So Tagebuch Gutmann, S. 48, Eintrag v. 19.12.1896. Vgl. den Bericht Eisendechers an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 5.3.1897, in: PA AA Baden, Nr. 24. Bülow an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 18.2.1897, ebd. So das deutliche Urteil von Stezenbach, Nörber, S. 13.
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politankapitel seinen Vorschlag nicht an den – zum damaligen Zeitpunkt erkrankten – Großherzog, sondern an das Ministerium adressiert hatte139. Und einige Wochen später, im Februar 1897 stellte Nokk sich auf den Standpunkt, die Dreimonatsfrist, binnen derer eine Wahlliste dem Kapitel zurückgegeben werden müsse, sei in Baden nicht bindend140. Hintergrund waren wohl Berichte der Zentrumspresse und der liberalen Presse, in denen ein Übergang der Ernennung an den Papst konstatiert worden war, da die Regierung die Dreimonatsfrist habe verstreichen lassen141. Das Argument des Formfehlers habe sogar die Kurie akzeptiert, berichtete der preußische Gesandte von Bülow aus Rom nach Berlin142, weshalb sie durch den neuen Nuntius Lorenzelli gleichsam als Kompensation die Ergänzung der Wahlliste um drei Bischöfe forderte. Das Beispiel dieser offenbar von Montel empfangenen Informationen zeigt die Melange von Wahrheit und Gerücht in der diplomatischen Szenerie. Denn anscheinend bezog sich die Information über die Ergänzungsvorschläge auf die Bischöfe von Fulda und Limburg, Komp und Klein, sowie den Kölner Weihbischof Schmitz, die ja aber bereits von Nuntius Aiuti genannt worden waren, ohne dass zu diesem Zeitpunkt staatlicherseits bereits ein Formfehler im Verfahren beklagt worden war. Den oben erwähnten Wechsel in der Person des Münchner Nuntius nahm Nokk zum Anlass, den badischen Gesandten in der bayerischen Landeshauptstadt, Ferdinand Freiherr von und zu Bodman143, mit Vermittlungstätigkeiten zu beauftragen. Als Hintergrund gab er an, dass man in Karlsruhe im Falle der Ernennung eines schwachen Erzbischofs fürchtete, dass der badische Zentrumsführer Theodor Wacker144 diesen beherrschen würde. Bodman intervenierte wiederholt bei Nuntius Lorenzelli dahingehend, dass die Liste des Kapitels um einige Namen ergänzt werden müsse. Als dann am 16. Februar 1897 Domkapitular Gutmann als Vertreter des Metropolitankapitels beim Nuntius weilte, machte er dem Vatikandiplomaten nachdrücklich klar, dass das Kapitel keinen Zentimeter von seiner Linie abrücken werde. Diese Regel habe auch der verstorbene Erzbischof Hermann von Vicari während des Badischen Kirchenkampfes der 1850er und 1860er Jahre letztlich erfolgreich beherzigt und „auch jetzt noch gelte für den Erzbischof von
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Vgl. Nokk an Metropolitankapitel v. 5.1.1897, EAF, B 1–93. Vgl. Nokk an Metropolitankapitel o.D. (Februar 1897), zit. bei Fischer, Die Freiburger Erzbischofswahlen 1898, S. 46f. Hierüber Eisendecher an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 9.2.1897, in: PA AA Baden, Nr. 32 Vgl. Bülow an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 9.2.1897, ebd. Zu Bodman (1839–1920), 1894–1908 badischer Gesandter in Stuttgart, vgl. DBE, Bd. 1 (2005), S. 755. Zu Wacker (1845–1921) vgl. Bender/Sepaintner, Wacker, in: Badische Biographien, Bd. 2 (1987), S. 294–297; u. DBE, Bd. 10 (2008), S. 330. Zu Wackers Politik vgl. auch Bachem, Vorgeschichte, Geschichte und Politik der Deutschen Zentrumspartei, Bd. 8, S. 128–130.
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Freiburg: toujours en vedette“145. Wenn also dem Freiburger Kapitel für seine Haltung in der Besetzungsfrage nach dem Tod des Erzbischofs Roos in der Retrospektive häufiger das Verdikt der Passivität und Starrheit ausgesprochen wurde, so erscheint dieses Urteil ein wenig kurzsichtig. Befördert wurde es durch Berichte der liberalen Presse weit über Baden hinaus, die beispielsweise unter der Überschrift „Ultramontane Kriegsführung“146 massiv dazu beitrugen, nachdrücklich das Bild einer von den Domherren initiierten Kontroverse zu zeichnen. Das Standhalten gegenüber dem beständigen, von der Regierung über die Kurie bzw. den Nuntius ausgeübten Druck zur Listenergänzung entsprach einer traditionsreichen Praxis im Staat-Kirche-Konflikt. Im Metropolitankapitel selbst herrschte Zufriedenheit über die Tatsache, dass Weihbischof Knecht die Geschäfte als Bistumsverweser führte. Darüber hinaus genoss Knecht auch in der katholischen Bevölkerung große Sympathien. Sollte sich dort zunehmender Unmut über die Verschleppung der Neubesetzung breit machen, dann würde sich dieser angesichts der Kulturkampfstimmung ohnehin gegen den Staat richten und zudem bei den anstehenden Wahlen niederschlagen. Da die Regierung aber letztlich auf das katholische Lager angewiesen sei, würde sie – so die Taktik des Domkapitels – spätestens im Vorfeld der Wahlen einlenken. Für den preußischen Gesandten von Eisendecher fehlte „hier zu Lande vielfach die erwünschte Sachlichkeit und Vornehmheit des Tones“147. Das dennoch von Gutmann wiederholte Angebot einer Streichung eines Kandidaten, um einen neuen Kandidaten auf der Fünferliste platzieren zu können, wies Nuntius Lorenzelli zu diesem Zeitpunkt noch zurück. Großherzog wie Minister war bald deutlich, dass der Nuntius natürlich zwischen den Stühlen saß und nicht mehr tun konnte, als dem Metropolitankapitel gegenüber Empfehlungen auszusprechen. Zudem war Lorenzelli zu kurz in Deutschland, um zu einer eigenen Einschätzung der Situation zu gelangen bzw. eigenständig Kandidaten für den Metropolitansitz ins Gespräch zu bringen und bei der Kurie durchzufechten. Wesentlich erfolgreicher erschien ihnen dagegen eine Vermittlungstätigkeit durch den Breslauer Fürstbischof Georg Kardinal Kopp, dessen Ruf als geschickter Unterhändler zwischen Kirche und Staat über Preußen hinaus die Runde gemacht hatte. Diesen Tipp soll Jagemann in Rom von einem Monsignore – wahrscheinlich war es Montel – erhalten haben148. 145
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148
Joseph Gutmann, Bericht über die Audienz bei Nuntius Lorenzelli in München v. 16.2.1897, in: EAF, B 1–93. So die „Allgemeine Zeitung“ aus München am 13.4.1897. Eisendecher an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 5.3.1897, in: PA AA Baden, Nr. 32, Nr. 1, Bd. 3, u. Kremer, Das Großherzogtum Baden in der politischen Berichterstattung, S. 650– 652. Vgl. auch das Schreiben v. 15.1.1897, ebd., S. 650. Vgl. Stezenbach, Nörber, S. 13.
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Am 28. Februar 1897 kam der Ministerialrat Wilhelm Hübsch149, „einer der fähigsten badischen Diplomaten“150, nach Breslau, um den Kardinal im Auftrag seiner Regierung zu bitten, sich in Rom nachdrücklich für eine Erweiterung der Fünferliste um einheimische oder aber auch auswärtige Kandidaten stark zu machen. Kopp fühlte sich offensichtlich geschmeichelt, dass er einen Dienst übernehmen sollte, der eigentlich dem Nuntius zustand, und legte sogleich dem Kardinalstaatssekretär eine rasche Lösung der Problematik nahe151. Kopp hatte aber nicht mit dem Widerstandswillen Lorenzellis gerechnet, der die Bedeutung seiner eigenen Vermittlerposition auf Nachfragen Rampollas deutlich hervorkehrte und den Kardinalstaatssekretär davor warnte, die komplizierte Verhandlungsmaterie über Breslau laufen zu lassen. Das wäre Wasser auf die Mühlen der Befürworter Zardettis als Erzbischof, argumentierte der Nuntius in dem Wissen, dass Rampolla den Schweizer Erzbischof nicht auf dem Metropolitansitz haben wollte152. Ob Lorenzelli diese Falschinformation bewusst oder unbewusst in der Kurie ausspielte, bleibt unklar. Jedenfalls erwies sich auch Kopp als Gegner der Nomination des vormaligen Bukarester Erzbischofs und hatte Großherzog Friedrich I. davon deutlich abgeraten, weil Zardetti „ein viel zu unruhiger Kopf [sei, der] sich auf allen seinen früheren Posten mit seiner Umgebung zwecklos überworfen habe“153. Möglicherweise spielte bei dem Scheitern des Eingreifens durch Kardinal Kopp auch eine nicht zu vernachlässigende Rolle, dass Hofkaplan Werthmann inzwischen bei dem ihm vertrauten deutschen Kurienkardinal und Jesuiten Andreas Steinhuber dahingehend interveniert hatte, dass die Kurie keinesfalls den Karlsruher Versuchen Entgegenkommen zeigen dürfe154. Dennoch versuchte der mit allen kirchenpolitischen Wassern gewaschene Breslauer Fürstbischof durchaus, aus seinem aus Karlsruhe erhaltenen Auftrag auch in Berlin Profit zu schlagen. Als der Vatikangesandte Otto von Bülow den Kardinal im Sommer 1897 auf dessen Sommerresidenz Schloss Johannesberg bei Jauernig in Österreichisch-Schlesien besuchte, informierte Kopp ihn detailliert über die Mission von Hübsch, um als Quintessenz herauszustellen, dass die badische Regierung eben schlechte Erfahrungen mit der Durchsetzungsfähigkeit des Nuntius gemacht habe und deshalb ihn als Mittelsmann 149
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154
Zu Hübsch (1848–1928), 1893 Ministerialrat, 1901 Ministerialdirektor im badischen Kultusministerium, der 1915–18 letzter Kultus- u. Justizminister des Großherzogtums werden sollte, vgl. Leiser, Minister des Großherzogtums Baden, in: Schwabe (Hrsg.), Die Regierungen der deutschen Mittel- und Kleinstaaten, S. 219–229, hier S. 224. Stezenbach, Nörber, S. 13. Vgl. Kopp an Rampolla v. 1.3.1897, in: ASV SS, rubr. 255, fasc. 1. Vgl. Lorenzelli an Rampolla v. 11.3.1897, ebd. So berichtete jedenfalls Kopp an Bülow. Bülow an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 28.7.1897, in: PA AA Baden, Nr. 32. Vgl. Werthmann an Steinhuber v. 12.3.1897, zit. nach Fischer, Die Freiburger Erzbischofswahlen 1898, S. 45. Zur Rolle Steinhubers in dieser Personalfrage vgl. jetzt Gröber, Römisches Tagebuch, S. 339.
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zum Vatikan auserkoren habe155. Damit machte der Breslauer Fürstbischof zugleich Reklame für seine Vermittlertätigkeit, deren Ruf über die Grenzen Preußens hinausgehe, ohne den bisher keineswegs absehbaren Erfolg in der Freiburger Mission zu erwähnen. Gleichzeitig nutzte er die Gelegenheit, um seine personalpolitischen Erwägungen darzulegen und über Bülow an den Reichskanzler zu lancieren. Während der Kardinal in einem Gespräch mit dem badischen Gesandten in Berlin, von Jagemann, in besonderer Weise den Rottenburger Bischof Paul Wilhelm Keppler als Nachfolger auf dem Freiburger Erzbischofsstuhl empfohlen hatte156, ließ er von Bülow wissen, er bevorzuge eigentlich den Bischof von Paderborn, Hubert Simar, „für den er in jeder Beziehung einstehen könne“157. Doch besser auf dem Kölner Stuhl sei Simar aufgehoben, womit die Verquickung der Besetzungsfragen in Freiburg und Köln einmal mehr deutlich wurde. Keine Hinweise finden sich in den Korrespondenzen zwischen Vatikan und Regierung darüber, dass 1897 der Fürstbischöfliche Delegat für Brandenburg und Pommern und Propst an St. Hedwig in Berlin Joseph Jahnel158 als Erzbischofskandidat im Gespräch gewesen sein soll159, von dem es in einer Charakterisierung von 1890 seitens der zuständigen preußischen Behörde geheißen hatte, er habe sich „bisher als zuverlässig erwiesen“160. Großherzog Friedrich I. erwog in der Folge ein erneutes Schreiben an Leo XIII., um gleichsam von Souverän zu Souverän seinem Anliegen Nachdruck zu verleihen, das bereits im Entwurf vorlag161. Darin beklagte er mit Blick auf die Haltung des Kapitels eine „Agitation von geistlicher Seite“. Diese „gehe Hand in Hand mit der Demokratie, welche hoffe, in der Beunruhigung der Gemüter Verwirrung zu erzeugen“. Wenn Friedrich I. auf diese Weise versuchte, in Rom die beharrende Haltung Knechts und seines Kapitels in den Kontext einer dem Charakter der badischen Monarchie entgegenstehenden Demokratisierungsbewegung zu stellen, erscheint dies reichlich überzeichnet. Jedenfalls gehört die These einer Koalition kirchenfeindlicher Sozialdemokraten, antiklerikaler Linksliberaler und ultramontaner Katholiken dem Reich der Legende an. Dass solche Befürchtungen allerdings nicht allein vom 155 156 157 158
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Vgl. Bülow an Hohenlohe-Schilllingsfürst v. 28.7.1897, in: PA AA Baden, Nr. 32. Vgl. Ebd., S. 208. Bülow an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 28.7.1898, ebd. Zu Jahnel (1834–1897), seit 1888 Propst u. Delegat in Berlin, vgl. Gatz, Jahnel, in: Ders., Bischöfe, S. 346, u. Rothe, Jahnel, in: Stasiewski (Hrsg.), Beiträge zur schlesischen Kirchengeschichte, S. 506–510. Vgl. Rothe, Jahnel, S. 510, Anm. 17. Charakterisierung aller preußischen Domkapitulare v. Januar 1890, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2. Vgl. Entwurf des Schreibens von Friedrich I. an Leo XIII. o.D., abgedruckt bei Fuchs, Großherzog Friedrich I. von Baden und die Reichspolitik, Bd. 4, S. 58. Hier auch die folg. Zit.
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Großherzog gehegt wurden und aus politischem Kalkül resultierten, machen die Memoiren des Diplomaten von Jagemann deutlich: Von einem auswärtigen Minister gefragt, „was Baden denn politisch von einem Bischof verlange, antwortete ich ihm, dass er, bzw. unter seiner Regie, das Zentrum nicht mit den Sozialdemokraten gemeinsame Sache gegen die staatstreuen Parteien mache“162. Es war wohl die nüchterne Taktik des vom Großherzog erneut um Hilfe gebetenen Kardinals Kopp, die Sache doch nicht zu beschleunigen, sondern abwarten zu können, die das badische Staatsoberhaupt bewog, nicht nochmals an den Papst zu schreiben163. Im Februar 1897 entsandte das Metropolitankapitel – wie erwähnt – sein Mitglied Joseph Gutmann zum Münchner Nuntius mit dem Vorschlag einer Listenergänzung, diesmal durch Kandidaten aus den Diözesen Trier und Rottenburg. Die Listenergänzung verstand Lorenzelli als kirchliches Entgegenkommen, woraufhin dann eine Verständigung mit dem Staat über den zu wählenden Kandidaten erfolgen könne. Allein dies lehnte Domkapitular Gutmann ab, weil dem Kapitel doch die freie Wahl seitens Rampollas zugesichert worden sei. Im Übrigen würde sonst alles auf Professor Krieg oder Professor Keppler hinauslaufen. Wie der preußische Gesandte Eisendecher Anfang März 1897 aus Karlsruhe nach Berlin meldete, habe ihm Staats- und Kultusminister Nokk gesprächsweise mitgeteilt, dass seine Sympathien dem Fuldaer Bischof Georg Ignaz Komp gehörten, während er Adolf Fritzen nicht so gerne in Freiburg sähe, obwohl ihn der Statthalter von Elsass-Lothringen in Straßburg gerne loswerden würde164. Im Juni 1897 wurde aus Rom signalisiert, dass mit einer längeren Nichtbesetzung des erzbischöflichen Stuhles gerechnet werde. Kardinalstaatssekretär Rampolla erteilte Kapitularvikar Knecht weiterreichende Vollmachten und machte damit noch einmal deutlich, dass er dessen Interimsregierung der Erzdiözese nachdrücklich stützte165. Im August 1897 solidarisierten sich die Domkapitel der vier Freiburger Suffraganbistümer Fulda, Limburg, Mainz und Rottenburg mit dem staatlicherseits zunehmend bedrängten Freiburger Metropolitankapitel. Sie drückten ihre Anteilnahme aus, „dass wir diese Wahlverzögerung schwer mitempfinden und auf das tiefste beklagen“166.
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Jagemann, Fünfundsiebzig Jahre des Erlebens und Erfahrens, S. 100. Vgl. hierzu Fischer, Die Freiburger Erzbischofswahlen 1898, S. 55. Vgl. Eisendecher an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 5.3.1897, in: PA AA Baden, Nr. 32. Vgl. Rampolla an Knecht v. 18.6.1897, in: EAF, B 1–93, u. Kommentar der Germania v. 26.9.1897. Adresse der Domkapitel von Fulda, Limburg, Mainz u. Rottenburg an das Freiburger Metropolitankapitel v. 21.-24.8.1897. Wortlaut bei Fischer, Die Freiburger Erzbischofswahlen 1898, S. 52, Anm. 247.
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Der Karlsruher Ministerialrat Hübsch korrespondierte im Auftrag seiner Regierung mit Kardinal Kopp. Seinen Informationen zufolge waren nur zwei Kandidaten von der Liste überhaupt „personae gratae“, von denen einer, nämlich Knörzer, offensichtlich aufgrund seiner politischen Zurückhaltung große Sympathie genieße, aber noch zu jung sei. Ganz offenbar befürchtete die Regierung eine Beherrschung des neuen Erzbischofs durch den früheren Hofkaplan Lorenz Werthmann167, der keinen Hehl aus seiner Ablehnung des badischen Vorgehens direkter Geheimmissionen nach Rom bei Sedisvakanzen machte. Beide Interventionen verliefen aber letztlich ergebnislos. Für Franz Xaver Kraus war das Vorgehen der badischen Regierung im Vorfeld der Bischofsstuhlbesetzung geradezu vorbildlich und erschien ihm auf die zu erwartende Neubesetzung des wichtigeren Erzbistums Köln übertragbar168. Allerdings musste Kraus einen Monat später gegenüber dem Kanzler zugeben: „In unserer Freiburger Erzbischofsangelegenheit bewegt sich nichts“169, da Nuntius und Kurie der Überzeugung seien, dass der Kirchenstaat bald restituiert werde und es dazu auch keiner politischen Freunde, etwa des Großherzogs von Baden, bedürfe. Für Eisendecher erwiesen sich dann auch die „auf einen schließlichen Erfolg der Mission Jagemann gesetzten Hoffnungen … mehr und mehr als trügerisch“170. In der Kurie stieß die Freiburger Fünferliste auch deshalb auf Missfallen, weil sie nur Freiburger Diözesanpriester enthielt und die Suffraganbischöfe der Oberrheinischen Kirchenprovinz unberücksichtigt ließ171. Ein Metropolitansitz erschien etwa dem für die Angelegenheit zuständigen Monsignore Giacomo della Chiesa, dem nachmaligen Papst Benedikt XV., so hochrangig, dass für dessen Besetzung vornehmlich Diözesanbischöfe in Frage kamen. Allerdings stand diese etwas kosmopolitischere Sicht dem deutschen Territorialprinzip, dem gemäß der Landesherr möglichst ein Mitglied seines Staatsverbandes auf dem Bischofsstuhl sehen wollte, prinzipiell entgegen. Dass die Staatsregierungen in der Zulassung „ausländischer“ deutscher Kandidaten eben eine besondere Gefahr der Ultramontanisierung sahen, mochte – wie die Äußerung della Chiesas zeigt – aus vatikanischer Perspektive nicht recht einleuchten. 167 168
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Vgl. Notiz Knechts über ein Gespräch mit Kopp v. 17.8.1897, in: EAF, OR I/12a. Vgl. das Promemoria von Kraus betr. Wiederbesetzung des erzbischöflichen Stuhls in Köln v. 7.11.1897, abgedruckt bei Hohenlohe-Schillingsfürst, Denkwürdigkeiten, S. 402– 404. Kraus an Hohenlohe v. ..12.1897, zit. ebd., S. 404, Anm. 1. Eisendecher an Hohenlohe v. 23.7.1897, in: PA AA Baden, Nr. 31, Bd. 11, zit. bei Kremer, Das Großherzogtum Baden in der politischen Berichterstattung, 1. Teil, S. 659–661, hier S. 660. Vgl. Jagemann, Fünfundsiebzig Jahre des Erlebens und Erfahrens, S. 205f, u. Fischer, Die Freiburger Erzbischofswahlen 1898, S. 6, Anm. 88.
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Schließlich zitierte Nuntius Lorenzelli den Kapitularvikar Knecht Ende November 1897 nach München172 und forderte direkt eine Listenergänzung um zwei oder drei Personen, so dass man – wie 1868 – auf acht gekommen wäre. Dass der Nuntius durchaus konkrete Vorstellungen darüber hatte, wen er auf der Liste sehen wollte, zeigt die Ablehnung des von Knecht daraufhin genannten Trierer Bischofs Michael Felix Korum. Dieser sei – so Lorenzelli – in seinem Bistum nicht abkömmlich, während etwa der Benediktinerabt von Seckau, Ildefons (Friedrich) Schober OSB173, und der an der Universität Freiburg in der Schweiz lehrende Dominikanerpater Albert Maria Weiß OP174 durchaus gute Kandidaten wären. Schober, den Lorenzelli inzwischen zu seinem Favoriten erkoren hatte, war im Vatikan offenbar noch nicht näher in Augenschein genommen worden. Papst Leo XIII. reagierte, nachdem der Wiener Erzbischof Anton Joseph Kardinal Gruscha175 beim dortigen Nuntius Aemilius Tagliani gegen einen möglichen Abzug des Abtes aus Österreich Einspruch erhoben hatte176. Nun ließ er über Rampolla bei Tagliani mögliche Beziehungen Schobers zu Baden abfragen und erhielt die Antwort, dass der Abt von Seckau gebürtig aus Pfullendorf stamme und gute Beziehungen nach Freiburg habe, wo sein Bruder Ferdinand Schober177 Dompfarrer sei. In der Kurie war man somit desinformiert und ahnte nicht, dass Ildefons Schober eben nicht über nähere Kontakte zum Domkapitel verfügte und seine Kandidatur ja gerade von Knecht abgelehnt wurde. In gutem Glauben, einen Kompromisskandidaten gefunden zu haben, der die Sitten und Gebräuche Badens kenne, legte Leo XIII. dem Nuntius auch offiziell nahe, dessen Kandidatur zu betreiben178, womit Lorenzellis Taktik voll aufgegangen war und seine aus eigenem Antrieb erfolgte Protegierung des Abtes nun nachträglich sanktioniert wurde. Wenn auch Schobers Nomination von Kaiser Wilhelm II., der den Benediktinerorden besonders schätzte, als „sehr vernünftig“179 gelobt wurde und ja auch in einer Kontinuitätslinie mit der Wahl des ebenfalls aus 172
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Vgl. Lorenzelli an Knecht v. 24.11.1897, in: EAF, B 1–93. Dort auch der Bericht Knechts über diese Unterredung in München v. 1.12.1897. Zu Schober vgl. Uttenweiler, Schober, in: LThK, Bd. 9 (1937), Sp. 295; ÖBL. Zu Weiß (1844–1925), einem aus Oberbayern stammenden Priestergelehrten, der zunächst dem Klerus des Erzbistums München und Freising angehört hatte, dann aber dem Dominikanerorden beigetreten war, vgl. Hägele, Weiß, Albert Maria, in: LThK, Bd. 10 (1938), Sp. 796f. Zu Gruscha (1820–1911), seit 1890 Fürsterzbischof von Wien, vgl. Liebmann, Gruscha, in: Gatz, Bischöfe, S. 269–272. Vgl. Tagliani an Rampolla v. 20.11.1897, in: ASV SS, rubr. 255, fasc. 1. Zu Ferdinand Schober (1843–1906), seit 1894 Dompfarrer in Freiburg, Ehrendomherr, vgl. Nachruf, in: FDA, Bd. 39 (1911), S. 11–13. Vgl. Rampolla an Lorenzelli v. 3.12.1897, in: ASV SS, rubr. 255, fasc. 1. Vgl. Kremer, Das Großherzogtum Baden in der politischen Berichterstattung, 1. Teil, S. 683f., Anm. 1. Randnotiz Hohenlohes auf einem Schreiben von Bülow an den Kanzler v. 23.12.1897, in: PA AA Baden, Nr. 32.
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der benediktinischen Ordensfamilie kommenden Zisterzienserabtes Dominikus Willi OCist. von Marienstatt im Westerwald zum Oberhirten des Freiburger Suffraganbistums Limburg im selben Jahr stand180, erregte sie in den diplomatischen Kreisen zunächst Unruhe. Die Karlsruher Regierung erhielt erst über ihren Gesandten in München, Bodman, Auskunft, wobei dieser sich wiederum auf Informationen des preußischen Gesandten in Bayern, Anton Graf von Monts, bezog. Monts hatte in Erfahrung bringen können, dass Schober „persönlich beliebt und sehr geachtet [sei]. Er ist ein sehr gebildeter Mann und großer Kunstkenner; persönlich in seinem Innern auch ein Mann freier Anschauung und liebevoller Denkweise.“181 In Karlsruhe herrschte zunächst Neugier, mehr über die Person von Ildefons Schober zu erfahren. Inwieweit sie auch von Ferdinand Schober mitgetragen wurde, lässt sich nicht bestimmt sagen. So positiv diese Charakterisierung sich ausnahm, so kritisch wurde in den badischen Regierungskreisen jedoch darauf geschaut, dass Abt Schober im monastischen Leben stehe, ihm folglich jede Weltläufigkeit fehlte, die man vom obersten Repräsentanten der katholischen Kirche im Staat erwartete. Nachdem Schober anfangs in Karlsruhe genehm erschien182, konnte Eisendecher dann Ende Januar 1898 auch ganz klar dem Reichskanzler nach Berlin melden: „Jedenfalls steht die hiesige Regierung … der Kandidatur Schober vollständig fern“183. Im Umkehrschluss ließ der kontemplative Grundzug des Abtes den Verdacht einer starken Abhängigkeit von den bestimmenden ultramontanen bzw. strengkirchlichen Kräften in der Freiburger Bistumsleitung einerseits und der Kurie andererseits aufkommen. Wie intensiv der Heilige Stuhl darum bemüht war, von seiner Seite aus alles zu tun, um staatlicherseits akzeptable Erzbischofskandidaten aufzutun, zeigt sich daran, dass aus Rom bereits die Bischöfe Adolf Fritzen von Straßburg und Georg Ignaz Komp von Fulda angefragt worden waren, ob sie bereit wären, nach Freiburg zu wechseln. Beide kirchlichen Würdenträger lehnten jedoch ab. Dass auch die beiden Ordensleute Schober und Weiß nicht etwa auf die persönlichen Interessen des Nuntius zurückgingen, sondern in Rom ausgesucht worden waren, stellte sich erst später heraus184. Knecht jedenfalls war Schober ebenso wie der Regierung – und dies auch noch aus ähnlichen Gründen – nicht genehm, eben weil dieser sicherlich ein eifriger Ordensmann, 180 181 182
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Zur Wahl von Dominikus Willi vgl. das Kap. Limburg in diesem Band. Bodman an Nokk v. 26.11.1897, in: GLA Karlsruhe, 235/12893. Vgl. Eisendecher an Hohenlohe v. 6.1.1898, in: PA AA Baden, Nr. 32, Nr. 1, Bd. 3, abgedruckt bei Kremer, Das Großherzogtum Baden in der politischen Berichterstattung, 1. Teil, S. 683f. Eisendecher an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 30.1.1898, in: PA AA Baden, Nr. 32, Nr. 1, Bd. 3, abgedruckt bei Kremer, Das Großherzogtum Baden in der politischen Berichterstattung, 1. Teil, S. 684f. Gutmann erfuhr dies bei einer seiner Audienzen bei Rampolla im Dezember 1897. Vgl. Bericht Gutmanns v. 9.12.1897, in: EAF, OR I/12a. Zit. nach Großmann, S. 394.
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aber durch seine stabilitas loci bedingt doch noch lange kein Verwaltungsfachmann und ebenso wenig ein Experte in politischen und kirchenpolitischen Fragen war. Das Metropolitankapitel war außerdem kaum zum Nachgeben bereit. Lediglich das Angebot, den kränklichen und zumal staatlicherseits aufgrund seines Zentrumsengagements ohnehin unpopulären Domherrn Schmitt aus der Liste zu streichen, wollte man im Dezember 1897 erneuern, um an seiner Stelle einen neuen Namen zu platzieren185, etwa Korum oder die Domherren Carl Braun in Würzburg oder Matthias Höhler aus Limburg186. Letzterer hatte insofern eine Beziehung nach Freiburg, als er als Alumne des Suffraganbistums 1865 den alten Erzbischof Hermann von Vicari besucht und 1893 mit einer Kurzbiographie dieses Oberhirten hervorgetreten war187. Um dieses Vorgehen im Vatikan zu sanktionieren, reiste Domkapitular Gutmann im Auftrag des Kapitels vom 4. bis 16. Dezember 1897 nach Rom, wo er neben einer kurzen Audienz bei Leo XIII.188 insbesondere eine Unterredung mit Rampolla hatte. Der Kardinalstaatssekretär zeigte sich bei diesem Treffen davon überzeugt, dass eine Lösung für beide Seiten nur durch Listenergänzung zu erzielen sei. Behalte man die Liste bei, sei seiner Ansicht nach eine Ablehnung aller dort verzeichneten Kandidaten durch die Regierung schon aus Prinzip zu erwarten. Gutmann verstand es aber, Rampolla davon zu überzeugen, aus Regierungskreisen sei durchgedrungen, dass zwei der fünf bisherigen Kandidaten ohnehin genehm seien, weshalb das Kapitel damit Genüge tue, nur eine Nachnomination vorzunehmen. Der Unterhändler des Metropolitankapitels verließ Rom schließlich mit der Zusicherung, dass der Vatikan diesen Plan gutheiße. Den Zusatzkandidaten dürfe das Kapitel ebenso frei bestimmen wie auch eine freie Wahl nochmals zugesichert wurde189. Dass dieser vakante Listenplatz unbedingt durch Abt Ildefons Schober ausgefüllt werden müsse, lag in der Intention des Münchner Nuntius, der sich deshalb auch in Rom noch einmal dezidiert dafür aussprach, auf das Metropolitankapitel einen entsprechenden Druck auszuüben190. Zeitgleich hatte auch Weihbischof Knecht Gutmann nachträglich Instruktion aus Freiburg nach Rom gegeben, folgende Argumente gegen Schober vorzubringen: Wenn dieser auch gebürtiger Badener sei, habe er doch seine Ausbildung in Österreich erhalten, sei im 185 186
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Vgl. Metropolitankapitel an Rampolla v. 2.12.1897, in: EAF, OR I/12a. Diese Namen nennt Gutmann, Tagebuch, S. 43: Eintrag v. 1.12.1897. Zu Braun (1841– 1909), 1889 Dompfr. in Würzburg, vgl. Walter, Dozenten und Graduierte, S. 17. Vgl. Braun, Hermann von Vicari und die Erzbischofswahlen in Baden, S. 10f., sowie Höhler, Erzbischof Hermann von Vicari. Bülow hingegen behauptete am 23.12.1897 gegenüber dem Reichskanzler, Gutmann sei nicht vom Papst empfangen worden. PA AA Baden, Nr. 32. Vgl. Bericht Gutmanns v. 12.12.1897, in: EAF, OR I/12a. Lorenzelli an Rampolla v. 10.12.1897, in: ASV SS rubr. 255, fasc. 1. Der Nuntius war im Vorfeld von Rampolla über den Besuch Gutmanns in Rom informiert worden. Vgl. Rampolla an Lorenzelli v. 10.12.1897, ebd.
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Freiburger Klerus unbekannt und zudem eben Ordensgeistlicher191. Nachdem das vatikanische Plazet eingetroffen war, holte das Kapitel auch die Zustimmung der Staatsregierung ein, Nichtdiözesanen als Kandidaten benennen zu dürfen, sicherte aber zu, den neuen Kandidaten vor dessen Nominierung in Karlsruhe namhaft zu machen192. Staatsminister Nokk hatte zwischenzeitlich bereits über Montel und Bülow von der Reise Gutmanns gehört, ging aber nach deren Informationen davon aus, dass Gutmann ohne Ergebnis nach Freiburg zurückgekehrt sei und vom Kardinalstaatssekretär zudem für die Sturheit des Metropolitankapitels eine Rüge erhalten habe193. Am 27. Dezember 1897 benannten die Domherren für die vakante Position auf der Wahlliste die Bischöfe von Fulda und Trier, Komp und Korum, sowie die Domkapitulare Höhler (Limburg) und Braun (Würzburg). Sie forderten gleichzeitig, dass mindestens zwei der Namen unbeanstandet bleiben müssten. Aber diesem Ansinnen wollte die Staatsregierung, die schon so dringlich auf die Liste gewartet hatte, dass sie den Ministerialrat Hübsch einen Tag vor Heiligabend aus Karlsruhe nach Freiburg entsandt hatte194, wiederum nicht Folge leisten. Nur Komp sei genehm, verlautete aus Karlsruhe, was doch im Metropolitankapitel reichlich verwundern musste. Und dies nicht etwa, weil der bereits fast 70 Jahre zählende Bischof von Fulda zuerst vom Nuntius bzw. der Kurie ins Spiel gebracht worden war. Dass Komp, wenngleich gebürtiger Bayer aus Unterfranken, aus Preußen kam und nicht badischer Staatsangehöriger war, sollte angesichts der zuvor eingeholten staatlichen Konzession für deutsche „Ausländer“ kein Argument der Gegenwehr, wohl aber des Befremdens der Regierung sein. Vor allem, weil Georg Ignaz Komp ebenso wie der bei Großherzog und Regierung in Karlsruhe verhasste Lorenz Werthmann Zöglinge des römischen Collegium Germanicum gewesen war, muss der Eindruck entstehen, dass Großherzog und der Staatsregierung mit zweierlei Maß gemessen haben. „Wer mir vor zwei Jahren prophezeit hätte, dass ein Germaniker Nachfolger des seligen Erzb[ischofs] Roos werden würde, den hätte ich auf seinen psychischen Zustand untersuchen lassen“195, kommentierte dann auch Werthmann nach der Wahl gegenüber dem Rektor des Collegium Germanicum, P. Friedrich Schröder SJ, die staatliche Entscheidung. Konsequenterweise gehörte auch der staatliche Mittelsmann bei der Kurie Monsignore Montel zu den dezidierten Gegnern Komps196. Dieser Sachverhalt verdeutlicht aber 191
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So Bülow unter Berufung auf Montel an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 23.12.1897, in: PA AA Baden, Nr. 32. Vgl. Metropolitankapitel an Kultusministerium v. 20.12.1897 u. Antwort v. 22.1.1898, in: EAF, B 1–93. Vgl. Eisendecher an Hohenlohe v. 6.1.1898, abgedruckt bei Kremer, Das Großherzogtum Baden in der politischen Berichterstattung, S. 683f. Vgl. hierzu ausführlicher Fischer, Die Freiburger Erzbischofswahlen 1898, S. 71. Werthmann an P. Schröder SJ v. 5.4.1898, zit. nach ebd., S. 84. Vgl. Bülow an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 30.3.1897, in: PA AA, R 2651.
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zugleich, dass nicht ein zumeist Jahrzehnte zurückliegendes Studium am römischen Jesuitenkolleg für deutschsprachige Priesteramtskandidaten, sondern die Affinität zur aktuellen badischen Politik für Großherzog und Regierung ausschlaggebend war. Und diese Affinität zu dem dezidiert strengkirchliche Positionen in der Landespolitik vertretenen Zentrumsführer Theodor Wacker war eben bei Komp weitaus weniger gegeben als bei dem mit den badischen Verhältnissen gut vertrauten Lorenz Werthmann. Wacker begann zudem, aus der langen Sedisvakanz politisches Kapital zu schlagen, wenn er beispielsweise in einer Debatte der Zweiten Kammer der Regierung Verzögerungstaktik vorwarf197. Vielleicht auch deshalb wurde man in Karlsruhe zunehmend kooperativ. So hatte Minister Nokk im Januar 1898 eine Alternative parat: Beispielsweise ließe sich der Kölner Weihbischof Hermann Joseph Schmitz198, dessen Namen ja im Übrigen bereits kirchlicherseits der frühere Nuntius Aiuti im November 1896 hatte fallen lassen, mit einbeziehen199. Wie die Regierung ausgerechnet auf Schmitz kam, der bisher noch auf keiner badischen Liste gestanden hatte, lässt sich wohl nur dadurch erklären, dass Weihbischof Knecht dessen Namen am Rande einer Unterredung mit Ministerialrat Hübsch einmal erwähnt hatte. Erstaunlich erscheint die Namhaftmachung dieses Geistlichen schon deshalb, weil Kardinal Kopp als Vertrauensmann von Großherzog und Regierung dezidierter Gegner von Schmitz war. Gegenüber dem Vatikangesandten von Bülow hatte er sogar einmal beklagt, der Kölner Kardinal Krementz stehe „unter dem schädlichen Einflusse seiner bösen Geister“200, und hier in erster Linie Schmitz genannt. Dagegen hatte der Gewährsmann der staatlichen Stellen im Vatikan Prälat Johannes de Montel Schmitz protegiert, ebenso den Limburger Bischof Karl Klein, der mit 78 Jahren aber definitiv zu alt zu sein schien, um ihn ernsthaft in weitere Erwägung zu ziehen201. Dass Schmitz von den Wählern im Kapitel zwar gern auf der Liste gesehen worden wäre, seine Kandidatur aber seitens der Kurie strikt abgelehnt worden sei, wie der badische Außenminister Arthur von Brauer glaubte202, lässt sich aus den Quellen nicht verifizieren. Angesichts der klaren und selbstbestimmten Linie des Metropolitankapitels wäre es im Übrigen auch verwunderlich, wenn es sich hinsichtlich einer Kandidatur des Kölner Weihbischofs aus Rom hätte Vorschriften machen lassen. Das positive Urteil des badischen Staatsministers über Schmitz resultierte in jedem Fall aus einer 197
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Stadelhofer, Der Abbau der Kulturkampfgesetzgebung, S. 263, Anm. 244, verweist auf die Kultusdebatte v. 4.2.1898 Zu Schmitz (1841–1899), seit 1893 Weihbischof in Köln, vgl. ausführlich im Kap. Köln in diesem Band. Vgl. Nokk an Knecht v. 22.1.1898, zit. nach Fischer, Die Freiburger Erzbischofswahlen 1898, S. 72, Anm. 392. Bülow an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 28.7.1897. in: PA AA R 2651. Vgl. Bülow an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 30.3.1897, ebd. Vgl. Eisendecher an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 30.1.1898, in: PA AA Baden, Nr. 32.
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auf Anfrage vom Oberpräsidenten der preußischen Rheinprovinz, Berthold Nasse, erteilten Auskunft, derzufolge der Kölner Weihbischof seit dem offiziellen Ende des Kulturkampfes nicht mehr gegen die preußische Regierung in Erscheinung getreten sei und im Übrigen „eine mit außergewöhnlicher Arbeitskraft begabte Persönlichkeit [sei] ... ausgestattet mit einer gewissen glänzenden Rednergabe, die ihm in Verbindung mit sicherem Auftreten und einer stattlichen äußeren Erscheinung bei seinen häufigen öffentlichen Vorträgen Erfolg sichert und einen unverkennbaren Einfluss auf weite Kreise der Bevölkerung der Erzdiözese Köln verschafft“203. Dass Schmitz durchaus kontrovers diskutiert wurde, zeigt eine der turnusmäßigen Charakterisierungen der preußischen Domkapitel, in welcher er als eitle und schwer einzuschätzende Persönlichkeit bezeichnet worden war, die ihr Fähnlein stets nach dem Wind richte und daher „unzuverlässig im höchsten Grade“204 sei. Bülow war es auch, der eine Woche nach dem Ende von Domkapitular Gutmanns Romreise seine Regierung darüber in Kenntnis setzte, dass „kürzlich ein Mitglied des Freiburger Domkapitels heimlich in Rom gewesen sei“205. Hatte der preußische Vatikangesandte hinsichtlich der Mission Gutmanns recht gründlich recherchiert, wenngleich ihm entgangen war, dass der Freiburger Domkapitular eine wenn auch kurze Audienz bei Leo XIII. gehabt hatte, so war er einem angeblichen badischen Advokaten Merckel auf den Leim gegangen, der behauptete, in offizieller staatlicher Mission in Rom zu weilen206. Reichskanzler Hohenlohe-Schillingsfürst musste sich erst aus Karlsruhe darüber aufklären lassen, dass aus Baden seit der Entsendung Jagemanns kein offizieller Delegat mehr in Rom gewesen sei. „Herr Nokk versicherte auf das Bestimmteste, dass die Regierung sich seit der Mission Jagemann absolut neutral verhalten habe“207. Das Metropolitankapitel fügte sich aber, nicht ohne zuvor den Heiligen Stuhl konsultiert zu haben208, und nominierte Komp für die vakante Position, so dass die am 14. Februar 1898 bei der Staatsregierung eingereichte Liste neben Komp aus Weihbischof Knecht, Domkapitular Gutmann und den Pfarrern Knörzer, der inzwischen von Kuppenheim nach Heddesheim bei Heidelberg gewechselt war, und Werber bestand209. Damit war eben auch nur 203 204 205 206
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Nasse an Nokk v. 10.1.1898, in: PA AA 2651. Desgl. in: LHA Koblenz, Best. 403, Nr. 15992. Charakterisierung der Kölner Domherren 1898, ebd. Bülow an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 23.12.1897, in: PA AA Baden, Nr. 32 Vgl. Bülow an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 19.1.1898, ebd., zit. bei Kremer, Das Großherzogtum Baden in der politischen Berichterstattung, S. 684f., Anm. 2. Vgl. Eisendecher an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 30.1.1898, in: PA AA Baden, Nr. 32. Möglicherweise sei der Freiburger Rechtsanwalt und Zentrumsabgeordnete im Reichstag Ludwig August Marbe (1839–1907) gemeint gewesen. Zu Marbe vgl. Haunfelder, Reichstagsabgeordnete der Deutschen Zentrumspartei, S. 213; Schwarz, MdR, S. 396. Metropolitankapitel an Leo XIII. v. 1.2.1898, in: ASV SS, rubr. 255, fasc. 1. Vgl. Metropolitankapitel an Großherzog Friedrich I. v. 14.2.1898, in: GLA Karlsruhe 235/12893.
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eine und nicht, wie Eisendecher sogleich an das Auswärtige Amt in Berlin mitteilte, zwei Ergänzungen erfolgt. Aber in Berlin wurde man ja vertragsgemäß direkt vom badischen Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten von der modifizierten Liste in Kenntnis gesetzt und dabei Komp und Knörzer als in dieser Reihenfolge in Karlsruhe genehme Persönlichkeiten bezeichnet210. Der vom Auswärtigen Amt umgehend eingeschaltete preußische Kultusminister Bosse fand dann auch keinen Grund zur Beanstandung der Tatsache, dass nur zwei, statt wie eigentlich vereinbart, drei Kandidaten Akzeptanz finden sollten. Komp habe sich „in seinem jetzigen Amte voll bewährt“211 und wenn die großherzoglich badische Regierung eben von ihrem Grundsatz, primär ein Landeskind auf dem Freiburger Erzstuhl sehen zu wollen, in diesem Falle Abstand zu nehmen bereit sei, hätte er nichts dagegen. Im Übrigen verwies Bosse auf eine Verordnung von 1830, der gemäß die an den Bistümern der Oberrheinischen Kirchenprovinz beteiligten Staaten ohnehin beschlossen hätten, dass auch ein Angehöriger eines innerhalb der Bistumsgrenzen belegenen Staates ohne Weiteres dort das Bischofsamt bekleiden könne. Komp als mittlerweile preußischer Staatsbürger bedürfte somit angesichts der Zugehörigkeit des innerhalb des Territoriums der Erzdiözese gelegenen Hohenzollern zu Preußen ohnehin keiner Sondergenehmigung. Der von der badischen Regierung an die zweite Stelle gesetzte Anton Knörzer war Bosse unbekannt, doch schien ihm „die ganze Haltung der Großherzoglich Badischen Regierung in der Erzbischofsfrage wohl volle Gewähr dafür zu bieten, dass sie ihr bestimmtes Augenmerk nur auf einen völlig einwandfreien Kandidaten richtet“. Die communis opinio zwischen Berlin und Karlsruhe trat ebenso durch die Übereinstimmung im Negativurteil über Kapitularvikar Knecht hervor, der in Berlin als ein „der extrem ultramontanen Richtung angehörender Konvertit, [der] aus seinen Schriften und seinem Wirken als ein energischer und leidenschaftlicher Bekämpfer des Staats speziell auf dem Gebiete des Unterrichts bekannt ist“, abqualifiziert wurde. Derweil hatte in der Presse die „Ente“, dass der bereits 72-jährige Domkapitular und Dompfarrer Rudolf Behrle212, der schon während der durch den Kulturkampf bedingten Sedisvakanz 1873 und erneut im Folgejahr auf vom damaligen Staatsminister angeforderten Wahllisten gestanden hatte213, diesen Platz einnehmen und auch sicher gewählt würde, für Aufsehen gesorgt214. Dabei war Behrle, der 1896 das Ehrendoktorat der Katholisch-Theologischen Fakultät in Freiburg erhalten hatte, bereits in der Dis210 211 212
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Vgl. Nokk an Auswärtiges Amt Berlin v. 16.2.1898, in: PA AA Baden, Nr. 32. Bosse an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 22.2.1898, ebd. Hier auch das folg. Zit. Zu Behrle (1826–1902), gebürtig aus Herbolzheim, geweiht 1851, 1866 Anstaltspfarrer in Illenau, seit 1872 Domkapitular in Freiburg, ab 1882 zugleich Dompfarrer, vgl. Nachruf, in: FDA, Bd. 34 (1906), S. 27f. Vgl. die Wahlliste v. 29.12.1873, bei Becker, Liberaler Staat und Kirche, S. 339 u. 342. Vgl. Eisendecher an Hohenlohe-Schillingsfürst v. 30.1.1898, in: PA AA Baden Nr. 32, Nr. 1, Bd. 3, u. Kremer, Das Großherzogtum Baden in der politischen Berichterstattung, S. 684f.
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kussion um die Neubesetzung 1886 in staatlicher Warte nicht gerade positiv bewertet worden, da er „für wenig energisch gilt“215. In der Presse wurde 1898 auch der Name des Freiburger Kirchenhistorikers und christlichen Archäologen Franz Xaver Kraus wiederholt genannt, zumal Kraus sowohl 1882 als auch 1886 Favorit der badischen Regierung für diesen Stuhl gewesen war216. Nach der Ernennung des Erzbischofs Orbin 1882 war er zudem als Koadjutorbischof im Gespräch gewesen. In der in München erscheinenden „Allgemeinen Zeitung“ war dann aber zu lesen – und die Urheberschaft dieses Artikels wurde Kraus zugeschrieben – man wisse „im Lager der Intransigenten sehr wohl, dass Professor Kraus seit vier Jahren durch Gelenksleiden schwer getroffen ist und sicher für den Rest seiner Tage keinen anderen Wunsch als den nach Ruhe haben kann“217. Mit Schreiben vom 9. März 1898 wurde dem Freiburger Wahlgremium die Entscheidung aus Karlsruhe mitgeteilt, dass Weihbischof Knecht, Domkapitular Gutmann und Dekan Werber „personae minus gratae“, Komp und Knörzer aber genehm seien. Das Kapitel musste sich düpiert fühlen, weil demnach entgegen früheren Regierungsbekundungen nur einer der ursprünglichen Listenkandidaten akzeptiert worden war, nämlich gerade der im Vorfeld in Karlsruhe als zu jung bezeichnete Knörzer, der ja zudem in früheren Jahren die Autorität von Kaiser und Großherzog missachtet hatte, was zwar damals zu Sanktionen geführt, jetzt aber staatlicherseits keine nachteiligen Folgen hatte. Hinzu kam, dass gemäß dem päpstlichen Reskript Pius’ IX. vom Mai 1868 (an Kübel) die Wahl stets aus mindestens einer Terna zu erfolgen hatte218. Offenbar wies Zentrumsführer Theodor Wacker das Metropolitankapitel darauf hin219. Folglich sah man sich in Freiburg vor ein neues Problem gestellt und erkundigte sich schleunigst in Rom, wie man sich denn jetzt verhalten solle220. Parallel dazu wirkte die Regierung über Jagemann auf die Kurie ein, das Kapitel zur Wahl zu nötigen. Nokk bedauerte zudem, nicht mehr Druck ausgeübt zu haben, um den Benediktinerabt Schober auf die Liste zu setzen221. In der Kurie sah man wohl die Dringlichkeit einer Entscheidung – nicht zuletzt 215
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Eisendecher an Bismarck v. 11.5.1886, abgedruckt bei Kremer, Das Großherzogtum Baden in der politischen Berichterstattung, S. 305. Vgl. Schiel, Im Spannungsfeld von Kirche und Politik, S. 48–51. Allgemeine Zeitung, zit. nach ebd., S. 53. Vgl. Reskript Pius’ IX. v. 4.5.1868, abgedruckt, in: Huber/Huber, Staat und Kirche, Bd. II, S. 260f. Diese Annahme hegte Eisendecher gegenüber Hohenlohe am 20.3.1898, in: PA AA Baden Nr. 32, Nr. 1, Bd., abgedruckt bei Kremer, Das Großherzogtum Baden in der politischen Berichterstattung, S. 692f. Vgl. Metropolitankapitel an Leo XIII. v. 14.3.1898, in: EAF B 1–93. Hierzu vgl. auch Eisendecher an Hohenlohe v. 17.3.1898, in: PA AA Baden 32, Nr. 1, Bd. 4, abgedruckt bei Kremer, Das Großherzogtum Baden in der politischen Berichterstattung, S. 692.
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angesichts der nunmehr bereits zweijährigen Sedisvakanz des Freiburger Metropolitansitzes – und handelte ausgesprochen rasch. Schon am 18. März telegrafierte Nuntius Lorenzelli den Domherren, dass sie ausnahmsweise unter zwei Kandidaten wählen, zumal es sich in beiden Fällen nicht um Angehörige des Metropolitankapitels handelte, gegen diese Bedingungen aber gleichzeitig bei der Regierung Rechtsverwahrung einlegen sollten222. Bereits drei Tage später, am 21. März 1898, traten die Domkapitulare zum Wahlakt zusammen, aus dem Georg Ignaz Komp als neuer Oberhirte von Freiburg hervorging. Die Wahl Komps am 21. März 1898 stellte in den Augen ihres kritischen Beobachters Franz Xaver Kraus „eine unglaubliche Torheit“223 dar. Auch der schriftstellerisch ungemein produktive und deshalb einer breiten Öffentlichkeit vertraute Freiburger Pfarrer Heinrich Hansjakob gehörte zu den Kritikern der Wahl Komps, die er in der „Frankfurter Zeitung“ mit der rhetorischen Frage kommentierte: „Muss denn die Diözese Freiburg stets einen Fremdling zum Oberhirten haben?“224, wobei es ihm weniger darum ging, den Bischof von Fulda zu kritisieren als vielmehr seinem Unmut darüber Luft zu machen, dass der ihm befreundete Sasbacher Pfarrer und Reichstagsabgeordnete Franz Xaver Lender erneut nicht zum Zuge gekommen war.
Die zweite Erzbischofswahl innerhalb eines Jahres: 1898 Der designierte Erzbischof Komp war am 11. Mai 1898 auf dem Weg von Fulda nach Freiburg bei einem Zwischenstopp in Mainz im dortigen Bischöflichen Palais an einem Schlaganfall verstorben und in Fulda beigesetzt worden225. Neben allgemeiner Trauer löste dieser plötzliche Tod aber auch eine gewisse Schadenfreude aus, so etwa bei Kraus, für den man „wohl den Finger Gottes in diesem Ereignis sehen [könnte], das uns vor der Herrschaft eines braven, aber ganz der jesuitischen Partei verschriebenen Mannes bewahrt hat“226. Überhaupt versuchte der verbitterte Freiburger Kirchengeschichtsprofessor angesichts seiner Unzufriedenheit mit dem kirchlichen Kurs das tragische Ableben des ernannten Erzbischofs als Versagen des Metropolitankapitels zu deuten, wenn er Nokk wissen ließ, „auch in den streng katholischen Kreisen wird sich die Einsicht jetzt klarer einstellen, dass aus dem Schoße dieses Kapitels keine verständige Wahl mehr zu erwarten ist“227. Hans-Peter Fischer unterstellte dem im Metropolitankapitel maßgeblichen Kapitularvikar Knecht sogar, er habe bewusst die Wahl auf Komp 222 223 224 225 226 227
Vgl. Lorenzelli an Knecht v. 18.3.1898, in: EAF B 1–93. Kraus, Tagebücher, S. 700: Eintrag v. 6.4.1898. Frankfurter Zeitung v. 22.3.1898. Zur Beisetzung Komps vgl. Fischer, Die Freiburger Erzbischofswahlen 1898, S. 88f. Kraus, Tagebücher, S. 704: Eintrag v. 29.5.1898. Kraus an Nokk v. 11.5.1898, in: Fuchs, Großherzog Friedrich I. von Baden und die Reichspolitik, Bd. 4, S. 42f., hier S. 42.
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und nicht auf den jüngeren Pfarrer Knörzer gelenkt, um bei einer baldigen erneuten Sedisvakanz selbst eine neue Chance auf den Erzbischofshut zu haben. Und er führt als Beleg an, dass Knecht sich nach dem Tod Komps dann auch gegenüber Ministerialrat Hübsch wirklich wieder selbst als geeigneter Nachfolger angepriesen habe228. Inwieweit es sich dabei aber nur um eine Reaktion auf die Demarche von Hübsch handelte, der dem Freiburger Wahlgremium nahe legte, dass es doch angesichts der zweijährigen Sedisvakanz notwendig und von Vorteil wäre, wenn sich Kapitel und Regierung im Vorfeld auf einen Kandidaten einigten, ist bei dieser These wohl kaum bedacht worden. Knecht dürfte wohl bewusst gewesen sein, dass dieser Vorstoß auf Initiative von Franz Xaver Kraus geschah und wollte den Emissär aus Karlsruhe provozieren. Dem nochmaligen Kapitularvikar musste realistischerweise bewusst sein, dass er auch jetzt keine Gnade in den staatlichen Augen finden würde und seine Streichung als mindergenehm vorprogrammiert war. Deshalb sollte er sich auch nicht auf der Wahlliste finden, auf die zu gelangen für Knecht als maßgeblichem Architekten der Bistumspolitik in den Sedisvakanzen sicherlich ein leichtes gewesen wäre, zumal sich die Konstellation im Metropolitankapitel nicht geändert hatte. Auch der Hinweis auf den jüngeren Knörzer deutet eher auf ein staatliches Scheinargument hin, war doch Knörzer mit seinen 55 Jahren schon ein reiferer Geistlicher. Kultusminister Nokk etwa machte aus seiner mittlerweile weiter gewachsenen Sympathie für den im Vorfeld der vergangenen Wahl von Nuntius Lorenzelli favorisierten Benediktinerabt Ildefons Schober OSB von Seckau keinen Hehl229. Auch der Nuntius sprach sich für eine direkte Verständigung zwischen Kurie und Regierung unter Umgehung des Metropolitankapitels aus. Wie dringlich Lorenzelli dieses Anliegen erschien, belegt die Tatsache, dass er von sich aus gleich nach dem Tod Komps beim badischen Gesandten in München, von Bodman, in dieser Hinsicht persönlich vorstellig wurde230. Ganz offensichtlich saß dem Nuntius der Misserfolg seiner ja zu einem Gutteil eigenständig betriebenen Politik in der letzten Freiburger Besetzungsfrage noch äußerst negativ im Nacken. Bezeichnend erscheint in diesem Kontext, dass Lorenzelli gegenüber Nokk von einem „großen Zorn“231 auf die Freiburger Domherren gesprochen hatte. Zwar witterte Weihbischof Knecht hier sogleich einen Präzedenzfall und lehnte das Ansinnen ab, jedoch konnte er sich von dem Vorwurf, einem zu alten Kandidaten sein Votum gegeben zu haben, nicht recht freimachen. Zumindest lässt sich aus einem Schreiben des erneut zum Kapitularvikar gewählten Weihbischofs Knecht an Ministerialrat Hübsch ersehen, dass sich die Domherren in 228
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Vgl. Fischer, Die Freiburger Erzbischofswahlen 1898, S. 155 unter Verweis auf einen Brief von Hübsch an Nokk v. 1.6.1898, in GLA Karlsruhe 235/40820. So berichtete jedenfalls der preuß. Gesandte Eisendecher am 11.5.1898 an HohenloheSchillingsfürst, in: PA AA Baden Nr. 32, Nr. 1, Bd. 4, abgedruckt bei Kremer, Das Großherzogtum Baden in der politischen Berichterstattung , Bd. I, S. 698. Vgl. Lorenzelli an Rampolla v. 12.5.1898, in: ASV SS, rubr. 255, fasc. 2. So berichtete Eisendecher am 30.1.1898 an Bethmann Hollweg, in: PA AA Baden, Nr. 32.
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Zugzwang fühlten, nicht nur vor Einreichen der neuerlichen Liste jeden Namen auf dessen mögliche staatliche Ablehnung intern abzuklopfen, sondern auch jüngere episkopable Geistliche zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund sah man in den eigenen Reihen offenbar wenig Potenzial, wovon zum einen die erneut eingeholte Erlaubnis zur Nominierung nichtbadischer Staatsangehöriger, zum anderen der interne Beschluss, diesmal überhaupt kein Mitglied des Metropolitankapitels zu nominieren232, Auskunft gibt. Unter den Domherren fand Knecht mit seiner Idee, den Prinzen Max von Sachsen233 aufzustellen, keine Mehrheit. Negativen Ausschlag gaben hier nicht etwaige Bedenken der staatlichen Seite, sondern eine vom Eichstätter Bischof Franz Leopold Freiherr von Leonrod eingeholte Stellungnahme, in der zwar die grundsätzliche geistige Fähigkeit des Prinzen, dieses Amt erfolgreich wahrzunehmen, nicht direkt in Frage gestellt wurde. Allerdings bescheinigte Leonrod, der ja als ehemaliger Listenkandidat des Freiburger Kapitels dort durchaus Sympathie genoss, dem erst 27-jährigen Prinzen „jugendliche Unerfahrenheit“234, zu der eine strengkirchliche Haltung hinzukäme, die auf wenig Kompromissbereitschaft in Auseinandersetzungen mit dem Staat hoffen ließe. Dass die auf seiner Sitzung am 3. Juni 1898 vom Metropolitankapitel aufgestellte Liste acht Namen enthielt, ist wohl kaum als Zufall anzusehen. Vielmehr wollte man sicherlich allein mit der Anzahl der Kandidaten die im Vorfeld der vorangegangenen Wahl staatlicherseits erhobenen Ansprüche erfüllen, ohne dass man grundsätzlich dem staatlichen Begehren, stets eine entsprechend umfangreiche Liste einzureichen, permanent Folge zu leisten gedachte. Will man die Listenplatzierten einmal kategorisieren, so fällt zunächst auf, dass darunter erstmals kein einziger Domherr war. Die vier aufgenommenen Freiburger Diözesanpriester waren mit Ausnahme des Regens Franz Xaver Mutz als Gemeindepfarrer (Augustin Brettle und Arthur Steinam), Hausgeistliche (Thomas Nörber) oder geistliche Schulaufsichtsbeamte (Peter Josef Schenk) tätig, konnten also folglich auch lediglich einen lokal begrenzten Wirkungskreis aufweisen. Unter den auswärtigen Kandidaten befanden sich, neben dem Stadtpfarrer der ehemaligen nassauischen Residenzstadt und jetzigen preußischen Provinzhauptstadt Wiesbaden, Adam Keller, die preußischen Weihbischöfe Karl Schrod von Trier und Maximilian Gereon Graf von Galen von Münster. Keine Aufnahme mehr gefunden hatte allerdings der wenige Monate zuvor staatlicherseits nicht beanstandete Pfarrer Anton Knörzer.
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So vermerkt Gutmann, Tagebuch, S. 61. Eintrag v. 20.5.1898. Zu Max von Sachsen vgl. das Kap. Sachsen in diesem Band. Leonrod an Knecht v. 21.5.1898, in: EAF, B 1–93.
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akob Augustin Brettle235 war 1851 in Sandhausen geboren und 1874 in St. Peter, nach dem in Freiburg absolvierten Theologiestudium, zum Priester geweiht worden. Aufgrund des Kulturkampfes hatte er zunächst im Bistum Würzburg und ab 1876 als Kaplan und Direktor der Realschule in Sargans im schweizerischen Bistum St. Gallen gewirkt, bevor er ab 1881 Pfarrverweser an verschiedenen Orten des Erzbistums Freiburg, u.a. am Münster in Breisach, war. 1890 hatte er die Pfarrei Glottertal übernommen. Nach Informationen des zuständigen Landeskommissärs, des Geheimen Oberregierungsrats Richard Reinhard in Freiburg236, die Nokk aufgriff, war Brettle „ein intelligenter, zu selbständigem Eingreifen neigender Mann, ein Freund und Kenner der Musik und christlichen Kunst“237. In Karlsruhe wurde mit Zufriedenheit die politische Abstinenz dieses Landpfarrers registriert sowie die Toleranz, die er gegenüber Nichtkatholiken gezeigt habe. Wohl nicht zuletzt aufgrund dieses viel versprechenden Urteils entschloss sich Großherzog Friedrich I. auf einer Reise nach St. Blasien einen Abstecher ins Glottertal zu unternehmen und Pfarrer Brettle persönlich kennenzulernen. Der Großherzog beurteilte den Geistlichen danach als „mit Unbefangenheit begabt“238. Auch wenn Brettle sich politisch nicht betätigt habe, sei er kein ausgeprägter Charakter, um eine selbständige Position zu bekleiden, sich also gegen die ultramontane Majorität des Freiburger Diözesanklerus durchzusetzen.
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aximilian Gereon Graf von Galen239, Jahrgang 1832, der aus einer alten westfälischen Adelsfamilie stammte, war zum einen zur gleichen Zeit auch als Kapitelskandidat in den preußischen Bistümern Limburg und Osnabrück im Gespräch und wurde dort als Intransigent par excellence von den Behörden abgelehnt. Möglicherweise fühlte sich die Regierung auch an den Jahrzehnte zurückliegenden vatikanischen Plan, Galens Onkel und geistlichen Ziehvater, den Bischof von Mainz Wilhelm Emmanuel Freiherr von Ketteler, zum Koadjutor in Freiburg zu machen, erinnert sowie an Kettelers Einmischung bei dem erneuten Versuch, zwischen 1865 und 1867 einen Koadjutor mit Nachfolgerecht für den greisen Erzbischof von Vicari in Freiburg zu installieren240.
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Zu Brettle (1851–1925), der 1900 Pfarrer in Breisach u. 1903 Domkapitular in Freiburg werden sollte, vgl. die Angaben aus der Priesterkartei des EAF bei Fischer, Die Freiburger Erzbischofswahlen 1898, S. 96, Anm. 528. Zu Reinhard (1846–1920), 1896–1900 Landeskommissär in Freiburg, vgl. die biographischen Angaben bei Fischer, Die Freiburger Erzbischofswahlen 1898, S. 87. Nokk an Friedrich I. 11.7.1898, in: GLA Karlsruhe, 233/27777. Friedrich I. an Nokk v. 9.7.1898, abgedruckt in: Fuchs, Großherzog Friedrich I. von Baden und die Reichspolitik, Bd. 4, S. 59–61, hier S. 59. Zu Galen vgl. das Kap. Münster in diesem Band. Vgl. zu diesem gescheiterten Projekt von 1851 bzw. zur Rolle Kettelers zwischen 1865 und 1867 Braun, Vicari, S. 155–163 u. 236–241.
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dam Keller241 war 1839 in Horbach zur Welt gekommen, hatte 1862 in Limburg die Priesterweihe empfangen. 1888 zum Stadtpfarrer an St. Bonifatius in Wiesbaden ernannt, hatte sein Wirken zwei Jahre später durch die Ernennung zum Prälaten kirchliche Anerkennung gefunden.
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homas Nörber242, der – wie es in einer zeitgenössischen Broschüre hieß – „aus dem arbeitenden Volke“243 hervorgegangen ist, war 1846 in Waldstetten im Taubergrund als Sohn eines Schneidermeisters244 geboren worden und stammte aus einer frommen Familie, ein Vetter wurde ebenfalls Geistlicher. Von seinem Heimatpfarrer vorbereitet, besuchte er das Erzbischöfliche Konvikt in Freiburg und studierte dort anschließend Theologie. 1870 erhielt er mit zwei weiteren Waldstettenern in Freiburg die Priesterweihe. Die Vikarsjahre führten ihn nach Neuhausen bei Pforzheim, Schwetzingen, an die Obere Stadtpfarrei in Mannheim (1872), als Pfarrverweser nach Seckach (1880) und nach Hardheim bei Tauberbischofsheim (1881), Lichtental bei Baden-Baden (1888) und Tiergarten (1889). 1891 wurde er unter offizieller Beibehaltung seiner Pfarrei für fünf Jahre als Klosterpfarrer bei den Chorfrauen vom heiligen Grabe in Baden-Baden freigestellt, wo er nicht allein Spiritual der Ordensschwestern, sondern faktisch zugleich Schulleiter der von ihnen geführten Mädchenschule mit Internat war245. In Mannheim war er als Präses des Gesellenvereins (Kolping) durch seinen Einsatz für ein eigenes Gesellenhaus hervorgetreten. Während ihm von seinem Pfarrer „ein ausgesprochenes Organisations- und Administrationstalent nachgerühmt“246 wurde, stand er gleichzeitig unter staatlicher Beobachtung, was ihm angesichts politischer Abstinenz auch später nicht zum Nachteil gereichte247. Insgesamt wurde Nörber ein unermüdlicher beruflicher Eifer nachgesagt, der auch dazu führte, dass ihn die Baden-Badener Ordensfrauen 1896 drängten, nicht wieder auf seine Pfarrstelle zurückzukehren, sondern seine Tätigkeit in dieser „herausragende[n] Stellung“248 zu verlängern.
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Zu Keller u. insbesondere zu seinen Seelsorgestationen vgl. das Kap. Limburg in diesem Band. Zu Nörber vgl. Müller, Nörber, in: LThK2, Bd. 7 (1962), Sp. 1029; Gatz, Nörber, S. 536f., Stezenbach, Nörber, Mayer, Nörber, in: FDA, Bd. 49 (1921), S. 58f. Eine umfängliche biographische Skizze auch bei Fischer, Die Freiburger Erzbischofswahlen 1898, S. 121–151. Stezenbach, Nörber, S. 7. Fischer, Die Freiburger Erzbischofswahlen 1898, S. 121, Anm. 674, korrigiert dabei Gatz, Bischöfe, S. 536, wo der väterliche Beruf mit Schmiedemeister angegeben wird. Vgl. Fischer, Die Freiburger Erzbischofswahlen 1898, S. 143. Mayer, Nörber, S. 59. Vgl. Fischer, Die Freiburger Erzbischofswahlen 1898, S. 127, wo auf einen Bericht des Bezirksamtes Mannheim an das Innenministerium in Karlsruhe v. 16.9.1880 rekurriert wird. So ebd., S. 143.
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uch Franz Xaver Mutz249, Regens des Priesterseminars in St. Peter bei Freiburg, war Kandidat250. Mutz wurde 1854 in Herbolzheim als viertes von sieben Kindern eines kleinen Landwirts und Straßenwärters geboren, besuchte das Gymnasium in Freiburg im Breisgau und studierte in Würzburg und Freiburg Theologie. Nach der 1878 empfangenen Priesterweihe hielt er sich zwei Jahre als Kaplan am Campo Santo Teutonico in Rom auf und erwarb dort nach kirchenrechtlichen Studien den Dr. theol. Über Tätigkeiten als Vikar in Rastatt und am Freiburger Münster gelangte Mutz 1887 als Repetitor an das Priesterseminar seiner heimatlichen Erzdiözese, dessen Leitung er 1896 übernahm. In der Wahrnehmung von Kraus nahm Mutz die Position eines „gänzlich unbedeutenden, enragierten Römlings und Jesuitenaffen“251 ein, während Großherzog Friedrich I. zumindest so viel Interesse an seiner Persönlichkeit hatte, dass er Mutz – ebenso wie Brettle – auf seiner Sommerreise nach St. Blasien eigens in Augenschein nahm. Im Urteil des Landesherrn war er dann auch „sehr bescheiden, aber auch zurückhaltend und nicht leicht zugänglich“252. Nach einem Besuch in St. Peter befand das Landesoberhaupt ihn „für sehr klug und überlegt, daher weniger beeinflussbar und vielleicht selbständig genug, um in hoher Würde die Kraft des Amtes zur Geltung zu bringen“. In den Augen des Kultusministeriums zeichnete sich Mutz durch „seine Intelligenz und sein Wissen … unter dem jüngeren badischen Klerus rühmlich aus“. Dabei ließ man in Karlsruhe keinen Zweifel daran, dass er strengkirchlich orientiert war, entscheidend erschien aber die Tatsache, dass Mutz sich politisch nicht betätigt hatte.
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eter Josef Schenk253 war 1850 in Gerlachsheim geboren worden, hatte 1874 gemeinsam mit Augustin Brettle in St. Peter die Priesterweihe erhalten und war – nach Kaplanszeit in Mannheim – ebenso zunächst im Nachbarbistum Würzburg seelsorglich tätig geworden. 1885 in die Heimatdiözese zurückgekehrt, gelangte Schenk als Geistlicher Lehrer an das Gymnasium in Offenburg. Hierhin kehrte er 1893 nach einer fünfjährigen Tätigkeit als Kreisschulrat in Tauberbischofsheim nach Offenburg ebenfalls als Schulrat zurück. Da er in dieser Funktion eine staatliche Beamtenstelle einnahm, ist bei ihm per se eine gewisse Staatsloyalität zu unterstellen. Tatsächlich hob Minister Nokk hervor, Schenk sei als „Priester und Staatsbeamter maßvoll und entgegenkom249
250 251 252
253
Zu Mutz (1854–1925), der in späteren Jahren noch 1912 Domkapitular und 1921 Generalvikar in Freiburg wurde, vgl. Braun, Mutz, in: Gatz, Bischöfe, S. 525f.; Nachruf, in: FDA, Bd. 54 (1926), S. 47f. Vgl. dazu auch Dor, Mutz, S. 29, wo kurz auf die Kandidatur rekurriert wird. Kraus, Tagebücher, S. 706: Eintrag v. 6.8.1898. Friedrich I. an Nokk v. 9.7.1898, abgedruckt bei Fuchs, Großherzog Friedrich I. von Baden und die Reichspolitik, Bd. 4, S. 59–61, hier S. 59. Hier auch das folg. Zit. Zu Schenk (1850–1921), der 1900 Domkapitular in Freiburg wurde, vgl. Fischer, Die Freiburger Erzbischofswahlen 1898, Anm. 530.
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mend auftretend“254. Als Beleg für seine Staatstreue führte er zudem die 1894 an den geistlichen Schulrat verliehene Auszeichnung mit dem Ritterkreuz I. Klasse des Ordens vom Zähringer Löwen an.
K
arl Ernst Schrod255 war 1841 in einem kleinen Eifeldorf zur Welt gekommen, hatte als junger Priester, ohne promoviert zu sein, eine Professur für Pastoraltheologie und Liturgik am Priesterseminar seiner Heimatdiözese Trier erhalten und war 1894 von Bischof Korum in Rom als Weihbischof erbeten worden. In seiner Stellungnahme anlässlich der Freiburger Kandidatur hatte der Oberpräsident der Rheinprovinz den Trierer Weihbischof als treu und gewissenhaft, jedoch als dezidierten Zentrumsanhänger charakterisiert256. Schrod gehöre in eine Linie mit Korum, war der Tenor des insgesamt nicht überaus empfehlenden Antwortschreibens aus Koblenz.
A
rtur Steinam257 war 1854 in Überlingen am Bodensee zur Welt gekommen und nach der 1879 empfangenen Priesterweihe zum Weiterstudium beurlaubt worden. 1883 promovierte er in Innsbruck zum Dr. theol., um seinen seelsorglichen Dienst in der Heimatdiözese anschließend als Vikar an der Oberen Stadtpfarre in Mannheim zu beginnen. Nach einem Intermezzo als Pfarrverwalter in Lichtental erhielt er 1890 die Diasporagemeinde Schopfheim als Pfarrkurat übertragen, wo er große pastorale Aktivitäten entfaltete. Wenn Steinam später bescheinigt wurde, „nie ein Mann der Kompromisse“258 gewesen zu sein, erscheint dies auch charakteristisch für sein dezidiert strengkirchliches Auftreten, das ihn staatlicherseits nicht gerade zur „persona grata“ machte.
Der Kultusminister holte sogleich über alle Kandidaten – innerhalb Badens von den Landkommissären – außerhalb bei den Gesandten bzw. Oberpräsidenten Stellungnahmen über die Eignung ein, wobei er nicht nur den politischen Standpunkt eruieren ließ, sondern auch eine Einschätzung der Fähigkeit, die herausgehobene Stellung eines Metropoliten wahrzunehmen259. Demgemäß schlug er am 11. Juli dem Großherzog vor, die beiden auswärtigen Weihbischöfe Schrod aus Trier und Graf von Galen aus Münster, ebenso Prälat Keller (Wiesbaden) und den Kuraten Dr. Steinam (Schopfheim) als mindergenehm zu bezeichnen, was fünf Tage später auch erfolgte260. Dage254 255 256
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Nokk an Friedrich I. v. 11.7.1898, in: GLA Karlsruhe, 233/27777. Zum Curriculum vitae von Schrod vgl. ausführlich das Kap. Trier in diesem Band. Vgl. Nasse an Nokk v. 13.6.1898 in Beantwortung der Anfrage v. 7.6.1898, in: LHA Koblenz, 15843. Der Oberpräsident bezog sich auf eine Auskunft des Trierer Regierungspräsidenten. Zu Steinam vgl. Nachruf, in: FDA, Bd. 34 (1906), S. 50f. Ebd., S. 51. Vgl. zu den Briefwechseln detaillierter Fischer, Die Freiburger Erzbischofswahlen 1898, S. 97. Vgl. Nokk an Friedrich I. v. 11.7.1898, in: GLA Karlsruhe 233/27777, u. Kultusministeri-
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gen waren vier Kandidaten, einer mehr als die vorgesehene Terna, staatlich akzeptiert worden, nämlich Brettle, obgleich der Großherzog ihn ja als wenig standfest charakterisiert hatte, Mutz, obwohl er als Germaniker Jesuitenzögling in Rom gewesen war, Nörber und Schenk, was darauf hindeutet, dass der Bewerberkreis eben bewusst auf Freiburger Diözesanpriester, also badische Staatsangehörige, reduziert war. Zuvor hatte der Großherzog persönlich die Überlegung angestellt, dem Metropolitankapitel erneut eine Ergänzung der Liste nahezulegen261. Seiner Ansicht nach sollten der Reichstagsabgeordnete Pfarrer Lender, der in Lauda wirkende Pfarrer Adam Halbig262 sowie der beim letzten Mal nicht beanstandete Anton Knörzer263 ergänzt werden. Dass es zu diesem staatlichen Eingriff letztlich nicht kam, lag an den Bedenken des Ministers Nokk. Aus bitterer Erkenntnis der vorangegangenen Wahl heraus zeigte er sich nämlich durchaus pessimistisch hinsichtlich einer Akzeptanz der Ergänzungsvorschläge durch das Kapitel. In seinen, Nokks, Augen wäre von den großherzoglichen Favoriten ohnehin allein Lender als Gewinn für die staatliche Seite zu verbuchen gewesen. Selbst wenn es gelingen würde, das Wahlrecht des Kapitels zu torpedieren, habe die Ablehnung Lenders durch Leo XIII. bei der Neubesetzung von 1886 gezeigt, dass dieser auch im Vatikan nicht genehm sei. Schließlich sei auch eine Mithilfe der preußischen Regierung bei der Realisierung dieses Plans nicht zu erwarten, da diese derzeit auf das Zentrum politisch angewiesen sei und sich hinter dessen Rücken sicherlich nicht in antirömische diplomatische Verstrickungen begeben würde. Stattdessen sei es angebrachter, das Kapitel aus der nunmehrigen Viererliste wählen zu lassen, dem Erwählten freundlich zu begegnen und gleichsam mit dem „Zuckerbrot“ Verständigung zu erzielen. Dieser Linie folgte dann auch das von Nokk eigens einberufene Staatsministerium, und Nokk wies den Großherzog gleichsam zum Trost darauf hin, dass dieser doch die von ihm persönlich aufgesuchten Kandidaten Brettle und Mutz positiv bewertet habe. Kraus versuchte derweil noch einmal gegen einen allzu ultramontan gesinnten Erzbischof Front zu machen, indem er sich Mitte Juli 1898 gleichsam als Mittelsmann des ihm befreundeten Mainzer Domkapitulars Friedrich Schneider an Nokk wandte. Schneider, so behauptete Kraus, wolle aus sicherer Quelle erfahren haben, dass „wirklich daran gedacht werde, uns einen
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um an Metropolitankapitel v. 16.7.1898, in: EAF B 1–93. Vgl. Friedrich I. an Nokk v. 11.6.1898, abgedruckt bei Fuchs, Großherzog Friedrich I. von Baden und die Reichspolitik, Bd. 4, S. 62, Anm. 2. Nokk an Friedrich I. v. 10.7.1898, abgedruckt ebd., S. 61f. Zu Halbig (1841–1911), Priesterweihe 1864, 1880 Pfarrer in Lauda, später Pfarrer in Karlsruhe St. Stephan, bzw. in Bühl, vgl. Fischer, Die Freiburger Erzbischofswahlen 1898, S. 98, Anm. 540. In der Edition von Fuchs, Großherzog Friedrich I. von Baden und die Reichspolitik, Bd. 4, S. 61, ist fälschlich Brettle genannt, der aber ja gar nicht ergänzt zu werden brauchte, da er ohnehin auf der Wahlliste stand.
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Mann zum Erzbischof zu geben, der als äußerster Exponent des extremsten Ultramontanismus, als eine völlig unberechenbare leidenschaftliche Persönlichkeit bekannt ist und der in Ansehung seiner persönlichen Eigenschaften kaum das Mindestmaß von Achtung genießt“264. Darüber, wer sich hinter dieser absoluten Negativcharakterisierung verborgen haben könnte, kann höchstens spekuliert werden. Möglicherweise ging es dem alternden Franz Xaver Kraus auch nur darum, sich noch einmal Gehör zu verschaffen, gleichsam ein letztes Aufbäumen gegen die ihm grundsätzlich verhassten Kandidaten des Kapitels. Dass Kraus jedenfalls nicht einmal bei dem antiultramontan gesinnten Minister Nokk Resonanz fand, zeigt dessen knappe Antwort, in der es hieß, dass die Befürchtung „ohne allen und jeden tatsächlichen Grund“265 sei. Zudem beklagte der Staatsminister sich im Vertrauen über die intrigante Haltung von Kraus, dem er kein Vertrauen mehr schenken würde. Die Wahl des Baden-Badener Klosterpfarrers Thomas Nörber am 2. August 1898 stellte sowohl für den Großherzog als auch für den Kultusminister eine Riesenüberraschung dar266. Beide hatten fest damit gerechnet, dass die Wahl auf den zweifellos am stärksten hervorgetretenen auf der Liste stehen gebliebenen Kandidaten, Regens Mutz, fallen würde, von dem in Karlsruhe zudem angenommen wurde, dass er als Germaniker das besondere Vertrauen des strengkirchlichen Metropolitankapitels besitzen müsste267. Nokk hatte gemutmaßt, dass „schon um seiner bisherigen Stellung willen“268 – also als Regens des Priesterseminars – die Wahl doch selbstverständlich auf Mutz fallen müsse, da die übrigen Listenplatzierten doch alle einfache Pfarrer waren. Vielleicht deshalb hatte der Großherzog Nörber auf seiner „Besichtigungsfahrt“ im Sommer 1898 nicht aufgesucht. Als Erfolg ihrer Politik, wie gelegentlich behauptet269, haben weder der Monarch noch der Staatsminister die Wahl aufgefasst. Angeblich wurde Nörber am 2. August 1898 „völlig ahnungslos … von der Nachricht ereilt, dass er durch einstimmige Wahl des Domkapitels zum Erzbischof von Freiburg und Metropoliten der Oberrheinischen Kirchenprovinz erhoben worden sei“270. Sein Biograph Gustav Stezenbach jedenfalls behauptet, er habe nicht einmal gewusst, dass sein Name auf der Kapitelsliste 264 265 266
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Kraus an Nokk v. 15.7.1898, abgedruckt ebd., S. 65. Nokk an Kraus v. 16.7.1898, zit. ebd., S. 65, Anm. 3. Vgl. Friedrich I. an Nokk v. ca. 6.8.1898, wo es u.a. heißt: „Ich bin nun gespannt, die Eindrücke zu erfahren, welche die Wahl im Vatikan und beim Nuntius hervorbringen wird“. Abgedruckt bei Fuchs, Großherzog Friedrich I. von Baden und die Reichspolitik, Bd. 4, S. 69. Vgl. hierzu die bei Fischer, Die Freiburger Erzbischofswahlen 1898, S. 105, aufgeführten Argumente. Nokk an Friedrich I. v. 11.7.1898, abgedruckt bei Fuchs, Großherzog Friedrich I. von Baden und die Reichspolitik, Bd. 4, S. 61f., hier S. 62. So Stadelhofer, Der Abbau der Kulturkampfgesetzgebung, S. 263. Stezenbach, Nörber, S. 11.
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stand. Diesem Aspekt einer gewissen Naivität, mit der Nörber sein Amt antrat, entspricht auch der Hinweis in einem zeitgenössischen Nekrolog, dass „er mit fast kindlich freudigem Gemüte … das Steuerruder der Kirchenregierung“271 ergriffen habe. Dem Sarkasmus des Kirchenkritikers Franz Xaver Kraus bot diese Personalentscheidung selbstverständlich neue Nahrung. Einen „gänzlich unbekannten und nullen Pfarrer“272, wie er Thomas Nörber in seinem Tagebuch abschätzig beurteilte, zu wählen, kommentierte er mit blankem Entsetzen, wobei er die Hauptschuld der „Beschränktheit dieses geistigen Horizonts und die pfäffische Leidenschaftlichkeit dieses am Schwanze des unseligen Wacker sich ängstlich anklammernden Kapitels“ zuschrieb, die „nicht laut genug gerügt werden kann“. „Dass das Domkapitel ersichtlich diesmal wie bei der Wahl Komps geflissentlich jede bedeutende Persönlichkeit von der Liste ausschloss, ist zweifellos ein Verbrechen der Kirche. Man hat keine Ahnung mehr dafür, dass hier nicht ein simpliciter dignus, sondern ein dignior bzw. dignissimus gewählt werden muss“. Nörber bezeichnete er als „gänzlich unbekannten und nullen Pfarrer“. Und auch Heinrich Hansjakob griff den Terminus der „Null“ für Nörber auf273. Cornelius Krieg, Pastoraltheologe an der Katholisch-Theologischen Fakultät, gab seiner Resignation darüber Ausdruck, dass wiederum ein wissenschaftlich unbeleckter Geistlicher den Erzbischofsstuhl besteige: „Nicht das geringste Anzeichen einer Besserung. Wir haben gleich im Juli den Neuerwählten schleunigst zum Doktor gemacht um ihn vor Verlegenheiten und schwerer Zahlung in Rom zu wahren – bis heute hat er auf Nichts reagiert“274. Aus diesen Zeilen sprach dann auch nicht nur die Überheblichkeit des Universitätstheologen, sondern auch der Frust über die Ignoranz Nörbers gegenüber ihm zuteil gewordenen akademischen Ehren. Natürlich ließ sich das Wahlergebnis auch positiv wenden. Die zentrumsnahe „Kölnische Volkszeitung“ beispielsweise bedauerte auch die bisherige Zurückgezogenheit des neuen Erzbischofs, sah darin aber auch einen klugen Schachzug, weil Nörber bei stärkerem öffentlichen Auftreten vermutlich von der Regierung gar nicht auf der Wahlliste belassen worden wäre275. Immerhin zeigte Thomas Nörber, als es um den seit der Gründung Freiburgs als badisches Landesbistum 1827 abzulegenden Amtseid ging, dass hinter dem der Einsamkeit verpflichteten Klosterpfarrer doch ein der Welt verbundener Realist steckte. So wies er das Kultusministerium darauf hin, dass er nicht unbedingten Gesetzesgehorsam schwören werde, da dieser ihn dann auch auf potenzielle kirchenfeindliche Gesetze verpflichte, sondern schlug eine ver271 272 273
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Mayer, Nörber, S. 58. Kraus, Tagebücher, S. 706: Eintrag v. 6.8.1898. Hier auch die folg. Zit. Hansjakob an Landeskommissär Reinhard v. 24.9.1898, zit. nach Fischer, Die Freiburger Erzbischofswahlen 1898, S. 112. Krieg an Schrörs v. 13.11.1898, abgedruckt bei Kraft, Briefwechsel Krieg – Schrörs, S. 205–207, hier S. 206. Vgl. Kölnische Volkszeitung v. 6.8.1898.
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änderte Formulierung vor, die Gehorsam und Treue auf den Großherzog und seine Nachfolger bezog276. Diese Formel stand im Übrigen in Übereinstimmung mit dem bereits Erzbischof Orbin 1882, also zu Hochzeiten des preußischen Kulturkampfes, für seinen preußischen Bistumsteil, nämlich HohenzollernSigmaringen, abgenommenen Versprechen277. Es mag in der Absicht des Kultusministers gelegen haben, nicht erneute Kontroversen heraufzubeschwören. Jedenfalls wurde Nörbers Veränderungswunsch der Eidesformel stattgegeben. Nuntius Lorenzelli hatte sich offenbar damit abgefunden, dass er auch dieses Mal mit seinem Drängen, den Benediktinerabt Schober auf die Liste zu setzen, wiederum im Metropolitankapitel kein Gehör gefunden hatte. Möglicherweise wollte er sich allerdings an den Freiburger Wählern ein wenig rächen, als er dem Kardinalstaatssekretär die erfolgte Wahl Nörbers mitteilte, diesen aber als im 63. Lebensjahr befindlich bezeichnete, also um gut ein Jahrzehnt älter machte, und zudem auf eine gesundheitliche Beeinträchtigung des Erwählten durch ein Lungenemphysem hinwies278. Andererseits äußerte er sich gegenüber dem badischen Gesandten in München, von Bodman, „in großen Lobeserhebungen über Erzbischof Nörber“279. Dennoch hatte Nörber, der am 5. September 1898 die Bestätigung durch Leo XIII. erhielt, am 29. September bereits die Bischofsweihe durch den ältesten Suffraganbischof der Oberrheinischen Kirchenprovinz, Bischof Paul Leopold Haffner von Mainz, empfangen. Es war für ihn schwer, dass Etikett mangelnder Eignung in den folgenden Jahrzehnten seines Episkopats abzustreifen. Noch 1906 notierte man im Berliner Ministerium der geistlichen Angelegenheiten, der badische Kultusminister Alexander Freiherr von Dusch280 habe gesagt, „Erzbischof Nörber sei eine absolute Null und mehr wie je vollständig in den Händen des Weihbischofs Dr. Knecht …“281.
Weihbischofsernennung 1893/1894 Friedrich Justus Knecht war bereits 1882 von der Kurie als episkopabel angesehen worden. Damals ging die Stoßrichtung dahin, Knecht dem neuen Erz276 277
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Vgl. Nörber an Nokk v. 4.9.1898, in: GLA Karlsruhe, 235/40820. In der Eidesformel Orbins für seinen preuß. Bistumsanteil hieß es am 28.11.1882: „ich schwöre und verspreche Seiner Majestät dem Deutschen Kaiser und Könige von Preußen, dass ich das mir anvertraute Amt eines Metropolitanerzbischofs und Bischofs zur Beförderung des Seelenheils der Katholiken in der Provinz und dem Bistum verwalten und nichts unternehmen werde, was auf irgend eine Art zum Nachteile der Rechte des Staates gereichen könnte“. In: PA AA Preußen 2, Nr. 2. Vgl. Lorenzelli an Rampolla v. 20.8.1898, in: ASV SS, rubr. 255, fasc. 2. Bodman an Brauer v. 21.10.1898, abgedruckt bei Fuchs, Großherzog Friedrich I. von Baden und die Reichspolitik, Bd. 4, S. 85. Zu Dusch (1851–1923), 1901–1911 Kultus-, 1905–1917 Staatsminister, vgl. Leiser, Minister des Großherzogtums Baden, S. 221; u. DBE, Bd. 2 (2005), S. 778. Aktennotiz v. 2.2.1906, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 5101 22223.
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bischof Orbin als Weihbischof beizugeben. Orbin hatte damals auch schon einen kanonischen Informativprozess eingeleitet282, worüber Franz Xaver Kraus im August 1882 in seinem Tagebuch notiert hatte, die Kurie „inszenierte … einen kanonischen Informationsprozess zu Gunsten des schon zum Domherrn oktroyierten Knecht“283. Der Freiburger Kirchenhistoriker hatte damals dem Großherzog den Rat gegeben, den Weihbischofsposten im Staatsetat zu verankern, um auf diese Weise ein Mitspracherecht an der Personalrekrutierung für diesen Posten zu sichern. Als Kandidat für eine vakante Domherrenstelle hatte die Regierung ihn jedoch im Vorfeld nicht beanstandet, diese Zustimmung aber zugleich als Junktim mit der Ernennung Orbins zum Erzbischof verbunden284. Orbin wollte Knecht aber nicht als Weihbischof. Im Herbst 1893 erbat sich nun Erzbischof Roos gerade Knecht als Weihbischof und damit für eine seit dem Tod des Erzbistumsverwesers Lothar von Kübel 1881 nicht mehr besetzte Funktion. Offenbar verhandelte Wilhelm Brambach285, der Oberbibliothekar der Großherzoglichen Hof- und Landesbibliothek in Karlsruhe, als Emissär des Großherzogs Ende 1893, Anfang 1894 mit Kardinal Luigi Galimberti über die Ernennung eines Weihbischofs286. Nuntius Andrea Aiuti hatte bereits Ende Oktober 1893 den Bischof der Nachbardiözese Mainz, Paul Leopold Haffner, im Vertrauen in diese Personalie eingeschaltet. Vordergründig ging es ihm dabei um einen Rat, inwieweit die Dotation für einen solchen in Baden nicht etatisierten Posten überhaupt ausreiche. Wenn Aiuti gleichsam en passant auch erwähnte, dass Erzbischof Roos als Grund für die Bitte um einen Auxiliarbischof zum einen die große Ausdehnung seines Sprengels, zum anderen seinen schlechten Gesundheitszustand angegeben habe, intendierte er damit ebenso eine Reaktion Haffners auf die Korrektheit dieser Gründe, wie er überhaupt – ebenfalls zwischen den Zeilen – eine Einschätzung der Qualitäten Knechts erbat, über den der Erzbischof in allen Berichten nur „des grands éloges“287 bringe. Bischof Haffner zeigte sich von der Notwendigkeit der Bitte seines Freiburger Amtsbruders ebenso überzeugt wie von den Qualitäten Knechts, der „sans doute le plus intelligent et le plus énergique des chanoines de Fribourg“288 sei, auch wenn er „un peu plus aimable et affable“ 282
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Vgl. auch den entsprechenden Hinweis Aiutis an Haffner v. 23.10.1893, in: ASV ANM, busta 182. Kraus, Tagebücher, S. 451: Eintrag v. 25.8.1882. Vgl. Großmann, S. 379f. Zu Brambach (1841–1932) vgl. Kremer, Das Großherzogtum Baden in der politischen Berichterstattung , Bd. I, S. 575, Anm. 3. Vgl. Fuchs, Großherzog Friedrich I. von Baden und die Reichspolitik, Bd. 3, S. 276, u. Kremer, Das Großherzogtum Baden in der politischen Berichterstattung , Bd. 1, S. 572f. Aiuti an Haffner v. 23.10.1893, in: ASV ANM, busta 182. Haffner an Aiuti v. 26.10.1893, ebd.
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sein könne. Finanziell würden seine Einkünfte genügen, zumal er als Dekan des Metropolitankapitels ohnehin gut dotiert sei. Gleichwohl seien weitere Verhandlungen mit der Regierung über die Etablierung eines festen Weihbischofsgehalts notwendig. Gegenüber Rampolla sprach Aiuti darauf von einer „estrema necessita“289 eines Weihbischofs in Freiburg und zeigte sich zufrieden darüber, von Haffner die gleiche positive Reaktion auf die Personalie Knechts erhalten zu haben wie von Erzbischof Roos. Zudem sei der erbetene Weihbischof stets klar für die Rechte der Kirche im Großherzogtum Baden eingetreten und habe auf religionspädagogischem Gebiet verschiedentlich publiziert. In der Kurie schien man umgehend mit der Ernennung einverstanden zu sein, zumal der Nuntius bereits am 6. November 1893 Domdekan Knecht von der beabsichtigten Ernennung zum Weihbischof in Kenntnis setzte und die zur Durchführung des Kanonischen Informativprozesses notwendigen Unterlagen erbat. Der am 4. Februar 1894 offiziell erfolgten päpstlichen Ernennung zum Titularbischof von Nebo und Weihbischof in Freiburg folgte am 4. April 1894 die Konsekration von Friedrich Justus Knecht durch Erzbischof Roos290.
289 290
Aiuti an Rampolla v. 28.10.1893, ebd. Die Akten des Kanonischen Prozesses für Knecht finden sich in ASV ANM 182.
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ass Mainz in der kirchendiplomatischen Korrespondenz des Untersuchungszeitraumes mehrfach als „importissima diocesa“1 bezeichnet wurde, ist als ein spätes Relikt der besonderen Bedeutung dieses Bischofssitzes im Alten Reich zu deuten, als sein Inhaber zu den drei geistlichen Kurfürsten gehörte. Infolge der Säkularisation war allerdings nicht nur das mächtige Kurfürstentum Mainz untergegangen, sondern sein Nachfolgegebilde auf rein geistlicher Ebene beschränkte sich seit der Neuumschreibung 1821 auf das Territorium des Großherzogtums Hessen-Darmstadt2. Mit der päpstlichen Bulle „Provida sollersque“ von 18213 war Mainz aber auch gleichzeitig der neu gebildeten Oberrheinischen Kirchenprovinz zugeordnet worden, deren Metropolit der Erzbischof von Freiburg im Breisgau war4. Das Domkapitel bestand aus einer Dignität (Domdekan) und sechs Kapitularen5 – nichtresidierende Domherren gab es nicht –, wobei die Besetzung der Kanonikate alternierend vom Bischof und vom Domkapitel vorzunehmen war6. Die jeweils besetzende Stelle hatte nach Eintritt einer Vakanz innerhalb von sechs Wochen dem Großherzog eine Vorschlagsliste mit vier Namen vorzulegen, aus denen nach Rückgabe einer der nicht für mindergenehm Erklärten ernannt werden konnte. Auf diese Weise besaßen Bischof und Kapitel in Hessen-Darmstadt im Vergleich zu Preußen von vornherein nicht den geringsten Spielraum, um den Staatsbehörden unliebsame Kandidaten überhaupt in den „Senatus episcopi“, dessen Mitbestimmung bei der Diözesanverwaltung hier wie auch in den übrigen Bistümern der Oberrheinischen Kirchenprovinz „wohl am weitesten ging“7, zu lancieren. Für die Wahl des Bischofs, dessen gleichwohl im protestantischen Staat gegebene gesellschaftliche Bedeutung daran ermessen werden kann, dass er – neben dem evangelischen Prälaten – als Kirchenvertreter der Ersten Kam1 2
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5 6 7
Vgl. Nicotra an Rampolla v. 4.11.1899, in: ASV ANM 190. Zur Mainzer Bistumsgeschichte in der Umbruchszeit der Säkularisation vgl. Rödel/ Schwerdtfeger, Zerfall und Wiederbeginn. Text mit Kommentierung der Mainz betr. Passagen bei Reidel, Die katholische Kirche im Großherzogtum Hessen, S. 6–19. Vgl. zur Bistumsgeschichte Schwerdtfeger, Mainz, in: Gatz, Die Bistümer, S. 456–464; Gatz/Schwerdtfeger, Bistum Mainz, in: Gatz, Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder, S. 487–506; Jürgensmeier, Das Bistum Mainz. Vgl. die tabellarische Zusammenstellung bei Burkard, Zum Wandel der Domkapitel, S. 144. Vgl. May, Geistliche Ämter und kirchliche Strukturen, S. 1325. So Burkard, Zum Wandel der Domkapitel, S. 154.
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mer, also dem Oberhaus des großherzoglichen Parlamentes, angehörte8, war einerseits die päpstliche Bulle „Ad dominici gregis custodiam“ von 1827 mit dem Breve „Re Sacra“ maßgeblich9, andererseits sah man staatlicherseits die daraufhin 1829 von Großherzog Ludwig I. (1753–1830) erlassene Dotationsurkunde als maßgeblich an, der gemäß das Kapitel binnen eines Monats nach Eintritt der Sedisvakanz des Bischöfl ichen Stuhls eine Liste von Diözesangeistlichen einzureichen hatte, die „dasselbe für würdig und tauglich hält, der Kirche mit Frömmigkeit und Weisheit vorzustehen“10. Nota bene, der Kreis der Kandidaten war auf Landeskinder, in diesem Fall des Großherzogs von Hessen-Darmstadt, beschränkt. Ein exakter Zeitraum, bis wann die Rückgabe der Liste, von der mindergenehme Personen zu streichen sich der Großherzog vorbehielt, erfolgen sollte, war hier nicht fi xiert. Wohl aber war der Vorbehalt defi niert, einen landesherrlichen Kommissar zur Wahl zu entsenden, wobei nicht eigens festgehalten war, ob dieser am eigentlichen Wahlakt des Domkapitels teilnehmen sollte oder nicht. In jedem Fall handelte es sich nicht um eine bilaterale Vereinbarung, sondern um ein Reglement im Sinne des Staatskirchentums des beginnenden 19. Jahrhunderts. Gleichwohl wurde in der Folge auch nach den Maßgaben der Dotationsurkunde verfahren, wenngleich sich der Herrscher vorbehielt, zu untersagen, „was Unseren Hoheitsrechten schaden oder ihnen Eintrag tun könnte, oder den Landesgesetzen und Regierungsverordnungen … entgegen wäre“11. In der Folge ist in Hessen-Darmstadt, das nicht umsonst als letzter der zur neuen Oberrheinischen Kirchenprovinz gehörigen Staaten die päpstliche Bulle geduldet und damit deren Exekution durch den Rottenburger Bischof Johann Baptist Keller sowie die Neubesetzung des vakanten Mainzer Bischofsstuhles ermöglicht hatte, eine „anmaßende, eklatante Bevormundung der Kirche von der Staatsgewalt“12 festzustellen. Nur in Kürze soll hier auf die in die Endphase des Kulturkampfes fallende Bischofsernennung von 1886 eingegangen werden. Nachdem die großherzoglich-hessische Regierung 1877 nach dem Tod des als Sozialreformer deutschlandweit bekannt gewordenen Bischofs Wilhelm Emmanuel Freiherr von Ketteler die gesamte Wahlliste des Domkapitels abgelehnt13 und 8 9
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Vgl. Götz/Rack, Hessische Abgeordnete, Ergänzungsband, S. 27. Das Breve „Re Sacra“ verpflichtete das Kapitel u.a., auf mindergenehme Kandidaten bei Aufstellung der Bischofswahl zu verzichten. In Kommentierung der Mainz betr. Passagen abgedruckt bei Reidel, Die katholische Kirche im Großherzogtum Hessen, S. 20–28. Dotationsurkunde Ludwigs I. v. 12.10.1829, zit. nach Lenhart, Der Mainzer Bischofseid, S. 359, abgedruckt bei Reidel, Die katholische Kirche im Großherzogtum Hessen, S. 29– 33. Vgl. auch Lenhart, Die Dotationsurkunde. Zit. bei Reidel, Die katholische Kirche im Großherzogtum Hessen, S. 29. So das deutliche Urteil bei Rivinius, Zur Kulturkampfgesetzgebung im Großherzogtum Hessen, in: Fleckenstein u.a. (Hrsg.), Kirchengeschichte. Alte und neue Wege, S. 597–642, hier S. 599. Vgl. zuletzt – unter Einbeziehung der Quellen – ebd., S. 623–626. Das Kapitel hatte sich
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auch den zum Bistumsverweser gewählten Regens und Domherrn Christoph Moufang14 nicht anerkannt hatte, zeigte sie sich 1886 bereit, an einer Beendigung der nahezu ein Jahrzehnt währenden Sedisvakanz des bischöfl ichen Stuhls mitzuwirken. Voraussetzung war die Ausschaltung des Kapitels und die Bestellung eines neuen Bischofs unmittelbar durch den Heiligen Stuhl. Die Regierung schlug Papst Leo XIII. für die Neubesetzung drei Priester der Diözese vor15, nämlich Dompfarrer Wilhelm Thoms16, den Pfarrer von Heldenbergen, Dekan Georg Jakob Brentano17, beide Absolventen der liberal ausgerichteten staatlichen Katholisch-Theologischen Fakultät in Gießen18, sowie den als Kunsthistoriker und Liturgiewissenschaftler hervorgetretenen Mainzer Domkapitular Friedrich Schneider19. Inwieweit Schneider wirklich der Favorit des Großherzogs war, lässt sich nicht mehr aus den Quellen eruieren. Wenn Ludwig Lenhart und Anton Philipp Brück diese Behauptung aus dem Manuskript Schneiders selbst unkritisch übernommen haben, sind sie hier möglicherweise dessen Eitelkeit auf den Leim gegangen 20. Dass schließlich keiner der drei den Bischofsstuhl besteigen sollte, lag an dem Veto, das der als Haupt der „Mainzer Schule“ in Nachfolge Kettelers geltende Bistumsverweser Moufang umgehend persönlich beim Heiligen Stuhl gegen alle drei Staatskandidaten einlegte. Es lag aber auch an den freundschaftlichen Beziehungen, die der Philosophieprofessor am Mainzer Priesterseminar, Paul Leopold Haffner21, ein Angehöriger der Mainzer theologischen Schule, zu dem zur katholischen Kirche konvertierten Fürsten Karl von Isenburg-Birstein 22 pflegte. Haffner ver14
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daraufhin unter Verweis auf die Rechtslage geweigert, eine neue Liste vorzulegen. Zu Moufang vgl. Götten, Moufang. Moufang wurde aber auch in seiner Amtsführung nicht behindert. De facto betrachtete die Regierung jedoch das Kapitel als Bistumsleitung. Vgl. dazu Gatz, Der preußisch-deutsche Kulturkampf, in: RQ, Bd. 73 (1978), S. 217–254, hier S. 251f. Vgl. zu diesem Vorgang Lenhart, Haffner, in: Jahrbuch für das Bistum Mainz, Bd. 8 (1958–1959), S. 11–117, hier S. 57. Zu Thoms (1826–1892) vgl. das Kap. Fulda in diesem Band. Zu Brentano (1817–1898), geboren in Gernsheim, geweiht 1840 in Mainz, seit 1864 Pfarrer in Heldenbergen, vgl. Necrologium, S. 67. Vgl. Scharfenecker, Die Katholisch-Theologische Fakultät Gießen, S. 623 u. 657. Zu Schneider vgl. Brück, Schneider, in: AMRKG, Bd. 9 (1957), S. 166–192; u. 175 Jahre Bischöfliches Priesterseminar, S. 333, sowie neuerdings Hinkel, Schneider. Einer sehr breiten Öffentlichkeit wurde Schneider durch sein Buch Der Dom zu Mainz. Geschichte und Beschreibung des Baues und seiner Wiederherstellung, Berlin 1886, bekannt. Auf diesen Sachverhalt weist Rivinius, Zur Kulturkampfgesetzgebung, S. 632f., hin. Zu Haffner vgl. Lenhart, Haffner; Brück, Haffner, in: Gatz, Bischöfe, S. 276–278, BBKL, Bd. 2 (1977), Sp. 458; NDB, Bd, 7 (1966), S. 463; Lenhart, Haffner, in: LThK2, Bd. 4 (1960), Sp. 1312; 175 Jahre Bischöfliches Priesterseminar, S. 326. Zu Isenburg-Birstein (1838–1899), 1861 kath., Mitglied der 1. Kammer ab 1864, MdH ab 1868, vgl. Haupt (Hrsg.), Hessische Biographien, S. 391–393, Götz/Rack, Hessische Abgeordnete, Ergänzungsband, S. 76.
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brachte häufiger seine Ferien bei dem der Ersten Kammer Hessens angehörenden Fürsten und hatte mit dessen Unterstützung im Vorjahr eine Schrift über „Die Lage der katholischen Kirche im Großherzogtum Hessen“23 anonym publiziert. Der diplomatische Grundton dieser Publikation und die Tatsache, dass sich Großherzog Ludwig IV. von Hessen-Darmstadt nach der römischen Ablehnung seiner Terna vor die Aufgabe gestellt sah, eine Alternativlösung zu finden und zu diesem Zweck gerade Isenburg-Birstein um Hilfe bat, begünstigten Haffner, der, „um Ausgleich bemüht, … in Verhandlungen bereit [war], der anderen Seite gegebenenfalls einen Vertrauensvorschuss zuzugestehen“24. Gleichwohl hatte die am 21. April 1886 aus Rom nach Mainz dringende Mitteilung der Zustimmung Leos XIII. zur Ernennung Haffners zum Bischof – die offensichtlich unter Mitwirkung der Kurienkardinäle Melchers und Hergenröther erfolgt war25 – eine Verstimmung bei Hofe nach sich gezogen. Der Großherzog hatte nämlich von der Personalie zuerst aus der Presse erfahren und fühlte sich daher im ersten Moment düpiert26. Eine erneute Intervention des Fürsten Isenburg-Birstein, „der damals eine gewisse politische Rolle zu spielen begonnen hatte“27, bewog ihn allerdings zum Einlenken, so dass aus Darmstadt gegenüber Haffner, der bereits 1882 vom Freiburger Metropolitankapitel als Kandidat aufgestellt worden war28, keine Bedenken mehr geäußert wurden. Zuvor hatte der preußische Gesandte in Darmstadt, Rudolf Le Maistre, noch geäußert, von den im direkten Kontakt zwischen Regierung und Heiligem Stuhl in Aussicht genommenen Kandidaten gefalle ihm „am wenigsten allerdings Dr. Haffner, der in der Rede, die er im September diesen Jahres in der Generalversammlung der Katholiken Deutschlands in Münster gehalten [hat], nicht eben besondere Friedfertigkeit an den Tag gelegt“29 habe. Staatsminister Jakob Finger war wegen der Wahl Haffners, der zu den „Exponenten des Kreises um Ketteler“30 gehörte, zudem kurzzeitig zurückgetreten. Haffner, der am 10. Juni 1886 in Rom ernannt und am 25. Juli 1886 im Mainzer Dom durch den designierten Freiburger Erzbischof Johann Christian Roos die Bischofsweihe erhielt, war „geistig ganz und gar in der zweiten Mainzer Theologenschule des 19. Jahrhunderts verwurzelt“31. Dabei stammte 23 24
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Anonymus, Die Lage der katholischen Kirche im Großherzogtum Hessen, Mainz 1885. Braun, Das Bistum von 1886–1921, in: Jürgensmeier (Hrsg.), Handbuch der Mainzer Kirchengeschichte, Bd. 3,2, S. 1142–1195, hier S. 1144. So nimmt [Bendix], Haffner, S. 32f., an. Vgl. Lenhart, Haffner, S. 58. Hertling, Erinnerungen aus meinem Leben, Zweiter Band, S. 70. Vgl. Lenhart, Haffner, S. 51, [Bendix], Haffner, S. 32. Le Maistre an Auswärtiges Amt in Berlin v. 3.5.1886, in: BArch Berlin-Lichterfelde, R 5101. Anton Brück, Brück, in: Gatz, Bischöfe, S. 276. Lenhart, Haffner, S. 11. Hier auch ausführlich über den Vorgang der Bischofsernennung, S. 57–63.
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er aus gutbürgerlichen Verhältnissen, der Vater war Oberamtsarzt in Horb am Neckar, wo der spätere Mainzer Bischof geboren wurde, war in der württembergischen Bischofsstadt Rottenburg aufgewachsen und war ursprünglich Rottenburger Priester gewesen, der 1864 in den Klerus des Bistums Mainz inkardiniert worden war32. Der mit ihm befreundete Zentrumspolitiker Georg von Hertling, ebenfalls Philosoph, kennzeichnete Haffner als „geistreichen Mann, der neben seinem eigentlichen Berufe als Lehrer der Philosophie … lebhaften Anteil am öffentlichen Leben nahm und als Redner in den Volksversammlungen wegen seines schlagfertigen Witzes sehr beliebt war“33. Paul Leopold Haffner gelang in seinem Episkopat durch ein ausgleichendes, vermittelndes Auftreten gegenüber den Staatsbehörden auch eine weitgehende Aufhebung der Kulturkampfgesetze und eine Normalisierung des Staat-Kirche-Verhältnisses im Großherzogtum34. Zwar wurde ihm während der Ablegung des Treueeides vor dem Großherzog am 21. Juli35 das von diesem gestiftete Pektorale überreicht, was kirchlicherseits kritisch als QuasiInvestitur gedeutet wurde, aber eine Erklärung, „das bischöfliche Amt in jeder Beziehung in Übereinstimmung mit den Staatsgesetzen und unter Beobachtung derselben zu führen“36, wie sie das Großherzogliche Ministerium des Innern noch 1877 für potenzielle Nachfolger Kettelers vorgesehen hatte, wurde keineswegs mehr verlangt. Beispielsweise konnte im Oktober 1887 ähnlich wie in den meisten preußischen Bistümern auch in Mainz das Priesterseminar wieder eröffnet werden37. Gleichwohl hatte Haffner 1898 für einen Eklat gesorgt, als er in seiner Trauerpredigt für den verstorbenen Nachbarbischof Karl Klein im Limburger Dom auf diesen staatsfreundlichen Oberhirten bezogen das Bild von einem Geistlichen, der mit den Wölfen heulte, gebrauchte. Jedenfalls sah sich der preußische Kultusminister Bosse nach entsprechenden Zeitungsberichten auf den Plan gerufen und erkundigte sich beim Oberpräsidenten der Provinz Hessen-Nassau, Eduard Magdeburg38, der bei den Trauerfeierlichkeiten als Vertreter der preußischen Regierung zugegen gewesen war. Letzterer gab zu Protokoll, dass „der Eindruck des gesprochenen Wortes 32
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Vgl. [Bendix], Haffner, S. 17. Zuvor hatte Haffner auch die hessische Staatsbürgerschaft erhalten. Hertling, Erinnerungen aus meinem Leben, Zweiter Band, S. 70f. Lenhart, Haffner, S. 12, führt diesen Erfolg auf Haffners schwäbisches Naturell zurück. Zum Treueeid Haffners vgl. Lenhart, Der Mainzer Bischofseid, in: Jahrbuch der Hessischen kirchengeschichtlichen Vereinigung, Bd. 14 (1950), S. 357–382, hier S. 373f. Ministerium des Innern an vier der sechs Listenkandidaten v. 30.8.1877, zit. nach Lenhart, Moufangs Ablehnung, in: AMRKG, Bd. 19 (1967), S. 157–191, hier S. 174. Vgl. 175 Jahre Bischöfliches Priesterseminar, S. 47f.; u. Schwerdtfeger, Mainz, in: Gatz (Hrsg.), Priesterausbildungsstätten, S. 138–141, hier S. 140. Zu Magdeburg (1844–1932), 1892–1898 Oberpräsident von Hessen-Nassau, vgl. Schütz, Die Oberpräsidenten, S. 301.
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noch wesentlich verletzender gewesen“39 sei, als der Wortlaut der Predigt es wiedergeben könnte. Dass mit den „Wölfen“ niemand anderes als die Staatsregierung gemeint gewesen sei, „konnte keinem aufmerksamen Zuhörer entgehen“, ereiferte sich Magdeburg, der dem Minister gegenüber Bischof Haffner als eine „ausgesprochen staatsfeindliche und hetzerische Persönlichkeit“ charakterisierte. Bosse zeigte sich ebenfalls empört, verwies die Angelegenheit jedoch an das Auswärtige Amt, da es sich „um das Verhalten eines außerpreußischen Bischofs handelt“40. Inwieweit von dort aus Kaiser Wilhelm II. – wie vom Kultusminister beabsichtigt – unterrichtet wurde und zudem – wie von diesem erwogen worden war – über den preußischen Gesandten beim Heiligen Stuhl Beschwerde bei Kardinalstaatssekretär Rampolla eingereicht wurde, lässt sich aus den Akten nicht mehr eruieren. Zumindest hat der Vorfall bei der Darmstädter Regierung offensichtlich keine Folgen gezeitigt, was auch daran gelegen haben könnte, dass Bischof Haffner am 2. November 1899 im Alter von 70 Jahren plötzlich einem Herzversagen erlag41. Nuntius Nicotra war zudem bemüht, den Verstorbenen gegenüber Rampolla als „un vescovo dotto e prudente“42 zu kennzeichnen.
Bischofswahl 1899 Will man die erste der Mainzer Bischofswahlen im Untersuchungszeitraum näher beleuchten, kommt man nicht um die unveröffentlichten Aufzeichnungen des an der Wahl beteiligten Domkapitulars Prälat Friedrich Schneider herum 43, die in allerdings vollkommen unkritischer Weise bereits in eine detaillierte Biographie des aus der Bischofswahl als Sieger hervorgegangenen Mainzer Kirchenhistorikers Heinrich Brück eingegangen sind 44. Angesichts der Kriegsverluste staatlichen Aktenmaterials für Hessen-Darmstadt kommt dieser Quelle zwar zusätzliche Bedeutung zu, zumal sie in einer Weise, die in anderen Diözesen und bei anderen Bischofswahlen ihresgleichen sucht, die internen Auseinandersetzungen im Mainzer Kapitel um die Listenaufstellung widerspiegelt. Dennoch erscheint eine kritische Rezeption ausdrücklich angebracht, um den Vorgang nicht – wie es Ludwig Lenhart getan hat – allein aus
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Magdeburg an Kultusministerium v. 24.2.1898, in: PA AA Preußen 2 Nr. 2d. Hier auch die folg. Zit. Kultusministerium an Auswärtiges Amt v. 3.3.1898, ebd. Zum Tod Haffners vgl. Lenhart, Haffner, S. 107f. Dass dieser sehr überraschend kam, hebt [Bendix], Haffner, S. 5, hervor. Nuntius an Rampolla v. 4.1.1899, in: ASV ANM 190. Vgl. Friedrich Schneider, Die Bischofswahl im Jahre 1899, Manuskript, in: DDAMZ, ausgewertet bei Lenhart, Brück. Vgl. die überaus detaillierte, aber im Wesentlichen deskriptive Arbeit von Lenhart, Brück.
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der Perspektive Schneiders darzustellen 45. Erwähnt sei nur, dass Schneider, der aus einer alteingesessenen Mainzer Kaufmannsfamilie stammte46 und nach einigen Kaplansjahren seit 1864 als Dozent für Liturgik, christliche Kunstgeschichte und kirchliche Archäologie am Priesterseminar tätig gewesen war, 1868 als Dompräbendat die Leitung der Bibliothek im Priesterseminar übernommen hatte und zugleich als Subkustos und Zeremoniar am Dom wirkte47. Zudem war er ein offensichtlich sehr ehrgeiziger, nach Macht strebender Kleriker. Ohne eine Dissertation vorzulegen, war er 1884 in Freiburg im Breisgau auf der Grundlage bereits erschienener kunsthistorischer Beiträge kumulativ zum Dr. theol. promoviert worden 48. Durch seine kunsthistorischen Arbeiten hatte er sich nicht nur das Vertrauen des Großherzogs in Darmstadt erworben, der ihn mit dem hessischen Ludwigs-Orden II. Klasse auszeichnete49, sondern auch die Aufmerksamkeit des preußischen Kronprinzenpaares Friedrich und Viktoria Luise bzw. dann auch von deren Sohn Kaiser Wilhelm II., der ihm den Roten Adlerorden III. Klasse verlieh, auf sich gezogen50. Die Kronprinzessin erbat immer wieder den Rat und Vortrag des „Kulturprälaten“ in kunsthistorischen Fragen51. In seiner wissenschaftlichen Disziplin war er unweigerlich in Kontakt mit dem dezidiert staatskatholischen Freiburger Kirchen- und Kunsthistoriker Franz Xaver Kraus geraten52. Bereits in den 1880er Jahren hatten ihn daher die preußischen Behörden verschiedentlich für staatlich zu verleihende Kanonikate in preußischen Diözesen, so beispielsweise 1888 auf Vermittlung des Fuldaer Bischofs Josef Weyland für Gnesen-Posen53, ins Auge gefasst und Bischof Haffner gedrängt, ihm eine Mainzer Domherrenstelle zu verleihen. Wie wenig angesehen Schneider aber bei seinem Oberhirten und im Kapitel war, zeigt die Tatsache, dass ihm mit Verweis auf einen Präzedenzfall und seine Kränklichkeit 1890 nach längerem Zögern dieses Ansinnen verweigert, dafür aber die seit Neuzirkumskription der Diözese erst ein einziges Mal 45
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Zu diesem Zweck wurden neben den bereits von Lenhart berücksichtigten Akten des DDAMZ auch die diese Bischofswahl betreffenden Bestände des ASV und des PA AA sowie des BArch Berlin-Lichterfelde herangezogen. Vgl. Lambert, Eine Mainzer Familie, in: Hinkel, Schneider, S. 37–48. Vgl. Schneider: Lebensstationen, ebd., S. 11f. Vgl. Müller, Fünfhundert Jahre Theologische Promotion, S. 106; u. Braun, Friedrich Schneider im Dienst des Bistums Mainz, in: Hinkel, Schneider, S. 49–78, hier S. 62. Vgl. Brück, Schneider, S. 169. Zur Korrespondenz Schneiders mit Wilhelm II. vgl. ebd., S. 172f. Schneider wurde 1894 zudem Päpstlicher Hausprälat u. 1906, kurz vor seinem Tod, mit der höchsten Prälatenwürde des Apostolischen Protonotars ausgezeichnet. Vgl. Arnold, Zwischen „liberal“ und „ultramontan“, in: Hinkel, Schneider, S. 13–35, hier S. 14f. Vgl. Schiel, Tagebuch Kraus, S. 247, Eintrag vom 20.7.1867: „In Mainz wandte ich mich im Interesse meiner epigraphischen Studien an Prof. Schneider im Seminar, der mir eine mehr als gewöhnliche Liebenswürdigkeit bewies; …“ Vgl. Braun, Friedrich Schneider im Dienst des Bistums Mainz, S. 63; u. das Kap. GnesenPosen in diesem Band.
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verliehene Ehrendomherrenwürde angetragen wurde54. Im Folgejahr dennoch auf ein vom Kapitel zu besetzendes wirkliches Kanonikat aufgerückt55, geriet Schneider zudem 1898 anscheinend positiv in das Gesichtsfeld der Staatsbehörden, die ihn gern auf der Liste für die Bischofswahl im benachbarten Limburg platziert hätten56. Dass Schneider wie erwähnt 1886 sogar auf die Terna der hessischen Regierung für die Neubesetzung des Bischofsstuhles gelangt war, wies er Zeit seines Lebens als unwahr zurück. Gleichwohl wäre es wohl zu kurz gegriffen, in ihm den typischen staatsloyalen Priester zu sehen, wie er im benachbarten Preußen in der Rolle des Militärpfarrers oder Gefängnispfarrers oft begegnete. Vielmehr war er „kein in der Wolle gefärbter Liberaler, sondern eher ein Post-Ultramontaner“57, zumal er als Seminarist die „Mainzer Schule“ Kettelers nicht nur durchlaufen, sondern diese über Jahrzehnte zugleich als Lehrender mitgeprägt hatte. Domdechant Ludwig Erler58, Haffners letzter Generalvikar, war bereits seit 1898 so schwer an Asthma erkrankt, dass er sein Haus nicht mehr verlassen konnte, und hatte den Domherren Erwin Josef Nostadt mit der Abgabe seiner Stimme beauftragt. Dennoch setzte Erler im Vorfeld der Listenaufstellung einen entscheidenden Akzent, als er entgegen den Bestimmungen der großherzoglichen Dotationsurkunde von 1829 nur Landeskinder, also Bürger des Großherzogtums Hessen-Darmstadt, aufzustellen, zum einen den Kölner Weihbischof Antonius Fischer, zum anderen den derzeit in Nürnberg tätigen Prinzen Max von Sachsen vorschlug. Ausschlaggebend mag für Erler dabei einmal der glanzreiche Episkopat Kettelers gewesen sein, der ja auch als aus der preußischen Provinz Westfalen stammender „Ausländer“ Bischof von Mainz geworden war. Zudem hatte ihm der amtierende Geschäftsträger der Münchner Nuntiatur, Sebastiano Nicotra, bescheinigt, dass „veteres difficultates, post mortem Rmi Epi [Reverendissimi Episcopi] Ketteler exortae, amplius non existerunt“59. Gegenüber Kardinalstaatssekretär Mariano Rampolla offenbarte Nicotra auch den Grund für seine Zuversicht. Die Situation der katholischen Kirche in Hessen-Darmstadt habe sich aufgrund des Erstarkens der Sozialdemokratie verbessert, weil der Großherzog sie jetzt als Bündnispartner gebrauche60. Außerdem handelte es sich bei 54
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Vgl. Link, Ehrenkanoniker im Bistum Mainz, in: Lenhart (Hrsg.), Aus Kirche, Kunst und Leben, S. 229–250, hier S. 237–239. Vgl. dazu Braun, Friedrich Schneider im Dienst des Bistums Mainz, S. 64f. Wenn Brück, Schneider, S. 171, behauptet, Schneider habe 1898 auf der Limburger Wahlliste gestanden, sei aber nicht gewählt worden, ist dies falsch. In den Limburg betreffenden Akten fällt nirgends der Name Schneider, Vgl. das Kap. Limburg in diesem Band. Ohnehin bezieht sich Brück lediglich auf einen Brief Martin Spahns an Schneider. So das Urteil von Arnold, Zwischen „liberal“ und „ultramontan“, S. 16. Zu Erler (1833–1900), 1891–1899 Generalvikar, seit 1891 zugleich Domdekan, vgl. Brück, Erler, in: Gatz, Bischöfe, S. 174. Nicotra an Erler v. 4.11.1899, in: ASV ANM 190. Vgl. Nicotra an Rampolla v. 4.11.1899, ebd. Rampolla teilte am 8.11.1899 diese Zuversicht und kündigte an, dass Leo XIII. seine Sorge dieser Ernennung zuwenden würde.
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Fischer und Max von Sachsen geradezu um Modekandidaten, die in mehreren deutschen bzw. preußischen Diözesen auf Listen der Kapitel gesetzt wurden oder zumindest innerhalb der Domkapitel diskutiert wurden. Die Bemühungen einiger Kölner Domherren, Max von Sachsen bei der dort einige Monate zuvor erfolgten Neubesetzung des erzbischöflichen Stuhles im Kapitel durchzusetzen, hatten nicht zuletzt durch grassierende Zeitungsgerüchte auch in Mainz Aufmerksamkeit erzeugt. Die Aufnahme des Prinzen aus dem Haus Wettin entsprach außerdem auch den Vorstellungen örtlicher Zentrumsgrößen, vor allem des Reichs- bzw. Landtagsabgeordneten Adam Josef Schmitt61. Obgleich dem erst 29-jährigen Prinzen ein zwiespältiger Ruf vorauseilte, nämlich einerseits geistig überaus rege, andererseits aber völlig kompromisslos gegenüber staatlichen Interessen zu sein, und obwohl sein Heimatbischof Franz Leopold von Leonrod in Eichstätt in einem dem Kapitel vom Domdechanten vorgelegten Schreiben die Unerfahrenheit des hochadeligen Geistlichen in administrativen Angelegenheiten attestiert hatte, fand er eine entsprechende Stimmenzahl bei der Kandidatenaufstellung am 21. November. Dass die Wahl an diesem Tag und nicht wie geplant bereits fünf Tage zuvor stattfand, war der Tatsache geschuldet, dass Schneider sich „an calcirenum äußerst schmerzhaft erkrankt und noch zu Bett liegend, … alles Anzügliche vorbehalten“62 hatte. Inwieweit es sich dabei um eine „politische Verschnupfung“ handelte, die rein taktische Gründe hatte, kann nur gemutmaßt werden. Immerhin zeigte sich Schneider wieder soweit gesundheitlich rehabilitiert, dass er bereits „vor Eintritt in die Tagesordnung …. Bedenken gegen einige Kandidaten“ erhob, darunter gegen Max von Sachsen, aber auch gegen den Professor für Kirchengeschichte am Priesterseminar Heinrich Brück, mit dem er eigentlich aus gemeinsamer Seminarzeit63 in freundschaftlichem Kontakt gestanden hatte und der am 9. November einstimmig zum Kapitularvikar gewählt worden war. Schenkt man der Argumentation Schneiders Glauben, so resultierte seine Ablehnung gegen Brück einerseits aus dessen vorgerücktem Alter und andererseits aus seiner „Opposition gegen den verstorbenen Bischof Haffner“64. Daneben beklagte Schneider aber auch die skrupulöse Art des Kapitularvikars, der sich weigerte, diesen Titel bereits vor Eintreffen der landesherrlichen Zustimmung zu führen65. Allerdings hatte Brücks Vorsicht ihren berechtigten Grund in der anlässlich der letzten Sedisvakanz des Bistums nach dem Tod Kettelers 1877 erfolgten staatlichen Ablehnung des gewählten Kapitularvikars 61
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Zu Schmitt (1855–1928), Dr. iur. u. Rechtsanwalt in Mainz, 1896–1903 u. 1919–1920 MdR, 1893–1918 u. 1919–1925 MdL, Landtagsvizepräs. 1899–1918, vgl. Haunfelder, Reichstagsabgeordnete der Deutschen Zentrumspartei, S. 255; u. Ruppel u.a., Hessische Abgeordnete, S. 232. Schneider an Domdechant v. 12.11.1899, in: DDAMZ, C 1.12. Hier auch das folg. Zit. Vgl. den Hinweis bei Lenhart, Brück, S. 263. Schneider, Die Bischofswahl. Vgl. Lenhart, Brück, S. 294.
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Moufang66. Man wird davon ausgehen können, dass Schneider seine Rolle bei dieser Listenaufstellung des Kapitels wenn nicht übertrieben, so doch in besonders rosigem Licht dargestellt hat. Dass er zumindest nicht die Mehrheit des Domkapitels mit seiner Intervention überzeugen konnte, zeigte sich daran, dass die beiden auswärtigen Geistlichen Antonius Fischer und Max von Sachsen bereits im ersten Wahlgang eine Mehrheit fanden. Als „Landeskinder“ wurden zudem Kapitularvikar Brück, die Dekane Franz Engelhardt, Heppenheim, und Philipp Jakob Fehr, Propst in Worms, sowie Pfarrer Karl Forschner, Mainz St. Quintin, in das der Regierung in Darmstadt am selben Tag zugeleitete Verzeichnis aufgenommen, wobei Fehr die größte Zustimmung erfuhr und sich Forschner erst in einem zweiten Wahlgang gegen Ludwig Bendix, den Pfarrer von St. Stephan in Mainz, Joseph Theodor Koerner67, und den als Professor am Priesterseminar tätigen Josef Selbst durchsetzte68. Zuvor hatte sich das Kapitel darüber verständigt gehabt, sechs Kandidaten aufzustellen. Möglicherweise spielte dabei eine Rolle, dass auch die von der Darmstädter Regierung komplett zurückgewiesene Wahlliste von 1877 sechs Namen enthalten hatte69. Auffällig erscheint bei der aktuellen Liste, dass außer dem bereits 68-jährigen Professor Brück kein Mitglied des Kapitels, also auch nicht Friedrich Schneider, sondern – mit Ausnahme Fischers – nur Pfarrseelsorger das Rennen für sich hatten entscheiden können.
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einrich Brück70 wurde 1831 in Bingen als Sohn eines Bierbrauers und Gastwirts geboren und erst nach einer Ausbildung als Küfer und Bierbrauer von einem Bingener Kaplan als für den geistlichen Beruf geeigneter Mann „entdeckt“. Nach der als Externer in Darmstadt abgelegten Reifeprüfung studierte er am neu eröffneten Mainzer Priesterseminar Theologie, empfing die Priesterweihe 1855 allerdings wegen Abwesenheit des Bischofs von Ketteler im benachbarten Speyer. Nach nur kurzer Kaplanszeit in Nieder-Olm wurde der erst 25-jährige Geistliche von Ketteler ausgewählt, um die plötzlich vakant gewordene Professur für Kirchengeschichte am Priesterseminar zu übernehmen. Nach einem Studienjahr in München und Rom, das mehr der Allgemeinbildung als einem Spezialstudium diente71, begann Brück 66 67
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Vgl. Lenhart, Moufangs Ablehnung als Kapitelsvikar. Zu Koerner (1839–1906), geweiht 1863, seit 1874 Pfarrer in Mainz St. Stephan, Geistl. Rat, später auch Prälat, vgl. Necrologium, S. 155. Vgl. Lenhart, Brück, S. 299. Demnach waren Fehr mit 7, Engelhardt mit 6 u. Fischer, Brück u. Prinz Max v. Sachsen mit jeweils 4 Stimmen im ersten Wahlgang gewählt, in dem Bendix, Forschner u. Koerner je 3 Stimmen erzielt hatten. Vgl. Lenhart, Moufangs Ablehnung, S. 172. Zu Brück vgl. A. Brück, Brück, Heinrich, in: Gatz, Bischöfe, S. 75f.; Ders., Brück, Heinrich, in: LThK2, Bd. 2 (1958), Sp. 712; BBKL, Bd. 1 (1975), Sp. 763f.; v.a. aber Lenhart, Brück, u. 175 Jahre Bischöfliches Priesterseminar, S. 325. 1856 war Brück als Mitglied des Priesterkollegs an der deutschen Nationalkirche Santa Maria dell’Anima in Rom registriert. Vgl. Gatz, Rom als Studienplatz deutscher Kleriker,
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1857 als Assistent Kirchengeschichte in Mainz zu dozieren. Obwohl er bereits 1862 den Titel eines Professors verliehen bekam, schloss er seine Promotion72 erst drei Jahre darauf bei dem damals sehr bekannten Würzburger Kirchenhistoriker Joseph Hergenröther73 ab. Aufgrund seiner Zugehörigkeit zum „Mainzer Kreis“ um Bischof von Ketteler blieb ihm ein Ruf an die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Würzburg in Nachfolge des zum Kurienkardinal in Rom avancierten Hergenröther 1879 – auf dem Höhepunkt des Kulturkampfes – versagt74. Insbesondere in den mehr als zehn Jahren der Schließung des Lehrbetriebes wegen des Kulturkampfes widmete er sich intensiv der Forschung und trat mit einem in mehrere Sprachen übersetzten kirchengeschichtlichen Lehrbuch hervor75. Eine aus seiner Feder stammende vierbändige deutsche Kirchengeschichte des 19. Jahrhunderts fand gerade wegen ihrer apologetischen Tendenz in breiten, vom Erlebnis des Kulturkampfs geprägten katholischen Kreisen Anerkennung und weite Verbreitung76. Friedhelm Jürgensmeier erklärt den durchschlagenden Erfolg von Brücks wissenschaftlichem Wirken damit, dass es „den konservativen katholischen Zeitgeist ansprach“77. Nach der Wiedereröffnung des Seminars 1887 lehrte Brück dort sieben Jahre lang zugleich Kirchenrecht und wurde im Dezember 1889 durch Kapitelsnomination Domkapitular. Seine Bedeutung in der Diözese ist auch daran ablesbar, dass er in der Zeit der Sedisvakanz von 1877 bis 1886 als erster Stellvertreter des Kapitularvikars Moufang fungierte78. Aus staatlicher Sicht musste für Brück sprechen, dass er in regelmäßigem Briefkontakt mit dem in Berlin sehr geschätzten Limburger Bischof Karl Klein stand79.
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ranz Engelhardt80 war 1848 in Wildhof bei Offenbach geboren worden, 1870 hatte er in Mainz die Priesterweihe erhalten und gelangte nach der infolge des Kulturkampfes erfolgten Schließung des Bischöflichen Konvikts
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in: RQ, Bd. 86 (1991), S. 160–201, hier S. 184. Vgl. passim Heinrich Brück, Die rationalistischen Bestrebungen im katholischen Deutschland, besonders in den rheinischen Erzbistümern in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, Mainz 1865. Zu Hergenröther vgl. Bigelmair, Hergenröther, in: LThK2, Bd. 5 (1960), Sp. 245f.; u. Bautz, Hergenröther, in: BBKL, Bd. 2 (1990), Sp. 746f. Vgl. DDAMZ, Z.3: Nachlass Brück. Vgl. passim Heinrich Brück, Lehrbuch der Kirchengeschichte für den akademischen Gebrauch und zum Selbststudium, Mainz 1874, 81902, übersetzt ins Englische, Französische und Italienische. Vgl. passim Heinrich Brück, Geschichte der katholischen Kirche in Deutschland im 19. Jahrhundert, 4 Bde., Mainz 1887–1908. Jürgensmeier, Das Bistum Mainz, S. 302. Vgl. Lenhart, Moufangs Ablehnung, S. 189. Vgl. die Korrespondenz in: DDAMZ, Nachlass Brück. Zu Engelhardt (1848–1912) vgl. Brück, Engelhardt, in: Gatz, Bischöfe, S. 172.
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in Dieburg, an dem er als Lehrer eingesetzt war, 1876 als Kollegsmitglied an die Anima in Rom81. Hier promovierte er an der Hochschule San Apollinare in Kirchenrecht und kehrte 1880 in seine Heimatdiözese zurück, um Gymnasialprofessor in Seligenstadt am Main zu werden. 1889 wurde Engelhardt Pfarrer in Heppenheim und engagierte sich dort auch privat stark für den Neubau der Pfarrkirche.
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hilipp Jakob Fehr82 war 1837 in Bensheim an der Bergstraße geboren worden und 1860 in Mainz zum Priester geweiht worden. Als Kaplan wirkte er in Zornheim, Gernsheim und am Wormser Dom, war 1869 Pfarradministrator in Hirschhorn und seit dem Folgejahr Propst in Worms sowie Dekan.
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arl Forschner83 gehörte zu den jüngeren Kandidaten. 1853 in Dienheim geboren und als 23-jähriger 1876 zum Priester geweiht, hatte er seinen Dienst nur in der Bischofsstadt Mainz versehen, zunächst als Religionslehrer, ab 1887 als erster Pfarrer von St. Joseph und seit 1899 in gleicher Eigenschaft in der Innenstadtpfarrei St. Quintin. Als Großstadtseelsorger hatte er erkannt, dass infolge der Industrialisierung als Arbeiter in die Städte strömende junge Männer religiöse Betreuung benötigten, sollten sie nicht den Werberrufen der Sozialdemokratie erliegen. Daher engagierte er sich als Diözesanpräses der Katholischen Arbeitervereine.
M
ax von Sachsen84 war 1870 in der sächsischen Hauptstadt Dresden als Spross des Hauses Wettin zur Welt gekommen. Sein Vater, Prinz Georg, bestieg später den Königsthron. Er selbst studierte in Freiburg im Breisgau und Leipzig Jura und promovierte 1892 in diesem Fach. Im Folgejahr trat er in das Priesterseminar in Eichstätt ein und wurde dort 1896 zum Priester geweiht. Seine hochadelige Herkunft, seine Doppelausbildung und die gleichsam nebenbei 1898 neben der juristischen Doktorwürde in Würzburg erlangte theologische Promotion ließen ihn als hochbegabten, wissenschaftlich ambitionierten Kirchenmann erscheinen. Dass er zudem innerhalb weniger Jahre seelsorgliche Tätigkeiten in London, Eichstätt und Nürnberg wahrnahm, machte ihn überdies zu einem polyglotten Seelsorger. Bereits nach einer Prüfungszeit von drei Wochen teilte das Darmstädter Innenministerium am 11. Dezember mit, dass der Großherzog Forschner sowie die beiden auswärtigen Kandidaten Fischer und Max von Sachsen
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Vgl. Gatz, Rom als Studienplatz deutscher Kleriker, S. 185. Dort ist der Aufenthalt Engelhardts an der Anima nur für das Jahr 1876 angegeben. Zu Fehr (1837–1901), der 1900 ins Domkapitel berufen wurde, vgl. Necrologium, S. 12. Zu Forschner (1853–1918) vgl. ebd., S. 10. Eine konzise Biographie stellt ein Desiderat dar. Vgl. bisher Baumer, Max von Sachsen, 2 Bde.; u. Ders. Max von Sachsen, in: NDB, Bd. 16 (1991), Sp. 513–515. Zur Promotion in Würzburg vgl. Walter, Dozenten und Graduierte, S. 471.
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zu „personae minus gratae“ erklärt habe85, die Liste somit aus Brück, Engelhardt und Fehr bestand. Aus dem Bereich des politischen Katholizismus kam dann wohl auch ein anonymer Leserbrief im „Badischen Beobachter“, in dem die Streichung Forschners, der „unstreitig heute einer der hervorragendsten Kanzel- und Volksredner des katholischen Deutschland“86 sei und sich großer Beliebtheit im katholischen Volk erfreue, heftig kritisiert wurde. In dieser Zuschrift wurde nicht etwa die hessische Regierung, sondern ein Herr, „der wohl in den hohen und höchsten Kreisen sich beliebt zu machen versteht, für den aber das katholische Volk keine Sympathien hat und solche auch nicht haben kann“, verantwortlich gemacht. Damit war ganz deutlich auf die Gespräche von Domkapitular Friedrich Schneider „bei Hofe“ angespielt und dessen mangelnde Popularität auch über das Kapitel hinaus deutlich geworden. Gelegentlich der Kölner Erzbischofswahl einige Monate zuvor hatte es im Vorfeld Diskussionen darüber gegeben, ob Prinz Max von Sachsen überhaupt auf die Liste gelangen sollte, wenn sowieso klar wäre, dass er als strengkirchlicher Geistlicher nicht das staatliche Wohlwollen erhalten würde. Mit einer Mindergenehmerklärung würde auch seine hochadelige Familie, ein deutsches Königshaus, düpiert. Den Großherzog von Hessen-Darmstadt schien ein solcher Verstoß gegen den „Comment“ nicht zu interessieren. Gegenüber Domkapitular Schneider, den er am 6. Dezember in der Absicht in Audienz empfangen hatte, sich über die Liste auszutauschen, hatte er über unterschiedliche Ansichten zwischen ihm und dem Prinzen gesprochen, die aus gemeinsamen Studienzeiten in Leipzig resultierten und ihn als persönlich schwierigen Verwandten seiner Gattin charakterisierten, was Wasser auf die Mühlen des Domkapitulars war, der sich zuvor bereits bei Staatsminister Carl Friedrich Rothe87 „über diese prinzipielle Kandidatur zu verlustigen“88 bemüht hatte, wie er nicht ohne Ironie selbst formulierte. Darüber hinaus äußerte sich Schneider negativ über Weihbischof Fischer und über Brück, positiv hingegen über Fehr und Forschner. Schneiders Urteil zufolge musste Fehr als Favorit des Großherzogs gelten, während dieser mit Brücks Wahl gar nicht rechnete. Dass dagegen Schneider selbst am großherzoglichen Hof als erste Wahl gegolten hätte, lässt sich an der Tatsache erkennen, dass der Großherzog ihn – und nicht Kapitularvikar Brück – mit der interimistischen Wahrnehmung des bischöflichen Sitzes in der Ersten Kammer betraut hatte89. Der Minister Rothe hatte zudem sein Erstaunen über die Zusammensetzung der Liste nicht unterdrückt. Einzig Engelhardt und Fehr, der aber eigentlich zu alt und gesundheitlich angeschlagen sei, schienen Rothe episkopabel zu 85 86 87
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Vgl. Ministerium des Innern an Domkapitel in Mainz v. 11.12.1899, in: DDAMZ, C 1.12. N.N., in: Badischer Beobachter v. 20.12.1889, zit. bei Lenhart, Brück, S. 302. Zu Rothe (1840–1906), seit 1898 Staatsminister, Minister des Großherzoglichen Hauses, des Äußeren u. des Inneren, vgl. Franz, Minister von Hessen-Darmstadt, S. 302. Zu Schneiders Gesprächen mit Rothe u. dem Großherzog vgl. Lenhart, Brück, S. 299–301. So geschehen am 16.12.1899, vgl. Brück, Schneider, S. 172.
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sein. Nachdem das Kapitel der Bitte um Anzeige des Wahltages bei der Regierung nachgekommen war und das Ministerium davon unterrichtet hatte, dass der 21. Dezember, das Fest des Apostels Thomas, hierfür ausersehen sei, wurde in Darmstadt der Ministerialrat im Ministerium des Innern und der Justiz Geheimrat Paul Schlippe (1838–1907), ein Katholik, mit dem Amt des landesherrlichen Kommissars betraut90. Letzterer nahm „in absolut passiver Weise an dem Wahlakt teil“91. Schneider kritisierte in der Retrospektive, dass „es dem Kanonisten und Kirchenhistoriker Brück nicht einfiel, irgendeine Einwendung … namentlich bezüglich der Anwesenheit des Regierungskommissars bei dem Wahlakt selbst zu machen“92. Offensichtlich hatte er bereits im Vorfeld der Wahl im Kapitel vorgeschlagen, „man möge die Teilnahme des staatlichen Kommissars auf den sonst in Preußen üblichen Modus zurückführen“, ohne dort Zustimmung zu finden. Damit entsprach Schneiders Einwand der Kritik des Nuntiaturverwalters Nicotra, der dem Kapitularvikar eigens im Vorfeld mitgeteilt hatte, dass die Anwesenheit des Wahlkommissars bei der kürzlich erfolgten Kölner Erzbischofswahl vom Heiligen Stuhl mit großen Bedenken gesehen worden sei, weshalb die Anwesenheit eines Regierungsbeauftragten „intra conclave“ unzulässig sei93. Der Wahlakt selbst zeigte eine deutliche Mehrheit für den bisherigen Bistumsverweser Heinrich Brück, der fünf Stimmen, darunter in jedem Fall die delegierte Stimme des Domdechanten Erler, erhielt, je ein Kapitular stimmte für Engelhardt und für Fehr94. Wenn die päpstliche Präkonisation erst am 19. April 1900 erfolgte, lag dies trotz mehrerer Briefwechsel des neuen Nuntius Cesare Sambucetti mit dem erwählten Bischof offenbar an der Unerfahrenheit des vatikanischen Diplomaten, der die Angelegenheit nicht konsequent genug vorantrieb95. Dabei hatte der Geschäftsträger Nicotra sehr intensive Vorarbeit geleistet. Bereits nach Rückgabe des Liste an das Kapitel hatte er bei Kapitularvikar Brück darum ersucht, ihm unmittelbar nach dem Wahlakt den Namen des Erwählten mitzuteilen, damit er die notwendigen Auskünfte über dessen Lebenslauf für den Kardinalstaatssekretär einziehen könne96. Parallel hatte er bereits den Fuldaer Bischof Adalbert Endert kontaktiert und um Informationen über die 90 91 92 93
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Großherzog Ernst Ludwig an Domkapitel v. 19.12.1899, in: DDAMZ, Abt. 1, Fasz. 12. Lenhart, Der Mainzer Bischofseid, S. 375. Zit. nach Lenhart, Brück, S. 303. Vgl. Nicotra an Brück v. (o.D.) 1903, in: ASV ANM 190. Auf diesen Brief, den Brück dem Kapitel verschwiegen haben soll, rekurrierte Dompräbendat Moser gegenüber dem Nuntius am 11.11.1903, in: ASV ANM 200. Zu Wilhelm Moser (1850–1930), geweiht 1872, seit 1890 Dompräbendat, 1904 Direktor der Bischöflichen Kanzlei, vgl. Necrologium, S. 29. Wahlprotokoll v. 21.12.1899, in: DDAMZ, C 1.12. So jedenfalls die Ansicht des Rektors der Anima in Rom, Franz Xaver Nagl, gegenüber Brück v. 19.2.1900, in: DDAMZ, C 1.12. Nicotra an Brück v. 14.12.1899, in: ASV ANM 190. Brück informierte die Nuntiatur auch umgehend am 21.12. über das Wahlergebnis.
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drei stehengebliebenen Listenkandidaten gebeten97. Interessanterweise rekurrierte Endert – zwei Tage vor dem Wahlakt – nur auf den letztlich auch gewählten Professor Brück, da allein dieser ihm aus dessen Veröffentlichungen als ein Verteidiger der kirchlichen Rechte bekannt sei98. War dieser Brief kurz und knapp ausgefallen und hatte mit Bekundung der Zuversicht geendet, dass das Mainzer Domkapitel aus der Terna schon einen geeigneten Bischof wählen werde, so gab Nicotra diese nüchternen Informationen nach der erfolgten Wahl Brücks interessanterweise sehr ausgeschmückt an den Kardinalstaatssekretär weiter. Dass Bischof Endert keinen Zweifel daran hegte, dass gerade Brück die schwierige Diözese Mainz gut zu regieren verstehe99, entsprach nicht dem Wortlaut des aus Fulda an die Nuntiatur gelangten Briefes, zumal Endert bei dessen Abfassen ja noch gar nicht wissen konnte, dass die Wahl auf Brück fallen würde. Auch die Charakterisierung Brücks als „energico defensore dei diritti della chiesa“ zeugt von Nicotras Hang, das Wahlergebnis in ein besonders positives Licht zu rücken. Wie eilig die Angelegenheit in München behandelt wurde, zeigt auch, dass noch am Tage der Wahl Brücks die Nachbarbischöfe von Speyer und Trier gleichfalls um Informationen über Brück gebeten worden waren. Brück hingegen war der ebenso umgehend geäußerten Bitte des Geschäftsträgers der Nuntiatur, „molto occupato per diversi affari urgenti“100, jedoch erst am Jahresende nachgekommen. Kardinalstaatssekretär Rampolla hingegen fehlte noch die Bestätigung, dass seitens der hessischen Regierung keine weiteren Bedenken gegen den erwählten Bischof vorlägen101. Für ein wenig Unruhe sorgte innerkirchlich zudem eine Nachricht des Rottenburger Bischofs Paul Wilhelm Keppler, der aus Rom dem Domkapitular Schneider mitteilen ließ, es fehlten noch Unterlagen zu Brück102. Dennoch konnte die Bestätigung durch Leo XIII. am 23. März 1900 angekündigt und eine Woche später vollzogen werden. Vor dem Großherzog in Darmstadt hatte Brück nicht nur den Treueeid zu schwören und sich zu verpflichten, im Inund Ausland keine Verbindungen einzugehen, „welche die öffentliche Ruhe gefährden“. Wie schon sein Vorgänger Paul Leopold Haffner erhielt auch Brück bei der Ablegung des Treueeides am 13. Mai im Darmstädter Schloss 97 98 99 100
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Vgl. Nicotra an Endert v. 17.12.1899, ebd. Endert an Nicotra v. 19.12.1899, ebd. Vgl. Nicotra an Rampolla v. 22.12.1899, ebd. Hier auch das folg. Zit. Brück an Sambucetti v. 29.12.1899, in: ASV ANM 197. Vgl. auch die Gegenüberlieferung der Korrespondenz zwischen Nuntius u. Kardinalstaatssekretär, in: ASV AES, Anno 1900, pos. 1500. Rampolla an Sambucetti v. 3.2.1900, in: ASV ANM 197. Vgl. Keppler an Schneider v. 12.3.1900; u. Schneider an Brück v. 14.3.1900, in: DDAMZ, C 1.12.
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das Bischofskreuz (Pektorale) aus der Hand des Großherzogs103, obgleich er im Vorfeld den Kommissar Schlippe eigens darauf hingewiesen hatte, dass diese Zeremonie nicht dem kirchlichen Verständnis entspreche, da das Pektorale erst bei der Konsekration überreicht werden dürfte. Während diese Auseinandersetzung um die Symbolhaftigkeit der bischöflichen Insignien in der Öffentlichkeit gar nicht wahrgenommen wurde, hatte das Wahlergebnis als solches ein politisches Nachspiel in der Zweiten Kammer zur Folge, als dort im Februar 1900 der hessische Zentrumsführer Adam Josef Schmitt öffentlich gegen die Streichungen von der Partei des politischen Katholizismus episkopabel erscheinenden Namen auf der Kandidatenliste Protest einlegte104. Ohne dass dabei ein Name genannt wurde, war damit deutlich, dass diese nachträgliche Invektive gegen die Streichung Forschners zielte. Mehr als eine Versicherung des Staatsministers Carl Friedrich Rothe, die Regierung habe im Vorfeld nie zugesichert, die Liste ohne Streichungen zurückzugeben und sei zudem ihrer Prüfungspflicht überaus rasch nachgekommen, um letztlich einen friedliebenden Bischof für Mainz garantieren zu können, kam bei der parlamentarischen Debatte aber nicht heraus. Um einer erwarteten Diskussion in der Ersten Kammer vorzubeugen, distanzierte sich der dort während der Sedisvakanz des bischöflichen Stuhls als Interimsvertreter agierende Domkapitular Schneider im Einverständnis mit der Mehrheit des Domkapitels in einem an Minister Rothe gerichteten Brief von der Demarche des Zentrumspolitikers Schmitt105.
Bischofswahl 1903 Kam der Herztod von Bischof Heinrich Brück am 5. November 1903 im Alter von 72 Jahren auch plötzlich106, so stellte er die Verantwortlichen in Domkapitel und Diözese doch vor die Frage, ob der Verstorbene den mit dem Bischofsamt verbundenen administrativen und repräsentativen Aufgaben überhaupt gewachsen gewesen war. Selbst in der katholischen Presse wurde kaum auf mögliche Leistungen seines kurzen Episkopats abgehoben als vielmehr auf die Verdienste Brücks als Kirchenhistoriker rekurriert107. Zur Aufstellung der Wahlliste am 17. November waren alle sechs amtierenden Kapitelsmitglieder – ein Kanonikat war vakant – erschienen. War vier 103 104
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Vgl. Programm des Akts der Beeidigung von Heinrich Brück, in: DDAMZ, C 1.12. Vgl. die Berichterstattung in Mainzer Journal v. 17.2. u. 20.2.1900. Vgl. hierzu, Lenhart, Brück, S. 306f. Vgl. Schneider an Rothe v. 25.3.1900, vgl. Lenhart, Brück, S. 309. So lautete beispielsweise das Telegramm des Domdekans Raich an den Nuntius v. 5.11.1903, in: ASV ANM 200: „Heinrich, Bischof von Mainz, heute Nacht unerwartet gestorben“. Macchi meldete dies umgehend dem Kardinalstaatssekretär weiter, ebd. Vgl. z.B. die Nachrufe in der Germania und der Kölnischen Volkszeitung v. 6.11.1903.
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Jahre vorher nur ein Mitglied des Domkapitels nominiert worden, so schlug Domdekan Johann Michael Raich108 vor, diesmal die vier jüngsten Mitglieder des Kapitels auf die Liste zu setzen und diese um zwei Geistliche aus der Pfarrseelsorge zu ergänzen109. Dieser Vorschlag fand nach Verzicht der beiden ältesten Kapitelsmitglieder Raich und Schneider dahingehend eine „einstimmige Annahme“110, dass die Domkapitulare Bendix, Engelhardt, Kirstein und Kapitularvikar Selbst sowie als Gemeindeseelsorger der Mainzer Dompfarrer Friedrich Goedecker111 und der Dekan und Stadtpfarrer Dr. Friedrich Elz in Darmstadt nominiert wurden112. Mit Dr. Engelhardt stand damit ein einziger Kandidat auf der Liste, der bereits bei der letzten Bischofswahl nominiert worden war, damals allerdings noch als Pfarrgeistlicher. Wenn daher also im Gegensatz zu der Liste von 1899, auf der in der Pastoral tätige Geistliche dominierten, die Kanoniker in der Überzahl waren, lag dies im Wesentlichen ganz schlicht daran, dass durch Neubesetzungen im Domkapitel wieder eine Reihe jüngerer und tatkräftiger Geistlicher in den Senat des Bischofs gelangt war113, wobei auffällt, dass der vom Zentrum 1899 protegierte Diözesanpräses Forschner nicht darunter war. Mit Blick auf die entsprechenden Erfahrungen bei der letzten, ja erst vier Jahre zurückliegenden Bischofswahl wurde zudem beschlossen, dass „von Heranziehung von Geistlichen aus anderen Diözesen mit Rücksicht auf die bestehenden kirchlichen Vorschriften und Vereinbarungen abgesehen werden solle“114. Erstaunlich wirkt weniger der Verzicht Schneiders auf eine Kandidatur, zumal dieser bereits 1899 offensichtlich innerhalb des Kapitels nicht mehrheitsfähig gewesen war. Erstaunlich erscheint vielmehr, dass Schneider bei dieser Wahl offenbar keine Einwände gegen einzelne Kandidaten zu erheben versuchte, wenngleich er beispielsweise Kirstein anlässlich dessen Bestellung zum Regens kurz zuvor als „lehramtlich in keiner Weise qualifizierten“115 Geistlichen kritisiert hatte. Wohl nicht zuletzt, weil sich das Kandidatentableau auf „Inländer“ beschränkte, wurde die staatliche Genehmigung bereits vier Tage später, und zwar für alle sechs Kandidaten, erteilt. Dass es auf Initiative des Domkapitulars Friedrich Schneider einige Änderungen im Zeremoniell der Behandlung des staatlichen Wahlkommis108 109
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Zu Raich (1832–1907), seit 1890 Domkapitular, seit 1900 Domdekan, vgl. Necrologium, S. 61. Vgl. hierzu das Protokoll der Kapitelsitzung v. 17.11.1903, in: DDAMZ, C 2.1. Dort auch das folg. Zit. Soweit Lenhart, Kirstein, in: AMRKG, Bd. 17 (1965), S. 121–191, hier S. 131. Zu Goedecker (1843–1911), geweiht 1868, seit 1887 Dompfarrer in Mainz, 1904 Domkapitular, vgl. Necrologium, S. 138. Diese Liste gab die Kölnische Volkszeitung v. 26.11.1903 auch öffentlich bekannt. So waren Franz Engelhardt 1900, Ludwig Bendix 1901 u. Georg Kirstein 1903 Domherren geworden. Allein Kapitularvikar Josef Selbst gehörte dem Kapitel bereits seit 1892 an. Protokoll der Kapitelsitzung v. 17.11.1903, in: DDAMZ, C 2.1. Friedrich Schneider, Aus den letzten Lebenstagen des Bischofs Heinrich Brück, Manuskript, in: DDAMZ, Nachlass Brück.
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sars gab, hatte mehr als einen nur symbolischen Charakter116. Es war dem Domkapitel darum zu tun, die als staatliche Anmaßung angesehene Anwesenheit des Regierungsvertreters beim Wahlakt dieses Mal zu unterbinden. Nach einem Bericht der katholischen „Kölnischen Volkszeitung“ waren dessen Vollmachten somit in Mainz im Vergleich zu den übrigen Diözesen im Deutschen Reich am weitestgehenden, ohne dass sie rechtlich verankert waren117. Da sich die bereits im Vorfeld der Bischofswahl 1899 vom damaligen Nuntius Lorenzelli an Kapitularvikar Brück gerichtete entsprechende Aufforderung in dessen Nachlass nicht finden ließ, wurde die Nuntiatur um eine Abschrift ersucht, um auf diese Weise gegenüber der Regierung das dezidierte Interesse des Heiligen Stuhls an einer Änderung dieses Procedere schriftlich dokumentieren zu können118. Zwar konnte man offensichtlich auch in München diese Weisung des Nuntius nicht mehr auffi nden, verwies aber auf das u.a. in Reaktion auf die Mainzer Bischofswahl 1899 erlassene päpstliche Monitum „Ad notitiam Sanctae sedis pervenit“ von 1900, das neben den preußischen Oberhirten auch an die Bischöfe der Oberrheinischen Kirchenprovinz gerichtet war und die Freiheit der Bischofswahl anmahnte119. Demnach hatte sich die Funktion des landesherrlichen Kommissars beim Wahlakt auf die Überreichung seiner Kreditive, die außerhalb von Kathedrale und Wahllokal stattzufi nden hatte, zu beschränken. Das Wahllokal durfte er erst nach Unterzeichnung des Wahlprotokolls betreten. In seiner Sitzung vom 23. November stellte sich das Kapitel auf den Standpunkt, dass eine „der kirchlichen Auffassung entsprechende Regelung der Beteiligung des landesherrlichen Kommissars bei der Wahl garantiert erscheine, die auch für später eintretende Fälle vorbildlich maßgebend werden dürfte“120. Wenn sich die hessische Regierung mit diesen Modifizierungen einverstanden erklärte, welche einen möglichen Einfluss des Kommissars auf den Wahlakt weitestgehend vermeiden sollten121, hatte sie aber nicht versäumt, zuvor die preußische Regierung zu konsultieren, um eine Auskunft über die dortigen Gepflogenheiten zu erhalten. Wie das Kultusministerium in Berlin daraufhin nach Darmstadt mitteilte, sei der Wahlkommissar seit Übernahme der gleichfalls zur Oberrheinischen Kirchenprovinz gehörigen Bistümer Limburg und 116
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Vgl. Schneider an Gagern v. 16.11.1903, in: DDAMZ, C 2.1, u. Kölnische Volkszeitung v. 2.12.1903. Vgl. Kölnische Volkszeitung v. 28.11.1903. Vgl. Dompräbendat Wilhelm Moser an Nuntius v. 11.11.1903, in: ASV ANM 200. Vgl. Macchi an Domdekan Raich v. November 1903, ebd. Vgl. hierzu auch May, Geistliche Ämter und kirchliche Strukturen, in: Jürgensmeier (Hrsg.), Handbuch der Mainzer Kirchengeschichte, Bd. 3.2, S. 1313–1357, hier S. 1317. Protokoll der Domkapitelsitzung v. 23.11.1903, in: DDAMZ, C 2.1. Domdekan Raich meldete diese Verhandlungsergebnisse am 24.11.1903 auch dem Nuntius. Vgl. ASV ANM 200.
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Fulda 1866 durch Preußen bei den dortigen Bischofswahlen niemals zugegen gewesen122. Weshalb in Fulda entgegen der Praxis von vor 1866 darauf verzichtet worden sei, das würden die Akten nicht hergeben. In Limburg hingegen habe man sich auf den bereits seitens des Herzogs von Nassau 1861 erfolgten Verzicht auf dieses Vorrecht berufen. ließ die Bischöfliche Kanzlei im gedruckten Programm zum Ablauf der Bischofswahl vermerken und versäumte auch nicht, eingangs zu betonen, dass der Wahlakt „gemäß der päpstlichen Bulle Ad Dominici Gregis Custodiam vom 11. April 1827“123 vollzogen werde, die eine Beteiligung des Kommissars an der Wahl nicht kannte. Nuntius Giuseppe Macchi verbuchte die Verhandlungen sowohl gegenüber Schneider als auch gegenüber Domdekan Raich als notwendigen Erfolg, der Lob verdiene124. Hatte Mainz bisher hinsichtlich der Wahlfreiheit des Kapitels als Schlusslicht unter den deutschen Diözesen gegolten, stand es nun als Spitzenreiter für ein aus kirchlicher Sicht liberales Entgegenkommen des Staates in der Öffentlichkeit125.
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udwig Bendix126 war 1857 in der Bischofsstadt Mainz als Sohn eines Kaufmanns geboren worden und hatte nach dem dort abgelegten Abitur zunächst ein Jurastudium in Bonn und Gießen begonnen, bevor er sein Theologiestudium in Innsbruck und Eichstätt anschloss. 1886 in Mainz zum Priester geweiht, verbrachte er Kaplansjahre in Ober-Olm, Bensheim, Gießen und am Mainzer Dom, während derer er zugleich eine juristische Promotion in Heidelberg absolvierte. 1894 wurde Bendix zunächst zum Assistenten, bereits im Folgejahr zum Professor für Kirchenrecht am Priesterseminar in Mainz berufen. Durch Kapitelswahl gelangte er 1901 in das Domkapitel. Als „sehr arbeitsfähige und zur Macht drängende“127 Persönlichkeit vertrat Bendix nicht nur ab 1907 den Bischof in der Ersten Kammer in Darmstadt128, sondern brachte im Übrigen nach dem Ersten Weltkrieg als Generalvikar und Domdekan „mit großer Entschiedenheit und taktisch äußerst geschickt“129 den Heiligen Stuhl zur Ernennung eines Koadjutors mit Nachfolgerecht für den Mainzer Bischofsstuhl und damit zur Ausschaltung des Kapitelwahlrechts130. 122
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Vgl. Kultusministerium Berlin an Großherzogliche Regierung in Darmstadt v. 4.12.1903, Abschrift, in: PA AA Preußen 2, Nr. 2d. Programm der Bischofswahl 1903, in: ASV ANM 200. Vgl. Nuntius an Raich u. an Schneider v. 26.11.1903, ebd. Vgl. Kölnische Volkszeitung v. 28.11.1903. Vgl. Brück, Bendix, in: Gatz, Bischöfe, S. 34f.; Link, Bendix, in: LThK2, Bd. 2 (1958), Sp. 169; 175 Jahre Bischöfliches Priesterseminar, S. 324. So Brück, in: Gatz, Bischöfe, S. 34. Vgl. Götz/Rack, Hessische Abgeordnete, S. 27 u. 39. Braun, Das Bistum von 1886–1921, S. 1148. Vgl. Lenhart, Hugo, in: AMRKG, Bd. 18 (1966), S. 125f. u. 188, wo insbesondere auf die Konfliktlinien zwischen Bendix und dem Domkapitel eingegangen wird.
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riedrich Elz131 war 1848 in Alzey als Sohn eines Zimmermannes geboren worden und hatte sein Theologiestudium von 1868 bis 1874 als Alumne des Collegium Germanicum in Rom absolviert, wo er 1873 zum Priester geweiht wurde132. In seinen 13 Kaplansjahren in Mainz St. Stephan (1874–1887) hatte er engen Kontakt mit dem 1899 als Exponent des Vereinskatholizismus auf die Wahlliste gelangten, von der Staatsregierung jedoch misstrauisch beäugten Pfarrer Karl Forschner geknüpft. Gemeinsam mit Forschner hatte Elz die religiös-soziale Betreuung der Arbeiterschaft als wichtige kirchliche Aufgabe erkannt, „die Männer gesammelt und die ersten Statuten des Katholischen Männervereins verfasst“133. Außerdem gehörte Elz 1877 in der Bischofsstadt zu den Mitbegründern des „Verbandes der Katholisch Kaufmännischen Vereinigungen Deutschlands“, des späteren KKV134, dessen Formierung er initiierte und dessen Statuten er verfasste. Er wirkte als Pfarrverwalter in Viernheim und Gießen, bevor er im November 1891 die Pfarrei St. Ludwig in der Hauptstadt Darmstadt annahm135. Seinen Stellenwert im gesellschaftlichen Leben der großherzoglichen Residenz verstand Elz dadurch zu erhöhen, dass er sich regelmäßig mit städtischen Honoratioren zum Kegeln traf136. Zudem zeichnete er sich, zeitgenössischen Quellen zu Folge, als ordnungsliebend und pflichtbewusst aus, bereitete seine Predigten sorgsam vor und verstand es vor allem, mit allen gesellschaftlichen Gruppen in der Darmstädter Pfarrei gleichermaßen umzugehen.
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riedrich Goedecker137, Jahrgang 1843, stammte aus einer angesehenen Kaufmannsfamilie, wurde 1868 in Mainz zum Priester geweiht und hatte sich dort seit 1887 als Dompfarrer an exponierter Stelle einen Namen gemacht. Seit 1904 gehörte er zudem dem Domkapitel an.
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ranz Engelhardt hatte vier Jahre zuvor noch als Heppenheimer Pfarrer und Dekan bereits einmal auf der Mainzer Wahlliste gestanden. Inzwischen hatte Bischof Brück ihm 1900 ein Kanonikat am Mainzer Dom verliehen und ihn im Januar 1901 zu seinem Generalvikar berufen. Damit war der als „streng sachlich“138 geltende promovierte Kirchenrechtler an die Spitze der Bistumsverwaltung gerückt.
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Zu Elz (1848–1915), der 1905 Ehrendomherr in Mainz wurde, vgl. Necrologium, S. 87, Link, Ehrenkanoniker, S. 239f., Pfarrchronik von St. Ludwig in Darmstadt, S. 58–80. Vgl. Rommel, Demut und Standesbewusstsein, S. 69, u. Schmidt, Das Collegium Germanicum und Germaniker, S. 326. Pfarrchronik St. Ludwig Darmstadt, S. 77. Der KKV verleiht an verdienstvolle Persönlichkeiten die Friedrich-Elz-Plakette, die den Namen dieses Geistliche wach hält. Die Einführung in Darmstadt fand im Januar 1892 statt. Vgl. Pfarrchronik St. Ludwig Darmstadt, S. 58. Vgl. Rommel, Demut und Standesbewusstsein, S. 413. Zu Goedecker vgl. Necrologium, S. 138; u. Rommel, Demut und Standesbewusstsein, S. 177. So Brück, Engelhardt, in: Gatz, Bischöfe, S. 172.
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eorg Kirstein139 war 1858 in der Bischofsstadt Mainz als Sohn eines Rechtsanwaltes und späteren Bezirksgerichtsrates geboren worden. Wie auch sein älterer Bruder Anton (1854–1914), der Philosophieprofessor am Priesterseminar wurde140, fand er den Weg zum Theologiestudium. Prägend für ihn war neben dem städtisch-bürgerlichen Charakter seines Elternhauses, aber zugleich das Gedankengut der Emanzipationsbewegung im deutschen Katholizismus. Georg Kirsteins Kindheitsengagement als Domsingknabe erschloss ihm ein liturgisch-kirchenmusikalisches Bewusstsein. Wegen der Schließung des Mainzer Priesterseminars studierte Kirstein in Eichstätt, wo er 1880 auch die Priesterweihe erhielt. In Hessloch, Bürstadt im Ried und Darmstadt St. Ludwig verbrachte er seine Kaplansjahre, um 1890 die rheinhessische Pfarrei Gau-Algesheim zu übernehmen. Eine 1894 beabsichtigte Wahl zum Dompräbendaten in Mainz schlug er aus141, stimmte jedoch zu, als das Kapitel ihn im Oktober 1902 zum Domherrn wählte. Darüber hinaus hatte Bischof Brück ihm noch kurz vor seinem Tod das Amt des Regens des Priesterseminars anvertraut. Kirstein war beim Großherzog und in Regierungskreisen zudem durch seine erst gut ein Jahrzehnt zurückliegende dreijährige Kaplanszeit in der Residenzstadt bekannt142.
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er amtierende Kapitularvikar Josef Selbst143, 1852 als Sohn eines Lehrers in Mülheim am Main geboren und in Fehlheim bei Bensheim aufgewachsen, hatte das Gymnasium in Bensheim abgeschlossen und war nach dem Theologiestudium in Mainz dort 1874 zum Priester geweiht worden. Sein besonderes Interesse für die Kirchenmusik zeigte sich bereits in den Kaplansjahren in Bensheim, in denen er einen Knabenchor gründete, der überörtliche Wirksamkeit entfaltete. Während einer seit 1883 ausgeübten Tätigkeit als Religionslehrer am Gymnasium in Worms promovierte Selbst 1886 in Freiburg/Breisgau zum Dr. theol.144 Über seine Dissertation hinaus publizierte er eine Predigtensammlung sowie zahlreiche Aufsätze zu kir139
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Vgl. zu Georg Kirstein Brück, Kirstein, in: Gatz, Bischöfe, S. 383f.; Lenhart, Kirstein, in: AMRKG, Bd. 17 (1965), S. 121–191; Lenhart, Kirstein, Georg, in: LThK2, Bd. 6 (1961), Sp. 308; u. 175 Jahre Bischöfliches Priesterseminar, S. 267f. Vgl. zu Anton Kirstein (1854–1914) das Biogramm, in: 175 Jahre Bischöfliches Priesterseminar, S. 328; sowie Lenhart, Kirstein, Anton, in: LThK2, Bd. 6 (1961), Sp. 307f. Vgl. Lenhart, Kirstein, S. 129. Vgl. ebd., S. 127. Zu Selbst (1852–1919), der 1908 Päpstlicher Hausprälat, 1912 Generalvikar wurde, vgl. Gatz, Bischöfe, S. 698; Lenhart, Selbst, in: LThK2, Bd. 9 (1964), Sp. 617; u. Gottron, Selbst, in: Jahrbuch für das Bistum Mainz, Bd. 3 (1948), S. 31–36; sowie 175 Jahre Bischöfliches Priesterseminar, S. 334. Vgl. passim Josef Selbst, Die Weissagungen der Propheten über die Kirche, Freiburg/ Br. 1883. Dabei handelte es sich um die Erweiterung einer bereits im Studium in Mainz 1871/72 vorgelegten Preisarbeit, die er offenbar erst 1886 verteidigen konnte. Vgl. Müller, Fünfhundert Jahre Theologische Promotion, S. 107.
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chenmusikalisch-liturgischen Themen145. Im Folgejahr als Religionslehrer an das Mainzer Gymnasium gewechselt, wurde Josef Selbst dort 1892 durch bischöfliche Verleihung Domkapitular, Referent für Schulwesen und Professor für Altes Testament am Priesterseminar. Auch im folgenden Jahrzehnt trat er mit zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen hervor und übernahm die Redaktionsleitung der für den ultramontanen Katholizismus wichtigen Zeitschrift „Katholik“. Bereits 1899 hatte er – wie erwähnt – dem Domkapitel als episkopabel gegolten, war aber in der internen Abstimmung knapp unterlegen und deshalb nicht auf die dem Großherzog eingereichte Liste gelangt. In der Zwischenzeit hatte Selbst seine „Hausmacht“ im Domkapitel dahingehend ausgebaut, dass er 1902 zu dessen Dekan ernannt worden war. Die Regierung genehmigte alle Kandidaten, selbst den Domherrn Ludwig Bendix, dessen „draufgängerisch erscheinendes Wesen … damals mehr Gegensätze aufriss als Verbindungsbrücken schlug“146. So konnte die Wahl am Fest des Apostels Andreas, am 30. November 1903, ohne Anwesenheit des zum Regierungskommissar bestellten Geheimen Oberjustizrates Daniel Lorbacher stattfinden, der wie vereinbart, während des Wahlaktes im Haus des Dompfarrers wartete. Das Ergebnis war eindeutig, denn fünf der sechs Wahlberechtigten – ein Kanonikat war unbesetzt – hatten Regens Kirstein ihre Stimme gegeben. Zeitungsberichten zufolge „löste diese Mitteilung eine derart freudige Bewegung bei dem im Dom versammelten Volk aus, dass sogar Zurufe und Händeklatschen vermeldet wurden“147. Als Mann der pastoralen Praxis erfreute sich der zu diesem Zeitpunkt ja erst ein Jahr in der Bischofsstadt tätige und somit dort noch gar nicht fest verwurzelte erwählte Bischof ganz offenbar einer großen Volkstümlichkeit148. Sein Wahlspruch „Gratia et Pax“ drückte aber auch seine aus tiefer Frömmigkeit und enger Heimatverbundenheit resultierende Friedfertigkeit aus, die ihn in seinem Episkopat jeglichem Ansatz eines Konfliktes mit den Staatsbehörden von vornherein ausweichen ließ. Für den Freiburger Erzbischof und zuständigen Metropoliten Thomas Nörber war es dagegen eine Herausforderung, dass das Kapitel „gerade den jüngsten Kandidaten an die Spitze der Diözese“149 gestellt habe, der „soeben erst aus der Seelsorge“150 gekommen sei. Gleichwohl zeigte er sich davon überzeugt, dass die Wahl „auf einen so vortrefflichen Herrn gefallen“151 145
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Vgl. passim Josef Selbst, Der katholische Kirchengesang beim heiligen Messopfer, Freiburg/Br. 1880, sowie Aufsätze im Cäcilienkalender 1881–1887. Vgl. zu Einzelheiten Gottron, Selbst, S. 33. So die Einschätzung bei Lenhart, Brück, S. 319. Lenhart, Kirstein, S. 134, unter Berufung das Mainzer Journal v. 1.12.1903. Diesen Charakterzug hob die Kölnische Volkszeitung v. 30.11.1903, Abendausgabe, hervor. Nörber an Domdekan Raich v. 30.11.1903, in DDAMZ, Wahl Bischof Kirsteins. Nörber an Nuntius v. 2.12.1903, in: ASV ANM 200, u. in: DDAMZ, C 2.1. Nörber an Raich v. 8.11.1903, in: DDAMZ, C 2.1.
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sei, der „mit jugendlichem Mut“ seine Aufgabe angehen würde. In ähnliche Lobestöne verfiel der Metropolit gegenüber Nuntius Macchi in München, der sich bei Nörber nach Moral, Frömmigkeit und Lehre des Erwählten erkundigt hatte152. Während Bischof Keppler von Rottenburg hoffte, „einen warmherzigen Nachbarn zu erhalten, mit dem ein freundschaftlicher Verkehr möglich ist“153, war Bischof Leonrod von Eichstätt, der Kirstein die Priesterweihe gespendet hatte, davon überzeugt, dass „der Klerus, die Stadt und die Diözese Mainz wie wir alle die größte Freude“ an dem neuen Bischof haben würden. Beim Nuntius in München rief die Wahl Zufriedenheit hervor, wenngleich er darauf hinwies, dass für Kirstein die Dispens vom Fehlen des Doktortitels erwirkt werden müsse, was aber ein Leichtes sei. Über den aus Mainz stammenden und an der römischen Kurie tätigen Jesuitenpater Franz Beringer erwirkte das Kapitel darauf die Verleihung eines römischen Ehrendoktorats für Kirstein154. Die päpstliche Bestätigung der Wahl Kirsteins erfolgte am 8. Februar 1904, die Vereidigung am 12. März, die Konsekration am 19. März im Mainzer Dom durch den Freiburger Erzbischof Thomas Nörber. Diese Termine lassen eine zügige Durchführung der Bischofsernennung vermuten. Allerdings gab es im Vorfeld einige Probleme: Als die „Kölnische Volkszeitung“ einige Tage später nicht nur „die kluge Umsicht des genannten Prälaten“ (Schneider), sondern auch „das Entgegenkommen des Großherzogs wie der Regierung, welche die Teilnahme des Kommissars bei der Bischofswahl als gegen das kanonische Recht (!) und die neuesten Bestimmungen des Apostolischen Stuhls verstoßend anerkannten“155, über alle Maßen als vorbildlich lobte, fühlte sich die Regierung in Darmstadt auf den Plan gerufen. Wenn aus dem Ministerium des Innern gegenüber dem Domkapitel Befremden über den Artikel des Zentrumsorgans geäußert wurde156, lag dies in erster Linie nicht daran, dass hier „eine Entstellung des wahren Sachverhalts“ erfolgt war. Vielmehr entzündete sich die staatliche Kritik an der Tatsache der umfangreichen Berichterstattung über die Modifizierung des Wahlaktes schlechthin. Offensichtlich fühlte sich die hessische Regierung im Nachhinein über den Tisch gezogen und 152 153
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Vgl. Nörber an Nuntius v. 2.12.1903, auf dessen Anschreiben v. Vortag, in: ASV ANM 200. Der Brief Kepplers u. der im Folgenden zit. Brief Leonrods finden sich im Nachlass von Domkapitular Schneider in der Bibliothek des Mainzer Priesterseminars, zit. nach Lenhart, Kirstein, S. 135. Unter dem Datum des 24.12.1903 erhielt Kirstein den Dr. theol. h.c. der Congregatio Studiorum in Rom. Vgl. Lenhart, Kirstein, S. 138f. Beringer war 1858–1865 Alumne des Germanicum in Rom gewesen. Vgl. Schmidt, Das Collegium Germanicum und die Germaniker, S. 323. Kölnische Volkszeitung v. 1.12.1903 (Abendausgabe). Vgl. Ministerium des Innern an Domkapitel v. 2.12.1903, in: DDAMZ, C 2.1.
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sah sich jetzt von antikatholischen Kreisen reichsweit an den Pranger gestellt, weil sie zu große Zugeständnisse gemacht habe, die nun in anderen Staaten gleichfalls eingefordert würden. In einer Unterredung mit Domkapitular Bendix erhob Oberjustizrat Lorbacher dann auch den Vorwurf, dass die „Indiskretionen des Artikels auf Missbrauch intimer Äußerungen“157 zurückzuführen seien. Das Mainzer Kapitel, das sich der Bedeutung der modifizierten Wahlordnung für die Stärkung des kirchlichen Standpunktes durchaus bewusst war, trat daraufhin sofort zu einer Sondersitzung zusammen, in der ein Entschuldigungsschreiben an die Regierung verabschiedet wurde. Dem Bedauern über den Zeitungsbericht fügte man zwar auch die Anmerkung bei, dass beim Kapitel keine Verantwortung liege, wandte sich aber gleichzeitig an die Redaktion der „Kölnischen Volkszeitung“, um dort ernsthaft eine öffentliche Stellungnahme zu den „bedauerlichen Indiskretionen“ zu erreichen. Erst knapp einen Monat später erhielt Domkapitular Bendix von dort einen abschlägigen Bescheid. Der Redakteur Dr. Huppert rechtfertigte die ausführliche Berichterstattung über die Mainzer Bischofswahl damit, dass ihr „eine sehr große Tragweite … für die künftigen Bischofswahlen in Deutschland, sowohl was die rasche Erledigung der Liste als auch die Teilnahme des Regierungskommissars betrifft“158, zugekommen sei. Huppert gab zwar zu, die Angelegenheit deshalb breit thematisiert zu haben, weil „die Vorgänge in Mainz … eine Lehre für andere Regierungen enthalten“ würden, verwahrte sich aber gegen den Vorwurf der Indiskretion, da Namen und Stimmverhältnisse bei der Wahl auch andernorts bekannt gemacht worden seien. Diese ohne weitere Folgen gebliebene Auseinandersetzung zwischen der katholischen Zeitung und dem Mainzer Domkapitel zeigt ein Stück weit die unterschiedlichen Haltungen innerhalb des deutschen Katholizismus in der Staat-Kirche-Frage. War das Kapitel geradezu ängstlich bemüht, nach den staatlichen Zugeständnissen ja keine Provokation zu erzeugen oder neue Konflikte zuzulassen, steuerte die „Kölnische Volkszeitung“ einen offensiven Kurs, der Hessen-Darmstadt und damit dem Bistum Mainz eine Vorreiterrolle beim Abbau staatlicher Einwirkungsrechte auf Bischofswahlen für eine breite Öffentlichkeit festzuschreiben versuchte.
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Bendix an Domkapitel v. 3.12.1903, ebd. Hier auch das folg. Zit. Huppert an Domkapitel v. 30.12.1903, ebd. Hier auch das folg. Zit.
Königreich Württemberg BISTUM ROTTENBURG
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u den Kunstprodukten der Neuorganisation der katholischen Hierarchie in Folge der Säkularisation gehört neben Limburg und Freiburg auch das Bistum Rottenburg1. 1821 wurde es für das Gebiet des Anfang des 19. Jahrhunderts vergrößerten, ursprünglich seit der Reformation rein protestantischen Königreiches Württemberg durch die Bulle „Provida Sollersque“ umschrieben und die vor der Säkularisation zu Vorderösterreich gehörende Kleinstadt Rottenburg am Neckar zum Bischofssitz bestimmt, weil sie geographisch günstig lag. Die Bulle „Ad dominici gregis custodiam“ sowie das Breve „Re Sacra“ ermöglichten 1828 die Bildung eines Domkapitels mit einer Dignität (Domdekan) und sechs Domherren 2 sowie die Besetzung des Bischofsstuhls. Zudem wurde den Bischöfen stets der württembergische Personaladel verliehen, womit eine Analogie zur Stellung der Bischöfe im benachbarten Bayern geschaffen war. Nachdem es Mitte der 1840er Jahre eine starke Auseinandersetzung zwischen der Staatsregierung und dem Vatikan um die Neubesetzung des Bischofsstuhls gegeben hatte, in welcher der Gegensatz zwischen aufgeklärten und ultramontanen Kräften im Klerus eine entscheidende Rolle gespielt hatte3, wurde die Situation in den 1870er und 1880er Jahren von dem friedliebenden Bischof Karl Joseph von Hefele4 geprägt. Als junger Professor für Kirchengeschichte an der Katholisch-Theologischen Fakultät in Tübingen war Hefele ultramontan eingestellt gewesen und gegen die staatliche Kirchenhoheit angegangen. Nach den Erfahrungen der 1848er Revolution wandelte er sich zu 1
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Zur Geschichte des Bistums vgl. im Überblick Gatz, Rottenburg-Stuttgart, in: Ders., Die Bistümer und ihre Pfarreien, S. 538–551; u. Burkard/Gatz/Kopf, Bistum RottenburgStuttgart, in: Gatz, Die Bistümer der deutschsprachigen Länder, S. 616–637. Neuerdings auch Wolf, Ein Bistum im Staate Beutelsbach, in: RJKG, Bd. 24 (2005), S. 13–34. Das Gebiet hatte vor 1803 zur Diözese Konstanz, aber in Teilen auch zu Würzburg, Speyer, Augsburg und Worms gehört. Wie auch in den übrigen Bistümern der Oberrheinischen Kirchenprovinz bildete das Domkapitel zugleich die Verwaltungsbehörde, das Ordinariat. Vgl. hierzu Wolf, Das Domkapitel als Bischöfliches Ordinariat?, in: RJKG, Bd. 15 (1996), S. 173–197. Vgl. passim Hagen, Die Rottenburger Bischofswahl vom Jahre 1846; u. Zoll, Die Rottenburger Bischofswahlen 1845–1847. Zu Karl Joseph Hefele vgl. Wolf, Zwischen Wahrheit und Gehorsam; Tüchle, Hefele, in: NDB, Bd. 8 (1969), S. 199–201; Reinhardt, Hefele, in: Gatz, Bischöfe, S. 295–297; Biographisches Handbuch der württembergischen Landtagsabgeordneten, S. 338f.
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einem um Konzilianz bemühten Geistlichen. Weil also der Bischof als „liberaler Pragmatiker“5 dezidiert um ein positives Verhältnis zum Staat bemüht war und der König ähnlich dachte, kann Hubert Wolf lapidar formulieren: „Der Kulturkampf fiel in Württemberg aus“6 – was allerdings nicht zu dem Umkehrschluss führen darf, zu meinen, es habe dort keine Konfl iktpotenziale gegeben. Die von der Zustimmung der Regierung abhängige Gründung von Klöstern, die ein faktisches Verbot der Niederlassung von Männerorden im Bistum nach sich zog, stellt ein – hier allerdings nicht im Zentrum des Interesses stehendes – Beispiel für ein solches Konfl iktfeld dar 7.
Automatisch Bischof – Das Nachrücken des Koadjutors Wilhelm von Reiser 1893 Als Bischof von Hefele am 5. Juni 1893 im hohen Alter von 84 Jahren starb, war die Nachfolge bereits gesichert. Am 31. August 1886 hatte Papst Leo XIII. den Domkapitular und Kammerabgeordneten Wilhelm Reiser8 zum Titularbischof von Enos in Thrakien sowie Weihbischof und Koadjutor mit dem Recht der Nachfolge in Rottenburg ernannt. Der Bischof machte Reiser, dem er am 14. November 1886 im Rottenburger Dom die Bischofsweihe erteilte, gleichzeitig zu seinem Generalvikar. Wilhelm Reiser war 1835 als Sohn eines Schultheißen in Egesheim im Kreis Tuttlingen zur Welt gekommen und hatte als Konviktsschüler am Gymnasium in Rottweil am Neckar das Abitur abgelegt. Während des in Tübingen absolvierten Theologiestudiums hatte er eine Preisarbeit gewonnen und damit den Grundstein für ein wissenschaftliches Wirken als Theologe gelegt9, das 1861 als Repetent für Kirchengeschichte und kirchliche Kunstgeschichte am Wilhelmsstift begann. Zuvor hatte der 1859 in Rottenburg zum Priester geweihte Reiser zwei Jahre in der praktischen Seelsorge als Vikar in Spaichingen verbracht. In Tübingen erwarb er dann das Lizentiat der Theologie (1867) und rückte nach zwei Jahren als Präfekt am Martinihaus, einem neu errichteten Knabenkonvikt in Rottenburg, 1869/70 sowohl zum Direktor des Wilhelmsstifts als auch zum Stadtpfarrer in Tübingen auf. Sieht man von einem – allerdings von ihm abgelehnten – Ruf 5 6
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So Reinhardt, Keppler, in: Gatz, Bischöfe, S. 297. Wolf, Das Evangelische Ländle und seine Katholiken, in: Gründig, Kirche im Königreich Württemberg, S. 52–69, hier S. 64 u. 67. Vgl. Zimmermann, Braucht Württemberg Mönche?, ebd., S. 82-101. Zu Reiser vgl. Reinhardt, Reiser, in: Gatz, Bischöfe, S. 606–608; Wolf, Reiser, in: BBKL, Bd. 7 (1994), S. 1578–1581; Wolf, Reiser, in: NDB, Bd. 21 (2003), S. 390f; DBE, Bd. 8 (1998), S. 230; Biographisches Handbuch der württembergischen Landtagsabgeordneten, S. 711; Hagen, Reiser, in: Ders., Gestalten aus dem schwäbischen Katholizismus, Bd. 4, S. 7–34; sowie Kopf, Reiser, in: RJKG, Bd. 5 (1986), S. 375–386, u. Brandt/Häger, Biographisches Lexikon der katholischen Militärseelsorge Deutschlands, S. 650. Vgl. Hagen, Reiser, S. 9.
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an die Akademie in Münster 1876 und der theologischen Ehrenpromotion in Tübingen im Folgejahr ab, war Wilhelm Reiser keine größere wissenschaftliche Anerkennung beschieden. Schon im Abgangszeugnis des Wilhelmsstifts hatte es geheißen: „Sein Talent ist nicht produktiv, aber doch in der Weise günstig, dass er alles leicht erfasst und mit Klarheit und Genauigkeit zu reproduzieren vermag“10. 1879 gelangte er durch Kapitelswahl in das Rottenburger Domkapitel11, wurde zugleich zum Dompfarrer ernannt und betätigte sich als Abgeordneter der Württembergischen Kammer zwischen 1880 und 1886 – mit kleiner Unterbrechung – an der Schnittstelle zwischen Kirche und Politik, allerdings „ohne eine große Rolle gespielt zu haben“12. Aber das war gerade sein Vorteil. Reiser hatte es verstanden, sich in Politik und Öffentlichkeit bekannt, dabei aber keine Feinde zu machen. Durch diese Tätigkeit erschien er Bischof Hefele geeignet, seine Nachfolge anzutreten13, wobei die größte Schwierigkeit darin lag, dass die über die Bischofsstuhlbesetzung Auskunft gebenden Bullen die Möglichkeit einer Koadjutorbestellung nicht enthielten. Auch war in der zu diesem Zeitpunkt gut 50-jährigen Geschichte der Diözese noch kein Koadjutor bestellt worden, obgleich es im Vatikan bei beiden Vorgängern Hefeles auf dem Bischofsstuhl von Rottenburg ernsthafte Überlegungen gegeben hatte, ihnen einen Koadjutor zur Seite zu stellen. Daher trat der 77-jährige Hefele gut daran, seinen Plan mit gebotener Vorsicht umzusetzen. Am 8. April 1886 ließ er den württembergischen Kultminister Otto Sarwey14 wissen, dass er aus Alters- und Gesundheitsgründen einen Weihbischof, der in Personalunion gleichzeitig Generalvikar sein solle, erbitten wolle15. Dass dieser zugleich Koadjutor sein sollte, bezeichnete Hefele als Bitte des Domkapitels. Dass ein Koadjutor besser sei, als ein bloßer Weihbischof begründete er damit, dass letzterer bei Neubesetzung der Diözese eben nicht unbedingt zum Zuge komme und gegebenenfalls überflüssig sein könnte. Selbstverständlich hatte Hefele bereits exakte Vorstellungen, doch gegenüber dem Minister bot er durchaus geschickt zwei Optionen an. Entweder würde er sich mit der Regierung über eine dieser genehme Person einigen oder aber eine Liste mit mehreren Kandidaten einreichen, aus denen die Regierung ihr mindergenehme Personen streichen könne. Mit letzterer Variante konzedierte Hefele einen Ablauf wie bei einer regulären Bischofswahl. Sarwey holte sich zunächst Rat bei dem für die katholischen Angelegenheiten als Kontrollinstanz zuständigen Katholischen Kirchenrat, dessen 10 11 12 13 14
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Abgangszeugnis für Wilhelm Reiser v. Herbst 1858, zit. nach ebd., S. 11. Vgl. ebd., S. 18f., wo erwähnt wird, dass er 5 der 6 Stimmen erhielt. Ebd., S. 20. Vgl. Tüchle, Aus der Spätzeit Bischof Hefeles, in: RJKG, Bd. 5 (1986), S. 365–374, hier S. 373. Zu Sarwey (1825–1900), 1885–1900 Kultminister, vgl. Friedrich, Sarwey, in: NDB, Bd. 22 (2005), S. 441f.; Biographisches Handbuch der württembergischen Landtagsabgeordneten, S. 758–760. Vgl. Bischof Hefele an Sarwey v. 8.4.1886, in: BWStA Ludwigsburg, E 210 Bü 119.
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Präsident Emil Hefele16 genau den vom Bischof von Rottenburg mit seiner Offerte implizierten Kurs einschlug17. Er betonte die Wichtigkeit der Aufrechterhaltung des von Karl Joseph Hefele vorgegebenen friedlichen Kurses, wofür Reiser garantiere. Dennoch lässt sich mit Rudolf Reinhardt resümieren: „Alles verlief in schönster Harmonie“18, weil nämlich König Karl von Württemberg, der „sowohl nach Willen als auch nach Begabung ein mäßiger Monarch, ohne Saft und Kraft“19 war, sich bereit erklärte, in diesem Fall auf eine Listenvorlegung zu verzichten und da die Regierung unter dem zwar nominell katholischen, aber seiner Kirche entfremdeten Ministerpräsidenten Hermann Freiherr von Mittnacht20 dem irenischen Bischof eher vertraute, einen entsprechenden Nachfolger auszusuchen als dem Domkapitel. Ohnehin wusste man in Stuttgart, wen man mit Reiser vor sich hatte, während die im Vakanzfall übliche Wahlliste trotz der Streichungsmöglichkeiten immer eine gewisse Unsicherheit in sich barg, welchen der stehenbleibenden Kandidaten die Domherren letztlich wählen würden. Das Domkapitel verzichtete auf sein Wahlrecht, und Bischof Hefele konnte gegenüber Nuntius Angelo di Pietro geltend machen, dass er das staatliche Plazet in der Tasche habe21. Di Pietro erkundigte sich allerdings bei dem Bischof Paul Leopold Haffner in Mainz sowie bei Bischof Ignatius von Senestréy in Regensburg nach der Persönlichkeit des von Hefele vorgeschlagenen Wilhelm Reiser. Weshalb wurden nun gerade diese beiden Bischöfe gefragt? Haffner konnte als intimer Kenner der Situation vor Ort gelten, da er aus der Diözese Rottenburg stammte, Senestréy war als Haupt der ultramontanen Richtung im bayerischen Episkopat ein gern gesehener Ratgeber der Kurie. Haffner bescheinigte dem Kandidaten zwar einen Mangel an Energie, wollte ihn aber ebenso wie Senestréy nicht kritisieren, weil er doch alles in allem ein angenehmer Charakter sei22. Der Bischof von Regensburg konnte bei seiner Beurteilung auf Hinweise des dortigen Regens Joseph Mast zurückgreifen, der Rottenburger Diözesanpriester war23. Als Vermittler zwischen einem liberalen und einem intransigenten Flügel im Klerus hatte Reiser in der Tat schon in den sog. Rottenburger Wirren 1866 bis 1868 eine gute Figur gemacht. Dass er bisher nicht in den Gesichtskreis der Nuntiatur bzw. der Kurie getreten war, mag wohl 16
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Zu Emil Hefele (1838–1921), Präsident des Katholischen Kirchenrates 1893–1903, vgl. DBE2, Bd. 4 (2006), S. 549. Vgl. Emil Hefele an Sarwey v. 21.4.1886, in: BWStA Ludwigsburg, E 210 Bü 119. Reinhardt, Von jenen Tübinger Professoren, die (nicht) Bischof wurden, in: Vogt (Hrsg.), Kirche in der Zeit, S. 68–90, hier S. 84. Philippi, Das Königreich Württemberg, S. 5. Zu Mittnacht (1825–1909), der katholisch war, vgl. Matz, Mittnacht, in: NDB, Bd. 17 (1994), S. 589f.; DBE, Bd. 7 (1998), S. 159; Biographisches Handbuch der württembergischen Landtagsabgeordneten, S. 568–570. Vgl. Bischof Hefele an Jacobini v. 1886, in: ASV ANM, busta 159. Vgl. Haffner an di Pietro u. Senestréy an di Pietro, ebd. Vgl. Tüchle, Aus der Spätzeit Bischof Hefeles, S. 374.
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auch daran gelegen haben, dass Reiser weder in Rom studiert hatte, noch jemals – auch nicht als Bischof – eine Romreise unternommen hätte24. Der Nuntius war jedenfalls nach den Gutachten von der Eignung Reisers sehr überzeugt und ließ dies auch den Kardinalstaatssekretär Jacobini wissen, der am 2. Juni 1886 die Erlaubnis erteilte, den kanonischen Informativprozess einzuleiten. Genau einen Monat später gab di Pietro ein Dankesschreiben Leos XIII. über den württembergischen Gesandten in der bayerischen Hauptstadt an König Karl weiter. In Rom sah man also in der Koadjutorfrage ein großes Zugeständnis des Monarchen oder wollte ihn dies zumindest glauben lassen.
Erste Bischofswahl 1898 Die Sedisvakanzen des Jahres 1898 trafen das Bistum Rottenburg und die württembergische Regierung beide sehr überraschend. Bischof Reiser starb am 13. Mai 1898 mit knapp 63 Jahren während einer Firmreise in Ellwangen an den Folgen einer Magenblutung25. Sein plötzlicher Tod wirkte auch insofern in weiten Kreisen als Schock, weil nur drei Tage zuvor der neue Metropolit der Oberrheinischen Kirchenprovinz, der Freiburger Erzbischof Georg Ignaz Komp auf dem Weg zu seiner Inthronisation ebenfalls plötzlich gestorben war26. Nachdem sich die Domherren bereits am 4. Juni zu einer Vorbesprechung getroffen hatten, kamen sie am 6. Juni 1898 erneut zusammen und beschlossen die beim König einzureichende Liste. Dass hierauf neun Kandidaten, nämlich fünf in der Bistumsleitung tätige Rottenburger Domherren und vier außerhalb der Bischofsstadt wirkende Diözesanpriester Platz gefunden hatten, muss mit Blick auf die Wahllisten in Preußen, wo meist fünf bis sechs Namen Aufnahme fanden, erstaunen. Allerdings waren in den Diözesen der oberrheinischen Kirchenprovinz stets umfangreichere Listen üblich, so etwa in Limburg 1898 mit zehn Namen und in Freiburg 1886 und bei der zweiten Wahl des Jahres 1898 mit jeweils acht Namen. Für Rottenburg war die hohe Zahl an Kandidaten allerdings nicht ungewöhnlich, hatten doch bei der letzten Bischofswahl 1869 sogar 11 Namen, 1845 sogar 12 auf der Liste gestanden27. Zwei Domkapitulare in fortgeschrittenem Alter, nämlich ein 80-jähriger und ein 75-jähriger Geistlicher, hatten diesmal vorab darum gebeten, nicht auf der Liste platziert zu werden. Entgegen den meisten Listen im benachbarten Preußen, wo das Domkapitel in der Platzierung bereits seine Rangfolge zu Ausdruck brachte, wurden die Kandidaten auch in Rottenburg alphabetisch sortiert. 24 25 26 27
Vgl. Hagen, Reiser, S. 29f. Vgl. zu den letzten Lebenstagen Reisers ausführlich Kopf, Reiser, S. 384f. Vgl. hierzu die Kap. Freiburg und Fulda in diesem Band. Vgl. Reinhardt, Von jenen Tübinger Professoren, die (nicht) Bischof wurden, S. 76 u. 79f.
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Die staatliche Begutachtung der zahlreichen Kandidaten oblag in Württemberg dem Katholischen Kirchenrat, einer 1806 vom König gebildeten, dem Kultministerium untergeordneten staatlichen Aufsichtsbehörde für die katholische Kirche, die das Curriculum vitae und die Genehmheit aller episcopabili überprüfte. An die Spitze seiner Liste setzte der Kirchenrats-Direktor Emil von Hefele den Domkapitular und Moral- und Pastoraltheologen Franz Xaver Linsenmann 28.
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insenmann entstammte nicht nur dem gleichen Geburtsjahrgang wie der verstorbene Bischof Reiser – 1835 war er als erstes von 13 Kindern eines Schuhmachers und seiner evangelischen Frau in Rottweil am Neckar geboren worden – er hatte auch gemeinsam mit Reiser das Gymnasium in Rottweil besucht und das Theologiestudium in Tübingen absolviert, gemeinsam mit ihm an jener Preisaufgabe teilgenommen, die dann von Reiser gewonnen wurde. Ganz genau wie letzterer fand sich auch Linsenmann nach der 1859 erfolgten Priesterweihe und zwei Kaplansjahren (die ihn nach Oberndorf/Neckar führten) als Repetent am Tübinger Wilhelmsstift wieder. Parallel erfolgte auch der Erwerb des Lizentiats der Theologie 186729. Im Gegensatz zu Reiser reüssierte Linsenmann jedoch früh als Wissenschaftler. So erhielt er 1867 eine außerordentliche Professur für Moraltheologie in München, die 1872 zu einer ordentlichen Professur wurde, nachdem er zuvor in Tübingen zum Dr. theol. promoviert worden war30. Allerdings stand er in dem Ruf, die Beschlüsse des Ersten Vatikanums nicht ernst zu nehmen, weshalb der Kölner Erzbischof 1871 seine Berufung auf eine Professur in Bonn vereitelte31. Bei Priestern und Theologiestudenten machte er sich durch ein 1878 erschienenes „Lehrbuch der Moraltheologie“32 einen Namen. Im akademischen Jahr 1887/88 fungierte Linsenmann zudem als Rector magnificus der Tübinger Universität. 1889 war er dann in das Rottenburger Domkapitel aufgenommen worden, was aufgrund der in der oberrheinischen Kirchenprovinz bestehenden Personalunion von Kapitel und Ordinariat33 die Aufgabe seiner Tübinger Professur zur Folge hatte. Stattdessen wagte Linsenmann sich auf das politische Parkett und zog 1895 in den württembergischen Landtag ein. Was für seine exzellente Begutachtung den Ausschlag gab, war zum einen seine gemäßigte kirchenpolitische 28
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Zu Linsenmann vgl. Reinhardt, Linsenmann, in: Gatz, Bischöfe, S. 451–453; Hadrossek, Linsenmann, in: LThK2, Bd. 6 (1961), Sp. 1067f.; Auer, Linsenmann, in: NDB, Bd. 14 (1985), S. 636f.; DBE, Bd. 6 (1997), S. 414; Biographisches Handbuch der württembergischen Landtagsabgeordneten, S. 513f.; sowie Linsenmann, Sein Leben. Vgl. passim Linsenmann: Michael Bajus und die Grundlegung des Jansenismus, 1867. Vgl. passim Linsenmann: Der ethische Charakter der Lehre Meister Eckharts, 1873. Vgl. Reinhardt, Die katholisch-theologische Fakultät Tübingen, in: Ders. (Hrsg.), Tübinger Theologen und ihre Theologie, S. 1–42, hier S. 38. Vgl. passim Linsenmann, Lehrbuch der Moraltheologie, Freiburg/Breisgau 1878. Vgl. dazu Wolf, Das Domkapitel als Bischöfliches Ordinariat?
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Haltung, zum anderen seine wissenschaftlich produktive Schreibtätigkeit. Hefele resümierte daher: „Er ist ein Mann von praktischem Blick, der das Erreichbare vom Unerreichbaren zu unterscheiden weiß“34. Dass Linsenmann auch als „selbständiger Kopf und origineller Denker“35 galt, geriet ihm in der Begutachtung nicht zum Nachteil.
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n zweiter Stelle besaß Domkapitular Otmar Ege36 die staatliche Gunst. Ege war erst im Vorjahr vom württembergischen König geadelt worden. 1847 in Eisenharz im Kreis Ravensburg geboren, hatte er als Tübinger Theologiestudent einen Preis gewonnen, war 1872 in Rottenburg zum Priester geweiht worden und hatte als Repetent für Philosophiegeschichte und Dogmatik am Wilhelmsstift in Tübingen gewirkt. Bevor Ege 1887 zum Direktor dieses Theologenkonvikts und gleichzeitig zum Tübinger Stadtpfarrer ernannt wurde, hatte er sieben Jahre als Stadtpfarrer in Friedrichshafen am Bodensee gewirkt. Seit 1893 gehörte er dem Domkapitel an. Er wurde auf der Liste gefolgt von den Domherren Joseph Anton Sporer37 und Julius Walser38. Sporer war Jahrgang 1838, gebürtig aus Reinstetten, und hatte nach seiner 1862 erfolgten Priesterweihe parallel zu Reiser und Linsenmann als Repetent am Tübinger Wilhelmsstift gewirkt. 1868 war Sporer als Parteigänger des fortschrittlichen Direktors Emil Ruckgaber in die Pfarrseelsorge versetzt worden39. Nach verschiedenen Aufgaben, u.a. seit 1875 als Pfarrer und Dekan in Uigendorf im Landkapitel Riedlingen, gelangte Sporer 1893 als Domkapitular nach Rottenburg. Walser war 1847 in Ravensburg zur Welt gekommen und gehörte ebenso wie Ege zum Weihejahrgang 1870. Nach Tätigkeiten als Repetent im Wilhelmsstift in Tübingen und Subregens in Rottenburg war er Pfarrer in Abtsgmünd, bevor er in das Kapitel aufrückte. Das besondere Augenmerk Hefeles gehörte also augenscheinlich den Kapitelsmitgliedern, während am Ende der dem Kultministerium zurückgegebenen Liste die beiden in der Lehrerausbildung bzw. in der Schwesternseelsorge tätigen Geistlichen Karl Möhler40 und Joseph Eisenbarth41 standen. Ersterer war gebürtig aus Schwäbisch Gmünd, Jahrgang 1850, und hatte nach der 1875 erfolgten Weihe seinen Dienst als Hofmeister bei der Herzogin von Urach in Stuttgart aufgenommen. Über Tätigkeiten als Repetent im Tübinger 34
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Hefele an Kultministerium v. 14.6.1898, in: BWStA Ludwigsburg E 210 Bü 120. Zit. nach Reinhardt, Von jenen Tübinger Professoren, die (nicht) Bischof wurden, S. 86. Gross, Für Euch Bischof – Mit Euch Christ, S. 43. Zu Ege, der 1899 Generalvikar u. Domdekan werden sollte u. 1913 starb, vgl. Reinhardt, Ege, in: Gatz, Bischöfe, S. 160, u. Neher, Personal-Katalog2, S. 169. Zu Sporer vgl. Neher, Personal-Katalog2, S. 146. Zu Walser vgl. ebd., S. 171. Vgl. Gross, Das Wilhelmsstift Tübingen, S. 228–231. Zu Möhler vgl. Neher, Personal-Katalog2, S. 177. Zu Eisenbarth vgl. ebd., S. 164f.
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Wilhelmsstift sowie als Subregens im Priesterseminar war er mit dem Feld der Priesterausbildung vertraut. Letzterer war 1844 in Dehlingen in der Pfarrei Ohmenheim geboren worden, hatte 1870 die Priesterweihe in Rottenburg erhalten und war nach einem kurzen Intermezzo als Stadtpfarrer in Weißenstein seit 1879 Superior der Barmherzigen Schwestern in Schwäbisch Gmünd. An der Spitze der Reihe der Nicht-Domherren stand für Hefele der Neutestamentler Paul Schanz42. Dieser war 1841 in Horb am Neckar geboren worden und hatte bereits als Tübinger Theologiestudent mehrere Preise erhalten. Nach der 1867 erhaltenen Priesterweihe und weiteren Studien, die er mit dem Dr. theol. et phil. abschloss, wirkte Schanz seit 1870 als Gymnasialprofessor in Rottweil, bis er mit erst 35 Jahren 1876 die Professur für Neues Testament in Tübingen erhielt. 1883 wechselte er auf den Lehrstuhl für Dogmatik und Apologetik. Schanz, dessen exakte theologische Position schwer zu bestimmen ist43, sei „unstreitig der gelehrteste unter den Mitgliedern der Katholisch-theologischen Fakultät und besitzt ein fast enzyklopädisches Wissen“. Bei ihm kritisierte der Bischof jedoch die Zurückgezogenheit des Gelehrten, die mit einem Mangel an äußerer Gewandtheit einhergehe. Einen hinteren Platz nach Schanz nahmen in den Augen des staatlichen Begutachters auch der Gymnasialdirektor Leo Hepp44 sowie der Seminarregens Paul Stiegele45 ein. Hepp, 1843 in Mengen geboren, hatte während des Theologiestudiums in Tübingen einen Preis erhalten. 1867 in Rottenburg zum Priester geweiht, legte er das Staatsexamen für das höhere Lehramt ab und promovierte zum Dr. phil., wurde zunächst Gymnasialprofessor in Ravensburg und 1876 in Rottweil, wo er auch das Direktorat übernahm. Stiegele, Jahrgang 1847 und gebürtig aus Ravensburg, wo sein Vater als Oberamtsarzt praktizierte, war als Student in Tübingen ebenfalls preisgekrönt worden, hatte 1870 die Priesterweihe erhalten und nach Kaplansjahren sowie einer Pfarrstelle in Sulmingen 1882 provisorisch, zwei Jahre darauf definitiv die Leitung des Rottenburger Priesterseminars übernommen. Da es sich sämtlich um Rottenburger Diözesanpriester handelte, die in Tübingen unter den Auspizien des Staates ausgebildet wurden, ging Hefele – trotz gradueller Unterschiede, die sich in der von ihm gewählten Rangfolge zeigten, – kein Risiko ein, dass einer der Kandidaten das Plazet nicht erhalten könnte. Das einzige, was dem Minister für das Kirchen- und Schulwesen, Sarwey, an diesen Einschätzungen nicht gefiel, war die Führungsposition Linsenmanns auf der Rangliste. Da letzterer ein Memorandum zur Ordensfra42
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Zu Schanz vgl. Fries, Katholische Theologen, Bd. 3, S. 190–214, u. Neher, Personal-Katalog2, S. 155. So Reinhardt, Zu den Auseinandersetzungen um den „Modernismus“, in: Ders. (Hrsg.), Tübinger Theologen und ihre Theologie, S. 271–348, hier S. 282. Hier auch das folg. Zit. Zu Hepp vgl. Neher, Personal-Katalog2, S. 157. Zu Stiegele (1847–1903), der 1898–1900 u. 1901–1903 auch MdL war, vgl. ebd., S. 166, sowie Biographisches Handbuch der württembergischen Landtagsabgeordneten, S. 899.
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ge verfasst und sich als Landtagsabgeordneter der Zentrumspartei exponiert hatte, schien er kirchenpolitisch bedenklich. König Wilhelm II. jedoch deklarierte am 28. Juni 1898 alle Kandidaten als „personae gratae“ und ließ die Liste in der von Hefele vorgeschlagenen Reihenfolge der Kandidaten an das Domkapitel zurückgeben. Bei der für den 20. Juli anberaumten Bischofswahl zeigte sich dann, was in Regierungskreisen wohl schon vorher erahnt worden war, dass das Votum aller Domherren Linsenmann gehörte. Die einzige Enthaltung stammte von ihm selbst. Für die breite Öffentlichkeit kam dieses Votums wohl kaum überraschend46. Als der erwählte Bischof am 5. September von Papst Leo XIII. präkonisiert wurde, hielt er sich bereits zu einer Kur in Lauterbach bei Schramberg auf, wo Franz Xaver Linsenmann unerwartet am 21. September 1898 an einer Lähmung verstarb, ohne konsekriert worden zu sein.
Zweite Bischofswahl 1898 Drei Wochen nach dem Tod von Franz Xaver Linsenmann trat das Domkapitel am 11. Oktober 1898 zum zweiten Male innerhalb eines halben Jahres zur Aufstellung einer Liste zusammen. Wohl angesichts der Tatsache, dass die Kandidaten vom Juni allesamt unbeanstandet geblieben waren, sah es sich in seiner Grundlinie bestätigt und setzte die acht verbliebenen Kandidaten erneut auf die Liste. Ergänzt wurden der aus dem Bistum stammende Freiburger Professor für Moral- und Pastoraltheologie Paul Wilhelm Keppler sowie der als Geistlicher im Katholischen Kirchenrat in Stuttgart wirkende Richard Wahl47, ein 1854 in Schwäbisch Gmünd geborener Priester, der nach seiner 1880 erfolgten Weihe zuerst als Repetent in Tübingen gewirkt hatte.
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aul Wilhelm Keppler48 stammte aus einem gemischtkonfessionellen Elternhaus. Sein Vater, ein Gerichtsnotar, war Protestant, die Mutter Katholikin. 1852 in Schwäbisch Gmünd geboren, hatte er dort zunächst das Gymnasium, dann das Obergymnasium in Ehingen an der Donau besucht. Nach dem in Tübingen „trotz Sprach- und Gedächtnisstörungen“49 absolvierten Theologiestudium war Paul Wilhelm Keppler 1875 in Rottenburg zum Priester geweiht worden. Das sind die Eckdaten der ersten Lebensjahrzehnte. Nur ein Jahr als Vikar führte den jungen Geistlichen nach Ulm und in seine Heimatstadt Schwäbisch Gmünd. Anschließend wirkte Kepp-
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So Kopf, Reiser, S. 385. Zu Wahl (1854–1906) vgl. Neher, Personal-Katalog2, S. 187. Zu Keppler vgl. Donders, Keppler; Reinhardt, Keppler, in: Gatz, Bischöfe, S. 371–373; Baum, Keppler, in: NDB, Bd. 11 (1977), S. 508f.; Rentschler, Keppler, in: RJKG, Bd. 12 (1993), S. 247–255; Biographisches Handbuch der württembergischen Landtagsabgeordneten, S. 432f. Baum, Keppler, S. 508.
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ler, der bereits während des Studiums einen ersten Preis der Universität für eine Predigt erhalten hatte, als Repetent im Wilhelmsstift in Tübingen, wo „ein schönes Verhältnis“50 zum Direktor Wilhelm Reiser, seinem späteren Vorvorgänger als Bischof, bestand, und unternahm wissenschaftliche Studien. Ab 1880 erfolgte dann wiederum ein Ausflug in die pastorale Praxis, als Stadtpfarrer nach Bad Cannstatt bei Stuttgart. Bereits 1883 wurde der erst 31-jährige als ordentlicher Professor für Neutestamentliche Exegese an die Katholisch-Theologische Fakultät in Tübingen berufen, obwohl seine Promotion in Freiburg im Breisgau im Vorjahr nicht zum Erfolg geführt hatte. 1884 klappte aber ein zweiter Promotionsversuch in Tübingen. Für die wissenschaftliche Reputation Kepplers spricht nicht nur sein Wechsel auf die Moral- und Pastoraltheologie 1889, sondern auch die Tatsache, dass er 1887 in Bonn und 1894 in Freiburg berufen wurde51. Letzterem Angebot, das vom Freiburger Erzbischof Johannes Christian Roos massiv unterstützt wurde, leistete Keppler Folge. In der badischen Bischofsstadt erregte er rasch große Aufmerksamkeit durch populärwissenschaftliche geistliche Publikationen, die breitere gebildete Kreise ansprachen und auch am Großherzoglichen Hof in Karlsruhe gelesen wurden. Dazu gehörten das in 14 Sprachen übersetzte Werk „Mehr Freude“ und die in sieben Sprachen übertragene „Leidensschule“. Als Standardwerk weit verbreitet war auch seine Kunstgeschichte der württembergischen Kirchen52. Daher verwundert es nicht, dass Paul Wilhelm Keppler in den dortigen Sedisvakanzen 1898 staatlicherseits als Erzbischof gehandelt wurde, vom Metropolitankapitel aber keinen Listenplatz zugebilligt erhalten hatte. In seiner Heimat war er hingegen als episkopabler Kandidat bei der ersten Bischofswahl 1898 nicht in Erwägung gezogen worden. Auch bei der zweiten Wahl galt er als Überraschungskandidat. Die Ambivalenz seiner Persönlichkeit lag darin, dass Keppler auf der einen Seite von den Freiburger Domherren als nicht strengkirchlich genug angesehen worden war, wozu sicherlich auch die Freundschaft mit seinem Freiburger Kollegen Franz Xaver Kraus beitrug53. Auf der anderen Seite stand er in seiner Heimat Württemberg im Ruf eines Ultramontanen, wozu seine näheren Beziehungen zur katholischen Linie des Herrscherhauses Württemberg vornehmlich beigetragen hatten. Der Katholische Kirchenrat in Stuttgart gelangte dann zu dem abwägenden Urteil, dass Keppler „um extrem zu sein … entschieden zu
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Hagen, Reiser, S. 17. Vgl. zu Kepplers wissenschaftlichem Wirken Weber, Der Bischof als Gelehrter, in: Baumgärtner (Hrsg.), Keppler, S. 31–54. Vgl. Gross, Für Euch Bischof – Mit Euch Christ, S. 48, der auf Kepplers Band über „Württembergs kirchliche Kunstaltertümer“ verweist. Vgl. Hausberger, „Reformistae …“, in: Wolf (Hrsg.), Antimodernismus und Modernismus, S. 217–239, hier S. 222.
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klug“54 sei. Als Referent fungierte im Kirchenrat der dort beschäftigte Geistliche Richard Wahl. Obwohl dieser – wie erwähnt – selbst auf der Kandidatenliste stand, förderte er die Kandidatur des mit ihm befreundeten Keppler. Wie Rudolf Reinhardt meint, habe Keppler es Wahl zu verdanken gehabt, dass er überhaupt von der Regierung akzeptiert wurde55. Ausschlaggebend für das Plazet erschien die politische Abstinenz des Universitätsprofessors. In dieser Hinsicht konnte auch der kritische Minister Sarwey keinen Hebel mehr ansetzen. Wie bei der wenige Monate zurückliegenden Kandidatenfrage hatte auch jetzt der Katholische Kirchenrat mit seinen Gutachten die entscheidende Stellung, die auch dem Monarchen die Grundlinie – nämlich wiederum keine Streichung vorzunehmen – vorgab. Nachdem die unbeschnittene Liste am 3. November 1898 dem Kapitel nach Rottenburg zurückgesandt worden war, schritten die Domkapitulare bereits acht Tage später zur Wahl. An diesem 11. November, mit dem es als Tag des Diözesanpatrons St. Martin eine besondere Bewandtnis für das Bistum hatte, entfielen alle Stimmen auf Professor Keppler, was zunächst Verwunderung in katholischen Kirchenkreisen auslöste. Insbesondere in Tübinger Akademikerkreisen war man sich im Vorfeld sicher, dass zum einen der bei der vergangenen Wahl staatlicherseits zweitplatzierte Domkapitular Otmar Ege, zum anderen der Tübinger Dogmatiker Paul Schanz zum Zuge kommen würde56. Rudolf Reinhardt hegt die Vermutung, dass sich im Domkapitel eine Fraktion für Ege und eine andere für Schanz gegenüber standen. Da keine Einigkeit erzielt werden konnte, sei Keppler gleichsam als Kompromisskandidat gewählt worden. Staatlicherseits wurde die Wahl Kepplers, der am 18. Januar 1899 durch den Freiburger Erzbischof Thomas Nörber die Bischofsweihe in Rottenburg erhielt, äußerst positiv goutiert, und zwar nicht nur in Stuttgart, sondern auch in Berlin. Als nämlich im Frühjahr 1899 der bedeutende erzbischöfliche Stuhl in Köln vakant wurde, sorgte offenbar Kepplers Freiburger Kollege Franz Xaver Kraus dafür, dass der Bischof von Rottenburg auf die Wahlliste des dortigen Metropolitankapitels gelangte57. Nachdrücklich wandte sich Bischof Keppler gegen eine mögliche Wahl, vor allem nachdem ihn die preußische Regierung als „persona grata“ zugelassen hatte. Möglicherweise spielte nicht nur seine Bescheidenheit sowie die Angst vor einem Wechsel in das ihm vollkommen unbekannte Rheinland eine Rolle für die dezidierte Abwehrhaltung. Innerlich hatte sich Paul Wilhelm Keppler zu diesem Zeitpunkt 54
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Gutachten des Kath. Kirchenrates über Keppler v. 10.10.1898, in: BWStA Ludwigsburg, E 210 Bü 120, zit. nach Reinhardt, Von jenen Tübinger Professoren, die (nicht) Bischof wurden, S. 88. Vgl. Reinhardt, Zu den Auseinandersetzungen um den „Modernismus“, S. 279, Anm. 20. Vgl. Reinhardt, Tübinger Professoren, in: Theologische Quartalschrift, Bd. 150 (1970), S. 160–166, hier S. 166, Anm. 1. Vgl. Trippen, Das Domkapitel und die Erzbischofswahlen in Köln, S. 296–334, v.a. aber das Kap. Köln in diesem Band.
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bereits zunehmend von der staatsloyalen Warte von Kraus distanziert und sollte in der Folge – öffentlich ab 1902 – als Exponent des antireformerischen Flügels im deutschen Episkopat hervortreten58. Der Freiburger Pastoraltheologe Cornelius Krieg jedenfalls kommentierte die Berufung seines Kollegen Keppler nach Rottenburg mit Blick auf die zuvor erfolgte Wahl eines einfachen Pfarrers, nämlich Thomas Nörber, zum Erzbischof von Freiburg: „Das eine muss man den Schwaben lassen: sie wählen studierte Leute u[nd] fahren gut dabei. Wie anders liegen die Dinge hier! Nicht das geringste Anzeichen einer Besserung“.
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Vgl. Hausberger, „Reformistae …“, u. Arnold, Kleine Geschichte des Modernismus, S. 45–49.
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eute „werden die Bischofssitze in Bayern vergeben auf allerlei Empfehlungen hin, selbst auf die von Prinzessinnen. Da wird heute ein Prinzenerzieher Bischof, morgen ein höfischer Beichtvater und übermorgen weiß der Kultusminister nichts Eiligeres zu tun, als dass er einen Professor, seinen besten Studienfreund, zum Erzbischof macht, …“.1 Mit diesen Worten gibt der zu seinen Lebzeiten in der katholischen deutschen Öffentlichkeit weithin bekannte Freiburger Pfarrer und Reiseschriftsteller Heinrich Hansjakob in einem seiner als Unterhaltungslektüre für das katholische Volk verfassten Reiseberichte Einblick in die Besetzungspraxis der bayerischen Bischofsstühle um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Die Beispiele sind keineswegs der Phantasie entsprungen, sondern durchaus realistisch. Sie beziehen sich hinsichtlich des von einer Prinzessin aus dem Haus Wittelsbach empfohlenen Bischofskandidaten auf Sigismund Freiherr von Ow-Felldorf, der 1906 den Passauer Bischofsstuhl bestieg, bezüglich des Prinzenerziehers auf Maximilian Lingg, der 1902 Bischof von Augsburg wurde. Was den „höfischen Beichtvater“ angeht, war ohne Zweifel Antonius von Thoma, Bischof von Passau bzw. Erzbischof von München und Freising, gemeint, während sich hinter dem Studienfreund des Kultusministers der 1905 in Bamberg nominierte Friedrich Philipp Abert verbirgt. Wenngleich diese Charakterisierung in ihrer Verkürzung und Zuspitzung der Ironie und dem Spott auf die Praxis der Bischofsernennungen aus der Warte eines Zeitgenossen Ausdruck gibt, der weder an den Bischofsbestellungen beteiligt war noch die nötige zeitliche Distanz hierzu besaß, so vermittelt Hansjakobs Kritik an Günstlingen des Wittelsbacherhofes bzw. der Staatsregierung auf Bischofsthronen einen guten Einblick in die Problematik der Bischofsernennungen im einzigen dezidiert katholischen Staat des Deutschen Reiches, die auch in der zeitgenössischen Presse Aufmerksamkeit fand2. Die essayistischen Ausführungen Hansjakobs korrespondieren mit der Einschätzung von Walter Schärl, der in seine statistische Analyse der Beamtenschaft im Königreich Bayern zwischen 1806 und 1918 die Bischöfe ausdrücklich mit einbezog. Er konstatierte nämlich, dass es „keine bestimmte Voraussetzung für das Bischofsamt, ähnlich der Generalstabslaufbahn für die Generalität“3, gegeben habe. 1
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Hansjakob, Sonnige Tage, S. 160. Zu Hansjakobs kritischer Einstellung zur Haltung des Vatikans vgl. Rivinius, Hansjakob, in: Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie, Bd. 52 (2005), S. 278–299. Vgl. Bayerischer Kurier v. 10.8.1907 u. Augsburger Postzeitung v. 19.8.1907. Schärl, Beamtenschaft, S. 75.
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Die Bischofsernennung stellte auch nicht zuletzt deshalb einen wesentlichen Karrieresprung dar, weil die Ernannten „kurze Zeit nach ihrem Amtsantritte durch Allerhöchste Verleihung des Ritterkreuzes des Verdienstordens der bayerischen Krone ausgezeichnet wurden“4. Dies beinhaltete automatisch den Personaladel, den außer Bayern nur Württemberg seinen neu ernannten Bischöfen verlieh. Der zeitliche Abstand zwischen Weihe bzw. Inthronisation und Erhebung in den Adelsstand stellte zudem einen Gradmesser für die dem jeweiligen Bischof zugemessene Staatsloyalität dar. War das Besetzungsrecht der Bistümer in Bayern noch bis zur Säkularisation den Domkapiteln vorbehalten gewesen, so wurde es im 19. Jahrhundert ganz im Sinne des zeittypischen Staatskirchentums zur Domäne des katholischen Monarchen5. August Leidl spricht in diesem Sinne ganz direkt vom durch die Säkularisation hervorgerufenen Wandel vom Fürstbischof zum Staatsbischof, will die bayerischen Bischöfe des 19. Jahrhunderts allerdings keineswegs „nur als Geschöpfe des Königs … betrachten“6, weil es seiner Meinung nach von der einzelnen Bischofspersönlichkeit abgehangen habe, welche Staatsnähe sie gesucht habe. In jedem Fall gestaltete sich der Einfluss auf die Bischöfe hier so stark wie – sieht man einmal von Österreich ab – in keinem anderen der deutschsprachigen Staaten7. Die wesentliche Problematik im Kontext der Bischofsernennungen in Bayern bestand in der Frage, ob die Ernennung eines neuen Bischofs durch den Monarchen als Personalie dem Heiligen Stuhl vorab informell mitgeteilt werden sollte, um die Genehmheit des staatlichen Kandidaten auszuloten8. Die Nomination eines Bischofs wurde mit sog. indultum nominandi vom Papst uneingeschränkt auf den König von Bayern übertragen, der unter Mitwirkung des Kultusministers geeignete Kandidaten auswählte. Wenn die Auswahl auf „würdige und taugliche Geistliche“ beschränkt sein sollte, die durch Pflichteifer hervorgetreten waren, so waren dies sicherlich Bestimmungen, die 4
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So der Text bei der Ernennung des Augsburger Bischofs von Lingg zum Ritter am 25.10.1902, in: BHStA München, MK 19153. Bezogen auf § 5 des Ediktes über den Adel v. 26.5.1818: „Die Erteilung des Militär-Max Josephs-Ordens und des Verdienstordens der bayer. Krone an Inländer schließt die Verleihung des persönlichen Adels in sich.“ Vgl. auch Leser/Leser, Die Ritter- und Verdienstorden, S. 72f. Vgl. im Überblick Scharnagl, Das königliche Nominationsrecht, in: ZSRG, Kan. Abt., Bd. 17 (1928), S. 228–263; Für die Bischofsernennungen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vgl. auch detailliert Bastgen, Bayern und der Heilige Stuhl. Leidl, Das Bischofsbild im Wandel der Jahrhunderte, unpag. (S. 15). Vgl. Zedler, Die Bayerisch-Vatikanischen Beziehungen, in: Bayerische Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, S. 177–206. Auf diese zentrale Problematik verwies u.a. Crailsheim in einem ausführlichen Memorandum gegenüber Cetto v. 16.3.1889 anlässlich der Neubesetzung des Passauer Bischofsstuhls, in: BHStA München, Ges PS 848.
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von vornherein einen gewissen Interpretationsspielraum besaßen. Pflichteifer und würdiges Auftreten musste hier zwangsläufig in erster Linie aus der Sicht der Regierung so ausgelegt werden, dass ein Kandidat sich zum einen öffentlich loyal zum Herrscherhaus der Wittelsbacher und zu den Gesetzen und Maßnahmen der Staatsregierung stellte und zum anderen den Regierungsbehörden gegenüber devot auftrat. Nachdem König Ludwig I., der sogar als „il piu gran protettore“ der Kirche bezeichnet wurde9, aus persönlicher Religiosität heraus den Impetus besaß, fromme Bischöfe zu berufen, erhielten unter Maximilian II. ausschließlich dezidiert staatsloyale Priester die Mitra10. Ein ernstzunehmenderes Hindernis war ein mangelnder sittlicher Lebenswandel, wobei auch hier der Begriff der Moralität dehnbar erscheint. Neben diese mehr oder weniger „weichen“ Faktoren traten als „harte“ Bedingungen für episkopable Geistliche die Vollendung des 30. Lebensjahrs, die mindestens sechs Monate zurückliegende Priesterweihe sowie der theologische Doktorgrad bzw. der Nachweis der Lehrbefugnis. Während die bayerische Regierung sich stets an den Wortlaut von Artikel IX des Konkordats von 181711 klammerte, in dem es hieß, dass der Papst „Seiner Majestät, dem Könige Maximilian Joseph und Seinen Katholischen Nachfolgern … auf ewige Zeiten das Indult verleihen, zu den erledigten erzbischöflichen und bischöflichen Stühlen im Königreich Bayern würdige und taugliche Geistliche zu benennen“12, sah der Vatikan darin keinen negativen Ausschließungsgrund für die vorherige Fühlungnahme. Er drängte geradezu dahin, dass es stets zu einem solchen „confidentiellen Benehmen“ komme, und begründete dies damit, dass auf diese Weise ein Einvernehmen zwischen Staat und Kirche gesichert werden könne. Ernenne also der Monarch einen der Kurie missliebigen Priester zum Bischof, so würde dadurch auch das Staat-Kirche-Verhältnis insgesamt nachhaltig getrübt, was im Interesse beider Parteien zu verhindern sei. Letztlich konnte sich die vatikanische Argumentationslinie nicht auf kodifiziertes Recht stützen, sondern bezog sich auf den „guten Ton“, das friedvolle Miteinander, das gewährleistet sein müsse und eben durch Ernennung der Kurie missliebiger Bischöfe gefährdet wäre. In der staatsinternen Diskussion gestand beispielsweise der protestantische Ministerpräsident Krafft Graf von Crailsheim13 durchaus ein, dass die konkordatären Vereinbarungen eine Prüfung der kanonischen Eignung des staatlich ernannten Kandidaten durch den Vatikan nicht ausschließe und dass die 9 10
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Vgl. Hacker, Die Beziehungen zwischen Bayern und dem Heiligen Stuhl, S. 109. Vgl. Buxbaum, Die kirchliche Personalpolitik Maximilians II., in: König Maximilian II. von Bayern, S. 151–161. Zum Bayerischen Konkordat von 1817 vgl. Ammerich, Das Bayerische Konkordat. Bayerisches Konkordat v. 24.10.1817, Art. IX, abgedruckt in Huber/Huber, Staat und Kirche, Bd. 1, S. 174. Zu Crailsheim (1841–1926) vgl. Schärl, Beamtenschaft, S. 91; Andrian-Werburg, Minister des Königreichs Bayern, S. 246; Aretin, Crailsheim, in: NDB, Bd. 3 (1957), S. 387f.
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Regierung einer vatikanischen Beschwerde stattgeben werde, wenn diese „in loyaler Weise“14 und unter Angabe nachvollziehbarer Gründe vorgebracht werde. Gleichwohl beklagte er, dass in mehreren Fällen aus staatlicher Sicht nur deshalb vom Vatikan nachträglich Beschwerden gegen die Kandidatenwahl des Monarchen eingelegt worden seien, um das Prinzip der vorherigen Abstimmung über die Person durchzusetzen. Entscheidend für Missverständnisse und Konflikte war auch das unterschiedliche Verständnis der beiden Komponenten der Bischofsernennungen. Während der Staat in der Nomination des Bischofs durch den Monarchen den zentralen Punkt sah, betonte der Vatikan die anschließende päpstliche Präkonisation als Hauptaspekt der Ernennungen. Natürlich ist bereits zu Recht konstatiert worden, dass die Nomination der bayerischen Bischofskandidaten durch den König bzw. Prinzregenten „eine juristische Fiktion“15 ist. Die entscheidenden Weichenstellungen erfolgten in den Ministerien, und zwar insbesondere im Kultusministerium und im Ministerium des Äußeren. Da der Ministerpräsident in Bayern – wie auch in Preußen – zugleich das auswärtige Ressort bekleidete, gehörten die Bischofsernennungen auch stets in sein besonderes Interessenfeld. Dennoch erscheint die Frage legitim, inwieweit der Monarch bzw. die königliche Familie in einzelnen Fällen Einfluss auf die Auswahl des Episkopats genommen hat. Schließlich hat schon Hans-Michael Körner etwas vage, aber zutreffend konstatiert, dass „die staatliche Kirchenpolitik … ein höchst komplexes Zusammenwirken verschiedenster Kräfte“16 bedeutete. Obgleich das Kultusministerium nominell stets einem Katholiken vorbehalten war17, hatte gerade der langjährige Staats- und Kultusminister Johann von Lutz18 als Initiator des letztlich über die Reichsgesetzgebung eingeführten sog. Kanzelparagraphen, der auch als Lex Lutziana bezeichnet wurde, den Ausschlag für den Kulturkampf gegeben, der in der Konsequenz dann aber eine „in Bayern milder geführte Auseinandersetzung“19 von Staat und Kirche bewirkte. Für den Willen zu einer Trennung von Kirche und Staat20 waren bei ihm nicht zuletzt persönliche Befindlichkeiten ausschlaggebend, die durch protestantische Eheschließung und die evangelischen Taufen seiner Kinder begründet waren. Was die Bischofsernennungen anging, hatten sich 14 15
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Crailsheim an Cetto, in: BHStA München, Ges PS 848. Greipl, Am Ende der Monarchie, in: Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte, Bd. III, S. 263–335, hier S. 288. Vgl. aber zum Verständnis aus staatlicher Sicht Scharnagl, Bayerisches Staatskirchenrecht. Körner, Staat und Kirche, S. 4. Vgl. Schärl, Beamtenschaft, S. 41. Zu Lutz (1826–1890) vgl. Grasser, Lutz. Blessing, Staat und Kirche, S. 188. Vgl. Grasser, Lutz, S. 72.
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„oneröse Handhabung … durch Lutz und geschärfte Sensibilität der Kurie für die Fremdbestimmung der Kirche gegenseitig hoch[geschaukelt]“21. Immerhin kam es in den 1870er Jahren zu mehrjährigen Sedisvakanzen in Würzburg (1875–78) und Speyer (1876–78), weil die Kurie die vom König benannten Kandidaten ablehnte, aus München aber keine neuen Vorschläge kamen22. Der Prototyp des Bischofs in der Ära Lutz waren Männer, die „sich mehr auf eine Art bureaukratische Verwaltung beschränken sollten und der jeweiligen Regierung in keiner Lage unbequeme Gelegenheiten schaffen würden“23. Sicherlich spielte für eine Kurskorrektur in den Beziehungen zwischen Staat und katholischer Kirche in Bayern der Übergang der Regierung von König Ludwig II. auf den durchaus ultramontan eingestellten Prinzregenten Luitpold 1886 eine entscheidende Rolle, zumal diese Zäsur auch zeitlich mit der offiziellen Beendigung des Kulturkampfes korrespondierte. Allerdings wäre – hier exemplarisch anhand des Procedere der Bischofsernennungen – zu überprüfen, ob die Aussage nicht ein wenig zu pauschal ist, dass Luitpold „sich verpflichtet [fühlte], seine kirchentreue Haltung als strenggläubiger Katholik durch entsprechendes Entgegenkommen zu bekunden“24. Parallel hierzu bedeutete das Ende der Ära Lutz, das wohl nicht ganz zufällig zeitlich mit der Entlassung Bismarcks als Reichskanzler und Ministerpräsident in Preußen einherging25, zugleich ein Ende des strikt antiultramontanen und staatskirchlichen Kurses der bayerischen Regierung. Friedrich Hartmannsgruber stellte aber bereits heraus, dass „aufgrund der unverändert fortbestehenden Differenzen zwischen der staatlichen und der kirchlichen Rechtsauffassung eine wirkliche Beruhigung der Situation“26 nicht eintrat. Nicht zuletzt weil die Erzbischöfe von München und Freising und von Bamberg von Amts wegen der Ersten Kammer, dem Reichsrat, angehörten27, in welchem die wirtschaftliche und gesellschaftliche Führungsschicht Bayerns repräsentiert war, sahen sich Regierung und Monarch in der Pflicht, auf diese führenden Positionen nur betont staatsloyale Persönlichkeiten zu berufen, wie sie sich 1887 mit den zu diesem Zeitpunkt amtierenden Erzbischöfen An21 22
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Litzenburger, Bayerischer Kulturkampf und Konkordat, S. 286. Vgl. Herde, Die Erhebung von Franz Joseph von Stein, in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung, Bd. 53 (1992), S. 381–402; Ders., P Ambrosius Käß, in: WDBG, Bd. 50 (1988), S. 251–328; Buxbaum, Würzburg und Speyer, in: Archiv für katholisches Kirchenrecht, Bd. 146 (1977), S. 420–501. Augsburger Postzeitung v. 12.6.1909. Franz-Willing, Vatikangesandtschaft, S. 83. Vgl. Greipl, Am Ende der Monarchie, in: Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte, Bd. III, S. 274. Hartmannsgruber, Die Bayerische Patriotenpartei, S. 393. Vgl. Drechsel, Die Reichsräte der Krone Bayern, u. Katalog Kirche in Bayern, S. 227f., sowie Löffler, Reichsrat, u. Schärl, Beamtenschaft, S. 76.
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tonius von Steichele in München und Friedrich von Schreiber in Bamberg präsentierten. Zusätzlich berief der König jeweils einen als staatsloyal geltende Bischof, wie Joseph Franz von Ehrler von Speyer 188328 in die Erste Kammer, der aber bereits nach vier Jahren Mitgliedschaft resignierte29. Als Nachfolger gewann der Prinzregent „unter Umgehung der dienstälteren … Bischöfe Senestréy und Leonrod“30 den Bischof von Würzburg Franz Joseph von Stein. Da Ende der 1880er Jahre auch die Bischöfe von Würzburg, Passau, Augsburg und Speyer ihre Staatstreue immer wieder auch öffentlich unter Beweis stellten und allenfalls die Bischöfe von Eichstätt und Regensburg als Protagonisten einer dezidiert kurialen Richtung angesehen werden konnten, musste für den retrospektiven Betrachter der grundsätzliche Eindruck entstehen, dass „sich der Episkopat mit der Staatsführung allmählich arrangierte“31. Im März 1898 wurden dann kurz hintereinander der neue Münchner Erzbischof Stein sowie Bischof Hötzl von Augsburg in den Reichsrat berufen32. Nach Hötzls baldigem Tod gelangte der Bischof von Passau, Antonius Henle, in dieses Gremium. In der Regierungszeit des Prinzregenten Luitpold war „der Hof nicht nur Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens, sondern die Hofgesellschaft entschied oder beeinflusste wichtige politische … Entwicklungen“33. Eine herausgehobene Stellung besaßen dabei Angehörige des 1839 von König Ludwig I. gestifteten Königlichen Hof- und Kollegiatstiftes St. Kajetan in München34, dessen infulierter Propst bis zu seiner 1871 verhängten Exkommunikation Johann Ignaz Döllinger gewesen war, der „Altmeister der Münchener theologischen Schule“35 und zentrale Repräsentant der Gegner des Infallibilitätsdogmas von 1870. Die Hofprälaten an St. Kajetan waren die führenden staatskatholischen Kleriker des Landes, die Gegenparts zum niederen Klerus, der nach den „Grundsätzen des ultramontanen Pastoralstils“36 handelte. Sie verstanden es, „die verborgenen Fäden der Macht meisterlich zu ziehen“37. Wie dies außer durch Antichambrieren beim König bzw. den zuständigen Ministern praktisch geschah, lässt sich aus der Retrospektive kaum detaillierter klären. Zumindest lassen sich die subtilen Fäden der wirklichen 28 29 30 31 32
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Vgl. Möckl, Die Prinzregentenzeit, S. 196. Vgl. BHStA München, MInn 47154. Aufstellung Reichsräte aus der Zahl der Bischöfe. So Gatz, Bischöfe, S. 736. Blessing, Staat und Kirche, S. 189. Über Steins Berufung am 5.3.1898 u. Hötzls Berufung am 20.3.1898 vgl. BHStA München, MInn 47154. Möckl, Hof und Hofgesellschaft zur Prinzregentenzeit, in: Paravicini (Hrsg.), Hof, Kultur und Politik im 19. Jahrhundert, S. 183–235, hier S. 185. Vgl. Koegel, Geschichte der St.-Kajetans-Hofkirche, S. 208. Der Propst des Stifts hatte regelmäßig in der Allerheiligen-Hofkapelle zu zelebrieren. Hausberger, Bayerische Kirchengeschichte, S. 326. Blessing, Staat und Kirche, S. 238. Möckl, Die Prinzregentenzeit, S. 117.
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Machtausübung aus der Aktenüberlieferung nur bedingt rekonstruieren. Einer der einflussreichsten Exponenten des Hofklerus war Jakob von Türk38, der Beichtvater von Prinzregent Luitpold, der über zahlreiche Kanäle direkt und indirekt die Presse zu beeinflussen vermochte. Wenn insbesondere in den Jahren des Kulturkampfes einige neu ernannten Bischöfe Bayerns aus dem Bistum Augsburg stammten, hatte dies sicherlich mit dem aus Burgau in Bayerisch Schwaben, also aus diesem Bistum, stammenden Türk zu tun39. Türk rangierte im Übrigen gemäß der bayerischen Hofrangliste als einziger Kleriker in der zweiten Klasse und damit vor den Bischöfen40. Als Stiftspropst war er nicht nur der unmittelbare Nachfolger des bedeutenden Kirchenhistorikers Johann Ignaz von Döllinger, sondern sah sich auch in dessen Traditionslinie41. Dass einer dieser Münchner Hofprälaten selbst Bischof wurde, schien nach der gescheiterten königlichen Nomination des Stiftsdekans von St. Kajetan Leonhard Enzler 1876 für das Bistum Speyer zunächst staatlicherseits nicht mehr opportun. Auch Dr. Ludwig Trost, Ehrenkanoniker bei St. Kajetan, sollte bei der Kandidatenauswahl eine wichtige Rolle spielen. Er war Beichtvater Ludwigs II. wie des Prinzregenten, gehörte zum Hofklerus und war im Übrigen ein Jugendfreund des zeitweiligen katholischen Kultusministers Ludwig August von Müller42.
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Zu Türk (1826–1912), seit 1862 Kanonikus an St. Kajetan in München, 1883 Dekan, 1890 Propst ebd., vgl. Möckl, Die Prinzregentenzeit, S. 119, u. Koegel, Geschichte der St.-Kajetans-Hofkirche, S. 268 u. 273f.; sowie Weiß, Der Modernismus in Deutschland, S. 241–243. Vgl. hierzu auch Buxbaum, Steichele, in: Beiträge zur altbayerischen Kirchengeschichte, Bd. 32 (1979), S. 85–120, hier S. 98. Vgl. Möckl, Hof und Hofgesellschaft zur Prinzregentenzeit, S. 199f. Vgl. Weiß, Der Modernismus in Deutschland, S. 241. Vgl. ebd., S. 215, u. Ders., Die Prinzregentenzeit, S. 119. Ludwig August von Müller (1846–1895), seit 1890 Kultusminister, war der Vater des Historikers Karl Alexander von Müller. Vgl. Schärl, Beamtenschaft, S. 103, u. Andrian-Werburg, Minister des Königreichs Bayern, S. 253.
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Erzbischofsernennung 1889
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ls Hauptstadt des Königreichs Bayern kam München im Staat-KircheVerhältnis schon deshalb eine hervorgehobene Bedeutung zu, weil es zugleich Sitz eines katholischen Erzbischofs war43. Entgegen der Kirchenpolitik der protestantischen Staaten des Deutschen Reiches, die ihre katholischen Untertanen zwar auch gemäß dem Territorialprinzip zu organisieren versuchten, die Bischofssitze jedoch in fernab der Residenz gelegene Städte verbannten44, wurde in Bayern von der Regierung die Verlegung des traditionsreichen Bischofssitzes aus dem nahen Freising in die Metropole München favorisiert und letztlich mit römischer Unterstützung 1818 durchgesetzt45. Der Hauptstadtcharakter dieser nunmehrigen Erzdiözese mit dem „erste[n] Bischofsstuhl des Königreichs Bayern“46 machte sich daran bemerkbar, dass die Amtsinhaber „nach Herkunft, Bildungsgang und Lebenslauf aus den verschiedensten Bereichen“47 kamen. Das mit der Inthronisation des ersten Erzbischofs 1821 errichtete Metropolitankapitel, welches aus zwei Dignitäten (Propst und Dekan) sowie zehn residierenden Domherren besteht, war angesichts des königlichen Nominationsrechtes nicht zur Bischofswahl berechtigt. Zudem war der Erzbischof Metropolit der für Augsburg, Passau und Regensburg zuständigen Oberbayerischen Kirchenprovinz. Nur kurze Zeit nach der offiziellen Beendigung der Auseinandersetzungen zwischen Staat und Kirche im Deutschen Reich starb am 9. Oktober 1889 Erzbischof Antonius von Steichele48, der auf dem Höhepunkt des Kulturkampfes 1878 ernannt worden war. Steichele, der „seit seiner Amtsübernahme eine staatsloyale und kooperationsbereite Haltung“49 eingenommen hatte, 43
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Zur Bistumsgeschichte im 19. u. 20. Jahrhundert im Überblick vgl. Landersdorfer, Erzbistum München und Freising, in: Gatz, Die Bistümer der deutschsprachigen Länder, S. 507–529. So z.B. für Hessen-Nassau (Hauptstadt: Wiesbaden) Limburg, für Württemberg (Hauptstadt Stuttgart) Rottenburg, für Baden (Hauptstadt Karlsruhe) Freiburg/Breisgau. Vgl. Burkard, Rechtsfiktion und Rechtspraxis, in: Klueting (Hrsg.), Bistümer und Bistumsgrenzen, S. 212–246, hier S. 243. Brückl, Thoma, S. 13. Buxbaum, Steichele, S. 85. Zu Steichele (1816–1889) vgl. Gatz, Art. Steichele, in: Ders., Bischöfe, S. 732–734, Buxbaum, Steichele; u. Landersdorfer, Steichele, in: JVABG, Bd. 39 (2005), S. 323–338, dazu Zoepfl, Steichele, in: Lebensbilder aus dem Bayerischen Schwaben, Bd. 3 (1954), S. 406– 418; Wohnhaas, Steichele, in: BBKL, Bd. 17 (2000), Sp. 1329f., sowie Buxbaum, Die Ernennung der Augsburger Dompröpste, in: Archiv für katholisches Kirchenrecht, Bd. 140 (1975), S. 46–107, hier S. 71f. u. 73–78. Landersdorfer, Steichele, S. 332. Vgl. auch Puswald an k.u.k. Außenministerium Wien v. 14.9.1888, in: HHStA Wien, PA IV, 49.
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wurde in der Retrospektive „wohl kaum unter die großen Gestalten der Münchener Erzbischöfe“50 gezählt. Einigen Damen am königlichen Hof, darunter der Schwester des Prinzregenten und seiner Tochter Therese, erschien es jetzt opportun, sich für eine Transferierung des Eichstätter Bischofs Franz Leopold Freiherr von Leonrod, eines Hauptes der ultramontanen Bewegung in Bayern, nach München zu verwenden51. Der einflussreiche Zentrumspolitiker Ludwig Windthorst hingegen setzte sich nachhaltig für die Ernennung des bisherigen Generalvikars Michael Rampf zum Erzbischof ein52, zumal dieser bereits das zweite Mal nach 1875 die Aufgabe des Kapitularvikars in der Interimszeit bekleidete. Die Augen des Prinzregenten ruhten hingegen auf Antonius von Thoma53, der erst kurz zuvor „mit bewegtem Herzen von meinem lieben München Abschied“54 genommen und in Passau zum Bischof geweiht sowie inthronisiert worden war, als er am 23. Oktober 1889, also gerade 14 Tage nach dem Ableben Steicheles, zur Transferierung auf den oberbayerischen Metropolitansitz nominiert wurde. Wie überraschend diese Personalie für den neuen Nuntius in München, den aus dem Stadtadel von Bergamo stammenden Antonio Agliardi55, und für Kardinalstaatssekretär Mariano Rampolla kam, zeigt sich daran, dass Rampolla noch ohne Kenntnis der bereits erfolgten Ernennung Thomas am 22. Oktober 1889 den Nuntius angewiesen hatte, in jedem Fall vor der Ernennung den Namen des Kandidaten zu erfahren und die Möglichkeit einer vatikanischen Stellungnahme vorzubereiten56. Rasch entwarf Agliardi eine kritische Stellungnahme zu Thomas Charaktereigenschaften. Sein Hauptkritikpunkt war, dass es diesem an Erfahrung in der Führung einer Diözese mangele, weshalb er sich kluge Berater suchen müsse57. Möglicherweise hat bei diesem Negativbild des Nuntius die Frustration darüber, von der Regierung durch deren rasches Handeln vor vollendete Tatsachen gestellt worden zu sein, eine nicht unerhebliche Rolle gespielt. Immerhin war der Heilige Stuhl ausgetrickst worden, denn er hätte sich unglaubwürdig gemacht, hätte er die Thoma anlässlich der Passauer Bischofsernennung erst wenige Monate zuvor zugebilligte kanonische Eignung angezweifelt. Natürlich konnte man in Rom die prompte Versetzung von Thoma als pastoral unklug für die Situation im Bistum Passau brandmarken. 50 51 52 53
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Buxbaum, Steichele, S. 110. Vgl. Rantzau an Auswärtiges Amt Berlin v. 11.10.1889, in: PA AA Bayern, 53. Vgl. Reuß an Agliardi v. 26.11.1889, in: ASV ANM 172, 2. Zu Thoma vgl. die zeitgenössische Darstellung von Brückl, Thoma; Gatz, Thoma, in: Ders., Bischöfe, S. 759f; Landersdorfer, Thoma, in: Beiträge zur Geschichte des Bistums Regensburg, Bd. 43 (2009), S. 275–295. Thoma an Steichele v. 16.7.1889, in: EAM Erzbischöfe 1821–1917, 4c. Zu Agliardi (1832–1915), 1889–1893 Nuntius in München, vgl. Weber, Quellen und Studien, S. 152–159; Sauser, Agliardi, in: BBKL, Bd. 17 (2000), Sp. 19f. Vgl. Rampolla an Agliardi v. 22.10.1889, in: ASV ANM 173–3a. Vgl. Agliardi an Rampolla v. 25.10.1889, ebd.
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Einziger wirklicher Druckpunkt aus römischer Warte blieb also nicht die für einen Bischof durchaus geringe theologisch-wissenschaftliche Qualifikation von Antonius Thoma, sondern die für die Transferierung von einem Bischofssitz auf einen anderen notwendige päpstliche Genehmigung, die durchaus im Ermessensspielraum des Papstes lag. Allerdings handelte es sich in Bayern keinesfalls um einen Präzedenzfall, da es im 19. Jahrhundert zwischen 1824 und 1858 bereits vier Transferierungen von Bischöfen gegeben hatte58. Die päpstliche Dispens hatte die Regierung wohl bewusst zuvor einzuholen versäumt, was bereits einen Affront gegen die Kurie bedeutete. Darüber hinaus war nach der Interpretation des Staatskirchenrechtlers Paul Hinschius „die Erteilung der Dispens … eine reine Gnadensache, weder der Nominierende, noch der Nominierte hat einen Rechtsanspruch darauf“59. Und an dieser Stelle bewies die vatikanische Diplomatie, dass sie durchaus auch ihren Standpunkt durchzusetzen verstand, indem sie ein Junktim zwischen ihrem Plazet für den Transfer von Bischof Thoma und der Akzeptierung eines Rom genehmen Kandidaten für dessen Nachfolge in Passau einbrachte. In diesem Punkt von „negativen Begleitumstände(n)“60 zu sprechen, wie es Georg Schwaiger getan hat, würde bedeuten, sich kritiklos mit der staatlichen Kirchenpolitik d’accord zu erklären. Vielleicht war es die vollendete Courtoisie des päpstlichen Stuhls, vielleicht aber auch die Freude auf römischer Seite, mittels der Transferierung Thomas dem ultramontanen Generalvikar Rampf den Weg auf den Passauer Bischofsstuhl geebnet zu haben. Anton Scharnagl jedenfalls sah „im kurialen Widerstand gegen Thoma nur ein Manöver, um … Rampf auf einen bischöflichen Stuhl zu bringen“61, obgleich Crailsheim schon das Versäumnis der Regierung einsah und die Zuständigkeit Roms für die Dispens eines von einer zu einer anderen Diözese zu transferierenden Bischofs durchaus nicht bestritt62. Jedenfalls wandte sich Leo XIII. am 22. März 1890 ausdrücklich freundlich an den neu ernannten Erzbischof, dem er dazu gratulierte, dass er, „wenn auch Deinen Kräften misstrauend, doch ohne Weigerung die Last der Würde eines Erzbischofs von München und Freising“63 auf sich nehmen würde. Für den zeitgenössischen Biographen lag darin ein Beweis dafür, „mit welch väterlicher Liebe der heilige Vater dem Erzbischof Antonius zugetan war“64. Für die „Historisch-politischen Blätter“ hingegen, ein ultramontan-katholisches Organ, war die Transferierung Thomas als Versetzung „eine ganz fehlsame Instruierung der Krone durch Lutz, wovon ihn 58 59 60 61 62 63 64
Vgl. Scharnagl, Königliche Nomination, S. 259. Ebd., S. 258. Vgl. auch Schatz, Der päpstliche Primat, S. 123. Schwaiger, Das Erzbistum München und Freising, S. 176. Körner, Staat und Kirche, S, 105. Vgl. hierzu auch ebd., S. 122. Leo XIII. an Thoma v. 22.3.1890, zit. nach Brückl, Thoma, S. 18. Ebd., S. 18.
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eigentlich schon seine früheren Erfahrungen bei Bischofsernennungen hätten abhalten sollen“65. Am 7. Dezember 1889 erfolgte die päpstliche Anerkennung der Nomination Thomas, die ja aufgrund der Translation formal nur eine Postulation sein konnte. Am 30. Dezember in öffentlichem Konsistorium in Rom präkonisiert, fand die Inthronisation de neuen Erzbischofs von München und Freising erst am 20. April 1890, also rund vier Monate später, statt, wohl aufgrund zuvor notwendiger Umbaumaßnahmen am Erzbischöflichen Palais66 und wegen der Tatsache, dass die Ausstellung und Versendung der päpstlichen Bullen sich verzögerte67. Die Verleihung des Verdienstordens der bayerischen Krone am 13. Oktober 1889 war nur noch Formsache, weil Thoma bereits zuvor in den Personaladel aufgenommen worden war, indem ihm der König 1880 das Ritterkreuz 1. Klasse des Verdienstordens vom hl. Michael verliehen hatte68. Antonius Thoma war laut seinem Geburts- und Taufschein 1829 als Sohn des im Dienste des Königshauses stehenden Jägers Berthold Thoma und seiner Frau Kunigunde, geborene Kunz, nahe dem Schloss Nymphenburg bei München geboren worden. Aber nicht nur der genius loci seiner Geburt signalisierte eine zunächst einmal geographische Nähe zu den Wittelsbachern. Darüber hinaus hielt sich hartnäckig das Gerücht, dass Thoma ein illegitimer Sohn von König Ludwig I. sei69. Dieses wurde zwar zwischenzeitlich von ernstzunehmenden Wissenschaftlern in das Reich der Legende verwiesen, bekam jedoch kürzlich neue Nahrung, als der Passauer Kirchenhistoriker Anton Landersdorfer den Nymphenburger Taufbucheintrag für Antonius Thoma als nachträglich hinzugefügt entlarvte70. Gezielt sei, so seine durchaus plausibel erscheinende These, versucht worden, von einem ein Jahr zuvor, 1828, geborenen Kind, das in diesem Taufbuch als früh verstorben deklariert wurde und mit Antonius Thoma identisch sei, abzulenken. Folglich seien die angegebenen Eltern auch gar nicht die Eltern des Kindes, deren Spur sich verloren hat, so dass ihm „mitleidige Menschen, zuerst in Nymphenburg der Kapseldreher in der dortigen Porzellanfabrik Johann Georg Bremeuer, später von seinem achten Lebensjahre an eine fromme Jungfrau Helena Kirmaier in Ingolstadt, … nicht nur das tägliche Brot, sondern auch eine gute christliche Erziehung“71 gaben. Eine besondere Vertrautheit spricht nicht zuletzt aus 65 66 67 68
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So die Bewertung, in: Preysing, Lebensbild, S. 934. Vgl. Brückl, Thoma, S. 13. So ergänzend Schwaiger, Das Erzbistum München und Freising, S. 177. Vgl. EAM Erzbischöfe 1821–1917, 4c. Vgl. Nesner, Das Metropolitankapitel in München, in: Schwaiger (Hrsg.), Monachium Sacrum, Bd. 1, S. 475–608, hier S. 543f. So z.B. postum in der Zeitung „Die Wahrheit“ v. 1.4.1906 verbreitet. Vgl. Landersdorfer, Ein bayerischer Oberhirte von königlicher Abstammung?, in: Klerusblatt, Bd. 90 (2010), S. 132–135. Brückl, Thoma, S. 6.
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Briefen des Prinzregenten Luitpold, die stets mit der Anrede „Mein lieber Erzbischof Antonius von Thoma“72 beginnen. Zudem wurde Thoma mit staatlicher Protektion für den geistlichen Stand vorbereitet, als Gymnasiast in der Abtei Scheyern73, in Metten und in Freising, wo er nach durch einen Freiplatz ermöglichten Studien in München 1853 auch zum Priester geweiht wurde. In St. Zeno bei Reichenhall erhielt er 1867 die Pfarrstelle als Nachfolger des zum Bischof von Eichstätt ernannten Franz Leopold Freiherr von Leonrod. Zwölf Jahre darauf wechselte er nach Heilig Geist in München, einer Innenstadtpfarrei mit 26.000 Katholiken. 1883 stieg er durch königliche Nomination als Domkapitular in das Münchner Metropolitankapitel auf und übernahm kurze Zeit später als Dompfarrer auch Verantwortung für die Kathedralkirche Unser Lieben Frauen. Ein besonderes Renommé bei Hofe spricht auch aus der Tatsache, dass Thoma Beichtvater der Königinmutter Marie war, an deren Sterbebett er noch im Mai 1889 geweilt hatte74. Zu dieser Karriere in staatlichem Fahrwasser passt nicht so recht, dass Thoma angeblich unter dem Eindruck bei Jesuiten in Innsbruck 1874 gemachter Exerzitien in diesen Orden eintreten wollte75, der als Speerspitze des Ultramontanismus galt.
Erzbischofsernennung 1897/1898 Nachdem Erzbischof von Thoma, der vom Papst am 2. Dezember 1892 zum Päpstlichen Thronassistenten ernannt worden war76, am 24. November 1897 verstorben war, verging genau ein Monat, bis am Heiligabend der Prinzregent den Bischof von Würzburg, Franz Joseph von Stein, als Nachfolger nominierte oder korrekt gesprochen postulierte. Von Stein77, der sich in Würzburg als staatstreu erwiesen hatte, war als Sohn eines Herrschaftsgerichtsschreibers der Fürsten zu Leiningen in Amorbach 1832 geboren worden und hatte mit Hilfe eines fürstlichen Stipendiums eine höhere Schulbildung erlangt sowie das Theologiestudium in Würzburg absolviert. Nach der 1855 erfolgten Priesterweihe hatte Stein neben seelsorglicher Tätigkeit als Kaplan und Religionslehrer noch seine Dissertation geschrie-
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So z.B. Luitpold an Thoma v. 15.5.1890, in: ASV ANM 172, pos. II. So ebd., u. dementsprechend auch Schwaiger, Das Erzbistum München und Freising, S. 173. Bei Gatz, Bischöfe, S. 759, ist hingegen versehentlich von der Abtei Schäftlarn die Rede. Vgl. hierzu Brückl, Thoma, S. 14. Zu Marie Friederike von Preußen (1825–1889) vgl. Schad, Bayerns Königinnen, S. 167–270. Vgl. Brückl, Thoma, S. 20. Vgl. ebd., S. 18. Zu Stein vgl. Gatz, Stein, in: Ders., Bischöfe, S. 735–737, u. das Kap. Würzburg in diesem Band.
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ben78. Eine als Religions- und Geschichtslehrer am Würzburger Gymnasium geplante Habilitation kam zwar nicht zustande, wohl aber wurde der aufstrebende junge Geistliche Mitte der 1860er Jahre zunächst auf eine außerordentliche Professur an der theologischen Fakultät berufen und dann mit einem Ordinariat versehen. Crailsheim erinnerte Kultusminister Robert von Landmann79 an die vor der letzten Bischofsstuhlbesetzung mit Antonius Thoma entstandenen Konflikte mit dem Heiligen Stuhl, die aus der Transferierung vom Passauer auf den Münchner Bischofsstuhl ausgelöst worden waren80. Angesichts dieses Präzedenzfalles habe der Vatikan von der Regierung für künftige Transferierungen gefordert, zuvor die Lösung vom bisherigen Bischofsstuhl in Rom zu erwirken. Crailsheim warnte vor einer Wiederholung dieses Falles, zumal er mit dem Anspruch des Heiligen Stuhls verbunden sei, an der Bestellung eines Nachfolgers für den transferierten Bischof erheblich mitzuwirken. Daher sei bei einem neuerlichen Präzedenzfall dieser Art nunmehr staatlicherseits diplomatischer vorzugehen und zunächst in Rom zu sondieren, ob die Loslösung Steins von der Diözese Würzburg durch den Heiligen Stuhl zugesichert werde, um letztlich die gleiche Zwangslage wie 1889 zu vermeiden. Der Kultusminister zeigte sich mit dem vorgeschlagenen Procedere einverstanden, signalisierte aber klar, dass er sich auf ein Junktim zwischen der Loslösung Steins aus Würzburg und einer vatikanischen Einwirkung auf die dortige Nachfolge nicht einlassen werde. Nötigenfalls werde man darauf verweisen, dass die Regierung „mit Rücksicht auf das konkordatsmäßige freie Besetzungsrecht der Krone sich Kandidaten nicht verschreiben lassen könne und eventuell vorziehen würde, München-Freising mit einem anderen Priester zu besetzen“81. Bezeichnend erscheint, dass der Kultusminister vorab die Möglichkeit erwog, den staatlicherseits sehr genehmen Stein wieder fallen zu lassen, falls dessen Transferierung seitens des Heiligen Stuhls erschwert werden würde. Nach Absprache mit dem Prinzregenten war man sich jedenfalls einig, dass weder ein förmliches Gesuch um Loslösung Steins vom Würzburger Bischofsstuhl gestellt noch eine etwaige vatikanische Bitte darum positiv beschieden werden sollte. Mit dieser Argumentation sah Landmann sich mit Blick auf das Konkordat sowie die bisher geübte Praxis durchaus im Recht. Darüber hinaus verwies er gegenüber Crailsheim auf die guten Beziehungen zwischen Bayern und dem Vatikan, die letzterer vermutlich nicht auf die Probe stellen wolle. 78 79
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Vgl. passim Franz Joseph Stein, Eusebius von Cäsarea, Würzburg 1859. Zu Landmann (1845–1926), Jurist, 1895–1902 Kultusminister, vgl. Schärl, Beamtenschaft, S. 98, u. Andrian-Werburg, Minister des Königreichs Bayern, S. 250. Crailsheim an Landmann v. 4.12.1897 unter Verweis auf ein Schreiben Cettos v. 23.11.1889, in: BHStA München, MA 99421. Landmann an Crailsheim v. 8.12.1897, ebd.
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Nachdem der bayerische Gesandte beim Heiligen Stuhl, Anton Freiherr von Cetto82, die Personalentscheidung der Regierung dem Kardinalstaatssekretär vertraulich mitgeteilt hatte, zeigte Mariano Rampolla sich zwar dankbar für die „Einleitung vorgängiger confidentieller Verhandlungen“83, brachte aber gleichzeitig auch seine persönlichen Bedenken gegen die Person Steins vor. Zum einen habe dieser mit 65 Jahren bereits ein recht hohes Alter, zum anderen sei er für die Leitung des bedeutendsten bayerischen Bistums nicht energisch und tatkräftig genug. Schließlich sei angesichts des in München ansässigen Hofes und der Vielzahl vornehmer Familien die Besetzung mit einem Angehörigen des alten Adels tunlich. Dieser starke Widerspruch überraschte Cetto ebenso wie ihn die Argumentation Rampollas sichtlich befremdete84. Jedenfalls hegte er umgehend die Vermutung, dass hinter den Avancen des Kardinalstaatssekretärs entweder Nuntius Lorenzelli oder aber Bischof Senestréy von Regensburg stecken müssten, die für München-Freising den Regensburger Kanonikus Sigismund Freiherr von Ow-Felldorf85 bevorzugen würden86. Tatsächlich waren die Sympathien der Kurie für Ow-Felldorf bereits unmittelbar nach dem Tod des Erzbischofs Thoma aus Münchner Adelskreisen dem Prinzregenten zu Gehör gelangt. Bald nach der Beisetzung des Erzbischofs hatte Lorenzelli dem Ministerpräsidenten Ow-Felldorf als seinen Wunschkandidaten nahe gelegt87. Als dem Nuntius die staatliche Entscheidung für Stein zu Gehör kam, versuchte er auf ein Junktim zwischen der Transferierung und der Neubesetzung in Würzburg mit dem vatikanischen Favoriten für München zu drängen88. Wenn der Heilige Stuhl sich rasch und ohne längeres Tauziehen mit der Erhebung Steins zum Erzbischof einverstanden erkläre, dann wäre es vor dem Hintergrund der zahlreichen Pressespekulationen ebenso sinnvoll, gleichzeitig mit der Transferierung auch den neuen Würzburger Bischof bekannt zu geben. Und für diese Personalie „pourrait aussi avoir bien très prochainement, si la nomination tombait sur le Chanoine Baron de Ow-Felldorf“, wie der Nuntius zugab. Das Problem der Staatsbehörden war nun, dass sie zur Person Ows gar keine Hintergrundinformationen in der Hand hatten, da dieser als Kanonikus des Stifts Alte Kapelle in Regensburg weder in kirchenpolitischer noch in allgemeinpolitischer Hinsicht aufgefallen war. Crailsheim bekannte gegenüber Cetto 82
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Zu Cetto (1835–1906), 1883–1906 bayerischer Gesandter beim Vatikan, vgl. Franz-Willing, Die Bayerische Vatikangesandtschaft, S. 82–89. Cetto über die Unterredung mit Rampolla am 14.12.1897 an Ministerium des Auswärtigen, in: BHStA München, MA 99421. Über seinen Bericht v. 14.12. hinaus vgl. auch Cettos Bericht v. 15.12.1897, ebd. Zu Ow-Felldorf (1855–1936) vgl. Leidl, Ow-Felldorf, in: Gatz, Bischöfe, S. 550f. Vgl. Cetto an Ministerium des Auswärtigen v. 15.12.1897, in: BHStA München, MA 99421. Vgl. Crailsheim an Cetto v. 19.12.1897, ebd. Vgl. Lorenzelli an Ministerium des Auswärtigen v. 25.12.1897, ebd.
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freimütig: „Wir wissen im Grunde genommen nichts, als dass er aus guter Familie [stammt] und im Besitze eines bedeutenden Vermögens ist“89. Bekannt war sein Onkel Carl Freiherr von Ow-Felldorf, der zu den profilierteren bayerischen Zentrumspolitikern gehörte, jahrzehntelang im Reichstag saß und zugleich Präsident des bayerischen Landtags gewesen war90. Selbst die Annahme, dass Ow vom ultramontanen Bischof Senestréy in besonderer Weise protegiert werde, ließ sich in den Münchner Ministerien nicht ad hoc verifizieren. Für Ministerpräsident von Crailsheim ließ aber allein der Verdacht der Zugehörigkeit zu den Kreisen intransigenter Kleriker für Zurückhaltung gegenüber seiner Person plädieren. Da der Wunschkandidat der Kurie zudem mit 42 Jahren noch sehr jung für ein Bischofsamt sei, ließe er sich ja auch noch zu einem späteren Zeitpunkt nominieren. Zwischenzeitlich schien es dem Ministerratsvorsitzenden und Außenminister opportun, ihn in ein Domkapitel zu lancieren, wodurch „es der bayerischen Regierung möglich ist, sich ein Urteil über ihn zu bilden“91. Ow-Felldorf sei im Übrigen schon deshalb als Kandidat für Würzburg abzulehnen, weil er erst 13 Jahre im priesterlichen Dienst stehe, wovon er nur ein halbes Jahr lang überhaupt in der Pfarrseelsorge gewirkt habe. Auch habe er weder eine weitergehende wissenschaftliche Qualifikation (Doktortitel) vorzuweisen, noch sei er publizistisch hervorgetreten. Tatsächlich hatte Ow-Felldorf, der 1855 als Sohn eines königlichen Bezirkshauptmanns in Berchtesgaden zur Welt gekommen war und sein Jurastudium zugunsten der Theologie abgebrochen hatte, nach der 1884 in Regensburg erfolgten Priesterweihe nur drei Jahre als Kaplan in Amberg gewirkt. Seither hatte er sich ausschließlich „als Mitarbeiter in der Bistumsverwaltung [in] Regensburg“92 betätigt. Kultusminister Landmann überzeugte den Prinzregenten, weder einer Ernennung Ows zum Bischof zuzustimmen, was auch deshalb keiner besonderen Anstrengungen bedurfte, weil Luitpold ein Franke als Oberhirte vorschwebte, noch auf ein Junktim einzugehen. Kurz vor den Weihnachtsfeiertagen wies Rampolla den Gesandten Cetto nochmals auf das aus vatikanischer Sicht notwendige Gesuch um Loslösung Steins von seiner Würzburger Diözese hin, das in gleicher Weise wie 1889 bei der Transferierung Bischof Thomas von Passau nach München geschehen könne93.
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Crailsheim an Cetto v. 19.12.1897, ebd. Zu Carl Freiherr von Ow (1818–1898), Regierungsdirektor in Landshut, 1868–1882 MdR, 1863–1893 MdL, vgl. Haunfelder, Reichstagsabgeordnete der Deutschen Zentrumspartei, S. 226; Schwarz, MdR, S. 418. Crailsheim an Cetto v. 19.12.1897, in: BHStA München, MA 99421. Leidl, Ow-Felldorf, S. 551. 1905 erhielt Ow-Felldorf in Würzburg den Dr. theol. h.c., vgl. Walter, Dozenten und Graduierte, S. 689. Vgl. Cetto an Ministerium des Auswärtigen v. 18.12.1897, in: BHStA München, MA 99421.
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Wenn Cetto gegenüber dem Kardinalstaatssekretär Gespräche über die Würzburger Besetzungsfrage zum gegenwärtigen Zeitpunkt dezidiert ablehnte, geschah dies in sehr höflicher Form, um die staatlichen Pläne für München nicht zu gefährden. Denn der Prinzregent hatte großes Interesse daran, dass die Neubesetzung in der Landeshauptstadt rasch erfolge. Folglich ließ er Cetto anweisen, bezüglich der päpstlichen Bestätigung Steins nicht das nächste Konsistorium abzuwarten, sondern um Konfirmation via Breve nachzusuchen, dabei jedoch nicht zu drängen, um dem Heiligen Stuhl kein Druckmittel in die Hand zu geben, also zur „Vermeidung jedes Zugeständnisses einer präsumptorischen Einflussnahme des Papstes“94. In seiner nächsten Audienz bei Rampolla erwähnte Cetto daher den Prinzregenten mit keinem Wort, sondern führte als Argument für den Wunsch nach der Präkonisation per Breve neben der Bedeutung des Metropolitanstuhls die Erwartung der Bevölkerung auf baldige Besetzung an95. Obgleich der Kardinalstaatssekretär zögerlich blieb, ging Cetto im Alleingang einen Schritt weiter und erbat sogar die kanonische Einsetzung Steins per Breve. Mit nicht geringem Erstaunen teilte der päpstliche Gesandte einige Tage später nach München mit, dass Leo XIII. diesem weitergehenden Wunsch unter Verweis auf die „so überaus freundschaftlichen Beziehungen der Bayerischen Regierung zum Apostolischen Stuhl“ gefolgt sei. Franz Joseph von Stein wurde danach sehr rasch, am 12. Februar 1898, präkonisiert. Am 18. April wurde er inthronisiert, nachdem ihm Nuntius Lorenzelli bereits am Vortag das den Erzbischöfen zustehende Pallium übergeben hatte96. Peter Herde charakterisierte ihn als einen „staatshörigen Aufsteiger aus kleinen Verhältnissen und Karrieristen“97. Prägend für seine Haltung zur Obrigkeit war sicherlich zunächst die Tatsache, dass es der Fürst zu Leiningen war, der dem früh zum Waisen gewordenen Sohn eines seiner Gerichtsschreiber das Theologiestudium finanziell ermöglichte. Insofern erscheint es nachvollziehbar, die Gründe für seine staatskirchliche Einstellung primär in seinem gesellschaftlichen Aufstieg und nicht monokausal in seiner akademischen Laufbahn98 zu sehen, die ihn nach einer preisgekrönten Dissertation schon in sehr jungen Jahren auf eine Professur hatte gelangen lassen. Staatliche Auszeichnungen ließen nicht auf sich warten: 1900 wurde er Großkomtur des Verdienstordens der Bayerischen Krone, 1905 erhielt er den Michaelsorden I. Klasse, ebenfalls 1905 den Ludwigsorden (Ehrenkreuz) sowie die Prinzregent-Luitpold-Medaille in Silber; 1903 verlieh ihm der Heilige Stuhl den Titel eines Päpstlichen Thronassistenten. 94 95 96 97 98
Prinzregent an Ministerium des Auswärtigen v. 24.12.1897, ebd. Vgl. Cetto an Ministerium des Auswärtigen v. 12.1.1898, ebd. Hier das folg. Zit. Vgl. Schwaiger, Das Erzbistum München und Freising, S. 192. Herde, Die Erhebung von Franz Joseph von Stein, S. 390. So die etwas „enge“ Interpretation ebd., S. 386. Herde rollt hier S. 395–398 auch eine vermeintliche Affäre Steins mit einer Frau in seiner Zeit als Universitätsprofessor auf.
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Erzbischofsernennung 1909 Nach nur kurzer Krankheit starb Erzbischof von Stein am 4. Mai 1909 mit 77 Jahren in München. Bei seiner Beisetzung hatte Ministerpräsident Clemens Freiherr von Podewils-Dürnitz99 ihn als „einen Hüter des Friedens“ [apostrophiert], „dessen in zwei Diözesen erprobte Weisheit den Pflichten seines Amtes stets in meistversöhnlicher Weise gerecht zu werden wusste“100. Verhaltener klang dagegen der Nachruf der „Kölnischen Volkszeitung“. Das Zentrumsorgan bescheinigte Stein „äußerst gewissenhaft, fast bedächtig zu Werke“101 gegangen zu sein und dabei „milde, versöhnlich, liebenswürdig“ gewesen zu sein. Damit war der Grundsatz „De mortuis nihil nisi bene“ zwar nicht verletzt, jedoch die Staatstreue des Verstorbenen deutlich zum Ausdruck gebracht worden. In der Presse gab es in der Folge vielfache Spekulationen. Als in der „Frankfurter Zeitung“ u.a. der Name des Speyerer Domdekans Franziskus Bettinger102 genannt wurde, fühlte sich der Informant des Münchner Nuntius Andreas Frühwirth, Domkapitular Dr. Sigismund Joseph Zimmern aus Speyer103, genötigt zu betonen, dass von ihm das dem Nuntius gegebene „sigillum auch nicht mit einem Laute … verletzt worden ist“104. Als neuen Erzbischof bestimmte der Prinzregent am 23. Mai 1909, knapp drei Wochen nach dem Tod Steins, wirklich, aber eben auch „überraschend“105 Bettinger, womit die erste freie Nomination für München-Freising im Untersuchungszeitraum erfolgte, da der neue Erzbischof – anders als seine beiden Vorgänger – noch nicht im Bischofsrang stand und damit keine in Rom anzumeldende Translation notwendig war. Eine Überraschung war diese Berufung auf den wichtigsten Bischofsstuhl des Königreichs schon deshalb, weil Bettinger bisher kaum öffentlich hervorgetreten und über seine pfälzische Heimat hinaus unbekannt war. So musste beispielsweise die „Münchener Zeitung“ eingestehen, dass nun eben doch keiner der vielen in der Presse genannten Kandidaten ausgewählt worden sei, sondern jemand, „an den bisher 99
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Zu Podewils-Dürnitz (1850–1922), 1902–1903 Kultusminister, 1903–1912 Staatsminister des Kgl. Hauses u. Vorsitzender des Ministerrats, vgl. Andrian-Werburg, Minister des Königreichs Bayern, S. 255; Schärl, Beamtenschaft, S. 108; Blessing, Podewils, in: NDB, Bd. 20 (2001), S. 557f. Zit. nach Schuster, Franz Joseph von Stein, in: Ders., Amorbach, S. 25–31, hier S. 31. Kölnische Volkszeitung v. 4.5.1909, in: DAW Personaldokumentation Stein. Zu Bettinger (1850–1917) vgl. Krausen, Bettinger, in: NDB, Bd. 2 (1955), S. 195; Gatz, Bettinger, in: Ders., Bischöfe, S. 49f.; u. Nesner, Bettinger. Zu Zimmern (1838–1914), der Sohn jüdischer Eltern war u. als Neupriester am Priesterkolleg der Anima in Rom tätig gewesen war, 1889 MdL u. 1891 Domherr geworden war, vgl. Nonn, Domherren, S. 39; Gatz, Rom als Studienplatz deutscher Kleriker, S. 201; vor allem aber Hoffmann, Zimmern, in: AMRKG, Bd. 30 (1978), S. 257–274. Zimmern an Frühwirth v. 30.5.1909, in: ASV ANM 268. So der nicht näher erläuterte Hinweis bei Nesner, Bettinger, S. 32.
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niemand gedacht hat“106. In einer vertraulichen Mitteilung des Staatsministers von Podewils an den preußischen Gesandten beim Heiligen Stuhl, von Mühlberg – der bayerische Gesandte Georg Freiherr von und zu Guttenberg107 war erkrankt und wurde kurze Zeit später abberufen – hieß es zur Begründung für die getroffene Wahl, Bettinger habe seine bisherigen Aufgaben in Seelsorge und Bistumsverwaltung stets mit großer Gewissenhaftigkeit erfüllt und gelte als „ein scharfer Denker und gewandter Referent“108, sei aber gleichzeitig auch ein loyaler Anhänger der Monarchie. Vordringlich ging es aber nicht nur darum, von Mühlberg, der über keinerlei Erfahrungen in puncto Einholung der päpstlichen Präkonisation bei Bischofsernennungen verfügte, über die Beweggründe der Personalentscheidung zu unterrichten. In erster Linie wurde der Gesandte für den Fall instruiert, dass Kardinalstaatssekretär Raffaele Merry del Val ihm gegenüber auf den nunmehr als Bischof von Passau amtierenden Freiherrn von Ow-Felldorf als vatikanischen Favoriten für den wichtigsten Bischofsstuhl in Bayern verweisen würde. An dieser Stelle wird deutlich, dass in Regierungskreisen auch fünf Jahre vor Beginn des Ersten Weltkriegs und angesichts eines Wechsels auf dem Stuhl Petri wie auch in der Aufgabe des Kardinalstaatssekretärs noch immer das Schreckgespenst eines ultramontanen Erzbischofs umhergeisterte, den man nach den Erfahrungen von 1897 in der Person Ows festmachte und dessen Ernennung man schon in den Ansätzen zu verhindern trachtete. Allerdings waren die grundsätzlichen Befürchtungen nicht ganz falsch, denn schenkt man dem Bericht Mühlbergs Glauben, unterbrach ihn Merry del Val bei der Unterredung umgehend, um ihm vorzuwerfen, dass diese Ernennung nicht möglich sei, da zuvor eine Konsultation der Krone mit dem Papst notwendig gewesen wäre109. Zu diesem Zeitpunkt war die Kurie bereits über Nuntius Andreas Frühwirth, der am 25. Mai vom Ministerium des Äußeren informiert worden war110, von der Ernennung Bettingers in Kenntnis gesetzt worden, und der Kardinalstaatssekretär wollte den ihm noch kaum vertrauten Gesandten „auf das Glatteis“ führen. Vielleicht lag es an dem Mühlberg vorab eingeimpften Misstrauen, aber er interpretierte die Haltung Merry del Vals dahingehend, dass dieser einen anderen Kandidaten als Bettinger favorisiere, ohne dass ein entsprechender Name genannt wurde. Folglich spitze die bayerische Regierung ihren Standpunkt in einer Note an Mühlberg, die dieser bei der Kurie zur Sprache bringen sollte, dahingehend zu, dass das kuriale Prüfungsrecht 106
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Münchener Zeitung v. 7.6.1909. Vgl. zu der Überraschung der Ernennung auch „Stimmen der Presse über Herrn Erzbischof Bettinger von München-Freising“, in: Pfälzer Zeitung v. 9.6.1909. Zu Guttenberg (1858–1935), 1906–1909 bayerischer Gesandter beim Vatikan, vgl. DBE2, Bd. 4 (2006), S. 285. Ministerium des Auswärtigen an Mühlberg v. 25.5.1909, in: BHStA München, MA 99421. Vgl. Mühlberg an Ministerium des Auswärtigen v. 28.5.1909, ebd. Vgl. Ministerium des Auswärtigen an Frühwirth, in: ASV ANM 268.
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hinsichtlich Vorliegens eines kanonischen Hindernisses „selbstverständlich kein unbegrenztes“111 sei. Mühlberg konstatierte im Übrigen eine Divergenz zwischen dem in seinen Augen konzilianten Verhalten Pius’ X. und dem Kardinalstaatssekretär, der sich – wie er zu beobachten glaubte – „in der letzten Zeit mehr und mehr in intransigenten Fahrwassern bewegt“112. Schenkt man den retrospektiven Erinnerungen eines Zeitzeugen Glauben, so hatte es im Vorfeld „langer Überredung seitens des Kultusministers Anton von Wehner113 bedurft, um den Nichtsahnenden … zur Annahme des erzbischöflichen Sitzes von München und Freising zu bewegen“114. In Wirklichkeit war der Speyerer Domdekan Bettinger aber wohl von Wehner sehr kurzfristig drei Tage vor der Ernennung zu einem Gespräch nach Stuttgart gebeten worden, also gleichsam auf dem neutralen Boden des württembergischen Auslands. Zwar hatte er sich zunächst geweigert, das Amt anzunehmen, schließlich aber doch nachgegeben. Zumindest in der liberalen Presse war Wehner auch im Moment der Münchner Sedisvakanz unter Erfolgsdruck bei der Durchsetzung eines staatskonform gesinnten Kandidaten gesetzt worden, wenn er dort gewarnt wurde, vor dem Zentrum nicht einzuknicken und keineswegs Bischof von Ow als Exponenten der Ultramontanen nach München zu holen115. Dabei hatten die „sub secreto Pontificio“116 eingeholten Erkundigungen Frühwirths bei dem Speyerer Domkapitular Zimmern ergeben, dass „offen gestanden … wir Pfälzer mit der Haltung der jenseitigen Ordinariate, u. besonders des von München, nicht immer zufrieden“ waren. So seien vor allem die Mitglieder des Münchner Metropolitankapitels „etwas von der Hofluft angesäuselt“, wie Frühwirths Gewährsmann freimütig bemerkte, um gleichzeitig Bettinger wärmstens zu empfehlen. Letzterer sei „ein Erzultramontaner und Zentrumsmann“117, der über „eine feste kirchliche Gesinnung in Bezug auf die Lehre als auch auf das Recht sowie … mit Klugheit verbundene Entschiedenheit“ verfüge. Zudem bringe er Erfahrungen auf dem Gebiet der Schule sowie des kirchlichen Aufsichtsrechtes mit. Auch habe er als Dompfarrer im Dom zu Speyer „mit seiner Stimme und seinem Vortrag den gewaltigen Raum beherrscht“. Lediglich in seiner Eigenschaft als Kantor des Speyerer Domkapitels mochte der Informant Bettinger „die Note 1 nicht geben“, wenngleich 111
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Ministerium des Auswärtigen an Mühlberg v. 25.5.1909, zit. nach Scharnagl, Das königliche Nominationsrecht, S. 242. Mühlberg an Ministerium des Auswärtigen v. 28.5.1909, in: BHStA München, MA 99421. Zu Wehner (1850–1915), 1903–1912 Kultusminister, vgl. Schärl, Beamtenschaft, S. 116, u. Andrian-Werburg, Minister des Königreichs Bayern, S. 258. Preysing, Kardinal Bettinger, S. 8. Vgl. Frankfurter Zeitung v. 22.5.1909 unter Berufung auf bayerische Zeitungen. So Frühwirth an Merry del Val v. 31.5.1909, in: ASV ANM 268. Hier auch die folg. Zit. Zimmern an Frühwirth v. 28.5.1909, ebd. Hier auch die folg. Zit.
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er „kein Pontifikalamt durch Misstöne verderben“ würde. Gegen die Ernennung Bettingers zum Erzbischof von München und Freising sprach aus der Warte Zimmerns lediglich dessen Gewandtheit in Verwaltungsfragen, die ihn als künftigen Generalvikar prädestiniere und in Speyer eine Lücke hinterlassen würde. „Doch das höhere Interesse geht vor“, befand der Domherr aus Speyer, zumal es in seinen Augen galt, „um jeden Preis die Ernennung eines Kathedertheologen zum Erzbischof verhindern zu wollen“118. Dass nun gerade ein Priester des eine bayerische Exklave bildenden Bistums Speyer, der Sohn eines Schmiedes aus Landstuhl/Pfalz, ausgesucht worden war, wurde in einem internen Briefwechsel – wenig überzeugend – damit begründet, dass „Angehörige der Pfalz … sich in rechtsrheinische Verhältnisse leichter einzuleben [pflegten], als es umgekehrt der Fall ist“119. Weitaus schlagkräftiger erscheint das Argument, durch einen von außen kommenden Oberhirten „frischen Wind“ in die Erzdiözese zu bringen. Wenn dabei in Regierungskreisen die entfernteste bayerische Diözese Speyer in den Blick genommen wurde, korrespondiert dies mit einer offenbar von liberalen Kreisen an alle Priester des Bistums Speyer versandten anonymen Druckschrift eines „Parochus Palatinus“ über „Kirchliche Stimmungsbilder aus der schönen Pfalz“, welche der Speyerer Domkapitular Dr. Zimmern dem Nuntius bereits Ende April 1909 zur Kenntnis gebracht hatte120. Seine breiten Interessen und sein vielfach bewiesenes Organisationstalent ließen letztlich Franziskus Bettinger, dessen einziger Neffe zu diesem Zeitpunkt als Novize bei den bayerischen Kapuzinern eingetreten war, geeignet erscheinen121. Als Gymnasiast in Speyer hatte er eine Klasse übersprungen. Dafür, dass Bettinger u.a. an der Jesuitenfakultät Innsbruck studiert hatte und den Patres der Gesellschaft Jesu eine treue Anhänglichkeit bewies122, interessierte sich staatlicherseits niemand. Anstoß erregten hier allein die politischen Aktivitäten, die Bettinger in die Pfälzische Provinzialvertretung, den Bezirkslandtag, geführt hatten und bei den Staatsbehörden Alarmglocken schrillen ließen. Insbesondere wurde ihm von liberaler wie von konservativer Seite vorgeworfen, zu den Initiatoren zweier 1899 und 1905 (und 1907) geschlossener Wahlbündnisse zwischen Zentrum und SPD zu gehören123. Dass aus diesem offenbar von Bischof Busch gebremsten politischen Engagement124 keine 118 119 120
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Zimmern an Frühwirth v. 30.5.1909, ebd. Lössl an Mühlberg v. 25.5.1909, in: BHStA München MA 99421. Vgl. Zimmern an Frühwirth v. 22.4.1909, in: ASV ANM 268. Das acht Seiten umfassende Pamphlet ebd. Vgl. hierzu u. zum Folgenden das Curriculum Vitae Bettingers von Domkapitular Molz, in: ASV ANM 268, u. Gatz, Bettinger, in: Ders., Bischöfe, S. 49f. So Preysing, Bettinger, S. 8. Vgl. Nesner, Bettinger, S. 30f. Wie Zimmern am 28.5.1909 an Frühwirth schrieb, war Bettinger als Kandidat zur letzten
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mangelnde Staatsloyalität abgeleitet wurde, markiert sicherlich einen Wandel in der staatlichen Beurteilung der Bischofskandidaten125. Mehr als der Politik gehörte Bettingers Interesse allerdings juristischen Fragen126. So ausführlich die Informationen von Frühwirths Speyerer Gewährsmann auch ausfielen – und von Frühwirth ins Französische übersetzt umgehend nach Rom weitergeleitet wurden –, so wenig konnten sie Kardinalstaatssekretär Merry del Val zufriedenstellen, der am 30. Mai, also eine Woche nach der Nomination durch den Prinzregenten, vom Nuntius „piu ampie ed esatte informazioni su Bettinger e sopra tutto riguardo sufficienza e sicurezza di dottrina e energia di carattere“127 verlangte. Immerhin konnte Erzbischof Frühwirth ergänzend zu den Lobeshymnen Zimmerns noch ein achtseitiges Gutachten des Speyerer Domkapitulars Friedrich Molz128 nachreichen. Diese Auskunft, des ausweislich seines Mitbruders Zimmern gleichfalls der erzultramontanen Richtung und dem Zentrum angehörenden Molz129 erging sich aber in schwülstig formulierten Allgemeinplätzen, ohne Bettinger überhaupt beim Namen zu nennen. Zwischen den Zeilen ließ sich ablesen: es könne gut gehen mit Bettinger, allerdings könne er auch ein zweiter Geissel werden, wie Domkapitular Molz in Anspielung auf den als schroff und unnahbar geltenden früheren Kölner Erzbischof Johannes Kardinal von Geissel130 anmerkte. Deutlicher wurde er in einem beigefügten Curriculum vitae, indem er Bettinger einerseits bescheinigte, dieser „wäre ein ausgezeichneter Jurist geworden“131. Auch sei ihm „der Modernismus … in der Seele verhasst“. Andererseits bescheinigte ihm Molz eine „bedenkliche Gemütsruhe“, eine gewisse Lethargie, was Entscheidungen und den Eifer in der Seelsorge angehe. Bettinger habe gerade in Problemsituationen die Angewohnheit, sich durchlavieren zu wollen, statt eine gegebenenfalls unpopuläre Entscheidung zu treffen. Wenn Frühwirth dieses ambivalente Urteil für den Kardinalstaatssekretär nur knapp in französischer Sprache dahingehend zusammenfasste, dass der Informant Molz „a pris pour norme de son jugement l´idéal de l’Evêque“132, spricht aus dieser positiven Verkürzung eine Beeinflussung Merry del Vals zugunsten des Speyerer Domdekans. So sehr sich Molz zunächst in seinem Exposé zurückgehalten hatte, so zeugte zunächst schon sein persönlicher Besuch beim Nuntius für ein be-
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Abgeordnetenhauswahl aufgestellt gewesen, hatte seine Kandidatur aber auf Geheiß des Bischofs, „der ihn durchaus nicht entbehren konnte“, zurückgezogen, in: ASV ANM 268. Vgl. Körner, Staat und Kirche, S. 127. Vgl. Preysing, Bettinger, S. 5. Merry del Val an Bettinger v. 30.5.1909, in: ASV ANM 268. Zu Molz (1849–1932), 1905 Domkapitular, 1917–1923 Generalvikar in Speyer, vgl. Gatz, Molz, in: Ders., Bischöfe, S. 516, u. Nonn, Die Domherren, S. 40. So Zimmern an Frühwirth v. 31.5.1909, in: ASV ANM 268. Zu Geissel (1796–1864) vgl. Hegel, Geissel, in: Gatz, Bischöfe, S. 239–244. Molz, Curriculum vitae Bettingers v. 29.5.1909, in: ASV ANM 268. Frühwirth an Merry del Val v. 31.5.1909, ebd.
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sonderes Interesse an der Personalie Bettinger. Dies stellte er einige Tage später ganz deutlich unter Beweis, als er dem Nuntius nicht nur mitteilte, der Reichstagsabgeordnete des Zentrums Dr. Maximilian Joseph Pfeiffer133 habe behauptet, Bettinger werde Bischof von Passau, sondern auch weitergab, „Bettinger habe ihm „alles erzählt, was zwischen ihm und dem Herrn Dr. W. [gemeint war Kultusminister von Wehner, Anm. d. Verf.] verhandelt wurde“134. Dieses Vertrauen erklärte sich Molz damit, dass Bettinger fälschlich der Annahme gewesen sei, die Personalentscheidung sei von Bischof Busch über ihn, Molz, nach München getragen worden. Angesichts dieser Indiskretionen innerhalb des Klerus musste das telegraphisch überbrachte Plazet von Papst Pius X. vom 5. Juni 1909 eine nahezu befreiende Wirkung besitzen135. Die positiven Nachrichten, die der Nuntius dem Staatssekretariat über die Person Bettingers hatte zukommen lassen, verfehlten ihre Wirkung nicht und trugen auch dazu bei, dass die weiteren Vorbereitungen zur vor der Konsekration notwendigen Präkonisation und Ausfertigung der Bullen „con la massima urgenza“136 erfolgten. Eine rasche Konsekration war im Übrigen auch Anliegen des Ministers Podewils137. Allein Bettinger selbst bat um zeitlichen Aufschub, da er „bei den Aufregungen und der gewaltigen Inanspruchnahme der letzten Wochen nicht dazu [gekommen sei], die verschiedenen Abschlüsse zu machen und Übergaben zu betätigen“138. Trotz alledem erscheint die retrospektive Erinnerung Merry del Vals daran, dass die bayerische Regierung „mit großer Umsicht vorgearbeitet habe“139, so dass die Ernennung Bettingers ohne jegliche Irritationen erfolgt sei, geschönt. Diese Bewertung ist deshalb mit Vorsicht zu betrachten, weil sie eine Interpretation des bayerischen Gesandten darstellt, der auf diese Weise einmal mehr die Harmonie der Staat-Kirche-Beziehungen unter Beweis zu stellen versuchte. Nach den vielen Vermutungen, die in der Presse über die Personalentscheidung in München-Freising angestellt worden waren, wunderte sich der Nuntius zunächst darüber, dass die Regierung nach Mitteilung der päpstlichen Zustimmung die Personalie Bettinger nicht umgehend als große Meldung brachte140. Mit sichtlicher Genugtuung registrierte Frühwirth schließlich, dass 133
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Zu Pfeiffer (1875–1926), aus Rheinzabern/Pfalz stammender Bibliothekar in Bamberg, 1907–1918 MdR, vgl. Haunfelder, Reichstagsabgeordnete der Deutschen Zentrumspartei, S. 228f.; Schwarz, MdR, S. 422. Molz an Frühwirth v. 4.6.1909, in: ASV ANM 268. Vgl. Merry del Val an Frühwirth v. 5.6.1909 u. Frühwirth an Podewils v. 6.6.1909, ebd. Merry del Val an Frühwirth v. 23.6.1909, ebd. „Der Herr Minister gibt sich der Hoffnung hin, dass im Laufe dieses Monats die Konsekration und Inthronisation erfolgen“. So Frühwirth an Bettinger v. 6.7.1909, ebd. Bettinger an Frühwirth v. 9.7.1909, ebd. Ritter v. Groenesteyn an Ministerium des Auswärtigen v. 11.3.1910 unter Berufung auf ein Gespräch mit dem Kardinalstaatssekretär, in: BHStA München, Ges PS 867. Vgl. Frühwirth an Merry del Val v. 6.6.1909, ebd.
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die Presse in letzter Zeit Bettinger überhaupt nicht mehr unter den potenziellen Kandidaten für den wichtigsten bayerischen Bischofsstuhl gehandelt habe141. Auch wenn seine Ernennung keine „generale sopresa“ für die Öffentlichkeit darstelle, sei sie doch „con … saddisfazione“ aufgenommen worden. Wenn die Erzbischofsernennung in der liberalen Presse ebenfalls außerhalb Bayerns großen Widerhall fand, so mag dies daran gelegen haben, dass man „den Neuernannten umschmeichelt und zu gewinnen sucht“142, wie der presseerfahrene Molz im Vorfeld bereits vermutet hatte. Nuntius Frühwirth schien diese Hintergedanken nicht zu hegen. Zumindest berichtete er dem Kardinalstaatssekretär lediglich mit Erstaunen, dass die „Münchner Neuesten Nachrichten“ sowie die „Augsburger Zeitung“ sich „compiaciente della scelta“143 geäußert hätten und Bettinger, diesen „figlio del popolo“, als „istancabile organisatore“ gelobt hätten. So berichtete man einerseits darüber, dass Bettinger staatlicherseits ohne vorherige Absprache mit dem Vatikan ernannt worden sei. Andererseits führte man an, dass die bayerische Regierung über einen „Verstoß gegen die Etikette“ aufgebracht sei, der darin begründet sei, dass der Vatikan Bettinger seine Präkonisationsbulle direkt zugestellt und das vatikanische Amtsblatt „Acta Apostolicae Sedis“ bereits die Ernennung offiziell mitgeteilt habe.144 Zudem sei in diesem vatikanischen Dokument die Rolle des Prinzregenten reduziert im Vergleich zur Präkonisationsbulle für Bettingers Vorgänger Franz Joseph von Stein 1898, weil nunmehr nicht vom ernannten, sondern vom erwählten Erzbischof die Rede sei. In dieser Nuance aber – so wurde in der öffentlichen Meinung geurteilt – sei eine „Verflüchtigung der Ausübung des allerhöchsten Ernennungsrechtes und … Ignorierung des ehrwürdigen Regenten“145 zu erkennen. In Wirklichkeit war Bettinger zum Zeitpunkt dieser Meldung bereits staatlicherseits vereidigt. Unterschiede im äußeren Procedere der Ernennung im Vergleich zu 1897/98 waren dadurch bedingt, dass es sich bei der letzten Bischofsstuhlbesetzung in der bayerischen Metropole um die Transferierung eines bereits amtierenden Bischofs gehandelt hatte, während der nunmehr Ernannte erst die Bischofsweihe zu empfangen hatte. Die „Augsburger Postzeitung“ sprach deshalb auch von „wichtigtuerischen staatsmännischen Elukubrationen“[mühevoll erstellten, sorgfältigen Abhandlungen, Anm. d. Verf.]146 des liberalen Blattes, die „Wortgetön, kurz gesagt Blech“ seien. 141 142 143 144
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Vgl. Frühwirth an Merry del Val v. 9.6.1909, ebd. Hier auch die folg. Zit. Molz an Frühwirth v. 4.6.1909, ebd. Frühwirth an Merry del Val v. 9.6.1909, ebd. Hier auch die folg. Zit. Vgl. „Hetzerei gegen die Besetzung des Münchener Erzstuhles“, in: Augsburger Postzeitung v. 31.7.1909, sowie „Bullen und Breven“, in: Münchner Neueste Nachrichten v. 30.7.1909. Hier wird auf Berichte der Leipziger Neuesten Nachrichten sowie der Münchner Neuesten Nachrichten rekurriert. Münchner Neueste Nachrichten v. 30.7.1909. Augsburger Postzeitung v. 31.7.1909. Hier auch das folg. Zit.
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Die Bischofsweihe wurde Bettinger am Hochfest Mariä Himmelfahrt, dem 15. August 1909, im Liebfrauendom in München auf seinen eigenen Wunsch durch den Apostolischen Nuntius Frühwirth erteilt147, während die Inthronisation einen Tag später stattfand. Zuvor hatte er die kanonische Einsetzung durch den Papst am 26. Juni erhalten und am 22. Juli den Eid abgeleistet sowie bereits die theologische Ehrendoktorwürde in München erhalten148. Die Erhebung in den Personaladel durch Verleihung des Ritterkreuzes des Verdienstordens der bayerischen Krone ließ auch nur noch bis zum 23. Oktober 1909 auf sich warten149. Ein Kennzeichen der besonderen Einvernehmlichkeit zwischen Staat und Kirche bei dieser Bischofsernennung war die vorab erfolgte gegenseitige Zusendung der vom Konsekrator Nuntius Frühwirth auf den Prinzregenten und von Staatsrat Ritter Edler von Lössl auf den Papst auszubringenden Trinksprüche150. Das Pallium als Zeichen seiner erzbischöflichen Würde erhielt Bettinger allerdings anders als sein Vorgänger Franz Joseph Stein nicht unmittelbar zur Inthronisation, sondern erst zwei Jahre später, Ende November 1911151.
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Vgl. hierzu Bettinger an Frühwirth v. 27.6.1909, in: ASV ANM 268. Vgl. Nesner, Bettinger, S. 35. Vgl. ebd., S. 37f. Vgl. Lössl an Frühwirth v. 13.8.1909, u. Frühwirth an Lössl v. 14.8.1909, in: ASV ANM 268. Vgl. Schwaiger, Das Erzbistum München und Freising, S. 219.
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ur wenige Monate nach der Neubesetzung des erzbischöflichen Stuhls in München-Freising mit Antonius von Thoma wurde auch der zweite bayerische Metropolitansitz Bamberg vakant152. Bamberg, die größte bayerische Diasporadiözese, war 1821 ebenso wie München mit einem aus zwei Dignitäten (Propst und Dekan) sowie zehn Domherren versehenen Metropolitankapitel ausgestattet worden und hatte als Kirchenprovinz die beiden fränkischen Diözesen Eichstätt und Würzburg sowie das pfälzische Speyer erhalten153. Erzbischof Friedrich von Schreiber154, der als ehemaliger Hofmeister der Fürsten von Oettingen-Wallerstein per se eine Nähe zum Staat besaß und der „in Bamberg und speziell in dessen Metropolitankapitel … weitgehend isoliert“155 war, starb nach langem Herzleiden am 23. Mai 1890. Nuntius Antonio Agliardi äußerte sich noch im Nachhinein negativ über den vormaligen Landpfarrer Schreiber, den der Priester und Redakteur des „Bamberger Volksblatts“ Dr. Lorenz Hopfenmüller156 in einem Memorandum gegenüber der Kurie 1882 beschuldigt hatte, „Anhänger des Liberalismus“157 zu sein. Bereits im Vorfeld der Bamberger Sedisvakanz soll der dortige Domkapitular Maximilian Lingg bevorzugter Kandidat des Ministers von Lutz gewesen sein158. Nachdem letzterer aber acht Tage nach dem Tod Schreibers zurücktrat, fand Lingg unter dessen Nachfolger Ludwig August von Müller keine Berücksichtigung mehr. Offenbar war bereits der Augsburger Bischof Pankratius von Dinkel über diese Personalüberlegung aufgrund von Presseberichten informiert159, da Lingg ursprünglich dem dortigen Klerus angehörte. Jedenfalls war es Dinkel, der Nuntius Agliardi vor einer neuerlichen Bischofsernennung eines 152
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Dieser Besetzungsvorgang wird bei Körner, Staat und Kirche in Bayern, S. 106–109, allein auf Grundlage der staatlichen Akten, bei Greipl, Am Ende der Monarchie, in: Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte, Bd. III, S. 281–286, ausschließlich auf Basis der vatikanischen Überlieferung ausgeführt. Diese Darstellung kompiliert beide Darstellungen unter eigener und weitergehender Auswertung aller relevanten Aktenbestände. Zur Bamberger Bistumsgeschichte vgl. im Überblick Gatz/Burkard/Hansmann, Erzbistum Bamberg, in: Gatz, Die Bistümer der deutschsprachigen Länder, S. 55–67. Zu Schreiber vgl. Steinhauf, Joseph Friedrich von Schreiber (1819–1890), in: Urban, Die Bamberger Erzbischöfe, S. 181–208; Neundorfer, Schreiber, in: Gatz, Bischöfe, S. 675. Buxbaum, Lingg, S. 30. Zu Hopfenmüller (1844–1890) vgl. Steinhauf, „Zelus domus Dei mysticae movet me …“, in: RQ, Bd. 90 (1995), S. 215–235 Memorandum Hopfenmüllers an den Apostolischen Stuhl v. 28.11.1883, abgedruckt ebd., S. 227. Vgl. Lingg an Landmann v. 14.3.1902, in: BHStA München, MK 38991. So berichtete Agliardi an Rampolla am 29.5.1890, in: ASV ANM 174.
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Augsburger Diözesanpriesters warnte160. Zwar wurde in diesem Schreiben der Name Lingg nicht expressis verbis erwähnt, jedoch wies Dinkel auf den der Münchner Hofkamarilla angehörenden Priester Jakob von Türk hin, der bereits die Ernennung des verstorbenen Erzbischofs Schreiber sowie der gleichfalls verstorbenen (Erz)bischöfe Steichele in München-Freising und Weckert in Passau betrieben habe, die allesamt aus der Diözese Augsburg stammten. Nachdem aber nun Lutz durch Crailsheim ersetzt worden war, erhoffte sich der Nuntius einen stärkeren Spielraum der Kurie bei der Neubesetzung, zumal er sich in der erst wenige Monate zurückliegenden Bischofsernennung in Passau ja letztlich mit seinem Junktim durchsetzen und damit erstmals das „placetum regium“ auszuhöhlen vermocht hatte. Noch bevor der Nuntius Gespräche mit Regierungsstellen suchte, fragte er bei Bischof Michael Rampf in Passau um Rat nach. Rampf war von ihm und der Kurie kurz zuvor als neuer Oberhirte in Passau maßgeblich protegiert worden und stand allein von daher in einem Vertrauensverhältnis zu Agliardi. Jedenfalls präsentierte er dem Nuntius gleich sechs in seinen Augen episkopable Kandidaten: Dompropst Strätz und Domkapitular Appel aus Bamberg, die Domkapitulare Joseph Schork161 und Renninger aus Würzburg sowie den Eichstätter Bischof Leonrod und den dortigen Dompropst Johann Evangelist Pruner162, den Agliardi im Vorjahr gelegentlich der Passauer Neubesetzung bereits in Rom ins Gespräch gebracht hatte163. Gegenüber Rampolla erwähnte der Nuntius dann aber seinen Beichtvater, den Franziskanerpater Petrus Hötzl, als geeignete Persönlichkeit164. Allerdings erwiesen sich Agliardis Hoffnungen als trügerisch, da Crailsheim zwar zu einer Unterredung mit dem Nuntius bereit war, die am 29. Mai stattfand, aber keinerlei Zugeständnisse hinsichtlich einer Fühlungnahme mit dem Heiligen Stuhl betreffs Personalie des neuen Erzbischofs machen wollte. Die Geheimkanzlei von Prinzregent Luitpolds teilte dem bayerischen Vatikangesandten Cetto definitiv mit, dass „Seine Königliche Hoheit das der Krone nach dem Konkordate zustehende Königliche Ernennungsrecht nach jeder Richtung hin ungeschmälert … erhalten und demnach eine vorgängige Fühlung mit dem Heiligen Stuhl über die Personalfrage vermieden haben wollen, gegenteilig wünschen, dass selbst der Schein einer Konzessionseinräumung vermieden werde …“165 160 161
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Vgl. Dinkel an Agliardi v. 7.8.1890, ebd. Zu Schork (1829–1905) vgl. Zeißner, Joseph von Schork, in: Urban, Die Bamberger Erzbischöfe, S. 209–244; Neundorfer, Schork, in: Gatz, Bischöfe, S. 670f., u. Urban, „Dem Bischof zu Ehren …“, in: WDGB, Bd. 50 (1988), S. 329–366. Zu Pruner (1827–1907) vgl. Bauch, Pruner, in: LThK2, Bd. 8 (1963), Sp. 850; Naab, Pruner, in: BBKL, Bd. 8 (1994), Sp. 1013f; u. Strötz, Das Eichstätter Domkapitel, S. 170–173 (mit Schriftenverzeichnis). Vgl. Rampf an Agliardi v. 29.5.1890, in: ASV ANM 174. Vgl. Agliardi an Rampolla v. 13.6.1890, ebd. Geheimkanzlei an Cetto v. 5.6.1890, in: BHStA München, MA 99412.
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In jedem Fall werde die Wahl der Krone nicht Lingg treffen, wie in der Presse bereits gemutmaßt worden sei. Immerhin war die Regierung dahingehend vorsichtiger geworden, dass sie die königliche Entscheidung vor einer öffentlichen Publikation zunächst dem erwählten Kandidaten, dem Gesandten beim Heiligen Stuhl und dem Nuntius mitzuteilen beabsichtigte. Für Agliardi ging dieser Vorschlag nicht weit genug. Er preschte mächtig vor, wenn er Crailsheim gegenüber die sprichwörtliche Katze aus dem Sack ließ und den Wunschkandidaten der Kurie, nämlich Petrus Hötzl, direkt benannte. Am 11. Juli 1890 wurde Agliardi dann von der Mitteilung überrascht, der Prinzregent habe die Personalie entschieden, ohne bereits den Namen zu erfahren. Am 13. Juli teilte Crailsheim ihm dann förmlich mit, dass es sich bei dem Erwählten um den Münchner Universitätsprofessor Dr. Joseph Schönfelder handele, der zur geistlichen Hofkamarilla zählte166. Schönfelder war 1838 in Forchheim in der Erzdiözese Bamberg geboren worden und hatte 1860 in Bamberg die Priesterweihe erhalten. Nach seiner Habilitation hatte er 1873 eine außerordentliche, sechs Jahre darauf eine ordentliche Professur für Exegese an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Münchner Universität erhalten. Seit 1886 war er Kanoniker des Kollegiatstifts St. Kajetan in München, dem er zuvor bereits einige Jahre als Vikar angehört hatte167. Er war „nicht nur mit den Kanonikern Trost, Türk und Erzbischof Thoma, sondern auch … mit Döllinger eng befreundet“168. Zudem fungierte er gewissermaßen als Hausgeistlicher im Schloss Leutstetten, der Residenz des Kronprinzen Ludwig169. Über die Qualifikation Schönfelders hieß es staatlicherseits, er habe einerseits „viele treffliche und in der wissenschaftlichen Welt als hervorragend anerkannte gelehrte Arbeiten geliefert und gilt als Autorität in den alttestamentlichen Sprachen“170. Andererseits liege auch in politischer Hinsicht nichts gegen ihn vor, so dass er ein Bischofsamt friedlich und versöhnlich ausüben könne. Bereits am 15. Juli suchte Schönfelder Agliardi auf, nachdem er offensichtlich von den vatikanischen Einwänden gegen seine Person gehört hatte, und versuchte diese zu entkräften171. Durch Indiskretion öffentlich geworden, wurde die Personalie am 17. Juli als definitiv hingestellt, so dass Cetto in Zugzwang geriet, das Ernennungsdekret des Prinzregenten beim Heiligen Stuhl vorzulegen. Als das Ministerium des Äußeren den Gesandten am selben Tag per Telegramm informierte, wurde
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Zu Schönfelder (1838–1913) vgl. Möckl, Hof und Hofgesellschaft in der Prinzregentenzeit, S. 215. Vgl. Koegel, Geschichte der St.-Kajetans-Hofkirche, S. 274f. Möckl, Die Prinzregentenzeit, S. 343. Vgl. Greipl, Am Ende der Monarchie, in: Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte, Bd. III, S. 283. Ministerium des Auswärtigen an Cetto v. 17.7.1890, in: BHStA München, MA 99412. Vgl. Agliardi an Rampolla v. 18.7.1890, in: ASV ANM 174.
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dieser ersucht, die Personalentscheidung als „strengstes Dienstgeheimnis“172 zu behandeln. Bereits vom 18. Juli datiert ein anonymes Schreiben, das sowohl Agliardi zuging als auch vom Absender direkt an den Heiligen Stuhl in Rom geschickt wurde, in dem erhebliche Bedenken gegen den ernannten Erzbischof artikuliert wurden. Schönfelder habe zum einen in einem 1888 vor Corpsstudenten der Schlagenden Korporationen in München gehaltenen Vortrag das für katholische Studenten verbotene Duell verteidigt. Seine Sympathien für diese nichtkirchlichen Verbindungen seien durch die Mitgliedschaft seines Vaters in einer schlagenden Verbindung begründet und hätten zu seinem Ausschluss aus der katholischen Studentenverbindung Aenania geführt. Zum anderen wurde Schönfelder vorgehalten, dem Exponenten der altkatholischen bzw. antiultramontanen Richtung in Bayern, dem Münchner Kirchenhistoriker Döllinger, zu dessen 90. Geburtstag einen persönlichen Glückwunsch gesandt und darüber hinaus an der Beerdigung des altkatholisch gewordenen Professor Söltl teilgenommen zu haben173. In Regierungskreisen wurde in der Folge gerätselt, wer denn gegen Schönfelders Ernennung intrigiere, wobei man dort den Gegner in den sogenannten intransigenten Kreisen um den aus Bayern stammenden Kurienkardinal Joseph Hergenröther174 ausmachte. Nuntius Agliardi zog sich dahingehend aus der Affäre, dass er zwar Bedenken gegen Schönfelder in Rom vorgebracht, diese aber keineswegs argumentativ unterlegt, sondern lediglich in einem Telegramm an den Kardinalstaatssekretär benannt habe. Dieser aber weigerte sich am 25. Juli 1890 unter dem Eindruck der Korrespondenz mit Agliardi, die Präkonisation Schönfelders durch Leo XIII. vollziehen zu lassen, womit die bayerische Regierung angesichts des öffentlichen Drucks düpiert war. Allein Agliardi schien der Schlagkraft des Vetos von Rampolla nicht gänzlich zu vertrauen, weil er noch kurz zuvor Erzbischof Thoma und die Bischöfe Bischöfe Rampf, Senestréy und von Leonrod um Stellungnahme zu Schönfelder175 ganz offensichtlich mit der Absicht gebeten hatte, weitere Argumente gegen diesen in die Hand zu bekommen. Tatsächlich vermochte Leonrod in Erfahrung zu bringen, dass Schönfelder drei Kinder habe176. Damit war der Nuntiatur bzw. dem Staatssekretariat eine exzellente Gelegenheit gegeben, „politische Abneigung durch moralische Anschuldigungen kaschieren zu können“177. Doch traf diese Nachricht, die den 172 173
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Ministerium des Auswärtigen an Cetto v. 17.7.1890, in: BHStA München, MA 99412. Vgl. N.N. an den Heiligen Stuhl und an Agliardi, ebd., sowie Rampolla an Agliardi v. 30.7.1890, in: ASV ANM 174. Vgl. auch Greipl, Am Ende der Monarchie, in: Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte, Bd. III, S. 284. Zu Hergenröther (1824–1890) vgl. Bautz, Hergenröther, in: BBKL, Bd. 2 (1990), Sp. 746f. Vgl. Agliardi an Thoma, Leonrod, Rampf u. Senestréy v. 21.7.1890, in: ASV ANM 174. Vgl. Leonrod an Agliardi v. 8.8.1890, ebd. So die präzise den Kern treffende Interpretation bei Körner, Staat und Kirche, S. 124.
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Staatsfavoriten endgültig desavouierte, erst zu einem Zeitpunkt in der Nuntiatur ein, als der designierte Erzbischof bereits am 4. August von sich aus auf das Amt verzichtet hatte. Während sich Erzbischof Thoma in dieser Angelegenheit defensiv verhielt – möglicherweise äußerte er sich aber auch aufgrund der unmittelbaren Nähe zur Nuntiatur mündlich178, – scheint die Initiative zum Verzicht entweder von Seiten des politischen Katholizismus179 oder aber auch von Kurienkardinal Hergenröther ausgegangen zu sein. Hergenröther zumindest schaltete sich unmittelbar im Anschluss an die Affäre Schönfelder dahingehend in die Suche nach neuen Kandidaten ein, dass er Dompropst Pruner (Eichstätt) und den erst im September 1889 mit der ja in Bayern stets vom Papst verliehenen Dignität180 des Dompropstes in Würzburg181 versehenen Joseph Schork, einen ausgleichenden Charakter, dem Nuntius vorschlug. Letzterer sah den dringenden Handlungsbedarf des Prinzregenten, nach der hinsichtlich Schönfelders erlittenen Schmach einen Kandidaten ohne Makel aufzubieten. Deshalb ließ er den mit ihm gut bekannten Grafen Conrad von Preysing182, einen Neffen des Mainzer Bischof von Ketteler, der „dem Regenten sehr nahe stand“183, als Mittelsmann antichambieren – das enge Verhältnis der gräflichen Familie zur Kurie stellt nicht zuletzt der Briefwechsel Preysings mit dem Nuntius Sambucetti unter Beweis184 – und Schuner sowie insbesondere Schork vorschlagen. Für den ja noch frisch im Amt befindlichen Kultusminister von Müller war die Neubesetzung eine „Bewährungsprobe“185, die nach dem Desaster beim ersten Versuch nun im zweiten Anlauf unbedingt klappen musste, um weiteren Schaden von seiner Person abzuwenden. Überhaupt zog der Fall Schönfelder eine Änderung in der Dekretpraxis der Regierung nach sich. Bislang war dem Kandidaten das Ernennungsdekret unmittelbar nach der Nomination übersandt worden, fortan wartete man die Mitteilung der päpstlichen Präkonisation ab. Offenbar ohne Kenntnis der Aktivitäten Hergenröthers ließ der Nuntius sich am 9. August von Schork dessen Bereitschaft versichern, nach Bam178
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Vgl. ebd., S. 6, wo diese Vermutung hinsichtlich des Kontakts zwischen Thoma und der Regierung geäußert wird. Vgl. ebd., S. 108, der sich auf eine Aussage Crailsheims berief. Vgl. Scharnagl, Die päpstlichen Reservationen, in: Festschrift Ulrich Stutz, S. 299–332, hier S. 299f. Vgl. Genehmigung des Prinzregenten v. 3.9.1889, in: BStA Würzburg, Akt Nr. 8271 Zu Preysing (1843–1903), einem Onkel des gleichnamigen späteren Berliner Kardinals, der 1871–1893 u. 1900–1903 MdR war, vgl. Haunfelder, Reichstagsabgeordnete der Deutschen Zentrumspartei, S. 234f.; Schwarz, MdR, S. 427; Götschmann, Im Dilemma zwischen König und Kirche, in: Unser Bayern, S. 21–23; u. Conrad Graf von Preysing, Lebensbild. Götschmann, Im Dilemma zwischen König und Kirche, S. 23. Vgl. ASV ANM 198, pos. XVI. Hier ging es vornehmlich um einen Besuch des Nuntius auf dem Schloss Moos der Familie von Preysing im Jahre 1900. Zeißner, Schork, S. 217.
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berg gehen zu wollen186. Diese Taktik führte tatsächlich nach kurzer Zeit zum Ziel, als nämlich Luitpold den Dompropst Schork am 26. August offiziell zum Erzbischof von Bamberg ernannte. Auch wenn er zuvor den Ministerpräsidenten oder den Kultusminister, die sich in Urlaub befunden hatten, nicht konsultiert hatte, so war zumindest Kultusminister von Müller in die Entscheidung dahingehend einbezogen worden, dass er vorab bei kirchlichen Persönlichkeiten, so etwa bei Bischof von Rampf in Passau, Gutachten über Schork eingeholt hatte. Dass Ludwig August von Müller gerade diesen Bischof, der ja auch Vertrauensmann Agliardis war und erst kurz zuvor gegen den heftigen Widerstand von Lutz überhaupt auf den Passauer Bischofsstuhl gelangt war, befragte, macht schon stutzig187. Wenn der Kultusminister in diesem Zusammenhang seinem Bedauern Ausdruck verlieh, dass nicht Rampf nach Bamberg transferiert werden solle, verwundert dies umso mehr. Wie sehr diese Personalentscheidung den neuen Minister auch belastete, wird ein Stück weit aus den Erinnerungen des Historikers Karl Alexander von Müller, seines Sohnes, deutlich188. Der Prinzregent ließ überdies peinlich darauf achten, dass die Personalie zunächst nicht an die Öffentlichkeit drang und nur dem Papst mitgeteilt wurde189. Wie ängstlich man in München nach dem Reinfall mit Schönfelder geworden war, zeigt darüber hinaus die Tatsache, dass der Post nach Rom zusätzlich eine Reihe positiver Gutachten über den Erwählten beigelegt wurde. Dieses Vorgehen belegt aber auch, dass – zumindest in diesem Fall – der Monarch, nicht aber die Minister für die Entscheidung ausschlaggebend war, wobei dahinter durchaus auch eine Taktik gestanden haben könnte. Rampolla seinerseits goutierte das Vorgehen Agliardis dadurch, dass er – trotz Vorabinformation aus der Nuntiatur (und möglicherweise vielleicht auch einiger der Gutachter) – überrascht auf die Ernennung Schorks reagierte und zunächst Bedenkzeit erbat, obgleich selbstverständlich bei Eintreffen der Nachricht aus dem Ministerium schon klar war, dass keine Bedenken gegen Schork erhoben würden. Joseph Schork, Jahrgang 1829, war in einfachen Verhältnissen im Schatten des Schlosses Kleinheubach aufgewachsen. Sein Vater arbeitete als Reitknecht im Dienste der katholischen Adelsfamilie von Löwenstein, wodurch Joseph von Kindheit an eine Verbindung zum Adel besaß. Schork hatte nach der 1854 in Würzburg empfangenen Priesterweihe insbesondere durch seine Predigtgabe Aufmerksamkeit erlangt. Jedenfalls holte ihn Bischof Stahl 1860 als Domprediger nach Würzburg, wo seine „Wortgewalt … nun für rund drei Jahrzehnte die Gläubigen im … Dom in den Bann 186 187
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Vgl. ebd., S. 219. Vgl. Müller an Rampf v. 17.8.1890, zit. bei Bauer, Das Bistum Passau unter Bischof Dr. Michael Rampf, S. 93. Vgl. Müller, Aus Gärten der Vergangenheit, S. 89f. Vgl. Körner, Staat und Kirche, S. 121. Analog wurde auch bei Henle in Passau, Lingg in Augsburg sowie Abert u. Hauck in Bamberg verfahren.
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ziehen“190 sollte, so sehr, dass Schork 1867 die Stelle eines Dompredigers am Liebfrauendom in München angetragen worden war, die er aber abgelehnt hatte. Über die Familie von Löwenstein erhielt er Eingang in höhere gesellschaftliche Kreise und legte damit ein Stück weit den Grundstein für seine weitere Karriere, den er im Juni 1890 durch Verleihung des Dr. theol. h.c. der Katholisch-Theologischen Fakultät in Würzburg manifestieren konnte.191 Dennoch wurde Schork erst gut acht Monate nach der Ernennung, nämlich am 6. Mai 1891, präkonisiert. Cetto hatte am 6. Dezember 1890 aus Rom berichtet, dass Leo XIII. die Ernennung gern bestätigen würde, woraufhin der Prinzregent durch Cetto beim Kardinalstaatssekretär darauf hinweisen ließ, dass er die Konsekration des neuen Bamberger Oberhirten beschleunigt erfolgen lassen wolle. Rampolla bremste jedoch dahingehend, dass er gegenüber Aiuti als frühesten Termin das für Februar geplante nächste Konsistorium in Betracht zog192. Auch eine Intervention von Crailsheim193, der im Staatssekretariat auf Benennung Schorks im nächstfolgenden Konsistorium drängte und darauf verwies, dass eine noch längere Sedisvakanz des Bamberger Erzbischofsstuhls keineswegs im Interesse des Prinzregenten liege194, brachte zunächst keinen Erfolg. Mit der Konsekration, die Bischof Stein im Bamberger Dom vornahm, ging es dann allerdings recht schnell. Sie erfolgte bereits 18 Tage nach der Präkonisation, am 24. Mai 1891.
Erzbischofsernennung 1905 Erzbischof von Schork, der 1896 im Rahmen seines zweiten Ad-limina-Besuchs in Rom zum Päpstlichen Thronassistenten und Comes Romanus ernannt worden war, was seitens des Vatikangesandten Baron Cetto als Zeichen für gute bayerisch-vatikanische Beziehungen gedeutet wurde195, segnete am 25. Januar 1905 das Zeitliche. Noch wenige Tage vor seinem Tod war in der Presse hervorgehoben worden, dass er, „dessen Milde und Duldsamkeit unbezweifelt sind, … mit seinen geistreichen, scharf geschnittenen Augen den Eindruck eines sehr energischen Mannes“196 mache. Allgemein hatten Schork – und eben auch der Münchner Erzbischof Thoma – in ihrer Amtszeit aus staatsnaher Perspektive als „versöhnliche Naturen“197 gegolten. Das Bamber190 191 192 193 194 195 196 197
Zeißner, Schork, S. 215. Vgl. Walter, Dozenten und Graduierte, S. 705. Vgl. Rampolla an Aiuti v. 2.1.1891, in: ASV ANM 174. Crailsheim an Cetto v. 16.2.1891, in: BHStA München, MA 99412. Vgl. Ministerium des Auswärtigen an Prinzregent Luitpold v. 6.3.1891, ebd. Vgl. Cetto an Ministerium des Auswärtigen v. 16.10.1896, ebd. Pfälzische Rundschau v. 20.1.1905. Müller, Aus Gärten der Vergangenheit, S. 126.
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ger Metropolitankapitel wählte den Dompropst und Offizial Dr. Franz Seraph von Keller198 zum Kapitularvikar für die Zeit der Sedisvakanz. Ein ernsthafter Kandidat war er aufgrund seiner politischen Betätigung als Landtagsabgeordneter des Zentrums nicht. Schon anlässlich seiner Ernennung zum Dompropst in Augsburg knapp ein Jahrzehnt zuvor hatte die liberale Presse „eine ultramontane Machenschaft“199 unterstellt. Bereits einen Tag nach dem Tod Schorks, am 26. Januar 1905, erhielt der an der Universität Würzburg lehrende Professor Dr. Friedrich Philipp Abert200 Nachricht von Kultusminister von Wehner, dass er für den erzbischöflichen Stuhl in Bamberg vorgesehen sei. Wenn der schriftstellernde Pfarrer Heinrich Hansjakob – wie eingangs erwähnt – in Anspielung auf Abert kritisierte, dass „der Kultusminister nichts Eiligeres zu tun [gehabt habe], als dass er einen Professor, seinen besten Studienfreund, zum Erzbischof macht“201, brachte er damit die Verbindungslinie zwischen Wehner und Abert auf den Punkt. Der Minister und der Theologe hatten zwar nicht gemeinsam die Universität besucht, jedoch waren sie Konabiturienten am Gymnasium in Münnerstadt in Unterfranken, an dem bereits der langjährige Minister Johann von Lutz seine Hochschulreife erworben hatte, 202. Zudem gehörten ebenso die amtierenden Regierungspräsidenten in Augsburg und München, Wilhelm von Lermann203 und von Schraut, zu Aberts Abiturjahrgang. Der Minister und die Regierung goutierten mit der Ernennung aber zugleich auch Aberts liberale Einstellung, die ihn in seiner akademischen Rede als Rector magnificus der Würzburger Universität 1901 den führenden protestantischen Theologen Adolf von Harnack zustimmend zitieren lassen hatte204. Der 1852 in Münnerstadt geborene Abert stammte aus kleinen Verhältnissen – der Vater war Schneidermeister und zugleich Küster (Kirchner) an der Stadtpfarrkirche – und war 1875 in Würzburg zum Priester geweiht worden. Auch einer seiner Brüder wurde Geistlicher. Seine Kaplansjahre verbrachte er u.a. als Hauskaplan im Schloss der Familie von Schönborn in Wiesentheid. 198
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Zu Keller (1831–1914), zugleich MdL (Zentrum), vgl. Buxbaum, Die Ernennung der Augsburger Dompröpste, S. 90f., wo Keller als Kandidat des Kultusministers Landmann für die Augsburger Dompropstei 1896 genannt wurde. 1897 dort installiert, wurde er 1902 als Dompropst nach Bamberg transferiert. Münchner Neueste Nachrichten v. 14.10.1896. Zu Abert (1852–1912) vgl. Neundorfer, Abert, in: Gatz, Bischöfe, S. 2f.; Braun, Abert, in: Lebensläufe aus Franken, Bd. 2 (1922), S. 1–11; Kist, Abert, in: NDB, Bd. 1 (1953), S. 18f.; Soder von Güldenstubbe, Abert, in: Urban (Hrsg.), Die Bamberger Erzbischöfe, S. 245– 284; DBE2, Bd. 1 (1995), S. 8. Hansjakob, Sonnige Tage, S. 75. Vgl. Soder von Güldenstubbe, Abert, S. 250, u. Krenig, Lutz, Wehner, Abert, in: 325 Jahre Johann-Philipp-von-Schönborn-Gymnasium Münnerstadt 1660–1985, Münnerstadt 1985, S. 75–87, u. Ders., Abert. Zu Lermann (1846–1917) vgl. Schärl, Beamtenschaft, S. 205. Vgl. Soder von Güldenstubbe, Abert, S. 262.
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1882 wurde eine bereits sieben Jahre zuvor verfasste Preisschrift als theologische Dissertation im Fach Kirchengeschichte in Würzburg angenommen205. Abert gelangte 1885 als außerordentlicher Professor für Dogmatik an das Lyzeum in Regensburg und kehrte 1890 nach Würzburg zurück, um dort an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität den Lehrstuhl für Dogmatik und zwei Jahre später auch das Amt des Rektor ecclesiae der Universitätskirche zu übernehmen206. 1900/1901 bekleidete er – wie erwähnt – zudem das Amt des Rector magnificus der Universität, an der er freundschaftliche Beziehungen zu den beiden im Vatikan umstrittenen Professorenkollegen Albert Ehrhard und Herman Schell aufnahm207. Dass der in Würzburg habilitierte Abert in letzterem Fall nicht der uneingeschränkte Favorit der Fakultät gewesen war, lässt sich zum einen daran ablesen, dass er „ex aequo loco“ mit einem außerordentlichen Professor der Münchner theologischen Fakultät vorgeschlagen wurde und zum anderen im Fakultätsbericht Bedauern über das Fehlen wirklich profilierter Kandidaten ausgedrückt wurde208. Nachdem am 30. Januar 1905 die offizielle Nomination von Professor Abert für den Bamberger Erzbischofsstuhl durch den Prinzregenten erfolgt war, lobte die katholische „Augsburger Postzeitung“ die „ungemein schnelle Regelung der Personfrage zur Wiederbesetzung des erzbischöflichen Stuhls“209. Abert sei im Übrigen „ein vortrefflicher Charakter, [der] diesseits und jenseits der Alpen schon bekannt und hochgeschätzt war“, weshalb seine Ernennung keine Überraschung darstelle. Insbesondere sein „Ruf als Gelehrter und namentlich als Dozent ist hervorragend. In der Seelsorge ist er erfahren. Er ist auch ein Verwaltungstalent, ebenso ein vorzüglicher Redner“210, hatte sich die Postzeitung bereits am Vortag in Lobeshymnen auf den neuen Metropoliten von Bamberg geradezu überschlagen. Tatsächlich war im Ministerium des Auswärtigen die Personalakte zu dieser Bischofsstuhlbesetzung bereits einen Tag nach der Ernennung durch den Prinzregenten mit dem Vermerk „ad acta“ geschlossen worden211. Aus dem Innenministerium hieß es als Begründung zu der überaus kurzen Sedisvakanz, dass eine rasche Neubesetzung nicht nur im Interesse des Staates, sondern insbesondere der Kir205
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Vgl. passim Friedrich Philipp Abert, Papst Eugen IV. Ein Lebensbild aus der Kirchengeschichte des 15. Jahrhunderts, Mainz 1884. Ein Jahr zuvor war ein wichtiges Werk über Thomas von Aquin aus seiner Feder erschienen: Vgl. passim Friedrich Philipp Abert, Die Einheit des Seins in Christus nach der Lehre des hl. Thomas von Aquin, Regensburg 1889. Vgl. Walter, Dozenten und Graduierte, S. 3 u. 458f. Vgl. hierzu u.a. Wittstadt, Abert. Ausgewählte Briefe, in: WDGB, Bd. 42 (1980), S. 427–469. Vgl. hierzu Ganzer, Die Theologische Fakultät der Universität Würzburg, in: Baumgart (Hrsg.), Vierhundert Jahre Universität Würzburg, S. 317–373, hier S. 355. Augsburger Postzeitung v. 10.2.1905. Hier auch das folg. Zit. Augsburger Postzeitung v. 9.2.1905. Vgl. Ernennungsschreiben u. Vermerk v. 30. bzw. 31.1.1905, in: BHStA München, MA 99412.
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che selbst gelegen sei212. Denn zunächst hätte sich in Bamberg selbst bedingt durch die Krankheit des verstorbenen Erzbischofs von Schork eine Menge Arbeit aufgestaut, darüber hinaus bedürften die Nachbardiözesen Regensburg, Eichstätt und Speyer aufgrund greiser bzw. schwer erkrankter Bischöfe dringend der Hilfe bei Pontifikalhandlungen. Da nicht bekannt sei, inwieweit diese Gesichtspunkte dem Heiligen Stuhl bewusst seien, hielte man es für angebracht, den bayerischen Gesandten im Vatikan zu ersuchen, beim Kardinalstaatssekretär auf eine rasche Präkonisierung Aberts hinzuwirken, die, falls das nächste Konsistorium in der Ferne liege, auch durch ein päpstliches Breve geschehen könne. Überhaupt sei es tunlich, die vatikanischen Stellen darauf hinzuweisen, dass bei Erlass eines Breve dem Neuernannten zugleich das Pallium verliehen werden könne. Immerhin dauerte es nahezu zwei Monate, bis die Kurie am 27. März 1905 die Präkonisierung vornahm. In Würzburg verbreitete die „Fränkische Volkszeitung“ die Nachricht von der Ernennung Aberts am 8. Februar 1905 in einem „Extrablatt“213. Als Abert am selben Abend vor dem katholischen Bildungswerk „Union“ einen Vortrag hielt, konnte er zahlreiche Gratulationen entgegennehmen. Als der Stadtrat von Münnerstadt am 25. April beschloss, dem designierten Erzbischof die Ehrenbürgerrechte seiner Heimatstadt zu verleihen, weilte Abert gerade zur Vereidigung bei Prinzregent Luitpold, wo beim anschließenden Essen höfliche Trinksprüche auf den Monarchen einerseits und den Papst andererseits ausgebracht wurden. Zumindest dem Nuntius Carlo Caputo war diese Zeremonie einen längeren Bericht an Kardinalstaatssekretär Merry del Val wert, in dem er vor allem Kultusminister von Wehner lobte, der „un ottimo cattolico“214 sei. Als der neue Bamberger Erzbischof am 1. Mai 1905 durch den Erzbischof von München und Freising, Franz Joseph von Stein, der als Bischof von Würzburg lange Jahre zudem Aberts akademischer Lehrer an der Würzburger Katholisch-Theologischen Fakultät215 und später dessen Oberhirte gewesen war, konsekriert wurde, war Kultusminister von Wehner ebenso im Bamberger Dom anwesend, wie die in Würzburg lehrenden und mit dem kirchlichen Lehramt in Konflikt geratenen Theologieprofessoren Sebastian Merkle und Herman Schell.
Erzbischofsernennung 1912 Erzbischof von Abert, der 1908 im Rahmen einer Romreise den Titel eines Päpstlichen Thronassistenten und Comes Romanus erlangt hatte, starb nach 212
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Vgl. zum Folgenden Ministerium des Innern an Ministerium des Auswärtigen v. 24.2.1905, ebd. Vgl. Krenig, Abert, S. 9. Nuntius an Merry del Val v. 6.5.1905, in: ASV ANM 205. Vgl. Soder von Güldenstubbe, Abert, S. 253.
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langer Krankheit am 23. April 1912, noch nicht 60 Jahre alt. Durch die Presse216 verbreitete sich am 19. und 20. Mai, also etwa vier Wochen nach Eintritt der Sedisvakanz, die Nachricht von der Ernennung des Nürnberger Stadtpfarrers Jacobus Hauck217 zum neuen Bamberger Metropoliten. Der 1861 geborene Hauck war ein Sohn des Stadtkämmerers von Miltenberg am Main und gehörte ursprünglich dem Klerus der Diözese Würzburg an, für die er 1884 zum Priester geweiht worden war. Vom Präfekten des Königlichen Studienseminars in Aschaffenburg wechselte er 1893 als Religionslehrer an das Alte Gymnasium in Bamberg und damit in die benachbarte Erzdiözese. 1898 wurde ihm die Großstadtpfarrei St. Elisabeth in Nürnberg verliehen, die mit knapp 20.000 Katholiken größte Pfarrei Bayerns. Die prosperierende Industriestadt Nürnberg bildete in diesen Jahren ein Laboratorium für moderne Großstadtseelsorge, da die Katholikenzahl in der protestantischen ehemaligen Freien Reichsstadt in einem Zeitraum von einem Jahrzehnt von 30.000 auf mehr als 100.000 anstieg218. Hauck hatte pastoral erfolgreich die Gemeinde geleitet und sich dort auch das Ansehen evangelischer Christen erworben. Ein protestantischer Bürger charakterisierte ihn als „ernsten, strengen Katholiken, ganz erfüllt von der Bedeutung, Schwere und Verantwortlichkeit seines hohen Berufes. Im Umgang ist er leutselig, mit einem Zug gemessener Heiterkeit und von höchst einnehmendem, gewinnendem Wesen“219. Gerade letzterer Charakterzug führte wohl dazu, dass Hauck, obgleich er sich als Mitbegründer und Protagonist der Zentrumspartei in Nürnberg auch politisch exponiert hatte, der staatlichen Seite sehr genehm war, zumal er „ohne den geringsten Konflikt seines Amtes zu walten verstand“220, wie es in einer anderen Zeitung über ihn hieß. Gleichwohl lauteten nicht alle Pressestimmen so günstig. Haucks Stadtpfarrerkollege in Nürnberg, Johann Baptist Höfner221, etwa beklagte sich beim Nuntius darüber, dass „die jedem positiven Christentum fern stehende ´freisinnige´ Presse ihren Geifer ausspritzt“222. Gerade den liberalen und antiklerikalen Zeitungen im Königreich war der Ernannte aufgrund seines politischen Engagements ein Dorn 216 217
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Vgl. Fränkischer Kurier v. 19.5.1912, Münchner Zeitung v. 20.5.1912. Die Präkonisationsurkunde, in: Kirche in Bayern, S. 230f. Zu Hauck vgl. Speckner, Hauck, in: Ders., Die Wächter der Kirche, S. 61–71; Deuerlein, Erzbischof Jacobus von Hauck in der kirchenpolitischen Entwicklung Deutschlands 1912–1943, in: Festschrift Ehard, S. 225–231; Kist, Hauck, in: Lebensläufe aus Franken, Bd. 6 (1960), S. 229–240; Neundorfer, Hauck, in: Gatz, Bischöfe, S. 292f.; Denzler, Hauck, in: Urban (Hrsg.), Die Bamberger Erzbischöfe, S. 285–308. Vgl. Rathgeber, Senger, in: Lebensläufe aus Franken, Bd. 6 (1960), S. 501–507, hier S. 503. N.N., zit. nach Münchner Neueste Nachrichten v. 31.5.1912. Augsburger Postzeitung v. 24.5.1912. Zu Höfner, geb. 1859, seit 1900 Pfarrer in Nürnberg Unser Lieben Frauen, 1913 Domkapitular in Bamberg, vgl. Ulrich, Katholische Kirche in Nürnberg und Fürth, S. 41f. Höfner an Frühwirth v. 24.5.1912, in: ASV ANM 270.
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im Auge, so dass er beispielsweise als „Parteibischof vom reinsten Wasser“223 apostrophiert wurde. Ursache für dieses Epitheton war wohl nicht zuletzt sein Onkel Thomas Hauck, der sich als Landtagsabgeordneter des Zentrums öffentlich exponiert hatte224. Der Staatsregierung wurde in diesem Kontext vorgeworfen, sie habe sich vom Vatikan, mit dem es im Vorfeld eine vom Konkordat nicht vorgesehene Tuchfühlung gegeben habe, über den Tisch ziehen lassen. Hauck selbst versuchte man als umstrittenen Kandidaten einer breiteren Leserschaft deshalb nahe zu bringen, weil er eine gehörige Portion Eitelkeit besitze. So würde er „auch dort, wo er seine Person nicht in den Vordergrund schob, doch alle Fäden in seiner Hand zu vereinigen und seinen Willen auf Biegen und Brechen durchzusetzen“225 versucht haben. Natürlich wurde bei dieser Personalentscheidung auch vielfältig darüber gemutmaßt, wer denn Hauck überhaupt als „persona grata“ der Regierung für Bamberg ins Spiel gebracht habe. Durch den bayerischen „Blätterwald“ geisterten gleich drei verschiedene Versionen über potenzielle Protektoren des Nürnberger Pfarrers: Zum einen wurde die Prinzessin Maria de la Paz genannt, zum anderen Verkehrsminister von Seidlein und zum dritten fand auch der im Falle seines Vorgängers Abert zutreffende Topos einer aus Studienzeiten herrührenden Freundschaft mit dem Kultusminister Nahrung. Dass der Nuntius über diese Kritik durchaus erstaunt war, lässt sich aus einem ausführlichen Bericht an Kardinalstaatssekretär Merry del Val ablesen, in welchem Frühwirth zwar zunächst deutlich machte, dass die katholischen Zeitungen ausführlicher über die Ernennung des neuen Bamberger Oberhirten berichtet hätten als die liberale Presse226. Aus letzterem Bereich hätten aber die „Augsburger Abendzeitung“ und die „Münchner Neuesten Nachrichten“ sowie die „Nürnberger Volkszeitung“ lange Artikel gebracht und darin u.a. vor dem Hintergrund von Haucks Engagement für das Zentrum der Befürchtung Ausdruck verliehen, Hauck werde ein parteipolitischer Bischof werden. Für den erst wenige Wochen im Amt befindlichen neuen Kultusminister Eugen von Knilling227 war Hauck in der Tat nicht der einzige Kandidat für den Posten in Bamberg gewesen. In der Ministerratssitzung vom 27. April 1912, also bereits vier Tage nach dem Tod Erzbischof von Aberts, schlug er außer223 224
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Augsburger Abendzeitung v. 24.5.1912. Zu Thomas Hauck (1823–1905), Dr. iur. h.c., Oberstaatsanwalt in München, 1871–79 MdR, 1887–93 MdL, zuletzt Oberstaatsanwalt in München, vgl. Albrecht (Hrsg. u. Bearb.), Die Protokolle der Landtagsfraktion der Bayerischen Zentrumspartei 1893–1914, Bd. I, S. 490; Schwarz, MdR, S. 339; u. Hartmannsgruber, Die bayerische Patriotenpartei, S. 417. Fränkischer Kurier v. 25.5.1912. Vgl. Frühwirth an Merry del Val v. 25.5.1912, in: ASV ANM 270. Zu Knilling (1865–1927), Jurist, der erst im Februar 1912 Kultusminister geworden war, vgl. Schärl, Beamtenschaft, S. 97f., u. Andrian-Werburg, Minister des Königreichs Bayern, S. 250.
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dem die Domkapitulare Sänger und Hümmer in Bamberg als Bischofskandidaten vor. Offenbar gab der neue und betont katholische Ministerpräsident Georg von Hertling228 dann den Ausschlag zugunsten Haucks, an dessen Persönlichkeit er „seine Besonnenheit und Klugheit, wie sein ruhiges und friedliebendes Verhalten“229 lobend hervorhob. Dennoch war Hauck nur „zweite Wahl“ für den bayerischen Ministerpräsidenten, der persönlich den Bischof von Speyer, Michael von Faulhaber, bevorzugte230. Faulhaber hatte jedoch erst im Vorjahr den bischöflichen Stuhl bestiegen, so dass eine Transferierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt wenig glücklich erschien. Außerdem soll der spätere König Ludwig III. seinen Einfluss gegen Faulhaber geltend gemacht haben, weil er diesen für den Erzbischofsstuhl in München und Freising in petto halten wollte. So nominierte Prinzregent Luitpold letztlich am 4. Mai 1912 Jakobus Hauck. Während des Ernennungsvorgangs wandte sich zudem ein Andreas Leisner, seines Zeichens Erzbischöflicher Seminar-Stiftungsverwalter in Neunkirchen am Brand bei Forchheim, an den Nuntius. „Es wird doch gut sein, wenn Sie sich nochmals ein wenig für die Wiederbesetzung des Erz Stuhles interessieren“231, legte Leisner dem Nuntius nahe und empfahl diesem den Domkapitular und früheren Regens Geiger als geeignetsten Kandidaten. Gegen den in der Öffentlichkeit genannten Stadtpfarrer Hauck hingegen habe er „das eine Bedenken …, ob er die kath. Entwicklung in Nürnberg … nicht etwas hemmen würde“. Obgleich die Diktion dieses Schreibens nicht gerade als Beleg für die Intelligenz seines Verfassers herangezogen werden kann, ließ Erzbischof Frühwirth eine Abschrift des Briefes anfertigen und an den Kardinalstaatssekretär weiterleiten. Auch notierte er an den Rand des Originalbriefs „Aus welchem Grund?“ und suchte bei Leisner um weitere Erklärung nach. Letzterer rechtfertigte seine Demarche lediglich damit, dass Geiger und vor allem der Domkapitular und frühere Domprediger Adam Senger über „die Initiative, die Hauck etwas abgeht“232, verfügen würden. Da er dem Gerücht, dass Hauck eine krankhafte Nervosität habe, kaum Glauben schenken könne, gebe es eigentlich keinen ernsthaften Grund, der gegen ihn spreche. Die Ursache dafür, dass der Nuntius auch dieses zweite, nicht besonders tiefgründige Zeugnis sogleich nach Rom weiterleitete, lag offensichtlich schlicht und ergreifend im Mangel detaillierterer Informationen über den Nürnberger Pfarrer Hauck. 228
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Zu Hertling (1843–1919), 1912–1917 Minister des Königlichen Hauses u. Vorsitzender des Ministerrats, vgl. NDB, Bd. 8, u. Wesseling, Hertling, in: BBKL, Bd. XX (2002), Sp. 737–757; Schärl, Beamtenschaft, S. 95, Andrian-Werburg, Minister des Königreichs Bayern, S. 248. Hertling über Hauck, zit. bei Deuerlein, Hauck, S. 226. Vgl. ebd., S. 226, der sich bei seinen Informationen auf den Nachlass Hertlings bezog, ohne jedoch genaue Quellenangaben zu machen. Leisner an Frühwirth v. 24.4.1912, in: ASV ANM 270. Leisner an Frühwirth v. 8.5.1912, ebd.
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Wie überrascht Frühwirth ganz offensichtlich war, zeigt die Tatsache, dass er gegenüber dem Kardinalstaatssekretär lediglich Angaben aus dem Bamberger Personalschematismus über Haucks bisherige Wirkungsstationen referierte und sich damit entschuldigte, dass er in der Eile nur einen Nürnberger Landtagsabgeordneten gesprochen habe, der Hauck allerdings als exzellente Wahl bezeichnet habe233. Um diesem Missstand abzuhelfen und Rom möglichst umgehend „segrete informazioni“ zukommen lassen zu können, wandte sich Frühwirth an Stadtpfarrer Höfner, der seinem Amtsbruder in einem ausführlichen Gutachten ein durchaus ambivalentes Zeugnis ausstellte: Unter der Rubrik „Geistige Anlagen“ attestierte er Jacobus Hauck „Schärfe des Geistes und Durchbildung in der theologischen Wissenschaft kraft seiner mehrjährigen Wirksamkeit als Religionslehrer … [sowie] klares Urteil und rasches Erfassen der zeitbewegenden Fragen“234. Seine Stimmlage hingegen sei „für größere Räume ohne besondere Kraftanstrengung besonders beim Singen nicht ausreichend“. In puncto „moralischer Anlagen“ bescheinigte er seinem Confrater einerseits karitatives Engagement, beklagte aber ein etwas unzugängliches Wesen im Umgang mit den Gläubigen und letztlich eine Rigorosität in theologischen Streitfragen. Selbst wenn sein „langjähriges Wirken ungeteilte Zustimmung in der Erzdiözese“ finde, sei Hauck dem Klerus etwas fremd geblieben, da er aus der Nachbardiözese Würzburg stamme. Was die Heimatdiözese des designierten Bamberger Erzbischofs anbetraf, hatte sich der Nuntius parallel bereits an einen Kapuzinerpater Cyrillus in Lohr am Main gewandt, der Hauck selbst als frommen, bescheidenen und hochgeachteten Priester empfahl, jedoch darauf hinwies, dass dieser „der Sohn eines Lehrers in Miltenberg, Diözese Würzburg, welcher nicht ganz rühmlich von seiner Stelle weggekommen ist“235, sei. Der Kapuziner empfahl seinem Adressaten zudem Prälat Professor Dr. Franz Adam Goepfert236 in Würzburg sowie den Domkapitular Franz Seraph von Keller in Bamberg als weitere Informanten. Zumindest Goepfert, der als Schüler des staatsloyalen Würzburger Bischofs und nachmaligen Erzbischofs von München und Freising Franz Josef von Stein dessen Nachfolge auf dem Lehrstuhl für Moral- und Pastoraltheologie übernommen hatte237 und der zu den intellektuellen Köpfen der „Würzburger Schule“ gehörte238, wurde umgehend zur Person Haucks, insbesondere aber zu seinem Vater befragt. Letztgenannter sei, so ergab die Auskunft von Goepfert239, nicht Lehrer, sondern 233 234 235 236
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Vgl. Frühwirth an Merry del Val v. 6.5.1912, ebd. Höfner an Frühwirth v. 8.5.1912, ebd. P. Cyrill OFM Cap. an Frühwirth v. 7.5.1912, ebd. Zu Goepfert (1849–1913) vgl. Fleckenstein, Goepfert, in: LThK2, Bd. 4 (1960), Sp. 1055; Walter, Dozenten und Graduierte, S. 52. Vgl. Ganzer, Die Theologische Fakultät der Universität Würzburg, S. 348. Vgl. hierzu Witetschek, Die katholische Kirche seit 1800, in: Spindler (Hrsg.), Bayerische Geschichte im 19. und 20. Jahrhundert, S. 914–945, hier S. 930. Vgl. Goepfert an Frühwirth v. 9.5.1912, in: ASV ANM 270. Hier auch das folg. Zit.
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Stadtkämmerer in Miltenberg gewesen, habe aber darüber hinaus ein Gasthaus erworben, mit dem er in Konkurs gegangen sei, worauf er sich habe pensionieren lassen. Im Übrigen liege die ganze Sache schon mehr als 30 Jahre zurück. Auch habe seines Wissens – so der Würzburger Theologieprofessor gegenüber dem Nuntius – die kirchenfeindliche Presse, welche durchaus die Kandidatur Haucks diskutiere, diesen Fall bislang „nicht gegen ihn ausgespielt“. Goepfert machte unmissverständlich deutlich, dass er es auch nicht für tunlich hielt, antikirchlich gesinnten Kreisen durch ein öffentliches Aufrollen dieses Falls Zündstoff zu liefern, denn alle Charakterzüge Haucks befähigten ihn für die hohe Position. „Ein Stadtpfarrer von Nürnberg, der dort Großes leistet, kann auch Erzbischof von Bamberg werden“, lautete das prägnante Fazit des Theologieprofessors. Um seiner positiven Einschätzung Nachdruck zu verleihen, wandte sich Goepfert acht Tage darauf nochmals an Erzbischof Frühwirth, um zu bestätigen, dass Stadtpfarrer Hauck auch in theologischer Hinsicht in vollkommener Einheit mit der Kirche stehe. „Von Liberalismus, Reformation, Modernismus keine Spur“240, betonte er und spielte damit auf offensichtlich aufgetretene Verdächtigungen an, Hauck sei als Würzburger Diözesanpriester in das geistige Fahrwasser des dort lehrenden Dogmatikers Herman Schell geraten. Um jeglichen Verdacht von dem Nürnberger Stadtpfarrer abzuwenden, wies Goepfert darauf hin, dass Hauck während einer Prüfung wiederholt eingegriffen habe, um „das Gefährliche und Irrtümliche der Lehren Schells dazutun“. Zudem habe er in Nürnberg erfolgreich an vorderster Front im Kampf gegen Liberalismus und Sozialismus als den modernen Erscheinungsformen politischen Lebens in einer Industriestadt gestanden. Auch nach Ansicht des Bamberger Domkapitulars Adam Senger, der die Tragfähigkeit seines Urteils darauf stützte, dass er „seit Jahren … durch die Bande der Freundschaft“241 mit dem Kandidaten für das Erzbischofsamt verbunden sei, hatte Hauck „mit kirchlich-liberalen Neigungen … nie und in keiner Weise geliebäugelt“. Vielmehr habe er als Stadtpfarrer in Nürnberg „mustergültig gewirkt“. Wesentlich zurückhaltender gab sich Haucks Heimatbischof Ferdinand Schlör von Würzburg. Schlör, der allerdings auch erst 1898 den Bischofsstuhl bestiegen hatte, wies nur knapp darauf hin, dass Jacobus Hauck bereits seit 1893 außerhalb seines Bistums tätig sei und dass die in Würzburg vorhandene Personalakte „nichts Nachteiliges“242 über ihn enthalten würde. Überdies charakterisierte er ihn als eine „sehr achtungswerte Persönlichkeit“. Dementsprechend positiv fiel der Bericht Frühwirths an Kardinalstaatssekretär Merry del Val aus, in welchem er alle seine Gewährsleute ausführlich zu Wort kommen ließ243. Auffällig erscheint allein, dass Erzbischof Frühwirth auch das Urteil des eigenständig in dieser Personalie intervenierenden Stiftungsver240 241 242 243
Goepfert an Frühwirth v. 17.5.1912, ebd. Senger an Frühwirth v. 14.5.1912, ebd. Hier auch die folg. Zit. Schlör an Frühwirth v. 8.5.1912, ebd. Hier auch das folg. Zit. Frühwirth an Merry del Val v. 18.5.1912, ebd. Hier auch das folg. Zit.
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walter Leisner aus Neunkirchen am Brand berücksichtigte. Möglicherweise um dieser kritischen Stimme mehr Gewicht zukommen zu lassen, beförderte der Nuntius Leisner gegenüber der Kurie zum „amministratore del seminario arcivescovile dei Bambergo“. Entscheidend erschien für Frühwirth aber die Aussage Goepferts, den er als „il piu competente“ bezeichnete, über die Integrität Haucks in theologischen Fragen. So nutzte Goepfert auch den ihm von Frühwirth ausgesprochenen Dank für seine Bemühungen nicht nur zu einer Captatio benevolentiae für Pius X. und den Heiligen Stuhl, sondern auch zu der Bemerkung, er „glaube kaum, dass man einen Würdigeren hätte finden können“244. Hauck selbst meldete sich am 25. Mai 1912 erstmals bei Frühwirth zu Wort, um diesem mitzuteilen, dass ihm der Kultusminister die erforderliche päpstliche Präkonisation in Aussicht gestellt habe245. Offenbar war der designierte Erzbischof skeptisch, ob die Bemühungen der bayerischen Diplomatie in absehbarer Zeit zu einem Ergebnis führen würden. Zumindest bat er in dem sehr devot gehaltenen Schreiben den Nuntius um Intervention zugunsten der ausstehenden päpstlichen Anerkennung. Am selben Tag gossen die „Münchner Neuesten Nachrichten“ gleichsam Öl ins Feuer des Ernennungsprozesses, indem sie schrieben: „Man hört, dass vor der Ernennung des neuen Erzbischofs von Bamberg durch die Krone von der bayerischen Staatsregierung die Zustimmung der römischen Kurie eingeholt worden sein soll. Das würde der Verfassung nicht entsprechen“246. Der „Bayerische Kurier“ griff diese Demarche dahingehend auf, dass er den modus vivendi als den „für alle, die gute Beziehungen zwischen Staat und Kirche wünschen, … selbstverständliche(n) Weg“247 charakterisierte. Dennoch war die romfeindliche Stellungnahme der „Münchner Neuesten Nachrichten“, die Nuntius Frühwirth umgehend dem Kardinalstaatssekretär zur Kenntnis gab248, sicherlich nicht unbedingt dazu geeignet, das Vertrauen des Vatikans gegenüber der bayerischen liberalen Presse zu stärken. Die Ernennung Haucks stand aus staatlicher Sicht deshalb unter keinem guten Stern, weil die Veröffentlichung dieses Akts im vatikanischen Amtsblatt, den „Acta Apostolicae Sedis“, sich des Verbs „eligere“ bediente, während noch bei der letzten vorhergehenden Bischofsernennung in Bayern, der Berufung des Speyerer Bischofs Michael von Faulhaber, zugesichert worden war, in päpstlichen Bullen nur noch den Ausdruck „praeficere in episcopum“ zu verwenden. Die staatlichen Behörden nutzten eine philologische Petitesse, um den bereits vom Ministerium Lutz im Kulturkampf erhobenen Vorwurf erneut ins 244
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Goepfert an Frühwirth v. 19.5.1912, ebd. Das vorausgehende Schreiben des Nuntius an Goepfert liegt nicht vor. Hauck an Frühwirth v. 25.5.1912, ebd. Münchner Neueste Nachrichten v. 25.5.1912. Bayerischer Kurier v. 27.5.1912. Vgl. Frühwirth an Merry del Val v. 25.5.1912, in: ASV ANM 270.
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Spiel zu bringen, dass der Heilige Stuhl das Nominationsrecht der Bischöfe in Bayern an sich ziehen wolle249. Sie fühlten sich somit in ihren Protesten gegen den letztgenannten Ausdruck, der eine päpstliche Wahl des Kandidaten insinuierte, bestärkt250. Umgekehrt zeigte sich Kardinalstaatssekretär Merry del Val darüber sehr zufrieden, dass die Regierung sich im Vorfeld der Ernennung mit dem Heiligen Stuhl über die Personalentscheidung verständigt, also das Agrément gesucht hatte251. Wenn der Name Hauck gleichwohl bereits zuvor in aller Munde in Bayern gewesen sei, so sei daran die Presse schuld, ließ der Nuntius den Kardinalstaatssekretär wissen. Die Zeitungen nämlich hätten nichts für sich behalten können und die Personalie schon vorab publik gemacht, so dass der Staat sich im Zugzwang gesehen habe, sie bereits vor Eingang der päpstlichen Präkonisation auch offiziell an die Presse zu geben252. In den Augen Frühwirths konnte darin auch ein Druckmittel gesehen werden, um die Bestätigung des Heiligen Stuhls möglichst rasch zu erlangen. Tatsächlich interpretierte beispielsweise der „Bayerische Kurier und Münchner Fremdenblatt“ die Tatsache, dass Haucks Ernennung „amtlich gemeldet wurde“, als aussagekräftigen Beweis dafür, dass „der Hl. Vater dem ernannten Erzbischof nach Art. IX des Konkordates nach den gewöhnlichen Formen die kanonische Einsetzung erteilen wird“253. Der Heilige Stuhl fühlte sich – ausweislich der Berichte des Gesandten Otto Freiherr von Ritter zu Groenesteyn254 – nicht zuletzt dadurch besänftigt, dass „wieder einmal ein Pfarrer zur Bischofswürde erhoben werde“255 und sagte am 17. Juni 1912 schließlich auch deshalb eine schnellstmögliche Präkonisation zu, weil der Prinzregent schwer krank war256. Dieser Akt der päpstlichen Bestätigung des Ernannten sei auch deshalb sehr zeitnah möglich, weil er nicht mehr wie in früheren Zeiten an ein Konsistorium gebunden sei, sondern durch eine jederzeit ausstellbare Bulle erledigt werde, wie der bayerische Vatikangesandte nach München schrieb257. 249
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1876 war es um die Interpretation des Verbs „proponere“ gegangen. Vgl. Litzenburger, Bayerischer Kulturkampf und Konkordat, S. 28, Anm. 17; u. Buxbaum, Würzburg und Speyer, S. 420f. Vgl. Knilling an Ministerium des Auswärtigen v. 3.7.1912, in: BHStA München, MK 19809. So auch der Tenor des Berichts von Ritter v. Groenesteyn v. 22.7.1912, in: BHStA München, MA 99413. Im Vorfeld war das Ministerium bei Ritter vorstellig geworden, um den für Speyer genutzten Terminus zu vermeiden. So meldete Ritter am 8.5.1912 an das Ministerium des Auswärtigen, vgl. ebd. Vgl. den Bericht Frühwirths an Merry del Val v. 23.5.1912, in: ASV ANM 270. Bayerischer Kurier und Münchner Fremdenblatt v. 24.5.1912. Zu Ritter zu Groenesteyn (1864–1940), 1909–1934 bayerischer Gesandter beim Hl. Stuhl, vgl. DBE2, Bd. 8 (2007), S. 450. Ritter zu Groenesteyn an Ministerium des Auswärtigen v. 1.6.1912, in: BHStA München, MA 99413. Vgl. Ritter zu Groenesteyn an Ministerium des Auswärtigen v. 17.6.1912, ebd. Vgl. Ritter zu Groenesteyn an Ministerium des Auswärtigen v. 1.6.1912, ebd.
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In der liberalen Presse hingegen schlug die vorherige Verständigung zwischen Staat und Kirche über die Bamberger Personalangelegenheit einige Wellen. Die „Münchner Neuesten Nachrichten“ beispielsweise bezichtigten die Regierung des Verfassungsbruchs, weil sie entgegen den gesetzlichen Vorgaben die Einwilligung Roms eingeholt habe258. Das Kultusministerium dementierte umgehend jegliche Vorwürfe des Vertragsbruchs und verwies darauf, dass die Erzbischofsernennung gemäß den bisher üblichen Verfahren vollzogen werde. Andere Zeitungen, wie etwa der „Bayerische Kurier“ lobten die Staatsbehörden dafür, dass sie potenziellen Konflikten durch die Verständigung mit dem Heiligen Stuhl vorgebeugt hätten. Tatsächlich wurde Hauck bereits fünf Wochen nach der staatlichen Ernennung, am 12. Juni 1912, durch Papst Pius X. bestätigt. Am 25. Juli fanden dann Konsekration und Inthronisation des neuen Erzbischofs im Bamberger Dom statt, der nach Ansicht Ernst Deuerleins „bisher der bedeutendste Kirchenfürst Bambergs seit dessen Erhebung zum Erzbistum“259 werden sollte. Interessanterweise wurde diese Zeremonie nicht durch den Münchner Metropoliten, Franziskus von Bettinger, sondern durch den Bischof von Würzburg, Ferdinand von Schlör, als dem (dienst)ältesten Suffraganbischof durchgeführt.
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Vgl. Münchner Neueste Nachrichten v. 25.5.1912. Deuerlein, Hauck, S. 225.
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Bischofsernennung 1894/1895
M
it dem Tod des Bischofs Pankratius von Dinkel260 am 8. Oktober 1894 ging im Bistum Augsburg261 zweifelsohne eine Epoche zu Ende, denn 36 Jahre lang hatte er dieses Amt bekleidet, weshalb nach Ansicht des Augsburger Bistumshistorikers Thomas Groll dessen Bedeutung „in der bisherigen Forschung da und dort etwas lokalpatriotisch überhöht“262 worden sei. Da der gebürtige Franke und Bamberger Diözesanpriester Dinkel „beim bayerischen Königshaus, insbesondere bei … Prinzregent Luitpold, in hohem Ansehen“263 gestanden und zudem mehr als 20 Jahre der Ersten Kammer der Reichsräte angehört hatte264, liegt es auf der Hand, dass die Wittelsbacher ein besonderes Interesse an der Neubesetzung mit einem überzeugten Monarchisten hatten. Eine Lösung der Nachfolgefrage durch Einsetzung eines Koadjutors, wie sie der bereits 83-jährige Bischof Dinkel noch wenige Monate vor seinem Tode gegenüber Nuntius Andrea Aiuti favorisiert hatte, kam nicht mehr zum Tragen265. Als aussichtsreicher Kandidat war der Domherr Antonius Henle im Gespräch, der durch eine kurzzeitige Tätigkeit als Kanonikus an der Hofkirche St. Kajetan in München die Aufmerksamkeit der Staatsbehörden erlangt hatte266. Verfolgt man die Pressemeldungen in der Zeit der Sedisvakanz des Augsburger Bistumsstuhls, so wurden dort allein 16 verschiedene Namen möglicher Kandidaten gehandelt267. Zum Zuge kam der vom früheren Nuntius Antonio Agliardi immer wieder für einen Bischofsstuhl vorgeschlagene Provinzial der bayerischen Franziskaner, Petrus Hötzl OFM268, den er im Übrigen auch beim Informativprozess
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Zu Dinkel (1811–1894) vgl. Rummel, Dinkel, in: Gatz, Bischöfe, S. 134–136; Bigelmair, Dinkel, in: Lebensläufe aus Franken, Bd. 6 (1960), S. 109–127; Zoepfl, Dinkel, in: NDB, Bd. 3 (1971), S. 731f.; Haimerl, Dinkel, in: LThK2, Bd. 3 (1959), Sp. 396, sowie zuletzt Urban (Hrsg.), Der Bischof aus Staffelstein; u. Groll, Dinkel, in: JVABG, Bd. 39 (2005), S. 303–321. Zu den Bischöfen von Augsburg allgemein vgl. die Überblicksdarstellung von Rummel, Die Augsburger Bischöfe, Weihbischöfe und Generalvikare, in: JVABG, Bd. 24 (1990), S. 25–114, hier insbes. S. 61–65. Zur Bistumsgeschichte vgl. im Überblick Rummel, Bistum Augsburg, in: Gatz, Die Bistümer der deutschsprachigen Länder, S. 43–54. Groll, Dinkel, S. 319. Rummel, Dinkel, in: Gatz, Bischöfe, S. 136. Dinkel war Ehrenbürger von Erlangen (1858) und von seiner Heimatstadt Staffelstein (1862). Vgl. Urban, Der Bischof aus Staffelstein, S. 51. Dinkel war 1861–1882 Reichsrat, vgl. Urban, Der Bischof aus Staffelstein, S. 41. Vgl. Groll, Dinkel, S. 318. Vgl. Würdinger, Das Passauer Domkapitel, S. 186. Vgl. Minges, Hötzl, in: Die bayerische Franziskanerprovinz, S. 130–155, hier S. 144. Zu Hötzl vgl. Rummel, Hötzl, in: Gatz, Bischöfe, S. 316f.; Rummel, Hötzl, in: JVABG,
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für den von Passau nach München und Freising transferierten Erzbischof Antonius von Thoma als Zeugen beteiligt hatte269. Vor allem hatte er ihn bereits bei der Bamberger Neubesetzung 1890 dem Kardinalstaatssekretär wärmstens empfohlen. Offenbar hatte sich Agliardi anlässlich seines Wechsels nach Wien 1893 vom Ministerratsvorsitzenden und Außenminister Krafft Graf von Crailsheim die Zusage geben lassen, dass Hötzl in naher Zukunft einen Bischofsstuhl erhalte270. Der unter dem Namen Alois Matthias Hötzl als Sohn eines königlichen Postschaffners in der bayerischen Hauptstadt München geborene Ordensmann war nach dem in Freising abgelegten Abitur – er soll keineswegs ein hervorragender Schüler gewesen sein271 – 1856 in den Bettelorden der Franziskaner eingetreten und hatte dort den Ordensnamen Petrus de Alcantara erhalten. Nur wenige Jahre nach der 1860 empfangenen Priesterweihe war er zunächst als Lektor für Philosophie, ab 1864 auch für Exegese und Kirchengeschichte, an der ordenseigenen Studienanstalt (Hausstudium) für den Nachwuchs der bayerischen Franziskaner bei St. Anna im Lehel in München berufen worden272. Zudem fungierte er ab 1880 für ein Jahrzehnt als Klerikermagister, d.h. als Betreuer der Ordensstudenten, und bekleidete seit 1891 das Amt des Provinzials der Bayerischen Franziskanerprovinz. Von der theologischen Richtung her hatte sich Hötzl dezidiert als „Sympathisant Döllingers“273 exponiert, zumal er in einer 1870 erschienenen Schrift mit der provozierenden rhetorischen Frage „Ist Döllinger Häretiker?“274 als Titel dessen Position als Gegner der päpstlichen Unfehlbarkeit geschichtlich begründet verteidigte. Obwohl Hötzls Traktat anonym bzw. nur mit seinen Initialen versehen erschienen war, hatte sich seine Autorschaft nicht lange geheim halten lassen, was auf Veranlassung Pius’ IX., der „aufs Äußerste entrüstet“275 gewesen war, dazu geführt hatte, dass der Franziskanerpater von seinem Ordensgeneral nach Rom zitiert wurde. Obgleich er sich dort unter dem Ein-
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Bd. 5 (1971), S. 19–58, u. als bisher ausführlichste biographische Darstellung Groll, Hötzl, in: JVABG, Bd. 37 (2003), S. 112–167. Hier auch eine detaillierte Auswertung der staatlichen, nicht aber der vatikanischen Quellen zur Bischofsernennung Hötzls. Vgl. auch Minges, Hötzl; sowie Körner, Staat und Kirche, S. 119f. Hier, S. 107, wird Hötzl fälschlich dem Kapuzinerorden zugerechnet. Vgl. Schwaiger, Das Erzbistum München und Freising, S. 176. Vgl. hierzu Groll, Hötzl, S. 135, u. Minges, Hötzl, S. 143, unter Verweis auf einen Bericht der Augsburger Postzeitung v. 9.3.1904. Vgl. Groll, Hötzl, S. 113. Zu den wissenschaftlichen Veröffentlichungen Hötzls vgl. Rummel, in: Gatz, Bischöfe, S. 317, sowie kommentiert bei Groll, Hötzl, S. 115. Imkamp, Theologie von der Jahrhundertwende bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs, in: Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte, S. 542. Zum Fall Schell vgl. ebd., S. 551–560. Vgl. P[etrus] H[ötzl], Ist Döllinger Häretiker?, München2 1870. Zum Kontext vgl. auch Groll, Hötzl, S. 116–120. Laut Minges, Hötzl, S. 141, gab es auch eine dritte Aufl. Groll, Hötzl, S. 121.
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fluss seiner Oberen dem Gehorsam des Papstes unterwarf und seine Kritik am kurze Zeit später definierten Infallibilitätsdogma widerrief276, musste sein zeitweiliger „Ungehorsam“ auch ein knappes Vierteljahrhundert später in der Kurie noch bekannt sei, zumal er weiterhin mit Döllinger in Kontakt stand. Wenn Hötzls Biograph, Mitbruder und Nachfolger im Amt des Lektors Parthenius Minges OFM behauptete, er habe den Kontakt mit Döllinger lediglich in der Absicht gesucht, „ihn wieder in den Schoß der katholischen Kirche zurückzuführen“277, mag dies eine nachträgliche Exkulpation des späteren Bischofs sein. Jedenfalls wird hier Hötzls Verbannung vom Posten des Lektors in München nach Pfreimd in der Oberpfalz 1872 als Folge einer von diesem angemahnten Reform des Ordensstudiums interpretiert278, ohne in Zusammenhang mit dem Widerruf seiner Döllinger-Schrift gestellt zu werden. Überdies geht Minges über eine mögliche Nachwirkung dieser Auseinandersetzung mit dem lapidaren Satz hinweg, dass „niemand … späterhin je an seiner Orthodoxie gezweifelt“279 habe. Hötzl, der später auch noch zugunsten des umstrittenen Würzburger Dogmatikers Herman Schell Stellung bezogen hatte, war nach dieser Affäre jedoch ein „auch in höheren gesellschaftlichen Kreisen geschätzter Beichtvater“280 geworden. Am 22. Oktober 1894 ließ der Prinzregent den Kultusminister Müller, dem neben würdevollem Auftreten und guten gesellschaftlichen Umgangsformen eine „milde versöhnliche Gesinnung“281 bei Hötzl positiv auffiel, darum bitten, für die Neubesetzung des Augsburger Bischofsstuhls mit Hötzl „die nötigen, einleitenden Schritte zu tun“282. Der Franziskanerprovinzial war ihm wohl auch deshalb ein Begriff, weil er in seiner Eigenschaft als bekannter Exerzitienmeister einer Tochter des Herzogs Karl Theodor von Bayern in Vorbereitung auf die Erstkommunion Exerzitien gegeben hatte283. Die Vertrautheit zwischen Regierung und erwähltem Bischof zeigte sich darin, dass Außenminister Graf Crailsheim Petrus Hötzl bereits am Tage der Beerdigung des Bischofs von Dinkel von der erfolgten Ernennung des Prinzregenten informiert hatte284, während er den Münchner Nuntius Aiuti erst am 23. Oktober über diese Personalie in Kenntnis setzte und diesen wissen ließ, er habe inzwischen über Baron Cetto bei Kardinalstaatssekretär Rampolla darum gebeten, „de lui demander si rien s’oppose à la publication de la nomination“285. 276 277 278 279 280
281 282 283 284 285
Vgl. deutsche Übersetzung der Widerrufserklärung bei Minges, Hötzl, S. 138f. Ebd., S. 131. Vgl. ebd., S. 132. Ebd., S. 140. Ebd., S. 114, der darauf verweist, dass Hötzl eine Prinzessin aus dem Hause Wittelsbach auf die Erstkommunion vorbereitet habe. So v. Müller an Luitpold v. 7.11.1894, in: BHStA München, MK 38990. Generaladjutant v. Zoller an Müller v. 22.10.1894, in: BHStA München, MA 88176. Vgl. Minges, Hötzl, S. 142, Anm. 1. Vgl. Bericht des Stadtpfarrers Schuster, Mindelheim, abgedruckt ebd., S. 143f. Crailsheim an Hötzl o.D., in: ASV ANM 173.
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Wie wichtig die Augsburger Neubesetzungsfrage auch für den nunmehr amtierenden Nuntius war, ist zum einen daran abzulesen, dass er umgehend um eine Unterredung mit Crailsheim ersuchte, die ihm auch innerhalb weniger Tage gewährt wurde286. Zum anderen informierte er die Kurie über den Lebenslauf Hötzls, indem er sich auf Informationen „da persone competenti e superiori“287, nämlich des Münchner Erzbischofs Thoma und des Passauer Bischofs und vormaligen Münchner Generalvikars Rampf, bezog. Demnach sei der Franziskaner-Provinzial eine fromme, integre und eifrige Priesterpersönlichkeit („e uomo pio, istruito integro nei costa di modi contesi, prudenti, zelante del bene delle anime“). Aiuti vergaß nicht zu erwähnen, dass Hötzl sich während des Ersten Vatikanums als Gegner des Unfehlbarkeitsdogmas öffentlich bekannt habe, jetzt aber „devoto alla Santa Sede“ sei und sich als Novizenmeister und Professor für Philosophie an der ordensinternen Hochschule hervorgetan habe. Die ausführlichen Informationen zu Hötzls Curriculum vitae sowie nicht zuletzt ein wenige Tage später nachgereichtes Postscriptum, in dem es hieß, er habe vergessen zu erwähnen, dass der Franziskanerprovinzial auch „per lunghi anni Professore Teologia nell istesso Istituto“288 gewesen sei, lassen das besondere Interesse Aiutis an einer erfolgreichen Nomination Hötzls erkennen. In der bayerischen Regierung war man sich aber – wohl im Wissen um den Konflikt Hötzls mit der Kurie im Kontext des Infallibilitätsdogmas 1870 – bewusst, dass die Personalentscheidung zwar in der Nuntiatur, nicht aber in der römischen Kurie auf Wohlgefallen stoßen würde. Ein Fingerzeig für die erwarteten Probleme mit dieser Personalentscheidung lässt sich im eigens unterbrochenen Urlaub des Vatikangesandten Cetto erkennen, der aus Turin nach Rom zurückberufen wurde und dessen Aufgabe es sein sollte, „etwaigen Schwierigkeiten wegen der Ernennung des Petrus Hötzl … zu begegnen und eine Lösung der Angelegenheit auf dem Wege konfidentieller Besprechungen mit Kardinal Rampolla möglichst zu beschleunigen“289. Letzterer zeigte sich dann auch bei der dem Gesandten gewährten Unterredung recht zurückhaltend, was die Person Hötzls anbetraf, und bekannte, er könne sich „erst nach gepflogener Rücksprachnahme mit dem heiligen Vater … über die Persönlichkeit des Paters Hoetzl und dessen Geeignetheit für das ihm zugedachte Amt äußern“290. Der Kultusminister kommentierte die Nachrichten aus Rom gegenüber dem Innenminister als „Verstimmung des Kardi286 287
288 289 290
Vgl. Crailsheim an Aiuti, o.D., ebd. Aiuti an Rampolla v. 28.10.1894, ebd. Hier auch das folg. Zit. Vgl. auch Betz, Die bayerische Gesandtschaft beim Heiligen Stuhl, S. 101–107. Aiuti an Rampolla v. 31.10.1894, in: ASV ANM 173. So Crailsheim an Cetto v. 23.10.1894, in: BHStA München, Ges PS 739. Cetto an Crailsheim v. 30.10.1894, in: BHStA München, MK 38990.
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nals Rampolla“291, die jedoch keineswegs von der Regierungsseite ausgelöst worden sei. Es sei jetzt zu hoffen, dass „die Angelegenheit in ein günstigeres Stadium gelangt“. Im Nachhinein berichtete Cetto dann nach München, die schlechte Laune Rampollas rühre zum einen aus der Tatsache, dass er sich über die Haltung Leos XIII. zu Hötzl nicht im Klaren gewesen sei. Außerdem habe er sich daran gestoßen, dass im offiziellen Schreiben des Prinzregenten an den Nuntius von einer „irrévocablement décidée“, also einer unwiderruflichen Entscheidung für den Kandidaten Hötzl, die Rede gewesen sei, Aiuti diesen Sachverhalt aber nicht expressis verbis nach Rom weitergemeldet habe292. Dieser Sprachgebrauch aber sei bisher vollkommen unüblich gewesen, zumal es im Vorfeld auch keine vertrauliche Unterredung über die beabsichtigte Personalentscheidung gegeben habe. Hinzu käme die Tatsache, dass bei Hötzl das kanonische Hindernis der Ordensgelübde vorliege, weshalb der Heilige Vater der vorgesehenen Ernennung zudem seine Zustimmung verweigern könne. Wie Anton Scharnagl dargelegt hat, handelt es sich dabei um „eine reine Gnadensache“293 des Papstes ohne rechtlichen Anspruch. Kurze Zeit später zeichnete sich aber laut Telegramm Cettos eine Zustimmung des Papstes zur Entbindung von den Ordensgelübden ab, womit deutlich wird, dass der Vorbehalt gegen den Münchner Franziskaner-Provinzial bei Rampolla lag, was daher rühren könnte, dass dieser 1870 als Mitarbeiter in jener päpstlichen Kongregation tätig gewesen war, welche die „Causa Hötzl“ behandelt hatte. Die Dispens Leos XIII., die am 3. November bei Nuntius Aiuti eintraf und von diesem zwei Tage später dem Außenminister schriftlich überbracht wurde294, war jedenfalls in München als ein klares Zeichen gesehen worden, dass die päpstliche Bestätigung Hötzls nicht mehr verhindert, allenfalls noch hinausgezögert werden dürfte. Gleichwohl wollte der bayerische Gesandte auf Nummer sicher gehen und suchte nochmals Rampolla auf, der sich offenbar in der Defensive sah und ihm versicherte, „einer Acceptation des … Paters Hoetzl von Seite des Heiligen Vaters nicht entgegenwirken“295 zu wollen. Erst jetzt sah sich Prinzregent Luitpold mit Datum vom 7. November in der Lage, die offizielle Nomination Hötzls auszusprechen, unter Hinweis auf die „milde, versöhnliche Gesinnung sowie gute gesellschaftliche Umgangsformen und ein würdevolles Äußeres“296 des Franziskaner-Provinzials. Aber das waren alles Stereotype eines bischöflichen Idealbildes aus Sicht der Regierung.
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Kultusministerium an Ministerium des Innern v. 4.11.1894, ebd. Hier auch das folg. Zit. Vgl. Cetto an Ministerium des Auswärtigen v. 31.10.1894, ebd. Scharnagl, Königliche Nomination, S. 258. Vgl. Aiuti an Kultusminister v. 5.11.1894, in: BHStA München, MK 38990. Am 30.11.1894 erbat Aiuti zudem beim Staatssekretariat die Erlaubnis für Hötzl die bischöfliche Kleidung tragen zu dürfen. Vgl. Entwurf des Schreibens, in: ASV ANM 173. So Cetto an Crailsheim v. 2.11.1894, in: BHStA München, MK 38990. Vgl. Nominationsdekret v. 7.11.1894, ebd.
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Da Crailsheim sehr daran gelegen war, bereits vor der päpstlichen Präkonisation den Namen Hötzl öffentlich publik machen zu können, verfuhr er zweigleisig, indem er sowohl über Cetto als auch über Nuntius Aiuti die päpstliche Zustimmung zu erlangen versuchte. Rampolla, dem offenbar bewusst geworden war, dass es inopportun wäre, seinen Konfrontationskurs aufrecht zu erhalten, bestätigte am 18. November gegenüber Cetto die für das nächste Konsistorium vorgesehene Präkonisation des neuen Augsburger Bischofs und ließ zudem wissen, dass der erforderliche Kanonische Prozess bereits eingeleitet sei297. Aiuti hatte bereits eine knappe Woche zuvor gegenüber dem Ministerpräsidenten die päpstliche Zustimmung zur Publikation der Personalie Hötzl betont298. War damit das vatikanische Einlenken endgültig, so blieben für Hötzl selbst noch Fragen übrig. So bat er Nuntius Aiuti eindringlich, beim Kardinalstaatssekretariat die Bitte zu äußern, als Bischof sein Ordenskleid ablegen und die bischöfliche Kleidung tragen zu dürfen299. Aiuti gab die Befürchtung des designierten Bischofs, im Franziskanerhabit zum einen bei den Protestanten nicht als Bischof wahrgenommen zu werden und zum anderen selbst unter den katholischen Gläubigen nicht die gebührende Autorität zu besitzen, ausführlich nach Rom weiter300. War schon die Personalentscheidung des Prinzregenten auf das sichtbare Wohlgefallen des Nuntius getroffen, so unterstützte Aiuti auch jetzt ausdrücklich das Anliegen Hötzls, römische Bedenken gegen die Ernennung eines Ordensgeistlichen zum Bischof mit dem Hinweis auf die im 19. Jahrhundert in Bayern bereits vorangegangenen Präzedenzfälle der Ernennung der Benediktiner Gregor Scherr und Daniel Bonifaz Haneberg301 weiter zu entkräften. Damit wird deutlich, dass der Nuntius nicht nur aus diplomatischen Erwägungen heraus gegenüber Crailsheim betont hatte, Hötzl „sera un excellent évêque“302, sondern dass diese persönliche Wertschätzung auch gegenüber der Kurie in Rom zum Tragen kam. Erst als Hötzl die päpstliche Entbindung von den Ordensgelübden in Händen hielt, reichte er auch beim Ordensgeneral die Demission als Provinzial ein, die ihm am 28. Februar 1895 gewährt wurde303. Dass das Ablegen der Ordenskleidung im Klerus nicht allgemein positiv goutiert wurde, sondern als Hang der Selbstgefälligkeit und Inszenierung des 297
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Vgl. Rampolla an Cetto v. 18.11.1894 bzw. Cetto an Crailsheim v. 19.11.1894, in: BHStA München, MA 88176. Vgl. Aiuti an Crailsheim v. 11.11.1894, ebd., Entwurf, in: ASV ANM 173. Vgl. Hötzl an Aiuti v. 29.11.1894, ebd. Vgl. Aiuti an Kardinalstaatssekretariat v. 30.11.1894, ebd. Zu Scherr (1804–1877), 1856 Erzbischof von München-Freising, vgl. Zeis, Scherr, Gregor von, in: Gatz, Bischöfe, S. 654–656; zu Haneberg (1816–1876), 1872 Bischof von Speyer, vgl. Gatz, Haneberg, in: Ders., Bischöfe, S. 281–284. Dazu Landersdorfer, Gregor von Scherr. Aiuti an Crailsheim v. 11.11.1894, in: BHStA München, MA 88176; Entwurf, in: ASV ANM 173. Vgl. Groll, Hötzl, S. 139f.
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aus „den unteren Volksklassen“304 stammenden Hötzl interpretiert wurde, belegt eine Anspielung des nach eigener Aussage in früheren Jahren einmal mit Hötzl befreundeten Freiburger Pfarrers und Reiseschriftstellers Heinrich Hansjakob, der ironisch reflektierte: „Wenn ich ein Ordensmann wäre und es in der Schwäche so weit gebracht hätte, ein mir angebotenes Bistum zu übernehmen, so würde ich meinen Ordenshabit unter allen Umständen am Leibe behalten und das Bischofskreuz auf meine Kutte legen. Das sähe auf einer Franziskaner- oder Kapuzinerkutte und überhaupt auf jedem Ordenskleid nicht bloß demütig, sondern auch malerisch aus.“305 Hötzls Biograph Minges hingegen verteidigte das Ablegen des Ordenskleides, da „er als Bischof auch standesgemäß auftreten … und Rücksicht auf die Wünsche des Hofes nehmen musste“306. Dass sich die päpstliche Präkonisation des Augsburger Bischofs bis zum 18. März 1895 hinauszögerte, war keine Folge vatikanischer Verzögerungstaktik, sondern lag schlicht und einfach daran, dass in den Wintermonaten kein Konsistorium abgehalten wurde. Erzbischof Thoma konsekrierte Petrus Hötzl am 1. Mai 1895 in der Augsburger Domkirche. Da dieser trotz seiner früheren wissenschaftlichen Tätigkeit über keinen Doktortitel verfügte, verlieh ihm die Katholisch-Theologische Fakultät München am 25. März 1895 das Ehrendoktorat. Nach seiner Bischofsweihe und Inthronisation war der neue Bischof von Augsburg sichtlich bemüht, etwaige Irritationen hinsichtlich seiner Treue zum Papst zu beseitigen. So lässt es sich jedenfalls deuten, dass er über den Nuntius seinen Dank an Leo XIII. für die ihm zuteil gewordene Ehre der päpstlichen Präkonisation aussprechen ließ307. Die Nobilitierung infolge Verleihung des Ritterkreuzes des Verdienstordens der bayerischen Krone erfolgte ein halbes Jahr nach der Bischofsweihe, und zwar am 1. November 1895308. Sicherlich nicht zuletzt weil Hötzl auch in seiner Amtsführung „von großer Staatsloyalität [war] und in Prinzregent Luitpold einen Garanten für Ruhe, Sicherheit und religiösen Frieden“309 sah, wurde er am 20. März 1898 als Nachfolger des als Erzbischof nach München und Freising transferierten Würzburger Bischofs Stein, der damit von Amts wegen der Kammer der Reichsräte angehörte, in den Reichsrat berufen310. Lässt man die Schwierigkeiten der Ernennung Hötzls Revue passieren, wird man sich abschließend 304 305
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Minges, Hötzl, S. 153. Hansjakob, Sonnige Tage, S. 158, wobei die Anspielung auf Hötzl eindeutig ist, ohne dass dessen Name genannt wird. Minges, Hötzl, S. 145. Vgl. Entwurf des Schreibens v. Aiuti an Kardinalstaatssekretariat v. 28.5.1895, in: ASV ANM 173. Urkunde v. 31.10.1895 u. Schreiben Luitpolds an Hötzl v. 1.11.1895, in: BHStA München, MA Ordensakten 1818. Rummel, Hötzl, S. 317. Vgl. Groll, Hötzl, S. 148. Dort „trat er nicht besonders hervor“, wie Minges, Hötzl, S. 151, berichtet.
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kaum der in einem Nachruf aufgestellten und von frühen Biographen des Bischofs aufgegriffenen Behauptung311 anschließen können, dass diese Personalentscheidung seitens des Vatikans vollkommen unproblematisch erfolgt sei.
Bischofsernennung 1902 Am 9. März 1902 traf der Tod Bischof von Hötzls, der noch im Vorjahr zum Päpstlichen Thronassistenen und Comes Romanus erhoben worden war, kirchliche wie staatliche Stellen plötzlich. In den obligatorischen Mutmaßungen der Presse bezüglich eines Nachfolgers fiel vor allem als Kandidat ultramontaner Kreise der Name des Generalvikars in München-Freising, Dr. Marcellus Stigloher312. Dieser war 1890 durch Kapitelswahl in das Münchner Metropolitankapitel gelangt und von dem seit 1898 amtierenden Erzbischof Stein, in dessen Kanonischem Informativprozess er bereits einer der vier Zeugen gewesen war313, als Generalvikar ausgewählt worden. Stigloher, ein sowohl „theologisch versierter als auch praktisch veranlagter und volksnaher Geistlicher“314, war einige Zeit zuvor einer breiteren Öffentlichkeit in Bayern dadurch bekannt geworden, dass er dem in Mischehe lebenden Generalstabschef der bayerischen Armee, General von Lobenhoffer, nach dessen Tod ein kirchliches Begräbnis verweigert hatte315. Zwar ist aus Pressevermutungen nicht zu verifizieren, inwieweit streng kirchlich orientierte Kreise im bayerischen Episkopat bzw. Nuntius und Heiliger Stuhl Stigloher nun wirklich als episkopabel ansahen. Jedoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass die politische Führung im Königreich auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts bzw. 15 Jahre nach Ende des Kulturkampfes dessen Verhalten als Fauxpas wertete und ihn deshalb zur „persona minus grata“ erklärte. Die Wahl des Kultusministers Robert von Landmann fiel daher auf den aus der Diözese Augsburg stammenden, aber seit Übernahme einer Domherrenpfründe in Bamberg 1881 dem dortigen Klerus angehörenden Maximilian Lingg316. Landmann begründete seinen Vorschlag gegenüber dem Prinzregenten am 18. März 1902 damit, dass Lingg nicht nur als einer der be311 312
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Vgl. Minges, Hötzl, S. 144 unter Verweis auf die Augsburger Abendzeitung. Zu Stigloher (1838–1905) vgl. Gatz, Stigloher, in: Ders., Bischöfe, S. 739, u. Nesner, Das Metropolitankapitel in München, S. 545. Vgl. Schwaiger, Das Erzbistum München und Freising, S. 191. Nesner, Das Metropolitankapitel in München, S. 545. Vgl. Bericht der „Neuen Bayerischen Zeitung“ v. 13.3.1902, zit. nach BHStA München, MK 38990. Zu Lingg (1842–1930) vgl. die ausführliche Biographie von Buxbaum, Lingg; u. Rummel, Lingg, in: Gatz, Bischöfe, S. 450f.; Buxbaum, Lingg, in: NDB, Bd. 14 (1985), S. 624f.; Mann, Bischof zwischen Monarchie und Republik, in: Ebbes, Bd. 12 (1990/91), S. 30– 43; DBE, Bd. 6 (2006), S. 470; sowie neuerdings Berger, Lingg, in: BBKL, Bd. 28 (2007), Sp. 1028–1040.
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sten seines Jahrgangs die Pfarrkonkursprüfung bestanden habe, sondern dass er „unter dem Klerus nicht nur der Erzdiözese Bamberg, sondern auch der übrigen bayerischen Diözesen durch sein reiches Wissen, seine langjährige lehramtliche Tätigkeit und seine kräftige … Mitwirkung bei der Verwaltung … eine hervorragende Stellung“317 einnehme. Dass Landmann und Lingg sich aus gemeinsamen Studienjahren in München persönlich kannten, erwähnte der Kultusminister gegenüber Luitpold nicht. Da Lingg nach Abschluss seiner theologischen und philosophischen Studien noch nicht das vorgeschriebene Mindestalter für den Empfang der Priesterweihe erreicht hatte, begann er noch ein Zweitstudium der Rechtswissenschaften, das er nach seiner Priesterweihe abschließen und durch eine kirchliches und weltliches Recht verbindende Dissertation krönen konnte318. Mit dem Doktor iuris utriusque hatte Lingg die Basis für seinen weiteren Aufstieg bereitet, zumal er als Student an der Juristischen Fakultät der Münchner Universität mit der künftigen politischen Elite des Königreichs, darunter Landmann, zusammentraf319. Inwieweit die Studienbekanntschaft über Jahrzehnte gehalten hatte oder aber im Kontext der Augsburger Sedisvakanz erst neu wieder belebt wurde, lässt sich nicht mehr bestimmt rekonstruieren. Für eine Vertraulichkeit zwischen Bischofskandidat und Kultusminister spricht aber die Tatsache, dass Landmann Lingg vorab über sein Ansinnen informierte, diesen bei der Neubesetzung „besonders mit in Betracht zu ziehen“ zu wollen. Diesem Vorschlag widerspreche lediglich, dass – wie dem Minister von dritter Seite unterbreitet worden sei – Lingg in einem Vortrag anlässlich des Todes von König Ludwig II. 1886 in Bamberg sich abträglich gegenüber dem Königshaus geäußert habe320. Lingg zeigte sich angesichts des bevorstehenden Karrieresprungs sichtlich überrascht, erklärte sich aber sogleich bereit, dem Wunsch der „gottgesetzten Vorgesetzten“321 zu entsprechen und erklärte beflissen, in dem inkriminierten Vortrag, einer gedruckten Trauerrede auf den verstorbenen Monarchen, sei seiner Ansicht nach auch nach 16 Jahren kein „Mangel an Patriotismus zu finden“, weshalb er ein Exemplar getrost beilegen könne. Im Übrigen verwies er auf seine fünfjährige Tätigkeit am königlichen Hof und beklagte, „im Laufe der Jahre manchen Gegner gerade dadurch bekommen zu haben, weil man aus tiefster Überzeugung auch König und Staat zu geben suchte, was ihnen gehört“. Diese Bemerkung bezog sich möglicherweise auf die Ablehnung Linggs anlässlich der Neubesetzung der Augsburger Dompropstei 1890, für die Bischof von Dinkel mit der Bemerkung gesorgt 317
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Landmann an Prinzregent Luitpold v. 18.3.1902, in: BHStA München, MK 38990. Hier auch das folg. Zit. Das Schreiben ist auch abgedruckt bei Buxbaum, Lingg, S. 160–163. Vgl. Buxbaum, Lingg, S. 19f. Vgl. hierzu ebd., S. 35, Anm. 210. Landmann an Lingg v. 3.3.1902. Entwurf, in: BHStA München, MK 38991. Lingg an Landmann v. 14.3.1902, ebd.
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hatte, dass der Bamberger Domherr „im Klerus Schwabens keineswegs nur Verehrung und Hochachtung genieße“322. Auch sei er bereits 1890 Favorit des damaligen Ministerratsvorsitzenden Lutz für den Bamberger Erzbischofsstuhl gewesen, nach dem Rücktritt von Lutz jedoch nicht mehr berücksichtigt worden. Die anfängliche Überraschung Linggs bezog sich daher wohl auf die Tatsache, dass er trotz der ihm staatlicherseits schon lange Zeit bescheinigten Episkopabilität überhaupt noch eine Berücksichtigung erfahren hatte. Insgesamt ist aber bei ihm eine starke Enttäuschung über das lange Warten auf einen bischöflichen Stuhl nicht zu verkennen. Mit seinen eindringlichen Zeilen konnte der Bamberger Domkapitular seinen Adressaten offensichtlich überzeugen und mit der beigefügten Trauerrede den Vorwurf einer regierungskritischen Haltung abwenden. Gleichwohl trifft es nicht zu, dass Lingg – wie in der bisherigen wissenschaftlichen Literatur behauptet – „aller Voraussicht nach einziger Kandidat gewesen“323 ist. Parallel wandte sich der Kultusminister auch an den Abt von St. Stephan in Augsburg, Dr. Eugen Gebele, der sich zwar über „die ganz außerordentliche Gewogenheit und das hohe Vertrauen“324 begeistert zeigte, jedoch aus gesundheitlichen Rücksichten sogleich absagte. Gleichzeitig empfahl Gebele, den ihm freundschaftlich verbundenen Passauer Bischof Antonius von Henle nach Augsburg zu transferieren, da dieser dort zuvor Domkapitular gewesen sei und die nötige Begeisterung und Liebe in allen Bevölkerungskreisen erziele. Robert von Landmann hob „bei Hofe“ in der für die staatliche Charakterisierung als episkopabel angesehener Geistlicher üblichen Diktion „Takt und eine versöhnliche Gesinnung, gute gesellschaftliche Umgangsformen und ein würdevolles Äußeres“ bei Lingg hervor und vergaß gleichsam als letzten Beleg für die Eignung seines Kandidaten nicht, einen 1888 an Lingg ergangenen Ruf der Universität Freiburg im Breisgau zu erwähnen. Außerdem trat Landmann wiederholt beim Ministerratsvorsitzenden von Crailsheim für seinen Personalvorschlag ein325. Immerhin dauerte es noch drei Monate, bis die Nuntiatur Mitte Mai 1902 das Einverständnis des Heiligen Stuhls mitteilte326. Dass ein Bamberger Diözesanpriester den Augsburger Bischofsstuhl übernahm, war im Übrigen nicht ungewöhnlich, hatten doch bereits 1856 mit Michael Deinlein327 und 1858 mit Pankratius Dinkel zwei Geistliche der oberfränkischen Erzdiözese diese Aufgabe erhalten. 322 323 324
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Aufzeichnung zur Vita Linggs v. 1902, ebd. Hier auch die folg. Zit. Buxbaum, Lingg, S. 36. Gebele an Landmann v. 17.3.1902, machte Stimmprobleme geltend, in: BHStA München, MK 38991. So etwa am 13.3.1902, in: BHStA München, MA 99418. Vgl. Nicotra an Kultusministerium v. 15.5.1902, in: BHStA München, MK 38990. Zu Deinlein, der bereits seit 1853 Weihbischof in Bamberg war und 1858 als Erzbischof dorthin zurückkehrte, vgl. Urban, Deinlein, in: Gatz, Bischöfe, S. 118–120.
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Allerdings war der 1842 in Nesselwang im Allgäu geborene Lingg von der Herkunft Schwabe und darüber hinaus eben auch Augsburger Diözesanpriester. Den Grundstein für seine kirchliche Karriere außerhalb der Heimatdiözese legte eine fünfjährige Tätigkeit als Prinzenerzieher am bayerischen Königshof, bei der Maximilian Lingg eine so gute Figur machte, dass die von ihm ausgebildeten Prinzen328 ihm lebenslang verbunden waren und deren Vater, Prinz Adalbert, ihn für höhere Aufgaben vorschlug. Durch dessen Protektion gelangte Lingg 1873 in den Kreis der Kandidaten für eine neu zu besetzende Professur für Kirchengeschichte und Kirchenrecht am Bamberger staatlichen Lyzeum329. Dass er hier trotz fehlender theologischer Dissertation, geschweige denn Habilitation, letztlich zum Zuge kam, verdankte der erst 31-jährige geistliche Hoflehrer maßgeblich dem Urteil des führenden bayerischen Theologen Johann Ignaz von Döllinger. Döllinger, der im Zuge seiner vehementen Ablehnung des Infallibilitätsdogmas mittlerweile exkommuniziert worden war, wies Kultusminister von Lutz auf die staatspolitische Notwendigkeit hin, gerade die Priesterausbildung im Bereich des Kirchenrechts einem Herrscherhaus und Staat gegenüber positiv eingestellten Geistlichen zu übertragen. Trotz seiner geringen wissenschaftlichen Qualifikation erschien ihm angesichts dieser Prämisse Lingg als einziger der Kandidaten nicht als ultramontan und „durchaus nicht der jesuitisch-römischen Richtung“330 angehörig, so dass er ihn gleichsam als „quantité negligeable“ empfahl. In der Folge hatte Lingg Döllingers Hoffnungen nicht zu enttäuschen vermocht. Innerhalb des Erzbistums avancierte er 1881 zum Domkapitular sowie 1893 zum Dompropst. Zudem wurde Lingg zum wichtigen Berater des liberalen Erzbischofs Friedrich von Schreiber. Lorenz Hopfenmüller hatte in seinem bereits erwähnten, Schreiber denunzierenden Memorandum an den Heiligen Stuhl von 1883 ausdrücklich Lingg als „Vertrauter des Hochehrwürdigen [Erzbischofs]“331 benannt und und ihm vorgeworfen, er habe sich vor seinen Schülern dezidiert kritisch zum Zölibat geäußert sowie Kirchenstrafen, wie Exkommunikationen und Interdikte, abschätzig als „römische Hausmittelchen“ abgetan. Über die Grenzen Bayerns hinaus fiel seine Haltung dem Freiburger Kirchenhistoriker und prominentesten Vorkämpfer liberal-katholischer Strömungen Franz Xaver Kraus auf, der Maximilian Lingg 1888 dem 328
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Dabei handelte es sich um Ludwig Ferdinand Prinz zu Bayern (1859–1949) u. Alfons Prinz zu Bayern (1862–1933) Vgl. Rall, Wittelsbacher Lebensbilder, S. 65f. Das Lyzeum in Bamberg stand in der Tradition der Jesuitenakademie sowie der von 1773 bis zur Säkularisation bestehenden Universität u. sicherte die Priesterausbildung des Erzbistums. Vgl. Gatz u.a., Bamberg, in: Ders., Die Bistümer der deutschsprachigen Länder, hier S. 59. Döllinger an Lutz v. 10.3.1874, in: BHSTA München, MK 11513, hier zit. nach Buxbaum, Lingg, S. 23. Memorandum v. Lorenz Hopfenmüller an den Apostolischen Stuhl v. 28.11.1883, zit. bei Steinhauf, „Zelus domus die mysticae movet me …“, in: RQ, Bd. 90 (1995), S. 215–235, hier S. 229. Hier auch das folg. Zit.
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badischen Ministerium als Kirchenrechtler für die Freiburger Fakultät empfahl332. Die badische Regierung versuchte daraufhin Lingg für die Freiburger Professur zu gewinnen, um „damit die Theologische Fakultät unserer Hochschule in erwünschter Weise zu ergänzen“333. Lingg schien sich zunächst durch dieses Anerbieten geschmeichelt zu fühlen und sagte halb zu, teilte seine Absichten aber zugleich Kultusminister von Lutz mit der Anfrage mit, ob er bei Absage in Freiburg und Verbleib in Bayern mit einer Dignität rechnen könne. Lutz vermochte seine Freude darüber nicht zu verbergen, dass „Ihre Leistungen als akademischer Lehrer eine so hervorragende Anerkennung gefunden haben, wie sie in dem Rufe der Großherzoglich badischen Regierung“334 ausgedrückt worden seien. Gleichzeitig wies er jedoch jedes mögliche Ansinnen Linggs, eine der beiden in naher Zukunft neu zu besetzenden Dignitäten in seinem Heimatbistum Augsburg erlangen zu können, dezidiert von sich. Mittelfristig sah er aber durchaus Chancen auf eine Domdechanten- oder Dompropststelle für den Bamberger Domherren und Lyzealprofessor, ohne diesem eben konkrete Hoffnungen zu machen. Interessant erscheint, dass Lingg in diesem Kontext aus seinem Sommerurlaub in Füssen ein Gesuch an die „Hohe Theologische Fakultät“335 in Tübingen richtete, ihm „gnädigst den theologischen Doctorgrad in absentia gegen Erlegung der vorschriftsmäßigen Taxen verleihen“ zu wollen. Zur Begründung gab er an, dass es ihm aus gesundheitlichen Gründen unmöglich gewesen sei, den Dr. theol. zu erwerben. Dass sich Lingg mit seinem Anliegen nicht an eine der bayerischen theologischen Fakultäten in München oder Würzburg, sondern ins „Ausland“ wandte, geschah, „weil ich mich geistig eins fühle mit der ‚Tübinger Schule‘ und glücklich wäre, derselben auch formell angehören zu dürfen“. Lässt sich letztere Bemerkung zum einen als Beleg für die theologische Richtung Linggs heranziehen, so besaß sie zum anderen auch einen ganz praktischen Zweck, den Adressaten dahingehend zu schmeicheln, dass sie trotz kritischer Würdigung von Linggs eingesandten wissenschaftlichen Schriften diesem kumulativ, also ohne Vorlage einer separat angefertigten Dissertation, wie auch ohne Rigorosum den Doktortitel zuerkannten336. Ein Versuch, Lingg als Reichstagsabgeordneten in seinem schwäbischen Heimatwahlkreis zu installieren, scheiterte allerdings 1892337.
332 333
334 335
336
337
Vgl. Buxbaum, Lingg, S. 29. Ministerialrat Arnsperger an Lingg v. 15.2.1888, abgedruckt bei Buxbaum, Lingg, S. 139f., hier S. 140. Lutz an Lingg v. 28.2.1888, abgedruckt ebd., S. 143f. Lingg an Kath.-Theol. Fakultät Tübingen, abgedruckt ebd., S. 145f., hier S. 145. Hier auch die folg. Zit. Vgl. die kritische Rezension v. Linggs Schriften durch den Tübinger Kirchenrechtler Prof. Franz Quirin Kober (1821–1897), abgedruckt ebd., S. 148–150. Vgl. ebd., S. 32f.
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Hatte sich der Vatikan 1878 einer kirchlichen Ehrung des Bamberger Lyzealprofessors durch Ernennung zum Päpstlichen Ehrenkaplan (Monsignore) noch verweigert, so wurde diese sieben Jahre darauf anstandslos vollzogen. 1900 erklomm er die nächsthöhere Stufe eines Hausprälaten, um im Folgejahr mit dem Verdienstorden „Pro Ecclesia et Pontifice“ ausgezeichnet zu werden338. Von staatlicher Seite hatte er 1896 den Michaelsorden IV. Klasse und Neujahr 1902 dessen III. Klasse erreicht. Die sofort nach dem bereits erwähnten Vortrag des Kultusministers am 18. März 1902 durch den Prinzregenten verfügte Ernennung Maximilian Linggs zum Bischof von Augsburg wurde bereits wenige Tage später in der Presse „durch eine Indiskretion, die offenbar auf das Geheimkabinett zurückgeführt werden kann“339, bekannt und dahingehend freudig begrüßt, dass nach 200 Jahren erstmals wieder ein Schwabe den hiesigen Bischofsstuhl besteige. Wenngleich beispielsweise der „Bayerische Kurier“ seine Leser darauf hinwies, dass vor der offiziellen Ernennung noch eine „Vorverhandlung mit Rom, die unter der Regentschaft Regel geworden“340 sei, erfolgen müsse, zeigte er sich sicher, dass die Personalie Lingg von der Kurie ohne Komplikationen akzeptiert werden würde. Tatsächlich vollzog sich die erste Fühlungnahme zwischen Staat und Kirche in der Causa Lingg auch in durchaus höflicher Form. Crailsheim informierte den aufgrund einer wieder einmal aufgetretenen Vakanz in der Nuntiatur erneut als Geschäftsträger amtierenden Sebastiano Nicotra am 19. März ebenso formgerecht, wie sich der Adressat einige Tage später bedankte341. Dass der Nuntiaturverwalter offenbar schon vorab über die Ernennung Linggs in Kenntnis gesetzt war, zeigt ein vertrauliches Schreiben, das Nicotra bereits am Vortag an Erzbischof Schork in Bamberg abgesandt hatte und in welchem er „secretissimo modo“342 um detaillierte Informationen über Lingg nachsuchte, ebenso wie sein Hinweis gegenüber Kardinalstaatssekretär Rampolla343. Aufhorchen ließ Nicotra womöglich zunächst der von der liberalen „Augsburger Abendzeitung“ als Reaktion auf das Bekanntwerden der Personalie gebrachte Hinweis auf eine vermeintlich kritische Äußerung Linggs zum Zölibat344. Demnach hatte der Bamberger Dompropst in einer Lehrveranstaltung einmal geäußert, für Geistliche, die sittliche Verfehlungen begingen, 338 339 340 341
342 343
344
Vgl. ebd., S. 32 u. 34. Germania v. 22.3.1902, Expl. in: ASV ANM 191. Bayerischer Kurier v. 21.3.1902. Vgl. Crailsheim an Nicotra v. 19.3.1902 u. Nicotra an Crailsheim v. 25.3.1902, in: ASV ANM 191. Lingg an Schork v. 18.3.1902, ebd. Vgl. Nicotra an Rampolla v. 21.3.1902, ebd. Demnach hatte der Geschäftsträger der Nuntiatur am 17.3.1902 Nachricht von der Personalie erlangt. Vgl. Augsburger Abendzeitung v. 21.3.1902.
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sei es besser, wenn sie nicht im Zölibat leben müssten. Die katholische Presse nahm Lingg umgehend als mustergültigen Priester in Schutz und erklärte ihren Lesern, die Äußerung richte „sich doch nicht gegen den Zölibat als solchen, sondern ist im Munde eines so sittenstrengen Priesters wie Dr. Lingg eine begreifliche Kritik“345. Das sprichwörtliche Haar in der Suppe gegen den staatsloyalen Lingg fand sich aber letztlich in einem Hinweis des ebenfalls seitens der Nuntiatur um Stellungnahme gebetenen Eichstätter Generalvikars Dr. Georg Triller346. Dabei spielte für Nicotra wohl nicht die entscheidende Rolle, dass Triller sich verwundert darüber zeigte, dass Lingg bei der letzten Sedisvakanz in Bamberg – die immerhin mehr als zehn Jahre zurücklag – nicht zum Kapitularvikar gewählt worden war, zuletzt ein von seinem Informanten als nicht besonders wichtig charakterisiertes Buch publiziert habe und weder beim Bischof von Eichstätt, noch beim Erzbischof von Bamberg besonders angesehen sei. Als Stolperstein erschien ihm letztlich eine von Triller zugetragene moralische Verfehlung, der sich Linggs Schwester schuldig gemacht haben sollte, die angeblich mit einem aus Mainz stammenden katholischen Geistlichen namens Karl Rady zusammenlebte, sich also im Konkubinat befand. Diese Affäre aber sei in ganz Bayern bekannt geworden und habe auch den Namen Lingg stark in Mitleidenschaft gezogen347. Wenn Nicotra diesen ihm bisher unbekannten Vorfall sogleich an Rampolla weitergab348, verband er damit einen Hinweis auf die Integrität seines Informanten Triller, der ein „uomo prudentissimo“ und damit über jeden Zweifel erhaben sei. Ebenso habe sich Erzbischof von Stein von München und Freising negativ zu der Affäre geäußert, vor allem aber auf die Eitelkeit Linggs hingewiesen und diesen Charakterzug mit dessen vor einigen Jahren geäußertem vehementen Werben Linggs bei Regierung wie Prinzregent um Verleihung der Dompropstei in München belegt. Aus Bamberg hieß es, der Dompropst Lingg sei wegen seines nervösen und sprunghaften Charakters unbeliebt349. Geschickt nutzte Nicotra die von allen Seiten offenbar werdende innerkirchliche Kritik an dem vom Prinzregenten nominierten Bischof von Augsburg dazu, um auf den Münchner Dompropst Anton Alois Lechner350 als geeigneten und vor allem unbescholtenen Kandidaten aufmerksam zu machen. Lechner, den er inzwischen Crailsheim als Alternative für den Augsburger Bischofsstuhl vorgeschlagen habe, sei vom Minister aber mit dem Bemerken zurückgewie345 346
347 348 349 350
Germania v. 22.3.1902. Zu Triller (1855–1926), 1900–1925 Generalvikar in Eichstätt, vgl. Kreitmeir, Triller, in: Gatz, Bischöfe, S. 764f., u. Strötz, Das Eichstätter Domkapitel, S. 266–268. Vgl. Triller an Nicotra v. 19.3.1902, in: ASV ANM 191. Vgl. Nicotra an Rampolla v. 21.3.1902, ebd. Hier auch das folg. Zit. Vgl. Nicotra an Rampolla v. 12.4.1902, ebd. Zu Lechner vgl. Schwaiger, Monachium Sacrum, S. 495.
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sen worden, er stamme nicht aus der Diözese Augsburg351. Tatsächlich war er 1844 in Altenbach bei Landshut in Niederbayern als Sohn eines Gutsbesitzers geboren worden und hatte 1868 in Freising die Priesterweihe erhalten. Nach verschiedenen Kaplansstellen war Lechner 1881 Pfarrer in Bad Reichenhall geworden und acht Jahre darauf in das Metropolitankapitel gelangt. Seit 1891 verfügte er auch über eine theologische Promotion und war 1899 auf die Dignität des Dompropstes aufgerückt. Interessanterweise hatte gerade der frühere Nuntius Cesare Sambucetti die Kurie vor Lechner gewarnt, als dessen Name ein Jahr zuvor im Zuge der Neubesetzung des Passauer Bischofsstuhls genannt worden war352. Gleichwohl wurde er als „der populärste Geistliche der Erzdiözese“353 gehandelt. Dennoch hielt die Regierung an Lingg fest. So schrieb Crailsheim dem preußischen Gesandten in Bayern Anton Graf von Monts, dass Lingg „von durchaus maßvoller Gesinnung“354 sei. Rampolla hingegen empörte sich ebenso wie der Nuntiaturverwalter über die skandalöse Beziehung der Schwester Linggs und teilte Cetto, der sich schon im Vorfeld verunsichert gezeigt hatte, weil er zweimal gefragt worden war, ob Lingg wirklich gemeint sei, „wobei er das Wort Bamberg süffisant betonte“355, schließlich mit, dass der Heilige Stuhl den Ernennungsvorschlag der Regierung nicht akzeptieren könne356. Wie verhielt es sich nun aber genau mit dem Skandal? Cetto informierte den Kultusminister darüber357, dass es unterschiedliche Versionen der Geschichte gebe. Nicotra stelle die Lage so dar, dass sich das „Paar“ in der Wohnung Linggs in Bamberg kennengelernt habe358. Von dort habe Rady die Schwester des designierten Bischofs entführt bzw. sei mit ihr geflohen. Beide hätten zudem mit der katholischen Kirche gebrochen und lebten in Goldbach bei Rorschach in der Schweiz in wilder Ehe. So habe er diesen Sachverhalt bereits beim Staatsminister des Königlichen Hauses persönlich zur Sprache gebracht und habe argumentiert, Rampolla habe nichts gegen Lingg einzuwenden, könne jedoch die kanonische Einsetzung eines Bischofs, in dessen Familie „ein so außergewöhnlich peinlicher öffentlicher Skandal sich ergeben hat“, nicht vollziehen. Gegenüber Landmann, der ihn ob der Vorwürfe um Stellungnahme gebeten hatte, äußerte sich Lingg dahingehend, dass der unter dem Verdacht des Konkubinats stehende Priester Karl Rady ihn im Jahre 1896 während einer Erkrankung zunächst gepflegt habe, dann aber selbst krank geworden sei, so 351 352 353 354 355 356 357 358
Vgl. Nicotra an Rampolla v. 21.3.1902, in: ASV ANM 191. Vgl. Sambucetti an Rampolla v. 31.3.1901, in: ASV ANM 197, pos. 12. Schwaiger, Monachium Sacrum, S. 495. Crailsheim an Monts v. 20.3.1902, in: PA AA Bayern 53, Bd. 9, Nr. 43. Cetto an Ministerium des Auswärtigen v. 22.3.1902, in: BHStA München, MA 99418. So berichtete Rampolla an Nicotra v. 24.3.1902, in: ASV ANM 191. Vgl. Cetto an Kultusministerium v. 25.3.1902, in: BHStA München, MK 38991. Vgl. Nicotra an Rampolla v. 4.4.1902, in: ASV ANM 191. Hier auch das folg. Zit.
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dass seine Schwester ihn habe pflegen müssen. Rady und seine Schwester hätten sich dann „wohl Unvorsichtigkeiten zu schulden lassen kommen“359 und seien in die Schweiz gegangen. Widersprüchlich erscheint die Tatsache, dass Lingg einerseits betonte, seither jegliche Beziehung zu seiner Schwester abgebrochen zu haben, andererseits aber definitiv wusste, dass diese Rady nicht geheiratet habe. Als „schändliche Verleumdung“ bezeichnete er daher nicht etwa die Beziehung seiner Schwester zu einem Geistlichen, sondern den nicht der Wahrheit entsprechenden Vorwurf der Eheschließung. Im Kultusministerium schien angesichts dieser unverhofften Schwierigkeiten die Angst verständlicherweise groß zu sein, eine Wiederholung des Falls Schönfelder von 1890 zu erleben. Außerdem fürchtete man natürlich den Spott der Presse aller Couleur, falls die dort überall breit berichtete Ernennung zurückgenommen werden müsste. Folglich unterließ man in den folgenden Wochen keine Anstrengung, um die Ernennung Linggs zu retten. Zum einen wandte man sich mehrfach an den ernannten Bischof selbst, er habe dafür zu sorgen, dass Rady umgehend nach Bayern zurückkehre, seinen priesterlichen Dienst in der Erzdiözese Bamberg wieder aufnehme, wo sich „wohl irgend eine Verwendung für ihn finden“360 würde. Zudem habe er sich vor allem „mit tunlichster Beschleunigung“ von seiner Konkubine zu trennen. Gleichzeitig wurde das Innenministerium ersucht, bei Erzbischof Schork von Bamberg darum nachzusuchen, dass dieser als zuständiger Oberhirte Rady umgehend mit Blick auf den Priestermangel in seine Diözese zurückrufe361. Mit gewisser Befriedigung wurde festgestellt, dass sich Schork auch an den Bischof von St. Gallen in der Schweiz, Augustin Egger, in dessen Diözese Rady Aufenthalt genommen hatte, gewandt und von diesem die Nachricht erhalten hatte, dass der Bamberger Priester dort ein Zelebret besitze. Allein diese Tatsache, „müsste den Verdacht unerfreulicher Beziehungen zwischen ihm [Rady] und Johanna Lingg vollständig niederlegen“362, frohlockte der Staatsminister gegenüber Cetto. Die „bloße Tatsache des Aufenthalts eines Priesters in dem Hause einer unverehelichten, schon bejahrten Schwester des Dr. Lingg“ jedenfalls sei kein ausreichender Beweis für die Gerüchte und Verdächtigungen. Mittlerweile hatte sich der mit dem designierten Bischof von Augsburg befreundete Bamberger Domdekan und Landtagsabgeordnete Dr. Franz Xaver Schädler363 bei Nicotra in München nachhaltig für Lingg eingesetzt und der Nuntiatur den Wortlaut des Urteils von Bischof Egger zukommen lassen364. 359 360 361
362 363 364
Lingg an Landmann v. 21.3.1902, in: BHStA München, MK 38991. Kultusministerium an Lingg v. 2.4. u. 13.4.1902, ebd. Hier auch das folg. Zit. Vgl. Abschrift eines Briefes des Ministeriums des Auswärtigen an die Gesandtschaft beim Päpstlichen Stuhl v. 17.4.1902, ebd. Ebd. Zu Schädler vgl. den Abschnitt Speyer in diesem Kapitel. Vgl. Schädler an Nicotra v. 18.4.1902, in: ASV ANM 191. Hier auch eine Abschrift des Brie-
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Dies nahm sich etwas differenzierter aus, als das Staatsministerium das Schreiben interpretierte. Kurz gesagt, es gebe Gerüchte in der Bevölkerung über Rady, aber Beweise fehlten vollständig. Erst unter dem 22. April 1902 schaltete sich Rady persönlich in die Affäre ein, indem er seinem tiefen Erstaunen über seine plötzliche Rückberufung Ausdruck gab, die er bereits seit fünf Jahren betreibe, die aber stets unbeantwortet geblieben sei365. Am 16. April stand dann fest, dass Leo XIII. die kanonische Einsetzung Linggs umgehend vollziehen würde, wenn er Bescheid über die erfolgte Trennung des Paares Lingg-Rady erhalten habe. Als Anfang Mai die Rückkehr Radys nach Bamberg gemeldet wurde, sah Kardinalstaatssekretär Rampolla – wie Cetto mitteilte – die „bisher bestandenen Bedenken als nunmehr beseitigt“366 an. Am 15. Mai 1902 teilte der Nuntius dem Minister Crailsheim mit, dass der Heilige Vater „a accepté la nomination de Mgr. Lingg à évêque d’Augsburg“367. Zuvor hatte Crailsheim dem Heiligen Stuhl versprochen, die bayerische Regierung werde alles tun, um die Trennung des inkriminierten Paares zu garantieren368. Knapp vier Wochen später, am 9. Juni, erfolgte die Präkonisation durch Leo XIII., so dass Lingg am 20. Juli im Augsburger Dom durch den Metropoliten der Oberbayerischen Kirchenprovinz, den München-Freisinger Erzbischof Franz Josef von Stein, konsekriert werden konnte369. Als „dezidierter Monarchist“ war es für Lingg keine Frage, dass der Prinzregent nicht zögern würde, ihm unmittelbar nach Amtsantritt das Adelsprädikat zu verleihen, wie es in Form des Ritterkreuzes des Verdienstordens der Bayerischen Krone am 25. Oktober 1902 geschehen ist370. Ein internes und zudem Grundsätzliches bei Bischofsernennungen berührendes Nachspiel hatte die Augsburger Neubesetzung von 1902 hinsichtlich des Zeitpunkts der Zustellung des Allerhöchsten Ernennungsdekrets371. Zwar war dieses Dokument den Betroffenen seit Konkordatsabschluss stets unmittelbar zum Zeitpunkt der Ernennung durch den Monarchen zugesandt worden372. Jedoch waren die Dekrete im Falle der Neubesetzungen in Würzburg und Speyer 1875/76 unwirksam geblieben, da die päpstlichen Bestätigungen ausblieben. Zudem war es faktisch so, dass eine Bischofsernennung 365 366
367 368 369 370 371
372
fes von Egger an Schork v. 12.4.1912. Diese leitete Nicotra am 23.4.1902 an Rampolla weiter. Vgl. Rady an Schork v. 22.4.1902, in: BHStA München, MK 38991. Cetto an Kultusministerium v. 13.5.1902, ebd. Vgl. dazu Rampolla an Nicotra v. 3.5.1902, in: ASV ANM 191. Nuntius an Crailsheim v. 15.5.1902, Entwurf ebd. Vgl. Crailsheim an Nicotra v. 11.5.1902, ebd. Zu diesen Daten vgl. Rummel, Lingg, in: Gatz, Bischöfe, S. 451. Hier auch das folg. Zit. Vgl. BHStA München, Adelsmatrikel Ri L 55; u. BHStA München, MK 19153. Vgl. Podewils an Ministerium des Auswärtigen v. 8.12.1902, in: BHStA München, MA 99406. Hier auch das folg. Zit. Vgl. Aufstellung der Dekretzustellungen, ebd.
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zunächst staatlicherseits nur dem entsprechenden Kandidaten als „strengstes Dienstgeheimnis“373 mitgeteilt, darüber hinaus aber der Öffentlichkeit vorenthalten wurde, bis die päpstliche Präkonisation des Kandidaten erfolgt war. Offen war aber seither weiterhin, ob mit der Mitteilung über die staatliche Ernennung zugleich bereits das Ernennungsdekret ausgefertigt werden sollte, wie dies bei der Ernennung Ferdinand Schlörs zum Bischof von Würzburg 1898 geschah. Angesichts des Präzedenzfalles der Ernennung des Münchner Stiftskanonikus und Professors Schönfelder zum Erzbischof von Bamberg 1890, die auf vatikanischen Druck zurückgenommen werden musste, war es Kultusminister von Podewils sichtlich daran gelegen, die Urkunde erst nach der päpstlichen Bestätigung zuzustellen, da „die möglicherweise eintretende Notwendigkeit einer Wiederabverlangung eines bereits ausgehändigten Dekretes wohl eine noch weit größere Misslichkeit mit sich bringen würde“. Konkret ging es mit diesem Vorschlag, dem auch der Ministerpräsident und Außenminister letztlich beipflichtete374, darum, dem Heiligen Stuhl im Falle einer Beanstandung möglichst keine Angriffspunkte zu bieten und den Kandidaten nicht nachhaltig zu diskreditieren.
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Aufzeichnung des Generaladjutanten von Freyschlag v. 5.6.1890 über ein Gespräch mit dem Prinzregenten, ebd. Vgl. Ministerium des Auswärtigen an Kultusministerium v. 17.12.1902, ebd.
BISTUM EICHSTÄTT
Bischofsernennung 1905
I
m letzten Drittel des 19. Jahrhunderts galt das Bistum Eichstätt375 aufgrund seines seit 1867 amtierenden Oberhirten Franz Leopold Freiherr von Leonrod376 als Hort des Ultramontanismus in Bayern und im Reich. Auf dem Ersten Vatikanischen Konzil hatte sich Leonrod als einer der dezidiertesten Anhänger der Unfehlbarkeit des Papstes hervorgetan377. Neben Ignatius von Senestréy in Regensburg bekleidete er als einziger Absolvent des römischen Jesuitenkollegs Germanicum et Hungaricum im Deutschen Reich während und unmittelbar nach dem Kulturkampf einen Bischofsstuhl378 und wurde schon deshalb staatlicherseits äußerst kritisch beäugt. Wie sehr er, der mit dem Staat schon daher in nominell engerer Verbundenheit stand, weil sein Bruder Leopold von Leonrod379 bayerischer Justizminister war, seitens der Regierung als Bischof zweiter Klasse behandelt wurde, belegt die Tatsache, dass ihm erst zu seinem silbernen Regierungsjubiläum 1892 der allen übrigen bayerischen Bischöfen in den ersten Monaten nach der Inthronisation übergebene Verdienstorden der bayerischen Krone verliehen wurde. Nach außen hin fiel das nicht weiter auf, da Leonrod, der aus einem fränkischen Adelsgeschlecht stammte, ja den damit verbundenen persönlichen Adelstitel ohnehin nicht benötigte. Aus der Schar seiner dezidierten Gegner kam sicherlich auch der ehrenrührige Vorwurf, er sei im Konkubinat gezeugt worden, eine Denunziation, welche jeglicher Grundlage entbehrte380. Insofern war der am 5. September 1905 nach 38-jähriger Amtszeit gestorbene Bischof von Leonrod schon so reichlich umstritten gewesen, dass vor Intrigen zur Beschädigung seiner Person nicht Halt gemacht wurde. Als in Leonrods Traditionslinie stehender Geistlicher hatte der für die Zeit der Sedisvakanz zum Kapitularvikar gewählte Dompropst Johann Evangelist Pruner381 keine Chance auf 375
376
377 378 379
380 381
Zum Bistum Eichstätt vgl. im Überblick Lengenfelder/Appel, Bistum Eichstätt, in: Gatz, Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder, S. 196–211. Zu Leonrod vgl. Bauch, Leonrod, in: Fränkische Lebensbilder, Bd. 3 (1969), S. 273–311; Strötz, Leonrod; Weitlauff, Leonrod, in: NDB, Bd. 14 (1985), Sp. 254–256; Naab, Leonrod, in: BBKL, Bd. 4 (1992), Sp. 1492–1494; DBE, Bd. 6 (1997), S. 330; Reiter, Leonrod, in: LThK3, Bd. 6 (1997), Sp. 837; Lengenfelder, Leonrod, in: Bagorski u.a. (Hrsg.), 12 Männerprofile aus dem Bistum Eichstätt, S. 157–171. Vgl. Strötz, Leonrod, S. 1077. Vgl. Steinhuber, Geschichte des Kollegium Germanikum Hungarikum, S. 490f. Zu Leopold von Leonrod (1829–1905), 1887–1902 bayerischer Justizminister, vgl. Schärl, Beamtenschaft, S. 89; Andrian-Werburg, Minister des Königreichs Bayern, S. 250. Den Vorwurf entkräftet Strötz, Leonrod, S. 317–319, klar und deutlich. Zu Pruner vgl. das Kap. Bamberg (hier weitere Lit. zur Person) u. das Kap. Passau in diesem Band.
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die Nachfolge, zumal er ja in der Vergangenheit vom Nuntius vergeblich als episkopabler Kandidat in Passau (1889) und Bamberg (1890) in Vorschlag gebracht worden war382. Der bayerische Vatikan-Gesandte Baron Cetto nannte den Abt des Benediktinerstifts Metten, Leo Mergel383, sowie den Weihbischof in Regensburg, Sigismund Freiherr von Ow-Felldorf, als geeignete Kandidaten, wobei letzterer in Regensburg, wo „die Verhältnisse … besonders schwierige“384 seien, benötigt würde, um als Tauschpartner mit dem für Regensburg als Bischof ausersehenen Antonius von Henle zu fungieren und dessen Nachfolge in Passau anzutreten. In einer vergleichenden Charakterisierung von Ow-Felldorf und Mergel gelangte Cetto zu der Ansicht, dass ersterer mehr Tatendrang besitze, während Mergel als Ordensmann stärkere Frömmigkeit, aber auch Milde ausstrahle. Gleichzeitig könne Mergel als Abt sowie als Präses der Bayerischen Benediktinerkongregation auch Erfahrungen in der Personalführung sowie der Verwaltung aufweisen, die für die Leitung einer Diözese notwendig seien. Insgesamt bevorzugte Cetto für die an Fläche und Katholiken kleine Eichstätter Diözese deutlich den Benediktinerabt von Metten, den auch Kultusminister von Wehner favorisierte, der Mergel bei Visiten im Mettener Stiftsgymnasium mehrfach begegnet war385. Er war als Johannes Mergel 1847 in Rohrbach in Schwaben in einer kleinbäuerlichen Familie geboren worden, hatte in Eichstätt das Abitur abgelegt und Theologie studiert sowie 1873 die Priesterweihe auf den Titel seines Heimatbistums erhalten. Eine römische Note hatte sein Curriculum vitae durch ein Aufbaustudium in Kirchenrecht am Collegium San Apollinare in Rom erhalten, wo Mergel zum Dr. iur. can. promovierte und währenddessen eine Kaplanei an Santa Maria dell’Anima bekleidete386. Nach der Rückkehr in sein Heimatbistum und seelsorglichen Tätigkeiten trat Mergel 1882 in die Abtei Metten ein, wo er den Ordensnamen Leo erhielt. Nach mehr als einem Jahrzehnt als Direktor der Klosterschule wurde Mergel 1898 zum Abt gewählt. Mit ihm gelangte somit in der Traditionslinie des 1856 zum Erzbischof von München und Freising berufenen Gregor Scherr, der zuvor ebenfalls Abt von Metten gewesen war, und des 1895 nach Augsburg berufenen Franziskaners Petrus Hötzl wieder einmal ein Ordensmann in die Reihe der staatlicherseits bevorzugten Bischofskandidaten. Gleichwohl musste auch in Mergels Fall zunächst in Rom die Lösung von den Ordensgelübden erwirkt werden387. Ein Procedere, das dem Heiligen Stuhl 382 383 384 385 386 387
Vgl. BHStA München, MK 39030. Zu Mergel vgl. von Werden, Mergel; Reiter, Mergel, in: Gatz, Bischöfe, S. 499–501. Cetto an Frh. v. Wiedemann v. 6.9.1905, in: BHStA München, MK 39030. Vgl. von Werden, Mergel, S. 6. Vgl. Gatz, Rom als Studienplatz deutscher Kleriker, S. 193. Vgl. Bericht Wehners an den Prinzregenten v. 29.10.1905, in: BHStA München, MK 39030.
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zumindest im Fall Hötzl Gelegenheit gegeben hatte, mögliche Einsprüche zu artikulieren. Doch bei Mergel stieß das Ansinnen der Regierung auf keinerlei Widerstand. Bereits am 11. Oktober 1905 konnte der bayerische Gesandte beim Heiligen Stuhl nach München berichten, dass Pius X. der Entbindung Mergels von seinen Ordensgelübden „mit Vergnügen“388 zugestimmt und die notwendige päpstliche Präkonisation in Aussicht gestellt habe. Kultusminister von Wehner zeichnete daraufhin noch einmal das Curriculum vitae des Kandidaten für den Prinzregenten nach, um als „Hauptcharakterzüge“389 Mergels dessen „kluge Mäßigung, ruhige Energie, mildes, tolerantes Urteil und offenes, freundliches Wesen“ hervorzuheben. Wesentlich erschien dem Minister, dass Mergel sich von jeglicher parteipolitischer Betätigung ferngehalten hatte. Außerdem sei er in der Jugendseelsorge tätig gewesen und mit den Verhältnissen im Bistum Eichstätt vertraut. Äußerlich wie in seiner inneren Einstellung sei Mergel, den Wehner nicht zuletzt wegen seiner Gelehrsamkeit und Kenntnis der neueren Sprachen empfehlen zu können glaubte, dem Regensburger Bischof Antonius Henle recht ähnlich. Nicht zuletzt die klare und durchweg positive Charakterisierung Wehners wird Luitpold dazu bewogen haben, die Ernennung des Benediktinerabts innerhalb kürzester Frist, am 28. Oktober 1905, zu verfügen. Erstaunlich erscheint, dass der Kultusminister einen Fleck auf der von ihm so blütenrein beschriebenen Weste seines Exponenten Mergel – ob bewusst oder unbewusst – übersehen hatte, nämlich dessen Studienzeit in Rom. Zwar war er dort nicht Alumne des von dem seit 1873 im Deutschen Reich verbotenen Jesuitenorden geleiteten Collegium Germanicum gewesen, allerdings musste ihm dennoch ein in Regierungskreisen verpönter Stallgeruch anhaften. Am 11. Dezember 1905 päpstlicherseits präkonisiert, wurde Mergel noch zum Jahresende, und zwar am 27. Dezember 1905, durch Nuntius Erzbischof Carlo Caputo in Eichstätt konsekriert. Den ihm fehlenden theologischen Doktorgrad verlieh ihm die Katholisch-Theologische Fakultät Würzburg.390
388 389 390
Cetto an Kultusministerium v. 11.10.1905, ebd. Wehner an Prinzregent v. 24.10.1905, ebd. Hier auch die folg. Zit. Vgl. Walter, Dozenten und Graduierte, S. 689.
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Zwei Bischofsernennungen 1889
A
m 13. März 1889 starb Bischof Joseph Franz von Weckert391, der „für die Ultramontanen ein beständiger Anlass zur Unzufriedenheit“392 gewesen sei. So jedenfalls meldete der preußische Gesandte in München, Cuno Graf von Rantzau393, in die Reichshauptstadt. Zumindest war die Ernennung des aus dem Bistum Augsburg stammenden Bischofs 1876 unter den Vorzeichen des Kulturkampfes erfolgt und in einem Bericht des damaligen Nuntius Aloisi Masella an den Kardinalstaatssekretär – wie Egon Greipl zusammenfasst – „für den bedauerlichsten personellen Missgriff des Ministeriums Lutz“394 erklärt worden. In Regierungskreisen hingegen war Weckert als tolerante und selbständige geistliche Persönlichkeit gelobt worden395. Weder eine besondere Nähe zur Kurie noch eine größere theologische Bildung gehörten demnach zu den Eigenschaften dieses Bischofs, der zudem bedingt durch einen schlechten Gesundheitszustand auf Visitationen der Pfarreien verzichtet und die Firmungen nur auf Dekanatsebene gespendet hatte396. Seit 1887 hatte er gar keine Pontifikalhandlungen mehr vornehmen können397, obgleich sein Bistum zu den kleinsten im Deutschen Reich gehörte398. Dass er nicht nur gegenüber dem Kultusministerium willfährig war, zeigt auch die Tatsache, dass er dem Domkapitel „wohl auch bedingt durch sehr selbständige, in Verwaltung und Seelsorge erfahrene Persönlichkeiten, mehr Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Diözesanverwaltung“399 eröffnet hatte als zu dieser Zeit in anderen Bistümern üblich. Angesichts dieses unter „schwacher Leitung“400 stehenden Episkopats war es verständlich, dass in der Presse darüber spekuliert wurde, inwieweit der staatsfreundliche Kurs in dieser Diözese fortgesetzt werden sollte. 1888 jedenfalls erbat sich Weckert bei der Staatsregierung, nicht aber 391
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395 396 397 398
399 400
Zu Weckert (1822–1889) vgl. Leidl, Weckert, in: Gatz, Bischöfe, S. 797, u. Leidl, Das Bistum Passau zwischen Wiener Konkordat (1448) und Gegenwart, S. 174f. Rantzau an Auswärtiges Amt v. 23.3.1889, in: PA AA Bayern, 53. Zu Rantzau (1843–1917), 1876–1878 u. 1888–1891 preußischer Gesandter in München, vgl. Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes, Bd. 3, S. 568f. Greipl, Am Ende der Monarchie, in: Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte, Bd. III, S. 278. Vgl. Rutz, Obrigkeitliche Seelsorge, S. 305. Vgl. Leidl, Bischöfe von Passau in Kurzbiographien, S. 51. Vgl. Leidl, Das Bistum Passau, S. 175. Zur Passauer Bistumsgeschichte vgl. im Überblick Landersdorfer, Bistum Passau, in: Gatz, Die Bistümer der deutschsprachigen Länder, S. 585–598. Würdinger, Das Passauer Domkapitel, S. 177. Hartmann, Das Bistum Passau im 19. und 20. Jahrhundert, in: Ostbairische Grenzmarken, Bd. 31 (1989), S. 155–167, hier S. 159.
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beim Heiligen Stuhl, vergeblich einen Koadjutor mit Nachfolgerecht401. Dem zum Kapitularvikar gewählten Domdekan Georg von Freund402 wurden offensichtlich keine Chancen auf die Nachfolge eingeräumt. In den Zeitungen genannt wurde beispielsweise der Name des Landtagsabgeordneten Alois Rittler403, Direktor des Lyzeums in Regensburg. Diesen Namen hob auch Nuntius di Pietro am 22. März gegenüber dem Kardinalstaatssekretär hervor, fügte aber sogleich hinzu, dass er den Zeitungsvermutungen über vermeintlich episkopable Kleriker keinen Glauben schenken und zunächst die Haltung der Regierung abwarten werde404. Wie der Nuntiaturauditor Giovanni Battista Guidi am selben Tag an Rampolla schrieb, gelte es, Rittler unbedingt zu verhindern405. Stattdessen brachte er den bereits mehrfach erwähnten Dompropst in München, Michael Rampf406, ins Gespräch, der auch Favorit des Heiligen Stuhls wurde407. Dieser war ebenso wie sein Vorgänger gebürtiger Münchner und 1825 in der kleinbürgerlichen Vorstadt Au als Sohn eines Sergeanten beim 1. Königlich-Bayerischen Infanterieregiment geboren worden408. Das „äußerst bescheidene Milieu“409 seines Elternhauses paarte sich mit Ehrgeiz, Talent und Bildungsdrang, so dass Rampf durch Abitur und anschließendes Theologiestudium der soziale Aufstieg gelang. Letztlich führte ihn sein Weg in der Kirche nicht nur zur 1848 in Freising empfangenen Priesterweihe, sondern darüber hinaus auf die wissenschaftliche Laufbahn. Nach drei Jahren als Kurat an der Herzoglichen Spitalkirche in München wurde Rampf Repetitor am Freisinger Seminar und fand parallel Zeit, um 1853 mit einer exegetischen Arbeit an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Uni401 402
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So erwähnt bei Leidl, Weckert, in: Gatz, Bischöfe, S. 797. Zu Freund (1811–1895) vgl. das Biogramm bei Würdinger, Das Passauer Domkapitel, S. 260–263, u. Leidl, Freund, in: Gatz, Bischöfe, S. 209. Zu Rittler vgl. Möckl, Prinzregentenzeit, S. 57 u. 68. Di Pietro an Rampolla v. 22.3.1889, in: ASV AES Germania, Anno 1889, fasc. 760, pos. 1345–1355. Vgl. Guidi an Rampolla v. 22.3.1889, in: ASV ANM 168–3. Zu Guidi (1852–1904) vgl. Greipl, Der Retter des Ministeriums?, in: Kraus (Hrsg.), Land und Reich, Bd. III, S. 321– 338, hier S. 324, Anm. 12. Zu Rampf vgl. Leidl, Bischöfe, S. 51–53; Leidl, Rampf, in: Gatz, Bischöfe, S. 592f., Kosch, Das katholische Deutschland, S. 3782f.; F. Lauchert, Rampf, Michael v., in: Biographisches Jahrbuch und Deutscher Nekrolog, Bd. 6, Berlin 1903/04, S. 203; Nesner, Das Metropolitankapitel in München, S. 494, u. jetzt Bauer, Das Bistum Passau unter Bischof Dr. Michael von Rampf sowie die aus privatem verwandtschaftlichem Interesse entstandene Schrift von I. Rampf, Dr. Michael von Rampf, Bischof von Passau. Rantzau an Auswärtiges Amt v. 23.3.1889, in: ASV ANM 168–3. Zur Biographie Rampfs vgl. ausführlich Bauer, Das Bistum Passau unter Bischof Dr. Michael von Rampf, hier zum Curriculum vitae vor der Bischofsernennung, S. 16–39. Bauer, Das Bistum Passau unter Bischof Dr. Michael von Rampf, S. 19. Das innerfamiliäre Umfeld wird insbesondere bei I. Rampf, Dr. Michael von Rampf, sehr detailliert aufgezeigt.
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versität München zum Dr. theol. zu promovieren410. Bevor er eine Stelle als Lyzealprofessor in Regensburg antreten konnte, wurde der erst knapp 30-jährige 1855 zum Direktor des Klerikalseminars in Freising berufen. Gleichzeitig lehrte er als Professor Pastoraltheologie am Lyzeum in Freising und fungierte als Redakteur des Freisinger Pastoralblattes. 1864 wurde er Inhaber einer in einem „päpstlichen“ Monat vakant gewordenen und daher vom Monarchen neu zu besetzenden Domherrenstelle im Münchner Metropolitankapitel, weil ihm das Ministerium bescheinigte, mit „vortrefflicher moralischer und politischer Gesinnung, mit gewinnenden äußeren Umgangsformen“ ausgestattet zu sein411. In den folgenden Jahrzehnten „avancierte Rampf zweifellos zu einem der angesehensten und einflussreichsten Geistlichen der Erzdiözese München und Freising“412. Diese Einschätzung lässt sich sicherlich daraus gewinnen, dass er seit 1874 nicht allein Generalvikar des Erzbischofs Gregor von Scherr war, sondern auch von dessen Nachfolger Antonius Steichele erneut als alter ego ausgewählt wurde und deshalb „zu den fähigsten und tatkräftigsten Mitarbeitern zweier Erzbischöfe“413 gezählt werden kann. Dass er außerdem das Vertrauen des Metropolitankapitels genoss, belegt seine zweimalige Wahl zum Kapitularvikar in den Sedisvakanzen 1877 und 1889. Als 1882 die Dompropstei in München neu zu besetzen war, schlug Minister Lutz Rampf bei Leo XIII. als geeigneten Kandidaten vor, obgleich ihm deutlich war, dass der Generalvikar nicht zu den unabdingbar staatsloyalen Geistlichen gehörte. Hätte man ihn aber bei der Besetzung dieses Postens umgangen, so die durchaus von Taktik geprägte Argumentation des Ministers, würde man seine Oppositionshaltung nur noch steigern. Zudem argumentierte er, dass die Dignität des Dompropstes nicht mit zusätzlichem Einfluss verbunden sei414. Dabei hatte Lutz verkannt, dass die Dompropstei die erste Dignität im Kapitel war, der innerkirchlich schon ein nicht unwesentliches Prestige zufiel. Wäre dies nicht der Fall, hätte der Plan des Ministers, den Generalvikar durch die Dompropstwürde sozusagen „auf Linie“ zu bringen, von vornherein keinen Sinn gehabt. Dass der neue Dompropst 1884 mit dem Ritterorden des hl. Michael ausgezeichnet wurde, zeigte ebenso die staatliche Wertschätzung für ihn wie die Verleihung des Ritterordens der bayerischen Krone im Herbst 1888, zumal letztere mit dem persönlichen Adel verbunden war, den Michael Rampf somit schon vor seiner Bischofsernennung aufweisen konnte. Mittlerweile hatte Außenminister Krafft Graf von Crailsheim dem bayerischen Gesandten am Heiligen Stuhl, Cetto, nahegelegt, im Vorfeld keinen 410
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Vgl. passim Michael Rampf, Der Brief Judae des Apostels und Bruders des Herrn. Historisch, kritisch, exegetisch betrachtet, Sulzbach 1854. Kultusministerium an Ludwig II. v. 7.4.1864,in: BHStA München, MK 39042. Zit. nach Bauer, Das Bistum Passau unter Bischof Dr. Michael von Rampf, S. 29f., Anm. 74. Ebd., S. 31. So die Bewertung bei Leidl, Bischöfe von Passau in Kurzbiographien, S. 52. Vgl. Lutz an Erzbischof Steichele v. 15.9.1882, in: BHStA München, MK 39039.
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Kontakt mit dem Kardinalstaatssekretär hinsichtlich eines Kandidaten für den Passauer Bischofsstuhl aufzunehmen415. Umso überraschter waren Nuntius und Kurie, als das Ministerium des Königlichen Hauses bereits am 24. März 1889 die Ernennung des Münchner Domkapitulars und Dompfarrers Antonius von Thoma zum Bischof von Passau bekannt gab416. Thoma gehörte, wie bereits erwähnt, zum „inner circle“ des königlichen Hofes und konnte sich insofern einer besonderen Protektion sicher sein, obwohl selbst der Außenminister das Fehlen weitergehender theologischer Bildung bei ihm beklagte. Die rasche Ernennung lässt sich durchaus als Beleg dafür ansehen, dass „er schon länger im personalpolitischen Kalkül des Hofes und des Ministeriums eine Rolle spielte“417. Als Crailsheim zwei Tage später dem allerdings zu diesem Zeitpunkt bereits aus München abberufenen Apostolischen Nuntius Luigi Ruffo-Scilla die Personalie mitteilte418, hatte der Uditore Guidi, dem ohnehin nachgesagt wird, hinter dem Rücken des Nuntius eigenmächtig gehandelt zu haben419, hiervon schon Kenntnis erlangt und die Kurie informiert. Offenbar war Kardinalstaatssekretär Rampolla trotz der Überraschung über diese Personalie anfänglich entweder von Thoma angetan, nachdem die Nuntiatur vermeldet hatte, er sei wenn auch „milden Charakters, aber dennoch fest in der Wahrung der kirchlichen Rechte“420. Oder aber er wollte aus diplomatischen Erwägungen nicht gegen den Staatskandidaten Stellung beziehen, da Passau das kleinste und damit unbedeutendste bayerische Bistum war, während im ungleich wichtigeren München-Freising sowie in Bamberg, dessen Erzbischof schon lange an einem Herzleiden litt, weitere Personalwechsel in absehbarer Zeit zu erwarten waren. Denkbar erscheint auch, dass für das rasche kirchliche Plazet zu Thoma die Vakanz in der Münchner Nuntiatur mitverantwortlich war421. Jedenfalls teilte der Kardinalstaatssekretär am 15. April dem inzwischen als Interimsverwalter der Nuntiatur fungierenden Guidi mit, dass der „Candidato nel prossimo Consistorio“ präkonisiert werde422. Da es also aus Rom keine Widersprüche gab, hob ein zeitgenössischer Biograph von Thoma hervor, dass dieser „mit seltener Einstimmigkeit“423 zum Bischof ernannt worden sei sowie über diese Personalentscheidung „unbeschreiblicher Jubel in der ganzen Diözese Passau, große Trauer in der Hauptstadt München“ geherrscht habe. In der liberalen Presse Bayerns wurde die Ernennung dann auch wirklich mit besonderer Freude begrüßt, und es hieß dort zu Tho415 416 417 418 419 420 421 422 423
Hierzu vgl. auch Möckl, Prinzregentenzeit, S. 340. Vgl. Guidi an Rampolla v. 25.3.1889, in: ASV ANM 168. Greipl, in: Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte, Bd. III, S. 278. Crailsheim an Ruffo-Scilla v. 26.3.1889, in: ASV ANM 168. Vgl. Greipl, Die Bestände des Archivs der Münchner Nuntiatur, S. 229. Greipl, in: Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte, Bd. III, S. 278. Vgl. Greipl, Der Retter des Ministeriums. Rampolla an Guidi v. 15.4.1889, in: ASV ANM 168. So Brückl, Thoma, S. 11. Hier auch das folg. Zit.
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ma euphorisch: „Fremd ist ihm Intoleranz und politische Nörgelei, diese gerade an einem Priester so hässlichen Eigenschaften; er kennt nur werktätige Liebe zu allen Menschen ohne Unterschied ihrer religiösen Bekenntnisse“424. Am 27. Mai 1889 von Papst Leo XIII. präkonisiert, hat Antonius Thoma am 22. Juli in Passau Einzug gehalten und wurde dort sechs Tage später, am 28. Juli, durch Erzbischof von Steichele zum Bischof geweiht und inthronisiert. Mitkonsekratoren waren die beiden übrigen Bischöfe der Oberbayerischen Kirchenprovinz, Pankratius Dinkel von Augsburg und Ignatius Senestréy von Regensburg. Tatsächlich wurde bereits gut zwei Monate nach dem Amtsantritt von Antonius Thoma in Passau am 9. Oktober 1889 der Münchner Erzbischofsstuhl durch den Tod Steicheles vakant. Bereits 12 Tage später, am 21. Oktober, musste Nuntius Agliardi der Presse entnehmen, dass Thoma dorthin transferiert worden sei425. Obwohl damit sein vatikanischer Auftrag, „alles daranzusetzen, eine vorherige Verständigung über den Kandidaten zu erreichen“426, obsolet geworden war, erhielt er sogleich neue Verhaltensregeln aus Rom. Und zwar sollte Agliardi sich gemäß Weisung des Kardinalstaatssekretärs Rampolla einerseits zur Transferierung Thomas nicht äußern, andererseits aber beim Ministerium potenzielle Nachfolgekandidaten für Passau ins Gespräch bringen, „come per esempio Monsignore Rampf, che Ella stessa giustamente qualifica per gemma di cotesto clero“427. Gleichzeitig hatte Rampolla gegenüber Crailsheim ein Junktim zwischen Zustimmung zur Translation Thomas und vatikanischem Mitspracherecht bei der Nachfolgeregelung für Passau ausgesprochen428. Wie Cetto nach München meldete, empfand der Heilige Vater seine Übergehung als Peinlichkeit und forderte deshalb Satisfaktion429. Da wie gesagt die päpstliche Dispens zur Translation eines Bischofs einen Rechtsanspruch beinhaltete, musste Crailsheim Entgegenkommen signalisieren. In dieser für die Kurie günstigen Lage kam es jetzt darauf an, ultramontan gesinnte, aber zugleich staatlich akzeptable Kandidaten zu präsentieren. Nuntius Agliardi schlug dem Kultusministerium daraufhin neben Michael Rampf zum einen seinen Beichtvater, den Franziskanerpater Petrus Hötzl430, zum anderen den Dompropst in Eichstätt, Johann Evangelist Pruner431, vor. 424 425
426 427 428 429 430 431
Münchener Neueste Nachrichten v. 27.3.1889. Vgl. Agliardi an Rampolla v. 22.10.1889, in: ASV ANM 173. Den Besetzungsvorgang mit Rampf schildert zusammenhängend auch Bauer, Das Bistum Passau unter Bischof Dr. Michael von Rampf, S. 41–57, freilich unter Auswertung von Teilen der vatikanischen u. staatlichen Quellen. Rampolla an Agliardi v. 22.10.1889, in: ASV ANM 173. Rampolla an Agliardi v. 3.11.1889, ebd. Ähnlich ders. am 14.11.1889. Vgl. Rampolla an Crailsheim v. 28.10.1889, ebd. Vgl. Cetto an Ministerium des Auswärtigen v. 3.11.1889, in: BHStA München, Ges PS 775. Zu Hötzl, dem späteren Bischof von Augsburg, vgl. das Kap. Augsburg in diesem Kapitel. Zu diesem Vorschlag vgl. Rutz, Obrigkeitliche Seelsorge, S. 35. Zu Pruner vgl. die Kap. Bamberg (hier weitere Lit. zur Person) u. Augsburg in diesem Band.
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Letzterer war einerseits als „hochgeschätzter Priestererzieher der Kulturkampfzeit“ bekannt geworden und gehörte andererseits zugleich als Moraltheologe, „der die Quellen der Scholastik ausschöpfte“432, zu den führenden katholischen Theologen Bayerns in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Nachdem Rampolla am 26. November und nochmals Agliardi am 8. Dezember das Ultimatum des Heiligen Stuhls erneuert hatten, erlangte die Kurie am letztgenannten Datum die Regierungszustimmung für Michael Rampf und ließ über den Nuntius gleichzeitig die Erlaubnis zur Translation Thomas nach München zustellen. Kurie und Nuntiatur hatten ganz offenbar auf Zeit gespielt, die der bayerischen Staatsregierung schließlich davonlief. Dem Vernehmen nach hatte Minister Lutz wegen dieses Zugeständnisses heftig mit sich gerungen und einen Asthmaanfall erlitten433. Von staatlicher Seite wurde noch 1902 in einem Memorandum des Ministeriums der Auswärtigen Angelegenheiten nur verhalten und fast verschämt erwähnt, dass „die Ernennung des Rampf für Passau … nahezu Voraussetzung der Präkonisation des Thoma für München und Freising“434 gewesen sei, woraus erkennbar ist, wie langlebig die staatliche Verschnupftheit über diesen Schritt war. Dabei hatte bereits nach Bekanntgabe der Nomination Rampfs die liberale Presse das Junktim gewittert und die Personalentscheidung als „nichts weniger als ein Zugeständnis an die Ultramontanen oder an die Kurie“435 kritisiert. In der Zentrumspresse hingegen war die „überaus glückliche Wahl“436 des Münchner Dompropstes und Kapitularvikars einhellig begrüßt worden. Beinahe hätten Rampolla und Agliardi allerdings ihren Coup ohne die Hauptperson gemacht, denn Michael Rampf zierte sich seinerseits, die neue Herausforderung anzunehmen und legte zeitgleich dem Heiligen Stuhl und dem Prinzregenten ein ärztliches Attest vor, das dem 64-jährigen Geistlichen eine verminderte Herztätigkeit bescheinigte, weshalb er um Demission bitten müsse437. Inwieweit hieraus konkret der Schluss gezogen werden kann, dass Rampf „sich selbst überfordert fühlte“438, muss dahingestellt bleiben. Möglicherweise handelte es sich aber auch um eine „politische Verschnupfung“ des in der Vergangenheit mehrfach als episkopabel gehandelten, aber staatlicherseits stets beiseite gelassenen Münchner Generalvikars. In jedem Fall wiesen sowohl Prinzregent Luitpold als auch Rampolla das Gesuch Rampfs entschieden zurück. Während der Monarch die Segnungen der modernen Medizin 432 433 434 435 436 437
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Witetschek, Die katholische Kirche seit 1800, S. 930. Vgl. Preysing, Lebensbild, S. 934. Memorandum v. 10.12.1902, in: BHStA München, MA 99406. Frankfurter Journal v. 29.12.1889. Bayerischer Kurier v. 10.12.1889. Rampf an Luitpold v. 1.1.1890, in: BHStA München, MK 39054, u. an Agliardi v. 1.1.1890, in: ASV ANM 173. So Greipl, Am Ende der Monarchie, in: Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte, Bd. III, Bd. III, S. 281.
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lobte, die gewiss eine Wiederherstellung des Gesundheitszustandes ermögliche439, interpretierte der Kardinalstaatssekretär – wie der Gesandte Cetto zu berichten wusste – die Krankheit nur als vorgeschobenen Grund, hinter dem sich „übertriebene Gewissensskrupel“440 verbergen würden. Wenn Rampfs Episkopat in Passau in der Retrospektive eine „vielseitige und erfolgreiche Tätigkeit“441 bescheinigt und es sogar als eine der „glücklichsten Perioden in der Geschichte des Bistums Passau seit der Abtrennung des österreichischen Bistumsanteils am Ende des 18. Jahrhunderts“ bezeichnet werden sollte, widerspricht dies deutlich der These von einem müden und kränklichen Oberhirten. Zudem hatte der designierte Passauer Oberhirte im März 1890 die Initiative und Kraft, sich auf der politischen Bühne zu positionieren. Konkret ging es um die Frage, ob die infolge des auf dem Ersten Vatikanischen Konzil 1870 verkündeten Unfehlbarkeitsdogmas abgespaltenen Altkatholiken Angehörige der katholischen Kirche seien, wie es die bayerische Staatsregierung – anders als Preußen, Hessen-Darmstadt und Baden – bislang behauptete, oder ob es sich bei dieser Gruppe um Häretiker handelte, eine Ansicht, die in vorderster Linie Michael Rampf vertrat442. Als Rampf sich aus dem innerkirchlichen Bereich in die politische Offensive wagte, waren die letzten Monate des Ministeriums Lutz angebrochen und ein Ende der kulturkämpferisch geprägten staatlichen Kirchenpolitik in greifbare Nähe gerückt. Insbesondere konnte er jetzt einen großen Erfolg in der Altkatholikenfrage verzeichnen, weil diese Gemeinschaft zum einen durch den Staat rechtlich von der katholischen Kirche getrennt und zum anderen nur als eine private Kirchengesellschaft anerkannt wurde, also einen minderen Status erlangte443. Außerdem war dieser Zeitpunkt auch deshalb geschickt gewählt, weil der Ernennungsvorgang mit der Präkonisation durch den Papst am 30. Dezember 1889 abgeschlossen worden war. Obgleich Rampf erst am 11. Mai 1890 durch seinen Vorgänger und nunmehrigen Metropoliten Antonius von Thoma in Passau zum Bischof konsekriert wurde, bezeichnete man in Passau das Jahr 1889 – in Analogie zum Dreikaiserjahr 1888 – als „Dreibischofsjahr“444.
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Luitpold an Rampf v. 2.1.1890, in: BHStA München, MK 39054. Cetto an Crailsheim v. 8.1.1890, ebd. Leidl, Das Bistum Passau, S. 180. Das folg. Zit. ebd., S. 179. Die entsprechende Vorlage findet sich teilweise bei Huber/Huber, Staat und Kirche, Bd. II, S. 911. Rampfs Vorpreschen war dahingehend erfolgreich, dass das Ministerium am 15.5.1890 zunächst für die im Erzbistum München und Freising lebenden Altkatholiken den Ausschluss aus der katholischen Kirche verkündete. Vgl. zu den Altkatholiken in Bayern Blessing, Eine Krise des Katholizismus. So bei Leidl, Bischöfe in Kurzbiographien, S. 51.
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Bischofsernennung 1901 Zwei Tage nach dem am 29. März 1901 erfolgten Tod von Bischof Michael Rampf, der als „Seelsorgebischof“445 in die Geschichte seiner Diözese einging, schrieb Nuntius Cesare Sambucetti an Kardinalstaatssekretär Rampolla, dass er es einerseits für übereilt halte, bereits jetzt bei den Ministerien vorzufühlen, ob und ggf. welche Nachfolgekandidaten dort favorisiert würden446. Wie nüchtern der Nuntius die Angelegenheit sah und wie begrenzt ihm die Einflussmöglichkeiten des Heiligen Stuhls schienen, zeigt sich in seiner Bemerkung, bekanntlich sei es ja ohnehin das Privileg des Prinzregenten, eine Personalentscheidung zu treffen, und man könne nur hoffen, dass dessen Gunst einen würdigen und dem Vatikan genehmen Geistlichen treffe. Andererseits sah sich Sambucetti aber auch – wie bereits im Zusammenhang mit der ein Jahr später erfolgenden Neubesetzung des Augsburger Bischofsstuhls erwähnt – genötigt, seinen Adressaten namentlich vor dem Dompropst in München, Anton Alois Lechner, zu warnen, dem es seiner Meinung nach an der „capacita intellettuale, l’istruzione e l’essenza di carattere“ mangele. Diesen Eigenschaften, so beklagte sich der Nuntius bei dieser Gelegenheit bei seinem Vorgesetzten, würde die bayerische Regierung ohnehin kaum Gewicht zumessen. Wichtiger als ein theologisch versierter und seelsorglich eifriger sei ihr ein dem Staat treu ergebener Kandidat. Am 4. April wurde Sambucetti dann ganz offensichtlich von der Nachricht Crailsheims überrascht447, dass Prinzregent Luitpold mit dem Augsburger Generalvikar Antonius Henle448 bereits am Vortag einen neuen Oberhirten nominiert habe. Gleichwohl bezeichnete er gegenüber dem Kardinalstaatssekretär die Entscheidung des Monarchen als „buona scelta“ (gute Wahl)449. Die Begeisterung des Nuntius gründete sich auf den Eifer, mit dem Henle als Generalvikar in der Diözese Augsburg katholische Organisationen gegründet und die Wallfahrt zur Seligsprechung von Maria Creszentia Höß450 nach Rom organisiert habe. Als ein Ausweis der Gunst des Heiligen Stuhls erschien ihm auch die Ernennung Henles zum Päpstlichen Hausprälaten. Ebenso habe der Münchner Erzbischof Franz Joseph von Stein Henle, der „estimato ed amata 445 446
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Hartmann, Das Bistum Passau im 19. und 20. Jahrhundert, S. 159. Sambucetti an Rampolla v. 31.3.1901, in: ASV ANM 197, pos. 12. Hier heißt es wörtlich: „… mi sono affrettato di parlare nel proposito col ministro die Culti …“. Hier auch das folg. Zit. Vgl. Crailsheim an Sambucetti v. 4.4.1901, ebd. Zu Henle vgl. Leidl, Bischöfe, S. 53f.; Ders., Das Bistum Passau, S. 183f.; Mai, Henle, in: Gatz, Bischöfe, S. 301f.; Kosch, Das katholische Deutschland, S. 1506f., Buchberger, 1200 Jahre Bistum Regensburg, S. 243f. Sambucetti an Rampolla v. 5.4.1901, in: ASV ANM 197, pos. 12. Zu Crescentia Höß (1682-1744), Terziarin, Vorbild eucharistischer Frömmigkeit, deren Seligsprechungsprozess seit 1785 lief, aber erst 1900 seinen Abschluss erlangte, vgl. Fusseneger, Höß, in: LThK2, Bd. 5 (1960), Sp. 494f.
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da tutta la diocesi“ sei, als „l’anima di tutte opere cattoliche“ in der Diözese Augsburg gelobt. Insgesamt schien Sambucetti überrascht über die übereinstimmend positiven Urteile über den nominierten Bischof, mit denen er sich auch die schnelle Nominierung durch Prinzregent Luitpold erklärte. Crailsheim wiederum konstatierte zufrieden die positive Resonanz des päpstlichen Diplomaten und hob hervor, dass es „serait difficile de trouver un candidat plus digne“451. Nicht nur in der Nuntiatur, auch in Passau muss die Nachricht sehr überraschend gekommen sein, hatte sich das Domkapitel doch erst am Nominationstag Henles getroffen, um Johann Baptist Boehm zum Kapitularvikar zu wählen. Kultusminister von Landmann sprach Henle „Gelehrsamkeit, Mäßigung, ruhige Energie und verständigen Takt“452 zu. Die Bekanntschaft zwischen beiden rührte aus Henles letztlich erfolgreichem Bemühen her, den Minister zu einer Besichtigung der von dem Augsburger Diözesanpriester Dominikus Ringeisen gegründeten Ursberger Anstalten zu verpflichten453. Insbesondere wurde speziell in liberalen Zeitungen seine tolerante Haltung Nichtkatholiken gegenüber und seine Abstinenz hinsichtlich ultramontaner Bestrebungen hervorgehoben. Der zu diesem Zeitpunkt im 50. Lebensjahr stehende Henle war 1851 in Weißenhorn in Bayerisch Schwaben als Sohn eines Lehrers, der zugleich Gastwirt und Brauereibesitzer war, zur Welt gekommen – die Stadt ernannte ihn später zu ihrem Ehrenbürger – und nach dem in Dillingen an der Donau durchgeführten Studium 1873 in Augsburg zum Priester geweiht worden. Als Präfekt am Knabenseminar in Dillingen promovierte er 1884 in München454 und habilitierte sich dort drei Jahre später für neutestamentliche Exegese455. Die akademische Laufbahn stellte Henle zurück, als er 1890 in die Stellung eines Kanonikus an der Hofkirche St. Cajetan aufrückte und auf diesem Weg Eingang in den Münchner Hofklerus fand456, im selben Jahr allerdings Domkapitular in Augsburg wurde, wo er 1894 als Bischofskandidat im Gespräch war. Der Privatdozent amtierte seit 1895 als Generalvikar des neuen Augsburger Bischofs Petrus von Hötzl, bei dem er als „ein erfahrener … Mitarbeiter“457 galt und „eine der eifrigsten Stützen der Diözesanverwaltung“458 war. Eine 451 452 453 454
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Crailsheim an Sambucetti v. 5.4.1901, in: ASV ANM 197, pos. 12. Mayerhofer, Henle, S. 871. Vgl. Rummel, Henle, S. 271. Vgl. passim Antonius Henle, Der Evangelist Johannes und die Antichristen seiner Zeit. Eine kritisch-exegetische Abhandlung, Diss. theol., München 1884. Habil-Schrift: Kolossae und der Brief des hl. Paulus an die Kolosser. Ein Beitrag zur Einleitung in den Kolosserbrief, München 1887. Vgl. Koegel, Geschichte der St. Kajetans-Hofkirche, S. 269. Buchberger, 1200 Jahre Bistum Regensburg, S. 243. Groll, Hötzl, in: JVABG, Bd. 37 (2003), S. 112–167, hier S. 144.
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1896 von Herman Schell, mit dem Henle seit einer ihn auch nach Würzburg führenden Studienreise 1886 bekannt war459, ins Gespräch gebrachte Berufung auf den Lehrstuhl für Neues Testament in Würzburg fand keine Mehrheit in der dortigen Katholisch-Theologischen Fakultät460. Obwohl Henle schließlich doch auf den zweiten Listenplatz gelangt war, hatte Kultusminister von Müller ihm mangelndes wissenschaftlich-kritisches Arbeiten und geringe Kenntnis der orientalischen Sprachen vorgehalten. Auffällig erscheint, dass Nuntius Sambucetti die Beziehungen Henles zu dem in Rom in Ungnade gefallenen Schell461 nicht thematisierte und nach der am 9. April erfolgten Ankündigung der päpstlichen Präkonisation vielmehr umgehend, nämlich bereits am 12. April, den kanonischen Informativprozess für den neuen Oberhirten durchführte462. Offensichtlich hatte er sich zum einen vom Sog der öffentlichen Meinung mitreißen lassen, denn „tutta la stampa accape la notizia con piacere, facendo molti elogi del nominato“463, wie Sambucetti den Kardinalstaatssekretär wissen ließ. Zum anderen überzeugte ihn Henle persönlich durch Intelligenz, Frömmigkeit und Sicherheit seines Urteils, so dass der Informativprozess zum Zeitpunkt der am 18. April 1901 erfolgten Präkonisation bereits abgeschlossen war. Die Konsekration in Passau am 13. Juni 1901 war dann nur noch eine Formsache, der am 7. Dezember 1901 die obligatorische Erhebung in den persönlichen Adelsstand folgte. Wie beliebt der neue Passauer Bischof in Regierungskreisen in München war, zeigt nicht allein seine Berufung zum Reichsrat im März 1902. Schon bald nach Henles Amtseinführung in Passau ergab sich für die staatlichen Stellen eine unverhoffte Gelegenheit, dessen Staatstreue neuerlich einzufordern. Offenbar durch ein Versehen war nämlich in der Presse gemeldet worden, dass der Heilige Vater Henle in den Rang eines Päpstlichen Thronassistenten erhoben habe. Dadurch war der neue Bischof natürlich in große Verlegenheit gebracht, die den staatlichen Behörden nicht ungelegen kam. Wie Kultusminister Wehner dem Ministerpräsidenten Podewils vertraulich mitteilte, sei man in seinem Ministerium gern bereit, die nötigen diplomatischen Schritte zu unternehmen, damit die Zeitungsente über Henles Ernennung nachträglich im Vatikan verifiziert werde. Als Argument sei die Mitgliedschaft Henles im Reichsrat anzuführen. Gleichzeitig sei auf eine parallele Verleihung 459
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Vgl. Mayerhofer, Henle, in: Schwaiger (Hrsg.), Lebensbilder Bistum Regensburg, Bd. 2 (1989), S. 870–876, hier S. 871. Vgl. Ganzer, Die Theologische Fakultät Würzburg, S. 360f. Vgl. Hausberger, Henle und Schell, in: Weitlauff/Hausberger (Hrsg.), Papsttum und Kirchenreform, S. 699–743. Vgl. die Briefe Rampollas an Sambucetti v. 9.4.1901 sowie Sambucettis an Henle v. 9. u. 11.4.1901, in: ASV ANM 197, pos. 12. Vgl. auch Allgemeine Zeitung v. 12.4.1901. Sambucetti an Rampolla v. 12.4.1901, ebd.
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des Titels an den Erzbischof von Stein von München und Freising hinzuwirken, damit dieser sich nicht zurückgesetzt fühle. Bei einem Erfolg einer entsprechenden Demarche des Königlichen Gesandten bei Kardinalstaatssekretär Merry del Val wäre nach Ansicht Wehners eine Gelegenheit geschaffen, Henle „der Staatsregierung zu verpflichten“464 Tatsächlich erreichte Cetto, dass Papst Leo XIII. am 20. Mai 1903 die Erhebung des Passauer Bischofs zum Thronassistenten vornahm465. Den Erfolg des staatlichen Plans krönte gleichsam ein Schreiben Henles an Wehner, in dem ersterer sich für „die erfolgreiche Vermittlung“466 bedankte und noch einmal seine Verwunderung darüber zum Ausdruck brachte, wie die Presse „dazu kam, mir eine recht peinliche Situation zu schaffen“.
Bischofsernennung 1906 Am 18. Oktober 1906 wurde Antonius Henle nach nur fünf Jahren als Oberhirte von Passau zum Bischof von Regensburg ernannt und gleichzeitig der Regensburger Weihbischof Sigismund Freiherr von Ow-Felldorf nach Passau transferiert. Diesen Plan hatte Kultusminister Anton von Wehner bereits im Oktober 1905 im Anschluss an eine entsprechende Idee des Vatikangesandten Cetto verfolgt467. Zu Komplikationen im Staat-Kirche-Verhältnis ist es bei diesem Tausch wohl auch deshalb nicht gekommen, weil sowohl Henle als auch Ow-Felldorf bereits als Bischöfe amtierten. Immerhin urteilte der zuständige Regierungspräsident von Niederbayern, von Andrian, bald nach der am 6. März 1907 erfolgten Inthronisation Ows gegenüber dem Kultusministerium, nach seiner Einschätzung habe der neue Bischof „sich durch seine geist- und gemütvollen Ansprachen und durch sein leutseliges Wesen im Fluge die Herzen der Diözesanen erworben“468. Nun wurde gerade Ow von maßgeblichen Kreisen des Adels unterstützt und war ja zudem ein Favorit der Kurie, wie das „über mehrere Jahre hin zu beobachtende Drängen der Nuntiatur auf eine Bischofserhebung Ows“469 belegt, das an dieser Stelle nicht erneut im Einzelnen erläutert werden soll470.
464 465 466 467 468 469 470
Wehner an Podewils v. 1.5.1903, in: BHStA München, MA 99392. Vgl. Cetto an Ministerium des Auswärtigen v. 18.5. u. 20.5.1903, ebd. Henle an Ministerium des Auswärtigen v. 21.5.1903, ebd. Hier auch das folg. Zit. Vgl. Körner, Staat und Kirche, S. 111. Andrian-Werburg an Kultusministerium v. 11.3.1907, in: BHStA München, MK 49242. So Körner, Staat und Kirche, S. 120. Zu Ow-Felldorf vgl. ausführlich die Abschnitte München und Freising, Regensburg und Weihbischöfe in diesem Kapitel.
BISTUM REGENSBURG
Bischofsernennung 1906
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as Bistum Regensburg weist – trotz 1818 erfolgter Neuumschreibung – in seiner territorialen Ausdehnung (Oberpfalz und Teile Niederbayerns) eine starke Kontinuitätslinie zur mittelalterlichen Diözese auf471. Der Episkopat des am 16. August 1906 verstorbenen Bischofs Ignatius von Senestréy472 hatte unter zwei besonderen Vorzeichen gestanden. Zum einen hatte er nahezu ein halbes Jahrhundert gewährt, zum anderen hatte sich der Regensburger Bischof, ein am Collegium Germanicum in Rom ausgebildeter Geistlicher, „als Inbegriff des sog. Ultramontanismus in Bayern“473 exponiert und galt als „die Verkörperung des unerbittlichen kirchlichen Widerstandes gegen das System Lutz im besonderen und das bayerische Staatskirchentum im allgemeinen“474. Gerade weil Senestréy in den Augen der bayerischen Regierung ein „enfant terrible“ unter den Bischöfen war, – zudem tat sich einer seiner Brüder als Zentrumspolitiker hervor475 – wurde seiner Nachfolge ein besonderes Augenmerk gewidmet. Insbesondere war den Behörden die Tatsache ein Dorn im Auge, dass Senestréys Generalvikar Franz Xaver Leitner476 bedingt durch zunehmende gesundheitliche Beeinträchtigungen des greisen Bischofs eine starke Machtfülle in seiner Hand vereinigt hatte und „zum mächtigsten Mann des Bistums“477 geworden war. Leitner, der „ganz auf der Linie seines Oberhirten“478 war, sollte nach dem Willen der Regierung in jedem Fall als Nachfolger verhindert werden. 471
472
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477
478
Vgl. zum Bistum Regensburg im Überblick Eder/Gatz, Bistum Regensburg, in: Gatz, Die Bistümer der deutschsprachigen Länder, S. 599–615. Zu Senestréy (1818–1906) vgl. Mai, Senestréy, in: Gatz, Bischöfe, S. 699–702; Kreuzenbeck, Senestréy, in: BBKL, Bd. 20 (2002), Sp. 1328–1331; Mai, Senestréy, in: Schwaiger (Hrsg.), Lebensbilder aus der Geschichte des Bistums Regensburg, Bd. 2, S. 751–760; sowie Hausberger, Geschichte des Bistums Regensburg, Bd. II, hier S. 156–192, zuletzt Mai, Senestréy, in: Lebensbilder aus der Geschichte des Bistums Regensburg, 2. Teil, S. 751–760. Körner, Nominationsrecht und placetum regium, in: Beiträge zur altbayerischen Kirchengeschichte, Bd. 35 (1984), S. 199–218, hier S. 207. Vgl. Körner, Staat und Kirche, S. 102. Zu Joseph Senestréy (1820–1901), Bezirksgerichtsrat in Traunstein, 1855–1858 u. 1869– 1881 MdL, 1874–1890 MdR, vgl. Haunfelder, Reichstagsabgeordnete der Deutschen Zentrumspartei, S. 260; Schwarz, MdR, S. 463; Chrobak, Joseph Karl Andreas Senestréy, in: Beiträge zur Geschichte des Bistums Regensburg, Bd. 40 (2006), S. 285-301. Zu Leitner (1842–1908) vgl. Kosch, Das katholische Deutschland, Bd. 2, Sp. 2548f., u. Mai, Leitner, in: Gatz, Bischöfe, S. 442. Greipl, Am Ende der Monarchie, in: Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte, Bd. III, S. 307. Kreuzenbeck, Senestréy, Sp. 1331.
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Der bayerische Vatikangesandte Cetto empfahl daher, sich des bereits mehrfach (so etwa 1889 und 1898 in München und Freising) erprobten Prinzips der Translation eines bereits amtierenden und dadurch in seiner Haltung gegenüber dem Staat einzuschätzenden Bischofs zu bedienen, um die aus staatlicher Sicht schwierige Situation in Regensburg in den Griff zu bekommen. So sollte der Passauer Bischof Antonius von Henle479 nach Regensburg versetzt werden und umgekehrt Weihbischof Sigismund Freiherr von OwFelldorf den Passauer Bischofsstuhl übernehmen. In Henle meinte man „eine starke Persönlichkeit“ nach Regensburg zu holen, „welche durchgreift und insbesondere die auch von den meisten Geistlichen der Diözese lebhaft gewünschte Entfernung des gewalttätigen Generalvikars Dr. Leitner in die Wege leitet“480. Diese Idee griff der in der Regensburger Neubesetzung stark engagierte Kultusminister von Wehner umgehend auf. Alternativ war auch der Plan erwogen worden, den Mettener Abt Leo von Mergel nach Regensburg zu holen. Doch war Mergel zum einen bereits für den Bischofsstuhl in Eichstätt vorgesehen, den er dann auch zwischenzeitlich besteigen sollte, zum anderen wurde er in den kritischen Augen der Staatsmacht als zu weich und wenig energisch sowie zu wenig mit der Situation in Regensburg vertraut abgetan. In der Hervorkehrung dieser Merkmale tritt nochmals deutlich die Absicht des Kultusministers hervor, Regensburg mit einem starken, Selbständigkeit demonstrierenden Bischof zu besetzen, der in vielerlei Hinsicht durchzugreifen bereit war. Henle sträubte sich zunächst weniger gegenüber dem Kultusminister, dem er vorsichtig in der dritten Person mitteilte, man gebe „eine Diözese, an der man mit ganzer Seele hängt und deren volles Vertrauen man zu besitzen glaubt, nicht so leichten Herzens auf“481. Deutlicher wurde der Passauer Bischof bei Merry del Val, dem gegenüber er über Herzprobleme klagte und zu verstehen gab, dass er nur auf ausdrücklichen Wunsch des Heiligen Vaters den Verzicht auf seine bisherige Diözese zu leisten bereit sei482. Pius X. wolle die Transferierung aber nicht ausdrücklich befehlen, wusste der bayerische Vatikangesandte von Guttenberg am 13. Oktober dem Kultusminister mitzuteilen. Und Generalvikar Leitner, der das Ende seiner Karriere heraufziehen sah, versuchte die Neubesetzung im letzten Augenblick dadurch zu umgehen, dass er im Januar 1906 im Auftrag seines Bischofs offiziell beim Heiligen Stuhl um Ernennung von Sigismund Freiherr von Ow-Felldorf zum Koadjutor mit 479
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Zu Henle vgl. das Kap. Passau in diesem Kapitel, sowie Hausberger, Geschichte des Bistums Regensburg, Bd. II, S. 210–225. Cetto an v. Wiedemann v. 6.9.1905, in: BHStA München, MK 39030. Henle an Wehner v. 20.9.1906, ebd. Vgl. Henle an Merry del Val v. 7.10.1906, in: ASV ANM 205.
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Nachfolgerecht des schwerkranken Senestréy bat483. Jedoch hatte man in Rom bei diesem Plan nicht in Betracht gezogen, dass die Regierung die Weihbischofsernennung Ows vier Jahre zuvor nur unter dem Vorbehalt der Garantie einer Verhinderung des Nachfolgerechts erteilt hatte. Wehner zumindest erinnerte sofort an diese Übereinkunft und erneuerte zudem die bereits 1901 geäußerten politischen Bedenken gegen die Persönlichkeit Ows. Als Ausdruck einer gewissen Konzilianz gestand Ministerpräsident von Podewils aber der Kurie zu, dem Regensburger Weihbischof für den Zeitraum der Erkrankung Senestréys weiterreichende Vollmachten zu geben484. Wie Podewils über Nuntius Caputo nach Rom mitteilen ließ, sei der Kultusminister über das Vorgehen des Papstes verstimmt, dem er unterstelle, Ow als Koadjutor nominieren zu wollen, ohne zuvor Kontakt mit dem Ministerium aufzunehmen. Es müsse gemeinsames Anliegen von Staat und Kurie sein, dass „le déplorable état dans lequel le diocèse de Ratisbonne est tombé à la suite de l´age avancé de l´évêque Monseigneur le docteur de Senestréy et de l´administration volontaire du Vicaire général, Monseigneur le Docteur Leitner“ beseitigt werde. Ow habe bisher nicht bewiesen, dass er die Fähigkeit besitze, die Probleme in den Griff zu bekommen. Podewils sah keinen Einwand gegen eine befristete Administration der Diözese durch Ow, die er zudem als Bewährungsprobe des als wenig durchsetzungsfähig angesehenen Weihbischofs ansah485. Der Ministerpräsident machte zudem deutlich, dass die Regierung allein in der Entfernung Leitners aus seiner Stellung als Generalvikar eine Garantie für die Wiederherstellung der „tranquillité“ sah. Intention des Schreibens war es also, kirchliche und weltliche Macht an einem Strang ziehen zu lassen, um das „System Leitner“ in Regensburg abzulösen. Dahinter steckte die Angst von Podewils, dass Ow-Felldorf als potenzieller Bischof die Führung der Diözese Leitner überlassen würde486. Kardinalstaatssekretär Merry del Val hingegen ließ den Nuntius gegenüber Podewils die großen Verdienste Senestréys herausstellen, wie etwa „ses éminentes qualités et son long service“487, um zu dem Schluss zu gelangen, dass der Vatikan ihn nicht seiner Rechte berauben wolle. Dazu gehöre eben auch, dass Senestréy selbst Ow als Koadjutor mit dem Recht der Nachfolge gewünscht habe und dass dies keine Idee des Heiligen Stuhls sei. Dort wolle man Senestréys Wunsch dahingehend entgegen kommen, „les pouvoirs de sa jurisdiction Épiscopale à son auxiliaire Monseigneur d’Ow“ zu übertragen. Damit wäre zum einen für die Regierung die Option vorhanden, im Fall der Sedisvakanz tätig zu werden, und zum anderen für den Weihbischof eine 483
484 485 486
487
Vgl. Kultusministerium an Ministerium des Auswärtigen v. 24.1.1906, in: BHStA München, MA 99414. Vgl. Podewils an Caputo v. 8.2.1906, in: BHStA München, Ges. PS 725 u. in: ASV ANM 205. Vgl. Körner, Staat und Kirche, S. 112. Vgl. in sehr knapper Form zur Bischofsstuhlbesetzung 1905/06: Hausberger, Geschichte des Bistums Regensburg, Bd. II, S. 210f. Nuntius an Podewils v. 19.2.1906, in: ASV ANM 205. Hier auch das folg. Zit.
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„favorable occasion de faire preuve de ses qualités d’énergie et de caractère administratif“ gegeben. Wenn Leitner dennoch in Regensburg stören würde, ließe er sich ja staatlicherseits auf einen geeigneten Posten in einem anderen Domkapitel versetzen, lautete die Empfehlung Merry del Vals. Es trifft sicherlich den Kern der kurialen Strategie, wenn man annimmt, dass in Rom Weihbischof Freiherr von Ow als designierter Nachfolger Senestréys für den Regensburger Bischofsstuhl gehandelt wurde und folgerichtig dessen Position auf Kosten Leitners gestärkt werden sollte. Letzteres wurde aber gerade von der liberalen Presse genüsslich ausgespielt. Senestréy sei „von Rom aus nahe gelegt worden …, Herrn Dr. Leitner seiner Funktion als Generalvikar zu entheben“488, verkündete beispielsweise die „Augsburger Abendzeitung“. Und im „Bayerischen Volksboten“ war zu lesen, dass „man auch in Rom endlich dazu gekommen ist, das System Leitner richtig einzuschätzen“489. Insofern kommentierte das „Regensburger Morgenblatt“, eine ultramontan eingestellte Zeitung, die Vorgänge nicht ganz unrichtig mit der Bemerkung, dass „die Gefahr staatskirchlicher Allgewalt eine unmittelbare und fast unabwendbare geworden“490 sei. Die Intention von Podewils hatte nämlich eindeutig darin gelegen, einen Keil zwischen Kurie und Regensburger Bischof zu treiben, was aufgrund der taktisch geschickten Argumentation des Kardinalstaatssekretärs zwar auf der Ebene der Diplomatie gründlich misslungen war, hinsichtlich der öffentlichen Wahrnehmung jedoch durch die von der antikirchlichen Presse lancierten Falschmeldungen aus Rom zumindest zu einem öffentlich diskutierten Thema wurde. Wirklich virulent wurde die ganze Angelegenheit dann aber erst mit dem Tode Senestréys am 16. August 1906. Da in München die Abneigung Henles gegen den anstehenden Wechsel in die Nachbardiözese Regensburg bekannt war, entschloss sich der Kultusminister für eine dezidierte Einbeziehung der Kurie in die Neubesetzung unter Betonung, dass es sich hierbei keinesfalls um einen Präzedenzfall handele491. Der noch unerfahrene neue bayerische Gesandte im Vatikan, von Guttenberg, erhielt daher den Auftrag, bei Merry del Val entsprechend vorzufühlen und diesen zur Mitwirkung heranzuziehen. Da sich Papst Pius X. aber weigerte, Henle zur Transferierung in das größere und bedeutendere Bistum Regensburg zu zwingen492, wandte sich Merry del Val direkt an den Passauer Oberhirten493. Somit ging der Plan der Regierung erst auf, als Henle sich am 17. Oktober bereit erklärte, dem Ansinnen Folge zu 488 489 490 491
492 493
Augsburger Abendzeitung v. 4.3.1906. Bayerischer Volksbote v. 6.3.1906. Regensburger Morgenblatt v. 17.3.1906. Vgl. Kultusministerium an Ministerium des Auswärtigen v. 24.8.1906, in: BHStA München, MA 99414. Vgl. Merry del Val an Guttenberg v. 12.9.1906, in: BHStA München, Ges PS 725. Vgl. Guttenberg an Ministerium des Auswärtigen v. 3.10.1906, ebd.
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leisten. Wie eilig es die Regierung nun hatte, zeigt sich daran, dass Prinzregent Luitpold bereits am nächsten Tag das Ernennungsdekret ausstellte und vier Tage später die Bitte um Genehmigung des Transfers an den Heiligen Vater richtete. Nach diesem Schritt verging nur noch gut ein Monat, bis Antonius von Henle am 6. Dezember 1906 von Pius X. präkonisiert wurde. Die Inthronisation in Regensburg fand am 6. Februar 1907 statt494.
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Zu Henle in Regensburg vgl. Mayerhofer, Henle, in: Lebensbilder aus der Geschichte des Bistums Regensburg, Bd. 2, S. 870–876.
BISTUM SPEYER
Bischofsernennung 1905
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ie Situation des für die bayerische Pfalz 1817 neu umschriebenen Bistums Speyer495 und seiner Bischöfe war durch den Charakter einer Enklave Bayerns ohne direkte Verbindung zum Kernland selbst geprägt. Bischof Joseph Franz von Ehrler496 starb am 18. März 1905 nach einem mehr als ein Vierteljahrhundert umspannenden Episkopat, das in weiten Teilen von zunehmenden Erkrankungen bestimmt war. Ehrler war zu Beginn seiner bischöflichen Tätigkeit als Landfremder, nämlich als Geistlicher der Diözese Würzburg, in die Pfalz gekommen und hatte vergeblich versucht, in seinem Bistum heimisch zu werden. Doch hatte seine Ernennung nicht allein im Zeichen des Kulturkampfs gestanden497. Vielmehr hatte der gebürtige Unterfranke zuvor als Domprediger in München enge Kontakte zum Münchner liberalen Hofklerus gehalten498 und in dem Ruf gestanden, „ein loyaler Diener der bestehenden Ordnungen“499 zu sein. Die mangelnde Akzeptanz dieser staatsfreundlichen Haltung bei Klerus und Gläubigen in der Pfalz ließ ihn zu einem „verletzlichen, teilweise auch verbitterten, in monarchischen Denkschemata lebenden und somit auf Distanz gehenden Bischof“500 werden. Noch einige Jahre nach seinem Tod brachte ein Speyerer Domkapitular gegenüber dem Apostolischen Nuntius Frühwirth die Amtszeit Ehrlers so auf den Punkt: „die Pfälzer finden sich erfahrungsgemäß leicht in die jenseitigen Verhältnisse ein, aber die jenseitigen Bayern passen nicht zu den Pfälzern, das zeigte der Bischof von Ehrler“501. Immerhin hatte ihm seine Staatstreue 1883 die Berufung in den Reichsrat beschert502, aus dem er aber nach vier Jahren aus gesundheitlichen Gründen wieder ausgeschieden war. Das Domkapitel wählte „den bewährten Dompropst und bisherigen Generalvikar“ Philipp Ritter von Pfeiffer503 zum Kapitularvikar. Aber schon drei Tage nach 495
496
497
498 499 500 501 502 503
Zur Geschichte des Bistums Speyer allgemein vgl. Ammerich, Bistum Speyer, in: Gatz, Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder, S. 705–716; u. Ammerich, Speyer, in: Gatz, Die Bistümer und ihre Pfarreien, S. 588–595. Zu Ehrler (1833–1905) vgl. Gatz, Ehrler, in: Ders., Bischöfe, S. 165–167, sowie Baumann, Ehrler, u. Debus, Ehrler, in: Lebensbilder der Bischöfe von Speyer, S. 193–223, sowie Bisson, Sieben Speyerer Bischöfe, S. 78–99. Vgl. Litzenburger, Bayerischer Kulturkampf und Konkordat, in: AMRKG, Bd. 43 (1991), S. 285–301; Königstein, Kulturkampf im Bistum Speyer, S. 189–192. Vgl. z.B. Möckl, Die Prinzregentenzeit, S. 117, Anm. 313. Debus, Ehrler, S. 193. Ebd., S. 221. Zimmern an Frühwirth v. 28.5.1909, in: ASV ANM 268. Vgl. Möckl, Die Prinzregentenzeit, S. 196, u. Debus, Ehrler, S. 205. Zu Pfeiffer (1830–1908) vgl. Gatz, Pfeiffer, in: Ders., Bischöfe, S. 561.
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bistum speyer
dem Tod Ehrlers ernannte Prinzregent Luitpold den Speyerer Domdekan Konrad Busch504 zum neuen Bischof. Der 58-jährige Kanoniker war durch und durch Praktiker. Gleichsam um die fehlende wissenschaftliche Qualifikation zu kompensieren, verlieh ihm die Katholisch-Theologische Fakultät in München am 13. Mai 1905 den Dr. h.c.505. In Billigheim bei Bad Bergzabern 1847 als Sohn eines Nagelschmiedes geboren506, hatte er seine Pfälzer Heimat nur zum Theologiestudium in München verlassen. Während dieser Zeit hatte sich Busch als Erzieher bei adeligen Familien verdingt. Jahren in der Pfarrseelsorge, zuletzt als Stadtpfarrer von Annweiler und dann von Landau/Pfalz, war 1889 die königliche Nomination zum Domkapitular gefolgt. 1895 wurde Busch zudem Domdekan. Wenn es heißt, dass an seiner Konsekration am 16. Juli 1905 15.000 Menschen teilgenommen haben sollen507, zeigt dies ein Stück weit die Beliebtheit Buschs und zugleich die Freude der Bevölkerung darüber, dass wieder ein Pfälzer Landsmann den Bischofsstuhl bekleidete. Die Wertschätzung auf vatikanischer Seite belegt die 1906 erfolgte Verleihung des Ehrenkreuzes „Pro ecclesia et pontifice“ sowie die drei Jahre später stattgefundene Ernennung zum Päpstlichen Thronassistenten und Comes Romanus508.
Bischofsernennung 1910/1911 Als Bischof Busch am 9. September 1910 mit 63 Jahren verstorben war, wurde in der Presse der als Zentrumspolitiker im Reichstag wie im Bayerischen Landtag hervorgetretene Domdekan in Bamberg, Dr. Franz Xaver Schädler509, als Favorit für die Nachfolge genannt510. Schädler stammte aus dem Bistum Speyer und war 1852 in Oggersheim bei Ludwigshafen zur Welt gekommen. Als Speyerer Diözesanpriester hatte er sich neben seiner Tätigkeit als Gymnasialprofessor in Landau/Pfalz politisch auf Reichs- und Landesebene betätigt und war 1897 auf ein Kanonikat in Bamberg berufen worden, wo er als „der Löwe von Bamberg“ bekannt wurde. Außerdem war er knapp ein Jahrzehnt 504
505 506 507 508 509
510
Zu Busch (1847–1910) vgl. Nonn, Busch, in: Ammerich (Hrsg.), Lebensbilder der Bischöfe von Speyer, S. 225–243; Gatz, Busch, in: Ders., Bischöfe, S. 88; Bisson, Sieben Speyerer Bischöfe, S. 165–175. Vgl. Nonn, Busch, S. 234. Bei Gatz, Busch, S, 88, wird als Beruf des Vaters Buchhalter angegeben. Vgl. Nonn, Busch, S. 233. Vgl. ebd., S. 241. Zu Schädler (1852–1913), Dr. iur., 1891–1912 MdL, 1890–1913 MdR, vgl. Fendler, Schädler; Haunfelder, Reichstagsabgeordnete der Deutschen Zentrumspartei, S. 250; Schwarz, MdR, S. 446; Bisson, Sieben Speyerer Bischöfe, S. 130–132; u. Hüttl, Die politische Arbeit der Geistlichen, in: Koch/Stanzel (Hrsg.), Christliches Engagement in Gesellschaft und Politik, S. 145–169, hier S. 151. Vgl. Körner, Staat und Kirche, S. 114.
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zuvor bereits einmal als episkopabler Kandidat für den Metzer Bischofsstuhl in die Presse geraten511. Allerdings wurde am 4. November 1910 der Professor für Altes Testament an der Universität Straßburg, Michael Faulhaber512 vom Prinzregenten Luitpold zum neuen Bischof von Speyer ernannt. Faulhaber, der die „Fähigkeit [besaß], strenge Kirchlichkeit mit rückhaltloser Staatsloyalität in Einklang bringen zu können“513, war zu diesem Zeitpunkt erst 41 Jahre alt. 1869 in Heidenfeld bei Schweinfurt in Unterfranken als Sohn eines Bäckers und Kleinlandwirts geboren, besuchte er das Gymnasium in Schweinfurt und anschließend das Bischöfliche Konvikt in Würzburg, wo Faulhaber nach dem Abitur auch Theologie studierte.1892 zum Priester geweiht, war er nur kurzzeitig als Kaplan in Kitzingen eingesetzt, um während einer anschließenden Präfektentätigkeit am Kilianeum zu promovieren514. Als Kaplan an der Anima in Rom515 verfasste er anschließend seine Habilitationsschrift und reichte diese Arbeit in Würzburg ein. Nach mehreren Jahren als Privatdozent erhielt Michael Faulhaber 1903 einen Ruf auf die Professur für Exegese an der Katholisch-Theologischen Fakultät in Straßburg, wo er als Hochschullehrer und Prediger eine große Wirksamkeit entfaltete. Diese Bischofsernennung wurde „durch ein merkwürdiges Vorspiel eingeleitet“516. Und zwar ließ man Faulhaber während der Vorbereitung für einen Exerzitienkurs im Kloster Zell am Main nach Würzburg kommen, wo er „unter dem Siegel strengster Verschwiegenheit“ erfuhr, dass ihn Kultusminister Anton von Wehner inkognito im Würzburger Hofgarten sprechen wolle. Bei diesem konspirativ anmutenden Treffen fragte der Minister Faulhaber nach seiner Bereitschaft, auf einen Lehrstuhl in Würzburg zu wechseln. Obgleich der Angesprochene verdutzt war, da der in Frage kommende Lehrstuhl für Altes Testament gar nicht vakant war, ließ er sich nichts anmerken und interpretierte die inszenierte Begegnung später als Vorwand des Ministers, der den Bischofskandidaten Faulhaber bloß habe in Augenschein nehmen wollen517. In jedem Fall hatte der Straßburger Alttestamentler vor Wehner wohl 511 512
513 514
515 516
517
Vgl. das Kap. Metz in diesem Band. Zu Faulhaber vgl. Bisson, Sieben Speyerer Bischöfe, S. 204–221; Volk, Faulhaber, in: Gatz, Bischöfe, S. 177–181; Katalog Faulhaber; u. Schwaiger, Faulhaber, in: Ammeroch (Hrsg.), Lebensbilder der Bischöfe von Speyer, S. 245–255. Körner, Staat und Kirche, S. 117. Vgl. passim Michael Faulhaber, Die griechischen Apologeten der klassischen Väterzeit. 1. Buch: Eusebius von Cäsarea, Diss. theol., Würzburg 1895; Walter, Dozenten und Graduierte, S. 467. Vgl. Gatz, Rom als Studienplatz deutscher Kleriker, S. 186. Volk, Akten Faulhaber, Bd. I, S. IL. Hier auch das folg. Zit. Bei Kornacker, Bischof von Speyer, in: Katalog Faulhaber, S. 129–143, hier S. 131, heißt es: „Die Umstände von Faulhabers Berufung sind merkwürdig.“. Vgl. Faulhaber, Autobiographie, hier zit. nach Volk, Akten Faulhaber, Bd. I, S. IL.
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bestanden, da letzterer ihn zwei Wochen später in Straßburg besuchte und ihm „reinen Wein einschenkte“. Wenn der Minister hierbei in der Erinnerung Faulhabers als Initiator dieser Personalie auftrat, so spricht die Tatsache, dass der Prinzregent das Ernennungsdekret für Faulhaber bereits zwei Tage nach dessen zweiter Unterredung mit von Wehner, am 4. November 1910, unterschrieb, dagegen. Offenbar war die Erhebung zum Bischof doch schon von längerer Hand geplant gewesen. Faulhaber war zwar neben seiner wissenschaftlichen Karriere durch seelsorgliche Arbeit aufgefallen, hatte aber weder im Umfeld des Wittelsbacherhofes gewirkt noch besondere Kontakte zur Regierung in München unterhalten. Daher lagen die Hintergründe dieser Personalentscheidung lange Zeit im Dunkel der Geschichte und waren Gegenstand von Spekulationen. Hans-Michael Körner vermutet, dass Faulhaber entweder durch seinen Heimatbischof Ferdinand von Schlör von Würzburg oder durch den maßgeblichen bayerischen Zentrumspolitiker Georg von Hertling ins Gespräch gebracht worden sei518. Engelbert Maximilian Buxbaum hingegen zufolge „darf … in hohem Grade als wahrscheinlich angenommen werden“, dass der Erzbischof von Bamberg, Friedrich Philipp von Abert, Faulhaber lanciert hat. Abert war als Metropolit der fränkischen Kirchenprovinz nicht allein für Speyer zuständig, sondern gehörte ebenso wie Faulhaber dem Klerus der Diözese Würzburg an. Zudem war er Faulhabers Primizprediger gewesen und nicht zuletzt aus der gemeinsamen Schulzeit heraus mit Kultusminister von Wehner befreundet519. Dem neuen Bischof wurde die Ernennung zunächst aber ebenso wie dem Gesandten Ritter zu Groenesteyn und dem Nuntius unter dem Siegel der Verschwiegenheit zur Kenntnis gebracht520. Ritter zu Groenesteyn brachte von einer unmittelbar danach erfolgten Unterredung mit Merry del Val den Eindruck mit, dass die Personalentscheidung „einen sehr günstigen Eindruck“521 auf den Kardinalstaatssekretär gemacht habe. Dass der Papst schließlich bereits wenige Tage später „mit Vergnügen“ zustimmte522 und die Erlaubnis zur Veröffentlichung der Ernennung und zur Eröffnung des bischöflichen Informativprozesses erteilte, kann als Anzeichen der Übereinstimmung von Kurie und Staat in diesem Besetzungsverfahren interpretiert werden. Auch der frühere Nuntius in Bayern und nunmehrige 518 519
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521
522
Vgl. Körner, Staat und Kirche, S. 114f. Buxbaum, Der Informativprozess für den Straßburger Universitätsprofessor Dr. Michael Faulhaber, in: Beiträge zur altbayerischen Kirchengeschichte, Bd. 50 (2007), S. 247–266, hier S. 249. Ministerium des Auswärtigen an Nuntius u. an Gesandten beim Vatikan v. 4.11.1910, in: BHStA München, Ges PS 745. Ritter zu Groenesteyn an Ministerium des Auswärtigen v. 9.11.1910, in: BHStA München, MA 99417. Vgl. u.a. Ritter zu Groenesteyn an Ministerium des Auswärtigen v. 15.11.1910, in: BHStA München, Ges PS 848.
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Kurienkardinal Benedetto Lorenzelli bewertete in einem Gespräch mit dem im bayerischen Ministerium des Auswärtigen tätigen Diplomaten Franz von Stockhammern die Entscheidung für Faulhaber als „ottime nominazioni“523. Für diplomatische Verwicklungen sorgte allerdings die Ernennungsbulle. Ritter zu Groenesteyn war aufgefallen, dass diese „eine sprachliche Änderung gegenüber der früher üblich gewesenen Fassung“524 aufwies. So sei dort wörtlich von dem „a nobis in Episcopum Ecclesiae Spirensie electo“, dem „von Uns, also dem Heiligen Stuhl, zum Bischof von Speyer erwählten Bischof“ die Rede. Der bayerische Gesandte im Vatikan wollte in dieser auf eine vatikanische Ernennung Faulhabers hindeutenden Formulierung „lediglich sprachliche Unrichtigkeiten“ erkennen, bewog aber das Ministerium des Äußeren, auf diese Lapsus in Rom aufmerksam zu machen und um Vermeidung von deren Wiederholung zu bitten. Bei dieser Gelegenheit wurde zudem deutlich, dass man sich im Kultusministerium bereits bei der Neubesetzung der Bischofsstühle in Regensburg und Passau 1906 an dem in der päpstlichen Bulle verwendeten Ausdruck „presentazione“ gestoßen hatte. Dass daran zum damaligen Zeitpunkt kein Anstoß genommen wurde, erklärte sich der Kultusminister damit, dass „die langwierigen und schwierigen Verhandlungen über die Translation des Bischofs Dr. von Henle von Passau nach Regensburg nicht auch noch mit einer formellen Beanstandung“525 hinausgezögert werden sollten. Wie Cetto berichtete, würde nach Rücksprache mit dem Sekretär der Kongregation für die außerordentlichen kirchlichen Angelegenheiten, Scapinelli, zugestanden, dass es in der päpstlichen Bulle anlässlich einer Bischofsernennung in Bayern statt „auctoritate elegimus ipsumque illi in episcopum praefecimus“ künftig heißen werde: „in episcopum ecclesiae N. apostolica auctoritate admissimus ipsumque illi praefecimus“526. Damit wurde das auf staatlicher Seite inkriminierte Verb „eligere“ (wählen) durch das mildere Wort „admittere“ (senden) ersetzt. Allerdings drängte Kultusminister von Wehner darauf, im Fall der Speyerer Neubesetzung den korrigierten Terminus noch nicht anzuwenden527. Nachdem am 22. Dezember 1910 der Kanonische Informativprozess in der Nuntiatur in München durchgeführt worden war, fand am 19. Februar 1911 die Bischofsweihe durch den aus der Diözese Speyer stammenden Münchner 523
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So Stockhammern in seinen Aufzeichnungen, ediert bei Hausberger, Das päpstliche Rom um 1910, in: Walter/Reudenbach (Hrsg.), Bücherzensur, S. 145–199, hier S. 180. Ritter zu Groenesteyn an Ministerium des Auswärtigen v. 2.1.1911, in: BHStA München, MA 848. Dieser Vorgang wird bei Körner, Staat und Kirche, S. 122, nur äußerst knapp gestreift. So v. Wehner an Ministerium des Auswärtigen v. 9.4.1911, in: BHStA München, Ges PS 848. Vgl. Entwurf eines Schreibens Ritters an das Ministerium des Auswärtigen v. 12.3.1911, ebd. Vgl. auch Kultusministerium an Ministerium des Auswärtigen v. 9.4.1911, ebd. Vgl. Wehner an Ritter zu Groenesteyn v. 12.4.1911, ebd.
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Erzbischof Franz Bettinger statt. Den Verdienstorden der Bayerischen Krone, mit dem der persönliche Adel verbunden war, erhielt Faulhaber jedoch erst zwei Jahre nach seiner Konsekration am Pfingstfest 1913 anlässlich eines Besuchs des Prinzregenten Ludwig in Speyer verliehen528. Sicherlich hatte er sich beim Herrscher nicht unbeliebt gemacht, wenn er in seiner Predigt „den Kirchgang eines Regenten einen Armeebefehl zur Heiligung des Sonntags“529 genannt hatte. Faulhaber wurde bereits nach kurzer Zeit angesichts der seit der Jahrhundertwende immer wieder in der Presse öffentlich diskutierten Frage eines bayerischen Kardinals als möglicher Kandidat erwähnt. In den Augen des bayerischen Gesandten hatte Faulhaber im Vatikan einen guten Eindruck hinterlassen, lediglich sein Italienisch müsse er dringend vervollkommnen530. Treffliche Voraussetzungen also für eine weitere kirchliche Karriere, die Michael von Faulhaber 1917 auf den Münchner Metropolitansitz bringen und den Kardinalshut nach sich ziehen sollte.
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Vgl. Kornacker, Faulhaber, S. 140f. Kölnische Volkszeitung v. 13.5.1913, Mittagsausgabe. Vgl. Ritter zu Groenesteyn an Kultusministerium v. 6.9.1913, in: BHStA München, MK 38949.
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Bischofsernennung 1897/1898 Im Bistum Würzburg531 wurde die erste Sedisvakanz des Bischofsstuhls im Untersuchungszeitraum durch die bereits beschriebene Transferierung des Bischofs Franz Joseph von Stein532 auf den Metropolitansitz von München und Freising bedingt. Stein wurde früh durch das Dienstverhältnis seiner Familie zum Fürsten zu Leiningen in seiner devoten Haltung gegenüber dem Adel und der Monarchie vorgeprägt, zumal der Fürst Franz Josef Steins Ausbildung ideell und finanziell unterstützte und damit ein lebenslanges Gefühl der Dankbarkeit erzeugte. Stein war jedenfalls im Oktober 1878 ohne Rücksprache mit dem Vatikan von König Ludwig II. zum Bischof von Würzburg ernannt worden533, aber angesichts der Tatsache, dass es sich bereits um den zweiten Besetzungsversuch handelte534 und der Kulturkampf noch virulent war, hatte Papst Leo XIII. nach vier Monaten, Ende Februar 1879, die Präkonisation erteilt. Stein verdankte bereits seine Ernennung zum außerordentlichen Professor an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Würzburg 1865 der Tatsache, dass man „in München nicht gewillt [war], die Germanikerpolitik in Würzburg weiterhin zu unterstützen“535. Konkret formuliert war Stein von der Regierung als staatsloyaler Widerpart zu der sämtlich am Collegium Germanicum der Jesuiten in Rom ausgebildeten Professorenschaft benutzt und – zunächst mit einem Extraordinariat für Moral- und Pastoraltheologie versehen, obgleich er promovierter Kirchenhistoriker536 war – 1871 als Ordinarius fest installiert worden. 1875 hatte er sogar für ein Jahr als Rektor amtiert. Dass „aus dem Schüler der Germaniker … der regierungstreue Professor“537 wurde, mag aus Dankbarkeit gegenüber einem so hohen Maß an staatlicher Protektion resultieren. Seine staatsloyale Haltung war sicherlich maßgeblich für die 531
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Vgl. zur Bistumsgeschichte im Überblick Kramer, Die katholische Kirche in Unterfranken; Burkard/Gatz, Bistum Würzburg, in: Gatz, Die Bistümer der deutschsprachigen Länder, S. 764–777. Zu Stein vgl. Gatz, Stein, in: Ders., Bischöfe, S. 735–737; aber auch Herde, Die Erhebung von Franz Joseph Stein zum Bischof, in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung, Bd. 53 (1992), S. 381–402, hier S. 386–398; Walter, Dozenten und Graduierte, S. 151f. u. 443; v.a. aber das Kap. München und Freising in diesem Band. Vgl. hierzu ASV ANM 140. Der staatlicherseits ernannte Karmeliterpater Ambrosius Käß war in Rom persona non grata gewesen. Vgl. Buxbaum, Würzburg und Speyer; u. Herde, P. Ambrosius Käß, sowie Ders., Die Erhebung von Franz Joseph Stein zum Bischof. Ganzer, Die Theologische Fakultät der Universität Würzburg, S. 333. Das folg. Zit., ebd., S. 345. Stein hatte bei Joseph Hergenröther über Eusebius von Cäsarea promoviert. Herde, Die Erhebung von Franz Joseph Stein zum Bischof, S. 390.
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1887 erfolgte Berufung zum Mitglied der Reichsratskammer538, der von Amts wegen nur die beiden bayerischen Metropoliten angehörten539, zumal diese Würden „durch die Gnade des Königs verliehen“540 wurden. Wie der preußische Gesandte in München, Philipp zu Eulenburg, nach Berlin berichtete, wurden durch diesen Akt zudem die beiden dienstälteren und damit gemäß dem Anciennitätsprinzip bevorrechtigten Bischöfe Senestréy von Regensburg und Leonrod von Eichstätt düpiert541. Wenn Stein in der Retrospektive bescheinigt wurde, „aufs gewissenhafteste … regelmäßig während 22 Jahren an den Sitzungen der Ersten Kammer des Landes“542 teilgenommen zu haben, bestätigt dies den Charakter treuer Pflichterfüllung. Ob und inwieweit Stein damit Einfluss auf die politischen Geschicke des Landes zu nehmen versuchte, kann hier nicht weiter verfolgt werden. Wenn er „auch zur rechten Zeit das Wort [ergriff], um die Interessen der katholischen Kirche zu vertreten und zu den Fragen des religiös-kirchlichen Lebens und der geistigen Bewegung Stellung zu nehmen“, deutet diese Formulierung darauf hin, dass er sich doch stets in versöhnlicher Geste gegenüber dem Staat artikulierte. Den Versuch der Kurie, die Transferierung Steins nach München von einem Junktim mit der Neubesetzung Würzburgs abhängig zu machen, scheiterte an der von vornherein feststehenden mangelnden Konzessionsbereitschaft der Regierung543. So beklagte Crailsheim, dass „von Seiten des hiesigen apostolischen Nuntius beziehungsweise des Kardinalstaatssekretärs wiederholt eine Einflussnahme auf die Besetzung des bischöflichen Stuhls zu Würzburg versucht“544 worden sei. Papst Leo XIII. sprach sich gegenüber dem Vatikangesandten Cetto für Sigismund Freiherr von Ow-Felldorf als seinem Wunschkandidaten für Würzburg aus545. Wie Crailsheim Cetto mitteilte, bevorzuge der Prinzregent allerdings einen fränkischen Geistlichen als neuen Bischof, so dass der aus oberbayerischem Adelsgeschlecht stammende Ow nicht in Frage käme. Inwieweit die landsmannschaftliche Zugehörigkeit hier nur als Alibi verwendet wurde, um – wie bereits erwähnt – die Mindergenehmheit des aus der Schule des staatlicherseits als stark ultramontan angesehenen Regensburger Bischofs Senestréy kommenden Ow zu verschleiern, lässt sich nicht belegen. 538
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Vgl. Würzburger Diözesan-Blatt v. 8.9.1887, u. Kramer, Die katholische Kirche in Unterfranken, in: Unterfranken im 19. Jahrhundert, S. 99–122, hier S. 115. Vgl. Drechsel, Die Reichsräte der Krone Bayern. Möckl, Hof und Hofgesellschaft zur Prinzregentenzeit, S. 184. Eulenburg an Auswärtiges Amt v. 31.8.1887, in: PA AA Bayern 61. Prof. Dr. Krieg, Regensburg, Dr. Franz Joseph von Stein. Zu seinem 25. Todestag, in: Spessartkalender 1934, S. 15f., hier S. 16, in: DAW Personaldokumentation Stein. Hier auch das folg. Zit. Vgl. Körner, Staat und Kirche, S. 121. Crailsheim an Cetto v. 31.12.1897, in: BHStA München, Ges PS 775. So erinnerte sich Cetto am 11.10.1905 gegenüber dem Kultusminister, in: BHStA München, MK 39030.
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Ohne Namensnennung war in einigen Presseorganen dann zu Jahresbeginn 1898 zu lesen, dass sicher ein fränkischer Geistlicher ernannt worden sei, wobei die Regierung mit der Tradition gebrochen habe, ein Mitglied der Katholisch-Theologischen Fakultät auszuwählen, und statt dessen im Domkapitel fündig geworden sei546. Einige Tage zuvor hatte bereits die „Allgemeine Zeitung“ gemutmaßt, dass es sich hierbei um den Domherrn Ferdinand Schlör547 handeln dürfte548. Schlör zählte zu diesem Zeitpunkt 59 Jahre. Er war 1839 in Richelberg im Kreis Miltenberg geboren worden und als Sohn eines Lehrers in Rittershausen im Kreis Ochsenfurt aufgewachsen. In Aschaffenburg absolvierte Schlör das Gymnasium, um nach dem Würzburger Theologiestudium 1862 die Priesterweihe zu erhalten. Seine priesterlichen Erfahrungen resultierten kaum aus der Seelsorge, sondern vielmehr aus der Schülererziehung als Präfekt im Bischöflichen Knabenkonvikt in Aschaffenburg sowie als Direktor des Konvikts Julianum in Würzburg. „Von seiner Direktoratszeit her gewohnt, verstand er es, seine Ratschläge in klaren Referaten niederzulegen und nach erhaltener Billigung kräftig in die Tat umzusetzen“549. Anlässlich von Ferdinand Schlörs Ernennung zum Domkapitular durch königliche Nomination 1891 hatte es seitens der Regierung geheißen, dass „gegen seine staatsbürgerliche und sittliche Haltung“ – so die übliche Floskel – keine Bedenken bestehen550. Kurz gesagt, Schlörs bisheriges Auftreten erwies sich als deckungsgleich mit den Vorstellungen der Regierung von einem apolitischen und zudem in innerkirchlichen Fragen gemäßigten Geistlichen, von dem keine Überraschungen zu erwarten sein dürften. Der Mangel einer Promotion wurde durch die Ernennung zum Dr. h.c. der Katholisch-Theologischen Fakultät Würzburg nach der Bischofsernennung ausgeglichen551. Bei dem obligatorischen Toast auf den Prinzregenten im Rahmen des an die Bischofsweihe am 22. Mai 1898 anschließenden Empfangs schwang verhaltene Kritik mit, wenn der neue Oberhirte seinen Toast mit dem Bibelspruch „Ihr Könige, von dem Herrn ist Euer Herrschen – und Eure Macht ist Euer Höchstes“ verband552. Zumindest musste diese Verknüpfung verdeutlichen, dass Gott und die Gesetze der Kirche für Schlör über denen des weltlichen Herrschers standen. Während Fürst Löwenstein den zweiten Toast auf den Papst ausbrachte, rühmte Regierungspräsident Graf von Laxburg den neuen 546 547
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Vgl. z.B. Bayerischer Kurier v. 2.1.1898. Zu Schlör vgl. Wittstadt, Schlör, in: Gatz, Bischöfe, S. 658-660, sowie Weiß, Bischof Ferdinand Schlör, in: WDGB, Bd. 62/63 (2001), S. 217–235. Vgl. Allgemeine Zeitung v. 27.12.1897. Manuskript einer Biographie v. Schlörs, unpag., in: DAW, Personalakt Ferdinand v. Schlör. Vgl. BStA Würzburg, Akt Nr. 8271, sowie Protokoll über die kanonische Institution v. 25.2.1891, in: DAW A.6.1. Vgl. auch BHStA München, MK 99296. Vgl. Walter, Dozenten und Graduierte, S. 705. Vgl. Bericht über die Bischofsweihe Schlörs, in: Saale-Zeitung, Kissingen, v. 23.5.1898.
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Würzburger Bischof als Sohn des Frankenlandes und stellte die Tatsache heraus, dass auch die beiden Mitkonsekratoren gebürtige Franken waren. Vor dem Hintergrund der Umstände von Schlörs Ernennung, die am 24. März 1898 erfolgt war, erscheint es verwunderlich, dass sich die Haltung der staatsnahen Kräfte ihm gegenüber innerhalb weniger Jahre wandelte. Als nämlich Schlör sich gegen den an der Würzburger theologischen Fakultät lehrenden Kirchenhistoriker Sebastian Merkle wandte553, wurde ihm in der staatstreuen Presse nicht nur vorgeworfen, „in das Fahrwasser unduldsamster Rückständigkeit“554 geraten zu sein. Vielmehr wurde der öffentlichen Meinung nahe gelegt, die Ernennung Schlörs, der „sonst wohl nie Bischof geworden wäre“, sei eine Konzession der Regierung an den Vatikan gewesen. In München habe man die Genehmigung des Heiligen Stuhls zur Transferierung seines Vorgängers in die Landeshauptstadt damit erkauft, dass Rom die Nachfolgeregelung in Würzburg habe treffen dürfen. Das war natürlich eine vollkommene Verkehrung der Tatsachen, die aber sicherlich auf Teile der Bevölkerung nicht ohne Wirkung blieb. Andererseits wurde darauf hingewiesen, dass Schlör, „als er 1897 den Würzburger Bischofsstuhl bestieg und … noch heute als ein persönlich ganz versöhnlich denkender Mann“555 gelte.
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Zur Auseinandersetzung zwischen Fakultät und Priesterseminar vgl. Weigand, Das Verhältnis des Priesterseminars Würzburg zur Theologischen Fakultät, in: Hillenbrand/Weigand (Hrsg.), Mit der Kirche auf dem Weg, S. 123–146, hier S. 138–142. Augsburger Abendzeitung v. 3.11.1904. Hier auch das folg. Zit. Pfälzische Rundschau v. 20.1.1905.
DIE WEIHBISCHOFSFRAGE Eine weitere Frage, die das Verhältnis von Staat und Kirche in Bayern berührte, war das Institut der Weihbischöfe. Die Zunahme der Bevölkerung auf der einen Seite, aber auch die Tatsache, dass es keine Altersgrenze für Bischöfe gab, so dass greise und inhabile Kleriker noch mehr schlecht als recht bischöfliche Funktionen wahrnehmen mussten, ließen die Thematik virulent werden556. Gemäß Artikel 9 des Bayerischen Konkordats von 1817 waren Weihbischöfe prinzipiell vorgesehen, allerdings ohne staatliche Mitwirkung bei der Ernennung557. Das Problem lag darin, dass zum einen die Dotation möglicher Weihbischofsposten ungeklärt war und zum anderen in den ersten Jahrzehnten nach der Neuzirkumskription der Bistümer die Ernennung von Weihbischöfen weder seitens der Kirche noch des Staates konkret betrieben wurde. Eine Ausnahme bildete lediglich die 1853 in Bamberg erfolgte Ernennung des damaligen Generalvikars Michael Deinlein558 zum Weihbischof, weil der dortige Erzbischof bereits das 80. Lebensjahr vollendet hatte. Als das Thema 1883 in Zeiten des Kulturkampfs schon einmal auf der Tagesordnung gestanden hatte, war es um die Ernennung eines Weihbischofs für Regensburg gegangen, wobei der Staatsregierung das Gerücht zu Ohren kam, Bischof Senestréy beabsichtige, seinen eigenen Bruder, Andreas Senestréy, der eine Kanonikerstelle am Kollegiatstift zur Alten Kapelle in Regensburg bekleidete, vom Heiligen Stuhl ernennen zu lassen559. Damals war staatlicherseits sowohl erwogen worden, diese Ernennung mit dem Argument zu verhindern, dass das Bistum Regensburg aufgrund seiner Größe und Katholikenzahl gar keinen Weihbischof benötige, als auch auf das notwendige staatliche Plazet einer solchen Ernennung zu verweisen. Nachdem der bayerische Vatikangesandte Cetto Kardinalstaatssekretär Jacobini dezidiert auf diese Frage angesprochen hatte, dieser das Gerücht negiert und der Gesandte ihm die ausdrückliche mündliche Versicherung abgenommen hatte, „dass der Heilige Stuhl nicht im Sinn haben könne, die Anstellung eines Weihbischofs für eine bayerische Diözese ohne vorherige Verständigung mit Seiner Majestät Regierung vollziehen zu wollen“560, war das Projekt vorerst auf Eis gelegt. Zu einem erneuten Vorstoß bewog 1901 die Bischöfe Ignatius von Senestréy von Regensburg und Franz Leopold Freiherr von Leonrod von Eichstätt ihr vorge556
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Einen äußerst knappen und gerafften Überblick bietet Greipl, Am Ende der Monarchie, in: Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte, Bd. III, S. 289–291. Vgl. Bayerisches Konkordat, Art. 9, u. Rupp, Der Titularepiskopat, S. 53. Zu Deinlein (1800–1875), 1853 Weihbischof in Bamberg, 1856 Bischof von Augsburg, 1858 Erzbischof von Bamberg, vgl. Urban, Deinlein, in: Gatz, Bischöfe, S. 118–120. Vgl. Crailsheim an Cetto v. 9.3.1883, in: BHStA München, MK 38980. Cetto an Kultusministerium v. 19.3.1883, ebd.
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rücktes Alter, die Vielzahl der Reisen durch Firmspendungen und Visitationen sowie nicht zuletzt die Tatsache, dass es keine Pensionsgrenze für Bischöfe gab. Während in einem entsprechenden Briefwechsel der bayerischen Bischöfe untereinander Senestréy dafür plädierte, die Bestellung eines Weihbischofs in einer bayerischen Diözese von Fall zu Fall, also nach Bedarf, zu entscheiden, setzte sich Leonrod grundsätzlich für feste Weihbischöfe in bestimmten Diözesen ein561. Konkret schwebten ihm zwei Weihbischöfe in Bayern vor562. Münchens Erzbischof Franz Joseph von Stein unterstützte das Anliegen grundsätzlich und sah auch für seine eigene Diözese in einem Auxiliarbischof „keinen ganz überflüssigen Funktionär, wiewohl ich persönlich z. Zt. eine Bitte um einen solchen nicht gerade stellen möchte“563. Aus diesen zurückhaltenden Worten Steins gegenüber seinen Mitbischöfen in Bamberg und Regensburg sprachen offensichtlich Bedenken, sich bei den staatlichen Stellen als Vorreiter in der Weihbischofsfrage zu exponieren. Hauptgrund dürfte die Dotierung des Amtes gewesen sein, die zu innerkirchlichen Diskussionen Anlass verlieh. So ventilierte Stein gegenüber Schork und Senestréy die Möglichkeit, eine staatliche Dotation für dieses Institut zu erhalten, wobei entweder analog zu den preußischen Weihbischöfen auch die künftigen bayerischen Weihbischöfe zugleich Domherren sein müssten, die zuerst von ihrer Pfründe lebten und lediglich eine Gehaltsaufbesserung für ihre bischöflichen Funktionen erhielten, oder aber die Auxiliarbischöfe würden eine grundsätzlich eigenständige Dotation erhalten, die sie von einer Stelle im Kapitel unabhängig mache, wie etwa in Straßburg. Weniger Bedenken als gegenüber dem Staat hegte Stein in seinem Exposé hinsichtlich der Haltung des Heiligen Stuhls zur Weihbischofsfrage, die dort, „wenn die verschiedenen Vorfragen gut erledigt wären, auf ein gnädiges Entgegenkommen“564 stoßen würde. Der Passauer Bischof Antonius von Henle sah, „wenn irgendwo, so zunächst für Regensburg das Bedürfnis eines Weihbischofs vorliegen“565 und kritisierte die Oppositionshaltung Bischof Senestréys gegen die Pläne des Eichstätter Bischofs von Leonrod. Er befürchtete, dass eine staatliche Dotation nicht bewilligt würde, wenn Senestréy sich öffentlich derart dezidiert gegen einen Weihbischof wehren würde. In einer während dieser Diskussionen erschienenen Dokumentation der kirchlichen Strukturen in Bayern merkte der Verfasser, Joseph Schlecht, an, dass schon deshalb bisher in keiner Diözese ein Weihbischof ernannt sei, 561 562
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Leonrod an Thoma v. 4.4.1901, in: EAM München-Freising, Erzbischöfe 1821–1917, 5/2. Greipl hingegen datiert Leonrods Vorpreschen erst auf das Jahr 1905, vgl. ebd., S. 289, u. auch Körner, Staat und Kirche, S. 128–136, beginnt seine Darlegungen 1905. Stein an Schork u. Senestréy v. 6. bzw. 10.8.1901, Entwurf, in: EAM München-Freising, Erzbischöfe 1821–1917, 5/2. Stein o.D., ebd. Henle an Stein v. 24.3.1901, ebd.
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weil „der Staat für die Bestellung und den Unterhalt eines solchen keinen Beitrag“566 leiste. Allerdings enthielt Schlecht den Lesern nicht den Hinweis auf schwebende Verhandlungen über einen Weihbischof für das Bistum Regensburg vor und informierte sie darüber, dass „als Kandidat … Msgr. Sigismund Freiherr von Ow-Felldorf genannt“ werde. Tatsächlich erklärte sich das Kultusministerium trotz der weiterhin in der Diskussion befindlichen finanziellen Ausstattung des Weihbischofs mit der Ernennung Ow-Felldorfs einverstanden567. Daran knüpfte es jedoch die Bedingung, dass dieser nicht „cum jure successionis“ ernannt werden dürfe568. Ow, so hieß es in der Presse, erfreue sich „des Besitzes eines nicht bedeutenden Vermögens, ein exzeptioneller Umstand, der die Frage der finanziellen Fundierung seiner Stellung als in seiner Person gelöst erscheinen“569 lasse. Eine mindestens ebenso bedeutende Rolle für die weitere Karriere Ows dürften seine adelige Herkunft und die hieraus herrührenden Verbindungen zu politisch maßgeblichen Adelskreisen um den Grafen Conrad von Preysing gespielt haben. In der Presse wurde etwa die Behauptung aufgestellt, dem Staat stehe „der entscheidende Einfluss bezüglich der Wahl der Persönlichkeit des Kandidaten“570 zu. In Richtung Senestréys hieß es hier ganz unverblümt, dass folglich „die Anschauung gewisser Kreise, die in einer diesbezüglichen Information der Regierung durch den Ordinarius einen bloßen Akt der Courtoisie erblicken, einigermaßen naiv erscheinen“ müsse. Senestréy hingegen verstand es allein als „Courtoisie“, dass er die Regierung über die Ernennung Ows informiert habe. Primäres Anliegen der staatlichen Position in der Frage der Auxiliarbischöfe war es, diesen kein ius succedendi zuzubilligen. Anderenfalls hätten – und das war die Befürchtung bei Hofe – die Kurie bzw. der um einen Auxiliar ersuchende Bischof das placetum regium aushebeln zu können. So wurde beispielsweise der Regierungspräsident Freiherr von Weuffen571, ein Neffe des Eichstätter Bischofs von Leonrod, an Neujahr 1902 von Kultusminister Wehner ersucht, die Motivation seines Onkels in der Weihbischofsfrage diskret zu ergründen572. Ganz offensichtlich war man sich im Ministerium nicht so sicher, ob der neben Senestréy dem ultramontanen Flügel der bay566 567
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Vgl. Schlecht, Bayerns Kirchen-Provinzen, S. 38. Hier auch das folg. Zit. Kultusministerium an Kongregation für die außerordentlichen kirchlichen Angelegenheiten v. 5.12.1901 u. v. 8.2.1902, in: BHStA München, MK 38980. Vgl. Kultusministerium an Senestréy v. 5.12.1901, in: BHStA München, Ges PS 751, sowie Monts an Ministerium des Auswärtigen v. 19.12.1901, in: PA AA, Bayern 53, 9. Münchner Allgemeine Zeitung v. 16.2.1902. Münchner Allgemeine Zeitung v. 10.2.1902. Hier auch das folg. Zit. Ein „Weuffen“ ist bei Schärl, Beamtenschaft, nicht registriert. Möglicherweise ist der Regierungspräsident der Pfalz, Adolph v. Neuffer (1845–1924), gemeint. Vgl. ebd., S. 207. Vgl. „Weuffen“ an Wehner v. o.D. 1902, in: BHStA München, MK 38980. Hier auch das folg. Zit.
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rischen Bischöfe zugeordnete Leonrod wirklich lediglich Unterstützung bei den Pontifikalhandlungen benötigte oder ob dieser bereits zu Lebzeiten einen potenziellen Nachfolger installieren wollte. Weuffen war der Auftrag spürbar unangenehm. Jedenfalls versuchte er, sich mit einer Erkrankung seines greisen Onkels herauszureden, die ihn den geplanten Besuch in Eichstätt zunächst habe verschieben lassen müssen. Anschließend sei er selbst „durch Influenza am Reisen gehindert“ gewesen, woraufhin Leonrod wieder verreist gewesen sei. Es fehlte also spürbar der Wille zu einem Zusammentreffen mit seinem Onkel. Umgekehrt tat sich in den folgenden Jahren auch nichts in der Weihbischofsfrage in Eichstätt. Erst nachdem Bischof von Leonrod Anfang 1905 schwer erkrankt war, wandte er sich nochmals mit eindringlichen und beschwörenden Worten an den Kultusminister. Er sei mit 78 Jahren „dem Bischofsalter nach der viertälteste Bischof Europas [und] fühle sehr das Bedürfnis einer Hilfe für Erteilung der hl. Weihen und für die übrigen Funktionen“573. Leonrod gab zu, „in dieser Beziehung bereits in Rom öfter privatim angefragt“ zu haben, worauf ihm geantwortet worden sei, Rom habe nichts gegen diesen Wunsch. Wenn nun aber das Problem bei der Regierung läge und durch die ungeklärte Dotationsfrage des möglichen Weihbischofs bedingt sei, lasse sich dies vielleicht durch Bestellung eines mit einer Präbende ausgestatteten Domherrn zum Weihbischof lösen. Der Kultusminister zeigte sich von diesem neuerlichen Vorstoß weiterhin unberührt und verwies auf den in der Nachbardiözese Regensburg keineswegs ausgelasteten Weihbischof von Ow-Felldorf, der doch ebenso wie der neu ernannte Bamberger Erzbischof von Abert aushilfsweise Pontifikalhandlungen in der Diözese Eichstätt vornehmen könne574. Obwohl Leonrod insistierte und zudem seinen Bruder, den Justizminister Leopold von Leonrod, bei Wehner antichambrieren ließ, blieb der Kultusminister hart. Dem Vorsitzenden des Ministerrats von Podewils-Dürnitz teilte er mit, dass die Absicht Leonrods in einer Ausweitung der Zahl der Weihbischöfe in Bayern liege und damit grundsätzlicher Natur sei, wenngleich natürlich auch das hohe Alter des Bittstellers eine Rolle spiele575. Für letztere Problematik gab es seiner Ansicht nach drei Lösungsmöglichkeiten, nämlich 1. eine Heranziehung der Nachbarbischöfe zur Aushilfe, 2. die Anstellung von Weihbischöfen für alternde Diözesanbischöfe und 3. die Resignation auf den bischöflichen Stuhl. Während er die erste Variante deutlich bevorzuge, sei auch der Lösungsvorschlag 2 denkbar, wenn sich mit dem Heiligen Stuhl eine klare Vereinbarung treffen ließe, dass die Weihbischöfe keine bevorzugten Kandidaten für die etwaige Neubesetzung von Bischofsstühlen seien. Dass Kultusminister von Wehner trotz seines Widerstands letztlich schon mit der Bestellung eines Weihbischofs in Eichstätt rechnete, zeigt sein Interes573 574 575
Leonrod an Kultusministerium v. 7.2.1905, ebd. Kultusministerium an Leonrod v. 10.2.1905, ebd. Zum Folgenden vgl. Wehner an Podewils v. 20.3.1905, ebd.
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se für Kandidaten aus dem Domkapitel. Wie er dem zuständigen Regierungspräsidenten von Mittelfranken in Ansbach mitteilte, müsse der Generalvikar Triller als Favorit Leonrods angesehen werden576. Da Triller in München lediglich als Gründer und eifriger Förderer des katholischen Pressvereins bekannt sei, bedürfe das Kultusministerium weiterer vertraulicher Informationen zu seiner Person. Dass sich Wehner versprach, Details über die staatspolitische Haltung des Eichstätter Generalvikars ausgerechnet aus Ansbach zu hören, lag daran, dass er sich „in Eichstätt … bis jetzt noch auf keine Persönlichkeit besinnen [konnte], die ich in dieser delikaten Angelegenheit zu Rate ziehen möchte“. Der dann doch rasche Tod Leonrods Anfang September 1905 machte die Dringlichkeit eines Weihbischofs für Eichstätt hinfällig. Eine neuerliche Demarche in der Weihbischofsfrage ging vier Jahre später, im Frühjahr 1909, von Nuntius Andreas Frühwirth aus577 und war vermutlich nicht mit dem Münchner Metropoliten von Stein abgesprochen, der ja weiterhin als Gegner der Weihbischofsernennungen galt578, allerdings kurze Zeit später verstarb. Jedenfalls sah es der Nuntius „im dringendsten Interesse einer ordnungsmäßigen Verwaltung der Diözesen München-Freising, Bamberg und Augsburg gelegen, dass daselbst ständige Weihbischöfe etabliert würden“. Nunmehr ging es also um eine Verstetigung dieser Einrichtung und nicht um Zugeständnisse in akuten Notlagen, die ja auch immer einen Interpretationsspielraum zuließen. Der Nuntius argumentierte jetzt mit der in den drei aufgeführten Bistümern seit Abschluss des Bayerischen Konkordates bzw. der Neuzirkumskription der Jurisdiktionsbezirke 1821 erheblich angestiegenen Katholikenzahl. Diese war in München-Freising von 450.000 auf 1,1 Million, in Augsburg von 470.000 auf 840.000 und in Bamberg von 220.000 auf 440.000 angewachsen579. Zudem führte er an, dass in Preußen die Zahl der Weihbischöfe von 1821 vier auf gegenwärtig acht verdoppelt worden sei. Bezeichnend an dem Vorstoß Frühwirths erscheint, dass dieser der Krone die Ernennung zugestand und lediglich die Bestätigung und Präkonisierung durch den Papst einforderte. Damit wäre das Procedere der Weihbischofsernennung dem der Bestellung der Diözesanbischöfe gleichgestellt worden und das zentrale Gegenargument der Regierung, mit aus Rom ernannten Weihbischöfen ultramontane und in keiner Weise staatskonforme Priester in den Bischofsrang zu bringen, ausgehöhlt. Als sich bei einem erneuten Gespräch des Nuntius mit dem Kultusminister staatliches Wohlwollen für diesen Lösungsvorschlag erkennen ließ, brachte Frühwirth gleich einige aus seiner Sicht 576
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Wehner an Regierungspräsident v. Mittelfranken v. 27.4.1905, in: BHStA München, MK 38980. Vgl. Aufzeichnung im Kultusministerium v. 28.3.1909, ebd. Hier heißt es nämlich wörtlich, dass „speziell Herr von Stein über einen Auxiliarbischof nicht entzückt sein werde“. Vgl. hierzu die statistischen Angaben bei Gatz, Die Bistümer und ihre Pfarreien.
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geeignete Kandidaten ins Gespräch, so den Domkapitular Michael Buchberger580 in München und einen Dr. Ahle. Im Nachgang musste der Nuntius dann allerdings einräumen, das sich das placetum regium für die Auxiliarbischöfe nicht in der geplanten Form konzedieren ließe, „weil bei der Bestellung eines Auxiliarbischofs auch die Wünsche des Ordinarius berücksichtigt werden müssen“581. So sei es jedenfalls die Praxis der Kurie. Zwischenzeitlich hatte sich das Kultusministerium beim bayerischen Gesandten in Preußen, Hugo Graf von Lerchenfeld-Köfering582, nach den Gepflogenheiten bei der Weihbischofsernennung in Preußen erkundigt. Demnach ließ sich diese Einrichtung im Nachbarland als eine ständige, in der Bulle „De salute animarum“ verankerte Einrichtung bezeichnen, wobei es für einen Bischof nicht zwingend sei, sich einen Weihbischof zu erbitten, dieser aber für den Fall der Bestellung zumeist aus dem Domkapitel genommen werde583. Da das Kultusministerium trotz der die Argumentation des Nuntius stützenden Mitteilung aus Berlin weiterhin eine passive bis ablehnende Rolle einnahm, drohte der wesentlich mit dem Fall befasste Nuntiaturauditor, Msgr. Francesco Marchetti Selvaggiani, bei einer weiteren Unterredung ein Vorpreschen von Papst Pius X. an, der „bezüglich der Erzdiözesen München-Freising und Bamberg … bestimmt entschlossen sei, die betreffenden Metropoliten anzuweisen, dass sie sich um Weihbischöfe nach Rom wenden, auch wenn die Sache bis dahin im Landtag nicht durchgebracht ist“584. Die staatliche Seite, die vornehmlich von dem Legationsrat Franz von Stockhammern585 repräsentiert wurde, biss sich in der Folge am Procedere der Ernennung fest. Vordringlich Kultusminister von Wehner forderte, nur Geistliche zu Weihbischöfen zu ernennen, die dem Staat genehm seien586. Der Nuntius hingegen stellte sich auf den Standpunkt, dass die Ernennung im gegenseitigen Einvernehmen zu geschehen habe. Anderenfalls handele es sich 580
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Zu Buchberger (1874–1961), 1923 Weihbischof in München, 1927 Bischof von Regensburg, vgl. Mai, Buchberger, in: Gatz, Bischöfe, S. 77–80. Frühwirth an Kultusministerium v. 10.4.1909, in: BHStA München, MK 38980. Zu Lerchenfeld-Köfering (1843–1925), 1880–1918 bayer. Gesandter in Berlin, vgl. Möckl, Die Prinzregentenzeit, S. 165f.; u. Gruner, Lerchenfeld-Köfering, in: NDB, Bd. 14 (1985), S. 313f. Vgl. Lerchenfeld-Köfering an Wehner v. 24.6.1909, in: BHStA München, MK 38980. Vgl. auch Prüfer, Die Weihbischöfe, S. 43, wo darauf hingewiesen wird, dass die Weihbischöfe in Preußen in der Regel zugleich Domherren waren. Aufzeichnung Wehners v. 17.7.1909, in: BHStA München, MK 38980. Zu Stockhammern (1873–1930), 1909 Legationsrat im Ministerium des Auswärtigen, 1914 Ministerialdirektor in Rom u. Bern, 1921 Privatsekretär des Fürsten Bernhard von Bülow, vgl. Hausberger, Das päpstliche Rom um 1910, in: Walter/Reudenbach (Hrsg.), Bücherzensur, S. 145–199. Vgl. hierzu u. zum Folgenden Aufzeichnungen über das Gespräch Marchetti – von Stockhammern v. 10.11.1909, ebd., sowie Greipl, in: Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte, Bd. III, S. 290.
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um ein Novum, das den bisher in anderen Ländern bestehenden Gepflogenheiten widerspreche. Die Intention des Heiligen Stuhls „wäre das umgekehrte Verhältnis wie bei der Bischofsernennung, wo das Staatsoberhaupt sich vergewissert, ob die von ihm getroffene Wahl das Einverständnis der Kurie findet“587, wie der bayerische Vatikangesandte Ritter zu Groenesteyn die päpstliche Linie auf den Punkt brachte. Dieses Vorgehen der Weihbischofsernennung „audito principis“, also unter Anhörung des Landesfürsten, sei auch deshalb nicht von der Hand zu weisen, weil es in Österreich und Spanien praktiziert werde. Vom Ministerium des Äußeren kam ergänzend der Vorschlag, das Votum der bayerischen Bischöfe in die Weihbischofsernennungen einzubeziehen. Schließlich wurde ein Kompromiss gefunden: Der Heilige Stuhl verpflichtete sich über den Nuntius bzw. im Fall von dessen Verhinderung über den bayerischen Gesandten am Vatikan die Regierung vorab über die Ernennung eines Auxiliars zu informieren. Zudem erklärte sich der Vatikan damit einverstanden, dass die Weihbischöfe auch über die Grenzen des jeweiligen Bistums hinaus, etwa im Rahmen der Kirchenprovinz, zu Aushilfen bereit sein müssten. Die Weihbischöfe sollten möglichst in ihrer Wirkungsdiözese beheimatet sein und dazu aus dem Domkapitel kommen und die mit ihrer dortigen Stelle verbundene Dotation behalten. Im Gegenzug verpflichtete sich der Staat diesen Sockelbetrag um eine zusätzliche Vergütung in Höhe von RM 2.000,- bzw. RM 3.000,- jährlich aufzustocken und diese Summe im Kultusetat zu reservieren588. 1909 gestand das Innenministerium der katholischen Kirche prinzipiell zu, dass künftig die beiden Metropolitansitze München und Freising sowie Bamberg und darüber hinaus die an Fläche und Einwohnerzahl großen Diözesen Augsburg und Bamberg ständig über einen Weihbischof verfügen sollten589, wobei staatlicherseits weiterhin Bedenken vorherrschten, was die Ernennung eines Weihbischofs zum Diözesanbischof anbetraf. Für diesen Fall war auch künftig eine kirchenrechtliche Dispens vom Titularbistum des Weihbischofs und damit eine vorhergehende päpstliche Dispens erforderlich, die das placetum regium einschränken konnte. Nicht zuletzt deshalb wurde erst im November 1910 diese Vereinbarung durch einen Notenwechsel zwischen dem Staatsministerium des Äußeren und Nuntius Frühwirth besiegelt590, welcher der Regierung verbriefte, dass kein Weihbischof ein Anrecht auf einen Bischofsstuhl geltend machen könne. Damit war der Befürchtung aus München, die Kurie könne ihr genehme Bischofskandidaten über die Konstruktion des Weihbischofsamtes zu residierenden Bischöfen machen, deutlich ein Riegel 587
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Ritter v. Groenesteyn an Kultusministerium v. 18.11.1909, in: BHStA München, MK 38980. Vgl. hierzu Ministerium des Auswärtigen an Erzbischof von München und Freising v. 20.12.1909, ebd., u. Greipl, in: Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte, Bd. III, S. 290. Vgl. Ministerium des Innern an Bettinger v. 20.12.1909, in: EAM, Erzbischöfe 1821–1917, 5/2. Vgl. Ministerium des Auswärtigen an Frühwirth v. 25.11.1910, in: ASV ANM 266.
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vorgeschoben. Dass ein solcher Schachzug, wenn er denn überhaupt impliziert wurde, ohnehin nicht möglich war, regelte, dass jeder Weihbischofskandidat vor der Ernennung der Regierung mitgeteilt werden musste und gegebenenfalls beanstandet werden konnte. In München und Freising hatte Erzbischof Stein die Ernennung des Dompropstes Anton von Lechner zum Weihbischof betrieben, die durch seinen plötzlichen Tod verhindert wurde591. Dagegen wandte sich Bischof Antonius Henle von Regensburg noch 1910 gegen Weihbischöfe und plädierte stattdessen für die Resignation alter bzw. kranker Bischöfe592. Offensichtlich erlebte er einen Gesinnungswandel. Denn schon im folgenden Jahr erbat er sich mit entsprechendem staatlichem Plazet den früheren Landtagsabgeordneten und Stadtpfarrer von Vilshofen, Johann Baptist Hierl593, als Weihbischof. Hierl, der am 4. Februar 1911 als Titularbischof von Teuchira und Weihbischof in Regensburg nominiert und am 18. April konsekriert wurde, war 1908 durch königliche Nomination in das Regensburger Domkapitel gelangt. Sehr offen sprach der Augsburger Bischof Maximilian von Lingg die Weihbischofsfrage gegenüber dem Kultusministerium an. Der Ernennung eines Weihbischofs sehe er „mit Bangen“ entgegen, da sein Domkapitel vollkommen überaltert sei, es aber doch Sinn und Zweck dieses Instituts sei, „Männer im kräftigen Alter zu nehmen, also höchstens fünfziger, da sonst eine zweifelhafte Hilfe geschaffen“594 sei. Lingg machte damit deutlich, dass, wenn die Weihbischofswürde keine späte Ehrung für ergraute Domherren sein dürfe, die Auswahl in Augsburg sehr gering sei. Allenfalls kämen Generalvikar Dr. Peter Göbl595, 58 Jahre alt, und Dompfarrer Mössmer, 55 Jahre alt, in Frage. Es dauerte allerdings noch ein gutes Jahr, bis der Nuntius beim Kultusministerium unter Verweis auf die bayerisch-vatikanische Vereinbarung in der Weihbischofsfrage formell anfragte, ob gegen die von Pius X. beabsichtigte Ernennung Göbls Bedenken bestehen würden596. Kultusminister von Wehner gab sich daraufhin gegenüber dem Prinzregenten betont moderat, indem er nicht nur umgehend seine Zustimmung zu dieser vatikanischen Personalentscheidung signalisierte, sondern Göbl auch ein einwandfreies staatsbürgerliches Verhalten attestierte, das der Prinzregent bereits durch die Verleihung
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Vgl. Schwaiger, Monachium Sacrum, S. 495. Vgl. Cetto an Ministerium des Auswärtigen v. 9.4.1910, in: BHStA München, Ges PS 888. Zu Hierl (1856–1936) vgl. Mai, Hierl, in: Gatz, Bischöfe, S. 306, u. Kosch, Das katholische Deutschland, S. 1578. Lingg an Kultusministerium v. 24.12.1909, in: BHStA München, MK 38980. Zu Göbl (1851–1916), seit 1901 Generalvikar, vgl. Rummel, Göbl, in: Gatz, Bischöfe, S. 251. Frühwirth an Kultusministerium v. 22.1.1911, in: BHStA München, MK 49161.
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des Michaelsordens IV. Klasse gewürdigt habe597. Diese Offenheit erscheint auch deshalb interessant, weil Göbl staatlicherseits bei der Vergabe der Dompropstei in Augsburg sowohl 1902 als auch 1905, also zwei Mal, trotz Bewerbung unberücksichtigt geblieben war598. Aufsehen erregte die Ernennung des Domkapitulars und seit 1905 amtierenden Generalvikars Johann Baptist Neudecker599 zum Weihbischof in München am 8. März 1911, weil dieser bereits 71 Jahre zählte und damit ein Jahrzehnt älter war als Erzbischof von Bettinger. Mit über 70 Jahren sei der Weihbischof wohl kaum so arbeitsfähig, dass sein Dienst eine spürbare Entlastung für den Metropoliten bedeute, die ja mit diesem Amt insinuiert sei, wurde in der Presse kritisch bemerkt.600 Erzbischof von Bettinger hatte zwar im Gegensatz zu seinen Amtskollegen in Augsburg und Bamberg einen Weihbischof gewollt, für diese Aufgabe aber eigentlich den Pfarrer der Münchner Ludwigskirche, Sebastian Fischer, vorgesehen gehabt601. In Bamberg hatte sich Erzbischof Friedrich Philipp von Abert offenbar lange Zeit gegen einen Auxiliarbischof gesträubt602. Exakt einen Tag nach dem Tod des Erzbischofs offenbarte hingegen der Domkapitular Dr. Friedrich Karl Hümmer dem Apostolischen Nuntius Frühwirth, dass es eines der letzten Anliegen des Verstorbenen gewesen sei, „die Weihbischofs-Angelegenheit ins Reine zu bringen“603. Er, Hümmer, selbst sei der Wunschkandidat Aberts für dieses Amt gewesen. Seither habe er „eine Zeit schwerer Prüfung“ erlebt, da sich zwar die liberale Münchner Presse im Februar 1911 des Themas angenommen und die baldige Ernennung eines Weihbischofs für Bamberg in Aussicht gestellt habe, seine erwartete Berufung jedoch nicht erfolgt sei. Hümmer fühlte sich offenbar düpiert, vor allem aber dem Vorwurf ausgesetzt, er habe aus eigener Initiative nach der bischöflichen Würde getrachtet. Gegenüber dem Nuntius zeigte er sich daher bemüht zu betonen, einen im Oktober 1910 unternommenen Besuch im Kultusministerium nicht zum Antichambrieren in dieser Angelegenheit genutzt zu haben. Vielmehr habe ihm der Erzbischof sein Vorhaben erst zwei Monate nach der Visite im Ministerium angetragen. Kurz vor seinem Tod habe Abert noch dem Domkapitular Dr. Kuhn anvertraut, dass er selbst die Sache verschleppt habe, dem Nuntius aber persönlich das Anliegen vortragen wolle. Wie sehr Hümmer nach diesem Amt trachtete, zeigt sich daran, dass er den Freiherrn von Franckenstein auf Schloss Ullstadt 597 598 599
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Wehner an Prinzregent v. 24.1.1911, ebd. Vgl. Buxbaum, Ernennung der Augsburger Dompröpste, S. 94 u. 97. Zu Neudecker (1840–1926) seit 1899 Generalvikar, vgl. Gatz, Neudecker, in: Ders., Bischöfe, S. 532f.; Kosch, Das katholische Deutschland, S. 3215. Vgl. Zeitungsartikel aus NN, in: EAM, Erzbischöfe 1821–1917, 5/2. Vgl. Schwaiger, Das Erzbistum München und Freising, S. 233. Vgl. ebd., S. 233. Hümmer an Frühwirth v. 24.4.1912, in: ASV ANM 270.
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vor den Karren spannte, der sich bei Frühwirth umgehend für ihn verwendete604. Letztlich musste die Angelegenheit für Hümmer auch betrüblich enden. Zwar griff der neue Erzbischof Hauck, nachdem er sich „einigermaßen in die Verwaltung der Erzdiözese Bamberg eingearbeitet“605 hatte, die Weihbischofsfrage dahingehend positiv auf, dass diese „von der Fürsorge des hl. Stuhles für das Wohl der Erzdiözese und der Kirchenprovinz Bamberg“ Zeugnis ablege, jedoch fand sich Hümmer unter den drei über die Nuntiatur in München der Kurie vorgeschlagenen Kandidaten an dritter Stelle. In den Augen Haucks empfahl sich Hümmer durchaus für diese Aufgabe „durch seine Gelehrsamkeit, die Reinheit seines Glaubens und seiner Sitten, den Eifer in der Ausübung des Predigtamtes und in der Leitung der kath. Jugendvereine der Erzdiözese“. Zudem sei er in Theologie promoviert und „zeigt sich gewandt im Verkehr“, wie der Erzbischof gegenüber dem Nuntius bemerkte, aber er charakterisierte gleichzeitig seinen Generalvikar Dr. Adam Senger606 als den „bei weitem tüchtigste(n) und tauglichste(n) Priester“ für dieses Amt, wobei er insbesondere dessen große Arbeitskraft und dessen verwaltungstechnische Erfahrung hervorhob. Als geeigneter als Hümmer klassifizierte Hauck ebenso den Domkapitular Theodor Geiger, der bloß den Makel einer nicht ganz stabilen Gesundheit besitze. Inwieweit Hauck über die Zusage seines Vorgängers Abert, Hümmer als Weihbischof zu erbitten, informiert war, lässt sich nicht mehr bestimmt eruieren. Dafür könnte sprechen, dass Erzbischof Hauck den Nuntius wissen ließ, er habe keinen der drei vorgeschlagenen Kleriker von seinem Ansinnen informiert, weil er der Meinung sei, „die Angelegenheit sub secreto behandeln zu sollen“607. Erzbischof Frühwirth gab nicht nur die Charakterisierungen des Bamberger Metropoliten an den Kardinalstaatssekretär weiter, sondern ergänzte sie zugleich um ausführliche eigene Kommentare608. Insbesondere verschaffte der Nuntius seinen Bedenken gegen Hümmer Gehör, dessen Interventionen ihm Ausdruck einer gewissen Arroganz zu sein schienen. Zudem sei dieser „troppo ligio al governo e alle autorita“ [zu sehr dem Staat und der Autorität treu]. Bei Geiger hingegen vermutete Frühwirth, dieser sei „forse scrupuloso“. Senger aber sei eigentlich der geeignetste Kandidat für den Erzbischofsstuhl gewesen, habe jedoch in den Augen der Regierung als „troppo severo e troppo intransigente“ [zu fromm und zu intransigent] gegolten. Zudem habe er seinen Doktor des Kirchenrechts an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom erworben609. Wenn er, Frühwirth, entscheiden könnte, dann würde er 604 605 606
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Vgl. Franckenstein, Schloss Ullstadt/Mittelfranken, an Frühwirth v. 29.4.1912, ebd. Hauck an Frühwirth v. 25.10.1912, ebd. Hier auch das folg. Zit. Zu Senger (1860–1935) vgl. Neundorfer, Senger, in: Gatz, Bischöfe, S. 702f., u. Rathgeber, Senger, in: Lebensläufe aus Franken, Bd. 6 (1960), S. 501–507. Hauck an Frühwirth v. 25.10.1912, in: ASV ANM 270. Vgl. Frühwirth an Merry del Val v. 28.10.1912, ebd. Hier auch die folg. Zit. Diese Information trifft nicht zu. Zwar studierte Senger 1893–1895 in Rom, jedoch an der
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dem Wunsch des Erzbischofs Folge leisten und Senger bevorzugen. Offenbar da die Voten Haucks und Frühwirths übereinstimmend zugunsten Sengers lauteten, gab Kardinalstaatssekretär Merry del Val bereits am 2. November 1912 der Nuntiatur Nachricht, dass Papst Pius X. Adam Senger zum Titularbischof von Comana und Weihbischof in Bamberg ernannt habe610. Nachdem der Nuntius gemäß der Vereinbarung zwischen Bayern und dem Heiligen Stuhl betreffs Ernennung von Weihbischöfen die Personalie der Staatsregierung bekannt gegeben hatte611 und von dieser Seite keine Einwendungen geltend gemacht worden waren612, wurde die päpstliche Personalentscheidung publik gemacht. Während der Ernannte selbst sich nicht nur „ungemein überrascht“613 zeigte, sondern auch beim Nuntius die Bitte äußerte, „mich doch ja mit dieser Würde verschonen zu wollen“, da sie für ihn statt Freude nur Last bringe, begann sich die kirchenkritische Presse über die Personalie zu ereifern. „Dr. Senger, der Unversöhnliche, steht dem Erzbischof nicht nur politisch und geistig sehr nahe, sondern er ist auch sein Duzfreund“614, hieß es beispielsweise im liberalen „Fränkischen Kurier“. Und in der „München-Augsburger Abendzeitung“ wurde offen angesprochen, dass gegen eine Weihbischofsernennung des Domherrn Dr. Hümmer bereits zu Lebzeiten des Erzbischofs von Abert „leider mit Erfolg intrigiert“615 worden sei, weshalb der kranke Oberhirte jeglichen Weihbischof grundsätzlich abgelehnt habe. Senger selbst – diesen Eindruck versuchte ein Leserbrief in demselben Organ zu erzeugen – werde in der Bevölkerung ohne Regungen, im Klerus jedoch misstrauisch aufgenommen616. Außerdem sei nicht einzusehen, weshalb Bamberg überhaupt einen Weihbischof brauche, zumal die katholische Bevölkerung in der Erzdiözese in den letzten Jahren nicht wesentlich zugenommen habe und ja erst ein neuer Erzbischof, der im besten Mannesalter stehe, ernannt worden sei. Dezidiert katholische Blätter holten sogleich zum Gegenschlag aus. So würdigte z.B. die „Augsburger Postzeitung“ den Neuernannten als einen „Priester, der als Vorkämpfer der katholischen Sache jederzeit auf allen Gebieten aufgetreten ist und sich seine Überzeugung nicht von der liberalen Presse vorschreiben, der sich von ihr nicht einschüchtern und nicht in die Sakristei – fern den Schüssen der Gegner des Katholizismus – sich begraben ließ“617. „Selten ist ein
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kirchenrechtlichen Hochschule Sant Apollinare u. war in dieser Zeit Kaplan an der Anima. Vgl. Gatz, Rom als Studienplatz deutscher Kleriker, S. 198. Vgl. Merry del Val an Frühwirth v. 2.11.1912, ebd. Bei Gatz, Bischöfe, S. 703, wird erst der 2.12.1912 als Ernennungsdatum angegeben. Vgl. Frühwirth an Ministerium des Auswärtigen v. 4.11.1912, in: ASV ANM 270. Vgl. Frühwirth an Merry del Val v. 15.11.1912, ebd. Senger an Frühwirth v. 16.11.1912, ebd. Fränkischer Kurier v. 18.11.1912. München-Augsburger Abendzeitung v. 18.11.1912. München-Augsburger Abendzeitung v. 26.11.1912. Augsburger Postzeitung v. 20.11.1912.
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Mann nach seiner Amtsernennung vom liberalen und sozialdemokratischen Blätterwald so geschmäht worden, wie der neue Weihbischof Dr. Senger“618, kommentierte eine dezidiert katholische Regionalzeitung die Schlagzeilen über diesen. Wenngleich Senger „eine enge Freundschaft“619 mit Erzbischof Jakobus von Hauck verband, der er seine Nominierung als Auxiliarbischof zu verdanken hatte, wurde er schnell auch innerhalb des Bistums eine gefürchtete Persönlichkeit. Jedenfalls wurde der am 12. Januar 1913 konsekrierte Bamberger Weihbischof, der zugleich weiterhin Generalvikar blieb und im Gegensatz zu dem als äußerst harmoniebewusst liebenswürdig geltenden Hauck mit harter Hand seine Entschlüsse durchsetzte, daher auch als „Generalvertreter“620 apostrophiert. Ein späterer Biograph sah es dann auch als Fingerzeig „für die geistige Begabung und Willenskraft des Geschlechtes [Senger] an, dass es immer die Bürgermeister stellte“621. Gleichwohl besaß Senger das Vertrauen der Krone, wie sich anlässlich der Vakanz der Bamberger Dompropstei Ende 1914 zeigte, als Erzbischof von Hauck Senger als geeigneten Kandidaten vorschlug, wozu König Ludwig III. seine Zustimmung gab622. Die Ernennungen von Neudecker und Senger zu Hilfsbischöfen in den beiden Metropolitandiözesen Bayerns besitzen darin eine Parallele, dass jeweils der amtierende Generalvikar die bischöfliche Würde erhielt.
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Fränkisches Volksblatt v. 11.1.1913, in: BHStA München, MK 49183. Neundorfer, Hauck, in: Gatz, Bischöfe, S. 292. So Denzler, Hauck, in: Die Bamberger Erzbischöfe, S. 291. Rathgeber, Senger, S. 501. Vgl. Hauck an Ministerium des Auswärtigen v. 14.12.1914 u. Ludwig III. an Frühwirth v. 17.2.1915, in: ASV ANM 270.
Königreich Sachsen APOSTOLISCHE ADMINISTRATUR DES BISTUMS MEISSEN IN DEN LAUSITZEN UND APOSTOLISCHES VIKARIAT SACHSEN
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as Königreich Sachsen spielte im Untersuchungszeitraum in gewisser Weise eine Sonderrolle innerhalb der Staaten des Deutschen Reiches, weil dort keine eigentliche Diözesanstruktur existierte1. Sachsen blieb ein protestantischer Staat, in dem erst infolge des Posener Friedens 1806 die Katholiken durch königliches Mandat mit der lutherischen Bevölkerungsmajorität in kirchlicher wie politischer Hinsicht gleichberechtigt wurden. Die Tatsache, dass das Herrscherhaus der Wettiner2 mit August dem Starken wieder die katholische Konfession angenommen hatte, stellte nämlich „in staatsrechtlicher Beziehung eine private Angelegenheit“3 dar. Lediglich in der durch den sogenannten Traditionsrezess von 1635 der Landeshoheit der sächsischen Kurfürsten bzw. Könige unterstellten Ober- und Niederlausitz waren die katholischen Klöster Neuzelle, St. Marienstern, St. Marienthal, Lauban sowie das Kollegiatstift St. Petri in Bautzen als katholische Inseln mit den ihnen inkorporierten Pfarreien katholisch geblieben und deren Existenz garantiert worden4. Die geistliche Jurisdiktion über die katholischen Lausitzer stand seit 1570 dem Domdekan in Bautzen zu, der vom Bautzner Domkapitel gewählt wurde und den Titel eines Apostolischen Administrators des Bistums Meißen in den Lausitzen trug. Damit war die Diözese Meißen rein rechtlich gesehen in diesem Teil Sachsens nicht in der Reformation untergegangen, sondern wurde von einem Verwalter betreut, der seit 1753 zumeist auch vom Heiligen Stuhl den Rang eines Titularbischofs erhielt5. Das übrige Sachsen hingegen, die sogenannten Erblande, waren reinste Diaspora und 1
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Vgl. zum Überblick jetzt Seifert/Mitzscherlich, Bistum Dresden-Meißen (bis 1979: Meißen), in: Gatz, Die Bistümer der deutschsprachigen Länder, S. 181–195. Vgl. jetzt im Überblick Groß, Die Wettiner. Meier, Das Apostolische Vikariat, S. 1. Meier hat für sein detailliertes Standardwerk, das auch die hier virulenten Vorgänge der Ernennungen einbezieht, nur die im heutigen SHStA Dresden befindlichen Quellen eingesehen. Die Akten des kath. Konsistoriums in Dresden hingegen wurden beim Bombenangriff 1945 vernichtet. Zu Recht vermutete er aber: „Wahrscheinlich bergen auch die vatikanischen Archive noch manches … unbekanntes Schriftstück.“ Ebd., S. IX. Vgl. ebd., S. VIII. Unmittelbar auf Meier bezieht sich auch Fischer, Die Wiedererrichtung des Bistums Meißen 1921 und ihre Vorgeschichte, hier S. 53–56. Vgl. Dittrich, Die Meißener Diözese; Seifert, Meißen – Bautzen – Dresden, in: RQ, Bd. 79 (1984), S. 12–36. Vgl. Fischer, Die Wiedererrichtung des Bistums Meißen 1921 und ihre Vorgeschichte, S. 26.
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unterstanden der römischen Kongregation „Propaganda fide“. Hier erfolgte seit 1708, also seit der politisch motivierten Konversion Augusts des Starken, die Einsetzung eines Apostolischen Präfekten mit Sitz an der Dresdner Hofkirche. Dieses Amt war lange Zeit identisch mit der Aufgabe des königlichen Beichtvaters6. Wahrscheinlich schon 1743 erhielt dieser den Rang eines Apostolischen Vikars für die sogenannten sächsischen Erblande und wurde ab 1801 zugleich zum Titularbischof ernannt, um bischöfliche Funktionen wahrnehmen zu können. Als katholischer Monarch beanspruchte der sächsische König das Recht der „nominatio regia“ für den Apostolischen Vikar, was in den Augen des Heiligen Stuhls dem Zeitgeist entsprechend als legitim angesehen wurde. Allerdings verankerten die Wettinerherrscher ihr Recht beispielsweise in der Sächsischen Verfassung von 1831 sehr deutlich, wenn es dort im Sinne des landesherrlichen Kirchenregiments in § 57 hieß: „Der König übt die Staatsgewalt über die Kirchen aus.“7 In der Folge gewann das Kultusministerium, das bereits im Sinne des Summepiskopats die Jurisdiktionsgewalt über die Protestanten ausübte, auch die Oberaufsicht über die katholischen Angelegenheiten. Seit Beginn des 19. Jahrhunderts verschiedentlich verfolgte staatliche Bemühungen um die Errichtung eines Landesbistums, die vornehmlich im Nachgang zur Verfassung 1832 betrieben wurden8, blieben ohne Ergebnis, nicht zuletzt weil man in Dresden bei einer Änderung des status quo Widerstand von gleich zwei Seiten befürchtete: Der Vatikan befürchtete durch eine Neuumschreibung der Jurisdiktionsbezirke einen Verlust an politischem Einfluss. Denn der Administrator der Lausitz besaß bisher in seiner Eigenschaft als Dekan des Bautzener Kollegiatkapitels einen Sitz in der I. Ständekammer. Für Österreich hingegen spielte das den Habsburgern als Inhabern der böhmischen Krone vorbehaltene ius protectionis, also das Schutz- und Aufsichtsrecht über das Kollegiatstift Bautzen, das bei jeder Dekanswahl die Bestätigung durch den Wiener Hof einschloss, eine Rolle, das bei einer Neuordnung der Diözesanstruktur ebenfalls gefährdet schien9. Seit 1831 wurden die Aufgaben des Apostolischen Vikars im Königreich Sachsen, wie er seit 1827 hieß, und des Administrators stets in Personalunion vergeben10. Erst die Wiedererrichtung des Bistums Meißen nach dem Ersten Weltkrieg führte zu einer Vereinigung der beiden sächsischen Juris6 7
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Vgl. Meier, Die katholische Kirche in Sachsen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, S. IX. Vgl. Verfassung des Königreichs Sachsen v. 4.9.1831, zit. nach Meier, Das Apostolische Vikariat, S. 4. Der vollständige Text bei Meier, Die katholische Kirche in Sachsen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, S. 256–259. Vgl. ebd., S. 47–49 u. 76f. Vgl. SHStA Dresden, Best. 11125, Nr. 10865. Vgl. Meier, Die katholische Kirche in Sachsen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, S. 1 u. 68. 1845 verzichtete Österreich auf das ius protectionis. Eine Ausnahme bildeten die Jahre 1841 bis 1846, in denen die Ämter wiederum getrennt waren. Vgl. Meier, Das Apostolische Vikariat, S. 175–177.
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diktionsbezirke. Seit 1827 bestand auch in Dresden ein „Geistliches katholisches Konsistorium“ als katholische Behörde. Trotz oder gerade wegen ihrer aus politischen Gründen erfolgten Konversion erwiesen sich die sächsischen Kurfürsten als Förderer der lutherischen Landeskirche. Als Inhaber des Summepiskopats sorgten sie beispielsweise dafür, dass die evangelische Konfessionsschule zur Regelschule wurde. Eine Kulturkampfgesetzgebung war in Sachsen – trotz des katholischen Herrscherhauses der Wettiner – ebenso wie in Preußen erfolgt, allerdings erst zeitlich versetzt nach der Einsetzung des Apostolischen Vikars und Apostolischen Administrators Bischof Franz Bernert11 1875, und zwar durch das staatliche Oberaufsichtsgesetz vom 23. August 187612. Wenn gemäß § 22 Abs. 1 dieses Gesetzes ein geistliches Amt im Königreich Sachsen künftig nur einem deutschen Staatsbürger übertragen werden durfte, der sein Abitur an einem deutschen Gymnasium abgelegt hatte und der mindestens drei Jahre an einer deutschen Universität studiert hatte13, so lag die besondere Härte dieser Vorschrift insbesondere im Studium, das ebenfalls an einer deutschen Universität zu absolvieren war. Schließlich war der Klerus der Lausitz und seit dem 19. Jahrhundert auch der Erblande bisher im sogenannten Wendischen Seminar in Prag, also im benachbarten Österreich, ausgebildet worden14. Allerdings schränkte das sächsische Oberaufsichtsgesetz diese Bedingung dahingehend ein, dass alle Geistlichen die bis zum Zeitpunkt von dessen Verkündung bereits in Sachsen angestellt waren, von ihm nicht betroffen waren. Außerdem verhinderte die geringe Zahl von Katholiken in Sachsen ebenso einen Kulturkampf wie die durch die katholischen Monarchen zwangsläufig bedingte Staatsnähe der katholischen Minderheit15. Anders als in Preußen kam es im Verlauf der 1880er Jahre jedoch nicht zu einer Lockerung oder gar Aufhebung dieser Gesetze16, so dass sich die katholische Kirche im Königreich zum Zeitpunkt des Ablebens von Bischof Bernert, am 18. März 1890, der im Vorjahr noch mit der Würde eines Päpstlichen Thronassistenten und 11 12
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Zu Bernert (1811–1890) vgl. Seifert, Bernert, Franz, in: Gatz, Bischöfe, S. 40. Vgl. Gesetz, die Ausübung des staatlichen Oberaufsichtsrechts über die katholische Kirche im Königreich Sachsen betreffend vom 23. August 1876, abgedruckt bei Meier, Das Apostolische Vikariat, S. 236–243. Allerdings waren alle Entscheidungen des Apost. Vikars bereits durch einen Regulativentwurf von 1845 von der Zustimmung des Kultusministeriums abhängig. Vgl. Gesetz 1876, § 19 u. 21. Das Wendische Seminar war 1728 (n.a.A. 1724) von den Priesterbrüdern Martin und Georg Schimon gegründet worden u. bestand bis 1922. Vgl. Meier, Die katholische Kirche in Sachsen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, S. 6. Zu den Bezügen zu Böhmen vgl. auch Pfeifer, Kirchliche Beziehungen zwischen Böhmen und der Lausitz, in: Reiß/Schütz (Hrsg.), Kirche, Recht und Land, S. 211–227. Vgl. Keller, Landesgeschichte Sachsen, S. 359. Vgl. Meier, Das Apostolische Vikariat, S. 102.
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comes romanus ausgezeichnet worden war17, in einer Situation des verschärften Staatskirchentums befand. Offensichtlich haben die gemeinsamen Siege Sachsens im Bunde mit Preußen während der Einigungskriege „zur weiteren Nationalisierung Sachsens im Deutschen Reich“18 entscheidend beigetragen, in deren Konzept eine internationale Organisation wie die katholische Kirche natürlich ein Fremdkörper bleiben musste. Schon die Bischofsweihe von Franz Bernert hatte 1876 nicht im St.-Petri-Dom zu Bautzen oder in der Dresdener Hofkirche, sondern in der Kathedrale der böhmischen Bischofsstadt Leitmeritz stattgefunden19, was die katholische Presse dahingehend kommentiert hatte, „dass in confessioneller Hinsicht bei uns noch manches faul ist“20. Da zwischen 1801 und 1842 mehrere Bischofsweihen in Dresden, zum Teil in der Hofkirche stattgefunden hatten, musste in der Auslagerung des Weiheaktes katholischerseits zumindest ein Affront gesehen werden. Vor diesem Hintergrund erwarteten die kirchlichen Instanzen bei der Neubesetzung des höchsten geistlichen Amtes Sachsens durchaus Schwierigkeiten, wenngleich es bisher bedingt durch die „Verbindlichkeit und Liebenswürdigkeit“21 Bernerts zu keinen gravierenden Misshelligkeiten im Staat-Kirche-Verhältnis gekommen war.
Neubesetzung 1890 Mit der eintretenden Sedisvakanz nahm automatisch Bernerts bisheriger Stellvertreter, der 59-jährige Vikariatsrat Ludwig Wahl22, kommissarisch dessen Aufgaben wahr, zumal dieses Stellvertreteramt im Vergleich zur Aufgabe des Generalvikars in wirklichen Diözesen mit dem Tod des Apostolischen Vikars nicht automatisch erlosch 23. König Albert24 plante offenbar, den Präses des Katholischen Konsistoriums in Dresden, Hermann Buck, mit der Nachfolge zu betrauen, allerdings lehnte sein Wunschkandidat aus Gesundheitsgründen ab. Daraufhin suchte Kultusminister Carl von Gerber25, dem 17
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Vgl. Bernert an Kultusministerium v. 14.9.1889, in: SHStA Dresden, Best. 11125, Nr. 10980. Das Ministerium äußerte am 14.10. keinerlei Bedenken, ebd. Weichlein, Sachsen zwischen Landesbewusstsein und Nationsbildung, in: Lässig/Pohl (Hrsg.), Sachsen im Kaiserreich, S. 241–270, hier S. 265. Vgl. Meier, Das Apostolische Vikariat, S. 91. Schlesische Volkszeitung v. 20.3.1876. Zit. nach SHStA Dresden, Best. 11125 Nr. 10980. Seifert, Bernert, S. 40. Zu Wahl (1831–1905) vgl. Seifert, Wahl, in: Gatz, Bischöfe, S. 786f.; Meier, Wahl, in: RJKG, Bd. 9 (1990), S. 161–176; u. Brandt/Häger, Biographisches Lexikon zur Geschichte der katholischen Militärseelsorge Deutschlands, S. 868. Vgl. Meier, Das Apostolische Vikariat, S. 2. Zu Albert von Sachsen (1828–1902), reg. seit 1873, vgl. Neitzel, Albert (1873–1902), in: Kroll (Hrsg.), Die Herrscher Sachsens, S. 279–289, u. Groß, Die Wettiner, S. 253–257. Zu Gerber (1823–1891), 1863 Prof. der Rechtswissenschaften in Leipzig, 1871 Kultus-
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eine „sachgemäße, leidenschaft[s]lose, aber feste und bestimmte Haltung gegenüber der katholischen Kirche“26 attestiert wurde, das Gespräch mit Ludwig Wahl, der somit nur „zweite Wahl“ für dieses Amt war. Dass man im Ministerium eine von der Haltung des Monarchen durchaus differierende Haltung in der Neubesetzungsfrage einnahm, belegt eine Einschätzung des sächsischen Außenministers Alfred Graf Fabrice27. Gegenüber dem preußischen Gesandten in Dresden, Carl Graf von Dönhoff28, gab dieser zum Besten, „der König sei nichts weniger als ultramontan gesinnt und werde es nicht wagen, einen Geistlichen …, von dem die … Geltendmachung ultramontaner Bestrebungen … sehr durch intolerante Haltung gegenüber dem evangelischen Teil der Bevölkerung zu befürchten sei“29, zu ernennen. Deshalb habe der „Hofprediger Wahl“, obgleich „ein sehr eifriger Katholik …, hinsichtlich seines Verhaltens Versicherungen der Friedfertigkeit und Versöhnlichkeit abgegeben“. Diese vertraulichen Informationen auf diplomatischer Ebene lassen zweierlei deutlich werden: Zum einen betrachtete man im benachbarten Preußen die Personalfragen der katholischen Kirche in Sachsen nicht als interne Angelegenheit, sondern verfolgte sie mit Interesse. Wäre dies nicht der Fall, hätte der preußische Gesandte in Dresden wohl kaum über den Vorgang Informationen eingeholt und nach Berlin gemeldet. Zum anderen lassen die internen Informationswege Hintergründe über die kirchenpolitische Haltung Ludwig Wahls, der offensichtlich unter dem Deckmantel der Staatsloyalität eine strengkirchliche Gesinnung verbarg, zu Tage treten. Tatsächlich hatte Wahl als Hofprediger in den 1870er Jahren zumindest mit den Ausschlag für das Oberaufsichtsgesetz gegeben, weil er Kritik an dem von der Regierung verfügten Verbot der Verkündigung des Infallibilitätsdogmas geäußert hatte.30 Ebenso wurde seine deutliche Haltung gegen dieses Gesetz noch Jahre später in der Schrift des protestantischen Dresdner Pfarrers Franz Blanckmeister über die katholische Kirche Sachsens als „ebenso unklug wie unmotiviert“ qualifiziert. In einem Brief vom 9. April
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minister, vgl. Maack, Gerber, in: NDB, Bd. 6 (1964), S. 251–253, u. DBE2, Bd. 3 (1996), S. 635. Zur Bewertung der Politik Gerbers vgl. auch Blaschke, Das Königreich Sachsen 1815–1918, in: Schwabe (Hrsg.), Die Regierungen der deutschen Mittel- und Kleinstaaten, S. 81–102, hier S. 98. Beschorner, Gerber, in: Sächsische Lebensbilder, Bd. 1, S. 87–108, hier S. 99. Zu Fabrice (1818–1891), Chef des sächsischen Generalstabs, 1883 zugl. Minister des Auswärtigen, vgl. Blaschke, Minister des Königreichs Sachsen 1815–1918, in: Schwabe, Die Regierungen der deutschen Mittel- und Kleinstaaten, S. 285–294, hier S. 286, DBE2, Bd. 3 (1996), S. 212, u. Richter, Georg Alfred von Fabrice, in: Sächsische Lebensbilder, Bd. 2, S. 70–96. Zu Dönhoff (1833–1906), seit 1878 preuß. Gesandter in Dresden, vgl. Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes, Bd. 1, S. 443f. Dönhoff an Auswärtiges Amt v. 19.6.1890, in: PA AA, R 3241. Hier auch die folg. Zit. Vgl. hierzu die pamphletartige Schrift des ev. Pastors Franz Blanckmeister, Das kirchlichreligiöse Leben, hier S. 5. Das folg. Zit. ebd., S. 6.
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1890 an den Kultusminister von Gerber hatte Wahl dann auch nicht ohne Geschick seine Friedfertigkeit in konfessioneller Hinsicht zum Ausdruck gebracht, indem er sich darauf berief, „die Pflege des konfessionellen Friedens und der im Königreich Sachsen stationär gewordenen Eintracht zwischen den Angehörigen der verschiedenen Bekenntnisse … schon aus meiner heimatlichen Diözese Rottenburg (Württemberg) mit hierher gebracht“31 zu haben. Auch sei er bestrebt gewesen, „namentlich auf der Kanzel der Hofkirche, … immer diesen Grundsatz der Eintracht und des Friedens eingehalten“ zu haben. Zumindest letztere Aussage stand im Gegensatz zu den Ausführungen Blanckmeisters. Möglicherweise beeinflusst von Wahls Beteuerung, „in veränderter Stellung … mit der entsprechenden Rücksicht auf die vorliegenden Bedürfnisse und Verhältnisse“ zu handeln, wandte sich das Kultusministerium unmittelbar an das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten und teilte den Wunsch des Königs mit, dass „das Augenmerk auf einen würdigen katholischen Geistlichen des Landes gerichtet werden möge, der schon durch längere praktische Erfahrung mit den Verhältnissen … vertraut sei“32. Diese Bedingungen würden durch den Hofprediger Ludwig Wahl insbesondere erfüllt. Das Außenministerium wurde somit in die Personaldebatte nicht unmittelbar einbezogen, sondern lediglich mit dem Besetzungsvorschlag dahingehend konfrontiert, dass es die Kontaktaufnahme mit dem Heiligen Stuhl vorzubereiten hatte. Denn im nächsten Schritt war der Personalvorschlag nach Rom mitzuteilen. Da das Königreich Sachsen – wie die übrigen protestantischen deutschen Staaten – keine eigene Gesandtschaft beim Vatikan unterhielt, fungierte in katholischen Angelegenheiten der Sächsische Gesandte in Bayern als Anlaufstelle, der wiederum Tuchfühlung mit dem Münchner Nuntius aufzunehmen hatte. So suchte Nuntius Antonio Agliardi am 25. Mai 1890 persönlich den Königlichen Gesandten, einen Bruder des Außenministers, auf, um ihm bereits vorab „vertraulich mitzuteilen, dass Seine Heiligkeit, der Papst, dem Wunsche Seiner Majestät entsprechend … die Wahl genehmigt habe“33. Die Präkonisation Wahls würde im Konsistorium Ende Juni erfolgen. Gleichzeitig avisierte er ein offizielles Schreiben des Kardinalstaatssekretärs Rampolla, das dem Ministerium für Kultus zugehen werde. Bevor der Außenminister Graf Fabrice am 13. Juni über den Nuntius auch eine schriftliche Einverständniserklärung Roms mit der Ernennung des neuen Apostolischen Vikars zugesandt bekam34, hielt er einen Brief Rampol31
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Wahl an Gerber v. 9.4.1890, in: SHStA Dresden, Best. 11125, Nr. 10980. Hier auch die folg. Zit. Kultusministerium an Ministerium des Äußeren v. 8.5.1890, ebd. Sächs. Gesandter an Minister des Äußeren v. 26.5.1890, ebd.. Vgl. Agliardi an Fabrice v. 13.6.1890, ebd. Zuvor hatte sich Kultusminister von Metzsch am 27.6. bereits höflich beim Nuntius bedankt. Vgl. ebd.
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las in Händen, in dem dieser jedoch nicht auf die bevorstehende Ernennung eines neuen kirchlichen Oberhaupts für die sächsischen Länder Bezug nahm, sondern „die Besorgnisse …, die der Heilige Vater bezüglich der anormalen Lage hegt, welche den Katholiken des Königreichs durch die daselbst gegenwärtig in Kraft stehende Gesetzgebung erwächst“35, ausdrückte. Konkret appellierte der Kardinalstaatssekretär an die sächsische Regierung, dem Beispiel Preußens zu folgen und „geeignete Abänderungen der Staatsgesetze herbeiführen“ zu wollen. Nur auf diese Weise sei die „Herstellung jenes religiösen Friedens …, welcher sich den Interessen der Kirche und des Staats so nützlich erweist“, möglich. Zwar hatte der Heilige Stuhl offiziell kein direktes Junktim mit der Bestätigung des ihm offenbar durchaus genehmen Ludwig Wahl verfügt, die Artikulation der Unzufriedenheit mit der sächsischen Kirchenpolitik exakt zum Zeitpunkt der Neubesetzung der kirchlichen Leitungsämter kam aber sicherlich nicht von ungefähr. Nuntius Agliardi jedenfalls zeigte sich bemüht, die rasche Bestätigung Wahls als „un acte de prévenance du Saint-Père envers Sa Majesté“36 zu interpretieren. Eine gewisse Servilität des Nuntius spricht zudem aus der Tatsache, dass er seinen Pro-Auditor zur Vornahme des kanonischen Informativprozesses nach Dresden sandte. Im Normalfall hatte der neu ernannte Bischof sich diesem kirchenrechtlich vorgeschriebenen Akt persönlich in München zu unterziehen. Die Dresdner Ministerien befanden sich dadurch in der prekären Lage, einerseits auf die Mahnung Rampollas nach Lockerung der Staatsaufsicht in geeigneter Form reagieren zu müssen, andererseits aber noch keinen schriftlichen Bescheid über die Ernennung Wahls in Händen zu halten. Kultusminister von Gerber plädierte bei seinem Kollegen im Ressort des Auswärtigen, Graf Fabrice, dafür, falls dieser den Brief Rampollas zu beantworten gedenke, dem Heiligen Stuhl keine Versprechungen zu machen. Vielmehr schlug er vor, zu betonen, dass „zur Zeit keine Veranlassung vorliege, eine Abänderung der auf die Verhältnisse der katholischen Kirche im Königreich Sachsen bezüglichen Gesetze und der dieselben betreffenden Bestimmungen der Staatsangelegenheiten in Erwägung zu ziehen“37. In diesem Ratschlag machte sich die „allmächtige Stellung des Kultusministeriums in kirchlichen Angelegenheiten“38 bemerkbar. Am 28. Juni bekräftigte der Nuntius gegenüber dem sächsischen Gesandten von Fabrice in München die Haltung Rampollas und machte geltend, dass in anderen deutschen Staaten, wie z.B. in Preußen, durchaus Gesetzes35
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Rampolla an Sächs. Regierung v. 10.6.1890, in: SHStA Dresden, Best. 11125, Nr. 10989. Rampollas italienisch gehaltenes Schreiben u. eine deutsche Übersetzung, ebd., auszugsweise abgedruckt bei Meier, Das Apostolische Vikariat, S. 243f. Hier auch die folg. Zit. Agliardi an Metzsch v. 16.7.1890, ebd. Kultusministerium an Ministerium des Äußeren v. 23.6.1890, ebd. Meier, Das Apostolische Vikariat, S. 4, u. auch S. 124.
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abänderungen zugunsten einer stärkeren Freizügigkeit der katholischen Kirche erfolgt seien. Obwohl die kirchliche Diplomatie erneut den Finger in die Wunde der Staat-Kirche-Beziehungen legte, was in sächsischen Regierungskreisen als weitere Provokation angesehen werden musste, zogen die Ministerien es vor, sich zunächst in Schweigen zu hüllen. Am 11. Juli 1890 wurde im Vatikan dennoch die Ernennung Wahls zum Titularbischof von Cucusus bekannt gegeben. Drei Tage später langten die päpstliche Ernennungsbreven in Dresden an, und nur knapp eine Woche später fand bereits die Bischofsweihe statt. Wiederum war ein Konsekrationsort außerhalb Sachsens gewählt worden, der allerdings diesmal weder Bezüge zu einem der beiden sächsischen Jurisdiktionsbezirke noch zu dem zu Konsekrierenden aufwies. Weit entfernt von Dresden, und zwar im Kölner Dom spendete der dortige Erzbischof Philipp Krementz am 20. Juli 1890 die Bischofsweihe an Ludwig Wahl39. Abweichend von früheren Gepflogenheiten fand die staatliche Verpflichtung Wahls durch König Albert, der ihm anlässlich der Bischofsweihe das Komturkreuz I. Klasse des Albrechtsordens verliehen hatte40, in Gegenwart des Kultusministers von Gerber erst nach seiner Konsekration, und zwar am 25. Juli 1890, statt. Offenbar ist dieser Akt als staatliches Zugeständnis angesichts der Verstimmung der Kurie über die rigide sächsische Kirchengesetzgebung zu werten. Denn die staatlichen Instanzen hatten es vorgezogen, auf ein am 16. Juli direkt an den sächsischen Minister des Äußeren gerichtetes Schreiben von Nuntius Agliardi, in dem dieser betont hatte, dass Staat und Kirche „puissent vivre en bonne harmonie“41, nicht zu antworten. Agliardi zeichnete sich jedoch durch Nachhaltigkeit aus und suchte am 25. Oktober den sächsischen Gesandten persönlich auf, um sich nicht nur über die ausgebliebene Antwort zu beklagen, sondern das Angebot des Vatikans als Zeichen der Gesprächsbereitschaft zu bekräftigen42. Wenn dieser es „vermieden [hatte] … bei den verschiedenen Gelegenheiten, welche mich mit dem apostolischen Nuntius zusammenführten, das Gespräch auf die früher angedeuteten Wünsche desselben kommen zu lassen“43, ist dies ein Fingerzeig auf eine Taktik der bewussten Marginalisierung und Verdrängung der Problematik staatlicherseits. Obgleich der Nuntius darum gebeten hatte, „dass man nur eine kleine Türe offen lassen“ möge und damit argumentierte, dass „umsomehr bei den zersetzenden Bestrebungen der sozialdemokratischen Partei es notwendig sei, dass die weltlichen und kirchlichen Behörden innig Hand 39 40 41
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Vgl. ebd., S. 101. Vgl. SHStA Dresden, Best. 11125, Nr. 10980. Nuntius an Minister v. Metzsch v. 16.7.1890, ebd., abgedruckt bei Meier, Das Apostolische Vikariat, S. 245f., hier S. 246. Vgl. den Bericht des Gesandten an Staatsminister Graf von Fabrice, Dresden, v. 26.10.1890, ebd., abgedruckt in Meier, Das Apostolische Vikariat, S. 247f. Fabrice, München, an Ministerium des Äußeren v. 26.10.1890, ebd. Hier auch die folg. Zit.
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in Hand gingen“, sah man in Dresden keinen Verhandlungsspielraum. Der Gesandte jedenfalls erhielt auf Nachfrage im Außenministerium die Versicherung, dass „die sächsische Regierung sich das Zeugnis geben dürfe, dass sie alle die katholische Kirche in Sachsen und deren Verhältnisse betreffenden Fragen von je her nach gewissenhaftester Erwägung behandelt habe, sie auch selbstverständlich in solchem Sinne zu handeln fortfahren werde“44. Damit angestrebten Verhandlungen zwischen Staat und Kirche über eine Verbesserung des Klimas erteilte sie gleichzeitig eine Absage. Der Heilige Stuhl hatte zu diesem Zeitpunkt jedoch erst die Amtsführung Wahls in den sächsischen Erblanden sanktioniert, nicht aber dessen gleichzeitig vorgesehene Tätigkeit als Apostolischer Administrator der Lausitz. Dort ging der erforderlichen Wahl zum Domdekan in Bautzen die Ernennung eines Königlichen Wahlkommissars voraus, den der Monarch in Person des Kreishauptmanns von Zwickau, von Hausen, am 26. August 1890 nach Bautzen schickte, um die Mitglieder des Kollegiatkapitels einzeln aufzusuchen und von der Notwendigkeit einer Fortführung der Personalunion mit dem Vikariat Sachsen, also von der erforderlichen Zustimmung für Bischof Ludwig Wahl als Domdekan, zu überzeugen45. Insbesondere der Senior des Kapitels, Jakob Kutschank, machte bei dieser Gelegenheit aus seiner Ablehnung Wahls keinen Hehl, der zudem seiner Ansicht nach im Kapitel nicht mehrheitsfähig sei. Offen favorisiert werde der Konsistorialpräses Hermann Buck, der zwar das Apostolische Vikariat, nicht aber das Domdekanamt ausgeschlagen habe. Der Wahlakt verlief am 28. August dann so, dass der Kommissar den Wunsch des Königs nach einem Fortbestehen der Personalunion bekanntgab und anschließend die Wahl stattfand, bei der auf Ludwig Wahl sieben von neun Stimmen entfielen46. Inwieweit sich dieses Ergebnis auf die Überzeugungskraft des Wahlkommissars zurückführen lässt oder inwieweit die Kapitelsmitglieder sich ohnehin bewusst waren, dass sie ja im Grunde keine Alternative zu dem königlichen Wahlvorschlag hatten, wollten sie nicht von sich aus Anlass geben, die guten Kontakte mit den Staatsbehörden auf die Probe zu stellen, muss offen bleiben. Auch wenn die Dekanswahl sich also als ein abgekartetes Spiel entpuppte, handelte es sich um eine kanonische Wahl, wie sie dem Recht entsprach. Eine amtliche Benachrichtigung des Nuntius über den durchgeführten Wahlakt in Bautzen erfolgte erst am 8. November 1890, woraufhin am 20. Januar 1891 die päpstliche Bestätigung und die Ernennung zum Apostolischen Administrator des Bistums Meißen in der Lausitz erfolgte. 44
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Vgl. Kultusminister Gerber an Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten v. 1.11.1890, in: SHStA Dresden, Best. 11125, Nr. 10980; auch abgedruckt bei Meier, Das Apostolische Vikariat, S. 248f. Vgl. zu diesem Vorgang Meier, Das Apostolische Vikariat, S. 190–192. Vgl. Domkapitel an Kultusministerium v. 18.8.1890, in: SHStA Dresden, Best. 11125, Nr. 11222.
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Vor dem Hintergrund des sozusagen doppelten Verzichts von Konsistorialpräses Buck auf den ihm staatlicherseits zugedachten Rang sind wohl die Bemühungen seitens des neuen Bischofs Wahl zu verstehen, diesem eine päpstliche Auszeichnung zukommen zu lassen, und es gelang durch die Vermittlung des Nuntius die Würde eines Päpstlichen Hausprälaten für den Dresdner Konsistorialpräses zu erhalten47. Dabei hatte Wahl die Rivalität zwischen Konsistorium und Bautzner Kapitel nicht so recht beachtet. Jedenfalls machten sich dessen Mitglieder in der Folge für eine entsprechende Auszeichnung ihres Seniors Jakob Kutschank stark. Dass man sich in Bautzen gegenüber der geistlichen Behörde in Dresden überlegen fühlte, machte ein Bautzner Domherr deutlich, der Bischof Wahl schrieb, dass „wenn irgend möglich die Auszeichnung für den Herrn Senior [Kutschank] nicht geringeren Grades sei, als die des Herrn Prälaten Buk (sic!)“48. Dem daraufhin von Ludwig Wahl um erneute Vermittlung in Rom gebetenen Nuntius Agliardi widerstrebte es dann auch ein wenig, innerhalb von kurzer Zeit erneut für Sachsen einen Prälatentitel zu beantragen. Dennoch versprach er, sich für Kutschank einzusetzen, dem er allerdings nur die untere Prälatenstufe eines Päpstlichen Geheimkämmerers zubilligen wollte. Er wies jedoch zugleich das Ansinnen aus Dresden zurück, bei dieser Gelegenheit Buck mit der höchsten Prälatenstufe eines Apostolischen Protonotars auszuzeichnen, die mit dem Recht zum Tragen der Mitra verbunden war49. Resümiert man die Neubesetzung der beiden katholischen Leitungsämter in Sachsen im Jahre 1890, erscheint auffällig, dass mit Ludwig Wahl wieder ein in Hofdiensten stehender Kleriker in die Führungsposition der katholischen Kirche Sachsens berufen wurde. Daher spielte es augenscheinlich nur eine marginale Rolle, dass Wahl kein sächsisches Landeskind, sondern gebürtiger Württemberger aus dem oberschwäbischen Waldsee war. Immerhin hatte er vor seiner Ernennung gegenüber dem Kultusminister expressis verbis darauf hingewiesen, er gehöre „der Diözese Rottenburg … formell auch jetzt noch an, indem ich durch Reskript des Hochwürdigsten Herrn Bischofs Dr. Karl Joseph v. Hefele seiner Zeit … auf unbestimmte Zeit beurlaubt wurde“50. Außerdem hatte Wahl bei der Beantragung des Bürgerrechts der Stadt Dresden auf seiner württembergischen Staatsangehörigkeit beharrt51. Da er sich aber höchster Protektion der Königsfamilie erfreute, erwies sich seine fehlende sächsische Staatsangehörigkeit keineswegs als Makel. Schließlich hatte Prinz Georg von Sachsen den in Rottenburg zum Priester 47 48
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Vgl. die Korrespondenz Wahls mit Nuntius Agliardi in München, in: ASV ANM 174. Domkapitular Hermann Blumentritt an Wahl v. 8.7.1892, ebd. Vgl. auch den lateinischen Lebenslauf Kutschanks ebd. Vgl. Agliardi an Wahl v. 27.6.1892, Entwurf ebd. Vgl. auch Agliardis Brief an den Kardinalstaatssekretär v. 11.7.1892. Wahl an Gerber v. 9.4.1890, in: SHStA Dresden, Best. 11125, Nr. 10980. Vgl. Stadtrat Dresden an Kultusministerium v. 25.7.1890, ebd.
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geweihten jungen Geistlichen 1859 auf Empfehlung des dortigen Bischofs52 als Hofkaplan nach Dresden berufen. Dort war Wahl durch sein Auftreten und seine theologische Bildung in Hofkreisen offensichtlich auf große Resonanz gestoßen. Jedenfalls avancierte er – unterbrochen durch Tätigkeiten als sächsischer Feldgeistlicher in den Kriegen 1864, 1866 und 1870/7153 – zum Hofprediger, Redakteur des Kirchenblattes und schließlich zum Vikariatsrat und Stellvertretenden Apostolischen Vikar. Da ihm ein akademischer Grad fehlte, verlieh die Katholisch-Theologische Fakultät Breslau ihm im Juli 1890 den Dr. theol. ehrenhalber.54 Obgleich die Umstände der Ernennung von Bischof Wahl mehr noch als dessen frühere dezidiert ultramontane Haltung nicht die günstigste Voraussetzung für eine Beruhigung des Verhältnisses von Staat und katholischer Kirche in Sachsen zu bieten schienen, blieben im folgenden Jahrzehnt Komplikationen weitgehend aus. Allerdings hatte sich der neue Oberhirte in den ersten Jahren seiner Tätigkeit gegen den Vorwurf zur Wehr zu setzen, die nachhaltigen Interventionen Roms zugunsten einer Revision der sächsischen Kirchengesetzgebung persönlich in die Wege geleitet zu haben55. Ein Jahr nach Ludwig Wahls Weihe und Inthronisation attestierte ihm 1892 der Münchner Nuntius Agliardi: „Il m’a été infinement agréable d’apprendre que pendant votre administration épiscopale … Vous avez la joie de constater une sensible amélioration dans la situation religieuse“56. Und Agliardi wünschte Wahl, dass hierin ein Vorzeichen einer besseren Zukunft für die katholische Kirche in Sachsen liegen möge. Dass in den 1890er Jahren die Haltung des sächsischen Kultusministeriums gegenüber den Katholiken keine Verbesserung erfahren hatte, belegt auch eine Verbalnote des Kardinalstaatssekretärs Mariano Rampolla57, die Nuntius Cesare Sambucetti am 30. Januar 1901 dem sächsischen Gesandten in München, Heinrich Friesen58, überreichte59. Hier war von einer „triste situation des catholiques dans le royaume de Saxe“, die in absoluter Abhängigkeit 52 53
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Vgl. Meier, Das Apostolische Vikariat, S. 101. Vgl. Brandt/Häger, Biographisches Lexikon der katholischen Militärseelsorge Deutschlands, S. 868. Vgl. Wahl an Kultusministerium v. 14.7.1890, in: SHStA Dresden, Best. 11125, Nr. 10980. Hier auch die Urkunde der Ehrenpromotion. Vgl. hierzu die Rechtfertigung Wahls in der Sitzung der 1. Kammer v. 21.3.1892, zit. bei Meier, Das Apostolische Vikariat, S. 131f. Agliardi an Wahl v. 30.10.1891, Entwurf, in: ASV ANM 174. Rampolla an Sambucetti v. 23.1.1901, in: ASV ANM 198. Friesen (1847–1931), Sohn des früheren sächsischen Ministerpräsidenten Richard Friesen (1808–1884), war Gesandter an süddeutschen Höfen, u.a. in München. Sambucetti an Kultusministerium v. 28.1.1901, in: SHStA Dresden, Best. 11125, Nr. 10903, abgedruckt bei Meier, Das Apostolische Vikariat, S. 252–254.
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von der Gunst des Kultusministeriums stehen würden, die Rede. „Unerwartet kann man diesen Schritt wohl kaum nennen“60, kommentierte Friesen die Demarche gegenüber dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten in Dresden. Hintergrund war ein Vorfall am Fronleichnamstag 1900 in Wechselburg, bei dem den in großer Zahl angereisten auswärtigen Festgästen behördlicherseits der Zutritt zur katholischen Schlosskirche verweigert worden war61. Der Hausherr, der katholische Graf von Schönburg, hatte bei einer anlässlich des Heiligen Jahres unternommenen Romreise Papst Leo XIII. in einer Privataudienz von dem Vorkommnis berichtet und dadurch innerhalb der Kurie Empörung ausgelöst. So weit wusste der Gesandte den Zusammenhang zwischen der Beschwerde und deren Ursachen wohl herzustellen, merkte aber gleichzeitig an, dass der Nuntius ihm „den ihm zugegangenen Erlass nur bruchstückweise vorgelesen“ habe. Offenbar wurde die Kommunikation zwischen Staat und katholischer Kirche zumindest in diesem Fall durch die bestehenden Sprachbarrieren erschwert. Da der Gesandte konzedierte, „der italienischen Sprache sehr wenig mächtig“ zu sein „und andererseits die französischen Sprachkenntnisse des Nuntius recht mangelhaft sind“, wurde die sächsische Regierung zunächst nur oberflächlich orientiert. Entsprechend allgemein fiel dann auch die Argumentation des vom Außenminister um Stellungnahme gebetenen Kultusministers Paul von Seydewitz62 aus, der u.a. anführte, dass „der gesamte Aufwand für das Apostolische Vikariat und das katholische Konsistorium aus der Staatskasse bezahlt“63 würde. Wenn in dieser Kontroverse zwischen Kirche und Staat die Stimme des Apostolischen Vikars bzw. Administrators fehlte, lag dies nicht daran, dass diesem staatlicherseits Zurückhaltung geboten schien, sondern im Fehlen einer Führungspersönlichkeit. Zwar war auch zu diesem Zeitpunkt Bischof Ludwig Wahl noch in Amt und Würden, jedoch hatte eine fortschreitende Erkrankung ihn seit 1898 zunehmend aus dem öffentlichen Leben verdrängt.
Ringen um einen Koadjutor bzw. Neubesetzung 1900–1903 Im März 1900 erreichte den Apostolischen Nuntius Sambucetti ein Hilferuf von zwei Herren namens Berger und Löber aus Dresden, in dem diese mitteilten, dass Bischof Wahl „seit einigen Tagen in Folge seiner skandalösen Trunksucht, die wiederholt an der Öffentlichkeit und bei Hofe beobachtet wurde, 60
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Friesen an Metzsch v. 18.1.1901, ebd., abgedruckt bei Meier, Das Apostolische Vikariat, S. 250–252, hier S. 251. Zu den Vorgängen in Wechselburg vgl. ebd., S. 115–121. Zu v. Seydewitz (1843–1910), 1892–1906 sächsischer Kultusminister, vgl. Blaschke, Minister des Königreichs Sachsen 1815–1918, in: Schwabe, Die Regierungen, S. 285–294, hier S. 292. Seydewitz an Metzsch v. 8.3.1901, in: SHStA Dresden, Best. 11125, Nr. 10903, abgedruckt bei Meier, Das Apostolische Vikariat, S. 254–256, hier S. 256.
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vom Wahnsinn befallen“64 sei. Der Klerus wolle die Angelegenheit vertuschen, so die Informanten, die nur durch ein rasches Eingreifen des Heiligen Stuhls einen Skandal um den katholischen Oberhirten, den die protestantische Öffentlichkeit ausschlachten würde, zu vermeiden sahen. Obwohl sich dem Nuntius Hinweise auf die Identität der Absender des Briefes nicht erschlossen – zumindest bleibt nicht auszuschließen, dass die Namen fingiert waren – wandte er sich unmittelbar vertraulich an den Breslauer Fürstbischof Georg Kardinal Kopp, um den Wahrheitsgehalt der nicht unbeträchtlichen Vorwürfe zu überprüfen. Als Nachbarbischof bestätigte Kopp, das seit einigen Jahren Gerüchte über einen übermäßigen Alkoholgenuss Wahls im Umlauf seien, der Bischof seines Erachtens den Alkohol aber als Medikament zur Linderung seiner Bauchschmerzen einnehme65. Fest stehe jedenfalls, dass Ludwig Wahl sehr leidend sei, so dass mit seinem baldigen Ableben zu rechnen sei. Für nähere Informationen verwies Kopp seinen Adressaten an den Konsistorialpräses Carl Maaz66 und den Vikariatsrat und Hofkaplan Richard Halm67 in Dresden. Bevor der Nuntius nunmehr die ihm benannten Priester um Hinweise auf den Gesundheitszustand des Bischofs bat68, unterrichtete er Kardinalstaatssekretär Rampolla bereits dahingehend, dass Kardinal Kopp nicht den Fakt der Trunkenheitszustände des Apostolischen Vikars und Administrators leugne, womit er die Situation dringlicher machte, als sie ihm zu diesem Zeitpunkt eigentlich erscheinen konnte69. Als Leo XIII. durch Rampolla von der Situation unterrichtet wurde, hatte parallel bereits Wahls Stellvertreter, der Vikariatsrat Ferdinand Fischer70, das Ministerium des königlichen Hauses darüber informiert, dass der Bischof „nach schon längere Zeit bestehenden Verdauungsbeschwerden und nervösen Störungen an Benommenheit und Alteration der psychischen Funktion erkrankt“ sei. Daher sei es ihm auch nicht möglich, „selbst in lichten Augenblicken, ein Schriftstück, Quittungsformular und dergleichen auch nur mit einem Handzeichen zu vollziehen“71. Bei dieser Information ging es offenbar zunächst einmal darum, dem weltlichen Vikariatsrat Lufft die Zeichnungsberechtigung zu erwirken, wogegen Kultusminister von Seydewitz auch keine Einwände vorbrachte72, nachdem offensichtlich 64 65 66
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Berger an Sambucetti v. 13.3.1900, in: ASV ANM 197, XII. Vgl. Kopp an Sambucetti v. 21.3.1900, ebd. Zu Maaz (1836–1904) vgl. Seifert, Maaz, Carl, in: Gatz, Bischöfe, S. 467; Brandt/Häger, Biographisches Lexikon der katholischen Militärseelsorge Deutschlands, S. 499. Zu Halm, geb. 1842 in Dresden, Priesterweihe 1867, vgl. Catalogus cleri 1901. Vgl. Sambucetti an Maaz bzw. Halm v. 30.3.1900, Entwürfe, in: ASV ANM 197, XII. Vgl. Sambucetti an Rampolla v. 23.3.1900, ebd.; Originalschreiben , in: ASV AES Germania Anno 1900, fasc. 796, pos. 1505. Zu Fischer, geb. 1851 in Liesborn/Diözese Münster, Priesterweihe 1876, später Superior der Hofkirche, vgl. Catalogus cleri. Fischer an Ministerium des königlichen Hauses, in: SHStA Dresden, Best. 11125, Nr. 10711, Loc. 23, Nr. 14. Vgl. Genehmigung v. 29.3.1900, ebd.
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Bemühungen innerhalb des Klerus gescheitert waren, den Bischof, der sich dauerhaft auf seiner Sommerresidenz in Schirgiswalde aufhielt, in „lichten Augenblicken“ zur Resignation zu bewegen. Konsistorialpräses Maaz vertraute dem Münchner Nuntius auf dessen Nachfrage an, er habe gehört, dass der König von Sachsen bereits im Januar 1900 Bischof Wahl wegen Trunkenheit aus seinem Amt habe entfernen wollen, nachdem dieser bei einem festlichen Empfang bei Hofe stark alkoholisiert aufgetreten sei73. Allerdings handele es sich um eine langsam fortschreitende Erkrankung, welche von den Ärzten als zerebrale Störung des Gehirns bezeichnet werde. Daher schlage er nach Lage der Dinge die Bestellung eines Stellvertreters zur Wahrnehmung der Geschäfte vor. Der zweite um Auskunft gebetene Dresdener Geistliche, Richard Halm, informierte die Nuntiatur darüber, dass Wahl bereits nach einer schweren Grippe 1893/94 mit dem Genuss harter alkoholischer Getränke begonnen habe „et his rebus magis serviret, quam bene erat“74. Im Vatikan war man derweil vom Ernst der Lage der katholischen Kirche in Sachsen überzeugt. Jedenfalls entschied Leo XIII., einen würdigen Priester zum Administrator zu ernennen und ließ über den Nuntius nach geeigneten Kandidaten anfragen75. Diesen Auftrag nutzte Sambucetti, um sich erneut des Rates des stets mit den staatlichen Behörden in enger Verbindung stehenden Kardinals Kopp zu bedienen, dem er zugleich für die Hinweise auf die Dresdner Informanten dankte, die ihm kluge und gewissenhafte Angaben zu der „grave accusation“76 gegen Ludwig Wahl gemacht hätten und um weitere Hilfe „dans cette affaire si délicate et si sérieuse“ bat. Kopp zeigte sich wesentlich besser informiert als der Nuntius, denn er berichtete nach München, der König von Sachsen habe bereits eine Kommission von Geistlichen für die zeitweilige Administration des Vikariats Sachsen gebildet, an deren Spitze der Konsistorialpräses Maaz stehe, und diese Kommission habe bereits dem zuständigen Präfekten der Kongregation „Propaganda fide“ Mitteilung gemacht77. Maaz, 1836 in Schirgiswalde geboren und nach dem in Prag erfolgten Theologiestudium 1859 in Bautzen zum Priester geweiht, hatte sich als Präfekt der Dresdner Kapellknaben und nicht zuletzt als Feldgeistlicher in den Einigungskriegen und seit 1881 als Militärpfarrer für Sachsen im Sinne einer patriotisch eingestellten Persönlichkeit bewährt78. Auch wenn Maaz für
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Vgl. Maaz an Sambucetti v. 4.4.1900, in: ASV ANM 197, XII; Abschrift, in: ASV AES Germania Anno 1900, fasc. 796, pos. 1505. Halm an Sambucetti v. 2.4.1900, ebd. Vgl. Rampolla an Sambucetti v. 30.4.1900, ebd. Sambucetti an Kopp v. 3.5.1900, ebd. Hier auch das folg. Zit. Vgl. Kopp an Sambucetti v. 10.5.1900, in: ASV ANM 197, XII. Vgl. Brandt/Häger, Biographisches Lexikon der katholischen Militärseelsorge Deutschlands, S. 499.
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die Lausitz den Bautzener Kanoniker Georg Wuschanski79 zu seinem Vertreter bestellt habe, – der 1839 in Ostro im Kreis Kamenz geborene Sohn eines sorbischen Landwirts hatte in Prag sowohl sein Abitur gemacht als auch Theologie studiert und in Bautzen 1866 die Priesterweihe erhalten – , müsse sich der Heilige Stuhl darüber klar sein, dass sich die Jurisdiktion des Bischofs Wahl über zwei voneinander unabhängige Bezirke erstrecke. Bevor nun also „un substitut“ bestellt werde, so riet Kardinal Kopp dem Nuntius, müsse geklärt werden, ob für diese interimistische Regelung die Personalunion beibehalten werden solle oder ob zwei Substituten ernannt werden sollten. Er selbst neige zur Aufrechterhaltung der Personalunion und empfehle Carl Maaz als den würdigsten Kandidaten. Zudem wies Kopp den Nuntius auf die Notwendigkeit hin, umgehend Kontakt mit der sächsischen Regierung aufzunehmen, zumal das Recht zur Benennung von Kandidaten beim König liege. Aufgabe des Heiligen Vaters sei es allerdings, Wahl von seinen Ämtern zu entpflichten, damit dieser in möglicherweise eintretenden gesunden Momenten die Tätigkeit des künftigen Substituten nicht störe. Offenbar war der Fürstbischof von Breslau darüber besorgt, dass der Vatikan bei der Einsetzung eines Administrators die Besonderheiten der katholischen Kirchenorganisation in Sachsen nicht berücksichtigen, vor allem aber die Autorität des Monarchen in Personalfragen nicht suchen würde. Zumindest erscheint es auffällig, dass Kopp bereits einen Tag vor Beantwortung der Anfrage aus München den sächsischen Minister des Äußeren, Karl Georg zu Metzsch-Reichenbach80, dem der größte Einfluss auf den alten und kranken König Georg nachgesagt wurde81, davon in Kenntnis setzte, dass Papst Leo XIII. „jetzt entschieden [habe], die provisorische Administration des apostolischen Vikariats des Königreichs Sachsen … einem geeigneten, würdigen Geistlichen zu übertragen“82 und zugleich ihn, Kopp, mit entsprechenden Vorschlägen beauftragt habe. Diese Mission aber könne er nicht erfüllen, weil es Angelegenheit der Regierung sei, in Verbindung mit Rom zu treten, und dort einen Kandidaten zu präsentieren. Er sei aber der Ansicht, dass zwar „eine Stellvertretung mit selbständiger Jurisdiktion bei dem Zustande des Bischofs Wahl unerlässlich notwendig sein, … es sich [jedoch] nur um die Bestellung eines Provikars handeln kann“. Dieser könne nicht die Bischofsweihe erhalten und besitze auch kein automatisches Anrecht auf die Nachfolge 79
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Zu Wuschanski (1839–1905) vgl. Seifert, Wuschanski, in: Gatz, Bischöfe, S. 827, u. Brandt/ Häger, Biographisches Lexikon der katholischen Militärseelsorge Deutschlands, S. 928. Zu Metzsch (1836–1927), 1876–1906 Innen-, 1891–1906 zugleich Außenminister, vgl. Blaschke, Minister des Königreichs Sachsen 1815–1918, S. 289. Zu Georg von Sachsen (1832–1904) vgl. Thoss, Georg (1902–1904), in: Kroll (Hrsg.), Die Herrscher Sachsens, S. 290–305, hier S. 302, zum Einfluss von Metzsch auf den Monarchen, sowie Groß, Die Wettiner, S. 257f. Kopp an Staatsministerium v. 9.5.1900, in: SHStA Dresden, Best. 11125, Nr. 10980. Meier, Das Apostolische Vikariat, S. 132f., kennt nur diesen Vorgang, nicht die Nuntiaturakten u. nimmt daher lediglich auf diesen Briefwechsel Bezug.
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Wahls. Dass Kopp sich auch in diesem delikaten Fall wieder einmal als Mittler zwischen Staat und Kirche sah, zeigt der Versuch, beiden Seiten gefällig zu sein. Dem Nuntius unterbreitete er den gewünschten Personalvorschlag in dem Wissen, dass Maaz zweifelsohne das staatliche Wohlwollen genoss, zumal dieser ja bereits vom König mit der Leitung der Interimskommission beauftragt worden war. Dem Minister, der als „energischer, konservativer Mann aus altem … Adel“83 gekennzeichnet werden kann, gegenüber verschwieg er hingegen seine Parteinahme für Maaz unter Verweis auf das königliche Vorschlagsrecht. Dem Nuntius schien Kopps „doppeltes Spiel“ entweder nicht bewusst zu sein oder ihn nicht zu interessieren. Er reichte die Ratschläge in Abschrift dem Kardinalstaatssekretär weiter, weil sie „mi sembra importante in tutti i suoi particolari“84. Offensichtlich war Sambucetti von der Ortskenntnis des Breslauer Fürstbischofs ebenso beeindruckt wie über die von ihm erhaltenen Informationen, etwa hinsichtlich der Kontaktaufnahme von Präses Maaz mit der Kongregation „Propaganda fide“, die ihm deren Präfekt Mieczislaw Kardinal Ledóchowski, der im römischen Exil verbliebene frühere Erzbischof von Gnesen und Posen, auf Nachfrage bestätigte85. Dass Rampolla über dieses Plazet einer vatikanischen Behörde nicht informiert war, mag nicht nur auf das Eigenleben der jeweiligen kirchlichen Ministerien hindeuten, sondern auch durch Meinungsverschiedenheiten zwischen Rampolla und Ledóchowski begründet sein. Währenddessen schloss sich auch Leo XIII. dem Vorschlag von Kardinal Kopp an, einen Interimsadministrator ohne Recht der Nachfolge für beide Jurisdiktionsbezirke Sachsens in Person von Carl Maaz zu ernennen86, woraufhin Sambucetti am 20. Juni 1900 erstmals Kontakt zur Regierung aufnahm87. Inwieweit dabei seitens der Kurie ernsthaft die Möglichkeit erwogen wurde, angesichts der unübersichtlichen Situation in Sachsen und der bereits über 60 Jahre zählenden potenziellen Kandidaten Maaz und Wuschanski einen auswärtigen Geistlichen in das Königreich zu entsenden, lässt sich aus den Akten nicht erkennen. Der zu diesem Zeitpunkt in München lebende umtriebige Historiker, Journalist und Priester Paul Maria Baumgarten88, ein intimer Ken83 84
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Blaschke, Das Königreich Sachsen, S. 98. Sambucetti an Rampolla v. 12.5.1900, Entwurf in: ASV ANM 197, XII; Original, in: ASV AES Germania Anno 1900, pos. 796, fasc. 1505. Vgl. Ledóchowski an Sambucetti v. 12.5.1900, in: ASV ANM 197, XII. Maaz habe bei ihm die notwendigen Fakultäten für die Interimsverwaltung des Vikariats Sachsen beantragt. Vgl. auch Ledóchowski an Rampolla v. 29.5.1900, in: ASV AES Germania Anno 1900, fasc. 796, pos. 1505. Zu Ledóchowski (1822–1902), der seit 1892 Präfekt der PropagandaKongregation war, vgl. Gatz, Ledóchowski, in: Ders., Bischöfe, S. 437–440. Vgl. Rampolla an Sambucetti v. 13.6.1900, in: ASV ANM 197, XII. Vgl. Sambucetti an Friesen v. 20.6.1900, Entwurf ebd. Zu Baumgarten (1860–1948), als Kind konvertiert, zunächst Jura- und Geschichtsstudium, 1894 Priesterweihe in Rom, 1901 Päpstlicher Hausprälat, vgl. Baumgarten, Die römische Kurie, S. XVIIIf.
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ner der vatikanischen Verhältnisse, jedenfalls behauptet in seinen Memoiren, ihm sei der Posten in Dresden angeboten worden89. Sambucetti aber ließ über den sächsischen Gesandten in München, Baron Heinrich von Friesen, das Kultusministerium darum ersuchen, dass die Kurie Maaz mit der iurisdictio spiritualis versehen dürfe und keine Einwände gegen diesen Kandidaten hege, worauf es aus Dresden keine Einwendungen gab90. Kultusminister von Seydewitz wies jedoch darauf hin, dass man die Rechte des Bautzener Domkapitels nicht übergehen dürfe, und plädierte dafür, den ältesten Kanoniker Georg Wuschanski zum Lausitzer Interimsadministrator wählen zu lassen, zumal dieser bereits im Auftrag des Königs als Repräsentant des Kapitels fungiert habe91. Wuschanski wirkte seit 1894 in Bautzen als Kapitular, nachdem er zuvor 17 Jahre lang das Wendische Seminar in Prag geleitet hatte. Die Regierungsbehörden machten sich damit die Haltung des Kollegiatkapitels zu eigen, das den Nuntius in einem gesonderten Schreiben in eindringlicher Weise bat, in Rom darauf hinzuwirken, seine traditionell verbrieften Rechte, gleich einem Domkapitel bei eintretender Vakanz einen Administrator zu bestellen, zu beachten92. Dass die erste der drei Unterschriften unter diesen Brief von Wuschanski stammt, mag einerseits mit dessen Stellung im Kapitel gemäß dem Anciennitätsprinzip zusammenhängen. Andererseits musste Wuschanski neben der Hervorhebung der Rechtslage auch ein persönliches Motiv für das Engagement haben, stand ihm doch bei Aufhebung der Personalunion der beiden sächsischen Jurisdiktionsbezirke zumindest temporär ein Karrieresprung bevor. Sambucetti schien in diesem Moment unsicher über das weitere Vorgehen und schaltete umgehend erneut seinen Vertrauensmann Kopp ein93, der sich ja im Vorfeld als Gegner einer Ämtertrennung in Sachsen exponiert hatte. Vor dem Hintergrund der staatlichen Unterstützung der Position des Bautzener Kapitels vollzog der Kardinal von Breslau jedoch eine Kehrtwendung in seiner Grundhaltung. Sollten die Stiftsherren das Recht auf ihrer Seite haben, so sei es seitens des Heiligen Stuhls unvernünftig, dieses in irgendeiner Form auszuhebeln, zumal das Kapitel „se compose des hommes tous dévoués au St. Siège et qui a toujours pris garde aux intérêts de l’église“94. Selbstverständlich könne man den in Bautzen gewählten Administrator im Nachgang auch für die Erblande einsetzen, würde damit aber Verstimmung im Klerus 89
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Vgl. Baumgarten, Römische und andere Erinnerungen, S. 260. Aus den vom Verf. eingesehenen Akten ließ sich diese Behauptung nicht verifizieren. Christoph Weber schien sie aber durchaus glaubhaft. Vgl. Baumgarten, Die römische Kurie, S. 28, Anm. 82. Vgl. v. Friesen an Außenministerium v. 21.6.1900 u. Antwort v. 25.6.1900, in: SHStA Dresden, Best. 11125, Nr. 10980. Vgl. Friesen an Sambucetti v. 6.7.1900, in: ASV ANM 197, XII. Kapitel Bautzen an Nuntius v. 6.7.1900, ebd. Vgl. Sambucetti an Kopp v. 6.7.1900, ebd. Kopp an Sambucetti v. 12.7.1900, ebd. Von diesem am 14.7. in Abschrift an Rampolla weitergeleitet. Vgl. ASV AES Germania Anno 1900, fasc. 796, pos. 1505.
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der Hauptstadt Dresden riskieren. Daher empfehle er, einer Aufteilung auf zwei Personen zuzustimmen, die ja schließlich nur Übergangscharakter besitze, um auch die Kontakte zur Staatsregierung nicht zu gefährden. Während Sambucetti, der die Vorgänge jeweils unmittelbar an den Kardinalstaatssekretär weiterleitete95, noch auf weitere Direktiven aus Rom wartete, drängte Wuschanski – diesmal im Alleingang – auf die Notwendigkeit einer Entscheidung, da die Krankheit des Dekans Wahl keinen längeren Aufschub mehr zulasse96. Erst am 14. August 1900 teilte Rampolla das Plazet des Papstes nach München mit, der „dopo varie trattative e informazioni“97 der Ernennung der beiden provisorischen Administratoren zugestimmt habe98, woraufhin das Kapitel in Bautzen zur Bestellung eines geeigneten Kandidaten aufgerufen wurde99. Acht Tage darauf wählte das Kapitel der Form gemäß und wie erwartet sein ältestes Mitglied Georg Wuschanski zum Koadjutor des Dekans Wahl100. Nachdem die „Propaganda fide“-Kongregation der Ernennung von Maaz und Wuschanski – bei letzterem taucht in diesem Kontext erstmals die Amtsbezeichnung Apostolischer Präfekt auf – zugestimmt hatte101, erhielt der sächsische Gesandte von Friesen am 10. September die Ernennungsdekrete für die beiden Interimsverwalter102. Auf diese Weise wurde das seit mehr als einem halben Jahrhundert etablierte Prinzip einer Personalunion beider Ämter zunächst einmal durchbrochen. Als Apostolischer Provikar bzw. Administrator ad interim erhielten Maaz und Wuschanski zudem die höchste Prälatenwürde eines Apostolischen Protonotars übertragen und das Recht, das Sakrament der Firmung zu spenden103. Somit war die Personalunion zwischen dem Vikariat Sachsen und der Administratur des Bistums Meißen in der Oberlausitz in der Praxis temporär aufgehoben worden104. Allerdings hatten sowohl Maaz als auch Wuschanski zum Zeitpunkt ihrer Ernennung das 70. Lebensjahr bereits vollendet, so dass hier allein vom Alter her ohnehin nur eine Übergangslösung impliziert war. 95 96 97 98 99
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Vgl. Sambucetti an Rampolla v. 12.7. (Zwischenbericht) u. 16.7.1900, ebd. Vgl. Wuschanski an Sambucetti v. 23. u. 26.7.1900, ebd. Notiz in: ASV AES Germania Anno 1900, fasc. 796, pos. 1505. Vgl. Rampolla an Sambucetti v. 14.8.1900, in ASV ANM 197, XII. So Sambucetti an Kapitel in Bautzen v. 16.8.1900, zit. nach Meier, Das Apostolische Vikariat, S. 193. Vgl. Kopie des Schreibens des Kapitels an Sambucetti v. 22.8.1900, in: ASV ANM 197, XII. Ledóchowski an Sambucetti v. 7.9.1900, ebd. Diese Mitteilung und das Dekret v. 6.9.1900 gab der Nuntius am 10.9.1900 an Friesen, ebd. Vgl. Sambucetti an Friesen v. 10.9.1900, Entwurf des Schreibens u. Abschrift der Dekrete ebd. Für Wuschanski wurde die Anfrage am 17.2.1901 über die sächsische Gesandtschaft in München gestellt und die Protonotarswürde am 24.2.1902 verliehen. Vgl. SHStA Dresden, Best. 11125, Nr. 10717, Bd. II, Nr. 9168. Vgl. Meier, Das Apostolische Vikariat, S. 134 u. 193. Vgl. Meier, Das Apostolische Vikariat, S. 193.
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Trotz der Bestellung der beiden Interimsverwalter gab es immer wieder Spekulationen in der Presse verschiedener Couleur über die Nachfolge von Bischof Wahl, die wohl zum einen durch die zeitliche Begrenzung der Verwaltung, zum anderen durch das hohe Alter der Prälaten Maaz und Wuschanski bedingt waren. Als jüngerer Hoffnungsträger an der Spitze des sächsischen Katholizismus erschien dabei immer wieder der Prinz Max von Sachsen. Der 1870 geborene dritte Sohn des Kronprinzen und späteren Königs Georg von Sachsen und einer portugiesischen Königstochter hatte 1896 in Eichstätt aus den Händen von Bischof Ludwig Wahl die Priesterweihe erhalten, nachdem er zuvor ein Jurastudium bereits mit der Promotion abgeschlossen105 und sich dann für den geistlichen Stand entschieden hatte106. Nach seelsorglichen Aufgaben in London und Eichstätt, promovierte er 1898 in Würzburg in Theologie107 und betätigte sich als Arbeiterseelsorger in Nürnberg108, weil er – wie ein prominenter Zeitzeuge sich erinnerte – „ein glühendes Interesse für soziale Fragen hatte“109. Dass die Spekulationen in den Zeitungen nicht ganz unberechtigt waren, zeigt ein Schreiben des Apostolischen Nuntius in München an Kardinalstaatssekretär Rampolla, in welchem dieser über eine in der sächsischen Öffentlichkeit für Furore sorgende Äußerung des Prinzen Bericht erstattete. Und zwar hatte Max von Sachsen während eines Aufenthaltes in seiner Heimat im Oktober 1900 in Plauen vor italienischen Gastarbeitern eine Predigt gehalten110. Allein in diesem Vorgang sah die liberale Presse bereits einen Vorstoß des Ultramontanismus in das protestantische Kernland Sachsen. Ein Realgymnasiallehrer, der wohl als staatlicher Spitzel fungierte, jedenfalls vorgab, der Versammlung beigewohnt zu haben, um einmal wieder eine italienische Predigt zu hören, hatte die Pressekampagne initiiert, indem er Äußerungen des Prinzen aus dem Zusammenhang gerissen in der Zeitung veröffentlichte. Demnach soll Max von Sachsen seine Adressaten vor den Ungläubigen gewarnt und die protestantischen Sachsen als Sektierer bezeichnet haben. Dieser Vorgang rief den Evangelischen Bund auf den Plan, der einen Antrag an das Kultusministerium stellte, dem Prinzen jegliche öffentliche Tätigkeit innerhalb Sachsens zu verbieten111. 105
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Vgl. passim Max von Sachsen, Die staatsrechtliche Stellung des Königlich-sächsischen Markgrafentums Oberlausitz, Leipzig o.J. (Diss. iur. Leipzig 1893). Zur Vita Max von Sachsens vgl. Hecker, Chronik der Regenten, Dozenten und Ökonomen im Priesterseminar des Erzbistums Köln, S. 234–237, u. Baumer, Max von Sachsen, in: NDB, Bd. 16 (1991), Sp. 513–515; dazu Ders., Max von Sachsen, 2 Bde. Vgl. passim Max von Sachsen, Der hl. Apollonius von Rom, dessen Apologie und Märtyrerakten, Mainz 1903 (Diss. theol., Würzburg 1898). Vgl. Ulrich, Die katholischen Gemeinden von Nürnberg und Fürth, S. 41. So Harry Graf Kessler, in: Ders., Gesichter und Zeiten, S. 218. Vgl. Meier, Das Apostolische Vikariat, S. 125. Vgl. ebd., S. 126.
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Mitten in die Plauener Affäre hinein platzte die sächsische Presse mit der Nachricht, dass der Prinz den Lehrstuhl für Liturgik und kanonisches Recht an der von Dominikanern geführten Katholischen Universität in Freiburg in der Schweiz übernommen habe. Da deren Abschlüsse im Deutschen Reich im Allgemeinen nicht anerkannt wurden und diese Alma Mater in dem Ruf stand, ein „völlig ultramontanes Gepräge“112 zu besitzen, sah beispielsweise das „Zwickauer Wochenblatt“ „den Rest von Vertrauen zu seinem wissenschaftlichen Streben und seinem Patriotismus“ erschüttert. Trotz der im Kontext der Plauener Geschehnisse erfolgten öffentlichen Demontage von Max von Sachsen meldete das „Berliner Tageblatt“ 1902, dass der Prinz die besten Chancen habe113, die beiden höchsten katholischen Ämter im Königreich Sachsen in seiner Hand zu vereinigen. Dass Max von Sachsen anlässlich der Sedisvakanzen 1906 und 1914 nicht mehr als ultramontaner Bischofskandidat für Sachsen genannt wurde, lag nicht zuletzt an seinem Eintreten für eine Aufhebung des Schismas von 1054 und eine Wiedervereinigung der katholischen mit den orthodoxen Kirchen, eine Meinung, die er unverblümt in seinen Vorlesungen vertrat und auch veröffentlichte114. Das sprichwörtliche Fass zum Überlaufen brachte aber eine sprachlich zugespitzte Propagierung der Kirchenunion im Jahre 1910, publiziert in einer neu gegründeten Zeitschrift115. Daraufhin verurteilte Papst Pius X. seine Thesen in einem Rundschreiben öffentlich, ohne aber den Namen des Prinzen explizit zu nennen. Deutlicher wurde das Kirchenoberhaupt in privatem Rahmen, wenn er sich beispielsweise gegenüber dem Papsthistoriker Ludwig von Pastor dahingehend äußerte, dass Max von Sachsens Artikel „von unten bis oben voll von Häresie“116 sei. Unter dem Druck seiner Verdammung sollte der Prinz schließlich seinen Lehrstuhl aufgeben und als Dozent an das Kölner Priesterseminar wechseln. Seine gelinde Behandlung durch die Kurie hatte er sicherlich seiner hochadeligen Herkunft zu verdanken, zumal der Vatikan diplomatische Verwicklungen tunlichst zu vermeiden trachtete. Sollte Max von Sachsen in Rom überhaupt jemals ernsthaft als episkopabel erachtet worden sein, so war er es spätestens seit 1910 jedenfalls keineswegs mehr. Als sich das krankheitsbedingte Ausscheiden des Vikariatsverwesers Carl Maaz abzeichnete, er war nach mehreren Schlaganfällen117 dienstunfähig ge112 113
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Zwickauer Wochenblatt v. 30.10.1900. Hier auch das folg. Zit. Vgl. Berliner Tageblatt v. 25.6.1902, in: SHStA Dresden, Best. 11125, Nr. 10980 u. auch Meier, Das Apostolische Vikariat, S. 127. Vgl. passim Max von Sachsen, Vorlesungen über die orientalische Kirchenfrage, Freiburg/ Schweiz 1907. Vgl. passim Max von Sachsen, Pensées sur la question de l’Union des Eglises, in: Roma e l’Oriente. Rivista criptoferratense per l´unione delle Chiese, Bd. 1 (1910), S. 13–29. Wühr (Hrsg.), Pastor, Tagebücher, S. 521. Vgl. Meier, Das Apostolische Vikariat, S. 134.
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worden, resignierte im Dezember 1903 und starb am 15. Mai 1904, hatte König Georg Anfang Oktober 1903 auf eine Regelung der Verhältnisse gedrungen und „befohlen, dass 1) die Pensionierung des Dekans und Apostolischen Vikars Ludwig Wahl in die Wege geleitet und 2) für die Stelle des Apostolischen Visitators (sic!) der Kanonikus Georg Wuschanski in Bautzen ins Auge gefasst werde“118. Damit ging eine neuerliche Initiative zur Zwangspensionierung des dienstunfähigen Bischofs Wahl vom Monarchen direkt aus. Der in dieser Frage staatlicherseits um Unterstützung gebetene Lausitzer Interimsverwalter Wuschanski ließ jedoch mitteilen, dass Ludwig Wahl selbst in dem Glauben sei, nicht schon seit fünf Jahren, sondern erst seit wenigen Tagen erkrankt zu sein. Deshalb halte er eine förmliche Resignation „für bedenklich“119, zumal der bisherige Amtsinhaber, „was seine Person betrifft, sehr empfindlich ist“. Als Procedere schlug Wuschanski vor, dass das Bautzener Kapitel unter Hinzuziehung eines königlichen Wahlkommissars einen neuen Dekan wählen solle und die Regierungsbehörden für das Vikariat den Antrag auf einen Koadjutor cum iure successionis stellen sollten. Der „Quiescierung“ Wahls stimmte er nur zögerlich zu und regte an, dass diese „von den kirchlichen Instanzen in die Wege geleitet“ werden solle. Er wolle Kardinal Kopp bitten, dieser möge in Rom darum nachsuchen, dass Wahls Resignation von dort aus eingeleitet werde. Diesem Vorschlag mochte das Kultusministerium nach Rücksprache mit dem König nicht folgen, um den Eindruck zu vermeiden, dass Wuschanski seine eigene Nachfolge vorbereite120. Dabei wollte der Monarch aber nicht ausschließen, dass „der Kardinal Kopp … später in die Sache immitriert wird“. Es mag eine captatio benevolentiae Wuschanskis gewesen sein, jedenfalls hängte er das sprichwörtliche Fähnlein sogleich in den Wind, in dem er beteuerte, „sehr glücklich über die Anordnung Seiner Majestät des Königs“121 zu sein, zumal er bereits von anderer Seite Kritik für seinen Vorschlag habe einstecken müssen, erneut Kopp um Vermittlung zu bitten. Womöglich gab es aber innerhalb des Lausitzer Klerus Kreise, die in einer erzwungenen Resignation des handlungsunfähigen Vikars und Administrators Wahl eine „Pietätlosigkeit“ sahen und bei dessen designiertem Nachfolger Schuldgefühle auslösten. In dieser prekären Situation ließ der König aber nicht locker. Er sei „von schwerer Sorge um die Ordnung der katholischen Kirche im Lande erfüllt“122, 118
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Notiz v. Seydewitz’ am Rande eines Memorandums v. 5.10.1903, in: SHStA Dresden, Best. 11125, Nr. 10980. Kreishauptmann an Kultusministerium v. 7.10.1903, ebd. Hier auch die folg. Zit. Vgl. Kultusministerium an Kreishauptmann v. 9.10.1903, ebd. Dort hieß es: „Entscheidend war für Seine Majestät, dass Prälat Wuschanski an der ganzen Sache doch so sehr persönlich mitbeteiligt sei, dass gerade seine Vermittlung hier nicht angezeigt sei.“ Hier auch das folg. Zit. Wuschanski an Kreishauptmann v. 10.10.1903, ebd. Hier auch das folg. Zit. Seydewitz an Auswärtiges Amt v. 9.10.1903, ebd. Hier auch das folg. Zit.
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teilte jedenfalls … von Seydewitz dem Auswärtigen Amt mit und bat darum, „bei dem Apostolischen Stuhle die Herbeiführung entsprechender Abhilfe in Anregung zu bringen“. Konkret ging es darum, auszuloten, ob und inwieweit der Heilige Stuhl ohne formale Resignation des bisherigen Amtsinhabers den Weg für eine rasche Neubesetzung ermöglichen könnte. Als Argument sollte gegenüber dem Vatikan der Hinweis dienen, dass es sich bei Wahls Amt „nicht um ein auf bestimmte Pfründe fundiertes Kirchenamt, sondern um eine widerrufliche Funktion im Missionsdienst handele“. Wie dringlich den Dresdner Behörden die baldige Sedisvakanz und Neubesetzung erschien, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass für Wahl eine Pension in Aussicht gestellt wurde, die 1.600 Mark jährlich aus Staatsmitteln und 3.120 Mark aus der königlichen Zivilliste betragen sollte. Weitere 6.000 Mark an Ruhestandsunterstützung in Form von Gewährung freier Wohnung und Unterhalt sollte das Domkapitel in Bautzen aufbringen. Neben den Modalitäten der „Quiescierung“ des bisherigen Amtsinhabers war in Rom die Personalfrage für die Nachfolge anzusprechen, wobei in Dresden feststand, dass man auf der Fortführung der Personalunion der beiden höchsten katholischen Ämter im Königreich bestehen würde. Dabei wurde Georg Wuschanski dahingehend als geeignet genannt, dass dieser „als bewährter Geistlicher von ernster Frömmigkeit, tadelloser Reinheit der Sitte, gediegener wissenschaftlicher Bildung und persönlicher Würde in höchstem Ansehen“ stehe. Besonders hervorgehoben wurde in der staatlichen Charakteristik Wuschanskis „taktvolles Auftreten in der Ersten Kammer des Landtags, der er schon zwei Landtage als Vertreter des Dekans angehört“ habe. Mit ausgesuchter Höflichkeit wandte sich Außenminister von MetzschReichenbach am 20. Oktober 1903 an den neuen Kardinalstaatssekretär Raffaele Merry del Val und berichtete, der Kultusminister habe ihn gebeten „d’entrer en négotiations avec Votre Excellence afin que le Saint Siège daigne prendre des mesures pour donner déjà maintenant et aussitôt que possible un successeur définitif à Monsigneur Wahl“123. Als staatlichen Kandidaten schlug er – wie vom Kultusminister empfohlen – den Lausitzer Administraturverwalter Wuschanski vor, der „la confiance de son Souverain et du gouvernement Royal aussi bien que les sympathies de la population“ besitze. Nachdem der Nuntius in dieser Angelegenheit nochmals Bericht erstattet hatte, wandte sich der Kardinalstaatssekretär am 12. November an Außenminister von Metzsch, um diesem mitzuteilen, dass Papst Leo XIII. Wuschanski nominieren würde, sobald die finanzielle Situation sowohl des alten als auch des neuen Apostolischen Vikars definitiv geklärt seien. Auch gegen die Aufrechterhaltung der Personalunion von Apostolischem Vikar und Administrator der Lausitz bzw. Domdekan hatte der Heilige Stuhl keine Einwendungen zu erheben124. 123
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Von Metzsch an Merry del Val v. 20.10.1903, in: ASV AES Germania Anno 1903, fasc. 816, pos. 1543. Hier auch das folg. Zit. Merry del Val an Außenminister Metzsch-Reichenbach v. 12.11.1903, in: ASV ANM 200;
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Den Münchner Nuntius Giuseppe Macchi, über den die vatikanische Post traditionell an die staatlichen Adressaten weitergeleitet wurde, informierte Merry del Val zeitgleich mit einem gesonderten Brief und fügte hinzu, dass hinsichtlich des Administratorenamtes in der Lausitz nur ein freiwilliger Verzicht von Ludwig Wahl erfolgen könnte. Daher sei es auch nur möglich, dass Wuschanski gegebenenfalls vom Heiligen Stuhl zum Koadjutor mit dem Recht der Nachfolge des Domdekans von Bautzen ernannt werde125. Informell ließ Macchi daraufhin den sächsischen Gesandten in München den Inhalt dieses römischen Schreibens wissen, so dass die beteiligten Ministerien in Dresden über die „Bauchschmerzen“, die man im Vatikan mit einer Zwangspensionierung eines kirchlichen Würdenträgers im Bischofsrang hatte, gut informiert waren126. Folglich gab es zwischen Heiligem Stuhl und sächsischer Regierung hinsichtlich der finanziellen Dotation des bisherigen und des neuen Apostolischen Vikars keine Meinungsverschiedenheiten, denn in Rom erklärte man sich mit der Zwangspensionierung Wahls vor dem Hintergrund der Sicherung seiner Pension einverstanden, wenn diesem gleichzeitig die Dotation des Vikariates erhalten bleibe127. Auch die Tatsache, dass der Heilige Stuhl Wuschanski für sein bisheriges Wirkungsfeld, die Administratur des Bistums Meißen in der Lausitz, lediglich zum Koadjutor cum future successionis, also mit Nachfolgerecht, ernennen wollte, worüber ihn der Nuntius am 14. November vorab informierte128, stieß auf keinen Widerspruch. Mit dem Tod von Wahl am 5. Juni 1905 wurde Georg Wuschanski dann automatisch, also ohne dass das Kapitel eingreifen konnte, Domdekan in Bautzen und damit Administrator. Was die sächsischen Erblande anbetraf, erhielt Wuschanski zu Weihnachten 1903 die schriftliche Nachricht, dass er zum Apostolischen Vikar ernannt sei, wenn Ludwig Wahl „vom 1. Januar 1904 ab wegen überkommener dauernder Amtsunfähigkeit unter Zubilligung der gesetzlichen Pension als Apostolischer Vikar in den Ruhestand versetzt“129 sei.
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Entwurf in: ASV AES Germania Anno 1903, fasc. 816, pos. 1543. Dieser Brief wurde am 18.11. vom sächsischen Gesandten in München nach Dresden weitergeleitet. Merry del Val an Macchi v. 12.11.1903, ebd. Macchi an Friesen v. 15.11.1903, in: SHStA Dresden, Best. 11125, Nr. 10980/1. Vgl. auch vertrauliches Schreiben des Kultusministers an das Ministerium des königlichen Hauses v. 24.11.1903, in: SHStA Dresden, Best. 10711, Loc 23, Nr. 14. Die Pension wurde am 7.12.1903 gewährt. Vgl. ebd. Vgl. Macchi an Wuschanski v. 14.11.1903 u. die Mitteilung Wuschanskis mit Curriculum vitae an Macchi v. 25.11., 30.11. u. 3.12.1903, in: ASV ANM 200. Wie Wuschanski am 9.12. antwortete, hatte er die Wahl akzeptiert und die Unterlagen nach Rom gesandt. Vertrauliches Schreiben des Kultusministers an das Ministerium des königlichen Hauses v. 24.11.1903, in: SHStA Dresden, Best. 10711, Loc 23, Nr. 14. Vgl. auch Meier, Das Apostolische Vikariat, S. 194f.
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Dagegen war der königliche Wunsch, Wuschanski zugleich die Bischofswürde zu verleihen130, in Rom offenbar zunächst auf Widerstand gestoßen. Erst am 19. Dezember 1903 informierte Kardinalstaatssekretär Merry del Val den Münchner Nuntius darüber, dass „il Santo Padre … non ha difficoltá alcuna di conferire il carattere vescovile a Mons. Wuschanski“131. Macchi meldete daraufhin dem sächsischen Gesandten in Bayern, „que des dispositions seront bientôt données pour la compilation des actes alterieurs, en vue de la nomination de ce Prélat à un Evêche titulaire“. Merry del Val hatte also in puncto Bischofswürde für Wuschanski eingelenkt. Am 13. Februar 1904 erfolgte Wuschanskis offizielle Ernennung zum Titularbischof von Samos und gut vier Wochen darauf seine Konsekration durch Kardinal Kopp im Breslauer Dom. Die Verbundenheit des Sorben Wuschanski mit Prag, wo dieser als Angehöriger des sorbischen Klerus im Wendischen Seminar ausgebildet worden war132, wurde durch die Ernennung zum Ehrendoktor der dortigen theologischen Fakultät deutlich. Mit der festen Installierung Wuschanskis wurden zugleich die Gemüter des sorbischen Klerus besänftigt, der sich dahingehend zurückgesetzt fühlte, dass seit der Einführung der Personalunion zwischen Erblanden und Lausitz stets ein Sachse bzw. ein dort tätiger Priester das Amt bekleidet hatte. Als Angehöriger der sorbischen Minderheit hatte der Administrator es daher schon zuvor als „eine Forderung der Gerechtigkeit [bezeichnet], dass abwechselnd ein Lausitzer und ein Erbländer an die Spitze der kirchlichen Verwaltung im Königreich Sachsen und in der Lausitz gestellt werde“133. Das gab der seitens des Kultusministeriums als Informant beauftragte Kreishauptmann von Bautzen sogleich der Behörde nach Dresden weiter und fügte hinzu, dass angesichts der Geschäftsunfähigkeit des bisherigen Dekans Wahl das ohnehin überalterte Kapitel nach dem Ableben einzelner Mitglieder nicht ergänzt werden könne, weshalb nicht zuletzt ein rasches Handeln geboten sei134. Er „persönlich stehe sehr gut mit dem Prälat Wuschansky (sic!)“, zumal es gelungen sei „in der Lausitz den konfessionellen Frieden zu wahren“. Angesichts dieser positiven Erfahrungen, sicherlich aber auch aus einem gewissen Lokalpatriotismus heraus, plädierte der Kreishauptmann gegen die offenbar auch ventilierte Möglichkeit, Kardinal Kopp mit der Interimsverwaltung zu beauftragen. Anders als bei der Neubesetzung der katholischen Leitungsämter im Königreich 1890 gab es diesmal auch keine Interessenkonflikte zwischen König und Ministerien. „Der Herr Kultusminister 130 131
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Vgl. Macchi an Friesen v. 23.12.1903, in: ASV ANM 200. Merry del Val an Macchi v. 19.12.1903, ebd. Entwurf, in: ASV AES Germania Anno 1903, fasc. 816, pos. 1545. Vgl. Wuschanski, Das Wendische Seminar. Wuschanski an Kreishauptmann in Bautzen v. 4.9.1903, in: SHStA Dresden, Best. 11125, Nr. 10980/1. Vgl. Kreishauptmann an Kultusministerium v. 9.9.1903, ebd. Hier die folg. Zit.
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schätzt ihn [Wuschanski] als einen in kirchlicher Beziehung toleranten Geistlichen von, im Gegensatz zu seinem Vorgänger, Bischof Wahl, friedfertiger, jedem Fanatismus abholder Gesinnung“135, meldete der preußische Gesandte am sächsischen Hof nach Berlin. Der neue Apostolische Vikar und Administrator sei in seinen Augen „ein freundlicher Herr von gewinnenden Formen“. Die gewisse Distanz des Sorben Wuschanski zu seiner neuen Aufgabe als Apostolischer Vikar in den Erblanden ist aus einem Briefwechsel erkennbar, den er im Januar 1904 mit dem Ministerium des Königlichen Hauses in Dresden führte. Konkret ging es dabei um die in der Öffentlichkeit allgemein verbreitete Ansicht, „dass der Apostolische Visitator erster Hofgeistlicher sei, dass er als solcher kirchliche Funktionen … bei Hofe vornehme … und dass der königliche Hof die Dienste des Apostolischen Visitators in Anspruch nehmen kann“136. Einerseits wollte Wuschanski mit seiner Anfrage geklärt haben, inwieweit sich aus diesem, vom Ministerium bestätigten engen Verhältnis zum Hof auf seine Besoldung aus der Staatskasse schließen ließ. Andererseits war es ihm wohl auch darum zu tun, seine künftige Stellung gegenüber dem königlichen Hof definitiv abzugrenzen.
Neubesetzung 1905 Eine lange Wirksamkeit war Georg Wuschanski jedoch keineswegs beschieden. Mit 76 Jahren erlag er bereits am 28. Dezember 1905 einem Herzschlag. Der preußische Gesandte Carl von Dönhoff würdigte ihn gegenüber seiner Regierung als „toleranten, versöhnlich wirkenden Geistlichen“137, dem man nur wünschen könne, dass sein Nachfolger über ähnliche Eigenschaften verfüge. Aus den Überlegungen des Kultusministeriums hinsichtlich der Nachfolge gehen die Namen von gleich fünf als geeignet empfundenen Kandidaten hervor. Der Senior des Domkapitels in Bautzen, Jakob Skala, und der Vikariatsrat Joseph Plewka138 repräsentierten dabei die sorbische Minderheit in der Oberlausitz, der Hofprediger Georg Kummer und der Superior der Hofkirche in Dresden Ferdinand Fischer den Hofklerus in der Residenzstadt. Hinzu trat der Straßburger Theologieprofessor Dr. Aloys Schaefer139. Obgleich 135
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Dönhoff an Auswärtiges Amt Berlin v. 9.12.1903, in: PA AA, R 3242. Hier auch das folg. Zit. Wuschanski an Ministerium des königlichen Hauses v. 21.1.1904, in: SHStA Dresden, Best. 10711, Loc 23, Nr. 14. Dönhoff an Auswärtiges Amt v. 29.12.1905, in: PA AA, R 3243. Zu Plewka, geb. 1841 in Dresden, Priesterweihe 1865, vgl. Catalogus cleri 1901. Zu Schaefer (1853–1914) vgl. Seifert, Schaefer, in: Gatz, Bischöfe, S. 648f., Brandt/Häger, Biographisches Lexikon der katholischen Militärseelsorge Deutschlands, S. 690f., Schmitt, Schaefer, in: BBKL, Bd. 8 (1994), Sp. 1515–1518; Gnilka, Schaefer, in: LThK2, Bd. 9 (1964), Sp. 361f; Kleineidam, Universität Breslau, S. 150; vgl. auch Meinertz, Begegnungen in meinem Leben, S. 10–16.
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bisher weder ein im theologischen Lehramt140 stehender Geistlicher noch jemand, der nicht im Königreich Sachsen tätig war, mit den Leitungsämtern der katholischen Kirche betraut worden war, wählte das Kultusministerium Schaefer als geeignetsten Kandidaten aus. Dass gerade er bei den Behörden reüssierte, lag wohl zum einen daran, dass er bereits als Hofkaplan in Dresden von 1878 bis 1881 in nähere Berührung mit der königlichen Familie gekommen war sowie acht Jahre lang als Professor an der Katholisch-Theologischen Fakultät in Breslau tätig gewesen und daher dem Breslauer Fürstbischof gut bekannt war141. Zum anderen spielte aber der Umstand eine Rolle, dass der gebürtige Eichsfelder Schaefer, Jahrgang 1853, der im sächsischen Chemnitz aufgewachsen war und in Würzburg mit dem Prädikat „summa cum laude“ zum Doktor der Theologie promoviert worden und zudem dort von der Fakultät 1896 primo loco für den Lehrstuhl für Neues Testament vorgeschlagen worden war142, seit 1903 eine Professur an der neu errichteten KatholischTheologischen Fakultät in Straßburg bekleidete. Dort aber war der vormalige Dresdner Hofkaplan Adolf Fritzen143 Bischof. Fritzen, der noch immer in Kontakt mit dem sächsischen Hof stand144, war es auch, der Schaefer zum Domkapitular am Straßburger Münster ernannte. Noch Ende des Jahres 1905 holte das Kultusministerium bei Kardinal Kopp wie auch beim Straßburger Bischof sowie beim Kurator der Kaiser-Wilhelm-Universität in Straßburg Informationen zu Schaefer ein, inwieweit dieser für den Posten geeignet sei145. Kopp wurde wohl deshalb hinzugezogen, weil er als Episkopatsvorsitzender und Nachbarbischof bereits in der prekären Situation nach der dauerhaften Erkrankung von Bischof Wahl zweimal, 1900 und 1903, als Ratgeber fungiert und dabei dem Ministerium entscheidende Tipps gegeben hatte. Nicht gefragt wurde der bayerische Kultusminister, der 1896 gegen die geplante Berufung Schaefers nach Würzburg opponiert hatte, weil dieser erstens kein Bayer sei und zweitens im historischen Bereich inhaltlich nicht entsprechend ausgewiesen sei146. Ganz im Sinne des Ministeriums fielen die Rückantworten dann auch durchweg positiv aus. In den Augen Fritzens war Schaefer „nicht nur ein frommer, tugendhafter und gelehrter Priester, sondern auch ein Mann von 140
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Zur wissenschaftlichen Reputation Schaefers vgl. Petersen, Der Neutestamentler Aloys Schaefer (1853–1914), in: ASKG, Bd. 57 (1999), S. 19–32. Vgl. Kleineidam, Die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Breslau , S. 150. Vgl. Ganzer, Die Katholisch-Theologische Fakultät Würzburg, S. 360f.; Walter, Dozenten und Graduierte, S. 456. Zu Adolf Fritzen (1838–1919) vgl. das Kap. Straßburg in diesem Band. So der stellvertr. Universitätskurator Stadler an Ministerium v. 5.1.1906, in: SHStA Dresden, Best. 11125, Nr. 10980. Vgl. Entwürfe der Schreiben, ebd. Vgl. Ganzer, Die Theologische Fakultät Würzburg, S. 360f.
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irenischer Gesinnung“147. Auch Kardinal Kopp hielt den Wissenschaftler Schaefer „für ganz geeignet“148, weil er als Professor in Breslau maßvoll und ausgleichend gewirkt habe. Daraus schloss er, dass Aloys Schaefer „bei seinem konzilianten Wesen auch in Bautzen keine Schwierigkeiten finden“ würde. Seitens des stellvertretenden Universitätskurators in Straßburg, Ministerialrat Stadler, hieß es, Schaefer habe als erster Dekan die Katholisch-Theologische Fakultät an der jungen Universität „über die vielen Schwierigkeiten, die sich in der ersten Zeit ergeben, mit sicherer Hand glücklich hinweg geführt“149. Zudem verstehe sich Schaefer nicht nur ausgezeichnet mit dem Bischöfen Fritzen und Kopp, sondern der 1896 mit dem preußischen Roten-Adler-Orden IV. Klasse ausgezeichnete Professor sei ebenso beim Reichsstatthalter von ElsassLothringen hoch geschätzt. Es sei allerdings der Wunsch der Universitätsleitung, dass Professor Schaefer zumindest bis zum Ende des Wintersemesters seinen Lehrverpflichtungen nachgehen könne, um für einen reibungslosen Übergang in seinem Fach zu sorgen. Dass es sich bei diesen überaus positiven Charakterisierungen nicht um Höflichkeitsgutachten handelte, zeigt auch eine retrospektive Einschätzung: „Straßburg hatte jetzt einen Hauptanziehungspunkt für mich verloren“150, kommentierte einer seiner Schüler, der später als Professor für Neues Testament in Münster tätige Max Meinertz, das Ausscheiden von Schaefer aus dem akademischen Lehramt. Und der bekannte westfälische Priesterdichter Augustin Wibbelt151 hob über Schaefers Professorenzeit in Münster hervor: „er hatte einen feinen, geschliffenen Vortrag und wusste durch seine tiefgehenden Darlegungen zu fesseln, nur musste man fein Acht geben, denn er liebte die Umschweife und die verschlungenen Wege“152. Aus den Quellen nicht zu eruieren und daher wohl nicht zutreffend erscheint eine Pressemeldung vom 16. Januar 1906, nach der „gegenwärtig bei allen in Frage kommenden katholischen geistlichen Stellen in Sachsen eine Umfrage statt[findet], ob sie sich mit einer eventuellen Wahl des Professors Dr. Schaefer zum apostolischen Vikar für Sachsen einverstanden erklären würden“153. Schaefer selbst hatte erst eine Woche zuvor seitens des Kultusministeriums den Vorschlag seiner Ernennung zum Apostolischen Vikar zur Kenntnis bekommen. Er kam zudem den Interessen der sächsischen Regierung dahingehend entgegen, dass er für den Fall, dass er nicht zugleich zum Domdekan in Bautzen gewählt würde, nach Rücksprache mit dem König ggf. ganz absagen 147 148 149 150 151 152 153
Fritzen an Kultusministerium v. 4.1.1906, ebd. Kopp an Kultusministerium v. 5.1.1906, ebd. Hier auch das folg. Zit. Stadler an Kultusministerium v. 5.1.1906, ebd. Meinertz, Begegnungen in meinem Leben, S. 23. Zu Wibbelt (1862–1947) vgl. DBE2, Bd. 10 (2008), S. 590. Wibbelt, Der versunkene Garten, S. 158. Dresdner Anzeiger v. 16.1.1906.
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würde. Damit hatte der Straßburger Neutestamentler zum einen das staatliche Junktim wohlwollend akzeptiert, zum anderen aber den Staatsbehörden den „Schwarzen Peter“ zugespielt, doch – wenn man ihn schon aus Straßburg weglocken wolle – gefälligst für seine erfolgreiche Wahl in Bautzen zu sorgen154. Gegen diese Personalunion sprach zunächst die Tatsache, dass der Bautzner Domdekan als Administrator der Lausitz gemäß den Statuten des Domkapitels von 1674 stets aus dessen Mitte heraus gewählt werden musste, Schaefer dem Kapitel jedoch nicht angehörte155. Überhaupt schien anfänglich unklar, ob Schaefer als aus dem Obereichsfeld gebürtiger Preuße überhaupt über die sächsische Staatsangehörigkeit verfügte. Allerdings konnte der stellvertretende Straßburger Universitätskurator das Kultusministerium darauf verweisen, dass Schaefers Vater nach dem Umzug der Familie nach Chemnitz sächsischer Staatsbürger geworden war. Was die Diözesanzugehörigkeit des Kandidaten anbetraf, so hieß es aus Straßburg, Schaefer habe „sich im vorigen Jahre nach der Ernennung des mit ihm sehr befreundeten Bischofs Wuschanski in den sächsischen Diözesan-Verband aufnehmen lassen“156. Gegenüber dem Außenministerium betonte das Kultusministerium dann auch, um seine Wertschätzung des Straßburger Gelehrten zu betonen, dass Schaefer nicht nur der Form halber zum Diözesanklerus gehöre, sondern „auch mit den besonderen Verhältnissen des Landes wohl vertraut“157 sei. Möglicherweise spielte bei der dennoch staatlicherseits verfochtenen Entscheidung für den auswärtigen Wissenschaftler Schaefer auch eine Rolle, was ein protestantischer Beobachter über den sächsischen Klerus schrieb, dass nämlich dort „wahrhaft wissenschaftliche Bildung zu vermissen“158 sei. Um aber Schaefer als Dekan des Kollegiatstifts Bautzen wählbar zu machen, wurde zunächst eine Änderung der Kapitelsatzungen erwogen, die nach Einschätzung des Kreishauptmanns nicht tunlich sei. Vielmehr sei das Domkapitel „nach den mündlichen Erläuterungen … die Mehrheit der Kapitularen (sic!) geneigt, zu Gunsten des Prof. Schaefer auf eine Wahl des Dekans zu verzichten und die Besetzung dem Apostolischen Stuhl in Rom im Einverständnis mit Seiner Majestät zu überlassen“159. Bereits am Vortag hatte der Domherr 154
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Vgl. Schaefer an Kultusministerium v. 14.1.1906 in Beantwortung eines Schreiben v. 6.1.1906, in: SHStA Dresden, Best. 11125, Nr. 10980/1, u. Meier, Das Apostolische Vikariat, S. 195f. Vgl. Statuten des Collegiatstiftes St. Petri zu Budissin in ihrer Entstehung und Fortbildung, dargestellt und herausgegeben von einem Mitgliede dieses Stiftes F. P., Budissin 1858, in: SHStA Dresden, Best. 11125, Nr. 11222, u. Meier, Das Apostolische Vikariat, S. 196. Allerdings war 1854 mit Ludwig Forwerk ebenfalls ein Nicht-Kapitular zum Domdekan gewählt worden. Stadler an Ministerium v. 5.1.1906, in: SHStA Dresden, Best. 11125, Nr. 10980/1. Kultusminister an Außenminister v. 29.1.1906, ebd. Blanckmeister, Das kirchlich-religiöse Leben, S. 11. Kreishauptmann an Kultusministerium v. 14.1.1906, in: SHStA Dresden, Best. 11125, Nr. 11222.
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Franz Löbmann dem Ministerium mitgeteilt, dass Schaefer, wenn er Mitglied des Kapitels gewesen wäre, mehrheitsfähig wäre, „da er von allen Kanonikern hochgeschätzt, von einzelnen als Freund verehrt“160 würde. Um aber dem Kapitelsrecht genüge zu tun, wollten die Kanoniker für den Fall der Nomination Schaefers auf ihr Wahlrecht zugunsten des Heiligen Stuhls verzichten, wie der Domkapitular Jakob Skala dem Nuntius am 29. Januar mitteilte161. Am selben Tag schrieb der bayerische Gesandte in Dresden, Eduard Graf von Montgelas162, an das Außenministerium in Dresden: „Der König hat die Sache gemacht. Es waren nicht unerhebliche Schwierigkeiten zu überwinden“163, die eben in der Wahl Schaefers zum Domdekan in Bautzen lagen. Wie der Gesandte anlässlich eines Jagdfrühstücks in Moritzburg vom König persönlich erfahren haben wollte, „bestand auch keine Aussicht, dass die Bautzner einen ganz Fremden, noch dazu Nicht-Wenden, zu ihrem Dekan wählen würden“. Dass eine Bischofsernennung in Sachsen so große Schwierigkeiten bereitete, mochte dem Gesandten angesichts der bayerischen nominatio regia gar nicht recht einleuchten. „Überhaupt“, so schloss er seinen Bericht verwundert, „ist die Lausitz reich an historischen und staatsrechtlichen Absonderlichkeiten und besitzt eine Menge Sonderrechte“. Diese Stimme gibt darüber Aufschluss, dass die Berufung Schaefers vom Monarchen selbst als Zitterpartie mit unsicherem Ausgang empfunden wurde. Allerdings entsprach es nicht den Tatsachen, wenn König Friedrich August III.164 dem bayerischen Gesandten versicherte, die Domherren in Bautzen würden keinen Nicht-Wenden zum Dekan wählen. Der Oberschwabe Ludwig Wahl hatte hier gut ein Jahrzehnt zuvor ein Gegenbeispiel dargestellt. Der in der Tat auffällige Lokalpatriotismus des Bautzener Kapitels setzte bei der Mitgliedschaft im Kapitel an und nicht bei der sorbischen Volkszugehörigkeit. Am 6. Februar 1906 telegraphierte Nuntius Caputo an Kardinalstaatssekretär Merry del Val: „Oggi invio proposta re di Sassonia per nuovo Vicario Apostolico e decano capitolo Bautzen. Solo candidato Schaefer“165. In Rom entschloss man sich darauf, gleichsam in vorauseilendem Gehorsam, dem Kapitel in Bautzen eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen, damit 160 161
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Löbmann an Kultusministerium v. 13.1.1906, ebd. Vgl. Skala an Sambucetti v. 29.1.1906, in: Domstiftsarchiv Bautzen, loc. 0299, zit. nach Meier, Das Apostolische Vikariat, S. 196. Über diesen Brief auch Kultusministerium an Außenministerium v. 29.1.1906, in: SHStA Dresden, Best. 11125, Nr. 11222. Zu Montgelas (1854–1916), seit 1903 bayer. Gesandter in Dresden, vgl. Menges, Montgelas, in: NDB, Bd. 18 (1997), S. 54f. Montgelas an Bayer. Ministerium des Auswärtigen v. 25.1.1906, in: BHStA München, MA 98689. Vgl. Kroll, Friedrich August III. (1904–1918), in: Ders. (Hrsg.), Die Herrscher Sachsens, S. 306–319, sowie Kretzschmar, Friedrich August III., in: NDB, Bd. 5 (1961), S. 577, u. jetzt Groß, Die Wettiner, S. 259–265. Caputo an Merry del Val v. 6.2.1906, in: ASV AES Germania Anno 1906, pos. 1557, fasc. 825.
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dieses die Wahl Schaefers förmlich vollziehen könne166. Damit hatte das päpstliche Staatssekretariat die Bautzener Domherren gleichsam in doppelter Weise düpiert. Zum einen hatte es der Bitte um Suspension der Wahl widersprochen, zum anderen aber auch die Wahl Schaefers ausdrücklich verordnet und damit den ohnehin unausgesprochen nur eine Formsache darstellenden Wahlgang der Kapitulare auch öffentlich zu einer Farce erklärt. Denn somit war schriftlich fixiert, dass das Kapitel einzig und allein Schaefer wählen musste. Obgleich das Kapitel dem Nuntius diesen Sachverhalt nochmals eingehend darlegte167, stellte Sambucetti sich auf den Standpunkt, der Heilige Stuhl sei den Domherren entgegengekommen, indem er das Wahlhindernis der fehlenden Kapitelsmitgliedschaft Schaefers beseitigt habe. Nicht zwischen Staatsorganen und Kurie, sondern zwischen Vatikan und dem Kapitel lag also ein Dissens in dieser Ernennungsfrage. Mittlerweile war nämlich die Ernennung des Straßburger Theologieprofessors zum Apostolischen Vikar der sächsischen Erblande sowie zum Titularbischof von Abila ebenso bekannt gegeben worden wie die Ernennung zum Präfekten der Lausitz168. Die „Sächsische Volkszeitung“, die einzige katholische Zeitung im Königreich, berichtete am 3. März 1906 erfreut, dass „die sächsischen Katholiken in so kurzer Zeit abermals einen Oberhirten besitzen“169 Damit war das Domkapitel in Bautzen in zweifacher Weise unter Druck gesetzt worden. Sperrte es sich weiterhin gegen ihn und wählte einen anderen als Schaefer zum Dekan, setzte es sich nicht nur in Ungehorsam gegenüber dem Heiligen Stuhl, sondern gab sowohl die Personalunion mit den Erblanden als auch die Jurisdiktion über die Lausitz selbst preis. Dass in Rom die Ernennung zum Apostolischen Präfekten der Dekanswahl antizipiert worden war, unterstreicht die Tatsache, dass in der Propaganda-Kongregation bereits Vorüberlegungen angestellt wurden, die Dekanswürde von der Jurisdiktion über die beiden sächsischen Sprengel zu separieren170. Dagegen sprach aus vatikanischer Sicht wohl allein die Tatsache der an das Dekansamt gekoppelten Mitgliedschaft des Präfekten in der Ersten Kammer des Parlaments. Obwohl sie sich, etwas salopp formuliert, über den Tisch gezogen fühlten, wählten die Kapitelsmitglieder am 19. März 1906 formal Schaefer zum Dekan, wobei bezeichnend ist, dass dieser Akt in diesem Fall ohne staatliche Beteiligung eines Wahlkommissars erfolgte. Offenbar hatte es das Kultusministerium nicht für nötig gehalten, wie sonst üblich, eigens einen Regierungsbeamten nach 166
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Vgl. Sambucetti an Friesen v. 24.2.1906, ebd. Vgl. hierzu auch Meier, Das Apostolische Vikariat, S. 197. Vgl. Kapitel an Sambucetti v. 1.3.1906, ebd. Dem sächsischen Gesandten wurde diese Mitteilung bereits am 24.2.1906 durch Sambucetti gemacht. Schaefer erhielt die Nachricht am 26.3. Sächsische Volkszeitung v. 3.3.1906. Soweit berichtet Meier, Das Apostolische Vikariat, S. 198, unter Hinweis auf Informationen des Kirchenhistorikers Hermann Tüchle.
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Bautzen zu entsenden. Am 9. April 1906 wurde Aloys Schaefer im Dresdener Schloss durch König Friedrich August III. per Handschlag verpflichtet, und zwar mit dem Hinweis, dass er bereits vor Beginn seiner priesterlichen Tätigkeit in Sachsen vereidigt worden sei171. Die Konsekration fand dann aber wieder außerhalb Sachsens statt, und zwar am 16. Mai 1906 im Straßburger Münster durch den dortigen Bischof Adolf Fritzen. Als Mitkonsekratoren fungierten Weihbischof Zorn von Bulach (Straßburg) und der Bischof von Metz, der Benediktiner Willibrord Benzler, zwei Exponenten des Staatskatholizismus im Reichsland Elsass-Lothringen. Eine Woche darauf feierte er sein erstes Pontifikalamt in der Hofkirche in Dresden, weitere vier Tage später im Dom zu Bautzen. Ganz offensichtlich erfüllte Schaefer die Erwartungen des Königs voll und ganz172, was auch außerhalb Sachsens anerkannt wurde. Deutlich wurde dies nicht zuletzt 1909, als der Apostolische Vikar und Präfekt auf die Kandidatenliste des Paderborner Domkapitels für die dortige Bischofswahl gelangte und das preußische Kultusministerium in Berlin über die preußische Gesandtschaft in Dresden eine Charakterisierung des Kandidaten Schaefer erbat173. Hierbei interessierte die staatliche Behörde insbesondere, „wie sich Schaefer hier als Bischof bewährt und namentlich welche Stellung er zu der Königlich Sächsischen Staatsregierung und zu der evangelischen Bevölkerung eingenommen hat“. Der preußische Gesandte Dönhoff lobte in seiner Antwort Schaefers erfolgreiches und geschicktes Wirken in Sachsen ebenso wie seine „mit ungewöhnlicher Umsicht und Klugheit“174 versehene Professur in Straßburg. Vor allem hob er hervor, dass der Bischof im Gegensatz zu seinen Vorgängern Kontakte mit dem evangelisch-lutherischen Landeskonsistorium aufgenommen habe. Ob für den Entschluss des Paderborner Kapitels, sich unter den zu „personae gratae“ erklärten Kandidaten gerade nicht für Schaefer zu entscheiden, die Beteuerung der sächsischen Regierung, Schaefer unbedingt zu halten, eine besondere Rolle gespielt hat, scheint fraglich175. Mit Karl Joseph Schulte stand dort schließlich ein staatlicherseits ebenso protegierter Kandidat zur Verfügung, der zudem dem Paderborner Diözesanklerus angehörte, was für seine Wahl wohl entscheidender gewesen sein dürfte. 171 172
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Vgl. auch Meier, Das Apostolische Vikariat, S. 144. So berichtet der Metzer Bischof Benzler OSB in seinen Memoiren: „Bischof Schäfer wirkte ausgezeichnet in seinem so schwierigen Sprengel, so dass König Friedrich August von Sachsen mir später sagte, einen besseren Bischof als Dr. Schäfer hätten sie noch nicht gehabt.“ Vgl. Benzler, Erinnerungen aus meinem Leben, S. 117. Vgl. preuß. Gesandtschaft in Dresden an Kultusministerium v. 5.10.1909, in: SHStA Dresden, Best. 11125, Nr. 10980/1, sowie Meier, Das Apostolische Vikariat, S. 151. Hier auch das folg. Zit. Vgl. zur Paderborner Bischofswahl 1909/10 auch das Kap. Paderborn in diesem Band. Dönhoff an Auswärtiges Amt v. 28.9.1909, in: PA AA, R 3243. So die Interpretation bei Meier, Das Apostolische Vikariat, S. 152.
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Ein letzter Ausdruck staatlicher Wertschätzung für Bischof Aloys Schaefer dürften die Begräbnisfeierlichkeiten nach seinem Ableben am 5. September 1914 gewesen sein. Über diese Zeremonien, die in Schirgiswalde stattfanden und an denen neben dem König mehrere Mitglieder des sächsischen Herrscherhauses teilnahmen, gibt ein Bericht des bayerischen Gesandten in Sachsen Auskunft176.
Neubesetzung 1914/1915 Unmittelbar nach Schaefers Tod fiel der Blick des Kultusministeriums auf Franz Löbmann177, den 1856 – ebenso wie Carl Maaz – in Schirgiswalde als Sohn eines Zimmermanns geborenen, nach Gymnasial- und Seminarbesuch in Prag 1881 in Bautzen zum Priester geweihten Direktor des katholischen Lehrerseminars in Bautzen, der zudem dem Lausitzischen und nicht dem Erbländischen Klerus angehörte, ohne jedoch der sorbischen Minderheit zu entstammen. Löbmann war seit 1899 nichtresidierender, seit 1905 dann residierender Domkapitular in Bautzen gewesen, womit seine Wahl zum Domdekan als gesichert gelten konnte. Diese Auskunft erhielt jedenfalls auch das Kultusministerium durch den wieder als Informant tätigen Kreishauptmann von Bautzen, der im Vorfeld die Stimmung im Bautzner Kapitel zu erkunden hatte178. Der Senior des Kapitels, Jakob Skala, erklärte sich sogleich mit Löbmann einverstanden. Zwar war er selbst erst 64 Jahre alt und damit kaum sehr viel älter als der 58-jährige Löbmann, gab jedoch an, aus Alters- und Gesundheitsgründen nicht mehr in Frage zu kommen. Dagegen bevorzugte der eigens vom Kreishauptmann in seinem Ruhesitz Räckelwitz aufgesuchte Ehrendomherr Jakob Herrmann179, „ein überzeugter treuer Wende“180, den Dresdner Konsistorialpräses Georg Kummer181 aufgrund dessen sorbischer Herkunft. Für den Fall, dass die Regierung Löbmann dem Kapitel präsentiere, überlege er, der Wahl fernzubleiben. Zur Begründung führte er an, dass Löbmann zum einen der sorbischen Bevölkerung fernstehe und zum anderen „durch seine langjährige Schultätigkeit der Wirksamkeit als Seelsorger und Seelenhirte entfremdet worden“ sei. Ein weiterer unausgesprochen bleibender Kritikpunkt 176 177
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Vgl. Bericht Montgelas v. 9.9.1914, in: BHStA München, MA 99408. Vgl. zu Löbmann (1856–1920) Seifert, Löbmann, in: Gatz, Bischöfe, S. 458f.; Scheidgen, Deutsche Bischöfe im Ersten Weltkrieg, S. 146f.; Brandt/Häger, Biographisches Lexikon der katholischen Militärseelsorge Deutschlands, S. 487. Vgl. Kreishauptmann Bautzen an Kultusministerium v. 22.9.1914, in: SHStA Dresden, Best. 11125, Nr. 10980/1. Hier auch das folg. Zit. Zu Herrmann, geb. 1836 in Crostwitz, Priesterweihe 1859, vgl. Catalogus cleri. Kreishauptmann Bautzen an Kultusministerium v. 26.9.1914, in: SHStA Dresden, Best. 1125, Nr. 10980/1. Hier auch das folg. Zit. Zu Kummer, geb. 1855, Priesterweihe 1881, vgl. Catalogus cleri 1901.
apostolische administratur meissen und vikariat sachsen
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lag in den Augen des Kreishauptmanns bei allen von ihm aufgesuchten Domherren in der niedrigen sozialen Herkunft Löbmanns aus einem Arbeiterhaushalt in der ursprünglich zum Bistum Leitmeritz gehörenden, erst 1845 der Lausitzer Administratur unterstellten katholischen Exklave Schirgiswalde, die ihn im Vergleich zu seinem Vorgänger Bischof Schaefer zu einer auf dem höfischen Parkett weniger gewandten Persönlichkeit mache. Erst im Laufe des Gespräches vermochte der Kreishauptmann den Kanonikus Herrmann dahingehend zu überzeugen, dass er zusagte, sich an der Wahl zu beteiligen und auch für Löbmann zu votieren. Nachdrücklich beharrte Herrmann ebenso wie der Senior Skala aber darauf, dass bei der kommenden Neubesetzung das Recht der Dekanswahl eingehalten und nicht wieder „zur bloßen Formalität herabgedrückt“182 werde. An dieser Stelle wird deutlich, wie sehr die vatikanische Bevormundung bei der Wahl Aloys Schaefers 1906 von den Bautzener Kapitelsmitgliedern noch immer als Schmach empfunden wurde. Wie der bayerische Gesandte in Dresden seiner Regierung nach München mitteilte, war Löbmann „seiner Zeit, als die Rede davon war, dass Bischof Schaefer den Bischöflichen Stuhl von Paderborn besteigen sollte, von Schaefer dem König als Nachfolger empfohlen“183 worden. Nachdem Löbmann sich zur Annahme des Amtes bereit erklärt hatte, wählte ihn das Bautzner Domkapitel am 5. November 1914 mit sieben von acht Stimmen zum Dekan. Anders als bei der Wahl Schaefers war nunmehr wieder ein königlicher Wahlkommissar in Person des Senatspräsidenten Dr. Ernst Hugo Seyfert, zugegen184. Als staatliches Zugeständnis an das Kapitel ist es zu werten, dass seitens des Kultusministeriums erst vier Tage nach der Dekanswahl das Ministerium für auswärtige Angelegenheiten beauftragt wurde, beim Heiligen Stuhl um die Ernennung Löbmanns zum Apostolischen Vikar für Sachsen und zugleich zum Titularbischof nachzusuchen. Möglicherweise hatte der Bericht des Kreishauptmanns über seine Sondierungsgespräche das Kultusministerium zu dieser Vorsichtsmaßnahme bewegt, obgleich der Bautzener Beamte zusammenfassend bemerkt hatte, „dass der Wahl des Oberschulrats Löbmann zum Dekan des hiesigen Domstifts im Falle seiner vorherigen Berufung zum Apostolischen Vikar im Königreich Sachsen besondere Schwierigkeiten sich nicht in den Weg stellen werden“185. Daher erfolgte die offizielle päpstliche Bestätigung unter Ernennung zum Titularbischof von Priene erst am 30. Januar 1915. Bereits am 12. Dezember 1914 hatte das vatikanische Staatssekretariat über Nuntius Andreas Frühwirth den sächsischen Gesand182 183
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SHStA Dresden, Best. 11125, Nr. 10980, u. auch Schreiben v. 22.9.1914. Montgelas an Ministerium des Auswärtigen München v. 19.9.1914, in: BHStA München, MA 99408. Vgl. Meier, Das Apostolische Vikariat, S. 200. Kreishauptmann Bautzen an Kultusministerium v. 22.9.1914, in: SHStA Dresden, Best. 11125, Nr. 10980.
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königreich sachsen
ten in München darüber informiert, dass Papst Benedikt XV. die Wahl des Kapitels bestätigt und die Einsetzung in die übrigen Positionen genehmigt habe. Löbmann plante als erster Amtsinhaber die Bischofsweihe innerhalb Sachsens, wogegen jedoch das Kultusministerium Bedenken einlegte186. Daraufhin wurde ihm dieses Sakrament am 25. März 1915 im Breslauer Dom durch Bischof Adolf Bertram gespendet, während ihm zwei Monate darauf die Katholisch-Theologische Fakultät der Deutschen Universität in Prag das Ehrendoktorat verlieh187.
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Vgl. Meier, Das Apostolische Vikariat, S. 154. Am 22.5.1915, Mitteilung über die Nostrifizierung dieses Diploms in: SHStA Dresden, Best. 11125, Nr. 10980/1.
Großherzogtum Oldenburg BISCHÖFLICH MÜNSTERSCHES OFFIZIALAT VECHTA
D
a die katholische Kirche im Großherzogtum Oldenburg zwar Bestandteil des Bistums Münster war und ist, aber gleichzeitig mit den Bischöflichen Offizialen über eigenständige kirchliche Jurisdiktionsträger verfügt, verlangen deren Ernennungen im Untersuchungszeitraum eine zumindest kurze Aufmerksamkeit1. Die zum Niederstift Münster gehörenden Ämter (Landkreise) Vechta und Cloppenburg waren infolge des Reichsdeputationshauptschlusses 1803 an Oldenburg gefallen. Sie umfassten knapp 30 Pfarreien, für die der Herzog von Oldenburg ähnlich wie die übrigen protestantischen Fürsten der deutschen Kleinstaaten mit nennenswertem Katholikenanteil im Sinne des Staatskirchentums der Aufklärung die Subordination der Kirche unter den Staat proklamierte2. Daraus abgeleitet galt sein Streben gemäß dem Territorialprinzip der Errichtung eines eigenen katholischen Landesbistums, dessen Dotation sich aber als zu kostspielig erwies3. Selbst nach dem Jahre 1821, als in der für Preußen erlassenen Zirkumskriptionsbulle „De salute animarum“ die Zugehörigkeit Oldenburgs zum Bistum Münster festgelegt worden war, wurde in Oldenburg weiterhin auch ein Anschluss an das für Nassau zu errichtende Landesbistum Limburg oder aber an Osnabrück erwogen. Erst nach dem Ende der sogenannten Konkordatsära gelang es 1830 durch Vermittlung des Fürstbischofs von Ermland, Josef von HohenzollernHechingen, einen Vertrag „zur Regulierung der Diözesan-Angelegenheiten der katholischen Einwohner des Herzogtums Oldenburg“ abzuschließen, der nach seinem Unterzeichnungsort, der Residenz des Vermittlers, Konvention von Oliva genannt wurde. Obwohl der Heilige Stuhl diese am 5. April 1831 durch landesherrliche Verordnung in geltendes oldenburgisches Recht umgesetzte Konvention nicht sanktionierte, war der „etwas eigentümlichen Konstruktion eines Generalvikariats für Oldenburg“4 Erfolg beschieden. Oldenburg blieb Bestandteil des Bistums Münster, erhielt aber eine eigene Kirchenbehörde mit dem 1
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Vgl. als guter Überblick Sieve, Geschichte, in: Die katholische Kirche im Oldenburger Land, S. 3–64, hier insbes. S. 24–30, u. Kuropka, Die katholische Kirche, in: Schäfer u.a. (Hrsg.), Oldenburgische Kirchengeschichte, S. 473–641. Vgl. Zürlik, Zur Entstehung der Lehre von der Koordination zwischen Staat und Kirche, in: OldJb, Bd. 86 (1986), S. 67–73. Vgl. Hanschmidt, Von der Säkularisation zum Bischöflich Münsterschen Offizialat, in: JOM, Bd. 56 (2007), S. 25–42, hier v.a. S. 30–33. Kuropka, Die katholische Kirche, S. 484.
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grossherzogtum oldenburg
Sitz in Vechta, an deren Spitze ein mit dem alten Titel für einen Generalvikar als Bischöfl ich Münsterscher Offizial bezeichneter Geistlicher stand, der sowohl kirchlicher Repräsentant des Bischofs von Münster im Herzogtum als auch oberster staatlicher Kirchenbeamter sein sollte5. Er wurde vom Bischof ernannt, bedurfte zuvor aber des landesherrlichen Plazets des Großherzogs von Oldenburg. Nachdem das Amt zwischen 1846 und 1853 aufgrund von Kontroversen zwischen oldenburgischer Regierung und Kirche unbesetzt blieb, hatte selbst der in Preußen und im Deutschen Reich ausbrechende Kulturkampf angesichts einer erneuten Vakanz 1872 nicht von einer raschen Wiederbesetzung ablenken können. Allerdings hatte der Großherzog die vom Bischof beabsichtigte Ernennung des damaligen Mainzer Pfarrers Maximilian Gereon Graf von Galen zum Bischöfl ichen Offizial abgelehnt6.
Ernennung eines Bischöflich Münsterschen Offizials 1887/1888 Umgehend nach dem am 4. September 1887 nach nur kurzer Krankheit und deshalb überraschend erfolgten Tod des Offizials Theodor Niehaus7 galt der Gedanke der oldenburgischen Staatsregierung möglichen Kandidaten für die Neubesetzung des Amtes. Staatsminister Georg Flor8 beauftragte den Geheimen Staatsrat Wilhelm Selkmann9 umgehend, nicht nur als Abgesandter der Regierung an der Beerdigung in Vechta teilzunehmen, sondern auch gleichzeitig „bei seiner Anwesenheit in Vechta, soweit es Gelegenheit und Umstände rätlich erscheinen lassen, sich darüber zu orientieren …, wie man in Münster über die Wiederbesetzung der Stelle denkt, um darauf demnächst etwaige diesseitige Schritte in Erwägung ziehen zu lassen“10. Kurz gesagt, sollte – wie der Staatsminister den auf seinem ostholsteinischen Schloss Güldenstein weilenden Großherzog Nikolaus Friedrich Peter wissen ließ – Selkmann die Namen der bischöflichen Kandidaten gleichsam en passant eruieren, so dass in Oldenburg Gelegenheit gegeben war, Erkundigungen über deren Persönlichkeit einzuholen. Als Beweis der staatlichen 5
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Vgl. zu dieser Doppelfunktion des Offizialsamtes Kuropka, Die katholische Kirche, S. 486. Zur Errichtung des Offizialates vgl. Schulze, Die Begründung des BischöflichMünsterschen Offizialats in Vechta, in: OldJb, Bd. 62 (1963), S. 71–121. Zur Neubesetzung 1872 vgl. Hirschfeld, Weihbischof Maximilian Gereon Graf von Galen, in: JOM, Bd. 55 (2006), S. 66–92. Zu Niehaus vgl. Ameskamp, Niehaus, in: Baumann/Sieve (Hrsg.), Der katholische Klerus im Oldenburger Land, S. 420–422; Red., Niehaus, in: Gatz, Bischöfe, S. 535. Zu Flor (1833–1908), 1887–1903 oldenburgischer Staatsminister, vgl. Schieckel, Flor, in: Friedl u.a. (Hrsg.), Biographisches Handbuch zur Geschichte des Landes Oldenburg, S. 196f. Zu Selkmann vgl. das Kap. Münster in diesem Band. Flor an Großherzog Nikolaus Friedrich Peter v. 6.9.1887, in: StAOL, Best. 134–520.
bischöflich münstersches offizialat vechta
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Zuvorkommenheit wollte Minister Flor das Kondolenztelegramm des Großherzogs nutzen, das dieser der Regierung hatte zukommen lassen. Selkmann jedenfalls war angewiesen, bei den Beisetzungsfeierlichkeiten gegenüber dem Abgesandten des Bischofs aus Münster gebührend auf den Inhalt des Telegramms hinzuweisen11. So ganz vermochte Selkmann die in seine Mission gesetzten Hoffungen jedoch nicht zu erfüllen. Zwar sei sogar der als Bischofsvertreter zur Beisetzung von Offizial Niehaus nach Vechta gereiste Generalvikar und Domkapitular Joseph Giese von sich aus auf ihn zugekommen12. Auch habe Giese eine Eloge auf die kooperative Haltung des Großherzogs wie der Regierung gegenüber der katholischen Kirche ausgebracht. Allerdings habe er den Generalvikar schlicht und einfach nicht unter vier Augen sprechen können, weil dieser in Begleitung des Kirchenrates Anton Stukenborg gewesen sei. Da aber Stukenborg, der als Interimsverwalter des Offizialates fungierte, seines Erachtens ein geeigneter Kandidat für die Wiederbesetzung des Offizialates sei, habe er es für besser gehalten, diese Frage nicht anzusprechen. Dass Stukenborg ein Favorit sei, wusste Selkmann hingegen von dem landesherrlichen Bevollmächtigten beim Offizialat (dem Advocatus piarum causarum) Pancratz, der ihm die Namen Stukenborgs sowie des Cloppenburger Pfarrers Bernhard Grobmeyer13 und des Pfarrers von Damme Anton Mertz14 genannt hatte. Die von Minister Flor dem Großherzog und Selkmann weitergegebenen Charakterisierungen, die Grobmeyer als „geraden, offenen Charakter“, Stukenborg als wenngleich persönlich zurückhaltend, verwaltungserfahrenen und vom verstorbenen Offizial Niehaus geförderten Geistlichen, Mertz hingegen als pastoral engagiert, aber in administrativen Fragen unbeholfen, bezeichneten, stammten dann auch aus dem Mund von Pancratz15. Schon aus diesem Vergleich leitete der Staatsminister – auch wenn er die Vorläufigkeit des Urteils expressis verbis betonte – bei prinzipiell gleicher Eignung eine Präferenz für Stukenborg ab. Anton Stukenborg16 war 1830 in der gleichnamigen, zur Pfarrei Langförden gehörenden Bauerschaft bei Vechta als Sohn eines Landwirts geboren worden, hatte am Vechtaer Gymnasium 1853 sein Abitur abgelegt, zunächst in Löwen Philosophie, Geschichte und Physik und dann in Münster Theologie studiert und war nach der 1857 in Münster erhaltenen Priesterweihe und vier Vikarsjahren in Emstek 1861 als 11 12 13
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Vgl. Flor an Großherzog Nikolaus Friedrich Peter v. 6.9.1887, ebd. Vgl. Selkmann an Flor v. 9.9.1887, ebd. Zu Grobmeyer vgl. Ameskamp, Grobmeyer, in: Baumann/Sieve (Hrsg.), Der katholische Klerus im Oldenburger Land, S. 305–307; Red., Grobmeyer, in: Gatz, Bischöfe, S. 258. Zu Mertz (1829–1906), geboren in Vechta, Priesterweihe 1856 in Münster, seit 1873 Pfarrer in Damme, vgl. Schmutte, St. Viktor und seine Pfarrer, S. 6. Vgl. Flor an Großherzog v. 10.9.1887, ebd. Stukenborg „soll wenig aus sich herausgehen, sich aber von allen ultramontanen Bestrebungen ferngehalten haben“. Zu Stukenborg vgl. das Kap. Münster in diesem Band.
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grossherzogtum oldenburg
geistlicher Lehrer an seine alte Schule zurückgekehrt. Da er nicht das Examen pro facultate docendi für den höheren Schuldienst (Zweites Staatsexamen) besaß, musste er 1872 ausscheiden. 1873 hatte ihn Offizial Niehaus als Sekretär an seine Behörde geholt, bevor Stukenborg 1876 die Ernennung zum Seminarlehrer am Vechtaer Lehrerseminar und 1887 die Ernennung zum Assessor am Offizialat erhielt. Daraufhin hatte ihm der Großherzog den Titel Kirchenrat verliehen17. Insofern war der großherzogliche Abgesandte auf diesem Umweg doch noch erfolgreich gewesen und nahm sich in seinem Bericht heraus, weitere Empfehlungen zu geben. Aus der großen Anteilnahme der Bevölkerung am Tod von Offizial Niehaus schloss er die hohe Beliebtheit des Verstorbenen, um daraus eine conditio sine qua non für den Nachfolger abzuleiten. Zudem wies der großherzogliche Diplomat den Staatsminister dezidiert darauf hin, dass „der neue Offizial aus den einheimischen Oldenburger Geistlichen gewählt werde. Denn es scheint mir wichtig zu sein, dass man bei der Auswahl in Münster nicht auf einen Geistlichen aus dem übrigen Teil der Diözese Münster verfalle“18. Hier trat zum einen das allgemeine Interesse zu Tage, dass in jedem deutschen Kleinstaat mit eigenem katholischen Jurisdiktionsbezirk zu beobachten war, nämlich einen Bürger des eigenen Staatsverbandes an die Spitze der ohnehin dem Verdacht des Ultramontanismus ausgesetzten katholischen Kirchenhierarchie zu stellen, dessen bisherige Vita schon unter Kontrolle der Staatsaugen gestanden hatte und dem als Einheimischem auch eine erfolgreichere Disziplinierung des Klerus zugetraut wurde. Zum anderen hegte Selkmann das Vorurteil, die Geistlichen im preußischen Teil des Bistums Münster seien so sehr vom dortigen Kulturkampf beeinflusst, dass sie allesamt von einem kämpferischen Ultramontanismus bestimmt seien. Schon bei der vorhergehenden Ernennung von Niehaus 1872 hatte man in Oldenburg auf einem Einheimischen bestanden, während die ersten beiden Offiziale aus dem westfälischen bzw. niederrheinischen Bistumsteil von Münster gekommen waren und dennoch keinen Anstoß bei der Staatsbehörde erregt hatten19. So viel Selkmann damit auch Schwarz-WeißMalerei betrieb, so wenig verfehlte er seine Wirkung bei seinem Vorgesetzten Flor, der ihm in seiner Argumentation beipflichtete. Zudem hatte Flor längst einen neuen Plan geschmiedet, um möglichst unverdächtig, so meinte er jedenfalls, an die Namen der in Münster gehandelten Nachfolgekandidaten für Offizial Niehaus zu gelangen. Zur Ausführung aber war Selkmann unabdingbar. Denn dieser besaß Verwandte in der Nähe von Münster, denen er einfach einen Besuch abstatten sollte, um bei Bischof Brinkmann vorstellig 17 18 19
Vgl. Personalakte Stukenborg, in: StAOL, Best. 134–357. Selkmann an Flor v. 9.9.1887, ebd., Best. 134–520. Franz Josef Herold, Offizial von 1831–1846, stammte aus Münster; Engelbert Reismann, Offizial von 1853–1872, aus Kempen. Vgl. Instinsky, Herold, u. Ameskamp, Stukenborg, in: Baumann/Sieve (Hrsg.), Der katholische Klerus im Oldenburger Land, S. 328–337 u. S. 514–516.
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zu werden. Dass Selkmann dabei letztlich doch als Informant der oldenburgischen Regierung empfangen würde, ließe sich in Kauf nehmen, da die projektierte Visite der beste Weg sei, um zumindest ansatzweise die Absichten des Bischofs in Erfahrung zu bringen. Selkmann, der im Bischöflichen Palais in Münster zunächst nur Generalvikar Joseph Giese antraf, wurde tatsächlich von diesem „sehr bald auf die Ernennung eines Nachfolgers für den verstorbenen Offizial Niehaus“20 angesprochen. Giese akzeptierte auch den Wunsch der oldenburgischen Regierung, den neuen Offizial wiederum aus dem einheimischen Klerus zu wählen, und wandte dagegen lediglich ein, dass die Auswahl geeigneter Kandidaten in Oldenburg aufgrund der Überschaubarkeit des Offizialatsbezirks sehr gering sei, weshalb er vorschlug, auch „einige Elemente mit weiterem Blick“ zu berücksichtigen. Wesentlich verständnisvoller empfand Selkmann den greisen Bischof Johann Bernard Brinkmann, von dem er nicht nur „in der zuvorkommendsten Weise empfangen“ wurde, sondern auch mit Lobeshymnen über die kirchenfreundliche Haltung der oldenburgischen Staatsregierung überschüttet wurde. Angesichts der Verbitterung, die Brinkmann über die preußische Regierung hegen musste, die ihn im Kulturkampf strafrechtlich verfolgt und zu einem neunjährigen Exil gezwungen hatte, verwundert die höfliche Haltung des Bischofs gegenüber dem oldenburgischen Regierungsbeamten keineswegs. Möglicherweise war diese Courtoisie des Oberhirten gegenüber Selkmann aber auch taktisch bedingt, denn so sehr sich Brinkmann auch ohne Wenn und Aber damit einverstanden erklärte, den neuen Offizial aus dem oldenburgischen Klerus auszuwählen, so wenig bequemte er sich dazu, einen Namen zu nennen. Statt dessen lockte er seinen Besucher aus der Reserve, der – vielleicht durch die Zusagen des Bischofs betört – die Namen Stukenborg, Grobmeyer und Mertz nannte. Aus den Reaktionen Brinkmanns vermochte Selkmann dann aber seiner Regierung doch zu berichten, dass der Bischof sowohl Grobmeyer als auch Stukenborg gelobt habe, wobei ihm ersterer noch als reichlich jung (Grobmeyer war immerhin 47 Jahre alt) erschien. Allein über Mertz habe Brinkmann sich negativ geäußert, weil dieser seinen in ihn gesetzten Erwartungen nicht entsprochen habe. Minister Flor scheint sowohl mit Stukenborg als erstem als auch mit Grobmeyer als zweitem Favoriten des Bischofs von Münster so zufrieden gewesen zu sein, dass er keine weiteren Bemühungen anstrengte, auf die endgültige Entscheidung Brinkmanns Einfluss oder gar Druck auszuüben. Dennoch bleibt es erstaunlich, dass zwischen dem Tag der Audienz Selkmanns in Münster, dem 25. September 1887, und der Mitteilung des Bischofs an die Staatsregierung über die beabsichtigte Ernennung Anton Stukenborgs zum Bischöflich Münsterschen Offizial am 1. März 1888 mehr als fünf Monate lagen. Immerhin war sich Johann Bernard Brinkmann der Zustimmung aus 20
Bericht Selkmanns an Flor v. 27.9.1887, in: StAOL, Best. 134–520. Hier auch die folg. Zit.
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Oldenburg absolut sicher, wenn er schrieb: „Einer näheren Äußerung über seine Befähigung, seine Gesinnung und seine bisherige Wirksamkeit wird es nicht bedürfen, da seine Persönlichkeit dort hinreichend bekannt ist“21. Binnen einer Woche erhielt er über die Gutheißung des Großherzogs hinaus den Hinweis, dass dieser die Ernennung Stukenborgs besonders positiv sehe22. Wie erfreut Nikolaus Friedrich Peter über die münstersche Personalentscheidung war, belegt nicht zuletzt die Verleihung des Ehren-Großkreuzes des Großherzoglichen Haus- und Verdienstordens an Brinkmann gelegentlich der Amtseinführung Stukenborgs in Vechta23. So konnte die Amtseinführung des neuen Offizials auch binnen vier Wochen, am 5. April 1888, in Gegenwart von drei Emissären der großherzoglichen Regierung erfolgen, die Stukenborg unmittelbar vor der kirchlichen Einführung im Offizialatsgebäude den vorgeschriebenen Eid abnahmen. Wie üblich hatte der Großherzog dem neuen Offizial in Vechta zuvor den Titel eines Geheimen Oberkirchenrates verliehen24. Bischof Brinkmann ernannte ihn daraufhin zum Ehrendomherrn im Domkapitel in Münster25.
Ernennung eines Bischöflich Münsterschen Offizials 1890 Bereits nach gut zwei Jahren Amtszeit starb Offizial Stukenborg am 24. August 1890 in Vechta mit nicht ganz 60 Jahren an einem Magenleiden, das seine kurze Tätigkeit an der Spitze der oldenburgischen Katholiken überschattet hatte. Am Folgetag kondolierte Staatsminister Flor nicht nur dem Bischof von Münster, sondern wies auch ganz dezidiert darauf hin, dass „diesseits der größte Wert darauf gelegt wird, dass zum Nachfolger … der Pastor Grobmeyer ernannt werden möchte“26. Dieser Entschluss stehe fest und bedürfe nur noch der Umsetzung aus Münster. Ein solcher Tonfall des zwei Jahre zuvor noch äußerst diplomatisch agierenden Georg Flor erstaunt auf den ersten Blick. Auch der Hinweis auf ein im Juli 1890 geführtes Gespräch zwischen dem Minister und dem Bischof, bei dem wohl im Blick auf das erwartete Ableben Stukenborgs bereits die Nachfolgefrage angeklungen war, kann die Eile des Ministers nicht ganz erklären. Bernhard Grobmeyer war 1840 in Höltinghausen in der Pfarrei Emstek als Lehrersohn geboren worden, hatte 1861 in Vechta sein Abitur abgelegt und anschließend das Theologiestudium in 21 22 23
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Brinkmann an Flor v. 1.3.1888, ebd. Vgl. Flor an Brinkmann v. 6.3.1888, ebd. Vgl. Bericht Mutzenbechers von der Einführung des Offizials Stukenborg v. 20.4.1888, ebd. Vgl. Großherzog an Stukenborg v. 31.3.1888, ebd. Vgl. Helmert, Die Domkapitulare, in: Schröer (Hrsg.), Das Domkapitel, S. 351–440, hier S. 431f. Flor an Dingelstad v. 25.8.1890, in: StAOL, Best. 134–520.
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Münster absolviert. 1867 wurde er – nach der Priesterweihe – Kooperator in Oythe, 1870 Vikar in Emstek und zugleich Lehrer an der Höheren Bürgerschule in Cloppenburg, zwei Aufgaben, die auch Anton Stukenborg ja in Personalunion wahrgenommen hatte. 1879, mit erst 39 Jahren, rückte er auf die wichtige Pfarrstelle in Cloppenburg vor. Für die härtere Gangart im Verhalten der oldenburgischen Staatsregierung spielte aber wohl sicherlich der Wechsel auf dem Bischofsstuhl von Münster eine nicht ganz unwichtige Rolle. Die 1889 erfolgte Wahl des Vechtaer geistlichen Gymnasiallehrers Hermann Dingelstad zum Nachfolger des verstorbenen Johann Bernard Brinkmann war nicht auf die besondere Gegenliebe des Staatsministeriums gestoßen. Dingelstad, der von der stark vom Kulturkampf geprägten ultramontanen Majorität des Domkapitels gewählt worden war, stand offenbar in dem Ruf, diese Linie auch in seiner zeitweiligen oldenburgischen Heimat umsetzen zu wollen. In diesem Fall gab er sich jedoch durchaus kooperativ, wenn er antwortete, der Vorschlag aus Oldenburg gereiche ihm „zur ganz besonderen Genugtuung“27. Da Grobmeyer ja bereits bei der vorangegangenen Neubesetzung in ernsthafte Erwägung gezogen worden sei, spreche jetzt nichts dagegen, ihn zu berücksichtigen. Am 29. August 1890, fünf Tage nach dem Tod des alten Offizials, war die Stelle damit erneut besetzt, und am 23. Oktober 1890, also weniger als zwei Monate nach dem Tode Stukenborgs, fand die Einführung des nunmehr 50-jährigen Pfarrers von St. Andreas in Cloppenburg als neuer Offizial in Vechta statt. Offenbar ging es der Regierung auch darum, diese Personalie schnell vom Tisch zu bekommen, denn Minister Flor hatte nach Eingang der positiven Reaktion Dingelstads gegenüber dem Großherzog nur knapp bemerkt, dass eine offizielle Gutheißung Grobmeyers nicht mehr notwendig sei, woraufhin auch der Bischof auf eine förmliche Anfrage bei der Staatsregierung verzichtete und die Ernennung Grobmeyers noch am selben Tag aussprach28.
27 28
Dingelstad an Flor v. 29.8.1890, ebd. 1905 erhielt Grobmeyer eine päpstliche Anerkennung durch die Ernennung zum Päpstlichen Hausprälaten. Vgl. StAOL, Best. 134–408. Staatlicherseits wurde er 1909 KapitularKomtur u. später Ehren-Groß-Komtur des Großherzoglich-Oldenburgischen Haus- und Verdienstordens sowie Inhaber des Friedrich-August-Kreuzes.
Resümee
A
ls mit Max von Sachsen 1896 ein Prinz aus dem Geschlecht der Wettiner katholischer Priester geworden war, hatte die liberale Presse des Kaiserreichs einen Stoff, der für mehr als ein Jahrzehnt immer wieder Anlass zur Berichterstattung gab. Ein Hochadeliger, der nicht nur von Jesuiten erzogen worden war, sondern sich auch öffentlich klar als Exponent der ultramontanen Richtung in der katholischen Kirche zu erkennen gab und dazu aufgrund seiner Herkunft anscheinend über jeglichen nur wünschenswerten politischen und kirchenpolitischen Einfluss verfügte, eignete sich vorzüglich, um ein Schreckensszenario für nahezu jeden vakant werdenden Bischofsstuhl zu präsentieren. Der Märchenprinz im schwarzen Priestergewand wurde um 1900 zur Personifikation antiklerikaler Verschwörungstheorien, weil er den Negativtopos der Jesuitengefahr im protestantisch kleindeutschen Nationalstaat von 1871 verkörperte. Umgekehrt avancierte Max von Sachsen zur Identifikationsfigur des kirchlich gesinnten Teils der katholischen Bevölkerungsminderheit im Deutschen Reich, gerade weil er als Katholik und Ultramontaner innerhalb der deutschen Herrscherhäuser exponiert dastand. Versehen mit der Bischofswürde hätte er in den Augen vieler katholischer Zeitgenossen die moralische Autorität mit der höfischen Pracht geistlicher Fürsten aus der Zeit des Ancien Regime verbinden können. So extrem das Beispiel des sächsischen Prinzen, der über Jahre als Bischofskandidat durch die Gazetten gereicht wurde, auch sein mag, so deutlich führt es in seiner Einzigartigkeit die Bedeutung des Bischofsamtes als keineswegs rein innerkirchlich zu betrachtendes Konfliktpotenzial für das Verhältnis von Staat und katholischer Kirche vor Augen. In den Bischofsernennungen brachen sich die Interessen des jungen Nationalstaates mit seinem eigenen Verständnis vom Staatskirchentum einerseits und das in einer agarisch-kleinstädtischen katholischen Lebenswelt von einer Minderheit tradierte Selbstverständnis vom Respekt vor der Autorität eines Bischofs andererseits nicht allein auf der administrativen Ebene, sondern auf dem Boden divergierender öffentlicher Interessen. Den Bischof zu bestimmen, erschien der Staatsbürokratie gleichsam als Schlüssel für die Herrschaft über die katholische Kirche und ihre Gläubigen, also als Mittel zur Eindämmung des als Bedrohung empfundenen Ultramontanismus. Eben durch diese politische und gesellschaftliche Dimension erklärt sich die Virulenz der Thematik. Sie vollständig empirisch zu erfassen, erscheint kaum möglich. Die Analyse aller Bischofswahlen im Untersuchungszeitraum lässt jedoch in der Synthese Rückschlüsse zu, die im Folgenden zusammenfassend präsentiert werden
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resümee
sollen. Schließlich können diese Ergebnisse dazu beitragen, Antworten auf die in der Einleitung gestellten, hier noch einmal abschließend aufzugreifenden und soweit möglich zu beantwortenden Fragen zu geben und den Versuch einer Bilanz zu unternehmen.
ULTRAMONTANE ODER STAATSLOYALE KANDIDATEN? WER KAM LETZTLICH ZUM ZUGE?
a) Strategien der Domkapitel bzw. des Klerus
S
ieht man einmal von Bayern ab, hatten die Domkapitel in den übrigen Diözesen des Deutschen Reiches durch Aufstellung der Wahlliste gleichsam die Steilvorlage für die Personalentscheidung zu liefern, wer denn künftig den Bischofsstuhl besteigen sollte. Wirft man einen Blick auf die Wahllisten im Untersuchungszeitraum, so stellt man fest, dass sich bei der Suche nach geeigneten Kandidaten der Blick der Domherren primär auf Männer aus den eigenen Reihen richtete. Grundsätzlich war etwa die Hälfte aller Kandidaten auf den insgesamt 37 analysierten Listen Mitglied des Domkapitels der betreffenden Diözese und verfügte damit in aller Regel über ausgeprägte Kenntnisse in deren Verwaltung, wobei ein eventuell vorhandener Weihbischof besonders große Chancen besaß, einen Listenplatz zu erlangen. Als Faustregel kann gelten, je kleiner und damit auch unbedeutender die Diözese, desto stärker dominierten die eigenen Domherren die Wahlliste, so beispielsweise in Mainz 1903 oder in Hildesheim 1906, wo von den jeweils sechs Kandidaten vier bzw. fünf residierende Domherren waren1. Wenn allerdings das Reservoir aus dem Bischofswahlgremium aufgrund von Alter oder Krankheit eines Teils seiner Mitglieder eingeschränkt war, weitete sich der Blick. In aller Regel fanden sich in der Priesterausbildung der Bischofsstadt tätige Geistliche, so etwa der Regens des Priesterseminars (in 14 von 37 Fällen) sowie Professoren des Seminars oder der Theologischen Fakultät (in 17 Fällen), auf den Listen. Dazu traten nicht zuletzt geistliche Lehrer von Gymnasien (zehnmal), aber auch verdiente Pfarrseelsorger, die auf immerhin 24 verschiedenen Listen auftauchen. Diese Linie wurde allenfalls durchbrochen, wenn ein Priester des zu besetzenden Bistums auswärts als Professor Karriere gemacht hatte, wie etwa Nikolaus Hilling aus Osnabrück in Bonn, Karl Böckenhoff aus Münster in Straßburg, Paul Wilhelm Keppler aus Rottenburg in Freiburg oder Augustinus Bludau aus dem Ermland in Münster.
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Vgl. hierzu und zum Folgenden die Tabellen mit den Wahllisten im Anhang.
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Auf diese Weise wurden in Ermland, Gnesen-Posen und Rottenburg bei beiden Wahlen im Untersuchungszeitraum sowie bei den letzten drei der vier untersuchten Fuldaer Wahlen und bei der jeweils letzten der beiden Wahlen in Limburg und Mainz nur Angehörige des eigenen Klerus aufgestellt. Selbst in großen und wichtigen Diözesen wie Breslau fand 1887 mit dem Münsteraner Generalvikar Joseph Giese und 1914 mit dem Hildesheimer Bischof Adolf Bertram jeweils nur ein Nicht-Schlesier Eingang in die Kapitelliste, und dies gleichsam aus kosmetischen Gründen. So waren selbst in Köln 1899 und 1902 drei von fünf bzw. fünf von sechs Kandidaten Kölner Diözesanpriester. Erst 1912 wurden fünf auswärtige Bischöfe und nur ein Einheimischer nominiert. Lediglich die Osnabrücker Liste von 1898 bestand ausschließlich aus Nichtdiözesanen. War die Bodenständigkeit bei der Rekrutierung episkopabler Geistlicher in den südwestdeutschen Staaten Baden, Hessen-Darmstadt und Württemberg landesherrlichen Verordnungen geschuldet, bot Preußen mit seinen 16 Diözesen ein weitaus größeres Potenzial, welches in der Praxis jedoch keineswegs ausgeschöpft wurde. Eine gewisse Weitläufigkeit bewies das Mainzer Domkapitel, als es 1899 gegen landesherrliches Gesetz sowohl den Kölner Weihbischof Antonius Fischer als auch den Prinzen Max von Sachsen aufstellte2. Gewählt werden sollte natürlich ein Mainzer Diözesanpriester und damit ein hessischer Staatsangehöriger. Dass im badischen Freiburg dagegen im Vorjahr sogar ein Preuße, der Fuldaer Bischof Georg Ignaz Komp, zum Zuge gekommen war, obwohl auch hier nur Landeskinder als episkopabel galten, resultierte daher, dass Preußen ebenfalls Anteile am Erzbistum Freiburg besaß, seine Staatsbürger hier also ebenfalls wählbar waren3. Es bleibt die Frage zu klären, welcher Statusgruppe die Domherren schließlich mehrheitlich ihr Votum gaben? Aus den von der Regierung zurückgegebenen Listen wurde in vier Fällen ein auswärtiger, nicht dem zu besetzenden Bistum inkardinierter Geistlicher gewählt. Im Gros der Fälle, nämlich elfmal, gelangte ein Mitglied des Domkapitels auf den Bischofsthron. In sieben Fällen war ein Professor der Erwählte, viermal kam ein Regens zum Zuge, zweimal ein geistlicher Lehrer und ein Pfarrer, in einem Ausnahmefall (Limburg 1898) ein Ordensmann4. Was die bisherige Tätigkeit des Erwählten anging, war das Wahlgremium also flexibel, wobei schon auffällig erscheint, dass nahezu alle Gewählten aus dem Zentrum, also der Bischofsstadt oder 2
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Vgl. Landesherrliche Verordnung des Großherzogs von Hessen-Darmstadt v. 30.1.1830, abgedruckt bei Huber/Huber, Staat und Kirche, Bd. I, S. 280–284. Vgl. Landesherrliche Fundationsurkunde des Großherzogs von Baden für das Erzbistum Freiburg v. 16.10.1827, abgedruckt bei Huber/Huber, Staat und Kirche, Bd. I, S. 275–279. Weitere Ernennungen von Ordensleuten zu Bischöfen, so etwa 1901 in Metz und 1905 in Eichstätt, geschahen in Rechtsgebieten, in denen das Domkapitel keine Mitsprache besaß.
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einer anderen Bischofsstadt kamen. An der Peripherie tätige Pfarrseelsorger oder geistliche Lehrer hatten es äußerst schwer. Jedenfalls stellten die Wahlen des Vechtaer Gymnasiallehrers Hermann Dingelstad in Münster 1889 sowie des Baden-Badener Klosterpfarrers Thomas Nörber in Freiburg 1898 nicht nur in der zeitgenössischen Wahrnehmung Überraschungen dar, sondern sie können auch aus der Retrospektive als Ausnahmen bezeichnet werden. Es verwundert angesichts der rigiden Praxis der Mindergenehmerklärung keineswegs, dass die meisten Domkapitel in vorauseilendem Gehorsam und um das Platzen ihrer Liste nicht zu gefährden, Kandidaten, die aufgrund eines im Ausland gewonnenen weiteren theologischen Horizontes durchaus innovativ erscheinen konnten, gleich außen vor ließen. Germaniker und andere als streng kirchlich geltende Geistliche erschienen allenfalls als Makulatur auf der Liste. Offenbar trifft das Urteil eines Zentrumsorgans von 1898 zu: „Fragt man nun, was diese so beliebte Handhabung des Streichungsrechtes … dem Staate für Nutzen bringt, so findet man schwer eine Antwort. Die Domkapitel kennen schon die Gepflogenheiten der Bürokratie und setzen keine Namen auf die Listen, deren Streichung ein vorsichtiger Mensch zu gewärtigen hat“5. Zu diesen Gepflogenheiten gehörte es auch, nicht gegen die in der preußischen Zirkumskriptionsbulle „De salute animarum“ festgelegten Bestimmungen zu verstoßen. Schon weil dort für die Episkopabilität eines Kandidaten wenigstens fünf Jahre Erfahrung als Priester in Seelsorge bzw. Verwaltung vorausgesetzt wurden6, kam für die meisten Domkapitel der als Modekandidat der streng kirchlichen Richtung im Klerus gehandelte Prinz Max von Sachsen nicht in Frage. Als weitere Ursache für diese fortschreitende Tendenz zur Beschränkung auf eigene Kräfte ist zu vermuten, dass die Domherren damit die Bedeutung des Kapitels unterstreichen wollten, nicht nur Wahlgremium, sondern auch Rekrutierungsfeld für das Bischofsamt zu sein. Darüber hinaus bot die Benennung eigener oder doch im Umfeld der Bischofsstadt vertrauter Kräfte die Gewähr, einerseits durch auswärtige Kandidaten möglicherweise vorprogrammierte Veränderungen und Reformen zu verhindern, andererseits und vor allem aber der Gefahr zu entgehen, nach den staatlichen Streichungen mindergenehmer einheimischer Kandidaten gegebenenfalls auf die Wahl eines auswärtigen Kandidaten festgelegt zu werden, dessen politische wie auch kirchenpolitische Haltung nicht aus eigener Anschauung nachzuvollziehen war.
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Kölnische Volkszeitung v. 22.9.1898. Vgl. De salute animarum v. 16.7.1821, zit. nach Huber/Huber, Staat und Kirche, Bd. I, S. 204–221.
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In den Mittelstaaten Südwestdeutschlands entsprach diese Praxis dann ja auch durchaus den staatlichen Maßgaben, ausschließlich Landeskinder zu berücksichtigen. Hier ist das selbstbewusste Verhalten des Freiburger Metropolitankapitels anlässlich der dortigen Neubesetzung des Erzbischofsstuhls 1896 bis 1898 hervorzuheben, als das Wahlgremium zur Rettung des ihm verbrieften Wahlrechts selbst Konflikte mit der Kurie nicht scheute. Selbstverständlich spielten interne Spannungen im Domkapitel bzw. im Bistumsklerus auf kirchenpolitischer, theologischer oder rein persönlicher Ebene immer wieder eine Rolle, wenn ein Kandidat trotz entsprechender Qualifikationen nicht nominiert oder gar nachträglich Opfer von Intrigen wurde. Insbesondere Modernismuskontroverse und Gewerkschaftsstreit boten im Jahrzehnt vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs hinreichend Anlass, um gegen missliebige Kandidaten vorzugehen, was die Staat-Kirche-Beziehungen allerdings nur peripher berührte. Stärker im Spannungsfeld zwischen weltlicher und kirchlicher Macht steht der Fall des elsässischen Geistlichen Franz Zorn von Bulach. Als Prototyp des deutschfreundlichen, aber gleichwohl einheimischen Elsässers konnte er wie kein zweiter mit Erfahrungen im diplomatischen Dienst sowohl auf staatlicher als auch auf kirchlicher Seite glänzen. Obgleich sich Vertreter der vatikanischen Diplomatie ebenso wie der Statthalter in den Jahren 1899 bis 1901 nachdrücklich für ihn als künftigen Bischof von Metz einsetzten, gelang es seinen innerkirchlichen Widersachern, ihn als subalternen Gefolgsmann der deutschen Politik zu desavouieren. Offenbar war dies Wasser auf die Mühlen des als frankophil geltenden Kardinalstaatssekretärs Mariano Rampolla. Er erwies sich als treibende Kraft bei der mit Hilfe des Nuntius letztlich erfolgreichen Durchführung des Plans, Zorn von Bulach zwar die versprochene bischöfliche Würde zu verleihen, ihm aber doch eine untergeordnetere Position zu verschaffen, nämlich die Weihbischofsernennung in seiner Heimatdiözese Straßburg. Dass die Kurie dafür den bisherigen Weihbischof Marbach als Bauernopfer in Kauf nahm und den vorzeitigen Abschied eines staatlicherseits als nicht unbedingt loyal anzusehenden Angehörigen des Episkopats sanktionierte, steht auf einem anderen Blatt. Innerkirchliche Konkurrenz spielte ebenso bei einem Straßburger Kandidaten im Rahmen der dortigen Neubesetzung 1891 eine Rolle, der unter Verweis auf den geschäftlichen Bankrott seines Bruders in der Öffentlichkeit bloßgestellt wurde. Nicht nur Nuntius und römische Kurie, sondern auch die staatlichen Instanzen waren stark involviert, als bei der Augsburger Bischofsernennung 1902 der königliche Favorit Maximilian Lingg durch den Hinweis auf sittliches Fehlverhalten seiner Schwester, die offensichtlich ein Verhältnis mit einem Geistlichen unterhielt, zu Fall gebracht werden sollte. Eine solche Form der „Sippenhaftung“ misslang auch 1913 in Limburg, wo
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die Präkonisation des vom Kapitel gewählten Kandidaten Augustinus Kilian mit einem ähnlichen Vorwurf verhindert werden sollte. Delikater war schon der offensichtliche Alkoholismus und die nachfolgende Demenz des sächsischen Apostolischen Vikars Bischof Ludwig Wahl, die angesichts von dessen Weigerung zu resignieren, staatliche und kirchliche Instanzen gleichermaßen auf die Probe stellte. Und in Bamberg vermochten 1890 kirchlicherseits aufgedeckte moralische Vorwürfe gegen den Lebenswandel eines bereits staatlicherseits nominierten Bischofs dessen Avancieren auf den Erzbischofsstuhl sogar zu verhindern, was gleichwohl einen Einzelfall darstellte. Exaktere Angaben zur Strategie der Domkapitel lassen sich allerdings kaum machen, weil die Protokollbücher in der Regel nur Sitzungsverläufe und Abstimmungsergebnisse festhalten, nicht aber mündliche Absprachen der Domherren untereinander widerspiegeln. Nicht durchgängig, aber in mehreren Fällen, so etwa bei Kölner Erzbischofswahlen, in Hildesheim und bei der Besetzung des Meißener Administratorenamtes im sächsischen Bautzen, lassen sich aus den Korrespondenzen der staatlichen Behörden dezidierte staatliche Einwirkungsversuche auf einzelne Kapitelsmitglieder belegen.
b) Strategien der Staatsbehörden
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er Staat besaß jedoch in aller Regel keine Handhabe, um die Listenzusammensetzungen durch die Domkapitel direkt zu beeinflussen. In Preußen wurde daher eine Strategie angewandt, die auf Durchsetzung der Domkapitel mit staatsloyalen Kandidaten abzielte. Weil bereits die Aufnahme in ein Domkapitel ein Entrebillet für die Episkopabilität darstellte und man sich der Bedeutung der Kapitel als Wahlgremium der Bischöfe bewusst war, schien dieser Plan durchaus erfolgversprechend zu sein, zumal ja ohnehin die Besetzung der in ungeraden Monaten vakant gewordenen Stellen durch königliche Nomination erfolgte.
Charakterisierungsmerkmale: Politische und kirchenpolitische Haltung Zu diesem Zweck entwickelte die Staatsbürokratie in Preußen ein nahezu perfektes Überwachungssystem des Klerus. Alle Landräte waren in fünfjährigem Turnus dazu aufgerufen, ihnen bekannte, für höhere Stellen geeignete Geistliche dem zuständigen Regierungspräsidenten zu benennen, der die Daten dem Oberpräsidenten weiterreichte. Im preußischen Beamtenapparat wirkte also nicht nur der in der protestantischen Mehrheitsgesellschaft ohnehin verankerte Negativmythos der Jesuiten als energischer Parteigänger des Papstes und der römischen Kurie entscheidend nach. Wer selbst als Land-
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pfarrer „auffällig“ geworden war, weil er über ausgeprägte organisatorische oder geistige Fähigkeiten verfügte, auf diese Weise einmal ein Dossier erhalten hatte und in die Maschinerie der Staatsbehörden aufgenommen worden war, erhielt eine Bewertung, die nicht zuletzt durch die Verkürzung und Verknappung der Informationen auf dem Weg durch die Instanzen vom Landratsamt zum Kultusministerium schablonenhaft werden musste. Konkret verbarg sich hinter dem stetig wiederkehrenden Topos von der politischen Tätigkeit ein Engagement für die Zentrumspartei, dessen Intensität höheren Orts gar nicht mehr näher erkennbar war7. Mit sprichwörtlicher preußischer Gründlichkeit recherchierte die Staatsmacht erst im Falle einer beabsichtigten Nominierung für eine höhere Stelle. Sie ermittelte nicht nur die Übernahme von Mandaten in Reichstag oder Landtagen, sondern auch oft nur in der Presse überlieferte Auftritte von Geistlichen bei Wahlversammlungen der katholischen Partei. Zu Rate gezogen wurden ebenso Polizeibzw. Spitzelberichte über Versammlungen der katholischen Zentrumspartei hinsichtlich dort geleisteter Wortbeiträge. Mit Verve verfolgt wurden darüber hinaus publizistische Aktivitäten, vor allem in Zentrumsblättern. Erstaunlicherweise wurde auf Zuwiderhandlungen gegen die Kulturkampfgesetze weniger rekurriert, wie exemplarisch der Fall des Wiesbadener Stadtpfarrers Joseph Weyland belegt, der trotz früherer Konflikte mit der Staatsmacht 1887 Bischof von Fulda wurde. Unter politischem Handeln wurde auch das Verhalten an patriotischen Feiertagen wie dem Sedanstag oder dem Geburtstag des Kaisers subsumiert. Wer bei diesen Gelegenheiten öffentlich ein Hoch auf den Kaiser ausgebracht oder in Reden und Predigten seine patriotische Gesinnung unter Beweis gestellt hatte, erschien prinzipiell als annehmbarer Kandidat für einen Bischofshut. Die zweite, immer wieder abgefragte Chiffre, die kirchenpolitische Haltung, bezog sich auf den vermeintlichen Grad der Nähe zum Papst und zur römischen Kurie. Zu einem wesentlichen Feindbild entwickelte sich dabei in allen Staaten des Deutschen Reichs der Typus des Germaniker-Bischofs. Als Resonanz auf die 1848er Bewegung wurde in Bayern die Ernennung von Absolventen des von Jesuiten geführten Collegium Germanicum zunächst gefördert. Während in Baden und Hessen-Darmstadt mit den Kulturkampfgesetzen faktisch ein Verbot des Theologiestudiums in Rom einherging, handelte der ursprünglich katholische bayerische Kultusminister Lutz wesentlich rigider und erließ zwischen 1873 und 1888 ein definitives Studienverbot für Theologen im Ausland8, das den Pool bayerischer Germaniker für 7
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Vgl. zu diesem Komplex allgemein Gatz, Priester als Partei- und Sozialpolitiker, in: Ders. (Hrsg.), Der Diözesanklerus, S. 376–398. Dieses Verbot erließ Lutz am 29.8.1873, abgedruckt bei Huber/Huber, Staat und Kirche, Bd. II, S. 716. Vgl. auch Brandmüller (Hrsg.), Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte, Bd. III, S. 445. Vgl. auch Schmidt, Das Collegium Germanicum in Rom und die Germaniker, S. 177.
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höhere geistliche Ämter ohnehin über einen längeren Zeitraum austrocknete. In Preußen hielt sich ein solches Verbot lediglich kurzzeitig in den 1850er Jahren, so dass die Bischöfe begabte Priesteramtskandidaten weiterhin in das Collegium Germanicum schickten. Als Bischofskandidaten vermochten sie freilich auch hier prinzipiell keine Gnade in den Augen der Regierung zu finden. Schließlich war das Auslandsstudium katholischer Theologen im Zentrum ihrer Weltkirche im Zeitalter des wachsenden Nationalismus und Partikularismus schon per se als universalistisches Gegenmodell verpönt. Vor allem aber trat die Furcht vor der Beeinflussung des Klerus durch die Jesuiten hinzu, so dass zurückkehrende Germaniker grundsätzlich in dem Ruf verkappter Angehöriger der Gesellschaft Jesu standen9.
Germaniker und andere ultramontane Kandidaten Dass die Diözesen Limburg und Fulda hier Ausnahmen bildeten, mag der Tatsache geschuldet sein, dass es sich um „neupreußische“ Jurisdiktionsbezirke handelte, deren Territorien erst 1866 von Preußen annektiert worden waren. Jedenfalls war der Germaniker Matthias Höhler in seiner Heimatdiözese Limburg bereits 1885 und 1886 als Kapitelskandidat durchgefallen, wurde seitens der Kurie und des Nuntius 1890 vergeblich für den vakanten Bischofsstuhl in Straßburg propagiert und holte sich 1898 – nun als Listenkandidat in Limburg – nochmals eine Abfuhr als „persona minus grata“, nachdem er ein Jahr zuvor auch für den erzbischöflichen Stuhl in Freiburg im Gespräch gewesen war. Vornehmlich wegen seiner Tätigkeit als Sekretär des im Kulturkampf verurteilten Limburger Bischofs Peter Joseph Blum war er in staatlichen Augen nachhaltig diskreditiert Dass der Fuldaer Regens Georg Ignaz Komp dagegen nach ersten Mindergenehmerklärungen 1886 in Freiburg und 1887 in seinem Heimatbistum sieben Jahre später dennoch in Fulda zugelassen und gewählt wurde, ja 1898 auch in Freiburg ohne staatliches Veto zum Erzbischof avancierte, stellt ein Phänomen dar. Hier wurde staatlicherseits gleichsam über den Schatten einer Etikettierung gesprungen. Allerdings hatte sich Komp von Beginn an der Protektion des Breslauer Fürstbischofs Georg Kopp erfreuen können. Hinzu kam, dass Komps Wahl in die Zeit des „Neuen Kurses“ preußischdeutscher Politik nach 1890 fiel. Komp wiederum bereitete den Boden dafür, dass mit Joseph Damian Schmitt ein weiterer Absolvent der römischen Einrichtung für begabte deutsche Theologiestudenten trotz des Makels seiner ausländischen Ausbildung Karriere machen konnte. Der Grund war schlicht und ergreifend, dass das Jahrzehnte zurückliegende römische Studium als 9
Vgl. hierzu Walter, Das Collegium Germanicum und die Germaniker, in: Gatz (Hrsg.), Der Diözesanklerus, S. 253–263, hier S. 258f; u. Leitgöb, Vom Seelenhirten zum Wegführer, S. 31.
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kleineres Übel im Vergleich zum aktuellen Verhalten gegenüber dem Staat angesehen wurde. Entgegen dem Widerstand auf der Ebene des Regierungspräsidenten setzte der Oberpräsident ihn zwei Mal als „persona gratissima“ in Berlin durch. 1906 zum Bischof von Fulda gewählt, wurde Joseph Damian Schmitt sogar der Verbleib auf der Wahlliste des wichtigen Bischofssitzes in Köln sechs Jahre darauf nicht verwehrt. Mit Schmitts Nachfolger als Regens in Fulda, Christian Schreiber, gelangte schließlich 1914 ein weiterer Fuldaer Germaniker als Kandidat auf die Wahlliste in Hildesheim. Kleriker aus der hessischen Diözese nahmen hier aber auch deshalb eine Sonderstellung ein, weil der frühere Fuldaer Bischof Kopp höheren Ortes seine Hand über sie hielt. Durch Protektion war also durchaus in Einzelfällen die Bischofskarriere eines Germanikers im Kaiserreich möglich. Einer Vielzahl weltläufiger und gebildeter Kleriker wurde allerdings allein wegen ihres Studiums in Rom bereits der Stempel der nationalen Unzuverlässigkeit aufgedrückt. Um in den Augen der staatlichen Zensoren der damnatio zu verfallen, musste man allerdings nicht am Germanicum gewesen sein, wie die Beispiele des Freiburger Weihbischofs Friedrich Justus Knecht und des Münsteraner Generalvikars Joseph Giese zeigen. Dass letzterer in Breslau 1887 und zwei Jahre darauf in seiner Heimatdiözese zur „persona minus grata“ deklariert wurde, lag nicht zuletzt daran, dass Giese in Münster die rechte Hand des „Bekennerbischofs“ Brinkmann gewesen war. Verdächtig machten sich mögliche Bischofskandidaten aber nicht nur durch ein Studium bei den Jesuiten in Rom, sondern beispielsweise in Hessen-Darmstadt auch, wenn sie das von Bischof Wilhelm Emmanuel Freiherr von Ketteler gegründete Mainzer Priesterseminar und nicht die staatlich sanktionierte Theologische Fakultät der Universität Gießen absolviert hatten. Wichtigster Exponent der staatlicherseits kritisch beäugten „Mainzer Schule“ war Maximilian Gereon Graf von Galen, der Neffe sowie langjährige Sekretär Kettelers, auf den sich dessen große Popularität und Bekanntheit in weiten katholischen Kreisen übertrug. Im Verlauf des Jahres 1898 schaffte er dreimal – in Limburg, Freiburg und Osnabrück – den Sprung auf Wahllisten, wurde aber jedes Mal von den zuständigen Oberpräsidenten als „persona minus grata“ vorgeschlagen und letztlich von Wilhelm II. abgelehnt. Ausschlaggebend hierfür erwies sich ein dichtes Informationsnetzwerk zwischen den einzelnen Ober- bzw. Regierungspräsidien in Preußen, aber auch auf diplomatischer Ebene zwischen Preußen und den süddeutschen Staaten, das jedem Wahlkommissar ermöglichte, rasch auf frühere Gutachten seiner Kollegen andernorts zurückzugreifen. Für einen einmal als mindergenehm deklarierten Kandidaten musste dies freilich bedeuten, dass es für ihn äußerst schwierig war, diesen einmal verliehenen Stempel wieder loszuwerden.
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Auch der bereits zu Beginn dieses Resümees erwähnte Prinz Max von Sachsen erregte als Galionsfigur der Anhänger einer stärkeren Ultramontanisierung des deutschen Episkopats ein hohes Maß an staatlicher Aufmerksamkeit. Dass er in mindestens sechs Besetzungsfällen als Bischofskandidat genannt wurde, so beispielsweise in Freiburg 1898, Mainz 1899, Köln 1899 und 1902, Sachsen 1902 und Posen nach 1907, der Prinz jedoch nur einmal, nämlich in Mainz 1899, überhaupt einen Listenplatz errang, lässt sich – wie oben bereits erwähnt – nicht allein mit staatlichem Druck gegen seine Nominierung erklären. Wie sehr gerade dieser Geistliche ein Politikum darstellte, zeigen dennoch die sich anschließenden Diskussionen der staatlichen Instanzen, inwieweit Hessen-Darmstadt diplomatische Verwicklungen riskiere, wenn es ein Mitglied einer deutschen Königsfamilie für mindergenehm erkläre. Die Bischöfe Ignatius von Senestréy in Regensburg und Franz Leopold Freiherr von Leonrod in Eichstätt prägten bis in das erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts hinein nachhaltig den bayerischen Episkopat. Ihre in den Augen der dortigen Staatsbehörden intransigente Haltung wurde dabei zum negativen Abziehbild eines Bischofs verklärt, in dessen Dunstkreis zu wirken für jeden jüngeren Geistlichen bereits einem Verdikt über die Episkopabilität gleichkam.
Misserfolge bei der Erhebung von Staatskatholiken zu Bischöfen Einerseits war die preußische, aber eben auch darüber hinaus angewandte, Strategie der knappen Charakterisierung episkopabler Geistlicher nicht ohne Erfolg geblieben, was den Ausschluss bestimmter Priestergruppen vom königlichen Plazet für ein Bischofsamt anging. Andererseits blieb ihr aber auch der eigentlich beabsichtigte Erfolg versagt, wenn man sich die Karrieren der staatlicherseits protegierten Bischofskandidaten anschaut. Es waren Geistliche, die zumeist in der Ära des Kulturkampfes ihr Nationalbewusstsein durch deutliches Agieren gegen die Widerstandsformationen des Gros ihrer Amtsbrüder und der überwältigenden Mehrheit der katholischen Bevölkerung öffentlich zur Schau gestellt hatten. Inwieweit hierbei ein spezifisches Karrierebewusstsein oder aber schlicht die Überzeugung richtigen Handelns die Motivation bildete, ist dabei nicht immer genau zu unterscheiden. Jedenfalls erhielten sie durch Patronage staatlich dotierte geistliche Ämter als Gefängnisseelsorger, Schulräte und Gymnasiallehrer, vor allem aber als Militärpfarrer. Der Sprung auf in den ungeraden Monaten vergebene Domherrenstellen bzw. auf die Dignität des Dompropstes erfolgte dann in vielen Fällen rasch. Hier kann durchaus von einem Netzwerk gesprochen werden, zumal die Viten dieser staatskatholischen Karrieristen, wie zum Beispiel der Dompröpste Franz Karl Berlage in Köln, Johann Baptist Kayser in Breslau oder Franz Jakob Scheuffgen in Trier, um nur einige zu nennen, sich sehr
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ähneln. Gemeinsam ist ihnen ein hohes Maß an Erfahrungen in der Verwaltungsarbeit, das von höheren Staatsbeamten bei Sedisvakanzen vor allem hervorgehoben wurde. Aber einmal davon abgesehen, dass ihnen meistenteils jegliche pastorale Praxis in der Gemeindearbeit fehlte, was ihre staatlichen Protektoren dezent verschwiegen, fanden sie trotz der vehementen Werbung keine Zustimmung in einem der Wahlgremien. Zum Teil trugen staatsloyale Dompröpste wie beispielsweise Franz Karl Berlage in Köln und Wilhelm Stuckmann in Paderborn durch undiplomatisches eigenes Verhalten nicht unwesentlich dazu bei, dass sie von der Kapitelsmajorität als extrem staatsnah wahrgenommen und bewusst nicht auf die Liste gesetzt wurden. Damit konnten sie aber die entscheidende Hürde auf dem Weg zum bischöflichen Stuhl nicht nehmen. Und das Kapitelwahlrecht zu entziehen, das trauten sich die Behörden nur während der offiziellen Kulturkampfära, so etwa noch 1886 in Kulm und in Limburg sowie 1887 in Breslau, darüber hinaus aber nur noch einmal 1891 in Gnesen-Posen. Ausnahmen blieben der Pelpliner Dompropst Gustav Wanjura 1886 in Kulm und Johann Baptist Assmann auf beiden Kulmer Listen von 1898. Assmann hatte zuvor schon auf dem Posten des mit der Würde eines Titularbischofs verbundenen Feldpropstes der preußischen Armee reüssiert. Dessen Besetzung war aber nicht an eine Kapitelwahl gebunden, so dass diese Position auch in der Nachfolge mit Heinrich Vollmar und Heinrich Joeppen staatsfreundlich gesinnten Priestern eine Karrierechance bot. Wenn der Regierungspräsident in Münster jahrelang ohne Erfolg höheren Orts Joeppens Qualitäten lobte, ohne dass dieser auch nur eine Domherrenstelle verliehen bekam, von der Bischofswürde ganz zu schweigen, gibt dieses Beispiel aber auch Auskunft darüber, wie beschwerlich selbst bei Vorhandensein eines staatlichen Gönners der Weg nach oben sein konnte. Günstiger erwies sich eine Patronage auf verschiedenen Ebenen der Verwaltungshierarchie, vor allem aber seitens des Oberpräsidenten, zumal dieser nicht nur an einer Scharnierstelle zwischen regionalen und gesamtstaatlichen Interessen in kirchlichen Personalia saß, sondern auch als Wahlkommissar über Einwirkungsmöglichkeiten verfügte. Vergeblich versuchten einige sehr ehrgeizige staatsloyale Geistliche ihre Voraussetzungen für die Bekleidung der Bischofswürde durch nachträglichen Erwerb eines Doktortitels zu erhöhen, was aber auch nicht von Erfolg gekrönt war. Eine überregional bekannte Adresse für solche Gefälligkeitspromotionen, die meist kumulativ, d.h. durch Einreichen mehrerer bereits publizierter kleinerer kirchen- oder kunsthistorischer Aufsätze erfolgte, war der liberale Kirchenkritiker Franz Xaver Kraus, der in Freiburg einen Lehrstuhl für Kirchengeschichte und christliche Archäologie bekleidete. Bei ihm erlangten auf diese Weise etwa der von Kaiser Wilhelm II. mehrfach vergeblich für Bischofssitze vorgeschlagene Mainzer Domkapitular Friedrich Schneider und der Pelpliner bzw. Posener Dompropst Gustav Wanjura den Doktortitel.
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Franz Xaver Kraus blieb bis zu seinem frühen Tod 1901 der Inbegriff des staatskatholischen Bischofskandidaten im Deutschen Reich schlechthin. Durch seine breite Bildung und seine gesellschaftlichen Formen verstand er es exzellent, die Gunst der Staatsvertreter zu gewinnen, ja erhielt Zugang zu den Zentren der Macht, so etwa am Großherzoglichen Hof von Baden in Karlsruhe. Geblendet von diesem Glanz, überschätzte er seine Bedeutung maßlos, wenn er sich diversen Staatsbehörden als Bischofsmacher aufdrängte. Nicht nur durch sein publizistisches Engagement versuchte er hinter den Kulissen die Fäden kirchlicher Personalpolitik entscheidend zu bestimmen, sondern er denunzierte ihm unliebsam erscheinende Bischöfe und Bischofskandidaten auch ganz offen bei Staatsoberhäuptern und Regierungsstellen und verspielte sich dort nach und nach jegliches Vertrauen. Letztlich war Kraus ebenso wie die anderen staatsloyalen wie auch die ultramontanen Bischofskandidaten nur ein „Bauernopfer auf dem Schachbrett der Kirchenpolitik“10.
Fehler bei der Kandidatencharakterisierung Zudem rächte sich die Schwarz-Weiß-Kategorisierung der Behörden. Denn in der Realität erwies sich so mancher von einem Informanten aufgrund seiner vermeintlichen Staatsnähe empfohlener und letztlich in den höheren Klerus aufgerückter Priester als in der Wolle gefärbter Ultramontaner oder mutierte, bekleidet mit der bischöflichen Würde, zu einem solchen. So etwa Bischof Bernhard Höting in Osnabrück oder der Rottenburger Bischof Paul Wilhelm Keppler, der als Fakultätskollege von Franz Xaver Kraus in Freiburg im Ruf der Staatsnähe stand und nicht zuletzt deshalb die Gunst der Behörden in seinem Heimatland Württemberg genoss. Ein Jahr nach seiner Weihe und Inthronisation wurde seine Aufstellung als Listenkandidat in Köln von der preußischen Regierung erwartungsgemäß positiv beschieden. Dass der gelehrte Theologe nicht auf den Metropolitansitz avancierte, war seiner eigenen klaren Ablehnung einer Translation geschuldet, die Keppler das Kölner Metropolitankapitel hatte deutlich wissen lassen. Wenige Jahre später hatte sich der Rottenburger Bischof dann als Führungsfigur des Antimodernismus im deutschen Episkopat exponiert. Staatsloyalität konnte also ein bloßer Deckmantel oder auch eine Modeerscheinung sein. Diese oft mit Bitterkeit von den Staatsstellen in der Retrospektive getroffene Erkenntnis musste das Misstrauen in das kirchliche Personaltableau zweifellos erhöhen.
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Wolf, „Die liebenswürdigste aller Eminenzen“, in: RQ, Bd. 90 (1995), S. 110–136, hier S. 121.
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Ausgleichende Kandidaten als Bischofsideal Welcher Priestertypus kam aber nun im Allgemeinen bei den Bischofswahlen zum Zuge? „Lachende Dritte“ waren Geistliche, die sich Meriten in der Pastoral erworben hatten, sich dabei als kirchlich gesinnt erwiesen hatten, es gleichzeitig aber verstanden hatten, den staatlichen Behörden maßvoll und ausgleichend gegenüber zu treten, also eine, wie es in der zeitgenössischen Terminologie hieß, irenische bzw. friedfertige Gesinnung zur Schau zu stellen. Sollten diskrete Erkundigungen des preußischen oder bayerischen Vatikan-Gesandten beim Kardinalstaatssekretär zudem ergeben haben, dass ein solcher Bischof auch beim Papst auf Wohlgefallen traf, war der ideale Kompromisskandidat geboren. Wenn es mit Paul Leopold Haffner ein der sogenannten Mainzer Schule Kettelers angehörender Philosophieprofessor am dortigen Priesterseminar geschafft hatte, freundschaftliche Kontakte zu einem politisch führenden Adeligen Hessen-Darmstadts aufzubauen, förderte dieses gegenseitige Vertrauen natürlich den Aufstieg zur Bischofswürde. Auch für den Tübinger Moraltheologen Professor Franz Xaver Linsenmann war die Verbindung zwischen wissenschaftlicher Forschung und gemäßigter kirchenpolitischer Haltung das Erfolgsrezept, um vom württembergischen König auf Geheiß des dortigen staatlichen Kirchenamtes als Bischof ausgewählt zu werden. Überhaupt hatte der Monarch ein Faible für Theologieprofessoren als Bischöfe, wie die nachfolgende Ernennung des aus Württemberg stammenden Freiburger Pastoraltheologen Paul Wilhelm Keppler beweist. Gelegentlich trat der Spagat aufstiegswilliger Kleriker zwischen getreuer Erfüllung der Normen des innerkirchlich modernen Ultramontanismus und versöhnlicher Haltung gegenüber Kaiser und Reich auch dadurch zu Tage, dass die Gutachten der Staatsbehörden recht unterschiedlich ausfielen. In der Vita des Kölner Weihbischofs Antonius Fischer beispielsweise fanden unterschiedliche staatliche Gutachter sowohl Elemente staatsfreundlichen als auch strengkirchlichen Verhaltens. Einerseits hatte er im Kulturkampf als Geheimdelegat von Erzbischof Paulus Melchers fungiert, andererseits als geistlicher Religionslehrer in Essen Loyalität zu Kaiser und Reich öffentlich zur Schau gestellt. Diese zumindest aus Sicht der jeweiligen Wahlkommissare nicht eindeutig zuzuordnende Persönlichkeit fand sich sechsmal, und zwar 1889 in Münster, 1891 in Paderborn, 1898 in Osnabrück, 1899 in Mainz, im selben Jahr und schließlich 1902 – als er dort zum Zuge kam – in Köln auf der Kapitelliste. Viermal wurde er dort als „persona grata“ belassen, zweimal, nämlich in Paderborn und in Mainz, auch abgelehnt. Als noch klüger in der Frage, sich bei staatlichen wie kirchlichen Stellen beliebt zu machen, erschienen der Paderborner Moraltheologieprofessor Wilhelm Schneider, dessen gewandtes Verhalten Kardinalstaatssekretär Rampolla, der gegen ihn intervenieren wollte, umstimmen konnte, und der Kölner Weihbischof Her-
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mann Joseph Schmitz, dessen weitere Karriere nur sein früher Tod verhinderte, während der geistliche Gymnasiallehrer Hermann Dingelstad gerade weil er – nicht zuletzt im Besitz eines Staatsexamens – in das staatlich vorgegebene Raster passte, von politisch einflussreichen ultramontanen Kreisen so geschickt platziert wurde, dass er auch über seine Wahl in Münster 1889 hinaus noch zehn Jahre später als Kölner Erzbischofskandidat zumindest ambivalente Urteile der Staatsbehörden hervorrief. Das Gros des Episkopats in der Zeit zwischen 1887 und 1914 rekrutierte sich allerdings weder aus einer pastoralen noch aus einer wissenschaftlichen Elite, was sich daran ablesen lässt, dass in zahlreichen Fällen der fehlende theologische oder kirchenrechtliche Doktortitel durch eine Ehrenpromotion einer Katholisch-Theologischen Fakultät, meist Münster oder Freiburg, kompensiert wurde. Im Gegensatz zu den Diözesanbischöfen bedurfte die Ernennung eines Weihbischofs nicht der vorherigen staatlichen Sanktionierung, führte aber immer wieder – wie etwa 1893 in Köln – zu diplomatischen Verwicklungen, weil der Staat erst nachträglich informiert wurde und sich dadurch übergangen fühlte. Der Bischofstitel suggerierte nämlich kirchlichen Einfluss und ließ außen vor, dass das Amt des Weihbischofs angesichts der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immens wachsenden Bevölkerung innerkirchlich als Hilfseinrichtung verstanden wurde, um den gestiegenen Anforderungen zu begegnen. Stattdessen witterten höhere Staatsbeamte die Gefahr, dass Rom mindergenehme Kandidaten auf diesem Weg in den Bischofsrang erheben könnte. Insofern kam der 1895 erfolgten Ernennung Maximilian Gereon von Galens zum Weihbischof in Münster Signalwirkung zu. Außerdem befürchtete man auf staatlicher Seite, dass Bischöfe, welche die Klippen der nächsten Bischofswahl vermeiden wollten, im Vatikan einen Weihbischof mit Nachfolgerecht, also einen Koadjutor, bestellen könnten, was allerdings im Untersuchungszeitraum lediglich ein einziges Mal, in Rottenburg, vorkam, während eine entsprechende Lösung für Franz Zorn von Bulach in Straßburg über das Diskussionsstadium nicht hinausgelangte. Vielleicht ist darin auch eine Erklärung dafür zu sehen, dass mit Ausnahme von Antonius Fischer in Köln kein Weihbischof zum Diözesanbischof aufrückte, obwohl auf allen Listen zusammen 25 Weihbischofskandidaturen zu verzeichnen sind. In Bayern wurde die Ernennung von Weihbischöfen staatlicherseits noch kritischer betrachtet als in Preußen, wobei hier das Argument der mangelnden finanziellen Dotierung als Grund vorgeschoben wurde. Letztlich dürfte aber auch hier die Angst vor einer Hintertür für staatlich nicht kontrollierbaren Einfluss der wahre Grund für die Abwehrhaltung gewesen sein.
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Zentren staatlicher Einflussnahme auf Bischofsstuhlbesetzungen Im besonderen Blickpunkt des preußischen Staates standen die großen Bistümer, deren Inhaber Führungspositionen im Episkopat wahrnahmen, wie z.B. Breslau und Köln in Preußen. Aus der protestantisch-nationalstaatlichen Perspektive der Zeit und ebenso aus dem nationalkirchlichen Denken heraus musste ihrer Besetzung zwangsläufig eine größere Bedeutung zukommen als einem Wechsel auf dem Papstthron in Rom, der schon durch seine räumliche Entfernung unbedeutender erschien. Eine ähnlich hohe staatliche Aufmerksamkeit ist bei Bischofsstuhlbesetzungen in Diözesen zu verzeichnen, in denen zum Staat-Kirche-Konflikt der Nationalitätenkonflikt hinzutrat, also wo sich zwei Konfliktebenen überlagerten, wie einerseits in den preußischen Provinzen Posen und Westpreußen, andererseits in Elsass-Lothringen. In den (Erz-)diözesen Straßburg, Metz, Gnesen-Posen und Kulm wurde vor massiven staatlichen Eingriffen nicht zurückgeschreckt, wobei diese in Elsass-Lothringen prinzipiell auch legitim waren, weil der Monarch dort mit einiger Bestimmtheit das Nominationsrecht für sich reklamieren durfte. Gleichwohl ließ der Nationalismus im Südwesten wie im Osten des Deutschen Reichs kirchliche Personalentscheidungen zur sprichwörtlichen Quadratur des Kreises werden. Der Gedanke der Separation vom mit Blick auf Berlin als protestantisch wahrgenommenen Preußen- bzw. Deutschtum musste, durch die Kulturkampferfahrungen forciert, Hand in Hand mit einer engen Identifikation mit dem Katholizismus gehen. Weil sowohl Franzosen als auch Polen traditionell katholisch waren, erfasste die Sogwirkung nationalistischer Gedanken auch die Führungsschicht des Klerus so stark, dass sich einheimische Geistliche der Diözesen Straßburg und Metz auf der einen Seite und Gnesen-Posen, bedingt auch Kulm, auf der anderen Reichsseite ihr kaum zu entziehen vermochten. Die politisch motivierten und parlamentarisch als Wortführer ihrer Nation hervortretenden geistlichen Eliten waren trotz ihrer intellektuellen Qualitäten „personae non gratissimae“ des preußischen Staates bzw. des Deutschen Reiches. Dagegen hatten es „altdeutsche“ Priesterexporte äußerst schwer, sich in der aufgeheizten Stimmung Gehör und Akzeptanz zu verschaffen. Sie blieben entweder wenig akzeptierte Oberhirten, wie etwa der aus dem Bistum Münster stammende Adolf Fritzen in Straßburg, oder wurden sogar zwischen den Fronten zerrieben, wie der Posener Erzbischof Julius Dinder. Wesentliches Kennzeichen der besonderen Aufmerksamkeit, derer sich die Neubesetzungen in den vom Nationalismuskonflikt betroffenen Diözesen erfreuten, ist die immense Aktenflut, die hier erzeugt wurde. Zum Teil liegen mehr als 50 Seiten umfassende Berichte, Memoranden usw. vor, woraus ersichtlich ist, wie stark die einzelnen Instanzen staatlicher Verwaltung, aber auch Domkapitel, Nuntiatur und Kurie, von den Besetzungsvorgängen zeitlich wie auch intellektuell über Gebühr absorbiert wurden. Regelrecht
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festgebissen haben sich die preußischen Behörden an den Personalien für Gnesen-Posen, wo die Benennung auch nur eines sowohl deutschen als auch polnischen Interessen entsprechenden Kandidaten, für den sich ein auch nur einigermaßen gedeihliches Wirken voraussagen ließ, im Jahrzehnt vor dem Ersten Weltkrieg erfolglos blieb, die doppelte Konfliktlinie also eine ausweglos erscheinende Situation nach sich zog.
Rolle der Monarchen und des Staatsapparats Unabhängig vom Modus der Bischofsernennung ist zu konstatieren, dass die entscheidenden Weichenstellungen für Bischofsfavoriten auf der staatlichen Seite in der Regel nicht vom Monarchen selbst ausgingen. Die Vorstellung, er persönlich habe die Bischöfe ausgewählt, ist in das Reich der Legende zu verweisen und resultiert aus der Tatsache, dass dem Monarchen in Bayern die Nomination sowie in Preußen und den südwestdeutschen Mittelstaaten die Streichung der dem Staat mindergenehmen Listenkandidaten oblag. Diese Aufgaben, die über Wohl und Wehe eines vom Domkapitel für episkopabel erklärten Geistlichen entschieden, stellten ihn aber lediglich als ausführendes Organ in das Zentrum. Seine Unterschrift dokumentierte nur das Ergebnis eines auf den unterschiedlichen Stufen der Verwaltungshierarchie geführten Begutachtungsprozesses, in den er in aller Regel nicht persönlich eingriff. Gleichwohl nahm Kaiser Wilhelm II. in seiner Eigenschaft als König von Preußen persönlichen Anteil an der Besetzung der beiden wichtigsten preußischen Bischofssitze in Köln und Breslau. Außerdem interessierten ihn erkennbar die Besetzungen in den vom wachsenden Nationalitätenkonflikt betroffenen (Erz)diözesen Gnesen-Posen, Metz und Straßburg in besonderer Weise. Verifizierbar ist dies daran, dass die dort ernannten Bischöfe von ihm persönlich in Potsdam vereidigt wurden, während normalerweise der zuständige Oberpräsident den notwendigen Eid abnahm. Insbesondere geht die Ernennung des Abtes von Maria Laach, Willibrord Benzler OSB, zum Bischof von Metz 1901 auf den Einfluss des Hohenzollernherrschers zurück. Dass dieser aus Westfalen stammende Ordensmann freilich die französische Sprache kaum richtig beherrschte, wurde dabei geschickt verschwiegen. Im Großen und Ganzen blieb die Einwirkung Wilhelms II. auf die preußischen Bischofswahlen aber gering, wie seine vergeblichen Bemühungen zeigen, gelegentlich der Sedisvakanzen in Köln 1899 und 1902 sowie in Gnesen-Posen 1906 auch hier Benediktiner auf die Bischofsstühle zu holen. Mit seiner Idee, Ordensmänner für kirchliche Führungspositionen zu protegieren, stand Wilhelm II. ohnehin auf staatlicher Seite recht einsam dar, galt doch die vita contemplativa der alten Orden weder in den Staatsbehörden noch in der innerkirchlichen Wahrnehmung als geeignete Voraussetzung für einen von Verwaltungs- und Repräsentationsaufgaben bestimmten
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Episkopat, als dessen Idealbild die vita activa eines in der Bistumsverwaltung bereits versierten und in der Repräsentation gegenüber weltlichen Einrichtungen gewandten Weltpriesters angesehen wurde. Zudem muss offen bleiben, inwieweit die der Affinität des Kaisers zu den Benediktinern geschuldeten, vor nahezu jeder Neubesetzung nachzulesenden Pressespekulationen über Ordenskandidaten nicht auch ein Produkt der Journalisten waren, die sich allzu oft aus Sensationslüsternheit in Spekulationen ergingen. Wenn einer der Kandidaten eine Auszeichnung aus den Händen des Monarchen empfangen hatte, wurde dies im Übrigen ebenso gern von den Verwaltungsbehörden retrospektiv als Gunsterweis interpretiert, dessen Tragweite übertrieben erscheint. Angesichts der Vielfalt an Aufgaben eines Monarchen verwundert es nicht, dass sich nähere Kenntnisse Wilhelms II. über den höheren katholischen Klerus auf Momentaufnahmen beschränkten: Domherren, die ihm bei Besuchen in Kathedralen kunsthistorische Führungen gaben, wie Adolf Bertram in Hildesheim, oder die in Briefkontakt mit seiner Mutter standen, wie Friedrich Schneider in Mainz, konnten einen solchen offenbar bleibenden Eindruck hinterlassen, dass sich der Kaiser noch nach Jahren im Fall einer eintretenden Sedisvakanz an sie positiv erinnerte. Während Bertram über den Bischofsstuhl seiner Heimatstadt Hildesheim 1914 auf den wichtigen Sitz in Breslau gelangte, wurde Schneider, um 1890 vergeblich sowohl für Straßburg als auch für Gnesen-Posen von Wilhelm II. in Vorschlag gebracht und in der Folge auch noch einmal in Limburg staatlicherseits gehandelt. Dreh- und Angelpunkt der Entscheidungen war der Kultusminister in Absprache mit den Mitgliedern des Staatsministeriums, die teilweise divergierende Ansichten und Interessen vertraten. Dabei ist die Tendenz zu beobachten, dass der Reichskanzler und preußische Ministerpräsident in seiner Eigenschaft als Staatssekretär des Äußeren für möglichst geringe Streichungen auf der Wahlliste plädierte, um diplomatische Weiterungen, die sich beispielsweise durch das Platzen einer Liste ergeben würden, von vornherein zu vermeiden. Wagemutiger erwies sich der Kultusminister, der vor direkten Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl zumindest im ersten Moment nicht zurückschreckte, sie aber letztlich auch nicht herausforderte. Die eigentlichen Fäden zog in Preußen der als Wahlkommissar eingesetzte Oberpräsident, der nach Eintreten einer Sedisvakanz zumeist einen großen Aktivismus entwickelte. Jedenfalls belegt der Ausstoß an Papier, wie nachhaltig Wahlfragen die Behörden beschäftigten. Nur in zwei Einzelfällen führten in relativer zeitlicher Nähe zur offiziellen Beendigung des Kulturkampfes misslungene Einwirkungsversuche der Oberpräsidenten auf die Listenzusammenstellung der Domkapitel zu deren Ablösung von ihren Posten. So stolperte 1889 der westfälische Oberpräsident von Hagemeister ebenso wie zwei Jahre später der Posener Oberpräsident Goßler über mangelndes Geschick auf dem schwierigen Feld der kirchlichen Personalpolitik.
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Der Oberpräsident bereitete durch seine Gutachten letztlich entscheidend die Gestalt der endgültigen Wahlliste vor. Jedenfalls folgte das Kultusministerium in Preußen in aller Regel den Gutachten des Oberpräsidenten hinsichtlich der Genehmheit oder Mindergenehmheit eines Kandidaten. Ausnahmen bestätigen diese Regel, wie etwa der Fall des Paderborner Generalvikars Franz Xaver Schulte gezeigt hat, dem vom Oberpräsidenten eine friedliche Haltung bestätigt wurde, während Kultusminister Goßler ihn als unannehmbar bezeichnete, so dass die in der Provinz getroffene Entscheidung in Berlin modifiziert wurde. In Bayern hatte Prinzregent Luitpold zum einen durch seine Zugehörigkeit zur katholischen Kirche, zum anderen durch das hier geltende Prinzip der nominatio regia eine durchaus größere Nähe zu den Bischofsstuhlbesetzungen. Auffällig erscheint auch die Schnelligkeit, mit der hier – im Vergleich zu den übrigen Rechtsgebieten des Deutschen Reiches – vakante Sitze neu besetzt wurden. Aber das Vakuum, das durch die hier nicht vorhandene Mitwirkung der Domkapitel an den Bischofsstuhlbesetzungen entstanden war, wurde nicht allein vom Monarchen gefüllt. Auch die sogenannte Hofkamarilla und natürlich der Kultusminister versuchten ihre Interessen einzubringen. Auf die Ernennung des eventuellen Königssohnes Antonius Thoma zum Bischof von Passau 1889 und dessen kurz darauf erfolgte Transferierung als Erzbischof nach München und Freising dürfte die Mutter des verstorbenen Königs Ludwig II. entscheidenden Einfluss gehabt haben, da Thoma ihr Beichtvater war. Dass die weiblichen Familienmitglieder der Wittelsbacher keineswegs von dem antiklerikalen Liberalismus durchdrungen waren, der die Regierungen des katholischen Königreiches mindestens bis 1890 bestimmte, zeigte die von einer Prinzessin protegierte Karriere des ultramontanen Regensburger Priesters Sigismund Freiherr von Ow-Felldorf, der 1906 den Passauer Bischofsthron bestieg. Dabei kamen kirchenpolitisch motivierte Anfeindungen nicht weniger offen zum Tragen als in Preußen, wenn sowohl Ow-Felldorf als auch Thoma vom jeweiligen Gegner die fehlende theologische Promotion vorgehalten wurde. Weitere Angriffsflächen, um einen missliebig erscheinenden Kandidaten zu desavouieren, waren dann entweder mangelnde seelsorgliche Praxis – so bei Ow-Felldorf – bzw. fehlende Verwaltungserfahrung – so bei Thoma. 1902 hatte mit Maximilian von Lingg ein Geistlicher den Augsburger Stuhl bestiegen, der sich als Prinzenerzieher in München nachdrücklich positiv in das Gedächtnis der Herrscherfamilie eingebracht hatte und an dem trotz eines von seinen Gegnern aufgedeckten Skandals in seiner eigenen Familie festgehalten wurde. Dagegen wurde der dem Hofklerus angehörende und von daher ebenfalls von den Wittelsbachern unterstützte Münchner Professor Joseph Schönfelder 1890 nach Bekanntwerden von Vorwürfen gegen seine moralische Integrität fallen gelassen. So sehr also kirchlich interessierte
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Familienmitglieder des Prinzregenten Luitpold mehr oder weniger starken Einfluss auf die kirchliche Personalpolitik geltend zu machen verstanden, so wenig ist ein Interesse des Herrschers zu verifizieren, sein Recht der nominatio regia persönlich wahrzunehmen. Vielmehr war auch er an den einzelnen Besetzungsfragen je nach Bedeutung des Bistums mehr oder weniger interessiert und überließ die Besetzungspolitik dem Kultusminister. Der griff gelegentlich, wie etwa Minister von Wehner angesichts der Bamberger Sedisvakanz 1905, auch zur Beförderung eines langjährigen Freundes, in diesem Fall des Würzburger Dogmatikprofessors Friedrich Philipp Abert. Dennoch machte sich der Unterschied zwischen einer protestantischen Hofgesellschaft, die in Berlin keinerlei größeres Interesse an den Führungsgestalten des katholischen Bevölkerungsteils zeigte, und einer zumindest nominell katholischen Hofgesellschaft deutlich bemerkbar. Denn letztere verfügte, wie in München vorhanden, über einen Hofklerus, der sich aus staatsnahen Geistlichen rekrutierte. Dass hier mit dem Stiftspropst des Hof- und Kollegiatstifts St. Kajetan Jakob von Türk über längere Zeit ein Augsburger Diözesanpriester hinter der Fassade als Strippenzieher fungierte, ermöglichte mehreren Augsburger Priestern den Weg zum Episkopat, so etwa dem Stiftsgeistlichen Antonius Henle. Einen weitaus größeren Einfluss auf die Neubesetzungen übten die Landesherren in den kleineren Staaten aus, was sicherlich damit zusammenhängt, dass Baden, Hessen-Darmstadt und Württemberg nur über jeweils eine Diözese verfügten, das Interesse des Herrschers an deren Besetzung also naturgemäß groß sein musste und zudem in den jeweiligen landesherrlichen Fundationsurkunden für die in den 1820er Jahren neu umschriebenen Bistümer verankert war. In Baden verzichtete der Großherzog in zwei der drei Besetzungsfälle im Untersuchungszeitraum auf die Berufung eines Landeskindes, um einem erfahrenen Bischof aus dem benachbarten Preußen den Freiburger Metropolitansitz anvertrauen zu können. Die Sicherheit, einen genehmen Erzbischof zu erhalten, der sich in Preußen bereits bewährt hatte, wog also höher als die territoriale Verankerung des Kandidaten. In der Diaspora Sachsens ist bedingt durch das katholische Herrscherhaus der Wettiner ein ähnliches Phänomen zu beobachten, dass nämlich zuvor bei Hofe tätige Geistliche im eigenen Jurisdiktionsbezirk, wie etwa der „Ausländer“ Ludwig Wahl oder auch Aloys Schaefer, zu Bischöfen aufzusteigen vermochten. Der katholische Dresdener Hof entfaltete darüber hinaus sogar Ausstrahlungskraft auf die Besetzung eines weit entfernt liegenden Bistums, und zwar Straßburg, wo mit Adolf Fritzen ein vormaliger Dresdener Hofkaplan als Oberhirte zum Zuge kam. Keineswegs ihre Hände im Spiel – hier gebot die Rücksichtnahme auf die zum allergrößten Teil protestantischen Untertanen in Sachsen doch ein gehöriges Maß an Zurückhaltung –
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hatten die Wettiner hinsichtlich einer Bischofskarriere des unter der Obhut von Fritzen zum geistlichen Stand geführten Prinzen Max von Sachsen. Der Gedanke vom Königssohn auf einem Bischofsthron wurde aber im Wesentlichen – wie eingangs bereits erwähnt – von der Presse forciert. Dass die Bischofsweihen der sächsischen Apostolischen Vikare bzw. Administratoren des Bistums Meißen nicht mehr – wie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts – in der Dresdner katholischen Hofkirche, sondern außerhalb des Staatsgebietes stattfanden, war eine Folge des Kulturkampfes. Aber weit darüber hinaus wurden noch bis in den Ersten Weltkrieg hinein die sächsischen Bischofsweihen in Leitmeritz, Köln, Straßburg und Breslau vollzogen, um in der Öffentlichkeit keinen Anstoß zu erregen.
Rolle der staatlichen Diplomatie Das Verhalten der preußischen und bayerischen Gesandten beim Heiligen Stuhl in Fragen der Bischofsernennungen lässt sich als weithin von Pragmatismus gekennzeichnet beschreiben. Das Problem lag insbesondere bei den protestantischen preußischen Diplomaten in der – zusätzlich durch die räumliche Distanz zwischen Rom und den einzelnen Bischofsstädten – eingeschränkten Kenntnis und mangelnden Affinität zu den der zur Wahl stehenden Kandidaten. Um dieses Manko auszugleichen und nicht allein auf die Informationen des jeweiligen Außenministeriums angewiesen zu sein, nutzten die Gesandten drei Wege der Mitwirkung. Zum einen stand das wöchentliche Antichambrieren beim Kardinalstaatssekretär hoch im Kurs. Dabei ging es im Wesentlichen darum, dessen Reaktion auf die Nennung der Namen einzelner staatlicherseits protegierter Bischofskandidaten zu testen. Mehr informellen Charakter besaßen Gespräche mit dem im Untersuchungszeitraum für die Belange des deutschsprachigen Raums maßgeblichsten, aber auch undurchsichtigsten Kurienprälaten, des Südtirolers Johannes Montel. Als stets effektiv erwiesen sich drittens Besuche bei Kardinal Kopp auf dessen Sommerresidenz im österreichischen Anteil des Fürstbistums Breslau, wie sie mehrere preußische Gesandte – so Otto von Bülow und von Rotenhan – in ihrem Urlaub unternahmen. Diese Visiten zeigen deutlich die Bedeutung, welche gerade der Persönlichkeit Kopps in den Augen der staatlichen Diplomatie beigemessen wurde. Wesentlich unaufgeregter, weil ja in Catholica per se bewandert, verhielten sich die bayerischen Gesandten beim Heiligen Stuhl. Sie waren besonders bemüht, die herrschende Harmonie zwischen Staat und katholischer Kirche zu betonen, Konflikte also in ihrer Korrespondenz möglichst zu marginalisieren und Misstöne bei Besetzungsfragen herunterzuspielen. Da es zu weit geführt hätte, die gesamte Korrespondenz der jeweiligen Gesandten in den Blick zu nehmen, lässt sich nicht bemessen, welche Bedeutung die kirchlichen Personalfragen für ihre Amtsführung besessen ha-
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ben. Auffällig erscheint jedoch, dass das Vertrauen der Regierungsbehörden in die eigene Diplomatie nicht immer groß gewesen ist. Nur so lassen sich jedenfalls die Sondermissionen erklären, die beispielsweise in der Straßburger Besetzungsfrage 1890/91 den preußischen Offizier Bogdan von HuttenCzapski, 1896 in der Freiburger Besetzungsangelegenheit den badischen Gesandten in Preußen Eugen von Jagemann und 1901 unter zumindest angedachter Mitberücksichtigung des Metzer Bischofsstuhls den Zentrumspolitiker Georg von Hertling in den Vatikan führten. Hertlings Einschaltung in die Kölner Besetzungsfrage 1899 und die Mitwirkung des führenden schlesischen Zentrumspolitikers Felix Porsch bei der Breslauer Bischofswahl 1914 zeigen, dass staatlicherseits versucht wurde, Sachkompetenz aus dem Bereich des politischen Katholizismus für die eigenen Ziele nutzbar zu machen. Dies geschah speziell dann, wenn sich verfahrene Situationen ergeben hatten, die mit den herkömmlichen diplomatischen Mitteln nicht gelöst werden konnten und durch Verbindung von Personal- und Sachfragen auf eine politische Ebene gehoben wurden. Stets waren diese Sondergesandten bestrebt, ihre eigenen Erfolge zu betonen und die Tätigkeit der hauptamtlichen Gesandten abzuschwächen, teilweise waren sie auch in einer Doppelrolle aktiv, wie etwa Hertling, der in der Kölner Bischofsfrage 1899 zugleich als Informant für den Nuntius fungierte.
c) Rolle des Kardinalstaatssekretärs und des Nuntius
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uffällig erscheint die vergleichsweise starke Zurückhaltung des Heiligen Stuhls bei den Bischofswahlen. Über weite Strecken beschränkten sich sowohl das Päpstliche Staatssekretariat als auch die Nuntiatur in München lediglich darauf, ihren Part der Ernennung wahrzunehmen, nämlich den Kanonischen Informativprozess durchzuführen und die päpstliche Präkonisation des Erwählten in die Wege zu leiten. Ursache für diese Passivität war sicherlich das verhältnismäßige Desinteresse der Kardinalstaatssekretäre Mariano Rampolla und Raffaele Merry del Val an den deutschen Verhältnissen. Paul Maria Baumgarten, ein über Jahrzehnte in Rom wirkender deutscher Priester und Kirchenhistoriker, erhärtete in einem zeitgenössischen Artikel den Vorwurf, dass Rampolla „die Kenntnis der deutschen Presse und der deutschen Literatur lediglich aus zweiter Hand vermittelt wird und dann noch in kleinen, mitunter stark veränderten Dosen“11. Vorsichtig ergriff dieser wohl unterrichtete zeitgenössische Beobachter dann auch Partei dafür, dass die deutschen Bischöfe bzw. Domkapitel die Kontaktpflege mit dem Kardinalstaatssekretär eben nicht allein dem Nuntius überlassen sollten, sondern 11
Baumgarten, Das Staatssekretariat, in: Die Grenzboten, 61. Jg. (1902), S. 530–537, abgedruckt bei Weber, Die römische Kurie um 1900, S. 99–111, hier S. 109.
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gut daran täten, das Staatssekretariat auch in Personalangelegenheiten unmittelbar zu unterrichten. Wenn Rampolla beispielsweise 1897 in das längere Tauziehen zwischen Staat und Metropolitankapitel um die Neubesetzung des Freiburger Bischofsstuhles eingriff, so versprach er sich davon politisches Kapital gegenüber dem Staat. Dass der Kardinalstaatssekretär einerseits gerade einen Benediktinerabt favorisierte, korrespondierte wohl nicht ganz zufällig mit der Schwärmerei von Kaiser Wilhelm II., dem Neffen des zuständigen Großherzogs von Baden, für diesen Orden. Wenn Rampolla damit andererseits für eine Ergänzung der Wahlliste eintrat, präsentierte er sich auf diese Weise als Verfechter eines salomonischen Urteils und nicht zuletzt als korrigierende Instanz gegenüber dem Metropolitankapitel, was ihm in Staatsaugen Bonuspunkte einbringen musste. Mehrfach erwies sich Rampolla auch als Verfechter eines Junktims zwischen verschiedenen Personalfragen bzw. zwischen Personal- und Sachfragen, so im Kontext der Gnesen-Posener und der Straßburger Neubesetzung 1890/91. Nur wenn die staatlichen Einwirkungen zu deutlich überhand nahmen, wie etwa bei der Kölner Neubesetzung 1899, trat Rampolla vehement für die Wahrung der kirchlichen Rechte ein, in diesem Fall in Form einer im Juli 1900 erlassenen Instruktion an alle preußischen und an die südwestdeutschen Diözesen, in der er die Wahlfreiheit der Domkapitel anmahnte und künftigen staatlichen Beeinflussungsversuchen einzelner Domherren eine eindeutige Absage erteilte12. Die Tatsache, dass diese auf rein innerkirchlichem Weg den Bischöfen, nicht aber den Staatsregierungen mitgeteilt wurde, zeigt aber auch hier die Angst des Kardinalstaatssekretärs, zu viel Porzellan zu zerschlagen und Auseinandersetzungen auf dem politischen Parkett heraufzubeschwören. Kein vatikanisches Pardon gab es auch bei offensichtlichen sittlichen Verfehlungen eines Kandidaten, wie sich in dem bereits oben kurz angerissenen Fall des von Prinzregent Luitpold von Bayern für den erzbischöflichen Stuhl in Bamberg nominierten Münchner Alttestamentlers Joseph Schönfelder zeigte. Die berechtigte Weigerung der Kurie, diese Personalie zu tragen, widerspricht aber keineswegs der skizzierten vatikanischen Taktik, weil sie nicht als Affront gedacht war, sondern – wie auch die Regierungsstellen einsehen mussten – als Vorsichtsmaßnahme um die Integrität des Bischofsamtes zu bewahren. Ein anderes Beispiel für die Lethargie der Kurie hinsichtlich deutscher Personalfragen fällt in das zu Ende gehende Pontifikat von Pius X. unter Kardinalstaatssekretär Merry del Val. Im Vatikan ließ man sich 1914 von der staatlicherseits verordneten Wahl des Hildesheimer Bischofs Adolf Bertram zum neuen Breslauer Fürstbischof geradezu überrumpeln und sanktionierte den Vorgang gegen innerkirchliche Proteste, die kurzerhand zu Intrigen ge12
Vgl. Schreiben Rampollas an die preußischen und oberrheinischen Bischöfe v. 20.7.1900, abgedruckt bei Huber/Huber, Staat und Kirche, Bd. III, S. 248–250.
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stempelt wurden. Der zudem in der Gewerkschaftsfrage keineswegs auf der integralistischen römischen Linie stehende Bertram wurde am Vorabend des Ersten Weltkriegs unbeanstandet hingenommen, um mögliche diplomatische Verstimmungen bereits im Keim zu ersticken. Die Rolle der Apostolischen Nuntien in München bei der Bischofsbestellung war dadurch gekennzeichnet, dass sie eigentlich nur für Bayern zuständig waren, ihre Aufgaben aber auch in den übrigen Staaten des Deutschen Reichs wahrnahmen. Eine nähere Kenntnis episkopabler Priester im Klerus der einzelnen Diözesen fehlte außerdem deshalb, weil die Nuntien eine starke Fluktuation aufwiesen. Somit herrschte im Grunde eine zweifache räumliche Distanz zumindest zu den einzelnen Bischofssitzen außerhalb Bayerns. Die meisten päpstlichen Diplomaten in München im Untersuchungszeitraum wiesen außerdem das Manko auf, dass sie als Italiener die deutsche Sprache kaum beherrschten und sich augenscheinlich auch wenig Mühe gaben, diese überhaupt nur ansatzweise zu erlernen, da sie die dortige Nuntiatur zweiter Klasse, wie München intern gerechnet wurde, möglichst bald mit einer Nuntiatur erster Klasse einzutauschen suchten13. Es scheint also nicht übertrieben, wenn bereits in der zeitgenössischen Diskussion das Diktum von einer „völligen Isolierung der Nuntien“14 geprägt wurde. Als tragisch erwies es sich nicht nur, dass die päpstlichen Diplomaten in aller Regel die Diskussionen um Bischofsstuhlbesetzungen in der deutschsprachigen Presse also gar nicht erst verfolgen konnten, geschweige denn die deutsche Besonderheit des Kapitelwahlrechtes, das ja zudem nur außerhalb ihres eigentlichen Tätigkeitsbereichs Bayern Geltung besaß, verinnerlichten. Während alle Münchner Nuntien eifrig in italienischer Sprache Berichte an den Kardinalstaatssekretär sandten und auf Instruktionen aus dem Vatikan warteten, fehlten manchen von ihnen vertiefte Kenntnisse des Französischen als der im Schriftverkehr zwischen der deutschen und der vatikanischen Diplomatie gebräuchlichen Schriftsprache. Erschwerend hinzu kam, dass gerade während der Sedisvakanzen in Freiburg 1896 bis 1898, in Kulm 1898, in Metz 1899 bis 1901 und vor allem in Köln 1899 mit Benedetto Lorenzelli ein psychisch labiler Diplomat den Heiligen Stuhl in München vertrat, der wegen eines Nervenleidens beurlaubt wurde15 und über mehr als ein halbes Jahr durch einen Interimsverwalter vertreten wurde. Dass Direktiven aus der Nuntiatur in solchen Fällen auch schon einmal von einem Domkapitel ignoriert wurden, wie im Fall der Freiburger Neubesetzung 1898, als dem aus München vorgetragenen Wunsch nach Li13
14 15
Nuntiaturen 1. Klasse waren Paris, Madrid, Lissabon und Wien, Nuntiaturen 2. Klasse waren München, Brüssel und Rio de Janeiro. Vgl. Baumgarten, Die päpstlichen Diplomaten, in: Ders./Schlecht (Bearb.), Die Katholische Kirche unserer Zeit und ihre Diener in Wort und Bild, Bd. 2, S. 112. So ebd., S. 116. Vgl. ebd., S. 125, wo von „schwerer nervöser Erkrankung“ die Rede war.
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stenergänzung kein Gehorsam, ja nicht einmal Gehör geschenkt wurde, verwundert kaum. Dass aber selbst der mit den Gepflogenheiten im deutschsprachigen Raum bestens vertraute Nuntius Andreas Frühwirth Listennamen und Wahltermine bzw. Wahlergebnisse erst aus der Presse erfuhr, erstaunt hingegen schon. Eine Ausnahmegestalt unter den Nuntien des Untersuchungszeitraumes stellte Antonio Agliardi in der Hinsicht dar, dass er über seine Münchner Amtszeit hinaus Einfluss auf die Nominationspraxis des bayerischen Monarchen zu nehmen verstand. Es gelang ihm nach mehreren Fehlversuchen, so in Bamberg 1890, seinen Favoriten und Beichtvater, den Franziskanerpater Petrus Hötzl, 1895 als Bischof von Augsburg zu lancieren. Auch Andrea Aiuti galt als äußerst sprachbegabt und daher während seiner dreijährigen Botschaftertätigkeit in Bayern rasch über die Bischofspersonalia informiert. Im Zuge der Modernismusdiskussion sowie des Gewerkschaftsstreits begann etwa seit 1906 eine dezidierte Überprüfung aller Kandidaten im Hinblick auf sogenannte modernistische Tendenzen, wodurch die Rolle des Nuntius als Informant und Schlüsselfigur insgesamt gestärkt wurde. Gleichwohl blieb über nahezu den gesamten Zeitraum zwischen offiziellem Kulturkampfende 1887 und Weltkriegsbeginn 1914 der Breslauer Fürstbischof Georg Kardinal Kopp die zentrale Gestalt der kurialen Diplomatie. Er garantierte für manches, über das die Nuntien wie auch die Kardinalstaatssekretäre nicht verfügten und weshalb er für sie unentbehrlich war: So stand Kardinal Kopp für Kontinuität, für exzellente Personalkenntnisse im Klerus der deutschen Diözesen, für gute französische Sprachkenntnisse, für guten Kontakt zu den Staatsstellen und nicht zuletzt für äußerstes diplomatisches Geschick, auch verfahrene Situationen zu meistern. Bei zahlreichen Neubesetzungen von Bischofsstühlen, auch außerhalb Preußens, trat er deshalb auf den Plan. Zu nennen sind hier nur die Beteiligung an der Lösung seiner eigenen Nachfolgefrage in Fulda 1887 sowie die Münsteraner 1889, Straßburger 1891, Freiburger 1897/98, Kölner 1899 und Metzer Bischofsfrage 1901. Schließlich sein Mitwirken an der Neubesetzung in Sachsen bzw. Meißen 1900 bis 1903, aber auch in Gnesen-Posen ab 1906, wobei einzig die letztgenannte Sedisvakanz auch durch Kopps Zutun nicht behoben werden konnte. Meist agierte Kardinal Kopp durchaus diskret. Allerdings konnte er ebenso gut seine eigenen Interessen verfechten, wenn er beispielsweise in Köln 1899 gegen die Wahl von Weihbischof Hermann Joseph Schmitz intrigierte oder 1912 nach der dortigen Listenaufstellung gegenüber dem Kardinalstaatssekretär seinem Unmut über die Kandidaten Luft machte.
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Kontinuität oder Rückgang der Konflikte zwischen 1887 und 1914? – Versuch einer Bilanz
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ischofskandidaten waren im Grunde Schachfiguren auf dem Spielbrett der Politik, gelegentlich auch innerkirchlicher Querelen, die je nach politischer oder kirchenpolitischer Großwetterlage hin und her geschoben wurden und dabei in aller Regel während des Ernennungs- bzw. Wahlverfahrens, aber auch – bezüglich personalpolitischer Fragen auf Bischofsebene – während ihres Episkopats, passiv blieben. Wer Bischof geworden war, konnte zwar, wenngleich in einigen Fällen auch mit der Folge diplomatischer Verstimmungen im Staat-Kirche-Verhältnis, gegebenenfalls angesichts der Größe der Diözese notwendige Weihbischöfe ohne vorherige staatliche Genehmigung durchsetzen, besaß aber kein Mitspracherecht bei der Besetzung von Bischofsstühlen in den Diözesen des jeweiligen Staates bzw. der jeweiligen Kirchenprovinz. Eine einsame Ausnahmeerscheinung stellte dabei Georg Kardinal Kopp dar, der auch schon vor seiner Wahl zum Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz bereits bei nahezu jeder Neubesetzung direkt oder indirekt beteiligt war, und zwar über die Grenzen Preußens hinaus. Sowohl mit als auch ohne eigenes Zutun wurde Kopp abwechselnd von der kirchlichen und der staatlichen Diplomatie als Schlüsselfigur hinzugezogen, die es jedes Mal mit nicht unbeträchtlichem Geschick verstand, direkt oder indirekt eine für alle Parteien tragbare Kompromisslösung zu schaffen. Bei allen staatlichen Mitwirkungsinteressen in Preußen herrschte dort aber die vergleichsweise größte Transparenz und Freiheit bei der Kandidatenauswahl, eben bedingt durch das Recht der Domkapitel, die Listenaufstellung und die Wahl vorzunehmen. In den südwestdeutschen Mittelstaaten, wo die Zahl der Instanzen wesentlich geringer war, liefen die staatlichen Mitwirkungsprozesse bei den Bischofswahlen folglich geschmeidiger und effektiver ab. Die Existenz eines Landesbistums, wie etwa in Baden, Hessen-Darmstadt und Württemberg, führte freilich auch dazu, dass die Interessen staatlicher Bevormundung sich ungehindert auf einen bischöflichen Stuhl konzentrierten, auch wenn dieser in – bewusster – räumlicher Distanz zur Landeshauptstadt (Freiburg, Mainz, Rottenburg) angesiedelt war. War die Rolle des Wahlkommissars nicht eindeutig festgelegt, wie in Hessen-Darmstadt, stand diesem eine Teilnahme an und Beeinflussung der Wahl durchaus zu, womit in Mainz die am weitesten gehenden staatlichen Eingriffsrechte gegeben waren, die im Untersuchungszeitraum staatlicherseits zunächst nicht zuletzt deshalb dezidiert angewandt wurden, weil es dort um den Bischofsstuhl Wilhelm Emmanuel von Kettelers, also einer Führungspersönlichkeit des sozialen und politischen Katholizismus am Beginn des Kaiserreichs, ging. Je weniger diese Traditionslinie in den Episkopaten seiner Nachfolger Haffner und Brück nach außen hin transparent blieb, desto deutlicher wurden die staatlichen Repressionen auch zurückgefahren.
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Im „katholischen“ Bayern hingegen war die Machtvollkommenheit des Monarchen in Besetzungsfragen der Bischofsstühle zweifellos nominell am größten, weil das Mitspracherecht der Domkapitel diese Frage nicht berührte. In der Realität lassen sich hier Interessengegensätze zwischen Mitgliedern der königlichen Familie einerseits und dem Kultusminister andererseits feststellen, während die Bindung des Erwählten an den Monarchen nicht zuletzt durch das Instrument der Nobilitierung gefestigt wurde. In den Auseinandersetzungen um die Neubesetzung der bischöflichen Stühle lässt sich eine verhärtete Haltung aller staatlichen Instanzen ausmachen, die gemäß einem festen Schema Geistliche in Schubladen einordneten. Theologisches Fachwissen oder persönliche Frömmigkeit spielten dabei als Bewertungskategorien keinerlei Rolle. Cum grano salis in Catholica ziemlich wenig beschlagen, ja teilweise naiv, konnten sich die höheren Staatsbeamten in Preußen trotz ausgefeilter Charakterisierungskataloge nur auf eine schablonenhafte Einordnung beschränken, die verzerrte und überspitzte Bilder der Kandidaten erzeugte. Schließlich fehlte es dort angesichts der Vielzahl an Ebenen der Informationsrekrutierung vom Landrat bis zum Kultusminister bzw. dem Staatsministerium an Synergieeffekten. Die räumliche Distanz zwischen der Hauptstadt Berlin und den aus deren Warte im Wesentlichen an der westlichen und östlichen Peripherie Preußens gelegenen Bischofssitzen trug ein Übriges dazu bei. Seitens der Kurie finden sich mehrfach deutliche Anzeichen der Kooperationsbereitschaft mit dem Staat in Kontinuität der in der Endphase des Kulturkampfs praktizierten Entspannungspolitik, mit dem Ziel, den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen und pragmatische Lösungsansätze für einen modus vivendi zu verfolgen. Das verbreitete Desinteresse im Päpstlichen Staatssekretariat an den Chancen personeller Weichenstellungen im Rahmen der Sedisvakanzen und der Opportunismus insbesondere des Kardinalstaatssekretärs Rampolla gegenüber den staatlichen Interessen verdeutlichen dies. Hinzu trat der meist geringe Grad an Informiertheit bei den ständig wechselnden und an den deutschen Kirchenverhältnissen vor Ort wenig interessierten Nuntien. Insgesamt wurde im Vatikan eine Appeasement-Politik gegenüber dem Deutschen Reich und seinen Staaten betrieben, in der Konflikte um die Bischofsstuhlbesetzungen im Allgemeinen als Störfeuer wahrgenommen wurden. Mit dieser Strategie befand sich die Kurie zuweilen im Gegensatz zu der Majorität der Domkapitel, für deren spezifische Vorrechte im Vatikan aber auch kein sonderliches Verständnis zu erkennen war. Wenn es auch kaum möglich erscheint, verallgemeinernde Aussagen darüber zu treffen, inwieweit die Domkapitel bei der Wahrnehmung des Bischofswahlrechts unter offen ausgesprochenem Druck handelten, so ist doch jede Listenaufstellung latent unter Druck des Staates erfolgt. Immerhin trugen die Domherren ein großes Stück an Verantwortung für eine rasche Neu-
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besetzung der Diözese. Vor diesem Hintergrund galt es abzuwägen, ob von den in der Regel fünf oder sechs Kandidaten wenigstens drei als gratissima zu erwartende Männer Aufnahme finden könnten, auch wenn sie nicht als „erste Wahl“ erschienen. In aller Regel fiel die Entscheidung zugunsten eines in zweifacher Hinsicht „brauchbaren“ Bischofs16. Zweifach meint, dass der zu Erwählende einerseits innerkirchlich von der ultramontanen Majorität in Klerus und Kirchenvolk weitgehend akzeptiert werden musste, andererseits aber eben auch zumindest die Achtung der Staatsbehörden genießen sollte. Nicht zu verkennen ist schließlich das Instrument der innerkirchlichen Konfliktlinien. Wenn sich Widerstand gegen einen Kandidaten manifestierte, wurden ohne Zutun des Staates nicht nur wirkliche oder vermeintliche Verfehlungen vorgebracht, um die entsprechende Person zu desavouieren, sondern es wurde gleichzeitig auch „Sippenhaft“ betrieben. Auch wenn die Zahl entsprechender Fälle die Virulenz der Konflikte zwischen Staat und Kirche nicht aufzuwiegen vermag, dürfen sie in diesem Kontext nicht verschwiegen werden, wirkten sie doch zumindest indirekt auch auf die Staat-Kirche-Beziehungen ein. Es ist eben ganz klar zu kurz gegriffen, wenn bisher weitgehend die Ansicht vorherrschte, dass die Problematik der Bischofswahlen allenfalls den Kulminationspunkt des Staatskirchentums in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts betraf und nach 1850 kaum mehr virulent war17. Ursächlich für diesen Topos ist der Primat der staatlichen Sichtweise in der bisherigen Forschung zur Staat-Kirche-Problematik wie zu den Bischofswahlen. Dominierten lange Zeit dezidiert preußisch-protestantisch geprägte Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen die Debatte zu dieser Thematik, so muss selbst vielen katholischen Forschern, die sich vornehmlich in den 1970er Jahren des Problems angenommen haben, bescheinigt werden, dass diese die Konflikte in erster Linie aus der Sicht der Staatsbehörden wahrgenommen haben. Der Grund mag darin gelegen haben, dass ihnen das „audiatur et altera pars“ der zumeist vatikanischen Überlieferung in aller Regel fehlte und sie sich ohne Absicht in stärkerem Maße mit den Positionen der staatlichen Bürokratie identifizierten. Deutlich zeigt dies das Beispiel des Paderborner Bischofs Wilhelm Schneider, eines klar staatsloyalen Oberhirten, dem staatlicherseits auch die Übernahme eines bedeutenderen Bistums zugetraut wurde, der aber noch gegenwärtig ein wenig unkritisch „zu den herausragenden Paderborner Oberhirten der Neuzeit“18 gezählt wird. 16
17
18
Zur „Brauchbarkeit“ eines Bischofskandidaten vgl. auch Papenheim, Karrieren in der Kirche, S. 1. Vgl. Haas, Domkapitel und Bischofsstuhlbesetzungen in Münster 1813–1846, S. XVII, wo diese These vertreten wird. Brandt/Hengst, Geschichte des Erzbistums Paderborn, Bd. 3, S. 136.
832
resümee
Noch zu Beginn der 1890er Jahre konnte eine Bischofsstuhlbesetzung den Sturz eines Ministers oder die Ablösung eines Oberpräsidenten nach sich ziehen. Selbst wenn man einen gewissen „Lernprozess“ der Domkapitel unterstellt, demzufolge nach Abklingen einer Kulturkampfmentalität die Wahllisten kaum mehr als Provokationen verstanden wurden, sondern die Vorwahlen unter der Prämisse stattfanden, den Staatsbehörden zumindest die Rückgabe einer Dreierliste zu ermöglichen, erscheint es erstaunlich, dass sich noch Ende der 1890er Jahre, als gesamtgesellschaftlich der unter den Auspizien der Milieu- und Parteienforschung konstatierte Prozess der Nationalisierung der Katholiken unübersehbar blieb, Listenstreichungen von einem Drittel bis zur Hälfte der Kandidaten üblich waren. Zwar fällt am Ende des ersten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts eine scheinbare Befriedung auf diesem Feld durch eine ganze Serie von Wahllisten ins Auge, die – angefangen von Ermland 1908 bis hin zu Köln 1912 – komplett unbeanstandet zurückgegeben wurden. Jedoch sind gerade in Preußen vor dem Ersten Weltkrieg weiterhin große Konflikte zu verzeichnen, die über den Einzelfall hinausreichten. Nicht nur die acht Jahre währende Sedisvakanz in Gnesen-Posen 1906 bis 1914 tangierte nicht unerheblich die StaatKirche-Beziehungen. In Limburg ist noch ein Jahr vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs eine deutliche Fortsetzung des „Spiels“ der staatlichen Ablehnung als ultramontan gekennzeichneter Kandidaten zu verzeichnen, weil dort die Hälfte der Kapitelskandidaten nicht das staatliche Plazet erlangte. In Breslau schließlich wurde das aus Köln hinlänglich bekannte Szenario der „Scheinwahlen“ noch wenige Monate vor Kriegsausbruch 1914 durchgezogen. Hier ist als singuläres Phänomen zu verzeichnen, dass die Wahlliste vom Domkapitel zwar dem staatlichen Wahlkommissar zur Kenntnis gebracht, aber nicht offiziell eingereicht wurde. Letztlich ist also das von Egon Johannes Greipl für Bayern gefällte Urteil zu modifizieren, dass seit 1890 „vergleichsweise unproblematische Ernennungsvorgänge“19 zu verzeichnen gewesen seien, also „die Kluft zwischen Staatsloyalität und Kirchenloyalität zusehends flacher wurde“. Insbesondere in den wichtigen Diözesen Köln und Breslau sowie den vom Nationalismuskonflikt berührten Bistümern Elsass-Lothringens sowie der preußischen Provinzen Posen und Westpreußen wirkte das Konzept der Subordination der Kirche unter den Staat fort. Bischofsernennungen waren und blieben stets ein Politikum und nicht zuletzt deshalb Chefsache in den Oberpräsidien und im Kultusministerium bzw. in den vergleichbaren Instanzen der kleineren Staaten und die Hebel dafür wurden an den entscheidenden Stellen der Personalpolitik angesetzt. Gemessen am großen Aufwand, der auf allen Ebenen der staatlichen Bürokratie betrieben wurde, blieb der mess19
Greipl, Am Ende der Monarchie, in: Brandmüller (Hrsg.), Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte, Bd. III, S. 263–335, hier S. 287. Hier auch das folg. Zit.
resümee
833
bare Erfolg denkbar gering, führt man sich vor Augen, dass kein einziger sogenannter Staatskatholik, sieht man einmal von Georg Kopp ab, seit 1887 wieder auf einen Bischofsstuhl aufrückte. Legt man die Zielmarke allerdings niedriger fest, nämlich bei der Verhinderung politisch kämpferisch hervortretender Geistlicher, rückt die staatliche Erfolgsquote merklich nach oben. Insofern bleibt eine Antwort auf die Frage, wer denn eigentlich als Sieger aus dem Konflikt hervorgegangen sei, Kirche oder Staat, grosso modo eine Frage, die nur differenziert beantwortet werden kann. Umfang und Länge der Auseinandersetzungen um die kirchlichen Führungspositionen der katholischen Kirche im Kaiserreich lassen aber nicht verkennen, dass die Bischofswahlen als „einer der wichtigsten und repräsentativsten Interessenschwerpunkte des öffentlichen Lebens“20 angesehen werden können. Die Analyse der Bischofswahlen jedenfalls hat gezeigt, dass der Konflikt auf dem Feld der kirchlichen Personalpolitik in allen Staaten des Deutschen Reiches bis zum Ersten Weltkrieg unvermindert andauerte. Er wurde erst durch den Sturz der Monarchien 1918 und die nachfolgende Neuordnung des Staat-Kirche-Verhältnisses in der Konkordatsära der Weimarer Republik beendet, welche erst die Bischofsernennungen zu einer cum grano salis innerkirchlichen Frage machte.
20
So stellt es bereits Reimund Haas zu Recht heraus, in: Ders., Domkapitel und Bischofsstuhlbesetzungen in Münster 1813–1846, S. XVI.
Anhang
Bischofswahllisten der Domkapitel Die Reihenfolge der Namensnennung in den Listen wurde aus den Originallisten der Domkapitel übernommen. In der Rubrik Alter wurde stets das im betreffenden Jahr vollendete Lebensjahr angegeben.
Preußen 1. ERZBISTUM KÖLN
Wahlliste des Metropolitankapitels vom 23. Mai 1899 Name u. ggf. akadem. Grad
Aktuelle Tätigkeit
Alter Persona grata
Hubert Theophil Simar, lic. Bischof von Paderborn, Pro- 64 theol., Dr. theol. h.c. fessor für Dogmatik und Apologetik
Ja
Hermann Dingelstad, Dr. phil., Dr. theol. h.c.
Bischof von Münster, Gym- 64 nasialoberlehrer
Nein
Paul Wilhelm Keppler, Dr. theol.
Bischof von Rottenburg, 47 Professor für Moraltheologie
Ja
Antonius Fischer, Dr. theol.
Weihbischof und Domkapi- 59 tular in Köln
Ja
Hermann Joseph Schmitz, Dr. Weihbischof und Domkapi- 58 theol., Dr. iur. can. tular in Köln
während der Listenprüfung verstorben
836
anhang
Wahlliste des Metropolitankapitels vom 20. Juni 1902 Name u. ggf. akadem. Grad
Aktuelle Tätigkeit
Alter Persona grata
Antonius Fischer, Dr. theol.
Weihbischof und Domkapitular in Köln
62
Ja
Hubert Voß
Bischof von Osnabrück
61
Ja
Peter Kreutzwald, Dr. iur. utr.
Kapitularvikar und Domkapitular in Köln
52
Nein
Joseph Müller
Gymnasialprofessor, Domkapitular in Köln
57
Ja
Gerhard Esser, Dr. theol.
Professor für Dogmatik in Bonn 42
Nein
Karl Laurenz Joseph Krichel
Pfarrer in Mönchen-Gladbach
Ja
60
Wahlliste des Metropolitankapitels vom 3. September 1912 Name u. ggf. akadem. Grad
Aktuelle Tätigkeit
Alter Persona grata
Karl Joseph Schulte, Dr. theol.
Bischof von Paderborn, Professor 41 für Apologetik und Kirchenrecht
Ja
Adolf Bertram, Dr. theol., Dr. iur. can.
Bischof von Hildesheim
53
Ja
Aloys Schaefer, Dr. theol.
Apostolischer Vikar von Sachsen, 59 Professor für Neues Testament
Ja
Joseph Damian Schmitt, Dr. theol. et phil.
Bischof von Fulda, Professor für Philosophie
54
Ja
Joseph Müller
Weihbischof und Domdechant 67 in Köln
Ja
Felix von Hartmann, Dr. iur. can., Dr. theol. h.c.
Bischof von Münster
Ja
61
837
anhang
2. BISTUM MÜNSTER
Wahlliste des Domkapitels vom 22. Mai 1889 Name u. ggf. akadem. Grad
Aktuelle Tätigkeit
Alter Persona grata
Franz Wilhelm Cramer, Dr. theol. h.c.
Weihbischof und Domdechant 74 in Münster
Ja
Hermann Dingelstad, Dr. phil.
Gymnasialoberlehrer in Vechta 54
Ja
Heinrich Feiten
Weihbischof und Domkapitular in Trier
54
Nein
Antonius Fischer, Dr. theol.
Weihbischof und Domkapitular in Köln
49
Ja
Joseph Giese, Dr. theol.
Kapitularvikar und Domkapitular in Münster, Apostolischer Protonotar
62
Nein
Wahlliste des Domkapitels vom 22. März 1911 Name u. ggf. akadem. Grad
Aktuelle Tätigkeit
Alter Persona grata
Karl Böckenhoff, Dr. theol., Dr. iur. can.
Professor für Kirchenrecht in 41 Straßburg
Ja
Felix von Hartmann, Dr. iur. can.
Domdechant und Kapitularvikar in Münster
60
Ja
Franz Hartmann, Dr. theol. et phil.
Direktor am Collegium Augusti- 55 nianum in Gaesdonck bei Goch
Ja
Everhard Illigens
Weihbischof und Domkapitular in Münster
60
Ja
Johannes Poggenburg
Präses am Collegium Ludgeri- 59 anum in Münster
Ja
838
anhang
Wahlliste des Domkapitels vom 9. Januar 1913 Name u. ggf. akadem. Grad
Aktuelle Tätigkeit
Alter Persona grata
Franz Diekamp, Dr. theol.
Professor für Dogmengeschich- 48 te und Domkapitular in Münster
Ja
Hugo Greving
Domkapitular in Münster
61
Nein
Franz Hartmann, Dr. theol. et phil.
Direktor des Collegium Augustinianum in Gaesdonck bei Goch
46
Ja
Johannes Poggenburg
Domkapitular und Kapitular- 61 vikar in Münster
Ja
Franz Sprünken
Pfarrer in Berlin St. Matthias
Ja
45
3. BISTUM PADERBORN
Wahlliste des Domkapitels vom 24. März 1891 Name u. ggf. akadem. Grad
Tätigkeit
Alter Persona grata
Wilhelm Bergmann
Kaplan in Minden
58
Nein
Antonius Fischer, Dr. theol.
Weihbischof in Köln
51
Nein
Augustinus Gockel, Dr. theol. h.c. Weihbischof in Paderborn
61
Ja
Hubert Theophil Simar, lic. theol., Dr. theol. h.c.
Professor für Dogmatik und Apologetik in Bonn
56
Ja
Heinrich Tellers
Domkapitular und Dompfarrer 56 in Paderborn
Ja
839
anhang
Wahlliste des Domkapitels vom 16. Februar 1900 Name u. ggf. akadem. Grad
Tätigkeit
Alter Persona grata
Augustinus Gockel, Dr. theol Weihbischof und Domdechant 69 h.c. in Paderborn
Nein
Wilhelm Leineweber
Pfarrer in Witterda bei Erfurt
60
Nein
Theodor Niggemeyer, Dr. phil.
Gymnasialdirektor in Brilon, Professor
55
Ja
Wilhelm Schneider, Dr. theol.
Professor für Moraltheologie und Dompropst in Paderborn
52
Ja
Heinrich Wigger
Domkapitular und Kapitularvikar in Paderborn
72
Ja
Wahlliste des Domkapitels vom 21. September 1909 Name u. ggf. akadem. Grad
Tätigkeit
Alter Persona grata
Aloys Schaefer, Dr. theol.
Apostolischer Vikar in Sachsen, 56 Professor für Neues Testament
Ja
Bernhard Funke, Dr. theol.
Professor und Direktor des Col- 46 legium Leoninum in Paderborn
Ja
Heinrich Münstermann
Propst in Werl
48
Ja
Karl Joseph Schulte, Dr. theol.
Professor für Apologetik und Kirchenrecht in Paderborn
38
Ja
Ludwig Hagemann
Pfarrer in Warburg-Altstadt, designierter Domkapitular in Paderborn
50
Ja
840
anhang
4. BISTUM HILDESHEIM
Wahlliste des Domkapitels vom 11. Januar 1906 Name u. ggf. akadem. Grad
Tätigkeit
Alter Persona grata
Adolf Bertram, Dr. theol., Dr. iur.can.
Domkapitular und Generalvikar in Hildesheim
46
Ja
Friedrich Christoph Beelte
Domkapitular und Direktor des 66 Gymnasium Josephinum in Hildesheim, Gymnasialprofessor
Ja
Conrad Steinmann
Domkapitular und Generalvikariatsrat in Hildesheim
53
Ja
Bernhard Krebs
Domkapitular und Schulrat in Hildesheim
60
Ja
Joseph Graen
Domkapitular in Hildesheim
62
Ja
Wilhelm Schreiber
Propst in Hannover, Dechant
57
Ja
Wahlliste des Domkapitels vom 12. November 1914 Name u. ggf. akadem. Grad
Tätigkeit
Alter Persona grata
Johannes Hagemann
Kapitularvikar und Domkapitular in Hildesheim
55
Ja
Joseph Ernst, Dr. phil., Dr. theol.
Regens des Priesterseminars in 51 Hildesheim und Professor ebd.
Ja
Augustin Hölscher
Gymnasialprofessor und -oberlehrer in Duderstadt
48
Ja
Christian Schreiber, Dr. theol. et phil.
Regens des Priesterseminars in 42 Fulda und Professor für Dogmatik, Apologetik und Homiletik ebd.
Ja
841
anhang
5. BISTUM OSNABRÜCK
Wahlliste des Domkapitels vom 17. November 1898 Name u. ggf. akadem. Grad
Tätigkeit
Alter Persona grata
Wilhelm Bergmann
Dompropst in Minden
65
Ja
Antonius Fischer, Dr. theol.
Weihbischof und Domkapitular 58 in Köln
Ja
Maximilian Gereon Graf von Galen, Dr. theol. et phil.
Weihbischof und Domkapitular 66 in Münster
Nein
Franz Richter
Pfarrer in Bocholt
Nein
Hubert Voß
Regens und Domkapitular in 57 Münster
53
Ja
Wahlliste des Domkapitels vom 25. März 1914 Name u. ggf. akadem. Grad
Tätigkeit
Alter Persona grata
Nikolaus Hilling, Dr. theol., Dr. phil., Dr. iur.
Professor für Kirchenrecht in 43 Bonn
Ja
Wilhelm Berning, Dr. theol.
Gymnasialoberlehrer in Meppen 37
Ja
Heinrich Hähling von Lanzenauer
Weihbischof und Domdechant 53 in Paderborn
Ja
Carl Schmitt
Rektor am Ursulinenkloster 42 St. Angela in Haste bei Osnabrück
Ja
Augustinus Lohmeyer
Regens und Domkapitular in 61 Osnabrück
Ja
842
anhang
6. BISTUM FULDA
Wahlliste des Domkapitels vom 26. September 1887 Name u. ggf. akadem. Grad
Tätigkeit
Alter Persona grata
Wilhelm Kleespieß
Domkapitular in Fulda
59
Georg Ignaz Komp, Dr. theol. et phil.
Domkapitular und Professor 59 für Moraltheologie und Neues Testament in Fulda
Nein
Karl Braun, Dr. iur. utr.
Domkapitular in Fulda
52
Nein
Heinrich Fidelis Müller
Dechant in Kassel
50
Ja
Johann Baptist Holzammer, Dr. theol. h.c.
Domkapitular und Professor 59 für Altes Testament und Pastoral in Mainz
Nein
Joseph Weyland
Stadtpfarrer in Wiesbaden, Prälat
Ja
61
Ja
Wahlliste des Domkapitels vom 8. Februar 1894 Name u. ggf. akadem. Grad
Tätigkeit
Alter Persona grata
Karl Braun, Dr. iur. utr.
Domkapitular in Fulda
59
Nein
Philipp Engel
Domkapitular in Fulda
64
Ja
Georg Ignaz Komp, Dr. theol. et Domkapitular und Professor 66 phil. für Moraltheologie und Neues Testament in Fulda
Ja
Heinrich Fidelis Müller
Dechant in Amöneburg
Ja
Andreas Schick
Dompräbendat und Professor 60 für Moral- und Pastoraltheologie am Priesterseminar in Fulda
57
Nein
843
anhang
Wahlliste des Domkapitels vom 22. April 1898 Name u. ggf. akadem. Grad
Tätigkeit
Alter Persona grata
Wilhelm Arenhold, Dr. theol. et phil.
Domkapitular in Fulda
53
Nein
Karl Braun, Dr. iur. utr.
Domdechant in Fulda
63
Nein
Adalbert Endert
Dompfarrer in Fulda
48
Ja
Philipp Engel
Domkapitular in Fulda
68
Ja
Carl Helfrich
Dechant in Bockenheim
60
Ja
Joseph Damian Schmitt, Dr. Regens in Fulda und Professor 40 theol. et phil. für Philosophie ebd.
Ja
Wahlliste des Domkapitels vom 10. August 1906 Name u. ggf. akadem. Grad
Tätigkeit
Alter Persona grata
Wilhelm Arenhold, Dr. theol. et phil.
Domdechant in Fulda
60
Ja
Cajetan Bott
Pfarrer in Bockenheim
46
Ja
Joseph Herbener
Domkapitular in Fulda
58
Ja
Georg Adam Rhiel
Erziehungsanstaltsdirektor in Steinfeld/Eifel
47
Ja
Joseph Damian Schmitt, Dr. theol. et phil.
Regens in Fulda und Professor 48 für Philosophie ebd.
Ja
Leopold Stoff
Domkapitular in Fulda
60
Ja
Viktor Thielemann, Dr. theol.
Professor für Moraltheologie 39 in Fulda
Ja
844
anhang
7. BISTUM LIMBURG
Wahlliste des Domkapitels vom 28. Februar 1898 Name u. ggf. akadem. Grad
Tätigkeit
Alter Persona grata
Matthias Höhler, Dr. theol. et phil. Domkapitular in Limburg
51
Nein
Georg Hilpisch
Domkapitular in Limburg
52
Ja
Christian Bahl
Stadtpfarrer in Frankfurt/Main 60 und Ehrendomkapitular
Nein
Karl Walter
Domdekan in Limburg
Ja
Maximilian Gereon Graf von Galen, Dr. theol. et phil.
Weihbischof und Domkapitu- 66 lar in Münster
Nein
Julius Eiffler
Domkapitular und Kapitularvikar in Limburg
63
Ja
Wilhelm Tripp
Domkapitular und Stadtpfar- 63 rer in Limburg
Ja
Adam Keller
Stadtpfarrer in Wiesbaden, Prälat
59
Nein
Dominikus Willi O.Cist.
Abt von Marienstatt
54
Ja
Heinrich Joseph Adolf Lala
Domkapitular in Limburg
60
Nein
71
845
anhang
Wahlliste des Domkapitels vom 27. Januar 1913 Name u. ggf. akadem. Grad
Tätigkeit
Alter Persona grata
Augustinus Kilian, Dr. iur.can.
Domkapitular in Limburg
57
Ja
Damian Kunst
Pfarrer in Bad Ems
46
Nein
Antonius Hilfrich, Dr. theol. et phil.
Pfarrer in Wiesbaden, Maria Hilf
40
Ja
Jakob Strieth
Domkapitular in Limburg
46
Nein
Matthäus Göbel
Domkapitular in Limburg
51
Nein
Joseph Quirmbach, Dr. theol.
Pfarrer in Frankfurt am Main, 40 St. Bernardus
Ja
846
anhang
8. BISTUM BRESLAU
Wahlliste des Domkapitels vom 20. Januar 1887 Name u. ggf. akadem. Grad
Aktuelle Tätigkeit
Joseph Giese, Dr. theol.
Generalvikar und Domkapitular 60 in Münster, Apostolischer Protonotar
Hermann Gleich, Dr. theol. h.c. Kapitularvikar und Weihbischof in Breslau
Alter Persona grata Nein
72
Nein
Ernst Hoffmann
47 Großdechant der Grafschaft Glatz, Pfarrer in Neurode, Ehrendomkapitular in Breslau
Nein
Franz Lorinser, Dr. theol.
Domkapitular in Breslau, Generalvikariatsrat
66
Nein
Heinrich Marx
Pfarrer in Miechowitz, Erzpriester
52
Nein
Karl Nippel
Pfarrer in Neustadt (O/S), Geistlicher Rat
64
Nein
847
anhang
Wahlliste des Domkapitels vom 7. April 1914* Name u. ggf. akadem. Grad
Aktuelle Tätigkeit
Alter Persona grata
Karl Augustin, Dr. theol. h.c.
Weihbischof und Domkapitular in Breslau
67
Nein*
Adolf Bertram, Dr. theol., Dr. iur. can.
Bischof von Hildesheim
55
Ja*
Joseph Klose, Dr. theol. h.c.
Kapitularvikar und Domkapitular in Breslau
73
Nein*
Augustinus Herbig, Dr. theol. et phil.
Domkapitular in Breslau
68
Nein*
Anton Bergel, Dr. iur. can.
Domkapitular in Breslau
59
Nein*
Joseph Glowatzki
Pfarrer in Wyssoka O/S, Erzpriester
67
Nein*
* Diese Liste wurde nicht zurückgegeben, weshalb auch keine defi nitiven Angaben zur Genehmheit oder Mindergenehmheit gemacht werden können.
848
anhang
9. ERZBISTUM GNESEN-POSEN
Interne Favoriten des preußischen Kultusministers am 31. Mai 1890 Name u. ggf. akadem. Grad
Aktuelle Tätigkeit
Alter Persona grata
Gustav Wanjura, Dr. theol.*
Dompropst in Gnesen
63
**
62
**
Regierungs- u. Schulrat in Oppeln 61
**
Leo Redner, Dr. theol., lic. theol. Bischof von Kulm Paul Schylla*
Johann Baptist Kayser, Dr. phil. Dompropst und Honorarprofessor in Breslau
64
**
* Die mit einem Asteriskus versehenen Kandidaten waren schon bei der Neubesetzung 1885/86 staatlicherseits genannt worden. ** Eine offizielle Erklärung der Genehmheit bzw. Mindergenehmheit erfolgte nicht.
849
anhang
Wahlliste der Metropolitankapitel vom 2. Juli 1890 Name u. ggf. akadem. Grad
Aktuelle Tätigkeit
Alter Persona grata
P. Benedikt (Edmund) Prinz Radziwill OSB *
Benediktiner in der Erzabtei 48 Beuron, zuvor MdR
Nein
Eduard Likowski, Dr. theol., lic. theol.
Weihbischof, Generalvikar und 54 Domkapitular in Posen
Nein
Antonius Andrzejewicz
Domkapitular und Regens in Gnesen
53
Nein
Kasimir Dorszewski, lic. theol.
Domdechant in Gnesen
64
Nein
Ignaz Warminski, Dr. theol.
Professor für Dogmatik in Posen 40
Nein
Johann Łukowski, Dr. theol. et iur. utr.
Offizial und Professor für Kirchenrecht in Posen
Nein
44
* Die mit einem Asteriskus versehenen Kandidaten waren bereits bei der Neubesetzung 1885/86 staatlicherseits genannt worden.
850
anhang
Wahlliste der Metropolitankapitel in der dem Heiligen Stuhl eingereichten Form vom 15. Dezember 1890 Name u. ggf. akadem. Grad
Aktuelle Tätigkeit
Alter Persona grata
P. Benedikt (Edmund) Prinz Benediktiner in der Erzabtei Radziwill OSB* Beuron, früher MdR
48
Nein
Alfred von Poniński
Propst in Kościelec
50
Nein
Casimir Szołdrski, Dr. iur. can.
Domkapitular und Pönitentiar 57 in Posen
Nein
Wahlliste der Metropolitankapitel vom 16. Januar 1907* Name u. ggf. akadem. Grad
Aktuelle Tätigkeit
Eduard Likowski, Dr. theol., Weihbischof und Kapitularlic. theol. vikar in Posen
Alter Persona grata 70
Wilhelm Kloske
Domkapitular und Regens in 54 Gnesen
Alfred von Poniński
Propst und Dekan in Kościelec, 66 Prälat, Ehrendomkapitular
Paul Jedzink, lic. theol., Dr. theol. h.c.
Domkapitular und Professor 55 für Moraltheologie in Posen
Julian Echaust
Generalvikar, Domkapitular und Offizial in Posen
Ludwig von Jażdżewski, Dr. theol. Dekan in Schroda, MdR
* Die Wahlliste wurde nicht zurückgegeben.
67
68
851
anhang
10. BISTUM ERMLAND
Wahlliste des Domkapitels vom 13. Oktober 1885 Name u. ggf. akadem. Grad
Tätigkeit
Alter Persona grata
Andreas Thiel, Dr. theol.
Professor für Kirchengeschichte 59 am Hosianum, Domkapitular in Frauenburg
Ja
Ludwig Hoppe, Dr. theol.
Regens und Professor für Pasto- 64 raltheologie in Braunsberg
Ja
Joseph Grunenberg
Pfarrer und Dekan in Groß 62 Lichtenau
Ja
Eduard Stock
Pfarrer und Erzpriester in War- 66 tenberg, Ehrendomkapitular in Frauenburg, MdR
Ja
Johannes Wien
Domkapitular in Frauenburg
Ja
65
Wahlliste des Domkapitels vom 21. August 1908 Name u. ggf. akadem. Grad
Tätigkeit
Alter Persona grata
Eduard Herrmann
Weihbischof und Domkapitu- 72 lar in Frauenburg
Ja
Franz Dittrich, Dr. theol.
Dompropst in Frauenburg
69
Ja
Julius Marquardt, Dr. theol.
Professor für Patristik und 59 Moraltheologie in Frauenburg
Ja
Anton Matern
Domkapitular in Frauenburg
66
Ja
Augustinus Bludau, Dr. theol.
Professor für neutestamentliche Exegese in Münster
46
Ja
852
anhang
11. BISTUM KULM
Wahlliste des Domkapitels vom 29. April 1886 Name u. ggf. akadem. Grad
Tätigkeit
Alter Persona grata
Gustav Wanjura, Dr. theol.
Dompropst in Pelplin
59
Ja
Arminius von Bielicki
Domkapitular in Pelplin
53
Nein
Anton Klingenberg
Domkapitular und Generalvikar in Pelplin
72
Nein
Franz Adolph Namszanowski
66 Feldpropst der preußischen Armee a.D., Oliva bei Danzig, Titularbischof
Nein
Julius von Pradzynski, lic. theol. Domkapitular in Pelplin
68
Nein
Johannes Trepnau
51
Nein
Domkapitular in Pelplin
Wahlliste des Domkapitels vom 3. Mai 1898 Name u. ggf. akadem. Grad
Tätigkeit
Alter Persona grata
Arminius von Bielicki
Domkapitular in Pelplin
65
Nein
Klemens Lüdtke, lic. theol., Dr. Domkapitular und Kapitular- 57 theol. h.c. vikar in Pelplin
Ja
Johann Baptist Assmann, Dr. Feldpropst in Berlin, Titulartheol. h.c. bischof
65
Ja
Paul Jedzink, lic. theol.
Domkapitular in Posen
47
Nein
Hipolit von Trętowski
Dekan in Hochstüblau
63
Nein
Georg Konitzer
Pfarrer in Preußisch Friedland 61
Nein
853
anhang
Zweite Wahlliste des Domkapitels vom 6. November 1898 Name u. ggf. akadem. Grad
Tätigkeit
Augustinus Rosentreter, lic. theol., Regens und Professor für Dr. theol. h.c. neutestamentliche Exegese in Pelplin
Alter Persona grata 54
Ja
Klemens Lüdtke, lic. theol., Dr. theol. h.c.
Domkapitular und Kapitular- 57 vikar in Pelplin, Gymnasialoberlehrer
Ja
Johann Baptist Assmann, Dr. theol. h.c.
Feldpropst in Berlin, Titularbischof
65
Ja
Ferdinand Speil, Dr. theol.
Generalvikar und Domkapitu- 63 lar in Breslau
Ja
Heinrich Marx
Domkapitular in Breslau
Ja
Eduard Herrmann
Domkapitular in Frauenburg, 62 MdR, MdA
63
Nein
854
anhang
Hessen-Darmstadt BISTUM MAINZ
Wahlliste des Domkapitels vom 21. November 1899 Name u. ggf. akadem. Grad
Aktuelle Tätigkeit
Alter Persona grata
Heinrich Brück, Dr. theol.
Bistumsverweser in Mainz, 68 Domkapitular u. Professor für Kirchengeschichte ebd.
Ja
Franz Engelhardt, Dr. iur. can.
Dekan und Pfarrer in Heppen- 51 heim
Ja
Philipp Jakob Fehr
Dekan und Dompropst in Worms 62
Ja
Antonius Fischer, Dr. theol.
Weihbischof und Domkapitular 49 in Köln
Nein
Karl Forschner
Pfarrer in Mainz St. Quintin
46
Nein
Max von Sachsen, Dr. iur. utr., Dr. theol.
Arbeiterseelsorger in Nürnberg 29
Nein
855
anhang
Wahlliste des Domkapitels vom 17. November 1903 Name u. ggf. akadem. Grad
Aktuelle Tätigkeit
Alter Persona grata
Ludwig Bendix, Dr. iur. utr.
Domkapitular in Mainz
46
Ja
Friedrich Elz, Dr. theol.
Stadtpfarrer in Darmstadt, Geistlicher Rat
55
Ja
Franz Engelhardt, Dr. iur. can.
Domkapitular in Mainz
55
Ja
Friedrich Goedecker
Dompfarrer in Mainz
60
Ja
Georg Heinrich Kirstein
Domkapitular und Regens in 45 Mainz
Ja
Josef Selbst, Dr. theol.
Domkapitular und Kapitular- 51 vikar in Mainz, Professor für alttestamentliche Exegese ebd.
Ja
856
anhang
Baden ERZBISTUM FREIBURG
Wahlliste des Metropolitankapitels vom 5. Mai 1886 Name u. ggf. akadem. Grad
Tätigkeit
Alter Persona grata
Theodor Dreher, Dr. phil., Dr. theol.
Gymnasialoberlehrer in Hechin- 50 gen
Ja
Friedrich Justus Knecht, Dr. theol.
Domkapitular und Münster- 47 pfarrer in Freiburg
Nein
Ferdinand Rudolf, Dr. theol. h.c. Domkapitular in Freiburg
51
Nein
Jakob Schmitt, Dr. theol.
Subregens in St. Peter
52
Ja
Georg Ignaz Komp, Dr. theol. et phil.
Regens und Professor für Moraltheologie und Neues Testament in Fulda
58
Nein
Georg Kopp
Bischof von Fulda
49
Ja
Franz Leopold Freiherr von Leonrod
Bischof von Eichstätt
59
Nein
Johannes Christian Roos, Dr. theol. h.c.
Bischof von Limburg
58
Ja
857
anhang
Wahlliste des Metropolitankapitels vom 3. November 1896 Name u. ggf. akadem. Grad
Tätigkeit
Alter Persona grata
Joseph Gutmann, Dr. theol.
Domkapitular und Erzbischöfli- 54 cher Kanzleidirektor in Freiburg
Nein
Friedrich Justus Knecht, Dr. theol. Kapitularvikar, Weihbischof, Domdekan in Freiburg
57
Nein
Anton Knörzer
Pfarrer in Kuppenheim
53
Ja
Jakob Schmitt, Dr. theol.
Domkapitular in Freiburg
62
Friedrich Werber
Dekan und Stadtpfarrer in Radolfzell
53
zog Ende 1897 seinen Listenplatz zurück
Nein
Modifizierte Wahlliste des Metropolitankapitels vom 14. Februar 1898 Name u. ggf. akadem. Grad
Tätigkeit
Alter Persona grata
Joseph Gutmann, Dr. theol.
Domkapitular und Erzbischöfli- 56 cher Kanzleidirektor in Freiburg
Nein
Friedrich Justus Knecht, Dr. theol.
Weihbischof und Domdekan in Freiburg
59
Nein
Anton Knörzer
Pfarrer in Heddesheim bei Heidelberg
55
Ja
Georg Ignaz Komp, Dr. theol. et phil.
Bischof von Fulda
70
Ja
Friedrich Werber
Dekan und Stadtpfarrer in Radolfzell
55
Nein
858
anhang
Wahlliste des Metropolitankapitels vom 3. Juni 1898 Name u. ggf. akadem. Grad
Tätigkeit
Alter Persona grata
Jakob Augustin Brettle
Pfarrer in Glottertal
47
Ja
Thomas Nörber
Klosterpfarrer in Baden-Baden 52
Ja
Franz Xaver Mutz, Dr. theol.
Regens in St. Peter
44
Ja
Artur Steinam, Dr. theol.
Pfarrkurat in Schopfheim
44
Nein
Karl Ernst Schrod
Weihbischof in Trier
57
Nein
Maximilian Gereon Graf von Galen, Dr. theol. et phil.
Weihbischof in Münster
66
Nein
Adam Keller
Stadtpfarrer in Wiesbaden, Prälat
59
Nein
Peter Josef Schenk
Kreisschulrat in Offenburg
48
Ja
859
anhang
Württemberg BISTUM ROTTENBURG
Wahlliste des Domkapitels vom 6. Juni 1898 Name u. ggf. akadem. Grad
Tätigkeit
Alter Persona grata
Otmar von Ege
Domkapitular in Rottenburg
51
Ja
Joseph Eisenbarth
Superior der Barmherzigen Schwestern in Untermarchtal
54
Ja
Leo Hepp, Dr. phil.
Gymnasialdirektor in Ehingen/ 55 Donau
Ja
Franz Xaver Linsenmann, Dr. theol., lic. theol.
Domkapitular in Rottenburg
63
Ja
Karl Möhler
Rektor des Lehrerseminars in 48 Saulgau
Ja
Paul Schanz, Dr. theol. et phil.
Professor für Dogmatik in Tübingen
57
Ja
Joseph Anton Sporer
Domkapitular in Rottenburg
60
Ja
Paul Stiegele
Regens am Priesterseminar in 51 Rottenburg u. designierter Domkapitular
Ja
Julius Walser
Domkapitular in Rottenburg
Ja
52
860
anhang
Wahlliste des Domkapitels vom 11. Oktober 1898 Name u. ggf. akadem. Grad
Tätigkeit
Alter Persona grata
Otmar von Ege
Domkapitular in Rottenburg
51
Ja
Joseph Eisenbarth
Superior der Barmherzigen 54 Schwestern in Untermarchtal
Ja
Leo Hepp, Dr. phil.
Gymnasialdirektor in Ehingen/ 55 Donau
Ja
Karl Möhler
Rektor des Lehrerseminars in 48 Saulgau
Ja
Paul Schanz, Dr. theol. et phil.
Professor für Dogmatik in Tü- 57 bingen
Ja
Joseph Anton Sporer
Domkapitular in Rottenburg
60
Ja
Paul Stiegele
Regens am Priesterseminar in 51 Rottenburg u. designierter Domkapitular
Ja
Julius Walser
Domkapitular in Rottenburg
52
Ja
Paul Wilhelm Keppler, Dr. theol. Professor für Moraltheologie 46 in Freiburg im Breisgau
Ja
Richard Wahl, Dr. phil.
Ja
Beamter im Kath. Kirchenrat 44 in Stuttgart
861
anhang
WANDEL DER STAATLICHEN ZUSTIMMUNG UND ABLEHNUNG VON BISCHOFSKANDIDATEN 1885–1914 Bischofswahl/Jahr
Anzahl der Kandidaten
davon genehm
mindergenehm
Limburg 1885
7
5
2
Köln 1885
Ohne Liste
Ermland 1885
Ohne Liste
Gnesen-Posen 1886
Ohne Liste
Mainz 1886
Ohne Liste
Kulm 1886
6
1
5
Limburg 1886
Ohne Liste
Freiburg 1886
8
4
4
Fulda 1887
6
3
3
Breslau 1887
6
0
6
Münster 1889
5
3
2
Gnesen-Posen 1890
6
0
6
Paderborn 1891
5
3
2
Fulda 1894
5
3
2
Freiburg 1896
5
1
4
Limburg 1898
10
5
5
Freiburg I 1898
5
2
3
Freiburg II 1898
8
4
4
Fulda 1898
6
4
2
Osnabrück 1898
5
3
2
862
anhang
Kulm 1898
6
2
4
Kulm 1898 2. Liste
6
5
1
Rottenburg I 1898
9
9
0
Rottenburg II 1898
10
10
0
Köln 1899
5
3
1 (+1 verstorben)
Mainz 1899
6
3
3
Paderborn 1900
5
3
2
Köln 1902
6
4
2
Mainz 1903
6
6
0
Gnesen-Posen 1907
6
nicht zurückgegeben
Hildesheim 1906
6
6
0
Fulda 1906/07
7
7
0
Ermland 1908
5
5
0
Paderborn 1909
5
5
0
Münster 1911
5
5
0
Köln 1912
6
6
0
Münster 1913
5
4
1
Limburg 1913
6
3
3
Osnabrück 1914
5
5
0
Breslau 1914
6 (nicht offiziell eingereicht) 1
5
Gnesen-Posen 1914
Ohne Liste
Hildesheim 1914
4
4
0
863
anhang
BISCHOFSWAHLEN/ -ERNENNUNGEN 1886/1887–1914/1915
Alphabetische Übersicht nach Staaten des Deutschen Reichs und deren Diözesen Die Jahreszahlen geben das Jahr der Ernennung und nicht unbedingt das Jahr der Konsekration wieder. Akademische Titel wurden nicht aufgenommen.
I. BADEN
1. Freiburg/Breisgau 1886 Johannes Christian Roos 1898 Georg Ignaz Komp (vor Amtsantritt gestorben) 1898 Thomas Nörber Weihbischof 1894 Friedrich Justus Knecht
II. BAYERN
1. Augsburg 1895 Petrus von Hötzl OFM 1902 Maximilian von Lingg Weihbischof 1911 Peter Göbl
2. Bamberg 1891 Joseph von Schork 1905 Friedrich Philipp von Abert 1912 Jacobus von Hauck Weihbischof 1912 Adam Senger
864
anhang
3. Eichstätt 1905 Johannes Leo von Mergel OSB
4. München und Freising 1889 Antonius von Thoma 1897 Franz Joseph von Stein 1909 Franziskus von Bettinger Weihbischof 1911 Johann Baptist von Neudecker
5. Passau 1889 Antonius von Thoma 1889 Michael von Rampf 1901 Antonius von Henle 1906 Sigismund Felix Freiherr von Ow-Felldorf
6. Regensburg 1906 Antonius von Henle Weihbischöfe 1901 Sigismund Felix Freiherr von Ow-Felldorf 1911 Johann Baptist Hierl
7. Speyer 1905 Konrad von Busch 1911 Michael von Faulhaber
8. Würzburg 1898 Ferdinand von Schlör
865
anhang
III. HESSEN-DARMSTADT
1. Mainz 1886 Paul Leopold Haffner 1899 Heinrich Brück 1904 Georg Heinrich Kirstein
IV. OLDENBURG
Bischöflich Münstersche Offiziale in Vechta 1888 Anton Stukenborg 1890 Bernhard Grobmeyer
V. PREUSSEN
1. Breslau 1887 Georg von Kopp 1914 Adolf Bertram Weihbischöfe 1900 Heinrich Marx 1910 Karl Augustin
2. Ermland 1886 Andreas Thiel 1908 Augustinus Bludau Weihbischof 1901 Eduard Herrmann
3. Fulda 1887 Joseph Weyland 1894 Georg Ignaz Komp
866
anhang
1898 Adalbert Endert 1906 Joseph Damian Schmitt
4. Gnesen und Posen 1886 Julius Dinder 1891 Florian Oksza von Stablewski 1914 Eduard Likowski 1915 Edmund Dalbor Weihbischöfe in Gnesen 1888 Johann Ignaz Korytkowski (vor der Weihe gestorben) 1890 Antoni Andrzejewicz 1910 Wilhelm Kloske Weihbischöfe in Posen 1887 Eduard Likowski 1915 Paul Jedzink
5. Hildesheim 1906 Adolf Bertram 1915 Joseph Ernst
6. Köln 1899 Hubert Theophil Simar 1903 Antonius Fischer 1912 Felix von Hartmann Weihbischöfe 1889 Antonius Fischer 1893 Hermann Joseph Schmitz 1903 Joseph Müller 1914 Peter Joseph Lausberg
7. Kulm 1886 Leo Redner 1898 Augustinus Rosentreter Weihbischöfe 1905 Johannes Trepnau 1907 Jakob Klunder
867
anhang
8. Limburg 1886 Karl Klein 1898 Dominikus Willi OCist. 1913 Augustinus Kilian
9. Münster 1889 Hermann Dingelstad 1911 Felix von Hartmann 1913 Johannes Poggenburg Weihbischöfe 1895 Maximilian Gereon Graf von Galen 1909 Everhard Illigens 1914 Theodor Kappenberg
10. Osnabrück 1899 Hubert Voß 1914 Wilhelm Berning
11. Paderborn 1891 Hubert Theophil Simar 1900 Wilhelm Schneider 1910 Karl Joseph Schulte Weihbischöfe 1890 Augustinus Gockel 1912 Heinrich Hähling von Lanzenauer
12. Trier Weihbischöfe 1887 Heinrich Feiten 1894 Karl Ernst Schrod 1915 Antonius Mönch
868
anhang
13. Glatz (Großdechanten und Fürsterzbischöfliche Vikare von Prag) 1889 Ernst Mandel 1901 Wilhelm Hohaus 1910 Edmund Scholz
14. Katscher (Fürsterzbischöfliche Kommissare von Olmütz) 1893 Robert Sterz 1907 Ignaz Maiß
Preußische Feldpropstei 1888 Johann Baptist Assmann 1904 Heinrich Vollmar 1914 Heinrich Joeppen
VI. REICHSLAND ELSASS-LOTHRINGEN
1.Metz 1886 Franz-Ludwig Fleck 1901 Willibrord Benzler OSB
2. Straßburg 1887 Peter Paul Stumpf 1891 Adolf Fritzen Weihbischöfe 1891 Karl Marbach 1901 Franz Zorn von Bulach
869
anhang
VII. SACHSEN
Apostolische Administratoren des Bistums Meißen und Apostolische Vikare/Präfekten von Sachsen 1890/1891 Ludwig Wahl 1901 Carl Jakob Maaz 1903 Georg Wuschanski 1906 Aloys Schaefer 1915 Franz Löbmann
VIII. WÜRTTEMBERG
1. Rottenburg 1893 Wilhelm von Reiser 1898 Franz Xaver von Linsenmann (vor Konsekration und Amtsantritt gestorben) 1898 Paul Wilhelm von Keppler Weihbischof (mit Nachfolgerecht) 1886 Wilhelm Reiser
870
anhang
ALPHABETISCHES REGISTER DER 1886/87 BIS 1914/15 GEWÄHLTEN BZW. ERNANNTEN BISCHÖFE Friedrich Philipp von Abert (Bamberg) Anton Andrzejewicz (Weihbischof Gnesen) Johann Baptist Assmann (Militärbischof) Karl Augustin (Weihbischof Breslau) Willibrord Benzler OSB (Metz) Wilhelm Berning (Osnabrück) Adolf Bertram (Hildesheim/Breslau) Franziskus von Bettinger (München und Freising) Augustinus Bludau (Ermland) Heinrich Brück (Mainz) Konrad von Busch (Speyer) Julius Dinder (Gnesen und Posen) Hermann Dingelstad (Münster) Adalbert Endert (Fulda) Joseph Ernst (Hildesheim) Michael von Faulhaber (Speyer) Heinrich Feiten (Weihbischof Trier) Antonius Fischer (Weihbischof Köln/Köln) Franz Ludwig Fleck (Metz) Adolf Fritzen (Straßburg) Maximilian Gereon Graf von Galen (Weihbischof Münster) Augustinus Gockel (Weihbischof Paderborn) Peter Göbl (Weihbischof Augsburg) Bernhard Grobmeyer (Bischöflich Münsterscher Offizial Oldenburg) Heinrich Hähling von Lanzenauer (Weihbischof Paderborn) Paul Leopold Haffner (Mainz) Felix von Hartmann (Münster/Köln) Jacobus von Hauck (Bamberg) Antonius von Henle (Passau/Regensburg) Eduard Herrmann (Weihbischof Ermland) Johann Baptist Hierl (Weihbischof Regensburg) Petrus von Hötzl OFM (Augsburg) Wilhelm Hohaus (Großdechant Glatz)
anhang
871
Everhard Illigens (Weihbischof Münster) Paul Anton Jedzink (Weihbischof Posen) Heinrich Joeppen (Militärbischof) Theodor Kappenberg (Weihbischof Münster) Paul Wilhelm von Keppler (Rottenburg) Augustinus Kilian (Limburg) Georg Heinrich Kirstein (Mainz) Karl Klein (Limburg) Wilhelm Kloske (Weihbischof Gnesen) Jakob Klunder (Weihbischof Kulm) Friedrich Justus Knecht (Weihbischof Freiburg) Georg Ignaz Komp (Fulda/Freiburg) Georg von Kopp (Fulda/Breslau) Johann Ignaz Korytkowski (Weihbischof Gnesen) Peter Joseph Lausberg (Weihbischof Köln) Eduard Likowski (Weihbischof Posen/Gnesen-Posen) Maximilian von Lingg (Augsburg) Franz Xaver von Linsenmann (Rottenburg) Franz Löbmann (Meißen bzw. Sachsen) Carl Jakob Maaz (Sachsen) Ignaz Maiß (Kommissar Katscher) Ernst Mandel (Großdechant Glatz) Karl Marbach (Weihbischof Straßburg) Heinrich Marx (Weihbischof Breslau) Johannes Leo von Mergel OSB (Eichstätt) Antonius Mönch (Weihbischof Trier) Joseph Müller (Weihbischof Köln) Johann Baptist von Neudecker (Weihbischof München und Freising) Thomas Nörber (Freiburg) Sigismund Felix Freiherr von Ow-Felldorf (Weihbischof Regensburg/Passau) Johannes Poggenburg (Münster) Michael von Rampf (Passau) Leo Redner (Kulm) Wilhelm von Reiser (Weihbischof/Koadjutor Rottenburg/Rottenburg) Johannes Christian Roos (Limburg/Freiburg) Augustinus Rosentreter (Kulm)
872
Aloys Schaefer (Meißen bzw. Sachsen) Ferdinand von Schlör (Würzburg) Joseph Damian Schmitt (Fulda) Hermann Joseph Schmitz (Weihbischof Köln) Wilhelm Schneider (Paderborn) Edmund Scholz (Großdechant Glatz) Joseph von Schork (Bamberg) Karl Ernst Schrod (Weihbischof Trier) Karl Joseph Schulte (Paderborn) Adam Senger (Weihbischof Bamberg) Hubert Theophil Simar (Paderborn/Köln) Florian Oksza von Stablewski (Gnesen und Posen) Franz Joseph von Stein (Würzburg/München und Freising) Robert Sterz (Kommissar Katscher) Anton Stukenborg (Bischöflich Münsterscher Offizial Oldenburg) Peter Paul Stumpf (Straßburg) Andreas Thiel (Ermland) Antonius von Thoma (Passau/München und Freising) Johannes Trepnau (Weihbischof Kulm) Heinrich Vollmar (Militärbischof) Hubert Voß (Osnabrück) Ludwig Wahl (Meißen bzw. Sachsen) Joseph Weyland (Fulda) Dominikus Willi OCist (Limburg) Georg Wuschanski (Meißen bzw. Sachsen) Franz Zorn von Bulach (Weihbischof Straßburg)
anhang
Quellen- und Literaturverzeichnis QUELLEN
Kirchliche Archive Archivio Segreto Vaticano (ASV) Archivio della Nunziatura di Monaco (ANM) Morte e Nomina dei Vescovi [Tod und Ernennung von Bischöfen] scatolae 159 Limburgo, Warmia, Friburgo, Magonza, Breslavia 1886 160 Gnesna-Posen, Limburgo 1886 168 Passavia, Fuldensis 1887, Gnesna-Posen 1886 172 Monaco 1889 173 Monasterium 1889 174 Strasburgo 1891, Bambergo 1891, Paderborn 1891 182 Friburgo 1896–1898, Fuldensis 1894, Bambergo 1891 188 Friburgo 1898 190 Colonia 1899, Magonza 1899, Metz 1899–1901 191 Colonia 1902/03, Augsburgo 1902 196 Collaborazione del stato elezioni dei vescovi 197 Warmia auxiliare 1901, Metz 1901, Magonza 1900, Paderborn 1900, Passavia 1901 198 Colonia 200 Magonza 1902/03, Sassonia 1902, Prussia Cappellano Castrense 1903/04, Colonia auxiliare 205 Bambergo 1905, Culmo auxiliare 1906, Eichstätt 1905, Fulda 1906, Gnesna-Posen 1906, Hildesheim 1906, Ratisbona 1906, Spira 1905 240 Colonia auxiliare 1888, Monaco 1889, Passavia 1889 261 Sassonia 1914/15, Prussia Capellano Castrense 1913 264 Gnesna-Posen 1914/15 265 Warmia 1908/09, Breslavia auxiliare 1911, Limburgo 1913, Breslavia 1914, Treviri auxiliare 1914, Hildesheim 1915 266 Monasterium auxiliare 1908, Monasterium 1911/12, Monasterium 1913, Colonia 1912, Colonia auxiliare 1914
874
quellen- und literaturverzeichnis
267 Paderborn 1909/10, Paderborn auxiliare 1912, Osnabrück 1914 268 Monaco 1909 270 Bambergo 1912 272 Spira 1910/11 273 Bavaria vescovi auxiliari 1909–1912 Archivio della Segretaria di Stato (SS) Rubrica 247, Anno 1887 Rubrica 247, Anno 1890 Rubrica 247, Anno 1891 Rubrica 247, Anno 1892 Rubrica 247, Anno 1893 Rubrica 247, Anno 1894 Rubrica 247, Anno 1896 Rubrica 247, Anno 1898 Rubrica 247, Anno 1899 Rubrica 247, Anno 1904 Rubrica 255, Anno 1888 Rubrica 255, Anno 1889 Rubrica 255, Anno 1890 Rubrica 255, Anno 1891 Rubrica 255, Anno 1892 Rubrica 255, Anno 1895 Rubrica 255, Anno 1898 Rubrica 255, Anno 1902 Rubrica 255, Anno 1913 Rubrica 255, Anno 1914 Archivio della Sacra Congregazione degli Affari Ecclesiastici Straordinari (AES) Germania Anno 1886/87, pos. 1293, fasc. 743 Breslavia Anno 1887, pos. 1297, fasc. 744 Posen auxiliare Anno 1887, pos. 1309, fasc. 749 Treviri auxiliare Anno 1887, pos. 1317, fasc. 752 Fulda Anno 1887/88, pos. 1324, fasc. 755 Prussia Cappellano Castrense Anno 1889, pos. 1347, fasc. 760 Monasterium Anno 1889, pos. 1349, fasc. 760 Monasterium Anno 1889, pos. 1354, fasc. 760 Würzburg Anno 1889, pos. 1356, fasc. 761 Passavia
quellen- und literaturverzeichnis
Anno 1889 pos. 1365, fasc. 764 Paderborn auxiliare Anno 1889/1890, pos. 1366, fasc. 764 Gnesna auxiliare Anno 1891, pos. 1374, fasc. 765 Sassonia Anno 1891, pos. 1383, fasc. 769 Gnesna-Posen Anno 1891, pos. 1388, fasc. 769 Paderborn Anno 1891, pos. 1391, fasc. 770 Gnesna-Posen Anno 1891, pos. 1392, fasc. 770 Strasburgo Anno 1893, pos. 1399, fasc. 771 Colonia auxiliare Anno 1894–1898, pos. 1471, fasc. 785 Limburgo, Friburgo Anno 1898, pos. 1472, fasc. 785 Limburgo Anno 1898, pos. 1474, fasc. 786 Osnabrück Anno 1898, pos. 1479, fasc. 786 Kulm Anno 1898, pos. 1491, fasc. 791 Osnabrück Anno 1899, pos. 1495, fasc. 792 Colonia Anno 1900 pos. 1508, fasc. 796 Paderborn Anno 1900, pos. 1500, fasc. 796 Magonza Anno 1900, pos. 1505, fasc. 796 Sassonia Anno 1900, pos. 1508, fasc. 796 Paderborn Anno 1903, pos. 1538, fasc. 815 Sassonia Anno 1903, pos. 1542, fasc. 816 Prussia Cappellano Castrense Anno 1903, pos. 1543, fasc. 816 Sassonia-Lusazia Anno 1903/04, pos. 1554, fasc. 816 Magonza Anno 1906, pos. 1557, fasc. 825 Sassonia Anno 1905–1906, pos. 1559, fasc. 825 Hildesheim Anno 1906–1907, pos. 1565, fasc. 833 Fulda Anno 1906–1908, pos. 1569, fasc. 833 Gnesna-Posen Archiwum Archidiecezjalne Wrocław (AAW) [Erzbischöfliches Diözesanarchiv Breslau] I A 25: B 175: Bischofswahl 1914 I A 25: a96: Bischofswahl 1914 IV 22: Briefe Kardinal Kopp an Geheimrat Dr. Porsch Archiwum Archidiecezjii Warmińskiej w Olsztyniu (AAWO) [Erzbischöfliches Diözesanarchiv Ermland in Allenstein] AB IV H2: Personalakte Eduard Herrmann AK I: B 20/XIII: Bischofswahl Andreas Thiel 1885/1886 B 20/XV: Bischofswahl Augustinus Bludau 1908/1909
875
876
quellen- und literaturverzeichnis
Bistumsarchiv Fulda (BA Fulda) BGV Fulda, Fasz. 3b: Bischofswahl 1887 4: Bischof Joseph Damian Schmitt Domkapitel Fulda Acta Nr. 37: Tod Erzbischof Komp Personalakte Adalbert Endert Personalakte Georg Ignaz Komp Personalakte Joseph Damian Schmitt Erzbischöfliches Archiv Freiburg (EAF) B 1–93: Einzelne Aktenstücke und Briefe über die Erzbischofswahlen 1896–1898 Bistumsarchiv (BA) Hildesheim Domkapitel 55: Wahl des Bischofs Dr. Adolf Bertram zum Fürstbischof von Breslau Domkapitel 57: Bischofswahl 1906 Bischöfliche Kurie VI 2a (295): Bestätigung der Bischofswahl Adolf Bertrams 1906 und dessen Translation auf den Fürstbischöflichen Stuhl von Breslau 1914 Historisches Archiv des Erzbistums Köln Metropolitankapitel (MK) Titel 2: Erzbischof 2.18.1: Sedisvakanzen und Neubesetzungen 1885–1920 3.1: Die Ernennung und Konsekration der Herren Weihbischöfe der Erzdiözese Köln 1825–1932 2.5: Personalia der Herren Erzbischöfe 1825–1920 6.2.3: Die Erledigung resp. Wiederbesetzung erledigter Domherrenpfründen 1888–1919 Diözesanarchiv Limburg Karteikarten aus der Priesterkartei Schematismen
quellen- und literaturverzeichnis
877
Dom- und Diözesanarchiv Mainz (DDAMZ) C 1.12: Domkapitelsakten Wahl von Bischof Heinrich Brück C 2.1: Domkapitelsakten Wahl von Bischof Georg Kirstein Nachlass Heinrich Brück Nachlass Georg Kirstein Erzbischöfliches Archiv München und Freising (EAM) Nr. 4c: Erzbischöfe 1821–1917 Nr. 5/2: Verhältnis zu anderen Bischöfen Diözesanarchiv (DA) Münster Priesterkartei DA AA I A 37: Bischofswahl 1911 DA AA I A 38: Bischofswahl 1913 DA A 2 Carl Berghaus, Erinnerungen (ungedrucktes Manuskript mit Ergänzungen von Schröer, Alois), o.O. o.J. (ca. 1965). Bistumsarchiv Osnabrück (BAOS) Personalakte Bischof Wilhelm Berning Personalakte Bischof Hubert Voß Personalakte Quaink 03–28–06–01: Protokolle des Domkapitels
Diözesanarchiv Würzburg (DAW) Bischöfliche Manualakten A.6.1.: Ernennung der Domkapitulare 1823 ff. Personaldokumentation Franz Joseph von Stein Personaldokumentation Ferdinand von Schlör
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Staatliche Archive Bundesarchiv (BArch) Berlin-Lichterfelde R 43: 887: Akten betr. Kirche und Staat (kath.) 889: Papst und Kurie 890: Erzbischöfe und Bischöfe R 5101: 21795: Ernennung von Weihbischöfen 21805: Die deutschen Bischofsstühle: Osnabrück 21951: Preußischer Anteil der Erzdiözese Prag 22223: Die deutschen Bischofsstühle: Freiburg 22224: Die deutschen Bischofsstühle: Fulda 22226: Die deutschen Bischofsstühle: Hildesheim 22234: Die deutschen Bischofsstühle: Paderborn 22237: Ernennung deutscher Bischöfe zu Kardinälen bzw. Kurienkardinälen 22327: Eidesleistung der katholischen Erzbischöfe und Bischöfe 23308: Angelegenheiten der Domkapitel 23342: Einzelne Domkapitel: Hildesheim 24011: Einfluss des preußischen Staates auf die Wahl bzw. Ernennung katholischer Bischöfe Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes (PA AA) Berlin Preußen 2, Nr. 1c: Verhandlungen mit der Kurie über das Einspruchsrecht des Staates Preußen 2, Nr. 2: Katholische Bistümer – Generalia Preußen 2, Nr. 2a: Das Erzbistum Breslau Preußen 2, Nr. 2b: Das Erzbistum Köln Preußen 2, Nr. 2c: Das Bistum Fulda Preußen 2, Nr. 2d: Das Bistum Limburg Preußen 2, Nr. 2e: Das Bistum Münster Preußen 2, Nr. 2f: Das Bistum Osnabrück Preußen 2, Nr. 2g: Das Bistum Paderborn Preußen 2, Nr. 2h: Das Erzbistum Posen Preußen 2, Nr. 2i: Das Bistum Trier Preußen 2, Nr. 2m: Das Bistum Ermland Preußen 2, Nr. 2n: Das Bistum Kulm Preußen 2, Nr. 2o: Das Bistum Hildesheim
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Preußen 2, Nr. 2p: Der preußische Teil des Erzbistums Prag Preußen 2, Nr. 1q: Der preußische Teil des Erzbistums Olmütz Baden Nr. 32 Bayern Nr. 53 u. Nr. 61 Elsass-Lothringen (EL) Italien, Nr. 53 u. Nr. 66 Päpstlicher Stuhl 3, Nr. 2: Kirchliche Würdenträger Päpstlicher Stuhl 3, Nr. 24: Entsendung des Prof. Freiherr von Hertling nach Rom Sachsen Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (GStA PK) Berlin I. HA, Rep. 76 KM IV, Sekt. 1a, Abt. I I. HA Rep. 76 KM IV, Sekt. 7, Abt. II III. HA, Abt. I. III. HA, kath. Kirche Nr. 7, Nr. 1379 III. HA, MdA I IV. HA Nachlass Bosse Tagebuch des Kultusministers Julius Robert Bosse, Nr. 8 IV. HA Nachlass Studt Sächsisches Hauptstaatsarchiv (SHStA) Dresden Best. 10711: Ministerium des Königlichen Hauses Best. 10717: Ministerium des Auswärtigen Best. 11125: Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts Nr. 10865 Errichtung eines Landesbistums Nr. 10903 Regulierung des Verhältnisses der katholisch-geistlichen Behörden zur Staatsregierung
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Nr. 10980 Ernennung eines Apostolischen Vikars für die sächsischen Erblande Nr. 10999 Beschwerden gegen katholische Geistliche Nr. 11222: Dekanatswahl beim Domstift St. Petri zu Bautzen Niedersächsisches Landesarchiv – Hauptstaatsarchiv (NHStA) Hannover OP Hann 122a Nr. 3699: Die für höhere kirchliche Stellen geeigneten katholischen Geistlichen 1882–1920 OP Hann 122a, Nr. 3754: Der Bischof der Diözese Hildesheim 1905–1915 OP Hann. 122a, Nr. 3781: Der Bischof der Diözese Osnabrück 1866–1925 OP Hann 122a, Nr. 3782: Die Wahl des Bischofs von Osnabrück 1898/99 Badisches Generallandesarchiv (GLA) Karlsruhe Haus- und Staatsarchiv 48/5449: Die Besetzung des Erzbischöflichen Stuhles in Freiburg 1872–1906 Staatsministerium 233/10659: Die Aufstellung von Weihbischöfen 233/27777: Die Errichtung eines Erzbistums in Freiburg, dessen Besetzung 1882–1932 Rheinland-Pfälzisches Landeshauptarchiv (LHA) Koblenz Best. 403 Oberpräsidium Koblenz -7480: Weihbischof der Erzdiözese Köln -7497: Weihbischof der Diözese Trier -15754: Bischofswahlen Köln generalia -15755: Eidesformel für die kath. Erzbischöfe und Bischöfe -15802: Bischofsstuhlbesetzungen und Domkapitularsernennungen Münster und Paderborn -15843: Qualifikation kath. Geistlicher zu höheren kirchlichen Stellungen 1886–1901 -15844: Qualifikation kath. Geistlicher zu höheren kirchlichen Stellungen 1902–1914 -15924: Die Wahl des Erzbischofs von Köln 1899 -15925: Die Wahl des Erzbischofs von Köln 1902 -15926: Die Wahl des Erzbischofs von Köln 1902/03 -15927: Die Wahl des Erzbischofs von Köln 1902/03 -15992: Mitglieder des Metropolitankapitels zu Köln und des Kollegiatstifts zu Aachen -16002: Neubesetzung erzbischöflicher Stuhl Köln 1912 und bischöflicher Stuhl in Osnabrück 1914 -16022: Domgeistlichkeit und Beamte des Bistums Trier 1887
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-16023: Domgeistlichkeit und Beamte des Bistums Trier 1887–1901 -16025: Domgeistlichkeit und Beamte des Bistums Trier 1908–1913 -16026: Domgeistlichkeit und Beamte des Bistums Trier 1913–1916 -16052: Wiederbesetzung des erzbischöflichen Stuhles zu Köln 1864–1902 -16054: Domgeistlichkeit und Beamte der Erzdiözese Köln 1886–1896 -16055: Domgeistlichkeit und Beamte der Erzdiözese Köln 1896–1902 -16057: Domgeistlichkeit und Beamte der Erzdiözese Köln 1909–1918 Best. 442 -9650 Landesarchiv Baden-Württemberg - Staatsarchiv (BWStA) Ludwigsburg BWStA Ludwigsburg E 210 Bü 120 Hessisches Staatsarchiv Marburg (HStAMR) Best. 150: Oberpräsidium der Provinz Hessen-Nassau 1073: Domkapitel zu Fulda 1867–1894 1629: Bischof von Fulda 1873–1893 1630: Bischof von Fulda 1894–1930 1706: Domkapitel zu Fulda 1895–1907 2339: Bischof von Limburg 1884–1902 2342: Domkapitel zu Limburg 1868–1886 Best. 165: Regierung Kassel 1209: Religiöse Agitationen gegen die Staatsregierung 1876–1904 4226: Religiöse Agitationen gegen die Staatsregierung 1907–1911 5279: Katholische Kirchenangelegenheiten im Allgemeinen 5513: Generalberichte der Landräte 5514: Generalberichte der Landräte (Die Registratur wurde bei der Zerstörung des Oberpräsidialgebäudes in Kassel am 22.10.1943 vernichtet.) Archives départementales de la Moselle, Saint-Julien-lès-Metz 7AL 62, 29J186, 29J258, 29J259, 29 J 261, 29 J 592, 29 J 917 Bayerisches Hauptstaatsarchiv (BHStA) München Bayerisches Staatsministerium des Äußern (MA) 98689: Die Nachfolge des Bischofs Georg Wunschanski 1906 99296: Bistum Würzburg: Bischof 1897–1924
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99392: Die Ernennung des Erzbischofs Stein und des Bischofs Henle zu päpstlichen Thronassistenten 1903 99406: Päpstlicher Stuhl: Bischofsernennungen – Allgemeines 1902–1915 99408: Außerbayerische Bischöfe 1911–1916 99412: Die Besetzung des Erzbischöflichen Stuhls zu Bamberg 99413: Erzbischöflicher Stuhl in Bamberg 99414: Die Besetzung des Bischöflichen Stuhles in Regensburg 99417: Die Besetzung des Bischöflichen Stuhles in Speyer 99418: Der Vollzug des Art. IX des Konkordates, hier Besetzung des bischöflichen Stuhles in Augsburg 1902–1908 99421: Der Vollzug des Art. IX des Konkordates, hier Besetzung des erzbischöflichen Stuhles von München-Freising 1897–1916 Gesandtschaft beim Päpstlichen Stuhl (Ges PS) 725, 739, 745, 751, 775: Korrespondenz des Gesandten mit der Regierung 848: Die Ernennung von Bischöfen in Bayern 855: Die Ernennung zum päpstlichen Thronassistenten 867: Wechsel in der Münchener Nuntiatur 1900 888: Ernennung von Weihbischöfen 1909–1911 917: Ableben Kardinal Kopp/Wahl Bischof Bertram Bayerisches Staatsministerium des Innern (MInn) 47154: Reichsräte aus der Zahl der Bischöfe und der Präsidenten des protestantischen Oberkonsistoriums Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus (MK) 38943. Päbstliche [sic!] Nuntiatur in München 1820–1907 38949: Kardinals-Ernennungen 38980: Suffragan- und Weihbischöfe 38990: Bistum Augsburg: Bischof 1883–1948 38991: Bistum Augsburg: Ernennung des Dompropstes Dr. Lingg zum Bischof 39030: Bistum Eichstätt: Bischof 1904–1921 49161: Bistum Augsburg: Weihbischof 1911–1922 49183: Erzbistum Bamberg: Weihbischof 49242: Bistum Passau: Bischof Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Westfalen [Staatsarchiv Münster] (StAMS) OP 1922: Kirchenpolitische (katholische) Vorgänge 1884–1906 OP 1929: Päbstliche [sic!] Angelegenheiten 1886–1914 OP 1930: Wahl des Bischofs von Paderborn
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OP 1931: Das Domkapitel zu Paderborn OP 1938: Wahl des Bischofs von Münster OP 1939: Besetzung erledigter Domherrenstellen in Münster OP 1987: Katholische Geistliche, die sich für höhere Stellen eignen 1881– 1920 OP 2005: Das Priesterseminar zu Münster 1886–1912 RP Münster 17199: Wahl der Bischöfe und Kapitularvikare 1841ff. RP Münster 17205: Ernennung der Weihbischöfe 1746–1895 RP Münster 17225: Für höhere Stellen geeignete Geistliche 1889ff. Niedersächsisches Landesarchiv – Staatsarchiv Oldenburg (StAOL) Best. 134, 519 Korrespondenz mit den Bischöfen und Weihbischöfen von Münster 1870–1956 Best. 134, 520: Bischöfliches Offizialat in Vechta 1859–1933 Best. 134, Personalakten Nr. 357 (Anton Stukenborg) u. 408 (Bernhard Grobmeyer) Best. 160, 2761 Best. 166 Best. 262, 11 Niedersächsisches Landesarchiv – Staatsarchiv Osnabrück (StAOS) StAOS Rep 430 Dez 400: Nr. 1744: Staatliche Bestätigung der neu eingesetzten Bischöfe 1866–1914 Nr. 1745: Wahl von Wilhelm Berning zum Bischof von Osnabrück Nr. 1746: Wiederbesetzung erledigter Kanonikate bei der Domkirche in Osnabrück Archives départementales du Bas-Rhin, Strasbourg 1VP/PP26 u. 27, 29–33 1VP189 1VP192 u. 193 Landesarchiv Baden-Württemberg – Hauptstaatsarchiv (BWHStA) Stuttgart HStA Stuttgart E 14 Bü 1450 Haus-, Hof- und Staatsarchiv (HHStA) Wien Politisches Archiv (PA) PA XL: Interna Liasse LX/25: Ernennung von Bischöfen 1913–1918
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quellen- und literaturverzeichnis
PA XL: Rom-Vatikan IV I Fasc. 16: Posen-Gnesen 1914 PA XI 250: Weihbischof in Breslau 1910/11 PA XL 240: Vatikan, Weisungen 1899/1900 PA XI 252: Vatikan, Weisungen 1913–1914 Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden (HHStAWI) Abt. 405: Regierung Wiesbaden, Kirchen und Schulen 12642: Für den höheren Kirchendienst geeignete Geistliche 12690 Für den höheren Kirchendienst geeignete Geistliche 19318 Der Bischöfliche Stuhl zu Limburg Abt. 411: Landratsamt Limburg 1445: Für ein höheres kirchliches Amt geeignete Persönlichkeiten Bayerisches Staatsarchiv Würzburg (BStAW) Akt Nr. 8271: Würzburger Domkapitel, Ordinariat
quellen- und literaturverzeichnis
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GEDRUCKTE QUELLEN UND LEBENSERINNERUNGEN Albrecht, Dieter (Hrsg. u. Bearb.), Die Protokolle der Landtagsfraktion der Bayerischen Zentrumspartei 1893–1914, Bd. I: 1893–1899, München 1989. Baumgarten, Paul Maria, Römische und andere Erinnerungen, Düsseldorf 1927. Becker, Josef, Zum Ringen um die Nachfolge Erzbischof Hermann von Vicaris 1868. Die Voten der Domkapitulare Orbin, Schmidt, Haitz und Kössing, eingeleitet und veröffentlicht, in: FDA, Bd. 88 (1968), S. 380–427. Becker, Winfried (Hrsg.), Georg von Hertling 1843–1919 (Quellentexte zur Geschichte des Katholizismus), Paderborn u.a. 1993. Benzler, Willibrord, Erinnerungen aus meinem Leben, hrsg. v. Pius Bihlmeyer, Beuron 1922. Brauner, Joseph (Hrsg.), Briefe von Joseph Guerber an den jungen Carl Marbach, den späteren Weihbischof von Straßburg aus den Jahren 1859 bis 1871, in: Archiv für elsässische Kirchengeschichte, Bd. 8 (1933), S. 371–448. Bülow, Bernhard Fürst von, Denkwürdigkeiten, 4 Bde., Berlin 1930/1931. Bussmann, Walter (Hrsg.), Staatssekretär Graf Herbert von Bismarck. Aus seiner politischen Privatkorrespondenz (Deutsche Geschichtsquellen, Bd. 44), Göttingen 1964. Cardauns, Hermann, Aus dem Leben eines deutschen Redakteurs, Köln 1912. Fuchs, Walther Peter (Hrsg.), Großherzog Friedrich I. von Baden und die Reichspolitik 1871–1907. 3. Bd.: 1890–1897 (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, A, Bd. 31), Stuttgart 1980. Fuchs, Walther Peter (Hrsg.), Großherzog Friedrich I. von Baden und die Reichspolitik 1871–1907, 4. Bd.: 1898–1907 (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, A, Bd. 32), Stuttgart 1980. Gatz, Erwin, Akten der Fuldaer Bischofskonferenz 1888–1899 (VKZG, A, Bd. 27), Mainz 1979. Gatz, Erwin (Bearb.), Akten zur preußischen Kirchenpolitik in den Bistümern Gnesen-Posen, Kulm und Ermland 1885–1914. Aus dem Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes (VKZG, A, Bd. 21), Mainz 1977. Gutberlet, Konstantin, Eine Selbstbiographie. Hrsg. von Dr. Karl A. Leimbach, Fulda 1930. Greipl, Egon Johannes, Ein deutscher Kurienkardinal im 19. Jahrhundert. Briefe Joseph Hergenröthers (1824–1890) an Bischof Franz Leopold Frh. v. Leonrod von Eichstätt (1827–1905) aus den Jahren 1879–1890, in: QFIAB, Bd. 63 (1983). Gröber, Conrad, Römisches Tagebuch. Hrsg. v. Johannes Werner, Freiburg/ Breisgau u.a. 2012.
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LITERATUR Folgende Titel werden durchgehend abgekürzt zitiert: Gatz, Bischöfe = Gatz, Erwin (Hrsg.), Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1785/1803–1945. Ein biographisches Lexikon, Berlin 1983. Gatz, Die Bistümer und ihre Pfarreien = Gatz, Erwin (Hrsg.), Die Bistümer und ihre Pfarreien (Geschichte des kirchlichen Lebens in den deutschsprachigen Ländern seit dem Ende des 18. Jahrhunderts, Bd. I), Freiburg 1991. Gatz, Die Bistümer der deutschsprachigen Länder = Gatz, Erwin (Hrsg.), Die Bistümer der deutschsprachigen Länder. Von der Säkularisation bis zur Gegenwart. Ein historisches Lexikon, Freiburg u.a. 2005. Abeln, Heinz-Josef/Lensing, Helmut, Hilling, Nikolaus, in: Emsländische Geschichte, Bd. 15 (2008), S. 374–396. Abmeier, Hans-Ludwig, Zur Biographie des Breslauer Weihbischofs Karl Augustin (1847–1919), in: Oberschlesisches Jahrbuch, Bd. 9 (1993), S. 129–138. AKKZG [Arbeitskreis für kirchliche Zeitgeschichte], Münster, Katholiken zwischen Tradition und Moderne. Das katholische Milieu als Forschungsaufgabe, in: Westfälische Forschungen, Bd. 43 (1993), S. 588–654. AKKZG [Arbeitskreis für kirchliche Zeitgeschichte], Münster, Konfession und Cleavages im 19. Jahrhundert. Ein Erklärungsmodell zur regionalen Entstehung des katholischen Milieus in Deutschland, in: HJb, Bd. 120 (2000), S. 358–395, u. in: Horstmann, Johannes/Liedhegener, Antonius (Hrsg.), Konfession, Milieu, Moderne. Konzeptionelle Positionen und Kontroversen zur Geschichte von Katholizismus und Kirche im 19. und 20. Jahrhundert (Veröffentlichungen der Katholischen Akademie Schwerte, Bd. 47), Schwerte 2001, S. 97–143. Aleksandrowicz, Marian, Edmund Dalbor 1915–1926, in: Lenort, Feliks (Red.), Na stolicy prymasowskiej w Gnieznie i w Poznańiu. Szkice o pry-
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Wolf-Dahm, Barbara, Redner, Leo, in: BBKL, Bd. 7 (1994), Sp. 1464–1467. Wolf-Dahm, Barbara, Rosentreter, Augustinus, in: BBKL, Bd. 8 (1994), Sp. 695–698. Würdinger, Hans, Das Passauer Domkapitel von seiner Wiedererrichtung im Jahr 1826 bis zum Jahr 1906 (Dissertationen Theologische Reihe, Bd. 36), St. Ottilien 1989. Wuschanski, Georg, Das Wendische Seminar St. Peter, Wien 1893. Wyrsch, Rudolf, Wilhelm Selkmann (1818–1913), in: Zumholz, Maria Anna/ Hirschfeld, Michael (Hrsg.), Biographien und Bilder aus 575 Jahren Cloppenburger Stadtgeschichte, Münster 2010, S. 580–583. Wysocki, Wojciech, Lorinser, Franz, in: www.bbkl.de (letzter Aufruf 16.4.2012). Zapp, Hartmut, Heiner, Franz Xaver, in: LThK3, Bd. 4 (1995), Sp. 1370. Zedler, Jörg, „Im Interesse der Anerkennung der Staatspersönlichkeit und der kirchenpolitischen Bedeutung Bayerns“. Die Bayerisch-Vatikanischen Beziehungen, in: Fenn, Monika/Meilchen, Gregor (Hrsg.), Bayerische Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, München 2011, S. 177–206. Zeis, Anton, Scherr, Gregor von, in: Gatz, Bischöfe, S. 654–656. Zeißner, Werner, Joseph von Schork (1829–1905), in: Urban, Josef (Hrsg.), Die Bamberger Erzbischöfe. Lebensbilder, Bamberg 1997, S. 209–244. Zieliński, Herbert, Der Reichsepiskopat in spätottonischer und salischer Zeit (1002–1125), Bd. 1, Stuttgart 1984. Zieliński, Zygmunt, Tajna Administracja Archidiezecezji Gnieznienskiej w czasie “Kulturkampfu” (1874–1886), in: Nasza przeszylosc. Studia z dziejow kosciola I kultura katolickiej w Polsce, Bd. 24 (1966), S. 243–257. Zieliński, Zygmunt, Metropolici Gnieznienscy I Poznanscy w XIX W., in: Studia Gnesnensia, Bd. 2 (1976), S. 169–188. Zieliński, Zygmunt, Mieczysław Ledóchowski 1866–1886, in: Lenort, Feliks (Red.), Na stolicy prymasowskiej w Gnieznie i w Poznaniu. Szkice o prymasach polski w okresie niewoli narodowej I w II Rzeczypospolitej, Poznan 1982, S. 193–227. Zieliński, Zygmunt, Gnesen und Posen, in: Gatz, Die Bistümer und ihre Pfarreien, S. 336–345. Zieliński, Zygmunt, Gnesen und Posen, in: Gatz, Erwin (Hrsg.), Priesterausbildungsstätten der deutschsprachigen Länder zwischen Aufklärung und Zweitem Vatikanischem Konzil (RQ, 49. Supplementheft), Rom u.a. 1994, S. 89–91. Zieliński, Zygmunt, Der Kulturkampf in der Provinz Posen, in: HJb, Bd. 116 (1996), S. 137–154. Ziemann, Benjamin, Der deutsche Katholizismus im späten 19. und im 20. Jahrhundert. Forschungstendenzen auf dem Weg zu sozialgeschichtlicher Fundierung und Erweiterung, in: Archiv für Sozialgeschichte, Bd. 40 (2000), S. 402–439.
966
quellen- und literaturverzeichnis
Zier, Hans Georg, Friedrich I. von Baden, in: NDB, Bd. 5 (1961), S. 490–492. Zimmer, Oliver, Nation und Religion. Von der Imagination des Nationalen zur Verarbeitung von Nationalisierungsprozessen, in: HZ, Bd. 283 (2006), S. 617–656. Zimmermann, Ludwig, von Bülow, Bernhard, in: NDB, Bd. 2 (1955), S. 729–732. Zimmermann, Wolfgang, Braucht Württemberg Mönche? Die „Klosterfrage“ im Königreich Württemberg, in: Gründig, Maria E. (Red.), Kirche im Königreich Württemberg 1806–1918, Stuttgart 2008, S. 82–101. Zittel, Bernhard, Die Vertretung des Hl. Stuhles in München 1785–1934, in: Der Mönch im Wappen. Aus Geschichte und Gegenwart des katholischen München, München 1960, S. 419–494. Zoepfl, Friedrich, Antonius von Steichele, in: Lebensbilder aus dem Bayerischen Schwaben, Bd. 3 (1954), S. 406–418. Zoepfl, Friedrich, Dinkel, Pankraz, in: NDB, Bd. 3 (1971), S. 731f. Zoll, Wolfgang, Die Rottenburger Bischofswahlen 1845–1847. Zur Kirchenpolitik Metternichs, Tübingen o.J. Zuber, Uwe, Staat und Kirche im Wandel. Fulda von 1752 bis 1830 (Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte, Bd. 93), Marburg/ Darmstadt 1993. Zürlik, Josef, Staat und Kirchen im Lande Oldenburg von 1848 bis zur Gegenwart. Teil I, in: OldJb, Bd. 82 (1982), S. 33–98, Teil II, in: OldJb, Bd. 83 (1983), S. 107–166. Zürlik, Josef, Oldenburg und die Kulturkampfgesetze des Reiches, in: OldJb, Bd. 84 (1984), S. 143–176. Zürlik, Josef, Zur Entstehung der Lehre von der Koordination zwischen Staat und Kirche. Dargestellt anhand der Auseinandersetzungen zwischen der Oldenburgischen Regierung und dem Generalvikariat in Münster 1803–1808, in: OldJb, Bd. 86 (1986), S. 67–73. Zürlik, Josef, Die Auseinandersetzungen um die Rechtswirksamkeit der Konvention von Oliva vom 5. Januar 1830, in: OldJb, Bd. 91 (1991), S. 61–93.
Abkürzungsverzeichnis AAW AAWO Abt. ADB ADS AES
AGG AHC AHP akadem. AKKZG AMRKG Anm. ANM anschl. APB Apg. Art. ASKG ASV Aufl. BA BArch BAH BBKL Bd. Bearb. Best. betr. BGV BHStA BStA BStAW
Archiwum Archidiecezjalne Wrocław [Erzbischöfliches Diözesanarchiv Breslau] Archiwum Archidiecezji Warmińskiej Olsztyn [Erzbischöfliches Diözesanarchiv Ermland in Allenstein] Abteilung Allgemeine Deutsche Biographie Archiv Diözese Straßburg Archivio della Sacra Congregazione degli Affari Ecclesiastici Straordinari [Archiv der Kongregation für die außerordentlichen Angelegenheiten] Arbeitsgemeinschaft Grafschaft Glatz Annuarium Historiae Conciliorum Archivum Historiae Pontificiae akademische(r) Arbeitskreis für kirchliche Zeitgeschichte Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte Anmerkung Archivio della Nunziatura di Monaco anschließend Altpreußische Biographie Apostelgeschichte Artikel Archiv für schlesische Kirchengeschichte Archivio Segreto Vaticano Auflage Bistumsarchiv Bundesarchiv Bistumsarchiv Hildesheim Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon Band Bearbeiter Bestand betreffend Bischöfliches Generalvikariat Bayerisches Hauptstaatsarchiv München Bayerisches Staatsarchiv Bayerisches Staatsarchiv Würzburg
968
Can. CIC DA DAW DBE DDAMZ Dep Ders./Dies. desgl. d.h. DHI Diss. iur. Diss. phil. Diss. theol. Dr. iur. Dr. iur. can. Dr. iur. utr. Dr. phil. Dr. theol. EAF EAM Ebd. EL Expl. f./ff. fasc./Fasz. FDA folg. FQKKO
abkürzungsverzeichnis
Canon Codex Iuris Canonici Diözesanarchiv Diözesanarchiv Würzburg Deutsche Biographische Enzyklopädie Dom- und Diözesanarchiv Mainz Departement Derselbe/Dieselben desgleichen das heißt Deutsches Historisches Institut Juristische Dissertation Philosophische Dissertation Theologische Dissertation Doktor iuris Doktor iuris canonici Doktor iuris utriusque Doktor philosophiae Doktor theologiae Erzbischöfliches Archiv Freiburg Erzbischöfliches Archiv München und Freising Ebenda/ebenda Elsass-Lothringen Exemplar folgende Seite(n) Fasciculo/Faszikel Freiburger Diözesan-Archiv folgende(r) Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands geb. geboren Ges PS Gesandtschaft Päpstlicher Stuhl gest. gestorben ggf. gegebenenfalls GLA Generallandesarchiv Karlsruhe GStA PK Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz GWU Geschichte in Wissenschaft und Unterricht HA Hauptabteilung h.c. honoris causa HHStA Wien Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien HJb Historisches Jahrbuch Hrsg. Herausgeber HHStA Wiesbaden Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden
abkürzungsverzeichnis
HStA HStAMR HZ i. Br. Jg. Jh./Jhdt. JOM JVABG Kan. Abt. Kap. Kgl./kgl. Kor k.u.k. LHA lic. Lit. Lk LThK masch. M. MA MdA MdH MdL MdR MHE MInn Mk MK MPI M(s)gr. Mt N. n.a.A. ND NDB NF N.N. NStA Nr. ÖBL OCD OCist.
Hauptstaatsarchiv Hessisches Staatsarchiv Marburg Historische Zeitschrift im Breisgau Jahrgang Jahrhundert Jahrbuch für das Oldenburger Münsterland Jahrbuch des Vereins für Augsburger Bistumsgeschichte Kanonistische Abteilung Kapitel Königliche(r)/königliche(r) Brief des Paulus an die Korinther kaiserlich und königlich Landeshauptarchiv Lizentiat Literatur Lukasevangelium Lexikon für Theologie und Kirche maschinenschriftlich Main Ministerium des Auswärtigen Mitglied des [preußischen] Abgeordnetenhauses Mitglied des [preußischen} Herrenhauses Mitglied des Landtags Mitglied des Reichstags Miscellanea Historiae Ecclesiasticae Ministerium des Innern Markusevangelium Ministerium für Kultus Max-Planck-Institut für Geschichte Monsignore Matthäusevangelium Nomen (Name) nach anderen Angaben Nachdruck Neue Deutsche Biographie Neue Folge Nomen nominandum Niedersächsisches Staatsarchiv Hannover Nummer Österreichisches Biographisches Lexikon Ordo Carmelitarum Discalceatarum (Unbeschuhte Karmeliten) Ordo Cisterciensium
969
970
o.D. o.J. o.O. OFM OFM Cap. OldJb OM OP OP O/S OSB P. PA PAAA Pfr. pos. Prof. QFIAB Red. Rep RHM RJKG RP RQ S. sc. secr. SHStA SJ SM sog. SS StAMS StAOL StAOS theol. u.a. v.a. verb. Verf. verm. Vgl.
abkürzungsverzeichnis
ohne Datum ohne Jahr ohne Ort Ordo Fratrum Minorum (Franziskaner) Ordo Fratrum Minorum Capucinorum (Kapuziner) Oldenburger Jahrbuch Osnabrücker Mitteilungen Ordo Praedicatorum (Dominikaner) Oberpräsidium/Oberpräsident Oberschlesien Ordo Sancti Benedicti (Benediktiner) Pater Politisches Archiv Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes Pfarrer Posizione Professor Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken Redaktion Repertorium Römische Historische Mitteilungen Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte Regierungspräsidium Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte Seite scatola secretum Sächsisches Hauptstaatsarchiv Societas Jesu (Jesuiten) Societas Mariae (Maristen) sogenannte(r) Segretario di Stato Staatsarchiv Münster Staatsarchiv Oldenburg Staatsarchiv Osnabrück theologische(r) und andere vor allem verbesserte Verfasser vermehrte Vergleiche
abkürzungsverzeichnis
VKZG WDGB Württ. WZ z.B. ZBLG ZfO Zit. ZGAE ZGO ZHF ZKG ZRG ZSRG
971
Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte Würzburger Diözesangeschichtsblätter Württemberg Westfälische Zeitschrift zum Beispiel Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte Zeitschrift für Ostforschung/Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung Zitat/zitiert Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde Ermlands Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins Zeitschrift für Historische Forschung Zeitschrift für Kirchengeschichte Zeitschrift für Religionsgeschichte Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte
Register PERSONEN Bei Personen, die im Untersuchungszeitraum in den Grenzen des Deutschen Reichs lebten und deutsche Staatsbürger waren, wurde allein die damals amtliche deutsche (und nicht die französische bzw. polnische) Schreibweise ihrer Namen berücksichtigt. Keine Aufnahme fanden die lediglich in den Fußnoten genannten Personen. Fettgedruckte Seitenzahlen weisen auf Fußnoten mit ausführlicheren biographischen Informationen und weiterführender Literatur zur jeweiligen Person hin. Abert, Friedrich Philipp von 661, 692– 694, 743, 758–760, 823, 863, 870 Abt, Anna 314–316 Abt, Anton 287, 302, 314 Abt, Ludwig 314, 316 van Ackeren, Joseph 111, 114 Adalbert, Hl. 386 Adalbert, Prinz von Bayern 713 Agliardi, Antonio 391, 393, 394, 410, 415, 549–552, 554, 557–559, 566, 569, 596, 669, 685–688, 690, 703, 704, 728, 729, 768–770, 773, 828 Ahle (Geistlicher) 755 Aiuti, Andrea 267, 415, 589, 593, 594–596, 598, 608, 623, 624, 691, 703, 705–708, 828 Albert, König von Sachsen 766, 770 Aloisi Masella, Gaetano Kardinal 724 Altermatt, Urs 32, 33 Anderson, Margaret Lavinia 22 Andlau, Jeanne von 527 Andreas, Apostel 646 Andrian-Werburg, Rudolf von 734 Andrzejewicz, Antonius 393, 394, 452– 454, 849, 866, 870 Anna von Hessen 280, 281 Antonelli, Giacomo Kardinal 270, 500
Appel (Domkapitular) 686 Arbogast, Hl. 544, 567 Arenberg, Franz von 54, 66, 69, 71, 72, 74, 88, 528 Arenberg, Philipp von 54, 78, 80 Arenhold, Wilhelm 269, 270, 271, 274– 279, 281, 282, 843 Aschoff, Hans–Georg 8, 35, 216 Assmann, Johann Baptist 326, 328, 384, 392, 457, 477–481, 487–492, 494, 815, 852, 853, 868, 870 August der Starke 763, 764 Augusta, deutsche Kaiserin 172, 456 Auguste Viktoria, deutsche Kaiserin 445 Augustin, Karl 350, 358, 360, 367, 847, 865, 870 Axmann, Norbert 7 Bachmann, Peter 551, 552, 557–559 Bäumer, Remigius 268 Bahl, Christian 292, 293, 294, 303, 304, 844 Bahlmann (Geheimer Oberregierungsrat) 340 Balan, Max von 81, 83, 84 Ballestrem, Franz von 322–328, 337, 390 Baltz, Constanz von 206
974
Bank, Rudolf 210 Bardeleben, Moritz von 103 Barkhausen, Friedrich Wilhelm 340 Bartsch, Robert 340 Bassewitz, Graf von 445 Baudri, Johann Anton Friedrich 101, 104 Bauer, Franz Salesius 376, 377 Baumgarten, Paul Maria 778, 825 Baumstark, Reinhold 579 Becker, Wilhelm 51 Becker, Winfried 32 Beckmann, Johann Heinrich 225 Beelte, Friedrich Christoph 211, 212, 214, 215, 217, 840 Behnes, Georg 242, 243 Behrle, Rudolf 610 Bendix, Ludwig 641, 643, 646, 648, 855 Benedikt XV. , Papst 155, 206, 449, 483, 525, 603, 796 Bennigsen, Rudolf von 210, 213 Benzler, Willibrord OSB 58, 66, 78, 80, 171, 344, 439, 442, 517–520, 524, 526, 527, 529, 530, 533–535, 538, 541, 542, 793, 820, 868, 870 Berchem, Max von 199 Berchtold, Leopold von 347, 359 Bergel, Anton 351, 352, 847 Berger (aus Dresden) 774 Berghaus, Carl 100, 134, 137, 138, 141 Bergmann, Wilhelm 163, 164, 168, 170, 229, 230, 232, 233, 235, 841 Berhorst, Johann Georg 158 Beringer, Franz SJ 647 Berlage, Franz Karl 51, 55, 57, 58, 59, 61, 70, 74, 78, 80, 81, 86, 87, 88, 90, 96, 98, 99, 101, 110, 111–114, 180, 228, 229, 237, 505, 545, 552, 814, 815 Bernert, Franz 765, 766 Berning, Wilhelm 239, 240–245, 841, 867, 870 Bernstorff, Percy von 276–278, 281 Bertram, Adolf Kardinal 11, 35, 91, 92–94, 96, 97, 209–211, 212–214, 216–224,
personenregister
244, 245, 312, 343, 344, 348, 351, 352, 355–364, 796, 807, 821, 826, 827, 836, 840, 847, 865, 870 Bethmann Hollweg, Theobald von 138, 344, 355, 446, 448, 449, 454 Bettinger, Franziskus von 677, 678–680, 682–684, 702, 745, 758, 864, 870 Bielicki, Arminius von 472, 473, 476, 477, 852 Billot, Louis Kardinal SJ 361 Birke, Adolf M. 42 Bismarck, Herbert von 337 Bismarck, Otto Fürst von 42, 112, 117, 121–123, 158, 192, 194, 196, 199, 226, 250, 251, 258–260, 268, 289, 291, 298, 318, 319, 321, 323, 324, 336, 338, 339, 371, 379, 385, 387, 396, 401, 408, 409, 413, 462, 474, 486, 487, 489, 506, 583, 665 Bismarck, Wilhelm von 337 Bitter, Albert 237 Bitter, Rudolf von 414 Blaeschke, Alfons 351 Blanckmeister, Franz 767, 768 Blaschke, Olaf 33 Blessing, Werner 36 Blötzer, Josef SJ 149 Bludau, Augustinus 139, 241, 462, 463, 465, 466, 806, 851, 865, 870 Blücher, Gebhard Lebrecht von 134 Blum, Peter Joseph 285, 286, 288, 289, 294, 296, 297, 584, 812 Blume, Clemens SJ 149 Bodman, Ferdinand von und zu 598, 605, 613, 622 Böckenhoff, Karl 127, 128, 129, 141, 806, 837 Boehm, Johann Baptist 732 Bötticher, Richard von 238, 243 Bombardier de Saulnes (Prälat) 507–510 Bosse, Robert 52, 66, 67, 68, 71, 203, 229, 234, 266–269, 291, 295, 305, 307, 375, 479, 481, 505, 583, 610, 629
personenregister
Bossmann, Johannes 150 Bott, Cajetan 275, 277, 281, 843 Boulanger (Domkapitular) 577 Brambach, Wilhelm 623 Brand, Franz 330, 370 Brauer, Arthur von 556, 608 Braun, Carl 606, 607 Braun, Karl 249, 252, 253, 258, 259, 262– 264, 266, 269, 271, 274, 275, 842, 843 Breitung, Hermann 253, 269, 274 Bremeuer, Johann Georg 671 Brentano, Georg Jakob 627 Brettle, Jakob Augustin 614, 615, 617, 619, 858 Brinkmann, Johann Bernard 108–110, 115, 140, 146, 231, 250, 495, 800–803, 813 Bronsart von Schellendorf, Paul 490 Brück, Anton Philipp 292, 627 Brück, Heinrich 630, 633, 634, 637–640, 644, 645, 829, 854, 865, 870 Brüel, Franz 111, 114 Buchberger, Michael 755 Buchwald, Rudolf 351 Buck, Hermann 766, 771, 772 Bülow, Bernhard von 54, 69, 76, 86, 188, 376, 414, 419–422, 435, 436, 439, 467, 513, 519, 525, 527, 528, 531, 533, 534, 540, 541 Bülow, Otto von 51, 52, 54, 104, 105, 201, 202, 292, 536, 587, 598, 600, 601, 607, 608, 824 Busch, Konrad von 680, 682, 741, 864, 870 Buxbaum, Engelbert Maximilian 35, 743 Calderon, Pedro 332 Caprivi, Leo von 169, 201, 267, 375, 386, 392, 396, 399, 400, 403–406, 408, 409, 411, 413, 427, 554, 556, 559, 562–564, 569 Caputo, Carlo 283, 694, 723, 737, 791 Cardauns, Hermann 64 Cetto, Anton von 516, 522, 674, 675, 676,
975
686, 687, 691, 705, 708, 717–719, 722, 726, 728, 730, 734, 747, 750 Cetty, Heinrich 548, 560 Chappuis, Hermann von 435, 436, 437, 439, 440 Chiesa, Giacomo della (Benedikt XV.) 483, 525, 537, 603 Clairy und Aldringen, von (Familie) 395 Coekoll (Pater OSB) 439 Coetlosquet, Edouard de OSB 509, 520, 521 Coetlosquet, Jean de OSB 520 Colbus, Johannes Peter 510, Collin, Henri 515, 521 Conrad, Horst 46 Conze, Eckart 40 Crailsheim, Krafft von 516, 663, 670, 673– 675, 686, 687, 691, 704, 705, 708, 712, 715–717, 719, 726–728, 731, 732, 747 Cramer, Franz Wilhelm 110, 111, 113, 115, 121–123, 146, 148, 150, 837 Croix de la (Ministerialdirektor) 340 Croy, Ferdinand Prinz von 345, 346, 351 Cybichowski, Josef 451 Cyrillus (Kapuzinerpater) 698 Czacki, Wladimir Kardinal von 475 Dacheux, Leo 547, 549, 550, 552, 560, 566 Dalbor, Edmund Kardinal 449, 450 Darwin, Charles 244 Dasbach, Georg Friedrich 117, 194, 195, 196 Degen, Heinrich 239 Deinlein, Michael von 712, 750 Delles, Johannes Michael 521 Deuerlein, Ernst 702 Diekamp, Franz 141, 142, 152, 838 Diepenbrock, Melchior Kardinal von 332 Dinder, Julius 250, 384–386, 390, 394, 398, 403, 409, 413, 427, 429–431, 433, 434, 450–453, 475, 476, 819, 866, 870 Dingelstad, Hermann 54, 56–58, 60, 61, 65, 67–69, 72, 73, 77, 79, 85, 86, 113, 115–
976
117, 122–126, 130, 131, 140, 142, 143, 146–148, 150, 233, 237, 553, 554, 557, 565, 803, 808, 818, 835, 837, 867, 870 Dinkel, Pankratius von 685, 703, 705, 706, 708, 711, 712, 728 Di Pietro, Angelo Kardinal 50, 321, 333, 334, 652, 725 Dissen, August 176 Dittmann, Heinrich 309 Dittrich, Franz 340, 341, 462, 464, 465, 851 Ditscheid, Ägidius 195, 196 Döbbing, Bernhard Josef OFM 100, 141 Döllinger, Johann Ignaz von 371, 666, 667, 687, 688, 704, 705, 713 Dönhoff, Carl von 767, 787, 793 Dorszewski, Kasimir 393, 398, 423, 444, 849 Dreher, Theodor 580, 583, 584, 856 Drobe, Franz Kaspar 113, 157, 158, 160– 162, 166, 187, 188, 250, 320 Dupont des Loges, Paul-Georges 502, 503, 513 Dusartz de Vigneulle (Familie) 203 Dusch, Alexander von 622 Eberle, Luke 355 Echaust, Julian 424, 426, 433, 850 Ege, Otmar 655, 659, 859, 860 Egger, Augustin 718 Ehrhard, Albert 184, 693 Ehrler, Joseph Franz von 666, 740, 741 Eickerling, Hermann 293 Eiffler, Julius 286, 292, 294, 295, 302–304, 844 Einem, Karl von 137 Eisenbarth, Joseph 655, 859, 860 Eisendecher, Karl von 577–579, 581, 582, 584, 588, 590, 591, 593, 595, 599, 602, 603, 605, 610 Elz, Friedrich 641, 644, 855 Endert, Adalbert 269, 271, 272, 274–276, 279, 281, 638, 639, 843, 866, 870 Endert, Schw. Maria Scholastika OSB 271
personenregister
Engel, Philipp 248, 251, 262–264–266, 268, 269, 272, 842, 843 Engelhardt, Franz 634, 635–638, 644, 854, 855 Enzler, Leonhard 667 Erb, Johannes 249, 262, 267 Erhard (Bischofskandidat) 552, 560 Erler, Ludwig 632, 638 Ernst, Joseph 220–224, 840, 866, 870 Ernsthausen, Ernst von 473 Esser, Gerhard 79, 80, 84–86, 88, 836 Esser (Geheimer Oberregierungsrat) 340 Euch, Johannes von 235, 237 Eulenburg, Botho von 247, 253, 258–261 Eulenburg, Philipp zu 116 Eugenie, französische Kaiserin 506 Evers, Gerhard 154 Fabrice, Alfred von 767–769 Falk, Adalbert 253, 486 Faulhaber, Michael Kardinal von 94, 349, 697, 742–745, 864, 870 Fehr, Philipp Jakob 634, 636–638, 854 Feiten, Heinrich 113, 115, 117, 122, 125, 193–204, 837, 867, 870 Fell, Winand 126 Ferrata, Domenico Kardinal 415 Finger, Jakob 249, 628 Fischer, Antonius Kardinal 52, 57, 58, 59, 60, 65, 67, 68, 72, 73, 77–81, 85, 86, 88, 89, 90, 97, 102–104, 106, 113, 115, 118, 122, 140, 141, 162–165, 168, 180, 183, 186, 229, 230, 233–235, 238, 368, 632, 633, 634, 637, 807, 817, 818, 835–838, 841, 854, 866, 870 Fischer, Ferdinand 775, 787 Fischer, Hans-Peter 35, 612 Fischer, Sebastian 758 Fleck, Franz Ludwig 206, 503, 504, 506– 508, 510, 512, 513, 521, 522, 546, 554, 565, 566, 569, 570, 868, 870 Fleck, Joseph 503 Fleck, Theodor 503
personenregister
Fliedner, Max 262, 264, 271 Flor, Georg 798–803 Flotow, Hans von 538, 539 Förster, Heinrich 317, 322, 327, 330, 332 Forschner, Karl 634, 636, 637, 640, 641, 644, 854 Franckenstein, Georg Arbogast von 321, 495, 758 Frankenberg, Fred von 325 Franksmann, Carl 240 Franz, Adolph 286, 318, 319, 323–325, 329, 331, 333–337, 340, 341, 358, 371, 395, 397, 491 Freisen, Joseph 179 Frenzel, Anton 467 Freund, Georg von 725 Freusberg, Joseph (Geh. Oberregierungsrat) 153 Freusberg, Joseph (Weihbischof) 158, 187, 188 Frey, Stephan 504, 507–510, 520, 521, 548– 550, 552, 558–561, 568 Freyburger, Apollinaris 549 Friedberg, Emil 39 Friedrich I., Großherzog von Baden 505, 515, 555, 556, 564, 576, 578, 579, 586, 600, 601, 615, 617 Friedrich III., römisch-deutscher König 18, 19 Friedrich III., deutscher Kaiser 386, 487, 631 Friedrich August III., König von Sachsen 791, 793 Friedrich Wilhelm III., preuß. König 119 Friedrich Wilhelm IV., preuß. König 27 Friesen, Heinrich von 773, 774, 779, 780 Frind, Wenzel 439 Friske, Martin 425 Fritzen, Adolf 410, 504, 506, 508, 513, 522, 523, 528, 530–537, 541, 553–555, 557– 567, 569, 570, 596, 602, 605, 788, 789, 793, 819, 823, 868, 870 Fritzen, Aloys 528, 530, 558
977
Fromme, Paul 221 Frühwirth, Andreas Kardinal OP 91, 96, 98, 99, 135, 136, 139, 148, 149, 155, 185, 186, 206, 223, 224, 244, 312, 315, 316, 346, 360, 362, 363, 368, 445, 466, 677– 679, 681–684, 697, 699–701, 740, 754, 756, 758–760, 795, 828 Funke, Bernhard 181, 182, 185, 839 Galen, Clemens August von 140 Galen, Ferdinand Heribert von 295 Galen, Friedrich von 140 Galen, Hella von 137 Galen, Maximilian Gereon von 72, 110, 111, 119, 124, 146–150, 200, 229–232, 236, 292, 294, 295, 304, 614, 615, 618, 798, 813, 818, 841, 844, 858, 867, 870 Galimberti, Luigi Kardinal 196–198, 251, 320, 321, 339, 391–394, 400, 623 Ganczarski, Maximilian (?) 351 Ganse, Paul 351 Gasparri, Pietro Kardinal 224 Gatz, Erwin 7, 14, 38, 39, 286, 390, 561, 568 Gayl, von (Divisionskommandeur) 511 Gebele, Eugen OSB 712 Geiger, Theodor 697, 7591 Geissel, Johannes Kardinal von 681 Gelasius I., Papst 15 Georg von Sachsen, Kronprinz bzw. König 553, 565, 636, 772, 777, 781, 783 Gerber, Carl von 766, 768–770 Gerlach, Hermann 286, 289 Gescher, Alfred von 93, 126, 131, 496 Giese, Joseph 109–111, 113, 115, 118, 119, 123, 125, 329, 334, 338, 799, 801, 807, 813, 837, 846 Gleich, Hermann 318, 319, 322, 327–330, 332, 334, 337, 340, 341, 846, Glowatzki, Joseph 351, 353, 354, 847 Gnau, Peter 274 Gockel, Augustinus 162, 163, 165, 166, 168– 171, 177, 178, 187, 188, 838, 839, 867, 870
978
Gockel, Ferdinand 166 Gockel, Joseph 166 Goczkowski, Ignaz 454 Göbel (Domkapitular in Gnesen) 425 Göbel, Matthäus 307, 308, 311–315, 845 Göbl, Peter 757, 758, 863, 870 Goedecker, Friedrich 641, 855 Goepfert, Franz Adam 698–700 Goßler, Gustav 59, 67, 102, 109–112, 114, 115, 120, 123, 125, 130, 158–161, 168, 187, 188, 197, 198, 200, 226, 248, 250, 253–256, 258–260, 286, 287, 290, 298, 319–321, 328, 339, 341, 371, 386, 388, 390, 396, 399, 401–404, 409, 450, 454, 462, 471, 473, 474, 476, 478, 479, 487, 489–491, 493, 556, 821 Gotti, Girolamo Maria Kardinal 415 Graen, Joseph 212, 215, 840 Graf, Friedrich Wilhelm 15 Gregor VII., Papst 18 Greiff, Julius 340 Greipl, Egon Johannes 39, 40, 724, 832 Greving, Hugo 138, 141, 142–144, 838 Greving, Joseph 186 Grobmeyer, Bernhard 799, 801–803, 865, 870 Groll, Thomas 703 Grot, Zdislaw 430 Grube, Karl 216 Grunenberg, Joseph 458, 460, 461, 851 Gruscha, Anton Joseph Kardinal 604 Guenther, Hans (von) 349, 355, 357, 362 Guerber, Joseph 545, 549, 560, 572 Guidi, Giovanni Battista 725, 727 Gutberlet, Konstantin 256, 274, 275 Guthlin, Joseph 545 Gutmann, Joseph 586, 589, 590, 592, 593, 598, 599, 602, 607, 857 Guttenberg, Georg von und zu 678, 736, 738 Haas, Reimund 13 Haas, Wolfgang 38
personenregister
Hähling von Lanzenauer, Alois 189 Hähling von Lanzenauer, Heinrich 189, 190, 240, 241, 841, 867, 870 Haffner, Paul Leopold 254, 268, 584, 622– 624, 627–633, 639, 652, 817, 829, 865, 870 Hagemann, Johannes 219, 220, 222, 224, 840 Hagemann, Ludwig 184, 839 Hagemeister, Robert von 109–111, 113, 114, 121, 821 Hahne, Konrad 247, 254 Halbig, Adam 619 Halm, Richard 775 Hamm, Julius 532, 552–555 Hammerstein-Loxten, Hans von 512 Haneberg, Daniel Bonifaz von OSB 708 Hanschmidt, Alwin 8 Hansjakob, Heinrich 582, 612, 621, 661, 692, 708 Harling, Franz Gerhard 227–229, 239 Harnack, Adolf von 692 Hartmann, Albert von 129, 130 Hartmann, Felix von 90–93, 95–100, 127, 129–131, 132–137, 139–141, 143–146, 149, 151, 348, 349, 450, 497, 498, 836, 837, 867, 870 Hartmann, Franz 128, 132, 136, 141, 837, 838 Hartmann, Gerhard 38 Hartmann, Hubert SJ 149 Hartmann, Johann Philipp 109, 110, 113, 121, 138 Hartmann, Julian Wolfgang von 130, 138 Hartmann (Pfarrer von Runzenheim) 549 Hartmannsgruber, Friedrich 665 Hasenkamp, Heinrich 141 Hatzfeldt-Trachenberg, Hermann Fürst von 376 Hauck, Jacobus von 695, 696–702, 758– 761, 863, 870 Hauck, Thomas 696 Hauptmann, Adolf Joseph 545
personenregister
Hausberger, Karl 22 Hausen von (Kreishauptmann) 771 Hechelmann (Provinzialschulrat) 172 Hefele, Emil 652, 654, 655–657 Hefele, Karl Joseph von 649–652, 772 Hehl, Ulrich von 31 Heiner, Franz Xaver 92, 97 Heise, Heinrich 210, 211, 216, 218 Helfrich, Carl 269, 272, 273, 275, 843 Hemptinne, Hildebrand de OSB 519 Hengst, Karl 263 Hengstenberg, Wilhelm 283 Henle, Antonius von 666, 703, 712, 722, 723, 731, 732–734, 736, 738, 739, 744, 757, 823, 864, 870 Hepp, Leo 656, 859, 860 Heppe, Adolf von 203, 205 Herbener, Joseph 275, 278, 281, 843 Herbig, Augustinus 351, 352, 353, 847 Herde, Peter 676 Hergenröther, Joseph Kardinal 212, 628, 635, 688, 689 Herrmann, Eduard 462, 463, 467–469, 481, 851, 853, 865, 870 Herrmann, Jakob 794, 795 Hertling, Georg von 30, 56, 57, 65, 74, 75, 174, 318, 356, 415, 416, 468, 524, 525, 530, 629, 697, 743, 825 Herzog, Robert 318–320, 322, 323, 325– 327, 333, 359, 384, 488, 579 Hespers, Karl 57, 58, 78, 79, 93 Hettinger, Franz 84 Heuser, Kaspar Anton 50, 101 Hierl, Johann Baptist 757, 864, 871 Hilfrich, Antonius 308, 309, 312, 313, 845 Hilfrich, Joseph Anton 309, 312 Hilling, Nikolaus 240, 242, 806, 841 Hilpisch, Georg 289, 291, 292, 295, 296, 302–307, 312–316, 844 Hilpisch, Stephan 255, 274, 292 Hinschius, Paul 105, 670 Hitze, Franz 58 Höfner, Johann Baptist 695
979
Höhler, Matthias 286, 287, 292, 296, 297, 302, 304, 306, 307, 313–315, 552, 557, 559–563, 565, 606, 812, 844 Hölscher, Augustin 220, 221–223, 840 Hoensbroch, Grafen von 116 Höß, Maria Crescentia 731 Höting, Bernhard 225–227, 231, 236, 241, 250, 816 Hötzl, Petrus (Alois Matthias) von OFM 666, 686, 687, 703, 704–710, 722, 723, 732, 828, 863, 871 Hövel, August von 103 Hoffmann, Ernst 329, 330, 331, 334, 370, 371, 846 Hoffmann, Hermann 35 Hohaus, Wilhelm 372–374, 868, 871 Hohenlohe-Langenburg, Carl Prinz von 445 Hohenlohe–Langenburg, Hermann Fürst zu 511, 525, 526, 530, 534, 536, 538, 540 Hohenlohe-Öhringen, Hans Prinz zu 181 Hohenlohe-Schillingsfürst, Chlodwig Fürst zu 53, 56, 66, 68, 69, 292, 365, 505, 506, 511, 513, 516, 521, 551, 553– 556, 559, 561–564, 566, 567, 571, 587 Hohenlohe-Schillingsfürst, Gustav Adolf Kardinal von 551 Hohenzollern-Hechingen, Joseph von 797 Hohenzollern-Sigmaringen, Fürsten von 580 Hohmann, Friedrich Gerhard 35, 168, 170, 177 Holle, Ludwig 435, 438, 440, 441, 443 Holleuffer, Hans Dietrich von 84 Holstein, Friedrich von 249, 526, 527 Holzammer, Johann Baptist 252, 253, 254, 258, 259, 842 Holzer, Karl Josef 193, 195, 197 Hompel, Adolf ten 137 Hopfenmüller, Lorenz 685, 713 Hoppe, Ludwig 458, 460, 461, 851 Huber, Ernst Rudolf 14 Hübsch, Wilhelm 600, 603, 607, 608, 613
980
Hüls, Peter 133, 136, 137, 139, 144, 145, 154, 185, 186, 466 Hümmer, Friedrich Karl 697, 758–760 Hürten, Heinz 30, 43 Hütten, Georg 86 Hugenroth, Bernard 133 Hugo, Friedrich 213 Huismann, Hermann 244 Huppert (Redakteur) 648 Hussarek, Max von 347 Hutten-Czapski, Bogdan von 383, 396, 406, 424, 440, 448, 547, 557, 559, 560, 563, 564, 825 Illigens, Everhard 128, 132–134, 141, 145, 148–151, 155, 466, 837, 867, 871 Isenburg-Birstein, Karl von 627, 628 Jacobini, Lodovico Kardinal 251, 321, 323, 324, 333–335, 390, 458, 471, 474, 583, 584, 653, 750 Jagemann, Eugen von 68, 578, 579, 583, 585, 586, 593–595, 597, 599, 601–603, 609, 611, 825 Jagow, Gottlieb von 345 Jahnel, Joseph 601 Janiszewski, Johannes Chrysostomos 395, 402, 450–453 Jansen, Günter 119 JaŻdŻewski, Ludwig von 414, 424, 426– 428, 433, 850 Jedzink (Getzing), Paul 424, 428–430, 433, 477, 850, 852, 866, 871 Jentzsch, Walther 162, 166 Jeschke, Georg 482 Joder, Julian 507, 508, 520 Joeppen, Heinrich 494, 495, 496, 497, 815, 868, 871 Jürgensmeier, Friedhelm MSF 635 Jung, Franz 8 Jungnitz, Joseph 365 Kaas, Ludwig 192
personenregister
Kaiser (Bischofssekretär) 545 Kalb, Karl 247, 249, 259, 262 Kalkum, Maurus OCist. 301 Kaminski, Ted 402 Kappenberg, Theodor 127, 151–156, 245, 867, 871 Karl, König von Württemberg 652, 653 Karl Theodor, Herzog von Bayern 705 Karst, Peter 508, 512 Kaufmann, Franz Xaver 79, 90–92, 97 Kayser, Johann (Baptist) Wilhelm 110– 114, 120, 159, 174, 228, 251, 325–327, 329, 334, 337, 338, 341, 387, 389, 390, 457, 471, 814, 848 Keller, Adam 287, 292, 298, 303, 304, 308, 614, 616, 618, 844, 858 Keller, Augustinus Maria OSB 368 Keller, Franz Seraph von 691, 692, 698 Keller, Johann Baptist 626 Keppler, Paul Wilhelm 57, 58, 61, 65, 67, 68, 70, 72, 73, 92, 93, 97, 174, 589, 592, 593, 601, 602, 639, 647, 657–660, 806, 816, 817, 835, 860, 869, 871 Kerkhey, Hermann 137 Ketteler, Wilhelm Emmanuel von 111, 231, 249, 254, 485, 486, 615, 626–629, 633, 635, 689, 813, 829 Kilian, Augustinus 306, 307, 309, 310, 312– 316, 810, 845, 867, 871 Kindermann, Adolf 39 Kirmaier, Helena 671 Kirstein, Anton 645 Kirstein, Georg Heinrich 641, 645, 646, 647, 855, 865, 871 Kitzero, Gerhard Hermann 227 Kleespieß, Wilhelm 249, 252, 254, 842 Klein, Karl 50, 147, 200, 250, 260, 261, 286– 292, 294–296, 299, 300, 304, 595, 598, 608, 629, 635, 867, 871 Kleineidam, Karl 351, 355, 356, 360 Kleinheidt, Friedrich Ludger 51, 59 Klemeth (Referent) 414 Klingenberg, Anton 473, 852
981
personenregister
Klose, Joseph 343, 351, 353 Kloske, Wilhelm 351, 424, 430–435, 454, 455, 850, 866, 871 Klunder, Jakob 484, 866, 871 Knauer, Joseph 331 Knecht, Friedrich Justus 577, 581, 583, 585–590, 592–594, 596, 597, 601, 602, 604–606, 608–613, 614, 813, 856, 857, 863, 871 Knilling, Eugen von 696 Knörzer, Anton 590, 591, 593, 603, 609– 611, 613, 614, 619, 857 König, Arthur 342, 347, 351, 354, 362, 363, 593 Körner, Hans–Michael 29, 36, 46, 664, 743 Koerner, Joseph Theodor 634 Kösters, Christoph 34 Kött, Christoph Florentius 247, 254, 256, 265, 272 Kohn, Theodor 376 Kolb, Conradus OCist. 313 Kolberg, Augustin 478 Komp, Georg Ignaz 249, 250, 252, 255– 258, 262–264, 266–270, 272, 273, 287, 580, 595, 598, 602, 605, 607, 609–612, 621, 653, 807, 812, 842, 856, 857, 863, 865, 871 Komp, Heinrich 255 Konitzer, Georg 477, 852 Kopp, Georg Kardinal von 50, 51, 52, 54, 57, 65, 67, 70, 71–73, 86, 96–98, 103, 113, 138, 143, 152–154, 160, 180, 208, 210, 211, 213, 216–219, 238, 247–252, 255–261, 263, 267, 274, 282–284, 289– 291, 298, 319–321, 323, 325, 326, 329, 334–345, 365–368, 373, 376, 391, 401, 406, 409–411, 416, 418–420, 422, 423, 425, 430, 435–441, 444, 446, 448, 468, 479, 490–492, 517–519, 527–534, 536, 562, 578–580, 583, 584, 588, 599, 600, 602, 603, 608, 775–779, 783, 786, 788, 789, 812, 813, 824, 828, 829, 833, 856, 865, 871
Korum, Michael Felix 55, 56, 71, 78, 79, 85, 86, 117, 131, 175, 192–194, 196, 197, 199–201, 203–207, 250, 261, 297, 325, 502, 504, 507–509, 517, 520, 527, 541, 544–546, 549, 554, 557–560, 572, 604, 606, 607, 618 Korytkowski, Johann Ignaz 451, 452, 866, 871 Koscielski, Josef 406 Kraft, Johann Jakob 193, 196 Kraus, Franz Xaver 53, 58, 69, 193, 387, 389, 396, 417, 459, 503, 553–555–560, 564, 566, 576, 578, 579, 587, 588, 591– 593, 595, 603, 611–613, 617, 619–621, 623, 631, 658–660, 713, 815, 816 Kraus, Karl 390, 405 Krebs, Bernhard 210, 212, 214, 215, 840 Krementz, Philipp Kardinal 50, 51–55, 82, 101, 102, 104, 105, 126, 147, 162, 164, 165, 188, 230, 234, 237, 411, 456–458, 460, 461, 587, 608, 770 Kretschmer (Domkapitular in Gnesen) 424 Kreutzwald, Peter 56, 74, 78–83, 85, 86, 88, 93, 836 Krichel, Karl Laurenz Joseph 80, 84–86, 836 Krieg, Cornelius 582, 584, 596, 602, 621, 660 Kroll, Christian 162 Krose, Pater SJ 207 Kruse, Francis 182, 184 Krzesinski, Theophil von 429, 441 Kübel, Lothar von 611, 623 Kuechly, Peter 509 Kügler, Max 404 Kuhn (Domkapitular) 758 Kummer, Georg 787, 794 Kunst, Damian 308, 310, 311, 845 Kuropka, Joachim 8 Kutschank, Jakob 771, 772 Laemmer, Hugo 457
982
Laer, Friedrich von 184 Lager, Johann Christian 205 Lala, Heinrich 296, 299, 304, 844 Lamberton, Ernst 509 Landersdorfer, Anton 35, 671 Landmann, Robert von 673, 675, 710–712, 717, 732 Landsberg–Velen, Familie von 151 Lausberg, Peter Joseph 78, 106, 107, 155, 866, 871 Laxburg von (Regierungspräsident) 748 Lechner, Anton Alois 716, 731, 757 Ledóchowski, Mieczyslaw Kardinal 341, 379, 382, 383, 385, 390–394, 396, 403, 405, 406, 410, 420, 440, 449–451, 453, 515, 778 Leidl, August 662 Leineweber, Wilhelm 170, 171, 177, 839 Leiningen, Fürsten zu 672, 676, 746 Leipziger, Adolf Hilmar von 401 Leisner, Andreas 697, 700 Leitner, Franz Xaver 735, 736–738 Le Maistre, Rudolf 249, 628 Lender, Franz Xaver 577–579, 595, 597, 612, 619 Lenhart, Ludwig 627, 630 Lenz (Polizeikommissar) 194, 198 Leo XIII., Papst 28, 32, 36, 37, 42, 50, 52, 54, 60, 63, 65, 69, 75, 77, 85, 102, 104, 106, 112, 121, 124, 125, 146, 158, 169, 173, 187, 192, 193, 197, 199, 201, 204, 225, 236, 256, 274, 287, 289, 297, 309, 320, 322–324, 335–339, 365, 383, 384, 391–394, 400, 401, 403–406, 408, 410, 415, 452, 473, 475, 490, 507, 509, 514, 515, 519, 521, 523, 526, 529, 533, 534, 536, 539, 544, 560–566, 569, 571, 579, 586, 592, 595, 596, 601, 604, 606, 609, 619, 627, 628, 639, 650, 653, 657, 670, 676, 688, 691, 707, 709, 719, 726, 728, 734, 746, 747, 774–778, 784 Leoni, Lorenzo 267 Leonrod, Franz Leopold von 580, 581,
personenregister
583, 614, 633, 647, 666, 669, 672, 688, 721, 750–754, 814, 856 Leonrod, Leopold von 721, 753 Lerchenfeld-Köfering, Hugo von 755 Lermann, Wilhelm von 692 Leugers-Scherzberg, August–Hermann 35, 363 Liese, Wilhelm 159, 166 Likowski, Eduard 366, 390–393, 403–406, 412, 413, 422–426, 429, 431–436, 440, 441, 447–449, 451, 453–455, 849, 850, 866, 871 Lill, Rudolf 32 Lingg, Johanna 716–719 Lingg, Maximilian von 661, 685–687, 710– 719, 757, 809, 822, 863, 871 Linsenmann, Franz Xaver von 654–657, 817, 859, 860, 869, 871 Lobenhoffer, Karl von 710 Loe, Walter Freiherr von 515 Löber (aus Dresden) 774 Löbmann, Franz 791, 794, 795, 869, 871 Lössl, Edler von (Staatsrat) 684 Löwenstein, Familie von 690, 691 Löwenstein, Karl Fürst von 285, 748 Lohmeyer, Augustinus 239–241–243, 841 Lohninger, Joseph 139, 465 van de Loo, Peter 110, 111, 124 Lorbacher, Daniel 646, 648 Lorenz, Matthias 128, 138 Lorenzelli, Benedetto 478, 480, 518, 595, 598, 600, 602, 604, 612, 613, 622, 642, 674, 676, 744, 827 Lorenzi, Philipp de 192, 195 Lorinser, Franz 329, 331, 334, 846 Loth, Wilfried 351 Lucanus, Hermann von 340, 567 Lucius von Ballhausen, Robert von 336 Ludgerus, Hl. 139 Ludwig I., König von Bayern 663, 666 Ludwig I., Großherzog von Hessen 626 Ludwig II., König von Bayern 665, 667, 711, 822
personenregister
Ludwig III., König von Bayern 687, 697, 745, 761 Ludwig IV., Großherzog von HessenDarmstadt 628 Lück, Ludwig 474 Lüdtke, Klemens Martin 476, 477, 479, 480, 483, 852, 853 Lufft (Vikariatsrat) 775 Luitpold, bayerischer Prinzregent 665– 667, 672, 675, 686, 690, 694, 697, 703, 707, 708, 711, 723, 729, 731, 732, 739, 741, 742, 822, 823, 826 Lukowski, Johann 393, 398, 399, 849 Luther, Martin 15 Lutz, Johann von 664, 665, 670, 685, 686, 690, 692, 712–714, 724, 726, 729, 735, 811 Lux, Karl 351 Maaz, Carl 775–782, 794, 869, 871 Macchi, Giuseppe 89, 91, 106, 491, 492, 643, 785 Magdeburg, Eduard (von) 266, 267, 291, 298, 303, 629, 630 Magnis, Wilhelm von 371 Maier, Hans 21 Maiß, Ignaz 377, 868, 871 Majunke, Paul 396, 397 Mallinckrodt, Hermann von 129 Mallinckrodt, Pauline von 129 Mandel, Ernst 371, 372, 868, 871 Mangés, Heinrich 510 Manteuffel, Edwin von 192, 502, 544, 551, 559 Marbach, Karl 201, 504, 509, 510, 512, 522, 523, 526, 527, 530–538, 541, 560, 561, 563, 566, 567, 569, 570–572, 809, 868, 871 Marchetti-Selvaggiani, Francesco 755 Maria de la Paz, Prinzessin 696 Marie, Königin von Bayern 672 Marquardt, Julius 462–464, 465, 851 Marschall von Bieberstein, Adolf 405, 413
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Martin, Konrad 157, 170 Marwitz, Johannes Nepomuk von der 396, 470, 471, 473, 476, 483 Marx, Heinrich 329, 332–334, 365, 366, 384, 481, 846, 853, 865, 871 Maryanski, Vitalis 394 Mast, Joseph 652 Matern, Anton 462, 465, 851 Mathes, Richard 7 Matthias, Apostel 17 Mausbach, Joseph 78, 90, 92, 93, 95, 97, 126, 127, 186, 239 Max von Sachsen, Prinz 53, 58, 78–80, 275, 348, 447, 509, 512, 554, 614, 632–634, 636, 637, 781, 782, 805, 807, 808, 814, 824, 854 Maximilian II., König von Bayern 663 Maximilian Joseph, König von Bayern 663 Meier, Heinrich 35 Meinertz, Max 789 Melchers, Paulus Ludolf Kardinal 49, 53, 59, 60, 77, 118, 165, 169, 230, 288, 383, 628, 817 Merckel (Advokat) 609 Mergel, Leo (Johannes) OSB 722, 723, 736, 864, 871 Merkle, Sebastian 694, 749 Mermillod, Gaspard Kardinal 546 Merry del Val, Raffaele Kardinal 92, 96, 99, 100, 135, 140, 145, 148–150, 153, 155, 186, 216, 345, 346, 354, 355, 358, 361, 415, 416, 442, 443, 445, 492, 678, 681, 682, 699, 701, 734, 736–738, 743, 760, 784–786, 791, 825, 826 Mertel, Theodulf Kardinal 571 Mertz, Anton 799, 801 Metzsch-Reichenbach, Karl Georg zu 777, 784 Meurer, Heinrich Joseph 227 Meurer, Laurentius 194, 196–198 Meyer, Franz Friedrich 161 Miquel, Johannes von 406
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Minges, Parthenius OFM 705, 708 Mitter, Armin 440 Mittnacht, Hermann von 652 Mocenni, Kardinal 406 Möhler, Karl 655, 860 Mönch, Antonius 206, 207, 867, 871 Mössmer (Dompfarrer) 757 Molz, Friedrich 681–683 Montel, Johannes von 51, 52, 54, 86, 197, 324, 335, 337, 368, 376, 388, 393, 424, 436, 519, 524, 525, 533, 562, 566, 597, 598, 607, 608, 824 Montgelas, Eduard von 791 Monts, Anton von 54, 71, 393, 480, 513, 584, 605, 717 Morsey, Rudolf 31, 32, 364 Mosser, Franz 509 Moufang, Christoph 627, 634, 635 Mühlberg, Otto von 107, 155, 345, 346, 354, 355, 358, 446, 448, 449, 454, 678, 679 Muller, Claude 548, 557 Müller, Heinrich Fidelis 252, 257, 262, 263, 266, 267, 269, 842 Müller, Joseph 79, 80, 83, 88, 90, 92, 93, 95–97, 98, 99, 106, 836, 866, 871 Müller, Karl Alexander von 690 Müller, Karl Joseph 227, 239 Müller, Ludwig August von 667, 685, 689, 690, 705, 733 Münstermann, Heinrich 182, 839 Münzenberger, Ernst August 286 Mutz, Franz Xaver 614, 617, 619, 620, 858 Nacke, Franz Josef 162 Nagl, Franz Xaver Kardinal 312 Namszanowski, Franz Adolf 462, 467, 471, 472, 486, 487, 852 Napoleon I. Bonaparte 21, 499 Nasse, Berthold 50, 52, 55, 63, 64, 65, 68, 78, 79, 81, 85, 87, 194, 198–201, 233, 237, 294, 542, 609 Nava, Giuseppe 513
personenregister
Negwer, Josef 363, 364, 419 Neubach, Helmut 397 Neubauer, Anton 475, 476, 483 Neudecker, Johann Baptist 758, 761, 864, 871 Nicotra, Sebastiano 57, 65, 66, 69–74, 77, 507–509, 513, 514, 516, 630, 632, 638, 639, 715–718 Niehaus, Theodor 798–800 Nigetiet, Heinrich 509, 538 Niggemeyer, Theodor 170, 171, 177, 179, 839 Nikel, Johannes 351 Nikolaus V., Papst 18 Nikolaus Friedrich Peter, Großherzog von Oldenburg 798, 802 Nippel, Karl 329, 333, 334, 846 Nipperdey, Thomas 21, 43 Nitschke, Franz 370 Noel, Ludwig von 126, 131 Nörber, Thomas 283, 316, 616, 619–622, 646, 647, 659, 660, 808, 858, 863, 871 Nokk, Franz Wilhelm 62, 556, 566, 579, 583, 585, 586, 588, 594, 597, 598, 602, 607–609, 611–613, 615, 617, 619, 620 Nostadt, Erwin Josef 632 Nys, Carl de 194, 203–205 Oberg (Landrat) 459 Oertzen, Karl von 270 Oettingen-Wallerstein, Fürsten von 685 Oheimb, Alexander von 164 Olfers, von (Bankier) 138 Oppermann, Moritz 159, 160, 162 Orbin, Johann Baptist 575, 576, 581, 584, 611, 622, 623 Ott, Joseph 509, 510, 520, 529, 547, 557, 560 Overweg (Landeshauptmann) 166 Ow-Felldorf, Carl von 675 Ow-Felldorf, Sigismund von 661, 674, 675, 678, 679, 722, 734, 736–738, 752, 753, 822, 864, 871 Papen, Familie von 172
personenregister
Parmet, Matthias 109–111, 119, 121, 126, 128, 135, 138, 141, 486 Pastor, Ludwig von 255, 256, 292, 341, 344, 782 Perger, Clemens 61, 72, 111, 117, 123, 124, 130 Pfeiffer, Maximilian Joseph 682 Pfeiffer, Philipp von 740 Philippi, Hans 40 Piecq (Bürgermeister) 85 Piontek, Ferdinand 360 Pius IX., Papst 28, 129, 172, 270, 317, 383, 402, 486, 611, 704 Pius X., Papst 29, 36, 37, 98–100, 135, 137, 139, 141, 150, 190, 218, 359, 361, 367, 376, 415, 420, 436, 438, 440, 446, 448, 466, 482, 497, 567, 679, 682, 700, 702, 723, 736, 738, 739, 755, 757, 760, 782, 826 Pius XI., Papst 36 Plewka, Joseph 787 Poblocki, Julian von 471 Podewils-Dürnitz, Clemens von 677, 678, 682, 720, 733, 737, 738, 753 Poggenburg, Johannes 128, 134, 141, 143– 146, 151, 153–156, 245, 837, 838, 867, 872 Pohlmann, Lambert 227, 239 Poninski, Alfred von 401, 402–405, 424, 432, 433, 437, 850 Porsch, Felix 30, 91, 347, 356, 362, 825 Posadowsky–Wehner, Arthur von 416 Pradzynski, Julius von 472, 473, 852 Praschma, Friedrich von 322, 345 Preysing, Conrad von 689, 752 Pruner, Johann Evangelist 686, 721, 728 Puttkamer, Robert Viktor von 371, 571 Pyta, Wolfram 30 Quirmbach, Joseph 308, 311, 312, 845 Rabe, Friedrich 291, 294–297, 300, 302, 303, 305, 306, 310 Radowitz, Joseph von 522, 528, 529
985
Rady, Karl 716–719 Radziwill, Edmund Prinz (P. Benedikt OSB) 393, 395–398, 401, 402, 470, 550, 849, 850 Radziwill, Elise Prinzessin 395 Radziwill, Ferdinand Prinz 397 Räß, Andreas 512, 544–546 Räß, Simon 545 Raich, Johann Michael 641, 643 Rampf, Michael von 669, 670, 686, 690, 708, 725, 726, 728–731, 864, 872 Rampolla, Mariano Kardinal 28, 57, 65, 68, 70, 71, 74–77, 87, 89, 104–106, 112, 125, 177, 178, 199, 201, 202, 252, 260, 267, 338, 341, 365, 366, 391–394, 410, 415, 445, 452, 453, 465, 480, 492, 507– 509, 515–517, 522, 523, 527, 529, 533, 535, 536, 538, 551, 559, 560, 562, 563, 566, 570–572, 586, 589, 594, 600, 602, 604, 606, 624, 630, 632, 639, 669, 674, 676, 690, 691, 705–708, 715–717, 719, 725, 727–729, 768, 769, 773, 775, 778, 780, 781, 809, 817, 825, 826, 830 Rantzau, Cuno von 410, 724 Raschdau, Ludwig von 381, 403, 404, 406, 411 Ratibor-Corvey, Karl Egon Prinz von 93, 95, 135, 143, 144, 152, 187 Recke zur Horst, Eberhard von der 174, 176, 177, 184, 185 Redner, Leo 250, 386, 387–389, 391, 393, 399–401,404, 454, 471, 474, 475–477, 482, 848, 866, 872 Reichert, Franz Rudolf 204 Reimann (Pfarrer von Frankenstein) 351 Reinhard, Richard 615 Reinhardt, Rudolf 592, 652, 659 Reisach, Karl August Kardinal von 270 Reiser, Wilhelm von 650–655, 869, 872 Renninger (Domkapitular) 686 Renz, Franz Seraph 132, 149 Repgen, Konrad 31 Reuß, Heinrich VII. Prinz 338, 348, 401
986
Rheinbaben, Georg von 90, 91, 93, 95, 96, 98, 242, 356 Rhiel, Franz 279 Rhiel, Georg Adam 275, 276, 278, 279, 281, 843 Rhiel, Wilhelm 278 Rhotert, Johannes 239 Richtarsky, Anton 375 Richter, Franz 229, 231–233, 235, 841 Richthofen, Hugo von 50, 55, 58, 68, 72, 73, 234 Rinaldini, Aristide 513, 528, 529 Ringeisen, Dominikus 732 Ritter zu Groenesteyn, Otto von 100, 346, 354, 357, 361, 448, 701, 743, 744, 756 Rittler, Alois 725 Roon, Albrecht von 486 Roos, Johannes Christian 261, 267, 268, 286, 287, 310, 405, 562, 563, 580, 583, 584–586, 591, 607, 623, 624, 628, 658, 856, 863, 872 Rosenthal, Harry Kenneth 381, 409 Rosentreter, Augustinus 479, 480, 481, 482–484, 853, 866, 872 Rotenhan, Wolfram von 68, 76, 77, 79, 80, 86, 174, 218, 365, 366, 376, 406, 420, 424, 515, 516, 519, 522, 524, 526, 533, 536, 572 Roth, Eugen 280 Rothe, Carl Friedrich 637, 640 Rottmanner, Odilo OSB 69 Ruckgaber, Emil 655 Rudolf, Ferdinand 577, 580, 581, 582, 583, 856 Rudt de Collenberg, Wipertus 506 Rüping, Hermann 138 Ruffo Scilla, Luigi Kardinal 104, 261, 339, 727 Sachsen-Meiningen, Bernard II. Herzog von 344 Sambucetti, Cesare 77, 176–178, 365, 468,
personenregister
516, 517, 542, 638, 689, 717, 731, 733, 773, 774, 776, 778–780, 792 Samerski, Stefan 8 Sander, Franz 444 Sarwey, Otto 651, 656, 659 Sasse, Franz Xaver 93 Sasse, P. Nazarius OFM (Alexander) 437, 439, 441–443 Satolli, Francesco SJ 542 Sattler, Anton 566 Savigny, Franz von 361 Scapinelli, Raffaele 358, 744 Schädler, Franz Xaver 521, 718, 741 Schaefer, Aloys 93, 94, 96, 181, 356, 362, 787–795, 823, 836, 839, 869, 872 Schaeffer, Sebastian Georg 101 Schärl, Walter 661 Schanz, Paul von 183, 656, 659, 859, 860 Scharmer, Franz 417 Scharnagl, Anton 670, 707 Scharwath, Alfred 204 Schatz, Klaus SJ 14, 29, 35, 42, 286, 304 Schell, Herman 466, 693, 699, 705, 733 Schenk, Peter Josef 614, 617, 619, 858 Scher, Antonius 505, 506, 511, 512, 534, 550, 551, 556, 557, 560 Scherr, Gregor OSB 70, 722, 726 Scheuffgen, Franz Jakob 58, 205, 505, 512, 554, 814 Schick, Andreas 253, 262, 263, 265–267, 269, 842 Schirmeisen, Reinhold 419, 420, 423, 437, 492 Schlecht, Joseph 751, 752 Schlieckmann, Albrecht von 458, 461 Schlippe, Paul 638, 640 Schlör, Ferdinand von 699, 702, 720, 743, 748, 749, 864, 872 Schlözer, Kurd von 101, 112, 113, 122, 124, 125, 160, 169, 188, 197, 251, 260, 321, 324, 325, 336, 337, 388, 392–394, 402, 404–406, 409, 410, 457, 462, 473, 474, 487, 490, 562–566, 568, 569, 583 Schlosser (Landrat) 302
personenregister
Schmidt, Friedrich 138, 141 Schmitt, Adam Josef 633, 640 Schmitt, Carl 240, 241, 242, 841 Schmitt, Jakob 577, 580, 581, 582–584, 590, 591, 593, 594, 606, 856, 857 Schmitt, Joseph Damian 93, 95, 96, 222, 273, 275, 281–284, 306, 345, 351, 355, 358, 359, 812, 813, 836, 843, 866, 872 Schmitt, Theodor 507, 508, 510, 520, 547, 558 Schmitz, Hermann Joseph 51, 52, 57, 58, 59, 62, 63, 65–67, 69, 70, 72, 104, 105, 201, 235, 293, 517, 595, 598, 608, 817, 818, 828, 835, 866, 872 Schmitz, Jacob 86 Schneider, Friedrich 292, 386, 550, 619, 627, 630–634, 637, 638–641, 647, 815, 821 Schneider, Wilhelm 78–80, 85, 88, 170, 171, 172–182, 185, 189, 262, 817, 831, 839, 867, 872 Schnitz, Joseph 181, 182, 184–186 Schnütgen, Alexander 78 Schober, Ferdinand 604, 605 Schober, Ildefons (Friedrich) OSB 518, 604–606, 611, 613, 622 Schönborn, Familie von 692 Schönborn, Franz Kardinal von 371, 445 Schönburg von (sächsischer Adeliger) 774 Schönburg-Hartenstein, Johannes von 347, 348, 350, 359 Schönfelder, Joseph 687–690, 718, 720, 822, 826 Scholz, Edmund 373, 374, 868, 872 Schoo, Johann Gerhard 227 Schork, Joseph von 686, 689–692, 694, 715, 718, 751, 863, 872 Schorlemer-Lieser, Clemens August von 437, 441 Schrandt, Johannes 118, 119, 124 Schraut von (Regierungspräsident) 692 Schreiber, Arthur 497 Schreiber, Christian 220, 221, 222, 813, 840
987
Schreiber, Friedrich von 666, 685, 713 Schreiber, Wilhelm 212, 215–217, 840 Schriever, Caspar Ludwig 227 Schrod, Karl Ernst 202–206, 614, 618, 858, 867, 872 Schröder, Friedrich SJ 607 Schrörs, Heinrich 58, 582, 584 Schütz, Jakob Hubert 437, 438, 441–443, 538, 539 Schulte, Franz Xaver 158, 160–163, 165, 168, 169, 822 Schulte, Heinrich 168, 169 Schulte, Karl Joseph Kardinal 90–94, 96, 97, 98, 181, 182, 183–187, 189, 190, 344, 350, 351, 354–356, 358, 359, 362, 363, 793, 839, 867, 872 Schultz, Hugo 213 Schumacher, Heinrich 102, 103 Schwaiger, Georg 24, 670 Schwarz, Wilhelm Eberhard 134, 153 Schwarzenberg, Friedrich von 330, 370 Schylla, Paul 328, 387–389, 848 Sdralek, Max 342, 387, 389, 417–419, 424, 425, 433 Selbst, Josef 634, 645, 646, 855 Selkmann, Wilhelm 147, 148, 798–801 Senestréy, Ignaz von 652, 666, 675, 688, 721, 728, 735–738, 747, 750, 751, 814 Senger, Adam 697, 699, 759–761, 863, 872 Seydewitz, Otto von 340 Seydewitz, Paul von 774, 775, 779, 784 Seyfert, Ernst Hugo 795 Sieve, Peter 8 Simar, Gottfried 167 Simar, Hubert Theophil 52, 54, 56–58, 64–67, 72–78, 82, 84, 85, 87, 107, 162, 163, 167–170, 173, 178, 179, 183, 262, 517, 542, 835, 838, 866, 867, 872 Simonis, Jakob Ignatius 545, 548, 549, 552, 560 Skala, Jakob 787, 791, 795 Skrbensky, Leo von 372, 373
988
Smigiel, Kazimierz 406 Sniegon, Franz 365 Sockel, Joseph 326, 327 Söltl (Professor) 688 Sommerwerck, genannt Jacobi, Daniel Wilhelm 208, 209, 213, 215, 250, 334, 335 Souaillard, Maria Dominikus OP 502 Speil, Ferdinand 480, 481, 853 Sperber-Grauden, Hugo von 441 Spiske, Robert 327, 328 Spitzemberg, Baronin von 337 Spolverini (Erzbischof) 579, 583 Sporer, Joseph Anton 655, 859, 860 Springorum, Gustav 276, 282 Sprünken, Franz 141, 143, 838 Stablewski, Florian Oksza von 402, 404, 406–413, 415, 421, 422, 427, 431, 432, 434, 436, 441, 479, 866, 872 Stahl, Georg Anton von 690 Stamm, Christian 161 Stangert (Dompropst in Pelplin) 483 Stark, Franz 167 Staude, Augustin 33 Staupitz, Johann von 372 Steffen, Anton SM 244 Steichele, Antonius von 309, 666, 668, 669, 726, 728 Stein, Franz Joseph von 666, 672–677, 683, 684, 691, 694, 698, 708, 710, 716, 719, 731, 734, 746, 747, 751, 754, 757, 864, 872 Steinam, Artur 614, 618, 858 Steinhuber, Andreas Kardinal SJ 68, 180, 479, 588, 600 Steinmann, Conrad 210, 211, 214, 217 Steinmann, Johannes 343, 348, 351 Steinmeister, Otto von 94 Sterz, Robert 375, 377, 868, 872 Steuer, Albert 387, 429 Stezenbach, Gustav 620 Stiegele, Paul 656, 859, 860
personenregister
Stigloher, Marcellus 710 Stiller, Theodor 342 Stock, Eduard 458, 461, 851 Stockhammern, Franz von 744, 755 Stoeffler (Domkapitular) 507, 508, 510, 520 Stoff, Leopold Matthias Elias 275, 279– 281, 843 Stolberg-Wernigerode, Konstantin zu 82, 228, 235, 236, 238 Stotzingen, Fidelis von OSB 80, 344, 354, 359 Strachwitz, Hyacinth von 378, 380, 425, 445, 446 Strätz (Dompropst) 686 Straub, Alexander 547, 558, 560, 561, 563 Strieth, Jakob 307, 308, 311, 312, 845 Stuckmann, Wilhelm 162, 163, 165, 166, 169, 457, 493, 815 Studemund, Wilhelm 504, 547 Studt, Konrad 60, 61, 67, 71, 72, 75, 77, 79, 88, 114, 115, 118–120, 123, 127, 130, 161–169, 174, 175, 216, 230, 232–234, 238, 295, 366, 414, 416, 417, 420, 421, 423, 438, 444, 468, 483, 493 Stüve, Gustav 228, 229, 239 Stukenborg, Anton 118, 124, 799–803, 865, 872 Stumpf, Peter Paul 336, 510, 545, 547, 552, 553, 570, 868, 872 Stutz, Ulrich 39 Sydow, Ludwig (Chlodwig) von 102, 164, 165, 167 Szecsen de Temerin, Nikolaus 447 Szoldrski, Kasimir 401, 403, 405, 850 Tagliani, Aemilius 604 Tappehorn, Anton 124 Tellers, Heinrich 159, 160, 162, 163, 166, 170, 838 Theodoret von Cyros 212 Therese von Bayern 669
personenregister
Thiel, Andreas 250, 458, 459–463, 467, 468, 487, 851, 865, 872 Thiele, Antonius 226 Thielemann, Theodor 280 Thielemann, Viktor 275, 280–282, 843 Thoma, Antonius von 661, 669, 670–675, 685, 687, 689, 691, 704, 708, 727–730, 822, 864, 872 Thoma, Berthold 671 Thoma, Kunigunde, geb. Kunz 671 Thomas, Apostel 638 Thoms, Wilhelm 248–251, 257, 627 Tiele-Winckler (Industrielle) 333 Treitz, Jakob 502 Trepnau, Johannes 471, 472, 473, 477, 482– 484, 852, 866, 872 Tretowski, Hipolit von 477, 852 Triebs, Franz 350 Triller, Georg 716, 754 Trimborn, Karl 90, 91 Tripp, Wilhelm 292, 294, 296, 299, 300, 303, 304, 306, 313–315, 844 Trippen, Norbert 14, 35, 73, 75, 88 Trost, Ludwig 667, 687 Trotha, Wolf von 278 Trott zu Solz, August von 90, 91, 92, 127, 137, 143, 152, 185, 223, 345–347, 357, 447, 449, 454 Trott zu Solz, Friedrich von 263–266 Türk, Jakob von 667, 686, 687, 823 Turban, Ludwig Karl Friedrich 556 Ullrich, Karl 375, 488 Uppenkamp, Ludwig 141 Vanutelli, Serafino Kardinal 147 Vicari, Hermann von 575, 580, 598, 606, 615 Viktoria Luise, deutsche Kaiserin 631 Vitzthum, Christoph Johann Friedrich von 94 Volkmer, Franz 370 Vollmar, Heinrich 492, 493, 494, 496, 815, 868, 872
989
Voß, Hubert 78, 80, 82, 85, 88, 229, 231, 232, 235–238, 836, 841, 867, 872 Voß, Stephan 7 Voß, Susanne 7 Wackarz, Leopold OCist. 305 Wacker, Theodor 175, 598, 608, 611 Wagner, Theodor 510 Wahl, Ludwig 766–778, 780, 781, 783–787, 791, 810, 823, 869, 872 Wahl, Richard 657, 659, 860 Waldow-Reitzenstein, Wilhelm von 381, 414, 422, 425, 433–435, 437, 440 Walser, Julius 655, 859, 860 Walter, Karl 286, 289, 292, 294, 300–304, 844 Wangenheim, Johann Ernst von 242 Wanjura, Gustav 326, 384, 386, 387–389, 392, 403, 424, 425, 430, 433, 471, 473, 474, 815, 848, 852 Warminski, Ignaz 393, 399, 849 Weber, Christoph 40, 196 Weber, Max 15, 16 Weckert, Joseph Franz von 724 Wedel, Wilhelm von 133 Wehler, Hans–Ulrich 13, 14, 31, 34 Wehner, Anton von 679, 692, 694, 722, 723, 733, 734, 736, 737, 742–744, 754, 755, 757, 823 Weickum, Karl 577 Weislinger, Johann Peter 508, Weiß, Albert Maria OP 604, 605 Wentzel, Richard (von) 209–211, 216–219, 239, 242, 293, 300, 303 Werber, Friedrich 590, 591, 592, 593, 609, 611, 857 Wernz, Franz Xaver SJ 313 Werthmann, Lorenz 309, 587–589, 600, 603, 607, 608 Wessenberg, Ignaz von 573 Wetterle, Emil 176 Weuffen von (Regierungspräsident) 753 Weyland, Joseph 251, 252, 257–262, 287, 290, 631, 811, 842, 865, 872
990
Wibbelt, Augustin 495, 789 Wieker, Otto 211, 216 Wien, Johannes 459, 461, 471, 851 Wigger, Heinrich 170, 171, 175–179, 839 Wilamowitz-Moellendorff, Hugo von 404, 409, 411, 428 Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von 407 Wilhelm I., deutscher Kaiser 172, 249, 258, 261, 289, 370, 395, 396, 399, 418, 473, 486, 487, 490, 503, 578 Wilhelm II., deutscher Kaiser 41, 46, 64, 67, 80, 86, 89, 92, 116, 120, 122, 127, 132, 136, 153, 168, 172, 177, 178, 185, 200, 213, 214, 217, 220, 223, 235, 266, 268, 274, 282, 291, 302, 304, 341, 344, 349, 355, 364, 371, 377, 382, 384, 401, 404, 405, 409, 411, 412, 424, 438–440, 448, 464, 477, 492, 494, 497, 505, 506, 508, 515, 518, 519, 525, 526, 530, 534, 540, 541, 559, 561, 565, 567, 570, 604, 630, 631, 813, 815, 820, 821, 826 Wilhelm II., König von Württemberg 657 Willeumier, Heinrich 515, 521 Willi, Dominikus OCist. 283, 292, 301– 306, 605, 844, 867, 872 Wilpert, Josef 345, 346
personenregister
Windheim, Ludwig von 223, 278, 281 Windthorst, Karl 131 Windthorst, Ludwig 30, 62, 123, 124, 226, 325, 337, 338, 390, 397, 407, 457, 669 Winterer, Landolin 509, 511, 512, 545, 549, 550, 560 Wolf, Hubert 650 Wolff (Amtsrichter) 434, 435 Wolszlegier (Wollschläger), Anton von 463 Wolter, Maurus OSB 329 Wurmb, Lothar von 291 Wuschanski, Georg 776, 777, 778–781, 783–787, 790, 869, 872 Zardetti, Otto 596, 597, 600 Zedlitz-Trützschler, Robert von 161–163, 167, 168, 276, 341, 366, 367, 388–390, 399, 402–405, 409, 412, 413, 430, 432, 446, 451, 453 Zielinski, Zygmunt 380 Zimmern, Sigismund Joseph 677, 679–681 Zorn von Bulach, Franz 504–506, 507, 509, 511–518, 520–532, 534, 535, 537– 542, 543, 572, 793, 809, 818, 868, 872 Zorn von Bulach, Hugo 513, 532
ORTE Bei Orten, die im Untersuchungszeitraum innerhalb der Grenzen des Deutschen Reichs lagen, wurde allein die damals amtliche deutsche Schreibweise des Ortsnamens aufgenommen. Bei Bischofssitzen wird nicht zwischen Stadt und Bistum unterschieden. Keine Aufnahme fanden Länder- und Landschaftsnamen sowie die in den Fußnoten genannten Orte. Aachen 71, 84, 91, 92, 106, 107, 130, 138, 279 Abila 792 Abrau 481 Abtsgmünd 655 Agathopolis 472 Ahlen 128 Ahrweiler 206, 491 Allenstein 7, 456, 461, 463, 468 Alfhausen 227 Altenbach 717 Altenburg 25 Altona 241, 493 Alzey 644 Amberg 675 Amelsbüren 132, 149 Amöneburg 262, 270, 272, 842 Amorbach 672 Amyzon 199 Annaberg (O/S) 353, 442 Annweiler 741 Anrath 84 Ansbach 754 Antonia 332 Antwerpen 204 Arnsberg 157, 162, 182, 189, 241 Aschaffenburg 748 Atteln 189 Augsburg 8, 24, 43, 484, 661, 666–668, 683, 686, 692, 703, 705, 708–719, 724, 728, 731, 732, 754, 756, 757, 758, 809, 822, 823, 828, 863, 870, 871 Aureliopolis 451 Azotus 187
Bad Bergzabern 741 Bad Cannstatt 658 Bad Ems 311, 845 Bad Kreuznach 446 Bad Laer 241 Bad Neuenahr 90 Bad Orb 254, 255 Bad Reichenhall 309, 672, 717 Bad Reinerz 372, 374 Bad Warmbrunn 327, 396 Baden-Baden 616, 808, 858 Bamberg 8, 24, 43, 521, 661, 665, 666, 685, 687, 689–691, 693–698, 700, 702–704, 710, 712–720, 722, 727, 741, 750, 753– 761, 810, 823, 826, 828, 863, 870, 872 Bant 132 Bartenstein 461 Basilinopolis 204 Bauerbach 278 Bauerwitz 375–377 Bautzen 44, 763, 764, 766, 771, 772, 776, 777, 779, 780, 783–787, 789–795, 810 Beckum 142 Bengel 194 Bensheim 636, 643, 645 Benst 506 Berchtesgaden 675 Berent 481 Bergamo 669 Berlaymont 130 Berlin 7, 37, 50–52, 55, 57, 66, 72, 76, 79, 81, 82, 85, 88–91, 96, 97, 101, 104–106, 107, 109–111, 114, 115, 119, 120, 122, 123,
992
125, 127–129, 131, 135, 138, 141, 147, 152–155, 160, 161, 163, 168, 169, 178, 182, 185, 187, 193, 196, 198, 201, 207, 209, 211, 213, 217, 218, 224, 226, 228, 235, 259, 261, 266, 268, 281–283, 292, 303, 305, 312, 317, 318, 320, 322–324, 331, 334, 336, 338–342, 347, 349, 350, 354, 355, 357, 360, 366, 368–371, 373, 376, 379, 384, 389, 392–395, 397, 401, 402, 404–406, 408–410, 413, 415, 421, 431, 432, 434, 436, 441, 443, 445, 447, 448, 453, 454, 457, 461, 470, 474, 478, 480, 487, 488, 490, 491, 494, 500, 501, 505, 506, 514, 519, 523, 524, 527–529, 531, 532, 534, 542, 553, 555–559, 562, 563, 570, 574, 578, 579, 585–587, 590, 595, 597, 598, 601, 602, 605, 622, 635, 642, 659, 747, 755, 767, 782, 787, 793, 813, 822, 830, 838, 852, 853 Berlin-Dahlem 37 Berlin-Kreuzberg 489, 492, 498 Berlin-Schöneberg 127, 143, 151, 152 Besancon 499, 500 Beuron 329, 344, 402, 518, 550, 849, 850 Beuthen (O/S) 329, 333, 397, 419, 420, 437 Bickendorf 202 Bielefeld 31 Biengen 590 Bigge 189 Billerbeck 149 Billigheim 741 Bingen 634 Bischoffsheim 548 Bischofsburg 463, 468 Biskupitz 353 Bitburg 202 Bitsch 503, 509 Bitschweiler 512 Bladen 376 Bleichheim 592 Blumenthal 208 Bobau 472 Bocholt 221, 231, 233, 841
ortsregister
Bochum 320 Bockenheim 257, 269, 273, 275, 279, 843 Boele 182 Bökendorf 164 Bonn 35, 58, 59, 62, 64, 73, 75, 79–85, 94, 103, 159, 160, 162, 164, 167, 169, 171, 172, 186, 240, 279, 293, 294, 308, 395, 481, 553, 584, 596, 643, 654, 658, 806, 836, 838, 841 Borken 132, 133 Borkenhain 277, 280 Boulay 503 Bracht-Alst 115 Branitz 488 Braunsberg 428, 459–461, 463–465, 472, 477, 851 Braunschweig 216 Braunsrath 160 Bregenz 301 Breisach 596, 615 Bremen 25, 220 Breslau 7, 11, 12, 27, 35, 37, 41, 43, 51, 54, 57, 70, 85, 97, 110, 112, 113, 120, 132, 149, 152, 157, 159, 173, 174, 181, 209, 211, 217–219, 222, 224, 228, 241, 245, 248, 251, 252, 258, 259, 261, 267, 283, 284, 317–328, 330–333, 335–340, 342, 343–354, 356–366, 368–376, 380, 384– 389, 395, 397, 406, 411–413, 416–420, 422, 423, 425, 430, 436, 437, 440, 445– 447, 455, 457, 459, 467, 468, 470–472, 475, 480, 481, 485, 487, 488, 490–493, 497, 517, 519, 527, 531–534, 539, 543, 562, 599–601, 773, 775, 777–779, 786, 788, 789, 796, 807, 812, 814, 815, 819– 821, 824, 825, 826, 828, 832, 846–848, 853, 865, 870, 871 Brest 432 Brilon 171, 172, 177, 182, 839 Bruchsal 581 Brünn 376 Brüssel 379, 402 Buchholz 581
ortsregister
Büren 110, 159, 165, 188 Bürstadt im Ried 645 Bukarest 596, 597 Buldern 151 Burgau 667 Burghain 279 Burgsteinfurt 141 Busendorf 503 Caesaropolis 546 Cambrai 499 Celle 220 Cham 438 Chemnitz 788, 790 Chur 38 Cisamus 497 Cloppenburg 797, 799, 803 Colmar 504, 505, 507–509, 522, 539, 546, 548, 558, 559, 561, 558, 559, 561, 571 Colossae 366 Comana 760 Cosel 333, 353, 430 Cransberg 300 Cucusus 770 Damme 799 Danzig 110, 159, 387, 389, 417, 456, 470, 472, 475, 479, 483, 487 Darmstadt 249, 574, 628, 630, 634, 636, 638, 639, 641, 642, 644, 645, 647, 829, 855 Dehlingen 656 Delco 190 Dermbach 257 Dessau 189, 241 Detmold 166 Deutsch Krawarn 377 Deutsch Krone 477 Dieburg 636 Diedenhofen 506 Dienheim 636 Dietkirchen 167 Dillingen/Donau 220, 308, 732
993
Dingelbe 215 Dinklage 124, 230 Diocaesarea 367 Dittlofrod 277 Dolberg 128 Dorpat 328 Dorsten 128 Dortmund 175, 181, 189, 442 Dresden 94, 181, 553, 636, 764–767, 769– 776, 779, 780, 784, 786–788, 791–793, 795, 823, 824 Drolshagen 175 Duderstadt 210, 214, 215, 221, 319, 840 Dülmen 115, 151 Düren 83 Düsseldorf 62, 63, 93, 107, 114, 116, 130, 496, 558 Duisburg 231 Duisburg-Untermeiderich 134, 145 Durmersheim 581 Ebenheid 591 Eberbach-Eichberg 279 Ebersdorf/Habelschwerdt 330 Ebnet 596 Eckersdorf 371 Egelborg, Haus bei Legden 142 Egesheim 650 Egisheim 546 Ehingen/Donau 657, 859, 860 Eichstätt 23, 24, 43, 53, 54, 78, 80, 82, 142, 184, 189, 506, 580, 614, 633, 636, 643, 645, 647, 666, 685, 689, 694, 716, 721– 723, 736, 747, 750–753, 781, 814, 856, 864, 871 Einsiedeln 301 Eisenach 266 Eisenharz 655 Eiterfeld 277 Elditten 428 Ellwangen 653 Eltville 298, 299, 309 Emaus bei Prag 439
994
Emmerich 130, 143 Ems (Domat) 301 Emstek 799, 802 Enos 650 Ensdorf 202 Erfurt 157, 159, 160 Erfurtshausen 265, 278 Erkelenz 83 Erlach 581 Erlenbad 597 Ermland 23, 27, 43, 50, 139, 159, 185, 188, 339, 386, 390, 428, 456–469, 472, 487, 797, 806, 807, 832, 851, 861, 862, 865, 870, 872 Ersingen 596 Erwitte 158, 189 Erythrea 540 Essen 59, 84, 103, 117, 120, 164, 175, 183, 230, 817 Etteln 189 Ettenheim 591 Euskirchen 82 Falkenberg (O/S) 330, 353 Fehlheim 645 Feldkirch 132, 136, 172 Ferkenhain 277 Flavias 482 Forchheim 687 Fourons (Voeren) 107 Frammersdorf 254 Frankenstein 351, 353 Frankfurt/Main 23, 25, 246, 257, 273, 275, 277, 279, 285, 286, 288, 290, 294, 303, 308, 309, 311–315, 444, 450, 499, 584, 612, 844, 845 Frauenburg 384, 428, 456, 459–467, 469, 471, 472, 851, 853 Fraulautern 117, 194, 195–199, 202 Fraustadt (Wschowa) 407 Freiburg/Breisgau 12, 25, 35, 43, 53, 58, 63, 68, 82, 158, 174, 246, 248, 261, 268, 274, 280, 283, 287, 288, 310, 316, 319, 372,
ortsregister
387, 389, 417, 460, 503, 506, 518, 539, 554, 555, 560, 561, 563, 567, 573–584, 586, 588–590, 592–597, 599, 601–607, 609–625, 628, 631, 636, 645, 646, 649, 653, 657–661, 709, 712–714, 806–809, 812, 813, 815–818, 823, 825–829, 856, 857, 860, 861, 863, 871, 872 Freiburg/Schweiz 447, 604, 782 Freising 24, 41, 43, 309, 489, 661, 665, 668, 671, 673, 674, 679, 682, 685, 686, 704, 709, 710, 716, 717, 719, 725–727, 734, 736, 746, 754–757, 822, 864, 870, 872 Friedersdorf 374 Friedrichshafen 655 Frohnhausen 184 Füchtel, Gut bei Vechta 132 Füssen 714 Fulda 8, 25, 43, 50, 93, 95, 96, 152, 158, 173, 180, 209, 220–222, 238, 246–266, 268, 270–285, 287, 306, 319–321, 324, 326, 329, 334, 335, 337, 340, 345, 355, 358, 436, 439, 474, 517, 533, 574, 578, 580, 583, 595, 598, 602, 605, 607, 612, 631, 639, 643, 807, 811–813, 828, 829, 836, 840, 842, 843, 856, 857, 861, 862, 865, 866, 870–872 Gaesdonck bei Goch 115, 117, 124, 128, 130, 132, 139, 141, 495, 553, 837, 838 Gardelegen 189 Gau-Algesheim 645 Gebweiler 512 Geldern 111, 142, 143 Gelnhausen 221, 277 Gemen 151 Genf 546 Gengenbach 581 Georgsmarienhütte 240 Gerlachsheim 617 Gerlingen 172 Germanicia 150 Gernsheim 636 Gerstheim 506, 571
ortsregister
Geseke 110, 159 Gieraltowitz 430 Gießen 248, 253, 254, 300, 627, 643, 644, 813 Glatz 8, 43, 317, 329–331, 369–372, 374, 375, 846, 868, 871, 872 Gleiwitz 327, 417, 445 Glottertal 615, 858 Gnesen 27, 43, 49, 50, 159, 228, 328, 333, 339, 351, 365, 378–388, 390, 392–396, 398–455, 538, 550, 561, 562, 571, 631, 778, 807, 815, 819–821, 826, 828, 832, 848–850, 861, 866, 870–872 Goch vgl. Gaesdonck Göttingen 221 Goldbach/Schweiz 717 Goschütz 353 Goslar 214 Gotha 25 Gottmadingen 590 Grafenort 373 Graudenz 494 Gravelotte 197 Gröbnig 375 Großauheim 270, 271, 277 Groß Düngen 214 Groß Förste 214 Groß Lichtenau 460, 851 Groß Ramsau 472 Groß Strehlitz 353, 354 Groß Wartenberg 328, 388 Grzendzin 333 Güldenstein, Schloss 798 Gütersloh 493 Guttstadt 465 Haag, Schloss bei Geldern 116 Habelschwerdt 330, 369, 372–374, 445 Hadamar 257, 289, 298–300, 308, 311 Hagenau 572 Haid, Schloss in Böhmen 285, 296 Haigerloch 580 Hamburg 227, 241, 348
995
Hammelburg 255 Hanau 270, 271, 273, 277–279 Hannover 8, 26, 43, 82, 209, 212, 214–216, 229, 232, 234, 240, 243, 248, 302, 343, 494, 511, 840 Hannoversch Münden 208 Harburg 208, 214, 348 Hardheim 581, 616 Harsum 214 Haselünne 241 Haste 242, 841 Havelberg 19 Havixbeck 130 Hechingen 580 Heddesheim 609, 857 Heidelberg 578, 581, 596, 609, 643, 857 Heidenfeld 742 Heiligenstadt 171 Heilsberg 456, 460, 461, 464 Heinsberg 84, 160 Heldenbergen 627 Helmstedt 208 Helsingfors 428 Hemer 171 Hemsbach 581 Henneckenrode 319 Heppenheim 636, 644, 854 Herbolzheim 617 Hermopolis 452 Hessloch 645 Hildburghausen 25 Hildesheim 11, 23, 26, 35, 43, 91, 93, 94, 208–210, 212–215, 218–225, 244, 247, 312, 321, 334, 335, 343, 344, 351, 352, 355, 359–361, 364, 529, 806, 807, 810, 813, 821, 826, 836, 840, 847, 866, 870 Hillscheid 299, 300 Hilsbach 596 Hochheim/Main 58 Hochstüblau 852 Höchst 290, 308 Höltinghausen 802 Hoengen 106
996
Hönnersum 215 Höpfingen 581 Hörde 170, 175 Höxter 159 Hofheim 299 Hohenfurth 305 Hohensalza (Inowroclaw) 431 Hohenstein 429, 463, 477 Hohensyburg 181 Horas 272 Horb/Neckar 629, 656 Horbach 298, 616 Horn 189 Hüls bei Krefeld 495 Hünfeld 95, 271, 278, 280 Ichenheim 581 Ingolstadt 671 Innsbruck 62, 66, 172, 182, 184, 189, 190, 192, 212, 293, 445, 518, 618, 643, 672, 680 Insterburg 463 Inzlingen 590 Jaksice 431 Jauer 352 Jauernig 317, 330, 435, 600 Jena 280 Jerusalem 518 Johannesberg, Schloss 317, 367, 435, 440, 600 Jülich 59, 164 Juliopolis 104 Kallenhardt 158 Kamenz/Sachsen 777 Kaminietz 445 Kamp(-Bornhofen) 286, 584 Kamp(-Lintfort) 142 Karlsbad 162 Karlsruhe 63, 205, 527, 564, 575, 577, 579, 583–586, 589, 592–595, 597, 598, 600, 602, 603, 605, 607, 610, 611, 613, 615, 617, 620, 623, 658, 816
ortsregister
Kassel 25, 246, 251, 252, 257, 261–263, 269, 275, 279, 280, 301, 312, 320, 559, 574, 842 Katscher 43, 317, 375–377, 488, 868, 871, 872 Kempen 115 Kempen/Posen 451 Kevelaer 111, 143 Kiedrich 279, 290 Kirchhain 265, 272, 278 Kitzingen 742 Kiwitten 464 Kleinheubach 690 Klein Nakel 476 Klein Nimsdorf 430 Klein Woitsdorf 328, 388 Kleve 108, 553 Koblenz 55, 66, 79, 81, 82, 91, 95, 102, 105, 114, 152, 189, 191, 197, 200, 204, 205, 206, 241, 618 Köln 12, 27, 35, 36, 38, 41, 43, 49–65, 68– 87, 89–94, 96–102, 104, 106, 107, 110, 113, 118, 126, 140, 141, 143–145, 147, 160, 162–167, 170, 174, 175, 179, 180, 183, 186–188, 200, 219, 226, 228–231, 234, 235, 237, 238, 249, 276, 285, 288, 293, 317, 319, 343, 349, 350, 368, 383, 412, 437, 443, 447, 450, 456, 478, 485, 486, 494, 498, 505, 515, 517–519, 526, 539, 542, 545, 552, 572, 595, 598, 601, 603, 608, 609, 632, 633, 637, 638, 654, 659, 681, 770, 807, 810, 813–820, 824– 828, 832, 835–838, 841, 854, 861, 862, 866, 870–872 Köln-Ehrenfeld 438 Königheim 581 Königsberg 384, 422, 463, 474, 493, 494 Königstein 287 Köslin 360 Kolberg 488 Kommern 82 Konitz 472, 473, 475, 477, 481 Konstanz 573, 577, 581 Korfu 356
997
ortsregister
Koscielec 402, 403, 850 Koslinka 484 Kotowiecko 395, 452 Krakau 383, 395, 444, 450 Krauchenwies 580 Krefeld 62, 84, 104, 495 Kremsier 445 Kronberg 293 Krotfeld 377 Kürzell 590 Kujau 333 Kulm 43, 337, 339, 382, 386, 389, 391, 393, 394, 396, 404, 430, 435, 454, 463, 467, 470, 471, 473–476, 478–483, 815, 819, 827, 848, 852, 861, 862, 866, 871, 872 Kuppenheim 591, 609, 857 Kurtscheid/Eifel 438 La Chapelle-sous-Rougemont 512 Lahr 581 Landau/Pfalz 741 Landshut 717 Landstuhl/Pfalz 680 Langförden 799 Laskowitz 330 Lathen 240 Lauda 619 Lauterbach 657 Lebus 19 Legden 142 Leipzig 636, 637 Leitmeritz 766, 795, 824 Lemberg 324 Lennestadt 183 Leobschütz 367, 375, 377, 430 Leutershausen 591 Leutstetten, Schloss 687 Lichtental 616, 618 Liebenthal 352 Liebstadt 428 Liegnitz 351 Limburg 25, 43, 50, 147, 200, 232, 246, 248, 250–252, 256–258, 260, 261, 279, 283,
285, 287–316, 337, 444, 458, 551, 557, 558, 563, 574, 578, 580, 583, 595, 598, 602, 605, 606, 607, 615, 629, 631, 632, 635, 642, 643, 649, 797, 807, 809, 812, 813, 815, 821, 832, 844, 845, 856, 861, 862, 867, 872 Lindenholzhausen 308 Lingen 240, 242 Lippstadt 183 Lissa bei Breslau 327 Löbau 473 Löningen 118 Löwen 82, 166, 188, 799 Löwenberg 352 Lohe bei Werl 172 Lohne 132 Lohr am Main 698 Lokau 459 London 636, 781 Lorch 311 Lublinitz 354 Ludwigsdorf 372 Ludwigshafen 741 Lübeck 25, 133 Lüdinghausen 133, 151 Lüttich 107, 438 Luxemburg 438 Luzern 571
552, 588, 616, 653, 831, 871,
Maastricht 49 Mackenzell 270 Madrid 507, 513, 517, 522, 528, 529 Magdeburg 17, 119, 157, 171, 441 Mainz 8, 23, 25, 43, 62, 76, 111, 204, 231, 248–250, 252–254, 268, 285, 288, 289, 292, 299, 386, 485, 544, 550, 573, 574, 584, 602, 612, 615, 619, 622, 623, 625, 627–636, 639–648, 652, 716, 798, 806, 807, 813, 815, 817, 821, 829, 842, 854, 855, 862, 865, 870, 871 Malapane 332 Mallo 330
998
Mannheim 616, 618 Marbach 95 Marburg 278 Margartenhaun 280 Maria Laach 58, 65, 66, 80, 91, 171, 344, 355, 439, 517–520, 524, 526, 530, 540, 820 Marienberg 302 Marienburg 428, 460, 461, 471 Marienrachdorf 294 Marienstatt 292, 301, 302, 304, 605, 844 Marienwerder 120, 328, 388, 456 Marpingen 397 Mayen 66, 194 Medien 461 Mehrerau 301 Meisburg/Eifel 438 Meißen 25, 44, 763, 764, 771, 780, 785, 810, 824, 828, 869, 871, 872 Mengen 656 Meppen 226, 239, 241–244, 841 Meran 92 Merseburg 37, 157 Merzhausen 590 Meschede 183 Metten 672, 722 Metz 7, 27, 80, 91, 117, 194, 195, 206, 344, 438, 442–444, 493, 499, 500, 502–505, 507–519, 521–534, 536–542, 544, 546, 551, 554, 565–567, 570, 572, 793, 809, 819, 820, 825, 827, 828, 868, 870 Miechowitz 329, 333, 846 Milet 199 Miltenberg 591, 695, 698, 699, 748 Milwaukee 596 Minden 157, 161, 163, 164, 170, 182, 183, 187, 229, 233, 838, 841 Mingainen 465 Mocissus 597 Mönchengladbach 80, 84, 85, 94, 96, 149, 441, 836 Mogilno 398 Molsheim 546 Mons/Belgien 345
ortsregister
Montabaur 279, 287, 289, 294, 296, 308, 310 Monteningen (Montigny) 505, 554, 558, 559, 569 Moritzburg, Schloss 791 Moschen, Schloss 333 Mszano 472 Mühlheim/Main 645 Mülhausen 506, 511, 512, 545, 548, 550 München 7, 8, 12, 20, 24, 28, 36, 40, 41, 43, 45, 50, 54, 56, 57, 65–67, 69–71, 74, 75, 77, 85, 96, 99, 106, 135, 136, 142, 145, 148, 167, 169, 186, 223, 260, 267, 288, 300, 309, 321, 332, 333, 339, 355, 357, 358, 360, 361, 371, 372, 391, 393, 394, 402, 407, 447, 450, 464, 467, 478, 480, 489, 495, 507, 508, 513, 516–518, 520, 525, 535, 545, 547, 549, 551, 556, 557, 580, 584, 589, 592, 595, 596, 598, 604–606, 611, 613, 632, 634, 639, 642, 647, 654, 661, 665–677, 679, 682–688, 673, 677, 679, 682, 683–688, 691–694, 701–707, 709–711, 714, 716, 718, 719, 720, 722–729, 731, 733, 734, 736, 738, 740, 744–747, 749, 754, 755, 756–760, 768, 769, 773, 776–781, 785, 796, 822, 823, 825–828 Münnerstadt 692, 694 Münster 9, 27, 43, 52, 54, 56–60, 67, 72, 73, 78, 83, 90, 91–93, 95, 99, 107–121, 123, 124, 126–155, 164, 165, 167, 171, 173, 182, 184–186, 188, 200, 220, 226, 229– 234, 237, 239, 241, 245, 250, 251, 289, 292, 295, 305, 309, 310, 340, 351, 389, 398, 428, 429, 431, 457, 462, 464–466, 472, 477, 481, 486, 495–497, 553, 554, 565, 614, 618, 628, 651, 789, 797–803, 806–808, 813, 815, 817–819, 835, 837, 838, 841, 851, 858, 861, 862, 867, 870– 872 Namslau 330 Namur 402 Neapel 301
ortsregister
Nebo 624 Neisse 333, 352, 367, 488 Nekla 426 Nentershausen 290 Nenzingen 590 Nesselwang 713 Neudorf 549 Neuenburg/Baden 590 Neuenburg/Weichsel 389, 475 Neuhausen 616 Neuhäusel 289 Neukirch 471, 473 Neumünster 241 Neunkirchen am Brand 697 Neunkirchen/Saar 206 Neurode 330, 331, 369–371, 846 Neuß 82, 107, 162 Neustadt (O/S) 329, 333, 353, 367, 846 Neuteich 460 Neuweistritz 372 Neuzelle 763 Niederbronn 503 Niedererbach 290 Niederhannsdorf 371, 372 Niederhemer 518 Niederholzweiler 206 Niederlangen 240 Nikomedia 204 Nizza 545 Nordhausen 160 Nordkirchen 151 Nürnberg 632, 636, 695–699, 781, 854 Nymphenburg, Schloss 671
Oberense 182 Oberlahnstein 299, 584 Oberndorf 654 Ober-Olm 643 Obersitzko 402 Oberufhausen 278 Oberursel 300 Odolanow 426
999
Oedingen 183 Oelde 115 Oels 333 Oestrich-Winkel 308 Offenbach 635 Offenburg 581, 617, 858 Oggersheim 741 Ohmenheim 656 Oldenburg 25, 108, 115, 116, 124, 148, 231, 797, 798, 800–803, 865, 870, 872 Oliva 456, 472, 487, 797, 852 Olmütz 43, 375–377, 445, 488 Olpe 172, 175 Ophoven 84 Oppeln 328, 330–332, 353, 354, 388, 419, 437, 848 Oschersleben 189 Osnabrück 8, 26, 27, 43, 49, 55, 60, 67, 78, 80, 108, 110, 170, 221, 225–228, 231, 232, 234–239, 242, 250, 495, 615, 797, 806, 807, 813, 816, 817, 836, 841, 861, 862, 867, 870, 872 Ostbevern 134 Ostenfelde 151 Osthaus, Schloss 506 Ostrach 580 Ostro 777 Ostrowo 383, 396, 426, 431 Oythe 803 Paderborn 8, 23, 27, 35, 43, 52, 54, 57, 60, 64, 66, 67, 75, 76, 78, 79, 90, 92–94, 98, 110, 113, 129, 157–166, 168–176, 178– 190, 228–230, 250, 251, 262, 320, 344, 354, 355, 357, 358, 363, 471, 493, 494, 496, 518, 601, 793, 795, 815, 817, 822, 831, 835, 836, 838, 839, 841, 861, 862, 867, 870, 872 Paris 502, 503, 510, 549, 552 Passau 8, 23, 24, 43, 661, 666, 668–671, 673, 675, 678, 682, 706, 712, 722, 727, 730, 733, 734, 736, 738, 744, 822, 864, 870–872 Peiskretscham 328, 387, 388
1000
Pelplin 384, 387–389, 470, 472–477, 480– 482, 815, 852, 853 Pergamon 492 Pforzheim 616 Pfreimd 705 Pfullendorf 604 Philadelphia/Lydien 490 Philomelium 453 Piltsch 377 Plantlünne 227 Plastwich 464 Plauen 781, 782 Pleß 365, 417 Pleschen (Pleszew) 395, 452 Polnisch Olbersdorf 367 Polystylus 206 Poremba 353 Posen 27, 43, 49, 50, 112, 121, 159, 186, 228, 328, 333, 339, 365, 378–388, 390, 392–396, 398–455, 462, 470, 477, 489, 490, 497, 501, 538, 550, 561, 562, 571, 631, 763, 778, 807, 814, 815, 819–821, 826, 828, 832, 848–850, 861, 862, 866, 870–872 Poßnitz 377 Potsdam 355, 541 Powidz 398 Prag 43, 330, 369, 371, 430, 439, 518, 776, 777, 779, 796 Preungesheim 279 Preußisch Friedland 852 Preußisch Stargard 472 Priene 795 Radolfzell 581, 592, 857 Räckelwitz 794 Rammelfangen 202, 203 Rappoltsweiler 548 Rasdorf 271 Rastatt 581, 596, 617 Ratibor 376 Ravensburg 655, 656 Recklinghausen 108, 202
ortsregister
Rees 496 Regensburg 24, 43, 288, 652, 668, 674, 675, 694, 721–723, 725, 726, 734–739, 744, 747, 750, 752, 753, 757, 814, 822, 864, 870 Reichenbach 581 Reinstetten 655 Remagen 441 Rendsburg 493 Rengersdorf 372 Rennes 502 Rheine 220, 231 Richelberg 748 Riedlingen 655 Riesenbeck 142 Rittershausen 748 Roermond 84 Rößel 384, 456, 459–461, 463 Rogowo 398 Rohrbach 722 Rokitten 464 Rom 7, 13, 16, 37, 47, 50, 51, 54, 56, 59, 61, 62, 68–70, 75, 77, 80, 92, 93, 97, 99, 102, 104, 105, 113, 118, 122, 123, 125, 128, 130, 132, 137, 141, 144, 145, 147, 148, 150, 153, 155, 169, 174, 178, 191, 199–202, 206, 218, 220, 221, 241, 250, 251, 255, 256, 260, 270, 280, 281, 283, 287, 288, 292, 293, 296, 297, 309, 314, 315, 322–325, 331, 334, 336–339, 341, 343–346, 348, 350, 352, 354, 355, 358, 361, 383–385, 389, 398, 401, 404–406, 415, 416, 419, 420, 422, 424–427, 431, 436, 438, 440, 442, 445, 450, 452–454, 460, 464–466, 474, 478, 479, 484, 492, 504, 507–509, 514, 516, 519, 521, 524– 526, 528, 529, 531, 532, 537, 540, 542, 543, 545, 550–552, 555, 557, 559, 560, 563–566, 568–571, 576, 578, 580, 582, 583, 586, 588, 589, 593–603, 605, 606, 608, 609, 611, 617–619, 621, 628, 634– 636, 639, 644, 653, 669–671, 673, 677, 681, 686, 688, 690, 691, 694, 697, 698,
ortsregister
704, 706–708, 715, 722, 723, 727, 728, 731, 733, 737, 738, 742, 746, 749, 753– 755, 759, 768, 772, 774, 777, 779, 780, 782–786, 790, 791, 813, 819, 824, 825 Rorschach 717 Rosenberg 351 Rosheim 545 Rothenhaus, Schloss 445 Rottenburg 25, 43, 57, 58, 61, 65, 70, 92, 93, 174, 574, 601, 602, 626, 629, 639, 647, 649–657, 659, 660, 768, 772, 806, 807, 816, 818, 835, 859, 860, 869, 871, 872 Rottweil 650, 654, 656 Rüdigheim 272 Rüthen 173 Runzenheim 549 Rustroff 503 Ruthe 214 Ryszewko 398 Saarburg 509 Saargemünd 510 Saarlouis 195, 202 Sachsenhausen 584 Salzbergen 110, 228 Salzburg 17, 108 Samos 786 Sandhausen 615 St. Arnoud 510 St. Blasien 615, 617 St. Eland 596 St. Gallen 596, 615, 718 St. Marienstern 763 St. Marienthal 763 St. Maur de Granfeuil, Abtei 509, 520 St. Peter 417, 580–582, 590–592, 615, 617, 856, 858 St. Zeno 672 Sarepta 106 Sargans 615 Sasbach 577, 612 Saulgau 859, 860 Scherfede 171
1001
Schermbeck 128 Scheyern 672 Schirgiswalde 776, 794, 795 Schirmeck 571 Schleiden 279 Schlettstadt 544 Schlossborn 299 Schlüchtern 280 Schönbrück 463 Schöneberg vgl. Berlin–Schöneberg Schönfeld 372 Schönfelde 463 Schopfheim 618, 858 Schramberg 657 Schrimm 408 Schroda 426, 427, 850 Schuttertal 581 Schwäbisch Gmünd 655–657 Schweinfurt 742 Schwerin 25 Schwetzingen 616 Sczedrzik 332 Seckach 616 Seckau 518, 604, 613 Seeburg 460 Seelbach 581 Sendschotten 175 Sessenhausen 293 Setzelbach 271 Siegburg 91 Sievernich 83 Sigmaringen 580 Simmern 289 Sion 503 Skrzebowo 426 Sögel 227 Soest 182 Somborn 221 Soppau 376 Sozopolis 155 Spaichingen 650 Speyer 8, 24, 43, 94, 573, 634, 639, 665– 667, 677, 679–681, 685, 694, 697, 700,
1002
719, 720, 740–745, 864, 870 Springiersbach 194 Stade 214 Steinbach 171 Steinfeld/Eifel 160, 278, 279, 843 Stephansdorf 352 Stollarzowitz 387 Straelen 143 Straßburg 7, 11, 27, 110, 127, 129, 160, 181, 192, 201, 228, 296, 297, 336, 405, 410, 411, 444, 499, 501–513, 522, 523, 525– 528, 530–541, 543–559, 561–563, 565– 572, 602, 605, 742, 743, 787–790, 792, 793, 806, 809, 812, 818–821, 823–826, 828, 837, 868, 870–872 Striegau 333 Stuhm 463 Stuttgart 574, 652, 655, 657–659, 679, 860 Sulmingen 656 Tanes 365 Tarnowitz 387, 397 Tauberbischofsheim 582, 616, 617 Telgte 141 Teplitz 395 Teschen 365 Teuchira 757 Thann 512 Theodosiopolis 455 Theux 107 Thorn 409 Thyatira 107 Tiergarten 616 Tillowitz 330 Tolkemit 478 Tolksdorf 461 Tremessen 395, 398, 407, 451 Trient 20, 23 Trier 27, 43, 55, 58, 71, 79, 110, 113–115, 117, 131, 175, 188, 189, 191–194, 196– 207, 247, 261, 285, 288, 306, 325, 446, 493, 504–508, 510, 549, 554, 557, 560, 563, 572, 576, 602, 607, 614, 618, 639,
ortsregister
814, 837, 858, 867, 870–872 Trochtelfingen 580 Troppau 348 Trzcinica 451 Tübingen 59, 84, 118, 166, 173, 183, 254, 395, 553, 580, 592, 649–651, 654–659, 714, 817, 859, 860 Türckheim 571 Turin 706 Tuttlingen 650 Überlingen 590 Uigendorf 655 Ullstadt, Schloss 495, 758 Ulm 657 Untermarchtal 859, 860 Untersimonswald 590 Ursberg 732 Urville, Gut 505 Usingen 300 Valbert, Haus in Oedingen 183 Vechta 8, 9, 108, 113, 115, 116, 118, 119, 123, 124, 132, 797–800, 802, 803, 808, 837 Venedig 227 Viernheim 644 Viersen 84 Vilshofen 757 Volkmarsen 280 Vreden 124 Waibstadt 591 Waldenburg 351 Waldsee 772 Waldshut 592 Waldstetten 616 Wallenhorst 239 Wallerfangen 195 Warburg 159, 164, 166, 171, 184, 839 Warstein 166 Warendorf 115, 151 Warschau 426 Wartenberg 461, 851
1003
ortsregister
Wartha 353 Wattenscheid 160 Wechselburg 774 Weiberg 164 Weilburg 257, 300, 309, 584 Weisenbach 596 Weiskirchen 298 Weißenburg/Elsass 537 Weißenhorn 732 Weißenstein 656 Wenden 175 Werl 182, 839 Werne 133 Wertheim 591 Wesel 128, 151, 152, 154, 495–497 Wessobrunn 220 Westenholz 176 Wettingen 301 Wewer 160 Wien 18, 19, 20, 28, 37, 196, 254, 312, 337, 339, 348, 358, 359, 391, 393, 400, 401, 439, 515, 596, 604, 704, 764 Wiesbaden 251, 257, 258, 261, 279, 285, 287, 288, 290, 298, 302, 303, 308–311, 574, 614, 616, 618, 842, 844, 845, 858 Wiesenthal 596 Wiesentheid 692 Wildhof 635 Wilhelmshaven 132
Winkel 308, 311 Wipperfürth 160 Wirges 311 Witten/Ruhr 182, 183 Witterda 171, 177, 839 Wittlich 194 Wölfelsdorf 372 Worms 18, 573, 634, 636, 645, 854 Worpswede 220 Woschczytz 417 Wreschen 408, 421, 426, 431 Würzburg 8, 24, 43, 84, 179, 212, 220, 221, 223, 253–256, 289, 294, 298, 299, 606, 607, 615, 617, 635, 636, 665, 666, 672– 676, 685, 689, 690, 692–694, 698, 699, 702, 705, 709, 714, 719, 720, 723, 733, 740, 742, 743, 746–749, 781, 788, 823, 864, 872 Wyhl 581 Wyssoka 351, 847 Zabartowo 454 Zduny 426 Zell am Main 742 Ziegenhals 326 Zirke 399 Znin 453 Zornheim 636 Zwickau 771, 782
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