Sprachphilosophische Schriften 9783787326334, 9783787307623

Mitte des 18. Jahrhunderts rückten vor allem in der französischen Aufklärung die Fragen nach Funktion und Arten der Zeic

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German Pages 104 [164] Year 1988

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Sprachphilosophische Schriften
 9783787326334, 9783787307623

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PIERRE LOUIS MOREAU DE MAUPERTUIS

Sprachphilosophische Schriften Philosophische Betrachtungen über den Ursprung der Sprachen und die Bedeutung der Wörter Abhandlung über die verschiedenen Mittel, deren sich die Menschen bedient haben, um ihre Vorstellungen auszudrücken Mit zusätzlichen Texten von A. R. J. Turgot und E. B. de Condillac übersetzt und herausgegeben von

WINFRIED FRANZEN

FELIX MEINER VERLAG HAMBURG

PHILOSOPHISCHE BIBLIOTHEK BAND 410 Die Originaltitel der für diesen Band übersetzten Schriften lauten: Réflexions philosophiques sur l`origine des langues et la signification des mots (1748); Dissertations sur les différens moyens dont les hommes se sont servis pour exprimer leurs idées (1756).

Im Digitaldruck »on demand« hergestelltes, inhaltlich mit der ursprünglichen Ausgabe identisches Exemplar. Wir bitten um Verständnis für unvermeidliche Abweichungen in der Ausstattung, die der Einzelfertigung geschuldet sind. Weitere Informationen unter: www.meiner.de/bod

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliogra­phi­­sche Daten sind im Internet über ‹http://portal.dnb.de› abrufbar. isbn 978-3-7873-0762-3 ISBN eBook: 978-3-7873-2633-4

© Felix Meiner Verlag GmbH, Hamburg 1988. Alle Rechte vorbehalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, soweit es nicht §§  53 und 54 URG ausdrücklich gestatten. Gesamtherstellung: BoD, Norderstedt. Gedruckt auf alterungsbeständigem Werkdruck­ papier, hergestellt aus 100 % chlor­f rei gebleich­tem Zellstoff. Printed in www.meiner.de Germany.

INHALT

Einleitung. Von Winfried Franzen ............................... . 1. Maupertuis' Leben und sein wissenschaftliches Werk 2. Maupertuis' Philosophie ..................................... . 3. Maupertuis' Sprachphilosophie und ihre Kritiker 3.1 Zur sprachphilosophischen Situation im 18. Jahrundert ....................................................... 3.2 Zu Maupertuis' Philosophischen Betrachtungen von 1748 ............................................................... 3.3 Zu Maupertuis' Abhandlung von 1756 und seinem Brief über den Fortschritt der Wissenschaften ........ 3.4 Zu Maupertuis' Kritikern: Condillac und Turgot 4. Zur Textgestalt und Übersetzung ........................

VII VIII XXII XXIX XXIX

xxxvn

Literaturverzeichnis ........................................................

XLV IL LIV LVI

PIERRE WUIS MOREAU DE MAUPERTUIS Philosophische Betrachtungen über den Ursprung der Sprachen und die Bedeutung der Wörter ..................... Vorwort (von 1756) .................................................... Text (von 1748) ........................................................... Nicolas Boindin: Bemerkungen über das Buch mit dem Titel >Philosophische Betrachtungen über den Ursprung der Sprachen und die Bedeutung der Wörter< (von 1753) ..................................................... Erwiderung auf die vorausgehenden Bemerkungen (von 1756) ...................................................................

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20 23

Inhalt

VI

Abhandlung über die verschiedenen Mittel, deren sich die Menschen bedient haben, um ihre Vorstellungen auszudrücken 000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000

33

ANHANG

Pierre Louis Moreau de Maupertuis: Aus dem Brief über den Fortschritt der Wissenschaften: § XVII. Metaphysische

Experimente

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Anne Robert ]acques Turgot: Kritische Bermerkungen zu den >Philosophischen Betrachtungen über den Ursprung der Sprachen und die Bedeutung der Wörter< von Maupertuis 00 000 0 0 00000 00000 000 0000 oooooooooo ooo 0 0000 0000 0 00000 oo 0 0000 0000000 0000 000 0 oo

Etienne Bonnot de Condillac: Brief an Maupertuis vom Juni 25o

1752

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Anmerkungen des Herausgebers 1. Zu Maupertuis' Philosophischen Betrachtungen Zu Maupertuis' Abhandlung Zu Maupertuis' Brief über den Fortschritt Zu Turgots Kritischen Bemerkungen Zu Condillacs Brief

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96

Namenregister Sachregister

EINLEITUNG

Maupertuis gehört zum Kontext der französischen Aufklärung, die er allerdings nicht in so typischer Weise repräsentiert wie etwa Voltaire oder Diderot. Zunächst und zuvörderst war er Wissenschaftler: Mathematiker, Physiker, Biologe. Später und zusätzlich befaßte er sich auch mit philosophischen Themen: mit dem Problem der Gottesbeweise, mit Erkenntnistheorie, Sprachphilosophie und Ethik. Seine Stimme hatte im geistigen Leben um die Mitte des 18. Jahrhunderts erhebliches Gewicht, auch dadurch, daß Maupertuis eine ganze Reihe von Jahren Präsident der Preußischen Akademie der Wissenschaften in Berlin war. Seine daraus resultierende bedeutende Rolle innerhalb der Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland wirkte sich nicht zuletzt im Bereich der Sprachthematik aus. Im 19. Jahrhundert geriet Maupertuis weitgehend in Vergessenheit. Dies begann sich zwar vor einigen Jahrzehnten langsam wieder zu ändern, von einer ausgesprochenen Renaissance kann jedoch keine Rede sein. Zumal im deutschen Sprachbereich ist Maupertuis, sieht man vom kleinen Kreis der Spezialisten für das 18. Jahrhundert und für gewisse Sparten der Wissenschaftsgeschichte ab, nach wie vor kaum bekannt - nach den Gesprächserfahrungen des Herausgebers dieses Bändchens oft noch nicht einmal dem Namen nach. Daran könnte sich allerdings in nächster Zukunft manches ändern, vielleicht vor allem im Gefolge der jüngst - in einem deutschen Verlag, aber auf Französisch- erschienenen Monographie zur Philosophie Maupertuis' aus der Feder ihres vermutlich besten Kenners. 1 I Vgl. Tonelli 1987 (A). In der vorliegenden Einleitung werden Titel, die im Literaturverzeichnis angegeben sind, nur in Kurzform angeführt: mit dem Namen des Verfassers und dem Erscheinungsjahr, wobei die Angaben (A) und (B) hinter der Jahreszahl auf die beiden Sekundärliteratur-Rubriken verweisen. Maupertuis' Oeuvres werden mit dem Kürzel Oe und römischer Ziffer für die Bandzahl zitiert.

VIII

Winfried Franzen

Auf jeden Fall erscheint es angebracht, der seit 200 Jahren ersten deutschen Übersetzung von Maupertuisschen Texten ein relativ ausführliches Portrait ihres Verfassers sowie Hinweise zum Stand der Rezeption vorauszuschicken. 2 1. Maupertuis' Leben und sein wissenschaftliches Wfrk

Pierre Louis Moreau de Maupertuis wurde am 28. September 1698 in der bretonischen Hafenstadt Saint-Malo geboren. 3 Die ElternRene Moreau Seigneur de Maupertuis und Jeanne Eugenie Baudran -gehörten zum niederen Adel. Nach einer privaten Ausbildung befaßte sich Maupertuis von 1714 bis 1716 im College de la Marche in Paris unter der Leitung des Cartesianers Le Blond hauptsächlich mit Philosophie, um sich dann, im Anschluß an eine Reise nach Holland, ab 1717 teilweise der Musik, vor allem aber der Mathematik zuzuwenden, letzteres unter der Anleitung von N. Guisnee. Gleichzeitig absolvierte er eine militärische Ausbildung und gehörte von 1718 bis 1720 als Offizier der französischen Armee an. Danach kehrte er aber endgültig zu seinen wissenschaftlichen Studien zurück, und zwar zunächst mit dem Schwerpunkt Geometrie. Bereits 1723 wurde Maupertuis in die Pariser Akademie der Wissenschaften aufgenommen, in deren Rahmen er bald auch wissenschaftlich zu publizieren begann. 4 Auf den Erstling Sur la forme des instruments Die letzte deutsche Maupertuis-Übersetzung erschien meines Wissens 1788: eine Teilübersetzung der Venus physique. 3 Für nahezu alle Einzelheiten der Biographie Maupertuis' - und dies gilt genauso für sein wissenschaftliches Werk, allerdings weniger für sein philosophisches- ist nach wie vor maßgeblich Brunet 1929 (A). Eine auf's Biographische konzentrierte neuere Darstellung ist Velluz 1969 (A). Eine relativ ausführliche tabellarische Zusammenstellung der wichtigsten Daten, Ereignisse und Schriften findet sich neuerdings in Maupertuis 1980, S. 55-72 (Bio-bibliographie); daß darin als Geburtstag der 17. Juli angegeben ist, muß ein Versehen sein. 4 Ein komplettes und genaues Verzeichnis der Schriften findet sich im Rahmen der lntroduction von Tonelli in Oe I, S. XXIV* ff.; vgl. auch noch die textgeschichtlichen und -kritischen Hinweise S. L* ff. 2

Einleitung

IX

de musique (1724) folgten mehrere mathematische Arbeiten, beson-

ders zur Theorie der Kurven. Eine sechsmonatige Reise nach London im Jahre 1728 wurde für Maupertuis deshalb entscheidend, weil sie seine Orientierung an der damals in Frankreich noch weithin akzeptierten physikalischen Wirbeltheorie Descartes' beendete und ihn zum überzeugten Anhänger der Newtonsehen Mechanik werden ließ. Newton selbst war zwar im Jahr zuvor gestorben, aber dessen Schüler und Anhänger wie Clarke, Pemberton und Desaguliers konnte Maupertuis, der übrigens auch in die Royal Society aufgenommen wurde, kennenlernen. Während eines Aufenthaltes in Basel (1729/30) profitierte Maupertuis von dem bedeutenden Mathematiker Johann Bernoulli; diesen sowie dessen Familie besuchte er auch später noch mehrfach. Nach einer Reihe weiterer Akademie-Abhandlungen vornehmlich mathematischen, aber auch astronomischen und biologischen Inhalts trat Maupertuis ab 1732 offen und entschieden für den Newtonsehen Standpunkt ein, zunächst vor dem Forum der Pariser Akademie (in einem Vortrag Sur les lois de l'attraction), dann aber vor allem in seiner ersten Monographie Discours sur /es differentes figures des astres (1732). 5 Maupertuis verwarf die Auffassung der Cartesianer, derzufolge die Erde eine in Richtung der Pole in die Länge gezogene Form haben sollte, und identifizierte sich mit der Newtonsehen These, daß die Erde an den Polen abgeplattet sein müsse. Durch diese Arbeiten erlangte Maupertuis die Position und den Ruf des führenden Newtonianers auf dem Kontinent. Dieser Status spielte auch eine entscheidende Rolle bei den in dieser Zeit sich anbahnenden Beziehungen zu Voltaire sowie zu der mit diesem seit 1733 befreundeten Marquise du Chatelet, die starke naturwissenschaftliche Interessen hatte, später eine Übersetzung von Newtons Principia herausbrachte und auf deren Schloß in Cirey Vgl. Oe I, S. 79-170. Diese Schrift wird, da der kleine Akademievortrag im Druck erst drei Jahre später erschien (1735), in der Regel als erste den Newtonianismus propagierende Veröffentlichung von Maupertuis angesehen - und darüberhinaus als erster derartiger Text in Frankreich überhaupt. 5

Winfried Franzen

X

sich Maupertuis einige Male aufhielt. Wenn sich Voltaire dann selber als Verbreiter der Lehren Newtons profilieren konnte (zunächst in den Leures anglaises von 1733, dann vor allem in den Elements de La philosophie de Newton von 1738}, so verdankte er dabei vieles dem Austausch mit dem wissenschaftlich erheblich kompetenteren Maupertuis, dessen Verdienste er auch in höchsten Tönen rühmte und den er einmal als >Sir Isaac Maupertuis< titulierte. 6 Nicht zuletzt aufgrund von Maupertuisschen Vorschlägen beschloß die Pariser Akademie der Wissenschaften 1735, im Streit um die Erdgestalt nach Möglichkeit eine Entscheidung durch MeridianVermessungen herbeizuführen. Sollte sich nämlich in Polnähe für eine Bogenlänge eine größere Strecke ergeben als in Äquatornähe, so würde dies für die Abplattungstheorie sprechen. Zwei Expeditionen brachen auf, eine nach Südamerika, die andere, unter der Leitung von Maupertuis und unter Beteiligung weiterer renommierter Gelehrter, nach Lappland (1736/37}. In der Gegend des nordschwedischen Ortes Torneawurden langwierige trigonometrische Messungen und Berechnungen durchgeführt. Auf der Rückfahrt hatte die Expedition im Bottnischen Meerbusen noch einen Schiffbruch zu überstehen, der allerdings glimpflich verlief. Die Auswertung der Ergebnisse erbrachte - zusammen mit den in Südamerika und auch in Frankreich selbst durchgeführten Messungen - eine klare Bestätigung der Abplattungstheorie und bedeutete für den Newtonianismus einen glänzenden Sieg sowie für Maupertuis einen großen wissenschaftlichen Erfolg.7 Die folgenden Jahre waren durch zweierlei gekennzeichnet. Erstens erweiterte Maupertuis das Spektrum seiner Interessen und Themen ganz erheblich, insbesondere um zusätzliche physikalische sowie um biologische und diverse philosophische Fragestellungen, und zweitens bahnte sich ab 1740 jene Entwicklung an, durch die Maupertuis' Lebensweg sehr eng mit der Preußischen Akademie Brief an Maupertuis vom 27. Nov. 1738, in: Oeuvres completes de Vol· taire. Nouvelle edition, hg. von L. Moland, 52 Bde., Paris 1877-1885, Bd. 35: Correspondance III, 1880, S. 54. 7 Die Lapplandexpedition war dann auch Gegenstand mehrerer Schriften, vgl. bes. Oe III, S. 69-206. Eineneuere Darstellung: Nordmann 1966 (A). 6

Einleitung

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der Wissenschaften verknüpft wurde. Davon soll zuerst die Rede sein. 8 Die im Jahre 1700 auf Betreiben von Leibniz gegründete Brandenburgische bzw. Königlich Preußische Societät der Wissenschaf ten hatte unter dem >Soldatenkönig< Friedrich Wilhelm I. mehr oder weniger ein Schattendasein geführt. Friedrich II., der im Gegensatz zu seinem Vater intensive schöngeistige und wissenschaftliche Neigungen pflegte, begann gleich nach seiner Thronbesteigung im Frühjahr 1740, den schon als Kronprinz gefaßten Plan einer Reorganisation dieser Institution bzw. der Neugründung einer Akademie in die Tat umzusetzen. Daraus wurde vier Jahre später die Academie Royale des Seiences et Belles-I.ettres. 9 Bei der Suche nach einem Präsidenten hatte Friedrich anfangs an Voltaire gedacht. Ein richtiges Angebot war daraus aber nicht geworden, wohl auch deshalb nicht, weil Voltaire wegen seiner Marquise kaum bereit gewesen wäre, seinen Hauptaufenthalt nach Berlin zu verlegen. Die Pläne des Königs gingen dann in Richtung eines Zweigespanns, bestehend aus dem auch von Voltaire empfohlenen Newtonianer Maupertuis und dem Leibnizianer Christian Wolff. Da letzterer jedoch ablehnte, kam es nur mit Maupertuis zu konkreten Verhandlungen. Ein erstes Angebot hatte ihm der König bereits im Juni 1740 gemacht. Maupertuis hielt sich dann wiederholt in Berlin auf. Er begleitete Friedrich auch bei dessen Feldzug zu Beginn des Ersten Schlesischen Krieges, geriet dabei durch ein Mißgeschick - sein Pferd ging ihm durch - in Österreichische Gefangenschaft, wurde jedoch in Wien aufgrund seines wissenschaftlichen Rufes von Maria Theresia ehrenvoll empfangen und konnte bald nach Berlin zurückkehren (im Mai 1741). Es folgte wieder ein längerer Aufenthalt in Paris, wo Maupertuis auch noch in die Academie franfaise aufgenommen wurde. B Grundlegend für das Thema >Maupertuis und die Akademie< ist nach wie vor Harnack 1900 (A), Bd. I, 2. Buch. An neueren Darstellungen vgl. Winter 1957 (A), Einleitung; Szab6 1976 (A), S. 86ff.; Meschkowski 1986 (A), S. 108ff; Brown 1963 (A). 9 Die Veränderungen nach dem Tod Friedrichs II. sollten auch den Namen betreffen; dieser lautete später: Königlich Preussische Akademie der Wissenschaften.

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1745 akzeptierte Maupertuis das Angebot Friedeichs II. und siedelte nach Berlin über. Dort heiratete er im November desselben Jahres die Freiin Eleonore von Borck. Am 1. Februar 1746 erfolgte seine offizielle Ernennung zum Akademiepräsidenten. Maupertuis entfaltete in diesem Amt eine intensive wissenschaftliche und organisatorische Tätigkeit - zur vollen Zufriedenheit des Königs, zu dessen Potsdamer Tafelrunde er gehörte, andererseits aber auch nicht ohne Probleme. Diese rührten u.a. daher, daß die sehr weitgehenden Befugnisse, die Maupertuis sich ausbedungen und mit denen Friedrich ihn ausgestattet hatte, nicht wenigen Akademiemitgliedern ein Dorn im Auge waren. Ähnlichen Unwillen gab es auch darüber, daß der König Französisch zur offiziellen Akademiesprache bestimmt hatte. Andere bzw. zusätzliche Ursachen und Hintergründe waren es allerdings, die zu jenem Skandal führten, der ab 1751 große Unruhe in die Akademie brachte und als Affäre König in die Wissenschaftsgeschichte einging. Der Streit entfachte sich am Prinzip der kleinsten Wirkung, das aufgestellt zu haben Maupertuis wohl als seine bedeutendste wissenschaftliche Leistung betrachtete. Ansatzweise hatte er dieses Prinzip bereits 1744 in der Pariser Akademie vorgestellt, um es dann 1746 in seinem ersten Vortrag als Präsident der Berliner Akademie weiterzuentwickeln und schließlich in dem monographischen Essai de cosmologie von 1750 mit dem Versuch eines neuen teleologischen Gottesbeweises zu verknüpfen. 10 Gemäß diesem principe de Ia moindre action (bzw. de Ia moindre quantite d'action) soll bei allen Bewegungen und Veränderungen, konkret etwa beim Zusammenprall von zwei Kugeln, die >Aktionsmenge< die kleinstmögliche sein, wobei unter Aktion das Produkt aus Masse, Geschwindigkeit und zurückgelegtem Weg der beteiligten Körper verstanden wird. 11 Es handelt sich um eines jener heute so genannten Extremalprinzipien, die das Verhalten phyText des Pariser und (teilweise) des Berliner Vortrags in Oe IV, S. 1 ff. bzw. 31 ff. 11 Vgl. zahlreiche Formulierungen, besonders Oe I, S. XXII, 42f., 423, Oe II, S. 273. Diese letzte Formulierung hält Tonelli 1987 (A), S. 46 für die endgültige. 10

Einleitung

XIII

sikalischer Systeme so beschreiben, daß dabei eine Größe einen Extremwert annimmt (in der Regel ein Minimum). Ganz sicher hat Maupertuis, obwohl über Einzelheiten bis heute gestritten wird, sein Prinzip, das er fast für eine Art Weltformel hielt, stark überschätzt, sowohl in puncto Originalität als auch hinsichtlich des wissenschaftlichen Stellenwerts. Eine auf Minimalwerte bzw. al.lgemein auf eine •sparsame< Natur abhebende Betrachtungsweise war insbesondere seit dem von Pierre Fermat (1601-65) für die Optik aufgestellten Gesetz der kürzesten Zeit geläufig und spielte auch im Leibnizschen Denken eine Rolle. Zwar steuerte Maupertuis in der Tat neue und weitere Aspekte bei, insbesondere in Form eines Verallgemeinerungsversuchs, aber sein Prinzip wies dann doch zu viele Schwächen und Vagheiten auf, als daß man in dieser Form bereits viel mit ihm hätte anfangen können. In der Folgezeit allerdings wurde durch mathematische Präzisierung (zu der übrigens der schon 1741 an die Berliner Akademie berufene Leonhard Euler bereits erheblich beitrug), durch Erweiterung bzw. auch durch Umfunktionierung für neue Anwendungsbereiche aus dem Prinzip der kleinsten Wirkung ein wichtiges Instrument vieler physikalischer Theorien. 12 Vielleicht kann man Maupertuis' Verdienst also dahingehend charakterisieren, daß er immerhin eine wichtige wissenschaftliche Perspektive, wenn auch sehr unzureichend, erfaßt und für gesteigertes Interesse an den mit Extremalprinzipien verbundenen theoretischen Möglichkeiten gesorgt hat. 13 Zu der erwähnten Affäre kam es nun auf folgende Weise. Samuel 12 Die bedeutendsten Namen in der weiteren Entwicklung waren J.L. Lagrange sowie besonders W. R. Hamilton. In der Mechanik selbst bringen Extremalprinzipien allerdings keine wesentlichen Vorteile, wohl dagegen z.B. in der Hydrodynamik und Elektrodynamik- bis hin zu Anwendungsmöglichkeiten in Quantentheorie und Relativitätstheorie; vgl. M. Planck: Das Prinzip der kleinsten Wirkung (zuerst 1915, neu) in: M. Planck: ltVrträge und Erinnerungen, Stuttgart 1949, S. 95-105, bes. 104f. 13 Aus der großen Fülle der Literatur über das Prinzip der kleinsten Wirkung sei hier nur verwiesen auf die (jeweils auch ausgiebige Literaturhinweise enthaltenden) neueren Darstellungen von Szabo (s. o. Anm. 8) und Fleckenstein 1957 (A). Beide Darstellungen gehen auch detailliert auf die Affäre König ein.

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König (1712-1757)- Mathematikprofessor in Holland, seit vielen Jahren mit Maupertuis persönlich bekannt und auf dessen Vorschlag hin 1749 als auswärtiges Mitglied in die Berliner Akademie aufgenommen- wies 1751 in einer kleinen Abhandlung auf Schwächen der Maupertuisschen Konzeption des Prinzips der kleinsten Wirkung hin und zitierte außerdem am Schluß einige Sätze aus einem 1707 geschriebenen Brief von Leibniz an Jakob Hermann, in denen dieses Prinzip bereits formuliert sei. Maupertuis, der sehr empfindlich war und zu Rechthaberei und Jähzorn neigt, fühlte sich, ganz entgegen Königs Absichten, angegriffen und in seinem wissenschaftlichen Ansehen herabgesetzt. Er verlangte, das Original des Leibnizschen Briefes zu sehen. König verfügte jedoch nur über eine Abschrift. Da schaltete Maupertuis die Akademie ein, welche König aufforderte, innerhalb von vier Wochen das Original vorzulegen. Als entsprechende Nachforschungen, in die sich sogar Friedrich Il. einschaltete, erfolglos blieben, erklärte die Akademie im April1752 den Brief für eine Fälschung, mit der man Maupertuis habe schaden und den Ruhm von Leibniz habe fördern wollen. König schickte daraufhin der Akademie seine Ernennungsurkunde zurück und setzte sich dann auch noch in einer kleinen Verteidigungsschrift zur Wehr. Diese Vorgänge, wie es ein späterer Chronist tat, als »akademischen Justizmord« zu bezeichnen'\ mag etwas übertrieben sein, aber jedenfalls hatte sich König, vielleicht abgesehen von einer gewissen Unvorsichtigkeit und Ungeschicklichkeit, nichts zuschulden kommen lassen, was eine derartige Behandlung gerechtfertigt hätte. Die gelehrte Öffentlichkeit stand denn auch auf seiner Seite und war über die Akademie und ihren Präsidenten entrüstet. Diesen selbst trafen Kritik und Hohn insbesondere von seiten Voltaires, der nach dem Tode seiner Marquise und einem überaus großzügigen Angebot Friedrichs Il. 1750 doch noch an den preussischen Hof gekommen war, wo freilich das frühere freundschaftliche Verhältnis zu Maupertuis bald wechselseitiger Rivalität und Eifersucht wich. Voltaire geißelte nicht nur das Verhalten gegenD. F. Strauß: Voltaire. Sechs Vorträge (zuerst 1870), Leipzig o. (ca. 1908), S. 63. 14

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über Samuel König, sondern goß dann auch noch seinen Spott über neue Veröffentlichungen von Maupertuis aus. Dieser hatte gerade, in der äußeren Form von Briefen (Lettres und Lettre sur le progres des sciences, 1752), zahlreiche aktuelle Themen aus Wissenschaft und Philosophie diskutiert und dabei auch einige etwas wunderliche Überlegungen angestellt bzw. Vorschläge gemacht. Diese wurden nun von Voltaire mit beißender Ironie auf's Korn genommen, nämlich in der Schmähschrift Diatribe du Docteur Akakia, an der sich bald die Gebildeten in ganz Europa delektierten. 15 Freilich schüttete Voltaire das Kind seinerseits mit dem Bade aus. Nicht alles, worüber er sich lustig machte, war so abstrus, wie er es hinstellte, und insgesamt gesehen waren die meisten der in den Lettres vorgebrachten Ideen und Erwägungen durchaus ernst zu nehmen. Nichtsdestotrotz ist Maupertuis in der Folgezeit und im Grunde bis ins 20. Jahrhundert hinein immer wieder vor allem durch die Brille der Voltaireschen Spottschrift gesehen und entsprechend verzerrt wahrgenommen worden. 16 Allerdings geriet Voltaire durch diese Sache auch selbst in Schwierigkeiten, genauer: in einen Konflikt mit Friedrich II., der sich, zumindest offiziell, hinter seinen Akademiepräsidenten stellte und dabei auch durchaus herrscherliehe Repressalien einsetzte. Nach mehrfachem Hin und Her verließ Voltaire im Frühjahr 1753 den preußischen Hof. Was den fraglichen Leibniz-Brief angeht, so ist zwar das Original bis heute nicht aufgetaucht, aber daß ein solches existiert hat, muß spätestens seit einem Fund zu Beginn unseres Jahrhunderts als in höchstem Maße wahrscheinlich gelten. 17 Maupertuis hat seine Reaktion auf Königs Leibniz-Zitat mehrfach zu rechtfertigen versucht, auch noch nachdem die Affäre im Diese zuerst 1752 gedruckte Schrift wurde dann 1753 mit weiteren Texten zusammengefaßt zu dem Bändchen Histoire du Docteur Akakia et du Natif de Saint·Malo, neu in: Oeuvres completes de Voltaire, a.a.O. (Anm. 6), Bd. 23: Melanges II, S. 559-585. 16 Zu Beginn unseres Jahrhunderts schreibt A. Lovejoy 1904/50 (A), S. 163: » ... Maupertuis seems now to be best known through the misrepresentations of his adversary; there is reason to fear ... , that some learned historians of philosophy ... have depended more upon the Histoire du Doc· teur Akakia than upon a careful examination of Maupertuis' own writings.« 15

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wesentlichen über die Bühne gelaufen war. 18 Dabei hob er darauf ab, daß ein Prinzip der kleinsten Wirkung gar nicht auf der Linie des Leibnizschen Denkens gelegen habe, ja diesem sogar entgegengesetzt sei. 19 Diese Kennzeichnung ist schwer zu beurteilen, zum einen wegen der im Maupertuisschen Prinzip enthaltenen Vagheiten und zum agderen, weil auch Maupertuis' Verhältnis zu Leibniz nicht eindeutig war. Sowohl bezüglich der Gesamtsicht als auch in vielen Einzelheiten gab es einerseits manchen Einklang, andererseits starke Gegensätze (was hier nicht dargestellt werden kann). Wahrscheinlich muß man Maupertuis zugutehalten, daß er zumindest subjektiv der ehrlichen Überzeugung war, sein eigenes Prinzip sei mit der Position von Leibniz unvereinbar, sodaß ihm ein Zitat, welches diesem Prinzip nahekam, als nicht authentisch erscheinen mußte. 20 Gleichwohl stellte das Verhalten gegenüber König eine Überreaktion dar, was für Maupertuis die Folge hatte, daß er seinerseits zum Opfer einer Überreaktion wurde, zumal von seiten Voltaires. Maupertuis hatte sich in seiner wissenschaftlichen Arbeit seit Mitte der 40er Jahre keineswegs auf das Gebiet der Physik beschränkt, sondern sich auch weiteren Themen zugewandt, vor allem philosophischen (dazu mehr im 2. Abschnitt) und biologischen. Bereits in seiner Anfangszeit an der Pariser Akademie der Wissenschaften hatte er zwei kleine zoologische Studien vorgelegt. In Berlin glich sein Haus, wie Zeitgenossen zu berichten wußten21 , einer MenageVgl. W. Kabitz: Über eine in Gotha aufgefundene Abschrift des von S. König in seinem Streite mit Maupertuis und der Akademie veröffentlichten, seinerzeit für unecht erklärten Leibnizbriefes, in: Sitzungsberichte der Kö· niglich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1913, S. 632-638. 18 Vgl. dazu einige Passagen, die 1752 einer Neuausgabe des Essai de cos· mologie hinzugefügt wurden: Oe I, S. XXVIII ff., sowie einen Text, um den 1753 eine Neuausgabe der Lettres erweitert wurde: Oe II, Nr. XI, S. 275-283. 19 Vgl. Oe I, S. XXXI. 20 So in etwa Fleckenstein 1957 (A), S. XXXIII. Dafür, daß es in den Spezifitäten doch eine erhebliche Eigenständigkeit des Maupertuisschen Prinzips gegenüber Leibniz gibt, argumentieren neuerdings Bachelard 1975 (A) und Duchesneau 1984 (A), besonders S. 14ff. 21 Näheres bei Glass 1968 (A), S. 72 ff. 17

Einleitung

XVII

rie, die mit allen möglichen Tieren bestückt war, und Maupertuis führte sogar selbst Züchtungs- und Kreuzungsversuche durch. 22 An der Familie und den Vorfahren des Berliner Chirurgen Jacob Ruhe untersuchte er, wie und mit welchen Verteilungen eine bestimmte Mißbildung, nämlich die Polydaktylie (Vorhandensein überzähliger Finger), über mehrere Generationen vererbt wurde- eine Studie, die vor allem wegen ihres systematischen Vorgehens bahnbrechend war. Veranlaßt durch den Fall eines Neger-Albinos, der damals in Paris Aufsehen erregte, verfaßte Maupertuis 1744 die Dissertation physique L'occasion du negre bLanc, aus der durch erhebliche Erweiterungen die 1745 zunächst anonym herausgegebene Venus physi· que wurde. Diese stellt das eine von zwei biologischen Hauptwerken Maupertuis' dar. Bei dem anderen handelt es sich um eine Schrift, die zunächst 1751 unter dem Pseudonym Baumann erschien (Dissertatio inauguraLis metaphysica), einige Jahre später von Abbe Trublet ins Französische übersetzt wurde (Essai sur La formation des corps organises, 1754), um dann schließlich 1756 unter dem endgültigen Titel Systeme de La nature in den zweiten Band der Oeuvres aufgenommen zu werden. 23 Die Hauptthemen, mit denen Maupertuis sich in diesen Schriften befaßte, waren Fortpflanzung und Vererbung. Weitere Überlegungen kamen hinzu, besonders zum Problern der Arten. Am eindeutigsten - und in der Tat auch unumstritten - ist der B~i­ trag, den er zur Überwindung der Präformationstheorie leistete, einer Auffassung, die sich seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts etabliert hatte und die um die Mitte des 18. Jahrhunderts vorherrschend war. Ihr zufolge hatte man sich die individuelle Genese als bloße Auswicklung vorgebildeter (präformierter) Strukturen zu denken, nämlich so, daß der jeweilige Keim den Abkömmling im Miniaturforrnat komplett enthält. Auf die gesamte Generationenkette

a

22 Über einen Versuch berichtete Maupertuis in den Lettres, Nr. XIV: Oe II, S. 310f. 23 Ebd. S. 135-216. Wichtig ist auch noch das XIV. Stück der Lettres (Sur la generationdes animaux, ebd. S. 299-314), wo Maupertuis auch einen Bericht über die Polydaktylie-Studie gab.

XVIII

Winfried Pranzen

bezogen ergab dies die Vorstellung eines umfassenden Ineinandergeschachteltsein, welches von den je gegenwärtigen Exemplaren bis zu den ersten zurücklief (sog. Einschachtelungstheorie). Kontrovers war dabei hauptsächlich, was als Träger dieser Präformation anzusehen sei: das weibliche Ei, wie die >Ovulisten< meinten, oder der männliche Samen, wie die >Animalculisten< behaupteten (von ani· malculi: die >SamentierchenRationalismus versus Empirismus< (welches sich allerdings zunehmend als fragwürdig und jedenfalls als zu einfach erweist) gehört Maupertuis zum Lager derer, die der Erfahrung die wichtigste kognitive Rolle zuschreiben, also zur Baconschen und Lockeschen Linie, in die man größtenteils ja auch Newton einordnen kann. Lockes Hauptwerk An Essay concerning Human Understanding von 1690 war bereits im Jahre 1700 ins Französische übersetzt worden. Die mithin schon früh einsetzende Rezeption der Lockeschen Philosophie in Frankreich erhielt dann besonders durch Voltaires l.ettres philosophiques (bzw. l.ettres sur les Anglais) von 1733/34 einen starken Schub. Maupertuis reiht sich in diese Entwicklung ein, indem er zumindest dem Ansatz und der Tonelli 1987 (A}, S. 63: » •••. Je scepticisme est Ia veritable base de Ia pensee de notre auteur.• Im X. Kapitel belegt Tonelli, daß Maupertuis zu einem seit den letzten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts breit fließenden Strom skeptizistischer Auffassungen gehört. 40 Vgl. auch im vorliegenden Band Maupertuis' Philosophische Betrachtungen, §XXVIII, des weiteren Oe I, S. Xlf., 49, 72, 391, Oe II, S. 199, 210, Oe III S. 294f.; G. Tonelli: La questiondes bornes de l'entendement humain au XVIIIe siede et Ia genese du criticisme kantien, in: Revue de metaphysique et morale 64 (1959} 396-427. 41 Dies auch explizit, vgl. Oe II, S. 257. 39

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allgemeinen Orientierung nach der Lockeschen Erkenntnistheorie folgt. Teilweise weicht er aber auch von ihr ab bzw. geht erheblich über sie hinaus, letzteres zumal in Form einer Annäherung an einen anderen Klassiker des britischen Empirismus, an George Berkeley. Mit David Humes Philosophie dagegen hat Maupertuis erst so spät Bekanntschaft gemacht, daß er von ihr kaum noch beeinflußt werden konnte.42 In Maupertuis' Verhältnis zur anderen, der rationalistischen Richtung überwiegt zwar sicher die Distanz, aber maches bleibt auch hier offen oder ambivalent. Von Descartes unterscheidet Maupertuis sich nicht nur durch eine andere - nämlich die an Newton orientierte - Sicht der Physik sowie durch die aus dem empiristischen Ansatz folgende Zurückweisung des Konzepts angeborener Ideen, sondern vor allem auch durch die Kritik am rigorosen ZweiSubstanzen-Dualismus und an der Identifizierung von Materie mit Ausdehnung.H Dagegen scheint diejenige Version des Cartesianismus, die von Malebranche entwickelt wurde und die im frühen 18. Jahrhundert sehr einflußreich war, gewisse Spuren bei Maupertuis hinterlassen zu haben. Dies gilt hauptsächlich für den Komplex >Prinzip der kleinsten Wirkung und Gottesbeweise, paßt aber auch gut zusammen mit der Maupertuisschen Affinität zu Berkeley, für dessen Philosophie Malebranches Denken ja eine erhebliche Bedeutung gehabt hat. 44 Was Leibniz angeht, so war Maupertuis trotz gewisser Anklänge und Berührungspunkte doch alles andere als ein Leibnizianer. 45 Für Leibniz selbst hatte er zwar Anerkennung, 42 Mit ziemlicher Sicherheit hat Maupertuis Humes Philosophie nicht vor 1753 oder 1754 kennengelernt. In seiner letzten Schrift Eumen philo· sophique de la preuve .... bezeichnet er Hume dann zwar als »einen der größ. ten Männer Englands« (Oe I, S. 406f.), aber der diesbezügliche- ohnehin recht beiläufige- Zusammenhang läßt daran zweifeln, ob der Franzose die Absichten des schottischen Philosophen angemessen verstanden hat; vgl. zu diesen Dingen Gossman 1960 (A), S. 314ff. 43 Vgl. Oe II, S. 147ff. 44 Die Malebranchesehen Elemente bei Maupertuis hat zuerst Gueroult 1934/67 (A), S. 232ff. untersucht; neuerdings werden sie stark- mir scheint: etwas zu stark- betont von Tonelli 1987 (A), S. 58ff., 105f. 45 Vgl. Tonelli 1987 (A), S. 62 (»l'antileibnizianisme de Maupertuis«).

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nannte ihn sogar einen großen Geist46 , aber von seinen Lehren und Ideen lehnte er doch den überwiegenden Teil abY Diese Haltung galt vor allem auch den Epigonen, den deutschen Leibnizianern also - in seinen Augen eine »Sekte«, die ihren Meister zum »Götzen« gemacht habe. 48 Im folgenden sollen noch einige Hinweise gegeben werden (a) zu Maupertuis' Gottesbeweis, (b) zu einigen Aspekten seiner Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie {über andere Aspekte s.u. Abschnitt 3.2) und (c) zu seiner Moralphilosophie. (a) Der Gottesbeweis, den Maupertuis versucht (hauptsächlich im Essai de cosmologie), ist ein teleologisches Argument, welches sich jedoch von der sonst üblichen Teleologie deutlich abheben will. Maupertuis hält es nämlich -und in diesem Punkt wendet er sich auch gegen Newton - für unangemessen, Gottes Existenz aus irgendwelchen speziellen Eigenschaften des Universums beweisen zu wollen oder gar in der Welt gleichsam an allen Ecken und Kanten Belege für die göttliche Urheberschaft zu sehen. Andererseits schließt er sich aber auch nicht der mechanistischen Forderung nach einem völligen Verzicht auf Finalursachen an. Der Mittelweg, den er zwischen diesen beiden Extremen einschlägt, besteht darin, den Blick auf die allereinfachsten und allgemeinsten Phänomene zu richten und in ihnen des Wirkens einer höheren Weisheit ansichtig zu werden. Am fundamentalsten ist in Maupertuis' Augen aber das Prinzip der kleinsten Wirkung. Gemäß diesem erfolgen die Naturvorgänge mit dem jeweils geringstmöglichen Aufwand, und diese Sparsamkeit der Mittel stellt eine so weise Einrichtung dar, daß sie notwendigerweise die Existenz eines göttlichen Schöpfers und Lenkers voraussetzt. Maupertuis beansprucht für seine Argumentation keine absolute Gültigkeit, wohl dagegen, daß mit ihr die Existenz Gottes in größerem Maße wahrscheinlich gemacht werde als mit allen anderen Beweisen. Im übrigen nimmt Maupertuis in religiösen Dingen ei-

46

47 48

Vgl. Oe II, S. 258, auch Oe I, S. XXVI f. Vgl. Lettres, Nr. VII und VIII: Oe II, S. 257-264. Oe I, S. XXVII, Oe II, S. 258.

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nen mehr oder weniger deistischen, in den Einzelheiten oft kaum festgelegten oder auch schwankenden Standpunkt ein. Dieser beinhaltet aber jedenfalls die Vereinbarkeit von Glaube und Vernunft, die Bejahung der christlichen Moral und die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tode. Von religiösem Eifererturn will Maupertuis allerdings genauso wenig wissen wie von Religionsverachtung. 49 (b) Durch das Thema •GottesbeweisSprache< ausführte, in vielen Punkten sicher übertroffen vom sprachphilosophischen und zeichentheoretischen Beitrag seines rationalistischen Antipoden Leibniz. 66 Was jedoch der Sache nach zutrifft, nämlich daß Leibniz der Sprachund Zeichenebene einen Stellenwert zubilligte wie kaum jemand sonst unter seinen Zeitgenossen, gilt nicht im gleichen Maße auch in bezug auf Wirkung und Einfluß; denn viele der disbezüglichen Schriften, Aufzeichnungen und Briefe von Leibniz erschienen erst lange Zeit nach seinem Tode im Druck. 67 Immerhin nahm aber das Sprach- und Zeichenproblem in der dem Leibnizschen Denken ja stark verpflichteten deutschen Schulphilosophie einen nicht ganz Hg. von Peter H. Nidditch, Oxford 1975; dt.: Versuch über den mensch· liehen Verstand, 2 Bde., Harnburg 41981. 65 Natürlich hatte es, obzwar in weniger ausführlicher Form, in der englischen Philosophie auch schon vorher Erörterungen zur positiven wie auch negativen Rolle der Sprache gegeben, zumal bei Hobbes und Francis Bacon. 66 Das Ausmaß der Forschung zu diesem Teil des Leibnizschen Werks dokumentiert K. D. Dutz: Zeichentheorie und Sprachwissenschaft bei G. W. leibniz. Eine kritisch annotierte Bibliographie der Sekundärliteratur, Münster 1983 ( = Studium Sprachwissenschaft, Bd. 7). 64

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kleinen Raum ein, so auch bei ihrem führenden Vertreter: bei Christian Wolff selbst. 68 Am wichtigsten jedoch war für die Sprachdiskussion der Aufklärung, zumal der französischen, eben der Einfluß von Locke. Besonders intensiv wurden dessen Fragestellungen, sowohl die allgemein erkenntnistheoretischen als auch die speziell sprachbewgenen, von Condillac aufgenommen und weiterentwickelt. Im Essai von 1746 ging es Condillac nicht nur um die Beseitigung gewisser Inkonsequenzen, die ihm am Lockeschen Empirismus mißfielen, sondern darüberhinaus um eine umfassende - und von Locke noch nicht geleistete - genetische Rekonstruktion der Erkenntnisoperationen.69 In diesem Rahmen setzte Condillac die Bedeutung der Sprache bzw. ganz allgemein der Zeichenverwendung überaus hoch an. Er sei davon überzeugt, hieß es am Schluß der Einleitung, »daß die Verwendung von Zeichen das Prinzip ist, aus dem sich der Keim aller unserer Ideen entwickelt«.7° Condillac zeigte dann in extenso, wie die höheren Funktionen des Geistes mit der Sprache verknüpft sind und wie zwischen beiden eine wechselseitige Förderung stattfindet. Was die Ursprungsfrage angeht, so versuchte er, mittels der fiktiven Vorstellung zweier nach der Sintflut umherirrender Kinder zu rekonstruieren, wie sich aus ersten Anfängen, Zum Beispiel wurden die Nouveaux Essais sur l 'entendement humain, in denen sich Leibniz Punkt für Punkt mit Lockes Essay auseinandersetzte, erst 1765 gedruckt, und bei vielen der kleineren Texte dauerte es noch viel länger, bis sie öffentlich zugänglich waren. 68 Vgl. dessen Vernünftige Gedanken von Gott, der wett und der Seele des Menschen (1719, Gesammelte Werke, Bd. 1.2), § 291-324, und Philosophia Prima sive Ontologia (1730, Gesammelte Werke Bd. 11.3), § 952-967. Auf eine andere Linie rationalistischer Sprachbetrachtung, nämlich die Tradition der Universalen Grammatik, wie sie vor allem von der sogenannten Grammatik von Port Royal ausging (A. Arnauld und C. Lancelot: Gram· maire genbale et raisonnee, 1660, Neuausgabe: 2 Bde., Stuttgart 1966), kann hier nur hingewiesen werden, zumal sie für Maupertuis selbst kaum eine Rolle spielte. 69 Zum Verhältnis Locke/Condillac vgl. auch L. Kreimendahl in der Einleitung zu Condillac 1983, S. XXVIff. 70 Condillac 1977, S. 63. Condillac hielt Locke vor (ebd. S. 62), die wichtige Rolle der Wörter zu spät erkannt zu haben. 67

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nämlich den natürlichen Lauten sowie der Iangage d'action, der Sprache der Handlungen, der Gesten und der Mimik, allmählich die Verwendung konventioneller Zeichen und eine artikulierte Lautsprache entwickelt haben könnte. 71 Dieser Erklärungsversuch war - wie weitere, die ihm folgten in einer Diskussionssituation angesiedelt, an deren Zustandekommen auch noch andere, darunter diverse eher außerphilosophische, Theorien und Kontroversen beteiligt waren. Zum Beispiel bezog Condillac mit seinem Ansatz implizit auch Position zu der Alternative, ob die Sprache natürlicher oder übernatürlicher Herkunft sei. In der orthodoxen Auslegung, wie sie in vielen Bibelkommentaren des 17. Jahrhunderts zum Ausdruck kam, wurde die einschlägige Stelle Genesis 2, 19 f. so verstanden, daß Gott dem Menschen die Sprache fertig und direkt eingegeben habe. Eine gewichtige Abweichung von dieser Auffassung enthielt das 1678 erschienene Werk Histoire critique du vieux 7estament, mit dem Richard Sirnon zum frühen und in seiner Zeit heftig angefeindeten Mitbegründer der historischen Bibelkritik wurde. Hier fanden sich Argumente für eine natürliche Erklärung des Sprachursprungs und ihre theologische Zulässigkeit. Dasselbe Problem wurde auch noch in anderen Bereichen erörtert, z.B. in dem in der zeitgenössischen Rhetorik sehr einflußreichen Werk von Bernard Lamy L'art de par/er {1675, seit 1688 unter dem Titel La rhetorique ou de l'art de parler), wobei der Verfasser in seiner eigenen Stellungnahme allerdings schwankend blieb. Auf die Sprachdebatte der Aufklärung haben sich diese Kontroversen, die häufig auch die Frage nach der Ursprache der Menschheit miteinschlossen, teilweise nur noch indirekt ausgewirkt, immerhin aber doch so, daß der Streit über einen göttlichen oder menschlichen Sprachursprung auch noch nach der Mitte des 18. Jahrhunderts anhielt. Insbesondere versuchte der Berliner Theologe und Kirchenbeamte {und Pionier der Demographie) Johann Peter Süßmilch 1756 in der Berliner Akademie, nun allerdings mit rein philosophischen statt mit biblischen Argumenten, den göttlichen Ursprung zu be-

71

Vgl. im Essai vor allem: 2. Teil, 1. Sektion, bes. Kap. 1.

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weisen. 72 Dafür zog er sich die entschiedene Kritik des jungen Herder zu, und zwar schon in dessen Fragmenten Über dieneuere deutsche Literatur13 , erst recht dann in der Preisschrift von 1772. Wenn in der Sprachdebatte, wie es bei Condillac und anderen geschah, Mutmaßungen über die Beschaffenheit der ersten menschlichen Verständigungs- und Ausdrucksmittel angestellt wurden, so waren dabei auch häufig Gedanken des anglikanischen Bischofs und Theologen William Warburton wirksam. Dieser hatte in seinem apologetischen, der Eigenart der jüdisch-christlichen Religion gewidmeten Werk The Divine Legation of Moses (1738/41) auch die Funktion der - damals ja noch nicht entzifferten - ägyptischen Hieroglyphen erörtert und dabei einige allgemeine Überlegungen zur Entstehung von Sprache und Schrift vorgetragen. Von hierher bezog Condillac, wie auch durch entsprechende Zitate deutlich wurde, sein Theorem der Iangage d'action. 74 Ein weiterer Name, der hier erwähnt werden muß, ist der des holländisch-englischen Arztes Bernard Mandeville, der im sechsten Dialog des 1729 erschienenen zweiten Teils seiner berühmt-berüchtigten Bienenfabel bei der Frage nach dem Ursprung der Gesellschaft auch den der Sprache mit behandelte. Obwohl Mandeville von Condillac nirgends erwähnt wird, ist ein direkter Einfluß sehr wahrscheinlich, und auf jeden Fall finden sich der Sache nach viele Bestandteile der Condillacschen Sprachentstehungstheorie bei Mandeville vorformuliert/ 5 Was zumindest teilweise auch heute noch gilt, nämlich daß jede Antwort auf die Frage nach der Sprachentstehung unvermeidlicherweise viel Spekulatives enthält, gilt natürlich erst recht für die da72

Im Druck erschien Süßmilchs Text erst zehn Jahre später: Versuch ei-

nes Beweises, daß die erste Sprache ihren Ursprung nicht vom Menschen, son· dem allein vom Schöpfer erhalten habe, Berlin 1766.

73 Vgl. Abschnitt III.2 der 1768 erschienenen zweiten Ausgabe der ersten Sammlung: Werke in zehn Bänden, Bd. I, a.a.O. (Anm. 63), S. 605ff. 74 Vgl. 7be WOrks of the Right Reverend Wüliam lv.trburton, l.ondon 1811, Bd. IV, S. 133ff. Vom 4. Abschnitt des 4. Buches, der diese Passage enthält, war bereits 1744 in Paris eine französische Übersetzung erschienen, vgl. W. Warburton: Essai sur /es hiiroglyphes des Egyptiens, übersetzt von L. des Malpeines, neu hg. von P. Ton, Paris 1977.

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malige Sprachursprungsdebatte, die man mit Aarsleff als »complex mixture of speculation and some empirical information« bezeichnen kann.76 Man muß sich dabei jedoch die Funktion klarmachen, die für diese Art von Fragestellung ganz allgemein charakteristisch war. Die Suche nach Ursprüngen und Entstehungsbedingungen richtete sich im 18. Jahrhundert ja auf alle möglichen Bereiche der menschlichen Existenz und der sozialen wie kulturellen Welt: auf Moral und Recht, Staat und Gesetze, Reichtum und Ungleichheit, Erkenntnis und Sprache. Selbstverständlich lag hier meist auch ein echtes Interesse an genetischer oder historischer Ableitung vor, aber mindestens genauso wichtig war in der Regel die Intention, zum Wesen der jeweiligen Sache, zu deren grundlegenden Prinzipien vorzudringen. Sehr klar findet sich dies in Rousseaus Abhandlung über die Ungleichheit ausgedrückt: »Man darf die Untersuchungen, in die man über dieses Thema eintreten kann, nicht für historische Wahrheiten nehmen, sondern nur für hypothetische und bedingte Überlegungen, die eher zur Erhellung der Natur der Sache als zum Aufweis des tatsächlichen Anfangs geeignet sind.« 77 Eine wichtige Rolle bei der Konstituierung der spezifischen Untersuchungsrichtung, wie sie sich in den zahlreichen Ursprungsfragen geltend machte, hat die neuzeitliche Naturrechtsproblematik gespielt. Die dort methodisch verwendete Annahme eines Naturzustandes konnte auch generell für die Bestimmung des Verhältnisses zwischen Natürlichem und Künstlichem, zwischen Anfänglichem und Hinzugekommenem eingesetzt werden, und mit gewissem Recht ist von diesem Konstrukt {das der Naturzustand ja darstellt) gesagt worden, daß es in der Folgezeit »die Problemmatrix Vgl. B. Mandeville: The Fable of the Bees, or Private Vices, Publiek Benefits, hg. von E B. Kaye, Oxford 1924, Nachdruck 1957, Bd. II, S. 284ff., dazu Schreyer 1978 (B). Eine sachlich-thematische Vorwegnahme von vielen Teilen der Sprachdebatte um die und nach der Mitte des 18. Jahrhunderts ist auch in Giambattista Vicos Scienza Nuova gegeben (ab 1725 in mehreren Fassungen), nur ist bis heute, wie in bezug auf Vicos Denken insgesamt, so auch speziell beim Sprachproblem ein nennenswerter Einfluß auf die zeitgenössische Diskussion kaum nachweisbar. 76 Aarsleff 1976/82 (B), S. 279. 77 Schriften zur Kulturkritik, a.a.O. (Anm. 61), S. 81. 75

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für die Deutung der soziohistorischen Welt überhaupt vorgab«.78 Überdies ist ein Zusammenhang mit der speziell auf die Sprache gerichteten Ursprungsfrage schon deshalb gegeben, weil in einem der Hauptwerke der Naturrechtsdiskussion, in Samuel Pufendorfs De jure naturae et gentium {1672), auch explizit von der Sprachentstehung die Rede war.79 Die Abzweckung auf das Wesen der Sache, die also auch hinter der Sprachursprungsdebatte stand, richtete sich hier vor allem auf zweierlei, zum einen auf den Beitrag der Sprache zur spezifischen Verfassung des Menschen und zum anderen auf das Verhältnis der Sprache zum Denken sowie auf ihre Rolle innerhalb der Erkenntnis. Der zweite Aspekt war es vor allem, dem Maupertuis 1748 seine Aufmerksamkeit zu widmen begann. 3.2. Zu Maupertuis' Philosophischen Betrachtungen von 1748 Die Reflexions {wie die in diesem Band übersetzten Philosophischen

Betrachtungen über den Ursprung der Sprachen und die Bedeutung der Wörter abkürzungshalber genannt werden sollen) kamen zu-

nächst 1748 ohne Angabe des Verfassers in nur zwölf Exemplaren heraus, die an Freunde und Bekannte Maupertuis' verschickt wurden. Ein offizieller Druck erfolgte 1752 in einer ersten sowie 1753 in einer zweiten Sammelausgabc von Maupertuis' Werken. Im seihen Jahr 1753 erschien von Boindin ein kleiner Text, der eine kritische Auseinandersetzung mit Maupertuis' Schrift enthielt. Als Maupertuis 1756 in einer weiteren, vierbändigen Ausgabe seiner Werke die Rejlexions erneut drucken ließ, fügte er dem ursprünglichen Text außer einem Vorwort auch noch Boindins Bemerkungen sowie eine eigene Erwiderung hinzu. Nicolas Boindin {1676-1751), ein Pariser Literat und Mitglied der Academie des /nscriptions et Belles·Lettres, verfaßte Theaterstücke 78

Pross 1978 (B), S. 140.

In seinem Materialienteil bringt Pross 1978 (B) Auszüge aus Pufendorfs Werk - wie übrigens auch aus anderen für die Genese der Sprachursprungsdebatte wichtigen Texten, u.a. auch von den oben erwähnten Bernard Lamy, Richard Sirnon und William Warburton. 79

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sowie Essays und Untersuchungen zu diversen sprachlichen, literarischen und historischen Themen. Heute ist er völlig vergessen, war damals aber vor allem wegen seines offenen Atheismus relativ bekannt und auch erheblichen Anfeindungen ausgesetzt. 80 Die Bemerkungen zu den Maupertuisschen Rijlexions erschienen erst postum in einer zweibändigen Ausgabe von Boindins Werken, und zwar als eine Art Anhang zu einer vorwiegend phonetischen Fragen gewidmeten Schrift Remarques sur les sons de La langue. 81 Turgots Kritik an den Rijlexions wurde zwar bereits 1750 niedergeschrieben, jedoch erst sehr viel später veröffentlicht, sodaß Maupertuis sie nicht kennen und sich nicht damit auseinandersetzen konnte. Was Condillac angeht, den dritten der im vorliegenden Band zu Wort kommenden zeitgenössischen Kritiker der Rijlexions, so stellt sich zunächst die Frage, ob Maupertuis 1748, als er seine Betrachtungen zu Papier brachte, bereits Condillacs Essai von 1746 kannte und durch dieses Werk beeinflußt wurde. Zeitlich wäre dies immerhin möglich, nachweisen läßt es sich aber nicht, weder durch konkrete Belege noch durch einen inhaltlichen Vergleich. Daß bezüglich der allgemeinen Tendenz in manchem eine Gemeinsamkeit zwischen den Reflexions und dem Essai besteht, braucht nicht unbedingt durch direkten Einfluß erklärt zu werden, zumal es nicht schon der Essai war, der Condillac wirklich bekannt machte, sondern erst sein Traite dessystemesvon 1749. Im seihen Jahr wurde Condillac dann aber bereits dank Maupertuis' Initiative als auswärtiges Mitglied in die Berliner Akademie aufgenommen, und in der Folgezeit gab es zwischen den beiden Gelehrten einen gewissen Austausch, einschließlich persönlicher Begegnungen bei Maupertuis' Aufenthalt in Paris im Jahre 1753. 82

a

Vgl. J. S. Spink: lA libre pensee franfaise de Gassendi Voltaire, Paris 1966, s. 331-335. 81 Oeuvres, Paris 1753, Bd. II, S. 67-70. Die gelegentlich geäußerte Vermutung, nicht Boindin, sondern Turgot sei der Verfasser dieser Bemerkungen zu den Rijlexions (Gossman 1960 (A), S. 322, Anm. 17) halte ich mit Aarsleff 1974/82 (B), S. 207, Anm. 112 für unbegründet. 82 Die Auffassung von Aarsleff 1974/82 (B), S. 178 und 181, Maupertuis sei schon 1748 von Condillacs Essai beeinflußt gewesen, wird von Megill 1975 (B), S. 214ff. in Zweifel gewgen. 80

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Unabhängig von der Frage nach einem eventuell schon sehr frühen Einfluß von Condillacs Essai auf Maupertuis' Reflexions läßt sich sagen, daß beiden Schriften jedenfalls dreierlei gemeinsam ist. Erstens stehen beide in einem allgemeinen Sinne in der Tradition des Lockeschen Essay, sowohl was den empiristischen Ausgangspunkt angeht, als auch in bezug auf das erkenntnistheoretische Grundmotiv, nämlich- mit Lockes Worten- »Ursprung, Gewißheit und Umfang der menschlichen Erkenntnis zu untersuchen«. 83 Zweitens knüpfen beide auch in speziellerer Hinsicht an Locke an, nämlich an die von diesem im 3. Buch des Essay aufgeworfene Frage nach der Rolle der Sprache im Erkenntnisprozeß. Und drittens gehen sie beide dann auch in ähnlicher Weise über Locke hinaus, indem sie die Funktion der Sprache ungleich höher einschätzen als dieser. Im Gegensatz zum Condillacschen Essai gibt es jedoch in Maupertuis' Reflexions (die freilich auch einen viel geringeren Umfang haben) erstens keine nennenswerten Ansätze zu einer psychogenetisehen Rekonstruktion der Erkenntnisfunktionen, und zweitens sind die Konsequenzen, die aus dem hohen Stellenwert des Sprachlichen gezogen werden, bei Maupertuis vor allem skeptischer Art. Man kann daher als ein Hauptcharakteristikum der Rejlexions angeben, daß hier die sprachkritische Stoßrichtung im Verhältnis zu dem meisten, was es diesbezüglich vorher gegeben hatte (etwa bei Bacon oder Locke), erheblich radikalisiert wird. Ab § VII führt Maupertuis eine Art Gedankenexperiment zur Erklärung der Sprachentstehung durch. Dessen Schwächen sind unschwer zu erkennen. Allgemein muß jeder Versuch, bei dieser Frage, wie Maupertuis es tut, rein vom Individuum statt von kommunikativen Erfordernissen auszugehen, problematisch bleiben. Und speziellliegt eine immanente Inkonsequenz darin, daß Maupertuis bei seiner Annahme im § VII offenbar unterstellt, Denkfähigkeit könne es auch schon vor der Verwendung von Zeichen geben, während er in seinen Eingangsüberlegungen gerade die große Rolle der Zeichen für die Konstituierung des Denkens hervorgehoben hatte. Man muß hier jedoch, ohne solche Unplausibilitäten 83

A.a.O. (Anm. 64), Einleitung, § 2.

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einfach hinweginterpretieren zu wollen, in Rechnung stellen, daß das, was oben über die Eigenart der damaligen Ursprungsfragen angedeutet wurde, für die Rejlexions in besonderem Maße gilt: Es kommt Maupertuis, wie dann auch aus der Erwiderung auf Boindin hervorgeht, nicht eigentlich auf eine genetische oder historische Ableitung an, sondern auf systematische Erhellung, nämlich vor allem des Zusammenhangs von Sprache und Erkenntnis. Darüberhinaus sollte man das Ganze als einen Text mit eher probierendem als unmittelbar assertorischem Charakter lesen. Es handelt sich um so etwas wie eine Übung in Aporetik, wobei die Sprachkritik insbesondere auch die Funktion hat, die skeptische Einstellung zu bekräftigen. Hinter der Mahnung, sich der Grenzen und Schwächen des menschlichen Verstandes bewußt zu sein, steckt - hier wie auch sonst bei Maupertuis - nicht zuletzt der Vorbehalt gegenüber den starken und offensiven Versionen des Materialismus, wie sie sich bei manchen Zeitgenossen herauszuschälen begannen. Unmittelbar präsent war für Maupertuis diese Richtung in der Person La Mettries, dessen Schrift Z: homme machine Ende 1747, obwohl mit der Jahresangabe 1748, erschienen war und der nach seiner Flucht zunächst aus Frankreich, dann aus Holland Aufnahme am Potsdamer Hof fand und im Juli 1748 auf Geheiß des Königs in die Berliner Akademie aufgenommen wurde. 84 In seiner zweiten Schrift zur Sprachthematik, der Dissertation sur les differens moyens ... von 1756 (und zum Teil schon vorher im Brief über den Fortschritt der Wissenschaften), verfolgt Maupertuis einen Ansatz, der von dem der Reflexions erheblich abweicht; aber andererseits wird im selben Jahr 1756 in der Erwiderung auf Boindin eben dieser Standpunkt der Reflexions nochmals bekräftigt. Dies ergibt - so stellt Gerda Hassler fest - »ein recht heterogenes Bild der Sprachtheorie Maupertuis'. Der 1756 bereits schwerkranke Maupertuis war offensichtlich nicht mehr in der Lage, seine Überlegungen über die Sprache zu einem geschlossenen System zusammenAuch Maupertuis selbst hatte sich, ungeachtet der beträchtlichen philosophischen Differenzen, persönlich für den- wie er selbst aus Saint-Malo stammenden - La Mettrie eingesetzt. 84

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zufassen.« 85 Dem ist größtenteils zuzustimmen, aber gleichzeitig sollte man dieses Nebeneinander unterschiedlicher Ansätze bei Maupertuis als erneutes Indiz dafür nehmen, daß die Rejlexions nicht so sehr bestimmte Theoreme enthalten als vielmehr gewisse Argumentationsmöglichkeiten versuchsweise durchspielen. Erkenntnistheoretisch tendiert Maupertuis in den Reflexions zu einem gewissen Phänomenalismus, was auch beinhaltet, daß unbeschadet des empiristisch-sensualistischen Grundansatzes dem menschlichen Geist eine aktive Rolle beim Aufbau der Erkenntnis zugeschrieben wird. 86 Im übrigen bleibt aber auch hier wieder vieles unentschieden, und wie weit die Reduzierung der Realität auf die Erscheinungswelt wirklich gehen soll, wird von Maupertuis letztlich offengelassen. Ähnlich verhält es sich auch in dem für diese Aspekte als Paralleltext heranzuziehenden vierten Stück der Leures von 1752. 87 Hier wird unter Radikalisierung und damit zugleich Aufhebung der Lockeschen Unterscheidung zwischen primären und sekundären Qualitäten zunächst argumentiert, alle Gegenstände unserer Wahrnehmung einschließlich des Ausgedehntseins seien bloße Erscheinungen, bei denen von einer Ähnlichkeit mit äußeren Objekten nicht geredet werden könne. Immerhin wird aber dann die Frage gestellt, was diese Phänomene hervorruft. Hier zieht Maupertuis drei Möglichkeiten in Betracht: Solche Verursachung könne erfolgen (a) durch irgendwelche unseren Sinnen nicht zugängliche Gegebenheiten in der Natur oder (b) durch Gott (hier weist Maupertuis auf Malebranche hin) oder (c) durch die menschliche Seele selbst. Welche Lösung er seinerseits bevorzugt, darauf legt sich Maupertuis jedoch nicht fest, und man tut sicher gut daran, auch die phänomenalistischen Elemente bei Maupertuis primär als skeptische Gegengewichte zum Materialismus und überhaupt zu allzu großem Erkenntnisoptimismus zu sehen. 88 Hassler 1984 (B), S. 52. Vgl. Tonelli 1987 (A), S. 16 und Callot 1964 (A), S. 21f. 87 Lettres (1752), Nr. IV: Sur Ia maniere dont nous appercevons, Oe II, s. 228-242. 88 Tonelli 1987 (A), S. 9 und 59 meint, Maupertuis habe zu der zweiten Möglichkeit und zu Malebranches Lehre von der »Vision en Dieu• tendiert; eindeutig belegen läßt sich dies aber nicht; vgl. auch Gossmann 1960 (A), S. 310. 85

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Die Verwandtschaft der Maupertuisschen Auffassungen mit denjenigen George Berkeleys kommt in Form einer Namensnennung erst 1756 in der Erwiderung auf Boindin zum Ausdruck. Ob Maupertuis auch schon vor 1748 Berkeleys Standpunkt durch eigene Lektüre kannte und von ihm bereits bei der Niederschrift der Reflexions konkret beeinflußt wurde, ist umstritten und nicht entscheidbar. 89 Auf jeden Fall müssen aber die Maupertuisschen Bezüge zu Berkeley vor dem Hintergrund einer umfassenderen Diskussion gesehen werden, die um 1750 in der französischen Aufklärung über die Erkenntnistheorie des irischen Bischofs geführt wurde. Insbesondere kritisierte Diderot 1749 im Briefüber die Blinden den Berkeleyschen Idealismus, wobei er zugleich Condillac vorhielt, mit seinem Essai teilweise in gefährliche Nähe zu solchen Tendenzen geraten zu sein, und ihm nahelegte, hier für eine klarere Abgrenzung zu sorgen eine Mahnung, die bei Condillac auch nicht ohne Wirkung blieb. 90 Von den sprachphilosophischen und linguistischen Diskussionen des 20. Jahrhunderts her gesehen, interessieren Maupertuis' Rifle· xions nicht nur wegen ihrer allgemeinen Tendenz zur Sprachkritik bzw. zur sprachlich ansetzenden Metaphysikkritik, sondern auch wegen der Anklänge an den neueren linguistischen Relativismus, demzufolge Denken und Weltbild außer durch Sprache überhaupt auch durch die jeweilige Einzelsprache bestimmt sind. 91 Historisch 89 Vgl. Gossman 1960 (A), S. 305f. et passim, Aarsleff 1974/82 (B), S. 182, Megill 1975 (B), S. 231. 90 Vgl. D. Diderot: Lettre sur les aveugles, in: Oeuvres completes, Bd. IV, Paris 1978, S. 1-107, hier S. 44f.; dt. in: Philosophische Schriften, Bd. 1, a.a.O. (Anm. 28), S. 49-110, hier S. 73f. 91 Vgl. besonders B. L. Whorf: Sprache- Denken - Wirklichkeit (amerikanisches Original1956), Reinbek bei Harnburg 1963, neu 1984. Zur neuesten Diskussion: H. Gipper: Gibt es ein sprachliches Relativitätsprinzip? Untersuchungen zur Sapir-Whorf-Hypothese, Frankfurt/M. 1972; Rik Pinxten (Hg.): Universalism versus Relativism in Language and 7bought. Proceedings of a Colloquium on the Sapir-Whorf-Hypotheses, The Hague, Paris 1976; A. H. Bloom: 7be Linguistic Shaping of7bought. A Study in the Impact of Language on Thinking in China and the West, Hillsdale (New Jersey) 1981; P. Kay und W. Kempton: What is the Sapir-Whorf-Hypothesis? in: American Anthropologist 86 (1984), S. 65-79; D. E. Zimmer: So kommt der Mensch zur Sprache, Zürich 1986, S. 110-163: Wiedersehen mit Whorf.

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kann inzwischen kein Zweifel mehr daran bestehen, daß die Wurzeln für diese Sichtweise nicht etwa nur bis zu Wilhelm von Humboldt, sondern darüberhinaus bis in die europäische Aufklärung, ja z.T. bis ins 17. Jahrhundert zurückreichen. 92 Und was speziell die Übersetzungsproblematik angeht, so wäre beispielsweise auch wieder auf Locke zu verweisen, der sich bereits mit Fällen von U nübersetzbarkeit befaßt hat. 93 Freilich enthalten Maupertuis' Thesen- auch das verbindet sie mit großen Teilen des neueren Sprachrelativismus- diverse Unklarheiten und Zweideutigkeiten. So soll es etwa bei der Zeichenzuordnung einerseits Beliebigkeit geben (§ XIX}, andererseits soll sie zu Irrtümern führen (§ XII). Wenn aber die Art der Zuordnung beliebig, d.h. freigestellt ist: wird es dann nicht sinnlos, bestimmte Zuordnungen als falsch zu charakterisieren? Desgleichen ist nicht klar, worauf sich denn diese Beliebigkeit (der arbiträre Charakter} genau bezieht: darauf, daß man überhaupt gemeinsame Wahrnehmungsteile mit Zeichen versieht, oder nur darauf, welche man mit Zeichen versieht. Trotz, ja teilweise gerade wegen dieser Schwächen bleibt Maupertuis' Schrift ein aufschlußreiches Dokument innerhalb der Frühgeschichte des linguistischen Relativismus. Schließlich könnte man in den Rejlexions, zumal wenn man sie als stark probierenden Text liest, sogar noch Elemente jener Problematik entdecken, die in der analytischen Philosophie seit den SOer Jahren unter Schlagworten wie >Unbestimmtheit oder Unterbestimmtheit von Referenz, Bedeutung, Übersetzung• diskutiert wird. Zumindest bei weiter Auslegung des hermeneutisch Erlaubten lassen sich z.B. Parallelen ziehen zwischen dem Maupertuisschen Gedankenexperiment einerseits und Quines Situation radikaler Übersetzung andererseits. Einige Details dazu sind an anderer Stelle ausgeführt. 94 Hinsichtlich der Wirkungsgeschichte der Rejlexions ist vor allem Vgl. Christmann 1967 (B), Ricken 1984 (B), bes. Kap. 2.7, Hassler 1984 (B); speziell zu Maupenuis außerdem Politzer 1963 (B), Hassler 1976 (B), Franzen 1985 (B). 93 Vgl. im Essay, a.a.o. (Anm. 64), Buch II, Kap. XXII, § 6f. sowie III, IV, § 1-8. 92

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auf einige Daten zu verweisen, die als Zwischenstationen auf der zu Herder führenden Linie liegen. Im Juni 1757 schrieb die Berliner Akademie für das Jahr 1759 eine erste Preisfrage zum Thema •Sprache< aus: »Quelle est l'influence n!ciproque des opinions du peuple sur le Iangage et du Iangage sur !es opinions?« (Welches ist der wechselseitige Einfluß der Meinungen des Volkes auf die Sprache und der Sprache auf die Meinungen?) 95 Obwohl Maupertuis zu diesem Zeitpunkt bereits ein Jahr von Berlin abwesend war {und bis zu seinem Tode auch nicht mehr dorthin zurückkehren sollte), hat die in den Rejlexions behandelte Thematik sicher eine große Rolle bei der Formulierung dieser Frage gespielt. 96 Den Preis gewann eine Abhandlung des Göttinger Orientalisten Johann David Michaelis. Dieser ließ am Schluß seines Beitrages durchblicken, er hielte es für angebracht, wenn die Akademie ein weiteres Preisausschreiben mit einer noch wichtigeren sprachphilosophischen Frage veranstalten würde: »Möchte doch die Frage dereinst Ihrer Aufmercksamkeit und Ermunterung würdig scheinen: wie eine Sprache zuerst unter Menschen, die vorhin keine Sprache gehabt haben, entstehen, und nach und nach zu der jetzigen Vollkommenheit und Ausarbeitung gelangen würde.«97 Genau dieser Anregung folgte die Akademie dann in der Tat, wenn auch mit ziemlicher Verzögerung: 1769 wurde eben jene den Sprachursprung betreffende Preisfrage ausgeschrieben, die Herder mit seiner Abhandlung gewann. 98 Vgl. Franzen 1985 (B), S. 417ff. Von Quine vgl. vor allem: WOrt und Gegenst4nd (Word and Object), Stuttgart 1980 (amerikanisches Original1960), Kap. II. Eine kritische Analyse der ganzen Unbestimmtheitsdiskussion bringt jetzt A. Bühler: Bedeutung, Gegenst4ndsbezug, Skepsis, Tübingen 1987. 95 Vgl. Winter 1957 (A), S. 232f. 96 Vgl. auch Aarsleff 1974/82 (B), S. 189. 97 J. D. Michaelis: Beantwortung der Frage von dem Einfluß der Meinun· gen in die Sprache und der Sprache in die Meinungen, Berlin 1760, S. 78. 98 Ergänzend sei noch erwähnt, daß Friedrich Christoph Oetinger, der Pietist in der Aufklärung, 1753 in seine Inquisitio in sensum communem et rationem lange, ins Lateinische übersetzte Passagen aus Maupertuis' Reflexions einrückte (Neudruck, mit Einleitung von H.-G. Gadamer, Stuttgart 1964, S. 10-17 und 165 f.). 94

Einleitung

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3.3 Zu Maupertuis' Abhandlung von 1756 und seinem Brief über

den Fortschritt der Wissenschaften

Der Ansatz von Maupertuis' zweiter Schrift zur Sprachthematik, der hier abkürzungshalber als Dissertation bezeichneten Abband·

lung über die verschiedenen Mittel, deren sich die Menschen bedient haben, um ihre Vorstellungen auszudrücken, weicht von der Sichtweise der Rejlexions erheblich ab und ist ihr teilweise entgegenge-

setzt. Dies hat auch mit dem Verhältnis zu Condillac zu tun. Die Rejlexions teilten mit dem Condillacschen Essai zwar die allgemeine Überzeugung vom großen Einfluß der Sprache und der Zeichenverwendung auf das Denken, gingen konkret jedoch ganz anders vor als dieser. Die Dissertation dagegen schloß sich, zumal bei ihrem ersten Themenkomplex, welcher die Entstehung und Entwicklung der Sprache betraf, auch in so manchen Einzelheiten dem Essai an. Insbesondere spielten nun, ähnlich wie bei Condillac, auch Faktoren eine Rolle wie: Bedürfnisse und ihre Mitteilung; ursprüngliche Sprache mittels natürlicher Laute und Gesten; allmählicher Übergang zu konventionellen Zeichen etc. Außerdem war es zwischen den Rejlexions (dem ursprünglichen Text von 1748) und der Dissertation ja auch zum persönlichen Austausch zwischen Maupertuis und Condillac gekommen, wobei Condillac in seinem {im Anhang übersetzten) Brief vom Juni 1752 sowohl seinem eigenen Essai als auch den Reflexions von Maupertuis eine gewisse Überbewertung der Zeichen vorgehalten hatte. Für sich selbst war Condillac, obwohl eher stillschweigend, gerade dabei, diese Überbewertung zurückzunehmen, nämlich im Traite des sensations, an dem er zu diesem Zeitpunkt arbeitete und der dann 1754 erschien. Condillacs Kritik dürfte bei Maupertuis nicht ohne Wirkung geblieben sein, denn auch in dessen Dissertation gibt es nicht mehr jene extreme Beurteilung des Einflusses der Sprache, wie sie in den Rejlexions anzutreffen war. 99 Eine von den Rejlexions abweichende Betrachtungsweise war auch In dem gleichfalls 1756 erschienenen Zusatztext zu den Rejlexions selbst, nämlich der Erwiderung auf Boindin, ist allerdings von einer Wirkung der Condillacschen Kritik nichts zu merken; s.a. oben S. XLf. 99

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schon im Brief über den Fortschritt der Wissenschaften (1752) zum Ausdruck gekommen und hatte sich darüberhinaus bereits 1750 in einer Passage einer Akademieansprache von 1750 angekündigt. 100 Hier behandelte Maupertuis, im Zusammenhang mit einer Charakterisierung der einzelnen Klassen der Berliner Akademie, auch kurz das Thema >SpracheSprache< entscheidend beeinflußte: »He ... laid the philosophical groundwork for much of the Enlightenment debate.« 112 Die meisten der diesbezüglich notwendigen Hinweise sind bereits an verschiedenen Stellen dieser Einleitung gegeben worden. 113 Es bedarf daher nur noch einiger Ergänzungen.114

Ebd. S. 110-116. In ähnlicher Weise hatte bereits Rousseau im Dis· cours von 1755 dieses Problem aufgeworfen (s. o. Anm. 61), und Rousseau wurde von Süßmilch auch erwähnt (S. 12 f. und 117). 110 S. 608 der in Anm. 73 angegebenen Stelle. 111 Werke in zehn Bänden. Bd. I, a.a.O. (Anm. 63), S. 710f. 112 Megill 1975 (B), S. 168. 113 S.o. S. XXX-XXXV, XXXVIIIf., XLV. 114 Vgl. neuerdings die Einleitung zu Condillac 1983 und Auroux 1984 (A). 109

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Etienne Bonnot de Condillac (1714-1780), der zwar de jure katholischer Geistlicher war, faktisch jedoch meist das Leben eines Privatgelehrten führte, allerdings unterbrochen durch eine etwa zehnjährige Tätigkeit als Prinzenerzieher, war der Haupterkenntnistheoretiker der französischen Aufklärung und der wichtigste empiristische Philosoph Frankreichs. 115 Seine brieflich geäußerte, im Anhang dokumentierte Kritik an Maupertuis' Rejlexions liegt, zeitlich gesehen, zwischen dem frühen, bereits mehrfach erwähnten Essai von 1746 (sowie dem Traite dessystemesvon 1749) einerseits und dem Traite dessensationsvon 1754 (sowie dem Traite des ani· maux von 1755) andererseits. Condillac ging es in dieser Phase vor allem um Modifikationen, Hereinigungen und Ergänzungen innerhalb seines empiristischen Ansatzes, der sich zu einer eindeutig sensualistischen Position weiterentwickelte. Dabei wurde auch die von Diderot 1749 im Brief über die Blinden ausgesprochene Warnung vor einem erkenntnistheoretischen Idealismus beherzigt. Zum ontologisch-weltanschaulichen Materialismus jedoch blieb Condillac weiterhin auf Distanz. Von den Verschiebungen, die sich zwischen 1746 und 1754 in Condillacs Konzeption ergaben, war auch das Sprachproblem betroffen, und zwar im Sinne einer gewissen Abschwächung des der Sprache und den Zeichen zugebilligten Stellenwerts. Im einzelnen ist hier aber manches bei den Interpreten umstritten. Im Traite des sensations werden, unter Verwendung des alten Pygmalion-Motivs, einer fiktiven Marmorstatue nach und nach die fünf Sinne verliehen, um so den allmählichen Aufbau der Erkenntnis nachzeichnen zu können. Die Sprache spielt dabei praktisch keine Rolle. Dies darf man aber nicht überinterpretieren. Zwar liegt hier sicher eine gewisse Revision gegenüber dem Essai vor, nämlich ziemlich genau im Sinne des im Brief an Maupertuis enthaltenen Eingeständnisses, damals den Zeichen zuviel zugeschrieben zu haben. Andererseits muß man den Traite jedoch nicht unbedingt so verstehen, als 115 Freilich gibt es in Condillacs Denken auch rationalistische Züge; vgl. I. Knight: The Geometrie Spirit. The Abbe de Condillac and the French Enlightenment, New Haven, London 1968. Ein in dieser Hinsicht relevanter, neu entdeckter Text ist Condillac 1980.

Einleitung

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ob Condillac nun geradezu ins andere Extrem verfallen wäre und der Sprache gar nichts mehr zugebilligt hätte. Daß die Sprache nun ausgespart blieb, könnte vielmehr darin seinen Grund gehabt haben, daß im Traite, genau wie der Titel es angab, wirklich nur die Empfindungen und also die der Sprache vorausliegenden Erkenntnisprozesse thematisiert wurden. 116 Und auf jeden Fall hat der späte Condillac die Sprache wieder in die kognitiven Rechte, die ihr der Traite, obzwar vielleicht nur dem äußeren Anschein nach, streitig gemacht hatte, wieder eingesetzt. Dies geschah sogar durch Hinzufügungen zum Traite selbst, die Condillac bei einer in seinen letzten Lebensjahren durchgeführten Überarbeitung des Textes vornahm - Hinzufügungen, mit denen er klarstellte, daß die Statue ohne Sprache und Zeichen auch nur zu sehr beschränkten Erkenntnissen fähig sei. 117 Wenn Condillacs Philosophie, die zu seinen Lebzeiten und einige Jahrzehnte darüberhinaus beträchtlichen Einfluß ausübte, dann jedoch für beinahe anderthalb Jahrhundert mehr oder weniger vergessen und verkannt wurde, heute wieder auf größeres Interesse stößt, so nicht zuletzt wegen ihrer gewichtigen Beiträge zur Sprachthematik Dem hier wiedergegebenen Brief Condillacs an Maupertuis vom 25. Juni 1752 war bereits im August 1750 ein anderer Brief vorausgegangen, in dem sich Condillac für die Übersendung eines Exemplars der Rijlexions bedankte. 118 Er erwähnte dabei, daß er von dieser Schrift schon gehört habe, sie aber noch nicht habe lesen können; es müsse wohl nur sehr wenige Exemplare davon geben. Vgl. Aarsleff 1974/82 (B), S. 153ff. und Aarsleff 1975/82 (B). 117 Vgl. Condillac 1983, S. 105 f., 175 f., 197. Eine wichtige Rolle spielten Sprache und Zeichenverwendung wieder in mehreren späteren Schriften Condillacs, so in La logique (1780, vgl. Condillac 1959), in dem aus seiner Erziehungstätigkeit hervorgegangenen Cours d'etude pour l'instruction du Prince de Parme (1779/80 und später), und zwar in den Teilen Grammaire (vgl. Condillac 1970 und 1986) und De l'art de penser, und im postum erschienenen Werk La Langue des calculs (1798, vgl. Condillac 1959). Auroux 1984 (A), S. 589 interpretiert Condillacs Entwicklung so, daß die Sprachthematik in einer ersten Phase exponiert, in einer zweiten zurückgedrängt und in einer dritten wieder voll zur Geltung gebracht worden sei. 118 Vgl. Condillac 1947-1951, Bd. II, S. 535 (Brief vom 12.8.1750). 116

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Offenbar gehörte Condillac also nicht zu denen, die sozusagen im ersten Durchgang eines der zunächst ja lediglich zwölf Exemplare der Riflexions erhalten hatten; vielmehr wurde er erst bedacht, nachdem sich im Zuge seiner Aufnahme in die Berliner Akademie persönliche Beziehungen zu Maupertuis ergeben hatten. 119 Vielleicht ist diese zeitliche Abfolge ein Indiz dafür, daß Maupertuis, als er 1748 die Riflexions niederschrieb, den Condillacschen Essai von 1746 noch nicht - oder jedenfalls noch nicht genauer - kannte, da er sonst vermutlich sofort ein Exemplar an dessen Verfasser geschickt hätte. Anne RobertJacques Turgot (1727-1781) ist vor allem als Klassiker der Wirtschaftstheorie bekannt, der den Physiokraten nahestand und seine Auffassungen, dargelegt in den Rejlexions sur La formation et La distributiondes richesses (1766) und in diversen anderen Schriften, bei seiner Tätigkeit in Verwaltung und Politik, darunter auch knapp zwei Jahre als Finanzminister Ludwigs XVI., in die Praxis umzusetzen versuchte. Außerdem befaßte er sich aber noch mit zahlreichen anderen Dingen, darunter auch - dies besonders in seinen jungen Jahren - mit philosophischen Problemen. So gehörte er zu den frühen Vertretern einer auf den Fortschritt setzenden Geschichtsphilosophie und beeinflußte in dieser Hinsicht Condorcet. 120 Erkenntnistheoretisch läßt sich Turgot dem antiidealistischen Zweig des Empirismus und Sensualismus zurechnen. Ein kleiner Text mit einer Kritik an Berkeley entstand etwa zur selben Zeit und lag auf einer ähnlichen Linie wie die Bemerkungen zu Maupertuis. 121 Für alle möglichen Probleme, die die Sprache betreffen (lexikographische, grammatikalische, etymologische, historische, erkenntnis-

Vgl. ebd. S. 533 die Briefe vom 25. und 29.12.1749. 120 Vgl. Tableau philosophique des progres successifs de l'esprit humain sowie Plan de deux discours sur l'histoire universelle, beidein Turgot 1913-1923, Bd. I, S. 214-235 bzw. 275-323. 121 Vgl. Lettres l'abbe de . . . sur le systeme de Berkeley, in Turgot 1913-1923, Bd. I, S. 185-195. Heranzuziehen ist hier auch noch der 1756 im 6. Bd. der Encyclopedie erschienene Artikel •ExistenceSprachePhilosophischen Betrachtun·

gen über den Ursprung der Sprachen und die Bedeutung der Wörter< von Maupertuis wurden 1750 niedergeschrieben, aber erst postum

im 1808 erschienenen zweiten Band der ersten, von Dupont de Nemours veranstalteten Gesamtausgabe gedruckt. Wie Turgot an eines der wenigen Exemplare des Erstdrucks von Maupertuis' JU. flexions gekommen war, läßt sich nicht feststellen. Daß Maupertuis selbst ihm ein solches geschickt hat, ist sehr unwahrscheinlich, da Turgot bis 1748/49 noch nicht hervorgetreten war und es keinen Hinweis darauf gibt, daß Maupertuis und Turgot sich persönlich kannten. Denkbar wäre, daß Turgot ein Exemplar der Rijlexions von Maupertuis' Freund Trublet erhalten hat, den er zweimal in seinen Bemerkungen erwähnt und mit dem er offenbar in persönlichen Gesprächen über dieses Thema diskutiert hat. 127 Vgl. Liste d'ouvrages afaire, in: Turgot 1913-1923, Bd. I, S. 115 f. 123 Vgl. die beiden in Anm. 120 genannten Arbeiten; die sprachtheoretisch relevanten Passagen daraus auch in Turgot 1970b. 124 In: Turgot 1913-1923, Bd. I, S. 346-364, in Auszügen neu in Turgot 1970b. 125 Vgl. Turgot 1979. 126 Erneut in Turgot 1913-1923, Bd. I, S. 473-516 und Turgot 1961. 127 Vgl. in Turgots Kritischen &merkungen § III und XIV/XV; zu Trublet in der vorliegenden Einleitung S. XXI mit Anm. 33. 122

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Die eigenen sprachtheoretischen Ansätze Turgots, wie sie außer in den anderen Texten auch in der Kritik an Maupertuis zum Ausdruck kommen, berühren sich vielfach mit der Betrachtungsweise Condillacs, zumal wenn man sich die Modifikationen ausgeführt denkt, die aus der Selbstkritik resultieren, welche Condillac in bezug auf seinen Essai im Brief an Maupertuis übt. Sowohl Turgot als auch der auf dem Weg vom Essai zum Traite sich befindende Condillac erkennen zwar die große Bedeutung von Sprache und Zeichenverwendung an, warnen jedoch vor diesbezüglichen Übertreibungen. Dies ist denn auch der gemeinsame Tenor bei dem, was beide an Maupertuis' Rejlexions auszusetzen haben. (Man darf annehmen, daß Turgot, als er 1750 seine Bemerkungen zu Maupertuis niederschrieb, Condillacs Essai kannte. Beide lernten sich auch persönlich kennen, möglicherweise aber erst etwas später.) 128

4. Zur Textgestalt und Übersetzung Der Übersetzung wurden die folgenden französischen Texte zugrundegelegt: - Maupertuis' Reflexions (incl. Boindins Bemerkungen und Maupertuis' Erwiderung): Oe I, S. 253-309; identisch mit Maupertuis 1970a sowie mit Maupertuis 1971a; beialldiesen Ausgaben ist der in die Rejlexions übernommene Text von Boindin identisch mit dem ersten Druck in N. Boindin: Oeuvres, Paris 1753, Bd. II, S. 67-70.

Vgl. G. Baguenault de Puchesse: Condillac. Sa vie, sa philosophie, son inflluence, Paris 1910, S. 14. Zu erwähnen ist noch, daß Maine de Biran sich um 1815 mit Maupertuis' Reflexions und Turgots Kritik befaßte und beiden sowohl teilweise Recht als auch teilweise Unrecht gab; vgl. Maine de Biran 1982 (B), auch Formigari (Hg.) 1971 (B) und Grimsley (Hg.) 1971 (B). Zu Turgot vgl. Grimsley 1968 (B) und Hassler 1984 (B), Abschn. 3.1; Aufmerksamkeit in der Sekundärliteratur erfährt der Sprachtheoretiker Turgot außerdem noch öfters in Form von verstreuten Einzelstellen in thematisch übergreifenden Darstellungen, vgl. bes. Auroux 1979 (B) und Droixhe 1978 (B). 128

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- Maupertuis' Disseration: Oe III, S. 435-468; identisch mit Maupertuis 1970b. - Maupertuis' Lettre sur le progres des sciences, § XVII: Oe li, S. 426-430. In Maupertuis 1980 ist offenbar eine der dem Abdruck in den Oeuvres vorausgehenden Einzelausgaben dieses Textes abgedruckt; die kleineren Abweichungen sind jedoch ohne Einfluß auf den Inhalt. - Condillacs Brief an Maupertuis: Condillac 1947-1951, Bd. li, 535-538. - Turgots Remarquescritiques: Turgot 1913-1923, Bd. I, S. 157-179 ( = B). Dieser Text weicht z.T. erheblich ab von demjenigen in Turgot 1808-1811, Bd. li, S. 102-164 (= A). Der Herausgeber dieser ersten Gesamtausgabe, P.-S. Dupont de Nemours, hat häufig, besonders wenn es sich um zu Turgots Lebzeiten noch nicht gedruckte Manuskripte handelte, den Text seinem Verständnis gemäß korrigiert, während der Herausgeber von Turgot 1913-1923 dem Originalmanuskript folgte. 129 Im vorliegenden Band wird in einigen Fällen in den Anmerkungen des Herausgebers auf Abweichungen zwischen A und B eingegangen. In Turgot 1970a ist übrigens A abgedruckt, in Turgot 1971a dagegen B. Beide Ausgaben A und B drucken auch jeweils Maupertuis' Rijlexions mit ab. Gewisse Inkonsequenzen oder Nachlässigkeiten bei Turgots Unterteilung der Paragraphen in arabisch numerierte Abschnitte (z.B. in§ XIX: ein »2.« ohne vorausgehendes »1.«) wurden auch im deutschen Text stehen gelassen. Zur deutschen Übersetzung sei nur gesagt, daß das französische Wort >idee< fast immer mit' Vorstellung< wiedergegeben wird, obwohl dies nicht ganz unproblematisch ist.

s.

129 Vgl. G. Sehelies Bemerkungen und Hinweise in Turgot 1912-1923, Bd. I, S. 3 und 157.

LITERATURVERZEICHNIS

Bei Querverweisen innerhalb dieses Verzeichnisses, in den Literaturangaben der Einleitung und in den Anmerkungen des Herausgebers bezeichnen die Angaben (A) und (B) hinter dem Erscheinungsjahr die jeweilige Sekundärliteratur-Rubrik. Primärtexte

P. L. M. de Maupertuis Werkausgabe Oeuvres ( = Oe), 4 Bde., Nachdruck der Ausgabe Lyon 1768, Hildesheim, New York 1965 (Bde. II-N) und 1974 (Bd. I). Die Ausgabe Lyon 1768 ist dem Inhalt nach nahezu identisch mit der Ausgabe Lyon 1756; vgl. dazu Bd. I, S. XXXVI*. Bd. I: u.a. Einführung von G. Tonelli mit Bibliographie (incl. Hinweisen auf dt. Übersetzungen im 18. Jh.) und textkritischen Bemerkungen; Essai de cosmologie; Reflexions philosophiques sur l'origine des langues et Ia signification des mots; zusätzlich zu den Ausgaben 1756 bzw. 1768 wurde in den Nachdruck aufgenommen: Examen philosophique de Ia preuve de l'existence de Dieu employee dans !'Essai de cosmologie (zuerst 1758) Bd. Il: Wnus physique; Systeme de Ia nature; Lettres; Lettre sur le progres des sciences Bd. III: u.a. Dissertation sur !es differens moyens dont !es hommes se sont servis pour exprimer leurs idees Bd. IV: Schriften zur Physik und Astronomie Neuere Einzelausgaben 1970a: Reflexions philosophiques sur l'origine des langues .... , in: Porset (Hg.) 1970 (B), 13-87. - 1970b: Dissertation sur !es differens moyens .... , in: Porset (Hg.) 1970 (B), 89-118.

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Literaturverzeichnis

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- 1971a: Reflexions philosophiques sur l'origine des langues .... ,in: Grimsley (Hg.} 1971 (B}, 27-57. - 1971b: Riflessione filosofiche sull'origine delle lingue eil significato delle parole, in: Formigari (Hg.) 1971 (B}, 71-106. - 1971c: Dissertazione sui diversi mezzi di cui gli uomini si sono serviti per esprimere le loro idee, in: Formigari (Hg.} 1971 (B}, 107-128. - 1980: Venus physique, suivi de Ia Lettre sur Je progres des sciences, hg. von P. Tort, Paris 1980 (enthält auch eine >Bio-bibliographie