Selbstzeugnisse von Schweizer Söldneroffizieren im 18. Jahrhundert 9783737003216, 9783847103219, 9783847003212


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Selbstzeugnisse von Schweizer Söldneroffizieren im 18. Jahrhundert
 9783737003216, 9783847103219, 9783847003212

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Herrschaft und soziale Systeme in der Frühen Neuzeit

Band 18

Herausgegeben im Auftrag des Arbeitskreises Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit e. V. von Matthias Asche, Horst Carl, Marian Füssel, Bernhard R. Kroener, Stefan Kroll, Markus Meumann, Ute Planert und Ralf Pröve

Marc Höchner

Selbstzeugnisse von Schweizer Söldneroffizieren im 18. Jahrhundert

Mit 16 Abbildungen

V& R unipress

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-8471-0321-9 ISBN 978-3-8470-0321-2 (E-Book) Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Familienstiftung Hirzel, der Bibliothek am Guisanplatz, Bern, der Burgergemeinde, Bern und der Megasol Energie AG. Ó 2015, V& R unipress in Göttingen / www.vr-unipress.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Titelbild: Leo Matkovic / EFENTWELL! / Bern Druck und Bindung: CPI buchbuecher.de GmbH, Birkach Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

»Les Suisses que j’ai rencontr¦s ¦taient des ›mercenaires‹. Trouvant leurs pays trop petit ils sont depuis des siÀcles all¦s conqu¦rir pour les autres.« Niki de Saint Phalle: Aventure Suisse

Inhalt

1 Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

2 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Methode und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11 14 18

3 Das Schweizer Söldnerwesen im 18. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . 3.1 Das Offizierskorps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25 33

4 Die Selbstzeugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

5 Militärdienst in Friedenszeiten . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Garnison und Alltag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Finanzielles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Das Leben in der Fremde: Kulturtransfer und Heimweh

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45 45 59 65

6 Kriegserfahrungen in den Selbstzeugnissen . . . . . . . 6.1 Der Feldzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.1 Fehlverhalten: Deserteure und »Marodeure« . . 6.2 Die Schlacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Die Belagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Die Gefahren: Verwundung, Tod und Gefangenschaft

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79 79 84 92 105 112

7 Prägung und Deutung . . 7.1 Religion . . . . . . . . 7.2 Ehre . . . . . . . . . . 7.2.1 Individuelle Ehre 7.2.1.1 Das Duell 7.2.2 Kollektive Ehre .

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123 123 133 133 145 151

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8

Inhalt

8 Das Schweizerische in den Selbstzeugnissen . . . . . . . . . . . . . . 8.1 Familienökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Republikanisches Nationalbewusstsein . . . . . . . . . . . . . . .

155 155 167

9 »Fremde Dienste« im Zusammenhang: Krisen und Kritik 9.1 Die erste Jahrhunderthälfte . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Schweizer Söldner im Siebenjährigen Krieg . . . . . 9.3 Die französische Militärreform von 1763 . . . . . . . 9.4 Die Militärreformen in Neapel 1789 . . . . . . . . . . 9.5 Der 10. August 1792: Sturm auf die Tuilerien . . . . . 9.6 Die Diskussion um das Söldnerwesen . . . . . . . . .

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183 183 186 198 206 209 217

10 Zusammenfassung und Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

235

11 Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

249

12 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

257

Anhang I: Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

271

Anhang II: Schweizer Söldnereinheiten im 18. Jahrhundert . . . . . . .

275

Anhang III: Karten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1

Vorwort

Die vorliegende Publikation entstand in den Jahren 2009 bis 2013 als Dissertation an der Universität Freiburg (Schweiz). Zum erfolgreichen Gelingen dieser Arbeit haben zahlreiche Personen in unterschiedlichster Art und Weise ihren Teil beigetragen. Ihnen allen gilt meine größte Dankbarkeit. Speziell erwähnen möchte ich: Meinen Doktorvater, Professor Volker Reinhardt, der mir diese Chance gegeben hat, für die Freiheiten, die er mir gelassen hat, obwohl er bei allen Problemen oder Anliegen stets ein offenes Ohr hatte und hilfreich zur Stelle war. Professor Anton Schindling, meinen Zweitgutachter, der mich an der Universität Tübingen herzlich empfangen und mir viele hilfreiche Anregungen mitgegeben hat. Den Schweizerischen Nationalfonds, der mir den Forschungsaufenthalt in Tübingen ermöglicht hat. Meine großzügigen Geldgeber, die mir finanzielle Unterstützung bei den Druckkosten gewährt haben, namentlich die Familienstiftung Hirzel, die Bibliothek am Guisanplatz, die Burgergemeinde Bern und die Megasol Energie AG. Professor Matthias Asche, der mir angeboten hat, meine Dissertation in dieser Reihe zu veröffentlichen, und der mich bei der Drucklegung aufs Beste betreut hat. Frau Niina Borchers vom Verlag V& R unipress und Frau Saskia Erdogan für die sorgfältige Korrektur. Dr. Verena Villiger Steinauer, Jean Steinauer und Dr. Gaby Knoch-Mund für ihre Unterstützung und Freundschaft. Die abwechslungsreiche Arbeit im Museum für Kunst und Geschichte Freiburg und im Jüdischen Museum der Schweiz brachte mir nicht nur wertvolle Erfahrung, ohne sie hätte ich mir eine Dissertation gar nicht leisten können. Die Menschen, die mir während meines Aufenthalts in Tübingen ans Herz gewachsen sind. Meine Mitbewohnerinnen: Judith und Vicy, mein Zuhause im Ausland; die Historiker und Historikerinnen: Nina, Miriam, Sonja, Tobias und Oleg; ihnen danke ich für den fachlichen Austausch und für die erlebnisreiche Zeit. Danke auch an Thorsten Busch, der den ursprünglichen Text lektoriert hat,

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Vorwort

und an Jens-Peter Müller und Fabian Fechner vom Fachbereich Geschichte der Eberhard Karls Universität Tübingen. Meine »Freiburger«: Samuel, Emanuel, Cl¦a und Marco, mit denen ich eine spannende Studienzeit verbrachte; meine Freunde aus Bern: Leo, Kaspar, Said, Tery, Simon, Jasmina, Felix, die »Großfamilie« Andonie und alle anderen: Danke, dass ihr meine historischen Monologe mit Fassung ausgehalten habt. Und schließlich möchte ich mich bei den Menschen, die mir am nächsten stehen, von ganzem Herzen bedanken: bei meinen Eltern, meiner Schwester und meiner großen Liebe, Eva. Schön, dass ihr da seid. Bern/Mannheim, Oktober 2014

2

Einleitung

Es ist eine Binsenwahrheit, dass historische Ereignisse immer wieder als Vergleich, als Beweis für den Zustand der Gegenwart herangezogen werden. Im Jahr 2009, mitten in der Auseinandersetzung zwischen der Schweiz und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung um die Verfolgung von Steuerdelikten, wurde von einem Journalisten das Bild des Schweizer Söldners bemüht. So kompromisslos wie jene hätten sich die Schweizer für ihr Bankgeheimnis einsetzen und sich wehren sollen.1 2012 zeigte die Karikatur einer russischen Zeitung als päpstliche Schweizergardisten bekleidete Mäuse, die auf einer Bergspitze eine Käsefestung verteidigen. Der dazugehörige Artikel berichtete über eine Übung der Schweizer Armee, die eine Eskalation in den EUKrisenstaaten mit Auswirkungen auf die Sicherheit der Schweiz als Bedrohungsszenario vorsah.2 Die Schweiz, bekannt für Käse, Schokolade und Söldner? Georg Kreis zählt in seinem Buch über »Schweizer Erinnerungsorte« das Söldnerwesen zum »geistigen Speicher« der Schweizer Selbstwahrnehmung. Die militärischen Tugenden von Treue und Ehre, mit der die Reisläufer sich von anderen Anbietern abzugrenzen versuchten, so führt er weiter aus, verkörperten Schweizer Qualität und könnten mit der kommerziellen Vertragstreue Schweizer Unternehmen in Verbindungen gebracht werden. Georg Kreis zählt aber auch negative Assoziationen auf, wie etwa eine ausgeprägte Profitorientierung, die durch die bekannte Redewendung »point d’argent, point de Suisse« versinnbildlicht wird.3 Auch hier wäre es möglich, Verbindungen zu den finanzpolitischen Diskussionen über Steuerparadiese und das Bankkundengeheimnis herzustellen, welche am Anfang des 21. Jahrhunderts die Schweiz berührten. 1 Financial Times, zitiert in: Martin Senn, »Erstarrt wie ein Hase in den Scheinwerfern eines Autos«, NZZ am Sonntag, 5. April 2009. 2 »Die Welt berichtet über Schweizer ›Käsearmee‹«, auf: Derbund.ch, http://www.derbund.ch/ schweiz/standard/Die-Welt-berichtet-ueber-Schweizer-Kaesearmee/story/23142966, 23. 10. 2012. 3 Kreis, Georg, Schweizer Erinnerungsorte. Aus dem Speicher der Swissness, Zürich 2010, S. 91 f.

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Einleitung

Diese Beispiele zeigen: Zwar wird das Bild des wehrhaften Söldners mit der Schweiz assoziiert, doch gleichzeitig schwingt mit diesem Teil der Vergangenheit stets etwas Unbehagen mit. Schon das Wort »Söldner« weckt negative Assoziationen. Lieber schreibt man in den relevanten Publikationen über Schweizer in »Fremden Diensten«, so wie auch in einem Tagungsband, der 2006 erschien.4 Das Buch trägt den Untertitel »Verherrlicht und verurteilt«, eine Überschrift, die in Erinnerung ruft, dass das Urteil der Historiker über diesen wichtigen Bestandteil der Schweizer Geschichte nicht immer gleich ausfiel. Einige präsentierten die Söldner (wobei sie diese Bezeichnung eben tunlichst vermieden) als Sinnbild eines wehrhaften Schweizer Volks; andere stellten sie als Randständige dar, die von skrupellosen Militärunternehmern ausgenutzt wurden. Wiederum andere wiesen auf ein nicht mehr zeitgemäßes Verlustgeschäft hin, aus dem die Beteiligten aus Prestigegründen nicht entfliehen konnten. Und von all diesen Assoziationen blieb vermutlich etwas haften. Nun geht es aber in dieser Arbeit weder um die zeitgenössische Sicht auf die Schweiz noch um eine detaillierte Analyse der Historiographie der »Fremden Dienste«. Wir bleiben in der Frühen Neuzeit, im 18. Jahrhundert. In dieser Epoche lag die Leitung des Söldnerwesens in den Händen eines relativ eingeschränkten Kreises von einflussreichen Familien. Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, was die Männer, in deren Händen dieses Geschäft lag, von ihrem Beruf hielten. Schließlich hatten sie sich keine einfache Tätigkeit ausgesucht: Im Krieg riskierten sie selbstverständlich Leib und Leben – und häufig auch ihre Liquidität. Doch daneben mussten sie auch Verwandte platzieren, Geld auftreiben, sich um ihre Karriere kümmern und für günstige politische Rahmenbedingungen sorgen. Doch damit nicht genug: Mit dem Fortschreiten des Jahrhunderts gab es immer mehr Menschen, die sich gegen das Söldnerwesen aussprachen. Den europäischen Fürsten wurden die Schweizer zu teuer und zu ineffizient, und »modern« gesinnte Schweizer beklagten sich über die Verschwendung nützlicher Arbeitskräfte. Wie gingen die Verantwortlichen des Söldnerwesens damit um? In der vorliegender Arbeit steht der einzelne Mensch, der Söldneroffizier, eingebunden in ein gesellschaftliches Netzwerk, im Mittelpunkt der Betrachtung. In dieser Hinsicht bestehen in der Geschichte der Schweizer Solddienste immer noch große Lücken. Bisherige Forschungen konzentrierten sich auf das durchschnittliche Alter des Söldners, die Dauer seines Dienstes, sein Einkommen und seine »Berufsaussichten«. Auch wurden die wirtschaftlichen und sozialen Verflechtungen des Solddienstes thematisiert. Hingegen wurden Selbstverständnis und Kriegserfahrung der Söldner nie im großen Umfang Gegen4 Fuhrer, Hans Rudolf u. a. (Hrsg.), Schweizer in ›Fremden Diensten‹. Verherrlicht und verurteilt, Zürich 2006.

Einleitung

13

stand von wissenschaftlichen Arbeiten. Das ist einerseits ein Quellenproblem, denn von den »einfachen Soldaten« sind nicht viele schriftliche Zeugnisse überliefert. Doch die Offiziere, die aus einer relativ gebildeten Oberschicht stammten, haben zahlreiche Dokumente über ihr Leben und ihre Tätigkeit hinterlassen. In der Schweiz hat bisher kein Historiker Kriegserfahrungen und Selbstzeugnisse von Schweizer Söldnern in der Frühen Neuzeit verglichen und ausgewertet. Die Lizenziatsarbeit des Verfassers, das sich auf die Kriegserfahrungen von Schweizer Söldnern im Siebenjährigen Krieg (1756 – 1763) beschränkt, hat diese Lücke ein Stück weit geschlossen. In der folgenden Arbeit rückt das gesamte 18. Jahrhundert in den Mittelpunkt, um ein möglichst umfassendes Bild der Offiziere zu zeichnen. Eine Untersuchung über Selbstdarstellung und Selbstverständnis der Söldneroffiziere bietet nicht bloß das Abbild einer Facette der eidgenössischen Elite um 1750 oder 1800. Wie diese Arbeit zeigen soll, gibt sie auch Auskunft über die gesellschaftlichen Verflechtungen des Söldnerwesens sowie über die spezifisch schweizerische wie auch die gesamteuropäische Mentalität dieser militärischen Elite, die nebeneinander existierten. Die Geschichte beschäftigt sich mit dem Vergangenen, doch es ist wichtig, dass Historiker zu ihren Themen einen aktuellen Bezug suchen. Im Zusammenhang mit Söldnern wäre das etwa die Tatsache, dass, in der asymmetrischen Kriegsführung der jüngsten Geschichte, gerade in den Kriegen der Vereinigten Staaten in Afghanistan ab 2001 oder ab 2003 im Irak sogenannte PMCs (Private Military Companies/Contractors, also private Sicherheits- oder Militärdienstleister) eine wichtige Rolle spielten.5 Das Thema der privaten, westlichen Militärdienstleister war selbst in der Schweiz ein Thema, beispielsweise bei der Diskussion um die Bewachung von Schweizer Vertretungen im Ausland durch private Sicherheitskräfte oder um die Niederlassung von entsprechenden Unternehmen wie Aegis Defence Services in der Schweiz.6 Noch aktueller könnte man zum Thema Söldner auf den libyschen Bürgerkrieg 2011 oder den Konflikt in der Ostukraine 2014 hinweisen, in denen wie früher Soldaten eigens für den Konflikt angeworben wurden. Alle diese Beispiele machen deutlich, dass das Outsourcing von militärischen Dienstleistungen für einen Staat längst keinen 5 In der Beschreibung des Workshops »Söldnerlandschaften – frühneuzeitliche Gewaltmärkte im Vergleich (15.–18. JH.)«, der am 15./16. November an der Universität Bern stattfand, wird dieser Punkt auch eingangs erwähnt: http://www.hist.unibe.ch/unibe/philhist/hist/content/ e1326/e79468/e79773/datei/datei/Abstract_ger.pdf, 19. 10. 2012. 6 Wie die folgenden Zeitungsartikel zum Thema zeigen: Prazeller, Markus, »Söldner-Einsatz in Tripolis kostet die Schweiz fast eine Million Franken«, auf: Bernerzeitung.ch, http:// www.bernerzeitung.ch/schweiz/standard/SoeldnerEinsatz-in-Tripolis-kostet-die-Schweizfast-eine-Million-Franken/story/31468758, 19. 10. 2012; »Englische Privatarmee unerwünscht«, auf: Blick.ch, http://www.blick.ch/news/schweiz/englische-privatarmee-unerwuenscht-id56177.html, 19. 10. 2012.

14

Einleitung

Tabubruch mehr darstellt. Eine bessere Berechtigung, sich mit der Geschichte der »zweitältesten Gewerbes der Welt« zu beschäftigen, gibt es wohl nicht.

2.1

Forschungsstand

Die ersten Geschichtswerke zu Schweizern in Fremden Diensten stammen aus dem 18. Jahrhundert und wurden oft von ehemaligen Söldneroffizieren selbst geschrieben.7 Nach der Gründung des Bundesstaates 1848 und dem Verbot des Eintritts in fremde Armeen 1859 wurden die Fremden Dienste in der Schweizer Historiographie eher negativ betrachtet. Sie galten als verrufen und als dunkles Kapitel der Schweizer Geschichte. In der »Schweizer Kriegsgeschichte«, die im Auftrag des Generalstabschefs 1915 bis 1935 herausgegeben wurde, widmete der Berner Historiker Richard Feller der Geschichte des Solddienstes von 1515 bis 1798 ca. 50 Seiten8 – und das in einem Werk, das aus zwölf Heften in vier Bänden besteht. Die negative Beurteilung der Fremden Dienste änderte sich erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Aus dieser Epoche (1913 ursprünglich erschienen und 1940 auf Deutsch übersetzt) stammt das Buch »Treue und Ehre« von Paul de ValliÀre.9 Es betrachtet die Geschichte der Fremden Dienste beinahe ausschließlich vom militärischen Standpunkt aus. Die Taten der Schweizer Söldner auf europäischen Kriegsschauplätzen stehen in einer Reihe mit den anderen militärischen Taten der alten Eidgenossen im Kampf gegen fremde Mächte. Darüber hinaus sind bei de ValliÀre die Söldner maßgeblich für das Entstehen der heutigen Eidgenossenschaft und eines schweizerischen Nationalgefühls verantwortlich. Obwohl dieses Buch nicht unbedingt den heutigen wissenschaftlichen Tendenzen entspricht, ist es seiner mehrere Jahrhunderte umspannende Übersicht wegen auch für heutige Historiker sehr nützlich. Dagegen beschäftigte sich der Historiker Hans Dubler 1939 mit den kritischen Stimmen zum Söldnerwesen. In seiner Dissertation »Der Kampf um den Solddienst der Schweizer im 18. Jahrhundert« zeigte er, wie in der Zeit zwischen dem Ende des Eidgenössischen Bündnisses mit Frankreich 1723 und dessen Erneuerung 1777

7 Siehe dazu: Kapitel 2.2: »Methode und Quellen«. 8 Feldmann, Markus, Wirz, Hans Georg, Schweizer Kriegsgeschichte. Im Auftrag des Chefs des Generalstabes, Oberstkorpskommandant Sprecher von Bernegg, bearbeitet von Schweizer Historikern unter Leitung von M. Feldmann und H. G. Wirz, Bern 1915 – 1935, Teil 2, Heft 6: Richard Feller, Bündnisse und Solddienst 1515 – 1798, Bern 1916. 9 ValliÀre, Paul de, Treue und Ehre. Geschichte der Schweizer in fremden Diensten, Lausanne 1940.

Forschungsstand

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der Solddienst als wesentliches Element dieser Allianz von verschiedenen Seiten kritisiert wurde.10 Die bekannten und auch heute noch wichtigen sozial- und wirtschaftsgeschichtlichen Forschungen zu Schweizer Söldnern im 18. Jh. stammen, mit einer Ausnahme,11 aus den 70er- und 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts. Gestützt auf ein Standardwerk zur deutschen Sozialgeschichte von Fritz Redlich, »The German military enterpriser and his work force«,12 belegte Hermann Suter 1971,13 dass die gleichen Mechanismen des Militärunternehmertums auch in der Innerschweiz am Werk waren. Walter Bührer beschäftigte sich mit dem Solddienst im Kanton Zürich,14 und Willy Pfister etwas später mit den Männern aus dem Gebiet des Kantons Aargau, die in bernischen Regimentern in den Königreichen Frankreich und Piemont-Sardinien und in den Niederlanden dienten.15 Diese Arbeiten basieren vor allem auf normativen und statistisch auswertbaren Quellen wie Kompanierödeln, Erfolgsrechnungen von Militärunternehmern, Ratsmanualen, Mandaten, Ordonnanzen und anderen amtlichen Dokumenten. Die Absicht der Forscher war es, die Strukturen des Solddienstes im 18. Jahrhundert zu offenzulegen. Die Arbeiten von Bührer und Suter befassen sich zu einem bedeutenden Teil mit den wirtschaftlichen Interessen und Verbindungen der Eliten am Solddienst und mit den Erfolgsaussichten, die sich für diese Familien darboten. Pfister widmete sich dagegen dem einzelnen Söldner, vorzugsweise dem Söldner aus dem Gebiet des heutigen Kantons Aargau. Sein Verdienst ist die akribische Untersuchung der Quellen zu den bernischen Regimentern, deren Auswertung im Anhang seiner Monographie anderen Historikern einen großen Nutzen leistet. Das Thema der Fremden Dienste blieb im Laufe der Jahre auch nicht von den Veränderungen in der Historiographie unberührt. Die seit den 90er-Jahren entstandenen Forschungen sind überwiegend dem »neuen« sozial- und kulturgeschichtlichen Ansatz verpflichtet. Besonders die Festschrift »Gente ferocissima« bietet eine Reihe von interessanten Aufsätzen, die beweisen, wie wichtig etwa Patronage-Systeme und Klientelismus für das Söldnerwesen waren.16 Es ist 10 Dubler, Hans, Der Kampf um den Solddienst der Schweizer im 18. Jahrhundert, Frauenfeld 1939. 11 Allemann, Gustav, Söldnerwerbungen im Kanton Solothurn von 1600 bis 1723, Solothurn 1946. 12 Redlich, Fritz, The German military enterpriser and his work force. A study in European economic and social history, 2 Bde., Wiesbaden 1964/1965. 13 Suter, Hermann, Innerschweizerisches Militär–Unternehmertum im 18. Jahrhundert, Zürich 1971. 14 Bührer, Walter, Der Zürcher Solddienst des 18. Jahrhunderts. Sozial– und wirtschaftsgeschichtliche Aspekte, Bern 1977. 15 Pfister, Willy, Aargauer in fremden Kriegsdiensten, 2 Bde., Aarau 1980 – 1984. 16 Stubenvoll, Marianne, Patron bernois, client vaudois au service ¦tranger, in: Furrer, Norbert,

16

Einleitung

aber nicht so, dass die Untersuchung quantitativer Quellen völlig aufgegeben wurde, wie ein anderer Beitrag aus diesem Sammelband beweist.17 Und auch Jean Steinauer macht in seiner Monographie über Freiburger Solddienste im 18. Jahrhundert gewisse strukturelle Gründe für das Söldnerwesen verantwortlich.18 Steinauer wie auch Nicolas Disch,19 die sich in manchen Punkten gegen die ältere Forschung stellen, sehen den Solddienst auch als migrationsgeschichtliches Phänomen. Das eingangs beschriebene aktuelle Interesse am Söldnerwesen zeigt sich an dem von Stig Förster und Bernd Wegner herausgegebenen Tagungsband, in dem Schweizer Reisläufer allerdings nicht vorkommen.20 Jedoch bleibt die Forschung auch in Bezug auf die Söldner aus der Eidgenossenschaft aktiv und bietet »neue Aspekte«, wie ein weiterer Tagungsband beweist.21 Erwähnenswert ist hierbei vor allem der Beitrag von Nathalie Büsser, in dem die Bedeutung eines ausgezeichnet vernetzten und sehr gut organisierten Familienverbands im Militärunternehmertum gezeigt wird.22 In neueren Publikationen, die sich nicht bloß an ein Fachpublikum richten, wird dem Söldnerwesen ebenfalls gebührende Beachtung geschenkt, so etwa in der 2012 erschienenen Schwyzer Kantonsgeschichte.23 Allerdings fehlt bisher eine umfangreiche Arbeit, die sich mit dem subjektiven Blickwinkel der Soldaten beschäftigt. Zu diesem Schluss kommt auch der Historiker Rudolf Jaun in seinem 2013 erschienenen Forschungsüberblick zur Schweizer Militärgeschichte.24 Die deutsche Militärgeschichte begann sich in den 80er-Jahren für die einzelnen Mannschaftssoldaten – vornehmlich die des Ersten und Zweiten Welt-

17

18 19 20 21 22 23 24

Dubois, Alain (Hrsg.), Gente ferocissima. Solddienst und Gesellschaft in der Schweiz (15.–19. Jahrhundert), Festschrift für Alain Dubois, Lausanne 1997, S. 61 – 73; Pfister, Ulrich, Politischer Klientelismus in der frühzeitlichen Schweiz, in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 42 (1992), H. 1, S. 28 – 68. Damien Bregnard untersucht beispielsweise in seiner Arbeit über das fürstbischöfliche Schweizer Regiment von Eptingen ganz klassisch Herkunft und Zusammensetzung der Truppe. Bregnard, Damien, Le r¦giment d’Eptingue durant la campagne de Corse (1768 – 1770), in: Furrer, Dubois, Gente ferocissima (wie Anm. 16), S. 253 – 265. Steinauer, Jean, Patriciens, fromagers, mercenaires. L’¦migration fribourgeoise sous l’Ancien R¦gime, Lausanne 2000. Disch, Nicolas, Vom Titlisfuss zur Garnison. Engelberger Talleute in Solddiensten 1650 – 1800, Lizenziatsarbeit Universität Basel (2005); Disch, Nicolas, Hausen im wilden Tal. Alpine Lebenswelt am Beispiel der Herrschaft Engelberg 1600 – 1800, Wien u. a. 2012, S. 194 – 230. Förster, Stig, Wegner, Bernd (Hrsg.), Rückkehr der Condottieri? Krieg und Militär zwischen staatlichem Monopol und Privatisierung: von der Antike bis zur Gegenwart, Paderborn 2010. Jaun, Rudolf (Hrsg.), Schweizer Solddienst. Neue Arbeiten, neue Aspekte/nouvelles ¦tudes, nouveaux aspects, Birmensdorf 2010. Büsser, Nathalie, A Family Affair, in: Jaun, Solddienst (wie Anm. 21), S. 105 – 114. Büsser, Nathalie, Militärunternehmertum, Aussenbeziehungen und fremdes Geld, in: Historischer Verein des Kantons Schwyz (Hrsg.), Geschichte des Kantons Schwyz, Bd. 3: Herren und Bauern 1550 – 1712, Zürich 2012, S. 70 – 127. Jaun, Rudolf, Militärgeschichte zwischen Nischendasein und massenmedialer Aufmerksamkeit, in: Traverse. Zeitschrift für Geschichte 20 (2013), H. 1, S. 123 – 140, hier S. 128.

Forschungsstand

17

krieges – zu interessieren.25 Im Jahr 1992 erschien der Sammelband »Der Krieg des kleinen Mannes«,26 eine für diese Art der Geschichtsschreibung prägende Publikation. Das Buch konzentrierte sich auf die neueste Geschichte, insbesondere auf den Ersten und Zweiten Weltkrieg. Die Frühe Neuzeit wurde demgegenüber nur knapp behandelt. Zum beliebten Untersuchungsgegenstand dieser neuen »Kriegsgeschichte von unten« wurde der Soldatenalltag,welche die Historiker mit Hilfe von Selbstzeugnissen wie Feldpostbriefen27 oder Tagebüchern28 zu rekonstruieren versuchten. An der »Alltagsgeschichte« wurde von späteren Historikern bemängelt, dass sie sich zu sehr auf das historische Subjekt konzentriere und die Frage nach historischer Struktur ausklammere, obwohl beispielsweise auch die Aussagen in einem Tagebuch eines einfachen Soldaten von gesellschaftlichen Gegebenheiten geprägt waren.29 Seit den 90er-Jahren entstanden neue Ansätze, um die Untersuchung von Kriegserfahrungen auf ein methodisch stabiles Fundament zu stellen. Der Historiker Klaus Latzel entwickelte für die Untersuchung von Feldpostbriefen ein Modell, welches den Prozess der Erfahrung in vier Phasen beschreibt. Am Anfang steht dabei das Erlebnis, Sinneseindrücke, denen der Autor eines Briefs durch seinen Wissensvorrat eine Bedeutung zu geben versucht. Das Resultat dieser Sinnstiftung bildet die Kriegserfahrung.30 Im Gegensatz zum Modell von Latzel geht es im »wissenssoziologischen Erfahrungsbegriff« des Sonderforschungsbereichs 437 der Universität Tübingen nicht mehr (nur) um das Erlebnis einer einzelnen Person, sondern darum, dass sich Erfahrungen auf allen gesellschaftlichen Ebenen nachvollziehen lassen.31 Die Ergebnisse dieses Sonderforschungsbereichs wurden 2009 in einem abschließenden Sammelband präsentiert.32 In seinem Beitrag hält Anselm Doe25 Lipp, Anne, Diskurs und Praxis. Militärgeschichte als Kulturgeschichte, in: Kühne, Thomas, Ziemann, Benjamin (Hrsg.), Was ist Militärgeschichte?, Paderborn 2000, S. 211 – 227, hier S. 217. 26 Wette, Wolfram (Hrsg.), Der Krieg des kleinen Mannes. Eine Militärgeschichte von unten, 2. Aufl. München 1995. 27 Zum Beispiel: Vogel, Detlef, Der Kriegsalltag im Spiegel von Feldpostbriefen (1939 – 1945), in: Wette, Krieg (wie Anm. 26), S. 199 – 212. 28 Peters, Jan (Hrsg.), Ein Söldnerleben im Dreißigjährigen Krieg. Eine Quelle zur Sozialgeschichte, Berlin 1993. 29 Planert, Ute, Zwischen Alltag, Mentalität und Erinnerungskultur, in: Buschmann, Nikolaus (Hrsg.), Die Erfahrung des Krieges. Erfahrungsgeschichtliche Perspektiven von der Französischen Revolution bis zum Zweiten Weltkrieg, Paderborn 2001, S. 51 – 66, hier S. 58. 30 Latzel, Klaus, Vom Kriegserlebnis zur Kriegserfahrung. Theoretische und methodische Überlegung zu erfahrunggeschichtlichen Untersuchung von Feldpostbriefen, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 56 (1997), S. 1 – 30, hier S. 14 f. 31 Buschmann, Nikolaus, Horst, Carl, Zugänge zur Erfahrungsgeschichte des Krieges: Forschung, Theorie, Fragestellung, in: Buschmann, Erfahrung (wie Anm. 29), S. 11 – 26, S. 15. 32 Schild, Georg, Schindling, Anton (Hrsg.), Kriegserfahrungen. Krieg und Gesellschaft in der Neuzeit – Neue Horizonte der Forschung, Paderborn 2009.

18

Einleitung

ring-Manteuffel fest, dass eine der Hauptleistung der Tübinger Historiker darin bestand, den Prozesscharakter der Erfahrung deutlich zu machen. (Kriegs-) Erfahrungen sind, wenn sie in irgendeiner Form wiedergegeben werden, nicht bloß eine Beschreibung einzelner Situationen oder allgemeiner Eindrücke, sondern stehen im Zusammenhang mit einem Deutungsprozess.33 Schließlich soll noch auf die umfangreichen Untersuchungen hingewiesen werden, die in den letzten Jahren über die Rolle des Militärs in der Gesellschaft entstanden sind. Ralf Pröve, der auf diesem Gebiet als Pionier im deutschsprachigen Raum gelten kann, hat in seiner Arbeit gezeigt, dass das Zusammenleben von Soldaten und Zivilisten in der Stadt Göttingen besser als angenommen funktionierte.34 Über die Lebensbedingungen von Soldaten und Unteroffizieren und das Verhältnis zwischen Militär und Zivilbevölkerung gibt es aber auch für andere deutsche Gebiete bedeutende Studien.35

2.2

Methode und Quellen

Die vorliegende Arbeit stellt einen wichtigen Bereich der Schweizer Geschichte in der Frühen Neuzeit, nämlich das Söldnerwesen im 18. Jahrhundert, aus einem neuen Blickwinkel dar. Den Kern der Untersuchung bilden dabei die Schweizer Offiziere der eidgenössischen Söldnereinheiten und ihre Selbstzeugnisse. Es geht darum, was die Offiziere schreiben, die Art und Weise, wie sie schreiben, besonders wenn es um Kriegserfahrungen geht, und wie sie sich nach außen darstellen. Außerdem stellt sich auch die Frage nach den gesellschaftlichen Verflechtungen. Wie wird das Söldnerwesen in der Eidgenossenschaft wahrgenommen, und welche Rolle spielen die Offiziere dabei? Die Arbeit stützt sich im Wesentlichen auf handschriftliche Quellen, die in der historischen Forschung als »Selbstzeugnisse« oder »Ego-Dokumente« definiert werden. Ersteres sind Quellen zur eigenen Person, in Wort oder Bild, die mit längerem oder kürzerem Abstand zum Ereignis, auf welches sie Bezug nehmen, produziert wurden.36 Der zweite Begriff stammt aus der niederländischen Li-

33 In diesem Sinne: Doering-Manteuffel, Anselm, Die Erfahrungsgeschichte des Krieges und neue Herausforderungen, in: Schild, Schindling, Kriegserfahrungen (wie Anm. 32), S. 273 – 288, hier S. 279 u. 288. 34 Pröve, Ralf, Stehendes Heer und städtische Gesellschaft im 18. Jahrhundert. Göttingen und seine Militärbevölkerung, 1713 – 1756, München 1995. 35 Nowosadtko, Jutta, Stehendes Heer im Ständestaat. Das Zusammenleben von Militär- und Zivilbevölkerung im Fürstbistum Münster 1650 – 1803, Paderborn 2010; Kroll, Stefan, Soldaten im 18. Jahrhundert zwischen Friedensalltag und Kriegserfahrung. Lebenswelten und Kultur in der kursächsischen Armee 1728 – 1796, Paderborn 2006. 36 Zahnd, Urs Martin, Das dargestellte Ich, in: Arnold, Klaus u. a. (Hrsg.), Das dargestellte Ich.

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teraturwissenschaft und beschreibt alle Quellen, in denen ein Mensch freiwillig oder unfreiwillig Auskunft über sich selbst gibt. Also nicht nur wie im ersten Fall, Tagebücher, Briefe oder dergleichen, sondern auch Gerichts- oder Verhörprotokolle.37 Die Quellen, die in dieser Arbeit verwendet werden, stammen aus Schweizer Archiven und Bibliotheken. Sie wurden nach folgenden Kriterien ausgewählt: – Die Verfasser sind Offiziere, die aus dem Gebiet der heutigen Schweiz stammten und die in einem obrigkeitlich anerkannten Regiment im Ausland dienten. – In den Quellen schreibt der jeweilige Autor über seine Tätigkeit als Offizier. – Die Dokumente entstanden im 18. Jahrhundert oder berichten, falls sie später entstanden sind, über diese Zeit. Mit diesen Auswahlkriterien kamen rund 400 Dokumente unterschiedlicher Art zusammen, vor allem Briefe der Offiziere Karl Andreas Schnyder von Wartensee (Abbildung 1) aus Sursee im Kanton Luzern, Dominique-Hubert-Joseph Dubois-Cattin aus dem Fürstbistum Basel, dem heutigen Kanton Jura, dem Zürcher Hans Kaspar Hirzel (Abbildung 2) oder aus dem Archiv der Familie de Castella in der Freiburger Kantonsbibliothek.38 Hinzu kommen Tagebücher, militärische Lebensläufe, Erinnerungen und Autobiographien aus den Kantonen Bern, Graubünden und Wallis, welche stark vertreten sind, aber auch aus den Kantonen Freiburg, Solothurn, Uri, Schwyz und Zug. In einigen Kapiteln wird auf weitere, teilweise auch gedruckte Quellen zurückgegriffen. Dazu gehören Ratsmanuale und verschiedene kritische Abhandlungen über das Söldnerwesen. Berücksichtigt werden auch zwei militärhistorische Werke, die von Söldneroffizieren verfasst wurden. Es sind die Darstellungen von Beat Fidel Zurlauben39 und Beat Emanuel May de Romainmútier.40 Diese Arbeit behandelt vier Themen mit ihren jeweiligen Fragen: – Inhalt der Quellen: Was hielten die Offiziere für wichtig genug, um es festzuhalten? Welche Absichten verfolgten sie mit der Niederschrift? Nahmen sie das Leben im Ausland als etwas Fremdes wahr? – Kriegserfahrung: Welche Ereignisse oder Eindrücke hielten die Offiziere auf

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Studien zu Selbstzeugnissen des späteren Mittelalters und der frühen Neuzeit, Bochum 1999, S. 13. Schmolinsky, Sabine: Selbstzeugnisse im Mittelalter, in: Arnold, Ich (wie Anm. 36), S. 19 – 28, hier S. 23. Ein Personenverzeichnis befindet sich in Anhang I. Zurlauben, Beat Fidel, Histoire Militaire Des Suisses Au Service De La France. Avec les PiÀces Justificatifs, 8 Bde., Paris 1751 – 1753. May de Romainmútier, Beat Emanuel, Histoire Militaire Des Suisses. Dans Les Differens Services De L’Europe: Composee Sur Des Pieces Et Ouvrages Authentiques Jusqu’en 1771, 2 Bde., Bern 1772.

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Einleitung

dem Feldzug, in der Schlacht oder der Belagerung fest? Wie beschrieben sie ihr Verhältnis zur Zivilbevölkerung? Welche Sinnstiftungsangebote halfen ihnen, mit der Gefahr von Tod oder Verwundung umzugehen? Beurteilten die Schweizer den Krieg anders als »einheimische« Offiziere? – Selbstverständnis: Wie sah das Idealbild eines Offiziers aus, und gemäß welchen Vorstellungen präsentierten sich die Schweizer in ihren Texten? – Söldnerwesen und Gesellschaft: Spielten die Kriegserfahrungen der Offiziere in der eidgenössischen Außenpolitik eine Rolle? Kommentierten die Männer innenpolitische Angelegenheiten in der Schweiz? Wie reagierten die Offiziere auf Kritik am Solddienst?

Die Untersuchung und Auswertung der Quellen stützt sich auf die Erkenntnisse der Selbstzeugnisforschung. 2006 hatten Michael Epkenhans, Stig Förster und andere in einem Tagungsband bereits auf die »Grenzen und Möglichkeiten« der Untersuchung von Selbstzeugnissen in der Militärgeschichte hingewiesen.41 Selbstzeugnisse sind keine objektiven Quellen, sondern eine Interpretation oder Übersetzung von Erlebnissen, an welche die Verfasser sich »anhaltend erinnerten, glaubten zu erinnern beziehungsweise für erinnernswert hielten«, in schriftlicher Form.42 In dieser Hinsicht sind die Autoren von Selbstzeugnissen keine unabhängige Individuen, sondern eingebunden in ein Netz aus (sozialen) Beziehungen und ihrer (kulturellen) Umgebung.43 Dementsprechend ist auch die Wahrnehmung des Verfassers von seinem soziokulturellen Umfeld und den darin herrschenden Vorstellungen geprägt. Auch der Entstehungszeitpunkt muss berücksichtigt werden. Selbstzeugnisse, in denen mit größerem zeitlichem Abstand persönliche Erinnerungen an die Kriegszeit wiedergegeben werden, sind wahrscheinlich stark durch die spätere Lebensgeschichte des Autors, das kollektive Gedächtnis an diesen Krieg und durch die Absicht des Verfassers geprägt.44 Denn Selbstzeugnisse wurden immer mit einer Absicht geschrieben, 41 Epkenhans, Michael u. a., Einführung: Biographien und Selbstzeugnisse in der Militärgeschichte – Möglichkeiten und Grenzen, in: Epkenhans, Michael u. a. (Hrsg.), Militärische Erinnerungskultur. Soldaten im Spiegel von Biographien, Memoiren und Selbstzeugnissen, Paderborn 2006, S. IX – XVI. 42 Ebd., S. XII f.; Jancke, Gabriele, Ulbrich, Claudia, Vom Individuum zur Person. Neue Konzepte im Spannungsfeld von Autobiographietheorie und Selbstzeugnisforschung, in: Jancke, Gabriele, Ulbrich, Claudia (Hrsg.), Vom Individuum zur Person. Neue Konzepte im Spannungsfeld von Autobiographietheorie und Selbstzeugnisforschung, Göttingen 2005, S. 7 – 27, hier S. 26. 43 Korman, Eva, Ich und Welt in der Autobiographik des 17. Jahrhunderts. Heterologe Selbstkonzepte bei Maria Elisabeth Stampfer und Elias Holl, in, Jancke, Ulbrich, Individuum (wie Anm. 42), S. 97 – 107, hier S. 100. 44 Epkenhans u. a., Einführung (wie Anm. 41), S. XII f.

Methode und Quellen

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Abbildung 1: Unbekannter Künstler, Karl Andreas Schnyder von Wartensee (1707 – 1783), nach 1743, Privatbesitz

des Weiteren darf nicht außer Acht gelassen werden, dass viele dieser Dokumente narrative Strategien und fiktionale Elemente enthalten.45 Militärische Erinnerungen hatten die Aufgabe, einerseits das Interesse des Lesers zu befriedigen, andererseits aber die »Fakten« im Sinne des Verfassers zu 45 Planert, Alltag (wie Anm. 29), S. 59.

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Einleitung

Abbildung 2: Unbekannter Künstler, Hans Kaspar Hirzel (1764 – 1800), Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv

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organisieren, damit auch dieser den Ansprüchen seiner Leser genügen konnte.46 Auch Briefe, die unmittelbar nach einem Erlebnis entstanden, wollten mehr erreichen, als bloß über die jüngst erlebten Geschehnisse zu informieren. Sie wurden manchmal geschrieben, um Familienangehörige zu beruhigen, und eignen sich daher nicht immer als Quelle, um etwa einen Einblick in eine Schlacht zu bieten.47 Selbstzeugnisse sind dagegen nützlich, um u. a. Aufschluss über alltägliche Routine und über kulturelle Deutungsmuster und Sinnzuweisungen zu geben.48 Diese Arbeit stützt sich zusätzlich auf den »wissenssoziologische Erfahrungsbegriff« des Tübinger Sonderforschungsbereichs. Der Begriff definiert Erfahrung folgendermaßen: »[…] die unterschiedlichen Verlaufsformen und Techniken, die der Aneignung und Konstituierung menschlicher Wirklichkeiten zu Grunde liegen.«49 Die Tübinger Historiker betrachten Erfahrung nicht in erster Linie als ein individuelles Phänomen, sondern als einen Prozess, der sich auf allen gesellschaftlichen Ebenen nachzeichnen lässt.50 Erfahrungen folgen vorgegebenen Deutungsmustern und sind deshalb veränderbar, da etwa durch neue Erfahrungen bestehende Erwartungshaltungen aufgehoben werden (in traumatischen Situationen etwa), oder sich durch neue gesellschaftliche Rahmenbedingungen die Deutungsmuster wandeln können.51 Für die Analyse der Kriegserfahrungen wird das Tübinger Modell folgendermaßen zur Untersuchung der Quellen angewendet:52 – Herausarbeitung von Deutungsmustern und Bewältigungsstrategien.53 – Prüfung der gesellschaftlichen und akteursspezifischen Rahmenbedingungen, welche die Kriegserfahrung beeinflussen. – Auseinandersetzung mit dem historischen Wandel der Deutungsmuster, die den Kriegserfahrungen zugrunde liegen. Da sich im Tübinger Modell, wie bereits erwähnt, (Kriegs-)Erfahrungen nicht nur auf einer persönlichen, sondern auch auf einer gesellschaftlichen Ebene verändern, eignet sich diese Theorie ebenfalls, um die gesellschaftliche Bewertung der Solddienste auf ihren Wandel hin zu analysieren. Die Gliederung der Arbeit folgt den gewählten Themen und der ausgeführten 46 Bedford, Ronald u. a., Early Modern English Lives. Autobiography and Self-Representation 1500 – 1660, Aldershot 2007, S. 125. 47 Epkenhans u. a., Einführung (wie Anm. 41), S. XIII. 48 Ebd., S. XIV. 49 Buschmann, Horst, Zugänge (wie Anm. 31), S. 18. 50 Ebd., S. 15. 51 Ebd., S. 20. 52 Ebd., S. 21. 53 Kroll, Soldaten (wie Anm. 35), S. 31.

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Einleitung

Methode. Sie beginnt mit einer Einführung in das Schweizer Söldnerwesen und in die Quellen. In einem Kapitel wird gezeigt, wie die Selbstzeugnisse an sich zustande kamen. Das bedeutet: Aus welchem Anlass, in welcher Lebenssituation und unter welchen gesellschaftlichen Bedingungen die Offiziere ihre Erlebnisse zu Papier brachten. Danach geht es darum, wie die Männer den »Alltag« in Friedenszeiten beschreiben, u. a. geht es um den Tagesablauf und um das Zusammenleben von Militär und Zivilbevölkerung. Im Kapitel über Kriegserfahrungen wird zunächst untersucht, wie die Offiziere den Krieg beschreiben, der ja überwiegend nicht von großen Kampfhandlungen geprägt ist. Hier wird das Leben auf einem Feldzug behandelt. In diesem Zusammenhang wird auch betrachtet, wie die Offiziere Fehlverhalten der Soldaten wahrnahmen. In den Unterkapiteln über Schlachten und Belagerungen wird die Wahrnehmung und die nachträgliche Darstellung und Beurteilung des Ausgangs dieser Kampfhandlungen analysiert. Ferner wird auch betrachtet, wie die Offiziere traumatische Situationen wie Tod, Verwundung oder Gefangenschaft verarbeiteten, beziehungsweise wie sie diese Erlebnisse später wiedergeben. In den beiden nachfolgenden Kapiteln geht es um zwei für die Offiziere zentrale Deutungsmuster, nämlich die Religion und den Ehrbegriff. Die christliche Religion konnte Möglichkeiten bieten, traumatische Erlebnisse sowohl in Friedens- wie auch in Kriegszeiten zu verarbeiten und Ereignisse in einen übergeordneten, göttlichen Zusammenhang zu stellen. Die Vorstellung von Ehre konnte einen Einfluss auf die Selbstdarstellung der Offiziere haben, da sie versucht haben könnten, sich in ihren Texten einem übergeordneten Ideal gemäß darzustellen. Der letzte Teil der Arbeit beschäftigt sich mit den Wechselwirkungen zwischen Gesellschaft und Söldnerwesen. Er belegt, wie eine ökonomische Besonderheit des Schweizer Söldnerwesens die Offiziere prägte und wie im Offizierskorps ein schweizerisch-eidgenössisches Nationalbewusstsein fassbar war. Zudem wird anhand von mehreren Beispielen gezeigt, wie die Offiziere auf politische Ereignisse am Dienstort oder in ihrer Heimat reagierten, die den Solddienst direkt betrafen. Dabei wird versucht nachzuvollziehen, wie das Söldnerwesen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Bezug auf verschiedene innen- und außenpolitische Ereignisse in der Eidgenossenschaft beurteilt wurde. In diesem Kontext geht es auch um die kritischen Stimmen zum Söldnerwesen, die in dieser Epoche zahlreicher wurden, und darum, wie die Offiziere diese Kritik wahrnahmen und darauf reagierten.

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Das Schweizer Söldnerwesen im 18. Jahrhundert

Während der Frühen Neuzeit dienten Schweizer für Geld in den unterschiedlichsten europäischen Armeen. Diese Soldaten als Söldner zu bezeichnen, hat in der Schweizer Historiographie immer wieder für Meinungsverschiedenheiten gesorgt.54 Angesichts der Definitionsschwierigkeiten über die Jahrhunderte hinweg bleibt es bei der Feststellung Michael Sikoras, dass es bei der Frage, ob ein Krieger als Söldner gelte oder nicht, davon abhänge, wie die Legitimität seines Einsatzes und seiner Motive von außen bewertet werde.55 Jedenfalls rekrutierten bis zum Ende des 18. Jahrhunderts europäische Armeen Ausländer wie Einheimische gleichermaßen.56 Das Söldnertum kann also als die, wie Lothar Höbelt es ausgedrückt hat, »klassische europäische Organisationsform des Krieges« bezeichnet werden. Während eines Zeitraums von mehreren Jahrhunderten dominierten gegen Geld angeworbene, im Gegensatz zu ausgehobenen Soldaten den Krieg in Europa.57 Auf dem Gebiet der heutigen Schweiz lassen sich die sogenannten Fremden Dienste bis in das 13. und 14. Jahrhundert zurückverfolgen.58 Während der folgenden 500 Jahre blieb das Söldnerwesen für Gesellschaft und Politik der eidgenössischen Orte prägend. Die letzten vertraglich aufgestellten Schweizer Einheiten wurden erst 1859 aus dem Königreich Neapel entlassen, immerhin elf Jahre nach der Gründung der Schweizer Bundesstaates. 54 Etwa bei Czouz-Tornare, Alain-Jacques, Les troupes suisses capitul¦es et les relations francohelv¦tiques — la fin du XVIIIe siÀcle, Diplomarbeit Êcole Pratique des Hautes Êtudes, Paris 1996; siehe dazu auch: Lafontant, Chantal, »Honneur et fidelit¦«, in: Furrer, Dubois, Gente ferocissima (wie Anm. 16), S. 347 – 357, hier S. 354. 55 Sikora, Michael, Söldner – historische Annäherung an einen Kriegertypus, in: Geschichte und Gesellschaft. Zeitschrift für Historische Sozialwissenschaft 29 (2003), S. 210 – 238, hier S. 212. 56 Ebd., S. 217. 57 Höbelt, Lothar, Götterdämmerung der Condottieri, in: Förster, Wegner, Rückkehr (wie Anm. 20), S. 127 – 139, hier S. 127. 58 Reinhardt, Volker, Die Geschichte der Schweiz. Von den Anfängen bis heute, München 2011, S. 40.

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Das Schweizer Söldnerwesen im 18. Jahrhundert

Das Söldnerwesen gewann in der Eidgenossenschaft in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts besonders an Bedeutung. Der unerwartete Erfolg der Schweizer in den Burgunderkriegen führte zu einem höheren »Marktwert« der Schweizer Krieger und dementsprechend bei allen kriegführenden Mächten dieser Epoche zu einer größeren Nachfrage nach diesen Männern.59 In den folgenden Jahrhunderten blieb das Söldnerwesen eng mit der Außenpolitik der Eidgenossenschaft verbunden, insbesondere dank der Schweizer Bündnisse mit Frankreich.60 Dieser Zeitraum, der das 15. und 16. Jahrhundert umfasst, wird in der Geschichtswissenschaft als das Zeitalter der »Reisläufer« bezeichnet, welches durch eine zeitlich begrenzte Anwerbung von Söldnern sowie durch eine gewisse Abenteuerlust und Wildheit charakterisiert ist. Des Weiteren ist es bis 1515, also bis zur Schlacht von Marignano, schwierig, das »Reislaufen«, also die Auszüge der Söldner, von einer expansionistischen Außenpolitik der eidgenössischen Orte oder gar von bloßen Plünderungszügen ohne obrigkeitliche Erlaubnis zu trennen. Gerade in Norditalien gingen diese Dinge oft Hand in Hand.61 Nach dem Dreißigjährigen Krieg, also in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, sorgten neue Entwicklungen in den europäischen Heeren für eine Institutionalisierung und »Verstaatlichung« des Schweizer Söldnerwesens. In dieser Epoche, die in Westeuropa von wiederholten Kriegen geprägt war, hoben die europäischen Territorialherren nicht mehr für jeden dieser Konflikte kurzfristig Truppen aus, sondern sie begannen, bestehende Truppenteile permanent verfügungsbereit zu halten. Dafür wurde von Bernhard Kroener der Begriff der »stehengebliebenen Heere« geprägt.62 Diese Heere wurden üblicherweise in Kompanien, das heißt in 100 bis 200 Mann starke Einheiten gegliedert. Kompanien wurden ihrerseits zu Regimentern zusammengefasst, die jeweils aus etwa 2.000 Soldaten bestanden. Kompanien und Regimenter dienten der Verwaltung, im Gefecht wurden diese Einheiten in Bataillonen und Brigaden eingeteilt.63 Bis spät in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts konnten Kompanien und Regimenter ge- und verkauft werden. Was die »stehenden« Schweizer Truppen im Ausland betraf, warb der fran59 Ebd., S. 126. 60 Czouz-Tornare, Troupes (wie Anm. 54), S. 30 ff. u. 43. 61 Siehe dazu: Fuhrer, Hans Rudolf, Eyer, Robert-Peter, Grundzüge und Entwicklung des Söldnerwesens in der Eidgenossenschaft vom 14. bis zum 16. Jahrhundert, in: Fuhrer u. a., In ›Fremden Diensten‹ (wie Anm. 4), S. 49 – 68, hier S. 49 f.; Reinhardt, Geschichte (wie Anm. 58), S. 152 u. 154 f. 62 Kroener, Bernhard, ›Das Schwungrad an der Staatsmaschine?‹. Die Bedeutung der bewaffneten Macht in der europäischen Geschichte der frühen Neuzeit, in: Kroener, Bernhard, Pröve, Ralf (Hrsg.), Krieg und Frieden. Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit, Paderborn 1996, S. 1 – 23, hier S. 4. 63 Nowosadtko, Jutta, Krieg, Gewalt und Ordnung. Einführung in die Militärgeschichte, Tübingen 2002, S. 233 ff.

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zösische König bereits um 1497 eine Schweizer Leibgarde, die »Hundertschweizer« oder »Cent-Suisses« an, die als die erste offizielle und ständige eidgenössische Truppeneinheit gilt.64 Wichtiger als die Gründung dieser eher repräsentativen Einheit war jedoch die Tatsache, dass Ludwig XIV. in den Jahren 1672/1673 fünf permanente Schweizer Regimenter aufstellte, die bis zum Ende der französischen Monarchie Bestand haben sollten. Frankreich war der wichtigste »Abnehmer« von Söldnern aus der Eidgenossenschaft. Bis zu ihrer Auflösung im Jahre 1792 waren die Schweizer Truppen in Frankreich auf elf Linienregimenter angewachsen. Hinzu kamen das 1616 aufgestellte Garderegiment und die bereits erwähnten Hundertschweizer.65 Andere Länder folgten dem französischen Beispiel. Am Ende des 18. Jahrhunderts war neben Frankreich die Republik der Niederlande der größte »Arbeitgeber«: Neben einer Schweizergarde gab es hier fünf Linienregimenter.66 Während in den Niederlanden ausschließlich Truppen aus reformierten Kantonen dienten, wurden in Spanien nur katholische Soldaten akzeptiert.67 Auch das 1720 zur Königswürde aufgestiegene Herzogtum Savoyen und das seit 1735 von den spanischen Bourbonen regierte Königreich Neapel beschäftigten Schweizer Truppen.68 Eidgenössische Söldnereinheiten dienten im Verlauf des 18. Jahrhunderts außerdem in Venedig (bis 1719), Österreich,69 England70 und in der englischen Ostindienkompanie, der East India Company.71 Daneben gab es nach französischem Vorbild in mehreren europäischen Staaten Schweizer Leibwachen, von welchen die 1506 gegründete und immer noch bestehende päpstliche Schweizergarde die bekannteste ist.72 Weitere Schweizer Garden oder Einheiten dienten im Königreich Sachsen73 und in verschiedenen italienischen Staaten wie Modena, Ferrara, Lucca und Genua74 sowie von 1696 bis 1713 im 64 Fuhrer, Eyer, Grundzüge (wie Anm. 61), S. 64. 65 Hausmann, Germain, Les Suisses au service de France: ¦tude sociologique et ¦conomique (1763 – 1792), Diplomarbeit Êcole nationale des chartes Paris (1981), S. 37. 66 Jaun, Rudolf u. a. (Hrsg.), Schweizer Solddienst. Neue Arbeiten – Neue Aspekte/Nouvelles ¦tudes – Nouveaux aspects, Anhang: Truppenstellungen für den fremden Dienst in Frankreich, Holland, Sardinien, Spanien, Neapel vor 1797 – Provisorischer Überblick erstellt durch Hubert Foerster, Birmensdorf 2010, S. 247 – 251, hier S. 248. 67 Das wurde in der Kapitulation von 1724 festgelegt, und dieser Passus wurde offenbar auch in den Kapitulationen der Jahre 1742 und 1757 beibehalten. Suter, Militär-Unternehmertum (wie Anm. 13), S. 10 f. 68 Zu Neapel speziell: Eyer, Robert-Peter, Die Schweizer Regimenter in Neapel im 18. Jahrhundert (1734 – 1789), Bern 2008. 69 ValliÀre, Treue (wie Anm. 9), S. 470 ff. 70 Jaun, Anhang (wie Anm. 66), S. 249. 71 Meuron, Guy de, Le r¦giment Meuron, 1781 – 1816, Lausanne 1982. 72 Päpstliche Schweizergarde: http://www.swissguard.va, 20. 08. 2012. 73 ValliÀre, Treue (wie Anm. 9), S. 509. 74 Salvi, Elisabeth: Survie, lucre ou exploit. Le service non avou¦ dans quelques Etats italiens au

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Königreich Preußen.75 Alle eidgenössischen Orte stellten ebenso wie ihre Verbündeten – die Republiken Wallis und Graubünden, das Fürstentum Neuenburg, die Städte Genf, Sankt Gallen und Mülhausen, der Fürstabt von Sankt Gallen und der Fürstbischof von Basel – im 18. Jahrhundert Söldnerkontingente für irgendeine europäischen Macht. In den meisten Fällen handelte es sich dabei um Frankreich.76 Die Schweizer Söldnereinheiten im 18. Jahrhundert beruhten in der Regel auf einem Vertrag, einer sogenannten »Kapitulation« – von lateinisch capitulare, »in Kapitel einteilen« –, zwischen einem eidgenössischen Ort und einer verbündeten Macht. Mit der Kapitulation anerkannte (»avouierte«) der jeweilige Kanton die aufgestellte Einheit als obrigkeitliche Truppe und gestattete die regelmäßige Werbung auf seinem Territorium.77 Der Vertrag wurde entweder über die Anwerbung eines ganzen Regiments abgeschlossen oder bloß über die Aufstellung einer Kompanie, die dann zusammen mit anderen Kompanien aus anderen Kantonen ein Regiment bildete.78 Diese Verbände werden manchmal als »Standeskompanien« oder »Standesregimenter« bezeichnet. Die kantonale Obrigkeit, die mit einem Fürsten eine Kapitulation abschloss, beanspruchte damit eine gewisse Kontrolle und Mitsprache über ihre Einheit,79 etwa wenn es um die Besetzung höherer Offiziersstellen80 oder den Einsatz der Truppe ging. In der Praxis waren die Einflussmöglichkeiten der Kantone gegenüber dem Auftraggeber allerdings sehr gering.81 Neben den Kapitulationen zwischen Kanton und Dienstnehmer gab es auch sogenannte »Partikularkapitulationen«, das heißt rein private Verträge zwischen Schweizer Militärunternehmern und Fürsten, die unabhängig von zwischenstaatlichen Bündnissen abgeschlossen wurden. Die

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XVIIIe siÀcle, in: Furrer, Dubois, Gente ferocissima (wie Anm. 16), S. 75 – 88, hier S. 76 f. u. S. 80 ff. Gugger, Rudolf, Preussische Werbungen in der Eidgenossenschaft im 18. Jahrhundert, Berlin 1997, S. 43 ff. Siehe dazu: Anhang II. Gugger, Werbungen (wie Anm. 75), S. 16. Steinauer, Patriciens (wie Anm. 18), S. 57. Das Regiment de Castella in französischen Diensten bestand 1792 aus zwei Freiburger Kompanien, sechs Glarner Kompanien (aus den evangelischen und katholischen Landesteilen), je drei Kompanien aus Solothurn und Neuenburg, je einer Kompanie aus Uri und der Fürstabtei Sankt Gallen sowie einer Freikompanie, die keinem Ort zugeordnet war. Bührer, Zürcher (wie Anm. 14), S. 89. Hürlimann, Louis, Das Schweizerregiment der Fürstabtei St. Gallen in Spanien, 1742 – 1798, Uznach 1976, S. 28. Es gab zahlreiche Ausnahmeregelungen zum Einsatz der Schweizer Regimenter. Beispielsweise durften sie nicht gegen das Heilige Römische Reich, gegen protestantische Staaten oder auf dem Meer verwendet werden. In der Praxis wurden sie jedoch nicht anders eingesetzt als die übrigen Regimenter. Pfister, Aargauer (wie Anm. 15), Bd. 1, S. 15 u. 20; Schafroth, Max Friedrich, Der Fremdendienst. Kurzfassung eines Vortrages vor der Schweizerischen Vereinigung für Militärgeschichte und Militärwissenschaften. Sonderabdruck aus der Schweizerischen Zeitschrift für Geschichte 23 (1973), H. 1, S. 73 – 87, hier S. 78.

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von diesen Partikularkapitulationen betroffenen Verbände galten, sofern sie nicht von den Kantonen anerkannt wurden, als »nichtavouiert«. Das bedeutete, dass die Werbung solcher Einheiten und der Eintritt in diese in den meisten Kantonen unter Strafe gestellt wurden.82 Allerdings »avouierten« die kantonalen Obrigkeiten in den meisten Fällen bereits abgeschlossene Verträge nachträglich, wie etwa die Orte Schwyz oder Uri im Falle der Regimenter in Diensten der Könige von Spanien beziehungsweise Neapel.83 Die Kapitulationen regelten im Wesentlichen Mannschaftsstärke und Aufbau der Schweizer Einheiten sowie natürlich finanzielle Aspekte. Dabei stechen zwei Punkte besonders heraus: Zum einen besaßen die Schweizer Regimenter zahlreiche Sonderrechte. Sie hatten ihre eigene Gerichtsbarkeit und man räumte ihnen in vielen Ländern wirtschaftliche Vorteile ein. Dazu gehörte die zollfreie Einfuhr von Lebensmitteln84 oder die Erlaubnis, ohne Abgaben ein Wirtshaus oder eine Metzgerei zu betreiben.85 Die wirtschaftlichen Privilegien, die Schweizer Söldner in Frankreich genossen, bewogen viele von ihnen dazu, nach ihrem Dienst in Frankreich zu bleiben. Während beispielsweise ehemalige Soldaten der Schweizergarde sich als »Suisse de porte«, also als eine Art Türsteher oder Portier verdingten,86 ließen sich Schweizer Offiziere wegen der Nähe zur Schweiz im Elsass nieder. Nicht selten heirateten sie hier vermögende Frauen, die dann ebenfalls von den Privilegien der Schweizer profitierten, etwa keine Steuern in Frankreich zahlen zu müssen.87 Einige Schweizer Offiziere erwarben im Ausland auch Adelstitel und Landbesitz, etwa in Frankreich Romain de Diesbach,88 Heinrich Justus Hirzel (1706 – 1764),89 ein Verwandter von Hans

Bührer, Zürcher (wie Anm. 14), S. 61 f. u. 73. Eyer, Neapel (wie Anm. 68), S. 78; Suter, Militär-Unternehmertum (wie Anm. 13), S. 10. Eyer, Neapel (wie Anm. 68), S. 78 u. 110. Allemann, Söldnerwerbungen (wie Anm. 11), S. 26. Harl¦dan, Marie-Th¦rÀse, »Le Suisse est mort, vive le Suisse« ou la grande famille des Gardes-Suisses du Domaine de Meudon, in: Soci¦t¦ historique de Rueil-Malmaison (Hrsg.), Les Gardes suisses et leurs familles au XVIIe et XVIIIe siÀcles en r¦gion parisienne. Colloque, 30 septembre et 1er octobre 1988, [Rueil-Malmaison] 1989, S. 139 – 148, hier S. 141 ff. 87 Sönkajärvi, Hanna, Die unerwünschten Fremden. Ehemalige Söldner in Straßburg in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in: Asche, Matthias (Hrsg.), Krieg, Militär und Migration in der frühen Neuzeit, Berlin 2008, S. 105 – 116, hier S. 114. 88 Er erwarb das Schloss von Achiet-le-Petit in Nordfrankreich von seiner Frau Marie-Dominique-Th¦rÀse Mullet de la Langue. Czouz-Tornare, Alain-Jacques, »Diesbach, Romain de (de Belleroche)«, in: Dictionnaire historique de la Suisse, http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/ f/F23479.php, 20. 08. 2012; Achiet-le-Petit: http://www.diesbach.com/belleroche/achietmullet/achiet-le-chatelain.html, 20. 08. 2012. 89 Er erhielt von Ludwig XV. die Herrschaft Saint-Gratien in der Pikardie geschenkt und starb am jenem Ort. Hürlimann, Katja, »Hirzel, Heinrich Justus«, in: Historisches Lexikon der Schweiz, http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D23919.php, 20. 08. 2012.

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Kaspar Hirzel, oder die Walliser Familie de Courten, deren französischer Zweig Herrschaften im Moselgebiet besaß.90 Eine weitere Klausel in den Verträgen betraf die personelle Zusammensetzung des Regiments: Dieses musste zu zwei Dritteln aus Schweizern bestehen. Als Schweizer galten dabei die Einwohner der 13 Kantone oder der verbündeten Orte mit ihren jeweiligen Untertanengebieten und die Männer aus den gemeinen Herrschaften.91 »Deutsche«,92 das heißt Söldner aus dem Heiligen Römischen Reich, aber wohl auch aus Skandinavien, dem Elsass und den Niederlanden, galten im Sinne dieser Zwei-Drittel-Regelung auch als Schweizer. Die übrigen Soldaten konnten von überall her stammen, allerdings meistens nicht aus dem Land, in dem die Einheit diente. Die Zwei-Drittel-Quote bezüglich der Schweizer oder Deutschen konnte in Friedenszeiten einigermaßen eingehalten werden,93 doch in Kriegszeiten wurde es schwierig, den geforderten Bestand an Schweizern zu erreichen.94 In Frankreich scheint nach dem Siebenjährigen Krieg die Situation besonders schlimm gewesen zu sein. Der französische Kriegsminister de Choiseul soll 1763 behauptet haben, dass von den 18.000 Soldaten in den Schweizer Regimentern bloß 3.000 echte Schweizer seien.95 Es kann also nicht überraschen, dass der zahlenmäßige Umfang der Schweizer, die im 18. Jahrhundert im Ausland dienten, je nach Autor sehr unterschiedlich eingeschätzt wird: Die Schätzungen gehen von zwischen 135.000 und 205.000 Mann96 bis zwischen 350.000 und 500.000 Mann auseinander, die im Ausland Militärdienst leisteten.97 Urs Kälin schreibt, dass sich im 18. Jahrhundert weniger als zwei Prozent der Innerschweizer Bevölkerung permanent in Fremden Diensten aufhielt,98 und Robert-Peter Eyer geht von einem relativen 90 Riedmatten, Louiselle de, »Courten, de«, in: Dictionnaire historique de la Suisse, http:// www.hls-dhs-dss.ch/textes/f/F23561.php, 20. 08. 2012. 91 Pfister, Aargauer (wie Anm. 15), Bd. 1, S. 52; Suter, Militär-Unternehmertum (wie Anm. 13), S. 5; Hürlimann, Schweizerregiment (wie Anm. 80), S. 25. 92 Suter, Militär-Unternehmertum (wie Anm. 13), S. 11. 93 Willy Pfister gibt 1750 für die bernischen Regimenter in Frankreich und Sardinien einen Ausländeranteil von ca. 40 Prozent an, für die Niederlande von 14,5 Prozent. Pfister, Aargauer (wie Anm. 15), Bd. 1, S. 52; Bd. 2, S. 345; 1764 – 1791 besaß das Regiment des Basler Fürstabtes einen durchschnittlichen Ausländeranteil von etwa 38 Prozent. Bregnard, Le r¦giment (wie Anm. 17), S. 256. 94 Eyer, Neapel (wie Anm. 68), S. 155 ff.; Hürlimann, Schweizerregiment (wie Anm. 80), S. 46 ff. 95 Suter, Militär-Unternehmertum (wie Anm. 13), S. 44. 96 Head-König, Anne-Lise, »Auswanderung« (übersetzt aus dem Französischen), in: Historisches Lexikon der Schweiz, http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D7988 – 1 – 6.php, 04. 05. 2009. 97 Czouz-Tornare, Alain-Jacques, Schweizer Söldner in Europa vom 17. bis zum 19. Jahrhundert (Beispiel Frankreich), in: Bade, Klaus J. u. a. (Hrsg.), Enzyklopädie Migration in Europa. Vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Paderborn u. a. 2007, S. 973. 98 Kälin, Urs, Salz, Sold und Pensionen. Zum Einfluss Frankreichs auf die politische Struktur

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Anteil an der gesamten Schweizer Bevölkerung von zwischen einem und drei Prozent aus.99 Diese Einschätzungen werden durch die Volkszählung der Republik Bern im Jahre 1764 gestützt. Die Pfarrer, welche die Zählung im Auftrag der Berner Regierung durchführten, hatten die Aufgabe, unter anderem die Anzahl der Männer anzugeben, die in den letzten zehn Jahren im Ausland Kriegsdienst geleistet hatten. Nur auf den heutigen Kanton Bern bezogen, also ohne die heutigen Kantone Waadt und Aargau, die bis 1798 teilweise zur Stadtrepublik Bern gehörten, kommt man auf eine Zahl von 1762 Söldnern zwischen 1753 und 1763, was, gemessen an einer Gesamtbevölkerung von 202.419 im Jahre 1764, einen Wert von 0,87 Prozent ergibt.100 Im Gegensatz zu älteren Annahmen stammte der Großteil der Söldner mitnichten aus milchwirtschaftlich geprägten Bergregionen oder aus den Voralpen. Denn wie bereits erwähnt, setzte sich ein bedeutender Teil des Bestandes aus Nichtschweizern zusammen. Und der überwiegende Teil der »echten« Schweizer Soldaten und Offiziere in Fremden Diensten stammte aus Gebieten, die eine hohe Bevölkerungsdichte aufwiesen.101 Außerdem hatten politische Faktoren einen viel größeren Einfluss auf die Herkunft der Männer als wirtschaftlichgeographische. Die jeweiligen Standesregimenter und -kompanien setzten sich häufig aus Männern aus den Untertanengebieten des jeweiligen Kantons und aus den gemeinen Herrschaften zusammen. Aus den Kernorten kamen dagegen vor allem die Offiziere.102

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der innerschweizerischen Landsgemeindedemokratien im 18. Jahrhundert, in: Der Geschichtsfreund 149 (1996), S. 105 – 124, hier S. 120. Eyer, Neapel (wie Anm. 68), S. 43; Fuhrer, Hans Rudolf, Eyer, Robert-Peter : ›Söldner‹ – ein europäisches Phänomen, in: Fuhrer u. a., In ›Fremden Diensten‹ (wie Anm. 4), S. 27 – 48, hier S. 46; Kälin, Urs, Die fremden Dienste in gesellschaftsgeschichtlicher Perspektive, in: Furrer, Dubois, Gente ferocissima (wie Anm. 16), S. 279 – 287, hier S. 280. Das Zahlenmaterial stammt von: Pfister, Christoph (Hrsg.), BERNHIST: Historisch-Statistische Datenbank des Kantons Bern, http://www.bernhist.ch/d/menu/index.php, 20. 08. 2012. Ruth Estermann und Benjamin Hitz, die sich in ihren Master- beziehungsweise Doktorarbeiten mit dem Kanton Luzern beschäftigen, kommen zu dem Schluss, dass etwa aus dem Entlebuch, im Verhältnis zur wehrfähigen Bevölkerung, weniger Söldner als etwa aus der Stadt Luzern kamen. Estermann, Ruth, ›Unser Leben gleicht der Reise …‹ – Mit Napol¦on von Luzern nach Russland. Versuch einer Kollektivbiographie ergänzt mit fünf Einzelbiographien von Luzerner Soldaten im Russlandfeldzug 1812, Masterarbeit Universität Freiburg im Üechtland, (2010), S. 65. Hitz, Benjamin, Kämpfen um Sold. Alltag, Ökonomie und Umfeld des Luzerner Solddienstes 1550 – 1600, Dissertation Universität Luzern (2012), S. 123 ff. Für Schwyz siehe: Büsser, Militärunternehmertum (wie Anm. 23), S. 71 f. Im Kanton Bern stammten zwischen 1754 und 1763 im Verhältnis zur wehrfähigen Bevölkerung mehr Söldner aus dem Berner Aargau und dem Waadtland (Anteil an wehrfähiger Bevölkerung 47 Prozent; Anteil an Söldnern 54 Prozent). Zahlen bei Hubler, Lucienne, Emigration civile et ¦migration militaire — travers le recensement bernois de 1764, in: Furrer, Dubois, Gente ferocissima (wie Anm. 16), S. 233 – 252, hier S. 235.

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Das Schweizer Söldnerwesen im 18. Jahrhundert

Im Dienste der europäischen Fürsten nahmen Schweizer Söldnereinheiten an den großen Konflikten des 18. Jahrhunderts teil, die um die Vorherrschaft im europäischen Mächtegleichgewicht geführt wurden. Dazu gehörten der Spanische Erbfolgekrieg (1701 – 1714), der Polnische Erbfolgekrieg (1733 – 1738), der Österreichische Erbfolgekrieg (1740 – 1748) und der Siebenjährige Krieg (1756 – 1763). Während auf französischer Seite die Einheiten vor allem in Nordfrankreich und Flandern sowie am Rhein103 und nach dem Jahr 1768 auch zur Eroberung und Besetzung der Mittelmeerinsel Korsika eingesetzt wurden,104 kämpften die Schweizer Regimenter für Spanien in verschiedenen Konflikten in Norditalien,105 wo Spanien versuchte, verloren gegangene Besitzungen zurückzuerobern. Auch die Soldaten in sardinischen Diensten wurden vornehmlich in diesem Gebiet eingesetzt. Da auch Schweizer in niederländischem Sold standen, kam es im Spanischen Erbfolgekrieg in der Schlacht von Malplaquet (11. September 1709) zum Kampf Schweizer gegen Schweizer, als zwei Bataillone der französischen Schweizergarde auf die Schweizer Regimenter in holländischen Diensten trafen.106 Fast alle größeren Schweizer Kontingente wurden bis zum Ende des 18. Jahrhunderts aufgelöst. Als Erstes traf es die Regimenter in Neapel, die per 29. Dezember 1789 aufgrund einer militärischen Umstrukturierung entlassen wurden.107 Die Schweizer Einheiten in Frankreich wurden in Folge der französischen Revolution abgedankt: Nachdem alle übrigen Fremdenregimenter der französischen Armee bereits im Juli 1791 aufgelöst worden waren, wurden die Schweizer Regimenter nach dem Angriff auf die Tuilerien am 20. August 1792 ebenfalls entlassen. In Holland und Sardinien kämpften die Schweizer Truppen in den Koalitionskriegen gegen Frankreich. Aber auch sie wurden schließlich nach der Niederlage dieser beiden Länder 1796/1797 abgedankt.108 Nur die Truppen in Spanien blieben mehr oder weniger kontinuierlich bis 1835 bestehen.109

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Auch im Kanton Freiburg spielte die »g¦ographie politique et administrative« eine Rolle bei der Herkunft der Soldaten. Steinauer, Patriciens (wie Anm. 18), S. 42 f. Pfister, Aargauer (wie Anm. 15), Bd. 1, S. 16 ff. Dazu: Bregnard, Damien, Le parcours du combattant. Le r¦giment de l’EvÞch¦ de B–le au service de France lors de la campagne de Corse (1768 – 1770), Neuch–tel 1997. Suter, Militär-Unternehmertum (wie Anm. 13), S. 18. De Weck, Herv¦, »Malplaquet, Schlacht von« (übersetzt aus dem Französischen), in: Historisches Lexikon der Schweiz, http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D8913.php, 14. 01. 2013. Eyer, Robert-Peter, Die Auflösung der Schweizer Regimenter in Neapel, in: Jaun, Solddienst (wie Anm. 21), S. 199 – 214, hier S. 201. Murray-Bakker-Albach, Rob, Die Schweizer Regimenter in holländischen Diensten 1693 – 1797, in: Jahrbuch/Schweizerische Gesellschaft für Familienforschung (1989), S. 57 – 104, hier S. 69 – 77. Jaun, Anhang (wie Anm. 66), S. 247 f.

Das Offizierskorps

3.1

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Das Offizierskorps

Das Schweizer Offizierskorps in Fremden Diensten stellte eine militärische Elite dar. Elite kann in diesem Sinn ganz allgemein so definiert werden, dass die Offiziere Mitglieder eines sozialen Systems waren, nämlich der Schweizer Regimenter, und somit aus einem Selektionsprozess gegenüber den übrigen Mitgliedern, also den Soldaten und Unteroffizieren, als überlegen hervorgingen.110 Die Offiziere in den Schweizer Regimentern rekrutierten sich zum überwiegenden Teil aus der Oberschicht der Territorien, welche die Schweizerische Eidgenossenschaft bildeten. Das bedeutete in Bezug auf die Stadtorte, dass die Offiziere Angehörige der sogenannten »regimentsfähigen« oder »regierenden« Geschlechter waren, also der privilegierten Familien, die (zumindest theoretisch) Anteil an der Regierung hatten. In Bern, Luzern Freiburg und Solothurn wird in diesem Zusammenhang vom Patriziat gesprochen, dessen Mitglieder beinahe ausschließlich vom Staatsdienst und vom Söldnerwesen lebten, die Handwerkerfamilien weitgehend von der politischen Einflussnahme ausgeschlossen hatten und kaufmännische Tätigkeiten verpönten.111 In der zünftisch regierten Stadt Zürich wendeten sich ebenfalls einige Familienzweige von durch Handel und Gewerbe reich gewordenen Geschlechtern ausschließlich dem Staats- und Solddienst zu.112 Und in den Innerschweizer Landorten wie Schwyz und Uri führten seit dem 15. Jahrhundert die Fremden Dienste zur Bildung einer Aristokratie aus Militärunternehmern und Großgrundbesitzern, die gleichzeitig auch die wenigen Regierungsämter besetzten.113 Neben ihrem Sold und ihren Einkünften als Kompanie- oder Regimentsinhaber profitierten die in den Solddienst involvierten Personen vor allem von Geldzahlungen und materiellen Geschenken ausländischer Fürsten (vor allem des französischen Königs), den sogenannten »Pensionen«. Diese Zuwendungen gaben diesen Personen und ihren Angehörigen die Möglichkeit, eine erfolgreiche Patronage und Klientel-Politik zu betreiben.114 In allen Kantonen sorgten die im fremden Kriegsdienst involvierten Familien erfolgreich dafür, dass die lukrativen Teile des Söldnerwesens in ihrer Hand blieben. Es gab Gesetze und 110 Vgl. Gahlen, Gundula, Winkel, Carmen, Militärische Eliten in der Frühen Neuzeit: Einführung, in: Militär und Gesellschaft in der frühen Neuzeit 14 (2010), S. 7 – 31, hier S. 7, Anm. 1. 111 Beispielsweise Freiburg: Reinhardt, Geschichte (wie Anm. 58), S. 259 f.; oder Bern: BraunBucher, Barbara, Regieren und protestieren: Politik im Ancien R¦gime, in: Holenstein, Andr¦ (Hrsg.), Berns goldene Zeit. Das 18. Jahrhundert neu entdeckt, Bern 2008, S. 432 – 440, hier S. 433. 112 Bührer, Zürcher (wie Anm. 14), S. 141 f. u. 144 f. 113 Suter, Militär-Unternehmertum (wie Anm. 13), S. 86 u.106 ff. 114 Büsser, Militärunternehmertum (wie Anm. 23), S. 85 u. 90 ff.; Pfister, Klientelismus (wie Anm. 16), S. 47 f.

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Das Schweizer Söldnerwesen im 18. Jahrhundert

Mandate, die den Zugang zu Offiziersposten und Kompaniebesitz auf die regierenden Familien beschränken sollten. Das Zürcher Regiment in holländischen Diensten stand nur Offizieren offen, die Bürger der Stadt Zürich waren.115 In den Berner Regimentern, die in Frankreich, den Niederlanden und Sardinien dienten, hatten neben den regimentsfähigen Bernern (also im Wesentlichen den städtischen Patrizierfamilien) nur die Waadtländer Adeligen ein Anrecht auf eine bestimmte Anzahl von Kompanien, die sie erwerben durften.116 Die Waadtländer waren damit relativ privilegiert, denn aus dem Berner Aargau, einem anderen Untertanengebiet, stammten im 18. Jahrhundert in allen Berner Einheiten bloß 24 Offiziere, die im besten Fall zum Hauptmann per Kommission aufstiegen, also zwar das Kommando über eine Kompanie innehatten, diese jedoch nicht besaßen.117 In Freiburg mussten ab 1768 von den 15 Kompanien des Kantons zwölf regimentsfähigen Freiburgern vorbehalten sein.118 Im Walliser Regiment in Frankreich waren von 16 Kompanien elf der Oberwalliser Führungsschicht vorbehalten. Offiziere aus dem Unterwallis, also dem Untertanengebiet der Republik, durften die restlichen Kompanien erwerben, mussten aber vorher das Oberwalliser Bürgerrecht erhalten.119 Auch die Innerschweizer Kantone kannten die Regel, dass der Inhaber einer Kompanie auch Bürger des jeweiligen Kantons sein oder dort zumindest Immobilien besitzen musste:120 »eigen Feuer und Rauch«, wie es in der Kapitulation der neapolitanischen Regimenter heißt.121 In Frankreich waren Kompanien bis zur Abschaffung im Zuge der Armeereform von 1763 erblich, was bedeutete, dass der Besitzer einer Kompanie beziehungsweise seine Angehörigen das Vorrecht hatten, einen Nachfolger zu bestimmen.122 In neapolitanischen Diensten wurden sogar ganze Regimenter innerhalb der Familien weitergegeben,123 und in Spanien ließ der Fürstabt von St. Gallen für sein Regiment vom Hof bestätigen, dass seine Untertanen ein Vorrecht 115 Bührer, Zürcher (wie Anm. 14), S. 159. 116 Beispielsweise durften gemäß der Kapitulation von 1712 zwischen Bern und den Niederlanden acht von 24 Kompanien mit Nichtpatriziern besetzt werden, laut der Kapitulation von 1775 zwischen Bern und Piemont-Sardinien konnten vier von acht Kompanien mit Nichtpatriziern besetzt werden. Stubenvoll, Patron (wie Anm. 16), S. 63; siehe auch: Anm. 9 auf jener Seite. 117 Pfister, Aargauer (wie Anm. 15), Bd. 1, S. 96 u. Bd. 2, S. 117. 118 Steinauer, Patriciens (wie Anm. 18), S. 179. 119 Steinauer, Jean, Syburra-Bertelletto, Romaine, Courir l’Europe. Valaisans au service ¦tranger 1790 – 1870, Baden 2009, S. 14. 120 Schafroth, Fremdendienst (wie Anm. 81), S. 76. 121 Zitiert nach: Eyer, Neapel (wie Anm. 68), S. 369. 122 Opitz, Claudia, Militärreformen zwischen Bürokratisierung und Adelsreaktion. Das französische Kriegsministerium und seine Reformen im Offizierskorps von 1760 – 1790, Sigmaringen 1994, S. 36 u. 38. Siehe auch: Kapitel 9.3. 123 Eyer, Neapel (wie Anm. 68), S. 70 ff u. 112.

Das Offizierskorps

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bei der Besetzung der Offiziersstellen hatten, weiterhin dass der Fürstabt das Recht habe, Kompanien ohne Besitzer zu kaufen und neu zu vergeben.124 Auch in den verbündeten Kantonen Genf und Neuenburg stammten zwischen 1720 und 1792 rund 90 Prozent der Offiziere in den Söldnereinheiten aus patrizischen Familien.125

124 Hürlimann, Schweizerregiment (wie Anm. 80), S. 27 f. 125 Czouz-Tornare, Troupes (wie Anm. 54), S. 79.

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Die Selbstzeugnisse

Die Hauptquellen dieser Arbeit sind die Selbstzeugnisse von Söldneroffizieren. Es handelt sich dabei um rund 30 Dokumente, die entweder Tagebücher oder nachträglich verfasste Schriften wie Autobiographien o. Ä. sind, und um zwei große Briefsammlungen. Für eine kritische Interpretation von Selbstzeugnissen ist es wichtig, die Schreibumstände der Quellen zu betrachten. Briefe und Tagebücher sind Zeitdokumente. Sie geben – zum Teil auf recht unterschiedliche Weise – Auskunft über die Wahrnehmung und Erfahrung der Zeitereignisse.126 Erinnerungsschriften, und dazu können auch Autobiographien gezählt werden, sind hingegen retrospektive Dokumente, die nicht nur durch die spätere Lebensgeschichte des Verfassers, das kollektive Gedächtnis an die Zeit, auf die Bezug genommen wird, sowie übliche literarische Motive geprägt sind, sondern auch durch die Absichten, die mit dem Bericht verfolgt wurden.127 Das bedeutet jedoch nicht, dass Briefe deswegen eine objektivere oder »realitätsnahe« Quellen wären. Denn auch Briefe wurden mit einer gewissen Intention geschrieben. Sie sollten etwa Familienangehörigen ein bestimmtes Bild übermitteln und wurden teilweise auch laut vorgelesen.128 Sie besaßen also eine eingeschränkte Öffentlichkeit. Das dürfte auch bei manchen Briefen von Karl Andreas Schnyder von Wartensee oder von Hans Kaspar Hirzel der Fall gewesen sein: Es ist kaum vorstellbar, dass Schnyder von Wartensees Nachrichten von der Schlacht von Fontenoy129 oder von der Schlacht von Warburg130 nicht im Familienkreis vorgelesen oder weitergereicht wurden; dasselbe gilt für die Briefe von Hans Kaspar Hirzel, die meistens an seine Mutter adressiert sind, sich teilweise aber auch an

Epkenhans u. a., Einführung (wie Anm. 41), S. XII. Ebd. Ebd., S. XIII. Staatsarchiv Luzern (StALU) PA 954 – 19624: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (5. Juni 1745). 130 StALU PA 954 – 19623: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (5. August 1760). 126 127 128 129

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Die Selbstzeugnisse

seine Geschwister richten.131 In Briefen sind eher die alltäglichen Sorgen und Beschäftigungen zu erwarten, die bei retrospektiven Texten wegen ihrer vermeintlichen Unwichtigkeit oft fehlen. Bei den untersuchten Quellen stellt man fest, dass Kommentare über politische Ereignisse eher in den Briefen zu finden sind. Bei Dokumenten wie Autobiographien oder Erinnerungen handelte es sich dagegen auch um literarische Texte,132 die manchmal im Hinblick auf eine spätere Veröffentlichung geschrieben wurden. Eines der bekanntesten Beispiele aus dem Untersuchungszeitraum für eine solche Quelle ist die Autobiographie des Toggenburger Bauers Ulrich Bräker, die noch zu Lebzeiten ihres Verfassers im Jahre 1789 erschien.133 Im Unterschied zu diesem Buch sind die in der vorliegenden Arbeit untersuchten Selbstzeugnisse ausschließlich handschriftlich überliefert und waren wohl nicht zur Publikation gedacht. Dennoch liegt bei einigen Quellen der Schluss nahe, dass sie das Ergebnis einer redaktionellen Bearbeitung älterer Texte sind. Beat Fidel Zurlaubens »Journal Historique/de la Campagne du Roy en Flandre 1745/dress¦ par le Baron de Zurlauben Capitaine/ au Gardes Suisses« entstand nach dem besagten Feldzug wohl als eine Reinschrift von Handnotizen, die sich Zurlauben während des Gefechts gemacht hatte. Darauf lassen einige Stellen im Text schließen, beispielsweise wenn Zurlauben schreibt: »[…] on est actuellem[en]t occup¦ — construire une batterie […].«134 An einer anderen Stelle heißt es: »aujourd’hui sur les 8. heures du matin nous avons attaqu¦ […].«135 Auch bei Franz Ludwig von Graviseth finden sich in seinem Tagebuch des Feldzugs von 1794 mehrere Einträge, die einen Einblick auf die Entstehung des Textes geben: »Samedi; Le 19 [avril] La charette de tentes arriva; je les fis dresser et pris une de serg [ean]t p(ou)r mon usage; je changeois d’habillem[en]t et annotois au crayon les 4. jours pass¦s. […] «Jeudi; Le 24 [avril] Je fis venir les gros bagages, fis dresser ma tente, et me donnois toutes les aisances possibles, ayant apresant mon necessaire, lit, table, chaises et autres untenciles. Je transcrivois mes journ¦es depuis le 15. […] 131 Zentralbibliothek Zürich (ZBZH) FA Hirzel 346.1 (45): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (11. Juni 1785). 132 Amelang, James S., Saving the Self from Autobiography, in: Greyerz, Kaspar von (Hrsg.), Selbstzeugnisse in der Frühen Neuzeit. Individualisierungsweisen in interdisziplinärer Perspektive [Kolloquium vom 25. bis 26. Juni 2004 im Historischen Kolleg München], München 2007, S. 129 – 140, hier S. 131. 133 Bräker, Ulrich, Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer der Armen Mannes im Tockenburg, Zürich 1789. Bräker lebte bis 1798. Thürer, Georg, »Bräker, Ulrich«, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS) http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D11590.php, 31. 05. 2012. 134 Kantonsbibliothek Aargau (KBAG) AH 118: Zurlauben, Beat Fidel, »Journal Historique de la Campagne du Roy en Flandre 1745 dress¦ par le Baron de Zurlauben Capitaine au Gardes Suisses« (1745), S. 17 ff. 135 Kantonsbibliothek Aargau AH 118 (wie Anm. 134), S. 21.

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Mecredi. Le 23 [octobre] J’ecrivois les journ¦es depuis le 17 [octobre] not¦es en crayon. […] Lundi. Le 28 [octobre] Je ne sortis pas de la journ¦e, j’ecrivois ce que ci dessus depuis le 25 [octobre].«136

Frid¦ric de Diesbach verfasste von seiner Autobiographie mehrere Versionen auf Deutsch und Französisch, die unterschiedlich lange Zeiträume erfassen.137 Das lässt darauf schließen, dass der Text nicht bloß zur persönlichen Reflexion geschrieben wurde. Der Bericht von Johann Viktor Lorenz von Arregger über die Gefangenschaft des Autors existiert auch in einer posthumen Abschrift von 1803,138 die sich nicht nur durch ihre bessere Lesbarkeit vom Originalmanuskript unterscheidet, sondern auch durch die Hinzufügung eines Verzeichnisses von arabischen Ausdrücken sowie Orten und Personen in Algier. Beides spricht dafür, dass der Text einem größeren Leserkreis zugänglich gemacht werden sollte. Einige Verfasser widmen ihre Selbstzeugnisse explizit ihren Kindern oder anderen Familienmitgliedern. Jean de Sacconay schreibt etwa, dass er seine Erinnerungen für seinen Sohn verfasst habe, um ihn anzuleiten, in seinen Unternehmungen immer dem Wort und dem Pfad Gottes zu folgen.139 Johann Viktor Lorenz von Aregger erklärt ebenfalls, dass er seinen Bericht für seine Nachkommen und seine Landsleute verfasst habe.140 Bernhard Albrecht Stettler ist der Meinung, dass das Vergnügen seiner Nachfahren beim Lesen historischer Ereignisse und die Lehren, die sie aus seinen Unglücksfällen schöpfen, die Früchte der Arbeit an seinen Erinnerungen seien.141 Antoine Marie Augustini betont in der Einleitung zu seiner Autobiographie, dass weder Eitelkeit noch der Wunsch sich zu verewigen ihn veranlasst hätten, seine Lebensgeschichte aufzuschreiben; seine Absicht sei es vielmehr, seine Kinder mit seinem Beispiel von einer Karriere im Militärdienst abzuschrecken und ihnen mit seinen Erlebnissen

136 Burgerbibliothek Bern (BBB) FA von Graviseth 6: Graviseth, Franz Ludwig von, »Journal de la seconde campagne. 1794. du Regt. de GoumoÚns. et en particulier du second bataillon, que je commandois comme L[ieu]t[enant] Col[one]l« (1794), Bd. I, S. 8 u. 10, Bd. III, S. 8 u. 10. 137 Archives de l’Etat de Fribourg (AEF) Chroniques 60 a–k. 138 Zentralbibliothek Solothurn (ZBSO) S 53: Arregger, Johann Viktor Lorenz von, »R¦lation de la captivit¦ de Monsieur le chevalier d’Arregger« (1803). 139 BBB Mss.h.h. XXXIV.149/150: Sacconay, Jean de, »M¦moires de Jean de Sacconay gen¦ral«, [nach 1716], im Folgenden zitiert nach der Edition von: Kurz, Andreas Christoph, Jean de Sacconay, 1646 – 1729. Ein Schweizer Söldneroffizier, Dissertation Universität Bern (1985), hier S. 1. 140 ZBSO S I 345/5: Arregger, Johann Viktor Lorenz von, »R¦lation de la captivit¦ de M[onsieu]r le chevalier d’arregger noble Soleurien Colonel d’un Reg[imen]t Suisse de deux Bataillon [!] au Service de Sa majest¦ Catholique Philipe cinq Roy des Espagnes et des jndes et conselier du grand conseil de la Republique et Canton de Soleure en Suisse« (1741), S. 1. 141 BBB Mss.h.h. XXLIII.11: Stettler, Bernhard Albrecht, Journal [ab 1799], S. 1.

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wichtige Lektionen für ihr eigenes Leben zu geben.142 So ermahnt er sie, ihre Freunde sorgfältig zu wählen, Demut zu lernen und ein gottgefälliges Leben zu führen.143 Nicht alle Autoren haben ausformulierte und an einen bestimmten Empfänger gerichtete Texte hinterlassen. Die Historikerin Benigna von Krusenstjern schreibt über Selbstzeugnisse aus dem Dreißigjährigen Krieg, dass sie oft einen buchhalterischen Charakter besäßen. Die Aufzählung von Zahlen, Daten und Fakten sowie Tabellen mit persönlichen Ein- und Ausgaben ließen die Vermutung entstehen, dass die Autoren das Bedürfnis hatten, zu einem späteren Zeitpunkt Rechenschaft über ihr Handeln abzulegen.144 Kaspar von Greyerz stützt diese Vorstellung eines Rechenschaftsberichts mit seiner These, dass Selbstzeugnisse ein Produkt seien, das in der bürgerlich-städtischen Welt der Handelsbücher entstand.145 Bei einigen der untersuchten Selbstzeugnisse handelt es sich tatsächlich vor allem um eine knapp gehaltene Auflistung von Daten und Ereignissen.146 In einem Fall hat ein Offizier sogar einen vorgedruckten Kalender verwendet, in dem dann täglich die als wichtig erachteten Geschehnisse wie der Aufenthaltsort der Einheit, Inspektionen oder die Chargen des Verfassers niedergeschrieben wurden.147 Etwa zwei Drittel der untersuchten Selbstzeugnisse entstanden im Krieg oder berichten davon. Diese Texte konzentrieren sich vorwiegend auf militärische Geschehnisse. Bei Quellen wie dem »Etat de service« von Friedrich von Salis148 oder Johann Viktor von Travers,149 aber auch in den Autobiographien von Jean der Sacconay Frid¦ric de Dies142 Staatsarchiv Wallis (StAW) Fonds Guillaume de Kalbermatten R 27: Augustini, Antoine Marie, »Der seltene Matugnager« (1796), S. 5. 143 Ebd., S. 6 f. 144 Krusenstjern, Benigna von, Buchhalter ihres Lebens, in: Arnold u. a., Ich (wie Anm. 36), S. 139 – 146, hier S. 139. 145 Greyerz, Kaspar von u. a., Texte zwischen Erfahrung und Diskurs: Probleme der Selbstzeugnis-Forschung, in: Greyerz, Kaspar von u. a. (Hrsg.), Von der dargestellten Person zum erinnerten Ich. Europäische Selbstzeugnisse als historische Quellen (1500 – 1850), Köln 2001, S. 3 – 31, hier S. 27. 146 BBB Mss.h.h. XXII.70 (3): Manuel, Gabriel, »Journal de la Campagne de 1743« (1743/1744); BBB FA von Tscharner A 148.1: Wattenwyl, Bernhard Ferdinand von, »Journal de Bernard Ferdinand de Watteville« (1772 – 1813); Staatsarchiv Zug (StAZG) P 1/1: Keiser, Karl Franz, »Agenda g¦n¦ral contenant Souvenirs, Notes, R¦marques, Recettes, Depenses et Coetera. Commenc¦ le 1. Janvier 1792« (1792); Staatsarchiv Bern (StABE) N de GoumoÚns 1.4: GoumoÚns, Rudolf Ludwig de, »Journal de Campagne du 1 Batt[aillon] en 1793« (1793 – 1796). 147 Darunter : KBAG MsZ 12: Zurlauben, Beat Fidel, Kalender mit Notizen (1743). 148 Staatsarchiv Graubünden (StAGR)Archiv von Planta Reichenau D III/R III 206: Planta, Friedrich von (Samedan), »Etat du service de M. Frederic Planta pendant les campagnes de 7 ans« [nach 1762]; StAGR Familienarchiv von Planta: D III/S II Ac 52: Planta, Friedrich von (Samedan), »Etat de mes Services en France 1757 – 1765« (1766/1767). 149 StAGR AB IV 7a 11: Travers, Johann Viktor von, Militärischer Lebenslauf ([1766?]).

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bach,150 Gabriel Albrecht von Erlach151 oder Anton von Salis-Marschlins152 geht es, wenn auch in jeweils unterschiedlichem Ausmaße, darum, die militärischen Leistungen der Verfasser in einem positiven Licht erscheinen zu lassen. Das Tagebuch der Belagerung von Maastricht im Jahre 1793, das der Bündner Johann Luzius von Planta verfasste, diente zur Dokumentation eines Ereignisses im Krieg gegen das revolutionäre Frankreich, welches in den Augen des Autoren entscheidend war.153 Tagebücher, in denen jeden Tag für den Autor als wichtig erachtete Begebenheiten akribisch dokumentiert wurden, fungierten möglicherweise auch als Gedächtnisstütze beziehungsweise als Vorlage für andere Selbstzeugnisse. Beat Fidel Zurlauben nutzte sein Tagebuch vom Feldzug in Flandern im Jahre 1745, um gewisse Passagen in seiner Schweizer Militärgeschichte zu ergänzen. Im zweiten Band schreibt Zurlauben ausführlich über die Feldzüge der Schweizergarde im Österreichischen Erbfolgekrieg, insbesondere über denjenigen des Jahres 1745, welchen er ja aus eigener Erfahrung bestens kannte.154 Manche Selbstzeugnisse bestehen aus Lebensläufen, die wahrscheinlich späteren Generationen als Gedächtnisstütze dienen sollten, in welchen der Autor chronologisch die (seiner Ansicht nach) wichtigsten Fakten seines Lebens festhielt. Franz Martin Schmid aus Uri, ehemaliger Offizier in Frankreich, verfasste zwei solche Lebensläufe, einen auf Deutsch und einen auf Französisch.155 Darin hielt er Ort und Datum seiner Geburt, seine Ausbildung, Militärkarriere, den Tod seiner Eltern und seine Heirat fest. Den deutschen Text ergänzte die Witwe von Franz Martin Schmid um eine Nachricht über den Tod ihres Ehemanns. Auch vom Schwyzer Marc Anton Studiger ist ein Familienbuch überliefert, in dem der Verfasser einen knappen Lebenslauf von seiner Geburt bis zu seiner Heirat festhielt und sich danach darauf beschränkte, die aus seiner Sicht wichtigsten Ereignisse innerhalb der Familie, wie Todesfälle, Geburten oder Ämternominierungen, zu notieren. Diese Aufzeichnungen wurden nach dem Tod

150 AEF. Chroniques 60a: Diesbach, Jean-Fr¦d¦ric de, Autobiographie von Jean-Fr¦d¦ric de Diesbach [um 1728?]; AEF 60b: Diesbach, Jean-Fr¦d¦ric de, »M¦moires autobiographiques du Prince Fr¦deric de Diesbach« [um 1728?]; AEF Chroniques 60e: Diesbach, Jean-Fr¦d¦ric de, »Memoire« [nach 1734]. 151 StABE HA Spiez 89: Erlach, Gabriel Albrecht von, »Gabriel Albrecht Erlachs Lebensbeschreibung« [ab 1762]. 152 Staatsarchiv Zürich (StAZH) W I 33a 9.1: Salis-Marschlins, Anton von, »Resum¦ d’une Biographie« [nach 1809]. 153 StAGR D V/4 d Nr. 75: Planta, Johann Luzius von, »Tagebuch des See[ligen] H[er]rn Schwieger Vaters Major Joh[ann] Luc[ius] v[on] Planta, über die Belagerung v[on] Maastrich im J[ahre] 1793« (1793), S. 34. 154 Zurlauben, Histoire (wie Anm. 39), S. 272 – 278. 155 Staatsarchiv Uri (StAUR) P 7/71 2: Schmid von Uri (1428 – 1990). Schmid, Franz Martin, »Souvenir« [nach 1794].

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Studigers 1753 (der auch im Buch vermerkt ist) von seinem Sohn Josef Ignaz weitergeführt.156 Der israelische Militärhistoriker Yuval Harari behauptet, dass ab der Mitte des 18. Jahrhunderts in frühneuzeitlichen militärischen Selbstzeugnissen Empfindungen und Erlebnisse als Quellen neuer Erkenntnisse wichtig wurden.157 Wie in einem Entwicklungsroman sei auch im Krieg ein naiver Geist durch unterschiedliche Erlebnisse gebildet worden.158 Harari kommt zu dem Schluss, dass um 1800 in Erfahrungsberichten nicht nur Handlungen beschrieben wurden, sondern auch das »Innere« der Teilnehmer analysiert wurde.159 Die Feststellung Hararis entspricht einer anderen These, nach welcher im 18. Jahrhundert eine Psychologisierung der Autobiographie stattfand, die sich darin zeigt, dass die Autoren begannen, sich auf ihr eigenes Ich und ihre seelischen Regungen zu konzentrieren.160 Dieser Befund trifft durchaus auch auf einige Texte der Offiziere zu. Friedrich von Planta schildert um 1762, dass er im Gefecht von Kloster Bredelar im Siebenjährigen Krieg nach der Flucht seines Regiments vor Verzweiflung völlig aufgewühlt gewesen sei: »Tout le monde m’a vu pleurant de rage et de d¦sespoir donner des coups de plats d’¦p¦e sur l’estomac indistinctement — tout ce que je pouvois atteindre.«161 Louis-FranÅois-R¦gis de Courten widmet sich in seiner nach 1791 entstandenen Autobiographie, die vermutlich auf tagebuchartigen Aufzeichnungen basierte, an diversen Stellen ausführlich seinen Gefühlen, etwa beim Abschied von seiner Frau oder später bei ihrem Tod beziehungsweise dem seines Sohnes.162 Bernhard Albrecht Stettler thematisiert in seiner ab dem Jahr 1799 verfassten Autobiographie etwa seine Trauer beim Abschied von seinen Eltern oder seine Sehnsucht nach Hause.163 Sigmund von Wattenwyl notierte in seinem Tagebuch nicht nur Geschehnisse, sondern in bestimmten Situation auch seine Empfindungen. Beispielsweise auf seiner Reise durch die Alpen nach Italien, beim Tod eines nahestehenden Kameraden in der Schlacht, beim Anblick eines Verwundetentransports oder bei der Betrachtung der Altarbilder von Rubens in der Antwerpener Liebfrauen156 Staatsarchiv Schwyz (StASZ) PA 48, 1.2: Rechenbuch 1748 – 1757 (und kleines Tagebuch 1737 – 1797) des Marc Anton Studiger, 9. Juni 1690 – 5. Juli 1770 und dessen Sohnes Josef Ignaz Anton Rudolf Studiger, * 7. Mai 1753. 157 Harari, Yuval N, The ultimate experience. Battlefield revelations and the making of modern war culture, 1450 – 2000, Basingstoke u. a. 2008, S. 141. 158 Ed., S. 145. 159 Ebd., S. 201 f. 160 Greyerz u. a., Texte (wie Anm. 145), S. 20. 161 StAGR Archiv von Planta Reichenau D III/R III 206 (wie Anm. 148), S. 6. 162 StAWArchives de la famille de Courten S¦rie B Cn6/1.1: Courten, Louis FranÅois-R¦gis de, »Journal de Ma Vie Avec un Detail Des epoques les plus interessantes qui y ont rapport« [nach 1791]. S. 59, 66, 68 u. 132 ff.; siehe auch: S. 126 f., u. 130. 163 BBB Mss.h.h. XXLIII.11 (wie Anm. 141), S. 8 f. u. 14 f.

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kirche.164 Die Darstellungen von der Kreuzaufrichtung und der Kreuzabnahme Christi lösten bei von Wattenwyl starke Gefühle aus: »Les sujets de ces tableaux ¦tant un Þtre souffrant, causent une sensation d¦sagr¦able […].«165 Ein Sonderfall stellt die Autobiographie von Martin du Fay de Lavallaz dar, welche auf das Jahr 1799 datiert ist, und in der es um das Erweckungserlebnis des Verfassers geht. Obwohl der Text von traditionellen religiösen Vorstellungen geprägt ist, betont der Autor vor allem seine Gefühle und sein »Innenleben«. Er beschreibt sein Leben als eine Entwicklung vom sündhaften Offizier zum frommen und reuigen Mönch. Betrachtet man zudem, wie es in Kapitel 7.1 der Fall sein wird, den Umgang der Offiziere mit dem Tod und dem Verlust naher Verwandter, so ist feststellbar, dass Schilderungen der eigenen Gefühle beziehungsweise von Empfindungen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mehr Platz einnehmen, während vorher fromme Glaubensbekundungen überwiegen.

164 BBB FA von Wattenwyl A 14: Wattenwyl, Sigmund David Emanuel von, »Journal de Sigismond de Wattewil – Sinner« ([um 1791]–1802), S. 8, 59, 64 u. 90. 165 Ebd., S. 90.

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Militärdienst in Friedenszeiten

5.1

Garnison und Alltag

Im 18. Jahrhundert war die Zeit zwischen dem Ende des Spanischen Erbfolgekrieges 1714 und dem Beginn des Österreichischen Erbfolgekrieges 1740 eine Periode relativen Friedens in Westeuropa. Im Vergleich zu den vorhergehenden Jahren blieben große und langjährige Konflikte aus. Dasselbe gilt auch für die Jahre nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges 1763 und den Koalitionskriegen gegen das revolutionäre Frankreich, die 1792 einsetzten. Im Zeitalter der stehenden Heere wurden die Truppenteile nach einem Krieg nicht mehr abgedankt, sondern in strategisch wichtigen, befestigten Städten stationiert, wo sie sich für einen eventuellen Einsatz bereithielten. Dieser Alltag war für die Soldaten und Offiziere durch Routine und andere Herausforderungen des Garnisonslebens geprägt. Die Truppen wurden in Friedenszeiten regelmäßig von einem Garnisonsstandort zum nächsten verlegt. Das waren in den meisten Fällen Grenzstädte, wie die Beispiele der Schweizer Linienregimenter in Frankreich oder den Niederlanden zeigen.166 In solchen Städten war es die Regel, die Truppen bei Privatpersonen, manchmal auch in gemieteten Häusern, unterzubringen. In Frankreich sollten zwar bereits am Anfang des 18. Jahrhunderts flächendeckend »Scheunen« für die Truppen gebaut werden, doch dazu fehlte das Geld.167 Daher blieben Kasernen in der Regel besonderen Truppenteilen wie der Schweizergarde vorbehalten, für die ab der Mitte des 18. Jahrhunderts in den Gemeinden um Paris wie Argenteuil, Rueil-Malmaison, Courbevoie oder Saint-Denis eigene Unterkünfte gebaut wurden.168 166 Für das Regiment de Diesbach in Frankreich siehe Steinauer, Patriciens (wie Anm. 18), S. 86; für die verschiedenen Berner Regimenter siehe Pfister, Aargauer (wie Anm. 15), Bd. 1 für Frankreich und Sardinien und Bd. 2 für die Niederlande. 167 Corvisier, Andr¦ u. a., Histoire militaire de la France, Bd. 2: Blanchard, Anne u. a., De 1715 — 1871, Paris 1992, S. 47. 168 Bordillon, R., Les Casernes des Gardes-Suisses, in: Soci¦t¦ historique de Rueil-Malmaison

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Militärdienst in Friedenszeiten

Ralf Pröve hat in seiner Untersuchung der Stadt Göttingen festgehalten, dass das Zusammenleben zwischen Zivilbevölkerung und Militär, trotz unterschiedlicher Nationalitäten und Konfessionen, gut funktionierte.169 Ein Blick auf die Quellen bestätigt, dass das Verhältnis zwischen Offizieren und Zivilisten nicht grundsätzlich gespannt war, es aber gelegentlich durchaus Konfliktpotenzial gab. Hans Kaspar Hirzel schreibt, dass sein Regiment bei der Verschiebung von B¦ziers nach Collioure einen Umweg von zwei Stunden machen musste, da der Erzbischof von Narbonne nach einem Streit zwischen der Bürgerschaft und den dort stationierten Truppen durchgesetzt hatte, dass keine Soldaten mehr die Stadt betreten durften. Die aufgebrachten Söldner »fluchten« dem Bischof »Hals und Bein ab, und versicherten daß er gewiß keinen theil am Him[m]elreich haben werde, weil er schuld sey¨n, daß so viele wakere Soldaten sich vergebens die Bein einhunden müßen.«170 Die Einquartierung von Soldaten bei der Bevölkerung wird als einer der Hauptgründe für Auseinandersetzungen zwischen Militär und Zivilbevölkerung in der Frühen Neuzeit beschrieben.171 Beispielsweise gab es in der Gemeinde Argenteuil zwischen den Jahren 1726 und 1733 dreißig Beschwerden von Einwohnern, die behaupteten, von der Einquartierungspflicht befreit zu sein. In den Selbstzeugnissen wird von den Offizieren das Verhältnis zu ihren »Gastgebern« als durchweg positiv geschildert. Louis de Courten lobte seine Gastgeber in Saintes an der französischen Atlantikküste als anständig und freundlich. Es entwickelte sich sogar eine Freundschaft zwischen dem Offizier und der »Gastfamilie«. Der Walliser kümmerte sich um die Tochter seiner Gastgeber und begleitete sie auf dem Weg in ein Kloster, wo sie ausgebildet wurde.172 Stettler gab im Dörfchen Avusy – während seiner ersten Stationierung – den Kindern des Hausherren Schreibunterricht und spielte mit diesem Karten.173 Gabriel Albrecht von Erlach schreibt an zwei Stellen in seinem Tagebuch, dass er von Stadtbürgern seiner Garnison als Taufpate angefragt wurde, was sicherlich keineswegs zufällig geschah und die guten sozialen Kontakte zwischen Militär und Stadtbevölkerung belegt.174 Am 9. Mai 1765 wurde er in Phalsbourg Taufpate des Sohnes eines »Frater«(?) Bock, der dem Berner zu Ehren Gabriel Albert (!) genannt wurde, und am 19. Juli des gleichen Jahres war von Erlach bei der Taufe des Sohnes eines Schneiders namens Venoux Pate.175

169 170 171 172 173 174 175

(Hrsg.), Gardes (wie Anm. 86), S. 129 – 138, hier S. 131; vgl. Steinauer, Patriciens (wie Anm. 18), S. 69. Pröve, Stehendes Heer (wie Anm. 34), S. 320. ZBZH FA Hirzel 346.1 (48): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (20. Oktober 1785). Siehe dazu: Kroll, Soldaten (wie Anm. 35), S. 290 ff. StAW Archives de la famille de Courten S¦rie B Cn6/1.1 (wie Anm. 162), S. 88 f. u. 90 f. BBB Mss.h.h.XLIII.11 (wie Anm. 141), S. 14. Vgl. Pröve, Stehendes Heer (wie Anm. 34), S. 277 u. 280. StABE HA Spiez 89 (wie Anm. 151), S. 144.

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Dagegen beklagten sich die Offiziere oft über Langeweile in ihrer Garnison. Viele Briefe Hans Kaspar Hirzels aus Korsika geben ein schlechtes Bild seines temporären Wohnortes wieder. Am 27. Januar 1783 schrieb er seiner Mutter, dass man auf jener Insel nichts lernen könne, da es nicht einmal Handwerker gebe, geschweige denn Künstler oder gelehrte Leute.176 Bloß einen Tag später wiederholte er sein Lamento und fügte hinzu, dass ihm und allen anderen Offizieren der Aufenthalt in Korsika bereits verleidet sei. Nicht einmal über die Natur könne man etwas lernen, denn im Umkreis einer Tagesreise gebe es nur Felsen, Steine und dürre Olivenbäume.177 Seinem Bruder prophezeite er, dass man in Korsika das »Langweile-Fieber […] augenbliklich auf dem Hals hatt.«178 Die mediterrane Hitze machte dem jungen Zürcher ebenfalls zu schaffen. Im Juni 1782 kommt es ihm bereits um sieben Uhr morgens so heiß vor, dass er vermutlich frieren würde, wenn er plötzlich wieder in Zürich wäre.179 Doch auch in BrianÅon, wo Hirzels Regiment fünf Jahre später stationiert war, klagte der Offizier über das Wetter und die Langeweile. Jetzt fehlte ihm plötzlich das mediterrane Klima. In der Alpenstadt BrianÅon sei der Sommer wie ein Winter in Collioure. Die Bergfestungen um die Stadt, welche die Schweizer besetzen müssten, seien wie Gefängnisse, und die Offiziere würden sich schon über ihr »Eremiten Leben« beklagen.180 Hirzel war nicht der Einzige, der sich über die Garnisonen an den Grenzen des Königreichs klagte. Ein Offizier namens Baillif le Cadet äußerte gegenüber Joseph-Tobie-Nicolas de Castella den Wunsch, dass ein gemeinsamer bekannter Offizier nicht wieder nach Korsika müsse, in die »Sib¦rye franÅoise«, »[…] car ce maudi Pas doit presque Etre regard¦ Comme tel […].«181 Ein anderer Offizier gestand aus Grenoble gegenüber de Castella, dass er gerne einen fröhlichen Brief geschrieben hätte, aber in jenem »verfluchten Land« könne man nicht so schreiben, wie man wolle.182 Georg Karl Schnyder von Wartensee, ein Verwandter von Karl Andreas, schrieb im Sommer 1770, dass es in seiner Garnison in Fort-Louis an der französischen Rheingrenze so trist wie noch nie sei. Denn, so klagte der Offizier, das gesellschaftliche Leben in Fort-Louis sei inexistent.183 Die Offiziere maßen ihre Garnison an den vorhandenen Unterhaltungsmöglichkeiten und an der Gesellschaft, in der sie sich aufhielten. Stettler schrieb, dass 176 177 178 179 180 181

ZBZH FA Hirzel 346.1 (25): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (27. Januar 1783). ZBZH FA Hirzel 346.1 (26): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (10. Februar 1783). ZBZH FA Hirzel 346.1 (30): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (27. Oktober 1783). ZBZH FA Hirzel 346.1 (20): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (19. Juni 1782). ZBZH FA Hirzel 346.1 (71): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (6. August 1788). Kantons- und Universitätsbibliothek Freiburg im Üechtland (KUB) A–916/4: Baillif le Cadet, Brief an seine Hauptmann, Tobie de Castella (2. April 1773). 182 KUB A–863/68: Chappel, An Tobie de Castella (4. März 1769). 183 StALU PA 954 – 19624: Schnyder von Wartensee, Georg Karl, An seinen Bruder (12. Juni 1770).

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Militärdienst in Friedenszeiten

das Winterquartier 1795/1796 in Ceva, einer nicht besonders großen piemontesischen Stadt, sehr amüsant sei, die Schweizer und piemontesischen Offiziere hätten während dieser Zeit regelmäßig Bälle gegeben und Karten gespielt.184 De Courten verbrachte den Winter des Jahres 1782/1783 zufrieden in Saintes, dank seiner (oben erwähnten) Gastgeber und seiner Offizierskameraden, die Bälle, Abendessen und Ausflüge in die Landschaft organisierten.185 Es scheint demnach so, dass die üblichen Klagen über schlechtes Wetter und Langeweile eher Teil einer sarkastischen »Beschwerde- und Klagekultur« waren, die auch heute noch zum militärischen Umfeld dazugehört.186 Karl Andreas Schnyder von Wartensee beschwerte sich als junger Mann über Langeweile in der Garnison der Schweizergarde in Argenteuil187 (vor den Toren von Paris gelegen) und als gestandener Offizier aus Courbevoie (noch näher an Paris) darüber, dass es so kalt sei, dass er nicht einmal sein Zimmer verlasse, um zum Arzt zu gehen.188 Auch der junge Leutnant von Hertenstein beklagte sich am 12. November 1782 über die Einsamkeit und »tristesse« der Garnison Courbevoie, nur um zwei Wochen später von der Com¦die FranÅaise und dem Zeitvertreib in Paris zu schwärmen.189 Der Alltag in der Garnison bestand grundsätzlich aus militärischer Ausbildung, Wachdienst und repräsentativen Anlässen wie Paraden, Musterungen oder Inspektionen. Es kam auch häufig vor, dass Truppen für Polizeiaufgaben gebraucht wurde, wie die französische Schweizergarde, die in Paris in einzelnen Stadtvierteln feste Posten besetzten und durch die Straßen patrouillierten.190 Außerdem wurden Schweizer Einheiten auch für nichtmilitärische Aufgaben eingesetzt. In Spanien halfen sie beim Kanalbau191, in Frankreich beim Straßenbau und der Trockenlegung von Sümpfen.192 Eine Besonderheit des vormodernen Militärdienstes war, dass er weit davon entfernt war, eine Vollzeitbeschäftigung zu sein. Sowohl Offiziere wie auch Soldaten besaßen neben ihren 184 185 186 187 188 189

190 191 192

BBB Mss.h.h.XLIII.11 (wie Anm. 141), S. 41. StAW Archives de la famille de Courten S¦rie B Cn6/1.1 (wie Anm. 162), S. 88. Zumindest nach Ansicht des Verfassers. StALU PA 954 – 1962: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Vater (4. März 1731). StALU PA 954 – 19623: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (17. Dezember 1759). StALU PA 664 – 189: Korrespondenz Franz Bernhard Meyer von Schauensee, Hertenstein, Karl Josef Franz Xaver von, An Franz Bernhard Meyer von Schauensee (12. November 1782); Hertenstein, Karl Josef Franz Xaver von, An Franz Bernhard Meyer von Schauensee (26. November 1782). Boutin, Clovis, Les Gardes-Suisses et le maintien de l’ordre — Paris, in: Soci¦t¦ historique de Rueil-Malmaison, Gardes (wie Anm. 86), S. 181 – 184, hier S. 181 ff. Hürlimann, Schweizerregiment (wie Anm. 80), S. 120. Czouz-Tornare, Troupes (wie Anm. 54), S. 92 f.

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dienstlichen Pflichten viel Zeit für andere Tätigkeiten. Die Soldaten waren für ihren Lebensunterhalt darauf angewiesen, neben dem Militärdienst zu arbeiten,193 während die Offiziere während dieser Zeit gesellschaftlichen Pflichten und Vergnügungen nachgingen. Die Subalternoffiziere, also die Leutnants und Unterleutnants, hatten im Ausbildungsbetrieb die Aufgabe, ihre Soldaten zu den Ausbildungsplätzen zu führen, auf ein tadelloses Auftreten der Soldaten sowie auf Ordnung in der Truppenunterkunft und beim Material zu achten.194 Hans Kaspar Hirzel schreibt 1781, am Anfang seiner Dienstzeit auf Korsika, dass es zu seinen Pflichten gehöre, die Ordnung und Sauberkeit der Soldaten zu überwachen, jeden Tag um elf Uhr bei der »Parade Visite« anwesend zu sein, beim Eindunkeln am Abendverlesen die Bestände zu kontrollieren, alle drei Wochen auf die Wache zu gehen und alle acht Tage eine »Spitalvisite« zu machen.195 Die Ausbildungstätigkeit der Truppe war von der Jahreszeit abhängig. Grundsätzlich wurde vom Frühling bis zum Ende des Sommers trainiert. In seinem Tagebuch notiert Bernhard Ferdinand von Wattenwyl für das Jahr 1772, dass ab Ende April morgens und abends abwechselnd beide Bataillone exerziert wurden. Am 20. Juni vermerkt er, dass das Regiment vom Kommissar abgenommen wurde und am 10. und 11. August fanden eine Revue und ein Manöver vor einem hohen Offizier, dem Marquis de Talaru (1725 – 1794), statt. Danach endete offenbar die Ausbildung, denn von Wattenwyl reiste am 29. September nach Schloss Bursinel (heute in der Gemeinde Bursinel VD) ab, um dort seinen Urlaub zu verbringen. Für das Jahr 1773 finden sich ab Anfang Mai wieder Einträge zur Ausbildung.196 Der Ablauf der Ausbildung in den frühneuzeitlichen Armeen im Allgemeinen und innerhalb der Schweizer Truppen im Besonderen war keineswegs einheitlich. Vor 1800 gab es keine normativen Vorgaben für Dauer und Verlauf der Grundausbildung, sodass die Kompanien große Freiheiten besaßen, die Ausbildung zu gestalten, solange die Soldaten die nötigen Grundkenntnisse erhielten.197 In Frankreich war es üblich, dass die Soldaten in der Regel zweimal täglich exerzierten: morgens und abends.198 Bei der Ausbildung der Soldaten gehörten im 18. Jahrhundert Stockschläge durch Vorgesetzte zur Praxis der europäischen Armeen. Auch in den Anordnungen für die französischen Schweizer Regimenter wird erwähnt, dass Soldaten 193 Siehe dazu: Corvisier u. a., Histoire (wie Anm. 167), Bd. 2, S. 15; Nowosadtko, Ständestaat (wie Anm. 35), S. 217 u. 235; Disch, Titlisfuss (wie Anm. 19), S. 49; Steinauer, Patriciens, (wie Anm. 18), S. 83; Pröve, Stehendes Heer (wie Anm. 34), S. 252. 194 Eyer, Neapel (wie Anm. 68), S. 280. 195 ZBZH FA Hirzel 346.1 (13): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (8. Oktober 1781). 196 BBB FA von Tscharner A 148.1 (wie Anm. 146), April bis September 1772. 197 Nowosadtko, Ständestaat (wie Anm. 35), S. 218. 198 Hausmann, Suisses (wie Anm. 65), S. 275 f.

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Militärdienst in Friedenszeiten

mit dem Stock geschlagen werden dürfen.199 Im Jahre 1767 kam es zum Protest, als sich mehrere Soldaten des Regiments de Diesbach bei der Freiburger Obrigkeit beklagten, dass sie einen Hagel aus Schlägen einstecken müssten, wenn sie beim Exerzieren Fehler machten. Die beschuldigten Hauptleute versicherten, dass das Vorgefallene eine Ausnahme sei und selbst der französische Kriegsminister äußerte sich zu den Vorwürfen, die er als übertrieben bezeichnete.200 Ob nun Körperstrafen bei der Ausbildung die Regel waren oder nicht, die Offiziere hielten solche Sachen wohl für zu wenig bedeutend, um sie festzuhalten. In den Selbstzeugnissen finden sich jedenfalls keine Hinweise darauf, dass Soldaten beim Exerzieren geschlagen wurden, Prügelstrafen tauchen nur im Zusammenhang mit Vergehen gegen die Disziplin auf.201 Im Verlauf eines Dienstjahres waren die Inspektionen, »Revues« genannt, ein wichtiger wiederkehrender Anlass. Die Revues fanden im Frühling und Sommer statt.202 1757 wurde die französische Schweizergarde zunächst am 20. Mai durch Beat Franz Plazidus Zurlauben (1687 – 1770), ihrem Kommandanten, inspiziert, danach am 7. Juni vom Generaloberst203 der Schweizer und Bündner Truppen und schließlich am 11. Juni durch den König.204 1759 wurde der Posten des Generalinspektors der Schweizer und Bündner Truppen (der nicht mit dem Generaloberst zu verwechseln ist) geschaffen.205 Dieser hatte unter anderem den Auftrag, zu den festgelegten Zeitpunkten die Truppe zu inspizieren, den Bestand der Kompanien festzustellen und dabei zu kontrollieren, dass keine untauglichen oder von einem Werbungsverbot betroffenen Soldaten dienten. Zudem sollte der Generalinspektor die Ausrüstung der Soldaten kontrollieren. Er hatte

199 Bundesarchiv Bern (BAR) J4.1 1000/1261 Bd. 1: Protocole du reg(imen)t suisse de jenner (nach 1771), S. 294: »Ordre donn¦ par M(onsieu)r le Baron de Salis inspecteur Generale le 28 Septembre 1770 pour les commandants des regiments Suisses«. 200 Steinauer, Patriciens (wie Anm. 18), S. 74. Die Angelegenheit fand sogar ihren Weg an die Tagsatzung, wo im Juli 1768 die Luzerner Gesandtschaft versprach, gegen die »Ungebühr«, Soldaten mit Stockschlägen und Offiziere mit Geld zu strafen, vorzugehen. Ein Jahr später wurde in der Konferenz der katholischen Orte festgestellt, dass in Frankreich die »Bestrafung mit Stockstreichen« merklich abgenommen habe. Fechter, Daniel Albert, Die Eidgenössischen Abschiede aus dem Zeitraume von 1744 – 1777, bearbeitet von: Daniel Albert Fechter, Basel 1867, Nr. 292 u. 307. 201 Siehe dazu: BBB FA von Graviseth 6 (wie Anm. 136), Bd. I, S. 1, ferner Kapitel 6.1.1. 202 Luh, Jürgen, Kriegskunst in Europa 1650 – 1800, Köln u. a. 2004, S. 200. 203 Der Generaloberst war der Oberbefehlshaber aller Schweizer Einheiten in Frankreich, mit Ausnahme der Hundertschweizer. Von 1571 bis 1792 gehörte dieses Amt stets einem hohen französischen Adeligen. Siehe Anhang I. 204 StABE HA Spiez 89 (wie Anm. 151), S. 7. 205 Pedrazzini, Dominic M., Colonels g¦n¦raux et inspecteurs g¦n¦raux des Suisses et des Grisons au service de France, XVIIe – XIXe siÀcle, in: Fuhrer u. a., In ›Fremden Diensten‹ (wie Anm. 4), S. 195 – 203, hier S. 198.

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alle seine Feststellungen, Verbesserungsvorschläge und die Liste eventueller Übertretungen dem französischen Kriegsminister zu melden.206

Abbildung 3: MAHF 2011 – 006, Unbekannter Künstler, Revue der Schweizergarde, Mitte 18. Jh., Ó Mus¦e d’art et d’histoire Fribourg

Bildliche Darstellungen dieser Revues finden sich im reichen Nachlass der Freiburger Familie de Castella. Auf einem Gemälde, das wohl in der Mitte des 18. Jahrhunderts entstand, nimmt Rodolphe I de Castella (1678 – 1743) eine Parade der Schweizergarde ab. Das gespiegelte Gegenstück zeigt seinen Neffen Rodolphe II (1705 – 1793), der sein Regiment inspiziert. (Abbildungen 3 & 4) Das Notizbüchlein, welches ein weiterer Verwandter, Tobie de Castella, Hauptmann im oben erwähnten Regiment, zur Vorbereitung benutzte, gibt einen Hinweis auf den Ablauf und den Inhalt einer Inspektion. Darin finden sich die deutschen Kommandos für den Ablauf von Laden und Feuern und die Antworten auf Fragen, die der Inspektor, Peter Viktor Besenval, vermutlich stellen würde, etwa Angaben über die eigene Laufbahn und die Qualifikation der Offiziere und Unteroffiziere. Über einen Wachtmeister schreibt de Castella beispielsweise: »Louis Roubati de prez Canton de Fribourg Sergent […] ag¦ 45 ans port¦ de bonne volont¦ exat [!] au service homme de bonnes moÚurs.«207 Zu den 206 Ebd., S. 196 f. u. 198. 207 KUB A–922: Castella, Joseph-Tobie-Nicolas de, Papiers relatifs — la Compagnie de Castella de Delley, du Rgt de Castella au service de France.

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Abbildung 4: MAHF 2011 – 005, Unbekannter Künstler, Revue des Regiments Castella, 2. Hälfte 18. Jh., Ó Mus¦e d’art et d’histoire Fribourg

Revues gehörte auch, dass die Truppe unterschiedliche Manöver vor dem Inspizienten vorführte.208 Louis de Courten schreibt in diesem Zusammenhang, dass im Sommer 1767 die Schweizergarde zunächst zusammen mit den Regimentern Waldner, Diesbach Courten und Eptingen in Soissons übte und danach in CompiÀgne die trainierten Manöver dem König und der königlichen Familie vorführte.209 Diese Manöver sollten dazu dienen, das auf Kompaniestufe Erlernte im größeren Verband zu trainieren, die jungen Offiziere taktisch zu schulen und ihnen einen Vorgeschmack auf richtige Gefechtssituationen zu geben.210 Ein Schweizer Offizier namens von Roll beschreibt in einem Brief an den Hauptmann de Vigier211 ein Manöver, das 1771 bei Neuilly-sur-Seine stattfand. General Peter Viktor Besenval hielt mit drei Bataillonen eine Stellung oberhalb der Seinebrücke bei Neuilly und die Offiziere von Roll und Bachmann griffen mit ihren Grenadieren und Jägern an. Nach den Ausführungen zu Ablauf und Ausgang dieser »petit simulacre de guerre« schließt von Roll mit der Bemerkung: »Nos cheffes […] ont r¦marqu¦s beaucoup d’intelligence aussi bien dans les officiers

208 209 210 211

Hausmann, Suisses (wie Anm. 65), S. 287 f. StAW Archives de la famille de Courten S¦rie B Cn6/1.1 (wie Anm. 162), S. 30. Luh, Kriegskunst (wie Anm. 202), S. 201. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um die Solothurner Franz Joseph von Roll von Emmenholz (1743 – 1815) und Joseph Robert Vigier von Steinbrugg (1730 – 1794), beides Offiziere der Schweizergarde.

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que dans les basofficiers, il est s˜r que cela doit raffroidir les tÞtes et donner une idee — ceux qui n’ont point d’exp¦riences.«212 Nicht immer äußerten sich die Offiziere so positiv über die Ausbildungstätigkeit. Antoine Marie Augustoni nahm als Mitglied des Regiments de Courten auch an den oben erwähnten Manövern des Sommers 1767 teil. Er beklagte sich darüber, dass die militärischen Beschäftigungen im Lager mühsam gewesen und dass das Regiment »galeriotenmässig [einem Galeerensklaven gleich, M. H.] […] mit dem Exertzieren geplagt«213 worden sei. Hans Kasper Hirzel bedauerte, dass er während der Exerzierzeit auf Korsika, die im Winter anfange und bis in die warme Jahreszeit dauere,214 keine Zeit für andere Beschäftigungen gehabt habe.215 Im Juli 1785 schrieb er : »Meine Beschäftigungen sind bis dahin so stark noch nicht gewesen indem wir zim[m] lich viel Zeit dem Exerzieren und Dienstgeschäfft haben widmen müßen, dieses daurt aber nur nach bis den 23 dieses Mon[n]ats, Da wir die General Musterung paßieren werden hernach laßt man[n] uns ein wen[n]ig Ruh, Jch wolte nur den L[ieben] Bruder Heinrich Zugegen haben, der mir allemahl pretendieren wolte der Dienst wäre ein Müßiggänger Leben, da wurde er sehen, daß der biblische Ausdruk uns nicht wen[n]ig angeht: im Schweiß deines Angesicht solt du dein Brodt eßen, indem wir mehren theils keinen troknen faden mehr an uns haben, wan[n] wir wiederum von Exercieren nach hause kom[m]en.«216

Obwohl die Offiziere ihre Soldaten in den Manövern und Revues führen mussten, gab es für sie zunächst auch keine Vorschriften zum Ablauf oder Inhalt ihrer Ausbildung. Die Offiziere waren selbst dafür verantwortlich, das Exerzitium, also den Waffen- und Bewegungsdrill, zu lernen.217 Die meisten jungen Offiziere in den europäischen Armeen lernten für gewöhnlich durch praktische Erfahrung die für ihre Tätigkeit nötigen Fähigkeiten.218 Die Selbstzeugnisse belegen, dass die Schweizer entweder einige Jahre als Kadett dienten oder als Offizier von erfahrenen Soldaten in ihre Pflichten eingeführt wurden. Erst ab 1762 wurde es in der französischen Armee auch für alle jungen Offiziere Pflicht, drei Monate als

212 Staatsarchiv Solothurn (StASO) BG 35,1: Von Roll, Brief an Hauptmann de Vigier (23. September 1771). 213 StAW Fonds Guillaume de Kalbermatten R 27 (wie Anm. 142), S. 31. 214 ZBZH FA Hirzel 346.1 (19): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (25. Mai 1782). 215 ZBZH FA Hirzel 346.2: Hirzel, Hans Kaspar ; Hirzel, Salomon, An Heinrich Hirzel (14. März 1783). 216 ZBZH FA Hirzel 346.1 (46): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Schwester/Mutter (11./ 13. Juli 1785). 217 Vgl. Jaun, Rudolf, Preussen vor Augen. Das schweizerische Offizierskorps im militärischen und gesellschaftlichen Wandel des Fin de siÀcle, Zürich 1999, S. 52. 218 Starkey, Armstrong, War in the age of the Enlightenment, 1700 – 1789, Westport CT 2003, S. 85.

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Kadett zu dienen, um die Handgriffe und Marschschritte zu lernen, die auch die Soldaten kennen mussten.219 Jean de Sacconay schreibt, dass er am Anfang seines Dienstes zweieinhalb Jahre lang eine Muskete trug (»port¦ le mousquet«), also als Teil seines militärischen Trainings als einfacher Soldat diente, bevor er anschließend in einer Kadettenkompanie Fähnrich wurde; eine Einheit, bestehend aus Adeligen und alten Offizieren, die ebenfalls der Ausbildung diente.220 Johann Viktor von Travers trat 1736 mit 15 Jahren in das Regiment seines Vaters ein, der ihn die Ränge vom Soldaten bis zum Wachtmeister durchlaufen ließ.221 Danach diente Travers noch zwei Jahre als Sous-Aide-Major, bevor er 1740 Hauptmann in der französischen Schweizergarde wurde.222 Gabriel Albrecht von Erlach erklärt, dass alle neu eingetretenen Offiziere des Berner Regiments in Frankreich als einfache Soldaten dienten, und zwar so lange, wie es der Regimentskommandant als nötig empfand. Bei Gabriel Albrecht dauerte diese Zeit knapp zwei Monate.223 Louis de Courten schreibt bloß lapidar, dass er im Frühling 1762 im Exerzieren und über die Pflichten eines Offiziers instruiert wurde.224 Bernhard Albrecht Stettler wurde durch einen erfahrenen befreundeten Offizier eingeführt, der ihm die ersten Anweisungen über den Militärdienst gab und ihm den ersten Wachtmeister225 Roselli zur Seite stellte, der ihn bei allen seinen militärischen Pflichten begleiten sollte.226 Schließlich lernten die Offiziere ihre Funktion auch durch die Praxis. Hans Kaspar Hirzel berichtete seiner Mutter in einem Brief vom 24. Mai 1782, dass er mitunter die Kompanie beim Exerzieren befehligen dürfe, wobei er manchmal bei komplizierten Manövern einen Fehler mache.227 Die Bücher, welche die Offiziere lasen beziehungsweise erwarben, geben Aufschluss über die fachlichen Kenntnisse, die von ihnen erwartet wurden. Hans Kaspar Hirzel bat in einem Brief vom November 1782 seine Mutter um ein Buch

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Opitz, Militärreformen (wie Anm. 122), S. 89. Kurz, Sacconay (wie Anm. 139), S. 9. StAGR AB IV 7a 11 (wie Anm. 149), S. 269. Ebd. Der Aide-Major war ein Stabsoffizier und unterstützte den Major bei der Ausbildung und der Kontrolle des Dienstbetriebes. Erismann, Oskar (Hrsg.), Organisation und innerer Haushalt der Schweizerregimenter in Frankreich, in: Schweizerische Monatsschrift für Offiziere aller Waffen, 27 (1915), Sonderabdruck, Frauenfeld 1915, S. 16; Eyer, Neapel (wie Anm. 68), S. 273. StABE HA Spiez 89 (wie Anm. 151), S. 4. StAW Archives de la famille de Courten S¦rie B Cn6/1.1 (wie Anm. 162), S. 17. Der erste Wachtmeister war für die Pflege des Dienstbetriebs innerhalb seiner Einheit verantwortlich. Er kontrollierte Unterkünfte und Arbeitsplätze, achtete auf Ordnung und Disziplin und kontrollierte die Arbeit der Gruppenführer. Eyer, Neapel (wie Anm. 68), S. 290. BBB Mss.h.h.XLIII.11 (wie Anm. 141), S. 9. ZBZH FA Hirzel 346.1 (17): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (24. Mai 1782).

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über die Fortifikationslehre von Tielke.228 Gabriel Manuel, Hauptmann in französischen Diensten, hinterließ ein Verzeichnis seiner Bibliothek, in dem sich Titel finden wie »Nouveau cours de math¦matique — l’usage de l’artillerie et du g¦nie« von einem Bernard Forest de B¦lidor, die »Memoires sur le service journalier de l’infanterie« von einem Henri FranÅois Bombelles229 oder Bücher von Vauban230 und Menno van Coehorn231 über die Fortifikationslehre. Sprachkenntnisse wurden ebenfalls von den Offizieren erwartet. Für deutschsprachige Offiziere war Französisch unerlässlich: Hans Kaspar Hirzel gab im November 1782 seinem Bruder (auf Französisch), den Ratschlag, dass er jene Sprache lernen solle, falls er Offizier werden wolle, denn er selbst hätte viel weniger Mühe gehabt, wenn er die Sprache bereits beherrscht hätte.232 Diese Einschätzung wird durch Karl Andreas Schnyder von Wartensee bestätigt, der sich als erfahrener Offizier über einen Kadetten beklagte, der schlecht Französisch spricht.233 Wenn sich die Deutschschweizer mit Französisch abmühen mussten, so galt das Umgekehrte für die französischsprachigen Schweizer. Sie mussten Deutsch, die formelle Kommandosprache der Schweizerregimenter, lernen. Louis de Courten schreibt, dass eine seiner Hauptbeschäftigungen im Sommer 1781 das Studium der deutschen Sprache gewesen sei.234 Einige Autobiographien lassen Rückschlüsse auf das Erlernen von Sprachen vor dem Eintritt in den Militärdienst zu: Gabriel Albrecht von Erlach erwähnt, dass er vor seinem Eintritt in der Militärdienst einige Jahre in Lausanne bei Herrn Molin de Mantagni in Pension war, um zu studieren, wo er sicherlich auch Französisch lernte.235 Der Schwyzer Marc Anton Studiger verbrachte seine Jugend in Italien und Spanien, wo er die jeweiligen Landessprachen lernen sollte236 und Anton von Salis-Marschlins wurde von einem ehemaligen Mönch unterrichtet, der ihm rudimentäre Kenntnisse von Latein und Geschichte beibrachte.237 Während die Ausbildung als Haupttätigkeit des Militärs in Friedenszeiten dank ihrer alltags- bestimmenden Routine viel Platz in den Quellen einnimmt, 228 Johann Gottlieb Tielke: Unterricht für die Offiziers, die sich zu Feld-Ingenieurs bilden, 3. Aufl. Dresden 1779; ZBZH FA Hirzel 346.1 (22): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (14. November 1782). 229 BBB Mss.h.h.XXII.70 (4): Manuel, Gabriel, »Catalogue fait le 1.e Janvier 1746« (1746). 230 S¦bastien Le Prestre de Vauban (1633 – 1707), französischer General, Festungsbaumeister und Marschall von Frankreich. Bedeutender Militärarchitekt des 17. Jahrhunderts. 231 Menno van Coehoorn (1641 – 1704), niederländischer Artilleriegeneral, prägte den niederländischen Festungsbau. 232 ZBZH FA Hirzel 346.1 (22), (wie Anm. 228). 233 StALU PA 954 – 19622: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Vater (4. März 1731). 234 StAW Archives de la famille de Courten S¦rie B Cn6/1.1 (wie Anm. 162), S. 85 f. 235 StABE HA Spiez 89 (wie Anm. 151), S. 3. 236 StASZ PA 48, 1.2 (wie Anm. 156), S. 1. 237 StAZH W I 33a 9.1 (wie Anm. 152), S. 2.

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wurden andere militärische Tätigkeiten deswegen erwähnt, weil sie einen wichtigen symbolischen Charakter hatten. Der Wachdienst etwa war in Friedenszeiten die wichtigste Aufgabe der Truppe, die französische Schweizergarde etwa bewachte den Monarchen und die königlichen Residenzen.238 Daher erhielt die erste Wache den Charakter einer Initiation in den Soldatenstand, ein Übergang, welcher darüber hinaus in manchen Fällen durch bestimmte Rituale verdeutlicht wurde.239 Offiziere mussten einige Wachen als Soldat und als Unteroffizier leisten, ehe sie befördert wurden. Hans Kaspar Hirzel berichtete seiner Mutter stolz, dass er am 7. Juli 1781 das erste Mal als Korporal auf die Wache zog und deswegen einen Stock und vier Schnüre an der Uniform tragen durfte.240 Einige Offiziere erwähnten ihre erste Wache explizit in ihren Selbstzeugnissen, selbst jene, die kaum über alltägliche Pflichten schrieben.241 Tagebuchschreiber wie Gabriel Albrecht von Erlach oder Bernhard Ferdinand von Wattenwyl erwähnen regelmäßig die Revuen und Paraden, an denen sie mit ihren Truppen teilnahmen. Solche Veranstaltungen besaßen für die Armee einen sehr hohen Stellenwert, denn an ihrem tadellosen Ablauf und dem guten Eindruck der Beteiligten beurteilten Zeitgenossen den Wert eines Heeres.242 Außerdem hatten die Revues direkte Konsequenzen für die beteiligten Offiziere: Von der Zahl der gemusterten Soldaten hing ab, wie viel Geld der Hauptmann oder Oberst von seinem Dienstherren erhielt. Heerschauen waren im 18. Jahrhundert ferner öffentliche Anlässe, die in der Stadt auf dem Marktplatz oder nahe vor der Stadt auf einem Feld vor Zuschauern stattfanden.243 Die Manöver wurden von der Obrigkeit durchaus auch als Machtdemonstration eingesetzt, um die Bevölkerung einzuschüchtern. Hans Kaspar Hirzel schrieb am 7. September 1789 aus Grenoble, also knapp zwei Monate nach der Erstürmung der Bastille am 14. Juli, dass sein Regiment soeben mit Feuer exerziert habe. Er hoffe, dass dies auf die Zuschauer aus der Bürgerschaft Eindruck gemacht habe, »weil sie daraus haben abnehm[en] können, daß es ihnen wüst ergehen würde;

238 Hausmann, Suisses (wie Anm. 65), S. 297. 239 Winkel, Carmen, Eid, Uniform und Wachdienst: Initiationsrituale im frühneuzeitlichen Offizierskorps, in: Pröve, Ralf, Winkel, Carmen (Hrsg.), Übergänge schaffen. Ritual und Performanz in der frühneuzeitlichen Militärgesellschaft, Göttingen 2012, S. 23 – 44, hier S. 36. 240 ZBZH FA Hirzel 346.1 (9): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (7. Juli 1781). 241 StABE HA Spiez 89 (wie Anm. 151), S. 4; StAW Archives de la famille de Courten S¦rie B Cn6/1.1 (wie Anm. 162), S. 18; AEF Chroniques 60b (wie Anm. 150), S. [3]; StAW Fonds Guillaume de Kalbermatten R 27 (wie Anm. 142), S. 23; StAZG P 83: Landtwing, Johann Georg: »Auszug aus dem Tagebuch des Joh[ann] Georg Landtwing« [nach 1783], S. 12 [fol. 38]. 242 Luh, Kriegskunst (wie Anm. 202), S. 207. 243 Ebd., S. 202 f. Die Pont de Neuilly, wo das oben erwähnte Manöver der Schweizergarde stattfand, befindet sich in ca. 7,5 km Entfernung vom Zentrum von Paris.

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wan[n] sie sich jemahls in fahl sezen würden, daß man[n] in Ernst und mit Strenge sie zurechte weisen müßte.«244 Wie eingangs erwähnt, profitierten die Offiziere von relativ viel dienstfreier Zeit. Außerdem hatten sie in der Regel alle zwei Jahre Anrecht auf einen Heimaturlaub, der gewöhnlicherweise vom Herbst bis in das Frühjahr dauerte. Zu den Freizeitbeschäftigungen der Offiziere gehörte unter anderem Kegeln oder Musik spielen245 oder Lektüre und Ausritte in die nähere Umgebung.246 Je nach Standort trafen sich die Offiziere im Caf¦, um Wein oder Bier zu trinken und Billard zu spielen, oder besuchten ein »Maison de Boules«.247 Bälle und andere soziale Anlässen gehörten auch mit zum Zeitvertreib. Gabriel Albrecht von Erlach, der 1758 mit seiner Kompanie Wachdienst in Versailles leistete, nahm in der Silvesternacht im königlichen Palast an einem Ball teil, auf dem er sogar die Fürstin von Chimay an der Hand führen durfte.248 Am Dreikönigstag fand ein »Bal de l’opera«, statt, an dem von Erlach, als Frau verkleidet, ebenfalls anwesend war. Stolz berichtet er, dass er von niemandem erkannt wurde und mit dem Herzog von Orl¦ans »une asses plaisante avanture« hatte.249 Der Alkoholkonsum gehörte zur Freizeitgestaltung der Offiziere dazu, wie Hans Kaspar Hirzel freimütig einräumte: »[…] mein Herr Hauptmann liebt ein gut Glas Wein wie alle wakeren Militaire […].«250 Dass es dabei nicht immer nur bei wenigen Gläsern blieb, versteht sich von selbst. So gestand Hirzel seiner Mutter am 27. Januar 1783, dass es anderntags bei einem Fastnachtsball so hoch hergegangen sei, dass er immer noch einen Teil des vorhergehenden Abends im Kopf habe.251 Ganz so langweilig und trist, wie es die Offiziere beschreiben, kann also das Garnisonsleben, selbst in Korsika, nicht immer gewesen sein. Die feucht-fröhliche Freizeitgestaltung der Offiziere barg aber durchaus die Gefahr des ungebührlichen Verhaltens. Bei einem Empfang für die im Jahre 1792 aus Frankreich zurückgekehrten Offiziere des abgedankten Regiments von Wattenwyl erfreuten sich Bernhard Albrecht Stettler und seine Kameraden daran, Teller, Gläser, Flaschen und andere Gegenstände aus dem Fenster zu werfen.252 Sein Kommentar zu dieser Episode war, dass man sogar in Bern darüber sprach, und er als einer der Urheber des Unfugs erwähnt wurde.253 244 245 246 247 248 249 250 251 252 253

ZBZH FA Hirzel 346.1 (80): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (7. September 1789). ZBZH FA Hirzel 346.1 (50): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (6. Dezember 1785). BBB Mss.h.h.XLIII.11 (wie Anm. 141), S. 14. Ebd., S. 16. StABE HA Spiez 89 (wie Anm. 151), S. 9. Ebd. ZBZH FA Hirzel 346.1 (54): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (26. Juni 1786). ZBZH FA Hirzel 346.1 (25): (wie Anm. 176). BBB Mss.h.h.XLIII.11 (wie Anm. 141), S. 17. »On parla mÞme — Berne du tappage qui s’¦tait fait, et on eut la bont¦ de me citer com[m]e un des premiers auteurs.« BBB Mss.h.h.XLIII.11 (wie Anm. 141), S. 17.

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Gabriel Albrecht von Erlach und seine Offizierskameraden erhielten teilweise lange Arreststrafen, nachdem sie im Anschluss an ein Abendessen in der Garnison Lärm machten.254 Neben dem Alkohol gehörten auch Beziehungen zum weiblichen Geschlecht zu dieser Art der Unterhaltung, ein Thema, das von den Offizieren ziemlich freimütig behandelt wurde. 1761 schrieb ein Offizier namens Paris l’A„n¦ an Hauptmann Tobie de Castella, um diesen zu bitten, einem neuen Kadetten eine Fähnrichsstelle zu geben. Denn dadurch würde der Hauptmann nicht nur dem jungen Herren einen großen Dienst erweisen, sondern »vous gagneri¦s aussi par cela l’amiti¦ et le … [!] de sa plus jollie seure«. Paris erklärte weiter, dass Frauen und Mädchen für ihn selbst selbst nichts tun könnten, denn »toutes ces pieces sont pour les invalides, jl me reste que la bonne volont¦«.255 Im Übrigen seien die reichen und schönen jungen Damen von Freiburg genau so willig wie die »belles du tambour — Gotha«, allein ihr Anstand hindere sie daran, einem Kavalier Avancen zu machen. Wenn also Castella etwas mehr Mut zeigen würde, so könne er alles haben, was er wolle.256 Der Luzerner Offizier Karl Josef von Hertenstein erwähnt in einem Brief aus Courbevoie, einer vor Paris liegenden Garnison der Schweizergarde, seinem Freund Franz Bernhard Meyer von Schauensee gegenüber, dass er sich den Winter hindurch gut amüsiert habe, wobei er auf Frauengeschichten anspielt.257 Dieses Thema bleibt auch in den weiteren erhaltenen Briefen, die von Hertenstein und von Schauensee miteinander wechselten, aktuell.258 Der oben zitierte von Hertenstein war zum Zeitpunkt seines Schreibens gerade mal 18 Jahre alt, was auch eine Erklärung für sein gesteigertes Interesse an Frauen sein dürfte. 1731 schrieb ein unbekannter Fähnrich de Castella seinem Cousin Rodolphe de Castella (1705 – 1793), der später ein hochrangiger Offizier wurde, dass er nicht an dessen »conquettes« zweifle. Schließlich sei Rodolphe für den Genuss geschaffen und nur die Auswahl könne ihn verlegen machen. Der Verfasser zeigte sich seinerseits zufrieden mit dem Winterquartier in BesanÅon und versichert dem Empfänger »[…] que plusieurs de vos Messieurs y ont laiss¦ pour quelque tems leurs coeurs comme c’est de coutume aux officiers, nous serions bienheureuxs de pouvoir les remplacer.«259 Auch in Autobiographien wurde das Thema angesprochen. Bernhard 254 255 256 257

StABE HA Spiez 89 (wie Anm. 151), S. 12. KUB A–916/54: Paris l’Ain¦, An Tobie de Castella (1. September 1761). Ebd. StALU PA 664 – 189: Korrespondenz Franz Bernhard Meyer von Schauensee, Hertenstein, Karl Josef Franz Xaver von, An Franz Bernhard Meyer von Schauensee (18. April 1782). 258 StALU PA 664 – 189: Korrespondenz Franz Bernhard Meyer von Schauensee, Hertenstein, Karl Josef Franz Xaver von, An Franz Bernhard Meyer von Schauensee (12. November 1782); Hertenstein, Karl Josef Franz Xaver von, An Franz Bernhard Meyer von Schauensee (26. November 1782). 259 KUB A–200: de Castella, An Rodolphe II. de Castella (1705 – 1793), (17. Dezember 1731).

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Albrecht Stettler gesteht, dass er eines Tages in Abwesenheit seines Hauptmanns dessen Freundin (»petite maitresse«) aufsuchte, wobei sich, trotz angeblich unschuldiger Absichten Stettlers, eine Dynamik entwickelte, der erst das Auftauchen des Hausdieners ein Ende setzen konnte.260 Stettler offenbart auch, dass er in seinem Heimaturlaub 1793 in Bern mit seinen Freunden regelmäßig Prostituierte aufsuchte und sich am Ende mit einer Geschlechtskrankheit ansteckte.261 Es fällt auf, dass Frauen in den Texten der Offiziere vor allem als Objekte der sexuellen oder romantischen Eroberung vorkommen. Solche Eroberungen dienten als Bestätigung der eigenen Männlichkeit und bekräftigten, zusammen mit dem oben beschriebenen rüpelhaften Verhalten, möglicherweise auch darüber hinaus die eigene (männliche) Ehre als Offizier und eine Abgrenzung zur bürgerlichen Bevölkerung.262 Eine Ausnahme von diesem Frauenbild stellte, nicht überraschenderweise, die eigene Mutter dar, welche die Autoren mit Bezeugungen ihre besondere Liebe ehrten (obwohl häufig posthum)263 und sonst als fürsorglich beschrieben.264 Die Ehefrau opferte sich ebenfalls mit Hingabe für ihren Mann auf265 und machte diesem nie Vorwürfe wegen seiner häufigen Abwesenheit.266 Dass Frauen mitunter als »Geschäftsführer« ihrer Ehemänner und Verwandten in der Heimat agierten und damit durchaus eine wichtige Stellung im Söldnerwesen besaßen, kommt in den Selbstzeugnissen allerdings nicht direkt zur Geltung.

5.2

Finanzielles

In der Korrespondenz der Söldneroffiziere sind finanzielle Angelegenheiten, oft in der Form von Bitten um Geld, ein wiederkehrendes Thema. Im seinem ersten überlieferten Brief aus Argenteuil, einer Garnison der Schweizergarde in einem 260 BBB Mss.h.h.XLIII.11 (wie Anm. 141), S. 19. 261 Ebd., S. 29 u. 30. 262 Vgl. in diesem Zusammenhang die bewusst deviante Studentenkultur des 17. und 18. Jahrhunderts, die sich auch durch »übermäßigen Alkoholkonsum, Gewalt […] und Hurerei« auszeichnete. Füssel, Marian, Akademischer Sittenzerfall? Studentenkultur vor, in und nach der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, in: Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit 15 (2011), H. 1, S. 124 – 146, hier S. 128. 263 StABE HA Spiez 89 (wie Anm. 151), S. 56; StAZH W I 33a 9.1 (wie Anm. 152), S. 4. 264 Zentralbibliothek Solothurn S I 345/5 (wie Anm. 140), S. [29]; ZBZH Rh. hist. 50: Du Fay de la Vallaz, Martin, »Biographie Oder Lebens-Beschreibung R[everendus] P[ater] Martini du Fay De Lavallaz, Ord[o] S[ancti] C. [?] B[enedicti] Professi et Capitularis in Principali Monasterio Einsidlensi. Von ihm selbsten beschrieben; und aufgeführt 1799« (1799), S. [486]. 265 StAW Archives de la famille de Courten S¦rie B Cn6/1.1 (wie Anm. 162), S. 136. 266 StAZH W I 33a 9.1 (wie Anm. 152), S. 47.

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Militärdienst in Friedenszeiten

Vorort von Paris, beklagte sich Karl Andreas Schnyder von Wartensee 1726, dass Wein, Brot und Fleisch sehr teuer seien.267 Drei Jahre später drohte er seinen Eltern, den Dienst zu quittieren, falls er kein Geld erhalte, denn er könne mit seinen Kleidern nicht mehr vor die Kompanie treten.268 Am Anfang des Jahres 1734 bat er seinen Vater nochmals um Geld und ein Pferd für den kommenden Feldzug.269 Die Briefe von Hans Kaspar Hirzel geben ein ähnliches Bild ab. Am 8. Juli 1783 bat er seine Mutter aus Corsaccio auf Korsika, ihm frische Wäsche zu schicken, da seine Hemden und Strümpfe in schlechtem Zustand seien, und er sich auf der Insel keine neuen leisten könne.270 Ein Jahr später teilte er seiner Mutter mit, dass ein verwandter Offizier seine, also Hans Kaspars, Schulden und Rechnungen bezahlt habe.271 Als Hirzels Regiment im Jahre 1788 nach Grenoble marschieren musste, und der Offizier außerdem noch krank war, brachte das seine Finanzen völlig aus dem Lot. Verzweifelt bettelte er seine Mutter an, seinen Vater günstig zu stimmen: »Ich hoffe der l[iebe] Papa werde sich meine Armuths Umstände wovon ich im lezten Brief einen Anzug gethan, haben zu Herzen gehen laßen […]. Dieses wollte ich aber alles bey¨nahe selbst bestritten haben; wan[n] jez [!] nicht nach 2 lange Märsche dazu gekommen, während welcher Zeit man[n] uns die Appointements zurük hält , pour payer les frais de la route, tel que le transport des equipages, les chevaux d’ordonances, l’etappe etc etc etc. Deßen ohngeachtet gibts auf dem Marsch selbst eint und anders, dan[n] wieder bis man[n] ein quartiert ist, was man[n] nothwendig hatt an Meubles etc, enfin Sie werden selbst einsehen können, daß mein Beütel vor dieses zu leicht und zu schwach ist. Jch hoffe Sie werden diese meine traurigen Umstände den l[ieben] Papa wißen zu Gemüthe zu führen, um Jhn Zu bewegen, dem Unglük [entgegen, M. H.] zu stüren. Punktum!«272

Solche Klagen und Bitten waren im 18. Jahrhundert keineswegs außergewöhnlich. Die Subalternoffiziere, das heißt die Fähnriche und Leutnants, konnten von ihrem Sold kaum leben.273 Gründe dafür waren die Ausgaben für eine standesgemäße Ausrüstung, also die Uniform, Waffen und gegebenenfalls ein Pferd, sowie für soziale Anlässe.274 So bat etwa Schnyder von Wartensee auch deshalb 267 StALU PA 954 – 19622: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Vater (19. Oktober 1726). 268 StALU PA 954 – 19622: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Vater (24. April 1731). 269 StALU PA 954 – 19622: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Vater (17. Januar 1734). 270 ZBZH FA Hirzel 346.1 (28): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (8. Juli 1783). 271 ZBZH FA Hirzel 346.1 (38): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (7. September 1784). 272 ZBZH FA Hirzel 346.1 (68): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (16. Juni 1788). 273 Bührer, Zürcher (wie Anm. 14), S. 125. 274 Ebd., S. 124 ff.; Gugger, Rudolf, Finanzierung der Ausbildung eidgenössischer Subalternoffiziere in Preussen am Ende des 18. Jahrhunderts, in: Furrer, Dubois, Gente ferocissima (wie Anm. 16), S. 127 – 136, hier S. 129 ff.

Finanzielles

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um Geld, weil er hin und wieder mit seinen Kameraden einen Ausflug machen wollte. Denn, so sein Argument, er wolle nicht als Trampel oder Hasenfuß angesehen werden: »[…] il seroit vilain de faire le nigau[d] ou le poltron.«275 Die Tatsache, dass besonders die jungen Offiziere mehr Geld benötigten, als sie zur Verfügung hatten, blieb auch den Zeitgenossen nicht verborgen. Dominique Dubois-Cattin, ein jurassischer Offizier im Regiment de Diesbach, gestand freimütig, dass ein Kadett leben, sich kleiden und Geld ausgeben müsse wie ein Offizier, allerdings ohne dessen Sold.276 Nicht selten wurden Geldprobleme mit einer liederlichen Lebensführung in Verbindung gebracht. Diese Einschätzung war nicht ganz falsch, denn gerade die als Zeitvertreib beliebten Kartenspiele konnten bei einem jungen Offizier zu Schulden führen.277 Bernhard Albrecht Stettler erwähnt in seiner Autobiographie an mehreren Stellen, dass er in seiner Freizeit um Geld spiele.278 Um etwaige Vorurteile seitens der Geldgeber zu entschärfen, waren die Bitten um Geld häufig mit Beteuerungen einer bescheidenen Lebensführung verbunden. Karl Andreas Schnyder von Wartensee betonte in seinem Brief vom 24. April 1734,279 dass er sein Geld nicht zum Spielen oder gar für Essen und Trinken ausgebe. Hans Kaspar Hirzel erklärte seinen Eltern, dass er in seinem Urlaub gerne mit einem Herren Junker von der Meiss nach Rom fahren würde. Jedoch nicht um »was man[n] heist lustig zu machen«, sondern einzig und allein um sich zu bilden. Er bat daher seine Eltern um einen Zuschuss für die Reise – dies sei nützlich investiertes Geld.280 Bernhard Albrecht Stettler erklärte in seinem Tagebuch, dass die »repr¦sentations amicales« seiner Eltern zu mehr Sparsamkeit und Ordnung in finanziellen Dingen geführt hätten.281 Dies hinderte ihn allerdings nicht daran, einige Seiten später zu gestehen, dass er im Winterquartier in Ceva 300 Franken beim Spiel verloren habe. Diese Summe dürfte dem damaligen Jahressold eines Stabsoffiziers entsprechen.282 Als Karl Andreas Schnyder von Wartensee schließlich derjenige wurde, 275 StALU PA 954 – 19622: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Vater (24. Juni 1728). 276 Dubois-Cattin, Dominique-Hubert-Joseph, Correspondance du capitaine DominiqueHubert-Joseph Dubois-Cattin pendant la Guerre de Sept-Ans. GenÀve 1919, S. 193 f. 277 Gugger, Finanzierung (wie Anm. 274), S. 129 ff. 278 BBB Mss.h.h.XLIII.11 (wie Anm. 141), S. 14, 16 u. 34. 279 StALU PA 954 – 19622 (wie Anm. 268), (24. April 1734). 280 ZBZH FA Hirzel 346.1 (24): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Eltern (23. Dezember 1782). 281 BBB Mss.h.h.XLIII.11 (wie Anm. 141), S. 38. 282 Gemessen an den Ansätzen in französischen Diensten. Ein Aide-Major im Hauptmannsrang erhielt in Kriegszeiten 200 Livres jährlich, was den 300 Franken entsprach. Körner, Martin u. a., Währungen und Sortenkurse in der Schweiz 1600 – 1799, Lausanne 2001, S. 82; StABE B II 1047: Capitulation Pour Le R¦giment Suisse De La R¦publique de Berne, au Service de S[a] M[ajest¦] T[rÀs] C[hr¦tien] Command¦ aujourd’hui par M[onsieur] D’Erlach, Berne Imprim¦ chez Dan. Brunner & Alb. Haller DCCLXIV [1764], Art. XVI.

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welcher andere Familienmitglieder unterstützen musste, findet sich in seinen Briefen eine Kombination aus Appellen an Sparsamkeit und maßvolles Verhalten einerseits und gelegentlichen Drohungen, kein Geld mehr zu schicken, andererseits. Es zeigt sich jedoch, dass solche Drohungen in der Praxis fast keine Wirkung hatten. Karl Andreas schrieb in den Briefen an seinen Bruder Georg Johann oft über ihren jüngeren Bruder Franz Lüdy (Ludwig, 1728 – 1767), der Kadett im Schweizer Regiment Buch in Spanien war.283 Die Korrespondenz zwischen Karl Andreas und Georg Johann über den gemeinsamen Bruder war von Klagen über seinen angeblich schlechten Umgang mit Geld geprägt. Trotzdem unterstützten sie ihn immer wieder finanziell. 1755 erklärte Karl Andreas umständlich, dass Franz Ludwig lernen müsse, mit Geld umzugehen. Sonst sei dieser zwar in jungen Jahren ein Herr, dafür im Alter aber ein Bettler.284 Karl Andreas fuhr in seiner Belehrung fort, indem er erläuterte, dass viele Offiziere, die sich amüsierten anstatt zu Hause zu bleiben, deswegen ihre Ausgaben nicht mehr begleichen könnten und gezwungen seien, den Dienst aufzugeben.285 Als Franz Ludwig nach überstandener Krankheit zur weiteren Genesung zurück in die Schweiz reisen wollte, schrieb Karl Andreas, dass die Luft in der Schweiz nicht so viel besser sei, als dass dies die hohen Reisekosten rechtfertige. Weiter heißt es in dem Brief: »Der Bruder [in Spanien – M. H.] schreibt mir die Gesundheit sey¨e über Gelt, antwortte ihm, ia wan man es habe.«286 Ein Jahr später klagte Karl Andreas darüber, dass sich Franz Ludwig aus Spanien nur melde, wenn er Geld brauche.287 Dennoch war Karl Andreas 1760 damit einverstanden, dass Franz Ludwig Geld für seine Ausrüstung erhielt, nur um ein Jahr später erneut darüber zu klagen, dass jener nicht mit Geld umgehen könne.288 Und einige Monate später griff Karl Andreas wiederum seinem Bruder, der bei einem anderen Offizier Geld aufgenommen hatte, finanziell unter die Arme.289 Um der Gefahr vorzubeugen, dass die jungen Männer in Versuchung geraten konnten, ihr Geld allzu leichtfertig auszugeben, wurden auf der Seite der Geld283 Liebenau, Theodor von, Die Familie Schnyder von Wartensee in Sursee und Luzern. Historische Notizen mit 13 Stammtafeln und 13 Abbildungen, bearbeitet von Staatsarchivar Dr. Th. von Liebenau, Luzern 1906, Tafel VII. 284 StALU PA 954 – 19623: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (30. Mai 1755). 285 StALU PA 954 – 19623: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (30. Mai 1755). 286 StALU PA 954 – 19623: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (4. Dezember 1758). 287 StALU PA 954 – 19623: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (23. September 1759). 288 StALU PA 954 – 19623: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (13. Februar 1761). 289 StALU PA 954 – 19623: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (1. Mai 1761).

Finanzielles

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geber, also der Eltern oder anderer Familienmitglieder, genaue Informationen über die Verwendung des Geldes verlangt. Karl Andreas Schnyder von Wartensee informierte in seinem ersten Brief seine Eltern darüber, dass er monatlich vier Franken für seine Unterkunft zahle.290 Aus dem Jahr 1727 hat sich eine Abrechnung seiner Ausgaben erhalten, die er seinen Eltern zukommen ließ (Abbildung 5). So erfährt man, dass seine Ordonnanz-Uniform mit über 261 Livres zu Buche schlug, auf dem Blatt findet sich die bekannte Beteuerung, dass alles sehr teuer sei, man aber trotzdem gut ausgerüstet sein müsse.291 Anderen Offizieren ging es ähnlich: Hans Kaspar Hirzel musste seine Mutter darüber informieren, wo er seine Mahlzeiten zu sich nahm, welche Speisen er zu welchem Preis erhielt, und er entschuldigte sich während seines ersten Jahrs in Korsika bei seinen Eltern für einen Fehler in seiner Kostenabrechnung.292 Viele Offiziere notierten auch einfach zur besseren Übersicht über ihre Finanzen ihre Einnahmen und Ausgaben in ihren Tagebüchern oder verwalteten sie in einem separaten Dokument, wie Franz Martin Schmid, Hauptmann im Regiment de Castella in Frankreich, der zwischen 1787 und 1789 in seinem Rechnungsbuch die Kosten für einen Uniform-Hut oder die Reinigung seiner Zähne festhielt oder Balthasar Perini, der in seinem Tagebuch immer wieder seine Ausgaben aufführte, beispielsweise im März 1781 für Bettwäsche, Mahlzeiten, einen Diener oder einen Perückenmacher.293 Doch Geld war nicht bloß zur Bestreitung des Lebensunterhaltes unabdingbar. Wollte ein Offizier die Karriereleiter ersteigen, waren hohe finanzielle Mittel meistens ebenfalls nötig. Obwohl es aufseiten der politischen und auch militärischen Führung ungern gesehen wurde, herrschte in vielen Armeen ein Handel mit Offiziersstellen, bei denen der Kaufpreis oft als eine Form von Rente deklariert wurde, die dem abtretenden Offizier von seinem Nachfolger bezahlt wurde.294 Karl Andreas Schnyder von Wartensee erklärte am 13. Februar 1762 seinem Bruder, dass eine Offiziersstelle in seiner Kompanie für seinen Neffen Karl frei wäre, sie koste aber 100 Louis d’or.295 290 StALU PA 954 – 19622 (wie Anm. 267), (19. Oktober 1726). 291 StALU PA 954 – 19622: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Abrechnung (24. März 1727?). 292 ZBZH FA Hirzel 346.1 (30): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (27. Oktober 1783); FA Hirzel 346.1 (12): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (17. September 1781). 293 StAUR P 7/71 2: Schmid von Uri (1428 – 1990), (wie Anm. 156); StAGR Familienarchiv Perini A Sp III 12b Nr. 17d: Perini, Balthasar, Tagebuch (1781 – 1789), S. [2]. 294 Bührer, Zürcher (wie Anm. 14), S. 127. 295 StALU PA 954 – 19623:Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (13. Februar 1761). 100 Louis d’or entsprachen 1761 ca. 2000 Livres, fast zwei Drittel des Jahressolds (3600 Livres) eines Schweizer Hauptmanns in Frankreich in Friedenszeiten. StABE B II 1047 (wie Anm. 282), Artikel XVI.

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Abbildung 5: PA 954 – 19622, Abrechnung aus dem Jahr 1727, Staatsarchiv Luzern

Eine eigene Einheit war sogar noch teurer : Anton von Salis-Marschlins musste 1761 seinem Cousin, Karl Ulysses von Salis-Maienfeld (1707 – 1777), 60.000 Livres bezahlen, um dessen Regiment in französischen Diensten (95. Infanterieregiment) zu übernehmen. Darüber hinaus musste er seinem Cousin den ausbleibenden Sold des Jahres 1762 erstatten und ihm eine jährliche Pension von 4.000 Livres versprechen.296 Doch auch nach der Beförderung fielen unter Umständen noch Kosten an. Gabriel Albrecht von Erlach schreibt in seiner Autobiographie, dass sein Onkel am 24. März 1762, nach seiner offiziellen Vorstellung als neuer Kommandant des Berner Regiments, allen Offizieren ein Mahl spendierte.297 Gabriel Albrecht selbst lud einige Tage später auch alle Offiziere zu einer Mahlzeit ein, was ihn nach eigenen Angaben 777 Pfund kostete.298

296 StAZH W I 33a 9.1 (wie Anm. 152), S. 14. 297 StABE HA Spiez 89 (wie Anm. 151), S. 99. 298 Ebd., S. 100.

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Die Texte der Schweizer Söldneroffiziere zeigen, dass die Männer nicht nur militärische Themen im Kopf hatten, sondern dass viele unter ihnen neugierige und aufmerksame Beobachter ihrer Umwelt waren. Dazu gehörte ein ausgeprägtes Interesse an Landwirtschaft und Klima der unbekannten Gegenden, welche die Offiziere im Ausland entdeckten. Karl Andreas Schnyder von Wartensee berichtete regelmäßig Vater, Bruder Mutter oder Schwägerin vom Wetter in seiner Garnison, von außergewöhnlichen Kälteperioden, von der Qualität der Ernte oder über den Preis von Brot. Gleichzeitig erkundigte er sich nach der Ernte in seiner Heimatstadt Sursee.299 Hans Kaspar Hirzel erzählte seiner Mutter, dass er zusammen mit einem Kameraden bei ihrer Unterkunft einen Garten pflege und berichtete im Frühling 1782 stolz, dass viele Pflanzen darin blühten, und einige Früchte schon reif seien.300 Wie schon Schnyder von Wartensee, berichtete der junge Zürcher vom ungewohnten Wetter, erkundigte sich in seinen Briefen nach der Ernte in seiner Heimat und dem Garten seiner Familie.301 Immer wieder wies er dabei fasziniert auf die Fruchtbarkeit Korsikas hin. Im Juli 1781 waren bereits Äpfel, Birnen, Aprikosen und Feigen reif.302 Und auch im Juni 1782 schrieb Hans Kaspar, dass viele Früchte schon fast reif seien und dass die Offiziere seit einer Weile Gurken äßen.303 In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nehmen in den Selbstzeugnissen die Beschreibungen der »unberührten« Natur und die Gefühle des Betrachters zu. Das korrespondiert mit den damals vorherrschenden intellektuellen Strömungen in Europa. Der israelische Historiker Yuval Harari betont auch, dass um 1800 in militärischen Schriften die Beschreibung der Natur und der Landschaft,

299 StALU PA 954 – 19622: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Vater (24. April 1731); Karl Andreas an seinen Vater (27. März 1739); Karl Andreas an seinen Bruder (5. September 1745); Karl Andreas an seinen Bruder (31. Juli 1751); Karl Andreas an seine Schwägerin (21. April 1742); Karl Andreas an seine Mutter (23. September 1740). 300 ZBZH FA Hirzel 346.1 (17), (wie Anm. 227). 301 ZBZH FA Hirzel 346.1 (11): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (7. September 1781); FA Hirzel 346.2: Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Schwester Susanne, seinen Bruder Heinrich und seinen Bruder Konrad (3. Juni 1781); FA Hirzel 346.1 (16): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (3. Januar 1782); FA Hirzel 346.2: Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seinen Bruder (Heinrich?), (15. Juni 1782); FA Hirzel 346.1 (21): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (20. September 1782); FA Hirzel 346.1 (28): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (8. Juli 1783). 302 ZBZH FA Hirzel 346.1 (9): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an Mutter und Bruder (7. Juli 1781). 303 ZBZH FA Hirzel 346.1 (20), (wie Anm. 179).

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in welcher der Krieg stattfand, in Erfahrungsberichten wichtig wird.304 In einem Brief an seine Schwester, die spätere Porträtmalerin Susanne Hirzel-Ott (1769 – 1858), schreibt Hans Kaspar Hirzel von der Wichtigkeit der »Empfindung« und deutet an, dass Kunst aus der Beobachtung und Wiedergabe von Gefühlen bestehe, die etwa ein aufmerksamer Zeitgenosse durch die genaue Beobachtung der Natur entdecken könne. Hirzel bezieht sich dabei auf die Schriften des Zürcher Malers und Schriftstellers Salomon Gessner (1730 – 1788).305 In seinem ersten Brief aus Korsika erzählte Hirzel freudig, dass sein lange gehegter Wunsch, auf dem Meer zu fahren, erfüllt worden sei. Der 17-jährige Kadett zeigt sich beeindruckt von der mediterranen Flora und Fauna seines Garnisonsorts am Mittelmeer. Im selben Brief von der Insel berichtete er seinem Bruder des Weiteren von Schafen mit vier Hörnern und dicken Schwänzen sowie von einem Wildschwein, das immer beim Mittagessen der Offiziere auftauche.306 Hirzel beschrieb die Früchte und Gemüse, die er in Korsika vorfand,307 vor allem die ihm unbekannten Gewächse wie etwa Erdbeerbäume und Auberginen, die er auf der Insel zum ersten Mal sah.308 Doch die See hatte es dem jungen Zürcher offenbar besonders angetan. Hirzel schrieb, dass man das Meer mit eigenen Augen gesehen haben müsse, um sich eine Vorstellung seiner Faszination zu machen: »Da ist es schlechter dings unmöglich das schöne majestätische und erhabene dieses Schauspiels der Nathur sich vorzustellen, ohne selbiges gesehen zu haben, und ich beneide unsere Herren sehr, welche das Glük haben, täglich zu schauen diese merk würdige Nathur Begebenheiten, zu sey¨n.«309

Hirzel war regelrecht gebannt von den wechselnden Zuständen des Meeres, das zunächst glatt und friedlich sei, sich dann aber wild auftürme und gegen die Felsen schmettere. Er bewunderte in seinem Brief den Mut und die Innovationskraft der Menschen, die entweder in kleinen Booten um ihres Fangs willen den Fluten trotzten oder mithilfe ihres technischen Könnens Schiffe bauten, die Güter aus fernen Ländern transportierten.310 Als Hirzel an der französischen Mittelmeerküste stationiert war, übten Handelsschiffe aus Übersee einen großen Reiz auf den Zürcher, der nunmehr Offizier war, aus. Auf einem Schiff aus Amerika erfreute sich Hirzel an einem »lustigen« Papagei und einem »aller304 Harari, Experience (wie Anm. 157), S. 207. 305 ZBZH FA Hirzel 346.1 (63): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter/Schwestern (2. November 1787). 306 ZBZH FA Hirzel 346.2 (wie Anm. 301), (3. Juni 1781). 307 ZBZH FA Hirzel 346.1 (16): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (3. Januar 1782). 308 ZBZH FA Hirzel 346.1 (14): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (2. November 1781). 309 ZBZH FA Hirzel 346.1 (40): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (16. Mai 1785). 310 ZBZH FA Hirzel 346.1 (53): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter/Schwester (10. Mai 1786).

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liebsten« Äffchen, der wie ein Matrose durch die Takelage geklettert sei.311 Auch die in Collioure ankernden englischen Linienschiffe faszinierten den Offizier. Hirzel war beeindruckt von der Größe und Technik dieser »schwimmenden Gebäude«. Umso erstaunlicher fand er die Tatsache, dass das Meer mit den Schiffen wie mit einem Ball spiele.312 Bernhard Albrecht Stettler zeigte sich auf einer Reise an die ligurische Küste 1795 vom Anblick des mit englischen Kriegsschiffen übersäten Meeres entzückt.313 Im Hafenstädtchen Vado Ligure erhielt er sogar die Gelegenheit, das englische Linienschiff »Agamemnon« zu besuchen. Das Schiff weckte zwar sein Interesse, doch er beklagt sich über den Empfang des Kapitäns, der kaum ein Wort mit ihm gesprochen habe und ihn durch einen Schiffsjungen über das Schiff habe führen lassen.314 Bei diesem unhöflichen englischen Kapitän handelte es sich übrigens um den berühmten Seekriegshelden Horatio Nelson.315 Die großen Städte Europas und ihr kultureller Reichtum machten auf die Schweizer Offiziere ebenfalls einen tief greifenden Eindruck. In Wien besuchte Frid¦ric de Diesbach die Paläste des Prinzen Eugen. Das Belvedere nennt er eines der vornehmsten Häuser Europas, der Prinz habe außerdem in diesem Palast eine der schönsten und seltensten Menagerien, die es zu sehen gebe.316 LouisFranÅois Guiguer de Prangins (1741 – 1786), ein Waadtländer Offizier der Schweizergarde, schwärmte gegenüber seinem Hauptmann, Beat Fidel Zurlauben, von den antiken Kunstwerken, die er während seines Wachdienstes im Palast von Versailles gesehen hatte. Er bedauerte, dass Zurlauben als aufgeklärter Beobachter (»observateur eclair¦«) nicht anwesend gewesen sei, denn er selbst habe als Gaffer nur gestaunt und nichts begriffen.317 Hans Kaspar Hirzel nutzte 1784 den Marsch seines Regiments von Toulon nach B¦ziers, um auf dem Weg in N„mes das gut erhaltene römische Amphitheater und das Maison Carr¦e, einen römischen Tempel aus dem ersten Jahrhundert, zu bestaunen. Besonders die Bauweise der Römer machte auf ihn Eindruck: Die Steine seien ohne Kalk »gar kunstlich mit eißernen Klam[m]eren […] auf einander geheftet«.318 Im Winter 1784/1785 war Hirzel in Zürich im 311 ZBZH FA Hirzel 346.1 (51): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (17. Januar 1786). 312 ZBZH FA Hirzel 346.2: Hirzel, Hans Kaspar, An seinen Bruder Heinrich (19. Februar 1788). 313 »[…] je fus ravis du coup d’oeil de la mer ; ces rivages ¦taient alors couverts de vaisseaux anglais […].« BBB Mss.h.h.XLIII.11 (wie Anm. 141), S. 38. 314 Ebd., S. 39. 315 Ebd. Nelson operierte mit der »Agamemnon« im Herbst 1795 von Genua aus. »Horatio Nelson, 1st Viscount Nelson«, in: Wikipedia. The Free Encyclopedia, http://en.wikipedia.org/wiki/Horatio_Nelson,_1st_Viscount_Nelson, 18. 04. 2012. 316 AEF Chroniques 60b (wie Anm. 150), S. [34]. 317 KBAG AH 185/28: Guiguer de Prangins, Louis FranÅois, An Beat Fidel Zurlauben (20. April 1760). 318 ZBZH FA Hirzel 346.1 (36): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (12. Juni 1784).

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Urlaub. Auf der Rückreise nach B¦ziers machte er mit seinen Kameraden im ehemaligen Schloss Voltaires, im heutigen Voltaire-Ferney, halt, wo Hirzel das Grab des Schriftstellers besichtigte und dazu bemerkte, dass er bei »Professor Usteri«, also bei Leonhard Usteri (1741 – 1789), Professor am Collegium humanitatis in Zürich, bereits eine Zeichnung davon gesehen habe.319 In Grenoble, seinem letzten überlieferten Garnisonsort, besuchte Hirzel die öffentliche Bibliothek. Neben den kostbaren und seltenen Büchern gefielen ihm dort besonders die ausgestopften exotischen Vögel im Naturalienkabinett. Hirzel erwähnte anerkennend, dass jeder die Bibliothek benutzen dürfe, es seien Arbeitsplätze vorhanden, und es würden Tinte, Feder und Papier kostenlos für Notizen zur Verfügung gestellt.320 Sigmund von Wattenwyl nutzte 1793 seine Rückreise in die Schweiz zu einem Abstecher nach Brüssel und Antwerpen, um die dortigen Sehenswürdigkeiten zu genießen. In Brüssel gefiel ihm die Oberstadt mit dem Parc Royal, der von Stadthäusern umgeben sei, die aber mehr wie Paläste erschienen. Die Unterstadt bestehe dagegen aus engen, dreckigen und steilen Straßen. In Antwerpen verbrachte von Wattenwyl einen Teil seines Tages damit, die Tafelgemälde in den Kirchen zu besichtigen. Er erwähnt drei Gemälde von Peter Paul Rubens besonders: die Kreuzaufrichtung, die Kreuzabnahme und ein Autoporträt in der Grabkapelle des Künstlers.321 Hans Kaspar Hirzel interessierte sich auch für technische Geräte. Anfang des Jahres 1784 fragte er seine Mutter, ob sie ihm »einige weitläuffigere Beschreibung von dem Globe Aerostatique verschaffen könten welches zu Paris mit so gutem Erfolg construiert worden ist.« Er schreibt, er wisse, dass man Ballone mit einem Gas füllen könne, welches »anvermittelst Vitriol Öhl und Feilenspänen zuwegen gebracht wird«, möchte aber genauer erfahren, ob das beim oben erwähnten Ballon auch der Fall gewesen sei.322 Hirzel bezieht sich hier vermutlich auf Wasserstoffgas, dass aus Eisenspänen und Schwefelsäure erzeugt werden kann. Ein solches Gas wurde offenbar tatsächlich am 1. Dezember 1783 beim ersten bemannten Flug eines Gasballons verwendet.323 Ralf Pröve hat auf die Bedeutung, welche das Militär für den innereuropäischen Austausch von Gedanken und Waren besaß, aufmerksam gemacht.324 Und auch im Zusammenhang mit dem Schweizer Solddienst wird immer wieder auf 319 320 321 322 323

ZBZH FA Hirzel 346.1 (39): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (7. Mai 1785). ZBZH FA Hirzel 346.1 (76): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (10. Juni 1789). BBB FA von Wattenwyl A 14 (wie Anm. 164), S. 90. ZBZH FA Hirzel 346.1 (32): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (4. Januar 1784). »Ballon«, in: Wikipedia, die freie Enzyklopädie, http://de.wikipedia.org/wiki/Ballon#Geschichte, 25. 05. 2014. 324 Pröve, Ralf, Unterwegs auf Kosten der Kriegskasse. Formen des sozialen Kulturtransfers im Europa des 18. Jahrhunderts, in: Pröve, Ralf, Lebenswelten. Militärische Milieus in der Neuzeit; gesammelte Abhandlungen. Herausgegeben von Bernhard R. Kroener, Berlin u. a. 2010, S. 150.

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den wichtigen kulturellen Einfluss, der von zurückgekehrten Söldnern ausging, hingewiesen.325 In den Selbstzeugnissen der Offiziere finden sich zahlreiche Hinweise auf einen regen Austausch von zuvor offenbar unbekannten beziehungsweise »exotischen« Kulturgütern. In einem Brief vom 7. Juli 1781 schreibt Hirzel seiner Mutter, dass die Samen, die er aus Zürich nach Corte, einem Ort im Landesinneren von Korsika, mitgebracht habe, hier leider nicht sprießen würden, jedoch solche, die er von anderen Offizieren erhalten habe. In seinem Brief vom 19. Juni 1782 schickte Hirzel seinem Onkel Saatgut mit,326 und zwei Monate später sandte er seiner Mutter Samen von »Chycor¦«, »Barbe de capucin« und »Salade Romaine« – mit Anweisungen, wann sie gepflanzt werden müssten.327 Auch Karl Andreas Schnyder von Wartensee versprach seinen Verwandten häufig Samen aus Frankreich. In einem undatierten Brief, der aber vermutlich im Frühjahr 1731 verfasst wurde, kündigte Karl Andreas an, dass er einem Wachtmeister, der nach Olten gereist sei, 25 verschiedene Sorten Blumensamen, darunter Blumenkohl für die Mutter und Blumen für die Schwester, mitgegeben habe. Karl Andreas gibt auch genaue Anweisungen, wo, wann und wie die Samen gesät werden müssen.328 Sein Bruder wünschte sich 1756 sogar einen Mandelbaum aus Frankreich, doch Karl Andreas befürchtete, dass die Pflanze auf der Reise austrocknen würde, und bot ihm dafür Mandelkerne an, die in sandiger und trockener Erde gut gedeihen würden.329 Der Austausch von fremden oder zuvor unbekannten Gewächsen machte sich an manchen Orten der Eidgenossenschaft bemerkbar. Martin Bundi schreibt, dass dank der Söldner um 1700 in Graubünden Gewächshäuser entstanden, in denen nach französischem und holländischem Vorbild Pflanzen wuchsen.330 Neben Blumensamen wurden Luxuswaren und Kolonialgüter in die Schweiz geschickt, landwirtschaftliche Produkte fanden dagegen ihren Weg in das Ausland: Karl Andreas Schnyder von Wartensee ließ seinen Verwandten aus Paris sowohl Karmelitergeist wie auch bestimmte Bücher zukommen,331 ferner 325 Zum Beispiel bei: Eyer, Neapel (wie Anm. 68), S. 44 ff.; Disch, Titlisfuss (wie Anm. 19), S. 65; Bundi, Martin, Bündner Kriegsdienste in Holland um 1700. Eine Studie zu den Beziehungen zwischen Holland und Graubünden von 1693 bis 1730, Chur 1972, S. 129. 326 ZBZH FA Hirzel 346.1 (20): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (19. Juni 1782). 327 ZBZH FA Hirzel 346.1 (21): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (20. September 1782). 328 StALU PA 954 – 19622: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Vater (ohne Datum). 329 StALU PA 954 – 19623: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (12. Februar 1756). 330 Bundi, Bündner (wie Anm. 325), S. 129. 331 StALU PA 954 – 19622: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Vater (19. Juni 1733); Karl Andreas an seinen Vater (1. August 1733); Karl Andreas an seinen Vater (17. Januar 1734);

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auch Arzneien332 oder Tabak.333 Hans Kaspar Hirzel bestellte aus Collioure, einer Garnisonstadt an der spanischen Grenze, spanischen Tabak für seinen Vater.334 Ein Neffe von Karl Andreas, Georg Karl Schnyder von Wartensee, bat seinen Bruder im Gegenzug für eine Lieferung Wein um eine »certaine quantit¦ du bon beure d’entlibouch«.335 Karl Andreas Schnyder von Wartensee ließ sich aus der Schweiz »Glarner Th¦e« schicken, den er zweimal täglich trank.336 Tobie de Castella belieferte nach seiner Rückkehr in das Freiburgerland die ihm bekannten Offiziere wie Johann Jakob Maienfisch337, Paris l’A„n¦338 oder einen Herrn Vigier339, mit Greyerzer Käse, der von den Empfängern sehr geschätzt wurde.340 Dominique Dubois-Cattin bat seinen Bruder um Morcheln und Maipilze aus dem Jura, die er unter anderem auch seinem Oberst, Herrn von Diesbach, schenken wollte.341 Im Gegenzug versprach er, seinem Bruder Bier aus Frankfurt zukommen zu lassen.342 Kunstgegenstände, neue Moden in Kunst und Architektur sowie höfische Kultur machten ebenfalls die Reise vom Ausland in die Schweiz: Ein Verwandter von Karl Andreas Schnyder von Wartensee bot seiner Mutter an, einen französischen Koch für den neuen Abt von St. Urban zu vermitteln.343 Ein Söldneroffizier aus der Freiburger Familie von der Weid nahm Ende des 17. Jahrhunderts aus Frankreich eine Serie von fünf Tapisserien mit Jagdszenen344 zuKarl Andreas an seinen Vater (27. März 1739). 332 StALU PA 954 – 19622: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (22. Februar 1739); StALU PA 954 – 19623: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (4. Juni 1751). 333 StALU PA 954 – 19623: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (9. April 1763). 334 ZBZH FA Hirzel 346.1 (62): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (25. September 1787). 335 StALU PA 954 – 19625: Schnyder von Wartensee, Georg Karl, Georg Karl an seinen Bruder (12. April 1785). 336 StALU PA 954 – 19623: (wie Anm. 332), (4. Juni 1751). 337 KUB A–916/42: Maienfisch, Johann Jakob, An Tobie de Castella (14. Januar 1768); Maienfisch, Johann Jakob, An Tobie de Castella (22 August 1769); Maienfisch, Johann Jakob, An Tobie de Castella (21. Februar 1773). 338 KUB A–916/54: Paris l’Ain¦, An Tobie de Castella (11. Januar 1761). 339 KUB A–863/361: Vigier, An Tobie de Castella (13. Februar 1767), eventuell handelt es sich um den gleichen Herren wie in Anm. 211. 340 KUB A–916/42: Maienfisch, Johann Jakob, An Tobie de Castella (23. März 1775). 341 Dubois-Cattin, Correspondance (wie Anm. 276), S. 170, 219. 342 Ebd., S. 221. 343 StALU PA 954 – 19624: Schnyder von Wartensee, Georg Karl, An seinen Vater (28. Juni 1768). 344 Ateliers d’Aubusson: Chasse au sanglier ; chasse au cerf; chasse au liÀvre; chasse — l’ours; chasse au loup. Ende 17. Jahrhundert. Mus¦e d’Art et d’Histoire Fribourg MAHF 1957 – 022–T1 – MAHF 1957 – 026–T5.

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rück in seine Heimatstadt. Diese beeindruckenden Wandteppiche, die jedes Jahr am Fronleichnamsfest öffentlich gezeigt wurden, repräsentierten nicht nur den Reichtum und den Geschmack der von der Weids, sondern untermauerten mit ihrem Bildprogramm auch den Anspruch der Familie: Während die Landleute auf den Teppichen fröhlich tanzen, musizieren oder Schafe hüten, gehen die berittenen Adeligen ihrer privilegierten Beschäftigung, der Jagd, nach. Und dies, obwohl um 1700 die meisten Freiburger Patrizier gar nicht die nötigen Ländereien besaßen, um prächtige Treibjagden, wie sie an den großen europäischen Fürstenhäusern üblich waren, durchzuführen.345 Georg Karl Schnyder von Wartensee legte einem Brief an seinen Bruder ein Blatt mit detaillierten Hinweisen und einer Zeichnung bei, wie eine Berline, also eine Kutsche, nach der neuesten französischen Mode gebaut wurde. Er erklärte seinem Bruder, dass der Straßburger Meister, der nach Paris und an einige deutsche Höfe liefere, und von dem der »Bauplan« stammte, ihm die Kutsche zehn bis zwölf Louis d’or günstiger bauen würde.346 Mit dem im Ausland erworbenen Reichtum bauten viele Söldneroffiziere nach ihrer Rückkehr in die Schweiz beeindruckende Residenzen im französischen oder italienischen Stil. Neben bekannten Beispielen, wie der Erlacherhof in Bern oder Schloss Hindelbank, etwa 12 Kilometer nördlich der Aarestadt, die beide von Hieronymus von Erlach (1667 – 1748) in Auftrag gegeben wurden, gehören dazu die zahlreichen Herrenhäuser, die den Ort Schwyz säumen. Georg Franz Ab Yberg (1673 – 1753) ein Schwyzer Offizier, der in den Kriegen gegen das Osmanische Reich 1714 bis 1718 unter Frid¦ric de Diesbach diente und an der Schlacht von Peterwardein teilnahm, ließ nach 1718 in seinem Heimatort das »Haus Ab Yberg im Mittleren Feldli« grundlegend umbauen.347 Dazu gehörte die Einrichtung eines mit prächtigen Stuckaturen ausgestatteten »Gartensaals« im Hochparterre, von dem man über eine Treppe in den Garten gelangte. Diese Art von Festsaal diente der Repräsentation und kam ursprünglich aus Italien.348 Die Stuckaturen, die möglicherweise im Umfeld des Stuckateurs der Klosterbibliothek Einsiedeln entstanden sind,349 weisen auf den Beruf und die Leistungen des Auftraggebers hin. Das Relief über dem Kamin zeigt einen Löwen, der sich einer abgefeuerten Kanonenkugel entgegenstürzt – eine Allegorie für Tapferkeit, die 345 Christe, Yves, Escayrac-Lauture, Antoine de, ScÀnes de chasse pour th¦–tre galant. Un peu de sauvagerie dans l’univers des Pr¦cieuses, in: Steinauer, Jean (Hrsg.), Chasse. Des hommes, des bÞtes, des fables, Baden 2010, S 21 – 34, hier S. 32 f. 346 StALU PA 954 – 19625: Schnyder von Wartensee, Georg Karl, Georg Karl an seinen Bruder (19. April 1786). 347 Horat, Heinz, Versuch der Nobilitierung. Garten- und Festsäle, in: Bamert, Markus, Riek, Markus (Hrsg.), Herrenhäuser in Schwyz, Bern 2012, S. 146 – 153, hier S. 153. 348 Ebd., S. 147 f. 349 Ebd., S. 153.

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vermutlich den persönlichen Wahlspruch des Auftraggebers widerspiegelt.350 (Abbildung 6) Weitere Hinweise auf die Meriten des Schwyzers im Dienste Habsburgs sind omnipräsent: orientalische Waffen, türkische Beutefahnen und Porträtmedaillons, die wohl die europäischen Fürsten darstellen, unter denen Ab Yberg gedient und Karriere gemacht hatte, nämlich Leopold I., Kaiser des Heiligen Römischen Reichs (Regierungszeit: 1658 – 1705), und Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden-Baden (Regierungszeit: 1655 – 1707), genannt »Türkenlouis«, ein siegreicher Feldherr im Dienste Österreichs gegen die Osmanen.351 (Abbildung 7)

Abbildung 6: Schwyz: Haus Ab Yberg im Mittleren Feldli, Detail Gartensaal, Privatbesitz/StASZ

Der Austausch von »exotischen« Gütern oder die Entdeckung der neuesten Moden brachte den Söldneroffizieren und ihren Familien viel mehr als nur eine Erweiterung ihres kulturellen Horizonts oder eine Bereicherung des Speiseplans. Die Aneignung fremder Gepflogenheiten war für sie eine Möglichkeit, ihr Ansehen zu steigern. Das »kulturelle Kapital«, das durch die Kenntnis höfischer Sitten und höfischen Lebens erworben wurde, half den Familienmitgliedern in 350 Kessler, Valentin, Georg Franz Ab Yberg (1673 – 1753) und das Haus Ab Yberg im Mittleren Feldli, in: Bamert, Riek, Herrenhäuser (wie Anm. 347), S. 86 – 87, hier S. 87; siehe Bildunterschrift. 351 Ebd., S. 86.

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Abbildung 7: Schwyz: Haus Ab Yberg im Mittleren Feldli, Gartensaal, Detail Stuckatur: Ludwig Wilhelm von Baden-Baden, Privatbesitz/StASZ

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der Schweiz, ihren sozialen Status zu sichern und sich von der übrigen Bevölkerung abzugrenzen.352 Es gab aber auch eine Kehrseite des Lebens im Ausland. Im Jahr 1688 wurden in der Dissertation des Elsässer Arztes Johannes Hofer für eine Krankheit, welche unter den Schweizern besonders stark grassiert haben soll, die Begriffe »nostalgie« oder »la maladie du pays« geprägt. Die Betroffenen litten unter der »Losreissung« aus ihrer gewohnten Umwelt, wiederkehrende Gedanken an ihre Heimat führten zu Appetitlosigkeit, Lethargie und schließlich zum Tod.353 Um 1700 wurde bei Beschreibungen von Sehnsucht nach der Heimat auch der deutsche Begriff »Heimweh« verwendet.354 Dieser Zustand des Heimwehs wurde in mehreren wissenschaftlichen Abhandlungen, die um 1700 entstanden, mit Schweizer Söldnern in Verbindung gebracht, sodass sich für diese Krankheit das Synonym »mal des Suisses« einbürgerte.355 In diesem Zusammenhang entstand etwa zur selben Zeit ein bekanntes Narrativ des Schweizer Söldnerwesens, nämlich der Schweizer Söldner, der wegen der Melodie des Kuhreigens heimwehkrank wurde. Eine Beschreibung davon tauchte erstmals 1710 in einer Bearbeitung von Hofers Dissertation durch den Basler Arzt Theodor Zwinger auf. Die Hirtenmusik, die beim Zusammentreiben des Viehs auf dem Alphorn gespielt oder gesungen wurde, löste bei den Söldnern Sehnsucht nach der Heimat aus, wenn sie diese Klänge in der Fremde hörten.356 Deshalb war das Spielen oder Singen dieser Melodie angeblich bei den Schweizer Truppen in Fremden Diensten bei harter Strafe verboten.357 Dieser Topos war bereits Mitte des 18. Jahrhunderts auch in Reiseberichten nachweisbar, er wurde 1767 von Jean-Jacques Rousseau in seinem »Dictionnaire de Musique« weiterverbreitet und fand sich sogar noch im Jahre 1835 in einem wissenschaftlichen Werk zum Heimweh.358 Die Geschichte des heimwehkranken Schweizers war im 19. Jahrhundert auch in der Musik beliebt: Im 1806 veröffentlichten Band der Liedersammlung »Des Knaben Wunderhorn« von Clemens Brentano und Achim von Arnim wird das Thema im Lied »Der Schweizer (Zu Strassburg auf der Schanz)« aufgegriffen. Das 352 Büsser, Militärunternehmertum (wie Anm. 23), S. 85. 353 Schmid-Cadalbert, Christian, Heimweh oder Heimmacht. Zur Geschichte einer einst tödlichen Schweizer Krankheit, in: Schweizerisches Archiv für Volkskunde 89 (1993), H. 1, S. 69 – 85, hier S. 73. 354 Ebd., S. 74; Bunke, Simon, Heimweh. Studien zur Kultur- und Literaturgeschichte einer tödlichen Krankheit, Freiburg/Brsg. 2009, S. 90. 355 Ebd., S. 92; zum französischen Ausdruck siehe Schmid-Cadalbert, Heimweh (wie Anm. 353), S. 79. 356 Bunke, Heimweh (wie Anm. 354), S. 93 f. 357 Ebd., S. 94. 358 Ebd., S. 95 f.; zu Rousseau siehe Schmid, Christian: »Heimweh«, in: Historisches Lexikon der Schweiz, http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D17439.php, 06. 11. 2012.

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Stück handelt von einem jungen Schweizer Söldner, der versucht zu desertieren, weil er den Klang des Alphorns hört und in seine Heimat zurückmöchte. Er wird jedoch erwischt, zum Tode verurteilt und hingerichtet.359 Ob der Klang des Kuhreigens tatsächlich die Schweizer Söldner heimwehkrank machte, kann nicht nachgewiesen werden. Die Behauptung, dass die Wiedergabe dieser Melodie streng verboten war, gehört höchstwahrscheinlich in das Reich der Legenden. Es findet sich jedenfalls in den zahlreichen französischen Militärreglementen keine einzige Passage, die auf ein solches Verbot hinweist.360 Die Handlung des Lieds »Der Schweizer (Zu Strassburg auf der Schanz)« ist wohl von dem oben erwähnten Kuhreigen-Motiv und von den romantischen Vorstellungen der alpinen Bergwelt beeinflusst. Für die deutschen Dichter war die Geschichte um den heimwehkranken Schweizer und um ein »exotisches« Alphorn wohl attraktiver als der Stoff, der vermutlich im ursprünglichen Lied besungen wurde. Darin wollte die Hauptfigur aus ziemlich banalen Gründen desertieren, nämlich um in Preußen zu dienen.361 Es gab ab der Mitte des 18. Jahrhunderts Ärzte, die sich mit dem Heimweh als Phänomen der militärischen Gegenwart beschäftigten, ohne dabei Geschichten von Schweizern und Alphornklängen im Kopf zu haben.362 Denn die Sehnsucht, seine Heimat und seine Familie wiederzusehen, war eine reale Vorstellung, die sich in den Selbstzeugnissen von Schweizer Söldnern finden lässt. Ein Schwyzer Soldat namens Meinrad Kamer schrieb am 12. April 1781 aus Bari verzweifelt seiner Familie in Arth SZ: »Es gefallt mir gahr nicht hir […]. Es ist mich gerauen genug das ich von Haus gegangen bin, ich wolt 2 Finger ab der Hand geben ich were wider daheim.«363 Ein Soldat namens Ulrich Saxer aus Waltenschwil AG erklärte, als er am 19. Juni 1724 verhört wurde, dass er aus der Schweizergarde desertiert sei, »weilen ihn das Heimbweh umkommen und seither langer Zeit alle 359 »Zu Straßburg auf der Schanz, Da ging mein Trauren an, Das Alphorn hört ich drüben wohl anstimmen, Jns Vaterland mußt ich hinüber schwimmen, Das ging nicht an.« Arnim, Achim von, Brentano, Clemens, Des Knaben Wunderhorn. Alte deutsche Lieder, Bd. 1, Heidelberg 1806, S. 145. 360 Bunke, Heimweh (wie Anm. 354), S. 97. 361 »Zu Strassburg auf der Schanz, Da ging mein Unglück an; Da wollt ich den Franzosen desertiren, Und wollt es bei den Preussen probiren: Ei, das ging nicht an.» Zitiert nach: Schmid-Cadalbert, Heimweh (wie Anm. 353), S. 77. 362 Bunke, Heimweh (wie Anm. 354), S. 99 ff. 363 BAR J 1.61 1000/1359, Bd. 1 (95): Kamer, Meinrad, Brief an seinen Vater Melchior (12. April 1781).

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Tag geweint hat.«364 Es sind Hinweise dafür, dass der Verweis auf Heimweh Mitleid erwecken beziehungsweise als Entschuldigung für strafbares Handeln dienen konnte. Dabei betraf Heimweh nicht nur die Soldaten, auch Offizier litten darunter. Karl Andreas Schnyder von Wartensee erwähnte am 10. September 1730 seinem Vater gegenüber, dass er krank gewesen sei und dabei Angst gehabt habe, dass das Heimweh ihm stark zusetzen würde.365 Karl Josef von Hertenstein beklagte sich im November 1782 bei seinem Freund Franz Bernhard Meyer von Schauensee über den Winter in Frankreich und seine Einsamkeit in der Garnison Courbevoie. Er wollte die neuesten Nachrichten aus Luzern hören und betonte, dass alles über diese Stadt ihn freue, da er [in seinem letzten Heimaturlaub, M. H.] dort eine schöne Zeit verbracht habe.366 Hans Kaspar Hirzel schrieb am 7. September 1781 seiner Mutter aus Korsika: »[…] es blanget uns sehr auf Briefe, um auch wieder etwas aus der Vernünftigen Welt zu hören.«367 In einem Brief aus seiner nächsten Garnison, Collioure, gestand Hirzel, dass es ihn nicht verwundern würde, wenn das »Heimweh zu Jhnen« bekäme.368 Manchmal ist es nicht klar, ob Hirzel mit dem HeimwehMotiv nur spielt. Der junge Zürcher stellte sich oft in seinen Träumen vor, dass er zu Hause wäre. In seinem Schlafzimmer höre er das Rauschen des Meeres, sodass er glaube, er wäre am Zürichsee. Doch den »Betrug« merke er, sobald er zum Fenster herausschaue, denn dann sehe er anstatt Wollishofen und Kilchberg369 das weite Meer gegen Afrika zu.370 Zwei Jahre später schrieb Hirzel aus dem gleichen Ort, dass er oft denke, dass er zu Hause sei, wenn er das Meer an das Ufer plätschern höre. Aber anstelle einer anmutigen Gegend sehe er nur kahle Berge und begreife so, dass er wieder in seinem Zimmer, 200 Stunden [!] von seiner Familie entfernt, sei.371 Aus BrianÅon teilte Hirzel mit, dass er jede Nacht davon träume, auf dem Landgut seiner Familie in Zollikon zu sein, doch am Morgen müsste er traurig feststellen, dass er sich nicht am Ufer des Zürichsees befinde, sondern umgeben sei von hohen, rauen und felsigen Gebirgen.372 364 BAR J4.1 1000/1261 Bd. 4: Papiers Keiser de Frouenstein Zoug (1704 – 1790). Urteil vom 19. Juni 1724 gegen Ulrich Saxer. 365 StALU PA 954 – 19622: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Vater (10. September 1730). 366 StALU PA 664 – 189 Korrespondenz Franz Bernhard Meyer von Schauensee (wie Anm. 258), (12. November 1782). 367 ZBZH FA Hirzel 346.1 (11), (wie Anm. 301). 368 ZBZH FA Hirzel 346.1 (48): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (20. Oktober 1785). 369 Orte am Zürichsee. Das »Haus zum Traubenberg«, welches jenem Zweig der Familie Hirzel seinem Namen gab, befand sich in Zollikon, am gegenüberliegenden Ufer. 370 ZBZH FA Hirzel 346.1 (48), (wie Anm. 170). 371 ZBZH FA Hirzel 346.1 (59): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter/Schwester (15. Juni 1787). 372 ZBZH FA Hirzel 346.1 (73): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (24. September 1788).

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Bernhard Albrecht Stettler beschreibt in seiner Autobiographie, dass er sich auf seinem Posten in Avusy, einem Dorf nahe bei Genf, einsam gefühlt, seine Freunde vermisst und an das Glück gedacht habe, dass er immer in seiner Heimat und im Schoss seiner Familie verspürt habe »Ces diff¦rens sentimens me caus¦rent l’¦trange maladie du pays.«373 Stettler gibt auch zu, dass er sich deswegen mehrmals unerlaubt von seinem Posten am savoyischen Ufer des Genfersees in die Schweiz zurückgeschlichen habe.374 Einmal sei er deswegen beinahe in einem Wirtshaus in einen Streit geraten, weil er sich als Diener verkleidet und man ihm seine Herkunft nicht angesehen habe.375

373 BBB Mss.h.h.XLIII.11 (wie Anm. 141), S. 15. 374 Ebd., S. 14 f. u. 17 f. 375 BBB Mss.h.h.XLIII.11 (wie Anm. 141), S. 17.

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Der Feldzug

Der militärische Alltag in Kriegszeiten unterschied sich vom Dienst im Frieden dadurch, dass die militärische Kontrolle über die Einheiten permanent wurde, der Handlungsspielraum der Soldaten war nun eingeschränkter als in der Garnison.376 Die Feldzüge in den langen Kriegen dauerten in der Regel von Frühling bis Herbst, danach zogen sich die Heere in das Winterlager zurück. Auf einem Feldzug war der Tagesablauf durch häufiges und langes Marschieren geprägt, denn langes Manövrieren machte den Charakter des Krieges im 18. Jahrhundert wesentlich aus.377 Daher ist es verständlich, dass ein großer Teil der Kriegsbeschreibungen in den Tagebüchern und Erinnerungen aus der Schilderung der Bewegungen der Armeen besteht.378 Das zeigt das Beispiel des Berner Offiziers Gabriel Manuel: Er marschierte im Juni 1744 mit einer französischen Armee vom Elsass aus den Rhein entlang bis fast nach Mannheim. Danach zogen die Soldaten nach Landau in der Pfalz weiter, ehe sie im Oktober wieder durch das Elsass zurückkehrten, um zur Belagerung von Freiburg im Breisgau zu gelangen. Gabriel Manuel hielt bei diesem Feldzug die unterschiedlichen Etappen und Unterkünfte seiner Einheit in seinem Tagebuch penibel fest: »Juin: 20e. je repartis de Louterbourg [Lauterbourg F] avec le detachement et le 1. jours a une lieu de Rihn Zaberen [Rheinzabern D] le 21.e nous joignimes le reg[i]m[en]t — Germersheim au camp ou il y a 2. bataillons du reg[i]m[en]t et 3. de Royal Baviere 24.e nous decampames de Germersheim les 2. bataillons du reg[i]m[en]t et 2. de Royal Baviere somes venu — camp¦ ce jour la a Waltzheim [Waldsee (Pfalz)] de la nous partimes le 25.e la 2.e bataillon alla camp¦ a Altrip et […] nous du 1.e — Ringuenem [Rheingönheim D] une lieu plus haut que Manheim [Mannheim]. 376 Kroll, Soldaten (wie Anm. 35), S. 380. 377 Ebd., S. 381; Showalter, Dennis E., The wars of Frederick the Great, London u. a. 1996, S. 3. 378 Zum Beispiel bei: StABE HA Spiez 89 (wie Anm. 151), S. 58 ff; BBB FA von Graviseth 6 (wie Anm. 136), Bd. I, S. 2 ff.; BBB FA von Wattenwyl A 14 (wie Anm. 164), S. 48 f.

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Juillet: le 1.e les Autrichiens passeront le Rihn a Lim[m]ersheim [Limersheim F] apres avoir forc¦ des gardes de Cavallerie Baveroise 2.e au Soir on fit partir nos equipages de reg[i]m[en]t: coucha au Byvacht [Biwak] et [le] lendemain nous avons march¦ jusqua Neustat [Neustadt an der Weinstraße]. 4.e nous partimes avec l’arm¦ et vinmes a Landau [Landau in der Pfalz] ou nous avons reste camp¦ jusqu’au 6.e dans l’avant chemin couvert et puis entrames dans la ville. Le 5.e notre arm¦ partit de Landau et forca ce jour la les lignes de la Loutre ayncy que Wissenbourg [Wissembourg F] il couta aux enemis beaucoup de monde, le reg[i]m[en]t: de Royal Allemand, Rosen et Cond¦ Cavallerie se distinguerent. Le 6.e notre arm¦ repartit de Wissenbourg quelle abandona le 20.e [ao˜t] […] 8tbre [octobre]. 11. suivant les ordres du 10.e partit de Landau p[ou]r : aller a siege de Frybourg [Freiburg im Breisgau] la route etoit le 11.e a Weissenbourg [Wissembourg F] 12.e Soultz [Soultz-sous-Fúrets F], 13.e Hagenaw 14.e Strasbourg 15.e sejour 16.e Ehrstein [Erstein F] 17.e Gerviller [Scherwiller F] et Chatenois 18.e Neuf Brisach […]. 19.e arriv¦ devant Frybourg [Freiburg im Breisgau] la 3.e paralelle etoit deja achev¦e et la sappe pouss¦ jusqu’au pres du chemin couvert qui fut attaqu¦ et emport¦ cette nuit la avec perte de 500. h[o]m[mes] tu¦ et bless¦.«379

Die oben beschriebene Route von Landau in der Pfalz nach Freiburg im Breisgau beträgt 170 Kilometer, das heißt, dass die Soldaten vom 11. bis zum 19. Oktober 1744 am Tag durchschnittlich über 24 Kilometer marschierten. Bei voller Ausrüstung ist das bereits unter normalen Bedingungen eine beachtliche Leistung, doch schlechtes Wetter und kaputte Wege konnten eine lange Truppenverschiebung zu einem äußerst anstrengenden Unterfangen machen. Dominique Dubois-Cattin schreibt seinem Bruder über einen Marsch seines Regiments nach Paderborn, dass es den ganzen Tag geregnet habe und die Soldaten gezwungen waren, im Wald im Schlamm zu schlafen, da sie ihre Zeltpflöcke nicht hätten festmachen können. Dubois-Cattin prophezeite, dass wenn das Regiment noch weitere solche Tage erlebe, die Offiziere sich genötigt sehen würden, ihre Habseligkeiten auf die Schulter zu nehmen und ohne Soldaten oder Pferde nach Frankreich zurückzukehren.380 Klagen über schlechte Witterung, anstrengende Märsche oder fehlende Unterkunft und Verpflegung sind ein wiederkehrendes Thema in den Texten. Gabriel Albrecht von Erlach berichtet von einem Marsch seines Regiments durch den Westerwald, dass die Wege so schlecht waren, dass die Soldaten 18 Stunden benötigten, um eine Strecke von drei Lieues zurückzulegen. Nachdem sie um zehn Uhr Abends ihr Ziel erreichten, mussten die Männer plötzlich in ein anderes Dorf marschieren, welches sie nur nach langer Suche fanden. Da der Train mit ihrem Gepäck nicht da war, und sich in den verarmten Dörfern kaum Essen 379 BBB Mss.h.h.XXII.70 (3), (wie Anm. 146), S. 3. 380 Dubois-Cattin, Correspondance (wie Anm. 276), S. 181.

Der Feldzug

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auftreiben ließ, litten die Schweizer neben ihrer Erschöpfung auch großen Hunger.381 Andere Offiziere kämpften mit ähnlichen Problemen: Romain de Diesbach teilte am 11. November 1757 seiner Frau aus dem Feldlager mit, dass die Truppe bis zu den Ohren im Schlamm stecke und weder Futter, Stroh oder Holz habe.382 Als Sigmund von Wattenwyls Regiment am 27. Mai 1793 im flandrischen Menen ankam, legte sich der Offizier als Erstes ins Bett, da er seit drei Tagen nicht mehr geschlafen habe, und bei einer anderen Gelegenheit schlummerte er nach mehreren Nächten ohne Schlaf so tief, dass ihn erst ein französischer Angriff auf seine Stellung wecken konnte.383 Zu den Klagen über körperliche Anstrengungen kamen solche über hohe Ausgaben: Feldzüge stellten für alle Offiziere eine empfindliche finanzielle Last dar. Ein Offizier namens Chappel erinnerte seinen Freund Tobie de Castella mit einem gewissen Sarkasmus daran, dass je nötiger man eine Sache habe, desto teurer sie einem verkauft werde: »[…] telle est la consience de nos jours, je crois meme que l’on pourroit dire; sicut erat in principio, et nunc, et semper, et in s¦cula [!] seculorum. Nous laisserons dire, Amen, aux vendeurs.«384 Romain de Diesbach schrieb am 3. Mai 1762 aus Kassel an seine Frau, dass sie dort wahrscheinlich vor Hunger sterben würden, denn ein Paar magere Hühner würde dort für 12 Gulden verkauft, die Preise der übrigen Lebensmittel könne sie sich selbst vorstellen.385 Der finanzielle Aufwand eines Feldzuges war nicht zu unterschätzen und auch lang gediente Offiziere waren vor den Belastungen des Krieges nicht gefeit. Karl Andreas Schnyder von Wartensee musste am Anfang des Österreichischen Erbfolgekrieges 1740, nach 14 Jahren Dienstzeit, seine Mutter immer noch um Geld für ein Winterkleid bitten. Und zwei Jahre später schrieb er, dass er silberne Kerzenständer verkauft habe, um zu Beginn des Feldzugs genügend Geld zur Verfügung zu haben.386 Hohe Ausfälle bei der Mannschaft, entstanden durch Desertion, Krankheit, Verwundung oder Tod, stellten für einen Kompaniebesitzer ein erhebliches finanzielles Risiko dar, da Anwerbung neuer Soldaten mit hohen Kosten verbunden war. In Kriegszeiten mussten die Kompaniebesitzer 381 StABE HA Spiez 89 (wie Anm. 151), S. 23 f. 382 Privatarchiv Diesbach de Belleroche: Diesbach de Belleroche, Romain de, Brief an seine Frau (11. November 1757). 383 BBB FA von Wattenwyl A 14 (wie Anm. 164), S. 58 u. 63. 384 KUB A–863/68: Chappel, An Tobie de Castella (14. März 1777). 385 Privatarchiv Diesbach de Belleroche: Diesbach de Belleroche, Romain de, Brief an seine Frau (3. Mai 1762. Zwölf Reichsgulden entsprachen etwa 24 Livres, was der Monatssold eines Soldaten war. The Marteau Early 18th-Century Currency Converter, http:// www.pierre-marteau.com/currency/converter.html, 21. 01. 2013; StABE B II 1047 (wie Anm. 282), Artikel XVI. 386 StALU PA 954 – 19622: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (27. Mai 1742).

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solche Ausgaben häufig aus eigener Tasche vorstrecken, und es war nicht außergewöhnlich, dass nach einem Krieg hohe Schulden auf einer Kompanie lasteten.387 Der Schwyzer Offizier Karl Josef Reding (1692 – 1751) erlitt im Österreichischen Erbfolgekrieg solch ein finanzielles Debakel, dass er sogar kurzfristig inhaftiert wurde, seine Häuser verpfänden musste, um seine Gläubiger zu befriedigen, und noch seine Erben durch ausstehende Forderungen belastet waren.388 Ein weiterer bedeutender Kostenfaktor im Krieg war die Versorgung mit Lebensmitteln, ein großer Schwachpunkt aller frühneuzeitlichen Heere. Nach Berechnungen vom Ende des 17. Jahrhunderts mussten einer Armee von 30.000 Mann pro Woche 420.000 Pfund Brot, 210.000 Pfund Fleisch und 420.000 Liter Bier zur Verpflegung bereitgestellt werden.389 Hinzu kam der Futterbedarf der zahlreichen Pferde und Zugtiere. Dieser Bedarf konnte am ehesten in der Nähe der eigenen Versorgungszentren gedeckt werden: Karl Andreas Schnyder von Wartensee schrieb seinem Bruder 1744 aus Straßburg, dass die französische Armee nur wenige Kranke zu beklagen habe, da der König für ausreichende Verpflegung und Transportmöglichkeiten sorge.390 Doch je weiter sich die Armee von den Nachschubbasen entfernte, desto schwieriger wurde meistens ihre Versorgungssituation. Franz Ludwig von Graviseth befehligte 1794 das zweite Bataillon eines Berner Regiments in holländischen Diensten auf seinem Feldzug im Gebiet des heutigen Belgiens und Nordfrankreichs. Die Verantwortung, die er für seine Truppe hatte, erklärt, wieso die Suche und die Qualität von Unterkunft und Proviant einen zentralen Platz in seinem Tagebuch einnehmen. Im April 1794 befand sich seine Einheit auf französischem Gebiet, auf dem Weg zur Belagerung der Stadt Landrecies. Im Feindesland war der regelmäßige Nachschub mit Lebensmitteln nicht immer einfach zu bewerkstelligen. Am 5. April schrieb er besorgt, dass es im Dorf, in dem das Bataillon lagere, kaum Lebensmittel gebe. Erst drei Tage später erreichte eine Lieferung Brot, Fleisch und Pferdefutter die Truppe: Brot und Futter reichten allerdings bloß für den nächsten Tag.391 Auf dem Weitermarsch gegen Landrecies lässt Graviseth alle zwei Tage Nachschub suchen, dennoch notiert er an einigen Tagen, dass es außer Brot 387 Schafroth, Fremdendienst (wie Anm. 81), S. 86; zu den Innerschweizer Einheiten im Österreichischen Erbfolgekrieg: Suter, Militär-Unternehmertum (wie Anm. 13), S. 18 ff. 388 Suter, Militär-Unternehmertum (wie Anm. 13), S. 26 f. u. 89 ff.; Auf der Maur, Franz, Wiget, Josef, »Reding, Josef Karl«, in: Historischen Lexikon der Schweiz, http://www.hls-dhsdss.ch/textes/d/D24185.php, 22. 02. 2013. 389 Zitiert nach: Luh, Kriegskunst (wie Anm. 202), S. 18. 390 StALU PA 954 – 19624: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (17. August 1744). 391 BBB FA von Graviseth 6 (wie Anm. 136), H. I, S. [5] u. [6].

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kaum etwas zum Essen gab, und dass es der Vivandier kaum schaffe, mit seinem Nachschub der Einheit zu folgen.392 Erst als das Regiment am 18. Mai ein Lager in der Nähe von Tournai erreichte, verbesserte sich die Versorgung der Soldaten. Graviseth schreibt, dass die Truppe während dieser Tage Fleisch und Brot zur Verfügung gehabt habe, und zwei Tage später schreibt er voller Freude, dass das Regiment ein gutes Essen genossen habe.393 Doch als das Regiment im Juni in die Niederlande nach Sas van Gent kam, stellte von Graviseth fest, dass es in dem Ort weder ein Lebensmitteldepot oder Futter noch Brot gab. Das Regiment musste warten, bis die Bäcker genügend Brot gebacken hatten und Futter aus Gent angekommen war, obwohl sich bereits so viele Soldaten im Ort befanden, dass Unterkünfte nur mit Schwierigkeiten aufzutreiben waren.394 Wenn die Soldaten hungerten, hatte das natürlich Konsequenzen für die Zivilbevölkerung. Die Armeeführung ging ja davon aus, dass es der Truppe gelingen würde, sich selbstständig Nachschub zu besorgen. Franz Ludwig von Graviseth erwähnt in seinem Tagebuch an mehreren Stellen, dass sich seine Soldaten bei den Bauern ungefragt bedienten, wenn sie kein Essen, Holz oder Stroh für ihre Unterkunft erhielten.395 Oft nutzte es nicht einmal, wenn sich die Menschen den Soldaten zuvorkommend zeigten. Bernhard Albrecht Stettler schrieb, dass die Mönche auf dem Großen St. Bernhard im Herbst 1792 die zurückweichenden savoyischen Truppen ungeachtet des erheblichen Aufwands gastfreundlich aufnahmen und verpflegten. Trotzdem stahlen die Soldaten beim Abmarsch den Mönchen alles, was sie mitnehmen konnten, vor allem Brot und Käse.396 Es gab allerdings auch Gegenbeispiele, denn solche Übergriffe passten, jedenfalls den Offizieren, nicht in das zeitgenössische Bild einer aufgeklärten Kriegsführung. Gabriel Albrecht von Erlach zeigt sich in seiner Autobiographie um ein korrektes Verhalten bemüht: 1761 erhielt er den Befehl, für einige Tage das Schloss Sababurg in Hessen mit 100 Mann zu besetzen. Er berichtet, dass er sich nach beim Abmarsch vom Amtsmann des Schlosses eine schriftliche Bestätigung geben ließ, dass er »gute Mannszucht gehalten« und die verwendeten Werkzeuge in ordentlichem Zustand zurückgelassen habe.397 Auch an einem zuvorkommenden Umgang der Offiziere mit der lokalen Elite fehlte es auf dem Feldzug nicht. In Höxter, im heutigen Nordrhein-Westfalen, gaben Berner Offiziere einem verarmten Edelmann, der sich mit seiner 392 393 394 395 396 397

Ebd., S. [8 f.]. Ebd., H. II, S. [16]. BBB FA von Graviseth 6 (wie Anm. 136), H. II, S. [20 f.]. BBB FA von Graviseth 6 (wie Anm. 136), H. III, S. [2] u. [8]. BBB Mss.h.h.XLIII.11 (wie Anm. 141), S. 26 f. StABE HA Spiez 89 (wie Anm. 151), S. 68; HA Spiez 89: Gabriel Albrecht von Erlach betreffende Schriften (1739 – 1802).

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90-jährigen Mutter und einer 60-jährigen Magd mit dem Ertrag eines kleinen Gemüsegartens und einer mageren Kuh durchschlagen musste, einige Säcke Mehl und Geld.398 Des Weiteren schreibt Gabriel Albrecht von Erlach, dass er zusammen mit seinen Kameraden am 9. Juni 1761 bei einem Baron von Rabenau dinierte und anschließend in einem nahe gelegenen Dorf bis um ein Uhr in der Früh mit den jungen Frauen getanzt habe.399

6.1.1 Fehlverhalten: Deserteure und »Marodeure« Kriege sind chaotisch und naturgemäß mit einer gesteigerten Gewaltbereitschaft verbunden. Solche Verhältnisse fördern negative Verhaltensweisen, die nicht in allen Fällen akzeptiert wurden. In den Texten der Offiziere stechen besonders zwei Normverstöße hervor, die typisch für das Militär in der Frühen Neuzeit waren. Das waren einerseits die Desertion, die auch in Friedenszeiten eine Art »Verweigerungshaltung«400 der Soldaten darstellte, in Kriegszeiten aber viel stärkere Ausmaße annahm, und andererseits das Plündern und Marodieren, also gewalttätige Übergriffe auf die Zivilbevölkerung. Vor allem Letzteres widerspricht dem lange von Militärhistorikern und teilweise auch von den Zeitgenossen gehegten Bild der »gezähmten Bellona«,401 also einer humanen Kriegsführung, die sich vom ungezügelten Krieg, der das 17. Jahrhundert prägte, positiv abheben sollte.402 Aus dem Nachlass von Markus Anton Fidel Keiser zum Frauenstein (1733 – 1810), Großrichter der französischen Schweizergarde, finden sich 53 Gerichtsurteile, die aus den Jahren zwischen 1709 und 1790 stammen. Davon wurden 33 über Deserteure oder solche, die des Versuchs beschuldigt wurden, gesprochen.403 Auch in den Selbstzeugnissen sind Desertionen ein wiederkehrendes Thema, vor allem zu Kriegszeiten. Beat Fidel Zurlauben notierte am 24. Mai 1743, dass einer von vier Soldaten, die offenbar kurz zuvor desertiert waren, und die Leiche eines fünften, der bei der Flucht getötet worden war, zurück in das Lager gebracht wurden. Der Deserteur und selbst die Leiche wurden am nächsten Tag nach einem Standgericht aufgehängt.404 Gabriel Albrecht von Erlach schreibt in seine Autobiographie, dass am 10. April 1758 im Garderegi398 399 400 401

StABE HA Spiez 89 (wie Anm. 151), S. 63. Ebd., S. 57. Kroll, Soldaten (wie Anm. 35), S. 503. Zum Begriff: Schwarzer, Stephanie, Zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Die Ästhetisierung kriegerischer Ereignisse in der Frühen Neuzeit, München 2006, S. 24 u. 73. 402 Ebd., S. 75. 403 BAR J4.1 1000/1261 Bd. 4 (wie Anm. 364). 404 KBAG MsZ 12 (wie Anm. 147).

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ment Standrecht über einen Deserteur gehalten und der Schuldige zur Strafe hingerichtet wurde.405 Am 16. August 1760 klagte von Erlach in einem Brief an seinen Vater, dass sein Regiment unter starken Abgängen durch Desertion leide, es seien gerade erst 90 Soldaten gemeinsam geflüchtet.406 Im November 1762 schrieb er, dass jede Woche ein Soldat aus dem Regiment desertiere. Diesbach407 und sein Onkel hätten aus ihren Kompanien viele Soldaten verloren, er selbst bloß einen, doch am Anfang des Feldzugs seien sogar 27 Soldaten gleichzeitig aus der Berner Gardekompanie geflüchtet.408 Bernhard Albrecht Stettler schreibt in seiner Autobiographie, dass im Jahre 1792 »une infinit¦ de soldats qui jusqu’— ce moment ont ¦t¦ fidÀles — leurs drapeaux« desertiert seien, um sich für spanische Dienste anwerben zu lassen, als die savoyische Armee auf dem Weg vom Genfersee in das Piemont durch das Wallis marschierte.409 Selbst das Ausbleiben von Desertion war eine Erwähnung wert,410 was dafür spricht, dass es sich hierbei vielleicht eher um eine Ausnahme als um die Regel handelte. Entspricht die Summe der Erwähnungen dem tatsächlichen Ausmaß der Fahnenflüchtigen, und wie realistisch sind diese einzelne Klagen über eine Welle von Desertionen? Zunächst einige Zahlenbeispiele für die generelle Dimension der Desertion: Im Berner Regiment und in den zwei Berner Gardekompanien in Frankreich desertierten im Zeitraum von 1701 bis 1787 im Schnitt jährlich 3,7 Prozent des Mannschaftsbestandes, die Kriegsjahre nicht eingerechnet.411 Betrachtet man jedoch im Siebenjährigen Krieg die Jahre 1757 bis 1762, in denen die französische Armee hauptsächlich an den Kampfhandlungen beteiligt war, erreicht man einen jährlichen Wert von 10,3 Prozent des Bestandes. Für andere Schweizer Söldnereinheiten fehlen vergleichbare Zahlen. Laut Jean Steinauer desertierten im Freiburger Regiment de Diesbach zwischen 1787 und 1792 20 Prozent des Bestandes,412 doch dieser hohe Wert dürfte nicht repräsentativ sein, denn im Jahre 1789 kam es, vermutlich bedingt durch die revolutionären Ereignisse, zu hohen Abgängen und Desertionen in den Schweizer

405 StABE HA Spiez 89 (wie Anm. 151), S. 10. 406 BBB Mss.h.h.III.233 (99): Erlach, Gabriel Albrecht von, Brief an seinen Vater (16. August 1760). 407 Wahrscheinlich Rudolf von Diesbach (1734 – 1797), Hauptmann der Schweizergarde, Besitzer einer Halbkompanie. 408 BBB Mss.h.h.III.234 (30): Erlach, Gabriel Albrecht von, Brief an seinen Vater (17. November 1762). 409 BBB Mss.h.h.XLIII.11 (wie Anm. 141), S. 26. 410 Privatarchiv Diesbach de Belleroche: Diesbach de Belleroche, Romain de, Brief an seine Frau (31. August 1757). 411 StABE B II 1174 – 1190: Französische Kompanierödel (1701 – 1790). Publiziert bei: Pfister, Aargauer (wie Anm. 15), Bd. 1, S. 271 f. 412 Steinauer, Patriciens (wie Anm. 18), S. 119.

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Einheiten.413 Für die oben erwähnten Jahre 1760, 1762 und 1792, in denen Bernhard Albrecht Stettler und Gabriel Albrecht sich über viele Fahnenflüchtige beklagten, zeigen die Zahlen kein eindeutiges Bild. Im Jahre 1760 wies das Berner Regiment (einschließlich der oben erwähnten Kompanien) in Frankreich eine jährliche Desertionsrate von 11,4 Prozent auf, und das Berner Regiment in sardinisch-piemontesischen Diensten hatte eine Rate von 19,7 Prozent.414 Beide Werte sind tatsächlich außergewöhnlich hoch. Das Berner Regiment in Frankreich hatte im Siebenjährigen Krieg nur im vorhergehenden Jahr mehr Deserteure zu beklagen, und auch im Regiment in Sardinien-Piemont wurde die Desertionsrate des Jahres 1792 im Zeitraum von 1735 bis 1796 nur vom Jahr 1795 übertroffen, in dem ein Drittel des Bestandes desertierte. Aber im Jahre 1762 betrug die Desertionsrate im Berner Regiment 5,2 Prozent, ein Wert, der eher an Friedenszeiten denn an Krieg erinnert. Trotz der statistischen Schwächen belegen die Zahlen aus dem gesamten Jahrhundert, dass die Desertion ein reales Problem und die Beschwerden in Briefen bei Weitem keine gewohnheitsmäßig geäußerten Klagen der Offiziere waren. Diese Behauptung wird von der Aussage Michael Sikoras untermauert, dass die Desertion für die Armeen des 18. Jahrhunderts im strafrechtlichen Bereich das größte Problem war.415 In absoluten Zahlen verloren die Berner Einheiten in Frankreich in den Kriegsjahren 1757 bis 1762 durch Desertion 902 Mann, diese Zahl entspricht fast dem halben Bestand eines Linienregiments.416 In den Selbstzeugnissen gibt es nur eine Erwähnung von einem Offizier, der ohne Erlaubnis seine Einheit verließ: Franz Ludwig von Graviseth schrieb, dass am 17. Juli ein Kriegsgericht tagte, um über den Unterleutnant Ritter zu urteilen, der unerlaubt abwesend war. Am 24. Juli kam das Gericht allerdings zum Schluss, dass es sich nicht um eine Desertion handle, der Posten des Offiziers gelte aber als freistehend.417 Die heutige Militärgeschichtsschreibung hält verschiedene Erklärungsansätze für die Desertion in Kriegszeiten bereit. Ein Teil der Soldaten desertierte, weil sie sich gegen ihren Willen zum Dienst gezwungen sahen.418 Andere Gründe 413 Czouz-Tornare, Alain-Jacques, 10 ao˜t 1792. Les Tuileries: l’ete tragique des relations franco-suisses, Lausanne 2012, S. 40. 414 StABE B II 1410 – 1425: Sardinische (piemontesische) Kompanierödel (1738 – 1797). Publiziert bei: Pfister, Aargauer (wie Anm. 15), Bd. 1, S. 273 f. 415 Sikora, Michael, Das 18. Jahrhundert. Die Zeit der Deserteure, in: Bröckling, Ulrich, Sikora, Michael (Hrsg.), Armeen und ihre Deserteure. Vernachlässigte Kapitel einer Militärgeschichte der Neuzeit, Göttingen 1998, S. 89. 416 Das Berner Linienregiment in französischen Diensten setzte sich nach der Kapitulation von 1764 in Kriegszeiten aus 16 Füsilierkompanien zu je 106 Mann und zwei Grenadierkompanien zu je 55 Mann zusammen. StABE B II 1047 (wie Anm. 282), Art. II ff. 417 BBB FA von Graviseth 6 (wie Anm. 136), H. II, S. [23] u. [25]. 418 Kroll, Soldaten (wie Anm. 35), S. 529.

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waren unregelmäßige oder ungenügende Soldzahlungen, Versorgungsengpässe,419 oder wenn sich der Soldat in einer als gefährlich oder aussichtslos wahrgenommenen Situation wähnte.420 Manche Schweizer Offiziere machten sich in ihren Texten Gedanken über die Ursachen dieses Problems. Dominique Dubois-Cattin schrieb seinem Bruder am 18. Juli 1759 aus Hannoversch Münden, dass das Regiment seine zahlreichen Verschiebungen mit vielen Deserteuren bezahle, da in der Armee hohe Preise und Armut herrschten, die Lebensmittel fehlten und die Landschaft unfruchtbar sei.421 Gabriel Albrecht von Erlach war sich auch bewusst, dass ein Zusammenhang zwischen der mangelhaften Versorgungslage des Regiments und der großen Anzahl von Soldaten, die unerlaubt das Regiment verließen, bestand.422 Dennoch gab er in einem Brief vom 17. November 1762 der Berner Obrigkeit die größte Schuld für die vielen Deserteure. Von Erlach beschwerte sich bei seinem Vater, dass die Rekrutenkammer in Bern die Hauptleute wie Staatsfeinde behandle, und das Verhalten der Berner Obrigkeit die »coquineries« und die Desertion ihrer Untertanen begünstige.423 Die Offiziere sahen die Desertionen als Folge externer Faktoren, wie mangelnde politische Unterstützung, oder als individuelle charakterliche Schwäche des Soldaten. Gerade der letzte Punkt war typisch für den zeitgenössischen Erklärungsansatz.424 Hans Kaspar Hirzel zeigte in einem Brief an seine Mutter zwar Mitleid mit dem Schicksal eines Deserteurs, äußerte jedoch Unverständnis für dessen Tat (zu Friedenszeiten): »Diesen Morgen hatten wir ein Standrecht, und verurtheilten einen Deserteur für 8 Jahr an die Kette, der arme Kerl erbarmte mich, es war ein himlisch schöner Man[n], daß doch die armen Leüte daß ausreißen nicht bleiben laßen können, da sie doch zuerst wißen wie’s ihnen Geht.«425 In vorhergehenden Kapitel wurde deutlich, dass im 18. Jahrhundert die Versorgung der Soldaten auf dem Feldzug, trotz aller Bemühungen der Armeeführung die Armeelogistik zu verbessern, zum Beispiel durch die Schaffung von Lebensmitteldepots, in der Praxis schlecht bis gar nicht funktionierte.426 Deswegen war die Annahme, dass Soldaten ihre Verpflegung selbst beschaffen würden, ein fester Bestandteil der militärischen Logistik.427

419 Sikora, Michael, Disziplin und Desertion. Strukturprobleme militärischer Organisation im 18. Jahrhundert, Berlin 1996, S. 242. 420 Ebd., S. 248. 421 Dubois-Cattin, Correspondance (wie Anm. 276), S. 187 f. 422 BBB Mss.h.h.III.233 (99), (wie Anm. 406). 423 BBB Mss.h.h.III.234 (30), (wie Anm. 408). 424 Siehe Kroll, Soldaten (wie Anm. 35), S. 525. 425 ZBZH FA Hirzel 346.1 (46): (wie Anm. 216). 426 Luh, Kriegskunst (wie Anm. 202), S. 24 ff. u. 47 ff. 427 Schwarzer, Anspruch (wie Anm. 401), S. 129; Horst, Carl, Unter fremder Herrschaft. In-

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Das »Allgemeine europäische Land- und See-Kriegsrecht« von Johann Gottlieb Friedrich Koch aus dem Jahr 1778 erlaubte außerdem den Soldaten explizit das Fouragieren, also die Beschaffung von Futter für Pferde und andere Nutztiere, in fremden Feldern, Scheunen und Ställen. Die Wegnahme durfte auch mit Gewalt geschehen.428 Von der Nahrungs- beziehungsweise Futtermittelbeschaffung zu unterscheiden war die Wegnahme oder Zerstörung von Sachwerten. Im oben erwähnten Kriegsrecht wird Beute als bewegliche Sache, die im Krieg erlangt wird, definiert.429 Gegenstände durften jedoch nur dann erbeutet werden, wenn dies zum korrekten Zeitpunkt befohlen wurde und an einem erlaubten Ort stattfand.430 Bevor der Feind den Kampfplatz verlassen hatte, war das »Beutemachen« verboten, ebenso wie in bestimmten Gebäuden wie Kirchen oder Spitälern.431 Das Beutemachen wurde vom »Plündern« unterschieden, welches zwar nicht genau definiert wurde, aber nur unter einer Bedingung erlaubt war : Wenn ein Ort im Sturm eingenommen wurde oder sich weigerte, eine »Brandschatzung«, also eine Garantie verschont zu werden, zu bezahlen.432 Die Erhebung einer Brandschatzung oder einer »Kontribution« durch die siegreiche Armee war legitim; dabei handelte es sich in beiden Fällen um Geld- oder Sachleistungen, die bezahlt wurden, um sich von Plünderungen oder anderen Tätlichkeiten freizukaufen.433 Doch auch hier waren die Grenzen fließend: Obwohl solche Geldzahlungen eigentlich zum Unterhalt der Armee dienen sollten, nutzten während des Siebenjährigen Krieges manche französischen Offiziere im besetzten Nordwestdeutschland die Kontributionszahlungen, um sich privat zu bereichern.434 Für die Schweizer waren auf dem Feldzug Plünderungen, Geldforderungen und Zerstörungen nichts Außergewöhnliches. Beat Fidel Zurlauben erklärt, dass bereits nach der Einnahme von Gent französische Ulanen in den Vororten Brüssels Geiseln nahmen, um die Bezahlung der französischen Forderungen durchzusetzen.435 Die französische Besatzung von Göttingen vernichtete 1762 beim Herannahen des Feindes alle vorhandenen Vorräte an Mehl, Getreide, Heu, Wein und Branntwein, versenkte die Geschütze im Stadtgraben, sprengte den

428 429 430 431 432 433 434 435

vasion und Okkupation im Siebenjährigen Krieg, in: Kroener, Pröve, Krieg (wie Anm. 62), S. 331 – 348, hier S. 331. Koch, Johann Gottlieb Friedrich, Allgemeines europäisches Land- und See-Kriegsrecht, Frankfurt am Main u. a. 1778. Ebd., § 577. Ebd. Ebd., § 582, Abs. 2 u. 5 a. Ebd., §§ 593 u. 599. Ebd.,§ 596 ff., S. 226; Carl, Herrschaft (wie Anm. 427), S. 334 u. 339. Siehe dazu: Carl, Horst, ›Pavillon de Hanovre‹. Korruption im Militär im 18. Jahrhundert, in: Asch, Ronald G. u. a. (Hrsg.), Integration – Legitimation – Korruption. Politische Patronage in Früher Neuzeit und Moderne, Frankfurt am Main 2011, S. 233 – 246, hier S. 236 f. KBAG AH 118 (wie Anm. 134), S. 59.

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Pulverturm in die Luft und führte zwei Wagen mit den »vornehmsten Weibern« hinweg, weil niemand die geforderten 100.000 Taler Brandschatzung zahlen wollte.436 In diesem Fall ging, um im militärischen Jargon zu bleiben, der Schuss nach hinten los, denn die französischen Truppen kehrten am Tag nach ihrer Abreise wieder nach Göttingen zurück, wo sie noch einen Monat blieben.437 Solche Maßnahmen, die grundsätzlich von der Armeeführung angeordnet wurden, kommentierten die Offiziere nicht weiter. Anders sah es aus, wenn ihre Soldaten selbstständig handelten: Über den bereits beschriebenen Vorfall in dem Hospiz des Großen Sankt Bernhard schreibt Stettler, dass dieses Verhalten den Beweis liefere, dass Werte wie Ehre, Anstand und Dankbarkeit selten in das Herz eines Soldaten drängten. Trotzdem erwähnt der Berner Bernhard Albrecht Stettler keine Bestrafung der Schuldigen, sondern nur, dass der sardinische König das Hospiz weit über den Wert der entwendeten Lebensmittel hinaus entschädigte. Als die kombinierten niederländisch-österreichischen Truppen am 17. Mai 1794 die feindlichen Stellungen nahe der Stadt Orchies im heutigen Nordfrankreich einnahmen, waren, angesichts der geringen Verluste auf beiden Seiten, die Bauern die Leidtragenden. Ihre Häuser wurden von den siegreichen Truppen geplündert und verwüstet.438 Von Graviseth schob bei dieser Gelegenheit die Schuld wiederum auf den schlechten Charakter der Truppe: Die Schweizer hätten das »exemple […] trÀs mauvais« der österreichischen Soldaten imitiert.439 Die schlimmsten Übergriffe gegen Zivilisten, speziell gegen Frauen, warfen hingegen alle Seiten am liebsten dem Gegner vor.440 Meistens wurde den Angehörigen der »leichten Truppen«, das waren Einheiten, die für die Aufklärung und für Überfälle eingesetzt wurden, die Schuld für Gewalttaten gegen die Bevölkerung zugeschoben. Sie besaßen bereits bei den Offizieren der sogenannten regulären Einheiten einen Ruf als Diebe und Räuber.441 Hinzu kam, dass die leichten Truppen wegen ihrer unkonventionellen Kriegsführung gänzlich von regulären Formen des Nachschubs abgeschnitten waren.442 Romain de Diesbach schrieb am 6. Juli 1762 seiner Frau, dass die Engländer im Rücken der französischen Armee plünderten und niederbrannten,443 und Gabriel Albrecht von Erlach erwähnt in seiner Autobiographie eine Meldung über preußische Husa436 437 438 439 440 441

Staatsarchiv Zug P 83 (wie Anm. 241), S. 15 [fol. 123 ff.]. Ebd., S. 16 [fol. 127]. BBB FA von Graviseth 6 (wie Anm. 136), H. I, S. [15]. Ebd. Kroll, Soldaten (wie Anm. 35), S. 390 ff. Vgl. Schwarzer, Anspruch (wie Anm. 401), S. 95 u. 97; Duffy, Christopher, The military experience in the age of reason, London 1998, S. 273. 442 Kroll, Soldaten (wie Anm. 35), S. 397; Carl, Herrschaft (wie Anm. 427), S. 340 f. 443 Privatarchiv Diesbach de Belleroche: Diesbach de Belleroche, Romain de, Brief an seine Frau (6. Juli 1762).

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ren, die angeblich ein Dorf in der Nähe der Sababurg (Hessen) überfallen und geplündert, die Bewohner geschlagen und den Gemeindevorsteher als Geisel genommen hätten.444 Wie Michael Kaiser im Zusammenhang mit dem Dreißigjährigen Krieg festgestellt hat, konnten auch Militärangehörige und besonders Söldner Opfer von Übergriffen seitens der Zivilbevölkerung werden.445 In den Selbstzeugnissen der Schweizer Offiziere finden sich dafür jedoch keine konkreten Hinweise: Karl Andreas Schnyder von Wartensee machte in einem Brief aus Warburg lediglich die Bemerkung: »Dis land ist völig erarmet, und seind die bauren unsere ersten feind.«446 Wurden Kriminalität und Gewalt gegen Unbeteiligte von der Armeeführung bestraft? Es finden sich in den Selbstzeugnissen Stellen, die zeigen, dass es zumindest versucht wurde. Gabriel Albrecht von Erlach schildert in seinem Tagebuch, wie am 8. August 1761 sechs Soldaten aus dem Garderegiment wegen Marodieren bestraft wurden.447 Sie wurden dazu verurteilt, durch das ganze Regiment Spießruten zu laufen, eine Bestrafung, bei welcher der Fehlbare mit nacktem Oberkörper durch eine Gasse von Soldaten laufen musste, die ihn mit Stöcken auspeitschten, und die häufig für den Delinquenten tödlich endete. Bei einer anderen Gelegenheit verhaftete von Erlach sogar zwei Soldaten persönlich, die er beim Ausplündern eines Hauses erwischt hatte.448 »Marodieren« bedeutete, dass Soldaten ohne Anführer und ohne Erlaubnis ihres Kommandanten plünderten.449 Offiziere, die nicht entschlossen genug gegen Marodeure vorgingen, mussten mit Konsequenzen rechnen. Beat Fidel Zurlauben erwähnt, dass auf dem Feldzug von 1745 ein »grand-pr¦vút«, ein Stabsfunktionär, der unter anderem für die Disziplin zuständig war, aus seinem Amt entlassen worden sei, weil er 16 »Maraudeurs«, deren Hinrichtung der französische Oberbefehlshaber befohlen hatte, nicht aufhängen ließ.450 Die Sanktionierung von Fehlverhalten in der Armee diente vor allem der Abschreckung und damit der Durchsetzung von Disziplin. Sowohl Deserteure 444 StABE HA Spiez 89 ( wie Anm. 397), »Rapport von Fürstenhagen«. 445 Kaiser, Michael, Inmitten des Kriegstheaters, in: Kroener, Pröve, Krieg (wie Anm. 62), S. 281 – 303; Kaiser, Michael, Die Söldner und die Bevölkerung. Überlegungen zur Konstituierung und Überwindung eines lebensweltlichen Antagonismus, in: Kroll, Stefan, Krüger, Kersten (Hrsg.), Militär und ländliche Gesellschaft in der frühen Neuzeit, Münster 2000, S. 79 – 120. 446 StALU PA 954 – 19623: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (5. August 1760). 447 StABE HA Spiez 89 (wie Anm. 151). 448 StABE HA Spiez 89 (wie Anm. 151), S. 131. 449 »Marode«, in: Johann Heinrich Zedler Grosses vollständiges Universallexicon aller Wissenschafften und Künste. http://www.zedler–lexikon.de/blaettern/einzelseite.html?id= 177587& bandnummer=19& seitenzahl=0852& supplement=0& dateiformat=1, 05. 12. 2012. 450 KBAG AH 118 (wie Anm. 134), S. 53.

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wie auch Marodeure mussten vonseiten der Militärjustiz mit strengen Urteilen rechnen, wie am Beispiel der sechs Marodeure aus dem Garderegiment zu sehen ist. Selbst die sterblichen Überreste von Deserteuren konnten keine Gnade erwarten.451 Doch es kam je nach Situation zu großen Unterschieden in der tatsächlichen Ausübung der Strafen – manchmal wurden die harten Urteile gar nicht vollzogen. Von zwei Soldaten, die Gabriel Albrecht von Erlach beim Plündern erwischte, wurde einer, ein Dragoner, streng bestraft, der andere, ein Soldat der französischen Garde, kam straffrei davon.452 Von den 27 Männern, über die das Standgericht der Schweizergarde eine Todesstrafe verhängt hatte, wurden bloß vier Mann sofort hingerichtet.453 In einem Fall, in dem drei Männer zum Tode verurteilt wurden, entschied das Gericht, dass zwei »begnadigt« werden sollten. Der Mann, der die niedrigste Zahl würfelte, wurde erschossen, die anderen beiden erwartete eine lebenslängliche Galeerenstrafe,454 und auch in einem anderen Fall wurde ein Todeskandidat zu zehn Jahren auf der Galeere »begnadigt«.455 (Eine Galeerenstrafe war eher eine Todesstrafe auf Zeit.) Die übrigen zum Tode Verurteilten erhielten stark gemilderte Strafen, einige gingen sogar straffrei aus. Im Tagebuch von Franz Ludwig von Graviseth ist kein einziges Todesurteil gegen einen Deserteur überliefert, obwohl Krieg herrschte, und er erwähnt fünf Soldaten, die »— la brouette«, also zur Zwangsarbeit verurteilt wurden.456 Die Tatsache, dass es sich bei diesen Beispielen allesamt um Einzelfälle handelt, und dass Ereignisse, wie sie Stettler und von Graviseth auf dem Großen Sankt Bernhard beziehungsweise in der Stadt Orchies beschrieben, nicht verfolgt wurden, zeigt einerseits, dass solche Massenphänomene eine Eigendynamik besaßen, die es den Offizieren und Unteroffizieren erschwerte, Disziplin durchzusetzen. Gleichzeitig wird dadurch die Aussage von Stefan Kroll bestätigt, dass Fehlverhalten im Krieg nur in Ausnahmesituationen hart bestraft wurde, um ein Exempel zu statuieren. Die Armeeführung war gar nicht daran interessiert, möglichst konsequent alle Deserteure oder Marodeure zu verurteilen, denn schließlich bedeutete der Abgang jedes einzelnen Soldaten einen Verlust für die Kampfkraft einer Armee.457 Außerdem kam es für die Zeitgenossen am 451 KBAG MsZ 12 (wie Anm. 147), 24./25. Mai 1743. 452 StABE HA Spiez 89 (wie Anm. 151), S. 131. 453 BAR J4.1 1000/1261 Bd. 4 (wie Anm. 364): Johannes Burger und Bernhardt Holtzmann, Soldaten. Urteile vom 5. August 1709; Johannes Lützß, Soldat. Urteil vom 1. September 1758; Simon Leu, Soldat. Urteil vom 10. April 1758. 454 Sebastian Ackermann und Simon Kestler, Soldaten; Christian Mischly¨, Tambour. Urteile vom 31. Januar 1757. 455 Charles Remond, Soldat. Urteil vom 27. Mai 1767. 456 BBB FA von Graviseth 6 (wie Anm. 136), H. I, S. [10], [17 f.] u. H. III, S. [6]. 457 Kroll, Soldaten (wie Anm. 35), S. 411.

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meisten darauf an, gegen wen und unter welchen Voraussetzungen Gewalt angewendet wurde und nicht unbedingt, wie intensiv die Gewalt gewesen war.458 Die eigentliche Vollstreckung von Strafen nimmt in den Selbstzeugnissen keinen großen Platz ein, lediglich Bernhard Albrecht Stettler und Hans Kaspar Hirzel liefern eine solche Beschreibung. Hirzel schildert wenige Wochen nach seiner Ankunft in Korsika seiner Mutter ausführlich ein Standgericht seines Regiments: Die ganze Einheit musste sich, in schwarzen Strümpfen gekleidet, im Quadrat aufstellen. Die Mitte der Formation blieb frei, dort saßen die Richter auf Stühlen im Kreis, der beschuldigte Deserteur wurde zu den Klängen des »Deserteur Marschs« zu ihnen in das Innere gebracht, wo er während der ganzen Verhandlung vor dem schwarz gedeckten Tisch des Oberst-Richters, auf welchem ein Degen und Stock gekreuzt waren, knien musste. Nach seiner Verurteilung zu 15 Jahren Kettenstrafe wurde der Mann an acht folgenden Tagen, in brauner Kleidung und in Ketten, den in Paradeformation angetretenen Soldaten als Exempel vorgeführt. Hirzel erwähnt, dass der Deserteur erst 23 Jahre alt war, enthält sich aber jeglicher weiterer Beurteilung.459 Bernhard Albrecht Stettler wurde auch kurz nach seiner Ankunft im Militär Zeuge der Bestrafung von acht Soldaten, die zum Spießrutenlaufen verurteilt worden waren. Ihre Verbrechen erwähnt er nicht, doch die Szene machte Stettler so betroffen, dass seine Kameraden ihn trösteten und ihm erklären mussten, dass er bald anderes sehen werde.460

6.2

Die Schlacht

Eine Schlacht war im 18. Jahrhunderts durch die großen Veränderungen in der Kriegsführung, die bereits in der Mitte des 17. Jahrhunderts begonnen hatten, geprägt. Der schwedische König und Feldherr Gustav II. Adolf (1594 – 1632) gliederte als einer der Ersten seine Soldaten nicht mehr in riesige, von Langspießen strotzende Vierecke, sondern reihte sie in flachen Formationen von sechs Gliedern auf, in denen die Mehrheit mit Feuerwaffen ausgerüstet war.461 Um das Jahr 1700 herum wurde schließlich die bis zu sechs Meter lange Pike abgeschafft und die Infanterie mit zuverlässigen Steinschlossmusketen,462 Bajonetten sowie einem kurzen Säbel ausgerüstet (Abbildungen 8 & 9) und in 458 459 460 461 462

Ebd., S. 388 f. ZBZH FA Hirzel 346.1 (10): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (30. Juli 1781). BBB Mss.h.h.XLIII.11 (wie Anm. 141), S. 12. Schwarzer, Anspruch (wie Anm. 401), S. 63. Das Steinschlossgewehr benötigte keine brennende Lunte zur Zündung und war deswegen weniger anfällig für Fehlzündungen und außerdem bei schlechtem Wetter zuverlässiger.

Die Schlacht

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langen dreigliedrigen Linien, sogenannte »Treffen«, aufgestellt.463 Die Treffen selbst waren in »Pelotons« von etwa 50 Mann aufgeteilt. Um eventuelle Lücken aufzufüllen und die Formation gegen feindliche Durchbrüche und an den Flanken abzusichern, wurden mehrere Treffen hintereinander aufgestellt.464 In der Schlacht rückte idealerweise das erste Treffen unter abwechselndem Schießen der Pelotons vor. Dabei knieten die vordersten Soldaten nieder, sodass alle drei Glieder gleichzeitig eine Salve abgeben konnten. War das Treffen nahe genug an den Feind vorgerückt, folgte der Angriff mit dem Bajonett.465

Abbildung 8: MAZ 1429, Manufaktur St. Etienne, Steinschlossgewehr Modell 1777 mit Bajonett, Ordonnanzwaffe der französischen Armee, Kantonales Museum Altes Zeughaus, Solothurn

Abbildung 9: MAHF 5578, Säbel eines Schweizergardisten, 2. Hälfte 18. Jh., Ó Mus¦e d’art et d’histoire Fribourg

Eine große Schlacht war wohl die eindrucksvollste Erfahrung, die ein Soldat oder ein Offizier im Krieg machen konnte. Trotz der vielen Gefechte und Scharmützel – Kampfhandlungen von beschränkterem Ausmaß, die zusammen 463 Delbrück, Hans, Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte, Bd. 4: Neuzeit, Berlin 1962, S. 343; Duffy, Experience (wie Anm. 441), S. 110. 464 Delbrück, Geschichte (wie Anm. 463), S. 351. 465 Ebd., S. 345 ff.

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Kriegserfahrungen in den Selbstzeugnissen

mit Märschen und Belagerungen den größten Teil eines Feldzugs ausmachten – war die Schlacht in der Vorstellung des 18. Jahrhunderts das herausragende Ereignis des Feldzugs oder des Krieges.466 Schlachten boten die Gelegenheit, sich auszuzeichnen, allerdings mit dem Risiko, getötet oder schwer verletzt zu werden. Aus diesen Gründen wurde die Teilnahme an einer Schlacht in Selbstzeugnissen häufig und ausführlich reflektiert.467 Friedrich von Planta schreibt in seinem militärischen Lebenslauf, dass er seine eigenen Leistungen bloß im Hinblick auf die Schlachten präsentieren wolle: »On ne parle pas des retranchements redoutes et abatis dont cet officier a ¦t¦ charg¦ de faire faire n’y des detachements de guerre — petits combats ou il a ¦t¦ employ¦, et dans lesquels il a obtenu l’aprobation de tous ses superieurs, non qu’il n’y eut des actions distingu¦es a citer, mais pour se racourcir autant qu’il est possible sur une mati¦re aussi sÞche et aussi insipide que celle des personalit¦s subalternes.«468

Die Haltung von Planta scheint klar : Belagerungen und kleine Gefechte sind reizlos und langweilig, das Karrierefördernde geschieht nur in der Schlacht, obwohl, wie später noch zu sehen sein wird, Belagerungen einen viel größeren Einfluss auf den Verlauf eines Feldzugs hatten. Die Wahrnehmung einer Schlacht war von Teilnehmer zu Teilnehmer unterschiedlich. Sie variierte unter anderem aufgrund des Ausmaßes der Kämpfe, der eigenen Position und natürlich aufgrund der individuellen persönlichen Erlebnisse.469 Für viele Teilnehmer war eine Schlacht eine so ungewohnte und traumatische Erfahrung, dass sie das Gesehene gar nicht richtig in Worte fassen konnten. Die Unbeschreiblichkeit ist jedenfalls ein Motiv, das in Selbstzeugnissen immer wieder auftaucht.470 So auch bei den Schweizer Offizieren: Karl Andreas Schnyder von Wartensee schrieb nach der Schlacht von Roucoux (11. Oktober 1746): »[…] die Dörffer Reaucourt vnd Veaucourt sind endtlich in dem tritten Mahl mit vnbeschreiblicher Dapfferkeit der frantzösischen Regimenter eingenommen worden […].«471 Im darauffolgenden Jahr war Karl Andreas an der Schlacht von Lauffeldt (2. Juli 1747) anwesend. Karl Andreas nahm zwar selbst nicht aktiv an den Kampfhandlungen teil, da die Gardebrigade in der Reserve stand, gab aber seinem Onkel folgende Zusammenfassung des Geschehens: 466 467 468 469 470

Schwarzer, Anspruch (wie Anm. 401), S. 181. Vgl. Kroll, Soldaten (wie Anm. 35), S. 412. StAGR Familienarchiv von Planta: D III/S II Ac 52 (wie Anm. 148), S. 6. Schwarzer, Anspruch (wie Anm. 401), S. 185. Ebd., S. 192 f.; siehe auch: Möbius, Sascha, Mehr Angst vor dem Offizier als vor dem Feind? Eine mentalitätsgeschichtliche Studie zur preußischen Taktik im Siebenjährigen Krieg, Saarbrücken 2007, S. 65. 471 StALU PA 954 – 19622: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (13. Oktober 1746).

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Das Dorff ware mit vil Canons besetzet, ware drey¨ Mahl von den vnseren eingenommen, hernach aber widerum darauf geschlagen worden, es stunde ein Hag vnd Graben hinder dem anderen, vnd der Find hatte beständig neüwes Volch, es dauerte 2 Stund vnd ein halbe mit einem beständig vnerhörtem Feüwr [Hervorhebung: M. H.], in dem vierten Sturm haben es die vnseren amportiert, in dieserem Orth, wie wohl zu erdenchen, ware vnser Verluest groß, vnsere schwey¨tzer Regiment, deren drey¨ waren als nemlich Diesbach, Monin, vnd Bettens, hatten sich dapffer gehalten, nit weniger die Brigade La Fere, Du Roy vnd übrige, mit was für Hertz vnd Dapferkeit vnser Fuosvolch gestritten, ist nit genugsam zu beschreiben.»472

Gegen Ende des Briefes wiederholte er das bereits Gesagte über die gewonnene Schlacht: »[…] kan nit vergeßen nochmahlen zu vermelden, das es vnerhört ware, wie der Find für ein groses feüwr aus diserem Dorff gemacht, nun ist in hier durchaus ein vngemeine Freüd.«473 Der israelische Militärhistoriker Yuval Harari erklärt im Zusammenhang mit dem Problem der Beschreibung von Schlachterlebnissen, dass sich die Wahrnehmung des Krieges im Laufe des 18. Jahrhunderts deutlich verändert habe. In dieser Zeit setzte sich die Überzeugung durch, dass der Krieg unmöglich zu beschreiben sei, sondern nur gespürt werden könne.474 Die Offiziere betrachteten Schlachten auch nicht mehr einzig und allein in einem christlichen Kontext.475 Um ihre Erlebnisse dennoch beschreiben zu können, orientierten sie sich an wissenschaftlichen Hilfsmitteln476 oder bereits vorhandenen literarischen Vorlagen.477 Das größte Problem bei einer Schlachtenbeschreibung war allerdings nicht das unbekannte oder unvorstellbare Erlebnis, sondern schlichtweg die Unübersichtlichkeit der Ereignisse. Aufgrund der Sichtverhältnisse war es in vielen Fällen für die Teilnehmer sehr schwierig, das Gesamtgeschehen zu überblicken.478 Der sogenannte »Feldherrenhügel« war ein Wunschdenken der Gene472 StALU PA 954 – 19624: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Onkel (4. Juli 1747). 473 Ebd. 474 Harari, Experience (wie Anm. 157), S. 7. 475 Ebd., S. 35 ff. u. 55. 476 So werden in Frankreich im 18. Jahrhundert »ingenieurs g¦ographes« für Kartenzeichnungen ausgebildet, und Gefechtskarten, »plan de bataille«, gehörten zu Schlachtenberichten dazu und wurden auch zu Propagandazwecken verwendet. Anklam, Ewa, Wissen nach Augenmaß. Militärische Beobachtung und Berichterstattung im Siebenjährigen Krieg, Münster u. a. 2007, S. 53 f. u. 64. 477 Schwarzer, Anspruch (wie Anm. 401), S. 198 f. 478 Vgl. Füssel, Marian, Das Undarstellbare darstellen. Zum Bild der Schlacht im 18. Jahrhundert am Beispiel Zorndorf (1758), in: Emich, Birgit, Signori, Gabriela (Hrsg.), Kriegs/ Bilder in Mittelalter und Früher Neuzeit, Berlin 2009, S. 317 – 349, hier S. 320; Füssel, Marian, Theatrum Belli. Der Krieg als Inszenierung und Wissensschauplatz im 17. und 18. Jahrhundert, in: Metaphorik 14 (2008), S. 205 – 230, hier S. 219.

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räle, denn in der Praxis gab es diesen Punkt gar nicht, und bereits während einer Schlacht war der Befehlshaber auf Berichte angewiesen, von denen er abstrahieren musste, um einen Gesamtüberblick zu erhalten.479 Daher sollten gedruckte Schlachtenpläne die unübersichtliche Schlacht in ein geordnetes geometrisches System umwandeln, da Geometrie und Überschaubarkeit der zeitgenössischen Ästhetik der Kriegskunst entsprachen.480 Die Pläne wurden durch die offiziellen Schlachtenberichte der Befehlshaber, die »Relations«, ergänzt. Letztere besaßen oft eine standardisierte Form, für die manche Kriegstheoretiker in ihren Werken sogar fiktive Vorlagen lieferten.481 Die in diesen Texten verwendete »Schachspieler-Perspektive« entsprach der Vogelperspektive der Pläne.482 Die handelnden Subjekte waren die Truppenteile; die komplexen Handlungen wurden auf Schachzüge der beiden Seiten reduziert, die chronologisch abliefen und bei denen auf jede Aktion eine Reaktion folgte.483 So nahm der Erzähler die Position eines imaginären Feldherrenhügels ein. Schlachtenpläne und -berichte wurden parallel zu Zeitungsberichten und Briefen der Teilnehmer verbreitet, was die Schlacht im 18. Jahrhundert zu einem medialen Ereignis werden ließ.484 Die Nachfrage nach genauen Informationen war sowohl ein Begehren der Zivilbevölkerung wie auch der Offiziere. Jene benutzten die Berichte als Quelle, um das Bedürfnis von Verwandten und Bekannten nach Informationen zu stillen, die natürlich besonders glaubwürdig erschienen, wenn sie sozusagen »von der Front« stammten. Ein Cousin von Beat Fidel Zurlauben schilderte diesem in einem Brief vom 14. Oktober 1758 den Ausgang der Schlacht von Lutterberg (10. Oktober 1758), entschuldigte sich aber dafür, dass er keine genaue Angaben zu der Position der verschiedenen Korps machen könne, da er keinen Druck der Schlachtordnung besitze.485 Dominique Dubois-Cattin wollte seinem Bruder auch eine »juste Relation« der Schlacht von Minden (1. August 1759) senden und entschuldigte sich am 17. August 1759 bei diesem dafür, dass er keinen solchen Bericht besorgen könne.486 Mitten in seiner Schilderung der Belagerung der Zitadelle von Tournai erwähnt Beat Fidel Zurlauben in seinem Tagebuch, dass der französische König am 12. Juni einen 479 Jahn, Bernhard, Die Medialität des Krieges. Zur Problem der Darstellbarkeit von Schlachten am Beispiel der Schlacht von Lobositz (1. 10. 1756) im Siebenjährigen Krieg, in: Adam, Wolfgang, Dainat, Holger (Hrsg.), ›Krieg ist mein Lied‹. Der Siebenjährige Krieg in den zeitgenössischen Medien, Göttingen 2007, S. 88 – 110, hier S. 104. 480 Füssel, Das Undarstellbare (wie Anm. 478), S. 329; Füssel, Theatrum Belli (wie Anm. 478), S. 217. 481 Schwarzer, Anspruch (wie Anm. 401), S. 133. 482 Jahn, Medialität (wie Anm. 479), S. 104 u. 106. 483 Ebd. 484 Füssel, Das Undarstellbare (wie Anm. 478), S. 323. 485 KBAG 170/62: Zurlauben, An Beat Fidel Zurlauben (14. Oktober 1758). 486 Dubois-Cattin, Correspondance (wie Anm. 276), S. 141.

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offiziellen preußischen Bericht über die Schlacht von Hohenfriedeberg (4. Juni 1745) erhalten habe und zitiert ihn anschließend.487 Die Schlachtenbeschreibungen in den Selbstzeugnissen ähneln in ihrem Aufbau oft den offiziellen Berichten, sind aber teilweise durch »Nahaufnahmen« ergänzt, welche die übersichtliche Schilderung mit den Heldentaten Einzelner (manchmal auch der Autoren) ergänzen sollten.488 Peter Viktor Besenval schenkt in seinen Memoiren den Schlachten (im Siebenjährigen Krieg) von Hastenbeck (26. Juli 1756), Vellinghausen (15./16. Juli 1761) und beim Kloster Kampen (15. Oktober 1760), an denen er teilnahm, besondere Aufmerksamkeit. Er erörtert die strategische Ausgangslage vor dem Feldzug, erklärt den Charakter der verschiedenen Befehlshaber, schildert das Gelände und erläutert schließlich Schritt für Schritt die Abläufe der Schlacht. An einigen Stellen fügt er auch sehr persönliche Erlebnisse ein, etwa wie er in der Schlacht von Vellinghausen in der Nacht von seiner Position aus ständig Kanonen- und Musketenfeuer hörte, ohne zu wissen, was gerade geschah,489 oder wie er in der Schlacht beim Kloster Kampen einen verbissenen Kampf gegen eine Einheit englischer Grenadiere führte.490 Trotz der vorhandenen Vorlagen zeigen die Beispiele der Schlacht von Fontenoy im Österreichischen Erbfolgekrieg oder die der Schlacht von Warburg im Siebenjährigen Krieg, dass verschiedene Schreiber ein konkretes Ereignis je nach Schreibabsicht oder Beeinflussung auf eine völlig unterschiedliche Art schildern konnten. Bei der Schlacht von Fontenoy, am 11. Mai 1745, versuchte die »pragmatische Armee«, bestehend englischen, hannoveranischen und niederländischen Truppen, durch einen Angriff auf die französische Armee die belagerte Stadt Tournai zu entsetzen. Der Hauptstoß des Alliierten zielte dabei auf die französischen Stellungen zwischen dem Dörfchen Fontenoy und einem Waldstück, dem Bois de Barry. Am Nachmittag gelang es den Engländern und Hannoveranern, hier die französischen Linien zu durchbrechen, ehe sie sich nach mehreren Gegenangriffen zurückzogen. Die Schweizergarde, in welcher Beat Fidel Zurlauben diente, hatte ihren Standort in der ersten Reihe der französischen Linie, dort, wo der Hauptangriff stattfand. Zurlauben schildert den Angriff der Engländer : »[…] ils attaquerent deux fois trÀs vivemens, mais firent r¦pouss¦s avec beaucoup de valeur.«491 Die Engländer drängten die französische Garde 487 KBAG AH 118 (wie Anm. 134), S. 37. 488 Jahn, Medialität (wie Anm. 479), S. 104 u. 107. 489 Besenval, Pierre-Victor de, M¦moire de M. le baron de Besenval, lieutenant-g¦n¦ral des arm¦es du roi, sous Louis XV et Louis XVI, … ¦crits par lui-mÞme. 4 Bde., Paris 1805, Bd. 1, S. 118. 490 Ebd., S. 146 f. 491 KBAG AH 118 (wie Anm. 134), S. 12.

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zurück und sammelten sich zu einer riesigen Kolonne, um das Dorf Fontenoy und eine Feldbefestigung der Franzosen einzunehmen.492 In einem Brief an seinen Bruder (in dem es aber vor allem um den Verkauf von Land und Wertschriften geht) gab Schnyder von Wartensee den Verlauf der Schlacht ähnlich wieder wie Beat Fidel Zurlauben, wenn auch in viel knapperer Form. Die Engländer hätten »hertzhafft« angegriffen, und einige ihrer Regimenter hätten sich nicht ergeben, bevor fast alle »nidergehachet« waren. Die französische Garde sei zunächst geflüchtet.493 In dieser kritischen Situation habe der französische König die Entscheidung herbeigeführt: »Dans cette circonstance qui pouvoit d¦cider du sort de la bataille, et en procurer l’avantage aux ennemis, le Roy, qui pendant toute l’action avoit donn¦ des preuves d’une fermet¦ et d’une grandeur d’–me digne d’admiration, trouvant dans ces deux qualit¦s des ressources qui pouvoient concourir avec celles qu’il attendoit de la valeur de ses troupes, s’appliqua — faire cesser le d¦sordre qu’avoit jett¦ dans une partie de l’arm¦e le feu prodigieux de l’jnfantrie ennemie, et de concert avec le M[arech]al de Saxe,494 il donna des ordres, — l’ex¦cution desquels on doit attribuer le gain de la bataille.«495

Diese Aussage zeigt einerseits die Qualitäten, die von einem Feldherren erwartet wurden: Entschlossenheit und eine »Größe des Geistes«, Eigenschaften, die den Soldaten als Beispiel dienen und ihnen Mut machen sollten. Gleichzeitig wird dem Leser ein entscheidender Moment der Schlacht erklärt: Durch seine überragenden Qualitäten und seine Befehle ordnete der König seine Truppen und führte sie so zum Sieg. Interessanterweise erinnert diese »Nahaufnahme« im Tagebuch Zurlaubens an eine Passage in Voltaires Poem »La Bataille de Fontenoy« (1745, wenige Tage nach der Schlacht erschienen). Im Gedicht ist es die physische Präsenz und die Entschlossenheit von Ludwig XV., welche die französische Armee zum Sieg führt.496 Da sich im Nachlass Zurlaubens eine Ausgabe 492 Ebd., S. 13. 493 StALU PA 954 – 19624 (wie Anm. 129), (5. Juni 1745). 494 Moritz von Sachsen (1696 – 1750), ein illegitimer Sohn des Kurfürsten Friedrich August I. von Sachsen (»August der Starke«), kämpfte zunächst unter Prinz Eugen von Savoyen in Flandern und in Ungarn, ehe er 1720 in französische Dienste wechselte und zum Marschall von Frankreich aufstieg. 495 KBAG AH 118 (wie Anm. 134), S. 13. 496 »A la voix de Louis courez, troupe intr¦pide. Que les FranÅais sont grands quand leur ma„tre les guide! Ils l’aiment, ils vaincront; leur pÀre est avec eux. Son courage n’est point cet instinct furieux, Ce courroux emport¦, cette valeur commune; Ma„tre de son esprit, il l’est de la fortune; Rien ne trouble ses sens, rien n’¦blouit ses yeux:Il marche; il est semblable — ce ma„tre des dieux […]. Bataves, […] Anglais, […] lorsque Louis s’avance Leur g¦nie est dompt¦, l’Anglais est abattu, Et la f¦rocit¦ le cÀde — la vertu.« Voltaire (Arouet, FranÅois Marie), Oeuvres completes de Voltaire. Tome douziÀme. PoÀmes et discours en vers, o. O. 1784, S. 234 f.

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des Poems von 1745 befindet,497 ist es also möglich, dass Zurlaubens Erfahrung der Schlacht bei Fontenoy bereits bei der Reinschrift seiner Tagebücher durch die Vorlage Voltaires geprägt war. Karl Andreas Schnyder von Wartensees Bataillon war vermutlich bei der Schlacht nicht anwesend. Dennoch berichtete er am 5. Juni 1745 seinem Bruder, was er über die Kämpfe erfahren hatte. Dabei wird ein entscheidendes Eingreifen des Königs nicht erwähnt, Schnyder von Wartensee schreibt lediglich, dass die französische Garde, nach ihrer zeitweiligen Flucht, den Kampf wieder aufgenommen habe.498 In der Tat scheint um die Mittagszeit des 11. Mai ein hochrangiger französischer Offizier versucht zu haben, König Ludwig XV. und den Dauphin, also den Thronfolger, zu überreden, sich in Sicherheit zu bringen.499 Der König lehnte diese Bitte ab und stärkte dadurch mit Sicherheit die Moral der französischen Truppen, die zu diesem Zeitpunkt der Schlacht kurz vor einer Niederlage standen.500 Eine persönliche Einflussnahme des Königs ist aber nicht überliefert. Es gelang der französischen Armee jedoch, in dieser kritischen Situation einen Gegenangriff in die Flanke der Angreifer zu führen, die deren Kolonne komplett vernichtete.501 Dieser Angriff, zusammen mir dem Feuer der französischen Artillerie, war wohl am ehesten für den Sieg verantwortlich.502 Jedoch ist allein die Anwesenheit des Königs auf dem Schlachtfeld beachtenswert, denn in der Mitte des 18. Jahrhunderts war es bereits höchst außergewöhnlich, dass Monarchen ihre Truppen auf den Feldzug begleiteten, geschweige denn an einer Schlacht teilnahmen. Die Präsenz von Georg II. von England bei der Schlacht bei Dettingen am 27. Juni 1743 und vor allem Friedrich II. von Preußen, der als »Roi-Conn¦table« seine Armeen im Feld führte, waren große Ausnahmen. Zurlauben und Schnyder von Wartensee machen fast identische Angaben zu den Verlusten der französischen Armee. Beide sprechen von etwa 4.000 Mann insgesamt. Zurlauben schreibt, die Garde hätte einen getöteten und neun verletzte Offiziere, während Schnyder von Wartensee von einem Toten und zehn Verletzten spricht. Die Namen der erwähnten Offiziere stimmen überein.503 Gabriel Albrecht von Erlach beginnt seinen Tagebucheintrag zur Schlacht von Warburg, die am 31. Juli 1760 zwischen einer französischen Armee und Truppen aus Hannover, Braunschweig-Wolfenbüttel, Hessen-Kassel und Großbritannien stattfand, mit einer Beschreibung der Disposition der Armeen und von den 497 498 499 500 501 502 503

KBAG AKB B 2890 (b); Mitteilung von Frau Dr. Carmen Furger, KBAG, 8. Juni 2012. StALU PA 954 – 19624 (wie Anm. 129), (5. Juni 1745). Bois, Jean-Pierre, Fontenoy, 1745: Louis XV, arbitre de l’Europe, Paris 1996, S. 92. Ebd., S. 93; Starkey, War (wie Anm. 218), S. 120 f. Bois, Fontenoy (wie Anm. 499), S. 93 ff. Ebd., S. 96; Starkey, War (wie Anm. 218), S. 122 f. KBAG AH 118 (wie Anm. 134), S. 13; StALU PA 954 – 19624 (wie Anm. 129), (5. Juni 1745).

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ersten Geplänkeln zwischen den leichten Truppen auf beiden Seiten.504 Danach folgen die verschiedenen Bewegungen und Angriffe der Einheiten. Die Schweizer Regimenter waren am linken Flügel der französischen Armee stationiert und einem flankierenden Angriff des Gegners ausgesetzt: »Au moment o¾ nous arrivames sur le champ de bataille, les Reg[iments] FranÅais commenÅoient — faire leur retraite, Bourbonnais la commenÅa, les autres la firent en meilleur ordre. Les 4. Reg[iments] Suisses se forment — l’instant, les FranÅois se retirent sur la Dimel. Les ennemis qui les suivoient s’arreterent tout court, et alors nous commenÅames — les charger en avanÅant et marchant sur eux. Le feu ¦toit vif et et quoique nous perdissions beaucoup du monde, ils en perdirent plus que nous, de leur cot¦ ils chargeoient assez mollement. Nos deux brigades ¦toient dans le plus bel ordre ils avanÅoient toujours — petit pas. Nous ¦tions les seuls qui combattions encore, l’infanterie avoit pass¦ la Dimel, et la cavalerie nous avoit abandonn¦e des le commenÅement de l’affaire sans donner un coup de sabre […].«505

Den Schweizer Regimentern blieb in dieser Situation keine andere Wahl als der Rückzug, da sie fast kein Pulver mehr hatten. Es gelang ihnen schließlich, mit ihren Kanonen die Diemel zu überqueren und sich auf die bewaldeten Anhöhen über dem Fluss zurückzuziehen.506 Der Abschnitt über die Schlacht von Warburg endet mit einer Aufzählung der Verluste des Berner Regiments und von Erlachs Kompanie.507 Johann Viktor von Travers schildert in seinem militärischen Lebenslauf die Schlacht von Warburg mit einer anderen Gewichtung. Er behauptet, dass er als Erster die Absicht des Gegner erkannt, den französischen Oberbefehlshaber informiert und einen Gegenangriff befehligt habe. Auch der darauffolgende Rückzug der Schweizer und der französischen Regimenter gehe auf seine Initiative zurück, wodurch er dem König fünf Brigaden gerettet habe.508 Schnyder von Wartensee schreibt seinem Bruder über die Schlacht nur, dass die Truppen des Prinzen Ferdinand von Braunschweig vom dicken Nebel profitiert hätten, numerisch stark überlegen gewesen seien und »unverhofft« angegriffen hätten. Sie hätten deswegen die Franzosen zurückgeschlagen, »alwo die schweitzer Regiments Planta, Lochman, Jenner und Courten vil gelitten.«509 Unmittelbare Auswirkungen auf den Krieg hatte die französische Niederlage bei Warburg

504 505 506 507 508 509

StABE HA Spiez 89 (wie Anm. 151), S. 36. Ebd., S. 40. Ebd., S. 42. Ebd., S. 43. StAGR AB IV 7a 11 (wie Anm. 149), S. 26 f. u. 270. StALU PA 954 – 19623 Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (5. August 1760).

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jedenfalls nicht, denn den französischen Truppen gelang kurz darauf die Eroberung der strategisch wichtigen Städte Kassel und Göttingen.510 Bei der Schilderung von Kampfhandlungen durch die Offiziere dominiert die Perspektive des »Blicks von oben«. Alle Offiziere betonen in ihren Erklärungen die Ordnung der Einheiten. Gabriel Albrecht von Erlach beginnt seine Beschreibung der Schlacht von Warburg damit, wie sich die Armee am frühen Morgen in »Schlachtordnung« vor ihrem Lager aufstellte (»[…] — la pointe du jour l’arm¦e prit les armes et se mit en bataille — la tÞte du camp«).511 Es finden sich Ausdrücke wie: Die französischen Einheiten zogen sich in »en meilleur ordre« zurück; die Schweizer Brigaden (eine Brigade war ein taktischer Zusammenschluss von zwei Regimentern) rückten in »le plus bel ordre« mit kleinen Schritten vor. Johann Viktor von Travers schreibt über die Schlacht, dass seine Männer ihren Rückzug, trotz ständigem Beschuss durch Infanterie und Artillerie, »dans le plus grand ordre« durchführten.512 Den Wert, den die Offiziere auf die Betonung von »Ordnung« auf dem Schlachtfeld legten, könnte sich einerseits durch das »geometrische Ideal der Lineartaktik«513 und aus dem »mathematisch-geometrischen Denken«,514 das die Kriegsführung im 18. Jahrhundert prägte, erklären. Andererseits konnte dieses Ordnungsideal auch praktische Gründe gehabt haben: Infanterieeinheiten konnten nur im geschlossenen Verband ihre Feuerkraft effektiv einsetzen oder sich gegen Kavallerieattacken schützen.515 Wenn eine Einheit ihre Schlachtordnung nicht mehr aufrechterhalten konnte, so hatte das unter Umständen schwerwiegende Konsequenzen. Beat Fidel Zurlaubens Cousin schreibt, dass in der Schlacht von Lutternberg der erste französische Angriff den Gegner verwirrte und so in Unordnung brachte, dass weitere Angriffe nicht mehr nötig waren.516 Eine solche Beschreibung entsprach vermutlich eher der Realität einer Schlacht als Schilderungen von Einheiten, die mit der Präzision und dem Schneid des Drillplatzes vorrückten. Denn die in Friedenszeiten stundenlang geübten taktischen Finessen konnten häufig gar nicht zur Geltung gebracht werden, und das auf dem Exerzierplatz eingeübte Feuern und Vorrücken in Formation wurde höchstens während der Anfangsphase einer Schlacht aufrechterhalten.517 Die Betonung auf Ordnung und die Wiedergabe des Schlacht510 »Schlacht von Warbung«, in: Wikipedia, die freie Enyklopädie, http://de.wikipedia.org/ wiki/Schlacht_bei_Warburg#Unmittelbare_milit.C3.A4rische_Folgen, 08. 05. 2012. 511 StABE HA Spiez 89 (wie Anm. 151), S. 36. 512 StAGR AB IV 7a 11 (wie Anm. 149), S. 270. 513 Füssel, Das Undarstellbare (wie Anm. 478), S. 329. 514 Showalter, Wars (wie Anm. 377), S. 3 f. 515 Luh, Kriegskunst (wie Anm. 202), S. 136 u. 159; Duffy, Experience (wie Anm. 441), S. 110 u. 200. 516 KBAG 170/62 (wie Anm. 485). 517 Duffy, Experience (wie Anm. 441), S. 203 f. u. 213 f.

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geschehens mittels bekannter Vorlagen waren der Versuch der Offiziere, dem Chaotischen und Unübersichtlichen, zumindest schriftlich, eine übersichtliche Struktur zu geben. Ein nüchterner und abstrakter Schreibstil vermittelt auch die Vorstellung von Ordnung. Physische Gewalt wurde in den Quellen selten explizit beschrieben, sondern mit allgemeinen euphemistischen Begriffen ausgedrückt. Gabriel Albrecht von Erlach erklärt, dass im Gefecht von Grüningen (25. August 1762) das »feu vif« der Schweizer die Kolonnen der angreifenden Hannoveraner »zerschlug« (»elles ¦toient ecras¦es«).518 Bei Frid¦ric de Diesbach und Friedrich von Planta wurde der Gegner dagegen im Kampf Mann zu Mann »verjagt« oder »umgeworfen und aus der Schlucht getrieben«.519 Wenn mit hohen Verlusten gerechnet wurde, bedienten sich die Offiziere eines »aussagekräftigeren« Vokabulars. Karl Andreas Schnyder von Wartensee schrieb seinem Vater kurz vor der Kapitulation der Festung Philippsburg, dass die Mauern kaputtgeschossen seien und eine Erstürmung ein »grausames Bluthbaad« geben würde.520 Nach der Schlacht von Roucoux berichtete von Wartensee, dass die siegreichen Franzosen den Feind durch die Lütticher Vorstädte und bis an die Stadttore verfolgt hätten, »alwo ein starches Bluot Baad ware.«521 Den Gemütszustand der Soldaten im Kampf beschreiben die Offiziere sowohl im Französischen wie auch im Deutschen regelmäßig mit Begriffen, die einen Zusammenhang mit »Hitze« oder Leidenschaft besaßen.522 Beat Fidel Zurlauben schrieb über die Schlacht von Fontenoy, dass der französische König den »noble ardeur« des Dauphins zügeln musste, weil jener sich mutig bereit erklärt hatte, eine Attacke an der Spitze der Haustruppen zu reiten.523 Karl Andreas Schnyder von Wartensee berichtete nach der Schlacht von Lauffeldt, dass der linke französische Flügel »hitzig« über die Österreicher hergefallen sei.524 Der Schweizer Offizier Paris l’A„n¦ beschrieb aus dem Siebenjährigen Krieg Verzweiflung und Ohnmacht von ihm und seiner Einheit, als sie bei einer Gelegenheit tatenlos zuschauen mussten, wie ihre Kameraden dem feindlichen Feuer ausgesetzt 518 StABE HA Spiez 89 (wie Anm. 151), S. 130. 519 »[Die angreifenden Truppen, M. H.] les enchassa«, beziehungsweise »culbut¦ et chass¦ dans la gorge […].« AEF Chroniques 60a (wie Anm. 150), S. 17 f.; StAGR Archiv von Planta Reichenau D III/R III 206 (wie Anm. 148), S. 7. 520 StALU PA 954 – 19622: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Vater (Juli 1734). 521 Beide Zitate bei: StALU PA 954 – 19622 (wie Anm. 471), (13. Oktober 1746). 522 Siehe dazu auch: Möbius, Angst (wie Anm. 470), S. 87; er erwähnt als Beispiel unter anderem Ulrich Bräker, der in seiner Autobiographie über die Schlacht von Lobositz schreibt: »Ich selbst war in Jast und Hitze wie vertaumelt«, Bräker, Ulrich, Der arme Mann im Tockenburg, Stuttgart 1965, S. 131. 523 KBAG AH 118 (wie Anm. 134), S. 14. 524 StALU PA 954 – 19624 (wie Anm. 472), (4. Juli 1747).

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waren. »[…] le sang nous bruilloit dans les veines de voir nos camerades au feu et en danger et ne pouvoir pas les soutenir […].«525 Die Dynamik der Truppe überraschte manchmal sogar die Offiziere. Laut Bernhard Albrecht Stettler hätten Napoleons Truppen in der Schlacht von Mondovi die Schweizer und sardinischen Truppen »avec un acharnement inconcevable« attackiert.526 Sigmund von Wattenwyl schrieb nach dem Gefecht bei Roncq (24. Mai 1793) in sein Tagebuch, dass die Soldaten nie zuvor »autant d’ardeur« gezeigt hätten.527 In den Beschreibungen der Kampfhandlungen wurden fast immer nur abstrakte Truppenkörper als agierende Subjekte dargestellt. Diese Art der Schilderung minderte die Brutalität der Beschreibung, da nicht der einzelne Soldat getötet oder verletzt wird.528 Doch es finden sich in den Selbstzeugnissen manchmal »Nahaufnahmen« vom Geschehen, in denen mitunter detailliert das Töten ausgemalt wird. Der Offizier Paris l’A„n¦ empfahl seinem Regimentskameraden Tobie de Castella einen Kadetten namens Chaperon, der sich im Kampf gut bewährt habe: »Je crois que vous donner¦s votre drapeau au brave cadet [Chaparon?], qui a ¦t¦ avec les grenadiers et a fait son devoir aussi bien qu’un grenadier de vingt ans de service; jl a plant¦ sa bayonette dans le dos d’un jnnemis, — la vuÚ de tous les grenadiers et a fait le coup du fusil comme un vieux soldat, jl a tenu une contenance ferme.«529

Anton von Salis-Marschlins schildert in seiner Autobiographie, wie er in der Schlacht von Hastenbeck (26. Juli 1757) mit seinen Männern eine hannoveranische Einheit überraschte und sie zur Kapitulation aufforderte. Als er allein zum gegnerischen Offizier lief, um dessen Schwert in Empfang zu nehmen, packte dieser Salis und wollte nun ihn gefangen nehmen. Salis versuchte daraufhin, den Hannoveraner mit seinem Schwert zu durchbohren, es glitt allerdings ab. Die hannoveranische Truppe feuerte danach eine Salve ab, die den größten Teil von Salis’ Männern verletzte. Er selbst überlebte, indem er sich geistesgegenwärtig zu Boden fallen ließ, die Muskete eines Soldaten ergriff und einen feindlichen Soldaten erschoss, der auf ihn zielte.530 Salis war sehr erbost darüber, dass der feindliche Offizier sein gegebenes Versprechen gebrochen hatte, sich zu ergeben. Diese Wut hatte offensichtlich einen Einfluss auf seine Reaktion (Er schreibt in der dritten Person über sich): »Salis, indign¦, lui dit: ›Non je ne serai jamais le prisonnier d’un coquin, qui manque — sa parole’ Et en

525 526 527 528 529 530

KUB A–916/54: Paris l’Ain¦, An Tobie de Castella [1761?]. BBB Mss.h.h.XLIII.11 (wie Anm. 141), S. 41. BBB FA von Wattenwyl A 14 (wie Anm. 164), S. 55. Jahn, Medialität (wie Anm. 479), S. 104 u. 106. KUB A–916/54 (wie Anm. 525), [1761?]. StAZH W I 33a 9.1 (wie Anm. 152), S. 6 f.

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Kriegserfahrungen in den Selbstzeugnissen

retirant avec force la main droite, que l’officier Hanovrien tenuit, il voul˜t le percer de son ep¦e, qu’il tenoit dans sa gauche […].«531 Vermutlich beschrieben die Offiziere in ihren Briefen solche Szenen eingehend oder erinnerten sich auch noch Jahre später bei der Niederschrift ihrer Texte daran, weil es untypische Erlebnisse waren. Salis schreibt, dass diese Anekdote eine »aventure, qui fit plus d’honneur — son courage, qu’— sa prudence« sei. In seiner Erzählung betont er, dass er den Soldaten erschoss, weil dieser auf ihn zielte. Das gezielte Erschießen des Gegners war unüblich, denn präzises Schießen war wegen der notorischen Ungenauigkeit der Musketen fast unmöglich.532 Dies blieb den »leichten Truppen« vorbehalten, die im Gegensatz zu den Linientruppen mit treffsicheren gezogenen Gewehren ausgerüstet waren.533 Auch die zweite Situation stellte einen Sonderfall dar, denn der Kampf Mann gegen Mann kam im 18. Jahrhundert seltener vor, als man es sich vorstellen könnte. Der Anblick eines Bajonettangriffs genügte in vielen Fällen, um die Verteidiger in die Flucht zu schlagen.534 Paris l’A„n¦ schreibt, dass der junge Kadett seinen Feind in den Rücken traf – das kann ein Hinweis darauf sein, dass jener bereits dabei war zu fliehen. Solche Einzelereignisse fanden vermutlich Eingang in die Selbstzeugnisse, weil es sich um prägende und einzigartige Erlebnisse handelte, welche die Offiziere nicht mit bekannten, allgemeinen Begriffen umschreiben konnten. Im Fall von Anton von Salis kann man auch davon ausgehen, dass es sich um eine traumatisierende Begebenheit handelte. Im 18. Jahrhundert wurde der Erfolg in einer Schlacht nach unterschiedlichen Kriterien gemessen. Marian Füssel schreibt, dass es die Schlacht als historisches Ereignis aus einer kulturgeschichtlichen Betrachtung nicht gebe. Vielmehr erscheine jede Schlacht aus mehreren Perspektiven. Es gehe also darum, wer die Wahrnehmung erobert und beherrscht habe.535 Die Schlacht wurde durch Bilder und Drucke, Zeitungsberichte und Zeremonien zu einem medialen Ereignis, bei dem jede Seite in ihren offiziellen Berichten natürlich ihre Sichtweise darstellen wollte, etwa indem behauptet wurde, dass die eigenen Verluste größer als diejenigen des Gegners seien.536 Das Verhalten der Truppen auf dem Schlachtfeld spielte in der nachträglichen Beurteilung eine wichtige Rolle, wie in folgendem Beispiel zu sehen ist: In der 531 StAZH W I 33a 9.1 (wie Anm. 152), S. 7. 532 Luh, Kriegskunst (wie Anm. 202), S. 135, 144 u. 146 f.; Black, Jeremy, A military revolution? Military change and European society 1550 – 1800, Basingstoke 1991, S. 39; Duffy, Experience (wie Anm. 441), S. 207 f.; Jeremy Black schreibt, dass gezielte Schüsse höchstens bis 50 m möglich waren. Black, Jeremy, European warfare, 1660 – 1815, London 1994, S. 40. 533 Luh, Kriegskunst (wie Anm. 202), S. 147; Duffy, Experience (wie Anm. 441), S. 272. 534 Luh, Kriegskunst (wie Anm. 202), S. 152. 535 Füssel, Das Undarstellbare (wie Anm. 478), S. 319. 536 Ebd., S. 323.

Die Belagerung

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Schlacht von Rossbach (5. November 1757) erlitt eine Armee aus den Truppen Frankreichs und der Reichsexekutionsarmee eine entscheidende Niederlage gegen Preußen. Johann Jakob Maienfisch, der als Hauptmann in Frankreich diente und später Major des Regiments de Castella wurde, erwähnte am 20. Januar 1758 in einem Brief an seinen Regimentskameraden Tobie de Castella die Schlacht. Maienfisch vermutete, dass sein Korrespondent bereits von der schweren Niederlage wusste, wies aber nachdrücklich auf das vorbildliche Verhalten ihrer Einheit hin: Das Regiment habe sich in der Schlacht mindestens so gut wie jedes andere Regiment der Armee geschlagen. Es war jederzeit mit allen Fahnen und Offizieren angetreten und habe zweimal, trotz Kanonenfeuer, den Feind angegriffen, bevor es vom französischen Oberkommandierenden persönlich den Befehl zum Rückzug erhalten habe. Maienfisch erwähnt auch, dass ihr Regiment mehr Offiziere und Soldaten als die übrigen anwesenden Schweizer Einheiten verloren habe. Im Gegensatz dazu sei das Regiment de Diesbach, welches in den Zeitungen gerühmt wurde, in der Schlacht völlig zersprengt worden, und einige ihrer Fahnen und Offiziere hätten sich beim Rückzug sogar in das Regiment de Castella eingegliedert.537

6.3

Die Belagerung

Festungen, in der Regel befestigte und mit einer Garnison versehene Städte, spielten in der Kriegsführung der Frühen Neuzeit eine wesentliche Rolle. Sie beherbergten Vorratsmagazine und schützten strategisch wichtige Punkte. Neben der Verteidigung dienten sie auch als Ausgangspunkt für militärische Operationen.538 Die Kriege des 18. Jahrhunderts waren, ebenso wie die Kriege des vorangegangenen Jahrhunderts, von Belagerungen geprägt, welche für den Kriegsverlauf häufig eine größere Bedeutung als gewonnene Schlachten besaßen.539 Denn keine Armee konnte es sich leisten, intakte Festungen hinter sich zu lassen, deren Besatzungen eine Bedrohung für die Nachschublinien darstellten, und die hartnäckige Verteidigung einer Festung konnte einen ganzen Feldzug vereiteln.540 Die Briefe Karl Andreas Schnyder von Wartensees aus dem Polnischen Erb537 538 539 540

KUB A–916/42: Maienfisch, Johann Jakob, An Tobie de Castella (20. Januar 1758). Luh, Kriegskunst (wie Anm. 202), S. 95. Ebd., S. 95 u. 100. Die Festungsstadt Cuneo verzögerte 1744 einen französischen Einmarsch in das Piemont, zwei Jahre später, in 1746, wurde die Gegenoffensive der österreichisch-piemontesischen Armee von der Besatzung Antibes’ aufgehalten. Duffy, Christopher, The fortress in the age of Vauban and Frederick the Great: 1660 – 1789, London 1985, S. 104; siehe auch: Luh, Kriegskunst (wie Anm. 202), S. 113 u. 115.

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folgekrieg zeigen, dass sich die französische Armee auf ihrem Feldzug im Sommer 1734 von Festung zu Festung bewegte: Am 17. Januar 1734 setzte Schnyder von Wartensee seinen Vater aus Argenteuil von einem kommenden Feldzug im März in Kenntnis.541 Am 6. April schrieb Schnyder von Wartensee aus der Nähe der Festungsstadt Saarlouis, dass Luxemburg ihr nächstes Ziel sein könnte.542 Am 15. Mai mutmaßte er, dass die französische Armee entweder Philippsburg oder Freiburg im Breisgau belagern oder aber die Armee von Prinz Eugen angreifen werde.543 Im nächsten Brief vom 23. Mai teilte Karl Andreas mit, dass die Gerüchte auf eine Belagerung der Festung Philippsburg deuteten, was in seinem folgenden Brief bestätigt wurde.544 Seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts folgten Belagerungen einer festgelegten Methode, die vom französischen Festungsbaumeister Vauban entwickelt und perfektioniert worden war. Die Methode bestand darin, ein Netzwerk von parallel zur Festungsmauer verlaufenden Schützengräben mittels im Zickzack ausgehobener Verbindungsgräben, sogenannten Approches, immer näher an die belagerte Festung voranzutreiben. Geschützbatterien an den Flanken der Parallelgräben sollten dabei die gegnerische Artillerie niederhalten und die Mauern der Bollwerke zerstören.545 (Abbildung 10) Dieses regelmäßige Vorgehen, mit dem eine Festung systematisch zur Kapitulation gezwungen werden konnte, passte gut in das rationalistisch-geometrische Weltbild der Epoche. Die Vorstellung, dass die zeitgenössischen Ingenieure glaubten, mathematisch ausrechnen zu können, wann sich eine Festung ergeben müsse, ist dagegen wohl ein Mythos.546 Da im flachen Gelände der Niederlande und Nordfrankreichs besonders viele Festungen standen, wurde in diesem umkämpften Gebiet der Festungskrieg besonders intensiv geführt. Die französische Armee unternahm beispielsweise im Österreichischen Erbfolgekrieg 84 Belagerungen (inklusive Blockaden).547 So gesehen überrascht es nicht, dass sich ein umfangreicher Teil von Beat Fidel Zurlaubens Tagebuch über den Feldzug in Flandern 1745 mit Belagerungen beschäftigt: In jenem Jahr nahm er an der

541 StALU PA 954 – 19622 (wie Anm. 269), (17. Januar 1734). 542 StALU PA 954 – 19622: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Vater (6. April 1734). 543 StALU PA 954 – 19622: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Vater (15. Mai 1734). 544 Dabei handelt es sich um die heutige Stadt Philippsburg in Baden-Württemberg. StALU PA 954 – 19622: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Vater (23. Mai 1734); Karl Andreas an seinen Vater (12. Juni 1734). 545 Duffy, Experience (wie Anm. 441), S. 289; Luh, Kriegskunst (wie Anm. 202), S. 107. 546 Ebd., S. 101. 547 Ebd., S. 99 f.

Die Belagerung

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Abbildung 10: MAZ 15073, Homann, Johann Baptist, Kriegs-Kunst, 1730, Kantonales Museum Altes Zeughaus, Solothurn

Einnahme der Städte Gent und Brügge548 sowie an den Belagerungen der Städte Tournai, Oudenaarde, Dendermond und Ostende teil.549 Einer seiner Einträge zur Belagerung von Tournai, die am 30. April 1745 begann und bis zum 2. Juni dauerte, sieht folgendermaßen aus: »May 20 […] on a debouch¦ pendant cette nuit par la droite et par la gauche de la sappe qui couvroit la porte dans la continue de l’ouvrage — corne, et aprÀs avoir fait un crochet en se portant en avant, on a form¦ un boyau qui de part et d’autre du chemin couvert de la demie-lune — ¦t¦ conduit paralellem[en]t — son sommet jusqu’au pied du talus du rempart des deux branches de l’ouvrage — corne. Les deux batteries de six mortiers chacune sur les demi-bastions tirent de ce matin. Une de ces batteries a mÞme tirer pendant la nuit. La batterie pour 8. pieces de canon sur la partie de la courtine — droite de la porte a ¦t¦ entierem[en]t achev¦e, mais on n’a pu y en faire entrer que quatre [canons, M. H.] pendant la nuit. On esp¦re qu’elles tireront dans la matin¦e. La batterie de 7. pieces sur l’echapp¦e entre la branche droite et son chemin couvert tire actuellem[en]t. 548 KBAG AH 118 (wie Anm. 134), S. 56 u. 59. 549 Ebd., S. 17 ff., 58, 60 f., 69 f. u. 71 ff.

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Kriegserfahrungen in den Selbstzeugnissen

Les portes de la demie-lune et de l’ouvrage — corne sont entiÀrem(en)t d¦masqu¦es, et le service de l’artillerie s’est fait pendant la nuit par ces deux portes. Toutes ces manoeuvres n’ont cout¦s que 5. ou 6. travailleurs bless¦s. M[onsieur] de S[aint]Laurens Capitaine au Reg[imen]t de Pi¦mont a ¦t¦ tu¦ hier au soir — l’entr¦e de la sappe.«550

Bei diesem Zitat fällt die sehr technische Beschreibung des Geschehens auf, die von vielen Fachbegriffen aus dem Festungsbau gespickt ist. Kenntnisse dieses Fachs gehörten ja zu dem Grundwissen der Offiziere. Zurlaubens Beschreibung der gesamten Belagerung spiegelt das methodische Vorgehen der Angreifer wider. Er notierte Tag für Tag die Einheiten, welche zu den Schanzarbeiten und zur Bewachung der Laufgräben abgeordnet wurden, und er beschrieb das stete Vorrücken der Gräben und die Wirkung des eigenen Artilleriefeuers. Die Artillerie spielte die zentrale Rolle bei Belagerungen. Bei vielen Belagerungen wurden 150 Geschütze oder mehr eingesetzt. Das waren schwere 24-pfündige Kanonen, schwere Mörser (Bogenschusswaffen) oder die sogenannten »Coehorn-Mörser« (Abbildung 11), benannt nach dem niederländischen Artilleriegeneral Menno von Coehorn, der sie als leichte und einfach zu bedienende Waffe für Belagerungen entwickelte hatte.551 Karl Andreas Schnyder von Wartensee schrieb am 3. Juni 1734, dass die Belagerer von Philippsburg, nachdem sie sich bis ca. 21 Meter an die feindlichen Stellungen herangearbeitet hatten, mit 15 schweren Kanonen, acht Mörsern und drei Batterien eroberter Geschütze ein »continuirlich feüwr tag und nacht« begannen.552 Der intensive Artilleriebeschuss, manchmal unter Zuhilfenahme von Brand- und Sprengmunition, sogenannten »bombes«, war ein Element psychologischer Kriegsführung, das einen festen Bestandteil der Belagerungen in der Frühen Neuzeit darstellte und in vielen Fällen zum Erfolg führte. Gabriel Manuel schreibt, dass sich Freiburg im Breisgau am 2. Oktober 1744 der französischen Armee ergab, nachdem es den Belagerern gelang, eine Bresche in die Mauern zu schießen.553 Es war üblich, dass eine Besatzung in dieser aussichtslosen Situation ihre Festung übergeben durfte und von großzügigen Kapitulationsbedingungen, etwa einem freien Abzug mit wehenden Fahnen und allen Waffen, profitieren konnte.554 Doch wehe der Garnison, die auf ihren Widerstand beharrte und es auf eine Erstürmung des Platzes ankommen ließ! Karl Andreas Schnyder von Wartensee erklärte, dass sich der Kommandant der Festung Philippsburg am 17. Juli 1734, nachdem ein wichtiges Vorwerk verloren ging, zur Übergabe entschloss: 550 Ebd., S. 23. 551 Luh, Kriegskunst (wie Anm. 202), S. 102 f. 552 StALU PA 954 – 19622: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Vater (12. Juni 1734). 553 BBB Mss.h.h.XXII.70 (3), (wie Anm. 146), S. [6]. 554 Siehe dazu: Koch, Land- und See-Kriegsrecht (wie Anm. 428), §§191 – 194 u. §§201 – 206.

Die Belagerung

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Abbildung 11: MAZ 3338, Coehorn-Mörser, um 1735, Lafette von 1870, Kantonales Museum Altes Zeughaus, Solothurn

»[…] sonsten in wenig zeit die gantze Garnison au fil de l’¦p¦e passiert wäre [über die Klinge springen, getötet werden, M. H.], maßen die stuch [Stück = Kanonen, M. H.] schon auf dem ouvrage courron¦ [Kronwerk, M. H.] pflantz [aufgepflanzt, M. H.] waren also nichts anders mer ware, als le corps de la place prest zu schießen weilen der Gouverneur ein erfahrener und gewaltiger Kriegs Officier ist, hat nit rathsam gefunden zu diser Extremitet zu gelangen.«555

Dafür erhielt die Besatzung Philippsburgs das Recht, mit allen militärischen Ehren sowie fünf Kanonen und fünf Vorratswagen abzuziehen. Dem Kommandanten wurde »zur recompence seiner großen Qualitet« sogar eine zusätzliche Kanone geschenkt.556 Nur in wenigen Fällen, wie etwa bei der (erfolglosen) französischen Belagerung von Maastricht 1793 führte langwieriger Widerstand zum Abzug der Angreifer, denn in den meisten Fällen saßen die Eingeschlossenen am kürzeren Hebel. Bei der Belagerung von Landrecies kündigten die französischen Verteidiger am 27. April 1794 an, dass sie sich bis zum letzten Tropfen Blut wehren und sich lieber mit den Ruinen der Freiheit bedecken würden, als sich zu ergeben.557 Die Stadt ergab sich trotzdem drei Tage später nach einer schweren Beschießung.558 Eine hartnäckige Haltung der Verteidiger hatte nicht zuletzt für die Zivilbevölkerung schwere Konsequenzen. Franz Ludwig von Graviseth fand nach der 555 StALU PA 954 – 19622: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Vater (20. Juli 1734). 556 Ebd. 557 StABE N de GoumoÚns 1.4 (wie Anm. 146), S. 5. 558 BBB FA von Graviseth 6 (wie Anm. 136), H. I, S. 12.

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Kriegserfahrungen in den Selbstzeugnissen

Übergabe von Landrecies innerhalb der Mauern eine verwüstete und eingeäscherte Stadt vor.559 Bei längeren Belagerungen mit andauernder Beschießung konnten erhebliche Teile der Stadt, sowohl durch direkte Einschläge als auch durch von Brandbomben ausgelöste Feuersbrünste zerstört werden.560 Obwohl sich die Verluste der Zivilbevölkerung im Vergleich zur Garnison oder zu den Angreifern meistens in Grenzen hielten,561 war ein fortwährendes Bombardement für die betroffene Bevölkerung eine sehr traumatische Erfahrung. Der 1793 in Maastricht eingeschlossene Johann Luzius von Planta beschreibt den gegenseitigen Beschuss der Belagerer und Belagerten als ein »tintamare d’enfer«, ein Höllengetöse. Die Stadtbewohner hätten eine solche Situation noch nie erlebt und mit Bestürzung realisiert, dass sie dem Artilleriehagel nicht ausweichen konnten. Allerdings räumt von Planta ein, dass der Schaden, obwohl beträchtlich, in keinem Verhältnis zu der Anzahl verschossener Munition stand.562 Der Artilleriebeschuss von Wohngebieten wurde nicht als regelwidrig betrachtet, obwohl die Zivilbevölkerung durch eine Bombardierung vor allem längerfristig unter der Zerstörung ihrer Lebensgrundlage litt.563 Es wurde dahingehend jedoch während einer Belagerung erwartet, dass sich beide Seiten an die üblichen Gepflogenheiten zwischen den Kriegsparteien hielten und Respekt für den Gegner zeigten. Während der gleichnamigen Schlacht, die vom 20. bis zum 22. April 1796 dauerte und mit einer Niederlage der sardinischen Truppen endete, konnten sich Bernhard Albrecht Stettler und sein Regiment vor der Armee Napoleon Bonapartes in die Stadt Mondovi retten. Seine Aufforderung, dass wenn die Stadt nicht binnen einer Viertelstunde kapituliere, die ganze Garnison über die Klinge springen werde, schildert Stettler als empörend.564 Als die französische Artillerie während dieser Verhandlungsphase, selbst nachdem eine weiße Fahne gehisst worden war, weiter schoss, verlor der Schweizer Regimentskommandant die Geduld. Beleidigt durch diesen Regelverstoß (»atteint aux droits de la guerre«565), wollte er die Übergabe ablehnen und stattdessen die Franzosen angreifen. Erst nachdem Napoleon das Artilleriefeuer als Missverständnis zwischen ihm und einem Untergebenen erklärt und der Besatzung ehrenvolle Bedingungen angeboten hatte, ergab sich die Stadt schließlich am 21. April.566 559 Ebd. 560 Hohrath, Daniel, Der Bürger im Krieg des Fürsten. Stadtbewohner und Soldaten in belagerten Städten des 18. Jahrhunderts, in: Kroener, Pröve, Krieg (wie Anm. 62), S. 305 – 329, hier S. 324. 561 Ebd., S. 327. 562 StAGR D V/4 d Nr. 75 (wie Anm. 153), S. 22, 23 u. 26. 563 Hohrath, Bürger (wie Anm. 560), S. 327. 564 BBB Mss.h.h.XLIII.11 (wie Anm. 141), S. 42. 565 Ebd., S. 42. 566 Ebd., S. 42 f.

Die Belagerung

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Genau so wie bei einer Schlacht war der Ausgang einer Belagerung ein mediales Thema, bei dem beide Seite versuchten, ihre Version der Ereignisse zu verbreiten. Karl Andreas Schnyder von Wartensee sah sich in seinem bereits oft zitierten Brief vom Juli 1734 über die Belagerung von Philippsburg genötigt, die »vnderschidlich[en] Reden wegen [der] Belägerung Philipsbourg[s]« klarzustellen. Denn es sei so, dass »findtliche Köpf […] erlogene Discourse füöhren« und die »getruchten [gedruckten Nachrichten, M. H.] mit Lüggen« füllten.567 So bestritt er, dass die französische Armee geschlagen und die Belagerung aufgehoben worden sei. Ebenso wenig wahr seien die Behauptungen im Zusammenhang mit dem Tod des französischen Generals, dem Herzog von Berwick (1670 – 1734), welcher am 12. Juni 1734 starb, als er im Belagerungsgraben von einer Kanonenkugel getroffen wurde: Der General sei nicht gezielt erschossen worden, und die Franzosen hätten auch nicht deswegen aus Rache ein Kopfgeld von 1.000 Louis d’or auf den deutschen Festungskommandanten gesetzt. Schnyder von Wartensee zeigte sich ebenfalls erstaunt, dass der Schweizergarde beim Angriff auf die Rheinschanze, einem Vorwerk der Festung, feiges Verhalten vorgeworfen wurde. Er wies darauf hin, dass sie im Gegenteil mehrmals ohne Deckung durch Annäherungsgräben zum Angriff geschickt worden seien und deshalb das Feuer gar nicht hätten erwidern können. Zwar habe in der Nacht der Feind einen Ausfall gemacht, der einige Schweizer zum Zurückweichen zwang, doch man habe bald darauf das Feuer erwidert. Schnyder von Wartensee führte die falschen Berichte darauf zurück, dass die Schweizergarde wenige Verluste zu beklagen hatte, was allerdings der Ungeschicklichkeit des Feindes geschuldet sei. Die Einnahme einer Festung wurde öffentlichkeitswirksam gefeiert, um den Sieg symbolisch zu untermauern. Als sich die Zitadelle von Tournai am 20. Juni 1745 nach mehrmonatiger Belagerung ergab (ein Erfolg, der für Karl Andreas Schnyder von Wartensee umso glorreicher ist, da Vauban die Festung erbaut hatte568), wurde dieses Ereignis vier Tage später durch den feierlichen Einmarsch Ludwigs XV. zelebriert. Der König wohnte dem Abzug der feindlichen Garnison bei und nahm die Huldigung mehrerer hoher Würdenträger entgegen, ehe er sich in die Kathedrale begab, wo der Bischof von Tournai das Te Deum anstimmte. Nach dem Gottesdienst sah er einer Vorführung der Bergarbeiter zu, die ein Hornwerk der Stadtbefestigung sprengten.569 Ein ähnliches Prozedere spielte sich am 25. Juli 1745 in Gent und einige Tage später in Brügge ab. Der Auftritt des Königs scheint Eindruck gemacht zu haben, denn Zurlauben zeigte

567 Im Folgenden: StALU PA 954 – 19622 (wie Anm. 520), (Juli 1734). 568 StALU PA 954 – 19624 (wie Anm. 129), (5. Juni 1745). 569 KBAG AH 118 (wie Anm. 134), S. 56.

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Kriegserfahrungen in den Selbstzeugnissen

sich in seinem Tagebuch davon überzeugt, dass die einheimische Bevölkerung den französischen König verehrte und sich für seine Erfolge freute.570

6.4

Die Gefahren: Verwundung, Tod und Gefangenschaft

Die Kampfhandlungen in der Frühen Neuzeit erschöpften sich keineswegs in geordneten taktischen Manövern und im planmäßigen Ausheben von Belagerungsgräben. Ebenso wenig war jede Aktion von Erfolg gekrönt. In der Schlacht oder der Belagerung drohten viele Gefahren: Eine Niederlage konnte in Flucht und Gefangennahme enden. Verletzungen auf dem Schlachtfeld, selbst leichte, konnten tödlich sein, da die Bergung der Verwundeten ein schier unlösbares logistisches Problem darstellte. Wie das Chirurgie-Set aus dem 19. Jahrhundert (Abbildung 12) eindrücklich zeigt, war die Militärmedizin ein brutales Geschäft. Feldärzte behandelten Wunden nach dem damals besten Kenntnisstand mit Essig oder Salpeter, doch bei allzu schweren Verletzungen hatten sie keine andere Wahl, als das verwundete Glied zu amputieren. Daneben blieb allerdings es weiterhin üblich, Verletzte zunächst einmal zur Ader zu lassen.571 In Selbstzeugnissen nahmen die Aufzählung und die akribische Beschreibung der eigenen Wunden eine hohe Bedeutung ein.572 Die Erwähnung von erlittenen Verletzungen diente den Autoren einerseits zur Information der Angehörigen, andererseits, in nachträglichen Schilderungen, als Beweis für die Tapferkeit im Gefecht. Je öfter ein Offizier verwundet wurde, desto mutiger erschien sein Verhalten im Gefecht Frid¦ric de Diesbach erklärte, dass er in der Schlacht von Francavilla di Sicilia (20. Juni 1719) durch Gewehrkugeln in Arm und Unterleib getroffen worden sei und drei Quetschungen erlitten habe, jedoch trotz des Befehls, sich zurückzuziehen, bei seinen Truppen in der soeben eroberten Stellung geblieben sei.573 Trotz seiner noch nicht verheilten Wunden habe er kurze Zeit später an der Belagerung von Messina (Juli–Oktober 1719) teilgenommen.574 Auch Friedrich von Planta kämpfte nach eigener Schilderung an der Schlacht an der Brücker Mühle (21. September 1762 bei Amöneburg in Hessen) trotz mehrerer Verletzungen weiter. Er unterhielt sich sogar mit dem Marschall von Soubise über die notwendigen taktischen Maßnahmen, bis der Marschall bemerkte, dass Planta 570 Ebd., S. 62 u. 65. 571 Luh, Kriegskunst (wie Anm. 202), S. 72 f. 572 Büsser, Nathalie, Besondere Tote im Dienst der Familie. Der gewaltsame Tod in der Schlacht und das Nachleben eidgenössischer Soldunternehmer der Frühen Neuzeit, in: Traverse. Zeitschrift für Geschichte 15 (2008), H. 2, S. 27 – 36, hier S. 29. 573 AEF Chroniques 60a (wie Anm. 150), S. [17 f.]. 574 Ebd., S. [19 f.].

Die Gefahren: Verwundung, Tod und Gefangenschaft

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Abbildung 12: MAZ 26141, Chirurgie-Set, 19. Jahrhundert, Kantonales Museum Altes Zeughaus, Solothurn

nicht mehr in der Lage war, seine Arme zu bewegen, um seinen Hut wieder aufzusetzen. Erst dann meldete sich Planta auf Befehl seines Vorgesetzten beim Chirurgen.575 Das Motiv des schwer verwundeten, aber trotzdem weiterkämpfenden Soldaten war in der Frühen Neuzeit offenbar ein beliebtes Narrativ, für das es auch andere Beispiele aus dem Schweizer Söldnerwesen gab.576 Zur Beschreibung einer Schlacht gehörte neben der Erwähnung der persönlichen Verwundungen eine Aufzählung der getöteten und verletzten Kameraden. Dabei wurden die Offiziere, im Gegensatz zu den Soldaten und Unteroffizieren, namentlich erwähnt. Solche Aufzählungen sind in anderen militärischen Selbstzeugnissen577 wie auch in offiziellen Schlachtenberichten zu finden. Das hatte verschiedene Gründe: Einerseits wurden hohe Verluste als Beweis für die Heftigkeit und die Bedeutung einer Schlacht gewertet, andererseits ging es in den Quellen, die einen Adressaten hatten, darum, Angehörige oder die Menschen in der Heimat zu informieren. Frid¦ric de Diesbach schreibt, dass er am 17. Oktober 1719 einen Angriff, »un des plus furieux, que l’on aye jamais v˜«, auf ein Außenwerk der Stadt Messina geführte hatte, nach welchem ihm von 300 Mann nur noch fünf übrig geblieben seien.578 Gabriel Albrecht von Erlach fasste

575 576 577 578

StAGR Familienarchiv von Planta: D III/S II Ac 52 (wie Anm. 148), S. 5. Siehe dazu: Büsser, Tote (wie Anm. 572), S. 30. Schwarzer, Anspruch (wie Anm. 401), S. 161. AEF Chroniques 60a (wie Anm. 150), S. [19 f.].

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Kriegserfahrungen in den Selbstzeugnissen

die Verluste des Regiments nach der Schlacht von Warburg folgendermaßen zusammen: »Je perdis vingt sept hommes de ma compagnie, et quatre sergens […] Les off[icie]rs. tu¦s du reg[imen]t furent M[onsieur] Vernet cap[itai]ne lieut[enant], la jambe emport¦e d’un boulet de canon. M[onsieur] de Buren lieut[enant]: un coup de fusil dans la tete, M[onsieur] D’Yens lieut[enant]: un coup de fusil entre les deux yeux et un dans la poitrine, et M[onsieur] de Thellung sous lieut[enant]: le genou fracass¦ d’un boulet – Ceux qui furent bless¦s ¦toient, M. Rhyhiner cap[itai]ne. Un coup de fusil — la tete, Pollet lieut[enant]: un coup de fusil dans le pied, Steiger lieut: un coup de fusil — la cuisse et trois contusions. May, l[ieutenan]t un coup de fusil — travers la poitrine. Tscharner sous l [ieutenan]t la jambe cass¦e d’un coup de fusil. Veber, enseigne bless¦ — la cuisse et prisonnier. Serg¦ant enseigne un coup du fusil dans la jambe. M[onsieur] de Aubonne l [ieutenan]t colonel eut deux boules de sa perruque coup¦es par une balle. M[onsieur] Gaudard, com[man]d[an]t de bat[aill]on un coup de fusil dans la manche de son habit, Ernest, major un coup de fauconneau dans sa cuirasse. M[onsieur] de Midde cap[itai]ne une contusion — la nuque du cou. De Diesbach cap[itai]ne deux contusions — la cuisse droite. Moi une forte cont[usion] — la cheville du pied droit Cipolino, cap[itaine] l [ieutenan]t les plis de son habit cribl¦s, Jeantel, l[ieutenan]t une contusion — la cuisse. De Montrond sous l[ieutenan]t une contusion au ventre. Fuchslin aide – major eut son cheval bless¦, et Casimir sous aide – major plusieurs coups dans sa redingotte.«579

Trotz der akribischen Aufzählung der Verletzten oder der eigenen Wunden wurden körperliche Schmerzen von den Offizieren kaum thematisiert, eine Tatsache, die sich in den Selbstzeugnissen anderer Kriegsteilnehmer auch feststellen lässt.580 Frid¦ric de Diesbach notiert in seiner Autobiographie, dass er in der Schlacht von Parma (29. Juni 1734) durch eine Gewehrkugel im Oberkörper verletzt worden sei. Er schreibt, dass der Feldscher, obwohl die Wunde schon stark angeschwollen gewesen sei, sie weiter öffnete, um die Kugel besser entfernen zu können, da das Geschoss tief im Fleisch gesteckt habe: »[…] il me donna quatre coups de rasoir pour la sortir, et f˜t obliger de fourer le doigt, jusque presque dans l’estomac afin de la retirer, ceque Dieu mercy¨ reussit fort hereusement.«581 Kein Wort von de Diesbach darüber, wie schmerzhaft eine solche Operation zweifellos gewesen sein muss. Dagegen machte der Anblick verwundeter Kameraden eher einen Eindruck auf die Offiziere. De Diesbach wurde nach seiner oben beschriebenen Operation in das Lazarett der kaiserlichen Armee gebracht. Er schreibt, dass die vor Schmerzen schreienden Soldaten und Offiziere ein »triste spectacle« gewesen seien: »ce qu’on peut dire Þtre l’horreur de la guerre«, lautet sein Kommentar dazu.582 579 580 581 582

StABE HA Spiez 89 (wie Anm. 151), S. 43 f. Kroll, Soldaten (wie Anm. 35), S. 482. AEF Chroniques 60e (wie Anm. 150), S. [10]. Ebd.

Die Gefahren: Verwundung, Tod und Gefangenschaft

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Fast sechs Jahrzehnte später wurde Sigmund David von Wattenwyl mit seinen Soldaten im Gefecht von Roncq (24. Mai 1793) vom übrigen Regiment getrennt. Der Offizier schreibt in seinen Erinnerungen, wie er nach den Kampfhandlungen an dem Gedanken verzweifelt sei, dass seine Freunde und Verwandte in den anderen Bataillonen tot oder verwundet worden sein könnten: »J’avois dans les deux bataillons de proches parents et d’excellens amis. Qu’on juge de ce que [je] devois soufrir, ayant outre cela l’esprit accabl¦ par nos malheurs, car l’id¦e d’avoir ¦t¦ battue par les franÅais me mettoit presque au desespoir. La douleur de la perte de mes amis et la rage caus¦e par notre d¦faite me firent pleurer com[m]e un enfant, malgre que je ne sois pas de nature larmoyante«583

Es drückten nicht alle Offiziere ihre Gefühle so deutlich aus wie von Wattenwyl. Auch im 17. und 18. Jahrhundert war die Art, in der Soldaten mit dem Thema Tod in ihren Selbstzeugnissen umgingen, sehr von der individuellen Persönlichkeit geprägt und lässt sich nicht auf pauschale Aussagen reduzieren.584 Die Reaktion der Offiziere auf den Tod ihrer Kameraden war einerseits von der Beziehung, die der Verschiedene zum Schreiber hatte, abhängig. Es wird teilweise sehr nüchtern darüber geschrieben. Hans Kaspar Hirzel etwa fällt erst ein, als er überlegt, was er seiner Mutter noch berichten könnte, dass sein Regiment kürzlich einen jungen Offizier verloren hatte.585 Doch gerade beim Tod von Freunden, Verwandten oder geschätzten Offizieren bemühten sich die Männer in vielen Fällen, ihre Trauer beziehungsweise die allgemeine Trauer über den Verlust in ihren Schriften festzuhalten. Karl Andreas Schnyder von Wartensee schrieb seinem Vater am 12. Juni 1734 über die »bedauerliche Zeitung« vom Tod des General Bervick, der im Schützengraben unglücklicherweise von einer Kanonenkugel getroffen worden sei. Schnyder von Wartensee erwähnte, dass der Unglücksfall im französischen Lager alle betrübe.586 Gabriel Albrecht von Erlach notierte in seinem Tagebuch, dass er am 6. November 1760 die »traurige« Nachricht vom frühen Tod seines Bruders Johann Rudolf (1743 – 1760) erhielt, der an einem Fieber gestorben war. Von Erlach schrieb über den frühen Tod seines Bruders, dass jener ein charmant aussehender und begabter junger Mann gewesen sei, der erst seit sechs Monaten bei der Schweizergarde gedient habe.587 Sigmund David von Wattenwyl notierte in seinem Tagebuch, dass am 8. Juni 1793 ein Hauptmann d’Anglefort mit seiner Kavallerieschwadron in eine feindliche Gewehrsalve hineingeritten und dabei 583 BBB FA von Wattenwyl A 14 (wie Anm. 164), S. 81. 584 Vgl. Kaiser, Michael, Zwischen ›ars moriendi‹ und ›ars mortem evitandi‹, in: Kaiser, Michael, Kroll, Stefan (Hrsg.), Militär und Religiosität in der Frühen Neuzeit, Münster 2004, S. 323 – 343, hier S. 328. 585 ZBZH FA Hirzel 346.1 (11), (wie Anm. 301). 586 StALU PA 954 – 19622 (wie Anm. 552), (12. Juni 1734). 587 StABE HA Spiez 89 (wie Anm. 151), S. 53.

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getötet worden sei. Von Wattenwyl zeigt sich sehr betroffen über Tod seines Kameraden, mit dem er sehr verbunden gewesen war, und außerdem mache es immer einen stärkeren Eindruck, wenn ein Kamerad tot oder tödlich verwundet zurückgebracht werde, als wenn er an der eigenen Seite falle.588 Doch in manchen Fällen wurde der Tod eines bekannten Offiziers unter einem entschieden pragmatischen Gesichtspunkt gesehen. Ein Offizier namens Baillif le Cadet bat am 15. September 1761 seinen Hauptmann, Tobie de Castella, um den Posten des Unterleutnants in dessen Kompanie, da der bisherige Inhaber des Postens, Herr Courvoisier, am vorherigen Tag getötet worden sei.589 Dominique Dubois-Cattin berichtete in einem Brief vom 30. April 1759 von einem toten Kameraden namens Jobin, der ihm noch Geld schuldete, Geld, dass Dubois-Cattin von seinem Onkel ausgeliehen hatte und nun irgendwie zurückzahlen musste.590 Nathalie Büsser weist in ihrem Aufsatz schließlich darauf hin, dass unter manchen Umständen ein in der Schlacht gestorbener Offizier eine wichtige Rolle in der familiären Erinnerungskultur spielen konnte und damit half, die soziale Stellung und das symbolische Kapital der Familie zu festigen. Nathalie Büsser nennt als Beispiel den Generalleutnant in französischen Diensten Beat Jakob Zurlauben (1656 – 1704), der nach der Schlacht von Höchstädt (13. August 1704) im Spanischen Erbfolgekrieg an seinen im Kampf erlittenen Verletzungen in Ulm starb. Beat Jakob Zurlauben wurde in Ulm begraben, doch vorher wurde sein Herz entnommen, einbalsamiert und nach Zug überführt, wo es im Grab des Vaters bestattet wurde. Die Herztranslation stellte eine besondere Ehrung des Verstorbenen dar, denn sie war ein Privileg des Hochadels und erinnerte außerdem an den Reliquienkult und an die Heiligenverehrung.591 Im Umgang mit dem möglichen eigenen Tod im Gefecht herrscht in den vorhandenen Selbstzeugnissen eine fatalistische Haltung vor. Furcht vor dem Tod wird jedenfalls in keinem Selbstzeugnis erwähnt. Karl Andreas Schnyder von Wartensee schreibt von der Belagerung von Philippsburg, dass schon einige Kanonenkugeln über ihn umhergeflogen und ihm um die Ohren gesaust seien. Am ersten Tag im Schützengraben sei er auch beinahe getroffen worden, doch »enfin ist allen die Stund gesetzt, daran wir uns einwilligen sollen.«592 Auch Jahre später bekräftigte Schnyder von Wartensee seine gefasste Haltung. Im Sommer 1746 schrieb er seinem Bruder aus Flandern, dass die Schweizer Truppen trotz Aussichten auf einen Frieden keine andere Wahl hätten als »[…] an den tantz 588 BBB FA von Wattenwyl A 14 (wie Anm. 164), S. 64. 589 KUB A–916/4: Baillif le Cadet, An seinen Hauptmann, Tobie de Castella (15. September 1761). 590 Dubois-Cattin, Correspondance (wie Anm. 276), S. 168. 591 Büsser, Tote (wie Anm. 572), S. 30 f. 592 StALU PA 954 – 19622 (wie Anm. 552), (12. Juni 1734).

Die Gefahren: Verwundung, Tod und Gefangenschaft

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gehen, dis ist vnser Profession, müößen das Gute mit dem Bößen annemmen.«593 Gabriel Albrecht von Erlach machte nach der Schlacht von Warburg deutlich, dass die Gefahr, im Kampf zu sterben, kein Grund sei, den Offiziersberuf aufzugeben: »Pour ce qui regarde la vie, c’est ¦gal; si je dois mourir, je mourroi chez moi comme d’un coup de canon — la guerre. Quand l’heure est venue, il faut en passer par l—; et puis, si je suis tu¦, il en restera asses pour me remplacer. Ainsi conclusion faite, je crois, sauf meilleur avis, que le mieux es que je suive mon sort, et que je reste soldat, puisque j’ay entrepris ce metier l—.«594

Dieser vordergründig schicksalsergebenen Einstellung widersprechen die Erleichterung, den Krieg unbeschadet überlebt zu haben, welche die Offiziere an den Tag legen, und die religiösen Praktiken, die angewendet werden, um sich Gottes Schutz zu versichern, wie noch zu lesen sein wird. Die Gefangenschaft war eine weitere Gefahr, die einem Offizier im Krieg drohte. In den untersuchten Selbstzeugnissen finden sich zwei Beispiele dafür : Nach einem missglückten Gefecht am 15. August 1761 musste sich Gabriel Albrecht von Erlach mit anderen Offizieren seines Regiments den Hannoveranern ergeben. Der Berner wurde von einem Hauptmann Graf von Mantzau gefangen genommen, und obwohl von Erlach zugibt, dass er erleichtert gewesen sei, »d’etre tomb¦ entre les mains d’un officier et d’un homme de condition«, habe ihn der Husarenoffizier nach höflicher Begrüßung aufgefordert, ihm seine Geldbörse, seine Uhr und alle weiteren Wertsachen zu geben.595 Später an jenem Tag, so berichtet von Erlach, sei er dann von einem Dragonerhauptmann namens Jorris in das Hauptquartier der alliierten Armee nach Uslar begleitet worden, der den Offizier um sein Schwert gebeten habe, es ihm aber zurückgegeben habe, als er bemerkt habe, dass es bloß aus Eisen sei.596 Die gefangenen Schweizer Offiziere, heißt es weiter, seien in Uslar vom hannoverschen General Nikolaus Graf von Luckner (1726 – 1794) höflich empfangen worden, der sie bewirtet habe, ihnen Komplimente gemacht habe und dem Regimentskommandanten Samuel Jenner sogar Geld mitgegeben habe. Allerdings habe von Luckner die Bitte von Erlachs ignoriert, dass ihm seine Uhr zurückerstattet werden möge.597 Die Gefangenen seien nach kurzem Aufenthalt in Uslar nach Göttingen eskortiert worden, wo sie zur französischen Armee zurückgekehrt seien. Bereits im

593 StALU PA 954 – 19622: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (24. Juni 1746). 594 BBB Mss.h.h.III.233 (104): Erlach, Gabriel Albrecht von, Brief an seinen Vater (6. Juni 1760). 595 StABE HA Spiez 89 (wie Anm. 151), S. 81. 596 Ebd., S. 82. 597 Ebd., S. 83 u. 86.

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Kriegserfahrungen in den Selbstzeugnissen

Oktober desselben Jahres, so schreibt von Erlach, war er wieder auf dem Weg in seinen Urlaub in der Schweiz.598 Bernhard Albrecht Stettler geriet 1796 nach der Einnahme der Stadt Mondovi in französische Gefangenschaft. Auch bei ihm lief alles glimpflich ab, Napoleon persönlich erlaubte bei seinem Einmarsch in die Stadt den gefangenen Offizieren, ihre Schwerter zu behalten.599 Die Schweizer wurden mit dem Schiff nach Nizza gebracht, wo Stettler das Theater besuchte. Seine Reise führte ihn danach nach Avignon und Valence, wo einige offenbar sehr charmante Frauen den jungen Herren zu folgender Bemerkung veranlassten: »Ah! Si toutes les prisons ¦taient de cette sorte mon plus ardent voeux serait, de n’Þtre jamais libre.«600 Stettler erreichte am 1. Juni 1796, also etwa zwei Monate nach seiner Gefangennahme, seine Heimatstadt wieder. Diese Schilderungen lassen Gefangennahme und Gefangenschaft in einem recht angenehmen Licht erscheinen. Während man heutzutage mit dem Begriff »Kriegsgefangener« eher von Stacheldraht umzäunte Lager und Misshandlung assoziiert, erscheint die Kriegsgefangenschaft in den Schriften der Söldneroffiziere mehr wie ein gemütliches gesellschaftliches Beisammensein. Die Kriegserfahrung der beiden Schweizer war aber nicht unbedingt repräsentativ. Oft hing es vom Verlauf des Kampfes ab, ob ein Soldat gefangen genommen oder ihm der Pardon verweigert, er also getötet wurde.601 Das galt auch für höhere Ränge. Emanuel Schneider, ein Schweizer, der in der württembergischen Armee als Chirurgen-Major diente, schildert in seinen Erinnerungen, wie er bei seiner Gefangennahme von zwei preußischen Husaren fast erschlagen wurde.602 Und auch Selbstzeugnisse preußischer und sächsischer Offiziere berichten von massiver Gewaltandrohung und -anwendung nach der Schlacht oder vor ihrer Gefangennahme.603 Gabriel Albrecht von Erlach zeigte sich seinem Vater gegenüber glücklich, nicht den hannoveranischen Jägern in die Hände gefallen zu

598 599 600 601 602

Ebd., S. 95. BBB Mss.h.h.XLIII.11 (wie Anm. 141), S. 43. Ebd., S. 45. Kroll, Soldaten (wie Anm. 35), S. 435. BBB Mss.h.h.XXVI.99/100: Schneider, Emmanuel, »Emmanuel Schneiders, gewesenen Chirurgien Major des Löbl[ichen] Würtembergischen Prinz Fried[rich]Wilhelmschen Infantrie-Regiments, flüchtige Bemerkungen mit untermischten Briefen in denen von den Herzogl[ich] Würtembergischen Auxiliar-Truppen im Sieben-Jährigen Krieg mitgemachten 4. Campagnen in An[n]is 1757, 58, 59 und 60 aus Fragmenten zusammengetragen und meinen lieben Kindern zum angedenken aufbehalten und ausgezogen« (1796 – 1801), H. 2, S. 89 ff. 603 Voigtländer, Lutz, Vom Leben und Überleben in Gefangenschaft. Selbstzeugnisse von Kriegsgefangenen, 1757 bis 1814, Freiburg/Brsg. 2005, S. 40 f. u. 51 f.; Kroll, Soldaten (wie Anm. 35), S. 444.

Die Gefahren: Verwundung, Tod und Gefangenschaft

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sein, »[…] qui nous auroient tous sabr¦s et egorg¦s.«604 Ob diese Behauptung bloß dem schlechten Ruf der Jägertruppe geschuldet war, sei dahingestellt, sie zeigt jedenfalls, dass ein solches Verhalten im Bereich des Möglichen lag. Wie am Beispiel von Gabriel Albrecht von Erlach gesehen, war es ebenfalls üblich, den Gefangenen, ob Offizier oder Soldat, die Wertsachen abzunehmen. Soldaten und Offiziere, die »quartier« oder »pardon« erhielten und den Status von Kriegsgefangenen besaßen, konnten allerdings mit einer anständigen Behandlung rechnen. Im 18. Jahrhundert schlossen die kriegführenden Mächte miteinander Verträge ab, die sich mit dem Tausch und der Auslösung von gefangenen Soldaten sowie mit ihrer Versorgung und Unterbringung befassten.605 Einfache Soldaten mussten verpflegt und untergebracht werden, Offiziere konnten, bei gegebenem Ehrenwort, sich ziemlich frei bewegen und ein Leben (fast) wie in ihren Garnisonen führen.606 Soldaten mussten immer wieder damit rechnen, dass man sie mit finanziellen Anreizen oder mit Gewalt zum Dienst in der gegnerischen Armee zu überreden versuchte, doch Offiziere wurden meistens mit der Auflage, während einer bestimmten Zeit nicht an Kampfhandlungen teilzunehmen, frei gelassen. Grundsätzlich versuchten alle Armeen, um dem Aufwand zu entgehen, eine große Zahl von Gefangenen bewachen und verpflegen zu müssen, ihre Kriegsgefangenen möglichst schnell auszutauschen.607 Aus den Schilderungen der Schweizer Offiziere wird deutlich, dass gefangen genommene Schweizer wie die anderen Offiziere behandelt wurden. Die eidgenössischen Patriziersöhne wurden also offenbar als ebenbürtig mit dem adeligen Spross des europäischen Offizierskorps betrachtet. Gabriel Albrecht von Erlach und Bernhard Albrecht Stettler schienen den Akt der Gefangennahme beziehungsweise den Zustand des »Gefangenseins«, also der eingeschränkten persönlichen Freiheit, nicht besonders traumatisch zu sehen (es wurden beide ja auch ziemlich bald entlassen). Von Erlach beklagt bloß den Diebstahl seiner Uhr, die ihm nicht nur aus materiellen Gründen am Herzen lag. Allerdings bringen andere Umstände die Berner aus der Ruhe: Gabriel Albrecht von Erlach stellte zu seinem Leidwesen auf dem Weg nach Uslar fest, dass die Gegner zwei Regimentsfahnen erbeutet hatten, die man vor der Kapitulation versuchte, in Sicherheit zu bringen.608 Bernhard Albrecht Stettler musste

604 BBB Mss.h.h.III.233 (20): Erlach, Gabriel Albrecht von, Brief an seinen Vater (27. August 1761). 605 Voigtländer, Leben (wie Anm. 603), S. 21. 606 Ebd., S. 23 f. 607 Kroll, Soldaten (wie Anm. 35), S. 437. 608 StABE HA Spiez 89 (wie Anm. 151), S. 83.

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Kriegserfahrungen in den Selbstzeugnissen

in Nizza die Siegesfeiern der Franzosen miterleben, bei dem 22 erbeutete Fahnen, darunter auch solche von Schweizer Einheiten, ausgestellt wurden.609 Angesichts dieser Schmach erstaunt es nicht, dass beide Autoren zu rechtfertigen versuchten, wie es zu ihrer misslichen Lage kommen konnte: Bevor er den Kampf und seine anschließende Gefangennahme beschreibt, kritisiert Gabriel Albrecht von Erlach die französische Stellung als taktisch schlecht und erklärt, dass er eine andere gewählt hätte.610 Diese Einschätzung wird dadurch bekräftigt, dass von Erlach eine Aussage des gegnerischen Generals von Luckner, die er in Gefangenschaft angeblich von dessen Adjutanten gehört hatte, wiedergibt: Der hannoveranische General habe bereits vor der Schlacht prophezeit, dass er seinen Gegner gefangen nehmen werde.611 Bei der Beschreibung des anschließenden Gefechts betont Gabriel Albrecht von Erlach mehrmals das Ungleichgewicht des Kampfes. Er hebt hervor, dass der Feind zahlenmäßig überlegen war : »La superiorit¦ des ennemis«,612 »[…] ils fussent au moins quatre fois plus forts que nos dragons et nos hussards.«613 Die physische Anstrengung des Rückzugs und die Erschöpfung der Soldaten sorgten dafür, dass die Schweizer letzten Endes in eine ausweglose Situation gerieten: »Nous nous battimes de cette faÅon en retraite encore deux heures, toujours harÅel¦es par leurs troupes legeres, suivies par de leur grosse infanterie, par un pays tres difficile et coup¦ des ravins […]. AprÀs avoir march¦ environ l’espaÅe d’une heure et demie avec des fatigues et des peines incroyables, nous arrivames dans un ravin, qu’il fut impossible de passer en ordre — cause de sa hauteur et des buissons dont il ¦tait couvert.«614

Schließlich blieben mit Gabriel Albrecht von Erlach noch rund 50 Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten übrig, die sich um die sechs Fahnen des Regiments geschart hatten. Erst als die Regimentsfahnen durch herbeigesandte Dragoner in Sicherheit gebracht wurden, löste sich die Ordnung der Schweizer auf. Gabriel Albrecht versuchte, mit einigen anderen Offizieren zu entkommen, wurde aber bald umzingelt und gefangen genommen.615 Bernhard Albrecht Stettler schildert, dass die Schweizer Verteidiger von Mondovi, wie im vorhergehenden Kapitel bereits erwähnt, 1796 eine Übergabe der Stadt an die französische Revolutionsarmee wegen den schlechten Bedingungen ablehnten und stattdessen lieber ehrenhaft im Kampf sterben wollten. Der piemontesische Oberbefehlshaber befahl ihnen jedoch die Kapitulation, da 609 610 611 612 613 614 615

BBB Mss.h.h.XLIII.11 (wie Anm. 141), S. 43. StABE HA Spiez 89 (wie Anm. 151), S. 75. Ebd., S. 77. Ebd., S. 78. Ebd., S. 79. Ebd., S. 78 u. 79 f. Ebd., S. 81.

Die Gefahren: Verwundung, Tod und Gefangenschaft

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die Stadt nicht genügend Munitionsvorräte besäße, um sich lange zu halten.616 Laut Stettler sei es schwierig, »de se former une id¦e de notre consternation en recevant un pareil ordre«.617 Gezwungenermaßen ergaben sich die Schweizer mit der Stadt; Napoleon zog im Triumph ein, komplimentierte die Verteidiger zu ihrer Bravour und ließ sie großzügig ihre Schwerter behalten.618 Zur Schilderung der Kriegserfahrungen kann zusammenfassend erwähnt werden, dass es sich bei den Texten, die unmittelbar im Konflikt entstanden, um eine Art der »Bedrohungskommunikation« handelt. Krieg stellt eine Bedrohung der gesellschaftlichen Ordnung dar.619 Das galt natürlich auch für die Schweizer Offiziere, selbst wenn ihre Heimat im 18. Jahrhundert nicht vom Krieg betroffen war. Sie mussten mit der Möglichkeit von Tod oder Verwundung rechnen, darüber hinaus war die Ordnung von »militärischen Gesellschaften«, wie eine Kompanie oder ein Regiment, durch Versorgungsschwierigkeiten, Desertion oder, im schlimmsten Fall, durch eine Niederlage auf dem Schlachtfeld bedroht. Der Krieg beziehungsweise der Feldzug oder die Schlacht waren somit Situationen, in denen die Bedeutung von Kommunikation zunahm, man könnte hier sogar von einem Kommunikationszwang sprechen.620 Wie im aktuellen Kapitel beschrieben, verlangten die in der Heimat Verbliebenen nach aktuellen, genauen und glaubwürdigen Meldungen vom Kriegsschauplatz. Gleichzeitig wollten diese Menschen versichert werden, dass es ihren Verwandten, Freunden und Bekannten gut ging. Um diese Erwartungen zu erfüllen, wussten sich die Offiziere durchaus selektiv auszudrücken. Sie verzichteten in ihren Briefen oder ihren Tagebüchern (die ja teilweise auch zur Lektüre bestimmt waren) häufig auf allzu extreme Schilderungen von eigenem Schmerz oder Leid, sie schrieben nicht von ihrer Angst, sondern legten eine schicksalsergebene Haltung an den Tag. Die Absicht dahinter war, den Angehörigen möglichst wenig Grund zur Besorgnis zu geben, aber trotzdem die geforderten Informationen zur Verfügung zu stellen. Auch im Fall einer, möglicherweise entehrenden, Gefangennahme wurden in den Selbstzeugnissen kommunikative Strategien ausgewählt, welche die erlittene Niederlage rechtfertigten beziehungsweise der Nachwelt beweisen sollten, dass die Offiziere alle Möglichkeiten des Widerstandes ausgeschöpft hatten, bevor sie sich ergaben. 616 617 618 619

BBB Mss.h.h.XLIII.11 (wie Anm. 141), S. 42 f. Ebd. Ebd., S. 43. Vgl. die Projektbeschreibung des Tübinger Sonderforschungsbereichs 923: »Bedrohte Ordnungen«, besonders die Teilprojekte »Katastrophen« und »Ordnungszersetzung«. http://www.uni-tuebingen.de/forschung/forschungsschwerpunkte/sonderforschungsbereiche/sfb-923/teilprojekte/b-katastrophen.html; http://www.uni-tuebingen.de/forschung/ forschungsschwerpunkte/sonderforschungsbereiche/sfb-923/teilprojekte/c-ordnungszersetzung.html, 09. 04. 2013. 620 Ebd.

7

Prägung und Deutung

Menschen deuten, was sie wahrnehmen, und auf der Grundlage dieser Deutung handeln sie oder ziehen Schlussfolgerungen.621 Bei (Kriegs-)Erfahrungen, die ja nur nachträglich niedergeschrieben werden können, haben bestimmte vorherrschende Deutungsmuster einen Einfluss darauf, wie ein erlebtes Ereignis eingeordnet und interpretiert wird. Diese Deutungsmuster sind das Ergebnis einer vorhergehenden Prägung. Zu den wichtigen Deutungsmustern im militärischen Umfeld im 18. Jahrhundert gehörte einerseits die (christliche) Religion, ein »Sinnstiftungsangebot«, welches half, dem Gesehenen und Erlebten einen Sinn zu geben und es zu verarbeiten. In normativen Schriften wurden die Tugenden und Pflichten von Soldaten christlich begründet, und der Glaube war ein wichtiges Mittel, um Soldaten zu motivieren und ihnen die Angst vor dem Kampf zu nehmen.622 Andererseits waren die Offiziere als Mitglieder einer eidgenössischen Oberschicht, die sich an der Lebensweise des europäischen Adels orientierte, und als Mitglieder einer militärischen Oberschicht durch eine Vorstellung von Ehre geprägt, die ihr Verhalten im Krieg und ihre Selbstwahrnehmung entscheidend beeinflusste.

7.1

Religion

Der Berner Franz Ludwig von Graviseth beendet das Tagebuch, das er im Feldzug des Regiments GoumoÚns im Koalitionskrieg in den Niederlanden von März bis Dezember 1794 führte, mit den folgenden Worten: »Ici je finis ce journal de notre campagne, qui en tout a dur¦e 9. mois et 18. jours, remerciant la

621 Neitzel, Sönke, Welzer, Harald, Soldaten. Protokolle vom Kämpfen, Töten und Sterben, Frankfurt am Main 2011, S. 16. 622 Kroll, Soldaten (wie Anm. 35), S. 185; Möbius, Angst (wie Anm. 470), S. 107 ff.

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Prägung und Deutung

providence de m’avoir conserv¦ en sant¦, que j’ai toujours pu remplir mes devoirs, et de m’avoir pr¦serv¦e dans les perils et dangers de tout accident facheux.«623 Aus dem Satz dringt die Vorstellung, dass eine höhere, göttliche Macht den Berner während des Jahres begleitet und beschützt hatte. Soldaten und Offiziere erlebten in Kriegszeiten Gewalt und wurden Zeugen potenziell traumatischer Szenen von Tod und Verwundung. Die Angst, selbst schwer verletzt, verkrüppelt oder getötet zu werden, war vermutlich ebenfalls sehr präsent, auch wenn sie, wie eben gesehen, nicht offensichtlich angesprochen wurde. Doch bei einigen Offizieren wird eine Prägung durch ihre christliche (reformiert oder katholisch) Religion deutlich, die den Männern half, solche Gefahren zu verarbeiten. Diese christliche Prägung lässt sich, unabhängig von der Konfession, in den Selbstzeugnissen der Söldner bereits auf einer physischen Metaebene finden. Balthasar Perini betitelte sein Tagebuch mit »Jn N[omine] D[omini] Amen«.624 Bernhard Albrecht Stettler notierte auf der ersten Seite seiner Erinnerungen eine Strophe aus dem Lied »Ich bin ein Gast auf Erden« des bekannten Kirchenlieddichters Paul Gerhardt (1607 – 1676). Der Benediktinermönch Martin du Fay beginnt seinen Text mit einer Anrufung der Heiligen Dreifaltigkeit und der Gottesmutter und zitiert den ersten Vers von Psalm 89: »Misericordias Domini in aeternum cantabo«. Frid¦ric de Diesbach überschreibt seinen militärischen Lebenslauf625 mit der Formel »Ad Majorem Dei Gloriam« und beendet ihn mit »Soli Deo Gloria«. Seine »Memoires autobiographiques«626 beginnen ebenfalls mit der Überschrift »Pour la gloire de Dieu«, und jede folgende Seite ist mit »ad maiorem dei gloriam« betitelt. Einige Autoren zeigten sich in ihren Schriften überzeugt, dass Gott in Gefahrensituationen intervenierte, um ihr Leben zu retten. Nach einem Sturm im September 1721 auf dem Schiffsweg von Reggio Calabria nach Neapel ist die erste Handlung de Diesbachs bei einem Zwischenhalt in Paola in Kalabrien mit einem Gebet in der Kirche des heiligen Franz von Paola für seine Rettung zu danken, und er wählt den Heiligen aus Verbundenheit sogar zu seinem Fürsprecher im Himmel.627 Auf einer anderen Schiffsreise im Jahre 1727, die den Freiburger zurück in die Schweiz führen sollte, konnte sein Schiff wegen hohen Wellengangs nicht in den Hafen von Livorno einfahren, doch de Diesbach erklärt, Gott habe in der Nacht gnädigerweise das Meer beruhigt, sodass es der Besatzung gleichwohl gelang, den Hafen zu erreichen. Aus Dankbarkeit ging de Diesbach nach dem Anlegen in die erste Kirche, die er sah, um sich für seine

623 624 625 626 627

BBB FA von Graviseth 6 (wie Anm. 136), H. III, S. [17]. StAGR Familienarchiv Perini A Sp III 12b Nr. 17d (wie Anm. 293). AEF Chroniques 60e (wie Anm. 150). AEF Chroniques 60b (wie Anm. 150). Ebd., S. [20].

Religion

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Rettung erkenntlich zu zeigen.628 Auf seiner Reise nach Freiburg im Üechtland machte de Diesbach an verschiedenen Orten halt, um weiterhin Gott für seinen Schutz zu danken. Dazu gehört ein Aufenthalt in Einsiedeln SZ »pour remercier Dieu et la Sainte Vierge des graces jnfinies, dont Jl s’avoit combl¦ et conserv¦ entant des sieges et batailles et longs, penibles et dangereux voyages par mer et par terre.«629 Von der Innerschweiz reiste der Freiburger weiter über Solothurn nach Heitenried FR, eine Herrschaft seiner Familie, wo der Freiburgerde Diesbach Gott erneut für die Errettung aus zahlreichen Gefahren dankte: »[…] anderten Tags darauf hab ich mich in die Pfaarkirchen (um Meeß zu hören) begeben um den heiligen Mikael zu verehren welcher Patron davon ist und ich jidenzeit vor mein Schutz=Engel erwehlet hab auch durch deßen Intercession und der heilig Maria Mutter Gottes und H[eiligen] 3 König sambt anderen Heiligen jch von Gott große Gnad: erhalten hab bin ich durch dero Fürbitt von großen Gefahren erredet word […].«630

Am 16. Juli 1727 in Freiburg im Üechtland angekommen, war de Diesbachs erste Station die Kathedrale St. Nikolaus, wo Frid¦ric in der de Diesbach’schen Hauskapelle, in der seine Vorfahren begraben lagen, Andacht hielt und sich für seine glückliche Heimkehr bedankte.631 Wie Frid¦ric de Diesbach baten viele weitere Offiziere um Gottes Schutz vor den Gefahren des Militärlebens. Dominique Dubois-Cattin erklärte seinem Bruder, dass er sich vor der Schlacht von Bergen (13. April 1759) Gott und der Heiligen Jungfrau empfohlen und versprochen habe, in Pruntrut zu Ehren der Muttergottes zwei Andachten am Altar unserer Lieben Frau der Barmherzigkeit lesen zu lassen und eine Wallfahrt nach Einsiedeln zu unternehmen. Er zeigt sich überzeugt, dass Gott dank dieser frommen Tat sich seiner angenommen und er deswegen die Schlacht unbeschadet überlebt habe. In seinem nach der Schlacht verfassten Brief bat er seinen Bruder, einen Geistlichen am Hofe des Fürstbischofs von Basel, die beiden Messen zu veranlassen.632 Karl Andreas Schnyder von Wartensee bat 1734 vor dem Abmarsch der Armee von Saarlouis seine Geschwister, in der Kapelle Mariazell in Sursee »etwan ein Pater [Noster, M. H.] und Ave Maria« zu beten, damit er dadurch wieder glücklich nach Hause komme.633 Im Juli desselben Jahres bedankte er sich bei seiner Mutter für ihre Gebete und die Messe, die sie für ihn habe lesen lassen.634 Während des Österreichischen Erbfolgekrieges vertraute sich Karl Andreas wiederum der Fürbitte 628 629 630 631 632 633 634

AEF Chroniques 60b (wie Anm. 150), S. [44 f.]. AEF Chroniques 60e (wie Anm. 150), S. [8]. AEF Chroniques 60b (wie Anm. 150), S. [56]. Ebd., S. [56 f.]. Dubois-Cattin, Correspondance (wie Anm. 276), S. 162 f. StALU PA 954 – 19622 (wie Anm. 542), (6. April 1734). StALU PA 954 – 19622 (wie Anm. 520), (Juli 1734).

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seines Bruders an, da, wie er ihm erklärte, Offiziere das Gebet nötig hätten, obwohl sie saumselig darin seien.635 Der glückliche Ausgang einer Schlacht wurde in manchen Fällen durch eine göttliche Anteilnahme erklärt. Beat Fidel Zurlauben gibt in seinem Tagebuch Gott die Hauptverantwortung für den französischen Sieg bei Fontenoy.636 Die Fürbitte um göttlichen Schutz und Intervention kommt ausschließlich in den Selbstzeugnissen katholischer Offiziere vor, in den Schriften reformierter Autoren fehlt diese Vorstellung ganz, was angesichts der reformierten Ablehnung der Heiligenverehrung nicht überrascht. Allerdings waren auch reformierte Offiziere überzeugt, dass Gott ihr Leben lenkte. Der (höchstwahrscheinlich reformierte) Bündner Offizier Balthasar Perini vermerkt in seinem Tagebuch am 14. Dezember 1781, dass er die Nordseeinsel Texel verlassen habe und sich, angesichts des Todes seines Hauptmanns und vier weiterer Kameraden, beim Allerhöchsten für die Bewahrung von allen Krankheiten bedanke.637 Der ebenfalls reformierte Johann Luzius von Planta schrieb einleitend zu seinem Tagebuch der Belagerung von Maastricht 1793, dass die französischen Truppen eine Belagerung gewagt hätten, weil sie sich nach ihren Erfolgen für unbesiegbar gehalten hätten. Doch die »Horde Atheisten« hätte nicht mit einem rächenden Gott gerechnet, der ihre Verbrechen ahnden würde.638 Der Glaube an Gott bot den Verfassern Hilfe in schwierigen Situationen. Im Umgang mit dem Tod half der Glaube den Offizieren, den Verlust zu bewältigen oder andere Menschen zu trösten. Jean de Sacconay (reformiert) schreibt, dass er Anfang des Jahres 1706 den holländischen Dienst verließ, um zu seiner kranken Frau in Bursinel VD zu fahren, sie starb jedoch zwei Wochen vor seiner Ankunft. Er schreibt, dass der Kummer, den seine Feinde ihm zufügten, nichts im Vergleich zum Verlust seiner geliebten Frau sei. Er sei wie vom Blitz getroffen gewesen und sein einziger Trost bestünde in »la soumission absolue que j’ay et que j’auray toute ma vie — la volont¦ de mon Dieu et l’¦sperance de quitter bien tost cette malheureuse vie pour aller jouir de l’eternelle, que le sang de mon sauveur m’acquise […].«639 Der katholische Walliser Louis de Courten verarbeitete Krankheit und Tod seiner Ehefrau, indem er sie in seiner Autobiographie in einen übergeordneten Kontext stellte: Im Juni 1786 in Metz angekommen, bemerkte er mit Schrecken den verschlechterten Gesundheitszustand seiner Frau. Eines Tages erklärte sie 635 StALU PA 954 – 19623: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (24. Februar 1743). 636 KBAG AH 118 (wie Anm. 134), S. 15. 637 StAGR Familienarchiv Perini A Sp III 12b Nr. 17d (wie Anm. 293), S. [3]. 638 Planta spielte vermutlich auf die Hinrichtung des französischen Königs Ludwig XVI. an. StAGR D V/4 d Nr. 75 (wie Anm. 153), S. 1. 639 Kurz, Sacconay (wie Anm. 139), S. 337.

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ihm schließlich, dass sie nur für de Courten und ihre gemeinsame Tochter leben wolle, doch ihr Tod sei Gottes Strafe für de Courtens Fehler und seine Abkehr von der Religion, und sie hielt ihn an, seine jugendliche Leidenschaft für die Religion wiederaufzunehmen.640 De Courten schreibt, dass Seele und Herz der Eheleute in dieser Lage »dechir¦s et attendris« gewesen seien, doch er lobt seine Frau in den höchsten Tönen und betrachtet ihr krankheitsbedingtes Ableben als Opfer zu seinen Gunsten, das er zu ehren verspricht: »¬ femme celeste; ton ouvrage ne sera point infructueux ton epoux veut obtenir une palme de gloire a tes cot¦s et vat suivre desormais des conseils que ton coeur bien faisant et ton ame tout en Dieu lui ont donn¦ peu de tems vant de mourir. Plac¦ comme tu le merite auprÀs d’un dieu juste; tu le prieras p[ou]r moi qu’il etende sur ma personne Sa bont¦ et Sa misericorde.«641

Der Glaube war für den katholischen Solothurner Offizier in spanischen Diensten Johann Viktor von Aregger in seiner Gefangenschaft eine wichtige Stütze. Aregger wurde im Jahre 1732 auf dem Seeweg von Marseille nach Spanien von algerischen Korsaren nach Algier verschleppt, wo er sechs Jahre lang Zwangsarbeit leisten musste, ehe er durch die Vermittlung des Mercedarierordens losgekauft wurde.642 Als Arbeitssklaven mussten Aregger und die übrigen europäischen Gefangenen schwere Wagen ziehen, Steine und Ballast transportieren, Handelsschiffe ausladen und Bauarbeiten ausführen. Die Hitze machte die Arbeit in der prallen Sommer noch viel schlimmer, und Arregger behauptet, dass er und die anderen Sklaven es nicht wagten, ihren (vermeintlichen) Reichtum durch gutes Essen zur Schau zu stellen, aus Furcht, ein höheres Lösegeld zahlen zu müssen.643 Auf die Bedeutung, welche die Religion in dieser Lage auf den Solothurner hatte, lassen einige Briefe schließen, die Aregger während seiner Gefangenschaft von einem Herren de Gottrau erhalten hatte und die als Kopien in einer posthumen Abschrift des Gefangenschaftsberichts aus dem Jahr 1803 erhalten sind. Gottrau, bei dem es sich um FranÅois-Pierre de Gottrau (1705 – 1770), einen Freiburger Ratsherren, handeln könnte, ermahnte Arregger, daran zu denken, dass seine Entbehrungen keinesfalls mit dem Leiden Christi vergleichbar seien, und dass der Mensch nur durch Leiden selig werden könne.644 Wenn man Gott außerdem wie seinem Vater vertraue, so würden einen seine Strafen nicht bekümmern, man werde vielmehr seine Gerechtigkeit bewundern.645 640 641 642 643 644

StAW Archives de la famille de Courten S¦rie B Cn6/1.1 (wie Anm. 162), S. 136 f. Ebd., S. 138. ZBSO S I 345/5 (wie Anm. 140), S. 20 ff. Ebd., S. 13 ff. Zentralbibliothek Solothurn S 53 (wie Anm. 138), Gottrau an Arregger, Paris, 15. Oktober 1732, S. [121 f.]. 645 Ebd., Gottrau an Arregger, Paris, 30. Dezember 1732, S. [130 f.].

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Prägung und Deutung

Diese Briefe scheinen einen nachhaltigen Einfluss auf den Solothurner gehabt zu haben. Am 12. August 1733, zehn Monate nachdem Arreggers Leidenszeit in Algier begann, offenbarte Gottrau ihm in einem Brief, dass er, Arregger, große Fortschritte in der Wissenschaft des Heils gemacht habe. Er habe begriffen, dass es besser sei, ein Sklave der »Barbaren« zu sein als ein Sklave seiner Lüste.646 In seinem Bericht lobt Arregger deswegen die Sitten der Algerier, wo sich selbst die Soldaten sehr genau an ihre Gebets- und Fastenzeiten hielten. Bei den katholischen Offizieren komme eine so strenge Befolgung der Glaubensgebote nicht vor.647 Johann Viktor von Arregger kritisiert vielmehr das maßlose Essen und Trinken während der Fastnachtszeit und die Suche seiner Glaubensgenossen nach Ausreden, um alle Unannehmlichkeiten der Religion zu umgehen.648 Am Ende seines Berichts deutet Arregger an, dass seine Gefangenschaft ihn wieder auf den rechten Pfad Gottes gebracht habe. Er schreibt, dass er Gott dafür danke, als Untertan einer frommen Republik [das heißt des Kantons Solothurn, M. H.] geboren worden zu sein. Arregger fährt fort zu beteuern, dass er sein restliches Leben lang Gott danken werde, und betont, dass Gott ihm eine zu leichte Züchtigung auferlegt habe, denn er habe nicht von den übrigen Strafen profitiert, die jeden anderen zurück zu Gott geführt hätten.649 Die Autobiographie von Martin du Fay nimmt innerhalb der Selbstzeugnisse eine Sonderrolle ein, da sie durch und durch vom Erweckungserlebnis des Autors geprägt ist. Er erklärt, dass er aus folgendem Grund seine Lebensgeschichte aufschreibe: »[…] damit ich diesem unendlich barmherzigen Gott für eine so sonderbare und unverdiente Gnade unaufhörlich danken, seine Erbärmniße gegen mich unwürdigsten ewig preisen möge. Ja, Großer Gott! ein großes Wunder hast du an mir gethan; einen verstocktesten, einen in allen Sünden und Lastern versenkten Sünder hast du aus dem Kothe herausgezogen, gewaschen, und gereinigt. Dein Werk ist es, O Herr! Dir allein gebührt alle Ehre in Ewigkeit. Amen.«650

Du Fay stellt sich in seinem Text zunächst als triebhaften und unmoralischen Menschen dar, der als Offizier ein sündhaftes Leben geführt und dem Laster gefrönt habe.651 Er gibt in seiner Auobiographie sein Leben mit dem Spannungsbogen eines Romans wieder : Bereits als Kind habe er eine Vorahnung seines schlechten Lebenswandels gehabt, indem er aus unerklärlichen Gründen 646 Zentralbibliothek Solothurn S 53 (wie Anm. 138), Gotterau an Arregger, Dresden, 12. August 1733, S. [141]. 647 Zentralbibliothek Solothurn S I 345/5 (wie Anm. 140), S. 20. 648 Zentralbibliothek Solothurn S 53 (wie Anm. 138), S. 53 f. 649 Zentralbibliothek Solothurn S I 345/5 (wie Anm. 140), S. 25. 650 ZBZH Rh. hist. 50 (wie Anm. 264), S. 484. 651 Ebd., S. 490 f.

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ständig geweint habe.652 Er habe sich später für den Militärdienst entschieden, weil er da seine Leidenschaften am besten habe ausleben können.653 Obwohl er bereits mit 24 Jahren Hauptmann einer Kompanie geworden sei,654 und seine Mitmenschen ihn als tugendhaft und brav eingeschätzt hätten,655 habe er sich selbst als Opfer von Leidenschaften, Gelüsten und Begehrlichkeiten betrachtet, der ständig an »Ehren, Reichthümer[n] und Wollüste[n]« dachte.656 Doch dann habe er plötzlich eines Tages erkannt, dass er sein Leben anders führen müsse: »Gählings erwachte ich, und ware bey¨m vollem [!] Verstand, als ich bitterlich zu weinen anfieng, mit diesem h[eiligen] Gedanken ganz beschäftiget: Du sollst diesen OfficierStand verlaszen, und ein Mönch werden, od[er] du bist ewig verlohren. Gleich darauf erinnerte ich mich der Worte bey¨m H[eiligen] Matthäus, die der Heiland spricht: Was nützet es einem Menschen, wenn er die gantze Welt gewinnt, hingegen aber an seiner Seele Schaden leidet.«657

Dieses Erlebnis genügte ihm als Bestätigung, dass er sein Leben ändern musste, und er trat am 4. Juni 1784, im Alter von 29 Jahren, in das Kloster Einsiedeln ein.658 In den Texten, die in ihrer Entstehungszeit das 18. Jahrhundert und später umspannen, lässt sich ein Wandel bei der Bedeutung der Religion feststellen. Jean de Sacconay, ein reformierter Offizier, beschrieb, wie auf Seite 126 bereits erwähnt, dass nur die Unterordnung unter den göttlichen Willen ihm beim Tod seiner Frau im Jahre 1706 Trost spendete. Anton von Salis-Marschlins schrieb Anfang des 19. Jahrhundert über den Tod seiner Frau im Jahre 1793, dass sie in jenem Jahr am zweiten Mai ihre Seele ihrem Schöpfer zurückgegeben habe: »AprÀs avoir souffert avec une patience ang¦lique, et une constance que la r¦ligion ¦clair¦e peut seule inspirer, tout ce que l’humanit¦ peut souffrir. Ella donna, jusqu’— son dernier soupir, les marques les plus sensibles de sa tendresse, — son mari; et loin de lui faire le moindre r¦proche de ce que pendant leur union il avoit ¦t¦ si peu avec elle; Elle t¦moigne lui savoir un gr¦ infini, de ce qu’— sa derniere arriv¦e — Br¦da, il lui avoit promis qu’il ne la quitteroit plus.«659

So wie von Salis diese Situation beschreibt, war es also für ihn nicht mehr der Glaube an Gott, der Trost spendete, sondern die Zuneigung und die Vergebung seiner Ehefrau dafür, dass er seine Pflichten als Ehemann vernachlässigt hatte. Interessanterweise kommt auch im Tagebuch von Louis de Courten Gott im 652 653 654 655 656 657 658 659

Ebd., S. [487]. Ebd., S. [489]. Ebd., S. [490]. Ebd., S. [492]. Ebd., S. 491. Ebd., S. [493 f.]. Ebd., S. [502]. StAZH W I 33a 9.1 (wie Anm. 152), S. 47.

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Prägung und Deutung

Zusammenhang mit dem frühen Tod seines vierjährigen Sohnes im Jahre 1778, im Gegensatz zum Tod seiner Frau acht Jahre später, gar nicht vor. Die fünf Seiten, die der Walliser diesem schmerzhaften Ereignis widmet, sind im Gegenteil dominiert von der Trauer über den offenbar unerwarteten Verlust des geliebten Kindes und enthalten keinen Versuch, den Tod des Sohnes religiös zu verarbeiten oder zu erklären.660 De Courten betont stattdessen mehrfach seine große Liebe zu seinem Sohn und sein Glück über die kurze gemeinsame Zeit. Er versichert, dass dies der einzige Grund seiner Trauer sei und dass weder die Furcht um den Mangel eines männlichen Nachfolgers noch das Fortbestehen seines Familiennamens für ihn einen Anlass für Kummer darstellen würden.661 Einen weiteren Wandel in der religiösen Prägung der Offiziere, diesmal in Bezug auf ihre Deutung der Umwelt, zeigen zwei Briefe von Karl Andreas Schnyder von Wartensee und Hans Kaspar Hirzel. Beide Männer wurden im Abstand von über 50 Jahren Zeugen eines Naturspektakels und kamen zu völlig unterschiedlichen Schlussfolgerungen. Der 19-jährige Schnyder von Wartensee schrieb seinem Vater in der Nacht vom 19. auf den 20. Oktober 1726 »in eill« einen Brief, um ihm zu berichten, dass er und seine Kameraden Zeugen eines beeindruckenden Naturspektakels wurden: Als die Offiziere zwischen sieben und acht Uhr abends wie üblich am Kamin saßen, wurden sie durch laute Rufe von der Straße aufgeschreckt und eilten aus dem Haus, wo sich ihnen eine beeindruckende Szenerie darbot: »Da alle zur Thür hinaus waren, so vermeinten alle zuosammen, das vnser Haus ware in den Flammen, da wir aber den Himel betrachteten, so ist er nit anderst geweßen, als wan alles in dem Feür stunde, es kamen die Flammen gegen ein ander, vnd streitteten mit sich, sie sind geschoßen als ein Pfeil, man sache nichts als Strunen [Streifen?, M. H.] vnd Feür.«

Schnyder von Wartensee beschreibt diese Erscheinung als elend und schrecklich und gestand seinem Vater, dass sie den Zuschauern einen großen Schrecken einjagte und von ihnen als Zeichen für einen kommenden Krieg, eine Hungersnot oder eine Pestepidemie interpretiert wurde.662 Bei diesem Ereignis handelte es sich um ein Polarlicht, das auch von anderen Zeugen als außergewöhnlich beeindruckend geschildert wird.663 Hans Kaspar Hirzel diente im Juli 1783 auf Korsika, als er plötzlich sah, dass die Sonne nur noch rot und schwach am Himmel erschien. Der Zürcher machte sich darauf über die abergläubischen Korsen und ihren »Pfaffen« lustig, die 660 661 662 663

StAW Archives de la famille de Courten S¦rie B Cn6/1.1 (wie Anm. 162), S. 68. Ebd., S. 73 StALU PA 954 – 19622 (wie Anm. 267), (19. Oktober 1726). Schlegel, Birgit, Schlegel, Kristian, Polarlichter zwischen Wunder und Wirklichkeit. Kulturgeschichte und Physik einer Himmelserscheinung, Heidelberg 2012, S. 84.

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aufgrund des Naturereignisses überzeugt waren, dass das jüngste Gericht bevorstand und deswegen dreimal die Woche fasteten und zweimal eine Prozession veranstalteten. Hirzel bemerkte, dass er froh sei, dass die Bevölkerung erst bei gutem Wetter mit ihren Bußübungen begonnen habe, denn sonst »[…] wären sie im stand gewesen zu glauben, daß durch ihre Narrheiten das gute Wetter wieder ins Land gekom[m]en.«664 Hirzel selbst erklärte im Brief das Phänomen als Folge von längerem Regenwetter, welches durch eine kurze Hitzeperiode abgelöst wurde. Dadurch sei der Regen verdampft und habe sich wie ein Nebelschleier vor die Sonne gelegt. Der junge Zürcher erweist sich als guter Beobachter, denn er lag mit seiner Theorie eines Schleiers gar nicht so weit weg von der Realität. Tatsächlich dürfte es sich bei dieser Erscheinung um eine Nachwirkung der Eruption des Vulkans Laki gehandelt haben, der im Juni 1783 in Island ausbrach.665 Der massive Austritt von Schwefeldioxid verursachte eine Dunstwolke, die über Europa zog und an vielen Orten zu Beobachtungen einer verdunkelten und im roten Licht auftretenden Sonne führte.666 Hirzel ist der einzige Autor, der in seinen Schriften so deutlich die Volksfrömmigkeit in Frankreich lächerlich machte und sie als Aberglauben kritisierte. Wie auch in seiner Garnison in Collioure. Mit deutlicher Belustigung beschreibt er »une chose assez singuliÀre, et qui merite d’Þtre racont¦ — l’honneur de notre siecle philosophique […].«667 In dem Städtchen am Mittelmeer wurden regelmäßig alle Esel aus der Umgebung vor der Kirche vom Priester gesegnet. Hirzel erklärte, es sei amüsant, mit welchem Eifer die Menschen versuchten, die Ersten zu sein. Der Priester hingegen, »fort content de priver ses pauvres gens de leur argent, repandit son eau benite sur le front de ses animaux avec une mine qui faisoit voir qu’il se moquoit interieurement de ces gens superstitieux et bigote.«668 Doch es wäre falsch, nun zu glauben, dass Hirzel, als große Ausnahme unter den Offizieren, nicht religiös war. Seine Kritik ist wohl eher durch seine reformierte Prägung zu erklären, denn die reformierte Orthodoxie stand solchem Volksglauben ablehnend gegenüber.669 Als 17-jähriger Kadett schrieb Hirzel 1781 jedenfalls seinen Geschwistern stolz, wie er zum ersten Mal am Heiligen Nachtmahl teilnehmen durfte, es sei ein wichtiger Tag für ihn gewesen, und er

664 ZBZH FA Hirzel 346.1 (28): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (8. Juli 1783). 665 Stothers, Richard B., The great dry fog of 1783, in: Climatic Change 32 (1996), S. 79 – 89, hier S. 1. 666 Ebd., S. 2, 5; siehe dazu auch: Thordarson, Thorvaldur, Atmospheric and environmental effects of the 1783 – 1784. Laki eruption: A review and reassessment, in: Journal of Geophysical Research 108 (2003), H. D 1. 667 ZBZH FA Hirzel 346.1 (60): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (24. Juli [1787]). 668 Ebd. 669 Hugger, Paul, »Volksfrömmigkeit«, in: Historisches Lexikon der Schweiz, http://www.hlsdhs-dss.ch/textes/d/D11511.php, 07. 08. 2012.

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versprach, dass es auch für seinen Bruder ein wichtiger Tag werde.670 Einige Stellen in seinen Briefen belegen seine Kenntnisse des Alten Testaments. Im Juli 1785 zitierte Hirzel in einem Brief an seine Familie die Genesis, als er schrieb, dass der Satz, der Mensch solle im Schweiße seines Angesichts sein Brot essen,671 gut auf seinen aktuellen Alltag passe.672 Im Juli 1786 schwärmte er von seinem frühmorgendlichen Bad im Meer und erklärte froh, dass es nicht weiter schlimm sei, wenn ihm dabei ein großer Fisch begegnen sollte, denn Jonas sei ja auch glücklich ans Land gekommen.673 Es findet sich des Weiteren bei einem katholischen Offizier eine kritische Bemerkung über den Jesuitenorden. Der Offizier Paris l’A„n¦ schrieb in einem Brief an seinen Freund und Kameraden Tobie de Castella, dass er bezüglich der Ausbildungspläne von Tobies’ Bruder hoffe, dass jener seine Studien nicht bei den Herren der »pretenduÚ Compagnie de Jesus« machen wolle. Er erinnert an das Urteil, dass der französische König und das Parlament von Paris gegen den Orden verhängt hatten (der Orden wurde für die wirtschaftlichen Verluste ihres Oberen in Lateinamerika haftbar gemacht),674 und bezweifelt, dass man die Jesuiten in der Schweiz schonen werde. Mehr noch: Er wünscht, man könnte bei ihnen Soldaten rekrutieren: »On y trouveroit de gros galliards, bien en etat de porter le fusil.«675 Die Eidgenossenschaft war seit der Reformation konfessionell geteilt, das Verhältnis zwischen den reformierten und katholischen Kantonen auch im 18. Jahrhundert nicht unbelastet. 1712 endete der Zweite Villmergerkrieg mit einem Sieg der Reformierten. Sein Ausgang beeinflusste noch lange die innereidgenössische Politik und die Deutung von Kriegsereignissen, wie in Kapitel 9.2 zu sehen sein wird. Das Söldnerwesen blieb von diesen Tatsachen nicht unberührt. Die reformierten Zürcher und Berner lieferten Truppen für ihre Glaubensgenossen in den Niederlanden, während für spanische und neapolitanische Dienste lediglich Katholiken angeworben werden durften.676 In Frankreich, wo sowohl aus katholischen wie auch aus reformierten Kantonen Truppen Dienst taten, durften die reformierten Schweizer ihre Religion ausüben, allerdings sollten sie möglichst nicht auffallen677 und mussten einige Nachteile 670 671 672 673 674 675 676 677

ZBZH FA Hirzel 346.2: Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Schwester Susette (3. Juni 1781). 1. Buch Mose, Kp. 3, 19. ZBZH FA Hirzel 346.1 (46), (wie Anm. 216). ZBZH FA Hirzel 346.1 (55): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (5. Juli 1786). Hirzel spielt auf die Geschichte des Propheten Jonas an, der auf der Flucht vor Gott von einem großen Fisch verschlungen wurde, der ihn drei Tage später an Land wieder ausspie. Haub, Rita, Die Geschichte der Jesuiten, Darmstadt 2007, S. 92. KUB A–916/54 (wie Anm. 255), (1. September 1761). Suter, Militär-Unternehmertum (wie Anm. 13), S. 5; Eyer, Neapel (wie Anm. 68), S. 335. Czouz-Tornare, Alain-Jacques, L’exercice de la religion protestante chez les Gardes-Suisses du Roi de France, in: Soci¦t¦ historique de Rueil-Malmaison, Gardes (wie Anm. 86), S. 154 – 159, hier S. 155 f.

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gegenüber den Katholiken hinnehmen: Die Aufnahme in das »Hútel des Invalides« war ihnen untersagt,678 ebenso konnten reformierte Offiziere nicht Mitglieder des Ludwigsordens werden. Dafür wurde für sie 1759 der Orden »Institution du M¦rite militaire« gegründet.679 Es gab auch gemischt-konfessionelle Einheiten. Laut Alain-Jacques Czouz-Tornare galten im Jahre 1777 48 Kompanien aus den Schweizer Linien-Regimentern als gemischt-konfessionell.680 In der Schweizergarde dienten Kompanien oder Halbkompanien aus den Orten Bern, Luzern, Freiburg, Solothurn, Schwyz und Graubünden, also sowohl aus reformierten wie auch aus katholischen Orten.681 Trotz der Spannungen zwischen Katholiken und Reformierten, die nach dem Villmergerkrieg von 1712 mindestens in den Köpfen der Eidgenossen weiter bestanden, finden sich zumindest in den Selbstzeugnissen keine Belege für konfessionelle Konflikte innerhalb des Schweizer Offizierskorps. In den gemischten Regimentern waren für jede Konfession eigene Feldprediger vorgesehen, denen es offenbar auch gelang, friedlich nebeneinander zu leben.682 Die gemischten Einheiten schufen eine Situation, in der die Offiziere gezwungen waren, über die Konfessionsgrenzen hinweg zusammenzuarbeiten. Dieser Umstand sorgte womöglich sogar für mehr Toleranz zwischen Reformierten und Katholiken. In diesem Sinne erfüllten die Schweizer Regimenter in Frankreich möglicherweise eine ähnliche Rolle wie die zahlreichen Sozietäten des 18. Jahrhunderts, beispielsweise die 1761/1762 gegründete Helvetische Gesellschaft, in denen Katholiken und Reformierte die Möglichkeit besaßen, sich in einem freundschaftlichen Umfeld zu treffen.683

7.2

Ehre

7.2.1 Individuelle Ehre Am 10. Mai 1786 warf Hans Kaspar Hirzel mit gespielter Entrüstung seiner Mutter und Schwester vor, dass sie sich mit ihren Andeutungen über seine Gefühle für eine junge Zürcherin über ihn lustig machen würden. Hirzel stellte fest, dass es 678 679 680 681

Ebd., S. 156. May de Romainmútier, Histoire (wie Anm. 40), S. 222. Czouz-Tornare, L’exercice (wie Anm. 677), S. 155. Siehe Anhang II. Auch im Regiment Ch–teauvieux, das von einem Genfer geführt wurde, oder im Regiment Sonnenberg dienten Kompanien aus reformierten und katholischen Orten. 682 Czouz-Tornare, L’exercice (wie Anm. 677), S. 156. 683 Vgl. Im Hof, Ulrich, Capitani, FranÅois de, Die Helvetische Gesellschaft. Spätaufklärung und Vorrevolution in der Schweiz, Frauenfeld 1983, S. 79 ff.

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Prägung und Deutung

eine Schande wäre, wenn die schlanke Gestalt eines Mädchens oder ihre schmachtenden Augen einem Soldaten das Herz zum Pochen brächten, denn »[…] sey¨en Sie versicheret, daß jedem wakeren Officier und Soldaten das Herz niemahls pocht, als aus Begierd der Erste zu sey¨n, wan[n] die Trom[m]len brummen, das Geschüz kracht, und auf den Brustwehren feindlicher Vestungen –« [Der Satz bricht an dieser Stelle ab, M. H.].684 Zum Zeitpunkt, an dem er seinen Brief verfasste, kannte Hans Kaspar Hirzel den Kampf Mann zu Mann höchstens aus Büchern oder vom Hörensagen. Aber in seiner ironischen Antwort orientierte er sich an Vorstellungen, die am Ende des 18. Jahrhunderts in den Köpfen der Offiziere noch sehr präsent waren. Im soldatischen Umfeld wurden Eigenschaften wie Kühnheit und Mut mit »Ehre« assoziiert, ein Begriff, der aus der Militärgeschichte des 18. Jahrhunderts nicht wegzudenken ist. Ehre bestimmte das Verhalten und die Denkweise von Militärangehörigen, besonders von Offizieren, hatte sogar selbst Auswirkungen darauf, wie ein Krieg geführt werden musste.685 Unter »Ehre« wurde in der Frühen Neuzeit ein Medium verstanden, welches das soziale Ansehen innerhalb der Gemeinschaft festlegte.686 Somit kann Ehre als ein »symbolisches Kapital« betrachtet werden.687 In der Frühen Neuzeit gab es eine Vielzahl von Ehrkonzepten, die sich teilweise gegenseitig stützten, teilweise im Widerspruch zueinander standen.688 In Zedlers Lexikon steht unter diesem Begriff, dass Ehre die Meinung anderer Leute sei, »nach der sie einem Menschen einen Vorzug vor den andern beylegen.«689 Bereits für die Zeitgenossen war also klar, was heutige Historiker auch feststellen: Ehre war nicht von der eigenen Wahrnehmung, sondern von einer »Öffentlichkeit« abhängig.690 Ehre konnte je nach Verhalten erworben oder verloren werden,691 wobei der Verlust von Ehre häufig nicht wiedergutzumachen war.692 Rudolf Jaun schreibt, dass die zahlreichen Veränderungen im Heereswesen ab 1600 zum Wandel der militärischen Funktions684 ZBZH FA Hirzel 346.1 (53): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter/Schwester (10. Mai 1786). 685 Luh, Kriegskunst (wie Anm. 202), S. 216 f. 686 Backmann, Sibylle, Künast, Hans-Jörg: Einführung, in: Backmann, Sibylle, Ecker-Offenhäusser, Ute (Hrsg.), Ehrkonzepte in der frühen Neuzeit. Identitäten und Abgrenzungen, Berlin 1998, S. 13 – 23, hier S. 15. 687 Burkhart, Dagmar, Eine Geschichte der Ehre, Darmstadt 2006, S. 14. 688 Backmann, Künast, Einführung, (wie Anm. 686), S. 15. 689 »Ehre, eine Meynung andrer Leute«, in: Johann Heinrich Zedler Grosses vollständiges Universallexicon aller Wissenschafften und Künste. http://www.zedler–lexikon.de/blaettern/einzelseite.html?id=81894& bandnummer=08& seitenzahl=0223& supplement=0& dateiformat=, 13. 06. 2012. 690 Starkey, War (wie Anm. 218), S. 71. 691 Backmann, Künast, Einführung (wie Anm. 686) S. 15; Möbius, Angst (wie Anm. 470), S. 105 f.; Starkey, War (wie Anm. 218), S. 69. 692 Ebd.

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hierarchie führten. Im 17. und 18. Jahrhundert entstand ein sozial abgehobener Offiziersstand mit einer eigenen Berufsehre, der sich bewusst an ritterlichadeligen Vorstellungen orientierte.693 Die militärische Ehre besaß zwei unterschiedliche Ausprägungen: Es gab die individuelle Ehre eines Offiziers und die kollektive Ehre einer militärischen Einheit. In den Selbstzeugnissen bemühen die Offiziere oft individuelle Ehrvorstellungen. »Ehre« diente für sie als Maßstab für die Bewertung von eigenem und fremdem Verhalten. Vorbildliches Verhalten zeigte für einen Offizier wie Frid¦ric de Diesbach etwa der berühmte Feldherr Prinz Eugen,694 über den de Diesbach schreibt: »jl n’est pas seullement un des plus grands capitaine qui n’ay¨es jamais est¦ et le model des h¦ros, mais un des plus honeste homme qui ay¨es vecu dans son siÀcle.«695 Unehrenhaftes Benehmen warf dagegen der Berner Sigmund von Wattenwyl der niederländischen Armee vor und gab ihrem Verhalten die Schuld für die Niederlage der Niederländer gegen die französische Republik im Jahre 1795. Im »nationalen Charakter« der Niederlande habe man eine schlechte Meinung von der Armee und deswegen fehle den Soldaten und Offizieren »ce point d’honneur et […] cette ambition militaire, qui ¦levent le caractere et font affronter au guerrier, la mort et toutes les horreurs de la guerre.«696 Ehre besaß eine doppelte Bedeutung: die »innere« und »äußere« Ehre.697 »Innere Ehre« bedeutete, dass als positiv gewertete Eigenschaften und anerkanntes Verhalten das Ansehen und die Achtung eines Offiziers erhöhten. Zu den positiven Eigenschaften, die ein Offizier besitzen musste, zählten nach Peter Viktor Besenval eine schnelle Auffassungsgabe, eine einfache und klare Aussprache, eine »belle figure« und vor allem der nötige Mut, der vor nichts scheuen dürfe.698 Im militärischen Umfeld des Weiteren positiv bewertet, und damit das Ansehen fördernd, wurden ein standesgemäßes Auftreten,699 also die Qualität der Uniform und der persönlichen Ausrüstung und Waffe(n), die Hingabe zum Dienst700 und, wie bereits erwähnt, Mut und Tapferkeit, welche ein grundsätzlicher Bestandteil des Ehrverständnisses eines Offiziers waren.701 Viele der untersuchten Selbstzeugnisse dienten dazu, eventuellen Lesern Beispiele für die Tapferkeit und die herausragenden militärischen Leistungen der Verfasser zu geben. Dies geschah einerseits durch die Hervorhebung der 693 Jaun, Preussen (wie Anm. 217), S. 36 f. u. 42 f. 694 Prinz Eugen von Savoyen (1663 – 1736). Feldherr in österreichischen Diensten, der u. a. 1683 – 1699 und 1714 – 1718 gegen die Osmanen kämpfte. 695 AEF Chroniques 60b (wie Anm. 150), S. [35]. 696 BBB FA von Wattenwyl A 14 (wie Anm. 164), S. 85. 697 Burkhart, Ehre (wie Anm. 687), S. 12. 698 Besenval, M¦moire (wie Anm. 489), Bd. 4, S. 129. 699 Luh, Kriegskunst (wie Anm. 202), S. 213. 700 Starkey, War (wie Anm. 218), S. 70. 701 Ebd., S. 70; Duffy, Experience (wie Anm. 441), S. 76.

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vielen Schlachten und Belagerungen, an denen die Offiziere teilgenommen hatten: Johann Viktor von Travers zählt in seinem Lebenslauf auf, dass er im Jahre 1745 an den Belagerung von Tournai und der Schlacht von Fontenoy teilgenommen habe und im Jahre 1747 bei allen großen Operationen der Armee dabei gewesen sei, insbesondere bei der Schlacht von Lauffeldt.702 Auch für die Jahre 1758, 1759 und 1760 beschreibt er, mal detaillierter, mal weniger genau seine Teilnahme an den unterschiedlichsten Kampfhandlungen. Gabriel Albrecht von Erlach listet zu Beginn seiner Autobiographie ausgewählte Ereignisse seines Lebens auf, zu denen sein Einsatz in unterschiedlichen Schlachten und Gefechten des Siebenjährigen Krieges gehörten.703 Umgekehrt rechtfertigt Friedrich von Planta in seinem Lebenslauf, wieso er nicht an gewissen Kampfhandlungen hatte teilnehmen können. In der Schlacht von Rossbach habe er sich nicht auszeichnen können, da er sich am linken Flügel der Armee befunden habe, die Preußen jedoch von rechts angegriffen hätten.704 In der Schlacht von Lutterberg habe er ebenso keine Gelegenheit zum Kämpfen gehabt, da sein Regiment wiederum auf der linken Seite gestanden und »bloß« das Feuer einer Batterie abbekommen habe.705 Bernhard Albrecht Stettler erklärt in seinem Tagebuch auch, dass er 1793 wegen einer Dysenterie-Erkrankung nicht mit den piemontesischen Truppen in Savoyen habe einmarschieren können und deshalb nicht das Glück gehabt hätte, am Ruhm seines Regiments teilhaben zu können.706 Karl Andreas Schnyder von Wartensee betonte seine Lust und die seiner Kameraden, in den Krieg zu ziehen (zumindest bevor sie den Krieg tatsächlich erlebten). Er schrieb am 24. Juni 1728 aus der Kaserne der Schweizergarde in Argenteuil in Bezug auf die zu dieser Zeit stattfindenden Friedensgespräche zwischen Großbritannien und Spanien, dass sich die jungen Offiziere und Soldaten eigentlich einen Krieg wünschten.707 Drei Jahre später machte er deutlich, dass er sich in seiner Garnison Argenteuil langweilte und lieber ins Feld marschieren wollte.708 Die Autoren, die am Krieg teilgenommen hatten, gaben detaillierte Beispiele ihres tapferen Verhaltens im Gefecht: Frid¦ric de Diesbach bewies seinen Mut durch eine Schilderung der Eroberung von zwei türkischen Batterien in der Schlacht von Peterwardein (5. August 1716), die er als kaiserlicher Offizier mit seinen Regimentern vollbracht habe, obwohl die Türken zahlenmäßig dreimal so

702 703 704 705 706 707 708

StAGR AB IV 7a 11 (wie Anm. 149), S. 23. StABE HA Spiez 89 (wie Anm. 151), S. 1. StAGR Familienarchiv von Planta: D III/S II Ac 52 (wie Anm. 148), S. 1. Ebd. BBB Mss.h.h.XLIII.11 (wie Anm. 141), S. 31. StALU PA 954 – 19622 (wie Anm. 275), (24. Juni 1728). StALU PA 954 – 19622 (wie Anm. 233), (4. März 1731).

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stark wie die Angreifer gewesen seien.709 In der Schlacht von Francavilla di Sicilia (20. Juni 1719) habe er den österreichischen Angriff auf die spanische Armee an der Spitze seiner Truppen geführt »tant pour servir d’exemple, que pour l’honeur d’Þtre le premier homme de l’arm¦, qui attaquat sans avoir voul˜ Þtre pr¦ced¦ de personne.«710 Friedrich von Planta schildert, dass er im Gefecht von Sandershausen durch das feindliche Feuer vorgerückt sei, um einen Teil der Regimentsfahne, die von einer Kugel entzwei geschossen worden war, zu retten. Die Darstellung allein genügte dem Bündner wohl nicht, denn er kommentiert die Einzigartigkeit seiner Tat noch lobend: »Je crois qu’il y a beaucoup de braves qui se dispenseroient de manoeuvrer en pareil cas pour une lance.«711 Neben physischem Mut wurden auch ein gutes Urteilsvermögen auf dem Schlachtfeld, taktisches Geschick und gute Fachkenntnisse als positive Eigenschaften für einen Offizier betrachtet und von den Autoren entsprechend für sich Anspruch genommen. Friedrich von Planta gesteht in seinem »Etat de Service« vom Siebenjährigen Krieg freimütig ein, dass er neben seiner außergewöhnlichen Tapferkeit im Feldzug von 1760 auch »des preuves d’intelligence«712 geliefert habe. Peter Viktor Besenval schreibt in seinen Memoiren, das er einige Tage vor der Schlacht von Vellinghausen (15./16. Juli 1761) bei einem Spaziergang zufällig eine entscheidende Schwachstelle im französischen Dispositiv entdeckt und daraufhin dem französischen Befehlshaber angeboten habe, während der Nacht selbst mit einem Bataillon diesen Bereich zu decken. Der französische General habe daraufhin Besenvals »vigilance« und seinen »zÀle« gelobt und dem Schweizer dafür gedankt, dass er den Fehler in der Verteidigungslinie korrigiert habe.713 Wie Besenval hebt Johann Viktor von Travers in seinen Aufzeichnungen ebenfalls seine taktischen und planerischen Fähigkeiten hervor, für die er Lob vonseiten seiner Befehlshaber erhalten habe. Er fasste seine Leistungen in seinem Lebenslauf folgendermaßen zusammen: »Je n’ai jamais vu aucune deroutte de la part [des] troupes avec lesquelles je me suis trouv¦ — la guerre. […] M[onsieur] le Ma[rech]al de Belljsle et M[essieu]rs les generaux d’arm¦e m’ont fait l’honneur de raisonner avec moi sur les plans et grandes operations de campagne. Je suis muni de differens projets, que je leur ai donn¦, et qu’ils ont pris la peine de lire avec attention en discutant les objets avec moi, j’ose mÞme dire, que j’ai en bonne partie contribu¦ — determiner M[onsieur] le Ma[rech]al de Bell’jsle de proposer au conseil, qu’on se rendit maitre de la ville de Francfort, dont on avoit neglig¦ l’objet jusqu’— mon retour de la campagne 1758.714 709 710 711 712 713 714

AEF Chroniques 60b (wie Anm. 150), S. [14]. Ebd., S. [17]. StAGR Archiv von Planta Reichenau D III/R III 206 (wie Anm. 148), S. 1. Ebd., S. 3. Besenval, M¦moire (wie Anm. 489), Bd. 1, S. 103. StAGR AB IV 7a 11 (wie Anm. 149), S. 274 f.

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Unter anderem behauptete von Travers von sich, dass er durch eigenmächtiges Handeln in der Schlacht von Warburg zwei französische Brigaden gerettet habe.715 Von Travers versuchte in seinem »Etat«, seine Leistungen objektiv zu belegen, indem er in einer Spalte neben dem Text Referenzen wie »notorit¦ publique« oder »T¦moignage de M[onsieur] d’ArmentiÀres716 et Gazettes de France« erwähnte.717 Anton von Salis-Marschlins verweist in seiner Autobiographie ebenfalls auf seine Tapferkeit und seine Führungsqualitäten. In der Schlacht von Hastenbeck habe er durch sein draufgängerisches Verhalten Mut bewiesen, und im Gefecht beim Kloster Bredelar habe er sich durch »fermet¦« und »presence d’esprit« ausgezeichnet. Und durch ein »manoeuvre aussi bien combin¦ que hardie« habe er ein abgeschnittenes Bataillon unter geringen Verlusten gerettet.718 Auch in Friedenszeiten boten sich für einen Offizier Möglichkeiten, seine Ehre unter Beweis zu stellen und durch seine Leistungen Ansehen zu erwerben. Louis de Courten weist in seinem Tagebuch auf seine organisatorischen Fähigkeiten hin. So habe er sich in Saintes mit einer »occupation minitieuse et applicante«719 um ein Spital gekümmert, das er eingerichtet und von November 1782 bis September 1783 geführt habe. Für die Leitung dieser Institution habe er Lob und Dank erhalten. Der Graf von Jumilhac, der zuständige Inspektor, habe ihn sogar in seinem Bericht erwähnt.720 Sichtbare Symbole wie Rangabzeichen und Orden oder auch nur ein selbstbewusstes Auftreten konnten ebenfalls eine Quelle von Ansehen, Ruhm und Status eines Offiziers sein. Das war die sogenannte »äußere Ehre«.721 Im Idealfall führten mutiges Handeln und gute Leistungen zu Auszeichnungen und Beförderungen, doch Ansehen konnte auch durch andere symbolische Mittel erworben werden. Die Uniform war etwa ein solches Symbol: Bernhard Albrecht Stettler schildert, wie er vor seiner Abreise nach Savoyen stolz in seiner Uniform für den Porträtmaler posieren durfte,722 und Hans Kaspar Hirzel zeigte sich von seinem Vetter beeindruckt, der als Grenadier (Abbildung 13) die typische hohe Mütze trug und offenbar auch die passende Statur dafür besaß.723 Die Frage, wer welche Auszeichnungen und welchen Rang erhielt, war nicht nur von der Leistung abhängig, sondern stark von den berufsständischen Vor715 716 717 718 719 720 721 722 723

Ebd., S. 270. Louis de Conflans d’ArmentiÀres (1711 – 1774), ein französischer General. StAGR AB IV 7a 11 (wie Anm. 149), S. 270. StAZH W I 33a 9.1 (wie Anm. 152), S. 11 f. StAW Archives de la famille de Courten S¦rie B Cn6/1.1 (wie Anm. 162), S. 89. Ebd., S. 90. Vgl. Burkhart, Ehre (wie Anm. 687), S. 12. BBB Mss.h.h.XLIII.11 (wie Anm. 141), S. 8. ZBZH FA Hirzel 346.1 (55), (wie Anm.673).

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Abbildung 13: MAHF 2002 – 008, Unbekannter Künstler, Porträt eines Schweizer Grenadieroffiziers in französischen Diensten, 4. Viertel 18. Jh., Ó Mus¦e d’art et d’histoire Fribourg

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stellungen der Offiziere geprägt. Nach ihren Idealen durften etwa Beförderungen oder die Vergabe von Auszeichnungen nur nach Anciennität, also nach Dienstalter, erfolgen, eine Tatsache, die sich nicht immer mit dem Interesse des Landesherren deckte, individuelle Leistung und fachliche Kompetenzen zu belohnen.724 Die Dienstherren nahmen auf solche Empfindlichkeiten in manchen Fällen Rücksicht. Beat Fidel Zurlauben erwähnt in seinem Tagebuch, dass sich der französische König vorbehalten habe, im Winter 1745 oder 1746 zusätzliche Offiziere zu befördern, da er nach der Schlacht von Fontenoy den Grenadierhauptmann Rodolphe II. de Castella und einen Major de Boccard725 außerplanmäßig zu Brigadiers befördert hatte.726 Zurlauben gab bei dieser Gelegenheit keinen Kommentar ab, doch Beförderungen außerhalb der Anciennitätsreihenfolge sorgten häufig für Unmut bei den Übergangenen. Johann Viktor von Travers weigerte sich vor dem Feldzug von 1758, das Kommando über eine Brigade zu übernehmen, damit er nicht von jüngeren Offizieren, die bereits Feldmarschälle waren, Befehle entgegennehmen musste.727 Gabriel-Joseph de Reynold gestand in einem Brief an Beat Fidel Zurlauben, dass eine ungeplante Beförderung im Winter 1761 in der Schweizergarde für viel Unzufriedenheit und Erstaunen unter den Offizieren gesorgt habe.728 Es handelte sich dabei wohl um die Ernennung von Antoine-Pancrace de Courten (1720 – 1789), Major im Regiment seines Verwandten Maurice de Courten, zum Major der Schweizergarde.729 Beleidigt durch diese außergewöhnliche Beförderung wollte ein Offizier namens Estavayer [FranÅois-Jacques de, M. H.] den Dienst verlassen, um nicht unter einem jüngeren Offizier dienen zu müssen.730 Jakob Anton von Sonnenberg (1718 – 1805), der im Regiment Jenner diente, schrieb am 2. Januar 1764 einen frustrierten Brief an den französischen Kriegsminister, den Herzog von Choiseul, weil ein anderer Offizier die Stelle eines Oberstleutnants im Regiment erhalten hatte:

724 Nowosadtko, Ständestaat (wie Anm. 35), S. 84. 725 Höchstwahrscheinlich FranÅois-Jean-Philippe de Boccard (1696 – 1782). Girard, JeanFranÅois, Histoire Abr¦g¦e Des Officiers Suisses Qui Se Sont Distingu¦s Aux Services Êtrangers Dans Des Grades Sup¦rieures, rang¦e par ordre alphab¦t. … Depuis le commencement du 16. siÀcle …, avec des notes g¦n¦ralogiques sur chaque famille. 3 Bde., Freiburg/ Üechtland 1781 – 1782, Bd. I, S. 82, Girard gibt allerdings den 1. Mai 1745 als Beförderungsdatum an. 726 KBAG AH 118 (wie Anm. 134), S. 27. 727 StAGR AB IV 7a 11 (wie Anm. 149), S. 269. 728 KBAG AH 178/104: de Reynold, An Beat Fidel Zurlauben (28. Dezember 1761). 729 Girard, Histoire (wie Anm. 725), Bd. I, S. 147. 730 AH 176/85: de Reynold (?), An Beat Fidel Zurlauben (23. Januar 1762); der Offizier verließ tatsächlich die Schweizergarde. Girard, Histoire (wie Anm. 725), Bd. I, S. 241.

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»AprÀs vint sept ann¦es de service, aprÀs avoir servi toute la guerre — la tÞte de grenadiers, il est humiliant de se voir devanc¦ par quelqu’un qui n’a jamais servi parmi nous sur tout lorceque l’on se croit ni — ne pas Þtre lach¦ en arriÀre. Je ne puis que pr¦sumer que l’on est dego˜t¦ de ma personne, et cette id¦e m’afflige et m’attriste au point qu’elle affecte ma sant¦.«731

Die Offiziere legten es in ihren Selbstzeugnissen von Fall zu Fall anders aus, ob nun zwingend das Dienstalter beachtet werden musste oder ob ein jüngerer Offizier aufgrund seiner guten Leistungen außerplanmäßig befördert werden beziehungsweise ein Kommando erhalten durfte. Dabei spielten natürlich die eigenen Erwartungen, Wünsche und enttäuschten Hoffnungen eine Rolle. Friedrich von Planta, der sich um 1762 erfolglos um ein Regimentskommando bemüht hatte, rechnete in seinem Lebenslauf mit seinem Rivalen, dem Oberstleutnant de Castella732 ab, der angeblich gegen ihn intrigierte und Plantas »exp¦rience et intelligence militaire« kritisiert hatte: Eine schwere Beleidigung!733 Im Gegenzug bezeichnet ihn der Bündner als geizig, inkompetent und ein schlechtes Vorbild für andere Offiziere, da er durch das Beharren auf seinen Posten einem (besseren) Offizier das Einkommen raube.734 Von Planta argumentierte, dass er 1762 trotz seines geringen Dienstalters Anspruch auf ein frei werdendes Regiment gehabt hätte, denn die etwa gleichaltrigen Herren SalisMarschlins [Anton von, M. H.],735 Salis-Seewis736 und von Travers [Johann Viktor, M. H.]737 wären Oberste und Hauptleute in der Schweizergarde, obwohl sie weniger Feldzüge als Planta mitgemacht hätten.738 Außerdem gebe es kein Gesetz, welches eine Beförderung vom Hauptmann zum Oberst untersage. Wenn solche Überlegungen schon bei Cäsar gegolten hätten, wäre er nie Eroberer Galliens und Besieger Pompejis geworden.739 Ganz offensichtlich hatte Friedrich von Planta die Absicht, sich in seinen beiden Lebensläufen als Opfer von Intrigen und ungerechter Behandlung zu präsentieren, der darüber hinaus bei der Vergabe eines Schweizer Regiments, trotz seiner Leistungen, undankbarerweise übergangen wurde.740 Es ist kein Zufall, dass der oben erwähnte Johann Viktor von Travers zur 731 StALU PA 665 – 103: Korrespondenz Jakob Anton von Sonnenberg, Sonnenberg, Jakob Anton von, An den Herzog von Choiseul (2. Januar 1764). 732 Jean-Antoine de Castella (1711 – 1789), Oberstleutnant des Regiments Reding. 733 StAGR Archiv von Planta Reichenau D III/R III 206 (wie Anm. 148), S. 3. 734 StAGR Familienarchiv von Planta: D III/S II Ac 52 (wie Anm. 148), S. 12 f. 735 Derselbe, dessen Autobiographie in dieser Arbeit zitiert wird. 736 Möglicherweise Johann Ulrich von Salis-Seewis (1740 – 1815), Hauptmann in französischen Diensten. 737 So auch: Anm. 735. 738 StAGR Archiv von Planta Reichenau D III/R III 206 (wie Anm. 148), S. 11. 739 Ebd., S. 12. 740 Ebd., S. 11.

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gleichen Zeit einen Lebenslauf verfasste, in dem er seine Meriten betonte. Beide Texte stehen vermutlich im Zusammenhang mit damaligen Ereignissen im heutigen Kanton Graubünden. In der Mitte des 18. Jahrhunderts besaßen die verschiedenen Zweige der Familie Salis den größten Einfluss im Freistaat der Drei Bünde, was den Widerstand von weniger mächtigen Familien provozierte.741 Deren Unmut führte zum sogenannten »Tomilserhandel« im Jahre 1766.742 Angeführt von Johann Viktor versuchte die Familie von Travers, ihre politische Stellung zu stärken.743 Sowohl Johann Viktor von Travers wie auch Friedrich von Planta hatten mit Anton von Salis-Marschlins, wenn man so will, eine Rechnung offen. Von Travers hatte im Jahre 1762 erfolglos versucht, das Bündner Regiment in französischen Diensten zu übernehmen, genau wie von Planta, wie bereits dargelegt wurde. Beide Offiziere vermuteten, dass eine Intrige der Familie Salis hinter ihrem Fehlschlag steckte.744 Ihr Versuch, gegen die Familie von Salis vorzugehen, scheiterte jedoch, und sowohl Johann Viktor von Travers wie auch Friedrich von Planta sahen sich gezwungen, das Bündnerland zu verlassen.745 In dieser Situation lag es nahe, dass von Travers durch die Aufzählung seiner Leistungen seinen gerechtfertigten Anspruch auf das Regiment zu begründen versuchte, während von Planta beweisen wollte, dass die Intrigen der Salis und nicht etwa militärische Fehlschläge oder eigenes Versagen seine Karriere behindert hatten. Der Beschuldigte, Anton von Salis-Marschlins, versuchte in seiner vierzig Jahre später niedergeschriebenen Autobiographie, die damaligen Ereignisse aus seinem Blickwinkel zu erklären. Er behauptete, dass er im März 1762 nach Paris gereist sei, ohne Freunde oder Bekannte in dieser Stadt zu haben, und er sich deshalb an einen alten Freund seines Onkels, an den er sich plötzlich erinnert habe, gewandt habe. Dieser habe ihm schließlich geholfen, nach Übereinkunft mit dem bisherigen Inhaber und Zahlung einer Geldsumme, das begehrte Regiment zu übernehmen.746 Von Salis vergaß an dieser Stelle nicht, auf die »mauvaise foi« des Generals von Travers747 hinzuweisen, die dessen frühe Karriere behindert habe.748 741 Pieth, Friedrich, Bündnergeschichte, Chur 1945, S. 268. 742 Ebd., S. 268 f. 743 Färber, Silvio, »Travers«. In Historisches Lexikon der Schweiz, http://www.hls-dhs-dss.ch/ textes/d/D21947.php, 08. 08. 2012. 744 Pieth, Bündnergeschichte (wie Anm. 741), S. 269; StAGR Familienarchiv von Planta: D III/S II Ac 52 (wie Anm. 148), S. 8. 745 Bundi, Martin, »Travers (von Ortenstein), Johann Viktor von«, in: Historisches Lexikon der Schweiz, 24. 10. 2012; Simonett, Jürg, »Planta, Friedrich von (Samaden)«, in Historisches Lexikon der Schweiz, http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D16910.php, 08. 08. 2012. 746 StAZH W I 33a 9.1 (wie Anm. 152), S. 12. 747 Johann Viktor (1684 – 1744), der Vater von Johann Viktor von Travers. 748 StAZH W I 33a 9.1 (wie Anm. 152), S. 5.

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Ein schlechter Ruf konnte tatsächlich dazu führen, dass ein Offizier von seinen Kameraden als eines Kommandos unwürdig wahrgenommen wurde. Gabriel Albrecht von Erlach berichtete 1760 seinem Vater, dass das Regiment des verstorbenen Ludwig-August Planta von Wildenberg zum großen Erstaunen an den Waadtländer Offizier Louis-Fr¦d¦ric d’Arbonnier de Dizy (1698 – 1780) vergeben worden sei. Das verleitete von Erlach zu der Bemerkung, dass ein Mann, der Konkurs gegangen sei und die Konfession gewechselt habe (d’Arbonnier trat nach 1722 zum Katholizismus über),749 anstelle einer solchen Belohnung besser eine unehrenhafte Entlassung verdient gehabt hätte.750 Selbst wenn die Einflussnahme angeblich intrigierender Konkurrenten ausblieb, war es vonseiten der Armeeführung nicht immer möglich, die Erwartungen der Offiziere bezüglich finanzieller Kompensationen, Beförderungen und Auszeichnungen zu befriedigen. Solche Rückschläge in der Laufbahn wurden von den Offizieren durchaus als ein Angriff auf die persönliche Ehre betrachtet. 1760 beklagte sich ein Cousin von Beat Fidel Zurlauben über mangelnde Anerkennung seitens der französischen Armeeführung. Er habe, trotz seiner Teilnahme an dreizehn Belagerungen und sechs Schlachten, noch keine Belohnung für seine Dienste und Verletzungen erhalten.751 Friedrich von Planta zeigte sich oft über (vermeintlich) ausbleibende Ehrungen enttäuscht, so auch nach dem Gefecht beim Kloster Bredelar, als er, nach eigenen Angaben, trotz seines Muts und mehreren Verwundungen keinen Dank vom König erhalten hatte.752 Darüber beschwerte er sich beim Grafen von Eu, dem Generaloberst der Schweizer und Bündner Truppen, und beim Herzog von Choiseul.753 Enttäuschte Erwartungen hatten einen empfindlichen Einfluss auf die Laufbahn eines Offiziers, denn Misserfolg in der Karriere bedeutete ja auch einen Verlust an Ansehen. Gemäß Gabriel Albrecht von Erlach soll sich ein französischer Offizier vor Verzweiflung über seine Entlassung sogar in Metz in die Mosel gestürzt haben.754 Eine ausbleibende Beförderung diente einigen Autoren als legitimer Grund, den Dienst zu verlassen. Frid¦ric de Diesbach drohte, als er Ende 1708 bei Louis Auguste de Bourbon, Herzog von Maine und Generaloberst der Schweizer und Bündner Truppen, auf eine Beförderung pochte, mit seinem Rücktritt.755 Auf die Zurechtweisung des Herzogs, welcher de Diesbach darauf hinwies, dass man mit 749 Girard, Histoire (wie Anm. 725), Bd. I, S. 28. 750 BBB Mss.h.h. III 233 (101): Erlach, Gabriel Albrecht von, Brief an seinen Vater (28. August 1760). 751 KBAG AH 183/168: Zurlauben, An seinen Cousin Beat Fidel (24. Juni 1760). 752 StAGR Familienarchiv von Planta: D III/S II Ac 52 (wie Anm. 148), S. 3. 753 StAGR Archiv von Planta Reichenau D III/R III 206 (wie Anm. 148), S. 7 f. 754 StABE HA Spiez 89 (wie Anm. 151), S. 141. 755 AEF Chroniques 60a (wie Anm. 150), S. [8].

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dem französischen König nicht diskutiere, antwortete der Freiburger, dass er kein Untertan des französischen Königs sei, und er fuhr fort zu erklären, dass seine Urahnen bereits mit Ludwig XI. (1423 – 1483) Bündnisse abgeschlossen und viele Mitglieder seiner Familie der Krone gute Dienste geleistet hätten.756 De Diesbach quittierte schließlich 1710 den Dienst in Frankreich, um ein Regiment in holländischen Diensten anzuwerben.757 Friedrich von Planta empfand 1759 die Ablehnung eines Kommandos über eine Halbkompanie als eine solche Demütigung, dass er seinen Ruf bei seinen Kameraden nur habe retten können, indem er erklärte, dass es im Krieg die Pflicht eines wohlgeborenen Mannes sei, trotz aller Demütigungen seine Aufgaben weiterzuerfüllen.758 Von Planta lehnte im Jahre 1765, nach seinem vergeblichen Versuch, das Kommando über ein Regiment zu erhalten und dem Verlust seiner Kompanie, eine finanzielle Entschädigung der französischen Krone ab, weil diese seiner Meinung nach seinem erlittenen Unrecht nicht genügte, und verließ im selben Jahr die französische Armee.759 Gabriel Albrecht von Erlach schrieb 1761, dass sein Onkel Abraham von Erlach (1716 – 1782) trotz seiner (prestigereichen) Position als Hauptmann in der Schweizergarde den Dienst quittieren wolle, falls er das Kommando über das Berner Regiment nicht erhalte.760 Anton von Salis-Marschlins, der sich in den Kopf gesetzt hatte, dass er bis zum Ende des Siebenjährigen Krieges Oberst sein müsse, schrieb, dass er im Frühjahr 1762 mit der Absicht nach Paris gefahren sei, entweder das Kommando über ein Regiment zu erhalten oder ansonsten in russische oder österreichische Dienste zu wechseln.761 Jakob Anton von Sonnenberg, der bei der Schlacht von Warburg schwer verwundet wurde, wollte den Dienst quittieren, da er keinen Erfolg dabei hatte, für sich eine Pension, eine bessere Funktion oder als Alternative eine Offiziersstelle für seinen Sohn zu finden. In einem Brief an den Herzog von Choiseul stellte er deswegen klar, dass dieser Schritt nicht einem »flatterhaften Geist« entspringe, sondern eine logische Konsequenz sei, denn: »[…] je ne vois rien non plus qui puisse me fortifier dans le go˜t pour un service o¾ je ne me suis mis que par inclination et dans l’esp¦rance d’y parvenir: ruin¦ par l’un et ¦lud¦ dans l’autre, ce n’est monseigneur point un esprit d’inconstance qui m’a pu d¦terminer de penser — la retraite, c’est la n¦cessit¦, c’est mon honneur mÞme.«762 756 757 758 759

Ebd., S. [8 f.]. Girard, Histoire (wie Anm. 725), Bd. I, S. 165. StAGR Archiv von Planta Reichenau D III/R III 206 (wie Anm. 148), S. 2 f. StAGR Familienarchiv von Planta: D III/S II Ac 52 (wie Anm. 148), S. 8 f.; Simonett, Planta (wie Anm. 745). 760 BBB Mss.h.h.III.234 (7): Erlach, Gabriel Albrecht von, Brief an seinen Vater (9. Juni 1761). 761 StAZH W I 33a 9.1 (wie Anm. 152), S. 12 f. 762 StALU PA 665 – 103: Korrespondenz Jakob Anton von Sonnenberg, Sonnenberg, Jakob Anton von, Jakob Anton von Sonnenberg an den Herzog von Choiseul (12. Februar 1766).

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Jakob Anton von Sonnenberg führte weiter aus, dass er sich nun sein restliches Leben den Vorwurf machen werde, sich für den französischen Dienst entschieden zu haben und davon nur eine »triste souvenir d’avoir eu l’honneur de le servir« verbleibe, denn sein Sohn sei ruiniert und er selbst – Gipfel der Schande – das Gespött der Republik [Luzern, M. H.].763 Trotz seiner enttäuschten Worte quittierte Jakob von Sonnenberg 1766 keinesfalls den Dienst, und ganz so töricht war seine Entscheidung nicht, in französischen Diensten zu bleiben: 1769 erhielt er das Kommando über ein eigenes Regiment und wurde ein Jahr später zum Brigadier befördert.764 Obwohl die Offiziere eine ausbleibende Beförderung oder Ähnliches wohl tatsächlich als Schmach betrachteten, scheint die Androhung einer Demission doch eher eine Verhandlungsstrategie gewesen zu sein, die in einigen der oben erwähnten Fällen auch erfolgreich war. Der Offizier wahrte sein Gesicht, indem er sich gegen diesen »Affront« wehrte und konnte, je nach Situation, vom Dienstherren auf einen späteren Zeitpunkt vertröstet werden.

7.2.1.1 Das Duell Das Duell gehörte in der Frühen Neuzeit zur Welt der individuellen männlichen Ehre dazu und war unter den Angehörigen des Offizierskorps weithin akzeptiert.765 Zwar war der Zweikampf mit Pistolen oder Schwertern im 18. Jahrhundert in der Eidgenossenschaft eher unbekannt,766 doch unter den Offizieren der Schweizer Regimenter war es weit verbreitet. Selbst der berühmte Berner Gelehrte Albrecht von Haller (1708 – 1777) blieb von den Folgen nicht verschont: Einer seiner Söhne kam als Offizier eines Schweizer Regiments 1781 in Frankreich bei einem Duell ums Leben.767 Und auch unter den Autoren der Selbstzeugnisse gab es sowohl Duellanten wie Zeugen. Friedrich von Planta behauptet in seinem Lebenslauf, dass er von den Offizieren, die gegen ihn intrigierten, Satisfaktion gefordert habe.768 Karl Andreas Schnyder von Wartensee erlebte 1733 ein Duell zwischen einem Leutnant der

763 Ebd. 764 Girard, Histoire (wie Anm. 725), Bd. III, S. 85. 765 Ludwig, Ulrike, Von Scherzen und Duellen. Wettkampfspiele als Typus von Ehrkonflikten im schwedisch–pommerschen Offizierskorps, in: Zeitschrift für Historische Forschung 38 (2011), H. 3, S. 371 – 403, hier S. 373. 766 Blattmann, Lynn, Duell, in: Historisches Lexikon der Schweiz, http://www.hls-dhs-dss.ch/ textes/d/D16330.php, 14. 05. 2014; Beglinger, Rudolf, Duell- oder Scheibenpistolen, in: Zeughauspost 11 (2013), S. 2. 767 Siehe Müller, Christian, Un drame dans la famille d’Albrecht de Haller, in: Gesnerus, 41 (1984), S. 133 – 136. 768 StAGR Familienarchiv von Planta: D III/S II Ac 52 (wie Anm. 148), S. 6.

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Schweizergarde und einem Kadetten aus dem Regiment de Diesbach.769 Antoine Marie Augustini berichtet in seinem Tagebuch von einem tödlich endenden Duell zwischen Maurice de Courten und einem unbekannten Offizier und gesteht, dass er sogar selbst fast in ein Duell verwickelt worden wäre, wenn nicht ein Wachposten seinen Kontrahenten und ihn bei ihrem Vorhaben überrascht hätte.770 Jean-Fr¦deric de Diesbach kannte Zweikämpfe nicht nur vom Hörensagen, denn er duellierte sich persönlich im Wiener Augarten mit einem Baron Pring.771 Gabriel Albrecht von Erlach schlug sich sogar mit einem Verwandten, Philipp-Ludwig von Erlach (1741 – 1770),772 und Hans Kaspar Hirzel teilte 1782 seinem Bruder mit, dass er in einem Zweikampf an der Wade verletzt worden sei.773 Der eifrigste Schweizer Duellant scheint allerdings Bernhard Albrecht Stettler gewesen zu sein. Laut seiner Autobiographie focht er im Militär fünf Duelle aus.774 Das Konzept des Duells entstand im Italien der Renaissance unter Einfluss mittelalterlicher Traditionen wie dem Gerichtskampf.775 Im 17. und 18. Jahrhundert wurden Zweikämpfe ein Teil der exklusiven Umgangsformen zwischen Adeligen, die auf Höflichkeit gründeten. Da der höfliche Umgang ein Mittel der gegenseitigen Ehrerweisung war, wurde die Verweigerung solcher Formen als schwerwiegender Angriff auf die Ehre betrachtet.776 Ulrike Ludwig unterscheidet Ehrkonflikte, zu denen auch das Duell gehörte, in »Stellvertreterkonflikte« und »Wettkampfspiele«.777 Während im ersten Fall bestehende Konflikte, etwa um geschuldetes Geld, durch den Einbezug der Ehre neu verhandelt wurden,778 fanden »Wettkampfspiele« in homogenen Gesellschaften, wie etwa im Offizierskorps, statt.779 Beide Formen waren durch eine »aggressive Imagepflege« gekennzeichnet, in der die üblichen höflichen Umgangsformen bewusst umgekehrt wurden, um einen Gegner herauszufordern.780 Solche Herausforderungen mussten nicht zwangsläufig mit einem Duell enden,

769 StALU PA 954 – 19622: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Vater [1733]. 770 Staatsarchiv Wallis Fonds Guillaume de Kalbermatten R 27 (wie Anm. 142), S. 30 u. 40 f. 771 AEF Chroniques 60a (wie Anm. 150), S. [13]. 772 StABE HA Spiez 89 (wie Anm. 151), S. 13. 773 ZBZH FA Hirzel 346.2: Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seinen Bruder (Heinrich?), (15. Juni 1782). 774 BBB Mss.h.h.XLIII.11 (wie Anm. 141), S. 32 ff., 37 u. 40. 775 Peltonen, Markku, The duel in early modern England. Civility, politeness, and honour, Cambridge u. a. 2003, S. 3 f. 776 Ebd., S. 303 f. 777 Ludwig, Von Scherzen (wie Anm. 765), S. 377. 778 Ebd. 779 Ebd., S. 379. 780 Ebd.

Ehre

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der Zweikampf war sozusagen die höchste Eskalationsstufe.781 Diese Kämpfe führten aber nicht zu einem Zuwachs oder einem Verlust an Ehre, denn nicht der Ausgang des Kampfes war wichtig, sondern die Tatsache, dass ein Mann bereit war, unter Umständen im Duell sein Leben zu opfern.782 Betrachtet man die von den Offizieren beschriebenen Duelle, so lassen sich unterschiedliche Beweggründe ausmachen, die zu solchen Konflikten führten. Karl Andreas Schnyder von Wartensee, obwohl selbst offenbar nicht anwesend, berichtete seinem Vater von einer Auseinandersetzung zwischen einem Leutnant Schweizer aus dem Regiment de Courten und einem ungenannten Kadetten aus dem Regiment de Diesbach.783 Nach dem gemeinsamen Essen und einem Besuch in einem Caf¦ hätten die beiden Beteiligten, zusammen mit anderen Offizieren, begonnen, die Wohnungsfenster eines Hauptmanns aus dem Regiment de Courten mit Sand zu bewerfen. Trotz einer Ermahnung des Hauptmanns fuhr der Kadett fort, mit Sand zu werfen, worauf der Leutnant ihm vorwarf, er sei »bien hardie«, seinen Hauptmann so zu beleidigen, und ihm erklärte, dass ein solches Benehmen sich für einen Kadetten nicht gehöre. Der Kadett entgegnete, dass der Leutnant als Angehöriger eines anderen Regiments ihm nichts zu befehlen habe, und fügte dieser Aussage »encore d’autres parolles« hinzu, die dazu führten, dass der Leutnant dem Kadetten eine Ohrfeige erteilte. Durch den Schlag beleidigt, forderte der Kadett den Offizier zum Duell, das jedoch für den Beleidigten tödlich ausging. Interpretiert man den Vorfall nach dem Modell von Ulrike Ludwig, so ging es bei diesem Konflikt für den Beleidigten darum, seine Gruppenzugehörigkeit zu beweisen.784 Als Kadett war er zwar bezüglich seines militärischen Rangs dem Leutnant untergeordnet, von seiner sozialen Herkunft hingegen ihm vermutlich ebenbürtig oder gar überlegen, was er in diesem Fall durch seine Ablehnung, den Anweisungen des Leutnants Folge zu leisten, signalisierte. Für eine Eskalation des Konflikts sorgte schließlich die Ohrfeige, eine Kränkung, die nach den zeitgenössischen Vorstelllungen einen Zweikampf unausweichlich machte.785 Das Verhalten des Kadetten wurde im Nachhinein von Schnyder von Wartensee nachdrücklich als korrekt dargestellt. Schnyder von Wartensee verteidigte das Verhalten des Kadetten, denn dieser hätte das Recht gehabt, so zu handeln: »le cadet a e˜ raison de soutenir et defendre son honneur […] quoy qu’il n’est pas officier […] il n’est jamais permis de traitter des honnetes gens de la dite 781 Ebd., S. 380 u. 384. 782 Frevert, Ute, Ehrenmänner. Das Duell in der bürgerlichen Gesellschaft, München 1991, S. 11 u. 29 f. 783 Im Folgenden: StALU PA 954 – 19622 (wie Anm. 769), [1733]. 784 Vgl. Ludwig, Von Scherzen (wie Anm. 765), S. 383. 785 Vgl. Speitkamp, Winfried, Ohrfeige, Duell und Ehrenmord. Eine Geschichte der Ehre, Stuttgart 2010, S. 37.

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maniÀre.« Von Wartensee verkündete in diesem Zusammenhang, dass er jeden töten würde, der ihm eine Ohrfeige gäbe. Seiner Behauptung nach müsste er dafür nicht mit Problemen rechnen, denn so etwas passiere ständig. Interessant ist die Aussage Schnyder von Wartensees, dass sich der Vater des Leutnants dafür einsetzte, dass das Vorgefallene als Streit und nicht als Duell behandelt würde. Ein Streit war das Gegenteil von einem Duell, denn für einen Streit brauchte es keine besondere Ehre und keine Ehrverletzung. In der zeitgenössischen Denkweise war ein Streit ein Vorfall, der auch zwischen betrunkenen Bauern oder Handwerkern im Wirtshaus ausbrechen konnte. Der Wegfall des Bausteins »Ehre« konnte also eine Schutzhandlung sein, um einer Bestrafung wegen Duellierens zu entgehen.786 Obwohl der oben erwähnte Leutnant nach Lothringen geflüchtet war, um der Justiz zu entkommen, rechnete Schnyder von Wartensee mit einer Begnadigung. Bei Bernhard Albrecht Stettler finden sich in der Autobiographie weitere Beispiele für die Ursache von Ehrkonflikten. Stettler schreibt, dass er im Frühling 1794 zum Unterleutnant der Jäger befördert wurde. Zur Feier kaufte er sich »un joli sabre«, der den Neid eines ranghöheren Offiziers anzog. Eines Tages ließ der Leutnant »en presence d’une quantit¦ d’officiers« verlauten, dass Stettler wohl Mühe hätte, sich dieser Waffe zu bedienen, worauf Stettler antwortete, dass sich in jedem Fall sein Degen zu Hause befinde. Der andere Offizier verstand den Hinweis und teilte Stettler unter vier Augen mit, dass dessen Worte ihm schon lange missfielen787 und dass Stettler seinen Degen holen und ihm folgen solle. Es kam zu einem Zweikampf, bei dem Stettler leicht verletzt wurde, worauf sich die Streithähne mehr schlecht als recht vertrugen.788 Durch seine augenfällig zur Schau getragene prachtvolle Waffe machte Stettler seinen Status als Mitglied der Jägertruppe, seine großzügigen finanziellen Mittel und damit auch seine privilegierte Herkunft deutlich. Ein solches Verhalten rief beim ranghöheren Leutnant vermutlich Neid hervor und löste einen Verteidigungsreflex aus. Dabei versuchte er seine Position in der Hierarchie durch eine gezielte Herabsetzung Stettlers zu bestärken, wobei natürlich auch dazukommt, dass sich die beiden Männer vermutlich schlicht und einfach nicht leiden konnten. Ein weiteres Duell, an dem Stettler beteiligt war, entspricht der These der »Stellvertreterkämpfe«, dass also durch Zweikämpfe bestehende Konflikte neu verhandelt werden konnten. Der Berner schildert in seiner Autobiographie, wie er im Herbst 1794 eine Auseinandersetzung mit einem Herrn Dafresne hatte, der nach einem Glücksspiel Stettler einen kleinen Geldbetrag schuldete. Nachdem 786 Siehe Collstedt, Christopher, The morality tale of a duellist: narratives of duelling in early modern Swedish courts. The duel in Stralsund 1712, in: Militär und Gesellschaft in der frühen Neuzeit 12 (2008), H. 2, S. 153 – 173, hier S. 161 ff., insbesondere S. 164. 787 »Il y a longtemps que vos propos me d¦plaisent« BBB Mss.h.h.XLIII.11 (wie Anm. 141), S. 33. 788 Ebd.

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ihn Stettler mehrmals vergeblich um eine Rückzahlung gebeten hatte, verkündete er endlich »en pr¦sence de beaucoup d’officiers«, dass er ihm das Geld schenke. Der betroffene Offizier forderte ihn zu einem Duell heraus, das dann aber für beide relativ glimpflich ausging.789 Beide obigen Beispiele zeigen ein wichtiges Element in der Konfliktpraxis, nämlich die Wahrnehmung durch Dritte.790 Stettler betont in beiden Fällen die Anwesenheit mehrerer Offiziere, er macht also klar, dass die ehrenrührigen Aussagen vor einer Öffentlichkeit sozial gleichrangiger Männer ausgesprochen wurden. Denn nur wenn es vor Ebenbürtigen ausgetragen wurde, machte dieses Konfliktritual auch Sinn.791 Im Gegensatz zu den bei Zweikämpfen häufig herangezogenen Quellen, Gerichtsurteilen, sind in den Selbstzeugnissen natürlich nur die Aussagen eines der Duellanten vertreten. Es wäre zu vermuten, dass von den Autoren in ihren Texten eine ähnliche kommunikative Strategie wie vor Gericht angewendet wurde, nämlich dass sie sich selbst als friedlich und schuldlos am Kampf darstellten, während die Aggression stets von der anderen Partei ausging.792 Bei der Schilderung seines abgebrochenen Duells schreibt Antoine Marie Augustini, dass er einen Leutnant Joseph Venetz »gantz freundlich und mit bester Gesinnung«793 darauf hinweisen wollte, dass jener am Mittag nicht beim Exerzieren dabei gewesen sei. Der Leutnant wurde dadurch jedoch »aufgebracht« und forderte Augustini zum Zweikampf heraus. Augustini stellt den Hergang also so dar, dass er quasi »aus dem Nichts« in eine gewaltsame Auseinandersetzung mit seinem Kameraden geriet. Er schrieb:«So unverhofft und unschulldig kann Mann in dem militarischen Stande in eine so unglickliche Verlegenheit gerathen, Leib, und Seele in einem Augenblicke zu Grund zu richten« (Hervorhebung: M. H.).794 Augustini bekräftigte seine Sicht der Ereignisse im Nachhinein außerdem dadurch, dass er in seiner Schilderung Erleichterung über den harmlosen Ausgang und demonstrativ Reue für die Angelegenheit zeigte. Er habe, so schrieb er, nach dem Duell nicht ruhig sein können, bevor ihn der Feldprediger von seinen Sünden ledig gesprochen habe.795 Bernhard Albrecht Stettler betont in seiner Autobiographie in den meisten Fällen seine Widerwilligkeit zu kämpfen. In der Schilderung seines ersten Duells legt er Wert darauf, zu erklären, dass er von seinem »bon ami« Albrecht Zehender, der sich in die gleiche Frau verliebt hatte, herausgefordert worden sei

789 790 791 792 793 794 795

BBB Mss.h.h.XLIII.11 (wie Anm. 141), S. 34. Ludwig, Von Scherzen (wie Anm. 765), S. 384. Ebd. Vgl. Collstedt, Morality (wie Anm. 786), S. 158 ff. StAW Fonds Guillaume de Kalbermatten R 27 (wie Anm. 142), S. 31. Ebd. Ebd., S. 31 f.

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und sich nur »— regret« seines Degens bedient habe (Hervorhebungen: M. H.).796 Bei einem anderen Zweikampf unterstrich der Berner wiederum, dass er sich gezwungen sah, gegen seinen Willen einen Freund herauszufordern: »Outre la perte de mon argent j’eus encore un autre chagrin au camp de CÞve; une grossi¦ret¦ de la part de Wyttenbach me forÅa de me battre avec un de mes meilleurs amis […].«797 Ein weiteres Duell im selben Jahr verleitete Stettler sogar zur Bemerkung, dass man aufgrund der Häufigkeit seiner Zweikämpfe glauben könnte, dass er streitsüchtig sei, doch der Eindruck stamme nur daher, dass er sich auf die interessanten Ereignisse seines Lebens beschränke, es seien mehrere Monate vergangen, ohne das irgendetwas Bemerkenswertes passiert sei. Letztes Duell sei übrigens durch einen falsch interpretierten Scherz Stettlers ausgelöst worden, doch der Ausgang des Zweikampfs habe bewiesen, dass der Herausforderer im Unrecht gewesen sei. Stettler habe sich mit ihm allerdings gut versöhnt,798 so wie er sich gegenüber den meisten seiner Gegner versöhnlich zeige, selbst wenn er der Beleidigte gewesen sei.799 Nur nach dem oben erwähnten Kampf mit Albrecht Zehender um eine Frau schrieb er, obwohl er seinen Freund schwer verletzt hatte, dass sich andere Nebenbuhler zurückzogen, als die Geschichte bekannt wurde.800 Offenbar war das durch diese »Eroberung« gewonnene Ansehen wichtiger als die Gesundheit seines Kameraden. Die Praxis des Duellierens war in der Frühen Neuzeit nie unumstritten. Zahlreiche Monarchen,801 erließen Gesetze gegen Zweikämpfe, der Kanton Bern verbot 1651 das Duellieren802 und auch im »Schweitzerischen Kriegs-Recht« aus dem im Jahre 1709 veröffentlichten »Corpus Iuris Militaris« war der Zweikampf verboten, ja das Töten eines Kontrahenten konnte sogar mit dem Tod bestraft werden. Das Recht vertrat sogar die Ansicht, dass das Abschlagen einer Forderung keinen Ehrverlust beinhalte.803 Bei den Offizieren ist jedoch nur in einem Fall dokumentiert, dass ein Zweikampf nicht gesellschaftlich akzeptiert wurde: Antoine Marie Augustini berichtet, dass Anfangs März des Jahres 1773 der Aide-Major Maurice de Courten, ein Neffe von Antoine-Pancrace de Courten (1720 – 1789), Augustinis 796 797 798 799 800 801

BBB Mss.h.h.XLIII.11 (wie Anm. 141), S. 32. Ebd., S. 37. Ebd., S. 40. Ebd., S. 34 u. 37. Ebd., S. 32. Siehe hierzu beispielsweise: Karl II. von England, Peltonen, Duel (wie Anm. 775), S. 207; oder Christian V. von Dänemark, Ludwig, Von Scherzen (wie Anm. 765), S. 373. 802 Blattmann, Duell (wie Anm. 766). 803 Corpus Juris Militaris, Auctum Et Emendatum. Oder vollkommenes Kriegs=Recht der hohen Potentaten in Europa … Welche mit deren neuen Kriegs–Satzungen, und darüber gestellten Anmerckungen beygefügten geänderte Edicten, Ordonnanzien und angehängten Zugaben … Erläutert und vermehret worden, Frankfurt am Main 1709, Abt. II, § 31.

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Regimentskommandant, einen Mann namens Jacob de Nuc¦ »wegen einer unbeteidenden Ursach«804 im Zweikampf tötete. Das Verhalten de Courtens wurde von einigen Offizieren offenbar als Bruch des Offizierskodex gesehen. Eine Mehrheit der »Corps-Versamlung« der Leutnants und Unterleutnants beschloss, nicht mehr mit de Courten Dienst zu tun und eine Beschwerde an den Hof zu richten, obwohl der Offizier einen Pardon erhalten hatte. Die Subalternoffiziere ließen erst von ihrem Protest ab, als Ludwig August Augustin von Affry (1713 – 1793), als Administrator der Schweizer Truppen ihr informeller Vertreter in Versailles, ihnen unter Androhung von Arrest und Kriegsgericht befahl, de Courten wieder als Offizier zu akzeptieren.805 Leider lassen sich mit den vorhandenen Quellen keine weiteren Aussagen zum Hergang des Zweikampfes machen, sodass unbekannt bleibt, weshalb die Ursache von Augustini als »unbedeutend« betrachtet wurde, und wieso ein Teil der Offiziere mit dem Verhalten des siegreichen Duellanten nicht einverstanden war. Interessant ist jedoch die Tatsache, dass, wie in einem bereits geschilderten Fall, der Totschläger vorerst außerhalb der französischen Gerichtsbarkeit Zuflucht gesucht hatte, nämlich in einer luxemburgischen Abtei.806 Wer einen Kameraden im Zweikampf tötete, musste also durchaus mit einem Verfahren rechnen, konnte aber vermutlich davon ausgehen, dass er freigesprochen wurde oder eine leichte Strafe erhielt. Nicht zuletzt weil, wie Karl Andreas Schnyder von Wartensee es ausdrückte, »en ces rencontres on donne toutjours tort au mort, pour n’en pas faire deux malheureux.«807

7.2.2 Kollektive Ehre »Ehre« war nicht nur ein individuelles, »symbolisches Kapital«, sondern konnte auch auf eine militärische Einheit oder die Familie übergehen. Fehlschläge in der Karriere konnten Auswirkungen für die Familienehre haben, während umgekehrt Beförderungen einen Zuwachs an Prestige darstellten. Karl Andreas Schnyder von Wartensee schrieb über seine Aufnahme in den Ludwigsorden, dass sein Bruder die »Frauw Geliebtin« informieren solle, er sei überzeugt, dass die gesamte Verwandtschaft »ein Freüd darvon tragen wird«.808 Friedrich von Planta betonte am Schluss seines Lebenslaufs, dass er aus einer der erlauchten Familien der Schweiz und aus einer der mächtigsten Graubündens stamme, 804 805 806 807 808

StAW Fonds Guillaume de Kalbermatten R 27 (wie Anm. 142), S. 40. Ebd., S. 41. Ebd. StALU PA 954 – 19622 (wie Anm. 769), [1733]. StALU PA 954 – 19622: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (17. März 1743).

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deren Mitglieder als Offiziere in vielen Ländern gedient hätten oder immer noch dienten.809 In der Armee gab es die kollektive Ehre der eigenen Einheit. Die »Regimentsehre« war ein gruppenbildendes Phänomen,810 welches einen überständischen Zusammenhalt innerhalb der Einheit formen konnte.811 Diese Ehrvorstellungen bauten auf einem patriarchalischen Modell auf, bei dem die Vorgesetzten im Sinne eines Hausvaters um das Wohl ihrer »Kinder« besorgt waren.812 Beat Fidel Zurlauben beschreibt, wie die französische Armee vor der Schlacht von Fontenoy den König mit Beifall begrüßt habe. Der König selbst habe sich dadurch gerührt gezeigt: »leur amour pour elle [sa majest¦], leur zÀle pour sa gloire, et le d¦sir qu’elles avoient d’y contribuer par les plus grands efforts.«813 Ob die »einfachen Soldaten« auch der Überzeugung waren, dass es sich lohnte, ihr Leben für den Ruhm des Königs aufs Spiel zu setzen, kann in dieser Arbeit nicht beantwortet werden. Offenbar machten sie bei diesem »Spiel« mit. Jean de Sacconay erwähnt in seinem Tagebuch, dass es nach der Belagerung der Stadt Venlo im Spanischen Erbfolgekrieg zu einer Auseinandersetzung zwischen seinem Regiment und dem Regiment de Courten (das auf französischer Seite, also beim Gegner, diente) kam. Der Grund dafür war, dass beim Abmarsch des Regiments de Courten aus der kapitulierten Stadt preußische Soldaten einen angeblichen Deserteur aus den Reihen ihres Regiments heraus verhaftet hatten. Die Offiziere aus dem Regiment de Courten hielten die Preußen jedoch für Schweizer aus dem Regiment Sacconays und ließen an ihnen ihren Unmut über diesen Affront aus. Die Soldaten Sacconays reagierten darauf, indem sie ihre Landsleute als Feiglinge beschimpften.814 Die »Ehre« der Einheit und die individuelle Ehre ihrer Angehörigen, insbesondere die der Offiziere, standen im Verhältnis zueinander. Wenn sich ein Regiment beispielsweise in der Schlacht bewährt hatte, so fiel das auch auf den Einzelnen zurück. So erwähnt Karl Andreas Schnyder von Wartensee explizit das tapfere Verhalten der Schweizer in der Schlacht von Lauffeldt (2. Juli 1747) und bemerkt in seinem Brief, dass der König die Schweizer gelobt habe.815 Über die Schlacht von Roucoux im vorangegangenen Jahr schreibt er, dass die französischen Regimenter die Ehre gehabt hätten, die zwei Dörfer, welche die gegnerische Verteidigungslinie bildeten, im Sturm zu erobern. Die Schweizer Regimenter konnten an diesem Angriff nicht teilnehmen, da sich die Gegner bereits 809 810 811 812 813 814 815

StAGR Familienarchiv von Planta: D III/S II Ac 52 (wie Anm. 148), S. 9. Nowosadtko, Ständestaat (wie Anm. 35), S. 90. Ebd., S. 92. Ebd., S. 93 f. KBAG AH 118 (wie Anm. 134), S. 6. Kurz, Sacconay (wie Anm. 139), S. 310 ff. StALU PA 954 – 19624 (wie Anm. 472), (4. Juli 1747).

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zuvor ergeben hätten oder durch das Feuer der Artillerie vertrieben worden seien. Karl Andreas gibt in diesem Brief auch einen Hinweis auf einen Beurteilungsmaßstab für die Leistung des Regiments. Er schreibt, dass das Regiment wenige Fahnen erbeutet habe, weil die gegnerischen Fahnenträger schnell geflüchtet seien.816 Auch die in einer Schlacht erlittenen Verluste einer Einheit wurden, wie die Verletzungen der einzelnen Offiziere, als Maßstab für Tapferkeit verwendet. Gabriel Albrecht von Erlach beklagte sich zwei Wochen nach der Schlacht von Warburg, dass das Regiment Jenner zwar von allen Regimentern der Armee, abgesehen vom Regiment Planta, am meisten Verluste erlitten habe, doch sein Regiment erhalte nicht die geschuldete Aufmerksamkeit für diesen Umstand. Daher müsse man sich mit der Achtung zufriedengeben, die der Feind ihnen deutlich entgegenbringe.817 Wie im Offizierskorps gab es auch bei den Regimentern der meisten Armeen eine Rangfolge, die sich nach Ansehen, Anciennität und der Funktion richtete. An oberster Stelle standen etwa die Haustruppen des Königs, also die unterschiedlichen Leibwachen und Garden. Auf die Einhaltung der Rangunterschiede wurde genau geachtet. Beat Fidel Zurlauben berichtet, dass es auf dem Feldzug in Flandern beim Fouragieren Streitigkeiten zwischen den Grenadieren der Schweizergarde und dem Regiment Pi¦mont gegeben habe, bis der König erklärt habe, dass die Schweizergarde, falls sie im gleichen Armeekorps wie die französische Garde diene, den Vorrang vor allen anderen Regimentern besäße.818 Der privilegierte Status der Schweizergarde als Teil der königlichen Garden und in diesem Sinne als Elitetruppe der französischen Armee war eine wichtige Quelle von Ansehen, und dieser Status wurde von den Angehörigen entsprechend verteidigt. Beat Fidel Zurlauben, der ja Offizier der Garde war, widmete im zweiten Band seiner Geschichte der Schweizer Truppen in französischen Diensten ein ganzes Kapitel den Vorrechten der Schweizergarde.819 Eine interessante Randbemerkung zur Ehre bietet eine Episode aus dem Tagebuch von Rudolf Ludwig von GoumoÚns. Darin befasst sich der Verfasser einige Seiten lang mit einer Meuterei, die sich im Juni 1795 in Bergen-op-Zoom ereignete.820 Die daran beteiligten Soldaten eines Schweizer Regiments wollten zwei Kameraden, die eingesperrt worden waren, weil sie lange Hosen (ein revolutionäres Symbol) getragen hatten, mit Gewalt befreien. Von GoumoÚns schildert, wie die Offiziere des Regiments zunächst mit Appellen an die Ehre der Soldaten versuchten, die Meuterer aufzuhalten. Er schreibt, dass sich einige Offiziere den aufgebrachten Truppen entgegenstellten und ihnen erklärten, dass 816 817 818 819 820

StALU PA 954 – 19624 (wie Anm. 471), (13. Oktober 1746). BBB Mss.h.h.III.233 (99), (wie Anm. 406). KBAG AH 118 (wie Anm. 134), S. 40. Zurlauben, Histoire (wie Anm. 39), Bd. 2, S. 1 – 39. StABE N de GoumoÚns 1.4 (wie Anm. 146), H. 11, S. 3 – 12; H. 12, S. 1 – 5.

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sie sie davor bewahren wollten, einen Fehler zu begehen, der sie entehren, den in zwei Feldzügen erworbenen Ruhm auslöschen und ihre Eltern vor Gram ins Grab bringen würde.821 Diese Episode ist ein Hinweis darauf, wie sich die Bewertung des einfachen Soldaten gegen Ende des 18. Jahrhunderts veränderte. Um den Soldatenstand in ein besseres Licht zu rücken, sollte auch dem einfachen Soldaten, von dem vorher vor allem Treue und Gehorsam gefordert worden war, eine individuelle Ehre zugestanden werden. Die Soldaten sollten nunmehr durch positive Motivation dazu gebracht werden, ihre Pflicht zu erfüllen und die militärischen Normen einzuhalten.822

821 Ebd., H. 11, S. 6 f. 822 Kroll, Soldaten (wie Anm. 35), S. 186 f.

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Das Schweizerische in den Selbstzeugnissen

8.1

Familienökonomie

Wie bereits erörtert wurde, waren finanzielle Angelegenheiten ein wichtiges und oft behandeltes Thema bei den Offizieren. Das weist auf eine entscheidende Eigenschaft des Schweizer Söldnerwesens in der Frühen Neuzeit hin: Das »Geschäft« mit militärischen Dienstleistungen war ein Familienunternehmen, und die »Geschäftsleute« waren auf das Netzwerk ihrer Verwandten angewiesen. Die Basis für den finanziellen Erfolg im Söldnerwesen bildete die sogenannte »Kompaniewirtschaft«, die bis zum Ende des 18. Jahrhunderts in der europäischen Armeeorganisation eine wichtige Rolle spielte. Die Kompanien lagen in den Händen von einem Militärunternehmer, der seine Soldaten selbst anwerben, zur Kompanie transportieren, ausrüsten, besolden und verpflegen musste. Dafür erhielt er pro Soldat eine Pauschale.823 Das Erreichen des geforderten Mannschaftsbestands wurde mit einem Bonus, der sogenannten »Gratifikation«, belohnt.824 Was nach Abzug der Ausgaben von diesen Entschädigungen verblieb, war der Gewinn des Besitzers. Dank dieser Art von Rendite galten Kompanien als Vermögens- und Anlagewerte, und es konnte sogar eine Hypothek auf sie aufgenommen werden.825 Regimenter wurden ebenfalls von Militärunternehmern erworben, die eine Geldpauschale für ihren Regimentsstab und zusätzlich eine eigene Kompanie, die »Compagnie Colonelle« oder »Obristenkompanie«, erhielten.826 Kompanien und Regimenter waren in gewissen Armeen, wie bereits erläutert, sogar erblich. Sie konnten aber selbstverständlich auch verloren

823 Schmidt, Hans, Militärverwaltung in Deutschland und Frankreich im 17. und 18. Jahrhundert, in: Kroener, Pröve, Krieg (wie Anm. 62), S. 25 – 46, hier S. 28. 824 Erismann, Organisation (wie Anm. 222), S. 5. 825 Eyer, Neapel (wie Anm. 68), S. 369. 826 Fiedler, Siegfried, Kriegswesen und Kriegführung im Zeitalter der Kabinettskriege, Koblenz 1986, S. 15.

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werden, etwa bei hoher Verschuldung.827 Obwohl für das 18. Jahrhundert die wirtschaftlichen Gewinnchancen im Solddienst schwierig zu rekonstruieren sind,828 bot der Besitz einer Kompanie dennoch eine Möglichkeit, Gewinn zu erwirtschaften.829 Doch der Weg dahin war aufwendig und erforderte hohe Investitionen. Wie ebenfalls schon erläutert wurde, waren Offiziere zu mehreren Zeitpunkten in ihrer Karriere auf die finanzielle Unterstützung ihrer Familien oder auch von dafür eingerichteten Familienstiftungen830 angewiesen. So etwa bei der Übernahme von Offiziersposten oder dem Erwerb einer eigenen Einheit – eine klassische Familienangelegenheit: Josef Anton Reding (1658 – 1747) war auf die finanzielle Hilfe seiner Tochter Magdalena angewiesen, als er 1738 eine Kompanie im neapolitanischen Garderegiment aufstellte. Magdalena Reding trat ihren Teil der Kompanie zunächst an ihren Vater, danach an ihre zwei Brüder ab, die sich die Kompanie teilten, dafür aber den Sohn ihrer Schwester in Raten von 200 Talern jährlich auszahlen mussten.831 Doch auch der »Betrieb« einer Kompanie, also vor allem die Rekrutierung neuer Soldaten, erforderte komplexe Organisationsleistungen,832 die nur im Familienverbund bewältigt werden konnten. Ehegattinnen, Schwestern und Töchter teilten sich etwa die wichtige Aufgabe, den Kompanieinhaber in der Heimat zu vertreten und beispielsweise mit neuen Rekruten oder mit Werbeoffizieren zu verhandeln.833 In manchen Fällen überließ der Kompanieinhaber die Führung der Einheit auch einem Stellvertreter834 und blieb in der Heimat, wo er sich selbst um das Organisatorische kümmerte. Doch auch in diesem Fall war der Besitzer aus unterschiedlichen Gründen auf ein Netz aus Familienmitgliedern außerhalb der Schweiz angewiesen. Diese Zusammenarbeit prägte den Briefwechsel zwischen den Offizieren und ihren Angehörigen: Die Bargeldbeschaffung etwa war in ländlichen Gebieten der Schweiz eine besondere Herausforderung.835 Dominique Dubois-Cattin, der als Werbeoffizier im Regiment 827 Hürlimann, Schweizerregiment (wie Anm. 80), S. 39 u. 46; Eyer, Neapel (wie Anm. 68), S. 151 ff. 828 Kälin, Urs, Die fremden Dienste in gesellschaftsgeschichtlicher Perspektive, in: Furrer, Dubois, Gente ferocissima (wie Anm. 16), S. 282. 829 Suter, Militär-Unternehmertum (wie Anm. 13), S. 101; Bührer, Zürcher (wie Anm. 14), S. 121. 830 Ebd., S. 126. 831 Wiget, Josef, Von Haudegen und Staatsmännern. Geschichte und Geschichten der Schwyzer Familie Reding ab der Schmiedgass, Schwyz 2007, S. 105 u. 279. 832 Kälin, Salz (wie Anm. 98), S. 119. 833 Wie es etwa Marie Jakobea Zurlauben (1658 – 1716), die Schwester von Beat Heinrich Josef Zurlauben (1663 – 1706), Hauptmann und Brigadier in französischen Diensten, tat. Büsser, Affair (wie Anm. 22), S. 107 f. 834 Eyer, Neapel (wie Anm. 68), S. 288; Fiedler, Kriegswesen (wie Anm. 826), S. 15. 835 Suter, Militär-Unternehmertum (wie Anm. 13), S. 85 u. 87 f.

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de Diesbach836 für die Rekrutierung neuer Soldaten zuständig war, ersuchte seinen Bruder häufig um hohe Geldsummen. Denn dieser hatte als Mitglied des Hofes des Basler Fürstbischofs die besseren Möglichkeiten, an Geld zu kommen. Dubois-Cattin verwendete das Geld, um seine Werber zu bezahlen, aber auch um anderen Offizieren Geldbeträge vorzuschießen oder Wechsel auszustellen.837 Eine der weiteren großen finanziellen Herausforderungen eines Kompaniebesitzers war es, seinen Kompaniebestand aufrechtzuerhalten. Das konnte vor allem in Kriegszeiten, nicht zuletzt wegen der höheren Handgelder, eine Anstellungsprämie für neu geworbene Soldaten, zu erheblichen finanziellen Problemen führen. Gerade die Anwerbung neuer Soldaten war eine Tätigkeit, die vor allem gemeinschaftlich in der Familie angegangen wurde. So ging es natürlich im Briefwechsel zwischen Dominique Dubois-Cattin und seinem Bruder auch um Rekruten.838 Der Bruder des Werbeoffiziers übernahm die Betreuung der frisch Angeworbenen und war als Geistlicher und Beamter des Fürstbischofs von Basel eine Auskunftsperson, etwa bei Nachforschungen nach Deserteuren aus dem Gebiet des Fürstbistums.839 Die Familie Zurlauben ist ein weiteres hervorragendes Beispiel dafür, wie wichtig zuverlässige Familienmitglieder bei der Rekrutierung waren: Der Onkel von Beat Fidel Zurlauben, Beat Franz Plazidius Zurlauben (1697 – 1770), war Hauptmann der Schweizergarde und Besitzer mehrerer Kompanien. Am 13. August 1756, also kurz vor Ausbruch des Siebenjährigen Krieges, schrieb er seinem Neffen, Beat Fidel Zurlauben, dass die Dienstzeit vieler seiner Soldaten bald zu Ende sei. Er brauche deswegen zwölf neue Rekruten.840 Zwei Monate später erklärte er, dass seine Obristenkompanie immer noch den kleinsten Bestand des Regiments besitze und bat um vier weitere Rekruten.841 Nur einen Monat später brauchte er dann erneut zusätzliche Männer, da die bereits geworbenen Rekruten offenbar nicht die erforderliche Körpergröße aufwiesen.842 Weniger als zwei Wochen später ersuchte er seinen Neffen nochmals um drei bis vier Soldaten.843 Kaum im neuen Jahr 1757 angekommen, ging es weiter mit den Anweisungen des Onkels: Beat Fidel solle ihm ein Verzeichnis der Geworbenen 836 837 838 839 840

Dubois-Cattin, Correspondance (wie Anm. 276), S. 136. Ebd., S. 144, 147, 156, 165, 173 u. 186. Dubois-Cattin, Correspondance (wie Anm. 276), S. 214. Ebd., S. 144, 186, 191 u. 194. KBAG AH 185/131: Zurlauben (Franz Plazidius), An seinen Neffen Beat Fidel (13. August 1756). 841 KBAG AH 185/31: Zurlauben (Franz Plazidius), An seinen Neffen Beat Fidel (29. Oktober 1756). 842 KBAG AH 183/192: Zurlauben (Franz Plazidius), An seinen Neffen Beat Fidel (5. November 1756). 843 KBAG AH 180/53: Zurlauben (Franz Plazidius), An seinen Neffen Beat Fidel (17. November 1756).

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schicken, zusammen mit einer Abrechnung der Vorauszahlungen an die Männer.844 Die Briefe der nächsten drei Jahre enthalten ebenfalls regelmäßige Bitten um weitere Werbungen. Erst Ende 1760 schrieb Franz Plazidius, dass sich sein Neffe nicht beeilen müsse, die Kompanie diene am Hof.845 Selbst Hans Kaspar Hirzel versuchte sich gewissermaßen als Werbeoffizier. Aus der Ferne wollte er den jungen Zollikern den Soldatenberuf schmackhaft machen: »[…] Hatt der junge Kienast nach kein Herz? die Kerls glauben gerade der T[eufel, M. H.] holle sie, wan sie ein wen[n]ig aus ihrem Nest kriechen; sagen Sie ihnen nur der Spaniol unser Nachbar sey¨e nicht bös, habe nach kein Seel gefreßen. Jch laße die K[n] echten allerseits Grüß[en], besonders auch den alten tollen Kuri er solle mir seine Söhne schiken, wan[n] sie schön groß sind, ich wolle sorg zu ihnen haben.«846

Die Einkünfte, welche die Männer mit dem Besitz einer Kompanie oder eines Regiments erwirtschafteten, wurden in manchen Fällen in der Heimat wieder investiert. In der Innerschweiz, besonders in Schwyz, legten die Offiziere ihre Einnahmen in Immobilien, Grundbesitz und Gültbriefen (dabei handelte es sich um eine Art Hypothek) an.847 Karl Andreas Schnyder von Wartensee gab seinem Bruder auf dem Briefweg aus Frankreich Anweisungen und Ratschläge zu Finanz- und Immobiliengeschäften, die das Familienvermögen in Sursee betrafen. In einem Brief vom 1. Juli 1743 zeigte er sein Einverständnis damit, dass sein Bruder einen Hof und Weinvorräte gekauft habe.848 Zwei Jahre später wollte Karl Andreas, dass sein Bruder bei einem Grundstücksverkauf vorsichtig vorgehe, da andere Verkäufer hohe Verluste gemacht hätten.849 Zwei Monate später drückte Karl Andreas seine Zufriedenheit über den Verkaufserlös zweier Grundstücke aus.850 Karl Andreas beriet seinen Bruder beim Kauf eines Gültbriefes, der auf einer Mühle lag,851 und bei den Verhandlungen um ein Grundstück, an dem ein Cousin Interesse hatte. Karl Andreas riet zum Verkauf, denn im nächsten Jahr

844 KBAG AH 177/91: Zurlauben (Franz Plazidius), An seinen Neffen Beat Fidel (16. Januar 1757). 845 KBAG AH 177/16: Zurlauben (Franz Plazidius), An seinen Neffen Beat Fidel (5. Dezember 1760). 846 ZBZH FA Hirzel 346.1 (62), (wie Anm. 334). 847 Vgl. Suter, Militär-Unternehmertum (wie Anm. 13), S. 88. 848 StALU PA 954 – 19622: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (1. Juli 1743). 849 StALU PA 954 – 19622: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (10. April 1745). 850 StALU PA 954 – 19624 (wie Anm. 129), (5. Juni 1745). 851 StALU PA 954 – 19622: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (5. September 1745).

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liege das Land brach, was einen Verkauf erschweren würde.852 Nach den letzten zitierten Briefen nahmen die Anweisungen und Diskussionen um Geld in der Korrespondenz ab. Möglicherweise hat dies damit zu tun, dass der Vater von Karl Andreas im Jahre 1739 starb. Als ältester Sohn wurde nun Karl Andreas für die Geschicke der Familie verantwortlich, die Immobiliengeschäfte der Jahre 1743 bis 1745 standen deswegen möglicherweise im Zusammenhang mit dem Erbe des Vaters.853 Der periodische Informationsaustausch zwischen den Familienmitgliedern war die Grundlage eines erfolgreichen Geschäfts.854 Das wiederholte Schreiben war eine Pflicht, an der Offiziere wie Hans Kaspar Hirzel manchmal verzweifelten, wie er seiner Mutter gestand: »[ich habe, M. H.] mir schon zum fünften Mahle hier an meinem Tisch fast den Kopf zerstoßen um Ihnen wieder darauf zu antworten, aber es will auf der Welt nichts raus kommen, ich mag hin und her sinnen wie ich will, so bin ich allemal wieder wo zuersten.«855 Die Verwandten und Freunde und der in der Heimat verbliebene Einheitsinhaber mussten über Beförderungen und Todesfälle im Offizierskorps, politische Umwälzungen und drohende Konflikte informiert bleiben. Solche Ereignisse führten zu einer Änderung in der Nachfrage nach Soldaten oder boten die Möglichkeit zusätzlicher Stellen, etwa wenn im Hinblick auf einen Krieg neue Einheiten aufgestellt wurden. Die zahlreichen Briefe, welche die Offiziere an ihre Eltern oder Geschwister richteten, entstanden also nicht nur aus Zuneigung oder einem Kontaktbedürfnis zwischen Geschwistern oder Eltern und Kindern, sondern besaßen auch einen praktischen Zweck. Karl Andreas Schnyder von Wartensee meldete beispielsweise am 24. April 1731, dass in der Schweizergarde ein Hauptmann gestorben sei und in der Kompanie Pfyffer eine Hauptmannsstelle frei werde.856 Im Frühling 1743 teilte er seinem Bruder mit, dass der Versuch von Oberst Reding, seine Halbkompanie seinem Sohn zu überlassen, beim französischen Hof nicht durchgekommen sei,857 und am 19. Februar 1750 informierte er seinen Bruder in einem Überblick über die neuen Kompaniebesitzer in der Schweizergarde.858 852 StALU PA 954 – 19622: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (24. Juni 1746). 853 Liebenau, Schnyder von Wartensee (wie Anm. 283), Tafel VII. 854 Vgl. Büsser, Affair (wie Anm. 22), S. 107. 855 ZBZH FA Hirzel 346.1 (34): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (12. März/14. April 1784); siehe auch: FA Hirzel 346.1 (32): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (4. Januar 1784); FA Hirzel 346.1 (19): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (25. Mai 1782); FA Hirzel 346.1 (75): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (2. Juni 1789). 856 StALU PA 954 – 19622 (wie Anm. 268), (24. April 1731). 857 StALU PA 954 – 19623 Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder, (24. Februar 1743).

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Karl Josef von Hertenstein listete seinem ehemaligen Kameraden aus der Schweizergarde, Franz Bernhard Meyer von Schauensee, am 18. April 1782 die neuesten Beförderungen im Regiment auf. Gleichzeitig stellt er in Aussicht, dass der Bruder Meyer von Schauensees bei der kommenden Revue ebenfalls befördert werden könnte, da ein anderer Offizier zurücktreten werde.859 Wie brisant solche Informationen aus dem Ausland sein konnten, zeigt ein Brief Karl Andreas Schnyder von Wartensees vom 15. Mai 1763. Darin kündigte Karl Andreas seinem Bruder an, dass die Schweizer Regimenter in Frankreich und die Schweizergarde von Reformen betroffen sein würden. Er mahnte aber zu Stillschweigen und bat seinen Bruder, den Brief nach dem Lesen zu vernichten.860 Hans Kaspar Hirzel leitete in seinen Briefen nach Hause u. a. Grüße der einfachen Soldaten an ihre Verwandten weiter.861 Letzteres zeigt, dass die leseund schreibkundigen Offiziere und ihre Verwandten auch für die persönliche Kommunikation der Soldaten eine wichtige Rolle spielten. Solche Familiennetzwerke wie auch sogenannte »Patronage-Systeme« spielten bei der Neubesetzung von Offiziersstellen oder der Übernahme von Einheiten eine überaus wichtige Rolle. Das mit einer eigenen Kompanie verbundene Einkommen sowie das Prestige für die Familie und die Möglichkeit, jüngeren Familienmitgliedern eine Stelle zu verschaffen, machten den Kompaniebesitz, aber auch die karrierefördernde Platzierung von Angehörigen zu einem zentralen und bestimmenden Anliegen der im Söldnerwesen vertretenen Familien. Bereits Walter Bührer stellte fest, dass in Zürich die Söhne hoher Ratsangehöriger oder bedeutender Solddienstoffiziere bessere Aufstiegschancen besaßen als Offiziere, die nicht über familiäre Verbindungen zu den Schweizer Regimentern im Ausland verfügten, oder deren Väter weniger einflussreiche Posten in der Verwaltung einnahmen.862 Hans Kaspar Hirzel hatte zwar in der Praxis keinen Erfolg, als er mehrmals versuchte, Offiziersstellen für seine Brüder Heinrich und Konrad zu beschaffen.863 Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass Heinrich und Konrad Hirzel bessere Chancen als andere Bewerber hatten, denn dank ihres Bruders hatten sie einen wichtigen Wissensvorsprung:

858 StALU PA 954 – 19623: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (19. Februar 1750). 859 StALU PA 664 – 189 (wie Anm. 257), (18. April 1782). 860 StALU PA 954 – 19623: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (15. Mai 1763). 861 ZBZH FA Hirzel 346.1 (62), (wie Anm. 334). 862 Bührer, Zürcher (wie Anm. 14), S. 131. 863 ZBZH FA Hirzel 346.2: Hirzel, Hans Kaspar ; Hirzel, Salomon, An seinen Bruder Heinrich (14. März 1783); FA Hirzel 346.1 (52): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seinen Vater (21. Februar 1786); FA Hirzel 346.1 (78): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (2./9. Juli 1789).

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Sie wussten, wie sie vorgehen und wen sie ansprechen mussten, um an eine Offiziersstelle zu kommen.864 Auch in anderen Orten profitierten dienstwillige Männer von dem »sozialen Wissen« ihrer Verwandten. Georg Karl Schnyder von Wartensee empfahl seinem Bruder, der das Kommando über eine Kompanie erwerben wollte, in Luzern bei den beiden Schultheißen, bei »Monsieur Pfyffer le general«, (Franz Ludwig Pfyffer von Wyher [1716 – 1802], Generalleutnant in Frankreich, gleichzeitig ab 1752 Luzerner Kleinrat), den Kornherren Schwytzer und Karl Baptist Pfyffer sowie beim Statthalter Amrein vorzusprechen und dabei keine Kosten zu sparen. Er ermahnte seinen Bruder jedoch, dies alles im Geheimen zu tun und auf keinen Fall im »Caff¦« darüber zu sprechen.865 Gut platzierte Verwandte gaben einer Familie auch die Möglichkeit, ein Patronage-Netzwerk aufzubauen, was sich auf die soziale Stellung der Familie in der Heimat günstig auswirken konnte. Die Familie Zurlauben war eine solche Familie. Am 29. Januar 1762 schrieb der 71-jährige Hauptmann Betschart aus Schwyz mit zittriger Hand an Beat Fidel Zurlauben und bat den Zuger, sich für eine königliche Pension einzusetzen, die Betschart trotz 24 Jahren im Solde Frankreichs versagt geblieben war.866 Ein anderer Bittsteller, ein Urner Ratsherr namens Johann Josef Scolar (1683 – 1759), der in französischen Diensten eine Kompanie besaß, schrieb am 28. November 1756 einen Brief an Beat Fidel Zurlauben. Dessen Onkel, Beat Franz Plazidius, Kommandant der Schweizergarde, solle sich dafür einsetzen, dass Scolar die Kompanie zwischen seinen Söhnen aufteilen könne.867 Letzteres Beispiel zeigt, wie die im Söldnerwesen tätigen Familien nicht nur versuchten, für ihre Angehörigen günstige Voraussetzungen für eine Karriere sicherzustellen, sondern ihr Möglichstes taten, um die einmal erhaltenen Offiziersposten und Familienkompanien zu bewahren. Einflussreiche und bedeutende Patrizierfamilien versuchten mit allen Mitteln, wichtige militärische Posten im Ausland in Familienhand zu behalten. Die umfangreiche Korrespondenz der de Castella aus Freiburg im Üechtland, die seit der Mitte des 17. Jahrhunderts zu den privilegierten Familien der Stadt gehörten, liefert etliche Beispiele dafür.868 Die Familie de Castella besaß seit 1696 eine

864 ZBZH FA Hirzel 346.1 (27): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seinen Vater (30. April 1783); FA Hirzel 346.1 (66): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (27. April 1788). 865 StALU PA 954 – 19624: Schnyder von Wartensee, Georg Karl, An seinen Bruder (25. September 1778). 866 KBAG AH 185/135: Bettschart, An Beat Fidel Zurlauben (29. Januar 1762). 867 KBAG AH 185/7: Scolar, Johann Josef Florian, An Beat Fidel Zurlauben (28. November 1756). 868 Höchner, Marc, Au service de Sa Majest¦: la famille Castella sous les ordres de princes ¦trangers, in: Jurot, Romain, Zehnder-Jörg, Silvia (Hrsg.), Une famille fribourgeoise ¦toil¦e: les Castella. plaquette publi¦e — l’occasion de l’exposition — la BibliothÀque cantonale et

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Halbkompanie im französischen Garderegiment,869 während der Zweig Castella de Dellay seit 1671 eine Kompanie im französischen Diensten sein Eigen nannte.870 Rodolphe II. de Castella (1705 – 1793) (Abbildung 14) erklärte im Februar 1757 dem Generaloberst der Schweizer Truppen, Louis-Charles de Bourbon, dass die Garde-Halbkompanie seines Bruders FranÅois-Rodolphe (1715 – 1757) nach dessen kürzlichem Tod in der Familie bleiben müsse und deshalb einem anderen Bruder, Ignace-Rodolphe de Castella (1726 – 1775), übergeben werden solle: »Les s[eigneu]rs de Castella sont entr¦s sept freres au service du Roy, l’un a ete tue dans la derniÀre guerre, un autre y est mort, et celuy cy en dernier lieu, les quatre qui restent sont tres meritant par eux memes, et par l’ancien attachement de leur nombreuse famille au service […]. Leur concurant ne pe˜t certainement produire autent de titres, c’est donc une justice de leur donner la demie compa[ni]e vacante […].«871

Für Rodolphe II. de Castella war klar, dass seine Familie durch ihre langjährige Treue zum König, durch ihre Opfer und ihre militärischen Leistungen, belegt etwa durch »titres«, einen vorrangigen Anspruch auf den weiteren Besitz der Kompanie habe. Der Anspruch auf die Kompanie wurde darüber hinaus durch den Verweis auf das Opfer des im Krieg verstorbenen Bruders zusätzlich legitimiert.872 Offenbar war Rodolphe II. mit seiner Petition erfolgreich, denn bereits am 27. Februar 1757 teilte ihm Louis-Charles de Bourbon mit, dass Rodolphes II. Bruder die Stelle erhalten werde.873 Durch eine solche Familienpolitik wurde der Besitz einer Kompanie auch zu einer Verpflichtung für den jeweiligen Inhaber, der in seiner Karriereplanung auch die Familieninteressen berücksichtigen musste. Als sich Joseph-NicolasDidier de Castella de Delley (1702 – 1757), Besitzer der Kompanie Castella de Delley, im Jahre 1736 über seine Gesundheit beklagte und den Dienst verlassen wollte, ermahnte ihn sein Cousin Rodolphe I. (1678 – 1743), Brigadier und Hauptmann der Schweizergarde, auf seinem Posten zu bleiben: »[…] ie ne parlera point du dessein que vous av¦s de ne plus servir, vous este jeune, votre

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870 871 872 873

universitaire de Fribourg du 28 septembre au 24 novembre 2012, Freiburg/Üechtland 2012, S. 41 – 51, hier S. 42. Castella, Pierre de, Temps Revolus 1300 – 2000. G¦n¦alogie de la famille de Castella cit¦e primitivement — Nigra Aqua (Neirivue), de la fin du XIIIe siÀcle — nos jours pour la conservation du souvenir de 158 personnages qui l’ont constitu¦e pendant sept siÀcles sur XVIII g¦n¦rations, unveröffentlichtes Manuskript, Monnaz 2003, S. 79., S. 41 u. 56. Ebd., S. [151]. KUB C–176: Castella, Rodolphe de, 1705 – 1793: Kopie einer Anfrage bezüglich der Gardekompanie Castella [1757]. Vgl. Büsser, Tote (wie Anm. 572), S. 33. Siehe Castella, Temps (wie Anm. 869), S. 104.

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Abbildung 14: MAHF 2011 – 10, Louis-Michel Vanloo, Rodolphe II. de Castella (1705 – 1793), Mitte 18. Jh., Ó Mus¦e d’art et d’histoire Fribourg

sant¦ peut se retablir et vous en repentir par la suitte, il i a bien des choses a vous dire pour le bien et l’utilit¦ de votre famille […].«874 Allerdings konnte diese Ermahnung den Freiburger nicht umstimmen, denn 874 KUB A–724: Castella, Rodolphe de, 1678 – 1743, An Nicolas-Albert (20. April 1736).

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er verließ im selben Jahr trotzdem den Dienst, genau so wie sein Bruder NicolasAlbert (1703 – 1766). Damit die Kompanie weiterhin in der Familie bleiben konnte, sollte also ein Hauptmann per Kommission eingestellt werden. Rodolphe I. erklärte seinem Cousin im Mai 1737, dass dieser einen Brief an seinen Oberst verfassen solle, damit der gewünschte Offizier das Kommando übernehmen könne. Gleichzeitig versprach er dem Obersten, einen Bericht über die Dienste und Leistungen der bisherigen Inhaber zukommen zu lassen, der begründen solle, wieso die Familie ihre Kompanie behalten müsse.875 Dieses Vorgehen hatte Erfolg: Die Einheit blieb im Besitz der Castella de Delley und wurde 1755 vom Neffen der bisherigen Besitzer, von Tobie de Castella, übernommen, der sich verpflichtete, Nicolas-Albert während der folgenden elf Jahre eine jährliche Pension von 1.000 Livres zu zahlen.876 Tobie de Castella wollte nach dem Siebenjährigen Krieg seine Karriere ebenfalls aus gesundheitlichen Gründen beenden und wieder versuchte ein hochrangiger Verwandter ihn umzustimmen oder seine Demission wenigstens zu verzögern.877 Der unbekannte Verwandte erklärte, dass seine Zuneigung für Tobie und dessen Familie diesen Schritt erzwinge. Eine Kompanie sei eine Ressource, die sich viele Familien wünschten, doch Tobie riskiere, das Schmuckstück der Familie zu verlieren.878 Als Folge von Tobies Rücktritt ging die Einheit dennoch verloren, offenbar an einen St. Galler Offizier.879 In mindestens einem Fall griff sogar die Obrigkeit in die Familienpolitik ein: Im Jahre 1733 bemühte sich der Stand Obwalden darum, dass die Kompanie in französischen Diensten, die der Obwaldner Jakob Wirz (1594 – 1667) im 17. Jahrhundert aufgestellt hatte, wieder an den Kanton zurückfiel.880 Der französische Botschafter bot dem Landammann Johann Wolfgang von Flüe (1691 – 1754) eine Kompanie im Regiment de Diesbach an. Obwohl sich im Kanton kein Offizier fand, der fähig war, die Kompanie zu befehligen, drängte der Landrat von Flüe, das Angebot anzunehmen. Schließlich wurde ein erfahrener Solothurner Offizier als Capitaine-Commandant eingesetzt. Die Obrigkeit griff von Flüe bei der Werbung unter die Arme und sicherte ihm sogar finanzielle Unterstützung zu, als Frankreich 1737 die Kompanie bereits wieder entließ und so dem Besitzer einen finanziellen Schaden zufügte. Als 1743 der französische Botschafter erneut den Solddienst in Frankreich mit der Versicherung schmackhaft machte, die Kompanien würden nicht wieder sofort entlassen, unterstützte die Obwaldner Regierung einmal mehr von Flüe, der eine Halb875 876 877 878 879 880

KUB A–724: Castella, Rodolphe de, 1678 – 1743, An Nicolas-Albert (27. Mai 1737). Castella, Temps (wie Anm. 869), S. [173, 190]. Höchner, Service (wie Anm. 868), S. 47. KUB C–186/1: Castella, An Tobie de Castella (15. Oktober 1762). KUB C–186/2: Castella, Rodolphe de, 1705 – 1793, An Tobie de Castella 21. Januar [1768]. Flüe, Niklaus von, Obwalden im 18. Jahrhundert, Sarnen 2009, S. 215.

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kompanie übernahm und seinen Sohn als Hauptmann einsetzte.881 Die Regierung gewährte von Flüe und den zwei anderen Obwaldner (Halb-)Kompaniebesitzern ein Darlehen für ihre Werbung in Obwalden und den gemeinen Herrschaften und versprach einer Handvoll Verurteilten einen Straferlass, wenn sie sich freiwillig bei den Hauptleuten meldeten.882 Angesichts der Bedeutung, die dem Erwerb und dem Besitz von Offiziersposten und Kompanien beigemessen wurde, und der Tatsache, dass ein Drittel oder mehr der einfachen Soldaten außerhalb der Eidgenossenschaft rekrutiert wurden, liegt die Vermutung nahe, dass in gewissen Kantonen absichtlich mehr Kompanien kapituliert wurden, als überhaupt mit Dienstwilligen aus dem Kanton besetzt werden konnten, nur um, wie oben beschrieben, den patrizischen Nachwuchs zu versorgen. Jedenfalls stellten die Innerschweizer Kantone Uri, Schwyz, Ob- und Nidwalden am Ende des 18. Jahrhunderts zusammen 46 avouierte Kompanien, der Kanton Bern kam hingegen bei mindestens vierfacher Bevölkerungsgröße883 bloß auf 13 mehr, also 59.884 Als bekannt wurde, dass die Stadt Zürich 1751 mit der französischen Krone um die Errichtung eines Regiments verhandelte, meinte ein Bürger, man könne sogar gleich Kapitulationen für drei neue Regimenter abschließen, so stark sei die Nachfrage nach Offiziersstellen.885 Eine weitere Facette der Familienpolitik fand ihren Niederschlag in den Heiratsplänen der im Söldnerwesen vertretenen Familien. Die Ehe war in der Frühen Neuzeit mehr als nur eine Angelegenheit zwischen dem zukünftigen Paar ; bei der Partnerwahl spielten im Gegenteil verschiedene familiäre Absichten und soziale Einschränkungen eine Rolle. Grundsätzlich achteten die regierenden Familien in den eidgenössischen Orten darauf, dass ihre Mitglieder nur Ebenbürtige heirateten.886 In der Innerschweiz sicherten geplante Heiratsverbindungen geschäftliche, politische und freundschaftliche Beziehungen sowie Vermögen ab.887 Zwischen den katholischen Söldnerfamilien entstand so ein Verwandtschaftsnetz, durch das die Informationen zirkulierten.888 Auch im Wallis betrieben die regierenden Familien im 18. und 19. Jahrhundert eine 881 Ebd., S. 216. 882 Ebd. 883 Um 1799 lebten in den erwähnten Innerschweizer Kantonen ca. 64.000 Menschen (Historisches Lexikon der Schweiz), der Kanton Bern zählte 244.000 Einwohner, ohne die Waadt oder den Berner Aargau. BERNHIST: Historisch-Statistische Datenbank des Kantons Bern: http://www.bernhist.ch/, 21. 05. 2014. 884 Siehe Anhang II. 885 Bührer, Zürcher (wie Anm. 14), S. 101 f. 886 Siehe Schläppi, Daniel, »Patriziat«, in: Historisches Lexikon der Schweiz, http://www.hlsdhs-dss.ch/textes/d/D16374.php, 03. 09. 2012. 887 Büsser, Militärunternehmertum (wie Anm. 23), S. 118. 888 Ebd.

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Heiratspolitik, mit dem Ziel, ihre Herrschaft zu festigen und neue Verbindungen zu einflussreichen Familien zu knüpfen.889 Daher erstaunt es nicht, dass die Suche nach der geeigneten Braut in den Autobiographien der Walliser Offiziere umfangreich behandelt wird, während die anderen Offiziere ihre Heirat eher als Tatsache feststellen. Louis de Courten scheiterte auf der Suche nach einer Ehefrau zweimal am Veto seiner Eltern. Die erste Kandidatin besaß ein zu kleines Vermögen890, die zweite war zwar reich und mit einem ehemaligen Hauptmann in »fremden Diensten« verwandt, gefiel aber der zukünftigen Schwiegermutter nicht.891 Endlich fand sich doch noch eine Dame, die den Ansprüchen und den Vorstellungen der Verwandtschaft entsprach.892 Antoine Marie Augustini beschrieb in seiner Autobiographie seine vielen Fehlschläge bei seinem Versuch, eine Frau zu finden,893 und geriet dabei sogar in einen Gerichtsprozess.894 Im Jahre 1777 heiratete er dann doch noch und widmete nach der Beschreibung der Hochzeit zwei Seiten der adeligen Herkunft seiner Braut.895 Da Augustini aus einer Familie stammte, deren soziale Stellung instabil war,896 bot die Heirat in eine angesehene Familie die Möglichkeit, den eigenen Status zu verbessern, und wurde von Augustini wohl auch als persönlicher »Triumph« gesehen. Im Sinne der Familie nahmen manche Offiziere Einfluss auf andere Familienmitglieder : Louis de Courten berichtet, dass er drei Jahre lang versucht habe, eine Ehe zwischen seinem Bruder und dessen zukünftiger Frau zustande zu bringen.897 Karl Andreas Schnyder von Wartensee schrieb 1746 seinem Bruder, dass sie unbedingt die Heirat ihrer Schwester verhindern müssten, da ihr zukünftiger Ehemann einen schlechten Ruf habe.898 Zwei Jahre später diskutierte er mit seiner Schwägerin über einen neuen Anwärter für seine Schwester.899 Karl Andreas beklagte sich auch mehrfach über seinen jüngeren Bruder Franz

889 Willisch, Patrick, Anton de Augustini (1743 – 1823), Lizenziatsarbeit Universität Freiburg (Schweiz) (1991), S. 171 f. 890 StAW Archives de la famille de Courten S¦rie B Cn6/1.1 (wie Anm. 162), S. 34. 891 Ebd., S. 39. 892 Ebd., S. 43 ff. 893 Staatsarchiv Wallis Fonds Guillaume de Kalbermatten R 27 (wie Anm. 142), S. 26 ff., 39 f. u. 42. 894 Ebd., S. 27 f. 895 Ebd., S. 43 ff. 896 Willisch, Augustini (wie Anm. 889), S. 172 u. 309 ff. 897 StAW Archives de la famille de Courten S¦rie B Cn6/1.1 (wie Anm. 162), S. 83 f., 101, 106, 109 u. 120 ff. 898 StALU PA 954 – 19622: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (24. Juni 1746). 899 StALU PA 954 – 19623 Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seine Schwägerin, (5. Oktober 1748).

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Ludwig, der ohne das Einverständnis seiner älteren Brüder heiraten wollte.900 Dessen Absicht, eine nicht standesgemäße Bindung einzugehen, war Anlass zur Besorgnis, da er sich in die Gefahr brachte, seine Karriere zu ruinieren.901 Dominique Dubois-Cattin erwähnt in praktisch allen Briefen, die er im Jahre 1759 seinem Bruder schrieb, seine Heiratspläne mit einer Mademoiselle Verneur. Sein Bruder schoss ihm dafür Geld vor.902 Doch auch in diesem Fall stellte die beabsichtigte Heirat ein Familienpolitikum dar, denn einerseits war der Vater der Braut gegen die Verbindung,903 andererseits versuchte offenbar Dubois-Cattins Schwägerin, die Heirat zu sabotieren, indem sie Unwahrheiten über die Ehre der Braut verbreitete904 und anscheinend sogar mit einem Anwalt gegen die Verbindung prozessierte.905 Die ganze Geschichte ging, nicht zuletzt dank der Vermittlung des Bruders von Dubois-Cattin, am Ende für die beiden jungen Menschen glücklich aus, denn das Paar heiratete offenbar im Winter 1759.906

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Nationalismus wird in der abstraktesten Form als eine Behauptung der Existenz einer »Nation« oder eines »Volkes« als handelndes Subjekt der Geschichte definiert.907 Deutlicher beschreibt es der Schweizer Historiker Caspar Hirschi, der gleichzeitig klarstellt, dass Nationalismus anderen gemeinschaftlichen Diskursen wie Ideologie oder Religion nicht unbedingt Konkurrenz machen muss: »Nationalism can be defined as the discourse that creates and preserves the nation as an autonomous value, ›autonomous‹ meaning not subordinate (but not necessarily superior) to any other community. […] According to this term [autonomy, M. H.] nationalism does not need to clarify its standing vis-—-vis other loyalties and doctrines as long as its broad claims are not restrained by them.«908

900 StALU PA 954 – 19623: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (18. April 1759). 901 StALU PA 954 – 19623: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (26. September 1755). 902 Dubois-Cattin, Correspondance (wie Anm. 276), S. 148. 903 Ebd., S. 209. 904 Ebd., S. 171. 905 Ebd., S. 148. 906 In einem Brief vom 19. März 1760 fragte er nach dem Gesundheitszustand seiner (Ehe-) Frau, ebd., S. 215 u. 221. 907 Jansen, Christian, Borggräfe, Henning, Nation, Nationalität, Nationalismus, Frankfurt am Main u. a., S. 8. 908 Hirschi, Caspar, The origins of nationalism. An alternative history from ancient Rome to early modern Germany, Cambridge u. a. 2012, S. 47 f.

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Hirschi sieht die Nation als eine Gemeinschaft, die ebenbürtige und multipolare Beziehungen zu anderen Gemeinschaften führt. Die Nation bezieht ihr Selbstverständnis, ja entsteht erst aus der Abgrenzung zu anderen Gemeinschaften.909 Nation und Nationalismus sind nicht zwingend Konstruktionen einer modernen, industrialisierten Gesellschaft,910 denn bereits um 1500 war im deutschen Sprachgebiet ein »vormoderner Nationalismus« der Humanisten fassbar. Bei ihnen verschmolzen die römische Vorstellung der patria, also der Heimat beziehungsweise des Vaterlandes, mit dem Begriff der natio, der von den Humanisten mit der Sprache gleichgesetzt wurde (deutsche Nation, deutsche Zunge).911 Mit der Verschmelzung dieser Begriffe waren, wie Hirschi schreibt, die »Leitmotive des Nationalismus« versammelt: nationale Ehre, der Wettkampf zwischen den Nationen, Freiheit sowie Lob und Liebe.912 Dieser »vormoderne Nationalismus« blieb meistens auf eine gebildete und herrschaftsnahe Elite beschränkt, doch unter gewissen Umständen konnten solche Vorstellungen auch eine breite Masse mobilisieren.913 Im Siebenjährigen Krieg wurde mehr als nur eine Elite, sondern große Teile der Bevölkerung von einem Vaterlandgefühl beseelt. Ein Beispiel dafür sind die Kriegslieder des preußischen Dichters Johann Wilhelm Ludwig Gleim, die eine weite Verbreitung erfuhren. In diesen Liedern wird ein deutsch-preußisches Nationalgefühl besungen: Gleims Dichtung wertet den Siebenjährigen Krieg zu einem nationales Ereignis auf und macht aus einem preußischen Hegemonialkrieg einen nationalen Verteidigungskrieg für ein »diskursiv konstruiertes ›Deutschland‹«.914 Die Schweizer Einheiten in Fremden Diensten wurden trotz der teilweise recht gemischten Herkunft ihrer Soldaten als abgesonderte Gemeinschaften wahrgenommen. Die »Etats militaire de France« verzeichneten die jeweiligen Regimenter beispielsweise immer mit dem Zusatz »Suisse«. Und selbst wenn es von den Soldaten nicht immer behauptet werden konnte, waren die Offiziere beinahe ausschließlich Schweizer, und sie stammten fast alle aus der gebildeten Oberschicht ihrer Herkunftsorte. Bei dieser Elite ist durchaus ein Bewusstsein fassbar, das sich in Abgrenzung zu den übrigen französischen, irischen und deutschen Regimentern der königlichen Armee definierte und in welchem man für sich reklamierte, die ehrenvollste Truppe des Königs zu sein. Gabriel Albrecht 909 Ebd., S. 13 u. 39. 910 Ebd., S. 22; Hirschi, Caspar, Wettkampf der Nationen. Konstruktionen einer deutschen Ehrgemeinschaft an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, Göttingen 2005, S. 24 ff. 911 Hirschi, Nationalism (wie Anm. 908), S. 10 f.; Hirschi, Wettkampf (wie Anm. 910), S. 42 f. 912 Hirschi, Nationalism (wie Anm. 908), S. 44. 913 Vgl. Hirschi, Wettkampf (wie Anm. 910), S. 39. 914 Herrmann, Hans Peter, Krieg, Medien und Nation. Zum Nationalismus in den Kriegsliedern des 16. und 18. Jahrhunderts, in: Adam, Dainat, Krieg (wie Anm. 479), S. 27 – 64, hier S. 29 u. 32.

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von Erlach beklagte sich 1760, dass nach der Schlacht von Warburg nicht die Schweizer (»les Suisses«), sondern andere Einheiten im Schlachtenbericht gewürdigt würden, dies stünde im Gegensatz zu den vorhergehenden Jahren.915 Sigismund von Wattenwyl beschreibt, wie in einem Gefecht des ersten Koalitionskrieges der holländische Vorgesetzte vor seinen Schweizer Offizieren ankündigte, dass er sich nicht übereilt zurückzuziehen wolle, da er die Ehre habe, ein Schweizer Bataillon (»un bataillon suisse«) zu befehligen. Deswegen verließen die Soldaten mit langsamen Schritten, »marchant un pas d’enterrement«, das Schlachtfeld.916 Das Zusammengehörigkeitsgefühl der Offiziere ging über die bloße kollektive Ehre der »r¦giments Suisses« heraus, denn neben dem Begriff »Suisse« findet sich auch der Ausdruck »nation«. Das deutet noch stärker auf eine Gemeinschaft der Eidgenossen hin und zeigt wohl auch, dass man sich im 18. Jahrhundert, in Abgrenzung zu Frankreich, immer noch der deutschen (Sprach-)Nation zugehörig fühlte.917 Der Luzerner Karl Andreas Schnyder von Wartensee lobte den späteren Obersten der Schweizergarde und Administrator der Schweizer Truppen Ludwig August Augustin von Affry, dass dieser nicht nur der Schweizergarde, sondern der ganzen »Nation« Ehre mache.918 Markus Anton Fidel Keiser berichtete Ende 1771 von »une nouvelle int¦ressante pour la nation«, nämlich, dass der Graf von Artois, der zukünftige französische König Karl X. (1757 – 1836, Regierungszeit: 1824 – 1830) zum Generaloberst der Schweizer ernannt worden war. Keiser fuhr fort zu erwähnen, dass bereits alle Schweizer Generäle und andere, »qui tiennent — la nation«, dem Grafen den Hof machten.919 Paris l’A„n¦ schreibt, dass ein französischer Befehlshaber nach einer Schlacht vor versammelter Truppe verkündete, dass von allen »Nationen«, die dem König dienten, die der Schweizer den größten Anteil am Sieg gehabt hätte.920 Dieser gute Ruf der Schweizer Einheiten musste bewahrt werden. Gabriel Albrecht von Erlach beschwerte sich 1762 bei seinem Vater, dass die Berner Obrigkeit mit ihrer laschen Haltung gegenüber der Desertion die althergebrachte Treue und Rechtschaffenheit der Schweizer ausrotten wolle.921 Die Luzerner Regierung sorgte sich im Zusammenhang mit der Desertion auch um 915 BBB Mss.h.h.III.233 (99), (wie Anm. 406); siehe auch: S. 153. 916 BBB FA von Wattenwyl A 14 (wie Anm. 164), S. 57. 917 Trotz individueller Mehrsprachigkeit oder italienisch- und französischsprachiger Gebiete war die Schweizerische Eidgenossenschaft bis 1798 offiziell deutschsprachig. Lüdi, Georges, »Mehrsprachigkeit«, in: Historisches Lexikon der Schweiz, http://www.hls-dhs-dss.ch/ textes/d/D24596.php, 20. 03. 2013. 918 StALU PA 954 – 19623 (wie Anm. 901), (26. September 1755). 919 StASO BG 35,1: Keiser, Markus Anton Fidel, Brief an Hauptmann de Vigier (23. Dezember 1771). 920 KUB A–916/54 (wie Anm. 525), [1761?]. 921 BBB Mss.h.h.III.234 (30), (wie Anm. 408).

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den Ruf der »Schweizer«, denn Mandate aus den Jahren 1746 und 1778 beklagten, wie »ohnverantwortlich die heut zu Tag dienende Soldaten zu nicht geringen Abbruch der Ehre unserer ganzen Schweizerischen Nation […]« desertierten.922 Als Johann Jakob Maienfisch seinem Kameraden Tobie de Castella gegenüber in einem Brief erwähnte, dass das Verhalten des Regiments de Diesbach bei der Schlacht von Rossbach nicht über alle Zweifel erhaben gewesen sei, beeilte er sich zu erklären, dass er es wagen könne, dies einem Freund zu erzählen, vor einem Fremden würde er sich hüten, den leisesten Verdacht zu erwecken, dass die »nation« sich falsch verhalten hätte.923 Man könnte mit Blick auf die französische Armee, in der irische, schottische, deutsche und wallonische Regimenter dienten und Streitigkeiten um Vorrang oder Privilegien nicht außergewöhnlich waren, hier durchaus mit Caspar Hirschis Formulierung von einem »Wettkampf der Nationen« sprechen.924 Doch worauf gründete dieses Zusammengehörigkeitsgefühl der Schweizer? Die Eidgenossenschaft verfügte im 18. Jahrhundert über keine ethnische oder religiöse und faktisch auch über keine sprachliche Homogenität. Die Schweizer Regimenter im Ausland waren teilweise aus Kompanien aus verschiedenen Kantonen zusammengesetzt, die unterschiedlichen Sprachregionen und Konfessionen angehörten.925 Dennoch war am Ende des 18. Jahrhunderts ein gemeinsames schweizerisches Bewusstsein, zumindest im Offizierskorps, vorhanden: Die Männer waren durch ein aristokratisch-republikanisches Ideal, in welchem dem Militärischen ein hoher Stellenwert zukam, und ein gemeinsames eidgenössisches Geschichtsbild verbunden. Im Schweizer Offizierskorps in Fremden Diensten nahmen das Pflichtgefühl, der Einsatz für das »bien du service«,926 die Hingabe zum Dienst, die »zÀle«,927 der Diensteifer und die Treue gegenüber dem Dienstherren einen sehr hohen Stellenwert ein. Gabriel Albrecht von Erlach äußerte sich im Jahre 1761 seinem Vater gegenüber kritisch zur Absicht seines Onkels, den Dienst zu quittieren, falls er kein Kommando über ein Regiment erhalten würde: Wenn jener sich ohne Grund weigere, am Feldzug teilzunehmen, so verbaue er sich seine Karriere, denn: »Quand on est en service on doit servir comme il faut et le plus que l’on StALU AKT 13/526: Mandat vom 9. März 1746 u. vom 11. Februar 1778. KUB A–916/42 (wie Anm. 537), (20. Januar 1758). Siehe Beispiel: S. 153. Siehe Anhang II. Norbert Furrer hat auf den Einfluss der Fremden Dienste auf den Fremdsprachenerwerb und den Gebrauch französischer Wörter im Alltag hingewiesen. Siehe Furrer, Norbert, Die vierzigsprachige Schweiz. Sprachkontakte und Mehrsprachigkeit in der vorindustriellen Gesellschaft (15.–19. Jahrhundert), Zürich 2002. 926 StAGR Familienarchiv von Planta: D III/S II Ac 52 (wie Anm. 148), S. 3. 927 BBB Mss.h.h.XLIII.11 (wie Anm. 141), S. 48; StALU PA 665 – 103: Korrespondenz Jakob Anton von Sonnenberg, Sonnenberg, Jakob Anton von, Entwurf eines Briefes an den Herzog de Choiseul (13. Januar 1769).

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peut.«928 Hans Kaspar Hirzel schreibt, ein Offizier müsse »Lust fühlen für alles was militarisch ist und heist enfin für alles was Müh und Arbeit erfordert.«929 Beat Fidel Zurlauben versprach einem unbekannten Adressaten, dessen Sohn in den Militärdienst treten wollte, dass er auf ihn aufpassen werde, falls er zum Garderegiment komme. Zurlauben betonte aber, dass er von ihm vollen Einsatz und Leistung erwarte: »[…] je serois trÀs fach¦ qu’il entrat au service sans le d¦sir d’y rester toute sa vie, en se poussant au plus loin par son application, et par ses talens.«930 Selbst der fromme Martin du Fay zieht einen, wenn auch nur stilistischen, Vergleich zwischen dem Dienst am Herren und dem Militärdienst, denn er schreibt zu seinem Eintritt in das Kloster Einsiedeln: »Den 4. Brachm[onat] [Juni, M. H.] kamm ich zu Maria Einsidlen an, im Jahre 1784. meines Alters 29; nachdem ich 11. Jahre einem irdischen Konig [!] (unter dem unglücklichen König Louis XVI) gedienet hatte, um hinführo dem Könige aller Könige zu dienen, und meine noch übrige Lebenstäge ihme alleine zu widmen.«931

Von einem Offizier wurde erwartet, dass er seine persönlichen Bedürfnisse den Erfordernissen des Dienstes unterstellte. Das wird jedenfalls deutlich, wenn es um die regelmäßigen Heimaturlaube der Offiziere ging. Jakob Maienfisch schrieb 1769 seinem Kameraden Tobie de Castella, dass er nicht in die Schweiz komme, denn er habe bereits im vorhergehenden Jahr einen Urlaub gehabt, nun gebe er pflichtbewusst seinen Angelegenheiten im Regiment den Vorzug.932 Bernhard Albrecht Stettler schreibt, dass er zunächst auf einen Urlaub verzichtet habe, den ihm ein anderer Offizier verschafft hatte, als sein Oberstleutnant ihm scherzhaft vorwarf, dass er bereits nach elf Monaten in die Schweiz zurückfahre, während andere Offiziere erst in ihrem dritten Dienstjahr einen Urlaub beantragten. (Stettler fuhr schließlich auf Befehl des Kommandanten trotzdem nach Bern zurück).933 Hans Kaspar Hirzel erläuterte in einem Brief von Dezember 1782 seine Gründe gegen einen Urlaub. Er war der Meinung, dass es sich nach weniger als zwei Jahren im Regiment nicht gehöre, bereits wieder nach Hause zu fahren: »[…] augenbliklich wieder heimzu lauffen schikt sich auch nicht.«934 Louis de Courten schrieb in sein Tagebuch beziehungsweise seine Autobiographie, dass er, als er am 29. August 1775 seine Frau verlassen musste, um zum

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BBB Mss.h.h.III.234 (7), (wie Anm. 760). ZBZH FA Hirzel 346.1 (52), (wie Anm. 863). KBAG AH 174/91: Zurlauben, Beat Fidel, An Unbekannt (17. Februar 1758). ZBZH Rh. hist. 50 (wie Anm. 264), S. [502]. KUB A–916/42: Maienfisch, Johann Jakob, An Tobie de Castella (22 August 1769). BBB Mss.h.h.XLIII.11 (wie Anm. 141), S. 28. ZBZH FA Hirzel 346.1 (23): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (1. Dezember 1782).

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Regiment zurückzukehren, großen Kummer empfunden habe, aber die Pflichten seines Standes seien unvereinbar mit dem Angenehmen.935 Der Militärdienst wurde, im Gegensatz zum bequemen und faulen Zivilleben, als sinnvolle und wünschenswerte Tätigkeit dargestellt. Gabriel Albrecht von Erlach kritisierte in einem Brief vom September 1760 entschieden den Müßiggang: »La vie uniforme d’un homme qui ne fait rien, comme je serois — Berne, me d¦plait souverainement et je ne vois rien de plus — plaindre qu’un homme sans ¦tat, oblig¦ de battre le pav¦ et de vivre en fain¦ant, comme font tous vos jeunes seigneurs de Berne. […] Pour ce qui regarde la vie, c’est ¦gal; si je dois mourir, je mourroi chez moi comme d’un coup de canon — la guerre. Quand l’heure est venue, il faut en passer par l—: et puis, si je suis tu¦, il en restera assez pour me remplacer.«936

Es ging um die Zukunft von Erlachs in der französischen Armee, doch wird im Brief klar, dass der Offizier dem Lebensstil eines Mannes, der keiner (standesgemäßen) Beschäftigung nachgeht, kritisch gegenüberstand und selbst den Tod als bessere Alternative zu einem solchen Leben sah. Louis de Courten äußerste sich erfreut darüber, dass er Anfang Dezember 1767 aus dem Semesterurlaub wieder zur Kompanie zurückkehren durfte, denn die Zeit bei seinen Tanten sei eintönig und monoton gewesen.937 Hans Kaspar Hirzel erklärte seiner Familie, dass er trotz großer Hitze und Heimweh nach seiner Familie keinen Anlass sehe, das »müßige« Semesterleben wieder aufzunehmen, denn er fühle sich im Dienst wohl.938 Zwar waren hohe professionelle Ansprüche auch in anderen Offizierskorps vorhanden, doch gerade dieses »Schweizer« Verständnis von Pflichterfüllung war ein Unterschied und teilweise auch ein Widerspruch zum ritterlich-adeligen Selbstverständnis des europäischen Offizierskorps, bei dem ausnahmslos die Rücksicht auf die eigene individuelle Ehre das Verhalten bestimmte.939 Vielleicht war das ein Grund, wieso in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts viele französische oder englische Offiziere als inkompetent galten.940 Obwohl die Schweizer Offiziere in Fremden Diensten zu einem gewissen Maß 935 936 937 938 939

StAW Archives de la famille de Courten S¦rie B Cn6/1.1 (wie Anm. 162), S. 59. BBB Mss.h.h. III 233 (104), (wie Anm. 594). StAW Archives de la famille de Courten S¦rie B Cn6/1.1 (wie Anm. 162), S. 33. ZBZH FA Hirzel 346.1 (45), (wie Anm. 131). Gahlen, Gundula, Das bayerische Offizierskorps 1815 – 1866, Paderborn 2011, S. 495. In den Quellen findet sich eine Ausnahme: Anton von Salis-Marschlins schreibt, dass ihm nach dem erzwungenen Rücktritt seines Beschützers, dem Herzog von Choiseul (1770), die anderen Schweizer Offiziere rieten, sich den neuen politischen Gegebenheiten anzupassen, um nicht der Nation zu schaden, worauf Salis antwortete, dass seine Verbundenheit für die Nation ihn nicht dazu bringen könne, seine Ehre zu opfern. Staatsarchiv Zürich W I 33a 9.1 (wie Anm. 152), S. 21 f. 940 Starkey, War (wie Anm. 218), S. 77 f.; Duffy, Experience (wie Anm. 441), S. 76.

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das Selbstverständnis des europäischen Offizierskorps annahmen, vermischten sie diese Mentalität mit einer eidgenössisch-republikanischen Prägung. Thomas Maissen schreibt, dass in der Eidgenossenschaft im 17. Jahrhundert ein Selbstverständnis entstand, das im 18. Jahrhundert konkret als ein republikanisches Selbstbewusstsein bekundet wurde.941 Dieses Bewusstsein war jedoch nicht modern in dem Sinne, dass es sich auf einen Verfassungsgedanken bezog, wie er in England bei der Glorious Revolution 1688 konzipiert und durch die amerikanische und französische Revolution weiterentwickelt wurde.942 Die republikanischen Vorstellungen in der Eidgenossenschaft basierten im Gegenteil auf alten Vorbildern, nämlich der antiken Republik, deren Ordnungsprinzip die Tugend war.943 »Tugend« bezeichnete dabei in der Tradition des italienischen Bürgerhumanismus der Renaissance und des klassischen Republikanismus das Lebensprinzip der Republik. Demnach konnte die Republik als eine Herrschaft der Vielen auf Dauer nur bestehen, wenn die Bürger Gemeinsinn entwickelten und den Einsatz für das Gemeinwohl höher achteten als die Verfolgung ihrer eigenen Interessen.944 Diese republikanischen Tugenden wurden durchaus in einem kriegerischen Kontext gesehen. So bezeichnet Caspar Hirschi die Selbstaufopferung für den Staat als eines der Hauptmerkmale des römischen »civic patriotism«.945 Der Schaffhauser Historiker Johannes von Müller (1752 – 1809) betrachtete eine militärische Republik, in der die Bürger bereit sind, sich für das Gemeinwohl und für die Verteidigung ihrer Freiheit einer aristokratischen Regierung unterzuordnen, als die beste aller Staatsformen, denn in einer solchen Republik schlössen sich die Bürger zusammen und höben damit alle sozialen Spannungen auf.946 In der Republik Bern herrschten nach Ansicht Müllers die geeignetsten Voraussetzungen für eine solche Staatsform, unter anderem, weil es ein Patriziat

941 Maissen, Thomas, Eine ›absolute, independente, souveraine und zugleich auch neutrale Republic‹. Die Genese eines republikanischen Selbstverständnisses in der Schweiz des 17. Jahrhunderts, in: Droz, Laurent (Hrsg.), Republikanische Tugend, Genf u. a. 2000, S. 129 – 150, hier S. 131 f.; Maissen, Thomas, Die Geburt der Republic. Staatsverständnis und Repräsentation in der frühneuzeitlichen Eidgenossenschaft, Göttingen 2006, S. 24. 942 Zurbuchen, Simone, Patriotismus und Nation. Der schweizerische Republikanismus des 18. Jahrhunderts, in: Droz, Tugend (wie Anm. 941), S. 151 – 181, hier S. 152. 943 Ebd. 944 Holenstein, Andr¦, Frugilität und Virilität. Zur Mythisierung kriegerischer Gewalt im republikanischen Diskurs in der Schweiz des 18. Jahrhunderts, in: Ulbrich, Claudia u. a. (Hrsg.), Gewalt in der Frühen Neuzeit. Beiträge zur 5. Tagung der Arbeitsgemeinschaft Frühe Neuzeit im VHD, Berlin 2005, S. 117 – 130, hier S. 123. 945 Hirschi, Nationalism (wie Anm. 908), S. 10. 946 Kapossy, B¦la, ›Der Bedrohlich Frieden‹ Ein Beitrag zum politischen Denken im Bern des 18. Jahrhunderts, in: Furrer, Dubois, Gente ferocissima (wie Anm. 16), S. 217 – 232, hier S. 218.

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gab, das durch Fremde Dienste gebildet war und eine innere Disziplin besaß.947 Das Besondere an diesem Berner Staatsverständnis ist die Vermischung von adeligen und republikanischen Vorstellungen. Die Berner Patrizier sahen sich als Nachfahren eines Gründeradels und grenzten sich deshalb scharf von der übrigen Bevölkerung ab. Doch untereinander kultivierten sie trotzdem eine Vorstellung von Gleichheit.948 Berner Intellektuelle wie Vinzenz Bernhard Tscharner (1728 – 1778) und Johann Rudolf Tschiffeli (1716 – 1780) sahen die Berner Oberschicht adelig und militärisch geprägt.949 In der Berner aristokratischen Meistererzählung war der Aufstieg der Zähringerstadt zum größten Stadtstaat nördlich der Alpen ein Ausfluss militärisch-politischer Tugenden der adeligen Führungsschicht.950 Ähnliche Gedanken kamen auch von den Schweizer Offizieren im Ausland. Peter Viktor Besenval betonte in seiner Schrift »Id¦es politiques et militaires«, die um 1757 entstand, die Wichtigkeit von Tugend und Selbstlosigkeit in einem Staatswesen. Besenval kritisierte, dass Männer, die sich dem Staat widmeten, zu wenig Wertschätzung erhielten. Die Masse glaube, Offiziere würden nicht aus Liebe zum Vaterland oder aus dem Verlangen nach Ehre dienen, sondern nur aus dem Streben nach Erfolgen und Belohnungen. Besenval erwähnt das Beispiel des Marschalls Victor-FranÅois de Broglie (1718 – 1804), der im Siebenjähriger Krieg kämpfte. Anstatt dass man nach der siegreichen Schlacht von Bergen (13. April 1759) einen Mann wie ihn für seine Verdienste lobte, forderte die Menge eine Beförderung für ihren plötzlichen Helden, den Marschall de Broglie, nur um ihn später aus Eifersucht zu stürzen.951 Dies, nach Besenval, im Gegensatz zum alten Rom, wo die Genugtuung, der Allgemeinheit genutzt zu haben, der einzige Dank für bedeutende Dienste war. Nur die Tugend der Bürger mache einen Staat erhaben. Tugend, das bedeutet für Besenval die Einfachheit der Sitten und eine Liebe zum Vaterland. Diese Tugend müsse »un peu farouche« sein und durch Unwissenheit unterhalten werden. Sobald die Bürger anfingen, die Dinge zu ergründen und zu errechnen, würden sie zum Schluss kommen, dass die Selbstaufopferung für die Gemeinschaft ein Betrug und die daraus gewonnene Ehre ein Hirngespinst sei.952 Das Söldnerwesen war insofern mit diesen Vorstellungen verknüpft, als dass die Fremden Dienste der Ausbildung der zukünftigen regierenden Elite dien947 Ebd., S. 219. 948 Siehe Weber, Nadir, Die Republik des Adels. Zum Begriff der Aristokratie in der politischen Sprache der Frühen Neuzeit, in: Zeitschrift für Historische Forschung 38 (2011), H. 2, S. 217 – 258, hier S. 238. 949 Kapossy, Frieden (wie Anm. 946), S. 226 f. 950 Weber, Republik (wie Anm. 948), S. 235. 951 Besenval, M¦moire (wie Anm. 489), Bd. 4, S. 139. 952 Ebd. S. 140 f.

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ten.953 Hans Kaspar Hirzel äußerte sich dementsprechend über den Nutzen des Söldnerwesens für seine Heimatstadt. Er wies 1783 seinen Bruder, den späteren Kleinrat und Richter Heinrich Hirzel (1766 – 1840), darauf hin, dass die Zürcher Offiziere in Frankreich »1000 Man[n] exercierte Troupen« bereithielten. Die zurückgekehrten oder pensionierten Offiziere könnten aufgrund ihrer Erfahrung dem Rat mit klugen Empfehlungen beistehen, besonders in militärischen Sachen, denn einem alten Offizier kämen Sachen in den Sinn, die den übrigen 200 Ratsmitgliedern selbst nach Tagen und Nächten nicht einfallen würden.954 Damit schloss sich Hirzel seinem Landsmann an, dem Zürcher Historiker und Politiker Johann Heinrich Füssli (1745 – 1832), der als Präsident der Helvetischen Gesellschaft 1782 darauf hinwies, dass die 30.000 Schweizer in Fremden Diensten ein eidgenössisches stehendes Heer und die Kriegsschule der Eidgenossenschaft darstellten.955 Einige Jahre später verteidigte Hans Kaspar Hirzel auch die französische Monarchie gegenüber seinem Bruder mit den Worten: »Weiter dünkt es mich vielmehr rühmens als tadlens wehrt, daß jeder ächte Franzos, im Fall der Noth für die Ehre seines Königs und also für die Ehre und das Wohl deß ganzen Staats, sich verpflichtet achtet sein eigen Gut und Blut aufzuopfern. Und das ist es, glaube ich, warum du alle Franzmänner kriechend Anbetter deß Thrones nen[n]est. Der alzu patriotische Eifer womit du sie möchtest beseelt wißen, dünkt mich an dem Unterthan eines Monarchen sehr d¦placiert wo nicht strafbar zu sey¨n, sowohl als der Eifer jrgend eines Glids unserer kleinen Republik, welches unter dem Vorwand von patriotischen Muths den Staat nach seinem eignen Kopf regieren möchte.«956

Für Hirzel ist die Tatsache lobenswert, dass sich die Franzosen für das Gemeinwohl einsetzen, den der Zürcher durch den König verkörpert sieht, er ist aber davon überzeugt, dass eine allzu große Beteiligung der Bürger an der Regierung nur zu Willkür führen würde. Der Widerstand des Städtchens Stein am Rhein, dessen Rat 1783 gegen den Willen der Zürcher Obrigkeit ein preußisches Werbegesuch bewilligte und deswegen von Zürcher Truppen besetzt wurde,957 löste bei Hirzel vor allem Belustigung aus. Seiner Mutter schrieb er, dass er, wenn er dabei gewesen wäre, eher vor Lachen als vor Wut geweint hätte. Er fügte an, dass die Steiner gar nicht so unbändig seien, da sie sich ja so gutwillig ergeben hätten.958 953 Im Hof, Ulrich, Mythos Schweiz. Identität – Nation – Geschichte 1291 – 1991, Zürich 1991, S. 74. 954 ZBZH FA Hirzel 346.2: Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seinen Bruder Heinrich (16. Oktober 1783). 955 Im Hof, Capitani, Gesellschaft (wie Anm. 683), S. 118. 956 ZBZH FA Hirzel 346.2: Hirzel, Hans Kaspar, An seinen Bruder Heinrich (19. Februar 1788). 957 Guison, Michel, »Steinerhandel«, in: Historisches Lexikon der Schweiz, http://www.hlsdhs-dss.ch/textes/d/D26891.php, 14. 08. 2012. 958 ZBZH FA Hirzel 346.1 (34), (wie Anm. 855).

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Rodolphe II. de Castella zeigte sich hingegen in einem Brief vom 2. Januar 1783 an seinen Cousin Tobie de Castella beunruhigt über die politischen Unruhen im Kanton Freiburg nach dem sogenannten »Chenaux-Handel«.959 Für ihn regierten einzig »¦goisme« und »entÞtement«, also Egoismus und Sturheit, und er bedauerte, dass er wohl nicht mehr lange genug leben werde, um seine Heimat »en rÀgle et en amour« zu sehen.960 Das Gegenteil von tugendhafter Wehrbereitschaft war Müßiggang und Luxus. Wenn eine »frugale materielle Kultur« und der Kampf um das tägliche Brot in den Augen der Aufklärung die alten Eidgenossen stark, widerstandsfähig und bescheiden gemacht hatten,961 so waren die Schweizer Aufklärer des 18. Jahrhunderts überzeugt, dass die erwähnten Laster zum Niedergang der eidgenössischen Republiken führen würden.962 Luxus in Form von auserlesenen Speisen, prächtigen Kleidern, Kutschen und Pferden, aber auch von überseeischen Produkten wie Kaffee oder Schokolade habe die Schweizer verweichlicht und verweiblicht und sie die Sitten der alten Eidgenossen vergessen lassen.963 Städtischen Republiken wie Bern drohe, analog zur römischen Republik, der baldige Zerfall.964 Um das Vertrauen in die Obrigkeit wiederherzustellen, müsse Luxus verboten und Patriotismus gefördert werden.965 Die Ablehnung von Luxus und das Lob einer einfachen Lebensart finden sich auch in manchen Selbstzeugnissen der Offiziere. Dominique Dubois-Cattin erklärte seinem Bruder, dass er sich sauber und bequem kleide, denn ein Offizier müsse anständig gekleidet sein, er dürfe weder glänzen noch die gekünstelten Manieren eines Gecken zur Schau stellen.966 Den gängigen nationalen Stereotypen entsprechend,967 war es vor allem die höfische französische Lebensart, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts als eitel und dekadent kritisiert wurde. Hans Kaspar Hirzel bemängelte das 959 Pierre-Nicolas Chenaux marschierte am 2. Mai 1781 mit etwa 2.000 Greyerzer Landleuten vor die Tore Freiburgs und forderte die Wiederherstellung der abgeschafften religiösen Feste und Prozessionen. Die Erhebung wurde innerhalb von wenigen Tagen niedergeschlagen, doch in den folgenden Jahren setzte ein Konflikt um Formen der Volksfrömmigkeit sowie die wirtschaftliche und soziale Privilegierung der Stadt Freiburg und ihrer Oberschicht ein, die 1783 mit dem Exil der Protagonisten aus der ländlichen Oberschicht endete. Andrey, Georges, »Chenaux, soulÀvement«, in: Dictionnaire historique de la Suisse, http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/f/F17210.php, 14. 08. 2012. 960 KUB C–186/3: Castella, Rodolphe de, 1705 – 1793, An Tobie de Castella (2. Januar 1783). 961 Holenstein, Frugilität (wie Anm. 944), S. 120 f. 962 Zurbuchen, Patriotismus (wie Anm. 942), S. 154 f. 963 Ebd.; Holenstein, Frugilität (wie Anm. 944), S. 127 ff. 964 Kapossy, Frieden (wie Anm. 946), S. 223. 965 Ebd., S. 230. 966 Dubois-Cattin, Correspondance (wie Anm. 276), S. 200. 967 Siehe dazu: Florack, Ruth, ›… nicht gewohnt zu fliehen vor des Franzmanns leerem Wind‹, in: Adam, Dainat, Krieg (wie Anm. 479), S. 65 – 87, S. 72 ff.

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französische Essen als gekünstelt und nicht satt machend. Aus seiner Garnison in BeziÀres klagte er, dass die Offiziere statt Schüsseln voller Rüben, Kohl und Kartoffeln »ein Blätchen [Plättchen, M. H.] gebratenen Gügelchen [Hühnchen, M. H.], ein Blätchen Ragout — la je ne sais quoi etc., welches wohl gut wäre vor [für, M. H.] einen allein aber nicht für 8 Personen den Bauch zu fühlen [!]« erhielten.968 Hans Kaspar Hirzel kritisierte nach einem Theaterbesuch in BeziÀres die derben und unzüchtigen Vorlieben des adeligen Publikums. Er wunderte sich, dass die vornehmen Besucher »wüste« und zweideutige Szenen laut beklatschten und Theaterstücke für geistreich und klug hielten, die in Zürich vor allem die Bauern belustigen würden.969 Antoine Marie Augustini drückte sich im Zusammenhang mit der Revue der Schweizertruppen in CompiÀgnes 1767 kritisch über den Reichtum aus, den der Herzog von Choiseul vor den Schweizer Offizieren zur Schau stellte. Augustini bemerkte, dass die »niedlichsten« Speisen, die fremden Weine und das Geschirr aus Gold und Silber eher zu einem asiatischen Monarchen als zu einem französischen Minister passen würden. Das Ganze tauge eher zum Bewundern als zum Genießen, denn kaum habe man das Essen bestaunt, so hätten die Diener es schon wieder weggetragen und nichts bleibe außer dem Hunger.970 Peter Viktor Besenval schrieb in seinen »Id¦es Politiques et Militaires«, dass jene Länder in Gefahr seien, in denen der Drang, den Luxus und die Vergnügungssucht zu befriedigen, zum Durst nach Geld führe, denn dieser Durst ruiniere den Staat.971 In einem solchen Land führten die Frivolität und »le ton philosophique« dazu, dass keine Männer erscheinen könnten, die fähig seien, durch Mut und Intelligenz den Staat wiederherzustellen. Besenval macht klar, dass es sich bei diesem Land um Frankreich handelt.972 Nationalbewusstsein ist eng mit Geschichtsschreibung verknüpft. Nationalismus fördert die Geschichtswissenschaften, und Historiker schufen, trotz kritischer Arbeit, manche nationalen Mythen.973 Eine eidgenössische Geschichtsschreibung spielte bereits seit dem 15. und 16. Jahrhundert974 eine wichtige Rolle für die Entstehung eines schweizerischen Nationalbewusstseins.975 Diese Bedeutung nahm im 18. Jahrhundert mit der Aufklärung zu. Nach Ansicht des Zürcher Literaturwissenschaftlers Johann Jakob Bodmer (1698 – 968 969 970 971 972 973 974

ZBZH FA Hirzel 346.1 (47): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (16. August 1785). ZBZH FA Hirzel 346.1 (45), (wie Anm. 131). Staatsarchiv Wallis Fonds Guillaume de Kalbermatten R 27 (wie Anm. 142), S. 33. Besenval, M¦moire (wie Anm. 489), Bd. 4, S. 141. Ebd., S. 143 f. Hirschi, Nationalism (wie Anm. 908), S. 16. Tremp, Ernst, »Geschichte«, in: Historisches Lexikon der Schweiz, http://www.hls-dhsdss.ch/textes/d/D8271.php, 14. 08. 2012. 975 Godel, Eric, Die Zentralschweiz in der Helvetik (1798 – 1803). Kriegserfahrungen und Religion im Spannungsfeld von Nation und Region, Münster 2009, S. 213.

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Das Schweizerische in den Selbstzeugnissen

1783) soll die Geschichtswissenschaft die Menschen zur Glückseligkeit leiten, indem sie ihnen Sittlichkeit und Vernunft vor Augen führt.976 Historiker sollten mit »Exempeln« aus der Schweizer Geschichte die Tugenden der Nation zeigen.977 Daraus folgte eine intensive Beschäftigung mit dem »heroischen« Zeitalter der Schweizer Geschichte, dem 14. und 15. Jahrhundert, in dessen Kontext »die Schweizer« als handelndes und siegreiches Kollektiv aufgetaucht seien.978 Diese »alten Eidgenossen«, die als tapfere und fromme Krieger betrachtet wurden, welche ihre Freiheit gegen außen verteidigt hätten, stellten für die Intellektuellen des 18. Jahrhunderts ein Vorbild dar.979 Dieses Schweizer Geschichtsverständnis wurde zur gleichen Zeit um ein weiteres identitätsstiftendes Bild ergänzt. Gelehrte wie Albrecht von Haller und Johann Jakob Scheuchzer (1672 – 1733) »entdeckten« Anfang des 18. Jahrhunderts die Alpen, sie prägten ein Alpenbild, in dem die von modernen Sitten unverdorbenen Alphirten die lebende Verkörperung der tugendhaften alten Schweizer waren.980 Auch einige junge Offiziere waren von dieser neuen Wahrnehmung der Alpen beeinflusst und begannen ihrerseits die Bergwelt zu erkunden: Hans Kaspar Hirzel schrieb seiner Familie, dass ihn auf dem Marsch von BesanÅon nach BrianÅon die Wasserfälle, die schneebedeckten Berge und Gletscher der französischen Alpen sehr beeindruckten und die Mühen des Marsches vergessen machten.981 Sigmund von Wattenwyl unternahm im Sommer 1791 mit zwei Begleitern, den Herren Diesbach und Ernst, eine Reise über die Alpen nach Italien und kehrte anschließend via Glarus, Appenzell und Zürich wieder zurück in seine Heimatstadt.982 In seinem Tagebuch schwärmt er über die Schönheit der Bergnatur, wie er sie beispielsweise beim Aufstieg durch das Lauterbrunnental erlebt hatte.983 Im 18. Jahrhundert verfassten einzelne Schweizer Offiziere im Ausland die Geschichte der Schweizer Fremden Dienste. In ihren Werken stellen sie das Söldnerwesen in einen Zusammenhang mit den Kriegen der »Alten Eidgenossen« und der Entstehung der Eidgenossenschaft. Einer dieser Offiziere war der bereits bekannte Beat Fidel Zurlauben, der neben seiner Tätigkeit als Offizier über die Geschichte der Eidgenossenschaft forschte und von 1751 bis 1753 das bereits mehrfach erwähnte achtbändige Werk über die Geschichte der Schweizer 976 Marchal, Guy P., Schweizer Gebrauchsgeschichte. Geschichtsbilder, Mythenbildung und nationale Identität, Basel 2006, S. 61. 977 Zurbuchen, Patriotismus (wie Anm. 942), S. 166. 978 Jansen, Borggräfe, Nation (wie Anm. 907), S. 149. 979 Marchal, Gebrauchsgeschichte (wie Anm. 976), S. 62 ff. 980 Vgl. Godel, Zentralschweiz (wie Anm. 975), S. 213. 981 ZBZH FA Hirzel 346.1 (70): Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seine Mutter (27. Oktober 1783). 982 BBB FA von Wattenwyl A 14 (wie Anm. 164), S. 9. 983 Ebd., S. 11.

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im französischen Militärdienst schrieb (Abbildung 15). Der Berner Historiker und Ökonomen Vinzenz Bernhard Tscharner, Mitglied der Helvetischen Gesellschaft,984 lobte Zurlauben für seine Bemühungen um die nationale Geschichte als Patriot und Beförderer des Schweizer Ruhms. Tscharner schrieb am 23. Dezember 1758 an Zurlauben: »Votre proced¦ […] fait honneur — votre coeur patriotique, en mÞme tems qu’avec un zÀle infatigable vous travaili¦s — la gloire de la Nation, vous pr¦tes encore une main — ceux qui avec moins de forces entrant dans la mÞme carriÀre.«985 Beat Emanuel May von Romainmútier (1734 – 1802), der wie Tscharner aus einem Berner Patriziergeschlecht stammte, diente ebenfalls als Offizier in Frankreich und verfasste nach seiner Rückkehr nach Bern 1772 ein zweibändiges Werk über die Geschichte der Schweizer Söldner in Europa, welches ebenfalls schon mehrfach in dieser Arbeit zitiert wurde. Dieses Werk bildete gleichzeitig die Grundlage für eine acht Bände umfassende Schweizer Militärgeschichte, die 1788 erschien.986 Beide Autoren schlugen einen geistigen Bogen von der Entstehung der Eidgenossenschaft zum Bund der drei Waldstätte hin zum Beginn der »Fremden Dienste« nach der Schlacht von Marignano. Beat Fidel Zurlauben beginnt sein Werk mit einer Beschreibung der Eidgenossenschaft, also mit den 13 vollberechtigten Orten, den zugewandten Orten und den unterschiedlichen Untertanengebieten. Er fährt danach mit der Geschichte der Entstehung der Eidgenossenschaft fort, die ihm zufolge 1307 mit dem Rütlischwur begann, und beendet seine Ausführungen mit dem Beitritt Appenzells zum Bund (1513).987 Zurlauben betont dabei, dass die Eidgenossenschaft einzig und allein durch die Tugend, den Mut und die Umsicht seiner Bewohner sowie dank eines Bündnisses, welches das Gemeinwohl zum Ziel gehabt habe, entstanden sei. Im Gegensatz dazu sei die Holländische Republik, mit der die Eidgenossenschaft oft verglichen wurde, nur mithilfe von Frankreich und England und dank der Ressourcen aus der Schifffahrt ins Leben gerufen worden.988 Beat Emanuel May betonte in der Einführung seines Werks die Tugend und Sitten der Schweizer, die diese sogar ihren antiken Vorbildern überlegen gemacht hätten:

984 Im Hof, Capitani, Helvetische Gesellschaft (wie Anm. 683), S. 14 u. 16, Anm. 3. 985 KBAG AH 172/86: Tscharner, Vinzenz Bernhard, An Beat Fidel Zurlauben (23. Dezember 1758). 986 May de Romainmútier, Beat Emanuel, Histoire militaire de la Suisse, et celle des Suisses dans les diff¦rens services de l’Europe compos¦e et redig¦e sur des ouvrages et piÀces authentiques par M. May, Lausanne 1788. 987 Zurlauben, Histoire (wie Anm. 39), Bd. 1, S. 34 – 77. 988 Ebd., S. 77.

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Das Schweizerische in den Selbstzeugnissen

Abbildung 15: MAHF 2003 – 330, Zurlauben, Beat Fidel, Histoire Militaire des Suisses, 1751 – 1753, Ó Mus¦e d’art et d’histoire Fribourg

»La valeur inn¦e de nos ancÞtres, leur amour sans bornes pour la patrie, & la libert¦, la simplicit¦ vertueuse de leurs moeurs, les rendaient en tout semblables aux spartiates, sur lesquels ils avaient l’avantage d’une candeur & d’une probit¦ — l’¦preuve de tout.«989

Er leitet seine Geschichte der Schweizer Söldner ebenfalls mit der Entstehung der Eidgenossenschaft und der Vertreibung der »fremden Tyrannen« ein und fährt fort mit den Schlachten von Morgarten und Sempach,990 den Burgunderkriegen, die sehr ausführlich behandelt werden,991 und der ersten Allianz mit Frankreich (1444).992 Die Einführung endet mit der Schlacht von Marignano (1515), die nach May einen nahtlosen Übergang von der eidgenössischen Selbstbehauptung zum Solddienst markiert: La nation Suisse, parvenue, comme je l‹ai d¦ja remarqu¦, au comble de la gloire, e˜t l’avantage d’en ceuillir les fruits aprÀs la retraite de Marignan, sa valeur couronn¦e par une chaine de victoires, ayant út¦ aux puissances voisines toute envie de l’attaquer ; elle jout depuis ce tems d’une paix constante avec tous ses voisins, devenus ses alli¦s. Les r¦publiques Suisses, d¦cid¦es par les raisons les plus essenti¦lles, — ne pas imiter les autres puissances de l’Europe, qui commenÅaient — entretenir des troupes permanentes, d’un autre cút¦ convaincues de la n¦cessit¦ absolue, de cultiver les talens militaires par un 989 990 991 992

May de Romainmútier, Histoire (wie Anm. 40), Bd. 1, S. 1. Ebd., S. 2 – 9. Ebd., S. 9 – 23. Ebd., S. 25.

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exercice journalier, ne virent d’autre moyen, pour ne pas laisser d¦g¦n¦rer leurs citoyens de la valeur de leurs AncÞtres, que d’accorder des troupes aux puissances alli¦es, en vertu des trait¦s conclus avec elles; trait¦s que nous avons observ¦ dans tous les tems, avec la fidelit¦ la plus scrupuleuse.»993

In diesen Zeilen von Beat Emanuel May lassen sich auch die Gedanken der Berner Patrizier finden: Sie betrachteten, das Drohbild der römischen Republik vor Augen, die »freiwillige« Einschränkung des territorialen Wachstums als den prägenden Unterschied, welche die Republik Bern, im Gegensatz zu Rom, vor dem Zerfall gerettet habe.994 Im Fall von Bern müssten aber die fehlende Expansion und die mangelnde Bedrohung von außen durch eine ständige Kriegsbereitschaft kompensiert werden, um den Patriotismus aufrechtzuerhalten.995

993 Ebd., S. 44 f. 994 Kapossy, Frieden (wie Anm. 946), S. 229. 995 In diesem Sinne: ebd., S. 230 f.

9

»Fremde Dienste« im Zusammenhang: Krisen und Kritik

Die zahlreichen Sold- und Bündnisverträge, welche die gesamte Eidgenossenschaft, einzelne Kantone oder Privatpersonen mit ausländischen Potentaten verbanden, vernetzten die Schweiz mit politischen Ereignissen und Entwicklungen im Ausland. In diesem Kapitel geht es um die Einbettung des Söldnerwesens in einige kriegerische und innenpolitische Ereignisse des 18. Jahrhunderts. Während die verschiedenen Erbfolgekriege der ersten Jahrhunderthälfte überblicksartig zusammengefasst sind, werden die Ereignisse nach dem Siebenjährigen Krieg ausführlicher dargestellt. Hatte die Eidgenossenschaft vorher die Rivalität zwischen Frankreich und dem Hause Habsburg als Garant für die eigene Unabhängigkeit gesehen, so sorgte die neue und außergewöhnliche Allianz zwischen den beiden mächtigsten katholischen Mächten Europas für großes Unbehagen. Die reformierten Kantone Bern und Zürich, die Truppen in französischen Diensten hatten, gerieten ob dieser Konstellation in eine diplomatisch brenzlige Lage und wurden sich nun des Dilemmas der starken eidgenössischen Bindung an Frankreich bewusst. Das schlechte militärische Abschneiden Frankreichs im Siebenjährigen Krieg hatte indirekt weitere Auswirkungen auf die Eidgenossenschaft. Überfällige Militärreformen tangierten auch die Schweizer Einheiten in Frankreich, was in den Heimatkantonen nicht ohne Folgen blieb. Die Französische Revolution gab den französischen Politikern und Militärs, welche die Schweizer Einheiten und auch die Privilegien der Eidgenossen abschaffen wollten, neuen Elan.

9.1

Die erste Jahrhunderthälfte

Der Tod des spanischen Königs Karl II., der im November 1700 ohne Nachkommen starb, stürzte Europa in einen blutigen und langjährigen Krieg, der erst den Jahren 1713/1714 durch die Friedensverträge von Utrecht, Rastatt und Baden beendet wurde. Ludwig XIV. von Frankreich, dessen Enkel Philipp V.

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»Fremde Dienste« im Zusammenhang: Krisen und Kritik

Prätendent auf den Spanischen Thron war, sah sich einer Allianz aus dem Königreich England, den Niederlanden und dem Heiligen Römischen Reich gegenüber, welche die Dominanz Frankreichs verhindern wollte. Diesem Erbfolgekrieg, der im Jahre 1701 ausbrach, konnte sich die Eidgenossenschaft, trotz konfessionell gespaltenen Sympathien, die katholischen Kantone waren eher für Frankreich, die Reformierten für die Alliierten, weitgehend entziehen.996 Trotz einer Grenzverletzung durch französische Truppen 1709 waren die eidgenössischen Orte während dieser Jahre vor allem mit inneren Angelegenheiten beschäftigt. Etwa seit dem Jahr 1700 schwelte es im ostschweizerischen Toggenburg, wo die mehrheitlich reformierte Bevölkerung ihre althergebrachte Autonomie durch ihren Landesherren, den katholischen St. Galler Fürstabt, bedroht sahen. Dieser lokale Konflikt eskalierte durch die Einmischung weiterer Orte wie Zürich oder Schwyz und gewann bald den Charakter einer konfessionellen Auseinandersetzung. Die Konflikte im Toggenburg führten schließlich 1712 zum Zweiten Villmergerkrieg, in dem Bern und Zürich geschickt die Tatsache ausnutzten, dass die europäischen Mächte durch Friedensverhandlungen zu beschäftigt waren, um das Gleichgewicht in der Eidgenossenschaft zugunsten der reformierten Orte zu verschieben.997 Trotz ihrer Nichteinmischung in den Spanischen Erbfolgekrieg standen in den Armeen mehrerer Kriegsparteien Schweizer Einheiten unter Waffen. In diesem Zusammenhang erinnert besonders die Schlacht von Malplaquet im heutigen Belgien an die zahlreichen Schweizer, die in diesem Krieg den Tod fanden. Am Morgen des 11. September 1709 kämpften beim ersten alliierten Angriff auf die französischen Stellungen Eidgenossen gegen Eidgenossen, da auf beiden Seiten Schweizer Einheiten im Einsatz waren.998 Selbst Familien standen sich auf dem Schlachtfeld gegenüber : Das Berner Regiment des Gabriel von May, in französischem Sold, traf auf dasjenige seines Verwandten in der niederländischen Armee, Rudolf von May.999 Am Nachmittag der Schlacht griffen die Schweizer Regimenter nicht mehr in den Kampf ein. Andr¦ Corvisier spekuliert, dass der französische Befehlshaber die Einheiten absichtlich von den Frontlinien entfernte, da ihre Kapitulationen den Einsatz gegen Landsleute verbot.1000 Die Schlacht von Malplaquet war eine der blutigsten Schlachten im Spani996 Holenstein, Josef, Eidgenössische Politik am Ende des Spanischen Erbfolgekrieges. Die Restitutionsfrage nach 1712 als zentrales Problem, Zermatt 1975, S. 25; Stücheli, Rolf, »Spanischer Erbfolgekrieg«, in: Historisches Lexikon der Schweiz, http://www.hls-dhsdss.ch/textes/d/D8912.php, 23. 02. 2014. 997 Maissen, Thomas, Geschichte der Schweiz, Baden 2010, S. 130 f. 998 Corvisier, Andr¦, La bataille de Malplaquet 1709. L’effondrement de la France ¦vit¦, Paris 1997, S. 33, 36 u. 90. 999 Maissen, Geschichte (wie Anm. 997), S. 132. 1000 Corvisier, Bataille (wie Anm. 998), S. 90.

Die erste Jahrhunderthälfte

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schen Erbfolgekrieg und gilt als Pyrrhussieg der Alliierten, unter dem Kommando des Herzogs von Marlborough und Prinz Eugen von Savoyen. Rund 20.000 Mann Verlust erlitten die beiden Armeen, darunter waren etwa 8.000 Schweizer.1001 Die Umstände der Schlacht warfen in der Schweiz hohe Wellen und sorgten für erhitzte Diskussionen in der Tagsatzung und waren, wie noch zu lesen sein wird, ein beliebtes Argument gegen den Solddienst.1002 Die Gefahr, gegen Landsleute kämpfen zu müssen, beschäftigte auch Jahre später noch die Söldneroffiziere. Karl Andreas von Wartensee schrieb 1746 erleichtert an seinen Bruder, dass für die Schweizer Regimenter in niederländischen Diensten ein erneuter Kampf zwischen Schweizern auf französischer und niederländischer Seite nicht möglich sei, da die »holländischen« Schweizer sich entweder in Kriegsgefangenschaft befänden oder bei der Übergabe dazu verpflichtet worden wären, nicht mehr zu kämpfen.1003 Von den weiteren Kriegen, die in der ersten Jahrhunderthälfte Europa heimsuchten, blieb die Eidgenossenschaft ebenfalls verschont, auch wenn für Städte wie Basel oder Genf aufgrund ihrer exponierten Lage immer eine Gefahr bestand, ungewollt in kriegerische Ereignisse verwickelt zu werden.1004 Das galt vor allem für Basel, das zwischen der französischen Festung Hüningen und dem österreichischen Fricktal lag.1005 Im Polnischen (1733 – 1738) und im Österreichischen Erbfolgekrieg (1740 – 1748) standen sich, wie schon in vielen Konflikten zuvor, Frankreich und Österreich als Feinde gegenüber. Im Österreichischen Erbfolgekrieg, der sich um die Nachfolge Maria Theresias als Herrscherin über die Habsburgischen Erblande entzündete, kam aber noch ein weiterer Mitspieler dazu, nämlich Preußen. Mit seiner Annexion Schlesiens löste der preußische König Friedrich II. den Krieg aus, und im Jahre 1741 verbündete er sich mit dem habsburgischen »Erbfeind« Frankreich. Die anfänglichen Erfolge Preußens und Frankreichs, zusammen mit der Wahl ihres Verbündeten, Kurfürst Karl Albrecht von Bayern, zum neuen Kaiser, beunruhigten Bern und Zürich. Sie befürchteten, dass sich Frankreich der habsburgischen Gebiete in Vorderösterreich und der Lombardei bemächtigen würde und durch diese territoriale Umklammerung noch stärker auf die Eidgenossenschaft einwirken könnte.1006 1001 Maissen, Geschichte (wie Anm. 997), S. 132. 1002 Weck, Herv¦ de, »Malplaquet, Schlacht von« (übersetzt aus dem Französischen), in: Historisches Lexikon der Schweiz, http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D8913.php, 23. 02. 2014. 1003 StALU PA 954 – 19623: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (20. März 1746). 1004 Vgl. Bonjour, Edgar, Geschichte der Schweizerischen Neutralität. Vier Jahrhunderte eidgenössischer Aussenpolitik, Bd. 1, 6. Aufl. Basel 1965, S. 99 f. 1005 Ebd. S. 95. 1006 Feller, Richard, Geschichte Berns, Bd. 3: Glaubenskämpfe und Aufklärung, 1653 – 1790, 2. Aufl. Bern 1974, S. 368.

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»Fremde Dienste« im Zusammenhang: Krisen und Kritik

Die katholischen Kantone betrachteten die preußisch-französischen Erfolge weniger kritisch. Sie erhofften sich von Frankreich Unterstützung bei der Rückgängigmachung der Herrschaftsverluste, die sie nach dem Zweiten Villmergerkrieg erlitten hatten.1007 Schließlich hatten nur die katholischen Orte im Jahre 1715 das Bündnis von 1663 mit Frankreich erneuert, und in einem geheimen Zusatz hatte sich der französische Botschafter eigenmächtig dazu verpflichtet, im Fall eines Konfessionskrieges die katholischen Stände militärisch zu unterstützen und die Kantone Bern und Zürich erst nach der Rückgabe der besetzten Gebiete in das Bündnis aufzunehmen.1008 Dagegen lagen die Sympathien Berns bei Maria Theresia und ihren englischen Verbündeten, Friedrich II., der zwar ein reformierter Herrscher war, wurde für seine profranzösische Haltung verurteilt.1009 Trotzdem beließ Bern seine beiden Regimenter in der französischen und sardinischen Armee.1010 Ein Soldbündnis mit England schlug die Stadt dagegen 1743 aus, um Frankreich nicht zu provozieren.1011 Der Gegensatz zwischen Frankreich und Österreich, eine langjährige Konstante der europäischen Politik, kam der Eidgenossenschaft durchaus gelegen. Sie eröffnete den Kantonen einen Spielraum für die Wahrnehmung eigener Interessen und das Habsburgerreich diente ein Stück weit als Gegengewicht zum starken Einfluss Frankreichs.1012 Diese Umstände sollten sich aber sechs Jahre nach dem Friedensschluss von Aachen 1748 grundlegend ändern, genau so wie die Wahrnehmung Friedrichs II. in der Eidgenossenschaft.

9.2

Schweizer Söldner im Siebenjährigen Krieg

Der Siebenjährige Krieg war ein globaler Konflikt um das Gleichgewicht innerhalb des europäischen Mächtesystems und um außereuropäische Interessengebiete. Frankreich und England stritten um ihre nordamerikanischen und indischen Einflusssphären,1013 während Österreich, in einer Wiederaufnahme 1007 Nach den Bestimmungen des Vierten Landfriedens von 1712 erhielten die reformierten Orte Bern und Zürich unter anderem die Hoheitsrechte in Baden und dem unteren Freiamt. Reinhardt, Geschichte (wie Anm. 58), S. 252. 1008 Ebd., S. 265; Brändle, Fabian, Demokratie und Charisma. Fünf Landsgemeindekonflikte im 18. Jahrhundert, Zürich 2005, S. 175. 1009 Feller, Bern (wie Anm. 1006), S. 368. 1010 Ebd., S. 371. 1011 Ebd. S. 369. 1012 Bolzern, Rudolf, Diplomatie und Aussenbeziehungen, in: Holenstein, Andr¦ (Hrsg.), Berns goldene Zeit. Das 18. Jahrhundert neu entdeckt, Bern 2008, S. 494 – 500, hier S. 494; vgl. Bonjour, Neutralität (wie Anm. 1004), S. 105. 1013 Füssel, Marian, Der Siebenjährige Krieg. Ein Weltkrieg im 18. Jahrhundert, München 2010, S. 26 f.

Schweizer Söldner im Siebenjährigen Krieg

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des Österreichischen Erbfolgekrieges, den Verlust Schlesiens rückgängig machen1014 und Preußen auf den Status einer Mittelmacht im Reich zurückstutzen wollte.1015 Der Siebenjährige Krieg war ein Krieg, der aus unterschiedlichen machtpolitischen Gründen geführt wurde, gleichzeitig jedoch durch die Kriegsrhetorik auf beiden Seiten viele Zeitgenossen an einen neuen Religionskrieg denken ließ, eine Art von Konflikt, von der man damals eigentlich glaubte, dass man sie hinter sich gelassen hatte. Der Historiker Johannes Burkhardt räumt auch ein, dass »konfessionspolitische Interessen« und »konfessionspolitische Integrationsideologien« diesen Krieg stärker eingefärbt hatten als sonst irgendeinen Konflikt seit dem Dreißigjährigen Krieg.1016 Das neue Bündnis zwischen den katholischen Mächten Frankreich und Österreich, das 1756 gegen die evangelischen Länder England und Preußen abgeschlossen wurde, weckte Hoffnungen und Befürchtungen, die an Religionskriege früherer Jahrhunderte erinnerten.1017 Solche Befürchtungen trafen nicht zuletzt auf die konfessionell gespaltene Eidgenossenschaft zu. Die reformierten Kantone hatten Angst, dass sich bei einem französisch-habsburgischen Sieg die Machtverhältnisse in der Eidgenossenschaft wieder zugunsten der Katholiken verschieben würden. Im Oktober 1756 zeigte sich, dass das Misstrauen zwischen den reformierten und katholischen Kantonen ernste Folgen haben konnte, als es wegen eines Gerüchts fast zu einem innereidgenössischen Konflikt kam. Als sich die Nachricht verbreitete, dass angeblich ein Aufgebot von Schwyzer und Zuger Soldaten im Zürcher Herrschaftsgebiet eingefallen sei, kam es zu Teilmobilisierungen in den Kantonen Zürich und Basel und zu Übergriffen auf Katholiken.1018 Während des Krieges lagen die Sympathien der katholischen Kantone tatsächlich bei den katholischen Mächten Österreich und Frankreich. In der Stadt Zug ließ der Rat im Juli 1757 zur Feier des österreichischen Sieges bei der Schlacht von Kolin (18. Juni 1757) ein Te Deum singen.1019 Dagegen betrachteten die reformierten Kantone Friedrich II. als Beschützer des evangelischen Glaubens.1020 Diese Parteinahme führte dazu, dass sie in eine Zwickmühle gerieten zwischen dem 1014 Ebd., S. 8; Szabo, Franz A. J., The Seven Years War in Europe, 1756 – 1763, Harlow u. a. 2008, S. 9 f. 1015 Füssel, Der Siebenjährige Krieg (wie Anm. 1013), S. 24. 1016 Burkhardt, Johannes, Abschied vom Religionskrieg. Der Siebenjährige Krieg und die päpstliche Diplomatie, Tübingen 1985, S. 211. 1017 Ebd., S. 2. 1018 Meyer, Paul, Zeitgenössische Beurteilung und Auswirkung des Siebenjährigen Kriegs (1756 – 1763) in der evangelischen Schweiz, Basel 1955, S. 147 ff. 1019 Siehe Witschi, Rudolf, Friedrich der Grosse und Bern, Dissertation Universität Bern (1926), S. 57. 1020 Feller, Bern (wie Anm. 1006), S. 377; Meyer, Beurteilung (wie Anm. 1018), S. 75 ff.; Witschi, Friedrich der Grosse (wie Anm. 1019), S. 57.

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»Fremde Dienste« im Zusammenhang: Krisen und Kritik

Wunsch nach moralischer Unterstützung der preußischen Seite und der realpolitischen Tatsache, dass Frankreich der wichtigste Nachbar und Bündnispartner der Eidgenossenschaft war. Die Situation zwang die reformierten Orte, dem Ausland keinen Anlass zu geben, an der neutralen Haltung der Eidgenossenschaft zu zweifeln.1021 Die Stadt Basel musste sich Klagen gefallen lassen, dass die »Basler Zeitung« parteiisch berichte,1022 und sah sich deswegen wirtschaftlichen Repressionen ausgesetzt.1023 Für viele Politiker in den wichtigsten reformierten Orten Bern und Zürich war die Möglichkeit, dass ihre Einheiten im französischen Dienst im Krieg gegen Preußen eingesetzt werden könnten, schwer vereinbar mit ihrer Neutralität beziehungsweise mit ihren Sympathien für die preußische Kriegspartei. Die französischen Militäroperationen im Siebenjährigen Krieg begannen auf dem europäischen Kriegsschauplatz im Frühjahr 1756 mit dem erfolgreichen Angriff auf das britische Protektorat Menorca.1024 Der preußische Überraschungsangriff auf Sachsen am 29. August 1756 führte zu einer weiteren Annäherung zwischen Österreich und Frankreich im Sinne eines Offensivbündnisses.1025 Der Kriegseintritt Frankreichs auf der Seite der antipreußischen Koalition wirkte sich auf die Eidgenossenschaft aus, da nun ein Kampfeinsatz Schweizer Truppen absehbar wurde. Am 26. September 1756 tauchten in der Schaffhauser Zeitung die ersten Meldungen auf, dass Schweizer Einheiten, unter anderem das Berner Regiment Jenner, bald gegen Hannover marschieren sollten.1026 Diese Nachricht löste in Bern Unruhe aus. In seiner Sitzung vom 29. September stellte der Berner Geheime Rat1027 zwar fest, dass der Kommandant des Regiments, Samuel Jenner (1705 – 1779), noch keinen Befehl erhalten habe, mit seinem Regiment nach Deutschland zu marschieren.1028 Es handelte sich also um eine Falschmeldung der Zeitung. Trotzdem diskutierte das Gremium an Tag die rechtlichen Voraussetzungen und die politischen Auswirkungen eines solchen Einsatzes von Berner Truppen. Während einige Ratsherren der Meinung waren, dass es ohne konkrete Kenntnis irgendwelcher Angriffsbefehle verfrüht sei, Beschlüsse zu

1021 Meyer, Beurteilung (wie Anm. 1018), S. 97, 100; siehe auch: Feller, Bern (wie Anm. 1006), S. 378. 1022 Meyer, Beurteilung (wie Anm. 1018), S. 103. 1023 Ebd., S. 106. 1024 Corvisier u. a., Histoire (wie Anm. 167), S. 92. 1025 Füssel, Der Siebenjährige Krieg (wie Anm. 1013), S. 35. 1026 Witschi, Friedrich der Grosse (wie Anm. 1019), S. 61. 1027 Der Geheime Rat war ein Ausschuss des Kleinen Rats, der u. a. dringende außen- und sicherheitspolitische Geschäfte behandelte. 1028 StABE B I 4 Bd. 3: Geheimes Manual (Geheimratsmanual) der Stadt Bern (5. Dezember 1752 – 18. April 1758), S. 237.

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verkünden,1029 sahen andere den Einsatz Berner Truppen als unvereinbar mit dem Bündnis von 1663 und den Kapitulationen der Jahre 1671 und 1751 an.1030 Die Beteiligung des Berner Regiments beim Angriff auf Preußen und seine Verbündeten könne des Weiteren dem Kanton die Freundschaft der protestantischen Reichsstände kosten.1031 Die letzte Meinung setzte sich durch, denn am 11. Oktober 1756 beschloss der Große Rat, die Berner Regimentskommandanten und die Mächte, mit welchen die Stadt Soldverträge abgeschlossen hatte, schriftlich darüber zu informieren, dass die Berner Einheiten nur defensiv eingesetzt werden durften, so wie es in den Kapitulationen vorgesehen war.1032 Die Antwort des französischen Gesandten in der Schweiz, Th¦odore Chevignard de Chavigny,1033 vom 2. November 1756 verbot den Bernern ihre Interpretation der Verträge, die der König von Frankreich weiterhin nach seinem Rechtsempfinden auslegen werde.1034 Auf die Berner Truppen könne außerdem verzichtet werden.1035 Der Geheime Rat entschied sich daraufhin in seinem Vorschlag für ein Antwortschreiben, die Ansichten der Berner Regierung zu bekräftigen und wollte vor allem am Schluss den Botschafter darauf hinweisen, sich eines höflicheren Tons zu bedienen, denn: »[…] die fründschafftlichsten Erin[n]erungen empfindlich fallen müößen, so bald dieselbe so gestaltet sind, daß sie unseren frey¨en Stand und davon unzertrebar abhangenden Würden zu nahe tretten kön[n]en.«1036 Diese Wortgefechte blieben vorübergehend bedeutungslos, da im Winter 1756 keine französischen Operationen gegen Hannover oder Preußen zustande kamen. Pläne, eine französische Schutztruppe nach Böhmen zu schicken (die Zürcher Obrigkeit wäre mit einer solchen Verwendung ihrer Truppen einverstanden gewesen), wurden ebenfalls nicht realisiert.1037 In Zugzwang kamen die Berner und Zürcher dagegen im darauffolgenden Jahr : Am 1. Mai 1757 schlossen Österreich und Frankreich den zweiten Vertrag von Versailles, der Frankreich dazu verpflichtete, eine Armee von 105.000 Mann zu mobilisieren

1029 1030 1031 1032 1033 1034

Ebd. S. 238. Ebd., S. 243. Ebd., S. 244. StABE A II 818 Nr. 232: Ratsmanual der Stadt Bern (12. Juli–14. Oktober 1756), S. 487. Th¦odore Chevignard de Chavigny (1687 – 1771). Meyer, Beurteilung (wie Anm. 1018), S. 120; Witschi, Friedrich der Grosse (wie Anm. 1019), S. 62. 1035 Ebd. 1036 StABE B I 4 Bd. 3 (wie Anm. 1028), S. 270: »Project Schreibens an Jhro Exc(ellenz) de Chavigni. Königl(ich) französischen Bottschaffter der Schweitz, dermals in Paris«; der Brief der Berner Regierung wurde, mit übereinstimmendem Inhalt, am 3. Dezember abgesandt. Witschi, Friedrich der Grosse (wie Anm. 1019), S. 63, Anm. 45. 1037 Meyer, Beurteilung (wie Anm. 1018), S. 122 f.

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und offensiv gegen Preußen vorzugehen.1038 Im Frühjahr 1757 begann die französische Offensive.1039 Eine französische Armee unter dem Kommando des Marschalls d’Estr¦es überquerte den Rhein bei Wesel und griff Hannover an, während eine kleinere französische Armee, vom Fürsten von Soubise befehligt, die Reichstruppen bei ihrer Reichsexekution gegen Preußen unterstützen sollte.1040 Im April 1757 erhielt Ulrich Lochmann (1700 – 1777), Kommandant des Zürcher Regiments in französischen Diensten, als Teil der Armee von Soubise den Befehl, in den preußischen Teil Gelderns einzumarschieren.1041 Oberst Lochmann weigerte sich, mit Berufung auf die Kapitulation des Regiments und die Anweisungen der Zürcher Obrigkeit, diesem Befehl nachzukommen.1042 Die französische Führung reagierte äußerst konsequent: Lochmann bekam den Befehl, sich mit seinen Truppen von der Invasionsarmee zu entfernen. Am 9. Mai erhielt der Oberst die Order, sich nach Lille in Arrest zu begeben, des Weiteren drohte Frankreich Zürich mit der Auflösung des Regiments.1043 Angesichts des Drucks und ohne Unterstützung von den anderen Kantonen, knickte Zürich im August 1757 ein und erlaubte, dass das Regiment offensiv eingesetzt werden durfte.1044 Das Berner Regiment unter seinem Obersten Jenner erhielt dagegen etwas später, am 2. Juni 1757, den Auftrag, in das Gelderland zu marschieren.1045 In seiner Sitzung vom 14. Juni 1757 wog der Geheime Rat die Möglichkeiten Berns in dieser Situation ab und kam zum Schluss, dass ein Bruch mit Frankreich für die Republik sehr unvorteilhaft wäre, da man in vielen Angelegenheiten auf die Gunst Frankreichs angewiesen sei. Das weit entfernte Königreich Preußen habe im Gegensatz dazu nicht den gleichen Einfluss auf innereidgenössische Angelegenheiten.1046 Die auf der Ratssitzung vom 17. Juni beschlossenen Schreiben an den französischen Kriegsminister de Paulmy und den französischen Botschafter zeigten genauso wenig Wirkung wie die vorherigen Versuche der Republik Bern, die französische Führung umzustimmen, einzig der Tonfall der Antwort schien etwas respektvoller geworden zu sein.1047 Das Regiment überschritt schließlich 1038 Füssel, Der Siebenjährige Krieg (wie Anm. 1013), S. 35; Szabo, Seven Years War (wie Anm. 1014), S. 49 f. 1039 Füssel, Der Siebenjährige Krieg (wie Anm. 1013), S. 39. 1040 Corvisier u. a., Histoire (wie Anm. 167), S. 92. 1041 Meyer, Beurteilung (wie Anm. 1018), S. 123. 1042 Ebd. 1043 Ebd., S. 124. 1044 Ebd., S. 126. 1045 Witschi, Friedrich der Grosse (wie Anm. 1019), S. 70. 1046 StABE B I 4 Bd. 3 (wie Anm. 1028), S. 298 f., 14. Juni 1757. 1047 StABE A II 832 Nr. 236: Ratsmanual der Stadt Bern (31. Mai–26. August 1757), S. 124; Witschi, Friedrich der Grosse (wie Anm. 1019), S. 71.

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am 17. Juli 1757 den Rhein und war in jenem Jahr in Wesel, Münster und Minden stationiert, ehe es im November zum Winterfeldzug aufbrach.1048 Die Republik Bern verzichtete in der Folge auf weitere Proteste, auch wenn die Frage nach der rechtmäßigen Verwendung des Regiments im darauffolgenden Jahr ein Thema blieb. Nach einer alliierten Frühjahrsoffensive, welche die Franzosen im Juni 1758 wieder auf das linksrheinische Ufer zurückgeworfen hatte, rückte eine zweite französische Armee vor, und nach einer Niederlage in der Schlacht bei Sandershausen (23. Juli 1758) mussten sich nun die Alliierten zurückziehen.1049 Weil bei diesem Feldzug das Berner Regiment erstmals aktiv an den Kampfhandlungen teilnahm, beklagten sich England und Preußen beim Rat darüber, dass Berner Truppen offensiv gegen sie eingesetzt wurden.1050 Der Geheime Rat empfahl in Bezug darauf, dass der Rat den beiden Mächten erklären solle, dass die Berner bereits erfolglos alle Mittel ausgeschöpft hätten, um eine offensive Verwendung zu verhindern.1051 Wie wurden nun die Vorgänge der Jahre 1756 und 1757 über den Einsatz der Berner und Zürcher Regimenter von den Zeitgenossen begründet und bewertet? Einerseits griffen die Befürworter eines Einsatzes im Sinne Frankreichs auf historische Erfahrungen zurück. Am 18. April 1758 stellte der Geheime Rat fest, dass die ursprüngliche Kapitulation mit Ludwig XIV. wohl eigentlich defensiv angedacht gewesen war, dass aber die Truppen bereits kurz danach gegen Holland eingesetzt wurden, und auch im letzten Krieg Berner Einheiten in anderen Dienstorten nicht kapitulationsgemäß gegen Frankreich zum Einsatz kamen.1052 Ähnliches schrieb auch Louis C¦sar Gaudard, ein ehemaliger Offizier in Frankreich, der vermutlich nach 1766 eine Regimentsgeschichte des Berner Regiments in Frankreich verfasste: Er erläuterte, dass im Österreichischen Erbfolgekrieg Berner Einheiten in holländischen Diensten die Reichsgrenze überschritten und gegen Frankreich gekämpft hätten. Das Berner Regiment de Bettens in französischen Diensten war bei der Belagerung mehrerer Städte in den österreichischen Niederlanden dabei gewesen, so auch 1747 bei der Belagerung von Bergen-op-Zoom.1053 Samuel Jenner, damals noch Oberstleutnant in einem anderen Schweizer Regiment, weigerte sich zunächst, an dieser Belagerung teilzunehmen, Bern gab aber wiederum auf französischen Druck nach.1054 Die französische Seite bediente sich übrigens auch der Argumentation, dass 1048 B II 1192. Gaudard, Louis C¦sar (?), »M¦moire sur le service des Suisses en France et sur le R¦giment de Erlach«, [nach 1766], S. 58. 1049 Füssel, Der Siebenjährige Krieg (wie Anm. 1013), S. 47 f. 1050 StABE B I 4 Bd. 3 (wie Anm. 1028), S. 337 f. 1051 Ebd., S. 339 f. 1052 Ebd., S. 338 f. 1053 StABE B II 1192 (wie Anm. 1048), S. 56. 1054 Witschi, Friedrich der Grosse (wie Anm. 1019), S. 61.

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der Einsatz der Berner Truppen in vorherigen Kriegen diskussionslos ablief.1055 Der feine Unterschied zwischen der Situation von 1757 und der von 1747 war jedoch, dass im Österreichischen Erbfolgekrieg Preußen noch ein Alliierter Frankreichs gewesen war. Trotzdem betonte der Geheime Rat in seinem Vorschlag für einen Antwortbrief an den englischen und preußischen Gesandten, dass die Berner nun aus Gründen der Gleichbehandlung gezwungen seien, der französischen Führung den offensiven Gebrauch ihrer Truppen zu erlauben.1056 In dieser Staatsaffäre um die Rheinüberquerung der Jahre 1757 und 1758 wurde der Kommandant des Regiments, Samuel Jenner, rasch zu einem (Teil-) Schuldigen dieses außenpolitischen Konflikts gemacht. Jenner galt für die englischen und preußischen Gesandten als der Verführer, der den anderen Schweizer Regimentern als Beispiel vorangegangen war.1057 Gaudard schreibt in seinem »M¦moire«, dass Jenner, als sich die französische Armee mit seinem Regiment 1756 den Grenzen des Reichs näherte, nach Bern zurückkehrte, um sein Marschgepäck zusammenzustellen und um dafür zu sorgen, dass er in den Krieg ziehen könne: »pour empÞcher, pour son cr¦dit, qu’on ne fit aucune opposition au passage du Rhin.«1058 Gaudard erwähnt ferner, dass in den Ratsverhandlungen im Herbst 1756 dem Oberst vorgeworfen wurde, dass er aus eigennützigen Motiven und mit der Absicht, seine Karriere zu fördern, den Marsch seines Regiments gegen Hannover verteidige.1059 Obendrein wurde impliziert, dass sich der Berner nicht genügend gegen die französische Befehle wehrte, während sein Zürcher Kamerad, Oberst Lochmann, sogar eine Arreststrafe in Kauf nahm.1060 Einige Ratsherren drohten in der Ratssitzung vom 3. November sogar mit der Ausbürgerung des Berner Obersten.1061 Samuel Jenner stand während diesen Diskussionen mit dem Berner Rat in schriftlichem Kontakt und übermittelte immer die neusten Ereignisse »von der Front«. Am 2. Juli schrieb Jenner, dass er versuche, seine Einheit von der Front wegzuhalten, doch er zählte auch die möglichen Konsequenzen einer Befehlsverweigerung auf: »Desobey¨ssance auroit ¦t¦ puny¨ par la casse [Amtsenthebung, M. H.], la prison ou peüt estre la mort, que je craint certainem[en]t pas, sy¨ elle peut estre utile — ma patrie, les loix de la guerre sont severes, les rois ne dependent pas d’un officier particulier, come est un colonelle, d’allieurs Monseigneur, j’ose vour rapplier de considerer que la contestation

1055 1056 1057 1058 1059 1060 1061

StABE B I 4 Bd. 3 (wie Anm. 1028), S. 297. Ebd., S. 343. Feller, Bern (wie Anm. 1006), S. 380. StABE B II 1192 (wie Anm. 1048), S. 56. Ebd., S. 57. Ebd., S. 57 f. Witschi, Friedrich der Grosse (wie Anm. 1019), S. 63.

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sur le sens de la capitulation fait une affaire entre les souverains respectifs, et un individü joue un fort mauvais rolle vis — vis d¦s puissances […].«1062

Jenner betonte aber auch, dass drei andere Schweizer Regimenter mit der identischen Kapitulation bereits bei der französischen Armee seien, während vier andere »de bonne volont¦« anmarschierten, um dem König zu dienen. Seinen Brief schloss Jenner mit einer floskelhaften Bemerkung, dass seine Situation misslicher nicht sein könne, und er auf die Gerechtigkeit der Gnädigen Herren hoffe.1063 Im Sommer 1758, als die französischen Truppen wieder in die Offensive gingen, erklärte Samuel Jenner dem Berner Rat, dass er bereits am 25. Mai dieses Jahres bezüglich seines Regiments Briefe an verschiedene französische Offiziere verschickt habe, unter anderem an den Grafen von Eu, die unbeantwortet geblieben seien, er halte es aber für unangemessen, weitere Gesuche zu stellen, da er ja noch auf französischem Gebiet stehe.1064 Am 29. Juni informierte Jenner den Rat, dass er durchgesetzt habe, dass sein Regiment aufgrund seiner geringen Mannschaftsstärke nur Wachdienste leisten müsse.1065 Am 20. Juli, als nun eine Überquerung des Rheins wahrscheinlicher wurde, bat Jenner um konkrete Verhaltensweisungen der Obrigkeit, die er auch dem Zürcher Regiment übermitteln werde;1066 doch er musste schließlich gestehen, dass seine Anliegen von der französischen Führung nicht beachtet wurden.1067 Er bat deshalb den Berner Rat um Nachsicht, denn wenn nun die Berner Offiziere das Regiment verlassen müssten, so würde sie das ruinieren, außerdem würde das ganze Regiment in finanzielle Schwierigkeiten kommen, wenn es nicht den Rhein überqueren könne.1068 Aus seinen Briefen an den Berner Rat wird deutlich, dass Samuel Jenner versucht, sich als einen treuen Soldaten darzustellen, der ohne eigenes Verschulden zwischen die politischen Fronten geraten war. Er will den Eindruck vermeiden, dass er auf der Suche nach Ruhm oder um seine Karriere zu befördern in den Krieg zieht. Demgegenüber präsentiert er sich vor seiner Obrigkeit als pflichtbewusster Untertan. Interessant ist, dass die Kritik, die bereits von den Zeitgenossen gegen den Obersten Jenner gerichtet wurde, sich auch in der Literatur über Bern im Siebenjährigen Krieg niederschlug. In seiner Monographie zu den Beziehungen zwischen Bern und Friedrich II. bezeichnet Rudolf Witschi Jenner als »allzug-

1062 1063 1064 1065 1066 1067 1068

StABE A V 101: Frankreichbuch Bd. QQ, Nr. 224, Brief vom 2. Juli 1757. Ebd. StABE A V 101 (wie Anm. 1062), Nr. 435: Brief vom 21. Juni 1758. Ebd., Nr. 439: Brief vom 29. Juni 1758. Ebd., Nr. 447: Brief vom 20. Juli 1758. Ebd., Nr. 457: Brief vom 14. August 1758. Ebd., Nr. 457: Brief vom 14. August 1758.

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rossen Franzosenfreund«1069 und übernimmt die Darstellung des Offiziers als überehrgeizigen Karrieremenschen: »Fest steht, dass er sich von jung auf bemerkbar machte, dass er sich mit grosser Willenstärke und rücksichtsloser Energie den widrigen Weg zu bahnen wusste, den ihm sein Ehrgeiz wies«,1070 wobei Witschi betont, dass Jenner als Soldat über alle Zweifel erhaben gewesen sei.1071 Die nicht direkt involvierten Schweizer Söldneroffiziere drückten sich über die Vorgänge in Bern und Zürich eher nachsichtig aus, vertraten aber klar eine profranzösische Position, was angesichts der Tatsache, dass sie in Frankreich dienten, nicht weiter erstaunt. Beat Franz Plazidius Zurlauben informierte bereits am 29. Oktober 1756 seinen Neffen Beat Fidel über einen sich anbahnenden diplomatischen Konflikt. Zurlauben schreibt, dass er von einem Berner Offizier erfahren habe, dass die Republik Bern dem französischen König mitgeteilt habe, dass das Regiment Jenner nicht gegen Protestanten eingesetzt werde.1072 Eine Woche später äußerte sich der ältere Zurlauben wieder zu diesem Thema. Er lobte den Entschluss des französischen Königs, die Regimenter aus Zürich und Bern nach Deutschland zu beordern. Zurlauben war offenbar der Meinung, dass die Antwort des Hofes auf die Einwände Berns einen Präzedenzfall für zukünftige offensive Einsätze der Schweizer schaffen werde.1073 Karl Andreas Schnyder von Wartensee erklärte seinem Bruder am 20. Juni 1757, dass widersprüchliche Informationen darüber kursierten, ob Oberst Jenner nun den Rhein überquert habe oder nicht. Man sage aber, dass die Hauptleute, die sich dem Befehl verweigern würden, entlassen würden, da kein Vertrag die Rheinüberquerung verbiete. Schnyder von Wartensee mutmaßte weiter, dass sich Bern und Zürich Feinde schaffen würden, wenn ihre Einheiten den Rhein überqueren würden, insbesondere müssten sie auf die Unterstützung des preußischen Königs verzichten, der keine Freude an einem solchen Verhalten haben werde.1074 Zwei Jahre später schrieb Schnyder von Wartensee, dass sich das Problem der Rheinüberquerung für die Berner und Zürcher Einheiten erledigt habe, doch wenn der Krieg für Preußen im Moment vorteilhafter verlaufen würde, so wären die beiden Kantone Frankreich gegenüber vermutlich weniger entgegenkommend.1075 Für beide Offiziere schien klar, dass in der Si1069 1070 1071 1072

Witschi, Friedrich der Grosse (wie Anm. 1019), S. 61. Ebd. Ebd. KBAG AH 185/31: Zurlauben (Franz Plazidius), An seinen Neffen Beat Fidel (29. Oktober 1756). 1073 KBAG AH 183/192 (wie Anm. 842). 1074 StALU PA 954 – 19623: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (20. Juni 1757). 1075 StALU PA 954 – 19623: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (4. September 1759).

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tuation politische und nicht konfessionelle Gesichtspunkte das Verhalten der beiden reformierten Kantone bestimmten. Überraschenderweise kommentierte, soweit bekannt ist, der Berner Gabriel Albrecht von Erlach, der 1759 eine Kompanie in eben jenem Berner Regiment übernahm, die ganze Angelegenheit weder in seinen Briefen noch in seinem Tagebuch. Auch in den historischen Arbeiten des Berners May de Romainmútier oder des Freiburger Paters FranÅois Girard wird nicht auf die diplomatischen Verwicklungen der Jahre 1756 bis 1758 eingegangen, die Autoren beschränken sich auf die Darstellung der Ruhmestaten des Regiments beziehungsweise ihres Kommandanten.1076 Ansonsten hielten sich die Schweizer Söldneroffiziere in ihren Briefwechsel während des Siebenjährigen Krieges aus konfessionspolitischen Angelegenheiten und Streitigkeiten weitgehend heraus. Mit solchen Themen beschäftigten sich vielmehr die politisch interessierten Schweizer zu Hause: Ein Korrespondent Zurlaubens, der Luzerner Pfyffer von Heidegg, teilte dem Zuger am 16. Oktober 1756 mit, dass er über den Ausgang der Schlacht von Lobositz, die rund zwei Wochen vorher stattgefunden hatte, keine verlässlichen Nachrichten habe, deswegen sei es so: »[…] le meilleur parti est donc de prier en attendant, come vous pensez tres religieusement, le bon Dieu, qu’il veuille etre pour la partie, qui defende la justice À la sainte foi […].«1077 Ein Jahr später kommentierte derselbe den preußischen Sieg gegen Österreich in der Schlacht von Leuthen und eine angebliche Niederlage der französischen Armee in Hannover mit der Bemerkung, dass die Luzerner, wenn es so weitergehe, bald Kanonen auf ihren Mauern aufstellen müssten, weil die Protestanten gegen sie Krieg führen würden.1078 In ihrer Korrespondenz waren die Offiziere bemüht, ihren Angehörigen die neuesten Informationen und ihre Einschätzung der Kriegslage weiterzugeben. In den ersten Jahren des Krieges gingen die Offiziere in ihren Briefen häufig davon aus, dass Preußen den Krieg nicht lange durchstehen werde. Karl Andreas Schnyder von Wartensee informierte zwar im Juni 1757 seinen Bruder, dass Friedrich II. nicht, wie offenbar berichtet wurde, tödlich verletzt sei. Schnyder von Wartensee war jedoch trotzdem überzeugt, dass Preußen in jenem Jahr den Krieg verlieren werde, und schrieb etwas spöttisch, dass Friedrich II. bald »mit dem titel Marquis de Brandenbourg sich [wird] contentieren müößen«.1079 Romain de Diesbach-Belleroche schrieb im August 1757 seiner Frau, dass ein 1076 May de Romainmútier, Histoire (wie Anm. 40), Bd. 1, S. 219 ff.; Girard, Histoire (wie Anm. 725), Bd. II, S. 33. 1077 KBAG AH 179/128: Pfyffer von Heidegg, An Beat Fidel Zurlauben (16. Oktober 1756). 1078 KBAG AH 179/155: Pfyffer von Heidegg (?), An Beat Fidel Zurlauben (21. Dezember 1757). 1079 StALU PA 954 – 19623: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (Juni 1757).

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Frieden noch im selben Jahr möglich sei, wenn sich Friedrich II. aus Sachsen zurückziehe. Es sei für den preußischen König die beste Entscheidung, denn er sei von Feinden umgeben, und man verfolge ihn wie einen Wolf.1080 Im Oktober 1757 gab Schnyder von Wartensee dem preußischen König ein Jahr, in dem er noch Krieg führen könne.1081 Trotz der oben erwähnten überraschenden Erfolge Friedrichs II. am Ende des Jahres 1757 war Schnyder von Wartensee im November 1758 immer noch nicht von der Durchhaltefähigkeit Preußens überzeugt. Er schrieb, dass sich die preußische Armee nach der Schlacht von Zorndorf (25. August 1758) wieder gut erholt habe, trotzdem werde Friedrich II. den Krieg längerfristig nicht durchhalten.1082 Erst nach 1759 tauchen in der Korrespondenz Schnyder von Wartensees Befürchtungen auf, dass der Krieg lange dauern könnte. Im Februar 1759 schrieb er, dass man Vorbereitungen treffe, den Krieg noch »hitziger« fortzusetzen und dass alle Friedenshoffnungen zerschlagen seien.1083 Ein Jahr später, im Januar 1760, schrieb er enttäuscht: »[…] vor etwas weniger Zeith verhoffete man sicher den Friden zu haben, es scheint neüwer dings alles in mehr erbitteret und verwirth [verwirrt, M. H.] zu sein.«1084 Einige Monate darauf bemerkte er aufgrund der Lebensmittel- und Munitionslieferungen an die Armee, dass der Krieg wohl vehementer fortgesetzt werden würde. Dies, obwohl das »hiesige Land«, damit meint er wohl das Gebiet Pfalz/Oberrhein, in dem er zu jener Zeit stationiert war, nach vielen Kriegsjahren verarmt sei, und das Anrücken der französischen Armee es nur noch unglückseliger machen werde.1085 Diese eher pessimistischen Beurteilungen gingen in den Briefen mit wiederholten Gerüchten über einen bevorstehenden Frieden einher, ein Frieden, den die Offiziere sich offenbar sehr herbeiwünschten. FranÅois-Romain de Diesbach-Belleroche teilte seiner Frau bereits im September 1757 mit, dass unter den Offizieren Wetten für und gegen den Frieden abgeschlossen würden.1086 Karl Andreas Schnyder von Wartensee gab im März 1759 zu, dass er nicht an einen

1080 Privatarchiv Diesbach de Belleroche (wie Anm. 410). 1081 StALU PA 954 – 19623: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (2. Oktober 1757). 1082 StALU PA 954 – 19623: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (9. November 1758). 1083 StALU PA 954 – 19623: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (23. Februar 1759). 1084 StALU PA 954 – 19623: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (11. Januar 1760). 1085 StALU PA 954 – 19623: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (31. Mai 1760). 1086 Privatarchiv Diesbach de Belleroche: Diesbach de Belleroche, Romain de, An seine Ehefrau (24. September 1757).

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Frieden glaube, aber dass er sich über die Nachricht darüber freuen würde.1087 Am Ende des Jahres schrieb er, dass die russische Armee Preußen vielleicht so in Bedrängnis bringen könnte, dass sie Frieden schließen würden.1088 Im Jahre 1761 schien für manche ein baldiger Friede vorstellbar : Abraham von Erlach (1716 – 1782), Kommandant des Berner Regiments in Frankreich, schrieb im März 1761 aus Bern, dass in der Stadt alle vom Frieden sprächen. Er sei überzeugt, dass Friedensverhandlungen geführt werden würden, und seiner Meinung nach wäre dies in dem Moment die beste Lösung.1089 Auch Paris l’A„n¦ hoffte in einem Brief aus Deutschland vom 1. September 1761 auf einen bevorstehenden Frieden.1090 De Diesbach-Belleroche schrieb im Juli 1761, dass der französische Hof nichts Besseres tun könne, als einen gefährlichen und unvorteilhaften Krieg zu beenden.1091 Nur einen Monat später wiederholte er seine Aussage: Frankreich habe keinen Erfolg, aber das Königreich werde ruiniert, man schaffe überall bloß bedauernswerte Menschen, und in der Armee und den Provinzen seien alle für den Frieden.1092 Andere sahen die Lage pessimistischer : Im Februar 1761 erklärte Karl Andreas Schnyder von Wartensee seinem Bruder, dass man bei ihnen nichts von Friedensgesprächen höre, wohl aber, dass der Feldzug früh beginnen werde. Fast resigniert gestand er ein, dass sich Friedrich II. besser als erwartet schlage: »[…] der König in Preüßen defendiert sich dermahlen wohl, das die anderen arm¦en großen anstand finden werden, ihne zu vernichten, so anfänglich scheinte leicht zu sein.«1093 Im Dezember 1761 äußerte Gabriel-Joseph de Reynold gegenüber Beat Fidel Zurlauben, dass man einem künftigen Frieden keinen Glauben schenken könne.1094 Tatsächlich kamen im fünften Kriegsjahr 1761 Friedensverhandlungen allmählich in Sicht, da die meisten Kriegsparteien langsam erschöpft waren.1095 Im März 1761 gab es die ersten Kontakte zwischen dem französischen Außenminister Choiseul und seinem englischen Amtskollegen William Pitt (1708 – 1778)

1087 StALU PA 954 – 19623: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (18. April 1759). 1088 StALU PA 954 – 19623: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (1. September 1759). 1089 KBAG AH 176/104: Erlach, Abraham von, An Beat Fidel Zurlauben (26. März 1761). 1090 KUB A–916/54 (wie Anm. 255), (1. September 1761). 1091 Privatarchiv Diesbach de Belleroche: Diesbach de Belleroche, Romain de, An seine Ehefrau (24. Juli 1761). 1092 Privatarchiv Diesbach de Belleroche: Diesbach de Belleroche, Romain de, An seine Ehefrau (16. August 1761). 1093 StALU PA 954 – 19623: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (13. Februar 1761). 1094 KBAG AH 181/139: de Reynold, An Beat Fidel Zurlauben (5. Dezember 1761). 1095 Füssel, Der Siebenjährige Krieg (wie Anm. 1013), S. 54 f.

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über einen möglichen Frieden.1096 Doch noch im April 1762 schrieb Schnyder von Wartensee seinem Bruder, dass der Krieg jedes Jahr härter werde.1097 Der Siebenjährige Krieg ging bis zum Ende des Jahres weiter, die endgültigen Friedensverträge wurden erst im Februar 1763 zwischen England und Frankreich in Paris sowie zwischen Preußen und Österreich auf Schloss Hubertusburg in Sachsen unterzeichnet.1098 Im Nachhinein betrachtet, unterlagen Karl Andreas Schnyder von Wartensee und FranÅois-Romain de Diesbach-Belleroche mit ihrer pessimistischen Einschätzung der preußischen Durchhaltefähigkeit einem großen Irrtum. Das überrascht nicht, denn für viele Zeitgenossen grenzte es an ein Wunder, dass es Friedrich II. geschafft hatte, gegen die antipreußische Koalition zu bestehen. Des Weiteren fällt auf, dass der Person des preußischen Königs von allen Seiten Respekt für sein strategisches Geschick und für seine Leistung als Feldherr gezollt wurde. Der Berner Abraham von Erlach schrieb am 18. Oktober 1761, dass Friedrich II. trotz des empfindlichen Verlusts der Stadt Schweidnitz in Schlesien einen guten Feldzug geführt habe.1099 Selbst der Katholik Pfyffer entschuldigte sich in dem gleichen Brief, in dem er seine Furcht über die Erfolge der Reformierten ausdrückte, für das überschwängliche Lob, mit dem er Friedrich II. angesichts seiner Erfolge in den Schlachten von Rossbach und Leuthen beehrte. Der Luzerner schrieb, sichtlich überrascht, über den König: »quelle changement! quelle vitesse! quelle presence d’esprit de Frideric!«, und betonte, dass man Friedrich seinen Beinamen (der Große) nicht länger verweigern könne.1100

9.3

Die französische Militärreform von 1763

Für Frankreich ging der Siebenjährigen Krieg schlecht aus: Das Königreich hatte nicht nur seine Kolonien in Nordamerika verloren, die empfindlichen militärischen Niederlagen des Jahres 1757 stürzten seine Armee, welche vor dem Krieg als einer der besten Europas galt, in eine Krise. Die Soldaten hatten einen schlechten Ruf. Sie galten als rauflustig, als Verbreiter von Geschlechtskrankheiten, und einige wurden nach ihrer Entlassung zu Dieben und Wegelagerern.1101 Doch vor allem das Offizierskorps stand in der Pflicht: Mängel in ihrem 1096 Ebd., S. 85. 1097 StALU PA 954 – 19623: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (1. April 1762). 1098 Füssel, Der Siebenjährige Krieg (wie Anm. 1013), S. 85 u. 88. 1099 KBAG AH 180/26: Erlach, Abraham von, An Beat Fidel Zurlauben (18. Oktober 1761). 1100 Ebd. 1101 Ebd., S. 108 f.

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Ausbildungsstand, Kritik an der Käuflichkeit von Stellen sowie der Wunsch, die adeligen Hauptleute und Kompanieinhaber stärker unter die Kontrolle der Krone zu bringen, beförderten nach dem Kriegsende bereits vorhandene Bestrebungen, die französische Armee grundlegend zu reformieren.1102 Die zentrale Figur der Armeereform war der Herzog von Choiseul, ab 1761 Kriegs- und Marineminister. Seine Absicht war es, Kosten zu senken und gleichzeitig die französische Armee moderner und effizienter zu machen.1103 Eine der wichtigsten Veränderungen, welche die Reform mit sich brachte, war eine Einschränkung der traditionellen Kompaniewirtschaft. Das bedeutete, dass bisherige Verantwortlichkeiten der Hauptleute wie die Rekrutenwerbung, die Beschaffung der Ausrüstung oder die Kontrolle der Finanzen nunmehr zentral durch den Regimentsstab organisiert wurden, welcher deswegen um die entsprechenden Spezialisten ergänzt wurde.1104 Das Offizierskorps wurde stärker nach dem Leistungsprinzip organisiert: Zwar wurden Oberste weiterhin nach ihrer Anciennität ernannt, und ihre Regimenter blieben käuflich. Choiseul konnte allerdings durchsetzen, dass fortan die wichtigen Stabsoffiziere wie Oberstleutnant und Major vom König aus den Bewerbern ernannt wurden, die vorher von den Inspektoren als geeignet ausgewählt worden waren. Junge Offiziere durften ihre Pflichten nicht ausüben, bevor sie nicht drei Monate lang eine Grundausbildung genossen hatten, und um eine einheitliche Ausbildung sicherzustellen, wurden die Offiziere verpflichtet, die gleichen Handgriffe wie die Soldaten zu beherrschen und diese täglich zu üben.1105 Um Kosten zu sparen, ließ Choiseul zusätzlich überzählige Offiziere entlassen.1106 Die Schweizer Regimenter waren ebenfalls von seinem Reformwillen betroffen. Bereits vor dem Ausbruch des Siebenjährigen Krieges hatte der französische Botschafter in der Eidgenossenschaft, Chavigny, verschiedene Schweizer Offiziere damit beauftragt, Denkschriften für eine Reform des Solddienstes auszuarbeiten. Der Grund dafür war offenbar eine Eingabe Freiburger Offiziere aus dem Jahr 1754, welche die Öffnung des Solddienstes für alle interessierten Familien forderte.1107 Alle vom Botschafter angefragten Offiziere sprachen sich für eine stärkere kantonale Kontrolle der Einheiten und für eine 1102 Siehe Corvisier u. a., Histoire (wie Anm. 167), S. 92 ff. u. 103 f.; Koster, Daniel, Auswirkungen der choiseulschen Heeresreformen in der Schweiz, Masterarbeit Universität Zürich (2013), S. 30 ff. 1103 Ebd., S. 33. 1104 Opitz, Militärreformen (wie Anm. 122), S. 86. 1105 Ebd., S. 87 u. 89. 1106 Ebd., S. 83; siehe auf dieser Seite auch: Anm. 9. 1107 Wolpert, Paul, Die diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und der Eidgenossenschaft 1752 – 1762. Die Ambassade von A. Th. de Chavigny, Basel 1966, S. 56.

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Abschaffung der Halbkompanien aus. Manche Offiziere waren sogar für die Aufhebung der erblichen Familienkompanien.1108 Dem Herzog von Choiseul und Peter Viktor Besenval, ab 1759 Generalinspektor der Schweizer Truppen, war die personelle Zusammensetzung der Schweizer Einheiten ein weiterer Dorn im Auge. Beide kritisierten, dass in den Schweizer Regimentern kaum Schweizer, sondern Männer aus allen möglichen Ländern dienten.1109 Verschiedene Maßnahmen sollten diesen Zustand verbessern. Eine Ordonnanz vom 1. August 1763 erlaubte den Schweizer Hauptleuten, ein Drittel ihres Bestandes durch Nichtschweizer zu decken, es wurde ihnen jedoch verboten, Elsässer oder Lothringer anzuwerben,1110 die bis dahin einen großen Teil der Nichtschweizer ausgemacht hatten. Am 1. März 1763 erhielt das Bündner Regiment von Salis eine neue Ordonnanz,1111 und am 1. Juni desselben Jahren ging diese auch an die Schweizergarde, wo sie von Franz Plazidius Zurlauben, dem Obersten der Schweizergarde, angenommen wurde.1112 Am 10. Mai 1764 folgte schließlich die endgültige Variante der Ordonnanz für die elf Schweizer Linienregimenter.1113 Im selben Jahr arbeiteten Bern und Zürich unabhängig von den anderen Orten eine neue Kapitulation für ihre Regimenter aus.1114 In der Berner Kapitulation von 1764 wurde festgelegt, dass Kompanien weder geteilt noch als erblich betrachtet werden durften.1115 Die Kapitulation Zürichs und Berns von 1764 diente als Vorbild für die übrigen eidgenössischen Orte, die im Laufe des Jahres 1764 mehrheitlich neue Verträge für ihre Truppen mit Frankreich abschlossen, in denen die neuen Vorgaben berücksichtigt wurden.1116 Die Ausnahme waren hier vor allem die Stände Schwyz und Zug, wie noch zu sehen sein wird. Die Reformen von Choiseul führten zu Unruhe im französischen Offizierskorps.1117 In den Selbstzeugnissen der Schweizer Offiziere fiel die Beurteilung der Reformen unterschiedlich aus. Antoine-Jean de Castella schrieb am 6. Oktober 1764 seinem Cousin Tobie de Castella, dass er den Beschluss der 1108 Ebd., S. 57. 1109 Fuhrer, Hans Rudolf; Eyer, Robert-Peter, Die ›Fremden Dienste‹ im 17. und 18. Jahrhundert, in: Fuhrer u. a., In ›Fremden Diensten‹ (wie Anm. 4), S. 101 – 138, hier S. 114; Besenval, M¦moire (wie Anm. 489), Bd. 1, S. 14. 1110 Corvisier u. a., Histoire (wie Anm. 167), S. 26. 1111 StASZ 455.002: Ordonnanz für das Bündner Regiment von Salis vom 1. März 1763. 1112 Brändle, Demokratie (wie Anm. 1008), S. 247; May de Romainmútier, Histoire (wie Anm. 40), Bd. 1, S. 228. 1113 StAZH B VIII 397: General-Capitulation für die Schweizer – und Bündtner Truppen in Königlich franz. Diensten, d. d. 10ten Majus 1764. 1114 Eidgenössische Abschiede (wie Anm. 200), Nr. 239. 1115 StABE B II 1047 (wie Anm. 282), S. 5, Art. II. 1116 May de Romainmútier, Histoire (wie Anm. 40), Bd. 1, S. 228; siehe auch: Eidgenössische Abschiede (wie Anm. 200), Nr. 249. 1117 Opitz, Militärreformen (wie Anm. 122), S. 95 ff.

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Freiburger Regierung, dass für die Kompanien gemeinsam geworben werden soll, begrüße.1118 Er berichtete darüber hinaus stolz, dass das Regiment de Castella bei der Revue des Herren Besenval einen hervorragenden Eindruck gemacht habe. Der Herzog von Choiseul habe ihnen einen schmeichelhaften Brief geschrieben, in dem zu lesen gewesen sei, dass der Inspektor nichts zu wünschen übrig hätte, was Disziplin, Tenue, Korpsgeist, die gezeigten Manöver und die »beaut¦ et bont¦ des recrues« betreffe. In diesem Regiment gaben sich die Offiziere also Mühe, die Reformen umzusetzen. Bei den Kritikern finden sich vor allem Klagen über die intensivere Ausbildung der Offiziere. Antoine Marie Augustini bezeichnet in seiner Autobiographie das neue Ausbildungskonzept, das im Frühjahr 1765 im Regiment de Courten eingeführt wurde, als »preüsische[s] Exercitium«.1119 Er klagt, dass der Aide-Major des Regiments sie bis 21 Uhr exerzieren und wie Marionetten eine ganze Viertelstunde auf einem Bein stehen lasse.1120 Louis de Courten, der im gleichen Regiment diente, klagt in seiner Autobiographie über die »frenesie pour les exercices«, die zu jener Zeit geherrscht habe, und erwähnt, dass viele alte Offiziere deswegen den Dienst verlassen hätten.1121 De Courten schreibt, dass auch im Jahre 1771 die Schwärmerei und der Fanatismus weiterhin im Regiment überwogen hätten. Er kritisiert die neuen Offiziere als »farceurs« (Witzbolde) und »pirouetteurs modernes« und behauptet, dass ihr Drang, allem nachzueifern, stärker sei als ihre Vernunft und ihr gesunder Menschenverstand.1122 Für einige Offiziere waren die Neuerungen offenbar nicht so bedeutend: Gabriel Albrecht von Erlach notierte in seinem Tagebuch lediglich, dass sie am 15. Mai die Nachricht von der neuen Kapitulation erhielten, am 29. Juni das Regiment entsprechend neu formiert wurde, und am 9. Juli der General d’ ArmentiÀres in ihre Garnison kam, um die Truppen zu exerzieren.1123 Karl Andreas Schnyder von Wartensee wusste bereits im April 1763, dass die Schweizergarde und die Schweizer Regimenter neue Kapitulationen erhalten würden, kannte aber zu dieser Zeit die Details noch nicht.1124 Am 5. Juni 1763 kündigte er seinem Bruder große Reformen bei den Schweizer Einheiten an und äußerte gleichzeitig seine Furcht, deswegen entlassen zu werden.1125 Eine Furcht, 1118 KUB A–1223: Castella, Antoine Jean de, An Tobie de Castella (?), (6. Oktober 1764). 1119 Der Vergleich mit Preußen findet sich bei Befürwortern der Reform, da ist die »preußische« Disziplin natürlich positiv besetzt. Zitiert nach: Opitz, Militärreformen (wie Anm. 122), S. 113. 1120 StAW Fonds Guillaume de Kalbermatten R 27 (wie Anm. 142), S. 28. 1121 StAW Archives de la famille de Courten S¦rie B Cn6/1.1 (wie Anm. 162), S. 23. 1122 Ebd., S. 42. 1123 StABE HA Spiez 89 (wie Anm. 151), S. 142 f. 1124 StALU PA 954 – 19623 (wie Anm. 333), (9. April 1763). 1125 StALU PA 954 – 19623: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (5. Juni 1763).

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die sich letztendlich bestätigte: In einem Brief vom 5. Juli 1763 schrieb er, dass er keine Kompanie erhalten habe und deshalb den Dienst verlassen müsse, doch dafür erhalte er eine Rücktrittspension von 3.000 Livres. Der 56-jährige Luzerner schien sich nach fast vierzig Jahren Dienst mit seinem »vorzeitigen Ruhestand« abgefunden zu haben. Im seinem Brief äußerte er jedenfalls keinen Frust oder Ärger darüber, sondern bat seinen Bruder lediglich, die genaue Höhe der Pension geheim zu halten.1126 Natürlich verteidigten Peter Viktor Besenval und Anton von Salis-Marschlins, die beide nacheinander in Frankreich den Posten des Generalinspektors bekleideten, die Reformen, an denen sie beide maßgeblich beteiligt waren. In einem Aufsatz über die Schweizer Truppen in Frankreich, der 1773 verfasst wurde, rühmte sich Besenval, die neue Ordonnanz ausgearbeitet zu haben, und rechtfertigte gleichzeitig die Notwendigkeit der Reformen. Er begründete seine Reformen mit dem desolaten Zustand, in dem sich die Schweizer Regimenter befunden hätten, bevor er die Gelegenheit erhalten habe, etwas dagegen zu tun.1127 Die Hauptleute hätten damals zu Nebenbeschäftigungen greifen müssen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, und sie hätten ihre Truppen wie Bauernhöfe betrachtet, die einen Gewinn erwirtschaften mussten.1128 Für diese Missstände machte er die mangelnde Aufsicht der französischen Regierung verantwortlich.1129 Besenval erklärt, dass die Implementierung der Reformen nicht einfach gewesen sei. Er habe die Kantone, die eifersüchtig über ihren Machtbereich gewacht hätten, und die Obersten, die Vetternwirtschaft mit den Offiziersstellen getrieben hätten, umgehen müssen, um seine Veränderungen durchzusetzen.1130 Doch dank seines Vorgehens seien die Schweizer Regimenter innerhalb von drei Jahren zu Vorbildern in Sachen Disziplin geworden, sie seien außerdem nun gut ausgebildet und frei von Schulden.1131 Anton von Salis-Marschlins erwähnt schon zu Beginn seiner Autobiographie, dass seine Ausbildung als junger Offizier, den damaligen Gepflogenheiten entsprechend, eher schlecht gewesen sei.1132 Salis, der die neue Ordonnanz von 1763 für sein Regiment ausgearbeitet und eingeführt hatte, kritisierte die Art und Weise der Umsetzung der neuen Kapitulation von 1764, die nicht seiner Empfehlung entsprochen habe. Er schreibt, dass das Kriegsministerium den Kantonen die Wahl zwischen einer neuen Kapitulation nach dem Vorbild des 1126 StALU PA 954 – 19623: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Karl Andreas an seinen Bruder (5. Juli 1763). 1127 Besenval, M¦moire (wie Anm. 489), Bd. 1, S. 14 f. 1128 Ebd., S. 13 f. 1129 Ebd., S. 12. 1130 Ebd., S. 19. 1131 Ebd., S. 38. 1132 StAZH W I 33a 9.1 (wie Anm. 152), S. 3.

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Bündner Regiments und der Beibehaltung der alten Kapitulation hätte lassen müssen. So hätten sie alle von sich aus die neue akzeptiert.1133 Die Änderungen in den Reglementen der Schweizer Einheiten führten vor allem in den Kantonen Zug, Schwyz, Uri, Glarus und Nidwalden zu Differenzen.1134 In diesen Orten waren die herrschenden Familien, wie bereits beschrieben, auf möglichst viele Kompanien und Halbkompanien angewiesen, um ihre Verwandten zu platzieren, deshalb waren erbliche Kompanien hier häufig die Regel. In den Kantonen Zug und Schwyz verstärkten die Militärreformen bereits bestehende soziale Spannungen und lösten schwere innenpolitische Auseinandersetzungen, die sogenannten »Harten- und Lindenhandel«, aus.1135 Der Name leitet sich davon ab, dass diejenigen, die gegen Frankreich waren, als »Harte«, die Anhänger eines frankreichfreundlichen Kurses als »Linde« bezeichnet wurden.1136 In Schwyz wurde das neu eingeführte Dienstreglement für die Schweizergarde als neue Kapitulation betrachtet, und die Landsgemeinde entschied im Mai 1763, dass die Neuerungen gesamteidgenössisch an der Tagsatzung behandelt werden sollten.1137 Schwyz manövrierte sich mit diesem Vorgehen ins Abseits, da nicht alle Kantone an einer Gesamtlösung interessiert waren. Möglicherweise glaubten einige Regierungsmitglieder durch eine anfängliche Ablehnung Verbesserungen für die Offiziere aushandeln zu können, doch Frankreich machte ihnen einen Strich durch die Rechnung. Ende August 1763 gab die burgundische Saline die Einstellung ihrer Salzlieferungen nach Schwyz bekannt, und bald darauf verloren mehrere Schwyzer Hauptleute ihre Einheiten.1138 Zu guter Letzt mussten am Anfang des Jahres 1765 alle Schwyzer Frankreich verlassen.1139 Das entzog der Innerschweizer Elite ihre Patronage-Ressourcen1140 und erhöhte natürlich den Druck, mit Frankreich zu kooperieren. Die empfindlichen französischen Sanktionen, verbunden mit einem Streit zwischen dem Fürstabt von Einsiedeln und seinen Talleuten um die Gewerbeordnung, bot der Schwyzer Landsgemeinde und den Harten 1764 eine Gele-

1133 Ebd., S. 17. 1134 Brändle, Demokratie (wie Anm. 1008), S. 243; Flüe, Obwalden (wie Anm. 880), S. 220. 1135 Siehe Michel, Kaspar, »Harten- und Lindenhandel«, in: Historisches Lexikon der Schweiz, http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D17204.php, 20. 09. 2012. 1136 Wiget, Josef, Der Stand Schwyz im. 18. Jahrhundert, in: Historischer Verein des Kantons Schwyz (Hrsg.), Geschichte des Kantons Schwyz, Bd. 4: Politik und Verfassung 1712 – 2010, Zürich 2012, S. 9 – 43, hier S. 30. 1137 Ebd., S. 28. 1138 Brändle, Demokratie (wie Anm. 1008), S. 248. 1139 Ebd., S. 255. 1140 Pfister, Klientelismus (wie Anm. 16), S. 39.

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genheit, es den führenden Geschlechtern von Schwyz heimzuzahlen.1141 Ein erstes Exempel war bereits im Dezember 1763 an Maria Elisabetha von Reding, der Frau des Militärunternehmers Joseph Nazar von Reding, statuiert worden, weil sie Werbungen für Frankreich organisiert hatte. Sie wurde von der Landsgemeinde zu einer hohen Geldstrafe verurteilt. Im Verlauf des Jahres 1764 und im Frühjahr 1765 wurden diejenigen, die sich für das neue französische Dienstreglement einsetzten oder die Beschlüsse der Landsgemeinde kritisierten, aber auch die Schwyzer Unterhändler und zahlreiche andere, die als Linde denunziert worden waren, mit Ehren- und Geldstrafen belegt und ihrer Ämter enthoben.1142 Erst im Mai 1765 wurde der Anführer der Harten, der Pfauenwirt Karl Dominik Pfyl (1719 – 1765?), der selbst Offizier in französischen Diensten gewesen war, auf ewig aus Schwyz verbannt.1143 Die Hinrichtung im Jahre 1766 von drei Männern, die sich zwei Jahre zuvor gegen den Einsiedler Abt aufgelehnt hatten, demonstrierte die Macht der Schwyzer Obrigkeit und half die Ordnung im Kanton wieder herzustellen.1144 Bis in die 1770er-Jahre wurden die verurteilten Linden wieder rehabilitiert;1145 Schwyz schloss sich bei der gesamteidgenössischen Erneuerung 1777 wieder dem Bündnis mit Frankreich an, die Solddienste, Pensionszahlungen und Salzlieferungen wurden wieder aufgenommen.1146 In Zug hatte es bereits zwischen 1728 und 1736 Konflikte wegen der ungerechten Verteilung der französischen Pensionen gegeben. Sie brachen 1763 wieder aus, weil in Folge der Armeereformen wieder Kritik am Bündnis mit Frankreich und an der ungerechten Verteilung von Salz und Pensionen laut wurde. Dadurch kamen die Harten, die sich als Opposition zur frankreichfreundlichen Partei sahen, wieder an die Macht. Sie vermieden zwar den Bruch mit Frankreich, aber sie stellten einige Vertreter der Linden vor ein Sondergericht. Im Kanton kehrte erst ab 1768 Ruhe ein, als alle Pensionen gleichmäßig aufgeteilt wurden.1147 Der Zuger Harten- und Lindenhandel wird im Tagebuch von Johann Georg Landtwing, der sich beim Anfang der Schwierigkeiten 1764 zunächst in seiner Garnison Phalsbourg aufhielt und danach auf Urlaub nach Zug zurückkehrte, ausführlich kommentiert. Johann Georg Landtwings Verwandter, Franz Fidel Landtwing (1714 – 1782), war einer der Führer der Harten und somit eine 1141 1142 1143 1144 1145 1146 1147

Wiget, Schwyz (wie Anm. 1136), S. 30. Brändle, Demokratie (wie Anm. 1008), S. 251 ff.; Wiget, Schwyz (wie Anm. 1136), S. 30 ff. Brändle, Demokratie (wie Anm. 1008), S. 267. Wiget, Schwyz (wie Anm. 1136), S. 33 f. Ebd., S. 34. Ebd., S. 36. Siehe Morosoli, Renato, »Harten- und Lindenhandel«, in: Historisches Lexikon der Schweiz, http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D17204.php, 15. 10. 2012.

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wichtige Figur bei dieser Auseinandersetzung. Johann Georg erklärt, dass sein Vetter Franz Fidel befürchtet habe, durch die Heeresreform finanziellen Schaden zu erleiden, und um die Annahme im Rat zu verunmöglichen, habe er bereits im Vorfeld Unterstützer um sich geschart, die selbst sehr gerne »in das Regiment hinein wolten« oder noch offene Rechnungen aus dem ersten Harten- und Lindenhandel von 1735 hatten.1148 Johann Georg Landtwing bezieht in seinem Tagebuch nicht offen für eine Partei Stellung, doch er zeigt sich um eine eigene Kompanie bemüht und scheint unsicher darüber gewesen zu sein, wie sich die neue Dienstordnung auf seine Chancen auswirken würde.1149 Johann Georg stellte sich dabei leider ziemlich ungeschickt an. Zunächst erkundigte er sich bei seinem Vetter, ob jener nicht dafür sorgen könne, dass er auch einen Vorteil aus der Affäre ziehen könne. Nachdem sein Vetter für ihn nichts tun konnte oder wollte, empfahl sich Johann Georg ausgerechnet bei Peter Viktor Besenval. Jener verweigerte ihm jedoch seine Hilfe beim Erwerb einer Kompanie, denn Johann Georgs Vetter habe ja »den gantze [!] Canton hinder ein ander gerichtet«.1150 Johann Georg hatte offenbar auf das falsche Pferd gesetzt, denn eigentlich hätte sein Hauptmann, ein Elsässer, gemäß der neuen Dienstordnung seinen Posten räumen müssen, und er hätte dann an seiner Stelle Hauptmann werden können.1151 Johann Georg schreibt, dass er in der Folge auf seinem Urlaub in Zug möglichst unauffällig auftrat, sich aus dem Konflikt heraushielt und keine Wirtshäuser aufsuchte. Als Offizier in französischen Diensten fürchtete er offenbar, zwischen die Fronten zu geraten, denn sein Vetter nahm es ihm und seiner Familie übel, dass sie nicht deutlicher für ihn Partei ergriffen.1152 Johann Georg Landtwing resümierte letztlich betrübt, dass viele jüngere Offiziere vor ihm Hauptmann geworden waren, da sich ihre Verwandten besser um sie kümmerten.1153 Er musste noch über drei Jahre warten, bis er endlich im April 1768 seine Kompanie erhielt.1154

1148 1149 1150 1151 1152 1153 1154

StAZG P 83 (wie Anm. 241), S. 2 [fol. 155]. Ebd., S. 4 [fol. 157]. Ebd., S. 5 [fol. 159]. Ebd. Ebd., S. 7 [fol. 162]. Ebd., S. 6 [fol. 160]. Ebd., S. 23 [fol. 218].

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9.4

»Fremde Dienste« im Zusammenhang: Krisen und Kritik

Die Militärreformen in Neapel 1789

Am 5. Januar 1787 traf Anton von Salis-Marschlins nach einer Reise von Nancy über Venedig in Neapel ein.1155 In der Stadt am Fuße des Vesuvs kam es bald darauf zu Gesprächen mit dem Königshaus und dem Kriegsminister über eine zukünftige Neuorganisation der Armee des Königreichs Neapel, welche der Bündner bewerkstelligen sollte. Die neue Armee sollte größer, aber günstiger werden, die Ausbildung, Ausrüstung und Administration sollte ebenfalls erneuert werden.1156 Von Salis, der zwischenzeitlich in Frankreich und Berlin weilte, um Fachkräfte anzuwerben, kehrte am Ende des Jahres 1787 nach Neapel zurück und begann sein Reformkonzept umzusetzen.1157 Besonders von den Reformplänen betroffen waren die vier Schweizer Regimenter. Offenbar hatte der neapolitanische König bereits vor der Ankunft von Salis im Sinn gehabt, diese Einheiten wegen ihrer zu hohen Kosten zu entlassen.1158 In der neuen Gliederung der neapolitanischen Armee hatten die Schweizer Regimenter jedenfalls keinen Platz mehr, denn sie sollten durch vier Fremdenregimenter ersetzt werden.1159 Den Schweizer Kommandanten ließ von Salis die Wahl, entweder auf ihre Truppen zu verzichten und sie dem Staat zu überlassen, um dafür in eines der neuen Fremdenregimenter eingeteilt zu werden, oder auf ihrer Kapitulationen zu beharren. Im letzteren Fall würden die Offiziere aber das Risiko eingehen, nach dem Ablauf der Verträge mit großer Wahrscheinlichkeit nicht wieder verpflichtet zu werden, auch nicht in einem der neuen Regimenter.1160 Die Schweizer Kommandanten entschieden sich für das kleinere Übel, und in der Folge wurden die Schweizer Regimenter offiziell am 1. Januar 1790 aufgelöst und die dienstfähigen Soldaten und Offiziere in die ersten zwei Fremdenregimenter eingegliedert, die beide von ehemaligen Offizieren der Schweizer Regimenter befehligt wurden.1161 Die Vorgänge im Königreich Neapel sorgten in den betroffenen Kantonen1162 Uri, Schwyz, Obwalden und in Katholisch-Glarus1163 für viel Wirbel. Katho1155 1156 1157 1158 1159 1160 1161 1162

StAZH W I 33a 9.1 (wie Anm. 152), S. 33. Eyer, Neapel (wie Anm.68), S. 425. StAZH W I 33a 9.1 (wie Anm. 152), S. 35 f. Eyer, Neapel (wie Anm.68), S. 481. Ebd., S. 429. Ebd., S. 437. Ebd., S. 438, 444 ff. u. 450. Die Schweizergarde und ein Linienregiment standen unter dem Befehl der Glarner Gebrüder Tschudi (siehe Anhang), je ein Linienregiment gehörte dem Urner Karl Eduard Jauch (1759?–1802) und dem Obwaldner Josef Ignaz Wirz (1725 – 1792). Schwyz stellte einen hohen Anteil der Offiziere. 1163 Seit dem 17. Jahrhundert hatten im Kanton Glarus beide Konfessionen ihre eigenen Räte und Gerichte, die auch gewisse außenpolitische Kompetenzen besaßen.

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lisch-Glarus hatte bereits vor der offiziellen Auflösung der Regimenter den Landesstatthalter (den Vertreter des Landammans, des Regierungsvorstehers) Joseph Felix Anton Müller (1721 – 1805) Anfang des Jahres 1788 nach Neapel geschickt, um beim königlichen Hof für eine Beibehaltung der beiden Glarner Regimenter zu intervenieren, was aber letztlich keinen Erfolg gebracht hatte.1164 Ende des Jahres verfassten die Kantone Uri, Schwyz, Obwalden und Katholisch-Glarus ein Konzeptschreiben an den König von Neapel.1165 In dem Schreiben baten die drei Stände den König, die Kapitulation der vier Regimenter zu erneuern oder bei Auflösung die Kompanieinhaber großzügig zu entschädigen, und wiesen den König darauf hin, dass die Veränderungen im neapolitanischen Militär den angesehenen »Patrizier Häusern« einen empfindlichen Verlust bescheren könnten. Darüber hinaus drohten die Orte ziemlich unverhohlen, dass eine Auflösung der Regimenter den Abbruch der diplomatischen Beziehungen sowie ein schweizweites Werbeverbot für neapolitanische Dienste nach sich ziehen könnte, und dass der Mangel an vertrauenswürdigen Truppen eine Gefahr für den Thron darstelle, denn bei inneren Unruhen würde der König seine Schweizer Soldaten möglicherweise vermissen. Ende 1788 verboten die betroffenen Kantone Uri, Schwyz, Obwalden und Katholisch-Glarus auch tatsächlich die Werbung für den neapolitanischen Dienst.1166 Auf Ersuchen dieser drei Kantone scheint sich die Republik der Drei Bünde, die ebenfalls Kompanien in Neapel besaß, diesem Verbot auch angeschlossen zu haben.1167 Letztlich blieben diese Maßnahmen alle fruchtlos, auch die Versuche der Innerschweizer Kantone, mithilfe Zürichs die versprochene Entschädigung für die entlassenen Kompanieinhaber durchzusetzen, blieben ohne Erfolg.1168 Die Aufhebung der neapolitanischen Schweizer Regimenter führte in der Eidgenossenschaft zu einem juristischen Nachspiel, in welchem die beiden Glarner Regimentskommandanten, die Brüder Carl Ludwig Sebastian (1743 – 1815) und Fridolin Joseph Ignatius von Tschudi (1741 – 1803), sowie Anton von Salis-Marschlins Kritik über sich ergehen lassen mussten.1169 Vor allem der Letztere wurde von den Innerschweizer Kantonen als Hauptschuldiger für die Aufhebung der Schweizer Regimenter und den finanziellen Verlust der Beteiligten betrachtet.1170 Anton von Salis versuchte, sich mit seiner eigenen Darstellung zu rechtfer1164 Eyer, Neapel (wie Anm.68), S. 441; 443 f. 1165 Schreiben vom Oktober 1788, im Folgenden zitiert nach: Eyer, Neapel (wie Anm. 68), S. 453. 1166 Ebd., S. 455. 1167 Ebd., S. 463. 1168 Ebd., S. 467. 1169 Ebd., S. 468 ff. 1170 Ebd., S. 469.

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tigen. In seiner Anfang 1791 entstandenen Abhandlung »Pr¦cis de mes op¦rations — Naples« mit den »PiÀces justificatifs«, also Abschriften aus Originaldokumenten, betonte er den schlechten und vernachlässigten Zustand der neapolitanischen Armee im Allgemeinen und der Schweizer Regimenter im Speziellen, den er bei seiner Ankunft in Süditalien angetroffen habe.1171 Unter dem Titel »Die Brille zur Aufklärung: oder : ein paar aufrichtige Worte an unbefangene Schweizerherzen zur besseren Kenntnis des Herren Baron von Salis« erschien ebenfalls 1791 eine anonyme Schrift, die den Bündner verteidigte, was zu einer anonymen Replik seiner Gegner führte.1172 In seiner rund zwanzig Jahre später erschienen Autobiographie stellt von Salis-Marschlins seine Dienstnahme in Neapel als glückliche Fügung und nicht als Absicht dar. Er habe eine Freundin zur Kur nach Neapel begleitet und sei kurz nach seiner Ankunft von der Königin angesprochen worden, welche den Wunsch besessen habe, die Schweizer Regimenter in Neapel nach französischem Vorbild neu zu organisieren (zufälligerweise hatte von Salis kurz davor einen Vorschlag für ein Reformprojekt für die französische Armee verfasst). Von Salis habe der Königin geantwortet, dass die Organisation der Schweizer Truppen in Frankreich von den außenpolitischen Beziehungen beider Länder geprägt sei, und er deshalb befürchte, ihr nicht dasselbe Resultat bieten zu können.1173 Erst nachdem der neapolitanische König sich bereit erklärt habe, den französischen König um Erlaubnis zu bitten, die Dienste von Salis in Anspruch zu nehmen, habe dieser eingewilligt.1174 Von Salis klagt, dass ihn die Gebrüder Tschudi bereits am Anfang seiner Tätigkeit in Neapel zu diskreditieren versucht hätten.1175 Seine Reformen rechtfertigte er mit den Fortschritten, welche die neapolitanischen Truppen unter seiner Aufsicht gemacht hätten, die Kavallerie beispielsweise sei nach preußischen Prinzipien exerziert und könne, nach Meinung fachkundiger Zeugen, mit ihrem Vorbild in allen Punkten mithalten.1176 Schließlich versuchte von Salis, den Vorwurf zu entkräften, dass die Schweizer Offiziere und Regiments- beziehungsweise Kompanieinhaber wegen seinen Neuerungen einen finanziellen Schaden erlitten hätten. Er erklärt, dass die bisherigen Offiziere, die »talent ou de la bonne volont¦ pour le service« gezeigt hatten, durch seine Reformen vorteilhafte Stellen bekommen und die Kompaniebesitzer durch die Entschädigungen einen Gewinn gemacht hätten. Vor allem müsse sich die »Nation« nun nicht mehr für ihre Soldaten schämen, die, schlecht

1171 1172 1173 1174 1175 1176

Ebd., S. 423 ff.; zu den Schweizern speziell: S. 434. Ebd., S. 474. StAZH W I 33a 9.1 (wie Anm. 152), S. 33 f. Ebd., S. 34. Ebd., S. 36. Ebd., S. 38.

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unterhalten wie sie waren, in einem Ernstfall keine ehrenvolle Leistung gezeigt hätten.1177 Der Missmut der Innerschweizer über die Reformen scheint für den General von Salis keine weiteren Folgen mehr gehabt zu haben, und er war Ende 1790 sowieso in die Schweiz zurückgekehrt, da nach getaner Arbeit seine Dienste in Neapel offenbar nicht mehr so dringend benötigt wurden.1178

9.5

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Der Angriff französischer Revolutionäre auf den Tuilerien-Palast, das Stadtschloss der französischen Könige, war neben dem Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789 das bedeutendste Ereignis der Französischen Revolution. Der Aufstand der Pariser Kommune und der Tod mehrerer Hundert Schweizergardisten an jenem Tag läutete das Anfang vom Ende der französischen Monarchie und gewissermaßen auch der Alten Eidgenossenschaft ein.1179 Der Angriff vom 10. August 1792 auf das Symbol königlicher Macht war keine spontane Erhebung, sondern hatte eine lange Vorgeschichte und wurde mehrere Wochen im Voraus geplant. Drei Jahre nach dem Beginn der Revolution und der Einführung der konstitutionellen Monarchie war die Position des französischen Königs ernsthaft bedroht. Ludwig XVI. hatte Mühe mit seiner neuen Rolle, und sein oft in Anspruch genommenes Vetorecht machte ihn bei vielen Politikern unbeliebt.1180 Seit der versuchten Flucht der Königsfamilie im Sommer 1791 gab es Stimmen, die eine Aberkennung der Königswürde (»d¦ch¦ance du Roi«) forderten.1181 Bereits am 20. Juni 1792 stürmte eine aufgebrachte Menschenmenge – als Reaktion auf die Entlassung einiger jakobinischer Minister durch den König und dessen Weigerung, gegen reaktionäre Priester vorzugehen – den Tuilerien-Palast, um ihre Anliegen Ludwig XVI. direkt vorzutragen. Dabei stießen die Aufständischen auf keine Gegenwehr seitens der Nationalgarde.1182 Doch der König weigerte sich, ihrem Ansinnen zu folgen.1183 1177 1178 1179 1180 1181

Ebd., S. 39. Ebd., S. 40. Czouz-Tornare, Ao˜t (wie Anm. 413), S. 11. Mathiez, Albert, Le dix ao˜t, Paris 1931, S. 8. Bodinier, Gilbert, L’attaque des Tuileries. Le 10 ao˜t vu du cút¦ des ¦meutiers, in: Association Suisse d’histoire et de sciences militaires (ASHSM), (Hrsg.), La prise des Tuileries le 10 ao˜t 1792. Actes du colloque franco-suisse tenu — l’Êcole militaire, — Paris, — l’occasion du 200e anniversaire, Berne 1993, S. 38 – 49, hier S. 38 f.; Mathiez, Ao˜t (wie Anm. 1180), S. 27. 1182 Bodinier, Attaque (wie Anm. 1181), S. 40.

210

»Fremde Dienste« im Zusammenhang: Krisen und Kritik

Die Forderung nach einer Absetzung des Königs wurden indessen immer deutlicher zum Ausdruck gebracht: Robespierre sprach am 11. Juli davon, die Königswürde abzuschaffen und die Verfassung zu revidieren. Eine ähnliche Erklärung wurde am nächsten Tag in der Nationalversammlung verlesen.1184 Am gleichen Tag, an dem Robespierre seine Rede im Jakobinerklub hielt, erklärte die Nationalversammlung, dass das Vaterland in Gefahr sei: Alle Departementsbehörden, also auch die Pariser Kommune, sollten in Permanenz tagen, alle Nationalgarden wurden zu den Waffen gerufen. Damit traten die Departementsverwaltungen in Konkurrenz zum König und seinen Ministern.1185 Die Stimmen, die eine Absetzung des Königs forderten, wurden nun vehementer.1186 Unterstützung erhielten die Pariser Revolutionäre von den Kriegsfreiwilligen, den »F¦d¦r¦s« mehrerer Departements, die zur Feier des 14. Juli nach Paris gezogen waren und sich teilweise weigerten, die Stadt zu verlassen, bevor der König nicht abgesetzt war.1187 Unter den Freiwilligen war auch ein Bataillon aus Marseille, das am 30. Juli 1792 in Paris einzog und dabei das »Kriegslied für die Rheinarmee« sang, die heutige »Marseillaise«.1188 Diese Männer hatten am 27. Februar des gleichen Jahres die Kaserne des Berner Regiments von Ernst in Aix-en-Provence umstellt und danach die Soldaten ohne nennenswerten Widerstand entwaffnet.1189 In der Folge war das Regiment am 16. Mai von der Berner Obrigkeit zurückbeordert worden.1190 Die Kriegsfreiwilligen aus Marseille gaben den Sektionen, den Stadtteilorganisationen der Pariser Kommune, also der Gesamtheit der Einwohner mit den Gemeindebehörden, die nötige Schlagkraft.1191 Ein Aufstand der Pariser Kommune und der F¦d¦r¦s war bereits Ende Juli vorgesehen, wurde aber aus Furcht vor einem Misserfolg verschoben.1192 Nachdem schon am 31. Juli einige Pariser Sektionen erklärt hatten, Ludwig XVI. nicht mehr als König anzuerkennen,1193 brachte am 3. August das Bekanntwerden des Manifests des Herzogs von Braunschweig, in dem der Oberbefehlshaber der preußischen Truppen mit schweren Sanktionen drohte, falls die Tuilerien gestürmt oder die königliche 1183 Mathiez, Albert, Die Französische Revolution, Bd. 1: Der Sturz des Königtums, Hamburg 1950, S. 223. 1184 Mathiez, Ao˜t (wie Anm. 1180), S. 28 f. 1185 Ebd., S. 41. 1186 Mathiez, Revolution (wie Anm. 1183), S. 225. 1187 Bodinier, Attaque (wie Anm. 1181), S. 40. 1188 Mathiez, Ao˜t (wie Anm. 1180), S. 67. 1189 Czouz-Tornare, Ao˜t (wie Anm. 413), S. 62. 1190 Chagniot, Jean, L’engagement des r¦giments capitul¦s au service de France dans l’optique r¦volutionnaire franÅaise, in: ASHSM, Tuileries (wie Anm. 1181), S. 19 – 25, hier S. 21. 1191 Mathiez, Ao˜t (wie Anm. 1180), S. 70. 1192 Ebd., S. 85. 1193 Ebd., S. 77.

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Familie irgendwelche »outrages« erleiden sollte, den Stein endgültig ins Rollen.1194 In der Nacht vom 9. zum 10. August läuteten in Paris die Sturmglocken, bei Sonnenaufgang waren die Tuilerien von Tausenden von Revolutionären umzingelt.1195 Verteidigt wurden der Palast und die Umgebung von etwa 1.000 Schweizergardisten.1196 Die Schweizergarde war zu diesem Zeitpunkt die einzige Einheit in Paris und Umgebung, auf die sich der König verlassen und über welche er noch frei befehlen konnte.1197 Die übrigen Garden und Haustruppen des Königs, die deutschen, irischen und wallonischen Fremdenregimenter, waren bereits aufgelöst.1198 Die Anwesenheit der Schweizergarde erwies sich aber als kontraproduktiv : Die Truppe stellte als Versinnbildlichung des »Ancien R¦gimes« für weite Teile der Bevölkerung eine Provokation dar1199 und konnte von den Revolutionäre sehr gut dazu benutzt werden, um die Furcht vor einer aristokratischen Verschwörung und einem militärischen Eingreifen der Krone aufrechtzuerhalten.1200 Neben der Schweizergarde wurde der Palast auch von etwa 1.000 Gendarmen1201 und zwischen 2.000 und 3.0001202 Nationalgardisten mit einem guten Dutzend Kanonen verteidigt. Im Palast befanden sich unter den Reihen der Schweizergardisten auch um die 200 bewaffnete französische Adelige, bereit, den Revolutionären Widerstand zu leisten.1203 Am Morgen des 10. August verließ Ludwig XVI. um 08:30 Uhr in Begleitung einer Kompanie Gardisten und des Stabs der Schweizergarde den Palast, um sich in die Sicherheit der Nationalversammlung zu begeben, die in der nahe gelegenen Manege tagte.1204 Die königstreuen Truppen von Paris litten ab diesem Zeitpunkt unter einem Führungsproblem, denn ihr Oberbefehlshaber, der Marquis von Mandat, war bereits am selben Morgen ermordet worden.1205 Der Kommandant der Schweizergarde und sein Stab waren nicht im Palast anwe1194 Bodinier, Attaque (wie Anm. 1181), S. 42. 1195 Czouz-Tornare, Ao˜t (wie Anm. 413), S. 16. 1196 Für das Dispositiv der Verteidiger siehe Czouz-Tornare, Ao˜t (wie Anm. 413), S. 14 f.; Bodinier, Attaque (wie Anm. 1181), S. 43 u. 46; Weck, Herv¦ de, La d¦fense du palais des Tuileries vue dans l’optique des Gardes suisses, in: ASHSM, Tuileries (wie Anm. 1181), S. 50 – 64, hier S. 55 f. 1197 Vgl. Czouz-Tornare, Ao˜t (wie Anm. 413), S. 34. 1198 Weck, D¦fense (wie Anm. 1196) S. 50; Czouz-Tornare, Ao˜t (wie Anm. 413), S. 57. 1199 Ebd., S. 30 f. u. 37. 1200 Czouz-Tornare, Alain-Jacques, L’historiographie suisse de la journ¦e du 10 ao˜t 1792, in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, 43 (1994), H. 2, S. 241 – 265, hier S. 242. 1201 Mathiez, Ao˜t (wie Anm. 1180), S. 96. 1202 Bodinier, Attaque (wie Anm. 1181), S. 43; Mathiez, Ao˜t (wie Anm. 1180), S. 96 1203 Czouz-Tornare, Ao˜t (wie Anm. 413), S. 15. 1204 Im Folgenden, wenn nicht anders erwähnt: Czouz-Tornare, Ao˜t (wie Anm. 413), S. 18 ff.; Bodinier, Attaque (wie Anm. 1181), S. 47 ff.; Weck, D¦fense (wie Anm. 1196), S. 57 ff. 1205 Mathiez, Revolution (wie Anm. 1183), S. 231.

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send. Nachdem der König die Tuilerien verlassen hatte, entfernten sich die meisten Nationalgardisten – insbesondere alle Kanoniere – von ihren Posten oder liefen zu den Aufständischen über. Zwischen 09:00 und 09:30 Uhr drangen die ersten Revolutionäre in den Palasthof ein. Sie gaben vor, mit den Schweizern verhandeln zu wollen, doch die Schweizer weigerten sich, ohne ihre Waffen abzumarschieren. Zu diesem Zeitpunkt wurden die Kampfhandlungen durch Schüsse, die von einer der beiden Seiten fielen, ausgelöst. Die Schweizergardisten konnten zunächst mit einem Ausfall die Angreifer aus dem Hof zurückdrängen, doch angesichts der zahlenmäßigen Übermacht der Gegner und ohne Artillerie (die Kanonen der Verteidiger waren nun in den Händen der Aufständischen) konnten die Gardisten ihre Stellung nicht halten. Um 10:30 Uhr übermittelte der König den Schweizern einen mündlichen Befehl, sich zurückzuziehen, der allerdings falsch verstanden wurde und nicht alle Kompanien erreichte: 200 Soldaten und 16 Offiziere schlugen sich zur Nationalversammlung durch, wo sich der König immer noch befand. Die im Palast verbliebenen Schweizer wurden jetzt nur noch von einer Handvoll Subalternoffiziere befehligt. Ludwig XVI. wiederholte, nun schriftlich, dass diese ihre Waffen niederlegen und sich in ihre Kasernen begeben sollen, angesichts des wütenden Gefechts ein Ding der Unmöglichkeit. Bis um 16:00 Uhr nachmittags kämpfte die im und um den Palast herum zerstreute Truppe weiter. Die Verluste der Schweizergarde am 10. August betrugen 300 Tote und 175 Vermisste, dazu kamen 56 Soldaten und zwölf Offiziere, die massakriert oder im September 1792 hingerichtet wurden. Von den Vermissten ist bei einigen anzunehmen, dass sie sich bei der Armee anwerben ließen und in Frankreich blieben.1206 Die Angreifer erlitten ähnlich hohe Verluste, unter ihren Toten befand sich auch eine Frau.1207 Einige überlebende Schweizer wurden von der wütenden Menge, die ihnen vorwarf, sie im Palasthof in eine Falle gelockt zu haben, massakriert.1208 Viele Schweizergardisten, darunter auch Offiziere, wurden aber von den Mitgliedern der Nationalversammlung, von den Nationalgarden und möglicherweise sogar von einigen Revolutionären geschützt.1209 Nachrichten von den Geschehnissen des 10. August erreichten bald die Schweiz. Bald tauchten in der Schweiz anonyme, revolutionskritische Druckschriften auf, verfasst auf Deutsch und Französisch, die auf wenige Tage nach dem Aufstand datiert waren.1210 Der erste detaillierte offizielle Bericht von Schweizer Seite stammte von Hauptmann Jost Dürler (1745 – 1802), der beim Angriff ranghöchste Schweizer Offizier in den Tuilerien. Er erreichte im Verlauf 1206 1207 1208 1209 1210

Czouz-Tornare, Historiographie (wie Anm. 1200), S. 243. Czouz-Tornare, Ao˜t (wie Anm. 413), S. 113; Bodinier, Attaque (wie Anm. 1181), S. 49. Ebd., S. 48. Czouz-Tornare, Ao˜t (wie Anm. 413), S. 93 f. Czouz-Tornare, Historiographie (wie Anm. 1200), S. 246.

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des Monats September Ludwig August von Affry,1211 welcher seinerseits am 12. November 1792 die kantonalen Obrigkeiten informierte.1212 Die Entwaffnung des Regiments von Ernst in Aix-en-Provence, der Angriff auf die Tuilerien mit den Verlusten in der Schweizergarde, die Entlassung aller Schweizer Truppen am 20. August 1792 und schließlich das Septembermassaker an den Überlebenden des 10. Augusts schockierten und demütigten die Eidgenossenschaft.1213 Die Reaktionen Schweizer Offiziere auf diese Ereignisse belegen eine Solidarität unter den Schweizer Einheiten im Ausland und liefern damit einen weiteren Beleg für ein gesamteidgenössisches Nationalgefühl. In den französisch besetzten Niederlanden weigerten sich die Offiziere des Regiments de GoumoÚns im Jahre 1795 geschlossen, an den Feierlichkeiten zum dritten Jahrestag des 10. August 1792 teilzunehmen, da dieser Tag für sie »un jour aussi affligeant — la Nation Suisse« gewesen sei. Die Offiziere konnten sich soweit durchsetzen, dass das Regiment von der Zeremonie freigestellt wurde.1214 Sigmund von Wattenwyl schreibt in sein Tagebuch, dass er immer gehört habe, dass es schwierig sei, unerfahrene Soldaten ins Feuer zu führen, doch er habe noch nie so viel Kampfeslust von seinen Soldaten gesehen wie im Gefecht von Roncq (24. Mai 1793). Er versucht, diese Tatsache mit dem Hass der Schweizer auf die Franzosen zu erklären, denn »[…] ils voulerent venger les outrages que notre nation reÅut le 10 Aout.«1215 Anderen Schweizer Offizieren lag der Gedanke an Rache auch nicht fern: Anton von Salis-Marschlins schreibt in seiner Autobiographie, dass er sich kurz Zeit nach dem »horrible ¦venement« in Bern mit dem Schultheißen Niklaus Friedrich von Steiger (1729 – 1799) getroffen habe, um die Möglichkeiten zu besprechen, welche die Eidgenossenschaft ergreifen könne, um ihre Landsleute zu rächen. Salis schreibt, dass er einige Gleichgesinnte antraf, die ebenfalls nicht gewillt waren, die »r¦gicides« zu schonen.1216 Etliche Schweizer Offiziere standen der Revolution kritisch gegenüber : Johann Luzius von Planta gibt in seinem Tagebuch der Belagerung von Maastricht einige Zeugnisse dafür, wie er die französischen Revolutionäre sah, die er folgendermaßen bezeichnete: »[…] ce torrent de brigands, qui meprisant toute justice; et le droit des nations, ne respiraient que le pillage et la destruction des

1211 1212 1213 1214

Ebd., S. 246. Ebd., S. 243. Czouz-Tornare, Ao˜t (wie Anm. 413), S. 116. StABE N de GoumoÚns 1.4: GoumoÚns, Rudolf Ludwig de, »Narr¦ de ce qui s’est pass¦ la nuit du 13. au 14. Aoust 1795. entre le corps d’officiers du r¦giment Suisse de GoumoÚns, et leur com[m]endant le coll[onel] Steiguer« [nach 1795], S. 6. 1215 BBB FA von Wattenwyl A 14 (wie Anm. 164), S. 55. 1216 StAZH W I 33a 9.1 (wie Anm. 152), S. 43.

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loix, et des Gouvernemens […].«1217 Für ihn war die umkämpfte Stadt Maastricht ein Bollwerk Europas gegen die Armee der Revolution:«[…] cette immense horde de brigands, sans lois, sans meurs, et sans religion, qui vouloit la conquerir, pour y introduire l’atheisme et l’anarchie sous les noms de libert¦ et d’egalit¦.»1218 Auch wenn Planta den 10. August 1792 nicht explizit erwähnt, so sind die Heftigkeit seiner Ausführungen und seine Vorwürfe an die moralischen Verfehlungen der Franzosen sicherlich auch in Bezug auf dieses Ereignis zu verstehen. Nach der Auflösung der Schweizer Einheiten in Frankreich suchten viele entlassene Offiziere Dienst bei den Feinden des revolutionären Frankreichs. Ludwig von Roll (1750 – 1813), ein ehemaliger Gardehauptmann, errichtete 1794 ein Regiment in englischen Diensten.1219 Spanien und Sardinien, zwei Mitglieder der ersten Koalition, die ab 1793 mit Frankreich im Krieg standen, hoben in den 1790er-Jahren im Hinblick auf Kampfhandlungen neue Schweizer Regimenter aus.1220 Dabei ging es einerseits um die Weiterbeschäftigung der nunmehr »arbeitslosen« Offiziere (die Soldaten spielten da weniger eine Rolle),1221 andererseits billigten die verhandelnden Obrigkeiten damit stillschweigend, dass diese Einheiten gegen Frankreich eingesetzt werden könnten, trotz der erklärten eidgenössischen Neutralität.1222 Manch ein Offizier wollte vermutlich so Rache für die in Frankreich erlittenen Demütigungen nehmen. Das war erst recht 1798 nach dem französischen Einmarsch in die Eidgenossenschaft der Fall. Jetzt führten die erklärten Gegner der Revolution ihren Kampf gegen Frankreich in englischem Dienst weiter.1223 Dazu gehörte etwa Charles-Daniel de Meuron, der bereits 1795, nach der französischen Besetzung der Niederlande, sein Regiment im Sold der holländischen Ostindienkompanie kurzerhand den Engländern zur Verfügung stellte.1224 Obwohl der Tod der Schweizergardisten am 10. August und im Verlauf des Monats September das Verhältnis zwischen der Eidgenossenschaft und Frankreich stark trübte,1225 waren in den ersten Jahren nach 1792 die kantonalen Obrigkeiten weder an öffentlichen Vorwürfen an die Adresse Frankreichs in1217 StAGR D V/4 d Nr. 75 (wie Anm. 153), S. 1. 1218 Ebd., S. 11. 1219 Foerster, Hubert, Kampf der Revolution oder Einhaltung der Neutralität. Zur Bildung neuer Regimenter im Dienste von Sardinien und Spanien um 1790/95, in: Jaun, Solddienst (wie Anm. 21), S. 215 – 246, hier S. 218. 1220 Ebd., S. 215, 244 f. 1221 Während das Offizierskorps der neuen Regimenter teilweise fast vollständig aus ehemaligen Offizieren in französischen Diensten zusammengesetzt war, blieb die Anzahl ehemaliger Soldaten, die sich wieder anwerben ließen, sehr gering. Ebd., S. 227. 1222 Ebd., S. 224. 1223 Ebd., S. 230. 1224 Meuron, R¦giment (wie Anm. 71), S. 102 ff. 1225 Czouz-Tornare, Ao˜t (wie Anm. 413), S. 120.

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teressiert, noch wollten sie die Schweizergardisten zu eidgenössischen Märtyrern machen. Man wollte nicht das Missfallen des mächtigen Nachbarn erregen.1226 Das änderte sich erst in den Jahren nach 1815, nach dem Ende des langen Krieges gegen das revolutionäre Frankreich und Napoleon. Jetzt erschienen die ersten Berichte von Schweizer Zeitzeugen.1227 Dabei wird an diesem Beispiel deutlich, wie (Kriegs-)Erfahrungen je nach den herrschenden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen umgedeutet werden. Wie Alain Czouz-Tornare erläutert, war im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts die Erinnerung an den 10. August 1792 durch die gegenrevolutionäre Strömung geprägt, welche nach der Restauration der französischen Monarchie im Jahr 1815, in Frankreich, aber auch in der Schweiz herrschte.1228 Am 7. August 1817 fasste die eidgenössische Tagsatzung den Entschluss, alle überlebenden Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere des Jahres 1792 mit einer Medaille, auf deren Vorderseite die Inschrift »TREUE UND EHRE« und das eidgenössische Wappen prangten, und einer Urkunde auszuzeichnen.1229 Die alten Soldaten wurden in einer öffentlichen Zeremonie geehrt, wie das Beispiel aus dem Kanton Waadt zeigt.1230 Im Zuge des erneuerten Interesses an den Ereignissen des 10. Augusts erhielten die ehemaligen Offiziere in französischen Diensten nun die Möglichkeit, das Geschehene im Sinne einer von ihnen gewünschten Erinnerung umzudeuten (»mise en scÀne de la m¦moire«1231) und zu überhöhen (»magnifier l’¦v¦nement«), zumal das tragische Scheitern des Helden perfekt in das romantische Weltbild passte.1232 Nicolas de Gady (1766 – 1840), ein ehemaliger Offizier in französischen Diensten, der zunächst gegen das revolutionäre Frankreich kämpfte und nach der Restauration der Monarchie zum Generaloberst der Schweizer Truppen ernannt wurde,1233 erhielt von der Tagsatzung den Auftrag, die Medaille und die Urkunde an diejenigen Schweizergardisten auszuhändigen, die inzwischen in Paris lebten.1234 Im Hútel des Invalides, in Anwesenheit ranghoher französischer und Schweizer Offiziere, hielt de Gady zu diesem Anlass eine Rede, in der er seine Ehre ausdrückte, den alten Gardisten diese Medaille überreichen zu dürfen. Er

1226 1227 1228 1229 1230 1231 1232 1233 1234

Czouz-Tornare, Historiographie (wie Anm. 1200), S. 245. Ebd., S. 246 f. Ebd., S. 249. Lavanchy, Charles, Les Vaudois au combat des Tuileries — Paris le 10 ao˜t 1792, in: Revue Historique Vaudoise 66 (1958), H. 1, S. 1 – 14, hier S. 1. Ebd., S. 6. Czouz-Tornare, Historiographie (wie Anm. 1200), S. 247. Ebd., S. 249. Rial, S¦bastien, »Gady, Nicolas de« (übersetzt aus dem Französischen), in: Historisches Lexikon der Schweiz, http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D23707.php, 11. 04. 2013. Lavanchy, Vaudois (wie Anm. 1229), S. 4.

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betonte weiter, dass ihr Verhalten ein Exempel Schweizer Tugend und ein Vorbild für alle Schweizer Soldaten sei, die nun in Frankreich dienten: »Dans vos coeurs et dans le tombeau de vos frÀres d’armes immol¦s, r¦side le sanctuaire de la fid¦lit¦ et de l’h¦rosme suisse. Les pages de notre histoire nationale en transmettront le souvenir aux –ges les plus recul¦s. […] Vos successeurs au service de Sa Majest¦ TrÀs Chr¦tienne, les R¦giments suisses sont p¦n¦tr¦s des mÞmes sentiments que vous. Oui, Messieurs, nous jurons tous devant le Dieu des Arm¦es, de maintenir dans tout son ¦clat la devise des Suisses – Fid¦lit¦ et Honneur.»1235

Das 1819 erstmals erschienene Geschichtswerk von Karl Pfyffer von Altishofen (1771 – 1840), einem ehemaligen Leutnant der Schweizergarde, über die Ereignisse des 10. August 17921236 erfüllte die Erwartungen der »Reaktionäre«, die sich an den Gardisten als Beispiele für Schweizer Tugend und als Verteidiger der rechtmäßigen (Königs-)Herrschaft erinnern wollten: Die Schweizer Opfer beim Sturm auf die Tuilerien wurden doppelt so hoch angegeben, als sie in Wirklichkeit waren; die Anzahl Schweizer, die im September 1792 hingerichtet oder massakriert wurden, beinahe dreimal zu hoch.1237 Ebenso wurde verschwiegen, dass manche Schweizergardisten nach 1789 sehr wohl Sympathien für revolutionäre Ideen zeigten1238 und einige in die Nationalgarde übertraten oder sich später für die reguläre französische Armee anwerben ließen.1239 Am 10. August 1792 wollte sich eine Handvoll Offiziere sogar kampflos ergeben, um einem aussichtslosen Kampf zu entkommen. Manchen gelang es, doch andere wurden von ihren Offizieren daran gehindert oder nichtsdestotrotz von der wütenden Menge erschlagen.1240 Pfyffers Arbeit selbst war eine Zusammenstellung aus verschiedenen Quellen, denn der Autor war, wie er selbst zugab, am 10. August 1792 in Luzern im Urlaub.1241 Pfyffers Werk kann als wichtiger Baustein zur Bildung eines Mythos um den 10. August betrachtet werden.1242 Ein Nationalmythos, der aus nachvollziehbaren Gründen in der Zeitspanne zwischen dem Beginn des Ersten und

1235 Ebd., S. 5. 1236 Pfyffer, Karl (von Altishofen), R¦cit de la conduite du r¦giment des gardes suisses — la journ¦e du 10 ao˜t 1792/par le colonel Pfyffer d’Altishoffen, Luzern 1819. 1237 Czouz-Tornare, Historiographie (wie Anm. 1200), S. 243. 1238 Ebd. 250. 1239 D’Affry informierte die Freiburger Obrigkeit im November 1792, dass sich 350 ehemalige Gardisten dafür entschieden, in die französische Armee zu wechseln. Ebd., S. 243; Pfister, Aargauer (wie Anm. 15), Bd. 1, S. 23 u. Bd. 2, S. 145 f. 1240 Czouz-Tornare, Ao˜t (wie Anm. 413), S. 86 f. u. 88 f. 1241 Czouz-Tornare, Historiographie (wie Anm. 1200), S. 248. 1242 Ebd., S. 249 f.

Die Diskussion um das Söldnerwesen

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dem Ende des Zweiten Weltkrieges an Bedeutung gewann.1243 Das Werk von Pfyffer diente außerdem offenbar bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhundert als Standardquelle für einige Historiker, die seinen »Erlebnisbericht« als Werk eines Augenzeugen betrachteten.1244

9.6

Die Diskussion um das Söldnerwesen

Von vielen Schweizer Offizieren wurde, wie in Kapitel 8.2 gesehen, der Solddienst als förderlich für die Tugend und nützlich für die Eidgenossenschaft betrachtet. Dessen ungeachtet, wuchs im 18. Jahrhundert die Zahl der Schweizer, die dem Fremden Dienst kritisch gegenüberstanden und überzeugt waren, dass das Söldnerwesen wirtschaftlich und moralisch schädlich für das Land sei. Kritische Stimmen zum Söldnerwesen lassen sich bereits um 1500 nachweisen. Ein häufiger Vorwurf, der damals an die Söldnerführer geäußert wurde, war, dass diese mit den Söldnern Menschenhandel trieben. Im Jahr 1496 machte die Stadt Bern in einem öffentlichen Schreiben gegen die Annahme französischer Pensionen klar, dass sie nicht als Stadt gelten wolle, die ihre Untertanen verkaufe und zur Schlachtbank führe.1245 Im sogenannten »Könizer Aufstand« von 1513 drangen 300 Gesellen plündernd in die Stadt Bern ein, um gegen den »Verkauf von Fleisch und Blut«, so ihre Losung, gegen die Berner Pensionsempfänger zu protestieren.1246 Zwei Jahre später musste sich ein Berner Hauptmann gegen den Vorwurf wehren, er habe Schweizer auf die »Fleischbank« geführt.1247 Die Unterstellung, »Fleisch und Blut« zu verkaufen, war deshalb besonders schwerwiegend, da sich der Ausdruck klar auf den Leib Christi und damit auch auf die geweihte Hostie bezog, deren Schändung oder Verkauf an Ungläubige als Verbrechen am Körper der Christenheit aufgefasst wurde.1248 Wie das erste Beispiel von Bern belegt, entzündete sich die Kritik am Söldnerwesen nicht zuletzt an den Pensionen, also den Geldern, die vom französischen König an Ratsmitglieder für die Bewilligung von Kriegeraufgeboten gezahlt wurden. Diese Vorwürfe wurden einige Jahre später von den Reformatoren aufgenommen. Der Zürcher Reformator Ulrich Zwingli war ein besonders über1243 Ebd., S. 252 f. u. 254 f. 1244 Ebd., S. 250 f. 1245 Groebner, Valentin, Hitz, Benjamin, Die Schweizer Reisläufer 1500 – 1700 als Mythos mit Lücken: Geschichtsinszenierungen und Kriegsökonomie im Alltag, in: Jaun, Solddienst (wie Anm. 21), S. 31 – 40, hier S. 32. 1246 Ebd., S. 33; Modestin, Georg, »Könizer Aufstand«, in: Historisches Lexikon der Schweiz, http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D30904.php, 05. 09. 2012. 1247 Groebner, Hitz, Reisläufer (wie Anm. 1245), S. 33. 1248 Ebd.

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zeugter Kritiker des Solddienstes, der bereits 1510 allegorisch davor warnte, ein Werkzeug fremder Mächte zu werden.1249 Für den Zürcher Prediger waren die Pensionen der ausländischen Fürsten eine Gefahr für den Zusammenhalt der Eidgenossenschaft,1250 die Fremden Dienste dagegen eine Gefahr für die Moral, da sie Land und Obrigkeit verdürben.1251 In seiner Wahlheimat Zürich wurden deswegen erst im Jahr 1614 Solddienste wieder offiziell, aber in einem beschränkten Ausmaß, erlaubt.1252 Und es dauerte bis in das Jahr 1752, bis sich der Zürcher Rat entschloss, die Aufstellung eines Regiments für den Dienst im Königreich Frankreich zu bewilligen. Davor standen kapitulierte Zürcher Truppen ausschließlich im Dienst der reformierten Niederlande. Auch in der übrigen (reformierten) Eidgenossenschaft war im 18. Jahrhundert Zwinglis Beurteilung der Fremden Dienste immer noch sehr einflussreich. Im Jahre 1731, im Umfeld einer möglichen Bündnisverlängerung mit Frankreich (das 1663 mit Ludwig XIV. geschlossene Abkommen war 1723 abgelaufen), mahnte ein anonymer Zürcher Pfarrer, dass ein Bündnis mit Frankreich bedeute, dass man Leib und Seele für Geld verkaufe,1253 und er wies darauf hin, dass sich ihre Vorfahren und die Reformatoren immer kritisch über Bündnisse mit Frankreich geäußert hätten.1254 Eines der Hauptargumente in den Schriften gegen die Fremden Dienste war die Abhängigkeit vom Ausland und die ungewollte Verwicklung in ausländische Konflikte. In diesem Zusammenhang wurde von den Kritikern gerne auf das schlimmstmögliche Ereignis im Söldnerwesen hingewiesen, nämlich dass Schweizer gezwungen sein könnten, gegen andere Schweizer zu kämpfen.1255 Tatsächlich ereignete sich dieser Fall im 18. Jahrhundert nur ein Mal, nämlich in der bereits erwähnten Schlacht von Malplaquet.1256 Die Ablehnung der Solddienste war ferner, zumindest in den reformierten Kantonen Bern und Zürich, stark mit einer Ablehnung des Bündnisses mit Frankreich verknüpft, in dem es sich hauptsächlich um die Lieferung von Soldaten drehte.1257 Kritik am Söld1249 1250 1251 1252 1253 1254 1255

1256 1257

Bangerter, Olivier, La pens¦e militaire de Zwingli, Bern 2003, S. 18. Ebd., S. 103. Ebd., S. 269. Bührer, Zürcher (wie Anm. 14), S. 56. BBB Mss.h.h.VII.96 (3): »Vortragsprojekt E[ines] zu E[hrenden] Ministerij in Zürich, betreffende die Erneüwerung des französischen Bünds 1731« (1731), S. 16 f. Ebd., S. 17. Balthasar, Franz Urs, Patriotische Träume eines Eydgenossen. von einem Mittel, die veraltete Eydgenoßschaft wieder zu verjüngeren, Freystadt 1758; Meyer von Schauensee, Franz Bernhard von, Über das Moderne Reislauffen. An die in Arau versammelte Helvet[ische] Gesellschaft in Jahr 1796, Basel 1796. Der nächste solche Fall ereignete sich erst in der Schlacht von Bail¦n (18.–22. Juli 1808) zwischen Frankreich und Spanien. De Weck, »Malplaquet, Schlacht von« (wie Anm. 1002). Vgl. Bolzern, Rudolf, The Swiss foreign service and Bernese reform politics in the late eighteenth century, in: History of European Ideas, 33 (2007), H. 4, S. 463 – 475, hier S. 470.

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nerwesen tauchte deswegen häufig im Zusammenhang mit den regelmäßigen Bündnis- und Kapitulationserneuerungen auf, wie ein anonymer Text von 1751, aber auch Schriften aus dem Umfeld der Verhandlungen in den Jahren 1731 und 1777 beweisen.1258 Auffallend dabei ist, dass der Dienst in Holland an keiner Stelle explizit kritisiert wurde, sondern im Gegenteil – im Vergleich zum französischen Dienst – viel positiver betrachtet wurde.1259 Die Offiziere in holländischen Diensten galten als einfach und bescheiden.1260 Im Jahre 1751, im Umfeld der Kapitulationserneuerung zwischen der Republik Bern und Frankreich, warnte ein anonymer Verfasser in einer Denkschrift vor den Fallstricken eines Bündnisses mit Frankreich. Wenn Frankreich seine Schweizer Truppen verpflichte, neu eroberte Provinzen wie das Elsass, Lothringen oder andere Gebiete, die dem Hause Habsburg abgenommen wurden, zu verteidigen, so hätte das diplomatische Konsequenzen für die Eidgenossenschaft.1261 Die Schweiz wäre bei den Feinden Frankreichs verhasst, selbst wenn diese Freunde der Schweiz seien, und es würde ihr schwerfallen, in einem Konflikt neutral zu bleiben.1262 Der Autor wies zusätzlich darauf hin, dass es für die Eidgenossenschaft schädlich sei, wenn ihre Söldner zur »Ausbreittung der französischen Übermacht« verwendet würden. Man müsse also auf eine streng defensive Verwendung der Truppen bestehen, um den anderen Mächten keinen Grund zu geben, gegen die Schweiz zu klagen. Insbesondere solle man den Seemächten keinen Anlass geben, die Ruhe der Schweiz zu stören.1263 Franz Urs Balthasar (1689 – 1763), Luzerner Ratsherr und erster Vorsteher der Helvetischen Gesellschaft, verfasste 1758 eine Abhandlung: »Patriotische Träume eines Eydgnossen von einem Mittel, die veraltete Eydgnossschafft wieder zu verjüngeren.« Darin warnte er davor, die Entscheidungen über Bündnisse und Kapitulationsfragen den Söldneroffizieren, die im fortgeschrittenen Alter auch in die Regierung gelangten, zu überlassen. Diese seien bloß an ihrer eigenen Karriere interessiert und schätzten die Gnade eines Fürsten mehr als das Wohlergehen ihres Vaterlands.1264 Bereits 1744 hatte der Luzerner einzelne Bürger seiner Heimatstadt kritisiert, die nur aus Eigennutz einen Einsatz von Schweizern in

1258 Dubler, Kampf (wie Anm. 10), S. 16 ff. u. 67 f. 1259 BBB Mss.h.h.XI.14 (110): »Patriotische Gedanken so A[nn]o 1751 über das Französische Allianz-Geschäfft und die darauf folgen sollende Restitution der A[nn]o 1712 eroberten Landen und Vortheillen gewaltet. Zusammengetragen zum Nuzen deren so eine Politische Vatterländische Historj zu seiner Zeit zu Schreiben haben« (1751). 1260 Siehe Dubler, Kampf (wie Anm. 10), S. 34. 1261 BBB Mss.h.h.XI.14 (110), (wie Anm. 1259), S. 49. 1262 Ebd., S. 50. 1263 Ebd., S. 51 f. 1264 Balthasar, Träume (wie Anm. 1255), S. 19 f.

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dem zu dieser Zeit wütenden Österreichischen Erbfolgekrieg tolerierten und die Verbindung zu ausländischen Fürsten suchten.1265 Fr¦d¦ric Stürler1266 war ein Mitglied der »Gesellschaft patriotischer Freunde«, eines relativ kurzlebiger Kreises jüngerer Söhne aus den angesehensten Familien der Stadt Bern, die sich zu wöchentlichen Vorträgen trafen.1267 In einem Vortrag, den er im Jahre 1784 hielt, erklärte Stürler, dass von den Fremden Diensten Gefahr für die Schweizer Unabhängigkeit ausgehe. Als Beispiel betrachtete er einen hypothetischen Fall, in dem der Kaiser verlangte, dass Bern seine Truppen, die im Dienst ausländischer Mächte gegen ihn kämpften, zurückziehe. Falls Bern dieser Aufforderung nicht entspreche, so mache die Republik sich den Kaiser zum Feind. Komme aber Bern dem Verlangen des Kaisers nach, so werde deutlich, dass die Stadt ihren Verpflichtungen nicht nachkommen könne, was die Verachtung anderer Staaten auf sich ziehen werde.1268 Franz Bernhard Meyer von Schauensee (1763 – 1848) hielt im Jahre 1796 vor der Helvetischen Gesellschaft in Aarau eine Rede über das »Moderne Reislauffen«. Als ehemaliger Offizier der Schweizergarde und Bruder von Maurus Meyer von Schauensee (1765 – 1802), General der französischen Armee, kannte Franz Bernhard sein Vortragsthema aus eigener Erfahrung. Wie die beiden oben zitierten Autoren, so betonte auch er, dass die Solddienste die Unabhängigkeit und die Sicherheit der Eidgenossenschaft bedrohten. Da sich die dienstnehmenden Fürsten kaum an die Bestimmungen der Kapitulationen hielten, stünden die Kantone vor dem Dilemma, entweder ihre Bürger vor den Kopf zu stoßen oder Schritte zu tun, die sich nicht mit der Würde eines freien Staates vertragen würden.1269 Durch diese Vertragsbrüche setzte sich die Schweiz großen Gefahren aus, die sich bei jedem Kriegsausbruch wiederholten, nicht zuletzt weil die Truppen für Unternehmungen gebraucht würden, die ihr Vaterland kompromittierten.1270 Meyer von Schauensee stand in Briefkontakt mit einem Hauptmann Haller aus Bern, dieser schrieb ihm am 5. September 1788 einen Brief über eine Versammlung der Helvetisch-Militärischen Gesellschaft, die kurz zuvor stattgefunden hatte. In diesem Brief beklagte sich Haller über die untertänige Haltung der Schweiz gegenüber Frankreich und zeigte sich darüber enttäuscht, 1265 Dubler, Kampf (wie Anm. 10), S. 43. 1266 Möglicherweise handelt es sich dabei um Heinrich Friedrich Stürler (1763 – 1824). BBB Mss. h.h.LII.9.5: Rodt, Eduard von, Genealogien Burgerlicher Geschlechter der Stadt Bern (1950), Bd. 5, S. 195. 1267 Erne, Emil, Sozietätenbewegung und europäische Vernetzung, in: Holenstein, Goldene Zeit (wie Anm. 111), S. 410 – 414, hier S. 412. 1268 BBB Mss.h.h.XXVIII.96 (9): Fr¦deric Sturler : »Vortrag Über den Nutzen und Schaden der äußeren Kriegsdiensten Gehalten den 1. December in unserer Versam[m]lung 1784« (1784). 1269 Meyer von Schauensee, Reislauffen (wie Anm. 1255), S. 56. 1270 Ebd., S. 57.

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dass die Schweizer nicht genügend Mut hätten, um sich aus ihrer Abhängigkeit zu lösen.1271 Ein weiteres Argument, das gegen das Söldnerwesen sprach, war der schlechte Einfluss, den die Fremden Dienste auf die Moral und Sitten in der Eidgenossenschaft hätten. Wenn die Autoren hierbei den Luxus kritisierten, der in der Eidgenossenschaft Überhand nehme, so meinten sie vor allem französische Sitten. Der anonyme Autor von 1751 zeigte sich in seiner Schrift über den geistigen Einfluss Frankreichs in Bern besorgt. In einer Monarchie wie Frankreich regiere der »distinctions Geist«, der Ehre, Pracht und Herrlichkeit als Eigenschaften habe. Die Prinzipien einer aristokratischen Republik betonten dagegen Mäßigung, bürgerliche Gleichheit, Zurückhaltung und die Liebe zum Vaterland. Durch das Söldnerwesen nähmen monarchische Einflüsse in Bern Überhand, die Konsequenz daraus sei also, dass bei den Bürgern das »particular Intresse«, der Eigennutz, im Gegensatz zum Gemeinnutz, Überhand nehme.1272 Weitere schädliche Einflüsse des Diensts in Frankreich waren nach Meinung des Autors der »Paroxismus«, den der Autor als die willkürliche Auslegung von Gesetzen verstand, und der »Indifferentionismo in Religions-Sachen«. Letzteres sei mit dem protestantischen Geist, der politischer Freiheit gleichgesetzt wurde,1273 unvereinbar.1274 Eine konfessionelle Gleichgültigkeit Berns führe außerdem dazu, dass sich die Stadt nicht genügend für die reformierte Seite der Eidgenossenschaft engagiere und damit sogar eine Spaltung mit Zürich riskiere, was für die protestantischen Kantone gravierende Folgen haben könnte.1275 Die Kritik an den angeblich schädlichen französischen Sitten bestand unabhängig von der Konfession. Der katholische Luzerner Ratsherr Franz Urs Balthasar beklagte sich über die mangelhafte Ausbildung der zukünftigen eidgenössischen Elite, die ihre Jugend im Ausland verbringe. Die Eltern versuchten zwar dadurch ihre Kinder zu erziehen, doch anstelle eines ehrbaren gelehrten jungen Mannes seien leider »[…] ein Idiot, ein Sprachverderber, ein mit ausländischen Lastern angefüllter, ein Sauffbruder, ein Galantisierer ein Großsprecher und Aufschneider gebildet worden, und zum Vorschein kommet; dessen gantze Kunst darinn bestehet, jenes Gut zu verschwenden so in dem Lauff eines gantzen Jahrhundert durch seine Voreltern mit saurer Mühe, Arbeit und Sparsamkeit, wie von sorgfältigen Ameisen zusammen getragen worden.«1276 1271 StALU PA 664 – 185: Korrespondenz Franz Bernhard Meyer von Schauensee: Haller, An Franz Bernhard Meyer von Schauensee (5. September 1788). 1272 BBB Mss.h.h.XI.14 (110), (wie Anm. 1259), S. 37 f. 1273 BBB Mss.h.h.XI.14 (110), (wie Anm. 1259), S. 26. 1274 Ebd., S. 40. 1275 BBB Mss.h.h.XI.14 (110), (wie Anm. 1259), S. 41. 1276 Balthasar, Träume (wie Anm. 1255), S. 12 f.

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Solchen schlechten Einflüssen sei die Jugend im Ausland ausgesetzt, und durch sie kämen Pracht und Hoffahrt in die Schweiz. Dabei dachte Balthasar auch an das Söldnerwesen. Franz Bernhard Meyer von Schauensee betrachtete den Militärdienst als grundsätzlich schädlich für die Sitten. Bereits die Werbung sei unmoralisch, da potenzielle Rekruten mit Versprechungen eines ausschweifenden und unsittlichen Lebens geködert würden.1277 Der Militärdienst verführe zur Liederlichkeit und zum Müßiggang und mache aus einem Menschen eine Maschine ohne Würde, die auf Befehl töte und sich töten lasse.1278 Darüber hinaus erhielten die Soldaten eine Vorstellung von Ehre, die nicht auf Vernunft basiere, sondern auf Fremdwahrnehmung, was dazu führe, dass sich die Soldaten selbstherrlich aufführten und keine Gesetze respektierten.1279 Schließlich erwähnte auch Fr¦d¦ric Sturler, dass der Luxus, der in den »benachbarten Reichen« und besonders in dem, in das Bern Truppen liefere, herrsche, sich auch in der Heimat verbreitet habe und eine große Gefahr für den Staat bedeute.1280 Auch im Länderort Schwyz waren ähnlich Stimmen wie in Bern oder Luzern zu hören: Klagen über den wachsenden Einfluss der französischen Sitten, die angeblich drohten, die (Landsgemeinde-)Demokratie in eine Aristokratie umzuwandeln.1281 Der französische Katholizismus galt im Übrigen in Schwyz als zu locker : Ein Schwyzer Soldat versuchte sogar mit der Behauptung, dass seine Kompanie von einem Reformierten geführt worden sei und den Schwyzern kein Feldprediger zur Verfügung gestanden hätte, seine Desertion aus Frankreich zu rechtfertigen.1282 Ein drittes Argument gegen das Schweizer Söldnerwesen war, dass dadurch ein wirtschaftlicher Schaden für die Schweiz entstehe. Bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gab es einige Stimmen, die der älteren Auffassung widersprachen, dass der Solddienst eine Folge der Überbevölkerung in der Schweiz sei und das Land vor Armut bewahre, indem es den Bedürftigen die Möglichkeit biete, ihr Auskommen im Ausland zu suchen.1283 In der Mitte des Jahrhunderts wurde die Zahl der Einwohner als wesentlicher Indikator für Macht und

1277 1278 1279 1280 1281 1282 1283

Meyer von Schauensee, Reislauffen (wie Anm. 1255), S. 47. Ebd., S. 48 f. Ebd., S. 50 f. BBB Mss.h.h.XXVIII.96 (9), (wie Anm. 1268), S. 124. Siehe Brändle, Demokratie (wie Anm. 1008), S. 245. Ebd. Der Engländer Abraham Stanyan (1669 – 1732) schrieb 1714, dass die Schweiz viel zu stark bevölkert wäre, wenn das Land nicht durch die Fremden Dienste den Überschuss an Menschen abschöpfen würde. Stanyan, Abraham, An Account of Switzerland. Written in the Year 1714, London 1714, S. 144. In diesem Sinne argumentierte im Jahre 1723 auch Johann Heinrich Tschudi (1670 – 1729) in seinen »Monatlichen Gesprächen«. Dubler, Kampf (wie Anm. 10), S. 17.

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Reichtum eines Staates betrachtet.1284 Entsprechend galt eine Bevölkerungsabnahme als schädlich, etwa weil dadurch das wirtschaftliche Potenzial oder die Wehrfähigkeit geschwächt wurde.1285 Ab 1760 wiesen einige Abhandlungen der Berner Ökonomischen Gesellschaft auf die negativen Auswirkungen des Söldnerwesens für die landwirtschaftliche Produktion hin.1286 Die bekannteste war wohl jene aus dem Jahr 1766, welche vom Waadtländer Pfarrer Jean-Louis Muret (1715 – 1796) veröffentlicht wurde. In seiner Schrift über die Bevölkerung der Waadt stellte er fest, dass die Auswanderung der Hauptgrund für die von ihm festgestellte Bevölkerungsabnahme sei,1287 dass die militärische Auswanderung dem Land die Möglichkeit entziehe, sich selbst wieder zu bevölkern, und dass es, wenn man den Mannschaftsbestand aller Fremden Dienste zusammenrechne, keine Nation gebe, die durch den Militärdienst stärker ausgelaugt werde.1288 Rückblickend beruhten Murets Aussagen zum angeblichen Bevölkerungsrückgang zwar auf einer Fehlinterpretation seiner Daten,1289 doch sie führten zu Repressionsmaßnahmen gegen die Ökonomische Gesellschaft Bern, die durch eine Preisausschreibung die Studie animiert hatte.1290 Die Berner Obrigkeit betrachtete die Schrift offenbar als versteckten Angriff auf das Söldnerwesen.1291 Andere Kritiker des Söldnerwesens zogen zwar keine direkte Verbindung zwischen dem Söldnerwesen und einer etwaigen Bevölkerungsabnahme, sahen aber die militärische Auswanderung als einen verheerenden Abfluss von nützlichen Arbeitskräften und geistigem Potenzial. Fr¦d¦ric Sturler betonte in seinem Vortrag von 1784, dass das Vaterland an jedem Söldner verliere. Sein Argument: Die Soldaten verließen ihre Heimat im Alter von 16 bis 20 Jahren und kämen erst 15 bis 20 Jahren später wieder aus der Fremde zurück.1292 In dieser Zeit hätten sie nichts Nützliches für ihr Vaterland geleistet. Wieder zurückgekehrt, seien die alten Soldaten ebenfalls unnütz, denn sie seien nicht mehr an die Feldarbeit gewohnt oder im schlimmsten Fall verkrüppelt und der Unterstützung bedürftig.1293 Franz Bernhard Meyer von Schauensee zählte mehrere wirtschaftliche 1284 1285 1286 1287 1288 1289

1290 1291 1292 1293

Bolzern, Service (wie Anm. 1257), S. 464. Ebd., S. 464 u. 465. Ebd., S. 467 f. Muret, Jean Louis, Memoire sur l’¦tat de la population dans le pays de Vaud, qui a obtenu le prix propos¦ par la Soci¦t¦ oeconomique de Berne, Yverdon 1766, S. 63. Ebd., S. 67. Pfister, Christian, Warum Pfarrer Jean-Louis Murets Abhandlung über die Bevölkerung der Waadt Anstoss erregte (1766), in: Stuber, Martin (Hrsg.), Kartoffeln, Klee und kluge Köpfe. Die Oekonomische und Gemeinnützige Gesellschaft des Kantons Bern OGG (1759 – 2009), Bern 2009, S. 95 – 99, hier S. 97. Ebd., S. 95 f. Bolzern, Service (wie Anm. 1257), S. 465. BBB Mss.h.h.XXVIII.96 (9), (wie Anm. 1268), S. 125 f. Ebd., S. 126.

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Nachteile der militärischen Auswanderung auf. Die Bevölkerung der Schweiz sei zu klein, unter anderem weil durch den Solddienst viele Männer und Frauen ehelos geblieben seien.1294 Die Fremden Dienste böten eine attraktivere Alternative zu einer Beamtenlaufbahn und entzögen somit die jüngeren Söhne der regierenden Familien, also die Söhne, welche nicht vom Familienvermögen leben könnten, einer für die Gesellschaft nützlichen Karriere.1295 Schließlich wies von Schauensee auf das wirtschaftliche Ungleichgewicht zwischen Frankreich und der Eidgenossenschaft hin, das durch das Söldnerwesen entstehe: Die Arbeitskräfte, die der Schweiz als Söldner entzogen würden, ersparten Frankreich Arbeitskräfte, die Waren produzierten, welche in die Schweiz verkauft würden.1296 Eine bemerkenswerte und etwas skurrile Abhandlung über den wirtschaftlichen Schaden des Söldnerwesens lieferte der Zürcher Ökonom Johann Heinrich Waser (1742 – 1780). Er veröffentlichte im »Briefwechsel meist historischen und politischen Inhalts« des Göttinger Professoren August Ludwig Schlözer (1735 – 1809) einen Aufsatz namens »Schweizerblut und Franzgeld, politisch gegen einander abgewogen, von einem alten Schweizer.« Dieser Aufsatz, der anonym auch im 1780 erschienen mehrbändigen Werk »Ueber das Interessanteste der Schweiz« publiziert wurde, ist trotz des reißerischen Titels eine penibel berechnete Gegenüberstellung der Kosten und Nutzen der militärischen Auswanderung nach Frankreich. Waser berechnete den »Werth« eines einzelnen (männlichen) Einwohners der Schweiz anhand einer schwedischen Tabelle. Der Wert eines Menschen setze sich dabei aus vier Elementen zusammen: dem Wert der Steuern, die ein Mensch bezahlt, dem Pro-rata-Mehrwert der Güter und Grundstücke, den Leistungen zugunsten des Gemeinwesens, und einem Wert, der sich aus wirtschaftlicher Tätigkeit und Konsum zusammensetzt.1297 Waser stellte den Wert der seit 1474 für Frankreich gestorbenen Schweizer Söldner dem Sold und den in der gleichen Zeit an die Eidgenossenschaft bezahlten Pensionen gegenüber und kam zu dem Schluss, dass sich das Söldnerwesen nur für Frankreich lohne, »[w]enn man nun den Sold, der größtentheils in Frankreich all verzehrt, versoffen, und verkokettirt wird, und der für den gemeinen Soldaten ein so elender Lidlohn ist, daß dafür in seinem Vaterlande kein Bauernknecht arbeiten würde, abrechnet […] den Sold also, und die aus Frankreich wieder heimkommende Mannschaft, und die 96,825310 fl. Pension als den Kaufpreis unter die Anzahl der in Frankreich verlornen Schweizer, 790090 Mann getheilt, zeigt sich, daß Frankreich für einen Schweizerknaben, den es zur 1294 1295 1296 1297

Meyer von Schauensee, Reislauffen (wie Anm. 1255), S. 39 f. Ebd., S. 45. Ebd., S. 43 f. Ulrich, Johann Heinrich Friedrich (Hrsg.), Ueber das Jnteressanteste der Schweiz. Aus dem Französischen frey übersetzt – berichtigt und vermehrt. 4 Bde., Leipzig 1780.

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Schlachtbank führt, 122 fl. zahlte, folglich das Vaterland auf jeden Kopf 582 fl. 20 ßl verliere.«1298

Fr¦d¦ric Stürler zitierte übrigens in seinem Vortrag vom Jahre 1784 Waser und dessen Berechnungen als Beweis, dass sich das Söldnerwesen wirtschaftlich für die Schweiz nicht lohne.1299 Ende des 18. Jahrhunderts geriet also das Söldnerwesen von mehreren Seiten unter Druck. Die ausländischen Dienstherren waren immer weniger bereit, sich teure und überprivilegierte Einheiten zu leisten. Wie das Beispiel Neapel zeigt, wollten die Fürsten zwar weiterhin ausländische Männer für ihre Armee rekrutieren, hatten aber kein Interesse an langwierigen Verhandlungen mit unbedeutenden Schweizer Orten. Das System geriet auch innerhalb der Schweiz stärker unter Druck. Manche betrachteten das Söldnerwesen als schädlich, da die wirtschaftlichen Vorteile nicht den Abfluss an nützlichen Arbeitskräften rechtfertigten. Doch es scheint, dass das Argument der zunehmenden Abhängigkeit vom Ausland am meisten präsent war. Eine zentrale Rolle in der Debatte um diese vermeintliche Abhängigkeit spielten die Pensionen, also die Geldzahlungen der Dienstherren, die entweder direkt an die Obrigkeit gingen (»ordentliche Pensionen«) oder an Einzelpersonen verteilt wurden, um deren Einfluss zu sichern (»außerordentliche Geheimpensionen«).1300 Bereits seit dem frühen 16. Jahrhundert hatten die untrennbar mit dem Söldnerwesen verbundenen Pensionszahlungen ausländischer Fürsten (vor allem Frankreichs) zu Konflikten und Verteilungskämpfen innerhalb der eidgenössischen Orte geführt.1301 Im 18. Jahrhundert blieben solche Auseinandersetzungen in den Länderorten, wo die Pensionszahlungen an Einzelne immer noch ein bedeutendes Ausmaß erreichten, und besonders in den Kantonen Zug und Schwyz weiterhin ein Thema.1302 Das Söldnerwesen und damit die Abhängigkeit von Frankreich war für eine Sekundärelite, die nicht mehr akzeptierte, dass die wirtschaftlichen Vorteile aus Pensionszahlungen und Salzlieferungen sowie die politischen Ämter in der Hand eines kleinen Kreises regierender Familien bleiben sollten, der Stein des Anstoßes. Dies geschah, wie bereits geschildert, in den Fällen, in denen die Patronage-Ressourcen der führenden Geschlechter ausblieben oder, wie Andreas Suter es beschreibt, die Kosten der fremdbestimmten Außenpolitik für die 1298 Ebd., S. 212. 1299 BBB Mss.h.h.XXVIII.96 (9), (wie Anm. 1268), S. 127. 1300 Suter, Andreas, Korruption oder Patronage? Außenbeziehungen zwischen Frankreich und der Alten Eidgenossenschaft als Beispiel (16.–18. Jahrhundert), in: Grüne, Niels (Hrsg.), Korruption. Historische Annäherungen an eine Grundfigur politischer Kommunikation, Göttingen 2010, S. 167 – 203, hier S. 169 f. 1301 Ebd., S. 185 f. 1302 Ebd., S. 189.

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gewöhnlichen Leute deutlich wurden, eben etwa wenn sich die Vertragsbedingungen mit den ausländischen Fürsten verschlechterten.1303 Die Kritik der Reformatoren und der Bürger hatte in den reformierten Städteorten zu einem weitgehenden Verzicht auf die außerordentlichen Geheimpensionen, also Geldzahlungen an Einzelpersonen, geführt, sie fielen Anfang des 18. Jahrhunderts kaum ins Gewicht.1304 Trotzdem war auch in Bern die Abhängigkeit von Frankreich ein wiederkehrendes Argument gegen die Solddienste, wie die Beispiele von Fr¦d¦ric Stürler und der anonymen Schrift aus dem Jahr 1751 zeigen. Wie verhielten sich in dieser Situation die Söldneroffiziere und ihre Familien, deren Wohlstand und Status durch diese Entwicklung unter Umständen ernsthaft gefährdet werden konnte? Der Ausgang des Harten- und Lindenhandels in Zug und Schwyz zeigt, dass die Stellung der kantonalen Eliten letztlich noch relativ stabil war, auch wenn gewisse Zugeständnisse gemacht werden mussten. In Schwyz war die Bautätigkeit der regierenden Familien im 18. Jahrhundert eher rückläufig.1305 Das mag in den finanziellen Schwierigkeiten der regierenden Familien begründet sein oder aber in der Tatsache, dass man keinen Bedarf (mehr) sah, durch repräsentative Bauten seinen Status zu untermauern. Von einer spürbaren Reaktion auf die Vorwürfe, die am Söldnerwesen geäußert wurden, kann aber nicht die Rede sein. Die meisten Offiziere gingen, mit wenigen Ausnahmen, auch nicht auf die Kritik ein. Hans Kaspar Hirzel beklagte sich 1782 bei seinem Bruder Heinrich über den »gebieterischen Ton«, in dem dessen letzter Brief verfasst worden sei, und widerspricht dessen Einschätzung, dass das Militärleben einen Menschen liederlich mache.1306 Rund ein Jahr später vertrat Hirzel den Standpunkt, dass das Söldnerwesen für seine Heimat Zürich mindestens so nützlich, wenn nicht sogar nützlicher sei als das Studium seines Bruders, und führte seine Argumente, die für den Solddienst sprächen, auf.1307 Beat Fidel Zurlauben diskutierte mit seinem Korrespondenten, einem Mitglied der Luzerner Familie Pfyffer, über das Für und Wider des Söldnerwesens. Dieser Pfyffer schrieb am 22. März 1758 an Zurlauben: »Si vous mettez pour principe, que la Suisse ne devroit accorder les troupes qu’uniquement — la France, votre raisonement n’— point de replique«, doch er sei der Meinung, dass die Eidgenossenschaft so eng mit Frankreich verbunden sei, dass man sich kaum nur als einfacher Verbündeter bezeichnen könne. Die Schweiz müsse also auch an andere Mächte Truppen liefern. Pyffer schrieb, er sei wie Zurlauben damit einverstanden, dass die Eidgenossenschaft Frankreich den Vorzug geben solle, 1303 1304 1305 1306

Ebd., S. 190. Ebd., S. 181, siehe Tabelle S. 178. Suter, Militär-Unternehmertum (wie Anm. 13), S. 104. ZBZH FA Hirzel 346.2: Hirzel, Hans Kaspar, Brief an seinen Bruder Heinrich (9. August 1782). 1307 ZBZH FA Hirzel 346.2: (wie Anm. 954), (16. Oktober 1783).

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da dieses Land am meisten zum Bestehen der Eidgenossenschaft beitrage, doch dies müsse mit Umsicht geschehen und ohne die anderen Mächte zu verärgern.1308 Am ehesten war eine Reaktion auf die zunehmende Kritik in der Geschichtsschreibung zu finden. In den einschlägigen historischen Werken verteidigten die Autoren die Institution Solddienst und die Taten der Schweizer Söldner. Im Jahre 1751, also im gleichen Jahr, als in Bern über die Kapitulationserneuerung diskutiert wurde, erschien der erste Band von Zurlaubens »Histoire des Suisse aux service de la France«. In der Einleitung versprach Zurlauben, dass die adeligen und vornehmen Familien darin die tapferen Taten ihrer Vorfahren finden würden;1309 in seiner Widmung an den Generaloberst der Schweizer Truppen in Frankreich betonte Zurlauben mit Stolz, dass die »R¦publique des Suisses« den Titel der »plus anciens & plus fidÀles Alli¦s de la Couronne« trage und dass sein Ziel unter anderem sei, von den »marques de contentement & de distinction« zu berichten, mit denen die Schweizer von der französischen Krone beehrt würden.1310 Beat Emanuel May de Romainmútier setzte sich in der Einleitung seines Geschichtswerks über den Schweizer Kriegsdienst im Ausland gegen kritische Stimmen zur Wehr. Er schrieb, dass einige französische und deutsche Autoren, welche die Tüchtigkeit der Schweizer Nation nicht streitig machen könnten, nun versuchten, deren Tapferkeit zu entwürdigen, in dem sie behaupteten, dass die Schweizer die Tapferkeit dem (wirtschaftlichen) Interesse unterordnen würden. Diese Unterstellungen seien umso ungerechter, als sie von einem Deutschen stammten, und solche Vorwürfe viel besser auf etliche deutsche Fürsten zutreffen würden.1311 Natürlich schrieben beide oben erwähnten Autoren als Offiziere in Frankreich, doch auch Gelehrte wie der Glarner Chronist Christoph Trümpy (1739 – 1781)1312 und der Historiker Johannes von Müller (1752 – 1809) scheinen in ihren Werken eher die positiven Aspekten des Solddiensts betont zu haben.1313 Es gab aber innerhalb des Schweizer Offizierskorps auch Einzelne, die (häufig im Nachhinein) heftige Kritik am Söldnerwesen übten. In manchen Fällen waren es Angehörige des »Mittelstandes«, also Männer, die privilegiert genug waren, KBAG AH 177/25: Pfyffer, An Beat Fidel Zurlauben (22. März 1758). Zurlauben, Histoire (wie Anm. 39), Bd. 1, S. XII. Ebd., S. IV. May de Romainmútier, Histoire (wie Anm. 40), Bd. 1, S. 46. Auf welche Schriftsteller sich May de Romainmútier bezieht, wird hier nicht klar. Möglicherweise handelt es sich um kritische Schriften von Schweizern, die im Ausland oder unter einem Pseudonym gedruckt wurden. Viele ausländische Beobachter urteilten eher vorteilhaft über das Schweizer Söldnerwesen. Bolzern, Service (wie Anm. 1257), S. 470 f. 1312 Dubler, Kampf (wie Anm. 10), S. 66. 1313 Ebd., S. 70. 1308 1309 1310 1311

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um Offiziere zu werden, aber trotzdem nicht aus der »richtigen« Familie stammten, um eine erfolgreiche Militärkarriere zu absolvieren. Solche Männer blieben oft auf ihren Stellen als Fähnriche oder Leutnants sitzen.1314 Antoine Marie Augustini verließ im Jahre 1780/1781 das Regiment de Courten, nachdem bei der Besetzung einer Hauptmannstelle der Neffe des Generals den Vorzug vor ihm erhielt. Augustini empfand dies als große Ungerechtigkeit. Er hatte den Nepotismus im Dienst satt und wollte nicht mehr eines »grossen Herren Fussschemel sey¨n«.1315 Schon zuvor hatte sich der Walliser in seiner Autobiographie mehrfach über die Undankbarkeit der »Grossen« beklagt.1316 Er empfand es außerdem als unfair, dass er als Unterwalliser bei der Vergabe der Walliser Kompanien gegenüber den Oberwallisern benachteiligt wurde.1317 In einem bitteren Ton rechnet er in seiner Autobiographie mit dem Söldnerwesen ab. Er verspottet seine Kameraden als »die rothgekleideten Herchen, die liebkosenden Menuet-Täntzer, die zärtlichen Reverentschleiffer nach der Mode«,1318 und gab seinen Kindern den Ratschlag: »den untern Kriegsstandt nur in Abgang des Bettelbrodts zu wählen. Leben-Ehre- und Seelen-Gefahr trift so oft ein, alls ein verwegenes Grossmaul oder ein Religionloser stutzen, oder ein weinvoller Geck in mörden ein Heldenthat zu üben glaubt.«1319 Antoine Marie Augustini stammte aus einer bekannten, aber verarmten Familie, die durch den wirtschaftlichen Niedergang ihres Handelsunternehmens viel von ihrem Sozialprestige eingebüßt hatte.1320 Trotzdem hegte Augustini große Ambitionen, er war ein ehrgeiziger Aufsteiger, der aber nicht über das nötige gesellschaftliche Ansehen oder den materiellen Rückhalt seiner Familie verfügte,1321 um im »Ancien R¦gime« eine erfolgreiche politische oder militärische Karriere zu machen. Abram Am¦droz (1712 – 1794), ein Neuenburger Offizier der Schweizergarde, übernahm nach schweren Verletzungen im Siebenjährigen Krieg ab 1763 das wenig glorreiche Kommando des Rekrutendepots in Belfort, wo er bis 1780 von der Armeeführung offenbar ziemlich vernachlässigt wurde, bevor er im selben Jahr im Rang eines Mar¦chal de Camps aus der Armee ausschied.1322 Im Jahr seiner Entlassung schrieb er etwas verbittert einem Bekannten, dass er nach vielen Jahren Dienst auf einem Waffenplatz festgestellt habe, dass es für einen 1314 1315 1316 1317 1318 1319 1320 1321 1322

Vgl. Pfister, Aargauer (wie Anm. 15), Bd. 1, S. 96. StAW Fonds Guillaume de Kalbermatten R 27 (wie Anm. 142), S. 81. Ebd., S. 34 f.; 41 f. Ebd., S. 34 f.; 41 f.; 82. StAW Fonds Guillaume de Kalbermatten R 27 (wie Anm. 142), S. 82. Ebd. Willisch, Augustini (wie Anm. 889), S. 172. Ebd., S. 316. Monbaron, Patrick-R., Bon baisers du service de France. Lettres in¦dites, mondaines et intimes du XVIIIe siÀcle, in: Furrer, Dubois, Gente ferocissima (wie Anm. 16), S. 101 – 116, hier S. 106.

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Mann mit den richtigen Beziehungen unerheblich sei, ob er zum Soldaten tauge oder nicht, denn er werde so oder so seinen Weg finden, während ein Mann mit den richtigen Qualitäten, aber ohne Beziehungen vergessen werde.1323 Gabriel Albrecht von Erlach (Abbildung 16) schied im Jahre 1773 verärgert aus dem Militärdienst, weil er in Frankreich, trotz intensiver Bemühungen, kein höheres Kommando erhielt.1324 Er plädierte in seinem 1786 anonym veröffentlichten Pamphlet »R¦flexions d’un patriote sur les services militaires ¦trangers«1325 dafür, die ausgelaufenen oder bald auslaufenden Kapitulationen mit Frankreich, Holland und Sardinien nicht mehr zu erneuern.1326 Von Erlachs Argument war, dass eine neue Kapitulation keinen Sinn mache, da jeder Dienstherr sowieso die Berner Truppen nach seinem Willen einsetze, auch wenn damit der Kapitulationsinhalt verletzt werde. Falls jene Länder in Zukunft wirklich an Berner Truppen interessiert wären, würden sie diese ohnehin zu guten Bedingungen anstellen, wenn nicht, sie entlassen. Letzteres war nach von Erlach die beste Alternative für Bern, da die Fremden Dienste zu jener Zeit bloß noch eine Last für die Republik darstellten.1327 Die Vorteile, die Einzelne daraus ziehen würden, könnten die Nachteile für den Staat, wie den eingeführten Luxus oder den Zwist der Parteigänger, nicht aufwiegen.1328 In der Diskussion pro und contra des Solddienstes fällt auf, dass sowohl Söldneroffiziere wie Aufklärer – Befürworter wie Gegner – ein ähnliches Vokabular verwendeten und ähnliche Vorstellungen vertraten. Es handelte sich, wie eingangs erwähnt, um einen Ausdruck der aristokratisch-republikanischen Prägung, die in der Schweizer Oberschicht herrschte. Auf beiden Seiten waren im 18. Jahrhundert Zukunftsängste präsent. In einer Stadtrepublik wie Bern war das Beispiel Roms allgegenwärtig: Die Berner Patrizier fürchteten sich vor einem Zerfall des Staates, wenn republikanische Tugenden wie Einigkeit oder Wehrbereitschaft verloren gingen. Der angeblich durch den Militärdienst im Ausland eingeführte Luxus führte in den Augen der Solddienstgegner zu einer Erschlaffung des tugendhaften Geistes und somit zu einer Gefahr für die Republik. Die frühen Volkswirtschafter und Agrarwissenschaftler sahen im Söldnerwesen des Weiteren einen Abfluss von Arbeitskräften, die für die Bebauung des Landes dringend nötig gewesen wären. Doch gerade die Befürworter des Solddienstes 1323 Ebd. 1324 Würgler, Andreas, Eine militärisch-politische Karriere. Gabriel Albrecht von Erlach (1739 – 1802), in: Holenstein, Goldene Zeit (wie Anm. 111), S. 490. 1325 Eine handschriftliche Version befindet sich im Staatsarchiv Bern unter der Signatur HA Spiez 89. 1326 Erlach, Gabriel Albrecht von, R¦flexions D’un Patriote Sur Les Services Militaires Etrangers, o. O. 1786, S. 4. 1327 Ebd., S. 5 f. 1328 Ebd., S. 7.

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Abbildung 16: Unbekannter Künstler, Gabriel Albrecht von Erlach (1739 – 1802), Privatbesitz, Burgerbibliothek Bern Neg. 2701E

argumentierten, dass ihre Tätigkeit den kriegerischen Geist und den guten Ruf der alten Eidgenossen bewahre1329 und die Wehrbereitschaft sowie militärische Fachkenntnisse der Schweiz durch die stehenden ausgebildeten Truppen im Ausland sicherstelle. Anstatt das Land von Frankreich abhängig zu machen, 1329 Siehe BBB Mss.h.h.XXVIII.96 (9), (wie Anm. 1268), S. 117 u. 119.

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bewahrten die Kapitulationen mit unterschiedlichen Mächten die Unabhängigkeit und den Schutz der Schweiz.1330 Die Söldneroffiziere zeigten sich ähnlich kritisch wie ihre Mitbürger, wenn es um den schädlichen Einfluss des Luxus ging. Sie betrachteten zwar ebenfalls das Ausland, vor allem Frankreich, als den Ursprung dieser Laster, zogen aber offenbar keinen Zusammenhang zwischen ihrer Tätigkeit und der angeblichen Zunahme des Luxus in der Eidgenossenschaft. Im Gegenteil, Fr¦d¦ric Sturler zählt sogar bei den Vorteilen des Söldnerwesens die Tatsache auf: »Sie [die Untertanen, M. H.] lernen die Sitten und Bräuche, der anderen Völker kennen, bey¨ denen sie Krieg führen: Endlich können sie alle Vortheile, von diesen Bewilligungen ziehen, welche die Reißen procurieren, und das alles auf Unkosten des Fürsten welchem sie dienen: dadurch haben die, welche aus Unvermögen, nicht hätten können diese Vortheile in fremden Länderen suchen, auch einen Theil davon, ohne das, sie sonst, in der Dunkelheit und Unwißenheit geblieben wären: Sie können, wo nicht Reichthüm[m]er, doch genugsam Güter sam[m]eln, um in jhrem Vatterland, gegen das Ende ihres Lebens auszuruhen.«1331

Im Stadtstaat Bern stammten sowohl die Befürworter wie auch die Gegner des Söldnerwesens in der Regel aus der gesellschaftlichen Oberschicht. Prinzipiell gegen den Dienst im Ausland zu sein hätte also bedeutet, die standesgemäße Versorgung eines großen Teils seiner Mitbürger zu verhindern. Entsprechend fiel die Kritik, auch in anderen Orten der Eidgenossenschaft, häufig sehr relativierend aus. Viele Gegner des Söldnerwesens waren, vielleicht mit Ausnahme eines Mannes wie Johann Heinrich Waser, nicht grundsätzlich gegen den Dienst im Ausland, sondern sie wollten die Rahmenbedingungen ändern. Der anonyme Verfasser des bündnis- und solddienstkritischen Textes von 1751 war keineswegs grundsätzlich gegen das Söldnerwesen oder gegen einen Vertrag mit Frankreich. Er wünschte sich jedoch beim ersten Punkt, dass man durch das »Principio der aristocratischen Mäßigung« die schlechten Einflüsse mildere, und beim zweiten Punkt ein bedächtiges Vorgehen der Kantone.1332 Andere Kritiker sahen es als vorteilhafter an, wenn nur noch einzelne, begabte Offiziere im Ausland dienten. Gabriel Albrecht von Erlach betrachtete zwar die kapitulierten Dienste Berns als schädlich, er war aber überzeugt, dass Berner Offiziere wie Lentulus1333 oder Froideville,1334 die im Ausland gedient und Karriere gemacht

1330 Vgl. Bolzern, Service (wie Anm. 1257), S. 475; BBB Mss.h.h.XXVIII.96 (9), (wie Anm. 1268), S. 121. 1331 Ebd., S. 118. 1332 BBB Mss.h.h.XI.14 (110), (wie Anm. 1259), S. 2, 44 u. 53. 1333 Robert Scipio von Lentulus (1714 – 1786), Preussischer General und Gouverneur von Neuenburg, er hatte bedeutenden Einfluss auf die Militärreformen der Republik Bern in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.

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hatten, sehr nützlich für Stadt seien.1335 Franz Bernhard Meyer von Schauensee verwendete in seiner Rede dieselbe Argumentation. Er betonte, dass jeder Mann das Recht habe, im Ausland Militärdienst zu leisten,1336 und dass Einzelne immer wieder den Weg in ausländische Heere auf sich nehmen würden, um sich dort durch ihr »Genie« und ihre Neugier hochzuarbeiten.1337 Meyer von Schauensee betrachtete nur solche Offiziere als später für die Schweiz nützlich.1338 Eine Episode aus dem Leben des großen Berner Gelehrten Albrecht von Haller, die vom Historiker Andreas Affolter beleuchtet wird, versinnbildlicht den Zwiespalt, in dem sich viele Kritiker befanden, und zeigt, wie Argumente gegen den Solddienst ebenso gut zur Verteidigung dieses Institution gebraucht werden konnten. Albrecht von Haller äußerte sich in seiner Korrespondenz mehrfach als klarer Gegner der Fremden Dienste. Er verhöhnte die aus Frankreich zurückgekehrten Offiziere wegen ihrer monarchischen Gesinnung und ihrer Abhängigkeit von dieser Krone.1339 Außerdem war er auch der Meinung, dass durch das Söldnerwesen schlechte Einflüsse in die Eidgenossenschaft kämen und es für die Schweiz den größeren Nutzen bringen würde, wenn die jungen Männer in ihrer Heimat blieben.1340 Allerdings geriet Albrecht von Haller 1763 in einen Wertekonflikt, als er vom Kommandanten des Regiments de Diesbach das Angebot einer Fähnrichsstelle für seinen zweitjüngsten Sohn erhielt.1341 Haller stand nun, gemäß Affolter, vor einer schwierigen Entscheidung: Als Patriot musste er gegen eine militärische Laufbahn in Frankreich sein, da Haller das Söldnerwesen ja als schädlich für seine Heimat betrachtete.1342 Doch als Familienoberhaupt musste er seinem Sohn die Möglichkeit zum gesellschaftlichen Aufstieg und zu einem standesgemäßen Leben geben, umso mehr, als die Stellung seiner Familie im Berner Patriziat nicht unumstritten war.1343 Das Dilemma löste sich, als Hallers Freund, der Waadtländer Gelehrte Charles Bonnet (1720 – 1793), dem Berner erklärte, dass man zwischen dem grundsätzlich verwerflichen Solddienst im Allgemeinen und dem ehrenhaften Solddienst im Speziellen unterscheiden müsse.1344 Im Regiment de Diesbach diente 1334 Benjamin Louis Monod de Froideville (1714 – 1797), preußischer Oberst und Generalinspektor der Berner Kavallerie. 1335 Erlach, R¦flexions (wie Anm. 1326), S. 7. 1336 Meyer von Schauensee, Reislauffen (wie Anm. 1255), S. 94 f. 1337 Ebd., S. 65. 1338 Ebd., S. 66. 1339 Affolter, Andreas, Zwischen Patriotismus und Familieninteresse. Albrecht von Hallers Wertekonflikt in der Solddienstfrage, in: Berner Zeitschrift für Geschichte 72 (2010), H. 3, S. 37 – 56, hier S. 43. 1340 Ebd., S. 44. 1341 Ebd. 1342 Ebd., S. 46. 1343 Ebd., S. 45. 1344 Ebd., S. 47.

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der Genfer Offizier Jacques-Andr¦ Lullin de Ch–teauvieux (1728 – 1816), er würde als Mentor für eine patriotisch-republikanische Erziehung des jungen Berners sorgen.1345 Dank dieses Offiziers und weiterer tugendhafter Verwandter Bonnets besäße ein solcher Solddienst nichts Verwerfliches, im Gegenteil, der Militärdienst würde für Hallers Sohn Johann Karl zu einer Tugendschule werden, aus welchem der junge Mann sittlich und moralisch gestärkt zurückkommen würde.1346 Diese Argumente überzeugten Albrecht von Haller,1347 auch wenn der Plan, Ch–teauvieux zum Mentor seines Sohnes zu machen, schließlich doch nicht verwirklicht werden konnte.1348 Doch Albrecht von Haller musste seinen Sohn irgendwie versorgen, und so suchte er für ihn einen Platz im Berner Regiment, wo Johann Karl von Haller 1764 als Unterleutnant eintrat und im Jahre 1781 bei einem Duell umkam.1349 Wie Andreas Affolter schreibt, begegneten sowohl Haller als auch Bonnet der Tatsache, dass dieses Regiment nicht mehr die von Bonnet skizzierte Tugendschule war, mit betretenem Schweigen.1350

1345 1346 1347 1348 1349 1350

Ebd. Ebd., S. 47 ff. Ebd., S. 50. Ebd., S. 51 Ebd., S. 51. Ebd.

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Zusammenfassung und Fazit

Die Schweizer Söldneroffiziere des 18. Jahrhunderts stellten eine sehr homogene Gruppe dar. Bis auf wenige Ausnahmen waren alle höheren Kaderstellen in den Händen von Mitgliedern der kantonalen Oberschichten. Trotz regionaler Unterschiede glichen sich die Angehörigen dieser sozialen Gruppe durch ihre Übernahme adeliger Lebensformen, zu denen auch der prestigeträchtige Dienst als Offizier gehörte. Manche dieser Offiziere berichteten in Briefen, Autobiographien oder Tagebüchern über ihre Erlebnisse in Fremden Diensten. Briefe und Tagebücher wurden unter einem anderen Blickwinkel als Autobiographien verfasst, denn Erstere entstanden oft unmittelbar nach den Ereignissen, die sie beschreiben. Dennoch gilt für alle Texte, dass sie mit einer bestimmten Absicht geschrieben wurden. Diese Absicht konnte, was in vielen Briefen der Fall war, die Information der Angehörigen sein, die Verfasser konnten aber auch den Vorsatz haben, rückblickend ihre eigenen Taten zu rechtfertigen oder ihren Nachfahren eine Gedächtnisstütze zu hinterlassen. Wie bei Offizieren zu erwarten, nahmen militärische Inhalte einen wichtigen Platz in den Quellen ein. Die Beschreibung des Militärdienstes im Ausland, insbesondere des dienstlichen Alltags, hat in den Texten einen hohen Stellenwert. In Friedenszeiten wurden die Schweizer Truppen an wechselnden Standorten stationiert, meistens an der Grenze des Dienstlandes. Das Leben in der Garnison war ein prägender Teil des Militärdienstes. Der Alltag der Offiziere bestand einerseits daraus, die Ausbildung und die Disziplin der Truppe zu beaufsichtigen und bestimmte repräsentative Pflichten wahrzunehmen. In Frankreich wurden in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts aufwendige Manöver zu einem Bestandteil der Ausbildung. Neben ihren Pflichten verfügten die Offiziere aber auch über genügend dienstfreie Zeit, um verschiedenen Beschäftigungen nachzugehen. Dazu gehörten das Kartenspiel, die Teilnahme an Bällen oder der Besuch einer Theateraufführung. Im Gegensatz zu den einfachen Soldaten, die häufig neben dem Dienst einen Beruf ausübten, entsprach diese »Freizeitgestaltung« dem Lebensstil einer europäischen Oberschicht. Zur Garnison gehörte auch, dass das Militär und die Zivilbevölkerung einen Weg finden

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mussten, zusammenzuleben, da die Offiziere in der Regel in den Häusern von Zivilpersonen einquartiert wurden. Dieser Umstand barg am ehesten das Potenzial für Missstimmungen. Dennoch schreiben die Autoren durchwegs positiv über das Verhältnis zu ihren Gastgebern. Es entwickelten sich auch Freundschaften; Schweizer dienten sogar als Taufpaten für die Kinder der lokalen Bevölkerung. Die negative Kritik an den Garnisonsstandorten richtete sich meistens gegen deren periphere Lage, etwa auf Korsika oder in den französischen Alpen. In diesen Orten fehlte offenbar eine Gesellschaftsschicht, welche die Offiziere als gleichwertig erachteten und welche für kulturelle Institutionen wie Theater und damit für ein Sozialleben sorgte. Dennoch gehörten zu den wichtigen Ereignissen des Jahres keine Bälle, sondern die wiederkehrenden Revues, bei denen ein Inspektor den Ausbildungsstand der Soldaten und die Mannschaftsstärke der Einheit kontrollierte. Die Inspektionen waren deswegen so wichtig, weil die jährliche Geldpauschale, welche ein Kompaniebesitzer für seine Unkosten erhielt, durch den kontrollierten Mannschaftsbestand bestimmt wurde. Finanzielle Belange nehmen in den Selbstzeugnissen der Offiziere ohnehin viel Platz ein. Der Militärdienst war keineswegs billig. Unvermeidliche Ausgaben für die Uniform und Bewaffnung wie auch die Kosten für das Sozialleben in der Garnison waren mit dem Sold eines angehenden Offiziers nicht zu finanzieren, jedoch für seinen standesgemäßen Auftritt sehr wichtig. Aus diesem Grunde waren die jungen Männer auf die Unterstützung ihrer Familien angewiesen. Die Korrespondenz mit den Eltern bestand deshalb zu einem großen Teil aus Bitten um Geld und Beteuerungen von Sparsamkeit auf der einen Seite, während von der anderen Seite oft Ermahnungen und Vorwürfe der Liederlichkeit zurückkamen. Finanzielle Mittel waren aber nicht nur zur Finanzierung des Lebensunterhalts nötig. Für Beförderungen oder für den Erwerb einer Kompanie oder eines Regiments wurden oftmals sehr hohe Geldzahlungen gefordert. Solche Ausgaben konnten meistens nur im Familienverbund getätigt werden. Der Militärdienst im Ausland führte die Schweizer Offiziere häufig in unbekannte Länder oder Gegenden. Die Offiziere nutzten ihren Aufenthalt in der Fremde, um ihren vorläufigen Lebensmittelpunkt zu entdecken. Antike Kunstwerke, die Bilder alter Meister oder Menagerien mit exotischen Tieren gehörten zu den Sehenswürdigkeiten, von denen die Männer berichteten. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts weckten Natur und Landschaft vermehrt das Interesse der Schweizer. Hans Kaspar Hirzel zeigte sich von der mediterranen Flora und Fauna und von römischen Ruinen fasziniert. Auch das weite und offene Meer scheint auf die Männer aus einem Binnenland eine verständliche Faszination ausgeübt zu haben. Zwischen den Offizieren und ihren Familien und Bekannten in der Heimat entwickelte sich ein reger Kulturaus-

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tausch. In ihren Briefen versprachen sie, unbekannte Blumen oder Kolonialwaren in die Heimat zu schicken, und verlangten im Gegenzug, dass man ihnen Käse und andere landwirtschaftliche Produkte zukommen ließ. Das Leben im Ausland hatte jedoch auch eine Kehrseite: Der Begriff des Heimwehs wurde von Anfang an mit den Schweizer Söldnern verknüpft, was den Mythos des heimwehkranken Schweizers, der desertierte, sobald er die Töne des Alphorns zu vernehmen glaubte, begründete. Dabei traf diese »Krankheit« selbst die Offiziere, von denen einige in ihren Briefen oder Autobiographien eine Sehnsucht nach Hause gestanden. Die meisten der in dieser Arbeit untersuchten Söldneroffiziere kannten den Krieg aus eigener Erfahrung. Feldzüge waren im 18. Jahrhundert durch Märsche und Belagerungen geprägt. Diese Tatsache zeigt sich in den Schilderungen der Offiziere deutlich: Sie vermerkten Tag für Tag die Marschroute ihrer Einheit und notierten schlechte Wege, schlechtes Wetter und die ständige Suche nach Unterkunft oder einer Mahlzeit. Mit den letzten beiden Punkten reflektierten die Offiziere eine der grundlegenden Probleme der Kriegsführung in der Frühen Neuzeit: Die logistischen Möglichkeiten der damaligen Armeen waren in der Praxis äußerst begrenzt, die Soldaten und Offiziere mussten selbst schauen, wie sie den größten Teil ihrer Verpflegung besorgten. Solche Probleme hatten weitgehende Konsequenzen für das Verhältnis der Soldaten zur Zivilbevölkerung, aber auch für die Moral der Truppe. Die Offiziere klagen häufig über Deserteure, sahen aber vor allem individuelle Charakterschwäche als Ursache an und nicht die prekäre Versorgungslage, obwohl auf dem Feldzug normalerweise wesentlich mehr Soldaten desertierten als in der Garnison. In den Kriegsjahren 1757 bis 1762 verlor ein Berner Regiment in Frankreich durch Desertion 902 Mann, also fast den halben Sollbestand. Da die Armeeführung davon ausging, dass die Soldaten ihre Verpflegung selbst beschaffen konnten, wurde die (mehr oder weniger) gewaltsame Entwendung von Lebensmitteln und Material bei der Landbevölkerung von den Offizieren weitgehend toleriert. Die Besatzungsmacht hatte das Recht, mit Zwang Geld- und Sachleistungen zu erheben. Darüber hinaus waren, rechtlich gesehen, das Beutemachen und die Plünderung eingenommener Orte unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Spontane Einzelaktionen der Soldaten konnten, wenn man ihrer habhaft wurde, mit einer harten Bestrafung enden. Solche Urteile wegen »Marodierens« oder Desertion dienten als Exempel zur Abschreckung der anderen Soldaten, denn der Armeeführung war grundsätzlich nicht daran gelegen, selbst ihre Kampfkraft zu schwächen. Soldaten, die ihr Schicksal selbst in die Hand nahmen, weil sie Hunger litten, widersprachen dem zeitgenössischen Bild der idealen Kriegsführung. Darin sollte die Requisition von Lebensmitteln oder das Einfordern von Beute geordnet und diszipliniert geschehen. Die Autoren bemühten sich in ihren

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Schilderungen diesen Idealvorstellungen einer »gezähmten Bellona« entsprechend, ein »zivilisiertes« Bild des Krieges zu zeigen. »Unehrenhaftes« Verhalten von Soldaten lehnen sie ab und betonen die Disziplin und Ordnung in ihrer Einheit. Übergriffe auf die Zivilbevölkerung sind schlechten Einflüssen geschuldet oder gehen auf das Konto des Gegners. Bei den Kampfhandlungen dominieren Belagerungen, da die Einnahme strategisch wichtiger Städte öfter entscheidender als eine siegreiche Feldschlacht war. Eine Belagerung folgte der Methode, die der französische Ingenieur Vauban in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts perfektioniert hatte. Die befestigte Stadt wurde durch ein stetiges Vorrücken von Belagerungsgräben und konzentrierten Artilleriebeschuss verteidigungsunfähig gemacht und damit zur Kapitulation gezwungen. Die Fortifikationslehre, welche sowohl die Anlage einer Festung wie auch deren Belagerung umfasste, war eine anerkannte Wissenschaft. Das schrittweise und durchdachte Vorgehen bei einer Belagerung, welches eine Berechenbarkeit vortäuschte, entsprach den geometrisch-rationalen Vorstellungen der Epoche. Die Offiziere, die an solchen Kampfhandlungen teilnahmen, schildern die Belagerung Tag für Tag wie ein stetiges und geplantes Vorrücken, sodass beim Leser der Eindruck entsteht, die Kapitulation sei unvermeidlich und nur eine Frage der Zeit. Eine Feldschlacht ereignete sich seltener als eine Belagerung, doch sie galt als Höhepunkt eines Feldzugs. Die Art und Weise, wie die Offiziere in ihren Texten ihre Erfahrung der Schlacht wiedergaben, war durch die Einzigartigkeit des Erlebnisses und die Unübersichtlichkeit des Schlachtfelds geprägt. Aus diesen Gründen finden sich in den unmittelbar nach der Schlacht entstandenen Quellen häufig Beteuerungen von der Unbeschreiblichkeit der Ereignisse. In ihren nachträglichen Berichten versuchten die Männer deswegen, den chaotischen und unübersichtlichen Ablauf der Kampfhandlungen geordnet und chronologisch darzustellen. Die Ordnung (»meilleur ordre; plus bel ordre«, wie es in den Quellen heißt) war das entscheidende Merkmal für die ideale Vorstellung einer erfolgreichen Schlacht. Aus diesem Grunde wurde in den offiziellen Berichten das Geschehen aus der fiktionalen Perspektive eines »Feldherrenhügels«geschildert, von dem aus alle Einheiten samt ihren Bewegungen auf einmal zu erkennen sind. Dieser »offizielle« Schreibstil galt als »richtige« Ausdrucksweise, um eine Schlacht zu beschreiben, und wurde deshalb in den Texten der Schweizer übernommen. Ihre Briefe an Freunde und Bekannte wurden manchmal durch Drucke ergänzt, die ebenfalls halfen, den Ablauf der Schlacht zu begreifen. Auch literarische Werke konnten einen Einfluss auf spätere Darstellungen einer Schlacht haben, wie das Beispiel des französischen Siegs bei Fontenoy zeigt – ein Ereignis, welches durch Voltaire verewigt wurde. Nicht nur die Form des Inhalts, auch das Vokabular ähnelte sich in den Texten. Um physische Gewalt oder den Gemütszustand der Soldaten zu be-

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schreiben, verwendeten die Offiziere ebenfalls ähnliche Begriffe. Gewehr- und Artilleriefeuer oder ein erfolgreicher Angriff »verjagte« den Gegner oder stürzte ihn in Unordnung. Soldaten waren »hitzig« oder griffen »avec acharnement« an. Eine Schlacht beherbergte natürlich zahlreiche Gefahren. Auch die Offiziere mussten mit Gefangenschaft, Tod oder Verwundung rechnen. Die medizinische Versorgung von Verwundeten war im 18. Jahrhundert noch so rudimentär, dass viele Soldaten an den Folgen ihrer Verletzungen starben. Dennoch zählen die Offiziere in ihren Texten die Wunden, welche sie aus dem Gefecht davon trugen, ausführlich auf. Kein Wort aber über den Schmerz, getroffen worden zu sein. Eine Verletzung wurde vielmehr als Auszeichnung erwähnt, denn sie war ein Beleg für die Tapferkeit des Autors und ein Beweis für die Härte des Gefechts. Ähnlich nüchtern gingen die Männer mit dem Angst vor dem Tod um, welche nie explizit geäußert wurde. Manche Offiziere verweisen auf das Schicksal und bekräftigen, dass es letzten Endes Gottes Wille sei, ob sie im Krieg sterben oder nicht. Diese fatalistische Haltung hinderte die Offiziere nicht daran, in ihren Texten auf unterschiedliche Weise auf den Tod oder die Verwundung von Freunden oder Familienmitgliedern zu reagieren. In den Fällen, in denen sie den Anblick von verletzten und sterbenden Soldaten erdulden mussten, zeigten sich die Offiziere stark betroffen, sie schreiben von einer »schrecklichen« Erfahrung. In Tagebüchern oder Briefen äußern sie bei der Nachricht vom Tod von nahestehenden Offizieren oder Familienmitglieder in einem Nebensatz ihr Bedauern über den Verlust. Der Tod anderer Offiziere wurde manchmal aus rein pragmatischen Gründen mitgeteilt. In einigen Fällen schuldeten die Verstorbenen dem Verfasser Geld, das nun abgeschrieben oder aus der Erbmasse gefordert werden musste, oder der Tod eines anderen Offiziers schuf eine Gelegenheit zur Beförderung, weshalb es wichtig war, die Angehörigen darüber zu informieren. Im Gegensatz zu Verwundung und Tod war die Gefangennahme eine weniger ernste Gefahr, denn in der Regel wurden gefangene Offiziere anständig und manchmal sogar mit ausgesuchter Gastfreundschaft behandelt. Sie konnten außerdem damit rechnen, bei einer passenden Gelegenheit ausgetauscht zu werden. Dennoch: Eine Gefangennahme war in materieller Hinsicht ein empfindlicher Verlust, da auch Offiziere ihrer Wertsachen entledigt wurden. Darüber hinaus stand eine Gefangennahme meistens im Zusammenhang mit einer Niederlage, sie war also mit einem Gefühl des eigenen Versagens behaftet. In den Selbstzeugnissen versuchten die Offiziere deshalb, die Umstände ihrer Gefangennahme zu rechtfertigen, indem sie auf die Unvermeidlichkeit der Niederlage hinwiesen, die durch überlegene gegnerische Kräfte oder die Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Verteidigungsmöglichkeiten entschuldigt wurde. Im Zusammenhang mit den zahlreichen Gefahren, die im Krieg drohten, kann von einer »Bedrohungskommunikation« gesprochen werden. Krieg – als bedrohende Situation für die Teilnehmer – forderte eine verstärkte Kommuni-

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kation: Vorgesetzte Stellen, kantonale Obrigkeiten und Familienangehörige wollten Informationen zum Kriegsverlauf und zum Wohlbefinden ihrer Nächsten. Die Verfasser standen also im Zwiespalt: Einerseits sollten sie möglichst aktuelle und detailreiche Nachrichten liefern, andererseits aber hatten sie auch individuelle Gründe, nicht alles zu erzählen, etwa um ihre Angehörigen nicht zu verängstigen oder um sich selbst in einem besseren Licht darzustellen. Die Deutung von Kriegserfahrung ist von einer Prägung abhängig, die bereits vor dem Erlebnis stattfand. Die christliche Religion war eines der Deutungsangebote, die den Offizieren halfen, das Erlebte zu verarbeiten und die Angst vor den Schrecken des Krieges zu überwinden. Viele Tagebücher zeigen bereits äußerliche Zeichen davon, indem geistliche Lieder oder Psalmen auf den Titel notiert wurden. Die katholischen Offiziere baten Heilige um Schutz oder ließen ihre Verwandten Messen für ihre Unversehrtheit lesen. Einige schlossen Gelübde ab, Messen lesen zu lassen oder eine Wallfahrt zu unternehmen, falls sie im Krieg oder in der Schlacht unversehrt blieben. Auch der glückliche Ausgang einer Schlacht wurde dem Wirken Gottes zugesprochen. Einige Offiziere waren überzeugt davon, dass Gott persönlich sie aus gefährlichen Situationen gerettet hatte. Jean-Fr¦d¦ric de Diesbach machte 1727 eine Reise in die Schweiz, wo er unter anderem in Einsiedeln SZ Gott dafür dankte, dass er so viele Schlachten, Belagerungen und lange Reisen überlebt hatte. Die Religion bot auch Trost in schwierigen Situationen, so beim Tod naher Angehöriger, etwa dem der eigenen Ehefrau. In manchen Texten, die gegen 1800 oder später verfasst wurden, lässt sich ein Wandel bei der Bedeutung der Religion feststellen. Persönliche Schicksalsschläge wurden nicht mehr in jedem Fall religiös verarbeitet, sondern »psychologisch«, indem die eigenen Gefühle ein stärkeres Gewicht erhielten. Die Umwelt wurde gegen 1800 nicht mehr ausschließlich von einem christlichen Standpunkt aus betrachtet. Himmelserscheinungen waren nicht mehr göttliche Vorboten, sondern wissenschaftlich erklärbare Ereignisse. Dieser Wandel darf aber nicht zu stark betont werden, denn es bleibt die »Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen«. Im gesamten 18. Jahrhundert prägten religiöse Vorstellungen manche Texte in ihrer Gesamtheit. Für Johann Viktor von Aregger, der mehrere Jahre in Algier als Sklave verbrachte, war die Religion eine wichtige Stütze in der Gefangenschaft. Er deutete in seinem 1741 verfassten Bericht an, dass seine Gefangenschaft ihn wieder auf den rechten Pfad Gottes brachte. Die 1799 geschriebene Autobiographie von Martin du Fay beschreibt das Erweckungserlebnis des Verfassers. Der Walliser schildert, wie er durch Gottes Einwirken von einem sündhafter Offizier zu einem frommen Mönch wurde. Eine zweite prägende Vorstellung für das Offizierskorps war die Ehre. Die Ehrvorstellungen des 18. Jahrhunderts orientierten sich an ritterlich-adeligen Idealen. Die persönliche Ehre gab dem Einzelnen ein »symbolisches Kapital«, sie

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diente als Maßstab für die Bewertung von eigenem und fremdem Verhalten und beeinflusste dadurch auch das Denken darüber, wie ein Krieg geführt werden musste. Die Ehre eines Offiziers bemaß sich einerseits nach den persönlichen Eigenschaften, andererseits nach den erhaltenen Auszeichnungen. Zu den positiven Eigenschaften, die ein Offizier besitzen musste, gehörten Mut und taktisches Geschick. Viele Selbstzeugnisse dienten dazu, eventuellen Lesern Beispiele für die Tapferkeit und die herausragenden militärischen Leistungen des Verfassers zu geben. Dies geschah einerseits durch die Hervorhebung der vielen Schlachten und Belagerungen, an denen die Offiziere teilgenommen hatten, und andererseits durch detaillierte Beispiele ihres tapferen Verhaltens im Gefecht. Um ihre Qualitäten als militärische Führer zu belegen, zählen die Männer geglückte Manöver auf, oder sie schrieben sich die ausschlaggebenden Entscheidungen in der Schlacht zu. Ehre wurde nicht nur durch persönliche Voraussetzungen erworben, auch »äußere« Symbole wie die Uniform, Orden oder Beförderungen konnten das Ansehen eines Offiziers vergrößern. Solche Auszeichnungen wurden aber keineswegs immer nach dem Leistungsprinzip verteilt. Im 18. Jahrhundert war das »Anciennitätsprinzip«, also der Primat des Dienstalters, immer noch maßgeblich. Außerhalb der Anciennitätsreihenfolge befördert oder ausgezeichnet zu werden, wurde von den Betreffenden in ihren Texten als bemerkenswerte Anerkennung hervorgehoben. Die Einschätzung, wie stark die Anciennität beachtet werden musste, wurde ohnehin nach den eigenen Erwartungen ausgelegt. Den Übergangenen blieben hingegen der Unmut und die Frustration. Rückschläge in der Laufbahn wurden von den Offizieren durchaus als ein Angriff auf die persönliche Ehre betrachtet. Gerade die Bündner Friedrich von Planta oder Johann Viktor von Travers strichen in ihren Lebensläufen ihre Leistungen heraus und erklärten und rechtfertigten ihre, scheinbar unerklärlichen, Misserfolge mit Intrigen rivalisierender Offiziere. Verpasste Beförderungen oder Missachtung bei der Vergabe von Kompanien führten in vielen Fällen zur Drohung, den Dienst zu verlassen. Solche Aussagen waren häufig nur ein Druckmittel oder wurden in nachträglich verfassten Texten so wiedergegeben, um die Entschlossenheit des Verfassers zu zeigen. Dennoch verließen manche Offiziere den Militärdienst, so etwa Gabriel Albrecht von Erlach oder Antoine Marie Augustini, weil ihnen weitere Karrieremöglichkeiten verwehrt wurden. Eine für die Frühe Neuzeit typische Ausprägung der männlichen Ehre fand sich im Duell. Zweikämpfe waren auch unter den Schweizer Offizieren verbreitet. Fast alle Autoren nahmen entweder als Teilnehmer oder als Zeuge daran teil. Zweikämpfe im Offizierskorps dienten einerseits dazu, den eigenen Status und die Stellung in der militärischen Hierarchie zu behaupten, andererseits zur endgültigen Lösung eines bestehenden Konflikts, etwa um nicht zurückgezahlte Schulden. In den Selbstzeugnissen sind Duelle natürlich stark subjektiv be-

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schrieben. Die Autoren, die in einem Zweikampf verwickelten waren, stellten sich als friedfertige Menschen dar, die sich ungewollt zum Kampf gezwungen sahen und nur widerwillig darauf eingingen. Die Beschreibung einer anschließenden Versöhnung war wichtig, selbst wenn die Beleidigung von ihnen ausging. Obwohl der Zweikampf bereits im 18. Jahrhundert unter strenger Strafandrohung verboten war, findet sich in den untersuchten Quellen, mit einer Ausnahme, kein Fall, in dem die Praxis des Duellierens kritisiert oder ein Duellant bestraft wurde. Die Quellen zeigen einige Themen, die typisch für das Schweizer Söldnerwesen waren. Die in diesem Geschäft tätigen Familien strebten alle nach dem Besitz einer Kompanie oder eines Regiments, denn damit ließ sich der größte Gewinn erwirtschaften. Doch für eine erfolgreiche Karriere waren bedeutende Geldmittel nötig, die, zumindest zu Beginn, durch die Familie gestellt werden mussten. Der Betrieb einer Einheit erforderte komplexe Organisationsleistungen, die nur mit dem Einsatz aller Familienmitglieder bewältigt werden konnten. Die Zusammenarbeit zwischen den Männern im Ausland und ihren Verwandten oder Kontaktpersonen in der Eidgenossenschaft prägen die Korrespondenz der Offiziere. In der Heimat konnte Bargeld einfacher beschafft werden, und die Kompanieinhaber waren auf die Unterstützung ihrer Vertrauenspersonen angewiesen, um eine stetige Versorgung mit neuen Rekruten sicherzustellen. Ein regelmäßiger Informationsfluss zwischen den Dienstorten und der Heimat sorgte dafür, dass die Familienmitglieder zu jeder Zeit wussten, welche Offiziersstellen vakant und welche Kompanien ohne Inhaber waren. Solche Familiennetzwerke spielten bei der Neubesetzung von Offiziersstellen eine überaus wichtige Rolle. Dank ihrer Verwandten im Ausland besaßen die im Söldnerwesen tätigen Familien einen Wissensvorsprung vor anderen Familien: Die Männer erfuhren, wann Stellen frei wurden, und sie wussten, wie sie vorgehen und wen sie ansprechen mussten, um an diese Stellen zu kommen. Einflussreiche und bedeutende Patrizierfamilien verfolgten darüber hinaus eine systematische Politik, um wichtige militärische Posten im Ausland in Familienhand zu bewahren. So musste in vielen Fällen ein Offizier, der die Armee verlassen wollte, zunächst dafür sorgen, dass ein anderes Familienmitglied das Kommando beziehungsweise den Besitz seiner Einheit erhielt. Der Dienst als Söldneroffizier war ein wesentlicher Teil der Lebensführung der eidgenössischen Oberschichten. In gewissen Gebieten, wie etwa der Innerschweiz, kam es deswegen sogar zu einem Überangebot an Söldnereinheiten, da die regierenden Familien genügend Offiziersplätze für ihren Nachwuchs bereithalten wollten. Die Platzierung von Verwandten sowie der Erwerb und die Behauptung einer Kompanie waren für die im Söldnerwesen tätigen Familien der Eidgenossenschaft von zentraler Bedeutung. Dafür waren ebenfalls die richtigen Heiratsverbindungen wichtig. Sie sicherten geschäftliche, politische und freund-

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schaftliche Beziehungen sowie Vermögen ab und schufen ebenfalls ein Familiennetz, durch das Informationen flossen. Im Schweizer Offizierskorps in Fremden Diensten war im 18. Jahrhundert ein gemeinschaftliches, »nationales« Bewusstsein vorhanden. Die Offiziere waren bedacht, den guten Ruf der »Suisses« im Ausland zu wahren. Besonders die Ereignisse des 10. August 1792 führten zu Solidaritätsbekundungen. Obwohl die Eidgenossenschaft im 18. Jahrhundert über keine ethnische, religiöse oder sprachliche Homogenität verfügte, gründete dieses kollektive Bewusstsein der Schweizer Offiziere einerseits auf einem aristokratisch-republikanischen Ideal, bei dem das Militärische einen hohen Stellenwert einnahm, andererseits auf einem gemeinsamen eidgenössischen Geschichtsbild. Die Hingabe zum Dienst, die Pflichterfüllung gegenüber dem Dienstherren, der Einsatz für das »bien du service« sowie die »zÀle«, der Diensteifer, waren für die Schweizer Offiziere maßgeblich. Der Militärdienst wurde – im Gegensatz zum bequemen und »faulen« Zivilleben – als sinnvolle und wünschenswerte Tätigkeit dargestellt. Die Betonung der Pflichterfüllung scheint charakteristisch für das Schweizer Offizierskorps in Fremden Diensten zu sein. Dieses Verständnis von Pflichterfüllung widersprach in gewissen Teilen dem ritterlich-adeligen Selbstverständnis des europäischen Offizierskorps, das sich sehr stark auf die individuelle Ehre konzentrierte. Die republikanischen Vorstellungen in der Eidgenossenschaft, die im 18. Jahrhundert entstanden, basierten auf dem Vorbild der römischen Republik. Nach der Vorstellung der eidgenössischen Intellektuellen war die ideale Republik auch von militärischer Tugend geprägt, ihre Bürger waren bereit, sich für das Gemeinwohl und für die Verteidigung ihrer Freiheit einer aristokratischen Regierung unterzuordnen. Müßiggang und Luxus waren dagegen die Hauptfeinde der eidgenössischen Republiken und eine Gefahr für ihre Freiheit. Luxus in Form von höfischen Sitten oder auch exotischen Produkten bedrohte die eidgenössische Wehrhaftigkeit. Ein Söldneroffizier wie Peter Viktor Besenval schrieb, dass er unter Tugend die Einfachheit der Sitten und eine Liebe zum Vaterland verstehe und dass die Tugend seiner Bürger den Staat erhebe. Hingegen kritisierte er den französischen Durst nach Geld, um das Bedürfnis nach Luxus und Vergnügungen zu stillen, als ruinös für das Land. Eine gemeinsame Geschichtsschreibung spielte bereits seit dem 15. und 16. Jahrhundert eine wichtige Rolle für die Entstehung eines schweizerischen Nationalbewusstseins. Diese Geschichtsschreibung gewann im 18. Jahrhundert an Bedeutung, als die Schweizer Aufklärer, gleichzeitig mit der »Entdeckung« der Alpen als mythischem Herkunftsort der Eidgenossen, den tapferen und wehrhaften »Alten Eidgenossen« zum Vorbild für die zeitgenössische Gesellschaft machten. Einige Schweizer Offiziere wie Beat Fidel Zurlauben oder Beat Emanuel halfen bei der gemeinsamen Identitätssuche mit, indem sie die Ge-

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schichte der Fremden Dienste mit der Entstehung der Eidgenossenschaft verknüpften. Bei beiden war die Tugend der Vorfahren der entscheidende Grund für den Erfolg der Schweizer. Für May von Romainmútier machten die Schweizer nach der Schlacht von Marignano aus der Not eine Tugend. Dank ihrer bisherigen Siege vor feindlichen Eroberungsgelüsten geschützt, hätten die Kantone darauf verzichtet, stehende Armeen aufzubauen und wären dazu übergegangen, ihren Verbündeten Truppen zur Verfügung zu stellen, um militärische Kenntnisse zu kultivieren und den Mut der Vorfahren nicht zu vergessen. Trotz der Vorteile, die das Söldnerwesen der Eidgenossenschaft bescherte, war das Geflecht aus militärischen Dienstleistungen und Außenpolitik im 18. Jahrhundert nie völlig unumstritten. Durch die zahlreichen wirtschaftlichen und finanziellen Verflechtungen, die das Söldnerwesen mit sich brachte, konnten Veränderungen in der Militärorganisation weitreichende Folgen für die betroffenen Kantone haben. Das größte Risiko war jedoch, dass die Kantone und damit auch die Eidgenossenschaft bei europäischen Konflikten Gefahr liefen, in die Konflikte jener Länder verwickelt zu werden, in denen ihre Truppen dienten. Der Siebenjährige Krieg, der von 1756 bis 1763 in Europa wütete, wurde für die Kantone Bern und Zürich zu einem außenpolitischen Härtetest, da sie nicht wollten, dass ihre Regimenter in Frankreich offensiv gegen Preußen eingesetzt würden. Die reformierten Orte befürchteten, dass ein Sieg der katholischen Nachbarn Frankreich und Österreich Auswirkungen auf die inneren Angelegenheiten der Eidgenossenschaft haben könnte, in denen die Reformierten seit 1712 die Vormacht hatten. Als Ende 1756 in Bern bekannt wurde, dass die französische Armee beabsichtigte, den Rhein zu überqueren, löste das heftige Diskussionen im Rat aus. Die Versuche der Berner Obrigkeit, auf der kapitulationsgemäßen defensiven Verwendung ihrer Truppen zu bestehen, wurden dadurch unglaubwürdig gemacht, dass das Regiment einige Jahre zuvor im Österreichischen Erbfolgekrieg offensiv eingesetzt worden war, ohne dass die Berner Obrigkeit sich dagegen gewehrt hätte. Schließlich beugte sich Bern dem französischen Druck. Als Sündenbock für diesen außenpolitischen »Kniefall« wurde der Berner Oberst in Frankreich, Samuel Jenner, ausgemacht, dem vorgeworfen wurde, er wolle aus Gründen von Ruhm und Ehre sein Regiment gegen Preußen in den Krieg führen. Jenner selbst stellte sich in seinen Briefe als treuer Soldat dar, der unbeabsichtigt zwischen die Fronten geraten war. Außer in Bern und Zürich war der Einsatz Schweizer Truppen in der französischen Armee in der Eidgenossenschaft unumstritten. Die Reformen, die nach dem Siebenjährigen Krieg in der französischen Armee umgesetzt wurden, betrafen auch die Schweizer Regimenter in Frankreich. An ihrer Ausarbeitung waren auch Schweizer Offiziere beteiligt, und so richtete sich die Kritik im Offizierskorps hauptsächlich gegen die strengeren Ausbildungsvorschriften. In der Eidgenossenschaft sorgten die Änderungen in

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der Innerschweiz für Unruhen. Hier waren die herrschenden Familien auf viele Eigentumskompanien angewiesen, um ihre Verwandten zu platzieren, sie wurden deshalb vom Verbot der erblichen und der halben Kompanien empfindlich getroffen. Viele Kantone waren außerdem von Salzlieferungen und/oder Geldzahlungen aus Frankreich abhängig, doch nicht alle Bürger profitierten gleichermaßen davon. Die Unzufriedenheit über die Militärreformen vermischte sich mit solchen sozialen Spannungen und löste in den Kantonen Schwyz und Zug schwere innenpolitische Auseinandersetzungen, die sogenannten »Hartenund Lindenhandel«, aus. Für Unzufriedenheit sorgten in der Schweiz auch die Militärreformen, die im süditalienischen Königreich Neapel ab 1787 durch Anton von Salis-Marschlins konzipiert wurden. Um die Militärausgaben zu reduzieren, sollten die Schweizer Regimenter aufgelöst und durch zwei Fremdenregimenter ersetzt werden. Dieses Vorgehen zog eine diplomatische Intervention der betroffenen Kantone Uri, Schwyz, Obwalden und Katholisch-Glarus nach sich, die auf die Verluste der Regiments- und Kompanieinhaber hinwiesen. Doch trotz der Drohung, künftig keine Werbungen für Neapel mehr zuzulassen, wurden 1789 die Schweizer Einheiten entlassen. Einige Inhaber erlitten dadurch hohe finanzielle Verluste, für die sie Anton von Salis-Marschlins verantwortlich machten. Solche Krisen und Auseinandersetzungen waren für manche Schweizer der Beweis dafür, dass die Kapitulationen mit den ausländischen Dienstnehmern nicht das Papier wert waren, auf dem sie standen. Dies wurde zu einem Argument, das in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts oft vorgetragen wurde, als das Söldnerwesen in der Eidgenossenschaft vonseiten einer »aufgeklärten Öffentlichkeit« immer stärker unter Druck geriet. Ein zentraler Einwand war, dass die Truppen in »Fremden Diensten« die Eidgenossenschaft vom Ausland abhängig machten. Dabei dachten die Gegner des Söldnerwesens vor allem an die Gefahr, in die Kriege Frankreichs verwickelt zu werden; ein Land, das in den Augen vieler aufgeklärter Schweizer im 18. Jahrhundert zu großen Einfluss auf die Schweiz ausübte. Weitere Argumente der Gegner dieses Geschäfts waren, dass durch die Schweizer im Ausland schädliche Einflüsse, so etwa der Luxus oder höfische Sitten, in die Schweiz Einzug hielten. Die frühen Volkswirtschaftler sahen darüber hinaus im Söldnerwesen einen immensen ökonomischen Schaden für das Land: Die Fremden Diensten schwächten das wirtschaftliche Potenzial der Schweiz und entzögen dem Land nützliche Arbeitskräfte, die nur unzureichend durch die Geldzahlungen der Dienstherren entschädigt wurden. Erstaunlicherweise gingen nicht viele Offiziere auf diese Kritik an ihrem Beruf ein. Einzelne ehemalige Offiziere teilten sie sogar. Dafür verteidigten Geschichtsschreiber wie Zurlauben oder May von Romainmútier das Söldnerwesen in ihren Werken. Auffällig ist, dass sowohl Gegnern wie Befürworter mit ähnlichen Argumenten arbeiteten. Das erstaunt nicht, da die Vertreter beider

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Seiten meistens aus derselben patrizischen Oberschicht stammten. Da eine grundsätzliche Ablehnung des Söldnerwesens die soziale Stellung und berufliche Tätigkeit von Verwandten gefährden konnte, wünschten sich im 18. Jahrhundert die Kritiker der Fremden Dienste kein generelles Verbot, sondern sie wollten den Dienst im Ausland zu einer privaten Angelegenheit von Einzelpersonen machen und so den Einfluss fremder Staaten auf die kantonale Politik reduzieren. Die in dieser Arbeit versammelten Selbstzeugnisse repräsentieren natürlich nur eine Auswahl der vielen Schweizer Offiziere, die im 18. Jahrhundert ihren Beruf im Söldnerwesen fanden. Dennoch erlauben die Quellen, einige Schlüsse zu dieser Gruppe zu ziehen. Es handelte sich bei diesen Männern um Angehörige einer doppelten Elite: Einerseits waren sie als Offiziere Teil einer militärischen Leistungselite. Die Schweizer Offiziere orientierten sich in ihrem Verhalten an den Idealvorstellungen der europäischen Offizierskorps, deren Hauptbestandteil die persönliche Ehre eines Offiziers war. Das zeigt sich etwa an der Praxis des Duellierens, das im Schweizer Offizierskorps vermutlich genau so häufig vorkam wie in anderen Armeen. Die Deutung der Kriegserlebnisse durch die Autoren geschah vor allem vor dem Hintergrund dieser kulturellen Prägung. Ihre Herkunft, die Zugehörigkeit zu einer Kriegspartei oder ihre Konfession spielten dagegen eine untergeordnete Rolle. Das bedeutet, dass sich die Kriegserfahrungen der Schweizer Söldneroffiziere nicht grundsätzlich von denjenigen ihrer preußischen, österreichischen oder französischen Kameraden unterschieden. Der Krieg wurde vor allem als Abfolge von Märschen und Belagerungen wahrgenommen, der christliche Glaube und das Versprechen von Ruhm und Ehre waren die wichtigsten Motivationen für einen Offizier. Die Schweizer Offiziere waren dank ihrer Herkunft aus den Oberschichten der eidgenössischen Orte in der Schweiz auch eine politische Elite. Eine Elite, die in den meisten Kantonen den Militärdienst als eine der wenigen akzeptablen Tätigkeiten betrachtete, die ein Mann ausüben konnte. Die Karriere eines Offiziers war folglich keine rein persönliche Angelegenheit, sondern eine gemeinschaftliche Anstrengung und Verpflichtung. Denn der Erfolg im Beruf bescherte der Familie ein höheres Ansehen und in den meisten Fällen ein regelmäßiges und großzügiges Einkommen. Ein solcher Erfolg musste unbedingt nach außen sichtbar sein, denn fehlende Anerkennung galt als Zeichen des Versagens und schmälerte das familiäre Ansehen. Diese Tatsache ist für das Verständnis der Selbstzeugnisse zentral. Denn Autobiographien oder Lebensläufe erfüllten eben den Zweck, die Fakten so zu präsentieren, dass die Leistung des Verfassers und die Anerkennung, welche er dafür erhielt (oder die man ihm fälschlicherweise vorenthielt), in den Vordergrund gerückt wurden. Oder die Texte, die Briefe etwa, waren ein Mittel zum Zweck, in denen notwendige Informationen ausgetauscht, gemeinschaftliche Strategien und Vorgehensweisen diskutiert und

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angeordnet wurden oder ganz banal der Familie mitgeteilt wurde: »Hallo, mir geht es gut, ich denke an euch.« Trotzdem dienten die Männer nicht nur als »Einzelkämpfer« in der Hoffnung, ihren Familien Ansehen zu bringen. Im Schweizer Offizierskorps in Fremden Diensten gab es ein gemeinsames, schweizerisches Bewusstsein. Die Offiziere waren bedacht, den Ruf der Schweizer als gute und treue Soldaten zu bewahren und zu schützen, und einige von ihnen förderten dieses Ansehen nicht zuletzt durch ihre Geschichtsschreibung, in der die Schweizer Söldner in eine Traditionslinie mit den siegreichen »Befreiern« und »Reisläufern« gestellt wurden. Auch »typisch schweizerisch« war, dass sich die Offiziere, trotz der adeligen Offizierskultur, die sie auslebten, ebenso selbstverständlich in die nivellierende aristokratisch-republikanische Ordnung ihrer Heimatkantone einfügten. Das Schweizer Offizierskorps im Ausland war zwar in Bezug auf die gesellschaftliche Herkunft ihrer Mitglieder homogen, jedoch nicht in Bezug auf deren geographische Herkunft, Sprache oder Konfession. In dieser »Nation« im Ausland, dem Regiment, das sich in der Armee in Konkurrenz mit anderen »Nationen« sah, entwickelte sich im 18. Jahrhundert ein schweizerisches Bewusstsein. Ähnlich wie die Sozietäten in der Heimat, so bildete das Offizierskorps in Fremden Diensten außerdem einen Ort, in dem (für die männliche Bevölkerung) über die Konfessions- und Sprachgrenzen hinweg Gemeinsamkeiten gefunden werden konnten. Die Fremden Dienste sind also nicht nur ein zeitgenössischer Erinnerungsort, sondern sie leisteten auch einen Beitrag zur Entstehung eines schweizerischen Nationalbewusstseins. Schließlich bleibt noch die Feststellung, dass das Söldnerwesen im 18. Jahrhundert, direkt oder indirekt, ein zentraler Aspekt der »Lebenswelt« und der Biographien der Männer aus der patrizisch-aristokratischen Oberschicht war. Die, oft familiäre, Vernetzung mit der politische und geistigen Elite der Eidgenossenschaft sorgte dafür, dass das Söldnerwesen, trotz heftiger Kritik an seinen Rahmenbedingungen, nur in Ausnahmefällen infrage gestellt wurde. Im Gegenteil: Weder politische Ereignisse wie die Französische Revolution oder die französische Besetzung der Eidgenossenschaft und die Gründung der Helvetischen Republik 1798 noch die sinkenden wirtschaftlichen Erfolgsaussichten oder das schwindende Angebot an potenziellen Soldaten konnten das Söldnerwesen in der Schweiz beseitigen, so lange es noch Familien gab, die sich ganz oder teilweise über diese Tätigkeit definierten und damit ihre Mitglieder versorgten. Den Beteiligten im Solddienst ging es nie nur um eine Abwägung zwischen dem finanziellen oder symbolischen Kapital und den Gefahren des Militärdienstes. Der Solddienst gehörte bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zur standeskonformen Lebensführung eines Teils der Oberschicht und war eine Quelle für ihren Status und Einfluss. Ihre Briefe, Tagebücher und Erinnerungen sind bis in unsere friedliche und egalitäre Gegenwart hinein eindrucksvolle Zeugnisse dafür.

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Quellen

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Archives de l’Etat de Fribourg Chroniques 60a: Diesbach, Jean-Fr¦d¦ric de, Autobiographie von Jean-F¦d¦ric de Diesbach [um 1728?]. Chroniques 60b: Diesbach, Jean-Fr¦d¦ric de, »M¦moires autobiographiques du Prince F¦deric de Diesbach« [um 1728?]. Chroniques 60e: Diesbach, Jean-Fr¦d¦ric de, »Memoire« [nach 1734].

Staatsarchiv Graubünden Archiv von Planta Reichenau D III/R III 206: Planta, Friedrich von (Samedan), »Etat du service de M. Frederic Planta pendant les campagnes de 7 ans« [nach 1762]. Familienarchiv von Planta: D III/S II Ac 52: Planta, Friedrich von (Samedan), »Etat de mes Services en France 1757 – 1765« (1766/1767). AB IV 7a 11: Travers, Johann Viktor von (von Ortenstein), Militärischer Lebenslauf [1766?]. Familienarchiv Perini A Sp III 12b Nr. 17D: Perini, Balthasar, Tagebuch (1781 – 1789). D V/4 d Nr. 75: Planta, Johann Luzius von, »Tagebuch des See[ligen] H[er]rn Schwieger Vaters Major Joh[ann] Luc[ius] v[on] Planta, über die Belagerung v[on] Maastrich im J [ahre] 1793« (1793).

Staatsarchiv Luzern PA 664 – 185: Meyer von Schauensee, Franz Bernhard, Brief von Hauptmann Haller (5. September 1788). PA 664 – 189: Korrespondenz Franz Bernhard Meyer von Schauensee (1782 – 1784). PA 665 – 103: Korrespondenz Jakob Anton von Sonnenberg (1760 – 1768). PA 954 – 19622: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Korrespondenz mit seinem Vater (1726 – 1746). PA 954 – 19623: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas, Korrespondenz (1742 – 1763). PA 954 – 19624: Schnyder von Wartensee, Karl Andreas und Georg Karl, Korrespondenz (1745 – 1778). PA 954 – 19625: Schnyder von Wartensee, Georg Karl, Korrespondenz (1778 – 1789).

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Staatsarchiv Solothurn BG 35,1: Von Roll, Brief an Hauptmann de Vigier (23. September 1771). BG 35,1: Keiser, Markus Anton Fidel, Brief an Hauptmann de Vigier (23. Dezember 1771).

Zentralbibliothek Solothurn S I 345/5: Arregger, Johann Viktor Lorenz (von Wildensteg), »R¦lation de la captivit¦ de M [onsieu]r le chevalier d’arregger noble Soleurien Colonel d’un Reg[imen]t Suisse de deux Bataillon [!] au Service de Sa majest¦ Catholique Philipe cinq Roy des Espagnes et des jndes et conselier du grand conseil de la Republique et Canton de Soleure en Suisse« (13. Mai 1741). S 53: Arregger, Johann Viktor Lorenz (von Wildensteg), »R¦lation de la captivit¦ de Monsieur le chevalier d’Arregger« (1803).

Staatsarchiv Uri P 7/71 2, Schmid von Uri (1428 – 1990): Schmid, Franz Martin, »Souvenir« [nach 1794].

Staatsarchiv Wallis Archives de la famille de Courten S¦rie B Cn6/1.1: Courten, Louis FranÅois-R¦gis de, »Journal de Ma Vie Avec un Detail Des epoques les plus interessantes qui y ont rapport« [nach 1791]. Fonds Guillaume de Kalbermatten R 27: Augustini, Antoine Marie, »Der seltene Matugnager« (1796).

Staatsarchiv Zug P 1/1: Keiser, Karl Franz, »Agenda g¦n¦ral contenant Souvenirs, Notes, R¦marques, Recettes, Depenses et Coetera. Commenc¦ le 1. Janvier 1792« (1792).

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Quellen

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Zentralbibliothek Zürich FA Hirzel 346.1 – 4: Hirzel, Hans Kaspar, Korrespondenz (1781 – 1789). FA Hirzel 351.2: Hirzel, Salomon, Korrespondenz mit Heinrich Hirzel (1783 – 1790). Rh. hist. 50: Du Fay de la Vallaz, Martin, »Biographie Oder Lebens-Beschreibung R [everendus] P[ater] Martini du Fay De Lavallaz, Ord[o] S[ancti] C.[?] B[enedicti] Professi et Capitularis in Principali Monasterio Einsidlensi. Von ihm selbsten beschrieben; und aufgeführt 1799« (1799).

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Anhang I: Personen

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1351 Etat militaire de France 1766, S. 223 und 1767, S. 228. 1352 Castella, Temps (wie Anm. 869), S. 56 ff. u. 78. 1353 StAWArchives de la famille de Courten S¦rie B Cn6/1.1 (wie Anm. 162); Etat militaire de France, 1775, S. 228. 1354 Dubois-Cattin, Correspondance (wie Anm. 276), S. 135 ff.

272

Anhang I: Personen

Erlach, Gabriel Albrecht von (1739 – 1802), von Bern, reformiert, Offizier der französischen Schweizergarde Fay, Martin du (de Lavallaz), (1755 – 1832), von Sitten, katholisch, Offizier in Frankreich, 1784 Eintritt in das Kloster Einsiedeln SZ.1355 GoumoÚns, Rudolf Ludwig von (1771 – 1839), von Bern, reformiert, Offizier in Frankreich, nach 1792 in den Niederlanden. Graviseth, Franz Ludwig von (1728 – 1803), von Bern, reformiert, Oberstleutnant in niederländischen Diensten.1356 Hertenstein, Karl-Joseph-Franz-Xaver von (1764 – 1811), von Luzern, katholisch, Leutnant der Schweizergarde in Frankreich.1357 Hirzel, Hans Kaspar (1764 – 1800), von Zürich, reformiert, Offizier in Frankreich.1358 Jenner, Samuel (1705 – 1779), von Bern, reformiert, Oberst in Frankreich, Kommandant eines Regiments. Keiser, Markus Anton Fidel (zum Frauenstein), (1733 – 1810), von Zug, katholisch, Großrichter der Schweizergarde in Frankreich. Maienfisch, Johann Jakob (1726 – 1802), von Kaiserstuhl AG, katholisch, Offizier in Frankreich Manuel, Gabriel (1720 – 1774), von Bern, reformiert, Offizier in Frankreich.1359 May, Beat Emanuel (von Romainmútier), (1734 – 1802), von Bern, reformiert, Offizier in Frankreich, Historiker. Meyer von Schauensee, Franz Bernhard (1763 – 1848), von Luzern, katholisch, Hauptmann der Schweizergarde in Frankreich. Paris l’A„n¦, FranÅois-Nicolas (?), aus dem Fürstbistum Basel (?), katholisch (?), Hauptmann im Regiment de Castella (4. Schweizerregiment) in Frankreich.1360 Perini, Balthasar von (1751 – 1833), von S-chanf GR, reformiert (?), Offizier in niederländischen Diensten. Planta, Friedrich von (Samedan), (1736 – 1806), von Samedan GR, reformiert, Offizier in französischen und preußischen Diensten. Planta, Johann Luzius von (1742 – 1804), aus Graubünden (?), reformiert (?), Offizier in den Niederlanden. Reynold, Gabriel Johann Joseph von (1726 – 1769), von Freiburg im Üechtland, katholisch, Offizier in Frankreich. Erhielt 1755 den Titel eines Barons Sacconay, Jean de (1646 – 1729), von Bursinel VD und Bern, reformiert, Offizier in französischen und niederländischen Diensten. Salis, Anton von (Marschlins), (1732 – 1812), von Igis GR und Zürich, reformiert, Mar¦chal de Camp in Frankreich, Inspektor und Generalleutnant im Königreich Neapel.

1355 ZBZH Rh. hist. 50 (wie Anm. 264). 1356 BBB Mss. h.h. LII.9.2: Rodt, Eduard von, Genealogien Burgerlicher Geschlechter der Stadt Bern (1950), Bd. 2, S. 259. 1357 Dictionnaire Historique et biographique de la Suisse, Bd. 4, S. 83, 1. Spalte. 1358 Keller-Escher, Carl, Die Familie Hirzel von Zürich: Genealogische und geschichtliche Übersicht, bearbeitet von Carl Keller-Escher, Leipzig 1899, Tafel IX. 1359 BBB Mss. h.h. LII.9.4: Rodt, Eduard von, Genealogien Burgerlicher Geschlechter der Stadt Bern (1950), Bd. 4, S. 16. 1360 Etat militaire de France 1766, S. 223.

Anhang I: Personen

273

Schmid, Franz Martin (1746 – 1802), Landmann von Uri, katholisch, Offizier in Frankreich.1361 Schnyder von Wartensee, Georg Karl (1744 – 1792), von Sursee LU, katholisch, Offizier in Frankreich. Neffe des Folgenden.1362 Schnyder von Wartensee, Karl Andreas (1707 – 1783), von Sursee LU, katholisch, Oberst in Frankreich. Sonnenberg, Jakob Anton Thüring von (1718 – 1805), von Luzern, katholisch, Offizier in Frankreich. Stettler, Bernhard Albrecht (1774 – 1856), von Bern, reformiert, 1792 – 1795 Offizier im Königreich Sardinien.1363 Studiger, Marc Anton (1690 – 1770), von Schwyz, katholisch, Offizier in Spanien und Frankreich.1364 Travers, Johann Viktor von (von Ortenstein), (1721 – 1776), von Tomils GR, katholisch, Generalleutnant in Frankreich. Wattenwyl, Bernhard Ferdinand von (1752 – 1837), von Bern, reformiert, Hauptmann in Frankreich.1365 Wattenwyl, Sigmund David Emanuel von (1769 – 1817), von Bern, reformiert, Offizier in den Niederlanden Zurlauben, Beat Fidel (1720 – 1799), von Zug, katholisch, Generalleutnant in Frankreich, Historiker. Neffe des Folgenden. Zurlauben, Beat Franz Plazidius (1687 – 1770), von Zug, katholisch, Oberst der Schweizergarde, Mar¦chal de Camp.

1361 StAUR P 7/71 2: Schmid von Uri (1428 – 1990), (wie Anm. 155). 1362 Liebenau, Schnyder von Wartensee (wie Anm. 283), Tafel VIII. 1363 Flatt, Karl H., Der Landschreiber zu Wangen – Notar der drei Oberaargauischen Ämter, in: Jahrbuch des Oberaargaus 30 (1987), S. 227 – 244., hier S. 236. 1364 StASZ PA 48, 1.2 (wie Anm. 156). 1365 BBB Mss. h.h.LII.9.6: Rodt, Eduard von, Genealogien Burgerlicher Geschlechter der Stadt Bern (1950), Bd. 6, S. 70.

274

Anhang I: Personen

Französische Könige und hohe Befehlshaber Name:

Im Amt:

Könige Ludwig XIV. (1638 – 1715), der »Sonnenkönig«, schuf 1672 die ersten permanenten Schweizerregimenter in Frankreich. 1643/1661 – 1715 Ludwig XV. (1710 – 1774), Enkel des Vorgenannten, war u. a. im Österreichischen Erbfolgekrieg an der Schlacht von Fontenoy beteiligt. 1715/1723 – 1774 Ludwig XVI. (1754 – 1793), regierte ab 1790 als konstitutioneller Monarch und wurde im September 1792 abgesetzt. 1774 – 1792 Generaloberste (Colonels g¦n¦raux des Cent-Suisses et Grisons)1366 Louis Auguste de Bourbon, Herzog von Maine (1670 – 1736), illegitimer Sohn von Ludwig XIV. Louis Auguste de Bourbon, Fürst von Dombes (1700 – 1755), Sohn des Vorhergehenden. Louis Charles de Bourbon, Graf von Eu (1701 – 1775), ein weiterer Sohn des Herzogs von Maine. Etienne FranÅois de Choiseul, Herzog von Choiseul (1719 – 1785), Kriegsminister 1761 – 1770. Charles, Graf von Artois (1757 – 1836), der spätere König Karl X.

1674 – 1719; 1721 – 1736 1736 – 1755 1755 – 1762 1762 – 1771 1771 – 1790

1366 May de Romainmútier, Histoire (wie Anm. 40) Bd. 1, S. 244 f.; »Colonels g¦n¦raux des Cent–Suisses et Grisons«, in: »Colonel g¦n¦ral«, Wikipedia, l’encyclop¦die libre, http:// fr.wikipedia.org/wiki/Colonel_g%C3 %A9n%C3 %A9ral#Colonels_g.C3.A9n.C3.A9raux_ des_Cent–Suisses_et_Grisons, 18. 12. 2012.

Anhang II: Schweizer Söldnereinheiten im 18. Jahrhundert

Die Schweizer Regimenter in Frankreich 1616/1672 – 17931367 Regiment Schweizergarde

1616 Gründungsjahr, erster Oberst war Kaspar Gallati (1535 – 1619). 1792 Mehrere Hundert Gardisten sterben am 10. August 1792 oder im Verlauf des Monats September, die Überlebenden werden entlassen und kehren zum Teil in die Schweiz zurück.

Linienregimenter Ordnungszahl nach der Stammliste vom 1791 63. Infanterieregiment (»1. CH-Regiment«) »Berner Regiment«

64. Infanterieregiment (»2. CH-Regiment«)

Jahr Besitzer (der Regimentsname orientierte sich am jeweiligen Besitzer) 1672 Johann Jakob von Erlach (1628 – 1694) 1694 1701 1728 1739 1751 1762 1782 1792

Albrecht Manuel (1656 – 1701) Charles de (Villars-)Chandieu (1659 – 1728) Beat Ludwig May (1671 – 1739) Georges Mannlich de Bettens (1669 – 1751) Samuel Jenner (1705 – 1779) Abraham von Erlach von Riggisberg (1716 – 1782) Beat Rudolf von Ernst (1733 – 1818) Unter dem Kommando von Beat Ludwig von Wattenwyl (1741 – 1825) im Mai Rückkehr nach Bern und Auflösung des Regiments 1672 Peter Stuppa (1620 – 1701) 1701 Jost Brändle [Brendl¦] (1642 – 1738)

1367 In Anführungszeichen stehen die in der Literatur manchmal verwendeten Bezeichnungen der einzelnen Regimenter. Historisches Lexikon der Schweiz, Online-Ausgabe: www.hls.ch; Castella, Temps ( (wie Anm. 869), S. 25 ff.; Girard, Histoire ( wie Anm. 725).

276

Anhang II: Schweizer Söldnereinheiten im 18. Jahrhundert

Fortsetzung Ordnungszahl nach der Stammliste vom 1791

65. Infanterieregiment (»3. CH-Regiment«)

66. Infanterieregiment (»4. CH-Regiment«)

Jahr Besitzer (der Regimentsname orientierte sich am jeweiligen Besitzer) 1738 Jean-Balthasar de F¦gely de Seedorf (1681 – 1751) 1752 FranÅois Jean Philippe de Boccard (1692 – 1782) 1782 Vincenz Guido von Salis-Sils (1708 – 1794) 1792 Am 20. August per Dekret der gesetzgebenden Versammlung entlassen 1672 Johann Rudolf von Salis-Zizers (1619 – 1690) 1690 1692 1702 1722 1739 1756 1763 1768 1792

Jean FranÅois Polier (nach 1640 – 1692) Franz von Reynold (1642 – 1722) Albert de Castella (1657 – 1722) Georges Mannlich de Bettens (1669 – 1751) FranÅois Monnin (1675 – 1756) Anton Sebastian Reding (1695 – 1770) Franz Ludwig Pfyffer von Wyher (1716 – 1802) Jakob Anton Thüring von Sonnenberg (1718 – 1805) Am 20. August per Dekret der gesetzgebenden Versammlung entlassen 1672 Franz Pfyffer von Wyher (1634 – 1689) 1689 1729 1737 1740 1756 1792

69. Infanterieregiment

1673 1691 1703 1714 1734 1757 1783 1792

79. Infanterieregiment

1677 1692 1714 1729 1738

Gabriel Hässi (um 1648 – 1729) Joseph Protais Burky (1669 – 1737) Peter Tschudi (1683 – 1740) Franz Joseph Wilhelm Vigier von Steinbrugg (1688 – 1756) Rodolphe de Castella (1705 – 1793) Am 20. August per Dekret der gesetzgebenden Versammlung entlassen. Wolgang Greder (1632 – 1691) Hans Ludwig Greder (1658 – 1701), Sohn des Vorgenannten Balthasar Greder (1667 – 1714), Bruder des Vorgenannten Franz von Affry (1667 – 1734) Andr¦ Widmer (1679 – 1757) Christian Friedrich Dagobert Waldner von Freundstein (1712 – 1783) Joseph Robert Wilhelm Vigier von Steinbrugg (1730 – 1794) Am 20. August per Dekret der gesetzgebenden Versammlung entlassen Johann Peter Stuppa (1635 – 1692) Johann Jakob Surbeck (1644 – 1714) Hans Jakob von Hemel (1667 – 1729) Karl Jakob Besenval von Brunnstatt (1677 – 1738) Abraham-Hubert de Joffrey de la Cour-au-Chantre (1675 – 1748)

Anhang II: Schweizer Söldnereinheiten im 18. Jahrhundert

277

Fortsetzung Ordnungszahl nach der Stammliste vom 1791

85. Infanterieregiment

86. Infanterieregiment »Walliser Regiment«

95. Infanterieregiment

97. Infanterieregiment »Zürcher Regiment« 100. Infanterieregiment »Fürstbischöflich«

Jahr Besitzer (der Regimentsname orientierte sich am jeweiligen Besitzer) 1748 Gaspard-Etienne de Barbeau de Grandvillars (1684 – 1749) 1749 Jean-Alexandre de Balthasar (1689 – 1754) 1754 Ludwig August von Planta-Wildenberg (1702 – 1760) 1760 Louis-Fr¦d¦ric d’Arbonnier de Dizy (1698 – 1780) 1763 Samuel Jenner (1705 – 1779) 1774 Paul Rodolphe d’Aubonne (1708 – 1783) 1783 Jacques Andr¦ Lullin de Ch–teauvieux (1728 – 1816) 1792 Am 20. August per Dekret der gesetzgebenden Versammlung entlassen 1689 Johann Baptista von Salis-Soglio (1646 – 1701) 1702 Hans Rudolf von May (1652 – 1715) 1715 Amy Buisson (1649 – 1721) 1721 FranÅois Philippe de Diesbach-Steinbrugg (1682 – 1764) 1764 Romain de Diesbach de Belleroche, (1716 – 1786) 1785 Ladislas de Diesbach de Belleroche (1747 – 1822), Sohn des Vorgenannten 1791 Rudolf von Diesbach (1734 – 1797) 1792 Am 20. August per Dekret der gesetzgebenden Versammlung entlassen 1690 Jean-Etienne de Courten (1653 – 1723) 1723 Melchior-FranÅois de Courten (1656 – 1728), Cousin des Vorgenannten 1728 Pierre-Anne de Courten (1689 – 1744), Sohn des oben Genannten 1744 Maurice de Courten (1692 – 1766), Bruder des Vorgenannten 1766 Antoine-Pancrace de Courten (1720 – 1789) 1790 Jean-Antoine de Courten (1725 – 1803) 1792 Am 20. August per Dekret der gesetzgebenden Versammlung entlassen 1734 Johann Viktor von Travers von Ortenstein (1682 – 1744) 1744 Karl Ulysses von Salis-Maienfeld (1707 – 1778) 1762 Anton von Salis-Marschlins (1732 – 1812) 1792 Am 20. August per Dekret der gesetzgebenden Versammlung entlassen 1752 Ulrich Lochmann (1700 – 1777) 1777 Jean de (Johannes von ?) Muralt (1710 – 1782) 1782 Hans Jakob Steiner (1724 – 1808) 1792 Aufgelöst. 1758 Johann Baptist von Eptingen (1714 – 1783) 1783 FranÅois-Xavier-Antoine de (Franz Xaver Anton von) Schönau (1742 – 1786) 1786 Sigismond de (Sigismund von) Reinach-Steinbrunn (1737 – 1815)

278

Anhang II: Schweizer Söldnereinheiten im 18. Jahrhundert

Fortsetzung Ordnungszahl nach der Stammliste vom 1791 Marineregiment Karrer (Freiregiment, von keinem Kanton anerkannt)

Jahr Besitzer (der Regimentsname orientierte sich am jeweiligen Besitzer) 1792 Am 20. August per Dekret der gesetzgebenden Versammlung entlassen 1719 Franz Adam Karrer (1672 – 1741) 1736 Ludwig Ignaz Karrer (1711!–1751), Sohn des Vorgenannten 1752 Franz Josef von Hallwyl (1719 – 1785) 1763 Aufgelöst

Schweizer Einheiten in den wichtigsten europäischen Dienstländern um 17891368 Ort Zürich

Frankreich Spanien Regiment (Rgt.) Steiner1369 16 Kompanien (Kp.)

Bern

Rgt. Ernst 16 Kp.

Luzern

Schwyz

Rgt. Sonnenberg 7 Kp. Rgt. Ch–teauvieux 3 Kp. Garde 2 Kp. Rgt. Sonnenberg 2 Kp. Rgt. Castella 1 Kp. Garde 1 Kp.

Obwalden

Rgt. Salis-Sils 3 Kp.

Uri

Niederlande Neapel Rgt. Lochmann 12 Kp. Garderegiment 1 Kp. Rgt. GoumoÚns 12 Kp. Rgt. May 12 Kp. Garderegiment 1 Kp.

Sardinien

Rgt. Stettler 12 Kp.

Rgt. Jauch 8 Kp. Rgt. Reding 10 Kp. Rgt. Betschart 10 Kp. Rgt. Wirz 8 Kp.

1368 Jaun, Anhang (wie Anm. 66); Czouz-Tornare, Troupes (wie Anm. 54), Anhang I/a. 1369 Die Regimenter tragen im Jahre 1789 den Namen ihres Besitzers.

279

Anhang II: Schweizer Söldnereinheiten im 18. Jahrhundert

Fortsetzung Ort Nidwalden Glarus (katholischer Landesteil) Glarus (reformierter Landesteil) Zug

Freiburg

Solothurn

Basel Schaffhausen Appenzell Ausserrhoden Appenzell Innerrhoden Fürstabtei St. Gallen

Stadt St. Gallen

Frankreich Spanien Rgt. Salis-Sils 3 Kp. Rgt. Ch–teauvieux 1 Kp. Rgt. Castella 4 Kp. Rgt. Vigier 1 Kp.

Niederlande

Rgt. Sonnenberg 1 Kp. Rgt. Castella 2 Kp.

Rgt. Stokar 3 Kp. Garderegiment 1 Kp.

Sardinien

Rgt. Tschudi 8 Kp.

Rgt. Sonnenberg 1 Kp. Rgt. Ch–teauvieux 1 Kp. Rgt. Sonnenberg 3 Kp. Rgt. Castella 2 Kp. Rgt. Vigier 4 Kp. Rgt. Ch–teauvieux 1 Kp. Rgt. Diesbach 5 Kp. Garderegiment 6 Kp. Rgt. Salis-Sils 2 Kp. Rgt. Schwaller 10 Kp. Rgt. Vigier 3 Kp. Rgt. Castella 2 Kp. Garderegiment 4 Kp. Rgt. Salis-Sils 4 Kp. Rgt. Ch–teauvieux 2 Kp. Rgt. Vigier 1 Kp. Rgt. Stokar 4 Rgt. Diesbach 1 Kp. Kp. Rgt. Vigier 1 Kp. Rgt. Stokar 4 Kp. Rgt. Diesbach 3 Kp. Rgt. Salis-Sils 1 Kp. Rgt. RüttiRgt. Castella 1 Kp. mann 10 Kp. Rgt. Vigier 1 Kp. Rgt. Ch–teauvieux 2 Kp. Rgt. Vigier 2 Kp.

Neapel

Rgt. Stokar 1 Kp.

Rgt. Schmid 4 Kp.

Rgt. Schmid 4 Kp.

280

Anhang II: Schweizer Söldnereinheiten im 18. Jahrhundert

Fortsetzung Ort Republik Graubünden

Republik Wallis

Frankreich Spanien Salis-Sils 1 Kp. Diesbach 2 Kp. Salis-Marschlins 16 Kp. Garderegiment 1 Kp. Rgt. Courten 16 Kp.

Fürstentum Neuenburg

Rgt. Salis-Sils 1 Kp. Rgt. Sonnenberg 1 Kp. Rgt. Castella 3 Kp. Rgt. Vigier 1 Kp. Rgt. Diesbach 1 Kp.

Genf

Rgt. Ch–teauvieux 3 Kp. Rgt. Diesbach 2 Kp. Rgt. Reinach 16 Kp.

Fürstbistum Basel (+ Stadt Biel) Stadt Rgt. Sonnenberg 1 Mühlhausen Kp. Rgt. Vigier 1 Kp. Bemerkungen: Dazu kam die Leibwache der Hundertschweizer. Neun Komp. in unterschiedlichen Regimentern waren »ambulant«, das heißt, nicht eindeutig einem Kanton zugewiesen.

Niederlande Neapel Rgt. Schmidt 12 Kp. Garderegiment 1 Kp.

Sardinien Rgt. Christ 12 Kp.

Rgt. Courten 12 Kp.

Es existierte noch ein Schweizer Regiment im Dienst der Ostindischen Gesellschaft.

Hundertschweizer

Anhang III: Karten

282

Karte 1: Schauplätze in den Selbstzeugnissen

Anhang III: Karten

283

Anhang III: Karten

Bildlegende 1

Paris und Umgebung: die Kasernen der 19 Brüssel Schweizergarde in Argenteuil, RueilMalmaison, Courbevoie und Saint-Denis

2

Versailles

20 Maastricht

3

Collioure

21 Kassel

4

Narbonne

22 Warburg, Ort der gleichnamigen Schlacht

5

B¦ziers

23 Frankfurt am Main

6

Marseille

24 Marschgebiet einer französische Armee im Sommer 1744 (wie auf den Seiten 79 f. beschrieben)

7

N„mes

25 Corte

8

Aix-en-Provence

26 Corsaccio

9

BrianÅon

27 Algier

10 Grenoble

28 Rom

11 Annecy

29 Neapel

12 Ceva

30 Bari

13 Saintes

31 Paola

14 Soissons

32 Reggio Calabria

15 Landrecies

33 Messina

16 Cambrai

34 Berlin

17 Lille

35 Amsterdam

18 Tournai und das Schlachtfeld von Fontenoy acht Kilometer südöstlich davon in Antoing

284

Anhang III: Karten

Karte 2: Die Schweizerische Eidgenossenschaft im 18. Jahrhundert, Wikipedia, Marco Zanoli

Zur Schriftenreihe »Herrschaft und soziale Systeme in der Frühen Neuzeit«

herausgegeben im Auftrag des Arbeitskreises Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit e. V. von Matthias Asche, Horst Carl, Marian Füssel, Bernhard R. Kroener, Stefan Kroll, Markus Meumann, Ute Planert und Ralf Pröve Legitimation, Praxis und Wirksamkeit von Herrschaft gehören zu den zentralen Themen der Geschichtswissenschaft. Insbesondere die Frühe Neuzeit war maßgeblich von einem Verdichtungsprozess von Herrschaft geprägt. Allerdings sind die bisher dominierenden Interpretationsmuster zur Beschreibung von Herrschaftspraxis und Staatsbildung in der letzten Zeit immer mehr in die Kritik geraten. Dies gilt schon seit längerem für den der Ideenwelt des 19. Jahrhunderts entlehnten, ursprünglich teleologisch fundierten Staatsbegriff im Allgemeinen sowie für das davon abgeleitete Konzept des Absolutismus. Aber auch jüngere, stärker auf sozialen und räumlichen Vorstellungen basierende Modelle wie Otto Brunners »Land und Herrschaft« oder Gerhard Oestreichs Konzept der Sozialdisziplinierung sind problematisch geworden. Ursächlich für dieses Unbehagen ist nicht zuletzt die idealtypische Begriffsbildung, die den Ergebnissen empirischer Forschung auf Dauer nicht standhalten konnte und so schließlich an erkenntnistheoretischem Nutzen verloren hat. Über die idealtypische Begriffsbildung hinaus scheint es deshalb notwendig, Herrschaft konkret, und zwar in ihren räumlichen wie in ihren sozialen Dimensionen und Reichweiten zu beschreiben. Herrschaft wird somit als soziale Praxis begriffen, die Herrschende und Beherrschte in einer kommunikativen und sich wandelnden, allerdings durch obrigkeitlich gesetzte Normen einerseits sowie ungeschriebene Traditionen andererseits begrenzten Beziehung verband.

Diese soziale Praxis entwickelte sich innerhalb der Grenzen eines Herrschaftsgebietes, oftmals aber zunächst innerhalb des kleineren Rahmens rechtlich, ökonomisch und sozial in sich geschlossener, voneinander abgegrenzter räumlicher und sozialer Einheiten. Um Herrschaft präzise beschreiben zu können, erscheint es daher ratsam, sie im Rahmen solcher Einheiten zu untersuchen, die oftmals zugleich Herrschaftsraum wie Herrschaftsinstrument sein konnten. Besonders gilt dies für Formationen, die sich aufgrund von Selbstbeschreibung und Sinnstiftung, aber auch ihrer funktionalen und kommunikativen Binnenstrukturen als »soziale Systeme« charakterisieren lassen. Zweifellos das herausragende Beispiel eines solchen sozialen Systems ist das Militär, also die Söldnerhaufen der aufziehenden Neuzeit und die Stehenden Heere des 17. und 18. Jahrhunderts. Gerade in diesen sich im und nach dem Dreißigjährigen Krieg immer stärker institutionalisierenden, mittels spezifischer Regeln und Symbole zusammenschließenden und zugleich nach außen abgrenzenden Armeen spiegelt sich die Herrschaftsproblematik der Frühen Neuzeit in besonders eindringlicher Weise wider. Zum einen war die militärische Gesellschaft der Frühen Neuzeit mit ihren Soldaten und deren Angehörigen in ihrer Binnenstruktur zugleich sozial wie auch rechtlich und hierarchisch, also herrschaftlich organisiert. Zum anderen war das Militär selbst Herrschaftsinstrument – im Krieg nach außen und im Frieden nach innen. Aber auch andere, weniger geschlossen auftretende Formationen und Institutionen kannten die doppelte Funktion als Objekt und Subjekt von Herrschaft, als deren Erprobungsfeld wie als deren Instrument. Dazu gehörten beispielsweise die übrigen Bereiche organisierter öffentlicher Herrschaftsausübung wie der sich immer weiter differenzierende Polizei- und Verwaltungsapparat oder die Justiz. Die in der vorliegenden Schriftenreihe erscheinenden Bände widmen sich der Geschichte dieser sozialen Systeme in unterschiedlichen thematischen und methodischen Zugängen, aus der Binnensicht ebenso wie aus der Außenperspektive. Immer aber steht dabei die doppelte Frage nach ihrer Herrschaftsfunktion wie nach ihrer Herrschaftsintensität im Vordergrund.

Veröffentlichungen des AMG Seit 2000 verfügt der Arbeitskreis über die Schriftenreihe Herrschaft und soziale Systeme in der Frühen Neuzeit

Bände bei V& R unipress (ab Band 14): Bd. 18: Marc Höchner, Selbstzeugnisse von Schweizer Söldneroffizieren im 18. Jahrhundert, Göttingen 2015, ca. 286 S. [ISBN 978-3-8471-0321-9] Bd. 17: Jan Kili‚n (Hrsg.), Michel Stüelers Gedenkbuch (1629 – 1649). Alltagsleben in Böhmen zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges, Göttingen 2014, 462 S. [ISBN 978-38471-0235-9]. Bd. 16: Ralf Pröve, Carmen Winkel (Hrsg.), Übergänge schaffen: Ritual und Performanz in der frühneuzeitlichen Militärgesellschaft, Göttingen 2012, 158 S. [ISBN 978-3-84710023-2]. Bd. 15: Horst Carl, Ute Planert (Hrsg.), Militärische Erinnerungskulturen vom 14. bis zum 19. Jahrhundert. Träger – Medien – Deutungskonkurrenzen, Göttingen 2012, 384 S. [ISBN 978-3-89971-995-6]. Bd. 14: Jan Peters (Hrsg.), Peter Hagendorf – Tagebuch eines Söldners aus dem Dreißigjährigen Krieg, Göttingen 2012, 238 S. [ISBN 978-3-89971-993-2].

Ältere Bände: Bd. 13: Matthias Meinhardt, Markus Meumann (Hrsg.), Die Kapitalisierung des Krieges. Kriegsunternehmer in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, Münster u. a. 2015, 408 S. [ISBN 978-3-643-10108-2]. Bd. 12: Anuschka Tischer, Offizielle Kriegsbegründungen in der Frühen Neuzeit. Herrscherkommunikation in Europa zwischen Souveränität und korporativem Selbstverständnis, Münster u. a. 2012, 338 S. [ISBN 978-3-643-10666-7]. Bd. 11: Ralf Pröve, Lebenswelten. Militärische Milieus in der Neuzeit. Gesammelte Abhandlungen, Münster u. a. 2010, 222 S. [ISBN 3-643-10768-8]. Bd. 10: Ewa Anklam, Wissen nach Augenmaß. Militärische Beobachtung und Berichterstattung im Siebenjährigen Krieg, Münster u. a. 2008, 312 S. [ISBN 978-3-8258-0585-2]. Bd. 9: Matthias Asche, Michael Herrmann, Ulrike Ludwig, Anton Schindling (Hrsg.), Krieg, Militär und Migration in der Frühen Neuzeit, Münster u. a. 2008, 344 S. [ISBN 978-3-8258-9863-6]. Bd. 8: Ursula Löffler, Vermittlung und Durchsetzung von Herrschaft auf dem Lande. Dörfliche Amtsträger im Erzstift und Herzogtum Magdeburg, 17. – 18. Jahrhundert, Münster u. a. 2005, 256 S. [ISBN 3-8258-8077-X]. Bd. 7: Beate Engelen, Soldatenfrauen in Preußen. Eine Strukturanalyse der Garnisonsgesellschaft im späten 17. und 18. Jahrhundert, Münster u. a. 2005, 672 S. [ISBN 38258-8052-4].

Bd. 6: Sebastian Küster, Vier Monarchien – Vier Öffentlichkeiten. Kommunikation um die Schlacht bei Dettingen, Münster u. a. 2004, 560 S. [ISBN 3-8258-7773-6]. Bd. 5: Matthias Rogg, Jutta Nowosadtko (Hrsg.) unter Mitarbeit von Sascha Möbius, »Mars und die Musen«. Das Wechselspiel von Militär, Krieg und Kunst in der Frühen Neuzeit, Münster u. a. 2008, 408 S. [ISBN 978-3-8258-9809-1]. Bd. 4: Michael Kaiser, Stefan Kroll (Hrsg.), Militär und Religiosität in der Frühen Neuzeit, Münster u. a. 2004, 352 S. [ISBN 3-8258-6030-2]. Bd. 3: Markus Meumann, Jörg Rogge (Hrsg.), Die besetzte res publica. Zum Verhältnis von ziviler Obrigkeit und militärischer Herrschaft in besetzten Gebieten vom Spätmittelalter bis zum 18. Jahrhundert, Münster u. a. 2006, 416 S. [ISBN 3-8258-6346-8]. Bd. 2: Markus Meumann, Ralf Pröve (Hrsg.), Herrschaft in der Frühen Neuzeit. Umrisse eines dynamisch-kommunikativen Prozesses, Münster u. a. 2004, 256 S. [ISBN 3-82586000-0]. Bd. 1: Stefan Kroll, Kersten Krüger (Hrsg.), Militär und ländliche Gesellschaft in der frühen Neuzeit, Münster u. a. 2000, 390 S. [ISBN 3-8258-4758-6]. Weitere Veröffentlichungen des AMG: Karen Hagemann, Ralf Pröve (Hrsg.), Landsknechte, Soldatenfrauen und Nationalkrieger. Militär, Krieg und Geschlechterordnung im historischen Wandel, Frankfurt am Main 1998 (= Geschichte und Geschlechter, Bd. 26), 368 S. [ISBN 3-593-36101-9]. Bernhard R. Kroener, Ralf Pröve (Hrsg.), Krieg und Frieden. Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit, Paderborn 1996, 356 S. [ISBN 3-506-74825-4].